AE-Manual der Endoprothetik
Lutz Claes€•Â€Peter Kirschner€€ Carsten Perka€•Â€Maximilian Rudert Herausgeber
AE-Manual Â� der Endoprothetik Hüfte und Hüftrevision
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Herausgeber Prof. Dr. Lutz Claes Universität Ulm Inst. für Unfallchirurgie, Forschung und Biomechanik Helmholtzstraße 14 89081 Ulm Deutschland
[email protected] Prof. Dr. Peter Kirschner Katholisches Klinikum Mainz St. Vinzenz- und Elisabeth-Hospital An der Goldgrube 11 55131 Mainz Deutschland
[email protected]
Prof. Dr. Carsten Perka Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1 10117 Berlin Deutschland
[email protected] Prof. Dr. Maximilian Rudert Orthopädische Klinik König Ludwig Haus Julius-Maximilians-Universität Würzburg Brettreichstraße 11 97074 Würzburg Deutschland
[email protected]
Projektkoordinator Prof. Dr. Ulrich Holz Don Carlosstraße 23 70563 Stuttgart Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-14645-9â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-14646-6 DOI 10.1007/978-3-642-14646-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: deblik, Berlin Zeichnungen: Reinhold Henkel, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Geleitwort
Der endoprothetische Ersatz von Gelenken, insbesondere großer Gelenke, gilt heute zu Recht als eine der erfolgreichsten operativen Prozeduren des gesamten chirurgischen Fachgebiets. Dies gilt nicht nur für kurz- und mittelfristige Heilungsaussichten, sondern auch für mehr als 15-jährige Langzeitperspektiven unter dem Aspekt der gewonnenen Lebensqualität. Gesundheitsökonomen haben errechnet, dass die durch einen Gelenkersatz gewonnenen Jahre an Lebensqualität, verglichen mit anderen medizinischen Prozeduren besonders kostengünstig sind. Die Zahl der allein in der Bundesrepublik Deutschland jährlich implantierten Hüft- und Kniegelenksendoprothesen zeigt, dass die Behandlung von Verschleißerkrankungen und Verletzungen der Gelenke einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Faktor darstellt, dessen Bedeutung angesichts der demographischen Entwicklung weltweit ohne jeden Zweifel rasch zunehmen wird. Folgerichtig ist für viele Krankenhäuser inzwischen die GelenkEndoprothetik von herausragendem bis überlebensentscheidendem ökonomischem Gewicht. Die große Zahl von Anbietern wundert also nicht. Ebenso wenig wundern die Ergebnisse der kurz-, mittel- und langfristigen Ergebnisforschung, die zeigen, dass trotz der national und international enormen Erfahrung auf dem Gebiet der Gelenkendoprothetik eine Menge kleiner und großer Fehler mit kleinen und großen Konsequenzen gemacht werden können. Der auch von Patienten immer wieder geäußerten Einschätzung, bei Gelenkersatzoperationen handele es sich um „Routineeingriffe“, muss energisch widersprochen werden. Jeder dieser häufig durchgeführten Eingriffe hat seinen individuellen Aspekt, muss auf das Sorgfältigste vorgeplant und ebenso sorgfältig – in Kenntnis und unter potentieller Beherrschung sämtlicher denkbarer Komplikationen – durchgeführt werden. Kein Eingriff ohne gründliche Schulung, keine Verwendung von Implantaten ohne vorheriges Training. Selbstüberschätzung ist auch hier die Saat für viele Fehlschläge. Der endoprothetische Gelenkersatz duldet auch keine kleinen Fehler, auch sie können große Folgen für die Langzeitprognose haben. Präzision ist gefragt, der Patient erwartet zu Recht ein perfektes Ergebnis. Dies ist das Umfeld, in welchem nach mehr als 10 Jahren gegenseitigem Erfahrungsaustausch aus den Reihen der Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik die Idee eines AE-Manuals geboren wurde. Inspiriert durch das erfolgreiche Konzept des AOManuals haben sich aus dem Kreise der AE-Mitglieder Editoren und Autoren mit großem Enthusiasmus an die Arbeit gemacht, ein oder besser das Standardlehrbuch zu erstellen, welches auf alle Fragen aus dem Gebiet der Gelenkendoprothetik und dessen Umfeld erschöpfend auf aktuellem Stand Auskunft gibt, ohne die Praxisnähe zu verlieren und durch Theorielastigkeit für Operateure in Aus- und Weiterbildung „unlesbar“ zu werden. Nach ihrem Leitbild sieht die AE ihre Hauptaufgabe in der v
Geleitwort
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kontinuierlichen Gestaltung einer umfassenden Fort- und Weiterbildung für Ärzte und OP-Personal, der Nachwuchsförderung, der klinischen Forschung, der Patienteninformation und dem internationalen Austausch. Als neutrale und unabhängige Vereinigung sieht sich die Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik geradezu prädestiniert, ein solches Standardwerk herauszugeben. Dass dies ein großes, ein schwieriges Werk werden würde, war allen klar. Umso mehr freuen wir uns, dass es nun tatsächlich Stück für Stück vollendet werden konnte. Zu danken ist dies der Energie und der Expertise aller aktiv Beteiligten, die ihren speziellen Erfahrungsschatz hier weitergeben. Das vorliegende Manual und die regelmäßigen Kurse und Kongresse der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik sind Teil eines sich stets aktualisierenden Gesamtkonzepts. AE-Manual und AE-Kurse ergänzen sich gegenseitig. Die Herausgabe eines solchen mehrbändigen Buchprojektes bedarf einer ganz besonderen Koordinationsleistung. Der AE stand in Professor Dr. Ulrich Holz ein Koordinator zur Verfügung, der mit Erfahrung, Weitblick und energischer Tatkraft für Fortgang und Abschluss des Projektes Sorge trug. Ihm sei an dieser Stelle besonders gedankt. Ebenso sei Klaus Hug als dem ursprünglichen Projektinitiator Dank gesagt. Ohne seinen Impuls wäre das AE-Manual nicht aus den Startblöcken gekommen. Viele geduldige und ungeduldige Autoren können nun aufatmen, nach langen Mühen dürfen sie jetzt ihr Werk in der Hand halten. Wesentlichen Anteil daran hatten die verantwortlichen Mitarbeiter des Springer Verlages, denen an dieser Stelle für ihre freundliche und sehr gute Zusammenarbeit gedankt sei. Unseren Lesern wünschen wir im Namen der AE eine Informationsquelle, die ihren Bedürfnissen entspricht. Eine große Gruppe von Experten hat sich bemüht, dieses Ziel zu erreichen. Prof. Dr. Volker Ewerbeck Past Präsident der AE Prof. Dr. Klaus-Peter Günther, Präsident
Vorwort
Die Hüftgelenksendoprothetik hat sich zu einem Routineverfahren entwickelt, das aus dem Alltag einer orthopädischen und unfallchirurgischen Klinik nicht mehr wegzudenken ist. Jede Klinik benutzt ein anderes System, einen unterschiedlichen Zugang und hat je nach der Anzahl der endoprothetischen Eingriffe einen unterschiedlichen Ausbildungsstandard. Die Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, möglichst viele Informationen über die Endoprothetik im Rahmen ihrer Kurse zu vermitteln. Dieses Programm wird durch den Band Hüfte und Hüftrevision ergänzt und erweitert. Dadurch werden dem Leser Hintergrundinformationen vermittelt, die er sich sonst, wenn überhaupt, nur mühsam zusammen tragen müsste. So ist in diesem Buch über die Geschichte der Endoprothetik, die unterschiedlichen Endoprothesen-Designs, die Biomechanik, die verschiedenen operativen Techniken in Abhängigkeit von der Grunderkrankung sowie die Revisionseingriffe alles enthalten, was ein junger Assistent vor der ersten Operation und in der Weiterbildung lernen sollte. Für den erfahrenen Facharzt wird sich dieses Buch als nützliches Nachschlagewerk erweisen, in dem auch Tipps und Tricks für besondere Situationen aufgezeigt werden. Es wird Information in komprimierter Form bereitgestellt. Komplexe diagnostische und operative Algorithmen lassen sich ebenso nachlesen wie ein Beitrag über mittel- und langfristige Ergebnisse aus nationalen und internationalen Endoprothesenregistern, an denen sich die deutsche Endoprothetik mit dem internationalen Standard messen lassen muss. Erfahrene Autoren, die einigen Kollegen aus den Kursen bereits bekannt sein dürften, haben ihr Wissen zusammengetragen und damit ein einzigartiges Werk geschaffen, um die Endoprothetik in Deutschland voranzubringen und allen Orthopäden und Unfallchirurgen einen hohen Ausbildungsstand zu vermitteln. Würzburg Berlin Mainz Ulm
Maximilian Rudert Carsten Perka Peter Kirschner Lutz Claes
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Inhalt
1â•… Historie und Epidemiologie ����������������������������������尓������������������������������������尓� ╅╇ 1 A. M. Halder, M. Stiehler und K.-P. Günther 2â•… Funktionelle Anatomie und Biomechanik ����������������������������������尓������������� ╇╇ 21 R. Putz, U. Simon, L. Claes, H. P. Nötzli und T. F. Wyss 3â•… Implantate ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������� ╇╇ 47 R. Willi, C. Rieker, M. Thomsen und P. Thomas 4â•… Biomechanik der prothetisch versorgten Hüfte ����������������������������������尓���� ╇╇ 83 R. Decking und L. Claes 5â•… Untersuchung und Indikationsstellung ����������������������������������尓������������������ ╇╇ 91 C. Heisel, K. Bohndorf, D. Parsch, M. Rickert, G. Zeiler, B. M. Holzapfel, H. Rechl und M. Rudert 6â•… Präoperative Vorbereitung ����������������������������������尓������������������������������������尓�� ╇ 129 J. Winckelmann, P. Geiger, R. Decking, T. Mattes, H. Reichel und N. H. Müller 7â•… Operation ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������ ╇ 161 M. Wagner, S. J. Breusch, V. Ewerbeck, P. R. Aldinger, M. Rudert, B. M. Holzapfel, K.-P. Günther, T. Gotterbarm, P. Kirschner, A. M. Halder, P. A. Grützner, F. Gebhard, G. Krischak, O. Niggemeyer, W. Rüther, U. Nöth, L. Rackwitz, M. Fürst, C. H. Lohmann, A. Niemeier, G. Zeiler und R. Gradinger 8â•… Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement ����� ╇ 325 G. von Foerster, G. Hundt und M. Schmidt 9â•… Postoperative Maßnahmen ����������������������������������尓������������������������������������尓� ╇ 353 P. Kirschner, S. Goebel, M. Rudert und J. Heisel 10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie ����������������������������������尓���������������������� ╇ 373 ╇C. Perka, K. Thiele, G. Matziolis und T. Gehrke 11â•… Individuelle Ergebniskontrolle ����������������������������������尓������������������������������� ╇ 401 ╇ J. Mettelsiefen 12â•… Begutachtung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������ ╇ 411 ╇ K. Weise 13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse ����������������������������������尓������������ ╇ 419 ╇ H. Kienapfel und A. Becker ix
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14â•… Revisionsendoprothetik ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 441 ╇C. Perka, B. Fink, M. Millrose, U. Sentürk, M. Wagner, J. Schröder, H. Bail, R. Ascherl, A. Pruss, K. Thiele und C. Götze Sachverzeichnis ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������� ╇ 589
Inhalt
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. med. habil Peter Aldinger╇ Orthopädische Klinik Paulinenhilfe, Diakonieklinikum Stuttgart, Rosenbergstraße 38, 70176 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Rudolf Ascherl╇ Zentrum für Spezial- und Wechselendoprothetik und chirurg. Infektiologie, Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, Zeisigwaldstr. 101, 09130 Chemnitz, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Hermann Josef Bail╇ Klinik für Unfall- und Orthopädische Chirurgie, Klinikum Nürnberg Süd, Breslauer Straße 201, 90471 Nürnberg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Andreas Becker╇ Klinik für Spezielle Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie, Auguste-Viktoria-Klinikum, Rubensstraße 125, 12157 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Klaus Bohndorf╇ Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie, Klinikum Augsburg, Stenglinstraße 2, 86156 Augsburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Steffen Breusch╇ Orthopaedic Department, University of Edinburgh, Little France, EH16 4SU Edinburgh, Scotland E-Mail:
[email protected] Prof. em. Dr. biol. hum. Lutz Claes╇ Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, Universität Ulm, Helmholtzstraße 14, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Ralf Decking╇ Klinik für Orthopädie, St. Franziskus-Hospital, Schönsteinstraße 63, 50825 Köln-Ehrenfeld, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Volker Ewerbeck╇ Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Schlierbacher Landstraße 200A, 69118 Heidelberg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Bernd Fink╇ Klinik für Endoprothetik, Allgemeine und Rheumaorthopädie, Orthopädische Klinik Markgröningen gGmbH, Kurt-Lindemann-Weg 10, 71706 Markgröningen, Deutschland E-Mail:
[email protected] xi
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Dr. med. Götz von Foerster╇ Orthopädische Abteilung, Tabea GmbH im ArtemedKlinikverbund, Kösterbergstraße 32, 22587 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Martin Fürst╇ Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Orthopädische Rheumatologie, Wittorfer Str. 89, 24539 Neumünster, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Florian Gebhard╇ Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Steinhövelstr. 9, 89075 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Thorsten Gehrke╇ ENDO-Klinik Hamburg GmbH, Holstenstraße 2, 22767 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Peter M. Geiger╇ Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerzmedizin im RKU, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Sascha Goebel╇ Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Brettreichstraße 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Tobias Gotterbarm╇ Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Schlierbacher Landstraße 200A, 69118 Heidelberg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Christian Götze╇ Klinik für Allgemeine Orthopädie, Rheumaorthopädie und Endoprothetik, Auguste-Viktoria-Klinik, Am Kokturkanal 2, 32545 Bad Oeynhausen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Reiner Gradinger╇ Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Rechts der Isar, Ismaninger Straße 22, 81675 München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Paul Alfred Grützner╇ Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, BG Klinik Ludwigshafen, Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Klaus-Peter Günther╇ Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, Haus 29, 01307 Dresden, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Andreas M. Halder╇ Klinik für Endoprothetik, Waldhausstraße 1, 16766 Sommerfeld/Kremmen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Christian Heisel╇ ARCUS-Sportklinik, Rastatter Str. 17–19, 75179 Pforzheim, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Autorenverzeichnis
Autorenverzeichnis
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Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Jürgen Heisel╇ Orthopädische Abteilung der Fachkliniken Hohenurach, 72574 Bad Urach, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Boris Michael Holzapfel╇ Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Brettreichstr. 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Guido Hundt╇ Sektion Anästhesie und Intensivtherapie, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Schlierbacher Landstraße 200a, 69118 Heidelberg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Heino Kienapfel╇ Klinik für Spezielle Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie, Auguste-Viktoria-Klinikum, Rubensstraße 125, 12157 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. em. Dr. med. Peter Kirschner╇ Katholisches Klinikum Mainz, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, St. Vincenz und Elisabeth Hospital, An der Goldgrube 11, 55131 Mainz, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Gert Krischak╇ Leiter d. Forschungsinstituts, Forschungszentrum für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm, Therapiezentrum Federsee Wuhrstraße 2/1, 88422 Bad Buchau, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Christoph Hubertus Lohmann╇ Orthopädische Universitätsklinik, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Thomas Mattes╇ Orthopädische Klinik, Klinik am Eichert, Eichertstr. 3, 73035 Göppingen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Georg Matziolis╇ Klinik für Orthopädie, Centrum für MuskuloSkeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Jan Mettelsiefen╇ Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, Haus 29, 01307 Dresden, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Michael Millrose╇ Klinik für Orthopädie Centrum für Muskulo-Skeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Norbert H. Müller╇ Kanzlei Klostermann, Schmidt und Partner, Kortumstraße 100, 44787 Bochum, Deutschland E-Mail:
[email protected]
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Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Niemeier╇ Orthopaedic Department, University of Edinburgh, Little France, EH16 4SU Edinburgh, Scotland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Oliver Niggemeyer╇ Zentrum für Operative Medizin, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Nöth╇ Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Brettreichstraße 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Hubert P Nötzli╇ Orthopädische Klinik, Spital Netz Bern-Ziegler, Morillonstrasse 75–91, 3001 Bern, Schweiz E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Dominik Parsch╇ Karl-Olga-Krankenhaus, Hackstraße 61, 70190 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Carsten Perka╇ Centrum für MuskuloSkeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Axel Pruss╇ Gewebebank, Institut für Transfusionsmedizin, Charité –Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected],
[email protected] Prof. Dr. med. Reinhard Putz╇ Institut für Anatomie und Zellbiologie, Pettenkoferstraße 11, 80336 München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Lars Rackwitz╇ Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Brettreichstraße 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Dr. vet. Hans Rechl╇ Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Rechts der Isar, Ismaninger Straße 22, 81675 München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Heiko Reichel╇ Orthopädische Universitätsklinik Ulm am RKU, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Markus Rickert╇ Klinik u. Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Univ.-Klinik Gießen und Marburg GmbH, Paul-Meimburg-Str. 3, 35392 Gießen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Claude Rieker╇ Zimmer GmbH, Sulzer-Allee 8, 8404 Winterthur, Schweiz E-Mail:
[email protected]
Autorenverzeichnis
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Prof. Dr. med. Maximilian Rudert╇ Orthopädische Klinik König Ludwig Haus, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Brettreichstraße 11, 97074 Würzburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther╇ Zentrum für Operative Medizin Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Michael Schmidt╇ Abteilung Innere Medizin, Klinik Bad Bergzabern, Danziger Straße 25, 76887 Bad Bergzabern, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Jörg Schröder╇ Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Ufuk Sentürk╇ Klinik für Orthopädie Centrum für Muskulo-Skeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr.-Ing. Ulrich Simon╇ Ulmer Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen, Helmholzstraße 20, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Maik Stiehler╇ Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, Haus 29, 01307 Dresden, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Kathi Thiele╇ Klinik für Orthopädie Centrum für Muskulo-Skeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Peter Thomas╇ Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Ludwigs-Maximilians-Universität München, Frauenlobstraße 9–11, 80337 München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. med. Marc Thomsen╇ Fachabteilung für Orthopädie, DRK-Klinik BadenBaden, Lilienmattstraße 5, 76530 Baden-Baden, Deutschland E-Mail: Orthopä
[email protected] Prof. Dr. med. Michael Wagner╇ Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Katholisches Klinikum Mainz, St. Vincenz und Elisabeth Hospital, An der Goldgrube 11, 55131 Mainz, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. em. Dr. med. Kuno Weise╇ Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Schnarrenbergstraße 95, 72076 Tübingen, Deutschland E-Mail:
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Roland Willi╇ Zimmer GmbH, Sulzer-Allee 8, 8404 Winterthur, Schweiz E-Mail:
[email protected] Dr. med. Jörg Winckelmann╇ Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin am RKU, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. med. Tobias F. Wyss╇ Orthopädische Klinik, Spital Netz Bern-Ziegler, Morillonstrasse 75–91, 3001 Bern, Schweiz E-Mail:
[email protected] Prof. em. Dr. med. Günther Zeiler╇ Orthopädisch-unfallchirurgische Klinik, Wichernhaus am Krankenhaus Rummelsberg, Rummelsberg 71, 90592 Schwarzenbruck, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Autorenverzeichnis
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Historie und Epidemiologie A. M. Halder, M. Stiehler und K.-P. Günther
1.1 G eschichte der Endoprothetik des Hüftgelenks A. M. Halder
1.1.1 Resektionsarthroplastik Die Geschichte der Arthroplastik reicht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Im Jahr 1768 führte der schottische Chirurg Charles White den wegweisenden Eingriff durch: Bei einem 14-jährigen Jungen, dessen Schultergelenk in Folge einer Osteomyelitis gebrauchsunfähig war, entfernte er den Oberarmkopf. Der Arm blieb im Schultergelenk beweglich und war lediglich kürzer als der gesunde (White 1770) (Abb.€ 1.1(a), (b)). Damit war die erste Resektionsarthroplastik ein durchschlagender Erfolg und hob sich von der bis dahin üblichen Therapie ab, das zerstörte Gelenk zu versteifen oder die Gliedmaße zu amputieren. Französische Wissenschaftler erforschten daraufhin die Veränderungen nach Gelenkresektion gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Tierversuchen. Die Ergebnisse waren allerdings so entmutigend, dass man die Remobilisierung zerstörter Gelenke weiterhin für unmöglich hielt (Reimers 1970). Insofern war es erneut ein Wagnis, als der Londoner Chirurg Anthony White im Jahre 1821 ein Gelenk durch Resektion mobilisierte. Bei einem 19-jährigen Mann, der durch einen Sturz eine Hüftgelenksluxation erlitten hatte und gehunfähig war, entfernte er den A. M. Halder () Klinik für Endoprothetik, Waldhausstraße 1, 16766 Sommerfeld/Kremmen, Deutschland E-Mail:
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Hüftkopf und Schenkelhals und stellte den verbliebenen Knochenstumpf in die Gelenkpfanne ein. Damit erzielte er ein belastungsfähiges Gelenk mit begrenzter Beweglichkeit (nach Blauth und Donner 1979). Der Eingriff war in mehrfacher Hinsicht heroisch, zumal erst 1844 die Äthernarkose durch Jackson und Morton eingeführt und 1867 die Prinzipien der Asepsis und Antisepsis durch Lister etabliert worden sind. In Amerika durchtrennte Barton aus Philadelphia im Jahr 1826 bei einem 21-jährigen Seemann, dessen Hüftgelenk nach Fraktur in Flexions-Adduktions-Stellung ankylosiert war, den Schenkelhals mit einer Stichsäge. Nach der Operation, die ganze 7€min dauerte, ließ er den Patienten Bewegungen machen, damit die Fragmente nicht konsolidierten, wodurch er ein gut funktionsfähiges Gelenk erlangte (Barton 1827; Abb.€1.2). In Deutschland wurde das Verfahren durch Heine aus Würzburg aufgegriffen, der 1831 die „subperiostale Gelenkresektion“ mit einem „Osteotom“ beschrieb. Die Resektionsarthroplastik fand so weite Verbreitung, dass Syme sie 1839 zum Standardverfahren erklärte. Der amerikanische Chirurg Sayre entwickelte 1863 die Operationstechnik weiter. Er resezierte das Femur subtrochantär, rundete die proximale Osteotomiefläche ab und bildete so die anatomische Gelenkform nach (Sayre 1855).
1.1.2 Interpositionsarthroplastik Mit zunehmender Erfahrung traten die Probleme der Methode zutage: Eine zu ausgedehnte Resektion der Gelenkenden führte zum Schlottergelenk mit Verlust der Muskelwirkung, eine zu sparsame Entfernung zur fibrösen Versteifung oder Ankylose. So schlug Ver-
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_1, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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A. M. Halder
2 Abb. 1.1(a), (b)↜ Erste Resektionsarthroplastik
neuil im Jahr 1863 vor, die zugerichteten Knochenflächen mit Gewebe zu separieren, um Verwachsungen zu verhindern (Verneuil 1863). Doch erst 1874 gelang es Helferich, ein Gelenk dauerhaft zu remobilisieren, indem er Muskellappen zwischen die durchtrennten Knochenenden legte. 1894 beschrieb er die Wiederherstellung der Funktion eines Kiefergelenks durch Resektion der Gelenkenden und Interposition des M. temporalis (Helferich 1894). Murphy entwickelte die Methode für die untere Extremität weiter (Blauth und Donner 1979). Misserfolge führte man nun auf die Art des Interponats zurück. In der Folgezeit wurden die unterschiedlichsten körpereigenen Gewebe wie Haut, Periost und Sehnen sowie körperfremdes Material (Schweinsblasen oder Rinderbauchfell), aber auch Metallplättchen, Gummi, Kollodium und Holz verwendet (Reimers 1970; Abb.€1.3(a), (b)). Schließlich erkannte man, dass selbst die gut verträglichen körpereigenen Gewebe an den Gelenken der unteren Extremität der Belastung auf Dauer nicht standhalten konnten. Lediglich an den Gelenken der oberen Extremität war aufgrund der geringeren Beanspruchung mit guten Resultaten zu rechnen.
1.1.3 Endoprothese (Alloarthroplastik) Der revolutionäre Gedanke des vollständigen Gelenkersatzes wurde erst um die vorletzte Jahrhundertwende geboren. Der Berliner Chirurg Themistocles Gluck (Abb.€1.4) glaubte an die Idee des einheilbaren Apparates zum Organersatz und wählte Elfenbein
als Material für ein künstliches Scharniergelenk, um das Einwachsen durch „Substitutionssynostose“ zu ermöglichen. Er implantierte die ersten Endoprothesen Patienten, deren Kniegelenke durch Tuberkulose zerstört waren (Abb.€1.5). Die Zapfen fixierte er in der Markhöhle mit einem Gemisch aus Kolophonium mit Bimsstein- oder Gipszusatz, dem ersten Knochenzement. Anhand eines Skeletts mit Gelenkersatzapparaten stellte er seine Idee am 12. April 1890 auf dem XIX. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin vor (Gluck 1891). Damit war er seiner Zeit weit voraus, stieß jedoch auf Unverständnis und Ablehnung. Auch klinisch scheiterte er damals. Die Infektionen der implantierten Kniegelenke waren nicht beherrschbar und das Material versagte. Hey-Groves verwendete 1922 ebenfalls Elfenbein als Ersatz für einen Hüftkopf, wobei sich das Material als untauglich bestätigte.
1.1.4 Gelenktransplantation Eine andere Möglichkeit des Gelenkersatzes war die Verpflanzung eines ganzen menschlichen Gelenks. Während Tietze und Nicoladoni schon 1897 über die Transplantation kleiner Gelenke an der oberen Extremität berichteten (Nicoladoni 1900), wagte Erich Lexer (Professor für Chirurgie in Königsberg, später München) 1907 die Verpflanzung ganzer Kniegelenke. Am 3. November ersetzte er den von einer Geschwulst zerstörten Schienbeinkopf einer 38-jährigen Patientin durch ein Gelenkstück, das er einem frisch amputier-
Historie und Epidemiologie 1â•…
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Abb. 1.2↜ Resektionsarthroplastik des Hüftgelenks nach Barton (1827)
ten Unterschenkel entnommen hatte. Am gleichen Tag transplantierte er ein ganzes Kniegelenk eines Amputierten einer 18-jährigen Patientin, die infolge einer Osteomyelitis des Kniegelenks unter einer Ankylose in Beugestellung litt (Lexer 1908). Auch andere Chirurgen und Orthopäden wie Axhausen (1908), Biesalski (1910), Buchmann (1908) und Deutschländer (1912)
experimentierten auf diesem Gebiet, doch ihre Ergebnisse blieben unbefriedigend. Neben hohen Infektionsraten kam es zu Ab- und Umbauerscheinungen an den Transplantaten mit daraus resultierender Fehlstellung sowie Gelenkinstabilität, die zum Scheitern dieser Methode führten.
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A. M. Halder
Abb. 1.3(a), (b)↜ Interpositionsarthroplastik des Hüftgelenks mit Faszienlappen nach Lange (1950)
dann in einer zweiten Operation wieder zu entfernen. Materialbruch und Unverträglichkeit führten zu Verwendung anderer Kunststoffe wie Viscaloid, Pyrex und Bakelit. Um die Hüftkappe permanent belassen zu können und so der Wiedereinsteifung vorzubeugen, verwendete er ab 1938 schließlich Vitallium, eine Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierung (Smith-Petersen 1939; Abb.€1.6).
1.1.6 Hemiprothesen aus Plexiglas
Abb. 1.4↜ Themistokles Gluck
1.1.5 Hüftkappe Nach dem ersten Scheitern der Totalendoprothese kehrte man zur Interpositionsarthroplastik zurück. Smith-Petersen aus Boston entwickelte 1923 eine Kappe aus Glas, die er als „Mould Arthoplastik“ unfixiert auf den Hüftkopf setzte, um der Natur die Reparatur des zerstörten Gelenks zu erlauben und sie
Doch die Überlastung des natürlichen Gelenkanteils durch den einseitigen Ersatz führte zu Osteolysen, Nekrosen und Frakturen des Azetabulums. Dies beobachteten auch die Brüder Jean und Robert Judet, die 1950 den Femurkopf durch eine Prothese aus Plexiglas ersetzten, die mit einem Stiel im Schenkelhals fixiert wurde (Judet und Judet 1950; Abb.€ 1.7(a), (b)). Die Prothese fand zunächst große Akzeptanz, doch trotz größerer Primärstabilität kam es schnell zu Lockerungen, Materialversagen und Gewebereaktionen auf das Fremdmaterial. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Femurkopfprothesen aus Plexiglas von Merle d’Aubigne, Lange und Rettig (Merle d’Aubigné und Postel 1954).
Historie und Epidemiologie 1╅ Abb. 1.5↜ Erste Endoprothese aus Elfenbein nach Gluck
Abb. 1.6↜ Mould-Arthroplastik aus Glas, Viscaloid, Pyrex, Bakelit und Vitallium nach Smith-Petersen
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Abb. 1.7(a), (b)↜ Femurkopfprothese aus Plexiglas nach Judet
1.1.7 Hemiprothesen aus Metall Um die Verankerung im Femur zu verbessern und das Materialversagen zu vermeiden, entwickelten Moore und Bohlmann (1943) eine Femurkopfprothese, die aus einer Chrom-Kobalt-Legierung bestand (Moore 1952; Abb.€ 1.8). Nach Resektion des Schenkelhalses wurde sie mit einem langen Metallstiel intramedullär im Femur verankert. Trotz materialtechnischer Vorteile kam es zur Überlastung der knöchernen Pfanne mit Ausdünnung des Azetabulums bis hin zur Penetration des Metallkopfes ins kleine Becken und zu Lockerungen der Prothesen.
1.1.8 Totalendoprothesen Um das Problem der Kraftübertragung bei unterschiedlicher Festigkeit von Prothesenmaterial und Knochen zu lösen, entwickelte Wiles schon 1938 in London die erste Totalendoprothese der Hüfte. Dabei verankerte er die Hüftpfanne aus Metall mit Schrauben im Azetabulum und den Hüftkopf aus Metall mit einem Bolzen im Schenkelhals (Wiles 1957; Abb.€1.9). Die Resultate waren ermutigend, doch der 2. Weltkrieg unterbrach die Entwicklung. Nach dem Krieg stellte McKee 1951 ebenfalls eine Hüfttotalendoprothese aus Metall vor. Die Metallpfanne wurde mit Stiften im knöchernen Azetabulum
Abb. 1.8↜ Femurkopfprothese aus Metall nach Moore
verankert, der Metallkopf von einem intramedullär im Femur verankerten Stiel gehalten (McKee 1951; Abb.€ 1.10(a), (b)). Nach den frühen Versuchen von Philipp Wiles handelte es sich hierbei um die erste Metall-Metall-Gleitpaarung in der Hüftendoprothetik. Aufgrund der damals noch wenig präzisen Fertigungstechnik kam es zu vermehrtem Metallabrieb und so zu frühzeitiger Lockerung sowohl der Schaft- als auch der Pfannenkomponente.
Historie und Epidemiologie 1â•…
Abb. 1.9↜ Erste Hüftkopfprothese nach Wiles
Zur Verbesserung der Verankerung im Knochen verwendete Haboush 1953 erstmals das aus der Zahnheilkunde bekannte Polymethylmetacrylat bei der Implantation von Hüftendoprothesen. Doch erst durch John Charnley kam es zur weltweiten Anwendung von Knochenzement zur Verankerung von Hüftendoprothesen. Er beschrieb 1960 die Fixierung einer KopfHals-Prothese mit diesem Material, ging aber bald dazu über beide Prothesenkomponenten einzuzementieren (Charnley 1961, 1979, 1981; Abb.€1.11). Damit erreichte er eine primär belastungsstabile Fixation der Endoprothese und eine gleichmäßige Krafteinleitung in den Knochen. Die anfänglich hohen Misserfolgsraten durch Infektionen konnten durch Verbesserung der OP-Hygiene mit Einführung von Reinraumkabinen, antibiotikahaltigem Knochenzement und perioperativer Antibiotikaprophylaxe auf unter ein Prozent gesenkt werden. Ab 1960 verwendeten auch McKee und Watson-Farrar (1966) Polymethylmetacrylat als Knochenzement zur Implantation ihrer Hüftendoprothesen. Doch neben der Verankerung im Knochen bestand das Problem der Reibung bei der Metall-MetallGleitpaarung der Hüftendoprothese von McKee und Watson-Farrar. Auch auf diesem Gebiet gelang John Charnley der entscheidende Durchbruch. Er reduzierte den Reibungswiderstand, indem er eine Pfanne
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aus Teflon (Polytetrafluorethylen, das aus der Herzklappenchirurgie bekannt war) verwendete und den Prothesenkopfdurchmesser auf 22,2€ mm verringerte. Dieses System nannte er Low-Friction-Arthroplasty. Bald wurde klar, dass Teflon durch Creeping und ColdFlow bei Überschreiten eines materialspezifischen Drucks zur Dauerverformung neigte und zu erhöhtem Abrieb führte (Abb.€1.12). Deshalb ersetzte Charnley 1963 Teflon durch das hochverdichtete Polyethylen, das einen wesentlich geringeren Cold-Flow-Effekt besitzt. Um die Druckbelastung pro Flächeneinheit des Polyethylens herabzusetzen, entwickelte Müller 1964 eine Totalendoprothese mit einem Kopfdurchmesser von 32€mm (Müller 1970). Buchholz vergrößerte 1966 nochmals den Durchmesser auf 38€ mm, wodurch er zusätzlich die Luxationsneigung herabsetzte (Buchholz 1973). Weber entwickelte 1968 die erste dreiteilige und damit modulare Hüftendoprothese. Der bananenförmige Schaft und die Pfanne wurden aus einer ChromKobalt-Legierung gefertigt. Der Prothesenkopf bestand aus Polyester und wurde mit Hilfe eines Rotationsbolzens, der in verschiedenen Längen verfügbar war, auf den Schaft gesteckt. Durch die Modularität konnte die korrekte Beinlänge eingestellt werden (Weber 1970). Die Polyesterköpfe wiesen jedoch einen starken Abrieb auf, so dass ab 1971 ein Metallkopf und eine Polyethylenpfanne verwendet wurden (Weber 1995; Abb.€ 1.13). Ab 1974 wurde Aluminiumoxidkeramik als Material für den Prothesenkopf eingeführt, um so die Reibung und damit den Abrieb zwischen Hüftkopf und Pfanne weiter zu verringern. Mit der Einführung des Knochenzements und der daraus resultierenden Primärstabilität setzte sich die Hüftendoprothetik weltweit als Standardverfahren durch. In Langzeitbeobachtungen fiel allerdings eine relativ hohe Rate aseptischer Lockerungen auf, die nach 5 bis 10 Jahren bis zu 19€ % betrugen. Schon 1956 hatte Mittelmeier auf die mangelnde Dauerschwingfestigkeit des Polymethylmetacrylats hingewiesen und so wurde die aseptische Lockerung der mechanischen Zerrüttung des Knochenzementes angelastet (Mittelmeier und Singer 1956). Zusätzlich spielen abriebbedingte Fremdkörpergranulome an der Knochenzementgrenze eine Rolle, wie Willert und Puls (1972) dargelegt hatten. Vor dem Hintergrund der begrenzten Standzeit der Hüftendoprothese hatte Charnley (1979) die Beschränkung der Indikation auf ältere Patienten empfohlen. Damit war jedoch
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Abb. 1.10(a), (b)↜ Erste Metall-Metall-Gleitpaarung nach McKee
Abb. 1.11↜ John Charnley
das Problem der Versorgung jüngerer Patienten mit vorzeitig verschlissenem oder zerstörtem Hüftgelenk nicht gelöst. Schon 1964 begann Ring in England wieder mit der zementfreien Implantation von Hüftendoprothesen. Die Metallpfanne verankerte er mit einer langen Schraube im Becken unter Zuhilfenahme eines Zielgeräts (Ring 1968; Abb.€ 1.14). Siwash entwickelte 1967 eine Hüftendoprothese, bei der erstmals der Stiel aus Titan gefertigt wurde. Kopf und Pfanne waren mit einem Sprengring verbunden. Während die Pfanne in das knöcherne Azetabulum geschraubt wurde, wurde der Prothesenstiel mit einem Stift rotationsstabil im Femur verankert (Siwash 1968).
Doch die ossäre Integration dieser zementfreien Prothesenmodelle blieb vielfach aus. Schon Charnley führte den Erfolg der zementierten Hüftendoprothesen nicht nur auf die hohe Primärstabilität, sondern auch auf die verbesserte Krafteinleitung in den Knochen über die große Oberfläche des Zementmantels zurück. Deshalb zielte die Weiterentwicklung zementfreier Hüftendoprothesen auf die Vergrößerung der Oberfläche ab, um eine ossäre Integration zu ermöglichen. So implantierte Judet erstmals eine Porometallprothese, die aus einer Kobalt-Chrom-Nickel-Verbindung bestand und eine makrostrukturierte poröse Oberfläche aufwies. Die Pfanne war zylinderförmig und der schlanke gebogene Schaft hatte einen lateralen Flügel für die Rotationsstabilität (Judet 1975; Abb.€ 1.15). Lord führte 1973 die „madrepore“ (korallenartige) Prothese ein, deren Oberfläche durch angegossene Kügelchen dreifach vergrößert wurde (Lord und Bancel 1983). 1974 stellte Mittelmeier die Tragrippenprothese vor, deren Entwicklung schon 1969 begann. Der Prothesenkopf und die Pfanne bestanden aus Aluminiumoxidkeramik, wobei die Pfanne in das knöcherne Azetabulum geschraubt wurde. Der konische Schaft war leicht gebogen und wies in der ersten Version zirkuläre Tragrippen auf (Mittelmeier 1974). Diese erbrachten jedoch keine ausreichende Rotationsstabilität, so dass der zweite Schafttyp untereinander angeordnete, runde und ovale Mulden aufwies, von denen die beiden oberen durchstoßen waren. Der dritte Schafttyp zeichnete sich durch eine zusätzliche Oberflächenstrukturierung aus (Abb.€1.16). Doch Aluminiumoxidkeramik konnte sich als Material für die Pfanne nicht durchsetzen, da es im
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Abb. 1.12↜ Low-Friction-Arthroplastik nach Charnley
Abb. 1.13↜ Zementierte modulare Hüftendoprothese nach Weber
Gegensatz zum Knochen völlig unelastisch ist und die Oberfläche keine Möglichkeit zur Osteointegration bietet. Das Prinzip der Oberflächenvergrößerung hat
sich jedoch als erfolgreich erwiesen. 1982 erfolgte die Implantation der ersten konischen Schraubpfanne mit Polyethyleneinsatz durch Mittelmeier (1984). Schütt
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Abb. 1.14↜ Zementfreie Hüftendoprothese nach Ring
Abb. 1.15↜ Zementfreie Porometallprothese nach Judet
und Grundei entwickelten 1983 einen anatomischen Prothesenschaft, der über eine makrostrukturierte metallspongiöse Oberfläche verfügte. Die ebenso beschichtete Pfanne wies zusätzliche Anker zur Fixation auf (Henssge et€al. 1985; Abb.€1.17). Wie die Oberflächenstruktur wurde auch die Form des Prothesenstiels optimiert. Ziel war es zum einen, eine primärstabile Verankerung zu erreichen und zum anderen, eine weitgehend physiologische Krafteinlei-
tung zu erzielen. Bereits 1970 ersetzte Maurice Müller die bestehende gerade Stielform durch eine gebogene, die über einen Kragen verfügt (Abb.€1.18). So sollte die Auflagefläche der Prothese vergrößert werden, um eine bessere Krafteinleitung zu erzielen. Weller übernahm dieses Konzept und stellte 1978 den Stiel in biomechanisch optimierter Form vor. Zweymüller entwickelte 1980 einen Prothesenstiel aus Titan mit distaler Press-fit-Verankerung (Abb.€ 1.19). Zunächst
Historie und Epidemiologie 1â•… Abb. 1.16↜ Zementfreie Hüftprothese nach Mittelmeier
Abb. 1.17↜ Zementfreie Hüftendoprothese nach Schütt und Grundei (1983)
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Abb. 1.18↜ Zementierte Hüftendoprothese nach Müller (1970)
Abb. 1.20↜ Zementfreier Hüftprothesenstiel nach Spotorno
wurde Polyethylen als Fertigungsmaterial für eine zugehörige konische Schraubpfanne verwendet, das sich allerdings aufgrund seiner großen Elastizität und der Oberfläche, die keine Möglichkeit der OsteointegÂ� ration bietet, nicht durchsetzen konnte (Zweymüller
A. M. Halder
Abb. 1.19↜ Zementfreier Hüftprothesenstiel nach Zweymüller
et€al. 1995). 1983 dann führte Spotorno eine elastische Spreizpfanne und einen geraden Prothesenstiel ein, der sich durch ein konisches Design auszeichnet. Die daraus resultierende proximale Krafteinleitung soll eine periprothetische Knochenatrophie verringern (Spotorno et€al. 1993; Abb.€1.20). Die aseptische Prothesenlockerung durch ausbleibende Sekundärstabilität hat ihre Ursache einerseits in einer für die Osteointegration ungeeigneten Prothesenoberfläche, andererseits in den unterschiedlichen Elastizitätsmodulen von Prothese und Knochen. Vor diesem Hintergrund entwickelte Morscher 1974 den ersten isoelastischen Prothesenstiel. Dabei handelte es sich um einen metallarmierten elastischen Polyazetalstiel, der zusammen mit einer sphärischen Polyethylenpfanne mit Verankerungszapfen verwendet wurde (Morscher und Dick 1983). Aufgrund materialtechnischer Schwierigkeiten erbrachte der Prothesenstiel nicht den erhofften Erfolg. Um eine weitgehend physiologische Krafteinleitung in das proximale Femur zu gewährleisten, Knochensubstanz zu schonen und somit jüngere Patienten endoprothetisch versorgen zu können, wurden in der Folgezeit zahlreiche verschiedene Prothesentypen entwickelt. Huggler konzipierte 1976 die Druckscheibenprothese. Die Druckscheibe, die auf den Schenkelhals gesteckt wird, weist eine zentrale
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Abb. 1.21↜ Druckscheibenprothese nach Huggler
Abb. 1.22↜ Oberflächenersatz nach Freeman Abb. 1.23↜ Oberflächenersatz nach Wagner
Öffnung auf, durch die ein Dorn zur Aufnahme des Prothesenkopfes gesteckt wird. Der Dorn wiederum wird mit einer Lasche an der äußeren Femurkortikalis befestigt (Huggler und Jakob 1995; Abb.€ 1.21). Dadurch wird eine Krafteinleitung auf die starke mediale Femurkortikalis erreicht, wobei es allerdings an der Prothesen-Knochen-Grenze zur Überlastung und damit zur Knochenresorption und Lockerung kommen kann. Zur Knochen sparenden Implantation und Wiederherstellung der Biomechanik wurde schon in den fünfziger Jahren die Idee der Interpositionsarthroplastik weiterverfolgt. So experimentierte Charnley mit dünnwandigen Teflonkappen, die er zwischen das knöcherne Azetabulum und den gerundeten Hüftkopf platzierte (Charnley 1961). Doch nach anfänglicher Schmerzfreiheit und guter Beweglichkeit kam es zu Abrieb und Implantatbruch. In den sechziger Jahren berichtete Müller und Boltzy (1968) von zementfrei implantierten Metallkappen und -pfannen, die jedoch einen hohen Reibungswiderstand zeigten und bald lockerten. 1970 implantierte Gerard in Frankreich dann eine Doppelkappe aus Metall, die theoretisch sowohl Bewegungen zwischen den Komponenten als auch zwischen den Komponenten und dem Knochen erlaubte. Doch auch dieses Konzept erbrachte nicht
den erhofften klinischen Durchbruch und man übernahm das erfolgreiche Prinzip der Zementverankerung aus der Totalendoprothetik. Zuerst verwendete Paltrinieri und Trentani 1971 Knochenzement zur Fixation einer Polyethylenpfanne und einer Metallkappe. Nach kurzfristig erfolgversprechenden klinischen Ergebnissen stieg die Revisionsrate jedoch an. Demgegenüber verwendeten Freeman et€ al. (1975) in England und Furuya et€ al. (1978) in Japan Metallpfannen und Polyethylenkappen, die jedoch schon nach kurzer Zeit starken Abrieb und Implantatversagen aufwiesen (Abb.€ 1.22). So wechselten Wagner (1978) und Amstutz et€al. (1986) wieder zu Metallkappen und Polyethylenpfannen, die mit Knochenzement fixiert wurden (Abb.€1.23). Kurzund mittelfristig waren die klinischen Resultate ermutigend, langfristig wurden aber Revisionsraten bis zu 50€ % berichtet. Ursachen waren der starke Abrieb der dünnwandigen Polyethylenpfannen mit Bildung von Fremdkörpergranulomen und Osteolysen sowie Osteonekrosen des Femurkopfes. Nach diesen Erfahrungen verfolgte McMinn Anfang der neunziger Jahre die Entwicklung des Oberflächenersatzes weiter und griff die Idee der abriebarmen Metall-Metall-Gleitpaarung wieder auf. Er entwickelte eine Metallkappe, die mit einem zentralen Stift im Schenkelhals auf
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Abb. 1.24↜ Oberflächenersatz nach McMinn
dem Femurkopf fixiert wird und mit einer Metallpfanne artikuliert, die zementfrei implantiert wird (McMinn et€ al. 1996; Abb.€ 1.24). Seitdem McMinn über gute mittel- und langfristige klinische Ergebnisse berichtete, findet der Oberflächenersatz weltweite Anwendung. Moderne Kurzstielprothesen basieren auf dem Prinzip der intramedullären Verankerung im proximalen Femur bei sparsamer Knochenresektion und proximaler Krafteinleitung. Ein Vorteil dieser Prothesen ist die Möglichkeit der gewebeschonenden Implantation, die eine schnelle Mobilisation des Patienten ermöglichen soll. Goldstandard ist jedoch noch immer der im proximalen Femur verankerte gerade oder anatomische Prothesenstiel, zementfrei oder zementiert implantiert, in Kombination mit einer Press-fit- oder Schraubpfanne oder einer zementierten Polyethylenpfanne.
1.2 E pidemiologie des Hüftgelenkersatzes M. Stiehler und K.-P. Günther
1.2.1 I nzidenz des endoprothetischen Gelenkersatzes am Hüftgelenk Aufgrund der zunehmend verbesserten Prothesenstandzeiten (Malchau et€al. 2002), hoher Patientenzufriedenheit (Nilsdotter et€al. 2003; Fender et€al. 1999) und Kosteneffektivität (Katz 2001; Faulkner et€ al. 1998; Rorabeck et€ al. 1994) hat die Gesamtzahl an endoprothetischen Hüftgelenkseingriffen in den vergangenen Jahren weltweit zugenommen. Eine exakte Aussage zur aktuellen Entwicklung der Behandlungszahlen – insbesondere auch im internationalen Vergleich – ist allerdings relativ schwierig. Als Basis
M. Stiehler und K.-P. Günther
dafür kämen wissenschaftliche Untersuchungen, Statistiken der Kostenträger bzw. nationaler Gesundheitssysteme und Verkaufszahlen der Implantathersteller in Frage. Aber die Zahl von Publikationen zu dieser Thematik ist noch begrenzt und Daten von Kostenträgern, Politik oder Industrie sind lückenhaft und nicht gut vergleichbar. Die Inzidenz des endoprothetischen Gelenkersatzes ist definiert als die Anzahl neu operierter Patienten in einem definierten Zeitraum und wird in Längsschnittuntersuchungen erhoben. Da die Ermittlung der Inzidenz in der Regel die Erstellung eines gebietsbezogenen Registers umfasst und daher sehr aufwendig ist, können von ihr wertvolle Angaben zu Wirksamkeit und möglichen unerwünschten Wirkungen der Behandlung abgeleitet werden. Merx und Mitarbeitern zufolge variierte die jährliche, einwohnerbezogene Hüftendoprothesenimplantationsrate im internationalen Vergleich der zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehörenden Länder zwischen 60 und 200 pro 100.000 Einwohner in den späten neunziger Jahren (Merx et€ al. 2003). Die in der Arbeit zusammengefassten Versorgungszahlen nationaler Gesundheitsbehörden und Kostenträger zeigen zwar in allen Ländern eine Zunahme der Inzidenz in den letzten zwei Jahrzehnten, doch ist die Geschwindigkeit des Anstiegs sehr unterschiedlich. Während die Anzahl an Hüftendoprothesenimplantationen in diesem Zeitraum in Schweden nur um 10€% zugenommen hat, wurde sie in Finnland verdoppelt. Zahlen zur Situation in Deutschland stammen aus einer weiteren Publikation der Arbeitsgruppe um Merx et al. (2007). Danach wurden hier im Jahr 2001 insgesamt 171.300 Endoprothesen am Hüftgelenk implantiert. Dies entspricht einer Gesamt-TEP-Rate von 210 Hüft-Endoprothesen pro 100.000 Einwohner. Dabei steigt die TEP-Rate kontinuierlich bis in die Altersgruppe der über 85-Jährigen an. Der Eingriff zählt zu den 20 häufigsten Operationen in deutschen Kliniken und ist im Hinblick auf die Gesamtvergütung aller Prozeduren im aktuellen DRG-System die führende stationäre Behandlungsmaßnahme. In Deutschland ist allein zwischen 1998 und 2001 eine Zunahme der Eingriffszahl von 10€% zu beobachten. Derzeit kann man davon ausgehen, dass in Deutschland etwa 200 Hüfttotalendoprothesen je 100.000 Einwohner implantiert werden. In etwas mehr als der Hälfte aller Fälle ist dabei eine Arthrose Ursache für die Versorgung,
Historie und Epidemiologie 1â•…
was einer arthrosebedingten TEP-Rate von 110 bis 120 Hüftendoprothesen pro 100.000 Einwohner entspricht. Auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet werden vermutlich etwas mehr als 120.000 endoprothetische Eingriffe an der Hüfte (inklusive Wechseloperationen) aufgrund arthrosebedingter Beschwerden durchgeführt. Zu den Wechseleingriffen ist die Datenlage spärlicher. Nach Merx et€ al. (2007) wurden im Jahr 2001 etwa 23.600 Wechsel- und Austauschoperationen an der Hüfte durchgeführt. Derzeit kommt auf sieben neu implantierte Hüftendoprothesen eine Austauschoperation. Aufgrund der demographischen Veränderungen mit zunehmender Alterung der Bevölkerung ist mit einem weiteren Anstieg der Zahl sowohl an endoprothetischen Primärversorgungen als auch Wechseloperationen in den industrialisierten Ländern zu rechnen. Im internationalen Vergleich bestehen erhebliche Unterschiede in den Implantationsraten. Es ist kaum anzunehmen und in den entsprechenden Registerdaten auch nicht nachweisbar, dass die Ursache dafür in einer unterschiedlichen Prävalenz bzw. Inzidenz von Koxarthrosen und Schenkelhalsfrakturen liegt. Also müssen andere Faktoren für diese Differenzen verantwortlich sein. Dazu gehören möglicherweise Barrieren in der Entscheidung zum künstlichen Gelenkersatz auf Seiten der betroffenen Patienten mit Koxarthrose (z.€ B. unterschiedliches Schmerzempfinden und Erwartungshaltung), der betreuenden Ärzte (unterschiedliche Indikationsstellung) und der jeweiligen Gesundheitssysteme (ökonomische Rahmenbedingungen). Auch wenn vergleichende Daten zu dieser sozialmedizinisch bedeutsamen Thematik noch spärlich sind, ist mittlerweile eine sehr heterogene Indikationsstellung im europäischen Raum nachgewiesen (Dreinhofer et€al. 2006; Sturmer et€al. 2005).
1.2.2 I ndikationsstellung der Hüftendoprothetik Die häufigste zur endoprothetischen Versorgung führende Erkrankung stellt die ätiologisch multifaktorielle Koxarthrose dar. Gemäß den Daten des schwedischen Hüftregisters werden drei von vier aller jährlich verwendeten Hüftendoprothesen aufgrund einer Koxarthrose implantiert (Malchau et€ al. 2002). Die Prävalenz der symptomatischen Hüftge-
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lenksarthrose beträgt in der westlichen Welt ca. 10€% der Patienten jenseits des sechzigsten Lebensjahres (Sun et€al. 1997). Bei Patienten mit mittel- bis hochgradig symptomatischer Arthrose des Hüftgelenks führt die erfolgreiche Implantation eines künstlichen Hüftgelenkersatzes zu Schmerzlinderung und Wiedererlangung einer guten Funktionalität und damit zur Verbesserung der Lebensqualität (Murray 1998). Zusätzlich ist der künstliche Hüftgelenkersatz eine Behandlungsoption für Patienten mit rheumatischentzündlichen Erkrankungen. Bei entsprechender Gelenkdestruktion und Versagen konservativer Therapiemaßnahmen stellt die Endoprothesenimplantation eine hervorragende Maßnahme dar. Aufgrund der mittlerweile deutlich verbesserten medikamentösen antirheumatischen Therapiekonzepte ist jedoch ein Rückgang in der Gesamthäufigkeit von operativen Eingriffen bei Rheumatikern zu verzeichnen (Malchau et€al. 2002). Im Gegensatz dazu nimmt der endoprothetische Gelenkersatz aufgrund von hüftnahen Frakturen weltweit zu. Vor allem ältere Patienten mit Schenkelhalsfrakturen werden primär endoprothetisch versorgt. So spiegelt der in Schweden beobachtete Anstieg von Frakturen als Indikation zum Gelenkersatz den zunehmenden Übergang von der primären Ostesynthese zur Implantation einer Hüfttotalendoprothese bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen wider (Malchau et€al. 2002). Aus diesem Grund ist vor allem im höheren Lebensalter (>â•›90 Jahre) die proximale Femurfraktur mittlerweile die häufigste Indikation zum künstlichen Hüftgelenkersatz geworden. Weitere Indikationen für den Hüftgelenkersatz sind aseptische Femurkopfnekrosen mit irreversibler Zerstörung des Hüftkopfes und therapieresistenten Schmerzen sowie Kontrakturen oder gelenknahe Deformitäten. Auch bei bereits eingetretenen oder drohenden Frakturen (Osteolysen) des proximalen Femur und Azetabulum aufgrund von pathologischen Knochenveränderungen (primärer Knochentumor, Metastase, Osteoporose) werden Endoprothesen implantiert. Bei der Koxarthrose als häufigster Ursache für den Hüftgelenkersatz gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zum Zeitpunkt der Operation. Die in der internationalen Literatur verfügbaren Angaben weisen sehr unterschiedliche Einschätzungen auf (Naylor und Williams 1996; Hadorn und Holmes 1997; NIH Consensus Conference 1995; British Orthopaedic Association 1999). Sie basieren zwar meist auf Schmerzen und Funktionseinschränkungen, aber bereits die Not-
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wendigkeit des Vorliegens radiologischer Kriterien wird unterschiedlich beurteilt. Auch die Berücksichtigung von Ruheschmerzen und Belastungsschmerzen bei Alltagstätigkeiten sowie von Einschränkungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit und der körperlichen Pflege ist sehr heterogen. Eine pragmatische Empfehlung hat sich im neuseeländischen Gesundheitssystem durchgesetzt. Definierte Prioritätskriterien für die Indikation zur Hüftendoprothetik setzen eine Kombination von Schmerzen (Ausmaß, Häufigkeit, maximale Gehstrecke), funktioneller Aktivität (Schuhe anziehen, Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitzen, sexuelle Aktivität, Freizeitaktivitäten, Verwendung von Gehhilfen) sowie Beweglichkeit und Deformität (schmerzhafte und/oder eingeschränkte Beweglichkeit, Hinken, Instabilität, radiologischer Befund) voraus (Hadorn und Holmes 1997). Gemäß den Empfehlungen der US-amerikanischen National Institute of Health von 1995, auf denen auch die Richtlinien der britischen orthopädischen Gesellschaft aus dem Jahre 1999 basieren, ist ein künstlicher Hüftgelenkersatz dann indiziert, wenn eine radiologisch nachweisbare Gelenkschädigung besteht und mittel- bis hochgradige, anhaltende Hüftschmerzen und/oder funktionelle Einschränkungen vorliegen, die nicht wesentlich durch ausgedehnte konservative Maßnahmen zu lindern sind. Im Rahmen des EUROHIP1-Projekts wurde erstmals in einer Multicenter-Studie gezeigt, dass innerhalb Europas bei einweisenden Ärzten und Operateuren unterschiedliche Auffassungen bezüglich des angemessenen Ausmaßes an Schmerzen, funktioneller Beeinträchtigung und radiologischer Veränderungen als Indikationskriterien zum künstlichen Hüftgelenkersatz bestehen (Dreinhöfer et€al. 2006; Sturmer et€al. 2005). Einweisende Ärzte sahen im Vergleich zu Operateuren ein höheres Ausmaß an Schmerzen, eine geringere maximale schmerzfreie Gehstrecke und ausgeprägtere radiologische Veränderungen als Voraussetzung zum Gelenkersatz (Dreinhöfer et€ al. 2006; Sturmer et€ al. 2005). Ruhe- oder Nacht- und Bewegungsschmerzen sowie funktionelle Einschränkungen wurden von beiden Arztgruppen als wichtige Voraussetzungen bezeichnet. Radiologische Veränderungen und die Beeinträchtigung im sozialen Kontakt scheinen jedoch 1
European collaborative database of cost and practice pattern of total hip replacement.
M. Stiehler und K.-P. Günther
untergeordnete Entscheidungskriterien zu sein. Die Autoren schlussfolgern, dass aufgrund der beobachteten Unterschiede bezüglich der Indikationsstellung zum hüftendoprothetischen Ersatz im internationalen Vergleich verstärkte Aktivitäten einer Leitlinienentwicklung zu fordern sind. Neben einer Richtschnur für individuelle Entscheidungen sind diese anscheinend vor allem erforderlich, um betroffenen Patienten auch in unterschiedlichen Ländern eine von gesundheitsökonomischen Überlegungen unabhängige Chance auf den Gelenkersatz zu geben. Bis entsprechende Leitlinien vorliegen, kann man versuchen, aus der aktuellen Literatur eine pragmatisch orientierte Handlungsempfehlung abzuleiten. Danach sollte der endoprothetische Hüftgelenkersatz dann erwogen werden, wenn • die Lebensqualität aufgrund von Schmerzen (Ruhe- oder Belastungsschmerzen) oder/und Funktionseinschränkungen in erheblichem Umfang beeinträchtigt ist, • evidenzbasierte Alternativen der konservativen Therapie (insbesondere Analgetika und Antiphlogistika, Entlastung, Schuhzurichtung, Krankengymnastik, physikalische Therapie) nicht ausreichend wirksam sind, • radiologische Veränderungen vorliegen, die eine morphologische Gelenkschädigung (Arthrose oder Hüftkopfnekrose) als Ursache der Beschwerden wahrscheinlich machen und nicht mit gelenkerhaltenden Eingriffen behandelbar sind. Weiterhin bestehen Indikationen zum Gelenkersatz dann, wenn • bei einer traumatischen Schenkelhalsfraktur jenseits des 60. Lebensjahres die Fragmentdislokation den Erfolg einer kopferhaltenden osteosynthetischen Versorgung unwahrscheinlich macht, • aufgrund einer pathologischen Knochenerkrankung (z.€ B. Metastase, primärer Knochentumor, Osteoporose) eine Fraktur im Bereich des proximalen Femur bzw. Azetabulum eingetreten ist oder eine Fraktur droht und nicht sinnvoll mit anderen Maßnahmen behandelt werden kann.
1.2.3 Implantat- und Zugangswahl Nicht nur bezüglich des Implantationszeitpunkts, sondern auch bezüglich der Implantatwahl und der opera-
Historie und Epidemiologie 1â•…
tiven Zugangswege bestehen sowohl national als auch international sehr große Unterschiede.
1.2.3.1 Implantatwahl Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Endoprothesenmodellen und Designtypen, die zementiert, teilzementiert oder zementfrei verankerbar sind. In der Frakturversorgung wird neben der Totalendoprothese häufig nur der Ersatz im proximalen Femur ohne Azetabulumkomponente (z.€ B. Duokopfprothese) eingesetzt. In der Arthroseversorgung konkurrieren konventionelle schaftbasierte Modelle mit sog. Kurzschaftprothesen und Oberflächenersatzprothesen sowie die verschiedenen Verankerungstechnologien (zementiert, teilzementiert, zementfrei). So werden nach Angaben des Schwedischen Endoprothesenregisters derzeit 93€% der primär implantierten Hüftendoprothesen zementiert und es gibt nur eine sehr geringe Zahl von zementfreien Prothesen bzw. Kurzschäften oder Oberflächenersatzimplantaten. Im australischen Register dagegen sind über die letzten Jahre konstant etwa 20€% der Primärimplantationen als Oberflächenersatz erfolgt (http://www.aoa.org.au/jointregistry_ pub.asp). In Deutschland gibt es aktuelle Daten aus einem fragebogenbasierten Survey in 240 orthopädischen und unfallchirurgischen Kliniken, den Sendtner et€al. im Jahr 2006 durchführten (Sendtner et€al. 2007). Danach erfolgten 65€ % aller Hüftendoprothesenimplantationen zementfrei, 12,6€ % waren Kurzschäfte und 4,1€% Oberflächenersätze. 1.2.3.2 Operative Zugänge Bezüglich des Operationszugangs hat sich aktuell ein Trend hin zu weniger invasiven Zugängen entwickelt. Aus dem Survey von Sendtner et€al. (2007) ergibt sich, dass im Jahr 2006 insgesamt 77€% der Hüftoperateure in Deutschland minimal-invasive Zugänge anwenden und die meisten etwa ein Drittel ihrer Patienten in dieser Technik versorgen. Offensichtlich bestehen jedoch Unterschiede in der Auffassung darüber, wie „minimal-invasive“ Zugänge definiert werden, denn nur etwa 50€ % der Befragten verstehen darunter ein Weichteil schonendes Vorgehen und die Verbleibenden geben allenfalls eine Reduktion der Inzisionslänge an. Damit reduziert sich die Rate der tatsächlich minimal-invasiv versorgten Patienten in Deutschland erheblich. Betrachtet man die aktuell publizierte internationale Literatur zu minimal-invasiver Technik, fällt noch ein Missverhältnis von wenigen kontrollierten –
17
insbesondere auch randomisierten – Studien und dem weitaus überwiegenden Anteil von nichtkontrollierten Untersuchungen auf. Zwischen 1989 und 2007 sind insgesamt 76 Arbeiten mit der Thematik „minimal invasive hip arthroplasty“ erschienen. In 60€ % sind dies Fallberichte und Reviews, in 30€% nichtkontrollierte Studien und nur in 10€% kontrollierte oder randomisierte Studien. Damit ist eine aktuelle Wertung der Verfahren noch nicht möglich. Interessant ist dennoch ein Vergleich zwischen der prozentualen Verteilung international publizierter Zugangswege und der in Deutschland aktuell genutzten Zugänge. Die weitaus überwiegende Studienzahl in der aktuell verfügbaren Literatur befasst sich mit anterioren und posterioren Zugängen. Im Gegensatz dazu wird in Deutschland zurzeit insbesondere der anterolaterale Zugang in weniger invasiver Technik propagiert.
1.2.3.3 Navigation Basierend auf den relativ guten Ergebnissen der navigationsgestützten Implantation von Knieendoprothesen wird diese Thematik auch in der Hüftendoprothetik diskutiert. In Deutschland wenden jedoch aktuell nur sehr wenige Operateure die Navigation bei der Implantation von Hüftendoprothesen an (Sendtner et€al. 2007). Ob die guten Ergebnisse experimenteller und erster klinischer Arbeiten sowie die Weiterentwicklung der Technologie hier zu einer Veränderung führt, muss abgewartet werden. Die Befürworter argumentieren, dass gerade bei der Anwendung von minimal-invasiven Operationsverfahren und auch bei der Implantation von Oberflächenersatzprothesen die Genauigkeit der Komponentenplatzierung erhöht und damit das radiologische – und möglicherweise auch klinische – Ergebnis noch verbessert werden könnte.
1.2.4 Implantatverweildauer Zu den Standzeiten von Endoprothesen gibt es mittlerweile aus Endoprothesenregistern und publizierten Kohortenstudien umfangreiche Daten. Nachdem in Schweden 1979 das erste staatliche Register zur systematischen Dokumentation von Hüftendoprothesenimplantationen initiiert wurde, folgten Finnland (1980), Norwegen (1987), Dänemark (1994), Neuseeland (1997), Ungarn (1998), Australien (2000) und Kanada (2001). Das Hauptziel nationaler Hüftregister ist die frühestmögliche Erkennung von Implan-
A. M. Halder et al.
18
taten, Zementtypen und Zementiertechniken mit schlechtem klinischem Ergebnis (Furnes et€al. 2003). In Schweden konnte eine Verbesserung der 10-Jahres-Implantatstandzeit bei Patienten mit Koxarthrose von 80€ % (1979–1990) auf 94,8€ % (1991–2000) berechnet auf den Endpunkt aseptische Prothesenlockerung durch moderne Zementiertechniken erreicht werden (Malchau et€al. 2002). Zum Vergleich wiesen nur 80,0€% der in der Zeit von 1979 bis 2000 zementiert hüftendoprothetisch versorgten Patienten nach 10 Jahren noch fest implantierte Prothesenkomponenten auf. Initial enttäuschende Standzeiten zementfreier Implantate konnten durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Pfannen- und Schaftmodelle verbessert werden. Im schwedischen Register beträgt die 10-Jahres-Standzeit der zwischen 1990 und 2000 implantierten Modelle 87,7€% (Malchau et€al. 2002). Mittlerweile werden in Langzeituntersuchungen an entsprechenden Kohorten mit zementfreien Implantaten auch regelhaft 10-Jahres-Überlebensraten von mehr als 90€% berichtet. In einer Übersichtsarbeit von Ziegler et€ al. (2007) sind entsprechende Publikationen zusammengefasst. Obwohl es sich dabei häufig um Studien aus spezialisierten Zentren handelt, deren Ergebnisse nicht immer verallgemeinert werden können, zeigen auch registerbasierte Daten schon gute Langzeitergebnisse bei jüngeren Patienten. So weist beispielsweise das finnische Endoprothesenregister 10-Jahres-Überlebensraten von 93–98€% für zementfreie Pfannen und 99€% für proximal porös beschichtete Schäfte auf, wenn als Revisionsgrund die aseptische Lockerung gezählt wird (Eskelinen et€ al. 2005). Bei jüngeren Patienten besteht generell eine höhere Quote an Implantatversagen als bei älteren, was vermutlich auf die höhere Beanspruchung zurückzuführen ist. Ob die Weiterentwicklungen von Gleitpaarungen oder gerade die für jüngere Patienten propagierten Oberflächenersatzprothesen oder Kurzschaftprothesen zu zusätzlich verbesserten Standzeiten führen, muss noch abgewartet werden. Hybridsysteme (zementfreie Pfanne und zementierte femorale Komponente) nehmen eine Mittelstellung bezüglich der Rate aseptischer Lockerungen ein und weisen im schwedischen Register eine aktuelle 10-Jahres-Standzeit von 92,7€ % auf (Malchau et€ al. 2002). Malchau et€ al. (2002) berichten von einer durchschnittlichen primären Revisionsrate von 7,4€ % bei Hüfttotalendoprothesen, die zwischen 1979 und 2000
implantiert wurden. Indikationen für den Eingriff sind aseptische Lockerung (75,3€ %), tiefer Wundinfekt (6,7€%), Dislokation (5,8€%), periprothetische Fraktur (5,1€ %), technisches Versagen (3€ %) und Implantatbruch (1,5€%).
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2
Funktionelle Anatomie und Biomechanik R. Putz, U. Simon, L. Claes, H. P. Nötzli und T. F. Wyss
2.1 F unktionelle Anatomie des Hüftgelenks
2.1.1 P roximales Femurende, Caput femoris
R. Putz
Das Caput femoris besitzt einen Durchmesser von etwa 3,5–5,5€ cm und ist aus dichter Spongiosa aufgebaut. Je nach Durchmesser kann die funktionelle Oberfläche des Caput femoris bis etwa 30€cm2 betragen. An seiner proximalen, medialen Fläche findet sich eine kleine Einziehung, Fovea capitis femoris, an der das Lig. capitis femoris inseriert. Die Knorpelbedeckung erreicht ihre maximale Dicke von etwa 3€ mm knapp kranial lateral der Fovea. Die Knochenbälkchen des Caput femoris sind zur subchondralen Knochenplatte jeweils exakt senkrecht eingestellt und konvergieren zum Mittelpunkt des Hüftgelenkkopfes (Abb.€2.2). Das Trabekelwerk geht einerseits in das zur medialen Kortikalis des Schenkelhalses ziehende Druckbündel über und andererseits in das entlang des oberen Bereichs des Schenkelhalses bis hin zum Trochanter major ziehende Zugbündel. Als Folge der Verdichtung der Trabekel zu diesen beiden zur Aufnahme der Biegebeanspruchung ausgerichteten Spongiosabündel entsteht an der Basis des Schenkelhalses eine Zone mit relativ geringerer Trabekeldichte (Ward-Dreieck). Als Ausdruck einer Anpassung an die Biegebeanspruchung im Bereich des Schenkelhalswinkels findet sich hier – allerdings sehr unterschiedlich ausgebildet – eine halbmondförmige Verstärkungsplatte, die wegen ihres Querschnittsbildes als Merkelscher Schenkelsporn bezeichnet wird. Sie ist ungefähr in der Frontalebene, eigentlich in der Ebene des Torsionswinkels des Schenkelhalses ausgerichtet (Abb.€2.3). Die Anpassung an die Torsionsbeanspruchung des proximalen Femurendes gegenüber dem Femurschaft
Das Hüftgelenk des menschlichen Körpers erscheint nur auf den ersten Blick als ein ideales Kugelgelenk. Einem nur im Prinzip sphärischen Gelenkkörper, dem Caput femoris, steht das Segment einer Hohlkugel, die Facies lunata, gegenüber. Überraschend dabei ist, dass die Fläche der Gelenkpfanne nur etwa 50€% der Gelenkfläche des Kopfes entspricht. In der im frontalen Röntgenbild eindrucksvoll darstellbaren Hüftgelenkpfanne steht also nur ein kleiner Teil zur Lastübertragung zur Verfügung (Abb.€2.1). Ein zweiter, ebenso irritierender Aspekt besteht darin, dass sowohl Caput femoris als auch Facies lunata keine, auch nur annähernd gleichmäßige Verteilung der subchondralen Mineralisierung aufweisen. Daraus leitet sich wiederum ab, dass über die Zeit dementsprechend offenbar auch keine gleichmäßige Druckübertragung stattfindet. Dies kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Einer ist, dass die beiden Gelenkkörper grundsätzlich minimal inkongruent sind, ein anderer, dass sich Richtung und Lage des Durchstoßpunktes der resultierenden Hüftgelenkkraft im Ablauf von Gehen und Laufen gravierend ändern. Auf diese Weise wird garantiert, dass die Gelenkkörper unter normalen Umständen breit in den Kraftfluss einbezogen werden und der Materialaufwand minimiert wird. R. Putz () Institut für Anatomie und Zellbiologie, Pettenkoferstraße 11, 80336 München, Deutschland E-Mail:
[email protected]
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_2, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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R. Putz
22 Abb. 2.1↜ Knöcherne Elemente des Hüftgelenks. (a) Os coxae mit Azetabulum von lateral kaudal, (b) Femur von medial
spiegelt sich auch in der Ausrichtung der Spongiosa wider. Von der distalen Kortikalis der Basis des vorderen und des hinteren Umfanges des Schenkelhalses bildet sich ebenso eine Spitzbogenstruktur aus (Abb.€2.4).
2.1.2 Facies lunata
Abb. 2.2↜ Trabekelarchitektur des Schenkelhalses in der Frontalebene; von ventral
Die Facies lunata stellt ein nur schmales, annähernd in der Sagittalebene ausgerichtetes Segment von etwa 30€ % einer Hohlkugel dar (Abb.€ 2.5). Die Außenkante der Facies lunata folgt dem markanten Rand der Hüftgelenkspfanne, die Innenkante setzt sich medial scharf von der Fossa acetabuli ab. Das vordere Horn der Facies lunata erstreckt sich flach auf der Innenseite des dem Corpus ossis pubis zuzurechnenden Teils des Azetabulum, während das dorsale Horn dem Corpus ossis ischii aufsitzend frei die Incisura acetabuli überragt. Die geringe Breite der Gelenkfläche erklärt sich aus der Lage des Durchstoßpunktes der resultierenden
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
23
Abb. 2.3↜ Merkel’scher Schenkelsporn. (a) Schrägschnitt unterhalb des Schenkelhalses; von distal, (b) Eröffnung des Markraumes des Femur im Übergangsbereich von Schenkelhals zum Schaft; von lateral
Abb. 2.4↜ Trabekelarchitektur des Schenkelhalses in der Transversalebene. Schräger Flachschnitt durch den Schenkelhals; von kranial. Die spitzbogenartige Anordnung weist darauf hin, dass der Schenkelhals auch in sagittaler Richtung als Ausdruck der Torquierung einer Biegebeanspruchung unterliegt
Hüftgelenkkraft in Bezug zum Pfannenrand. Pauwels (u.€a. 1973) und Kummer (u.€a. 2005) haben dies zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gemacht und auf die Rolle einer ausreichenden Ausbildung des
Pfannendacherkers hingewiesen. Abgeleitet von der Lage des Durchstoßpunktes der resultierenden Hüftgelenkkraft in Bezug zum Pfannenrand kann nach medial hin Last eben nur über eine begrenzte Fläche übertragen werden. Die Knorpelfreiheit der Fossa acetabuli beruht demnach darauf, dass hier einfach kein Bedarf für Druck aufnehmendes Gewebe besteht. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich die große Variabilität der inneren Kontur der Facies lunata wie auch deren mit dem Alter meist zunehmende Verbreiterung (Abb.€2.5(a), (b)). Die Knorpelbedeckung der Facies lunata ist am dicksten entlang des äußeren Randes kranial ventral und nimmt von dort gleichmäßig nach medial sowie nach ventral und dorsal ab. Sie ist gleichmäßiger verteilt als beim Caput femoris und setzt sich mit einer scharfen Rinne gegen das Labrum acetabuli ab. Im Bereich der beiden Hörner geht sie ohne erkennbare Kontur in die knorpelige innere Bedeckung des Lig. transversum acetabuli über. Die subartikuläre Spongiosa weist charakteristischerweise Verdickungen im Bereich des Pfannen-
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R. Putz
Abb. 2.5↜ Formen der Facies lunata. (a) Beim jüngeren Individuum ist die Facies lunata schmaler und erscheint etwas eingezogen segmentiert, (b) Beim älteren Individuum verbreitert sich die Facies lunata vor allem im Zenit. Auch tritt sie etwas tiefer bis auf das Niveau der Fossa acetabuli
Abb. 2.6↜ Kontaktradiographie eines 3€ mm dicken Schnittes durch das hintere Horn der Facies lunata
dachs sowie entlang des Limbus auf. Allerdings handelt es sich nicht primär um kompakte Knochenvolumina, es finden sich vielmehr schichtenartig der Kugelform entsprechend angeordnete Platten, die durch kleine Zwischenbälkchen verstärkt sind. Mit zunehmendem Alter verdickt sich die subchondrale Platte (Abb.€2.6). Außerhalb der Verdichtungszonen sind die Spongiosabälkchen vorwiegend radiär zur Facies lunata ausgerichtet und divergieren zur gegenüber liegenden
Kompakta der Beckeninnenseite. Nicht überraschend ist der Befund, dass sich das Pfannendach sehr massiv gegen die Hinterfläche der Eminentia iliopubica abstützt. Gelegentlich ist hier sogar eine durchgehende Sklerosierungszone vorhanden. Der Pfannendacherker ist immer eher homogen, kompakt ausgebildet. Im Bereich des Zentrums der Hüftpfanne kommen sich die äußere dünnere und die innere, etwas dickere Kortikalis des unteren Bereichs der Beckenschaufel am nächsten. Hier bildet der Pfannenboden mit der Kortikalis der Innenfläche des Os coxae eine sandwichartige Formation mit einem dichten Maschenwerk aus. Gegen die Basis des Os ilium hin formieren sich die vom Pfannendach ausstrahlenden Spongiosazüge zu Spitzbögen, die einerseits in die innere und andererseits in die äußere Kortikalis der Darmbeinschaufel übergehen (Abb.€2.7). Die subartikuläre Spongiosa ist gegen den Rand der Gelenkfläche hin generell verdichtet, während sie sich gegen den Innenrand der Facies lunata hin auflockert. Dies spricht dafür, dass der Rand des Azetabulum einer höheren Beanspruchung unterliegt als dessen Tiefe. Entlang der Randzone ist dementsprechend ggf. mehr Material für eine sichere Verankerung einer Prothesenpfanne vorhanden. Die freie Kante des Azetabulum wird von einer Gelenklippe, dem Labrum acetabuli besetzt, die innen von einer dünnen Schicht von hyalinem Knorpel bedeckt ist. Seine Grundlage bilden sehr dicht gepackte Bündel kollagener Fasern, die unter Einbeziehung des Lig. transversum acetabuli einen geschlossenen Ring um die Hüftgelenkpfanne bilden. Auf den ersten Blick wird damit lediglich die knorpelbedeckte Gelenkflä-
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
Abb. 2.7↜ Abstützung des Azetabulum zum Os ilium
che der Facies lunata vergrößert, der Faserring scheint aber eine wesentliche Rolle bei der Erhaltung des Kraftschlusses des Hüftgelenks unter Belastung zu spielen (Löhe et€al. 1996). Bei offensichtlicher Fehlbelastung des Hüftgelenks, wenn also das Pfannendach des Hüftgelenks offenbar stärker belastet ist als die vorderen und die hinteren Anteile der Facies lunata und evtl. bereits Abnutzungserscheinungen zeigt, ist das Labrum acetabuli in diesem Bereich häufig ausgedehnt und deformiert. In diesen Fällen ist meist kein freier Rand mehr zu sehen, seine Außenfläche verschmilzt mit der hier über den Gelenkkopf gespannten Gelenkkapsel.
2.1.3 Bänder des Hüftgelenks Das Hüftgelenk ist durch einen derben Bandapparat gekennzeichnet, der nur wenige dünne Stellen aufweist. Proximal entspringen die Bänder knapp außerhalb des Labrum acetabuli, distal erstrecken sie sich unterschiedlich breit auf das Femur. Der äußeren Fläche des Labrum liegt die Membrana synovialis der Gelenkkapsel an, die hier eine flache Rinne bis zur Außenkante der Basis hin bildet. Verursacht wird dies dadurch, dass die Membrana fibrosa, aus der die
25
Ligamenta hervorgehen, klar außerhalb des Labrum ihren Ursprung nimmt. Auf diese Weise entsteht ein ringförmiger Spalt, der das Labrum rundum so umgibt, dass dessen Rand frei in den Gelenkinnenraum vorragt (Putz und Schrank 1998). Der stärkste, mehrere Millimeter dicke Faserzug ist das Lig. iliofemorale, dessen Hauptteil, Pars descendens, breit knapp unterhalb der Spina iliaca anterior inferior und der Eminentia iliopubica vom Vorderrand des Azetabulum entspringend, etwas schraubig verdreht, bis zur Innenseite des Übergangs des Schenkelhalses zum Femurschaft zieht. Der Ansatz dieses Bandes wird in etwa von der Linea intertrochanterica markiert. Ein kleinerer Anteil, Pars transversa, zieht vom lateralen Rand des Azetabulum zur Basis des Trochanter major (Abb.€2.8). Indem es die Extension im Hüftgelenk auf maximal 5° beschränkt, beeinflusst das Lig. iliofemorale mit seinen absteigenden Fasern maßgeblich das Gangmuster. Gerade beim schnelleren Gehen wird durch seine dynamische Spannung eine Rotation des Beckens eingeleitet, die wiederum eine gegenläufige Rotation des Oberkörpers auslöst. Durch diese Torquierung des Rumpfes wird Energie erhalten und die Kontrolle über die Rumpfbewegung erleichtert. Die quer verlaufenden Fasern begrenzen die Adduktion des Beins, was für das bequeme, nachlässige Stehen benützt wird. Die übrigen in die Kapsel eingewobenen Bänder des Hüftgelenks sind vergleichsweise dünn. Das Lig. pubofemorale zieht vom Unterrand des Azetabulum nach schräg dorsal zum Schenkelhals und wird bei Außenrotation gespannt. Das Lig. ischiofemorale verläuft vergleichbar quer eingestellt vom Hinterrand des Azetabulum auf die Unterseite des Schenkelhalses. Es wirkt mit bei der Begrenzung der Innenrotation und der Flexion. Außerhalb der oben genannten Bänder ist die Gelenkkapsel sehr dünn. An der Vorderfläche, wo die Sehne des M. iliopsoas über die vordere Kante des Azetabulum hinweg zum Trochanter minor nach kaudal zieht, ist sie in vielen Fällen dehiszent, so dass eine direkte Kommunikation der Bursa m.€ iliopsoas mit dem Innenraum des Gelenks besteht. Entlang des Unterrands des Lig.€ ischiofemorale am hinteren Umfang des Schenkelhalses bis vor die Fossa trochanterica verdünnt sich die Kapsel bis auf die Membrana synovialis (Abb.€2.8b).
R. Putz
26
Labrum acetabulare Lig. iliofemorale
Lig. pubofemorale
Lig. iliofemorale
a
- Pars descendens - Pars transversa
Lig. capitis femoris
Lig. ischiofemorale
b
Lig. pubofemorale
Membrana synovialis
c
Abb. 2.8↜ Bänder des Hüftgelenks, (a) von ventral, (b) von dorsal, (c) Frontalschnitt
Abb. 2.9↜ Vertikalschnitt durch das Hüftgelenk in der Ebene des Schenkelhalses. Die den Trochanter major bedeckende Sehnenplatte ist mit einem * gekennzeichnet. An ihr entspringt der M. vastus lateralis. Von kranial her strahlen die Sehnen der kleinen Glutealmuskeln ein
Zur Gänze innerhalb des Gelenkraums verläuft das Lig. capitis femoris. Es entspringt aus der Tiefe der Fossa acetabuli, wo es von einigen synovialen Fettfalten umgeben ist (Abb.€ 2.8c). Nach kurzem gestrecktem Verlauf erreicht es die Fovea capitis femoris. Bekanntermaßen enthält das Lig. capitis femoris die A. ligamentum capitis femoris, die als kleiner Ast der
A. obturatoria den proximalen, ursprünglich epiphysären Teil des Caput femoris versorgt. Die Relevanz dieses Versorgungsanteils ist allerdings etwas umstritten. Am ehesten ist ihre Bedeutung während der Wachstumsperiode nachzuvollziehen, bei der die Kopfepiphyse durch eine breite epiphysäre Knorpelplatte von der Femurdiaphyse getrennt ist. Parallel zur Verknöcherung der Epiphysenfuge entwickeln sich offenbar in ausreichender Weise arterielle Anastomosen zur Versorgung des Femurkopfes über die Gefäße der Diaphyse sowie über die periostalen Blutgefäße des Schenkelhalses, die beiden Aa. circumflexae femoris (Putz und Kaiser 1999). Interessant ist, dass sich dabei bei vielen älteren Individuen kein Lig. capitis femoris mehr nachweisen lässt. Am wenigsten befasst man sich im Allgemeinen mit dem Lig. transversum acetabuli. Es entspringt breitflächig von der Kante des hinteren Horns der Facies lunata und konvergiert zum äußeren Rand des frei vorragenden vorderen Horns (Abb.€2.10). Es ist ein sehr straffes Band, das einer Deformation der Hüftpfanne unter hoher Belastung und in den Endphasen der Rotation entgegenwirkt (Löhe et€al. 1996). Das Band bildet die Grundlage für die Kontinuität des Labrums rund um das Azetabulum. Bei einer funktionellen Betrachtung der Morphologie des Hüftgelenks darf die den Trochanter major deckende Sehnenplatte nicht außer Acht gelassen werden (s. Abb.€2.9; Heimkes et€al. 1993). Sie dient einerseits dem M. vastus lateralis als Ursprung und geht
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
Abb. 2.10↜ Das Lig. transversum acetabuli (*) verbindet die beiden Hörner der Facies lunata über die Incisura acetabuli hinweg
andererseits am Oberrand des Trochanter major direkt in die hier einstrahlenden Ansatzsehnen der kleinen Glutealmuskeln über. Die Rolle dieser Sehnenplatte für die Minimierung der Biegebeanspruchung des proximalen Femurendes ist nicht zu übersehen (Heimkes et€al. 1992, 1993). Besonders augenfällig wird dies bei der Betrachtung der Ausrichtung der lateralen Trabekel des Trochanter major, die exakt senkrecht gegen die Sehnenauflage dieser Sehnenplatte eingestellt sind.
2.1.4 A npassung der Knochen- und Gelenkstrukturen an die Beanspruchung Im Kapitel über die Biomechanik des Hüftgelenks wurde der Zusammenhang von Schenkelhalswinkel und Biegebeanspruchung des Schenkelhalses einerseits sowie Größe der Resultierenden andererseits herausgearbeitet. Dies ist nicht nur ein plausibles Kräftemodell, sondern spiegelt sich auch in der Materialverteilung der beteiligten Skelettteile wider. Die Größe der Gelenkkraft und der Schenkelhalswinkel müssen demnach in ihrer Bedeutung für das Hüftgelenk gemeinsam betrachtet werden. Spürt man dabei etwas den Mechanismen der Evolution nach, so wird klar, dass es sich hier um ein über die Zeitläufe selbst optimierendes System handelt. Letztlich ist davon auszugehen, dass sich der Schenkelhalswinkel bis zu einem Wert verringert, der – abgesehen von osteoporotischen Veränderungen – über einen weiten Teil des Lebens eine ausreichende Biegefestigkeit besitzt. Dadurch kann andererseits die Beanspruchung im Hüftgelenk auf einen Wert herabgesetzt werden, der die Leistungsfähigkeit der beteiligten Gewebe des Gelenks nicht überfordert.
27
Wie empfindlich das Knochengewebe auf die vorherrschende Beanspruchung reagiert, kann eindrucksvoll an der Kortikalis der Basis des Schenkelhalses im Bereich des Überganges zum Femurschaft beobachtet werden. Je kleiner der CCD-Winkel, umso höher ist die Dichte des Knochengewebes in diesem Bereich (Putz 1993). Die Spannung im Hüftgelenk, also die Verteilung der Gelenkkraft auf die beteiligten Gelenkflächen, hängt entscheidend von der Lage des Durchstoßpunktes der resultierenden Hüftgelenkkraft ab. Darauf hat insbesondere Kummer (u.€ a. 2005) hingewiesen und eine Formel zur Berechnung der maximalen Tragfläche vorgelegt. Dies entspricht der Form einer schmalen Ellipse (Kugelzweieck nach Legal 1985), die im Bewegungsablauf über die Facies lunata wandert. Durch die Wanderung der unterschiedlichen Spannungen im Bewegungsablauf ergibt sich eine charakteristische intermittierende hydrostatische Druckbelastung der beteiligten Gelenkflächen, was wiederum als Erhaltungsreiz für den lokalen Gelenkknorpel angesehen werden kann (Tillmann 1969). Diese Ellipse ist umso breiter, je weiter der Durchstoßpunkt der resultierenden Hüftgelenkkraft vom Rand der Hüftgelenkpfanne entfernt ist. Da die maximale Ausnützbarkeit der Facies lunata nach medial nur etwa dem 2,4 fachen des Abstands des Durchstoßpunktes der resultierenden Hüftgelenkkraft vom Pfannenrand entspricht, bedeutet dies, dass die Ausbildung des Pfannendacherkers eine entscheidende Voraussetzung für die Spannungsverteilung im Hüftgelenk ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt in Bezug auf den Kraftfluss im Hüftgelenk betrifft die physiologische Inkongruenz der Gelenkkörper. Ausgehend von der Tatsache, dass weder der Femurkopf noch die Hüftpfanne geometrisch exakte Kugelsegmente darstellen, wird verständlich, dass in vielen Fällen zwei Spannungsmaxima auftreten (Eckstein et€ al. 1997). Dies manifestiert sich in der Verteilung der subchondralen Mineralisierung, die ebenfalls ein ventrales und ein dorsales Maximum aufweist. In der zitierten Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die Spannungsmaxima bei zunehmender Gelenkkraft in Richtung des Zenits des Azetabulum zusammenfließen. An einer großen Anzahl von Fällen konnte Müller-Gerbl zeigen, dass zwei Dichtemaxima vorzugsweise beim jüngeren Menschen auftreten, während jenseits des 50. Lebensjahres eine zunehmende Ten-
U. Simon und L. Claes
28 Abb. 2.11↜ Subchondrale Mineralisierung der Facies lunata. Hohe Dichtewerte sind rot, niedrige Dichtewerte blau dargestellt (Abbildung zur Verfügung gestellt von Univ.-Prof. Dr. Magdalena Müller-Gerbl, Anatomisches Institut der Universität Basel). (a) Beim jüngeren Individuum findet sich je ein Maximum im dorsalen und im ventralen Bereich der Facies lunata, (b) Beim älteren Individuum konzentriert sich die höchste subchondrale Dichte in den Zenit der Facies lunata
denz zur Zentralisierung eines Dichtemaximums in der Kuppel der Facies lunata nachzuweisen ist (Müller-Gerbl 1998). Eine dem Lebensalter gewissermaßen vorauseilende Zentrierung des Dichtemaximums in der Kuppel der Hüftgelenkpfanne muss demnach als Zeichen einer ungünstigen Belastung und als präarthrotische Veränderung angesehen werden (Abb.€2.11). Die subchondrale Mineralisierung des Caput femoris besitzt ihr Maximum im oberen Bereich mit einem nach ventral und einem nach dorsal ziehenden ovalen Ausläufer. Daraus lässt sich schließen, dass die Lastübertragung im Caput femoris im Wesentlichen unabhängig von der Position des Hüftgelenkes und relativ konstant jeweils in etwa in der Längsachse des Schenkelhalses ausgerichtet ist. Dass die Verteilungsmuster der subchondralen Mineralisierung der beiden Gelenkkörper nicht korrespondieren, erklärt sich aus der Positionsverschiebung von Femurkopf zu Hüftpfanne im Bewegungsablauf.
2.2 Mechanische Grundlagen U. Simon und L. Claes Zur Beschreibung biomechanischer Aspekte der Endoprothetik sind mechanische Grundlagen unverzichtbar. Die wichtigsten Begriffe (Kraft, Moment, Spannung,
Dehnung) und Konzepte (Schnittprinzip, Gleichgewicht) werden im Folgenden erklärt.
2.2.1 Kraft Zunächst wird der zentrale Begriff der Mechanik eingeführt, die Kraft (engl. „force“). Aus der Kraft werden später das Moment und die Spannung abgeleitet. Der Begriff Kraft wird aus der Erfahrung gewonnen. Bekannt sind z.€B. Muskelkräfte, Gewichtskräfte oder Druckkräfte aus unmittelbarem, körperlichem Empfinden. Tatsächlich allerdings wird die Kraft in der Mechanik nicht streng definiert, sondern per Axiom eingeführt (Axiomâ•›=â•›Grundsatz ohne Definition und Beweis). Die Kraft kann nur indirekt über ihre Wirkung auf Körper (Beschleunigung, Verformungen) definiert werden; so auch beim zweiten Newton’schen Axiom. Zweites Newton’sches Axiom: Kraft = Masse × Beschleunigung Bei der Messung von Kräften spiegelt sich diese Tatsache ebenfalls wider. Kräfte können nicht unmittelbar gemessen oder beobachtet werden. Kraftaufnehmer messen primär keine Kräfte, sondern stets nur die tatsächlich beobachtbaren Wirkungen der Kräfte: z.€ B. Dehnungen (bei einer Federwaage), Widerstandsänderungen (beim Kraftaufnehmer mit Dehnungs-
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
messstreifen), Ladungsverschiebungen Piezo-Kraftaufnehmer).
29
(beim Wirkungslinie
2.2.1.1 Einheit der Kraft Die Einheit der Kraft ist – passend zum Newton’schen Axiom – die Einheit der Masse mal die Einheit der Beschleunigung. Dies wird mit N (Newton) abgekürzt: Newton: N = kg ×
Schraube
m/s2
Ein Newton entspricht der Gewichtskraft einer Tafel Schokolade (100€g).
2.2.1.2 Darstellung von Kräften Kräfte sind vektorielle Größen, d.€h. sie besitzen eine Richtungseigenschaft im Gegensatz zu den so genannten skalaren Größen, wie z.€ B. der Masse oder der Temperatur. Ihre Darstellung in Skizzen erfolgt daher mit (Vektor-)Pfeilen (Abb.€2.12). 2.2.1.3 Das Schnittprinzip Kräfte (und Momente) treten nicht offen zu Tage. Sie sind immer Wechselwirkungen zwischen zwei Körpern oder zwischen zwei Teilen eines Körpers. Um sie für eine Analyse zugänglich, also sichtbar zu machen, führt man einen gedanklichen Schnitt durch und trennt die beiden Teilsysteme voneinander. An den Schnittufern müssen Schnittkräfte (und ggf. Schnittmomente) eingetragen werden, um die Wechselwirkungen zwischen den Körpern äquivalent zu ersetzen. Im Beispiel (Abb.€ 2.13) muss am unteren Seilstumpf eine Kraft F nach oben ziehen, damit das Gewicht nicht nach unten fällt. Diese Kraft, ersetzt die Wirkung vom oberen auf den unteren Teil des Seils. Die Kraft am oberen Schnittufer dagegen zieht nach unten und strafft damit das oben verbliebene Seilstück; sie ersetzt damit die Wirkung des abgeschnittenen Gewichts. Die Schnittkräfte an den beiden Schnittufern sind gleich groß und einander entgegengesetzt (Newton’sches Axiom: actio╛╛=╛╛reactio). Fügt man die Teile am Schnitt (gedanklich) wieder zusammen, so heben sich die Schnittkräfte der beiden Ufer gerade auf. Das Gesamtsystem, das beide Teile enthält, bleibt durch die Schnittkräfte unbeeinflusst. Alle Kräfte (und Momente) sind letztlich Schnittgrößen, auch Gewichts- und Trägheitskräfte, bei denen man sich vorstellen kann, dass die Masse aus den Körpern herausgeschnitten wurde und die Wirkung auf die
5N
Abb. 2.12↜ Darstellung einer Kraft, die an einer Schraube angreift: Vektorpfeil (rot) mit Betrag (Wert mal Einheit) und Richtung (Wirkungslinie und Orientierung der Pfeilspitze)
FKB
⇔
F F
10 N
Abb. 2.13↜ Schnittprinzip: An den beiden Schnittufern werden gleich große, einander entgegengesetzt wirkende Schnittkräfte F eingetragen. Sie ersetzen die jeweils abgeschnittenen Teile des Systems. Die Gewichtskraft 10€ N ersetzt die „herausgeschnittene“ Masse. Freikörperbild (FKB): Vollständig von der Umgebung freigeschnittenes Teilsystem (innerhalb der blauen Linie)
masselose Struktur nun durch entsprechende Kräfte (im beschriebenen Fall die Gewichtskraft von 10€ N) ersetzt werden muss.
2.2.1.4 Freikörperbild Ein Freikörperbild (FKB) ist ein völlig freigeschnittenes Teilsystem. Zur Kontrolle legt man eine geschlossene Hüllfläche – bei ebenen Problemen eine geschlossene Linie – (vgl. blaue Linie in Abb.€2.13) um das Teilsystem. Dies ist der Bilanzraum. Alle Kräfte
U. Simon und L. Claes
30 Schraube
Schlitzschraube F
F2 α
h
⇔
F1
M = F·h
FR ≈ 7 N
F
⇔ Kräftepaar
Moment
Abb. 2.14↜ Vektoraddition von zwei Kräften F1 und F2 zu einer resultierenden Kraft FR
Abb. 2.16↜ Das Moment Mâ•›=â•›Fâ•›⋅â•›h ist äquivalent zum Kräftepaar (F, h). Es versucht, den Schraubenkopf im Uhrzeigersinn zu drehen
Flängs
Oft interessiert man sich nur für eine der beiden Komponenten. Im Beispiel könnte man sich fragen, welcher Anteil von F die Schraube auf Zug beansprucht, also versucht herauszureißen. Die Komponenten einer Kraft sind stets kleiner als die ursprüngliche Kraft.
längs α quer
F
⇔ Fquer
Abb. 2.15↜ Zerlegung einer Kraft F in zwei Komponenten Flängs und Fquer
und Momente, die von der Umgebung auf die Struktur im Inneren der Hüllfläche wirken, müssen berücksichtigt werden. Gewichtskräfte nicht vergessen!
2.2.1.5 Z usammenfassen und Zerlegen von Kräften Zwei Kräfte, die in einem gemeinsamen Punkt angreifen, können zu einer „resultierenden“ Kraft addiert werden. Haben beide Kräfte die gleiche Wirkungslinie, dann werden einfach ihre Beträge addiert. Besitzen die Kräfte unterschiedliche Richtungen, dann kann die resultierende Kraft FR z.€B. zeichnerisch ermittelt werden (Abb.€2.14). Eine Kraft kann auch umgekehrt in zwei vorgegebene Richtungen zerlegt werden. Man erhält eine gleichwertige Darstellung mit zwei Kräften, den so genannten „Komponenten“ (Abb.€ 2.15). Im Beispiel wird die Kraft F in eine Komponente quer und eine längs zur Schraubenachse zerlegt. Die Beträge der Komponenten können zeichnerisch oder mit Hilfe trigonometrischer Beziehungen ermittelt werden. Mit dem Winkel α zwischen der Kraft F und der Längsrichtung gilt: Flängs = F cos α, Fquer = F sin α
2.2.2 Das Moment Das folgende einführende Beispiel zeigt den Kopf einer Schlitzschraube von oben (Abb.€ 2.16). Mit einem Schraubenzieher wird versucht, die festsitzende Schraube zu drehen. Die Klinge des Schraubenziehers wurde herausgeschnitten (ihre Lage ist daher nur gestrichelt angedeutet). Es erscheinen die beiden Druckkräfte F als Wirkung von der Klinge auf den Schraubenkopf. Die beiden Kräfte F sind (wenn man den Schraubenzieher vernünftig bedient) entgegengesetzt gleich groß und ihre parallelen Wirkungslinien weisen den Abstand h auf. Zusammen bilden sie ein so genanntes Kräftepaar (↜F, h). Die Wirkung eines Kräftepaares kann nicht mit einer resultierenden Kraft allein (diese ist nämlich Null) zusammengefasst werden. Stattdessen beschreibt man die drehende Wirkung mit dem Begriff Moment. Für den Betrag des Moments gilt: Moment gleich Kraft mal Hebelarm M =F × h
2.2.2.1 Einheit des Moments Die Einheit des Moments ist (passend zum Produkt aus Kraft mal Weg) Newton mal Meter: Newton-Meter: Nm = kg × m2/s2
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
2.2.2.2 Darstellung von Momenten Momente können durch Drehpfeile dargestellt werden (s. Abb.€ 2.16). Sie sind so wie die Kräfte vektorielle Größen. Die Richtung des Moments ist die Achse, um die das Moment dreht.
2.2.3 Statisches Gleichgewicht Für einen Körper, der in Ruhe ist oder zumindest seinen Bewegungszustand nicht ändert, gilt, dass alle an ihm angreifenden Kräfte und Momente im Gleichgewicht miteinander sein müssen. Diese Gleichgewichtsbedingungen sind das wichtigste Werkzeug der Statik. Mit ihrer Hilfe können mathematische Gleichungen z.€B. für noch unbekannte Kräfte gewonnen werden. In der Ebene (zweidimensional) können für ein Freikörperbild höchstens drei (skalare, linear unabhängige) Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt werden. Dies sind zum Beispiel zwei Kräftegleichgewichte und ein Momentengleichgewicht: Summe aller Kräfte in x-Richtung gleich Null: F1,x + F2,x + . . . = 0
Summe aller Kräfte in y-Richtung gleich Null: F1,y + F2,y + . . . = 0
Summe aller Momente bzgl. Punkt P gleich Null: M1,z + M2,z + . . . + F1 × h1 . . . = 0
Die Momentensumme enthält dabei alle eingeprägten Momente Mi selbst als auch alle Produkte von Kräften mit entsprechenden Hebelarmen hi (╛╛=╛╛senkrechter Abstand zwischen Wirkungslinie der Kraft und Bezugspunkt P). Damit können bis zu drei Unbekannte (Komponenten von Kräften und/oder Momenten) berechnet werden. Die Kräftegleichgewichte können durch Momentengleichgewichte bezüglich anderer Punkte ersetzt werden. Bei drei Momentengleichgewichten dürfen die drei Bezugspunkte nicht auf einer Geraden liegen. Im Raum (dreidimensional) können für ein Freikörperbild dagegen bis zu sechs (skalare, linear unabhängige) Gleichungen aufgestellt werden. Dies sind
31
FM
FR
P
Abb. 2.17↜ Mechanisches Ersatzmodell des proximalen Femur, belastet durch Hüftkontaktkraft FR und Muskelkraft FM. Gesucht ist die Beanspruchung am Punkt P
z.€ B. bis zu drei Kräftegleichgewichte und der Rest Momentengleichgewichte.
2.2.4 K räfte und Momente im Schenkelhals Im Folgenden sollen die Schnittkräfte und Momente im Schenkelhals in vereinfachter (zweidimensionaler) Weise betrachtet werden. Das proximale Femur (Abb.€ 2.17) wird durch die Hüftkontaktkraft FR und eine Muskelkraft FM belastet. Gesucht ist die innere Beanspruchung des physiologisch belasteten Schenkelhalses. Dazu sollen die Schnittgrößen (Normalkraft N, Querkraft Q und Biegemoment M) im Querschnitt an der Stelle P berechnet werden. Zunächst müssen unwichtige Dinge (das sind eigentlich unendlich viele!) weggelassen werden, hier z.€ B. das Eigengewicht und die Nachgiebigkeit des Knochens. Es entsteht ein Ersatzmodell, z.€ B. eine Skizze (s. Abb.€ 2.17) mit Geometrie, Lasten, Einspannungen. Dann wird das System so geschnitten, dass Kräfte und Momente an der interessierenden Stelle (hier im Punkt P) auftauchen. Als mögliche Wechselwirkungen zwischen proximalem und distalem Teil müssen Normalkräfte N, Querkräfte Q und Biegemomente M an beiden Schnittufern eingetragen werden (Abb.€2.18).
U. Simon und L. Claes
32
α FR
h FRy
FM
M Q
y
N N
y x
M
Q
FRx
N x
P Q
Abb. 2.19↜ Freikörperbild. Die Kraft FR kann ohne Einfluss auf das statische Gleichgewicht längs ihrer Wirkungslinie verschoben und dann in ihre Komponenten bezüglich der x- und y-Richtung zerlegt werden
M CCD
Abb. 2.18↜ Schnittkräfte N und Q sowie Schnittmoment M an beiden Schnittufern. Nur der rechte, proximale Teil ist vollständig von der Umgebung freigeschnitten und daher ein Freikörperbild
Hinweis: Im dreidimensionalen wären es bei diesem Schnitt sechs Reaktionen gewesen: eine Normalkraft, zwei Querkräfte, ein Torsionsmoment und zwei Biegemomente. Der rechte proximale Teil ist völlig freigeschnitten, also ein Freikörperbild. Für dieses Teilsystem werden Kräfte- und Momentengleichgewichte formuliert. Zur Vereinfachung kann zuvor die Hüftkontaktkraft FR längs ihrer Wirkungslinie verschoben und in Komponenten senkrecht (x) und parallel (y) zum Schnitt zerlegt werden (Abb.€2.19, vgl. auch Abb.€2.15). Es ergeben sich folgende Gleichungen: Summe aller Kräfte in x-Richtung gleich Null:╇ FRx bekommt ein Minuszeichen, weil es gegen die x-Richtung zeigt: N − FRx = 0
Summe aller Kräfte in y-Richtung gleich Null:╇ Q − FRy = 0
Summe aller Momente um den Punkt P gleich Null. Die Kraftkomponente FRy besitzt den Hebelarm h (senkrechter Abstand) zum Bezugspunkt P und bildet ein Moment das gegen das Biegemoment M dreht (Minuszeichen): M − FRy × h = 0
Aus diesen drei Gleichungen können höchstens drei Unbekannte berechnet werden. Hier werden Normalkraft N, Querkraft Q und Biegemoment M bestimmt: ⇒ N = FRx =FR × sin α ⇒ Q = FRy = FR × cos α ⇒ M = FRy × h = FR × cos α × h
Alle drei Schnittgrößen hängen direkt (linear) von der Hüftkontaktkraft FR ab. Das ist plausibel. Weiter interessant ist, dass die Normalkraft N (eine Druckkraft) mit wachsendem Winkel α zunimmt. Der Winkel α wiederum wächst mit zunehmendem CCD-Winkel (vgl.€ Kap.€ 2.3, Abb.€ 2.30). Querkraft und Biegemoment dagegen nehmen mit wachsendem Winkel α, also mit wachsendem CCD-Winkel ab (vgl. Kap.€2.3, Abb.€2.31).
2.2.5 Spannungen Empfindliche Fußböden leiden unter Pfennigabsätzen, auch wenn die Person nicht sehr schwer ist (Abb.€2.20). Die äußere Belastung, die ein Körper erfährt, sagt noch nichts über seine innere Beanspruchung aus. Um zu beurteilen, wie stark das Material beansprucht wird, ob es versagt oder nicht, muss auch die Fläche berücksichtigt werden, über die eine Kraft übertragen wird. Diese, auf die Fläche bezogene Kraft, ist die Spannung (engl. „stress“). Wie bei den Kräften muss man schneiden, um die Spannungen „sichtbar“ zu machen (→â•›Schnittprinzip). Eine einzelne Schnittkraft würde dann nur in einem Punkt der Schnittfläche angreifen. Um diese grobe Vereinfachung zu verbessern, kann man Teilkräfte an unterschiedlichen Punkten auf der Schnittfläche verteilen. Im Grenzübergang gegen unendlich viele Teilkräfte
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
33
F
500 N
A1
Kräfte
σ1 = F/A1
Spannungen
⇔ Abb. 2.20↜ Die Kraft allein ist kein vernünftiges Maß für die Beanspruchung von Körpern, denn die Beanspruchung ist dann besonders groß, wenn die Fläche, auf der die Kraft übertragen wird, besonders klein ist A2
verteilt man gedanklich die Kraft über der gesamten Fläche und erhält eine Spannung (Abb.€2.21). Spannung gleich Kraft pro Fläche σ = F/A
Auch dabei gilt actioâ•›=â•›reactio, d.€ h. die Spannungen an gegenüber liegenden Stellen der beiden Schnittufer sind gleich groß, aber entgegengesetzt orientiert. Spannungen sind, wie die Kräfte, von denen sie abgeleitet werden, vektorielle Größen. Sie besitzen eine Richtungseigenschaft und werden daher ebenfalls mit Pfeilen dargestellt.
F σ2 = F/A2
Abb. 2.21↜ Das Gewebe am dünneren Muskelansatz erfährt eine viel größere Spannung, besitzt aber auch eine entsprechend höhere Festigkeit als am Muskelbauch FM Q
τQ N M
2.2.5.1 Einheit der Spannung Die Einheit der Spannung ist (passend zum Quotienten Kraft/Fläche): Pascal: 1€Paâ•›=â•›1€N/m2 Mega-Pascal: 1€MPaâ•›=â•›1€N/mm2 2.2.5.2 Zugspannung in Muskel und Sehne In allen Querschnitten eines aktivierten Muskels (s. Abb.€2.21) wirkt die gleiche Zugkraft F, wenn man die Reibung zu benachbarten Geweben und das Eigengewicht des Muskels vernachlässigen kann. Nimmt man weiter an, dass die Spannungen innerhalb der Querschnittsflächen konstant seien, so lassen sich diese einfach als Quotient der Kraft durch die Fläche berechnen. Dabei ergibt sich eine deutlich größere Spannung am kleineren Querschnitt unten. Das ist unproblematisch, denn das Gewebe des sehnigen Muskelansatzes kann entsprechend eine größere Zugspannungen ertragen
⇔
P
σN
σM
σN+M
Abb. 2.22↜ Schnittkräfte und korrespondierende Schnittspannungen am Schenkelhals
als das Muskelgewebe am Muskelbauch (→â•›funktionelle Anpassung).
2.2.6 K omplexer Spannungszustand im Schenkelhals Die Spannungsverhältnisse im Schenkelhals sind etwas komplizierter. Man betrachte dazu eines der beiden Schnittufer, z.€B. den distalen Teil (Abb.€2.22, vgl. auch Abb.€2.18).
U. Simon und L. Claes
34
Die Normalkraft N (eine Druckkraft) kann zu einer Druckspannung σN =
N A
A, I1
A, I2
(2.1)
auf der Querschnittsfläche A (nährungsweise konstant) verteilt werden. Die Quer- (oder Scher-)kraft Q resultiert in einer Schub- (oder auch Scher-)spannung τQ =
Q , A
(2.2)
die im Gegensatz zu den Normalspannungen σ (Zugoder Druckspannungen) parallel und nicht senkrecht zur Schnittfläche wirkt. Das Biegemoment M kann nur durch eine spezielle nicht konstante Verteilung einer Normalspannung (manchmal als Biegespannung bezeichnet) σM (y) =
M · y, I
I − Flächenmoment
(2.3)
repräsentiert werden, bei der ja insgesamt eine drehende Wirkung und kein Zug oder Druck auf die Schnittfläche wirken soll. Von einer Druckspannung an der Unterseite bis hin zu einer betragsgleichen Zugspannung an der Oberseite ändert sich die Spannung linear. In der Mitte beim Nulldurchgang verläuft die so genannte „neutrale Faser“ (s. Abb.€2.22). Die beiden Normalspannungen σN und σM können einfach addiert werden. Es ergibt sich wieder ein linearer Spannungsverlauf, allerdings mit nach oben verschobenem Nulldurchgang (s. Abb.€2.22) und einer verminderten Zugspannung an der Oberseite. Zusammen mit den Erkenntnissen aus Kap.€2.2.4 zeigt sich, dass die für den Knochen gefährlichen Zugsspannungen durch einen größeren CCD-Winkel vermindert werden können (vgl. Kap.€2.3, Abb.€2.31).
2.2.6.1 Flächenmoment 2. Grades I Bei gleichem Flächeninhalt besitzt ein innen hohles Rohr (es hat dann einen größeren Außendurchmesser) eine deutlich größere Biegesteifigkeit und -festigkeit als ein massiver Stab (gilt auch bei Torsion). Bei Röhrenknochen wirkt dieses Prinzip. Dieser Einfluss der Querschnittsflächenform auf die Biegesteifigkeit wird durch das „axiale Flächenmoment 2. Grades“ I (früher: Flächenträgheitsmoment, engl.: „second moment of area“), einer rein geometrischen Größe mit der Einheit m4, erfasst (Abb.€2.23).
Abb. 2.23↜ Zwei Querschnitte mit gleichem Flächeninhalt A, aber stark unterschiedlichen Flächenmomenten I2 = 3·I1. Das Rohr (Wandstärke so wie im Bild) ist bei Biegung und Torsion dreimal steifer (und fester) als der gleich schwere Stab links
2.2.6.2 D reidimensionaler Spannungszustand Legt man den Schnitt unter einem anderen Winkel durch den Punkt P, so ergeben sich andere Spannungen. Will man den Spannungszustand in einem Punkt vollständig erfassen, so muss man drei (z.€ B. zueinander senkrechte) Schnitte untersuchen. Insgesamt erhält man dann sechs Spannungskomponenten (drei Normal- σx, σy, σz und drei Schubspannungen σxy, σyz, σzx), die den dreidimensionalen Spannungszustand in diesem Punkt vollständig charakterisieren.
2.2.7 Dehnungen Alle belasteten Körper erfahren eine Änderung ihrer Form. Diese Formänderung misst man im Vergleich zu einem Referenzzustand, meistens dem unbelasteten Zustand. So kann die Dehnung (engl.: „strain“) z.€ B. eines Gummibands (Abb.€2.24) wie folgt bestimmt werden: Längenänderung Ursprungslänge L ε= L0
Dehnung =
(2.4)
2.2.7.1 Querdehnung Auch quer zur Lastrichtung kommt es zur Dehnung. Der Durchmesser des Gummibandes (s. Abb.€ 2.24) verringert sich um den Betrag ∆D. Für die Querdehnung gilt analog: εquer =
−D D0
(2.5)
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
35
Abb. 2.24↜ Die Kraft F dehnt das Gummiband
ϕ y
y + ∆y
D0
L0
D0 - ∆D
ϕ + ∆ϕ
x
x + ∆x
unverformt
verformt
Abb. 2.25↜ Definition des lokalen Dehnungszustands
ten. Aus den Längenänderungen Δx, und Δy sowie aus der Winkeländerung Δφ können drei unabhängige Dehnungsgrößen für die betrachtete Ebene abgeleitet werden: ∆L
F
Die Querkontraktionszahl ν (für die meisten Werkstoffe etwa 0,3) beschreibt das Verhältnis zwischen Quer- und Längsdehnung: εquer ν=− ε
(2.6)
2.2.7.2 Einheit der Dehnung Die Dehnung ist passend zum Quotienten Länge/ Länge ohne Einheit, also schlicht eine Zahl. Als Einheit kann aber auch jede Zahl dienen, z.€B. 1 (ohne Einheit) 1/100 =╛╛% 1/1.000.000 =╛╛1€µε (micro strain) Man unterscheidet die •â•‡globale, äußere Dehnung, die Verformung eines Körpers von den •â•‡lokalen, inneren Dehnungen, den Verzerrungen im Körper. 2.2.7.3 Lokaler Dehnungszustand Um die lokalen Dehnungen zu definieren, betrachten wir drei Punkte in einem infinitesimal (╛╛=╛╛unendlich kleinen) Element eines Körpers (Abb.€2.25). Die Punkte spannen die Abstände x und y sowie den Winkel φ auf. Im belasteten und dadurch verformten Zustand ändern sich Abstände und Winkel zwischen den Punk-
εx =
x x
Normaldehnung in x − Richtung (2.7)
εy =
y y
Normaldehnung in y − Richtung
εxy =
1 ϕ 2
(2.8)
Schubdehnung in x − y − Ebene (2.9)
2.2.7.4 Dreidimensionaler Dehnungszustand Im Raum (dreidimensional) erhält man in gleicher Weise noch eine weitere Normaldehnung εz und zwei weitere Schubdehnungen εyz und εzx. Also – wie bei den Spannungen – insgesamt sechs Komponenten.
2.2.8 Materialgesetze Materialgesetze beschreiben das mechanische Verhalten der Stoffe. Sie liefern eine Beziehung zwischen dem lokalen Spannungszustand und dem lokalen Dehnungszustand innerhalb eines Körpers (Abb.€2.26). Werkstoff Spannung ⇔ Dehnung
2.2.8.1 Das einfachste Materialgesetz Das einfachste Materialgesetz beschreibt ein linearelastisches, isotropes Verhalten (Hook’sches Gesetz, Abb.€2.27) mit zwei Werkstoffparametern: • Elastizitätsmodul E (engl. „Young’s modulus“) und • Querkontraktionszahl v (engl. „Poisson’s ratio“).
L. Claes
36 Spannung σ
σ σ
Belastung Entlastung steif
weich
Abb. 2.26↜ Ein steifer Werkstoff zeigt bei gleicher Spannung eine geringere Dehnung als ein weicher Werkstoff
plastische Dehnung Dehnung ε
Spannung σ
Abb. 2.28↜ Plastisches Materialverhalten: Nach der Entlastung verbleibt die plastische Dehnung Linear: σ = Ε⋅ε
Dehnung ε
Abb. 2.27↜ Lineares Materialverhalten (Hook’sches Gesetz)
Linear heißt, eine doppelt so große Spannung führt zu einer doppelt so großen Dehnung. Elastisch heißt, der Werkstoff verformt sich reversibel. Nimmt man die Spannungen weg verschwinden auch die Dehnungen wieder vollständig und die ursprüngliche Form stellt sich wieder ein. Isotrop heißt richtungsunabhängig. Dann ist z.€B. die Steifigkeit in allen Richtungen gleich groß.
2.2.8.2 Komplexe Materialgesetze Gerade biologische Gewebe zeigen jedoch oft ein deutlich komplexeres mechanisches Verhalten. Das einfachste Materialgesetz kann dann nicht mehr verwendet werden. • Nichtlineares Materialverhalten: Spannung und Dehnung sind nicht mehr proportional zueinander. Die Materialsteifigkeit ist lastabhängig. Fibröses Bindegewebe z.€B. zeigt zunächst bei relativ geringen Spannungen relativ große Dehnungen. Wenn dann die Fasern gestreckt sind, wird das Gewebe steifer. Weitere Spannungssteigerungen führen nur zu geringen Dehnungszunahmen. Dieses Verhalten ist aber immer noch elastisch, also voll reversibel.
• Ein nichtelastisches (╛╛=╛╛plastisches) Verhalten tritt in der Regel bei großen Spannungen in allen Geweben und Werkstoffen auf. Es kommt zu lokalen, irreversiblen Schädigungen. Diese sind oft mit plastischen (also bleibenden) Verformungen verbunden (Abb.€2.28). • Anisotrop heißt richtungsabhängig. Kortikaler Knochen z.€ B. zeigt in longitudinaler Richtung eine fast doppelt so große Steifigkeit wie in transversaler Richtung. Bei einem anisotropen (linearem) Werkstoff werden die sechs Spannungs- mit den sechs Dehnungskomponenten (s. oben) verknüpft. Dazu sind bis zu 21 Werkstoffparameter erforderlich. • Mit einem viskoelastischen Materialgesetzt können zeitabhängige Effekte wie z.€ B. Kriechen beschrieben werden. Gelenkknorpel z.€B. zeigt bei konstanter Drucklast eine mit der Zeit abnehmende Dicke. Es gibt noch viele weitere „unangenehme“ Materialeigenschaften, die bei biologischen Geweben auch gern kombiniert auftreten.
2.3 Biomechanik des Hüftgelenks L. Claes
2.3.1 B iomechanische Prinzipien des Aufbaus und der Beanspruchung des Hüftgelenks Das Hüftgelenk hat die biomechanische Funktion, Bewegungen zwischen Becken und Femur zu erlauben
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
37
Abb. 2.29↜ Anatomie und biomechanisch wichtige Strukturen des Hüftgelenks. (a) Anatomie des Hüftgelenks, (b) röntgenologisch sichtbare Strukturen, (c) biomechanisch bedeutende Trabekelverteilung
und gleichzeitig auftretende Kräfte zwischen beiden Knochen zu übertragen (Abb.€2.29). Es erlaubt einen großen Bewegungsumfang mit Drehungen um alle Raumachsen. Die Synovialflüssigkeit zusammen mit den sehr glatten Knorpeloberflächen sorgt für eine sehr reibungsarme Bewegung zwischen beiden Gelenkflächen. Gelenküberbrückende Muskeln verbinden Femur und Becken. Die Anatomie und die knöchernen Substrukturen haben sich den biomechanischen Beanspruchungen durch eine Optimierung der Knochenstrukturen angepasst. Im Bereich des proximalen Femur und des Azetabelum hat die Evolution (Wolff 1892) durch Ausbildung von filigranen Trabekelstrukturen eine hohe mechanische Belastbarkeit des Hüftgelenks mit einer relativ geringen Knochenmasse erreicht (Abb.€2.29(b), (c)). Die Muskeln haben drei biomechanische Funktionen, sie erzeugen aktive Bewegungen, können Gelenke stabilisieren und die mechanische Beanspruchung der Knochen günstig beeinflussen. Das Hüftgelenk ist von mehreren Muskeln überspannt, von denen die Abduktionsmuskulatur nicht nur für die Abduktionsbewegung der Extremität, sondern auch für die Stabilisierung des Beckens sorgt und die größte Bedeutung für die Belastung der Hüfte hat. Ein sehr vereinfachtes biomechanisches Modell des Hüftgelenks macht die Prinzipien der Gelenkmechanik deutlich (Abb.€2.30). Für den Fall des Einbeinstan-
des wirkt das partielle Körpergewicht (Körpergewicht minus Standbeingewicht, FK) mit seinem Hebelarm (hk) als Drehmoment (Mk = FK × hk) auf das Hüftgelenk und versucht, das Becken zu kippen. Um das Becken in der Horizontalen zu stabilisieren, muss ein gleich großes, aber entgegengerichtetes Drehmoment erzeugt werden. Dies geschieht durch ein Drehmoment, das durch die Abduktorenmuskelkräfte (FM) und ihren Hebelarm (hm) zum Hüftgelenksdrehzentrum gebildet wird (MM = FM × hM; Pauwels 1973). Der Trochantor major sorgt dabei für einen großen Abstand (Hebelarm) der Abduktorenmuskulatur zum Hüftkopfdrehzentrum und reduziert damit die zur Stabilisierung des Hüftgelenks erforderlichen Muskelkräfte und die Beanspruchung des Femur. Tatsächlich wird das Hüftgelenk jedoch von einer viel größeren Zahl von Muskeln überbrückt, die Belastungen des Hüftgelenks beschränken sich nicht auf den Einbeinstand und die Frontalebene und die Belastungen treten meistens als dynamische Beanspruchungen auf, die mit statischen Berechnungen nur begrenzt beschrieben werden können. Seit den ersten grundlegenden Arbeiten von Pauwels (1973) zur Biomechanik der Hüfte hat es eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zur Biomechanik der Hüfte gegeben, die unsere Kenntnis verbessert hat. Die prinzipiellen Analysen von Pauwels sind jedoch trotz einer vereinfachten Betrachtung im
L. Claes
38
FM
FR
FK hM
hK
CCD
Abb. 2.30↜ Vereinfachte Darstellung der wichtigsten Kräfte am Hüftgelenk (mod. nach Pauwels 1973) im Einbeinstand. FK: Partielles Körpergewicht, FM: Muskelkraft der Abduktoren, FR: Hüftgelenksresultierende Kontaktkraft auf Femurkopf und Azetabelum
Wesentlichen auch durch die komplexeren Methoden der neueren wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt worden und sind dem biomechanisch interessierten Arzt einfacher zugänglich.
2.3.2 A natomie und Beanspruchung des proximalen Femur Das proximale Femur besteht aus dem Hüftkopf, dem Schenkelhals, dem Trochantor major und dem Femurschaft. Der Femurkopf hat eine nahezu sphärische Form und ist mit hyalinem Knorpel überzogen. Die Knorpelschicht ist medial-zentral am dichtesten und wird zur Peripherie hin dünner (Kempson 1971). Unter der Knorpelschicht liegt eine subchondrale Knochenschicht mit hoher Dichte, während das Innere des Hüftkopfes von Spongiosa geringerer Dichte gebildet wird (s. Abb.€2.29b). Der Schenkelhals ist gegenüber dem Femurkopf im Durchmesser kleiner, was für den Bewegungsumfang des Gelenks von erheblicher Bedeutung ist.
Ein großer Schenkelhalsdurchmesser schränkt den Bewegungsumfang ein. Die Längsachse des Schenkelhalses bildet zur Längsachse des Femurschafts den CCD-Winkel. Dieser beträgt normalerweise ca. 125°. Es gibt jedoch erhebliche anatomische Variationen zwischen 90° und 135°. Winkel größer als 125° werden als Coxa valga und Winkel kleiner als 125° als Coxa vara bezeichnet. Der CCD-Winkel hat einen direkten Einfluss auf die Kräfte am Hüftgelenk. Für gleiche Schenkelhalslängen ist der Trochantor major aus seiner physiologischen Lage nach oben, bei Coxa valga nach unten verlagert (Abb.€ 2.31). Hierdurch erhält die Muskelkraft FM eine abnormale Lage und Richtung. Der Hebelarm (hm) der Muskelkraft (FM) nimmt bei Coxa valga (Abb.€ 2.31c) ab und bei Coxa vara zu (Abb.€ 2.31b). Dies erfordert eine größere Muskelkraft bei Coxa valga und eine kleinere Muskelkraft bei Coxa vara, um das Becken im Drehmomentgleichgewicht zu halten. Die größere Muskelkraft führt zu einer größeren Hüftgelenksresultierenden (FR) bei Coxa valga und einer kleineren Hüftgelenksresultierenden bei Coxa vara (Abb.€2.31). Die höheren Kräfte der Hüftgelenksresultierenden bei Coxa valga erzeugen jedoch für das proximale Femur eine geringere Beanspruchung (Spannung) als die niedrigeren Kräfte bei Coxa vara (Abb.€2.31). Die Richtung der Hüftgelenksresultierenden FR steht bei Coxa valga annähernd senkrecht zur Schenkelhalsachse und erzeugt dort eine relativ geringe Druckspannung über den gesamten Schenkelhalsquerschnitt (Abb.€ 2.31c). Bei einem normalen CCD-Winkel und insbesondere bei einer Coxa vara läuft die Wirkungslinie der Hüftgelenksresultierenden FR medial der Achse des Schenkelhalses und des proximalen Femurschafts. Daraus resultieren Zugspannungen am proximalen Schenkelhals und Druckspannungen am distalen Schenkelhals, die in ihren Maximalwerten vor allem bei der Coxa vara erheblich größer sind als bei der Coxa valga (Abb.€2.31; Pauwels 1973). Röntgenaufnahmen des proximalen Femur zeigen die Anpassung der Trabekelstruktur an diese biomechanische Beanspruchung mit besonderer Ausprägung der Trabekel im Bereich der auftretenden Zugspannungen (proximal) und der Druckspannungen (distal), während im Bereich geringer Spannungen (Schenkelhalsmitte) auch eine geringe Knochendichte vorhanden ist (s. Abb.€2.29b).
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•… Abb. 2.31↜ Einfluss des CCD-Winkels auf die Beanspruchung des proximalen Femurs (mod. nach Pauwels 1973). (a) Normales Femur, überwiegend Druckspannungen (↜medial) und kleine Zugspannungen (↜lateral) im Schenkelhals; (b) kleiner CCD-Winkel (varus); große Druckspannungen (↜medial) und Zugspannungen (↜lateral); (c) großer CCD-Winkel (valgus), nur Druckspannungen im Schenkelhals
39
FR
FR FM FM
hM
2.3.3 B eanspruchungen des Hüftgelenks bei verschiedenen Aktivitäten Die biomechanisch-analytischen Betrachtungen zur Beanspruchung des Hüftgelenks lassen nur begrenzte Vorraussagen über die unter täglichen Aktivitäten auftauchenden Beanspruchungen zu. Die neuere biomechanische Forschung hat Hüftgelenkprothesen mit Messsensoren ausgerüstet und war damit in der Lage, bei Patienten mit einem Hüftgelenkersatz, die tatsächlich auftretenden Hüftkontaktkräfte bei verschiedenen Aktivitäten zu messen. Die Arbeitsgruppe um Bergmann (2001) hat solche Analysen bei mehreren Patienten durchgeführt. Beim beidbeinigen Stehen liegen die Hüftkontaktkräfte bei 80–120€% des Körpergewichts. Beim einbeinigen Stehen und beim langsamen Gehen steigen die Belastungen auf maximal 250–350€% des Körpergewichts. Die Richtung der Hüftkontaktkraft (der Kraftvektor) hängt dabei von der Stellung des Femur zum Becken und von den Muskelaktivitäten ab (Abb.€2.32). Für den Einbeinstand und die Standbeinphase beim Gehen liegt der Winkel zwischen Femurachse und Hüftkontaktkraft
hM
hM
FR FM
in der Frontalebene bei 15–30°. Dieser Winkelbereich schließt damit auch den von Pauwels (1973) in seinen vereinfachten biomechanischen Analysen gefundenen Winkel von 27° mit ein (s. Abb.€2.30). Beim schnellen Gehen und beim Joggen steigen die Hüftkontaktkräfte auf bis zu 500€% an. Neben den äußeren Kräften, die bei den verschiedenen Aktivitäten unterschiedliche Größen erreichen können, sind für Beanspruchung des Hüftgelenks jedoch vor allem die Muskelkräfte von herausragender Bedeutung. Die Muskelkräfte können die Hüftkontaktkraft erhöhen, schützen jedoch gleichzeitig vor Überlastung der Gelenke und der Knochen. Dies wird deutlich, wenn eine koordinierte Muskelreaktion nicht mehr möglich ist. So hat Bergmann (2001) bei Patienten, die gestolpert sind, maximale Hüftkontaktkräfte bis zu 870€% des Körpergewichts gemessen. In der postoperativen Rehabilitation wird die Bedeutung der Muskelkräfte für die Kräfte im Hüftgelenk unterschätzt. So führte das Aufstehen vom Bett zu Maximalbelastungen von 270€% und beim Anheben
H. P. Nötzli und T. F. Wyss
40 330% Körpergewicht Max. Kraft
2.4 K inematik und Bewegungsumfang des Hüftgelenks H. P. Nötzli und T. F. Wyss
Gehen 4km/h Patient EBL 51 Monate postoperativ
medial anterior
Abb. 2.32↜ Gemessene Kraftvektoren an der Hüftprothese eines Patienten beim Gehen mit 4€ km/h. In Abhängigkeit von der Gehphase variiert die Größe und Richtung der Hüftgelenkskontaktkraft erheblich. (Mit freundlicher Genehmigung von G. Bergmann)
des gestreckten Beines in Rückenlage wurden 410€% des Körpergewichts gemessen. Da die Hüftgelenkskraft asymmetrisch zum Schaft verläuft, erzeugt sie über ihren Abstand zur Schaftachse Biegemomente und Torsionsmomente. Die Größe der Momente ergibt sich aus der Multiplikation der auf das Körpergewicht normierten Hüftkontaktkraft (% Körpergewicht in N) und dem wirksamen Hebelarm (Metern). Für das Gehen und Treppensteigen wurden Biegemomente von ca. 10€ % Körpergewichtâ•›×â•›Meter und für die Torsionsmomente ca. 2–5€% Körpergewichtâ•›×â•›Meter gemessen (Bergmann 2001). Vor allem die Torsionsmomente sind im Hinblick auf eine Prothesenlockerung von großer Bedeutung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Messwerte individuelle patientenspezifische Ergebnisse wiedergeben, die von der Prothesenhalslänge und dem Anteversionswinkel abhängen. Entsprechend hängen auch die Biegemomente und Torsionsmomente des normalen proximalen Femur von der individuellen Schenkelhalslänge und dem Anteversionswinkel ab. Abweichungen von physiologischen Anteversionswinkeln (7–10°) sowohl zu wesentlich größeren als auch zu wesentlich kleineren Winkeln führen zu einer erhöhten Torsionsbelastung des proximalen Femur.
Der Bewegungsumfang eines Gelenks im Rahmen der täglichen Aktivitäten interessiert nicht zuletzt im Hinblick auf den künstlichen Gelenkersatz, der nicht nur die Schmerzen reduzieren, sondern auch wieder die Teilnahme an den sozialen Aktivitäten des Umfelds erlauben sollte. Die Ansprüche, die an ein Gelenk gestellt werden, sind dabei soziokulturell bedingt höchst unterschiedlich. Während in der westlichen Gesellschaft Kniesitz, Hockerstellung oder der Schneidersitz bei Erwachsenen selten gemacht werden, gehören diese Positionen in asiatischen und afrikanischen Kulturen zum normalen Positionsmuster, teilweise auch erfordert bei religiösen Zeremonien. Da das Hüftgelenk im Wesentlichen als Kugelgelenk angesehen werden kann, erlaubt es Bewegungen in allen drei Ebenen: Flexion und Extension in der Sagittalebene, Abduktion und Adduktion in der Frontalebene sowie Außenrotation und Innenrotation in der Transversalebene. Die Messung erfolgt bei Verwendung der Neutral-0-Methode, die international am häufigsten Anwendung findet, in Winkelgraden und von einer anatomischen Normal- respektive Neutralstellung ausgehend. Es ist dies eine aufrecht stehende respektive gestreckt liegende Haltung mit den Armen und Händen am Körper anliegend (Debrunner 2002). Es stellt sich die Frage, welcher Bewegungsumfang für eine Hüfte erforderlich ist, um normal funktionieren zu können. Arbeiten, in denen die Beweglichkeit des Hüftgelenks allein gemessen wurde, sind rar (Gore et€al. 1984; Hemmerich et€al. 2006). Aus vielen Publikationen wird klar, dass Mitbewegungen von Becken und Wirbelsäule nicht in Abzug gebracht wurden, was entsprechend höhere Werte ergibt (Preiser 1911). Gestützt vor allem auf die Arbeit von Gore und Mitarbeitern (Gore et al. 1984), die ein großes Kollektiv mit großer Altersspanne untersucht haben, kommt man für tägliche Aktivitäten zu folgenden Bewegungsumfängen in der Hüfte: Beim normalen Gehen ist eine Flexion von 30° und eine Extension von 15° notwendig. Die Abduktion erreicht dabei maximal 10° und die Adduktion weniger als 5°. Gehen ist aber auch mit Rotation verbunden. Bei Männern erreicht diese eine Außenrotation um die 10° ohne in der Schrittabfolge in Innenrotation zu gelangen. Bei Frauen ist die Außenrotation tendenziell etwas weniger ausgeprägt
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•… Abb. 2.33↜ (a) Bestimmung des Winkels α als Maß für die Taille zwischen Femurkopf und Schenkelhals. (b) Bestimmung des Freiraums zwischen vorderem Pfannenrand und Schenkelhals in Form des Winkels β
41
A α M
A
Z
a und kann auch in eine geringgradige Innenrotation übergehen. Beim Treppensteigen ist eine Flexion bis gut 40° erforderlich mit Reduktion der Extension auf weniger als 5°. Auch eine Abduktion von gut 10° sollte möglich sein. Die Rotation ist dabei unbeeinflusst. Beim Treppenhinabgehen reduzieren sich die Ansprüche an die Gelenksbeweglichkeit erheblich. Nur eine Flexion von knapp 20° ist notwendig. Extension ist nicht erforderlich, wie auch die Rotation um 5° Außenrotation linear verläuft. Beim Sichhinsetzen, Sitzen und Aufstehen ist nur eine Flexion von maximal 60° vonnöten. Stehen selbst erfordert aber eine geringe Extension. Je nachdem, ob man sich mit geschlossenen Knien oder mit leicht gespreizten Beinen hinsetzt, fallen Außen- und Innenrotation unterschiedlich aus. Größte Ansprüche an die Hüftbeweglichkeit müssen vor allem, was die Flexion anbetrifft erfüllt werden, wenn eine Hockerstellung mit den Fersen am Boden eingenommen wird. Hier erreicht die Flexion bis 95°, die Abduktion gut 30° und die Außenrotation gegen 20°. Der Schneidersitz erfordert mit weniger als 85° Flexion deutlich weniger Beugung aber mit 35° mehr Abduktion und mit knapp 40° mehr Außenrotation. Innenrotation ist bis zu 15° notwendig, um aus der Hockerstellung aufzustehen (Hemmerich et€al. 2006). Andere Autoren geben für die Flexion in Hockerstellung Werte von 130° und mehr Grad an, wobei die Messtechniken der verschiedenen erwähnten Studien meist unklar sind (Mulholland und Wyss 2001). Eine Hüfte, die auch hohen Ansprüchen im Alltag genügen könnte, müsste also eine Flexion von 100°, eine Abduktion von 35°, eine Außenrotation von 40° und eine Innenrotation von 15° erreichen. Der Bewegungsumfang, wie er auch in neueren Lehrbüchern angegeben wird (Debrunner 2002; Miller
β Z
b 2004), übersteigt in erheblichem Maße den erforderlichen Bewegungsumfang selbst für Extrempositionen. Es ist anzunehmen, dass die hohen Werte für die Flexion vor allem dadurch zustande kamen, dass die Mitbewegung der Nachbargelenke, wie die Aufhebung der Lordose und der Beckenkippung in das Bewegungsmaß miteinbezogen wurden. Eine weitere Frage stellt sich: Was bestimmt den Bewegungsumfang des Hüftgelenks? Sind es die Weichteile oder ist es der Knochen? Im Rahmen von Untersuchungen zur Quantifizierung des Impingements (schmerzhaftes Anschlagen zwischen Schenkelhals und Pfannenrand im Rahmen physiologischer Bewegungen) zeigte sich, dass sich das proximale Femur von Patienten mit einer Impingement-Symptomatik klar von demjenigen Normaler unterscheidet. Die vordere Taille am Übergang vom Femurkopf zum Schenkelhals ist aufgrund eines asphärischen oder in Retrotorsion stehenden Kopfes oder aufgrund anteriorer Weichteil- und Knochenauflagerungen bzw. eigentlicher Osteophyten weniger tief ausgebildet oder fehlend. Zur Ausmessung der Tiefe dieser Taille wurde der Winkel α geschaffen (Abb.€ 2.33a). Dazu wird ein Kreis um den Knorpel tragenden Teil des Femurkopfes gelegt und derjenige Punkt bestimmt, an welchem ventral die knöcherne Kontur erstmals diesen Kreis gegen außen verlässt (Punkt A). Der Winkel wird dann zwischen der Schenkelhalsachse und einer Linie, die das Femurkopfzentrum (Z) mit dem Punkt€A verbindet, gemessen. Die Schenkelhalsachse selbst ist als Verbindung zwischen der Schenkelhalsmitte (M) an der engsten Stelle am Hals und dem Femurkopfzentrum definiert (Nötzli et€al. 2002). Obwohl dieser Winkel die Gruppe von Impingement-Patienten und Normalen sehr gut zu unterscheiden vermochte, fand sich keine Korrelation zu der klinisch gemessenen Innenrotation, die bei Impinge-
42
ment-Patienten auffällig häufig eingeschränkt ist. Eine zweite Untersuchung (Wyss et€ al. 2007), bei der im offenen MRI bei 90° flektierter Hüfte der Freiraum zwischen vorderem Pfannenrand und Schenkelhals in Form eines Winkels β (Abb.€2.33b) bestimmt wurde, zeigte dann eine hervorragende Korrelation zwischen β und der klinisch gemessenen Innenrotation in 90°-Flexion und zwar unabhängig davon, ob der Proband gelenkgesund war oder nicht. Diese Untersuchung zeigt, dass das Maß der Innenrotation bei nichtentzündlich veränderten Gelenken nicht – wie häufig vermutet – durch die Anatomie der Weichteile, sondern durch diejenige des Knochens bestimmt wird. Die Innenrotation, die in der klinischen Abschätzung eines Risikos für ein Impingement als Schlüsselbefund anzusehen ist und die bereits in der alten Literatur als erstes Zeichen einer beginnenden Arthrose beschrieben wurde (Preiser 1911), fiel in dieser Studie im Vergleich zu den Angaben in den Lehrbüchern nicht nur bei den Impingement-Patienten, sondern auch bei den Normalen deutlich geringer aus. Sie betrug im Normalkollektiv durchschnittlich 28° (10–40°). In der Kontrollgruppe einer zweiten Studie fand sich ein noch tieferer Wert mit durchschnittlich 23,5° (10–35°). Die Flexion betrug im Schnitt 100° mit einem absoluten Maximum von 123°, die Extension 26°. Es gilt also, vor allem für Rotationsbewegungen, aber auch für die Flexion, die Werte nach unten zu korrigieren. An reiner Hüftgelenksbeweglichkeit dürfen beim Gesunden im Durchschnitt folgende Werte erwartet werden: Flexion/Extension 100°–0°–30° Außenrotation/Innenrotation 35°–0°–25° Abduktion/Adduktion 30°–0–15° Liegen die Werte bei der klinischen Untersuchung deutlich darüber, so muss eine Dysplasie vermutet werden. Bei weniger Beweglichkeit vor allem für Innenrotation und/oder Flexion ist von einer Hüfte „at risk“ für ein Impingement auszugehen.
2.5 B iomechanische Ursachen der Coxarthrose H. P. Nötzli und T. F. Wyss Bereits 1911 hat Preiser (1911) in seinem Werk über „Statische Gelenkerkrankungen“ aufgezeigt, dass die Ausbildung der Hüftpfanne, deren Ausrichtung
H. P. Nötzli und T. F. Wyss
und die Form des proximalen Femur einen entscheidenden Einfluss auf die mögliche Ausbildung einer Coxarthrose haben. Interessanterweise fand er, dass die „rachitische“ Pfanne, für die wir heute den Begriff der Dysplasie verwenden, zwar fraglos mit der Ausbildung der Coxarthrose in Verbindung zu bringen ist, dass dies aber bei der nach lateral und hinten ausgerichteten Pfanne in noch höherem Maße der Fall ist. Dass der Begriff der „primären Coxarthrose“ eigentlich keine Berechtigung hat, haben verschiedenste Autoren gezeigt, indem sie bei genauer Analyse wenig auffälliger Röntgenbilder, Deformitäten sichtund messbar machen konnten, die mit dem Auftreten von frühdegenerativen Veränderungen einhergingen (Murray 1965, 1971; Preiser 1911; Solomon 1976; Stulberg 1975). Sowohl Murray (1971), der die Stellung des Femurkopfes in Relation zum Schenkelhals ausmaß, als auch Stulberg (1975), der den Begriff der „pistol grip deformity“ prägte, kamen zum Schluss, dass die sog. primären Arthrosen in bis zu zwei Dritteln der Fälle auf eine stumm verlaufene Epiphysiolysis capitis femoris zurückzuführen sein dürften. Goodman et€ al. (1997) wiesen dann darauf hin, dass bei früh degenerativen Veränderungen die Hauptdeformation am proximalen Femur nicht in der frontalen Ebene, sondern in der sagittalen Ebene liegt. Aufgrund von Beobachtungen nach Epiphysiolysis capitis femoris war Ganz (Leunig et€al. 2000) bereits einige Jahre zuvor zur Überzeugung gelangt, dass Labrum- und Knorpelschädigungen in hohem Maße auf Deformationen am proximalen Femur und/oder auf eine Retroversion des Azetabulum zurückzuführen sind. Er führte auch die Begriffe „Impingement“ respektive „Impingement-Symptomatik“ an der Hüfte ein, wobei Impingement für das schmerzhafte Anschlagen des Femurkopf-Schenkelhals-Übergangs am (meist vorderen) Pfannenrand im physiologischen Bewegungssegment steht.
2.5.1 M echanische Ursachen für die Ausbildung einer Arthrose • Azetabulär: − ungenügendes und/oder zu steil gestelltes Pfannendach, − Retroversion des Azetabulum, − Protrusio acetabuli, coxa profunda.
Funktionelle Anatomie und Biomechanik 2â•…
• Femoral: − Coxa valga mit Fovea alta, − fehlende Taille am Femurkopf/Schenkelhalsübergang, − Retrotorsion des proximalen Femur. Übernutzung der Hüfte, meist im Rahmen sportlicher (Stop-and-go-Sportarten) oder beruflicher (Ballett) Aktivitäten.
43
einhergehen muss, spielt wohl die Überlastung des Knorpels der Hauptbelastungszone die entscheidende Rolle. Hier kommt die vermehrte Belastung dadurch zustande, dass die Fovea, die keinen gelenktragenden Knorpel hat, mit dem Knorpel der azetabulären Belastungszone artikuliert, was die gemeinsame belastete Kontaktfläche reduziert und damit zu einer Überbelastung der entsprechenden Knorpelareale führt.
2.5.2 Dysplasie 2.5.3 Impingement Beim ungenügenden und/oder zu steil gestellten Pfannendach wie es für die Dysplasie typisch ist, ist es die fehlende ventrokraniolaterale Tragfläche, die aus einer horizontalen eine schräge Belastungszone macht. Während bei Belastung einer horizontalen Belastungsfläche die Kraft orthograd in die Tragzone eingeleitet wird, kommt es bei der dysplastischen Hüfte zu einer exzentrischen Einleitung der Belastung näher am Pfannenerker mit entsprechender Erhöhung des Drucks (Pauwels 1965). Gleichzeitig kommt es zur Ausbildung einer Tangentialkomponente (Tschauner und Hoffmann 2004) entsprechend der Steilheit des Pfannendachs, die den Hüftkopf in den Bereich des knöchernen Defizits drängt. Je steiler die Belastungsfläche ist, desto größer ist bei Belastung die Tendenz, den Hüftkopf nach ventrokraniolateral zu verschieben, was die Überlastung des entsprechenden Azetabulumecks zur Folge hat. Vor allem wird damit auch das Labrum, das im Wesentlichen nicht zum lasttragenden System gehört, sondern vielmehr als Dichtungsring zu betrachten ist (Furgeson 2006), mechanisch überbelastet. Es reagiert typischerweise mit einer Hypertrophie. Letztere ist verbunden mit degenerativen Veränderungen (mukoide Degeneration). Mit der Zeit kann das Labrum der chronisch repetitiven Überbelastung nicht mehr widerstehen und reißt ein. Mit dem Labrum werden ungünstigerweise häufig auch größere Anteile des benachbarten Knorpels abgerissen. Der früher potentiell instabile Femurkopf ist jetzt definitiv instabil und dezentriert zunehmend, was zu einer punktuellen Belastung des Femurkopfes und des ventrokraniolateralen Ecks mit entsprechender mechanischer Überlastung und Zerstörung des Knorpels führt. Auch bei der hohen Fovea (Nötzli et€ al. 2001), die bei femoral betonter Hüftdysplasie nicht notwendigerweise mit einer azetabulären Dysplasie
Der Mechanismus der Arthroseentstehung durch Fehlform oder Fehlausrichtung von Anteilen des Gelenks ohne defizitäre Anteile unterscheidet sich von dem bei Dysplasie grundsätzlich, wobei bei dysplastischen Hüften durch Retroversion des Azetabulum oder fehlende Taillierung am Femurkopf-Schenkelhals-Übergang auch die heute mit dem Begriff Impingement umschriebenen Mechanismen eine Rolle in der Arthroseentstehung spielen können. Prinzipiell werden zwei Mechanismen unterschieden, die für die Schädigung des Gelenks verantwortlich gemacht werden können: • der Nockenwelleneffekt und • der Beißzangeneffekt. Beim Nockenwelleneffekt (Beck 2003; Ito et€ al. 2001), der vor allem bei den asphärischen Köpfen eine Rolle spielt, führt der – anstelle eines gleichbleibenden Radius – zunehmende Radius zum Schenkelhalsübergang zu Scherkräften im azetabulären Knorpel, zu einem vermehrten Druck auf das Labrum und zu einem Hebeln am Pfannenrand (Abb.€ 2.34). Es sind die Scherkräfte, die am Pfannenrand auf den Knorpel einwirken, die die hauptsächliche Schädigung bewirken. Sie führen zu einer Ablösung des Knorpels an der Grenze zwischen kalzifiziertem und unkalzifiziertem Knorpel (Abb.€2.35a) begleitet von Ausdünnung desselben durch Nachwachsen der ossifizierten Zone gegen das Gelenk, Veränderung der Knorpelstruktur oder sogar vollständiges Verschwinden des Knorpels in mechanisch geschädigten Arealen. Weiteres Resultat der repetitiven Mikrotraumen sind Labrumablösung und -degeneration zum Teil direkt in die Knorpelablösung übergehend. Ulzerationen finden sich im gegenüberliegenden Azetabulumteil wahrscheinlich durch das Hebeln verursacht. Da Labrum- und Knorpelablösung meist azetabulär anterosuperior zu finden sind,
44
Abb. 2.34↜ Schema zum Schädigungsmechanismus beim Nockenwellen-Impingement. Durch den gegen den Schenkelhals wachsenden Radius bei der Nockenwellendeformation wirken bei Flexion und Innenrotation Scherkräfte auf den pfan-
H. P. Nötzli und T. F. Wyss
nenrandnahen Knorpel, was zu Ablösung desselben führen kann. Auch kommt das Labrum unter vermehrten Druck gefolgt von Degeneration und Ablösung
Abb. 2.35(a), (b)↜ Anterosuperiore azetabuläre Knorpelablösung und -destruktion bei 16-jährigem Patienten infolge mechanisch ungünstiger Femurkopfform
liegen die Ulzerationen vor allem im Hinterhornbereich (Beck 2006). Außer randständigen Irritationszonen zeigt der Femurkopf selbst typischerweise erst im fortgeschrittenen Stadium eine Knorpeldestruktion (Abb.€2.35b). Bei der Fehlausrichtung an sich normal ausgebildeter Gelenkskomponenten kommt es im physiologischen Bewegungsrahmen zu einem Konflikt zwischen Schenkelhals und Azetabulumrand, wie er auch bei zu tiefer Pfanne im Rahmen einer Coxa profunda oder Protrusio coxae zustande kommt. Der Begriff, der sich für diese Pathologie durchgesetzt hat, ist „Pincer- oder Beißzangen“-Impingement. Im Gegensatz zum Nockenwellen oder Cam-Impingement steht die Labrumdegeneration respektive Ossifikation im Vordergrund. Die Knorpelläsionen in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den Labrumveränderungen sind meist geringer als beim NockenwellenImpingement, Ulzerationen dagegen häufiger (Beck 2006).
In mehr als 2/3 der Fälle finden sich Mischformen beider Impingement-Typen. Nicht vergessen werden darf, dass eine Übernutzung allein zu Knorpelschädigungen führen kann. So zeigen gewisse Sportarten wie z.€ B. Karate auch bei ansonsten weitgehend normal ausgebildetem Hüftgelenk typische Knorpelschädigungen am Femurkopf und zwar meist am Standbein, was auf Scherkräfte im Knorpel bei forcierter Abduktion zurückzuführen sein dürfte. Bei genauem Hinsehen sind es vor allem biomechanisch ungünstige Verhältnisse, die in einem hohen Prozentsatz für die Ausbildung einer Coxarthrose verantwortlich sind. Da wir heute bei genügend früher Erkennung über gute operative Möglichkeiten zur Verbesserung der Gelenksmechanik verfügen (Beckenosteotomien, chirurgische Hüftluxation) gilt es diese in die Therapiekonzepte einfließen zu lassen.
2â•… Funktionelle Anatomie und Biomechanik
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3
Implantate R. Willi, C. Rieker, M. Thomsen und P. Thomas
3.1 Hüftprothesen R. Willi Generell müssen Hüftprothesen so gestaltet sein, dass sie sich auf sichere Art implantieren lassen und als lasttragende Bauteile ihre Funktion wahrnehmen können. Dahingehend sind sie auf die jeweilig vorliegende Indikation abgestimmt, in die Operationstechnik eingebunden, planbar und entsprechend instrumentiert. Sie erlauben die gewünschte Rekonstruktion des Gelenkdrehzentrums bei stabiler Verankerung von Schaft und Pfanne im Prothesenlager. Innerhalb der von den Herstellern als kompatibel deklarierten Komponenten sind die Köpfe resp. Artikulationssysteme frei wählbar. Fremdpaarungen sind nicht zulässig. Des Weiteren folgen sie den weltweit und regional verbindlichen Regelwerken. Halsgeometrie, Bewegungsfreiheit╇ Zur Halsgeometrie kann generell festgehalten werden, dass der Querschnitt einerseits die geforderte Festigkeit garantiert und anderseits eine große Bewegungsfreiheit im Gelenk (engl.: „range of motion“, ROM) begünstigen muss. Das kann in Form eines runden Querschnitts erfolgen, der so klein wie möglich ausgeführt wird, oder idealerweise als abgeflachter oder dreiecksförmiger Querschnitt. Die Querschnittsoptimierungen ergeben sich aus den Kontaktpunkten zwischen Pfanneneintrittsebene und Schaft am Hals. Besonderes Augenmerk gilt einer Optimierung der Bewegungsfreiheit im Gelenk in
Flexion, vor allem notwendig bei Schäften mit großem CCD-Winkel (Centrum-Collum-Diaphysenwinkel) von über 135°, da bei dieser Konstellation die Bewegungsfreiheit in Flexion möglicherweise zu tief ausfällt (Abb.€3.1). CCD-Winkel╇ CCD-Winkel (Centrum-Collum-Diaphysenwinkel) an Schäften liegen im Bereich von ca. 120–145°. Der CCD-Winkel an den Schäften ist in den meisten Fällen als rein konstruktiver Wert zu sehen. Es besteht keine direkte Korrelation zwischen Anordnung des CCD-Winkels und Offsets oder Höhe der Anordnung des Schaftkonus. Kleine und große Offsets lassen sich z.€B. mit dem gleichen CCD-Winkel durch paralleles Verschieben der Schaftachse realisieren. Entsprechend wird dies bei vielen Geradschäften ausgeführt (Davey und Tozakoglou 1999; Abb.€3.2).
3.1.1 Zementierte Schäfte 3.1.1.1 Prinzip Zementierte Schäfte bilden zusammen mit dem Knochenzement als eine Einheit das Implantat und erlauben die vollständige, unmittelbare Belastung desselben nach der Implantation, herrührend vom Verbund zwischen Schaft und Femur mittels Knochenzement, der während der Implantation erzeugt wird. Biomechanisch ergibt sich daher im Regelfall durch das Einzementieren eines Schafts eine tendenziell langstreckige Verankerung im Femur mit intertrochanterer Krafteinleitung.
R. Willi () Zimmer GmbH, Sulzer-Allee 8, 8404 Winterthur, Schweiz E-Mail:
[email protected] L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_3, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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R. Willi
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Spitzen oder anderen Elementen, die den Dickenverlauf des Zementmantels nachteilig stören würden. In der konisch verlaufenden Gestaltung haben sich für den Schaftkörper in der Frontalebene ca. 6°, in der Sagittalebene ca. 2° bewährt.
14
5°
Abb. 3.1↜ Darstellung der maximalen Bewegungsfreiheit (Englisch: „range of motion“) zwischen Schaft und Pfanne und den Kontaktpunkten zwischen Schafthals und Pfanneneintrittsebene
CC
D
5°
D
CC
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Abb. 3.2↜ Gleicher Offset und Höhe des Drehzentrums am Schaft, realisiert mit unterschiedlichen CCD-Winkeln
3.1.1.2 Gestaltung Konzeptionell ist der zementierte Schaft in der Gestaltung so ausgelegt, dass er Spannungsspitzen oder nicht tolerierbar hohe Spannungen im Knochenzement vermeidet, unabhängig von der Zementmanteldicke. Der Schaft ist relativ rigide und überträgt im Wesentlichen Druckkräfte, denen der Zement am besten widersteht. Überbelastungen würden zum Fließen oder Brechen des Zementköchers und zur Lockerung des Schafts führen. Dementsprechend finden sich am Schaft abgerundete Formen mit großen Radien im Bereich von ca. 1,5–4,5€mm, mit sanften Übergängen frei von Kanten,
3.1.1.3 Konzepte und Oberflächen In der gestalterischen Umsetzung von zementierten Schäften und deren Zementköcher lassen sich zwei Hauptkonzepte beschreiben. Ein Konzept ist das starre Fixieren des Schafts im Zementmantel mit dem Ziel, ein Nachsetzen zu vermeiden. Der Ansatz beinhaltet Kragenelemente zur axialen Schaftabstützung und fein gestrahlte Oberflächen, zur Verblockung des Schafts im Zement über die gesamte Oberfläche, in Kombination mit dünnem oder zweigeteiltem Zementmantel, der eine direkte Abstützung des Schafts an der Kortikalis zulässt. Der Zement dient dazu, Unebenheiten auszugleichen. Das Schaftkonzept muss daher nachfolgende Elemente in sich vereinen (Ochsner 2003; Malchau et€al. 2002; Sperling et€al. 1997; Weber 1988): Zementköcher am Schaft umlaufend dünn (ca. 0,5–1€mm) oder zweiteilig, Kragenelemente, fein gestrahlte Oberflächen, keine Zentrierelemente oder Spacer (Abb.€3.3a) Der zweite konzeptionelle Ansatz gestattet ein Nachsetzen des Schafts im Zementmantel. Es soll einem nicht mehr fest sitzenden Schaft ein nochmaliges Verklemmen im Zementmantel ermöglichen. Im Regelfall sind diese Schäfte ohne Abstützelemente ausgelegt und besitzen konsequenterweise eine polierte Oberfläche in Kombination mit einem dicken Zementmantel. Dieser hilft mit, dass das erlaubte Nachsetzen des Schafts innerhalb von diesem stattfindet, der wiederum seinen Anteil aufgrund der Materialbeschaffenheit beitragen kann. Zur Reproduzierbarkeit der in diesen Konzepten meist dickeren Zementwandstärken werden aufsteckbare Zentrierelemente, distal am Schaft, und Spacer, proximal am Schaft, verwendet. Die Zentrierelemente sind im Regelfall aus PMMACo-Polymeren spritzgegossen. Sie begünstigen eine chemische Verbindung mit dem Knochenzement. Alle Elemente müssen strömungstechnisch so gestaltet sein, dass der Zementmantel beim Einbringen des Schafts mit den aufgesetzten Elementen nicht unterteilt und in seiner Form gestört wird. Des Weiteren muss beim distalen Element ein eventuelles Nachsetzen des Schafts mit einer Vertiefung im Zentrierelement berücksichtigt werden. Zentrierelemente werden im Regelfall ohne Kontrastmittel ausgestattet. Das Schaftkonzept sollte
Implantate 3â•… Abb. 3.3↜ (a) Zementierter Schaft, mit Kragenelement, zur starren Fixierung im Knochenzement mit dem Ziel, ein Nachsetzen zu vermeiden. (b) Zementierter Schaft, ohne Kragen, dessen Design ein Nachsetzen im Knochenzement zulässt
49
a
daher folgende Elemente beinhalten (Spotorno et€ al. 2002; Berli 2003; Berli et€al. 2003; Barrack et€al. 1992; Malchau 2000; Weidenhielm et€al. 1994; Weidenhielm 1995): Zementköcher am Schaft umlaufend dick (ca. 1€mm distal bis zu max. 7€mm proximal medial), keine (oder nur sehr kleine) Abstützelemente, polierte Oberflächen, Zentrierelemente oder Spacer (Abb.€3.3b) Am Zementköcher sollten Wandstärken von über 5€mm aufgrund der Wärmeentwicklung während des PMMA-Polymerisationsvorgangs vermieden werden.
3.1.1.4 Verankerungskonzept Zementierte Verankerungen sind auf längere Verankerungsstrecken als zementfreie angewiesen. Was bei zementfreien Konzepten mit porösen, rauen Oberflächen und Rippen an Stabilität erreicht werden kann, muss bei zementierten Langschäften mit Hilfe des Knochenzements erreicht werden. Da auch hier die Verankerung unter Umständen nur distal erfolgt, fehlen die proximalen Abstützzonen, die dem Zement entgegenkommen würden. Die Schaftquerschnitte
b
müssen, wie bei zementierten Primärschäften, rechteckig, verrundet gestaltet werden.
3.1.2 Zementfreie Schäfte 3.1.2.1 Prinzip Zementfreie Schäfte stellen durch ihre Design-Elemente, Oberflächen und Werkstoffe ein Konzept dar, das eine primäre und eine sekundäre Fixation ermöglichen muss. Die knöcherne Integration und Belastung des Implantats erfolgt daher in zwei Phasen. 3.1.2.2 Gestaltung Elementar für die Gestaltung sind einerseits alle Design-Elemente für die primäre Stabilität, die durch den Implantationsvorgang erreicht wird, und anderseits für die sekundäre Stabilität, bei der ein knöchernes Anwachsen oder Einwachsen in die Schaftoberfläche berücksichtigt sein muss. Zum Erreichen der Primärstabilität hat sich das Press-fit-Prinzip, gestaltet in einer
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a
b
c
Abb. 3.4↜ (a) Zementfreier Schaft, zur distalen, kortikalen Verankerung und Krafteinleitung. (b) Zementfreie Schäfte, zur proximalen, kortikalen-spongiösen Verankerung und Kraftein-
leitung. (c) Zementfreier Schaft, zur intertrochanteren, kortikalen Verankerung und Krafteinleitung
vorteilhaft, dreidimensionalen Konizität, bewährt, was bezogen auf den zementfreien Schaft ein Verkeilen im Femur bedeutet. Gestalterisch bieten sich eine distale, proximale oder eine Kombination von beiden Verankerungsphilosophien an. Der letztlich gewählte respektive erforderliche Schaftquerschnitt bedingt entweder das Festlegen der Antetorsion zu Beginn der Markraumeröffnung (nicht runder Querschnitt) oder während des Einsetzens des Schafts (runder Querschnitt). Hochfeste Ti-Legierungen weisen ein E-Modul von ca. 110.000€MPa auf, d.€h. rund die Hälfte des E-Moduls von Werkstoffen angewendet für zementierte Schäfte. Sie sind daher flexibler, bei vergleichbaren Querschnitten, und liegen somit näher an der Elastizität des natürlichen Femur. Wird eine noch größere Annäherung der Schaftelastizität an das Femur angestrebt, bieten sich für die Schaftgestaltung Technologien an, die auf schlanken Metallgrundkörpern aufbauen. Diese sind mit Polymeren umgeben, die wiederum mit porösen Oberflächen beschichtet sind (Glassman et€al. 2001; Dujovne et€al. 1993). Das kommt einer physiologischen Krafteinleitung stark entgegen, fordert aber ein hohes Augenmerk auf das Vermeiden von zu hohen Relativbewegungen im Schaft-Femur-Interface. Zu hohe Relativbewegung würde die knöcherne Integration erschweren und demzufolge eine sekundäre Stabilität kompromittieren.
3.1.2.3 Konzepte Die distale Verankerung und die damit verbundene distale Krafteinleitung bezieht den ganzen Schaftquerschnitt auf einer Länge von ca. 60–90€mm mit ein. Vor allem die Querschnitte, rund-porös, rund-sternförmig oder rechteckig mit Schaftkanten über die Diagonale, spielen eine zentrale Rolle, da sie eine räumliche, reproduzierbare kortikale Verkeilung und entsprechende Krafteinleitung ermöglichen. Die distale Verankerung muss genügend lang sein, damit verhindert sie ein proximales „Schwingen“ des Schafts im Femur. Für die distale Verankerung haben sich in der Gestaltung Winkel von ca. 2° in frontaler und ca. 4° sagittaler Ebene bewährt (Weissinger und Helmreich 2001; Traulsen et€al. 2001; Grubl et€al. 2002, 2003; GarciaCimbrelo et€al. 2003; Vervest et€al. 2005; Pospischill et€al. 2005; Wagner und Wagner 1999; Abb.€3.4a). Die proximale Verankerung, d.€h. proximale Krafteinleitung, berücksichtigt eine Kombination von direkter medial-lateraler-kortikaler und anterior-posterior-spongiöser Abstützung, z.€B. realisiert in Form von Rippen oder porösen Oberflächen auf einer Länge von ca. 40–80€mm. Bei kürzeren, gebogenen Schäften übernimmt der distale Anteil sowohl Führungsaufgaben bei der Implantation als auch die laterale Krafteinleitung. Bei geraden Schäften ist der distale Anteil meist wesentlich länger. Zur Vermeidung von Spannungsspitzen in der Kortikalis ist er mit abgerundeten
Implantate 3â•…
Kanten versehen und dient hauptsächlich als Führungselement beim Implantieren. Eine Krafteinleitung findet hier praktisch nicht statt. Für die proximale Verankerung haben sich Winkel im Bereich von ca. 5–10° in sagittaler Ebene bewährt. In frontaler Ebene folgt der Schaft dem Verlauf proximal des Kalkar und ist nach distal verjüngt (Spotorno et€al. 1987; Bülow et€al. 1996; Schreiner et€ al. 2001; Malchau 2003; Bläsius et€al. 1993; Aldinger et€al. 2003; Abb.€3.4b). Als weitere, kombinierte Verankerungsmethode mit mehrheitlich intertrochanterer Krafteinleitung bieten sich kegelförmige Grundkörper an, die zur Verankerung z.€B. Längsrippen auf runden oder ovalen Querschnitten angeordnet haben. Die Rippen verankern sich sowohl kortikal als auch spongiös auf einer Länge von ca. 80–120€mm. Als Kegelwinkel haben sich ca. 5° bewährt (Wagner und Wagner 1995, 2000; Castelli et€al. 1999; Abb.€3.4c).
3.1.2.4 Instrumentierung Allen Konzepten gemein ist die Verwendung von Instrumenten, die eine präzise, reproduzierbare Bearbeitung des Implantatlagers gestatten. Des Weiteren müssen die Instrumente exakt auf die Gestaltung des zementfreien Schafts abgestimmt sein, um den gewünschten Press-fit zu erreichen, d.€ h. distal ca. 0,1–0,2€mm, proximal ca. 1–1,5€mm, bezogen auf den Schaftgrundkörper oder auf Makroelemente wie z.€B. Rippen. 3.1.2.5 Verankerungskonzepte Zur Hauptsache bieten sich für eine zementfreie Anwendung zwei Press-fit-Verankerungskonzepte an: zum einen die gerade, kegelförmig gestaltete mit rundem, verripptem Querschnitte, ohne Zusatzverriegelung, zum anderen die gebogene, konisch konzipierte mit rechteckigem Querschnitt und der Möglichkeit der Zusatzverriegelung in Form von quer zur Femurlängsachse angebrachten Verschraubungen mittels Spongiosaschrauben. Zur Verankerung der distalen Schaftpartien muss jeweils eine minimale Länge von ca. 70–90€mm zur Verfügung stehen. Die zementierte Verankerung wird später separat betrachtet (Schenk und Wehrli 1989; Fink et€al. 2005). Gerade kegelförmige Verankerung Rund gestaltete, mit 8 feinen Rippen versehene Querschnitte, angeordnet auf Kegeln mit einem Winkel von etwa 2°, haben als Verankerungselemente ihre Zuverlässig-
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keit bewiesen. Die Rippen müssen mit ca. 0,5–1,0€mm so dünn konzipiert sein, dass sie sich wenige Zehntel Millimeter, etwa 0,1–0,5€ mm, in den kortikalen Knochen einschneiden können. Der Press-fit-Effekt sichert unmittelbare primäre Stabilität und ermöglicht dadurch in Verbindung mit einer rau gestrahlten Oberfläche eine sekundäre, knöcherne Integration. Vor allem im Bereich der Rippenspitzen wird die Neubildung von Knochenformationen angeregt. Der runde, sternförmige Querschnitt des Schafts erlaubt zudem die freie Einstellung der Antetorsion. Vergleichbare Effekte sind mit runden, porös Beschichteten Revisionsschäften zu erreichen. Die porösen, rauen Oberflächen stellen mittels Press-fit die primäre Verankerung sicher. Die knöcherne Integration erfolgt durch das Einwachsen des Knochens. Die Prothesenlager für gerade, kegelförmige Verankerungselemente werden mit Reibahlen vorbereitet (Schenk und Wehrli 1989; Fink et€al. 2005). Gebogene, rechteckige, oktagonale Verankerung Rechteckige resp. oktagonale Querschnitte sind mit 8 rippenartigen Längsstrukturen, an den Kanten der Querschnitte angeordnet, ausgestattet. Die distalen Verankerungselemente sind gebogen ausgeführt und folgen der Antekurvation des Femur. Die Längsstrukturen in Rippenform ermöglichen eine hohe Rotationsstabilität. Die distale Verankerungszone ist als Doppelkonus mit einem Winkel von 2° gestaltet. Das erlaubt eine ideale Adaption an die Verhältnisse im Markraum und eine ideale Krafteinleitung vom Schaft in das Femur. Zusätzlich zur beschriebenen Press-fit-Verankerung bieten sich statische und dynamische Verschraubungen in der Verankerungszone an. Zur Anwendung kommen diese bei nicht vorhandenem Isthmus, bei osteoporotischem Knochen oder bei Frakturen. Benötigt werden zwei bis drei oder mehr Querbohrungen im distalen Schaftteil, runde Bohrungen für statische und runde in Verbindung mit Langlöchern für dynamische Verschraubungen. Der Gestaltung der Bohrung und der Anordnung muss im Hinblick auf die Festigkeit der Schäfte besondere Beachtung geschenkt werden. Die Prothesenlager für gebogene, konische Verankerungselemente werden mit Raspeln vorbereitet. Zum Anbringen der Querbohrungen stehen Bohrlehren zur Verfügung. Es ist darauf zu achten, dass der Bohrvorgang die Schäfte nicht beschädigt (Knahr et€al. 2003; Fink et€al. 2005).
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dem Markraum wie der anatomische Schaft. Er verankert sich vielmehr in einzelnen Zonen (idealerweise drei) im Markraum, die mit entsprechenden Instrumenten vorbereitet werden. Die Hauptverankerung wird durch den formschlüssigen Kontakt in der Frontalebene erzielt. Eine zusätzliche Verblockung wird häufig durch die Kurvatur des Femur in der Sagittalebene erreicht (Abb.€3.6a). Bogenschaft╇ Der Bogenschaft verlangt eine entsprechend adaptierte Operationstechnik. Der Schaft folgt nicht nur der Femurlängsachse, sondern der Bogenlinie zwischen Schenkelhalswinkel und Femurachse. Die Markraumeröffnung orientiert sich mehr am Schenkelhalswinkel und lässt den großen Trochanter unberührt. Die Resektionsfläche muss nicht abgesetzt werden, sondern stellt eine Fläche dar (Abb.€3.6b).
3.1.3 Kurz- und Langschaft
Abb. 3.5↜ Anatomischer Schaft, normalerweise in RechtsLinks-Ausführung, mit typischem verrundeten Helitorsions-Design, mit dem sich der Schaft in das Femur „einschraubt“
3.1.2.6 A natomischer Schaft, Geradschaft und Bogenschaft Geradschäfte, ungeachtet dessen, ob anatomische, linke oder rechte Ausführungen, folgen in der Verankerung der Femurlängsachse. Das bedingt, dass die Markraumeröffnung entsprechend lateral im großen Trochanter in Form einer abgesetzten Resektionsfläche zu erfolgen hat. Anatomischer Schaft╇ Der anatomische Schaft ist im Regelfall ein Geradschaft der zum Ziel hat, geometrisch, volumetrisch dem Markraum zu folgen, resp. diesen in Form des Schaftkörpers als Gegenstück abzubilden. Konsequenterweise folgt der Schaftquerschnitt stark den Markraumquerschnitten und wird schichtweise in Abhängigkeit einer links oder rechts drehenden Helitorsion zum Schaftkörper gestaltet. Daraus erfolgt die Schaftverankerung in Form einer sich selbst stabilisierenden Funktion einer Schraube. Demzufolge sind anatomische Schäfte als linke und rechte Ausführungen gestaltet (Abb.€3.5). Geradschaft╇ Der Geradschaft ist im Regelfall symmetrisch, keine Links-rechts-Version und folgt nicht
Die Wahl von Kurz- oder Langschaft orientiert sich an der Indikation. Nachfolgend werden als Kurzschaft in erster Linie die Schenkelhalsprothese und als Langschaft der Revisionsschaft beschrieben. Das weite Feld dazwischen ist in den Abschnitten zum zementierten und zementfreien Schaft dargestellt.
3.1.3.1 Kurzschaft Kurzschäfte und Schenkelhalsprothesen sind in der Regel für eine zementfreie Anwendung konzipiert. Sie nutzen die gute Knochenqualität für ihre Verankerung, die in jedem Fall für solche Anwendungen gegeben sein müssen. Der Kurzschaft, vor allem die Schenkelhalsprothese, hat zum Ziel, den Schenkelhals soweit als möglich zu erhalten und diesen hauptsächlich als Verankerungszone der Prothese zu nutzen. Das kann durch eine reine Verankerung im Schenkelhals erfolgen, mit oder ohne zusätzliche lateral-distale Abstützung am inneren Kortex, was mit einem entsprechend gestalteten distalen Schaftanteil ermöglicht werden kann. Biomechanisch ergibt sich daraus eine physiologische, proximale Krafteinleitung. Aufgrund der Krafteinleitung im Schenkelhals entfallen praktisch die Torsionsmomente im Interface von Schaft und Prothesenlager, wie sie von klassischen Hüftschäften her bekannt sind. Kurzschäfte sind darauf angewiesen, die kurzen Zonen, in denen eine Verankerung möglich ist, optimal zu nutzen. Die innere Form des Schenkelhalses stellt in ihrem Quer-
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Abb. 3.6↜ (a) Gerader Schaft, der sich an der Längsachse des Femur orientiert. (b) Gebogener Schaft, der sich an der Bogenlinie zwischen Schenkelhalsachse und Femurachse orientiert
schnitt ein hochgestelltes Oval mit einem ungefähren Seitenverhältnis von ca. 1:1,15 dar. Die Ovalität kann in der Gestaltung der Prothese genutzt werden. Eine starke kortikale Abstützung wird durch die geometrische Gestaltung angestrebt. Makroelemente in Form von Rippen, in Längsrichtung angeordnet, oder poröse, raue Oberflächen sind hilfreich (Ender et€al. 2006).
3.1.3.2 Lang-/Revisionsschaft Der Lang- respektive Revisionsschaft muss in seiner Funktion große Defekte, d.€ h. lange Strecken überbrücken können. Der Längenbereich beträgt daher ca. 200–450€ mm, der Durchmesser ca. 14–25€ mm oder mehr, bezogen auf die Abmessungen im distalen Femur. Biomechanisch stellt beim Revisionsschaft die Sicherstellung der primären und sekundären Stabilität eine größere Herausforderung dar als beim Schaft zur primären Anwendung.
3.1.4 Querschnitt Der Querschnitt muss der zementierten oder zementfreien Anwendung Rechnung tragen. Für eine zemen-
tierte Anwendung werden in der Regel geschlossene, harmonisch geschwungene und gestaltete Oberflächen sowie Design-Elemente bevorzugt. Diese erlauben mit Hilfe des Knochenzements eine Verankerung, die kortikal, wenn erforderlich, mit höherem spongiösen Anteil erfolgt. Die zementfreie Anwendung verlangt hingegen nach Makrostrukturen wie Rippen, Stege, raue und/oder poröse Oberflächen, die eine direkte Verankerung hauptsächlich an der Kortikalis mit geringerem spongiösen Anteil ermöglichen. Grundsätzlich muss der Querschnitt so gestaltet sein, dass er ein Maximum an Torsionsmomenten aufnehmen, resp. in das Femur einleiten kann. Prinzipiell gelten daher Querschnitte mit großem Randfaserabstand, d.€h. möglichst weitem Querschnitt, als biomechanisch vorteilhafter. Der Querschnitt steht in Konkurrenz mit der knöchernen Substanz, die zugunsten des großen Querschnitts aufgegeben, resp. das proximale Femur z.€ B. in Richtung großem Trochanter eröffnet werden muss. Des Weiteren muss sich der Verlauf des Querschnitts über die Länge des Schafts nach seiner Indikation resp. des Formverlaufs des Femur richten. Die zur Hauptsache existierenden Grundformen des Femur
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Abb. 3.7↜ Querschnitte von Schäften zur zementierten Anwendung, typischerweise mit stark verrundeten Profilen zur Vermeidung von Spannungsspitzen im Knochenzement
Abb. 3.8↜ Querschnitte von Schäften zur zementfreien Anwendung mit markanten Rippenprofilen oder kantigen Rechteckquerschnitten zur direkten Verankerung im Femur
– zylindrisch, trompetenförmig, tulpenförmig – müssen zusammen mit dem angestrebten Verankerungskonzept in Betracht gezogen werden. Praktisch alle Querschnitte erfordern mehr oder weniger stark die Festlegung der Schaftantetorsion schon bei der Eröffnung des Markraums. Nur Querschnitte, die in ihrem Hauptmerkmal rund oder quadratisch gestaltet sind, bilden hier die Ausnahme und erlauben eine Einstellung der Antetorsion während der Implantation des Schafts (Abb.€3.7 und 3.8).
3.1.5 Offset Das Offset soll vom Operateur nach Möglichkeit biomechanisch richtig rekonstruiert werden können. Die Weichteil-Balancierung, die Beinlänge und die
Gelenkstabilität müssen berücksichtigt werden können. Implantate mit größerem Offset verstärken die Hebelwirkung des Abduktors und verringern somit die erforderlichen Zugkräfte des Muskels. Es ist klinisch erwiesen, dass die hierdurch auf die Hüftpfanne einwirkenden Kräfte wiederum zu einem geringeren Abrieb in der Artikulation führen. Ein Schaftsystem ermöglicht mit bis zu drei Offsetlinien die Rekonstruktion des Drehzentrums. Da sich das Offset nicht proportional zur Weite des Femurkanals verhält, sind Schaftsysteme, die ein größeres Offset nicht zwingend von einem größeren Schaft abhängig machen, von Vorteil. In Erinnerung gerufen sei der robuste Mann, der einen kleineren Schaft mit großem Offset benötigt, wohingegen eine zierliche Frau einen verhältnismäßig großen Schaft mit geringerem Offset bekommt. Die
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Abb. 3.9↜ Gegenüberstellung von Köpfen mit und ohne Hälsen und deren Einfluss auf die höhere Bewegungsfreiheit („range of motion“)
Verhältnisse werden stark von der Dicke der kortikalen Wandstärke bestimmt (Morey 1997). Außer dem Offset (medial-lateral) muss auch die Höhe (distal-proximal) für die Rekonstruktion des Rotationszentrums bzw. der Beinlänge in Betracht gezogen werden. Studien zufolge bewegt sich der Offset-Bereich zwischen ca. 31 und 59€mm. Idealerweise ist das Offset-Wachstum vom Schaftgrößenwachstum entkoppelt. Der Höhenbereich für die Offset-Rekonstruktion bewegt sich in einem Bereich von ca. 8€mm, d.€h. für Standardauslegungen 0€mm, für valgische ca. +â•›4€ mm und varische ca. −â•›4€ mm. Mit einer solchen Auslegung kann ein großes Feld von Offset-Rekonstruktionen abgedeckt werden. Dies kann durch ein Schaftsystem direkt in Offset-Versionen integriert sein oder mittels modularen Steckhälsen und Köpfen realisiert werden (Noble et€al. 1988). Biomechanisch muss dem Offset Rechnung getragen werden, indem der Schaftquerschnitt und dessen Verankerungskonzept in der Lage sind, ein Gleichgewicht herzustellen. Größere Offsets erzeugen biomechanisch praktisch keine größeren Biegemomente, aufgrund der Tatsache, dass sich bei größerem Offset die Hüftreaktionskraft verringert, jedoch größere Rotationsmomente entstehen. Diese müssen vom Schaft resp. seinem Querschnitt und dessen Verankerung aufgenommen und in das Femur eingeleitet werden.
3.1.6 Kopfdurchmesser Der Kopfdurchmesser ist maßgeblich verantwortlich für eine ausreichende Bewegungsfreiheit im Gelenk.
Es sollte ein Verhältnis von mindestens 2:1 zwischen Kopf- und Halsdurchmesser am Schaft anzustreben sein, ungeachtet dessen, ob der Halsdurchmesser am Schaft selbst oder bei langen Kugelköpfen am Kragen des Kopfes vorhanden ist. In jedem Fall stellt er, zusammen mit der Gestaltung der Pfanneneintrittsebene, das limitierende Element für die Bewegungsfreiheit dar (Abb.€3.9). Weiter trägt der Kopfdurchmesser erheblich zur Stabilität des Gelenks bei, da bei größeren Köpfen die Distanz, die zu einer Luxation führen würde, entsprechend länger ist. Der größere Kugelkopf bietet daher mit mehr Bewegungsfreiheit und Gelenkstabilität zwei wesentliche Vorteile, die jedoch bei kleinen Hüftpfannen durch die minimal notwendigen Wandstärken limitiert sind. Das Verhältnis des Pfannenaußen- zum -innendurchmesser steuert bei kleinen Pfannen die maximale Größe des Kopfdurchmessers (Abb.€3.10).
3.1.7 Kopflänge Kopfsysteme besitzen üblicherweise Längenabstufungen in 3,5- oder 4-mm-Sprüngen. Sie beinhalten 4 bis 5 Kopflängen mit folgenden international gültigen, numerischen Bezeichnungen, wobei die Angaben in Klammern auf Regionen, die mit Typenbezeichnungen arbeiten, bezogen sind: • −3,5╛€mm resp. −â•›4€mm (S-Länge) • 0€mm (M-Länge) • +â•›4,5€mm resp. +â•›4€mm (L-Länge) • +â•›7,0€mm resp. +â•›8€mm (XL-Länge) • +â•›10,5€mm (XXL-Länge)
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CC
D
14
5°
Abb. 3.10↜ Gegenüberstellung des Luxationsweges X (größer) und Y (kleiner) bei großen und kleinen Kugelköpfen. Größere Köpfe müssen einen größeren Luxationsweg überwinden und tragen daher positiv zur Gelenkstabilität bei
CD
C
57%
0% 10
0%
82%
57%
10
5°
12
82%
Abb. 3.11↜ Effekt des Kugelsprungs auf Beinlänge und Offset. Der identische Kugelsprung erwirkt bei einem CCD-Winkel von 145° eine kleinere Offsetkorrektur als bei der Anwendung bei einem CCD-Winkel von 125°
Köpfe in unterschiedlichen Längen erlauben während der Implantation die gewünschte Beinlänge und Weichteilspannung und den Offset innerhalb der Längen des Kopfsystems einzustellen. Da sich die Längeneinstellung auf der Halsachse des Schaftes vollzieht, kann keine der Einstellungen in Unabhängigkeit von der anderen vorgenommen werden. Kopfsysteme ermöglichen keine unabhängigen Einstellungen in Längs- und Querachse. Wird mit den vorhandenen Einstellmöglichkeiten gearbeitet, ist zu berücksichtigen, dass bei einem CCD-Winkel von z.€B. 145° bei einem Wechsel zu einem längeren Kopf, die Beinlänge mehr als der Offset beeinflusst wird. Wird dasselbe Manöver auf einem CCD-Winkel von 120° durchgeführt, ist die Beeinflussung des Offsets weit größer als die der Beinlänge (Abb.€3.11).
Als weiteren Punkt gilt es zu beachten, dass lange Köpfe, abhängig von ihrem Durchmesser, einen Kragen aufweisen können. Dieser Sachverhalt ist immer dann gegeben, wenn die erforderliche minimale Konustraglänge zwischen Kopf und Schaft, nicht mehr innerhalb der Kugelhüllform untergebracht werden kann. Von der Gestaltung her ebenfalls wichtig ist die Konzeption der Kugeleintrittsebene zum Kugelkonus hin. Unter Beibehaltung der minimal erforderlichen Konustraglänge sind möglichst große Facetten und Radien vorzusehen. Sie erleichtern das spätere Aufsetzen des Kopfes auf dem Schaft und ermöglichen die Realisierung von großzügig gestalteten Schafthälsen, was deren Festigkeit zugute kommt, ohne einen KopfSchafthals-Kontakt zu provozieren (Abb.€3.12).
3.1.8 Konusvarianten Der Konus an Schaft und Kugelkopf muss in jedem Fall eine sichere, mechanisch dauerstabile Verbindung der Komponenten gewährleisten. Bewährt haben sich blank gedrehte Konen im Winkelbereich von ca. 4–6°, d.€h. es ist keine Selbsthemmung vorhanden. Das wiederum erlaubt eine Demontage eines Kugelkopfes vom Schaftkonus intraoperativ oder im Fall der Revision mittels geeigneter Instrumente. Grundsätzlich werden Konen mit und ohne Struktur verwendet. Die beiden Gestaltungsformen beinhalten folgende konzeptionelle Merkmale: • Konus strukturiert, Schaftkonuswinkel ist flacher ausgeführt als der Kopfkonuswinkel an Keramikköpfen, Krafteinleitung in die Kugel erfolgt im Kugelzen-
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Abb. 3.12↜ Kugelkopfsystem mit unterschiedlichen Sprüngen zur Realisierung der gewünschten unterschiedlichen Kopflängen. Zur Beibehaltung der minimalen Konustraglänge weist der längste Kopf einen Hals auf, was die Bewegungsfreiheit einschränkt
trum, die Struktur auf dem Konus erlaubt gezieltes Nachsetzen und adaptiert sich an die Keramikkugel • Konus strukturiert, Schaftkonuswinkel ist identisch mit Kopfkonuswinkel an Metallköpfen, Krafteinleitung am Kopf erfolgt über die ganze Traglänge zwischen Kopf und Schaft, ein Nachsetzen findet nur minimal statt. • Konus unstrukturiert, Schaftkonuswinkel ist identisch mit Kopfkonuswinkel an Keramik- und Metallkopf, Krafteinleitung erfolgt über die ganze Traglänge des Konus zwischen Kopf und Schaft, ein Nachsetzen findet nur minimal statt. Heutzutage werden z.€ B. folgende Konen angewendet: • Konus 8/10, in Kombination mit schlanken, kurzen Schafthälsen und 22€mm Köpfen, • Konus 12/14, als weit verbreiterter Konustyp, • Konus 14/16, • Konus 14/16, 6° Konus, als Vorgängertyp zum 12/14-Konus im Verschwinden begriffen.
3.1.8.1 Kompatibilität Das Thema Konus muss aus Sicht der Kompatibilität detailliert abgehandelt werden. Grundsätzlich sind über das Konus-Interface nur Schäfte und Kugelköpfe anwendbar, die vom Hersteller als kompatibel deklariert wurden. Beispielsweise gibt es für den so genannten „12/14-Eurokonus“ keine DIN- bzw. ISO-Norm, in der die Konusgeometrie für Hüftschaft und Kugelkopf in all ihren relevanten Parametern beschrieben
und festgelegt ist. Der Begriff „12/14(Euro)-Konus“ dient lediglich als eine allgemeine Größenbezeichnung. Erwähnt sind hierzu auch der so genannte 14/16Konus, 8/10- oder der 6°-Konus. Tatsache ist, dass sich die von den verschiedenen Herstellern angebotenen „12/14-Konen“ für Kugelkopf und Hüftschaft wegen Fehlens einer exakten Konusdefinition (Norm) in vielen Details, die sicherheitsrelevant sind, unterscheiden. Aus diesem Grund erlischt die Produkthaftung bei Kombination mit Fremdprodukten. Produktbeipackzettel geben dazu nähere Auskunft.
3.1.8.2 Passgenauigkeit Nicht nur für Metallköpfe, sondern vor allem für keramische Kugelköpfe ist die Passgenauigkeit der Konusverbindung zwischen Schaft und Kugelkopf von äußerster Wichtigkeit. Maßgebend sind Konuswinkel, Durchmesser, Geradheit, Rundheit, Rauheit der Konusstruktur und die Kontaktlänge zwischen Kopf und Schaft. Hinzu kommen die Materialeigenschaften der Schaft-Kopf-Kombination, die beispielsweise statische und dynamische Testreihen zur Ermittlung der Berstlast beinhalten, um die Produktsicherheit zu gewährleisten. Ein nicht perfekter Sitz des Kugelkopfes auf dem Schaftkonus kann zu Korrosion in der Verbindung, Lockerung des Kopfes oder gar zum Bruch des Keramikkugelkopfes führen, die eine weitere Operation notwendig machen.
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3.1.9 Modulare Systeme In der nachfolgenden Betrachtung ist die Modularität zwischen Schaft und Kopf ausgeklammert. Modulare Systeme müssen gegenüber einteiligen Schäften wesentliche Vorteile aufweisen, um die entsprechend aufwendigen Bauweisen rechtfertigen zu können. Im Regelfall ist dies bei Schäften zur Primärversorgung in der Anwendung von minimal-invasiven Zugängen gegeben. Bei Revisionsschäften darf die modulare Bauweise, nebst guten einteiligen Lösungen, als Standard betrachtet werden.
3.1.9.1 Modulare Primärschäfte Bei den Primärschäften bieten sich modulare Steckhälse an. Der Vorteil liegt in der Entkoppelung der unterschiedlichen Aufgabenstellung zur primären Verankerung des Schaftstiels und der Rekonstruktion des biomechanischen Drehzentrums. Der modulare Hals steht als überbrückendes Bauteil zur Verfügung. Im Sinne eines Baukastens stehen Hälse zur Verfügung, die sowohl den Offset als auch die Höhe des Drehzentrums und damit auch die Beinlänge einstellbar machen. Als Einschränkung darf in den meisten Steckhalssystemen nur eine vorgegebene Kugelkopflänge verwendet werden. Damit wird der mechanischen Sicherheit Rechnung getragen und die Komplexität des Gesamtsystems in überschaubaren Grenzen gehalten. Es gilt, dem Interface von Steckhals und Schaft große Aufmerksamkeit zu schenken. Im Regelfall definiert sich die entsprechend konische Steckverbindung über einen Winkel von ca. 6°. Der Konuszapfen am Steckhals ist im Querschnitt längsoval oder als abgerundetes Rechteck ausgeführt. Der Querschnitt muss in der Lage sein, alle vom Steckhals ausgehenden Rotationsmomente sicher auf den Schaft zu übertragen. Der Konuszapfen selbst leitet alle Kräfte vom Steckhals in den Schaftkörper ein, mit geringstem Abrieb im Interface. Je nach gegebenem Schaftdesign kann es erforderlich sein, die proximale Schaft-Hals-Zone mit einem Wulst zu verstärken. Das erlaubt, hohe Spannungen, die naturgemäß in diesen Zonen auftreten, zu beherrschen. 3.1.9.2 Modulare Revisionsschäfte Bei Revisionsschäften ist die Modularität hauptsächlich zwischen distalen und proximalen Schaftkomponenten eingesetzt. Sie entkoppelt, in ähnlicher Weise wie bei Steckhälsen, die Aufgabe der Schaftverankerung von der Offsetrekonstruktion und Bein-
längenwiederherstellung. Dies ist konsequent, da ein distales Schaftelement vollständig und optimal verankert sowie ein proximales Element darauf aufgebaut werden kann. Diese Vorgehensweise wird über entsprechend gestaltete Instrumente ermöglicht. Die proximale Femurpräparation nimmt als Basis das bereits distal verankerte Implantat. Die proximalen Schaftkomponenten erlauben dann sowohl die Adaption an die Form des Femurs als auch die Rekonstruktion des Offsets, der Antetorsion und der Beinlänge. Als distale Schaftelemente stehen in der Regel gerade, kegelförmige mit Rippen oder zylindrische mit porösen Beschichtungen zur Wahl. Um die Rekonstruktion proximal zu bewerkstelligen, haben sich konische, zylindrische als auch Schaftelemente mit starker Ausladung in der Kalkarzone etabliert, um eine zusätzliche Abstützung zu gewährleisten. Modulare Revisionsschäfte sind, entgegen den Steckhalssystemen, in der Regel mit mehreren Kugelkopflängen kombinierbar. Bei modularen Systemen muss der zusätzlichen Verbindung besonders Rechnung getragen werden, damit sie kein zusätzliches Risiko darstellen.
3.2 Oberflächenersatz R. Willi
3.2.1 Prinzip Der Oberflächenersatz soll die Rekonstruktion der Gelenkfunktion – in der Wahrnehmung des Patienten – auf hohem funktionalem Niveau ermöglichen. Die Grundvoraussetzungen sind durch eine physiologische Krafteinleitung und große Kopfdurchmesser gegeben. Beides sind Elemente, die der vorgegebenen Anatomie stark Rechnung tragen. Demzufolge muss sich die Forderung nach dünnen Bauteilen, femur- wie azetabulumseitig, anschließen. Nach heutigem Stand sind im Regelfall die Pfannen zur zementfreien Anwendung und die Femurkappen als zementierte oder zementfreie Versionen gestaltet.
3.2.2 Gestaltung und Konzepte Unter Beachtung der erstgenannten Merkmale muss auch einer genügend großen Bewegungsfreiheit große Beachtung geschenkt werden.
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Abb. 3.13↜ (a) Resurfacing-Pfanne zur zementfreien Verankerung, im vorliegenden Beispiel als abgeflachtes hemisphärisches Design mit Zusatzelementen zur Verankerung im Bereich
des Äquators dargestellt. (b) Femurkappe zur zementierten Verankerung, als Version dargestellt mit Längsstift zur Führung des Implantats während der Implantation
Ein Oberflächenersatz muss daher die folgenden Anforderungen erfüllen: • Rekonstruktion des Drehzentrums, femurseitig mit Offsetkorrektur, • physiologische, proximale Krafteinleitung, • dünne Bauteile, im Bereich von ca. 3,5–4,5€ mm, zur Schonung der knöchernen Substanz, • große Kopfdurchmesser, von ca. 38–62€mm, • große Gelenkstabilität, • kein (knöchernes) Impingement, d.€h physiologisch korrekte Bewegungsfreiheit, • minimalster Abrieb (kein Verklemmen der Komponenten), • einfache, präzise Instrumentierung. Die geltende Regel, dass der Kopf- zum Halsdurchmesser 2:1 betragen soll, ist beim Oberflächenersatz nicht oder nur schwerlich zu realisieren, da das Verhältnis vom Schenkelhalsdurchmesser abhängig ist und dieser stellt eine unveränderbare Größe dar. Trotzdem muss ein physiologisch korrektes Verhältnis angestrebt werden. Pfanne als auch Femurkappe können durch entsprechende Gestaltung Unterstützung leisten. Die eine Möglichkeit besteht darin, die Pfanne mit einem Winkel von ca. 165°, anstelle von 180°, auszuführen. Damit wird der Anatomie azetabulumseitig Rechnung getragen. Wird diese Ausführungsform verfolgt, muss die Pfannenverankerung entsprechend mit zusätzlichen Makrostrukturen ergänzt werden, da nicht mehr eine klassische 180°-Pressfit-Konfiguration vorliegt. Pfannenzentrum und Pfannendrehzentrum decken sich, was verhindert, dass zusätzliche Momente auf die Pfannenverankerung einwirken (Abb.€3.13a). Eine weitere Möglichkeit, um genügend Bewegungsfreiheit zu gewährleisten, ist der Zentrumsversatz, angeordnet in der Hüftpfanne. Das heißt, das Pfannenzentrum, bezogen auf die Verankerungsflä-
165°
180° 165°
Abb. 3.14↜ Resurfacing-Konzepte 180° und 165°. Das Konzept mit 180° muss zum Erhalt von genügend Bewegungsfreiheit mit einem Zentrumsversatz (von Pfanneninnen- und -außengeometrie) und einer 165° Artikulationskonfiguration ausgeführt werden. Konzept 165° benötigt den Zentrumsversatz nicht, jedoch Zusatzelemente zur Verankerung
che, und das Pfannendrehzentrum, bezogen auf die Artikulation von Femurkappe und Pfanne, decken sich nicht mehr, sondern weisen eine entsprechend gewählte Distanz von ca. 2–4€ mm zueinander auf. Demzufolge wirken auf die Pfanne zusätzliche Momente, die durch die Pfannenverankerung kompensiert werden müssen (Abb.€ 3.14). Femurkappen existieren als zementierte Versionen mit und ohne
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Führungsbolzen. Zementfreie Ausführungen folgen dem Press-fit-Prinzip. In allen Ausführungsformen gilt es, die Femurkappe nicht länger als ca. 80€% des Kappendurchmessers zu gestalten. Damit wird im Regelfall ein Impingement (mit Fräser oder Implantat) mit dem Schenkelhals vermieden. Jüngste Entwicklungen zur femurseitigen Versorgung verfolgen auch die Kombination von Kappe und Schenkelhalsprothese. Die Konfiguration setzt sich zum Ziel, die knöcherne Verankerung im Verlauf der Zeit von proximal Richtung distal zu verlagern und daher den Substanzverlust zu verlangsamen und eine bessere Langzeitstabilität zu erreichen (Abb.€3.13b).
3.3 Hüftprothesenpfannen R. Willi
3.3.1 Zementierte Pfannen 3.3.1.1 Prinzip Zementierte Pfannen bilden zusammen mit dem Knochenzement als Implantat eine Einheit und erlauben praktisch die vollständige Belastung derselben unmittelbar nach der Implantation. Ermöglicht wird dies durch den Verbund zwischen Pfanne und Azetabulum oder Pfanne und Cage (Ring) mittels Knochenzement während der Implantation. 3.3.1.2 Gestaltung Konzeptionell ist die zementierte Pfanne in der Gestaltung so ausgelegt, dass sie Spannungsspitzen oder nicht tolerierbar hohe Spannungen im Knochenzement vermeidet, unabhängig von der Zementmanteldicke. Überbelastungen würden zum Fließen oder Brechen des Zementbetts führen. Dementsprechend finden sich harmonische, abgerundete Formen mit sanften Übergängen, frei von Kanten, Spitzen oder anderen Elementen, die den Dickenverlauf des Zementmantels nachteilig stören würden. Die einzementierte Pfanne überträgt Druckkräfte, Torsions- und Kippmomente in das Zementbett, analog zum modularen Inlay, fixiert in der Pfannenschale, das denselben mechanischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Dieser Betrachtungsweise folgend kann das Zementbett der zementierten Pfanne mit der Schale der zementfreien Pfanne gleichgesetzt werden.
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3.3.1.3 Konzepte Zementierte Pfannen sind als Flach- oder Vollprofilpfannen konzipiert. Mit oder ohne Kragen, der zur Abstützung und Verdichtung des Knochenzements dient. Zementierte Pfannen sind in der Regel hemisphärisch gestaltet. Knochenzement hat nicht die Funktion eines Klebstoffes, sondern die eines Platzhalters. Soll er seine bestmögliche Funktionalität entfalten, braucht er für eine zuverlässige dauerstabile Verankerung Formelemente wie z.€ B. Nuten und Vertiefungen, an die er sich anschmiegen bzw. sie umfassen kann. Die rückseitige Pfannenoberfläche wird daher im Regelfall mit konzentrisch angeordneten Nuten konzipiert. Zusätzlich verlaufen Nuten über den Pfannenpol, in die der Knochenzement einfließen und einen Formschluss bilden kann. Werden zementierte Pfannen mit Kragen gestaltet, ist zu berücksichtigen, dass die Kragenbreite höchstens der gewählten Dicke des Zementbettes entspricht. Damit ist sichergestellt, dass der Kragen nicht auf dem gefrästen Azetabulum aufsitzt. Kragen müssen als Spacer zum Einhalten der Zementdicke beitragen. Des Weiteren müssen sie das Entlüften und Entweichen von Knochenzement während des Implantationsvorgangs mittels 12 bis 16 Aussparungen, Bohrungen etc. ermöglichen. Die Aussparungen müssen genügend groß sein. Weitere Elemente zur Einhaltung der gewünschten Dicken des Zementbettes stellen Spacer dar. Diese werden aus PMMA gefertigt und auf der rückseitigen Pfannenoberfläche werkmontiert. Die Dicke des Zementbettes beträgt im Regelfall rund 2,5€mm oder mehr (Callaghan et€al. 2000; Kavanagh et€al. 1989; Schulte et€al. 1993; Abb.€3.15). 3.3.1.4 Röntgenkontrast Pfannen, die aus Polyäthylen gefertigt sind, sind auf Röntgenbildern nicht erkennbar. Eine Lagebeurteilung ist daher nur mit metallischen Zusatzelementen möglich. Diese können aus Kugeln oder Drähten bestehen. Es muss sichergestellt werden, dass sie eine räumliche Lagebeurteilung zulassen, d.€h., die Elemente müssen im Raum mindestens drei Punkte repräsentieren. Nur damit ist die Forderung erfüllbar. Die Röntgenmarker müssen werkseitig sicher in oder auf den Pfannen verankert werden. Sie müssen sowohl Transport wie Anwendung sicher standhalten. Marker in Form von Kugeln werden in die Polyethylen-Oberfläche eingelassen und mit Polyethylen-Stopfen z.€B. mittels Reibschweißen verschlossen. Drähte werden in halboffene Nuten an der Polyethylen-Oberfläche eingeschnappt.
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3.3.2.3 Konzepte Als Konzepte für unzementierte Pfannen sind zur Hauptsache Schraubpfannen und Press-fit-Pfannen bekannt.
Abb. 3.15↜ Zementierte Pfanne, am Beispiel gezeigt ein Design mit umlaufenden Nuten und Kragenelement zur Knochenzementverdichtung mit Nuten. Ebenso ist der Kontrastdraht ersichtlich
Dieser Verbindung muss der Reinigung und Sterilisation Rechnung tragen.
3.3.2 Zementfreie Pfannen 3.3.2.1 Prinzip Zementfreie Pfannen stellen durch ihre Design-Elemente, Oberflächen und Werkstoffe ein Konzept dar, das eine primäre und eine sekundäre Fixation ermöglichen muss. Die knöcherne Integration und Belastung des Implantats erfolgt daher in zwei Phasen. 3.3.2.2 Gestaltung Für die Gestaltung elementar sind einerseits alle Design-Elemente für die primäre Stabilität, Press-fit und die sekundäre Stabilität, bei der im Weiteren ein knöchernes Anwachsen oder Einwachsen in die Pfannenoberfläche berücksichtigt sein muss. Zum Erreichen der Primärstabilität hat sich das Press-fit-Prinzip bewährt, was, bezogen auf die zementfreie Pfanne, ein Einschlagen, Einschrauben oder Aufspreizen des Pfannenkörpers im Azetabulum bedeutet. Allen Prinzipen gemein ist die Zielsetzung einer möglichst äquatornahen, radial-sphärisch oder radial-konisch orientierten Krafteinleitung. Das heißt, im Regelfall ist ½ bis 2/3 der Pfannenhöhe ab Pfanneneintrittsebene gemessen; an der Krafteinleitung in das Azetabulum direkt beteiligt.
Schraubpfannen Im Regelfall sind Schraubpfannen modular ausgeführt. Als Bauweisen existieren konische, konisch-sphärische und hemisphärische Typen. Ebenfalls zu erwähnen sind die bikonischen und die parabolischen Typen. Funktional dürfen konisch-sphärische mit bikonischen und hemisphärische mit parabolischen Grundformen als artverwandt betrachtet werden (Delaunay und Kapandji 1998). Schraubpfannen mit konischen Grundkörpern sind in der Regel mit einem Winkel von rund 15° gestaltet. Auf den Grundkörpern angeordnet befindet sich ein eingängiges, selten zweigängiges, selbstschneidendes Gewinde. Alle Schraubpfannen zeichnen sich durch eine hohe Primärstabilität aus, bedingt durch die Gewinde, die sich verhältnismäßig tief in das knöcherne Lager, ohne Vorbearbeitung, einschneiden und die Geometrie der Pfannengrundkörper. Die sekundäre Stabilität wird aufgrund der großen, rau gestrahlten Oberfläche durch die knöcherne Integration erreicht. Das Azetabulum wird beim konischen, konischsphärischen als auch beim hemisphärischen Schraubpfannentyp auf die Außenmaße des Pfannengrundkörpers gefräst. Azetabulumfräser müssen entsprechend präzise gestaltet sein. Ein Vorschneiden der Gewinde ist nicht notwendig, da im Regelfall die Gewinde selbstschneidend sind. Die Form des Pfannengrundkörpers legt die Freiheitsgrade, unter denen die Pfanne zum Azetabulum eingedreht werden muss, fest. Das heißt, die konische Pfanne muss exakt der konischen Fräsung im Azetabulum folgen, um Spaltfrei festgedreht zu werden. Wobei der sphärischen oder parabolen Pfanne in etwa die gleiche Freiheit beim Eindrehen wie der sphärischen Press-fit-Pfanne beim Einschlagen zugestanden werden darf. Die Gefahr einer verkantet eingebrachten Pfanne besteht hier nicht. Das konisch gefräste Azetabulum legt daher beim konischen und konisch-sphärischen oder bikonischen Typ die Inklination und Anteversion, unter der die Pfanne eingedreht werden muss, exakt fest. Inklination und Anteversion können bei der Anwendung der sphärischen Schraubpfanne, im Verhältnis zum sphärisch gefrästen Azetabulum, nach Bedarf adaptiert werden. Konische Pfannen besitzen aufgrund ihrer geometrischen Form eine hohe Kippstabilität,
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sowohl als Pfanne im Azetabulum als auch als Inlay in der Pfanne. Sie folgen jedoch nicht der Azetabulumgeometrie wie die hemisphärische Schraubpfanne, die in der Kippstabilität geringer ausfällt, jedoch weniger knöcherne Substanz fordert. Dies gestattet den Erhalt der inneren Kortikalis am Azetabulum zur Stabilisierung der Pfanne. Als Zwischenweg darf daher die konisch-sphärische oder bikonische Pfanne gesehen werden. Sie behält die konische Grundform mit einem Winkel von ca. 15° über ca. 2/3 der Pfannenhöhe, verbunden mit hoher Kippstabilität, und kombiniert diese mit einem sphärischen oder konischen Übergang in den Pfannenboden für den Erhalt der knöchernen Strukturen. Damit kommt sie der Azetabulumgrundform entsprechend näher. Aufbauend auf den Pfannengrundkörpern sind die selbstschneidenden Gewinde angeordnet. In ihrer Grundfunktion müssen die Gewinde ein sicheres Eindrehen der Pfanne in das Azetabulum ermöglichen. Auf die Weise erfordert der Eindrehvorgang einerseits wenig Kraft bzw. Drehmoment, anderseits wird ein Überdrehen der Pfanne verhindert. Die Gestaltung des Gewindes hat maßgeblichen Einfluss auf die genannten Eigenschaften. Im Regelfall weisen Schraubpfannen ein eingängiges Gewinde mit einer Steigung von ca. 3,5–5€ mm auf. Als Umgänge können 3 bis 5 genannt werden. Drei Umgänge stellen ein gutes Minimum dar, um mechanische Stabilität unter Bedingungen an der Indikationsgrenze zu erreichen. Die Zahnhöhe beträgt ca. 2–3,5€ mm, verbunden mit einer Breite von ca. 0,7–1,3€mm. Als Gewindeprofile sind Spitz-, Sägezahn-, Flachund Rundgewinde bekannt, entsprechend auch Kombinationen der genannten Ausführungsformen. Im Regelfall finden sich heute Spitzgewinde, seltener Flachgewinde. Für die Kontrolle der Einschraubtiefe sind Schraubpfannen mit Bohrungen oder Öffnungen im Pfannenboden ausgerüstet, was ebenfalls eine knöcherne Hinterfütterung erlaubt. Die Durchbrüche werden nach Gebrauch direkt im Pfannenkörper mit entsprechenden Gegenstücken verschlossen oder mit Titanblechen am Inlay abgedeckt (Abb.€3.16). Press-fit-Pfannen Bezüglich Press-fit-Pfannen haben sich gestalterisch der rein hemisphärische und der abgeflachte sphärische Pfannentyp bewährt (Curtis et€ al. 1992; MacKenzie et€al. 1994; Latimer und Lachiewicz 1996; Berger et€al. 1997; Doehring et€al. 1996; Postak
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Abb. 3.16↜ Schraubpfannentypen, abgebildet von oben nach unten sind: konisches, konisch-sphärisches und sphärisches Design bzw. Pfannengrundkörper
et€al. 1992). Konzeptionell wird beim hemisphärischen Pfannentyp nominell mit einem ca. 2€ mm kleineren Fräser das Azetabulum bearbeitet. Beim abgeflachten sphärischen Pfannentyp wird nominell mit dem gleich großen Fräser gearbeitet. Wobei bei diesem Pfannentyp sowohl der Pfannenpol ca. 1€mm abgeflacht als auch der Pfannenäquator mit ca. 2€ mm Übermaß gestaltet ist. Beide Pfannentypen verfolgen dieselbe Press-fitVerankerungsstrategie, die fordert, dass gemessen ab Pfanneneintrittsebene idealerweise mindestens ½ der Pfannenhöhe radial am Press-fit beteiligt ist, je nach Oberfläche und Makrostrukturen als Kraft- oder Formschluss (Abb.€3.17). Die Gruppe der Press-fit-Pfannen lässt sich im Weiteren in niedrig flexible und höher flexible Konzepte unterteilen. Reintitan und hochfeste Ti-Legierungen weisen ein E-Modul von ca. 110.000€MPa auf, was der mehr oder weniger stark erwünschten Flexibilität der Pfanne und der physiologischen Krafteinleitung entgegenkommen kann, jedoch ein hohes Augenmerk auf das Vermeiden von Relativbewegungen an der Pfannen-Inlay Kontaktfläche erfordert. Unabhängig der gewählten Inlay-Verankerung, z.€B. konisch (Polymer, Metall, Keramik) oder sphärisch (Polymer). In der Pfanne muss das Interface so gestaltet sein, dass hohe
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Abb. 3.17↜ Biomechanisches Prinzip der Krafteinleitung, dargestellt an der sphärischen zementfreien Pfanne. Radial ist etwa die Hälfte der Pfannenhöhe ab Eintrittsebene an der Krafteinleitung beteiligt
mechanische Stabilität zwischen Pfanne und Inlay als Grundvoraussetzung gegeben ist. Das wiederum stellt sicher, dass die Verbindung nur geringen messbaren Abrieb erzeugt. Die Steifigkeit der weniger flexiblen Pfannen ist durch dickere Wandstärken der Pfannenschale und Inlay gegeben. Flexiblere Press-fit-Pfannen tragen dem Wunsch nach einer reduzierten Steifigkeit Rechnung, indem die Pfannenschalen z.€ B. Durchbrüche aufweisen, die ein „Einfedern“ derselben im Rahmen der Inlay-Steifigkeit ermöglichen. Press-fit-Pfannen lassen zusätzlich zur primären Verankerung die Option von Verschraubung mittels Spongiosaschrauben zu. Biomechanisch erfordert es die Gestaltung, die dazu notwendigen Bohrungen in den Pfannenkörpern in der Belastungsrichtung anzuordnen, im Bereich von ca. 35–55° ab Pfanneneintrittsebene gemessen. Die Durchbrüche für die Schrauben können in den Pfannenkörpern als reine Bohrung ausgeführt oder als Trichterbohrung gestaltet sein. Bei der Gestaltung von Trichtern muss festgelegt werden, ob diese im Azetabulum ohne instrumentelle Vorbereitung eingeschlagen werden können. Wenn nicht, müssen Vertiefungen für die Trichter im Azetabulum zusätzlich zur Fräsung des Pfannenlagers erstellt werden. Im Regelfall erlaubt die Form der Bohrung in Kombination mit kompatibler Schraube idealerweise einen Schwenkwinkel von ±â•›15°. Damit lässt sich die Aufgabenstellung, zur biomechanisch, anatomisch geforderten Richtung der Schraube ideal zu setzen, erleichtern, und zwar in relativer Unabhängigkeit zu der gesetzten Pfannenschale. Üblicherweise werden keine winkelstabilen Verschraubungen vorgesehen. Bei der Auslegung der Schraubendurch-
brüche muss dem Langzeitverhalten von Pfannenkörper zu Schraube Rechnung getragen werden, in dem zwischen Inlay und Schraubenkopf genug Freiraum vorhanden ist. Die Anzahl der Schraubendurchbrüche überlässt dem Operateur die Wahl der Verwendung. Werden keine Schrauben verwendet, lassen sich die Durchbrüche mit einzelnen Elementen verschließen. Damit wird, wie bei Pfannen ohne Schraubendurchbrüchen, verhindert, dass kleinste Mengen von Abrieb aus dem Inlay-Pfannen-Interface in das Implantatlager gelangen. Dasselbe lässt sich mit Pollochverschlüssen bei Pollöchern bzw. Gewindebohrungen am Pfannenpol erreichen, die für die Instrumentierung notwendig sind. In der Gruppe der Press-fit-Pfannen lassen sich als Untergruppe die Spreizpfannen einordnen. Spreizpfannenkonzepte arbeiten ebenfalls mit radialem Press-fit, der jedoch nicht durch reinen Kraftschluss, sondern durch Formschluss mittels Makrostrukturen, erzeugt wird. Die Handhabung der Spreizpfannen ist daher im Vergleich zu reinen Press-fit-Pfannen aufwendiger, da der Pfannenkörper zum Einsetzen in das Azetabulum auf ein Instrument aufgespannt und anschließend aufgespreizt werden muss. Die Spreizpfanne verbindet jedoch etliche Vorteile der Press-fit-Pfanne, wie geringeren Substanzverlust sowie hohe Kipp- und Rotationsstabilität, ähnlich den Schraubpfannen. Zudem ist die Revision einer Spreizpfanne in der Regel einfacher als die von Press-fit-Pfannen (Abb.€3.18).
3.3.2.4 Instrumentierung Ebenfalls allen Konzepten gemein ist die Verwendung von Instrumenten, die eine präzise, reproduzierbare Bearbeitung des Implantatlagers gestatten. Des Weite-
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Abb. 3.18↜ Spreizpfanne, die ebenfalls mit radialem Press-fit arbeitet, jedoch erzeugt mit Formschluss durch Makroelemente und nicht mit Kraftschluss wie bei sphärischen Press-fit-Pfannen üblich
ren müssen die Instrumente exakt auf die Gestaltung der zementfreien Pfanne abgestimmt sein, um die gewünschte Verankerung zu erreichen. Zudem müssen die verwendeten Oberflächen, z.€B. rau gestrahlt oder beschichtet, und Makroelemente entsprechend berücksichtigt werden, sowohl in der Funktion der Passform als auch der Festigkeit. Raue, poröse Oberflächen reduzieren die Festigkeit der Pfanne, herrührend von den Kerbfaktoren sowie von möglichen Gefügeumwandlungen in den verwendeten Ti-Legierungen, hervorgerufen durch den Wärmeeintrag beim Beschichten. Die Einbußen können bis zu 30€% der ursprünglichen Festigkeitswerte von hochfesten Ti-Legierungen betragen. Zu erwähnen ist, dass im Regelfall alle Beschichtungen unter Sauerstoffausschuss in Schutzgasatmosphäre zur Vermeidung von Materialversprödungen aufgebracht werden müssen. Auf die Abhandlung von zusätzlichen Beschichtungen zur Optimierung der knöchernen Integration des Implantats oder zur Unterdrückung von Infekten wird nicht eingegangen.
3.3.3 Modulare Systeme Modulare Systeme müssen gegenüber Monoblocksystemen wesentliche Vorteile aufweisen, um die entsprechend aufwendigen Bauweisen rechtfertigen zu können. Im Regelfall ist dies bei Pfannen zur Primärals auch Revisionsversorgung gegeben. Die Vorteile liegen in der Entkoppelung der Aufgabenstellung der primären Verankerung der Pfannenschale und Rekonstruktion des biomechanischen Drehzentrums. Das modulare Inlay steht als überbrückendes Bauteil zur Verfügung. Im Sinne des Baukastens existieren Inlays, die sowohl die Artikulation im
gewünschten tribologischen System als auch die Positionierung des Drehzentrums einstellbar machen. Als hauptsächliche Baumuster haben sich sphärisch oder konisch gestaltete Inlays bewährt (Abb.€3.19a, b). Sphärische Inlays sind im Regelfall als reine Polyethylen-Inlays (UHMW-PE) mit einer minimalen Wandstärke von ca. 5€mm oder als so genannte Sandwich-Inlays konzipiert. Wobei ein Polyethylenträger die Keramik- oder Metallschale, in der die Kugel artikuliert, aufnimmt. Sandwich-Inlays sind in der Regel werkmontiert. Bei sphärischen Inlays verankert daher immer der Polyethylen-Teil in der Pfannenschale, meist über eine Snap-fit-System-Konfiguration, die möglichst nahe an der Pfanneneintrittsebene angeordnet ist. Oftmals finden sich ebenfalls in dieser Zone Nocken-Nuten-Elemente zur Rotationssicherung des Inlays in der Pfannenschale. Die Anordnung hat zum Vorteil, dass die vom Inlay in die Pfannenschale einzuleitenden Torsions- und Kippmomente über die größten zur Verfügung stehenden Dimensionen abgestützt werden. Konische Inlays verankern über einen Konuswinkel von ca. 12–18° in der Pfannenschale, wobei glatte und strukturierte Konenflächen zum Einsatz gelangen. Die konisch gestaltete Partie zur Aufnahme des Inlays soll möglichst über die ganze Innenhöhe der Pfanne konzipiert werden. Das ergibt mehr konische Traglänge und reduziert die Spannungen, besonders in Keramik-Inlays, erheblich. Im Regelfall sind konische Inlays nicht in Sandwichbauweise ausgeführt, d.€ h. Polyethylen, Metall oder Keramik-Inlays verankern direkt in der Pfannenschale. Beide Ausführungsformen müssen so gestaltet sein, dass eine Demontage bei einer knöchern integrierten Pfanne möglich ist. Bei sphärischen Inlays ist dies im Regelfall durch ein Aushebeln aus der Pfannenschale möglich, bei konischen Inlays wird mit einem Impuls auf die Pfannenschale das Inlay gelöst.
3.3.4 Monoblocksysteme 3.3.4.1 Prinzip Monoblocksysteme haben sich als einfachere und kostengünstige Systeme bewährt. Wobei die Einsparungen durch den Wegfall der Modularität bei zementfreien Pfannen zu Lasten der Flexibilität und Möglichkeiten in der anatomisch geforderten Einstell-
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Abb. 3.19↜ (a) Querschnitte von sphärischen Inlays, die in ihrer Außengeometrie der sphärischen Pfannengrundform raumsparend folgen und mittels Snap-fit in der Pfannenschale befestigt werden. (b) Querschnitte konischer Inlays, die mittels Konusverbindung in der Pfannenschale befestigt werden
barkeit von Inklination, Anteversion und Pfannentiefe, bzw. Rekonstruktion des Drehzentrums gehen. Dies ist allerdings nicht so bei zementierten Pfannen.
3.3.4.2 Konzepte Implantate als Monoblocksysteme zu gestalten, bietet sich daher primär bei zementierten Hüftpfannen an. Gestaltet als reine Polyethylen-Pfannen oder in Sandwichbauweise, Polyethylen-Metall oder Polyethylen-Keramik-Monoblock, wobei das Polyethylen mit einer minimal geforderten Wandstärke von ca. 6€ mm, bei der reinen Polyethylen-Pfanne, praktisch bereits den Pfannenkörper darstellt oder im Fall der Sandwichbaumuster den Träger für die Metall- oder Keramiklaufschichten repräsentiert. Dank der Sandwichbauweise lassen sich seitens Hersteller auf kleinem Raum Metall- und Keramiklaufschichten in Polyethylenträgern verankern, ohne dabei die Wandstärken der Monoblockpfannen übermäßig ansteigen zu lassen. Die werkseitig anwendbaren Technologien erlauben ein Verpressen der Metall- oder Keramiklaufschalen mit dem Polyethylen unter hohem Druck und Temperatur. Dadurch fließt das Polyethylen in und um die Laufschichten und verbindet sich mit diesen mittels Formschluss sehr intensiv. Von der Gestaltung her muss sichergestellt werden, dass die Laufschichten gegen die auftretenden Kipp- und Torsionsmomente, ausgehend von der Artikulation, resistent sind. Die entsprechenden biomechanischen Überprüfungen werden auf dieselbe Art und Weise vorgenommen wie bei modularen Inlays in Pfannenschalen. Der Verzicht
auf die Modularität bei zementierten Monoblockpfannen wirkt sich auf die Einstellbarkeit der Inklination, Anteversion und Pfannentiefe dank der notwendigen Verwendung des Knochenzements nicht nachteilig aus. Der Knochenzement repräsentiert konzeptionell die Pfannenschale der unzementierten Pfanne. Dementsprechend kann die zementierte Pfanne relativ frei im Knochenzement positioniert werden (Abb.€3.20a). Weitere Ansätze zu Monoblocksystemen sind gegeben bei der Anforderung, möglichst dünnwandige Komponenten zu verwirklichen, z.€ B. für den Oberflächenersatz, die mehrere Funktionen in sich vereinen müssen wie z.€ B. zementfreie Verankerung, Makrostrukturen zur Stabilisierung der Implantate, porös-offen-porige Beschichtungen zur knöchernen Integration, Steifigkeit zum Schutz der Artikulation, Artikulationsflächen mit minimalem Spiel zur Gleitpaarung etc. Modulare Pfannen für den Oberflächenersatz würden daher mit ca. 6–7€mm gesamthaft zu dick ausfallen, würde man versuchen, alle Forderungen zu erfüllen. Die modularen Komponenten müssten in sich eine minimale Eigensteifigkeit, d.€h. minimale Wandstärke mit sich bringen, um formbeständig und im OPFeld dank konischem Interface montierbar zu sein. Die idealere Lösung ist daher ein Monoblock mit ca. 4€mm Wandstärke, der eine CoCr-Legierung für Metall-Metall-Anwendung als Basis aufweist, versehen mit einer porösen Beschichtung zum knöchernen An- oder Einwachsen, kombiniert mit Makrostrukturen zur Unterstützung der Stabilität der Verankerung. Aufgrund der Tatsache, dass zementfreie Pfannen direkt im Azetabu-
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Abb. 3.20↜ (a) Querschnitt einer zementierten Pfanne. Das Beispiel zeigt die weit verbreiteten umlaufenden Nuten. Diese erlauben Formschluss mit dem Knochenzement und in Folge dessen hohe Kipp- und Rotationsstabilität. (b) Querschnitt einer
zementfreien Monoblock-Pfanne, typischerweise in der Wandstärke dünn gehalten, um ein vorteilhaftes Verhältnis zwischen Innen- und Außendurchmesser zu erreichen. Sehr wichtig z.€B. bei Oberflächenersatzimplantaten
lum verankert werden, muss im Sinne der idealen Positionierung zwischen Verankerung und Gelenkstabilität abgewogen werden. Hilfreich ist daher die Verwendung von großen Köpfen, die konzeptionell bei zementfreien Monoblockpfannen gefordert sind (Abb.€3.20b). Im Falle einer Revision entfällt der Vorteil einer separaten Inlay-Demontage, wie von modularen Systemen her bekannt. Die ganze zementfreie Monoblockpfanne muss mit Hilfe von geeignetem Instrumentarium, z.€B. Bogenmeißel, ausgebaut werden.
Die minimale Zementdicke ist elementar, da Knochenzement nicht als Klebstoff (Kraftschluss), sondern von seiner Form her als Verbindungselement funktioniert (Formschluss). Das heißt, der Zement muss genügend Elemente, z.€B. Schraubenköpfe, Nuten, Vertiefungen, Bohrungen etc. vorfinden, um dauerstabil verankert zu werden. Eine minimale Wandstärke reduziert zudem den Kaltfluss des Zements stark. Des Weiteren verblockt der Knochenzement die Schraubenköpfe so, dass winkelstabile Verschraubungen entstehen. In unterschiedlichem Ausmaß müssen Cages und Ringe dem Azetabulum bzw. Becken anpassbar sein. Der Anforderung wird durch eine ca. 2€mm dünnwandige Gestaltung der Implantate, die dadurch entsprechend verformbar sind, Rechnung getragen. Die Anpassung der Ring- oder Cage-Grundform wird mit Hilfe von Biegeinstrumenten unterstützt. Die Erhaltung der exakten inneren Passform, wie bei Pfannen zur Aufnahme von modularen Inlays, ist bei Ringen und Cages nicht erforderlich. Der Knochenzement gleicht Abweichungen zwischen Cage bzw. Ring und PEPfanne aus. In Abhängigkeit der zu versorgenden Defekte sind Pfannendachschalen mit und ohne Haken und Stützschalen bekannt. Bei allen Typen kann praktisch nicht mehr nur mit einer Press-fit-Verankerung gearbeitet, resp. gestaltet werden. Je größer der zu überbrückende Defekt, desto mehr müssen zusätzliche, biomechanisch richtige, frei wählbare Verschraubungen konzipiert werden. Allen Cages und Ringen gemein ist im Weiteren eine mehr oder weniger große Öffnung im Boden des Implantats, um Unter- und Hinterfütterungen zu ermöglichen.
3.3.5 Cages/Revisionspfannen 3.3.5.1 Prinzip Cages und Ringe kommen als Überbrückungselemente oder Stützschalen bei wenig bis stark zerstörtem Knochenstock im Bereich des Azetabulum zum Einsatz. In vorliegender Implantatgruppe sind die Aufgabenstellungen zur optimalen Orientierung der Inklination und Anteversion sowie Fixierung des Cages oder Ringes von der Rekonstruktion der artikulierenden Lauffläche entkoppelt. Die verwendete PE-Pfanne kann ebenfalls bezüglich Inklination und Antetorsion relativ frei positioniert werden. Der sandwichartige konzeptionelle Aufbau erlaubt damit auch die Versorgung von anspruchsvollsten Fällen. Die Cages und Ringe sind im Regelfall für eine zementfreie Anwendung konzipiert, in die eine Pfanne einzementiert wird. Dies erlaubt daher auch eine Einstellung der PE-Pfannenpositionierung in der Tiefe, wobei die Zementschicht zwischen Cage und PE-Pfanne entsprechend dick ausfällt. 3.3.5.2 Gestaltung Eine minimale Zementschichtstärke kommt dank den Schraubenköpfen in praktisch jedem Fall zustande.
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3.3.5.3 Pfannendachschalen Pfannendachschalen sind dem anatomischen Pfannendach nachgebildet und verstärken daher hauptsächlich den Belastungsbereich im Hüftgelenk. Die Gestaltung der Pfannen muss die mediokaudale und kraniodorsale Abstützung ermöglichen. Zur Unterstützung der leichten Press-fit-Verankerung besitzen Pfannendachschalen bis zu 12 Durchbrüche in der Schale um Spongiosaschrauben positionieren zu können. Rund zwei Drittel der Durchbrüche befinden sich im Pfannengrundkörper und ca. ein Drittel im Flansch, der kranial orientiert wird. Die im Regelfall 3 bis 5 verwendeten, kompatiblen Spongiosaschrauben müssen durch die Gestaltung der Durchbrüche einen Schwenkwinkel von ±â•›15° ermöglichen, was das Setzen der Schrauben erleichtert. Dennoch muss so viel Materialreserve vorhanden sein, dass die Schraubenköpfe nicht durch die Durchbrüche hindurch gedreht werden können. Dies gilt es entsprechend zu berücksichtigen, vor allem bei der Gestaltung von kleinen Trichtern an den Durchbrüchen, die als Makroelemente die Schale im Becken zusätzlich stabilisieren. Die Durchbrüche ihrerseits sind so angeordnet, dass sie dem Operateur Verschraubungen in die Richtung von tragfähigem Knochenstock ermöglichen idealerweise in Belastungsrichtung (Zehntner und Ganz 1994; Haentjens et€al. 1993; Gurtner et€al. 1993), d.€h. annäherungsweise vom Zentrum des Hüftgelenks zum Zentrum des Iliosakralgelenks. Pfannendachschalen mit Haken Pfannendachschalen mit Haken können dank dem Element zusätzliche Stabilität erzielen. Wobei der Haken in die Incisura acetabuli (Tränenfigur) eingehängt wird. Diese ist auch bei größeren Defekten praktisch immer vorhanden. Die Vorgehensweise kommt auch der anatomisch korrekten Ausrichtung entgegen. Entsprechend muss der Haken in seinen Dimensionen gestaltet sein. Zur Erweiterung des Indikationsspektrums wird bei Pfannendachschalen mit Haken der kranial orientierte Flansch, im Verhältnis zum Pfannenkörper, zuweilen auch nebst den Originalabmessungen länger gestaltet, um superiore Segmentdefekte zu versorgen. Das hat zur Folge, dass rund die Hälfte der Durchbrüche für die Spongiosaschrauben im Pfannenkörper und die Hälfte im Flansch angeordnet sind. Total stehen dann üblicherweise ca. 16 Durchbrüche für Schrauben zur Verfügung, wovon sich ca. 3 bis 5 im verlängerten
67 Abb. 3.21↜ Pfannendachschale, dargestellt in typischer dünnwandigen Bauweise; für leichte Defekte
Flansch befinden. Biomechanisch wird bei der Pfannendachschale mit Haken eine gute Stabilität durch die Kombination von Haken und Verschraubungen erreicht (Abb.€3.21 und 3.22).
3.3.5.4 Stützschalen Stützschalen sind in der Lage, abermals größere kavitäre oder segmentale Azetabulumdefekte zu überbrücken als Pfannendachschalen. Aufgrund ihrer erweiterten anatomischen Anpassung an das Becken machen es Stützschalen erforderlich, als linke und rechte Versionen gestaltet zu werden, im Gegensatz zu Pfannendachschalen, die im Regelfall symmetrisch konzipiert werden. Die Abstützung und Fixation der Stützschalen erfolgt durch die Impaktierung der kaudalen Laschen in das Os ischii im Verbund mit zusätzlichen Verschraubungen durch den Pfannenkörper und die kranial ausgerichtete Lasche, in Richtung des Os ilium. Stützschalen weisen bis zu 18 Durchbrüche zum Setzen von kompatiblen Spongiosaschrauben auf, wobei die Durchbrüche im Pfannenkörper auf eine Verschraubung in der Belastungsrichtung abzielen. Durch Verschraubungen in der Lasche kann diese zusätzlich mechanische Stabilität erzeugen. Stützschalen müssen in ihrer Gestaltung die Winkelstellungen mit ihren kaudalen und kranialen Laschen der Beckenanatomie entsprechen. Dadurch wird die finale Anpassung der Stützschale mittels Biegewerkzeugen erleichtert. Des Weiteren soll der Pfannenrand kranial zusammen mit der Lasche großflächig gestaltet sein. Eine gute Implantatabstützung wird dadurch gewährleistet. Der Rand soll jedoch posterior schmal ausgeführt werden,
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68 Abb. 3.22↜ Pfannendachschale mit Haken, aufbauend auf der Pfannendachgrundform mit Haken zur zusätzlichen Verankerung in der Tränenfigur
um den intakten Knochenstock am Azetabulumrand zu schonen. Es muss beachtet werden, dass die Anzahl Biegevorgänge zur Anpassung der Pfannen- und Stützschalen sehr klein gehalten werden muss. Zu häufiges Hin- und Her-Biegen der Titanlaschen kann zur Versprödung derselben und zu Mikrorissen führen, die sich nachteilig auf die Lebensdauer der Implantate auswirken können (Gill et€al. 1998; Van der Linde und Torino 2001; Wachtl et€al. 2000; Abb.€3.23).
3.4 M aterialien und Oberflächengestaltung
Abb. 3.23↜ Stützschale für große Defekte mit zusätzlichen Laschen für Verschraubungen
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3.4.2 Zementfreie Schäfte
3.4.1 Zementierte Schäfte
Allen Konzepten gemein ist die Verwendung von hochfesten Ti-Legierungen (TiAlVa, TiAlNb), im Regelfall mit grob gestrahlten Oberflächen, Makrostrukturen, geschlossen- oder offenporigen Beschichtungen. Hochbeanspruchte Partien, z.€ B. Schulter und Hals, sind fein gestrahlt und im Idealfall dadurch zusätzlich verdichtet.
Als Werkstoffe für zementierte Schäfte haben sich sowohl CoCr- (CoNiCrMo) als auch Fe-Legierungen (FeCrNiMnMoNbN) bewährt. Die Legierungen bringen ein hohes E-Modul von ca. 220.000€MPa mit sich und damit verbunden eine relativ hohe Steifigkeit. Die wiederum hilft den PMMA Zementköcher vor dem Fließen und das Schaft-Zement-Interface vor Mikrobewegung zu schützen. Des Weiteren besitzen die genannten Werkstoffe hohe Abriebfestigkeit gegenüber dem Knochenzement bzw. seinen Röntgenkontrastmitteln z.€ B. Zirkonium. Die Oberflächen sind entweder poliert oder fein gestrahlt.
3.4.3 Oberflächenersatz Allen Konzepten gemein ist die Verwendung von hochfesten CoCr-Legierungen (CoCrMoC), sowohl für die
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Pfannen als auch für die Femurkappen, im Regelfall mit Makrostrukturen, geschlossen- oder offenporigen Beschichtungen.
3.4.4 Hüftprothesenpfannen 3.4.4.1 Zementierte Pfannen Als Werkstoffe für zementierte Pfannen hat sich Polyethylen (UHMW-PE) bewährt. Die minimale Dicke soll ca. 6€mm betragen. Die Oberflächen sind mechanisch blank. Es finden sich auch Typen, an denen die rückseitige Pfannenoberfläche grob gestrahlt ist. Diese Maßnahme kann die innige Verankerung der Pfanne im Knochenzement zusätzlich verbessern. Um dies zu erreichen, sind ebenfalls Baumuster bekannt, die auf der Pfannenrückseite metallische Gitterlagen eingebettet haben, in die der Knochenzement einfließen kann, was einen intensiven mechanischen Verbund ermöglicht. 3.4.4.2 Zementfreie Pfannen Schraubpfannen╇ Schraubpfannen sind für zementfreie Anwendung ausgelegt. Als Werkstoffe haben sich Reintitan (CP-Titanium) und Titanlegierungen (TiAlVa, TiAlNb), je nach biomechanischer Beanspruchung, bewährt. Die Oberflächen zum knöchernen Anwachsen sind rau gestrahlt. Press-fit-Pfannen Press-fit-Pfannen sind im Regelfall für zementfreie Anwendung ausgelegt. Als Werkstoffe haben sich Reintitan (CP-Titanium) und Titanlegierungen (TiAlVa, TiAlNb), je nach biomechanischer Beanspruchung, bewährt, wobei Oberflächen zum knöchernen Anwachsen als auch Einwachsen zur Verfügung stehen. Zementfreie Prothesenoberflächen, die in Kontakt mit alten Knochen für eine gute Verankerung sorgen sollen, sind im Regelfall mit grob gestrahlten Oberflächen, Makrostrukturen, geschlossen- oder offenporigen Beschichtungen zur knöchernen Integration versehen. Innen liegende Partien und Zonen zur Aufnahme von Inlays oder Schraubenköpfen sind fein gestrahlt und dadurch zusätzlich verdichtet oder in einer Satin-Oberfläche ausgeführt. Die Oberflächen von zementierten Prothesen sind in der Regel poliert oder fein gestrahlt.
Abb. 3.24↜ McKee-Metall-Metall-Prothese mit einem Kopfdurchmesser von 1,5625€Inches (39,7€mm)
Revisionspfannen Als Werkstoff hat sich Reintitan (CP-Titanium) bewährt, wobei üblicherweise außen an den Cages und Ringen rau gestrahlte Oberflächen zum knöchernen Anwachsen zur Verfügung stehen. Innenseitig sind die Cages und Ringe fein gestrahlt, mit zusätzlicher Oberflächenverdichtung, oder besitzen einen Satin-Finish.
3.5 Tribologie C. Rieker Mitte der fünfziger Jahre versuchte man bei der Entwicklung von Hüftprothesen in England, dem Durchmesser des natürlichen Femurkopfes möglichst nahe zu kommen, um die Gelenkstabilität und den Bewegungsumfang zu optimieren. Die ersten Gelenkpaarungen, entwickelt von britischen und Schweizer Orthopäden (McKee, Ring, Scales, Huggler und Müller), waren mehrheitlich Metall-Metall-Paarungen und wiesen Kopfdurchmesser zwischen 32 und 42€mm auf (Amstutz und Grigoris 1996; Abb.€3.24). Erste Versuche mit Kunststoffen in Frankreich und England wurden ebenfalls anhand von großen Durch-
70 Abb. 3.25↜ Zementierter Schaft mit kleinem Kopfdurchmesser von 22,2€mm
C. Rieker
jedoch langsam von den Metall-Metall-Artikulationen mit großem Durchmesser aufgrund des anfänglichen Erfolgs mit Charnleys Low-Friction-Prothesen und der aufkommenden Zweifel an Metall-Metall-Paarungen ab (Amstutz und Grigoris 1996): • frühes Versagen aufgrund mangelnder Präzision bei der Herstellung (höheres Reibmoment/massiver Metallabrieb), • Karzinogenese, • Überempfindlichkeit auf Metall, • erhöhte Belastung des periprothetischen Knochens. Nach dem Verschwinden der Metall-Metall-Artikulationen vom Markt Mitte der siebziger Jahre wurden UHMWPE-Metall-Paarungen die generell verwendeten Artikulationspartner für Totalhüftprothesen.
3.5.1 A rtikulationen mit konventionellem Polyethylen messern unternommen (Mumenthaler 1992). Die Gebrüder Judet entwickelten 1946 eine Prothese aus Polymethyl-Metacrylat (PMMA) mit kurzem Kopf und einem anatomischen Kopfdurchmesser. Mit seiner Doppelpfanne aus Polytetrafluorethylen (PTFE) ahmte auch Sir John Charnley 1958 den Durchmesser des natürlichen Gelenkkopfes nach (Waugh 1990). Da diese Doppelpfanne bereits nach kurzer Zeit unbefriedigende Resultate aufwies, verwendete Charnley bei seinem 2.€Versuch einen Austin-Moore- oder Thompson-Schaft (Kopfdurchmesser: 41€mm), kombiniert mit einer PTFE-Azetabulumkomponente, die mit Knochenzement verankert wurde (Abb.€ 3.25). Um Reibung zu vermeiden, reduzierte Charnley schrittweise den Artikulationsdurchmesser auf 22,2€mm. Diese Lösung erwies sich kurzfristig als vielversprechend, aber aufgrund von PTFE-Verschleiß (Waugh 1990) versagte sie nach weniger als 3 Jahren. Die Entwicklung von UHMWPE („ultra-high molecular weight polyethylene“) resultierte in einer höheren Verschleißfestigkeit der Artikulationsflächen und ermöglichte 1962 die Einführung von Charnleys „low friction arthroplasty“, einem Prothesenkonzept mit minimaler Reibung. Diese beiden Arthroplastiken (Metall-MetallArtikulation mit großem Durchmesser und MetallUHMWPE-Artikulation mit kleinem Durchmesser) wurden beide in den späten sechziger Jahren kommerziell vertrieben. Mitte der siebziger Jahre kam man
Das „Low-friction“-Konzept von Charnley setzte sich aus einem Monobloc-Schaft aus rostfreiem 316€ L-Stahl (1,4435) mit 22,2-mm-Kopf und einer zementierten Pfanne aus UHMWPE zusammen. Aufgrund seiner mechanischen Einschränkungen wurde der rostfreie 316€L-Stahl in den siebziger und achtziger Jahren zunehmend von Kobalt-Chrom-Guss- oder Schmiedelegierungen oder von rostfreiem Stahl mit hohem Stickstoffgehalt abgelöst (Semlitsch 1989). Basierend auf dem mathematischen Modell von Archard (1953) mit: • Q: Verschleißvolumen insgesamt per bewegte Distanzeinheit • K: Verschleißkoeffizient • W: Normallast • H: Härte ergibt sich, dass die Verschleißfestigkeit von UHMWPE stark von der Härte des Kopfes beeinflusst wird. Im Bestreben, den UHMWPE-Verschleiß auf ein Minimum zu reduzieren, wurden deshalb Anfang der siebziger Jahre Keramikköpfe aus Alumina (Al2O3) entwickelt; die Erstimplantation erfolgte 1974 (Semlitsch et€ al. 1977). Aufgrund zahlreicher Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Korngröße und der Porosität von Alumina-Keramik war die klinische Bruchrate dieser Alumina-Keramikköpfe unzulässig hoch und führte Anfang der achtziger Jahre zur Entwicklung von Zirconia (ZrO2; Cales 2000). Gleichzeitig wurden bedeutende qualitative Verbesserungen
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bei den in der Orthopädie verwendeten Alumina-Keramiken erzielt. Herstellung im HIP-(„hot isostatic pressing“-)Verfahren, Laserbeschriftung und 100€ % Prüfung aller Köpfe resultierten in einer Reduzierung auf ca. 1:8000 der erfassten klinischen Brüche moderner Alumina-Köpfe (Zimmer, data on file). Als Folge eines Problems beim Sinterverfahren, das 2001 mehrere Lose von Zirkonia-Köpfen des größten Herstellers betraf, sind Zirkonia-Köpfe praktisch aus der Orthopädie verschwunden. Die Qualität von konventionellem UHMWPE wurde in den achtziger und neunziger Jahren durch folgende Modifikationen verbessert: • Eliminierung des Kalziumstearats, das dem Pulver des rohen UHMWPE zum Schutz der Werkzeuge im Herstellungsprozess beigegeben wurde. Diese Eliminierung resultierte in einem homogenen UHMWPE mit verbesserten Verschleißeigenschaften (Schmidt und Hamilton 1996); • Verbesserung des Formpressprozesses, wodurch Fusionsdefekte ausgemerzt und die Verschleißeigenschaften verbessert werden (Poggie et€ al. 1998); • Sterilisation durch ionisierende Strahlung in inerter Umgebung. Dadurch wird das Oxidationspotential von UHMWPE auf ein Minimum und die Versprödung in vivo bedeutend reduziert (Streicher 1989). Das Abriebvolumen von Artikulationen aus konventionellem UHMWPE wurde von einer Vielzahl von Autoren untersucht. Viele Autoren stimmten der historischen Analyse von M. Semlitsch aus den neunziger Jahren zu (Semlitsch und Willert 1997), die folgende Schlüsse zog: • Bei Metall-UHMWPE-Artikulationen bewegt sich der ermittelte Penetrationsgrad in 80€ % der Fälle zwischen 100 und 300€µm pro Jahr. Ein Mittelwert von 200€ µm pro Jahr wird für Metall-UHMWPEPaarungen generell akzeptiert. • Bei Keramik-UHMWPE-Artikulationen bewegt sich der ermittelte Penetrationsgrad zu 100€% zwischen 20 und 200€µm pro Jahr. Ein Mittelwert von 100€ µm pro Jahr wird für Keramik-UHMWPEPaarungen generell akzeptiert. Die sich stark unterscheidenden Resultate können durch zahlreiche Faktoren erklärt werden; so können sie z.€B. abhängig sein von der Qualität des konventionellen UHMWPE, der Aktivität des Patienten, des Gewichts des Patienten und der Lage/Ausrichtung der Prothesenkomponenten.
71
3.5.2 P aarungen mit hochvernetztem Polyethylen Auf die Bemühungen, den Verschleiß von UHMWPE mit der Einführung von Keramikköpfen zu reduzieren, folgten in den späten siebziger und Anfang der achtziger Jahre zahlreiche Versuche, konventionelles UHMWPE physisch oder chemisch zu verändern, um seine eigentliche Verschleißfestigkeit zu verbessern. Zwei der Hauptstoßrichtungen waren: • Mit Fasern verstärktes UHMWPE: Ein Beispiel hierfür war das von Zimmer in den späten siebziger Jahren entwickelte „Poly Two“, das auf der Einführung von karbonfaserverstärktem Kunststoff basierte. Obwohl dieses Material erhöhten Kriechwiderstand aufwies, war die Verbindung zwischen Matrix und Fasern ungenügend, um erfolgreiche klinische Resultate zu gewährleisten (Legenstein et€al. 2007). • UHMWPE mit erhöhter Kristallinität: Ein Beispiel hierfür war das von DePuy in den achtziger Jahren entwickelte „Hylamer“. Dieses Polyethylen verfügte über ausgezeichnete mechanische Eigenschaften, aber seine klinischen Resultate fielen aufgrund des niedrigen Oxidationswiderstands schlecht aus (Sychterz et€al. 2004). Leider resultierten diese Versuche im Allgemeinen nicht in einer Verbesserung des Verschleißverhaltens von UHMWPE. Mitte der neunziger Jahre gelang mit der Einführung von hochvernetztem Polyethylen ein Durchbruch bezüglich der verbesserten Verschleißfestigkeit von UHMWPE (McKellop et€al. 1999). Das Vernetzen von Polyethylen ist ein Prozess, bei dem durch Strahlung chemische Verbindungen zwischen benachbarten Polyethylenketten kreiert werden (mittels Gamma- oder Elektronenstrahlen). Daraus resultiert eine verbesserte dreidimensionale Struktur mit höherer Verschleißfestigkeit. Diese hohe Verschleißfestigkeit wurde von zahlreichen Gruppen durch Labortests untermauert (Muratoglu et€ al. 2001; Abb.€ 3.26). Diese Verbesserung wurde auch anhand von Simulatorstudien belegt, die aufzeigen, dass die Abriebrate nun praktisch unabhängig vom Kopfdurchmesser ist (Harris und Muratoglu 2005; Abb.€ 3.27) Diese Unabhängigkeit zwischen Kopfgröße und Abriebverhalten ermöglicht die Verwendung großer Prothesenköpfe zur Verbesserung von Stabilität und Bewegungsumfang. Seit Ende der neunziger Jahre sind verschiedene Typen hochvernetzter Polyethylenmaterialien kom-
C. Rieker
72 Abb. 3.26↜ Von der Bestrahlungsdosis abhängige, zweifach verminderte Abriebraten, die durch Material-Screening-Tests ermittelt wurden
Konventionelle UHMWPEs
Abriebrate [mg / 106 Zyklen]
12 Warme Bestrahlung
10
Hochvemetzte UHMWPEs
8
Kalte Bestrahlung
6 4 2 0
0
20
40
60
80
100
120
140
160
Bestrahlungsdosis [kGy] –500
Abb. 3.27↜ Nachweis von der Unabhängigkeit der Abriebrate durch den Kopfdurchmesser in Simulatorstudien nach Verwendung von hochvernetztem Polyethylen
Hochvernetztes PE - 28 mm Konventionelles PE - 28 mm
–400
Hochvernetztes PE - 32 mm Konventionelles PE - 32 mm
Abrieb [mg]
–300 –200 –100
0
Zyklen [Millionen] 0
5
10
15
20
25
30
100
merziell erhältlich. Publizierte klinische Studien, die traditionelle (Gamma-Sterilisation in Sauerstoffatmosphäre) oder konventionelle (Gamma-Sterilisation in inerter Atmosphäre) Polyethylene mit hochvernetzten Polyethylenmaterialien vergleichen, haben eine deutliche Reduktion der Kopfpenetration zugunsten von hochvernetztem Polyethylen ergeben (Tab.€3.1).
3.5.3 Metall-Metall-Paarungen Basierend auf den ausgezeichneten Resultaten einiger Metall-Metall-Prothesen der ersten Generation wurden Versuche unternommen, die Metall-Metall-Ar-
tikulation erneut zu evaluieren. Dies führte 1988 zur Einführung einer zweiten Generation von Metall-Metall-Paarungen (Metasul™, Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz) durch Weber (Weber und Rieker 2002). Die Metasul-Metall-Metall-Paarung wurde 1992 für den Verkauf in Europa freigegeben und im August 1999 von der FDA genehmigt. Seit November 1988 wurden weltweit mehr als 330.000 Metasul-MetallMetall-Paarungen verkauft. Heute gibt es im Gebiet der Orthopädie weltweit ca. 10 Hersteller, die MetallMetall-Paarungen für die Verwendung in der Totaloder Resurfacing-Hüftarthroplastik anbieten, aber diese Paarungen variieren hinsichtlich Herstellungsprozess und Kohlenstoffgehalt.
3â•… Implantate
73
Tab. 3.1↜╇ Studien zur Untersuchung der Reduktion des Abriebs durch unterschiedliche Behandlungen des Polyethylens Autoren
Polyethylen
Auswertung
Resultate
Digas et€al. (2004)
Durasul/Longevity Gamma-Stickstoff Durasul/Longevity Gamma-Sauerstoff Durasul Gamma-Stickstoff Durasul Gamma-Sauerstoff Crossfire Gamma-Stickstoff Crossfire Gamma-Sauerstoff Gamma-Stickstoff Crossfire Gammy-Sauerstoff Marathon Enduron Marathon Gamma-Sauerstoff Marathon Enduron Durasul Sulene
RSA
40–60€% Reduktion der Penetration 0,012€mm/Jahr 0,176€mm/Jahr 0,192€mm 0,320€mm 0,025€mm/Jahr 0,144€mm/Jahr 0,030€mm 0,156€mm 0,030€mm 0,156€mm 0,138€mm 0,055€mm/Jahr 0,138€mm/Jahr 0,020€mm/Jahr 0,180€mm/Jahr 0,020€mm/Jahr 0,130€mm/Jahr 0,010€mm/Jahr 0,190€mm/Jahr 0,025€mm/Jahr 0,106€mm/Jahr
Manning et€al. (2005) Dorr et€al. (2005) Bragdon et€al. (2006) Martell et€al. (2003) Rohrl et€al. (2005)
D’Antonio et€al. (2005) Hopper et€al. (2003) Heisel et€al. (2004) Engh et€al. (2006) Triclot et€al. (2007)
Die Analyse explantierter Metasul™-Artikulationen (Rieker et€ al. 2004) zeigte hohe Verschleißfestigkeit mit folgenden linearen Abriebraten (gesamte Artikulation, Abb.€3.28): • 1. Jahr: 27,8€µm/Jahr, • nach dem 2. Jahr: 6,2€µm/Jahr Sogar mit dieser hohen Verschleißfestigkeit weisen Patienten mit einer Metall-Metall-Paarung eine leicht höhere Konzentration von Kobalt und Chrom im Blut oder Serum auf. Diese Konzentrationen bewegen sich typischerweise in der Bandbreite von 0,5–3,0€ µg/l. Bisher wurde keine kausale Verbindung zwischen Metall-Metall-Implantaten, erhöhten Ionenwerten und daraus resultierender Entstehung von Krebs oder anderen medizinischen Krankheiten nachgewiesen (MacDonald 2004). Lediglich Überempfindlichkeitsreaktionen, die in Zusammenhang mit allen metallischen Implantaten aus Kobalt-Chrom-Legierungen beobachtet werden, bilden eine Ausnahme (Willert et€al. 2005). Solche Überempfindlichkeitsreaktionen sind sowohl bei Metall-Metall-Paarungen als auch bei Totalknieprothesen diagnostiziert worden (Willert
Martell Dorr Martell Martell Martell
Ramakrishnan Sychterz Martell Martell Martell
et€ al. 2005). Die folgenden Symptome sind ein typischer Hinweis für eine solche Reaktion (Lohmann et€al. 2007): • Schmerz im Oberschenkel oder in der Leistengegend, • Knacken, • rezidive Instabilität. Diese Reaktionen werden typischerweise nach 1 bis 5 Jahren postoperativ beobachtet. Leider folgen radiologische Beobachtungen keinem spezifischen Muster. Osteolysen im proximalen Femur oder im Bereich des Azetabulum können, müssen aber nicht auftreten (Lohmann et€ al. 2007). Die Häufigkeit dieser Reaktionen ist schwierig einzuschätzen. Gemäß Campbell (2007) bewegt sich die Häufigkeit bei Metall-MetallPaarungen mit hohem Kohlenstoffgehalt um 1:500 bis 1:1000. Das Auftreten ist höher bei Metall-MetallPaarungen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt, wo sich die Häufigkeit auf ein paar Prozent beläuft (Li 2001; Korovessis et€al. 2006; Milosev et€al. 2006). MetallMetall-Paarungen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt sind inzwischen allerdings vom Markt genommen worden.
C. Rieker
74 Abb. 3.28↜ Lineare Abriebraten für die gesamte Metasul-Paarung
50 METASUL-Köpfe
Lineare Abriebrate [µm/Jahr]
45
METASUL-Pfannen
40 35 30 25 20 15 10 5 0
0 =>1
1 =>2
2 =>3
3 =>4
4 =>5
5 =>6
6 =>7
7 =>8
8 =>9 9 =>10 10 =>11 11 =>12
Zeit in-vivo [Jahr]
Ein besseres Verständnis des Schmierverhaltens von Hart-Hart-Paarungen ermöglichte die Entwicklung von Metall-Metall-Artikulationen mit großem Kopfdurchmesser. Die genaue Kontrolle der Artikulationsgeometrie (Durchmesser, Spiel, Sphärizität und Rauigkeit), analytische Untersuchungen (Udofia und Jin 2003) und experimentelle Tests (Smith et€al. 2001) haben aufgezeigt, dass temporäre Vollschmierung durch Gelenkflüssigkeit in großen Hart-Hart-Artikulationen möglich ist. Diese Vollschmierung durch Gelenkflüssigkeit ermöglicht größere Kopfdurchmesser in Hart-Hart-Paarungen ohne den Nachteil eines erhöhten volumetrischen Abriebs. Optimale Schmierung in Hart-Hart-Paarungen ist ein Hauptfaktor in moderner Totalhüftarthroplastik, der die Neuentwicklung und Zulassung von Hüft-Resurfacing-Prothesen sowie von Metall-Metall-Paarungen mit großem Kopfdurchmesser möglicht macht. Dadurch kann die Hüfte optimal stabilisiert und der Bewegungsumfang des Gelenks vergrößert werden.
3.5.4 Keramik-Keramik-Paarungen Die erste Alumina-Alumina-Paarung wurde 1970 von Boutin in Frankreich implantiert (Boutin 2000). Danach entwickelten in den späten siebziger Jahren und anfangs achtziger Jahre verschiedene europäische Gruppen Alumina-Alumina-Artikulationen. Aufgrund
der hohen Zahl von Brüchen dieser historischen Alumina-Alumina-Artikulationen in der Klinik wurden diese Paarungen nur spärlich eingesetzt. Aufgrund der eingangs beschriebenen Verbesserungen erlebten Alumina-Alumina-Paarungen in den neunziger Jahren neuen Aufwind. Die Zahl klinisch dokumentierter Brüche von modernen Alumina-Alumina-Paarungen beläuft sich auf ca. 1:2000 (Sedel 2000). Auch wenn diese Rate niedrig ist, ist ein solcher Bruch dennoch eine große Komplikation, da die Alumina-Partikel in einem Revisionseingriff unter Umständen nicht vollständig entfernt werden und dadurch als abrasive Körper zwischen die revidierten Gelenkoberflächen gelangen können (Kempf und Semlitsch 1990). Die folgenden Empfehlungen sollten bei einer Revision infolge eines Bruchs einer Keramikkomponente berücksichtigt werden: • vollständige Revision aller beschädigten Komponenten (Kopf, Schaft und/oder Einsatz), • massive Wundausschabung und Synovektomie zur möglichst umfassenden Entfernung aller Keramikpartikel. Heute haben verschiedene Hersteller AluminaAlumina-Paarungen in ihrem Produkte-Portfolio. Die Analysen von explantierten Alumina-Alumina-Artikulationen zeigen guten Verschleißwiderstand mit linearen In-vivo-Abriebraten, die sich mit denjenigen gut konzipierter Metall-Metall-Artikulationen vergleichen
Implantate 3â•…
lassen: 5–30€ µm/Jahr (Boehler et€ al. 2000; Jazrawi et€al. 1999). Während die Bruchrate von Alumina-AluminaKomponenten ziemlich niedrig ist, ist die relative niedrige Zähigkeit von Alumina-Keramik ein limitierender Faktor in Implantatkomponenten mit dünnem Querschnitt. Dadurch wird die Möglichkeit reduziert, optimierte Einsätze für große Kopfdurchmesser herzustellen. Um diese Materialeinschränkungen zu umgehen, wurden neue Keramiktypen entwickelt. Ein Lösungsansatz ist ein zirkoniaverstärktes Alumina („zirconia-toughened alumina“ ZTA: Biolox® Delta; Mekert 2003), das eine Verbesserung der Biegefestigkeit um 70€ % zeigt, was vor allem auf eine kleinere Korngröße bei gleichzeitig aufrecht erhaltener Härte zurück zu führen ist (Hvâ•›>â•›1900). Diese neue, verbesserte Keramik ermöglicht die Entwicklung von Keramik-Keramik-Artikulationen mit Kopfdurchmessern bis zu 44€mm und relativ dünnen Keramikeinsätzen. Vollschmierung durch Synovialflüssigkeit ist auch bei diesen Keramik-Keramik-Artikulationen möglich. Deshalb hat der Kopfdurchmesser praktisch keinen Einfluss auf den volumetrischen Verschleiß von Keramik-Keramik-Paarungen.
3.5.5 Keramik-Metall-Paarungen Vor kurzem hat die Universität Leeds (Prof. J. Fisher) eine neue Art von Hart-Hart-Paarung vorgestellt, die die Paarung eines mit Zirkonia verstärkten Alumina-Keramik-Kopfes (ZTA) mit einem Metalleinsatz (geschmiedete CoCr Legierung) vorsieht (Fisher et€al. 2006). Diese Paarung ergab auf dem Hüftsimulator ein ausgezeichnetes In-vitro-Verschleißverhalten und könnte gemäß Prof. J. Fisher die Vorteile beider Paarungen, Metall-Metall und Keramik-Keramik, kumulieren. Diese neue Hart-Hart-Paarung wird momentan anhand klinischer Studien in Südafrika, den USA und in Europa untersucht.
3.6 Gewebeverträglichkeit M. Thomsen und P. Thomas Die Standzeit einer Prothese hängt nicht nur von ihrer Form und Oberflächenstruktur oder der Qualität der
75
Implantation ab, sondern unter anderem auch von der Gewebeverträglichkeit der einzelnen Materialien und deren Abriebpartikeln.
3.6.1 Prinzipien der Gewebereaktion Das Gewebe um eine Hüftendoprothese kann ganz unterschiedlich aussehen und hängt im Wesentlichen von den Wechselwirkungen mit dem Kontaktgewebe ab. Es können toxische Effekte, entzündliche Phänomene, aber auch ein Gewebeumbau gesehen werden. Darüber hinaus sind auch spezifische Immunreaktionen im Sinne von hyperergen oder allergischen Überempfindlichkeiten beschrieben worden. Auch kanzerogene Effekte sind denkbar. Endoprothesen können unzementiert implantiert sein oder mit Knochenzement aus Polymethylmetacrylat (PMMA) fixiert werden. So sind als Einflussfaktoren auf die im Kontaktbereich entstehenden Gewebereaktionen einerseits die bei einer Prothesenbelastung entstehenden Abriebprodukte aus Polyethylen, Knochenzement, Keramik oder Metall zu betrachten und andererseits bakterielle Infektionen oder spezifische Immunreaktionen auf einzelne Prothesenkomponenten. Bei fest sitzenden Prothesen und deutlicher ausgeprägt bei sowohl aseptisch als auch septisch gelockerten Prothesen bildet sich eine im Femurschaftbereich strumpfförmige periprothetische Membran aus. Von dieser ist noch die Neokapsel abzugrenzen, die sich um das künstliche Gelenk herum formiert. Kontakt zum Knochen hat vornehmlich die periprothetische Membran. Für die histopathologische Einstufung der Gewebereaktionen bei Prothesenlockerungen schlugen Morawietz und Mitautoren (Morawietz et€al. 2006) eine vier Reaktionstypen umfassende Klassifikation vor. • Typ I: Als periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ wird die Konstellation bezeichnet, bei der das Bindegewebe der Membran von Makrophagen und/oder mehrkernigen Riesenzellen durchsetzt ist. Diese zeigen entweder kleine phagozytierte Abriebpartikel oder von Riesenzellen umschlossene größere Fragmente (Abb.€3.29). Morphologie, Polarisationsverhalten oder Sonderfärbungen können zur weiteren Partikelidentifizierung beitragen. Gemäß Morawietz et€al. (2006) trat dieser Reaktionstyp am häufigsten (und zwar zu 55€%) in seinem Kollektiv auf.
76
Abb. 3.29↜ Mehrkernige Riesenzelle um einen Polyethylenpartikel (Polarisationsaufnahme) im periimplantären Gewebe einer gelockerten TEP
• Typ II: Die periprothetische Membran vom infektiösen Typ ist eine entweder klinisch schon als eitrig-abszedierende Entzündung sichtbare oder ggf. mit Verdacht auf Low-grade-Infekt eingestufte Konstellation. Diagnoseweisend sind gemäß Morawietz et€al. neutrophile Granulozyten, die die periprothetische Membran durchsetzen, zusätzlich Plasmazellen. Die Darstellung von Erregern, beispielsweise durch eine Giemsa-Färbung, gelingt dabei nicht immer. Ergänzende Informationen kommen über die mikrobiologische Untersuchung, bei der eine längere Kulturdauer unter Einschluss von Gewebematerial wichtig ist. Bei Verdacht auf einen „Low-grade-Infekt“ sind dabei durchaus mehrfache mikrobiologische Untersuchungen sinnvoll. • Typ III: (Mischtyp) Bei der periprothetischen Membran vom infektiösen Typ mit Abriebphänomenen findet man ein Nebeneinander von Abrieb durchsetzten Arealen mit dem oben beschriebenen Muster und auf einen Infekt hinweisende Charakteristika. • Typ IV: Bei der sog. periprothetischen Membran vom Indifferenztyp (nicht abriebinduziert, nicht infektiös) fand die Autorengruppe, vornehmlich zellarme, kollagenfaserreiche Bindegewebsbereiche mit nur sehr wenigen Abriebpartikeln und dementsprechend sehr geringer Fremdkörperreaktion und vereinzelt Kapillarproliferationen sowie locker eingestreute Lymphozyten. Die Autoren bemerken,
M. Thomsen und P. Thomas
dass diese Membran vom Indifferenztyp etwa 3-mal so häufig bei nichtzementierten im Vergleich zu zementierten Prothesen auftrat. Die Autoren stellen die Hypothese auf, dass es sich hier teilweise um Narbengewebe nach anfänglicher Mikrotraumatisierung handelt und ggf. fehlbelastungsbedingte Osteolysen mit vorgelegen haben könnten. Neben diesen vier histomorphologischen Typen der periprothetischen „Interface-Membran“ sind auch unterschiedliche funktionelle Charakteristika denkbar. So sind verschiedene Wege einer Osteolyse oder Lockerungsbahnung vorstellbar (Looney et€al. 2006), beispielsweise über Osteoklasteninduktion durch Differenzierung aus Makrophagen, über zytokininduzierte Osteoklastenaktivierung bei gleichzeitiger Osteoblastenhemmung oder über Freisetzung gewebedestruierender Stoffe wie Matrixmetalloproteinasen (MMP) durch verschiedene Zellen bis hin zu Fibroblasten in Antwort auf Partikel. In manchen Fällen ist bei den sichtbaren Lymphozyten, wie im Membrantyp€ I oder IV beschrieben, auch die Induktion einer spezifischen Entzündungsreaktion im Sinne einer Überempfindlichkeit (Allergie) denkbar. Schließlich ist auch vorstellbar, dass toxische Effekte zu Gewebeuntergang (fibrinoide Nekrose), Osteoblastenbeeinträchtigung oder verminderter Infektabwehr führen.
3.6.2 Reaktion auf Prothesenwerkstoffe Mögliche Reaktionen auf die Vielzahl von Prothesenwerkstoffen (Thomsen et€ al. 1995) hängen von der jeweiligen Verträglichkeit der Metalllegierung, der Zusammensetzung des PMMA, des Antibiotikums, der Keramik (Thomsen und Willmann 2003) und der Reinheit des Polyäthylens (Streicher und Thomsen 2003) ab. Dies sind z.€B. rezidivierende Ergüsse, Schmerzen oder Lockerung der Prothese. Ein möglicher Pathomechanismus ist die überschießende spezifische Immunreaktion im Sinne einer Allergie (Thomas et€al. 2008). Titanassoziierte als Allergie interpretierte Unverträglichkeitsreaktionen in Form von Endoprothesenlockerungen, beeinträchtigter Frakturheilung oder Ekzemen sind dabei aber sehr selten (Thomas et al. 2006a). Die von Granchi et€ al. (2005) im Zusammenhang mit Endoprothesenlockerungen berichteten Hauttestreaktionen auf Vanadium bedürfen noch einer Bestätigung durch weitere Studien. Demgegenüber
Implantate 3â•…
wird eine Endoprothesenlockerung als Ausdruck einer Metall- und/oder Knochenzementallergie in Kasuistiken und kleinen Studienkollektiven beschrieben. Zwar steht ein Konsens über Gewebecharakteristika einer periimplantären allergischen Überempfindlichkeitsreaktion noch aus, es wird aber im Hinblick auf solche Reaktionen gegenüber Metallimplantaten die hauptsächlich durch T-Lymphozyten vermittelte Typ-IV-Reaktion (Spättyp) im Vordergrund gesehen. Ausgangspunkt ist eine bereits bestehende Metallallergie oder eine sich neue ausbildende Sensibilisierung von Lymphozyten gegen Legierungskomponenten. Aus unterschiedlichen Perspektiven wurde auf die Metallallergie als Beschwerdenursache geschlossen: Es wurde die Reaktivität von Blutlymphozyten im Lymphozytentransformationstest (LTT) beurteilt, Epikutantests als Nachweis der (kutanen) Metallallergie durchgeführt oder nach lymphozytär betonten Gewebereaktionen gesucht. So fanden Hallab et€al. (2005) eine im LTT erhöhte Metallsensibilisierung bei komplikationsbehafteter Endoprothetik. Granchi et€ al. (2005) berichteten anhand ihres Kollektivs, dass eine Metall- sowie Knochenzementkontaktallergie zwar nicht direkt mit einem Hüftendoprothesenversagen verknüpft war, aber mit einer signifikant kürzeren 10-Jahres-Implantatüberlebensdauer einherging (41,3€% gegenüber 50,5€%). Erhöhte Metallallergieraten von 20€% gegen Nickel, 14€% gegen Kobalt und 7€% gegen Chrom fanden sich auch bei einer Serie von 44 Patienten mit Beschwerden nach Knieendoprothetik (Thomas et al. 2004). Zu einem Patientenkollektiv mit komplikationsbehafteten Knieendoprothesen wurde über eine hohe Kontaktallergierate gegen Knochenzementkomponenten wie Benzoylperoxid (18€%) und Gentamicin (18€%) berichtet (Thomas et€ al. 2006b). Bei Knieendoprothesen wurde außerdem eine Fistelbildung als Ausdruck einer Knochenzementunverträglichkeit beobachtet (RichterHinz et€al. 2004). Von mehreren Arbeitsgruppen wird die seltene Konstellation von herdförmigen, lymphozytär geprägten Infiltraten im periimplantären Gewebe bei weitgehend fehlender Fremdkörperreaktion beschrieben (Abb.€ 3.30). Die spezielle Konstellation von Lockerung, Schmerzen und teilweise Ergussbildungen in Zusammenhang mit diesem histologischen Bild von perivaskulären Lymphozyteninfiltraten und weitgehend fehlender Riesenzellfremdkörperantwort wurden von Willert et€al. (2000, 2005) sowie von Baur et€al. (2005) und Park et€al. (2005) als Hinweis auf lokale
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Abb. 3.30↜ CD4-positives T-Zell-Infiltrat im periimplantären Gewebe bei einer Patientin mit Nickelallergie und Schmerzen sowie Lockerung einer CrCoMb-basierten Hüft-TEP
Überempfindlichkeitsreaktionen bei Metall-MetallGleitpaarung interpretiert. Willert hatte hierfür den Begriff „Aseptic Lymphocytic Vasculitis-Associated Lesion“ (ALVAL) vorgeschlagen. Als Charakteristika hatte er die Anwesenheit von perivaskulär aggregierten Lymphozyten und Plasmazellen, eosinophilen Granulozyten, „high endothelial venules“ und Fibrinexsudaten genannt. Mögliche Folgen können ausgeprägte Osteolysen speziell am Trochanter major sein, die sich nach Gleitpaarungswechsel zurückbilden (Baur et€al. 2005). Zu der Annahme, dass die zumindest an der Haut oft eine Kontaktallergie auslösenden Metalle wie Nickel, Chrom und Kobalt allergische Reaktionen auch periimplantär induzieren können, gibt es erst wenige weiterführende Arbeiten. So fand sich bei einem Kollektiv von Patienten mit revidierter Metall-Metall-Gleitpaarung und periimplantärer lymphozytärer Entzündung eine hohe Koinzidenz von kutaner Kontaktallergie und metallspezifischer T-Zell-Hyperreaktivität in vitro (Thomas et al. 2009). Als weitere histologische Sonderkonstellation wurde ein Zusammentreffen von mehrkernigen Riesenzellen, fibrinoider Nekrose und teils lymphozytären Infiltraten im synovialen Gewebe um zementfreie Endoprothesen der Metall-Metall-Paarung der zweiten Generation beschrieben. Dieses bei vereinzelten Patienten gesehene histologische Bild wurde von Lintner et€al. (2005) als eine möglicherweise kobaltassoziierte Sonderreaktionsform auf kleine Partikel bei Metall-Metall-Gleitpaarung angesehen. Die Autoren beschrieben hier einen zonenförmigen Aufbau
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im Gewebe um gelockerte Endoprothesen, wobei zur Prothese hin fibrinoide Nekrosen und dann eine fast palisaden- oder schichtartige Anordnung von mehrkernigen Riesenzellen aufgefallen war. Zusätzlich wurde die Kombination mit entzündlichen Infiltraten und Mastzellvermehrung beschrieben. Inwieweit dieser zonenförmige Aufbau eine Momentaufnahme eines zeitlichen Reaktionsablaufs, bis hin zu einer nach lokal toxischen Effekten aufgetretenen fibrinoiden Nekrose widerspiegelt, muss offen bleiben. Lintner et€al. (2005) ziehen auch den Vergleich zu der durch Kobaltstäube induzierbaren „giant cell pneumonia (GIP)“ (Lison 1996) und vermuten, dass hier Parallelen auf einen ähnlichen Pathomechanismus schließen lassen.
3.6.3 Reaktion auf Abriebprodukte Abriebpartikel von rostfreien Stahl, Chrom-Kobalt, Titanlegierungen, PMMA, Al2O3 und Polyethylen induzieren bei Kontakt mit Monozyten und/oder Makrophagen deren Aktivierung. Kleine Partikel könne dabei phagozytiert werden, große Partikel führen zur Ausbildung von Fremdkörperriesenzellen. Makrophagen und multinukleäre Riesenzellen dominieren im „Normalfall“ das Bild in der Umgebung einer Prothese. Entscheidend ist die dabei anfallende Menge an Partikeln. Solange diese nicht überwiegt, kann der Körper sie in einer Art Gleichgewicht verarbeiten. Wird die Menge der Partikel zu groß, führt dies zu einer deutlichen Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, speziell TNF-α, IL-6 und IL-1β (Otto et al. 2006). Diese Zytokine zeigen eine direkte Wirkung auf Osteoblasten und Osteoklasten des Implantat-Knochen-Interfaces. Dieser Vorgang wurde von Willert als Ursache der „Partikelkrankheit“ genannt. Arbeiten von Green et€al. (2000) zeigten am Beispiel von Polyethylen, dass die Makrophagenaktivität auch von der Partikelgröße abhängt. Maximale Knochenresorption fand sich bei Partikelgrößen zwischen 0,45 und 1,71€µm. Partikelgrößen über 4,7€µm hatten keinen Effekt mehr, allerdings führte diese Größe zu mechanischen Irritationen. Titanpartikel scheinen größenabhängig unterschiedliche Effekte zu haben. So beschrieben Choi et€al. (2005) für kleine Partikel eher eine Beeinträchtigung der Osteoblastenvitalität und -proliferation, während größere Partikel (zwischen
M. Thomsen und P. Thomas
5 und 10€ µm) zu starker RANKL-Expression bzw. Osteoklasteninduktion führten. Kleinste „Nanopartikel“ (<â•›150€ nm) wie sie bei der Metall-Metall-Gleitpaarung freigesetzt werden, wirken in diesem System nicht. Hier setzt eher wieder die lokale Überempfindlichkeitsreaktion ein. Zusätzlich zu den proinflammatorischen Zytokinen spielen nach Haynes (2004) auch Prostaglandine eine entscheidende Rolle. Eine weitere Reaktion im Gewebe um Prothesen ist die durch Abriebpartikel induzierte vermehrte Freisetzung von IL-6 und TNF-α von Fibroblasten. Auch dies führt zur Aktivierung der Osteoklasten und der typischen Ausbildung von Osteolysen. Schließlich tragen auch von Makrophagen sowie Fibroblasten freigesetzte MMPs zur Gewebedestruktion bei (Looney et€al. 2006). Bei der biologischen Reaktion auf Abriebpartikeln läuft nach Elke (2001) folgende Kaskade ab, die je nach Materialzusammensetzung unterschiedlich heftig ausfällt: • Akkumulation von Partikeln im Gewebe, • Makrophageninfiltration und Partikelphagozytose, • Granulombildung, • Freisetzung von Knochenresorption-induzierenden Substanzen durch Makrophagen und Fibroblasten, • Osteoklastenaktivierung, • Osteolyse. Die unterschiedlichen Osteolysen lassen sich nach Wang und Mitarbeiter (Wang et al. 2004) weiterhin in drei Mechanismen zusammenfassen: • exarzerbierte Entzündung durch reaktive Sauerstoffspezies, produziert durch aktivierte Makrophagen und Osteoklasten, • gestörte periprothetische Knochenbildung bei sekundär gestörter Knochenbildung, • kompromittierte Knochenregeneration durch gesteigerte zytotoxische Antwort der mesenchymalen Progenitorzellen. Entscheidend bei der Reaktion des Gewebes auf Abriebpartikel ist das Gleichgewicht: Partikelentstehung, Speicherung und Abtransport. Solange dieses vorhanden ist, kann die Gelenkfunktion lange ungestört bleiben. Entstehen jedoch vermehrt Abriebpartikel z.€ B. als Folge eines Dreikörperverschleißes dekompensiert das System. Die Abriebpartikel führen zu komplexen biologischen Reaktionen in der periprothetischen Membran, die wesentlich zum Knochenabbau und damit zur Prothesenlockerung führen.
3â•… Implantate
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Biomechanik der prothetisch versorgten Hüfte R. Decking und L. Claes
Hüftendoprothesen werden mit dem Ziel implantiert, die Schmerzfreiheit sowie eine sofortige und langfristige Stabilität zu gewährleisten. Ein Knochenverlust im Bereich des proximalen Femur ist ein regelmäßig auftretendes Phänomen nach Implantation von Hüfttotalendoprothesenstielen, was den Langzeiterfolg des operativen Eingriffs gefährdet. Es tritt bei allen Prothesensystemen und Materialkombinationen auf, die in der Hüftendoprothetik eingesetzt werden. Für einen periprothetischen Knochenverlust lassen sich in der Regel drei Gründe finden: 1. fremdkörperinduzierte Osteolysen, 2. ein Knochenabbau als Konsequenz der natürlichen Alterung, 3. Knochenverluste aufgrund einer biomechanischen Entlastung des Knochens, bedingt durch die Gestaltung, die Materialeigenschaften und die Oberflächencharakteristik der Implantate (Rubash et€ al. 1998). Fremdkörperinduzierte Osteolysen lassen sich heute nur durch die Wahl der geeignetsten Materialpaarung (z.€B. Keramik-Keramik) minimieren. Altersbedingte Knochenverluste sind zurzeit kaum beeinflussbar. Die biomechanische Entlastung des Knochens ist durch neue Entwicklungen im Schaftdesign der Prothesenschäfte heute für den Chirurgen durch entsprechende Auswahl beeinflussbar. Im Folgenden sollen die beiden erstgenannten Faktoren nur kurz beschrieben und die biomechanischen Gründe für einen Knochenverlust näher erläutert werden. R. Decking () Klinik für Orthopädie St. Franziskus-Hospital, Schönsteinstraße 63, 50825, Köln-Ehrenfeld, Deutschland E-Mail:
[email protected]
4.1 K nochenverlust durch fremdkörperinduzierte Osteolysen Schon 1975 beschrieb Charnley das Auftreten periprothetischer Osteolysen um gelockerte und gebrochene femorale Komponenten. Er zeigte histologische Schnitte von Riesenzellen, die im Bereich dieser Zonen gefunden wurden. Willert berichtete 1977, dass Metallabriebanteile gelockerter Endoprothesen in Makrophagen in der Gelenkkapsel zu finden waren und ein fibröses Gewebe in diesem Bereich vorlag. Der Nachweis von Knochenzementabriebpartikeln in den entnommenen Proben aus fokalen Osteolysen und aus Zonen mit eher linearer Knochenreduktion um gelockerte und feste Endoprothesen führte zur Einführung des Begriffs der „Zementkrankheit“ als Grundlage eines Knochenverlusts. Allerdings wurde bald klar, dass fokale und generalisierte Osteolysen auch nach zementfreier Endoprothesenverankerung auftraten. Es zeigte sich, dass auch bei einer Verankerung ohne Zement Polyethylen- und/oder Metallabriebpartikel einen progressiven Knochenschwund mit nachfolgendem Risiko einer Lockerung der Komponenten induzieren konnten. Der Begriff „Zementkrankheit“ wurde daher im weiteren Verlauf durch den Begriff der „Partikelkrankheit“ ersetzt. Inzwischen ist bekannt, dass praktisch alle in der Endoprothetik verwendeten Materialien, wenn auch in unterschiedlichen Maße, Abriebpartikel erzeugen können (Harris 2001) und man zumindest im Prinzip die Mechanismen kennt, die nach dem Auftreten von Abriebpartikeln zu einer osteolytischen Knochenresorption führen (Purdue et€ al. 2007). Makrophagen und osteoklastische Vor-
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_4, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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läuferzellen phagozytieren die Abriebpartikel. Diese rufen eine komplexe Antwort auf molekularer Ebene hervor und führen schlussendlich zu einer Resorption von periprothetischem Knochen. Bisher gibt es jedoch noch keine akzeptierten medikamentösen Therapieverfahren zur Unterbrechung dieser komplexen Kaskade. Wichtigster klinischer Ansatzpunkt ist die Reduktion der Menge biologisch aktiver Abriebpartikel. Obwohl hier noch viele offene Fragen bestehen und vor allem In-vivo-Langzeitbeobachtungen noch ausstehen (Campbell et€ al. 2004), lassen moderne Gleitpaarungen wie die hochvernetzten Polyethylene, Keramik-Keramik- oder Metall-Metall-Kombinationen darauf hoffen, dass die Problematik des abriebinduzierten Knochenverlusts in Zukunft eine geringere klinische Bedeutung haben wird (Sharkey und Parvizi 2006).
4.2 Altersbedingter Knochenverlust Eine altersbedingte Reduktion des Knochens zeigt sich in einer nahezu unmerklichen Verschmälerung des trabekulären Knochens schon ab dem 35. Lebensjahr (Weinstein und Hutson 1987). Der spongiöse Knochenverlust, verbunden mit einer Zunahme des Knochenumsatzes, nimmt mit fortschreitendem Alter dann stark zu, ähnliche Veränderungen zeigen sich im kortikalen Knochen. Hier stehen jedoch eine kortikale Ausdünnung (als Folge einer endostalen Knochenresorption) und eine zunehmende Porosität der Kompakta im Vordergrund. Dies führt zu einem erweiterten intramedullären Kanal und einem Nettoverlust an Kortikalisdicke. Der kortikale Knochenverlust beläuft sich bei beiden Geschlechtern nach dem 40. Lebensjahr auf etwa 0,3–0,5€% pro Jahr. Frauen verlieren über ihre Lebenszeit etwa 35€ % des kortikalen und 50€ % des spongiösen Knochens, während Männer weniger Knochenverlust zeigen und nur in etwa 2/3 der weiblichen Knochendichtereduktion aufweisen. Obwohl Poss (1992) von einer Zunahme der Größe des intramedullären Kanals über die nach Hüfttotalendoprothesenimplantationen folgenden Jahre berichtet, ist diese Knochenreduktion als Ursache für Lockerungen der femoralen Schäfte wohl eher zweitrangig anzusehen und in klinischen Studien bisher nur ungenügend belegt.
R. Decking und L. Claes
Abb. 4.1↜ Typische Knochenreaktion nach Implantation eines konventionellen Schaftes (Alloclassic). Links: a.p.-Röntgenbild direkt präoperativ, rechts: a.p.-Röntgenbild 12 Montate postoperativ: Beachte die distale Hypertrophie der Kortikalis und den Saum um den proximalen Prothesenschaft ein Jahr nach Implantation der Endoprothese
4.3 K nochenverlust durch biomechanisch bedingten Knochenabbau Nach der Implantation von Hüftendoprothesenstielen kommt es in aller Regel zu knöchernen Umbaureaktionen im Bereich des proximalen, hüftgelenknahen Femur. Dieses sog. „adaptive Knochen-Remodelling“ führt zu einer Atrophie des durch die Prothese überbrückten und geringer belasteten Knochens (Abb.€4.1). Die konsekutive Knochendichte- und Geometrieänderung im Bereich des proximalen Femur hat zumindest theoretisch gravierende Konsequenzen für die angestrebte langfristige Stabilität und Schmerzfreiheit: Periprothetische Frakturen, Abrisse der Trochanteren, eine höhere Anfälligkeit gegenüber abriebinduzierten Osteolysen durch zunehmende Spaltbildung zwischen Knochen und Prothesenstiel sowie resultierende Lockerungen der Implantate werden in der Literatur diskutiert. Zusätzlich führt das verminderte Knochenlager zu einer deutlich komplizierteren Entfernung der Implantate im Revisionsfall (Abb.€4.2) und erschwert vor allem die Verankerung von Revisionsimplantaten (Bugbee et€ al. 1997; Engh et€ al. 2003). Es ist daher zumindest ein Ziel der meisten Endoprothesenschäfte,
Biomechanik der prothetisch versorgten Hüfte 4â•…
85
Abb. 4.2↜ Knochenumbau und Knochenabbau um einen steifen, zementfreien femoralen Schaft und daraus resultierenden Schaftbruch. Links: Röntgenbefund 8 Jahre postoperativ nach Pfannenwechsel mit Nachweis einer periprothetischen Knochenresorption im proximalen Femur. Mitte: 16 Jahre postoperativ radiologischer Nachweis eines Schaftbruchs oberhalb der distal fest knöchern integrierten Stielspitze. Rechts: Explantat, proximaler Anteil des gebrochenen Stiels ohne Knochenkontakt, knöchern fest integrierter distaler Stielanteil. (Aus: Decking 2009)
die beobachteten Knochenabbaureaktionen in der Folgezeit nach Implantation möglichst gering zu halten (Akhavan et€al. 2006; Kärrholm et€al. 2002). Der Knochen befindet sich in einem ständigen Umbauprozess, Osteoklasten resorbieren Knochen und Osteoblasten bauen neuen Knochen auf. Befindet sich der Knochenabbau und der Knochenaufbau im Gleichgewicht spricht man von einem physiologischen Knochenumbau (Homöostase). Durch verschiedene Einflussfaktoren kann dieses Gleichgewicht gestört werden und zu einer lokalen oder generellen Knochenreduktion oder zu einem Knochenaufbau führen. Bezüglich periprothetischer Knochenumbauvorgänge werden in diesem Zusammenhang drei Begriffe verwendet (Cristofolini 1997), die an dieser Stelle noch einmal erläutert werden sollen: 1. Durch unphysiologisch geringe mechanische Belastung des Knochens („stress shielding“) in der Umgebung von Prothesen kommt es zum biomechanisch bedingten Knochenverlust. Der Begriff des Stress-Shielding wird jedoch von Klinikern oft benutzt, um einen Knochenumbau zu beschreiben. 2. Der Knochenumbau („bone remodeling“) beschreibt den komplexen biologischen Prozess, der in seinem Zusammenspiel zu einer Knochendichte und -geometrieänderung führen kann. 3. Ein Knochenabbau („bone resorption“) ist eine Knochendichte- und Knochengeometrieänderung durch einen höheren Knochenabbau als Knochenanbau. Schon Wolff hatte im Jahre 1892 auf die Fähigkeit des Knochens hingewiesen, sich veränderten
mechanischen Bedingungen anzupassen. Ein niedriger mechanischer Stimulus führt zu einem Knochenabbau und ein hoher mechanischer Stimulus zum Knochenanbau (Frost 2003; Huiskes 2000; Martin 2000). Der mechanische Stimulus, der zu einem Knochenumbau führt, ist die dynamische und nicht die statische Belastung des Knochens (Turner 1998). Durch die Implantation eines Endoprothesenstiels werden in der Regel vor allem im proximalen, hüftgelenknahen Femur die Knochenstrukturen durch das deutlich steifere Implantat entlastet, was einen Knochenabbau des umgebenden Knochens nach sich zieht. Hier spiegelt sich ein fundamentales Gesetz der Festkörperphysik wider, das besagt, dass bei einer Vereinigung zweier Materialien die steifere Struktur die Hauptlast trägt (Glassman et€al. 2006). Sowohl mathematische Analysen als auch tierexperimentelle und histologische Studien zeigen, dass der Knochen auf steife Implantate durch einen Knochenabbau reagiert (Bobyn et€al. 1992; Draenert et€al. 2005; Turner et€al. 2005; Vanhoe et€ al. 1995). Unter den Faktoren, die die Knochenreaktion nach Implantation eines Prothesenschafts beeinflussen, spielen die Geometrie der Implantate, das Material sowie die Größe der Prothesen eine Rolle. All diese Variablen fließen auch in die Steifigkeit des Implantats ein. Variablen, die nicht die Steifigkeit der Schäfte betreffen, sind die Ausdehnung und Beschaffenheit der aufgerauten Implantatoberfläche sowie die Qualität des Implantatlagers und des umgebenden Knochens (Pritchett 1995; Sumner et€al. 1998).
86
4.4 B iomechanische Untersuchungen zur periprothetischen Entlastung des Knochens Aufgrund der klinischen Folgen, die ein signifikanter Knochenabbau haben kann, wurde in einer ganzen Reihe von Arbeiten versucht, den Einfluss von spezifischer Krafteinleitung zementfreier Prothesenschäfte durch präklinische oder klinisch begleitende experimentelle Versuche zu evaluieren und damit den resultierenden Knochenumbau und -abbau zu analysieren sowie zu verringern. Neben rein rechnergestützten Finite-Element-Analysen (Draenert et€ al. 2005; Joshi et€ al. 2000) wurden vor allem Messungen der Knochendehnung in vitro herangezogen, um die Veränderungen durch Implantation von Endoprothesenschäften bestimmen zu können. Implantate werden bei diesen Studien in der Regel in humane Leichenfemora oder Kunstknochen aus Verbundwerkstoffen implantiert (Engh et€al. 1992; Gillies et€al. 2002), um dann die Oberflächendehnungen des proximalen Femurs unter mechanischer Belastung vor und nach Implantation zu erfassen und zu vergleichen.
4.5 K linische Beurteilung des Knochenabbaus Zur klinischen In-vivo-Beurteilung eines KnochenRemodellings waren zuerst semiquantitative Verfahren verbreitet, mit denen auf radiologischen Verlaufsaufnahmen ein Verlust der Knochendichte um femorale Prothesenschäfte beurteilt wurde (Engh und Bobyn 1984, 1988; Engh et€ al. 1987). Um Knochendichteveränderungen zu dokumentieren, waren die damals verwendeten Röntgenstandardaufnahmen jedoch zu unsensibel, da Knochendichteveränderungen von über 30€ % vorliegen müssen, bis diese auf normalen Röntgenaufnahmen sicher erkannt werden. Aus diesem Grunde waren die frühen Studien von Engh und Bobyn nicht geeignet, um das tatsächliche Ausmaß der Knochenabbauvorgänge zu erfassen (Engh und Bobyn 1984, 1988; Engh et€al. 1987). Dennoch haben diese Arbeiten eine Basis für den Vergleich zwischen unterschiedlichen Schäften geschaffen, indem sie die Verbindung zwischen Implantat und Patientenfaktoren beschrieben sowie eine radiologische Darstellung von periprothetischem Knochenverlust erfassten.
R. Decking und L. Claes
Für eine weit genauere Beurteilung periprothetischer Knochendichteveränderungen bietet sich die DualEnergy X-Ray Absorptiometry (DEXA) an. In der In-vivo-Diagnostik ist diese Messmethode inzwischen weit verbreitet. Dies liegt an den besonderen Eigenschaften, wie der hohen Präzision, der Sensitivität, der geringen Strahlenbelastung und der annähernd ubiquitären Verfügbarkeit. Allerdings müssen für eine reliable Beurteilung longitudinale Verlaufsbeobachtungen (in der Regel mit einer direkt postoperativen Basismessung als Ausgangswert) und eine strikte Kontrolle der Rotation der betroffenen Extremität eingesetzt werden. Entsprechend der sieben Zonen nach Gruen (Abb.€4.3, rechte Seite) werden hier in fast allen aktuellen Studien sieben periprothetische Regionen („regions of interrest“, ROI) definiert, in denen der Knochenumbau mit der DEXA-Methode quantifiziert und verglichen werden kann (Decking 2009). Durch diese Verfahren ist es nun möglich, unterschiedliche Schäfte sowohl im Modell bezüglich ihrer Krafteinleitung als auch klinisch bezüglich reeller Knochenumbauvorgänge gegenüberzustellen. Ein Beispiel ist der Vergleich von konventionellen Prothesenschäften und den neuen Kurzschaftprothesen, wie sie von den Autoren durchgeführt wurde. Ein keilförmiger Schaft mit einer eher distalen Krafteinleitung (Alloclassic Zweymüller SL, Zimmer, Freiburg) wurde mit einem anatomisch adaptierten Implantat (Optan, Zimmer, Freiburg) sowie einer kurzen Schenkelhalsprothese (ESKA Cut 2000, ESKA-Implants, Lübeck) sowohl in vitro als auch in vivo miteinander verglichen (Decking 2009). Im experimentellen Teil dieser Studie wurden die Oberflächendehnungen menschlicher Leichenfemora unter vergleichbaren Belastungssituationen vor und nach Implantation der unterschiedlichen Implantate gemessen. Unter Belastung wurden für alle Femora vor und nach Implantation die Größe und die Richtung der resultierenden Hauptdehnungen verglichen. In diesem Versuch führte sowohl der konventionelle, gerade als auch der anatomisch adaptierte Schaft zu einer eindrücklichen Reduktion der Oberflächendehnungen im proximalen Femur (Abb.€4.3, linke Seite). Die Schenkelhalsprothese hingegen zeigte eine Dehnungsspitze auf der lateralen Seite unterhalb des Trochanter major, wo es zu einem Kontakt der Prothesenspitze und der Kortikalis kam. Insgesamt lagen die gemessenen Dehnungen nach Implantation des kurzen Schenkel-
Abb. 4.3↜ Grafische Darstellung der prozentualen Veränderungen der Hauptdehnungen εmax in vitro links sowie der Knochendichteveränderungen in vivo rechts. Alloclassic-Schaft (↜oben), Optan-Schaft (↜Mitte), Cut-Schenkelhalsprothese (↜unten). Knochendichteveränderungen (↜rechts) lateral in den ROI 1, 2 und 3 und medial in den ROI 7, 6, und 5 über 12 Monate postoperativ,
Ausgangswert (0€%) ist die Knochendichte 10 Tage postoperativ. Beachte: Die „regions of interest“ (ROI) bei der Kurzschaftprothese Cut sind deutlich schmäler als die ROI bei den beiden Schaftprothesen. Bei den Dehnungsmessstreifen (↜links) wurden diese für die Schenkelhalsprothese anders platziert als für die beiden Schaftprothesen. (Aus: Decking 2009)
R. Decking und L. Claes
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halsschafts jedoch näher an den Dehnungen, die ohne Implantate gemessen wurden, als bei den beiden konventionellen langen Schäften. Im klinischen Teil wurden die drei Schäfte bei insgesamt 59 Patienten implantiert. Die Veränderungen der periprothetischen Knochendichte wurden mittels DEXA über den Verlauf von 12 Monaten longitudinal nachverfolgt und verglichen. Die erhobenen klinischen Scores und der radiologische Verlauf belegten bei allen Patienten und allen drei Implantaten einen guten postoperativen Verlauf. Die beiden Prothesen mit den langen Prothesenschäften zeigten in den Kontrollen der Knochendichte eine ausgeprägte Knochenresorption über den Verlauf des ersten postoperativen Jahres (ROI 1 und 7). Die Veränderungen der Knochendichte waren bei beiden Schäften zwar leicht unterschiedlich verteilt, jedoch in ihrer Größe ähnlich ausgeprägt. Das kurze schenkelhalserhaltende Implantat zeigte insgesamt eine leichte Knochendichtezunahme im Untersuchungsverlauf. Die größte Zunahme der Knochendichte fand sich lateral unterhalb des Trochanter major (ROI 3). Die Resultate der Messungen in vitro und in vivo sind in Abb.€4.3 gegenübergestellt. Im Verlauf des ersten postoperativen Jahres entsteht eine ausgeprägte periprothetische Knochendichtereduktion um die beiden konventionellen Schäfte mit der wenige Tage postoperativ bestimmten Knochendichte als Ausgangswert. Der stärkste Knochenverlust trat proximal auf der medialen Seite auf und war für die beiden Schäfte im Mittel sehr ähnlich mit jeweils knapp über 18€ %. Insgesamt war der durchschnittliche Knochenverlust beim anatomischen Schaft mit im Mittel −â•›5,8€% nur unwesentlich geringer als bei dem klassischen Geradschaft mit −â•›7,9€ %. Demgegenüber zeigte sich im Mittel ein Erhalt der Knochendichte um die kurze Schenkelhalsprothese Cut (+â•›0,2€%), mit angedeuteter Knochenzunahme lateralseitig (+â•›1,4€%). Die ausgeprägteste Knochendichtezunahme zeigte sich wie erwartet dort, wo die Prothesenspitze gegen die laterale Kortikalis drückt (+â•›2,8€%). Allerdings fiel diese Apposition im Vergleich zu den Verlusten bei den konventionellen Implantaten sehr gering aus. Die oben beschriebenen periprothetischen Veränderungen nach Implantation von konventionellen Endoprothesen sind durch eine Reihe von Studien bestätigt (Yamaguchi et€al. 2000). Aldinger et€al. (2003) untersuchten longitudinal die Knochendichteveränderungen getrennt bei männlichen und weiblichen Patienten nach Implantation eines geraden CLS-Schafts (Zim-
mer, Freiburg) und fanden ein geschlechtsspezifisch deutlich unterschiedliches Muster der Knochendichtereduktion, allerdings bei einer geringen Fallzahl von nur 12 Patientinnen in der ersten untersuchten Gruppe. Auch bei diesem geraden Schaft war in beiden Gruppen eine ausgeprägte Knochendichteredukion proximal, medial größer als lateral zu verzeichnen. In dieser Studie zeigte sich keine Korrelation der präoperativen Knochendichte, des Body-Mass-Index und der Implantatgröße mit dem postoperativen Knochendichteverlauf. Die Implantation von Individualprothesen, die individuell für den Patienten anhand einer präoperativ angefertigten Computertomographie gefertigt werden, kann offensichtlich das Muster einer Dichtereduktion proximal nicht ändern. So berichten Leichtle et€ al. (2006) von einer hohen proximalen Reduktion der BMD schon 6 Monate postoperativ nach Implantation der Evolution-K-Custom-made-Prothese (Fehling Medical AGI, Karlstein). Gerade bei diesem Prothesentyp kam es auch zu sehr deutlich ausgeprägtem Knochenverlust weiter distal in den Zonen 2 und 6. Endoprothesen mit einer niedrigeren Steifigkeit als bei den bisher diskutieren Titan- und Cobalt-Legierungen wurden eingesetzt, um die Knochenatrophie zu reduzieren. Dem Epoch-Stem (Zimmer, Warsaw, Indiana, USA) liegt ein Kompositeaufbau aus verschiedenen Materialien mit einer niedrigeren Steifigkeit zugrunde. Im Vergleich mit einem anderen anatomischen Schaft aus einer üblichen Titanlegierung (Anatomic, Zimmer, Warsaw, Indiana, USA) konnten Kärrholm et€al. (2002) über einen prospektiven Verlauf von 24€Monaten einen deutlich geringeren Knochenabbau zeigen. Hierbei waren jedoch die vergleichend für den anatomischen Schaft gemessenen Werte (bis −â•›38€ % in ROI 7) außergewöhnlich hoch. In einer zweiten Studie konnten Akhavan et€al. (2006) mit der gleichen Prothese zwar auch einen geringeren Knochenabbau nachweisen, dieser war jedoch nicht mehr so gravierend wie in der Studie von Kärrholm et€ al. (2002). Ein tabellarischer Vergleich der prozentualen Veränderungen der vorgelegten Studie mit den diskutierten Publikationen findet sich in Tab.€4.1.
4.6 Klinische Bedeutung In der Literatur lässt sich also eine ganze Reihe von Nachweisen über die Abnahme der Knochendichte sowie radiologische Nachweise periprothetischer
4â•… Biomechanik der prothetisch versorgten Hüfte
89
Tab. 4.1↜╇ Veränderungen der Knochendichte in Prozent in der im Text zitierten Literatur. FU Follow-up in Monaten, Mittelwerte unterschiedlicher Implantate und Patientengruppen verglichen mit Messergebnissen direkt postoperativ. Da die ROIs
durch die Länge der Implantate definiert werden, können die Zonen insbesondere des „Cut“ nicht direkt mit den längeren Implantaten verglichen werden
Autor Decking et al. Decking et al. Decking et al. Yamaguchi et al. Yamaguchi et al. Aldinger et al. Aldinger et al. Leichtle et al. Kärrholm et al.
Monate 12 12 12 12
Implantat Alloclassic Optan Cut Voll beschichtet
ROI 1 −â•›11,1 −â•›15,8 −â•›0,8 −â•›18,1
ROI 2 −â•›8,6 −â•›6,1 +â•›1,6 −â•›12,1
FU ROI 3 +â•›2,0 −â•›0,7 +â•›2,8 −â•›7,8
ROI 4 −â•›1,4 −â•›1,8 −â•›0,4 −â•›8,9
ROI 5 +â•›2,3 +â•›1,8 −â•›0,8 −â•›8,3
ROI 6 −â•›13,1 −â•›3,2 −â•›0,7 −â•›14,5
ROI 7 −â•›18,3 −â•›18,1 +â•›0,7 −â•›21,7
12
Proximal besch. −â•›12,3
−â•›8,0
+â•›0,3
−â•›3,1
−â•›1,5
−â•›5,3
−â•›17,6
12 12 ╇ 6 24
CLS weiblich CLS männlich Individualschaft Anatomisch Titan Verbundwerkstoff Verbundwerkstoff
−â•›15,5 −â•›12,0 −â•›14,9 −â•›23,0
−â•›10,7 −â•›2,5 −â•›13,3 −â•›19,0
−â•›7,6 −â•›1,9 −â•›11,1 0,0
−â•›6,9 −â•›4,7 −â•›10,7 −â•›6,0
−â•›6,1 −â•›3,5 −â•›10,8 0,0
−â•›11,5 −â•›6,4 −â•›12,8 −â•›22,0
−â•›25,0 −â•›18,8 −â•›23,7 −â•›38,0
−â•›6,0
−â•›12,0
−â•›6,0
−â•›8,0
−â•›5,0
−â•›9,0
−â•›15,0
−â•›11,9
−â•›4,3
+â•›3,2
−â•›0,8
4,4
−â•›11,7
−â•›27,5
Kärrholm et al.
24
Akhavan et al.
24
Säume im proximalen Femur nach Implantation von konventionellen Implantaten finden. Alle konventionellen Schäfte scheinen somit fast zwangsläufig einen mehr oder weniger ausgeprägten periprothetischen Knochenabbau zu bedingen. Dieses gilt auch gerade für die so genannten Individualprothesen und, vermutlich in geringerem Ausmaß, für Schäfte mit einer reduzierten Steifigkeit. Die deutlich geringen Knochenumbauvorgänge um Kurzschaftprothesen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vermeintlichen Vorteile bei den Veränderungen der Knochendichte bisher nicht mit längeren Standzeiten korrelieren. Gerade konventionelle zementfreie Endoprothesen, die klinisch gesichert zu einer proximalen Knochenreduktion führen, zeigen hervorragende Langzeitresultate bezüglich ihrer Standzeiten und der Revisionshäufigkeit. Unabhängig von dem beschriebenen deutlichen periprothetischen Knochenabbau wurden von Implantaten wie dem Alloclassic-Schaft hervorragende klinische Langzeitergebnisse beschrieben. Grubl et€al. (2002) zeigten für dieses schon lange verwendete Implantat eine 10-Jahres-Überlebensrate von 99€% auf. Auch bei der Beobachtung der relativ wenigen Schäfte (nâ•›=â•›434) im Schwedischen Nationalen Hüft-TEP-Register lag das Überleben der femoralen Implantate bei 98,4€ % mit einem Follow-up von vier Jahren (Kärrholm et€al. 2005). Und auch von dem sehr steifen und seit langem nicht mehr implantier-
ten Lord-Schaft sind 17,5-Jahres-Überlebensraten von 98€% beschrieben (Grant und Nordsletten 2004). Trotz der durch sie provozierten deutlichen Knochenumbauvorgänge bleiben damit die konventionellen Prothesenstiele der Standard, an denen sich die neueren Prothesentypen wie die Kurzschäfte zu messen haben.
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5
Untersuchung und Indikationsstellung C. Heisel, K. Bohndorf, D. Parsch, M. Rickert, G. Zeiler, B. M. Holzapfel, H. Rechl und M. Rudert
5.1 Anamnestische Kriterien C. Heisel
5.1.1 H auptbeschwerden und Krankheitsverlauf Die Schilderung der Hauptbeschwerden liefert einen ersten Eindruck über die Gelenkerkrankung und die Erwartungen des Patienten. Die meisten Patienten begeben sich wegen zunehmender Schmerzen in Behandlung. Aber auch Bewegungseinschränkung, Steifheit oder Gangveränderungen beeinflussen den Leidensdruck des Patienten. Der Zeitpunkt des Auftretens von Schmerzen sowie deren Qualität sind wichtige Hinweise zur Diagnosefindung. Patienten mit Arthroseschmerz berichten meist von einer langsamen und kontinuierlichen Schmerzzunahme in der Vergangenheit. Typische Lokalisationen und Projektionszonen für Schmerzen mit intraartikulärer Pathologie sind die Leiste, der Oberschenkel (bis zum Knie, meist medial) und das Gesäß. Patienten beklagen einen Belastungsschmerz oder einen protrahierten Schmerz nach Belastung. Auch ein Anlaufschmerz ist ein typisches Charakteristikum des degenerativen Gelenkverschleißes (Patient muss sich ein paar Schritte „einlaufen“). Im Gegensatz hierzu sind die Schmerzen bei entzündlich-rheumatischen oder bakteriellen Arthritiden meist kontinuierlich. Die Anamnese der nächtlichen Beschwerden und C. Heisel () ARCUS-Sportklinik, Rastatter Str. 17–19, 75179 Pforzheim, Deutschland E-Mail:
[email protected]
die Erfassung der Gehstrecke sind wichtige Parameter zur Einschätzung der Beeinträchtigung des Patienten und können die Entscheidungsfindung zur Empfehlung einer operativen Therapie verbessern (s. auch Kap.€1.2).
5.1.2 Krankengeschichte Die Erhebung der internistischen und chirurgischen Anamnese ist wichtig im Hinblick auf eine mögliche spätere Operation. Internistische Begleiterkrankungen können das Operations- und Narkoserisiko erhöhen und das perioperative Management beeinflussen. Die Erhebung der chirurgischen Krankengeschichte gibt Informationen über früher ereignete Operationskomplikationen oder über in der Vergangenheit durchgeführte Hüfteingriffe.
5.2 Klinische Untersuchung C. Heisel
5.2.1 Gangbild Die physiologische Untersuchung beginnt mit dem Betreten des Untersuchungszimmers und der damit verbundenen Analyse des Gangbildes. Das häufigste Schmerzhinken ist mit einer verkürzten Standphase des erkrankten Beines verbunden. Ein TrendelenburgHinken ist als ein Hinweis auf eine insuffiziente Funktion der pelvitrochantären Muskulatur zu sehen. Ein Steppergang (peripherer Nervenschaden) oder ein Verkürzungshinken sind ebenfalls zu differenzieren.
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_5, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
91
92
C. Heisel
Abb. 5.1↜ (a) Beim ThomasHandgriff wird eine Hand des Untersuchers unter die LWS geschoben, um festzustellen, wann sich die Lordose beim Anheben des Beins ausgleicht. (b) Wird das gesunde Hüftgelenk maximal flektiert und hebt sich das erkrankte Bein dabei von der Unterlage ab, besteht eine Beugekontraktur des betroffenen Gelenks
5.2.2 Inspektion Die Inspektion gibt einen Hinweis auf die Orientierung des Beckens im Raum und damit der Stellung des Hüftgelenks. Die Beinlänge kann am liegenden Patienten, besser jedoch am stehenden Patienten mit Höhenausgleich untersucht werden. Außerdem sollten vorhandene Narben und Wunden begutachtet werden. Ein besonderes Auge sollte auf Hinweise für das Vorliegen einer Infektion gelegt werden (Rötung, Überwärmung, Sekretion).
5.2.3 Klinische Tests Zunächst wird das Bewegungsausmaß mit der Neutral-Null-Methode dokumentiert und mögliche Gelenkkontrakturen evaluiert. Bei degenerativen Gelenkerkrankungen ist initial meist die Innenrotationsfähigkeit eingeschränkt und schmerzhaft. Beugekontrakturen in der Hüfte werden durch eine Verkippung des Beckens nach ventral kompen-
siert und sind zunächst oft nicht augenscheinlich. Durch den Thomas-Handriff wird das Bein der gesunden Seite maximal gebeugt und damit die Hyperlordose der Lendenwirbelsäule ausgeglichen (Abb.€5.1a). Wenn sich das erkrankte Bein durch dieses Manöver von der Untersuchungsliege abhebt, ist dies als Hinweis für eine Beugekontraktur zu sehen (Abb.€5.1b). Als orientierender Test dient auch der „Straight-Leg Raise“, bei dem der Patient dazu aufgefordert wird, das erkrankte Bein von der Untersuchungsliege anzuheben. Hierdurch wird die Hüftreaktionskraft deutlich erhöht und es können typische Schmerzen ausgelöst werden. Differentialdiagnostisch müssen lumbale Schmerzsyndrome abgegrenzt werden. Auch das Drehmann-Zeichen ist ein allgemeiner Test zur Diagnose einer intraartikulären Pathologie. Hierbei kommt es bei der Beugung des Hüftgelenks zu einer zunehmenden Außenrotation des Beins. Der Trendelenburg-Test dient zur Beurteilung der pelvitrochantären Muskulatur, den Abduktoren der Hüfte. Bei einer Insuffizienz sinkt beim Anheben des kontralateralen Beins die Hüfte zur kontralateralen
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
Seite ab, da das Becken nicht ausreichend stabilisiert werden kann. Ein wichtiger Test zur Beurteilung des Labrums ist der Impingement-Test der Hüfte. Ein vorderer Labrumschaden wird oft als stechender Schmerz bei maximaler Innenrotation, Flexion und Adduktion angegeben, da bei dieser Bewegung das vordere Labrum am Pfannenerker eingeklemmt wird. Zuletzt muss ein neurologischer und vaskulärer Status der unteren Extremität erhoben werden, um die Auswirkung möglicher Begleiterkrankungen und die daraus entstehenden Risiken abschätzen zu können. Bei einem bereits implantierten Kunstgelenk ist weiterhin die Beurteilung eines Rüttel- oder Stauchungsschmerzes notwendig, der bei einer gelockerten Endoprothese auftreten kann. Auch ein Klopfschmerz am Femur kann hier weitere Hinweise liefern.
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Abb. 5.2↜ Typisches Bild einer Koxarthrose mit Gelenkspaltverschmälerung (↜1), subchondraler Sklerose (↜2), Osteophyten (↜3) und subchondralen Zysten (↜4)
5.3 Bildgebung K. Bohndorf
5.3.1 Einleitung Eine Endoprothetik ohne Bildgebung ist undenkbar. Die Diagnostik von Erkrankungen an der Hüfte, die mittels Endoprothese versorgt werden müssen, hat in der Röntgenaufnahme in mindestens zwei Projektionen weiterhin ihre solide Grundlage. Zur Diagnose, zur Festlegung der OP-Indikation und zur OP-Planung ist sie bei der Koxarthrose in aller Regel ausreichend. Eine differenziertere Diagnostik erlauben die Schnittbildverfahren MRT und CT, deren Einsatz von der Fragestellung gesteuert wird. Zur Analyse des abnormen Verlaufs nach prothetischer Versorgung stehen neben dem genannten Verfahren auch szintigraphische Techniken und die Arthrographie zur Verfügung (Berquist 2006; Beall et€al. 2006; Temmerman et€al. 2005).
stellung der Koxarthrose und zur Diagnose einer Fraktur am proximalen Femur, sind in Tab.€5.1 beschrieben. Der Film-Fokus-Abstand sollte standardisiert sein, um Planungsfolien mit dem korrekten Vergrößerungsfaktor verwenden zu können. Bei digitalen Röntgensystemen muss ein Maßstab (meist Kugelprüfkörper) mitgeröntgt werden, um eine exakte Planung durchführen zu können. Für eine korrekt durchgeführte a.p.-Beckenübersichtsaufnahme sollten die Beine ca. 15º innenrotiert sein, um die Antetorsion des Femurs auszugleichen. Geschieht dies nicht, wird der CCDWinkel vergrößert dargestellt und die Hüfte erscheint valgisch. Auch das femorale Off-Set (horizontaler Abstand vom Femur zum Becken) wird durch diesen Fehler optisch verkleinert dargestellt und diese beiden Faktoren können zu einer ungenauen Planung führen. Es ist als Qualitätskontrolle darauf zu achten, dass sich Schenkelhals und Trochanter major auf der a.p.-Aufnahme nicht überlappen (ausgenommen bei Deformitäten des proximalen Femurs).
5.3.2 Röntgendiagnostik 5.3.3 Computertomographie (CT) Als röntgenologische Basisdiagnostik des Hüftgelenks ist neben der klinischen Untersuchung die Darstellung im horizontalen und seitlichen Strahlengang zur Diagnosebestätigung und zur Operationsplanung essentiell. Die Diagnose der Koxarthrose kann anhand typischer Gelenkveränderungen gestellt werden (Abb.€5.2). Die gebräuchlichen Einstellungen an der Hüfte zur Dar-
5.3.3.1 Technik Die CT basiert auf der rechnergestützten Auswertung einer Vielzahl von Röntgenaufnahmen des Körpers, die rotierend um den Körper erstellt werden. Moderne Geräte arbeiten seit Anfang der 90er Jahre im so genannten Spiralverfahren, bei dem der Patient mit
K. Bohndorf
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Tab. 5.1↜╇ Röntgenologische Einstellungen zur Diagnostik am Hüftgelenk bei Koxarthrose und Frakturverdacht am proximalen Femur Aufnahmetechnik Beckenübersicht a.p.
Hüftgelenk a.p.
Hüfte „axial“ Hüfte seitlich im vertikalen Strahlengang („Lauenstein“) Hüftgelenk schräg („Faux-Profil“ nach Lequesne) Hüftgelenk schräg („Ala-Aufnahme“) Hüftgelenk schräg („Foramen-obturatumAufnahme“)
Bemerkungen Zur Beurteilung der Hüften bds. ist die so genannte „tiefe Einstellung“ zu bevorzugen, da so die interessierenden Anteile des proximalen Femur besser abgebildet werden. Die Aufnahme soll, wenn möglich, im Stehen angefertigt werden Die Zentrierung auf das Hüftgelenk ergibt eine bessere Darstellung des Gelenks als in der Beckenübersichtsaufnahme. Die Aufnahme sollte bevorzugt im Stehen angefertigt werden. Bei Kontrolle nach TEP sollte das Format 20/40 eingesetzt werden, um den Schaft mitzuerfassen Indiziert als 2. Ebene bei Verdacht auf Schenkelhalsfraktur, da der Patient nicht auf der verletzten Seite liegen muss Zur Darstellung der 2. Ebene bei Koxarthrosen und anderen nicht traumatischen Erkrankungen des Hüftgelenks Zur Darstellung der Gelenkspaltweite, insbesondere anterosuperior, der a.p.-Aufnahme deutlich überlegen (Lequesne und Laredo 1998). Die Aufnahme wird im Stehen durchgeführt Einsatz vor allem bei Hüftpfannenbrüchen. Auch zur Beurteilung des Gelenkspalts geeignet Pendant zur „Ala-Aufnahme“, die betroffene Hüfte wird angehoben
konstanter Geschwindigkeit entlang der Längsachse durch die Strahlebene bewegt wird. Dies erlaubt die Berechnung von Volumina. So genannte Mehrschicht(„Multislice“)Geräte, bei der gleichzeitig 2 bis 256 (Stand 2007) Detektorlinien den Röntgenstrahl nach seiner Durchdringung des Körpers einlesen, stellen eine weitere Fortentwicklung dar, die zu einer schnelleren und genaueren Akquisition von Körpervolumina in Sekunden führt. MS-CTs gewinnen Datensätze mit isotropen Voxeln. Dies sind kleinste Volumeneinheiten mit gleicher Kantenlänge (0,4–1€mm) in allen drei Raumrichtungen. Dadurch ist jetzt, wie bei der MRT, die Rekonstruktion von Bildebenen in jeder beliebigen Richtung und 3D-Darstellungen ohne Verzerrungseffekte möglich.
5.3.3.2 Artefakte Alloplastisches Material wie Metall führt zur Änderung der spektralen Charakteristik des Röntgenstrahls und zu Aufhärtungsartefakten im CT-Bild. KobaltChrom-Legierungen und Stahl sind für starkem, Titanverbindungen und Tantalum für weniger starke Aufhärtungsartefakte verantwortlich. Auch Keramik hat eine hohe Dichte, jedoch geringer als Metall. Im CT nimmt die Beeinträchtigung der Bildqualität mit zunehmender Entfernung von Metall ab. Im Gegensatz
zur MRT ist das Artefakt direkt ober- und unterhalb des alloplastischen Materials nicht mehr vorhanden. CT-Untersuchungsprotokolle an der Hüfte müssen bei Vorliegen von Metall und Keramik optimiert werden. Maßnahmen zur Artefaktreduktion sind (Buckwalter et€al. 2006): • niedriger Pitch (0,3 wenn möglich), • hohe Röhrenspannung (140€kV) und hoher Röhrenstrom (350€mAs und mehr), • weiche Bildrekonstruktionsfilter, • dickere Rekonstruktionsschichten (mindestens 1–1,5€mm).
5.3.3.3 Indikationen Die technische Entwicklung der MS-CTs hat dazu geführt, dass die CT vor und nach Versorgung eines Hüftgelenks mit einer Prothese zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gründe sind: • Auch bei Z.€ n. prothetischer Versorgung ist vielfach eine ausreichende Beurteilung des umgebenen Knochens möglich (Abb.€5.3); • bessere 3D-Darstellung des Hüftgelenks und Verfügbarkeit der entsprechenden Software auch in der täglichen Praxis. In Tab.€ 5.2 sind dokumentierte Indikationen zum Einsatz der MS-CT zusammengefasst.
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
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Abb. 5.3↜ Darstellung einer Partikelerkrankung nach TEP mittels MS-CT. (a) Übersichtstopogramm, (b) koronare Rekonstruktion und Nachweis der Osteolyse (↜Pfeil), (c) axiale Rekonstruktion mit periprothetischer Osteolyse (↜Pfeil) Tab. 5.2↜╇ Indikation der Multischicht-Computertomographie (MS-CT) vor und nach prothetischer Versorgung des Hüftgelenks Indikation Vor prothetischer Versorgung •â•‡ Frakturklassifikation bei komplexen Hüftgelenksverletzungen •â•‡ Nachweis intraartikulärer Fragmente •â•‡ Ausdehnungsdiagnostik bei Knochentumoren, intraossären Ganglien Nach prothetischer Versorgung •â•‡ Zur OP-Planung bei Revisionseingriffen â•… –╇ Ausschluss von periprothetischen Knochendefekten (Abb.€5.3) â•… –╇ Ausschluss von Frakturen und Kortikaliszerstörungen •â•‡ Zur Analyse der Pfannenanteversion •â•‡ Abklärung des Verdachts auf anteriores Iliopsoas Impingement •â•‡ Verdacht auf Partikelerkrankung (aggressive granulomatöse Reaktion) •â•‡ Zum Ausschluss periprothetischer Abszesse
5.3.3.4 Wertigkeit Zur Klassifikation komplizierter Hüftgelenksfrakturen leistet die CT einen konkurrenzlosen Beitrag und unterstützt damit im Einzelfall auch die Indikation zur Hüftgelenksprothese. Die rasante technische Weiterentwicklung der MS-CT hat zu einer Verbreiterung der Einsatzgebiete der CT an der Hüfte, speziell nach prothetischer Versorgung, geführt, trotz noch bestehender, artefaktbedingter Limitationen. Insbesondere der Nachweis und die Größenbestimmung von Osteolysen sowie Frakturen nach Prothesenversorgung stehen im Mittelpunkt der CT-Diagnostik.
5.3.4 Magnetresonanztomographie (MRT) Die MRT nützt magnetische Felder (derzeit bis 7,0€T) und elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich der Ultrakurzwellen zur Gewinnung von Signalen aus
Literatur Durkee et€al. (2006) Borelli et€al. (2002) Imhof und Mang (2006) Puri et€al. (2006) Howie et€al. (2007), Walde et€al (2005) Park et€al. 2004 Marx et€al. (2006) Hessmann et€al. (2007), Buckwalter et€al. (2006) Jacqier et€al. (2004)
dem Körper. Grundlage für den Bildkontrast ist die unterschiedliche Empfänglichkeit (Suszeptibilität) der untersuchten Gewebe auf die statischen, magnetischen Felder und die applizierten elektromagnetischen Wellen. Grundprinzip ist die synchrone Anregung von Wasserprotonen und die anschließende Messung der Zeit, bis diese wieder ihren elektromagnetischen Ausgangsstatus erreichen.
5.3.4.1 Artefakte Im Vergleich zur CT treten in der MRT häufiger Artefakte auf und stören die Bildqualität (Stadler et€ al. 2007). Wichtig sind u.€a.: • Bewegungs- und Flussartefakte, • Rückfaltungsartefakte (Objekt liegt außerhalb der „field of view“, jedoch noch in der Empfangsspule), • Suszeptibilitätsartefakte durch Metall (Abb.€ 5.4) oder Blutabbauprodukte. Prothesen, Platten, Schrauben führen zu lokalen Signalauslöschungen („Schwarz“) oder Signalsteigerungen („Weiß“)
K. Bohndorf
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Abb. 5.4↜ Tumorprothese wegen Hypernephrommetastase. Weiterhin Schmerzen. Abklärung mittels CT und MRT. (a) Übersichtstopogramm, (b) Fraktur der inneren Beckenwand (↜Pfeil), (c) Fraktur in der MRT auch erkennbar (↜Pfeil), (d) in der koronaren CT bessere Darstellung der fehlenden inneren
und zur Verzerrung der Anatomie. Die Artefaktreduktion erfolgt durch Anwendung kurzer TE-Zeiten, die Verwendung von Spin-Echo-Sequenzen sowie der Wahl einer großen Matrix und dünner Schichten.
5.3.4.2 Indikation Die MRT hat die Diagnostik des Hüftgelenks in den letzten 15€Jahren auf eine neue Stufe gehoben (Mengiardi et€al. 2007). Die Vielzahl von Fragestellungen, die einer MRT-Diagnostik zugänglich sind, listet Tab.€5.3 auf. 5.3.4.3 Wertigkeit Die MRT ist heute die primäre Ergänzungsdiagnostik zur Röntgenaufnahme, falls diese zur Beurteilung der Pathologie an der Hüfte nicht ausreicht. Ihr Indikationsspektrum umfasst auch akut traumatologische Fragestellungen (okkulte Frakturen), hat aber in der Abklärung chronischer, unklarer Schmerzzustände ihren Schwerpunkt. Postoperativ limitieren Metallartefakte die Knochenbeurteilung, erlauben jedoch die Diagnose von periprothetischen Weichteilveränderungen.
Beckenwand (↜Pfeile), (e) MRT: ähnliche Schichtführung wie im koronaren CT, aber fehlende Beurteilbarkeit der Beckenwand aufgrund stärkerer Artefakte. Schwarze Linie (↜Pfeile) stellt einen Randkantenartefakt dar und täuscht eine Neokortikalis vor
5.3.5 Arthrographie Die direkte Arthrographie des Hüftgelenks ist heute nur noch in Verbindung mit der MRT (MR-Arthrographie) und – seltener – der CT (CT-Arthrographie) üblich. Nach Prothesenversorgung wird zur Diagnostik der aseptischen Lockerung die Arthrographie in einigen Zentren eingesetzt. Die Arthrographie wird sinnvollerweise mit der digitalen Subtraktionstechnik kombiniert, analog der Gefäßdarstellung mittels digitaler Subtraktionsangiographie (DSA). In einer Metaanalyse konnten Temmerman et€ al. (2005) zur Frage nach Lockerung der azetabulären Komponente eine Sensitivität von 89€ % sowie eine Spezifität von 76€% und für die femorale Komponente entsprechende Werte von 86 und 85€% ermitteln. Die Arthrographie (mit digitaler Subtraktion) kann zudem mit der Injektion eines Anästhetikums kombiniert werden, um weitere Aufschlüsse über die Schmerzlokalisation zu erhalten. Die Arthrographie hat durch den zunehmenden Einsatz der MS-CT an Bedeutung verloren, hat jedoch eine höhere Wertigkeit
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
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Tab. 5.3↜╇ Indikationen der Magnetresonanztomographie vor und nach prothetischer Versorgung des Hüftgelenks Indikation Vor prothetischer Versorgung Ausdehnungsdiagnostik von Tumoren, Ganglien Festlegung der OP-Indikation bei Osteonekrosen Nachweis okkulter Frakturen Diagnostik des femoroazetabulären Impingements Diagnostik des azetabulären Labrum (MR-Arthrographie) Nach prothetischer Versorgung Diagnostik der periprothetischen Weichteile Blutungen, auch ins Becken Avulsionen der Abduktorenmuskulatur Blutungen, Entzündungen der Bursa iliopectinea Abszesse Diagnostik periazetabulärer Osteolysen Zum Ausschluss periprothetischer Abszesse
als die szintigraphischen Methoden zur Evaluation der Prothesenlockerung (Weissman et€al. 2005).
5.3.6 Szintigraphie 5.3.6.1 Technik Die Bildgebung mittels Szintigraphie beruht auf der Verabreichung von Pharmaka („Tracer“). Hauptvertreter sind die Diphosphatverbindungen, die im Knochen verstoffwechselt werden. Als radioaktiver Marker wird bevorzugt Technetium (Tc99€m) verwendet, der Gammastrahlen aussendet. Die Strahlendetektion erfolgt mit Hilfe eines Szintillationskristalls. Die Lichtblitze aus den Kristallen werden in ein elektronisches Signal umgewandelt und entsprechend der Intensität als Bildpunkte in Schwärzungsgraden dargestellt. Die Darstellung erfolgt entweder planar oder mittels SPECT (Schnittbildverfahren ähnlich der CT). 5.3.6.2 Indikation Basierend auf der Intensität der Verteilung des Tracers um die Prothese, wird die Tc99€m-DiphosphonatSzintigraphie zur Lockerungsdiagnostik eingesetzt. Ein unauffälliges Szintigramm schließt eine Lockerung aus. Umgekehrt kann eine Anreicherung an der Schaftspitze und azetabulär auch noch nach 12€Monaten normal sein (Weissman et€al. 2005). Temmerman et€ al. (2005) haben in einer Metaanalyse zu diesem Verfahren eine Sensitivität von 85€ % und Spezifität
Literatur
Bancroft et€al. (2005) Vande Berg und Bohndorf (2006) Hossain et€al. (2007) Pfirrmann et€al. (2006) Chan et€al. (2005) Johnston et€al. (2007) Potter und Foo (2006)
von 72€% berechnet. Innerhalb der ersten 12€Monate nach OP sollte die Knochenszintigraphie nicht eingesetzt werden (Stumpe et€ al. 2004). Bei Verdacht auf eine infizierte Hüftprothese ist die Tc99€m-Diphosphonat-Szintigraphie ein sensitives, aber relativ unspezifisches Verfahren, da die Unterscheidung zwischen einer gelockerten und einer infizierten Prothese nicht zuverlässig gelingt (Weissman et€al. 2005). Der Einsatz anderer entzündungsspezifischer Radiopharmaka wie Indium-111 oder Tc99€m-HMPAO verbessert die Spezifität der Szintigraphie zum Ausschluss einer Infektion (Simonsen et€al. 2007). Allerdings reichern diese Marker auch in heterotopen Ossifikationen oder bei M.€Paget an. In Europa hat sich die Antigranulozytenszintigraphie (AGS) mit Tc99€ m-markierten monoklonalen Antikörpern als Ersatz für die aufwendigen Indium-111- und Tc99€ m-HMPAO-Untersuchungen durchgesetzt. Eine Metaanalyse ergab für die AGS Sensitivitäten von 83€ % und Spezifitäten von 80€ % für die Identifikation von Protheseninfektionen (Pakos et€al. 2007).
5.3.6.3 Wertigkeit Zur Diagnostik einer Prothesenlockerung in Ergänzung zur Röntgenaufnahme hat die MS-CT in den letzten Jahren die Knochenszintigraphie vielerorts abgelöst. Es besteht zur Knochenszintigraphie bei dieser Fragestellung keine gesicherte Indikation (Weissman et€al. 2005).
C. Heisel
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Liegt der Verdacht auf eine infizierte Hüftprothese vor, wird die Kombination von Röntgenaufnahmen und diagnostischer Aspiration im Vergleich zur Knochenszintigraphie, aber auch zur entzündungsspezifischen Szintigraphie höher bewertet (Weissman et€ al. 2005).
5.3.7 P ositronen-Emissions-Tomographie (PET) Im Gegensatz zur Szintigraphie verwendet die PET Radionuklide, die Positronen emittieren (Betastrahler). Bei der Wechselwirkung eines Positrons mit einem Elektron im Körper werden zwei Photonen in genau entgegengesetzte Richtungen, also mit einem 180º-Winkel zueinander, ausgesandt. Diese Photonen werden von ringförmig um den Körper angeordneten Detektoren registriert. Das am meisten verwendete Nuklid ist das radioaktive Isotop des Fluors. Erste Ergebnisse des Einsatzes des PET in der periprothetischen Entzündungsdiagnostik liegen vor. Sie belegen derzeit keine Vorteile gegenüber der Knochenzintigraphie, so dass ein Einsatz gegenwärtig nicht empfohlen wird (Stumpe et€al. 2004; Weissman et€al. 2005).
5.4 Labor C. Heisel Die Untersuchung des Blutes liefert wichtige Informationen über den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten und über spezielle Erkrankungen des Hüftgelenks. Die Analyse eines Differentialblutbilds und der Entzündungsparameter [C-reaktives Protein (CRP), Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG)] gibt Hinweise auf entzündlich-rheumatische oder bakterielle Arthritiden des Hüftgelenks. Auch die präoperative Beurteilung des Gerinnungsstatus und des Hämoglobingehalts sind wichtige zu bestimmende Parameter. Bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis sind weitergehende Blutuntersuchungen anzustreben. So sollte die Bestimmung des Rheumafaktors, des HLA-Antigens B27 und auch des CCPAntikörpers (zyklischer Citrullin-Peptid-Antikörper) angeschlossen werden. Vor allem Letzterer erlaubt die
frühzeitige und hochspezifische Diagnose einer rheumatoiden Arthritis. Als weiterführende Diagnostik ist die Gelenkpunktion anzusehen. Das gewonnene Punktat kann sowohl einer Synoviaanalyse als auch einer bakteriologischen Untersuchung unterzogen werden. Die Anzahl der Leukozyten in der Synovia lässt entzündliche von degenerativen Gelenkerkrankungen mit einer hohen Sensitivität unterscheiden.
5.5 Differentialdiagnose C. Heisel Differentialdiagnostisch müssen extraartikuläre Beschwerden, die Schmerzen in der Leistengegend auslösen und ein Hüftproblem vortäuschen können, ausgeschlossen werden. Viele der im Folgenden aufgeführten Differentialdiagnosen können bereits durch eine ausführliche Anamnese und durch die exakte Erhebung des Schmerzbefundes verworfen werden. Gelenknahe Erkrankungen schließen z.€ B. eine Bursitis trochanterica, Insertionstendinopathien, ein M.-piriformis-Syndrom oder das Syndrom der „schnappenden Hüfte“ ein. Durch lokale und intraartikuläre diagnostische Injektionstechniken können letzte Zweifel oft beseitigt werden. Schwieriger ist die Differenzierung der Erkrankungen, die von der Wirbelsäule ausgehen, da diese ja oft auch neben einer artikulären Hüftgelenkserkrankung vorliegen können und sich damit die Schmerzmuster evtl. überschneiden. Zu beachten sind radikuläre und pseudoradikuläre Schmerzsyndrome, eine spinale Enge oder auch Affektionen im Bereich des Iliosakralgelenks. Tumoren und Metastasen im Bereich des Beckens und des proximalen Femur können Hüftgelenksschmerzen vortäuschen. Auch Inguinalhernien, pelvine und inguinale Angiopathien oder neurogene Inguinalsyndrome können zu Schmerzen im Bereich des Hüftgelenks führen.
5.6 Arthrose-Scores C. Heisel Arthrose-Scores dienen der exakten Erfassung klinischer und/oder radiologischer Daten und erlauben
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
Tab. 5.4↜╇ Kellgren-und-Lawrence-Score zur Beurteilung des Arthrosegrades der Hüfte im Röntgenbild Grad 0 1 2 3 4
Beurteilung Keine Osteophyten Fragliche Osteophyten Minimale Osteophyten, möglich mit Gelenkspaltverschmälerung, Zysten und Sklerosen Moderate oder definitive Osteophyten mit moderater Gelenkspaltverschmälerung Schwerwiegende, große Osteophyten mit eindeutiger Gelenkspaltverschmälerung
eine quantitative sowie qualitative Einschätzung des Gelenkzustands oder der Aktivität. Sie ermöglichen damit eine bessere Einschätzung des Patienten und des Operationsergebnisses und verbessern die Dokumentation. In wissenschaftlichen Untersuchungen helfen sie, klinische Ergebnisse zu quantifizieren und gewährleisten den Vergleich der Resultate unterschiedlicher Forschungsgruppen. Kellgren-Lawrence-Score:╇ Zur radiologischen Beurteilung des Arthrosegrades wurde 1957 der Kellgren-Lawrence-Score entwickelt. Der Score basiert auf einer qualitativen Untersuchung des Gelenkspalts und der Osteophyten auf Röntgenaufnahmen. Die radiologische Ausprägung der Arthrose wird in vier Stadien unterteilt (Tab.€5.4). Harris-Hip-Score:╇ 1969 entwickelte Harris (1969) ein klinisches Hüftevaluationssystem – den HarrisHip-Score. Es ist das am häufigsten verwendete Evaluationstool in klinischen Studien und hat sich bei der Nachuntersuchung von Patienten mit einer Endoprothese durchgesetzt. Schmerz und Gangfunktion machen 2/3 des Gesamtergebnisses aus. Das Bewegungsausmaß spielt bei der Erstellung des Gesamtfaktors nur eine untergeordnete Rolle (Tab.€5.5). Als weitere klinische Scores sind unter anderem der Merle-d’Aubigne-Postel-Score, der Score des „Hospital für Special Surgery“ (↜HSS-Score), der OxfordHip-Score und der Charnley-Score verbreitet. Sir John Charnley hat eine weitere Unterteilung der Patienten in verschiedene Klassen bzw. Gruppen eingeführt. Die Gruppe A beinhaltet Patienten, deren Gehfähigkeit nur durch das erkrankte Gelenk betroffen ist. Bei Gruppe B schränkt auch das kontralaterale Gelenk und bei Gruppe C ein beliebiges Gelenk oder eine andere
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schwerwiegende Nebenerkrankung die Gehfähigkeit ein. Der WOMAC-Score (Western Ontario and McMaster Universities’ Score) ist ein erprobter Patientenfragebogen zur Erfassung der Patientenaktivität und der Funktionseinschränkung im Alltag. Er wurde 1996 für den deutschen Sprechraum adaptiert und evaluiert und erfasst drei Kategorien (Schmerz, Steifigkeit und körperliche Tätigkeit) mit insgesamt 24 Fragen, die jeweils mit einer Einschätzung auf einer Skala von 0–10 einhergehen. Für die Erfassung der Aktivität der Patienten hat sich der UCLA-Score (University of California Los Angeles Score) bewährt. Die Zahlen auf einer Skala von 0–10 sind jeweils mit bestimmten Tätigkeiten verbunden und so kann der Patient in eine der 10 Gruppen eingeordnet werden. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass nicht nur das Alter, sondern auch die Aktivität des Patienten eine wichtige Rolle hinsichtlich der Indikationsentscheidung, aber auch hinsichtlich der Prothesenstandzeit spielt.
5.7 Primäre, idiopathische Koxarthrose D. Parsch
5.7.1 Pathophysiologie Gesunder Knorpel ist gekennzeichnet von einem Gleichgewicht aus anabolen und katabolen Prozessen innerhalb der Knorpelmatrix, das über intakte Chondrozyten gesteuert wird. Im Rahmen der Arthroseentstehung kommt es zu einer Funktionsstörung der Chondrozyten, deren Metabolismus über Wachstumsfaktoren, Zytokine und Matrixmetalloproteasen reguliert wird. Die genetische Steuerung der Chondrozytenfunktion ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung: Der Wnt-Signalweg über beta-Catenin scheint Zielgene der chondrozytären Zellproliferation anzusteuern. Abweichungen der dazu gehörigen FrzBGene gelten aktuell als Risikofaktor für die klinische Entstehung der Arthrose (Lane et€ al. 2006). Genvariationen des Asporins und des GDF-5 prädisponieren ebenfalls für eine Arthrose (Kizawa et€al. 2005; Miyamotot et€al. 2007; Valdes et€al. 2007). Diese Polymorphismen erklären möglicherweise auch ethnische und geschlechtsspezifische Prävalenzunterschiede
D. Parsch
100 Tab. 5.5↜╇ Harris-Hip-Score, maximal 100 Punkte I. Schmerz A B C D E F Gesamt I II. Funktion IIa Gangbild 1 Hinken
2 Gehhilfen
3 Gehstrecke
IIb Aktivitäten 1 Treppen
Kein Schmerz oder Schmerz wird ignoriert Leicht, gelegentlich, keine Aktivitätseinschränkung Milde Schmerzen ohne Einfluss auf das alltägliche Leben. Mäßige Schmerzen bei ungewohnter Belastung, u.€U. Gebrauch von NSAR Mäßiger Schmerz, erträglich, aber Zugeständnisse. Gewisse Einschränkung im Alltag, gelegentlich Gebrauch rezeptpflichtiger Analgetika Starke Schmerzen. Deutliche Aktivitätseinschränkung Komplette Aktivitätseinschränkung, Gehunfähigkeit, Bettlägerigkeit, Ruheschmerz
44 40 30 20 10 0 max. 44 Punkte
Kein Leicht Deutlich Stark und gehunfähig Keine Stock für lange Strecken Stock die meiste Zeit Eine Gehstütze Zwei Stöcke Zwei Gehstützen oder gehunfähig Unbegrenzt ca. 1000€m ca. 400–500€m Bett und Stuhl Gesamt IIa
Normal ohne Geländer Normal mit Geländer Irgendwie möglich Unmöglich 2 Schuhe und Strümpfe Einfach Mit Schwierigkeiten Unmöglich 3 Sitzen Bequem in normalem Stuhl für 1 Std ½ Std. in einem hohen Stuhl ½ Std. sitzen unmöglich 4 Einsteigen in öffentli- Möglich che Verkehrsmittel Unmöglich Gesamt IIb III. Kontrakturen/Fehlstellung Weniger als 10° fixierter Abduktion Weniger als 10° fixierte IRO in Streckung Weniger als 30° Beugekontraktur Weniger als 3,2€cm Beinlängendifferenz Gesamt IIIa
11 8 6 0 11 7 5 4 2 0 11 8 5 0 Max. 33 4 2 1 0 4 2 0 5 3 0 1 0 Max. 14 1 1 1 1 Max. 4
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
101
Tab. 5.5↜╇ (Fortsetzung) IV. Bewegungsausmaß A. Flexion: 0–45°â•›×â•›1,0 45–90°â•›×â•›0,6 90–110°â•›×â•›0,3 >â•›110°×0 B. Abduktion:1–15°â•›×â•›0,8 15–20°â•›×â•›0,3 Over 20°â•›×â•›0 Gesamt IV Erfasst durch die Summe der Werteâ•›×â•›0,05
der Arthrose (Valdes et€al. 2007). Über Interleukin-1 und TNF-alpha werden via Expression von Metalloproteinasen vermutlich auch mechanische Belastungen auf zellulärer Ebene „beantwortet“ (Gulotta et€al. 2007). Immunhistologisch sind in der frühen Phase Abbauprozesse der Proteoglykane, später der Aggrecane und des Kollagen€ II nachweisbar. Insuffiziente Reparationsversuche der Chondrozyten bedingen einen fortschreitenden Substanzverlust. Inwieweit die histologisch und radiologisch nachweisbaren Veränderung der subchondralen Knochenplatte mitverursachend oder Folge sind, ist ebenfalls Gegenstand der Forschung.
C. Außenrotation in Streckung: 1–15°â•›×â•›0,4 über 15°â•›×â•›0 D. Innnenrotation: jedeâ•›×â•›0 E. Adduktion: 0–15°â•›×â•›0,2 >â•›15°â•›×â•›0 F. Extension: jedeâ•›×â•›0 Max. 5
beim Kniegelenk ist Übergewicht kein Risikofaktor für die Arthroseentwicklung am Hüftgelenk. Dagegen sind Stoffwechselstörungen mit Hypercholesterinämie, Hyperurikämie etc. als systemische Risikofaktoren beschrieben. Darüber hinaus gibt es offensichtlich auch eine genetische Disposition, die sich familiär und ethnisch offenbart. In den meisten Fällen wird eine Kombination aus systemischen und gelenkspezifischen Faktoren zu einer Koxarthrose führen, die die traditionelle Zuordnung in primär und sekundär obsolet erscheinen lässt.
5.8 Sekundäre Koxarthrose 5.7.2 Ätiologie und Risikofaktoren D. Parsch Die Arthroseentwicklung wird zunehmend als multifaktorieller Prozess gesehen, wobei gelenkspezifische und systemische Faktoren die Manifestation und Dynamik der Erkrankung beeinflussen. Anamnestisch fassbare und klinisch/radiologisch erkennbare (Vor-)Erkrankungen lassen sich in vielen Fällen als gelenkspezifische Schädigungsursachen (sog. „präarthrotische Deformitäten“) eruieren und bedingen die Entstehung der traditionell sekundären Arthrosen. Bei etwa 30–50€% der Patienten lassen sich solche Ursachen nicht finden, hier scheinen systemische Faktoren in der Entstehung der Arthrose zu überwiegen. Männer haben in höherem Alter eine höhere Prävalenz der Koxarthrose, während für andere Gelenke die Arthroserate bei Frauen höher liegt. Sportliche (z.€B. Fußball) und berufliche Belastungsprofile (z.€B. Landwirtschaft) scheinen ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung einer Koxarthrose zu nehmen. Anders als
5.8.1 Dysplasiekoxarthrose Das Spektrum der Behandlungsoptionen der Dysplasiehüfte des Erwachsenen ist breit. Grundsätzlich unterscheiden wir korrektiv/kausale und palliativ/symptomatische Therapieverfahren. Zu den korrigierenden Maßnahmen zählen die Beckenosteotomien u.€a. nach Ganz, Tönnis oder Wagner. Die Chiari-Osteotomie und die endoprothetische Versorgung des Hüftgelenks werden den palliativen Operationen zugeordnet. Neben dem Ausmaß der arthrotischen Veränderungen ist die Kongruenz der Gelenkpartner für die Entscheidungsfindung relevant. Bei sphärischer Kongruenz und allenfalls geringen arthrotischen Veränderungen besteht die Indikation zur Reorientierung des Azetabulum, wie sie die korrigierenden Beckenosteotomien realisieren. Bei inkongruenten Gelenkpartnern
D. Parsch
102 Abb. 5.5↜ (a) Dysplasiekoxarthrose mit Ausbildung einer kranialisierten Neopfanne nach Korrekturoperation im Ausland und einliegendem Osteosynthesematerial. (b) Endoprothetische Versorgung mit zementfreier Pressfit-Verankerung der Implantate und Rekonstruktion des ursprünglichen Drehzentrums
stehen die palliativen Maßnahmen zur Debatte (z.€B. Chiari-Beckenostotomie oder Endoprothetik). Bei fortgeschrittener Dysplasiekoxarthrose wird nur der endoprothetische Ersatz des Hüftgelenks eine zuverlässige Therapieoption darstellen (Abb.€5.5). Die Variabilität der Dysplasie in ihrer Ausprägung und unterschiedlichen Vorbehandlung stellt eine besondere Herausforderung für den Endoprothetiker dar. Vorhandene Narben und operative Zugangswege müssen ebenso in die Planung mit einbezogen werden wie einliegende Implantate, die v.€ a. periazetabulär eine Pfannenverankerung erschweren oder ohne simultane Metallentfernung unmöglich machen können. Fehlstellungen oder knöcherne Narben können die Schaftbearbeitung und Implantatverankerung beeinträchtigen. Eventuell müssen simultane Achskorrekturen in die Planung mit einbezogen werden. Schwere Dysplasien gehen häufig mit einer zarten Knochenstruktur einher, daher sollte präoperativ per Planung die Notwendigkeit von Sondergrößen geprüft werden. Häufig ist die eigentlich querovale Konfiguration des proximalen Femurdurchmessers deformiert oder torquiert, so dass neben rechteckigen Implantaten auch konische vorgehalten werden sollten, um eine korrekte Antetorsion des Prothesenhalses gewährleisten zu können. Bei azetabulären Defekten muss zunächst über eine sorgfältige Planung das künftige Drehzentrum definiert werden. In Abhängigkeit von der azetabulären Knochensubstanz ist ein kranialisiertes Hüftdrehzentrum („high hip centre“) oftmals ohne Dachplastik oder ein Drehzentrum in der Originalpfanne mit Pfannendachplastik denkbar. Pfannendachoder -bodenplastiken werden üblicherweise autolog aus dem resezierten Hüftkopf gewonnen.
Darüber hinaus müssen gluteale Funktionsdefizite klinisch oder elektrophysiologisch erfasst und wenn möglich kausal zugeordnet werden (Trochanterhochstand, Paresen, iatrogener Muskelschaden nach Voroperation). Nur so ist eine prognostische Einschätzung bezüglich der postoperativen Glutealfunktion möglich. Beinlängendifferenzen können planerisch und intraoperativ berücksichtigt und korrigiert bzw. angeglichen werden. Absolute Verlängerungen um mehr als 3,5–4€ cm gehen mit dem Risiko einer Nerven- oder Gefäßverletzung durch Überdehnung einher und sollten entsprechend vermieden werden. Wird eine größere Distalisierungsstrecke angestrebt (z.€ B. bei Pfannenverankerung im Originalazetabulum), haben sich subtrochantäre Verkürzungsosteotomien mit „Auffädelung“ der Osteotomie durch langschaftige, zylindrische Implantate mit proximaler Verankerungshülse (z.€B. S-ROM) bewährt.
5.8.2 Protrusionskoxarthrose Die Protrusionskoxarthrose besteht bei 5€ % der operationspflichtigen Koxarthrosen. Im Verhältnis 10:1 betrifft sie Frauen. In etwa 20€ % der Fälle liegt eine rheumatoide Arthritis als Grunderkrankung vor, bei 75€% lassen sich keine spezifischen Ursachen finden (Sotelo-Garza und Charnley 1978; Hastings und Parker 1975). Röntgenologische Verlaufsstudien beschreiben einen zu erwartenden Progress der Hüftkopfzentralisierung von bis zu 2€ mm/Jahr (Damron und Heiner 1993). Klinisch steht neben den Arthroseschmerzen die Bewegungseinschränkung in Folge der zunehmenden Ummauerung des Hüftkopfes im Vordergrund. Bei einseitigem Befall können Beinlängendifferenzen nachweisbar sein.
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
103
Abb. 5.6↜ (a) Protrusionskoxarthrose bds. mit subtotaler knöcherner Ummantelung des Hüftkopfs bei tiefer Protrusion und erheblich ausgedünnter medialer Wand. (b) Endoprothetische Versorgung mit zementfreien Pressfit-Implantaten bds. und zusätzlicher autologer Spongiosplastik am Pfannenboden
Die Indikation zur Hüftendoprothese wird klinisch und konventionell röntgenologisch geprüft: In seltenen Fällen kann eine Computertomographie hilfreich sein, um die Intaktheit und Stabilität der medialen Wand prüfen zu können. Die endoprothetische Versorgung der Protrusionskoxarthrose bedarf einer sorgfältigen Strategie: Wir bevorzugen die zementfreie Verankerung der Pfannenkomponente, da die meist dünne eburnisierte mediale Wand keine adäquate Zementpenetration ermöglicht. Bei der Präparation muss entsprechend ein tragfähiger azetabulärer Ring bereitet werden: Zu aggressives zentrales Fräsen oder Einschlagen unterdimensionierter Komponenten gefährden die Intaktheit des Cavum. Ein solchermaßen iatrogen verursachter „uncontained defect“ erschwert eine autologe Knochenunterfütterung und muss evtl. mit strukturierten Autografts behandelt werden. In der Planung sollte die Rekonstruktion (Lateralisation) des Drehzentrums berücksichtigt werden. Bei beidseitigem Befall ist dadurch eine temporäre Beinlängendifferenz bis zur Versorgung der Gegenseite zu erwarten. Intraoperativ sollte genügend Zeit darauf verwendet werden, die knöchernen Ummauerungen abzutragen, um eine Impingement-assoziierte Instabilität ebenso zu vermeiden wie eine persistierende, mechanisch bedingte Bewegungseinschränkung (Abb.€5.6).
5.8.3 Posttraumatische Arthrose Die proximale Femurfraktur ist die mit Abstand häufigste Indikation einer posttraumatischen Hüftendoprothese (Pseudarthrosen/Kopfnekrosen, s. Kap.€7.5.3).
Darüber hinaus gehen die sehr viel selteneren Azetabulumfrakturen mit einem deutlich erhöhten Risiko einer posttraumatischen Koxarthrose einher. Bei der präoperativen Diagnostik müssen die vergleichsweise häufig assoziierten Nervenschädigungen erfasst und ggf. elektrophysiologisch objektiviert werden (ca. 10–15€ % traumatische und iatrogene Ischiadikusparesen nach Azetabulumfraktur). Periartikuläre Ossifikationen (in ca. 20€ % der Fälle nachweisbar) müssen bei mechanischer Störung entfernt und eine adäquate Rezidivprophylaxe eingeleitet werden (Radiatio). Die Verankerung der Pfannenkomponente kann durch einliegendes Osteosynthesematerial erschwert oder unmöglich gemacht werden. Eine präoperativ anzufertigende Computertomographie ist hilfreich, um die Notwendigkeit einer Metallentfernung zu prüfen. Der endgültige operative Zugangsweg sollte vorhandene Narben berücksichtigen.
5.8.4 Postinfektiöse Koxarthrose Die postinfektiösen Arthrosen sind geprägt von einem konzentrischen Kollaps des Gelenkknorpels, ausgeprägten Kontrakturen sowie Kapsel- und Weichteilverschwartungen. In Abhängigkeit vom zeitlichen Intervall nach Infektion sichern eine präoperative Punktion des Gelenks sowie unauffällige CRP-Werte die zwischenzeitliche Keimfreiheit. Frühere Antibiogramme sind hilfreich, um die perioperative Antibiose und ggf. antibiotikahaltigen Knochenzement zielgerecht einsetzen zu können. Bei anamnestisch septischer Arthritis im Kindesalter sind darüber hinaus sekundäre Deformierungen in Folge einer epiphysären Schädigung (z.€B. relativer
M. Rickert
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Trochanterhochstand) und einer plastischen Deformierung der Gelenkpartner zu berücksichtigen.
5.8.5 K oxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris und Morbus Perthes Die Epiphyseolysis capitis femoris (ECF) und der Morbus Perthes zählen in der klassischen Einteilung zu den präarthrotischen Deformitäten. Beide können trotz adäquater, mehr noch bei inadäquater Behandlung im frühen Erwachsenenalter eine therapiepflichtige Koxarthrose bedingen. Die wegweisenden Arbeiten aus Bern von R. Ganz und Mitarbeitern haben den Stellenwert der frühzeitigen Diagnostik der initial meist nur (sport-)belastungsabhängigen Beschwerden betont. Die klinischen Provokationstests in Beugung und Streckung bestätigen ein Impingement. In der konventionellen Röntgendiagnostik (v.€a. axiale Ansicht) und der MR-Tomographie und -Arthrographie lassen sich knöcherne Prominenzen erkennen, wie sie bei der konsolidierten ECF („bumps“) ebenso verbleiben können, wie bei der ausladenden Coxa magna infolge eines M.€Perthes. Das Offset-Trimming und die Abtragung der knöchernen Prominenz (offen oder arthroskopisch) sind dann wichtige prophylaktische Therapieoptionen. Die Behandlung der häufig begleitenden Labrumläsionen (Resektion vs. Refixation) wird aktuell kontrovers diskutiert (Espinosa et€al. 2007). Bei fortgeschrittener Koxarthrose wird nur das Kunstgelenk eine zuverlässige Therapieoption darstellen. Operative Zugangswege nach Vorinterventionen sind dann ebenso zu berücksichtigen, wie noch einliegendes Osteosynthesematerial (Titanschrauben nach Epiphyseodese bei ECF!). Bei der Implantatwahl müssen sekundäre Veränderungen des proximalen Femur berücksichtigt werden: Ein fehlendes Kopf-Hals-Offset (=â•›kleine „Head-Neck-Ratio“ oder „pistol-grip deformity“) kann die Implantation eines Oberflächenersatzes durch das erhöhte Risiko einer Einkerbung („notching“) des Schenkelhalses erschweren. Andererseits kann eine Coxa magna mit sehr großem Offset eine zuverlässige Kappenprothesenverankerung unmöglich machen. Die Option der Offset-Rekonstruktion bei Schenkelhalsverkürzung und Trochanterhochstand spricht darüber hinaus in diesen Fällen für die Verwendung einer Schaftprothese.
5.8.6 Koxarthrose bei Hämophilie Rezidivierende Gelenkblutungen in das Hüftgelenk sind deutlich seltener als in das Kniegelenk („target joint“). Anders als beim Kniegelenk sind die Hämophilie-spezifischen Herausforderungen für den Endoprothetiker überschaubar. Eine Begleitsynovialitis und Kapselfibrose mit Beugekontraktur des Hüftgelenks muss adressiert werden. Azetabuläre Erosionen sollten autolog mittels Spongiosplastik aufgefüllt werden. Am aufwendigsten ist sicherlich die adäquate Substitution der Gerinnungsfaktoren perioperativ. Hier muss eine unmittelbare fachliche Begleitung durch eine erfahrene Hämostaseologie-Abteilung gewährleistet sein. Postoperativ ist eine engmaschige physiotherapeutische Begleitung indiziert, um eine erneute Kontraktur vorbeugend zu verhindern. Ein erhöhtes Infektionsrisiko ist bei Hämophiliepatienten beschrieben, unabhängig von der darüber hinaus relevanten HIV-Problematik. Die mittel- und langfristigen Ergebnisse nach Hüftendoprothese sind unterdurchschnittlich mit einem Survival von 80€ % nach 8€Jahren (Nelson et€al. 1992; Kelley et€al. 1995).
5.9 Indikationen ohne Koxarthrose M. Rickert Den hier beschriebenen Entitäten ist gemeinsam, dass sie sich in ihrer Pathogenese grundlegend von der primären und der sekundären Koxarthrose unterscheiden. Nicht die Knorpelschicht der Gelenkpartner oder die fehlende Kongruenz des Hüftgelenks stellt das auslösende Moment für die sekundär degenerativen Veränderungen dar, sondern Erkrankungen im Bereich der Synovialmembran oder der knöchernen Markhöhle.
5.9.1 Hüftkopfnekrose Die Pathogenese der Hüftkopfnekrose Pathogenese gibt unverändert Anlass zu Spekulationen. Betroffen sind in erster Linie Erwachsene im Alter zwischen dem 20. und 50.€ Lebensjahr. Ein Erkrankungsgipfel scheint um das 40.€ Lebensjahr zu liegen und betrifft vornehmlich Männer. Eine beidseitige Manifestation tritt in ca. 30–80€% der Fälle auf.
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
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Tab. 5.6↜╇ ARCO-Klassifikation (Association Research Circulation Osseous) der nichttraumatischen Hüftkopfnekrose Stadium
Beschreibung
0 I II III IV V VI
Keine radiologischen Veränderungen; alle bildgebenden Verfahren einschließlich MRT negativ Röntgen negativ; MRT positiv, Knochenmarködem Röntgen eventuell Osteopenie; MRT Doppellinie; Hüftkopfkontur erhalten Subchondrale Fraktur im Röntgenbild und MRT sog. „crescent sign“ Abflachung des Femurkopfes, noch annähernd normal weiter Gelenkspalt Abflachung des Femurkopfs mit Sekundärarthrose Vollständige Gelenkdestruktion
Prinzipiell kann bei den Ursachen zwischen einer traumatischen und einer nichttraumatischen Entstehung unterschieden werden. Die traumatischen Ursachen werden in der Regel mit einer direkten Verletzung der zuführenden Gefäße in Verbindung gebracht (u.€a. mediale Schenkelhalsfrakturen, Hüftluxationen). Neben Glukokortikoiden und dem Alkoholabusus gelten bei den nichttraumatischen Ursachen verschiedene Systemerkrankungen wie die Sichelzellanämie, der systemische Lupus erythematodes, das Cushing-Syndrom, die Niereninsuffizienz, der Diabetes mellitus und viele andere als gesichert. Die idiopathische Hüftkopfnekrose stellt mit ca. 10–15€% eher eine Seltenheit dar. Wenngleich der genaue Entstehungsmechanismus nicht bekannt ist, gehen die meisten Erklärungsversuche davon aus, dass es durch vaskuläre und/oder metabolische Einflüsse zu Störungen der Mikrozirkulation des Hüftkopfes kommt. Diese führen zu Nekrosen und Ödemen mit konsekutiver Druckerhöhung in diesem abgeschlossenen Kompartiment. Hier beginnt anscheinend ein Circulus vitiosus, der dem des Kompartmentsyndroms vergleichbar ist und im Endstadium den venösen sowie den arteriellen Schenkel der Blutversorgung betrifft. Die Folge ist ein sektorielles Absterben des Hüftkopfes, das unabhängig von der auslösenden Ursache stadienhaft verläuft. Zur Beschreibung dieser Stadien haben sich verschiedene Einteilungen bewährt. Am weitesten verbreitet sind die Ficat- und Arlet- sowie die ARCO(Association Research Circulation Osseous-)Klassifikationen (Tab.€5.6). Die klinischen Symptome der Patienten reichen von vollständiger Beschwerdefreiheit in den frühen Stadien (stumme Hüfte) über Bewegungs- und Belastungsschmerzen bis hin zur weitestgehenden Immobilisation an Gehhilfen und Ruheschmerzen in den fortgeschrittenen Stadien. Entscheidend ist neben dem
Ausmaß der Hüftkopfnekrose das Hinzutreten eines subchondralen Kollaps mit Einbruch der Knochenbälkchenstruktur und Verlust der Tragfähigkeit des Knochens in diesem Areal (ARCO III). Röntgenaufnahmen (a.p.- und Lauensteinprojektion), CT und MRT besitzen in den verschiedenen Stadien der Hüftkopfnekrose eine unterschiedliche Wertigkeit. Die MRT ist bei allen Patienten mit klinischem Verdacht einer Hüftkopfnekrose und Patienten mit persistierenden Hüftschmerzen unbekannter Ursache indiziert. Sie ermöglicht in den frühen Stadien (ARCO I und II) eine verlässliche Stadieneinteilung und Beurteilung der Ausdehnung der Hüftkopfnekrose. Ein Nachteil liegt in der eingeschränkten Unterscheidung der Stadien II und III, sprich dem Nachweis einer subchondralen Fraktur. An diese Stelle tritt dann die CT. In den frühen Stadien (ARCO 0–I) ist der Röntgenbefund oft falsch-negativ, im Stadium II oft positiv, aber mitunter diskret ausgeprägt (Osteolyse/Osteoporose, subchondrale Pseudozyste mit Randsklerose). Röntgenzeichen einer fortgeschrittenen Nekrose sind eine subchondrale Fraktur (Stadium III), Gelenkeinbruch, sekundäre Degeneration mit Gelenkspaltverschmälerung und Randosteophyten (Stadium IV–VI). Röntgenaufnahmen sind in den frühen Stadien ungeeignet, eine Hüftkopfnekrose auszuschließen, sollten aber als erster diagnostischer Schritt beibehalten werden, um eine Reihe anderer Diagnosen ausschließen zu können (Abb.€5.7; Bondorf und Imhof 1998). Die Therapie der Hüftkopfnekrose erfolgt stadienhaft und orientiert sich an den klinischen Symptomen (s. auch Kap.€7.5.12). Nicht selten sind die Schmerzen und Einschränkungen größer als die Veränderungen im Röntgenbild. Die konservativen Maßnahmen beschränken sich auf eine Entlastung der betroffenen Extremität, auf die Gabe peripher wirksamer Analgetika sowie die
106
M. Rickert
Abb. 5.7↜ Darstellung einer beidseitigen Hüftnekrose Stadium ARCO€II bei einem 38-jährigen Patienten ohne weitere Risikofaktoren. Röntgenologisch wird der rechte Hüftkopf von einer nur schlecht erkennbaren bandförmigen Sklerose durchzogen, die unscharf demarkierte Osteolysen bzw. „zystoide“ Läsionen umgrenzt. Dagegen weist der linke Hüftkopf im Röntgenbild eine bereits kräftige breite bandförmige Sklerose auf, die zystoide Resorptionszonen umschließt (a). Beide Hüftköpfe sind nicht entrundet; geringe Gelenkspaltverschmälerung. Das korrespondierende MRT-Bild (T1-Wichtung) zeigt das typische,
landkartenartig begrenzte Muster der Osteonekrose: Die mäandrierenden signalhypointensen („dunklen“) Linien stellen die den Infarkt demarkierende Sklerosezone dar; das Infarktareal selbst enthält Fett (gelber Infarkt; (b) Die Behandlung erfolgte durch beidseitige Anbohrung (c) Spätstadium der Hüftkopfnekrose (ARCO IV) mit Abflachung (Einbruch) des Hüftkopfs, großen zystischen Aufhellungen und diffusen Sklerosierungen hüftkopfseitig sowie der Ausbildung typischer sekundär-arthrotischer Veränderungen (auch azetabulumseitig). Die Versorgung erfolgte mittels zementfreier Totalendoprothese (d)
Verordnung von Krankengymnastik und physikalischer Therapie. Die Wirksamkeit von Magnetfeld- und hyperbarer Sauerstofftherapie konnte bis dato nicht gezeigt werden. Unter allen diesen Maßnahmen ist mit einem Progress der Nekrose zu rechnen. Bei der operativen Therapie sind biologische Verfahren, die den Erhalt des Hüftkopfs zum Ziel haben, von endoprothetischen Verfahren zu unterscheiden. Die Dekompression mittels Anbohrung ist derzeit als Methode der Wahl bei der Behandlung der Hüftkopf-
nekrose in den Stadien ARCO I und II anzusehen. Neuere Entwicklungen haben zum Ziel, die Hüftkopfanbohrung mit Knochenersatzstoffen, Wachstumsfaktoren und Stammzellen zu kombinieren (Nöth et€ al. 2007). Die operative Behandlung der ARCO-Stadien III– VI mit subchondraler Fraktur und zunehmendem Kollaps des Hüftkopfes ist vor dem Hintergrund des jungen Lebensalters dieser Patienten als schwierig zu bewerten. Als Therapieoptionen stehen in diesen Stadien
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
107
Tab. 5.7↜╇ Modifizierte Kriterien der American Rheumatism Association 1988 1 2 3 4 5 6
Seit 6 Wochen bestehende Morgensteifigkeit in und um Gelenke von mindestens einer Stunde Schwellung von 3 oder mehreren Gelenkregionen von mindestens 6€Wochen Schwellungen der proximalen Interphalangeal- oder Handgelenke von mindestens 6€Wochen Symmetrische Gelenkschwellung Rheumaknoten Rheumafaktor im Serum positiv (nachgewiesen durch eine Methode, die in weniger als 5€% der Normalpersonen positiv ist) 7 Im Röntgen Erosionen und/oder periartikuläre Knochenentkalkung an der Hand und/oder den Handgelenken Vier oder mehr Kriterien müssen für die Diagnose rheumatoide Arthritis zutreffen (Arnett et€al. 1988)
intertrochantere Umstellungsosteotomien bei kleinen Defekten, Beckenkammtransplantate, gefäßgestielte Fibulatransplantate, osteochondrale Allografts und der endoprothetische Gelenkersatz zur Verfügung. Die Wahl des Implantats [Oberflächenersatz, Hemiprothese (Hemioberfläche, bipolare Prothese), Totalprothese] lässt durchaus Raum für unterschiedliche Präferenzen. Die Befürworter des Oberflächenersatzes sehen den geringeren Knochenverlust, die weitestgehend physiologische Gelenkkinematik und die Möglichkeit des einfachen Wechsels auf eine Totalprothese als Vorteil an. Die Kritiker betonen die vormals schlechten Ergebnisse dieses Verfahrens, die Möglichkeit des fortschreitenden Knochenverlusts unter der Kappe und die Gefahr der Schenkelhalsfraktur. Aus unserer Sicht führt nach Eintritt des Kopfkollaps (ARCO III) der totale Gelenkersatz zu den verlässlichsten und konstantesten Ergebnissen. Deshalb werden an unserer Klinik Patienten mit einer Hüftkopfnekrose <â•›65€ Jahren mit einer zementfreien Totalprothese und ältere Patienten sowie Patienten mit Risikofaktoren, die auf ein postoperatives Fortschreiten des Prozesses hindeuten (Fortsetzen einer Steroidtherapie, Sichelzellanämie, Alkoholabusus), mit zementierten Prothesen versorgt.
5.9.2 Rheumatoide Arthritis Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) handelt es sich um eine chronische, entzündliche Systemerkrankung mit bevorzugtem Befall der Gelenke, gekennzeichnet durch eine polyartikuläre, symmetrische Synovialitis mit destruierendem Charakter (s. auch Kap.€7.5.6). Die Inzidenz in der Bevölkerung beträgt ca. 1€ %, wobei Frauen 2,5-mal häufiger betroffen sind als Männer. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Anzahl
der Neuerkrankungen an (Inzidenzgipfel zwischen dem 4. und 6. Dezennium). Die genaue Ursache dieser Erkrankung ist weiterhin unbekannt. Als gesichert kann angesehen werden, dass Träger des polymorphen HLA-DRB1-Gens ein erhöhtes Risiko für diese Erkrankung zusammen mit einem schweren Krankheitsverlauf in sich tragen. Es wird angenommen, dass eine nicht weiter bekannte Noxe auf der Grundlage der o.€g. genetischen Disposition zu einer Aktivierung von T-Lymphozyten führt und somit den entzündlichen Prozess einleitet. Aktivierte B-Lymphozyten sezernieren Immunglobuline, die sog. Rheumafaktoren, und Makrophagen werden zur Bildung von Interleukin 1 (IL-1) und dem Tumornekrosefaktor (TNF-alpha) angeregt. Diese Zytokine regen Fibroblasten zur Proliferation an. Es kommt zur Ausbildung eines aggressiven Granulationsgewebes (Pannus), das Knorpel und Knochen invadiert (Kiener 2001). Der klinische Verlauf ist in mehr als zwei Drittel der Fälle schleichend (Wochen bis Monate) mit unspezifischen Allgemeinsymptomen (Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust), jedoch sind auch akute Formen mit plötzlichem Beginn innerhalb weniger Tage möglich. Zur Erleichterung der Diagnosestellung haben sich die Kriterien der American Rheumatism Association (ARA-Kriterien, Arnett et€al. 1988) bewährt (Tab.€5.7). Laborchemisch bestehen systemische Entzündungszeichen (BSG, CRP). Der Rheumafaktor ist in der Frühphase oft negativ, nach ca. zweijährigem Verlauf in 85€% der Fälle positiv. Antinukleäre Antikörper (ANA) sind bei schweren Krankheitsverläufen mit begleitender Vaskulitis nachweisbar. Die Synoviaanalyse ergibt ein trübes Punktat von geminderter Viskosität. Die Zellzahl ist erhöht (etwa 2.500–50.000 Zellen) und der Rheumafaktor ist häufig nachweisbar.
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Der Befall des Hüftgelenks ist üblicherweise eine Erscheinung eines fortgeschrittenen Erkrankungsstadiums bzw. erfolgt relativ spät in der Abfolge unterschiedlicher Gelenkmanifestationen. Hieraus ergeben sich in aller Regel keine Probleme bei der Diagnose der Grunderkrankung, jedoch kann es mitunter schwierig sein, die Rolle des Hüftgelenks bei gleichzeitigem Befall von Kniegelenk und Fuß herauszufinden. Die häufige Beidseitigkeit sowie der Umstand, dass ein Gelenkerguss klinisch nicht sichtbar wird, können in den Frühstadien mit geringer Bewegungseinschränkung und wechselnder Schmerzlokalisation (Leiste, Trochanter, Gesäß) zu diagnostischen Problemen führen. Die Röntgenaufnahmen zeigen in den frühen Stadien eine Gelenkspaltverschmälerung aufgrund des Knorpelverlustes im Bereich des Femurkopfs und des Azetabulum. Später kommt es durch den Einbruch von Pannusgewebe zu subchondralen Zysten, die in erster Linie den Femurkopf befallen. Die Ausbildung einer Protrusion des Azetabulum wird als typische Veränderung im Rahmen der RA angesehen. Osteophyten hingegen gelten bei fehlender reparativer Kapazität dieser Gelenke als Seltenheit (Bondorf und Imhof 1998). Aufgrund der Möglichkeit einer steroidinduzierten Hüftkopfnekrose sind Mischbilder bei diesen Patienten möglich. Die Ergebnisse nach endoprothetischem Hüftgelenkersatz bei RA können im kurz- bis mittelfristigen Verlauf als gut bis sehr gut bezeichnet werden, reichen im Langzeitverlauf jedoch nicht an die Ergebnisse bei primärer Koxarthrose heran. Kurzfristig ist bei RA aufgrund der vermeintlichen Immundefizienz der Patienten die Inzidenz von Wundheilungsstörungen und septischen Verläufen erhöht. Mittel- bis langfristig sind die aseptischen Lockerungsraten von Seiten der Femurkomponente sowie der Pfanne erhöht. Severt et€ al. publizierten KaplanMeier-Überlebenskurven zementierter Prothesen von 93€% nach 7€Jahren und 77€% nach 12€Jahren. Diese Lockerungsraten werden in erster Linie der geminderten Knochenqualität bei RA zugeschrieben. Weitere Untersuchungen legen nahe, dass auch zementfreie Implantate bei dieser Grunderkrankung ihren Stellenwert haben (Effenberger et€al. 1998; Gluscević et€al. 2006; Loehr et€al. 1999; Lukoschek et€al. 1998; Severt et€al. 1991; Tang und Chiu 2001).
M. Rickert
5.9.3 S pondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) Bei der Spondylitis ankylosans handelt es sich um eine chronische rheumatische Erkrankung, die über entzündliche Prozesse, vorrangig der Sehnen- und Bandansätze, zu einer knöchernen Einsteifung der Wirbelsäule führen kann (s. auch Kap.€7.5.9). Sie kann aber auch die peripheren Gelenke und innere Organe befallen. Angesiedelt ist die Spondylitis ankylosans im Formenkreis der Spondyloarthritiden, zu denen ferner die Psoriasis-Spondylitis, die enteropathischen Spondylitiden (s. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), die reaktiven Arthritiden, die unklassifizierten Spondyloarthritiden und das Reiter-Syndrom zählen. Die Symptome der Patienten sind in der Frühphase häufig unspezifisch und wechselhaft, weshalb sich die Verwendung fester Diagnosekriterien im Zusammenhang mit dem Morbus Bechterew bewährt hat (Tab.€ 5.8). Das Erkrankungsalter liegt in der Regel vor dem 40.€Lebensjahr. Symptome wie Morgensteifigkeit, Rücken- oder Gesäßschmerzen in den frühen Morgenstunden, Fersenschmerzen als Hinweis für das Vorliegen einer Enthesitis des Achillessehnenansatzes, eine Uveitis sowie der Nachweis des HLA-B-27-Antigens sprechen für das Vorliegen dieser Erkrankung. Die Therapie erfolgt in den meisten Fällen konservativ und ist neben dem Erhalt der Wirbelsäulenbeweglichkeit (Krankengymnastik, physikalische Therapie) auf die Eindämmung des Entzündungsprozesses mit allen seinen Begleiterscheinungen ausgelegt (in erster Linie NSAR). Ein früher Krankheitsbeginn gilt als Risikofaktor für eine Beteiligung der stammnahen Gelenke und hier im Besonderen der Hüftgelenke. Infolge rezidivierender Entzündungsschübe kommt es zur sekundären Gelenkdestruktion mit Gelenkspaltverschmälerung und Zystenbildung. Osteophytenbildungen sind selten. Eine ankylotische Überbauung des Gelenks mit fixierter Beugestellung ist als Spätstadium anzusehen und bedarf einer besonderen Berücksichtigung bei der Operationsplanung zum künstlichen Gelenkersatz (s. Kap.€7.5.9). Die Ergebnisse der Hüftendoprothetik beim M. Bechterew sind vielversprechend. Sweeney et€ al. (2001) berichteten über 340 Patienten, die mit einem mittleren Follow-up von 14€Jahren nachuntersucht wurden. Das Alter bei Erstmanifestation der Erkrankung
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
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Tab. 5.8↜╇ Modifizierte New-York-Kriterien für die Spondylitis ankylosans Klinische Kriterien
Radiologisches Kriterium Graduierung der radiologischen Veränderungen des Iliosakralgelenks
Tiefsitzende Kreuzschmerzen und Steifigkeit über mehr als 3€Monate, die sich durch Bewegung bessern, aber nicht durch Ruhe Eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule nach vorne/hinten und seitwärts Eingeschränkte Atembreite im Vergleich zu Gesunden gleichen Alters und Geschlechts Sakroiliitis entweder beidseitig mindestens 2.€Grads oder einseitig mindestens 3.€Grads Grad 0: Normalbefund Grad 1: Fragliche Erosion Grad 2: Erosionen mit subchondraler Sklerosierung, beginnende Brückenbildung Grad 3: Pseudodilatation, Erosionen, Sklerose und Brückenbildungen Grad 4: Ankylose
Eine gesicherte Spondylitis ankylosans liegt vor, wenn das radiologische Kriterium und mindestens ein klinisches Kriterium erfüllt sind. Ein Verdacht auf Spondylitis ankylosans liegt vor, wenn drei klinische Kriterien erfüllt sind oder wenn das radiologische Kriterium erfüllt ist, aber keines der klinischen Kriterien. In diesem Fall sind andere Ursachen für die Sakroiliitis in Betracht zu ziehen
lag bei den Patienten, die mit einer Hüftendoprothese versorgt wurden, bei durchschnittlich 19,5€Jahren, im Vergleich zu 24,4€ Jahren in einer gematchten Kontrollgruppe ohne Gelenkersatz (pâ•›<â•›0,05). Das Durchschnittsalter zum Operationszeitpunkt betrug 40€Jahre. Der Prozentsatz der lockerungsfrei einliegenden Primärprothesen betrug nach 10, 15 und 20€Jahren 90€%, 78€% und 64€%, und 85€% der Patienten beurteilten ihr Ergebnis als sehr gut. Ähnliche Zahlen publizierten Lehtimäki et€ al. (2001) mit 80€ % ungewechselter Prothesen nach 10€ Jahren, 66€ % nach 15€ Jahren und 62€ % nach 20€Jahren. Joshi et€al. (2002) konnten in ihrer Arbeit über 181 zementierte Hüftprothesen bei 103 Patienten unter anderem zeigen, dass bei 23,2€% der Hüften präoperativ eine Ankylose vorlag und dass es bei 11,6€% der Fälle zu heterotopen Ossifikationen kam. Die Inzidenz heterotoper Ossifikationen nach Hüftprothesen bei Morbus-Bechterew-Patienten scheint noch nicht gänzlich geklärt zu sein. Nach Amstutz (1991) ist die Häufigkeit gegenüber Patienten mit primärer Koxarthrose nicht signifikant erhöht, jedoch gelten Patienten mit bereits eingetretenen Ossifikationen einer Seite sowie Patienten mit einem ankylosierten Hüftgelenk als Risikopatienten für die Entwicklung weiterer Ossifikationen bei der Versorgung der Gegenseite oder Revisionen der ersten Seite. In diesen Fällen wird empfohlen, eine Ossifikationsprophylaxe mit NSAR und/oder lokaler Radiatio vorzunehmen.
5.9.4 P igmentierte villonoduläre Synovialitis (PVNS) Als gutartige Neubildung der Synovialmembran, der Sehnenscheiden, des perintendinösen Bindegewebes und der Schleimbeutel manifestiert sich die pigmentierte villonoduläre Synovialitis (PVNS) in Form eines diffusen villösen oder villonodulären Typs und eines umschriebenen nodulären Typs (s. auch Kap.€ 7.5.8). Hauptmanifestationsort sind die Sehnenscheiden der langen Fingerbeuger (fast ausschließlich umschriebener nodulärer Typ). Im Bereich der großen Gelenke ist das Kniegelenk mit nahezu 75€ % betroffen (diffuser oder umschriebener Typ) bevor mit einigem Abstand Hüft-, Schulter- und Sprunggelenk folgen (Campanacci 1990). Das Erkrankungsalter liegt in der Regel in der 3. bis 5. Lebensdekade. Die Klinik bei Befall des Hüftgelenks ist unspezifisch in Form von Belastungsschmerzen bei erhaltener Beweglichkeit. Das Punktat ist häufig blutig-serös, mitunter gelblich. Die Röntgendiagnostik ist im Frühstadium sowie im umschriebenen nodulären Typ in der Regel negativ. Im Spätstadium, vor allem beim diffusen Typ, kann es durch Druckarrosionen zu zystischen Einbrüchen in den Knochen kommen, die charakteristischerweise am Übergang zwischen Knorpel und Synovialmembran liegen, von einer Randsklerose begrenzt sind und keine Kalzifikationen aufweisen. Zusätzlich kann es zu einer Verschmälerung des Gelenkspalts kommen. Zur genauen Beurteilung des Befundausmaßes ist die MRT die Methode der Wahl.
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Die Therapie besteht in der Synovektomie, die an der Hüfte offen unter kurzfristiger Luxation des Gelenks erfolgen sollte. Als adjuvante Verfahren zur Reduktion der Rezidivgefahr gelten die Strahlentherapie und die Radiosynoviorthese. Bei zystischem Befall von Femurkopf- und/oder -halsregion sind die Resektion und der endoprothetische Gelenkersatz indiziert.
5.9.5 Synoviale Chondromatose Bei der synovialen Chondromatose handelt es sich um eine gutartige Metaplasie der Synovialmembran, der Sehnenscheiden und der Schleimbeutel (s. auch Kap.€7.5.10). Pathognomonisch ist die intrasynoviale Lage der knorpeligen Formationen, die zentrale Ossifikationen aufweisen können (Osteochondromatose) und sich im Verlauf ihrer Entstehung von der Synovialmembran ablösen, um multiple freie Gelenkkörper auszubilden (Campanacci 1990). In der Regel sind Knie-, Ellenbogen- oder Schultergelenk betroffen. Morrey berichtete über einen Befall des Hüftgelenkes in 16€% der Fälle aus der Mayo Klinik (Kavanagh 1991). Die klinischen Symptome werden durch Schmerzen und Bewegungseinschränkungen geprägt. Durch freie Gelenkkörper kann es zu Blockierungen kommen. Bei fehlender Kalzifikation der Chondrome fällt das Röntgenbild in aller Regel negativ aus. In seltenen Fällen kommt es durch die Chondrome und Osteochondrome zu sekundär degenerativen Veränderungen. Ansonsten ist die Kernspintomographie als Untersuchungsmethode der Wahl anzusehen (Abb.€5.8). Die operative Behandlung besteht in der offenen Entfernung der Gelenkkörper und einer Synovektomie, die so komplett wie möglich vorgenommen werden sollte. Hierzu ist, ähnlich wie bei der PVNS, eine Luxation des Hüftkopfes erforderlich. Rezidive sind bei diesen insgesamt langsam wachsenden Veränderungen selten. Bei Ausbildung einer sekundären Koxarthrose ist der endoprothetische Gelenkersatz indiziert.
5.9.6 Morbus Paget Der Morbus Paget ist eine Knochenerkrankung mit noch nicht gänzlich geklärter Ätiologie. Vermutlich
M. Rickert
durch einen viralen Stimulus kommt es zur Aktivierung von Osteoklasten, die einen raschen Knochenabbau einleiten. In diesem lytischen Stadium sind unter anderem die alkalische Phosphatase im Serum sowie die renale Ausscheidung an Hydroxyprolin erhöht. Es schließt sich ein Stadium des reaktiven Knochenanbaus durch Osteoblasten und Fibroblasten an (gemischte Phase), bevor der Prozess in das sklerotische Stadium übergeht, das durch eine Volumen- und Dickenzunahme des Knochens gekennzeichnet ist. Betroffen sind vor allem ältere Erwachsene jenseits des 40.€ Lebensjahres. Schädel, Wirbelsäule, Becken sowie Femur und Tibia zählen zu den Hauptmanifestationsorten. Klinisch bedeutsam wird der M.€Paget, sofern der beschleunigte Knochenumbau Schmerzen bereitet oder in dem Falle, dass Komplikationen auftreten. Hierzu zählen pathologische Frakturen dieses statisch insuffizienten Knochens (häufig Tibia, proximales Femur mit Coxa vara), degenerative Gelenkveränderungen (Hüfte, Knie), neurologische Symptome durch Nervenkompression und die tumoröse Entartung. Die genauen Mechanismen, die zur sekundären Beteiligung der Hüftgelenke führen, sind nicht bekannt. Auffällig ist jedoch, dass im Gegensatz zur idiopathischen Koxarthrose vermehrt eine zentrale bzw. konzentrische Gelenkspaltverschmälerung eintritt und dass vermehrt Fälle mit Protrusionen des Azetabulum und Ausbildung einer Coxa vara anzutreffen sind. Diese Faktoren zusammen scheinen der Entstehung dieser Arthroseform Vorschub zu leisten (Kavanagh 1991). Beim künstlichen Gelenkersatz sind beim M.€Paget einige Besonderheiten zu beachten. Präoperativ ist es nicht immer einfach, den Hüftund Beinschmerz der Patienten näher zu differenzieren, da die Knochenumbauprozesse auch ohne Gelenkbeteiligung Schmerzen bereiten können und da zusätzlich an Nervenkompressionen im Bereich der Neuroforamina zu denken ist. Intraartikuläre Injektionen mit Lokalanästhetika sowie die Vorbehandlung dieser Patienten mit Calcitonin und Bisphosphonaten haben sich hierbei bewährt. Bei vorbestehender Deformität ist als weitere Schmerzursache an Frakturen in der Schenkelhals- und der Intertrochantärregion sowie entlang des Femurschafts zu denken. Als weitere Ursache für neu auftretende Schmerzen bei M.€Paget sollte, vor allem bei älteren Patienten, die sarkomatöse Entartung in Betracht gezogen werden.
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
111
Abb. 5.8↜ Langzeitverlauf einer synovialen (Osteo-)Chondromatose mit Ausbildung eines Rezidivs im kaudalen Kapselrezessus (a) Im Verlauf weiterer 15€Jahre ist es zu ausgeprägten sekundär-arthrotischen Veränderungen mit konsekutiver Destruktion des Hüftgelenks gekommen (b) MR-tomographisch (T1-gewichtete SE-Sequenzen) lassen sich neben der lateralen
Dezentrierung des Hüftkopfes das große, weitgehend verknöcherte Osteochondrom im kaudalen Gelenkrezessus, das ausgeprägte exostosenartige Osteochondrom am Hüftkopfoberrand und die hüftkopf- und azetabulumseitige Gelenkzerstörung nachweisen (c, d) Die Versorgung erfolgte mittels zementfreier Totalendoprothese (e)
Intraoperativ sollte man auf die Knochendeformitäten sowie die sklerotische Knochenqualität vorbereitet sein. Aufgrund der Coxa vara sollte vermieden werden, den Schaft zu varisch zu implantieren. Bei höhergradigen Deformitäten können ein- oder zweizeitige Korrekturosteotomien indiziert sein. Pfannenbodenplastiken aufgrund der Protrusionen sind nur
selten erforderlich. Dem erhöhten Blutverlust in der aktiven Phase der Erkrankung kann durch eine medikamentöse Vorbehandlung (s. oben) begegnet werden (Kavanagh 1991). Die Frühergebnisse sind mit denen der Totalprothesen bei primärer Koxarthrose vergleichbar, jedoch muss im 10-Jahres-Verlauf mit höheren Lockerungs-
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raten gerechnet werden. Der Zusammenhang zur Aktivität der Grunderkrankung ist noch unklar, aber es empfiehlt sich, aufgrund des hohen Knochenumsatzes auf ein zementiertes Implantat zurückzugreifen. Die Inzidenz heterotoper Ossifikationen ist ebenfalls erhöht.
5.10 Sonderindikationen 5.10.1 Girdlestone-Situation G. Zeiler Die Mehrzahl der Resektionsarthroplastiken des Hüftgelenks bei Girdlestone-Situationen sind Folgen infizierter und gelockerter Endoprothesen oder fehlgeschlagener Osteosyntheseversuche von Schenkelhalsfrakturen mit Hüftkopfnekrosen und infektiösen Komplikationen. Die einmal aufgetretene Infektion am Gelenk besteht in einem hohen Anteil der betroffenen Patienten trotz vorgängiger operativer und konservativer Behandlungsversuche fort (Ahlgren et€ al. 1980; Engelbrecht et€ al. 1995). Der erste Vorschlag zur Resektionsarthroplastik des Hüftgelenks bei hochschmerzhaften Zuständen stammt von Charles White aus Manchester aus dem Jahre 1769 (s. auch Kap.€1.1). 1861 hat Fock (1861) eine Übersichtsarbeit auf der Basis von 90 Fällen aus der Literatur vorgelegt. Girdlestone hat 1928 über die Hüftgelenkresektion zunächst bei der tuberkulösen Destruktion des Gelenkes berichtet und später dieses Vorgehen für die hochschmerzhafte Coxarthrose beschrieben (Girdlestone 1928, 1943).
5.10.1.1 Untersuchung Anamnestisch werden die Dauer des Bestehens der Resektionshüfte, die Zahl der operativen Maßnahmen am Gelenk, die auslösende Erkrankung und die Infektanamnese erhoben. Im Stehen und Gehen wird die Instabilität des Beins, der Umfang der Verkürzung, die notwendige Verlagerung des Oberkörpers und der Einsatz von Gehhilfen geprüft. Die Beinlängendifferenz wird durch entsprechende Brettchenunterlage bis zum Beckengeradstand und zum Ausgleich nicht fixierter Wirbelsäulenseitverbiegungen ermittelt. Im Liegen kann die verbliebene Muskelfunktion im Hüftgelenksbereich geprüft und die Kraftentwicklung abgeschätzt werden. Sorgfältig werden Hinweise auf
G. Zeiler
eine Schädigung des N.€ischiadicus, des N.€femoralis und des N.€ glutaeus superior kontrolliert. Die Bewegungseinschränkung wird dokumentiert, die Narben im Hüft- und Oberschenkelbereich werden inspiziert und betastet. Im Liegen wird unter Längszug am Bein die Elongationsfähigkeit des Beins und damit auch die Starre der narbigen Veränderungen überprüft. Labortechnisch stehen im Vordergrund des Interesses die Entzündungsparameter; das C-reaktive Protein und die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit werden immer bestimmt. Beim Vorliegen von Allgemeinerkrankungen (Diabetes mellitus, Leber- und Nierenfunktionsschäden, Durchblutungsstörungen) wird ein allgemeiner Laborstatus ergänzend notwendig. Vor einem geplanten operativen Eingriff ist nach hinreichend langem Aussetzen antibiotischer Behandlungsmaßnahmen (2 Wochen) eine Punktion des Hüftgelenks unter Beachtung aller bekannten Sterilitätsregeln (Raumbedingungen des Operationssaales, lokale Stichinzisionen, Punktion unter Bildwandlerkontrolle) unverzichtbar (Engelbrecht et€ al. 1995; Frommelt 2004; Steinbrink und Frommelt 1995). Die Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen schließt den gesamten Beckenknochen und das Femur einschließlich des Kniegelenks ein. Sie gibt Auskunft über die Zuordnung des Femurs gegenüber dem Becken, den Umfang des Knochensubstanzverlusts im Becken- und Femurbereich und erlaubt diesbezüglich die Einordnung des Falls nach der kliniküblichen Klassifikation des Knochenverlusts. Wichtige Hinweise ergeben sich hinsichtlich fortbestehender Schaftfrakturen, Fehlstellungen im Schaftbereich nach verheilten Frakturen, Hinweise auf verbliebenes Fremdmaterial (Prothesenteile, Osteosynthesematerialien, Zementreste oder Refobacin-Kugelketten) und bestehende Instabilitäten des großen Rollhügels. Unter dem Bildwandler kann man sich von der Mobilität des proximalen Femur gegenüber dem Becken und von der Extensionsfähigkeit überzeugen. Der Verlust des großen Rollhügels oder eine Pseudarthrosenbildung sind gelegentlich auf gedrehten Aufnahmen unter Zuhilfenahme des Bildwandlers sicher zu diagnostizieren. Bei ausgeprägten knöchernen Defekten oder sonstigen unklaren Befunden sind die schichtbildgebende Untersuchung und in Einzelfällen auch die Modellanfertigung vor allem im Beckenbereich mögliche Ergänzungen der Befunderhebung. Hinreichend genaue Erkenntnisse zur Längendifferenz der Beine lassen sich unter Markierung der Hüftgelenkspalts und des Sprunggelenkspalts
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
113
Abb. 5.9↜ 67-jähriger Patient, Diabetiker, Adipositas, bekannte Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, im moribunden Zustand. Aufnahme nach vier Voroperationen am rechten Hüftgelenk im Laufe der letzten 8€ Jahre mit Endoprothesenimplantation, Wechsel des Implantats und Revisionen. Riesiger Abszess über dem rechten Hüftgelenk mit Rötung, Schwellung, Fluktuation. (a) Periprothetische Fraktur und Auslockerung der Pfanne und des Schafts. Abszesseröffnung, Drainage und Spülung, Zwei Liter eitriger Erguss fließen ab. Vier Tage Behandlung auf der Intensivstation, Teilerholung des Patienten, trotz kritischer kar-
diopulmonaler Situation Revision 11/95 mit Entfernung aller Fremdkörper. (b) Resektion der Abszessmembran und des Granuloms, Spülung, lokale und systemische Antibiose. Minimalosteosynthese. Keim: Staphylococcus aureus, hohe Resistenzlage, Erholung des Allgemeinzustands über drei Wochen, dann Mobilisation im Gehwagen. Ab der achten Woche Mobilisation an Unterarmstützkrücken. Zustand nach 6 (c, d) und Zustand nach 16 Wochen (e, f). Der Patient ist zufrieden, mit Stützkrücken auf kurzen Gehstrecken gehfähig, ohne nennenswerte Beschwerden, lehnt jede weitere Behandlung ab
beidseits im Bildwandler ermitteln. Die hiermit und bei der klinischen Untersuchung eruierten Werte können auf einer Becken- und LWS-Übersichtsaufnahme mit Senklot und entsprechender Unterlage überprüft werden (Abb.€5.9).
5.10.1.2 Indikation Einzelne Patienten kommen mit der Resektionsarthrosplastik ausreichend zurecht und wünschen keine weitere operative Behandlung. Hier besteht ein breites narbiges Interponat, das zwar ein pufferartiges Nachgeben der Extremität erlaubt, aber lokale Schmerzen
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verhindert. Der Patient, der eine neuerliche Operation wünscht, erscheint beim Arzt, weil er den bestehenden Zustand nicht akzeptiert und eine Versorgung mit einer Endoprothese wünscht. Im Wesentlichen wird dieses Verlangen begründet mit bestehenden Schmerzen. Sie gehen aus von Kontaktphänomenen zwischen dem proximalen Femur und dem Beckenknochen bzw. lokalen Verknöcherungen ohne narbige Interpositionen. Die Beinverkürzung und die notwendige technische Versorgung im Bereich des Fußes oder Unterschenkels werden vom Patienten oft nicht akzeptiert. Der Patient klagt über eingeschränkte Gehstrecken und über die Notwendigkeit aufwendige und auffällige Gehhilfen benützen zu müssen. Die ausgeprägte Instabilität des Gelenks und die Auffälligkeit des Gangbildes stören ihn, und nach längerem Verlauf der Resektionsarthroplastik bestehen nicht selten Beschwerden an der unteren Lendenwirbelsäule und am Kniegelenk. Schließlich beklagen einzelne Patienten schmerzhafte und degenerative Veränderungen des gegenseitigen Hüft- und auch des Kniegelenks, die die Behinderung erheblich verstärken und die Gehfähigkeit weiter einschränken. Die Indikationsstellung ist vom Arzt in einer sorgfältigen Abwägung im Gespräch mit dem Patienten unter Wertung der nachvollziehbaren Wünsche, aber auch der objektiven medizinischen Daten, zu prüfen (Ahlgren et€al. 1980; Engelbrecht et€al. 1995; Müller et€al. 1989; Witscher und Siegrist 1989).
5.10.1.3 Kontraindikationen Kontraindikationen für die Reimplantation können sein: ein reduzierter Allgemeinzustand des Patienten in Form begleitender Nebenerkrankungen, z.€B. Diabetes mellitus, Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Durchblutungsstörungen, Herzinsuffizienz und hohes Lebensalter, schwere Weichteil- und Knochenschäden nach einer großen Zahl von Voreingriffen, ungünstige Keimsituation, ausgeprägte muskuläre Funktionsdefizite, soweit der Behandlungsaufwand das Leben des Betroffenen gefährdet oder nur unbefriedigende Ergebnisse nach einer Reimplantation erwarten lässt.
5.10.2 Umwandlung Arthrodese/Ankylose G. Zeiler Die operative Versteifung des Hüftgelenks hat in Frankreich 1886 erstmals Lagrane und im deutschen Sprach-
G. Zeiler
raum 1887 der Innsbrucker Chirurg Eduard Albert vorgeschlagen (Albee 1908; Albert 1882). Das Verfahren hat schließlich für mehr als ein halbes Jahrhundert neben der Hüftkopfresektion die Standardbehandlung des zerstörten und hochschmerzhaften Hüftgelenks dargestellt. Begleitet waren diese Maßnahmen von der verzögerten Konsolidierung der Arthrodese und der Entwicklung von behindernden Fehlstellungen. Nach zahlreichen Osteosynthesevarianten hat die Entwicklung der Cobra-Platte von R.€Schneider zusammen mit der Operationstechnik, eine zuverlässigen Einstellung des Arthrodesewinkels sowie eine hohe Primärstabilität erzielen lassen und damit auch eine gipsfreie frühfunktionelle Behandlung ermöglicht (Liechti 1978; Schneider 1974; Zeiler und Schuh 2004).
5.10.2.1 Untersuchung Die Befragung des Patienten konzentriert sich zunächst auf die subjektiven Beschwerden und die Wertung der täglichen Aktivitäten. Bei der Befragung nach den Beschwerdebildern ist insbesondere auf die Erkrankungen benachbarter funktioneller Strukturen, also des kontralateralen Hüftgelenks, des ipsilateralen Kniegelenks und der Wirbelsäule zu achten. In der Regel bestehen Hüftarthrodesen über lange Zeit. Die Festlegung der Diagnose, die zur Hüftarthrodese geführt hat, ist nicht immer möglich. Man sollte ursächliche Infektionen klären, obwohl persistierende Infektionen nach den langen Verlaufszeiten ohne später auftretende Aktivierungen solcher Infektionen sehr selten sind. Breit eingezogene Narbenfelder oder eingezogene ehemalige Fistelmündungen geben entsprechende Hinweise. Im Gehen ist die immer vorhandene Störung des Gangbildes zu analysieren, nämlich die Reduzierung der Ganggeschwindigkeit, die Beckenrotation, die Flexionsposition des gleichseitigen Kniegelenks und die Ausprägung des Hinkens (Baumann und Behr 1969; Breitenfelder 1975; Kummer 1996). Die Längendifferenz des Beins wird funktionell und näherungsweise objektiv, die Stellung der Arthrodese unter Fixation des Beckens durch Flexion des kontralateralen Hüft- und Kniegelenks sorgfältig dokumentiert. Die Untersuchung schließt die Funktionsstörungen des Kniegelenks und der gegenseitigen Hüfte sowie der Wirbelsäule ein (Ganz und Rutor 1973; Garvin et€al. 1989; Hördegen und Tönnis 1970). Für die Vorhersage des funktionellen Ergebnisses ist die Funktionsfähigkeit der hüftstabilisierenden Muskulatur von wesentlicher Bedeutung. Die klinische
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
Untersuchung der Abduktorenfunktion in Seitenlage mit der Aufforderung, das Bein anzuheben, gibt Hinweise für bestehende Funktionen, die gleichzeitig palpierende Hand kann Kontraktionen tasten. Falls keine ausgeprägten Vernarbungen und mehrere Zugangswege über den Abduktoren bestehen, lässt sich in der Regel auch die Funktion des Musculus tensor fasciae latae nachweisen. Wir empfehlen und fordern bei unseren Patienten vor jeder Remobilisation der Hüftarthrodese zur Hüftalloarthroplastik eine neurophysiologische Untersuchung. Nur so kann nach unserer Auffassung im Rahmen einer elektromyographischen Untersuchung die Vorhersage des funktionellen Ergebnisses verbessert werden. Diese Untersuchung ist auch aus forensischen Gründen unverzichtbar, weil sie nachträglich den Beweis führen lässt, dass eine sorgfältige Überprüfung der postoperativen Aussichten vor der Indikationsstellung erfolgt war (Amstutz und Sakai 1975; Baumann und Behr 1969; Breitenfelder 1975; Perugia et€ al. 1992; Zeiler und Schuh 2004). Die Vorgehensweise ist umso mehr begründet, als etwa ein Drittel der Patienten trotz eines präoperativ unauffälligen Innervationsmusters der Abduktoren postoperativ eine nicht vollständige muskuläre Erholung erzielt und ein hinkendes Gangbild verbleibt. In der Literatur ist sogar eine präoperative Muskelbiopsie empfohlen worden. Bestehen anamnestische Hinweise für eine lokale Infektion oder erhöhte Entzündungsparameter, hilft in der Regel nur die szintigraphische Analyse der von der Operation betroffenen Knochenabschnitte zur Klärung des Verdachts. Die radiologische Untersuchung entspricht in der Regel dem Vorgehen wie im Kap.€5.10.1 dargestellt. Besteht ein erheblicher Verdacht auf massive Deformationen, insbesondere im Bereich des Beckenisthmus oder des proximalen Femur nach Frakturen oder auch das Vorliegen einer Ankylose, kann auch eine schichtbildgebende Untersuchung angezeigt sein. Sonderformen der extraartikulären Arthrodese unter Einbeziehung funktioneller Strukturen sind radiologisch zu analysieren (s. Kap.€7.5.15; Abb.€5.10).
5.10.2.2 Indikation Indikationen zur Remobilisation einer arthrodetisierten Hüfte sind vielfältig. In erster Linie leiden die Patienten an Rückenbeschwerden und an Problemen des gleichseitigen Kniegelenks mit Instabilitäten und Achsenabweichungen sowie Verschleißerscheinungen (Rittmeister et€al. 2000). Von einzelnen Autoren wer-
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den auch Hüftgelenksbeschwerden der Gegenseite und sogar das frühzeitige Versagen eines kontralateralen Hüftgelenkersatzes als Indikation angegeben. Wegen der ausgeprägten, auch die Gegenseite betreffenden Gangstörung wird von manchen Autoren zusätzlich die Konversion des steifen Hüftgelenks vor einem totalendoprothetischen Ersatz der Gegenseite erwogen (Garvin et€ al. 1989). Erfordert die Situation des Kniegelenks der gleichen Seite eine Umstellungsosteotomie oder eine Totalprothesenversorgung, so ist die Konversion am Hüftgelenk in eine Totalendoprothesenversorgung immer die Voraussetzung, falls Fehlstellungen nennenswerten Umfangs am Hüftgelenk bestehen (Garvin et€al. 1989). Verweigert der Patient mit einer idealen Arthrodesenstellung am Hüftgelenk die Mobilisation, braucht aber eine Kunstgelenkversorgung am Kniegelenk, dann ist nur eine Kniegelenksversorgung mit stabilisierender Gelenkachse angezeigt. Der überlange Hebelarm des arthrodetisierten Hüftgelenks führt in nicht wenig Fällen zu Frakturen, die sich häufig an den unteren Enden des noch liegenden Osteosynthesematerials von Einzelnägeln, Einzelschrauben oder Austritten großvolumiger Implantatelemente aus der Kortikalis ereignen. Für solche Notfälle sollte es immer Zeit geben für ein Gespräch zwischen Patienten und Operateur zur Überprüfung einer Indikation für die gleichzeitige Mobilisation des Gelenks mit einer Prothesenversorgung und der Versorgung der Fraktur (Zeiler und Schuh 2004). Der Operateur ist angehalten, die funktionellen Beschwerden und Schwierigkeiten des Patienten sorgfältig zu analysieren, die täglichen Aktivitäten zu werten und nach Hinweisen auf die Veranlassung der Beschwerdebilder angrenzender Funktionsstrukturen zu suchen. Die Patienten mehren sich, die eine Remobilisation am Hüftgelenk wünschen, weil ihnen die Ergebnisse der Endoprothesenimplantation bekannt sind und damit ihre Zufriedenheit mit der Situation ihres Hüftgelenks abnimmt. Deswegen sind die Körpergröße, die berufliche Situation, die Fragen der Beanspruchung im Stehen oder Sitzen ebenso zu werten und mit dem Patienten zu diskutieren wie dessen Wünsche.
5.10.2.3 Kontraindikation Jeder Hinweis, der ein erhebliches muskuläres Defizit zur Stabilisierung des mobilisierten Hüftgelenks erwarten lässt, ist als Kontraindikation anzusehen
G. Zeiler
116
Abb. 5.10↜ 38-jähriger Patient, als Kind spezifische Koxitis, konservativer und später operativer Versuch der Arthrodese (a), 1985 Wunsch nach einer Stellungskorrektur am rechten Hüftgelenk wegen Beuge-Adduktions- und Außendrehfehlstellung und beginnender Schmerzhaftigkeit des gleichseitigen Kniegelenks (b). (c) Stellungskorrektur, (d) zunehmende
mediale Gonarthrose der betroffenen Seite, (e) Indikation zur Totalprothesenversorgung mit Stützring und zementiertem Schaft, Sehnenverlängerungen, Mobilisation. Beschwerdefreies Hüftgelenk, Kniegelenkbeschwerden nach Auskunft des Patienten weitgehend abgeklungen. Befund zehn Jahre nach der Mobilisation
(Ganz und Rutor 1973; Kilgus et€ al. 1990; Schäfer et€al. 2000; Wölfel et€al. 2000; Zeiler und Schuh 2004). Dazu gehören der neurologische Nachweis einer Schädigung des N.€ glutaeus superior, eine Störung der elektromyographischen Funktion der Muskulatur, fibröse Muskelveränderungen und Atrophien nach Muskelbiopsien bei Beschwerdefreiheit des Patienten. Hinweise auf eine fortbestehende Infektion wie Fistelbildungen oder szintigraphisch aktive Knochenhöhlen im Becken- oder Femurbereich stellen eine relative Kontraindikation dar. In einem Fall wurde die Remobilisation bei einer exzessiven Verknöcherung des gesamten Hüftbereichs verweigert, bei der eine knöcherne Umwandlung aller wesentlichen Funktions-
strukturen auf Höhe des Hüftgelenkes angenommen werden musste (Zeiler und Schuh 2004).
5.10.3 Koxarthrose bei Lähmungen G. Zeiler Zahlreiche Krankheitsbilder führen zu Lähmungen im Bereich der unteren Körperhälfte und können im Zusammenhang mit degenerativen Veränderungen und Schmerzentwicklung ein Anlass für die Prüfung einer Indikation zur Endoprothesenversorgung des Hüftgelenks sein. Zerebrale Blutungen (Aneurysma)
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
oder Perfusionsstörungen bei Gefäßschäden lösen kurzfristig Lähmungen im Bereich der Extremitäten unterschiedlicher Ausprägung aus. Die auftretende muskuläre Instabilität und die verstärkten Gangstörungen führen bei bereits vorher bestehenden degenerativen Veränderungen des Hüftgelenks zu einer raschen Progredienz (s. Kap.€7.5.14). Bei juvenilen Zerebralparetikern tritt bei ursprünglich normal entwickelten Hüftgelenken durch die Störung des muskulären Gleichgewichts und die anhaltenden dezentrierenden Muskelkräfte eine Veränderung der Gelenkmechanik mit einer zunehmenden Lateralisation des Gelenks auf. Die Deformation der Gelenkkörper betrifft den Schenkelhals, den Hüftkopf und das Pfannendach. Die physiologische Reduktion der Antetorsion des Schenkelhalses bleibt aus. Krankheitstypische Kontrakturen verstärken die Fehlbelastung des Gelenks, die reduzierte Willkürmotorik und die eingeschränkte Belastung beschleunigen die Deformation der Gelenkkörper. Die auftretende Subluxation und die zunehmende Inkongruenz des Gelenks lösen einen raschen Verschleiß aus, und die Luxation der Hüfte führt zu einer gravierenden Verschlechterung des Krankheitsbildes und einem massiven Beschwerdebild (Braatz et€ al. 2003; Knapp und Cortes 2002; Schörle und Manolikakis 2004). Die verschiedenen myopathischen oder neuropathischen Erkrankungen, die teilweise vererblich sind und zu stationären oder progressiven Krankheitsbildern führen, sind in Einzelfällen mit degenerativen Erkrankungen des Hüftgelenks verbunden und verstärken die Funktionsstörung.
5.10.3.1 Untersuchung Neben der Anamneseerhebung, die den Krankheitsbeginn, die Auslösung des Krankheitsbilds und den Verlauf aus der Sicht des Patienten darstellen, ist die Wertung der Lähmungsursache, die Analyse ihrer Progredienz und die Qualität einer neurologischen Affektion – ggf. im Zusammenwirken mit den Neurologen – von wesentlicher Bedeutung. Der Chirurg hat mit großer Sorgfalt die Kooperationsfähigkeit des Patienten zu prüfen, in der Auseinandersetzung mit seiner Umgebung auch die Sicherung der Nachsorge. Die sorgfältige Nachfrage nach der zeitlichen Entwicklung von Funktionsstörungen, insbesondere wenn eine Steh- und Gehunfähigkeit eingetreten sind, ist von erheblicher Bedeutung. Bei der körperlichen Untersuchung sind die Beobachtung der Gangstörung, der bestehenden Stehfähigkeit, die Notwendigkeit bzw. der Einsatz von Hilfsmitteln und ggf. auffällige
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unwillkürliche Zwangsbewegungen, die Ausprägung der Spastik und ihrer Bewegungsmuster sowie eine fehlende Gewichtsbelastung der Extremität zu analysieren. Teilweise extrem ausgeprägte Kontrakturen sind sorgfältig zu dokumentieren und muskuläre Restfunktionen auch im Zusammenwirken mit der betreuenden physiotherapeutischen Fachkraft festzuhalten. Die radiologische Untersuchung wertet den Umfang der degenerativen Veränderungen des Gelenks, unterschiedliche Luxationsformen, Deformationen der Gelenkkörper und vor allem die Qualität der knöchernen Strukturen, weil besonders lang bestehende Paresen, z.€ B. bei einer Poliomyelitis oder einer Zerebralparese, häufig wegen der Minderfunktion zu einer erheblichen Atrophie der knöchernen Strukturen führen.
5.10.3.2 Indikation Die Patienten suchen den Kliniker in erster Linie wegen unerträglicher, auch noch erkennbar progredienter Schmerzen auf. Diese sind etwa bedingt durch eine zunehmende Subluxation und Luxation des Gelenks. Auch aufgrund akuter Lähmungen stellen sich rapide Zunahmen der vorbestehenden degenerativen Erkrankung der Hüfte durch die muskuläre Instabilität ein. Ein drohender oder bereits eingetretener kurzfristiger Verlust der Steh- und Gehfähigkeit unterstreicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs. Der Patient wertet von sich aus in der Regel sehr kritisch die Einschränkungen seiner Selbstständigkeit. Er beschreibt sie dem Therapeuten wortreich und die Umgebung des Betroffenen äußert sich bezüglich der zunehmenden Erschwerung der Pflege. Die bestehende Grunderkrankung, letztlich die Parese, grenzt die Chancen der therapeutischen Maßnahmen deutlich ein. Wenn der Patient im Gespräch dieses akzeptiert und das Ziel der postoperativen Verbesserung, insbesondere im Bereich der Schmerzreduktion, der Verbesserung der Geh- und Stehfunktion und dem Erhalt der vorher bestehenden Selbstständigkeit akzeptiert, unterstützt diese Einsicht die Indikation (Ries et€ al. 1994; Root 1982; Root et€al. 1986; Schörle et€al. 2006; Skoff und Keggi 1986). 5.10.3.3 Kontraindikationen In der Literatur spiegelt sich die ablehnende Haltung vieler Therapeuten gegenüber einer endoprothetischen Versorgung bei Lähmungsbildern wider. Dies ist auch bedingt durch die zahlreichen objektiven Kontraindikationen, die eine zeitaufwendige und multidiszipli-
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B. M. Holzapfel et al.
Abb. 5.11↜ Multiple kartilaginäre Exostosen des Beckens und Femur
näre Überprüfung erfordern. Darin einzubeziehen sind neben dem Patienten seine direkte Umgebung, der Hausarzt, der Neurologe, der Physiotherapeut und der Operateur. Operative Maßnahmen sind nicht angezeigt, wenn eine hinreichende Kooperationsfähigkeit seitens des Patienten fehlt. Komplette Funktionsausfälle der hüftbedienenden Muskulatur schließen ebenfalls in der Regel eine endoprothetische Versorgung aus und sollten zur Überprüfung alternativer Behandlungsmethoden veranlassen (Hüftarthrodese, Resektionsarthroplastik, subtrochantäre Angulationsosteotomie). Eine fehlende Gewichtsübernahme durch die Extremität oder eine seit langer Zeit bestehende Steh- und Gehunfähigkeit verbieten eine Kunstgelenkversorgung. Extreme Zwangsbewegungen, krampfartige Störungen und schwere Athetosen stellen ebenso eine Kontraindikation dar. Schwere Asymmetrien knöcherner Art und ausgeprägte Kontrakturen sowie Verwringungen im Beckenbereich erhöhen die Zahl der zu erwartenden Komplikationen. Sie erfordern eine besonders sorgfältige Abwägung der Indikation (Baxter und D’Astous 1986; Knapp und Cortes 2002; McCarthy et€al. 1988). Eine Progredienz der neurologischen oder muskulären Grunderkrankung ist in Abstimmung mit dem Fachneurologen besonders kritisch zu überprüfen.
5.10.4 H üftgelenksnahe Tumoren und tumorähnliche Läsionen B. M. Holzapfel, H. Rechl und M. Rudert
5.10.4.1 Knochentumoren Insgesamt sind primäre Knochentumoren mit einem Anteil von etwa 1€ % aller soliden Tumoren selten (Dorfman und Czerniak 1995). Im Kindes- und Ado-
leszentenalter sind 5€ % aller malignen Tumoren primäre Knochenläsionen, im Erwachsenenalter sinkt dieser Anteil deutlich (Parkin et€ al. 1993). Dagegen nimmt die Anzahl der sekundären Knochentumoren mit dem Alter zu. Das Altersmaximum für Skelettmetastasen liegt zwischen dem 60. und 70.€ Lebensjahr. Bei der Wahl der geeigneten Therapieform ist eine Unterscheidung zwischen osteolytischen und osteoblastischen Metastasen notwendig. Der häufigste histologisch untersuchte gutartige Knochentumor ist das Osteochondrom, gefolgt vom Enchondrom und Osteoidosteom. Unter den malignen Tumoren steht das Osteosarkom an erster Stelle, gefolgt vom Chondrosarkom und Ewing-Sarkom (Schajowicz 1994). Das Plasmozytom wird hierbei nicht berücksichtigt. Sämtliche Formen von primären Knochentumoren können auch am Beckenring vorkommen. Gegenüber den bekannten Prädilektionsstellen am übrigen Skelett sind sie hier jedoch seltener. Am häufigsten betroffen sind der proximale Femur und die distale Tibia. Dabei ist die Häufigkeit der Lokalisation proportional zur Wachstumsgeschwindigkeit der Epiphysenfuge. Nur etwa 6€ % aller primären Knochentumoren betreffen das Beckenskelett, wobei benigne und maligne Läsionen in etwa gleich verteilt sind (Baena-Ocampo et€al. 2009; Bahebeck et€al. 2003). Ihr häufigster Lokalisationsort ist das Os ilium, gefolgt vom Os pubis und den übrigen Beckenabschnitten. Gutartige Beckentumoren sind meist Osteochondrome (kartilaginäre Exostosen; Abb.€5.11) oder aneurysmatische Knochenzysten, die lediglich bei entsprechender Klinik oder bei besonderer Lokalisation einem chirurgischen Vorgehen bedürfen (Mutschler und Burri 1987). Im Kindesalter kann außerdem das eosinophile Granulom am Becken auftreten. Fibroossäre Tumoren sind am Becken eher seltener.
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
119
Abb. 5.12↜ (a) Chondrosarkom G1 ausgehend vom Ramus superior ossis pubis; (b) Z.€n. marginaler Resektion
Abb. 5.13↜ (a) Fibröse Dysplasie des proximalen Femur; (b) Z.€n. Kürettage und Plombage mit Beckenkammspongiosa
Bei Kindern stellt das Ewing-Sarkom die am häufigsten vorkommende maligne Tumorentität dar, bei Erwachsenen das Chondrosarkom (Abb.€ 5.12) und Metastasen (Schwameis et€al. 2002). Etwa 12€% aller metastatischen Läsionen treten am Beckenskelett auf (Katchy et€ al. 2005). Die prädisponierenden Lokalisationen von Skelettmetastasen lassen sich durch die Blutversorgung und Verteilung des roten Knochenmarks erklären. Somit ist es leicht zu verstehen, dass sich annähernd 90€% aller Metastasen am Stammskelett finden. Wie auch an anderen Skelettabschnitten sind am Becken und Femur das Mamma-, Prostataund Bronchialkarzinom die häufigsten Primärtumoren aller Knochenmetastasen. Mammakarzinome können sowohl osteoblastisch als auch osteolytisch ausgebildet sein. Prostatakarzinome sind häufig osteoblastisch, die anderen meist osteolytisch. Dies hat therapeutische Konsequenzen, worauf später noch näher eingegangen wird (Tumorzentrum München 2004). Die häufigsten
Metastasierungsorte sind dabei das Os ilium und der proximale Anteil des Femur. Das Femur ist der häufigste Lokalisationsort für primäre Knochentumoren. Etwa 48€% aller malignen und 38€ % aller benignen primären Knochentumoren sind am Femur lokalisiert (Baena-Ocampo et€al. 2009). Maligne primäre Knochentumoren sind im Vergleich zu benignen am proximalen Anteil des Femur eher selten. Osteosarkome treten gehäuft an der distalen Femurmetaphyse auf. Etwa 23€ % aller Chondrosarkome kommen am Femur vor, wobei fast zwei Drittel im Bereich der proximalen Meta- und Diaphyse liegen. Bei Kindern ist das Ewing-Sarkom hervorzuheben. Etwa ein Viertel aller Ewing-Sarkome betrifft das Femur, wobei die proximalen Dia- und Metaphysenabschnitte bevorzugt werden (Freyschmidt et€al. 1998). Benigne Knochentumoren sind häufig am proximalen Femur lokalisiert. Bevorzugter Sitz der fibrösen Dysplasie (Abb.€ 5.13) ist das proximale Drittel
B. M. Holzapfel et al.
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Tab. 5.9↜╇ Lodwick-Klassifikation Grad I
II
III
Destruktionsmuster Rein geografische, umschriebene Knochendestruktion, einer langsamen Wachstumsgeschwindigkeit entsprechend A mit sklerotischem Randsaum B ggf. inkompletter Randsaum C Kompaktapenetration und unscharfe Grenzen (intermed. Wachstumsgeschwindigkeit) Geografische Knochendestruktion mit mottenfraßartiger/permeativer Komponente, intermediäre bis hohe Wachstumsgeschwindigkeit anzeigend Rein mottenfraßartige Destruktion, Zeichen einer sehr schnellen Wachstumsgeschwindigkeit
vor allem im Übergangsbereich zwischen Dia- und Metaphyse, seltener ist sie im Schenkelhalsbereich zu finden. Als zweithäufigste am proximalen Femur vorkommende benigne Läsion ist die juvenile Knochenzyste zu nennen. Annähernd 31€% aller Osteoidosteome betreffen das Femur, wobei etwa die Hälfte dieser Fälle am proximalen Ende lokalisiert ist. Osteochondrome sind häufiger am distalen Femur, Enchondrome gehäuft diaphysär gelegen (Dahlin 1978; Freyschmidt et€al. 1998).
5.10.4.2 Weichteiltumoren Im Bereich des Beckens und des proximalen Femur können verschiedene Weichteiltumoren vorkommen. Bei entsprechender Traumaanamnese oder vorausgegangenen Operationen ist zunächst an ein Hämatom oder an heterotope Ossifikationen zu denken. Seltener treten Fettgewebsnekrosen auf. Gutartige Läsionen, z.€B. Lipome, haben in der Regel eine lange Anamnese mit konstanter Größe oder nur sehr langsamem Wachstum. Die pigmentierte villonoduläre Synovitis oder die synoviale Chondromatose können das Hüftgelenk selbst betreffen und somit zur schleichenden Zerstörung der Gelenkanteile führen (s. auch Kap.€5.9.4 und 5.9.5). Bei malignen fibrösen Histiozytomen, Angiosarkomen oder extraskelettalen Ewing-Sarkomen werden häufig systemische Symptome beobachtet. Maligne Tumoren des höheren Lebensalters sind das Fibrosarkom und das maligne fibröse Histiozytom. Im mittleren Erwachsenenalter sollte bei Raumforderungen im Bereich der Weichteile des Beckenskeletts außerdem an neurogene Tumoren und Liposarkome gedacht werden (Schneider et€ al. 1999a, b). Das Rhabdomyosarkom ist ein hoch maligner Tumor des
Kindesalters. Speziell im Bereich der Sacrococcygealregion kommen im Kindesalter gehäuft Teratome vor, im mittleren Erwachsenenalter dagegen Chordome (Turgut et€ al. 1998). Hierbei ist im Besonderen auf eine neurologische Begleitsymptomatik zu achten.
5.10.4.3 Diagnostik Primäre Knochentumoren werden durchschnittlich erst sechs Monate nach Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert. Dies hat mehrere Gründe. Meist klagen die betroffenen Patienten über unspezifische Symptome. Kinder geben Schmerzen häufig eine Etage tiefer an. Im Bereich des Beckens sind Tumoren von großen Weichteilmassen umgeben und somit meist erst bei einer beträchtlichen Größe palpabel. Bei unklaren Beschwerden im Bereich des Beckens sollte man deshalb vor allem beim jüngeren Patienten eine nativradiologische Untersuchung nicht scheuen. Röntgendiagnostisch kann die Wachstumsgeschwindigkeit einer Läsion, die in hohem Maße mit der Dignität korreliert, anhand der Lodwick-Klassifikation (Tab.€5.9; Abb.€5.14) analysiert werden (Lodwick et€al. 1980a, b). Die Einschätzung der Aggressivität ist die Hauptaufgabe bei der Diagnostik von Knochentumoren, da von dieser sowohl die weitere Bildgebung als auch das eventuelle therapeutische Vorgehen abhängen. Erst im zweiten Schritt wird der Versuch unternommen, eine Artdiagnose zu stellen. Dazu werden neben der Röntgenmorphologie das Patientenalter, die Lokalisation des Tumors und die Wachstumsgeschwindigkeit mit einbezogen. Als weiterführendes diagnostisches Mittel dient die Kernspintomographie, die mindestens zwei Ebenen umfassen sollte. Sie dient nicht nur der primären Beurteilung der Entität, sondern auch der Definition einer geeigneten Biopsiestelle und dem lokoregionären präoperativen Staging. Dabei ist die axiale und longitudinale Schichtung in einer T1-gewichteten Sequenz zur Beurteilung der Längsausdehnung der Läsion im Knochen notwendig. Die T1-Wichtung vermittelt dabei einen exzellenten Kontrast zwischen Tumor und dem signalreichen Fettgewebe, was eine gute Abgrenzbarkeit gegen normales Knochenmark (Fettmark) erlaubt. Weiterhin sollten in mindestens einer weiteren Schicht zusätzlich T2-gewichtete Messsequenzen durchgeführt werden. Auf diesen Bildern grenzen sich Tumoren, die einen extraossären Anteil aufweisen, gut gegen das signalärmere Muskelgewebe ab. Liegt eine Läsion in fetthaltigem Gewebe sollte
Untersuchung und Indikationsstellung 5â•…
IA
121
IB
IC
II
Mottenfraß III im spongiösen Knochen
III im kompakten Knochen
III permeativ
Abb. 5.14↜ Typische Destruktionsmuster im spongiösen und kompakten Knochen nach Lodwick
außerdem eine Sequenz mit Fettunterdrückung (z.€B. STIR, Short Tau Inversion Recovery) verwendet werden, um einen hohen Kontrast zwischen Tumor und Fettmark zu erzielen. Eine T1-Schichtung mit i.€ v.Gabe von Kontrastmittel hat sich bewährt zur Abgrenzung von vitalen bzw. nekrotischen Tumoranteilen, was bei Biopsieplanungen für die Wahl des geeigneten Entnahmeorts wertvoll ist (Bader et€al. 1998). Die Computertomographie hat v.€a. die Aufgabe, eine Kortikalisdestruktion deutlich zu machen. Außerdem stellt die Computertomographie ein sensitives Verfahren zur Abklärung eventueller Organ- oder Lymphknotenmetastasen dar. Dabei ist das Staging der Lunge als häufigster Metastasierungsort bei malignen Knochentumoren von allergrößter Bedeutung. Weiterhin ist es mit ihrer Hilfe in der Tumorchirurgie des Beckens möglich, individuelle 1:1-Beckenknochenmodelle zu erzeugen. Ein solches „Rapid-Prototyping“-Verfahren
kann die Rekonstruktion komplexer Beckendefekte nach Tumorresektion entscheidend erleichtern. Dabei dienen die jeweiligen Beckenmodelle, die heutzutage in der Tumororthopädie vorwiegend aus Polyurethan in Frästechnik hergestellt werden, der 3D-Planung der Resektion, der Entwicklung maßangefertigter Schablonen für die Instrumentierung und der Konstruktion einer eventuell notwendigen individuellen Beckenteilprothese (Abb.€ 5.15 und 5.16; Burgkart et€ al. 2009; Gradinger und Gollwitzer 2006). Eine besondere Bedeutung in der Diagnostik von malignen Knochentumoren hat heute die PositronenEmissions-Tomographie (PET), mit der einerseits der Nachweis einer Metastasierung von stoffwechselaktiven Tumoren, andererseits die Unterscheidung von vitalen und nekrotischen Tumorarealen gelingt. Auch eine Rezidivdiagnostik bei liegenden Metallimplantaten ist möglich. PET und Ganzkörper-MRT haben
122
B. M. Holzapfel et al.
Abb. 5.15↜ Präoperativer Defekt bei Hypernephrommetastase und Planung der Rekonstruktion mit Hilfe eines Beckenmodells
Abb. 5.16↜ Ergebnis bei Z.€ n. Resektion der Hypernephrommetastase und Rekonstruktion mittels individuell gefertigtem Beckenteilersatz
die Szintigraphie als Screening-Untersuchung nach Metastasen weitgehend abgelöst. Entscheidend für jede onkologische Therapie ist die exakte Diagnosestellung, was auch heute trotz moderner Bildgebung die Biopsie unerlässlich macht. Dabei ist die Entnahme von vitalem Tumorgewebe essentiell. Bei jeder Gewebeentnahme – egal, ob offen oder geschlossen – ist zu berücksichtigen, dass der Biop-
sieweg im späteren operativen Zugangsweg zu liegen kommen muss, da dieser bei der definitiven operativen Versorgung mit entfernt werden muss. Auch im Bereich des Beckens sollte der Biopsieweg mit Bedacht gewählt werden, da es sich gezeigt hat, dass bei etwa 20€% der Patienten biopsiebezogene Komplikationen mit negativer Auswirkung auf das Ergebnis und die Überlebenswahrscheinlichkeit auftreten können (Mankin et€al. 1996). Histologisch werden maligne Knochen- und Weichteiltumoren in vier Gruppen unterteilt: hoch differenziert (G1), mittelgradig differenziert (G2), gering differenziert (G3) und undifferenziert (G4), wobei das Ewing-Sarkom und der primitive neurektodermale Tumor stets als G4 klassifiziert werden. Die bildgebenden und histologischen Befunde bei malignen Tumoren führen zu einem Tumorstaging bzw. zu einer Stadiengruppierung, wobei neben dem histologischen Befund auch die Tumorausdehnung sowie die Metastasierung berücksichtigt werden (Tab.€5.10 und 5.11). Diese Einteilung dient als Voraussetzung für die Möglichkeit einer prognostischen Einschätzung. Aus dem Resektionsausmaß und der entsprechenden histologischen Bestätigung ergibt sich entsprechend den allgemeinen onkologischen Prinzipien die R-Klassifikation. Dabei wird die Radikalität der Operation beurteilt, um eventuelle adjuvante Therapiemaßnahmen einzuleiten. • R0: Tumor im Gesunden entfernt, kein Residualtumor • R1: Residualtumor nur mikroskopisch erkennbar • R2: Residualtumor makroskopisch nachweisbar
5â•… Untersuchung und Indikationsstellung
123
Tab. 5.10↜╇ Stadiengruppierung bei malignen Knochentumoren gemäß UICC 2002
Stadium IA IB II A II B III IV A IV B
Grading G1, G2 G1, G2 G3, G4 G3, G4 Jedes G Jedes G Jedes G
Tab. 5.11↜╇ Stadiengruppierung bei Weichteilsarkomen gemäß UICC 2002
Stadium IA IB II A II B III IV
Grading G1, G2 G1, G2 G3, G4 G3, G4 G3, G4 Jedes G Jedes G
Tab. 5.12↜╇ Regressionsgrade nach Salzer-Kuntschik für maligne Knochentumoren
Regressionsgrad I II III IV V VI
Tab. 5.13↜╇ Bewertungsschema nach Mirels zur Abschätzung des Frakturrisikos bei knöchernen Metastasen
Score Lokalisation Metastasentyp Größe Schmerzen
Tumorausdehnung T1 T2 T1 T2 T3 Jedes T Jedes T
Lymphknotenstatus N0, NX N0, NX N0, NX N0, NX N0, NX N0, NX N1
Tumorausdehnung T1 T2 T1 T2a T2b Jedes T Jedes T
Lymphknotenstatus N0, NX N0, NX N0, NX N0, NX N0, NX N1 Jedes N
Metastasierung M0 M0 M0 M0 M0 M1 Jedes M
Metastasierung M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1
Verbliebenes Tumorgewebe Keine vitalen Tumorzellen Vereinzelt nachweisbare Tumorzellen bzw. eine vitale Tumorinsel <â•›0,5€cm Durchmesser Weniger als 10€% vitales Tumorgewebe 10–50€% vitales Tumorgewebe Mehr als 50€% vitales Tumorgewebe Kein Effekt erkennbar
1 Obere Extremität Osteoblastisch <â•›1/3 Kortikalis Gering
Prognostisch bedeutsam ist auch der minimale und maximale Abstand des Tumors vom gesunden Gewebe. Dieser wird in Millimeter angegeben. Die Einführung der neoadjuvanten Chemotherapie bei bestimmten Tumorentitäten mit anschließender lokaler Tumorresektion eröffnet die Möglichkeit, das Ansprechen des Tumors auf die adjuvante Therapieform zu beurteilen. Die Einteilung von Salzer-Kuntschik umfasst sechs Regressionsgrade, wobei Grad I den Zustand einer vollständigen Regression des Tumors beschreibt, während Grad VI keinerlei Effekt der neoadjuvanten The-
2 Untere Extremität Gemischt 1/3–2/3 Kortikalis Mäßig
3 Peritrochantär Osteolytisch >â•›2/3 Kortikalis Belastungsabhängig
rapie erkennen lässt (Tab.€5.12; Salzer-Kuntschik et€al. 1983). Gerade im Bereich des Beckens und des proximalen Femur ist neben der Prognoseabschätzung eine Abschätzung des Frakturrisikos von entscheidender Bedeutung. Bei Vorliegen von Metastasen kann das Risiko von pathologischen Frakturen nach Mirels et€al. abgeschätzt werden (Tab.€ 5.13). Von einem deutlich erhöhten Risiko für eine Fraktur ist bei einem Score von über 7 Punkten auszugehen. Generell ist jedoch zu beachten, dass deutliche radiologische Veränderungen durch Metastasen erst ab einem Befall von mindestens
124
50€% des Knochenvolumens auftreten und zu diesem Zeitpunkt bereits ein dementsprechend hohes Risiko für eine Fraktur besteht.
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6
Präoperative Vorbereitung J. Winckelmann, P. Geiger, R. Decking, T. Mattes, H. Reichel und N. H. Müller
6.1 Anästhesiologie 6.1.1 Risikobewertung J. Winckelmann und P. Geiger
6.1.1.1 Einführung Im Rahmen der präoperativen anästhesiologischen Risikobewertung des Patienten, der zur Implantation einer Hüftendoprothese (H-TEP) ansteht, spielen zwei Aspekte eine entscheidende Rolle. Da der überwiegende Anteil der Hüftendoprothesen aufgrund degenerativer Veränderungen (Koxarthrose) implantiert wird, sieht sich der Anästhesist häufig einem Patienten höheren Alters gegenüber. Es erscheint banal zu erwähnen, dass bei diesem Patienten eben nicht nur die Gelenke, sondern auch andere Organsysteme in individuell unterschiedlichem Ausmaß von Alterungs- bzw. krankhaften Prozessen betroffen sind. Der zweite wesentliche Gesichtspunkt liegt im elektiven Charakter der meisten TEP-Implantationen. Das bedeutet, man hat in aller Regel Zeit. Zeit, um • sich einen Überblick über bereits vorhandene Befunde und Konsiliaruntersuchungen des Patienten zu verschaffen, • sich im Rahmen der Anamneseerhebung ein Bild der aktuellen Beschwerden, speziell von kardiopulmonaler und metabolischer Seite zu machen oder
J. Winckelmann () Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin am RKU, Oberer Eselsberg 45, 89081 Ulm, Deutschland E-Mail:
[email protected]
auch Probleme bei vorangegangenen Anästhesien bzw. Operationen zu erfragen, • eine gewissenhafte und zielgerichtete körperliche Untersuchung durchzuführen, • die aktuelle Medikation zu erfragen und • sich in der Zusammenschau der Punkte a–d die Indikation für evtl. weiterführende Untersuchungen abzuleiten. Starre Schemata bzw. Screeningverfahren sind hier insgesamt wenig zielführend und verleiten eher dazu, den klinischen Blick auf den Patienten oberflächlich werden zu lassen. Deshalb werden hier auch keine „Routine-Schemata“ angeboten. Ein EKG, eine Röntgenaufnahme des Thorax oder ein Echokardiogramm sind Untersuchungen, die, wenn sie der Patient nicht ohnehin schon zum Prämedikationsgespräch mitbringt, individuell angefordert werden sollten. Aufgabe des Anästhesisten ist es, den Patienten bis zum Operationstermin in einen für dessen individuelle Verhältnisse bestmöglichen gesundheitlichen Zustand zu versetzen und mit ihm das für ihn am besten geeignete Anästhesieverfahren zu besprechen. Eine weltweit verbreitete Form der Risikoabschätzung mit prädiktivem Charakter, die auch dazu dient, Patienten vergleichbar zu machen, ist die von der American Society of Anesthesiologists vorgeschlagene ASA-Klassifikation (Tab.€6.1). Im Folgenden soll auf die wichtigsten Punkte im Rahmen der anästhesiologischen Risikobewertung etwas ausführlicher eingegangen werden.
6.1.1.2 B egutachtung der vorhandenen Patientenunterlagen Die gewissenhafte Durchsicht der Patientenunterlagen hilft dem Anästhesisten, sich einen ersten Überblick
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_6, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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J. Winckelmann und P. Geiger
130 Tab. 6.1↜╇ Risikoklassifikation nach der American Society of Anesthesiologists (ASA) ASA I ASA II ASA III ASA IV ASA V
Normaler gesunder Patient Patient mit leichter Systemerkrankung Patient mit schwerer Systemerkrankung und Leistungsminderung Patient mit schwerster Systemerkrankung und konstanter Lebensbedrohung Moribunder Patient; wird die nächsten 24€h voraussichtlich nicht überleben
über die Krankengeschichte des Patienten inklusive eventueller stationärer Aufenthalte zu machen. Sie kann – entsprechende Aktualität der vorliegenden Befunde vorausgesetzt – wesentlich dazu beitragen, unnötige Doppeluntersuchungen und damit Belastungen für den Patienten und das Gesundheitssystem zu vermeiden.
6.1.1.3 A namnese und körperliche Untersuchung Trotz aller Fortschritte der modernen (Apparate-) Medizin stellt die gezielte Anamnese mit anschließender gewissenhafter körperlicher Untersuchung des Patienten die wichtigste Komponente im präoperativen Miteinander zwischen Patient und Anästhesist dar. Dabei ist es von Nutzen, sich eines strukturierten Vorgehens zu bedienen, um nicht wesentliche Befunde an wichtigen Organsystemen zu übersehen. Herz-Kreislauf-System Eine erste und sehr gute Einschätzung der kardiozirkulatorischen Funktion lässt sich aus der Frage nach der körperlichen Belastbarkeit gewinnen. Kann der Patient, abgesehen von seiner orthopädischen Grunderkrankung, die die Beurteilung manchmal erschwert, die Dinge des täglichen Lebens selbstständig – und wenn ja – unter welchen Bedingungen verrichten? Erreicht er seine Wohnung im zweiten Stock oder die Kirche auf dem Berg, ohne atemnotbedingt häufiger stehen bleiben zu müssen? Schläft er mit erhöhtem Oberkörper oder muss er bei Nacht häufiger Wasser lassen? Hat sich die Situation in letzter Zeit gravierend verändert? All diese Fragen zielen darauf ab, eine höhergradige Herzinsuffizienz aufzuspüren, die die perioperative Mortalität entscheidend mit beeinflusst. War der Patient gar schon einmal wegen einer Episode der kardialen Dekompensation in stationärer Behandlung?
Eine weiterer wichtiger Mosaikstein ist die Frage nach dem Vorhandensein einer koronaren Herzerkrankung. Leidet der Patient – und wenn ja – wann leidet der Patient unter pektanginösen Beschwerden? Hatte er bereits einen Myokardinfarkt und vor allem wie lange liegt dieses Ereignis zurück? Sind bereits revaskularisierende Maßnahmen (Stents) durchgeführt worden? Gibt es einen aktuellen Echokardiographiebefund (<â•›6€ Monate) oder gar ein aktuelles Koronarangiogramm? Des Weiteren sollte durch Anamnese und Auskultation geklärt werden, ob relevante Herzklappenvitien vorliegen. Gibt es Hinweise für therapiebedüftige Rhythmusstörungen oder wurde bei dem Patienten bereits ein Herzschrittmacher implantiert? Wann war die letzte Kontrolluntersuchung? Tiefe Venenthrombosen, Lungenarterienembolien sind explizit zu erfragen. Ein zentraler Punkt ist die Abklärung einer eventuell bestehenden arteriellen Hypertonie. Die Dauer der Erkrankung und die Langzeiteinstellung der Blutdruckwerte sind von entscheidender Bedeutung, da ein lange bestehender und schlecht eingestellter Hypertonus mit mannigfaltigen Schäden an anderen Organsystemen (Herz, Gehirn, Niere etc.) einhergehen kann. Lungenerkrankungen Fließend im Vergleich zu den Symptomen der Herzinsuffizienz, was die körperliche Belastbarkeit betrifft, sind häufig die Übergänge zur häufigsten chronischen Lungenerkrankung in unseren Breiten, der chronisch obstruktiven Bronchitis (COPD). Diagnostisch hinweisend ist in allererster Linie ein jahrelanger Nikotinabusus, der bei 90€% aller betroffenen Patienten zu eruieren ist. Ist es im Verlauf der Erkrankung bereits zu einem relevanten emphysematösen Umbau des Lungenparenchyms gekommen, sind entscheidende und längerfristige Verbesserungen der pulmonalen Funktion kaum zu erwarten. Wirkungsvollste „Therapiemaßnahme“, die letztlich nur darauf abzielt, die Situation nicht weiter zu verschlimmern, ist die Zigarettenabstinenz. Eine präoperative Lungenfunktionsprüfung ist zur Dokumentation des Obstruktionsgrades in jedem Fall zu fordern. Anders verhält sich die Situation beim Asthma bronchiale, unter dem rund 5€% der erwachsenen Bevölkerung bei uns leiden. Diese Erkrankung, die durch eine Hyperreagibilität des Bronchialsystems gekennzeichnet ist, lässt sich mit Hilfe moderner inhalativer Bronchodilatatoren und topischer Kortikoidmedikation in den meisten Fällen befriedigend kontrollieren.
Präoperative Vorbereitung 6â•…
Im Hinblick auf die spätere Planung der Anästhesie sollte gerade bei Patienten mit COPD und Asthma bronchiale auf die Anwendung von regionalanästhesiologischen Verfahren hingewirkt werden. Nierenerkrankungen Nierenerkrankungen im Sinne einer kompensierten Niereninsuffizienz entziehen sich häufig der aktiven Kenntnis des Patienten. Risikofaktoren neben dem Alter ist im thematischen Zusammenhang vor allem die oft jahrelange Einnahme nichtsteroidaler Antiphlogistika. Um einen eventuellen Verdacht zu erhärten, ist die Bestimmung des SerumKreatinin-Werts zu fordern. Eine manifeste Niereninsuffizienz hat für viele Medikamente eine verzögerte Elimination mit dem Zwang der Dosisanpassung zur Folge. Als Beispiel sei an dieser Stelle die Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin genannt. Leberfunktionsstörungen Die Ätiologie von Leberfunktionsstörungen ist vielschichtig. Neben infektiösen Ursachen (Hepatitis€ B bzw. C), spielt in unserer Gesellschaft die nutritiv-toxisch bedingte Schädigung, bedingt durch chronischen übermäßigen Alkoholkonsum, eine gewichtige Rolle. Aus anästhesiologischer Sicht bedeutsam ist dies zum einen durch eine Beeinträchtigung der Verstoffwechslung und Elimination zahlreicher Pharmaka, zum anderen durch eine Störung der Synthesefunktion der Leber, was sich beispielsweise in einer defizitären plasmatischen Gerinnung niederschlägt. Die Bestimmung der Serumtransaminasen SGOT (neu: ASAT) und SGPT (neu: ALAT) dient dem Nachweis einer Schädigung der Hepatozyten. Die Synthesefunktion lässt sich neben der Ermittlung von PTT und Quick-Wert relativ zuverlässig über die Bestimmung der Pseudocholinesterase abschätzen. Neurologische Erkrankungen Neurologische Funktionsstörungen sind innerhalb des typischen Patientenkollektivs, das sich vor der Implantation einer Hüftprothese vorstellt, ein regelmäßig anzutreffendes Phänomen. In erster Linie handelt es sich dabei um unterschiedlich ausgeprägte Residualzustände im Sinne von Paresen nach ischämischen Insulten oder auch (hypertensiven) Blutungen. Gerade diese Befunde geben immer Anlass zu Diskussionen bezüglich der Durchführbarkeit regionalanästhesiologischer Techniken. Wichtig ist hier festzustellen, dass die bestehenden neurologischen Defizite exakt dokumen-
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tiert werden sollten. Sie stellen dann keine Kontraindikation zur Regionalanästhesie dar. Auch Patienten mit Epilepsie sind regelmäßig anzutreffen. Art (generalisiert, fokal) und Häufigkeit der Anfälle sind zu erfragen. Die medikamentöse Dauertherapie sollte – eine gute Einstellung vorausgesetzt – möglichst unverändert in der perioperativen Phase weitergeführt werden. Metabolische Störungen Hier ist in erster Linie an den Diabetes mellitus zu denken. Etwa 5€% der Bevölkerung in Deutschland leiden an dieser Erkrankung, wobei 90€ % auf Diabetes mellitus Typ€ II (relativer Insulinmangel) und 10€ % auf den Diabetes mellitus Typ€I (absoluter Insulinmangel) entfallen. Die Häufigkeit einer prädiabetischen Stoffwechsellage liegt deutlich höher. Nicht selten wird dieser Sachverhalt erst im Rahmen der anästhesiologischen Voruntersuchung aufgedeckt. Nicht nur im unmittelbaren perioperativen Umfeld ist eine optimierte Einstellung des Blutglukosespiegels wünschenswert. Zum einen kann so die Inzidenz an operativen Frühkomplikationen (Wundheilungsstörungen, Infekte) gesenkt werden, zum anderen lässt sich so das Auftreten von diabetisch bedingten Spätschäden (koronare Herzkrankheit, arterielle Verschlusskrankheit, Niereninsuffizienz etc.) wenn nicht verhindern, so doch hinauszögern. Ein relativ zuverlässiger Laborparameter zur Beurteilung der Blutzuckereinstellung in der jüngeren Vergangenheit ist das HbA1c (Glykohämoglobin), das im Idealfall unter 6€% des Gesamthämoglobins liegen sollte. Weitere häufige metabolische Störungen, wie z.€B. Störungen der Schilddrüsenfunktion oder auch des Harnsäurestoffwechsels sind zwar häufig, haben aber in aller Regel nicht die deletären Folgen wie ein unzureichend eingestellter Diabetes mellitus. Eine Ausnahme hiervon bildet die unbehandelte Hyperthyreose. Sonstiges Wichtig sind noch einige andere Punkte, die das Bild des Anästhesisten von seinem Patienten abrunden sollen. Sind dem Patienten Probleme im Zusammenhang mit früheren Anästhesien bekannt? Traten allergische Reaktionen auf? Gab es Intubationsschwierigkeiten? Verfügt er über einen sog. Anästhesieausweis? Ist dies der Fall, beeinflussen die darin enthaltenen Informationen das anästhesiologische Vorgehen u.€U. entscheidend mit.
J. Winckelmann und P. Geiger
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Ist eine rückenmarknahe Leitungsanästhesie (RMNLA) geplant, so ist es unbedingt geboten, den potenziellen Punktionsort im Bereich der Lendenwirbelsäule zu inspizieren. Liegen dort reizlose Hautverhältnisse vor? Besteht eine relevante Skoliose, so dass die Punktion eventuell erschwert sein könnte? Ein in diesem Zusammenhang weiterer wichtiger Punkt besteht in der Klärung der Frage, ob der Patient unter dem Einfluss von Medikamenten steht, die generell die Blutgerinnung beeinflussen. ASS als Monotherapeutikum gilt nach gängiger Meinung nicht mehr als Kontraindikation für eine RMNLA. Anders verhält es sich mit den sog. GlykoproteinIIb/IIIa-Inhibitoren (Ticlopidin, Clopidogrel). Diese sollten 7€Tage vor dem Eingriff abgesetzt werden. Patienten unter oralen Antikoagulanzien sollten präoperativ in Kooperation mit dem behandelnden Hausarzt auf ein niedermolekulares Heparin umgestellt werden. Letztlich bleibt zu klären, ob der Patient schon einmal homologe Blutkonserven erhalten hat. Mit jeder Fremdtransfusion steigt das Risiko für die Bildung sog. irregulärer Antikörper, die im Notfall die Bereitstellung kompatibler Blutkonserven erheblich erschweren können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit des sorgsamen Umgangs mit homologen Blutkonserven bzw. legt je nach operativen Gegebenheiten in der jeweiligen Abteilung die Auseinandersetzung mit dem Thema Eigenblutspende nahe.
6.1.1.4 F ortführung der perioperativen Dauermedikation Wesentlich einfacher als die Aufzählung der Medikamente oder Medikamentklassen, die perioperativ unverändert weitergegeben werden sollten, ist die Nennung der Substanzen, auf die nach gängigem Kenntnisstand eher verzichtet werden sollte. • ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten (nur bei zu erwartendem hohem Blutverlust), • Amiodaron (extrem lange Halbwertszeit!!), • orale Antidiabetika am Operationsmorgen, Metformin besser 48€h präoperativ absetzen, aber kein „Muss“, • trizyklische Antidepressiva (7€ Tage präoperativ absetzen), • Thrombozyten-Aggregationshemmer/orale Antikoagulanzien s.€unten (Abschn.€6.1.2).
6.1.2 Vorbereitung J. Winckelmann und P. Geiger
6.1.2.1 Narkose- und Risikoaufklärung Nach der individuellen Befunderfassung und deren genauen Bewertung erfolgt das Aufklärungsgespräch über die möglichen Anästhesieverfahren (s.€ 6.3, Anästhesietechniken), deren Risiken und Komplikationen. Gemeinsam mit dem Patienten wird das optimale Vorgehen festgelegt sowie seine Einwilligung eingeholt und dokumentiert. Dazu gehört auch die Aufklärung und Einwilligung in u.€U. erforderliche perioperative Transfusionsmaßnahmen (s.€6.2.2, Hämotherapie; Karger et€al. 2004) und deren definitive Terminierung. Zum Aufnahmezeitpunkt sollten daher alle geforderten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auch unter Einbeziehung des mitbetreuenden Haus- bzw. Facharztes getroffen worden sein. Im stationären Bereich ist lediglich eine präoperative anästhesiologische Visite mit einem entsprechenden Check der Unterlagen und ggf. eine aktuelle Kontrolle relevanter Laborparameter erforderlich. Diese Visite wird vorzugsweise von dem Anästhesisten durchgeführt, der anschließend auch die Narkose verabreicht. Der persönliche Kontakt dient nicht nur der Klärung etwaiger noch bestehender Unklarheiten seitens des Patienten, sondern gibt dem Arzt noch einmal die Möglichkeit, sich über aktuelle und individuelle Besonderheiten zu informieren. Nicht zu vernachlässigen ist auch der beruhigende Einfluss dieses Gesprächs für den Patienten, der nach wie vor einen gewissen Respekt vor der bevorstehenden Narkose hat. 6.1.2.2 Hämotherapie Wenngleich sich die Sicherheit der Transfusion von allogenen Blutbestandteilen in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidend verbessert hat, gelten nach wie vor folgende Grundsätze (Karger et€al. 2004): • Die beste Transfusion ist keine Transfusion. • Wenn Transfusion erforderlich, nach Möglichkeit autologer Blutersatz. • Nur im Ausnahmefall allogener Blutersatz. Die Übertragung von Infektionserkrankungen wie Hepatitis, HIV etc. ist dabei eher in den Hintergrund getreten. Vielmehr stehen Immunmodulation oder Immunsuppression bei der Organübertragung Fremd-
Präoperative Vorbereitung 6â•…
blut im Fokus aktueller Überlegungen. Verbunden damit könnte die allogene Transfusion z.€B. ein erheblicher Faktor für das Auftreten postoperativer Infektionen sein (Tylman et€al. 2001; Hansen et€al. 2002). Gesetzliche Vorgaben (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut 2005) verpflichten uns in Deutschland, bei einer Transfusionswahrscheinlichkeit von mindestens 10€% dem Patienten die Möglichkeit der Eigenblutspende anzubieten. Im Rahmen der elektiven Hüftchirurgie sollte zumindest für Primärimplantationen bei normalen Ausgangshämoglobinwerten eine Transfusion in der Regel vermeidbar sein. Dennoch schwanken hier die Literaturangaben zwischen 5 und 50€ % homologen Transfusionsbedarfs (Martinez et€ al. 2007). Das bedeutet, dass eine Vorbereitung des Patienten z.€ B. mit einer Form der Eigenblutspende weiterhin sinnvoll erscheint. Zudem besteht die weitläufige Meinung, dass die begrenzte Ressource Blut nur dem wirklichen Notfall vorbehalten sein sollte und in der elektiven Chirurgie nach Möglichkeit vom Patienten selbst erbracht werden kann. Das gibt ihm u.€ U. bereits im Vorfeld das Gefühl, selbst aktiv am Gelingen seines geplanten Eingriffs mitgewirkt zu haben. Entscheidend für die präoperative Vorbereitung ist eine möglichst genaue Kenntnis der aktuellen hauseigenen Blutverlust- und Transfusionsstatistik, aus der sich dann ein entsprechendes dynamisches Transfusionskonzept ableiten kann (Schleinzer et€al. 1987; Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut 2005). Folgende Möglichkeiten zur Vermeidung allogener Transfusionen stehen grundsätzlich zur Verfügung: Präoperativ • präoperative Eigenblutspende (depletiertes Vollblut, Plasma- und Erytrozythenkonzentrate), • präoperative maschinelle Plasma- und/oder Erythrozytenspende, • präoperative Erythropoietintherapie. Intraoperativ • sorgfältige blutsparende Operationstechnik (Blutstillung), • akute normovolämische Hämodilution, • Anästhesieführung (kontrollierte Hypotension, Normothermie), • maschinelle intraoperative Autotransfusion,
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• Transfusionstrigger (strenge Indikation zur Transfusion), • pharmakologische Intervention (Antifibrinolytika, Desmopressin). Postoperativ • maschinelle postoperative Autotransfusion (Drainageblutverluste). Fast alle präoperativen Maßnahmen mit Ausnahme der Akuthämodilution und Plasmaspende setzen eine präzise Terminplanung voraus, die nur in Kooperation mit Operateur, Anästhesist, ggf. Transfusionsmediziner und Blutbank gelingt. Aus eigener Erfahrung über mehr als 20€ Jahre kann festgestellt werden, dass die Organisation eines Transfusionsregimes unter einem Dach und mit einer Hand wesentliche logistische und ökonomische Vorteile bietet (Schleinzer et€ al. 1987), jedoch wird dies nicht in allen Kliniken möglich sein. So wird die Herstellung präoperativer Eigenblutprodukte häufig an Blutbanken übertragen, was das Verfahren oft verkompliziert. Vor allem die präoperative Bereitstellung erythrozythenhaltiger Blutkomponenten stellt sich in der täglichen Praxis am aufwendigsten dar. Die begrenzte Lagerzeit (max. 49€ Tage in Paggs-Manitol) dieser Konserven macht zwingend die Einhaltung des Operationstermins erforderlich. Zudem muss der Patient in der Lage sein, die gespendete Hämoglobinmasse bis zum Operationstermin zu ersetzen, um mit normalen Werten in die Operation zu gehen. Gelingt dies nicht, ist der Effekt der Spende als zweifelhaft einzustufen. Unterstützend wirkt hier u.€ U. eine intravenöse oder orale Eisensubstitution. Eine weitere Steigerung der Erythropoese kann – nicht nur durch den spendebedingten Hämoglobinverlust – auch durch die Gabe von Erythropoetin in der präoperativen Phase erreicht werden. Diese – bislang noch teure – Therapie sollte allerdings einer ausgewählten Patientenklientel (z.€B. chronische renale Anämie) vorbehalten sein. Grundziel ist es, den primär anämen Patienten bis zum Operationszeitpunkt in einen (hoch-)normalen Hämoglobinbereich zu bringen, um damit eine verbesserte Ausgangssituation bzw. gar Spendetauglichkeit zu erreichen (Martinez et€ al. 2007; Goodnough et€ al. 2005; Spöhr und Böttiger 2002). Einen anderen Ansatz verfolgt die präoperative Plasmaspende. Ein entscheidender Vorteil besteht durch keinerlei terminliche Einschränkung, da das Produkt in tiefgefrorener Form bis zu zwei Jahre
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lagerfähig ist. Im Gegensatz zur Erythrozytenspende ist die maschinelle Plasmaspende kaum belastend und damit nahezu jedem Patienten unter entsprechender Volumensubstitution zumutbar. Der entstehende Proteinverlust wird innerhalb weniger Tage kompensiert (Wollinsky et€ al. 1991). Grundgedanke ist hierbei, den perioperativen Erythrozytenverlust allein durch die maschinelle Autotransfusion zu kompensieren, während das autologe Frischplasma einen optimalen, lang anhaltenden und physiologischen Volumenersatz garantiert. So können bei bestehender Normovolämie vergleichsweise niedrige postoperative Hämoglobinwerte bis zur spontanen Regeneration toleriert werden. Intraoperativ ist das chirurgische, atraumatische Vorgehen mit sorgfältiger Blutstillung wohl der entscheidende Faktor zur Transfusionsvermeidung. Hilfestellung von Seiten der Anästhesie bieten die kontrollierte Hypotension und die Aufrechterhaltung der Normothermie mit Hilfe von angewärmten Infusionslösungen und konvektiver Wärmezufuhr (Madjdpour et€al. 2006). Die akute normovolämische Hämodilution wurde lange in ihrer Effektivität überschätzt. Einen wirklich messbaren Hämoglobingewinn erhält man in der Regel nur bei hochnormalem Ausgangshämoglobin und entsprechend großer Dilutionsvolumina vom mehr als 1€l und entsprechendem Ersatz durch kolloidale Lösungen (Spöhr und Böttiger 2002). Der dennoch entstehende unvermeidbare Blutverlust sollte sorgfältigst aufgesaugt, in einem speziellen Reservoir gesammelt und bedarfsgemäß, nach Behandlung in einem Zellseparator (Cellsaver), retransfundiert werden. Dieses Sammeln und Waschen des Wundblutes darf keinesfalls auf die intraoperative Periode beschränkt bleiben, sondern sollte in jedem Fall den postoperativen Drainageblutverlust miterfassen, da dieser häufig den intraoperativen Blutverlust übersteigt. Eine Retransfusion des ungewaschenen postoperativen Blutverlusts mit einem hohen Prozentsatz aktivierter Substanzen unterschiedlicher Zellen befürworten wir nicht, da Störungen des Gerinnungssystems mit entsprechenden Komplikationen beschrieben wurden. Andererseits ist der Hämoglobingewinn meist nur marginal (Rosolski et€al. 2000; Reize et€al. 2006; Hansen et€ al. 2002), zumal eine Volumenbegrenzung zur Vermeidung der o.€ g. Komplikationen empfohlen wird. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist der Einsatz dieser einfachen Direkttransfusionssys-
J. Winckelmann und P. Geiger
teme kaum günstiger einzustufen im Vergleich zum Einmalmaterial für eine Zellwaschzentrifuge. Durch den konsequenten Einsatz bzw. einer logischen Kombination der o.€ g. Maßnahmen kann die Notwendigkeit homologer Transfusionen massiv reduziert werden. Wesentlich ist dabei die strenge Indikationsstellung zur Transfusion. Die Diskussion um den kritischen Hämoglobinwert ist längst nicht abgeschlossen, doch besteht Einigkeit darüber, dass hier kein absoluter Wert angegeben werden kann. Entscheidende Trigger sind die klinischen Zeichen einer Anämie und die individuelle Anämietoleranz, die abhängig vom Zustand und Alter des Patienten sowie seiner Vor- bzw. Begleiterkrankungen bestimmt werden (Spöhr und Böttiger 2002; Madjdpour et€al. 2006).
6.1.3 Anästhesietechniken J. Winckelmann und P. Geiger
6.1.3.1 Einführung Die Anästhesietechniken zur Implantation einer H-TEP lassen sich im Wesentlichen in 2 große Kategorien einteilen: zum einen die Allgemeinanästhesie und zum anderen die rückenmarknahen Leitungsanästhesien. Auch die Kombination beider Verfahren findet gelegentlich Anwendung. Diese verschiedenen Herangehensweisen mit dem Ziel eines während der Operation schmerzfreien Patienten sollen im Folgenden etwas näher beleuchtet und im Anschluss einer vergleichenden Wertung unterzogen werden. Dabei soll das Hauptaugenmerk dieser Betrachtung auf die klinische Situation der Implantation einer Hüftendoprothese gerichtet bleiben. In Ergänzung dazu wird eine Blockade aus dem Bereich der peripheren Regionalanästhesie vorgestellt, die sich gut in ein multimodales perioperatives Analgesiekonzept einfügen lässt, die sog. Psoas-Blockade. 6.1.3.2 Allgemeinanästhesie Bis zum heutigen Tag existiert kein komplett in sich schlüssiges Gesamterklärungsmodell, das alle Phänomene einer Allgemeinanästhesie erklären könnte. Wir kennen zahlreiche Rezeptoren, beispielsweise die verschiedenen Opioidrezeptoren oder den NMDA-Rezeptor, die für die Wirkung von entsprechenden Analgetika von Bedeutung sind (Opiate, Ketamin) oder
Präoperative Vorbereitung 6â•…
auch den GABA-Rezeptor, der bei der Verwendung diverser Hypnotika (Benzodiazepine) eine Rolle spielt. Schwieriger wird die Situation bei den Narkosegasen, wo ein allgemein akzeptiertes pharmakodynamisches Modell bis heute fehlt. Grundsätzlich beinhaltet eine moderne Allgemeinanästhesie mehrere Komponenten. • Analgetika (z.€B. Opiate, Ketamin etc.), • Hypnotika (z.€ B. Propofol, Thiopental, Etomidate etc.), • evtl. Muskelrelaxanzien, • evtl. Narkosegase (z.€B. Desfluran, Sevofluran etc.), • adjuvante Substanzen (z.€B. Clonidin). Durch unterschiedliche Kombinationen aus diesen Substanzklassen lassen sich im Wesentlichen zwei Haupttypen von Allgemeinnarkosen unterscheiden: zum einen die sog. „balancierte Anästhesie“, bei der Opiate, Hypnotika, Narkosegase und evtl. Muskelrelaxanzien zum Einsatz kommen. Im Unterschied dazu spricht man von „Total Intravenöser Anästhesie“ (TIVA), wenn auf die Verwendung von Narkosegasen komplett verzichtet wird. Wesentlicher Bestandteil einer Allgemeinanästhesie ist die damit nahezu regelhaft verbundene künstliche Beatmung des Patienten. Diese wird im Zusammenhang mit der Implantation einer H-TEP meist über einen Endotrachealtubus erfolgen. In selteneren Fällen kann eine sog. Kehlkopfmaske zum Einsatz kommen. Der damit geschaffene künstliche und gesicherte Atemweg ist Voraussetzung zur Applikation eines deutlich hyperoxischen Gasgemisches – im Bedarfsfall nahezu reiner Sauerstoff – wenn beispielsweise durch plötzlichen hohen Blutverlust während der OP und damit verbundenen Mangel an Erythrozyten als O2-Trägern der physikalisch im Blut gelöste Sauerstoff zu einer bedeutenden Größe für eine adäquate Oxygenierung wird. Neben den verfahrensimmanenten Nebenwirkungen bzw. Komplikationen, die in der Summe v.€ a. eine Herz-Kreislauf-Depression umfassen, tun sich im Zusammenhang mit der Hüftendoprothetik zwei häufige Problemstellungen auf. Nicht immer ist die Platzierung des Endotrachealtubus problemlos möglich. Dies trifft überdurchschnittlich häufig auf Patienten mit einer chronischen Polyarthritis zu, die wiederum ein großes Klientel in der Hüftendoprothetik darstellen. Gerade bei dieser Patientengruppe ist jedoch auch ein besonders scho-
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nendes Vorgehen bei der Intubation wünschenswert, da im Zusammenhang mit der Grunderkrankung eine u.€ U. ausgeprägte Instabilität der Halswirbelsäule bestehen kann. Ein zweites Problem betrifft die postoperative Phase. Die nach „reiner“ Allgemeinanästhesie notwendige systemische Schmerztherapie weist häufig für den Patienten unangenehme Nebenwirkungen, besonders Übelkeit und Erbrechen auf. Darüber hinaus ist der Grat zwischen suffizienter Analgesie und interventionsbedürftiger Atemdepression im Zusammenhang mit der Verwendung von Opioiden gerade beim älteren Menschen häufig ein sehr schmaler. Wünschenswert wäre eine nebenwirkungsärmere Form der Analgesie, die die Hauptsäule der perioperativen Schmerztherapie bilden sollte, und die systemische Schmerztherapie zu einem „On-top“-Verfahren macht. Diese Möglichkeit besteht in der perioperativen Anwendung regionalanästhesiologischer Techniken, die in der Folge etwas näher beleuchtet werden sollen.
6.1.3.3 R ückenmarknahe Leitungsanästhesien Pharmakodynamik der Lokalanästhetika Grundsätzlich bedeutet Regionalanästhesie nichts anderes als die perinervale Applikation von Substanzen mit temporär leitungsunterbrechender Wirkung. Im Gegensatz zur Allgemeinanästhesie sind die Mechanismen, die dies bewerkstelligen, relativ gut verstanden. Es handelt sich dabei, vereinfacht dargestellt, um eine reversible Blockade des schnellen Na+Kanals der Nervenzellmembran, die die Fortleitung des Aktionspotenzials unterbricht. In unseren Breiten kommen heutzutage praktisch nur noch Lokalanästhetika (LA) vom sog. Amidtyp zur Anwendung, die im Gegensatz zu den früher häufig benutzten LA vom Estertyp praktisch niemals allergische Reaktionen auslösen. Hauptvertreter der Amid-LA Bedingt durch ihre individuellen physikochemischen Eigenschaften (z.€B. pKA-Wert, Lipophilie, Plasmaproteinbindung etc.) unterscheiden sich die einzelnen Substanzen in ihrem Wirkungseintritt und ihrer Wirkdauer sowie auch in ihrer Toxizität. Für das zeitliche Wirkprofil spielen jedoch auch noch andere Faktoren wie etwa der pH-
J. Winckelmann und P. Geiger
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Tab. 6.2↜╇ Klinisch Häufig verwendete Amid-Lokalanästhetika Substanz
Wirkungseintritt
Wirkdauer
Lidocain Prilocain Mepivacain Ropivacain Bupivacain
Schnell Schnell bis mittel Mittel Mittel bis langsam Langsam
Kurz bis mittellang Mittellang Mittellang Lang Lang
Wert des Gewebes am Injektionsort oder auch die applizierte LA-Dosis eine Rolle. Verbreitet klinische Anwendung finden die in Tab.€ 6.2. genannten Substanzen. Verfahren im Einzelnen Im Folgenden sollen die beiden Möglichkeiten der rückenmarknahen Leitungsanästhesien, die Spinal- und in der Folge die Periduralanästhesie vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang wird bewusst auf die Erwähnung von hauptsächlich für den betreuenden Anästhesisten relevanten Nebenwirkungen und Komplikationen verzichtet. Typische klinisch bedeutsame Erscheinungen der postoperativen Phase sollen jedoch nicht unerwähnt bleiben. Spinalanästhesie Bei der Spinalanästhesie (SA) handelt es sich um die Verabreichung weniger (ca. 2–4) Milliliter eines Lokalanästhetikums in den lumbalen Subarachnoidalraum. Dabei sollte die Punktion nicht oberhalb des Zwischenwirbelraumes L2/3 erfolgen, da ansonsten die Gefahr einer akzidentiellen Alteration des Myelons besteht, das beim Erwachsenen etwa auf Höhe L1/2 endet. Ein entscheidendes Charakteristikum der SA, die seit über 100€ Jahren fester Bestandteil des anästhesiologischen Repertoires ist, besteht in der schnell – innerhalb weniger Minuten – einsetzenden Wirkung. Dies bedeutet einen klinisch wichtigen Unterschied zur Periduralanästhesie (PDA). Eine korrekt durchgeführte SA führt zu einer profunden Blockade aller nervalen Qualitäten (Sensorik und Motorik) und bedingt auf diesem Wege auch eine hervorragende Muskelrelaxation beim Patienten. Der Hauptgrund für den schnellen Wirkungseintritt und die tiefe Blockade liegt im unmittelbaren, direkten Kontakt des Lokalanästhetikums mit den nervalen Strukturen im Spinalkanal. Man erreicht eine kom-
plette Blockade aller Rückenmarksegmente unterhalb der Punktionshöhe und – abhängig von diversen Faktoren – in unterschiedlicher Ausprägung auch oberhalb davon. Der Großteil der Blockaden wird international weiterhin mit Bupivacain 0,5€% als lang wirkendem LA durchgeführt. Dieses Vorgehen bedingt eine durchschnittliche Anästhesiedauer von etwa 3–4€ Stunden, was für die Implantation einer H-TEP im Normalfall ausreichen sollte. Durch diverse Adjuvanzien zum reinen LA (z.€B. Clonidin, Sufentanil) wird z.€T. versucht, die Analgesiedauer zu verlängern, ohne die motorische Blockade weiter auszudehnen. Systemtoxische Nebenwirkungen durch das Lokalanästhetikum sind aufgrund der geringen LA-Volumina kaum zu erwarten. Bei der Auswahl des Nadelmaterials sollte man auf die Verwendung möglichst dünner, atraumatischer Nadeln (z.€ B. 26-G Pencil-Point-Nadeln) achten, um das Duraleck, das mit einer SA zwingend entsteht, möglichst klein zu halten. Die Größe dieser Leckage gilt als einer der Hauptdeterminanten für das Auftreten des sog. postpunktionellen Kopfschmerzes am ersten bis zweiten postoperativen Tag. Eine Spinalanästhesie kann auch als kontinuierliches Verfahren (CSA) – als sog. Katheterspinalanästhesie – angelegt werden, was im Wesentlichen zwei Vorteile bietet. Zunächst besteht bei Applikation des LA über einen subarachnoidalen Mikrokatheter eine gute Möglichkeit, die gewünschte Anästhesieausdehnung titrierend einzustellen. Danach kann der Katheter auch für die postoperative Schmerztherapie genutzt werden. Die subarachnoidale Lage des Katheters ist jedoch auch Hauptangriffspunkt des Verfahrens, da eine Infektion über den „Fremdkörper“ desaströse Folgen für den Patienten haben kann. Aus diesen Überlegungen heraus sollte die Liegedauer eines solchen Katheters in Zusammenhang mit der Implantation einer H-TEP auf wenige Tage beschränkt bleiben. Periduralanästhesie (Epiduralanästhesie) Im Gegen-Â� satz zur Spinalanästhesie bleibt bei der Periduralanästhesie (PDA) die Durabarriere erhalten. Es geht prinzipiell um das Einbringen von LA in den Raum zwischen Ligamentum flavum und Dura mater, durch den die Wurzeln der Spinalnerven in Richtung der Foramina intervertebralia („Neuro-Foramen“) ziehen.
Präoperative Vorbereitung 6â•…
Die Identifikation des richtigen Kompartiments erfolgt in aller Regel mit Hilfe der sog. Loss-of-resistance-Technik. Dabei wird auf die zur Punktion verwendete Tuohy-Nadel eine mit NaCl-0,9€ %-Lsg. befüllte Spritze aufgesetzt und die Nadel unter konstantem Druk auf den Stempel der Spritze durch die derben interspinalen Bandstrukturen vorgeschoben. Während der Passage des Lig. flavum ist dabei häufig ein charakteristisches „Knirschen“ zu hören, kurz bevor der Widerstand der Bandstrukturen schlagartig nachlässt, wenn die Öffnung der Tuohy-Nadel den Epiduralraum erreicht. Dies zeigt sich an der plötzlich leichten Vorschiebbarkeit des Spritzenstempels. Da das Volumen des Epiduralraums deutlich größer ist als der zur SA genutzte intrathekale Raum, sind für eine suffiziente PDA deutlich höhere Mengen an LA erforderlich. Hierbei ist zu beachten, dass dies natürlich – verglichen mit der SA – mit einem erhöhten Risiko an systemisch-toxischen Reaktionen verbunden ist, sollte ein Großteil der LA-Dosis versehentlich intravasal appliziert werden. Aus diesem Grund und zur Vermeidung einer intrathekalen Fehllage der Nadel wird die Verabreichung einer LA-Testdosis nach wie vor empfohlen. Grundsätzlich kann der Periduralraum auf sämtlichen Abschnitten der Wirbelsäule punktiert werden. Hauptanwendungsgebiet ist heute jedoch die thorakale PDA im Rahmen der Abdominalchirurgie im weitesten Sinn. Hierbei macht man sich die idealerweise segmentale Ausbreitung einer PDA zunutze, was einen weiteren Unterschied zur Spinalanästhesie darstellt. Die zu betäubenden Strukturen sind von der Dura als isolierender Hülle umgeben, was sich in einer deutlich protrahiert einsetzenden Blockade äußert. Die Tiefe der Blockade, v.€a. der Grad der Muskelrelaxation ist in der Regel geringer ausgeprägt als bei einer SA. Die Indikationen der lumbalen PDA sind rar und liegen v.€a. im gynäkologisch-geburtshilflichen Bereich. In unserem Zusammenhang spielt der lumbale Zugangsweg zum Periduralraum jedoch eine wichtige Rolle, wenn es um eine suffiziente und mit wenigen Nebenwirkungen behaftete Möglichkeit der postoperativen Analgesie nach einer H-TEP geht. Die Vorteile der Spinalanästhesie (rascher Wirkungseintritt, tiefe Blockade und gute Muskelrelaxation) lassen sich durch die Anwendung einer sog. „kombinierten Spinal-/Epiduralanästhesie“ (CSE)
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Gewinn bringend für den Patienten mit einem Epiduralkatheter zur postoperativen Schmerzbehandlung kombinieren. Kombinierte Spinal-/Epiduralanästhesie Während der Durchführung einer CSE wird zunächst, wie im Abschnitt zur PDA beschrieben, der Epiduralraum mit Hilfe der Loss-of-resistance-Technik aufgesucht. Je nach Punktionsset erfolgt dann entweder unter Verwendung einer dünnen Spinalnadel, die durch die Tuohy-Nadel vorgeschoben wird, zunächst die SA. Nach Entfernung der Spinalnadel wird über die noch liegende Tuohy-Nadel ein Periduralkatheter eingeführt. Alternativ kann bei Sets anderer Hersteller erst der Periduralkatheter appliziert und im Anschluss daran über ein paralleles Lumen der Tuohy-Nadel die Spinalanästhesie angelegt werden, was theoretisch von Vorteil sein kann. Der Periduralkatheter kann in der Folge sowohl intraoperativ zur Blockadeverlängerung als auch postoperativ zur Schmerzbehandlung benutzt werden. In diesem Zusammenhang haben sich patientengesteuerte Verfahren mit Hilfe sog. PCA-Pumpen, die an den Periduralkatheter angeschlossen werden, als für den Patienten sehr komfortabel herausgestellt. Bewährt hat sich die Kombination einer Basalrate (z.€ B. 3 (−â•›5)€ml/h Ropivacain 0,2€%) mit der Möglichkeit der Bolusgabe (z.€B. 5€ml Ropivacain 0,2€%) alle 30€min.
6.1.3.4 K urze Gegenüberstellung der einzelnen Methoden Mit den heutigen Anästhetika lässt sich auch und vielleicht gerade für den kardialen Risikopatienten eine weitgehend sichere Allgemeinanästhesie zur Implantation einer Hüftendoprothese durchführen. Eine sachgerecht gesteuerte Vollnarkose unter Einbeziehung moderner Narkosegase führt im Vergleich zu den rückenmarknahen Regionalanästhesien eher nicht zu einer kompensatorischen Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Außerdem kann die inspiratorische O2-Konzentration bei Bedarf auf nahezu 100€% gesteigert werden, was gerade bei plötzlich auftretenden größeren Blutverlusten von nicht zu unterschätzendem Wert ist bis entsprechender Blutersatz zur Verfügung steht. Unstrittig ist jedoch auch, dass Schmerz ein potenter Aktivator des Sympathikus ist und folglich alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Schmerzen zu lin-
R. Decking et al.
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dern, als kardioprotektiv einzustufen sind. Dies sollte mit möglichst wenig systemischen Nebenwirkungen erreichbar sein. Hier liegt eindeutig die Domäne der regionalanästhesiologischen Verfahren. Eine ganze Reihe von Publikationen hat Unterschiede der einzelnen Verfahren bezüglich klinisch relevanter Parameter untersucht und letztendlich lassen sich daraus folgende Trends ableiten. Vieles spricht dafür, dass unter Spinalanästhesie die Operationsdauer und auch der Blutverlust verringert werden. Dies resultiert in einer signifikant erniedrigten Rate an homologen Transfusionen (Board et€al. 2007; Brause 2005). Auch das Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenarterienembolien ist bei Durchführung der Implantation unter rückenmarknaher Leitungsanästhesie signifikant seltener (Biro et€al. 2004).
6.1.3.5 Ausblick Die sich aufdrängenden Fragen lauten: • Wäre nicht eine Kombination aus Allgemein- und Regionalanästhesie, wie sie beispielsweise häufig im Rahmen ausgedehnter Prothesenwechseloperationen durchgeführt wird, auch für Primärimplantationen eine Option? • Muss es zur Ausschöpfung der erwähnten Vorteile der Regionalanästhesie immer ein rückenmarknahes Verfahren sein oder lassen sich auch aus der Kombination einer kardioprotektiven Allgemeinanästhesie und einer das sympathische Nervensystem weniger tangierenden peripheren Nervenblockade positive Effekte erzielen? In diese Richtung zielen Arbeiten wie etwa die von Capdevila et€al. (2002), die für die Implantation einer H-TEP die Kombination aus einer kontinuierlichen Blockade des Plexus lumbalis von dorsal, dem sog. Psoas-Block, und einer Allgemeinanästhesie untersuchten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass diese Kombination eine hervorragende Möglichkeit sei, den Patienten sowohl intraoperativ, was die klinische Stabilität betrifft, als auch postoperativ im Sinne einer suffizienten und nebenwirkungsarmen Schmerztherapie zu führen. Untersuchungen wie die von Ilfeld et€al. (2006), die diese Kombination als potenziellen Beitrag sehen, die Implantation einer Hüftprothese in einen ambulanten Eingriff zu überführen, bedürfen sicherlich weiterer Evaluation.
6.2 K linische Behandlungspfade in der Hüftendoprothetik R. Decking, T. Mattes und H. Reichel
6.2.1 Einführung Die Endoprothetik des Hüftgelenks hat die medizinische Versorgung arthrotischer Gelenke revolutioniert. Die operative Intervention ist mit einer deutlichen Steigerung der Funktion und der Lebensqualität der Patienten verbunden und hat zudem eine vergleichsweise niedrige Komplikationsrate (Soderman et€ al. 2000). Bei steigenden Patientenzahlen und dem zunehmendem Kostendruck auf das Gesundheitssystem sind allerdings neue Wege gefragt, um eine hohe Versorgungsqualität beibehalten oder verbessern zu können und simultan eine Kostenreduktion zu erzielen. Die behandelnden Ärzte werden so gezwungen, sich weit mehr als bisher mit den ökonomischen Konsequenzen ihres Handelns auseinanderzusetzen. Durch die Einführung der Fallpauschalen und später des DRG-Systems wurde in Deutschland der Bedarf an solchen Maßnahmen deutlich verstärkt. Der Wechsel von einem nachträglich tagespauschalisierten zu einem prospektiv fallstandardisierten Vergütungssystem hat bei gleichzeitig zunehmendem Patientenaufkommen dazu geführt, dass sowohl die präoperative als auch die stationäre Behandlungsdauer bei gleichbleibender Versorgungsqualität möglichst kurz und effektiv gestaltet werden muss. Parallel dazu führt die Einführung der so genannten integrierten Versorgung, die ein fixiertes Entgelt zwischen prästationären, stationären und poststationären Behandlern aufteilt, dazu, dass die behandelnden Ärzte sich zusammen mit ihren Krankenhausträgern darüber einig werden müssen, wie Abläufe in den Kliniken übersichtlich, ökonomisch sinnvoll und medizinisch erfolgreich strukturiert werden können. Dieses gelingt in der Regel nicht mehr durch eine reine Reorganisation einer einzelnen Abteilung, sondern nur in enger Zusammenarbeit mit weiteren medizinischen Abteilungen, der Pflege und der Verwaltung, ggf. auch zusammen mit den Einweisern und den nachbehandelnden Rehabilitationseinrichtungen.
Präoperative Vorbereitung 6â•…
6.2.2 Definition Eine klare und verbindliche Definition des Begriffs „klinischer Behandlungspfad“ gibt es nicht. Im deutschen Sprachraum wird oft die von Roeder und Muller (2007) publizierte Definition verwendet: Ein klinischer Behandlungspfad ist der im Behandlungsteam selbst gefundene berufsgruppen- und institutionenübergreifende Konsens bezüglich der besten Durchführung der Krankenhaus-Gesamtbehandlung unter Wahrung festgelegter Behandlungsqualität und Berücksichtigung der notwendigen und verfügbaren Ressourcen sowie unter Festlegung der Aufgaben und der Durchführungs- und Ergebnisverantwortlichkeiten. Er steuert den Behandlungsprozess, ist gleichzeitig das behandlungsbegleitende Dokumentationsinstrument und erlaubt die Kommentierung von Abweichungen von der Norm zum Zwecke fortgesetzter Evaluation und Verbesserung.
1992 hatten Coffey et€al. den Begriff so beschrieben: Ein „critical path“ ist die Beschreibung bzw. Festlegung der optimalen Abfolge oder Terminierung der wichtigsten Interventionen, die von allen Disziplinen bei der Versorgung eines Patienten oder einer Behandlung durchgeführt werden. (Coffey et€al. 1992)
Klinische Behandlungspfade wurden abgeleitet von der hier genannten „Critical-Path“-Methode aus dem Projektmanagement großer industrieller Vorhaben. Durch sie sollte eine koordinierte multidisziplinäre Planung der Behandlung einen maximalen Nutzen für den Patienten und das Gesundheitssystem garantieren (Luttman et€al. 1995). In der Industrie sind diese Pfade vor allem bei Projekten interessant, bei denen die parallelen Aktivitäten mehrerer Firmen koordiniert werden müssen, ohne kostspielige Pufferzeiten einzuplanen. Beim Hauptziel einer termingerechten Fertigstellung eines Projekts sollten diese Pfade ein frühzeitiges Erkennen von Verzögerungen in den parallelen Arbeitsschritten ermöglichen. Ein kontinuierlicher „Soll-Ist“-Vergleich kann Mängel in der Planung rechtzeitig offen legen.
6.2.3 Anwendung Klinische Behandlungspfade sind ein Instrument, das vor allem bei Krankheitsbildern Anwendung findet, die sich durch einen relativ gut vorhersagbaren klinischen Verlauf auszeichnen. Interessant sind sie für
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ein Krankenhaus, wenn diese Krankheitsbilder mit hohen Fallzahlen (Stichwort „Top-10-DRGs“) und hohen Kosten verbunden sind und die Kooperation unterschiedlicher Abteilungen voraussetzen. Damit eignen sich gerade endoprothetische Eingriffe für die Anwendung eines klinischen Behandlungspfades. In einer klar definierten Abfolge werden die genauen Leistungen aller Behandlungsstationen im Verlauf einer Behandlung beschrieben und durchgeführte Therapieschritte dokumentiert. Klinische Behandlungspfade werden, wenn möglich, unter Berücksichtigung existierender medizinischer Leitlinien entwickelt. Während Leitlinien aber eher variantenreich und in der Regel nicht zeitgebunden sind, müssen klinische Pfade auf jedes Krankenhaus direkt zugeschnitten werden, da sie nicht nur die vorgesehenen Handlungen definieren und einschränken, sondern auch eine klare Zeitachse vorgeben, die sich eng an den vorhandenen Ressourcen orientiert. Personelle und bauliche Gegebenheiten können hier ebenso eine Rolle spielen wie die computertechnische Vernetzung (Labor, Röntgen, elektronische Patientenakte etc.) zwischen den einzelnen Stationen. Durch die Implementierung eines Pfades sollen Stillstandszeiten und Verzögerungen durch fehlende Entscheidungen verhindert werden. Einer der wichtigsten Punkte in diesem Prozess ist allerdings, dass die optimierte Strukturierung des Ablaufs nicht dazu führen darf, dass eine sachverständige klinische Beurteilung durch einen Automatismus ersetzt wird. Ein- und Ausschlusskriterien spielen bei der Implementierung entsprechender Pfade eine wichtige Rolle. Sie müssen klar definiert sein und in der täglichen Behandlung immer wieder kritisch überprüft werden. Hier ist eine zentrale Verantwortung der beteiligten behandelnden Ärzte zu sehen. Ein auf das Krankenhaus zugeschnittener Behandlungspfad muss personal- und zeitaufwendig erarbeitet werden. Er sollte nicht nur unter Beteiligung aller Mitwirkenden definiert, sondern auch kontinuierlich weiterentwickelt werden (Jimenez et€ al. 2006). Die entsprechende Prozedur (Hüfttotalendoprothesenimplantation) muss ausgewählt und eine passende Arbeitsgruppe gebildet werden. Literatur und Leitlinien müssen geprüft, Ein- und Ausschlusskriterien definiert werden. Die für jeden Schritt benötigten Zeitfenster müssen erfasst und die zeitliche und personelle Machbarkeit überprüft werden. Dann muss eine entsprechende Dokumentation entwickelt werden. Neben
R. Decking et al.
140
Tab. 6.3↜╇ Beispiel eines Behandlungspfades: erster postoperativer Tag nach Hüfttotalendoprothesenimplantation Zeit/Zeitfenster
Zuständig
DOKU in
Benötigte Unterlagen
Ablauf
6.30–10.00€Uhr
Pflege
KISS
PDA
7.00–8.15€Uhr 7.30–8.15€Uhr 7.30–8.15€Uhr 9.00–10.00€Uhr 10€min Vor 16.00€Uhr 10–15€min
Pflege Stationsarzt/KG Stationsarzt Anästhesiearzt
Ø KISS KISS KISS, Schmerzkurve KISS
Ø PDA PDA PDA, Schmerzkurve
Patient wecken, Morgenpflege (Pflegestufe 3), weiter Bettruhe (SAEDA-Katheter), Medikation, Schienenlagerung, 3-mal tägliches Drehen, 3-mal tgl. Eis, TED-Strumpf kontralaterale Seite Frühstück KG-Verordnung Laborkontrolle Hb, CRP Schmerzvisite mit Katheterverband
Stationsarzt
PDA
einem Schaubild über die Abläufe sollte hier auch eine Ablaufliste mit den Stationen, Zeitfenstern und ggf. den verwendeten Qualitätsindikatoren (Tab.€ 6.3) entworfen werden. Nach einer Pilotphase mit nachfolgender Änderung kann dann der Pfad implementiert werden. Neubewertungen sollten in regelmäßigen Abständen erfolgen, um weitere Verbesserungen einarbeiten zu können. Diese Initiierung ist in der Regel vor allem bei den ersten in einem Krankenhaus etablierten Pfaden deutlich zeitintensiver und aufwendiger als vermutet. Einer der klinischen Vorteile der Einführung eines Pfades liegt darin, dass durch die Planung und Koordinierung der unterschiedlichen, primär abteilungsinternen Abläufe eine engere Verzahnung der Abteilungen erfolgt und die Teamarbeit aller Beteiligten gefördert wird. Zu jedem Zeitpunkt ist im Pfad ersichtlich, welche Maßnahme ansteht und welche Station im Ablauf verantwortlich ist. Durch einen immer möglichen „Soll-Ist“-Abgleich können die Engpässe in einem Ablauf schneller identifiziert und dann in Absprache mit allen Beteiligten beseitigt werden. Häufig lässt sich schon beim Entwurf der Dokumentation feststellen, wo es zu Doppeldokumentationen gekommen ist, die im weiteren Verlauf vermieden werden. Ein weiterer Vorteil liegt in der Verwendung des Pfades als Ausbildungsinstrument. Sowohl für Stationsärzte als auch für die Pflege kann das „training on the job“ mit einem definierten Pfad vereinfacht werden. Von der Seite der Klinikverwaltung betrachtet kann der Behandlungspfad die Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung/Kostenträgerrechnung im Kranken-
Visite, Kontrolle DMS und Dokumentation, äußere Verbandskontrolle, Aufklärung des Patienten über den OP-Verlauf und Dokumentation, Laborwertkontrolle
haus sein, da er durch die klare Struktur der geplanten Behandlungen (mit weitestgehender Zuordnung von Ressourcen wie Personal, Räumlichkeiten, Implantate, Medikamente) als Instrument einer Plankostenrechnung verwendet werden kann. Zudem wird er den Anforderungen eines Qualitätsmanagements (QM) gerecht, indem hier der Ablauf einer Behandlung eindeutig definiert wird und durch die Überprüfung von Qualitätsindikatoren auch überprüfbar ist. Damit wird der Pfad unter Hinzufügung einer Checkliste als QMSystem nutzbar und kann als Nachweis für ein QM verwendet werden, was den Kliniken eine Zertifizierung (z.€B. im KTQ-Verfahren etc.) erleichtert. Vor allem die Verwendung als ökonomisches Kontrollinstrument führt dazu, dass die Anwendung der Pfade primär auf ein großes Interesse bei der Verwaltung der Kliniken stößt, während Pflege und Ärzte einer Umsetzung dieser Instrumente aus ganz unterschiedlichen Gründen noch oft kritisch gegenüberstehen. Neben der Auffassung, dass Patienten auch ohne diese zusätzliche Bürokratie eines Pfades gut versorgt werden und der sicher teilweise begründeten Furcht vor einer Beschränkung der ärztlichen Handlungsfreiheit werden oft auch die größere Kontrollmöglichkeit und Einflussnahme durch Nichtmediziner beklagt. Auch ist eine Arbeitsverdichtung durch die benötigte Datenerhebung möglich, wenn der Entwurf für den Pfad zu umfangreich ausfällt. Daher ist aber eine aktive Beeinflussung durch die behandelnden Ärzte wichtig und darf nicht aus der Hand gegeben werden. Außerdem können auch die beteiligten Mediziner von den gewonnenen Daten profitieren. So können z.€ B.
Präoperative Vorbereitung 6â•…
die erhobenen Daten schnell und problemfrei für die von der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung geforderten Datensätze verwendet werden. Die zentrale Dokumentation der für die Behandlungspfade erhobenen Daten lässt einen Zugriff aller Beteiligten zu, was redundante Arbeitsschritte überflüssig macht und auch einen sofortigen Überblick über die erzielte Qualität ermöglicht. Damit macht die minutiöse Dokumentation insbesondere bei steigenden Fallzahlen auch medizinisch Sinn.
6.2.4 Ergebnisse Trotz der zunehmenden Verbreitung klinischer Pfade sind die bisher publizierten Studien über ihre Auswirkungen noch nicht abschließend zu bewerten. So kommen Kim et€al. (2003) in ihrer Literaturübersicht über die Effektivität klinischer Pfade in der Hüft- und Knieendoprothetik zum Schluss, dass die meisten Arbeiten einen Trend zu kürzeren Liegezeiten und gesenkten Kosten bei besserem oder unverändertem Outcome nachweisen konnten. Allerdings verweisen die Autoren auch auf die methodischen Mängel, da in der Regel aktuelle Patienten nur mit historischen Kontrollen verglichen wurden. Unter diesen Einschränkungen konnte jedoch Bertholf (1998) zeigen, dass 6€ Monate nach Einführung eines entsprechenden Pfades eine Verbesserung der Patientenversorgung, Patientenzufriedenheit und der Kosten erreicht werden konnte. Und Walter et€ al. (2007) beschrieben eine eindrückliche Kostenreduktion bei gleich bleibender Patientenzufriedenheit und unveränderter Rate von Komplikationen und stationären Wiederaufnahmen der Patienten.
6.2.5 Kritische Wertung Die Einführung klinischer Behandlungspfade ist noch mit einem hohen Aufwand verbunden. Solche Pfade sind vor allem bei weitestgehend standardisierbaren Behandlungen interessant, die mit hohen Patientenzahlen und Kosten verbunden sind, und bieten sich damit gerade für die primäre Hüft-TEP-Implantation an. Unter dem zunehmenden Kostendruck können sie eine Möglichkeit sein, eine hervorragende medizinische Versorgung bei immer knapper zur Verfügung stehenden Ressourcen zu erreichen. Dafür ist aber die aktive Einflussnahme erfahrener Chirurgen bei der
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Planung und Umsetzung der Pfade nötig. Weitere klinische Studien, die Effekte der theoretisch machbaren Verbesserungen durch die Pfade aufzeigen oder widerlegen, müssten in den kommenden Jahren dringend gefordert werden.
6.3 Patientenaufklärung R. Decking, H. Reichel und N. H. Müller Der achte Paragraph der Ärztlichen Berufsordnung lautet (Bundesärztekammer 2006): Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen.
Der Ursprung der sog. Risikoaufklärungspflicht vor einem jedem Heileingriff besteht darin, dass auch der medizinisch indizierte Eingriff in den Körper des Patienten nach ständiger Rechtsprechung im strafrechtlichen (§Â€ 223 StGB) und zivilrechtlichen Sinne (§§Â€ 812, 823 BGB, Schadenersatz/Schmerzensgeld) den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt. Trotz vielfacher Kritik ist insoweit auch keine Änderung der Rechtsprechung zu erwarten. Allerdings entfällt die Rechtswidrigkeit durch die vorherige Einwilligung des Berechtigten (in der Regel der Patient selbst, anders z.€B. bei Kindern oder Eheleuten, s.€unten) in die Durchführung des körperlichen Eingriffs. Ärztliche Heileingriffe bedürfen somit schon aus formal-rechtlichen Gründen auch bei gesicherter Indikationsstellung einer Einwilligung des Patienten, da sie einen Eingriff in das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht des Patienten darstellen. Ausnahmelos alle Eingriffe und natürlich gerade die elektiven Eingriffe wie die Implantation einer Hüfttotalendoprothese stellen den Tatbestand einer Körperverletzung dar. Grundlage dieser Auffassung ist eine alte Rechtsprechung des Reichsgerichtshofes von 1894 (RGSt 25, 375) und die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 35, 246; Parzeller et€al. 2007). Eine Bestrafung sieht das Rechtssystem natürlich nur bei rechtswidrigen (z.€ B. bei ohne die notwendige Aufklärung durchgeführten) oder schuldhaft begangenen Körperverletzungen vor. Die Einwilligung in den Heileingriff ist nur dann rechtswirksam, wenn sie frei von Willensbeeinflussung und vor allem in Kenntnis
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von Umfang, Tragweite, möglichen Folgen und Risiken des Eingriffs erteilt wird. Die Aufklärungspflicht soll den Patienten mithin in die Lage versetzen, trotz fehlender medizinischer Fachkenntnisse selbst umfassend die Vorteile und Risiken einer ärztlichen Behandlung abwägen zu können. Es liegt dabei ganz in der Verantwortung des behandelnden Arztes, den Patienten vorab so umfassend zu informieren, dass diesem eine Entscheidung für oder gegen eine Behandlung möglich wird. Damit gehört nicht nur die sorgfältige Behandlung, sondern auch die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten durch eine ordnungsgemäße Aufklärung zu den grundlegenden Pflichten des Arztes, insbesondere auch zu den Hauptpflichten des Arztes aus dem Behandlungsvertrag (BGH, 07.11.2006, AZ: IV ZR 206/05).
6.3.1 Wer muss aufklären? Die Aufklärung des Patienten ist allein Aufgabe des behandelnden Arztes. Eine Aufklärung durch nichtärztliches Personal ist nicht wirksam (BGH NJW 1974, 604; Kamps 2006). Es muss beachtet werden, dass zwar eine Aufklärung verschiedener Behandlungsschritte auf einen Arzt, z.€B. den Stationsarzt übertragbar ist, wenn dieser über die notwendige Fachkenntnis verfügt (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 459), der behandelnde Arzt ist aber auch dann haftbar, wenn die Aufklärung durch den diese durchführenden Arzt nicht ausreichend sein sollte und damit die Einwilligung bei Teilen der Behandlung rechtswidrig ist. Somit können in derartigen Konstellationen sowohl der aufklärende als auch der behandelnde Arzt, der die Aufklärung auf einen Dritten delegiert hat, wegen fehlerhafter Aufklärung haften. Insbesondere kann sich der behandelnde Arzt/Operateur nicht durch den bloßen Verweis darauf, er habe die Durchführung der Aufklärung auf einen Facharzt delegiert, wirksam exkulpieren. Da es sich bei der Aufklärung um eine Hauptpflicht aus dem Behandlungsvertrag handelt, muss er sich selbst zuvor überzeugen, dass die an einen Dritten weitergegebene Durchführung dieser Pflicht ordnungsgemäß erfüllt wurde. Hier sind folglich an die Auswahl, Überwachung und Kontrolle hinsichtlich des die Aufklärung durchführenden dritten Arztes hohe Anforderungen zu stellen (so auch BGH, Urteil vom 07.11.2006, AZ: VI ZR 206/05).
R. Decking et al.
Bei einer Operation ohne wirksame Einwilligung haftet der Aufklärende auch ohne Beteiligung an der folgenden Operation für eine rechtswidrige Körperverletzung und den daraus entstandenen Körperschaden (BGH NJW 1980, 1905). Daraus resultierend erscheint sinnvoll, dass der Operateur, der eine Aufklärung nicht selbst durchgeführt hat, sich am Tag vor der Operation im persönlichen Gespräch selbst davon überzeugt, ob der Patient die Aufklärung verstanden hat und keine Fragen mehr bestehen und dieses Gespräch dann auch dokumentiert.
6.3.2 Wer muss aufgeklärt werden? Aufgeklärt werden muss in der Regel der Patient. Da der Patient durch die Aufklärung in die Lage versetzt werden soll, trotz fehlender medizinischer Fachkenntnisse selbst die Vor- und Nachteile abwägen zu können und damit die Tragweite des beabsichtigten Eingriffs zu erfassen, kann im Einzelfall eine Aufklärung des Patienten problematisch sein (BGH, Urteil vom 07.11.2006, AZ: VI ZR 206/05). Bei ausländischen Patienten muss sich der Arzt selbst vergewissern, ob der Patient der deutschen Sprache mächtig ist und die Tragweite seiner Entscheidungen versteht. Die bloße abschließende Unterschrift des Patienten reicht nicht aus (OLG Oldenburg VersR 1996, 978, OLG Nürnberg MedR 1996, 213). Ist sich der Arzt nicht sicher, dass die Deutschkenntnisse des Patienten ausreichend sind, um den geplanten Eingriff zu verstehen, muss ein Dolmetscher eingeschaltet werden. Dieser muss jedoch keine Fachkraft sein (OLG Karlsruhe, VersR 1997, 241). Allerdings ist die Bereitstellung eines Dolmetschers, z.€ B. nach der Rechtsauffassung der baden-württembergischen Landesärztekammer, nicht Aufgabe des Arztes. Die Organisation eines Dolmetschers kann somit in der Regel durchaus dem Patienten zugemutet werden (Kamps 2006). Auch kann von einem Patienten erwartet werden, selbst auf seine Verständigungsprobleme hinzuweisen (OLG Hamm, VersR 2002, 717). Soweit der Patient folglich den Eindruck erweckt, der deutschen Sprache hinreichend mächtig zu sein, weder mangelndes Verständnis zu verstehen gibt noch einen Wunsch nach einem Dolmetscher äußert, sollte dies vom Arzt umfassend dokumentiert werden (Zeu-
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gen hinzuziehen), so dass dann auch eine Dolmetschergestellung nicht notwendig ist. Der Patient muss einwilligungsfähig und einsichtsfähig sein. Die hier besprochen Hüfttotalendoprothesen werden nur sehr selten bei jugendlichen Patienten implantiert, doch diese seltenen Fälle erfordern eine ganz besondere Beachtung. Grundsätzlich ist die Einsichtsfähigkeit von der Geschäftsfähigkeit (nach Vollendung des 18.€ Lebensjahrs) zu unterscheiden. Die Einsichtsfähigkeit in die Tragweite eines ärztlichen Eingriffes kann im Einzelfall schon bei einem Patienten vorhanden sein, der das 14.€Lebensjahr vollendet hat. Kann das Kind oder der Jugendliche die Tragweite seiner Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme nach Auffassung des Arztes noch nicht verstehen oder aber bei besonderen Risiken, wie sie bei der Implantation einer Totalendoprothese sicher vorliegen, ist der Arzt jedoch verpflichtet, die Sorgeberechtigten (in der Regel beide Eltern) über den geplanten ärztlichen Eingriff aufzuklären und eine Einwilligung beider Eltern einzuholen. Öfter als minderjährige Patienten werden bei geplanten Hüft-TEP-Implantationen psychisch kranke oder demente Patienten vorgestellt, bei denen die Einsichtsfähigkeit ggf. eingeschränkt ist. Bei psychisch kranken Patienten kommt es rechtlich ebenfalls nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf die Einsichtsfähigkeit an. Bei jedem Kranken muss der Aufklärende kritisch hinterfragen, ob dieser die Einsichtsfähigkeit in die jeweilige Maßnahme besitzt. Ist der Patient nach Auffassung des Arztes nicht einwilligungsfähig, muss die Einwilligung durch einen Betreuer, der von einem Vormundschaftsgericht bestellt werden muss, eingeholt werden.
6.3.3 Wann muss aufgeklärt werden? Eine Einwilligung zu einem operativen Eingriff ist nur wirksam, wenn der Patient zuvor die Argumente für und wider eines Eingriffs abwägen kann. Daher muss die Aufklärung nicht nur umfassend, sondern auch zeitlich so gelegt sein, dass dem zu Behandelnden bis zum Beginn der Maßnahme noch eine ausreichende Überlegungsfrist bleibt. Damit muss der Arzt dem Patienten bei geplanten großen Maßnahmen wie operativen Eingriffen zumindest einen Tag – nicht am Vorabend – zuvor aufklären (BGH v. 07.04.1992,
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NJW 1992, 351). Bei planbaren größeren Operationen sollte die Aufklärung möglichst schon zum Zeitpunkt der Terminvereinbarung erfolgen. An dieser Stelle ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch die früher bekannte sog. 24-Stunden-Regelung gerade bei schweren und mit großen Risiken versehenen Eingriffen nicht immer greift. Vielmehr muss dem Patienten sogar die Möglichkeit gegeben werden, Rücksprache mit Angehörigen zu führen und auch ggf. eine zweite Meinung einholen zu können. Dass ohnehin auch bei für den behandelnden Arzt unter Umständen als Routineeingriff zu bezeichnenden elektiven endoprothetischen Eingriffen die Aufklärung am Vortag schon erheblichen Risiken begegnet, muss ausdrücklich betont werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung beispielsweise auch der Vorabend nicht mehr zum Vortag gehört, so dass selbst bei einer Aufklärung am Vortag dies dann in den Vormittagstunden, möglichst auch deutlich für den Patienten abgegrenzt durch die äußeren Rahmenbedingungen (z.€ B. noch in Zivilkleidung) erfolgen sollte. Eine Alternative und eine größere rechtliche Sicherheit kann hier eine so genannte „Doppelaufklärung“ erreichen, mit einer ersten Aufklärung bei der Terminvergabe und einer zweiten Folgeaufklärung vor der Operation (BGH NJW 1992, 2351). Schwierigkeiten bei der Organisation eines Klinikablaufs rechtfertigen ein Aufschieben der Aufklärung nicht. Die Aufklärung darf daher z.€B. nicht deshalb verzögert werden, weil sich der Chefarzt die Entscheidung über die Operation vorbehalten hat und einen Patienten erst am Tag der Operation bei der Chefarztvisite sieht (OLG Stuttgart VersR 2002, 1428). Nicht rechtzeitig ist die Aufklärung, wenn sie direkt vor dem operativen Eingriff geschieht und dem Patienten der Eindruck vermittelt wird, er könne sich nicht mehr gegen die ärztliche Maßnahme entscheiden (BGH MedR 1995, 20). Ausnahmen bilden hier nur Notfalleingriffe: Dann gilt: Je notwendiger der Eingriff und je dringender die Indikation, umso geringer sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Ist, um Schaden vom Patienten abzuwenden, ein sofortiges ärztliches Eingreifen erforderlich, kann auch auf eine Aufklärung verzichtet werden. Der Umfang einer Aufklärung darf mit der Dringlichkeit des Eingriffs korrelieren (BGH NJW 1991, 2349), anderseits darf die Dringlichkeit eines Eingriffs nicht fehlerhaft dramatisiert werden (BGH NJW 1990, 2928). Dieses
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bedeutet bei der in der Regel elektiven Implantation einer Hüfttotalendoprothese, dass die Aufklärung rechtzeitig und ausführlich erfolgen muss.
6.3.4 Über was muss aufgeklärt werden? Aufzuklären ist über „Anlass, Dringlichkeit, Umfang, Schwere typischer Risiken, Art, Folgen und mögliche Nebenwirkungen des geplanten Eingriffs, seine Heilungs- und Besserungschancen, Folgen einer Nichtbehandlung und Behandlungsalternativen“; (Bundesärztekammer 1990). Über das Misserfolgsrisiko eines Eingriffs muss auch dann aufgeklärt werden, wenn dieser Eingriff in diesem Krankenhaus noch nie misslungen ist (OLG Koblenz, VersR 2004, 1564). Während interessanterweise allgemein bekannte Risiken, wie z.€ B. Wundheilungsstörungen nicht unbedingt ausdrücklich erwähnt werden müssen (BGH NJW 1991, 1541), müssen schwerste Risiken auch dann aufgezeigt werden, wenn sie sehr seltene und für den Laien überraschende, aber für den Eingriff typische Komplikationen darstellen. Hier wird ein Risiko für die Komplikation von 0,05 bis 1€% als aufklärungsbedürftig eingeschätzt (BGH NJW 2006, 2108), das OLG Stuttgart (NJW RR 1999, 751) hielt auch ein Risiko von unter 0,1€% für relevant. Da die Rechtsprechung gerade in diesen Bereichen äußerst einzelfallbezogen ist, sollte auch bei extrem seltenen statistischen Risiken hierüber eine Aufklärung erfolgen, wenn deren Realisierung das zukünftige Leben schwer belastet. Selbst die statistisch kaum noch erfassbare Kinderlähmung bei Poliolebendimpfung ist nach der Rechtsprechung daher aufklärungspflichtig. Um zukünftig abgesichert zu sein, sollten daher keine Prozent-/Promillegrenzen für die Aufklärung statisch gezogen werden. Zudem ist gerade auch bei Elektiveingriffen dringend aufzuklären über die Möglichkeit einer präoperativen Eigenblutspende sowie über das Risiko einer HIV- und Hepatitis-Infektion bei dem Erfordernis einer Fremdblutgabe. Der Patient ist über die Art, den Umfang und die Durchführung des beabsichtigten Eingriffs aufzuklären. Jedoch müssen dem Patienten nicht alle Einzelheiten des Verlaufs eines Eingriffs bekannt sein. Hier reicht eine Information über das Wesen des Eingriffs im Großen und Ganzen aus. Ebenso sind mögliche
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Behandlungsalternativen anzusprechen, etwa wenn neben der operativen auch eine konservative Behandlung möglich ist, selbst wenn der Arzt diese Methoden nicht als gleichwertig ansieht (BGH VersR 2005, 836). Die Vor- und Nachteile sind gegenüberzustellen, so dass sich der Patient selbst entscheiden kann, welche Alternative er wählt. Allerdings müssen hier nur echte Behandlungsalternativen genannt werden. Der Patient muss nicht ungefragt über neue therapeutische Verfahren unterrichtet werden, die sich noch in der Erprobung befinden. Auch bei der weithin üblichen und sicherlich auch sinnvollen Verwendung von Aufklärungsbögen muss ausdrücklich betont werden, dass es für die Art und Weise der Aufklärung auf das ArztPatienten-Gespräch ankommt. Aufklärungsbögen können daher nur eine sinnvolle Ergänzung und einen erheblichen Beweiswert haben, das Gespräch jedoch niemals ersetzen. Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs muss es dem Patienten möglich sein, sich über die Erfolgschancen einer Therapie sowie über die Folgen eines möglichen Misslingens eindeutig zu informieren (BGH NJW 1981, 1319). Hier genügt dann die Aufklärung im Großen und Ganzen nicht mehr (BGH VersR 1980, 1145). Nicht aufklärungspflichtig ist zudem die Tatsache der Beteiligung eines Anfängers an dem Operationsgeschehen sowie die immer bestehende Möglichkeit eines Behandlungsfehlers (nicht der Realisierung einer Komplikation). Auch im Hinblick auf die apparative und personelle Ausstattung besteht zunächst keinerlei Aufklärungspflicht, es sei denn, es handelt sich um eine technisch-apparative Ausstattung in der unteren Bandbreite der von Wissenschaft und Praxis akzeptierten Norm und es bestehen daher anderenorts deutlich bessere Heilungschancen. Dies kann sich beispielsweise aus baulich-hygienischen Verhältnissen ergeben. Demgegenüber besteht aber keine Aufklärungspflicht über eine unter Umständen bessere Ausstattung und/oder „modernere“ Behandlung in sog. Großkrankenhäusern. Prinzipiell ist eine Einwilligung zu einem ärztlichen Heileingriff sowohl mündlich als auch schriftlich möglich. Da der Arzt in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren die Beweislast für eine „ordnungsgemäße, vollständige, zeitgemäße und richtige Selbstbestimmungsaufklärung“ trägt (BGH MedR 1990, 329), werden in der ärztlichen Praxis gerne standardisierte Einwilligungen (vorformulierte, indika-
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tionsbezogene Aufklärungsbögen) verwendet. Diese bieten den Vorteil der sicheren schriftlichen Dokumentation und werden in den meisten Fällen regelmäßig gemäß der derzeitigen Rechtsprechung aktualisiert. Diese Bögen können vor allem vor einem Gespräch als Vorabinformation ausgegeben werden und sollten dann während des Gesprächs mit handschriftlichen Bemerkungen erweitert werden. Sicher aber sollten diese Bögen nicht unkritisch und ohne Kenntnis einer Bewertung der aktuellen Rechtsprechung verwendet werden, da der aufklärende Arzt für seine Aufklärung verantwortlich und haftbar zu machen ist. Bei einer weitestgehend mündlichen Aufklärung sollte die Dokumentation von anwesenden Zeugen obligat sein und kann auch bei schriftlichen Einwilligungen sinnvoll sein. Eine Dokumentation der erfolgten Aufklärung hat auf jeden Fall in den Krankenunterlagen zu erfolgen, egal ob diese Aufklärung mündlich oder schriftlich durchgeführt wurde. Die Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht ist, ebenso wie die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung, eine Hauptpflicht aus dem Behandlungsvertrag und nicht nur eine Nebenpflicht (BGH NJW 1984, 1808). Sie hängt so eng mit der Behandlungspflicht des Arztes zusammen, dass der Arzt nachweisen muss, dass er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Im Hinblick auf die Aufklärung ist ferner zu berücksichtigen, dass die vorstehenden Darlegungen sich zunächst originär auf die sog. Selbstbestimmungsaufklärung beziehen. Hinsichtlich der Frage, wer wen wann aufzuklären hat, können diese Darlegungen auch bezüglich der sog. Sicherungsaufklärung/therapeutischen Aufklärung entsprechend berücksichtigt werden. Hinsichtlich des Aufklärungsumfanges ergeben sich jedoch in diesem Kontext weitergehende Pflichten: So kann die Notwendigkeit der Aufklärung über das Verhalten vor und nach anstehenden Heileingriffen seitens des Patienten ebenso notwendig sein wie die Aufklärung über die Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen bzw. die Wiedervorstellung des Patienten. Neben der richtigen postoperativen Belastung und der Einnahme von verordneten Medikamenten können weiter auch Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer insoweit angepassten Lebensweise entstehen. Somit sind die diesbezüglichen Aufklärungspflichten inhaltlich auch nicht mit der Durchführung der operativen Maßnahme abgeschlossen. Diese Teile der Aufklärung können selbstverständlich auch bereits vor der Durchführung der OP als auch im Nachgang hierzu
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erfolgen, sind jedoch ebenfalls Teil der Aufklärung und können bei etwaigen Schadensfällen erhebliche Nachteile mit sich bringen, wenn die Voraussetzungen nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind.
6.4 I nfektionsprophylaxe, Thromboseprophylaxe, Prophylaxe heterotoper Ossifikationen R. Decking und H. Reichel
6.4.1 Infektionsprophylaxe Das Auftreten einer Infektion nach Implantation einer Hüftendoprothese ist eine verheerende Komplikation. Folgen sind hohe Morbidität und lange Hospitalisierung der Patienten, entsprechende Folgekosten und deutlicher Einfluss auf die durchschnittliche Überlebenszeit der implantierten Endoprothesen. In der Regel sind zur Therapie einer Infektion weitere operative Eingriffe nötig. Die meist notwendige Entfernung der Endoprothese mit großen knöchernen Defekten und entsprechenden Weichteiltraumata resultiert im weiteren Verlauf in einer deutlichen Funktionseinschränkung. In seltenen Fällen kann eine nicht beherrschbare Infektion bis zur Amputation der betroffenen Gliedmaße oder zum Tod des Patienten führen. Die Inzidenz periprothetischer Infektionen wird in verschiedenen Studien mit etwa 1€ % angegeben. Es kann jedoch angenommen werden, dass diese Infektionsrate unterschätzt wird, da die Langzeitkontrolle der meisten Studien zeitlich und prozentual begrenzt ist und vermutet aseptische Revisionen teilweise auf ein septisches Krankheitsbild zurückzuführen sind (Trampuz und Zimmerli 2006). Gewisse Patientenpopulationen weisen eine höhere Prädisposition zur Infektion nach Hüft-TEP auf. Als Risikofaktoren sind hier Voroperationen am gleichen Gelenk, Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, Psoriasis, begleitende Immunsuppression, ein reduzierter Ernährungs- und Allgemeinzustand sowie Adipositas und weit fortgeschrittenes Alter zu beachten (Brause 2005). Der Patient selbst ist eine der wichtigsten Quellen für die Wundkontamination, die zur Protheseninfektion führen. Daher sollte die körperliche Untersuchung und Anamneseerhebung Eintrittspforten an der Haut
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und vor allem dem operiertem Bein und dem Fuß (eingewachsene Fußnägel, Interdigitalräume) ausschließen. Zahnärztliche und urologische Eingriffe sollten, wenn immer möglich, vor dem anstehenden Hüfteingriff abgeschlossen sein, bei erhöhten Entzündungslaborparametern sollte eine präoperative Fokussuche erfolgen. Wegen der zunehmenden Risiken einer Ausbreitung Methicillin-resistenter Staphylokokken (MRSA und MRSE) wird ein generelles stationäres Screening auf diese Erreger diskutiert. Die Kosteneffektivität und das Rational eines Komplett-Screenings aller stationär aufgenommener Patienten im Vergleich zu einem gezielten Screening ist jedoch immer noch nicht evaluiert (Tacconelli 2008; Keshtgar et€al. 2008). Bei Patienten mit einer Vorgeschichte oder anamnestischem Kontakt zu MRSA-Keimen sollte ein solches Screening und ggf. die gezielte Dekontamination möglichst vor der stationären Aufnahme erfolgen. Das Umfeld im Operationssaal ist ein weiterer wichtiger Faktor, der die Kontamination der chirurgischen Wunde beeinflusst. Eine Reduktion der Anzahl des anwesenden Personals, die konsequente chirurgische Desinfektion und das sterile Eindecken des Situs, die Verwendung eines Laminar-Airflows im OP-Saal und die chirurgische Technik tragen entscheidend zu einer Reduktion der Rate tiefer Protheseninfekte bei (Hanssen und Rand 1999; McAuley und Moreau 1998). Endoprothetisch versorgte Gelenke werden am häufigsten durch lokale, während der Operation eingebrachte Bakterien kontaminiert. Seltener sind hämatogene oder per continuitatem fortgeleitete Bakterien. Das Erregerspektrum besteht in fast zwei Drittel der Fälle aus grampositiven Bakterien, wobei Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken die wichtigsten auslösenden Keime darstellen. Dieses hat einen direkten Einfluss auf die Auswahl der prophylaktisch verwendeten Antibiotika. Die generelle Verwendung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe ist ein wichtiger Faktor in der Reduktion der Infektionsrate bei totalendoprothetischem Gelenkersatz. Während sich ein Vorteil durch antibiotische Prophylaxe bei Eingriffen ohne Einbringen von Fremdmaterial nicht nachweisen lässt (Pavel et€al. 1977), hat sich die routinegemäße Gabe von Antibiotika beim künstlichen Gelenkersatz fest etabliert (Trampuz und Zimmerli 2006; Brause 2005; Szell et€al. 2006). Schon 1981 konnte in einer plazebokontrollierten Studie bei Hüft-TEP-Implantation eine
R. Decking und H. Reichel
Reduktion der Infektionsrate mit prophylaktischer Cephazolin-Gabe von 3,3 auf 0,9€% beschrieben werden (Hill et€al. 1981).
6.4.1.1 Antibiotikaprophylaxe Medikament╇ Das ideale prophylaktische Antibiotikum muss das wahrscheinliche Keimspektrum möglichst genau abdecken, schnell bakterizid wirksam sein, eine adäquate Halbwertzeit besitzen und gleichzeitig kostengünstig sein. In der Regel erfüllen die Cephalosporine der ersten (Cefazolin/2€ g i.€ v.) oder zweiten Generation (Cefuroxim/1,5€ g i.€ v.) dieses Anforderungsprofil und werden daher in der Gelenkchirurgie am häufigsten eingesetzt. Allerdings sollte jedes Krankenhaus seine postoperativen Infektionen systematisch erfassen und evaluieren, da lokal auftretende resistente Stämme durchaus eine Anpassung der eingesetzten Substanzen notwendig machen können. Zeitpunkt Die durch das Antibiotikum erreichte antibakterielle Gewebekonzentration muss schon zur Hautschnittzeit vorliegen und bis zur Nahtzeit aufrechterhalten werden. Experimentelle und klinische Studien haben gezeigt, dass die Antibiotikagabe 60–30€min vor Hautschnitt erfolgen sollte. Dauer In der Regel reicht die einmalige Antibiotikagabe als Infektionsprophylaxe aus, wobei manche Zentren die Prophylaxe bis auf 24€ Stunden ausdehnen. Dieses kann insbesondere bei längeren OP-Zeiten oder besonderem Risikoprofil sinnvoll erscheinen. Es besteht jedoch Konsens, dass eine Prophylaxe über 24€Stunden nur zu einer Resistenzentwicklung beiträgt und keine weitere prophylaktische Wirkung zu erwarten ist (Trampuz und Zimmerli 2006; Brause 2005).
6.4.2 Thromboseprophylaxe Thromboembolische Komplikationen nach Hüfttotalendoprothesenimplantation stellen eine vitale Bedrohung dar und sind häufige Ereignisse. Ohne eine mechanische oder medikamentöse Prophylaxe treten nach Hüft-TEP bei 40–60€% der Patienten tiefe Venenthrombosen, bei 15–25€ % proximale Venenthrombosen und bei 0,5–2€ % tödliche Lungenembolien auf. Ohne Thromboseprophylaxe sind Lungenembolien die häufigste Todesursache nach totalendoprotheti-
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schen Eingriffen an der unteren Extremität. Symptomatische und tödliche Lungenembolien treten häufiger nach Hüft- als nach Kniearthroplastik auf (Lieberman und Hsu 2005). Für die Entscheidung, welche Form der Thrombosepropyhlaxe gewählt werden sollte, sind neben den operationstypischen Risiken auch die patienteneigenen Risikofaktoren einzubeziehen. Dispositionelle Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie sind: • Malignome, • schwere Infektionen, • Schwangerschaft und Postpartalzeit, • Alter >â•›50 Jahre (mit weiterer Risikozunahme bei steigendem Alter), • Therapie mit oder Blockade von Sexualhormonen (inkl. Einnahme von Kontrazeptiva), • chronisch-venöse Insuffizienz, • Body-Mass-Index über 30€kg/m2 • Herzinsuffizienz NYHA III oder IV, • nephrotisches Syndrom, • venöse Thrombophilie in der Vorgeschichte, • Hämostasedefekte (angeboren oder erworben). In der aktuellen interdisziplinären Leitlinie (unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie) wird eine abgestufte Risikoabwägung für die Notwendigkeit einer Thromboembolieprophylaxe empfohlen (Enke et€al. 2003). Die jeweilige aktualisierte Fassung der AWMF-Leitlinie findet sich im Internet: http://www.awmf.org. Elektive größere orthopädische Eingriffe an der unteren Extremität gehören per se in die Gruppe mit der höchsten Risikoklassifikation und sollten damit auf jeden Fall von einer medikamentösen Prophylaxe begleitet werden. Diese sollte abhängig von den weiteren Risikofaktoren ausgewählt und ggf. im Verlauf modifiziert werden. Bei jeder medikamentösen Prophylaxe müssen die Kontraindikationen und ggf. notwendige Laborkontrollen beachtet werden.
6.4.2.1 M edikamentöse Thromboseprophylaxe Für die medikamentöse Thromboseprophylaxe bei Hüft-TEP werden augenblicklich in Deutschland am häufigsten die niedermolekularen Heparine (NMH), seltener das Pentasaccharid Fondaparinux und unfraktioniertes Heparin (UFH) eingesetzt.
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Die Vitamin-K-Antagonisten vom Kumarintyp (wie z.€B. Warfarin) werden dagegen vornehmlich in den USA verwendet, in Europa aber wegen der notwendigen Laborkontrollen (INR) und den erhöhten Blutungsrisiken in der Regel nur zur Langzeitprophylaxe verschrieben (Geerts et€al. 2004). Standardtherapie ist heute die täglich einmalige Gabe eines niedermolekularen Heparins (NMH). Da es sich hier um eine uneinheitliche Substanzgruppe handelt, müssen die unterschiedlichen Wirkungen, Indikationsgebiete und Dosisempfehlungen beachtet werden. Während sich einige NMH bei pauschalierter Dosierung auch bei Hochrisikopatienten als sichere Prophylaxe erwiesen haben, müssen bei anderen die Dosis gewichtsadaptiert angepasst werden. Da bei schweren Niereninsuffizienzen mit erhöhten Blutungsraten gerechnet werden muss, sind bei diesen Patienten die Dosen entsprechend zu reduzieren. Auf jeden Fall sind daher die präparateigenen Dosisempfehlungen in Abwägung des Risikoprofils zu beachten. Die früher übliche Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin (UFH) wird sowohl wegen der täglich mehrmalig notwendigen subkutanen Applikation als auch wegen des höheren Risikos einer HIT€ II nur noch selten durchgeführt. Bei den heparininduzierten Thrombozytopenien unterscheidet man einen mäßig ausgeprägten, zeitweisen Thrombozytenabfall (HIT€I) von der immunologisch vermittelten Thrombozytopenieform HIT€ II. Die HIT€ II ist eine schwerwiegende und gefährliche Komplikation bei Heparinanwendung. Prinzipiell kann sie bei jeglicher Heparingabe auftreten, wird jedoch viel seltener nach NMH als nach UFH-Gabe beobachtet. Das Auftreten von Antikörpern wird bei unfraktioniertem Heparin in etwa 10€% der Fälle, die manifeste Thrombozytopenie (etwa 10- bis 15fach häufiger als bei den niedermolekularen Heparinen) in 2–3€ % der Fälle beobachtet. Hierbei fallen die Thrombozytenzahlen in der Regel zwischen dem 5. bis 14.€Tag (selten bis zum 21.€Tag) nach Beginn der Heparinanwendung unter 80.000/µl bzw. unter 50€% des Ausgangswerts. Sie können dann in ca. 50–70€% der Fälle mit venösen und arteriellen Thromboembolien einhergehen. Daher ist die wöchentliche Kontrolle der Thrombozytenzahl über die Dauer der Heparinprophylaxe erforderlich. Das Auftreten einer HIT€II kann mit Komplikationen bis zum Verlust der Extremität und dem Tod des Patienten verbunden sein. Daher sollte schon bei erstem Verdacht die Heparintherapie abgebrochen, eine
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entsprechende Diagnostik eingeleitet und auf ein alternatives Präparat (z.€ B. Fondaparinux, Danaparoid) gewechselt werden (Enke et€ al. 2003; Rader 2007; Warkentin 2006).
6.4.2.2 Rückenmarksnahe Anästhesie Im Vergleich mit allgemein anästhesiologischen Verfahren senken spinale oder epidurale Anästhesieverfahren die Thromboserate. Grund ist vermutlich die einhergehende sympathische Nervenblockade mit Vasodilatation und einem größeren Blutfluss in den unteren Extremitäten (Lieberman und Hsu 2005). Nach gehäuften Fallberichten über intraspinale Blutungen sollte jedoch die Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin berücksichtigt werden, wonach bei elektiven Eingriffen niedermolekulare Heparine in den 10–12€Stunden vor Punktion/Katheterentfernung nicht und erst wieder 2–4€Stunden nach Punktion/Katheterentfernung erneut appliziert werden sollten. Deutlich kürzere empfohlene Zeitintervalle können bei unfraktioniertem Heparin eingehalten werden (Enke et€al. 2003; Rader 2007). 6.4.2.3 M edikamentöse Thromboseprophylaxe Die medikamentöse Thromboseprophylaxe mit NMH ist Standard in Europa und wird in der Regel präoperativ begonnen, üblich ist die tägliche Einmalgabe. Bei Patienten mit thromboembolischer Vorgeschichte oder Risikofaktoren ist die Dosis zu erhöhen. Die orale Prophylaxe mit Fondaparinux dagegen darf generell erst postoperativ erfolgen. Insgesamt ist eine Fortführung der Thromboseprophylaxe für 5–6€Wochen nach Operation erforderlich, wobei die genaue Länge der postoperativen Anwendung weiterhin umstritten ist (Enke et€al. 2003; Rader 2007). 6.4.2.4 Physikalische Thromboseprophylaxe Die physikalische (mechanische) Thromboseprophylaxe ersetzt in der Hüftendoprothetik die medikamentöse Maßnahmen nicht. Sie hat aber einen hohen Stellenwert, um das Auftreten thromboembolischer Ereignisse zu senken. Hier sollte darauf geachtet werden, die Zeitspanne der Immobilisation postoperativ möglichst kurz zu halten und unmittelbar aktive und passive Bewegungsübungen zu beginnen. Die Patienten sind außerdem zu Eigenübungen anzulei-
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ten. Es empfiehlt sich, eine intensive Kreislauf- und Atemtherapie durchzuführen. Sorgfältig angepasste Kompressionsstrümpfe können die Blutströmungsgeschwindigkeit bis in die Beckenvenen deutlich erhöhen. Zunehmende Beachtung findet auch in Europa die intermittierende pneumatische Kompression, z.€B. durch pneumatische Unterschenkel- oder Fußpumpen (Eisele et€al. 2007).
6.4.3 P rophylaxe heterotoper Ossifikationen Die Ausbildung heterotoper Ossifikationen (HO) nach Implantation einer Hüftgelenksendoprothese ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen. In der internationalen Literatur werden bei Patienten ohne Prophylaxe Inzidenzen zwischen 3 und 90€% aller Fälle beschrieben. Höhere, klinisch eher signifikante Grade (Brooker Typ€3 und 4) treten in 7–10€% aller Fälle auf. Ätiologie und Pathogenese von ektopen Knochenneubildungen sind bis heute noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert wird vor allem eine Transformation der im Bindegewebe lokalisierten mesenchymalen pluripotenten Knochenvorläuferzellen, die ein Osteoid bilden. Andererseits wird auch weiterhin eine Versprengung von „lebenden“ Knochenzellen durch den operativen Eingriff als Ausgangspunkt für eine Knochenneubildung genannt. Bei der Differenzierung der Mesenchymzellen kommt dem Bone-Morphogenic-Protein-4 (BMP-4) eine zentrale Bedeutung zu. Das Prostaglandin-E2 ist offensichtlich ein wichtiger Kofaktor in der Entstehung. Histologisch unterscheiden sich heterotope Ossifikationen nicht von orthotopem Knochen und sind damit nicht wie oft vermutet „Verkalkungen“ des Weichteilgewebes. Der reife Knochen einer HO enthält hämatopoetisches Knochenmark (Eulert et€al. 1997). Höhergradige Ossifikationen können, müssen aber nicht zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führen. Viele Autoren berichten über prolongierte postoperative Schmerzen, die oft wieder verschwinden können, wenn die Ossifikationen nach 6 bis 12€Monaten ausgereift sind. Eine Reihe von Risikofaktoren für die Entstehung der HO sind beschrieben. Mit hoher Sicherheit gehören zu diesen vor allem vorbestehende heterotope Ossifikationen, das männliche Geschlecht und ein hohes Alter. Patienten mit heterotopen Ossifikationen in einem ipsilateralen Gelenk in der Vor-
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<1cm
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Abb. 6.1↜ Radiologische Einteilung von Brooker. (Aus Vaeckenstedt 2003)
geschichte tragen ein höheres Risiko als Patienten mit bekannter HO auf der Gegenseite. Als Risikofaktoren genannt, aber nicht durchgehend bestätigt, werden Morbus Bechterew, idiopathische Skeletthyperostosen, Morbus Paget, die posttraumatische Arthrose, die hypertrophe Koxarthrose mit großen Osteophyen, beidseitige Koxarthrosen, vorbestehende Hüftarthrodesen und die rheumatoide Arthritis. Ob der operative Zugangsweg oder die OP-Technik eine Rolle spielen, wird kritisch diskutiert, klare Hinweise finden sich bei den sehr unterschiedlichen Studiengruppen nicht (Eulert et€ al. 1997; Board et€ al. 2007; Zehetgruber et€al. 2005).
6.4.3.1 Radiologie Radiologisch stellen sich HO nicht vor 4–6€ Wochen postoperativ dar und sind in der Regel nach 6–12€Monaten ausgereift. International hat sich die radiologische Einteilung von Brooker et€al. (1973) (Abb.€6.1) durchgesetzt. Es werden vier Grade anhand des anteroposterioren Röntgenbildes unterteilt: • Grad 1: Knocheninseln innerhalb des periartikulären Weichteilmantels, • Grad 2: knöcherne Sporne ausgehend entweder von Femur oder Becken, mit einem Mindestabstand von 1€cm, • Grad 3: der Abstand zwischen den Knochenspornen beträgt weniger als 1€cm, • Grad 4: scheinbare Ankylose durch heterotope Ossifikationen.
Bei Grad-4-Ossifikationen entsteht oft durch Überlagerungen im a.€ p.-Strahlengang der Eindruck einer manifesten Ankylose, das sich aber in der klinischen Untersuchung nicht immer bestätigt. Nur in einem Bruchteil der Fälle mit radiologisch sichtbaren Ossifikationen kommt es zu bleibenden Schmerzen und für die Patienten störenden Funktionseinschränkungen. Die Diskrepanz zwischen radiologisch sichtbaren HO und funktionellen Einschränkungen machen die Beurteilungen der vorliegenden Studien und darauf folgenden Empfehlungen von prophylaktischen Maßnahmen schwierig.
6.4.3.2 Medikamentöse Prophylaxe Da therapeutisch bei klinisch symptomatischer HO nur ein operatives Vorgehen mit Resektion des gebildeten Neuknochens in Frage kommt, wird in der Regel einer Prophylaxe der Erkrankung ein hoher Stellenwert beigemessen. Allerdings besteht in der Einschätzung, ob eine generelle Prophylaxe bei allen Hüft-TEP-Implantationen angezeigt ist, international kein Konsens. Obwohl eine standardisierte Prophylaxe in den entsprechenden deutschen Leitlinien aufgeführt und von vielen Autoren empfohlen wird, verweisen andere Studiengruppen auf die Risiken und Nebenwirkungen der Begleittherapien sowie die Seltenheit einer bleibenden funktionellen Einschränkung auch bei radiologisch ausgeprägter HO (Eulert et€al. 1997; Board et€al. 2007; Zehetgruber et€al. 2005; Neal et€al. 2000; Knelles et€al. 1997; Fransen et€al. 2006). Die beiden hauptsächlich
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Bestrahlung hat natürlich durch den dann funktionell noch nicht eingeschränkten Patienten hohe logistische Vorteile. Wie jede Anwendung ionisierender Strahlung beinhaltet auch die prophylaktische Bestrahlung Nichtsteroidale Antiphlogistika Nichtsteroidale AntiÂ� des Hüftgelenks theoretisch ein geringes Risiko für phlogistika (NSAR) blockieren die Produktion von eine Tumorauslösung im bestrahlten Gewebe. Bisher Prostaglandinen, insbesondere von Prostaglandin-E2, gibt es keine dokumentierten Fälle über bestrahlungsund hemmen damit das Auftreten von heterotopen induzierte Tumoren bei den verwendeten StrahlungsOssifikationen. Potentielle Risiken bestehen vor allem dosen von unter 30€Gy. Dennoch sollte diese Therapie in der Auslösung gastrointestinaler Störungen bis hin bei jüngeren Patienten nur sehr kritisch angewendet zu Blutungen und in Nierenschäden. Obwohl eine pro- werden und eher eine pharmakologische Prophylaxe phylaktische Wirkung bei fast allen NSAR besteht, erwogen werden. liegen Studien vor allem für Indomethacin, Ibuprofen und Diclofenac vor, die alle eine Reduktion der peri- Ergebnisse Obwohl die Vor- und Nachteile beider artikulären Verknöcherungen nachweisen konnten. Behandlungsmöglichkeiten in einer ganzen Reihe Aspirin scheint das Auftreten aber nicht zu unterbin- von Studien evaluiert worden sind, ergeben sich zwiden (Neal et€al. 2000). schen den Arbeiten ausgeprägte Streuungen in dem Eine pharmakologische Prophylaxe sollte mög- zeitlichen Ablauf und der Länge der Prophylaxe, den lichst früh postoperativ (ggf. auch schon präoperativ) verwendeten Dosen, dem eingeschlossenen Patientenbegonnen werden und zumindest für 7, bei unkompli- gut und den verwendeten Messinstrumenten. In einer ziertem Verlauf eher für 14 oder 21€Tage fortgeführt Metaanalyse randomisierter Studien, die die Effektiwerden. In einem Cochrane Review unter Einschluss vität beider prophylaktischer Maßnahmen vergleicht, von 16 randomisierten Studien zur perioperativen konnten Pakos und Ioannidis (2004) eine leicht höhere Gabe von NSAR kommen Fransen und Neal zu dem Effizienz für Bestrahlungen im Vergleich mit NSAR, Schluss, dass die Gabe von Nichtsteroidalen Antiphlo- vor allem bei der Entstehung radiologisch höhergistika eine wesentliche Reduktion der Inzidenz von gradiger HO belegen. Insgesamt war der errechnete radiologisch nachweisbaren HO bewirkt. Allerdings Unterschied des absoluten Risikos zwischen den einverbleiben hier für eine abschließende Beurteilung zelnen Behandlungsgruppen jedoch klein. Im direkten Fragen bezüglich der Nebenwirkungen der verwen- Vergleich mit einer Prophylaxe mit NSAR müssen deten Medikamente und vor allem Unsicherheiten außerdem auch die höheren Kosten und der zusätzim funktionellen (nicht radiologischen) Benefit, ins- liche logistische Aufwand bewertet werden, was vor besondere was die Langzeitresultate betrifft (Fransen allem in Zentren mit hohen Patientenzahlen und/oder und Neal 2004). räumlich getrennter Strahlentherapie massive Auswirkungen hat. Augenblicklich führt die Kodierung einer Bestrahlung Bei der perioperativen Bestrahlungspro- perioperativen Bestrahlung im DRG-System im Stanphylaxe wird vermutet, dass durch die Inhibition der dardfall nicht zu einem höheren Erlös. pluripotenten Mesenchymzellen eine osteogene DifIn Zusammenschau der vorliegenden Daten ferenzierung und damit das Auftreten einer HO ver- erscheinen sowohl nichtsteroidale Antiphlogistika als hindert wird. Ausgereifte Zellen hingegen sollen durch auch die perioperative Bestrahlung effektiv genug, um ihre niedrigere Mitoserate weitestgehend gegen eine das radiologisch verifizierte Auftreten von heterotopen Schädigung ihrer DNA geschützt sein. Ossifikationen signifikant reduzieren zu können, wobei Eine Bestrahlung erscheint nur in einem Zeitraum die Bestrahlung eine etwas bessere Wirkung erwarten von <4 Stunden präoperativ bis <72 Stunden post- lässt. Die Entscheidung für eines der beiden Verfahren operativ sinnvoll. Zwar ist eine Bestrahlung bis zu sollte jedoch durch die Verfügbarkeit, die Praktikabili16–20€ Stunden präoperativ noch wirksam, die pro- tät, die Kontraindikationen und Nebenwirkungen und phylaktische Wirkung ist jedoch weniger ausgeprägt. die Kosten bestimmt werden. Inwieweit aber durch Sowohl prä- als auch postoperativ hat sich die einma- den routinemäßigen Einsatz einer Prophylaxe (auch in lige Bestrahlung mit einer Dosis von 5–8€ Gy durch- Abwägung der Risiken und Nebenwirkungen) ein echgesetzt. Vor allem die eingriffsnahe präoperative ter Vorteil im funktionellen Langzeitergebnis für die angewandten Prophylaxeschemata bestehen in der systemischen Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika oder einer lokalen perioperativen Bestrahlung.
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Patienten zu erwarten ist, kann bei der Heterogenität der Studien und den uneinheitlich ausgewählten Messinstrumenten augenblicklich nicht sicher beurteilt werden.
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zusätzlicher bildgebender Diagnostik, genau bestimmt werden.
6.5.2 Bildgebende Diagnostik zur Planung
6.5 Präoperative Planung T. Mattes, R. Decking und H. Reichel Funktion und Haltbarkeit einer Hüfttotalendoprothese sind neben anderen Faktoren wesentlich von einer korrekten, der individuellen Anatomie angepassten Auswahl und Positionierung der Implantate abhängig (Coventry et€ al. 1974; Müller 1975; Pagnano et€ al. 1996; Wan et€al. 2008). Eine individuelle präoperative Planung dient hierbei der Erfassung der Anatomie, funktioneller Störungen, Festlegung des Zuganges und Vorauswahl der Implantate. Mögliche Probleme können frühzeitig erkannt werden. Eine Grobplanung der Art und Größe der Implantate erleichtert die Logistik im OP, bei Bedarf müssen ggf. zusätzliche Implantate bereitgestellt werden. Anamnestische Daten, die klinische Untersuchung sowie Röntgenaufnahmen sind hierfür die Grundlage.
6.5.1 K linische Untersuchung und Anamnese Anamnestisch müssen mögliche Voroperationen oder Verletzungen im OP-Gebiet erfragt werden. Veränderungen der knöchernen Anatomie, z.€ B. nach intertrochantären Umstellungsosteotomien oder Frakturen werden durch die Röntgendiagnostik näher erfasst und hinsichtlich möglicher Konsequenzen für die TEP-Implantation und die Auswahl der Implantate bewertet. Veränderungen der Weichteile sowie Narben müssen bei der Zugangswahl berücksichtigt werden. Bei der klinischen Untersuchung erfolgt die Erfassung und Dokumentation der Hüftgelenksbeweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode. Insbesondere auf eine mögliche Beuge- und Adduktionskontraktur ist hierbei zu achten. In Abhängigkeit des geplanten operativen Zuganges (besonders bei minimal-invasiven Zugängen) sind hierbei ggf. weitere Zugänge zum Muskel-Release (z.€B. perkutane Adduktorentenotomie) vorzusehen. Beinlängendifferenzen müssen präoperativ klinisch erfasst und durch Ausmessen im Stehen oder mit
Die präoperative konventionelle Röntgendiagnostik dient der Erfassung der Anatomie und ist Basis für die Planungsskizze (Eggli et€ al. 1998; Müller 1975). Historisch erfolgt die Planung an Röntgenfilmen mit Auflegen von Planungsschablonen der jeweiligen Prothesenmodelle (Abb.€ 6.2). Eine direkte Planungszeichnung auf dem Röntgenfilm mit Bleistift oder Non-permanent-Marker ist möglich, eine Pauszeichnung auf Transparenzpapier jedoch zu bevorzugen. Änderungen sind hier einfacher zu realisieren und unterschiedliche Planungen leichter miteinander zu vergleichen. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Bildgebung sind Filmfolien nur mit erheblichem Aufwand verfügbar. Planungsskizzen lassen sich aber auch auf Basis digitalisierter Aufnahmen erstellen. Fremdaufnahmen können im DICOM-Format oder über Scanner in ein vorhandenes PACS übernommen werden. Verschiedene Software-Anwendungen mit Planungsmodulen für Hüftendoprothesen sind verfügbar. Prinzipielle Unterschiede zwischen händischer Planung am Röntgenbild oder digitaler Planung am Rechner bestehen jedoch nicht. Ein wesentlicher Vorteil der digitalen Planung besteht darin, dass auf Grundlage der gleichen Daten ohne jeweils erneute Zeichnung unterschiedliche Prothesenmodelle zeitsparend geplant und miteinander verglichen werden können. Voraussetzung hierzu ist, dass die Daten der verwendeten Prothesen in die Software integriert sind. Zusätzlich lassen sich in der digitalen Planung einfach Messungen von Strecken und Winkeln durchführen. Insbesondere für computernavigierte Implantationstechniken oder Herstellung von Individualprothesen sind auch dreidimensionale Planungstools verfügbar (Iglic et€ al. 1993; Noble et€ al. 2003). Auf Basis von CT-Daten und den 3D-Modellen der Prothesen kann in multiplanaren Schichten (s.€Abb.€6.2) und im 3D-Oberflächenmodell geplant werden. Ungenauigkeiten aufgrund von Fehlprojektionen oder Vergrößerungsfaktor lassen sich hierbei eliminieren. Nach wie vor erfolgt jedoch im Wesentlichen eine geometrische Planung. Die Möglichkeit von simulierter
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Abb. 6.2↜ 3D-Planung mit multiplanaren Rekonstruktionen (Navitrack, Zimmer)
Impingement-Analyse, Berechnung und Darstellung dynamischer Kräfte und Berücksichtigung von Belastungsverteilung am Prothesen-Knochen-Interface sind Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, in komplexer Anwendung in Standardprogrammen
jedoch nicht verfügbar. Eine 2D-Planungssoftware mit Berücksichtigung statischer Kräfte ist erhältlich, jedoch bisher nicht weit verbreitet (Babisch et€ al. 2002). Im Folgenden wird deshalb die nach wie vor in
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Abb. 6.3↜ „Klassische Folienplanung“ – Beckenübersicht mit aufliegender Schablone für Schaftplanung
der Routine am häufigsten angewendete geometrische 2D-Planung näher beschrieben.
6.5.3 Technik der präoperativen Planung Die Planung erfolgt üblicherweise an einer a.€ p. tief eingestellten Beckenübersichtsaufnahme (Abb.€ 6.3) mit Zentralstrahl auf die Symphyse. Zum Ausschluss von Rotationsfehlern sollte darauf geachtet werden, dass die Foramina obturatoria symmetrisch abgebildet sind und die Verlängerung des Steißbeins auf die Symphyse trifft. Der Abstand Oberrand der Symphyse zum Steißbein sollte etwa 2€ cm betragen. Zusätzlich kann bei der Schaftplanung ein axiales Bild der betroffenen Hüfte hilfreich sein. Bei der Vermessung von Längen und Komponentengrößen ist ein Vergrößerungsfaktor zu berücksichtigen. Dieser beträgt in der Regel 1,10–1,15. Bei der Schablonenplanung ist der Vergrößerungsfaktor vermerkt und bei der Auswahl der jeweiligen Schablone zu berücksichtigen. EDV-gestützten Planung erfordert zu Beginn der Planung die Eingabe des Faktors oder seine Bestimmung über einen Referenzkörper.
6.5.4 Auswahl der Implantate Durch die Implantation der Hüfttotalendoprothese sollten bei der primären Koxarthrose die anatomischen Verhältnisse nach Möglichkeit wieder hergestellt wer-
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den (Babisch et€al. 2002; Doehring et€al. 1996; Iglic et€ al. 1993). Dies bedeutet, dass prä- und postoperativ Drehzentrum, Offset und Trochanter-major-Höhe identisch sein sollten. Zur richtigen Auswahl der Implantate ist es wichtig, die individuelle Anatomie zu erkennen. Durch einfaches Auflegen der Planungsschablonen auf das Röntgenbild kann hier schnell erfasst werden, ob eine Übereinstimmung der Passform zwischen knöcherner Anatomie und Prothesengeometrie besteht. Bei erheblicher Deformität können hierbei die Landmarken der Gegenseite als Planungsziel verwendet werden. Alternativ können digitale Planungsschablonen auf EDV-Basis verwendet werden (Abb.€6.4). Mittels Beckenübersichtsaufnahme erfolgt die Bestimmung der Pfannen- und Schaftmorphologie, zusätzlich lassen sich der CCD-Winkel und das Offset bestimmen (Abb.€6.5), Damit wird die Vorauswahl eines geeigneten Prothesenschafts und Pfannenimplantats getroffen.
6.5.4.1 Schaftauswahl Im Schaftbereich werden drei Morphotypen anhand der Markraumform (Abb.€ 6.6) unterschieden – trompetenförmiger-, zylindrischer- und dysplastischer Typ. Je nach Morphologie kommen unterschiedliche zementfreie Schafttypen zur Auswahl, die der Anatomie angepasst sind. Andernfalls muss der Schaft zementiert werden. In Abb.€ 6.3 ist die Prothesenplanung bei einer Dysplasiekoxarthrose für drei unterschiedliche Schaftphilosophien dargestellt. Sowohl die Rekonstruktion der Biomechanik als auch Passform lässt sich in diesem Beispiel am Besten mit einem Konusschaft erreichen (s.€Abb.€6.4c). 6.5.4.2 Pfannenauswahl Die Vorauswahl des Pfannensystems erfolgt ebenfalls mit Hilfe der Schablonen und des Röntgenbilds. Bei normalen anatomischen Verhältnissen können in der Regel zementierte und unzementierte Pfannen verwendet werden. Schraub- und Press-fit-Pfannen sind alternativ verwendbar. Bei reduzierter Tiefe der knöchernen Pfanne kann möglicherweise eine konische Schraubpfanne oder eine polabgeflachte hemisphärische Pfanne Vorteile bieten. Ist eine vollständige Knochendeckung, z.€ B. bei dysplastischem Azetabulum nicht möglich, müssen spezielle Implantate geplant werden. Mit entsprechenden Schablonen kann auch
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154 Abb. 6.4↜ Alternative Schaftplanung mit digitalen Planungsschablonen. (a) Geradschaft (CLS, Zimmer). (b) anatomisch adaptierter Schaft (OPTAN, Zimmer). (c) konischer Schaft (Wagner Konusschaft, Zimmer)
to
fa
T
k CCD° sa
I m
t
M
Abb. 6.5↜ Vermessung von CCD, Offset und Beinlängenveränderung; T Trochanter-major-Spitze, M medialster Punkt Trochanter minor, k Köhler-Tränenfigur-Linie, t Trochanter-major-Linie, m Trochanter-minor-Linie; sa Schenkelhalsachse, fa Femurmittelachse, to Offset; l Beinlängenlinie
überragt. Dadurch wird der Knorpel-Knochen-Verlust durch das Ausfräsen planerisch kompensiert. Während die Größenauswahl der Pfanne im Wesentlichen die Primärstabilität und den Knochenverlust bei der Azetabulumpräparation beeinflusst, kommt der Größenauswahl des Schafts eine zentrale Bedeutung für die Beinlänge und die Muskelspannung zu. Der Schaft muss zur stabilen Verankerung den notwendigen kortikalen Kontakt des jeweiligen zementfreien Schaftsystems oder den erforderlichen Zementmantel von ca. 4€ mm proximal und 1–2€ mm distal bei den zementierten Systemen. Beinlänge, Bewegungsausmaß und Weichteilspannung des Gelenks werden von der Länge und dem Winkel des Prothesenhalses, dem Durchmesser des Prothesenkopfes und dem Abstand der Prothesenschulter zur Trochanterspitze beeinflusst. Da das Rotationszentrum und das Offset planerisch berücksichtigt werden können, lassen sich bereits in dieser Phase Komplikationen wie Beinlängendifferenz und Luxationsneigung reduzieren.
6.5.5 Planungsskizze eine zusätzliche Schraubenfixation der Pfanne geplant werden (Abb.€6.7). Nach Auswahl der auf die individuelle Morphologie passenden Implantate erfolgt mittels der Planungsschablonen die Größenauswahl der Implantate. Die Pfannengröße wird so gewählt, dass die Pfannenschablone die Projektion des Azetabulum um etwa 1€mm
6.5.5.1 Rotationszentrum Zur Wiederherstellung weitgehend normaler anatomischer Verhältnisse muss das Rotationszentrum des anatomischen Hüftgelenks rekonstruiert werden. Bei Nichtbeachtung der Position des Drehzentrums konnte in verschiedenen Studien (Doehring et€al. 1996; Iglic
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Abb. 6.6↜ Unterschiedliche anatomische Schaftmorphologie. (a) trompetenförmiger Typ. (b) zylindrischer Typ. (c) dysplastischer Typ
Abb. 6.8↜ Planung des Drehzentrums durch Spiegelung von der Gegenseite Abb. 6.7↜ Planungsskizze einer Dysplasiepfanne mit zusätzlicher Schraubenplanung
et€al. 1993; Jerosch et€al. 1997; Johnston et€al. 1979; Yoder et€al. 1988) gezeigt werden, dass insbesondere eine Lateralisation und Kranialisierung die resultierende Kraft im Gelenk erheblich erhöht. Zur Planung wird der Hüftkopfmittelpunkt mittels Schablonen bestimmt und markiert. Bei erheblicher Veränderung des anatomischen Rotationszentrums kann bei normaler kontralateraler Seite das Rotationszentrum der Gegenseite gespiegelt werden (Abb.€6.8).
Bei pathologischen Verhältnissen wie der Dysplasiekoxarthrose kann jedoch eine Medialisierung und Distalisierung, bei der Protrusionskoxarthrose eine Lateralisierung bewusst angestrebt werden. Nach Auswahl der Implantate und Festlegung des Rotationszentrums erfolgt die Zeichnung der Planungsskizze mit Übertragung der Knochenkontur der zu versorgenden Beckenseite auf Transparentpapier. Bei der EDV-gestützten Planung kann unmittelbar im digitalen Röntgenbild begonnen werden, das Rotationszentrum festzulegen.
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nung wird dieser Schritt direkt von der Software übernommen.
Abb. 6.9↜ EDV-gestützte Vermessung der Pfanneninklination
6.5.5.2 Planungsskizze der Pfanne Zur Zeichnung der Planskizze für die Pfanne werden die Pfannenschablonen auf die Pauszeichnung des Beckens aufgelegt und am vorher bestimmten Drehzentrum ausgerichtet. Das zur Anwendung kommende Pfannensystem orientiert sich hierbei an der knöchernen Anatomie. Der Unterrand der Pfanne sollte in etwa mit der Verbindungslinie zwischen dem Unterrand der Köhler’schen Tränenfiguren abschließen. Die Inklination (Abb.€6.9) sollte hierbei in ca. 40–45° zur Tränenfigurlinie ausgerichtet werden. Gleichzeitig sollte, wenn möglich, eine knöcherne Überdeckung der Pfanne am lateralen Erker angestrebt werden. Ein größerer Überstand des Implantats über den knöchernen Pfannenrand kann zu einer Reduktion der Primärstabilität führen, ebenso kann ein Impingement oder die Reizung von Weichteilstrukturen auftreten (D’Lima et€al. 2001). Abhängig von der anatomischen Situation ist in Einzelfällen ein Kontakt zwischen Implantatoberfläche und Knochen von 70€ % ausreichend. Bei pathologischem lateralisiertem Drehzentrum bei Dysplasie mit doppeltem Pfannenboden kann bei ausreichendem Knochenstock eine Medialisierung der Pfanne durchgeführt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dadurch eine Reduktion des Offset und damit eine Reduktion der Weichteilspannung eintreten kann. Die endgültige Pfannenposition wird auf die Transparentzeichnung übertragen. Bei der EDV-Pla-
6.5.5.3 Planungsskizze des Schafts Die Planung des Schafts bestimmt die Beinlänge und die Muskelspannung um die Hüfte, da sie auf dem vorher festgelegten Rotationszentrum und der Pfannenposition aufbaut (Hoikka et€ al. 1987). Soll eine Änderung der Beinlänge vermieden werden, muss das natürliche Offset ebenso wie der CCD-Winkel (s.€ Abb.€ 6.5) durch das Schaftsystem rekonstruiert werden. Zur Planung der Schaftposition wird die vorausgewählte Größe der Schaftschablone so auf das Röntgenbild aufgelegt, dass der Prothesenstiel den Markraum ausfüllt und entsprechend dem Verankerungsprinzip der inneren Kortikalis anliegt. Bei zementierten Schäften wird die Dicke des Zementmantels mit berücksichtigt. Es sollte bei korrekt sitzendem Schaft das Kopfzentrum mit dem des anatomischen Kopfes in etwa übereinstimmen. Gleichzeitig sollte dann die Trochanterlinie (Linie t, s.€Abb.€6.5) die Spitze des Trochanter major (Punkt€ T in Abb.€ 6.5) tangieren. Liegt die Trochanterlinie unter der Trochanter-major-Spitze, entsteht eine Beinverkürzung und Reduktion der Muskelspannung, liegt sie darüber, erfolgt eine Beinverlängerung und Erhöhung der Muskelspannung. Das Ausmaß der Beinlängenänderung kann an Linie m (s.€Abb.€6.5) abgelesen werden. Die Länge der Trochanterlinie (durchgezogene Linie to, s.€Abb.€6.5) zeigt die Veränderung des Offset an. Eine Verkürzung der Linie to entspricht einer Offsetreduktion und Medialisierung, eine Verlängerung dementsprechend einer Offset-Erhöhung und Lateralisation. In der Regel erhöht sich bei konventionellen Schaftsystemen mit der Größenzunahme auch das Offset. Durch Verwendung des nächst größeren oder kleineren Schafts mit demselben CCD-Winkel kann so eine Offset-Veränderung ausgeglichen werden. Bei Verankerung des Schafts kann durch weiteres Aufraffeln des Markraums der nächst größere Schaft gleich tief eingebracht werden. Damit erfolgt eine Erhöhung der Muskelspannung ohne Verlängerung des Beins. Lässt sich diese nicht erreichen, muss bei selber Schaftgröße ein Prothesenmodell mit kleinerem bzw. größerem CCD-Winkel gewählt werden. Die Veränderung der Beinlänge lässt sich, wie in Abb.€ 6.5 dargestellt, durch die Länge der Linie
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Abb. 6.10↜ Vergleich händische Planung – EDV-Planung
l (lotrechte Verbindung zwischen Köhler-Tränenfigur-Linie k und einer dazu Parallelen m durch den medialsten Punkt des Trochanter minor M) bestimmen. Eine Verlängerung der Linie l entspricht hierbei einer Beinverlängerung, eine Verkürzung analog einer Beinverkürzung. Eine Feinjustierung der Spannung und Beinlänge ist endgültig durch Verwendung unterschiedlicher Kopflängen möglich. Insbesondere eine Verkürzung bei zu groß gewähltem Schaft ist hierbei jedoch nur eingeschränkt möglich. Bei der manuellen Planung wird nach endgültiger Festlegung der korrekten Schaftgröße und -position die Schaftschablone auf dem Röntgenbild fixiert und das Transparentpapier mit der bereits eingezeichneten Pfannenplanung so aufgelegt, dass das Schaftzentrum mit dem Pfannenzentrum übereinstimmt. Verlaufen Trochanter-minor-Linie, Sitzbeinlinie und Pfannendachlinie zwischen Planungsskizze der krankhaften Seite und der Gegenseite parallel, resultiert bei Umsetzung der Planung eine Beinlängengleichheit. Bei Divergenz der Linien muss ggf. wie oben beschrieben Kopflänge, Prothesengröße oder CCD-Winkel angepasst werden.
Bei zufriedenstellender Position wird die Schaftund Prothesenkontur auf das Transparentpapier übertragen und ca. 1€cm oberhalb des Trochanter minor in die Fossa trochanterica auslaufend die Resektionslinie eingezeichnet. Das Verfahren zur Positionierung des geplanten Schafts ins Drehzentrum der Pfanne erfolgt bei EDVgestützter Planung teilweise durch manuelle Segmentierung (Abzeichnen der Knochenkonturen) oder durch automatische Segmentierung. Einzelheiten hierzu sind den Anwenderhandbüchern der jeweiligen Software zu entnehmen. Die nun komplette Planungsskizze wird durch Eintragen der geplanten Prothesendaten, der Patientendaten und des Planungsdatums vervollständigt bzw. im EDV-System gespeichert und so auch (juristisch relevant) archiviert. Abbildung€6.10 zeigt den Vergleich der Planungsskizze für den selben Patienten händisch, EDV-basiert. Auch bei korrekt durchgeführter Planung ist eine Abweichung, insbesondere von den geplanten Größen, teilweise notwendig. Die Planung ist ein statisch, in der Regel zweidimensionaler Prozess, der insbesondere die Knochenqualität und die Weichteilspannung nur indirekt einbeziehen kann. In der Planung findet
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die wichtige Auseinandersetzung mit der individuellen Anatomie und Pathologie des Patienten statt. Überraschungen bei der Operation durch fehlende Implantate lassen sich so sicher vermeiden. Eine sorgfältige Planung muss daher Bestandteil jeder Prothesenimplantation sein. Der Operationsablauf wird beschleunigt und ein sinnvoller Ressourceneinsatz ist durch Vorabplanung der notwendigen Instrumente und Implantate möglich.
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7
Operation M. Wagner, S. J. Breusch, V. Ewerbeck, P. R. Aldinger, M. Rudert, B. M. Holzapfel, K.-P. Günther, T. Gotterbarm, P. Kirschner, A. M. Halder, P. A. Grützner, F. Gebhard, G. Krischak, O. Niggemeyer, W. Rüther, U. Nöth, L. Rackwitz, M. Fürst, C. H. Lohmann, A. Niemeier, G. Zeiler und R. Gradinger
7.1 L agerung und Abdeckung des Patienten M. Wagner
7.1.1 Lagerung und Positionierung Zur Endoprothesenimplantation wird der Patient standardisiert vorbereitet. Erst unmittelbar vor der Operation erfolgt die schonende Rasur der Haut im Operationsgebiet, es wird ein Blasenkatheter gelegt und der Patient anästhesiert. Besondere Sorgfalt erfordert die Lagerung des Patienten. Mit stabilen Seitenstützen und Gurten wird der Patient so fixiert, dass sich seine Position während der Operation nicht verändert. Die Lagerung des Patienten darf intraoperativ nicht ohne Rücksprache mit dem Operateur verändert werden. Ein Kippen des Tisches in Kopftieflage z.€B. zum Stechen eines zentralvenösen Katheters führt sonst leicht zu einer Fehlpositionierung der Pfanne. Bei schwerwiegenden kontrakten Hüftfehlstellungen und Wirbelsäulendeformitäten muss bei der Lagerung des Patienten die Beckenkippung besonders berücksichtigt werden. Durch geeignete Polstermaterialien (Gelkissen, weiche Tücher) wird verhindert, dass Druckstellen entstehen. Durch Wärmesysteme vermeidet man das Auskühlen des Patienten während der Operation. Mit
M. Wagner () Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Katholisches Klinikum Mainz, St. Vincenz und Elisabeth Hospital, An der Goldgrube 11, 55131 Mainz, Deutschland E-Mail:
[email protected]
einem evakuierbaren Kissen (Vakuummatratze) kann der Patient sehr stabil gelagert werden. Grundsätzlich ist jeder handelsübliche Operationstisch für eine Hüftprothesenimplantation geeignet. Ein Extensionstisch ist nicht erforderlich. Um intraoperativ eine Bildwandleruntersuchung durchzuführen, sollte bei einem Eingriff in Rückenklage ein röntgendurchlässiger Operationstisch gewählt werden. Wird in Seitenlage operiert, lässt sich der C-Bogen über den Patienten schwenken. Zu weit kaudal positionierte Seitenstützen verhindern in der Seitenlage die Röntgendarstellung der Prothesenpfanne (Abb.€7.1). Vor dem sterilen Abdecken überprüft der Operateur die Lagerung des Patienten. Besonders bei Eingriffen in Seitenlage droht bei ungenauer oder instabiler Lagerung die Fehlpositionierung der Prothesenpfanne. Um bei Operationen in Seitenlage die Positionierung laufend überprüfen zu können, sollte die kaudale Seitenstütze am oberen dorsalen Becken angebracht werden, um das Sakrum als Orientierungshilfe zu gebrauchen. Prinzipiell sollte der Operateur die Lagerung selbst durchführen oder überwachen.
7.1.2 Abdecken Vor der Hautdesinfektion werden saugfähige Tücher angebracht, die ein Ablaufen des Desinfektionsmittels verhindern. Liegt der Patient auf einer von Desinfektionsmittel durchfeuchteten Unterlage kann es sehr schnell zur Hautschädigung, insbesondere zu Verbrennungen, kommen. Nach der Hautdesinfektion werden diese Tücher vorsichtig entfernt. Die Hautdesinfektion wird im Operationsgebiet üblicherweise dreimal durchgeführt. Dabei ist auf die vom Hersteller angegeben Einwirkzeit
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_7, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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M. Wagner
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Sets für sehr viele Operationen angeboten, mit diesen Einmalmaterialien kann die Abdeckung zeitsparend und hygienisch sicher durchgeführt werden. Bei minimal-invasiven anterolateralen Zugängen in Seitenlage empfiehlt sich ein Abdecksystem mit großen seitlichen sterilen Beuteln, um das zu operierende Bein fußbodennah, hygienisch einwandfrei einzubringen.
7.2 Zugangswege
Abb. 7.1↜ Positionierung des Röntgenbildverstärkers bei Operationen in Seitenlage
zu achten. Ein Abtrocknen der Haut ist verboten. Das zu operierende Bein wird vollständig mit Desinfektionslösung abgewaschen. Nach proximal wird die Haut bis auf Nabelhöhe bzw. bis zu den Seitenstützen abgewaschen. Die sterile Abdeckung ist ein wichtiger Teil der Infektionsvermeidung. Zum Abdecken werden zwei „steril“ angezogene Personen benötigt. Die Desinfektion der Haut und die Abdeckung haben so weiträumig zu erfolgen, dass jederzeit die Funktionsprüfung der Gelenke und eine Erweiterung der Inzision ohne Gefährdung der Asepsis möglich ist. Es ist darauf zu achten, dass die Abdeckung ausreichend am Patienten fixiert ist und nicht verrutschen kann. Löst sich die Abdeckung bei Manipulationen, wie z.€B. der Reposition des Kunstgelenks, droht die Kontamination der Wunde. Ob eine Inzisionsfolie mit oder ohne antiseptische Beschichtung verwendet werden soll, ist in der Literatur teilweise kontrovers diskutiert. Die Inzisionsfolie verhindert aber zweifelsohne ein Verrutschen der Abdeckung und trägt allein damit wesentlich zur Asepsis bei. Die Abdeckung kann mit Einmalmaterial oder wieder aufbereitbaren Abdecktüchern erfolgen. Eine Abdeckung mit sterilisierten unbeschichteten Stofftüchern ist nicht mehr zulässig. OP-Textilien sind Medizinprodukte und unterliegen strengen Vorschriften. Die Anforderungen an Abdecktücher sind in der Europäischen Norm EN13795 definiert. Die Tücher müssen gegen Keim- und Flüssigkeitsdurchtritt widerstandsfähig sein, sie sollen reißfest sein und dürfen nur wenig Partikel abgeben. Mit Kleberändern lassen sie sich einfach an der Haut des Patienten befestigen. Von vielen Herstellen werden fertig konfektionierte
Der geeignete Zugang, der nach anatomischen Gesichtspunkten ausgewählt werden sollte, ist eine wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche Endoprothesenimplantation. Ein ungeeigneter Zugangsweg kann den operativen Eingriff erheblich erschweren und auch das Ergebnis beeinträchtigen. Einerseits gibt es Operationen, die über verschiedene Zugangswege gleich gut ausgeführt werden können, andererseits gibt es operative Probleme, die sich nur durch einen ganz bestimmten Zugangsweg gut lösen lassen. Zweifellos spielen bei der Wahl der Zugangswege auch psychologische Faktoren eine wichtige Rolle, da der Operateur dazu neigt, dem ihm vertrauten Zugang den Vorzug zu geben. Dieser Neigung sollte man jedoch nur dann nachgeben, wenn der vertraute Weg auch geeignet ist. Man sollte nicht über einen ungeeigneten Zugang die Operation erzwingen oder „herbeiquälen“. Daher ist es zweckmäßig, wenn der Operateur alle wichtigen Zugangswege kennt und im jeweiligen Fall den günstigsten auswählt. In den deutschsprachigen Ländern sind die Zugänge in Rückenlage sehr weit verbreitet. Die Orientierung des Operateurs ist dabei relativ einfach, in Rückenlage kann der Patient auf dem Operationstisch kaum fehlpositioniert werden. Eine Hüftendoprothese kann in den allermeisten Fällen über jeden der beschriebenen operativen Zugänge implantiert werden. Wurde der Patient bereits einmal an der Hüfte operiert, sollte der Zugang der Voroperation nur dann gewählt werden, wenn über diesen die Endoprothesenimplantation problemlos durchgeführt werden kann. Die Durchblutung der Haut ist an der Hüfte, im Gegensatz zum Kniegelenk, nach Anlage eines neuen Zugangsweges nur selten gefährdet. In besonderen Fällen kann die Endoprothesenimplantation nur über bestimmte Zugänge erfolgen. Osteosynthesematerial am dorsalen Pfeiler kann nur über einen hinteren Zugang entfernt werden; befinden sich ektope Verknöcherungen auf der vorderen Hüft-
Operation 7â•…
163 M. tensor fasciae latae
M. gluteus medius
M. gluteus medius
M. gluteus maximus
Abb. 7.2↜ Die Operation erfolgt in Rückenlage, der Patient wird an den Rand des Operationstisches gelagert, so dass der Trochanter major die Tischkante etwas überragt. Der Hautschnitt verläuft von der Spitze des Trochanter major proximal in Richtung der Spina iliaca anterior superior und distal entlang der Femurlängsachse Tractius iliotibialis
M. gluteus medius
M. tensor fasciae latae
vordere Gelenkkapsel
Abb. 7.4↜ Zwischen dem M. glutaeus medius und dem M. tensor fasciae latae befinden sich Äste der A. circumflexa femoris lateralis, die koaguliert oder unterbunden werden. Mit Hohmann-Hebeln werden beide Muskeln nach ventral bzw. dorsal gehalten und die Hüftgelenkkapsel übersichtlich freigelegt. Die Gelenkkapsel wird inzidiert oder reseziert
chantärer Zugang mit Osteotomie des Trochanter major und nachfolgender Osteosynthese für eine primäre Hüftendoprothese nur in sehr seltenen Fällen indiziert.
7.2.1 Standardzugänge
Abb. 7.3↜ Nach Längsspaltung der Fascia lata kann der vordere Rand des M. glutaeus medius sparsam eingekerbt werden, um nach Einlegen der Hebel eine zu starke Weichteilspannung zu vermeiden
gelenkkapsel, wird man einen lateralen oder anterolateralen Zugang wählen. Der hintere Zugang hat vor allem, wenn die dorsalen Strukturen nicht rekonstruiert werden, ein etwas höheres Luxationsrisiko als Zugänge in Rückenlage. Bei Patienten mit fehlender Mitarbeit oder neuromuskulären Erkrankungen sollte daher der hintere Zugang mit Zurückhaltung angewandt werden. Eine Reihe von operativen Zugängen sind als historisch anzusehen und können heute nicht mehr allgemein empfohlen werden. So ist der ventrale Smith-PetersenZugang mit iliofemoraler Erweiterung oder ein transtro-
7.2.1.1 A nterolateraler Zugang nach Watson-Jones Indikation╇ Der anterolaterale Zugang ist ein Standardzugang zur Versorgung von Schenkelhalsfrakturen und primären Hüftprothesen. Zur Revision von Endoprothesen ist er ebenfalls geeignet. Vorteile – Nachteile – Risiken Ein Vorteil des anterolateralen Zugangs besteht darin, dass keine oder nur eine begrenzte Ablösung der Muskulatur erforderlich ist. Ein Risikofaktor dieses Zugangs ist in der Anatomie des N. glutaeus superior gegeben, der etwa 4€cm proximal der Trochanterspitze das Operationsfeld kreuzt. Dadurch kann die Darstellung des proximalen Femur erschwert sein Technik Siehe Abb.€7.2, 7.3, 7.4, 7.5, 7.6, 7.7 und 7.8.
7.2.1.2 Transglutealer Zugang nach Bauer Indikation╇ Der transgluteale Zugang ist ein weit verbreiteter Standardzugang zum Hüftgelenk, der vor-
164
Abb. 7.5↜ Nach türflügelartiger Eröffnung der Gelenkkapsel wird ein breiter Einblick in das Hüftgelenk freigegeben. Jetzt kann durch Abschieben des M. vastus lateralis die Vorderfläche des Schenkelhalses dargestellt werden. Gemäß präoperativer Planung erfolgt die Schenkelhalsosteotomie mit der oszillierenden Säge. Der Hüftkopf wird extrahiert und das Azetabulum wird mit Hohmann-Hebeln übersichtlich dargestellt
M. Wagner
Abb. 7.7↜ Bei Beginn des Wundverschlusses wird zunächst der eingangs abgelöste vordere Rand des M. glutaeus medius reinseriert
Abb. 7.8↜ Die Fascia lata wird mit einer festen Naht verschlossen. Die Wiederherstellung der Spannung der Fascia lata ist für die Stabilität der Hüfte von entscheidender Bedeutung
Abb. 7.6↜ Das koxale Femurende wird in 90° Außenrotation, maximaler Adduktion und leichter Flexion so eingestellt, dass die Markhöhle mit den Raspeln präpariert und der Prothesenschaft implantiert werden kann
wiegend in Rückenlage durchgeführt wird. Er ist aber auch ohne weiteres in Seitenlage durchführbar, wenn z.€ B. ausgedehnte Ossifikationen ventral und dorsal des Hüftgelenks über zwei Zugangswege dargestellt werden müssen. Mit ihm lassen sich Primärimplantationen und Revisionen durchführen.
Vorteile – Nachteile – Risiken Der transgluteale Zugang ist relativ einfach zu erlernen, neurovaskuläre Komplikationen sind selten. Das Azetabulum und das koxale Femurende lassen sich sehr übersichtlich darstellen. Wird die abgelöste Muskulatur nicht sorgfältig verschlossen, kann es leicht zur Insuffizienz der Abduktorenmuskulatur kommen. Bei vielen Patienten ist eine wenig störende, reversible Schwäche der Hüftabduktoren zu beobachten. Im Bereich der Muskelablösung zeigt sich gelegentlich eine ektope Verknöcherung. Technik Siehe Abb.€7.9, 7.10, 7.11, 7.12 und 7.13.
7.2.1.3 Dorsaler Zugang nach Moore Indikation╇ Der in Seitenlage durchzuführende dorsale Zugang wird zur Endoprothesenimplantation und -revision sowie zur Versorgung von Frakturen des hinteren Pfeilers verwendet.
Operation 7â•…
165
M. tensor fasciae latae
vordere Gelenkkapsel Tractus iliotibialis
M. gluteus medius et minimus M. gluteus medius
M. gluteus maximus
Abb. 7.9↜ Hautlängsschnitt an der Außenseite der Hüfte über dem Trochanter major
M. tensor fasciae latae
M. gluteus medius et minimus
M. vastus lateralis
Tractus iliotibialis
Abb. 7.11↜ Die Fasern des M. glutaeus minimus werden mit einem Raspatorium von der Hüftgelenkkapsel abgeschoben. In Richtung Azetabulum müssen der M. rectus femoris und die nach lateral auslaufenden Fasern des M. iliacus von der Gelenkkapsel abgelöst werden. Anschließend kommt die Hüftgelenkkapsel übersichtlich zur Darstellung. An der medialen und lateralen Begrenzung des Schenkelhalses werden Hohmann-Hebel angebracht, die die umgebenden Weichteile abdrängen. Etwa 4€cm proximal von der Spitze des Trochanter major verläuft der N. glutaeus superior, der geschont werden muss
M. vastus lateralis
Abb. 7.10↜ Nach Längsspaltung und Spreizung der Fascia lata werden in einer durchgehenden Inzision in Faserrichtung der M. glutaeus medius und minimus und der M. vastus lateralis unter Erhalt ihrer sehnigen Verbindung gespalten. Der ventrale Teil des Muskelverbunds wird mit einem Flachmeißel von der Oberfläche des Femur abgelöst. Die Kontinuität der Zugstrukturen der beiden Muskeln muss unbedingt erhalten bleiben
Vorteile – Nachteile – Risiken Der Vorteil dieses Zugangs ist durch die Übersichtlichkeit gekennzeichnet; es werden die kleinen Außenrotatoren abgelöst. In leichter Beugestellung von Hüft- und Kniegelenk kann ein tiefer Einblick in die Femurmarkhöhle ohne weitere Weichteilablösung oder -quetschung gewonnen werden kann. Bei adipösen Patienten sinken die
Abb. 7.12↜ Nach Inzision oder Resektion der Hüftgelenkkapsel werden Schenkelhals und Hüftkopf zugänglich. In Außenrotation kann der Hüftkopf luxiert werden. Die weitere Darstellung des Hüftgelenks und die Prothesenimplantation entsprechen derjenigen des anterolateralen Watson-Jones-Zugangs
überschüssigen Weichteile nach unten, der Weg zum Hüftgelenk „verkürzt“ sich. Ein kritischer Punkt des hinteren Zugangs besteht in der vermehrten Luxationsneigung des Kunstgelenks, wenn die dorsalen Struk-
M. Wagner
166
Abb. 7.14↜ Seitenlage des Patienten. Der Hautschnitt liegt über dem Trochanter major und verläuft in der Faserrichtung des M. glutaeus maximus und der Fascia lata
M. gluteus medius M. gluteus minimus
M. obturatorius int. M. gemellus sup. M. gemellus inf. N. ischiadicus M. piriformis M. quadratus femoris M. vastus lateralis Fascia lata
Abb. 7.13↜ Zum Wundverschluss wird die in Faserrichtung gespaltene Muskulatur adaptiert und mit Einzelknopfnähten verschlossen. Die Sehnen-Periost-Platte wird durch transossäre Nähte am Trochanter major fest vernäht
turen nicht ausreichend reinseriert werden oder die Anteversion der Prothesenpfanne bzw. Antetorsion des Prothesenschafts zu gering sind. Technik Siehe Abb.€7.14, 7.15, 7.16, 7.17, 7.18 und 7.19.
7.2.2 Z ugänge in minimal-invasiver Technik Zugänge in minimal-invasiver Technik haben in den letzten Jahren weite Verbreitung gefunden. Durch die Schonung von Muskeln und Sehnen verspricht man sich ein besseres Frühergebnis und eine schnellere Rehabilitation der Patienten. Die minimal-invasiven Zugänge verlangen teilweise Spezialinstrumente, wie z.€B. abgewinkelte Fräser und Einschläger sowie spezielle Hebel und Haken. Für alle minimal-invasiven Zugänge ist von einer nicht zu unterschätzenden Lernkurve auszugehen, die skandinavischen Prothesenregister beschreiben eindeutig höhere Komplikationsraten. In der Hand des geübten Operateurs handelt sich aber um sichere Verfahren. Speziell angepasste
M. gluteus maximus
Abb. 7.15↜ Der M. glutaeus maximus und die Fascia lata werden in Faserrichtung gespalten. Bei sehr kontrakten Hüftgelenken oder beim Oberflächenersatz kann es notwendig werden, die Sehne des M. glutaeus maximus an ihrem femoralen Ansatz einzukerben oder abzulösen. Mit dem Einsetzen von HohmannHebeln kommen der Trochanter major und die kurzen Außenrotatoren zur Darstellung. An der Hinterfläche der Außenrotatoren, Mm. piriformis, M. triceps coxae (M. obturator internus, Mm. gemelli), M. quadratus femoris kann der N. ischiadicus dargestellt werden. Nach Azetabulumfrakturen bestehen hier oft narbige Adhäsionen, die gelöst werden sollten
Instrumente sind für die minimal-invasiven Zugänge meist eine deutliche Erleichterung. Der von Berger beschriebene Zugang über zwei Inzisionen ist technisch sehr anspruchsvoll, bei Problemen ist dieser Zugang nur schlecht zu erweitern, er hat sich in den letzten Jahren kaum durchsetzen können.
Operation 7â•…
167 hintere Gelenkkapsel
M. piriformis M. gemellus sup.
M. gemellus inf. M. obturatorius int.
Abb. 7.16↜ Der M. piriformis und der M. triceps coxae werden an ihrer Insertion am Trochanter major im sehnigen Teil durchtrennt. Eine leichte Innenrotation des Beins erleichtert die Präparation, der Abstand zum N. ischiadicus wird größer. Danach kommt die Hüftgelenkkapsel zur Darstellung. Der M. quadratus femoris kann meistens erhalten werden, was vor allem beim Oberflächenersatz wichtig ist. Nach Darstellung der Hüftgelenkkapsel wird je ein Hohmann-Hebel am kranialen und kaudalen Rand des Schenkelhalses eingeführt und ein weiterer Hohmann-Hebel mit scharfer Spitze in den oberen Hüftpfannenrand eingesetzt
Abb. 7.18↜ Das koxale Femurende wird in 90° Innenrotation, maximaler Adduktion und fast rechtwinkliger Flexion mit Hohmann-Hebeln eingestellt. Die Markhöhle wird mit den Raspeln präpariert und der Prothesenschaft implantiert
Abb. 7.19↜ Der Wundverschluss erfolgt durch Naht der Gelenkkapsel, von M. piriformis und M. obturator internus der Fascia lata und der Readaptaion der Fasern des M. gluateus maximus Abb. 7.17↜ Nach Inzision bzw. Resektion der Hüftgelenkkapsel wird durch eine kombinierte Bewegung aus Innenrotation, Beugung und Adduktion der Hüftkopf luxiert. Für die Implantation einer Prothese kann jetzt die Resektionsebene gemäß präoperativer Planung mit der oszillierenden Säge vorgenommen werden. Das Azetabulum wird mit Hohmann-Hebeln übersichtlich dargestellt, es erfolgt die Pfannenimplantation
7.2.2.1 M inimal-invasiver vorderer Zugang in Rückenlage Operative Zugänge zum Hüftgelenk, die zwischen dem M. tensor fasciae latae und M. sartorius auf das Hüftgelenk eingehen, sind seit Jahrzehnten etabliert. Sie gehen auf Arbeiten von Smith-Peterson zurück. Die früher durchgeführte Ablösung der pelvitrochan-
M. Wagner
168 Abb. 7.20↜ Der Patient befindet sich in Rückenlage, der Hautschnitt verläuft über dem Vorderrand des M. tensor faciae latae. Es ist wichtig, dass der Hautschnitt nicht zu weit medial angelegt wird, um den N. cutaneus femoris lateralis nicht zu verletzen. Die Faszie des M. tensor fasciae latae wird längs gespalten und es wird stumpf auf die Hüftgelenkkapsel eingegangen
Spina iliaca ant. sup.
N. cutaneus femoris lat. M. sartorius
Inzision M. tensor fasciae latae M. sartorius M. tensor A./V. circumflexa lat. fasciae latae
Caput fibulae
T-förmige Kapselinzision vordere Kapsel
Spina iliaca ant. sup.
Abb. 7.21↜ Mit einem Hohmann-Hebel wird der obere Rand des Schenkelhalses eingestellt, mit weiteren Haken werden der M. sartorius und der M. tensor fasciae latae beiseite gehalten. Es erscheint die A. circumflexa femoris lateralis. Sie muss unterbunden werden. Eine Elektrokoagulation reicht meistens nicht aus
tären Muskulatur von der Außenseite des Ileum ist bei der Prothesenimplantation heute nicht mehr üblich. Indikation Der minimal-invasive Zugang ist für die Implantation einer Hüftendoprothese bei weitgehend normaler Anatomie geeignet. Er wird in Rückenlage durchgeführt und ist auch beim adipösen Patienten leicht durchzuführen Vorteile – Nachteile – Risiken Der Zugang durchtrennt keine Muskulatur, die Abduktoren werden
Abb. 7.22↜ Zur weiteren Darstellung muss die Aponeurose des M. rectus femoris gespalten werden, der Muskel wird dann mit einem weiteren Haken nach medial gehalten. Ein weiterer gebogener Hohmann-Hebel wird auf den vorderen Pfannrand gesetzt. Wenn der Haken nicht direkt auf den knöchernen Rand des Azetabulum gesetzt wird, droht die Verletzung der neurovaskulären Strukturen. Die Gelenkkapsel wird eröffnet, die beiden zuerst gesetzten Hohmann-Hebel werden intrakapsulär umgesetzt. Eine Doppelosteotomie des Schenkelhalses mit ventraler Basis bei gleichzeitiger leichter Außenrotation des Femurs schafft Raum und erleichtert die Entfernung des osteotomierten Hüftkopfes
geschont, der Eingriff in Rückenlage erleichtert die Orientierung. Es besteht die Gefahr den N. cutaneus femoris lateralis zu verletzen. Die Präparation des Femur ist bei kontrakten Gelenken relativ schwierig. Technik Siehe Abb.€7.20, 7.21, 7.22, 7.23 und 7.24.
Operation 7â•…
169 Lig. capitis femoris Fossa acetabuli
Facies lunata
Capsula articularis
Abb. 7.23↜ Das Azetabulum kann nun sehr gut eingesehen werden und es erfolgt die Implantation der Pfannenkomponente
Abb. 7.25↜ Der Patient ist in Seitenlage, der Operateur steht vor dem Patienten. Das kontralaterale Beinteil des Operationstisches ist abgeklappt
7.2.2.2 M inimal-invasiver anterolateraler Zugang in Seitenlage Der minimal-invasive Zugang ist eine Modifikation des Watson-Jones-Zugangs zur Implantation einer Hüftendoprothese. Er wird in Seitenlage durchgeführt. Vorteile – Nachteile – Risiken╇ Der Zugang durchtrennt keine Muskulatur und die Abduktoren werden geschont. Es besteht kaum ein Risiko für neurovaskuläre Komplikationen. Der Eingriff in Seitenlage erschwert möglicherweise die Orientierung vor allem der Pfannenpräparation. Die Präparation des Femur ist bei kontrakten Gelenken relativ schwierig. Es wird ein spezieller Operationstisch benötigt. Abb. 7.24↜ Um einen guten Zugang in die Femurmarkhöhle zu haben, wird das Hüftgelenk in Hyperextension, Adduktion und 90° Außenrotation gebracht. Das Femur muss ventralisiert werden, hierzu ist ein Weichteil-Release erforderlich, die Glutaealmuskulatur und der M. piriformis dürfen aber nicht abgelöst werden. Durch einen großen Hebel, der hinter dem Trochanter eingesetzt wird, kann das proximale Femur weiter ventralisiert werden. Es erfolgt die Implantation der Femurkomponente, anschließend der schichtweise Wundverschluss
Technik Siehe Abb.€7.25, 7.26, 7.27, 7.28, 7.29 und 7.30.
7.2.2.3 Minimierter dorsaler Zugang Der hintere Zugang kann auch weniger invasiv angelegt werden. Die Durchtrennung der Sehne des M. piriformis und des M. triceps coxae sind aber nicht zu vermeiden. Damit handelt es sich definitionsgemäß um keinen eigentlichen minimal-invasiven Zugang. Es wird auf die Darstellung des konventionellen dorsalen Zugangs verwiesen. Mit speziellen Instrumenten kann der klassische Zugang sehr klein angelegt werden.
M. Wagner
170
M. tensor fasciae latae
M. gluteus medius
Abb. 7.26↜ Schräg verlaufender Hautschnitt von der Spitze des Trochanter major in Richtung der Spina iliaca anterior superior über dem Septum intermusculare zwischen M. glutaeus medius und M. tensor fasciae latae. In gleicher Richtung wird die Faszie durchtrennt. Von distal her werden beide Muskeln mit der Präparierschere getrennt
vordere Gelenkkapsel
Abb. 7.28↜ Die Kapsel wird T-förmig eröffnet, die beiden Hohmann-Hebel werden intrakapsulär umgesetzt. Es erfolgt eine Osteotomie am Übergang zwischen Hüftkopf und Schenkelhals mit der oszillierenden Säge unter sorgfältigem Schutz durch die Hohmann-Hebel. Gemäß der präoperativen Planung erfolgt die endgültige Schenkelhalsosteotomie. Zur exakten Orientierung wird das Bein in starke Außenrotation gebracht, der Unterschenkel wird vertikal, der Oberschenkel horizontal ausgerichtet. Das herausgesägte Segment des Schenkelhalses wird entfernt, anschließend der Hüftkopf Facies lunata
M. gluteus medius
M. tensor fasciae latae
Abb. 7.27↜ Zwei modifizierte Hohmann-Hebel werden über den Schenkelhals gesetzt, der ersten dorsal, der zweiten ventral, man erkennt dann die Gelenkkapsel
Fossa acetabuli
Abb. 7.29↜ Über den vorderen und hinteren Pfannrand wird je ein modifizierter Hohmann-Hebel gesetzt. Zur Präparation des Azetabulum empfehlen sich spezielle Fräsen, die gewebeschonend eingebracht werden können. Es erfolgt die Implantation der Pfannenkomponente, üblicherweise mit gewinkelten Spezialinstrumenten
Operation 7â•…
171
4–5€ mm liegen. Ein durch Zementmanteldefekte bedingter direkter Prothesenstiel-Knochen-Kontakt ermöglicht Abriebpartikeln aus der Gelenkartikulation Zugang zum Interface, wodurch ein Osteoklasten-induzierter Osteolyseprozess in Gang gesetzt werden kann. Dieses Phänomen ist wesentliche Grundlage für die osteolytisch bedingte Lockerung oder periprothetische Fraktur, also das Versagensmuster zementierter Schäfte in der 2. Dekade. Das mechanische Versagen eines gut zementierten Prothesenstiels innerhalb der ersten 10 Jahre ist extrem selten und bei adäquater Technik sollte das Lockerungsrisiko nicht höher als 3–5€% liegen. Entsprechend der Forderung der National Institutes of Health muss für ein zementiertes Prothesensystem eine Überlebensrate von mindestens 95€% nach 10 Jahren Beobachtungszeitraum zu Buche stehen, um dessen klinischen Einsatz weiterhin rechtfertigen zu können. Abb. 7.30↜ Für die Implantation des Femur wird das Bein erneut in Außenrotation, Hyperextension und Adduktion gebracht. Mediodorsal am Schenkelhals wird ein modifizierter Hohmann-Hebel eingebracht, ein weiter Haken schützt die Abduktoren. Durch eine weitere sorgfältige Kapselablösung wird die Darstellung verbessert. Es erfolgt die Implantation des Prothesenschaftes. Zur Präparation des Schaftes empfehlen sich zur Weichteilschonung doppelt gewinkelte Raspelgriffe. Der Wundverschluss ist besonders einfach. Wurde die Gelenkkapsel belassen, wird sie mit wenigen Nähten verschlossen, anschließend, Faszien-, Subkutan und Hautnaht
7.3 OP-Technik – die Standardsituation
7.3.1.2 M arkraumpräparation und Spongiosaerhalt Bei der zementierten Verankerung ist der Erhalt von randständigem, spongiösem Knochen von wesentlicher Bedeutung. Eine ausgedehnte Spongiosaentfernung ist mit deutlich reduzierter Scherbeanspruchbarkeit des Zement-Knochen-Interface und mit höheren radiologischen Lockerungsraten verbunden. Für diesen Zusammenhang sprechen auch die deutlich schlechteren Langzeitergebnisse nach zementierten Wechseloperationen bei defizientem Knochenlager.
7.3.1 Standardschaft zementiert S. J. Breusch
7.3.1.1 Verankerungsprinzip In diesem Kapitel wird auf das gemeinsame Verankerungsprinzip zementierter Prothesensysteme eingegangen. Es ist hinreichend dokumentiert worden, dass der Langzeiterfolg mehr von der Operations- und Zementiertechnik als vom Prothesentyp abhängt. Voraussetzung für eine lange Standzeit eines jeden zementierten Schafts ist die Etablierung eines dauerhaft funktionierenden Interfaces zwischen Knochen und Zement und eines möglichst defektfreien und gut dimensionierten Zementmantels. Die Zementmanteldicke liegt wohl bei minimal 2€ mm in distalen Prothesenabschnitten und sollte metaphysär im Bereich von wenigstens
7.3.1.3 Moderne Zementiertechniken Im Vergleich zur Zementeinbringung per Hand, dem manuellen Einstopfen oder „fingerpacking“, in der 1. Generation führen moderne Zementiertechniken der 2. und 3. Generation bei Anwendung von Jet-Lavage, Markraumstopper, retrograde Zementapplikation mittels Spritze und Druckzementierung statistisch zu einer deutlichen Absenkung von rund 25€% des Revisionsrisikos nach 10 Jahren. Dabei wird die Verbesserung der Zementpenetration durch zwei wesentliche Faktoren begünstigt: zum einen durch Verwendung einer adäquaten Knochenspülung (↜Jet-Lavage), die auch aus Sicht eines verminderten Fettembolierisikos unverzichtbar ist, und zum anderen durch eine Zementeinbringung unter prolongiertem Druck (Femursiegel) im Sinne der „High-pressurising“-Technik.
172
S. J. Breusch
Abb. 7.31↜ (a), (b) Links ist am Präparat der Eintrittspunkt in der Fossa piriformis veranschaulicht. Die posteriore Ausdehnung der Schenkelhalses (Kalkar femoral) sollte reseziert werden, um die dorsolaterale Markraumeröffnung (↜rechts) zu gewährleisten
7.3.1.4 Mischtechnik und Knochenzement Klinisch wurden die besten Langzeitergebnisse mit normal- oder hochviskösen Zementen (Palacos und Simplex) berichtet. Niedrigvisköse Zemente sind mit einem höheren Revisionsrisiko vergesellschaftet. Antibiotikahaltige Knochenzemente reduzieren das Wechselrisiko nach 10 Jahren. Der Einsatz von Vakuummischsystemen kann aufgrund der vorliegenden Datenlage empfohlen werden. Im Folgenden sollen die wesentlichen operativen Schritte für die Implantation eines zementierten Prothesenstiels beschrieben werden. 7.3.1.5 Markraumpräparation Unabhängig vom Zugang sollte das proximale Femur sehr gut sichtbar und zugänglich gemacht werden. Ein gelippter oder zungenartiger Retraktor wird um den medialen Kalkar positioniert und die Fossa piriformis wird von Weichteilen befreit. Der femorale Eintrittspunkt für die Raspel und damit den Schaft liegt dorsal im Bereich des dorsalen kortikalen Ausläufers des Schenkelhalses (Calcar femorale). Es empfiehlt sich, diesen Anteil mit einem Luer oder Meißel zuerst zu entfernen (Abb.€7.31a), da sonst Markraumahlen und Raspeln nach ventral gedrückten werden. Nur die strenge dorsolaterale Markraumpräparation verhindert Implantatfehllagen (Abb.€7.31b). Zur Veranschaulichung zeigt Abb.€ 7.32a das anatomische Dilemma, bedingt durch den nach ventral wegschwingenden Schenkelhals. Folgt man dem Schenkelhals zentral, müssen zwangsläufig alle Markrauminstrumente die posteriore Kortikalis treffen, was im osteoporotischen Knochen zur Perforation und ansonsten zu Implantatfehllagen (Abb.€7.32b) führen kann.
Abb. 7.32↜ (a), (b) Am seitlichen Röntgenbild zeigt sich erst das anatomische Dilemma. Folgt man dem Schenkelhals (↜gelb) trifft die Markraumahle auf die posteriore Kortikalis (↜links), wodurch Implantatfehllagen (↜rechts) oder seltener eine intraoperative Perforation begünstigt werden. Insbesondere bei der Verwendung von Geradschäften muss besonderes Augenmerk auf die posteriore Markraumpräparation gerichtet werden (↜gestrichelt rot), intraoperativer Anhaltspunkt ist die Fossa piriformis (↜roter Pfeil, s. auch Abb.€7.31)
Im nächsten wesentlichen Operationsschritt wird der Markraum vorsichtig mit einer Markraumahle unter leichten Rotationsbewegungen eröffnet und sondiert (Abb.€ 7.33a). Dies sollte relativ leicht möglich sein, wenn der Eintrittspunkt und die Zielrichtung korrekt sind. Beim Raspeln wird ein dorsolateraler Knochenkontakt gesucht und ein dicker Spongiosamantel anterior und medial sollte erhalten bleiben (Abb.€ 7.33b). Bei zu weit medialem (cave: varus) oder anteriorem Zugang (cave: dorsale Fehllage) ist es
Operation 7â•…
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Abb. 7.33↜ Beim vorsichtig rotierenden Vorschieben der Markraumahle mit Zielrichtung Knieglenkepikondylen sollte ein dorsolateraler Knochenkontakt aufrechterhalten werden, so dass ein breiter anteriorer und medialer Spongiosamantel erhalten bleibt (↜links)
Abb. 7.34↜ Bei Geradschäften muss die Ausdehnung des lateralen Schenkelhalses mit einem Kastenmeißel mit entfernt werden, um eine Implantatfehllage in varus zu vermeiden. In jedem Fall sollte jedoch mediale und anteriore Spongiosa erhalten bleiben
häufig erschwert oder unmöglich, die Markraumahle in die Diaphyse vorzuschieben. Dieses Problem tritt besonders bei sehr fettleibigen Patienten und anterolateralem oder lateralem Zugang auf, da der ausgedehnte Weichteilmantel tendenziell alle Instrumente nach anterior drückt. Gleich mit der kleinsten Formraspel sollte die gewünschte Anterversion (i€ .d.€ R. 10–15°) berücksichtigt und vorgegeben werden (Abb.€ 7.34). Der Raspelgriff kann dabei als Anhaltspunkt in Relation
zum gebeugten Unterschenkel dienen. Anatomische Designs mit entsprechenden Formraspeln haben sich wegen besserer Schonung der Weichteile insbesondere bei anteriorem oder anterolateralem Zugang bewährt. Designabhängig kann die laterale Schenkelhalskortikalis erhalten werden, womit das Risiko der intraoperativen Fraktur mit oder ohne Trochanter-major-Abriss auf ein Minimum reduziert bleibt. Je nach Prothesensystem ist ein ca. 2€ mm dicker Zementmantel im Raspelsystem vorgegeben oder es muss eine Größe größer geraspelt werden. Dabei dient die präoperativ gewählte Prothesengröße über Schablone (und Zeichnung) als wichtiger Anhaltspunkt. Im Zweifel sollte einer kleineren Schaftgröße der Vorzug gegeben werden, um zu dünne Zementmäntel zu vermeiden. Wie schon beschrieben, kann der Erhalt von ca. 3–5€ mm kräftiger Spongiosa medial und anterior als gute intraoperative Richtlinie gelten (Abb.€7.35). Der Erhalt von spongiösem Knochen kann nur durch sorgfältige Knochenpräparation gelingen. Die Verwendung von großvolumigen Raspeln kann zu ausgeprägter Zerstörung des Knochenlagers mit Mikrofrakturen der Bälkchen und Verlegung der Knochenwaben führen.
7.3.1.6 K nochenspülung und Markraumstopper Vor Platzierung des obligatorischen distalen Markraumsperrers sollte eine ausgiebige Knochenspülung mittels pulsierender Jet-Lavage erfolgen, um das Fettembolierisiko zu minimieren (Abb.€7.36). In der Regel liegt das Spülvolumen für den femoralen Teil bei ca. 1€L. Der Zementstopper wird ca. 1,5–2€cm distal der zu erwartenden Prothesenspitze positioniert und sollte sich gut und stabil verblocken lassen (Abb.€7.37).
S. J. Breusch
174
Abb. 7.35↜ Beim Raspelvorgang muss der durch Druck nach lateral und dorsal aufrechterhalten werden (↜links). Dabei sollte wie ausgeführt anteriore und mediale Spongiosa erhalten werden. Dies gewährleistet Spongiosaerhalt für die Zementver-
zahnung und eine regelrechte Implantatausrichtung in beiden Ebenen. Im Foto rechts ist die Raspelgröße abgebildet, die der späteren Prothesengröße entspricht, womit ein Aufraspeln um eine weitere Größe erforderlich wird Abb. 7.37↜ Zementstopper
Abb. 7.36↜ Vor Einbringung des Markraumsperrers (↜rechts) sollte eine ausgiebige Markraum-Lavage (↜links) zur Minimierung des Fettembolierisikos vorgenommen werden
In Einzelfällen mit sehr weitem zylindrischen Markraum (Dorr-Typ C) kann ein intramedullär expandierbarer Markraumstopper zur Verblockung das Problem eines fehlenden Isthmus lösen. Während des Zementanmischens wird der Markraum erneut mit Jet-Lavage ausgiebig gespült, bis die Spülflüssigkeit klar abgesaugt werden kann und alle Spongiosawaben sauber erscheinen (Abb.€7.38). Dann wird der Markraum unter Belassung eines intramedullären Saugers mit H2O2-getränkter Kompresse oder Markraumschwamm zur Hämostase austamponiert. So wird das Rückblutungsrisiko am Knochen-Interface minimiert. Bei Verwendung von H2O2-Markraumtrocknung ist der intramedulläre Sauger obligat, da es sonst zu Luftembolien kommen kann. Darüber hinaus ist zu beachten, dass gelatinebasierte Markraumstop-
per durch H2O2 an- und aufgelöst werden können und es damit zum Versagen der distalen Markraumverblockung kommen kann. In diesem Fall sollte der Markraum nur mit trockenen Tamponaden dicht gepackt werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang besonders auch die Mithilfe des Anästhesisten, da im Optimalfall der systolische Blutdruck 100€mmHg während des Zementiervorgangs nicht übersteigen sollte.
7.3.1.7 K nochenzement und Anmischvorgang Wie im Einleitungsteil ausgeführt, ist die Verwendung eines gut dokumentierten Knochenzements zu empfehlen. Bei der Wahl des Zements ist auch die Erfah-
Operation 7â•…
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Abb. 7.38↜ Intraoperativer Situs nach Femurpräparation, ausgiebiger Jet-Lavage und Trocknung unmittelbar vor Zementapplikation
rung des Operateurs zu berücksichtigen, da durch Verwendung eines anderen Zements unnötige Risiken, die durch eine neue Lernkurve hinsichtlich intraoperativen Timings bedingt sind, in Kauf genommen werden müssen. Im Idealfall sollte die/der OP-Schwester/ OP-Pfleger auch in der Anmischtechnik entsprechend geschult sein, da dies nachweislich zu einem verbesserten Endprodukt des gemischten Zements führt. In aller Regel sind mindestens 80€ g Zement erforderlich, da für den prolongierten Druckzementiervorgang überschüssiges Material zur Verfügung stehen muss. In selten Fällen bei Patienten mit großen Markräumen (Typ-C-Femur nach Dorr) müssen 120€g Zement zur Verfügung stehen. Dies muss bei der Auswahl des Zementiersystems berücksichtigt werden, da nicht alle Systeme ein entsprechendes Fassungsvolumen aufweisen. Analog müssen bei sehr engen Markräumen mit Markraumstoppergrößen kleiner 12€mm, dünnere Aplikatoren verwendet werden, die von den Herstellern separat angeboten werden.
7.3.1.8 Femorale Zementapplikation Nach dem standardisierten Anmischvorgang, vorzugsweise unter Vakuum, Entfernung der Markraumtamponade und evtl. erneuter Markraum-Lavage und Trocknung erfolgt die retrograde Zementapplikation via Zementspritze von distal nach proximal. Dabei sollte der Zement eine ausreichende Viskosität erreicht haben, um eine Durchmischung mit Blut zu verhindern. In der Regel kann der Zement appliziert werden, wenn er nicht mehr am Handschuh kleben bleibt und er genügend Zähigkeit aufweist, um nicht aus dem waagrecht gehaltenen Schnorchel auszulau-
Abb. 7.39↜ Die femorale Zementapplikation erfolgt retrograd via Zementspritze unter zügigem Zementaustrieb (↜links). Nach vollständiger Auffüllung sollte sofort konstanter Druck mit dem Daumen ausgeübt werden, während der Schnorchel gekürzt und das Femursiegel angebracht wird (s. Abb.€7.40)
fen. Die retrograde Auffüllung sollte möglichst unter zügigem Zementaustrieb aus der Pistole erfolgen. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, den Schnorchel nicht zurückzuziehen, da es sonst zu Zementlaminierungen und Blutbeimischungen kommen kann. Die artefaktfreie retrograde Füllung der Markhöhle wird reproduzierbar erreicht, indem man sich vom intrafemoral applizierten Zement aus der Markhöhle unter konstantem Zementfluss nach proximal heraustreiben lässt (Abb.€ 7.39a). Dies gelingt am zuverlässigsten, wenn dieser Vorgang einhändig durchgeführt wird – ein beidhändiges Arbeiten führt häufig zum unabsichtlichen Zurückziehen und dann zum Abreißen der Zementauffüllung. In dieser ersten Phase der Zementapplikation steht das rasche, komplette Auffüllen der Markhöhle ohne Artefakte und Einblutungen im Vordergrund. Nach erfolgter Auffüllung sollte sofort mit Daumen und Kompresse Druck auf die Zementsäule ausgeübt werden (Abb.€7.39b). Der Schnorchel wird gekürzt und das proximale Femursiegel (Abb.€ 7.40(a), (b)) aufgesetzt. Durch festes Anpressen des keilförmigen Silikonkissens wird das Austreten von Zement während der nun folgenden kontinuierlicher Applikation von weiteren
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S. J. Breusch
Abb. 7.40↜ Während unter Daumendruck der Zementdruck aufrechterhalten wird (s. Abb.€7.39b), wird der Schnorchel gekürzt und das Femursiegel aufgesetzt. Der Druckzementiervorgang sollte mindestens 2–3€min betragen. Rechts kann während des
„Pressurising“ der Austritt von verdrängtem Knochenmark am proximalen Femur beobachtet werden als Hinweis für eine suffiziente Zementpenetration
Zementportionen unter Druck limitiert (Abb.€7.40c). Diese Phase ist für das Zementierergebnis entscheidend und sollte mindestens 2–3€ min betragen, um dem hochviskösen Zement ausreichend Zeit zu geben, in die Spongiosawaben zu fließen und rückständiges Knochenmark und Blut zu verdrängen. Der Zement darf nicht zu schnell komplett aus der Kartusche ausgetrieben werden, weil sonst keine ausreichend lange Druckbeaufschlagung erfolgen kann. Ein konstantes Entweichen von Zement unter dem nie vollständig abdichtenden Siegel ist die Norm. Jeglicher Druckabfall kann zum Einbluten am Interface führen und damit das Zementierergebnis gefährden. Kontinuierliches Nachgeben von kleinen Zementportionen und langsames Bedienen des Pistolenabzugs gewährleisten einen effektiven Zementiervorgang unter Druck. Wenn die Druckzementierung sachgerecht erfolgt ist, wird es zu keiner Rückblutung aus dem Knochen-Zement-Interface kommen und die Schenkelhalsosteotomiefläche bleibt bluttrocken. Quasi als intraoperative Qualitätskontrolle eines adäquaten Zementiervorgangs kann das Austreten von Knochenmark am koxalen Femurende beobachtet werden. Das Zementierergebnis mit enger und suffizienter Zementverzahnung sollte zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht sein, noch bevor die Prothese implantiert wird.
7.3.1.9 Prothesenimplantation Obwohl die Prothese selbst nochmals intramedulläre Druckspitzen bei der Implantation hervorruft, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Zement zu diesem Zeitpunkt bereits so viskös ist, dass eine weitere Zementinterdigitation limitiert ist. Die Femurkomponente sollte nicht als Pressurizer verstanden werden! Die Prothese wird also nur zum Bestimmungsort vorgeschoben und platziert. Die Implantation des Schafts sollte langsam entsprechend der Zementviskosität und in Femurlängsachse erfolgen (Abb.€ 7.41a). Analog zur Markhöhlenpräparation sollte der Eintrittspunkt für das Implantat posterolateral gewählt werden, insbesondere bei Geradschäften. Wie auch beim ersten Schritt der Markraumpräparation mittels Reibahle darf die Implantationsrichtung nicht entlang des Schenkelhalses erfolgen, da sonst Implantatfehllagen oder gar die dorsale kortikale Perforation resultieren können. Zur Protheseninsertion sollte ein Instrument verwendet werden, das ausreichende Rotationskontrolle gewährleistet. Ein mit der Prothese fest verbundenes Einführinstrument ist nicht zu empfehlen, da es unerwünschte Bewegungen durch den Operateur oder am Bein auslöst. Hammerschläge sollten bei korrektem Timing nicht erforderlich sein, da diese das Prothesen-Zement-Interface negativ beeinflusst und eine Perforation verursachen kann.
Operation 7â•…
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Abb. 7.41↜ Die Prothesenimplantation erfolgt in Femurlängsachse nach den gleichen Kriterien der Markraumpräparation. Ein distaler Zentraliser ist zu empfehlen. Rechts zeigt sich der intraoperative Situs mit adäquatem Zementmantel ohne Rückblutung am Interface
Wenn ein anteriorer und medialer Zementmantel gut erkennbar bleibt (Abb.€ 7.41b), ist die unerwünschte dorsale und varische Fehlpositionierung des Schafts vermieden. Im Idealfall resultiert ein reiner Zementköcher, der direkt die Prothese ummantelt und ein weiterer Mantel aus Zement-KnochenComposite. Schäfte mit anatomischen Designs sind mit einem geringeren Risiko von Zementmanteldefekten vergesellschaftet. Polierte Prothesendesigns haben sich auch in operationstechnischer Hinsicht bewährt, da mehr Zeit für die Prothesenimplantation verbleibt. Bei engem Markraum oder sehr großvolumigen Prothesengrößen sollte in der Regel die Prothesenimplantation etwas früher erfolgen, da mehr Zement verdrängt werden muss. Ein zu spätes Implantieren kann dazu führen, dass die Prothese nicht vollständig nach distal vorgeschoben werden kann. Das Verwenden einer distalen Prothesenzentrierhilfe (Zentraliser) ist zu befürworten, damit die Prothesenspitze vollständig von Zement ummantelt wird und der direkte Knochenkontakt verhindert wird. Bei sorgfältigem Vorgehen und Berücksichtigen aller Operationsschritte kann auch der weniger Geübte reproduzierbare Zementierergebnisse mit einem sog. „White out“ (Barrack A) auf dem postoperativem Röntgenbild (Abb.€7.42(a), (b)) erhalten.
Abb. 7.42↜ Postoperatives Röntgenbild in 2 Ebenen zeigt optimales Zementierergebnis mit ausreichendem Zementmantel ohne Zementdefekte oder Lysesäume. Dies entspricht einem sog. „white out“ (Barrack A)
7.3.2 S tandardsituation, Geradschaft unzementiert V. Ewerbeck und P. R. Aldinger
7.3.2.1 Verankerungsprinzip Eine große Zahl von zementfrei fixierten Geradschaftendoprothesen findet gegenwärtig klinische Verwendung. Ihnen allen ist das Verankerungsprinzip der Press-fit-Fixation gemeinsam. Sie unterscheiden sich in den Konfigurationen des Querschnitts, der Oberflächenstruktur, der An- oder Abwesenheit eines Implantatkragens oder weiterer Details. Gemeinsam ist ihnen die Eigenschaft, sich von proximal nach distal zu verjüngen, um so mit fortschreitender Tiefe des Eintreibens in den vorbereiteten Markraum durch zunehmend dichteren Kontakt mit der umgebenden Knochensubstanz (Press-fit) eine zunehmend höhere, primäre Verankerungsstabilität zu gewinnen. Die Verankerungscharakteristik kann trotz dieses grundlegend identischen Prinzips durchaus unterschiedlich sein: von der mehr distal
V. Ewerbeck und P. R. Aldinger
178
M. gluteus medius
M. vastus lateralis Trochanter minor
a
b
Trochanter major
Abb. 7.43↜ (a) Osteotomieebene des Schenkelhalses, hier bei luxiertem Kopf. (b) Die hier gezeigte lateral winkelförmige Schenkelhalsosteotomie ist meist nicht notwendig. Einfacher ist
die stufenlose Osteotomie, die sich bei anterolateralem Zugang mit der oszillierenden Säge von anterior nach posterior mühelos durchführen lässt
über die nahezu vollschäftige bis zur proximalen Verankerungscharakteristik. Unabhängig von dieser Verankerungscharakteristik ist die Technik der Implantation bis auf wenige Details identisch. Das im Folgenden als Beispiel gewählte Implantat (CLS – Cementless Spotorno, Zimmer, Warsaw/Indiana, USA) zeichnet sich durch folgende Konstruktionsmerkmale aus: kragenloser keilförmiger Prothesenschaft, rechteckiger Querschnitt, Verjüngung von proximal nach distal in der Frontal- und der Sagittalebene, proximal zusätzlich Längsrippen zur Erhöhung der Primärstabilität durch Oberflächenvergrößerung, sandgestrahlte Titanoberfläche. Die Verankerung des CLS-Schafts erfolgt proximal im meta- bis diaphysären Bereich.
„Viererposition“ zur Präpäration des Femurschaftmarkraums erreicht werden, jedoch ist ein Zugang mit den Instrumenten wegen der störenden lateralen Tischkante in besonders ungünstigen Fällen unmöglich. Eine intraoperative Lagerungskorrektur des Patienten ist in diesen Situationen unumgänglich. Nach Freilegung des Schenkelhalses über den vom Operateur bevorzugten Zugang, Exposition desselben über zwei intrakapsuläre Hohmann-Hebel und einen breiten Weichteilretraktor am ventralen Pfannenrand wird die Schenkelhalsosteotomie mit der oszillierenden Säge durchgeführt. Sie erfolgt lateral unmittelbar am Übergang vom Trochanter major in den Schenkelhals nach medial zu einem Punkt etwa 1–1,5€ cm proximal des Trochanter minor. Der Übergang vom Schenkelhals zum Trochanter major ist als Orientierungspunkt sichtbar. Als Anhaltspunkt für die korrekte Distanz zum Trochanter minor kann die kraniale Begrenzung des den Schenkelhals umfahrenden medialen HohmannHebels dienen. Die Osteotomie kann in den meisten Fällen gerade einschrittig, in Einzelfällen auch lateral winkelförmig erfolgen (Abb.€7.43(a), (b)). Bei der Schenkelhalsosteotomie ist darauf zu achten, dass das Sägeblatt nicht zu stark in die Anteversion geneigt wird. Die dadurch entstehende Überlänge des posterior verbleibenden Schenkelhalses ist für die Verankerung des Implantatschafts meist überflüssig, gelegentlich auch störend und kann für die Exposition
7.3.2.2 Operationstechnik Die Lagerung des Patienten erfolgt den Bedürfnissen des gewünschten OP-Zugangs folgend (s. Kap.€7.1.1). Besonders bei schwergewichtigen und sehr muskulösen Patienten ist beim anterolateralen Zugang in Rückenlage darauf zu achten, dass der Patient genügend weit auf der dem Operateur zugewandten Seite des Operationstisches gelagert wird. Das Tuberculum innominatum kann als am weitesten nach lateral reichende knöcherne Landmarke die laterale Tischbegrenzung um einige Zentimeter überragen. Bei zu weit mittig gelagerten Patienten kann zwar die sog.
Operation 7â•…
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Abb. 7.44↜ Umlagerung des Beins in die „Viererposition“
des Azetabulum hinderlich sein. Die Resektionsebene ist bei den kragenlosen Implantaten von geringerer Bedeutung als bei denjenigen mit Kragen. Bei Letzteren können Resektionsschablonen hilfreich sein. Alternativ zur geschilderten Schenkelhalsosteotomie in situ wird von vielen Operateuren die Osteotomie nach erfolgter Luxation des Kopfes aus der Pfanne bevorzugt. Nach abgeschlossener Implantation der künstlichen Hüftpfanne erfolgt bei Verwendung des anterolateralen Zugangs in Rückenlage die Umlagerung des Beins in die sog. „Viererposition“ (Abb.€7.44). Hierbei wird das Hüftgelenk so weit wie nötig flektiert, adduziert und außenrotiert, bis die Schenkelhalsosteotomiefläche und die Spitze des Trochanter majoris vollständig im Gesichtsfeld liegen. Das Kniegelenk wird ebenfalls nur so weit wie nötig gebeugt; eine Beugung über 90° ist zu vermeiden. Bei zu weit ventral gelegener Längsspaltung des Tractus iliotibialis während der Zugangspräparation kann die Traktusspannung das Erreichen der Viererposition verhindern. In diesen Fällen hilft eine Querkerbung des Traktus in Höhe des Tuberculum innominatum in einem Ausmaß von 2–3€ cm, die zum Abschluss der Operation durch kräftige U- oder Matratzennähte verschlossen werden muss. Ein Weichteilretraktor wird lateral der Spitze des Trochanter majoris unter dem Musculus glutaeus medius, ein weiterer Hohmann-Hebel entweder oberhalb oder unterhalb des Trochanter minoris
platziert. Ein dritter Retraktor kann an der lateralen Kortikalis des proximalen Femur positioniert werden. Es ist darauf zu achten, dass besonders im proximalen Teil der Wundwinkel nicht unter zu starke Spannung gerät. Notfalls muss der Hautschnitt hier um Weniges erweitert werden. Die beschriebene Zwangshaltung der unteren Extremität darf im folgenden Verlauf der Operation immer nur so weit aufrechterhalten werden, wie es der jeweils unmittelbar durchgeführte Operationsschritt erfordert. So oft wie möglich sind die Extrempositionen aufzugeben und die Spannung der Weichteilretraktoren zu vermindern. Dies begünstigt die Weichteilperfusion und reduziert die Gefahr einer thrombotischen Komplikation. Die Viererposition behindert nachweislich in gravierender Weise den venösen Rückstrom bis hin zum temporären Stillstand. Bei der häufig vorliegenden Adduktions-, Außenrotations- und Beugekontraktur muss ein subperiostales Release der kaudalen Hüftgelenkskapsel und der proximalen Adduktoren, gelegentlich auch des Iliopsoas durchgeführt werden. Gleiches gilt für die Kapselansätze im Trochanter-major-Bereich. Die achsgerechte Platzierung eines Geradschaftstiels erfordert die korrekte Ermittlung des proximalen Eintrittspunktes des Implantats in die proximale Markhöhle. Die Öffnung der Markhöhle über die sichtbare Schenkelhalsosteotomiefläche erfordert eine genaue räumliche Vorstellung des distal davon gelegenen Femurschafts. Zur Orientierung dieses Eintrittspunktes ist die Darstellung der
V. Ewerbeck und P. R. Aldinger
180
Trochanter minor
Mm. gemelli et obturatorius internus
M. piriformis
Tendo mm. gluteorum medius et minimus
Abb. 7.45↜ Anatomischer Situs: Darstellung der Fossa piriformis
Fossa piriformis Trochanter maior
Abb. 7.46↜ Exposition der Schenkelhalsosteotomie und der Fossa piriformis
Fossa piriformis (Abb.€7.45 und 7.46) ebenso hilfreich wie die Orientierung der lateralen Femurschaftkortikalis, die mit dem Zeigefinger leicht getastet werden kann (Abb.€7.48(a), (b)). Die präoperative Planzeichnung dient zusätzlich als Orientierung, wie weit lateral
Abb. 7.47↜ Kastenmeißel zur Eröffnung des proximalen Femur
der Eintrittspunkt zu liegen hat. Die mehr oder minder stark ausgeprägte Antetorsion des Schenkelhalses führt nahezu regelhaft dazu, dass das Zentrum des Eintrittspunktes nicht im Zentrum des Schenkelhalses, sondern lateral und posterior davon gelegen ist. Die präoperative axiale Röntgenaufnahme nach Lauenstein zeigt die Antetorsion des Schenkelhalses und ist damit eine weitere wichtige Orientierungshilfe. Die Öffnung der Markhöhle erfolgt durch unterschiedliche Instrumente, im vorliegenden Beispiel durch einen Kastenmeißel (Abb.€ 7.47). Der Eintrittspunkt dieses Kastenmeißels muss im Verhältnis zum Zentrum der Schenkelhalsresektionsfläche lateral und posterior gewählt werden (Abb.€7.49). Die lateralen Reste des Schenkelhalses – soweit vorhanden – werden durch diese Maßnahme regelhaft entfernt (Abb.€7.50), bei stark antetorquiertem Schenkelhalsrest ebenso die posteriore Kortikalis. Bei zentral in der Schenkelhalsosteotomiefläche gewähltem Eintrittspunkt kommt es zwangsläufig zu einer Fehlpositionierung des Implantatstiels im Sinne einer Varus-Anteversions-Fehlstellung. Die präoperativ ermittelte, korrekte Implantatgröße lässt sich bei dieser fehlerhaften Position des Eintrittspunktes nicht erreichen. Bei dem Versuch, dies bei fehlerhaftem Eintrittspunkt dennoch zu erzielen, besteht eine erhebliche Gefahr der Femurschaftsprengung. Geringe Abwei-
Operation 7â•…
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Abb. 7.48↜ Eintrittspunkt des Kastenmeißels – Orientierungshilfe durch Zeigefinger an der ventralen (a) und lateralen (b) Kortikalis des proximalen Femurs
laterale Schenkelhalskortikalis
posteriore Schenkelhalskortikalis
Abb. 7.49↜ Eintrittspunkt des Kastenmeißels lateral und posterior vom Zentrum der Schenkelhalsosteotomie. Beachte: Durch die Viererposition zeigt die laterale Kortikalis fußbodenwärts und die posteriore zur Körpermitte
chungen vom korrekten Eintrittspunkt nach anterior und medial bemerkt der Operateur gelegentlich nur, weil die gewünschte Raspelgröße sich entweder nicht oder nur in unzureichende Tiefe des Femurschafts einbringen lässt. Eine Überprüfung der Situation mittels Bildverstärker sowohl im apikalen als auch im axialen
Abb. 7.50↜ Geöffnetes proximales Femur, laterale Schenkelhalskortikalis durch Kastenmeißel entfernt
Strahlengang bei einliegender Raspel führt immer zur Aufdeckung des Problems. Nach Eröffnung des proximalen Femur mit dem Kastenmeißel wird die Markhöhle mit der Reibahle in der Längsachse mit drehenden Bewegungen eröffnet. Die Längsachse der Reibahle zeigt mit ihrer Spitze während dieses Vorgangs auf das Kniegelenk (Abb.€ 7.51a–c). Lässt sich die Reibahle nicht ohne
V. Ewerbeck und P. R. Aldinger
182 Abb. 7.51↜ (a) Öffnung des Markraumes durch Reibahle. (b) Ausrichtung der Reibahle in Richtung des Kniegelenkes. (c) Platzierung der Reibahle, anatomischer Situs
a
b
M. gluteus medius
M. vastus lateralis Spitze Trochanter major
c
größeren Widerstand in die Markhöhle hineinführen, wurde entweder ein falscher Eintrittspunkt gewählt oder es bestehen intramedulläre Hindernisse, z.€ B. nach Osteotomien des proximalen Femur. In diesen Fällen muss gelegentlich der Weg mit einem Markraumbohrer vorgebahnt werden. Nach Entfernung der Reibahle wird der Markraum mit Formraspeln aufsteigender Größe präpariert (Abb.€7.52). Als Orientierung für die korrekte Tiefe im Femurschaft dient die in der präoperativen Planung gemessene Distanz zwischen der proximalen Schulter der Raspel und der Trochanterspitze. Bereits mit der ersten Raspel ist auf eine korrekte Anteversion (10–15°) zu achten. Diese kann anhand des Raspelgriffes abgeschätzt werden. Die Summe der femoralen Antetorsion und der azetabulären Anteversion soll 25â•›±â•›7° betragen. Anzustreben ist jedoch, den
Reibahle
Winkel zwischen den beiden Implantatkomponenten der Physiologie entsprechend aufzuteilen. Die Bezugsgröße für die korrekte Ausrichtung der Raspel ist die Achse der Diaphyse und die parallel zu den distalen Femurkondylen verlaufende Ebene. Ist die Endposition mit der vorausgeplanten Raspelgröße erreicht, erfolgt eine Probereposition. Im Falle des CLS-Systems wird ein Probekonus mit dem geeigneten CCD-Winkel 125°, 135° oder 145° ausgewählt. Die Wahl des CCD-Winkels ergibt sich aus dem gewünschten Offset und der gewünschten Beinlänge. Eine Probereposition erfolgt nach Aufstecken eines Testkopfes geeigneter Länge, nachdem zuvor der Probekonus mit einer ausgezogenen Kompresse zur Erleichterung des Reluxationsmanövers angeschlungen wurde.
Operation 7â•…
183
Abb. 7.52↜ Präparation des Femurschafts durch Formraspeln
Die Wahl der Kopflänge richtet sich ebenfalls nach der gewünschten Konfiguration des Offsets und der Beinlänge. Nach erfolgter Probereposition erfolgt die Überprüfung der Gelenksituation auf korrekte Weichteilspannung durch Zug am Bein durch den Assistenten. Ein Teleskopieren des Kopfes aus der Pfanne bei relaxiertem Patienten um mehr als 1€ cm spricht für ungenügende Weichteilspannung. Ebenfalls zu prüfen sind Luxationssicherheit in maximaler Streckung und Beugung bei Innen- und Außenrotation. Als Indikator für die erzielte Beinlänge kann die Höhe der Knöchelgabel im Vergleich zur kontralateralen Seite dienen, die vom Operateur bereits präoperativ bei noch nicht abgedeckten Patienten geprüft werden muss. Eine Kontrolle der Raspel- und Pfannenposition durch Bildverstärker kann an dieser Stelle erfolgen. Hierdurch kann sowohl eine unerwünschte Achsposition der Raspel im Schaft ermittelt und ggf. korrigiert als auch anhand der Höhenbestimmung des Trochanter minoris ein zusätzlicher Indikator für die erzielte Beinlänge herangezogen werden. Bei der Reluxation ist vor allen Dingen beim muskelkräftigen Patienten darauf zu achten, dass der Probekopf sich nicht vom Konus löst und in die Muskulatur disloziert. In seltenen, misslichen Fällen ist es möglich, dass der diskonnektierte Kopf über den vorderen Pfannenrand nach medial in den Retroperitonealraum des Beckens disloziert, wo dessen Bergung nur über einen zusätzlichen Hilfsschnitt gelingt.
Nach Entfernen der Raspel wird bei wunschgemäßer Situation das Original-Implantat der entsprechenden Größe eingesetzt und bis zur vollständigen Stabilisierung eingetrieben (Abb.€7.53(a), (b)). Das Einsetzen des Implantats erfolgt zunächst von Hand in Richtung der Längsachse unter penibler Einhaltung der ehemaligen Raspelrichtung, bis ein manuelles Vortreiben nicht mehr möglich ist. In der Regel lässt sich das Implantat auf diese Weise um knapp die Hälfte seiner Länge einführen. Bei Implantaten mit Längsrippen ist eine Änderung der Einführrichtung bereits nach wenigen behutsamen Hammerschlägen auf den dafür vorgesehenen Dorn nicht mehr möglich. Sollte dies dennoch gewünscht sein, muss das Implantat zuvor vollständig extrahiert werden. Das Vortreiben des Geradschaftstiels erfolgt mit sehr dosierten Hammerschlägen. Es empfiehlt sich nicht, das Implantat zu kräftig und so schnell wie möglich einzuschlagen, da dies die Gefahr der Fissur bis zur Schaftsprengung hervorruft. Der Knochen als viskoelastisches Organ benötigt Zeit, sich der von der Markhöhle nach außen gerichteten Press-fit-Kraft anzupassen. Das komplikationsfreie Erreichen der Endposition ist keine Funktion der Kraft des Operateurs, sondern eine des Feingefühls. Die Endposition des Implantats, die durch kräftigere Hammerschläge keinesfalls überschritten werden darf, wird durch die Änderung des Tons signalisiert, der beim Einschlagen entsteht. Dieser ändert sich vom
M. Rudert und B. M. Holzapfel
184 Abb. 7.53↜ (a) Situs nach Entfernung der letzten Formraspel. (b) Situs nach Einführung des Originalimplantatschaftes. Beachte die exzentrische Position in Bezug auf den Schenkelhals!
dumpfen Klang des noch nicht stabil primär verankerten Implantats zu einem hellen, fast metallischen Klang bei Erzielen des endgültigen Press-fit. Deshalb muss während des Vorgangs des Implantateinschlagens im Operationssaal Ruhe herrschen. Falls man sich nicht sicher ist, ob die Endposition des Originalimplantats derjenigen der letzten Raspel entspricht, kann eine erneute Probereposition mit Probekopf durchgeführt werden, um die definitive Kopflänge in Abhängigkeit von Beinlänge, Weichteilspannung und Offset zu ermitteln (Abb.€7.54). Nach Aufstecken des definitiven Implantatkopfes erfolgt die endgültige Reposition und der anatomiegerechte Wundverschluss. Eine abschließende Dokumentation mittels Bildverstärker ist empfehlenswert.
7.3.3 S chenkelhals- und Kurzschaftprothesen M. Rudert und B. M. Holzapfel Durch die Verbesserung von Implantatdesign und Operationstechnik haben sowohl zementierte als auch zementlose Hüfttotalendoprothesen heutzutage 10-Jahres-Überlebensraten von 95€% und mehr (Malchau et€al. 2002). Mit zunehmender Akzeptanz werden auch immer mehr jüngere Patienten mit einer Endoprothese behandelt (Mahomed et€al. 2003). Insbesondere bei diesem Patientengut muss jedoch im Verlauf
Abb. 7.54↜ Korrekte Implantatposition im Schaft
mit einem oder mehreren Wechseleingriffen gerechnet werden (Berry et€ al. 2002; Tabutin und Cambas 2009). So steigen parallel zu den Ansprüchen dieser Zielgruppe auch die Anforderungen an ein modernes Prothesensystem. Ein wichtiges Ziel ist die möglichst physiologische Lasteinleitung in den Knochen. Nach Implantation eines Prothesenstiels in das proximale Femur führt das „bone remodelling“ nach dem Wollff’schen Gesetz zu einer Umstrukturierung des Knochens. Als Auslöser wird insbesondere die unterschiedliche Steifigkeit zwischen Knochen und Implantat angesehen. Das
Operation 7â•…
geringe Elastizitätsmodul führt zu einer verstärkten Lastüberleitung an der Prothesenspitze unter Aussparung des proximalen Femurs (s. Kap.€4). Dieses „stress shielding“ bedingt eine konsekutive Knochenatrophie am Kalkar und am proximalen lateralen Anteil des Prothesenstiels (Gruen et€al. 1979). So fand Charnley bereits 1973 bei 42,5€% seiner Patienten radiologisch nachweisbare Resorptionszonen im Bereich des Kalkar (Charnley und Cupic 1973; Oh und Harris 1978). Diese Abweichungen vom natürlichen Belastungsmuster führen dann über den resorptiven Knochenabbau zur aseptischen Lockerung. Außerdem limitiert dieser Knochenverlust die Möglichkeiten eines späteren Revisionseingriffs. Die Erkenntnisse über die begrenzten Standzeiten der diaphysär verankerten Femurstiele und die benannten Folgen des „stress shielding“ führten zur Entwicklung von proximal fixierten Femurstielen in der Hüftendoprothetik. Bei Schenkelhals- oder Kurzschaftprothesen erfolgt die Lasteinleitung in den Knochen definitionsgemäß über die mediale Kortikalis, um eine möglichst physiologische Krafteinleitung im proximalen Femur zu gewährleisten (Cook et€al. 1980; Jasty et€al. 1993; Morrey et€al. 2000). Diese Definition ist deshalb wichtig, weil das Design der unterschiedlichen Prothesentypen sehr unterschiedlich ist und das Implantat in einigen Fällen auch diaphysär zu liegen kommt (Gulow et€ al. 2007). Verschiedene osteodensitometrische und spannungsoptische Untersuchungen konnten das Prinzip der hüftgelenksnahen physiologischen Krafteinleitung bereits verifizieren und eine verminderte ossäre Atrophie im Bereich des Kalkars im Vergleich zu diaphysär verankerten Standardprothesen nachweisen (Albanese et€al. 2006; Hube et€ al. 2004; Roth et€al. 2005; Santori et€al. 2006; Chen et€al. 2009). Neben der Langzeitstabilität der Prothese, der Verbesserung der Gelenkfunktion und der Schmerzlinderung kommt dem Knochenerhalt beim Einsetzen der Prothese eine entscheidende Bedeutung zu. Das von vielen Autoren angeführte Postulat der knochensparenden Implantationstechnik wird jedoch nicht von allen proximal fixierenden Prothesentypen erfüllt, da hierbei in einigen Fällen die gleiche Resektionshöhe wie bei konventionellen Systemen gewählt wird. Die auf dem Markt befindlichen femoralen Implantatsysteme lassen sich nach Thomas et€ al. (2005) entsprechend ihrer notwendigen femoralen Resektionshöhe und der Implantatverankerung in unterschiedliche Segmente klassifizieren (Abb.€7.55)
185
Schenkelhals- und Kurzschaftprothesen ist gemeinsam, dass sie im metaphysären Segment II verankert werden. Wenn der Schenkelhals geplant oder aufgrund des intraoperativen Settings nicht direkt subkapital, sondern kopffern reseziert wird, ist eine reine metaphysäre Verankerung mit einer Schenkelhalsprothese nicht mehr möglich. Es sollte dann die Implantation einer Kurzschaftprothese erfolgen, wobei hierbei neben der Fixation im verbliebenen metaphysären Segment eine zusätzliche Abstützung im proximalen diaphysären Fragment stattfindet (Gulow et€al. 2007; Thomas et€al. 2005). Ein Implantat muss über eine hohe Primärstabilität verfügen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die vergleichsweise kleine Oberfläche der Schenkelhals- und Kurzschaftprothesen bedingt aber auch eine kleine Kontaktfläche des Implantats zum Knochen. Dies kann bei ungenügendem Press-fit Auslöser von vermehrten Bewegungen zwischen Prothese und Knochen sein und somit zu fehlender ossärer Integration führen (Engh et€ al. 1995). Vergleichende Studien konnten jedoch zeigen, dass bei korrekter Implantation von Schenkelhals- und Kurzschaftprothesen der kritische Wert der Mikrobewegungen von 150€ µm nicht überschritten wird und somit eine suffiziente ossäre Integration möglich ist (Fottner et€al. 2009). Aufgrund der Resektion im Schenkelhalsbereich ist bei diesen Prothesensystemen eine hohe Torsionsstabilität zu erwarten (Whiteside et€al. 1995). Die Implantationstechnik folgt der beim nicht zementierten Standardschaft (s. Kap.€7.3.2). Lediglich die Resektionshöhe des Schenkelhalses differiert und sollte genau geplant und intraoperativ auch mit dem Röntgenbildverstärker überprüft werden (Rudert et€al. 2007). Im Folgenden werden die bekanntesten Schenkelhals- und Kurzschaftprothesen charakterisiert und bereits publizierte Ergebnisse beschrieben.
7.3.3.1 Schenkelhalsprothesen Das erste Prothesensystem, das die oben genannten Anforderungen einer physiologischen Krafteinleitung und knochensparenden Implantationstechnik erfüllte, war die von Huggler und Jacob im Jahre 1978 entwickelte Druckscheibenprothese (Huggler und Jacob 1980; Huggler et€al. 1993) (Abb.€7.56). Dieses System nutzt zur zementlosen Fixation eine im Schenkelhals liegende Achse. Die Lasteinleitung erfolgt über ein Scheibenteil, das über einen konischen
M. Rudert und B. M. Holzapfel
186 Abb. 7.55↜ Resektionsebenen und verschiedene Verankerungssegmente am proximalen Femur. (Mod. nach Thomas et€al. 2005)
I epiphysär IA inselförmig
IB Oberflächenfräsung
IC Stumpfpräparation
II metaphysär IIA kopfnahe Resektion
IIB kopfferne Resektion
III diaphysär
Kurzschaft metaphysär fixiert ist. Ein Bolzen wird von lateral mit dem distalen Schaft verschraubt, wodurch die Biegefestigkeit des Implantats erhöht wird. Die auftretende Zuglast wird über eine extramedulläre Platte auf die laterale Femurkortikalis verteilt. Nach Modifikation des Implantats wurde dieses seit 1992 zunächst in steigender Zahl verwendet. Viele Studien berichten seitdem über gute klinische Ergebnisse v.€a. bei jüngeren Patienten (Steens et€al. 2009; Corner et€al. 2008). Der Anteil der aseptischen Stiellockerung ist jedoch im Vergleich zu diaphysär verankerten unzementierten Prothesen erhöht (Ishaque et€al. 2004; Fink et€al. 2007). Es müssen weitere Nachteile dieser Prothese festgehalten werden, die überwiegend auf das spezielle Design zurückzuführen sind. So erhöht das Scheiben-
teil die Gefahr eines Impingements mit der Hüftpfanne (Jerosch et€al. 2000). Als weiteres spezifisches Problem wird in der Literatur der Schmerz am lateralen Oberschenkel genannt. Ursächlich scheint die lateral angebrachte extramedulläre Platte zu sein, wodurch es zur Entstehung eines sog. „Laschenschmerzes“ unterhalb des Trochanter major kommen kann (Huggler et€ al. 1993). 2008 wurde die Druckscheibenprothese aufgrund der hier beschriebenen Implantat-assoziierten Nachteile vom Markt genommen. Eine weitere Schenkelhalsprothese ist die von Nguyen 1992 entwickelte Zugankerprothese (Fa. Implant Service GmbH), die sich ebenfalls nicht mehr auf dem Markt befindet. Ihre Entstehung verdankt sie der ursprünglich unzureichenden Größenauswahl der
Operation 7â•…
187
Abb. 7.56↜ Druckscheibenprothese. (©Fa. Zimmer Germany GmbH)
Druckscheibenprothese (Gold et€ al. 1996). Die langfristige intertrochantäre Fixation wird durch einen im Konus klemmfixierten Schraubenbolzen gesichert, der ähnlich wie bei der Druckscheibenprothese an der lateralen Kortikalis über einen Zuganker gesichert ist. In der Literatur wurde nur im Rahmen einer Studie von den klinischen Ergebnissen dieses Prothesensystems berichtet (Kern und Menge 1998). Das Problem des lateralen Oberschenkelschmerzes trat auch bei der Schenkelhalsprothese Typ Cigar der Fa. ESKA auf, wobei hier ebenfalls zur Anbringung einer Lasche die laterale Femurkortikalis durchbohrt werden musste. Aus der Modifikation des ursprünglichen Designs ging dann die Prothese Typ CUT (Fa. ESKA-implants) hervor, die seit dem Jahr 1997 Verwendung findet und dem Prinzip einer alleinigen inneren Fixation folgt (Thomas et€al. 2004; Abb.€7.57). Sie wird mit ihrer anatomisch gefertigten Form zwischen Zug- und Drucktrabekeln eingebracht, wo sie sich über die dreidimensional offene Verankerungsstruktur des Spongiosametalls zementfrei verankern lässt. Auch hier konnte eine dem physiologischen Ideal ähnliche proximale Krafteinleitung bereits durch Studien nachgewiesen werden (Decking et€ al. 2006; Koebke et€al. 2000). Die verschiedenen Schenkelhalsadapter ermöglichen eine individuelle Anpassung der Beinlänge und des Antetorsionswinkels (Rudert et€ al. 2007). Eine Weiterentwicklung ist die Verwendung eines Groß-
Abb. 7.57↜ CUT-Prothese. (Fa. ESKA-implants)
kopfes, wodurch eine Verlagerung des Bewegungszentrums in die natürliche Ebene erreicht wird. Hierdurch sollen ein größerer Luxationsschutz und ein vermindertes Impingement-Risiko erreicht und zugleich die Möglichkeit der tribologisch günstigen metallischen Gleitpaarung genutzt werden (Thomas 2006). In einer Studie von Thomas et€al. (2004) werden Überlebensraten von 97€ % nach durchschnittlich 3,5 Jahren berichtet. Die größere Versagerquote im Vergleich
188
M. Rudert und B. M. Holzapfel
Abb. 7.58↜ Spiron-Prothese. (Fa. K-implants)
zu konventionellen Schaftsystemen erklären sich die Autoren durch das generell schlechtere Outcome bei jüngeren Patientengruppen. Auch hier wird die Möglichkeit einer einfacheren Revision betont (Malchau et€al. 2002). Wie die ESKA-CUT-Prothese folgt auch die seit 2001 im Einsatz befindliche Spironprothese (Fa. K-Implant) dem Prinzip der inneren Fixation im Schenkelhals (Abb.€ 7.58). Sie ist als Schraube konzipiert und wird mit konischem Grundkörper und selbstschneidendem Gewinde zementfrei in den Schenkelhals eingedreht. Proximal wird die Schraube zwischen der Schenkelhalskortikalis eingepasst, distal in der Spongiosa verankert. Auf eine Abstützung an der lateralen Femurkortikalis wird dadurch verzichtet. Der Kragen, der gleichzeitig den Schraubenkopf darstellt, soll durch einschneidende Zähne an der Resektionsstelle des Schenkelhalses als Rotationssicherung dienen. Die Titanlegierung ist neben der Korundstrahlung mit einer optionalen Kalzium-Phosphat-Beschichtung erhältlich. In der Literatur wird über nur kurzfristige klinische und radiologische Ergebnisse berichtet. Im Vergleich zu herkömmlichen diaphysär verankerten Schaftsystemen ist das Prothesenvolumen auf etwa 50€ % reduziert; eine Oberflächenvergrößerung wird durch das Schraubengewinde erreicht (Birkenhauer et€al. 2004). Mittel- und Langfristige Ergebnisse dieses Prothesensystems stehen noch aus.
7.3.3.2 Kurzschaftprothesen Die erste moderne Kurzschaftprothese wurde im Jahre 1977 von Pipino in Genua konzipiert und 1979 erstmalig implantiert. Dieser Femurstiel bleibt bis heute das
Abb. 7.59↜ C.F.P.-Prothese. (Fa. Waldemar Link GmbH & Co. KG)
einzige Kurzschaftsystem, das sowohl zementiert als auch zementlos eingebracht werden kann. Schon 1987 wurde über kurz- bis mittelfristige Ergebnisse berichtet, die vielversprechend waren, wobei jedoch einige Patienten über persistierenden Oberschenkelschmerz klagten (Pipino und Calderale 1987). Basierend auf diesem von Pipino entwickelten sog. „Biodynamischen Hüftprothesenschaft“ wurde von Keller der sog. „Collum Femoris Preserving“, kurz C.F.P.-Stiel (Fa. Link) entwickelt, der sich seit 1996 im klinischen Einsatz befindet und zementfrei implantiert wird (Abb.€7.59). Der Prothesenschaft ist in frontaler sowie sagittaler Richtung gebogen und wahlweise mit einer osteoinduktiven Kalzium-Phosphat-Beschichtung erhältlich. Röhrl et€al. (2006) konnten für diese Prothese nach 2 Jahren Follow-up keine Zeichen für „stress shielding“ nachweisen, die Lasteinleitung konzentriert sich an der medialen Schenkelhalskortikalis und der proximalen Diaphyse. Gill et€ al. (2008) berichtet von einem Implantatsurvival von 100€% nach 3 Jahren. Trotz der bereits langen Zeit der klinischen Anwendung liegen bisher nur wenige wissenschaftliche Publikationen vor. Das Design der von Morrey entwickelten und im Jahre 1985 an der Mayo-Klinik erstmalig implantierten Kurzschaftprothese (sog. Mayo-Kurzschaft, Fa. Zimmer) ähnelt auf dem ersten Blick einem konventionellen Femurstiel (Abb.€ 7.60). Auch hier besteht das Prinzip, ein „stress shielding“ zu vermeiden, auf einer Verstärkung der metaphysären Fixation und einer Verkürzung des diaphysären Prothesenanteils.
Operation 7â•…
189
Abb. 7.60↜ Mayo-Kurzschaft. (Fa. Zimmer Germany GmbH)
Die rechteckige, konisch zulaufende Prothese ist an ihrem Übergang zum distalen Drittel abgewinkelt. Die Krafteinleitung erfolgt metaphysär im Bereich des Kalkar und distal am lateralen Schenkelhals durch eine Mehrpunktabstützung (Hube et€ al. 2004). Die ersten prospektiven Ergebnisse wurden im Jahre 2000 publiziert. Von 162 implantierten Prothesen mussten nach durchschnittlich 6,2 Jahren aufgrund aseptischer Lockerung 8€% gewechselt werden. In insgesamt 10 Fällen kam es zu einer intraoperativen Femurfraktur. Ein Oberschenkelschmerz wurde bei stabil integrierten Kurzschäften nicht beobachtet (Morrey et€ al. 2000). Intraoperative Frakturen traten auch in anderen Studien gehäuft auf, was die hohe Lernkurve bei der Verwendung dieses Implantates widerspiegelt (Gilbert et€ al. 2009). Hube et€ al. (2004) berichteten 2004 über insgesamt günstigere Ergebnisse. Vorgestellt wurde eine vergleichende Studie zwischen dem Mayo-Kurzschaft und einem Standardschaft, wobei insbesondere die Gruppe der Patienten, die mit einer Kurzschaftprothese versorgt wurden, nach den ersten 3 postoperativen Monaten signifikant bessere Ergebnisse aufwiesen (Hube et€ al. 2004). Nach erfolgter Modifikation des Implantats wird bei enger Indikationsstellung in der neueren Literatur über sehr gute bis gute mittelfristige Ergebnisse berichtet (Goebel und Schultz 2009; Falez et€al. 2008). Insgesamt lassen sich über den Mayo-Kurzschaft die meisten Langzeitergebnisse in der Literatur finden.
Abb. 7.61↜ Metha-Kurzschaft. (Fa. Aesculap)
Eine Weiterentwickelung hin zu einem in der Handhabung flexiblen Implantat ist der Metha-Kurzschaft (Fa. Aesculap) (Abb.€ 7.61). Ähnlich aufgebaut wie die Mayo-Prothese verfügt dieser jedoch über einen modularen Konusadapter, wodurch sich das Offset und die Antetorsion variieren lassen. Außerdem zeichnet sich diese Prothese durch eine zusätzliche mikroporöse Titanbeschichtung und eine proximal aufgebrachte Dikalziumphosphatdihydratschicht aus. Im Vergleich zur Mayo-Prothese ist dieses System insgesamt kleiner dimensioniert, wodurch zwar das Prinzip der Knochenerhaltung gewährleistet wird, jedoch bei gleicher Schenkelhalsosteotomie die korrekte Implantatpositionierung erschwert wird (Falez et€ al. 2008). Auch hier wird in der Literatur wiederholt auf die hohe Lernkurve verwiesen (Braun et€ al. 2007; Mihalko et€al. 2009). Die Verwendung der intraoperativen Fluoroskopie wird daher zur korrekten Implantatpositionierung und Schenkelhalsosteotomie empfohlen (Confalonieri et€al. 2008). Der von Ettinger et€ al. entwickelte Nanos-Kurzschaft (Fa. Smith & Nephew) stellt ebenfalls eine Weiterentwicklung nach dem Vorbild der Mayo-Prothese dar. Dieses System weist ein abgerundetes Querprofil auf. Es wurde ein trapezoider Querschnitt gewählt, um neben der Oberflächenvergrößerung auch die Rota-
190
M. Rudert und B. M. Holzapfel
Abb. 7.63↜ GHE-Kurzschaft. (Fa. ESKA-implants) Abb. 7.62↜ Nanos-Kurzschaft. (Fa. Smith & Nephew)
tionsstabilität zu erhöhen (Abb.€7.62). Die Titanplasmabeschichtung ist auch hier im proximalen Bereich zusätzlich mit Kalziumphosphat versehen. Bisher liegen auch für dieses Kurzschaftsystem nur wenig wissenschaftlichen Publikationen vor (Falez et€ al. 2008; Speirs et€al. 2007). Von Salis-Soglio und Grundei wurde im Jahre 2002 der GHE-Kurzschaft (Fa. ESKA-implants, heute Fa. Orthodynamics) entwickelt, der über dieselbe metallspongiöse Verankerungsstruktur wie die ESKA-CUTProthese verfügt und somit zur Vergrößerung der Implantatoberfläche beiträgt. Das Implantat ist vollstrukturiert, kragenlos und weist etwa 2/3 der Länge eines herkömmlichen Standardschafts auf (Abb.€7.63). Von 131 Implantaten erfolgte nur bei einem Patienten eine Revision aufgrund einer aseptischen Lockerung. Intraoperativ wurde eine Schaftfissur nachgewiesen (Gulow et€al. 2007). Das PROXIMA-Hüftsystem (Fa. DePuy) stellt eine Weiterentwicklung der Santori-Individualprothese dar, für die bereits mittelfristige klinische Ergebnisse vorliegen. Bei 131 mit der Santori-Prothese versorgten Hüftgelenken kam es nach 5,3 Jahren zu keiner Revision. Radiologische Lockerungszeichen oder Oberschenkelschaftschmerzen konnten nicht beobachtet werden (Santori et€ al. 2006). Passform und Charakteristika des PROXIMA-Hüftsystems sind mit der Vorläuferprothese annähernd identisch. Die laterale Flanke des Implantats soll für eine hohe Rotations-
stabilität sorgen. Die abgestufte Geometrie vergrößert die für die ossäre Integration zur Verfügung stehende Oberfläche. Durch eine Hydroxylapatit-Beschichtung soll die Sekundärstabilität erhöht werden. Eine lateralisierende Schaftvariante zur Offsetvergrößerung und ein XL-Kopfsystem stehen zur Verfügung (Abb.€7.64). Ghera und Pavan berichten über gute kurzfristige Ergebnisse nach einer Nachuntersuchungszeit von 1,7 Jahren. Nach Implantation des PROXIMA-Systems kam es innerhalb der Nachbeobachtungszeit zu keinem Prothesenwechsel und lediglich zu einer intraoperativen Fraktur (Ghera und Pavan 2009). Auch hier ist die bestehende Datenlage gering. Ein neues Implantat auf dem Markt ist das MiniHipSystem (Fa. Corin). Diese Prothese erlaubt ebenfalls einen Multikontakt in der Sagittalebene sowie eine Abstützung über den Kalkar. Dorsoventrale Rippen erhöhen die Rotationsstabilität. Zur Beschleunigung der Sekundärfixation ist das Implantat mit Hydroxylapatit beschichtet. Wissenschaftliche Publikationen zu diesem Kurzschaft stehen noch aus. Vergleicht man die bisher erzielten klinischen Ergebnisse der hier vorgestellten Prothesen mit denen konventioneller zementfreier Schaftsysteme in Bezug auf das Patientenalter, so muss festgehalten werden, dass die auf dem Markt befindlichen Schenkelhalsund Kurzschaftprothesen aktuell kürzere Standzeiten aufweisen (Delaunay und Kapandji 2001; Siebold et€al. 2001). Um den Einsatz solcher Systeme rechtfertigen zu können, muss der Patient eingehend über die
Operation 7â•…
191
Abb. 7.64↜ PROXIMA-Kurzschaft. (Fa. DePuy)
Vor- und Nachteile von Schenkelhalsprothesen aufgeklärt werden. Präoperativ muss auf den möglichen Knochenerhalt und die daraus resultierende potentiell gute Revisionsfähigkeit hingewiesen werden. Aufgrund des kleineren Implantatdesigns können bei gleichzeitig geringer intraoperativer Weichteilschädigung v.€a. in der rehabilitativen Frühphase bessere klinische Ergebnisse erwartet werden (Hube et€al. 2004). Durch das fehlende Aufbohren der Markhöhle kommt es außerdem zu einem geringeren Blutverlust (Morrey et€al. 2000). Es gibt jedoch in der Literatur noch keine Daten, die ein besseres Outcome nach Revision eines proximal fixierten Implantats im Vergleich zur Revision eines konventionellen Schaftsystems bestätigen. Hier sind prospektive Studienprotokolle abzuwarten. Auch muss eine differenzierte Indikationsstellung für diese Implantate erfolgen. Generell sollten vorwiegend junge Patienten mit den vorgestellten Systemen versorgt werden, wobei nicht unbedingt nur das kalendarische Alter entscheidend ist. Die Knochenqualität ist aufgrund der Minimierung der Fixationsstrecke wichtig für eine ausreichende Primärstabilität. So gilt die Osteoporose als Kontraindikation (Rudert et€al. 2007). Westphal et€al. (2006) verglichen in einer biomechanischen In-vitro-Studie anhand menschlicher Femora eine Kurzschaftprothese mit einem diaphysär ver-
ankerten Standardschaft. Nach zyklischer Belastung zeigte dabei die Kurzschaftprothese initial eine höhere Migrationstendenz in die Varusstellung, v.€ a. bei schlechter Knochenqualität und fehlimplantierter Prothese. Aufgrund der hohen femoralen Resektionsebene ist die korrekte Implantatpositionierung durch den kleinen Zugang erschwert. Auch kann sich dadurch die Präparation des Azetabulum und die Pfannenpositionierung schwierig gestalten. Präoperative Formveränderungen wie eine ausgeprägte Dysplasiekoxarthrose mit extremer Coxa valga et antetorta erschweren die Implantation zusätzlich (Tohtz et€al. 2008). Auch eine extreme Coxa vara mit kurzem Schenkelhals kann trotz Verwendung einer kleinen Stielgröße die Implantation behindern. Erfolgsentscheidend sind also eine exakte präoperative Planung und Implantatauswahl sowie eine präzise Schenkelhalsresektion. Verschiedene Studien zeigten jedoch, dass sich die exakte Umsetzung dieser Prinzipien oft schwierig gestaltet. So konnten gehäuft implantationsbedingte Komplikationen wie v.€a. Beinlängendifferenzen und Schaftfissuren beobachtet werden. Viele Autoren beschrieben deshalb eine im Vergleich zu Standardimplantaten größere Lernkurve (Gulow et€al. 2007; Braun et€al. 2007; Flamme et€al. 2006). Bislang liegen lediglich für den Pipino-Schaft und die Mayo-Prothese mittel- bis längerfristige klinische
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Erfahrungen vor. Langzeitergebnisse der neueren Systeme sind noch abzuwarten. Bei kritischer Indikationsstellung kann ein solches Prothesensystem in den Händen eines erfahrenen Operateurs jedoch v.€ a. beim jüngeren Patienten eine geeignete Alternative zu herkömmlichen Schaftsystemen darstellen. Die Verwendung neuerer Navigationssysteme soll die bisher erzielten klinischen Ergebnisse weiter verbessern (Braun et€ al. 2007). Vor allem bei diaphysären anatomischen Problemen, ob traumatisch oder entwicklungsgeschichtlich bedingt, erscheint die Schenkelhals- oder Kurzschaftprothese als reizvolle Alternative zur langstieligen Standardprothese.
7.3.4 Oberflächenersatz K.-P. Günther
7.3.4.1 Verankerungsprinzipien Obwohl in der Vergangenheit überwiegend schlechte Erfahrungen mit dem Oberflächenersatz am Hüftgelenk gesammelt wurden, erlebt das Verfahren seit Mitte der 90er Jahre wieder eine Renaissance. Das Versagen historischer Oberflächenersatzkonzepte am Hüftgelenk ist vor allem auf ungeeignete Materialkombinationen, unzureichende Präzision von Hilfsinstrumenten zur Platzierung und wenig differenzierte Indikationsstellungen zurückzuführen. Mit Verbesserungen in der Materialentwicklung insbesondere Einführung von Metall-Metall-Gleitpaarungen und zuverlässigen Zielinstrumentarien scheinen längere Standzeiten gegenüber den historischen Vorläufermodellen erreichbar. Oberflächenersatzprothesen erlauben im Gegensatz zu schaftbasierten Prothesen eine sparsamere Knochenresektion am proximalen Femur. Zur Implantation der femoralen Kappe ist eine entsprechende Kopfbearbeitung mit möglichst zirkulärer Freilegung eines ausreichend spongiosierten und stabilen Knochenlagers erforderlich. Diese erfolgt in der Regel über einen zentral in den Schenkelhals gelegten Führungsstift. Femurkappen können zementiert oder zementfrei verankert werden. Auf azetabulärer Seite wird eine größenkompatible – und meist als Monoblock gefertigte – Pfanne in Press-fit-Technik eingebracht. Die derzeit verfügbaren Prothesen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Herstellungsver-
K.-P. Günther
fahren als geschmiedete oder gegossene Komponenten, der Implantatgeometrie und der tribologischen Eigenschaften. Die weltweit überwiegende Anzahl der Implantationen erfolgt über den posterolateralen Zugang. Einige Autoren propagieren aufgrund einer damit verbundenen Unterbrechung der Blutzufuhr durch die A. circumflexa femoris medialis alternative Zugänge wie den direkt lateralen bzw. anterolateralen Zugang, den posterolateralen Zugang mit Trochanter-Flip-Osteotomie oder den anterioren und medialen Zugang. Bislang ist ungeklärt, ob durch die Wahl des Zugangs die Nekroserate und damit das Langzeitüberleben beeinflusst wird. Unstrittig ist jedoch, dass eine möglichst passgenaue Implantatwal mit Vermeidung überflüssiger Knochenresektion und eine dazu notwendige hochpräzise Operationstechnik große Bedeutung haben. Derzeit wird geprüft, ob sich die notwendige Genauigkeit mit dem Einsatz computerassistierter Navigationsverfahren verbessern lässt. Das im Folgenden als Beispiel gewählte Implantat (DUROM®-Oberflächenersatz, Zimmer, Warsaw/ Indiana, USA) wird – wie die meisten Modelle – mit zementierter Femurkappe und zementfreier Azetabulumkomponente angeboten. Aus didaktischen Gründen ist die Implantation über den posterolateralen Zugang dargestellt.
7.3.4.2 Operationstechnik Von großer Bedeutung ist beim Oberflächenersatz die präoperative Planung: Zusätzlich zur vorläufigen Größenauswahl der Prothesenkomponenten ist die gewünschte Ausrichtung der femuralen Kappe festzulegen. Im Vergleich zur physiologischen Schenkelhals-Schaft-Achse sollte in der Regel eine geringe Valgusstellung angestrebt werden. Mit entsprechenden Schablonen kann die optimale Positionierung von femoraler Kappe und Pfannenkomponente geprüft werden (Abb.€7.65(a), (b)). Zugang und Größenbestimmung Der Patient wird mit entsprechender Abstützung und Polsterung in Seitenlage gelagert und ein posterolateraler Zugang ausgeführt (s. Kap.€ 7.1 und 7.2.3). Da eine gute Exposition des Hüftkopfes erforderlich ist und keine Schenkelhalsosteotomie durchgeführt wird, ist eine komplette Durchtrennung der kleinen Außenrotatoren sowie des Musculus quadratus femoris notwendig. Die präzise Identifikation der Sehnenansätze und
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Abb. 7.65↜ Präoperative Planung des Kappensitzes am proximalen Femur (a) und gemeinsam mit Pfannenkomponente (b) mittels standardisierter Schablonen. Besonders zu achten ist auf die Balance zwischen Vermeidung des femoralen Notching (ausreichende Implantatgröße) und minimaler Knochenresektion am Azetabulum sowie eine gegenüber dem anatomischen Schenkelhals-Schaft-Winkel leicht valgische Einstellung der Femurkappe
eine gemeinsame Durchtrennung mit der Hüftgelenkkapsel erleichtert am Ende des Eingriffs die anzustrebende Refixation. Am kranialen Rand des Musculus piriformis wird der Musculus gluteus minimus unterfahren und vom Ilium abgehoben, um zur späteren Präparation der Pfanne den Hüftkopf in diese Tasche verdrängen zu können. Zwei Steinmann-Nägel, die hinter dem Pfannenrand in das Os ileum bzw. Os ischii eingeschlagen werden, halten die dorsale Hüftgelenkkapsel und die kleinen Außenrotatoren beiseite. Nach Luxation des Hüftgelenks und Blutstillung entlang der Crista intertrochanterica wird die ventrale Gelenkkapsel vollständig durchtrennt. Die untere Kapsulotomie wird mit Hilfe einer Kapselschere entlang der Iliopsoassehne durchgeführt. Eine zirkuläre Durchtrennung der Gelenkkapsel ist erforderlich, um trotz erhaltenem Hüftkopf eine ausreichende Pfannenexposition sicherzustellen. Wenn durch volle Streckung und maximale Innenrotation des Femur eine gute Exposition von Kopf und Schenkelhals sichergestellt ist, erfolgt die Bestimmung des Schenkelhalsdurchmessers mit Hilfe eines Kallipers (Abb.€7.66a). Um die kleinstmögliche Kopfkomponente auswählen zu können, sollten zuvor
Osteophyten, die nicht zur Stabilität beitragen, entfernt werden. Bei der Größenbestimmung muss darauf geachtet werden, dass einerseits die Schenkelhalskortikalis nicht tangiert wird (Gefahr des „notching“) und andererseits der Kopf nach der Fräsung ein ausreichendes knöchernes Lager bildet (Abb.€7.66b). Mit der Festlegung auf eine entsprechende Kopfgröße wird auch die dazu korrespondierende Pfannengröße für die folgende Präparation des Azetabulum festgelegt. Azetabulumpräparation Dazu wird der Hüftkopf unter Zuhilfenahme eines am vorderen Pfannenrand eingesetzten gebogenen Hohmann-Hebels in die zuvor gebildete Tasche unter die Glutealmuskulatur versenkt und dazu das Bein in Außenrotation gebracht. Für die Präparation des Azetabulum ist es hilfreich, wenn zusätzlich zu den Steinmann-Nägeln im dorsalen Pfannenrand zwei Hohmann-Hebel an den ventrokaudalen bzw. dorsokaudalen Pfannenrand eingesetzt werden. Bei der zu empfehlenden Verwendung eines Charnley-Retraktors lassen sich diese daran fixieren (Abb.€7.67). Nach Entfernung von Labrum, Ligamentum transversum und Ligamentum capitis femoris wird
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K.-P. Günther
Abb. 7.66↜ Intraoperative Größenbestimmung der Femurkappe: Bestimmung des Schenkelhalsdurchmessers mittels Kalliper (a) und Überprüfung der Knochenresektion im Kopfbereich bei Wahl einer entsprechenden Fräsung (b)
Abb. 7.67↜ Einsatz eines Retraktors zur Pfannenpräparation
das Azetabulum schrittweise aufgefräst (Abb.€7.68a). Anfangs in 2-mm-Abständen und gegen Ende in 1-mm-Abständen nähert man sich der ausgemessenen Pfannengröße. Bei sehr sklerotischem Knochen kann es notwendig sein, 1€mm über die geplante Größe hinaus zu fräsen. Bei spongiösem Knochen genügt in der Regel diejenige Fräsung, die mit der gewählten Pfannengröße übereinstimmt. Die korrekte Platzierung wird mit einer Probepfanne überprüft. Gelegentlich ist es erforderlich, Pfannenrandosteophyten nachzufräsen bzw. vor der Implantation der endgültigen Pfanne zu entfernen. Da keinesfalls zu viel Knochen abgetragen werden sollte, ist jedoch die Entfernung von überstehenden Osteophyten nach Einbringen der definitiven Pfanne vorzuziehen. Nachdem die gewählte Pfannenprothese auf dem Einschlaginstrumentarium montiert ist (Abb.€7.68b), wird sie unter Beachtung einer korrekten Positionierung (20–30° Anteversion und 45° Inklination) in das Azetabulum eingebracht. Beim dor-
salen Zugang ist eine Platzierung der Pfanne in ausreichender Anteversion besonders wichtig, um einerseits die hintere Luxation zu verhindern und andererseits ein ventrales Impingement durch einen überstehenden Pfannenrand zu vermeiden. Die Pfannenkomponente ist soweit einzuschlagen, bis der endgültige Sitz mit der zuvor überprüften Platzierung der Probepfanne übereinstimmt. Nach der Überprüfung des stabilen Pfannensitzes durch leichtes Bewegen des Einschlaggeräts wird dieses entfernt. Jetzt können überstehende Osteophyen am Pfannenrand abgemeißelt bzw. mit dem Luer entfernt werden. Abschließend sollte die Implantatzirkumferenz darauf geprüft werden, dass die Pfanne ventral weder den Azetabulumrand überragt (Gefahr des Impingement und der Psoassehnenirritation) noch relevante Osteophyten übersehen werden (Abb.€7.68c). Bei höhergradiger Hüftdysplasie mit schlechter lateraler Überdachung kann eine Oberflächenersatzpfanne mit der Möglichkeit zur zusätzlichen lateralen Schraubenfixation nützlich sein (z.€B. BHR®-Dysplasiepfanne, Smith und Nephew, Schenefeld). Falls sich kein stabiler Pfannensitz erreichen lässt, muss ggf. auf ein konventionelles Implantat mit zusätzlicher homologer Pfannendachplastik zurückgegriffen werden, da beim Oberflächenersatz kein autogener Spongiosablock aus dem Hüftkopf zu gewinnen ist. Präparation des Hüftkopfes Bei der Präparation des Hüftkopfes muss eine möglichst optimale Kappenposition angestrebt werden. Diese ist in der Regel charakterisiert durch eine milde Valgusstellung gegenüber der physiologischen Schenkelhalsachse sowie ausreichende Antetorsion und ventrales Offset. Auch sollte eine Verletzung der Schenkelhalskortikalis („notching“) vermieden werden. Deshalb ist die Platzie-
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Abb. 7.68↜ Fräsen des Azetabulum (a), Montage des Pfannenimplantats auf dem Einschlaginstrumentarium (b) und intraoperativer Situs nach Abtragung von Osteophyten am Pfannenrand (c) Abb. 7.69↜ Handhabung des DUROM-Zielinstrumentariums: Provisorische Fräsung eines Arbeitsplateaus (a) mit anschließender Befestigung des Zielgeräts (b). Einstellung von Schenkelhalsachse und anterior-posteriorer bzw. superior-inferiorer Translation, bis die Prüfung mit dem Tastbogen eine korrekte Platzierung ohne Notching bestätigt (c, d)
rung eines Führungsstabs im Schenkelhals, über den die anschließende Kopffräsung erfolgt, von zentraler Bedeutung. Da der Kopf häufig exzentrisch auf dem Hals sitzt, muss die Orientierung des Führungsstabs primär an der Achse des Schenkelhalses ausgerichtet sein. Dennoch ist auch die Form des Hüftkopfes mit einzubeziehen, da nach der Fräsung eine möglichst zirkuläre knöcherne Stützung der Kappe erstrebenswert ist. Um die bestmögliche Positionierung des Führungsstabs für die Fräsung zu erreichen, wird bei den unterschiedlichen Oberflächenersatzsystemen
meist mittels eines Zielgerätes ein K-Draht vorgebohrt. Beim DUROM®-Instrumentarium erfolgt dieser Schritt folgendermaßen (Abb.€7.69a–d): Zunächst wird über einen nur provisorisch in den Schenkelhals eingebrachten Draht und eine darüber geführte planare Fräse ein Plateau hergestellt (Abb.€ 7.69a), auf dem sich die Basisplatte eines Zielgeräts (Abb.€7.69b) befestigen lässt. Über den kanülierten Stab dieses Zielgerätes lassen sich schrittweise Schenkelhalsachse und anterior-posteriore bzw. superior-inferiore Translation so einstellen, bis die Prüfung mit einem Tastbogen
K.-P. Günther
196 Abb. 7.72↜ Nach abgeschlossener Zylinder- bzw. Höhenfräsung und seitlicher Abkantung mit dem Facettenfräser zeigt die Aufbringung einer Probekappe, ob die gewünschte Positionierung erreicht ist
Abb. 7.70↜ Nach Einbringen des definitiven Zieldrahts über den kanülierten Stab des Zielgeräts wird eine intramedulläre Absaugung eingebracht. Um die Entstehung heterotoper Ossifikationen zu verhindern, wird eine Schutzfolie zirkulär um den Schenkelhals gelegt (alternativ Abdeckung mit Bauchtüchern). Dadurch lässt sich eine Kontamination der Weichteile mit Fräsmehl verhindern
Abb. 7.71↜ Schrittweise Fräsung des Kopfes mit Zylinderfräsen absteigender Größe
die korrekte Platzierung bestätigt (Abb.€7.69(c), (d)). Jetzt wird der definitive Zieldraht in den kanülierten Stab eingeführt und durch den Schenkelhals gebohrt, bis er auf die laterale Kortex des proximalen Femur trifft. Nach der Entfernung des Zielgeräts kann der K-Draht mit einem kanülierten Bohrer überbohrt werden. Jetzt empfiehlt sich das Anlegen einer intra-
medullären Absaugung, um die spätere Zementierung einer möglichst sauberen und nicht durch Blut kontaminierten Spongiosaoberfläche sicherzustellen. Danach kann zirkulär um den Schenkelhals eine Schutzfolie angelegt werden oder die Abdeckung mit Bauchtüchern erfolgen, um eine Streuung von Fräsmehl und die dadurch begünstigte Entstehung von heterotopen Ossifikationen zu verhindern (Abb.€ 7.70 und 7.71). Nach dem Einbringen des Führungsstabs und einer nochmaligen Kontrolle mit dem Tastbogen wird der Femurkopf zunächst mit Zylinderfräsern, die ein oder zwei Größen über dem gewählten Implantat liegen, präpariert. Nachdem man sich vergewissert hat, dass die Fräsung der gewünschten Ausrichtung entspricht und nicht mit „notching“ zu rechnen ist, wird der Zylinderfräser, der zur gewählten Implantatgröße gehört, eingesetzt. Abschließend erfolgt die endgültige Planfräsung nach Kaliberbestimmung der noch abzutragenden Höhe und die seitliche Abkantung mit dem Facettenfräser. Mit der Aufbringung einer Probekappe (Abb.€7.72) zeigt sich, ob die gewünschte Positionierung erreicht ist. Ist dies der Fall, wird die gefräste Fläche zirkulär penibel gesäubert (ggf. Verwendung einer Jet-Lavage) und anschließend getrocknet. Eventuell vorhandene Zysten sollten zuvor kürettiert und kleine Bohrungen in sklerosierte Areale gelegt werden (Abb.€7.73a–d). Der Knochenzement wird in das Implantat eingebracht (Abb.€7.74) und dieses langsam auf den Kopf aufgedrückt (Abb.€7.75a–c). Der femorale Führungsstift der Kappe dient zum Erreichen eines homogenen Zementmantels und nimmt keine Last auf. Deshalb sollte kein Zement um den Führungsstift oder in die Führungsbohrung eingebracht werden. Die intramedulläre Absaugung gewährleistet, dass kein nach-
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laufendes Blut die Zementpenetration behindern kann. Nach dem Aushärten des Zements und Entfernung von ausgetretenen Zementresten sowie mehrfacher Pfannenspülung erfolgt die schonende Reposition unter Zug am Bein. Mit der anschließenden Bewegungsprüfung wird eine Luxationstendenz oder ein Impingement ausgeschlossen.
Abb. 7.73↜ Vorbereitung einer optimalen Spongiosaoberfläche zur Aufnahme der zementierten Kappe: Legen von Bohrlöchern in sklerosierte Kopfanteile (a), Säuberung mit Jet-Lavage (b), sorgfältige Trocknung (c) und abschließende Prüfung unter kontinuierlicher Markraumabsaugung (d)
Abb. 7.74↜ Einbringen des Knochenzements in das Implantat
Alternative Operationsstrategien Abweichend vom beschriebenen Vorgehen empfehlen einige Autoren auch die vorläufige Fräsung des Azetabulum ohne Einbringung der definitiven Pfannenkomponente mit anschließender Präparation des Hüftkopfes. Dies lässt noch den späteren Umstieg auf eine größere Pfannenkomponente zu, falls der Hüftkopf größer gefräst werden sollte als zuvor ausgemessen. Auch besteht damit die Möglichkeit, bei intraoperativ auftretenden Schwierigkeiten (z.€ B. „notching“ oder unerwartet schlechte Knochenqualität im Kopfbereich) noch auf ein konventionelles Implantat wechseln zu können. Weiterhin kann man den Femurkopf bereits vor der Pfannenfräsung bearbeiten. Dem Vorteil einer dann – wegen des geringeren Platzbedarfs – leichteren Pfannenpräparation steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass die endgültige Pfannenkomponente an die bereits gefräste Kopfgröße angepasst werden muss und bei unerwarteten Azetabulumdefekten nicht auf ein größeres Implantat gewechselt werden kann. Anmerkungen zum besonderen Implantat Da es sich beim Oberflächenersatz um ein Behandlungsverfahren mit grundsätzlich unterschiedlicher Vorgehensweise gegenüber einer schaftbasierten Endoprothese handelt, sollen die besonders zu beachtenden Operationsschritte nochmals zusammengefasst werden: • Auswahl einer adäquaten Kopfpfannengröße (Vermeidung von Schenkelhals-Notching bzw. überflüssiger Knochenresektion im Azetabulum), • ausreichend valgische Positionierung der Kopfkappe und Einstellung des Offset, • sorgfältigste Säuberung der Schnittflächen bei Verwendung zementierter Kopfprothesen und adäquate Zementiertechnik, • Abdeckung der Wundfläche während der Zubereitung des Femurkopfes (Verhinderung heterotoper Ossifikationen).
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S. J. Breusch
Abb. 7.75↜ Einfädeln des Kappenführungsstifts (a) und schonendes Nachdrücken der Kappe unter zirkulärem Austritt von überschüssigem Zement (b). Damit lässt sich sowohl eine gleichmäßige Zementpenetration in die Knochenoberflä-
che als auch ein zirkulärer Zementmantel zur Stabilisierung der Kappe erreichen. Nach Entfernung von überschüssigem Zement und Abwarten der Aushärtung (c) kann die Reposition erfolgen
7.3.5 Standardpfanne – zementiert
dass für alle Patienten, insbesondere die jungen (!), die zementierte Pfanne das geringste Wechselrisiko bietet. So sind auch die skandinavischen Trends „zurück zur zementierten Pfanne“ als evidenzbasiertes Handeln nachzuvollziehen. Bei adäquater Operationstechnik mit Implementierung moderner Knochenpräparation und Zementiertechniken liegt das Revisionsrisiko nach zementierter Versorgung unabhängig vom Alter des Patienten bei unter 5€ % nach 10 und ca. 10€ % nach 15–20 Jahren. Auch aus ökonomischer Sicht und wegen der im Regelfall einfacheren Wechselsituation bei Versagen ist die zementierte Pfanne vorteilhaft.
S. J. Breusch Die zementierte Pfanne hat zu Unrecht einen schlechten Ruf und die heutige Datenlage zeigt das Gegenteil. Verwirrung ist in der Literatur besonders deshalb entstanden, weil in fast allen Studien nicht nur die progrediente Wanderung, sondern auch Saumbildungen als Lockerungen und damit mechanisches Versagen eingestuft wurden. Beim Vergleich der mechanischen aseptischen Lockerungsraten scheinen deshalb auf den ersten Blick moderne zementfreie Press-fit-Pfannen die bessere Lösung zu bieten. Wenn jedoch alle Wechselursachen (Luxation, Abrieb/„liner exchange“, Osteolysen und Lockerung) mitberücksichtigt werden, konnte nicht nur in den nationalen Endoprothesenregistern in Norwegen und Schweden eine deutlich erhöhte Gesamtrevisionsrate für zementfreie modulare Pfannensysteme nachgewiesen werden. In der Tat zeigt sich bei genauerem Literaturstudium, dass häufig die Gesamtreoperationsraten in der publikatorischen Darstellung unter den Tisch gekehrt werden. Für den Patienten spielt es aber keine Rolle, warum er wieder operiert wird, sondern wie hoch das Reoperationsrisko ist. Die norwegische Schlussfolgerung war deshalb,
7.3.5.1 Verankerungsprinzip Das Verankerungsprinzip beruht wie beim zementierten Schaft auf der Etablierung eines dauerhaften Interface durch innige Verzahnung von Zement und Knochen. Dabei muss der spongiöse Wabenknochen exponiert werden, um eine adäquate Zementpenetration zu ermöglichen. Neuere Studien aus Schweden konnten zeigen, dass bei „Opferung“ der subchondralen Platte die Pfannenwanderungsraten nicht etwa erhöht, sondern niedriger liegen als bei Erhalt. Ansonsten gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten, die für die femorale zementierte Verankerung erarbeitet wurden. Sorgfältige Knochenpräparation, ausgiebige
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dR dR
tdl
a
b
c
Abb. 7.76↜ Zu weit laterale Pfannenposition bei fehlender Medialisierung (a). Diese Situation tritt auf, wenn der zentrale Pfannenosteophyt nicht entfernt wurde. Häufigster Operationsfehler, wenn im 45°-Winkel direkt nach proximal gefräst wird,
wodurch ein hohes Hüftzentrum resultiert (beachte Position in Relation zur Tränenfigur (b). Bei korrektem Vorgehen mit initialem Fräsvorgang nach medial entsteht ein asymmetrisches Pfannenlager (c)
Knochenspülung mittels Jet-Lavage und prolongierte Druckzementierung mittels Pressuriser tragen entscheidend zur verbesserten Standzeit bei. Im Folgenden sollen die wesentlichen operativen Schritte für die Implantation einer zementierten Pfannenkomponente beschrieben werden.
rekonstruiert werden soll (Abb.€ 7.76). Dabei muss beachtet werden, dass beim Fräsvorgang in 45° Richtung automatisch ein zu hohes Hüftzentrum resultiert (Abb.€ 7.76b und 7.77). Im Unterschied zur zementfreien Verankerung wird bei der zementierten Pfanne bewusst ein asymmetrisches und nichthemisphärisches Knochenlager geschaffen, wodurch ein optimales Zement-Knochen-Interface bei gleichzeitiger korrekter Pfannenposition ermöglicht wird.
7.3.5.2 Operationstechnik Wie im Abschnitt Femur (Kap.€ 7.3.1) ausgeführt, werden Spinal- oder Periduralanästhesie mit intraoperativer Hypotension bevorzugt, da damit nicht nur ein besseres Zementierergebnis erzielt werden kann (reduzierte Markraumblutung!), sondern auch die perioperativen kardiovaskulären und thrombembolischen Risiken niedriger liegen. Darüber hinaus liegt das postoperative Transfusionsrisiko mit diesen Narkoseverfahren bei präoperativem Hbâ•›>â•›12€ mg/dl und Körpergewichtâ•›>â•›70€kg unter 10€%. Technische Vorbemerkungen Als wesentliches Grundprinzip für die azetabuläre Verankerung gilt die vollständige Überdachung des Pfannenimplantats („containment“). Dies kann relativ einfach durch die präoperative Planung mittels Schablonen und Zeichnungen abgeschätzt werden. Die Planung stellt auch für den erfahrenen Operateur eine wichtige Hilfe dar und schützt vor unangenehmen Überraschungen. Insbesondere bei Protrusion und defizientem Pfannendach/Dysplasie muss im Vorfeld entsprechend geplant werden. Es ist wichtig, sich die anatomischen und biomechanischen Konsequenzen der Azetabulumpräparation zu vergegenwärtigen, wenn das Drehzentrum
Zugang und Exposition Unabhängig vom operativen Zugang sollte durch entsprechendes Kapsel-Release eine vollständige Exposition des Azetabulum mit 360° Sicht ermöglicht werden. Bei anterolateralem Zugang erhöht das Einsetzen eines Selbstspreizers in den posterioren Kapsellappen durch Distraktion der vorderen und hinteren Kapselanteile die Übersicht und vermeidet eine forcierte Retraktion und ggf. Zugschäden des N. gluteus superior. Wird beim transglutealen Zugang der Selbstspreizer direkt im Gluteus medius verankert, kann durch den starken Zug ein Nervendehnungsschaden entstehen. Ein gebogener Retraktor sollte in der Incisura acetabuli distal des Lig. transversum platziert werden, das intraoperativ als ständige Landmarke und Referenz für die spätere Pfannenposition dient. Der distale Rand der späteren Pfanne sollte nur in geringem Abstand zum Lig. transversum zu liegen kommen, um eine zu kraniale Pfannenimplantation zu vermeiden. Weitere Retraktoren werden um den vorderen und hinteren Pfannenrand gesetzt. Die Pfannenrandosteophyten können in der Regel zunächst belassen werden, sofern sie die Exposition nicht behindern, da diese
S. J. Breusch
200 Abb. 7.77↜ Die fehlende transverse Pfannenfräsung nach medial hat zu einem hohen Hüftzentrum (Tränenfigur!) geführt, und darüber hinaus wurde die Pfanne zu weit nach kranial in den Zement gedrückt, wodurch ein zu dünner Zementmantel im Pfannendach (Zone I nach DeLee und Charnley) resultierte. Eine präoperative Schablonenplanung hätte sofort die Notwendigkeit einer Pfannendachplastik offenbart
ventral kranial
a
b
Abb. 7.78↜ Indem der innere Pfannenboden durch Ausmeißeln des zentralen Osteophyten dargestellt wird, wird eine ausreichende mediale Pfannenpräparation sichergestellt (a). Prinzip
des transversen Fräsvorgangs, bevor die Spongiosa im Pfannendach freigelegt wird (b)
den Druckzementiervorgang erleichtern. Im Einzelfall kann bei sehr muskulösen Patienten ein temporärer Steinmann-Nagel die Darstellung der Pfanndaches besser ermöglichen.
Es wird empfohlen, den inneren Pfannenboden vor dem Fräsvorgang darzustellen, um eine ausreichende Medialisierung der Pfannenkomponente realisieren zu können.
Azetabulumpräparation Um eine korrekte Pfannenposition zu gewährleisten ist im entscheidenden ersten Schritt die Darstellung des inneren Pfannenbodens mit dem Meißel (Abb.€7.79a) empfehlenswert, was insbesondere bei Patienten mit starkem zentralen Pfannenosteophyten und lateraler Kopfsubluxation unbedingt erforderlich ist, um die unerwünschte laterale Pfannenposition zu vermeiden. Dieser Vorgang erleichtert auch die vollständige Entfernung des pulvinalen Fettgewebes und der Bandreste des Lig. capitis femoris, die vom zentralen Osteophyten überwuchert und eingemauert sind. Bei richtigem Vorgehen entsteht dabei in aller Regel eine Stufe zwischen Pfannenboden und facies lunata (Abb.€7.78a).
Fräsvorgang Wenn der innere Pfannenboden sichtbar ist, wird zunächst mit einer kleinen Pfannenfräse (Durchmesser ca. 40–42€ mm) in transversal-horizontaler Richtung gefräst (Abb.€7.78b), bis die zuvor erwähnte Stufe der Facies lunata verschwindet (Abb.€7.79a) und das anatomische Korrelat zur radiologischen Tränenfigur erreicht wird. Dabei sollte der distale Retraktor in der Incisura acetabuli als Orientierung dienen. Cave bei Protrusionskoxarthrose, wo die mediale Pfannenbegrenzung häufig schon durch Verschleiß ausgedünnt oder gar medialisiert ist. In diesem Fall sollte nicht nach medial gefräst, sondern eine autologe Pfannenbodenplastik durchgeführt werden.
Operation 7â•…
201
Abb. 7.79↜ Erster Schritt des Fräsvorgangs nach medial (a). Erst nach dem Erreichen des inneren Pfannenbodens soll die Fräse nach proximal im 45°-Winkel gerichtet werden (b)
Abb. 7.80↜ Nach abgeschlossenem Fräsvorgang mit Eröffnung der spongiösen Bälkchenarchitektur werden mit einem flexiblen Bohrer noch multiple Verankerunglöcher im Pfannendach platziert
Im nächsten Arbeitsschritt wird dann mit aufsteigenden Fräsergrößen der Pfanneneingang erweitert und angefrischt, wobei darauf geachtet werden muss, das Pfanndach zu erhalten (Abb.€ 7.79b). Im Gegensatz zum Vorgehen bei zementfreier Pfannenimplantation, wo ja ein hemisphärisches Knochenlager für die Press-fit-Implantation geschaffen werden muss, wird nun mit Hilfe eines kleineren Pfannenfräsers, der im Sinne eines mobilen Fräskopfes („burr“) verwendet wird, die subchondrale Sklerosezone soweit entfernt und angefrischt, so dass ein asymmetrisches Pfannenlager mit offenporigem Wabensystem für die Zementverzahnung entsteht. Es ist ein Fehler, das Anfrischen der Sklerose mit der größten Pfannenfräse durchzuführen, da in diesem Fall zu viel Knochensubstanz am Pfannendach verloren geht. Deshalb sollte dieser Arbeitsschritt mit einer kleinen, gut manövrierbaren Fräse durchgeführt werden.
Verankerungslöcher und Zysten Azetabuläre Zysten lassen sich mit der umgebenden sklerotischen Zystenwand am einfachsten mit einem kleinen U-Meißel entfernen. Bei ausgedehnten Zysten oder Defekten sollte ein „impaction grafting“ mit autologer Spongiosa aus dem resezierten Hüftkopf erfolgen. Ein einfaches Auffüllen der vom Weichgewebe befreiten Zysten mit Zement ist nicht ausreichend, da eine über die Zystenwand hinausreichende Zementverzahnung durch die Zystenwand verhindert wird. Bereits auf dem unmittelbar postoperativen Röntgenbild ist dann eine Lysezone um solche Zementzapfen als Zeichen einer unzureichenden Technik sichtbar. Im weiteren Arbeitsschritt werden dann zusätzlich zur exponierten Spongiosa multiple Verankerungslöcher für die Zementverzahnung mit einem flexiblen Bohrer im Pfannendach platziert (Abb.€7.80 und 7.81).
202
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Abb. 7.81↜ Im anatomischen Präparat wird die für die innige Zementverzahnung ideale Pfannenpräparation mit Eröffnung des spongiösen Wabensystems und multiplen Zementverankerungslöchern am deutlichsten (a). Gewechselte Pfanne wegen mechanischer Lockerung (b). Der Operateur hat zwar multiple Verankerungslöcher gesetzt, aber es versäumt, für eine darüber hinaus gehende Zementverzahnung zu sorgen
Wenn die subchondrale Platte ausreichend entfernt und angefrischt wurde, entsteht das für die Zementpenetration erforderliche spongiöse Knochenlager (Abb.€7.81). Gelingt dies nicht und werden nur Verankerungslöcher für den Zement gesetzt, ist mit radiologischen Lysesäumen als Bindegewebskorrelat und mit einer früheren mechanischen Lockerung zu rechnen. Einen Sonderfall stellt das stark sklerotische Azetabulum mit multiplen Zysten dar, bei dem auch nach ausgedehntem Fräsvorgang keine Exposition des spongiösen Lagers gelingt. Ein einfaches Aufzementieren ist hierbei zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist in diesem Fall ein primäres „impaction grafting“ analog zur Revisionschirurgie erforderlich. Analog zum Wechseleingriff werden mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse alle Zysten ausgefräst und punktuell die dichte Sklerose zum Bluten gebracht. Dann wird das zerkleinerte Hüftkopftransplantat (Knochenmühle und Spongiosachips) fest mit entsprechendem Instrumentarium oder mit dem Pfannenfräser in gegenläufiger Rotationsrichtung impaktiert. Auf das getrocknete und solide impaktierte Spongiosafundament wird dann aufzementiert und mit prolongierter Druckzementierung mittels Pressuriser die erforderliche Zementpenetration erreicht. Radiologische Langzeitstudien haben gezeigt, dass unter diesen Voraussetzungen vergleichbar erfreuliche Pfannenüberlebensraten wie bei suffizientem Knochenlager zu Buche stehen. Knochenlagerspülung Wie bei der femoralen Zementierung stellt die ausgiebige Knochenlagerspülung mittels pulsatiler Jet-Lavage nach erfolgter Knochenlagerpräparation den Schlüsselschritt für eine
suffiziente Zementpenetration dar. Schon während der Knochenlagerpräparation empfiehlt sich häufiges Spülen, da dadurch alle Bindegewebsreste, Zysten und Sklerosen am besten zur Darstellung kommen. Rotierende Bürsten sind zwar effektiv in der Entfernung von Weichgewebe, allerdings kommt es immer zum Ausreißen von Bürstenhaaren, die im Knochen oder der Wunde verbleiben können. Aus diesem Grund ist von dieser Technik abzuraten. Darüber hinaus ist die Knochenreinigung mit Jet-Lavage erwiesenermaßen ausreichend als Basis für eine adäquate Zementverzahnung, die dann durch die anschließende Druckzementierung etabliert wird. Nach Spülung wird das Azetabulum mit H2O2getränkten Kompressen zur Blutstillung fest austamponiert, während der Zement angemischt wird. Bei Verwendung eines Autotransfusionssystems (Cellsaver) muss in dieser Phase mit einem 2. Sauger gearbeitet werden. Unmittelbar vor Zementapplikation werden die Kompressen entfernt und je nach Situation wird erneut gespült und getrocknet (Abb.€7.82).
7.3.5.3 Z ementapplikation und Druckzementierung Im Gegensatz zur femoralen Zementapplikation wird eine leicht verzögerte Zementapplikation als Zementbolus (Abb.€7.83a) und nicht via Zementspritze bevorzugt. Da die Blutung im azetabulären, spongiösen Lager in der Regel sofort nach Entfernen der Tamponade wieder beginnt, ist die Zementapplikation via Spritze zu zeitaufwendig. Außerdem ist eine ausreichende Viskosität erforderlich, um Einblutungen zu verhindern. Als intraoperativer Anhaltspunkt kann gelten, dass der Zement zu diesem Zeitpunkt klebfrei
Operation 7â•…
Abb. 7.82↜ Nach sorgfältiger Präparation des azetabulären Knochenlagers mit exponiertem Spongiosagerüst erfolgt die ausgiebige Knochenspülung mit pulsierender Druckspülung
und als Masse formbar sein sollte. Im Idealfall wird der vorher extrudierte Zement als Zementkugel direkt ohne Verzögerung in das getrocknete Knochenlager gedrückt (Abb.€7.83b). Der eingebrachte Zement wird sofort manuell mit einem mit Kompresse gefülltem Handschuh (Abb.€7.84) unter leichtem flächenhaftem Druck eingepresst. Dadurch entsteht der für die Zementpenetration entscheidende initiale Druck, um dem Blutungsdruck zu widerstehen. Entscheidend ist der prolongierte Druck und nicht etwa kurzfristige Druckspitzen. Nach dieser kurzen Druckzementierphase (ca. 30–60€s) wird dann überschüssiger Zement am unteren Pfannenboden entfernt (s. auch Abb.€7.85), so dass im Bereich des Lig.€ transversum acetabuli Platz für das bündige Aufsitzen des azetabulären Pressurisers (Abb.€7.85) geschaffen wird. Wird dieser distale Zement nicht entfernt, kann es zum unerwünschten Zementaustritt unter dem Lig. transversum bis ins Foramen obturatorium kommen, der aber klinisch in aller Regel nicht relevant ist. Dann wird der azetabuläre Pressuriser, der mindestens 4€ mm im Durchmesser überdimensioniert sein sollte, um eine ausreichende Abdichtung für den Pressurising-Vorgang zu garantieren, angesetzt. Selten müssen besonders große Pfannenrandosteophyten vorher abgetragen werden. Der Erhalt nicht zu großer Osteophyten ermöglicht ein besseres Zement„Containment“ und minimiert den seitlichen Zementaustritt. Ein limitierter Zementaustritt ist wie beim femoralen Zementiervorgang häufig und gilt als Zeichen eines adäquaten Zementiervorgangs. Es sollte nicht mit maximalem, aber doch kontrolliertem Druck vorgegangen werden. In aller Regel sind 40€g Zement
203
ausreichend. Bei größeren Pfanndurchmessern von mehr als 58€mm kann diese Menge allerdings nicht reichen. Dies muss beim Anmischvorgang auch hinsichtlich der Größe des Mischbehälters/Zementiersystems berücksichtigt werden. Über den am Pfannenrand abdichtenden azetabulären Pressuriser erfolgt dann der für die Zementverankerung entscheidende prolongierte Druckzementiervorgang (s. Abb.€ 7.85). Dabei sollte ein konstanter Druck angewendet werden, um entsprechend der Zementflusseigenschaften die Zementpenetration zu ermöglichen. Zu starker Druck kann zum exzessiven Zementaustritt führen und damit das Zementierergebnis gefährden. Abhängig von Zementviskosität und vom gewählten Knochenzement dauert dieser Prozess ca. 2–3€min. Nach abgeschlossenem Druckzementiervorgang wird der Pressuriser mit einer Rotationsbewegung entfernt. Bei gut durchgeführter Technik sistiert danach jegliche Blutung und analog zum zuvor beschriebenen Manöver wird nun eine kleine Portion distalen Zements entfernt (Abb.€7.86).
7.3.5.4 Pfannenimplantation Abhängig von der Wahl der Operateurs kann entweder eine Standardpfanne oder eine Pfanne mit Flansch („flanged socket“) implantiert werden. In älteren Studien hatten sich verbesserte Ergebnisse mit „flanged sockets“ gezeigt, die durch die verbesserte Zementpenetration durch die Pfanne als „pressuriser“ bedingt waren. Nach heutigem Kenntnisstand muss das Zementierergebnis – analog zur femoralen Komponente – bereits vor Einbringen des Implantats erreicht worden sein. Das Implantat sollte nicht primär als Pressuriser verstanden werden und muss nach adäquater Zementiertechnik nur noch korrekt positioniert werden. Pfannen mit überhöhtem hinterem Rand kommen häufig bei hinterem Zugang zur Anwendung, da diese als luxationssicherer gelten. Allerdings zeigt sich, wie auch bei zementfreien Systemen, häufiger inferiordorsaler Polyethylenabrieb, bedingt durch Impingement zwischen Prothesenhals und Pfanne in Streckung des Hüftgelenks. Pfannedesigns mit PMA-Abstandshaltern von 2–3€ mm erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, da die Pfannenpositionierung verbessert und das Risiko von zu dünnen superioren Zementmänteln reduziert wird. Unabhängig vom Pfannendesign sollte das Implantat mindestens 4€mm kleiner im Durchmesser sein als
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S. J. Breusch
Abb. 7.83↜ (a), (b) Beim azetabulären Zementiervorgang ist es empfehlenswert, den Zement nicht aus der Spritze, sondern als Zementbolus (a) bereits höherer Viskosität zu applizieren, um das Einblutungsrisiko zu minimieren
Abb. 7.84↜ Der Druckzementiervorgang findet in 2 Schritten statt: Nach Einbringen des Zementbolus erfolgt die sofortige Druckbeaufschlagung mit der flachen Hand über einen mit Kompressen gefüllten Handschuh, um direkt die Zementpenetration entgegen dem Blutdruck zu initiieren
Abb. 7.85↜ Über einen azetabulären Pressuriser erfolgt der für die Zementverankerung entscheidende prolongierte Druckzementiervorgang über ca. 2–3€min
die größte verwendete Pfannfräse, um einen minimalen Zementmantel von 2€mm in der Zirkumferenz zu gewährleisten. Die Pfannenkomponente kann je nach bevorzugter Technik per Hand oder speziellem Einbringinstrument mit Orientierungshilfen implantiert werden. Im entscheidenden ersten Schritt wird die Pfanne – analog zum Fräsprinzip – vollständig in weitgehend geschlossener, horizontaler Position vollständig nach medial geschoben, bevor diese dann allmählich in die gewünschte Endposition von 45° Inklination und 10–15° Anteversion gedrückt wird (Abb.€7.87(a), (b)).
Bei direkter Implantation im 45°-Winkel droht der zu dünne Zementmantel in Zone 1 (s. auch Abb.€ 7.77), der mit höherem Versagensrisiko vergesellschaftet ist. Bei korrekter Technik sollte zu jedem Zeitpunkt ein ausreichender superiorer Zementmantel am Pfannendach von mindestens 2–3€ mm erkennbar bleiben (s. Abb.€ 7.87). Nach erfolgter Pfannenpositionierung wird über einen Pfannendrücker mit Kugelkopf ein leichter Druck aufrechterhalten, ohne jedoch die Pfanne zu tief einzudrücken. Bei diesem Schritt sind die genannten PMMA-Spacer als sinnvoll einzuschätzen.
Operation 7â•…
Abb. 7.86↜ Nach erfolgtem Pressurising wird ein Streifen distalen Zements entfernt, um das Ligamentum transversum wieder freizugeben und um inferioren Zementaustritt ins Foramen obturatorium zu verhindern. Die Interface-Blutung sistiert bei suffizient durchgeführter Knochenpräparation und Zementiertechnik
Bei Verwendung einer Standardpfanne ohne Flansch kann während des Polymerisationsprozesses des Zements in der letzten Phase des Schrumpfens weiterhin Druck auf den Zementmantel ausgeübt werden. Überstehende Zementreste werden nach Aushärten zusammen mit den zunächst belassenen Pfannenrandosteophyten abgetragen, um ein Impingement zu verhindern. Im postoperativen Röntgenbild (Abb.€ 7.88) sollten ein gleichmäßiger Zementmantel und eine in die angrenzende Spongiosa reichende Zementpenetration sichtbar sein. Lysesäume im unmittelbar postoperativen Röntgenbild spiegeln eine insuffiziente Operationstechnik wieder und bergen ein erhöhtes Lockerungsrisiko.
7.3.6 S tandardpfanne, zementfrei – Press-fit P. R. Aldinger und T. Gotterbarm
7.3.6.1 F unktionsweise der zementfreien Press-fit-Pfanne Als Grundvoraussetzung für ein gutes Langzeitergebnis eines Hüftimplantats gilt die Osteointegration. Darunter versteht man aus histologischer Sicht einen direkten Kontakt zwischen Implantat und Knochen ohne Bindegewebsinterposition (Albrektsson et al. 1981). Biomechanisch gesehen muss eine funktionelle Verbindung von Implantat zum Knochen zur Übertragung der physiologischen Kräfte hergestellt werden. Hierfür bedarf es einer primär stabilen Verankerungssituation mit weitgehender mechanischer Ruhe und
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möglichst geringen Relativbewegungen, die sich eben durch Kraftschluss des Implantats im Azetabulum erreichen lässt. Ein sekundär durch Knochenein- oder -anwuchs osteointegriertes und stabilisiertes Implantat schafft die Voraussetzung für eine langfristige Fixation und Funktion ohne Schmerzen oder Lockerung. Für eine Osteointegration müssen daher von Seiten des Implantats folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • Das Implantatdesign (implantatbedingt) sollte eine ausreichende Primärstabilität gewährleisten, um die Bildung von bindegewebigen Zwischenschichten zu vermeiden. • Das Implantat selbst sollte einen möglichst innigen Oberflächenkontakt mit vitalem (blutendem) Knochen erzielen. • Es sollte eine strukturierte Oberfläche hinsichtlich Makro- und Mikrostruktur aufweisen, die eine Osteointegration ermöglicht und unterstützt. • Das Implantatmaterial sollte einen niedrigen Elastizitätsmodul besitzen, um die großflächige knöcherne Integration zu begünstigen. Titan erfüllt momentan am ehesten diese Anforderung.
7.3.6.2 K ostruktionsmerkmale von Press-fit-Pfannen In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Pressfit-Pfannen ohne zusätzliche Schraubenfixation entwickelt, bei denen der Kraftschluss zwischen Implantat und Knochen eine stabile Verbindung darstellt. Durch das Unterfräsen des knöchernen Azetabulum und das Einschlagen eines überdimensionierten Implantats kann eine ausreichende Primärstabilität erzielt werden (Morscher 1992). Diese Art Titanschalen sind insofern von Vorteil, da durch das Fehlen von Schraubenlöchern keine Abriebpartikel („backside wear“) zwischen Metallschale und Inlay an die Knochensubstanz hinter der Pfanne gelangen können. Die sichere primärstabile Verankerung solcher Implantate ist stark von der anatomischen Form und Präparation des Azetabulum abhängig. So besteht bei nur leichtem exzentrischen Fräsen die Gefahr der Bindegewebsbildung am Interface wegen der entstehenden ungenauen Passform, was in Verbindung mit Polyethylenabrieb zur Implantatlockerung führen kann. Die meisten sphärischen Press-fit-Pfannen sind am Pol abgeflacht. Dadurch entsteht der Knochen-Implantat-Kontakt in Form einer Ringspannung im Pfannenrandbereich (Jasty et al. 1997).
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Abb. 7.87↜ Die Pfannenkomponente wird zunächst – analog zum Fräsvorgang – vollständig nach medial geschoben und erst im zweiten Arbeitsschritt in die gewünschte Position (Inklina-
Abb. 7.88↜ Postoperatives Röntgenbild nach adäquater Operationstechnik ohne Saumbildungen, mit gleichmäßigem Zementmantel und darüber hinausgehender suffizienter Zementpenetration
Die vorliegenden Langzeitergebnisse von Pressfit-Pfannen mit makroporöser Oberfläche aus KobaltChrom sind im Langzeitvergleich Titanpfannen unterlegen (Engh et€ al. 1997). Berli et€ al. (2007) berichten jedoch für den als Monoblock konzipierten, elastischeren titanbeschichteten Press-fit-Cup in Form einer sphärischen Polyethylenpfanne mit TitangitterRückfläche Überlebensraten von über 95€ % nach 15 Jahren. Wichtig ist, dass bei dickwandigen modularen Systemen, insbesondere bei kleinen Durchmessern, die Materialwandstärke des Polyethylen-Inlays zum Teil kritische Größen erreicht. Je nach verwendetem Kopfdurchmesser sollten keine Inlays unter 8€ mm Wandstärke verwendet werden.
P. R. Aldinger und T. Gotterbarm
tion und Anteversion) gedrückt. Während des Implantationsvorgangs sollte ein minimaler Zementmantel von 2–3€ mm am oberen Pfannenrand sichtbar bleiben
7.3.6.3 P robleme mit modularen Press-fit-Pfannen Auch nach erfolgreicher sekundärer Osteointegration der Komponenten, können im weiteren Verlauf verschiedene Probleme bei zementfreien Pfannen auftreten, die durch deren Modularität bedingt sind (Engh et€al. 1997). Nach anfänglichen Problemen (Inlay-Dissoziationen und -Dislokationen) mit der Verankerung des Polyethylen-Inlays in der Metallschale sind neuere, sicherere Schnappmechanismen entwickelt worden. Durch die Verwendung einer Metallschale mit einem modularen Inlay wird ein zusätzliches Interface geschaffen, an dem je nach Befestigungsprinzip durch Druck, Deformation, Kaltfluss und Relativbewegungen zwischen Schale und Inlay Polyethylenabrieb entstehen kann (Maloney et€al. 1997). Auch bei stabiler knöcherner Verankerung können bei zementfreien Systemen zum Teil erhebliche Osteolysen mit großen Knochensubstanzdefekten beobachtet werden (Maloney et€al. 1997). In der Literatur variiert die Häufigkeit dieses Phänomens von 4 bis 47€ %. Allerdings sollten diese Studien mit Vorsicht interpretiert werden, da nicht in allen Arbeiten Osteolyse als expansive Knochenresorption definiert wird und das Material des Gleitpartners (Keramik oder Metall) ebenfalls berücksichtigt werden muss. Anzustreben ist bei modularen Systemen eine möglichst stabile Befestigung der einsetzbaren Inlays mit minimierten Relativbewegungen sowie eine möglichst glatte Metallinnenfläche, um den Abrieb zu minimieren (Williams et€al. 1997). Inwieweit sich die Vorteile der Modularität (Inlay-Wechsel, Antiluxations-Inlays, Implantierbarkeit, Schrauben) auch in langfristigem
Operation 7â•…
Abb. 7.89↜ Pfanne zu steil (60°). Zu kleiner Schnitt, durch Adipositas Orientierung erschwert
Erfolg niederschlagen können, bleibt abzuwarten (Hamilton et al. 2007). In den Abb.€7.89, 7.90, 7.91 und 7.92 sind schwierige Situationen bei der Pfannenpositionierung aufgeführt.
7.3.6.4 OP-Technik Die Lagerung des Patienten folgt den Bedürfnissen des gewünschten Operationszugangs (s. Kap.€7.2). Mit Blick auf die spätere Pfannenpositionierung muss die Beckenstellung sowohl bei der Seit- als auch bei der Rückenlagerung berücksichtigt werden. Der Operateur muss zu Beginn die Positionierung des Beckens kontrollieren und ggf. den individuellen Bedürfnissen anpassen. Idealerweise ist bei Rückenlagerung eine waagerechte Stellung des Beckens (Orientierung an der Spina iliaca und Crista iliaca) anzustreben. Bei der Seitlagerung sollte die Längsachse des Rumpfes parallel und das Becken senkrecht zum OP-Tisch eingestellt sein. Eine standardisierte Lagerungstechnik erleichtert eine optimale Kontrolle der Inklination und Anteversion beim Fräsen des Implantatbettes und bei der definitiven Pfannenpositionierung. 7.3.6.5 P räparation und Exposition der Pfanne Nach Schenkelhalsosteotomie und Extraktion des Hüftkopfes über den vom Operateur bevorzugten Zugang erfolgt die Exposition der Pfanne mit der Positionierung von meist drei bis vier Retraktoren, um
207
eine freie Sicht auf das Azetabulum zu ermöglichen. Der Schenkelhals wird mit einem breiten gebogenen Weichteilretraktor (z.€ B. Wagnerretraktor, Leichtreiterhaken) der am hinteren unteren Pfannenrand eingesetzt wird nach dorsal weggehalten. Vorzugsweise sind hier Retraktoren mit einer breiten/gezahnten Auflagefläche zu verwenden, um ein Abbrechen des dorsalen Pfannenrands zu vermeiden. Ein vorsichtiges Ablösen (cave: N. ischiadicus) der dorsalen Kapsel kann die sichere Positionierung des Retraktors am hinteren Pfannenrand erleichtern. Am kaudalen Pfannenrand wird etwas ventral des Lig. transversum und der Incissura acetabuli zunächst mit einem Wagner Rasparatorium die Gelenkkapsel direkt vom Knochen abgelöst, um hier einen stumpfen Hohmann-Hebel einzubringen. Kontrakte Gelenkverhältnisse machen ein kaudales Kapsel-Release erforderlich. Unter ausreichendem Zug an den 3 Retraktoren lassen sich kontrakte Kapselanteile gut identifizieren und mit einem Rasparatorium kann durch queres Einkerben ein notwendiges Release erfolgen. Bei sehr engen Weichteilverhältnissen kann zusätzlich ein Steinmann-Nagel am oberen Pfannenrand ins Os ilium eingeschlagen werden, um die Glutealmuskulatur aus dem OP-Gebiet zu halten. Die erzielte Exposition der Pfanne ermöglicht nun die Komplettierung der Entfernung von Restweichgewebe des Labrum und der Gelenkkapsel, um den knöchernen Limbus zirkulär darzustellen. Eventuell vorhandene Pfannenrandosteophyten werden in dieser Phase noch belassen, um die Integrität und Stabilität der Pfanne zu erhalten. Eine frühe Abtragung der Pfannenrandosteophyten kann zu Fissuren der knöchernen Pfanne führen und damit eine Schwächung der Randspannung bei Primärimplantation der Press-fit-Pfanne führen. Zur Bestimmung der optimalen Frästiefe ist die Identifikation des echten Pfannenbodens unumgänglich. Durch Resektion des pulvinaren Fettgewebes und Resten des Lig. capitis femoris aus der Fossa acetabuli lässt sich der tatsächliche Pfannenboden darstellen und definiert als Bezugpunkt die mediale Positionierung der Pfanne. Die Darstellung des tatsächlichen Pfannenbodens ist für die korrekte Platzierung der Pfanne maßgeblich entscheidend (Abb.€ 7.93). Bei zentraler Osteophytenbildung muss der Osteophyt komplett entfernt werden, bis schließlich der echte Pfannenboden zum Vorschein kommt. Eine Distanz von 0,5–1€cm zwischen dem Boden der Fossa acetabuli und der Facies lunata ist dabei nicht unüblich. Ein
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P. R. Aldinger und T. Gotterbarm
Abb. 7.90↜ Pfanne zu flach (25°). Zu viel Release anteromedial. Tiefe Schenkelhalsresektion erschwert die Orientierung
Abb. 7.91↜ Pfanne ohne Anteversion (0°). Problem: vorderes Impingement in Hüftbeugung. Lagerung? Keil unter dem Becken? Spinae superiores anteriores getastet?
Blick auf das Röntgenbild verschafft dem Operateur zu diesem Zeitpunkt einen Eindruck über die Tiefe des Pfannenbodens.
Abb. 7.92↜ Pfanne zu weit kranial und lateral. Sofort 45° zu Beckenebene gefräst. Pfanne nicht bis an die Lamina vertieft. Pfanne steht lateral über
7.3.6.6 A uffräsen des Pfannenlagers und Definition der Implantatpositionierung Zunächst wird mit der ersten kleinen Fräse (allgemein 44€ mm) in streng horizontaler/transversaler Fräsrichtung das Pfannenlager bis zum echten Pfannenboden vertieft. Dabei ist die Fräsrichtung und damit der Kraftvektor direkt nach zentral medial zu wählen, um ein Kranialisieren der Pfanne zu vermeiden (Abb.€7.94). Bei sehr weichem wie auch bei sklerotischem Knochen ist der Fräsdruck entsprechend anzupassen, um einem Überfräsen bzw. einer Lateralisierung der Pfannen vorzubeugen. Vorsicht ist bei einer Protrusionskoxarthrose gegeben. Da hier kein zentraler Osteophyt vorliegt, besteht
Operation 7â•…
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ten durch manuelles Austasten und Ausstreichen der Pfanne mit einem Stieltupfer bestätigen.
Abb. 7.93↜ Exposition des Azetabulums Darstellen der Fossa acetabuli (cave: Osteophyten!). Visualisierung der Lamina interna. Orientierung für die Frästiefe
die Gefahr, den ausgedünnten Pfannenboden zu überfräsen und die ausgedünnte Lamina interna zu perforieren. Sobald der echte Pfannenboden mit dem Pol der Fräse erreicht wird, ist die Fräsrichtung und damit der Druckvektor auf 40€ Grad zur Körperlängsachse zu kranialisieren. Mit weiter aufsteigenden Fräsengrößen wird das definitive hemisphärische Pfannenlager in entsprechender Anteversion (10–15€ Grad) und Inklination (40–45€Grad) erreicht (Abb.€7.95). Um ein exzentrisches Knochenlager zu vermeiden, muss die Fräsrichtung während des Fräsvorgang konstant eingehalten werden. Bei zunehmender Fräsengröße ist beim Erreichen der tatsächlichen Pfannengröße der Fräswiderstand (Grip) am größten und die Menge des randständig abgetragenen Knochens nimmt deutlich zu. Am Ende muss die letzte Fräse so tief eingebracht sein, dass ihr Äquator ganz von Knochen bedeckt ist. Als Landmarken zur Evaluierung der korrekten Inklination und Anteversion ist der vordere, hintere und kraniale Pfannenrand unter Berücksichtigung evtl. vorliegenden anatomischen Varianten (cave: Pfannenrandosteophyten) geeignet (Abb.€7.96). Um die zirkumferente Passung der Originalpfannen abzuschätzen, kann es hilfreich sein, mit einer eine Nummer kleineren Probepfanne das präparierte Knochenlager zu Prüfen (Abb.€7.97). Am Ende der Präparation muss bei 40–60€ % des Pfannendachs allseits blutender vitaler Knochen vorliegen und der vordere und hintere Pfannenrand muss intakt sein (s. Abb.€ 7.92). Dies lässt sich am bes-
7.3.6.7 Einschlagen des Originalimplantats Aufgrund des Verhältnisses zwischen Fräsendurchmesser und Pfannendurchmesser wird die definitive Implantatgröße entsprechend der zuletzt gewählten Fräsengröße festgelegt, je nach System meist 1–2€mm Übergröße zum letzten Fräsdurchmesser. Die Originalpfanne wird mit einem schweren Hammer unter Einhaltung der gewünschten Anteversion und Inklination eingeschlagen. Eine feste Press-fit-Verankerung wird durch die Tonänderung bei jedem Hammerschlag von „dumpf-hohl“ auf „satt-knöchern“ angezeigt. Nach Kontrolle der primären Implantatstabilität durch Ziehen, Drücken und Rotation am Impaktorgriff werden nochmals zwei abschließende Hammerschläge abgegeben. Vor Einbringen der zentralen Polverschlussschraube (Abb.€7.98) wird die Implantationstiefe durch Austasten der Polöffnung überprüft. Das originale Inlay wird mit dem Setzinstrument in die Pfanne eingelegt und entsprechend stabil verriegelt. Abschließend wird die zirkumferente Passung des Inlays durch Umfahren des Inlay-Pfannen-Interfaces überprüft. Eventuell überstehende Pfannenrandosteophyten werden noch vor dem Einbringen des Inlays mit einem Rasparatorium von adhärenten Weichteilen durch Umfahren befreit und mit einem Osteotom knapp am Rand des Pfannenimplantats abgeschlagen. Dadurch wird nicht nur der Bewegungsumfang des Hüftgelenks verbessert, sondern auch ein mögliches ventrales oder dorsales Impingement (Luxationsprophylaxe) verhindert. Press-fit-Pfannen lassen sich aufgrund ihrer sphärischen Form sehr exakt zur Tränenfigur positionieren. Damit wird die Wiederherstellung des Rotationszentrum in den meiste Fällen problemlos erreicht und dadurch eine biomechanische Situation, die für eine lange Standzeit des Implantats genau so wichtig ist wie Material und Design (Abb.€7.99). Wichtig ist, dass die knöcherne Zirkumferenz des Azetabulum zu wenigstens zwei Drittel erhalten ist, um eine stabile Primärfixation zu gewährleisten. Press-fit-Pfannen haben nach der Literatur eine niedrige Migrationstendenz (Matthes und Puhl 2001) wodurch die Standzeit des Implantats deutlich beeinflusst wird.
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P. Kirschner
Abb. 7.94↜ (a), (b) Erste Fräsung nach zentral zur Erreichung der Frästiefe
Abb. 7.95↜ (a), (b) Erst danach Fräsung in 45° zur Präparation der Zirkumferenz
Abb. 7.96↜ Blutungspunkte in der subchondralen Knochenlamelle. Ausreichende Fräsung zur Pfannenimplantation
7.3.7 S tandardpfanne zementfrei – Schraubring P. Kirschner
7.3.7.1 Verankerungsprinzipien Die zementfreie Pfannenimplantation in der Hüftendoprothetik wurde in den 70er Jahren entwickelt, nach-
Abb. 7.97↜ Probepfanne zur Orientierung und Abschätzung des Press-fit
dem die bis dahin erzielten Ergebnisse mit zementiert verankerten Pfannen immer kritischer diskutiert wurden. Insbesondere der Knochenzement galt wegen seiner mechanischen und chemisch/toxischen Eigenschaften als schwächstes Glied in der Kette, die die Lebensdauer der implantierten Gelenkkomponenten einschränkte. Daher wurde intensiv nach Möglichkei-
Operation 7â•…
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1987). Außerdem muss die primäre Verankerung alle auftretenden Belastungen aufnehmen und bis zur knöchernen Einheilung neutralisieren.
Abb. 7.98↜ Implantierte Pfanne, Implantat schließt mit dem Pfannenrand ab, kein Überstand
Abb. 7.99↜ Pfanne korrekt positioniert: Pfannenboden an der Tränenfigur, Pfannenunterrand schließt mit der Tränenfigur ab (0–5€mm), Anteversion ca. 15°
ten zementfreier Verankerungstechnik der einzelnen Komponenten gesucht (Breusch et€al. 2000). Das Konzept einer Pfannenverankerung in Form einer Schraube beruht wie bei allen übrigen Langzeitimplantaten auf dem Prinzip der sekundären Osteointegration als Folge stabiler mechanischer Primärverankerung. Diese Art der belastungsfähigen Inkorporation verlangt neben osteophilem, also besonders knochenverträglichem Material, eine geeignete Form und eine strukturierte Oberfläche (Semlitsch
7.3.7.2 Materialien und Oberflächen Die wesentlichste Eigenschaft eines Werkstoffs zur Implantation in den menschlichen Körper ist seine Biokompatibilität. Dies bedeutet, dass allenfalls eine Freisetzung von Substanzen in nicht toxischen Konzentrationen stattfinden darf. Dadurch ist gewährleistet, dass weder eine Entzündung noch eine Störung der Gewebedifferenzierung bei der Einheilung in der Umgebung eines Implantats auftritt (Thomsen et€ al. 1995). Hier hat sich Titan in verschiedenen Legierungen besonders bewährt. Es ist insbesondere aufgrund seiner selbstbildenden Oxidschicht sehr korrosionsbeständig und zeichnet sich durch hohe mechanische Belastbarkeit aus (Gregory 2004). Das osteophile Verhalten von Titan wird außerdem durch eine raue Oberfläche begünstigt, die mittels Korundstrahlen hergestellt wird. Daneben besteht die Möglichkeit, die Implantatoberflächen mit einem bioaktiven Werkstoff wie Hydroxylapatit oder einer Titan-Plasma-Beschichtung für einen schnelleren Knochenkontakt vorzubereiten. 7.3.7.3 Designs Die Form verschiedener Schraubpfannen ist im Wesentlichen von der Anforderung der stabilen Primärverankerung geprägt. Es gibt zylindrische, sphärische und konische Schalen, wobei durch das radiale Eindrehen die wesentliche Verankerung von den Gewindekonstruktionen ausgeht (Effenberger 2004; Abb.€7.100(a), (b)). Da die erste Generation zementfreier Schraubpfannen noch eine Konstruktion als Monoblock aufwies und aus vollen Keramik- oder Polyethylenblöcken geformt war, musste man – wie auch bei den ersten Gewindeschalenkonstruktionen – ein Gewinde in das Azetabulum vorschneiden, in das das Implantat dann eingeschraubt wurde. Wegen daraus abzuleitender Instabilitäten in der Primärfixation wurden deshalb Schraubringe mit selbstschneidenden Gewindekonstruktionen eingeführt. (Effenberger 2004) Stark beeinflusst wird das Design eines Schraubrings von der halbkugeligen anatomischen Form des Azetabulum. Zylindrische und konische Grundformen erfordern ein weiterreichendes Auffräsen des Kno-
P. Kirschner
212 Abb. 7.100↜ (a) Konische Schraubpfanne mit Flachgewinde, (b) sphärisch Form mit Spitzgewinde
Konus
a
b
Auch die Wandstärke der Schalen ist von Bedeutung. Sie wird allerdings wesentlich von der Form des verwendeten Einsatzes mitbestimmt. Die Gesamtrigidität des Implantats und die elastische Verformung des umgebenden Knochens sind entscheidend für die Standzeit des Implantats. Gemessen an den vielen verschiedenen Formen lassen sich dazu allerdings noch keine verbindlichen Aussagen machen.
konischer Schraubring
Spitzgewinde
Sägegewinde
Flachgewinde
kombiniertes Gewinde
Abb. 7.101↜ Gewindekonstruktionen in verschiedenen Profilen
chens der Gelenkpfanne als sphärische oder elliptische Formen mit oder ohne Polabflachung. Die Gewindeart, insbesondere seine Höhe und die Zahnbreite beeinflussen die Festigkeit der primären Verankerung und bilden einen Teil der Kontaktfläche, die der Knochen mit dem Implantat durch die Osseointegration herstellt. Art und Form der Gewinde gehen unterschiedliche Überlegungen voraus. Niedrige Spitzgewinde sollen beim Einschneiden in den Knochen die Spongiosa verdrängen und verdichten und somit die Grundlage für das Einheilen verbessern. Hohe Flachgewinde, meist als Lamellen bezeichnet und in Abständen unterbrochen, um die Schneidefähigkeit zu verbessern, sollen eine elastische Lastübertragung vom Implantat auf den Knochen bewirken (Abb.€7.101).
7.3.7.4 Konstruktionsmerkmale Anhand der historischen Entwicklung und der gewonnenen klinischen Erfahrung mit Schraubpfannen lassen sich diese aus heutiger Sicht in drei Generationen einteilen. Die erste Generation war geprägt durch die verwendeten Materialien (Keramik, Polyethylen, Vanadium) und Oberflächenbeschaffenheiten. Die AutophorSchraubpfanne von Mittelmeier et al. (1973) bestand aus einem Keramikblock mit Spitzgewindekonstruktion (Abb.€7.102). Eine Osseointegration zur keramischen Oberfläche fand ebensowenig statt wie bei dem von Lord 1975 entwickelten Implantat aus CobaldChrom-Molibdän mit glatter Oberfläche. Auch die von Endler 1982 entworfene Schraubpfanne aus einem Polyethylenblock, die durch ihre Eigenelastizität ein besseres Langzeitverhalten im Knochen erreichen sollte, erfüllte die Erwartungen wegen des Polyethylenabriebs nicht. Die Problematik des direkten Knochen-Polyethylen-Kontakts mit der Ausbildung von Osteolysen war noch nicht bekannt. Auch glasfaserverstärkte Kunststoffe kamen zur Anwendung, bevor Titan als das bisher bestgeeignete Material für konische (Parhofer und Ungethüm 1984) oder sphärische Schraubpfannen (Hackenbroch 1985; Mecring) angewendet wurde. Die Metalloberflächen waren glatt und bei ringförmigen Konstruktionen
Operation 7â•…
213
Abb. 7.102↜ (a) Schraubpfanne 1. Generation – Keramik Monoblock, (b) Schraubring 1.Generation – Titan poliert
Abb. 7.103↜ Schraubring CLW 2. Generation aus Titan mit rauer Oberfläche
(Weill 1986) hatte der Boden des Polyethylen-Inlays noch direkten Knochenkontakt. Bei der Weiterentwicklung der Schraubringe zur zweiten Generation richtete sich das Hauptaugenmerk auf die Osseointegration. Die Einheilung in den Knochen wurde deutlich verbessert durch Bearbeitung der Titanoberflächen. Die Kontaktflächen zum Knochen wurden aufgeraut mittels Korundbestrahlung oder mit Hydroxylapatit oder Titanspray beschichtet, um ein sicheres Einwachsen in den Knochen zu erreichen (Abb.€ 7.103). Freiliegende und mit dem Knochen in Kontakt tretende Polyethylenflächen, besonders die Rückseiten der Schraubringeinsätze, wurden entweder mit Titannetzen oder Titandeckeln abgedeckt (Abb.€7.104). Auch die Inlays selbst wurden weiter verbessert. Neben Zentrierung und Sicherung in der Metallschale wurden die Schalenränder mit einer PE-Lippe mit
Abb. 7.104↜ Titannetz Abdeckung des Polyethylen-Inlays (Sulmesh)
abgedeckt, um einen metallischen Kontakt zum Hüftkopf oder Prothesenhals zu vermeiden. Die jüngste Entwicklung in die dritte Generation der Schraubringe ist im Wesentlichen durch die Entwicklung der Pfanneneinsätze nach tribologischen Gesichtspunkten geprägt. Sowohl Gleitpaarungen zwischen Keramik und Keramik als auch zwischen Metall und Metall wird in verschiedenen Konstruktionsformen Rechnung getragen. Sie werden als sog. Sandwichkonstrukte für Metall oder Keramik als auch als Vollkeramikeinsätze angeboten (Willmann und Zweymüller 2000). Daneben gewinnen auch Einsätze aus hochvernetztem Polyethylen immer mehr an Bedeutung.
7.3.7.5 Implantationstechnik Um einen Schraubring sicher zu implantieren, muss die Form des knöchernen Azetabulum dafür geeignet und der zur Verankerung notwendige Knochen
P. Kirschner
214 Abb. 7.105↜ (a) Sphärischer Fräser zur Herstellung der Passform für sphärische Schraubpfannen oder Pressfit-Schalen, (b) konischer Fräser für die tiefendefinierte Verankerungsposition eines konischen Ringes
a
vital sein. Wenn mehr als ein Viertel des knöchernen Umfangs eines Azetabulum beschädigt sind oder fehlen, sollte eine Schraubringimplantation nicht erwogen werden (Jacob et€al. 1976). Sklerosierte Knochenabschnitte, meist im kranialen Bereich des Azetabulum, müssen sorgfältig abgefräst werden, bis subchondrale Blutungen sichtbar werden, die die Vitalität des Knochens kennzeichnen. Trotzdem können Härteunterschiede des Knochens, meist kranial, dazu führen, dass die Schraubgewinde nicht sicher einschneiden und dadurch die Schraubpfanne in das weichere, kaudale Knochengewebe abgelenkt wird. Dadurch ist die Primärstabilität deutlich herabgesetzt. Dies ist auch zu erwarten, wenn das Azetabulum zu tief ausgefräst wird und der Ring ausschließlich in der Spongiosa verankert ist. Schraubpfannen sollten in der üblichen Position mit 45€Grad Inklination und 15€Grad Anteversion implantiert werden (Müller 1975; D’Lima et€ al. 2001). Zu steile oder zu flache Implantationen haben kürzere Standzeiten (Yoder et€al. 1988; Pagnano et€al. 1996). Beim Eindrehen einer Schraubpfanne gilt es, eine Fraktur oder Perforation des kaudalen Pfannenbodens zu vermeiden, wie dies insbesondere bei konischen Implantaten auftreten kann. Ein weiteres Problem konischer Schraubpfannen ist das zu frühe Festlaufen beim Eindrehen. Dadurch positioniert sich das Rotationszentrum nach lateral, was ggf. bei der Protrusion zur Korrektur genutzt werden kann. Im Normalfall jedoch stellt es eine Fehlpositionierung dar. Daher sind Schraubpfannen mit offenem Boden vorteilhaft
b
(Weill 1986), da zum einen die Position kontrollierbar ist und darüber hinaus ein bestehender Hohlraum zum Pfannengrund hin mit Spongiosa aufgefüllt werden kann. Es ist wichtig, bei den verschiedenen Schraubringformen und Gewindekonstruktionen die spezielle Operationsanleitung zu beachten und bei konischen Schraubpfannen nach dem Ausfräsen des beschädigten Knorpels und der sklerosierten Knochenbezirke sowie etwaiger Pfannenbodenosteophyten abschließend mit einem konischen Fräser in der Implantatposition ein kongruentes Lager zu schaffen (Weill 1986; Zweymüller et€al. 1994; Abb.€105(a), (b)) Auch der Eindrehvorgang einer Schraubpfanne muss die vorgegebene Gewindekonstruktion berücksichtigen. Da bei Doppelgewinden die Eindrehtiefe mit einer Drehung doppelt so tief ist wie bei den Einfachgewinden, laufen derart konstruierte Schraubpfanne ggf. sehr schnell fest. Dabei ist der Operateur geneigt, durch Anziehen des Gewindes die Stabilität nochmals zu erhöhen, was leicht zu einem Ausreißen der Gewindegänge führen kann. Hier haben sich Werkzeuge mit definiertem Drehmoment bewährt, da sie den Eindrehvorgang sicherer machen. Um eine dauerhafte Verankerung einer Schraubpfanne zu erzielen, müssen also die Knochenqualität, die Blutversorgung und die sphärische Form des Azetabulum bei der Präparation sorgfältig beurteilt werden. Nur wenn die Gewindelamellen tief in den Knochen einschneiden, wird Knochengewebe auch bis zum Gewindegrund vorwachsen und damit die Osseo-
Operation 7â•…
integration auf großer Oberfläche stattfinden (Zweymüller 2000). Dies bedeutet, dass sich die Indikation für Schraubpfannen auf Primärimplantation bei weitgehend erhaltenen, knöchernen Strukturen, bestimmte Dysplasieformen und Endoprothesenwechsel mit geringem Knochenverlust beschränken sollte.
7.3.7.6 Ergebnisse Die Schraubpfannen der ersten Generation konnten die Erwartungen einer länger dauernden Osteointegration nicht erfüllen, da weder Materialien noch technische Bearbeitung der Oberflächen oder Gewindeformen die Voraussetzungen dafür erfüllten (Mittelmeier 1986; Aldinger et€al. 2004). Zwar wurden erfolgreiche klinische Studien veröffentlicht, meist jedoch mit Beobachtungsspannen von 5–7 Jahren. Große Unterschiede der Ergebnisqualität waren vor allem zwischen Autoren und anderen Anwendern festzustellen. Lockerungen, auffällige, zunehmende Saumbildung und Migrationen verschiedener Implantate, führten zu Revisionsraten von bis 40€% innerhalb von 10 Jahren (Effenberger et€al. 2004). Auffällig hierbei war insbesondere das Versagen sphärischer Implantate der ersten Generation, was zur grundsätzlichen Ablehnung in verschiedenen Ländern führte, da sich gleichzeitig die Press-fit-Technik mit bestimmten Vorteilen der Implantation weiter entwickelte (Chell und Howard 1998). Mit der technologischen Entwicklung der zweiten Generation der Schraubpfannen wurden deutlich bessere Langzeitergebnisse erzielt. Die 10-Jahres-Überlebensraten konischer und sphärischer Schraubpfannen erreichten aufgrund der Osteointegrationsraten Standzeiten von 93–99€% (Zweymüller 2000). Auch die Ergebnisse bei Dysplasie, Koxarthrose und Endoprothesenwechsel haben sich damit eindeutig verbessert (Perka und Zippel 1995). Derzeit gilt die höchste Aufmerksamkeit dem Abrieb und den daraus resultierenden Osteolysen. Dabei spielt nicht nur der durch die Bewegung entstehende Abrieb im Inlay eine Rolle, sondern auch der Rückflächenabrieb des Polyethyleneinsatzes. Es zeigt sich, dass stabil sitzende Inlays – wie in konischen Schraubpfannen – weniger Osteolysen entstehen lassen als dies bei sphärischen Pfannen beobachtet wird. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Schraubpfannen mit entsprechenden Konstruktionsmerkmalen in den Knochen einheilen und über viele Jahre stabil inte-
215
griert sind. Die Implantation erfordert dabei allerdings höchste Sorgfalt in der Herstellung eines osteoinduktiven Knochenlagers und eine einwandfreie Verankerung der Gewindelamellen im Knochen. Schraubpfannen erreichen nach einer Verbesserung ihrer Gewindekonstruktionen sowohl in sphärischer als auch in konischer Form ein deutlich verbessertes Einheilverhalten und Standzeiten, die mit Press-fit-Implantaten vergleichbar sind. Die Implantationstechnik ist anspruchsvoll. Eine strenge Indikationsstellung und die Berücksichtigung der knöchernen Situation sind ausschlaggebend. Häufig werden Schraubpfannen zu steil eingedreht, weil sich die Ausrichtung zu sehr am Azetabulumrand ausrichtet, der in seinem geschwungenen Verlauf eine andere Positionierung vorgibt.
7.4 Zusatzeingriffe 7.4.1 M uskeln, Sehnen, Release, Synovektomie, Bursektomie A. Halder
7.4.1.1 Bursektomie Anatomie╇ Die Regio coxae besitzt zahlreiche Bursen als Gleitschichten im Bereich der Sehnenansätze und Knochenvorsprünge. Aseptische Bursitiden können als Begleiterkrankung auftreten. Klinisch sind Bursitiden bei zeitgleicher Arthrose schwer zu differenzieren. Abhängig vom gewählten Zugang werden unterschiedliche Bursen aufgesucht. Der laterale Zugang zur Hüfte zeigt über der Außenseite des Trochanter major die Bursa trochanterica sowohl subkutan wie auch subfaszial gelegen. Ventral zwischen Trochanterspitze und Sehne des M. gluteus minimus liegt die Bursa trochanterica musculi glutei minimi. Zwischen der Sehnenkappe des M. gluteus medius und Trochanterspitze liegt regelmäßig die Bursa trochanterica musculi glutei medii (Abb.€7.106). Der dorsale Zugang führt auf die Bursa musculi obturatorii interna sowie Bursa musculi quadratus femoris (s. Abb.€ 7.106). Hier gibt es verschiedene Variationen. Oftmals kann eine Bursa nur schwer abgegrenzt werden. Indikation und Therapie Das Vorgehen bei Bursitiden im Rahmen von Primäreingriffen und bei Revisionen ist unterschiedlich.
A. Halder
216
Bursa subcutanea spinae iliacae post. sup. (Variation)
M. piriformis et Bursa Bursa subcutanea sacralis (Variation)
M. gluteus minimus et Bursa M.gluteus medius(abgeschnitten) et Bursa trochanterica profunda
Bursa subcutanea coccygea (Variation)
M. obturatorius int. et Bursa Bursa ischiadica subcutanea (Variation) Bursa ischiadica m.glutei maximi
Bursa trochanterica m.glutei medii superficialis Bursa m. obturatorii interni Ansatzzone (Variation) Bursa trochanterica subcutanea Bursa trochanterica subfascialis M. quadratus femoris et Bursa (Variation) M. gluteus maximus et Bursae gluteofemorales
M. biceps femoris et Bursa superior
Abb. 7.106↜ Bursae synoviales der Regio glutea, schematisch Bursae obligatae: blau; Bursae accessoriae: blau umrandet
Im Rahmen der Primärendoprothetik empfiehlt sich die Inzision der Bursae. Eine komplette Exzision ist nicht notwendig. Sie ist zur Vermeidung postoperativer Nachblutungen nicht grundsätzlich indiziert. Liegen jedoch makroskopisch entzündliche Veränderungen mit Schwellung und Umbau der Bursaschleimhaut vor, empfiehlt sich eine komplette Exzision des entzündeten Gewebes. Eine subtile Blutstillung ist obligat. Bursitiden können bei Fehlplatzierung der Prothese auftreten, etwa bei überhöhtem Offset. Ursächlich ist eine vermehrte Reibung der Sehnen aufeinander, auf Knochenvorsprüngen oder auf der Prothese selbst. Durch exzessiven Abrieb kann ebenfalls eine ausgeprägte Entzündungsreaktion unterhalten werden, die sogar raumfordernde Wirkung erzeugt (Beksac et€ al.
2007; Cheung et€al. 2004). Ebenso kann ein septischer Prozess Bursitiden hervorrufen. Somit muss die radikale Bursektomie Teil einer notwendigen Revisionsoperation werden. Ergebnisse Wissenschaftliche Arbeiten über Vorteile der radikalen Bursektomie im Rahmen der Hüftendoprothetik liegen nicht vor. Für die ausschließliche Bursektomie bei Bursitis sind erfolgreiche Verfahren beschrieben. Hier ist ein radikales Debridement notwendig, um Beschwerdefreiheit zu erreichen. Dies wird überwiegend offen durchgeführt, obwohl auch schon erfolgreiche arthroskopische Verfahren berichtet wurden (Haaker et€ al. 2000; Wiese et€ al. 2004). Wir empfehlen das offene Vorgehen, um eine ausreichende Radikalität zu erreichen. Dies rechtfertigt die
Operation 7â•…
217 vordere Gelenkkapsel
Lig. iliofemorale
M. gluteus medius et minimus
Lig. pubofemorale
M. vastus lateralis
Abb. 7.108↜ Ventrale, T-förmige Eröffnung des Hüftgelenks. (Aus: Bauer et al. 1994)
Abb. 7.107↜ Ligamentum iliofemorale, Lig. pubofemorale und Lig. ischiofemorale von ventral
Invasivität des Eingriffs. Im klinischen Alltag stellt die Bursektomie als Revisioneingriff nach Hüftprothesenimplantation eine eher seltene Indikation dar.
7.4.1.2 Synovektomie Anatomie╇ Die Gelenkkapsel des Hüftgelenks umâ•‚ schließt von der Linea intertrochanterica ausgehend zwei Drittel des Schenkelhalses und den Hüftkopf und setzt am Labrum acetabulare an. Die Gelenkkapsel wird in eine innere und äußere Schicht unterteilt. Die äußere Schicht ist die Membrana fibrosa. Die innere Schicht der Gelenkkapsel, die Membrana synovialis, produziert die Synovialflüssigkeit, die als Gelenkschmiere dient und zur Ernährung der Chondrozyten notwendig ist. Verstärkt wird sie durch das Lig. iliofemorale, das Lig. pubofemorale sowie das Lig. ischiofemorale (von Lanz und Wachsmuth 2004; Abb.€7.107 und 7.108). Indikation Aseptische chronische Arthritis, septische Arthritis, aber auch Koxarthrose mit entzündlich fibrösem Umbau der Gelenkkapsel stellen Indikationen zur Kapsulektomie dar. Durch Abriebpartikel werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die einen chronischen Reiz unterhalten. Dieser Kreislauf kann nur durch eine möglichst radikale Kapselentfernung beherrscht werden.
Abb. 7.109↜ Nach T-förmiger Kapselinzision beim lateralen Zugang zum Hüftgelenk
Therapie Beim lateralen Zugang zum Hüftgelenk erfolgt die T-förmige Inzision der Kapsel im Verlauf des Schenkelhalses (Abb.€7.109). Wir empfehlen eine subtotale Kapsulektomie medial bis an das Caput reflexum des M. rectus femoris unter Schonung desselben, um Blutungen zu vermeiden. Im Bereich des Erkers kann die Kapsulektomie knochennah unter Sicht komplett durchgeführt werden, um den Erker darzustellen und einen Überstand der Pfanne nach Implantation zu vermeiden. Bei nicht kontrakten Hüftgelenken können
A. Halder
218 hintere Gelenkkapsel
M. piriformis M. gemellus sup.
M. gemellus inf. M. obturatorius int.
Abb. 7.110↜ Dorsale T-förmige Eröffnung der Hüftgelenkskapsel. (Aus: Bauer et al. 1994)
die dorsokaudalen Anteile der Gelenkkapsel verbleiben (Bauer et€al. 1994). Der dorsale Zugang zum Hüftgelenk ermöglicht die dorsolaterale Kapsulotomie. Dies ermöglicht ebenfalls eine subtotale Kapsulektomie (Abb.€7.110). Von verschiedenen Autoren wird der Erhalt der Gelenkkapsel propagiert. Hier erfolgt nach Prothesenimplantation der erneute Verschluss der Gelenkkapsel. Protektorische Wirkung auf Luxationsgefahr und Nachblutung werden diskutiert. Ergebnisse Wissenschaftliche Untersuchungen bei entzündlichen Gelenkerkrankungen zeigen den positiven Einfluss der Synovektomie. Eine deutliche Schmerzreduktion und Besserung der klinischen Symptomatik können erreicht werden. Bei Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreis oder Synovialitiden (pigmentierte villonoduläre Synovialitis) sollte ebenfalls im Rahmen der Prothesenimplantation eine möglichst radikale Synovektomie vorgenommen werden, um den Entzündungsprozess zu unterbrechen (Carl et€ al. 2007; Gschwend 1977; Gonzalez et€ al. 2001; Heimkes und Stotz 1992; Tillmann 1991).
7.4.1.3 R elease von Kapsel, Muskeln und Sehnen Anatomie und Biomechanik╇ Ausgeglichene Weichteilspannung um das Hüftgelenk ist wesentlicher Bestandteil einer klinisch erfolgreichen Hüftendo-
prothese. Gute Stabilität bei physiologischem Hebelarm der Abduktoren sind Vorraussetzungen für den operativen Erfolg. Deshalb sind die Wiederherstellung des anatomischen Rotationszentrums und des Offset wesentliche Ziele der Operation (Bourne und Rorabeck 2002; Charles et€al. 2005). Damit kann die korrekte Spannung der das Hüftgelenk umgebenden Weichteile eingestellt werden. Alleiniger Spannungsaufbau über die Verlängerung der Kopf-Hals-Komponente vergrößert zwar das Offset in Abhängigkeit vom CCD-Winkel, verlängert aber ebenso das Bein. Beim Zugang zum Hüftgelenk müssen Sehnen und Muskeln dosiert durchtrennt werden. Um die Muskelfunktion und damit die Weichteilspannung wiederherzustellen, ist es wichtig, diese zum Ende der Operation stabil zu reinserieren. Indikation Gelenkkontrakturen müssen beseitigt werden, um postoperativ Bewegungseinschränkungen oder Luxationen zu verhindern. Bestehende Beugeoder Adduktionskontrakturen müssen gelöst werden, um die Beckenaufrichtung und den Beckengeradstand zu ermöglichen. Eine Überkorrektur ist zu vermeiden, um einer Instabilität vorzubeugen. Therapie Die drei o.€ g. Kapsel-Band-Verstärkungen haben stabilisierende und limitierende Wirkungen bei Hüftbewegungen. Die Kapsulektomie im Rahmen des Zugangs verändert entsprechend die Gelenkmechanik: Das Lig. ischiofemorale zieht vom azetabulären Teil des Os ischium dorsal des Hüftgelenks zum kraniolateralen Anteil des Trochanters. Es kontrolliert die Innenrotation in Beugung und Streckung (s. Abb.€7.108). Das Lig. iliofemorale zieht vom azetabulären Teil des Os ilium ventral des Hüftgelenkes zur Linea intertrochenterica. Während der laterale Anteil schräg nach lateral zieht, verläuft der mediale Anteil nahezu vertikal. Es begrenzt die Außenrotation und spannt in Extension. Das Lig. pubofemorale zieht vom azetabulären Teil des Os pubis ventrokaudal des Hüftgelenks zur kaudalen Linea intertrochanterica und Basis des Schenkelhalses. Es kontrolliert die Außenrotation in Streckung sowie die Abduktion (Martin et€al. 2008; von Lanz und Wachsmuth 2004; s. Abb.€7.107 und 7.108). Hieraus lässt sich der Einfluss einer Kapsulektomie auf die Stabilität des Gelenks ableiten. Beim dorsalen Zugang wird das Lig. ischiofemorale reseziert, wodurch eine vermehrte Innenrotation möglich wird
Operation 7â•…
(Martin et al. 2008). Dies kann die höhere postoperative Luxationsrate nach dorsalem Zugang erklären. Ebenso wird beim lateralen Zugang das Lig. iliofemorale reseziert, wodurch eine vermehrte Außenrotation möglich wird. Folglich wird eine Luxation nach ventral erleichtert. Im Falle einer Beugekontraktur kann durch Inzision der ventralen Kapsel und des Lig. iliofemorale die Streckfähigkeit wiederhergestellt werden. Im Falle einer Adduktionskontraktur müssen die ventrokaudale Kapsel und das Lig. pubofemorale gelöst werden.
7.4.1.4 R elease einzelner Sehnen und Muskeln Musculus iliopsoas╇ Im Falle einer Hüftbeugekontraktur kann neben der ventralen Kapsulektomie das schrittweise Release der Sehne des M. iliopsoas am Trochanter minor die volle Streckbarkeit des Hüftgelenks wiederherstellen. Nach Hüftprothesenimplantation kann es zur Tendinitis der Iliopsoassehne kommen. Ursächlich ist die Irritation der Sehne durch eine ventral überstehende Pfannenkomponente oder Fixationsschrauben. Dabei kann die Pfanne ventral durch Überdimensionierung, unzureichende Anteversion, ventrale Positionierung oder einen ventralen Pfannendefekt freiliegen. Die Patienten klagen über Schmerzen in der Leiste in den ventralen Oberschenkel ausstrahlend mit Verstärkung beim Aufstehen und Treppaufgehen. Begleitend kann eine Bursitis auftreten. Therapeutisch ist neben korrekter Dimensionierung und Positionierung der Pfanne ein offenes oder arthroskopisch durchgeführtes Release der Sehne des M. iliopsoas erfolgreich (Gonzalez Della Valle et€al. 2001; Heaton und Dorr 2002; Hessmann et€al. 2007; O’Sullivan et€al. 2007; Taher und Power 2003). Adduktoren Im Falle einer ausgeprägten Adduktionskontraktur kann neben der medialen Kapsulektomie eine Adduktorentenotomie ausgeführt werden. Über eine zusätzliche symphysennahe Inzision in der Leiste werden die Adduktorensehnen – meist des M. adductor longus und pectineus – ansatznah vom Os pubis abgelöst. Dabei ist der N. obturatorius zwischen M. pectineus und adductor brevis zu schonen. Außenrotatoren Im Falle einer Außenrotationskontraktur können neben der dorsalen Kapsulektomie die kleinen Außenrotatoren ansatznah vom dorsalen Trochantermassiv abgelöst werden.
219
Ergebnisse Die Kapsulektomie und ihre Auswirkungen wurden bislang nur experimentell untersucht. Klinische Ergebnisse wurden nicht berichtet. Das Release der Sehne des M. iliopsoas ergab in mehreren Studien sowohl arthroskopisch wie offen gute Ergebnisse.
7.4.1.5 Coxa saltans Anatomie╇ Bei Flexions-Extensions-Bewegungen im Hüftgelenk kommt es zu einem Schnappen des Tractus iliotibialis über den Trochanter major. Der Vorwärtsbewegung des Traktus wirkt die horizontale Zugkraft des M. gluteus maximus entgegen (Bauer et€al. 1994). Die Coxa saltans kann als schmerzhaftes Schnappen oder als Zufallsbefund subjektiv beschwerdefrei wahrgenommen werden. Eine schnappende Hüfte kann bei primärer Koxarthrose als Begleitphänomen vorliegen, aber auch Folge einer durchgeführten Prothesenimplantation sein (Larsen und Gebuhr 1988). Kommt es durch die Implantation zu einer Störung der Gelenkmechanik kann es zu einem Kraftungleichgewicht kommen, das ein Schnappen auslöst. Ein überhöhtes Offset ist neben der Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten oft ursächlich. Indikation Bei konservativ therapieresistenten Beâ•‚ schwerden ist die Indikation zur operativen Versorgung gegeben. Therapie Das Wechselspiel zwischen Tractus iliotibialis und M. gluteus maximus mit wechselndem Zug und entsprechendem Schnappen muss aufgehoben werden. Eine alleinige Refixation des Traktus am Trochanter major hat sich als nicht erfolgversprechend herausgestellt. Kerschbaumer empfiehlt das Ablösen des Tractus iliotibialis vom M.€ gluteus maximus und damit Ventralisierung desselben (Abb.€7.111 und 7.112a). Der dorsale Rand der eröffneten Fascia lata wird mit dem M. gluteus maximus am dorsalen Rand des Trochanter major refixiert. Der Faszienspalt zum ventralisierten Traktus wird nicht erneut verschlossen (Abb.€ 7.112b). Der Traktus verbleibt somit ventral und das Schnappenphänomen unterbleibt (Bauer et€al. 1994). Mittels arthroskopischer Technik kann die Faszienspaltung auch minimal-invasiv durchgeführt werden (Haaker et€al. 2000). Allerdings ist die Übersicht bei der arthroskopischen Traktopexie eingeschränkt.
P. A. Grützner
220
Lig. ischiofemorale
Abb. 7.111↜ Ligamentum iliofemorale, Lig. pubofemorale und Lig. ischiofemorale von dorsal
Ergebnisse Größere Fallgruppen nach Hüftprothesenimplantation mit Traktopexie wurden nicht untersucht. Es liegen nur Einzelfallberichte vor (Larsen und Gebuhr 1988). Das o.€ g. Verfahren der Traktopexie führte nach eigenen Erfahrungen zu zufriedenstellenden Ergebnissen.
7.4.2 C omputerassistierte Verfahren in der Hüftendoprothetik P. A. Grützner
7.4.2.1 Einleitung Neben der Verankerung der Prothesen, der korrekten, weichteilschonenden Implantationstechnik und der Tribologie ist die korrekte Positionierung der Komponenten als wesentlicher Faktor für die Standzeit und Funktion der Prothese anzusehen. Sie wirkt sich sowohl auf die kurzfristigen als auch auf die langfristigen Ergebnisse aus. Biomechanisch ungünstige Postitionierungen der Implantate führen in der Frühphase zu erhöhten Luxationsraten, einem eingeschränkten Bewegungsradius durch knöchernes oder implantatbedingtes Impingement und zu Bein-
längendifferenzen. Auf Dauer führt die unphysiologische Belastung zu verstärktem Abrieb und somit zur vorzeitigen aseptischen Lockerung (Hirakawa et€ al. 2001; McCollum und Gray 1990; Sarmiento et€ al. 1990). Vor allem die Pfannenkomponente unterliegt bei der Implantation einer hohen Variabilität in den konventionellen Techniken der Ausrichtung (Hassan et€al. 1995; Lewinnek et€al. 1978; Saxler et€al. 2004). Die Luxationsrate beträgt in den größeren Untersuchungen ca. 1–2€% in der Primärendoprothetik, jedoch ca. 10€% in der Revisionsendoprothetik (McCollum und Gray 1990; Sanchez-Sotelo und Berry 2001). Die wesentlichen Ursachen sind die Positionierung der Implantate und vor allem in der Revisionsendprothetik die Weichteilführung. Verschiedene Autoren haben die Komplikationsrate der primären Endoprothetik mit der Pfannenausrichtung korreliert und hieraus so genannte sichere Zonen der Pfannenplatzierung abgeleitet. Sie konnten zeigen, dass Hüftpfannen, die in diesem Toleranzbereich implantiert wurden, signifikant seltener zu Subluxationen und Luxationen neigen (Abb.€7.113; Harris 1980; Kummer et€ al. 1999; Lewinnek et€ al. 1978; Seki et€al. 1998). Computerassistierte Verfahren wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel der Verbesserung der Präzision operativer Eingriffe entwickelt (Amiot et€ al. 1995; Berlemann et€al. 1997; Haaker et€al. 2003; Jaramaz et€al. 1998; Langlotz und Nolte 2004; Nolte et€al. 2000). Ziel der Hüftnavigation ist es, durch Einstellung einer exakten Position der Pfanne, aber auch des Schaftes die Komplikationsrate in der Frühphase zu senken und die Langzeitergebnisse zu verbessern. Herkömmlich wird die Planung beim Hüftgelenkersatz mit Hilfe von Schablonen und Röntgenbild in einer 2D-Ebene ausgeführt. Hiermit können zwar die Inklination und die Größe der Prothese relativ gut abgeschätzt, die korrekte Anteversion kann jedoch nicht bestimmt werden. Die korrekte Wiederherstellung des Drehzentrums des Gelenks ist eine planerische und operative Herausforderung, die ein großes dreidimensionales Vorstellungsvermögen voraussetzt. Intraoperativ ist die genaue Position des Patienten auf dem Operationstisch nur schwierig abzuschätzen und bei bestimmten anatomischen Gegebenheiten, die zu einer Verkippung oder Verdrehung des Beckens auf
Operation 7â•… Abb. 7.112↜ (a) Schnellende Hüfte: Der Tractus iliotibialis ist stark verdickt, die kranialen Muskelfasern des M. gluteus maximus haben einen mehr horizonzalen Verlauf als gewöhnlich, gestrichelt: Position des Trochanter major. (b) Der hintere Rand der Fascia lata ist an der Sehne des M. gluteus medius und an der Hinterkante des Trochanter major und der Ursprungssehne des M. vastus lateralis vernäht. Die klaffende Inzision der Fascia lata hinter dem Traktus bleibt unverschlossen
221
a
Trochaner major (durchscheinend)
Crista iliaca
M. gluteus maximus
M. tensor fasciae latae
Tractus iliotibialis
dem Operationstisch führen, wie z.€B. Hüftbeugekontraktur auf der Gegenseite oder Hyperlordose, nahezu unmöglich. In der Revisionschirurgie können zudem die anatomischen Orientierungspunkte im Operationssitus vollständig fehlen. Konventionelle, mechanische Ausrichtungshilfen, die sich am OP-Tisch oder einer vom Operateur vermuteten Beckenausrichtung und nicht an anatomischen Gegebenheiten orientieren, sind nicht ausreichend zuverlässig. Vor allem für die Anteversion wurden erhebliche Ungenauigkeiten bei der intraoperativen Orientierung festgestellt (Coventry et€al. 1974; Harris 1980; Hassan et€al. 1998; Pollard et€al. 1995). Erschwerend ist die Relativbewegung des Beckens während der Operation. Technisch aufwendigere mechanische Instrumente, wie sie von Doyle et€al. und Murray entwickelt wurden und eine mehr „anatomieorientierte“ Ausrichtung ermöglichen sollten, konnten sich nicht durchsetzen (Doyle et€al. 1989, 2002; Murray 1993).
b
Tractus iliotibialis
Sehne des M. gluteus medius
M. vastus lateralis
Abb. 7.113↜ Luxation bei Steilstellung der Pfanne
7.4.2.2 P rinzipien der computerassistierten Hüftendoprothetik Grundbegriffe╇ • Therapeutisches Objekt: Das therapeutische Objekt ist die anatomische Struktur, die behandelt werden
P. A. Grützner
222 Navigator
Therapeutisches Objekt Virtuelles Objekt
Abb. 7.114↜ Prinzip der Navigation
soll. Dieses kann je nach dem geplanten Eingriff aus einem Objekt, aber auch aus mehreren Objekten, z.€B. Pfanne und Schaft, bestehen. • Virtuelles Objekt: Das virtuelle Objekt ist das „Bild“ des Patienten. Dabei kann es sich um präoperative diagnostische Untersuchungen, intraoperative Bilddaten oder um Informationen handeln, die intraoperativ durch Abnahme anatomischer Punkte am Patienten gewonnen werden (bildfreie Navigation). • Navigator: Der Navigator ist das verbindende Element zwischen therapeutischem und virtuellem Objekt. Er ermöglicht durch das Verfolgen von Patientenanatomie und chirurgischen Instrumenten die interaktive Darstellung im virtuellen Objekt (virtuelle Realität). Navigatoren sind mit verschiedenen Technologien für das „Tracking“, also die Verfolgung von geeigneten Sensoren, entwickelt worden, z.€B. Infrarotlicht, Magnetismus oder Ultraschall (Abb.€7.114).
Registrierung Unter Registrierung versteht man den Prozess der Transformation der Bildinformation und der Position der Instrumente auf die Anatomie des Patienten. Auch beim konventionellen Operieren verknüpft der Chirurg seine anatomischen Kenntnisse mit den ihm zur Verfügung stehenden Bildinformationen und dem Operationssitus „mentale Registrierung“. Aufgrund seiner Erfahrung kann er die Bilddaten mehr oder weniger valide der Anatomie des Patienten zuordnen. Manuelle Registrierung Bei präoperativ aufgenommenen Datensätzen, wie z.€B. der Computertomographie, ist eine manuelle Registrierung („Matching“) erforderlich. Eine Möglichkeit, in z.€ B. besonders anspruchsvollen Fällen ein Paired Point Matching zuverlässig, präzise und reproduzierbar durchzuführen, ist die Verwendung von speziellen Markern. Diese Marker (Fiducials) werden vor der Aufnahme der Bild-
Operation 7â•…
daten starr am zu behandelnden Knochen des Patienten angebracht und sind sowohl im Bilddatensatz als auch am Patienten klar definiert und auch unter OP-Bedingungen leicht aufzufinden. Der entscheidende Nachteil ist die Invasivität der Markerapplikation, die in der Regel mit einem zusätzlichen operativen Eingriff verbunden ist. Die Vorteile sind die Möglichkeit, auch an Knochen ohne markante und relativ gut zugängliche Landmarken ein Matching durchführen zu können, sowie die gute Reproduzierbarkeit. Segmentierung Das Matching setzt einen dreidimensionalen Datensatz voraus, der nur die knöchernen Strukturen abbildet. Die Erstellung eines solchen Datensatzes, d.€h. das Entfernen aller Weichteilinformationen aus dem ursprünglichen Datensatz und die Reduktion desselben auf die Knocheninformation, wird als Segmentierung bezeichnet. Im CT-Datensatz geschieht dies in der Regel über eine Grauwertschwelle (Threshold). Wird eine solche Schwelle definiert, können z.€B. alle Bildbereiche, die unterhalb dieses Grauwerts (Hounsfield-Einheiten) liegen, aus dem Datensatz herausgelöscht werden. Im CT wird Knochen normalerweise in einem spezifischen Bereich von Grautönen dargestellt, die Spongiosa entspricht ca. 30–230 Hounsfield-Einheiten und die Kompakta Werten über 250 Hounsfield-Einheiten. Durch einliegende Implantate wird aufgrund der Artefaktbildungen dieser Segmentierungsprozess erheblich erschwert und eine intraoperative Registrierung eines solchen Datensatzes ist nur eingeschränkt möglich. CT-basierte Navigationssysteme konnten in vielen Fällen erfolgreich klinisch angewandt werden (Bernsmann et€ al. 2000, 2001; DiGioia et€ al. 1998). Dennoch schränken die Nachteile den klinischen Routinebetrieb ein. Sowohl die präoperative Planung als auch der intraoperative Abgleich des CT-Datensatzes mit der Patientenanatomie, das sog. Matching, unterliegen einer deutlichen Lernkurve. Zusätzlich ist die Segmentierung des Datensatzes in der Revisionsendoprothetik durch einliegende Implantate und die damit verbundene Artefaktbildung im CT deutlich erschwert. In der Primärendoprothetik gibt es seit einigen Jahren Erfahrungen mit der computerassistierten Implantatpositionierung. Es kommen hier CT-basierte, bildwandlerbasierte und Systeme mit intraoperativer Definition der Patientenanatomie (kinematische Analyse, Landmarkendefinition) zum Einsatz.
223
In der Revisionsendoprothetik ist die Orientierung an anatomischen Landmarken erheblich erschwert. Automatisierte Registrierung╇ Die Transformation des Koordinatensystems der Bilddaten auf das Koordinatensystem der Anatomie des Patienten kann automatisch erfolgen. Hierzu ist es erforderlich, dass beim Aufnehmen der Bilddaten die Positionen beider Koordinatensysteme bekannt sind. Da am Patienten hierzu eine dynamische Referenzierungsbasis (DRB) angebracht sein muss, kann eine automatische Registrierung nur intraoperativ erfolgen. Grundsätzlich kommen alle intraoperativ verfügbaren Bildquellen in Frage. Mit Hilfe des Bildverstärkers und mit Ultraschall können markante Landmarken nichtinvasiv registriert werden (Abb.€7.115). Die Kamera erfasst die Position des Patienten durch die dynamische Referenzierungsbasis und gleichzeitig die Position der Bildquelle. Am Bildverstärker oder am Schallkopf sind hierzu lichtemittierende Dioden (LEDs) angebracht. Mit einem navigierten, kalibrierten C-Arm werden Bilder in den für den Eingriff relevanten Standardprojektionen aufgenommen. Es können mehrere Bildwandlerebenen gleichzeitig in einer Art virtueller Dauerdurchleuchtung als optische Information im Operationssaal zur Verfügung stehen (virtuelle Fluoroskopie). Kinematische und landmarkenbasierte Registrierung der Patientenanatomie╇ Die Informationen über die individuelle Anatomie des Patienten, aber auch über die prä- und intraoperative Kinematik werden während des Eingriffs gewonnen. Das Prinzip besteht darin, während der Operation mit einem navigierten Tastinstrument anatomische Landmarken abzutasten und anhand deren geometrischer Konfiguration ein virtuelles Modell der Anatomie des Patienten zu generieren. Hierfür wird ein navigiertes Zeigeinstrument benutzt, mit dessen Hilfe die individuellen Messdaten über ein Kamerasystem an den Hauptrechner weitergeleitet werden. Referenzierung╇ Zum Ausgleich von Relativbewegung zwischen Kamera, Instrument und Patient muss eine dynamische Referenzierungsbasis (DRB) am operierten Knochen angebracht werden. Hierbei ist die rigide, stabile Fixierung der dynamischen Referenzbasis wichtig. Mit Hilfe der DRB wird also ein lokales,
P. A. Grützner
224 Abb. 7.115↜ Prinzip der intraoperativen automatischen Registrierung durch Einbindung eines navigierten Röntgenbildverstärkers
V-COS I-COS
T-COS
A-COS
P-COS
bewegliches Koordinatensystem für den Starrkörper „Knochen“ definiert. Diese DRB erfasst alle Bewegungen des Knochens durch Manipulation des Operateurs, durch Atmung oder Instrumenteneinsatz. Die Navigation wird damit unabhängig von Bewegungen des Patienten auf dem Operationstisch.
7.4.2.3 A natomische Grundlagen der Pfannennavigation Ausgangspunkt ist zunächst die Definition einer anatomischen Bezugsebene, zu der die Pfannenposition in Relation gesetzt werden kann (Abb.€7.116). Eine praktikable Bezugsebene ist die von Cunningham (1922) und McKibbin (1970) beschriebene anatomische Beckenebene, die durch vier anatomische Landmarken, die Spinae iliacae anteriores superiores und die Tubercula pubica, definiert wird. Diese Ebene liegt bei Patienten ohne Arthrose der Hüftgelenke und physiologischen Verhältnissen an der Wirbelsäule sowohl im Stehen als auch im Liegen annähernd parallel zur Frontalebene (Mayr et€al. 2005). Verschiedene Autoren haben die Komplikationsrate mit der Pfannenausrichtung korreliert und hieraus so genannte sichere Zonen der Pfannenplatzierung abgeleitet. Die Safe Zone ist ein Resultat aus einer Reihe klinischer und experimenteller Studien und wird in der Literatur, je nach Versuchsergebnis, unterschiedlich
Abb. 7.116↜ Landmarken Beckenebene
zur
Definition
der
vorderen
definiert. In den meisten Studien wird die Safe Zone als Winkelintervall angegeben, in dem es am seltensten zu Dislokation, Luxation oder Migration kommt (Bader und Willmann 1999; D’Lima et€ al. 2000; Kummer et€ al. 1999; Lewinnek et€ al. 1978; Minoda et€al. 2006; Pedersen et€al. 2005; Rittmeister und Callitsis 2006; Widmer und Zurfluh 2004). Aus biomechanischen Gesichtspunkten sind ein großer „range of motion“ und ein Vermeiden von Implantat- oder Knochenimpingement für Funktion und Standzeit der Prothese entscheidend. Inklinationswinkel kleiner als
Operation 7â•…
225
Abb. 7.117↜ (a), (b) Intraoperative Visualisierung der Pfannen- und Schaftposition in den registrierten BV-Aufnahmen mit Darstellung der Inklination und Anteversion der Pfanne,
der Antetorsion und Varus/Valgus-Position des Schafts sowie der Längendifferenz und des Offset im Vergleich zur Ausgangssituation
45° schränken die Flexion und Abduktion und Winkel größer als 45° die Adduktion und Rotation ein (Bader und Willmann 1999; D’Lima et€al. 2000). Bei zu steil eingebrachter Pfanne (zu hohe Inklination) steigt das Risiko für die Dislokation oder den Bruch eines Keramikinlays an (Bader und Willmann 1999). Bei zu flach eingebrachten Pfannen kommt es vermehrt zu Impingement zwischen Pfannenrand und dem Hals des Prothesenschaftes, was wiederum zu vermehrter Abnutzung, Ausschlagen, Bruch oder Dislokation des Prothesenkopfes führen kann (Bader und Willmann 1999; Widmer und Zurfluh 2004).
Bei Operationstechnik in Rückenlage werden die notwendigen Landmarken zur Definition der Patientenbeckenebene durch perkutanes Aufsuchen der Spinae iliacae anteriores superiores mit einem referenzierten Pointer und durch Bestimmung des geometrischen Zentrums der Tubercula pubicae mit dem Bildwandler oder Ultraschall bestimmt. Das Navigationssystem errechnet aus den anatomisch definierten Punkten und den in den navigierten Bildverstärkerschüssen definierten Punkten die anatomische Beckenebene und zeigt auf dem Bildschirm in „real time“ die Position, die Art und die Größe des navigierten Instruments sowie die Winkel von Inklination und Anteversion an (Abb.€7.117).
7.4.2.4 C omputerassistierte Pfannenplatzierung Heute finden CT-freie Navigationssysteme die weiteste Verbreitung. Teilweise bieten diese Systeme die Möglichkeit der Kombination der direkten, perkutanen, pointerbasierten Digitalisierung von Landmarken mit der nichtinvasiven 3D-Rekonstruktion tief gelegener Landmarken mittels registrierter Bildverstärkeraufnahmen oder Ultraschall. Bei der BV-Navigation besteht zusätzlich die Möglichkeit der direkten Visualisierung der Implantatposition im virtuellen, navigierten Röntgenbild (Hofstetter et€al. 1997, 1999). Durch die Definition einer anatomischen Ebene ist die Position der Pfanne reproduzierbar und unabhängig von Einflussfaktoren wie Lagerung, Verkippung des Beckens, Hüftbeugekontraktur der Gegenseite oder Fehlstellungen der Wirbelsäule.
7.4.2.5 Operatives Vorgehen Im Vergleich zum konventionellen Vorgehen sind keine zusätzlichen präoperativen Schritte notwendig. Die Strategie für die Implantation der Implantate sollte selbstverständlich im Rahmen der präoperativen Planung festgelegt sein. Der Patient wird wie gewohnt auf dem Rücken oder der Seite gelagert und das Hüftgelenk wird wie üblich präpariert. Eine dynamische Referenzbasis (DRB) wird stabil am Beckenkamm fixiert. Während der Navigationsphase muss diese Verbindung immer wieder überprüft werden. Lockerungen zwingen zum Abbruch oder zu einer neuen Registrierung der Anatomie. Im ersten Schritt der Registrierung der anterioren Beckenebene (APP) werden die beiden Spinae
226
P. A. Grützner
Abb. 7.118↜ Technik der Inlet- und Outlet-Projektion zur Defintion des „PubisPunkts“ in registrierten BV-Aufnahmen
anteriores superiores mit dem referenzierten Pointer digitalisiert. Der dritte Punkt zur Definition der APP ergibt sich aus der Halbierenden der Linie zwischen den Tubercula pubicae. Die Tubercula pubicae lassen sich sicherer und präziser mit dem C-Bogen oder mit Ultraschall registrieren. Bei einer Digitalisierung mit dem Pointer ist ein direktes Abtasten aufgrund der Sterilitätsproblematik und der häufig nicht guten Tastbarkeit bei Adipositas problematisch. Mit der Registrierung mittels referenziertem Bildwandler werden zwei schräge, ca. 60° divergierende Ebenen in „Inlet“und „Outlet“-Projektion aufgenommen, um das geometrische Zentrum beider Tuberkula zu visualisieren (Abb.€7.118). Bei Seitenlagerung kann mit der referenzierten Fluoroskopie auch die nach sterilem Abdecken nicht mehr zugängliche Spina iliaca anterior superior digitalisiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere registrierte Röntgenaufnahmen einzubinden. Die Information
aus einer einzelnen, auf das operierte Hüftgelenk zentrierten a.€ p.-Aufnahme ist sehr hilfreich. Auf diesen Projektionen kann die Wiederherstellung des Pfannenzentrums, die Tiefe der Pfannenplatzierung und die Verankerungsmöglichkeit an den verbliebenen knöchernen Strukturen visualisiert werden. Während der operativen Schritte, die sich nicht vom konventionellen Vorgehen ohne Computerunterstützung unterscheiden, erhält der Operateur ständig in ein virtuelles Röntgenbild visualisierte Informationen über die exakte Ausrichtung und den Sitz seiner Instrumente. Alle intraoperativen Parameter, speziell die definitive Pfannenposition, können zur späteren Evaluierung im System gespeichert werden. Ein Vorteil der bildwandlerbasierten Navigation ist die Möglichkeit der intraoperativen Aktualisierung der Bilder. So kann z.€B. die Pfannenposition in Relation zur einer ggf. implantierten Abstützschale visualisiert werden.
Operation 7â•…
7.4.2.6 Fallstricke Die häufigsten Probleme bei computerassistierten Eingriffen entstehen durch Fehler bei der Referenzierung, der Registrierung und durch Ungenauigkeiten der Instrumente z.€B. durch Verbiegen. Durch den Weichteilzug bei der Exposition der Hüftpfanne kann es zu einem Auslenken der DRB und somit zu einem Referenzierungsfehler kommen. Hier ist auf eine stabile Fixierung zu achten. Probleme bei der Registrierung entstehen bei unkorrekt aufgenommenen Inlet- und Outlet-Projektionen. Hier ist bereits bei der Lagerung des Patienten darauf zu achten, dass der Bildverstärker in die entsprechende Position geschwenkt werden kann. Auch die Digitalisierung der anatomischen Landmarken muss sehr sorgfältig ausgeführt werden. Das Problem der Verbiegung navigierter Instrumente tritt in erster Linie bei Bohrern auf. Fräswellen und Impaktoren sind von ausreichender Steifigkeit. Auch hier sollte jedoch regelmäßig die korrekte Kalibration überprüft werden. Während der Navigation muss die Genauigkeit des Systems durch Plausibilitätsprüfung (Verifikation) immer wieder kontrolliert werden. Computerassistierte Operationstechniken haben in der Endoprothetik des Hüftgelenks, gemessen an der Gesamtzahl der Operationen, nur eine untergeordnete Bedeutung. Grund sind die exzellenten Ergebnisse bei der Primärendoprothetik, die hohen Kosten der Systeme, der in Anbetracht des allerorten engen ökonomischen Spielraumes schwierig zu vertretende zusätzliche Zeitbedarf und die noch nicht überzeugenden Konzepte bei der Revisionsendoprothetik. Diese Einschränkungen relativieren sich bei routinemäßigem Einsatz der Systeme mit einer Reduktion der Kosten pro Fall und einer Reduktion des Zeitaufwands durch Training. Der Einsatz führt zu einem besseren Verständnis, einer sinnvollen Ergänzung der konventionellen OP-Technik, vor allem bei minimal-invasiven Verfahren und zu einer Verbesserung der Qualität der Implantatplatzierung. Die Einführung der CAS hat eine neue wissenschaftliche Auseinandersetzung bezüglich einer optimierten Implantatplatzierung unter Berücksichtigung der individuellen Anforderungen ausgelöst. Es stehen mittlerweile Systeme zur Verfügung, die auch die Navigation der Schaftkomponente unterstützen. Hierdurch kann eine Analyse des Implantat-Implantat-Impingements und des KnochenImplantat-Impingements erfolgen. Schaftanteversion, Offset und Länge können gerade mit den modularen Revisionssystemen optimiert werden. Heute kommt
227
der Reduktion des Risikos und der Qualität operativer Eingriffe eine besondere Bedeutung zu. Der potentielle Nutzen der Navigation in der Hüftendoprothetik ist groß und offensichtlich.
7.5 O perationstechnik bei Frakturen und speziellen pathologischen Veränderungen 7.5.1 H üftendoprothese bei Dysplasiecoxarthrose A. Halder
7.5.1.1 Geschichte Die knöchernen Veränderungen bei Hüftdysplasie sind lange bekannt. Schon Hippokrates (460–377 vor Christus) hat sie beschrieben. Lange Zeit wurde die Hüftdysplasie und Hüftluxation als unheilbar angesehen. So hielt Paré (1510–1590) eine Einrenkung für unmöglich, da die Pfanne zu flach sei. Andry empfahl (1741) eine Therapie mit komprimierenden Bändern und einem Hüftgürtel. Erst Pravaz führte (1847) eine erfolgreiche konservative Therapie mit langfristiger Extension, Abduktion und Entlastung durch. Die knöchernen Veränderungen des Azetabulum bei der Hüftdysplasie und Hüftluxation wurden 1793 im „Museum Anatomicum“ von Sandifort zeichnerisch dargestellt und im Sinne einer Klassifikation geordnet (Sandifort 1793; Abb.€7.119a). Hoffa (1859–1907) nahm dann erstmals die blutige Reposition vor. Guerin beschrieb 1841 eine Periostinzision im Sinne einer Pfannendachplastik. Hueter (1838–1982) empfahl dann 1877 die Resektion des Femurkopfes und die Bildung eines Periostlappens aus Femur und Darmbein zur knöchernen Verschmelzung (Abb.€ 7.119b). Erst Spitzy (1872–1956) führte 1930 die noch heute angewendete knöcherne Pfannendachplastik ein. 7.5.1.2 Dysplastisches Azetabulum Das dysplastische Azetabulum ist flach, steil gestellt und hat einen kleinen anterior-posterioren Durchmesser. Zudem weist es häufig kraniolateral einen Knochendefekt auf (Abb.€ 7.120). Deshalb steht wenig Knochenmasse zur Fixation der azetabulären Prothesenkomponente zur Verfügung. Durch langfristige Entlastung ist die Knochenqualität oft schlecht.
A. Halder
228
a
b f g
f
c
c d
d b
b
a
a e
a a Newly formed head and neck of thigh bone. b b Newly formed trochanter. c c Newly formed articular cartilage. (Proved by microscopic examination.) d d Newly formed diaphysal cartilage. (Proved by microscopic examination.) e Only sinus left, permeable for a small probe, leading to no dead bone. f f Loose connective tissue, uniting the head with Ilium, allowing some motion. g Newly formed firm capsule.
Abb. 7.119↜ (a) Knöcherne Veränderungen bei Hüftdysplasie (Sandifort 1793). (b) Histologischer Schnitt durch die ResektionsInterpositionsarthroplastik des Hüftgelenks. (Sayre 1883)
zur Gefäßabscherung und damit zu ausbleibender Osteointegration führen (Wirtz et€ al. 1998). Folglich muss ein ausreichender Kontakt zum Wirtsknochen vorhanden sein. In der Literatur wird dafür eine mindestens fünfzigprozentige knöcherne Pfannendeckung angegeben, eine Regel, für die jedoch kein wissenschaftlicher Beweis existiert.
Abb. 7.120↜ Knöcherne Veränderungen des Azetabulum bei Hüftdysplasie. (Sandifort 1793)
7.5.1.3 Primärstabilität Ziel jeder Fixation einer Hüftprothesenpfanne muss die Primärstabilität zur Gewährleistung der Osteointegration sein, da bereits Mikrobewegungen ab 150€µm
7.5.1.4 Schraubpfanne Eine mögliche Lösung kann ein Implantat sein, das trotz geringer Kontaktfläche zum Wirtsknochen stabil verankert. Dabei kann die Kontaktfläche durch das Implantat selbst vergrößert werden, wie im Falle von Schraubpfannen (Büttner-Janz et€al. 2000; Abb.€7.121). Sie bieten den Vorteil der guten Primärstabilität auch bei kleiner Kontaktfläche, wobei die Oberfläche durch die Gewindegänge vergrößert wird. Die Implantationszeit ist kurz, da es sich um ein Standardimplantat handelt. Nachteilig ist jedoch, dass eine gewisse Knochentiefe erforderlich ist, da es sonst zur Perforation der medialen Kortikalis oder zum Einstellen eines zu hohen Inklinationswinkels kommt. Deshalb kann die Positionierung unter Umständen schwierig sein. Die Langzeitergebnisse werden sehr unterschiedlich angegeben.
Operation 7â•…
229
Abb. 7.121↜ (a) Schraubpfanne, (b) Subluxation rechtes Hüftgelenk, (c) zementfreie Hüftendoprothese mit Schraubpfanne und Konusschaft
Abb. 7.122↜ (a) Zementierte Pfanne für Metall-Metall-Gleitpaarung, (b) Subluxation linkes Hüftgelenk, Z.€ n. Osteotomie, (c) Hüftendoprothese mit zementierter Pfanne, Pfannenerkeraufbau mit intraazetabulärem Knochentransplantat und zementfreiem Konusschaft
7.5.1.5 Zementierte Pfanne Als Standardimplantat eignen sich auch zementierte Polyethylenpfannen, die den Vorteil der Primärstabilität insbesondere in Kombination mit einem strukturierten Knochentransplantat und bei schlechter Knochenstabilität bieten (Ranawat et€ al. 1997; Inao und Matsuno 2000; Kobayashi et€ al. 2004; de Jong et€ al. 2006; Abb.€ 7.122a). Dabei ist die Positionierbarkeit im Zementmantel relativ frei. Bei Verwendung von Flachprofilpfannen ist die erforderliche Knochentiefe gering. Nachteilig ist, dass eine Umschlossenheit notwendig ist. Zudem lässt sich für die zumeist jungen Patienten keine Keramik-Keramik-Gleitpaarung herstellen, eine Metall-Metall-Gleitpaarung ist aber verfügbar (Abb.€ 7.122(b), (c)). Die Standzeit wird unterschiedlich angegeben (MacKenzie et€al. 1996). 7.5.1.6 Press-fit Pfannen Press-fit-Pfannen kommen als Primärimplantat ebenfalls infrage (Silber und Engh 1990; Jasty et€al. 1995;
Dearborn und Harris 2000; Abb.€ 7.123). Von Vorteil sind ihre zementfreie Verankerung und die Möglichkeit der Verschraubung im Pfannengrund. Als Standardimplantat erfordern sie zumeist nur eine kurze Operationszeit. Nachteilig ist, dass für die Verklemmung der Press-fit-Pfannen eine zirkuläre Umschlossenheit und eine gewisse Knochentiefe erforderlich sind. Bei geringem Kontakt zum Wirtsknochen und schlechter Knochenqualität oder in Verbindung mit einem Knochentransplantat ist die Primärstabilität fraglich (Hendrich et€al. 2007). Eine notwendige Schraubenfixation im Pfannengrund kann beim sekundären Setzen der Pfanne zur Beschädigung des Pfanneneinsatzes führen. Die Langzeitergebnisse werden ebenfalls unterschiedlich angegeben.
7.5.1.7 Spezialpfannen Schließlich gibt es die zur Versorgung der Dysplasiekoxarthrose konstruierten Spezialpfannen, die nach dem Press-fit-Prinzip arbeiten, jedoch ein flaches
A. Halder
230
Abb. 7.123↜ (a) Press-fit-Pfanne, (b) Dysplasiekoxarthrose, (c) zementfreie Hüftendoprothese mit Press-fit-Pfanne und Spotorno-Schaft
Abb. 7.124↜ Zementfreie Flachprofilpfanne
Abb. 7.125↜ Dysplasiepfanneneinsatz
Profil haben und nur an der Zirkumferenz verklemmen (Schöllner et€ al. 2003; Abb.€ 7.124). Es ist nur eine geringe Knochentiefe zur Fixation erforderlich. Zusätzlich wird durch die Verwendung eines großen Kopfdurchmessers oder einer Schulter am Pfanneneinsatz die Luxation gehemmt, wodurch ein relativ hoher Inklinationswinkel eingestellt werden kann. Von Nachteil ist, dass die Positionierung unter Umständen schwierig ist. Bei schlechter Knochenqualität kann die Primärstabilität reduziert sein und es liegen nur vereinzelt Langzeitergebnisse vor. Zudem sind diese Pfannen kostenintensiv.
Impingement und damit zu erhöhtem Abrieb oder gar selbst zur Luxation führen kann.
7.5.1.8 Dysplasiepfanneneinsätze Spezielle Pfanneneinsätze für den Dysplasiefall haben einen einseitig überhöhten Rand, um einer Luxation bei hohem Inklinationswinkel oder großer Anteversion vorzubeugen (Abb.€7.125). Sie sind mit Vorsicht anzuwenden, da der überhöhte Rand leicht zum Implantat-
7.5.1.9 Dysplastisches Femur Das dysplastische Femur hat eine zylindrische Form mit einem engen Markkanal. Der Schenkelhals ist oft pathologisch antevertiert und der Hüftkopf flach sowie deformiert (Abb.€7.126). Das proximale Femur ist zudem oft infolge vorangegangener Osteotomien deformiert. Aufgrund des zylindrischen Markkanals des Femur bei Hüftdysplasie eignet sich im Falle ausgeprägt dysplastischer Femora ein ebenso zylindrischer Hüftprothesenstiel, der nur eine geringe Steigung aufweist und in kleinen Durchmessern verfügbar ist. Darüber hinaus sollte er rotationssymmetrisch sein, um eine freie Wahl der Anteversion zu erlauben, die beim dysplastischen Femur häufig pathologisch ist. Trotz der zylindrischen Form des Stiels muss er rotationsstabil verankern, um Primärstabilität zu gewährleisten. Schließlich sollte er
Operation 7â•…
231 Abb. 7.127↜ Konusprothese
Abb. 7.126↜ Knöcherne Veränderungen des Femur bei Hüftdysplasie. (Sandifort 1793)
trotzdem lang genug sein, um eine proximale Korrekturosteotomie zur Wiederherstellung der Femurachse nach vorangegangener Osteotomie primär stabil schienen zu können.
7.5.1.10 Konusprothese Ein zur Versorgung des dysplastischen Femur geeigneter Hüftendoprothesenstiel ist der von Wagner entwickelte Konusstiel (Abb.€ 7.127, s. Abb.€ 7.121c). Durch seine zylindrische Form mit nur geringer Steigung eignet er sich zur Versorgung des zylindrischen Femurs. Die in Längsrichtung angebrachten Rippen gewährleisten eine hohe Rotationsstabilität. Mit den verfügbaren Längen kann der Stiel eine subtrochantäre Korrekturosteotomie schienen. Allerdings leitet er die Kraft metadiaphysär in das Femur ein, was zu proximaler Knochenresorption führen kann. Die raue Oberfläche und die Längsrippen machen unter Umständen eine Revisionsoperation schwierig. 7.5.1.11 Zementierte Stiele Zementierte Hüftendoprothesenstiele kommen im Falle der Dysplasie des Femurs seltener zur Anwendung. Auf der einen Seite erlaubt die Verwendung von Zement einen lückenlosen Ausgleich zwischen der Form des Prothesenstiels und dem dysplastischen Femur. Zudem kann die Anteversion des Stiels im Zementmantel frei gewählt werden. Zum anderen ist
die Verwendung von Zement bei jungen Patienten, die noch Revisionsoperationen vor sich haben, nicht vorteilhaft. Außerdem stört Zement die knöcherne Heilung einer ggf. erforderlichen Korrekturosteotomie.
7.5.1.12 Knochenaufbau Ein wesentliches Ziel der Chirurgie des dysplastischen Azetabulum ist der Erhalt der Knochensubstanz bei den zumeist jungen Patienten und, im Falle von Knochendefekten, der Knochenaufbau. 7.5.1.13 Knochentransplantate Dieser kann mittels strukturierter oder spongiöser Knochentransplantate erfolgen (Abb.€ 7.128). Vorteile der spongiösen Knochentransplantate sind deren schnelle Vaskularisierung, Konsolidierung und Umbau (Bolder et€ al. 2001). Intraoperativ ist ein Zurichten nicht erforderlich und der Defekt kann lückenlos ausgefüllt werden. Nachteilig ist jedoch, dass für die spongiöse Knochentransplantation die Umschlossenheit des Defekts notwendig ist, um eine knöcherne Einheilung zu gewährleisten. Deshalb sind diese Transplantate für das Füllen der kraniolateralen Pfannendefekte ungeeignet. Sie haben geringe Primärstabilität und können sekundär nachgeben.
232
A. Halder
Abb. 7.129↜ Hüftkopf als strukturiertes Knochentransplantat
Abb. 7.128↜ Spongiosachips als Knochentransplantat
Deshalb erscheinen strukturierte Knochentransplantate für die Rekonstruktion knöcherner Defekte im Falle der Dysplasiecoxarthrose geeigneter (Marti et€al. 1994; Hartwig et€al. 1995; Gross und Solomon 1997; Bobak et€al. 2000; Abb.€7.129). Sie können in Kombination mit zementierten (Inao und Matsuno 2000; Kobayashi et€ al. 2004; de Jong et€ al. 2006) oder zementfreien Implantaten (Spangehl et€al. 2001; Shetty et€al. 2004) verwendet werden. Von Vorteil ist ihre Primärstabilität. Sie können ein Widerlager für Spongiosachips bilden und mit diesen zum Knochenaufbau führen. Intraoperativ ist das Zurichten erforderlich. Deckt das strukturierte Knochentransplantat mehr als 50€% des Implantats, so ist zum Schutz des Knochentransplantates die Anwendung einer Stützschale angezeigt (Gill et€ al. 1998). Von Nachteil ist ihre langsame knöcherne Integration. Sekundär kann es zum Nachgeben des Transplantats kommen. Langzeitergebnisse werden in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben. Zur Rekonstruktion eines kraniolateralen Pfannendefekts können auch vorgefertigte Formstücke aus Metallgitter verwendet werden (Abb.€7.130). Sie sind halbmondförmig und in verschiedenen Größen verfügbar. Die Oberfläche ist rau und die Porengröße des Gitters ist mit der Porengröße von Spongiosa vergleichbar, was zu einer guten Osteointegration führen
soll. Die Vorteile liegen in einer guten Primärstabilität und in der unbegrenzten Verfügbarkeit. Zudem ist ein sekundäres Sintern des Metallgitters nicht zu erwarten. Trotzdem kann es wie bei jedem Implantat zur Lockerung kommen. Zudem ist für die Implantation eine vorherige Knochenresektion erforderlich, in jedem Fall aber erfolgt kein Knochenaufbau. Die direkte mechanische Ankopplung des Metallgitters zu einem anderen Implantat erfolgt durch Knochenzement. Unklar ist hier, ob es langfristig am Interface zum Abrieb kommt.
7.5.1.14 Rotationszentrum Schließlich steht die Wiederherstellung des ursprünglichen Drehzentrums des Hüftgelenks als Ziel der Chirurgie des Azetabulum zur Diskussion. Stellt man ein hohes Hüftzentrum her, so kann man häufig ein Standardimplantat verwenden und im Wirtsknochen verankern. Damit ist die Operationszeit gering und es wird kein strukturiertes Knochentransplantat erforderlich (Jasty et€al. 1995). Nachteilig ist jedoch, dass die knöcherne Überdachung im kranialen Ilium gering ist, weshalb der Pfannendurchmesser klein sein muss, und es kommt zu keinem Knochenaufbau. Ferner kommt es zur Insuffizienz der Abduktoren durch Verkürzung ihres Hebelarms, was zum Hinken der Patienten führt. So kann es zur Überlastung der Prothesenkomponenten kommen, dies führt wiederum zu einer höheren Lockerungs- und Luxationsrate (Pagnano et€al. 1996; Gross 1999). Schließlich kann ein hohes Hüftzentrum mit einer Beinlängendifferenz verbunden sein. Deshalb ist
Operation 7â•…
233
Abb. 7.130↜ Metallspongiosa-Augmentate
Stützschale müssen ggf. bereitgestellt werden. Ferner muss man einen geeigneten Zugangsweg wählen. Wir verwenden routinemäßig einen direkten lateralen Zugang, vor dem aus die ventralen und kranialen Abschnitte des Azetabulum mühelos zu erreichen sind. Auch der dorsale Zugangsweg ist möglich, wobei dieser aber aufgrund der häufig pathologisch vermehrten Anteversion von Azetabulum und Femur ungünstig erscheint.
Abb. 7.131↜ Planung der Bestimmung der Beinlänge
Hüftprothesenimplantation
mit
die Rekonstruktion des anatomischen Drehzentrums ein wichtiges Ziel der Chirurgie des dysplastischen Azetabulum (Stans et€al. 1998).
7.5.1.15 Planung Bei der Planung der Implantation einer Hüftendoprothese bei Dysplasiekoxarthrose oder Hüftluxation ist die voraussichtliche Beinlänge zu bestimmen und mit dem Patienten zu besprechen (Abb.€7.131). In den meisten Fällen resultiert eine Beinverlängerung, die zum Teil erheblich ist und ggf. einen Schuhausgleich auf der Gegenseite erforderlich macht. Bei einer Beinverlängerung über 4€cm sollte eine Verkürzungsosteotomie erwogen werden, um einen Nervenschaden zu vermeiden. Ebenso ist die Pfannenposition festzulegen, woraus der voraussichtliche Wirtsknochenkontakt der Pfanne zu bestimmen ist. Ein Knochentransplantat und eine
7.5.1.16 Osteotomie Die Indikation zur Femurosteotomie wird bei starker Deformierung in der Folge einer vorangegangenen Osteotomie gestellt. Sie dient dazu, den Markkanal des Femur wieder so herzustellen, dass er den Hüftendoprothesenstiel aufnehmen kann und eine biomechanisch günstige Position der Muskelansätze am Trochanter major und minor wiederhergestellt wird. Übersteigt eine geplante Beinverlängerung 4€ cm, so ist ebenfalls die Osteotomie zur Beckenverkürzung des Femur angezeigt, um einen Nervenschaden zu vermeiden. Des Weiteren muss ggf. eine starke Anteversion im Schenkelhals durch eine Osteotomie ausgeglichen werden (Zadeh et€al. 1999; Decking et€al. 2003; Masonis et€al. 2003; Bernasek et€al. 2007). Schließlich muss in seltenen Fällen eine Femurosteotomie vorgenommen werden, um das Azetabulum zugänglich zu machen. Man unterscheidet die intertrochantäre von der subtrochantären Osteotomie. Die intertrochantäre Osteotomie dient in der Regel der Distalisierung des Trochanter major bei Verkürzung des Femur. Während der Trochanter major etwa mittels Drahtcerclage am metadiaphysären Femur refixiert wird, kann das verbleibende Knochenteil zur Rekonstruktion des Azetabulum benutzt werden. Aufgrund der Gefahr der Pseudarthrose des Trochanter major als wichtiger
A. Halder
234 Abb. 7.132↜ (a) Schematische Darstellung der subtrochanteren Derotationsverkürzungsosteotomie. (b) Hüftluxation links, Z.€n. Osteotomie, (c) zementfreie Hüftendoprothese links mit Schraubpfanne und WagnerSchaft nach subtrochanterer Derotationsverkürzungsosteotomie
b
a
Ansatz für die Glutealmuskulatur erscheint die subtrochantäre Osteotomie günstiger. Durch eine z-förmige subtrochantäre Osteotomie kann eine Verkürzung des Femur sowie eine Derotation zur Korrektur der Anteversion erfolgen (Abb.€ 7.132). Ein zylindrischer zementfreier Hüftendoprothesenstiel von ausreichender Länge eignet sich zur Fixation. Somit kann eine Deformität korrigiert und eine Trochanterosteotomie vermieden werden. Trotzdem besteht das Risiko der Pseudarthrose sowie der avaskulären Nekrose des proximalen Knochenfragments. Zudem ist die Technik der subtrochantären Korrekturosteotomie anspruchsvoll.
7.5.1.17 Distraktion Die präoperative Distraktion der dysplastischen Hüftgelenke zum Längenausgleich erlaubt die vereinfachte Implantation der Hüftendoprothese und macht eine Osteotomie zur Verkürzung des Femur seltener notwendig. Zudem ist das Risiko neurovaskulärer Störungen reduziert. Allerdings sind zwei operative Eingriffe notwendig, was zur Verlängerung der Therapiedauer führt. Aufgrund der auftretenden großen Kräfte kann es jedoch zum Ausbruch der Fixationspins oder zur starken Achsabweichung kommen. Schließlich besteht durch die Pins ein erhebliches Infektionsrisiko für die Hüftendoprothese, wodurch
c
die präoperative Distraktion nur noch selten zur Anwendung kommt.
7.5.1.18 Klassifikationen Es existieren zahlreiche Klassifikationen der Hüftdysplasie und -luxation (Tönnis und Legal 1984; Abb.€7.133). Die allgemein gebräuchliche Klassifikation nach Crowe et€al. (1979) unterscheidet vier Typen in Abhängigkeit vom Dislokationsgrad von unter 50€% bis über 100€% (Tab.€7.1). Typ I bezeichnet dabei die einfache Dysplasie, Typ II und Typ III die Subluxation und Typ€IV die Luxation. 7.5.1.19 Operation Intraoperativ erscheint es zunächst am wichtigsten, die Position der Primärpfanne zu bestimmen. Dazu sollte die Darstellung der Incisura acetabuli sorgfältig erfolgen. Bei Unsicherheit kann eine Kontrolle mit dem Röntgenbildverstärker erfolgen. Über den Inklinationswinkel und die Anteversion der dysplastischen Pfanne sollte man sich Klarheit verschaffen, ebenso wie über die Knochentiefe des Azetabulum. Dazu führen wir eine mediale Probebohrung und Tiefenbestimmung durch. Dann erfolgt die Entscheidung über den Pfannentyp. Falls kein Knochentransplantat notwendig ist, werden Schraubpfannen verwendet. Press-fit-Pfannen
Operation 7â•…
235
Abb. 7.133↜ Hüftdysplasie, Subluxations und Luxation
Dysplasie
Tab. 7.1↜╇ Klassifikation nach Crowe et€al. (1979) Dysplasie Subluxation Luxation
Typ I Typ II Typ III Typ IV
<â•›50€% 50–75€% 75–100€% >â•›100€%
Dislokation Dislokation Dislokation Dislokation
kommen zum Einsatz, wenn ein Wirtsknochenkontakt von über 70€% herstellbar ist und nur kleine Knochentransplantate erforderlich sind. Schließlich werden zementierte Pfannen bei einem Wirtsknochenkontakt unter 70€% und tragenden Knochentransplantaten eingesetzt. Bei ausgedehnten Defekten und großen tragenden Knochentransplantaten finden Stützschalen Verwendung. Für das Aufraspeln des dysplastischen Azetabulum ist zunächst das Zentrum der Hüftprothesenpfanne festzulegen. Zunächst ist mit einem kleinen Fräskopf zu beginnen und nach vollständigem Auffräsen eine Probepfanne zur Bestimmung der voraussichtlichen knöchernen Pfannedeckung zu verwenden. Liegt diese unter 70€ %, so ist in jedem Falle ein strukturiertes Knochentransplantat zu verwenden. Als strukturiertes Knochentransplantat verwenden wir in der Regel einen Hüftkopf. Für ein extraazetabuläres Transplantat ist beim Zurichten die Kortikalis zu belassen und der Hüftkopf nach Resektion des Schenkelhalses zu halbieren. Dann wird der Pfannenerker angefrischt, das Transplantat dem Pfannenerker angepasst und zunächst provisorisch fixiert. Danach wird es mit mindestens zwei Spongiosaschrauben in kraniomedialer Richtung befestigt, der knöchernen Pfannenzirkumferenz angepasst und eine Pfanne ein-
Subluxation
Luxation
gebracht (Harris et€al. 1977; Abb.€7.134). Es ist darauf zu achten, dass kein Weichteilinterponat zwischen Pfannenerker und Transplantat verbleibt. Für ein intraazetabuläres Transplantat ist zunächst der kraniale Pfannendefekt von kaudal sphärisch anzufrischen. Der autogene oder ein allogener Hüftkopf wird dann mit einer Negativfräse gleicher Größe sphärisch zugerichtet. Dann wird das Knochentransplantat in den Pfannendefekt eingepresst und temporär mit Kirschner-Drähten fixiert. Danach wird das Azetabulum sphärisch aufgerieben. Schließlich kann eine Polyethylenpfanne einzementiert werden oder bei nur kleinem Defekt eine Press-fit-Pfanne verwendet werden. Abschließend werden die Kirschner-Drähte entfernt (s. Abb.€7.122(b), (c)).
7.5.1.20 Dysplasietypen Für den Dysplasietyp I verwenden wir Standardimplantate wie Schraub- oder Press-fit-Pfannen und benötigen kein Knochentransplantat. Für den Dysplasietyp II kommen Schraubpfannen zur Anwendung und bei Verwendung kleiner strukturierter Knochentransplantate Press-fit-Pfannen. Für den Dysplasietyp III verwenden wir zementierte Pfannen in der Kombination mit strukturierten Knochentransplantaten. Gelegentlich gelingt auch in diesen Fällen die Implantation einer Schraubpfanne ohne Knochentransplantat. Für den Dysplasietyp IV, die hohe Hüftluxation, muss häufig das knöcherne Azetabulum mittels großer, strukturierter Knochentransplantate rekonstruiert und zementierte Polyethylenpfannen implantiert werden. Selten ist zusätzlich die Verwendung von Stützschalen erforderlich.
F. Gebhard und G. Krischak
236 Abb. 7.134↜ (a) Subluxation rechtes Hüftgelenk, (b) zementfreie Hüftprothese rechts mit Schraubpfanne, Pfannenerkeraufbau mit extraazetabulärem Knochentransplantat und Spotorno-Schaft
7.5.1.21 Ergebnisse In der Literatur ist das Langzeitergebnis abhängig vom Typ der Dysplasie und der Möglichkeit der Wiederherstellung des anatomischen Hüftzentrums (Cameron et€al. 1996). Das Langzeitergebnis hängt dagegen nicht ab vom Alter des Patienten oder der Verwendung von Zement zur Fixation der Hüftendoprothesenpfanne (Numair et€al. 1997; Gross 1999). Bei der endoprothetischen Versorgung der Dysplasiekoxarthrose muss die Primärstabilität der Implantate zur Gewährleistung ihrer Osteointegration erzielt werden. Des Weiteren sollte die vorhandene Knochensubstanz erhalten oder ggf. wiederaufgebaut und das anatomische Drehzentrum wiederhergestellt werden. In Abhängigkeit vom Dysplasietyp nach Crowe (1979) werden verschiedene Implantate verwendet. Der Typ I, für den in der Regel kein Knochentransplantat benötigt wird, kann mit Schraub- oder Press-fit-Pfannen versorgt werden. Für den Typ II kommen Schraubpfannen zur Anwendung und bei Verwendung kleiner strukturierter Knochentransplantate Press-fit-Pfannen. Beim Typ III wird der Pfannenerker mit strukturierten Knochentransplantaten aufgebaut und bevorzugt zementierte Pfannen eingesetzt. Für den Dysplasietyp IV, die hohe Hüftluxation, muss häufig das knöcherne Azetabulum mittels großer, strukturierter Knochentransplantate rekonstruiert und zementierte Polyethylenpfannen implantiert werden. Selten ist zusätzlich die Verwendung von Stützschalen erforderlich. Das dysplastische Femur kann in der Regel mit einem zylindrischen Prothesenstiel versorgt werden, der durch Längsrippen rotationsstabil verankert werden kann. Bei ausreichender Länge kann der Prothesenstiel eine eventuell erforderliche subtrochantere Korrekturosteotomie schienen.
7.5.2 E ndoprothetische Versorgung proximaler Femurfrakturen F. Gebhard und G. Krischak
7.5.2.1 Inzidenz proximaler Femurfrakturen Proximale Femurfrakturen betreffen überwiegend den alten Menschen. Vornehmlich im metaphysären Femurbereich werden die lasttragenden Trabekelstrukturen durch die Osteoporose geschwächt, wodurch die ohnehin mechanisch stark beanspruchte Region anfällig für Verletzungen wird. Zwar werden Frakturen des proximalen Femur in der Zwischenzeit auch bei Menschen mittleren Alters im Rahmen von Sport- und Betriebsunfällen beobachtet, jedoch wird die Alterstraumatologie auch in Zukunft die Versorgungsproblematik dominieren. In jungen Jahren sind Hochrasanztraumen Ursache der proximalen Femurfraktur. Versorgungsziel ist hier immer der Erhalt der Knochensubstanz. Nach neueren demographischen Prognosen ist eine dramatische Zunahme der proximalen Femurfrakturen in der Altersgruppe über 85 Jahren um ca. 75€ % bis zum Jahr 2020 und um bis zu 350€ % bis zum Jahr 2050 zu erwarten (Frerichmann et€al. 2007). Durch den hohen Altersanteil erklärt sich die hohe Mortalität der Patienten mit proximaler Femurfraktur. Für die Vereinigten Staaten wurde die Sterblichkeit nach Schenkelhalsfraktur im ersten Jahr mit 14–36€% angegeben (Zuckerman 1996). Für denselben Zeitraum beträgt die Sterblichkeit in Deutschland nach proximaler Femurfraktur 24,2€%, wobei bei gleicher Alters- und Geschlechtszusammensetzung die erwartete Sterblichkeit bei 11,3€ % liegt (Smektala et€ al. 2005).
Operation 7â•…
7.5.2.2 F rakturtypen und Versorgungsstrategie Die Versorgungsstrategie orientiert sich an generellen Überlegungen zum Frakturtyp, zum Alter, zur Mobilität und zum Allgemeinzustand des Patienten, der Zeit zwischen Unfall und Versorgung, dem Vorliegen einer Koxarthrose und den eigenen Versorgungsmöglichkeiten. Generell unterscheidet man bei den Frakturen des proximalen Femur nach der Lokalisation zwischen Frakturen des Schenkelhalses und Frakturen der perund subtrochantären Region. Einen Überblick über die Versorgungsart in Deutschland erlaubt die Analyse der AG Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die 68.929 Fälle der Jahre 2002 bis 2004 überblickt. Eine primäre endoprothetische Versorgung proximaler Femurfrakturen erhielten 48,6€% der Patienten, 49,5€% ein gelenkerhaltendes Verfahren mittels Osteosynthese unter Verwendung von dynamischer Hüftschraube, Schrauben oder intramedullärer Nagelung und 1,9€% ein „sonstiges Verfahren“ (Lohmann et€al. 2007). Eine ähnliche Verteilung zeigt auch die Bundesauswertung des BQS-Berichts „mediale Schenkelhalsfrakturen“ für das Jahr 2006. Bei dislozierten Frakturen (Garden III und IV) wurden 56,2€ % der Patienten mit einer Endoprothese versorgt, und 43,3€% mit einer Osteosynthese. Dagegen wurde die Mehrzahl der Frakturen (83,9€%) mit geringer Dislokation (Garden I und II) überwiegend mittels Osteosynthese stabilisiert (BQS-Report 2006). Nach dem DRG-Fallpauschalensystem sind endoprothetische Frakturversorgungen mit 7036€€/Fall für Hemiarthroplastiken bzw. 7201€ €/Fall für Totalendoprothesen um ca. 1000€€ teurer als die Stabilisierung mit einer Osteosynthese, für die die Erlöse je nach Implantat zwischen 5815 und 6083€ €/Fall betragen (Frerichmann et€al. 2007). Relevanter als die Fallkosten der Erstbehandlung sind jedoch die Gesamtkosten der Behandlung inklusive der erforderlichen Folgeeingriffe. Da vor allem nach Osteosynthesen, aber auch nach Implantation einer Hemiprothese, hüftbedingte Revisionseingriffe signifikant häufiger sind als nach Totalendoprothese (TEP), haben Langzeitberechnungen die totalen Hüftgelenkersatz in der Gesamtheit als kostengünstigstes Verfahren identifiziert (Keating et€al. 2006). 7.5.2.3 Schenkelhalsfrakturen Der Lokalisation nach unterscheidet man mediale von lateralen Schenkelhalsfrakturen, wobei die Untertei-
237 A. lig. capitis femoris A. circumflexa femoris lat.
A. circumflexa femoris med.
A. profunda femoris A. femoralis
Abb. 7.135↜ Skizze der Gefäßversorgung des proximalen Femur. (Aus Krischak 2005)
lung sowohl für die Versorgung als auch für die Prognose von Bedeutung ist. Das proximale Fragment medialer Schenkelhalsfrakturen wird aufgrund seiner intraartikulären Lage nicht von umgebenden Weichteilen versorgt. Die zuführenden Gefäßstrukturen entspringen vor allem aus den Aa. circumflexae femoris medialis und lateralis, die von distal nach proximal verlaufen und das proximale Fragment ernähren (Abb.€7.135). Daneben ist die Vitalität des Femurkopfes durch das intraartikuläre Hämatom und die damit verbundene intraartikuläre Drucksteigerung sowie die Reduktion des venösen Abstroms gefährdet. Die Folge sind Nekrosen des Femurkopfes, die nach osteosynthetisch versorgten Schenkelhalsfrakturen keine seltene Komplikation darstellen. Die Häufigkeit der Revisionen nach Osteosynthesen variiert zwischen 20 und 36€%, wobei avaskuläre Nekrosen für 11–19€ % ursächlich sind (Bachiller et€al. 2002; Lu-Yao et€al. 1994). Die Unterteilung der medialen Schenkelhalsfraktur von Pauwels (1935) nach der Steilheit der Frakturlinie ist bis heute im Gebrauch und ist hilfreich bei der präoperativen Planung (Abb.€ 7.136). Je steiler die Frakturlinie verläuft, desto instabiler ist die Fraktur bei axialer Lasteinwirkung. Bei flachem Winkel zwischen Bruch- und Horizontalebene (Pauwels I) bewirken axiale Kräfte eine Kompression der Frak-
F. Gebhard und G. Krischak
238
30°
30° – 70°
I
70°
II
III
Abb. 7.136↜ Klassifikation medialer Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels (1935)
Typ I
Typ II
Typ III
Typ IV
Abb. 7.137↜ Klassifikation der medialen Schenkelhalsfraktur nach Garden (1961)
tur, so dass die Ausheilung meist störungsfrei erfolgt. Die Option der konservativen Therapie ist bei diesem Frakturtyp zumindest prinzipiell möglich. Allerdings muss bedacht werden, dass der meist alte Patient durch lange Liegezeiten ein Sterberisiko von über 50€% hat, so dass nach heutigem Standard die prophylaktische stabilisierende Osteosynthese erfolgen sollte (Holt et€ al. 1994). Mit steilerem Frakturwinkel zur Horizontalen treten bei axialer Last vermehrt Scherkräfte auf. Zudem führt die steil auslaufende Fraktur im proximalen Bereich häufig zur Zerreißung der lateralen Gefäße, so dass mit der erhöhten Dislokationsgefahr auch das Pseudarthrose- und Hüftkopfnekroserisiko zunimmt (Bachiller et€al. 2002). Die Klassifikation nach Garden (1961) berücksichtigt den Grad der Dislokation (Abb.€7.137). Während bei Frakturen nach Garden I und II die Gefäßversor-
gung kaum beeinträchtigt wird, steigt mit dem Grad der Dislokation, entsprechend Garden III und IV, das Risiko für die Entwicklung einer Hüftkopfnekrose aufgrund der zu erwartenden Gefäßverletzungen erheblich an (Bachiller et€al. 2002; Parker et€al. 2007). Die mechanische und strukturelle Knochenqualität ist beim alten Patienten durch die Osteoporose erheblich herabgesetzt (Abb.€ 7.138). Die Option der femurkopferhaltenden Stabilisierung erfordert eine gute Knochenqualität, die die feste Verankerung von Schrauben und Klingen oder in neuerer Zeit auch Spiralklingen gewährleistet. Die Ausrissfestigkeit von Schenkelhalsschrauben liegt bei schwerer Osteoporose je nach Implantat teils sogar unterhalb der Belastungsgrenze des einfachen Körpergewichts, die beim freien Gang sogar auf das Dreifache des Körpergewichts ansteigen kann (Krischak et€ al. 2007; Bon-
Operation 7â•…
239
ximale Femurfraktur mit potentieller Gefäßverletzung notfallmäßig zu versorgen ist. Wenn die Zuweisung des Patienten verspätet erfolgt, muss mit beginnenden Hüftkopfnekrosen gerechnet werden, so dass letztendlich nur der endoprothetische Gelenkersatz als Option verbleibt.
Abb. 7.138↜ Cut-out einer DHS bei 87-jähriger Patientin 8 Wochen nach Versorgung bei Schenkelhalsfraktur
naire et€ al. 2007). Die Kombination von Schrauben mit zusätzlicher Zementfixierung, die sog. Verbundosteosynthese, konnte zwar die Primärfestigkeit in vitro erhöhen (Augat et€al. 2002), jedoch erlaubt diese Art der Fixierung nicht die Frühmobilisation und ist für die Versorgung des alten Menschen kaum geeignet. Nach gelenkerhaltender Stabilisierung mittels Osteosynthese ist bis zur knöchernen Konsolidierung nur eine Teilbelastung des Beins möglich, die der geriatrische Patient jedoch nur selten einhalten kann. Viel häufiger kommt es vor, dass Patienten aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur Vollbelastung für mehrere Wochen immobilisiert bleiben und durch die Entwicklung von Liegekomplikationen (Pneumonie und Thromboembolien) vital gefährdet sind (Holt et€ al. 1994). Daher wird für den alten Patienten der Gelenkersatz mit zementierter Endoprothese empfohlen, so dass unmittelbar nach Versorgung die Mobilisation unter Vollbelastung möglich ist. Für operationstaktische Überlegungen muss auch das Zeitintervall zwischen Unfall und Operationszeitpunkt berücksichtigt werden. Die verminderte Blutversorgung des proximalen Fragments führt mit fortschreitender Dauer zu irreversiblen Gewebeschäden, die das Hüftkopfnekroserisiko erheblich erhöhen. Als Grenze für das Intervall zwischen Unfallzeitpunkt und Operation gilt die Dauer von 6 Stunden, wenn die Erhaltung des Hüftkopfes angestrebt wird (Manninger et€al. 1989). Daraus folgt, dass jede intrakapsuläre pro-
7.5.2.4 P er- und subtrochantäre Femurfraktur Pertrochantäre Femurfrakturen sind Frakturen durch das Trochantermassiv und per definitionem extraartikuläre Frakturen. Die Frakturzone erreicht die Aa. circumflexae femoris normalerweise nicht, so dass fraktur- oder hämatombedingte Femurkopfnekrosen kaum zu befürchten sind. Auch Pseudarthrosen sind aufgrund der breiten metaphysären Frakturflächen seltener als bei Schenkelhalsfrakturen. Die Osteoporose spielt ätiologisch bei diesen Frakturtypen mehr als bei übrigen Frakturen des proximalen Femurs eine bedeutende Rolle (Schott et€al. 2005). Bei pertrochantären Femurfrakturen unterscheidet man im Wesentlichen „stabile“ von „instabilen“ Frakturtypen (Abb.€ 7.139). „Stabile“ Frakturen weisen einen schrägen Bruchlinienverlauf vom Trochanter major zum Trochanter minor auf, wobei die posteromediale Abstützung intakt ist. Nach anatomischer Reposition und Osteosynthese besteht eine Situation, die die Vollbelastung erlaubt. Problematischer sind dagegen die „instabilen“ Frakturtypen. Hier verursacht die fehlende Abstützung am Kalkar durch ein dorsomediales Fragment mit anhängendem Trochanter minor ein hohes Maß an Implantatversagen durch die Scherkräfte bei axialer Lasteinwirkung (Krischak et€ al. 2007). Gleiches gilt auch für die seltener vorkommenden Typen mit ausgedehnten Trümmerzonen. Die interne Osteosynthese ist der Goldstandard in der Versorgung extrakapsulärer proximaler Femurfrakturen. Verwendet werden intramedulläre Systeme (proximaler Femurnagel, Gamma-Nagel u.€ a.), oder gewinkelte Platten-Schrauben-Systeme (dynamische Hüftschraube, dynamische Kondylenschraube u.€a.). Bei pertrochantären Frakturen ist nach stabiler Osteosynthese prinzipiell Vollbelastung erlaubt. Bei begleitender Osteoporose kann hierzu eine Verbundosteosynthese die Belastungsfähigkeit erhöhen. Nach endoprothetischer Versorgung extrakapsulärer proximaler Femurfrakturen werden hohe Komplikations- und Mortalitätsraten berichtet, so dass diese
F. Gebhard und G. Krischak
240
A1
A2
A3
Abb. 7.139↜ AO-Klassifikation per- und subtrochantärer Femurfrakturen. A1 – stabile pertrochantäre Fraktur, A2 – instabile pertrochantäre Fraktur, A3 – subtrochantäre Fraktur
Abb. 7.140↜ Fallbeispiel einer mobilen 75-jährigen Patientin mit nichtdislozierter pertrochantärer Femurfraktur. Aufgrund der radiologisch und klinisch bestehenden manifesten Koxarthrose wurde die Fraktur mit einer Totalendoprothese versorgt
generell nicht zur primären Versorgung empfohlen werden (Berend et€ al. 2005; Haentjens et€ al. 1994; Dobbs et€al. 2005; Kesmezacar et€al. 2005). Es gibt jedoch ausgewählte Indikationen, für die der primäre Gelenkersatz durchaus Berechtigung findet. Beispiele hierfür sind pathologische Frakturen bei Substanzminderung des proximalen Femur bzw. des Azetabulum, Trümmerfrakturen oder eine begleitende schwere Koxarthrose (Abb.€7.140; Waddell et€al. 2004).
Subtrochantäre Frakturen erfordern aufgrund ihrer Lokalisation am Übergang zum diaphysären Bereich, bei operativer Versorgung eine absolute Stabilität, entsprechend den Anforderungen an die Osteosynthese von Schaftfrakturen. Da diese Frakturen typischerweise bei jüngeren Patienten mit einem energiereichen Trauma entstehen, sind Mehrfragment- und Trümmerfrakturen häufiger anzutreffen als bei den übrigen Frakturen des proximalen Femur. Die Stabilisierung erfolgt allgemein über lange intramedulläre Systeme
Operation 7â•…
(z.€B. langer proximaler Femurnagel) oder auch (Winkel-)Platten und bei osteoporotischem Knochen, falls erforderlich, als Verbundosteosynthese. Die Indikation zum primären endoprothetischen Ersatz ist Ausnahmefällen vorbehalten, in denen eines der genannten Verfahren nicht zum Einsatz kommen kann.
7.5.2.5 Alloplastiken Indikationen zum primären endoprothetischen Gelenkersatz bestehen bei Schenkelhalsfrakturen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung von Femurkopfnekrosen und Pseudarthrosen (Pauwels II und III, Garden III und IV). Ab einem biologischen Alter von etwa 70 Jahren wird die Indikation zur primär endoprothetischen Versorgung großzügiger gestellt. Generell muss die Entscheidung jedoch an den individuellen Gegebenheiten ausgerichtet sein. Neben dem Alter sind die fortgeschrittene Osteoporose, rheumatische Erkrankungen, Arthrose, maligne Erkrankungen, eine eingeschränkte Compliance und eine Behinderung des unverletzten Beins weitere Indikationen. Da die alten Patienten meist entsprechende internistische Begleiterkrankungen aufweisen, kann der Operationszeitpunkt entsprechend so gewählt werden, dass erforderliche Maßnahmen zur Verbesserung der kardiorespiratorischen Situation durchgeführt werden können. Die operative Versorgung darf dadurch aber höchstens um 24 Stunden aufgeschoben werden. Grundsätzlich werden der totalendoprothetische Gelenkersatz (TEP), bei dem sowohl das proximale Femur als auch die Hüftpfanne ersetzt werden, von der Hemiarthroplastik (oder auch Hemiendoprothese), bei der lediglich das proximale Femur ersetzt wird, unterschieden. Die Hemiarthroplastik ist mit einer uni- oder bipolaren Prothese möglich. Die bipolare Hemiarthroplastik (Duokopf), eine doppelschalige Kopfprothese, dominiert bei der Versorgung medialer Schenkelhalsfrakturen nach der aktuellen Statistik der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS-Report 2007) An deutschen Krankenhäusern wurden Duokopfprothesen bei 64,2€ % der Patienten und Totalendoprothesen bei 28,2€ % der Patienten implantiert. Die unipolare Hemiprothese wurde mit 6,4€% der Patienten und sonstige Prothesen mit 1,2€% deutlich seltener verwendet. Die Verankerung der Prothese ist zementiert oder unzementiert möglich. Bei guter Knochenqualität, einer Lebenserwartung von über 10 Jahren und ent-
241
sprechender Compliance kann die Prothese zementfrei eingebracht werden. Bei den älteren, meist multimorbiden Patienten sind in der Regel zementierte Endoprothesen Methode der Wahl. Durch den Knochenzement wird ein optimaler Formschluss zwischen Prothese und Knochen hergestellt, der die sofortige Vollbelastung ermöglicht. Beim geriatrischen Patienten werden sowohl Pfanne als auch Schaft zementiert. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, beim biologisch „jüngeren“ Patienten mit guter Knochenqualität eine „Hybridtechnik“ durchzuführen, bei der die Pfanne ohne, der Schaft mit Zement verankert wird. Durch den Zusatz von Antibiotika zum Knochenzement (z.€B. Refobacin-Palacos) wird das Risiko von Infektionen gesenkt (Jiranek et€al. 2006). Metaanalysen vergleichender Studien der zementierten vs. unzementierten Verankerung zeigten keinen signifikanten Unterschied in den Spätergebnissen (Parker und Gurusamy 2006). Es traten bei den zementierten Prothesen lediglich weniger Schmerzen zu späteren Nachuntersuchungszeitpunkten auf, dagegen war die Operationszeit etwas verlängert. Die proximale Verankerungsmöglichkeit ist eine Voraussetzung für die Implantation des Standardprothesenschaftes. Bei weit nach lateral reichenden bzw. pertrochantären Frakturen kann dies nicht sicher gewährleistet sein. Von Bedeutung für die stabile Verankerung ist hierbei die mediale Abstützung durch die erhaltene Kontinuität des Kalkars, d.€h. die impaktierte Knochenlamelle der Metaphyse oberhalb der medialen proximalen Kortikalis. Diese zeichnet sich durch eine enorm hohe, insbesondere dorsomedial ausgeprägte Druckfestigkeit aus. Fehlt die proximale Abstützung oder bestehen darüber hinaus weiter ausgedehnte Defekte, kommen Langschaftprothesen zur Anwendung, die tiefer in die Markhöhle des Femur verankern (Parvizi et€al. 2007; Volkmann et€al. 2003; Sinha et€al. 2004). Unipolare Hemiarthroplastik Es gibt ausreichend lange Erfahrungen mit den unipolaren Hemiprothesen (Monoblockprothesen) nach Moore (1952) und Thompson (1954), mit denen in Deutschland die endoprothetische Versorgung der Schenkelhalsfrakturen begann. Anfänglich führten die unipolaren Hemiprothesen in bis zu 26€% zu schmerzhaften Pfannenprotrusionen (Abb.€7.141; Søreide et€al. 1982). Als ungünstige Voraussetzung oder Ursache für die Protrusion gelten eine schwere Osteoporose, die Verwendung eines unpassenden, zu kleinen Prothesen-
242
F. Gebhard und G. Krischak
Abb. 7.141↜ Monoblockprothese mit azetabulärer Protrusion nach ca. 7 Jahren. (Aus Beck und Rüter 2000)
kopfes und ein hohes Mobilitätsniveau des Patienten (Gebhard et€al. 1992; Clayer und Bruckner 1997). Bei korrekter Indikationsstellung treten azetabuläre Protrusionen mit bis zu 1,8€% nicht häufiger auf als bei bipolaren Prothesen (Wachtl et€ al. 2003; Clayer und Bruckner 1997; Van Dortmont und Wereldsma 1996) Auch wenn in Metaanalysen letztendlich kein signifikanter Nachteil der unipolaren gegenüber der bipolaren Hemiprothese aufgedeckt werden konnte (Parker und Gurusamy 2006), werden diese bei der endoprothetischen Frakturbehandlung in Deutschland nur noch beim bettlägerigen Patienten mit niedriger Lebenserwartung implantiert (Beck und Rüter 2000; Bonnaire et€al. 2005). Bipolare Hemiarthroplastik Bipolare Prothesen (Duokopfprothesen) haben im Gegensatz zu den soliden, unipolaren Prothesen um den Prothesenkopf herum eine weitere Kopfschale, die Bewegung nicht nur zwischen Außenschale und Azetabulum, sondern auch zwischen beiden Schalen erlaubt. In der frühen Anwendung traten Probleme mit Modellen auf, bei denen die äußere Schale aus Polyethylen war (Abb.€7.142). Hier zeigten sich erhebliche Abriebphänomene mit Begleitsynovitiden und vermehrte Protrusionen (van Raay et€al. 1993; Nishii et€al. 1995). Die neueren Entwicklungen der Metall- und später auch Keramik-Gleitpaarungen weisen dagegen ein hervorragendes tribologisches Verhalten auf und erzie-
len gute klinische Ergebnisse (Vassiliou et al. 2007; Grigoris et€al. 2006; Franck und Hennig 2001). Als Indikation für die Duokopfprothese gelten ein (biologisches) Alter ab 75 Jahren und ein reduziertes allgemeines Aktivitätsniveau, insofern keine arthrotischen Veränderungen im Bereich des Azetabulum, rheumatische Erkrankungen oder eine hochgradige Osteoporose bestehen (Bonnaire et€al. 2005). Totalendoprothesen Die Totalendoprothese (TEP) ist in der Frakturversorgung der Hüfte beim älteren Patienten mit der zunehmenden Anwendung der Duokopfprothesen etwas in den Hintergrund getreten. Die Ergebnisse neuerer vergleichender Studien zur Frakturversorgung mit TEP, Hemiprothese oder Osteosynthese werfen jedoch Fragen auf, ob diese Präferenz auch weiterhin uneingeschränkt gerechtfertigt ist. Die TEP hat gegenüber den Hemiprothesen den Nachteil einer längeren Operationszeit, einem höheren intraoperativen Aufwand sowie eines höheren Blutverlusts. Diese Belastungen führen offensichtlich nicht zu einer höheren Rate der Sterblichkeit oder anderen Komplikationen (Blomfeldt et€al. 2007). Dagegen konnten mehrere Autoren belegen, dass die funktionellen Ergebnisse und vor allem die Lebensqualität nach TEP signifikant besser sind, als nach Versorgung mit einer Hemiprothese oder einem internen Osteosyntheseverfahren (Keating et€al. 2006; Blomfeldt et€al. 2005, 2007; Healy und Iorio 2004).
Operation 7â•…
Abb. 7.142↜ Abrieb einer Duokopfprothese mit Polyethylenkopf nach 18 Monaten Laufzeit. (Aus Beck und Rüter 2000)
Die Kosten der TEP sind zwar im Rahmen der Fallpauschale bei primärer Implantation höher, aufgrund der geringeren Anzahl erforderlicher Sekundäreingriffe jedoch bereits nach zwei Jahren signifikant geringer als bei den übrigen Verfahren (Healy und Iorio 2004; Keating et€al. 2005, 2006). Nach diesen Ergebnissen mehren sich die Forderungen der Ausdehnung der TEP-Indikationen im Rahmen der endoprothetischen Frakturversorgung – die Debatte darüber ist aktuell in vollem Gange. Bei der Frakturversorgung mit TEP ist die hohe Luxationsrate von bis zu 18€% zu bedenken (Dorr et€al. 1986). TEP-Luxationen bei Koxarthrose sind mit bis zu 4,2€% deutlich seltener (Zwartele et€al. 2004; Jolles und Bogoch 2004). Ein Grund hierfür dürfte die bei den Frakturpatienten präoperativ erheblich bessere Hüftbeweglichkeit sein, die nach der endoprothetischen Versorgung von den Patienten erneut angestrebt wird (Gregory et€al. 1991). Ein weiterer Grund ist in der verminderten Muskelspannung des älteren Menschen zu suchen.
7.5.2.6 Operationstechniken Die präoperative Planung der korrekten Schaft- bzw. Pfannengröße und der Osteotomie sind unabdingbare Voraussetzungen und müssen vom Operateur selbst
243
Abb. 7.143↜ Digitale Planung einer TEP bei medialer Schenkelhalsfraktur mit klinisch und radiographisch bestehender Koxarthrose
vorgenommen werden. Es gibt heute eine breite Palette an Optionen und entsprechende Planungssoftware, die die präoperative Planung zügig und exakt bewerkstelligen (Abb.€7.143). Die Operation erfolgt über einen üblichen Zugang (s. Kap.€ 7.2). Minimal-invasive Zugangstechniken haben nach dem aktuellen Report der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung aktuell mit 0,2€% der Versorgungen keinen relevanten Stellenwert (BQS Report 2007). Bei der Operation wird nach Eröffnen der Gelenkkapsel und Extraktion des Femurkopfes der laterale Schenkelhals nachreseziert und dann die Prothese entweder zementiert oder zementfrei eingebracht (s. Kap.€7.3). Für die dauerhafte Verankerung einer Prothese ist vor allem die Zementiertechnik von Bedeutung, da Fehler in der Anwendung gerade hier Ursache für eine frühe Auslockerung der Implantate sind (s. Kap.€7.3.1). Durch Vakuummischtechnik wird zusätzlich die Porenbildung reduziert, wodurch der Zement eine höhere Härte und Bruchfestigkeit erhält. Eine verbesserte Zementverankerung kann auch durch die Aufbereitung des Schafts erreicht werden. Bewährt hat sich die gepulste Lavage (Jet-Lavage) des Schafts, wodurch Fett, Blut und Knochenmark aus dem Schaft gespült werden (Breusch et€al. 2000b).
A. Halder
244
Ein Markraumsperrer bewirkt, dass der Schaft einerseits proximal besser mit Zement ausgekleidet wird, andererseits distal der Druck beim Einbringen des Zements reduziert wird (Morscher und Wirz 2002). Ein diaphysäres monokortikales Bohrloch oder ein Entlüftungsschlauch vermindern den intramedullären Druckanstieg während der Zementierung, die von retrograd erfolgt (Pitto et€al. 1999; Leidinger et€al. 2002). Selbstverständlich sind während des Zementierens auch allgemeine Vorsichtsmaßnahmen unbedingt vorzunehmen, da beim Einschlagen des Schafts kardiopulmonale Komplikationen aufgrund von Thromboembolien auftreten können (Hagio et€al. 2003). Die Prothese sollte allseits von einem Zementmantel von mindestens 2€ mm Dicke umgeben sein (Morscher und Wirz 2002; Breusch et€ al. 2000a). Daher sollte der Femurmarkraum grundsätzlich eine Nummer größer aufgeraspelt werden als die letztendlich gewählte Prothesengröße. Bei den selbst blockierenden Geradschaftprothesen ist dies allerdings nicht erforderlich. Nach Einbringen der Prothese erfolgt die Prüfung auf Luxationstendenz und erreichter Beinlänge, wobei die Spannung der Prothese durch Variation der Kopflänge modifiziert werden kann. Die Operation wird durch Einlegen von drei Drainagen (an den Prothesenhals, subfaszial, epifaszial) und dem schichtweisen Wundverschluss beendet.
7.5.2.7 Nachbehandlungen Die postoperative Lagerung erfolgt in einer flachen Schiene in Abduktion, wobei nach anterolateralem Zugang das Bein in Neutralstellung, bei hinterem Zugang in leichter Außenrotation retiniert gehalten wird. Die Mobilisation muss für alle Patienten so früh wie möglich beginnen, auch für diejenigen, die mit zementfreier Prothese versorgt wurden. Zementierte und zementfrei eingebrachte Prothesen dürfen und sollen so früh wie möglich ohne Einschränkung belastet werden. Begleitend werden früh physikalische Maßnahmen (Atemtherapie, Thromboseprophylaxe, PNF, Gangschule, Muskelaufbau) eingeleitet, später zusätzlich Koordinationsübungen und Balneotherapie. 7.5.2.8 Komplikationen Für das Jahr 2006 liegt der Report der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS – Bundesauswertung 9.0) für 95.948 behandelte Patienten mit proximaler Femurfraktur vor. Luxationen während des
Tab. 7.2↜╇ Komplikationen während des stationären Aufenthalts Versorgung mit Prothese der Hüfte (alle Typen) bei medialer Schenkelhalsfraktur. (BQS-Report 2007) Komplikation Gefäßverletzung Nervenschaden Prothesenfehllage Prothesendislokation Periprothetische Fraktur Postoperative Wundinfektion •â•‡ oberflächlich •â•‡ tief Wundhämatom/Nachblutung Reintervention wegen Komplikation
Häufigkeit (%) 0,05 0,17 0,10 0,16 0,53 1,14 1,25 2,75 4,85
Es gilt zu berücksichtigen, dass sich diese Daten auf die wenigen unmittelbaren Tage nach der Operation beziehen. Mehrere nicht unerhebliche Komplikationen werden jedoch nach dem 8.–10. Tag nach der Operation beobachtet
stationären Aufenthalts traten nach endoprothetischer Versorgung medialer Schenkelhalsfrakturen in 1,1€ % und bei pertrochantärer Femurfraktur in 1,8€ % auf. Tiefe Thrombosen der Becken-/Beinvenen wurden in 0,2€%, und Lungenembolien in 0,7€% festgestellt. Weitere Komplikationen sind in Tab.€7.2 aufgelistet.
7.5.3 H üftendoprothese bei posttraumatischer Koxarthrose A. Halder
7.5.3.1 Indikation Die Indikation zum Ersatz des Hüftgelenks nach Trauma kann aus ganz unterschiedlichen Gründen gestellt werden. Die posttraumatische Koxarthrose hat mit 12€ % Anteil an allen Koxarthrosen eine wesentliche Bedeutung (Brown et€ al. 2006). Sie kann als Folge einer posttraumatisch verbliebenen Deformität von Femur oder Azetabulum entstehen (Abb.€7.144). Ebenso kann sie direkt durch die Inkongruenz der Gelenkpartner nach Femurkopf- oder Azetabulumfraktur verursacht sein (Abb.€ 7.145). Selbst bei anatomisch rekonstruiertem oder unverletztem Hüftkopf etwa nach Hüftluxation kann es zur Hüftkopfnekrose kommen, die ebenfalls endoprothetisch versorgt werden muss (Abb.€7.146). Des Weiteren kann gelockertes oder fehlplatziertes Osteosynthesematerial das Gelenk zerstört haben (Abb.€ 7.147). Schließlich kann eine
Operation 7â•…
Abb. 7.144↜ Posttraumatische Koxarthrose bei Deformität des Femur rechts
Abb. 7.145↜ Posttraumatische Koxarthrose nach Femurkopffraktur rechts
Abb. 7.146↜ Posttraumatische Hüftkopfnekrose links
245
Abb. 7.147↜ Gelenkdestruktion durch gelockertes Osteosynthesematerial bei pertrochantärer Femurfraktur links
Abb. 7.148↜ Schenkelhalspseudarthrose links
Pseudarthrose des proximalen Femur oder des Azetabulum eine Indikation zum Hüftgelenkersatz sein (Abb.€7.148). Beim alten Patienten kann auch die frische Fraktur des proximalen Femur oder des Azetabulum Indikation zum endoprothetischen Gelenkersatz sein, um eine schnelle Mobilisierung des Patienten zu ermöglichen (Abb.€7.149). Kriterien zur Indikationsstellung sind dabei sowohl der Allgemeinzustand des Patienten wie auch die Reponierbarkeit und Retinierbarkeit der Fraktur. Die häufig bestehende Osteoporose darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. Eine gleichzeitige Koxarthrose ist ebenfalls Indikation zum primären Gelenkersatz (s. Kap.€7.5.2).
246
A. Halder
Abb. 7.149↜ Schenkelhalsfraktur links
Bei jüngeren Patienten ist in der Regel die Reposition und Osteosynthese einer Femur- oder Azetabulumfraktur angezeigt. In der Regel bleiben die derart versorgten Patienten über einen längeren Zeitraum beschwerdearm (Harkess 2003; Abb.€7.150). In jedem Falle schafft die knöchern konsolidierte Fraktur nach regelrecht ausgeführter Osteosynthese bessere Voraussetzungen für die Implantation einer Hüftendoprothese, indem sie die Qualität des Implantatlagers femur- und azetabulumseitig verbessert.
7.5.3.2 Ziele der Operation Voraussetzung der Implantation einer Endoprothese ist vor allem die Primärstabilität der Implantate, um eine Osteointegration zu ermöglichen. Bereits Mikrobewegungen ab 150€µm führen zur Gefäßabscherung und damit zu ausbleibender Osteointegration (Wirtz et€al. 1998). Voraussetzung für die primärstabile Verankerung der Implantate ist daher die knöcherne Konsolidierung der Fraktur. Bei frischer Fraktur oder eingetretener Pseudarthrose muss es deshalb das Ziel sein, diese zunächst osteosynthetisch zu stabilisieren, bevor die Implantation der Endoprothese erfolgen kann. Im Falle vorliegender Knochendefekte müssen diese rekonstruiert werden, um eine ausreichende Knochendeckung der Implantate zu erreichen. Die Rekonstruktion des knöchernen Implantatlagers ist vorrangiges Ziel der Operation. Das klinische Ergebnis und die Langzeitstabilität der Hüftendoprothese hängen wesentlich von der Wiederherstellung des anatomischen Rotationszentrums des Hüftgelenks ab, weshalb dieses sorgfältig rekonstruiert werden muss.
Abb. 7.150↜ Posttraumatische Koxarthrose nach Azetabulumfraktur links
Schließlich ist die schnelle Mobilisierung des alten Patienten wichtig zur Prophylaxe von postoperativen Komplikationen, so dass die primärstabile Versorgung zur möglichst schnellen Belastungsaufnahme durch den Patienten Priorität hat.
7.5.3.3 Vorbereitung der Operation Die endoprothetische Versorgung der posttraumatischen Koxarthrose ist mit einem deutlich erhöhten Risiko der periartikulären Ossifikation verbunden (Iorio und Healy 2002; Abb.€ 7.151), deshalb muss entweder eine postoperative medikamentöse Ossifikationsprophylaxe oder bei erhöhtem Risiko präoperativ eine prophylaktische Bestrahlung vorgenommen werden. Auch das Infektionsrisiko ist bei der endoprothetischen Versorgung der posttraumatischen Koxarthrose erhöht und nimmt mit der Zahl der vorangegangenen Eingriffe zu (Ranawat et€al. 2009). Daher ist eine perioperative Antibiotikaprophylaxe besonders wichtig, die ggf. verlängert werden kann. Patienten, die aufgrund posttraumatischer Koxarthrose endoprothetisch versorgt werden, weisen einen erhöhten Blutverlust auf (Bellabarba et€ al. 2001). Dieser ist zum einen durch die insgesamt verlängerte Operationszeit und zum anderen durch die erhöhte Blutungsneigung des Narbengewebes zu erklären. Deshalb müssen präoperativ Blutkonserven in ausreichender Anzahl bereitgestellt werden.
Operation 7â•…
247
Abb. 7.151↜ Periartikuläre Ossifikation nach Schenkelhalsfraktur rechts
Abb. 7.152↜ Zementierte Hüftendoprothese rechts
Da das Ausmaß der Deformierung und die Schädigung des Femur und Azetabulum häufig auf konventionellen Röntgenaufnahmen nur unzureichend zu erkennen ist, wird eine Computer- oder Kernspintomographie empfohlen. Mit ihr kann das Ausmaß der Deformität der Knochendefekte genauer bestimmt und geeignetes Material zur Osteosynthese und zum Knochenaufbau bereitgelegt werden. Ebenso kann das geeignete Prothesensystem ausgewählt werden. Allerdings können Computer- und Kernspintomographie durch in situ befindliches Osteosynthesematerial erheblich gestört werden.
Remobilisierung des Gelenks intraoperativ abgetragen werden. Dabei können ebenfalls Gefäße und Nerven verletzt werden, so dass insbesondere in diesen Fällen deren Lagebeziehungen im präoperativen Kernspintomogramm zu bestimmen sind. Nicht immer können jedoch Ossifikationen vollständig abgetragen werden, insbesondere wenn vitale oder für die Gelenkfunktion unverzichtbare Strukturen von den Ossifikationen betroffen sind. Eine präoperative Röntgenbestrahlung kann das Risiko des erneuten Auftretens oder Fortschreitens der Ossifikationen deutlich mindern, erhöht aber auch die Blutungsneigung im Wundgebiet. Im Hinblick auf die Art der Fixation der Prothesenkomponenten ist die Studienlage uneinheitlich. Von verschiedenen Autoren wird die zementfreie Fixation bevorzugt und sie berichten von guten klinischen Ergebnissen (Berry und Halasy 2002; Ranawat et€al. 2009). Andere Autoren wenden die zementierte Fixation erfolgreich an. Generell ist bei osteoporotischem Knochen oder Unregelmäßigkeiten in der Knochenstruktur mit sklerotischen und porotischen Arealen der zementierten Fixation der Vorzug zu geben (Abb.€7.152).
7.5.3.4 Operationstechnik allgemein Nach multiplen Voroperationen bestehen häufig ausgeprägte Vernarbungen der Weichteile, insbesondere der Muskulatur. Zum Zwecke der Zugänglichkeit wie auch zur Sicherstellung einer postoperativ regelrechten Funktion müssen diese Vernarbungen intraoperativ gelöst werden. Zum einem kommt es dabei zu vermehrtem Blutverlust, weshalb intraoperativ eine subtile Blutstillung vorzunehmen ist. Zum anderen können Nerven und Gefäße, die von Narbengewebe umgeben sind, verletzt werden, so dass ihre Lagebeziehungen im Zweifelsfall im präoperativen Kernspintomogramm zu bestimmen sind. Aber auch bei präoperativ bestehender deutlicher Verkürzung oder Bewegungseinschränkung kann es postoperativ nach Verlängerung oder Remobilisierung zum Nervenschaden kommen. Ebenso bestehen posttraumatisch häufig periartikuläre Ossifikationen am Hüftgelenk (s. Abb.€7.151). Diese müssen zum Zwecke der Zugänglichkeit und
7.5.3.5 Materialentfernung In vielen Fällen posttraumatischer Koxarthrose befindet sich noch Osteosynthesematerial in situ. Ist die Osteosynthese bereits vor langer Zeit durchgeführt worden, so kann das Osteosynthesematerial von Knochen überwachsen sein und ist deshalb schwer zu lokalisieren und hinterlässt nach der Entfernung große Knochendefekte. Zum Auffinden des Materials muss
248
A. Halder
Abb. 7.153↜ Knochenatrophie proximales Femur beidseits nach Gamma-Nagel beidseits
Abb. 7.154↜ Knochenatrophie unter Osteosyntheseplatte proximales Femur rechts
ggf. der Röntgenbildwandler zu Hilfe genommen werden. Auch die Entfernung von Schrauben aus Femur oder Azetabulum hinterlässt Knochendefekte, die wiederum bei zementierter Fixation der Prothesenkomponenten Zement austreten lassen. Nach der Entfernung voluminöser Schrauben oder Nägel kann das proximale Femur derart geschwächt sein, dass die stabile Verankerung eines metaphysär verklemmenden Prothesenstiels nicht möglich ist und ein distal verklemmendes Modell gewählt werden muss (Abb.€ 7.153). Ebenso ist der Knochen unter einer Osteosyntheseplatte häufig derart osteoporotisch, dass eine primärstabile proximale Verankerung eines Prothesenstiels im Femur nicht möglich ist (Abb.€ 7.154). Da Osteosynthesematerial im Bereich des Beckens oft schlecht zugänglich ist und die Entfernung Knochendefekte hinterlässt, wird das Belassen empfohlen, wenn es die Pfannenimplantation nicht stört (s. Abb.€7.150). Sollte Osteosynthesematerial das Aufraspeln der Pfanne und die Pfannenimplantation behindern, so kann es auch partiell entfernt werden. Neben den für die Materialentfernung notwendigen Instrumenten sollten deshalb Werkzeuge zum Zertrennen und Abschleifen von Metall bereitgehalten werden.
satz bei frischer Fraktur des Azetabulum gestellt werden, insbesondere in Kombination mit einer schlecht rekonstruierbaren Fraktur des Femur oder einer ausgeprägten Koxarthrose (Harkess 2003). Dann sollte die Osteosynthese so durchgeführt werden, dass das Hüftgelenk primär belastungsstabil ist. Dies kann durch die Verwendung einer Pfannenstützschale in Kombination mit einer konventionellen Osteosynthese in seltenen Fällen erreicht werden. Ist das Azetabulum knöchern konsolidiert und die sphärische Form weitgehend erhalten, so entspricht die Pfannenimplantation der Situation bei primärer Koxarthrose. Dann kann in der Regel ein Standardimplantat in Form einer Press-fit-, Schraub- oder zementierten Pfanne verwendet werden, auch im Falle kleiner Knochendefekte, die einen Wirtsknochenkontakt von mindestens 75€% der Pfannenoberfläche zulassen. Ist die Sphärizität nicht vollständig erhalten, so dass kein Press-fit der Pfanne zustande kommt, verwenden wir eine Schraubpfanne. Ist die Knochenstruktur porotisch oder unregelmäßig, verwenden wir eine zementierte Pfanne (Abb.€7.155). Ist das Azetabulum knöchern konsolidiert, jedoch mit großen Knochendefekten, insbesondere im Bereich des dorsalen Pfannenpfeilers oder kranialen Pfannenerkers, so muss der Knochendefekt zuvor behoben werden. Dafür eignen sich strukturierte Transplantate, die bei guter Knochenqualität aus dem resezierten Hüftkopf des Patienten gewonnen werden können. Ansonsten sind Fremdknochentransplantate zu verwenden. Diese können mit Spongiosaschrauben fixiert und durch eine Pfannenstützschale geschützt werden
7.5.3.6 Azetabulum Die Reposition, Osteosynthese und knöcherne Konsolidierung einer Azetabulumfraktur schafft in jedem Falle bessere Voraussetzungen für die primärstabile Implantation einer Hüftendoprothesenpfanne im Vergleich zur frischen Fraktur. Gelegentlich muss bei alten Patienten die Indikation zum primären Hüftgelenker-
Operation 7â•…
Abb. 7.155↜ Knöchern konsolidierte Azetabulumfraktur rechts
249
Abb. 7.157↜ Hüftendoprothese mit Wagner-Schaft und Osteosynthese des Trochanters mit Draht-Cerclage sowie zementierter Pfanne rechts
Knochendefekte des Azetabulum bei erhaltener Zirkumferenz und weitgehend erhaltenem Pfannenboden, so lassen sich diese mit autogenem oder allogenem spongiösem Knochen rekonstruieren, der im Azetabulum impaktiert wird sowie schnelle Vaskularisierung und Konsolidierung zeigt (Bolder et€al. 2002). In Kombination mit einer zementierten Pfanne können so gute bis sehr gute klinische Ergebnisse erzielt werden (Schreurs et€al. 2005).
Abb. 7.156↜ Azetabulumrekonstruktion nach Azetabulumfraktur und Osteosynthese mit Burch-Schneider-Stützschale und Knochentransplantat links, Osteosynthesematerial teilweise belassen
(Gill et€ al. 1998), die auch eine gute Rekonstruktion des dorsalen Pfannenpfeilers erlaubt (Abb.€7.156). Die Wiederherstellung des dorsalen Pfannenpfeilers ist besonders wichtig, um einer Retroversion der Pfanne und damit einer Luxationsneigung des Hüftgelenks vorzubeugen (Harkess 2003). Eine primäre Belastbarkeit ist dann nicht erreicht. Es gibt aber auch Implantate mit Metallaugmentation, die in solchen Fällen eine belastungsstabile Situation erreichen lassen. Bestehen
7.5.3.7 Femur Die endoprothetische Versorgung frischer oder pseudarthrotisch verheilter Schenkelhalsfrakturen ist in der Regel mit einem Standardimplantat unproblematisch möglich. Bei einer frischen intertrochantären Fraktur müssen die Fragmente osteosynthetisch versorgt werden, weshalb sich für diese Fälle ein zementfreier Stiel eignet, der distal rotationsstabil verklemmt und an der Prothesenschulter eine Fixation des Trochantermassivs erlaubt (Abb.€7.157). Das Gleiche gilt für subtrochantäre Frakturen, wobei in diesem Fällen ein entsprechend längerer, distal rotationsstabil verklemmender Stiel gewählt werden muss. Nach knöcherner Konsolidierung einer proximalen Femurfraktur ist der Markraum häufig durch sklerotische Areale verlegt (Abb.€7.158). Dadurch besteht zum einen die Schwierigkeit der orthograden Markraumeröffnung zur Implantation des Prothesenstiels, zum anderen besteht das Risiko der Perforation der Kortikalis und Fehlimplantation des Prothesenstiels. Deshalb empfiehlt sich neben der sorgfältigen Auswahl des
250
Abb. 7.158↜ Sklerosierung des Femurmarkraums nach proximaler Femurfraktur links
Prothesenstiels und Bestimmung der adäquaten Größe die intraoperative Kontrolle der korrekten Lage der Markraumraspel mit Röntgenbildwandler in zwei Ebenen. Zur Markraumeröffnung muss ggf. eine Hochgeschwindigkeitsfräse zu Hilfe genommen werden. Bei der Auswahl des Prothesenstiels und des Fixationsverfahrens ist zu bedenken, dass zum einen das proximale Femur durch eine zuvor anliegende Osteosyntheseplatte geschwächt sein kann und deshalb eher ein distal verklemmender Stiel gewählt werden muss (Abb.€ 7.159), zum anderen können Schraubenlöcher bestehen, die Zement austreten lassen. Im Falle hypertropher Knochenbildung oder periartikulärer Ossifikationen im Bereich des proximalen Femur ist mit knöchernen Impingement nach Hüftprothesenimplantation zu rechnen, weshalb überschüssiger Knochen entsprechend zu entfernen ist (Abb.€ 7.160). Am Ende der Operation ist sorgfältig zu prüfen, ob knöchernes Impingement vorliegt, insbesondere ventral, und ggf. überschüssiger Knochen zu entfernen. Ein Femur, das in einer proximalen Valgusfehlstellung knöchern konsolidiert ist, kann in der Regel nicht mit einem Prothesenstiel mit metaphysärer Auflage versorgt werden (Abb.€ 7.161). In diesem Fall ist ein schlanker, distal rotationsstabil verklemmender Prothesenstiel zu wählen. Ein Femur, das in einer proximalen Varusfehlstellung knöchern konsolidiert ist, kann in der Regel mit einem Standardhüftstiel mit metaphysärer Verankerung versorgt werden (Abb.€ 7.162). Allerdings muss sorgfältig überprüft
A. Halder
Abb. 7.159↜ Hüftendoprothese mit zementfreiem WagnerSchaft und zementierter Pfanne nach Plattenosteosynthese proximales Femur (s. Abb.€7.156) rechts
Abb. 7.160↜ Hypertropher Knochenanbau nach proximaler Femurfraktur beidseits
Abb. 7.161↜ Proximales Femur in Valgusfehlstellung konsolidiert
Operation 7â•…
Abb. 7.162↜ Proximales Femur in Varusfehlstellung konsolidiert
werden, ob die in Varusposition verheilten Anteile des proximalen Femur ein knöchernes Impingement verursachen. Eine intertrochantäre Korrekturosteotomie ist nach Möglichkeit zu vermeiden, da das proximale Fragment schlecht zu fixieren und die Pseudarthrosenrate hoch ist (Harkess 2003). Ein Femur, dessen Deformität weiter distal gelegen ist, aber noch innerhalb des Bereichs für die Verankerung eines Standardhüftstiels, kann bei guter Knochenqualität mit einem Kurzstiel versorgt werden (Abb.€7.163). Bei fraglicher Knochenqualität oder zu kurzer Verankerungsstrecke kann eine Reosteotomie subtrochantär durchgeführt werden. Zur primärstabilen Verankerung kann wiederum ein zementfreier, distal rotationsstabil verklemmender Prothesenstiel verwendet werden. Die Osteotomie sollte schräg oder Z-förmig ausgeführt werden, um eine Rotationsstabilität des proximalen Fragmentes zu gewährleisten. Wird allein mit dem Prothesenstiel eine Primärstabilität nicht erreicht, so kann eine zusätzliche Osteosynthese mittels Cerclage oder Platte die knöcherne Konsolidierung der Osteotomie sicherstellen. Liegt ein posttraumatischer Rotationsfehler vor, so kann er bei guter Knochenqualität wiederum mit einem zementfreien, rotationssymmetrischen, distal verklemmenden Prothesenstiel korrigiert werden. Bei schlechter Knochenqualität eignet sich auch ein schlanker zementierter Stiel, dessen Rotationsposition im Zementmantel eingestellt werden kann.
7.5.3.8 Prognose Die überwiegende Zahl der Autoren berichtet von klinisch schlechteren Ergebnissen der endoprotheti-
251
Abb. 7.163↜ Hüftprothese mit zementfreiem Kurzschaft über konsolidierter Femurfraktur und zementierter Pfanne rechts
schen Versorgung der posttraumatischen Koxarthrose im Vergleich zur primären Koxarthrose (Berry und Halasy 2002). Nur wenige berichten von vergleichbaren klinischen Ergebnissen (Bellabarba et€ al. 2001). Die Rate an intra- und postoperativen Komplikationen ist erhöht. So besteht intraoperativ durch die notwendige Lösung von Vernarbungen ein erhöhtes Risiko für Gefäß- und Nervenschäden (Farrell et€ al. 2005). Postoperativ ist die Luxationsgefahr größer (Harkess 2003) und die Infektionsrate erhöht (Ranawat et€ al. 2009). Insgesamt ist die Rehabilitation der Patienten mit endoprothetisch versorgter posttraumatischer Koxarthrose verlängert (Harkess 2003) und es besteht ein erhöhtes Risiko für periartikuläre Ossifikationen (Iorio und Healy 2002). Für die Funktion und damit das klinische Ergebnis nach endoprothetisch versorgter posttraumatischer Koxarthrose ist aber neben der primärstabilen Verankerung und der impingementfreien Bewegung die Rekonstruktion des anatomischen Rotationszentrums entscheidend (Ranawat et€al. 2008).
7.5.4 K oxarthrose nach Epiphysiolysis capitis femoris A. M. Halder Die Epiphysiolysis capitis femoris ist eine Erkrankung Jugendlicher in der Pubertät, wobei Jungen im Alter von 12 bis 16 Jahren doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Bei der
252
A. M. Halder
Abb. 7.164↜ (a) Epiphyseolysis capitis femoris links, Beckenübersicht. (b) Epiphyseolysis capitis femoris links, axial
Epiphysiolysis capitis femoris löst sich die Hüftkopfephiphyse in der Wachstumsfuge von der Metaphyse und es kommt zum Abgleiten nach kaudal dorsal. Die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf, in mehr als der Hälfte der Fälle doppelseitig. Durch das Abgleiten der Hüftkopfepiphyse kann es zum Abscheren der epiphysären Gefäße mit der Folge der Hüftkopfnekrose kommen.
7.5.4.1 Ätiologie Ursächlich wird eine hormonelle Dysfunktion angenommen, da der Habitus der Erkrankten dem einer Dystrophia adiposogenitalis entspricht. In der Folge soll es zu einer Verbreiterung der Wachstumsfuge mit Minderung der mechanischen Belastbarkeit kommen. Während es bei der Lenta-Form, begünstigt durch Übergewicht, zu einem langsamen Abgleiten der Hüftkopfepiphyse kommt, kann die Akuta-Form mit plötzlichem Abrutschen der Hüftkopfepiphyse durch einen Sturz ausgelöst werden. 7.5.4.2 Klinik Die Akuta-Form ist durch starken Schmerz mit sofortiger Belastungsunfähigkeit des betroffenen Beins gekennzeichnet. Bei der Lenta-Form treten Schmerzen im Hüftgelenk mit Ausstrahlung in das Kniegelenk auf, die zu rascher Ermüdbarkeit und zum Hinken führen. Es kommt zur Verkürzung des betroffenen Beins mit Einschränkung der Innenrotation. Bei Flexion des außenrotierten Beins erfolgt eine zwangsweise Abduktion (Drehmann-Zeichen; Abb.€7.164).
Abb. 7.165↜ Brehmann-Zeichen. (Aus: Netter 1992)
7.5.4.3 Röntgenuntersuchung In der Beckenübersichtsaufnahme fällt häufig lediglich eine Auflockerung und Erweiterung der Epiphysenfuge auf, weswegen die axiale Aufnahme unerlässlich ist. Die Hüftkopfepiphyse ist in den meisten Fällen nach dorsal kaudal verschoben (Abb.€7.165). Die Therapie richtet sich nach dem Grad der Dislokation, der im anterioposterioren und im axialen Strahlengang in Grad bestimmt wird (Gleitwinkel).
Operation 7â•…
253
Grad I (<33%)
Grad II (33–50%)
Grad III (>50%)
a.-p. Aufnahme
a.-p. Aufnahme
a.-p. Aufnahme
Lauenstein-Aufnahme
Lauenstein-Aufnahme
Lauenstein-Aufnahme
Abb. 7.166↜ Graduierung der Epiphyseolysis capitis femoris nach dem Gleitwinkel
7.5.4.4 Therapie Bei der Akuta-Form handelt es sich um einen akuten Notfall, der sofortiger Entlastung des betroffenen Beins und operativer Therapie bedarf. Diese besteht in Reposition der Hüftkopfepiphyse durch vorsichtige Traktion und Fixation mit Kirschner-Drähten oder einer Gleitschraube sowie Entlastung des Hämathros. Bei der Lenta-Form richtet sich die operative Therapie nach dem Gleitwinkel (Abb.€7.166). Ist dieser in der a.p.-Ebene unter 20 Grad und axial unter 30 Grad, so erfolgt die Fixation in situ mittels Kirschner-Drähten oder einer Gleitschraube. Ist der Gleitwinkel in der a.€p.-Ebene über 20 Grad und axial zwischen 30 und 50 Grad, so erfolgt eine Fixation in situ mittels Kirschner-Drähten (Abb.€ 7.167) oder eine intertrochantäre Korrekturosteotomie zur Wiederherstellung der Artikulation der Gelenkpartner. Liegt der Gleitwinkel axial über 50 Grad, so muss eine intertrochantäre oder subkapitale Korrekturosteotomie erfolgen (Santore und Kantor 2005; Santore et€ al. 2006; Abb.€ 7.168). Aufgrund des gehäuft doppelseitigen Auftretens kann eine prophylaktische Kirschner-Draht-Spickung der
Abb. 7.167↜ In-situ-Fixierung des Hüftkopfes mit KirschnerDrähten
Gegenseite angezeigt sein. Eine Reposition ist bei der Lenta-Form allerdings nicht angezeigt (Boero et€ al. 2003). Bei initialer Koxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris kann zur Wiederherstellung der Gelenkkongruenz die Arthroplastik mit Abtragen
A. M. Halder
254 Abb. 7.168↜ (a) Verschraubung der Hüftkopfepiphyse, (b) intertrochantere FlexionsValgisationsosteotomie
a
30°
b
des prominenten Metaphysenrandes erfolgreich sein (Spencer et€al. 2006).
7.5.4.5 Prognose Langfristig kann es bei einem Gleitwinkel über 20 Grad in der a.€p.-Ebene und über 30 Grad in der axialen Ebene zur Entwicklung einer Koxarthrose kommen. Dies geschieht zum einen durch die Abscherung des Hüftkopfknorpels am Pfannenrand, zum anderen tritt ein Impingement zwischen ventralem Pfannenrand und kraniolateralem Schenkelhals auf (Abraham et€ al. 2007). Die Prognose hängt deshalb wesentlich vom Schweregrad der Erkrankung und damit vom Gleitwinkel ab (Boero et€ al. 2003). Die Koxarthrose tritt im Durchschnitt 11€Jahre früher als in der Normalbevölkerung auf (Abraham et€al. 2007). Einige Epiphysiolysen laufen wahrscheinlich inkomplett und deshalb inapparent ab. Eine häufig zu beobachtende Folge solcher Veränderungen im Alter ist die Coxa vara epiphysaria.
7.5.4.6 I mplantation einer Hüfttotalendoprothese nach Epiphysiolysis capitis femoris Azetabulum╇ Da die Epiphysiolysis capitis femoris vor allem Hüftkopf und Schenkelhals betrifft, hat diese präarthrotische Deformität sekundär Einfluss auf die Hüftpfannenimplantation. Durch das lange bestehende Impingement kommt es zur Ausbildung von Osteophyten (Abraham et€al. 2007; Abb.€7.169), die intraoperativ die Orientierung erschweren und zur Vermeidung eines postoperativ fortbestehenden Impingements sorgfältig abgetragen werden müssen. Eine tendenziell distalere Schenkelhalsresektion zur Vermeidung eines Impingements in Flexion kann im Einzelfall angezeigt sein. Nach Abtragen der Osteophyten können die notwendige Medialisierung der Pfanne an der Tränenfigur und die Kranialisierung am Pfannenerker bestimmt werden. Der Pfannenerker kann bei lange bestehendem Knorpelverlust am kraniolateralen Hüftkopf (Abraham et€ al. 2007) abgeflacht sein und muss bei
Operation 7â•…
255
Abb. 7.169↜ (a) Koxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris mit Impingement und Osteophyten rechts, a.€p., (b) Koxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris mit Impingement und Osteophyten rechts, axial
Abb. 7.170↜ (a) Koxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris links, Beckenübersicht, (b) Koxarthrose nach Epiphyseolysis capitis femoris links, axial
mangelnder Überdachung der Pfanne mit einem strukturierten Knochentransplantat rekonstruiert werden. Femur Der Hüftkopf befindet sich in dorsokaudaler Fehlposition auf dem Schenkelhals, wodurch die Implantation einer Oberflächenersatzprothese zentrisch auf dem Schenkelhals mechanisch ungünstig und technisch schwierig ist (Abb.€7.170). Trotzdem werden gute Resultate nach Oberflächenersatzprothese berichtet (Amstutz et€al. 2005). Selbst die Implantation einer Kurzschaftprothese, die auf einen anatomisch regelrecht geformten Schenkelhals und einen physiologischen oder valgischen CCD-Winkel angewiesen ist, kann mechanisch ungünstig, aber technisch durchaus möglich sein. Bei der oft doppelseitigen Erkrankung und tendenziell varischem Schenkelhals (Abraham et€ al. 2007) ist die Verwendung eines Hüftstiels mit varischem Halswinkel anzuraten. Zudem ist das Offset häufig verändert (Abraham et€al. 2007) und muss bei der Implantation der Hüftendoprothese wiederhergestellt werden. Ist die Gegenseite nicht betroffen, so
kann das physiologische Offset dort bestimmt werden. Deshalb erscheint die Versorgung der Koxarthrose nach Epiphysiolysis capitis femoris bei einem varischen Schenkelhals mit reduziertem Offset und dem Hüftkopf in dorsokaudaler Fehlposition mit einem metadiaphysär verankernden Standardhüftstiel sinnvoll (Abb.€7.171). Wurde zuvor eine Korrekturosteotomie am proximalen Femur vorgenommen, so muss zur Implantation eines Standardhüftstiels ein zylindrischer tragfähiger Markraum wiederhergestellt werden. Zur Eröffnung eines durch Sklerosezonen obliterierten Markraums kann die Verwendung einer Hochgeschwindigkeitsfräse oder eines Markraumbohrers notwendig sein. Bei Unsicherheit in Bezug auf die axiale Ausrichtung des Markraums kann die Verwendung des Röntgenbildwandlers hilfreich sein. Bei starker Abwinkelung des proximalen Femur muss eine erneute Korrekturosteotomie durchgeführt und bei einzeitigem Vorgehen ein längerer Revisionsstiel mit distaler Krafteinleitung zur Schienung der Osteotomie verwendet werden.
A. M. Halder
256 Epiphysenfuge
A. lig. capitis femoris
A. circumflexa femoris lat.
Abb. 7.171↜ Zementfreie Hüftendoprothese links mit Press-fitPfanne und Spotorno-Schaft
7.5.5 H üftendoprothese nach Morbus Perthes und Hüftkopfnekrose des Erwachsenen A. M. Halder
7.5.5.1 Definition Der M. Perthes ist definiert als eine aseptische Osteochondronekrose der koxalen Femurepiphyse im Kindesalter. Häufig sind Wachstumsfuge und Metaphyse mitbetroffen. Bei der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen handelt es sich um eine aseptische, meist nichttraumatische, subchondrale Osteonekrose. 7.5.5.2 Epidemiologie Die arterielle Versorgung des Hüftkopfes ist sowohl in der Wachstumsphase als auch im Erwachsenenalter empfindlich. Die Durchblutung des juvenilen Hüftkopfes erfolgt hauptsächlich über die laterale Epiphysenarterie. Erst mit Vereinigung des epiphysären und metaphysären Kreislaufs durch Verschluss der Wachstumsfuge entstehen zusätzliche Versorgungsmöglichkeiten. Die A. femoralis entsendet über die A. profunda femoris zwei Äste zum Hüftkopf, die Aa. circumflexae femoris medialis et lateralis, und versorgt so zwei Drittel bis vier Fünftel. Weiter werden bis zu 30€% der Versorgung über die Arterie im Lig.€ capitis femoris gewährleistet (Abb.€ 7.172). Die restliche Durchblutung erfolgt über die Spongiosa (McCarthy 2006).
A. profunda femoris
A. circumflexa femoris med.
Abb. 7.172↜ Gefäßversorgung des Hüftkopfes
Morbus Perthes Die Ätiologie des M. Perthes ist unklar. Man vermutet unter anderem kongenitale Gefäßanomalien und hormonelle Dysregulation als Ursachen. Anders als bei der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen verläuft der M. Perthes in Stadien. Der Durchblutungsstörung des Hüftkopfes folgt die Nekrose des Knochenkerns der Epiphyse. Der nekrotische Knochen wird abgebaut und es schließt sich eine Reparationsphase an. Die Dauer dieses Umbauprozesses kann 2 bis 4 Jahre betragen. In dieser Zeit ist die Epiphyse stark verformbar und eine Beteiligung der Epiphysenfuge kann zu Wachstumsstörungen führen. Der Altersgipfel des M. Perthes liegt bei 5–6 Jahren. Im Allgemeinen tritt die Erkrankung zwischen dem 4. und 12. Lebensjahr auf (Herring 2002). In 10–20€ % der Fälle sind beide Femurköpfe betroffen. Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt 4:1. Stadieneinteilung des M. Perthes: • Initialstadium: Gelenkerguss und eine Wachstumsretardierung des Hüftkopfes mit scheinbarer Gelenkspaltverschmälerung. • Kondensationsstadium: Knochenverdichtung durch Zusammensintern des Hüftkopfkerns mit Verdichtung und Sklerosierung. • Fragmentationsstadium: Durch die Gefäßeinsprossung kommt es zur Resorption der Nekrose. Im
Operation 7â•…
Röntgenbild zeigt sich ein Nebeneinander von Verdichtung und Aufhellung. • Reparationsstadium: Struktureller Wiederaufbau, das nekrotische Gewebe wird durch neuen Knochen ersetzt. Hüftkopfnekrose Die Ursache der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen ist ebenso unklar. Man geht davon aus, dass sie auf eine irreversible Mangeldurchblutung oder Druckerhöhung im Knochen zurückzuführen ist. Man spricht daher auch von der „Coronary disease of the hip“ oder dem „Compartment syndrome of the hip“. Betroffen sind die Trabekel und das Knochenmark. Sie tritt vor allem im kraniolateralen Bereich des Hüftkopfes auf, die Ausdehnung der Schädigung ist unterschiedlich. Die Ischämie des Knochens kann verursacht sein durch einen Gefäßschaden sowie Fettembolien und Mikrofrakturen. Derartige Ischämien treten häufig bei Kortisontherapie, Chemotherapie, Bestrahlung oder Alkoholabusus auf. Eine Häufung besteht darüber hinaus bei Stoffwechselerkrankungen wie Dyslipoproteinämien, Kollagenosen, M. Cushing, Diabetes mellitus und Hyperurikämie. Auch Gefäßerkrankungen, wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit oder die Panarteriitis nodosa, Bluterkrankungen, wie die Sichelzellenanämie, und die Taucherkrankheit (Caisson) können eine Hüftkopfnekrose verursachen. Eine statistische Häufung besteht ebenfalls in der Schwangerschaft. Sekundär kann eine Hüftkopfnekrose nach Trauma oder Osteosynthese auftreten. Lässt sich keine Ursache finden, spricht man von der idiopatischen Hüftkopfnekrose. Im Frühstadium kann es gelegentlich zu einer Spontanheilung kommen. Die Tendenz zur Selbstheilung ist jedoch deutlich geringer als bei der juvenilen Hüftkopfnekrose. In der Regel kommt es nach Monaten oder Jahren zu einer Infraktion des Knochens und dann zu einer sekundären Koxarthrose. Die Hüftkopfnekrose tritt typischerweise zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 5:1 (Wirth 2001) und in 35–80€% der Fälle liegt sie beidseits vor.
7.5.5.3 Einteilung Morbus Perthes╇ Gebräuchlich ist die Einteilung nach Catterall (Abb.€7.173; Tab.€7.3).
257
Klassifikation des M. Perthes nach Salter und Thompson: Einteilung nach dem Verlauf der subchondralen Frakturlinie als Hinweis auf das spätere Ausmaß der Nekrose. • Typ A: weniger als 50€% des Knochenkerns, • Typ B: mehr als 50€% des Knochenkerns. Klassifikation des M. Perthes nach Herring et€ al. (1992): Einteilung nach dem Zustand der lateralen Kopfepiphyse. • Typ A: erhaltenâ•›→â•›gute Prognose • Typ B: weniger als 50€ % Höhenverlustâ•›→â•›mäßige Prognose • Typ C: mehr als 50€ % Höhenverlustâ•›→â•›schlechte Prognose Hüftkopfnekrose Die Einteilung der Stadien der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen erfolgt nach Ficat/ Arlet oder nach der ARCO-Klassifikation (Mont et€al. 2006). Ficat/Arlet (1960): • Stadium 0: keine Symptome. • Stadium 1: Auftreten von Leistenschmerzen, nur geringe Bewegungseinschränkung, v.€a. bei Abduktion und Innenrotation. Radiologische Veränderungen liegen nicht vor. Im MRT zeigt sich eine erste herdförmige Signaländerung im Hüftkopf. • Stadium 2: Sklerosierung und Zystenbildung im Hüftkopf. • Stadium 3: Sequestrierung des Knorpels. • Stadium 4: Zusammenbruch des Hüftkopfes. ARCO-Klassifikation (Association for Research of Circulation Osseus; Association internationale de Recherche sur la circulation osseuse 1991): • Stadium 0: Im Röntgenbild ist keinerlei Veränderung des Knochens erkennbar. Gelegentlich kommt es zur Aufhellung der Trabekel in dem betroffenen Areal. Im MRT zeigt sich ein Bild entsprechend einem Knochenmarksödem. Dabei lässt sich nicht sicher unterscheiden zwischen einem reversiblen Schaden (0) oder einer Knochennekrose im Stadium€1. • Stadium 1: irreversibles Frühstadium. Im MRT zeigt sich eine reaktive Randzone (Abb.€ 7.174 links). • Stadium 2: Das Röntgenbild ist ebenfalls positiv (Abb.€7.175).
A. M. Halder
258
Gruppe A nach Salter und Thompson
Gruppe 1 nach Catterall
subchondrale Fraktur
auf a.-p. Aufnahmen (A) ist die subchondrale Fraktur nicht erkennbar, weil sie nicht über den Oberrand der Epiphyse hinausreicht
die Lauenstein-Projektion (B) zeigt hingegen die auf den ventralen Epiphysenanteil beschränkte Fraktur
maximales Resorptionsstadium ventral
dorsal auf a.-p. Aufnahmen (C) ist der Resorptionsdefekt kaum oder überhaupt nicht zu erfassen
in der Lauenstein-Projektion (D) stellt sich der auf das Areal unterhalb der subchondralen Fraktur beschränkte Resorptionsdefekt dar
von oben betrachtet zeigt sich ein auf den ventralen Epiphysenanteil beschränkter Resorptionsdefekt
Gruppe 2 nach Catterall
subchondrale Fraktur
auf a.-p. Aufnahmen (E) zeigt sich lediglich die subchondrale Frakturierung im zentralen Epiphysenanteil; sie reicht aber nicht nach medial oder lateral
in der Lauenstein-Projektion (F) durchzieht die Fraktur den ventralen und teilweise auch den dorsalen Epiphysenanteil
maximales Resorptionsstadium ventral
dorsal auf a.-p. Aufnahmen (G) ist eine Resorption des ventralen und teilweise auch des kranialen Epiphysenanteils erkennbar
in der Lauensteinprojektion (H) stellt sich der Befall der gesamten unter der subchondralen Fraktur liegenden Epiphyse dar
von oben betrachtet zeigt sich das gesamte Ausmaß der Resorption
Abb. 7.173↜ Stadieneinteilung der Hüftkopfnekrose nach Catterall Gruppe 1 und 2 sowie nach Salter und Thompson
7â•… Operation
259
Gruppe B nach Salter und Thompson
Gruppe 3 nach Catterall
subchondrale Fraktur
auf a.-p. Aufnahmen (I) durchzieht die subchondrale Fraktur den lateralen Epiphysenanteil und reicht bis in den medialen hinein
in der Lauenstein-Projektion (J) ist die Miteinbeziehung des dorsalen Epiphysenanteils dargestellt maximales Resorptionsstadium dorsal
ventral auf a.-p. Aufnahmen (K) zeigt sich eine Resorption des zentralen und lateralen Epiphysenanteils
in der Lauenstein-Projektion (L) erfasst die Resorption das gesamte von der Fraktur eingegrenzte Areal. Lediglich dorsal ist eine kleine Stelle verschont geblieben
von oben betrachtet, ist das volle Ausmaß der Resorption zu erkennen
Gruppe 4 nach Catterall
subchondrale Fraktur
auf a.-p. Aufnahmen (M) durchzieht die subchondrale Fraktur die gesamte Epiphysenkuppel
in der Lauenstein-Projektion (N) findet sich dasselbe Bild
maximales Resorptionsstadium dorsal
ventral auf a.-p. Aufnahmen (O) erscheint die gesamte Femurkopfepiphyse resorbiert
Abb. 7.173↜ (Fortsetzung)
in der Lauenstein-Projektion (P) findet sich dasselbe Bild
von oben betrachtet zeigt sich eine Resorption der gesamten Epiphyse
A. M. Halder
260 Tab. 7.3↜╇ Klassifikation des M. Perthes nach Catterall (1981) Catterall I Catterall II Catterall III Catterall IV
Nur anterolateraler Teil der Epiphyse betroffen, kein Sequester 50€% der Epiphyse betroffen, Sequester vorhanden, kleine metaphysäre Läsion 75€% der Epiphyse betroffen, breiter Sequester vorhanden, diffuse metaphysäre Läsion Gesamte Epiphyse sequestriert, ausgedehnte metaphysäre Beteiligung
• Stadium 3: subchondrale Frakturen (Abb.€7.176). • Stadium 4: Spätstadium mit Kalottenimpression (Abb.€7.177). • Stadium 5: Sekundärarthrose (Abb.€7.178). • Stadium 6: Gelenkdestruktion (Abb.€7.179).
7.5.5.4 Klinik Die Symptome des M. Perthes und der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen sind unspezifisch und für beide Krankheitsbilder ähnlich. Typischerweise kommt es zu Leistenschmerzen vor allem in Ruhe, die bis in das Kniegelenk ausstrahlen können. Die Schmerzen können plötzlich auftreten oder schleichend beginnen. Zu Beginn der Erkrankung zeigen die Patienten häufig eine eingeschränkte Abduktion und Innenrotation. Durch Auftreten einer Synovialitis kann es zur völligen Belastungsunfähigkeit des betroffenen Beins kommen. Ab Stadium€ 3 bestehen alle typischen Symptome der Koxarthrose. Zusätzlich tritt eine Beinverkürzung auf. 7.5.5.5 Diagnostik Bei der radiologischen Untersuchung sollten stets eine Beckenübersicht und eine axiale Hüftaufnahme nach Lauenstein durchgeführt werden. Bis zum ARCO-Stadium 2 ist die Hüftkopfnekrose radiologisch nicht sichtbar. Ein Frühzeichen ist eine vermehrt strahlendurchlässige subchondrale Sichelfigur, ausgelöst durch den Strukturzusammenbruch eines nekrotischen Anteils. Sie ist als strahlentransparente Linie parallel zur Knochenoberfläche zu erkennen. Am besten lässt sich dieses Zeichen auf der axialen Aufnahme nach Lauenstein erkennen. Später kommt es dann zu einer demarkierenden Sklerose und Depression des Femurkopfes mit Sphärizitätsverlust (s. Abb.€ 7.175). Ergänzend kann eine Tomographie durchgeführt werden.
Abb. 7.174↜ MRT der Hüftkopfnekrose, ARCO-Stadium 1 links
Für den M. Perthes gibt es zusätzlich sog. Headat-risk-Zeichen, die auf eine schlechte Prognose hindeuten. Zu diesen Head-at-risk-Zeichen zählen ein Verkalkungsherd lateral der Epiphyse, eine Lateralisation im Sinne einer Subluxation des Hüftkopfes, die Beteiligung der Metaphyse, die Horizontalstellung der Epiphysenfuge und eine sog. „hinge abduction“, d.€h. ein Heraushebeln des Hüftkopfes über das Hypomochlion des Kopfanbaus bei Abduktion (Herring et€ al. 1992). Mit seiner hohen Sensitivität und Spezifität ist das MRT zur Frühdiagnose geeignet (s. Abb.€7.175). Durch Einsatz der Computertomographie ist eine bessere räumliche Zuordnung der Defektzone möglich. Szintigraphisch zeigt sich im Frühstadium zunächst eine Zone verminderter Speicherung. Mit Beginn der Reparationsvorgänge zeigt sich eine vermehrte Anreicherung. Die Sonographie ist zur Diagnostik eines Hüftgelenkergusses sinnvoll und eignet sich zur Verlaufskontrolle des M. Perthes. Entzündliche Erkrankungen müssen serologisch ausgeschlossen werden.
7.5.5.6 Differentialdiagnose Differentialdiagnostisch ist stets an eine Algodystrophie der Hüfte, die sog. transitorische Osteoporose zu denken. Hierbei handelt es sich um einen spontan auftretenden dreiphasigen gutartigen Krankheitsverlauf über etwa 6 Monate. Ähnliche Symptome könne auch durch eine Koxitis oder eine Koxarthrose sowie durch Knochentumoren oder Metastasen ausgelöst werden. Bei Kindern sollte zusätzlich an eine epiphysäre Dysplasie oder auch an eine juvenile rheumatoide Arthritis gedacht werden.
Operation 7â•…
261
Abb. 7.175↜ (a) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 2 rechts, Beckenübersicht, (b) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 2 rechts, axial
Abb. 7.176↜ (a) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 3 links, Beckenübersicht, (b) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 3 links, axial
Abb. 7.177↜ (a) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 4 rechts, Beckenübersicht, (b) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 4 rechts, axial
7.5.5.7 Therapie Morbus Perthes╇ Für die Therapie des M. Perthes bestehen sehr unterschiedliche Behandlungskonzepte. Alle haben das Ziel, eine möglichst gute Zentrierung und Überdachung des geschädigten Hüftkopfes (Containment) zu erreichen, bis der Knochen sich möglichst ohne Deformierung wieder aufbaut. In den
Catteral-Stadien€I und II stehen eine regelmäßige Verlaufsbeobachtung und eine symptomatische Therapie im Vordergrund. Operative Containment-Therapie • Femorale Varisation (Karpinski und Newton 1986; Friedländer und Weiner 2000; Thompson 2002;
262
A. M. Halder
Abb. 7.178↜ (a) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 5 rechts, Beckenübersicht, (b) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 5 rechts, axial
Abb. 7.179↜ (a) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 6 links, Beckenübersicht, (b) Hüftkopfnekrose ARCO-Stadium 6 links, axial
Abb. 7.180↜ Femorale Varisationsosteotomie. (Aus: Netter 1992)
Abb.€ 7.180): Eine Indikation zur femoralen Varisation besteht im Kondensations- oder Fragmentationsstadium. Voraussetzung ist eine Abduktion von mindestens 30° und ein Extensionsdefizit von unter 10°. Nachteil dieser Operation ist eine Beinverkür-
zung, die häufig mit einer Glutealinsuffizienz verbunden ist. • Beckenosteotomie (Abb.€7.181): Die Salter-Osteotomie war bis 1962 nur in der Dysplasiebehandlung bekannt. Das Ziel dieser Operation ist ebenfalls die
7â•… Operation
263
Abb. 7.181↜ Salter-Osteotomie. (Aus: Netter 1992)
bessere Überdachung des Hüftkopfes. Die Indikation besteht bei einem Befall des Hüftkopfes über 50€ % und Verlust des Containments. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass eine Beinverkürzung vermieden wird. Der Nachteil besteht in einer Druckerhöhung im Gelenk. Zusätzlich kann es zu einer Verlängerung des Beins und zur Abnahme der Flexion kommen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken ist es sinnvoll, die Femurosteotomie und die Salter-Osteotomie zu verbinden (Craig 1974). Die Salter-Osteotomie vermindert das Ausmaß der notwendigen femoralen Varisierung. Die femorale Varisierung vermindert wiederum den Druck im Gelenk und die postoperative Bewegungseinschränkung. • Valgisierende Femurosteotomie: Die Indikation zur Valgisierung des Femurs besteht bei einer „hinge abduction“. Hüftkopfnekrose des Erwachsenen Arco-Stadium: 1, 2 3, 4 5, 6
<â•›1/3 Nekrose >â•›1/3 Nekrose <â•›1/3 Nekrose >â•›1/3 Nekrose
Core Decompression Knochentransplantation Intertrochantäre Osteotomie Endoprothese Endoprothese
Eine konservative Therapie der Hüftkopfnekrose kann allenfalls im Stadium 1 erfolgreich sein. Zunächst muss, sofern bekannt und möglich, die auslösende Noxe beseitigt werden. Es sollte eine Entlastung an Unterarmgehstützen erfolgen. Der Patient sollte Analgetika und Antiphlogistika erhalten. Traktionsbehand-
Abb. 7.182↜ Anbohrung (Forage) des nekrotischen Areals
lung, Training der hüftumgreifenden Muskulatur, Elektro- und Hydrotherapie sind sinnvolle physiotherapeutische Maßnahmen. Im Stadium 3 und 4 können diese Maßnahmen zum Herauszögern der notwendigen Hüftprothesenimplantation dienen. Im Stadium 1 mit einer Nekroseausdehnung von weniger als einem Drittel und erhaltener Femurkopfkortikalis ist die Anbohrung (Forage) des nekrotischen Anteils die Methode der Wahl (Abb.€7.182). Alternativ kann ein bis in den nekrotischen Anteil reichender Knochenzylinder entfernt oder ein poröser Tantalzylinder eingebracht werden (Shuler et€ al. 2007). Ziel beider Methoden ist es, den intraossären Druck zu vermindern und eine knöcherne Reparation durch Gefäßeinsprossung zu stimulieren. In den Stadien 2 und 3 ist eine Ausheilung der Nekrose nicht mehr zu erreichen. Durch eine intertrochantäre Umstellungsosteotomie ist es möglich, den meist im kranioventralen Anteil lokalisierten Defekt aus der Hauptbelastungszone zu entfernen. Hierzu ist eine intertrochantäre Valgisierungs-Flexions-Osteotomie geeignet (Wirth 2001). Eine weitere Therapiemöglichkeit besteht in der Ausräumung der Nekrose und Auffüllung mit einem gefäßgestielten Becken- oder Fibulaspan (Abb.€7.183) oder der Unterfütterung der subchondralen Platte mit Spongiosa oder Knochenzement. Im Stadium 4 kann ebenfalls bei kleiner Nekrosezone und erhaltener Sphärizität noch eine Umstellungsosteotomie erfolgen. Diese Operation dient vor allem der Schmerzlinderung und Funktionsverbes-
264
Abb. 7.183↜ Ausräumung des nekrotischen Areals und Auffüllung mit einem gefäßgestielten Becken- oder Fibulaspan
serung für eine möglichst lange Zeit. Nach 5 Jahren sind 90€% und nach 10 Jahren noch 60€% der Patienten beschwerdefrei. In den Stadien 5 und 6 empfiehlt sich lediglich die Implantation einer Hüftendoprothese. Hüftendoprothese Obwohl Patienten mit M. Perthes in der Anamnese oder Hüftkopfnekrose lange als Problempatienten der Endoprothetik galten, zeigen neuere Studien keine erhöhten Revisionsraten (Dudkiewicz et€al. 2004; Schneider und Knahr 2004). Gerade deshalb ist es besonders wichtig, mögliche intra- und postoperative Probleme, die aus der Erkrankung und der bereits erfolgten Therapie resultieren, bei der Planung zu berücksichtigen. Die Inaktivitätsosteoporose stellt durch die langfristige, schmerzbedingte Entlastung des Beins ein häufiges Problem dar. In diesen Fällen empfiehlt es sich, intraoperativ die Möglichkeit der verbesserten Verankerung der Prothesenkomponenten etwa durch Zementierung vorzuhalten. So wurde die zementierte Verankerung der Totalendoprothese bei Hüftkopfnekrose lange standardmäßig vorgenommen und es wurden gute Langzeitergebnisse berichtet (Nich et€al. 2006). Trotzdem wird bei der zementfreien Versorgung kein negativer Einfluss auf das klinische Resultat und die Standzeit beschrieben (Xenakis et€al. 1997;
A. M. Halder
Delank et€al. 2001; Taylor et€al. 2001; Ince 2006; Mont et€al. 2006; Abb.€7.184). Patienten mit einer hohen Schmerztoleranz zögern die endoprothetische Versorgung oft lange hinaus und sind unter Vollbelastung auf dem deformierten, teilweise nekrotischen Hüftkopf mobil. Das kann zu einer lateral ausgewalzten Pfanne oder zu einem knöchernen Defekt am Pfannenerker führen. In diesen Fällen kann daher eine Pfannenerkerplastik oder gar die Pfannenrekonstruktion mit einer Stützschale erforderlich werden. Da sich der Erkerdefekt oft weit nach medial in die Pfanne erstreckt, empfiehlt sich der Pfannenaufbau mit einem pfannenseitig in Press-fit-Technik eingebrachten Knochentransplantat in Kombination mit einer zementierten oder zementfreien Pfanne (Abb.€7.185). Sowohl Patienten mit einem M. Perthes als auch Patienten mit einer Hüftkopfnekrose sind oft voroperiert. Die beim M. Perthes indizierte femorale Varisationsosteotomie kann eine Beinverkürzung der betroffenen Seite mit Trochanterhochstand und damit verbundener Glutealmuskelinsuffizienz zur Folge haben. Präoperativ ist in diesen Fällen eine Verlängerung des Beins zu planen. Ein Trochanterhochstand kann durch Distalisierung operativ angegangen werden (Boyd et€ al. 2007). Eine präoperativ langfristig bestehende Glutealmuskelinsuffizienz wird in der Regel durch die Hüftprothesenimplantation nicht behoben. Auch trotz intensiver Physiotherapie ist nur selten ein präoperativ bestehendes Hinken beseitigt. Umgekehrt kann bei Patienten mit Hüftkopfnekrose eine valgisierende femorale Umstellungsosteotomie vorausgegangen sein. Diese Patienten können präoperativ eine Verlängerung des Beins haben, was bei der Prothesenplanung berücksichtigt werden muss. Es ist weiterhin zu bedenken, dass jede vorangegangene Osteotomie des Femur die Eröffnung des Markraums erschweren kann. Dann können zusätzliche Instrumente wie Markraumbohrer oder eine Hochgeschwindigkeitsfräse die orthograde Prothesenschaftimplantation erleichtern (Davis et€al. 2006). Bei langfristig bestehender Hüftkopfnekrose ist das Bewegungsausmaß, vor allem die Abduktion, eingeschränkt. In seltenen Fällen kann deshalb eine Adduktorentenotomie durchzuführen sein. Oberflächenersatz Im Zuge der Renaissance des Oberflächenersatzes am Hüftgelenk empfehlen verschiedene Autoren dessen Verwendung auch im Falle
7â•… Operation
265
Abb. 7.184↜ (a) Sekundäre Koxarthrose bei Hüftkopfnekrose links, (b) zementfreie Hüftendoprothese mit Pressfit-Pfanne und SpotornoSchaft links
Abb. 7.185↜ (a) Gelenkdestruktion bei Hüftkopfnekrose beidseits, (b) Hüftendoprothese mit Knochentransplantat, zementierter Pfanne und Spotorno-Schaft beidseits
des M. Perthes (Boyd et€al. 2007; Amstutz et€al. 2005) sowie der Hüftkopfnekrose (Mont et€al. 2006; Revell et€al. 2006; Abb.€7.186). Sie berichten von klinischen Ergebnissen und Revisionsraten nach kurz- und mittelfristigem Verlauf, die mit der Anwendung bei Koxarthrose vergleichbar sind. Während die operative Technik sich nicht unterscheidet, ist die zementierte Implantation im Falle der Hüftkopfnekrose in jedem Falle zu empfehlen. Daneben findet der einseitige Oberflächenersatz des Femurkopfes Anwendung, wenn die Knorpeloberfläche des Azetabulum intakt ist. Die Revisionsrate ist allerdings deutlich höher als beim beidseitigen Oberflächenersatz, da das klinische Ergebnis ganz unterschiedlich ausfällt (Adili und Trousdale 2003; Cuckler et€al. 2004). So hat auch der einseitige Ersatz des Femurkopfes durch eine Duokopfprothese klinisch nur einen mäßigen Erfolg (Cabanela 1991). Zahlreiche Autoren raten jedoch von der Verwendung des Oberflächenersatzes bei Hüftkopfnekrose ab (Shimmin et€al. 2005; Lachiewitz 2007; Seyler 2007). Sie berichten von einer bereits kurzfristig erhöhten Revisionsrate, bedingt vor allem durch Schenkelhalsfrakturen auf dem Boden der Osteonekrose. Deshalb ist bei der technisch anspruchsvollen Operation ein
Abb. 7.186↜ Hüftkappenprothese
Einkerben der Kortikalis unbedingt zu vermeiden und die zementierte Implantation zu empfehlen. In jedem Falle gilt, dass die Versorgung eines partiell nekrotischen Hüftkopfes mit einem Oberflächenersatz risikoreich ist. Die Nekrose unter dem Oberflächenersatz kann zum Versagen des tragenden Knochens und zu frühzeitiger Lockerung führen. Ebenso stellt die Strukturunregelmäßigkeit des spongösen Knochens bei ausgeheiltem M. Perthes ein Lockerungsrisiko dar. Eine varische Stellung des Schenkelhalses nach Osteotomie ist zudem ein prognostisch ungünstiger Faktor für die Standzeit des Oberflächenersatzes. Zudem ist der scheinbare Vorteil des femurseitigen Knochensubstanzerhalts bei jungen Patienten fraglich, wenn für die Pfannenimplantation deutlich mehr Knochenmasse entfernt werden muss als für eine Stan-
266
A. M. Halder
Abb. 7.187↜ (a) Hüftkopfnekrose beidseits, (b) zementfreie Hüftendoprothese mit Press-fit-Pfanne und Kurzschaft beidseits
dardpfanne (Lachiewitz 2007). Sekundäre Defekte am knöchernen Pfannenerker erschweren es zudem, eine gute knöcherne Überdachung der voluminösen Pfannenkomponente des Oberflächenersatzes herzustellen. Schließlich ist die hohe Abgabe von Ionen durch die großflächige Metallartikulation von Nachteil, da diese zu erhöhten Metallionenspiegeln in Blut und Urin führen und so Leber und Niere belasten und zu allergischen Reaktionen führen können. Kurzschaftprothesen Über die Verwendung von Kurzschaftprothesen bei Hüftkopfnekrose oder nach ausgeheiltem M. Perthes existieren nur wenige BeÂ� richte. So wurden etwa der Mayo-Schaft (Gulow et€al. 2007) und die Druckscheibenprothese durchaus erfolgreich bei Femurkopfnekrose angewandt (Fink und Rüther 2000). Auch wenn es sich häufig um junge Patienten handelt, muss die Implantation von Kurzschaftprothesen in jedem Falle kritisch geprüft werden. Eine begleitende Osteoporose lässt die stabile Verankerung einer Kurzschaftprothese kaum zu. Der Schenkelhals und das proximale Femur können durch Voroperationen deformiert und mechanisch geschwächt sein (Kawasaki et al. 2005). Neben der erschwerten Implantation können dadurch Primär- und Sekundärstabilität des Kurzschaftes beeinträchtigt werden. Eine varische Stellung des Schenkelhalses ist biomechanisch ebenfalls ungünstig und prognostisch negativer Faktor für die Standzeit einer Kurzschaftprothese. Bei guter Knochenqualität ist bei der Primärimplantation jedoch die Kurzschaftprothese bei den zumeist jungen Patienten erfolgreich (Abb.€7.187). Minimal-invasive Implantation Darüber hinaus sind minimal-invasive Implantationsverfahren kritisch zu betrachten. Narbenstränge nach vorangegangenen
Operationen können die übersichtliche Darstellung behindern. Das Zurichten des Femur zur Aufnahme des Prothesenschafts kann durch Deformierung und Strukturunregelmäßigkeiten nach Osteotomie erschwert sein (Kawasaki et€ al. 2005). Eine sekundär geschädigte Pfanne muss für eine optimale prothetische Versorgung in ihrer gesamten Zirkumferenz einsehbar sein. Zusätzliche Maßnahmen wie eine Pfannenerkerplastik sind über einen minimal-invasiven Zugang nur schwer vorzunehmen.
7.5.5.8 Prognose Die Prognose für den M. Perthes ist relativ gut. Es gilt: je jünger das Kind, desto besser die Prognose. Ältere Kinder mit Head-at-risk-Zeichen und Kinder im Catteral-Stadium III und IV zeigen deutlich schlechtere Ergebnisse. Der Spontanverlauf der Hüftkopfnekrose des Erwachsenen ist meist progredient. Eine Selbstheilung ist nicht zu erwarten. Die Erfolgsrate der Markraumbohrung ist abhängig vom Stadium und der Ausdehnung der Nekrose. So zeigten Ficat und Grijalvo 1984 in einer Untersuchung von 133 Fällen, dass 94€% der Patienten im Stadium I und in 82€% im Stadium II nach durchschnittlich 9 Jahren und 6 Monaten nach Anbohrung ein gutes Ergebnis hatten. Ähnlich Ergebnisse zeigten Song et€ al. (2007) an 136 Patienten. Nach durchschnittlich 5 Jahren brauchten 79€ % der Patienten im Stadium€ I und 77€ % der Patienten im Stadium II keine weiteren Operationen. Vor allem Patienten mit kleinen Nekrosezonen zeigten gute Ergebnisse. Die Dekompression durch Entfernung eines Knochenzylinders („core decompression“) ist ebenfalls vor allem in den Stadien€ II und III und bei geringer Nekroseausdehnung erfolgreich. Die Ergebnisse sind
Operation 7â•…
mit denen der Anbohrung vergleichbar (Bozic et€ al. 1999; Steinberg 1995; Mont et€al. 2007). Die Ergebnisse der Behandlung durch einen vaskularisierten Beckenkamm- oder Fibulaspan sind ebenfalls zufriedenstellend und vor allem für ein fortgeschrittenes ARCO-Stadium 2–4 geeignet. So berichtet Eisenschenk, dass von 80 Patienten im ARCO-Stadium 2–4, die zwischen 1988 und 1996 einen gefäßgestielten, von der A. circumflexa ilium profunda versorgten Beckenkammspan erhalten hatten, 86,1€ % einen guten bis sehr guten Harris-hipScore 5 Jahre postoperativ aufwiesen (Eisenschenk et€ al. 2001). Die Ergebnisse anderer Autoren sind geringfügig schlechter (Roush et€al. 2006; Marciniak et€al. 2005). Schlechte Ergebnisse bestanden vor allem bei Patienten mit kortisoninduzierter Hüftkopfnekrose (Kawate et€al. 2007). Wie für alle bereits genannten Therapiemöglichkeiten ergab auch die Umstellungsosteotomie vor allem für Patienten in den Stadien I bis III und bei geringer Nekroseausdehnung ein gutes Ergebnis. Schneider et€ al. verglichen (1998) die Ergebnisse nach verschiedenen Umstellungsosteotomien. Dabei wurden die Flexionsosteotomie (mit Varisation oder Valgisation), die Rotationsosteotomie, die Varisationsosteotomie, die Extensionosteotomie und die medialisierende Osteotomie miteinander verglichen. Die besten Ergebnisse wurden mit Flexionsosteotomie bei kleiner Nekrosezone erzielt. Die Ergebnisse der Rotationsosteotomie werden dagegen unterschiedlich angegeben (Takashi 2006). Bei fortgeschrittenem Stadium und großer Nekroseausdehnung sind die Ergebnisse ohnehin uneinheitlich. Aufgrund der aufwendigen Nachbehandlung und der intra- und postoperativen Risiken sollte deshalb die Indikation zur Umstellungsosteotomie kritisch geprüft werden (Reck 2007). Die aktuelle Literatur beurteilt den Oberflächenersatz bei Hüftkopfnekrose positiv, wobei die Ergebnisse mit denen der Totalendoprothese vergleichbar sind. So geben Revell et€al. (2006) bei 73 Patienten mit Hüftkopfnekrose und konsekutivem Oberflächenersatz eine Überlebensrate von 93,2€% nach 6,1 Jahren an. Mont et€al. (2006) hatten in einer Paarvergleichsstudie von 42 Patienten nach 41 Monaten in beiden Gruppen jeweils 2 Revisionen bei 93€ % guten und exzellenten klinischen Ergebnissen. Allerdings liegen bisher keine langfristigen klinischen Ergebnisse vor (Forrest et€al. 2006). Bei der zementfreien Verankerung einer Hüftendoprothese bestanden gute oder exzellente Ergeb-
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nisse bei 94€ % der Patienten mit Hüftkopfnekrose nach drei Jahren (Mont et€ al. 2006). Dies entspricht den Ergebnissen bei Patienten mit Arthrose, was vom norwegischen Hüftregister bestätigt wird. Dem stehen schlechte Ergebnisse einer Untersuchung von Hartley gegenüber. Nach 10 Jahren kam es bei 21€% der Patienten zur Revision aufgrund einer Pfannenlockerung, die vor allem bei Patienten mit kortisoninduzierter Hüftkopfnekrose auftrat (Hartley et€al. 2000). Einige Studien zeigen erhöhte Lockerungsraten aufgrund eines erhöhten Polyethylenabriebs. Dieser erhöhte Abrieb wird auf das niedrige Alter und die damit verbundene stärkere Aktivität und Belastung der Prothese zurückgeführt (Stulberg et€al. 1997). Schlechtere Ergebnisse wiesen ebenfalls Patienten auf, die zuvor einen gefäßgestielten Fibulaspan erhalten hatten (Davis et€ al. 2006). Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass sich auch die Standzeiten der Hüftendoprothesen bei Patienten mit Hüftkopfnekrose deutlich verlängern werden, da die Qualität der Prothesenmaterialien und der Gleitpaarungen zunimmt (Beaulé und Amstutz 2004; Kim et€al. 2003).
7.5.6 H üftendoprothesen bei rheumatoider Arthritis O. Niggemeyer und W. Rüther Für den orthopädischen Chirurgen stellt das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks beim rheumatisch zerstörten Gelenk nicht selten eine größere Herausforderung dar, weil die Fixation von Prothesenschaft und -pfanne wegen der beim Rheumapatienten häufig feststellbaren schlechteren Knochenqualität, aber auch wegen der oft ausgedehnten Destruktion der knöchernen Pfanne schwieriger ist und nicht selten zusätzliche Maßnahmen erfordert. Die destruierte Hüfte ist im Gegensatz zur primären Koxarthrose zusätzlich durch eine osteoporotische Knochenstruktur charakterisiert. Infolge der verminderten Knochenqualität können sich im weiteren Krankheitsverlauf Pfannenprotrusionen, Ermüdungsfrakturen des Pfannenbodens und Femurkopfeinbrüche entwickeln. Diese rasch zunehmenden Destruktionen der Hüfte erfordern vom orthopädischen Rheumachirurgen eine frühzeitige Indikationsstellung zur Operation und stellen ihn intraoperativ nicht selten vor erhebliche Schwierigkeiten bei der Veranke-
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O. Niggemeyer und W. Rüther
rung der TEP, insbesondere im Pfannenbereich. Hinzu kommt wegen des häufigen polyartikulären Befalls durch die rheumatoide Arthritis eine schwierigere und länger dauernde postoperative Rehabilitation.
7.5.6.1 Hüftbefall Ein Befall der Hüfte im Rahmen rheumatischer Erkrankungen besteht nach Literaturangaben in verschiedenen Patientenkollektiven zwischen 10 und 30€ %. Hierbei ist die Reaktion des Synovialgewebes durch den rheumatischen Befall relativ uniform. Es liegen daher oft nur geringe Unterschiede im Erscheinungsbild der verschiedenen ursächlichen Erkrankungen vor. Variationen im Erscheinungsbild der rheumatisch destruierten Hüfte entstehen durch den Befallszeitpunkt, den Verlauf, das Ausmaß und die Intensität des destruierenden Prozesses (Lenoch et€al. 1966; Vainio et€al. 1961; Gschwend 1977; Fura et€al. 1975; Sweetnam et€al. 1960). Aufgrund der Verlaufsform lassen sich vier Befallsmuster an der Hüfte unterscheiden: Dysplasieform Häufig besteht ein frühzeitiger, monoartikulärer Befall der Hüfte im Säuglings- und Kleinkindalter. Bei dieser Befallsform erfolgt durch die im Kleinkindesalter physiologische Valgusstellung des Schenkelhalses und einen einseitigen Wachstumsschub der femoralen Epiphysenanteile eine Lateralisation des Hüftkopfes. Durch den schubartigen Verlauf mit jeweils resultierenden Schmerzexazerbationen resultieren bindegewebige und muskuläre Verkürzungen, vor allem der phylogenetisch alten Muskelgruppen der Adduktoren, des Iliopsoas und des Rectus femoris, wodurch die Dysplasiekomponente noch verstärkt wird (Abb.€ 7.188; Vainio und Sarainen 1955; Forestier und Canet 1959; Jacqueline et€al. 1961; Martel et€ al. 1962; Rombouts und Rombouts-Lindemans 1971; Kölle 1976). Protrusionsform Diese Form des Hüftbefalls kann im Adoleszentenalter durch einen aggressiven Pannusbefall der Fovea centralis des Azetabulum auftreten. Hier schiebt sich der Pannus zwischen die beiden Kortikalisblätter und unterminiert durch Destruktion der Spongiosa die äußere Kortikalis der Hüftpfanne. Durch die Resorption dieser Kortikalisanteile und die daraus resultierenden Einbrüche der äußeren Kortikalisanteile kommt es zu einer Erweiterung des Pfannenradius mit Protrusion des Hüftkopfes. Diese kann
Abb. 7.188↜ Dysplasiebefall der rheumatischen Hüfte eines 57-jährigen Patienten mit schwerer Destruktion des Pfannendachs und Hüftkopfnekrose links. Infolge der fortschreitenden Kopfdestruktion kam es auf der linken Seite zu einer Beinverkürzung von nahezu 5€cm. (Mit freundlicher Genehmigung des Bildarchivs der Orthopädischen Universitätsklinik Mannheim)
durch den arthritisbedingten frühzeitigen Schluss der Epiphysenfugen im Hüftkopf und die daraus resultierenden kleinen Kopfformen noch verstärkt werden. Bei der Protrusionsform im höheren Lebensalter ist nach Gschwend (1964) das Auftreten mit einer Osteoporose vergesellschaftet. Durch osteoporosebedingten Mikroeinbrüche im Pfannengrund kommt es hier unter Belastung zu zentralen Spitzendrücken auf das Azetabulum, die zu einer Protrusion des Hüftkopfes und zu einer Inkongruenz der beiden Gelenkpartner führen (Abb.€7.189). Destruktionsform╇ Diese rapide innerhalb von Wochen bis Monaten destruierende Verlaufsform ist gekennzeichnet durch einen zystisch-nekrotisierenden Zerfall des Hüftkopfes, der seine Ursache in einer Obliteration der kleinen Gefäße des Hüftkopfes hat (Abb.€ 7.190). Bevorzugt sind Patienten jenseits des 30. Lebensjahres mit langjähriger Kortisoneinnahme betroffen. Charakteristischerweise ist dieser kleinzystige Zerfall des Hüftkopfes oftmals schmerzarm bis schmerzfrei (Sweetnam et€al. 1960; Hipp 1962; Edström 1961; Pietrograndi und Mastromarino 1957). Arthrotische Form Diese Verlaufsform entwickelt sich bei den „ausgebrannten“, nicht mehr floriden Krankheitsprozessen. Ein solches Hüftgelenk wurde im Verlauf der Erkrankung nicht oder nur selten von entzündlichen Schüben betroffen. Es überwiegen daher auch morphologisch die reaktiven und rekonstruktiven Veränderungen, wie sie sich klassischerweise auch bei
Operation 7â•…
Abb. 7.189↜ Protrusionsform einer rheumatischen Koxarthrose. Es finden sich große und tiefe Pfannenverhältnisse mit einer ausgedehnten Protrusion bei kleiner Kopfform durch den frühzeitigen Schluss der Wachstumsfuge des Hüftkopfes
den degenerativen Verlaufsformen der Koxarthrose finden. Im Regelfall resultieren stabile Verhältnisse des Pfannenbodens, nur selten zystische Deformationen. Reaktive Prozesse wie Osteophyten überwiegen und kennzeichnen diese Verlaufsform (Abb.€ 7.191; Thabe 1988).
7.5.6.2 P erioperatives medizinisches Management Der rheumatische Patient, der zur operativen Versorgung mit einer Hüftendoprothese ansteht, bedarf einer adäquaten perioperativen medizinischen Betreuung. Eine organische Beteiligung am Entzündungsprozess sollte vor der Operation ausgeschlossen sein. Ebenso sollten potentielle weiter Infektionsherde ausgeschlossen sein. Hierzu gehört zumindest eine orientierende Fokussuche von Lunge, Haut, Gastrointestinaltrakt, Herz, Zähnen und Urogenitaltrakt. Sollten hier mögliche Infektionsherde bestehen, müssen diese vor einer elektiven Prothesenoperation saniert sein.
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Weiterhin sollte die Basistherapie des Patienten (insbesondere die Biologicals und Leflunomid) aufgrund potentieller Beeinflussung der Wundheilung unterbrochen bzw. im Fall des Leflunomid aufgrund der langen Halbwertzeit mit Cholestyramin ausgewaschen werden. Durch die oftmals langjährige Kortisontherapie sind die meisten Rheumapatienten adrenal supprimiert und bedürfen einer Kortisonstosstherapie, um auf den perioperativen metabolischen Stress adäquat reagieren zu können. In der postoperativen Nachsorge ist bei jeder Infektion auch an eine potentielle Beteiligung des versorgten Gelenks zu denken. Für invasive medizinische Maßnahmen mit Verletzungsrisiko (Gastroskopien, Koloskopien, zahnärztliche Behandlungen) wird mindestens für die ersten zwei postoperativen Jahre eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen (Ranawat 1998). In der Literatur wurde früher häufig über eine erhöhte Infektquote beim Rheumapatienten nach Implantation einer Hüftendoprothese berichtet und als deren Ursache meist das miterkrankte Immunsystem und die langjährige Kortisontherapie angeschuldigt. Teilweise werden in älteren Arbeiten Wundheilungsstörungen und Infektionsraten von bis zu 25€% angegeben (Freeman et€ al. 1973; Severt et€ al. 1991). In jüngeren Publikationen wurden jedoch deutlich geringere Infektionsquoten beim Rheumapatienten festgestellt, die sich im Wesentlichen nicht von Patientenkollektiven mit primärer Koxarthrose unterscheiden. Diese aktuelleren Ergebnisse berichten über eine Rate an Früh- und Spätinfekten beim rheumatischen Patienten von 1,9€% (Cracchiolo et€al. 1991; Poss et€al. 1984; Arnold et€al. 1998).
7.5.6.3 O perationstechnische Besonderheiten Die stark osteoporotische Knochensituation des rheumatisch zerstörten Gelenks, die zusätzlich enorm destruierenden Veränderungen vor allem im Pfannenbereich und Besonderheiten des Weichteilmantels mit Kontrakturen und teilweise erheblichen synovialen Gewebeveränderungen bedingen eine besondere Ausgangslage für die Operation. Schwere Pfannenprotrusionen und – insbesondere nach durchgemachter juveniler rheumatischer Arthritis – ungewöhnlich kleine anatomische Verhältnisse erfordern spezielle Anforderungen an das Implantatdesign. Auf Operateursseite ist eine sorgfältige, schonende und knochensparende Präparation essentiell, um eine optimale
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O. Niggemeyer und W. Rüther
Abb. 7.190↜ Destruktionsform der Hüfte mit nekrotischem Zerfall des Hüftkopfes im Röntgenbild (a) und MRT (b). Eine Ausdehnung der Nekrose bis nach metaphysär kann auftreten. Aufgrund der raschen Progredienz des Geschehens beobachtet man kaum reaktive Knochenumbauvorgänge
Abb. 7.191↜ Arthrotische Befallsform einer 58-jährigen Patientin mit rheumatoider Arthritis. Es überwiegen reaktive Veränderungen wie die ausgedehnten kaudalen Pfannenosteophyten während die entzündlich destruktiven Veränderungen wie die hier vorliegende zystische acetabuläre Beteiligung in der Regel weniger ausgeprägt sind
Implantatverankerung im qualitativ minderwertigen Knochenlager zu erzielen. Zudem sind beim Rheumapatienten aufgrund der teilweise schon früh im Lebensalter bestehenden Gelenkzerstörungen operative Interventionen mit endoprothetischem Ersatz schon im Adoleszenten- oder frühen Erwachsenenalter notwendig. Es gilt hier, speziell bei der Erstversorgung an eventuelle Revisionsoperationen und die dann durch das gelockerte Erstimplantat bestehende Ausgangslage zu denken. Eine Erstversorgung sollte daher bei möglichst geringem „Knochenverbrauch“ eine möglichst lange Standzeit erzielen. Grundsätzlich hat vor der Versorgung des Gelenks mit einem Implantat die operative Versorgung der
rheumatisch-degenerativen Begleitschäden zu erfolgen. Ausgedehnte Bursitiden sind häufig anzutreffen und sollten auch im Sinne der postoperativen Schmerzreduktion komplett entfernt werden. Nicht selten bestehen ausgedehnte Arthrozelen, die eine Ausdehnung bis weit nach distal in die Oberschenkelmuskulatur aufweisen können. Auch hier ist eine komplette Entfernung anzustreben, um eine problemlose postoperative Mobilisation der Patienten zu ermöglichen. Fink et€al. (2001) haben für Rheumapatienten mit einer Knieendoprothese nachgewiesen, dass ein Rezidiv einer Synovialitis auch nach endoprothetischer Versorgung regelhaft auftreten kann. Durch diesen aktivierten Entzündungsprozess ist eine vermehrte
Operation 7â•…
Belastung des Gelenks gegeben, die in einer frühzeitigen Lockerung des Implantats enden kann. Eine möglichst komplette Synovialektomie des endoprothetisch zu versorgenden Gelenks ist also anzustreben, um die Rezidivsynovialitis als Kofaktor einer Endoprothesenlockerung möglichst zu verhindern. Pfannenversorgung Im Bereich des Azetabulum bestehen gehäuft entzündlich bedingte Destruktionen des dorsalen Anteils der Pfanne, des Weiteren ist die Pfanneneingangsebene oft erheblich steiler gestellt als bei vergleichbaren arthrotischen Prozessen. Es werden bei einer fortgeschrittenen rheumatischen Destruktion des Azetabulum häufig anatomische Verhältnisse vorgefunden, die denen der Dysplasiekoxarthrose entsprechen, so dass eine Implantation der Pfannenkomponente in der gewünschten Positionierung mit 15° Anteversion und 45° Inklination eine erhebliche Veränderung der vorgegebenen anatomischen Ausgangslage bedeutet. Eine zweite Besonderheit der azetabulären Komponente der rheumatischen Hüfte ist die verstärkte Protrusionstendenz, so dass häufig ein Missverhältnis zwischen der Tiefe der handelsüblichen Pfannenkomponenten und der Tiefe der protrudierten Pfanne besteht. Des Weiteren führt eine ausgeprägte Protrusion des Hüftkopfes zu einer Medialisierung des Drehzentrums des Azetabulum und resultierenden unphysiologischen Belastungen des vorgeschädigten Gelenks, die dann die Deformation und Destruktion noch beschleunigen können (Ranawat 1998). Akesson et€al. (1994) konnten nachweisen, dass im Vergleich zu rein degenerativ veränderten Hüftpfannen die rheumatisch destruierten Pfannen einen erhöhten Knochenumbau mit einer größeren Menge unmineralisierter Knochenmatrix und vermehrten resorptiven Prozessen aufwiesen. Als Anforderungen an ein Pfannenimplantat sind daher zu stellen: • hohe Primärfestigkeit zur frühzeitigen Mobilisierung, • Möglichkeit der primären aktiven Pfannebodenstabilisierung, • Möglichkeit der Korrektur der dysplastischen Pfanneneingangsebene, • Wiederherstellung des anatomischen acetabulären Drehzentrums, • einfache Implantationstechnik.
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Die Implantatversorgung der Pfanne ist prinzipiell zementfrei und in zementierter Technik möglich. Vorbestehende Knochendefekte des Azetabulum sollten nach der Pfannenpräparation mit autologem Knochenmaterial aus dem resezierten Hüftkopf oder Knochenmehl aus den Raffelfräsen aufgefüllt und formschlüssig eingebracht werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass nur die Pfannenbodenanteile mit möglichst vitalen, knorpelfreien Knochenspänen ausgefüttert werden. Experimentelle Arbeiten der Nijmegener-Gruppe haben gezeigt, dass die Größe der Knochenspäne ausschlaggebend für die knöcherne Integration ist und dass große (8–10€mm) Stücke ein besseres Einwachsverhalten zeigten als Knochenmehl aus einer Knochenmühle. Weiterhin zeigten gewaschene Späne ein besseres Einwachsverhalten als ungewaschene, was auf eine Reduktion der fettigen Anteile des transplantierten Knochenmarks und auf eine größere Kontaktfläche der Knochenspäne ohne Flüssigkeitsinterponate zurückgeführt wurde (Dunlop et€ al. 2003; Hostner et€ al. 2001; Bolder et€ al. 2003; Ullmark 2000). Dieses Verfahren der Knochenspanauffüllung setzt einen erhaltenen Pfannenboden ohne Perforation voraus und ist für zementfreie wie für zementierbare Pfannenimplantate möglich. Die Möglichkeit der zementfreien Versorgung ist durch die Verwendung von Press-fit-Pfannen gegeben. In der Literatur wird allgemein angegeben, dass Press-fit-Pfannen am besten bei Defekten mit erhaltenem Pfannenrand („contained defects“) und kleineren segmentalen Defekten geeignet sind. Hingegen stellen größere Pfannendefekte von >â•›50€% Kontraindikationen für Press-fit-Pfannen dar (Barcia-Cimbrelao 1999; Engh und Glassman 1991; Gross et€al. 1993; Lachiewicz et€al. 1994; Paprosky und Magnus 1994; Paprosky et€al. 1994). Della Valle et€ al. (2004) beschreiben jedoch auch für Wechseloperationen bei größeren Pfannendefekten mit der Miller-Galante-I-Pfanne sehr gute Ergebnisse. Sie fanden eine 15-Jahres-Überlebensrate von 81€ % für Revisionen jeglicher Art und von 96€% für Revisionen aufgrund aseptischer Lockerungen, wobei 30 der 138 Pfannen größere Defekte aufwiesen. Die von uns verwendete AllofitS™-Pfanne ist eine Press-fit-Pfanne aus Protasul-Titan und zeichnet sich durch eine geringe Wandstärke von 3€ mm aus. Mit einer äquatorialen Durchmessererhöhung von 2€ mm und einer Polabflachung von 1€mm wird das Press-fit-
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Prinzip nach Morscher erreicht. Durch die Polabflachung kann bei ausgedehnten Pfannendysplasien eine Spanfütterung des Pfannenbodens vor dem Einschlagen des Implantats erfolgen. Die Oberflächenmakrostruktur besteht aus über 1200 radiär angeordneten, rau gestrahlten Widerhaken von 1€mm, wodurch eine Oberflächenvergrößerung von bis zu 80€ % erzielt wird. Neben den sechs Nuten am Rand der Pfanne zur Verankerung in den Knochen trägt dies zur Rotationsstabilität bei. Diese Widerhaken sind von zentral senkrecht nach peripher flacher angeordnet, was zu einem speziellen Setzverhalten beim Einschlagen führt. Mit jedem Schlag wird die Pfanne schrittweise in eine festere Verankerung bis zum vollendeten Pressfit gebracht. Die AllofitS™-Pfanne wird hier als Beispiel angeführt. Alternative Press-fit-Pfannen mit dünnerer Wanddicke sind die Fitmore-Pfanne oder Wagner-Standard-Pfanne (Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz), die Trident AD-Pfanne (Fa. Stryker Howmedica Osteonics, Allendale, NJ, USA) und die Cerafit-Pfanne (Fa. Ceraver Osteal, Roissy, Frankreich; Morscher 1993, 1994). Die Versorgung des Azetabulum mit einem zementierbaren Implantat ist ebenfalls möglich. Entsprechende Implantate und eine geeignete Implantationstechnik bedingen hier gute postoperative Ergebnisse. Durch eine besondere Geometrie der Rillenführung auf der Außenseite der PE-Pfanne mit Hinterschneidungen wird dabei eine aktive Impression des Knochenzements in die Tiefe der natürlichen Hüftpfanne mit ihrer aufgefrästen Spongiosa und dadurch eine Optimierung des Knochen-Zement-Implantat-Verbunds erreicht. Durch die Zementierung können Defekte am Pfannenrand kompensiert werden, vor allem bei den dysplastischen rheumatischen Pfannen mit ausgedünntem oder fehlendem dorsalen Rand des Azetabulum (Wessinghage und Kißlinger 1998). Nur im Falle einer Pfannenbodenperforation ist auf ein Sonderimplantat im Sinne einer Pfannendachschale auszuweichen. Schaftversorgung Auch die femorale Versorgung muss den Besonderheiten der lokalen Situation gerecht werden. Ebenso wie im azetabulären Knochen besteht im koxalen Femurende eine Veränderung der Knochenqualität. Akesson et€al. (1994) fanden hier in histologischen Untersuchungen vermehrt unminerali-
O. Niggemeyer und W. Rüther
siertes Osteoid bei rheumatisch destruierten Hüften im Vergleich zu Osteoarthrosepatienten. Weiterhin ist wegen der eingangs genannten verschiedenen Befallsformen beim rheumatischen Hüftgelenk von anatomischen Varianten auszugehen. Bei der Dysplasieform kann die normale Schenkelhalsantetorsion erheblich vermindert sein bis hin zu einer Retrotorsion. Die Destruktionsform ist charakterisiert durch ausgedehnte kleinfleckige zystische Nekrosen, die den gesamten Hüftkopf ausfüllen können und zu einer deutlich verminderten Knochenqualität bis in den Schenkelhals und nach metaphysär führen können. Eine zementfreie Versorgung des Schafts ist möglich, wenn die Forderungen von Engelhardt (1983) betreffs einer biologischen Implantatverankerung berücksichtigt werden: • ein möglichst kleiner operativer Defekt durch die Implantation mit Erhalt der Knochenarchitektur ohne Strukturunterbrechungen, • eine optimal formschlüssige Implantationstechnik mit geringem Reparationsvolumen, • eine weitestgehende Schonung der angrenzenden Weichteile gegenüber mechanischen, chemischen oder thermischen Einflüssen, • ein adäquates Implantatdesign aus geeignetem Material hinsichtlich Elastizitätsmodul und Oberflächenbeschaffenheit und in geeigneter Form, die sich an den anatomischen Vorgaben orientiert, • die Möglichkeit der aufsteigenden postoperativen Lastaufnahme durch das Implantat bis zum Erreichen einer vollständigen Adaptation des Knochens an die Prothese. Bei zementfrei implantierten Prothesen sind Relativbewegungen des steiferen Implantats gegenüber dem elastischeren Knochen der Normalfall. Diese Relativbewegungen sind umso größer, je größer die elastische Deformierung, je länger das Implantat und je weiter die Achse des Implantats von derjenigen des Knochens entfernt ist. Formschlüssige Implantationen führen daher zu einer Reduktion der elastischen Deformierung. Kürzere Implantate wirken sich günstiger auf die Relativbewegungen aus (Schneider 1982). In der Regel erfolgt durch die Schmerzbefreiung und die Lastaufnahme auf das endoprothetisch versorgte Gelenk auch beim Rheumapatienten rasch eine Adaptation des Knochens an die neue Belastungssituation und bildet damit einen physiologischen Regenerationsreiz. Es resultiert im Regelfall bei adäquater
Operation 7â•…
Reizantwort durch den Knochen eine feste Osteointegration des Implantats (Ranawat 1998). Eine verbesserte Osteointegration mit daraus resultierenden verlängerten Standzeiten ist nach Studienergebnissen gegeben, wenn eine Ausreifung des Knochens mit Abschluss des Wachstums erreicht ist. So konnten McCullough et€ al. (2006) zeigen, dass Patienten, die bei der Prothesenversorgung jünger als 16 Jahre waren, ein Risiko von 28,5€ % für das Versagen der femoralen Komponente für die ersten 10 postoperativen Jahre hatten und somit ein signifikant höheres Risiko als Patienten mit einem ausgereiften Knochen. Bei bekannter Osteoporose oder nachgewiesener schlechterer Knochenqualität des Femur ist die Indikation zur zementierten Schaftverankerung zu stellen. Gerade bei Patienten mit erheblicher Osteoporose, die durch die jahrelange Kortisontherapie oder schmerzbedingte Immobilisation bedingt sein kann, besteht die Gefahr der Verletzung des Femurs im Sinne einer Schaftsprengung (s. auch Kap.€7.5.13). Bei der Länge des Schaftimplantats ist darauf zu achten, dass gerade bei Polyarthritikern mit Mehrfachversorgung von Hüfte und Knie adäquate Implantatgrößen gewählt werden. Speziell bei Patienten mit ausgebrannter juveniler Arthritis besteht häufig ein Minderwuchs, wodurch eine Versorgung mit einer gestielten Kniegelenksendoprothese gestört werden kann. Eine Besonderheit stellt die zementierte Stielprothese der Hüfte dar, weil sich hier in den Grenzzonen der Knochenzementsäume zwischen Knie- und Hüftgelenksendoprothese erheblich gefährdete Sollbruchstellen ausbilden können. Hier kann es schon beim Aufeinandertreffen von Kniegelenkimplantat und vorbereitender Hüftgelenkraspel zu einer Schaftsprengung kommen, so dass eine entsprechend vorsichtige Operationstechnik mit angepassten Femurraspeln erforderlich ist. Des Weiteren sollte eine formschlüssige Zementierung zwischen den beiden Implantaten im Femurschaft erfolgen, um mögliche Grenzspannungen zu reduzieren (Ranawat 1998). Die Auswahl des femoralen Implantats wird durch diese genannten Besonderheiten beeinflusst. Ein Oberflächenersatz ist aufgrund der verminderten Tragfähigkeit des Hüftkopfes eine Ausnahmeindikation für den Rheumapatienten und bedarf einer überdurchschnittlich guten knöchernen Situation, die im Regelfall nicht vorhanden ist. Dementsprechend wird die rheumatoide Arthritis auch von verschiedenen Herstellern von Oberflächenersatzendoprothesen als eine Kontrain-
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dikation zur Verwendung einer solchen Versorgungsform genannt. Eine Möglichkeit der knochenkonservierenden Versorgung ist die Implantation einer metaphysär verankerten Schaftkomponente. Es stehen verschiedene Implantatdesigns mit unterschiedlichen Fixationsprinzipien zur Verfügung. Vergleicht man die Standzeiten der metaphysär fixierten Prothesen mit denen konventioneller zementfreier Schaftprothesen, so muss man feststellen, dass Schenkelhalsendoprothesen aktuell kürzere Standzeiten aufweisen. Um den Einsatz der Schenkelhalsendoprothesen zu rechtfertigen, müssen die Vorteile dieser Implantate, wie der Erhalt des Schenkelhalses und die Unversehrtheit des diaphysären Femurs und die damit verbundene gute Revisionsfähigkeit betont werden. Da ein deutlicher Zusammenhang zwischen Implantationsfehlern und der Lernkurve gezeigt werden konnte und es sich im Vergleich zu den Standardimplantaten um eine anspruchsvolle Operationstechnik handelt, sollte der Operateur über ausreichende operative Erfahrung in der Hüftendoprothetik verfügen. Des Weiteren sollte eine differenzierte Indikationsstellung für diese Implantate erfolgen. Nicht zuletzt muss der Patient sachlich korrekt über die Vorund Nachteile der unterschiedlichen Prothesenmodelle aufgeklärt werden (Stukenborg-Colsman 2007). Für die verschiedenen Prothesenmodelle stehen bislang nur für die Druckscheibenprothese langfristige Nachuntersuchungsergebnisse beim Rheumapatienten zur Verfügung. Im eigenen Patientenkollektiv zeigte sich in den 10-Jahres-Ergebnissen eine Revisionsrate von 23€%, die durch aseptische und septische Versager bedingt war. Auch die erhoffte verbesserte Ausgangslage im Revisionsfall mit der Möglichkeit des Wechsels auf eine zementfreie Schaftkomponente bestätigte sich nicht, da aufgrund der verminderten metaphysären Knochenqualität bei der Revisionsoperation ein Wechsel auf einen zementierten Schaft in 64€ % der Patienten erforderlich war (Niggemeyer et€al. 2008). Die Versorgung des Femurschafts mit einer gestielten Prothesenkomponente kann in zementfreier oder in zementierter Technik erfolgen. Es gelten hier die üblichen Entscheidungskriterien wie auch für Patienten mit Osteoarthrose. Es ist allerdings aufgrund der häufig langjährigen Steroidmedikation der Patienten mit rheumatoider Arthritis an eine deutlicher früher auftretende Osteoporose zu denken, was die Entscheidung zugunsten einer zementierten Schaftkomponente schon beim jüngeren Rheumapatienten lenken kann.
U. Nöth et al.
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Speziell bei der dysplastischen Befallsform der rheumatisch destruierten Hüfte kann bei reduzierter oder aufgehobener Antetorsion des Schenkelhalses die anatomiegerechte Einstellung des gewünschten Antetorsionswinkels für das Schaftimplantat erschwert sein. Hier können Prothesenmodelle mit frei wählbarer Rotation – wie z.€B. die Konusprothese nach Wagner (Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz) – zur Anwendung kommen, um eine korrekte Rekonstruktion zu erreichen. Es kommen ansonsten die üblichen Schaftkomponenten zur Anwendung, wie sie auch bei der Osteoarthrose verwendet werden. Insgesamt unterscheidet sich die Implantationstechnik nur unwesentlich, es sollte aber bei der Schaftpräparation stets der verminderten Knochenqualität des Rheumapatienten Rechnung getragen werden und eine vorsichtige Bearbeitung des Knochens erfolgen. Die Ergebnisse, die mit den entsprechenden Schaftmodellen erzielt werden können, sind bei korrekter Indikationsstellung und bei adäquater operativer Versorgung nur unwesentlich schlechter als für Vergleichspatientenkollektive mit degenerativen Hüftleiden (Lehtimäki et€al. 1999; Bilsel et€al. 2008; Zwartele et€ al. 2008; Płomiński und Kwiatkowski 2008; Wroblewski et€al. 2007).
7.5.6.4 Nachbehandlung Die Nachbehandlung ist abhängig von der Primärstabilität des gewählten Prothesenmodells und seiner Fixation. Zusätzlich muss das Ausmaß der Rekonstruktion von knöchernen Defekten, insbesondere im Bereich der Pfanne, berücksichtigt werden. Da beim Rheumapatienten infolge der Grunderkrankung häufig die obere Extremität mit befallen ist, gestaltet sich die postoperative Entlastung, insbesondere nach der Implantation einer zementfreien Prothese, oftmals schwierig. Entscheidend ist hier die Bereitstellung einer Vielzahl geeigneter Hilfsmittel, wie Arthritisgehstützen, Achselstützen, Gehwagen und Gehbock. Bei der voll zementierten Prothese ist die Belastbarkeit unter Volllast prinzipiell ab unmittelbar postoperativ gegeben. Zur Schmerzreduktion und um eine Überlastung der im Rahmen des operativen Zugangs durchtrennten und ggf. wieder adaptierten Muskelgruppen zu gewährleisten, werden auch hier für bis zu sechs Wochen nach der Operation Gehhilfen gegeben. Bei den zementfreien Prothesen und den Hybridverankerungen ist bei ausreichender Primärstabilität
für zwei Wochen postoperativ eine Teilbelastung mit 20€ kg (=â•›Sohlenkontakt) erlaubt. In den folgenden 4 Wochen darf das Bein zunehmend belastet werden, so dass nach der 6. Woche entsprechend dem Zustand der Hüftmuskulatur in der Regel die volle Belastung möglich ist. Bei ausgedehnten Spongiosaunterfütterungen und -aufbauten der Pfanne muss der Patient nach erreichter Primärstabilität länger als 6 Wochen nach der Operation entlasten, bis die Knochentransplantate knöchern integriert sind. Es empfiehlt sich hier durchaus eine Röntgenkontrolle vor der Freigabe der Vollbelastung. Unabhängig von der Art der Verankerung wird in den ersten 6 Wochen die Flexion der Hüfte auf 90° limitiert. Wegen der Luxationsgefahr sollte die Lagerung auf der Braun’schen Schiene in leichter Abduktion und Rotationsmittelstellung erfolgen. Je nach Zugang sollten die kombinierte Adduktion und Außenrotation beim anterioren und lateralen Zugang sowie die Flexion und Innenrotation beim hinteren bzw. südlichen Zugang vermieden werden. Am ersten postoperativen Tag darf der Patient in physiotherapeutischer Begleitung aufstehen, es erfolgt ein statisches Muskeltraining des operierten Beins. Ab dem zweiten bis dritten postoperativen Tag wird das selbstständige Aufstehen mit dem Patienten geübt, das asymmetrische Sitzen mit Sitzkissen wird erlaubt. Im weiteren stationären Verlauf wird die Schulung von physiologischen Bewegungsabläufen im Alltag geübt und die Verbesserung des Gangbilds und der Kraftausdauer trainiert. Je nach Zustand der Wunde können ab der 2. postoperativen Woche hydrotherapeutische Anwendungen erfolgen. Grundsätzlich ist nach dem Krankenhausaufenthalt ein Anschlussheilverfahren zu empfehlen. Die Nachbehandlung bei Rheumapatienten ist aufgrund der Mehrfachbehinderungen und der häufigen Muskelatrophien in der Regel erheblich zeitaufwendiger und anspruchsvoller als bei Koxarthrosepatienten (Arnold und Jani 2005).
7.5.7 Protrusionskoxarthrose U. Nöth, L. Rackwitz und M. Rudert Die Protrusionskoxarthrose tritt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sekundär in Assoziation mit inflammatorischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder der Spondylitis ankylosans auf,
Operation 7â•…
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Abb. 7.192↜ Morphologische Veränderungen und Planung bei der Primärversorgung einer Protrusionskoxarthrose. Das Kopfzentrum (↜grüner Ring) ist in der a.€p.-Ansicht nach medial (a) und in der Lauenstein-Projektion nach dorsal (b) im Vergleich zur gewünschten Position (↜rotes Kreuz), verlagert (Patient männlich, 68 Jahre, idiopathische Protrusionskoxarthrose beid-
seits). Die Kopfkontur ragt nach medial über die ilioischiale Linie (↜blaue Linie) hinaus. (c) Präoperative Planungsskizze mit geplanter Lateralisierung des Hüftzentrums durch autologe Knochenaugmentation des medialen Pfannengrundes und Einsatz einer zementfreien Press-fit-Pfanne
kommt aber auch posttraumatisch, bei Osteomalazie oder beim Morbus Paget, vor. Die Ätiologie der seltenen idiopathischen Protrusionscoxarthrose ist nicht hinreichend geklärt (Hooper und Jones 1971). Das morphologisch veränderte knöcherne Azetabulumlager mit einer insuffizienten medialen Abstützungsmöglichkeit für die implantierte Pfanne und die Medialisierung des Hüftkopfdrehzentrums stellen die operativen Herausforderungen bei der Versorgung mit einer Hüftendoprothese dar (s. auch Kap.€5.8.2).
des Azetabulums beeinflusst dabei maßgeblich die operative Strategie der Pfannenversorgung.
7.5.7.1 Präoperative Planung Die Protrusionskoxarthrose zeichnet sich durch die Verlagerung/Wanderung des biomechanischen Hüftkopfdrehzentrums nach (dorso)medial aus, die durch die Verformung des Azetabulumgrunds in Richtung des kleinen Beckens mit radiologisch sichtbarer medialer Überschreitung der Köhler’schen Tränenfigur (Breusch et€ al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003) bedingt ist (Abb.€ 7.192(a), (b)). Bei der präoperativen Planung müssen die angestrebte Rezentrierung des biomechanischen Drehzentrums und die dazu benötigte Pfannenpositionierung und -tiefe berücksichtigt werden (Abb.€7.192c). Das Ausmaß der Hüftkopfprotrusion bzw. der substantielle Knochenverlust
7.5.7.2 S pezielle Aspekte der Operationstechnik Das vorrangige Augenmerk bei der endoprothetischen Versorgung der Protrusionskoxarthrose sollte auf die anatomische Rekonstruktion des Azetabulum gelegt werden, um eine Rezentrierung mit Lateralisation des Drehzentrums des Hüftkopfes zu erreichen. Der anterolaterale Zugang nach Watson-Jones und der transgluteale Zugang nach Bauer bieten, verglichen mit den zunehmend verwendeten minimal-invasiven Zugängen, wie z.€ B. der anterolaterale oder direkte vordere Zugang, eine bessere Übersicht der Azetabulummorphologie. Die Versorgung des Femur richtet sich nach den allgemeinen Prinzipien der primären Hüftgelenkendoprothetik (s. Kap.€ 7.3.1 und 7.3.2), wobei das laterale Offset unter Verwendung regulärer oder lateralisierter Schaftkomponenten im Zusammenspiel mit der azetabulären Rekonstruktion erfolgt. Je nach Ausmaß der vorliegenden Protrusion ist aufgrund der oftmals bestehenden erheblichen Beinlängenverkürzung für die Reposition der Prothese eine Intubationsnarkose mit der Möglichkeit einer vollständigen
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Abb. 7.193↜ Rekonstruktion des medialen Pfannengrundes mit einer Knochenscheibe. (a) Aus dem resezierten Hüftkopf wird vom Schenkelhals eine kortikospongiöse Scheibe gewonnen und (b) zur Augmentation des medialen Pfannengrun-
des verwendet. (c) Nach Einbringen der Kunstpfanne müssen überstehende Osteophyten entfernt werden, um Impingementsituationen zu vermeiden. Die Technik ist bei zementierten Pfannen zu bevorzugen
Relaxierung, gerade bei schweren Protrusionskoxarthrosen, in Erwägung zu ziehen. Die optimale Exposition des Azetabulum wird durch die dezidierte, ggf. zirkumferentielle Entfernung von Kapselresten und das Abtragen von prominenten Osteophyten gewährleistet. Zunächst sollte das transversal zur Längsachse ausgeführte Auffräsen des Azetabulum nur so weit erfolgen, dass der Pfannengrund gerade eben entknorpelt ist (Breusch et€al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003; Pfeil 2008). Dabei ist darauf zu achten, dass die ausgedünnte Lamina interna durch die vertiefende transversale Fräsung nicht weiter geschwächt wird, um das Risiko einer frühzeitigen Lockerung bzw. Migration der implantierten Pfannenkomponente zu minimieren. Unter Verwendung von Pfannenfräsen, die gerade unter die osteophytäre Begrenzung der Pfanne zu bringen sind, erfolgt das weitere zentrische Auffräsen in Richtung der angestrebten Komponentenposition und –tiefe (Breusch et€al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003; Pfeil 2008). Auf den strukturellen Erhalt des Pfannenrands muss im Besonderen geachtet werden, um eine sichere Verankerung der Pfannenkomponente zu gewährleisten. Für die Rekonstruktion der medialen Azetabulumwand sind verschiedene Verfahren beschrieben, die Verwendung eines komplett entknorpelten Anteils des resezierten Femurkopfs (Kerschbaumer 1996) sowie unterschiedlich dimensionierte Knochenspäne/-chips aus autologer oder allogener Quelle (Garcia-Cimbrello
et€ al. 2000; Hirst et€ al. 1987; Kerschbaumer 1996; Ochsner und Schweizer 2003; Welten et€ al. 2000). Zur biomechanischen Verstärkung der geschwächten Lamina interna kann aus dem resezierten Hüftkopf auch eine Knochenscheibe gewonnen werden, die in ihrer Dimensionierung den Raum zwischen der medialen Begrenzung der zuletzt verwendeten Pfannenfräse und dem Azetabulumgrund ausfüllt (Abb.€ 7.193(a), (b); Breusch et€ al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003). Fakultativ kann zusätzlich eine autologe Spongiosaaugmentation aus dem Hüftkopf erfolgen. Vor dem endgültigen Einbringen der zementierten oder zementfreien Pfannenkomponente kann durch dosiertes Nachfräsen eine höhere Kongruenz zu der gewählten Pfannengröße ereicht werden (Breusch et€ al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003). Falls die strukturelle Integrität der verbliebenen Lamina interna und ein intakter Pfannenrand es erlauben, sollte bei einer zementfreien Pfannenimplantation bevorzugt eine alleinige Spongiosaplastik des Pfannengrunds angestrebt werden, um die Press-fit-Verankerung der Komponente durch die rigide Knochenscheibe nicht zu behindern (Abb.€ 7.194). Die Verwendung zementierter Pfannen ohne die Rekonstruktion des Azetabulum mit Knochenmaterial hat eine höhere Inzidenz an Pfannenmigrationen und -lockerungen ergeben (Garcia-Cimbrello et€al. 2000). Die zusätzliche Unterfütterung des Pfannengrunds mit autologer oder allogener impaktierter Spongiosa zeigt gute Kurzzeitergebnisse
Operation 7â•…
277
Abb. 7.194↜ Postoperatives Ergebnis nach medialer Pfannenaugmentation und Implantation einer zementfreien Press-fitPfanne. Im Vergleich zur präoperativen Position (a) zeigt sich in der a.€ p.-Projektion (b) eine anatomische Rekonstruktion mit Lateralisierung des Hüftkopfdrehzentrums. (c) LauensteinProjektion mit leichter Ventralisierung des Drehzentrums. Für
die mediale Augmentation wurde der resezierte Hüftkopf zermahlen und die Kochenspäne impaktiert. Um die Press-fit-Situation zu verstärken und ein sicheres Einwachsen der Pfanne zu gewährleisten, wurde die Pfanne mit zwei Schrauben gesichert und eine Teilbelastung für zwei Wochen durchgeführt
(Hirst et€ al. 1987), wobei mittelfristig auch nach der Anlagerung von Knochenmaterial eine erhöhte Rate an aseptischen Pfannenlockerungen beschrieben wurde (Welten et€ al. 2000). Nach Verankerung der Pfannenkomponente müssen überstehende Osteophyten abgetragen werden, um Impingementsituationen mit unphysiologischer Kraftübertragung auf die Pfanne bzw. Luxationsmomente zu vermeiden (Abb.€7.193c; Ochsner und Schweizer 2003). Bei Vorliegen pathologischer Knochenverhältnisse mit herabgesetzter biomechanischer Stabilität im Bereich des resezierten Femurkopfes (z.€ B. ausgeprägte Osteoporose oder subchondrale Zysten) kann die Verwendung von allogenem Knochen zur Pfannengrundaugmentation in Erwägung gezogen werden, um eine sichere knöcherne Verankerung und Einheilung der Pfannenkomponente zu gewährleisten. Einige Autoren favorisieren für die primäre Implantation die Verwendung von Stützschalensystemen nach knöcherner Rekonstruktion des Azetabulum unter dem Aspekt eines verbesserten knöchernen Remodelling des Pfannengrunds bzw. der medialen Wand aufgrund der vermehrten Krafteinleitung über den intakten Pfannenring (Kerschbaumer 1996; Ochsner und Schweizer
2003). Je nach Ausmaß der knöchernen Rekonstruktion kann postoperativ zur Sicherung einer suffizienten Einheilung der implantierten Pfanne in den Pfannengrund eine Teilbelastung für bis zu 6€Wochen erwogen werden.
7.5.7.3 Spezifische Operationsrisiken Neben den üblichen Risiken der primären Hüftendoprothetik muss die präoperative Aufklärung des Patienten besonders die erschwerten Bedingungen der Pfannenrekonstruktion reflektieren. Durch das vertiefte Azetabulum ist die intraoperative Übersicht schlechter. Die Platzierung des ventralen Pfannenhebels ist oftmals schwierig und die Gefahr einer Druck-/Dehnungsläsion des N. femoralis ist deutlich erhöht (Breusch et€ al. 2005; Ochsner und Schweizer 2003), so dass der Patient über entsprechende temporäre bzw. permanente sensomototrische Ausfälle explizit aufgeklärt werden muss. Die Erläuterung der Knochenaugmentation sollte klar dargestellt werden, wobei jeder Patient auch über den möglichen Einsatz von allogenem Knochenmaterial und der damit verbundenen Risiken wie Infektion oder Übertragung infektiöser Krankheiten (Hepatitis und HIV) aufzuklären ist.
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Das Risiko einer Beschädigung des ventralen und kranialen Pfannerands und die dadurch notwendigen rekonstruktiven Maßnahmen mit Verwendung von Stützschalen oder Revisionsringen sind zu benennen. Oftmals ist dann die Erweiterung der Schnittführung oder das Ablösen von pelvi-trochantären Weichteilstrukturen notwendig, dies kann zu postoperativen Funktionseinschränkungen führen. Auch das Implantatversagen mit frühzeitiger Lockerung und erneuter Protrusion der Pfanne durch Osteolyse oder Pseudarthrosenbildung im Bereich des augmentierten Pfannengrundes müssen erläutert werden. Hier ist insbesondere auf die erhöhte Revisionsbedürftigkeit bei Versorgung einer Protrusionskoxarthrose hinzuweisen (Garcia-Cimbrello et€al. 2000; Hirst et€al. 1987; Welten et€al. 2000).
7.5.8 H üftgelenkendoprothetik bei pigmentierter villonodulärer Synovialitis M. Fürst und W. Rüther Die pigmentierte villonoduläre Synovialitis (PVS) ist eine seltene Erkrankung der Synovialis der Gelenke, aber auch der Sehnenscheiden und Bursen. Unterschieden werden zwei Formen, eine zirkumskripte, auch als tenosynovialer Riesenzelltumor bezeichnete Form und eine diffuse Form, die eigentliche PVS. Gegenstand dieser Abhandlung ist die generalisierte PVS, die als eine benigne, proliferative, tumorähnliche Erkrankung einzustufen ist und durch ihr aggressives und tumoröses Wachstum zu einer erheblichen Destruktion des betroffenen Gelenks führt. Charakteristisch und sehr auffällig ist eine rotbraune Verfärbung der Synovialis, die durch eine Einlagerung von Hämosiderin in die Synovialis bedingt ist (s. auch Kap.€5.9.3). Die Ätiologie dieser Erkrankung ist ungeklärt, die Pathogenese umfasst eine Fülle beschriebener Theorien, wobei entzündliche, immunmodulatorische, genetische sowie traumatische Ursachen diskutiert werden (Eisold et€al. 1998; Oehler et€al. 2000; Nilsson et€al. 2002; Ray et€al. 1991).
7.5.8.1 Klinik und Diagnostik Die PVS manifestiert sich vornehmlich an den Gelenken der unteren Extremität, wobei vor allem das Kniegelenk, gefolgt von Hüft- und Sprunggelenk
M. Fürst und W. Rüther
prädisponiert sind. Typisch ist ein monoartikuläres Befallsmuster. Genaue Zahlen über die Inzidenz und Lokalisation sind aufgrund der Seltenheit der Erkrankung allerdings nicht zu erfahren. Die Inzidenz der PVS soll etwa 1,8/Mio/Jahr betragen, wobei das Hüftgelenk in 15€% der Fälle betroffen ist (Meyer und Masi 1980). Die PVS weist dabei einen Häufigkeitsgipfel zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr auf. Die klinische Symptomatik ist unspezifisch. Häufig treten Beschwerden im Sinne einer chronischen, nur langsam progredienten Synovialitis mit Bewegungseinschränkungen und Gelenkschwellungen auf. Weniger an der Hüfte, sondern eher am Knie- oder Sprunggelenk können auch Einklemmerscheinungen oder Giving-way-Phänomene auftreten. Zur optimalen bildgebenden Diagnostik hat sich die Anwendung von konventioneller Röntgendiagnostik in Kombination mit dem MRT bewährt. Röntgenologisch können allenfalls nur indirekte Zeichen der Erkrankung wie Weichteilschwellungen und die ossären Manifestationen erkannt werden. Neben den möglichen Zeichen einer sekundären Koxarthrose ist insbesondere auf gelenknahe, scharf begrenzte und von einem Sklerosesaum umgebene Zysten zu achten, die häufig von gleicher Größe sind und „wie aufgereiht“ erscheinen (Abb.€ 7.195). Am Hüftgelenk sind diese Zysten häufig an beiden gelenktragenden Knochen im kraniomedialen Anteil des Gelenks erkennbar, d.€h. nicht unbedingt in der Hauptbelastungszone, sondern in der Nähe des Lig. capitis femoris (Abb.€7.196). Häufig sind die zystischen Veränderungen auch am Ansatz der Gelenkkapsel am Schenkelhals zu finden; hier können dann z.€B. am Calcar femoris große zystische Destruktionen erkennbar werden (Abb.€7.197). Typisch ist die Verschmälerung bis vollständige Aufhebung des röntgenologischen Gelenkspalts ohne adäquate Reaktionen des Knochens wie Osteophytenbildung oder subchondrale Sklerosierung. In der Kernspintomografie ist die PVS meist gut gegenüber anderen Synovialerkrankungen abgrenzbar. Dies gelingt durch die charakteristische Hämosiderineinlagerung in der Synovialis (Abb.€7.198). In den T1-gewichteten Sequenzen zeigt sich ein intermediäres Signal, etwa isointens zur Skelettmuskulatur, in den T2-gewichteten Sequenzen ein entsprechend hypointenses Signal. Das Hämosiderin führt zu einer starken Verkürzung der Relaxationszeiten und damit zu einem für die normale Synovialis ungewöhnlich und für die PVS charakteristisch hypointensen Signal.
Operation 7â•…
279
Abb. 7.197↜ Der Hüftkopf ist von sklerosierten Zysten durchsetzt, randständig am Knorpel-Knochen-Übergang
Abb. 7.195↜ Tendosynovialer Riesenzelltumor (PVS). Das Azetabulum weist subchondrale Zyten mit zarter Sklerose auf, die sich perlschnurartig aneinander reihen (Pfeile)
Abb. 7.196↜ Tendosynovialer Riesenzelltumor (PVS). Charakteristisch ist die starke Aufweitung der Fossa acetabuli (↜Pfeile)
Gut erkennbar werden zudem die verdickte Synovialis sowie synoviale Hyperplasie, Knochenerosionen, Zystenbildung und Knorpelschädigungen. In Ergänzung bietet die MRT-Diagnostik wertvolle Informationen über die Ausdehnung der PVS, die für die Planung der Operation von großer Bedeutung ist.
Makroskopisch ist der Befund der PVS durch die typische bräunlich-gelbe Verfärbung der Synovialis gekennzeichnet. Die Synovialzotten sind hypertrophiert und die Synovialis selbst deutlich verdickt. In späteren Erkrankungsstadien tritt das expansive Wachstum in den Vordergrund, die Synovialis bricht durch den steigenden Gelenkbinnendruck in die umgebende Weichteile ein. Charakteristisch ist in den Anfangsstadien der Erkrankung ein zunächst ein rein verdrängendes Wachstum. Es kommt im weiteren Verlauf an der Knorpel-Knochen-Grenze zur Knorpelusurierung mit Invasion des villonodulären Synovialgewebes in den gelenknahen Knochen. Dies bedingt dort die charakteristischen, mehrkammerigen Zysten. Man stellt sich vor, dass alleine durch den erhöhten intraartikulären Druck die Schädigung des Knochens bedingt wird. In wieweit der Tumor selbst durch z.€B. chronisch entzündliche Prozesse zu einer lokalen Gewebe- und Knochenschädigung führen kann, ist nicht bekannt (Oehler et€al. 2000; Nilsson et€al. 2002; Ofluoglu 2006). Die Zysten liegen entweder azetabulär oder am Schenkelhals, häufig am Ansatz der Gelenkkapsel. Es sind Fälle beschrieben, bei denen die Schenkelhalszyste zur Fraktur geführt hat und die PVS auf diese Weise klinisch apparent wurde (Vastel et€ al. 2005). Die Kombination aus Druckschädigung des Knorpels und einer zystischen Destruktion des Knochens führt in letzter Konsequenz zu einer vollständigen Gelenkzerstörung. Das mikroskopische
280
M. Fürst und W. Rüther
Abb. 7.198↜ (a) Tendosynovialer Riesenzelltumor (PVS). Die kaudale Arthrozele (↜Pfeile) zeigt zur Muskulatur isointense Einsprenkelungen, die auf eine Eisenbeladung des Synovialge-
webes hinweisen. (b) Charakteristische rostbraune Färbung des Tumorgewebes, bedingt durch Hämosiderin
Bild der Synovialis ist geprägt durch Merkmale eines neoplastischen, aber auch chronisch entzündlichen Prozesses. Typisch sind die Anhäufung von Histiozyten, die Hämosiderin enthalten und als Pigmentzellen bezeichnet werden, sowie das Vorkommen mehrkerniger Riesenzellen. Die Möglichkeit einer malignen Entartung der PVS kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Während es nach Mohr (1992) als gesichert gilt, dass eine maligne Entartung nicht vorkommt, sind von anderen Autoren Einzelfälle einer malignen Entartung beschrieben (Nielsen und Kiaer 1989). Unbestritten ist jedoch die hohe Rezidivrate der Erkrankung. Auch nach radikaler Synovialektomie werden Rezidivquoten zwischen 8 und 50€% angegeben. Nach endoprothetischer Versorgung sind ebenfalls Rezidive beobachtet worden. Daher wird von vielen Autoren eine regelmäßige Verlaufskontrolle der Erkrankung mit MRT empfohlen, um ein Rezidiv früh erkennen und entsprechend therapieren zu können (Meyer und Masi 1980; von Torklus 1989; Mohr 1992).
orthese kombiniert werden. In den späten Stadien mit fortgeschrittener Gelenkdestruktion wird die endoprothetische Versorgung in Kombination mit einer kompletten Synovialektomie empfohlen (Ofluoglu 2006; Tyler et€ al. 2006). Für die Anwendung einer Radiatio oder Radiosynoviorthese nach TEP-Versorgung gibt es in der Literatur keine Empfehlungen. Die Herausforderung der alleinigen Synovektomie liegt in der Durchführung der notwendigen Radikalität, um ein Rezidiv und das Fortschreiten einer möglichen Arthrose zu verhindern. Dabei besteht immer die Gefahr der Hüftkopfnekose bei Luxation des Hüftkopfes sowie die Schädigung der Propiozeption durch Zerstörung der Kapsel sowie des Lig. capitis femoris. Vastel et€al. (2005) berichten in einer Serie von 16€Patienten mit PVS an der Hüfte über die Verwendung eines lateralen Zuganges zur Hüfte in Kombination mit einer Trochanter-Flip-Osteotomie und erreichen auf diesem Wege ausreichend Übersicht in die ventralen und dorsalen Kompartimente des Gelenks. Von 16 eingeschlossenen Patienten entwickelten alle Patienten, die mit alleiniger Synovialektomie behandelt wurden (nâ•›=â•›8) nach einem mittleren Zeitraum von 16,7 Jahren eine operationspflichtige Arthrose. Ein Patient hatte zudem ein PVS-Rezidiv. Die Autoren schlussfolgern, dass durch die komplette Synovialektomie zwar ein Rezidiv erfolgreich vermieden werden kann, die Ausbildung einer sekundären Arthrose jedoch nicht verhindert wird (Vastel et€al. 2005). Bei bereits sekundär arthrotisch verändertem Gelenk stellt sich damit die Frage nach der endopro-
7.5.8.2 Therapie In den frühen Phasen der Erkrankung ist die offene oder die arthroskopische Synovialektomie Therapie der Wahl. Allerdings sind keine verlässlichen Literaturstellen zur arthroskopischen Synovialektomie am Hüftgelenk bei PVS bekannt. Da diesem Verfahren am Hüftgelenk die notwendige Radikalität fehlen dürfte, ist an diesem Gelenk die offene Synovialektomie zu empfehlen. Diese Verfahren können mit adjuvanten Therapien im Sinne einer Radiatio oder Radiosynovi-
7â•… Operation
thetischen Versorgung des Hüftgelenks. Der operative Vorteil der endoprothetischen Versorgung gegenüber der alleinigen Synovektomie ergibt sich aus der besseren intraoperativen Übersicht, die eine radikale Synovialektomie einfacher durchführbar macht. Rezidive sind auch bei TEP-Versorgung beschrieben, so dass die Synovialektomie vollständig erfolgen muss. Auch ist nicht davon auszugehen, dass das Risiko einer malignen Entartung durch die TEP-Versorgung im Vergleich zur alleinigen Synovialektomie gemindert ist. Die technische Durchführung der Synovialektomie und TEP-Versorgung orientiert sich dabei an dem üblichen Vorgehen und den vertrauten Lagerungs- und Zugangsmodalitäten des Operateurs. Der gewählte Zugang sollte allerdings eine vollständige Übersicht über das Hüftgelenk erlauben; minimal-invasive Techniken können wir in diesem Fall nicht empfehlen. Nach Entfernung des Hüftkopfes kann eine entsprechend großzügige Übersicht über das Hüftgelenk geschaffen werden. Durch das expansive Wachstum der Synovialis ist mit großen Arthrozelen zu rechnen, die sich häufig entlang der Adduktorenloge sowie nach ventral weit über den Pfannenrand hinaus unter den Gluteus medius ausbilden. Nicht selten ist auch der dorsale Befall des Hüftgelenks und des Sitzbeins. Eine besondere Beachtung verdienen die oft großen Zysten am Schenkelhals sowie am Azetabulum. Es empfiehlt sich eine sorgsame Kürettage und Auffüllung mit autologem Knochen aus dem Hüftkopf oder einer Kombination aus autologem und allogenem Material durchzuführen. Neben der Synovialis, die vollständig zur histopathologischen Untersuchung eingeschickt werden sollte, müssen auch die Inhalte dieser Zysten getrennt zur histopathologischen Untersuchung gegeben werden. Da eine maligne Entartung zwar sehr selten ist, deren Konsequenzen aber weitreichend sind, ist die alleinige Untersuchung eines Biopsats der Synovialis nicht ausreichend. Da die PVS ihren Altersgipfel zwischen dem 25. und 35.€ Lebensjahr hat, unterliegt die Implantatwahl besonderen Bedingungen. Die generell verminderte Standzeit der Endoprothesen bei jüngeren Patienten ist zu berücksichtigen. Die Verwendung von knochensparenden, zementfreien und miniaturisierten Prothesen, die für spätere Wechseloperationen eine günstige Voraussetzung schaffen, ist eine sinnvolle Überlegung. Allerdings sind miniaturisierte Implantate nur mit Einschränkung zu verwenden: Der Oberflächenersatz der Hüfte ist dadurch limitiert, dass häufig große Zys-
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ten im Hüftkopf und im Schenkelhals auftreten, die keine sichere Fixierung des Implantats ermöglichen. Außerdem ist durch die radikale Synovialektomie die Kopf- und Schenkelhalsdurchblutung deutlich kompromittiert, so dass das Risiko einer Hüftkopfnekrose und damit die Schwächung des zur Verankerung des Implantats erforderlichen Knochens deutlich gesteigert ist. Zudem fällt der Vorteil der besseren Übersicht durch Resektion der Hüftkopfes für die radikale Synovialektomie weg. Vastel et€al. (2005) berichten in ihrer Serie u.€a. über 3 Patienten, die mit einer CupProthese bei PVS versorgt wurden. Alle drei Patienten mussten nach 9–14 Jahren wegen Lockerung der CupProthese auf eine schaftverankerte Prothese gewechselt werden. Gewissen Limitierungen unterliegen auch die metaphysär verankerten Kurzschaftprothesen bei dieser Indikation. Die Schwächung der Metaphyse durch Zystenbildung, z.€B. am Calcar femoris, sowie die Kompromittierung der Schenkelhalsdurchblutung durch die Synovialektomie sind Argumente gegen die Verwendung der metaphysär verankerten Kurzschaftprothesen. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die zementfreie, schaftverankerte Hüft-TEP als das Implantat der Wahl. Zu beachten ist weiterhin, dass auch nach TEP-Versorgung MRT-Kontrollen durchzuführen sind, so dass Implantatmaterialien gewählt werden sollten, die eine MRT-Untersuchung zulassen. Für die postoperative MRT-Verlaufskontrolle gibt es keine validierten Zeitpunkte. Uns erscheint eine MRT Kontrolle nach 3, 6, 12, 24 und 36 Monaten angezeigt. Über Langzeitergebnisse nach TEP-Versorgung bei PVS berichten nur wenige Untersuchungen. Vastel et€al. (2005) berichten über 4 Patienten, von denen 2 nach 11 und 14 Jahren eine Revision bei gelockerter azetabulärer Komponente benötigten, allerdings ohne den Nachweis eines PVS-Rezidivs. Yoo et al. (2010) berichten über eine Serie von 8 Patienten nach 8,9 Jahren, von denen 2 Patienten bei Pfannenlockerung revidiert werden mussten. Ein PVS-Rezidiv wurde nicht beobachtet. Es besteht eine gewisse Schwierigkeit, ein PVS-Rezidiv röntgenologisch von einer abriebinduzierten Osteolyse zu unterscheiden. Das MRT ist in dieser Situation erneut hilfreich. Bleiben Zweifel, ob eine aufgetretene Prothesenlockerung durch ein Rezidiv einer PVS aufgetreten ist, wird übereinstimmend die Durchführung einer Biopsie empfohlen, um das weitere therapeutische Vorgehen sicher planen zu können (Vastel et€al. 2005; Yoo et€al. 2010).
282
Abb. 7.199↜ Beckenübersicht mit Ankylosierung des rechten Hüftgelenkes (↜großer Pfeil) und ausgeprägten Enthesiopathien der linken Beckenhälfte (↜kleine Pfeile)
7.5.9 E ndoprothetik des Hüftgelenks bei Morbus Bechterew C.H. Lohmann und W. Rüther Die Spondylitis ankylosans (M. Bechterew) gehört zu den Subtypen der Spondyloarthritiden. Bei dieser Erkrankung ist entscheidend, dass neben der axialen Wirbelsäulenbeteiligung bzw. des Achsenskeletts häufig auch periphere Gelenke und Enthesien im Verlaufe der Erkrankung beteiligt sind (Abb.€7.199). Die Erkrankung hat mit 0,5€ % eine hohe Prävalenz und wird heute immer noch leider erst spät diagnostiziert. Hier sind Zeiträume von 5–7 Jahre nach Beginn der Erkrankung nicht selten zu beobachten (Braun und Sieper 2007). Neben der grundsätzlich erforderlichen Physiotherapie bei der Therapie der Spondylitis ankylosans werden in medikamentöser Form nichtsteroidale Antirheumatika, Kortikosteroide, DMARDs oder andere Biologika wie TNF-alpha-Blocker eingesetzt. Im späteren Verlauf der Erkrankung sind durchaus auch gelenkersetzende Maßnahmen gerade am Hüftgelenk erforderlich. Bei der Planung der operativen Versorgung des Hüftgelenks muss deshalb auch besonders die mit der entzündlichen Erkrankung vergesellschaftete Osteopathie, aber auch diejenige Osteopathie, die durch medikamentöse Maßnahmen sekundär erzeugt wurde, berücksichtigt werden. So zeigen z.€B. Patienten mit einer Spondylitis ankylosans nicht nur einen Knochenmasseverlust des proximalen Femur, sondern auch veränderte proximale Femurformen gegenüber gesunden
C.H. Lohmann und W. Rüther
Kontrollkollektiven. Diese Veränderungen müssen bei der Wahl des Implantats – zementfreies, kortikal verankerndes Implantat oder ein zementiertes Implantat – Berücksichtigung finden (Yang et€al. 2005). Im Rahmen der perioperativen Planung einer Hüfttotalendoprothese bei einem Patienten mit Spondylitis ankylosans muss ebenfalls das Risiko der postoperativen Entwicklung von heterotopen Ossifikationen bedacht werden. Die Patienten mit einem M. Bechterew gehören zu einer Risikogruppe, die ein mittleres Risiko haben, solche symptomatischen heterotopen Ossifikationen zu entwickeln (Pellegrini und Gregoritsch 1996). Das Risiko für die Entwicklung von heterotopen Ossifikationen beträgt 43€ % ohne Therapie (Brinker et€al. 1996; Tani et€al. 1998). Das Risiko steigt offensichtlich mit der generellen Entzündungsaktivität bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis – die Rate der Ankylosierung korreliert positiv mit der Entwicklung von heterotopen Ossifikationen. Hier ist es essentiell, eine suffiziente Prophylaxe zu betreiben (Iorio und Healy 2002). Zu dieser Prophylaxe gehören wie auch bei Patienten mit geringem Risiko in jedem Fall NSAR, die mindestens 14 Tage lang in therapeutischer Dosierung appliziert werden sollen. Bei den Spondylitis-ankylosans-Patienten mit mittlerem Risiko für die Entwicklung von heterotopen Ossifikationen ist zusätzlich eine Strahlentherapie mit z.€ B. 1-mal 7€ Gy anzuwenden (Seegenschmiedt et€ al. 2001). Es zeigt sich, dass gerade die präoperative Applikation der perioperativen Strahlentherapie eine geringere radiologische Versagerrate nach den Brooker-Stadien bewirken kann (Seegenschmiedt et€al. 2001). Patienten mit ankylosierender Spondylitis entwickeln in den meisten Fällen eine zunehmende Kyphosierung der Wirbelsäule (Abb.€ 7.200). Diese Kyphosen können je nach Stadium der Erkrankung fixiert sein. In einem solchen Zustand ist es außerdem entscheidend, eine Malrotation des Beckens in der sagittalen Ebene zu bedenken. Wenn diese fixierten Fehlstellungen nicht beachtet und berücksichtigt werden, können erhebliche Fehler bei der Pfannenpositionierung auftreten. Tang et€ al. (2007) zeigen in einer dreidimensionalen Rekonstruktion von Patienten, die an einem M. Bechterew leiden, dass erhebliche Unterschiede bei der Positionierung der Pfannenimplantate entstehen können, wenn die funktionelle Positionierung der Pfanne gegenüber der anatomischen gewählt wird.
7â•… Operation
Abb. 7.200↜ Klinische Aufnahme eines Patienten mit ankylosierender Spondylitis in der Frontal- und Seitansicht. Es fällt die Kyphosierung der Wirbelsäule, wie auch die Flexionskontraktur bzw. Ankylosierung des linken Hüftgelenks auf. Damit vergesellschaftet ist auch eine Neurotation des Beckens in Flexion, die die Anteversion der Hüftpfanne beeinflusst
Bei Nichtbeachten der sagittalen Beckenmalrotation von ca. 20° – wie sie bei Spondylitis-ankylosansPatienten durchaus üblich – kann eine Anteversion der Pfanne von mehr als 30° und auch Inklination von über 50° entstehen. Dieses führt dann dazu, dass 50€% Oberfläche des Pfannenimplantats keinen knöchernen Kontakt zum Azetabulum haben. Es ist außerdem von größter Wichtigkeit für die Pfannenpositionierung, die fixierte Kyphose und damit die sagittale Fehlstellung des Beckens zu kennen und dieses auch bei der Lagerung des Patienten zu beachten. Navigationshilfen könnten hier in der Zukunft eine Optimierung der Pfannenposition bei diesen schwierigen und fixierten Beckenfehlstellungen geben. Tang und Chiu (2000) zeigen in ihren Ergebnissen, dass insbesondere Hyperextensionen der Hüften bei Malpositionierung der Pfannen und einer Prädisposition für anteriore Luxation ein Risikofaktor für aseptische Lockerungen in diesem Patientenkollektiv sein können.
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Aber nicht nur die Pfannenpositionierung kann fehlerhaft sein (Mahesh et€al. 2008). Im Rahmen der endoprothetischen Versorgung der Hüftgelenke bei Patienten mit Spondylitis ankylosans ist von entscheidender Bedeutung, die fixierten Fehlstellungen der Wirbelsäule zu kennen, um bei Manipulation am Hüftgelenk keine Gefährdungen der knöchernen Strukturen der Wirbelsäule zu verursachen. Auf Grund der Osteopathie durch die Erkrankung wie auch durch die osteotropen Medikationen kann die Wirbelsäule fragil sein. Eine Fraktur, die intraoperativ unbemerkt verlaufen kann, kann erhebliche und schwerwiegende Folgen gerade in Bezug auf neurologische Defizite nach sich ziehen. Deshalb ist die Kenntnis der Deformitäten sowie auch die präoperative, radiologische Darstellung dieser Deformitäten von essentieller Bedeutung, bevor ein peripheres Gelenk operiert wird. Die Langzeitergebnisse der Endoprothetik des Hüftgelenks bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis, gemessen an der Funktion und der Standzeit der Endoprothesen, werden von zwei wesentlichen Faktoren beeinflusst: 1. das häufig junge Alter der Patienten, 2. die Osteopathie, die mit der Erkrankung assoziiert ist. Die klinischen Ergebnisse, über die in der Literatur berichtet wird, sind sehr unterschiedlich. So berichten Bhan et€al. (2008) über eine Standzeit von 85,8€% nach 8,5 Jahren. Versager waren hauptsächlich durch aseptische Lockerungen bedingt. In diesem Kollektiv wurden 13€% symptomatische heterotope Ossifikationen gesehen. Das Durchschnittsalter dieser Patientengruppe betrug 25,5 Jahre. Joshi et€al. (2002) berichten über eine ähnliche Rate an heterotopen Ossifikationen (11,6€ %), jedoch zeigen diese Patienten hierdurch keine funktionelle Behinderung. Bemerkenswert ist, dass die endoprothetische Versorgung des Hüftgelenks bei den Patienten eine wesentliche Verbesserung der Schmerzhaftigkeit des Beckens induziert. Somit bleibt zu empfehlen, bei symptomatischen Wirbelsäulen und Hüftgelenken zunächst die Versorgung der Hüftgelenke anzustreben. Den zitierten Studien ist ebenfalls gemein, dass die präoperativ ankylosierten Hüftgelenke postoperativ im Verlauf des Nachuntersuchungszeitraums nicht erneut ankylosiert sind. Dieses hängt vermutlich auch damit zusammen, dass im Rahmen der Hüftgelenksoperation der hyaline artikuläre Knorpel als auslösendes Agens der Entzündungsreaktion vollständig entfernt wird. Dadurch kommt es zu einer Reduktion der den-
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dritischen Zellen in der Synovialmembran und die Krankheitsaktivität in den betroffenen Gelenken wird erheblich gesenkt (Lie et€ al. 2002). Gleichermaßen wird auch die lymphozytäre Infiltration und ihre Aktivität in den rheumatoiden Synovialmembranen reduziert, wenn der hyaline artikuläre Knorpel entfernt ist. Es ist zu vermuten, dass es einen eindeutigen Effekt der hyalinen Knorpelsubstanz auf die synoviale Membranpathologie bei den chronischen Arthritiden gibt (Konttinen et€al. 2001). Über das vermutlich größte Kollektiv an Patienten, die mit totalen Hüftendoprothesen versorgt sind, berichten Sweeney et€al. (2001) in ihrer Serie von 340 Patienten. Der mittlere Nachuntersuchungszeitraum beträgt in dieser Untersuchung 14 Jahre. 85€ % der Patienten bezeichneten das Ergebnis als sehr gut. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe waren die Patienten vergleichbar in Bezug auf den „Bath ankylosing spondylitis disease activity index“ (BASDAI) – aber sie hatten schlechtere Funktionen der Gelenke und einen insgesamt geringeren globalen Gesundheitszustand. Es kann kein einzelner Faktor bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis identifiziert werden, der isoliert betrachtet die Standzeiten von Hüftendoprothesen im Vergleich zu Patienten mit primärer Koxarthrose reduziert (Lehtimäki et€ al. 2001). Um jedoch exzellente Ergebnisse zu erzielen, müssen die vorangegangenen besprochenen Besonderheiten bei der ankylosierenden Spondylitis beachtet werden. Hierzu gehören die spezielle Osteopathie und die Fehlstellung im Becken. Das jugendliche Alter der Patienten sowie auch die weiteren Gelenkbeteiligungen können die klinischen Befunde nach der endoprothetischen Versorgung des Morbus-Bechterew-Patienten schlechter erscheinen lassen. Bei einem symptomatischen Wirbelsäulenleiden und auch Koxalgien soll zunächst die endoprothetische Versorgung des Hüftgelenks erfolgen. Eine erneute Ankylosierung scheint durch die Reduktion der Krankheitsaktivität nach Entfernung des hyalinen Knorpels in den ersetzten Gelenken kein Problem darzustellen.
7.5.10 H üftendoprothetik bei Chondromatose M. Fürst und W. Rüther Die primäre synoviale Osteochondromatose ist eine seltene Erkrankung mit gutartiger metaplastischer
M. Fürst und W. Rüther
Transformation von Zellen der Synovialis. Dabei entstehen in der Synovialis multiple Knorpelzellnester, so genannte Chondrome, die „kopfsteinpflasterartig“ angelegt sind und als generalisierte oder lokalisierte Form die Synovialis vollständig oder fokal bekleiden. Die Chondrome entstehen im Stratum fibrosum der Gelenkschleimhaut und wölben sich im weiteren Verlauf zunehmend in den Gelenkraum hervor, bis die Chondrome nur noch mit einer schmalen synovialen Deckzellschicht überzogen sind. Diese Deckzellschicht atrophiert und das Chondrom wird als freier Gelenkkörper in den Gelenkraum „geboren“ (Milgram 1977). Im terminalen Stadium befinden sich multiple freie Gelenkkörper im Gelenkraum, während die Synovialis selbst frei von Chondromen ist. Der hyaline Gelenkknorpel der Chondrome wird durch die Synovia ernährt und auch die freien, nicht kapseladhärenten Chondrome können in der Gelenkhöhle proliferieren und wachsen. Die Anzahl der freien Gelenkkörper variiert zwischen einigen wenigen bis zu tausend. Die Chondrome können untereinander fusionieren und so genannte „giant conglomerates“ bilden. Bei längerem Bestehen dieser Chondrome ist die Ausbildung einer Arthrose zwischen den Gelenkkörpern möglich (Edeiken et€ al. 1994). Im weiteren Verlauf verknöchern die Chondrome im Sinne einer enchondralen Ossifikation, sie heißen dann Osteochondrome und zeigen alle Zeichen einer Geflechtknochenbildung. Zudem kann in den Chondromen eine dystrophe Mineralisation auftreten, die ohne oder in Kombination mit der beschriebenen Ossifikation auftritt. 25€% aller Chondromatosen zeigen weder Ossifikationen noch Mineralisationen (Davis et€al. 1998). Milgram (1977) unterteilt das histologische Erscheinungsbild der Chondromatose in drei unterschiedliche Phasen. In der ersten Phase werden aktive chondroide Neoplasien in der Synovialis beschrieben, ohne dass intraartikuläre freie Gelenkkörper vorhanden sind. In Phase zwei treten sowohl intraartikuläre als auch intrasynoviale Chondrome auf, in der dritten finalen Phase sind nur intraartikuläre Chondrome präsent, ohne dass die Synovialis noch Krankheitsaktivität aufweist. Nach Milgram ist die Erkrankung selbstlimitierend mit konsekutivem Durchlaufen dieser drei Phasen. Obwohl diese unterschiedlichen Phasen histologisch nachweisbar sind, ist es doch schwierig, eine distinkte Vorhersage über die Progression der Erkrankung sowohl zeitlich als auch in ihrer histopathologischen Entwicklung zu treffen (Edeiken et€ al. 1994; Davis et€al. 1998; Maurice et€al. 1988).
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Abb. 7.201↜ (a) Röntgenbild eines Hüftgelenks mit dem typischen Befund einer Chondromatose. Verschieden große, teils ossifizierte Osteochondrome sind erkennbar. Das Gelenk selbst zeigt noch keine wesentlichen arthrotischen Veränderungen. (b) Korrespondierende Kernspintomografie. Die Ausdehnung des Befunds im Gelenk kann auf den unterschiedlichen Schichten und Sequenzen besser beurteilt werden als im konventionellen Röntgen
Das Risiko einer sarkomatösen Entartung dieser primär nicht malignen Krankheit ist gering, nur wenige Fälle sind in der Literatur beschrieben. Dennoch sollte bei Patienten mit langem Krankheitsverlauf und mit mehreren lokalen Rezidiven die Möglichkeit einer malignen Transformation in Erwägung gezogen werden. Insbesondere ein Rezidiv mit aggressivem Wachstum oder ungewöhnlicher Größenzunahme sollte immer als verdächtig für eine maligne Transformation eingestuft und entsprechend biopsiert werden. Da ein lokales Rezidiv nicht selten ist, ist eine Differenzierung einer neu auftretenden malignen Transformation bei ähnlichem histologischem Bild schwierig (Hamilton et€al. 1987; Bertoni et€al. 1991). Lokal führt die Chondromatose zu einer ausgeprägten Schädigung des Gelenks. Die mechanische Beeinträchtigung des Gelenks durch die multiplen freien Gelenkkörper und die Kompromittierung der Nutrition des Gelenkknorpels mit Ausbildung einer frühzeitigen Arthrose ist ebenso zu erwähnen wie mögliche Gelenkluxationen in späteren Phasen oder pathologische Frakturen aufgrund der lokalen Atrophie des Knochens durch ihm anliegende Chondrome (Hardacker und Mindell 1991). Die primäre Chondromatose oder Osteochondromatose kann von einer sekundären Form unterschieden werden. Der Unterschied besteht darin, dass bei den sekundären Formen bereits eine Vorschädigung des Gelenks besteht und durch diese Schädigung (z.€B. Koxarthrose, Hüftkopfnekrose oder Infektion) freie Gelenkkörper zur Ausbildung kommen. Obwohl prinzipiell jedes Gelenk betroffen sein kann, ist das Kniegelenk das am häufigsten betroffene
Gelenk; der Befall der Hüfte ist relativ selten. Etwa 10€% der Fälle manifestieren sich am Hüftgelenk. Die genaue Inzidenz und Prävalenz ist letztlich unbekannt. Eine Häufung der Krankheitsfälle ist zwischen der 4. und 6.€Lebensdekade zu finden, Männer erkranken häufiger als Frauen (Milgram 1977; Davis et€al. 1998).
7.5.10.1 Klink und Diagnostik Die anfänglichen Symptome sind häufig unspezifisch. Gelegentliche Leistenschmerzen, Schwellungen, Hinken, Bewegungseinschränkungen und Blockierungsphänomene sind mögliche Symptome. Gelegentlich sind große Osteochondrome in der Leiste palpabel. Die Patienten haben häufig für mehrere Jahre Symptome, bevor die richtige Diagnose gestellt wird. In der Frühphase der Erkrankung ist das Röntgenbild häufig unauffällig, da die Chondrome noch keine innere knöcherne Struktur oder Mineralisationen aufweisen. Erst wenn diese im Röntgen sichtbar werden, ist die Diagnose eindeutig. Echte Ossifikationen haben eine periphere kortikale Begrenzung mit im Inneren gelegenen spongiösen Trabekeln, die sich gut von den Mineralisationen im Röntgenbild (Abb.€ 7.201a) abgrenzen lassen (Davis et€al. 1998). Die Kernspintomografie kann frühzeitig die synovialen und freien Chondrome darstellen und lässt das gesamte Ausmaß der Erkrankung besser erkennen als die herkömmliche Röntgendiagnostik (Abb.€ 7.201b): Die Chondrome zeigen eine homogene, intermediäre Signalintensität ähnlich der von Muskelgewebe in den T1-Sequenzen, sehr hoher Signalintensität in den T2 und protonengewichteten Sequenzen und fokale
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Areale mit geringem Signal in allen Sequenzen, die den Mineralisationen entsprechen. Zusätzlich erkennbar sind fokale Areale mit hoher Intensität, isointens zu Fett als Ausdruck einer enchondralen Ossifikation. Die Synovialis kann bezüglich ihrer Dicke und ihres Wassergehalts beurteilt werden und damit auf ihren Aktivitätszustand zurückgeschlossen werden. Wünschenswert wäre, auch in Hinblick auf die therapeutischen Konsequenzen, eine Beurteilung der Synovialis hinsichtlich einer persistierenden Aktivität mit Ausbildung von Chondromen. Dieses ist allerdings zurzeit nicht sicher möglich.
7.5.10.2 Therapie Die operative Entfernung der freien Gelenkkörper ist als Therapie der Wahl etabliert. Obwohl einige Autoren über gute Ergebnisse mit alleiniger Entfernung der Gelenkkörper berichten, ist der logische Schluss aus der Pathogenese der Erkrankung die vollständige Entfernung der freien Gelenkkörper und die komplette Synovialektomie des Gelenks unter der Vorstellung, ein mögliches Rezidiv durch bestehende metaplastische Aktivität der Synovialis zu verhindern (Shpitzer et€al. 1990; Lim et€al. 2006. Prinzipiell wäre eine alleinige Entfernung der Gelenkkörper in dem terminalen Stadium der Erkrankung möglich: Eine sichere Differenzierung der Stadien ist aber weder in der präoperativen Bildgebung noch intraoperativ erreichbar, so dass generell eine radikale Synovialektomie empfohlen werden muss. Anders ist das Vorgehen bei den sekundären Formen der Osteochondromatose. Hier kann die reine Entfernung der freien Gelenkkörper genügen. Allgemein wird die Rezidivrate je nach OP-Technik und Fallzahl zwischen 3,2–22€ % angegeben. Obwohl über einzelne Fälle der arthroskopischen Entfernung der Osteochondrome einschließlich totaler Synovialektomie des Hüftgelenks berichtet wird, ist die gängige Vorgehensweise die offene radikale Synovialektomie mit vollständiger Entfernung der freien Gelenkkörper. Die extensive und radikale Synovialektomie erfordert eine vollständige Exposition des Gelenks, was häufig nur unter Luxation des Hüftgelenks gelingt. Die Gefahren bestehen dabei in der avaskulären Femurkopfnekrose sowie in den propriozeptiven Defiziten nach Zerstörung insbesondere des Lig. capitis femoris. Ganz et€al. (2001) berichten über eine komplette Synovialektomie und Luxation des Hüftgelenks unter Verwendung eines hinteren Zugangs
M. Fürst und W. Rüther
mit einer Trochanter-Flip-Ostetotomie. Hierunter traten an 8 Patienten mit synovialer Osteochondromatose des Hüftgelenks keine Komplikationen im Sinne einer Femurkopfnekrose auf. Gute Ergebnisse werden allerdings auch ohne aufwendige Trochanterosteotomie unter Verwendung eines modifizierten Watson-JonesZugangs erzielt (Schoeniger et€al. 2006). Übereinstimmend wird von verschiedenen Autoren berichtet, dass die Ausbildung einer Koxarthrose nach einer kompletten Gelenkkörperentfernung mit radikaler Synovialektomie und Hüftgelenkluxation an einem Gelenk mit intakter Knorpeloberfläche durch diese Operation zuverlässig verhindert werden kann (Lim et€ al. 2006; Shpitzer et€ al. 1990; Schoeniger et€al. 2006). Bei bereits vorhandenen Knorpelschäden ist allerdings eine Progression der Arthrose nicht zu verhindern und führt dann zu zügig fortschreitender Gelenkdestruktion mit der Notwendigkeit eines künstlichen Gelenkersatzes. Damit stellt sich die Frage nach einer primären Indikation für die endoprothetische Versorgung bei Patienten mit synovialer Osteochondromatose. Unter dem Aspekt des Fortschreitens der Arthrose bei bereits vorhandenen Knorpelschäden und der Tatsache, dass eine wesentlich bessere intraoperative Übersicht über das Gelenk mit der Möglichkeit einer einfacheren und gründlicheren Synovialektomie besteht, lässt die Indikation zur Endoprothese bei bereits vorhandener Arthrose sinnvoll erscheinen. Daten über die Ergebnisse der Hüftendoprothetik bei synovialer Osteochondromatose existieren in nur geringem Umfang (Ackerman et€ al. 2008). Somit ist auch nicht bekannt, ob nach endoprothetischer Versorgung dieser Patienten mit einer vermehrten Rate von Rezidiven zu rechnen ist und ob neben einer Gelenkkörperentfernung eine radikale Synovialektomie bei primärer endoprothetischer Versorgung erforderlich ist. Ackerman et€al. (2008) beschreiben in ihrer Serie von 7 Hüftendoprothesen und 4 Knieendoprothesen bei Patienten mit primärer synovialer Osteochondromatose je ein Rezidiv in der Knie- und Hüftgruppe mit persistierender Krankheitsaktivität, was eine erneute Synovektomie erforderlich machte. Es erscheint also sinnvoll, eine vollständige Synovialektomie beim Vorliegen einer primären synovialen Osteochondromatose auch bei TEP-Versorgung durchzuführen, zumal die Gefahr der Femurkopfnekrose irrelevant ist und es sich primär um eine synoviale Erkrankung handelt, die auch in einem künstlichen Gelenk fortbestehen kann. Auch ist davon
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Abb. 7.202↜ Die intraoperativ gewonnenen Osteochondrome in multipler Anzahl
auszugehen, dass die Rate der malignen Transformation bei einer TEP-Versorgung nicht verringert ist. Die TEP-Versorgung kann mit der üblichen, dem Operateur vertrauten Lagerung und dem gewohnten Zugang zum Hüftgelenk erfolgen. Allerdings sollte der Zugang eine vollständige Übersicht über die Gelenkhöhle erlauben, da die komplette Synovialektomie anzustreben ist. Minimal-invasive Verfahren erscheinen daher nur eingeschränkt empfehlenswert. Das Gelenk selbst ist nicht selten von den Chondromen vollständig austamponiert, je nach Ausdehnung können mehrere hundert Chondrome in der Gelenkhöhle gefunden werden (Abb.€ 7.202). Eine vollständige Übersicht über das Ausmaß des Befalls ist häufig erst nach Entfernung des Hüftkopfes zu erzielen. Die Gelenkkapsel kann durch die raumfordernde Chondromatose große Arthrozelen aufweisen, aus denen die Chondrome entfernt werden müssen und die von ihrer synovialen Auskleidung vollständig befreit werden sollten. Prädilektionsstellen für Arthrozelen bestehen nach ventral, die sich weit über den Pfannenrand hinaus nach ventral-kranial unter den Gluteus medius ausdehnen können und insbesondere nach kaudal in Richtung der Adduktoren. Die entfernten Chondrome und Synovialispräparate sollten vollständig histologisch untersucht werden, um eine mögliche maligne Entartung sicher auszuschließen. Eine Untersuchung von nur kleineren Anteilen der Exzidate ist nicht aussagekräftig.
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Zur Wahl des Implantats sollten folgende Überlegungen angestellt werden: Generell gibt es keine zuverlässigen Aussagen über die Standzeiten unterschiedlicher Implantate bei Chondromatose. Das Patientengut ist im Vergleich zu den primären Arthrosepatienten eher jung, so dass sich die Frage nach zementfreien und miniaturisierten Implantaten stellt. Bei der Indikationsstellung für eine zementfreie oder zementierte schaftverankerte Endoprothese braucht unserer Einschätzung nach nicht von dem üblichen Vorgehen beim Arthrosepatienten abgewichen zu werden. Die Knochenqualität der Gelenkpfanne sowie der metadiaphysäre Anteil des Femurschafts ist durch die Chondromatose nicht entscheidend kompromittiert. Hinsichtlich der Verwendung von metaphysär verankerten Kurzschaftprothesen, die prinzipiell bei den jüngeren Patienten zur Anwendung kommen können, sind folgende Einschränkungen zu machen: Durch die Chondromatose kann es zu einer lokalen Atrophie des intraartikulären Anteils des Schenkelhalses durch ihm anliegende Chondrome kommen, die eine suffiziente Verankerung von Kurzschaftprothesen in Frage stellt. Außerdem ist zu beachten, dass durch die radikal durchzuführende Synovektomie eine Kompromittierung der Schenkelhalsdurchblutung durch die Verletzung der A. circumflexa femoris möglich ist, mit ebenfalls negativen Folgen für die Verankerung der Kurzschaftprothese. Ähnliche Überlegungen müssen für die Verwendung des Oberflächenersatzes an der Hüfte bei Chondromatose angestellt werden: Die Gefahr der Hüftkopfnekrose nach radikaler Synovektomie, die mögliche Atrophie und damit Schwächung des Schenkelhalses durch die Chondrome, die Kompromittierung der Schenkelhalsdurchblutung und die schlechtere intraoperative Übersicht sind generelle Argumente gegen die Verwendung des Oberflächenersatzes in dieser Situation, so dass dieses Implantat bei Chondromatose nicht empfohlen werden kann.
7.5.11 H üftendoprothetik und Osteoporose A. Niemeier und W. Rüther
7.5.11.1 Problemstellung Im Prinzip besitzt die Frage nach der Knochenqualität bei jeder Hüftprothesenimplantation eine nicht zu
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unterschätzende Bedeutung. Der Operateur, ob vor einer primären Implantation oder im Rahmen von Wechseloperationen, muss sich bereits im Rahmen der Indikationsstellung mit der Knochenqualität auseinandersetzen. Osteopenie und Osteoporose stellen sicher die häufigsten pathologischen Veränderungen der Knochenqualität in dem Kollektiv dar, für das die Indikation zur primären Implantation einer Hüftprothesen gestellt wird. Das gilt sowohl für den typischen Patienten mit Koxarthrose, der die Hüftprothese im Rahmen eines Wahleingriffs erhalten soll, als auch in einem noch höheren Prozentsatz für die noch älteren Patienten, die eine Hüftprothese infolge einer proximalen, häufig osteoporotisch bedingten Femurfraktur benötigen. Unabhängig davon, ob die Indikation zur Hüftprothese auf einer Koxarthrose, einer proximalen Femurfraktur oder einer anderweitigen Pathologie beruht, ist es intuitiv als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass eine manifeste Osteoporose Einfluss haben wird auf die primäre knöcherne Verankerung der Endoprothese und auf die Standzeit des Implantats. Trotz dieser prinzipiellen Überlegungen zur praktischen Relevanz von Osteoporose im Rahmen der Hüftendoprothetik, werden die konkreten Fragen, denen sich der Operateur stellen muss, durch die existierende Literatur nicht abschließend beantwortet.
7.5.11.2 P rävalenz von Osteoporose im Rahmen elektiver Hüftendoprothetik bei Koxarthrose Die früher weit verbreitete Annahme, dass Arthrose vor der Entwicklung von Osteoporose schütze, kann heute in dieser Form nicht mehr vertreten werden. Es scheint zwar tatsächlich so zu sein, dass von Arthrose betroffene Hüften im Bereich des Schenkelhalses einen höheren Mineralgehalt und auch eine bis zu 4€ % höhere Knochenmineralisationsdichte aufweisen (Makinen et€al. 2007; Arokoski et€al. 2002; Antoniades et€al. 2000), dieser Unterschied betrifft jedoch die kontralaterale Hüfte und andere Lokalisationen wie die Lendenwirbelsäule derselben Patienten nicht. Es ist also durchaus möglich, dass Patienten mit einer primären Koxarthrose auch an einer generalisierten Osteoporose leiden. Zwei kürzlich publizierte Studien haben unabhängig voneinander jeweils an einem Kollektiv von weiblichen Patienten mit primärer Koxarthrose und einem Durchschnittalter von 65–70 Jahren diesen Zusam-
A. Niemeier und W. Rüther
menhang untersucht und die Prävalenz von Osteoporose bestimmt (Makinen et€al. 2007; Glowacki et€al. 2003). Beide Studien kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass etwa 25€ % der Patientinnen (28€% von 53 Patientinnen in der Studie von Makinen et€al. und 25€% von 68 Patientinnen in der Studie von Glowacki et al.) durch einen T-Score von kleiner als −â•›2,5 (entsprechend der WHO-Definition für Osteoporose) und biochemisch nachweisbar gesteigertem Knochenumbau gekennzeichnet sind (Makinen et€ al. 2007; Glowacki et€al. 2003). Dies entspricht in etwa der erwarteten Osteoporoseprävalenz bei Frauen dieser Altersgruppe in Schweden, den USA und Großbritannien und (Kanis et€al. 1994, 2000). Makinen et€al. (2007) beschreiben darüber hinaus eine Osteopenie mit einem T-Score zwischen −â•›1 und −â•›2,5 in weiteren 45€ % der insgesamt 53 Patientinnen. Somit weisen in dieser Gruppe insgesamt 73€% der untersuchten Patientinnen, die zur Implantation einer zementfreien Hüftendoprothese vorgesehen waren, eine bisher nicht erkannte verminderte Knochendichte auf. Auf Basis dieser Daten muss man vermuten, dass zumindest bei postmenopausalen Frauen mit Koxarthrose viel häufiger eine verminderte Knochendichte vorliegt als weitläufig angenommen. Es wird zu klären sein, ob dieser Tatsache durch die Wahl des Implantats, die Wahl der Verankerungstechnik oder durch prä- oder postoperative medikamentöse Therapie besonders Rechnung getragen werden muss, um eine möglichst gute Funktion und lange Standzeit der Hüftendoprothesen auch unter diesen besonderen Bedingungen zu gewährleisten.
7.5.11.3 S pezielle Risiken der Hüftprothesen Implantation bei Osteoporose Die größten Herausforderungen, die es bei der Implantationstechnik einer Hüftendoprothese bei bestehender Osteoporose zu beachten gilt, sind das Risiko der intraoperativen Femurfraktur, das erhöhte Risiko einer Malpositionierung der Fräsung für die Pfannenkomponente sowie das Risiko einer Azetabulumfraktur beim Einschlagen der Pfanne in Press-fit-Technik. Aufgrund des im Vergleich zu gesunden Patienten geringeren Widerstands des Knochens gegenüber Instrumenten und Prothesenkomponenten, kann es bei zu vigoroser Handhabung schnell zu den oben genannten Komplikationen kommen. Diese Feststellung gilt als akzeptierter Erfahrungswert routinierter Operateure und wird als solcher nicht ernsthaft in Frage gestellt,
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ist jedoch andererseits durch Studien mit harten Daten kaum zu belegen. Eine Erklärung für den Mangel an Studien dazu ergibt sich aus der Tatsache, dass ein großer Prozentsatz der Patienten mit Osteoporose präoperativ nicht als solcher diagnostiziert und dokumentiert wird. Die übliche bildgebende und biochemische präoperative Routinediagnostik ist nicht geeignet, eine bisher nicht bekannte, okkulte Osteoporose aufzudecken. Daher ist auch die Prävalenz von intraoperativen periprothetischen Frakturen in Abhängigkeit der Knochenmineralisationsdichte nicht bekannt.
7.5.11.4 P rimäre Verankerung und Standzeiten von Hüftprothesen bei Osteoporose Die klinische Bedeutung des Vorliegens einer Osteoporose für die primäre Verankerung und die Standzeiten von Hüftendoprothesen ist nicht definitiv geklärt. Es gibt zu dieser spezifischen Frage keine publizierten prospektiven Studien. Man kann also allenfalls indirekte Schlussfolgerungen ziehen aus Studien, die die Prothesenstandzeiten in Patientenkollektiven höheren Lebensalters untersucht haben. Auch wenn altersbedingter Knochenverlust weit verbreitet als ein Risikofaktor für die aseptische Lockerung zementfreier Endoprothesen angesehen wird und aus diesem Grund in vielen Kliniken ab einem bestimmten Lebensalter generell keine oder nur sehr wenige zementfrei verankerte Hüftprothesen verwendet werden, so gibt es durchaus die Beobachtung exzellenter 5-Jahres-Ergebnisse zementfrei implantierter Schaftprothesen auch bei Patienten jenseits des 75. Lebensjahres. Berend et€al. (2004) berichten z.€B. vom 98€% Überlebensrate bei 0€% aseptischen Lockerungen von 49 Hüftprothesen eines solchen älteren Patientenkollektivs nach 5 Jahren. Bei Patienten hingegen, die zum Zeitpunkt der Primärimplantation älter als 80 Jahre waren, weisen nach Daten des Finnischen Nationalen Prothesenregisters komplett zementfrei verankerte Hüftprothesen eine signifikant schlechtere 5- und 10-Jahres-Überlebensrate auf als in Hybridtechnik mit zementfreier Pfanne und zementiertem Schaft implantierte Prothesen. Ogino et€ al. (2008) berichteten von insgesamt 6540 implantierten primären Hüftendoprothesen bei über 80-jährigen Patienten (80–97 Jahre, Mittelwert 82,7 Jahre), von denen 82€% voll zementiert, 12€% in Hybrid Technik eingebracht und 6€% komplett zementfrei verankert wurden. Die Gesamtüberlebensrate betrug
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97€% nach 5 Jahren und 94€% nach 10 Jahren. Für die Hybridprothesen betrug die 5-Jahres-Überlebensrate 98€%, für die zementfreien Implantate war sie mit 94€% signifikant schlechter (pâ•› <â•› 0,05). Diese Daten lassen den Schluss zu, dass möglicherweise die verminderte Knochenqualität jenseits des 80.€Lebensjahres zu einer früheren aseptischen Lockerung (in dieser Studie mit 46€% aller Revisionen der häufigste Grund für einen Prothesenwechsel) zementfreier Implantate führen könnte. Gegen einen solchen indirekten Rückschluss von altersbedingtem Knochenverlust auf Lockerungsraten spricht jedoch erstens die Beobachtung, dass die Standzeiten bei Frauen dieses Kollektivs über den Beobachtungszeitraum signifikant besser waren als die der männlichen Patienten (Überlebensrate 97€% vs. 95€% nach 5 Jahren, p â•›<â•› 0,0005) und dass die Hybridprothesen eine deutliche Tendenz zur längeren Standzeit auch gegenüber den voll zementierten Implantaten aufwiesen, auch wenn dieser Unterschied nicht statistisch signifikant war (Ogino et€al. 2008). Zusammenfassend lässt sich aus dieser Studie von Ogino zwar ableiten, dass Hybridendoprothesen der Hüfte gegenüber zementfreien Implantaten bei Patienten jenseits des 80. Lebensjahres deutliche Vorteile aufweisen, es bleibt aber letztlich unklar, ob die kürzeren Standzeiten der zementfreien Schäfte in einem Zusammenhang mit der femoralen Knochenqualität stehen. Um diese Frage beantworten zu können, werden prospektiv randomisierte Studien erforderlich sein, in denen die Standzeiten zementfreier Prothesen mit denen von Hybridprothesen in Patientengruppen ohne und mit nachgewiesener Osteoporose zum Zeitpunkt der Primärimplantation verglichen werden. Es existieren mehrere retrospektive Studien, die den Zusammenhang von Osteoporose und Implantatlockerung als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. 1992 bereits haben Engh et€al. im Rahmen einer Post-mortem-Knochendichtemessung von 10 periprothetischen Femura im Vergleich zur kontralateralen implantatfreien Seite die Hypothese aufgestellt, dass die präoperative Knochendichte mit dem späteren periprothetischen Knochenverlust korrelieren könnte. Maloney et€ al. haben 1996 durch die Knochendichtebestimmung verschiedener Lokalisationen bei 48 Patienten mit unilateraler Hüftprothesenversorgung beschrieben, dass eine signifikante Korrelation besteht zwischen periprothetischem Knochendichteverlust im Sinne des Stress Shielding und der intraindividuellen Knochendichte des kontralateralen, nicht endopro-
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thetisch versorgten Femur. Diese Beobachtung galt sowohl für zementierte als auch zementfreie Implantate. Aus dieser Arbeit kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine geringe Knochendichte zum Zeitpunkt der primären Implantation als ein negatives prognostisches Zeichen für den zu erwartenden periprothetischen Knochenverlust und damit für die Wahrscheinlichkeit der Implantatlockerung zu werten ist (Maloney et€al. 1996). Venesma et al. (2001) haben diesen Zusammenhang durch eine 3-jährige Verlaufsbobachtung der periprothetischen Knochendichte von 22 zementfreien Hüftimplantaten bestätigt. In dieser Studie wurde gezeigt, dass das Ausmaß des periprothetischen Knochenverlustes signifikant mit der präoperativen Knochendichte korreliert. In der vielleicht bisher aufschlussreichsten Studie zu dieser Thematik haben Nixon et€al. (2007) anhand einer retrospektiven Analyse an 127 zementierten Hüftprothesen beschrieben, dass 6–10 Jahre nach der Implantation das Vorliegen von radiologischen Lockerungszeichen signifikant korreliert mit dem Vorliegen von etablierten Risikofaktoren für Osteoporose (Nikotinabusus, Anamnese für vorhergehende pathologische Frakturen) sowie mit einer signifikant reduzierten Knochendichte nicht nur in der periprothetischen Region, sondern auch der Lendenwirbelkörper. Die Autoren schließen aus diesen Daten auf eine höhere Prävalenz generalisiert verminderter Knochendichte wahrscheinlich bereits vor der Prothesenimplantation bei den Patienten, die dann im Verlauf eine aseptische Prothesenlockerung erleiden und empfehlen daher, zumindest für Individuen mit bekannten Risikofaktoren für Osteoporose präoperativ eine Knochendichtemessung mittels DXA durchzuführen. Die Konsequenz aus einer solchen gezielten präoperativen Diagnostik bei Risikopatienten wäre die Einleitung einer antiosteoporotischen Therapie für Patienten mit nachgewiesener Osteoporose, deren Hauptsäule in fast allen Fällen neben der ausreichenden Zufuhr von Vitamin D3 und Kalzium aus der Gabe eines Bisphosphonaten bestehen würde. Ein solches Vorgehen hat nicht nur den Vorteil, dass die Behandlung bisher unerkannter Fälle von Osteoporose zur Reduktion des Frakturrisikos dieser Patienten führt, sondern nach den Ergebnissen zahlreicher Studien der letzten 8–10 Jahre auch zu erwarten ist, dass die primäre Verankerung und die Standzeit von Hüftendoprothesen bei Patienten mit Osteoporose durch eine Bisphosphonat-Therapie deutlich verbessert wird.
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7.5.11.5 E influss antiosteoporotischer Therapie auf die Ergebnisse der Hüftendoprothetik Der Einfluss von Bisphosphonaten auf die knöcherne Integration und mechanische Stabilität von zementfreien mit Press-fit-Technik eingebrachten Implantaten ist zunächst am Tiermodell, vorwiegend mit Hunden untersucht worden. Obwohl initiale Studien zunächst widersprüchliche Ergebnisse erbrachten und teilweise keinen positiven Effekt von Bisphosphonaten auf die knöcherne Integration zementfreier Implantate gefunden wurde (Frenkel et€al. 2001; Bragdon et€ al. 2005), scheint nach kürzlich publizierten Daten zumindest Alendronat sowohl nach lokaler als auch nach systemischer Gabe 10–12 Wochen postoperativ eine signifikante Verbesserung der knöchernen Integration und der mechanischen Belastbarkeit von zementfreien Press-fit-Implantaten in der proximalen Tibia zu bewirken (Jakobsen et€al. 2007; Jensen et€al. 2007). Jüngste Daten zeigen, dass die Beschichtung zementfreier Implantate mit Zolendronat einen anhaltenden, noch nach 52€Wochen nachweisbaren, signifikant stimulierenden Effekt auf die periprothetische Knochenformation hat (Bobyn et al. 2009). Die lokale Applikation von Bisphosphonaten scheint nach diesen Erkenntnissen aus Tiermodellen geeignet zu sein, um dem periprothetischen Knochenverlust nach Implantation zementfreier Prothesen effizient zu begegnen, ohne einen systemischen Einfluss zu haben und könnte damit in Zukunft sogar für weitere Indikationen neben der Hüftprothesenimplantation bei generalisierter Osteoporose einen Stellenwert besitzen. Es gibt bisher jedoch keine klinischen Studien zur Anwendung der lokalen Bisphosphonatapplikation bei Hüftprothesenimplantation, um diese vielversprechenden tierexperimentellen Ansätze zu validieren. Im Gegensatz dazu gibt es hinsichtlich der systemischen Gabe von Bisphosphonaten eine Vielzahl von klinischen Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass verschiedene Bisphosphonate geeignet sind, um die periprothetische Knochendichte zu erhalten und den während der ersten 3–6 Monate postoperativ zu erwartenden periprothetischen Knochenverlust zu mindern. Eine erste vorläufige Studie anhand von 13 Patienten, die mit einer zementfreien Hüftprothese versorgt wurden, zeigte bei 8 Patienten, die für 6 Monate Alendronat (10€mg/Tag p.€o.) erhielten, eine signifikante Minderung des postoperativen periprothetischen Knochenverlusts im Vergleich zu den
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5 Patienten ohne Therapie (Venesma et€ al. 2001). Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2005 umfasst neben dieser Arbeit von Venesma noch zwei weitere Publikationen (Wilkinson et€ al. 2001: 47 Patienten nach Hybrid-Prothesen-Implantation und einer einfachen Dosis Pamidronat, Beobachtungszeitraum 26 Wochen; Hennigs et€ al. 2002: 66 Patienten nach zementfreier Prothesenimplantation und Alendronat p.€o. für bis zu 10 Wochen, Beobachtungszeitraum bis zu 12 Monaten) und bestätigt die Schlussfolgerung, dass Bisphosphonate geeignet sind, den innerhalb des ersten Jahres auftretenden periprothetischen Knochenverlust zu mindern oder sogar ganz zu verhindern (Bhandari et€ al. 2005). Weitere Studien sowohl mit Alendronat p.€o. (Arabmotlagh et€al. 2006; Nishioka et€al. 2007) als auch mit Risendronat p.€ o. (Kinov et€ al. 2006; Yamasaki et€al. 2007) haben das Prinzip bestätigt, dass Bisphosphonate vor dem periprothetischen Knochenverlust innerhalb des ersten Jahres postoperativ schützen. Eine 6-Jahres-Verlaufsstudie beschreibt, dass der kurzfristig beobachte positive Effekt von Alendronat p.€o. für 10 Wochen postoperativ auch nach 6 Jahren noch in einer signifikanten Reduktion des periprothetischen Knochenverlusts resultiert und sich der Unterschied zwischen behandelter und Kontrollgruppe seit dem ersten Jahr postoperativ nicht mehr wesentlich verändert hat (Arabmotlagh et€al. 2009). Die klinische Relevanz dieses radiologisch und histologisch eindeutig nachgewiesenen Effekts hingegen bleibt vorerst noch ungeklärt. Hierzu werden Untersuchungen benötigt mit einer Ausweitung der Studienendpunkte auf Parameter wie Prothesenfunktion, Lebensqualität und Revisionsraten. Die einzige Studie, die diesen Anspruch erhebt, kommt von den Autoren um Wilkinson, die im Rahmen einer Verlaufbeobachtung 5 Jahre nach Einzelgabe von Pamidronat beschreibt, dass zwischen der Pamidronat behandelten Gruppe (nâ•›=â•›20) und der Kontrollgruppe (nâ•›=â•›22) hinsichtlich Harris Hip Score, periprothetischen Osteolysen und Knochendichte keine Unterschiede bestanden (Shetty et€ al. 2006). Weitere Studien zur klinischen Relevanz der Bisphosphonatgabe nach Prothesenimplantation gibt es bisher noch nicht. Zusammenfassend bieten die vorhandenen Tiermodelle und klinischen Studien hinreichend Anhalt dafür, dass verschiedene Bisphosphonate geeignet sind, den häufig innerhalb des ersten Jahres postoperativ beobachteten periprothetischen Knochenverlust zu verlang-
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samen oder komplett zu verhindern. Es bleibt durch zukünftige prospektiv randomisierte Langzeitstudien zu klären, ob eine Verbesserung der periprothetischen Knochendichte durch Bisphosphonate tatsächlich auch einen merkbaren klinischen Effekt auf die Prothesenfunktion und Revisionsraten hat.
7.5.11.6 I ndikationsstellung hinsichtlich der Implantatwahl bei Osteoporose Es ist allgemein akzeptiert, dass eine bekannte Osteoporose wegen des erhöhten Risikos einer Schenkelhalsfraktur eine absolute Kontraindikation für die Implantation eines Oberflächenersatzes darstellt (Mont et€ al. 2006; Nunley et€ al. 2009). Ebenfalls gilt aus prinzipiellen Überlegungen heraus auch für metaphysär verankerte Kurzschaftprothesen eine verminderte Knochenqualität als klare Kontraindikation. Bezüglich der Frage, ob eine konventionelle Langschaftprothese bei Osteoporose besser zementfrei, teilzementiert oder zementiert eingebracht werden sollte, existieren keine Daten aus prospektiv randomisierten Studien. Diesbezüglich kann sich ein Operateur am ehesten an den Ergebnissen orientieren, die in Abhängigkeit des Lebensalters der Patienten bei Primärimplantation für die verschiedenen Verankerungsformen beschrieben worden sind. Somit sollte man nach heutigem Kenntnisstand für Patienten jenseits des 75.– 80.€ Lebensjahres die primäre Implantation möglichst in Hybridversion vornehmen.
7.5.12 U mwandlung einer GirdlestoneSituation G. Zeiler Die Umwandlung einer Girdlestone-Situation in eine Hüfttotalendoprothese ist eine schwierige Situation, die ein hohes Maß an Fähigkeiten vom Chirurgen verlangt. Meist geht diesem Eingriff eine lange Vorgeschichte und häufig auch ein langer Leidensweg voraus. Es erscheint deshalb besonders wichtig, den Patienten über die möglichen Erfolgschancen, wie auch insbesondere über die Risiken des operativen Eingriffs gut aufzuklären. Hier sollten, falls möglich, auch die Angehörigen mit einbezogen werden, um den weiteren, oft nicht komplikationsfreien Verlauf verständnisvoll mit begleiten zu können.
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7.5.12.1 Aufklärung Im Zentrum der Aufklärung des Patienten steht der klar verständliche Hinweis des Operateurs auf den deutlich vergrößerten operativen Aufwand und das weitaus umfangreichere Risikospektrum der Umwandlung einer Girdlestone-Situation in eine Totalendoprothese (Engelbrecht et€al. 1995; Müller et€al. 1989; Steinbrink und Frommelt 1995; Witscher und Siegrist 1989). Es ist durchaus möglich, für Grundrisiken vorgedruckte Aufklärungsbögen zu verwenden. Diese Bögen sollten aber über hinreichenden Freiraum für Ergänzungen des Aufklärungsgesprächs in Form beschreibender Stichworte oder Kurzsätze, ggf. auch für skizzenartige Erläuterungen verfügen. Der ungewöhnlich aufwendige Eingriff sollte hinsichtlich möglicher Zeitdauer, der Belastung des Patienten, auch der psychischen Belastung des möglichen Zweiteingriffs, z.€ B. beim Infekt oder bei ektopen Verknöcherungen, klare Aussagen erhalten. Besondere Risiken für den Patienten ergeben sich aus der nahezu immer bestehenden Inaktivitätsosteoporose des Knochens. Sie erhöht das Risiko intraoperativer Frakturen im Verankerungsbereich der Implantate. Gegebenenfalls müssen Implantatverankerungen im Knochen deutlich ausgedehnt, modulare oder Monoblock-Revisionsprothesen verwendet oder die Anfertigung von Spezialimplantaten veranlasst werden. Der Patient muss klar darauf hingewiesen werden, dass bei der meistens bestehenden Beinverkürzung ein seitengleicher Beinlängenausgleich nicht immer erreicht wird. Näherungsweise Verlängerungschancen kann man dem Patienten in Aussicht stellen. In der Regel wird der Patient den Hinweis verstehen, dass hier die Kontraktur der Muskulatur, die Vernarbung wichtiger Weichteilstrukturen und die Dehnfähigkeit der Gefäße und der Nerven dem durch den Operateur angestrebten Verlängerungseffekt während der Operation Grenzen setzen. Der Aufbau knöcherner Strukturen mit patienteneigenem Knochen, Fremdknochen oder Ersatzmaterialien verdient einen besonderen Hinweis, insbesondere auch mit der Erklärung der verzögerten Einheilungszeit und dem verspäteten Eintritt einer vollen Belastungsfähigkeit. Der Patient sollte bereits im Vorfeld die Chance erhalten, sich mit hüftentlastenden Hilfsmitteln vertraut zu machen und er muss sie über einen präoperativ oft nicht definierbaren Zeitraum auch postoperativ akzeptieren. Dem Patienten muss erklärt werden, dass bei Bestehen von Pseudarthrosen sowohl im Becken- wie auch im Oberschenkelbereich zusätz-
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liche Osteosynthesemaßnahmen nicht zu umgehen sind und dass das möglicherweise spätere Entfernen des Osteosynthesematerials insbesondere im Bereich sehniger Ansatzstrukturen und eine verzögerte Heilung etwa einer Trochanterpseudarthrose oder einer lokalen Muskelablösung einen Zweiteingriff notwendig machen. Zentraler Aufklärungspunkt ist ebenso das Risiko der Infektion (Ahlgren et€al. 1980; Engelbrecht et€al. 1995; Frommelt 2004; Steinbrink und Frommelt 1995). Rund ein Drittel der Girdlestone-Situationen weisen noch eine Infektion von Vorbehandlungsmaßnahmen auf. Der operative und zeitliche Aufwand, die besondere Ausdehnung der Weichteil- und Knochenpräparation, verbleibende höhlenartige Wundbereiche, die sich nicht spontan durch umliegendes Weichgewebe auffüllen, erhöhen das Risiko der Neuinfektion oder des Reinfekts. Sollte der Patient z.€B. hinsichtlich seiner Erwartungen von einem gut funktionierenden Gelenkersatz am kontralateralen Hüftgelenk geprägt sein, ist der ausdrückliche Hinweis darauf notwendig, dass Reimplantationen nach Girdlestone-Situationen nur in Ausnahmefällen ein vergleichbar gutes funktionelles Ergebnis erzielen können (Müller et€ al. 1989; Witscher und Siegrist 1989; Abb.€7.203).
7.5.12.2 Operationstechnik Die Wahl des Zugangswegs ist abhängig von den existierenden Narben, ihrer Ausdehnung, den Kontrakturen und der Erreichbarkeit von Strukturen, die nur zur Revision und nicht zur primären Prothesenimplantation notwendig wird. Der dorsale Zugang bietet dem Operateur die Möglichkeit, den Eingriff nach proximal und distal situationsbedingt zu erweitern, eröffnet die Chance, den Nervus ischiadicus zu revidieren und den gewählten Verlängerungseffekt auf die Spannung des Nervs zu überprüfen. Die oft stark verdichteten großflächigen Narben im Bereich des Zugangswegs werden sorgfältig bis auf die intakte Muskulatur abgetragen. Überall dort, wo sich auffällige Gewebeelemente finden, z.€ B. Granulationsgewebsreste oder Flüssigkeitsansammlungen, werden Proben für die bakteriologische oder histologische Untersuchung entnommen (Frommelt 2004) Nach Voroperationen verbliebene Fremdkörper weisen immer auf eine fortbestehende Infektion hin. Sie werden im Rahmen des Zugangswegs Schritt für Schritt mit entfernt und ihre Oberfläche für die bakteriologische Untersuchung ggf. kürettiert. Der aufwendigste Vorgang betrifft die
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Abb. 7.203↜ 1934 geborener Patient, beidseitige Hüftluxation, rechts Dysplasiekoxarthrose, links hohe Luxation, subtrochantere Angulationsosteotomie. (a) Ausgangssituation 1972, Versorgung mit einer Totalendoprothese rechts mit Pfannendachplastik, ohne Probleme in der Folgezeit. (b) 1975 subtrochantere Reosteotomie mit Trochanterversetzung mit. (c) Schalenprothesenversorgung sowie Reposition. (d) 1995 wegen der Pfannenlockerung der Schalenprothese Wechseloperation mit einem zementfreien Totalprothesenimplantat. 2002 nach Dickdarmkarzinom und mehrfacher Zahnbeherdung im Unterkiefer Hinweise für eine lokale Protheseninfektion links auswärts, Revision mit Nachweis von Staphylococcus epidermidis, mehrfache Revision (e). (f) Auslockerung von Pfannen- und
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Schaftimplantat, Fistelbildung, hohe Entzündungsparameter, Spülversuch in auswärtigem Haus. Ersatzloser Implantatausbau, Schädigung des Nervus femoralis durch lokalen Druck, Interpositionsplastik mit Suralistransplantat. (g) Acht Monate später Übernahme des Patienten. (h) Revision, Narbenexzision, Pfannendachaufbau mit Verknöcherungsmaterial, Sützringosteosynthese, zementfreier Konusschaft, Teilverlängerung des Beines. (i) 12 Monate nach der Reimplantation, normale Entzündungsparameter, muskuläre Teilinsuffizienz, 2€ cm Beinverkürzung, Teilerholung des Nervus femoralis, schmerzfreie Belastungsfähigkeit des Beins und große Gehstrecke bei Benutzung eines Handstockes in der rechten Hand
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schrittweise Resektion des narbigen Inhalts der ehemaligen Kapsel und des großen Knochendefekts im Pfannenbereich. Alle offenen Frakturlinien am Oberschenkel und alle Perforationen werden sorgfältig von Granulationsgewebe befreit. Die knöchernen Perforationsstellen werden ggf. mit einem sphärischen Fräser oder einem Bohrer bis auf gesunde Knochenstrukturen gereinigt. Vorsicht ist am Pfannenboden bei knöchernen Defekten, Pseudarthrosen oder Frakturlinien geboten. Hier ist das Belassen von narbigen Strukturen auf dem Niveau der ursprünglichen inneren knöchernen Begrenzung des Beckens zu empfehlen, wenn schwerwiegende Verletzungen der Gefäße oder bedeutsamer Weichteilstrukturen des kleinen Beckens vermieden werden sollen (Nieder et€al. 1979). Häufig dehnen sich die ehemaligen Granulom- oder Abszesshöhlen entlang der derben Oberschenkelfaszien, z.€B. entlang des Tractus iliotibialis oder des lateralen Septum intermusculare aus. Ist die Resektion narbiger Strukturen wegen zusätzlicher Vernarbungen, beispielsweise in den ventralen Zugangsbereichen, vom dorsalen Zugang nicht möglich, ist die Erweiterung des Zugangswegs und die Exzision auch dieser Narben z.€ B. über die vordere Zirkumferenz des proximalen Femur notwendig. Wir vermeiden Osteotomien des großen Rollhügels oder die Ablösung funktionswichtiger Muskulatur entlang ihrer sehnigen Anbindung am Knochen. Wegen der am Ende der Reimplantation immer erhöhten Weichteilspannungen sind sowohl die Refixation weichteiliger Elemente wie auch der knöchernen Ansatzstrukturen erschwert und gefährdet. Vorbestehende Trochanterpseudarthrosen erleichtern den Zugang. Zweckmäßigerweise erhält man bei der Präparation die Weichteilverbindung des großen Rollhügels kranial zu den kleinen Glutaeen und distal zum Musculus vastus lateralis. Ist für die Refixation die Spannung dieses Zuggurtungselements mit dem Rollhügel zu groß, lassen sich durch eine sorgfältige Präparation und Inzision faszialer Septen z.€ B. unter Zuhilfenahme einer feinen Präparierschere in den beiden Muskelbereichen Teilverbesserungen der Muskelkontrakturen erzielen. Im Grenzfall akzeptieren wir auch eine primäre postoperative Abspreizkontraktur von bis zu 15°, bis postoperativ durch Muskeltraining und allmählichem Abbau der hohen Spannung die Kontraktur behoben wird. Nach dem Abschluss der Weichteilpräparation stellt sich dem Operateur die Frage, inwieweit er bestehende
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knöcherne Defekte knöchern rekonstruiert bzw. durch die Wahl eines vergrößerten Implantats oder durch die Verwendung von Knochenzement die Defizite auffüllt. Für ausgedehnte Defektzonen am Beckenbereich bzw. bestehende Pseudarthrosen wird die präoperative Schichtbildgebung mit einer Modellanfertigung und einer geplanten Fertigung eines defektfüllenden Implantats diese Wahl vorweggenommen haben. Auf der Seite des Oberschenkels werden knöcherne Defektzonen im intertrochantären Bereich rekonstruiert, um insbesondere feste knöcherne Verbindungen des kleinen und des großen Rollhügels zum Implantat zu erreichen. Wurde der große Rollhügel etwa bei der Anlage der Resektionsarthroplastik reseziert, wird eine Rekonstruktion angestrebt, insbesondere wenn die Zuggurtungsstrecke der pelvitrochanteren Muskulatur zum Musculus vastus lateralis fortbesteht oder eine Chance für deren Rekonstruktion gegeben ist. Auf der femoralen Seite werden knöcherne rekonstruktive Maßnahmen im Schaftbereich jenseits einer Höhe von etwa 3€ cm distal des kleinen Rollhügels nicht angestrebt. Die Entscheidung hierfür setzt die Festlegung auf ein zementfreies Implantat im Schaftbereich voraus. Sind für dessen Implantation bohr- oder frästechnische Maßnahmen im knöchernen Schaftbereich notwendig, kann das Fräs- und Bohrmaterial, aufgebracht auf Kollagenschäume, für die Teilfüllung größerer oder kompletter knöcherner Defektbereiche verwendet werden. Besteht eine Infektanamnese oder ein intraoperativ bestehender Infektverdacht, werden die Grenzflächen des lokalen Knochens gegenüber den Transplantaten und gegenüber den Implantaten mit antibiotikaimprägnierten Kollagenschäumen bedeckt. Die lokale Antibiose orientiert sich am Antibiogramm, bei aktuellem negativem bakteriologischem Befund am Ergebnis früherer Resistenztestungen, bis postoperative bakteriologische Befunde zur Verfügung stehen (Frommelt 2004). Den Operateur erwarten bei den Einzelschritten der Maßnahme deutlich unterschiedliche Bedingungen, je nachdem wie lange die Girdlestone-Situation besteht. Ist beispielsweise bei einer infizierten Prothesenversorgung die zweizeitige Wechseloption gewählt worden und schließt sich der Zweiteingriff nach kurzer Zeit, also etwa zwei bis acht Wochen nach dem Ersteingriff an, erwarten den Operateur lokal ödematöse, hyperämische Weichteile mit einer starken Blutungsneigung, oft noch aktiven Infekterscheinungen in Weichgewebe- oder Knochenhöhlen
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und eine erschwerte Abgrenzbarkeit avitaler und vitaler Strukturen. Die Kontrakturen der Muskulatur und des Narbengewebes sowie den Widerstand gegen den angestrebten Verlängerungseffekt wird der Operateur in aller Regel mit weniger Mühe überwinden. Die Knochenatrophie bleibt gegenüber dem Befund beim ersatzlosen Ausbau kaum verändert. Die Implantation einer Totelendoprothese nach einer Jahre zurückliegenden Girdlestone-Situation ist durch die extreme Vernarbung und Verhärtung der Narbenstrukturen, durch die ausgeprägte Muskelkontraktur, durch die Verkürzung funktionswichtiger Strukturen und deren narbige Einscheidung, z.€B. von Nerven in Kurvenbereichen, gekennzeichnet (Engelbrecht et€al. 1995; Nieder et€al. 1979; Steinbrink und Frommelt 1995; Witscher und Siegrist 1989). Hinsichtlich der Implantatwahl kommt auf der Pfannenseite primär die zementfreie Verankerung in Betracht. Die Individualprothesen und Spezialprothesen zur Auffüllung größerer Defekte liegen zementfrei am Knochen. Rekonstruktive Operationsplanungen verlangen den Einsatz entsprechender Osteosynthesehilfen, in der Regel in Form von schalenartigen Elementen. Sie werden direkt auf den ortsständigen Knochen oder Transplantate aufgesetzt und mit Schrauben fixiert. Stützringartige Systeme erlauben teilweise eine Verklemmung eines Polyethylenteils, teilweise wird hier zwischen der Innenfläche des schalenförmigen Implantats und dem Polyethylen die Zementfixation mit entsprechendem Antibiotikazusatz verwendet. Der Vorteil letzteren Verfahrens ist eine weitgehend freiere Wahl der Position des schalenartigen Implantats. Seine Positionierung kann sich vordergründig am Gesichtspunkt der Teilabstützung am ortsständigen vitalen Knochen orientieren und erlaubt damit eine wesentlich frühere und höhere Teilbelastung des Gelenks. Die optimale Position eines entsprechend schichtdicken Polyethylenimplantats gibt die Operationsplanung zumindest teilweise unabhängig von der Stellung des Stützrings vor. Auf der Schaftseite werden zementfreie Implantate präferiert, bei ausgeprägteren Knochendefekten in der Regel modulare Prothesenkomponenten. Schaftelemente, die im Querschnitt sternförmig angeordnete Längsrippen aufweisen, sind durch eine höchstmögliche Rotationsstabilität ausgezeichnet. Eine konische Schaftform, ein optimales Implantationsinstrumentarium und eine routinierte Operationstechnik lassen die Gefahr des Einsinkens eines zementfreien Schafts
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auch bei knöcherner Atrophie weitgehend vermeiden (s. Kap.€ 7.5.15). Jeder große Operationsabschnitt – Narbenresektion, Knochenreinigung, Weichteilrevision außerhalb des Prothesenlagers – ist gefolgt von einer ausgiebigen Spülung mit Ringer- oder Kochsalzlösung in größerer Menge (500€ml und mehr). Bei nachgewiesenem Infekt oder Infektverdacht beginnt die systemische Antibiose nach der Gewinnung des letzten Abstrichmaterials. Die zeichnerische, vom Operateur selbst gefertigte Operationsplanung ebenso wie die radiologischen Befunde stehen während des gesamten Eingriffs im Blickfeld des Operateurs zur Verfügung. Der Einsatz eines Bildwandlers ist jederzeit möglich. Das Planungskonzept wertet der Operateur als eine Richtschnur, die exakte Umsetzung ist bei der Reimplantation einer Totalendoprothese nach Girdlestone-Hüften nicht immer zu erreichen. Zusätzlich auftretende knöcherne Schäden mit Frakturen und Fissuren, unüberwindbare muskuläre Kontrakturen fordern die Änderung des ursprünglichen Konzepts. Deswegen bewähren sich insbesondere im Schaftbereich modulare Prothesensysteme in besonderer Weise. Die Wahl der definitiven Beinlänge wird intraoperativ aufgrund der persönlichen Erfahrung des Operateurs bestimmt. Dabei wird zunächst vor allem die Spannung der Weichteile in der direkten Umgebung des Hüftgelenks gewertet, beim hinteren Zugang wird die Spannung des Nervus ischiadicus – auch in verschiedenen Beugestellungen des Kniegelenks – überprüft. Verbleibende Kontrakturen im Sinne einer ausgeprägten Beugung können durch Verlängerung der sehnigen Psoasanteile oder distaler Versetzung des Rektusursprungs verbessert werden, Adduktionskontrakturen werden durch eine offene Revision der Ursprünge der Adduktoren behoben. Abduktionskontrakturen werden bis zu Werten von 10–15° akzeptiert und durch die funktionelle Nachbehandlung verbessert.
7.5.12.3 Komplikationen Die Komplikationswahrscheinlichkeit ist wesentlich höher als bei Primärimplantationen von Totalendoprothesen des Hüftgelenks und steigt mit der Zahl der Eingriffe am Gelenk. Frühere Infektionen und ausgedehnte Knochenverluste steigern das Risiko. Für die Beherrschung der Komplikationen ist eine ebenso überzeugende wie konsequente ärztliche Führung des Patienten von entscheidender Bedeutung. Der Behandler muss die psychische Verfassung des Patienten
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sorgfältig werten und eine Überforderung vermeiden. Erkennbar werden diese Grundregeln insbesondere bei unmittelbar postoperativ oder während der ersten 24€ Stunden erkennbaren Schädigungen des Nervus femoralis oder des Nervus ischiadicus. Sofortige Lagerungen in Flexion des Hüftgelenks und Flexion des Kniegelenks sind notwendig. Ist der Nervus ischiadicus bis hinein in gesunde fetteinscheidende Strukturen revidiert, beschränkt man sich zunächst auf die Lagerungsbehandlung. Der Nervus femoralis sollte nach unserer Überzeugung einer sofortigen Revision an seinem Kreuzungspunkt unter dem Leistenband unterzogen werden. Das Ligamentum iliopectineum ist dabei auf ganzer Strecke zusammen mit narbigen Einscheidungen zu spalten. Bei zu hohen Spannungszuständen sieht man mit der Lupenbrille nach Spaltung dieser Strukturen häufig die spontane Wiederfüllung der kleinen nervenbegleitenden Blutgefäße. Eine schonende spannungsreduzierende Lagerung ist zusätzlich über zwei bis drei Wochen notwendig. Im weiteren Verlauf bieten sich nach Absprache mit den Neurologen neurologische Kontrolluntersuchungen an. Die Dekompression sollte wegen einer apparativen neurologischen Kontrolle keinesfalls verzögert werden. Eine konsequente Entscheidungsfindung erfordert auch der Reinfekt. Hier kommen die Regeln der Infektbehandlung bei der Primärimplantation zur Anwendung. Eine Revision und eine Spülung des Wundbereichs sind während der ersten zehn Tage erlaubt. Später bietet sich der einzeitige Prothesenwechsel oder in besonderen Situationen auch der erneute ersatzlose Ausbau der Implantate an. Reosteosynthesen etwa bei Trochanterpseudarthrosen, sekundäre Refixationen der Muskelschlinge über dem großen Rollhügel oder zusätzliche Sehnenverlängerungen bei hartnäckigen Kontrakturen beanspruchen einen verlängerten Zeitrahmen, wenn eine erfolgsorientierte physiotherapeutische Betreuung und ein befriedigendes funktionelles Ergebnis erreicht werden sollen.
7.5.13 Umwandlung Arthrodese/Ankylose G. Zeiler Auch die Umwandlung einer Arthrodese oder Ankylose in eine Hüfttotalendoprothese verlangt, wie die Umwandlung einer Girdlestone-Situation, eine fun-
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dierte Erfahrung des Operateurs. Er sollte sich genau darüber im Klaren sein, welche funktionellen Ergebnisse den Patienten in Aussicht gestellt werden können und dies auch durch eine gute Aufklärung möglichst im Kreise der Angehörigen vermitteln. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da auch der postoperative Verlauf von Komplikationen gekennzeichnet sein kann und die Erwartungen des Patienten gerne zu hoch angesetzt sind.
7.5.13.1 Aufklärung Die Aufklärung des Patienten erfolgt in der Regel in einem zeitlich größerem Abstand anlässlich der Klärung taktischer Fragen, z.€ B. der gleichzeitigen Durchführung einer notwendigen Metallentfernung. Man kann dem Patienten guten Gewissens eine Verbesserung der Gesamtbewegungsfunktion und eine Linderung der Schmerzen im Bereich des Rückens und der unteren Extremitäten zusagen. Rückenschmerzen werden reduziert, in vielen Fällen aber nicht ganz verschwinden. Gleiches gilt für das Kniegelenk. Falls die Achsenabweichung des Kniegelenks bzw. der globale Verschleiß des Kniegelenks hier eine Verbesserung nicht erwarten lassen, ist der Hinweis notwendig, dass bei einseitigem Verschleiß eine gleichzeitige oder in zeitlichem Abstand erfolgende Achsenkorrektur bzw. die Versorgung des Kniegelenks mit einer Prothese notwendig wird (Liechti 1978; Rittmeister et€ al. 2000; Zeiler und Schuh 2004). Insgesamt sollte die Aufklärung in dem Patienten eine realistische Erwartung wecken. Man wird ihn darauf hinweisen, dass die Beweglichkeit des Beins nicht mehr zu gesunden Verhältnissen oder zu den Ergebnissen einer primären Hüftarthroplastik führt. Ein klarer Hinweis ist notwendig auf die erforderliche Mitarbeit des Patienten, insbesondere hinsichtlich des Aufbaus der hüftstabilisierenden Muskulatur, die in aller Regel eine überdurchschnittlich lange Zeitperiode in Anspruch nimmt. Man darf hier den Patienten ohne weiteres eine konsequente Mitarbeit bei der Muskelkräftigung über ein volles Jahr voraussagen (Brewster et€ al. 1975). Eine vollständige muskuläre Stabilisierung tritt bei jedem dritten Patienten nicht ein. Wenn erhebliche Kontrakturen beim Vorbefund und eine starke Verkürzung des Beins bestehen, sollte man zurückhaltend sein mit dem Versprechen eines exakten Längenausgleichs. Eine handgefertigte kleine Planungsskizze des ope-
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rativen Vorgehens erleichtert die Aufnahmefähigkeit des Patienten und gibt dem Operateur bei nachträglichen Diskussionen wertvolle Argumente an die Hand. Die häufigen Komplikationen werden benannt (siehe Komplikationen).
7.5.13.2 Operationstechnik Die Remobilisation einer Arthrodese erfordert zwangsläufig eine sorgfältig, das definitive Ergebnis sehr exakt beschreibende, gezeichnete Operationsplanung. Grundlage der Planung stellen hier die Röntgenbilder dar. Bei ausgeprägter Beugekontraktur ist es sinnvoll, ein Röntgenbild des Hüftgelenks und des Oberschenkels bei entsprechender Beckenkippung, also abbildungsparalleler Lage des Oberschenkels auf dem Röntgentisch, anzufertigen. Fehlende oder verlagerte große Rollhügel sind auf gedrehten Röntgenbildern dargestellt. Der planende Operateur markiert sich überzeugende Landmarken des Röntgenbilds und nutzt diese für die intraoperative Umsetzung seiner Planung. Markante Knochenecken oder ektope Verknöcherungen, noch existente knöcherne Defizite von alten Schraubenkanälen oder großvolumigen Implantaten oder aber klinisch gut erkennbare Positionen des noch liegenden Osteosynthesematerials sind dabei eine wertvolle Hilfe. Notwendig ist die Beachtung und Einbeziehung der Form des kontralateralen Hüftgelenks, insbesondere für die Planung des Drehpunkts des Hüftgelenks und damit der Pfannenposition (Abb.€7.204). Die Operationsplanung berücksichtigt die Kenntnis der Arthrodesetechnik. Bei extraartiklären, sog. vorderen Schraubenfixationen wurde in der Technik nach Johnson und Davis ein vorne entnommenes Beckenknochentransplantat mit einem Teil der Abduktoren am Transplantat anhaftend über dem Hüftgelenk extraartikulär fixiert (Davis 1954). Die sorgfältige Resektion der Verankerungsbereiche der hüftstabilisierenden Teilmuskulatur und ihre Refixation über dem großen Rollhügel sind zur Vermeidung eines Abduktionsdefizits in diesem Spezialfall sinnvoll. 7.5.13.3 Mobilisation Wir verwenden für die Remobilisation den für die Arthrodese verwendeten Zugang, häufig ein kombinierter ventraler Weg zwischen dem Musculus tensor und dem Musculus sartorius unter Teilablösung der pelvitrochanteren Muskulatur von der Außenseite
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des Ileums. Der Zugang läuft dann bogenförmig auf der Höhe des kleinen Rollhügels zur Lateralseite des Oberschenkels und folgt dem Septum intermusculare laterale auf dem Oberschenkelschaft (Wagner und Wagner 1994; Zeiler und Schuh 2004). Die Metallentfernung wird bei uns wegen des präparatorischen Aufwands auch abhängig von den verwendeten Osteosynthesemitteln zusammen mit der Remobilisation in einem Eingriff durchgeführt. Verwendet man nach einer zeitgleich durchgeführten Metallentfernung mit Schrauben am Oberschenkelschaft eine zementierte Schaftfixation, ist bei der intraoperativen Überprüfung der Schraubenöffnungen auf der Medialseite des Femur mit dem Bildwandler auf Zementaustritte zu achten. Die lateralen Schraubenöffnungen bzw. Austrittsbereiche von anderen Osteosynthesematerialien werden mit Knochentransplantaten abgedichtet und unter Sicht überprüft. Die perikapsuläre Präparation und die Darstellung des versteiften Gelenkabschnitts werden entlang der deckenden Muskelgrenze durchgeführt. Die Kapsel ist meist vernachlässigbar dünn oder direkt mit dem Periost des Knochens verschmolzen. Bestehen exzessive Kontrakturen, erleichtert das gleichzeitige Ablösen der Rektussehne in Extremfällen bei Kontrakturen jenseits von 40° auch der Weichteilverbindung über dem vorderen Beckenkamm, einschließlich des Lig. inguinale die Vorgehensweise und die spätere Korrektur der Beugekontraktur. Die Verbindung des Musculus psoas zum kleinen Rollhügel wird dargestellt und von allen narbigen Verklebungen frei gemacht. Entsprechend den genannten Landmarken wird mit Kirschner-Drähten die Resektionsebene des Pfanneneingangs und die Schaftresektion markiert. Ein Kirschner-Draht im Beckenknochen und am Femur außerhalb des zentralen Zugangsbereichs erlaubt eine näherungsweise Überprüfung des Verlängerungseffekts. Falls der Rollhügel über der hinteren Zirkumferenz des proximalen Femur liegt und er klinisch nicht überzeugend darstellbar ist, kann der Bildwandler in einer 45° gekippten Position eine Hilfestellung geben. Bei Vorliegen einer Ankylose ist diese zu lokalisieren, über die lokalen Relativbewegungen zu identifizieren und bei den Resektionsflächen zu berücksichtigen. In der Regel kann das Resektionssegment mit der Ankylose entfernt werden, in Einzelfällen wird die Ankylose näherungsweise einer Resektionsebene entsprechen. Sie wird dann schrittweise mobilisiert, das ganze Segment entnom-
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Abb. 7.204↜ 48-jähriger Patient. (a) linksseitige Dysplasiekoxarthrose bei Zustand nach Beckenosteotomie. (b) Prothesenversorgung der linken Hüfte mit Auffüllung des großen azetabulären Raums mit patienteneigener Spongiosa vom Hüftkopf, Stützringosteosynthese und zementfreiem Schaft. (c) Rechtsseitige Arthrodese mit Trochanterresektion, Schmerzen
an der linken Hüfte und am rechten Kniegelenk, Rückenschmerzen. (d), (e) Sechs Monate später Remobilisation des rechten Hüftgelenks, zementfreie Implantate. (f) Rekonstruktion des großen Rollhügels mit dem entnommenen Knochensegment und Schraubenosteosynthese. Gute muskuläre Stabilität des Gelenks und reizlose Einheilung der Implantate und Transplantate
men und auf der verbliebenen Seite der Ankylose durch Nachresektion eine geeignete Resektionsfläche geschaffen. Entsprechen die eingebrachten Markierungsdrähte der operativen Planung, kann die Osteotomie durch-
geführt werden. Wir decken in all diesen Fällen auch das kontralaterale Bein beweglich steril ab. Durch eine Flexion des kontralateralen Hüftgelenks können die Hohlschwingung der Lendenwirbelsäule und die Beckenposition normalisiert und so auch die Ein-
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gangsebene der Pfanne recht zuverlässig definiert werden. Das zu entnehmende Knochensegment des Schenkelhalses und ehemaligen Hüftkopfes wird mit einer kräftigen Fasszange sicher in ein steriles Behältnis mit Ringer- oder Kochsalzlösung transferiert und zunächst aufbewahrt. Die Situation der beiden Rollhügel wird geklärt und die knöcherne Qualität an der proximalen und distalen Resektionsfläche überprüft. Dabei besteht nahezu in allen Fällen überzeugend ein harter und relativ breiter kortikaler Ring auf der azetabulären Seite, während sich die zentrale spongiöse Füllung der Resektionsfläche oft weich bis hin zu Fettmark darstellt. Für die Gewinnung einer hinreichenden Funktion ist jetzt die mühsame und oft auch zeitlich aufwendige Resektion narbiger Strukturen und verkürzter Außenrotatoren auf der dorsalen Zirkumferenz der Arthrodese von Bedeutung (Zeiler und Schuh 2004). Erst dann kann die frästechnische Behandlung des Pfannenlagers erfolgen.
7.5.13.4 Pfannenpräparation Liegt noch verwertbare spongiöse Struktur vor, wird diese mit vorwärtsgebogenen sphärischen Hohlmeißeln grob ausgehoben und das Material zur Seite gelegt. Nach dem ersten Präparationsschritt kann die Einlage einer metallenen Probeprothese kleineren Formats und die Kontrolle im Bildwandler dem Operateur die zentrale Position seiner künftigen Pfanne bestätigen. Lateralisationen des Drehpunkts sind unter allen Umständen zu vermeiden. Angestrebt wird im Gegenteil eher eine Verlängerung des Lastarms am proximalen Femur durch die Wahl einer geeigneten Schaftprothese mit vergrößertem Offset, damit mit geringem Kraftaufwand die immer geschwächte Muskulatur der Abduktoren ein stabiles Gangbild am Hüftgelenk gewährleisten kann. Schwierigkeiten bereitet die optimale Zentrierung des Drehpunkts des Gelenks bei Patienten, die vor Abschluss des Wachstumsalters die Versteifung des Hüftgelenks erlebt haben. Hier bestehen oft erhebliche Deformationen des Pfannenisthmus im Durchmesser von dorsal nach ventral. Da hinreichend tragfähige Schichten der knöchernen azetabulären Unterlage erhalten werden sollten, kann hier gelegentlich nur durch die Wahl eines kleinen Pfannenimplantats, ggf. auch durch eine Teilperforation entlang des vorderen Pfannenpfeilers, die
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Implantation eines Stützrings und durch eine große Knochenplastik eine näherungsweise optimale Zentrierung erzielt werden. Wir haben seit mehr als einem Jahrzehnt nach Überprüfung der Ergebnisse einer großen Zahl von Remobilisationen grundsätzlich nur metallarmierte Pfannensysteme oder Stützringosteosynthesen zur Sicherung der Pfannenstabilität eingesetzt. Sie verhindern ein Einsinken des Pfannenimplantats in der zentral extrem weichen Struktur des Beckens und liefern wesentlich bessere Langzeitergebnisse (Wagner 1994; Zeiler und Schuh 2004). Diese Ergebnisse sind immer dann gewährleistet, wenn man nach der sorgfältigen Modellierung der Pfanneneingangsebene in der peripheren harten kortikalen Randstruktur diese Stützringelemente auf dieser Ringstruktur in der proximalen Hälfte der Pfanne aufsetzt und sie so stabil auf ortsständigem vitalem Knochen verankert.
7.5.13.5 Schaftpräparation Die Präparation des Oberschenkelknochens entspricht den allgemeinen Regeln der Schaftimplantation. Die Exposition des proximalen Femur ist nach Arthrodesen häufig erschwert. Trotzdem sollte man auf einen intakten Rollhügel achten, seine Osteotomie in jedem Falle vermeiden und durch eine sorgfältige Präparation der Außenrotatoren und der narbigen Strukturen entlang des Hinterrands der Resektionsebene des proximalen Femur hinreichende Mobilität schaffen. Nach Arthrodesen sind gelegentlich intraossäre narbige Veränderungen am proximalen Femur existent. Sind sie ausgeprägt oder sind bei Zuständen nach lokalen Frakturen auch Kompaktainseln im Femurschaft vorhanden, empfiehlt sich das Zentrum der Femurachse anzubohren, zunächst mit Bohrdurchmessern von 4–6€mm, ein zentrales Führungsinstrument einzuschieben, die Lage im Bildwandler in zwei Ebenen zu überprüfen und erst über den Führungsdraht die weitere Bearbeitung des Schaftlagers vorzunehmen. Proximale Achsenabweichungen des Femurschafts sind nach Arthrodesen bei vorgängigen oder nachfolgenden Komplikationen häufig. Die Planung beinhaltet in diesen Fällen die Festlegung der Höhe der Osteotomie am Zenit der Kurven. Zur Stabilisierung kann ein verlängertes Schaftimplantat mit hoher Rotationsstabilität, zum Beispiel die
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Wagner’sche Revisionsprothese oder entsprechende modulare Prothesenkomponenten verwendet werden. Sie führen zur nagelartigen, stabilen Fixation der Osteotomie, eine zusätzliche Anlagerung von Knochenmaterial beschleunigt die Konsolidierung. Die gewählte Länge des Prothesenschafts überragt distale Schwachstellen, z.€ B. Bohrkanäle nach der Metallentfernung, Knochendefekte oder lokale Osteolysen um wenigstens 4€cm in den gesunden Schaftabschnitt hinein. Die Wahl der Beinlänge ist im Wesentlichen von der Spannung der umgebenden Weichteile abhängig. Funktionswichtige Strukturen wie der Nervus femoralis bzw. die Arteria femoralis sind besonders zu beachten. Die ungestörte Durchblutung kann klinisch überprüft werden. Bei Beugekontrakturen von mehr als 30° kann eine primäre Revision des Nervus femoralis an seinem Kreuzungspunkt über dem Schambeinast mit Öffnung der Fascia ilioinguinalis von Vorteil sein. Die Spannung des Nerven kann dann bei zunehmender Extension überprüft und ggf. eine unmittelbar postoperativ veranlasste Beugelagerung von 30° im Laufe der kommenden drei Wochen schrittweise reduziert werden.
7.5.13.6 P ostoperative Bewegungseinschränkung Der Vorgang der Mobilisation des Gelenks im Anschluss an die Implantation der Totalendoprothese sollte in jeder Richtung behutsam mit wenig Kraftanwendung und mehrfacher Ausführung der Bewegungen durchgeführt werden. Harte Hindernisse weichteiliger Art sind ein Grund für eine weichteiltechnische operative Nachbesserung, nicht für eine Mobilisation mit großem Kraftaufwand. Ist die Flexion auf einen Wert von weniger als 50° begrenzt und bestehen Hinweise auf narbige Veränderungen im Verlauf des Nervus ischiadicus, sind dessen getrennte Revision und die Entfernung aller perineuraler Narben dringend zu empfehlen. Im relaxierten Zustand des Patienten sollte die Mobilität des Hüftgelenks am Ende des Eingriffs 80–90° Flexion, eine Abduktion von wenigstens 20°, eine Adduktion von 10° und eine Außen- und Innenrotation von jeweils rund 20° aufweisen. Fehlt der Rollhügel oder besteht eine Pseudarthrose des großen Rollhügels, ist die Rekonstruktion angezeigt. Bei fehlendem Rollhügel kann das resezierte Hüftkopf-Schenkelhals-Segment verwen-
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Abb. 7.205↜ Schemazeichnung der Remobilisation einer Hüftarthrodese mit Segmententnahme in (a) der a.p.-Projektion, (b) in der Aufsicht auf den Segmentring von kranial, (c) Aufsicht auf den Segmentring von distal mit Osteotomieebenen. (d–f) Prothesenversorgung und Trochanterrekonstruktion. (d) Position der vorbereiteten Bohrungen für die Muskelreinsertion, (e) Schnitt durch die proximale und (f) Schnitt durch die distale Region des Rollhügels
det werden. Ein Teilsegment der Zirkumferenz wird dazu ausgesägt, die offene Knochenseite auf die oberflächlich dekortizierte, schuppenartig angefrischte Außenseite des Femur auf Normalhöhe des großen Rollhügels angelegt und mit einer stabilen Osteosynthese versorgt (Abb.€7.205). Das Transplantat wird im Vorfeld mit hinreichend Bohröffnungen versehen, die die Refixation der Muskelschlinge zwischen den Abduktoren und dem Vastus lateralis ermöglichen. Die primäre Muskelnaht in diesem Bereich ist, falls keine direkte Verbindung zwischen den beiden Weichteilstrukturen erreicht werden kann, häufig von sekundären Rupturen betroffen, weil die primäre Avitalität des Knochens das Festheilen der sehnigen Ansätze behindert. In einer Reihe von Fällen haben wir deswegen eine sekundäre Sehnennaht sechs bis zwölf Monate nach dem Ersteingriff
Operation 7â•…
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Abb. 7.206↜ (a), (b) 52-jährige Patientin, als Kind drei Hüftoperationen. Hüftarthrodese rechts im 13. Lebensjahr, später Verkürzungsosteotomie linker Oberschenkel. Jetzt Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden rechts. (c), (d) Rechts Arthrodese, 2,5€ cm Beinverkürzung, Rollhügel auch auf Schnittbildern
nicht nachweisbar. (e) Mobilisation, Rollhügelrekonstruktion, Muskelzuggurtung. (f) Ein Jahr postoperativ Metallentfernung und transossäre Refixation der Muskulatur, gute Funktion bei Beschwerdefreiheit
und nach der knöchernen Konsolidierung des großen Rollhügels bei der Metallentfernung mit gutem Erfolg durchführen können. Trochanterpseudarthrosen werden nach den bekannten Regeln stabiler Osteosynthesen je nach knöcherner Situation versorgt. Bewährt hat sich bei liegendem Prothesenschaft das Einbringen von 2–2,5€ mm starken Kirschner-Drähten entlang der vorderen und hinteren Zirkumferenz des Prothesenschafts auf verschiedenen Höhen des Rollhügelknochens und die Sicherung der Drahthaken mit distal verankerten Drahtzerklagen. Der Patient weiß, dass im Regelfall das Osteosynthesematerial nach der knöchernen Konsolidierung entfernt werden muss (Abb.€7.206).
Tag. Eine gefühlvoll geführte mobilisierte krankengymnastische Übungstherapie, für die mehr Geduld und Zeitaufwand erforderlich ist und die nur zeitlich verzögert zu einem größeren Mobilitätsumfang führt. Beim Einsatz apparativer Hilfen ist unter entsprechender Analgesie und Muskelrelaxation nur ein schrittweise erhöhter Bewegungsumfang zu wählen. Jede ausgeprägte Schmerzäußerung des Patienten ist ein Hinweis auf eine Gefährdung des Ergebnisses. Die medikamentöse Verknöcherungsprophylaxe kann zusammen mit einem Myotonolytikum in hoher Dosierung optimiert werden. Gipsverbände sind nicht angezeigt. Weiche Lagerungshilfen, aus denen das Bein jederzeit problemlos für die mobilisierende und muskelkräftigende Behandlung entnommen werden kann, sind bei unruhigen Patienten und hochgradigen Muskelschwächen vorübergehend angezeigt.
7.5.13.7 Postoperative Mobilisation Die postoperative Nachsorge besteht in der sofortigen Mobilisation des Patienten am ersten postoperativen
302
7.5.13.8 Komplikationen Das Auftreten eines Reinfekts nach vorausgegangenem Lokalinfekt ist selten (Zeiler und Schuh 2004). Schädigungen des Nervus femoralis und des Nervus ischiadicus müssen sofort erkannt und in der Regel mittels lokaler Revision verbessert werden. Die abwartende Empfehlung der Neurologen, die erst nach Wochen definitive Messergebnisse erzielen, ist mit Zurückhaltung zu werten. Luxationen sind nicht häufiger als im Standardkrankengut bei der Primärversorgung des Hüftgelenks. Kraftminderungen der hüftstabilisierenden Muskulatur bestehen in einem hohen Prozentsatz der Patienten fort. Zusätzliche operative Eingriffe am gleichseitigen Kniegelenk bei entsprechenden degenerativen Veränderungen mit Achsenkorrekturen können zeitgleich zum Primäreingriff oder verzögert durchgeführt werden (Amstutz und Sakai 1975; Kilgus et€al. 1990; Liechti 1978; Perugia et€ al. 1992; Rittmeister et€al. 2000; Schäfer et€al. 2000; Wagner 1994; Wölfel et€al. 2000; Zeiler und Schuh 2004). Der Patient ist im Vorfeld über diese Notwendigkeit informiert und empfindet sie deswegen nicht als Komplikation. Die in der Literatur dargestellten sekundären Muskeltransfers zur Verbesserung der Abduktionskraft z.€B. nach Sharrad kann befriedigende Ergebnisse erreichen lassen (Besser 1982).
7.5.14 Koxarthrose bei Lähmung G. Zeiler
7.5.14.1 Aufklärung Beim präoperativen Gespräch mit dem Patienten wird vor allem auf die Ziele der endoprothetischen Versorgung bei Lähmungen hingewiesen. Im Vordergrund steht die Reduktion des Schmerzbilds, die Wiederherstellung oder der Erhalt der Steh- und Gehfähigkeit. Der Patient wird darauf hingewiesen, dass die technische Form der Versorgung abgesehen von Luxationssicherungen der ganz normalen Totalendoprothesenimplantation bei einer Koxarthrose entspricht. Es wird dem Patienten klar vermittelt, dass die neuromuskulären Schäden, die vor der Operation bestehen, durch den Eingriff nicht verändert werden. Die Stehdauer und die Gehstrecke bleiben abhängig vom Lähmungsschaden eingeschränkt. Auf die vermehrte Luxationstendenz bei deutlicher Schwächung
G. Zeiler
der Muskulatur oder Zwangsbewegungen wird hingewiesen. Der Patient erfährt, dass er bis zum Abschluss der Weichteilheilung möglicherweise mit einer Lagerungshilfe vorlieb nehmen muss.
7.5.14.2 Operationstechnik Die Operationstechnik bei Lähmungen entspricht den allgemeinen Regeln der Implantation einer Endoprothese am Hüftgelenk (Abb.€7.207). Patienten mit Lähmungsbildern und neuromuskulären Erkrankungen verlangen insbesondere beim Bestehen einer Spastik oder einer Athetose eine Intubationsnarkose mit Relaxation. Der Zugangsweg ist variabel und hängt in erster Linie von Kontrakturen des Gelenks ab. Weichteileingriffe zur Beseitigung von ausgeprägten Kontrakturen begleiten nahezu jeden dieser Eingriffe (Root und Spero 1981; Schörle und Manolikakis 2004; Schörle et€al. 2006). Die Verbindung zwischen dem Prothesenkopf und der Pfanne sollte in Form einer Luxationssicherung, im einfachsten Fall unter Verwendung einer sog. Schnapppfanne, gesichert sein. Der Operateur bemüht sich, die Verankerung der Implantatkomponenten so zu gewährleisten, dass eine sofortige volle Belastung möglich wird. Dementsprechend sind rekonstruktive Eingriffe bei Luxationen und azetabulären Defekten mit entsprechenden Sicherungsosteosynthesen zu stabilisieren. Variationen der Pfannenposition, z.€ B. bei Patienten, die auch nach der Versorgung überwiegend sitzen werden, aber gehfähig bleiben, sind nicht sinnvoll. Die Operationstechnik und der Zugangsweg orientieren sich an einer maximalen Schonung noch vorhandener muskulärer Strukturen (Root 1982; Skoff und Keggi 1986; Weber und Cabanela 1999). Die postoperative Lagerung geschieht in Rückenlage mit entsprechenden Lagerungshilfen für das Bein. Sie sollten weich, am besten aus Schaumstoffmaterial sein, die Rotation und die Ab- und Adduktion kontrollieren und jederzeit mit wenig Aufwand abnehmbar sein. Lähmungspatienten erfordern eine sofortige Mobilisation, um zusätzliche Schäden der Steh- und Gehfähigkeit und vermehrte Muskelatrophie durch unnötige Immobilisationen zu verhindern. Im Vordergrund der physiotherapeutischen Betreuung stehen eine Gangschulung, die Sturzprophylaxe und die Muskelkräftigung. Alle Lähmungsbilder mit einem erhöhten Muskeltonus verlangen eine Verknöcherungsprophylaxe mit einem Myotonolytikum und einem Antiphlogistikum in ausreichend hoher
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Abb. 7.207↜ 50-jähriger Patient, beginnende Koxarthrose rechts ohne nennenswerte Beschwerden; Aneurysmablutung linksseitig mit Schädigung der Stammganglien, rechtsseitige spastische Parese. (a), (b) Seit 1997 ausgeprägte Gehbehinderung, rasch zunehmender Hüftschmerz, muskuläre Insuffizienz rechts, Ruheschmerz und Beinverkürzung. 25° Beugekontraktur, Flexion bis 90°, aufgehobene Rotation, wackelsteife Ab- und Adduktion. (c) auf der linken Seite beginnende teilschmerz-
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hafte Koxarthrose. (d) Totalprothesenversorgung mit Pfannendachplastik rechts, Stützringosteosynthese, zementfreien Komponenten und Schnapppfanne. (e) Zweieinhalb Jahre nach dem Eingriff: reizlose Integration des Implantats, kein Luxationsereignis, schmerzfreier Patient. Rechtsseitige muskuläre Insuffizienz, kann kurze Strecken ohne Hilfsmittel gehen, lange Strecken nur mit einem Stock links geführt. Der Patient ist sehr zufrieden, keine Verschleißzunahme links
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Dosierung. Hinsichtlich der Lagerungshilfen und der Hilfsmittel zum Gehen bzw. für Stehübungen ermittelt der Physiotherapeut das Optimum an Versorgung und vermittelt diese Empfehlung an die Anschlussheilbehandlungsklinik und die Kollegen weiter. Idealerweise wird hierfür eine orthopädisch geleitete Fachklinik mit einer neurologischen Fachabteilung gewählt, weil postoperativ z.€B. bei Spastikern die tonusregulierende pharmakologische Therapie variiert und am Ende der Behandlung unter fachlicher Kontrolle wieder auf das präoperativ übliche Normalmaß zurückgeführt werden muss.
7.5.14.3 Komplikationen Bei Beachtung der genannten Besonderheiten ist nach unserer Erfahrung die Luxationstendenz bei diesem Krankengut nicht erhöht. Vergrößert ist je nach Lähmungsbild die Sturzgefahr. Sie kann zu periprothetischen Frakturen oder gewaltsamen Luxationen des Gelenks führen. Erfolgt keine adäquate Nachsorge während der ersten sechs Wochen nach dem Eingriff, kann sich die Komplikationsrate erhöhen. Die häufig notwendigen zusätzlichen Weichteileingriffe – Sehnenverlängerung über getrennte Zugänge, Transposition von Muskelursprüngen – können zu lokalen Hämatom- und Serombildungen führen. Spastische Paresen weisen eine erhöhte Gefährdung bezüglich heterotoper Ossifikationen in der Umgebung des Gelenks auf. Die Bewegungsumfänge der Gelenke sind abhängig vom Lähmungsbild und bei rigider Muskulatur gegenüber einem neurologisch gesunden Krankengut reduziert. Ein erhöhtes Infektionsrisiko ist jedoch ebenso wenig nachzuweisen, wie eine erhöhte Lockerungsrate der Implantate (Buly et€ al. 1993; Chandler et€ al. 1981; Weber und Cabanela 1999).
7.5.15 E ndoprothetische Versorgung bei hüftgelenksnahen Tumoren B. M. Holzapfel, R. Gradinger und M. Rudert Bei Tumoren im Bereich des Beckens und des proximalen Femurs ist zunächst die Entität und Dignität der Läsion zu klären (s. Kap.€ 5.10.4). Benigne Tumoren bereiten hierbei selten therapeutische Schwierigkeiten. Sie verlangen lediglich bei Vorliegen von Schmerzen oder bei besonderer Lokalisation, beispielsweise mit
B. M. Holzapfel et al.
Beteiligung des Hüftgelenks oder drohender Frakturgefahr, ein chirurgisches Vorgehen. Bei unklaren Befunden sollte eine Biopsie erfolgen oder die Läsion radiologisch nachbeobachtet werden, um eine Wachstumstendenz auszuschließen. Osteochondrome sollten reseziert werden, wenn sie Schmerzen bereiten oder zu einer Deformität des Gelenks führen. Entsprechend ihrer stammnahen Lage am Beckenskelett ist eine mögliche Entartung zu berücksichtigen, insbesondere wenn eine Knorpelkappe von über 2€cm nachweisbar ist. Auch größere Enchondrome (>â•›5€cm) sollten aufgrund einer höheren Entartungswahrscheinlichkeit chirurgisch angegangen werden. Aneurysmatische Knochenzysten können, wenn möglich, unter Erhalt des Periostes en bloc reseziert werden, da bei einfacher Kürettage ein Rezidivrisiko von 20–40€% beschrieben ist. Bei Gefährdung der Tragfähigkeit kann eine Auffüllung des Defekts mit Spongiosa aus dem Beckenkamm oder sogar eine osteosynthetische Versorgung notwendig werden. Bei Lokalisation des Tumors im Azetabulumbereich muss der Wiederaufbau des knöchernen Beckens angestrebt werden. Es kann ein endoprothetischer Hüftgelenksersatz notwendig werden. Maligne Knochentumoren des Beckens haben eine ungünstige Prognose (Ham et€ al. 2000). Sie stellen für den behandelnden Chirurgen aufgrund des problematischen lokaltherapeutischen Vorgehens eine große Herausforderung dar. Für ein günstiges Langzeitergebnis sind adäquate Resektionsränder von großer Bedeutung, und somit bleibt als kurativer Ansatz häufig nur die Hemipelvektomie (Pring et€ al. 2001). Nach radikaler Resektion des Tumors und Versorgung mit einer Endoprothese ist eine lokale Rezidivrate zwischen 5 und 10€% zu erwarten, wobei die häufigsten Lokalrezidive erwartungsgemäß bei marginalen Resektionen gefunden werden (Enneking und Dunham 1978). Kompromisse bezüglich der Radikalität eines solchen operativen Vorgehens dürfen nur dann eingegangen werden, wenn die individuelle Prognose bereits schlecht ist. Natürlich ist diese bei Patienten mit primärer Metastasierung ungünstig, weshalb hierbei besonders auf die Erhaltung der Funktionalität zu achten ist. Eine individuelle Entscheidung über die zu wählenden Therapieverfahren sollte im interdisziplinären Konsens gefällt werden. Außerdem sollte bei der Indikationsstellung das Alter des Patienten, seine persönlichen Erwartungen und Anforderungen an die spätere Funktionalität der Extremität berücksichtigt
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werden. Eine interne Hemipelvektomie ist für den Patienten nur dann sinnvoll, wenn Nervus, Arteria und Vena femoralis sowie Arteria und Vena iliaca erhalten werden können. Da eine solche Operation sehr aufwendig ist und eine große Belastung für den Patienten darstellt, sollte sie nicht als rein palliative Maßnahme erfolgen. Bis Ende der siebziger Jahre galt die externe Hemipelvektomie als einzige Alternative in der Therapie von malignen Tumoren des Becken- und Hüftbereichs. Mit der Einführung neoadjuvanter ChemotherapieSchemata haben sich die 5-Jahres-Überlebensraten von ursprünglich 20€ % auf über 70€ % erhöht (Mirabello et€al. 2009). Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass bei lokaler Tumorresektion und Erhalt der Extremität kein Unterschied bezüglich des Auftretens eines Lokalrezidivs oder bezüglich der Metastasierungsrate gegenüber amputierten Patienten besteht (Bacci et€al. 2002). Deshalb bevorzugen wir aufgrund der weitaus besseren funktionellen Ergebnisse nach Möglichkeit die innere Hemipelvektomie mit endoprothetischem Ersatz der resezierten Beckenabschnitte. In den letzten 25 Jahren wurde insbesondere bei Tumorbefall des proximalen Femur der konsequente Weg von der individuellen Tumorprothese zum modularen Endoprothesensystem beschritten. Im Bereich des Beckens wurden nach ersten Erfahrungen mit „Custom-made“Prothesen zur Rekonstruktion zunehmend Endoprothesensysteme entwickelt, die semimodular aufgebaut sind. Lediglich der Verankerungsteil im Os ilium bzw. Os sacrum wird nach Anfertigung eines „Rapid-prototyping“-Modells auf der Basis von vorgefertigten Verankerungsteilen noch individuell hergestellt. Durch Aufteilung des Beckens in vier Komponenten kann die Beschreibung der Resektionsbereiche vereinfacht werden und eine Abschätzung des Funktionsverlustes erfolgen. Entsprechend dieser Einteilung ergeben sich auch die rekonstruktiven Möglichkeiten. Enneking und Dunham schlugen 1978 erstmals ein Klassifikationssystem der verschiedenen Beckenresektionen vor. Dieses wurde von Hoffmann in den 90er Jahren weiterentwickelt (Abb.€ 7.208; Enneking und Dunham 1978; Hoffmann et€al. 2006). Man unterscheidet dementsprechend Os ilium (I), Periazetabulum (II), die ischiopubische Region (III) und das Hemisakrum (IV). Typ-I-Resektionen bedürfen in der Regel keiner endoprothetischen Rekonstruktion. Hierbei handelt es sich um einen Tumorbefall des Os ilium, wobei Aze-
305
PI PIV PII
PIII
Abb. 7.208↜ Resektionsklassifikation nach Enneking und Dunham. (mod. durch Hoffmann)
tabulum und Sakrum nicht befallen sind. In den meisten Fällen ist für eine radikale Resektion des Tumor tragenden Abschnitts lediglich eine Keilexzision nötig (Abb.€7.209). Die Deckung des entstandenen Defekts kann durch Reinsertion des Musculus iliopsoas, M. rectus und M. sartorius erfolgen. Bei kompletter Resektion des Os ilium werden rekonstruktive Maßnahmen notwendig, da der Beckenring unterbrochen wird und die Stabilität gefährdet ist. Ist die Distanz zwischen dem verbleibenden Rest des Os ilium und dem Sakrum gering, kann eine direkte iliosakrale Arthrodese durchgeführt werden. Größere Defekte können mittels auto- bzw. homologen Knochentransplantaten (Ozaki et€ al. 1998) oder endoprothetisch überbrückt werden. Der M.€ iliacus muss in diesen Fällen in der Regel am Präparat belassen werden und kann nur in Ausnahmefällen, sofern der Tumor rein auf den Knochen beschränkt ist, erhalten bleiben. Auch Musculus glutaeus minimus und medius müssen meist geopfert werden. Neben Darstellung der externen Iliakalgefäße ist eine distale Präparation und Durchtrennung von Ästen der Arteria und Vena iliaca interna notwendig, was bei fehlender Erfahrung seitens des Operateurs zu Schwierigkeiten führen kann. Danach werden die knöchernen Resektionsgrenzen durch Orientierung an der Spina ischiadica und den Spinae iliacae festgelegt. Als Material zur Überbrückung können Fibula oder Teile des Beckenkamms dienen. Problem hierbei ist jedoch die sog. Entnahmemorbidität. Bei reduzierter Prognose ist deshalb unter der Zielsetzung der schnellstmöglichen Erreichung einer guten Funktionalität eine endoprothetische Versorgung anzustreben (Abb.€7.210).
306
B. M. Holzapfel et al.
Abb. 7.209↜ Keilexzision einer Metastase am Oberrand des Os ilium
Abb. 7.210↜ Tumorbefall des gesamten Os ilium und konsekutiv endoprothetische Überbrückung des Defekts nach Resektion
Bei Tumorbefall im ISG-Bereich ist eine Kombination der Typ-I- und -IV-Resektion notwendig, wobei die Massa lateralis des Os sacrum in die Resektion miteinbezogen wird (Abb.€7.211). Man unterscheidet hierbei sagittale, horizontale und kombinierte Sakrektomien. Zur Erreichung einer suffizienten Stabilität des Beckenrings sollte eine iliosakrale oder iliolumbale Arthrodese angestrebt werden. Diese kann wiederum biologisch durch Verwendung von knöchernen Allo- bzw. Autografts oder endoprothetisch erzielt werden (Dickey et€al. 2005).
Bei Tumorbefall der Azetabulumregion ist eine Resektion vom Typ II notwendig. Will man die Funktionalität des Hüftgelenks erhalten, muss hierbei eine endoprothetische Versorgung mit einem künstlichen Hüftgelenk erfolgen. Eine konventionell implantierte Endoprothese kann nur bei minimalem Befall des periazetabulären Knochens erfolgreich sein. Bei größeren Defekten und guter Prognose sind spezielle Konstruktionen notwendig, die die künstliche Hüftpfanne im gesunden Knochen abstützen. Harrington unterscheidet bezüglich des Tumorbefalls drei Loka-
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Abb. 7.211↜ (a) Malignes fibröses Histiozytom mit Befall des Ilium und der Massa lateralis des Os sacrum. (b) Z.€n. iliosakraler Arthrodese mittels Spezialprothese und Interposition eines Fibulatransplantats (Typ-Iâ•›±â•›IV-Resektion)
lisationsmuster (Harrington 1982). Bei einem geringgradigen Befall des subchondralen Knochens kann eine konventionelle zementierte Hüftgelenkspfanne zur Schmerzfreiheit und guter Funktionalität führen. Im Falle eines Defekts des Pfannengrunds mit Protrusion des Hüftkopfs muss die Pfanne metallisch armiert und auf der Peripherie bzw. dem noch intakten Pfannendach abgestützt werden. Sind der Pfannenrand, das Pfannendach und der vordere und hintere Pfeiler des Azetabulum betroffen, so muss die künstliche Pfanne auf verbliebenen intakten Strukturen des Beckenknochens abgestützt werden, die meist außerhalb der Azetabulumregion liegen. Harrington empfiehlt in diesem Falle eine ausgedehnte Verbundosteosynthese mit Armierung des Knochens durch Steinmann-Nägel (Harrington 1995). Im Unterschied zur Typ-I-Resektion muss bei kompletter Typ-II-Resektion die Muskulatur auch von der Spina iliaca anterior inferior abgelöst werden, wodurch der Nervus cutaneus femoris lateralis geopfert wird. Die Resektionslinien verlaufen von der Spina iliaca anterior inferior bis zur Incisura ischiadica und lateral des Foramen obturatorium oder aber weiter medial nahe der Symphyse. Der Hüftkopf wird entweder exartikuliert oder bei Gelenkeinbruch des Tumors in Form einer geschlossenen Gelenkresektion mitreseziert. Die Präparation der kräftigen Ligg. sacrotuberale und sacrospinale kann bei dieser Resektionsform Schwierigkeiten bereiten. Denn während der Präparation der iliakalen Venenplexus muss mit starken Blutungen gerechnet werden (Windhager et€al. 2003). Bei größeren Defekten mit erheblichem Resektionsaus-
maß kommen individuell gefertigte Beckenprothesen zur Anwendung (s.€Abb.€7.211). Diese Rekonstruktionsmöglichkeit wird seit Anfang der achtziger Jahre erfolgreich mit z.€T. guten funktionellen Ergebnissen durchgeführt. Die Auswertung von 47 mit Beckenprothesen versorgten Patienten ergab in 32€ % gute und 48€ % befriedigende Ergebnisse. Das Outcome der übrigen Patienten war als schlecht einzustufen, was v.€a. auf Lokalrezidive und Infektionen zurückzuführen war. Insgesamt mussten bei 7€Patienten sekundäre externe Hemipelvektomien durchgeführt werden. Eine der am häufigsten auftretenden Komplikationen war die Luxation, deren Häufigkeit des Auftretens jedoch durch den Einsatz eines Trevirabandes und entsprechender Orthesen deutlich vermindert werden konnte (Gradinger et€al. 1993; Gradinger und Gollwitzer 2006; Rechl et€ al. 1998). Aufgrund der außerordentlich hohen Belastungsfähigkeit der ISG-Bandstrukturen kann auf den vorderen Beckenringschluss verzichtet werden (Windhager et€al. 2003; Johnson 1978). Andere Rekonstruktionsmöglichkeiten ergeben für den Patienten z.€T. schlechte funktionelle Ergebnisse. Das einfache Belassen des Resektionsdefekts führt zur sog. „Teleskop-Hüfte“ mit erheblicher Beinverkürzung, Instabilität im Hüftbereich und insgesamt schlechten Ergebnissen (O’Connor und Sim 1989). Mit einer Hüftverschiebeplastik können zum Teil gute Ergebnisse bei gleichzeitig geringerer Infektgefahr erzielt werden. Weitere rekonstruktive Maßnahmen sind die iliofemorale oder ischiofemorale Arthrodese. Die Konsolidierungsrate wird nur mit
B. M. Holzapfel et al.
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Abb. 7.212↜ Typ-I-(partiell)â•›+â•›IIâ•›+â•›III-Resektion bei Hämangioperizytom
etwa 40€% angegeben. Wobei etwa 70€% der Patienten mit Pseudarthrose schmerzfrei sind (O’Connor und Sim 1989). Bei zumindest partiell erhaltenem Ilium stellte die Sattelprothese (Abb.€ 7.212) eine weitere Rekonstruktionsmöglichkeit dar (Nieder et€al. 1990). Vorteile gegenüber versteifenden Maßnahmen ist die Vermeidung größerer Beinlängendifferenzen und die Erhaltung einer gewissen Mobilität bei lediglich vertikaler Stabilität (Hugate und Sim 2006). Die klinischen Langzeitergebnisse sind jedoch ungünstig, da die Prothese eine starke Tendenz zur Migration durch den verbliebenen Knochen aufweist. Alleinige Typ-III-Resektionen bedürfen in der Regel keiner Rekonstruktion. Selten kommt es zur Herniation von Baucheingeweiden, was durch die Implantation eines Netzes vermieden werden kann. Von der Mayo-Klinik wurden ausgezeichnete Ergebnisse in 10 von 11 Fällen berichtet (O’Connor und Sim 1989). Bei Tumoren im Bereich des proximalen Femur (Abb.€7.213) wird bei einer weiten Resektion der Verlust von femoraler Knochensubstanz in Kauf genommen. Dies erschwert die Verankerung einer femoralen Prothesenkomponente. Orientierend an den verschiedenen Tumorlokalisationen und an der Prognose des Patienten sind verschiedene endoprothetische Versorgungsmöglichkeiten denkbar. Bei Tumorbefall im Bereich des Schenkelhalses kann eine Versorgung mit einem Primärstiel noch möglich sein, bei Überschreitung des Trochanter minor wird jedoch ein proximaler
Abb. 7.213↜ Rekonstruktion einer Typ-I-(partiell)╛+╛II╛+╛III-Resektion mit einer Sattelprothese
Femurteilersatz notwendig. Die größte Herausforderung beim endoprothetischen Ersatz des proximalen Femur ist die relativ hohe Komplikationsrate, die bei etwa 10€% liegt. Die häufigsten Komplikationen sind hierbei die Luxation und der Prothesenbruch. Hüftluxationen ereignen sich häufiger nach Femurteilresektionen als nach konventioneller Hüftarthroplastik, bei der der Abduktormechanismus weitgehend unangetastet bleibt. Die Hauptproblematik ist demnach die stabile Verankerung der Glutealmuskulatur, was im Bereich des proximalen Prothesenteils heute durch
7â•… Operation
309
Abb. 7.214↜ Chondrosarkom des proximalen Femurs und endoprothetische Versorgung mit proximalem Femurersatz
entsprechende Krallenplatten oder nichtresorbierbare reißfeste Nahtmaterialien versucht werden kann. Für die dauerhafte Fixation ist die zusätzliche anatomische Verankerung über sog. Muskeladaptionsnähte notwendig. Manche Autoren empfehlen die Fixation der Muskulatur mit erhaltener Trochanterschuppe durch Schrauben oder Hakenplatte an der Prothese (Hipp et€ al. 1998). Bei einer Nachuntersuchung von 35 Patienten, die mit einem proximalen Femurersatz versorgt wurden, waren mehr als 80€% der Patienten mit dem Ergebnis zufrieden und zeigten eine gute Funktion. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Autoren (Donati et€al. 2001; Finstein et€al. 2007; Ogilvie et€al. 2004) (Abb.€7.214).
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8
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement G. von Foerster, G. Hundt und M. Schmidt
8.1 Intraoperative Komplikationen G. von Foerster
8.1.1 P ositionierungsfehler von Pfanne und Schaft Positionierungsfehler sind Abweichungen der Implantatlage über einen Toleranzbereich hinaus, die zu Sofort- oder Spätkomplikationen führen.
8.1.1.1 Pfanne Fehlpositionen der Pfanne sind im Bereich der Inklination, der Ante- und Retroversion sowie im Offset möglich (Abb.€ 8.1). Fehllagen können auch in allen Ebenen gleichzeitig vorhanden sein. Die „steile Pfanne“ führt in der Frühphase zur kranialen Luxation (Abb.€8.2) oder spät zur vorzeitigen Pfannenlockerung durch Fehlbelastung der Pfanne. Die „flache Pfanne“ verursacht eine Bewegungseinschränkung besonders in der Abduktion, ist in der Regel aber nicht so folgenschwer wie die „steile Pfanne“. Eine zu starke Anteversion macht die Pfanne nach vorn offen und führt zur ventralen Luxation schon bei mäßiger Außenrotation, wobei der dorsale Pfannenrand erhöht ist und als Hypomochlion gegen den Prothesenhals die Luxationsneigung noch fördert. Die fehlende Anteversion oder gar Retroversion der Pfanne führt zur dorsalen Luxation, bei Beugung oft schon ohne Innenrotation. G. von Foerster () Orthopädische Abteilung, Tabea GmbH im Artemed-Klinikverbund, Kösterbergstraße 32, 22587 Hamburg, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Das Offset wird beeinflusst durch die Eintauchtiefe der Pfanne, zu weit laterale Position (Schwalbennest) oder zu mediale Lage (Protrusion). Beide Fehlstellungen wirken sich vornehmlich auf die Standzeit der Implantate aus. Wird eine Fehllage intraoperativ erkannt, muss sie behoben werden. Die zementierte Pfanne kann intraoperativ schonungsvoll gewechselt werden. Die Pressfit-Pfanne zu wechseln, kann zur Folge haben, dass nur eine größere Pfanne wieder press-fit zu verankern ist. Ein spezielles Inlay steht nicht immer sofort zur Verfügung. Bei Schraubpfannenfehllage kann sogar ein Systemwechsel notwendig werden, wenn in korrekter Stellung keine Primärstabilität mehr zu erreichen ist. Für die Pfannenimplantation beschreibt die Literatur einen Inklinationswert von 45–55° und eine Anteversion von 12–15° als „safe zone“ mit dem geringsten Luxationsrisiko (Biedermann et€ al. 2005; Murray 1993; Sotereanos et€al. 2006).
8.1.1.2 Schaft Implantationsfehler des Schafts können in Bezug auf die Torsion, die Eintauchtiefe sowie die Varus- und Valgusstellung auftreten (Abb.€8.3). Ein Torsionsfehler des Prothesenstiels ist vor allem im Bezug auf die Luxationsgefahr kritisch. Bei vermehrter Antetorsion wird hier primär das Anstoßen des Schenkelhalses am dorsalen Pfannenrand als Auslöser für die Luxationen in Außenrotation des Beins bei gestrecktem Hüftgelenk gesehen. Bei der vermehrten Retrotorsion kommt es beim tiefen Sitzen des Patienten vor allem in Kombination mit der Innenrotation zu einer leichteren Luxation des Hüftkopfes und der Femurprothese nach dorsal.
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_8, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
325
326
Abb. 8.1↜ Malpositionierung der Pfannenkomponente mit fehlender Anteversion und Inklinationswinkel >â•›60°
Abb. 8.2↜ Luxation aufgrund Positionierung der Pfannenkomponente mit zu hohem Anteversions- und Inklinationswinkel
Ähnliche Effekte können auch durch das zu tiefe Einsetzen des Prothesenstiels in den Oberschenkelschaft auftreten. Hier ist vor allem der direkte Knochenkontakt der Trochanteren mit dem Beckenknochen oder der Pfanne problematisch. Eine intraoperativ auffällige Situation sollte primär zum Stielwechsel führen. In seltenen Fällen kann die Variation der Kopfhalslänge bereits zur Stabilisierung der Hüftendoprothese führen. Die Varus- oder Valgusstellung ist intraoperativ meist nicht ohne Röntgenkontrolle festzustellen. Sie führt entweder bei starker Abweichung zur Perfora-
G. von Foerster
Abb. 8.3↜ Varische Positionierung der Stielkomponenten mit Frakturfolge rechts und Lockerung links
tion des Femurschafts oder langfristig möglicherweise zu einem früheren Versagen des Implantat-KnochenInterfaces. Eine zu varisch implantierte Hüfte führt zur Lateralisierung des Oberschenkels, eine zu valgisch implantierte Hüfte eher zur Verringerung des Hebelarms. Im günstigsten Fall kann bereits bei der Probereposition mit einem Probeimplantat oder einer Raspel der Fehler erkannt werden. Eine Korrektur ist mit den entsprechenden Implantaten meist folgenlos möglich. Ein Stielwechsel nach bereits erfolgter zementierter Implantation ist häufig aufwendig. Fehlervermeidung setzt eine sorgfältige präoperative Planung voraus. Intraoperativ ist die Lage des Patienten mehrfach zu kontrollieren, wobei die periazetabulären anatomischen Landmarken helfen (Sotereanos et€al. 2006). Unterstützend für die Orientierung oder Implantation kann ein Kirschner-Draht oder Steinmann-Nagel am kranialsten Punkt des Pfannendachs eingebracht werden. So lassen sich zumindest Veränderungen der Positionierung des Patienten frühzeitig erkennen.
8.1.2 Primäre Implantatinstabilität Die Primärstabilität ist Voraussetzung für die sekundäre Osseointegration des Implantats. Allein aus diesem Grund ist sie zwingend herbeizuführen. Eine Press-fit-Pfanne, die nicht beim Einsetzen festsitzt, durch zusätzliche Schrauben zu stabilisieren, ist allenfalls ein Kompromiss. Wenn Primärstabilität nicht zu erreichen ist, etwa bei schlechter Knochenquali-
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
327
Neutralstellung sollte man mit dem Finger unter den Trochanter major fassen und die Hüfte nach lateral ziehen. Bei diesem Manöver darf eigentlich keine Luxation auftreten. Im Zweifel ist die Bildwandlerkontrolle hinzuzuziehen. Beckenschiefstand und dadurch bedingte Beinlängendifferenzen bei fixierter Skoliose dürfen nicht ausgeglichen werden. Der Patient kann die dann auftretende Fehlstellung von Becken und Lendenwirbelsäule nicht mehr kompensieren.
Abb. 8.4↜ Postoperative Beinlängendifferenz mit Verlängerung rechts aufgrund zu sparsamer Schenkelhalsosteotomie
tät, sollte ein Systemwechsel zur Zementverankerung erwogen werden. Das Gleiche gilt auch für den Schaftbereich, insbesondere bei Deformitäten durch Voroperationen kann eine primäre Implantatstabilität zementfrei nicht erreicht werden. Da die Knochenqualität zu schlecht ist, sollte eine zementierte Verankerung vorgezogen werden. Ein primär nicht stabil einliegendes Implantat wird in der Regel auch sekundär nicht mehr fest einheilen.
8.1.3 Beinlängendifferenz Beinlängendifferenzen stellen eine häufige Komplikation in der Hüftendoprothetik dar. Die Tendenz zur Beinverlängerung (Abb.€8.4) ist dabei wesentlich größer als die zur Verkürzung. Präoperative Beinverkürzungen können oft ohne Probleme ausgeglichen werden, während präoperative Überlänge des Beins problematischer, also weniger leicht oder gar nicht auszugleichen ist. Von entscheidender Bedeutung ist deshalb eine exakte präoperative Prothesenplanung und intraoperative Kontrolle. Bei der Verkürzung gibt es leider oft eine Gelenkinstabilität mit Luxationstendenz. Dabei können entweder längere Köpfe, Hälse oder spezielle Antiluxationsinlays oder Schnapppfannen notwendig werden (Daly und Morrey 1992). Die ungewollte Beinlängendifferenz sollte bei der Probereposition auffallen. Der Muskeltonus (Anästhesie!) muss mitbeobachtet werden. Die Luxationstests müssen in alle Richtungen vorgenommen werden. In
8.1.4 G efäßverletzungen und intraoperative Blutungen Intraoperative Gefäßverletzungen der größeren Gefäße sind keine sehr häufige Komplikation. Sie können aber dramatische bis lebensbedrohliche Folgen haben, insbesondere wenn sie intraoperativ nicht bemerkt werden (Nachbur et€al. 1989). Verletzungen der A.€ femoralis können entstehen, wenn beim Fräsvorgang der Pfanne die Fräse nach ventral luxiert und die Arterie erfasst. Es kann weiterhin durch abrutschende oder falsch eingesetzte Haken zu solchen Verletzungen kommen, die in der Regel sofort zu einer stärkeren Blutung führen. In dieser Situation ist die Tamponade angezeigt und der Hilfsschnitt von ventral zur Darstellung des Gefäßes, um dann bei offener Sicht die notwendigen Entscheidungen aus der Art der Verletzung abzuleiten (Abb.€8.5a). Entweder ist dann eine Gefäßnaht möglich oder aber eine Gefäßrekonstruktion, was in aller Regel die Hinzuziehung eines Gefäßchirurgen erforderlich macht. Stärkere Blutungen können auch durch die Verletzung der A.€ circumflexa hervorgerufen werden. Sie erlangen nur dann eine wesentliche Bedeutung, wenn diese Versorgung nicht ausreichend war oder aber intraoperativ so tamponiert war, dass eine Blutung erst postoperativ einsetzt. Schwerste Gefäßverletzungen im kleinen Becken können entstehen, wenn es beim Auffräsen der Pfanne zur Penetration der Fräse ins kleine Becken kommt. Bei Perforation des Pfannenbodens mit anderen Instrumenten, z.€ B. mit einem scharfen Löffel oder Ähnlichem können auch im kleinen Becken Gefäßverletzungen entstehen. Es ist sorgsam auf nachfolgende Blutungen zu achten. Sollten solche Blutungen auftreten, ist grundsätzlich immer von abdominal her retroperitoneal das Gefäßsystem des kleinen Beckens
G. von Foerster
328
anterior-superior A., V. iliaca externa
a
posterior-superior
anterior-superior
posterior-inferior
anterior-inferior
b
anterior-inferior A.,V. obturatoria
posterior-superior A., V. glutea superior
posterior-inferior keine
c
Abb. 8.5↜ (a) Implantationsbedingte Arrosion der A.€femoralis über eine Länge von 4€cm. (b), (c) Beckenpräparat, Ansicht von lateral, Aufteilung in Quadranten. Topographie intrapelviner Gefäße im Bezug zu den Quadranten. (Mod. aus Simon et€al. 2009)
darzustellen und alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um von hier aus die Blutung zu stillen. Ergänzend ist anzuführen, dass Gefäßverletzungen auch bei der Durchführung von Harris-Plastiken auftreten können, wenn zu lange Schrauben verwendet werden, die ins kleine Becken penetrieren. Dies ist besonders tückisch, weil dann die Blutung tatsächlich oft erst postoperativ feststellbar ist. Sollte es sich auf einem direkt nach der Operation durchgeführten Röntgenbild zeigen, dass eine solche Schraubenlage vorliegt, ist besondere Beobachtung des Patienten dringend angezeigt (Abb.€8.5b, c). Venenverletzungen, besonders im kaudalen Pfannenbereich, führen oft zu nicht sofort erkennbaren Blutungen und verursachen dann erst postoperativ Nachblutung und Revision. Gelegentlich sind diese Venen auch leicht aneurysmatisch aufgetrieben, was dann nur durch Umstechungen zu einer ausreichenden und sicheren Blutstillung führt. Eine vorübergehende Tamponade kann die danach besseren Sichtverhältnisse oft leichter erreichen als das bloße Absaugen. Die Platzierungen von spitzen Hohmann-Haken sollten immer unter Knochenkontakt durchgeführt werden, um solche Gefäßverletzungen zu vermeiden. Im nicht reponierten Zustand des Gelenks, also unter Spannung, können Blutungen verborgen bleiben. Aus diesem Grund ist auch nach der Reposition eine kurze Beobachtungsphase der Gelenkhöhle vor Einlegen der Drainagen zur frühen Erkennung von Blutungen angezeigt. Massive diffuse Blutungen sind durch frühzeitige Kommunikation mit dem Anästhesisten anzuzeigen, damit die ggf. erforderliche Hämotherapie eingeleitet werden kann.
Sollte der Anästhesist von sich aus über eine Dekompensation des Blutdrucks informieren, ist immer nach einer möglichen (und in diesem Fall auch größeren) Gefäßverletzung zu fahnden.
8.1.5 Intraoperative Gelenkinstabilität Zur Feststellung der Gelenkstabilität wird die Probereposition durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt ist in aller Regel die Pfanne schon implantiert, im Schaft ist eine Raspel oder Probeprothese eingebracht. Durch Bewegungen in alle Richtungen stellt sich die Frage der Stabilität. Die häufigste Instabilität ist die dorsale Luxation bei Beugung und Innenrotation. Die ventrale Luxation tritt bei Überstreckung und Außenrotation auf. Bei einer Beugung von 90° sollte eine Innenrotation von 70° ohne Luxation möglich sein. Eine Überstreckung bis zu 10° und Außenrotation von etwa 40° sollte ebenfalls gegeben sein. Bei Instabilität, also der Luxation unterhalb der Grenzwerte, folgt die Analyse. Dabei ist zunächst die Implantatlage, des Weiteren die Frage nach Impingement durch Implantat oder knöcherne Hindernisse sowie auch Weichteilhindernisse bei extrem verdickten Kapselanteilen zu überprüfen. Besteht ein Impingement, so ist dies in jedem Fall zu beseitigen. Befundabhängig kommen dabei Exophytenabtragung, Resektion von stark verdickten Kapselanteilen, gelegentlich auch eine Osteotomie bei trochantärem Impingement in Frage. Instabilitäten bei Adduktion unterhalb 30° treten am ehesten durch zu geringe Inklination der Pfanne auf. Bei bereits implantierter Pfanne können daher Maßnahmen wie Inlaywechsel auf ein asymmetrisches Inlay oder sogar Pfannen-
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
329
Abb. 8.6↜ Femurschaftfraktur
wechsel notwendig werden (Daly und Morrey 1992; Patel et€al. 2007). Abb. 8.7↜ Femurschaftsprengung
8.1.6 Periazetabuläre Frakturen Die periazetabuläre Fraktur tritt fast ausschließlich bei zementfreien Implantaten auf. Sie ist sehr viel seltener als die Schaftfraktur, wird aber häufiger übersehen und dadurch meistens erst postoperativ erkannt (Helfet und Ali 2004; Sharkey et€al. 1999; Callaghan et€al. 1999). Die Fraktur im Pfannenbereich wird durch Fehler in der Implantationstechnik verursacht. Am häufigsten ist die Unterfräsung und anschließende Press-fit-Implantation einer relativ zu großen Pfannenkomponente. Zu aggressives Fräsen mit zu starker Medialisierung kann ebenfalls zur Fraktur führen. Erhöht wird das Risiko bei schon bestehender Protrusion, geringer Knochenqualität und starker Sklerosierung. Bei Osteoradionekrose ist die Implantation einer zementfreien Pfanne im Normalfall nicht indiziert, da ein sekundäres Einwachsen der Pfanne in den toten Knochen nicht erfolgen kann. Häufig ist eine ausreichende Stabilität selbst noch nach einer Fraktur im Azetabulum vorhanden. Geeignete postoperative Behandlungsmaßnahmen führen dann am Ende zu einer folgenlosen Ausheilung. Wird die Fraktur jedoch intraoperativ schon erkannt und als instabil eingeschätzt, müssen sofort adäquate Stabilisierungsmaßnahmen vorgenommen werden. Die Situation erfordert entweder Verschraubung, Verplattung oder Verwendung eines Stützringes (Berry 2002).
8.1.7 P eriprothetische Fraktur und Schaftsprengung Intraoperative periprothetische Frakturen und Schaftsprengungen treten fast nur bei zementfreier Endoprothetik auf (Abb.€8.6 und 8.7). Zur Erreichung der Primärstabilität sind entsprechende Kräfte bei der Implantation notwendig (Lindahl 2007). Der Schaft wird durch kurze gewaltarme Schläge eingetrieben, um Frakturen oder Sprengungen zu vermeiden. Der lange, zu gewaltige Schlag führt am ehesten zur Fraktur oder Sprengung des proximalen Femurschafts. Das sicherste Zeichen einer Knochenverletzung in diesem Bereich ist die unerwartete plötzliche Leichtgängigkeit der Implantation. Das leichte Einführen der Prothese ist ein Zeichen für eine Fraktur, die dann der Lage entsprechend versorgt werden muss. Bei Fissuren kann die Stabilität weitgehend erhalten bleiben. Oft ist durch konservative Maßnahmen dabei eine folgenlose Knochenheilung erreichbar. Die intraoperative Röntgenkontrolle ist hierbei dringend notwendig, da die Art der Schaftfraktur die Technik der vorzunehmenden Versorgung vorgibt (Wahl et€al. 2001). Die Häufigkeit dieser Knochenverletzung ist nicht nur vom operativen Vorgehen, sondern auch vom
G. von Foerster
330 Abb. 8.8↜ (a) Subtrochantäre Fraktur mit kompletter Trochanterdislokation, (b) Fraktur mit Abriss der Trochanterspitze
Design der Prothese abhängig. Konische Schäfte oder scharfkantige Profile beinhalten ein erhöhtes Risiko. Besonders zu beachten sind auch Trochanterfrakturen (Abb.€8.8a, b), die zwar nicht unbedingt die Stabilität der Prothese betreffen, aber in ihrer Versorgung sehr problematisch sind, häufig zu Spätkomplikationen in Form der Glutaealinsuffizienz und damit zum Trendelenburg-Hinken führen können. Fallen sie intraoperativ auf, sollte die Entscheidung darüber gefällt werden, ob eine unmittelbare Versorgung möglich ist. Sinnvoll ist sie, wenn die Glutealmuskulatur am frakturierten Fragment ansetzt. Hier wird die postoperative Mobilisation zu einer Proximalisierung des Fragments und zur Muskelinsuffizienz führen. Bei stark osteoporotischen Knochen kann es durchaus schwierig bis unmöglich sein, ein Trochanterfragment zu refixieren. Gerade wenn noch eine intakte Muskelschlinge des Gluteus medius und minimus erhalten ist, kann hier eine einfache Resektion des frakturierten Fragments erwogen werden. Dies führt postoperativ zur meist beschwerdefreien Mobilisation und vermeidet eine spätere Pseudarthrosenbildung, die selbst schmerzhaft sein kann.
8.1.8 Muskel-/Sehnenverletzungen Muskelverletzungen sind immer dann von Bedeutung, wenn sie tatsächlich zu Funktionseinbußen führen. Hier kommt der Verletzung des Gluteus medius eine zentrale Bedeutung zu. Das kontrollierte Ablösen
geringer ventraler Anteile bei bestimmten Zugangswegen ist sicher tolerabel. Risse und Quetschungen führen zu Insuffizienzen, die bleibende Schäden nach sich ziehen. Allgemein bekannt sind die Folgeschäden nach Einsatz eines Fräsroboters (Honl et€ al. 2003; Abb.€8.9a, b). Bei schonungsvollem operativem Management sind Muskelverletzungen nahezu immer vermeidbar. Sehnenverletzungen sind eher seltene Komplikationen. Bedeutsam ist hier nur die Verletzung der Psoassehne, da bei ihrer vollständigen Durchtrennung eine suffiziente Refixation nahezu unmöglich ist. Allerdings kommt es danach selten zu Gelenkinstabilitäten, eher zu Beugeschwäche in der Hüfte.
8.2 Postoperative Komplikationen G. von Foerster
8.2.1 Nervenverletzungen/Paresen Nervenverletzungen und ihre Folgen werden in den allermeisten Fällen erst postoperativ erkennbar. Es handelt sich dabei, abhängig vom jeweiligen Zugang zum Gelenk, um in der Regel stumpfe Verletzungen durch Hakendruck oder Quetschungen mit unvorsichtig positionierten Haken (Abb.€ 8.10), wovon am häufigsten der peronaeale Anteil des N.€ ischiadicus betroffen ist. Weiterhin können Schädigungen des N.€glutaeus superior, N.€obturatorius und N.€femoralis
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
331
Abb. 8.9↜ (a) Systembedingte Fräsbahn des Roboters im Ansatzbereich der Mm.€gluteus medius, minimus (Kadaverpräparat). (b) Spärlicher, weitestgehend zerstörter Sehnenrest nach Roboterfräsung (Kadaverpräparat)
Abb. 8.10↜ Neurolyse und Dekompression nach Druckschaden des N.€ischiadicus
auftreten. Selten ist die scharfe Durchtrennung eines Nervens (DeHart und Riley 1999; Schmalzried et€ al. 1991; Farrell et€al. 2005). Die Folgen sind passagere oder bleibende Störungen im Ausbreitungsgebiet des Nervs mit Paresen. Die erkennbaren Ausfälle lassen in der Regel die Zuordnung zum betroffenen Nerven herstellen. Das Ausmaß der Schädigung ist aber nicht immer erkennbar. Sofortiges Eingreifen ist dann indiziert, wenn ein Schaden durch massives Hämatom vermutet wird (Butt et€ al. 2005). Hier ist die sofortige Entlastung auch meistens erfolgreich. In allen anderen Fällen ist eine weitere Diagnostik mittels EMG und Hinzuziehung eines Neurologen sinnvoll. Die Schädigung des N.€femoralis geschieht in der Regel durch Hakendruck. Dabei handelt es sich im überwiegenden Anteil um passagere Schäden. Die postoperative Lagerung in Hüftbeugung kann hier entlastend wirken. Des Weiteren kann der
Nerv bei der Pfannenpräparation durch ventral luxierende Fräsen erheblich geschädigt werden. Der N.€ ischiadicus kann dorsal durch Fehlpositionierung des Knochenhebels im Weichteilgewebe geschädigt werden, wenn beim Einsetzen nicht auf einen exakten Kontakt zum Knochen geachtet wird. Auch übermäßige Zug- oder Druckbeanspruchung längerer Dauer mit Weichteilhaken kann zu einer Schädigung führen. Gelegentlich kommt beim N.€ischiadicus ein Überdehnungsschaden vor, der meistens die besonders empfindlichen Fasern des Peronaeusanteils betrifft. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn bewusst oder unbewusst eine Beinverlängerung durchgeführt wurde (Eggli et€al. 1999) und es beim anschließenden Luxationstest durch zu forciertes Beugen zu Überdehnungen kommt. Selten kann es bei zementierter Pfannenimplantation defektbedingt zu einer Schädigung des N.€ obturatorius durch Zementaustritt in den Beckenbereich kommen (Grant et€al. 2001). Durch zu weites kraniales Aufspalten des Gluteus medius im Faserverlauf beim transglutaealen Zugang kommt es zu Verletzungen des N.€ glutaeus superior mit entsprechenden Paresen. Bei vollständigen Nervendurchtrennungen ist für die Revision in jedem Fall ein Neurochirurg hinzuzuziehen, um Nervennaht oder Transplantation fachgerecht in Angriff nehmen zu können. Eine Läsion im Bereich sensibler Nerven ist auf bestimmte Zugangswege beschränkt und trifft dann am häufigsten den N.€ cutaneus femoris lateralis. Die Inzidenz der entsprechenden Nervenläsionen wird in
G. von Foerster
332
Abb. 8.11↜ (a) Wundheilungsstörung im proximalen Narbendrittel, (b) Wunddehiszenz mit oberflächlichem Infekt
der Literatur mit einer Häufigkeit von 1–2€% angegeben (DeHart und Riley 1999; Schmalzried et€al. 1991). Eine sorgfältige Hakenkontrolle und exakte Kenntnis der Anatomie sind besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden minimal-invasiven Verfahren unabdingbare Voraussetzungen zur Vermeidung derartiger Schädigungen (Barrack 2004).
gen Hautverletzungen führen. Die Schnittführung zum Gelenk ist immer so zu legen, dass sowohl ungefährdete Wundheilung als auch ausreichender Zugang zum Gelenk gewährleistet sind. Besondere Sorgfalt mit den Weichteilen und besonders der Haut ist geboten bei ohnehin schon vorliegenden erhöhten Risiken von Patienten mit rheumatoider Arthritis, Diabetes mellitus und bestehender Kortikoiddauermedikation.
8.2.2 Wundheilungsstörungen Grundsätzlich sind Wundheilungsstörungen bei primären Hüftimplantationen (Abb.€8.11a) sehr viel seltener als bei Kniegelenksimplantationen. Aber natürlich können auch im Bereich des Hüftgelenks riskante Schnittführungen bei Zustand nach Voroperationen zu Heilungsstörungen führen. Insbesondere sind sich kreuzende Schnittlinien gefährlich. Hierbei spielt der zeitliche Abstand zur Voroperation natürlich eine Rolle. Nicht revidierte Hämatome und unversorgte Wunddehiszenzen (Abb.€ 8.11b) führen ebenfalls zu Wundheilungsverzögerungen. Hämatome erzeugen durch starken Druck auf die Narbe Durchblutungsstörungen mit der Gefahr nachfolgender Nekrosen. Die rechtzeitige Entlastung kann diese Folge vermeiden. Bei sezernierenden Wunden ist eine Behandlung mit z.€ B. Steristrip-Versorgung insuffizient. Wundrandexzision und qualifizierte Sekundärnaht sind hier die adäquate Therapie. Verschiebeplastiken oder Transplantate sind nur bei großen Defektheilungen nach Infektionen erforderlich. Schwere Quetschungen der Haut, nicht selten bei minimal-invasivem Vorgehen, sind besonders gefährdend für die Wundheilung und ein kosmetisch zufriedenstellendes Ergebnis. Scharfkantige Raspeln können bei unvorsichtigem Gebrauch ebenfalls zu nachteili-
8.2.3 Frühinfekt Die häufigste Ursache für den Früh- oder Sofortinfekt ist das postoperative Hämatom. Man unterscheidet zwischen einem subkutanen und dem tiefen Gelenkhämatom. Die zweite Ursache für einen Frühinfekt sind nicht konsequent behandelte sezernierende Wunden. Die tägliche Wundkontrolle ist die Basis für alle Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Operationswunden sollten grundsätzlich am 6.€postoperativen Tag trocken sein. Persistierende Temperaturerhöhungen und nicht fallende CRP- und BSG-Werte sind besondere Warnhinweise. Die Ausprägung des Hämatoms ist für die Entscheidung zur Revision bedeutend. Frühzeitiges Eingreifen verhindert den Infekt, weil ihm der Nährboden entzogen wird. Dies gilt besonders auch für sezernierende Wunden. Frühe Revision und Säuberung mittels Spülung reduziert Keime und damit ebenfalls die Infektionsgefahr. Der geringste Verdacht muss zur Diagnostik führen. Wichtigste Maßnahme vor jeder Revision oder geplanter Antibiotikagabe ist die Punktion des Gelenks. Antibiotika sollten immer erst dann gegeben werden, wenn Material zur bakteriologischen Untersuchung sicher-
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8╅ Abb. 8.12↜ Frakturversorgung durch Implantatwechsel und Osteosynthese
333
als postoperative Komplikation zu sehen, sondern als Ereignis für sich. Die Versorgung ist in Abhängigkeit von der Fraktursituation durch Osteosynthese mit oder ohne Implantatwechsel unmittelbar herbeizuführen (Berry 2002; Wahl et€al. 2001; Abb.€8.12)
8.2.5 Instabilität und Luxation
gestellt ist. Ist dies nicht geschehen und wird eine blinde Antibiose durchgeführt, kann die Anzüchtung des verursachenden Keims anschließend unmöglich werden und eine erfolgreiche Behandlung verhindern. Beim Frühinfekt ist die Revision mit Debridement notwendig und innerhalb der ersten drei Wochen postoperativ oft unter Erhalt des Implantats erfolgreich. Später sinkt die Erfolgsrate rasant ab. Die sezernierende Wunde sollte umgehend zur Wundrevision führen, bevor überhaupt ein Infekt entstehen kann. Die sezernierende Drainageöffnung ist dagegen unproblematisch und selten Ausgangspunkt für einen Infekt. Der Frühinfekt mit klinischer Manifestation erfordert schnelles Handeln. Der Spätinfekt ist die eigentliche periprothetische Infektion, ausgehend von einer Besiedlung der Prothese, wobei zunächst klinische Zeichen fehlen.
8.2.4 Periprothetische Frakturen Intraoperativ entstandene Fissuren können postoperativ bei Belastung zur Fraktur führen. Insbesondere das Stolpern mit der Einwirkung des bis zu neunfachen des Körpergewichts überschreitet die Belastungsgrenze. Es handelt sich daher um periprothetische Frakturen bei Vorschädigung und folgendem Trauma. Die meisten periprothetischen Frakturen treten bei Prothesenlockerungen auf. Eine Fraktur, die durch ein adäquates Trauma postoperativ auftritt, ist nicht
Instabilitäten von Prothesenkomponenten, die postoperativ auftreten, sind auf vermeintliche, aber nicht ganz sichere Primärstabilität zurückzuführen (Patel et€ al. 2007). Durch die Lastaufnahme in der Mobilisationsphase kann so ein intraoperativ als stabil angesehenes Implantat in Bewegung geraten. Typisches Ereignis ist die frühe Sinterung des Prothesenstiels, die durch Torsion und Axialbelastung oder in Zusammenwirken von beiden entsteht. Im Pfannenbereich kann bei nur äquatorial vorliegendem Press-fit durch Belastung eine Verkippung der Pfanne eintreten und zur kompletten Lockerung führen. Das Ausmaß der Instabilität bestimmt das weitere Vorgehen, im Allgemeinen den Wechsel des Implantats (Daly und Morrey 1992). Die grobe Instabilität mit rezidivierenden Luxationen muss auf jeden Fall zur Revision mit Implantatwechsel führen. Primäres Einsinken der Schaftprothese kann bei bestimmten Schaftdesigns durch Verblockung eine sekundäre Stabilität erhalten. Die Abschätzung einer solchen Situation ist nicht immer einfach. Kommt es zu keinen Luxationen, sind klinische Beobachtung und kurzfristige Röntgenkontrollen notwendig. Bei zementierten Prothesen sind postoperative Instabilitäten sehr selten. Jedoch kann es bei Fehlimplantation der Pfannnenkomponente zu einer Instabilität kommen. Bei Luxationen gilt der Satz: einmal ist keinmal, zweimal ist einmal zu viel. Die direkt postoperative Luxation bei noch relaxiertem Patienten tritt gelegentlich beim unsachgemäßen Transfer vom OP-Tisch ins Bett oder auch beim Röntgen auf. Bei nicht sicherer Lagerung besteht in diesem Zustand ebenfalls Luxationsgefahr. Die Reposition und entsprechende Sicherung der Lagerung (Kissen, Keil oder Schiene) sind fast immer ausreichend. Vorausgesetzt, dass keine Implantatfehllage vorliegt, handelt es sich dabei zumeist um ein einmaliges Ereignis. Bei eindeutiger Implantatfehllage ist die Revision unerlässlich (Patel et€ al. 2007). Tritt die Luxation rezidivierend ohne besonderes auslösendes Ereignis, sozusagen als
G. Hundt
334
Gelegenheitsursache auf, ist ebenfalls die Revision notwendig. Nur bei eindeutigem Fehlverhalten mit mangelnder Compliance des Patienten kann auch eine hüftgelenkführende Orthese hilfreich sein. Die Reposition sollte immer möglichst kurzfristig durchgeführt werden, wobei die Kurznarkose ein schonungsvolles Manöver ermöglicht und sekundäre Schäden vermeidet. Selten kann bei einem Repositionsmanöver die Konus-Kopf-Verbindung gelöst werden und dann Grund für eine operative Maßnahme bilden. Allgemein ist bei den frühen Luxationen die geschlossene Reposition immer möglich und nur sehr selten muss offen reponiert werden.
8.2.6 Nachblutungen Bei der postoperativen Nachblutung sind chirurgisch und nichtchirurgisch bedingte Blutungen zu unterscheiden. Bei den chirurgisch bedingten Nachblutungen handelt es sich um arterielle oder venöse Blutungen, selten beides kombiniert. Die arterielle Nachblutung führt häufig schnell oder gar dramatisch zu klinischer Auffälligkeit, bei noch liegenden Drainagen ist optisch die arterielle Blutung erkennbar. Die Notfallrevision ist zwingend, die kurzfristige Hb-Kontrolle ist bei weniger dramatischen Fällen eine Entscheidungshilfe. Eine Analyse des Operationsverlaufs kann Hinweise auf den Entstehungsort der Blutung geben. Ist die Lokalisation unklar, kann eine Angiographie oder ein Angio-CT rasch Informationen über den Ort der Blutungsquelle geben (z.€B. bei der Differenzierung zwischen Blutungen ins kleine Becken oder extrapelvin am Hüftgelenk selbst). Venöse Blutungen sind oft mit Verzögerungen erkennbar und treten unter Umständen auch nur phasenweise auf. In Abhängigkeit von der Lage der Extremität kommt es zwischenzeitlich zum Stopp der Blutung oder zur vermehrten Blutung. Nicht chirurgisch bedingte Nachblutungen hängen mit dem Gerinnungssystem zusammen und der angewendeten Thromboseprophylaxe. Hier ist ggf. durch erweiterte Gerinnungsanalyse und hämotherapeutische Maßnahmen Abhilfe zu schaffen (s.€Kap.€8.3). Erythrozytenkonzentrate oder Vollblutkonserven sind bei Nachblutungen stets vorzuhalten, da mitunter das Ausmaß des Blutverlusts nicht abschätzbar ist.
8.3 Gerinnungsstörungen G. Hundt Eine perioperativ vermehrte Blutungsneigung ist neben lokalen Gründen entweder auf eine schon bestehende Hämostasestörung (Tab.€8.1) oder auf eine sich durch das intraoperative Blutungsgeschehen entwickelnde Verlust/- und Dilutionskoagulopathie zurückzuführen. Vereinfacht dargestellt läuft die Blutgerinnung folgendermaßen ab: Nach Aktivierung führen die Gerinnungskaskaden des intrinsischen und extrinsischen Systems zum gemeinsamen Endpunkt, der Konversion von Prothrombin zu Thrombin, das Fibrinogen zu Fibrinmonomeren spaltet. Die Fibrinmonomere werden dann unter der Wirkung von FXIIIa zu einem festen Fibringerinnsel mit Thrombozyten vernetzt. Aus analytischer Sicht stellt ein Konzept die Abläufe besser dar, das die Phasen der Gerinnung in die primäre Hämostase, die Thrombinbildung, die Gerinnselbildung und letztendlich die Lyse aufteilt. Die funktionell wichtigsten Faktoren der primären Hämostase sind die Thrombozyten und der von-Willebrand-Faktor. Die Thrombinbildung umfasst die klassischen Kaskaden des intrinsischen und extrinsischen Systems. Die Gerinnselbildung erfolgt durch die Vernetzung der Fibrinmonomere und Thrombozyten unter dem Einfluss von FXIIIa. Um die Prozesse lokal beschränkt zu halten, setzt die Fibrinolyse parallel dazu unter der Wirkung von Plasmin ein. Die primäre Hämostase wird analytisch durch die Thrombozytenzahl, Thrombozytenfunktionstests wie den PFA-100 und die quantitative Bestimmung der von-Willebrand-Faktor-Aktivität erfasst. Die Phase der Thrombinbildung stellen die klassischen Globaltests wie Quick (INR) und aPTT sowie quantitative Analysen der einzelnen Faktoren dar. Die Gerinnselbildung bildet die quantitative Bestimmung des Fibrinogens und Faktor€XIII ab. Die Fibrinolyse kann mit Hilfe der D-Dimere eingeschätzt werden.
8.3.1 H ämostasestörungen und Koagulopathien Präoperativ bestehende Hämostasestörungen (s.€ Tab. € 8.1) sind entweder angeboren oder erworben. Ohne Therapie führen sie häufig zu perioperativ vermehrten
8â•… Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement
335
Tab. 8.1↜╇ Die häufigsten Hämostasestörungen mit vermehrter Blutungsneigung Erkrankung Thrombozytenfunktionsstörungen − medikamenteninduziert − organassoziiert (Leber) − angeboren Von-Willebrand-Syndrom −╇ Typ I (quantitativ) −╇ Typ II −╇ Typ III Hämophilie A Hämophilie B
Häufigkeit in der Bevölkerung 3–4€%
Gesamt 1–2€% − ╇ davon 70€% − ╇ davon 20–30€% − ╇ sehr selten 1:5000 männliche Geburten 1:30.000 männliche Geburten
Blutungen, weshalb die präoperative Einschätzung des Blutungsrisikos einen hohen Stellenwert hat.
8.3.1.1 Präoperative Gerinnungsdiagnostik Schwerwiegende Koagulopathien, wie z.€B. Hämophilie€ A oder medikamenteninduziert unter MarcumarTherapie, sind in der Regel dem Patienten bekannt und anamnestisch leicht erfassbar. Daher ist es die Hauptaufgabe der präoperativen Gerinnungsdiagnostik, eine bis dahin nicht erkannte Koagulopathie aufzudecken und bezüglich des intraoperativen Blutungsrisikos einzuschätzen. Das Hauptproblem der laborchemischen präoperativen Gerinnungsdiagnostik, die in der Regel aus Quick (INR), PTT und Thrombozytenzahl besteht, ist die Tatsache, dass diese Gerinnungsanalysen nicht für die Einschätzung eines Blutungsrisikos konzipiert sind, sondern die Funktion einzelner Phasen der Blutgerinnung abbilden. Quick und PTT machen Aussagen über die Gerinnungskaskaden und dienen damit in erster Linie der Therapiesteuerung der hier angreifenden Antikoagulantien. Auch die Thrombozytenzahl sagt nichts über ihre Funktion aus. Deshalb sind diese Analysen als alleinige Screening-Parameter präoperativ wenig geeignet, Patienten mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu identifizieren. Der wesentlich effektivere Weg zur Erkennung von Gerinnungsstörungen ist die Erhebung einer ausführlichen Blutungsanamnese. In einer von Koscielny et€al. (2004) durchgeführten Studie konnten durch eine standardisierte Blutungsanamnese von 5649€Patienten alle Patienten mit einer relevanten Blutungsneigung erfasst werden. Von den 628€Patienten mit positiver Blutungsanamnese hatten 256 auch pathologische Gerinnungsbefunde in der Labordiagnostik. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen 162 (63,3€%) um Medikamenteneffekte. Angeborene Gerinnungsstörungen hat-
Typische Symptome Epistaxis Menometrorrhagie Zahnfleischblutungen Verlängerte Blutung nach Zahnziehen und aus Wunden, Hämatome und Ekchymose Postoperative Blutungen Postpartale Blutungen Gelenkblutungen Gelenkblutungen
ten 74€Patienten (28,9€%), davon wiederum 54 ein von Willebrand-Syndrom, das mit Quick/PTT nicht erfasst worden wäre. Bei 5021€ Patienten mit negativer Blutungsanamnese bestand auch in der Labordiagnostik kein Anhalt für eine vermehrte Blutungsneigung. Diese Tatsache hat zur Entwicklung von standarisierten Fragebögen zur Blutungsanamnese (Tab.€ 8.2 und 8.3) geführt, aus deren Antworten sich eine gezielte Gerinnungsdiagnostik ableiten lässt (Pfanner et€al. 2007). Ob diese Erkenntnisse ausreichen, bei Patienten mit einer negativen Gerinnungsanamnese präoperativ generell auf weitere Gerinnungsanalysen zu verzichten, ist aktuell Gegenstand intensiver Diskussionen. Neu aufgedeckte Koagulopathien müssen auf jeden Fall unter Hinzuziehung von Hämostaseologen genau diagnostiziert werden, um sie präoperativ und bei Bedarf intraoperativ adäquat behandeln zu können.
8.3.1.2 T herapie präoperativer Gerinnungsstörungen In den meisten Fällen sind Hämostasestörungen bekannt oder können präoperativ detektiert und dann perioperativ gezielt behandelt werden (Tab.€8.4). Weitergehende Hämostasestörungen sollten bei den elektiven Eingriffen der Endoprothetik unbedingt in enger Zusammenarbeit mit einem Hämostaseologen diagnostiziert und behandelt werden.
8.3.2 Intraoperative Gerinnungsstörungen Neben den primär chirurgischen Gründen handelt es sich bei ausgeprägten intraoperativen Blutungsproblemen um eine Koagulopathie, die durch Verlust,
[N] Nein
Gab es in Ihrer Vorgeschichte längeres/verstärktes Nachbluten beim Zahnziehen? Gab es in Ihrer Vorgeschichte eine verstärkte Blutung während oder nach Operationen? Heilen Ihre Wunden schlecht ab?
Gab/gibt es in Ihrer Familie (Blutsverwandtschaft) Fälle von Blutungsneigung? Nehmen oder nahmen Sie in letzter Zeit Medikamente zur Blutverdünnung ein? (z.€B. Marcumar®, Plavix®, Iscover®, Aspirin®, ASS®)
3
6
7a
5
4
2
1c
Blaue Flecken oder punktförmige Blutungen (auch am Körperstamm, auch ohne sich anzustoßen) Gelenksblutungen, Blutungen in Weichteile oder Muskel Beobachten Sie bei Schnittwunden und/oder Schürfwunden ein längeres Nachbluten?
1b
0
[N] Nein
[J] Ja
[J] Ja
[N] Nein
[J] Ja
[N] Nein [J] Ja
[J] Ja
[N] Nein
[N] Nein
[J] Ja [J] Ja
lutungsneigung seit B Medikamenteneinnahme
–╇ Über 5€min –╇ war Nachbehandlung nötig –╇ bei Medikamenteneinnahme –╇ Welche Operation –╇war die Blutung tatsächlich über der Norm? –╇ Lange nässend, klaffend –╇ vereitern –╇ kelloidbildung –╇ Verwandtschaftsgrad –╇ diagnose bekannt
–╇ Über 5€min –╇ typische Verletzung, Nassrasur –╇ bei Medikamenteneinnahme
–╇ Immer schon –╇ nur saisonal –╇ HNO-Befund vorhanden –╇ bei Medikamenteneinnahme –╇ arterielle Hypertonie –╇ Unfallträchtige Tätigkeiten –╇ immer schon –╇ bei Medikamenteneinnahme
[J] Ja
[J] Ja
–╇ Diagnose erfragen
Zusatzfragen und Notizen des Arztes:
[J] Ja
[J] Ja
[N] Nein [N] Nein
[N] Nein
[N] Ist bei Ihnen jemals eine BlutgerinNein nungsstörung oder Thrombose festgestellt worden? Beobachten Sie folgende Blutungsarten – auch ohne erkennbaren Grund? [N] 1a Nasenbluten (ohne andere Ursachen Nein wie Schnupfen, trockene Luft, starkes Nasenputzen etc.)
Bitte Zutreffendes ankreuzen, unterstreichen, bzw. ergänzen:
Tab. 8.2↜╇ Fragebogen zur Blutungsanamnese bei Erwachsenen. (Mod. nach Pfanner et€al. 2007)
2 4 6
2
1 2 2 1 5 5 2 2 2 2
2 2
1 4 0 2 1 2
2 3
2
Wenn JA
336 G. Hundt
Datum:
Unterschrift des/der Untersucher/in
Bitte Zutreffendes ankreuzen, [N] [J] Zusatzfragen und Notizen des Arztes: Wenn JA unterstreichen, bzw. ergänzen: Nein Ja 7b Nehmen Sie Schmerz- oder Rheuma[N] [J] mittel ein, Nein Ja auch frei verkäufliche (nicht vom Arzt verordnete)? (z.€B. Aspirin®, Thomapyrin®, Voltaren®) [N] [J] 2 –╇ Seit Menarche 8 Zusatzfrage an Patientinnen: Nein Ja Sind Ihre Monatsblutungen verlängert (>â•›7€Tage) und/oder verstärkt (häufiger Binden/Tamponwechsel)? Konsequenzen: (0) keine; (1) Medikamentenanamnese; (2) Konsultation: Gerinnungsteam; (3) Konsultation: Facharzt für HNO; (4) Konsultation: Internist; (5) Befundaushebung; (6) Konsultation: Internist/Chirurg und ev. Karenz und Bridging
Tab. 8.2↜╇ (Fortsetszung)
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•… 337
[J] Ja
[N] Nein
[J] Ja
[J] Ja
[N] Nein
Gab/gibt es in Ihrer Familie [N] (Blutsverwandtschaft) Fälle Nein von Blutungsneigung?
[J] Ja
[N] Nein
6
[J] Ja
[N] Nein
[J] Ja
5
4
3
2
1c
[N] Nein
[J] Ja
Blaue Flecken oder punktförmige Blutungen (auch am Körperstamm, auch ohne sich anzustoßen) Gelenksblutungen, Blutungen in Weichteile oder Muskel Beobachten Sie bei Schnittwunden und/oder Schürfwunden ein längeres Nachbluten? Gab es in der Vorgeschichte längeres/verstärktes Nachbluten beim Zahnziehen? Gab es in der Vorgeschichte eine verstärkte Blutung während oder nach Operationen, bzw. längeres Bluten aus der Nabelwunde? Heilen die Wunden Ihres Kindes schlecht ab?
1b
[N] Nein
Bitte Zutreffendes ankreuzen, unterstreichen bzw. [N] [J] ergänzen: Nein Ja [N] [J] 0 Ist bei Ihrem Kind jemals Ja eine Blutgerinnungsstörung Nein oder Thrombose festgestellt worden? Beobachten Sie bei Ihrem Kind folgende Blutungsarten – auch ohne erkennbaren Grund? [J] 1a Nasenbluten (ohne andere [N] Nein Ja Ursachen wie Schnupfen, trockene Luft, starkes Nasenputzen etc.)
Tab. 8.3↜╇ Fragebogen zur Blutungsanamnese bei Kindern. (Mod. nach Pfanner et€al. 2007)
2 3 1 4
–╇ Immer schon –╇ nur saisonal –╇ HNO-Befund vorhanden –╇bei Medikamenteneinnahme –╇ arterielle Hypertonie –╇ Ist Ihr Kind sehr „lebhaft“ –╇ohne jeglichen Zusammenhang mit Anstoßen, Zwicken etc. –╇ immer schon
–╇ Lange nässend, klaffend –╇ vereitern –╇ kelloidbildung –╇ Verwandtschaftsgrad –╇ diagnose bekannt?
–╇ Über 5€min –╇ war Nachbehandlung nötig –╇ bei Medikamenteneinnahme –╇ Welche Operation –╇war die Blutung tatsächlich über der Norm
–╇ Über 5€min –╇ bei welchen Verletzungen
2
–╇ Diagnose erfragen
2 2 2 2
2 2 1 5 5 2
2 2 1
2
0 2 1
Wenn JA
Zusatzfragen u. Notizen des Arztes:
338 G. Hundt
Datum:
Unterschrift des/der Untersucher/in
Bitte Zutreffendes ankreuzen, unterstreichen bzw. [N] [J] Zusatzfragen u. Notizen des Arztes: Wenn JA ergänzen: Nein Ja [J] –╇Blutungsneigung seit 2 7 Nimmt oder nahm Ihr Kind [N] Ja 4 in letzter Zeit eines der fol- Nein Medikamenteneinnahme 6 genden Medikamente ein? (z.€B. ASS®, Aspirin®, Voltaren®) [J] –╇ Seit Menarche 2 8 Zusatzfrage bei Mädchen in [N] Nein Ja der Pubertät: Sind die Monatsblutungen Ihrer Tochter verlängert (>â•›7€Tage) und/oder verstärkt (häufiger Binden/ Tamponwechsel)? Konsequenzen: (0) keine; (1) Medikamentenanamnese; (2) Konsultation: Gerinnungsteam; (3) Konsultation: Facharzt für HNO; (4) Konsultation: Internist; (5) Befundaushebung; (6) Konsultation: Internist/Chirurg und evtl. Karenz
Tab. 8.3↜╇ (Fortsetzung)
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•… 339
G. Hundt
340 Tab. 8.4↜╇ Diagnostik und Therapie häufiger Hämostasestörungen Erkrankung
Diagnostik
Therapie
Thrombozytenfunktionsstörungen –╇ medikamenteninduziert –╇ organassoziiert (Leber) –╇ angeboren Thrombozytopenien –╇ medikamenteninduziert –╇ organassoziiert –╇ angeboren Therapie mit Cumarin-Derivaten
PFA-100 verlängert Minirin-Test
Absetzen der Medikation Karenzzeit, b.€Bd. Umstellung auf NMH Minirin-Gabe Thrombozytensubstitution Absetzen der Medikation und Karenzzeit Thrombozytensubstitution
Therapie mit Heparinen Unfraktioniert NMH Von-Willebrand-Syndrom –╇ Typ I (quantitativ) –╇ Typ II –╇ Typ III
PTT verlängert Anti-Xa-Aktivität erhöht
Thrombozytenzahl
Quick erniedrigt INR erhöht
Hämophilie A
PFA-100 verlängert Minirin-Test Ristocetin-Faktor-Aktivität vWF-Antigen Faktor-VIII-Aktivität Faktor-VIII-Aktivität
Hämophilie B
Faktor-IX-Aktivität
Verbrauch und Verdünnung von Gerinnungsfaktoren hervorgerufen wird. Die Entstehung dieser Koagulopathie ist auch Folge der Änderung der Transfusionspraxis der letzten 20€Jahre. Zu Zeiten der Vollbluttransfusion wurden alle Blutbestandteile außer den instabilen Faktoren (FV, FVIII, VWF) in ausgewogenem Verhältnis transfundiert. Zu dieser Zeit stellte die Thrompozytopenie die häufigste Gerinnungsstörung im Rahmen von Massivtransfusionen dar. Die Separation des Blutes bei der Substitution in seine korpuskulären und plasmatischen Bestandteile und der primäre Einsatz der Kolloide zur Aufrechterhaltung des intravasalen Volumens haben die Verhältnisse zu Ungunsten des Hämostasepotentials verändert. Definitiv haben dann die ausgefeilten Strategien zur Vermeidung von Fremdbluttransfusionen dazu geführt, dass intraoperativ sowohl das intravasale Volumen, als auch Hb und Hämatokrit problemlos kompensiert gehalten werden können, ohne gleichzeitig plasmatische Gerinnungsfaktoren zu substituieren. Solange die primär chirurgischen Blutungen im Rahmen bleiben, ist das auch kein Problem, da Reserven im Gerinnungspotential in hohem Maße vorhanden sind. Erst bei größeren Blutverlusten entwickelt
Absetzen der Medikation und Karenzzeit, Umstellung auf UFH/NMH (Bridging) Vitamin-K-Substitution PPSB, FFP Absetzen der Medikation und Karenzzeit Antagonisierung mit Protamin Minirin-Gabe vWF-Substitution Faktor-VIII-Substitution
Faktor-VIII-Substitution Minirin-Gabe Faktor-IX-Substitution
sich regelhaft eine Koagulopathie, wenn primär das verlorene Blutvolumen durch kristalloide und kolloidale Volumenersatzmittel sowie Erythrozytenkonzentrate ersetzt wird. Darunter kommt es nach dem primären Verlust und Verbrauch zusätzlich zu einer Verdünnung der plasmatischen Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. Der Abfall der gerinnungsaktiven Bestandteile des Blutes erfolgt nicht gleichmäßig. Zuerst fällt das Fibrinogen ab, es folgen Prothrombinkomplex, Faktor€V und VII, zuletzt kommt es zu einer Thrombopenie. Unterschreiten die prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren kritische Grenzen, ist eine suffiziente Gerinnung nicht mehr gewährleistet und es kommt zu einer diffusen Blutungsneigung, die chirurgisch nicht beherrscht werden kann. Aufgrund des komplexen multifaktoriellen Geschehens ist es im Einzelfall häufig schwierig, die Entwicklung der Gerinnungsproblematik abzuschätzen. Vor allem eine allein am verlorenen Blutvolumen orientierte Einschätzung ist unter Umständen fehlerhaft. Folgende Faktoren spielen zusätzlich eine Rolle für das Auftreten einer klinisch bedeutsamen intraoperativen Koagulopathie (Lier et€al. 2007):
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
• Ein individuelles Hämostasepotential, das sich präoperativ bei niedrig normalen Konzentrationen klinisch und laborchemisch vollkommen unauffällig darstellt, intraoperativ aber verfrüht zu einer Verlustkoagulopathie führen kann. • Da die Gerinnung hauptsächlich aus enzymatisch gesteuerten Schritten besteht, sind eine Körpertemperatur über 34€°C, ein pH-Wert >â•›7,15 und ein ionisiertes Kalzium >â•›0,9€mmol/l wichtige Faktoren der intraoperativen Hämostase. • Erythrozyten spielen durch die Margination der Thrombozyten im Gefäß und Bereitstellung von ADP zur Aktivierung der Thrombozyten eine wichtige Rolle bei der primären Hämostase. Bei einem HKT unter 30€% muss mit einer relevanten Beeinträchtigung der Gerinnung gerechnet werden und stellt aus hämostaselogischer Sicht eine Indikation zur Erythrozytensubstitution bei persistierender Blutungssituation dar. • Kolloide Volumenersatzmittel führen nicht nur durch Verdünnungseffekte, sondern auch durch Beeinträchtigung der Interaktion zwischen Thrombozyten und Gefäßendothel (HAES) und Störung der Fibrinogenpolymerisation (Gelatine und HAES) zu einer Verminderung des Gerinnungspotentials.
8.3.2.1 Intraoperative Gerinnungsdiagnostik Die Problematik der intraoperativen Gerinnungsdiagnostik stellt sich gänzlich anders dar als präoperativ. Nach gewissenhafter präoperativer Gerinnungsdiagnostik sind intraoperative Blutungsprobleme nur in Ausnahmefällen auf präoperativ nicht detektierte Gerinnungsstörungen zurückzuführen. Durch die hohe Dynamik starker intraoperativer Blutungen können sie an dieser Stelle auch nicht mehr diagnostiziert werden. Das intraoperative Gerinnungsmonitoring im Hinblick auf die Entwicklung einer Dilutionskoagulopathie ist aus mehreren Gründen schwierig: • Klinische Faustregeln zur Berechnung hämostaseologisch kritischer Blutverluste stammen nicht nur größtenteils aus der Vollblutära, sondern sind auch klinisch nie evaluiert worden. • Synthetische Kolloide zur Volumensubstitution beeinflussen optische Gerinnungstests, v.€ a. die Fibrinogenmessung nach Clauss im Sinne falschpositiver Ergebnisse. • Standardlaboranalysen sind aufgrund von zeitlichen Verzögerungen von mindestens 25€ min in einer akuten Blutungssituation nie aktuell. Außer-
341
dem bergen sie methodische Probleme (siehe präoperative Gerinnungsdiagnostik). Vor allem der letzte Punkt hat dazu geführt, dass momentan der Einsatz von Point-of-Care-Systemen im Operationssaal als Lösungsansatz intensiv diskutiert wird (Lang und von Depka 2006). Das zurzeit ausgereifteste System stellt die Thrombelastometrie (ROTEM®, Pentapharm, München), eine Weiterentwicklung der klassischen Thrombeleastographie nach Hartert dar. Auch wenn diese Methode natürlich nicht die ganze Komplexität der Gerinnung darstellen kann, hat sie doch einige wesentliche Vorteile für das intraoperative Gerinnungsmonitoring: • Es handelt es sich um eine funktionelle Methode, die kontinuierlich mechanisch die Gerinnselfestigkeit im Vollblut von der Aktivierung der Gerinnung über die Thrombinbildung bis zur Fibrinpolymerisation und schließlich Fibrinolyse darstellt. • Durch Verwendung von Aktivatoren liegen nach 10€min Messzeit die ersten Ergebnisse vor. • Der Einsatz von modifizierenden Reagentien erlaubt eine Differentialdiagnose zwischen Faktorenmangel, Heparinwirkung, Fibrinogenmangel, Hyperfibrinolyse und Thrombozytopenie. Dem stehen jedoch zwei Probleme gegenüber: • Das System stellt einen zusätzlichen Kostenfaktor dar, wenn das Labor die Standardgerinnungsanalysen vorhält. Dieses lässt sich aber möglicherweise durch Kostenersparnisse bei rationellerer Gerinnungssubstitution kompensieren (Spalding et€ al. 2007). • Nur durch eine ausreichende Einsatzfrequenz kann die Routine bei sonst nicht mit Laboranalysen befasstem Personal aufrechterhalten werden. Ein möglicher Ausweg ist hier, die Thrombelastometrie unter entsprechend kurzer logistischer (Rohrpost) und Online-Anbindung (zur Ergebnisübermittlung) im Zentrallabor durchzuführen. Letztendlich wird in den meisten Kliniken zum momentanen Zeitpunkt die Standarddiagnostik mit Quick (INR), PTT, Fibrinogen, AT€III und Thrombozytenzahl durchgeführt werden. Auch wenn mit diesen Parametern keine Leitlinien für eine perioperative Gerinnungssubstitution bestehen, wird häufig pragmatisch die sog. „50er Regel“ als Zielgröße (Thrombozyten >â•›50.000/µl, Quick >â•›50€%, aPTT <â•›50€s und Fibrinogen >1€ g/l) angewandt (Tab.€ 8.5). Man muss aber unbedingt im Auge behalten, dass diese Werte die
G. Hundt
342
Tab. 8.5↜╇ Zielgrößen für die perioperative Substitutionstherapie bei Massenblutungen. (Mod. nach Hardy et€al. 2004)
Parameter Thrombozyten Quick aPTT Fibrinogen
Zielwert >â•›50.000/µl >â•›50€% 50€s >â•›1€g/l
absoluten unteren Grenzwerte darstellen (Hardy et€al. 2004).
8.3.2.2 T herapie der intraoperativen Koagulopathie Zur Therapie der intraoperativen Koagulopathie und den dabei eingesetzten Präparaten liegen keine validen prospektiven Studien vor. Das gilt sowohl für den Einsatz von Frischplasma (FFP) als auch für die Verabreichung von Faktorenkonzentraten. Dem steht der millionenfache Einsatz von FFP und Faktorenkonzentraten gegenüber, der klinisch in der Regel offensichtlich zum Erfolg führt. Auch liegen zahlreiche Leitlinien von Fachgesellschaften vor (American Society of Anaesthesiologists Task Force on Blood Component Therapy 1996; British Committee for Standards in Haematology, Blood Transfusion Task Force 2004; Bundesärztekammer 2005), die sich aber bei der unzureichenden Studienlage hauptsächlich auf jahrzehntelange Erfahrungen beim Einsatz der Produkte, Expertenmeinungen und Beobachtungsstudien stützen müssen (Heindl und Spannagl 2006). Es lassen sich aber einige Grundaussagen treffen: • Für den Einsatz von gerinnungsaktiven Substanzen muss immer eine klar erkennbare Indikation vorliegen. Die klinische Situation ist die Entscheidungsgrundlage in Verbindung mit den Laborwerten. Ohne mikrovaskuläre Blutungsneigung keine Therapie von Laborwerten! • Wegen der niedrigen Konzentrationen der einzelnen Gerinnungsfaktoren (insgesamt max. 0,03€g/l) im Frischplasma wird FFP zur Substitution von Gerinnungsfaktoren in der Regel unterdosiert. Wenn man sich an die Leitlinien der Bundesärztekammer für Verlust- und Dilutionskoagulopathie hält (15–20€ ml/kg/KG), bedeutet dies bei einem normalgewichtigen Patienten schon primär die Gabe von 1000–1500€ ml FFP. Chowdhury et€ al. (2004) konnten aber nachweisen, dass erst die Substitution von 30€ml/kg KG FFP zu einem suffizienten Anstieg erniedrigter Gerinnungsfaktoren führt. Diese hohe Volumenbelastung kann weitere
Anmerkungen Entspricht <╛1,5fach des Normwerts bzw. INR€1,5 Entspricht <╛1,5fach des Normwerts Cave: falsch zu hohe Werte unter Kolloidtherapie
Probleme aufwerfen. Auf der einen Seite ist sie bei Massivtransfusionen, z.€ B. nach Polytrauma, Teil der Volumensubstitution, kann aber auf der anderen Seite, z.€B. bei Herzinsuffizienz, kardiale Probleme bereiten. Außerdem birgt die Bereitstellung erhebliche logistische Probleme (Auftauzeit 20–30€min!). • Gerinnungskonzentrate bieten den Vorteil, dass eine genau definierte, hoch konzentrierte Menge eines oder mehrerer Faktoren schnell und effektiv verabreicht werden kann. Auch liegen in der Regel Formeln zur Bestimmung der Substitutionsmenge vor (Fibrinogen [g]: Erwünschter Anstieg [g/l]â•›×â•›Plasmavolumen, PPSB [I.E.]: erwünschter Anstieg [%]â•›×â•›kg KG). • Laborchemische Zielwerte für das perioperative Gerinnungsmanagement beim blutenden Patienten sind zwar definiert, in der konkreten Situation stellt sich aber die Frage, inwieweit das vorliegende Labor das aktuelle Gerinnungspotential noch repräsentiert oder die Dynamik der Blutung und eventuelle Vorbelastungen des Patienten die Situation wieder vollständig verändert haben. • Vollständig ungeklärt sind die wirtschaftlichen Aspekte der Hämotherapie bei perioperativen Gerinnungsstörungen. Vordergründig spricht wegen der geringeren Stückkosten viel für die Substitution mit FFP. Aber schon die hohen Substitutionsmengen relativieren diesen Effekt erheblich. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob nicht durch eine frühzeitige effektive Therapie der intraoperativen Gerinnungsstörung erhebliche Einsparungen beim Transfusionsbedarf insgesamt erzielt werden können. Leider liegen noch keinerlei Berechnungen zu diesen Fragestellungen vor. Aus dem bisher Gesagten wird klar, dass bei starken intraoperativen Blutungen eine schablonenhafte, in einfache Algorithmen gefasste Substitutionstrategie nicht vorgegeben werden kann. Optimal wäre eine auf aktuelle Laborwerte gestützte, gezielte Substitutionstherapie. In den meisten Kliniken werden aber Pointof-care-Methoden, die eine zeitgerechte Diagnostik des intraoperativen Gerinnungsstatus erlauben, nicht
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
Tab. 8.6↜╇ Kriterien zur Beurteilung postoperativer Nachblutungen. (Mod. nach Tiede 2007)
343
Lokal-Chirurgisch
Gerinnungsstörung
Früher Beginn (<â•›24€h) Blutung an einem einzelnen Ort
Später Beginn (>â•›48€h) Multiple Blutungslokalisationen (Einstichstellen, Hämatome, Schleimhaut, Urogenitaltrakt) Mehrzeitige Blutungen Langsam persistierende Nachblutung
Plötzlicher, massiver Blutungsbeginn Pulsatile Blutung (arteriell)
zur Verfügung stehen. Deshalb ist ein pragmatisches Vorgehen mit frühzeitiger Gerinnungsdiagnostik mit den Parametern Quick (INR), aPTT, Fibrinogen, Hb, Hkt und Thrombozytenzahl angezeigt. Sobald eine vermehrte Blutungsneigung, die chirurgisch nicht erklärbar ist, sichtbar wird, muss die Substitutionstherapie beginnen. Hier ist die adäquate Kommunikation zwischen Operateur und substituierendem Anästhesisten essentiell. Wenn Volumenstatus und kardiale Risikoeinschätzung dies erlauben, sind in der Anfangsphase FFP indiziert. Beim normalgewichtigen Patienten ist primär die Gabe von mindestens vier FFP notwendig. Frühzeitig muss an die Gabe von Fibrinogen gedacht werden, um die Fibrinogenspiegel kontinuierlich bei mindestens 1€g/l zu halten. Weitere Zielgrößen für eine suffiziente Gerinnung sind Thrombozyten von mindestens 50.000/l (bei Thrombopathien 100.000/l), ein Hb über 9,0 und Hkt über 30€%. Wichtig ist bei dem multifaktoriellen Geschehen, bei dem häufig mehrere Störungen gleichzeitig auftreten, auch die Körperkerntemperatur über 34€°C, den pH-Wert über 7,15 und das ionisierte Kalzium über 0,9€mmol/l zu halten. Bei Patienten ohne angeborene Gerinnungsstörungen treten unter suffizienter FFP-Substitution relevante Defizite aller anderen prokoagulatorischen Einzelfaktoren außer Fibrinogen in der Regel erst bei Blutverlusten >â•›200€ % des Blutvolumens auf. Da sie erst spät klinisch relevant werden, sollte die Substitutionstherapie von Einzelfaktoren erst nach vorheriger Diagnostik beginnen. In erster Linie betroffen sind die Prokoagulatoren des Prothrombinkomplexes, die mit PPSB nach Quick-Wert (INR) substituiert werden. Bleiben die Gerinnungstests darunter pathologisch, kommen auch Defizite der Faktoren VIII, V und XI– XIII in betracht. Die Faktoren VIII und XIII können gezielt mit Konzentraten substituiert werden, die restlichen global mit weiteren FFP. Anders stellt sich die Situation bei Patienten mit positiver Gerinnungsanamnese dar, bei denen immer entsprechend der Grundstörung gezielt substituiert wird.
Bei den elektiven Operationen in der orthopädischen Chirurgie sind Hyperfibrinolysen sicher ein seltenes Ereignis, trotzdem sollte bei prolongierter Blutungsneigung, vor allem bei Patienten mit entsprechender Vorbelastung (z.€B. Leberfunktionsstörungen) an diese Möglichkeit gedacht werden. Neben der Therapie mit Antifibrinolytika (Tranaexamsäure) muss dann auch Fibrinogen nachsubstituiert werden. Ein neuer Therapieansatz im Sinne eines „Trouble-Shooting“ bei lokaler, chirurgisch nicht beherrschbarer Blutung ist der Einsatz von rekombinantem Faktor VIIa. Rekombinanter FVIIa wird nur lokal wirksam, da er als Kofaktor den Tissue-Faktor (TF) benötigt, der nur durch das chirurgische Gewebetrauma freigesetzt wird. In supraphysiologischen Konzentrationen von FVIIa bindet sich der Komplex direkt an aktivierte Thrombozyten und aktiviert so unter Umgehung der Gerinnungskaskaden Faktor X. Auf diesem Weg kommt es sofort zur verstärkten Thrombinbildung (Thrombinburst). Ursprünglich zur Therapie der Hemmkörperhämophilie zugelassen, ist der klinische Einsatz von rFVIIa bei unstillbaren Massivblutungen bis jetzt aber nur in wenigen Fallberichten beschrieben (Martinowitz et€ al. 2001; White et€al. 1999). Er kann deshalb mangels Zulassung nur bei lebensbedrohlichen Blutungen, die anders nicht zu beherrschen sind, im Sinne eines individuellen Therapieversuchs eingesetzt werden. Aus dem Wirkmechanismus ergibt sich als Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit, dass die Thrombozytenzahl mindestens 20.000/µl und das Fibrinogen 50 besser 100€mg/ dl betragen muss.
8.3.3 Postoperative Nachblutung Postoperativ sind Gerinnungsstörungen nur relevant, wenn sie zu postoperativen Blutungskomplikationen führen. Zuerst muss der Frage nachgegangen werden, ob es sich um eine lokale, chirurgisch beherrschbare oder hämostaseologische Ursache handelt (Tab.€ 8.6).
M. Schmidt
344
Ist eine chirurgische Ursache ausgeschlossen, müssen bei Patienten mit bekannter hämorrhagischer Diathese die Defizite kurzfristig abgeklärt und gezielt substituiert werden. Bei leerer Gerinnungsanamnese ist primär ein Vorgehen wie bei intraoperativen Gerinnungsproblemen angezeigt. Führt dieses vor allem nach Massivtransfusionen nicht zum spürbaren Rückgang der Blutungsneigung ist vor allem die differentialdiagnostische Abklärung der Defizite einzelner Gerinnungsfaktoren wichtig. Besonders schwierig ist die Situation, wenn sich postoperativ eine angeborene Gerinnungsstörung und Dilutionskoagulopathie überlagern. Eine genaue differentialdiagnostische Abklärung ist dann vor allem bei hoher Blutungsdynamik nicht möglich, zumal die üblichen Referenzwerte hier keine Aussagekraft haben. So sind z.€ B. vWF, FVIII und Fibrinogen postoperativ physiologisch erhöht. Das bedeutet, dass in diesem Moment Normalwerte Hypokoagulabilität bedeuten. Oft bleibt einem dann nichts anderes übrig, als unter einer Verdachtsdiagnose zu substituieren.
8.4 Transfusionskomplikationen
Transfusionsreaktionen durch bakterielle Kontamination sowie transfusionsassoziierte Infektionen (Kleinmann et€al. 2003; Tab.€8.7). Häufigste Ursache schwerwiegender unerwünschter Ereignisse ist allerdings eine AB0-Inkompatibilität infolge von Verwechslungen. In Deutschland gibt es für die Meldung unerwünschter Wirkungen, die auf einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch zurückgehen (z.€ B. Verwechslungen) kein zentrales Register. Zahlen aus England belegen, dass für 70€ % der Transfusionszwischenfälle und 21€ % derjenigen mit Todesfolge die Ursache der nicht bestimmungsgemäße Gebrauch einer Blutkonserve war (Serious Hazards of Transfusion 2005). Eigene Erfahrungen lassen ein ähnliches Bild in Deutschland vermuten. Gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen zur Qualitätssicherung sollten deswegen nicht zum leeren Formalismus gereichen, sondern sich z.€B. durch regelmäßige Schulung aller am Transfusionsprozess Beteiligten mit den tatsächlichen Bedingungen im Krankenhaus auseinandersetzen.
8.5 Thrombose und Embolie M. Schmidt
M. Schmidt Der elektive operative Hüftgelenksersatz hat auch bei regelhaftem Operationsverlauf eine Bluttransfusionswahrscheinlichkeit von mindestens 10€ %. Die Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) schreiben in diesem Fall vor, dass „der Patient über das Risiko allogener Bluttransfusionen aufzuklären und rechtzeitig auf die Möglichkeit der Anwendung autologer Hämotherapieverfahren hinzuweisen und über den Nutzen und das Risiko der Entnahme und Anwendung von Eigenblut individuell aufzuklären“ ist (Bundesärztekammer 2005). Die allogene Bluttransfusion (Fremdblutgabe) kann mit unerwünschten Wirkungen einhergehen. Die wichtigsten sind akute und verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen, febrile (nichthämolytische) Reaktionen, allergische und anaphylaktische Reaktionen, transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz (TRALI), posttransfusionelle Purpura (PTP), transfusionsassoziierte Graft-versus-Host-Disease (taGvHD),
Operative Eingriffe am Hüftgelenk gehen mit einem hohen Thromboembolierisiko einher. Vor der Einführung der subkutanen Heparinisierung in die postoperative Thromboseprophylaxe waren tiefe Beinvenenthrombose und nachfolgende Lungenembolie gefürchtete Komplikationen. So betrug die Inzidenz für das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose beim elektiven Hüftgelenksersatz 40–60€ % und bei der operativen Versorgung einer Hüftgelenksfraktur 50–60€%. Das Risiko für das Auftreten einer Lungenembolie durch einen verschleppten Embolus betrugt beim elektiven Hüftgelenksersatz 1–28€%, bei der operativen Versorgung einer Hüftgelenksfraktur 3–11€%, die der tödlichen Embolien betrug bis zu 2€ % bzw. 7,5€ % (Geerts et€ al. 2004). Für die höhere Inzidenz tiefer Beinvenenthrombosen und nachfolgender Lungenembolien mit und ohne tödlichen Ausgang sind bei Patienten nach Fraktur das Patientenalter und der zeitliche Abstand vom Auftreten der Fraktur bis zur Operation verantwortlich zu machen.
Meist AB0-inkompatible Transfusion von Erythrozyten
Antikörper gegen Blutgruppenantigene, die zum Zeitpunkt der Kreuzprobe nicht mehr nachweisbar sind; bei erneuter Exposition kommt es zu einer verzögerten Hämolyse 5–14€Tage nach Transfusion 1) Freisetzung von Zellinhaltsstoffen (z.€B. Zytokinen) während Herstellung und Lagerung 2) Antileukozytäre Antikörper des Empfängers IgE-Antikörper im Empfängerserum gegen Plasmaproteine des Spenders; selten: Anti-IgA bei Patienten mit selektivem IgA-Mangel
Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp
Hämolytische Transfusionsreaktion vom verzögerten Typ
Thrombozytenspezifische Alloantikörper im Empfängerserum (vorwiegend Multipara); schwere Thrombozytopenie etwa 1 Woche nach Transfusion Transfusionsassoziierte Graft-versus-Host- Übertragung proliferationsfähiger T-LymDisease (taGvHD) phozyten des Spenders auf einen (immuninkompetenten) Empfänger; Symptomatik tritt 4–30€Tage nach Transfusion auf Transfusionsassoziierte akute LungeninLeukozytäre Antikörper im Spendersuffizienz (TRALI) plasma (seltener im Empfängerplasma); Dyspnoe, Lungenödem während oder bis 6 Stunden nach Transfusion Transfusionsreaktionen durch bakterielle Bakterielle Kontamination einer BlutKontamination komponente. Symptome einer septischen Reaktion bis zum septischen Schock während der Transfusion
Posttransfusionelle Purpura
Allergische Transfusionsreaktionen (Urtikaria, anaphylaktischer Schock)
Febrile, nichthämolytische Transfusionsreaktion
Ätiologie, Vorkommen
Unerwünschte Wirkung
Maßnahmen, Prophylaxe Identität von Präparat und Empfänger prüfen; Wiederholung der AB0-Bestimmung; Sicherstellung der renalen Ausscheidung; Überwachung des Gerinnungsstatus; Schockbehandlung; Prophylaxe: Bedside-Test Symptomorientierte Überwachung des Patienten; Prophylaxe: Befunde über irreguläre Blutgruppenantikörper immer in einen Notfallausweis eintragen und lebenslang berücksichtigen Antipyretika
1:104
Sicherstellung der Vitalfunktionen; Prophylaxe: Suche nach leukozytären Antikörpern bei Spender und Empfänger Ausschluss einer hämolytischen Sofortreaktion; Schockbehandlung; Mikrobiologische Kulturen aus Blutkomponenten und Empfängerblut, ggf. gezielte antibiotische Therapie
1:104 bis 1:105
<â•›1:106
Einzelfälle
Einzelfälle
Stadienbezogene Behandlung allergischer Reaktionen; Prophylaxe: Antihistaminika, Gabe gewaschener Erythrozyten und Thrombozyten bei Patienten mit IgA-Mangel Hochdosiert ivIG (0,4€g/kg KG); Prophylaxe: ggf. Erythrozyten- und Thrombozytentransfusion von im HPA-System kompatiblen Spendern In der Regel tödlicher Ausgang Prophylaxe: Gamma-Bestrahlung aller Blutkomponenten (30€Gy)
ca. 1€% Mit schwerem Verlauf: 1:105
Exakte Daten sind nach Einführung der allgemeinen Leukozytendepletion nicht verfügbar (<â•›1€%)
1:104 bis 1:105 Mit tödlichem Ausgang: 1:106
bis Mit tödlichem Ausgang: 1:5 bis 10â•›×â•›105
1:105
Risiko je transfundierte Einheit
Tab. 8.7↜╇ Unerwünschte Wirkungen von Blutkomponenten. (Mod. nach Bundesärztekammer 2003)
8â•… Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 345
M. Schmidt
346 Verdacht auf TVT
Nachweis
Kompressionssonographie
Verdacht auf LE
Klinische Wahrscheinlichkeit [Klinik, Vitalparameter, BGA, EKG, Rö-Thorax, Echo]
Ausschluss
mittel + hoch Szintigraphie order Spiral-CT
unklarer Befund
Nachweis
Phlebographie
gering keine weitere Diagnostik Thromboseprophylaxe
Ausschluss
Abb. 8.13↜ Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf tiefe Beinvenethrombose (TVT)
Diesem hohen Thromboembolierisiko bei operativen Eingriffen am Hüftgelenk wird durch den Einsatz geeigneter Maßnahmen zu ihrer Prophylaxe Rechnung getragen. Hierzu liegen ausführliche Empfehlungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften vor (Encke et€al. 2003; Geerts et€al. 2004). Durch den Einsatz der hier empfohlenen niedermolekularen Heparine kann die Inzidenz von tiefen Beinvenenthrombosen auf 9€ % bei der elektiven Hüftgelenksimplantation und 14€ % bei der operativen Versorgung einer Hüftgelenksfraktur gesenkt werden. Die Inzidenz tödlicher Lungenembolien beträgt bei beiden Eingriffen 0,3€% (Lassen et€al. 2002).
8.5.1 D iagnostik der tiefen Beinvenenthrombose Die Diagnostik der tiefen Beinvenenthrombose aufgrund klinischer Zeichen und Symptome nach chirurgischen Eingriffen am Hüftgelenk ist unzuverlässig. Deshalb sollte bei Verdacht auf eine Thrombose zum objektiven Nachweis oder Ausschluss unverzüglich eine apparative Diagnostik eingesetzt werden (Abb.€8.13). Die wichtigste diagnostische Methode ist die Kompressionssonographie. Sie erreicht bei symptomatischer proximaler Venenthrombose eine Sensitivität und Spezifität zwischen 95 und 100€ %. Für die Unterschenkelvenenthrombose können ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden. Voraussetzungen sind die Verwendung hochauflösender Ultraschallgeräte, ein standardisierter Untersuchungsgang und ein erfahrener Diagnostiker. Die Indikation zur Phlebographie ist vor allem bei unklaren Fällen und bei klinischen Studien gegeben (Interdisziplinäre S 2-Leitlinie 2005).
Nachweis
Ausschluss
Abb. 8.14↜ Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf Lungenembolie (LE)
8.5.2 Diagnose der Lungenembolie Auch die klinische Diagnose der Lungenembolie kann sich schwierig gestalten, da die einzelnen Symptome für sich betrachtet vieldeutig sein können (Abb.€8.14). Die häufigsten Symptome sind plötzlich auftretende Dyspnoe, Thoraxschmerz und Synkope. Der Auskultationsbefund der Lunge ist charakteristischerweise ohne Auffälligkeiten. Ein im EKG nachweisbarer plötzlicher Wechsel vom Sinusrhythmus zu Vorhofflimmern kann ebenso ein Symptom sein wie das Auftreten von Hämoptysen. Je nach Größe des durch einen Embolus verschlossenen Areals der Lungenstrombahn kommt es zu einem mehr oder weniger starken Abfall der Sauerstoffsättigung. Echokardiographisch lässt sich die rechtsventrikuläre Druckbelastung und Dysfunktion durch die Messung des PA-Drucks nachweisen. Sie stellt den entscheidenden Faktor für das Auftreten einer hämodynamischen Instabilität (kardiogener Schock) und damit für einen ungünstigen klinischen Verlauf der Lungenembolie in der Akutphase dar. Röntgenologisch lässt sich zuweilen ein einseitiger Zwerchfellhochstand erkennen. Zur Basisdiagnostik zählen die Vitalparameter, Röntgen-Thoraxaufnahmen, ein EKG und die Blutgasanalyse. Jeder Parameter für sich betrachtet bleibt unzureichend. Alle zusammen sind aber geeignet, einen Gesamteindruck von der Situation zu vermitteln. Es bedarf jedoch einer weiterführenden Diagnostik, zu der sich vor allem die bildgebenden Verfahren der Computertomographie oder Magnetresonanztomographie eignen. Deren Sensitivität und Spezifität liegen jeweils über 90€ % und sind mit denen der früher als Goldstandard geltenden
Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement 8â•…
347
Tab. 8.8↜╇ Antikoagulanzien zur Therapie der tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie NM-Heparin
Präparat
Therapie der tiefen Beinvenenthrombose Certoparin Mono-Embolex Therapie® Dalteparin Fragmin® Enoxaparin Tinzaparin Nadroparin Pentasaccharid Fondaparinux
Clexane® Innohep® Fraxiparin® Arixtra®
Therapie der Lungenembolie Enoxaparin Clexane® Tinzaparin Innohep® Arixtra® Pentasaccharid Fondaparinux
Pulmonalisangiographie gleichzusetzen (Baile et€ al. 2000). Diese guten Ergebnisse haben dazu geführt, dass neben der Pulmonalisangiographie auch die früher gebräuchliche nuklearmedizinische Diagnostik mittels Lungenperfusionszintigraphie deutlich an Bedeutung für die Diagnostik einer Lungenembolie eingebüßt hat. Die zum Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie zur Verfügung stehende Methode der Bestimmung des Fibrinspaltprodukts D-Dimer ist in den ersten vier Wochen nach Operationen zur Ausschlussdiagnostik nicht hilfreich, da sie als Folge des chirurgischen Eingriffs stets erhöht ist (Kearon et€al. 2005; Wells et€al. 2003).
8.5.3 B ehandlung der tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie Bei Nachweis einer Thrombose oder Lungenembolie erfolgt die Behandlung nach klaren nationalen und internationalen Richtlinien (Büller et€ al. 2004; Interdisziplinäre S 2-Leitlinie 2005). Eine gesicherte tiefe Beinvenenthrombose erfordert eine sofortige und suffiziente Antikoagulation mit dem Ziel, eine Thrombusprogredienz und das Auftreten einer Lungenembolie zu verhindern. Die therapeutische Vorgehensweise bei der Lungenembolie richtet sich nach der hämodynamischen Stabi-
Dosierung
2-mal 8000€IE 1-mal 200€IE/kg/KG 2-mal 100€IE/kg/KG 2-mal 1€mg/kg/KG 1-mal 175€IE/kg/KG 2-mal 0,1€ml/10€kg/KG 1-mal 7,5€mg <╛50€kg 5€mg >╛╛100€kg 10€mg 2-mal 1€mg/kg/KG 1-malx 175€IE/kg/KG 1-mal 7,5€mg <╛50€kg 5€mg >╛100€kg 10€mg
lität des Patienten. Hämodynamisch stabile Patienten mit und ohne rechtsventrikuläre Dysfunktion werden ausschließlich antikoaguliert. Nur bei hämodynamischer Instabilität, die als Kreislaufschock mit drohender oder bereits eingetretener Reanimationspflicht definiert ist, findet die systemische Thrombolyse Anwendung. Die Antikoagulation sollte entweder durch intravenöse Gabe mit unfraktioniertem Heparin (UFH) oder die subkutane Gabe von niedermolekularem Heparin (NMH) erfolgen. Bei der intravenösen UFH-Therapie muss die therapeutische Wirksamkeit durch regelmäßige Messungen der partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) überprüft werden. Die früher geltende Lehrmeinung, dass sich mit einer Verlängerung der aPTT auf das 1,5- bis 2,5fache antithrombotisch wirksame Heparinspiegel erreichen ließen, hat sich als falsch erwiesen. Die zur Bestimmung der aPTT verwendeten Testkits und Koagulometer weisen nämlich starke Unterschiede auf. So sollte jedes Labor den Messbereich der aPTT angeben können, bei dem Plasmaheparinspiegel von 0,3– 0,7€ IU/ml Anti-Xa Aktivität erreicht werden (Hirsh und Raschke 2004). Die subkutane Behandlung mit niedermolekularem Heparin kann demgegenüber bei gleicher Wirksamkeit ohne eine solche Therapiekontrolle durchgeführt werden. Sie hat sich deswegen national und international durchgesetzt (Tab.€8.8).
M. Schmidt
348
Tab. 8.9↜╇ Dauer der Sekundärprophylaxe mit Vitamin-K-Antagonisten nach Thromboembolie
Erste Thromboembolie −╇ Bei transientem Risikofaktor −╇ Bei einfacher Thrombophilie −╇ Bei kombinierter Thrombophilie −╇ Bei Tumorerkrankung Rezidivierende Thromboembolie
3€Monate 6–12€Monate 12€Monate Unbegrenzt Unbegrenzt
8.5.4 Rezidivprophylaxe
8.6.1 Vorhofflimmern
Nach einem thromboembolischen Ereignis muss immer eine Rezidivprophylaxe eingeleitet werden. Die Dauer der Antikoagulation richtet sich dabei nach Begleiterkrankungen, der Genese der tiefen Beinvenenthrombose (idiopathisch oder sekundär), persistierenden Risikofaktoren (Malignom oder Thrombophilie) und der Anzahl abgelaufener Thrombosen (Erstereignis oder Rezidiv; Tab.€8.9). Die Antikoagulation sollte mit oralen Vitamin-KAntagonisten erfolgen und in einem INR-Bereich von 2,0–3,0 liegen. Eine Immobilisierung ist bei der Beinvenenthrombose nicht indiziert. Bei der Lungenembolie entscheidet die hämodynamische Stabilität über das Ausmaß der Immobilisierung. Zur Vorbeugung eines postthrombotischen Syndroms sind Kompressionsstrümpfe mindestens der Klasse€ II zu empfehlen (Büller et€al. 2004; Interdisziplinäre S 2-Leitlinie 2005).
Zahlen zur Inzidenz von postoperativ neu aufgetretenem Vorhofflimmern nach Hüftoperation liegen derzeit nicht vor. Im klinischen Alltag tritt es jedoch zunehmend häufiger auf, was wohl eher auf das zunehmende Alter der Patienten zurückzuführen ist als auf operationstechnische Probleme. Zahlen aus der Herzchirurgie belegen, dass das postoperativ aufgetretene Vorhofflimmern zu einer höheren Morbidität und zu höheren Kosten führt (Villareal et€al. 2004). Besonders gefährdet sind Patienten mit einer organischen Herzerkrankung (koronare und hypertensive Herzkrankheit, Herzklappenfehler), einer chronischen Lungenerkrankung oder vorangegangenen Episoden von Vorhoftachyarrhythmien. Der zusätzliche adrenerge Stress während der Operation kann dann das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigen. In der Prävention haben sich Betablocker und Amiodaron als besonders günstig erwiesen (Crystal et€al. 2004). Eine generelle Empfehlung zur prophylaktischen Behandlung mit Betablocker oder Amiodaron bei chirurgischen Eingriffen am Hüftgelenk kann derzeit aber noch nicht gegeben werden. Sie gilt bisher erst bei herzchirurgischen Eingriffen. Patienten, die unter einer Dauermedikation mit Betablockern oder Amiodaron stehen, sollten diese Medikation perioperativ weiterführen. Kommt es postoperativ dennoch zum Auftreten von Vorhofflimmern, so gilt es zunächst, die Herzfrequenz zu kontrollieren, d.€h. eine tachykarde Form des Vorhofflimmerns zu verhindern. Hierzu eignen sich insbesondere kurz wirksame Betablocker und andere AV-Knoten-blockierende Substanzen, wie Kalziumantagonisten vom Verapamiltyp. Eine wichtige Kontraindikation stellen hier allerdings Präexzitationssyndrome wie das WPW-Syndrom dar. Liegt ein solches Syndrom vor, so sind Klasse-IC-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon) und Amiodaron die Therapie der Wahl. Amiodaron kann zusätzlich die hämodynamischen Verhältnisse am Herzen verbessern. Dagegen
8.6 Kardiopulmonale Komplikationen M. Schmidt Die Palette möglicher kardiopulmonaler Komplikationen, die im Zuge eines operativen Eingriffs am Hüftgelenk auftreten können, ist groß und umfasst sämtliche nur denkbaren Krankheitsentitäten. Die meisten Komplikationen sind jedoch nicht typisch für chirurgische Eingriffe am Hüftgelenk, sondern können auch bei jedem anderen größeren operativen Eingriff auftreten. Zu den häufigeren Komplikationen gehören hier das neu auftretende Vorhofflimmern und die kardiale Dekompensation aufgrund systolischer und/oder diastolischer Funktionsstörung des linken Ventrikels.
8â•… Besonderheiten, Komplikationen und Komplikationsmanagement
ist der Einsatz von Digitalisglykosiden unter dem perioperativ erhöhten adrenergen Tonus wenig wirksam. Eine medikamentöse oder elektrische Kardioversion kann innerhalb der ersten 48€Stunden nach Einsetzen des Vorhofflimmerns auch ohne vorhergehende Antikoagulation durchgeführt werden. Während dieser Zeitspanne ist das Risiko thromboembolischer Ereignisse nicht erhöht. Die Wahl der Methode zur Kardioversion orientiert sich an den jeweiligen Begleitumständen. So gilt es, hämodynamisch instabile Patienten rasch in einen Sinusrhythmus zu konvertieren. Dies gelingt am zuverlässigsten durch eine R-Zacken-gesteuerte elektrische Kardioversion. Zur medikamentösen Kardioversion eignen sich Propafenon, Amiodaron oder Flecainid. Gelingt es nicht, innerhalb der 48-Stunden-Frist einen stabilen Sinusrhythmus zu erlangen, so muss eine ausreichende Antikoagulation vorgenommen werden. Dies führt unweigerlich zu einem Anstieg von Blutungskomplikationen vor allem im Operationsgebiet. Aus dem Gesagten wird deutlich, wie wichtig es ist, nach dem Auftreten des Vorhofflimmerns rasch zu handeln. Insgesamt gelten hier die gleichen Richtlinien zur Behandlung des Vorhofflimmerns wie bei nichtoperierten Patienten (Fuster et€al. 2006).
8.6.2 Herzinsuffizienz Zu gehäuften postoperativen Komplikationen kommt es bei Patienten mit systolischer und/oder diastolischer Herzinsuffizienz. Sie sind aufgrund ihrer eingeschränkten linksventrikulären Kontraktilität (systolische Dysfunktion) oder erhöhter Füllungswiderstände (diastolische Dysfunktion) nicht in der Lage, das perioperativ angebotene Flüssigkeitsvolumen zu bewältigen. In der Folge kann es zu Lungenödem, Pleuraergüssen und Ödemen der abhängigen Körperpartien kommen (Angeja und Grossman 2003). Um dies zu verhindern, sollte bereits bei der präoperativen Evaluation ein besonderes Augenmerk auf diese Patienten geworfen werden. Eine echokardiographische Untersuchung ist hierfür zwingend notwendig. Dabei müssen vom Untersucher neben der Angabe der Ejektionsfraktion auch Angaben über die linksventrikuläre Wanddicke und den über die Trikuspidalklappeninsuffizienz gemessenen pulmonal-arteriellen Druck (PA-Druck) gemacht werden. Häufig wird bei der Einschätzung des Operationsrisikos nur
349
die linksventrikuläre (systolische) Funktion herangezogen. Übersehen wird dabei gerne die Bedeutung der diastolischen Herzinsuffizienz, die durch eine gestörte Relaxation und eine erhöhte Steifigkeit des linken Ventrikels gekennzeichnet ist. Sie führt schon in Ruhe zu erhöhten linksventrikulären Füllungsdrücken, die unter den Bedingungen einer Operation trotz guter linksventrikulärer Ejektionsfraktion dekompensieren können. Vorbeugend sollte deswegen restriktiv die intra- und postoperative Flüssigkeitszufuhr und ein Ausgleich der Flüssigkeitsbilanz durch Gabe von Diuretika erfolgen (Zile et€al. 2004).
8.6.3 Fettembolie Können die vorgenannten Komplikationen nach jedem operativen Eingriff auftreten, so ist die Fettembolie eine typische Komplikation bei operativen Eingriffen am Hüftgelenk. Hierbei kommt es durch Manipulationen in der Knochenmarkhöhle zur Ausschwemmung von Knochenmarkbestandteilen in die Lungenstrombahn. Diese fetthaltigen Bestandteile embolisieren die Lungenarterien und führen wie die Thromboembolie zur akuten Rechtsherzbelastung. Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach dem Ausmaß der kardiopulmonalen Beeinträchtigungen. Eine Antikoagulation wie bei der venösen Thromboembolie ist weder im Akutstadium noch danach erforderlich. Um der Fettembolie vorzubeugen, wird der Markraum vor Einbringung des Knochenzements durch eine Jet-Lavage ausgiebig gespült (Aebli et€al. 2005; Heisel et€al. 2001).
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9
Postoperative Maßnahmen P. Kirschner, S. Goebel, M. Rudert und J. Heisel
9.1 P ostoperative Maßnahmen – Allgemeines Vorgehen 9.1.1 Befunddokumentation Eine exakte Dokumentation aller wichtigen, postoperativen Befunde ist absolut zu fordern. Insbesondere lassen sich daraus meist rechtzeitig gefährliche Entwicklungen erkennen und entsprechend früh Gegenmaßnahmen einleiten. Wichtig ist, dass die Abläufe der postoperativen Kontrollen einem klinikintern festgelegten Plan entsprechen. Dazu eignen sich Dokumentationsformulare, die den Patienten in den folgenden, wenigstens 24 Stunden begleiten und alle erforderlichen Kontrollen in Form einer Checkliste erfassen, bis am 1. postoperativen Tag das übliche Pflegeprotokoll sowie die Visiten und die Verlaufsdokumentationen greifen. Die Übergabe eines Patienten am Ende einer Hüfgelenkoperation an den Aufwachraum sollte gleichzeitig anästhesiologisch-chirurgisch erfolgen. Ein Arzt des Operationsteams hat die korrekte Lagerung des operierten Beins beim Umlagern vom OP-Tisch in das Krankenbett zu überwachen und ggf. selbst vorzunehmen. Wichtig ist dabei, das Bein in einer Schiene zu lagern, die durch ihre Muldenform die vorgegebene Stellung beibehält. Im Überwachungsprotokoll werden die Volumina im Wunddrainagesystem dokumentiert, ebenso die Urinausscheidung.
P. Kirschner () Katholisches Klinikum Mainz, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, St. Vincenz u. Elisabeth Hospital, An der Goldgrube 11, 55131 Mainz, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Bei Patienten, die in Allgemeinanästhesie operiert werden, ist bereits jetzt neben der Durchblutung an den Zehen die Motorik des N. femoralis, N. ischiadicus und N. peroneus zu überprüfen. Patienten, die in Spinal- oder Periduralnarkose operiert wurden, werden bezüglich des Rückgangs der Betäubung regelmäßig kontrolliert; dabei wird die Rückkehr der Motorik im operierten Bein ebenfalls überprüft und dokumentiert.
9.1.2 Autotransfusion Bei Verwendung eines Cell-Savers wird über die Operation hinaus das aus den Drainagen abgeleitete Blut wieder aufbereitet, soweit das gewonnene Volumen dies rechtfertigt.
9.1.3 Drainagevolumen Anästhesieverfahren und operativer Zugangsweg beeinflussen den intra- und postoperativen Blutverlust. Bei Anwendung der Hypotension und sorgfältiger Operationstechnik kann der intraoperative Blutverlust sehr gering gehalten werden. Der postoperative Blutverlust wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Subtile Blutstillung einschließlich, je nach Zugang, primärer Unterbindung der A. circumflexa dorsalis halten den Blutverlust niedrig. Bei zementierten Implantaten ist der Blutverlust postoperativ niedriger als bei zementfreien Komponenten. Im Allgemeinen bewegt sich der Gesamtblutverlust bei der Hüftendoprothesenimplantation zwischen 50 und 1200€ml und erfordert meist eine Transfusion.
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_9, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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9.1.4 Ausscheidung Das Legen eines Dauerkatheters für 24–48€h ist empfehlenswert. Damit ist sowohl für die eigentliche Operation wie auch für die postoperative Phase eine wichtige Kontrollfunktion für den Kreislauf gegeben. Das Ausscheidungsvolumen wird jeweils über 24€h dokumentiert und mit der infundierten und peroralen Flüssigkeitsmenge abgeglichen. Bei stabilen Kreislaufverhältnissen und normalem Blutbild nach 24€h ist keine weitere Infusionsbehandlung erforderlich. Der Patient kann üblicherweise normale Nahrung zu sich nehmen und der Katheter kann entfernt werden.
9.1.5 Schmerzbehandlungen Eine standardisierte Gabe von Schmerzmitteln für die Dauer von 6 Tagen hat sich bewährt. Dieser erfolgt innerhalb der ersten 24€ h per Infusion, danach peroral in 3 oder 4 Einzeldosen. In besonderen Fällen ist die Verwendung einer Schmerzpumpe angezeigt (s. Kap.€9.2).
9.1.6 Lagerungs- und Verbandtechnik Die Lagerung des Beins nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese erfolgt üblicherweise in einer flachen Schaumstoffschiene mit tiefer Mulde zur Sicherung der Rotation. Der gewählte operative Zugangsweg ist dabei zu berücksichtigen, ebenso wie die spezielle Operationstechnik. Bei anterolateralem Zugang zur Eröffnung des Hüftgelenks ventral ist primär die Außenrotation des Beins zu vermeiden, um Luxationen zu verhindern. Umgekehrt ist beim hinteren Zugang die Innenrotation postoperativ lagerungstechnisch auszuschalten. Weiterhin ist zu berücksichtigen, ob die Gelenkkapsel entfernt wurde, was bei Arthrose üblich ist, oder ob die Kapsel zur Implantation lediglich eröffnet und anschließend mittels Naht wieder verschlossen wurde, wie es bei Schenkelhalsfrakturen meist der Fall ist. Das operierte Bein soll darüber hinaus gestreckt und in leichter Abspreizung gelagert werden. Damit werden Beugekontrakturen im Hüft- oder Kniegelenk verhindert sowie durch Abspreizung der Luxation entgegengewirkt. Die Verwendung der Lagerungsschiene
P. Kirschner et al.
ist so lange erforderlich, bis der Patient in der Lage ist, selbstständig kontrolliert aus dem Bett aus- und einzusteigen. Dies gelingt meist um den 6. postoperativen Tag. Nachts sollte die Schienenlagerung bis zum 10. postoperativen Tag erfolgen. Bei Patienten mit zusätzlichem Wirbelsäulenleiden ist eine gleichzeitige Schienenlagerung des gesunden Beins zu erwägen, um die Wirbelsäule zu entlasten und dem Rückenschmerz entgegenzuwirken.
9.1.6.1 Kompressionsverbände Am Ende der Operation und nach Anlegen des sterilen Wundverbands wird das Bein vom Fuß bis in die Leiste elastisch gewickelt, um insbesondere die oberflächlichen Venen zu komprimieren. Dieser elastische Verband sollte noch am Operationstag etwa 6–8€ h nach der Operation bei starker Kompression (hoher Druck beim Anlegen) gewechselt werden, um Einschnürungen der Weichteile insbesondere im Operationsgebiet zu erkennen und zu vermeiden. Sind Stauungen festzustellen, so ist eine Hochlagerung der Beine einem neuen Kompressionsverband vorzuziehen. Die Verwendung von sog. Antithrombosestrümpfen kann meist erst nach Entfernung der Drainage erfolgen. Auch die Strümpfe bedürfen einer sorgfältigen Kontrolle, da sie bei nicht korrektem Sitz ausgeprägte Schürfurchen verursachen und damit den Abfluss der oberflächlichen Beinvenen beeinträchtigen. Da der Schwellungszustand des operierten Beins lagerungsabhängig ständig wechselt, können Strümpfe in den meisten Fällen ihre Aufgabe nicht sicher erfüllen. Es ist daher häufig abzuwägen, ob unter primärer Vollbelastung und regelmäßigen Muskelentspannungsübungen bei geringer Schwellneigung auf äußere Kompression verzichtet werden kann. Die Thromboseprophylaxe durch Frühmobilisation, Muskelentspannungsübungen und Vollbelastung unter Heparingabe ist zuverlässiger als Abflussstauungen durch unzureichende Kompression. 9.1.6.2 Wundverbände Der am Ende der Operation angelegte Wundverband wird am 2. Tag beim Entfernen der Drainage erneuert. Zu diesem Zeitpunkt kann die Wunde oberflächlich noch leicht bluten. Die nächste Wundkontrolle erfolgt am 4. postoperativen Tag. Jetzt ist die Wunde normalerweise trocken und nicht gerötet.
Postoperative Maßnahmen 9â•…
Frühinfektionen machen sich zu diesem Zeitpunkt meist schon bemerkbar. Im Zweifelsfalle muss die Wunde jetzt täglich kontrolliert werden. Bei normalem Verlauf wird die Wunde ab dem 6. postoperativen Tag nur noch mit einem Schutzverband bedeckt. Am 10.–14. Tag wird das Nahtmaterial entfernt. Die Narbe wird in die normale Hautpflege mit eingeschlossen.
9.1.7 Mobilisation – Physiotherapie Die Frühmobilisation beginnt am Tag nach der Operation mit aktiven Muskelentspannungsübungen im operierten Bein. Die übrigen Extremitäten werden aktiv bewegt, Atemübungen schließen sich an (s. auch Kap.€9.3). Ältere Patienten, insbesondere nach Schenkelhalsfraktur, werden bereits kurzeitig auf einen Stuhl gesetzt. Jüngere Patienten machen die Bewegungsübungen, ansonsten besteht für sie am 1. Tag nach der Operation Bettruhe. Nach Entfernen der Drainagen beginnt am 2. Tag für alle Patienten die Mobilisation. Nach Stehübungen werden erste Schritte mit einem Gehwagen unternommen. Sowohl zementierte als auch zementfreie Hüftimplantate gelten heute als primär voll belastbar. Limitierend sind der operativ bedingte Wundschmerz und das Oberschenkelhämatom. Geführte Bewegungsübungen des operierten Beins im Bett dienen dem In-Gang-Kommen des neuen Hüftgelenks. Ab dem 3. Tag beginnen die Patienten das Laufen mit zunehmender Belastung und Absicherung durch Unterarmgehstützen im 3-Punkt-Gang. Darüber hinaus werden geführte und aktive isotone und isometrische Übungen am operierten Bein durchgeführt. Bei Eintritt der Gangsicherheit wird das Laufen auf den 4-Punkt-Gang umgestellt. Schrittlänge, Beinstellung und Körperhaltung werden kontrolliert, wobei das Gehen vor einem Spiegel dem Patienten meistens sehr eindrucksvoll seine Haltungs- und Bewegungsfehler zeigt. Unterarmgehstöcke sollten für 4 Wochen als Absicherung genutzt werden, bis ein Gangbild ohne Hinken für kurze Strecken erreicht ist. Daneben sind die aktiven Übungen zur Kräftigung der Muskulatur täglich durchzuführen und neben aktiver Gelenkbewegung auch passive Übungen mit Nachdehnen durch den Therapeuten vorzunehmen.
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Die eigentlichen Reha-Maßnahmen werden derzeit zwischen dem 6. und 10. Tag nach der Operation eingeleitet.
9.1.8 Röntgenkontrollen Postoperativ muss anhand einer Röntgenkontrolle der einwandfreie Sitz des Implantats dokumentiert werden. Da im Operationssaal oder auf der Wachstation gefertigte Aufnahmen im anterioren-posterioren Strahlengang meist technisch nicht sehr gut sind, empfiehlt sich eine qualitativ einwandfreie Kontrolle bis 10 Tage nach der Operation. Neben einer tief eingestellten Beckenübersichtsaufnahme, die das gesamte Implantat, ggf. einschließlich des Zementsperrers, abbilden muss, sollte auch eine axiale Aufnahme angefertigt werden. Diese Röntgenbilder sind insbesondere zum späteren Vergleich bei Problemen wichtig und müssen dementsprechend technisch einwandfrei ausgeführt werden. Weitere Röntgenkontrollen nach 3 Monaten und einem Jahr informieren über die knöcherne Reaktion auf das Implantat, also über das Einbauverhalten.
9.1.9 Laborkontrollen Kontrollen des Blutbilds sind unmittelbar nach der Operation, des Weiteren nach 8–10€ h und nach 24€ h durchzuführen, um den Blutverlust zu kontrollieren. Danach genügt üblicherweise eine Kontrolle der Laborwerte bei Entlassung. Veränderungen einzelner Werte außerhalb der Norm sollten dem weiterbehandelnden Arzt mitgeteilt werden, da unter der medikamentösen Thromboseprophylaxe mit Heparin wöchentliche Kontrollen der Thrombozytenzahl vorzunehmen sind.
9.1.10 Prothesenpass Jeder Patient erhält bei der Entlassung sinnvollerweise ein Dokument (Prothesenpass), aus dem hervorgeht, wann und in welchem Krankenhaus die Operation vorgenommen wurde. Außerdem ist hier das Implantat bezüglich Art, Größe und Herstellungsnummer entsprechend der Herstellerdaten anzugeben.
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Darüber hinaus ist es empfehlenswert, im Krankenhaus ein Implantatbuch mit den entsprechenden Daten vorzuhalten.
9.2 S chmerztherapie im Rahmen der Hüftendoprothetik S. Goebel und M. Rudert
9.2.1 Allgemeine Aspekte Im Zuge der Implantation einer Hüftendoprothese sind in der Regel hohe perioperative Schmerzen zu erwarten. Durch die Angst vor Schmerzen und die gesteigerte Schmerzempfindung aufgrund von humoralen Einflüssen im Rückenmark und im peripheren Gewebe können reflektorische Ruhigstellungen und verzögerte Mobilisierung zu einer Verschlechterung des Outcome der Operation führen (Basbaum 1999; Raja und Dougherty 2000). Daher gehört die Aufklärung des Patienten über die zu erwarteten Schmerzen und geplante Maßnahmen der perioperativen Schmerztherapie grundsätzlich zu den ärztlichen Pflichten im Rahmen des Aufklärungsgesprächs. Die schmerztherapeutischen Maßnahmen bedürfen der Einwilligung des Patienten (Ulsenheimer und Erlinger 2001). Auch muss der Zeitpunkt der Aufklärung angemessen sein. Hierbei gilt der Grundsatz, dass diese bei stationären, geplanten Maßnahmen am Tag vor der Operation durchgeführt werden muss. Trotz der inkonstanten Studienlage hinsichtlich des Einflusses der präoperativen Aufklärung des Patienten auf den Schmerzverlauf und den Analgetikaverbrauch (Guruge und Sidani 2002; Devine 1992; Daltroy et€ al. 1998; Anderson et€ al. 2003; Lin und Wang 2005; Heye et€ al. 2002; Griffin et€al. 1998; Chumbley et€al. 2004; Lam et€al. 2001) führt diese zumindest zu einer positiven Einstellung hinsichtlich der Einnahme von Schmerzmitteln (Johansson et€al. 2005; Knoerl et€al. 1999) und einer erhöhten Toleranz gegenüber Schmerzen (Moore und Estey 1999) und sollte daher in die allgemeine Aufklärung integriert werden. Auch die Durchführung einer Schmerzanamnese wird empfohlen. Hierbei ist insbesondere die Erhebung psychosozialer Faktoren (z.€ B. Angst, Depression) oder starker präoperativer Schmerzen wichtig, da diese zu erhöhtem postoperativem Schmerz und Opioidverbrauch führen können (Carr et€al. 2005; Ozalp et€al. 2003).
S. Goebel und M. Rudert
Die Festlegung von Organisationsstrukturen ist für ein effektives Schmerzmanagement von entscheidender Bedeutung. Hierzu gehören neben einfachen Maßnahmen wie der Schmerzmessung und -dokumentation mit Hilfe entsprechender Schmerzskalen die enge Zusammenarbeit aller beteiligter Berufsgruppen und die schriftliche Festlegung der Verantwortlichkeit (Neugebauer et€ al. 2003). Dabei hat sich die Implementierung eines standardisierten Schmerztherapieschemas zur Reduktion des postoperativen Schmerzes nach orthopädischen Eingriffen bewährt (Goebel et€al. 2009). Auch die Einführung eines Akutschmerzdienstes führt zu einer Schmerzreduktion und verringert zusätzlich das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen, ist jedoch in der Regel mit einem erhöhten personellen und finanziellen Aufwand verbunden (Werner et€al. 2002; Stadler et€al. 2004; Bardiau et€al. 2003).
9.2.2 Präoperative Schmerztherapie Als Basis der perioperativen Schmerztherapie bei Hüftprothesenimplantationen gilt die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Diese dienen neben der Reduktion der postoperativen Schmerzen hauptsächlich zur Prophylaxe periartikulärer Verkalkungen (Fransen und Neal 2004). Aufgrund des erhöhten Auftretens gastrointestinaler Nebenwirkungen bei Gabe von NSAR sind hierbei selektive Cox-2-Inhibitoren zu bevorzugen, die zumindest für Celecoxib keinen signifikanten Unterschied in der Inzidenz von heterotopen Ossifikationen aufweisen (Romano et€al. 2004). In einigen Studien konnten die schmerzreduzierende Wirkung und der opioidsparende Effekt der präoperativen Gabe von NSAR in der frühen postoperativen Phase nachgewiesen werden (Alexander et€al. 2002; Fletcher et€al. 1995). Aufgrund des in anderen Studien beobachteten signifikant höheren intra- und postoperativen Blutverlusts ist eine präoperative Gabe von NSAR oder Cox-2-Inhibitoren nicht zu empfehlen (Bugter et€al. 2003; Slappendel et€al. 2002; An et€al. 1991). Auch kann die Gabe von NSAR vor dem operativen Eingriff eine Einschränkung der perioperativen Nierenfunktion hervorrufen (Power et€al. 1992). Studien über die Gabe von Opioiden vor einer Operation zeigen ein uneinheitliches Bild. Während die Mehrzahl der vorliegenden Untersuchungen keine signifikante Reduktion der postoperativen Schmerzen oder des Analgetikaverbrauchs nachweisen konnte (O’Sul-
Postoperative Maßnahmen 9â•…
livan et€ al. 1983; Bourke et€ al. 2000), fanden Reiter et€al. (2003) einen signifikant geringeren postoperativen Verbrauch an Schmerzmitteln bei vergleichbarem Schmerzniveau.
9.2.3 Intraoperative Schmerztherapie Beginn der eigentlichen Schmerztherapie sollte der intraoperative Zeitpunkt sein. Hierbei spielen lokoregionale Anästhesie- und Analgetikaverfahren eine zentrale Rolle. Insbesondere für die Schmerztherapie in der frühen postoperativen Phase weisen diese Verfahren eine gute schmerzreduzierende und opioidsparende Wirkung auf. Hierfür steht neben der Spinalanästhesie die Anlage eines lumbalen oder femoralen Nervenblocks zur Verfügung. Auch die Periduralanästhesie (PDA) zeigt sowohl als „single shot“ als auch als kontinuierliche Anästhesie eine geringe Schmerzintensität im Vergleich zur Allgemeinanästhesie, zur systemischen Analgesie oder zu Plazebo (Moiniche et€ al. 1994; Wulf et€al. 1999; Turner et€al. 1996). In Anbetracht des vermehrten Auftretens von Hypotension und Harnverhalt ist die Anwendung der PDA jedoch kritisch zu bewerten. Ein besseres Nutzen-Risiko-Profil im Rahmen der postoperativen Schmerztherapie weist die Spinalanästhesie auf. So ist sie sowohl im Vergleich zum lumbalen Plexusblock als auch zur Periduralanästhesie im Hinblick auf die postoperative Schmerzintensität und den Analgetikaverbrauch effektiver (Mollmann et€ al. 1999; Souron et€ al. 2003). Dieses Verfahren lässt sich ebenfalls als „single shot“ und als kontinuierliches Analgesieverfahren anwenden. Die kontinuierliche Spinalanästhesie weist im direkten Vergleich zwar eine bessere analgetische Wirkung und eine geringere Inzidenz an postoperativer Übelkeit und Erbrechen auf, ist jedoch mit einem stärkeren Abfall des arteriellen Blutdrucks verbunden (Maurer et€al. 2003). Die schmerzlindernde Wirkung der Spinalanästhesie lässt sich durch die Beimischung eines Opioids insbesondere zwischen der 8. und 16. postoperativen Stunde verstärken (Fischer und Simanski 2005). Hierbei sind jedoch vereinzelt verzögert aufgetretene Atemdepressionen beschrieben (Bailey et€al. 2000; Abouleish et€al. 1991; Raffaeli et€al. 2006). Die Anlage eines lumbalen Plexusblocks konnte in zwei randomisierten Studien eine schmerzreduzierende und opioidsparende Wirkung bei Hüftprothesenimplanta-
357
tionen im Vergleich zu Plazebo nachweisen (Stevens et€al. 2000; Biboulet et€al. 2004). Im Gegensatz hierzu war nach Anlage eines femoralen Nervenblocks in der Studie von Fournier et€al. (1998) lediglich die Zeit bis zur ersten Gabe der Ausweichmedikation länger als in der Kontrollgruppe. Auch Biboulet et€al. (2004) konnten keine schmerz- und/oder opioidreduzierende Wirkung eines Femoralisblocks im Vergleich zu Plazebo nachweisen. Auf der anderen Seite ist der lumbale Plexusblock mit höheren Risiken wie Nierenverletzungen oder systemischer toxischer Reaktion verbunden (Auroy et€al. 1997, 2002). Zur besseren Lokalisation des Plexus und damit verbundener Reduktion der anlagebedingten Nebenwirkungen sind sonographisch assistierte Verfahren der Nervenstimulation überlegen. Dies muss jedoch letztendlich in prospektiv randomisierten Studien noch nachgewiesen werden.
9.2.4 Postoperative Schmerztherapie Die Grundlage der eigentlichen postoperativen Schmerztherapie sollte ein multimodales Schmerztherapieschema sein (Kehlet 1997). Hierzu gehört neben der Anwendung von regionalen Anästhesieverfahren die Gabe von Nichtopioiden in Kombination mit Opioiden. Diese allein sind in der akuten postoperativen Schmerztherapie in der Regel nicht ausreichend. Die Effektivität von NSAR, Cox-2-Inhibitoren und Paracetamol im Rahmen der postoperativen Schmerzreduktion nach Hüftprothesenimplantationen ist in mehreren randomisierten Studien bewiesen (Camu et€al. 2002; Stubhaug et€al. 1995; Laitinen und Nuutinen 1992; Segstro et€al. 1991; Dahl et€al. 1995). Prinzipiell sollten nach Hüftprothesenimplantationen NSAR oder Cox-2-Inhibitoren aufgrund der gewünschten Ossifikationsprophylaxe bevorzugt werden. Die Opioidgabe mit Hilfe von patientenkontrollierten (PCA) Schmerzpumpen zeigt eine bessere analgetische Wirkung bei signifikanter Reduktion der opioidbedingten Nebenwirkungen (Ballantyne et€ al. 1998), und wird von den Patienten präferiert (Walder et€ al. 2001). Insbesondere auf der Intensivstation ist jedoch zu überlegen, ob eine kontrollierte i.€ v.-Gabe durch das Pflegepersonal einer i.€ v.-PCA-Gabe vorzuziehen ist (Evans et€ al. 2005). Hierdurch kann möglicherweise verhindert werden, dass der Patient aufgrund zu hoher Schmerzen aufwacht und erst dann die PCA-Pumpe betätigt.
358
Als Messinstrument des Schmerzverlaufs dient die visuelle Analogskala, die, ausreichend validiert, ein verlässliches und sensitives Instrument zur Erfassung des postoperativen Schmerzes darstellt (Gallagher et€al. 2001). Die Anwendung ist einfach und zeigt eine hohe Korrelation zwischen der Schmerzeinschätzung des Patienten und des Therapeuten (Salo et€al. 2003). Leitlinien zur postoperativen Schmerztherapie empfehlen den Beginn einer Therapie bei einem VAS-Wert von 3 (0â•›=â•›kein Schmerz, 10â•›=â•›am stärksten vorstellbarer Schmerz).
9.2.5 A djuvante schmerztherapeutische Verfahren Durch die Entwicklung minimal-invasiver Zugangswege in der Hüftendoprothetik ist auch für die postoperative Schmerzintensität eine Verbesserung zu erwarten, da in vielen Fällen kleinere Hautinzisionen erfolgen und auf eine Ablösung größerer Muskelanteile verzichtet werden kann. Die Studienlage bezüglich des postoperativen Schmerzniveaus ist bisher jedoch uneinheitlich (Dorr et€al. 2007; Ogonda et€al. 2005; Wohlrab et€al. 2004). Es existiert eine Reihe von randomisierten Studien zur schmerzreduzierenden Wirkung von Akupunktur in der perioperativen Phase, die insgesamt ein uneinheitliches Bild bezüglich der Analgesie und des Schmerzmittelverbrauchs bieten. In einem Review von Lee und Ernst (2005) wurde kein Unterschied zwischen Akupunktur und Sham-Akupunktur gefunden. Dagegen konnten Usichenko et€al. (2005, 2006) nach Hüftprothesenimplantation eine Reduktion des Analgetikakonsums bei vergleichbarem Schmerzniveau zeigen, wenn eine Ohrakupunktur für 3 Tage postoperativ durchgeführt wurde. Gut nachgewiesen ist dagegen die Wirksamkeit einer Akupunkturtherapie zur Reduktion von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (Lee und Done 2004).
9.3 Physikalische Therapie J. Heisel
9.3.1 Aktuelle Datenlage Die hohe Gesamtfallzahl endoprothetischer Hüfteingriffe pro Jahr in Deutschland (2007: 152.300
J. Heisel
Primäreingriffe, 21.800 Wechseloperationen; Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung 2008) und die darauf beruhenden ökonomischen Überlegungen der Kostenträger mit Fallpauschalen etc. beschränken aktuell die Behandlung im Akuthaus bis zur Wundheilung auf etwa 6–12 Tage. Anschließend wird der Patient in aller Regel rehabilitativen Maßnahmen überantwortet, wobei in etwa 50€% der Fälle eine stationäre Anschlussheilbehandlung (AHB) in einer speziellen Reha-Klinik wahrgenommen wird (meist über 3 bis maximal 4 Wochen); 10€ % der Patienten (Rentenversicherung, Privatkassen) führen die postoperative Nachbehandlung teilstationär durch (vor allem bei Wohnortnähe zu einem Reha-Zentrum), 40€% bevorzugen ambulante Behandlungsstrategien ausschließlich über niedergelassene Arztkollegen.
9.3.2 R ehabilitationsfähigkeit – Rehabilitationsbedürftigkeit Vor Übernahme des Patienten zur postoperativen Frührehabilitation muss dessen Rehabilitationsfähigkeit medizinisch überprüft werden: Geboten sind reizfreie Wundverhältnisse ohne Anhalt für eine lokale Infektion, wobei in den letzten Jahren durchaus auch Patienten mit noch einliegendem Fadenmaterial/ Wundklammern angenommen werden. Bezüglich der ADL („activities of daily living“) sollte eine weitgehende Eigenständigkeit vorliegen (Barthel-Index von zumindest 35 Punkten, d.€ h. keine schwerwiegende Pflegebedürftigkeit!) Für kurze Wegstrecken auf Stationsebene sollte unter Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen oder eines Rollators eine ausreichende und sichere Mobilität gegeben sein. Der Patient sollte darüber hinaus über genügend persönliche Motivation zur Rehabilitation verfügen; auch schwerwiegende kognitive Defizite schränken die Rehabilitationsfähigkeit nachhaltig ein Die Rehabilitationsbedürftigkeit lässt sich durch den zwischenzeitlich weitgehend etablierten Staffelstein-Rehabilitations-Score (Middeldorf und Casser 2000) belegen; hier erfolgt eine standardisierte Bewertung des Rehabilitationspotentials. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Akutmediziner und den ärztlichen Mitarbeitern der Rehabilitation ist unerlässlich, alle wichtigen patientenrelevanten Daten sollten übermittelt werden: • die aktuelle Medikation, • aufgetretene Komplikationen,
Postoperative Maßnahmen 9â•…
359
Tab. 9.1↜╇ Phasen der Rehabilitation nach Hüft-TEP Phase
Postoperative Behandlungsziele und Maßnahmen Woche
1
1.–2.
2 3
2.–4. 4.–6.
4
ab. 7.
Allgemeine Mobilisation, Gelenkmobilisation – frühfunktionelle Therapie Stabilisation – funktionelle Therapie Funktionelles Muskelaufbautraining bei gegebener uneingeschränkter Gelenkbeweglichkeit Muskelbelastungstraining bei gegebener uneingeschränkter Belastungsfähigkeit
• die postoperative Röntgendokumentation, • individuelle Vorgaben bzgl. der axialen Aufbelastung der betroffenen Extremität.
9.3.3 Rehabilitationsziele Vorab sollten die wesentlichen Rehabilitationsziele mit dem betroffenen Patienten besprochen werden, wobei realistisch einzuschätzen ist, was im meist knapp bemessenen zeitlichen Rahmen erreichbar ist und was nicht: • weitgehende Reduktion oder gar Ausschaltung des vormals bestehenden Ruhe-, Bewegungs- und/oder Belastungsschmerzes, • Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Funktionalität des betroffenen Hüftgelenks, • Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Gesamtmobilität, • weitgehende Unabhängigkeit von unterstützenden Gehhilfen (Rollator, Gehstützen u.€a.), • Wiederherstellung bzw. Erhalt der Eigenständigkeit bzgl. der ADL (Vermeidung von Pflegebedürftigkeit, Verbesserung der Lebensqualität), • Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit im Alltag und Beruf (Jerosch und Heisel 1996; Heisel und Jerosch 2003, 2007).
9.3.4 Behandlungsstrategien Der Behandlungsplan in der Rehabilitation nach endoprothetischem Ersatz des Hüftgelenks setzt sich aus aktiven und passiven bewegungstherapeutischen, passiven physikalischen, therapeutisch geführten balneologischen und letztendlich auch ergotherapeutischen
Abb. 9.1↜ Passive Gelenkmobilisation auf der CPM-Schiene
Einzel- oder Gruppenbehandlungen zusammen. Die einzelnen Maßnahmen richten sich nach den individuellen Gegebenheiten des Patienten (z.€B. funktionelles Defizit, verbliebenes Schmerzbild) sowie der Phase der postoperativen Rehabilitation (Tab.€9.1).
9.3.4.1 F rühe postoperative Phase im Akuthaus Im Rahmen der ersten Phase nach den gelenkersetzenden Eingriff steht vor allem die medikamentöse und physikalische Analgesie sowie die Frühmobilisierung – dies auch zur Thrombo-/Embolieprophylaxe im Vordergrund. • Lagerung des Beines für die ersten Tage nach der Operation in einer weichen Schaumstoffschiene in Neutralstellung bzw. in leichter Abduktion; temporäre leichte Hochlagerung des betroffenen Beines. • Krankengymnastische Mobilisation mit vorsichtiger, passiv geführter Flexion im betroffenen Hüftgelenk bis 70€° ab dem 1. postoperativen Tag (↜Einzeltherapie); Beginn mit Sitzen auf der Bettkante, dabei Pendelübungen des betroffenen Beins; isometrische Anspannungsübungen des M. quadriceps. • CPM-Schieneneinsatz (1- bis 2-mal täglich für 20–30€min ab dem 1. postoperativen Tag; Abb.€9.1); an der Hüfte eher selten. • Schrittweise Steigerung des passiven/aktiv assistierten Übungsprogramms (ab dem 3. bis 7. postoperativen Tag möglichst 1- bis 2-mal tgl. für 10–20€ min) durch den Physiotherapeuten, teilentlastetes Gangtraining an 2 Unterarmgehstützen im 3-Punkte-Gang oder im Gehwagen (Abrollen des Beins mit seinem Eigengewicht bzw. 20€kp Teilbelastung bis zur Schmerzfreiheit; Tab.€9.2) zunächst unter therapeutischer Aufsicht, dann auch zunehmend eigenständig.
J. Heisel
360
Tab. 9.2↜╇ Axiale Belastung der betroffenen Extremität bei Einsatz unterschiedlicher Gehhilfen Verwendete Gehhilfen
Axiale Beinbelastung
2 Unterarmgehstützen (3-Punkte-Gang) 2 Unterarmgehstützen (4-Punkte-Gang) 1 Unterarmgehstütze (kontralateral) 2 Handstöcke 1 Handstock (kontralateral) Rollator
20–30€kp 50–60€% des Körpergewichts 75€% des Körpergewichts 70–80€% des Körpergewichts 80€% des Körpergewichts 80–90€% des Körpergewichts
Abb. 9.3↜ Manuelle Lymphdrainage Tab. 9.3↜╇ Differentialindikation der postoperativen Mobilisierung nach Hüft-TEP Art der Maßnahme
Zeitpunkt und Voraussetzungen
CPM-Schiene
ab 1. postoperativem Tag, solange Hüftbeugungâ•›<â•›90€° Motomed ab 2. postoperativer Woche, wenn Hüftflexionâ•›>â•›70€° Fahrradergometer ab 3. postoperativer Woche, wenn Hüftflexion von 90€° erreicht
Abb. 9.2↜ Lokale Kryotherapie durch Eisbeutelauflage
• Etwa ab dem 7. postoperativen Tag widerlagernde Mobilisation aus der funktionellen Bewegungslehre (FBL), auch im Sinne der Abduktion, Steigerung der Hüftflexion bis auf 80–90€°. • Mit Balneotherapie kann im Falle einer reizfreien Wunde und weitgehend unauffälligen Laborparametern auch bei noch liegendem Fadenmaterial bereits ab der 1. postoperativen Woche mit wasserdichtem Pflaster begonnen werden. • Physikalische Maßnahmen, Massage: Lokale Kryotherapie (Eisbeutel, Gelpackungen, Wickel u.€ a.; Abb.€ 9.2) 3- bis 4-mal täglich 10–15€ min; Querdehnung und funktionelle Weichteilbehandlung der schmerzhaften und hypertonen hüftumspannenden Muskulatur; Lymphdrainage (3- bis 5-mal/Woche für 20–30€min; Abb.€9.3) in Abhängigkeit von der Schwellneigung des betroffenen Beins, zusätzliche elastische Wickelung bzw. Antithrombosestrümpfe (für etwa 2–4 postoperative Wochen). Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Akuthaus sollte der Patient in der Lage sein, das operierte Bein
im 4-Punkte-Gang an zwei Unterarmgehstützen weitgehend zu belasten. Ausnahmen: Siehe Übersicht S. 365 oben rechts (Heisel et€ al. 1998). Bei freier Streckung sollten eine Beugefähigkeit der betroffenen Hüfte von 80–90€° und eine Abduktion von etwa 20€° erreicht sein.
9.3.4.2 Postprimäre (poststationäre) Phase In aller Regel sollte zumindest bis zum Ablauf der 6. postoperativen Woche eine engmaschige ärztliche und physiotherapeutische Nachbetreuung des hüftendoprothetisch versorgten Patienten gewährleistet sein mit möglichst standardisiertem Programm (stationäre oder teilstationäre AHB). Krankengymnastische Behandlung:╇ Einzeltherapie (einmal/Tag über 20–30€ min) mit Dehnungsübungen der meist hypertonen hüftumspannenden Muskulatur (Abb.€ 9.4a); Kräftigungsmaßnahmen für die hüftumspannende Muskulatur (Abb.€ 9.4b); mobilisierende Massagen (v.€a. des M. piriformis!), evtl. manuelle Therapie; PNF (Beinpattern; Abb.€ 9.4c), Koordinationsübungen mit einem Ball; Aufhängung im Schlingentisch bei noch deutlich schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung (dann möglichst täglich; Abb.€9.5).
Postoperative Maßnahmen 9â•…
361
Die Fortführung der passiven CPM-Schienen-Mobilisation ist sinnvoll bei noch beeinträchtigter Hüftflexion (â•›<â•›80€°), dann 1- bis 2-mal/Tag für 20–30€min; später dann Übergang auf das aktive Motomed, ab der 4. postoperativen Woche auch auf Ergometertraining (täglich 1- bis 2-mal 10–15€ min; 25–50 Watt ausreichend! Abb.€9.6; Siehe Tab.€9.3); (Partner)Übungen an Geräten (Rollen eines Pezziballs oder Skateboards), Eigentherapie unter Verwendung von Therabändern oder einem Kippbrett (Abb.€9.7). Temporäre Limitierung der axialen Vollbelastung nach Hüft-TEP╇ • Noch deutliche lokale Reizzustände • Persistierender Belastungsschmerz • Nach Wechseleingriffen • Nach erfolgter knochenplastischer Rekonstruktion des Azetabulum • Nach durchgeführter Trochanterosteotomie, eingetretener Trochanterfraktur oder femoraler Schaftsprengung
Abb. 9.4↜ Krankengymnastische Einzeltherapie in der Frührehabilitation nach Hüft-TEP: (a) Verbesserung der Hüftextension links in Rückenlage. (b) Generelle Kräftigung der hüftumspannenden Muskulatur in der „Brücke“. (c) PNF-Pattern
Abb. 9.5↜ Entlastungslagerung im Schlingentisch (Mehrpunktaufhängung)
Ab der 3.–4. Woche postoperativ kommt dann eine stufenweise Überleitung in die krankengymnastische Gruppentherapie in Frage (Patienten mit gleichem Reha-Stand; z.€B. Vollbelastung, Teilbelastung, geriatrische Begleitstörungen; Abb.€9.8) täglich über 30€min. Ab der 4.–5. Woche postoperativ gerätegestützte Krankengymnastik an Spezialgeräten (z.€ B. Trampolin, Kreisel, Schaukel- bzw. Kippbrett, Stepper, Seiloder Rollenzüge; Abb.€ 9.9) zur Schulung von Kraft, Gleichgewicht und Koordination (zunächst ein-, später dann auch mehrdimensionale Übungen möglichst unter Spiegelkontrolle; 1- bis 2-mal täglich für 15–20€min). Balneotherapie:╇ In erster Linie Gruppentherapie, nur in Einzelfällen Einzeltherapie (mindestens 3-mal/ Woche, möglichst täglich) durch den Physiotherapeuten mit ähnlichen Übungen wie im „Trockenen“; spezieller Einsatz von Hilfsmitteln wie Aquagymsticks, Stangen, Schwimmbrettchen, Schwimmpaddeln oder Bällen, die gegen den Wasserwiderstand gezielt bewegt werden müssen (Abb.€ 9.10). Hierbei ist grundsätzlich eine axiale Vollbelastbarkeit gegeben, maximale Bewegungsausschläge sind allerdings unbedingt zu meiden (cave: Luxationsgefahr!); keine Unterwassermassage! Kontraindikationen: Störung der Wundhei-
362
J. Heisel
Abb. 9.6↜ Aktive Gelenkmobilisation (a) auf dem Motomed, (b) auf dem Fahrradergometer
Abb. 9.7↜ Krankengymnastisches Eigentraining nach Hüft-TEP: (a) mit dem Theraband (Kraft), (b) auf einem Kippbrett (Koordination)
lung, Thrombophlebitis oder erst kürzlich abgelaufene Thrombose, dekompensierte Herzinsuffizienz. Physikalische Maßnahmen/Massage:╇ lokale Kryotherapie durch Eis- oder Gelbeutel bei deutlicher lokaler Schwellung mit Schmerzhaftigkeit (2- bis 4-mal/ Tag für 10–15€ min), Retterspitz-Wickel, Packungen oder Güsse lokal (1-mal/Tag). Temporäre Hochlagerung und/oder Lymphdrainage des betroffenen Beins (1-mal/Tag über 20–30€min) bei deutlicher Umlaufstörung (bis etwa 4–5. postoperative Woche); Fußreflexzonenmassage, Narbenmassage in Ausnahmefällen.
Ergänzend werden manuelle Massagen der lumbalen Rückenstrecker empfohlen (2- bis 3-mal/Woche), dies vor allem bei oft gegebener Beeinträchtigung der Hüftüberstreckung (Anteklinationskippung des Beckens mit kompensatorischer LWS-Hyperlordose im Falle einer präoperativ länger bestandenen Hüftbeugekontraktur). Elektrotherapie und/oder Ultraschallapplikation kommen lediglich außerhalb des Operationsbereichs in Frage (z.€ B. schmerzhafte Muskelansätze, auch im LWS- Bereich). Im Falle einer frisch eingesetzten zementfreien Alloplastik wird zur Förderung/ Beschleunigung der Osteointegration des Implantats die Magnetfeldanwendung diskutiert (Abb.€9.11).
Postoperative Maßnahmen 9â•…
363
Abb. 9.8↜ Krankengymnastisches Gruppentraining nach Hüft-TEP: (a) Kraftübungen auf einer Liege, (b) Koordinationsübungen im Stehen mit einem Ball
Abb. 9.9↜ Gerätegestützte Krankengymnastik nach Hüft-TEP: (a) auf dem Stepper. (b) Rollenzugtraining im Stehen auf einer instabilen Unterlage. (c) Hüftabduktionstraining auf dem Schrägbrett
Abb. 9.10↜ Balneotherapie nach Hüft-TEP: (a) Floating in Rückenlage auf Aqua-Gym-Sticks. (b) Krafttraining mit einem Schwimmbrettchen, das unter Wasser gedrückt werden muss. (c) Funktionstraining (Flexion/Extension)
J. Heisel
364
Tab. 9.4↜╇ Besonderheiten in der frühen Nachbehandlung nach Hüft-TEP
Abb. 9.11↜ Magnetfeldtherapie
Sechs bis sieben Wochen nach (primärem) künstlichen Gelenkersatz der Hüfte sollte der Patient in der Lage sein, das operierte Bein axial weitgehend schmerzfrei und voll zu belasten; innerhalb eines Zimmers sollte er sich ohne Gehhilfe oder maximal mit einer kontralateral eingesetzten Unterarmgehstütze fortbewegen können, außerhalb des Hauses – vor allem bei längeren Strecken – sollte noch zumindest eine UAG für weitere 4–6 Wochen eingesetzt werden. Hat ein Patient Koordinationsprobleme beim Gehen mit einer Gehstütze, wirkt das Gangbild unsymmetrisch oder gar hinkend, besteht evtl. noch ein Trendelenburg-Zeichen, so sollte, bei Vollbelastung, auch weiterhin konsequent auf zwei Gehstützen zurückgegriffen werden. Die ADL sollten spätestens 6 Wochen nach dem Eingriff vollständig beherrscht werden. Das muskuläre Krafttraining (sog. medizinische Trainingstherapie) sollte in einer Dosis von 2- bis 3-mal/Woche bis zum Ablauf des 3. postoperativen Monats fortgeführt werden. Ein völlig unterstützungsfreies Gehen sollte nach 10–12 Wochen erreicht sein; dann ist der Patient auch in der Lage, wieder selbstständig einen PKW zu fahren (Tab.€9.4).
9.3.4.3 S päte ambulante Phase und regelmäßige Nachsorge Die primäre Rehabilitation ist in den meisten Fällen 12 Wochen nach dem hüftgelenkersetzenden Eingriff abgeschlossen; nur noch in wenigen Problemfällen sind über diesen Zeitpunkt hinaus weitere intensive krankengymnastische Maßnahmen notwendig. Zum bestmöglichen Erhalt der wichtigen muskulären Gelenkführung und -stabilität sollte ein möglichst regelmäßiges und v.€ a. gleichmäßiges funktionelles Training erfolgen mit Vermeidung kinetischer Kraftspitzen im Sinne der Trainingstherapie (z.€ B. regel-
Liegen auf der nichtoperierten Seite (mit einem Kissen zwischen den Beinen) Liegen auf der operierten Seite Übereinanderschlagen der Beine Tiefes Bücken, Extrembewegungen (z.€B. Kürzen der Zehennägel) Freies Gehen Auto fahren Sexualität – abhängig von Mann/Frau – abhängig von Körperstellung
2.–4. Woche 5.–6. Woche ab 6. Woche ab 12. Woche 8.–12. Woche 8.–12. Woche 4.–12. Woche
mäßiges Ergometertrainig) bzw. des therapeutischen Sports (Eigenregie, Hüftgruppen, Physiotherapiezentrum) etwa einmal/Woche über 30–60€ min. Bei individuellem Bedarf ist auch die Verordnung medikamentöser, krankengymnastischer oder physikalischer Maßnahmen möglich.
9.3.5 Standardisierter Behandlungsplan Im Rahmen einer stationären Frührehabilitation nach Hüft-TEP kommen in aller Regel 4–6 Anwendungen pro Tag zur Durchführung; der Behandlungsplan ist meist standardisiert unter Berücksichtigung medikamentöser, bewegungstherapeutischer, physikalischer, ergotherapeutischer sowie edukativer Strategien. Unter ökonomischen Gesichtspunkten, vor allem im Hinblick auf sehr aufwendige personalintensive Strategien, können die einzelnen Therapiemaßnahmen im Rahmen von Behandlungsmodulen angeboten werden, z.€B. • noch unbefriedigende Funktion, Hüfte axial voll belastbar (Tab.€9.5), • noch unbefriedigende Funktion, Hüfte axial nur teilbelastbar, • bereits gute Hüftfunktion, Hüfte axial voll belastbar, • bereits gute Funktion, Hüfte axial nur teilbelastbar. Die einzelnen Behandlungsstrategien werden in einem stundenplanähnlich aufgebauten Therapiebuch zusammengestellt. Im Rahmen wöchentlicher Teamsitzungen unter Leitung des Rehabilitationsmediziners werden zusammen mit den jeweiligen Therapeuten und dem Pflegepersonal der jeweilige aktuelle Rehabilitationsstatus besprochen, das Reha-Ziel überprüft sowie
Postoperative Maßnahmen 9â•…
365
Tab. 9.5↜╇ Behandlungsmodul zur ökonomischen Koordination einzelner Behandlungsstrategien im Zuge der stationären Rehabilitation nach Hüft-TEP; Bad Uracher Modul im Falle einer noch unbefriedigenden Funktion des operierten Gelenks bei gegebener Vollbelastbarkeit. (Heisel und Jerosch 2007) Art der Behandlungsmaßnahme
1. 2. 3. 4. Woche Woche Woche Woche
KG-Einzelbehandlung KG-Gruppenbehandlung Bewegungsbad Thermalbad Mediator (Gangschulung) CPM-Schiene Motomed-Training Ergometertraining Medizinische Trainingstherapie (MTT) Lymphdrainage Lymphomatanwendung Hydrojet-Anwendung Magnetfeldanwendung Ergotherapie (Selbsthilfetraining) Hilfsmittelberatung Theoretische Schulung
3 – 3 4 2 4 – – 1
Rehaberatung Rekreationstherapie Ernährungsberatung
3 3 3 4 2 – 5 – 5
1 4 2 5 – – – 5 5
– 4 – 7 – – – 5 5
3 – – 3 – – – – bei Bedarf
– – 2 –
– – 2 –
1 bei Bedarf einwöchiges Seminar (theoretisch/praktisch) bei Bedarf 2 2 2 7 – –
2 –
das weitere Vorgehen an die individuellen Patientenbedürfnisse angepasst bzw. gegebenenfalls modifiziert.
9.4 Hilfsmittel, Tipps und Tricks J. Heisel
Abb. 9.12↜ Höhenanpassung der Unterarmgehstütze: Der Griff sollte beim aufrecht stehenden Patienten in Höhe des Handgelenks sein
Dieses Programm sollte täglich, vorzugsweise morgens über 20–30€ min erfolgen, bis die ADL gut beherrscht werden. Weiterhin wichtig sind Informationen zum probaten Gelenkschutz (s. Übersicht). Spezielle Maßnahmen des Gelenkschutzes╇ • Achten auf achsengerechte Gelenkstellungen und korrekte Körperhaltung • Körpernahes Tragen von Lastgewichten • Vermeidung isolierter Gelenkbelastungen (sinnvolle gleichmäßige Lastverteilung), v.€a. beim Tragen • Vermeidung von unnötigem Bücken und Strecken • Ausnutzung der Hebelgesetze (evtl. mit Funktionshilfen) • Einsatz individuell abgestimmter Greif- und Funktionshilfen
9.4.1 Ergotherapie Ein weiterer bedeutsamer Baustein der Rehabilitation ist die Ergotherapie mit einem schrittweise gesteigerten, schmerzadaptierten Selbsthilfetraining ab dem 2. postoperativen Tag. Hierzu zählen: • Körperhygiene, • Ankleiden, • Nahrungsaufnahme, • Transfer.
9.4.2 Hilfsmittelversorgung Zur Optimierung der ADL und Beschleunigung der Eigenständigkeit ist eine adäquate ergonomische Hilfsmittelversorgung des Patienten unverzichtbar. Hierzu zählen: • individuell angepasste Gehhilfen (Abb.€ 9.12 und 9.13) oder ein Rollator (Abb.€9.14),
J. Heisel
366 Abb. 9.13↜ Spezialausrüstung für Unterarmgehstützen. (a) Weichpolsterung für die Hand (z.€B. im Falle einer rheumatoiden Arthritis, eines CTS o.€Ä.). (b) Rutschsicherung auf feuchtem Boden durch sog. Haftpuffer
Abb. 9.15↜ Diverse Greifhilfen
Abb. 9.14↜ Rollator Abb. 9.16↜ Strumpfanziehhilfe
• spezielle Greifzangen (Abb.€9.15), • Schuh- und Strumpfanziehhilfen zur Vermeidung einer übersteigerten Hüftflexion (Abb.€9.16), • Stuhlauflagen (Abb.€ 9.17) für etwa 12 Wochen – zur Luxationsvermeidung der Alloplastik sollte die Hüfte im Sitzen oberhalb der Knie positioniert sein,
• eine Toilettensitzerhöhung (Abb.€9.18), • weich gepolstertes Schuhwerk (Klettverschluss, besser noch Slipper),
Postoperative Maßnahmen 9â•…
367
Abb. 9.17↜ Spezielle Stuhlauflagen: (a) Keilkissen, (b) besonders Hüftkissen
Abb. 9.20↜ Fersenkissen zum Beinlängenausgleich (Typ Viscoheel®)
• ein Antiluxationskissen für die Körperseitlage (Abb.€9.19), • evtl. ein Beinlängenausgleich (Absatzerhöhung, Fersenkissen; Abb.€9.20). Abb. 9.18↜ Ergonomische Toilettensitzerhöhung
9.4.3 Orthetische Versorgung
Abb. 9.19↜ Spezielles Keilkissen zur Luxationsprophylaxe in Körperseitlage nach Hüft-TEP
Eine temporäre orthetische Versorgung des operierten Hüftgelenks mit einem konfektionierten Brace ist nur im Falle einer deutlichen Instabilität bzw. nach bereits eingetretener Hüftluxation erforderlich – dann für insgesamt 12 Wochen, auch zur Nacht. Deren Abnahme ist lediglich zur Körperhygiene sowie zur funktionellen Übungsbehandlung erlaubt. Eine dynamische Versorgung (Abb.€9.21) bietet gegenüber einer starren Orthese deutliche Vorteile während der Rehabilitation (Heisel 2006).
368
Abb. 9.21↜ Konfektionierte Hüftorthese zur Luxationsprophylaxe nach Hüft-TEP (Typ Dynacox®)
9.4.4 Wichtige ergänzende Maßnahmen Im Zuge der Frührehabilitation kommen weitere ergänzende ärztliche Behandlungsregime in Frage: • therapeutische Lokalanästhesie (TLA), vor allem im Falle schmerzhafter ligamentärer Ansatz- oder globaler Triggerpunkte, • Akupunktur bei sonstig therapierefraktären Schmerzsyndromen, • Chirotherapie, in erster Linie bei schmerzhaften Funktionsstörungen des Iliosakralgelenks. Die Rehabilitation nach alloplastischem Hüftgelenksersatz sollte des Weiteren möglichst eine allgemein verständliche theoretische und praktische Patientenschulung beinhalten, die über den täglichen Umgang mit dem Verschleißteil Endoprothese informiert – immer mit dem obersten Ziel einer langen Standzeit des Kunstgelenks (Endoprothesenschule; Jerosch und Heisel 1996): Seminar mit 1–2 Arztvorträgen (Belastbarkeit des Implantats im Alltag und Sport; was ist erlaubt, was ist verboten?) sowie mit 2–3 Referaten von Therapeuten mit Demonstration sinnvoller Übungen für das tägliche Leben (s. Übersicht). 10â•…Regeln der Endoprothesenschule (Jerosch und Heisel 1996)
╇ 1. Eine Endoprothese kann das natürliche Gelenk nie voll ersetzen!
J. Heisel
╇ 2. Schon einige Wochen nach der Operation sind alle normalen Bewegungsabläufe wieder möglich – lediglich extreme Gelenkstellungen sind zu meiden! ╇ 3. In sitzender Körperhaltung sollen die Kniegelenke nie höher stehen als die Hüften (Gefahr der Luxation einer Hüft-TEP)! ╇ 4. Das operierte Bein sollte im täglichen Leben möglichst gleichmäßig belastet werden; Bewegungsabläufe mit kinetischen Kraftspitzen (plötzliche einwirkende oder auch maximale Belastungen) sind auszuschließen! ╇ 5. Das Tragen von Lastgewichten, die mehr als 20€ % des eigenen Körpergewichts betragen, sollte vermieden werden! ╇ 6. Der Endoprothesenträger muss bei veränderten äußeren Gegebenheiten mit erhöhter Sturzgefahr (z.€ B. nasser Bodenbelag, Schnee, Glatteis) besondere Vorsicht an den Tag legen! ╇ 7. Die Endoprothese muss stets vor der gefürchteten Komplikation einer eitrigen Entzündung geschützt werden! Daher ist im Falle einer fieberhaften bakteriellen Infektion, bei zahnärztlichen oder urologischen Behandlungen immer ein besonderer Antibiotikaschutz erforderlich! ╇ 8. Im Falle unklarer, insbesondere zunehmender Schmerzbilder im Bereich des Kunstgelenks, vor allem unter körperlicher Belastung, sollte unverzüglich der betreuende Arzt konsultiert werden! ╇ 9. Auch wenn keine wesentlichen Beschwerdebilder bestehen, sollte das künstliche Gelenk regelmäßig in etwa jährlichen Abständen ärztlicherseits klinisch und röntgenologisch kontrolliert werden! 10. Der (sorgfältig ausgefüllte) Endoprothesenpass sollte immer bei sich getragen werden! Vor allem bei älteren Patienten sollte über die RehaBeratung (Sozialdienst) die poststationäre Nachsorge geklärt werden: • häusliche Versorgung (evtl. Erleichterung durch temporären Mittagstisch, Haushaltshilfe, Pflegestation),
9â•… Postoperative Maßnahmen
• im Ausnahmefall Einleitung häuslicher Umbaumaßnahmen u.€a.€m., • im Falle einer verbleibenden Pflegebedürftigkeit temporäre/dauernde Heimunterbringung, • Fragen bzgl. einer möglichen Schwerbehinderung, • Abklärung einer möglichen beruflichen Wiedereingliederung über den gesetzlichen Rentenversicherungsträger. Eine psychologische Mitbetreuung kommt in Einzelfällen, z.€ B. im Sinne eines Entspannungs- oder Schmerzverarbeitungstrainings in Frage. Bei erheblichem Übergewicht oder im Falle einer Stoffwechselstörung sollte eine diätetische Beratung durchgeführt werden; zur Gewährleistung einer möglichst langen Prothesenstandzeit ist Normalgewicht anzustreben – Maßgabe ist hier der BMI.
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Spätfolgen – Diagnose und Therapie C. Perka, K. Thiele, G. Matziolis und T. Gehrke
10.1 Aseptische Komplikationen C. Perka und K. Thiele
10.1.1 Aseptisch gelockertes Hüftgelenk In Deutschland werden pro Jahr ca. 190.000 Primärhüftendoprothesen implantiert (Veit 2007). Wenngleich durch die Verbesserung der Operationstechniken, die Weiterentwicklung der Implantate und die Optimierung der operativen Ausbildung die prozentuale Lockerungsrate abnimmt, resultiert aus der quantitativen Ausdehnung eine zahlenmäßige Zunahme der Lockerungen. Gegenwärtig wird in der Literatur eine Wechselrate von 0,5–5€% der Prothesen pro Jahr angegeben (Alberton et€al. 2002; Clohisy et€al. 2004; Dobzyniak et€al. 2006; Synder et€al. 2001; Veit 2007). Diese Lockerungsrate liegt in den ersten Jahren an der unteren Grenze dieser Spanne, um dann nach 10–15 Jahren anzusteigen. Einschränkend ist zu erwähnen, dass diese Zahlen überwiegend anhand der Lockerung zementierter Prothesen bzw. heute kaum noch gebräuchlicher zementfreier Prothesen der ersten Generation ermittelt wurde (Dobzyniak et€ al. 2006). Für die meisten aktuellen Implantate liegen diese Daten noch nicht vor. Jede Lockerung ist grundsätzlich mit einem Knochensubstanzverlust verbunden, so dass der frühzeitigen Diagnose der Lockerung eine enorme Bedeutung beikommt (Abb.€10.1). C. Perka () Klinik für Orthopädie, Centrum für Muskulo-Skeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM), Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected]
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Die Lockerung der Pfannenkomponente kommt dabei signifikant häufiger vor als die Lockerung des Schaftes (Sundfeldt et€ al. 2006). Aus diesem Grund sind die azetabulären Knochendefekte ein Hauptproblem der Revisionsendoprothetik. Das Ausmaß der vorliegenden azetabulären Defektsituation ist wichtigster Risikofaktor für das Auftreten von Fehlschlägen und maßgebend für die Implantatauswahl. Die rechtzeitige Diagnose der Lockerung ist daher von entscheidender Bedeutung.
10.1.1.1 Migrationsdiagnostik Die Migrationsdiagnostik ist eine suffiziente Methode zur Bestimmung von Risikopatienten bzw. -implantaten, noch bevor eindeutige Lockerungszeichen der Implantate sichtbar sind. Sie wird überwiegend in wissenschaftlichen Arbeiten verwertet, hat jedoch auch in der täglichen Praxis ihren Stellenwert. Man unterscheidet im Wesentlichen vier Formen: Konventionelle Migrationsanalyse╇ (Walker et€ al. 1995). Die konventionelle Migrationsanalyse für die Hüftendoprothetik erfolgt anhand von Beckenübersichtsaufnahmen. Mit einseitigen Röntgenaufnahmen des Hüftgelenks ist diese Diagnostik nicht durchführbar. In die Beckenübersichtsaufnahmen werden Hilfslinien an definierten, sicher reproduzierbaren Landmarken, wie untere Begrenzung der Foramina obturatoria, untere Begrenzung der Tränenfigur, Mittelpunkt des Hüftkopfes, eingezeichnet. Unterschiedliche Methoden finden hier Anwendung. Am weitesten verbreitet erscheint die Methode nach Nunn und Wetherell (Abb.€10.2). Die Genauigkeit wird von der Qualität der Röntgenbilder wesentlich bestimmt und mit etwa 3–5€ mm angegeben (Temmerman et€ al. 2004, 2005).
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_10, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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C. Perka und K. Thiele
374
γ
B C D α E
F
x A
G
Abb. 10.2↜ Prinzip der Migrationsanalyse in der Technik nach Nunn und Wetherell Abb. 10.1↜ Lockerung einer zementierten Azetabulumkomponente
Digitale Migrationsanalyse╇ (Schutz et€ al. 2005). Die digitale Migrationsanalyse nutzt prinzipiell die gleichen Methoden wie die konventionelle. Zugrunde liegen hier aber digitalisierte Röntgenbilder, die auf entsprechenden Arbeitsplätzen eine genauere Auswertung aufgrund der computermäßig möglichen Vergrößerung einzelner Bildabschnitte und der Verwendung zusätzlicher Hilfslinien ermöglichen. Die Umsetzung dieser Methodik der Migrationsmessung ist exakter. Die Grundproblematik, dass die Qualität der Röntgenbilder und Verkippung und Verwringung des Beckens das Ergebnis beeinflussen, bleibt unverändert (Malchau et€al. 1995). So konnte in den meisten Arbeiten keine signifikant höhere Genauigkeit dieser Methode nachgewiesen werden (Schutz et€ al. 2005; Phillips et€al. 2002; Decking et€al. 2003). Ein-Bild-Röntgenanalyse (EBRA)╇ (Krismer et€ al. 1999; Biedermann et€ al. 1999). Bei der EBRA handelt es sich um einen computergestützten Algorithmus, der Bilder mit vergleichbarer Rotation auswählt. Die Anwendbarkeit des Verfahrens ist im Wesentlichen dadurch eingeschränkt, dass mehrere Aufnahmen, d.€ h. theoretisch mindestens fünf, erforderlich sind, um ein ausreichend genaues Ergebnis zu erreichen (Dominkus et€al. 1998). Dieses Verfahren schließt im Wesentlichen Bilder mit abweichender Rotation des Beckens aus, so dass die Genauigkeit dieser Methode
deutlich höher ist – sie liegt bei 1–2€mm Messfehlerbreite (Krismer et€al. 1995). Radiostereophotogrammetrie╇ (Malchau et€ al. 1995). Diese Methode ist zweifellos der Goldstandard zur genauen Bestimmung der vorliegenden Migration. Für den Einsatz dieser Methode ist es jedoch zum Operationszeitpunkt notwendig, an unterschiedlichen Stellen Tantalkugeln als Markierung in den Knochen einzubringen. Die Kugeln sind dann in allen weiteren Röntgenbildern im Sinne reproduzierbar wieder auffindbarer Landmarken nutzbar. Aus der Stellung der Tantalkugeln zueinander ist die jeweils vorliegende dreidimensionale Position des Beckens genau zu bestimmen. Daraus resultiert eine hohe Genauigkeit bei der Messung zur Bestimmung einer möglicherweise vorliegenden Migration. Die Genauigkeit der Methode ist mit 0,1€mm in allen drei Ebenen außerordentlich hoch (Bragdon et€al. 2002). Die Technik ist jedoch nur prospektiv einsetzbar, da sie grundsätzlich an die Implantation der Tantalkugeln bei der Erstoperation gebunden ist. Der Aufwand ist somit zweifellos hoch, die Verfügbarkeit der Methode begrenzt. Im Wesentlichen wird sie für Studien angewandt.
10.1.1.2 Lockerungsdiagnostik Für die Lockerungsdiagnostik müssen mehrere Aspekte nacheinander abgearbeitet werden:
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
Anamnese╇ Wichtig ist zunächst die Erfragung des Schmerzcharakters als auch des Zeitpunkts des Auftretens der Schmerzen. Ein seit der Operation bestehender unveränderter Schmerz deutet darauf hin, dass auch zum Zeitpunkt der Primäroperation wahrscheinlich nicht die Schmerzen vom Hüftgelenk ausgingen, sondern Schmerzen aus anderen Körperregionen ursächlich sind, die möglicherweise dorthin projiziert wurden (vgl. Kap.€ 10.1.2). Die nochmalige Beurteilung des präoperativen Röntgenbilds ist hier absolut notwendig. Schmerzen, die bei Belastung auftreten, deuten auf eine mechanische Schmerzursache hin. Solche Schmerzen erfordern immer den Ausschluss einer Lockerung. Ein Ruheschmerz ist dagegen eher charakteristisch für das Vorliegen einer entzündlichen Komponente (postoperativ resorptive Vorgänge, Algodystrophie, Low-grade-Infekt) und weniger für eine mechanisch bedingte Lockerung. Zeitpunkt nach der Operation╇ Im nächsten Schritt ist die nach der Operation vergangene Zeit zu bestimmen. Treten die Schmerzen bereits frühzeitig nach der Operation auf und hat sich der Charakter gegenüber den Schmerzen vor der Operation geändert, so sind mechanische Ursachen (Gelenkinstabilität, Impingement-Syndrome, Stressfrakturen, postoperative periprothetische Knochenumbauprozesse) und Nervenläsionen in der unmittelbaren Phase nach der Operation die Hauptursache (Clohisy et€al. 2004; Cyteval et€al. 2003; Dobzyniak et€al. 2006; Dora et€al. 2007; Malik et€al. 2007; Parvizi et€al. 2006). Später kommen dann auch die Trochanter-majorassoziierten Probleme, die Gelenkinstabilität (Parvizi et€ al. 2006) und heterotope Ossifikationen (Stoltny et€al. 2007) als Ursachen dazu. Die aseptische Lockerung ist im Regelfall die Lockerung nach dem fünften Implantationsjahr (Bordini et€al. 2007). Jede davor aufgetretene Lockerung ist dringend verdächtig auf das Vorliegen einer Infektion (überwiegend Low-grade-Infektion). Das Ausbleiben der Integration moderner zementfreier Schäfte stellt eine Rarität dar. Ebenso ist bei Verwenden des Mindeststandards an Zementiertechnik eine Lockerung innerhalb der ersten fünf Jahre eine Ausnahme. In diesen Fällen ist daher immer eine Infektion auszuÂ� schließen (Ince et€al. 2004).
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Erst fünf bis sechs Jahre nach der Primärversorgung einsetzende Schmerzen sind wahrscheinlich auf eine aseptische Lockerung oder auf abriebassoziierte Probleme zurückzuführen. Spätinfektionen können ebenfalls die Ursache sein, treten jedoch weitaus seltener auf als die Frühinfektionen (Ince et€al. 2004; Zimmerli et€al. 2004). Klinische Untersuchung╇ Die klinische Untersuchung ist häufig sehr unspezifisch und hilft in den wenigsten Fällen weiter. Sie dient im Wesentlichen der Zuordnung der Beschwerden zum Hüftgelenk (als hüftgelenksverursacht) und der Unterscheidung, ob die Beschwerden von der Pfanne oder dem Schaft ausgehen. Ein Stauchungs- und ein Rotationsschmerz des Beines sowie typischerweise geklagte Oberschenkelschmerzen deuten auf eine Verursachung durch den Schaft hin. Inguinale Schmerzen, Schmerzen in der Gesäßregion sowie ein Druckschmerz über der Leiste sind dagegen für Beschwerden, ausgelöst durch die azetabuläre Komponente, typisch. Eine progrediente Beinverkürzung ist als Spätzeichen nur bei ausgedehnter Lockerung mit starker Migration der Komponenten zu erheben. Zusammengefasst sind die klinischen Symptome unspezifisch und treten oft erst spät auf. Nur 60–80€% der Patienten mit einer Prothesenlockerung haben Schmerzen. Eine Beschwerdefreiheit schließt demzufolge eine Lockerung nicht aus. Bei allen Risikopatienten und bei jedem Patienten mit Verdacht auf das Eintreten einer Migration sind daher routinemäßige Röntgenkontrollen wenigstens im jährlichen Abstand zu empfehlen. Radiologische Diagnostik╇ (Ilchmann 1997). Das Röntgenbild stellt das wesentlichste bildgebende Hilfsmittel zur Erfassung des Vorliegens einer Lockerung dar. Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen des Hüftgelenks, d.€h. anterior-posterior als Beckenübersichtsaufnahme zur besseren Bestimmung der Migration und seitlich (axial), können bei sorgfältiger Beurteilung ca. 80–90€% aller Lockerungen nachweisen (Bottner et€al. 2007; Temmerman et€al. 2005). Radiologische Lockerungszeichen sind: • Saumbildungen mit Progredienz, • Osteolysen,
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C. Perka und K. Thiele
Abb. 10.3↜ Radiolucent line in der Zone 1 und 2 nach DeLee und Charnley
• zunehmende Sklerosierungen (z.€ B. an der Spitze der Prothesenschäfte), • Bruch des Zementmantels, • Implantatbrüche, • Implantatbewegungen Unter einer Saumbildung versteht man das Vorhandensein einer strahlentransparenten Zone zwischen der knöchernen Begrenzung und dem Implantat. Nicht progrediente „radiolucent lines“, strahlentransparente schmale Säume, die das Implantat unvollständig umfassen, stellen keine Lockerungszeichen dar, sind aber eindeutig Risikofaktoren für das Auftreten einer Lockerung (Rose et€al. 1984). Sie müssen regelmäßig kontrolliert werden. Insbesondere gilt dies, wenn sie in den Zonen 1 und 2 der Pfanne nach De Lee und Charnley auftreten (Abb.€10.3). Im Verlauf zunehmende Säume beruhen auf der Ausbildung einer bindegewebigen Membran im Interface zwischen Implantat und Knochen. Sie sind Ausdruck der mechanischen Lockerung der Komponenten. Ein Saum umgibt im Regelfall das Implantat komplett, kann jedoch aufgrund der projektionsbedingten Darstellung nicht immer vollständig zu sehen sein (Abb.€10.4). Beim Vorhandensein von Osteolysen ist grundsätzlich nach der Ursache der Entstehung zu fahnden (Harris 1995, 2001; Holt et€al. 2007). Osteolysen sind im Regelfall entzündlich bedingt. Verursacht werden sie durch den Polyethylenabrieb und die auf die Abriebpartikel erfolgende Reaktion des Körpers (Gotz et€al. 2007; Harris 2001). Zweithäufigste Ursache für das Auftreten von Osteolysen ist eine Infektion (Clohisy et€al. 2004; Dobzyniak
et€ al. 2006). Andere Ursachen, wie den allergischen Typ-IV-Reaktionen ähnliche Veränderungen nach Metall-Metall-Implantation (Reinisch et€al. 2003), das Auftreten von Metastasen im Bereich der implantierten Prothese (Gotz et€ al. 2007), Primärtumoren u.€ a. sind dagegen außerordentlich selten (Abb.€10.5). Sklerosierungen bestehen vor allem an der Spitze gelockerter Schäfte im Sinne einer Sockelbildung (Abb.€10.6). Nicht jede Sockelbildung ist jedoch für das Vorliegen einer Lockerung beweisend (Roth et€ al. 2005). Beim Vorhandensein eines Sockels ist sorgfältig nach einer Migration im Schaftbereich zu fahnden sowie die entsprechende klinische Untersuchung durchzuführen. Brüche im Zementmantel sind immer für das Auftreten relevanter Veränderungen im Knochenzement-Prothesen-Verbund beweisend und stellen nahezu ausnahmslos eine Indikation für die Revisionsoperation dar (Horowitz et€al. 1993). Dies gilt selbstverständlich auch beim Vorliegen von Implantatbrüchen (Abb.€10.7). Jedem Implantatbruch geht eine fehlende knöcherne Abstützung voraus, die eine mechanische Überlastung zur Folge hat. Zwar kann in seltenen Fällen eine sekundäre Stabilisierung des Implantats einsetzen, meist (Ausnahme z.€B. multimorbider Patient) ist jedoch ein Revisionseingriff erforderlich. Szintigraphie╇ (Temmerman et€ al. 2004, 2005). Der Wert der Szintigraphie in der Lockerungsdiagnostik ist umstritten und geht in ihrer Bedeutung immer mehr zurück. Viele Kliniker verzichten in ihrer Diagnostik nahezu ganz auf die Szintigrafie. Das Verfahren zeigt zwar eine sehr hohe Sensitivität (Erkennen der Locke-
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
377
Abb. 10.4↜ Saumbildung um eine Pfanne
Abb. 10.5↜ Osteolysen
Abb. 10.6↜ Sklerosierungen
rung), jedoch nur eine geringe Spezifität (Mumme et€al. 2005; Reinartz et€al. 2005). In der Frühphase nach einer Prothesenimplantation (etwa im ersten Jahr nach zementfreier Totalendoprothese) ist die Technik überhaupt nicht sinnvoll einsetzbar. In der Spätphase werden knöcherne Umbauvorgänge als positive Lockerungszeichen interpretiert (Zhou et€al. 2008).
Die Sensitivität der Szintigraphie ist für zementierte Hüftendoprothesen höher als für zementfreie. Das Hauptproblem besteht in der Differenzierung zwischen einer Lockerung und dem periprothetischen knöchernen Umbau um zementfreie Prothesen. Nach Implantation einer zementfreien Prothese wird eine erhöhte Aktivität bis zu 48€ Monaten postoperativ angegeben.
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C. Perka und K. Thiele
Abb. 10.7↜ Implantatbruch
Der Einsatz der Szintigraphie ist nur in Kombination mit den Röntgenbildern sinnvoll und nur bei sehr wenigen gezielten Fragestellungen, bei denen röntgenologische Phänomene nicht ausreichend bewertet werden können. Computertomographie (CT)╇ (Cyteval et€ al. 2002). Die Computertomographie ist ein wesentliches Hilfsmittel bei der Planung komplexer Revisionsoperationen bei gelockerten Hüftendoprothesen, weniger jedoch für die Diagnostik einer Prothesenlockerung (Abb.€10.8). Durch die vom Metall der Prothesen verursachten Artefakte ist die Beurteilung des Knochen-ProthesenInterface hochgradig eingeschränkt (Barmeir et€ al. 1982). Sehr gut geeignet ist das CT zur Darstellung von Osteolysen und deren Ausdehnung. Die im CT sichtbaren Lockerungszeichen sind bis auf wenige Ausnahmen auch bei sorgfältiger Durchsicht der Röntgenbilder bereits erkennbar (Cyteval et€al. 2002). Magnetfeldresonanztomographie (MRT)╇ (Miller 2006; Potter und Foo 2006). Das MRT spielt für die Diagnostik der aseptischen Lockerung keine Rolle. Es besitzt jedoch seinen Stellenwert zur Beurteilung des Vorliegens hüftgelenksassoziierter Weichteilpro-
bleme und Impingement-Symptomen sowie bei der Bestimmung hüftgelenksunabhängiger Faktoren und Schmerzursachen (Potter et€al. 2004; Sugimoto et€al. 2003; Twair et€al. 2003). Positronenemissionstomographie (PET)╇ (Delank et€ al. 2006; Manthey et€ al. 2002; Vanquickenborne et€ al. 2003). Dieses Verfahren dient im Wesentlichen der Differenzierung zwischen aseptischer und septischer Lockerung. Limitiert wird es durch die hohen Kosten und die begrenzte Verfügbarkeit. Der endgültige Stellenwert für die Hüftrevisionsendoprothetik ist umstritten, die Aussagekraft scheint jedoch deutlich geringer zu sein als es bei der Einführung des Verfahrens vermutet wurde.
10.1.1.3 D ifferentialdiagnostik der aseptischen und septischen Lockerung Die Differentialdiagnostik zwischen aseptischer und septischer Lockerung hat einen herausragenden Stellenwert, da durch sie das therapeutische Prozedere bestimmt wird. Es existiert derzeit kein „Goldstandard“ für die Bestimmung einer periprothetischen Infektion! Heranzuziehen sind deshalb immer mehrere Faktoren:
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
379
Abb. 10.8↜ Darstellung von periazetabulären Osteolysen im CT
Anamnese╇ Zeitpunkt und Charakter der Beschwerden sind hinweisend auf das Vorliegen einer Infektion. Bestehen die Beschwerden seit der Operation oder bestand hier lediglich ein kurzes schmerzfreies Intervall, so ist dieses verdächtig auf das Vorliegen einer Infektion. Auch das Vorliegen belastungsunabhängiger Beschwerden, wie den Ruheschmerz, ist immer dringend verdächtig auf eine Infektion (Zimmerli et€al. 2004). Jede Lockerung, die innerhalb der ersten fünf Jahre nach Primärimplantation auftritt, ist ebenfalls grundsätzlich verdächtig für das Vorhandensein einer Infektion (Spangehl et€ al. 1999). Die ausbleibende Integration moderner zementfreier Implantate ist eine Ausnahme, ebenso die in diesem Zeitraum auftretende Lockerung einer zementierten Prothese, sofern die Zementiertechnik auch nur durchschnittlichen Standards genügt (Ince et€al. 2004).
(„receptor activator of nuclear factor kappa B ligand“; Gehrke et€al. 2003; Granchi et€al. 2006), Osteoprotegerin (Granchi et€al. 2006), Procalcitonin, TNF-α und IL-6 (Bottner et€ al. 2007) konnten sich bisher in der klinischen Routine nicht durchsetzen.
Klinische Untersuchung╇ Die klinische Untersuchung ist bei den meisten Infektionen im Hüftgelenksbereich unauffällig. Sollten jedoch die klassischen Entzündungszeichen (Überwärmung, Rötung, Schwellung, eingeschränkte Funktion) auftreten, ist dieses ein nahezu sicherer Hinweis für eine Infektion.
Punktion╇ (Ali et€ al. 2006; Spangehl et€ al. 1999; Trampuz und Zimmerli 2005; Williams et€ al. 2004; Zimmerli et€al. 2004). Die Punktion des Hüftgelenks ist die Methode der Wahl für die Differenzierung zwischen aseptischer und septischer Lockerung. Die ausgiebige Technik der Punktion wird in Kap.€10.3.1 dargestellt. Hervorzuheben ist, dass dies unter standardisierten Bedingungen und mit Hilfe eines Bildwandlers erfolgen sollte. Nur so ist die genaue Lokalisation der Punktionskanüle zu dokumentieren. Der Zusatz von Lokalanästhetika bzw. das sog. „Anspülen“ des Gelenks mit Flüssigkeiten ist zu vermeiden, da insbesondere bei Low-grade-Infekten keine relevanten Keimkonzentrationen zu erzielen sind. Das Punktat ist als Nativmaterial umgehend in die Mikrobiologie einzusenden. Der Einsatz von Abstrichtupfern o.€ Ä. für die mikrobiologische Diagnostik ist obsolet. Bei längerem Transport ins Labor kann der Einsatz von
Labordiagnostik╇ (Zimmerli et€al. 2004; Trampuz und Zimmerli 2005). Die Bestimmung des C-reaktiven Proteins und der Blutsenkungsgeschwindigkeit sind Standardmaßnahmen zur Diagnostik einer Infektion. Das CrP ist dabei in der Sensitivität überlegen. Allerdings ist auch eine Vielzahl von Fällen beobachtet worden, wo das CrP nicht oder allenfalls grenzwertig erhöht und die deutlich erhöhte Blutsenkung wegweisend war. Aus diesem Grund sollten beide Untersuchungsmethoden durchgeführt werden (Shih et€ al. 1987; Trampuz und Zimmerli 2005). Andere Parameter, wie RANKL
Entzündungsszintigraphie╇ (Mumme et€ al. 2005). Die Entzündungsszintigraphie wird deutlich häufiger eingesetzt als es ihrer Wertigkeit entspricht. Sie ist sowohl hinsichtlich ihrer Sensitivität als auch Spezifität der Punktion deutlich unterlegen (Zimmerli et€al. 2004; Trampuz und Zimmerli 2005; Corstens und van der Meer 1999). Zudem ist sie deutlich teurer. Aus diesem Grund ist allenfalls für begrenzte Indikationen wie z.€B. bei unklarem Ergebnis nach Punktion noch einmal eine zusätzliche Abklärung nach einem Zeitintervall denkbar.
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C. Perka und K. Thiele
Abb. 10.9↜ Radiologische Hinweise auf einen postoperativen Frühinfekt (hier 12 Monate postoperativ). Nachweis ausgedehnter Osteolysen im Trochanterbereich sowie einer massiven Migration der Pfanne, die für diese makroporösen Oberflächen bei aseptischer Situation absolut untypisch ist
Blutkulturflaschen hilfreich sein. Insbesondere bei Low-grade-Infektionen ist eine längere Anzucht der Keime bis zu 14 Tage sinnvoll (Zimmerli et€al. 2004). Die Sicherheit des Infektionsnachweises durch eine Punktion wird in der Literatur mit 80–90€% angegeben. Punktate mit einer Leukozytenzahl >â•›0,5â•›×â•›109/l und einem Anteil neutrophiler Granulozyten von >â•›65€ % erhöhen signifikant die Wahrscheinlichkeit eines periprothetischen Infekts (Spangehl et€al. 1999; Trampuz et€al. 2004; Kersey et€al. 2000). Diagnostische Entnahme╇ (Josefsson et€ al. 1981; Lynch et€al. 1987; Trampuz und Zimmerli 2005; Williams et€al. 2004). Die Entnahme von Gewebsproben für die Mikrobiologie gewinnt eine immer größere Bedeutung, da die Sensitivität und Spezifität dieser Methode dem Keimnachweis durch eine Punktion überlegen ist (Atkins et€al. 1998; Spangehl et€al. 1999). In Fällen, bei denen radiologisch der Verdacht auf eine Infektion besteht, die Punktion jedoch ein negatives Ergebnis zeigt, sollte daher eine diagnostische Entnahme (z.€ B. durch eine Hüftgelenksarthroskopie) erfolgen. Beurteilung periprothetischer Membranen nach Morawietz und Krenn╇ (Morawietz et€ al. 2006a, b). Zwischen Knochen und der gelockerten Endoprothese findet sich eine periprothetische Membran, die unter histologischen Gesichtspunkten ebenfalls zur Klärung der Pathogenese des Lockerungsmechanismus herangezogen werden kann. Anhand morphologischer und polarisationsoptischer Kriterien im HE-Schnittpräparat wurden entsprechend Morawietz et€al. 4 Typen der
periprothetischen Membranen klassifiziert: periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ (Typ I), vom infektiösen Typ (Typ II), vom Mischtyp (Typ III) und vom Indifferenztyp (Typ IV). In einer Vielzahl vergleichender Studien zeigte sich eine hohe Übereinstimmung zwischen histopathologischen Ergebnissen und mikrobiologischen Diagnosen (89€%) sowie eine gute Reproduzierbarkeit der histopathologischen Klassifikation zwischen den einzelnen Untersuchern (95€%). „Sonification“╇ (Trampuz et€ al. 2006). Low-gradeInfektionen sind durch an der Prothesenoberfläche angesiedelte Bakterien verursacht, die sich unter einer Schleimschicht in einer sessilen Phase befinden. Daher ist deren Nachweis im Punktat oder im Gewebe nicht immer möglich. Mit Hilfe der Sonifikation lassen sich diese Keime von der Prothesenoberfläche ablösen. Bei dieser Technik werden vom Implantat mit einer niedrigeren Intensität der üblicherweise im OP verwendeten Ultraschallreinigungsverfahren die Keime von der Oberfläche gelöst. Die umgebende Flüssigkeit wird dann für die weitere mikrobiologische Aufarbeitung genutzt. Beurteilung von Röntgenbildern╇ (Tigges et€ al. 1994). In den Röntgenbildern ist das Vorliegen von Osteolysen bei fehlendem Abrieb häufig spezifisch für das Vorliegen einer Infektion (Abb.€10.9). Ebenso sind die Frühlockerung sowie das Auftreten von Migrationen ohne relevante umgebende Sklerosierung (Abstützungsreaktion des Knochens) dringend verdächtig auf eine Infektion (Abb.€10.10).
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
381
Abb. 10.10↜ Migration einer Pfannen- und einer Schaftkomponente
10.1.2 S chmerzhaftes, nicht gelockertes, nicht infiziertes Hüftgelenk G. Matziolis und C. Perka Den hervorragenden Standzeiten moderner Hüftendoprothesen stehen oft mäßige klinische Ergebnisse gegenüber. Bis zu 28€ % der Patienten geben persistierende Schmerzen nach endoprothetischem Hüftgelenksersatz an (Nikolajsen et€al. 2006). Die Diagnostik, Therapie und Prophylaxe der Schmerzursache setzt ein Verständnis der funktionellen und anatomischen Beziehungen des Hüftgelenks mit seinen umgebenden Strukturen voraus. Basierend auf der aktuellen Literatur werden Ätiologie, Diagnostik und Therapie der häufigsten Schmerzursachen angegeben. Aufgrund
der Heterogenität der möglichen Schmerzursachen ist eine systematische Herangehensweise notwendig, um eine Diagnose zu sichern und eine kausale Therapie durchzuführen. Es können gelenknahe von nicht hüftgelenksassoziierten Schmerzursachen unterschieden werden. Die Klärung der Ätiologie wird jedoch dadurch kompliziert, dass Schmerzen nach Hüftendoprothese oft eine multifaktorielle Genese haben, so dass die Differentialdiagnostik erst mit Ausschluss der letzten Verdachtsdiagnose abgeschlossen werden sollte. Dabei folgt der diagnostische Algorithmus der allgemein üblichen Vorgehensweise aus Anamnese, Inspektion, Palpation, Bildgebung und invasiven Verfahren. Eine explorative Revision ist vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden diagnostischen Verfahren obsolet.
G. Matziolis und C. Perka
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Tab. 10.1↜╇ Klassifikation der heterotopen Ossifikationen nach Brooker et€al. (1973) Grad Radiologisches Erscheinung 0 I II III IV
Kein Nachweis einer Ossifikation Vereinzelte periartikuläre Ossifikate Deutliche Ossifikate mit einem Abstand vonâ•›>â•›1€cm vom Becken oder Femur Deutliche Ossifikate mit einem Abstand vonâ•›<â•›1€cm vom Becken oder Femur Knöcherne Ankylose des Hüftgelenks
10.1.2.1 Gelenksassoziierte Faktoren Hüftgelenksassoziierte Schmerzen gehen von Knochen- und Weichteilstrukturen aus, die eine räumliche oder funktionelle Beziehung zum Hüftgelenk haben. Heterotope Ossifikationen╇ Als heterotope Ossifikationen werden Verknöcherungen bezeichnet, die in den Weichteilen, meist in Folge einer Operation oder eines Traumas, entstehen. Ihre Inzidenz nach primärer Hüftendoprothesenimplantation schwankt je nach Autor zwischen 5 und 90€%. Entsprechend ihrer Ausprägung werden sie nach Brooker et€al. (1973) klassifiziert (Tab.€10.1). Risikofaktoren sind heterotope Ossifikationen an anderer Stelle, ein überdurchschnittliches Weichteiltrauma während der Primäroperation, männliches Patientengeschlecht, hohes Patientenalter und eine primäre oder posttraumatische Koxarthrose vor Operation (Iorio und Healy 2002). Die nativradiologische Bildgebung ist hinreichend zur Diagnosesicherung (Abb.€10.11). Die Aktivität der Ossifikationen lässt sich durch eine Skelettszintigraphie klären. Da das Rezidivrisiko von der Aktivität der Ossifikationen zum Zeitpunkt der Revision abhängt, wird eine Resektion ab einer szintigraphischen Aktivität von geringer als 1:1,3 empfohlen. Vor Entfernung der Ossifikationen ist eine CT zur Operationsplanung hilfreich. Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der Ossifikationen. Es gibt keine konservative Therapie. Ab dem Stadium II nach Brooker kann eine Revisionsoperation zur Entfernung der Ossifikationen erwogen werden. Zur Prophylaxe sollte das Operationsgebiet einen Tag vor Operation mit 7Gy bestrahlt werden (Board et€al. 2007). Postoperativ wird die Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika (z.€ B. Indometacin 3-mal
Abb. 10.11↜ Heterotope Ossifikationen (Brooker 3) nach zementfreier Hüftendoprothese
25€ mg) für eine Woche empfohlen, wobei sowohl nichtselektive als auch selektive COX-2-Antagonisten wirksam sind. Im Gegensatz dazu konnte in Metaanalysen kein positiver Effekt für Bisphosphonate gezeigt werden, so dass diese weder in der Prophylaxe noch in der Therapie heterotoper Ossifikationen empfohlen werden können (Haran et€al. 2004). Trotz aller Maßnahmen ist das Risiko eines Rezidivs hoch. Trochanter-major-assoziierte Probleme╇ Schmerzen im Bereich des Trochanter majors sind ein Symptom unterschiedlicher Pathologien. Hauptrisikofaktor mit einer Inzidenz von 5€% ist der laterale operative Zugang. Die intraoperative Ablösung der peritrochantären Weichteile scheint in diesen Fällen zu einer Narben- oder Pseudobursabildung zu führen. Bei unzureichendem Faszienverschluss kann eine Gewebslücke über dem Trochanter major verbleiben, die vergleichbar dem Rotatorenmanschettendefekt an der Schulter Schmerzen verursacht. Weitere Risikofaktoren sind vorhergehende hüftgelenksnahe Operationen (Osteosynthesen, Umstellungsosteotomien, chirurgische Luxationen) und weibliches Geschlecht. Bei der Coxa saltans kommt es zu einer reproduzierbaren, oft schmerzhaften mechanischen Irritation des Tractus iliotibialis beim Gleiten über den Trochanter major. Frakturen des Trochanter major können intraoperativ gesetzt und zunächst verkannt werden oder Jahre nach Operation durch intraoperative Schwächung oder Knochensubstanzverlust in Folge von „stress shielding“ auftreten (Hendel et€al. 2002).
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
Während dislozierte Frakturen nativradiologisch sicher diagnostizierbar sind, ist zum Nachweis schmerzverursachender Fissuren ein CT indiziert. Sonographisch und mittels MRT können eine Pseudobursa oder ein Fasziendefekt über dem Trochanter major verifiziert werden. Die Schmerzen lassen sich durch direkten Druck auf den Trochanter major sowie Abduktion und Innenrotation des Beins gegen Widerstand auslösen. Zusätzlich kann die lokalisierte Schmerzentstehung durch eine diagnostische Infiltration mit Lokalanästhetikum (z.€B. 5€ml 0,5€% Bupivacain) gesichert werden. Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Bei Nachweis eines Fasziendefekts sollte ein Verschluss mit Fasziendoppelung oder ggf. eine Muskelverschiebeplastik (z.€ B. Glutaeus maximus) erfolgen (Whiteside et€ al. 2006). Grob dislozierte Frakturen des Trochanter major sollten mittels Osteosynthese stabil versorgt werden. Die Mehrzahl der Trochanterfrakturen ist gering disloziert (<â•›5€mm) und heilt unter konservativer Therapie mit einem guten funktionellen Ergebnis aus (Pritchett 2001). Bei den übrigen Schmerzursachen ist zunächst eine konservative Therapie indiziert. Liegt eine Pseudobursa oder reaktive Narbenplatte vor, können wiederholte Kortikoidinfiltrationen in Zusammenhang mit Physio- und physikalischer Therapie die Beschwerden bessern. Erst bei Therapieresistenz ist eine operative Revision mit Entfernung des reaktiven Gewebes indiziert. Die Coxa saltans kann, ebenfalls nach Ausschöpfung der physiotherapeutischen Maßnahmen, durch eine Traktopexie am Trochanter major therapiert werden. Bursitis trochanterica und Bursitis iliopectinea╇ Bei der Bursitis trochanterica ist der Schleimbeutel zwischen dem Tractus iliotibialis und dem Trochanter major entzündet. Als Bursitis iliopectinea wird eine Entzündung des Schleimbeutels zwischen der vorderen Hüftgelenkskapsel und der Sehne des M. iliopsoas im Bereich des Trochanter minor bezeichnet. Die Bursitis trochanterica ist eine Reaktion auf eine chronisch vermehrte Spannung der Fascia lata über dem Trochanter major. Diese kann primär durch Vergrößerung des Offsets oder kompensatorisch bei Insuffizienz der pelvitrochantären Abduktoren auftreten. Die Bursitis iliopectinea ist weitaus seltener und meist Folge einer direkten Reizung der Iliopsoassehne
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(Jasani et€ al. 2002) durch eine anterior überstehende Pfannenkomponente. Aufgrund der Oberflächenkontur ist sie daher häufiger bei Schraub- als bei Press-fitoder zementierten Pfannen. Die Verdachtsdiagnose wird klinisch durch Provokationstests gestellt. Die Bursa trochanterica wird bei Abduktion und Innenrotation, die Bursa iliopectinea bei Flexion und Außenrotation des Beins gegen Widerstand komprimiert. Die Diagnose kann durch eine MRT gesichert werden (Pfirrmann et€al. 2005). Der akute Schmerzzustand kann durch Injektion von Lokalanästhetikum und Kortison behandelt werden. Es sollte zunächst stets ein konservativer Therapieversuch mit Physiotherapie zur Harmonisierung der pelvitrochantären Muskelgruppen durchgeführt werden. Bei ausbleibendem Erfolg und Vorliegen einer operativ behebbaren Ursache wie Implantat-Impingement, pathologischem Offset oder Drehzentrum ist eine Revisionsoperation indiziert. Gelenkinstabilität╇ Der rezidivierende Kontaktverlust von Kopf und Inlay wird als Gelenkinstabilität bezeichnet. Er ist Hauptrisikofaktor der Gelenkluxation. Die Gelenkinstabilität ist das Ergebnis einer insuffizienten muskulären Gelenkführung. Diese kann Folge einer direkten Schädigung der pelvitrochantären Muskulatur, einer Denervierung derselben oder einer Veränderung der Hebelverhältnisse zwischen Becken und Trochanter major und minor sein, meist durch eine Verringerung des Offsets oder eine Medialisierung des Drehzentrums. In Abhängigkeit der Ausprägung können Subluxationsphänomene willkürlich oder durch den Untersucher provoziert werden. Die Untersuchung unter dem Bildverstärker erlaubt die Abgrenzung der Instabilität gegenüber Impingement-Syndromen. Veränderte Hebelverhältnisse der pelvitrochantären Muskulatur lassen sich nativradiologisch in der Beckenübersicht erkennen. Muskuläre Defizite können mit MRT oder, in ausgeprägten Fällen, auch sonographisch verifiziert werden. Nervenschädigungen werden elektromyographisch diagnostiziert. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und Ausprägung der Instabilität. Impingement-Syndrome╇ Unter Impingement versteht man eine meist schmerzhafte Gewebeeinengung im Gelenkbereich. Man unterscheidet ImplantatImpingement und knöchernes Impingement. Das
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Implantat-Impingement tritt zwischen Hals und Inlay der Prothese auf und führt zu Instabilität und Abrieb. Schmerzen werden durch eingeschlagenes Kapselgewebe verursacht. Ursächlich sind meist Fehlpositionierungen der Pfanne in Retrotorsion und reduzierter Inklination oder des Schafts in Retrotorsion. Weitere Risikofaktoren sind die Verwendung kleiner Köpfe mit einem breiten Hals sowie von sog. Dysplasie-Inlays mit überhöhtem Rand. Hier kann der Hals gegen den überhöhten Rand schlagen und so zu Abrieb und entgegen der Intention des randüberhöhten Inlays zur (Sub)luxation führen. Das knöcherne Impingement kann zwischen Trochanter major bzw. heterotopen Ossifikationen und Darmbein sowie zwischen Trochanter minor und Sitzbein auftreten. Risikofaktoren sind ein kranialisiertes und medialisiertes Drehzentrum und die Verwendung eines Schafts mit geringem Offset. Da es nur bei bestimmten Bewegungen zum Impingement kommt, eignen sich dynamische Untersuchungsverfahren besser als statische. Bei der klinischen Untersuchung treten reproduzierbar Schmerzen bei endgradiger Außenrotation und Abduktion (knöchernes Impingement des Trochanter major), Innenrotation, Flexion und Adduktion (knöchernes Impingement des Trochanter minor) oder in Außenrotation, Flexion und Abduktion (Implantat-Impingement) auf. Durch eine Dokumentation unter dem Bildverstärker kann das Impingement verifiziert und dokumentiert werden. Bei Verdacht auf eine Fehlpositionierung der Schaft- oder Pfannenkomponente ist eine CT indiziert. Die Therapie besteht in einer Korrektur der Impingement-Ursachen und ist daher meist operativ. Bei alleiniger Pfannenfehlpositionierung ist ein Pfannenwechsel ausreichend. Oft liegt ein kombinierter Fehler vor, so dass ein vollständiger Wechsel notwendig ist. In seltenen Fällen kann, bei korrekter Implantatlage, die Vergrößerung des Offset durch einen längeren Hals ausreichen. Stressfrakturen╇ Stressfrakturen sind Folge einer chronischen Überlastung des Knochens. Da sie ohne adäquates Trauma auftreten, handelt es sich um pathologische Frakturen. Risikofaktoren für das Auftreten von Stressfrakturen sind das Vorliegen einer Osteoporose und weibliches Geschlecht (Christiansen et€al. 2003). Sie treten
G. Matziolis und C. Perka
bei unzureichender Adaptationsfähigkeit des Knochens auf die veränderte Belastungssituation nach Implantation der Endoprothese auf. Eine Fraktur wenige Tage nach Operation ist daher keine Stressfraktur, sondern Folge einer intraoperativ verursachten Fissur. Stressfrakturen treten gehäuft im Schambein und Sitzbein im Bereich in der Nähe des Foramen obturatum auf. Stressfrakturen sind meist nicht disloziert, so dass sie nativradiologisch schwer nachweisbar sind. Hier ist die MRT mit der Möglichkeit, ein reaktives Knochenmarködem zu zeigen, sensitiver. Da es sich um eine pathologische Fraktur handelt, ist eine Osteodensitometrie zum Ausschluss einer Osteoporose indiziert. Liegt eine Osteoporose vor, ist eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie durchzuführen. Bei gering dislozierten Frakturen ist die Therapie konservativ mit schmerzadaptierter Mobilisation. Häufig reicht jedoch die Fraktur bis in das Pfannenlager, so dass eine Lockerung zu unterstellen und ein Pfannenwechsel, ggf. mit zusätzlicher Osteosynthese, indiziert ist. Nervenläsionen╇ Nervenläsionen sind mechanisch verursachte Schädigungen von Nerven, die zu reversiblen oder irreversiblen neurologischen Defiziten führen. In der Regel führt der intraoperative Hakenzug zu reversiblen Nervenläsionen. In seltenen Fällen wird ein Nerv während der Präparation stumpf oder scharf durchtrennt. In Frage kommen der N. femoralis durch den vorderen Pfannenrandhaken, der N. ischiadicus durch den hinteren Pfannenrandhaken, beim posterioren Zugang, der N. glutaeus superior bei der Präparation des M. glutaeus medius und der N. peronaeus als Lagerungsschaden. Erst im postoperativen Verlauf auftretende neurologische Defizite sprechen für die Kompression eines Nervs durch ein Hämatom. In seltenen Fällen kann eine Bursa oder ein Ganglion ebenfalls einen Nerv kompromittieren. Postoperativ aufgetretene sensible und motorische Ausfälle, die sich einem Nerv zuordnen lassen, sind beweisend für eine Nervenläsion. Die Schädigungshöhe kann durch neurophysiologische Messungen (EMG, NLG) eingegrenzt werden. Ein perineurales Hämatom lässt sich sonographisch oder mit CT bzw. MRT darstellen. Kompromittiert ein Hämatom, eine Bursa oder ein Ganglion einen Nerv, ist eine rasche operative Revision indiziert. In allen anderen Fällen ist abwartendes Verhalten angezeigt.
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
385
SGN
* Gl.Min
TM
GMM TA
Abb. 10.12↜ Foto und schematische Darstellung des Verlaufs des N. glutaeus superior (SGN) und seine Beziehung zum lateralen (TM) und apikalen Aspekt (TA) des Trochanter major. Der M. glutaeus medius (GMM) ist schematisch von der Beckenschaufel abpräpariert. (Aus Basarir et€al. 2007)
Da meist intraoperativer Druck, Zug oder Lagerung für Schädigungen des N. femoralis, N. ischiadicus und N. peronaeus verantwortlich sind, ist hier die Prognose günstig, wenngleich der Rückgang neurologischer Defizite bis zu 6 Monate dauern kann. Im Gegensatz dazu sind Schädigungen des N. glutaeus superior meist Folge einer chirurgischen Durchtrennung des Nervs und haben eine schlechte Prognose (Abb.€10.12). Ihre Inzidenz beim direkt lateralen Zugang ist mit 6,8€% hoch (Ranawat et€ al. 1980; Khan und Knowles 2007). Bei störender Insuffizienz des M. glutaeus medius kann hier im Einzelfall eine Muskeltransposition indiziert sein. Biomechanische Ursachen╇ Veränderungen der Hebelverhältnisse der pelvitrochantären Muskulatur durch die Implantation einer Hüftendoprothese können zu Schmerzen führen, weil die Elastizität und die Krafteinleitung in den Knochen beeinträchtigt werden. Jede Änderung von Drehzentrum, Offset oder Beinlänge bedingt eine Störung des komplexen Gleichgewichts der ein- und zweigelenkigen hüftgelenksumspannenden Muskeln und kann zu deren Insuffizienz führen (Abb.€10.13; Tab.€10.2). Bei einigen Patienten kann eine schmerzhafte Hypertrophie der Femurkortikalis im Bereich der Krafteinleitung des Schafts beobachtet werden. Hauptrisikofaktor ist die Verwendung distal verankernder zementfreier Implantate mit distaler Krafteinleitung. Ebenfalls schmerzhaft, aber radiologisch nicht sichtbar, kann ein erheblicher Unterschied im Elastizitätsmodul zwischen Implantat und Knochen sein.
Abb. 10.13↜ Pathologische Hebelverhältnisse bei unphysiologischer Vergrößerung des Offsets im Versuch, rezidivierende Luxationen zu vermeiden. Die Folge war eine Abduktoreninsuffizienz
Im Vergleich der aktuellen mit der präoperativen Beckenübersichtsaufnahme lassen sich Veränderungen von Drehzentrum, Offset und Beinlänge bestimmen. Fehlt eine präoperative Aufnahme, ist ein Vergleich mit der Gegenseite möglich. Ist auch diese endoprothetisch versorgt, möglicherweise ebenfalls schmerzhaft, kann das korrekte Drehzentrum nach der Methode von Ranawat angenähert werden (Ranawat et€al. 1980; Abb.€10.14).
G. Matziolis und C. Perka
386
Tab. 10.2↜╇ Funktion der hüftgelenksumspannenden Muskulatur. (Aus Sobotta 2008) Muskel
Innenrotation
M. glutaeus maximus M. glutaeus medius M. glutaeus minimus M. tensor fasciae latae M. piriformis M. obturator externus M. obturator internus M. gemellus superior M. gemellus inferior M. quadratus femoris M. biceps femoris M. semitendinosus M. semimembranosus
+ +
Außenrotation
Abduktion
Adduktion
Extension
+ +
+ + + + +
+
+
+ + + + + + +
C 1/5 C 1/5 C
Abb. 10.14↜ Bestimmung des korrekten Drehzentrums nach Ranawat et€al. (1980). Von der Tränenfigur ausgehend wird ein gleichschenkliges rechtwinkliges Dreieck nach lateral und kranial eingezeichnet. Die Kantenlänge beträgt 20€% der gesamten Beckenhöhe C. Das Hüftgelenksdrehzentrum sollte innerhalb des Dreiecks liegen. (Mod. nach Perka et€al. 2004)
Die Spitze des Trochanter major sollte etwa in Höhe des Drehzentrums liegen. Ob veränderte Hebelverhältnisse im Einzelfall tatsächlich die Schmerzursache sind, lässt sich bildgebend nicht beweisen.
Flexion
+
+ + + +
Klinisch imponiert das Bild meist durch eine Abduktorenschwäche. Im MRT sind Atrophien und kompensatorische Hypertrophien der hüftgelenksumgreifenden Muskulatur im Seitenvergleich wegweisend. Hiermit kann auch eine strukturelle Denervierung mit Verfettung von einer funktionellen Insuffizienz der Muskulatur differenziert werden. Bei implantationsbedingter muskulärer Insuffizienz ist die Therapie zunächst symptomatisch und besteht in einer Harmonisierung der aus dem funktionellen Gleichgewicht gebrachten Muskulatur. Erst bei Therapieresistenz ist eine operative Revision indiziert. Schaftschmerzen aufgrund einer Kortikalishypertrophie oder eines erheblichen Sprungs des Elastizitätsmoduls zwischen Implantat und Knochen können durch den Wechsel auf ein zementiertes Implantat verbessert werden. Es ist jedoch das Revisionsrisiko des offensichtlich knöchern integrierten Implantats dem möglichen Vorteil für den Patienten kritisch gegenüberzustellen. Implantatassoziierte Allergie╇ Die implantatassoziierte Allergie als Schmerzursache ist äußerst selten. Ein Zusammenhang mit der Verwendung von Metall-Metall-Gleitpaarungen wird vermutet, ist aber nicht belegt (Shahrdar et€ al. 2006). Persistierende lokale Hautreaktionen gelten als diagnostisch wegweisend, wobei keine gesicherte Korrelation zur epikutanen Allergietestung besteht. Sie besitzt damit für die periprothetische allergische Reaktion keine hinreichende diagnostische Aussagekraft (Thomas und Thomsen 2008). Eine implantatassoziierte Allergie kann bei präoperativ vorhandener Allergie auftreten
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
oder Folge einer Sensibilisierung durch das Implantat sein. Zugrunde liegt eine plasmazelluläre Reaktion auf metallische Abrieb- und Korrosionspartikel der Gleitpaarung. Diese kann in seltenen Fällen bis zur Lockerung des Implantats führen. Die einzige Möglichkeit einer Diagnosesicherung besteht derzeit in der histologischen Auswertung des periprothetischen Gewebes im Rahmen einer Wechseloperation.
10.1.2.2 Hüftgelenkunabhängige Faktoren Hüftgelenkunabhängige Faktoren sollten bei jedem schmerzhaften Hüftgelenk als Ursache in Betracht gezogen werden. Persistierende Beschwerden trotz korrekt implantierter Endoprothese sind zum Teil in einer Fehlindikation bei primär hüftgelenksunabhängigen Schmerzen begründet. Lumbale Erkrankungen╇ Lumbale Erkrankungen gehen von der Lendenwirbelsäule (LWS), den Nervenwurzeln oder der autochthonen Rückenmuskulatur aus. Bandscheibenvorfälle können Ursache von Koxalgien sein, ohne dass eine radikuläre Zuordnung der Symptomatik möglich ist. Zu beachten ist jedoch, dass sie mit zunehmendem Alter selten, bei über 60-jährigen Patienten eine Rarität sind. Hier sind Spinalkanalstenosen, degenerative Lumbalskoliosen und Olisthesen, Osteochondrosen und Spondylarthrosen häufiger. Bei immunsupprimierten oder multimorbiden Patienten kann auch eine Spondylodiszitis ursächlich sein. Die Basisdiagnostik besteht aus der klinischen Untersuchung zum Ausschluss die Schmerzen begleitender neurologischer Defizite und der nativradiologischen Bildgebung der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen. Die Schmerzen werden meist von der LWS in die Gluteal- und Hüftregion ausstrahlend angegeben. Die passive Beweglichkeit des Hüftgelenks ist, mit Ausnahme der Hyperextension, nicht eingeschränkt. Bei Verdacht auf eine vertebragene Ursache der Beschwerden sind CT und MRT indiziert. Die Therapie richtet sich nach der Ursache der lumbalen Erkrankung. Intrapelvine Prozesse╇ Intrapelvine Prozesse können ebenfalls zur Schmerzausstrahlung in das Hüftgelenk führen. Es kommen benigne und maligne Pathologien des Enddarms, der Blase, der Prostata und des Uterus mit Anhangsorganen in Betracht. Die Schmerzen sind selten bewegungs- oder belastungsabhängig. Die Beweglichkeit des Hüftgelenks ist nicht eingeschränkt. Zur Diagnostik intrapelviner Pro-
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zesse dient das MRT, bei erheblichen Metallartefakten das CT. Auch hier ist die Therapie abhängig von der Ursache. Neuropathien╇ Neuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Es werden die seltenen angeborenen primären Neuropathien von den sekundären Neuropathien unterschieden. Die häufigsten Ursachen für sekundäre Neuropathien sind Diabetes mellitus, langjähriger Alkoholabusus und Folgen der Chemotherapie. Bei der klinischen Untersuchung finden sich neben den Hüftgelenksschmerzen stets neurologische, meist sensible, Defizite. Die Elektroneurographie zeigt pathologische Veränderungen, z.€B. eine verminderte Nervenleitgeschwindigkeit oder ein verringertes Summenpotential. Die Therapie sekundärer Neuropathien besteht in einer Behandlung oder Absetzung der unterhaltenden Noxe. Zusätzlich wird eine medikamentöse neurologische Therapie empfohlen. Vaskuläre Ursachen╇ Erkrankungen des Gefäßsystems können ebenfalls schmerzhaft in die Hüfte ausstrahlen. Die Ätiologie ist heterogen. Zugrunde liegen können eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), ein Aneurysma der A. iliaca oder A. femoralis, eine Becken- oder Beinvenenthrombose oder ein postthrombotisches Syndrom. Eine pAVK lässt sich bei pathologischem Knöchel-Arm-Index, d.€ h. geringerem arteriellen Unterschenkel- als Unterarmdruck, vermuten. Die Diagnose wird durch eine Angiographie gesichert. Mit gleicher Methode zeigt sich auch ein Aneurysma, das außer den Schmerzen keine weiteren klinischen Symptome zeigen muss. Bei positivem Hohmann- oder Payr-Zeichen besteht Verdacht auf eine Thrombose, der durch eine Duplexsonographie oder Phlebographie ausgeräumt werden muss. Das postthrombotische Syndrom wird meist von Ödemen, ausgeprägten Krampfadern und Ulcera cruris als Folge einer Venenklappeninsuffizienz der Beine begleitet. Die Diagnose wird wie bei der akuten Thrombose durch die Duplexsonographie oder Phlebographie gesichert. Die Therapie ist gefäßchirurgisch, in Abhängigkeit von der Ätiologie konservativ oder operativ. Retroperitoneale Ursachen╇ Pathologien der retroperitonealen Organe können schmerzhaft in die Hüfte
G. Matziolis und C. Perka
388
ausstrahlen. Meist werden die Hauptschmerzen jedoch direkt über dem Organ oder über dem korrespondierenden Dermatom (Head-Zone) angegeben. In Frage kommen benigne und maligne Prozesse der Nieren, der Nebennieren, des Pankreas, des Duodenums sowie des Colon ascendens und descendens. Zur Diagnostik eignen sich die Sonographie, die MRT und die CT. Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Erkrankungen des Knie- und Sprunggelenks╇ Intraund extraartikuläre Pathologien im Bereich des Knieund Sprunggelenks können Schmerzen im Hüftgelenk verursachen. Es kann sich um ausstrahlende Schmerzen im N.€ obturatorius oder um schon- und fehlhaltungsbedingte Störungen der muskulären Balance der hüft-, knie- und sprunggelenksumspannenden Muskeln handeln (s.€Tab.€10.2). In die klinische Untersuchung der schmerzhaften Hüftendoprothese sollten das gleichseitige Knie- und Sprunggelenk einbezogen werden. Bei Verdacht auf eine Erkrankung reicht in der Regel die zusätzliche nativradiologische Diagnostik dieser beiden Gelenke. In seltenen Fällen ist ein MRT indiziert. Eine Schmerzbeeinflussung der Hüfte durch Injektion eines Lokalanästhetikums in das Knie- oder Sprunggelenk ist beweisend für die dortige Schmerzgenese. Die Therapie richtet sich nach der Schmerzursache des Knie- oder Sprunggelenks, sollte aber in jedem Fall Physiotherapie zur Prophylaxe einer muskulären Imbalance der unteren Extremität einschließen. Psychogene Ursachen╇ Psychogene Störungen sind schwer fassbar und können die Ursache therapieresistenter Hüftgelenksschmerzen sein. Aus Sicht des Orthopäden und Unfallchirurgen erscheint die Differenzierung nach bewusst vorgetäuschtem sekundärem Krankheitsgewinn, z.€B. Rentenbegehren, Münchhausen-Syndrom und unbewusst erlebten (Depression) Symptomen am pragmatischsten. Bei Verdacht auf eine manifeste Psychopathologie ist die Mitbehandlung durch entsprechende Spezialisten indiziert (Psychosomatiker, Psychiater, Psychologen). Wichtig ist dabei, somatische Schmerzursachen auch bei nachgewiesener Psychopathologie nicht zu übersehen, so dass der diagnostische Algorithmus der schmerzhaften Hüftendoprothese mit der Abklärung psychogener Ursachen enden sollte.
Die Therapie sollte durch den zuständigen Facharzt durchgeführt werden.
10.2 A lgorithmus zur Bestimmung unklarer Schmerzen nach Hüft-TEP G. Matziolis und C. Perka Die Verwendung eines Algorithmus standardisiert und rationalisiert die Diagnostik der schmerzhaften Hüftendoprothese (Abb.€ 10.15). Die Diagnostik beginnt mit einer ausführlichen Schmerzanamnese, die klären sollte, seit wann die Beschwerden bestehen, insbesondere, ob ein schmerzfreies Intervall nach der Operation bestand, ob der Schmerzcharakter sich seit der Operation verändert hat, ob die Schmerzen belastungsabhängig sind und ob eine zirkadiane Rhythmik besteht. Wird ein schmerzfreies Intervall angegeben, sind eine Infektion, eine aseptische Lockerung oder eine hüftgelenksunabhängige Ursache wahrscheinlich. Bestehen hingegen die Schmerzen unverändert vor und nach Implantation der Endoprothese, ohne dass sich der Schmerzcharakter verändert hätte, ist eine schon präoperativ führende hüftgelenksferne Schmerzgenese anzunehmen. Werden unmittelbar nach der Operation begonnene neuartige Schmerzen angegeben, kommen mechanische Ursachen, z.€B. Impingement, Instabilität, muskuläre Insuffizienz, ebenso in Frage wie eine Stressfraktur, eine Bursitis trochanterica oder iliopectinea oder ein Frühinfekt. Eine zirkadiane Rhythmik mit einem nächtlichen Schmerzmaximum spricht für eine inflammatorische, meist infektiöse Genese. Belastungsabhängige Schmerzen hingegen deuten auf eine mechanische Schmerzursache hin. An die Schmerzanamnese schließt sich die klinische Untersuchung an. Hier sollte der Schmerz örtlich eingegrenzt, ggf. ein Punctum maximum gefunden werden. Eine klare Schmerzlokalisierung deutet auf ein lokales Geschehen, z.€ B. eine Bursitis oder eine Stressfraktur, hin. Bei intraartikulärer Pathologie wird hingegen meist ein diffuser Schmerz in die Leistenregion projiziert. Weitere Hinweise darauf sind schmerzhafte Einschränkungen der aktiven oder passiven Beweglichkeit, meist im Sinne des Kapselmusters mit Einschränkung der Innenrotation und Extension. An die isotonischen Bewegungsprüfungen schließen sich
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
389
Hüftgelenks-unabhängig
Hüftgelenks-abhängig A) Präoperativ
Arthrose
Keine Arthrose
B) Postoperativ Septische Lockerung
A) Differentialdiagnosen:
Aseptische Lockerung
neu postoperativ
Schmerz
<3 Monate postoperativ
<3 Monate postoperativ
Ruhe-/Nachtschmerz
Belastungsschmerz
> 5 Jahre
> 5 Jahre
identisch
–Rö/CT/MRT WS, Knie- und Sprunggelenk –CT Becken (intrapelviner Prozess)
Beginn
–Dopplersonographie (Gefäßstatus)
Zeitpunkt
–Ausschluss psychogener Ursachen
Prothesenalter
ja
Radiologische Lockerungszeichen
Keine Sklerosierung
Sklerosierung
Sklerosierung
ohne Störung der Zementintegrität
mit Störung der Zementintegrität
Saumbildung
diffuse Ossifikation
operatives Zugangsgebiet
Ossifikation
Osteolysen < 6 Monate
Implantatbruch
Lyse/Bruch
Norm Punktion/Biopsie
B) Differentialdiagnosen: –Muskuläre Insuffizienz (+ Trendelenburg-Zeichen) –Gelenkinstabilität (Bildwandleruntersuchung)
Labor
erhöht
nein
CrP/BSG Leukozyten
–Impingementsymptomatik (Klinische Tests) –Polyethylenabrieb (Rö: Denzentrierung des Kopfes)
Norm
–Stressfraktur (Röntgen, CT) –Bursitis trochanterica (Infiltration LÄ)
Abb. 10.15↜ Behandlungsalgorithmus der schmerzhaften Hüfte/Hüftendoprothese
isometrische Provokationstests gegen Widerstand an, die Impingement-Syndrome, Bursitiden und muskuläre Insuffizienzen aufdecken. Die nativradiologische Diagnostik sollte aus einer Beckenübersicht und einer Lauenstein-Aufnahme bestehen und, falls vorhanden, Voraufnahmen einschließen. Es empfiehlt sich eine systematische unvoreingenommene Analyse der Röntgenbilder (s.€Übersicht).
Systematische Analyse einer Beckenübersichtsaufnahme
• • • • •
Lockerung von Schaft oder Pfanne Fraktur Lage des Drehzentrums Offset Beinlänge
• Heterotope Ossifikationen • Implantatüberstand/Impingement • Verkalkungen von Sehnen oder Schleimbeuteln • Dezentrierung des Kopfes • Osteolysen
Andere bildgebende Verfahren wie Sonographie, MRT, CT oder Szintigraphie sind selten indiziert und im Gegensatz zum nativen Röntgenbild keine Screening-Untersuchungen, sondern dienen der Verifizierung einer konkreten Verdachtsdiagnose. In jedem Fall ist eine laborchemische Blutuntersuchung mit Bestimmung von Blutbild, C-reaktivem Protein (CrP) und Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) zu empfehlen. Auffällige Parameter haben eine hohe Sensitivität, jedoch nur mäßige Spezifität für das Vorliegen eines Infekts. Sie rechtfertigen jedoch die Durchführung
390
einer Hüftgelenkspunktion, die eine mäßige Sensitivität bei hoher Spezifität hat und so die Paraklinik komplementär ergänzt. Nach der Gelenkpunktion kann Lokalanästhetikum injiziert werden, das bei nachfolgender Schmerzreduktion eine intraartikuläre Genese der Schmerzen belegt. Extraartikuläre Infiltrationstests kommen bei Verdacht auf eine Bursitis oder ein Impingement in Frage und können bei zusätzlicher Gabe von Kortikoiden therapeutisch wirksam sein. Erst nach Ausschluss einer somatischen Genese sollte die Verdachtsdiagnose einer psychogenen Schmerzursache gestellt und der Patient an einen entsprechenden Facharzt überwiesen werden.
10.3 Infiziertes Kunstgelenk T. Gehrke Die periprothetische Infektion ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen in der Endoprothetik und kann zur Versteifung oder sogar zum Verlust der betroffenen Extremität führen. Ein möglicher septischer Schock ist immer lebensbedrohlich (Abb.€10.16). Die Pathogenese der periprothetischen Infektionen unterscheidet sich von anderen Entzündungen im menschlichen Körper. Ausgangspunkt ist hier nicht das Weichgewebe oder der Knochen, sondern ein von Bakterien besiedelter Fremdkörper. Diese implantatassoziierten Infektionen werden in der Regel durch Mikroorganismen wie Staphylokokken hervorgerufen, die in der Lage sind, einen „Biofilm“ zu bilden. Hierbei handelt es sich um einen Polysaccharidschleim, die Glycocalix (Gristina 2004; Gristina und Costerton 1984). In dieser extrazellulären Matrix bilden die Bakterien Mikrokolonien in einer sessilen oder stationären Form, d.€h. einem verzögert wachsenden Zustand (Frommelt und Gehrke 2000). Diese steht im Gegensatz zu der normalerweise vorhandenen planktonischen (freilebenden) Form und ist neben der deutlich langsameren Generationszeit vor allem durch eine bis 1000fach höhere Resistenz gegen wachstumsabhängige Antibiotika gekennzeichnet (Donlan 2002; Stewart und Costerton 2001). Zusätzlich wird durch die Anwesenheit eines Fremdkörpers, bedingt vermutlich durch einen lokal erworbenen Granulozyteneffekt, bei vielen Bakterien, wie z.€B. Staphylococcus aureus, die Inokulationsdo-
T. Gehrke
Abb. 10.16↜ Periprothetische Infektion durch Streptokokken
sis, also die Keimzahl die notwendig ist, eine Infektion auszulösen, um das über 100.000fache gesenkt (Wodke et€al. 2003; Zimmerli et€al. 1982). Es existiert eine Vielzahl von unterschiedlichen Einteilungen und Klassifikationen der periprothetischen Infektionen. Die Einteilung der periprothetischen Infektionen von Zimmerli et€ al. (2004) berücksichtigt sowohl die Ätiologie als auch den Zeitpunkt der klinischen Manifestation der Infektion nach der Endoprothesenimplantation. • Die Frühinfektion (<â•›3 Monate postoperativ) ist durch klinische Symptome wie Wundheilungsstörungen, persistierende Schmerzen, Rötung, Überwärmung, Induration und Fieber gekennzeichnet. • Die verzögerte Infektion (>â•›3 Monate bis <â•›24 Monate postoperativ) zeigt persistierende oder verstärkte Gelenkschmerzen sowie teilweise eine Frühlockerung der Endoprothese. Typische klinische Infektsymptome können gänzlich fehlen. • Die Spätinfektion (>â•›24 Monate postoperativ) kann sich entweder akut-systemisch im Rahmen einer Septikämie oder subakut-lokal bei einer asymptomatischen Bakteriämie manifestieren. Bei der frühen und verzögerten Infektion liegt überwiegend eine exogene Ätiologie vor, die meistens in der direkt intraoperativen oder unmittelbar postoperativen Keimbesiedlung im Rahmen eines infizierten Hämatoms oder einer Wundheilungsstörung liegt. Im Gegensatz dazu sind die Keime bei der späten Infektion meistens hämatogenen oder lymphogenen Ursprungs. Hier spielen chronische Eintrittspforten wie Zahngranulome, Harnwegsinfekte oder Panaritien eine bedeutende Rolle. In der ENDO-Klinik wird eine therapeutisch orientierte, einfache und sehr pragmatische Klassifikation
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
391
10.3.1 Diagnostik
Abb. 10.17↜ Radikale Entfernung des Fremdmaterials, einschließlich nekrotischen Knochens
(Sobotta 2008) verwendet (Steinbrink und Frommelt 1995): • Die Akut- oder Sofortinfektion (<â•›3 Wochen postoperativ) erlaubt den Versuch, das Implantat zu belassen und lediglich ein radikales Debridement mit systemischer Antibiotikatherapie, optional mit Saug-Spül-Drainage durchzuführen. • Beim Auftreten einer Spätinfektion (>â•›3 Wochen postoperativ) müssen das Implantat und alle Fremdkörper entfernt werden. Therapeutisch ist die Entfernung aller kolonisierter Fremdkörper zwingend, woraus sich ein konsequentes mikrobiologisches und chirurgisches Vorgehen ergibt. Es spielt keine Rolle, ob das Implantat einzeitig, zweizeitig oder mehrzeitig gewechselt wird. Entscheidend ist aber die Tatsache, dass alle infizierten Fremdkörper entfernt werden und das chirurgische Debridement der Weichteile und Knochen sorgfältig und gründlich durchgeführt wird. Nekrotische Knochenanteile (Sequester) müssen ebenso radikal entfernt werden, da sie ebenfalls als besiedelbare Fremdkörper anzusehen sind (Abb.€10.17). Es besteht grundsätzlich kein Unterschied hinsichtlich des diagnostischen und therapeutischen Konzepts zwischen den unterschiedlichen Gelenken. Eine Hüftprotheseninfektion unterliegt den identischen pathogenetischen Gegebenheiten wie eine Knie- oder Schulterendoprothese. Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie der periprothetischen Infektionen unabhängig von der Lokalisation sind: Entfernung aller Fremdkörper, komplettes chirurgisches Debridement aller infizierter Gewebsanteile, radikale Entfernung aller nekrotischer Knochenanteile.
10.3.1.1 Klinische Symptome Die anamnestisch zu erhebenden Symptome können sich je nach Virulenz des Keims sowie Umfang und Dauer der Infektion innerhalb eines breiten Spektrums bewegen (Abb.€10.18). Dieses reicht von Patienten mit leichten belastungsabhängigen Schmerzen bis hin zu somnolenten, akut vital bedrohten Patienten im Zustand eines septischen Schocks. Dementsprechend variieren auch die Beschwerden der Erkrankten. Grundsätzlich ist bei jeder schmerzhaften Endoprothese bis zum Beweis des Gegenteils von einer Infektion auszugehen. Lokale Symptome wie Rötung, Überwärmung und Induration der Wunde oder systemische, vegetative Symptome, wie vermehrter Nachtschweiß und subfebrile Temperaturen, können Hinweise auf das Vorliegen einer periprothetischen Infektion sein. In einer Untersuchung unserer Klinik an einem Patientenkollektiv mit nachgewiesenen periprothetischen Infektionen des Jahres 2000 fanden wir bei 31,8€ % unauffällige Wundverhältnisse. 33,8€% zeigten lokale Auffälligkeiten wie Rötung, Überwärmung und Induration, die den Verdacht bereits in Richtung einer periprothetischen Infektion lenkten. In 32,5€ % der Fälle war die Infektion durch eine Fistel erkennbar und in 1,9€% mit einer Defektwunde und freiliegender Endoprothese (Wodke et€al. 2004). Das klinische Leitsymptom der periprothetischen Infektion ist der Schmerz, der entweder postoperativ persistiert oder im Falle der Spätinfektionen nach einem beschwerdefreien Intervall in dem betroffenen Gelenk erneut auftritt. Bei jedem schmerzhaften endoprothetisch versorgten Gelenk handelt es sich bis zum Ausschluss um eine periprothetische Infektion. 10.3.1.2 Labor CrP und BSG steigen postoperativ grundsätzlich an. Der CrP-Wert sollte sich nach 2–3 Wochen normalisiert haben, während die BSG bis zum Ablauf des ersten Jahres erhöht sein kann; somit kommt der Kontrolle des CrP-Werts die entscheidende Bedeutung zu (Buchholz et€al. 1977; Spangehl et€al. 1999). Die Leukozytenzahl und deren Differenzierung besitzt keine bzw. nur eine sehr begrenzte Aussagefähigkeit, da diese sich in der Regel im Normbereich befindet bzw. bei einer Erhöhung schwer von anderen infektiösen oder rheumatischen Erkrankungen zu unterscheiden ist.
392
T. Gehrke
Abb. 10.18↜ Klinisches Bild einer periprothetischen Knieinfektion
Die Zahl der Leukozyten in der Synovialflüssigkeit hingegen besitzt bei Patienten ohne begleitende entzündliche Gelenkerkrankungen eine hohe Sensitivität und Spezifität in der Diagnostik der periprothetischen Infektionen (Trampuz et€al. 2004).
10.3.1.3 Radiologische Diagnostik Nativröntgen in standardisierten Ebenen und falls erforderlich Messaufnahmen. Es existieren keine pathognomischen Veränderungen im Nativröntgen. Radiologische Veränderungen bei der periprothetischen Infektion: • Knochen weist Mischbild von Sklerosierungen und Lysen auf, • Fehlen eines periprothetischen Sklerosesaums, • scharf begrenzte periostale Auflagerungen, • periartikuläre Ossifikationen, • bei Sofortinfektionen und Low-grade-Infektionen keine Veränderungen! Die Magnetresonanztomografie (MRT) besitzt bei hohen Kosten nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. In einigen Fällen kann sie zur Beurteilung der Weichteilsituation und zur Darstellung von Abszessen geeignet sein (Abb.€10.19 und 10.20). 10.3.1.4 Nuklearmedizinische Bildgebung Die Skelettszintigrafie besitzt zwar eine ausgesprochen hohe Sensitivität (>â•›90€%) in Bezug auf Prothesenlockerungen, vermag aber häufig nicht zwischen aseptischer und septischer Lockerung zu unterscheiden, weshalb die Spezifität sehr gering ist und damit
Abb. 10.19↜ Unauffälliges Röntgenbild einer periprothetischen Infektion der linke Hüfte
dieses Untersuchungsverfahren zur Diagnostik der septischen Prothesenlockerungen nicht geeignet ist. Ähnlich verhält es sich mit den Leukozytenszintigraphien, von denen die Antigranulozytenszintigraphie mit 600–800€MBq Tc-99€m-markierten murinen Antigranulozytenantikörpern noch die höchste Spezifität aufweist (93€%; Ivancevic et€al. 2002; Klett et€al. 2001). Vielversprechende Resultate weist in den letzten Jahren zunehmend die Positronenemissiontomographie (PET) auf mit einer Treffsicherheit von bis zu 89€% in der Detektion von septischen Prothesenlockerungen (de Winter et€al. 2001).
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
393
Abb. 10.20↜ MRT von Abb.€10.19 mit Darstellung eines großen Weichteilabszesses auf dem Trochanter major
Der radiologischen Diagnostik kommt lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. In der Regel bieten alle Techniken einen nicht verwertbaren Befund. Spätinfektionen zeigen im Nativröntgenbild typische Zeichen wie periostale Reaktionen, Ossifikationen, Resorptionssäume oder Osteolysen. Szintigraphie, CT und MRT können die septische Lockerung nicht von der aseptischen Lockerung differenzieren. Die Artefaktbildung in CT und MRT erschwert zudem die Beurteilung der knöchernen Verhältnisse. Die kombinierte Indium-111- und Technetium-99€ m-Leukozytenszintigraphie ist den übrigen Szintigraphieverfahren hinsichtlich der Differenzierung überlegen, aber sehr teuer und nur in ausgesuchten Fällen zu empfehlen.
10.3.1.5 Gelenkpunktion Die größte diagnostische Schwierigkeit stellt bei der periprothetischen Infektion in der Regel der Nachweis einer Low-grade-Infektion dar, da diese häufig sehr schwer von einer aseptischen Prothesenlockerung zu unterscheiden ist. Der entscheidende Beweis einer periprothetischen Infektion erfolgt durch den Erregernachweis. Dieser lässt sich nur durch die Punktion der Gelenkflüssigkeit erreichen (Morawietz et€ al. 2006a; Pietsch et€al. 2003). 10.3.1.6 Keimbestimmung Die Methode der Wahl zur Gewinnung einer repräsentativen Probe zur erfolgreichen Keimbestimmung stellt die Gelenkpunktion dar (Abb.€10.21, 10.22).
Beachte╇ • Systemische Antibiose 10–14 Tage vor Punktion absetzen • Während der Punktion kein Lokalanästhetikum (antimikrobielle Wirkung) • Keine Spülungen oder Kontrastmittelapplikationen (Verdünnungseffekt) • Punktate müssen im Labor für mindestens 14 Tage bebrütet werden
Praxistipp Punktionen╇ 1. Äußere Bedingungen: a. OP-ähnliche Bedingungen b. Punktionen sollten grundsätzlich unter Bildwandler- oder Sonographiekontrolle durchgeführt werden c. Gips- und OP-Vorbereitungsräume sind in der Regel nicht geeignet d. Die Benutzung von sterilen Handschuhen, Mundschutz und Haube ist obligat e. Hautdesinfektion hat nach allgemeinem Standard der chirurgischen Desinfektion zu erfolgen 2. Punktionsort:. a. Am Hüftgelenk bevorzugen wir den direkten vorderen Zugang von der Leiste
T. Gehrke
394 Abb. 10.21↜ Punktionsraum mit Bildwandler
Abb. 10.22↜ Punktion eines Hüftgelenks von ventral unter Durchleuchtung
unterVermeidung von Verletzungen der femoralen Leitungsbahnen b. Bei periartikulären Verkalkungen bietet sich der laterale Zugang an c. Mit der Punktionsnadel wird Metallkontakt gesucht. Ist dieser erreicht, befindet man sich mit der Nadelspitze sicher intraartikulär und kann aspirieren d. Lässt sich dennoch keine Gelenkflüssigkeit gewinnen, lässt man das Bein von der Assistenz passiv durchbewegen, wodurch Flüssigkeit aus den dorsalen Anteilen des Gelenks „herangepumpt“ wird. Eine sog. „Punctio sicca“ lässt sich so in den allermeisten Fällen vermeiden und sollte
immer die absolute Ausnahme darstellen. Ein „Anspülen“ des Gelenks ist nicht zu empfehlen, da es hierdurch zu einer starken Verdünnung des Punktats mit relativer Reduktion der Keimzahlen kommen kann, was die Keimidentifizierung deutlich verschlechtert 3. Punktatmenge: a „Je mehr desto besser“, aber mindestens 1€ml b. Eine größere Punktatmenge leistet gute Dienste als „natürliches Transportmedium“ c. Neben der Punktatmenge ist die Beschaffenheit des Punktats wie beispielsweise „blutig“, „serös“ oder „putride“ zu dokumentieren und auf dem Einsendebogen dem Mikrobiologen mitzuteilen 4. Fistelabradate: a. Fistelabradate werden nach Desinfektion der Umgebung des Fistelausgangs mit dem scharfen Löffel aus der Tiefe des Fistelgangs gewonnen und in ein Kulturröhrchen, z.€ B. eine anaerobe Blutkulturflasche, überführt. 5. Probentransport: a. Proben müssen dem Labor innerhalb kürzest möglicher Frist zugeführt werden, um das Absterben empfindlicher Erreger (z.€B. Anaerobier) zu verhindern
10â•… Spätfolgen – Diagnose und Therapie
b. Ist ein längerer Versand durch Boten- oder Postdienste erforderlich, muss die Probe für die Dauer des Transports geschützt werden. Hierzu eignen sich spezielle Anaerobiergefäße oder alternativ von der Industrie angebotene Transportmedien (z.€B. Portacel®, Portagem®) c. Ist ein unmittelbarer Transport nicht möglich, sollte das Medium bei ca. 4°C im Kühlschrank bis zum Transport ins Labor konserviert werden 6. Probenkultivierung: a. Die Kultivierung und Verarbeitung der Proben sollte grundsätzlich von einem möglichst mit der Diagnostik von periprothetischen Infektionen vertrautem Mikrobiologen erfolgen
395
den lässt. Die ihr zugeordneten histologischen Charakteristika weisen, verglichen mit den mikrobiologischen Befunden, eine Treffsicherheit von mehr als 89€% auf.
10.3.2 Therapeutische Prinzipien Bei der periprothetischen Infektion stehen zwei Therapieziele im Vordergrund: 1. Sanierung der Infektion, 2. Erhalt der Gelenkfunktion. Das Grundprinzip jedes operativen Sanierungsversuchs einer Infektion des Bewegungsapparats und fremdkörperassoziierter Infektionen ist die Entfernung sämtlicher Fremdkörper. Bei der Behandlung der periprothetischen Infektionen gibt es hierfür nur zwei Ausnahmen, die es rechtfertigen, den oder die Fremdkörper zu belassen:
Unter diesen strikten Kriterien für eine präoperative Gelenkpunktion gelang es in unserem mikrobiologischen Labor bei der Analyse von 2158 Fällen eine Richtigkeit von 92,3€ % bei der Keimidentifizierung aus präoperativen Gelenkpunktaten verglichen mit intraoperativen Biopsien zu erzielen (Steinbrink und Frommelt 1995). Diese „accuracy“ ist sehr gut und stellt die wesentliche Grundvoraussetzung für das zielgerichtete operative Vorgehen dar. Das Keimspektrum der nachgewiesenen Erreger in der ENDO-Klinik weist im Vergleich der letzten Jahrzehnte lediglich geringfügige Veränderungen auf und zeigt eine bekanntermaßen hohe Anzahl an Staphylokokken- und Streptokokkeninfekten, aber auch von schwer nachzuweisenden Anaerobierinfekten. Besorgniserregend ist die klar zu analysierende progrediente Resistenzentwicklung der Bakterien in den letzten Jahrzehnten, die in klarer Divergenz zu der Anzahl an neu entwickelten Antibiotika steht (Steinbrink und Frommelt 1995; Wodke et€al. 2004).
Weichteildebridement unter Verbleib der Prothese mit/ohne Saug-Spül-Drainage und systemischer Antibiotikatherapie (<â•›3€Wochen postoperativ nach Primäreingriff)╇ Von Gristina (1984, 2004) stammen wesentliche Erkenntnisse über die Besonderheiten der fremdkörperassoziierten Infektion. Die Schlussfolgerungen aus diesen Studien waren, dass eine operative Therapie einer infizierten Gelenkprothese unter Verbleib der Prothese nur innerhalb der ersten drei Wochen nach dem Primäreingriff sinnvoll erscheint. Danach ist der „race for the surface“ gegen die Mikroben im Kampf um die Besiedlung der Endoprothese verloren und auch fest integrierte Implantate müssen explantiert werden. Die besten Ergebnisse für ein Weichteildebridement unter Verbleib der Prothese mit Saug-SpülDrainage und systemischer Antibiotikatherapie liegen bei Streptokokken vor, gefolgt von Staphylokokken. Die Resultate liegen zwischen 60€ % (Mella-Schmidt und Steinbrink 1989) und 87€% (Giulieri et€al. 2004) bei allerdings stark selektiertem Patientengut und sehr früher, aggressiver operativer Intervention.
10.3.1.7 Histopathologie Der histopathologischen Untersuchung der intraoperativ entnommenen Biopsien kommt in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung zu. Morawietz et€al. (2004, 2006a) konnten nachweisen, dass die bei Prothesenwechsel nahezu regelmäßig vorkommende sog. Lockerungs- oder Abriebmembran grundsätzlich vier Subtypen, u. a. den infektösen Typ II, unterschei-
Supprimierende systemische Antibiotikatherapie╇ Bei Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand und einem sehr hohen internistisch-anästhesiologischen Risiko für einen weiteren operativen Eingriff kann eine supprimierende Antibiotikatherapie eine Option darstellen. Um einen Verhalt von infizierter Flüssigkeit mit der daraus resultierenden Gefahr einer Septikämie zu verhindern, kann die Anlage einer dauerhaften Fis-
T. Gehrke
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tel hilfreich sein. Eine Infektsanierung ist mit diesen Maßnahmen in der Regel nicht zu erzielen, so dass die Infektpersistenz für den ohnehin schon geschwächten Patienten eine andauernde konsumierende Erkrankung darstellt, die jederzeit vital bedrohlich werden kann. Dieses Vorgehen ist mit dem Patienten und seinen Angehörigen gründlich hinsichtlich der Vor- und Nachteile abzuwägen (Buchholz et€ al. 1977, 1981; Fitzgerald et€al. 1977). Zweizeitiger Endoprothesenwechsel mit einem Intervall von 6–12 Wochen╇ Die zweizeitige Wechseloperation einer infizierten Prothese ist bis zum heutigen Tage weltweit immer noch das am häufigsten angewandte Therapieverfahren in der septischen Gelenkersatzchirurgie. Dabei gibt es die Möglichkeit, im Intervall zwischen der Explantation und der Reimplantation einen Antibiotikaplatzhalter einzufügen, eine Resektionsarthroplastik ohne Spacer zu belassen oder eine Interimsprothese zu implantieren (Pietsch et€al. 2003). Auch beim zweizeitigen septischen Prothesenwechsel ist ein präoperativer Keimnachweis mit Erstellung eines Antibiogramms zwingend notwendig, um eine mikrobiologisch fundierte Therapieempfehlung aussprechen zu können. Sollte es also trotz eindeutiger klinischer Hinweise für eine Infektion nicht gelingen, einen Keimnachweis zu führen, so ist dies zwingend eine Indikation für einen zweizeitigen Wechsel, denn dann kann während der Prothesenexplantation intraoperativ aus verschiedenen Regionen des Situs Gewebe entnommen werden. In Situationen, in denen sich der Allgemeinzustand eines Patienten aufgrund einer Sepsis ohne präoperative Identifizierung des Keims bedrohlich verschlechtert, muss ebenfalls der zweizeitige Wechsel mit sofortiger Entfernung des Fremdmaterials durchgeführt werden, um die vital gefährdende Erkrankung zu beherrschen. Ein weiterer Grund, zweizeitig zu agieren, kann in der Resistenzlage des Keims oder einer allergischen Disposition des Patienten liegen, die keine adäquate topische und systemische Antibiotikatherapie erlauben. Letztlich gibt es Ausbreitungen des Infektgewebes, z.€B. bis in das kleine Becken oder mit breitflächiger Infiltration von neurovaskulären Strukturen, die ein radikales Weichteildebridement in diesen Regionen unmöglich machen (Simmons und Stern 1996). Einzeitiger Endoprothesenwechsel╇ Das Prinzip der einzeitigen Wechseloperation bei periprothetischen
Infektionen wurde in den 70er Jahren von H. W. Buchholz entwickelt. In seinen Studien „Über die Depotwirkung einiger Antibiotika bei Vermischung mit dem Kunstharz Palacos“ (Buchholz und Engelbrecht 1970) entwickelte er die Möglichkeit, durch eine topische Zumischung des Antibiotikums zum Knochenzement die Endoprothesen vor einer Besiedelung mit Bakterien zu schützen, um die Infektionsrate bei der Primärimplantation von künstlichen Gelenken deutlich zu senken, da diese in dieser Zeit noch bei ca. 10€ % lag (Charnley 1972). Dies führte zu der Idee, bei einer periprothetischen Infektion im Rahmen der Reimplantation der Endoprothese dem Knochenzement resistenzgetestete Antibiotika zuzufügen, die die Oberfläche des Implantats vor einer Rekolonisation durch im Situs verbleibende Bakterien schützen (von Foerster et€ al. 1987; Frommelt et€al. 1989; Gehrke 2004; Gehrke und Frommelt 2001; Josefsson et€al. 1981; Lynch et€al. 1987; Nagai et€al. 2003). Dauerhafte Prothesenexplantation╇ In einigen Fällen ist nach der Explantation einer infizierten Endoprothese eine Reimplantation nicht indiziert. Dies können z.€B. chronisch-persistierende Eintrittspforten für Keime wie Ulcera cruris oder Defektwunden nach Radiatio sein. Andere Ursachen sind eine schlechte Compliance (z.€ B. Drogenabusus) oder eine signifikante Immunschwäche, für die eine dauerhafte Prothesenexplantation die Therapie der Wahl ist. Amputation/Exartikulation╇ Bei ausgedehnten Defekten der Weichteil- und Knochenstrukturen, wie z.€ B. nach mehrfachen Revisionsoperationen, stellt die Amputation oder Exartikulation in einigen Fällen die einzige therapeutische Möglichkeit dar, das entzündliche Geschehen zu therapieren. Schwere periphere Durchblutungsstörungen in der betroffenen Extremität sind in unserem Krankengut die häufigste Ursache für eine Amputation (Nieder et€al. 1994a, b; Basarir et€al. 2007).
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11
Individuelle Ergebniskontrolle J. Mettelsiefen
Die Implantation einer Hüftendoprothese ist die erfolgreichste Operation in der Orthopädie (Huo und Cook 2001; Simank et€al. 1998). Eine stetig steigende Zahl an Eingriffen zeigt den wachsenden Bedarf in einer immer älter werdenden Gesellschaft mit hohen Ansprüchen an ihre Mobilität. Sie zeugt jedoch auch von der hohen Patientenzufriedenheit, die durch exzellente Ergebnisse erzielt wird (Grubl 2006). Die Veränderung und Verbesserung von Material, Design und Implantationstechnik hat zu einer deutlichen Reduktion von Früh- und Spätkomplikationen geführt, weshalb sowohl das funktionelle Ergebnis als auch die Standzeit von Implantaten in der modernen Endoprothetik sehr gut geworden sind. Dennoch ist es notwendig, bei jedem einzelnen Patienten das Behandlungsergebnis (Outcome) im Sinne einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle zu überprüfen, um mögliche Komplikationen (z.€B. Funktionseinschränkung oder Lockerung des Implantats) frühzeitig erkennen und die Ursache identifizieren zu können. Auch die Weiterentwicklung von Endoprothesen und Operationsverfahren im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen bedarf einer Kontrolle von Behandlungsergebnissen der versorgten Patienten. Eine individuelle Ergebniskontrolle sollte sich sowohl auf die morphologische Situation (Veränderungen der Implantatlage bzw. des periprothetischen Knochens) als auch die subjektiven Beschwerden des Patienten (Schmerzen, Alltagsfunktion, Lebensqualität) beziehen, da beide Bereiche unerwünschte – und auch voneinander unabhängige – Veränderungen aufJ. Mettelsiefen () Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, Haus 29, 01307 Dresden, Deutschland E-Mail:
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weisen können. Deshalb hat sich mittlerweile eine allgemein akzeptierte Notwendigkeit der Messung von implantatbezogenen und patientenbezogenen Outcomes durchgesetzt. Im Folgenden sollen unter Berücksichtigung sowohl der klinisch-praktischen als auch wissenschaftlichen Relevanz die gängigsten Verfahren der Ergebniskontrolle in diesen beiden Dimensionen dargestellt werden.
11.1 I mplantatbezogene Ergebniskontrolle 11.1.1 Konventionelle Röntgendiagnostik Das mit Abstand wichtigste Untersuchungsverfahren zur Beurteilung eines Implantats ist die konventionelle Röntgenaufnahme. Unmittelbar postoperativ bzw. während des stationären Aufenthalts steht die Dokumentation von Prothesenlage (Position von Schaft und Pfanne) und Integrität des Knochenlagers (Fehlen von periprothetischer Fissur oder Fraktur) im Vordergrund. Im weiteren Verlauf wird die konventionelle Röntgenaufnahme genutzt, um mögliche Lockerungen von Implantaten oder morphologisch sichtbare Veränderungen des Knochenlagers (Osteolysen, Knochenremodelling, entzündliche Reaktionen) nachzuweisen. Es gibt keine verbindlichen Vorgaben für die Zeitpunkte, an denen Röntgenkontrollen nach Hüft-TEPImplantationen stattfinden sollen. Sinnvoll ist aus o.€g. Gründen neben einer frühpostoperativen Dokumentation (während oder am Ende des akut-stationären Aufenthalts) eine weitere Kontrolle nach Erreichen der vollen Belastung und daran anschließend in größeren Abständen (z.€ B. alle zwei Jahre). Die entsprechenden Intervalle können jedoch auch in Abhängigkeit
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_11, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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von Alter, Belastungsanspruch und klinikspezifischen Vorgaben modifiziert werden. Bei Angaben von Beschwerden ist selbstverständlich eine sofortige Diagnostik – auch im Intervall – indiziert. Wenn die Implantatlage optimal überprüft und eventuell auftretende Komplikationen möglichst frühzeitig entdeckt werden sollen, sind standardisierte Projektionen zu wählen. Das betreffende Hüftgelenk wird immer in zwei Ebenen abgebildet (z.€B. Beckenübersicht oder Hüftgelenk mit proximalem Femur a.€p. und Aufnahme nach Lauenstein oder axiale Projektion). Entsprechende Einstelltechniken sind der einschlägigen Literatur zu entnehmen. Will man Prothesenlockerungen radiologisch ausschließen, vergleicht man den Sitz des Implantats im zeitlichen Verlauf und sucht nach radiologischen Lockerungszeichen. Diese werden in sichere und unsichere Lockerungszeichen unterschieden: • Sichere Lockerungszeichen sind Aufhellungszonen um das gesamte Implantat herum mit einer Breite von mehr als 2€mm, Positionsänderungen von mehr als 5€mm bzw. mehr als 5° und Zementfrakturen. • Als unsichere Lockerungszeichen bezeichnet man hingegen inkomplette Aufhellungszonen mit einer Breite von mehr als 2€mm, komplette Aufhellungszonen mit einer Breite unter 2€mm und das Einsinken des Prothesenschafts unter 5€mm. Um die Lokalisation und Ausbreitung der Aufhellungszonen genau angeben zu können, wurden verschiedene Einteilungen entwickelt. Die am häufigsten benutzte Einteilung ist die 7-teilige Zoneneinteilung nach Gruen et€al. 1979. Hierbei entspricht in der a.€p.Aufnahme die Zone 1 dem proximalen lateralen Rand des Prothesenschafts, die weiteren Zonen finden sich fortlaufend nach distal (Prothesenspitzeâ•›=â•›Zone 4) und enden proximal medial mit Zone 7 (Abb.€11.1 ).
11.1.2 Verfahren zur Migrationsmessung Wenn man mit der visuellen Beurteilung konventioneller Röntgenaufnahmen die Standzeiten bzw. Überlebensdauer eines neuen Implantats beurteilen möchte, ergeben sich aussagefähige Ergebnisse oft erst nach vielen Jahren. Dies liegt daran, dass frühe und nur diskrete Positionsänderungen (Migration) als Hinweis auf eine spätere Lockerung anhand einer herkömmlichen Beurteilung von Routineaufnahmen nicht mit der notwendigen Genauigkeit erfassbar sind. Deshalb wur-
Zone 1 Zone 7
Zone 6
Zone 2
Zone 5
Zone 3
Zone 4
Abb. 11.1↜ Zonale Einteilung zementierter Schäfte nach Gruen et€al. (1979)
den alternative Verfahren entwickelt, die mit deutlich höherer Sensitivität auch geringfügige Veränderungen der Implantatposition nachweisen können. Dazu gehören die Röntgen-Stereometrie-Analyse (RSA) und die Einbildröntgenanalyse (EBRA): • Das genaueste Verfahren zur Messung der Implantatmigration ist die Röntgen-Stereometrie-Analyse. Sie wurde 1974 in Schweden entwickelt. Mit ihr ist es möglich, kleinste Bewegungen zwischen Implantat und Knochen (Migration) mit hoher Genauigkeit früh zu entdecken und zu messen (Mjoberg et€ al. 1984). Migration wird dabei als Bewegung in Abhängigkeit von der Zeit definiert (Mjoberg 1991). Hierzu sind in festgelegten Zeitabständen kalibrierte Röntgenaufnahmen in „Stereotechnik“ notwendig: Mit Hilfe einer speziellen Apparatur werden zwei Röntgenbilder vom selben Objekt und zur gleichen Zeit in definiertem Winkel der Zentralstrahlen oder mit parallel verschobenem Zentralstrahl aufgenommen. Die Lage eines Objekts im Raum kann dann eindeutig bestimmt werden,
11â•… Individuelle Ergebniskontrolle
wenn mindestens 3 Punkte auf beiden Aufnahmen eindeutig identifizierbar sind. Durch Markierung der Hüftprothesen bzw. der Weichteile mit entsprechenden Markern sind beim Vergleich der einzelnen Aufnahmen Bewegungen in Abhängigkeit von der Zeit erfassbar. Als Marker werden in der Regel Tantalkügelchen (Durchmesser 0,2 bis max. 0,5€ mm) verwendet. Im Gegensatz zur Vermessung konventioneller Röntgenbilder mit einer Genauigkeit von maximal 1–5€ mm bzw. 1–6° ermöglicht die RSA eine dreidimensionale Analyse der Mikrobewegung mit deutlich höherer Genauigkeit (1–250€ µ bzw. 0,03–0,6°; Selvik et€al. 1983; Herrlin et€al. 1986). Den Vorteilen des Verfahrens – hohe Genauigkeit und Erfassung aller Bewegungsparameter (3 Rotations- und 3 Translationsbewegungen im Raum) – stehen die Nachteile der notwendigen Applikation von Tantalkügelchen (mit eigener Migrationstendenz) und der relativ hohe apparative bzw. finanzielle Aufwand gegenüber. • Das alternativ propagierte Verfahren ist die Einzelbildröntgenanalyse (EBRA). Mit ihr kann an der Pfanne eine Migration in Längsrichtung (Kranialwanderung) und Querrichtung (Medial- und Lateralwanderung) sowie eine Veränderung von Anteversion und Inklination gemessen werden (Krismer et€ al. 1995; Russe 1988). Beim Schaft kann man Bewegungen in kraniokaudaler Richtung (Sinterung) nachweisen (Beaule et€ al. 2005; Biedermann et€al. 1999). Hierzu werden standardisiert aufgenommene Bilder mit einem Röntgenbildscanner digitalisiert. Es werden nur Bilder verwendet, die hinsichtlich Beckenrotation um die Transversal- oder Longitudinalachse vergleichbar sind. Am Bildschirm werden festgelegte Knochen- und Prothesenkonturen identifiziert. Mit der Maus markiert man entsprechende Punkte. Durch Speicherung dieser Eingaben in einer getrennten Datei wird das originale Bildmaterial nicht verändert und der Messvorgang ist beliebig reproduzierbar. Softwaregestützt werden die gewonnenen Daten verwendet, um Wanderungsgrafiken zu erstellen. Im zeitlichen Verlauf können somit ebenfalls Migrationen nachgewiesen werden. Hierbei ist die Software der einzig spezifische Teil der Messanlage. Der Rest ist beliebig austauschbar. Durch den geringen apparativen Aufwand ist die EBRA weitaus weniger kostenintensiv als die RSA-basierte Migrationsmessung.
403
11.1.3 Weitergehende Analysen Zusätzliche bildgebende Verfahren (CT, Szintigraphie) und Messungen (periprothetische Knochendichte, Nachweis von Markern des Knochenstoffwechsels oder Metallionen in Körperflüssigkeiten) stehen im Rahmen spezieller Fragestellungen zur Verfügung, haben jedoch in der routinemäßigen Ergebniskontrolle keinen Stellenwert.
11.2 P atientenbezogene Ergebniskontrolle Die patientenbezogene Ergebniskontrolle hat sich in der Vergangenheit häufig in einer mehr oder weniger standardisierten Erfassung postoperativer Schmerzen und der Dokumentation von Bewegungsumfängen erschöpft. Mittlerweile sind jedoch zuverlässige Messinstrumente entwickelt worden, die eine reproduzierbare und valide Einschätzung aller Dimensionen erlauben, in denen sich Veränderungen nach einem Gelenkersatz abbilden. Neben der Erfassung von klinischen Kerndaten gehören dazu vor allem die Algofunktion und die Lebensqualität, die mit entsprechenden Fragebögen dokumentiert werden.
11.2.1 Klinische Kerndaten Bei der Untersuchung eines Patienten nach endoprothetischem Ersatz des Hüftgelenks sind die allgemein bekannten Untersuchungsbefunde am Hüftgelenk zu erheben. Dies sind insbesondere: • anamnestische Angaben zu Schmerzen und Beschwerden • Gangbild (Hinken), Trendelenburg-Zeichen • Beinlängenunterschied • Narbenverhältnisse • Gelenkbeweglichkeit (Neutral-0-Methode; Gerhardt und Rondinelli 2001; Knapp 1967) • Muskelkraft nach Janda (1976; ggf. Atrophiezeichen) • Sensibilität und Durchblutung.
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11.2.2 Messung der Algofunktion In Ergänzung der klinischen Untersuchung – unter bestimmten Umständen auch alternativ dazu – können fragebogenbasierte Messungen der Algofunktion durchgeführt werden. Es gibt in der Hüftendoprothetik eine Vielzahl von sog. Scores, die dafür entwickelt wurden. Zu den heute am meisten verbreiteten gehören der Harris-Hip-Score (HHS) und der Western Ontario and Mac Master Universities Osteoarthritis Index (WOMAC): • Harris-Hip-Score (HHS): Hierbei handelt es sich um ein Skaleninstrument mit maximal 100 erreichbaren Punkten, das in vier Kategorien (Schmerz, Funktion, Bewegungsausmaß und Deformitäten) eingeteilt ist (Tab.€ 11.1, s. auch Kapitel 5.6). In der Kategorie Schmerz können maximal 44 Punkte erreicht werden und für Funktion werden 47 Punkte vergeben (14 Punkte bezogen auf tägliche Verrichtungen und 33€Punkte bezogen auf die Gehleistung). Zur bestmöglichen Objektivierbarkeit nutzt Harris bei der Erfassung dieser beiden Kriterien definierte Angaben zum Gebrauch von Gehhilfen, der maximal bewältigbaren Gehstrecke und evtl. vorhandenes Hinken. In Abhängigkeit von der – ärztlich gemessenen – Beweglichkeit und dem Fehlen von Deformitäten können weitere 5 bzw. 4 Punkte erlangt werden (Harris 1969). Es werden die Bewegungen Extension/Flexion, Abduktion/Adduktion und Innenrotation/Außenrotation bestimmt und die Bewegungsausmaße aller drei Freiheitsgrade zusammengezählt. Für 0–29° werden 0 Punkte, für 30–59° wird 1€Punkt, für 60–99° werden 2 Punkte, für 100–159° werden 3 Punkte, für 160–209° werden 4 Punkte und für 210–300° werden 5 Punkte vergeben. Ein hoher Punktwert entspricht im HHS also einem guten Ergebnis in Bezug auf Schmerz, Funktion und Bewegungsausmaß. • Mit dem 1988 von Bellamy entwickelten WOMAC (Western Ontario and Mac Master Universities Osteoarthritis Index) kann die Algofunktion untersucherunabhängig erfasst werden, da es sich hierbei um einen Fragebogen handelt, den der Patient selbst ausfüllen kann. Der WOMAC ist nicht nur auf das Hüftgelenk beschränkt, sondern kann auch bei Erkrankungen des Kniegelenks angewendet werden. Er umfasst drei Skalen mit insgesamt 24 Fragen. Der erste Teil (A) besteht aus 5 Fragen zu Schmerzen. Im zweiten Teil (B) werden 2 Fragen
zu Steifigkeit gestellt. Der letzte Teil (C) besteht aus 17 Fragen zur körperlichen Aktivität (Tab.€11.2 ). Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Ergebnisdokumentation (visuelle Analogskala, Likert-Skala, Angabe von Schweregraden einer Einschränkung), wobei ein hoher Punktewert immer als Hinweis auf eine schlechte Funktion zu werten ist (Stucki et€al. 1996, 1998).
11.2.3 Lebensqualität Ein weiteres Ziel der Ergebniskontrolle ist die Erfassung der individuellen Lebensqualität, die maßgeblich mit der Patientenzufriedenheit korreliert. Hierzu wurden spezifische Fragebögen entwickelt und in der Endoprothetik sind der SF-36 und der EuroQol-Fragebogen am häufigsten: • Der SF-36 ist ein international erprobter Fragebogen zur Ermittlung der allgemeinen Lebensqualität (Ware und Sherbourne 1992). Hierbei wird in 8 Subskalen die krankheitsübergreifende Lebensqualität erfasst. Er teilt sich auf in die Kategorien körperliche Funktionsfähigkeit, körperliche Rollenfunktion, körperliche Schmerzen, allgemeine Gesundheitswahrnehmung, Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion und psychisches Wohlbefinden. Damit lassen sich recht zuverlässig Veränderungen in den für Patienten auch unterschiedlicher Altersgruppen wichtigen Dimensionen erfassen (Kiebzak et€al. 1997; Böhm et€ al. 2005). Um den Nachteil der recht umfangreichen Dokumentation mit relativ vielen Daten zu reduzieren, steht auch eine verkürzte Version (SF12) zur Verfügung. • Der EuroQol schließlich ist ein Fragebogen zur subjektiven Beschreibung und Bewertung des Gesundheitszustands (König et€ al. 2005). Er umfasst nur fünf Fragen, die sich auf Probleme in den Dimensionen „Beweglichkeit/Mobilität“, „Selbstversorgung“, „Alltägliche Tätigkeiten“, „Schmerzen/ körperliche Beschwerden“ und „Angst/Niedergeschlagenheit“ beziehen. Die Beantwortung der Fragen erfolgt anhand einer einfachen Ordinalskala (1â•›=â•›keine Probleme, 2â•›=â•›mäßige Probleme, 3â•›=â•›extreme Probleme). Zusätzlich muss der Befragte anhand einer visuellen Analogskala seinen eigenen Gesundheitszustand beschreiben. Aufgrund seiner Kürze und den zuverlässigen testtheoretischen
11╅ Individuelle Ergebniskontrolle Tab. 11.1↜ Harris-Hip-Score (HHS) ohne Punktwerte. (Nach Harris 1969)
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406 Tab. 11.1↜ (Fortsetzung)
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11╅ Individuelle Ergebniskontrolle Tab. 11.2↜ Western Ontario and Mac Master Universities Osteoarthritis Index (WOMAC). (Nach Stucki et€al. 1998)
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Tab. 11.2↜ (Fortsetzung)
Eigenschaften ist der EuroQol ein zunehmend beliebtes Instrument (Brooks 1996; The EuroQol Group 1990) (Abb.€11.4). Bei der Verwendung von Fragebögen zur Messung von Algofunktion bzw. Lebensqualität im Rahmen
von Nachuntersuchungen bzw. klinischen Studien ist zu beachten, dass diese in der Regel urheberrechtlich geschützt sind und teilweise auch Lizenzgebühren für die Benutzung anfallen.
11â•… Individuelle Ergebniskontrolle
11.3 R egisterbasierte Qualitätssicherung Neben den aufgeführten Alternativen zur Dokumentation der individuellen Ergebnisqualität wird in zunehmendem Maß auch die Erfassung von Daten im Rahmen von Registern verfolgt.
11.3.1 E xterne vergleichende Qualitätsdarstellung Seit 2001 sammeln die deutschen Krankenhäuser in festgelegten Leistungsbereichen Informationen zur Messung und zum bundesweiten Vergleich der Qualität in Medizin und Pflege auf der Grundlage des §Â€137 SGB€ V. Die BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung GmbH) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Inhalte und Methoden dieser externen vergleichenden Qualitätsdarstellung entwickelt. In verschiedenen Leistungsbereichen sind Qualitätsindikatoren definiert worden, die sowohl dem internen Qualitätsmanagement dienen als auch für externe Vergleiche und die Qualitätsberichterstattung nutzbar sind. Für die Leistungsbereiche „Hüftendoprothesen-Erstimplantation“ und „HüftendoprothesenKomponentenwechsel“ sind folgende Qualitätsziele definiert: • oft eine angemessene Indikation (klinische und röntgenologische Kriterien), • grundsätzlich perioperative Antibiotikaprophylaxe, • möglichst oft postoperative Beweglichkeit Extension/Flexionâ•›>╛╛0/0/70°, • hoher Anteil an Patienten mit selbständigem Gehen bei Entlassung, • selten Gefäßläsion, Nervenschaden, Implantatfehllage oder -dislokation, • selten Fraktur als intra- oder postoperative Komplikation, • selten Endoprothesenluxation, • selten postoperative Wundinfektion, • selten Wundhämatome und Nachblutungen, • selten allgemeine postoperative Komplikationen, • selten erforderliche Reinterventionen wegen Komplikation, • geringe Letalität. Jede Klinik, die endoprothetische Eingriffe durchführt, muss Behandlungsdaten zu diesen Qualitätszielen für alle versorgten Patienten dokumentieren und
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zentral an die BQS schicken. Die gesammelten Daten werden ausgewertet und anschließend den Kliniken von der BQS bzw. den Landesgeschäftsstellen in Form von Berichten zur Verfügung gestellt. Damit ist eine Möglichkeit gegeben, die klinikeigenen Kennzahlen fortlaufend zu beobachten, den Leistungsstand im Vergleich mit anderen Abteilungen kennenzulernen und eine Qualitätsverbesserung zu entwickeln. Im Rahmen der externen Qualitätssicherung werden auffällige Ergebnisse jährlich gemeinsam zwischen den an den Landesgeschäftsstellen angesiedelten fachlichen Arbeitsgruppen und betroffenen Kliniken analysiert, um dort eine Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen zu ermöglichen. Auf www.bqs-qualitaetsindikatoren.de sind weitere Informationen zur Durchführung dieser wichtigen Qualitätssicherungsmaßnahme sowie Leistungsdaten aus den vergangenen Jahren einsehbar.
11.3.2 K ISS (Krankenhaus-Infektions- Surveillance-System) Ein wichtiges Qualitätsmerkmal endoprothetischer Versorgung ist auch die Rate an Wundinfektionen bzw. periprothetischen Infekten. Aufgrund der hohen Bedeutung haben sich hier unterschiedliche Verfahren der aktiven Infektüberwachung (Surveillance) ausgebildet. Die Surveillance von Wundinfektionen als evidenzbasierte Maßnahme ist für alle operativen Disziplinen von großer Bedeutung. Hierbei können gezielt Mängel in der Infektionsprävention aufgedeckt und Maßnahmen evaluiert werden. Das KISS (↜Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System) konzentriert die Surveillance auf sog. Indikatoroperationsarten, z.€B. Hüftendoprothesen, Kolonoperationen und Koronarbypässe. Die Erfassung postoperativer Wundinfektionen erfolgt nach einheitlichen Methoden und nach den Definitionen der CDC (Center of Disease Control). Die kumulierten Daten aller Abteilungen werden als Referenzdaten alle 6€Monate berechnet und auf der Website www.nrz-hygiene.de veröffentlicht.
11.3.3 Endoprothesenregister Schließlich gibt es in Deutschland seit langem die Bemühung, alle implantierten Hüftendoprothesen im Rahmen eines Endoprothesenregisters zu erfassen. Dieser wichtige Schritt würde eine individuelle Verfol-
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gung von Patienten- und damit Implantatschicksalen als grundlegendes Instrument der Qualitätssicherung ermöglichen. Aufgrund unterschiedlicher administrativer und finanzieller Schwierigkeiten ist es jedoch bis heute bedauerlicherweise noch nicht dazu gekommen. In anderen Ländern (Schweden, Norwegen, Dänemark, Australien etc.) gibt es solche Register und relevante Informationen können daraus gewonnen werden (s. Kap.€13).
Literatur Beaule PE, Krismer M, Mayrhofer P et€al (2005) EBRA-FCA for measurement of migration of the femoral component in surface arthroplasty of the hip. J Bone Joint Surg Br 87:741–744 Biedermann R, Krismer M, Stöckl B et€al (1999) Accuracy of EBRA-FCA in the measurement of migration of femoral components of total hip replacement. Einzel-Bild-RontgenAnalyse-femoral component analysis. J Bone Joint Surg Br 81:266–272 Böhm TD, Kirschner S, Köhler M et€ al (2005) The German Short Musculoskeletal Function Assessment questionnaire: reliability, validity, responsiveness, and comparison with the Short Form 36 and Constant score – a prospective evaluation of patients undergoing repair for rotator cuff tear. Rheumatol Int 25:86–93 Brooks R (1996) EuroQol: the current state of play. Health Policy 37:53–72 Gerhardt JJ, Rondinelli RD (2001) Goniometric techniques for range-of-motion assessment. Phys Med Rehabil Clin N Am 12:507–527 Grubl A (2006) Results of cementless hip arthroplasty. Radiologe 46:779–784 Gruen TA, McNeice GM, Amstutz HC (1979) „Modes of failure“ of cemented stem-type femoral components: a radiographic analysis of loosening. Clin Orthop Relat Res 141:17–27 Harris WH (1969) Traumatic arthritis of the hip after dislocation and acetabular fractures: treatment by mold arthroplasty. An end-result study using a new method of result evaluation. J Bone Joint Surg Am 51:737–755 Herrlin K, Selvik G, Pettersson H (1986) Space orientation of total hip prosthesis. A method for three-dimensional determination. Acta Radiol Diagn (Stockh) 27:619–627
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12
Begutachtung K. Weise
12.1 E ndoprothetik und Begutachtung – Allgemeines Für die Begutachtung nach endoprothetischem Gelenkersatz müssen einige grundsätzliche Überlegungen Berücksichtigung finden, die sich zum einen am Rahmen des jeweiligen Rechtsbereichs, zum anderen an Art und Lokalisation des Kunstgelenks orientieren. Neben einer Funktionsstörung sind es insbesondere Einschränkungen in Belastbarkeit und Leistungsvermögen, die bei der gutachterlichen Bewertung beachtet werden müssen. In den einschlägigen Tabellen, bezogen auf die unterschiedlichen, für die Begutachtung maßgeblichen Versicherungsbedingungen, sind die Bewertungsmaßstäbe abgestimmt auf eine einwandfreie Funktion bzw. den optimalen Zustand des Kunstgelenks und die für diesen im Einzelnen empfohlenen numerischen Einschätzungen vorgegeben. Eine unmittelbare Übertragung dieser Zahlenwerte von einem in den anderen Rechtsbereich ist wegen der sich voneinander unterscheidenden Bezugsgrößen und Versicherungsbedingungen regelhaft nicht möglich. Zunächst wird zwischen Kunstgelenken an der oberen oder der unteren Extremität speziell im Hinblick auf die anzunehmende Belastbarkeit/individuelle Belastung sowie die Leistungsfähigkeit differenziert. Selbst bei perfektem Sitz eines Kunstgelenks und einer im Vergleich zur Gegenseite einwandfreien, unter Umständen sogar besseren Funktion bedingen möglicher Verschleiß, die Gefahr der Lockerung und
potentielle Fremdkörperreaktionen im angrenzenden Weichgewebe infolge Abriebpartikeln spezielle Bewertungskriterien, die bei der Begutachtung zu berücksichtigen sind. Dies wiederum bedeutet, dass selbst ein momentan voll belastbarer, gut funktionsfähiger und den Probanden nicht beeinträchtigender künstlicher Gelenkersatz mit einem dem jeweiligen Rechtsbereit angepassten „Basiswert“ zu versehen ist (Bretschneider et€al. 1998). Neben den unterschiedlichen Bewertungen auf der Grundlage der jeweils gültigen Versicherungsbedingungen in den einzelnen Rechtsbereichen bestehen bedauerlicherweise nicht unerhebliche Differenzen in den numerischen Angaben, in welcher Höhe Kunstgelenke im Sinne dieses „Basiswerts“ einzuschätzen sind. Hinzu kommt, dass aus heutiger Sicht und basierend auf den aktuellen Kenntnissen von Funktion, Belastbarkeit und Standzeit eines Kunstgelenks die absoluten Zahlen für dessen Bewertung kaum nachvollziehbar sind. Dies wird besonders für in einschlägigen Gutachtentabellen aufgeführte Einschätzungen deutlich, die die Versteifung eines großen Gelenks im Vergleich zu denjenigen bei einem gut funktionierenden Kunstgelenk in Bezug bringen. Publikationen zur Begutachtung in der Endoprothetik aus jüngerer Zeit sind eine absolute Rarität, so dass der Gutachter für seine Beurteilung auf Bestehendes zurückgreifen muss, auch wenn die Inhalte und Maßstäbe uneinheitlich und bei objektiver Betrachtung teilweise nur schwerl nachvollziehbar sind (Bretschneider et€ al. 1998; Heisel und Jerosch 2007).
K. Weise () Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Schnarrenbergstraße 95, 72076, Tübingen, Deutschland E-Mail:
[email protected] L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_12, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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12.2 V orbereitung und Durchführung der Begutachtung Bei Eintreffen der Gutachtenanforderung durch einen der möglichen Auftraggeber (Gesetzliche Unfallversicherung, Private Unfallversicherung, Haftpflichtversicherung) ist zunächst einmal der Gegenstand der Beweisfragen zu überprüfen bzw. festzustellen, ob die eigene Kompetenz für die Begutachtung vorhanden ist. Danach erfolgt eine Überprüfung der Unterlagen im Hinblick auf die Vollständigkeit der überlassenen Akten und der bildgebenden Verfahren. Zur Vorbereitung des Gutachtens gehört die Durchsicht des Akteninhalts und daraus abgeleitet die exakte Kenntnis der gutachtlichen Fragestellung. Die Begutachtung selbst soll in dafür geeigneten Räumen vorgenommen werden, in denen die notwendigen Voraussetzungen für eine körperliche Untersuchung der Probanden gegeben sind. Dabei ist auf eine entsprechende Wahrung der Intimsphäre unter Umständen unter Einbeziehung einer gleichgeschlechtlichen Hilfsperson zu sorgen. Die zusätzlichen Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen oder andere bildgebende Verfahren, Labortests oder Sonographie sind soweit abzustimmen, dass sie ggf. unmittelbar nach der klinischen Untersuchung stattfinden können. Zu Beginn der Begutachtung erfolgt eine ausführliche Erhebung der Eigen- und Fremdanamnese, wobei die Kenntnis des Akteninhalts dem Probanden infolge des vorhandenen Informationsstands Vertrauen in den Gutachter vermittelt. Aufgenommen werden danach die subjektiven Beschwerden des Probanden im Hinblick auf Funktion, Belastbarkeit, auch Einschränkungen und Schmerzen des jeweiligen Kunstgelenks. Die Klagen des Probanden sollen möglichst wortgetreu wiedergegeben werden. Die Befragung erstreckt sich auch auf Rahmenbedingungen im Beruf und Haushalt. Die klinische Diagnostik geht auf die örtlichen Verhältnisse im Bereich des Kunstgelenks wie Narbenbildung, Schwellneigung, Schonhaltung und Fehlstellung sowie den Zustand der gesamten betroffenen im Vergleich zur kontralateralen Extremität ein. Die Heranziehung der Messblätter für obere und untere Gliedmaßen, ausgefüllt nach der Neutral-0-Methode, ist unabdingbar. Röntgenaufnahmen des betroffenen Gelenks sowie der gesunden Gegenseite, fallweise auch der angrenzenden Gelenke sind Routine. Im Falle des Verdachts einer Lockerung oder einer chronischen
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Infektion schließen sich laborchemische Diagnostik, fallweise eine Szintigraphie und u.€ U. bildgebende Verfahren wie eine CT an. Die zusammenfassende Beurteilung bewertet die erhobenen Befunde inklusive der radiologischen Diagnostik und weiterer Bildgebungen unter den Rahmenbedingungen desjenigen Rechtsbereichs, für den das Gutachten angefordert wurde. Die dafür jeweils vorgegebenen „Basiswerte“ sind oben bereits ausführlich dargestellt.
12.3 R ichtlinien für die Begutachtung in verschiedenen Rechtsbereichen Bei der Begutachtung von Endoprothesenträgern ist zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen in den einzelnen Rechtsbereichen erhebliche Unterschiede aufweisen, sowohl bei der Bewertung des individuellen Zustands im Hinblick auf die semantisch korrekte Verwendung der einschlägigen Terminologien als auch bezogen auf die differierende Auswirkung qualitativer Einbußen an Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit. Ein Gutachten ist wertlos und ohne Bestand, wenn die falschen Begriffe verwendet oder bei der numerischen Einschätzung Anhaltsoder „Basiswerte“ aus anderen Rechtsbereichen zum Ansatz gebracht werden. Typische Beispiele hierfür sind der Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (↜MdE) oder der Grad der Behinderung (↜GdB), die zwar jeweils in absoluten Zahlen ausgedrückt werden, aber unter Heranziehung differierender Bezugsgrößen von völlig unterschiedlicher Aussage sind (Ludolph 2004; Weise 2007; Weise und Schiltenwolf 2008). Unabdingbar ist zudem, dass der Gutachter die für die einzelnen Versicherungsbereiche gültigen Begriffe und deren Bedeutung kennen muss und sie in korrekter Art und Weise benutzt. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang die MdE bezogen auf die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) erwähnt, die sich auf den Zustand des Probanden vor dem Unfallereignis und die im Vergleich dazu aktuell vorhandene Einbuße der abstrakten, nicht berufsbezogenen Erwerbsfähigkeit auf dem sog. allgemeinen Arbeitsmarkt bezieht. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherte vor seiner Schenkelhalsfraktur mit der Notwendigkeit der Implantation eines künstlichen Gelenks im Straßenbau oder als Büroangestellter tätig war. Auch die mögliche besondere berufliche Betroffenheit eines Endoprothe-
12â•… Begutachtung
senträgers hat im Rahmen der Begutachtung für die gesetzliche Unfallversicherung nur in sehr seltenen Ausnahmefällen besondere Relevanz, z.€B. wenn der Versicherte vor dem Unfallereignis einen Spezialberuf ausgeübt hat, diesen aber nicht wieder ergreifen kann und wenn unter Berücksichtigung von Berufsjahren und Lebensalter das Verweisen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eine unbillige Härte bedeuten würde (s. unten, Abschnitt „Gesetzliche Unfallversicherung“). Zusammengefasst ist bei der Begutachtung von Endoprothesenträgern neben der Funktion und den Besonderheiten eines künstlichen Gelenks die auf gesetzlichen Grundlagen und Verordnungen beruhende Anspruchsvoraussetzung maßgebend für die individuelle Beurteilung und Bewertung.
12.3.1 Gesetzliche Unfallversicherung Verbleiben nach dem Heilverfahren und/oder über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus beachtliche, d.€h. rentenberechtigende Funktionsstörungen, kommt es zum Rentenverfahren.
12.3.1.1 Sozialgesetzbuch VII Bei eindeutigem Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis und der Notwendigkeit der Implantation einer Endoprothese können in der GUV wie bei allen anderen relevanten Unfallfolgen die Instrumente des ersten und zweiten Rentengutachtens sowie der Rente auf unbestimmte Zeit (↜RAUZ) zur Anwendung kommen. Sind beispielsweise eine 4-Segment-Fraktur des Oberarmkopfes oder eine Pauwels-III-Fraktur des Schenkelhalses primär mit einer Frakturprothese für den Oberarmkopf respektive einer Totalendoprothese für das Hüftgelenk versorgt, handelt es sich bei haftungsbegründender Kausalität (Unfall während der Arbeit oder auf dem Hin- oder Rückweg zu dieser) zumindest vorübergehend um Arbeitsunfallfolgen in rentenberechtigendem Ausmaß, die einer entsprechenden gutachtlichen Bewertung bezüglich einer vorläufigen Rente bedürfen. Nach Wiedereintritt der (fiktiven, wenn der ursprüngliche Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann) Arbeitsfähigkeit erfolgt die Einschätzung der MdE abstrakt (nicht berufsbezogen) projiziert auf die fiktive Einbuße an Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die im Rahmen des ersten Rentengutachtens vorzunehmende MdE-Bewertung berücksichtigt die über die Basisein-
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schätzung von 20€% für ein stabiles Gelenk mit guter Funktion hinaus bestehenden Einschränkungen der Beweglichkeit, eine verminderte Kraftentfaltung bei herabgesetzter Muskelfunktion, die mögliche Schwellneigung infolge von Blutumlaufstörungen, ein gestörtes Gangbild mit der Erfordernis der Verwendung von Gehhilfen u.€a.€m. Entsprechend erhöht sich bei derlei zusätzlichen Unfallfolgen die Einschätzung der MdE auf 30 oder mehr Prozent. Analog dazu werden einliegende Kunstgelenke wie z.€B. am Knie- oder oberen Sprunggelenk wie auch an anderen anatomischen Orten mit einer Basiseinschätzung belegt, die bei zusätzlich bestehenden Beeinträchtigungen erforderlichenfalls angehoben werden muss. Für die Einschätzung der MdE bei statisch weniger belasteten Kunstgelenken an der oberen Extremität wird diskutiert, ob hier ein identischer „Basiswert“ wie an der unteren Extremität zugrunde zu legen ist. Obgleich auch dort eine stärkere arbeitsbedingte Belastung wie bei Überkopfarbeiten, höherer Gewichtsbelastung durch Heben und Tragen von Lasten oder anderen körperlich anstrengenden Tätigkeit wie z.€B. dem häufigen Gebrauch eines schweren Hammers etc. denkbar sind, wird in den einschlägigen Tabellen ein „Basiswert“ der MdE bei Frakturprothesen an der Schulter in Höhe von lediglich 10€ % angenommen. Ähnliches gilt für Ellbogen- und Handgelenk, wobei im ersten Rentengutachten auch hier zusätzliche Beeinträchtigungen oder Unfallfolgen eine entsprechende Erhöhung bedingen können. Das zweite Rentengutachten vor der Rente auf unbestimmte Zeit (vor Ablauf des 3. Unfallfolgejahres) stellt einen Vergleich des aktuellen Zustands eines Kunstgelenks mit der Einschätzung im Bezugsgutachten her. Eine Erhöhung oder Verringerung der MdEEinschätzung ist nur bei maßgeblichen Änderungen im Sinne der Besserung oder Verschlimmerung möglich. Numerisch beziffert ist eine Bewertungsänderung um mindestens 10€ % oder mehr möglich. Der Vorschlag für die Neueinschätzung muss sich auf objektivierbare Befundänderungen stützen. Ist eine solche, relevante Änderung in näherer Zukunft nicht mehr zu erwarten, kann die für die Zeit nach Ablauf des 3. Unfallfolgejahres vorgesehene Begutachtung zur RAUZ vorgezogen werden. Dies ist speziell bei gut sitzenden Kunstgelenken zu empfehlen, wenn keine wesentlichen Begleiterscheinungen oder ungünstige Funktionen zu verzeichnen sind. Die RAUZ stellt eine gutachtliche Bewertung dar, die den
K. Weise
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dauerhaft verbliebenen Schaden repräsentieren soll. Dabei sind Kriterien wie Anpassung und Gewöhnung an den Unfallfolgezustand in die Beurteilung einzubeziehen. Die RAUZ soll rechtzeitig vor Ablauf des 3. Unfallfolgejahres durch den Versicherungsträger festgesetzt sein, ansonsten würde zwangsläufig die zuletzt eingeschätzte MdE perpetuiert werden müssen. Bei künstlichen Gelenken, die nach einem Zeitraum von 1½ bis 2 Jahren in naher Zukunft keine weitere Befundänderung mehr erwarten lassen, bietet es sich an, bereits zu diesem Zeitpunkt die Begutachtung zur RAUZ zu terminieren. Dies kann durch den Gutachter beim ersten Rentengutachten bereits vorgeschlagen werden. Die Rente auf unbestimmte Zeit bleibt mindestens 1 Jahr nach Ende des 3. Unfallfolgejahres bestehen. Ein 2. Rentengutachten nach Eintritt der RAUZ wiederum muss den Vergleich mit dem Bezugsgutachtung führen, das in der Regel dasjenige zur RAUZ ist. Auch jetzt ist eine Neubewertung nur bei relevanter Befundänderung möglich. In derartigen Fällen liegt die Begründung für die Rentennachprüfung meist in neu entstandenen Problemen wie zunehmenden Belastungsbeschwerden oder bei beginnender Lockerung eines Kunstgelenks, in seltenen Fällen auch in einem Spätinfekt. Es ist stets zu berücksichtigen, dass der Vorschlag des ärztlichen Gutachters zur Einschätzung einer MdE keinerlei Rechtsverbindlichkeit besitzt, vielmehr den Verwaltungen lediglich als Grundlage für deren Entscheidung dient (Ludolph 2004; Weise 2007; Weise und Schiltenwolf 2008). Die Basiswerte zur MdE-Einschätzung bei Kunstgelenken werden für die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) in einschlägigen Rententabellen wie folgt beziffert (Bretschneider et€al. 1998; Heisel u. Jerosch 2007):
Anatomische Region Schulterprothese Ellbogenprothese Handgelenksprothese Hüftprothese Knieprothese Sprunggelenksprothese
MdE (%) 10–20 10–20 10–20 20 20–30 20
12.3.2 Private Unfallversicherung (PUV) Versichert ist in diesem Rechtsbereich die voraussichtlich auf Dauer verbleibende Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit für den Bereich der betroffenen Gliedmaße. Der vorgesehene Zeitpunkt für die Bewertung verbliebener Schäden ist regelhaft das Ende des 3. Unfallfolgejahres. Wie in der GUV wird auch in der PUV eine Art „Basiseinschätzung“ für einliegende Kunstgelenke zugrundegelegt, die sich in etwa gleicher Höhe bewegt, allerdings in Bruchteilen im Vergleich zum Zustand einer gesunden Gliedmaße und bezogen auf die vereinbarte Versicherungssumme angegeben wird (z.€ B. 24,5€ % der vereinbarten Versicherungssummeâ•›=â•›7/20 Beinwert). In dieser Höhe werden das einwandfrei funktionierende künstliche Hüft- und Kniegelenk beziffert, das künstliche Sprunggelenk dagegen mit 6/10 Fußwert (entsprechend 24€% der Versicherungssumme). Künstliche Gelenke an der oberen Extremität erfahren analog zur GUV eine geringfügig niedrigere Einschätzung, was für Schulter- und Ellbogenprothesen einer Höhe von 21€% der Versicherungssumme entsprechend 6/20 Armwert und für das Handgelenk 8/20 Handwertâ•›=â•›22€% der Versicherungssumme entspricht (Bretschneider et€al. 1998; Reichenbach und Ludolph 1998a). Im Unterschied zur GUV wird bei doppelseitigen Endoprothesen auch eine 2fache Invalidität angenommen, d.€h., jede Extremität wird für sich getrennt bewertet. Bei zusätzlichen Einschränkungen erhöht sich die Gliedertaxe um die entsprechenden Bruchteile, beispielsweise bei funktionsbeeinträchtigenden Ossifikationen. Die „Basiswerte“ für Endoprothesen der großen Gelenke in der privaten Unfallversicherung (PUV) bemessen sich wie folgt:
Anatomische Region Schulterprothese Ellbogenprothese Handgelenksprothese Hüftprothese Knieprothese Sprunggelenksprothese
Gliedertaxe 6/20 Armwert 6/20 Armwert 8/20 Handwert 7/20 Beinwert 7/20 Beinwert 6/10 Fußwert
12â•… Begutachtung
415
12.3.3 Haftpflichtrecht Hierbei geht es um die individuell vorhandene Behinderung im Beruf des Endoprothesenträgers und/oder im Haushalt, die wiederum in Prozenten ausgedrückt wird. In beiden Bereichen ist das jeweils vorgegebene konkrete Arbeitsprofil Grundlage für die Bewertung verbliebener Unfallfolgen. Auch für das Haftpflichtrecht sind „Basiswerte“ festgelegt, die in etwa den Vorgaben in der GUV entsprechen. In der sog. „Hausfrauentabelle“ nach dem Münchner Modell liegen die „Basiswerte“ allerdings etwas unter denjenigen der GUV, d.€h. dass nach Hüftprothesen die konkrete Behinderung im Haushalt in der maßgeblichen Tabelle mit 15€ % beziffert wird (Reichenbach u. Ludolph 1998b). Dieser Wert gilt analog für Endoprothesen an Knie- und Sprunggelenk, während Kunstgelenke an der oberen Extremität, d.€ h. an Schulter-, Ellbogen- und Handgelenk wegen der dort anzunehmenden geringeren konkreten Behinderung lediglich mit einem „Basiswert“ von 10€ % belegt sind. Wiederum werden auch hier zusätzliche funktionelle Beeinträchtigungen durch entsprechende Erhöhungen der „Basiswerte“ berücksichtigt. Die „Basiswerte“ für Endoprothesen im Haftpflichtrecht beziffern sich in nachstehender Höhe:
Anatomische Region Schulter-, Ellbogen-, Handgelenk Hüft-, Knie- und Sprunggelenk
Prozentuale Einschätzung Jeweils 10€% Jeweils 15€%
12.3.4 S oziales Entschädigungsrecht und Schwerbehindertengesetz In diesem Rechtsbereich werden die gesetzlich vorgegebenen „Anhaltspunkte“ zugrunde gelegt, die mit dem sog. Grad der Behinderung (↜GdB) in absoluten Zahlen zu beziffern sind. Dieser ist in tabellarischer Form vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (1996) vorgegeben und berücksichtigt dauerhaft bestehende funktionelle Beeinträchtigungen wie Gelenkbeweglichkeit, Muskelkraft, Stabilität und Gehvermögen ebenso wie die radiologische Beurteilung bezüglich Implantatsitz/Lockerung bzw. Ossifi-
kationen etc. Entgegen der Bewertung in der GUV und anderen Rechtsbereichen differieren beispielsweise die „Basiswerte“ in den „Anhaltspunkten“ zwischen Hüft- und Kniegelenk, indem Ersteres mit einem Grad der Behinderung von 20, die Knieendoprothese mit einem GdB von 30€% belegt ist. Bei beidseitiger Betroffenheit werden im Unterschied zur MdE in der GUV die einzelnen GdB-Werte teilweise addiert, teilweise subsumierend berücksichtigt. Auch die Sprunggelenksprothese ist mit einem GdB in Höhe von 30 bewertet. Gleiches gilt für sämtliche Endoprothesen der großen Gelenke an den oberen Extremitäten. Schwerbehinderung ist ab einem GdB in Höhe von 50 und mehr anzunehmen (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996; GdB/MdE-Tabelle 2004). Neben dem GdB können sog. Merkzeichen zugebilligt werden, wenn zusätzlich zu den „Basiswerten“ des GdB darüber hinausgehende Einschränkungen und Behinderungen vorliegen. Diese betreffend vornehmlich Endoprothesen an der unteren Extremität mit besonderer Beeinträchtigung der Gehfähigkeit bzw. stärkeren Einschränkungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Bretschneider et€al. 1998; Heisel und Jerosch 2007). • Erhebliche Gehbehinderung (↜Merkzeichen „G“): Bei einem GdB von mindestens 50 infolge einliegenden Endoprothesen an der unteren Extremität kann die Gehfähigkeit derart stark limitiert sein, dass genau festgelegte Wegstrecken im Ortsverkehr entweder gar nicht oder nur unter Gefährdung der eigenen Person bzw. anderer Personen zurückgelegt werden können. Veranschlagt ist in den gesetzlichen Bestimmungen diesbezüglich eine Wegstrecke von 2€km, die nicht mehr innerhalb von 30€min zu Fuß zurückgelegt werden kann. Dies trifft regelhaft nur bei doppelseitiger endoprothetischer Versorgung an der unteren Extremität und zusätzlich vorhandener schlechter Funktion der Kunstgelenke zu. • Außergewöhnliche Gehbehinderung (↜Merkzeichen „aG“): Diese nur in seltenen Fällen nach doppelseitigem endoprothetischem Gelenkersatz vorhandene Situation verlangt nach dem Gesetz einen GesamtGdB von mindestens 80, d.€h. dass es sich hierbei um Schwerstbehinderte handelt, deren mögliche Gehstrecke unter 100€ m liegt und/oder wenn die Betroffenen hierbei fremde Hilfe benötigen. Für solche Fälle sind ein u.€U. auch Parkerleichterungen vorgesehen.
K. Weise
416
• Notwendigkeit ständiger Begleitung (↜Merkzeichen „B“): Dieses Merkzeichen ist bei Endoprothesenträgern an der unteren Extremität denjenigen Situationen vorbehalten, in denen die Betroffenen bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die in den „Anhaltspunkten im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht“ vorgegebenen „Basiswerte“ für Endoprothesen der großen Gelenke werden als Grad der Behinderung (GdB) in absoluten Zahlen wie folgt veranschlagt (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996; Bretschneider et€al. 1998). Anatomische Region Schulterprothese Ellbogenprothese Handgelenksprothese Hüftprothese einseitig Hüftprothese beidseitig Knieprothese einseitig Knieprothese beidseitig Sprunggelenksprothese einseitig Sprunggelenksprothese beidseitig
GdB 30 30 30 20 40 30 50 30 50
12.3.5 G esetzliche Rentenversicherung (DRV Bund, Länder, Bundesknappschaft u.€a.) Vorzeitige Rentenzahlungen kommen vorübergehend oder auf Dauer für solche Fälle in Betracht, bei denen Endoprothesenträger innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht mehr in das allgemeine Erwerbsleben zurückkehren können. Hierbei geht es vorwiegend darum, inwieweit durch die Endoprothese zeitliche Einschränkungen im Hinblick auf eine volle Arbeitsschicht gegeben sind bzw. ob bei dem/der Betroffenen bezüglich des körperlichen Leistungsvermögens näher zu definierende Einbußen zu verzeichnen sind. Erstere betreffen die Unterscheidung zwischen vollschichtig, d.€h. über 6 Stunden einsetzbar, einer zwischen 3 und 6 Stunden teilschichtigen Einsatzfähigkeit bzw. einer solchen, die weniger als 3 Stunden pro Schicht zumutbar ist. Qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit definieren u.€a. schwere, mittelschwere bzw. leichte Tätigkeit, besondere Einschränkungen der Körperhaltung wie z.€B. das Arbeiten in ungüns-
tigen Positionen, das Heben und Tragen von Lasten, das Gewähren häufigerer und längerer Arbeitspausen etc. Diesbezüglich soll durch den Gutachter sowohl ein negatives wie auch ein positives Leistungsbild aufgezeigt werden, d.€ h., es ist zu entscheiden, was der betroffene Endoprothesenträger/die -trägerin nicht mehr leisten kann bzw. was ihm/ihr noch zuzumuten ist. Projiziert auf Probanden mit endoprothetischem Gelenkersatz wird man bei normaler Funktion grundsätzlich nicht von einer zeitlichen Limitierung der Leistungsfähigkeit ausgehen müssen. Nicht zuletzt aus präventiven Erwägungen sind Endoprothesenträgern jedoch Tätigkeiten verschlossen, die mit erhöhter körperlicher Belastung einhergehen. Dazu zählen Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Zwangshaltungen wie längerer Hockstellung oder im Knien (Endoprothesen an der unteren Extremität), überwiegend Arbeitsbelastungen über Kopf (Endoprothesen an der oberen Extremität) oder verbunden mit dem Heben und/oder Tragen schwerer Lasten (Endoprothesen an der oberen und unteren Extremität). Auch Tätigkeiten, die mehrheitlich im Gehen und Stehen ausgeübt werden müssen, sind für Endoprothesenträger an der unteren Extremität nicht als geeignet anzusehen, wohingegen Arbeiten leichterer bis mittelschwerer Ausprägung im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen auch vollschichtig zugemutet werden können. Schließlich ist noch die sog. Wegefähigkeit zu beurteilen, d.€h. dass Strecken über 500€ m bis zu 4-mal täglich zu Fuß zurückgelegt werden können (Bretschneider et€ al. 1998; Weise und Schiltenwolf 2008). Liegen über die einliegende Endoprothese hinaus trotz deren einwandfreier Funktion anderweitige Störungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vor (z.€ B. ausgeprägtere Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule), ist dies in die Beurteilung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens einzubeziehen.
12.3.6 G esetzliche und private Krankenversicherung In diesem Zusammenhang geht es weniger um gutachtliche Fragestellungen als vielmehr um solche der Arbeits- und Berufsfähigkeit. Kann der Betroffene die vor der Implantation des Kunstgelenks ausgeübte Tätigkeit wieder in vollem Umfang ausüben, wird
12â•… Begutachtung
in der Regel nach einem Zeitraum von 3–5 Monaten Arbeitsfähigkeit eintreten. Der individuelle Zeitpunkt hängt zum einen von der Art und Lokalisation des Kunstgelenks und evtl. fortbestehenden negativen Begleiterscheinungen, zum anderen von der individuellen beruflichen Tätigkeit des Patienten ab. Eine stufenweise Wiedereingliederung im Sinne der Arbeitsplatz- und Belastungserprobung ist in Einzelfällen über den Rentenversicherungsträger möglich, kombiniert mit Veränderungen/Erleichterungen der speziellen Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes.
Literatur Anhaltspunkte (1998) (GdB/MdE-Tabelle 2004). In: Ludolph E, Lehmann R, Schürmann J (Hrsg) Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, begründet von Heinz Spohr, III-Anhang€ 2. Ecomed, München Bretschneider C, Volkmann R, Ludolph E (1998) Künstlicher (endoprothetischer) Gelenkersatz. In: Ludolph E, Lehmann R, Schürmann J (Hrsg) Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, begründet von Heinz Spohr. Ecomed, München, S€1–24
417 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (1996) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn Heisel J, Jerosch J (2007) Begutachtungsrichtlinien. In: Heisel J, Jerosch J (Hrsg) Rehabilitation nach Hüft- und Knieprothese. Deutscher Ärzteverlag, Köln Ludolph E (2004) Begutachtung und Gutachtenerstellung. In: Hirner A, Weise K (Hrsg) Chirurgie. Thieme, Stuttgart, S€216–219 Reichenbach M, Ludolph E (1998a) Bemessungsempfehlungen für die Private Unfallversicherung. In: Ludolph E, Lehmann R, Schürmann J (Hrsg) Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, begründet von Heinz Spohr, IV-1.2.4. Ecomed, München, S€1–7 Reichenbach M, Ludolph E (1998b) Schadensersatz bei verletzungsbedingtem Ausfall der Hausfrau – das „Münchner Modell“. In: Ludolph E, Lehmann R, Schürmann J (Hrsg) Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, begründet von Heinz Spohr, V-3. Ecomed, München, S€1–28 Weise K (2007) Begutachtung. In: Wirth CJ, Mutschler W (Hrsg) Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart, S€328–334 Weise K, Schiltenwolf M (2008) Grundkurs der unfallchirurgisch-orthopädischen Begutachtung. Springer, Berlin
13
Prothesenregister und Langzeitergebnisse H. Kienapfel und A. Becker
Die endoprothetische Versorgung im Bereich der Hüftgelenks- und Kniegelenkschirurgie ist ein weit verbreitetes Standardverfahren. Bei einer Reihe von Erkrankungen lassen sich so Beschwerden wie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen effektiv behandeln. Im Erfassungsjahr 2008 wurden in der externen vergleichenden Qualitätssicherung unter anderem 156.887 Hüftgelenk-TEP-Primärimplantationen und 98.870 hüftgelenksnahe Frakturen, die überwiegend operativ, d.€h. entweder endoprothetisch oder osteosynthetisch behandelt worden waren, bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) analysiert. In keinem anderen europäischen Land werden somit mehr Hüftendoprothesen implantiert als in Deutschland. Da einerseits die erfolgreiche Methode der Endoprothetik auch bei immer jüngeren betroffenen Patienten angewandt wird und andererseits die Bevölkerung immer weiter altert, steigen auch die Ansprüche an die Funktionszeit einer implantierten Endoprothese. Die Zahl der gemeldeten Wechseloperationen (Revisionen) im Erfassungsjahr 2008 betrug 22.631 Fälle. Da Wechseloperationen mit einer erheblich höheren Morbidität (5,0 vs. 13,8€%) und Letalität (0,2 vs. 1,3€ %) einhergehen, sind diese möglichst zu vermeiden (http://www.bqs-online.com). Ein erhebliches Problem stellt die schwer übersehbare Vielfalt der verwendeten Endoprothesen dar, die durch stetige technische Weiterentwicklungen zunimmt. Statistisch relevante Aussagen lassen sich aber nur mit hoher Stichprobenzahl vieler (möglichst H. Kienapfel () Klinik für Spezielle Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie, Auguste-Viktoria-Klinikum, Rubensstraße 125, 12157, Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected]
aller) teilnehmenden Krankenhäuser treffen. Hierfür stehen in Deutschland die strukturellen Voraussetzungen bislang nicht zur Verfügung. Valide Erkenntnisse über mittel- bzw. langfristige Behandlungsergebnisse der verschiedenen Komponenten und Materialien oder Operationstechniken sowie systematische Informationen über die Häufigkeit und Ursachen des Versagens bzw. über besonders lange Nutzungszeiten liegen deshalb nicht vor. Seit Beginn der modernen Hüftendoprothetik wurde eine große Anzahl an Implantaten in den Markt eingeführt. Allein in Deutschland wurden zwischen 1998 und 2000 178 verschiedene Schafttypen und 174 Pfannentypen an das Deutsche Endoprothesenregister e.€ V. übermittelt (Kienapfel et€ al. 2003). Einige lieferten seitdem überzeugende Langzeitergebnisse mit 10-Jahres-Überlebenszeiten von weit mehr als 95€%. Andere Implantate konnten jedoch nicht überzeugen und spielen heute kaum noch eine Rolle (Karrholm et€al. 2008). Umfangreiche Erkenntnisse hinsichtlich der Standzeiten konnten durch die skandinavischen Registerstudien gewonnen werden. Seit 30 Jahren werden sowohl die Primär- als auch die Revisionseingriffe prospektiv dokumentiert. Für verschiedene Implantattypen sind die Überlebensraten zu verschiedenen Zeitpunkten bekannt und ermöglichen eine vergleichende Bewertung. Die Tab.€ 13.1 und 13.2 zeigen die in Schweden zwischen 1997 und 2006 am häufigsten genutzten 10 Schäfte und Pfannen, für die 10-Jahres-Überlebensraten vorliegen. Zudem sind Informationen zur implantierten Anzahl seit 1979, zu Designmerkmalen und der Fixierungsart zu entnehmen (Effenberger 2007; Karrholm et€al. 2008). Zementfreie Prothesen sind in
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_13, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
419
1128
1700
Zementiert
Müller Geradschaft (Biomet)
Bi-Metric HA (Biomet) Zementfrei
RX-90€S (Biomet)
Zementiert
4973
Zementiert
Scan Hip II Kragen (Biomet)
2279
Zementiert
Max. 90,4€% (+ Charnley-Pfanne, nâ•›=â•›204), min. 85,9€% (+ Charnley-Elite-Pfanne, nâ•›=â•›640) Max. 93,4€% (+ OPTICUP-Pfanne, nâ•›=â•›1502), min. 91,5€% (+ Scan-Hip-Pfanne, nâ•›=â•›157) Max. 98,6€% (+ Müller-All-Poly-Pfanne, nâ•›=â•›1248), min. 97,3€% (+ Charnley-Pfanne, nâ•›=â•›91) Max. 95,7€% (+ Romanus-HA-Pfanne, nâ•›=â•›193), min. 92,6€% (+ Romanus-Pfanne, nâ•›=â•›116) Max. 95,3€% (+ Biomet-Müller-Pfanne, nâ•›=â•›1113), min. 87,8€% (+ Romanus-Pfanne, nâ•›=â•›163)
3082
Zementfrei
Zementiert
Charnley (DePuy)
CLS Spotorno (Zimmer) Charnley Elite Plus (DePuy)
Zementiert
Exeter polished (Stryker)
Zementiert
Zementiert
Lubinus SP II (LINK)
Spectron EF Primary (Smith & Nephew)
Art der Fixierung
Name des Implantats (Hersteller)
Anzahl im 10-Jahres-Überlebensrate Zeitraum 1979–2006 73.829 Max. 98,0€% (+ Lubinus-All-Poly-Pfanne, nâ•›=â•›43.741), min. 77,8€% (+ Omnifit-Pfanne, nâ•›=â•›137) 38.999 Max. 99,2€% (+ Charnley-Pfanne, nâ•›=â•›4676), min. 93,3€% (+ Contemporary-Pfanne, nâ•›=â•›290) 56.545 Max. 94,8€% (+ Charnley-Pfanne, nâ•›=â•›17.507), min. 90,7€% (+ Charnley-Elite-Pfanne, nâ•›=â•›204) 9119 Max. 97,0€% (+ Trilogy-Pfanne, nâ•›=â•›895), min. 94,4€% (+ Reflection-Pfanne, nâ•›=â•›5203) 3371 98,9€% (+ CLS-Spotorno-Pfanne, nâ•›=â•›732)
Abb.€13.4
Abb.€13.5
Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, ohne Kragen
Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, ohne Kragen
Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, mit Kragen
Poliert, Edelstahl
„Bead-blasted“, VaquasheenSurface, Edelstahl
„Proximal grit-blasted“, „distal bead-blasted“, SatinSurface, Chrom-Kobalt Proximale Längsrippen, raue Oberfläche, Titanlegierung „Bead-blasted“, VaquasheenSurface, Edelstahl
Abb.€13.9
Abb.€13.10
Abb.€13.11
Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, mit Kragen Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, ohne Kragen Monoblock, gerade, metaphysäre Verankerung, ohne Kragen Monoblock gerade, metadiaphysäre Verankerung, mit Kragen
„Bead-blasted“, Satin-Surface, Chrom-Kobalt „Fine-blasted surface“, WHN Edelstahl „Proximal porous-coated“ und Hydroxylapatitbeschichtet, „distal grit-blasted“, Titan „Bead-blasted, smooth surface“, Chrom-Kobalt
Abb.€13.8
Gerade, Monoblock, metaphysäre Abb.€13.6 Verankerung, ohne Kragen Monoblock gerade, metadiaphy- Abb.€13.7 säre Verankerung, kleiner Kragen
Abb.€13.3
Monoblock, anatomisch, metadia- Abb.€13.2 physäre Verankerung, mit Kragen
„Bead-blasted“, Satin-Surface, Chrom-Kobalt
Abbildung
Designmerkmale (Effenberger 2007)
Oberfläche
Tab. 13.1↜╇ Schaftkomponenten, Daten entsprechend dem Jahresreport 2006 des schwedischen Hüftendoprothesenregisters (Karrholm et€al. 2007). Erläuterung: Es werden nur Schäfte aufgeführt, von denen 10-Jahres-Überlebensraten bekannt sind und die in den vorausgehenden 10 Jahren im Rahmen des schwedischen Endoprothesenregisters in ausreichender Anzahl dokumentiert wurden. Es werden die maximalen und geringsten Überlebensraten mit den jeweiligen Implantatpartnern für die Versorgung einer primären Koxarthrose mit dem Endpunkt „aseptische Lockerung“ angegeben
420 H. Kienapfel und A. Becker
Zementiert
Zementiert
Charnley Elite (DePuy)
Reflection (Smith & Nephew) Trilogy HA (Zimmer)
3827
2651
5.549
Zementiert
Zementiert
Zementiert
Zementiert
OPTICUP (Biomet)
Müller-Pfanne (Biomet)
Cenator (Corin)
Müller All-Poly (verschiedene weitere Hersteller)
5391
6796
98,6€% (+â•›Müller-Geradschaft, nâ•›=â•›1248)
Max. 95,6€% (+╛Exeter-polished-Schaft, n╛=╛4655), min. 91,5€% (+╛Lubinus-SP-II-Schaft, n╛=╛541) Max. 94,7€% (+╛Lubinus-SP-II-Schaft, n╛=╛379), min. 75,4€% (+╛NOVA-Scan-Hip-Schaft, n╛=╛103) Max. 95,3€% (+╛RX90-S-Schaft, n╛=╛1113), min. 91,6€% (+╛Bi-Metric-Schaft zementiert, n╛=╛731) Max. 91,7€% (+╛Bi-Metric-Schaft zementiert, n╛=╛207), min. 87,4€% (+╛Cenator-Schaft, n╛=╛731)
Anzahl im Zeit- 10-Jahres-Überlebensrate raum 1979–2006 84.569 Max. 98,4€% (+â•›Lubinus-IP-Schaft, nâ•›=â•›459), min. 98,0€% (+â•›Lubinus-SP-II-Schaft, nâ•›=â•›43.741) 61.032 Max. 99,2€% (+â•›Exeter-Schaft poliert, nâ•›=â•›4676), min. 83,8€% (+â•›PCA-E-series-textured-Schaft), nâ•›=â•›106) 11.390 Max. 94,4€% (+â•›Lubinus-SP-II-Schaft, nâ•›=â•›933), min. 85,9€% (+â•›Charnley-Elite-Plus-Schaft, nâ•›=â•›640) 8477 Max. 97,8€% (+â•›Spectron-EF-Schaft, nâ•›=â•›587), min. 94,4€% (+â•›Spectron-EF-Primary-Schaft, nâ•›=â•›5203) 3880 Max. 97,0€% (+â•›Spectron-EF-Primary-Schaft, nâ•›=â•›895), min. 94,5€% (+â•›Optima-Schaft, nâ•›=â•›91)
Exeter All-Poly (Stryker) Zementiert
Zementfrei
Zementiert
Charnley (DePuy)
Name des Implantats Art der Fixierung (Hersteller) Lubinus All-Poly (LINK) Zementiert
Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp, ohne/mit Flansch Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp
Designmerkmale (Effenberger 2007) Vollprofil, mit Abstandshalter, ohne Schnapp Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp, mit Flansch Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp, mit Flansch Vollprofil, mit Abstandshalter, ohne Schnapp Press-fit, zusätzliche Fixation mit Schrauben möglich, modular, hemisphärisch, raue Titannetzoberfläche mit Hydroxylapatit-Beschichtung, als Constrained-Modell erhältlich Vollprofil, ohne Abstandshalter, ohne Schnapp Vollprofil, PE
Abb.€13.19
Abb.€13.18
(Keine Abbildung verfügbar) (Keine Abbildung verfügbar) Abb.€13.17
Abb.€13.16
Abb.€13.15
Abb.€13.14
Abb.€13.13
Abb.€13.12
Abbildung
Tab. 13.2╇ Pfannenkomponenten, Daten entsprechend Jahresreport 2006 des schwedischen Hüftendoprothesenregisters (Karrholm et al. 2007). Erläuterung: Es werden nur Pfannen aufgeführt, von denen 10-Jahres-Überlebensraten bekannt sind und die in den vorausgehenden 10 Jahren im Rahmen des schwedischen Endoprothesenregisters in ausreichender Anzahl dokumentiert wurden. Es werden die maximalen und geringsten Überlebensraten mit den jeweiligen Implantatpartnern für die Versorgung einer primären Coxarthrose mit dem Endpunkt „aseptische Lockerung“ angegeben
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse 421
422
dieser Liste bislang erst wenig vertreten, jedoch zeichnet sich ein Trend ab, nach dem die Anwendung der zementfreien Implantate stetig zunimmt (Karrholm et€al. 2008).
13.1 Endoprothesenregister Register wurden in vielen Bereichen der Medizin zur Ermittlung von Prävalenzen und Inzidenzen von Krankheiten und demographischen Planungsdaten verwendet. Neben dieser Funktion zur Unterstützung der epidemiologischen Forschung rückten sie zunehmend auch im Hinblick auf die Qualitätssicherung und Darstellung der Versorgungsqualität in den Fokus. Das Ziel ist hierbei insbesondere, ein vergleichendes „Benchmarking“ herzustellen und hierüber allgemeingültige Behandlungsstandards zu etablieren. Zusätzlich spielen Register auch eine zunehmend Rolle in der therapeutischen Forschung; hier ergänzen sie die Methode der kontrollierten Studie. Während für Letztere eine klar umrissene Fragestellung und genau definierte Studienpopulationen unabdingbar sind, haben Register den Anspruch, repräsentative Aussagen über eine definierte Zielpopulation zu ermöglichen. Neben dem Ziel, die klinischen Ergebnisse in der Versorgung der Patienten stetig zu verbessern, verfolgen sie die Philosophie, allen teilnehmenden Kliniken und Operateuren ein „Feedback“ über die erbrachten Leistungen zur Verfügung zu stellen. Die Leistungserbringer können daran die eigenen Ergebnisse kritisch bewerten und bei Bedarf ihre Vorgehensweise optimieren. Die Veröffentlichung insbesondere im Internet ermöglicht es interessierten Patienten darüber hinaus, die Versorgungsqualität verschiedener Kliniken zu vergleichen. Präoperative demographische und klinische Daten, wie die zur Operation führende Diagnose, die betroffene Seite, das Alter und das Geschlecht, werden ebenso wie das Operationsdatum, Informationen zu den verwendeten Implantaten und der Art der Fixierung prospektiv erfasst. Handelt es sich um eine Reoperation, worunter alle größeren und kleineren operativen Eingriffe nach erfolgter Hüftprothesenimplantation ohne Austausch sowie Revisionseingriffe fallen, bei denen mindestens eine Komponente entfernt oder ausgetauscht werden muss, so wird darüber hinaus deren Grund dokumentiert (Malchau et€al. 2002).
H. Kienapfel und A. Becker
Die Teilnahme ist in den meisten Ländern freiwillig, in einigen Staaten wie z.€B. in Finnland ist die Dokumentation inzwischen jedoch verpflichtend (Puolakka et€al. 2001). Im Einzelnen sind es die Ziele des Endoprothesenregisters, • genaue Informationen über die Verwendung verschiedener Komponenten, Materialien oder Techniken in der Hüft- und Knieendoprothetik (z.€B. in Deutschland) zu liefern. Es zeigt dabei neue Trends an und ermöglicht die Vorhersage von Entwicklungen, • die „Performance“ der verfügbaren Medizinprodukte für unterschiedliche Zielgruppen darzustellen. Bei den Zielgruppen handelt es sich nicht nur um Ärzte, Kostenträger und politische Entscheidungsträger, sondern auch um Patienten und die Hersteller der Endoprothesen selbst („post-marketing surveillance“), • in Verbindung mit der externen vergleichenden Qualitätssicherung medizinische Behandlungsqualität und Produktqualität gemeinsam zu betrachten, • den internationalen Vergleich zu ermöglichen, • ein Frühwarnsystem („Surveillance“) zum Erkennen von Innovationsrisiken und Ergebnisdefiziten (z.€B. Frühlockerung der Endoprothesen) zu etablieren. In allen skandinavischen Ländern, aber auch in vielen weiteren Staaten, die nationale Endoprothesenregister betreiben, führt jeder Bürger Zeit seines Lebens eine individuelle Kennziffer. Hierbei handelt es sich beispielsweise um eine Sozialversicherungsnummer oder die Nummer der staatlichen Krankenversicherung. Wird bei einem neuen Eintrag in das Prothesenregister die Kennziffer vermerkt, so ist eine eindeutige Patientenzuordnung möglich. Auf diese Weise können auch Daten aus verschiedenen Registern miteinander abgeglichen und analysiert werden. Seit 2003 werden beispielsweise die Daten des schwedischen Hüftregisters mit den Daten des Sterberegisters abgeglichen. Dadurch können die zensierten Werte verstorbener Patienten in der Überlebensanalyse entsprechend der Methode nach Kaplan und Meier berücksichtigt werden (Malchau et€al. 2005). Es können auch Mortalitätsraten nach bestimmten Eingriffen mit der allgemeinen Mortalität verglichen werden und so eine Risikoeinschätzung erfolgen. Wird ein definierter Endpunkt für ein Implantatversagen erreicht, kann die Überlebensdauer der Endopro-
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse Abb. 13.1↜ Einflussfaktoren auf Langzeitergebnisse von Hüftgelenksendoprothesen
OPTeam
423
Patient
Implantat
these errechnet werden. Durch die Überlebensanalyse nach Kaplan-Meier (Kaplan und Meier 1958), den Einsatz der multivariaten Regressionsanalysen und weiterer statistischer Verfahren ist es möglich, wesentliche prä- und perioperative Einflussfaktoren auf das Prothesenversagen auszumachen. Weltweit dienen die Überlebensanalysen aus den Daten der skandinavischen Endoprothesenregister zusammen mit den Ergebnissen aus klinischen Langzeit-Follow-up-Studien als nützlich und richtungsweisend bei der Auswahl sicherer und überlegener Implantate. Endoprothesenregister dienen damit als hervorragendes Mittel der Qualitätssicherung. Einerseits können unterlegene Implantate, Zemente und Techniken detektiert und ihre Anwendung vermieden werden. Andererseits bieten sie die Möglichkeit, die Leistungen verschiedener Kliniken und Operateure transparent zu machen, die Versorgungsqualität zu sichern und so nachhaltig die Überlebensrate der Hüftendoprothesen zu verlängern. Abb. 13.2↜ Lubinus SP II (LINK)
Innerhalb der letzten 30 Jahre führte die Arbeit der Endoprothesenregister zu weitreichenden klinischen Verbesserungen. Die Erkenntnisse insbesondere aus dem Schwedischen Hüftregister führten zu einer deutlichen Senkung der Revisionsraten, zu einer Steigerung der Versorgungsqualität und erlauben zudem wertvolle Ausblicke auf patientenspezifische Einflüsse auf die Standzeiten der Prothesen (Herberts und Malchau 2000). Die Ergebnisse ermöglichten aber auch in gewissem Maße einen aus sozioökonomischer Sicht sinnvolleren Einsatz der Mittel im Gesundheitswesen. Vergleicht man die Kosten für das Betreiben des Registers (in Schweden ca. 40€US-$ pro neu aufgenommenen Patienten oder 400.000€ US-$ pro Jahr insgesamt) mit den möglichen Einsparungen durch die Vermeidung von Revisionseingriffen und die Verlängerung der Überlebensdauer der Prothesen, so ist die Arbeit der Register kosteneffektiv. Neben der unklaren Finanzierung der Register verhindern jedoch häufig die fehlenden Mittel zur Datenerfassung, -sicherung und -verarbeitung eine flächendeckende Einführung.
13.1.1 D eutsches Endoprothesenregister e.€V. In Deutschland wurde bereits 1989 die Dokumentationspflicht zur Qualitätssicherung für verschiedene Behandlungen (unter anderem im Bereich der Hüftund Knieendoprothetik) beschlossen (Pitto et€ al. 2002). Jedoch wird eine externe vergleichende Qualitätssicherung zur Beschreibung bestimmter Prozessqualitäts- bzw. Frühergebnisqualitätsmerkmale durch die verpflichtende Datenübermittlung an die BQS in Düsseldorf erst seit 1997 durchgeführt. Bereits 1994 wurde der Verein Endoprothesenregister e.€V. in Göttingen vom Arbeitskreis Biomaterialien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie sowie der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Biomaterialien zusammen mit Vertretern von orthopädischen, chirurgischen, unfallchirurgischen Kliniken und Vertretern der implantatherstellenden Industrie gegründet. Bei Aufnahme der papierbasierten Dokumentation 1997 lieferten 41 teilnehmende Kliniken Daten zu Ersteingriffen und Revisionsoperationen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken. Für die prospektive Nachverfolgung von Primärimplantationen können Patienten derzeit über eine Kombination aus Namensbestandteilen, Geburtsdatum, Gelenk
424 Abb. 13.3 Exeter polished (Stryker)
und operierter Seite identifiziert werden. Das gemeldete Fallvolumen umfasste im Jahre 1998 bei den Hüftgelenken 6733 Primäreingriffe und 1110 Revisionen, bei den Kniegelenken (1999) 3739 Primäreingriffe und 340 Revisionen. In Jahresberichten und durch verschiedene Publikationen (Pitto et€ al. 2002; Kienapfel et€al. 2003) wurden u.€a. Analysen zur angewandten Implantationstechnik, den unterschiedlichen Werkstoffen und Designs bei den Implantatmaterialien einschließlich der Funktionszeiten von Implantaten dargestellt. Das Deutsche Endoprothesenregister e.€ V. arbeitete nach skandinavischem Vorbild und war auf die freiwillige Teilnahme der Kliniken angewiesen. Im Gegensatz zur Vollständigkeit der registrierten Hüftendoprothesen von mehr als 95€% in Schweden, Norwegen oder Finnland ist die Teilnahmebereitschaft in Deutschland als gering einzuschätzen (Soderman et€al. 2000; Puolakka et€ al. 2001; Pitto et€ al. 2002; Espehaug et€ al. 2006). Nur 43 von etwa 19.000 Kliniken und Praxen meldeten bisher die durchgeführten endoprothetischen Eingriffe an der Hüfte (Pitto et€al. 2002; Kienapfel et€ al. 2003). Von den damals geschätzten 180.000 Operationen wurden lediglich ca. 7000 PriAbb. 13.4↜ Charnley (DePuy)
H. Kienapfel und A. Becker
märimplantationen und 1100 Revisionseingriffe im Deutschen Endoprothesenregister dokumentiert. An diesen Zahlen erkennt man einerseits das große Potential und andererseits die große statistische Aussagekraft, die eine vollständige Datenerfassung in Deutschland haben könnte (Kleimann et€al. 1996). Die weitere Entwicklung der externen Qualitätssicherung wird durch die Neuvergabe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bzw. die Vertragsunterzeichnung nach §Â€ 137a SGB€ V zwischen G-BA und „AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH“ in Göttingen bestimmt werden. Hiermit soll das Ziel der sektorübergreifende Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten in Deutschland verbessert werden.
13.1.2 I nternationale Endoprothesenregister 13.1.2.1 N ationale Register in anderen Ländern Viele Länder sind derzeit sehr bemüht, Endoprothesenregister als Mittel der Qualitätssicherung zu initiieren. Als besonders weit entwickelt gelten die skandinavischen Endoprothesenregister. Bereits 1975 nahm das schwedische Knieprothesenregister die Dokumentation auf. Das historisch erste Hüftprothesenregister (seit 1979) in Schweden hatte anfangs nur Revisionseingriffe im Detail untersucht und seit 1992 alle Eingriffe registriert. Finnland (1980) und Norwegen (1987) folgten mit Registrierung aller Primär- und Revisionseingriffe. Basis für die Patientenidentifikation sind die in diesen Ländern eindeutigen Sozialversicherungsnummern jedes Patienten. Den etablierten skandinavischen Vorbildern folgten seitdem Schottland (1992), Dänemark (1995), Neuseeland, Ungarn (1998), die Slowakische Republik (1998), Australien (2000), Kanada, Rumänien (beide 2001), England und Wales (2003) sowie die Schweiz (2005; Lucht 2000; Malchau et€al. 2002; Roder et€al. 2005). Eine Besonderheit bildet ein regionales „Register“ in Leicester/ England, das in Form einer Kohortenstudie ein vollständiges Follow-up von 2111 Hüftprothesenpatienten durchführt. Die Schwerpunkte der in den Registern durchgeführten Analysen sind unterschiedlich. Neben dem Darstellen der Marktanteile einzelner Prothesenher-
13╅ Prothesenregister und Langzeitergebnisse Abb. 13.5↜ Spectron EF Primary (Smith & Nephew)
425
nationalen Daten auf europäischer Ebene ermöglicht bei bestimmten Endoprothesen die Überschreitung einer Nachweisgrenze der Komplikationen wie z.€ B. Frühlockerungen. Das EAR plant Zwischenauswertungen auf europäischer Ebene, die an die Hersteller und die nationalen Register versandt, aber nicht veröffentlicht werden.
13.1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
steller wie in Kanada, führen z.€ B. die finnischen, norwegischen und schwedischen Register auch herstellerbezogene Überlebensanalysen einzelner Implantate durch. Ein anderer Schwerpunkt ist die regionale Verteilung der Implantatversorgung.
13.1.2.2 E uropäisches Endoprothesenregister Unter der Schirmherrschaft der European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) befindet sich ein europäisches Endoprothesenregister seit 1999 im Aufbau. Dieses als European Arthroplasty Register (EAR) bezeichnete Register, stellt einen freiwilligen Zusammenschluss nationaler Register dar (http:// www.ear.efort.org). Technische Voraussetzung zur Teilnahme der nationalen Register am EAR ist die Erfassung des „minimal data set“ auf nationaler Ebene, aus dem eine europäische Datenbank aufgebaut wird. Die Organisation erfolgt durch das EAR-Office in der Medizinischen Universität Innsbruck, Österreich. Für die Finanzierung sollen v.€ a. EU-Mittel und Mittel aus einem Industriefond verwendet werden. Das EAR versteht sich als Serviceorganisation der nationalen Register. Erst die Zusammenführung der Abb. 13.6↜ CLS Spotorno (Zimmer)
Das Rahmengesetz des Medizinprodukterechts in Deutschland ist das Medizinproduktegesetz (MPG), das eingebettet ist in europäische Richtlinien. Es regelt den Verkehr mit Medizinprodukten und sorgt dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten und Anwender (§Â€ 1 MPG). Es definiert unter anderem die Pflichten der Medizinproduktehersteller. In einzelnen Verordnungen werden die Einzelheiten der Gesetzesumsetzung geregelt. Die Übereinstimmung der Medizinprodukte mit den grundlegenden Anforderungen (Konformitätsbewertung) regelt die Medizinprodukteverordnung (MPV). Anstelle eines Zulassungsverfahrens sieht das MPG eine Zertifizierung der Produkte mit dem CEKennzeichen vor. Bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) akkreditierte Prüfstellen, die so genannten „Benannten Stellen“, führen diese Zertifizierung durch. Endoprothesen werden in der Klassifizierung der Medizinprodukte (I geringes, IIa mittleres, IIb erhöhtes und III besonders hohes Risikopotential) in der Klasse IIb eingeordnet. Die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken im Verkehr befindlicher Medizinprodukte regelt die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV). Im Rahmen des so genannten Vigilanzsystems sind Vorkommnisse, d.€ h. Produktfehler oder Fehlfunktionen, die gravierende medizinische Folgen haben können, dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden. Nicht nur die Hersteller der Endoprothesen, sondern auch die Anwender, also die Ärzte, sind zur Meldung von Vorkommnissen verpflichtet. Das BfArM veröffentlicht sog. „Vigilance Reports“ zum Informationsaustausch mit Herstellern und Anwendern und teilt darin mit, welche korrektiven Maßnahmen bei bestimmten Vorkommnissen zu empfehlen sind.
426 Abb. 13.↜7 Charnley Elite Plus (DePuy)
Die Zahlen des BfArM über gemeldete Vorkommnisse weisen darauf hin, dass die Meldepflicht nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen wird. Die meisten Ärzte nehmen bei mangelhaften Produkten zunächst Kontakt mit den Lieferanten auf und überlassen den Unternehmen die Bewertung ihrer Feststellungen (pers. Kommunikation BfArM).
13.2 E influssfaktoren auf Langzeitergebnisse Nicht zuletzt Dank der Arbeit der etablierten Endoprothesenregister haben sich die globalen Überlebensraten von Hüftendoprothesen in den letzten 30 Jahren stetig verbessert (Herberts und Malchau 1997; Karrholm et€al. 2008). Als Instrument der Qualitätssicherung sind sie dementsprechend auch in Zukunft von hohem Wert und können zu einer Verbesserung der Langzeitergebnisse beitragen. Neben den gewählten Implantaten können Eigenschaften des Patienten und des Operationsteams einen Einfluss auf das Langzeitergebnis jeder einzelnen Abb. 13.8↜ Scan Hip II Kragen (Biomet)
H. Kienapfel und A. Becker
Hüftendoprothese nehmen (s. Abb.€ 13.1). Der allgemeine Zustand der Patienten, Nebenerkrankungen, das Gewicht, die Compliance und das Verantwortungsbewusstsein, Unfälle, beispielsweise durch gefährdende Hobbys oder rezidivierende Stürze, aber auch der demographische Hintergrund können Einflussfaktoren darstellen. Operateure können bereits im Rahmen der Indikationsstellung die Langzeitergebnisse beeinflussen. Eine falsche Indikation oder das Missachten von Kontraindikationen können zu deutlich kürzeren Prothesenstandzeiten führen. Zudem gibt es Hinweise, dass das Überleben eines künstlichen Hüftgelenks vom Grad der Spezialisierung oder der Erfahrung des jeweiligen Operateurs bzw. indirekt auch von der ausführenden Klinik abhängig sein könnte (Espehaug et€ al. 1999). Diese Daten sind jedoch bislang nicht konsistent. Die Wahl des Implantats, der Operationstechnik, das Vorhalten geeigneter Instrumentarien und eines erfahrenen Operationsteams, die praktische Erfahrung, insbesondere im Hinblick auf intraoperativ zu treffende Entscheidungen oder auf Symptome im Rahmen der Nachbehandlung, sind ebenfalls von großer Bedeutung. Schließlich können auch durch eine optimale Nachbehandlung der Patienten die Langzeitergebnisse verbessert werden (Nevalainen et€al. 2000). Insbesondere das Prothesendesign, die verwendeten Werkstoffe, die Fixationstechnik und ggf. der angewandte Knochenzement sind implantatabhängige Einflussfaktoren, die Standzeiten von Hüftendoprothesen beeinflussen können. Diese Faktoren werden im Folgenden noch ausführlich diskutiert (Abb.€13.1). Die verschiedenen Ursachen und Indikationen, die zu einer Revision und damit zu einem Prothesenversagen führen können, sollten dementsprechend hinsichtlich dieser Einflüsse untersucht werden.
13.2.1 Aseptische Lockerung Die aseptische Lockerung stellt in allen Registerstudien den Hauptgrund für eine Revision dar. So wurden beispielsweise in Finnland (2006) ca. 45€%, in Schweden (2007) sogar 64,7€ % der Revisionen aufgrund einer aseptischen Lockerung durchgeführt. Sie tritt im Gegensatz zu den anderen Gründen, die zu einer Revision führen können, erst im späteren Verlauf nach Implantation einer Hüftendoprothese auf. Johnsen et€ al. (2006) konnten anhand von 36.984 prospektiv
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse Abb. 13.9↜ Müller Geradschaft (Biomet)
427
Assoziation einer aseptischen Lockerung mit jüngerem Alter wird abgeschwächt, wenn in multivariaten Regressionsanalysen eine Korrektur um den Faktor „Aktivitätsniveau“ durchgeführt wird (Flugsrud et€al. 2007). Auch der Risikofaktor „Übergewicht“ (Münger et€al. 2006; Flugsrud et€al. 2007) wird in der neueren Literatur kontrovers diskutiert und stellt inzwischen zumindest für zementfreie Prothesen keinen konsistenten Prädiktor für eine aseptische Lockerung dar (McLaughlin und Lee 2006). Eine verminderte Knochenqualität prädisponiert jedoch zur Lockerung (Nixon et€al. 2007).
13.2.2 Dislokation/Luxation untersuchten Primärimplantationen und 1132 Revisionen zeigen, dass die aseptische Lockerung zwar nach dem 6 postoperativen Monat den Hauptgrund für eine Revision darstellt, in den ersten 6 Monaten hingegen werden die meisten Revisionen aufgrund rezidivierender Luxationen, periprothetischer Frakturen oder tiefer Infektionen durchgeführt. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an hüftendoprothethischen Versorgungen spiegeln die konstanten teilweise sogar leicht rückläufigen Revisionszahlen ein verbessertes Überleben der Prothesen wider (Finnish Arthroplasty Register 2008; Karrholm et€al. 2008). Männer haben anscheinend im Vergleich zu Frauen ein 2fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer aseptischen Schaftlockerung (Münger et€ al. 2006; Johnsen et€al. 2006; Flugsrud et€al. 2007). Aseptische Prothesenlockerungen treten auch gehäuft bei einem erhöhten Aktivitätsniveau bzw. einer höheren gesundheitsbezogenen Lebensqualität auf (Johnsen et€ al. 2006; Flugsrud et€ al. 2007). Die häufig beobachtete Abb. 13.10↜ Bi-Metric HA (Biomet)
Mit 13,0€% (Norwegen), 14,2€% (Schweden) bis 24€% der Fälle (Finnland) stellen die Luxationen der Hüftendoprothese den zweithäufigsten Grund einer Revision dar (Finnish Arthroplasty Register 2008; Furnes et€ al. 2008; Karrholm et€ al. 2008). Während der Behandlung von 36.984 primären Hüftendoprothesen wurden innerhalb des Beobachtungszeitraums 1132 Revisionen durchgeführt. Innerhalb des ersten Monats nach der Operation wurden 70€% der Revisionen bei Männern, aber nur 59€ % der Revisionen bei Frauen aufgrund von rezidivierenden Luxationen durchgeführt. Neben dem Geschlecht sind verschiedene Indikationen zur Operation (Folgen eines Traumas, eines kindlichen Hüftschadens oder einer aseptischen Hüftkopfnekrose) sowie eine hohe Komorbidität mit einem 1,6- bis 2, 9fachen relativen Risiko für eine frühe Revision vergesellschaftet (Johnsen et€al. 2006). Zusätzlich ist zu beachten, dass in keinem der aufgeführten Register die geschlossene Reposition als Revision gewertet wird. Tritt das Luxationsereignis jedoch nach einem inadäquaten oder gar ohne Trauma auf, so ist zumindest von einem Teilversagen der Prothese auszugehen. Die relativ hohe Variabilität der Luxationshäufigkeiten in der Literatur lässt vermuten, dass hierbei häufig höhere Inzidenzen vorliegen, die den Primäroperateuren teilweise nicht bewusst sind. Ein weiterer Grund für das Auftreten von Luxationen könnte die Incompliance aufgrund mangelnder kognitiver Fähigkeiten oder aber Unachtsamkeit der Patienten sein. Voraussetzung für ein prothesengerechtes Verhalten ist jedoch die verständliche prä- und postoperative Aufklärung.
428 Abb. 13.11↜ RX-90S (Biomet)
Neben den oben genannten Gründen, die zu einer Luxation führen können, ist die korrekte Positionierung der Endoprothese von entscheidender Bedeutung. Wird beispielsweise ein zu steiler Inklinationswinkel oder eine ungünstige Ante- bzw. Retroversion gewählt, so ist der Luxationsvorgang stark vereinfacht. Die Wahl des Operationszugangs muss kontrovers diskutiert werden. Wurde im Jahresreport 2005 des schwedischen Endoprothesenregisters die Komplikationsrate mit 5,4€% nach Anwendung eines direkten lateralen Zugangs (nach Hardinge) im Vergleich zum dorsalen Zugangs (nach Moore) mit 3,6€% noch deutlich höher beschrieben, so kam es im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 zu einer deutlichen Reduktion und Angleichung dieser Zahlen (1,8 vs. 2,2€ %). Der Zugangsweg nach Moore (posterolateral) wurde konstant am häufigsten genutzt, die Anzahl der Gammer-Zugänge (anterolateral) stieg verhältnismäßig an, während der Zugang nach Hardinge (direkt lateral) mehr und mehr verlassen wird (Verhältnis 15:11:1; Karrholm et€al. 2006, 2008). Hinsichtlich der Luxationen ist jedoch bei Anwendung eines posterolateralen Zugangs das relative Revisionsrisiko aufgrund einer
Abb. 13.12↜ Lubinus AllPoly (LINK)
H. Kienapfel und A. Becker
Luxation im Vergleich zu einem lateralen Zugangsweg um den Faktor 1,9 erhöht (Arthursson et€al. 2007). Um diesem Problem entgegenzutreten, werden von den Prothesenherstellern zunehmend Implantate mit größerer Luxationssicherheit angeboten. Neben den sog. Schnapppfannen oder Pfannenmodellen mit Randerhöhung bietet die Modularität die Möglichkeit einer optimalen Wiederherstellung der physiologischen Verhältnisse. Dementsprechend werden beispielsweise in Norwegen seit 1987 nach und nach die zu zementierenden Monoblockschäfte durch modulare Modelle verdrängt (Verhältnis 1987–1990 2:1; Verhältnis 2007 ca. 1:6). Gerade bei den zementfreien Implantaten werden kaum Monoblockprothesen angewendet (Verhältnis 2007 1:500; Furnes et€al. 2008). Schließlich stellt noch die Kopfgröße einen Einflussfaktor auf die Luxationswahrscheinlichkeit dar. Köpfe mit einem Durchmesser von 32€ mm wiesen im Vergleich zu 28-mm-Köpfen eine 4fach geringere Luxationswahrscheinlichkeit auf (Bystrom et€al. 2003). Trotzdem wurden 2007 in Norwegen noch 8-mal häufiger 28er- als 32er-Köpfe implantiert (Furnes et€ al. 2008). Von den Kopfgrößen mit einem Durchmesser über 32€mm, die derzeit zunehmend in den Markt eingeführt werden, versprechen sich Operateure und Hersteller eine weitere Reduktion der Luxationsraten.
13.2.3 Septische Lockerung Die septische Lockerung stellt sich in den verschiedenen Registern nicht homogen dar. Während in Schweden in den Jahren zwischen 1979 und 2007 7,4€% aller Erstrevisionen wegen einer tiefen Infektion durchgeführt werden mussten, zeigte sich in Norwegen eine langsame Zunahme, so dass der Anteil der Gelenkinfektionen an allen Revisionen von 7,2€ % (2001) auf 10,3€ % (2007) anstieg. Der Grund dafür ist nicht in einer Verschlechterung der Versorgungsqualität zu sehen, sondern auf den Einschluss auch von sekundären Revisionen in diese Auswertung zurückzuführen (Furnes et€al. 2008; Karrholm et€al. 2008). Das hohe Risiko, nach einer tiefen Infektion einer Endoprothese erneut aufgrund derselben Ursache revidiert werden zu müssen, führt dementsprechend zu einer Kumulation. Im Gegenteil haben gerade die Ergebnisse des Norwegischen Endoprothesenregisters zu einer erheblichen Verminderung des Infektionsrisikos geführt. So
13╅ Prothesenregister und Langzeitergebnisse Abb. 13.13↜ Charnley (DePuy)
konnten Engesaeter et€ al. (2003) zeigen, dass durch die gleichzeitige systemische Antibiotikaprophylaxe 4-malig am OP-Tag und die Anwendung eines antibiotikahaltigen Zements das Risiko, aufgrund einer tiefen Infektion revidiert werden zu müssen, um den Faktor 2,7–6,8 gegenüber anderen Verfahrensweisen reduziert werden kann. Als weiterer Risikofaktor für eine tiefe Infektion ist eine übermäßig lange Operationsdauer zu nennen. Wie Smabrekke et€al. (2004) zeigen konnten, steigt das relative Risiko um den Faktor 3,5, wenn für die Implantation einer zementierten Hüftendoprothese statt eines ermittelten Durchschnittswertes von 71–90€min eine Dauer von über 150€min benötigt wird. Aufgrund der geringeren Fallzahlen konnte hinsichtlich der zementfreien Prothesen keine eindeutige Aussage getroffen werden. Es konnte jedoch zusätzlich ein signifikanter, reziproker Zusammenhang zwischen der Gesamtanzahl an hüftendoprothetischen Eingriffen pro Jahr und der Operationsdauer festgestellt werden. Durch die breite Einführung von Hygienestandards und die Tendenz, die operative iatrogene Traumatisierung immer weiter zu reduzieren, ist eine weitere Verringerung der Anzahl an tiefen Infektionen vorstellbar. Perioperative Wundkontaminationen in standardund ultrareinen Operationssälen kommen im Rahmen einer primären hüftendoprothetischen Versorgung in über 30€ % der Fälle vor (Davis et€ al. 1999; Clarke et€ al. 2004; Maathuis et€ al. 2005). Dementsprechend Abb. 13.14↜ Charnley Elite (DePuy)
429
müssen eine lokale oder allgemeine Suppression der Immunabwehr als patientenbezogene Risikofaktoren angesehen werden. Hierfür können beispielsweise vaskuläre, endokrine oder immunologische Erkrankungen verantwortlich sein. Inwiefern der Einsatz von Knochenzement durch die Freisetzung der Polymerisationswärme oder toxische Effekte ebenfalls die lokale Immunabwehr beeinträchtigt, kann derzeit nicht belegt werden. Der Vergleich von zementfreien und zementierten Prothesen (jeweils ohne lokales Antibiotikum) lässt diese These jedoch zu, da es durch Einsatz von Knochenzement zu einem signifikanten Anstieg des relativen Risikos einer septischen Lockerung um den Faktor 1,8 kommt (Engesaeter et€al. 2006). Einen signifikanten Unterschied zwischen der zementfreien und der zementierten Verankerung mit lokalem Antibiotikum konnten Engesaeter et€ al. jedoch an einem Kollektiv von immerhin 56.275 Patienten nicht nachweisen. Die Beschaffenheiten des Implantats stellen wahrscheinlich den geringsten Einflussfaktor dar. Zu Fehlern, in deren Folge auch Infektionen denkbar wären, kann es jedoch im Rahmen des Sterilisationsverfahrens oder durch unsachgemäße Lagerung kommen.
13.2.4 Periprothetische Frakturen Für die Jahre zwischen 1979 und 2000 konnte anhand des schwedischen Hüftendoprothesenregisters eine kumulative Inzidenz periprothetischer Frakturen nach Primärimplantation von 0,4€ % nachgewiesen werden (Lindahl et€al. 2006). Der Anteil der Revisionen, die aufgrund von periprothetischen Frakturen durchgeführt werden, liegt immerhin bei 5,2€ % (Norwegen, 2007), 9,0€ % (Schweden, 2007) und ca. 7€ % (Finnland, 2006; Furnes et€ al. 2008; Finnish Arthroplasty Register 2008; Karrholm et€ al. 2008). Überraschenderweise treten diese Frakturen in der Mehrzahl der Fälle nach Bagatelltraumata auf (Lindahl et€al. 2006). Lindahl et€ al. (2007) konnten anhand der Daten des Schwedischen Endoprothesenregisters zeigen, dass die betroffenen Patienten im Vergleich zur Gesamtpopulation der Hüftprothesenpatienten eine erhöhte postoperative Mortalität aufweisen. Die Sterblichkeit ist mit der postoperativen Mortalität nach proximaler Femurfraktur vergleichbar (Bhattacharyya et€al. 2007). Periprothetische Frakturen treten bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf, allerdings sind die
430 Abb. 13.15↜ Reflection (Smith & Nephew)
Patienten zum Zeitpunkt der Primärimplantation deutlich jünger als der Durchschnitt aller Patienten. Prothesen, die bereits aufgrund einer Hüftgelenksfraktur implantiert wurden, sind jedoch signifikant häufiger betroffen, als nach primärer Koxarthrose oder entzündlicher sekundärer Koxarthrose (Gjertsen et€ al. 2007). Insbesondere nach primärer hüftendoprothetischer Versorgung stellt die Schaftlockerung einen wesentlichen Risikofaktor für eine periprothetische Fraktur dar (Lindahl et€al. 2006). Ein vermehrtes Auftreten ist ebenfalls häufig in der Folge großer Osteolysen beschrieben (Maloney et€ al. 1990). Auch eine vorangegangene Revision des Gelenkersatzes erhöht das Risiko einer periprothetischen Fraktur erheblich. Die kumulative Inzidenz nach einer Revision für die Jahre 1979–2000 im Rahmen des schwedischen Hüftregisters ist mit 2,1€% etwa 4fach höher als nach einer Primärimplantation (Lindahl et€al. 2006). Interessanterweise ist auch für das Prothesendesign ein deutlicher Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer periprothetischen Farktur nachzuweisen. Während für anatomische Schäfte das Risiko geringer zu sein scheint, weisen gerade und kürzere Schäfte, bei denen sowohl die Positionierung als auch das Erreichen eines gleichmäßigen Zementmantels erheblich Abb. 13.16↜ Trilogy HA (Zimmer)
H. Kienapfel und A. Becker
anspruchsvoller ist, ein signifikant höheres Risiko auf (Lindahl et€ al. 2006). Intraoperative periprothetische Frakturen, die jedoch nicht als Prothesenversagen, sondern als intraoperative Komplikation gewertet werden, treten signifikant häufiger bei der Press-fit-Implantation von zementfreien Prothesen auf.
13.2.5 O perationstechnische und perioperative Ursachen Die operationstechnischen Ursachen eines Prothesenversagen sind in erster Linie auf das Operationsteam, dessen Entscheidungen und Erfahrungen zurückzuführen (Espehaug et€al. 1999). Die Wahl eines vergleichsweise schlechteren Implantats, einer nachteiligen Zementiertechnik oder eines unterlegenen Operationszugangs (Karrholm et€al. 2008) sowie eine unzureichende Ossifikationsprophylaxe (Kienapfel et€ al. 1999) oder eine unphysiologische Positionierung der Prothese sind eindeutig dem Operateur zuzuschreiben und können die Standzeiten von Prothesen wesentlich beeinflussen. Es ist jedoch ebenfalls nachgewiesen, dass die Voraussetzungen zur Operation, die patientenabhängig sind, die technische Durchführung erschweren können. So sind die Langzeitergebnisse nach kindlichen Hüfterkrankungen oder Frakturen vergleichsweise schlechter als bei einer primären Koxarthrose (Espehaug et€al. 1997; McLaughlin und Lee 2006; Johnsen et€al. 2006; Gjertsen et€al. 2007). Die Anforderungen an die Instrumentarien und den Operateur sind zudem bei stark adipösen Patienten höher und können zu schlechteren Ergebnissen führen, obwohl in der Literatur der Einfluss der Adipositas kontrovers diskutiert wird (McLaughlin und Lee 2006; Münger et€al. 2006; Johnsen et€al. 2006). Hinsichtlich der Implantate ist eine Beeinträchtigung eines optimalen Operationsablaufs durch die unterschiedlichen Designs und die spezifischen Instrumentarien denkbar. Auch durch die Vielfalt der angebotenen Größen, Offsets, Köpfe, CCD-Winkel und Materialien innerhalb eines Prothesensystems sowie durch das inzwischen weit verbreitete Modularitätsprinzip steigt die Möglichkeit operationstechnischer Fehler. Der Anteil der Revisionen aufgrund von technischen Ursachen machte 2006 in Finnland ca. 5€% der gemeldeten Fälle, in Schweden lediglich 1€% der Fälle
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse Abb. 13.17↜ Müller-Pfanne (Biomet)
aus. Im gesamten Zeitraum der Registeraufzeichnungen in Schweden (1979–2007) mussten 2,1€ % aller Revisionen aus diesem Grund durchgeführt werden (Finnish Arthroplasty Register 2008; Karrholm et€ al. 2008).
13.2.6 Materialversagen Neben den verschiedenen Designfaktoren (s. auch Kap.€3) konnten innerhalb der letzten Jahrzehnte eine große Anzahl an nachteiligen Werkstoffentwicklungen detektiert werden. Insgesamt macht das Materialversagen aber nur einen geringen Anteil an allen Indikationen aus, die zu einer Revision führen. Trotzdem wurden immerhin 0,8€% der Revisionen in Norwegen (2004) wegen eines Polyethylenverschleißes und 1,2€% in Finnland (2006) bzw. 1,1€ % in Schweden (2007) wegen eines Prothesenbruchs durchgeführt (Furnes et€al. 2005; Finnish Arthroplasty Register 2008; Karrholm et€al. 2008). Das Stress Shielding wird als Folge der unterschiedlichen Elastizität der Implantate im Vergleich zum umgebenden Knochen angesehen. Zu Beginn der 70er Jahre wurde versucht, sog. isoelastische ImplanAbb. 13.18↜ Cenator (Corin)
431
tate herzustellen, die eine möglichst physiologische Kraftübertragung von der Prothese in den umgebenden Knochen gewährleisten sollten. Ein Beispiel dafür ist die Ummantelung von Femurschäften mit Proplast, einer Werkstoffkombination aus Polytetrafluoroethylen und Karbonfasern (Proplast I) oder Aluminiumoxid (Proplast II). Während es bei der Anwendung dieses Werkstoffs in einigen Studien zu erheblichen intramedullären Osteolysen, der Ausbildung von Fremdkörpergranulomen und zum breiten klinischen Versagen gekommen ist (Goosen et€al. 2006), scheint das Konzept der Isoelastizität bei anderen Implantaten und Werkstoffen (Polyaryletherketon und Titan-Mesh) zumindest mittelfristig zu weniger entmutigenden Ergebnissen zu führen (Akhavan et€al. 2006). Die 1973 eingeführte vollständig aus Polyethylen konstruierte Pfanne von Morscher und Mathys sollte ebenfalls das Prinzip der Isoelastizität verfolgen und war für die zementfreie Verankerung konzipiert. Bereits wenige Jahre nach Implantation kam es jedoch in den meisten Fällen zu einer rasch progredienten aseptischen Lockerung mit Migration dieser Implanate. Nach Explantation bestanden fibröse Überzüge an den Knochengrenzflächen mit zumeist fehlender ossärer Integration, deutliche Abriebzeichen am inneren und äußeren Durchmesser der Polyethylenpfanne sowie granulomatöse Entzündungen mit massivem Kunststoffdebris im umliegenden Knochen (WilsonMacDonald et€al. 1990). Die Christiansen-Prothese wurde unter der Vorstellung in den Markt eingeführt, dass der bewegliche Metallkopf auf einem Polyacetal-(Delrin®-)Zapfen und die Pfanne aus dem gleichen Werkstoff aufgrund der in vitro getesteten Eigenschaften zu einer deutlichen Verbesserung der Langzeitergebnisse führen könnte (Christiansen 1974). Demenstprechend wurden allein in Schweden zwischen 1979 und 1989 1436 dieser Prothesen implantiert. Im Verlauf traten jedoch auch hier erhebliche klinische und radiologische Lockerungszeichen auf (Havelin et€al. 1986). Nach 7 Jahren mussten bereits über 30€%, nach 10 Jahren über 40€ % der Prothesen revidiert werden. Radiologische Zeichen der Lockerung lagen nach 10 Jahren jedoch bereits in 100€% der Pfannen vor. Durch den Werkstoff Delrin® wurden massive Entzündungen und Gewebsnekrosen verursacht, so dass diese Implantate nicht weiter angewendet wurden (Malchau et€al. 2002).
432 Abb. 13.19↜ Müller AllPoly (verschiedene weitere Hersteller)
Zu Beginn der 90er Jahre wurde der Boneloc-Knochenzement populär (Havelin et€al. 1995), der eine vergleichsweise geringe exotherme Reaktion im Rahmen des Polymerisationsprozesses aufwies. Im Gegensatz zu den gängigen Polymethylmethacrylat-(PMMA-) Zementen bestand dieser aus Methylmethacrylat/nDecylmethacrylat/Isobornylmethacrylat-Monomeren im Verhältnis 5:3:2. Allerdings zeigten sich im Labor sowohl eine minderwertige Zugfestigkeit als auch eine geringere Elastizität (Thanner et€al. 1995). Diese nachteiligen mechanischen Eigenschaften werden in erster Linie für das klinische Versagen des Boneloc-Zements mit fast 9fach erhöhtem Revisionsrisiko und schließlich den Rückzug vom Markt verantwortlich gemacht (Thanner et€al. 1995; Havelin et€al. 1995). Neben diesen historischen Beispielen treten auch aktuell immer wieder Fälle von Materialversagen durch veränderte und neue Prothesendesigns und -werkstoffe auf. Insbesondere die konsequente Weiterführung des Modularitätsprinzips birgt verschiedene Gefahren in sich (Furnes et€al. 2008).
13.2.7 Verankerungsmechanismus 13.2.7.1 Zementierte Verankerung Während in Skandinavien weiterhin überwiegend zementierte Prothesen implantiert werden (Schweden 77€% und Norwegen â•›>â•› 65€% (Furnes et€al. 2008; Karrholm et€ al. 2008), werden beispielsweise in weiten Teilen Mitteleuropas, den USA, aber inzwischen auch in Finnland (2006 ca. 60€%) überwiegend zementfreie Implantate verwendet (Finnish Arthroplasty Register 2008). In der 2007 veröffentlichten Metaanalyse von Morshed et€al. (2007) zeigte sich anhand der publizierten wissenschaftlichen Arbeiten, dass die zementierte Fixation von Hüftendoprothesen in großen Subgruppen nach wie vor überlegene Ergebnisse liefert.
H. Kienapfel und A. Becker
Andererseits konnte eine Korrelation zwischen den Überlebensraten zementfreier Implantate und dem Jahr der Publikation nachgewiesen werden. Demnach scheinen die permanenten Weiterentwicklungen zu einer stetigen Verbesserung der Standzeiten zu führen. Aufgrund von methodologischen Schwächen der einzelnen Untersuchungen können bisher jedoch noch keine Subgruppen definiert werden, bei denen durch die zementierte oder die zementfreie Implantation einer Hüftendoprothese ein relativer Vorteil hinsichtlich der Langzeitergebnisse erreicht werden könnte.
13.2.7.2 Pfanne Einfluss des Sterilisationsverfahrens.╇ Sowohl bei zementierten Pfannen als auch bei PE-Inlays zementfreier Pfannen zeigt sich ein signifikanter Anstieg des Abriebs nach Sterilisation in Ethylen-Oxid im Vergleich zur Gammasterilisation (Digas et€ al. 2003). Somit stellt das Sterilisationsverfahren unabhängig vom Design und dem Material der Pfanne eine weitere Einflussmöglichkeit auf die Langzeitergebnisse dar. Neue Werkstoffe. Hochvernetzte Polyethylene senken nachweislich die Menge der anfallenden PE-Abriebpartikel und sind sowohl in zementierten als auch zementfreien Prothesen einzusetzen. Die ersten Ergebnisse von Digas et al., die das Migrationsverhalten von Chrom-Kobalt-Köpfen in hochvernetzten und konventionellen PE-Pfannen mittels RSA (RoÅNntgen-Stereometrie-Analyse) verglichen, sprechen für eine erhebliche Reduktion des PE-Abriebs. Mit dem hochvernetzten PE könnte somit ein Werkstoff zur Verfügung stehen, der die Langzeitergebnisse auch der zementierten Pfannenkomponenten weiter verbessern könnte. Es bleiben jedoch die Ergebnisse längerer Nachbeobachtungszeiträume abzuwarten (Digas et€al. 2004; Digas 2005). Während die zementierten Vollprofil-Polyethylenpfannen nach wie vor hervorragende Ergebnisse liefern, wurden auch die zementfreien Implantate stetig verbessert und sind mit den älteren Komponenten kaum noch vergleichbar. Jedoch fehlen bislang die Langzeitergebnis für viele dieser neueren Implantate. Ein großer Vorteil gegenüber zementierten Pfannen könnte darüber hinaus die größere Variationsmöglichkeit hinsichtlich der Gleitpaarungen (MetallMetall, Keramik-Keramik) sein (s. auch Kap.€14.3).
13.2.7.3 Schaftzementiertechnik Entwicklung der Zementiertechnik.╇ Charnley beschrieb in seiner 1960 veröffentlichten Arbeit bild-
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse
433
Tab. 13.3↜╇ Übersicht der Zementiertechniken Arbeitsschritte Vorbereitung des Knochenbettes Anwendung distaler Zementstopper Anmischung des Zements Applikation Hochdruckzementierung (z.€B. über proximale Abdichtung)
I. Generation Keine Nein Manuell Manuell Nein
II. Generation Einfache oder Jet-Lavage Ja Manuell Retrograd über Zementapplikator Nein
reich die sog. 1. Generation der Zementiertechnik. Dabei wurde der Markraum mit einem scharfen Löffel präpariert. Eine Spülung wurde nicht durchgeführt. Anschließend erfolgte die Anmischung des Zements von Hand, so dass ein zäher „Teig“ entstand. Dieser wurde in die Form eines „Würstchens“ gebracht und nach Absaugen des Blutes mit den Fingern zügig in den Markraum gedrückt und gestopft. Anschließend sollte der Prothesenstiel mittig in diesen Zement eingebracht werden (Charnley 1960). In Analogie zur Weiterentwicklung der Implantate ist es jedoch auch zu einer Verbesserung der Zementiertechnik gekommen. Harris und McGann (1986) beschrieben den Einsatz einer distalen Plombe aus Knochenzement und die retrograde Auffüllung des Markraums, Ballard et€al. (1994) benannten schließlich die Lavage des Markraums, die Einführung eines distalen Zementstoppers sowie die Benutzung eine Zementierpistole zur retrograden Auffüllung des Markraums als Säulen der 2. Generation der Zementiertechnik. Seit Ende der 80er Jahre schließlich wurde, wie von Malchau und Herberts postuliert, bereits die neue Generation der Zementiertechnik angewendet. Diese beinhaltet neben der Reinigung des Markraums mittels Jet-Lavage, eine Vakuumanmischung des Zements und die zusätzliche Anwendung eines proximalen Verschlusses zur Einbringung des Zements unter hohem Druck. In der neueren Literatur wird diese Technik auch als 3. Generation der Zementiertechnik zusammengefasst (s. auch Tab.€13.3). Anhand der schwedischen Registerdaten der Zeiträume von 1979 bis 1986 und 1987 bis 1997, also mit Einführung der neuen Zementiertechnik, führten Herberts und Malchau (2000) eine multivariate Regressionsanalyse für die verschiedenen Veränderungen der Operationstechniken durch. Die Zementiertechnik stellte sich dabei als fundamentaler Einflussfaktor dar, der zur Absenkung der Revisionsrate um 20€% beitrug. Durch die Jet-Lavage konnte das relative Risiko einer revisionswürdigen aseptischen Lockerung um 28€ %,
III. Generation Jet-Lavage Ja Vakuumanmischung Retrograd über Zementapplikator Ja
durch den proximalen Zementstopper um 21€ % und den distalen Zementstopper um 13€% gesenkt werden. Die Anmischung unter Vakuumverhältnissen führt im Vergleich zur Anmischung von Hand zu einer Minimierung der Lufteinschlüsse, die mechanische Schwachstellen des Zementmantels darstellen und an denen es bevorzugt zur Schädigung und Osteolysen kommt (Maloney et€ al. 1990). Zusätzlich kann dadurch die Freisetzung toxischer Monomere im Vergleich zur Anmischung von Hand reduziert werden (Schlegel et€ al. 2004). Die mechanischen und strukturellen Eigenschaften des Zements werden auch trotz Benutzung eines Vakuumsystems nachhaltig durch die Art des Zements und das Vakuumsystem beeinflusst (Mau et€al. 2004). Vergleich Zementiertechnik in Deutschland und Schweden.╇ Im Vergleich zu den skandinavischen Ländern ist in Deutschland die 3. Generation der Zementiertechnik noch nicht flächendeckend verbreitet. In einer 2005 veröffentlichten Umfrage führten 2/3 der Befragten eine Vakuumanmischung durch. Lediglich 57,2€ % nutzten eine Jet-Lavage, 71,1€ % einen Zementapplikator für die femorale Zementierung. Das Azetabulum wurde nur in der Hälfte der Fälle mittels Jet-Lavage gereinigt, in fast drei Vierteln wurde kein Zementapplikator benutzt (Kreutzer et€al. 2005). Währenddessen wurde in Schweden für jede Hüftendoprothese die Anwendung eines distalen Zementstoppers, eine retrograde Auffüllung des Markraums sowie eine Jet-Lavage gemeldet. Eine azetabuläre Kompression wurde in über 95€%, eine proximale Markraumversiegelung in â•›>â•› 90€% durchgeführt Karrholm et€al. 2008). Auswahl des Zements.╇ Neben der Zementiertechnik, also dem operativen Ablauf, beeinflusst auch die Wahl des Zements die Überlebensraten der Hüftendoprothesen. Beispielsweise traten bei Anwendung des Boneloc-Zements vermehrt aseptische Lockerungen auf (s. auch Kap.€13.2.6). Zudem weisen Knochenze-
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mente ohne Antibiotikazusatz ein erhöhtes Risiko der aseptischen Lockerung auf. In der Registerstudie von Engesaeter et€ al. (2006) mit zementfreien Prothesen als Referenz konnte eine hochsignifikante Erhöhung des relativen Risikos einer Revision aufgrund einer aseptischen Lockerung um 30€ % nachgewiesen werden, wenn ein antibiotikafreier Zement genutzt wurde. Auch das Risiko einer tiefen Infektion stieg auf das 1,8fache. Ein antibiotikahaltiger Zement hingegen senkte das Risiko der Revision aufgrund einer aseptischen Lockerung um 40€ % gegenüber der zementfreien Implantation; das Risiko der tiefen Infektion zeigte sich nicht erhöht. Havelin et€al. (1995) wiesen im Vergleich ein 2,5fach erhöhtes Revisionsrisiko aufgrund einer Schaftlockerung nach, wenn ein niedrig-visköser Zement im Vergleich zu hoch-viskösem Zement genutzt wurde. Mit Boneloc-Zement war das Risiko sogar um den Faktor 8,7 erhöht. Hinsichtlich der Pfannenkomponente lagen, abgesehen von einem 6fach erhöhten Revisionsrisiko durch Boneloc-Zement, keine signifikanten Unterschiede vor. Nachteile der zementierten Implantationsweise.╇ Neben den Erfolgen der zementierten Hüftendoprothetik sollte jedoch auch erwähnt werden, dass es im Rahmen der Polymerisation des PMMA zu einer Freisetzung toxischer Methylmethacrylat-Monomere kommt (Schlegel et€al. 2004). Zudem stellt die Polymerisation eine exotherme Reaktion dar, bei der das umliegende Gewebe teilweise sehr hohen Temperaturen ausgesetzt wird. Eine mögliche lokale Herabsetzung der immunlogischen Abwehr mit erhöhtem Risiko der vorzeitigen Lockerung oder Infektionen wird in der aktuellen Literatur diskutiert (Engesaeter et€al. 2006). Schließlich können gerade durch das Zementieren des Schafts unter hohem intramedullärem Druck Fettembolien auftreten und kardiopulmonale Komplikationen hervorgerufen werden (Breusch et€al. 2002).
13.2.7.4 Zementfreie Verankerung Metaanalysen.╇ Eine aktuelle Metaanalyse, die zementierte und unzementierte Verankerungstechniken beim totalen Hüftgelenksersatz vergleicht, kommt zu dem Ergebnis, dass kein Vorteil für eines der Verankerungsverfahren besteht, wenn das Versagen entweder als Revision von einer oder beiden Komponenten oder als Revision von einer spezifischen Komponente definiert wird. Es konnte auch kein signifikanter Unterschied zwischen den Ergebnissen der Prothe-
H. Kienapfel und A. Becker
senregisterstudien und der Einzelcenterstudien oder auch zwischen den randomisierten und nichtrandomisierten Studien festgestellt werden. Allerdings zeigte eine Subgruppenanalyse der Typ-A-Studien (Versagen wegen Revision von einer oder beiden Komponenten) ein besseres Implantatüberlebensverhalten mit zementierter Verankerung in Studien, bei denen Patienten jeden Alters eingeschlossen wurden, im Vergleich zu jenen, bei denen nur Patientin im Alter von 55 Jahren und jünger eingeschlossen wurden (Morshed et€ al. 2007). In den Typ-B-Studien (Versagen wegen Revisionsnotwendigkeit einer spezifischen Komponente) erbrachte die Subgruppenanalyse, dass zementierte Titanschäfte und zementfreie Schraubpfannen mit einer schlechteren Implantatüberlebensrate vergesellschaftet sind. Eine Assoziation wurde auch zwischen dem Unterschied in der Überlebensrate und dem Publikationszeitpunkt festgestellt. Die unzementierte Verankerungen weist in jüngerer Zeit eine relative Überlegenheit auf. Letzteres steht nur in einem scheinbaren Widerspruch zu den Ergebnissen der skandinavischen Endoprothesenregister und hier insbesondere des Schwedenregisters, das ein Revisionsrisiko für zementierte Prothesenverankerungen für den Zeitraum 1979 bis 2007 von 8,1€% aufweist, im Vergleich hierzu bei zementfreien Hüftprothesenverankerungen eine Revisionshäufigkeit im gleichen Zeitraum von 17,3€%. Interessanterweise war für den gleichen Zeitraum eine für die Hybridverankerungen (bzw. reverse Hybridverankerungâ•›=â•›zementierte Pfanne + zementfreier Schaft) ein Revisionsrisiko von 13,5€ % (5,2€ %) festgestellt worden (Karrholm et€al. 2008).
13.2.7.5 Pfannenkomponenten Zementfreie Pfannenkomponenten können in unterschiedlicher Weise systematisiert werden. Eine der gebräuchlichsten Klassifikationen wurde von Morscher (1983) beschrieben. Hierbei werden sog. zylindrische Pfannenkomponenten, Rechteckpfannenkomponenten, konische Komponenten, ellipsoide Schraubringkomponenten und hemisphärische Pfannenkomponenten unterschieden. Auf Morscher geht auch die Forderung zurück, dass die Pfannenkomponente, die an der Grenzfläche am besten die physiologische Lastübertragung aufnimmt, wahrscheinlich die erfolgsreichste sein müsste. Unter den o.€ g. Komponentendesigns hat sich die hemisphärische, zementfreie Pfannenkomponente als die insgesamt erfolgsreichste herausgestellt.
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse
Gleichwohl muss festgestellt werden, dass die Weiterentwicklung der Schraubringdesign-Komponenten in Kombination mit Oberflächen, die für ein Knocheneinwachs- oder Anwachsverhalten hergestellt worden sind, die anfänglich schlechten Schraubringresultate deutlich verbessert haben. Betrachtet man die Registerdaten zu den Pressfit-Pfannen, so zeigen diese am Beispiel der TrilogyHA-Pfanne in Kombination mit unterschiedlichen Schäften für die Zeiträume 1992 bis 2007 10-JahresÜberlebensraten zwischen 91,3 und 94,3€% (Karrholm et€ al. 2008). Auch andere Press-fit-Pfannen, wie die ABG-II-HA-Pfanne weisen im Vergleich gute Resultate auf. Bereits die 2002 veröffentlichten Daten des Schwedenregisters haben darauf hingewiesen, dass in der ersten Generation der Press-fit-Pfannen mit einem Untersuchungszeitraum zwischen 1986 und 1996 7-Jahres-Überlebensraten in Abhängigkeit von der Kombination mit unterschiedlichen Schäften zwischen 94,4 und 100€ % vorhanden waren. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um hydroxylapatitbeschichtete Pfannen.
13.2.7.6 Schaft Unter den zementfreien Schaftsystemen gibt es durchaus auch in den Registerstudien aus Skandinavien, wenn auch in kleiner Fallzahl, hervorragende Ergebnisse für bestimmte Designtypen wie z.€B. den CLSSpotorno-Schaft (Karrholm et€al. 2008). Andererseits haben viele Studien gezeigt, dass nur partiell beschichtete Schäfte, insbesondere wenn sie proximal nicht zirkumferenziell beschichtet waren, vergleichsweise schlechtere Überlebensraten aufwiesen. Bei letzteren Schaftsystemen kam es insbesondere zu Osteolysen im distalen Bereich des Schafts. Letzteres wird mit dem von Schmalzried erstmalig beschriebenen effektiven Gelenkspaltraum („effective joint space“) erklärt (Schmalzried et€al. 1992). 13.2.7.7 Hybridversorgung Unter den Endoprothesenregisterstudien weist das schwedische Register eine relativ große Datenmenge mit Hybridversorgungen und zwar sowohl in Kombination eines zementierten Schafts und einer zementfreien Pfanne als auch im Sinne einer reversen Hybridversorgung, bei der eine zementierte Pfanne mit einem zementfreien Schaft kombiniert wird, auf. Seit 1999 hat die Indikation für die sog. reverse Hybridendoprothetik in Schweden deutlich zugenommen. Seit
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2004 hat die Anzahl der reversen Hybridendoprothesen die Anzahl der klassischen Hybridendoprothesen übertroffen. In den 2008 veröffentlichten Daten (Karrholm et€al. 2008) betrug die Revisionsbelastung für die unterschiedlichen Verankerungstechniken für die Zeitperiode 1992 bis 2007: • 9,8€% für vollkommen zementierte Implantatkomponenten, • 20,3€% für vollkommen zementfreie Implantatkomponenten, • 15,4€ % für klassische Hybridverankerungstechniken und • 4,9€% für die reversen Hybridverankerungen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Revisionsbelastung abhängig von der Anwendungsdauer einer Methode ist und gerade die reverse Hybridversorgung als jung eingeführte Methode verhältnismäßig wenige Fälle eines Prothesenversagens aufweist, die erst nach vielen Jahren eintreten. In der jüngeren Patientenpopulation unter 60 Jahre erfolgte die Mehrzahl aller Implantationen mit vollkommen zementfreien Systemen (37,0€%), gefolgt von zementierten Verankerungen (30,1€ %), reversen Hybridverankerungen (17,5€ %) und Hybridversorgungen (1,4€%). (Oberflächenersatzprothesen machten in dieser Patientengruppe 9,5€ % aus.) Hieraus ist auch zu entnehmen, dass für diese jüngere Patientengruppe klassische Hybridversorgungen in Schweden eher vermieden wurden. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im norwegischen Prothesenregister. Hier zeigt sich, dass bei Patienten unter 60 Jahren seit 2003 kontinuierlich die komplett zementierte Versorgung abgenommen, die komplett zementfreie Versorgung gleichbleibend hoch und die inverse Hybridversorgung deutlich zugenommen hat. Für das Jahr 2007 teilen sich die vorgenannten Versorgungskonzepte mit ca. je 1/3 gleichmäßig auf. Die Überlebenskurven im norwegischen Register weisen nach 15 Jahren für die klassische Hybridversorgung eine Überlebensrate von etwa 75€ % sowie für die reverse Hybridendoprothesen von etwa 85€% auf (Furnes et€al. 2008).
13.2.8 E influss des Alters und des Geschlechts In den veröffentlichten Daten des finnischen Endoprothesenregisters (Puolakka et€al. 2001) geht hervor,
436
dass die 10-Jahres-Überlebensrate für Patienten unter 55 Jahre 72€% betrug, während diese für die Patienten über 70 Jahre 90€ % betrug. Für die Patientengruppe dazwischen, d.€h. im Alter zwischen 55 und 70 Jahren, die nochmals in eine Altersgruppe von 55 bis 60 bzw. von 60 bis 70 Jahren aufgeteilt wurde, ergab sich nach 11 Jahren kein Unterschied. Auch im schwedischen Registerreport für das Jahr 2007 wird darauf hingewiesen, dass das Alter und das Geschlecht die Langzeitergebnisse beeinflusst. So werden im Schwedenregister die Ergebnisse für die unterschiedlichen Geschlechter und Altersgruppen in 4 Intervallen dargestellt (Karrholm et€al. 2008): • jünger als 50 Jahre, • 50 bis 59 Jahre, • 60 bis 75 Jahre, • und älter als 75 Jahre dargestellt.
13.2.8.1 Jünger als 50 Jahre Hier bestanden allenfalls geringe Geschlechterunterschiede. So war die Überlebensrate nach 16 Jahren bei allen Patienten im Alter, jünger als 50 Jahre für Männer 65,7€% und für Frauen 64,2€%. Betrachtet man jetzt die Untergruppen, so waren die Überlebensraten für • zementierte Implantate bei Männern 74,7€ %, bei Frauen 72,5€%, • für unzementierte Implantate bei Männern 57,4€%, bei Frauen 54,3€%, • für Hybridimplantate (nach 15 Jahren) bei Männern 68,9€% und bei Frauen 67,4€%. 13.2.8.2 50 bis 59 Jahre In der Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren war für alle Verankerungstechniken nach 16 Jahren die Überlebensrate bei Männern 76,6€ %, bei Frauen 76,1€ %. Betrachtet man hier die Untergruppen, so betrug die Überlebensrate für die • zementierten Verankerungen bei den Männern 78,0€%, bei den Frauen 79,5€%, • zementfreien Verankerungstechniken bei den Männern 77,6€%, bei den Frauen lediglich nur 68,2€%, • Hybridverankerungstechniken bei den Männern 75,0€% und bei den Frauen 72,0€%. 13.2.8.3 60 bis 75 Jahre In der Altersgruppe zwischen 60 und 75 Jahren, die den größten Anteil ausmacht, betrug die Überlebens-
H. Kienapfel und A. Becker
rate nach 16 Jahren insgesamt für alle Gruppen bei den Männern 83,6€% und bei den Frauen immerhin 89,6€%. Hier zeigen sich auch die deutlichsten Geschlechterunterschiede zu Ungunsten der Männer. Betrachtet man Art der Verankerung, so betrug die Überlebensrate für die • zementierten Verankerungen bei Männern 84,3€%, bei Frauen 90,0€%, • zementfreien Verankerungstechniken bei den Männern 81,8€%, bei den Frauen 86,4€% (nach 14 Jahren), • Hybridverankerungstechniken bei den Männern nur 75,3€%, bei den Frauen 83,3€%.
13.2.8.4 Älter als 75 Jahre In der Altersgruppe über 75 Jahre betrug die Überlebensrate nach 16 Jahren für alle Verankerungstechniken bei den Männern 92,7€ % und bei den Frauen 95,8€ %. Betrachtet man hier die Untergruppen, so betrug die Überlebensrate für die • zementierten Verankerungstechniken bei den Männern 92,8€%, bei den Frauen 95,8€%, • Hybridimplantationen nach 7 Jahren bei Männern 94,2€ %, bei Frauen nach 10 Jahren 97,0€ % (Hinweis: kleine Fallzahlen, Männer nâ•›=â•›147/Frauen nâ•›=â•›259). Aussagen zu zementfreien Implantate fehlen in dieser Altersgruppe wegen der geringen Fallzahlen (nâ•›<â•›100). 13.2.9 Einfluss der Indikation Die Indikationsstellung für eine primäre Hüftendoprothesenimplantation kann vielfältig sein. Im Nachfolgenden wird versucht, die Langzeitergebnisse in Abhängigkeit der nachfolgenden Primärdiagnosen aufzuteilen: • proximale Femurfraktur (hier ausschließlich Schenkelhalsfrakturen, SHF), • rheumatoide Arthritis, • Hüftkopfnekrose, • sekundäre Arthrosen nach Hüftdysplasie, M. Perthes und Epiphysiolyse, • sekundäre Koxarthrose nach hüftgelenksnahen Frakturen. Hierbei wird die primäre Koxarthrose nicht mehr gesondert dargestellt, sondern nur noch dort, wo es sinnvoll erscheint, als Vergleichsgröße erwähnt.
13â•… Prothesenregister und Langzeitergebnisse
13.2.9.1 P roximale Femurfraktur (hier ausschließlich Schenkelhalsfrakturen) In den Ergebnissen des Jahresreports des norwegischen Endoprothesenregisters von 2007 wird daraufhin gewiesen, dass die Ergebnisse für den totalen Hüftgelenksersatz nach Schenkelhalsfrakturen zwar gut, aber nicht so gut wie bei der primären Koxarthrose sind. Letzteres wurde bereits von der norwegischen Autorengruppe um Furnes et€al. (2001), auf Basis von 53.698 Hüftendoprothesenoperationen, die zwischen 1987 und 1999 durchgeführt worden waren, postuliert. Hierbei wurde das relative Risiko einer Revisionsoperation, im Vergleich zu der Patientengruppe mit Primärdiagnose Osteoarthrose mit dem Faktor 1,3 höher angesehen. 2007 veröffentlichte Gjertsen die Ergebnisse von 8577 Patienten, die infolge einer akuten SHF oder eines Zustands nach fehlgeschlagener Osteosynthese bei SHF mit einer Hüfttotalendoprothese versorgt worden waren. Diese Ergebnisse wurden mit den Ergebnissen von Patienten mit primärer Koxarthrose verglichen. Nach Korrektur von Alter, Geschlecht und Zementtyp, wiesen die Patienten mit akuter SHF ein um den Faktor 1,6 erhöhtes Revisionsrisiko im Vergleich zu den Koxarthrosepatienten auf. Die Patienten mit Zustand nach Osteosynthese bzw. länger vorangegangener SHF hatten ein erhöhtes Revisionsrisiko um den Faktor 1,3. Die letztere Gruppe hatte insbesondere ein höheres Revisionsrisiko in Hinblick auf die Dislokationsgefahr und dem Auftreten einer periprothetischen Fraktur.
13.2.9.2 Rheumatoide Arthritis Auf Basis der Daten des finnischen Endoprothesenregisters wurden die Ergebnisse des totalen Hüftgelenkersatzes bei jungen Patienten mit rheumatoider Arthritis zwischen 1980 und 2003 dargestellt. Hierbei handelte es sich um 2557 primäre Hüftgelenksoperationen bei Patienten, die jünger als 55 Jahre alt waren. Die zirkumferentiell porös-beschichteten unzementierten Schäfte hatten hierbei eine 15-Jahres-Überlebensrate von 89€ % mit aseptischer Lockerung als Endpunkt. Das Risiko einer Schaftrevision, wegen aseptischer Lockerung war für die zementierten Schaftsysteme höher als für die zementfreien, proximal porös-beschichteten Schaftsysteme.
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Im Gegensatz hierzu war das Risiko einer Pfannenrevision für die zementfreien Pfannensysteme für diese Patientengruppe höher als für die Gruppe, die mit einer Vollpolyethylen-Pfannenkomponente in zementierter Verankerung versorgt worden waren (Eskelinen et€al. 2006). Die zementierte Implantation wurde traditionell als der Goldstandard bei der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis angesehen (Colville und Raunio 1978; Poss et€al. 1984). Allerdings kam es zu einer relativ hohen Rate aseptischer Lockerungen der Pfannenkomponenten. Radiologische Lockerungszeichen der Femurkomponenten lagen 6–11Jahre postoperativ mit einer Inzidenz von bis zu 78€ % vor. In mehren Studien zeigte sich, dass die Inzidenz sowohl für die aseptische Lockerung der Pfannen- als auch der Schaftkomponente vergleichsweise größer war als bei der Koxarthrose (Ranawat et€al. 1980; Poss et€al. 1984; Lachiewicz et€al. 1986). Relativ gute Ergebnisse wurden für die unzementierte (Keisu et€al. 2001; Lyback et€al. 2004) und die zementierte (Lehtimaki et€ al. 1997, 1999) Verankerungen der Femurkomponenten in jungen Patienten mit rheumatoider Arthritis beschrieben. In Finnland berichtete Lyback et€ al. (2004) über eine Überlebensrate von 100€ % nach 10 Jahren (mit aseptischer Lockerung als Endpunkt) für ein proximal zirkumferentiell porös-beschichtetes Schaftsystem (Bimetric) bei 55 Patienten mit juveniler rheumatoider Arthritis und einem Durchschnittsalter von 28 Jahren (Lyback et€al. 2004). Auch Keisu berichtete über eine 100€%ige Überlebensrate für ein anderes proximal porös-beschichtetes Implantat (Keisu et€al. 2001). In Finnland wurde bei 1553 konsekutiv eingesetzten Charnley „low-friction arthroplasties“ eine Überlebensrate von 90€ % nach 15 Jahren festgestellt (Lehtimaki et€ al. 1999). Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Lockerung der Pfannenkomponente nach wie vor das Langzeitproblem Nummer 1 nach totaler Hüftgelenksarthroplastik bei Patienten mit rheumatioder Arthritis darstellt. So waren die Ergebnisse mit den Schraubpfannendesigns der 1. Generation katastrophal (Engh et€ al. 1990; Simank et€ al. 1997). Relativ gute, mittelfristige Ergebnisse wurden für hydroxilapatitbeschichtete Press-fit-Pfannenkomponenten berichtet (Giannikas et€al. 2002).
438
13.2.9.3 Hüftkopfnekrose Das Risiko für aseptische Lockerungen beim totalen Hüftgelenksersatz wurde für Patienten mit Hüftkopfnekrose bislang vergleichsweise höher eingeschätzt (Chandler et€ al. 1981; Saito et€ al. 1989; D’Antonio et€ al. 1997). Allerdings ergab sich aus einer kürzlich veröffentlichten retrospektiven Analyse von 129 Fällen unter Einschluss von 57 Fällen mit avaskulärer Nekrose kein Hinweis, dass das Risiko für eine aseptische Lockerung größer ist als bei Patienten mit Koxarthrose (Schneider und Knahr 2004). 13.2.9.4 S ekundäre Osteoarthrose nach angeborener Hüftdysplasie In der Literatur gibt es viele Hinweise, dass die Langzeitergebnisse für sekundäre Koxarthrosen bei kongenitaler Hüftdysplasie, insbesondere im Hinblick auf die Überlebensrate der Pfannenkomponente, schlechter sind als bei primärer Koxarthrose. Dies ist in Anbetracht der häufig notwendigen zusätzlichen Pfannendachplastik auch nicht unerwartet. Sochart hat 1997 die Langzeitresultate mit 226 Charnley „Lowfriction“-Hüftendoprothesen, die zwischen 1966 und 1978 implantiert worden sind, veröffentlicht und hierbei 44 Patienten mit kongenitaler Hüftdysplasie, 54 Patienten mit primärer Koxarthrose und 63 Patienten mit rheumatoider Arthritis miteinander verglichen (Sochart und Porter 1997). Hierbei hatte nach 25 Jahren die Überlebensrate für die Femurkomponenten ein Ausmaß von 89€ % bei der Gruppe mit kongenitaler Hüftdysplasie, 85€% in der Gruppe mit rheumatoider Arthritis und 74€ % mit degenerativer Osteoarthrose. Die Überlebensrate für die Pfannenkomponente war erwartungsgemäß niedriger. Diese betrug 58€% für die Patienten mit kongenitaler Hüftdysplasie, 79€% in der Gruppe mit rheumatoider Arthritis und 59€ % in der Gruppe mit degenerativer Osteoarthrose. Auch andere Autoren (Porsch und Siegel 1998), weisen darauf hin, dass die Lockerungsrate für die Pfannenkomponenten bei den vergleichsweise jungen Patienten mit Hüftdysplasie ausgesprochen hoch ist (dreifach höher als für die Femurkomponente).
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Revisionsendoprothetik C. Perka, B. Fink, M. Millrose, U. Sentürk, M. Wagner, J. Schröder, H. Bail, R. Ascherl, A. Pruss, K. Thiele und C. Götze
14.1 Indikationen B. Fink Indikationen zu einem Prothesenwechsel sind vielfältig, die wichtigsten sind in der folgenden Übersicht aufgelistet:
Indikationen zum Prothesen- bzw. Komponentenwechsel
• • • • • • • • •
Aseptische Lockerung Septische Lockerung Infekt ohne Lockerung Periprothetische Fraktur Implantatbruch Implantatfehlpositionierung (symptomatisch) Rezidivierende Luxationen Abrieb Allergie (symptomatisch)
Wichtig vor jeder Revision ist die Klärung der Ursache für die angegebenen Beschwerden. Unklare Schmerzen bei liegender Hüftendoprothese stellen an sich noch keine Indikation zu einer Wechseloperation dar. Es muss herausgefunden werden, ob die Ursache der Schmerzen mit dem Implantat in Zusammenhang gebracht werden kann. Mögliche Ursachen sind neben einer aseptischen Lockerung unter anderem der periC. Perka () Centrum für MuskuloSkeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte (CCM) Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail:
[email protected]
14
prothetische Infekt, die Reizung der Psoassehne durch eine zu stark antevertiert stehende Pfanne, Impingement-Probleme durch z.€B. ein zu geringes Offset mit Anschlagen des Trochanters an den Beckenknochen oder allergische Reaktionen auf Implantatkomponenten. Nicht mit dem Implantat assoziierte Beschwerdeursachen müssen ausgeschlossen werden. Vor allem sind vertebragen bedingte Schmerzen mit Ausstrahlung in Oberschenkel und Leiste durch entsprechende klinische und bei Verdacht bildgebende Diagnostik auszuschließen. Eine weitere Ursache für hüftnahe Beschwerden kann eine Ruptur des Musculus gluteus medius an der Insertionsstelle des Trochanter major sein. Diese kann durch eine degenerative Insertionstendopathie entstehen oder iatrogen nach einem transglutealen Zugang mit mangelnder Einheilung der Muskelreinsertion verursacht sein. Bei ersterem Grund finden sich häufig im Röntgenbild enthesiopathische Ausziehungen am Trochanter major. Klinisch fällt eine Schwäche der Glutealmuskulatur mit positivem Trendelenburg-Zeichen sowie abgeschwächter Abduktion und Innenrotation auf. Die Diagnose wird durch eine Kernspintomographie erhärtet, in der neben der Ruptur häufig eine Bursitis trochanterica zu sehen ist. Die Differentialdiagnosen des schmerzhaften Hüftgelenks werden im Kap.€10.2 weiter vertieft. Grundsätzlich soll noch einmal festgehalten werden, dass die Revision einer, wenn auch schmerzhaften, Hüftgelenkendoprothese nur indiziert ist, wenn die Diagnostik zumindest eine Verdachtsdiagnose erhärtet. Revisionen ohne zumindest einen deutlichen Ursachenverdacht sind daher nicht gerechtfertigt. Nachfolgend sollen die einzelnen Indikationen zum Prothesen- oder Komponentenwechsel sowie deren Diagnostik behandelt werden.
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6_14, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
441
442
Abb. 14.1↜ Pfannenlockerung rechts mit deutlichem Knochenverlust
14.1.1 Aseptische Lockerung Für die Indikationsstellung einer Revisionsoperation ist es von besonderer Wichtigkeit, eine Lockerung des Implantats möglichst frühzeitig zu erkennen, da diese in der Regel zu einem kontinuierlichen Knochenverlust führt (Abb.€14.1). Dies wiederum führt dazu, dass die Revisionsoperation zunehmend aufwendiger wird und die verwendeten Implantate zunehmend größer bzw. komplexer werden. So sollte jeder Belastungs- und Bewegungsschmerz an eine Lockerung des Implantats denken lassen. Auf der anderen Seite sind Lockerungen anfänglich häufig beschwerdefrei (Paterson et€al. 1986). Auch wurde ein direkter Zusammenhang von, in der Regel symptomlosen, frühzeitigen Migrationen und späteren Lockerungen von Prothesenpfannen gesehen (Carlsson und Gentz 1984; Krismer et€ al. 1996, 1997; Mjöberg et€al. 1985; Mjöberg 1991; Snorrason und Kärholm 1990). Daher sollte eine Pfanne mit progredienter Migrationen auch bei symptomlosen Patienten revidiert werden. Die Festlegung des richtigen Zeitpunkts für die Revisionsoperation wird dadurch erschwert, dass keine einheitlich gültige Definition für eine Implantatlockerung existiert und abhängig von der verwendeten Definition die Lockerungsrate im gleichen Patientenkollektiv um den Faktor€ 2 schwanken kann (Brand et€ al. 1986). Darüber hinaus weist die Röntgenbildanalyse eine relativ hohe Messfehlerbreite auf, so dass Übereinstimmungen zwischen verschiedenen
B. Fink
Untersuchern für die Schaftlockerung nur in 87€% und für die Pfannenlockerung sogar nur von 46€% gefunden wurden (Brand et€al. 1985). Somit stellt sich die Frage nach den geeigneten Untersuchungsmethoden und bildgebenden Verfahren für die Diagnostik der Implantatlockerung. Für die Röntgendiagnostik sind die angegebenen Sensitivitäten und Spezifitäten sehr unterschiedlich, wohl aufgrund der beschriebenen unterschiedlich verwendeten Definitionen (Tab.€14.1). Häufig werden die Kriterien von Brand et€al. (1985) angewendet. Bei den Pfannen werden ein kompletter Saum ab 2€mm Breite sowie eine Positionsänderung ab 4€mm in horizontaler oder vertikaler Richtung oder eine Winkeländerung von mehr als 4° als sichere Lockerungszeichen angegeben. Für den Schaft sind es ein Lockerungssaum ab 2€mm Breite, ein Einsinken des Schafts von mehr als 4€mm und der Nachweis eines Zementbruchs. In einer Metaanalyse berechneten Temmerman et€ al. (2005) für die Röntgendiagnostik der Schaftlockerung eine durchschnittliche Sensitivität von 82€% und eine Spezifität von 81€%. Als weiteres Diagnoseverfahren kommt die 3-Phasen-Skelettszintigraphie als Technetium-99€ m-Methylendiphosphonat-Szintigraphie in Frage. Diese sollte nicht vor 8–10€Monaten nach zementierten und 12€ Monaten nach zementlosen Implantaten eingesetzt werden, da vorher regelhaft noch physiologische Anreicherungen zu sehen sind. Sie ist in ihrer Aussagefähigkeit für die Schaftlockerung deutlich sicherer als für Lockerungen der Pfanne (Tab.€14.2). Vor allem fleckige Tracer-Anreicherungen an Knochenstellen, die durch den losen Schaft abnormen Druckbelastungen ausgesetzt sind (Intertrochanterregion, Schaftspitze) sind eindeutig. In einer Metaanalyse berechneten Temmerman et€al. (2005) für die szintigraphische Diagnostik der Schaftlockerung eine durchschnittliche Sensitivität von 85€ % und eine Spezifität von 72€ %. Durch die gemeinsame Bewertung von Röntgenbild und Mehrphasenskelettszintigraphie lässt sich der Aussagewert der Untersuchungen steigern (Tab.€14.3). Sowohl die digitale Subtraktionsarthrographie als auch die Nukleararthrographie haben keine Steigerung in der Diagnosesicherheit erzielen lassen, so dass sie sich nicht als Routineverfahren durchgesetzt haben. In Einzelfällen sind hochauflösende 16-Zeiler-Multislice-Computertomographien sinnvoll, die Lockerungssäume inzwischen nahezu artefaktfrei darstellen
14â•… Revisionsendoprothetik
443
Tab. 14.1↜╇ Wertigkeit des Röntgens für die Pfannenlockerung und die Schaftlockerung Autor (Jahr) Pfannenlockerung Bessler (1979) Phillips und Kattapruam (1982) O’Neill und Harris (1984) Fritsche et€al. (1984) Zilkens et€al. (1988) Fink et€al. (1991) Pfahler et€al. (1998) Ovesen et€al. (2003) von Koch et€al. (2004) Temmerman et€al. (2004) Schaftlockerung Bessler (1979) Phillips und Kattapruam (1982) O’Neill und Harris (1984) Fritsche et€al. (1984) Knahr et€al. (1987) Zilkens et€al. (1988) Fink et€al. (1991) Pfahler et€al. (1998) Ovesen et€al. (2003) von Koch et€al. (2004) Temmerman et€al. (2006)
Fixation
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
Genauigkeit (%)
Zementiert Zementiert Zementiert Zementiert Zementiert Gemischt Gemischt Zementiert Zementiert Zementiert Zementlos
100 ╇ 89 ╇ 37 ╇ 77 ╇ 55 ╇ 49 ╇ 88 ╇ 50 ╇ 75 ╇ 85 ╇ 85
╇ 48 ╇ 64 ╇ 63 ╇ 66 100 100 ╇ 80 ╇ 91 100 ╇ 89 ╇ 78
– – – – – 60 86 66 80 – –
Zementiert Zementiert Zementiert Zementiert Zementiert Zementlos Zementiert Gemischt Gemischt Zementiert Zementiert Zementiert Zementlos
╇ 82 ╇ 88 ╇ 89 ╇ 78 ╇ 83 ╇ 25 ╇ 43 ╇ 67 ╇ 85 ╇ 72 ╇ 86 ╇ 86 ╇ 50
╇ 77 ╇ 73 ╇ 92 ╇ 25 ╇ 83 ╇ 77 ╇ 88 ╇ 70 ╇ 83 100 ╇ 94 ╇ 63 ╇ 90
– – – – – – – 68 84 79 92 – –
lassen. Laboruntersuchungen von Osteocalcin, Crosslink-vernetzten N-Telopeptiden, Interleukin-1β und Hyaloronsäure zeigen zwar bei Prothesenlockerungen höhere Spiegel an, sind aber aufgrund ihrer Unspezifität nicht für die Lockerungsdiagnostik geeignet (Schneider et€al. 1997; Moreschini et€al. 1997). Zusammengefasst hat sich somit in der Routine neben dem Röntgenbild die Mehrphasenskelettszintigraphie auch wegen der Praktikabilität ihrer Anwendung durchgesetzt (Temmerman et€ al. 2005), wobei wir in unserer Klinik entsprechend der in den Abb.€14.2 und 14.3 dargestellten Algorithmen vorgehen.
14.1.2 Septische Lockerung Als wesentliches Ziel der Diagnostik vor jeder Revision gilt es zwischen einer aseptischen und septischen
Lockerung zu differenzieren. Auch hier existieren verschiedene Untersuchungsmethoden, die hinsichtlich ihrer Wertigkeit aber auch ihrer Praktikabilität und Verfügbarkeit für die Routineanwendung beurteilt werden müssen. Hier verweisen wir auf das Kap.€ 14.5.3.3. Nachfolgend soll das Vorgehen in unserer Klinik kurz dargestellt werden. In unserer Klinik wird vor jeder Revision einer Hüfttotalendoprothese und bei jeder schmerzhaften Hüftendoprothese unter Operationsbedingungen eine bildwandlergesteuerte Punktion des Hüftgelenks durchgeführt (Abb.€14.4). In der Literatur wird die Wertigkeit dieser Diagnostik sehr unterschiedlich beurteilt; die Streubreite der Aussagewerte ist sehr hoch (Tab.€14.4). Dies dürfte an der sehr unterschiedlichen Durchführung der Punktion und vor allem der anschließenden mikrobiologischen Untersuchung liegen.
B. Fink
444
Tab. 14.2↜╇ Wertigkeit der Szintigraphie für die Pfannenlockerung und die Schaftlockerung Autor (Jahr) Pfannenlockerung Gelman et€al. (1978) Katz et€al. (1985) Zilkens et€al. (1988) Fink et€al. (1991) Pfahler et€al. (1998) Ovesen et€al. (2003) Temmerman et€al. (2004) Schaftlockerung Lyons et€al. (1985) Katz et€al. (1985) Knahr et€al. (1987) Zilkens et€al. (1988) Fink et€al. (1991) Pfahler et€al. (1998) Ovesen et€al. (2003) Temmerman et€al. (2006)
Fixation
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
Genauigkeit (%)
Zementiert Zementiert Zementiert Gemischt Gemischt Zementiert Zementiert Zementlos
85 95 64 43 61 26 85 77
╇ 66 ╇ 89 100 ╇ 10 ╇ 75 ╇ 77 ╇ 61 ╇ 78
– – – 36 64 46 – –
Zementiert Zementiert Zementiert Zementlos Zementiert Gemischt Gemischt Zementiert Zementiert Zementlos
92 95 66 83 50 63 71 53 89 75
╇ 75 ╇ 89 ╇ 58 ╇ 15 ╇ 90 ╇ 52 ╇ 80 ╇ 38 ╇ 37 ╇ 68
– – – – – 57 74 50 – –
Tab. 14.3↜╇ Wertigkeit des Röntgens in Kombination mit der Szintigraphie für die Pfannenlockerung und die Schaftlockerung Autor (Jahr) Pfannenlockerung Bessler (1979) Fritsche et€al. (1984) Zilkens et€al. (1988) Schaftlockerung Bessler (1979) Fritsche et€al. (1984) Zilkens et€al. (1988)
Fixation
Sensitivität
Spezifität
Zementiert Zementiert Zementiert
100 ╇ 88 ╇ 91
╇ 48 ╇ 44 100
Zementiert Zementiert Zementiert
╇ 97 ╇ 97 ╇ 63
╇ 93 ╇ 93 ╇ 78
Für die Diagnostik eines periprothetischen Infekts sind unseres Erachtens vier wesentliche Faktoren für den Erfolg entscheidend: • Erstens ist für den Nachweis von Bakterien bei einem periprothetischen Infekt ein geeignetes Transportmedium wichtig. Pädiatrieblutkulturflaschen erleichtern den Nachweis kleinster Bakterienmengen, weshalb in unserer Klinik das Hüftpunktat regelhaft in eine Pädiatrieblutkulturflasche eingebracht wird.
• Zweitens ist der rasche Transport vor allem der Gewebeproben in das mikrobiologische Labor und der rasche Ansatz der Proben im Labor wichtig, um die Bakterien noch in einer nachweisbaren Vermehrungsfähigkeit auf die Platten zu bringen. • Drittens ist eine ausreichend lange Bebrütung der präoperativ gewonnenen Gelenkpunktate von 14€ Tagen notwendig. Diese lange Bebrütungszeit ist notwendig, da die die periprothetische Infektion verursachenden Bakterien sich in der statischen
14â•… Revisionsendoprothetik
445
Abb. 14.2↜ Algorithmus der Lockerungsdiagnostik
Röntgensaum
Komplett
Inkomplett
SZINTIGRAPHIE Neg. Szintigramm + keine Schmerzen
Positives Szintigramm Schmerzen
Punktion + Revision
Verlaufskontrolle 6 Monate
Punktion + Revision
Abb. 14.3↜ Algorithmus für die Verlaufskontrolle
Röntgensaum Osteolysen Migration
Nicht progredient
Progredient
Schmerzen
Keine Schmerzen
Punktion + Revision
Verlaufskontrolle 6 Monate
SZINTIGRAPHIE
Punktion + Revision
Phase befinden, die durch eine langsame Vermehrungsgeschwindigkeit ausgezeichnet ist (Costerton 2005; Gallo et€al. 2003; Gollwitzer et€al. 2006; Peters et€al. 1995; Neut et€al. 2003; Schäfer et€al. 2008). Bei ausreichend langer Bebrütungszeit kann mit der Punktion eine Genauigkeit von um die 90€% erzielt werden (Ali et€al. 2006; Williams et€al. 2004).
• Viertens dürfen die Patienten nicht mit Antibiotika behandelt sein. Falls dies der Fall sein sollte, sollte das Antibiotikum für mindestens 14€ Tage, besser 4€ Wochen absetzt werden, bevor die Probenentnahmen durchgeführt werden (Duff et€ al. 1996; Levitsky et€al. 1991; Barrack et€al. 1997; Mont et€al. 2000).
446
Abb. 14.4↜ Bildwandlergestützte Hüftpunktion
Trotzdem ist in diesen Fällen durch die Anbehandlung mit Antibiotika der Bakteriennachweis erschwert. Sollte das Punktat bei einem dringenden Verdacht auf eine periprothetische Infektion wie rasch nach der Operation auftretende Osteolysen negativ sein, führen wir zur Verifizierung eine bildwandlerunterstützte Biopsie des periprothetischen Gewebes über eine anteriore Stichinzision durch. Hierbei werden mehrere Proben (mindestens 5) für den bakteriologischen Ansatz und mehrere für histologische Analysen entnommen. Der Nachweis eines Keims in mindestens zwei Proben oder der Nachweis des Bakteriums in mindestens einer Probe in Kombination mit dem histologischen Ergebnis von mehr als 5 polymorphkernige Leukozyten pro High-Power-Field (400fache Vergrößerung) sind Zeichen eines periprothetischen Infekts.
14.1.3 Infekt ohne Lockerung Periprothetische Infekte von Hüftendoprothesen werden in Früh- und Spätinfekte unterteilt, wobei die Grenze meistens als 4€Wochen nach der Implantation definiert wird. Frühinfekte gehen häufig mit lokalen Entzündungszeichen einher und das Punktat weist je nach Autor mehr als 10.000, 17.000 bzw. 25.000 Leukozyten pro ml mit einem Anteil von mehr als 65 bzw. 60€ % polymorphkerniger Zellen auf (Lopitaux et€al. 1992; Gollwitzer et€al. 2006; Mason et€al. 2003; Trampuz et€ al. 2004). Daher führen wir in
B. Fink
unserer Klinik zum Nachweis bzw. Ausschluss eines periprothetischen Frühinfekts regelhaft neben einer Bestimmung der blutchemischen Entzündungsparameter, kleinem Blutbild und CRP eine Gelenkpunktion mit Bestimmung der Leukozyten im Punktat durch, die neben der Klinik einen schnellen Diagnoseverdacht und somit ein schnelles therapeutisches Handeln ermöglicht. Zusätzlich wird das Punktat in eine Pädiatrieblutkulturflasche zur mikrobiologischen Untersuchung gegeben, damit nach der Operation und einer anfänglichen Breitbandantibiose möglichst bald mit einer bakterienspezifischen systemischen Antibiose begonnen werden kann. Bei der Frühinfektion kann das Implantat belassen werden und durch eine radikale Synovektomie und Debridement sowie dem Wechsel aller mobilen Teile (Kopf, Inlay) neben einer meist 6-wöchigen Antibiotikatherapie eine Infektion beherrscht werden. Die Erfolgsraten dieser Therapie werden mit bis zu 100€ % angegeben (Soriano et€ al. 2003). Ein nachgewiesener Spätinfekt auch ohne Lockerung der Prothesenkomponenten stellt eine klare Indikation zur Prothesenrevision mit Entfernung sämtlichen Fremdmaterials und einem ein- oder zweizeitigen Wechsel dar. Die komplette Implantat- und Zemententfernung sind zwingend notwendig, da viele Bakterien innerhalb weniger Wochen in der Lage sind, einen Biofilm um das Implantat zu bilden (Glycocalyx), in der sie in einer statischen Phase verweilen und nicht von Lymphozyten, Makrophagen oder Antibiotika erreicht werden können. Von hier aus können sie immer wieder durch Verlassen des Biofilms lokale Infektexazerbationen und auch systemische Bakteriämien bis hin zur Sepsis erzeugen. Daher stellen Maßnahmen mit Belassen des Implantats nur absolute Ausnahmen bei nichtoperablen Patienten dar. Solche Maßnahmen führen nur in 10–20€% der Fälle zu einer Infektsanierung (Ahlberg et€al. 1978; Crockarell et€al. 1998). In diesen Ausnahmefällen können Fistelanlagen und antibiotische Suppressionsdauertherapien helfen, das Infektgeschehen überschaubar zu halten (Segreti et€al. 1998; Rao et€al. 2003). Fistelkarzinome und Nebenwirkungen der Antibiotikadauertherapien müssen aber hierbei bedacht werden. Beim Nachweis gehen wir gleichartig wie beim periprothetischen Spätinfekt mit Lockerung vor.
14â•… Revisionsendoprothetik
447
Tab. 14.4↜╇ Wertigkeit der präoperativen Punktion für die Diagnostik periprothetischer Infektionen Autor (Jahr) Levitsky et€al. (1991) Glithero et€al. (1993) Barrack und Harris (1993) Cheung et€al. (1997) Fehring und Cohen (1996) Glithero et€al. (1993) Gould et€al. (1990) Hofmann et€al. (2005) Itsaka et€al. (2001) Jonhson et€al. (1988) Kraemer et€al. (1993) Lachiewicz et€al. (1996) Lieberman et€al. (1993) Lopitaux et€al. (1992) Mulcalhy et€al. (1996) Phillips und Kattapuram (1983) Roberts et€al. (1992) Somme (2003) Spangehl et€al. (1999) Taylor und Beggs (1995) Tigges et€al. (1993)
N ╇ 72 H╛+╛K ╇ 45 H╛+╛K 291 ╇ 34 166 ╇ 54 ╇ 78 ╇ 27 ╇ 48 ╇ 24 ╇ 45 156 ╇ 49 140 ╇ 71 148
Sensitiviät (%) ╇ 67 ╇ 89 ╇ 60 ╇ 83 ╇ 50 ╇ 89 ╇ 87 ╇ 46 ╇ 40 ╇ 12 ╇ 57 ╇ 92 100 ╇ 79 ╇ 68 ╇ 91
Spezifität (%) ╇ 96 ╇ 97 ╇ 88 100 ╇ 88 ╇ 97 100 – ╇ 92 ╇ 81 ╇ 97 ╇ 97 100 100 ╇ 91 ╇ 82
PPV (%) – – 6 100 ╇ 14 ╇ 94 100 – ╇ 40 ╇ 25 ╇ 89 ╇ 85 100 100 ╇ 69 ╇ 30
NPV (%) – – ╇ 99 ╇ 97 ╇ 98 ╇ 95 ╇ 99 – ╇ 91 ╇ 65 ╇ 83 ╇ 98 100 ╇ 93 ╇ 91 ╇ 99
Genauigkeit (%) – ╇ 95 ╇ 87 ╇ 97 ╇ 87 ╇ 95 ╇ 99 – ╇ 83 ╇ 58 ╇ 84 ╇ 96 100 ╇ 95 ╇ 86 ╇ 83
╇ 78 109 180 ╇ 97 147
╇ 87 ╇ 83 ╇ 86 ╇ 93 ╇ 93
╇ 95 100 ╇ 94 ╇ 96 ╇ 92
╇ 81 100 ╇ 67 ╇ 82 ╇ 54
╇ 97 ╇ 86 ╇ 98 ╇ 99 ╇ 99
╇ 94 ╇ 92 ╇ 93 ╇ 95 ╇ 92
14.1.4 P eriprothetische Frakturen, gebrochene Implantate Postoperative periprothetische Frakturen des Femur werden nach Primärimplantationen unter 1€% und nach Wechseloperationen zwischen 1,5 und 4,2€ % angegeben (Morrey und Kavanagh 1992; Lewallen et€ al. 1998). Für die Einteilung von periprothetischen Frakturen des Femur hat sich die Vancouver-Klassifikation durchgesetzt (Duncan und Masri 1995). Sie berücksichtigt neben der Frakturlokalisation die Qualität der Prothesenfixation und die Qualität des Knochens. Typ-A-Frakturen sind im Bereich der Trochanteren lokalisiert, wobei der Typ€ AG den Trochanter major und der Typ€AL den Trochanter minor betrifft. Typ-BFrakturen befinden sich im Schaftbereich. Hierbei sind B1-Frakturen als Frakturen mit stabil fixierten Implantat, Typ-B2-Frakturen mit gelockerten Implantat und Typ-B3-Frakturen mit gelockerten Implantat und deutlich geschwächtem Knochen definiert. Typ-C-Fakturen befinden sich deutlich distal des Prothesenstiels (s.€Kap.€14.5.3.3). Nach einer Studie von Bethea et€al.
(1982) liegen bei 75€% der postoperativen periprothetischen Frakturen und nach Duncan und Masri (1995) bei 82€ % der Typ-B-Frakturen gelockerte Implantate vor. Ein Wechsel der Prothese bei einer periprothetischen Fraktur ist notwendig bei einer gelockerten Endoprothese (Vancouver-Typ-B2- und -B3-Frakturen) und bei gebrochenen Implantaten (Abb.€14.5a, b; Duncan und Masri 1995; Cooke et€ al. 1988; Adolphson et€ al. 1987; Namba et€ al. 1991). Auch stellen gebrochene Implantate ohne Knochenfraktur eine Revisionsindikation dar, da sie ein hohes Risiko für eine spontane periprothetische Fraktur bedeuten. Prinzipiell kann der Prothesenwechsel auf einen zementierten oder einen zementlosen Stiel erfolgen, wobei beim Endoprothesenwechsel die Fraktur mit dem neuen Implantat um mindestens 2 Diaphysenbreiten überbrückt werden sollte (Duncan und Masri 1995; Cooke et€al. 1988; Adolphson et€al. 1987; Namba et€al. 1991). Der Nachteil von zementierten Stielen liegt darin, dass ein Eintreten von Zement in den Frakturspalt die Frakturheilung behindern kann, obwohl sie,
B. Fink
448
Abb. 14.6↜ Röntgenbild einer luxierten Hüft-TEP rechts
Abb. 14.5↜ Periprothetische Fraktur mit eingesunkenem Schaft (↜links, a) und Revision mit modularem Revisionsschaft (↜rechts, b)
wie Beals et€ al. (1996) zeigen konnten, prinzipiell möglich ist. So fanden Beals et€al. bei Revisionen mit zementierten Stielen in 31€% Pseudarthrosen, in 15€% erneute Frakturen und in weiteren 15€% verbleibende Knochendefekte, hingegen bei zementlosen Stielendoprothesen in 7€ % erneute Frakturen. Daher bevorzugen wir den Wechsel auf zementlose Stiele mit distaler Verankerung in dem nicht gebrochenen Femuranteil. Zementierte Stiele werden nur bei älteren Patienten und/oder stark osteoporotischem Knochen, der eine zementlose Fixation deutlich erschweren würde, empfohlen (Schmidt et€ al. 2002; Beals et€ al. 1996; Kyle et€al. 1998; Jukkala-Partio et€al. 1998).
14.1.5 I mplantatfehllagen, rezidivierende Luxationen Fehlpositionierung von Implantaten lassen sich zum einen durch die Standardröntgenaufnahmen und zum anderen durch Bildwandleruntersuchungen des Hüftgelenks, bei dem Impingement-Phänomene und Luxationsneigungen erkennbar werden, nachweisen.
Fehlstellungen, die symptomatisch werden, sollten revidiert und die Stellung korrigiert werden. Hierbei handelt es sich meist um Fehllagen der Pfanne, die zu einem Impingement des Prothesenhalses am Pfannenrand mit ggf. Luxationsneigung führen können (Abb.€ 14.6). Luxationsneigungen ohne Impingement und Implantatfehlstellungen lassen sich durch einen Wechsel des Kopfes (mit größerem Durchmesser bzw. mit ggf. Offset-Adaptern) und/oder Inlaywechsel mit ggf. Randerhöhung zur Schaffung einer stabilen Situation beheben (Amstutz et€ al. 2004; Bourne und Mehin 2004). Hierbei können Adaptersysteme für den Hals aber wieder zu Impingement-Problemen führen und müssen daher intraoperativ kritisch geprüft werden. Das Aufschrauben von Antiluxationsringen kann ebenfalls zu Impingement-Problemen mit daraus resultierendem erhöhten Polyethylenabrieb führen (Charlwood et€ al. 2002). Sie sollten daher eine therapeutische Ausnahme darstellen und eine operative Stellungskorrektur der Implantate sollte bevorzugt werden. Die Verwendung von Schnapppfannen („constrained devices“) sollte ebenso die Ausnahme bleiben, da die einwirkenden Kräfte zu frühen Pfannenlockerungen führen können (Kahn et€al. 2006; Lachiewicz und Kelley 2002). Vor der Revision einer Hüftendoprothese aufgrund rezidivierender Luxationen sollte mit einer Punktion des Gelenks ein periprothetischer Infekt ausgeschlossen werden, da Letzterer ebenfalls Ursache von rezidivierenden Luxationen sein kann. Der alleinige Inlay-,
14â•… Revisionsendoprothetik
449
Abb. 14.7↜ Polyethylenabrieb beider Pfannen mit dezentrierten Hüftköpfen
Kopf- oder Pfannenwechsel würde in diesem Fall dem Problem nicht suffizient begegnen können. Bezüglich der rezidivierenden Luxationen sei auf das Kapitel „Komplikationsmanagement“ verwiesen.
14.1.6 Abrieb Ein im Röntgenbild deutlich nachweisbarer Abrieb des Polyethylen-Inlays sollte eine Operationsindikation darstellen, da es hierdurch zu zunehmenden Osteolysen und Knochenverlust kommen kann. Eine drohende Beschädigung der Metallkomponenten, die einen Wechsel der Pfanne nach sich ziehen würde, kann so vermieden werden. Im Röntgenbild lässt sich der Abrieb durch eine Dezentrierung des Prothesenkopfes in der Pfanne erkennen (Abb.€14.7).
Abb. 14.8↜ a.p.-Aufnahme einer gelockerten Hüfttotalendoprothese. Man sieht deutlich die nach lateral ausgewanderte Prothese. Grundsätzlich müssen die gesamte Prothese und das Femur bis zum Isthmus abgebildet sein
Revision mit Wechsel der Gleitpaarung bzw. Prothesenwechsel bei Oberflächenersatzoperationen dar. Auch hier muss ein periprothetischer Infekt als Ursache der Beschwerden und der Osteolysen ausgeschlossen werden. Zur Verifizierung hilft hier wiederum die Biopsie des periprothetischen Gewebes, die neben einer bakteriologischen eine histologische Untersuchung mit immunhistochemischer Darstellung von allergisch-entzündlichen Reaktionen erlaubt.
14.2 Defektklassifikation C. Perka und M. Millrose
14.1.7 Allergien Allergien gegen Materialien von Prothesen- bzw. Zementkomponenten, die klinisch symptomatisch werden, sind sehr selten bzw. umstritten. Neuere Studien sehen einen Zusammenhang zwischen lymphozytenassoziierten Hypersensitivitäten bei MetallMetall-Gleitpaarungen und Osteolysen (Korovessis et€al. 2006; Park et€al. 2005; Baur et€al. 2005; Willert et€ al. 2005). Progrediente Osteolysen und persistierende Beschwerden stellen dann eine Indikation zur
In der Literatur ist eine Vielzahl von Klassifikationen für Knochendefekte im Bereich des Femur und des Azetabulum bekannt (Markovich 1998; Brubaker et€ al. 2002). Die Defektklassifikation erfolgt immer an Übersichtsaufnahmen des Beckens und Langaufnahmen des zu operierenden Hüftgelenks in 2€ Ebenen, auf denen mindestens der Isthmus des Femur mit abgebildet sein muss (Abb.€14.8). Bei komplexen Rekonstruktionen des Femur sollte immer eine Femurganzaufnahme in 2€Ebenen erfolgen; bei größeren Zer-
C. Perka und M. Millrose
450
störungen des Azetabulum ist eine Visualisierung des hinteren und vorderen Pfeilers (durch Schrägaufnahmen oder CT) notwendig. Am gebräuchlichsten in der Literatur ist die Einteilung nach Paprosky et€al. (1994), die primär neben der Defektgröße auch die Behandlungsoption mit einbezieht. Für die tägliche Praktikabilität sind die ENDOKlassifikation nach Nieder (1994) für die Pfanne und die Paprosky-Klassifikation für das Femur nach Engelbrecht et€ al. (1983) sehr gut einsetzbar, diese sind jedoch weniger verbreitet. Die Klassifikation der AAOS (D’Antonio et€ al. 1989) erlaubt eine genaue Beschreibung der Defekte, jedoch fehlt durch diese höhere Präzision der Defektbeschreibung die Möglichkeit der Vereinfachung und Zusammenfassung. Die klinische Anwendbarkeit ist reduziert. Therapieoptionen sind daraus nicht ableitbar. Für wissenschaftliche Zwecke erscheint sie jedoch geeignet. Defektklassifikationen dienen der Erarbeitung einer operativen Strategie und sind daher für uns von extremer Wichtigkeit. Zudem lassen diese Standardisierungen langfristige Beurteilungen eigener Ergebnisse sowie den Vergleich mit den Ergebnissen aus der Literatur zu.
14.2.1 Klassifikation nach Paprosky 14.2.1.1 Azetabulumdefekt Die Paproskys-Klassifikation für die azetabulären Defekte verwendet im a.p.-Röntgenbild 4 anatomische Landmarken. Diese Landmarken sind (Abb.€14.9): • Prothesenkopfzentrum: Als kraniale Migration oder Dislokation wird der Abstand von der HilgenreinerLinie zum Zentrum des Hüftprothesenkopfes der implantierten Prothese gemessen. Beurteilt wird insbesondere, ob die Dislokation nach kranial größer als 3€ cm (Typ-3-Defekt) ist und ob es zusätzlich zu einer medialen oder lateralen Verschiebung kommt. Eine kraniale Verschiebung führt zu einem Verlust von Knochen in der Abstützungszone zwischen vorderem und hinterem Pfannenrand, die hier einem umgekehrten Y ähnelt. • Sitzbeinosteolysen: Gemessen wird der Abstand von der Hilgenreiner-Linie zur unteren Ecke der osteolytischen Läsion. Osteolysen im Sitzbein beschreiben eine Schädigung der hinteren Säule.
K X P
V
T
S
Abb. 14.9↜ Schematische Zeichnung einer Beckenübersichtsaufnahme. Markiert sind die radiologischen Landmarken nach Paprosky. V vertikale Referenz-Linie, P Prothesenkopfzentrum, S Sitzbeinosteolysen, T Tränenfigur, K Köhler-Linie
Osteolysen größer 1,5€ cm entsprechen einer DesÂ� truktion von 20–25€% des Azetabulum. • Tränenfigur: Die Tränenfigur korrespondiert mit der Fossa acetabuli. Die mediale Wand der Tränenfigur entspricht der Tiefe des Azetabulum, ihr Fehlen somit einer Schädigung der medialen Wand. Ein vollständiger Verlust der Tränenfigur tritt dann bei gleichzeitiger Schädigung der unteren Anteile der vorderen und hinteren Azetabulumwand auf. Ein isolierter Verlust der Tränenfigur entspricht etwa einem 10- bis 15€%igen Knochenverlust. • Köhler-Linie: Die Zerstörung dieser anatomischen Landmarke entspricht einer signifikanten medialen Migration und somit einer signifikanten Zerstörung der medialen Wand. Betroffen sind auch bei einer ausgedehnten medialen Migration die mittleren Abschnitte der vorderen und geringergradig auch der hinteren Säule. Entsprechend erfolgt die Einteilung der Defekte: Typ-1-Defekt Ein Typ-1-Defekt zeigt lediglich eine minimale Migration nach kranial, keine Lyse des Sitzbeins, keine Schädigung der Tränenfigur oder der Köhler-Linie. Die Versorgung ist unproblematisch mit einer zementfreien Press-fit-Pfanne oder einem zementierten Implantat möglich (Abb.€14.10). Typ-2a-Defekt Minimale Zunahme der kranialen Migration im Vergleich zu Typ€1, jedoch unter 3€cm. Weiterhin finden sich eine minimale Lyse im Sitzbeinbereich und eine geringgradige Schädigung der Trä-
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.10↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-1-Defekts. Man sieht den Lockerungssaum um die Pfanne und die leichte kraniale Migration. Die Tränenfigur ist erhalten, es zeigen sich nur minimale Osteolysen
Abb. 14.11↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-2a-Defekts. Man sieht eine Pfannenmigration von <â•›3€cm nach kraniomedial, die Pfanne ist ovalär verzogen, der vordere und der hintere Pfeiler sind intakt und Osteolysen im Bereich der Tränenfigur und des Os ischium sind minimal vorhanden
nenfigur. Die Behandlung entspricht im Regelfall der des Typs€1 (Abb.€14.11). Typ-2b-Defekt Kennzeichnend ist eine Zunahme der kranialen Migration, der Pfannendom ist jedoch noch tragfähig; es findet sich zudem eine minimale Schädigung des Sitzbeins und der Tränenfigur. Die Pfanne kann nach medial migriert sein, hat jedoch die KöhlerLinie noch nicht durchbrochen. Auch hier entspricht die Behandlung im Wesentlichen dem Typ€ 1, wobei zusätzlich der Einsatz von Knochenchips empfohlen wird (Abb.€14.12).
451
Abb. 14.12↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-2b-Defekts. Man sieht hier im Vergleich zu einem Paprosky-2a Defekt eine stärkere Migration der Pfanne nach kranial, jedoch unter 3€cm
Abb. 14.13↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-2c-Defekts. Kennzeichnend sind die starke Schädigung der medialen Wand und die Ischiumdestruktion. Der vordere und hintere Pfeiler sind noch intakt
Typ-2c-Defekt Nachweis einer größeren medialen Zerstörung des Knochens mit minimaler kranialer MiÂ� gration ähnlich zu der des Typs€2a. Die mediale Migration führt zu schwerer Schädigung der Tränenfigur und der Köhler-Linie. Die Schädigung im Sitzbeinbereich ist gering. Die Behandlung erfolgt im Regelfall mit einer zementfreien Press-fit-Pfanne und möglicherweise zusätzlich mit strukturierten Allografts zur Rekonstruktion der medialen Wand bzw. von Knochenchips für die nichtsegmentalen Knochendefekte (Abb.€14.13).
452
Abb. 14.14↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-3a-Defekts. Typische Pfannenmigration von >â•›3€cm mit erheblichen Defekten ohne ein tragfähiges kraniales Dach, die Tragfähigkeit der vorderen und hinteren Säule sind stark reduziert
Typ-3a-Defekt Hierbei liegt eine signifikante Zerstörung der kranialen Abstützung (Migrationâ•›>â•›3€cm) vor. Es finden sich eine geringgradige bis mittelgradige Sitzbeinosteolyse und eine Zerstörung des lateralen Anteils der Tränenfigur. Die Köhler-Linie ist teilweise betroffen, die Hauptmigrationsrichtung ist jedoch im Wesentlichen nach kranial gerichtet, geringer nach medial. Die verbliebene kraniale Abstützung ist nicht in der Lage, die Pfanne zu fixieren. In Abhängigkeit der Migration sind jedoch die vordere und hintere Säule noch intakt (Abb.€14.14). Die Versorgung erfolgt in Abhängigkeit des Lebensalters durch Rekonstruktion des Pfannendoms mit Allograft, Implantat oder metallischem Knochenersatz. Metallische Implantate zeigen dabei in der Zusammenfassung eine bessere Abstützung, erlauben jedoch in keinem Fall eine Rekonstruktion des Knochens, was bei jungen Patienten im Regelfall angestrebt wird. Typ-3b-Defekt Dabei handelt es sich um ausgedehnte azetabuläre Knochendefekte mit kranialer Migrationâ•›>â•›3€ cm und medialer Migration der Pfanne mit Verlust der Tränenfigur und Schädigung der Köhler-Linie. Die Sitzbeinosteolyse ist groß und belegt eine ausgedehnte Schädigung der hinteren Säule. Eine Beckendiskontinuität ist hier einzukalkulieren. Die hintere und vordere Wand erlauben keine relevante Abstützung mehr (Abb.€14.15). Die Standardbehandlung bei diesem Typ besteht heute in der Verwendung von Stützringen sowie zusätzlicher Allografts. Die Verwendung von strukturierten Allografts allein führt zu einem frühzeitigen Versagen in hohem Prozentsatz und wird daher heute
C. Perka und M. Millrose
Abb. 14.15↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-3b-Defekts. Die Pfannenmigration beträgtâ•›>â•›3€cm mit massiven Defekten, das gesamte Azetabulum ist nicht tragfähig. Die Köhler-Linie ist durchbrochen
nicht mehr empfohlen. Bei einer Beckendiskontinuität sollte zusätzlich („nicht allein“) eine Platte zur Stabilisierung der posterioren Säule angelegt werden. Alternative therapeutische Möglichkeiten sind die Sockelpfanne sowie Spezialimplantate.
14.2.1.2 Femurdefekt Paprosky unterteilt die femoralen Defekte nach der Möglichkeit, eine zementfreie komplett oberflächenstrukturierte Prothese zu verankern (Paprosky und Burnett 2002; Della Valle und Paprosky 2004). Dieses Klassifikationssystem beschreibt weniger genau als das AAOS-System, gibt jedoch zusätzlich eine Therapieempfehlung. Typ 1-Defekt Minimale Schädigung der proximalen Abstützung (Abb.€14.16). Typ-2-Defekt Metaphysärer Defekt, in dem nur eine proximal beschichtete Prothese keine Abstützung erfahren würde (Abb.€14.17). Typ 3-Defekt Typ€ IIIa: Ausgedehnter proximaler Knochendefekt auch diaphysär, wobei jedoch die Fixation im Isthmus auf einer Länge von mindestens 4€cm noch möglich ist. Typ€IIIb: Zerstörung des proximalen Femur einschließlich des Isthmus, eine Fixation ist lediglich unterhalb des ehemaligen Isthmus möglich (Abb.€14.18). Typ-4-Defekt Die gesamte Diaphyse ist betroffen, wodurch keine axiale und rotatorische Stabilität
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.16↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-I-Defekts des Femur. Lediglich die Metaphyse ist geschädigt
erreicht werden kann. In diesen Fällen ist die Versorgung mit einer zementfreien Prothese nicht mehr möglich. Empfohlen werden das „Impaction grafting“, die Implantation von Spezialprothesen (z.€B. Durchsteckprothesen) oder die zusätzliche Verwendung strukturierter Allografts (Abb.€14.19).
14.2.2 E NDO-Klassifikation des Azetabulumsdefekts nach Nieder Nieders Klassifikation beruht auf der Beobachtung, dass jede Pfannenlockerung zunächst zu einer konzentrischen Aufweitung des Azetabulum führt. Kommt es in dieser Phase nicht zur Revisionsoperation, kann sich die Pfanne in der Frontalebene prinzipiell in drei Richtungen bewegen (Abb.€14.20). Als Richtungen werden unterschieden: • kraniolateral, • kranial oder • kraniomedial.
453
Bei der kraniolateralen Wanderung wird der Erker des Azetabulum zerstört, während der Pfannenboden erhalten ist. Der Defekt ähnelt dem der DysplasieÂ� koxarthrose, weshalb Nieder den Begriff „Dysplasietyp“ prägte (Abb.€14.21). Migriert die Pfanne nach kranial, sind der Erker und der Boden meist erhalten, jedoch je nach Wanderungsrichtung in der sagittalen Richtung der vordere oder hintere Pfeiler zerstört (Abb.€14.22). Bei einer kraniomedialen Wanderung ist der Erker im Regelfall mit einer nach distal spitzwinklig auslaufenden Knochenkante erhalten. Der aufgeweitete Boden ist entweder dünn, als Knochenlamelle vorhanden oder fehlt. Je nach Vorhandensein des Bodens wird der geschlossene vom offenen Protrusionstyp unterschieden (Abb.€14.23). Auch Nieder gibt für seine Defektklassifikation Rekonstruktionstechniken unter Verwendung allogener Transplantate an. Nach kraniolateraler Wanderung wird das Transplantat im Erkerbereich mit Schrauben fixiert. Bei kranialer Defektsituation wird das Transplantat so geformt, dass es das Azetabulum verbreitert und den tragenden kranialen Anteil (das „Dach“) nach distal verlagert (entsprechend der Technik des 7er-Transplantats nach Paprosky). Bei kraniomedialer Wanderung wird bei erhaltenem Pfannenboden der Defekt immer mit Knochenspänen aufgefüllt, die verdichtet werden. Besteht ein Defekt, erfolgt die Verwendung eines strukturierten Transplantats, das in Form eines Huts modelliert ist. Hauptnachteil dieser klinisch bei Lockerungen sehr einfach anzuwendenden Klassifikation ist, dass nur reine Pfannenlockerungen genau diesen Annahmen folgen, bei Defektsituationen anderer Ätiologie (Osteolysen um feste Pfannen, posttraumatischen Zuständen u.€ a.) die Zuordnung jedoch nicht sicher möglich ist.
14.2.3 E NDO-Klassifikation des Femurdefekts nach Engelbrecht/ Heinert Diese Klassifikation ist primär für zementierte Prothesen entwickelt worden und unterscheidet folgende Stadien: • Grad 1: „radiolucent line“ (Aufhellungslinie) um die obere Hälfte des Zementmantels (Abb.€14.24),
454
C. Perka und M. Millrose
Abb. 14.17↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-II-Defekts des Femur. Die Metaphyse ist geschädigt, die Spongiosa fehlt hier fast vollständig. Die Kalkarregion ist nicht tragfähig, die Diaphyse zeigt jedoch allenfalls kleine Defekte
Abb. 14.18↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-III-Defekts des Femur. Die Metaphyse ist schwer geschädigt und nicht tragfähig. Die Diaphyse zeigt Defekte, Teile des Isthmus sind jedoch erhalten
• Grad 2: generalisierte „radiolucent line“ (Aufhellungslinie), endostale Reaktion und Ausweitung des Markraums (Abb.€14.25), • Grad 3: Erweiterung des proximalen Femur (Abb.€14.26), • Grad 4: ausgedehnte Destruktion der proximalen 2/3 des Femur (Abb.€14.27).
14.2.4 A AOS-Klassifikation des Azetabulumdefekts nach D’Antonio Das Klassifikationssystem unterscheidet zwei grundsätzliche Defektsituationen – segmentale und kavitäre Defekte. Als segmentaler Defekt (Typ€ I) wird jeder komplette Verlust von Knochen einer das Azetabulum begrenzenden knöchernen Wand bezeichnet. Kavitäre Defekte (Typ€ II) sind durch den volumetrischen Verlust an Knochensubstanz der azetabulären Kavität
14â•… Revisionsendoprothetik
455
Abb. 14.21↜ Girdlestone-Situation nach infektbedingtem Ausbau mit Azetabulumdefekt entsprechend einem Dysplasie-Typ nach Nieder Abb. 14.19↜ Röntgenaufnahme (a) und schematische Darstellung (b) eines Paprosky-IV-Defekts des Femur. Die Metaphyse und der Isthmus sind schwer geschädigt und nicht tragfähig
Abb. 14.20↜ Schematische Zeichnung der Migrationsrichtungen nach der Nieder-Klassifikation. Rot kraniomedial, blau kranial, grün kraniolateral
Abb. 14.22↜ Kranialtyp nach Nieder
gekennzeichnet. Hierbei sind jedoch die jeweiligen Begrenzungen (knöcherne Wand) intakt. Segmentale und kavitäre Defekte werden dann weiter untergliedert. Ihr gemeinsames Auftreten entspricht einem TypIII-Defekt. Zusätzlich finden in der Klassifikation die
Beckendiskontinuität und die Arthrodese Berücksichtigung (Tab.€14.5). Spezifische therapeutische Prinzipien in Abhängigkeit des Defekts werden nicht angegeben. Jedoch finden sich in der Originalarbeit von D’Antonio grundsätzliche Äußerungen zu den Erfordernissen
456
C. Perka und M. Millrose
Abb. 14.25↜ Femoraler Defekt Grad 2 nach der ENDO-Klassifikation nach Engelbrecht/Heinert
Abb. 14.23↜ Protrusionstyp nach Nieder. Die Pfanne ist nach medial-kranial gewandert
Abb. 14.26↜ Femoraler Defekt Grad 3 nach der ENDO-Klassifikation nach Engelbrecht/Heinert
Abb. 14.24↜ Femoraler Defekt Grad 1 nach der ENDO-Klassifikation nach Engelbrecht/Heinert
der azetabulären Rekonstruktion. Gefordert wird, dass präoperativ festgelegt wird, welcher Knochentyp (Autograft oder Allograft, Femurkopf, distales Femur, distale Tibia o.€ a.) in welcher Form (strukturiertes Transplantat oder Knochenchips) zum Einsatz kommt oder ob die Defekte mit metallischem Material (Spacer oder Revisionspfanne) gefüllt werden sollen. Des Weiteren ist zu klären, ob ein erweitertes Revisionsinstrumentarium und -implantate bzw. internes Osteosynthesematerial für große Defektrekonstruktionen nach Frakturen verfügbar sind.
14â•… Revisionsendoprothetik
457
Tab. 14.6↜╇ Klassifikation der femoralen Defekte nach der AAOS (Abb.€14.29) Typ I
Typ II Typ III Typ IV Typ V Typ VI Abb. 14.27↜ Femoraler Defekt Grad 4 nach der ENDO-Klassifikation nach Engelbrecht/Heinert mit ausgedehnter femoraler Knochendestruktion
Tab. 14.5↜╇ Klassifikation der azetabulären Defekte nach der AAOS (Abb.€14.28) Typ I
Segmentale Defekte
Typ II
Kavitäre Defekte
Typ III Typ IV Typ V
Kombinierte Defekte Beckendiskontinuität Arthrodese
Peripher (A) superiorer Defekt anteriorer Defekt posteriorer Defekt zentral (B) mediale Wand fehlend Peripher (A) superiorer Defekt anteriorer Defekt posteriorer Defekt zentral (B) mediale Wand intakt
14.2.5 A AOS-Klassifikation des Femurdefekts nach D’Antonio Die Femurdefektklassifikation unterscheidet in Anlehnung an die Defektklassifikation des Azetabulum ebenfalls zwischen segmentalen und kavitären Defekten (D’Antonio 1993). Als segmentaler Defekt (Typ€ I) wird jeder komplette Verlust des kortikalen Knochens an irgendeiner Stelle beschrieben. Des Weiteren wird nach der Höhe ihres Auftretens unterschieden. Segmentale Defekte vom Niveau€I finden sich oberhalb der unte-
•â•‡Niveau I (über dem unteren Segmentale Ende des kleinen Trochanters) Knochendefekte •â•‡Niveau II (bis 10€cm unter dem Ende des kleinen Trochanters) •â•‡Niveau III (distal von Level II) Kavitäre Defekte Kombinierte Defekte Malalignment (rotatorische oder anguläre Achsabweichung) Femorale Stenose (kompletter Verschluss des intramedullären Kanals) Femorale Diskontinuität
ren Begrenzung des kleinen Trochanters, Niveau-IIDefekte innerhalb von 10€ cm unterhalb der unteren Begrenzung des kleinen Trochanters und Niveau-IIIDefekte distal dieser Zone. Ein kavitärer Defekt ist der Verlust des spongiösen Knochens oder des endostalen kortikalen Knochens. Typische Situationen sind die Aufweitung des femoralen Markraums oder die Ausdünnung der diaphysären Kortikalis. Segmentale proximale Defekte werden weiter in partielle und komplette Defekte unterteilt. Partielle segmentale Defekte können vorn, medial, hinten oder lateral lokalisiert sein. Als interkalarischer Defekt wird der segmentale kortikale Knochenverlust bezeichnet, bei dem intakter Knochen darüber und darunter vorhanden ist. Zusätzlich werden wieder kombinierte Defekttypen wie die Achsdeformität, die femorale Stenose und die femorale Diskontinuität unterschieden (Tab.€14.6).
14.3 Implantate 14.3.1 R evisionspfannensysteme – Prinzipien B. Fink und U. Sentürk Bei dem Wechsel von gelockerten Pfannen müssen mehrere Ziele erreicht werden. Die neue Pfanne muss stabil verankert werden, um eine Migration und erneute Lockerung zu verhindern. Das Drehzentrum des Hüftgelenks soll wieder rekonstruiert und idealer-
B. Fink und U. Sentürk
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Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Typ5
Abb. 14.28↜ Defektklassifikation des Azetabulum nach AAOS (vgl. Tab. 14.5)
Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Typ 5
Typ 6
Einteilung der Schaftdefekttypen
Höhenlokalisation
Typ 1: segmentale Defekte Typ 2: kavitäre Defekte Typ 3: kombinierte Defekte Typ 4: Fehlstellung, Deformitäten Typ 5: Stenosen Typ 6: femorale Diskontinuität
Level 1: oberhalb des Unterrandes des Trochanter minor Level 2: innerhalb der ersten 10cm unterhalb des Unterrandes des Trochanter minor Level 3: alles distal vin Level 2
Implantat-Knochen-Kontakt
Grad I: vollständiger Implantat-Knochen-Kontakt Grad II: unvollständiger Implantat-Knochen-Kontakt, die Prothese ist aber stabil im knochen verankert, ein Knochenersatz wird allenfalls zur Füllung von Zwischenräumen verwendet Grad III: hier besteht ein unvollständiger Implantat-Knochen-Kontakt, das Implantat alleine kann nicht stabil im Knochen verankert werden. Zur Rekonstruktion sind Allografts nötig
Abb. 14.29↜ Defektklassifikation des Femurs der AAOS
14â•… Revisionsendoprothetik
weise die Azetabulumkontinuität und -integrität wiederhergestellt werden. Bei der Revision von gelockerten Pfannen stehen verschiedene Konzepte bzw. Revisionssysteme zur Verfügung (s.€Übersicht). Die optimale Implantationstechnik erlaubt die Verkleinerung eines bestehenden Knochendefekts durch Knochentransplantate bzw. vermeidet die Entstehung weiterer Knochensubstanzdefekte. Im Folgenden sollen die verschiedenen Prinzipien anhand von Implantaten, die in der Literatur gut publiziert sind, beispielhaft beschrieben werden. Es besteht die Möglichkeit, das neue Pfannenimplantat zementiert oder zementfrei zu fixieren. Eine Kombination beider Verankerungen ist die zementierte Verankerung einer Poylethylenpfanne in einer zementfrei eingeschlagenen und verschraubten Schale.
Verschieden Konzepte für den Pfannenwechsel
• Zementierte Pfanne • Zementfreie Pfanne − Press-fit-Pfanne −╇ Hemisphärische Pfanne − Standardpfanne â•… Jumbo-Pfanne – Pfannen mit differentem Längs- und Querdurchmesser −╇ Biradiäre Pfanne −╇ Längsovale Pfanne – Schraubpfanne
14.3.1.1 Zementierte Pfannen Die Technik der Implantation zementierter Polyethylenpfannen unterscheidet sich bei Fehlen großer kavitärer oder von segmentalen Defekten nicht von der bei einer Primärimplantation. Größere kavitäre Pfannendefekte sollten mit autologer oder homologer Spongiosa aufgefüllt werden. Die Knochentransplantate sind maximal zu verdichten. Beim Einzementieren wird die Spongiosaplastik weiter komprimiert (Marti et€ al. 1990). Bei segmentalen Defekten sind diese zunächst zu verschließen, um eine Kompression des Knochens und nachfolgend des Zements zu erlauben. Grundlage ist die Verwendung von Drahtnetzen oder größeren strukturierten Allografts, um einen ausreichenden Druckaufbau bei der Zementierung für dessen Verzahnung mit dem Wirtsknochen zu ermöglichen (Schreurs et€al. 1998; Leopold et€al. 2000).
459
Im Revisionsfall weist der knöcherne Pfannengrund eine andere Struktur auf als bei der Primärimplantation; er ist sklerotisch, ausgedünnt und ggf. defizitär. Daher ist die Interdigitation des Knochenzements im Revisionsfall deutlich beeinträchtigt, was zu einer schlechteren Implantathaftung mit höheren Revisionsraten führt. Wirtz und Niethard (1997) konnten in einer Übersichtsarbeit zeigen, dass die Rerevisionsrate von zementierten Pfannen deutlich höher ist als von zementfreien Pfannen.
14.3.1.2 Zementfreie Pfannen Bei den zementfrei implantierten Pfannen werden Pfannen, die über eine Press-fit-Verklemmung fixiert werden, von Schraubpfannen unterschieden (s. Übersicht S. 455). Hemisphärische Press-fit-Pfannen Standard-Pressfit-Pfannen╇ Hemispärische Press-fit-Pfannen, wie bei der Primärimplantation verwendet, sind das Standardimplantat in der Revisionsendoprothetik (Abb.€14.30). Sie werden durch die Verklemmung im Äquatorbereich fixiert (Press-fit-Fixierung). Somit erzielen diese Pfannen ihre Fixation durch eine zirkumferente Verklemmung am Pfannenrand. Sie erfordern mindestens 3 Abstützregionen (vgl. dreibeiniger Hocker). Erzielt man eine suffiziente Press-fit-Fixation im Azetabulum bedarf es keiner zusätzlichen Verschraubung im Os ilium. Da der erreichte Grad der Stabilität der erreichten Press-fit-Fixation schwierig zu bestimmen ist, verwenden einige Operateure zusätzlich Spongiosaschrauben zur Fixation. Beide Techniken sind absolut korrekt, im Zweifelsfall sollten immer Schrauben verwendet werden. Diese Pfannentypen eignen sich vor allem bei kavitären Defekten mit intaktem Pfannenrand bzw. bei Knochendefekten von weniger als 30€% der Azetabulumoberfläche (Elke et€al. 2001; Garcia-Cimbrelo und Relato 1999). Knochendefekte, die weniger als 50€% Kontakt der Pfanne mit dem Wirtsknochen erzielen lassen, stellen nach der Meinung der meisten Autoren Kontraindikationen für Press-fit-Pfannen dar (GarciaCibrelo und Relato 1999; Paprosky et€al. 1994; Morsi et€al. 1996; Gross et€al. 1993; Lachiewicz et€al. 1994), obwohl Leopold et€ al. (1999) und Della Valle et€ al. (2004) sehr gute Standzeiten für Harris-Galante-Pressfit-Pfannen (Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz) auch bei größeren Pfannendefekten vom Typ Paprosky 3A und 3B fanden. Durch die Verwendung neuer
460
B. Fink und U. Sentürk
Abb. 14.30 ↜(a, b)╇ Pfannenwechsel mit einer zementfreien Press-fit-Pfanne (Allofit-S, Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz). Links: Darstellung des Implantats
Oberflächen werden diese 30€ % von immer mehr Autoren in Frage gestellt. So werden für Pfannen mit sehr hoher Friktion (z.€ B. Trabecular Metal) inzwischen auch geringere Kontaktflächen für akzeptabel gehalten. So wurden auch für die Allofit-S-Pfanne (Zimmer, Winterthur, Schweiz) und die Duraloc-Pfanne (DePuy, Kirkel, Deutschland) keine erhöhten Migrations- und Frühlockerungsraten bei größeren Defekten beobachtet (Fink et€ al. 2008; Obenaus et€ al. 2003). Obenaus et€al. (2003) verzichteten in ihrer Studie sogar grundsätzlich auf Spongiosschrauben, wenn ein Press-fit von 2€mm erreicht wurde. Neben der Knochenquantität (Kontaktfläche) ist besonders die Stabilität des Knochens entscheidend dafür, ob im vorhandenen Azetabulumknochen eine ausreichend stabile Verklemmung der Pfanne erreicht werden kann. So können rein kavitäre Defekte einen geschlossenen, aber insuffizienten, dünnwandigen Pfannenrand hinterlassen, der eine Press-fit-Verklemmung nicht ermöglicht, während bei segmentalen Defekten aber möglicherweise drei stabile Verankerungspunkte ausreichenc sind (stabiler Pfannenrestrand). Modulare Systeme wie das hochporöse Trabecular Metal (TMT-System, Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz) besitzen eine sehr hohe Friktion gegenüber dem Knochen (geringere Kontaktfläche notwendig) und sind modular in Verbindung mit Augmentaten/ Abstützplatten (siehe auch Jumbo-Cups), zu verwenden (siehe Sonderimplantate; Unger et€al. 2005; Flecher et€al. 2008; Weeden und Schmidt 2007). Die Press-fit-Pfannen werden sehr unterschiedlich implantiert. In der Regel wird ein 2€ mm Pressfit gewählt, d.€h. dass der Durchmesser der Pfanne im
Äquator 2€mm größer ist, als die zuletzt durchgeführte Fräsung. Autoren wie Della Valla et€al. (2004), Silverton et€al. (1996) und Templeton et€al. (2001), implantieren die Pfannen ohne Press-fit, d.€ h., sie wählen den gleichen Durchmesser der Pfanne wie der zuletzt verwendete Fräser (sog. „Line-to-line-Implantation“). Die Primärstabilität der Pfanne wird dann hauptsächlich durch multiple Spongiosaschrauben erzielt. Dies scheint jedoch etwas höhere Revisionsraten zur Folge zu haben als die Press-fit-Implantation (s.€Kap.€14.9). Andere wiederum verwenden sogar einen erhöhten Press-fit von 4€ mm Durchmesserdifferenz (zwischen Fräsung und Implantat), was bei weichem Knochen sinnvoll ist, bei sklerotischem Knochen aber mit einem erhöhten Frakturrisiko des Azetabulum einhergeht. Kim et€al. (1995) fanden in einer In-vitro-Studie ein deutlich erhöhtes Frakturrisiko bei der Verwendung von Oversized-Cups mit höherem Press-fit. Bei einer Pfannenimplantation von 2€ mm Press-fit traten nur bei 4 von 30 Azetabula-Frakturen auf, hingegen bei 14 von 26 Pfannen mit einem Press-fit von 4€mm. Hierbei wurde allerdings ein dickerwandiges Pfannenimplantat (Harris-Galante€II) verwendet (z.€B. Wandstärke der 56-mm-Pfanne 5,9€ mm). In einer eigenen Studie verwendeten wir die dünnwandige Titanpfanne Allofit-S€ (Zimmer, Winterthur, Schweiz) bei Revisionen mit einem erhöhten Press-fit von 4€ mm. Die Wandstärke ist mit 3€mm bei dieser Pfanne etwa halb so dick, was mitursächlich für das Fehlen von Azetabulumfrakturen sein dürfte (Fink et€al. 2008). Bezüglich verwendeter Allografts beim Defektaufbau sollte bei diesem unabhängig von dem verwendeten Pfannenimplantat die trabekuläre Ausrichtung und die zur Fixation des Transplantats eingebrachten
14â•… Revisionsendoprothetik
461
Abb. 14.31↜ Jumbo-Cups. (Pinnacle-Pfanne, DePuy, Kirkel, Deutschland)
Osteosyntheseschrauben in Richtung der Lasteinleitung liegen, wobei eine solide Abstützung des Implantats an dem verbliebenen vitalen Beckenknochen unumgänglich ist (Hooten et€al. 1996). Jumbo-Cups:╇ Jumbo-Cups sind dickwandige Pressfit-Pfannen mit einem sehr großen Durchmessern. Jumbo-Cups sind durch einen minimalen Durchmesser bei Frauen von 62€mm und bei Männern von 66€mm bzw. durch einen Durchmesserâ•›>â•›10€mm auf der Gegenseite definiert (Whaley et€al. 2001). Hier können verschiedene Inlay-Konstruktionen, auch mit exzentrischem Inlay zur Distalisierung und Rekonstruktion des Drehzentrums eingebracht werden. Das Fixationsprinzip entspricht einer Press-fit-Verklemmung am Pfannenrand mit in der Regel zusätzlicher Stabilisierung durch Schrauben ins Os ilium (Abb.€14.31). Bei der Präparation des Pfannenbettes für die Jumbo-Cup ist es bei deutlich ovalären Defekten manchmal notwendig, den vorderen Pfannenrand bei der Fräsung zu schwächen. Der hintere Pfannenrand sollte unbedingt erhalten werden (Jasty 1998). Whaley et€ al. (2001) geben als Kontraindikationen für Jumbo-Cups Defektsituationen mit fehlendem superior-lateralem Azetabulum und hinterer Pfannenwand (Paprosky Typ€3B) sowie Strahlennekrosen des Azetabulum an, bei denen die biologische Qualität des Knochens nicht beurteilbar ist. Weiterhin sind Beckendiskontinuitäten Kontraindikationen für die Jumbo-Cups (Jasty 1998).
Abb. 14.32↜ Biradiäre Revisionspfanne. (SROM, DePuy, Kirkel, Deutschland)
Kontakt des Implantats zum Wirtsknochen zu erzielen, sind verschiedene Revisionspfannen mit längsovaler Form verfügbar. Die biradiären Pfannen haben die Form zweier miteinander verschmolzener hemisphärischer Pfannen, wobei die kaudale Pfanne in Höhe des primären Azetabulum und die obere Pfanne in den kranialen Defekt eingeschlagen wird (Abb.€ 14.32). Hierdurch gelingt die Rekonstruktion des eigentlichen Drehzentrums. Die Pfannenfixation basiert auf einer im Regelfall 3-Punkte-Verklemmung am Pfannenrand und einer nahezu immer notwendigen zusätzlichen Schraubenfixation. Das passgenaue Fräsen des Pfannenbettes für die Prothese ist technisch schwierig. Dies erklärt die unterschiedlichen Ergebnisse in der Literatur (s.€ Kap.€ 14.9). Die hohen LockerungsPfannen mit differentem Längs- und Querdurch- raten bei Sutherland (1996, 1998) sind vor allem durch messer eine technische Ungenauigkeit der CT-basierenden Biradiäre Pfannen: Pfannenlockerungen führen oft Custom-made-Oblong-Cups bedingt. DeBoer und zu kranialen und posterioren Migrationen mit ovalä- Christie (1998) und Chen et€ al. (2000) stellten fest, ren Knochendefekten. Um bei diesen Defektsituatio- dass dieser Pfannentyp gut für Pfannendefekte vom nen eine möglichst gute Defektauffüllung mit hohem Typ Paprosky€2 und 3A geeignet ist, nicht jedoch für
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Abb. 14.33↜ Längsovale Revisionsspfanne. (Bofor, Smith & Nephew, Marl, Deutschland)
höhergradige Defekte, bei denen der hintere und/oder vordere Pfannenrand deutliche Defekte aufweist. Längsovale Revisionspfannen:╇ Ein weiterer Pfannentyp, der speziell für ovaläre Pfannendefekte konstruiert wurde, sind längsovaläre Press-fit-Revisionspfannen. Es findet sich das gleiche Fixationsprinzip wie bei den biradiären Pfannen. Sie werden press-fit fixiert und mit zusätzlichen Schrauben im Os ilium bzw. zum Teil im Os pubis und Os ischium fixiert. Die Inlays weisen auch einen exzentrischen Drehpunkt auf, um das Gelenkdrehzentrum zu distalisieren und das ursprüngliche Gelenkzentrum zu rekonstruieren (Abb.€14.33). Diese exzentrische Belastung kann zum „Rocking-horse“Phänomen führen, was die zum Teil höheren Lockerungsraten in der Literatur erklärt (s.€Kap.€Ergebnisse). Herrera et€ al. (2006) verwendeten diesen Pfannentyp allerdings nur bei Typ-AAOS-III- und -IV-Defekten, was für die Versagerrate von 14,2€% nach durchschnittlich 6,3€Jahren ursächlich zu sein scheint. Schraubpfannen Schraubpfannen können prinzipiell auch in Revisionsfällen verwendet werden, eignen sich aber in der Regel nur bei kavitären bzw. kleinen segmentalen Defekten und ausreichend stabilem Knochen. In einen noch stabilen Pfannenrand muss sich das Schraubgewinde der Pfannen solide einschneiden. Aufgrund unzureichender Knochenqualität bzw. designbedingt erzielen nicht alle Schraubpfannen ein derart gewünschtes Einschneiden, so dass häufig nur Knochenkontakt mit den Spitzen der Gewinde und nicht mit dem Pfannenkörper erzielt wird. Ein anderes Problem besteht darin, dass das Gewinde aufgrund seiner Tiefe den Pfannenrand de facto in „Streifen“ schneidet. Daher weisen die publizierten Ergebnisse von Schraubpfannen bei Wechseloperationen teilweise hohe Lockerungs- und Revisionsraten auf (s.€Kap.€14.9).
B. Fink und U. Sentürk
14.3.1.3 P fannendach- und Pfannenstützschalen Ein drittes Konzept des Pfannenwechsels ist die Verwendung von Pfannendach- oder Pfannenstützschalen, die quasi in einer Hybridtechnik fixiert werden. Die Schale wird zunächst zementfrei in das Azetabulum eingebracht und mit Schrauben zusätzlich (meist im Os ilium) stabil fixiert. In diese wird eine Polyethylenpfanne einzementiert. Das Prinzip dieser Schalen besteht darin, dass durch das Metallbacking eine Umleitung der einwirkenden Kräfte weg vom Knochendefekt hin zur Peripherie mit gut erhaltenem Knochen erfolgt. Hierdurch kann in den Knochendefekt eingebrachter Knochen ohne Überlastung einheilen. Eine Auffüllung der Knochendefekte durch Knochenzement sollte vermieden werden, da diese Technik häufiger zu höheren Versagerraten führt (Amstutz et€al. 1982). Durch die sichere Abstützung des Implantats an intaktem Knochen verhindert die Schale eine Migration der eigentlichen Pfanne, die bei einer direkten Implantation in den Defekt sehr wahrscheinlich wäre. Zudem wird durch die Schale ein direkter Kontakt der Polyethylenpfanne mit dem Beckenknochen vermieden, da Polyethylenpartikel eine Knochenresorption induzieren können. Nach diesem Prinzip sind verschiedene Stütz- und Pfannendachschalen, zum Teil in modularer Form auf dem Markt erhältlich. Einzelne erlauben auch eine zementfreie Fixation des Polyethylens in der Schale (Abstützschale, Peter Brehm, Weisendorf, Deutschland). Vorteil ist der Zeitgewinn, nachteilig erscheinen die Einschränkung der Positionierbarkeit der Polyethylenpfanne in der Schale und die fehlende Kompression der umgebenden Spongiosaplastik durch den verwendeten Zement. Je nach Konzept der Fixation im Beckenknochen sind sie für unterschiedliche ausgedehnte Knochendefekte geeignet. Nachfolgend sollen exemplarisch diejenigen mit mehrfach publizierten Ergebnissen in der Literatur behandelt werden. Typ Müller-Pfannendachschale Die Müller-Pfannendachschale (Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz) findet ihre Abstützung am oberen Pfannenrand, am hinteren Pfannenpfeiler sowie an der medialen Pfannenwand (Abb.€14.34). Sie ist daher geeignet bei kavitären Defekten, isolierten kleinen Pfannenerkerdefekten, mittleren Defekten der medialen Wand sowie Defekten des vorderen Pfannenran-
14â•… Revisionsendoprothetik
463
Abb. 14.34↜ Müller-Pfannendachschale. (Zimmer, Winterthur, Schweiz)
Abb. 14.35↜ Hakendachschale nach Ganz. (Zimmer, Winterthur, Schweiz)
des. Nicht geeignet ist diese Schale bei Defekten, die mehrere Pfeiler betreffen, sowie größeren zentralen Defekten mit Protrusion. Die in der Literatur dargestellten Lockerungsraten sind sehr unterschiedlich, wahrscheinlich aufgrund einer nicht regelhaft strengen Indikationsstellung (s.€Kap.€14.9). Typ Hakendachschalen Die Hakenschalen wie z.€ B. diejenige nach Ganz (Zimmer, Winterthur, Schweiz) haben einen kaudalen Haken, der in die Incisura acetabuli eingesetzt wird (Abb.€ 14.35). Hierdurch gelingt es, das ursprüngliche Drehzentrum der Pfanne zu rekonstruieren und eine physiologischere Krafteinleitung zu erreichen. Die weitere Abstützung der Schale erfolgt am oberen Pfannenrand, dem hinteren Pfannenpfeiler und der medialen Wand. Die Schale eignet sich daher für isolierte mittlere Defekte des Pfannenerkers, mittelgroße zentrale Defekte oder bei einem Defekt des vorderen Pfannenrands. Hingegen ist diese Schale nicht für Mehrpfeilerdefekte geeignet. In der Kombination mit Rekonstruktionsplatten, meist am hinteren Pfeiler, werden sie in Einzelfällen auch bei der Behandlung
von Beckendiskontinuitäten mit guten Ergebnissen verwendet (Paprosky et€al. 2006). Generell finden sich jedoch nur wenig publizierte Ergebnisse in der Literatur (s.€Kap.€14.9). Abstützschalen Abstützschalen, wie z.€ B. der Burch-Schneider-Ring (Zimmer, Winterthur, Schweiz) oder der Reko-Ring (Smith & Nephew, Marl, Deutschland), werden bei größeren Defekten mit Beteiligung von mehreren Pfeilern verwendet. Ein wesentlicher Vorteil dieser Antiprotrusionsringe liegt in der sicheren Fixation am weiter vom primären Azetabulum gelegenen intaktem Knochen des Os ilium und Os ischium mit Überbrückung des defekten Azetabulum. Dadurch werden die auf das Hüftgelenk und damit auf die Ringfixation einwirkenden Kräfte auf eine große Fläche verteilt. Dies ermöglicht die Einheilung der unter der zentralen Schale gelegener Spongiosaplastik zur Defektrekonstruktion ohne störende Krafteinwirkungen. Somit hilft das Konstruktionsprinzip dieser Antiprotrusionsringe bei dem Wiederaufbau von Knochendefekten. Durch die Platzierung an anatomisch intakten Knochenregio-
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B. Fink und U. Sentürk
Abb. 14.36↜ Burch-Schneider-Abstützschale mit neuem Design
nen und der Vermeidung der Implantatplatzierung in den Defekt hinein ermöglichen diese Abstützschalen die Rekonstruktion des ursprünglichen Hüftdrehzentrums. Einzelne Abstützringe wie der Reko-Ring bieten die Option zusätzlicher fest verbundener Wedges, um die Positionierung des Ringes vor allem bei kranialen Defekten zu optimieren (s.€Abb.€14.35). Ein Einwachsen, d.€ h. eine biologische Fixation, erfolgt nicht, sondern es besteht eine Abstützung über eine große Fläche. Eine Migration ist daher prinzipiell möglich. Der Burch-Schneider-Ring wie auch viele andere Abstützringe bestehen aus einer zentralen Schale sowie einem oberen und unteren Flügel. Das ursprüngliche Implantat war aus poliertem Stahl, wird seit 1998 aus „rough-blasted“ Titan gefertigt. Der untere Flügel sollte in das Os ischium eingeschlagen und der obere Flügel auf das Os ilium geschraubt werden. Ursprünglich war der untere Flügel dafür vorgesehen, auf das Os ischium geschraubt zu werden und ist dementsprechend in seiner Form und mit Schraubenlöchern gestaltet worden. Mit zunehmender Erfahrung zeigt sich jedoch, dass durch das Einschlagen des unteren Flügels in das Os ischium ein Ausreißen der unteren Lasche vermieden werden und eine höhere Stabilität des Ringes erzeugt werden kann. Daher hat sich das Einschlagen der unteren Lasche in das Os ilium durchgesetzt. Zudem kann so eine Schädigung des N.€ischiadicus vermieden werden. In den implantierten Stützring wird dann in nahezu allen Fällen eine Polyethylenpfanne zur Artikulation mit dem Prothesenkopf einzementiert (Abb.€14.36). In der Kombination mit Rekonstruktionsplatten, meist am hinteren Pfeiler, werden Abstützringe auch bei der Behandlung von Beckendiskontinuitäten mit guten Ergebnissen verwendet (Paprosky et€ al. 2006; Abb.€14.37).
Der Implantationstechnik mit Einschlagen der unteren Lasche in das Os ischium folgend, stehen jetzt anatomisch an das Becken adaptierte Implantate mit einer Vielzahl von Größen zur Verfügung (Abb.€14.38 und 14.40). Hierdurch wurde die Notwendigkeit des Biegens der Laschen minimiert und die Implantation erleichtert. Modulare Abstützringe sind konstruiert worden, um der individuellen Defektsituation besser begegnen zu können (Abb.€14.39).
14.3.1.4 Sonderimplantate Zu den Sonderimplantaten gehören die Custom-made-Prothesen, die an einen vorliegenden Defekt individuell, fast immer im CT geplant, angepasst werden. Die Fixation erfolgt überwiegend mit einer oder zwei Laschen am Os ilium und/oder einem stielartigen Fortsatz im gleichen Knochen. Einige haben zusätzliche, zum Teil modulare inferiore Laschen für die Fixierung am Os ischium, selten am Os pubis. Inferiore Laschen werden von vielen Autoren als verzichtbar angesehen, da z.€ B. bei Tumorprothesen häufig eine Auslockerung der inferioren Lasche/n zu beobachten ist. Wesentlicher Vorteil aller Sonderanfertigungen ist der großflächige Kontakt zum originären Wirtsknochen. Sie werden bei größeren segmentalen Pfannendefekten und Beckendiskontinuitäten eingesetzt. Hierdurch kann die Wandstärke rigide und mit einer für die Osteointegration dienlicher Oberflächenstruktur („porous-coated“ oder Hydroxylapatit-beschichtet) gefertigt werden. Gute Ergebnisse zeigt der „Triflange-Cup“ (DePuy, Kirkel, Deutschland) dar. Die Laschen werden an das Os Ilium, Os ischium und ggf. Os pubis mit 6,5€mm dicken Spongiosaschrauben befestigt. Hier hinein wird ein Polyethylen-Inlay eingesetzt. Die bisher publizierten Ergebnisse des Triflange-Cups sind sehr zufriedenstellend (s.€Kap.€14.9). Christie et€al. (2001) hatten
14â•… Revisionsendoprothetik
465
Abb. 14.37↜ Rekonstruktion einer Beckendiskontinuität mit Burch-Schneider-Abstützring und Rekonstruktionsplatten am vorderen und hinteren Pfannenpfeiler
Abb. 14.38↜ Andere Abstützschalen. (↜oben: DePuy Orthopädie GmbH, Kirkel, Deutschland; Mitte: REKO-Ring, Smith & Nephew, Marl, Deutschland; unten: Contour, Smith & Nephew, Marl, Deutschland)
lediglich Revisionen wegen rezidivierender Luxationen. Nachteile dieses Systems sind der hohe Preis und der organisatorische Aufwand mit CT, Modellanfertigung und Implantatanfertigung, was 4–6€ Wochen in Anspruch nimmt (Dennis 2003). In Deutschland sind die auf CT-Basis angefertigten Beckenteilersätze (z.€B. Waldemar Link, Norderstedt oder ESKA, Lübeck, Implantcast, Buxtehude), die ebenfalls bei großen Pfannendefekten und Beckendiskontinuitäten eingesetzt werden, weit verbreitet.
Spezielle Implantate, die von einigen Herstellern in Serie hergestellt werden, sind gestielte Pfannen. Hierbei handelt es sich um zementfreie Pfannen mit einem konischen Stiel, der in das Os ilium eingeschlagen wird. Eine dieser Pfannen ist die sog. Sockelpfanne (Zimmer, Winterthur, Schweiz; Abb.€14.41). Sie eignet sich bei mehrsegmentalen Knochendefekten vor allem mit Beteiligung des hinteren Pfannenpfeilers. Die Verankerung erfolgt in den erhaltenen Teilen des Os ilium. Es handelt sich dabei um zementfreie Implantate, deren Primärstabilität von der Stabilität des ver-
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B. Fink und U. Sentürk
Abb. 14.39↜ Modulare Abstützringe. (↜links: Octopus-Pfanne, DePuy Orthopädie GmbH, Kirkel, Deutschland, rechts: MRSPfanne, Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland)
Abb. 14.40↜ Dislokation eines nicht korrekt positionierten Burch-SchneiderRings. Die untere Lasche lag definitiv nicht im Sitzbein. Rekonstruktion mit RekoRing (Smith & Nephew) in korrekter Position
bliebenen Knochens entscheidend abhängig ist. Fester spongiöser Knochen oder sklerotische Knochenabschnitte sind daher prognostisch günstig. Ergebnisse dieser Pfannentypen sind mit sehr unterschiedlichen Resultaten wenig publiziert (s.€Kap.€14.9). Tohtz et€al. (2007) konnten zeigen, dass ein osteoporotisches und/ oder defizitäres Os ilium mit kraniolateralem Wanddefekt und eine Lateralisation des Drehzentrums signifikant häufiger mit Lockerungen der Sockelpfanne einhergehen. Weiterhin zeigten sie, dass Migrationen
der Pfannen und aseptische Lockerungen in den Fällen auftraten, bei denen auf eine Auffüllung von verbleibenden Defekten zwischen dem Wirtsknochen und der eigentlichen Pfanne mit homologen Spongiosachips verzichtet wurde. Dies steht im Widerspruch zu den Überlegungen der Inauguratoren der Sockelpfanne, die Spongiosaplastiken für nicht notwendig erachten (Schoellner und Schoellner 2000). Weitere Sonderkonstruktionen sind die modularen Lösungen mit dem TMT-System (Trabecular Metal
14â•… Revisionsendoprothetik
467
Abb. 14.41↜ Hochgradige Defektsituation des Azetabulums (Paprosky Typ€3B) bei Zustand nach zementierter Versorgung (a, b). Pfannenrekonstruktion mit einer Sockelpfanne (c)
Abb. 14.42↜ TrabecularMetal-Pfanne (↜links: Pfanne, rechts: Beispiel einer Implantation mit Augmentaten am Modell)
Technology – Zimmer, Winterthur, Schweiz). Hier werden größere Defekte mit Augmentaten aus trabekulärem Metall (TM – „trabecular metal“; Kohlefasergerüst [1€ %] mit Tantal [99€ %] bedampft) aufgefüllt und zusammen mit einer Pfanne aus dem gleichen Material implantiert (Abb.€14.42). Die Augmentate dienen hier quasi als Ersatz für strukturelle Allografts und erhöhen den Oberflächenkontakt mit dem Wirtsknochen. Das Konstrukt stellt dann eine modulare zementfreie Pfannenkonstruktion dar, die es erlaubt, ohne Abstützschale das Hüftdrehzentrum zu rekonstruieren. Die Teile des Konstrukts müssen aber mit Zement verbunden werden. Weeden und Schmidt (2007) und Flecher et€ al. (2008) doku-
mentierten sehr gute Kurzzeitergebnisse bei Paprosky 3A- und 3B-Defekten. Auch Kombinationen von TMTPfannen mit darin implantierten Abstützschalen sind für sehr große Defekte und Beckendiskontinuitäten verfügbar. Hierbei wird zunächst die Trabecular-Metal-Pfanne mit oder ohne Augmentate in den Defekt implantiert, darüber eine Stützschale in Os ischium eingeschlagen und ans Os ilium geschraubt. In diese wird abschließend wie üblich eine Polyethylenpfanne zementiert (Kosashvili et€ al. 2009). Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, aber Langzeitbeobachtungen fehlen (s.€ Kap.€ 14.9). Wesentliche spezifische Komplikation sind einzelne Azetabulumfrakturen, die beim Einschlagen der Pfanne auftreten (Springer et€al. 2005).
B. Fink
468 Abb. 14.43↜ Systematische Darstellung der verschiedenen Schaftrevisionssysteme
Revisionsschäfte
zementiert
Modular
unzementiert
Non-Modular
gerade
14.3.2 R evisionsschaftsysteme – Prinzipien
kurviert
Non-Modular
Modular
proximal fixierend
distal fixierend
gerade
kurviert
Abb. 14.44↜ Zementierter gerader Revisionsschaft. (CSL, Smith & Nephew, Marl, Deutschland)
B. Fink Bei der Revisionsendoprothetik des Hüftgelenks stehen für den Wechsel der femoralen Komponente mehrere Konzepte bzw. Revisionsschaftsysteme zur Verfügung (Abb.€14.43). Bei der Revision einer gelockerten Femurkomponente besteht die Möglichkeit, die Implantatstabilität der neuen Femurkomponente durch Einzementieren oder durch die zementfreie Fixation der Komponente zu erzielen. Im Folgenden sollen die verschiedenen Prinzipien anhand von Schäften beschrieben werden, die in der internationalen Literatur mehrfach publizierte Ergebnisse haben, ohne dass hier eine Vollständigkeit der auf dem Markt existierenden Implantate angestrebt wird.
14.3.2.1 Zementierte Schaftsysteme Bei den zementierten Revisionsschäften handelt es sich in der Regel um verlängerte Standardschäfte in gerader Form (z.€B. Richard-Schaft, Smith & Nephew, Marl, Deutschland; Weber-Schaft, Zimmer, Winterthur, Schweiz oder Spectron-Schaft, Smith & Nephew, Marl, Deutschland; Abb.€14.44) oder kurvierter Form (z.€ B. SPII-Schaft, Waldemar Link, Norderstedt, Deutschland; Abb.€ 14.45 und 14.46). Diese Schäfte sind mit Ausnahme des Schafts von Crawford et€ al. (2000) nicht modular. Sie erzielen ihre Stabilität durch
eine langstreckigere Verbindung des Schafts mit dem Knochen durch Zement. Der Nachteil der zementierten Revisionstechnik besteht darin, dass das knöcherne Prothesenlager durch die Lockerung der Primärprothese ausgeweitet, verdünnt und sklerosiert ist. Hierdurch wird die Interdigitation des Zements in den Knochen und somit die Haftung des Zements im Knochen deutlich geschwächt. So haben Dohmae et€al. (1988) gezeigt,
14â•… Revisionsendoprothetik
469
Abb. 14.45↜ Zementierter kurvierter Revisionsschaft. (SPII-Schaft, Waldemar Link, Norderstedt, Deutschland)
beim erneuten Versagen zu einem weiteren Knochenverlust, was konträr zum Ziel der Revisionsoperation ist, einen weiteren Knochenverlust zu vermeiden bzw. den bestehenden Knochenverlust wieder aufzubauen. Eine Möglichkeit, diesem Problem bei der zementfreien Schaftrevision zu begegnen, ist das sog. Impaction grafting, bei dem der Knochenverlust durch homologe Knochenspongiosa aufgefüllt wird und in dieses Knochenlager wieder ein zementierter Schaft (in der Regel normaler Länge) einzementiert wird. Dieses Prinzip funktioniert jedoch nur bei kavitären Defekten mit noch ausreichend stabiler Kortikalis. Bei segmentalen Defekten und schwacher Kortikalis besteht zudem ein deutlich gesteigertes Frakturrisiko bei dieser Technik (Pekkarinen et€al. 2000). Eine weitere Option stellt die sog. Zement-inZement-Revision dar. Hier kann in den Fällen einer Lockerung zwischen Zementmantel und Prothesenschaft, bei alten Schäften mit heute nicht mehr üblichen Kopfgrößen oder bei Zugangsproblemen bei einem intakten Zementmantel ein neuer Prothesenschaft wieder in den bestehenden Zementmantel einzementiert werden. Biomechanische Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass die Fixation hinsichtlich Scher- und Zugkraftbelastung deutlich schlechter ist als bei einem normal einzementierten Schaft. Greenwald et€al. (1978) zeigten, dass bei einem Ausschluss von Blut im Interface zwischen altem und neuem Zement in akuten Scherbelastungen nur eine Schwächung der Verbindung zwischen 6 und 16€% im Vergleich zu einem uniformen Zementblock besteht, aber ein Blutfilm im Interface zu einer Senkung der Belastbarkeit von 37€% führt. In den akuten Scher- und Zugversuchen von Li et€al. (1996) fand sich bei Interposition von Blut und Knochenpartikeln im Interface eine Reduktion der Belastbarkeit von 80–85€%. Eine solche Interposition muss zumindest teilweise intraoperativ bei Anwendung dieser Technik angenommen werden. Die wenigen bisherigen klinischen Untersuchungen ergaben allerdings keine erhöhten Lockerungsraten. Lieberman et€al. (1993) berichten über 19 revidierte Femurendoprothesen, bei denen in einem Nachuntersuchungszeitraum von 59€ Monaten keine Lockerungen auftraten, und Archibald et€ al. (1985) über 7 Fälle ohne Lockerung in einem Beobachtungszeitraum von 3€Jahren. McCallum und Hozack (1995) fanden bei 15 Patienten, bei denen sie mittels einem sog. Ultraschallzemententfernungssystem (UltraDrive) den bestehenden Zementköcher graduell erwei-
Abb. 14.46↜ Zementierter Revisionsschaft rechts und zementierter Standardschaft links
dass die Belastbarkeit der Knochen-Zement-Verbindung für Scherkräfte bei zementierten Revisionen um 79€% im Vergleich zu einer zementierten Primärimplantation reduziert ist (Dohmae et€al. 1988). Dies erklärt die deutlich höhere Rerevisionsrate von zementierten Revisionsprothesen im Vergleich zu zementfreien Revisionskomponenten, wie Wirtz und Niethard (1997) in einer Übersichtsarbeit darstellen konnten. Darüber hinaus führt die zementierte Revisionstechnik
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B. Fink
ten und defizitären proximalen Schaftbereich statt. Daher sind kavitäre Defekte im proximalen Femur für diese Schäfte besser geeignet als segmentale. Zum Aufbau kleinerer segmentaler Defekte und zur additiven Fixation des Schafts werden zum Teil Strut-grafts im proximalen Femur verwendet. Trotzdem scheint die Fixationsqualität in diesem Bereich nicht sicher reproduzierbar gut zu sein, so dass höhere Lockerungs- und Nachsinkraten für diese Schaftsysteme beschrieben wurden (s.€Kap.€14.9).
Abb. 14.47 ↜(a, b) Zementlose nichtmodulare Revisionsschäfte mit proximaler Fixation. (↜links: Kar aus Titan mit Hydroxylapatitbeschichtung, DePuy Orthopädie GmbH, Kirkel, Deutschland und rechts: Echelon aus Chrom-Cobalt, Smith & Nephew, Marl, Deutschland)
terten, damit der explantierte Prothesenstiel wieder rezementiert werden kann, in einem Follow-up von bis zu 2€ Jahren ebenfalls keine Komponentenlockerung. Dennoch sollte dieses Verfahren heute bei nur begrenzt dokumentierten Ergebnissen die Ausnahme darstellen (z.€B. multimorbide Patienten).
14.3.2.2 Zementfreie Schaftsysteme Bei den zementfreien Revisionssystemen unterscheidet man Schäfte mit einer Fixation im proximalen Femur von solchen mit distaler Verankerung, zweitens Monoblockimplantate von modularen Revisionssystemen und drittens Geradschäfte von kurvierten Schäften (s.€Abb.€14.43). Zementfreie proximal fixierende, nichtmodulare Revisionsschäfte Zu den zementfreien nicht modularen, proximal fixierenden Revisionsschäften zählen vor allem die sog. „proximally porous coated stems“. Dieses sind Langschäfte aus Cobalt-Chrom (z.€ B. Osteonics, Allendale, NJ, USA) oder Titan (z.€B. Calcar prosthesis, DePuy, Kirkel, Deutschland); sie sind proximal beschichtet und in gerader (z.€B. Harris-Galante, Zimmer, Winterthur, Schweiz) oder kurvierter Form (z.€B. Osteonics, Allendale, NJ, USA) vorhanden (Abb.€14.47). Die Fixation dieser „proximally porous coated stems“ findet nach dem Prinzip des „maximal fit and fill“ in dem durch die Schaftlockerung geschwäch-
Zementfreie proximal fixierende, modulare Revisionsschäfte Monoblockimplantate erlauben nicht immer eine optimale Anpassung der Prothese an den Femur. Durch die Einführung der Modularität bei zementfreien, „proximal porous coated stems“ wie dem S-ROM-Schaft (DePuy Orthopädie GmbH, Kirkel, Deutschland) konnte das Prinzip des „maximal fit and fill“ für die proximale Schaftverankerung durch die individuelle Anpassung vor allem der proximalen Schaftkomponente an die Femuranatomie verbessert und somit die Lockerungs- und Nachsinkraten im Vergleich zu den nichtmodularen Schäften gesenkt werden (s.€Kap.€14.9). Proximale und distale Komponenten werden unabhängig voneinander dem beschädigten Knochen angepasst und dann vereint. Beim S-ROM-Schaft wird nach Implantation eines dem proximalen Knochendefekts angepassten sog. Sleeve für die proximale Fixation durch diesen ein dem diaphysären Femurdurchmesser angepasster Zentralkörper gesetzt (Abb.€ 14.48). Einige Autoren berichten allerdings bei dieser Implantationstechnik über häufigere Femurfrakturen (Bolognesi et€al. 2004; Chandler et€al. 1995; Smith et€al. 1997). Von Nachteil sind bei modularen Komponenten mögliche Mikrobewegungen am Schaft-sleeve-Übergang und dabei resultierender Partikelabrieb (Bono et€al. 1999; Christie et€al. 2000). Zementfreie distal fixierende, nichtmodulare Revisionsschäfte Ein anderes Fixationsprinzip besitzen die zementfreien nichtmodularen, distal fixierenden Revisionsschäfte. Sie überbrücken den durch die Lockerung geschwächten und häufig ausgeweiteten proximalen Femur und fixieren in der Diaphyse bzw. dem Isthmus als deren engstem Anteil. Diese Gruppe von Schäften lässt sich in die sog. „extensively porous coated stems“ und die korundgestrahlten konischen Titanschäfte unterteilen. Die „exensively porous coated stems“ sind Geradschäfte (z.€ B. AML
14â•… Revisionsendoprothetik
471
Abb. 14.49↜ Solution Revisionsschaft. (Johnson & Johnson, Warsaw, IL, USA)
Abb. 14.48↜ S-ROM-Schaft. (DePuy, Kirkel, Deutschland)
oder Solution, Johnson & Johnson, Warsaw, IL, USA) oder kurvierte Schäfte (z.€ B. Solution, Johnson & Johnson, Warsaw, IL, USA) aus Cobalt-Chrom und distal zylindrisch (Abb.€14.49). Durch ihre grobporöse Oberfläche erzielen sie im Isthmus des Femur nach Aufbohrung mit Markraumfräsen ihre Fixation, wobei der Schaftdurchmesser 0,5€ mm dicker als die zuletzt verwendete Markraumfräse gewählt wird (Engh et€al. 1990; Lawrence et€ al. 1993). Paprosky et€ al. (1999) nennen diese Art der Fixierung „Scratch-fit“, die über 4–6€ cm Fixationsstrecke im Isthmus erfolgen sollte (Weeden und Paprosky 2002). Mit dieser Technik lassen sich reproduzierbar gute Ergebnisse erzielen (s.€ Kap.€ Ergebnisse). Die Nachteile dieser Schafttypen liegen in einem Stress Shielding des proximalen Femurknochens vor allem bei osteoporotischem Knochen sowie der Schwierigkeit diese Schäfte, wenn notwendig wieder zu entfernen (Aribindi et€al. 1998; Engh et€ al. 1990; Krishnamurthy et€ al. 1997; Moreland und Bernstein 1995; Moreland und Moreno 2001; Woolson et€al. 1995). Ein anderes Prinzip der distalen Schaftfixierung ist das Press-fit-Prinzip, das als Erstes von dem WagnerSL-Schaft (Zimmer, Winterthur, Schweiz) realisiert wurde. Hierbei wird ein konisches Prothesenbett mit
Abb. 14.50↜ Prinzip der konischen Verklemmung des Schafts im Isthmus des Femur mit Einschneiden der Schaftrippen in die Kortikalis
Reibahlen oder nach Aufbohrung mit Markraumfräsern mit Raspeln im Isthmus des Femur geformt, in das eine Prothese mit konischem distalem Stiel (2° bei dem Wagner-SL-Schaft) eingeschlagen wird. Hierdurch kommt es zu einer Konus-in-Konus-Verklemmung, wobei beim Wagner-SL-Schaft durch Einschneidung der 8 Längsrippen in die Isthmuskortikalis eine rotationsstabile Verankerung erzielt wird (Abb.€14.50). Wird dieses Prinzip umgesetzt, werden hiermit sehr gute Standzeiten mit geringen Lockerungs- und Revisionsraten realisiert (s.€ Kap.€ 14.9). Hierfür ist es allerdings häufig notwendig, Achsabweichungen des proximalen Femur durch eine Osteotomie
472 Abb. 14.51↜ Prinzip der distalen Fixation im Isthmus des Femur
(z.€B. durch den transfemoralen Zugang) zu korrigieren (Bircher et€ al. 2001; Wagner und Wagner 1993, 1999; Grünig et€al. 1997; Fink et€ al. 2007). Ein rein endofemorales Vorgehen in diesen Fällen führt lediglich zu einer 3-Punkte-Verklemmung eines zu dünnen, geraden, konischen Revisionsschafts, die in einem hohen Maße in einem Nachsinken des Schafts mündet (Sieber und Le Bèguec 2001; Fink et€al. 2005, 2007). ►⌺ Bei der Implantation von Geradschäften ab einer Länge von 180 mm wird die Verwendung eines transfemoralen Zugangs empfohlen, um Perforationen oder gar Femurfrakturen zu vermeiden. (Bircher et€al. 2001).
Zementfreie distal fixierende, modulare Revisionsschäfte╇ Der Vorteil der Modularität bei distal fixierenden Schäften besteht darin, dass die beiden Operationsziele der Wechseloperation schrittweise nacheinander erreicht werden können. Mit der distalen Komponente wird zuerst die sichere Fixation des Schafts erzielt und dann anschließend mit der proximalen Komponente die richtige Beinlänge und die richtige, frei wählbare Antetorsion eingestellt (Abb.€14.51 und 14.52). Bei diesen Schaftsystemen gibt es distal gerade und distal kurvierte Komponenten. Für die modularen,
B. Fink
distal fixierenden Schaftsysteme gelten die gleichen, oben genannten Fixationsprinzipien wie für die nichtmodularen. Somit sind die hohen Nachsinkraten des PMF-R-Schafts (der modularen Weiterentwicklung des Wagner-SL-Schafts) bei Kessler et€al. (2002) und McInnis et€al. (2006) durch die nahezu ausschließliche Erzielung einer zu vermeidenden 3-Punkte-Fixation erklärbar (s.€Kap.€14.9). Für modulare, distal fixierende kurvierte Schaftsysteme konnte in einer Kadaverstudie gezeigt werden, dass aus der endofemoralen und transfemoralen Implantationstechnik unterschiedliche Fixationsprinzipien resultieren (Fink et€al. 2005). Der transfemoral implantierte kurvierte Revitan-Schaft wies wie der gerade Schaft eine distale Press-fit-Fixation und damit eine anderes Fixationsprinzip auf als der endofemoral implantierte kurvierte Schaft, der seine Primärstabilität über eine Dreiflächenfixation erzielte (Abb.€ 14.53). Bei Letzterem waren die beiden unteren Kontaktflächen durch das Einschneiden von 3 der 4 Kanten der oktogonalen Oberfläche in den Knochen für die Fixation des Schafts verantwortlich, während die obere Kontaktfläche lediglich eine Anlagerung des Schafts an den Knochen darstellte (Fink et€ al. 2005). Werden diese Fixationsprinzipien bei der Implantation solcher Schäfte berücksichtigt und korrekt umgesetzt, sind die Lockerungs- und Einsinkraten der Schäfte niedrig (s.€Kap.€14.9). Hierbei konnten wir zeigen, dass für transfemoral implantierte kurvierte Revitan-Schäfte eine distale Press-fit-Fixation im Isthmus des Femurs von 3€cm ausreicht (Fink und Grossmann 2007; Fink et€al. 2007). Bei den verschiedenen distal fixierenden modularen Revisionsschäften gibt es Unterschiede im Detail, die jedoch jeweils für die Erzielung reproduzierbarer Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Auch die unterschiedlich angegebenen benötigten Fixationsstrecken im Isthmus des Femur lassen sich durch die schaftspezifischen Design- bzw. Implantationsunterschiede erklären. Die Konizität der Schäfte unterschiedlich. Die meisten Schäfte haben einen Konus von 2°, der Aesculap-Schaft Prevision (Aesculap, Tuttlingen, Deutschland) jedoch nur einen von 0,6° und der ZMR-Schaft (Zimmer, Winterthur, Schweiz) einen von 3,5°. Darüber hinaus werden einige Schäfte nach dem Auffräsen des Markraumes durch flexible Markraumfräser implantiert (z. B. MRP-Schaft, Peter Brehm, Weisendorf, Deutschland, Modular-PLUS-Schaft, Smith & Nephew, Marl, Deutschland; Abb.€14.54). Bei
14â•… Revisionsendoprothetik
473
Abb. 14.52↜ Schaftwechsel mit einem modularen, distal fixierenden kurvierten Schaft: Links: Revitan kurviert (Zimmer, Winterthur, Schweiz), Mitte: präoperatives Röntgenbild mit gelockertem zementierten Schaft nach bereits erfolgtem Schaftwechsel mit zementiertem Stiel. Rechts: Röntgenbild 1€Jahr postoperativ nach Schaftwechsel auf Revitan kurviert über transfemoralen Zugang
Abb. 14.53↜ Prinzip der Dreiflächenfixation bei endofemoral implantiertem zementfreien, kurvierten Revisionsschaft
Abb. 14.54↜ Modulare zementlose kurvierte Revisionsschäfte aus Titan. Links: MRP-Schaft (Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland), rechts: Modular Plus-Schaft. (Smith & Nephew, Marl, Deutschland)
C. Perka und M. Millrose
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Abb. 14.55↜ Verlauf eines Schaftwechsels bei einer 71-jährigen Patientin mit einem Paprosky-Typ-IV-Defekt des rechten Femur bei gelockerter Prothese mit defizitärem Isthmus nach einem Wechsel auf einen Revitan-Schaft kurviert mit additiver distaler Verriegelung
anderen wiederum wird das Fixationsbett durch Reibahlen (Revitan gerade, Zimmer, Winterthur, Schweiz) oder Raspeln (Revitan kurviert, Zimmer, Winterthur, Schweiz) konisch vorbereitet, so dass eine Konus-inKonus-Verklemmung erzielt wird (s.€Abb.€14.51 und 14.52). Gemeinsam ist allen distal fixierenden Schäften, dass ein suffizienter flächiger Knochenkontakt mit möglichst dicken Schäften erzielt werden muss und in einer unumgänglichen präoperativen Planung die Notwendigkeit von Korrekturosteotomien zur Erlangung dieses Ziels überprüft werden muss. Dünne Schäfte und ein unzureichendem Knochenkontakt mit resultierender 3-Punkte-Fixation sind Ursache des operativen Fehlschlags. Einige Schäfte erlauben eine zusätzlich distale Verriegelung, die nur dann notwendig und sinnvoll ist, wenn der Isthmus des Femur keine solide Fixation erlaubt (Fink et€al. 2009). Hierbei stellen distale Verriegelungsschrauben eine „salvage procedure“ zur additiven Stabilisierung bei Femura mit einer diaphysären Fixationsstrecke unter 3€ cm (etwas variierend nach dem Schaftdesign) dar. Sie verbessern vorüber-
gehend die Stabilität, um eine biologische Osteointegration zu erreichen (Abb.€14.55). Kommt es in dieser Zeit nicht zu einer unzureichenden Osteointegration, wird die Belastung der Interlocking-Screws zu stark und sie brechen. Bei bestimmten Schäften (die mehr dem Marknagel nachempfunden sind) wird die Verriegelung generell empfohlen (Prevision, Aesculap AG, Tuttlingen, Deutschland), da die geringe Konizität des Schafts von 0,6° eine reproduzierbare Verklemmung im Isthmus des Femur nur schwer erreichen lässt (Abb.€14.56).
14.4 Operationsvorbereitung C. Perka und M. Millrose
14.4.1 P räoperative Vorbereitung – Revisionsendoprothetik Insbesondere für die Revisionsendoprothetik gilt, dass die präoperative Planung und die Vorbereitung des
14â•… Revisionsendoprothetik
475
Risikofaktoren für die häufigsten Komplikationen wie Blutungen, eine Dekompensation des Herz-Kreislauf-Systems und Thrombosen auszuschließen bzw. zu minimieren. Allgemeinstatus • Antikoagulanzien (Marcumar, ASS, Plavix u.€ a.) sollten präoperativ, wenn möglich, immer abgesetzt werden. ►⌺ Im Einzelfall ist die Operation unter ASS€(z.€B. nach multiplen Stents) trotz eines höheren Blutungsrisikos mit einem geringeren Gesamtrisiko für den Patienten verbunden. Die interdisziplinäre Vorbereitung ist daher unbedingt notwendig.
Abb. 14.56↜ Modularer zementloser gerader Revisionsschaft Prevision (Aesculap AG, Tuttlingen, Deutschland) mit Angabe der Konizitäten in den verschiedenen Regionen des Schafts
Patienten essentiell für den Erfolg der Operation sind. Die Revisionsendoprothetik ist ein komplexer Eingriff, der die genauen Kenntnisse der Voroperation(en), der verwendeten Implantate und des vorherigen operativen Zugangs erfordert. Die zur Verfügung stehenden Implantate müssen trotz des Defekts, der nach Ausbau der Prothese meist größer ist als zuvor radiologisch (s.€14.2) bestimmt, stabil verankert werden können. ►⌺ Revisionsendoprothetik niemals ohne Plan€ B durchführen, d.€ h., ein Implantat für den sehr großen Defekt (Abstützschale mit Verankerung am Ilium und am Ischium) sowie ein zementfreier bzw. zementierter Langschaft müssen verfügbar sein. Ohne Beherrschung der „Salvage-Procedure“ sollte keine Revision vorgenommen werden.
Für die Operationsplanung sind zu beurteilen:
Präoperative Untersuchung des Patienten Der Allgemeinzustand des Patienten muss der meist großen Operation adäquat sein. Insbesondere sind
• Thrombosen und/oder Embolien in der Anamnese bedürfen der Optimierung der Antikoagulation. • Die kardiale Leistungsfähigkeit ist anamnestisch zu erfragen und klinisch zu objektivieren. Die EKG-Untersuchung ist ebenfalls Standard. Beim Vorliegen fraglicher Befunde sind weitere Untersuchungen wie Echokardiographie, die Bestimmung der kardialen Ejektionsfraktion, die Myokardszintigraphie oder sogar Herzkatheteruntersuchungen notwendig. • Entsprechend der Erfahrung des Operateurs und der Größe des Eingriffs ist die Zahl der bereitzustellenden Blutkonserven (im Standardfall 3 Erythrozytenkonzentrate) festzulegen. Ein Intensivstationsbett sollte beim möglichen Auftreten von Komplikationen verfügbar sein. Lokalbefund Eine Infektion der implantierten HüftTEP muss präoperativ immer ausgeschlossen werden (s.€Kap.€10.3, 10.11.3 und 14.5.3.3). Besteht aufgrund der Klinik, der Blutwerte oder des Röntgenbilds der Verdacht auf eine Infektion oder liegt eine frühzeitige Lockerung (<â•›5€ Jahre nach Primärimplantation) bzw. ein Infekt in der Anamnese vor, sollte auf jeden Fall präoperativ das Hüftgelenk punktiert und das Punktat für 10€ Tage mikrobiologisch kultiviert werden (Abb.€14.57).
Perioperative Medikation Antibiotika╇ Der Standard ist die perioperative Antibiotikaprophylaxe am Operationstag.
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C. Perka und M. Millrose
Abb. 14.57↜ Bild der Frühlockerung eines zementierten Schafts. Eine Infektion ist immer auszuschließen. Es existiert keine sichtbare sonstige Lockerungsursache (a). Die gelockerte Pfanne
zeigt einen ausgedehnten Knochendefekt, ein mechanisches Versagen (Schraubenbrüche) sowie eine Sklerose des Pfannenlagers (b). Eine Infektion ist hier weniger wahrscheinlich
►⌺ Eine „Single-shot“-Antibiotikaprophylaxe ist ausreichend!
Thromboembolieprophylaxe Diese ist entsprechend der neuen S€3-Leitlinie über eine Dauer von 35€Tagen durchzuführen. Neben der medikamentösen Prophylaxe werden zusätzliche physikalische Maßnahmen empfohlen. Eine Verlängerung ist im Einzelfall bis zur ausreichenden Mobilisation vorsehen. Verwendet werden in der Regel in Kontinentaleuropa niedermolekulare Heparine. Acetylsalicylsäure und Warfarin (Cumarinderivat), wie in den USA angewendet, werden in Deutschland als nicht adäquat bewertet. Aktuell scheint sich die orale Thromboembolieprophylaxe (z.€ B. Pradaxa [Dabigatran], Böhringer, Ingelheim, Deutschland) mit postoperativem Beginn sich durchzusetzen.
Ziel der Prophylaxe ist die Verhinderung der Adhäsion der Bakterien auf dem Implantat. Dies wird mit der präoperativen Dosis erreicht, nachfolgende Gaben haben keinen Effekt (Ausnahme: lange Operationsdauer). Diese wird im Regelfall unter Verwendung eines Breitspektrumcephalosporins (Cephalosporin der ersten [Cefazolin 2€g] oder der zweiten [Cefuroxim 1,5€ g] Generation bzw. bei Allergien mit Lincosamiden) durchgeführt (Trampuz und Zimmerli 2006). Die erste Dosis wird 30–60€ min vor dem Hautschnitt oder, wenn geplant, sofort nach der intraoperativen Probenentnahme gegeben (Weber 2006). Bei einer Operationsdauer über 4€Stunden sollte die Prophylaxe erneut gegeben werden. Eine Verlängerung der Antibiotikagabe ist nur intraoperativ bei positivem Keimnachweis indiziert (Gefrierschnitt, Keimnachweis im Grampräparat, Keimnachweis nach Anzucht). Handelt es sich also um eine nicht vermutete Infektion bei einem scheinbar aseptischen Prothesenwechsel, ist der Beginn der Antibiotikatherapie nach Erhalt der Befunde aus der Mikrobiologie noch sinnvoll möglich. Der Behandlungserfolg ist nicht reduziert! Eine Antibiotikagabe über den 10.€Tag der Operation hinaus ist nur nach Abstimmung mit dem Mikrobiologen und beim Vorliegen eines intraoperativ positiven Präparats sinnvoll, jedoch nicht im Regelfall.
Prophylaxe heterotoper Ossifikationen (HO) Auch wenn die Häufigkeit von HO in der Revision geringer ist und die potentiellen Nebenwirkungen der zur Prophylaxe verwendeten NSAR insbesondere bei älteren Patienten genauestens abgewogen werden müssen, ist auch heute noch eine entsprechende Prophylaxe (z.€B. Indometazin 3-mal 25€mg oder Bestrahlung 1-mal mit 7€Gy o.€a.) durchzuführen.
14.4.1.3 Röntgendiagnostik Die präoperative Diagnostik umfasst die Beckenübersichtsaufnahme und die seitliche Röntgenaufnahme des betroffenen Hüftgelenks (Abb.€14.58). Zusätzliche Schrägaufnahmen (Judet-Aufnahmen) bzw. ein Computertomogramm sind in Abhängigkeit der Defektsi-
14â•… Revisionsendoprothetik
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• • • • •
Abb. 14.58↜ Eine pathologische Beckenkippung, hier bei M.€Bechterew, verfälscht die a.p.-Aufnahme. Die pathologische Kippung ist bei der Planung zu berücksichtigen
tuation indiziert, jedoch kein Standard. Wichtig ist die korrekte Vergrößerung und Einstellung der Röntgenaufnahme für die Planung (Abb.€14.59).
14.4.1.4 Analyse 1. Zuerst ist der potentielle Versagensmechanismus des zuletzt eingebrachten Implantats zu bestimmen. Kernfrage ist, ob es sich tatsächlich um eine aseptische Lockerung handelt. ►⌺ Jede Lockerung innerhalb der ersten 5€Jahre ist verdächtig auf einen Infekt. Kaum eine Prothese wurde so „schlecht“ implantiert, dass sie eine so frühe Lockerung erklären würde.
2. Der Polyethylenabrieb ist zu bestimmen. Ein unverhältnismäßiger Abrieb zur Standzeit ist ein Hinweis auf ein biomechanisches Problem (Abb.€14.60). 3. Schmerzen im Hüftgelenk ohne Lockerungszeichen und ohne klare Verdachtsdiagnose erfordern eine ausführliche Differentialdiagnostik (Kap.€10.2) Die Operation ohne klare Diagnose führt in den seltensten Fällen zur adäquaten Therapie und Verbesserung des klinischen Befunds. 4. Das zu wechselnde Implantat muss genau bekannt sein. Erforderlich ist dazu im Regelfall der Operationsbericht der vorangegangenen Operation (Abb.€14.61). Wichtige Daten, die zum Zeitpunkt der Operation bekannt sein müssen:
Prothesentyp, Implantatgröße, Dimensionierung des Konus, Art der Gleitpaarung und Kopfgröße (Abb.€14.62), zuvor durchgeführte Osteotomien in Hüftgelenksnähe (abweichende Anatomie für die Verankerung eines Konus im Ilium oder eines Schafts, besonders bei Langschaftprothesen; Abb.€14.63) • Für die operative Planung ist das Vorhandensein der für die Verankerung wichtigen knöchernen „landmarks“ zu prüfen (vgl. Klassifikation nach Paprosky, Kap.€14.2). Zuerst ist der Zustand der knöchernen „Azetabulumwände“ bzw. der Pfeiler des Azetabulum (vorderer, hinterer, zentraler, kranialer und kaudaler Pfeiler) zu erheben (Abb.€14.64). Ergebnis muss sein, Klarheit zu haben, wo eine Verankerung oder Abstützung (primäres Azetabulum, Sitzbein, Tragzone des Ilium, äußeres Ilium usw.) möglich ist. Zu bestimmen ist danach die gewünschte Position der Implantatverankerung (Rotationszentrum) und die eventuelle Notwendigkeit von Knochenoder Ersatzmaterialen zur Defektfüllung.
14.4.1.5 Strategie 1. Ist der Wechsel nur des Polyethylen-Inlays geplant, muss zunächst die entsprechende PE-Komponente laut Operationsbericht bestellt werden. Es ist aber immer zu berücksichtigen, dass eventuell der Fixationsmechanismus beschädigt ist (Abb.€ 14.65). Für diese Fälle sollte eine High-Speed-Fräse zum Anfräsen der metallischen Schale vorhanden sein, um die Möglichkeit des Einzementierens eines Inlays in die Metallschale als Ausweg zu haben (vor allem bei älteren Patienten bzw. niedrigem Leistungsanspruch). Alternativ (vor allem bei jungen Patienten) ist die potentielle Notwendigkeit einer Pfannenentfernung immer mit einzukalkulieren und entsprechend aufzuklären. Die notwendigen Instrumente müssen verfügbar sein. 2. Bei einem geplanten Pfannenwechsel müssen für den vorhandenen Konus (alter Operationsbericht!) alle Kopfgrößen vorhanden sein. Ist bei der Voroperation bereits ein L- oder XL-Kopf verwendet worden, sollte ein modulares Kopfstecksystem mit der Verlängerungsmöglichkeit bis XXXXL verfügbar sein (Abb.€14.66). 3. Auswahl des operativen Zugangs: Wer seltener Revisionsoperationen der Hüfte durchführt, sollte seinen Standardzugang und die Standardlagerung
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Abb. 14.59↜ Die Beckenübersichtsaufnahme (a) ist zur Planung nicht verwertbar, da der distale Prothesenteil nicht abgebildet ist. Die Aufnahmen (b) und (c) sind zur Planung geeignet, wenngleich nicht optimal. Der Zementmantel ist unvollständig a.p. projiziert, seitlich sind aber die Ausdehnung und die exzentrische Schaftlage zu bestimmen. Die Aufnahme (d) stellt den Schaftverlauf axial korrekt dar
Abb. 14.60↜ Die zementfreie Pfanne links zeigt einen relevanten Abrieb des PE-Inlays. Der Kopf ist nach kraniomedial dezentriert
Abb. 14.61↜ Atypischer Konus links. Der Operationsbericht der Voroperation und der Kontakt zum Hersteller sind unbedingt notwendig
14â•… Revisionsendoprothetik
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Abb. 14.62↜ Implantatherstellerspezifische Gleitpaarung. Die hier sichtbare Pfanne der Firma ESKA mit rezidivierender Subluxation besitzt keine typische Keramikgleitpaarung sondern ein Inlay aus ESKACERAM
Abb. 14.63↜ Pathologische Anatomie des Femur nach Osteotomie. Die Planung ist erschwert, da die Landmarken schwerer zu identifizieren sind. Bereits die Anwendung der Planungsfolien zeigt jedoch, dass eine Korrekturosteotomie notwendig ist
der Primärendoprothetik verwenden, sofern nicht minimal-invasive Zugänge standardmäßig zur Anwendung kommen. Viele Operateure bevorzugen den Zugangsweg der Voroperation, um eine zusätzliche Muskelschädigung zu vermeiden. ►⌺ Der gewählte operative Zugang muss problemlos nach kranial und kaudal erweiterbar sein!
Die Erweiterung am Azetabulum muss mindestens die gute Implantierbarkeit eines Abstützrings ermöglichen, die Verlängerung nach distal einen transfemoralen Zugang zum Femur möglich machen. Zu bevorzugen sind daher der transgluteale Zugang in Rücken- oder Seitlage bzw. der hintere Zugang in Seitlage. Eingeschränkt empfohlen werden kann der anterolaterale Zugang (die
Abb. 14.64↜ Präoperative a.p.-Aufnahme einer gelockerten TEP. Die Pfanne zeigt einen Defekt der medialen Wand sowie des kranialen und ventralen Pfeilers. Die Hinterwand scheint erhalten zu sein, die kaudale Pfannensituation ist unklar (keine Sitzbeinosteolyse, aber auch keine klare Abgrenzung der Tränenfigur)
Erweiterung nach proximal ist hier limitiert). Bei intrapelviner Lage der Pfanne ist die Rückenlage zu empfehlen, da so (evtl. über einen separaten Zugang) die Pfanne sicher entfernt bzw. beim Eintritt einer Blutung schnell reagiert werden kann. 4. Ist die Entfernung festsitzender Implantate geplant, muss der operative Zugang so gewählt werden, dass dies möglich ist (Abb.€ 14.67). Im Femurbereich ist dazu die Länge der geplanten erweiterten Trochanterostetomie bzw. die Länge des transfemora-
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tallische Augmente sinnvoll. Die ausschließliche Defektfüllung mit Zement ist nicht mehr zeitgemäß.
14.4.2 Aufklärung Grundsätzlich ist die Verwendung standardisierter Aufklärungsbögen, wie sie von unterschiedlichen Firmen angeboten werden, sinnvoll. Diese Bögen allein sind aber unzureichend.
Abb. 14.65↜ Stark zerstörtes PE-Inlay. Der größeninadäquate Kopf hat sich in das PE-Inlay gerieben, der Fixationsmechanismus ist aber erhalten
len Zugangs (gemessen von der Trochanterspitze) festzulegen. Wenn notwendig, sind Spezialinstrumente für die Entfernung festsitzender Implantate vorzuhalten. 5. Beim Vorliegen alten Osteosynthesematerials oder von Verankerungsschrauben ist zusätzlich ein Extraktionsset für abgebrochene Schrauben notwendig. 6. Anhand der operativen Planungsskizze wird die wahrscheinlichste Option für die Revisionsoperation festgelegt. Es muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass beim Ausbau eine Schädigung von Knochensubstanz möglich ist. Ein „Rettungsanker“ (mindestens Stützring vom Typ der Burch-Schneider-Abstützschale) sollte für die Pfanne ebenso verfügbar sein, wie ein langer zementfreier und langer zementierter Schaft für das Femur. 7. Die intraoperative Komplikationsmöglichkeiten (Frakturgefahr, Blutung durch Zugangserweiterung, Vernarbung im Ischiadikusbereich, extraossäre Schraubenlage in Gefäßnähe usw.) müssen dem Operateur bewusst sein. Dabei ist festzulegen, welche Optionen beim Auftreten welcher Komplikation einzusetzen ist. 8. Für die Defektrekonstruktion müssen allogene Knochentransplantate zur Verfügung stehen (Abb.€ 14.68). Alternativ sind insbesondere für die lasttragende Zone (kranialer Pfannenbereich) me-
►⌺ Eine adäquate Aufklärung ist am besten dadurch zu belegen, dass handschriftliche Ergänzungen und ggf. Skizzen über alle besprochenen Probleme, insbesondere diejenigen Komplikationen, die bei dem Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit eintreten können, vorliegen!
Was ist aufzuklären? Der Patient ist über den Grund der Revisionsoperation ebenso wie über die Alternativen und die Folgen der Nichtdurchführung der Operation aufzuklären. Der Patient erwartet im Regelfall den gleichen Operationserfolg wie beim Primäreingriff. Es ist daher auf die mitunter limitierten Erfolgsaussichten hinzuweisen. Des Weiteren sind die unterschiedlichen Operationsstrategien (Implantatwahl, knöcherner Defektaufbau) und die daraus resultierenden potentiellen Komplikationsmöglichkeiten darzustellen. Ist der Wechsel nur einer Komponente geplant, sollte immer die Möglichkeit eines vollständigen Implantataustausches bzw. auch eines ersatzlosen Hüft-TEP-Ausbaus (z.€ B. bei präoperativ unbekanntem Infekt) aufgeklärt werden. Allgemeine Risiken jeder chirurgischen Intervention (Wundheilungsstörung, Muskelschädigung, Thrombose und Embolie einschließlich der geplanten Prophylaxe, Antibiotikagabe) müssen ebenso wie die spezifischen Risiken des Hüftendoprothesenwechsels dargelegt werden. Diese sind: • Verwendung von autologem Knochen oder allogenen Transplantaten (bei autologer Transplantation zusätzlich über die Entnahmestelle, Entnahmemorbidität und Infektionsgefährdung); • Der Blutverlust im Rahmen der Revisionsendoprothetik am Hüftgelenk beträgt durchschnittlich 1.000–2.000€ ml. Über eine präoperative Eigenblutspendemöglichkeit ist ebenso wie über die
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Abb. 14.66↜ Prinzip des Konusverlängerungssystems der Firma Merete mit geradem bzw. abgewinkeltem Aufsatz (a, b). Röntgenbild einer abgewinkelten Konusverlängerung zum Erreichen einer ausreichenden Stabilität (c)
Abb. 14.67↜ Bruch eines fest integrierten Prothesenschaftes (a, b). Für die Explantation und erneute Versorgung ist eine Osteotomie notwendig. Stabilisierung mit 4 Titanbändern (c, d)
Abb. 14.68↜ Lyophilisierte Femurkopfscheibe als strukturiertes Transplantat zum Abdecken von Knochendefekten am Pfannenboden (a), Femurkopf (b)
• • • • •
Fremdbluttransfusion bzw. die Verwendung eines Cell-Savers aufzuklären; Gefäßverletzungen, Luxationsrisiko, Nerven- und Plexusschäden, Implantatlockerung, Implantatbruch, Veränderung der Beinlänge,
• postoperative Entlastung und Benutzung von Unterarmgehstützen, • intra- und postoperatives Frakturrisiko, • Infektionsgefahr, vorbestehende Kontaminationen v.€a. beim Vorliegen nicht heilender Hautdefekte, • heterotope Ossifikationen,
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M. Wagner
Abb. 14.69↜ Meißelset zur Entfernung von Endoprothesen
• gegenüber der Primäroperation potentiell verringerte Standzeit, • Revisionsoperationen beim Eintreten von Komplikationen.
14.5 Operation 14.5.1 Revisionsinstrumentarium M. Wagner Für den Revisionseingriff werden Instrumente zur Entfernung der alten und zur Reimplantation der neuen Endoprothese benötigt. Die Reimplantation erfolgt in den meisten Fällen mit einem vom Prothesenhersteller zusammengestellten Instrumentarium. Für besondere Revisionstechniken, wie z.€ B. das „impaction grafting“ sind spezielle Instrumentarien erforderlich, die in den entsprechenden Kapiteln beschrieben werden. Die schonende Entfernung des alten Implantats stellt einen wichtigen Schritt (vielleicht sogar den wichtigsten) des Revisionseingriffs dar und wird vielfach technisch unterschätzt. Festsitzende und dislozierte Prothesen stellen eine Herausforderung dar. Ziel jedes Revisionseingriffs soll es sein, als Revisionsprothese möglichst kleine Implantate zu verwenden, daher ist ein zusätzlicher Knochenverlust durch intraoperative Frakturen oder nicht notwendige Osteotomien zu vermeiden. Bei der periprothetischen Infektion ist das gesamte Fremdmaterial vollständig zu entfernen, dazu ist ein entsprechender Zugang unerlässlich. Eine Viel-
zahl von Instrumenten steht dem Operateur zur Prothesenentfernung zur Verfügung, in den meisten Fällen kommt man mit wenigen Instrumenten aus, in deren richtiger Handhabung der Operateur aber große Routine haben sollte. Der Operateur muss bereits bei der präoperativen Planung bestimmen, ob spezielle Instrumente benötigt werden. Die Entfernung einer festsitzenden Prothese mit unzulänglichen Instrumenten verlängert die Operation und führt oft zu einer periprothetischen Fraktur. • Meißel: Ein Sortiment von gut geschliffenen Meißeln erleichtert das schonende Entfernen der zu revidierenden Implantate wesentlich (Abb.€14.69). Mit dem Meißel wird unter dosierten Hammerschlägen vorsichtig in die Grenzschichten zwischen Implantat, Knochenzement und Knochen eingegangen. Ein starkes Hebeln mit Meißel oder Raspatorium kann zur Fraktur des ohnehin geschädigten umgebenden Knochens führen. Das Ausmeißeln oder Ausbohren des Knochenzements sollte unter direkter Sicht erfolgen und erfordert eine gute Darstellung und Beleuchtung. Eine Stirnlampe ist hierbei eine gute Hilfe. Bei Bedarf kann die Markhöhle auch mit einem Endoskop dargestellt werden, was aber nur selten notwendig ist. Bei ausgedehnten Zementresten im Femur wird mit speziellen Meißeln (Abb.€14.70) der Zementköcher gespalten und dann portionsweise entfernt. Im mit der Jet-Lavage gesäuberten Azetabulum oder Femur lassen sich mühelos Knochenzementreste erkennen, die wegen einer möglichen bakteriellen Kontamination vollständig entfernt werden
14â•… Revisionsendoprothetik
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Abb. 14.70↜ Unterschiedliche Meißelformen zur Implantatentfernung aus der Femurmarkhöhle
Abb. 14.71↜ Bohrer mit schneidender und nichtschneidender Spitze. Die stumpfe Spitze vermeidet sicher die Penetration der Kortikalis
sollten. Mit schmalen, dünnen Meißeln lässt sich gut ohne Sprengwirkung in die Grenzschicht zwischen Implantat und Knochen eingehen. Flexible Meißel erfordern aber ein rigides Führungsinstrument, damit sie sich unter den Hammerschlägen nicht verbiegen. Meißel werden nach wenigen Anwendungen stumpf und müssen häufig nachgeschliffen werden. • Bohrer: Mit Bohrern in 1-mm-Abstufungen von 6 bis zu 15€ mm Durchmesser lassen sich intramedulläre Zementreste und Knochendeckel an Prothesenspitzen durchbohren. Bohrer mit nichtschneidender Spitze vermeiden die Perforation der Markhöhle beim Ausbohren von wandständigen Zementresten (Abb.€ 14.71). Die Perforation des Femur bei der Zemententfernung ist eine unan-
genehme Komplikation, sie gibt vielfach Anlass zu periprothetischen Frakturen und erfordert oft zusätzliche Osteosynthesen oder längere Implantate. Mit kanülierten Bohrern kann die Markhöhle über einen Führungsdraht aufgebohrt werden, ohne dass eine Femurperforation droht. Gelegentlich werden Hartmetallbohrer oder -fräser benötigt, um Löcher oder Gewinde zum Ansetzen von Ausschlaginstrumenten an festsitzenden Schaftprothesen zu bohren. • Ultraschall- oder pneumatische Zemententfernungssysteme: Die Entfernung festsitzender Zementköcher in der Markhöhle ist auch mit geeigneten und gut geschliffenen Meißeln technisch anspruchsvoll. Ultraschallzemententfernungssysteme ermöglichen durch ihre thermische Wirkungsweise eine selektive Verflüssigung des Knochenzementes, ohne den Knochen relevant zu schädigen. Bei unsachgemäßer Technik sind aber Hitzeschäden beschrieben. Die Entfernung großer Zementmengen ist jedoch mit dieser Technik sehr zeitaufwendig. Die Geräte und deren Anwendung sind darüber hinaus kostspielig, weshalb sich diese Techniken bisher nicht durchsetzen konnten (Abb.€14.72a). Eine andere Alternative ist die Zemententfernung mit einem pneumatischen System, unter endoskopischer Kontrolle wird der Knochenzement mit dem presslufthammerähnlichen Instrumentarium zerteilt. Beide Systeme sind fakultative
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M. Wagner
Abb. 14.72↜ Darstellung eines ultraschallgestützten (a) und eines pneumatischen Zemententfernungssystems (b)
•
•
•
•
Instrumentarien, die wie die korrekte Handhabung der Meißel, erhebliche Übung erfordern und die Zemententfernung nur teilweise erleichtern (Abb.€14.72b). Ausschlaginstrumente: Prothesenschäfte, die über kein Ausschlagloch oder Gewinde für ein Setzinstrument verfügen, können mit einem Ausschlaginstrument, das am Steckkonus befestigt wird, ausgetrieben werden. Besondere Schwierigkeiten bereiten festsitzende Femurkomponenten mit einem modularen Steckkonus, die keinen Angriffspunkt für ein Ausschlaginstrument bieten. Hierzu sollte der Hersteller kontaktiert werden, der im Regelfall ein breites Angebot bereit hält. Zementextraktionszangen: Lockere oder ausgemeißelte Zementreste, in der Markhöhle verbliebene Implantatteile und Granulationsgewebe lassen sich mit langstieligen Extraktionszangen aus der Markhöhle herausziehen. Je nach Bedarf sind sie in verschiedenen Längen verfügbar. Extraktionshaken: Langstielige scharfe Extraktionshaken in unterschiedlicher Größe erlauben endofemoral anhaftende Zementreste und Granulationsgewebe abzulösen. Mit diesen Instrumenten kann die Markhöhle auch auf Fissuren, Perforationen und Frakturen kontrolliert werden. Röntgenbildverstärker: Beim Prothesenausbau an der Pfanne ist eine Röntgenbildverstärkeruntersuchung nur selten angezeigt. Die Instabilität des Beckens lässt sich mit dem Auge leicht erkennen.
Anders verhält es sich am Femur. Beim Verdacht auf eine Perforation des Femur empfiehlt sich, die Markhöhle mit einem Zementextraktionshaken oder einer speziellen Sonde auszutasten und eine intraoperative Röntgenbildverstärkerkontrolle durchzuführen. In Einzelfällen kann das Aufbohren der Markhöhle unter Durchleuchtung angezeigt sein. Ebenso lässt sich die komplette Entfernung von Zementresten im Bildwandler überprüfen. Da Femurfissuren beim Prothesenausbau möglich sind, empfiehlt sich vor der Implantation des Revisionsschafts, besonders bei vorgeschädigtem Knochen, gelegentlich eine Röntgenkontrolle. Der Bildverstärker muss daher bei jedem Revisionseingriff verfügbar sein. • Spezialwerkzeuge: In Einzelfällen kann es notwendig werden, das Implantat in situ zu zerteilen. Hier stehen besondere Instrumente zur Verfügung. Das Zerteilen oder Anbohren von Implantaten ist immer mit einer großen Hitzeentwicklung verbunden, so dass auseichend gekühlt werden muss. Die Instrumente werden schnell stumpf und brechen auch leicht ab. Es entstehen häufig scharfe Metallspäne, die nicht in der Wunde verteilt werden sollen, daher sind diese Metallspäne besonders sorgfältig zu entfernen. Das Austamponieren der Wunde mit Bauchtüchern vor dem Zerteilen der Prothese erleichtert die spätere Reinigung der Weichteile erheblich.
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.73↜ Unterschiedlich gebogene Meißel zur Pfannenentfernung
14.5.1.1 H andhabung der Instrumente, Techniken der Implantatentfernung Jeder Revisionseingriff bedarf einer präzisen präoperativen Planung. In vielen Fällen lassen sich das Ausmaß der Lockerung und die Schwierigkeit der Implantatentfernung bereits vor dem Eingriff abschätzen. Intrapelvin verlagerte Prothesenpfannen oder Zementmassen erfordern u.€U. große Beckeneingriffe unter Zuhilfenahme anderer Fachdisziplinen. Weit distal fest verankerte Schäfte, abgebrochene Schäfte oder lange Zementzapfen werden von proximal meistens nicht ohne Schwierigkeiten zu entfernen sein. Ein Knochenfenster oder ein transfemoraler Zugang erleichtern dann die Implantatentfernung wesentlich. Vor dem Revisionseingriff ist die genaue Kenntnis der zu entfernenden Implantate zwingend erforderlich. Von jedem entfernten Implantat wird ein mikrobiologisches Präparat gefertigt, anhaftendes Gewebe wird in ein Nährmedium gegeben. Ein Abstrich mit einem Watteträger ist zum Keimnachweis auf Endoprothesen ungeeignet. Prothesenpfanne Die Entfernung der gelockerten Prothesenpfanne ist in den meisten Fällen einfach. Bei der Entfernung von Prothesenpfannen ist darauf zu achten, dass keine großen Hebelkräfte aufgebracht werden. Mit gebogenen Meißeln (Abb.€14.73) kann die Pfanne leicht umschnitten werden. Bei einer zementierten Pfanne empfiehlt es sich, zuerst in die Grenzschicht zwischen Polyethylen und Knochenzement einzudringen. Der Knochenzement wird im zweiten Schritt entfernt. Gerade im osteoporotischen
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Becken sind das Implantat und der Knochenzement häufig widerstandsfähiger als der Knochen. Ein brüskes Heraushebeln der Pfanne kann zu einer Fraktur des vorderen oder hinteren Pfannenrands oder gar zu einer Diskontinuität des Beckens führen. Zementreste sollten, soweit möglich, entfernt werden. Befinden sich Prothesenpfanne und/oder Knochenzement weit im kleinen Becken, ist mit einer Computertomographie und evtl. Angio-/Phlebographie Klarheit über die anatomischen Beziehungen zu schaffen. In diesen seltenen, aber schwierigen Situationen sollten die Patienten in Rückenlage operiert werden und die gefäßchirurgische Intervention vorbereitet sein. Insbesondere große Schraubpfannen und Zementmassen, die bis an die neurovaskulären Strukturen reichen, können Ursache erheblicher intraoperativer Probleme sein. Festsitzende Prothesenpfannen, die wegen einer Infektion, Beschädigung des Implantats oder Fehlpositionierung entfernt werden müssen, erfordern besondere Techniken. Bei einer festen zementierten Prothesenpfanne sollte das Implantat mit einem breiten Flachmeißel zerteilt werden, vorher sollte der Markierungsring vollständig entfernt sein. Anschließend kann die Pfanne portionsweise entfernt und der Zement geborgen werden. Die unzementierte festsitzende Prothesenpfanne erfordert die sorgfältige Trennung der Verbindung zwischen Prothesenpfanne und knöchernem Azetabulum. Bei der unvorsichtigen Entfernung droht leicht die großflächige Perforation des Pfannenbodens oder die Instabilität des Azetabulum. Mit speziellen, sphärisch gebogenen Meißeln kann eine Prothesenpfanne ohne wesentlichen Knochenverlust umschnitten und entfernt werden (Abb.€14.74). Lockere Schraubpfannen sind vielfach bindegewebig eingescheidet und nach kraniomedial gewandert. Obwohl die Pfannen locker sind, können sie vielfach nur schlecht entfernt werden. Das Herausdrehen mit den Originalinstrumenten vereinfacht die Explantation meistens wesentlich. Das Entfernen von Polyethylen-Inlays aus zementfreien Pfannen ist auch mit feinen Meißeln gelegentlich nur mit Mühe durchführbar. Mit einer über ein 4,5-mm-Bohrloch in das Polyethylen eingebrachten 6,5-mm-Osteosyntheseschraube (oder dem „Korkenzieher“), deren Spitze auf den metallischen Pfanngrund gerichtet ist, lässt sich jedes Polyethylen-Inlay ohne Hebelwirkung auf den Knochen leicht herausdrücken.
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M. Wagner
Abb. 14.74↜ Sphärischer Meißel zur Umschneidung der Prothesenpfanne. Der Meißel wird über die Kugel, die dem inneren Durchmesser des Polyethyleninlays entspricht, dicht um das Implantat geführt
Ein Keramik-Inlay lässt sich meistens durch einen festen Schlag mit einem runden Stößel auf den Metallrand der Prothesenpfanne, aus seiner konischen Verklemmung lösen. Keinesfalls sollte aber auf das Keramik-Inlay geschlagen werden. Das Zerteilen von Keramikpfannen führt zu vielen kleinen Keramiksplittern, die später einen Drei-Körper-Verschleiß in der neuen Artikulation verursachen können. Das Zerteilen dieser Pfannen sollte daher unbedingt vermieden werden. Werden Stützringe und Prothesenpfannen mit zusätzlicher Verschraubung entfernt, werden die Schrauben in den meisten Fällen vor der Entfernung der Pfanne herausgedreht. Ein Herausziehen der Pfanne mitsamt den verbliebenen Schrauben kann Knochen und Weichteile verletzen. Da unterschiedliche Schrauben in den letzten Jahrzehnten verwandt wurden, ist die genaue Kenntnis über den implantierten Schraubentyp erforderlich. Eine Schraubenentfernung ohne passenden Schraubendreher verlängert den operativen Eingriff. Bei der Revision von Stützringen finden sich vielfach abgebrochene Schrauben. Im Becken verbliebene Gewindereste werden in den meisten Fällen nicht entfernt, die meisten Schraubenreste sitzen fest im Becken und stören bei der Reimplantation einer neuen Pfanne nicht, die Entfernung der abgebrochenen Schrauben schwächt das Becken zusätzlich und verzögert die Operation. Die Suche nach Drahtresten und dislozierten Schraubenresten ist meistens ergebnislos und kann häufig unterbleiben. Prothesenschaft Bei der Entfernung des Prothesenschafts ist wie am Azetabulum darauf zu achten, dass keine zusätzlichen Knochendefekte entstehen. Eine sorgfältige und geduldige Operationstechnik mit passenden Meißeln erlaubt die Entfernung von festsitzen-
den Implantaten und Knochenzement unter Sicht und vermeidet die Weichteil- und Knochenschädigung. Eine gelockerte Femurkomponente lässt sich meistens einfach mit einem Stößel oder einem speziellen Extraktor ausschlagen. Um den Trochanter major nicht zu frakturieren, sollte die Prothesenschulter immer vor dem Ausschlagen des Schafts freigelegt werden. Entfernung des zementierten Prothesenschafts Im Idealfall befindet sich der komplette Zementköcher am ausgetriebenen Schaftimplantat oder kann mit einer Extraktionszange aus der Markhöhle geborgen werden. Die festsitzende zementierte Prothese kann vor allem bei einer polierten Oberfläche leicht ausgetrieben werden. Der fest anhaftende Zement muss dann aus der Markhöhle ausgemeißelt werden. Besonderes Augenmerk gilt den Polyethylenmarkraumstoppern, die meistens angebohrt und mit einem Gewindeschneider ausgetrieben werden müssen. Das „Versenken“ des Knochenzements in Richtung Kniegelenk sollte vermieden werden. Verbleibt bakteriell kontaminierter Zement im Femur, droht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Reinfektion. Ist eine periprothetische Infektion ausgeschlossen, kann mechanisch intakter, fest sitzender Zement in Einzelfällen belassen werden. Wird erneut ein zementiertes Implantat verwendet, lässt sich der neue Knochenzement gut auf den alten Zementresten verankern. Entfernung des unzementierten Prothesenschafts Gelockerte zementfreie Prothesen sind häufig von Narben und Granulationsgewebe umgeben. Dieses Granulationsgewebe muss vor allem im Bereich der Trochanteren vor der Prothesenextraktion entfernt werden. Nicht gelockerte unzementierte Prothesen müssen aus dem Knochen ausgemeißelt werden. Prothesen nach dem Geradschaftprinzip haben meistens eine relativ glatte Oberfläche und können mit langen
14â•… Revisionsendoprothetik
flexiblen Meißeln aus dem knöchernen Verbund gelöst werden. Schwieriger gestaltet sich die Entfernung von makrostrukturierten Implantaten und Prothesenschäften mit Sternprofil. Diese lassen sich, wenn sie langstreckig osseointegriert sind, nur schwer von proximal her freimeißeln. Ist eine endofemorale Entfernung von Implantaten und Knochenzement nicht möglich, ist über ein Knochenfenster oder einen transfemoralen Zugang der rasche Zugang zum Implantat möglich. Die Entfernung dieser Implantate verlangt neben Spezialinstrumenten, z.€ B. große Hohlfräsen, auch sehr viel Erfahrung vom Operateur. Die Entfernung eines gebrochenen Prothesenschafts ist meistens schwierig. Das distale Fragment ist sehr fest verankert, es lässt sich nur nach vorsichtigem Ausmeißeln entfernen. Je nach Material kann ein Gewinde in den Schaft gebohrt werden und ein spezielles Ausschlaginstrument eingeschraubt werden. In vielen Fällen sind aber Osteotomien oder ein transfemoraler Zugang notwendig.
14.5.2 Zugangswege zur Revision M. Wagner Grundsätzlich sind alle operativen Zugänge, die zur Primärimplantation geeignet sind, auch zur Revision einer Hüftendoprothese geeignet. Der gewählte Zugang muss dem Operateur eine gute Übersicht gewähren, er muss ggf. erweiterbar sein. Im Allgemeinen wird man den Zugang wählen, mit dem der Operateur am besten vertraut ist. Die Durchblutungssituation der Haut ist am Hüftgelenk im Vergleich zum Kniegelenk in den meisten Fällen nicht gefährdet, daher müssen alte Zugangswege nicht in dem Ausmaß wie am Knie berücksichtigt werden. Die Verwendung früherer Zugänge schont bisher unverletzte Weichteilstrukturen, sie bietet sich aber nur dann an, wenn dadurch keine intraoperativen Nachteile entstehen. Der Revisionseingriff erfordert eine besonders sorgfältige präoperative Planung, insbesondere in schwierigen anatomischen Situationen muss auch der Zugang unbedingt berücksichtigt werden. Eine Dislokation der Pfannenkomponente in das Becken kann es notwendig machen, die großen Gefäße darzustellen. In diesen Fällen ist die Rückenlage des Patienten in Laparatomiebereitschaft zwingend erfor-
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M. vastus lateralis M. gluteus medius M. piriformis M. gemellus superior M. obturator internus
Abb. 14.75↜ Darstellung einer rechten Hüftendoprothese über einen transglutealen Zugang in Rückenlage. Die Prothese ist luxiert, der M.€vastus lateralis, der M.€glutaeus medius und minimus sind nach distal bzw. proximal gespalten
derlich. Soll bei einer Beckendiskontinuität eine Osteosynthese des hinteren Pfeilers erfolgen, ist ein hinterer Zugang in Seitenlage obligatorisch. In seltenen, besonders problematischen Situationen muss der Patient eventuell umgelagert und ein zweiter Zugang verwendet werden. Vorhandene ektope Verknöcherungen müssen bei der Wahl des Zugangs ebenso berücksichtigt werden. Sollen dorsal des Hüftgelenks gelegene Ossifikationen entfernt werden, ist der transgluteale Zugang eher ungeeignet, es sollte ein hinterer Zugang gewählt werden.
14.5.2.1 Transglutealer Zugang Der transgluteale Zugang (Abb.€ 14.75) erlaubt die übersichtliche Darstellung des Azetabulum und des Femur. Der Patient liegt dabei stabil auf dem Rücken, die Orientierung ist auch bei nicht mehr vorhandenen Landmarken einfach. Der Zugang entspricht der Technik der Primärimplantation. Soll das proximale Femur zusätzlich dargestellt werden, wird der M.€vastus lateralis dorsal in der Nähe der Linea aspera abgelöst. Der Verbund zwischen den Abduktoren und dem M.€vastus lateralis darf nicht quer durchtrennt werden. In Außenrotation des Femur wird das Hüftgelenk eröffnet und die Endoprothese dargestellt. Nach Exzision von Narbengewebe und ektopen Verknöcherungen kann die Prothese entfernt werden. Dazu wird das Gelenk in Adduktion, Außenrotation und Extension des Hüftgelenks luxiert. Soll nur die Pfanne revidiert werden, erschwert vielfach die verbliebene Femurkomponente die Darstellung, mit einer weiteren Ablösung der
M. Wagner
488 M. iliacus M. vastus lateralis M. gluteus medius
M. vastus lateralis M. quadratus femoris
M. piriformis M. gemellus superior
a
M. gluteus medius M. gemellus inferior M. obturator internus M. iliacus
M. gluteus medius
M. vastus lateralis
b Abb. 14.76↜ (a) Darstellung einer rechten Hüftendoprothese über einen hinteren Zugang in Seitenlage, die kurzen Außenrotatoren sind durchtrennt, die Kapsel exzidiert. (b) In starker Außenrotation des Femur lässt sich beim hinteren Zugang gleichzeitig das Hüftgelenk von ventral revidieren, z.€ B. bei erheblichen ventralen ektopen Verknöcherungen
Außenrotatoren kann die Übersicht verbessert werden. Bei kontrakten Weichteilen kann der Einblick in die Femurmarkhöhle erschwert sein. Ein zu starkes Adduzieren und Außenrotieren des Femurs kann zur Fraktur des Trochanter major führen. Die Abduktoren dürfen nicht zu weit nach proximal gespalten werden, da sonst eine Verletzung des N.€glutaeus superior droht.
14.5.2.2 Hinterer Zugang Der hintere Zugang (Abb.€ 14.76) wird in Seitenlage des Patienten durchgeführt. Die exakte und stabile Lagerung ist eine Grundvoraussetzung, um eine Fehlpositionierung der Implantate zu vermeiden. Der Patient wird mit Stützen fixiert, die Hinterfläche des Kreuzbeins sollte tastbar sein, um intraoperativ die Positionierung des Beckens überprüfen zu können. Der Zugang entspricht der Technik der Primärimplantation. Nach Spalten der Fascia lata und Auseinanderdrängen der Fasern des M.€glutaeus maximus wird der
Abb. 14.77↜ Darstellung einer rechten Hüftendoprothese über einen transtrochantären Zugang. Der Trochanter major ist mit den anhaftenden Abduktoren nach proximal geschlagen
N.€ischiadicus palpiert. Bei starken Vernarbungen mit einer Verziehung des Nerven sollte dieser vorsichtig freigelegt werden. In Innenrotation des Hüftgelenks werden die Außenrotatoren abgelöst. Hüftgelenkkapsel und Außenrotatoren lassen sich bei einer Prothesenrevision meistens nicht voneinander trennen. Die Ablösung der Sehne des M.€glutaeus maximus ist nur selten notwendig. Das Hüftgelenk wird in Innenrotation und Beugung luxiert. Behindernde Narben und ektope Verknöcherungen werden vorher entfernt. Azetabulum und Femur lassen sich mit diesem Zugang übersichtlich darstellen. In Innenrotation kann die Markhöhle gut eingesehen werden. Knochenzement und Granulationsgewebe können unter Sicht entfernt werden. Soll nur die Pfannenkomponente revidiert werden, muss das Femur mit der Schaftprothese nach ventral verlagert werden; hierzu ist eine zusätzliche sorgfältige Weichteilablösung notwendig.
14.5.2.3 Z ugänge unter Verwendung von Osteotomien Transtrochantärer Zugang╇ Ein operationstechnisches Problem stellt gelegentlich der alleinige Pfannenwechsel dar, gerade beim Watson-Jones Zugang oder dem transglutealen Zugang behindert die Femurkomponente die Darstellung der Prothesenpfanne und des Azetabulum. Verschiedene Autoren empfehlen daher die temporäre Trochanterosteotomie (Abb.€14.77). Da beim Pfannenwechsel der Trochanter major häufig osteolytisch verändert ist, muss aber auf die schwierige Osteosynthese und die erhebliche Gefahr der postoperativen Dislokation des Trochanter major nach proximal hingewiesen werden. Der Trochanter major wird
14â•… Revisionsendoprothetik
489
Abb. 14.78↜ (a) Eröffnung eines rechten Femur in Seitenlage des Patienten zum transfemoralen Zugang. (b) der Knochendeckel mit den anhaftenden Weichteilen wird nach ventral geklappt, die gelockerte Prothese wird entnommen
mit dem Meißel oder der oszillierenden Säge schräg von distal nach proximal osteotomiert. Unterschiedliche Techniken wurden beschrieben. Der M.€ vastus lateralis wird an der Unterkante des Trochanter major quer durchtrennt. Nach der Osteotomie und vorsichtiger Weichteilablösung kann der Trochanter mit der Sehne des M.€glutaeus medius nach proximal geschlagen werden. Es resultiert eine sehr gute Übersicht. Der Verbund zwischen M.€vastus lateralis und M.€glutaeus medius kann erhalten bleiben, wenn der M.€vastus lateralis dorsal parallel zur Linea aspera abgelöst wird und die Säge oder der Meißel zwischen Femur und Muskulatur eingeführt wird; der osteotomierte Trochanter wird nach ventral verlagert. Die Übersicht ist dadurch etwas eingeschränkt, der Trochanter kann aber durch den erhaltenen Muskelverbund nicht nach kranial abgleiten. In Adduktion des Oberschenkels kann nun das Hüftgelenk übersichtlich dargestellt werden. Zur Osteosynthese kann je nach Knochenqualität entweder eine Zuggurtung oder Schraubenosteosynthese durchgeführt werden. Diese Osteosynthesen sind komplikationsträchtig, daher sollte die Indikation zu einem transtrochantären Zugang mit Zurückhaltung gestellt werden. Das Osteosynthesematerial kann zu einer chronischen Bursitis führen, so dass vielfach die spätere Metallentfernung indiziert ist. Transfemoraler Zugang Soll ein Revisionsschaft distal verankert werden, kann die Entfernung des Implantats, des Knochenzements und des Granulationsgewebes durch einen transfemoralen Zugang vereinfacht werden (Abb.€14.78). Besonders bei ausgedehnten Osteolysen, periprothetischen Frakturen oder festsitzenden makrostrukturierten Prothesen-
schäften empfiehlt sich dieser Zugang. Er ist in zahlreichen Modifikationen beschrieben. Das Femur wird über eine dorsolaterale oder anterolaterale Osteotomie geöffnet. Der osteotomierte Knochendeckel bleibt im Weichteilverbund und dadurch wird die Durchblutung erhalten. Vielfach sind eine rasche Heilung der Osteotomie und ein knöcherner Wiederaufbau der Osteolysen zu beobachten. Der transfemorale Zugang sollte möglichst kurz sein, die Weichteilstrukturen müssen erhalten bleiben, insbesondere der Verbund zwischen M.€vastus lateralis und M.€glutaeus medius sollte nicht durchtrennt werden. Der transfemorale Zugang sollte mit Zerklagen oder sehr festem Nahtmaterial wieder verschlossen werden. Da der Revisionsschaft distal des geschwächten Knochens fest verankert ist, kann der Patient das operierte Bein meistens rasch voll belasten. Ein transfemoraler Zugang sollte so kurz wie möglich sein, um nicht unnötig lange Revisionsschäfte zu implantieren. Die Länge der Osteotomie ist Teil der präoperativen Planung. Bei einer periprothetischen Femurfraktur bietet es sich oft an, die Fraktur in einen transfemoralen Zugang zu konvertieren. Knochenfenster Bei der Anlage von Knochenfenstern sollte darauf geachtet werden, dass diese nicht an der lateralen Seite des Femur, sondern an der mechanisch weniger beanspruchten Ventralseite angelegt werden (Abb.€14.79). Ein dorsal angelegtes Knochenfenster schwächt die Linea aspera, außerdem finden sich zahlreiche Blutgefäße, daher ist das dorsale Knochenfenster ebenfalls ungünstig. Die Ecken des Knochenfensters werden mit Bohrlöchern festgelegt, damit wird verhindert, dass Fissuren außerhalb des Fensters enstehen. Der Deckel wird dann mit einer kleinen
490
C. Perka
jedoch mit erheblichen Komplikationsmöglichkeiten vergesellschaftet, so dass bereits die präoperative Planung von hoher Bedeutung ist (Abb.€14.80). ►⌺ Es kann immer die Fixationsmöglichkeit des Inlays in der Pfanne geschädigt sein. Deshalb muss eine Alternative instrumentell und strategisch vorbereitet sein. Diese sind der komplette Wechsel der Pfanne (Instrumente!) oder die Zementierung eines PE-Inlays in die Metallschale (Anrauhung der Oberfläche durch High-Speed-Fräse)!
Abb. 14.79↜ Schemazeichnung der Zugänge unter Verwendung von Osteotomien. (a) Ansicht einer rechten Hüfte von vorne. (b) Ansicht von hinten. 1 Transtrochantärer Zugang, 2 transfemoraler Zugang, 3 Knochenfenster an der Femurvorderfläche
Säge oder Flachmeißeln keilförmig aus der Kortikalis gelöst, damit er sich später wieder fest einsetzen lässt. Ein Trapez mit nach distal ausgezogenem Spitze ist einem Rechteck vorzuziehen. Das neue Femurimplantat muss die Osteotomie je nach Technik um mindestens 3–5€cm überbrücken, andernfalls droht ein Ermüdungsbruch des Femur auf Höhe des Knochenfensters.
14.5.3 OP-Techniken 14.5.3.1 R evisionsoperation unter Erhalt der Pfanne und des Schafts C. Perka Diese sind im Regelfall zum Austausch der Gleitpartner (Kopf bzw. Inlay) und beim Vorliegen von Osteolysen indiziert: Revision der Gleitpaarung Bei der Revision der Gleitpaarung, d.€h. bei einem isolierten Kopf- bzw. Inlay-Wechsel, handelt es sich nur vermeintlich um einen einfachen Eingriff. Dieser ist
Häufigste Ursache für einen isolierten Inlay-Wechsel ist das Vorliegen eines erheblichen Abriebs im Bereich der Pfanne. Dieser wird präoperativ durch die Dezentrierung des Hüftkopfes im Röntgenbild diagnostiziert (Abb.€ 14.81). Bestimmt wird in der a.p.Aufnahme und seitlich der Pfannendurchmesser und der Mittelpunkt der Kopfkomponente. Eine Dezentrierung von mehr als 2€mm ist kontroll- und aufklärungsbedürftig und eine Revision unter Berücksichtigung des Allgemeinzustands ist zu erwägen. ►⌺ Der normale Abrieb von Standard-PE-Pfannen liegt bei 0,1€ mm/Jahr. Darüber hinaus gehende Abriebmengen deuten auf ein biomechanisches Problem (Steilstellung der Pfanne, Impingement usw.) hin.
Auch erhebliche Osteolysen im Bereich der Pfanne oder des proximalen Femur können hinweisend für das Vorliegen von abriebbedingten Veränderungen sein (Abb.€14.82). Durch die erhöhten Kräfte, die durch die nichtphysiologische Stellung der Implantate resultieren, kommt es zu einem erhöhten Abrieb. Die Abriebpartikel, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, führen zu einer periprothetischen Fremdkörperreaktion. Diese Granulationsgewebe bewirkt dann durch den vermehrten Anfall lytischer Enzyme die Entstehung der Osteolysen. ►⌺ Osteolysen der Pfanne sind weit überwiegend die Folge von „back-side wear“ (Abrieb zwischen dem Inlay und der Metallschale bei schlechter Verankerung des PE in der Metallschale) während Osteolysen des Schafts vor allem Folge des Abriebs der Gleitpaarung zwischen Kopf und Inlay sind.
Für den Wechsel des Polyethylen- bzw. KeramikInlays ist jedoch natürlicherweise die Luxation des Gelenks und somit eine ausgedehnte Liberierung um
14â•… Revisionsendoprothetik
491
Abb. 14.80↜ Geschädigter Fixationsmechanismus eines Inlays bei radiologisch präoperativ nicht sichtbarem Pfannenbruch
Abb. 14.81(a,b) ↜ Dezentrierung des Hüftkopfes infolge PE-Abrieb mit markanten proximalen Osteolysen des Femur
das Hüftgelenk notwendig. Die wesentliche postoperative Komplikationsmöglichkeit ist das Risiko einer eintretenden Luxation, da durch den Inlay-Wechsel naturgemäß keine Veränderung der Position der Pfannenkomponente vorgenommen werden kann. Eine bereits nach dem Ersteingriff zu steil stehende Pfanne, bei der es bei dem zum damaligen Zeitpunkt jüngeren Patienten nicht zu einer Luxation gekommen ist, kann jetzt zur Luxationsursache werden. Zudem ist die zusätzliche Traumatisierung beim Revisionseingriff zu berücksichtigen. Abzuwägen ist hier also der kleinere Eingriff (Inlay-Wechsel) mit möglicherweise verbleibender schlechter biomechanischer Situation
gegenüber dem größeren Eingriff (kompletter Pfannenwechsel), der alle Korrekturmöglichkeiten beinhaltet. Für beide Techniken sind selbstverständlich alle anderen Komplikationen wie Blutungen, Nervenschäden oder auch Frakturen im Bereich des großen Trochanter einzukalkulieren und darüber aufzuklären. Voraussetzung für die Durchführung der Revision ist die genaue Kenntnis des Operationsberichts der vorangegangenen Operation. Nur so können die Herstellerfirma, das spezifische Implantat sowie die Größe der Pfanne identifiziert werden. Eigene Erfahrungen zeigen jedoch, dass in etwa 10–15€% der Fälle die Implantatgröße falsch angegeben wird. Daher ist
492
C. Perka
Abb. 14.82↜ Osteolysen des Femur (a) und der Pfanne (b) infolge PE-Abriebs
vor einem solchen Eingriff unbedingt auch eine nochmalige Evaluation der Korrektheit der im Operationsbericht angegebenen Daten durch das Auflegen von Röntgenschablonen vorzunehmen. Bereitgehalten werden sollten auch grundsätzlich überhöhte Inlays, da eine nichtoptimale Pfannenposition auf diesem Wege, wenigstens teilweise, ausgeglichen werden kann (Abb.€14.83). Bei der Planung eines Inlay-Wechsels sollte immer eine vollständige Revision der Pfannenkomponente einkalkuliert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das gelieferte Inlay nicht passt oder aber sich mit der vorliegenden Pfannenposition keine Luxationssicherheit herstellen lässt. Zu beachten ist weiterhin die vorliegende Gleitpaarung. Hier sollen unter Berücksichtigung von Alter und Aktivität des Patienten, auch immer der Einsatz verschleißarmer neuer tribologischer Varianten (z.€B. Hart-/Hart-Paarung, ultrahochvernetztes Polyethylen) in Betracht gezogen werden. Ist das Originalimplantat nicht zu eruieren oder sind dazugehörige Inlays nicht mehr verfügbar, so muss in Abhängigkeit des Allgemeinzustands, des Aktivitätsgrads und des Alters des Patienten entschieden werden, ob der vollständige Wechsel der Pfannenkomponenten notwendig ist, oder aber in die vorhandene Metallpfanne ein Inlay einzementiert wird. Dieses Verfahren ist als „Salvage Procedure“ prinzipiell möglich, sofern dem Patienten ein Komplettwechsel der Pfannenkomponente nicht zugemutet werden kann. Die bisherigen Daten in der Literatur dazu sind gut.
►⌺ Ein kompletter Pfannenwechsel mit entsprechendem implantatspezifischen Inlay ist prinzipiell zu bevorzugen, sofern dies aufgrund der zu kalkulierenden Knochensubstanzverluste bei der Pfannenentfernung und der Gesamtmorbidität des Eingriffs gerechtfertigt werden kann.
Revision des Hüftkopfes Der häufigste Grund für die Revision des primär implantierten Hüftkopfes ist ein postoperativ aufgetretenes Luxationsereignis. Durch den Aufsatz eines längeren Kopfes ist dabei zweifellos die Spannung der hüftgelenksumgebenen Weichteile zu erhöhen. Eigene Erfahrungen zeigen jedoch, dass der Wechsel des Hüftkopfes in einer Vielzahl von Fällen durchgeführt wurde, ohne dass dies indiziert ist. Ein Wechsel des Hüftkopfes auf einen Kopf mit längerem Hals und somit die Herstellung einer größeren Weichteilspannung ist immer dann indiziert, wenn durch die zuvor durchgeführte operative Versorgung ein pathologisches Off-set resultierte (Abb.€14.84). Vor Stellung der Indikation zu einem Kopfwechsel ist daher die dreidimensionale Betrachtung des erfolgten endoprothetischen Ersatzes des Hüftgelenks unbedingt notwendig. Ein Kopfwechsel zur Vermeidung nochmaliger Luxationen kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Stellung der eingebrachten Prothesenkomponenten (Pfanne und Schaft) korrekt ist. Insbesondere vermieden werden sollte eine Überdehnung der hüftgelenksumgebenen Weichteile, da durch die dann entstehenden großen Hebelverhältnisse für die
14â•… Revisionsendoprothetik
a
PE Standard Inlay
493
PE Inlay für die hintere Wand
asymmetrisches 10 deg. PE Inlay
b Abb. 14.83↜ Unterschiedliche überhöhte Inlays (a) und asymmetrische Inlays (b)
Glutealmuskulatur, die ausreichende muskuläre Stabilisierung des Hüftgelenkes nicht mehr möglich ist. ►⌺ Ein Wechsel auf einen Prothesenkopf mit längerem Hals ist nur dann indiziert, wenn die vorliegende Pathologie durch dieses Verfahren dem Normalzustand angenähert wird. Ein Kopfwechsel, der zur Herstellung pathologischer anatomischer Verhältnisse führt, indem die Weichteile dadurch überdehnt werden, führt oftmals zu einer erheblichen Schmerzhaftigkeit, der Unfähigkeit des Patienten, das Hüftgelenk ausreichend zu stabilisieren und kann oft eine nochmalige Luxation meist nicht verhindern.
Abb. 14.84↜ Unvollständige Rekonstruktion des Off-set während der endoprothetischen Versorgung
Zu berücksichtigen ist bei der präoperativen Aufklärung bereits, dass durch den Kopfwechsel die Beinlänge beeinflusst wird. Ist die präoperative Beinlänge gleich, resultiert somit eine aufklärungspflichtige Beinverlängerung.
494
Abb. 14.85↜ Kopfsystem (MERETE, Berlin, Deutschland)
Bereits bei der präoperativen Planung ist die gewünschte Off-set-Verlängerung genau festzulegen. Es ist dabei festzulegen, ob mit den üblicherweise verfügbaren Kopfkomponenten (S, M, L, XL) eine ausreichende Stabilität erreicht werden kann oder aber, ob noch größere Halsverlängerungen (verfügbar bis XXXXL) angefordert werden müssen. In seltenen Fällen, insbesondere nach Revisionssituationen mit sekundär eingesunkenen Schäften, die sich dann wieder stabilisierten, hat sich in unseren Händen das Bioball-System der Fa. Merete (Merete, Berlin, Deutschland) bewährt. Dieses bietet zusätzlich die Möglichkeit über gewinkelte Adapter das Off-set in einem stärkeren Maße wiederherzustellen, ohne eine in gleichem Maße signifikante Beinverlängerung hinzunehmen (Abb.€14.85). Zu beachten ist weiterhin die Gleitpaarung. Der Einsatz eines Keramikkopfes ist nur dann möglich, wenn dieser bereits industriell hergestellt, über eine Metallhülse verfügt oder aber der bereits implantierte Konus des Schafts mit einer solchen speziellen Metallhülse geschützt wird. ►⌺ Aufgrund der speziellen inneren Struktur von Keramikhüftköpfen ist deren Aufsetzen prinzipiell nur einmal auf einen industriell vorgefertigten Schaft möglich. Wird ein solcher Hüftkopf wieder entfernt, muss die Konusoberfläche als geschädigt angesehen werden. Der nochmalige Einsatz eines Keramikkopfes auf einen solchen Konus ist verboten. Es besteht hier die relevante Gefahr von Kopfbrüchen.
Sollte also ein solcher Kopfwechsel durchgeführt werden, wäre der Wechsel entweder auf einen speziellen Keramikkopf mit Metallhülse oder aber im Regelfall auf einen Metallkopf notwendig.
C. Perka
Zu berücksichtigen ist auch, dass insbesondere bei älteren Systemen der Hüftkopf entweder gar nicht entfernbar oder aber durch die lange Standzeit mit der Prothese „kaltverschweißt“ ist. Eine solche Unmöglichkeit der Kopfentfernung sollte immer einkalkuliert werden. Es ist deshalb zu empfehlen, den Patienten auch immer präoperativ über die Notwendigkeit eines eventuellen Schaftwechsels aufzuklären. Ebenfalls zentrales Element der Planung ist die Größe der Pfannenkomponente. So sind nicht nur die herkömmlichen Kopfdurchmesser von 28€mm, 32€mm bzw. 36€ mm über die letzten Jahrzehnte implantiert worden, sondern eine Vielzahl von dazwischenliegenden Kopfdurchmessern. Aus diesem Grund ist auch bei einem alleinigen Kopfwechsel das Vorliegen des Operationsberichts der Erstoperation zu fordern. Sollte dieser nicht mehr erhältlich sein, kann daher letztendlich auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein vollständiger Wechsel der Pfannenkomponente notwendig ist, da die verfügbaren Kopfgrößen nicht zur implantierten Pfanne passen können. ►⌺ Der größtmögliche Kopfdurchmesser ist bei Revisionen anzustreben, da dieser die höchste Luxationssicherheit bietet. Ein größerer Kopfdurchmesser kann jedoch nicht eine falsche Komponentenstellung kompensieren, sondern im Wesentlichen nur die Weichteilspannung erhöhen (höhere „jumping distance“; Abb.€14.86). Da zu große Köpfe andere Risiken bergen (resultierendes dünnes PE-Inlay, höhere Anlaufmomente usw.) kann generell gesagt werden, dass „36€mm als Kopfgröße genug sind“.
Eine besondere Herausforderung stellt die Revision frakturierter Keramikköpfe dar (Abb.€14.87). Bei diesen Ereignissen handelt es sich um den „tribologischen Supergau“. Dabei ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die gebrochenen Keramikpartikel härter sind als alle anderen in Gelenknähe befindlichen Materialien. Grundsätzliche Zielstellung muss es daher sein, sämtliche Keramikpartikel mit Radikalität (vergleichbar der Tumorchirurgie) aus dem Gelenk zu entfernen (Abb.€14.88). Das operative Vorgehen entspricht dabei nahezu einer tumorchirurgischen Maßnahme, da die zum Teil mit dem Auge nicht sichtbaren Partikel sich tief in der synovialen Kapsel des Gelenks einlagern. Gelingt es nicht, alle Fragmente zu entfernen, so ist einzukalkulieren, dass Keramikpartikel in die neue Gleitpaarung kommen und diese sukzessiv zerstören.
14â•… Revisionsendoprothetik
495
Abb. 14.86↜ Darstellung der „Jumping-Distance“ in Abhängigkeit vom Kopfdurchmesser. Die „Sprunghöhe“ ist definiert als die Strecke, die der Kopf zurücklegen muss, um die Pfanne zu
verlassen. Diese Größe nimmt mit der Kopfgröße zu (a). Röntgenbilder nach Verwendung eines 32-mm-Kopfes und eines 36-mm-Kopfes (b, c)
Abb. 14.87↜ Frakturierter Keramikkopfes nach Explantation
Abb. 14.88↜ Inlaybruch mit Keramiksplittern
Prinzipiell besteht aus unserer Sicht die optimale Variante darin, beim Vorliegen eines Bruchs eines Keramikkopfes wiederum auf eine Keramik-Hart-/ Hart-Paarung zu wechseln. Nur Keramik ist wieder so hart wie die eventuell verbliebenen Keramikpartikel, so dass ein erhöhter Abrieb verhindert werden kann. Keramikpartikel sind mühelos in der Lage, in kürzester Zeit Metallköpfe „herunterzuschleifen“. Aus der Literatur und eigener Erkenntnis sind dabei Verläufe bis hin zum Nierenversagen, zur Kardiomyopathie, zur signifikanten Sehverschlechterung und Erblindung einhergehend mit den Begleiterscheinungen einer schweren Chrom-/Kobalt-Intoxikation bekannt. Entsprechend schlecht sind die bisher vorgelegten Daten nach Revisionen von frakturierten Keramikköpfen. Die gegenwärtig in der Literatur in der größten Studie vorgelegte Empfehlung der Implantation eines Metallkopfes mit einem Polyethylen-Inlay führte nach
5€Jahren zu einer Versagensrate von nahezu 50€% (Allain 2005). Die Revision des gebrochenen Keramikkopfes ist daher die Operation des erfahrensten Arztes der Klinik. Frakturen nach Implantation von Kappenprothesen nehmen durch die höhere Zahl von Primäreingriffen unter Verwendung eines Oberflächenersatzes ebenfalls zu. Hier muss unbedingt ein Kopf der Firma verwendet werden, der den Oberflächenersatz produziert hat. Die Köpfe unterscheiden sich tribologisch, d.€ h. in ihren metallurgischen Eigenschaften. Prinzipiell ist aber auch beim korrekten Einsatz der Implantate (Standardschaft mit passendem Metallkopf) ein erhöhter Abrieb zu kalkulieren (erneute „running in period“). ►⌺ Beim Oberflächenersatz sind Gleitpaarungen verschiedener Hersteller nicht kombinierbar! Der Operationsbericht der vorangegangenen Operation ist daher unverzichtbar!
C. Perka
496
b Defekt
a c
Abb. 14.90↜ Beckenübersichtsaufnahme mit „uncontained defect“ rechts. Der Defekt der medialen wand ist deutlich erkennbar
a + b + c<>50%>
Abb. 14.89↜ Eine Kontaktfläche von 50€ % ist nach heutigen Erkenntnissen zwischen einer Press-fit-Pfanne und dem autologen Wirtsknochen für ein stabiles Einwachsen notwendig
Die Rekonstruktionsmöglichkeiten werden von dem zur Verankerung verfügbaren Knochen bestimmt. Die Bestimmung der knöchernen Defektsituation ist daher präoperativ in der Planung obligat. Bestimmt werden das Vorhandensein von Knochen in den unterschiedlichen Lokalisationen (kranial, ventral, kaudal, dorsal und zentral), das Vorliegen einer Beckendiskontinuität und die Qualität des Knochens.
14.5.3.2 Revision der Pfannenkomponente C. Perka Die Ziele der Implantation einer Prothesenkomponente bei der Hüftrevisionsoperation sind klar definiert. Diese sind: 1. Erreichen einer primären Stabilität, d.€ h. einer sicheren Fixation, die die sekundäre Integration des Implantats bei zementfreien Versorgungen ermöglicht; 2. besonders bei zementfreien Versorgungen ein ausreichender Kontakt zum Wirtsknochen. Dieser sollte bei zementfreien Implantaten im Pfannenbereich wenigstens 50€ % betragen, bei der Schaftkomponente ist ein flächiger Kontakt über 3€cm in der Diaphyse anzustreben (Abb.€14.89). Alternativ kann im Schaft eine jedoch weniger stabile 3-Flächen-Verankerung ausreichen; 3. mit der endoprothetischen Versorgung ist das Rotationszentrum zu rekonstruieren, da nur so eine adäquate Biomechanik mit normaler Funktion der Abduktoren bei zugleich möglichem Ausgleich der Beinlänge geschaffen wird.
►⌺ Es muss ausreichend vitaler Knochen vorhanden sein, der eine knöcherne Integration ermöglicht.
Entscheidend für die Implantatwahl an der Pfanne ist die Frage, ob es sich um einen umschlossenen Defekt handelt (sog. „contained defect“) oder ob segmentale Defekte eines oder mehrerer Wandteile bzw. von Pfeilern (sog. „uncontained defect“) vorliegen (Abb.€14.90). Ein umschlossener Defekt stellt für die Versorgung in den seltensten Fällen ein Problem dar. Daher ist zunächst immer die Frage zu klären, ob eine operative Technik verfügbar ist, um aus einem „uncontained defect“ einen „contained defect“ zu machen. Folgende Möglichkeiten stehen dafür zur Verfügung: • Einsatz von Netzen und Verwendung von Allografts als Chips, Croutons oder Ähnlichem, • Verwendung von strukturierten Allografts, • Einsatz von modularen Wedges (z.€B. Tantalwedges des TMT-Systems). Pfannenpräparation Vor der Implantation der Revisionskomponente sind grundsätzlich das gesamte
14â•… Revisionsendoprothetik
497
A. iliaca communis A. iliaca interna A. glutea sup. A. iliaca externa A. obturatoria
A. femoralis
Abb. 14.91↜ Foto einer explantierten Pfanne. Der Zement muss restlos aus dem Situs entfernt werden. Die Pfannenoberfläche ist zu inspizieren. Hier wurde eine eigentlich zementfreie Pfanne zementiert implantiert, was den Versagensmechanismus darstellt
außerordentlich aggressive Granulationsgewebe und die evtl. vorhandenen Zementreste zu entfernen (Abb.€ 14.91). Schraubenreste sind in Abhängigkeit und unter Berücksichtigung ihrer Lage und dem damit verbundenen potentiellen Ausmaß an Knochenzerstörung selektiv zu entfernen. Bei septischen Zuständen ist die Entfernung des gesamten Fremdmaterials unbedingt notwendig. Ausnahmen von der vollständigen Entfernung von Granulationsgewebe und Fremdkörpermaterial sind tief im Knochen befindliche abgebrochene Schrauben. Diese dürfen belassen werden, da sie nur durch eine ausgedehnte Zerstörung des Wirtsknochens zu bergen sind. Ebenso ist bei ausgedehnten Defekten oder bei komplettem Fehlen der medialen Wand das Belassen von Granulationsgewebe erlaubt, da das Risiko von Blutungen aus dem am Pfannenboden befindlichem und oftmals gestautem Venengeflecht erheblich sind. Zu berücksichtigen ist auch die am Pfannenboden kaudal verlaufende A.€ obturatoria, deren Verletzung zu schweren Blutungen bis hin zum Tod führen kann (Abb.€14.92). ►⌺ Das Fräsen findet bei der Revisionsoperation de facto nicht statt! Es wird in fast allen Fällen nur angefrischt!
Mit den Fräsen ist der sklerotische Knochen anzufrischen, die Frästiefe sollte mit Ausnahme primär
Abb. 14.92↜ Darstellung des Gefäßverlaufs in Hüftgelenksnähe auf der Beckeninnenseite. Beim Fräsen ist kaudal an der medialen Azetabulumwand verlaufende A.€obturatoria gefährdet
lateralisierter Pfannen jedoch nicht mehr als 1 bis maximal 2€mm betragen. Darüber hinaus vorhandene Sklerosierungen sind durch Bohrungen mit dem 2bzw. 3,2-mm-Bohrer zu eröffnen. Weicher Knochen sollte mit der rückwärtseingestellten Fräse verdichtet werden, wenn eine zementfreie Verankerung geplant ist. Zementierte Pfannen OP-Technik zementierte Pfanne╇ Die zementierte Pfannenverankerung ist eine haltbare, reproduzierbare und kosteneffektive Operationstechnik. Die Vorteile zementierter Verankerung sind die sofortige Belastbarkeit und die Möglichkeit, Defekte zu füllen, sofern das Implantat nicht optimal an den Knochen adaptiert ist. Die Zugabe von Antibiotika ist möglich, was sich besonders bei einzeitigen Wechseln oder Revisionen nach Infekten anbietet. Insbesondere wenn der Knochen für eine Press-fit-Technik nicht stabil genug erscheint, was im Revisionsfall oftmals gegeben ist, bietet die zementierte Verankerung Vorteile. Die Nachteile der zementierten Verankerung sind: • höhere Lockerungsraten am Azetabulum (in den meisten Studien), • das Auftreten von Embolien, • Toxizität des Zements (Myokard), • Zementaustritt in die Weichteile. Für das grundsätzliche Verständnis der Wirkungsweise von Zement gilt: „Zement ist kein Klebstoff“. Zement kann nur funktionieren, wenn dieser sich im
C. Perka
498 M. iliopsoas
Hohmann-Hebel hinter dem Lig. transversum
Lig. transversum acetabuli Femurretraktor
Abb. 14.93↜ Lockerung der Pfanne rechts nach Rekonstruktion des Pfannenbodens mit einem Metallnetz. Das Netz kann nur die Voraussetzungen für die Spongiosaplastik schaffen, die mechanische Unterstützung der Pfannenstabilisierung ist vernachlässigbar
spongiösen Knochen verzahnt. Eine glatte Oberfläche erlaubt keine Fixation mit Knochenzement, eine ausreichende Spongiosa ist unabdingbar. Für die stabile zementierte Verankerung sind zwei Operationsschritte wesentlich: 1. die Präparation des spongiösen Knochens des Azetabulum, 2. das Einbringen der zementierten Pfanne. Für eine langfristige Stabilität ist das Einbringen des Zements unter Druck notwendig. Voraussetzung dafür ist eine möglichst vollständige zirkumferente Knochenumgebung. Ist eine solche nicht vorhanden („uncontained defect“), ist bei einer geplanten zementierten Verankerung zunächst diese Situation in einen geschlossenen Defekt („contained defect“) zu überführen. Dazu erfolgt nach der Präparation des Azetabulum die Rekonstruktion segmentaler Defekte durch die Verwendung allogenen Knochens oder von Implantaten. Verwendet werden hierzu meistens Metallnetze (Abb.€ 14.93). Alternativ sind auch Implantate aus Metall (z.€B. Tantal-Platzhalter) verfügbar. Danach erfolgt die Defektfüllung der kavitären Defekte mit allogenen Knochentransplantaten. Die Defekte sind vor der Implantation unbedingt adäquat zu reinigen (Jet-Lavage), um das gesamte darin befindliche Fett und lose Gewebsmaterial zu entfernen. Die Implantationsposition wird am verbliebenen Wirtsknochen bestimmt. Das quer verlaufende Bd.€ (Lig.€ transversum) ist die am häufigsten und besten erhaltene Landmarke. Das Einsetzen eines
Abb. 14.94↜ Intraoperativer Situs mit kaudal des Ligamentum transversum eingesetztem Haken. Das Ligamentum ist auch bei der Revision meist erhalten und dient zur Orientierung
Abb. 14.95↜ Mit dem Luer präparierte Knochenchips zwischen 0,7–1,0€cm zur Defektfüllung
Retraktors unter dem Band ist für die Bestimmung der korrekten Implantationshöhe daher ideal (Abb.€14.94). Nach Einsetzen eines Probeimplantats können dann zunächst die Knochendefekte bestimmt werden. Die Chips sind möglichst mit dem Luer oder in vergleichbarer Größe zu präparieren, nahezu alle Knochenmühlen produzieren „Mehl“, das mechanisch nicht stabil genug ist. Die günstigste Chipgröße beträgt 0,7–1€cm (Abb.€14.95). Die mit Knochenmühlen zu erreichende Chipgröße liegt zwischen 2 und 6€mm. Dies ist zu klein. Nur wenn größere Knochenchips hergestellt werden können, ist die Verwendung einer Knochenmühle zu empfehlen. Die Verwendung unterschiedlicher Größen der spongiösen Chips ergibt die höchste Stabilität (vgl. Kap.€ 14.5.3.3). Das ein-
14â•… Revisionsendoprothetik
499 Bohrloch im Pfannendach
Lig. transversum acetabuli
Abb. 14.96↜ Ullmark-Impaktor
gebrachte Knochenmaterial ist soweit es geht zu verdichten („impaction grafting“), was voraussetzt, das entsprechende Begrenzungen (knöcherne Defektwände) vorhanden sind. Vor der Zementierung muss ein absolut stabiles Implantatlager erreicht werden. Die Verdichtung der Knochenchips erfolgt mit der rückwärtsdrehender Fräse oder noch besser mit Impaktoren. Der Impaktor sollte in der letzten verwendeten Größe etwa 2–4€mm größer sein, als der Pfannendurchmesser („oversizing“ des Impaktors; Abb.€14.96). Klinische Erfahrungen zeigen, dass die „Schicht“ der Spongiosachips durchschnittlich nicht dicker als 5€ mm (Ausnahme Pfannenbodenbereich) und im kraftübertragenden kranialen Bereich nicht dicker als 2–3€mm sein sollte, da ansonsten das Risiko für eine Migration bzw. Lockerung der Pfannenkomponete signifikant steigt. Ist ein ausgedehnterer Knochenaufbau notwendig, sollten zusätzliche Stabilisierungstechniken unter Protektion des eingebrachten Knochenmaterials (typischerweise Abstützringe) verwendet werden. Bei der Vorbereitung des Knochenlagers ohne relevanten Knochenaufbau (direkte Verankerung im Wirtsknochen) sollten eine Vielzahl kleiner, aber oberflächiger Bohrlöcher (Durchmesser 2€ mm) angelegt werden, um eine bessere Penetration des Zements zu ermöglichen (Abb.€14.97). In der Zementierphase wird dann zunächst der Zement in das Implantatbett eingebracht. Sinnvoll erscheint, wenn dies etwa 4–5€min nach dem Anrühren passiert, da dann der Zement bereits zähflüssiger ist und die Austrittswahrscheinlichkeit in das umgebende Gewebe reduziert wird. Entscheidend für die Zementierung ist der kraniale Anteil (Zone€1 nach DeLee und Charnley; Abb.€ 14.98). In diesem Bereich ist unbedingt ein tiefes Eintreten des Zements in den Knochen und eine optimale Zementierung zu gewährleisten („work hard“ in Zone€1). Nach Einbringen des Zements wird dieser mit einem feuchten Stieltupfer zunächst gleichmäßig im
kalibrierter Bohrer
Abb. 14.97↜ Prinzip der Verankerungslöcher bei zementierter Implantation Abb. 14.98↜ Darstellung der Zonen I–III nach De Lee und Charnley zur Bestimmung der Pfannenlockerung
II
I
III
Azetabulum verteilt. Anschließend wird die Pfanne horizontal mit der Kavität nach unten eingebracht und dann langsam in die gewünschte Position (45° Inklination, 20° Anteversion) gekippt und nachfolgend mit milden Schlägen korrekt positioniert. ►⌺ Feste Hammerschläge sind zu vermeiden, da sonst die Zementschicht zu dünn wird. Diese sollte mindestens 2€mm betragen.
C. Perka
500 Abb. 14.99↜ Prinzip der Press-fit-Verankerung. Diese erfolgt äquatornah!
a
R1
b
R2
R3
Das Aushärten des Zements muss unbedingt unter Druck passieren. Es ist zu berücksichtigen, dass sich der Zement während der Aushärtungsphase ausdehnt, der permanente Druck auf die Pfannenkomponente ist daher unabdingbar. Zementieren in der Revisionssituation ist zweifelsohne ein adäquates Verfahren. Voraussetzung ist das Vorhandensein von spongiösen Knochen bzw. die Rekonstruktion der Defekte mit allogenen Knochenchips. ►⌺ Moderne Zementiertechnik mit Hilfe der Jet-Lavage, Vakuumanmischen und das Aushärten des Zements unter Druck sind Voraussetzung für gute Ergebnisse.
Kontraindikationen für die zementierte Verankerung sind die Fälle, bei denen kein geschlossener Defekt herstellbar ist. Beckendiskontinuitäten können nicht mit einer zementierten Pfanne versorgt werden. Bei bestrahltem Knochen mit erhaltener Wand, aber im Regelfall mit ausgedehnten kavitären Defekten, ist die Defektauffüllung mit strukturierten Knochentransplantaten und einem zementierten Implantat nicht indiziert. Die Fehlschlagsraten sind inakzeptabel hoch. Hier ist die zusätzliche Stabilisierung mit einem Stützring notwendig (siehe Abstützpfannen). Press-fit-Pfannen Eine Press-fit-Pfanne sollte dann gewählt werden, wenn nach den oben genannten Präparierschritten eine mindestens 50€%ige Kontaktfläche des geplanten Implantats zum Knochen erreichbar ist (s.€ Abb.€ 14.89). Wichtig ist eine mindestens stabile Dreipunktverankerung am Ilium, am Ischium und am Pubis. Ein teilweises Fehlen des Pfannenrands zwischen diesen Punkten, d.€ h. also des vorderen bzw. des hinteren Rands, stellt im Regelfall kein Problem dar. Zu verhindern ist das zu starke Überstehen des Implantats über dem vorderen Pfannenrand, da dies
zum schmerzhaften Impingement mit der Sehne des M.€iliopsoas führen kann. Deshalb ist zunächst das Verhältnis des Durchmessers des Pfannendefekts in der Frontalebene zu dem in der Sagittalebene festzulegen. Bei einem deutlich größeren kraniokaudalen Durchmesser ist der Einsatz einer sphärischen Press-fit-Pfanne problematisch, da eine sphärische Pfanne nur zu verankern ist, wenn der Durchmesser in der a.p.-Richtung, dem kraniokaudalen Durchmesser angepasst wird (Prinzip der JumboPfanne). Die Folge ist ein zusätzlicher Knochenverlust. Hier sind andere Techniken besser, die zunächst den kraniokaudalen Durchmesser verkleinern oder die Pfanne dem längsovalen Defekt anpasssen. Dieses wären die Rekonstruktion des kranialen Defekts mit Allografts, der Einsatz eines ovalären Implantats oder die Verkleinerung des Defekts mit einem Wedge eines modularen Rekonstruktionssystems (siehe modulare Rekonstruktionssysteme). Die Press-fit-Verankerung erfolgt am Pfannenäquator, wo durch das Einschlagen die maximale Stabilität erreicht wird (nicht, wie oftmals vermutet, durch die Auflage auf dem Pfannenboden; Abb.€14.99). Das Einklemmen eines überdimensionierten Pfannenkörpers in einem unterdimensioniert gefrästen Lager wird durch die Formgebung der Prothese erreicht. Während für nahezu alle Implantate das „Underreaming“, d.€ h. die Differenz zwischen der Fräsgröße und der Pfannengröße in der Primärprothetik mit 2€mm angegeben wird, sollte diese in der Revisionsprothetik in Abhängigkeit von der Knochenqualität etwas größer sein. Weicher Knochen erfordert zweifellos eine größere Differenz zwischen der Fräsgröße und der Pfannengröße, d.€h. bis etwa 3–4€mm. Durch die Fixation im Äquator wird die axiale einwirkende Kraft senkrecht auf die äquatoriale Kontaktfläche weitergeleitet, d.€h. de facto in Teilkräfte zerlegt. Diese Übertragung kommt der physiologischen Situation am Hüftgelenk am nächsten.
14â•… Revisionsendoprothetik
►⌺ Wie viele Millimeter die Fräsgröße geringer als die Pfannengröße ist, ist implantatabhängig! Unbedingt die Herstellerempfehlungen beachten!
Kontrovers wird in der Literatur die Verwendung von Schrauben zur Stabilisierung von Press-fit-Pfannen diskutiert. In der Revisionsendoprothetik ist die erreichbare Primärstabilität oftmals reduziert. Schrauben können somit die Primärstabilität verbessern und die Rotationsstabilität gewährleisten. Daher werden in der Revisionsendoprothetik Press-fit-Pfannen oftmals durch 2 bis 4 Schrauben zusätzlich stabilisiert. Im angloamerikanischen Sprachraum werden Schrauben bei nahezu jeder Revision verwendet. Die Schraubenverankerung besitzt jedoch auch Nachteile. Durch die Schrauben wird die Pfanne aus der Press-fit-Verankerung „gezogen“. Eine Mikrobewegung der Pfanne während der Schraubenfixation tritt definitiv auf, weshalb vermehrt „radiolucent lines“ in einigen Arbeiten bei zusätzlicher Schraubenfixation beschrieben wurden. Zudem besteht das Risiko intraoperativer Gefäß- und Nervenverletzungen. ►⌺ Ein intraoperativer Druckabfall, kurze Zeit nach dem Setzen der Schrauben, ist immer ein Hinweis auf eine intrapelvine Gefäßverletzung und muss sofort abgeklärt werden (chirurgische Evaluation, CT oder mindestens Sonographie).
Mittelfristige Risiken von Schrauben sind das Entstehen von Fretting (Metallabrieb zwischen der Pfanne und der Schraube), die Korrosion und das Risiko eines Schraubenbruchs (Abb.€ 14.100). Ebenfalls beschrieben ist der direkte Kontakt des Schraubenkopfes zum Polyethylen-Inlay, wodurch ein verstärkter Abrieb indiziert wird. Zudem ist im Revisionsfall die Entfernung der Schrauben häufig außerordentlich aufwendig. Insbesondere gebrochene Schrauben können nur mit erheblicher Zerstörung des umgebenen Knochens geborgen werden bzw. bleiben im Knochen. Schrauben verursachen so zusätzliche Kosten und Operationszeit. ►⌺ Trotz der Nachteile einer Schraubenfixation sollten in jedem Fall, in dem der Operateur die erreichte Press-fit-Fixation nicht als absolut primärstabil ansieht, zusätzliche Schrauben gesetzt werden. Die primäre Stabilität des Implantats ist unabdingbar für den Erfolg der Operation.
501 Abb. 14.100↜ Röntgenbild einer gelockerten Press-fitPfanne mit gebrochenen Schrauben
Ovaläre und bilobäre Implantate Zur Implantation von längsovalen Revisionspfannen sind im Regelfall keine zusätzlichen speziellen Instrumente notwendig. Das Grundprinzip besteht in einem ausschließlichen Anfrischen des Knochens ohne Entfernung relevanter Knochenmengen. Ebenso wie bei der Implantation sphärischer Pfannen erfolgt zunächst die Verwendung einer Fräse, die 2€mm kleiner ist als der (kleinere) sagittale Durchmesser der geplanten Pfanne. Mit dieser Fräse wird zunächst unter Verwendung des Lig.€transversum als anatomischem Bezugspunkt die ursprüngliche Pfanne (im Regelfall der untere Defektbereich) vorsichtig angefräst. Eine Erweiterung nach ventral oder dorsal ist nicht notwendig und wird nicht angestrebt. Entfernt werden sollten Knochenvorsprünge im Lager bzw. im Pfanneneingangsbereich befindliche knöcherne Anbauten. Im nächsten Schritt wird durch das Hineinhalten einer Probekomponente der gleichen Größe der kranial verbleibende Defekt bestimmt (Abb.€14.101). Zu berücksichtigen ist dabei, dass der kraniale Defekt in anterior-posteriorer Richtung meistens kleiner ist als dies im originalen Hüftpfannenzentrum der Fall ist. Ursache dafür ist, dass die Lockerung der Prothesenkomponente zunächst über eine Aufweitung des umgebenden Knochens und erst anschließend über die nachfolgende Migration erfolgt. Aus diesem Grund
502
Abb. 14.101↜ Prinzip der Positionierung der Fräse in einem ovalären Defekt. Die Fräse wird in Höhe des originalen Azetabulum eingesetzt. Die Fräsgröße richtet sich nach dem Sagittaldurchmesser. Der kraniale Defekt wird bestimmt
ist für den kranialen Defekt zur Anfrischung manchmal die Verwendung einer kleineren Fräse indiziert. Das Anfräsen erfolgt durch Hin- und Herbewegen in kraniokaudaler Richtung. Auch hierbei sind niemals relevante Knochenmengen zu entfernen. Ziel ist ausschließlich das Anfrischen des Knochens und das Erreichen einer möglichst optimalen Passform zur ovalen Pfanne. Die ovale Pfanne sollte sich im Azetabulum verklemmen. Erreicht werden muss mindestens eine sichere 3-Punkt-Verankerung. Nur in den wenigsten Fällen wird ein optimaler Formschluss zwischen Pfanne und Implantat gegeben sein. Wir empfehlen daher eine Hydroxylapatitbeschichtung bei ovalären Pfannen (oder eine andere besonders raue Oberfläche). Besonders geeignet erscheint die Bofor-Pfanne (Smith & Nephew, Marl, Deutschland), die neben der HA-Beschichtung auch Rippen zur besseren Stabilisierung besitzt. Zudem kann durch das asymmetrische Inlay, das Rotationszentrum individuell angepasst werden. So ist im nächsten Schritt auch in Abhängigkeit vom Implantat zu entscheiden, ob der im Regelfall kleinere Defekt kranial weiter aufgefräst wird oder aber ob durch einen guten kranialen Formschluss und gleichzeitige stabile Fixation im kaudalen Pfannenbereich (Prinzip der erweiterten 3-Punkt-Fixation) bereits eine ausreichende Stabilität erreicht wird, eventuell auch wenn anterior und posterior der originalen Pfanne ein Knochendefekt verbleibt. Prinzipiell sind beide Möglichkeiten gegeben. Verbleibende
C. Perka
Abb. 14.102↜ Ovaläre Probepfanne. Die Form und Struktur der Probekomponente erlaubt die genaue Bestimmung der knöchernen Kontaktzonen
kleinere Knochendefekte um das Implantat können mit Knochen aufgefüllt oder so belassen werden. Bei Verwendung von Implantaten mit modernen Oberflächen (z.€B. Hydroxylapatitbeschichtung, raugestrahlte Titanoberflächen) ist ein Anwachsen des Knochens an die Oberfläche bei stabilem Sitz bei Defekten bis zu 2€mm in aller Regel gegeben. Für die Bestimmung der Implantatgröße sollten Probepfannen verwendet werden (Abb.€ 14.102). Die gewählte Implantatgröße liegt im Regelfall 2€ mm über dem longitudinalen Durchmesser des zuletzt eingepassten Probeimplantats. Klar sichtbare kavitäre Defekte, die nach Implantation der Pfanne nicht mehr erreicht werden, können im nächsten Schritt mit Spongiosachips verfüllt werden. Segmentale Defekte des Pfannenbodens werden mit einer dünnen Spongiosascheibe abgedeckt. Bei segmentalen Defekten anderer Pfannenbegrenzungen (anteriorer, posteriorer oder kaudaler Pfannenrand) sind aus unserer Sicht ovaläre Implantate nicht indiziert, da kein ausreichendes Press-fit zu erreichen ist. Beim Einbringen des Implantats sind zwei Techniken möglich. Zum einen kann die ovale Pfanne genau wie eine Press-fit-Pfanne bereits in der gewünschten Position vor den Pfanneneingang gelegt und dann mit einem Impaktor eingetrieben werden. Die zweite Möglichkeit besteht darin (insbesondere bei kranial sehr sklerotischem Knochen nach Pfannenmigration), die Pfanne zunächst vertikal zu positionieren und im kranialen Bereich optimal im Knochen einzusetzen. Die endgültige Pfannenposition wird dann durch das Einschlagen des kaudalen Teils
14â•… Revisionsendoprothetik
503
Abb. 14.103↜ Alternative Technik für das Einschlagen einer ovalen Pfanne. Diese wird zunächst kranial im stabileren Knochen eingesetzt und dann durch Schlagen auf den kaudalen Pfannenrand „in den Defekt hinein rotiert“
Abb. 14.105↜ Prinzip der Anpassung des Drehzentrums nach kranial/kaudal bzw. anterior/posterior durch ein asymmetrisches Inlay (Exzentrizität 2€ mm) bei einem ovalem Implantat. (hier BOFOR-Pfanne S&N, Marl, Deutschland)
In die fixierte Titanschale wird dann der entsprechende Polyethylen-Einsatz über einen Schnappmechanismus eingebracht. Je nach verwendetem Pfannensystem kann durch eine entsprechende Rotation des oft asymmetrischen Inlays die endgültige Position des Rotationszentrums bestimmt werden (Abb.€14.105).
Abb. 14.104↜ Korrekte Implantation einer längsovalen Pfanne mit kranialer Schraubenfixierung rechts
erreicht, indem die Pfanne de facto um den kranialen Pol rotiert wird (Abb.€ 14.103). Abschließend empfehlen wir immer die Stabilisierung mit Schrauben, da im Regelfall keine absolut stabile Press-fit-Verankerung mit entsprechendem Formschluss zu erreichen ist, sondern eine 3-Punkt-Verankerung resultiert (Abb.€ 14.104). Verwendet wird das übliche Schraubeninstrumentarium mit flexibler Welle. Wir empfehlen die Verwendung von mindestens zwei Schrauben im kranialen Bereich, jedoch keine Schrauben im Os pubis oder Os ilium. Von anderen Autoren werden jedoch Schrauben im Schambein und Sitzbein verwendet, die ebenfalls über gute Ergebnisse berichten.
Techniken für die Rekonstruktion mit Allografts Die Verwendung von strukturierten Allografts (das heißt also von großen Knochenteilen wie Hüftköpfen, distalen Femurtransplantaten u.€ a.) geht in der Revisionsendoprothetik zurück. Ursache dafür ist, dass Allografts nur in den Wirtsknochen integriert werden können, jedoch nicht durch diesen ersetzt. Das Ausmaß der möglichen Integration ist letztendlich nicht klar. Nach den Arbeiten von Hooten überschreitet es 2€mm nicht. Distale Femura bieten gegenüber Hüftköpfen eine bessere mechanische Stabilität. Hüftköpfe sollten bei ihrem Einsatz immer so implantiert werden, das die Trabekel wiederum physiologisch ausgerichtet werden, also nicht gegenüber der Normalposition verdreht sind. Frische Allografts sind potentiell gefrorenen Allografts überlegen. Grundsätzlich ist die Versagensrate strukturierter Allografts in der Literatur hoch. So wird nach 5–7€Jahren eine deutliche Zunahme der Lockerungsraten bei Verwendung von strukturierten Allografts beschrieben. Allgemein wird daher die Protektion eines strukturierten Allografts bei azetabulären Rekonstruktionen durch einen Stützring empfohlen.
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C. Perka
Abb. 14.106↜ Müller-Stützschale
Stützpfannen (Prinzipien: Müller-Stützschale, GanzSchale mit Haken, Burch-Schneider-Ring, unterschiedliche Rekonstruktionsringe). Das Prinzip aller Abstützschalen besteht in der Kraftübertragung auf den Knochen über eine möglichst große Fläche. Die Integration der Stützschalen, sofern sie überhaupt vorkommt, was bisher nur an einigen raugestrahlten Implantaten beobachtet worden ist, spielt nach heutigen Erkenntnissen für die Stabilität keine Rolle. Die Verankerung erfolgt im Wesentlichen über Laschen am (meist Os ilium, selten Os ischii, sehr selten Os pubis) oder im Beckenknochen (Os ischii) im Abstand zum eigentlichen Azetabulum. Die Größe und Zahl der Laschen wird durch die Größe des zu überbrückenden Defekts bestimmt. Die Müller-Stützschale wird heute bei Revisionen nur noch selten verwendet (Abb.€14.106). Sie erlaubt die flächige Kraftübertragung und die teilweise Rekonstruktion eines kranialen Defekts durch die zusätzliche Verwendung von Knochenchips. Kranial sollte kein oder nur ein kleiner Defekt vorhanden sein, da eine relevante Verlagerung des Drehzentrums nach kaudal nicht möglich ist. Die Kontaktfläche zum Knochen sollte ebenfalls etwa 50€% betragen. Die MüllerSchale wird mit 3 bis 4€ Schrauben, die nach kranial in Richtung der Hüftgelenksresultierenden ziehen, fixiert. Zwischen der Müller-Schale und dem Wirtsknochen verbleibende Knochendefekte werden vor oder nach der Implantation der Schale mit Knochenchips verfüllt. Anschließend wird in die Schale eine PE-Pfanne einzementiert. Die Stützschale nach Ganz mit Haken besitzt den wesentlichen Vorteil, dass die Rekonstruktion des Rotationszentrums sehr genau möglich ist. Dazu wird der Haken um die Tränenfigur, d.€h. um den unteren Pfannenrand gesetzt. Dieser Haken dient im Wesent-
Abb. 14.107↜ Disolzierte Ganzschale bei inkorrekter Indikationsstellung. Bei großem kraniokaudalen Defektdurchmesser erfolgt eine große Belastung des Hakens, der nicht zur Stabilisierung, sondern zur Positionierung dient
lichen somit als Positionierungshilfe und nicht zur Stabilisierung des Implantats. Werden die einwirkenden Kräfte zu groß, kommt es zur Dislokation bzw. zum Bruch des Hakens (Abb.€14.107). Der Burch-Schneider-Ring, als das primäre Implantat, das den heute mannigfaltigen Rekonstruktionsringen zugrunde liegt, wird in der Literatur für ausgedehnte Knochendefekte empfohlen. Wie bei allen Stützringen ist eine biologische Fixation (Einwachsen von Knochen in das Implantat) nicht möglich. Er funktioniert nach dem Prinzip der flächigen Abstützung auf den Reststrukturen des körpereigenen Knochens. Eine Migration des Ringes ist daher immer in Betracht zu ziehen. Es handelt sich somit de facto um ein zementfreies Revisionsimplantat. In dieses wird dann die Pfanne in der gewünschten Position einzementiert. Der intraoperativ eingebrachte Zement dient einerseits der Fixation der Pfanne im Ring, andererseits wird durch den durch die Löcher des Stützrings in den Azetabulumbereich tretenden Zement die umgebende Spongiosaplastik nochmals verdichtet. Wir empfehlen daher Rekonstruktionsringe mit zementierter Fixation der Pfanne. Die Migration von Stützringen korreliert mit dem Ausmaß der Defektgröße. Mehrere Arbeiten konnten zeigen, dass Defekte des hinteren Pfeilers und Defekte des oberen Pfannenrands mit einer deutlich erhöhten Migration und Lockerungsrate einhergehen. Defekte
14â•… Revisionsendoprothetik
505
Abb. 14.108↜ Burch-Schneider-Ring Abb. 14.110↜ Variante eines Stützringes: Reko-Ring
Abb. 14.109↜ Fehlimplantierter Burch-Schneider-Ring
und
sekundär
migrierter
des kranialen Pfeilers führen zu einer zu weit kranialen Positionierung des Rings (Abb.€ 14.109). Damit reduziert sich die zur Verfügung stehende kraniale Abstützfläche, die Schrauben müssen bei entsprechend geringer dimensioniertem Knochen sehr viel kürzer gewählt werden und die kaudale Lasche ist über eine kürzere Strecke im Sitzbein verankert. Zudem ist oftmals auch ein Defekt des hinteren Pfeilers zu beachten, da kranial durch die Migration der gelockerten Komponente, die zur superioren Defektsituation geführt hat, auch der hintere Rand defizitär ist. Bei Defekten des hinteren Pfeilers bzw. Pfannenrands ist eine Lockerung durch ein Herausdrehen des Rings nach dorsal einzukalkulieren. Hohe Lockerungsraten bei der Versorgung mit Stützringen von bis zu 63,5€% nach 6,7€Jahren traten immer dann auf, wenn große Pfannendefekte (Paprosky€IIIb) versorgt wurden und dabei der hintere oder obere Pfannenrand fehlten. Der primär von Burch und Schneider konzipierte Ring wurde inzwischen von vielen Firmen weiterentwickelt. Moderne Stützringe, wie der Reko-Ring (Smith & Nephew, Marl, Deutschland) besitzen eine
40
Abb. 14.111↜ Intraoperative Ausrichtung des Burch-SchneiderRings. Das Inlay wird in einer Antetorsion von 10–15° und einer Inklination von 40° implantiert
anatomisch adaptierte Form und die Möglichkeit, zur optimalen Positionierung kranial Wedges anzuschrauben sowie eine gut ins Sitzbein einzuschlagende Lasche (Abb.€14.110). Darüber hinaus sind von Seiten der Operationstechnik mehrere Faktoren zu definieren, die Voraussetzung für die erfolgreiche Implantation eines Stützrings sind: • Korrekte Orientierung des Rings: Der Stütz- bzw. Reko-Ring muss sich am Ilium und im Ischium abstützen. In der Rückenlage ergibt sich somit eine etwas schräge Position von kranial-ventral nach distal dorsal (Abb.€14.111).
C. Perka
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30
Körperlängsachse
Abb. 14.112↜ Eröffnung des Sitzbeins mit einem abgewinkelten Meißel
►⌺ Ein optimal positionierter Ring steht nicht in Richtung der Körperlängsachse!
In Richtung der Körperlängsachse liegt entweder die kraniale Lasche nicht dem Darmbein an oder die kaudale Lasche befindet sich ventral des Sitzbeins. Beide Positionen sind nicht akzeptabel. • Ein guter Stützring berücksichtigt, dass Ilium und Ischium in unterschiedlichen Ebenen liegen, d.€h., dass die Laschen etwa 15€ Grad zueinander rotiert sein müssen. Stützringe, die keine Torsion der Iliumlasche gegenüber der Sitzbeinlasche aufweisen, müssen geschränkt werden, was jedoch definitiv nachteilig ist. Mehrfaches Schränken führt zu einer signifikanten Reduktion der Stabilität bis hin zum Bruch der Laschen. • Die Sitzbeinlasche ist in das Sitzbein einzuschlagen, da so die höchste Stabilität zu erreichen ist. Zudem wird dadurch eine Schädigung des N.€ ischiadicus vermieden. Dazu wird mit einem 30€Grad abgewinkelten Meißel zunächst das Sitzbein mit vorsichtigen Schlägen bis ca. 5€ mm tief eröffnet und anschließend mit leicht rotierenden Bewegungen dann diese Öffnung schrittweise erweitert (Abb.€14.112). Ständige Kontrolle der intraossären Position mit einem stumpfen Instrument (z.€B. Raspatorium). ►⌺ Mit einem kleinen Rasparatorium kann man sich über die Lage des Sitzbein (extraossäre Begrenzung) orientieren und eine ausgedehntere Freipräparation vermeiden.
Abb. 14.113↜ Technik und Richtung des Einschlagens eines Burch-Schneider-Rings. Die kaudale Lasche sitzt im kaudal/ posterior befindlichen Sitzbein, so dass die kraniale Lasche ventral/kranial positioniert ist. Der Winkel zur Körperlängsachse beträgt ca. 30°
• Der Stützring muss vor allem dem hinteren Rand der Pfanne anliegen, um eine kurzfristige Positionsänderung zu vermeiden. Dies ist wichtiger als ein flächiges Anliegen der proximalen Iliumlasche. • Der Ring wird also, nachdem er in das Sitzbein eingeschlagen wurde, zunächst soweit wie möglich nach kaudal geschlagen, wobei der hintere Rand anliegen muss. Anschließend erfolgt das Schlagen nach kranial, bis der gesamte Ring sich stabil am Ilium abstützt (Abb.€14.113) • Das von einigen Autoren angegebene Schränken der distalen Lasche in einem Winkel von 90°, um den Ring sicher von lateral im Sitzbein zu verankern, ist prinzipiell möglich. Negative Literaturberichte liegen bisher nicht vor. Jedoch ist auszusagen, dass aufgrund der ständigen Deformierung des Beckens diese Verankerungsform der normalen Beckendeformierung entgegenwirkt und somit eine Lockerung der distalen Verankerung befürchtet werden muss. Zudem erscheint der N.€ ischiadicus mehr gefährdet, da eine ausgiebigere Freipräparation des Sitzbeins erfolgen muss (Abb.€14.114). • Nachdem der Ring genau eingepasst wurde, wird dieser zunächst wieder entnommen. Jetzt werden alle kavitären Defekte mit Knochenchips ausgefüllt und der Knochen immer wieder mit Impaktoren bzw. mindestens einer rückwärtsdrehenden Fräse verdichtet. Wie bei allen Rekonstruktionen im Hüft-
14â•… Revisionsendoprothetik
M. gluteus medius
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M. gemellus superior Trochanter major M. obturator internus M. gemellus inferior
Abb. 14.115↜ Sockelpfanne
M. vastus lateralis
M. quadratus femoris N. ischiadicus
Corpus ossis ischii
M. gemellus inferior M. obturator internus N. ischiadicus
M. gemellus superior M. piriformis
Abb. 14.114↜ Verlauf des N.€ischiadicus am hinteren Pfannenrand und in Bezug zum Sitzbein
bereich wird die höchste Stabilität mit Chips bzw. Croutons, die mit dem Luer gefertigt werden und einen Durchmesser von 3–6€ mm haben, erreicht. Die Verwendung von Knochenmühlen ist daher nur dann zu empfehlen, wenn die resultierenden Knochenfragmente groß genug sind. Die Verdichtung ist so durchzuführen, dass diese mit einem Durchmesser erfolgt, der etwa 3€ mm über dem Außendurchmesser des Stützrings liegt, um anschließend das Wiedereinpassen des Stützrings problemlos vornehmen zu können. Sockelpfanne Die Sockelpfanne ist ein bisher wenig verwendetes Implantat für die Rekonstruktion großer Knochensubstanzdefekte, stellt aber bei vielen Situationen einen optimalen Rückzugsweg dar (Abb.€14.115). Sie hat sich bei großen Substanzdefekten bewährt, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Diese sind:
1. Die verbliebene Reststruktur des Knochens ist ausreichend stabil, da die Verankerung zementfrei ohne relevanten Formschluss im posterioren Ilium erfolgt. Eine Osteoporose stellt ein Ausschlusskriterium für die Sockelpfanne dar. 2. Im Verankerungsbereich des Sockels ist eine ausreichende Sklerosierung notwendig, da die Abstützung am Übergang vom zylindrischen zum konischen Teil wesentlich für die primäre Stabilität des Sockels ist. Auch eine unzureichende kraniale Abstützung (ausgedehnter Defekt des kranioposterioren Ilium) ist ein Risikofaktor für die Migration und Lockerung. 3. Die Pfanne benötigt eine korrekte Implantationstechnik, da nur mit einer Neigung von 20° in der Frontalebene und 15° nach posterior gegenüber der Körperlängsachse die Verankerung des Sockels im Knochen und eine adäquate Kraftübertragung ohne das Auftreten von Scherkräften gegeben ist (Abb.€14.116). Eine Lateralisierung des Rotationszentrums ist unbedingt zu vermeiden. 4. Multiple Perforationen des Ilium, z.€ B. durch Schrauben von Stützringen, stellen ein Risikofaktor für die Stabilität der Sockelpfanne dar, da ein Ausbrechen der lateralen Iliumwand entlang der Schraubenlöcher möglich ist. 5. Verbliebenes Fremdmaterial ist ein Risikofaktor, da dieses das Instrumentarium aus der korrekten Position abdrängt und so die korrekte Position der Sockelpfanne nicht erreicht werden kann. Die Position ist daher entsprechend im Bildwandler zu kontrollieren (Abb.€14.117).
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20°
Abb. 14.116↜ Positionierung der Sockelpfanne. Die Präparation des Sockels erfolgt in einem Winkel von 15–20° zur Körperlängsachse nach dorsal und in einem Winkel von 20° zur Körpermitte
6. Die Sockelpfanne hat eine zementfreie Verankerung, devitalisierter oder bestrahlter Knochen stellt somit eine Kontraindikation für die Sockelpfanne dar. Zur Operationstechnik sind sowohl der hintere als auch vordere Zugänge zu verwenden. Wichtig ist die Verlängerung des Standardzugangs nach distal um etwa 5–7€cm, da das sehr steile Einbringen des Sockels ansonsten durch die Weichteile bedingt nicht möglich ist. Eine zweite Abweichung gegenüber dem Standard ist, dass bei Verwendung des Operationsinstrumentariums grundsätzlich die Orientierung an der Incisura ischiadica erfolgt, d.€ h. diese unbedingt freizupräparieren ist. Dies sollte unbedingt stumpf erfolgen und allenfalls direkt am Knochen scharf präpariert werden, da ansonsten die Hauptkomplikation dieses operativen Vorgehens die Verletzung der A.€glutea superior in der Incisura ischiadica eintreten kann (s.€Abb.€14.92). Nach Freipräparieren der Incisura ischiadica wird der Haken des Zielinstrumentariums in die Incisura ischiadica eingesetzt (Abb.€14.118). Mit dem Tangentialstab, der am äußeren Ilium entlang geführt wird,
erfolgt die Ausrichtung in der Frontalebene. Dabei gilt als Faustregel, dass im Regelfall der Sockel 10–20° steiler einzubringen ist als man dies nach dem erstmaligen Anhalten der Instrumente erwarten würde. Eine Röntgenkontrolle ist hilfreich. Noch wichtiger ist, dass die Präparation des Sockels nach hinten (in der Sagittalebene) um etwa 15–20° erfolgt, da die meisten bisher beobachteten Fehlpositionierungen dadurch gekennzeichnet waren, dass der Sockel das Ilium nach vorn verließ. Die Röntgenkontrolle in der zweiten Ebene ist zudem weitaus schwieriger als a.p. Ist der Zieldraht richtig positioniert, erfolgt danach das Bohren und Fräsen über denselben. Dabei ist ständig auf eine zirkumferente Knochenumgebung zu achten. Es existieren bisher keine Arbeiten, die belegen, das auch eine unvollständig zirkuläre Knochenumgebung zu entsprechender Stabilität führt, dennoch müssen durch den Operateur bei diesen ausgedehnten Defektsituationen möglicherweise Kompromisse gemacht werden, da die Alternative nur in einer Girdlestone-Situation besteht. Duokopfprothesen Duokopfprothesen stellen eine Möglichkeit der Revisionsendoprothetik dar, die am ehesten im Sinne einer Salvage-Möglichkeit einzuordnen ist. Das bei der Primäroperation von Duokopfprothesen vorhandene Risiko einer progredienten zentralen Protrusion besteht hier, infolge der verminderten Knochensubstanz, in noch erhöhtem Maße. Dennoch stellt es für alte Patienten eine Möglichkeit dar, die Operationszeit signifikant zu verkürzen und eine stabile Situation des Hüftgelenks herzustellen (Abb.€14.119). Das Grundprinzip besteht wiederum in einer Abstützung der äußeren Schale der Duokopfprothese auf einer möglichst großen Knochenfläche. Modulare Rekonstruktionssysteme Spezialprothesen╇ Für die Rekonstruktion ausgedehnter Substanzdefekte im Hüftgelenksbereich kommen Spezialprothesen zur Anwendung. Bezüglich der zu wählenden speziellen Operationstechniken des jeweiligen Implantats sei auf die jeweils verfügbaren OP-Anleitungen verwiesen, da eine detaillierte Beschreibung an dieser Stelle für alle Systeme nicht möglich ist.
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.117↜ Versorgung einer Beckendiskontinuität mit einer Sockelpfanne bei Zustand nach 4-maliger Revision. Verbliebene Schraubenreste stellen einen Risikofaktor für die Positionierung dar. Bei großen Knochendefekten ist oftmals eine Abweichung
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der Positionierung möglich. Die hier erfolgte „Arthrodese“ des ISG war aufgrund der noch vorhandenen Knochenstruktur unvermeidlich. Klinisch bestehen hier ein Jahr p.o. keine Beschwerden
Abb. 14.118↜ Positionierung des Hakens der Sockelpfanne in der Incisura ischiadica. Anatomische Nähe zur A.€glutea superior beachten. Tödliche Blutungen sind möglich
Sattelprothese Ist das Azetabulum nicht rekonstruierbar, kann die Sattelprothese Verwendung finden (Abb.€ 14.120). Bei der Sattelprothese ist ein metallischer Sattel in Polyethylen gelagert und rotiert um einen Zapfen auf einem Sockel. Entsprechend dem Ausmaß des Knochensubstanzverlusts stehen variable Längen des Sockels zur Verfügung. Der Sockel wird dabei anstelle des Hüftkopfes auf den Femurschaft gesetzt. Die Verbindung zwischen Sattel und Sockel wird durch eine stumpf endende Schraube, die durch ein Loch in der Basis des Sattels gedreht wird und in einer umlaufenden Nut im Zapfen des Sockels eingreift, verankert. Zusätzlich ist die stabile Verankerung des Sockels auf dem Konus notwendig. Dies erfolgt mit Hilfe eines Stiftes, der in eine im Konus extra angefertigte Vertiefung eingesetzt wird.
Der Sattel artikuliert dabei mit den Resten des Os ilium. Ein Horn des Sattels liegt im Becken, das andere außen unter dem M.€gluteus minimus (Abb.€14.121). Die häufigste implantatspezifische Komplikation ist die Luxation im Sattelgelenk. Unterschieden wird das akute Luxationsereignis von dem schrittweisen Auswandern des Sattels aus dem Artikulationsbereich mit dem Ilium (Abb.€14.122). Eine Revision ist in beiden Fällen außerordentlich schwierig. Bei der Revision der akuten Luxation ist neben der Optimierung des Weichteil-Balancings oft nur die Möglichkeit eines längeren Sockels gegeben. Besteht intraoperativ eine Luxationsneigung, ist die postoperative Anlage einer Gipshose für ca. 6€Wochen sinnvoll. Bei schrittweiser Migration mit nachfolgender Luxation fehlt dagegen meist das knöcherne Wiederlager im Ilium, so dass keine ausreichende Stabilität mehr vorhanden
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C. Perka
Abb. 14.121↜ Prinzip der knöchernen Abstützung einer Sattelprothese
Abb. 14.119↜ Versorgung mit einer Duokopfprothese
Abb. 14.122↜ Röntgenaufnahme einer nach kranial migrierten Sattelprothese rechts
ist und nur die Resektionssituation nach Prothesenausbau als Möglichkeit verbleibt. Insgesamt stellt die Indikation für eine Sattelprothese eine Rarität dar. Sofern möglich, sollte das knöcherne Defektazetabulum rekonstruiert werden, da bis auf einen geringen Prozentsatz nach Implantation der Sattelprothese überwiegend schlechte funktionelle Resultate die Folge sind, wenngleich die Lebensqualität bei guter Muskulatur besser ist als bei einer Girdlestone-Situation nach Prothesenausbau.
Abb. 14.120↜ Sattelprothese
Tumorprothesen (azetabuläre Komponente) Tumorprothesen werden in der Hüftrevisionsendo-
14â•… Revisionsendoprothetik
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Abb. 14.123↜ Custommade Prothese des linken Hüftgelenks
Abb. 14.124↜ Beckenteilersatz rechts mit Fixierung im Os sacrum
prothetik ebenfalls selten verwendet. Sofern diese verwendet werden, erfolgt der Einsatz nahezu immer nach individueller Planung („Custom-made-Implant“, Abb.€ 14.123). Entscheidend für den Erfolg ist die exakte präoperative Planung, insbesondere die Rekonstruktion des Drehzentrums und die Wiederherstellung der Beinlänge. Das Implantatdesign wird nach einem CT-Scan des Beckens hergestellt. Verwendung findet dabei das Verfahren der Stereolithographie, d.€h., dass 3D-Daten aus dem CT in ein Modell aus Epoxidharz umgewandelt werden, an dem dann die Planung und Anpassung der Tumorprothese dann möglich ist. Die Verankerung erfolgt prinzipiell überwiegend durch einen zentralen Zapfen im Ilium (vergleiche Prinzip der Sockelpfanne) und durch die zusätzliche Stabilisierung einer Lasche mit Schrauben am verbliebenen Iliumrest bzw. selten auch im Sakrum (Abb.€14.124). Anhand des verbliebenen Knochens werden die Größe und die Orientierung der Laschen bzw. des in das Ilium einzubringenden Stiels festgelegt. Der in früheren Zeiten geforderte „Schluss des Beckenrings“ hat sich als nicht notwendig erwiesen. Eine Stabilisierung des Tumorimplantats am Schambein oder auch Sitzbein ist daher nicht zwingend notwendig. Ist im Sitzbeinbereich jedoch Knochensubstanz vorhanden, die eine Verankerung zulässt, sollte diese zusätzliche Stabilisierungsmöglichkeit geprüft werden (z.€B. Einschlagen einer Lasche, seltener Verschraubung).
Die Operation beginnt, indem der zuvor als nicht stabil genug identifizierte Knochen entfernt wird. Die Prothesenimplantation erfolgt zunächst mit der Insertion der Iliumlasche an der Außenseite des Ilium. Diese sollte in Abduktion und leichter Beugung des Beins erfolgen, um die Abduktoren zu entspannen. Auf diese Weise wird ein Übermaß an Traktion auf den M.€gluteus medius mit dem Potential der Schädigung des N.€gluteus superior verhindert. Zur Positionierung der Sitzbeinlasche sollte das Knie flektiert und die Hüfte extendiert werden, um die hinteren Weichteile zu entspannen. Bei der Implantation ist der N.€ischiadicus unbedingt zu schützen. Die Ergebnisse sind aufgrund der Vielzahl der Designs kaum vergleichbar. Die zahlenmäßig größten Studien sind zum „Triflange-Cup“ publiziert. Dabei zeigen sich im kurz- bis mittelfristigen Verlauf Ergebnisse, die mit denen nach anderen Revisionsoperationen vergleichbar sind (Dennis 2003; Christie et€al. 2001). Femurrevision Revisionsoperation mit nichtzementierten Prothesenschäften╇ Die femorale Revision ist anspruchsvoll, zeitaufwendig und in ihrem Erfolg vom Vorhandensein von Spezialinstrumenten abhängig. Besonders herausfordernd ist die Entfernung des festsitzenden Zements und von fest integrierten zementfreien Prothesen, insbesondere wenn diese die Markhöhle komplett ausfüllen und über ihre gesamte Länge knöchernes Einwachsen ermöglichen (sog. „Fully-porouscoated“-Implantate). Die spätere Verankerung hängt wesentlich von der Qualität des Ausbaus ab, womit der Ausbau der eigentliche Schlüssel zum Erfolg ist.
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C. Perka
Im femoralen Bereich ist bei der geplanten Revision immer die Intaktheit der Metaphyse und der Diaphyse (hier insbesondere des Isthmus) zu bewerten. Grundsätzlich sollte die Verankerung der femoralen Revisionskomponente im proximalsten tragenden Teil des Femur erfolgen. ►⌺ Dicke, kurze Prothesenschäfte sind gegenüber langen dünnen Komponenten zu bevorzugen. Eine „Verlagerung der Probleme nach distal“ bei jeder Revision ist zu vermeiden.
Nach der Planung der Stabilität ist zusätzlich die Planung des Offsets notwendig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass a.p.-Bilder in Revisionsfällen häufig eine starke Fehlrotation des abgebildeten Femur aufweisen. Hierbei ist dann oftmals die Orientierung an der Gegenseite die bessere Option. In der Planungsskizze sollte die resultierende Verlängerung der Beinlänge dokumentiert werden, da dies auch von juristischer Relevanz ist. Sowohl zementierte als auch zementfreie Techniken sind bei der Schaftrevision erfolgreich, wobei der Einsatz der zementierten Technik bei der Schaftrevision aus unserer Sicht weitaus komplizierter ist und in nahezu allen Fällen Spongiosatransplantate erfordert. Daher ist es erklärlich, dass weltweit überwiegend zementfreie Revisionsimplantate verwendet werden. Zement braucht für die Verankerung spongiösen Knochen, der infolge der Lockerung der vorhergehenden Komponente meistens fehlt. Deshalb ist ein „impaction grafting“ zur Schaffung von zur Verankerung geeigneter Strukturen notwendig. Prinzipiell kann bei geplanter zementfreier Verankerung ein gerader oder ein kurvierter Schaft Verwendung finden (Abb.€14.125). Aus unserer Erfahrung ist bei Schaftlängen bis etwa 180€mm ein gerader Schaft zu bevorzugen. Nur mit einem geraden Schaft ist die Diaphyse so zu präparieren, dass ein Press-fit des Schaftkonus zu erreichen ist. Dabei muss auf einer Strecke von mindestens 3–5€cm (in Abhängigkeit der Dicke der Kortikalis) eine sichere Verankerung in beiden Ebenen erreicht werden. Dies ist aus unserer Sicht die sicherste und stabilste Verankerung. Bei kurvierten Schäften resultiert dagegen eine 3-Punkt-Verankerung. Kurvierte Schäfte sind daher aus unserer Sicht, insbesondere bei großen proximalen und in die Diaphyse reichenden Defektsituationen, indiziert, bei denen ein langstreckiges Press-fit mit
Abb. 14.125↜ Gerader (a) und kurvierter modularer Schaft (b)
ausreichender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Egal, für welches Implantat man sich entscheidet, sind grundsätzlich zwei Regeln zu beachten: • Die Stabilität des eingebrachten Implantats sollte mit dem üblicherweise verfügbaren T-Handgriff in Rotationsrichtung geprüft werden. Die Gefahr einer Fraktur des Femur bei dieser Prüfung ist gering, auf der anderen Seite wird jedoch eine objektive Einschätzung der erreichten Stabilität (Rotationsstabilität!) ermöglicht. • Der Knochen besitzt eine Eigenelastizität, so dass nach primär stabilem Einschlagen der Prothese, zunächst etwa 2€min gewartet werden sollte. Anschließend ist die Prothese nochmals zu impaktieren. Mit diesem Vorgehen ist im Regelfall ein Tiefertreten der Prothese um 2–4€mm zu erreichen. Sowohl bei der Präparation als auch bei der Implantation der Probeprothese und des Originalschafts sollte mit ausreichender Kraft bei einer gewünschten zementfreien Verankerung auf die Instrumente bzw. Implantate geschlagen werden. Besteht die Befürchtung das Femur zu sprengen, ist zunächst grundsätzlich eine Cerclage (selten zwei) um den
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.126↜ Schaftbruch nit der Notwendigkeit für transfemoralen Zugang. Distal des Zugangs ist eine protektive Cerclage zur Verhinderung einer Fraktur angebracht
intakten Teil des Femur zu legen. Im Regelfall sollte dies 1. soweit proximal als möglich und 2. in der Diaphyse proximal des Isthmus erfolgen (sog. „Angst-Cerclage“, Abb.€14.126). Ist weder eine langstreckige Verankerung („Pressfit“) noch eine 3-Punkt-Verankerung erreichbar (bei ausgedehnten Defekten), bevorzugen wir eine zementierte Versorgung mittels „impaction grafting“ bzw. zusätzlich die Verwendung von strukturierten Allografts („strut grafts“), mit deren Verwendung eine Perforation der ventralen Kortikalis vermieden wird. Zudem ist bei hochgradigen Defektsituationen des Femur neben den zementierten Techniken eine 3-Punkt-Verankerung oft die einzig erzielbare stabile Verankerung. Wie die Arbeiten von Bergmann zeigen, ist auch für das Revisionsimplantat die rotatorische Stabilität am wichtigsten. Dies kann unserer Erfahrung nach am besten mit rechteckigen oder sternförmigen Querschnitten erreicht werden, dagegen ist bei runden Querschnitten allenfalls mit einer makroporösen Oberfläche (die dann jedoch wieder die späteren Revisionsmöglichkeiten einschränkt) eine ausreichende Stabilität erzielbar. Neben der Schaftlänge ist die Planung der postoperativen Beinlänge von Bedeutung. Dabei ist einzuplanen, dass eine Verkürzung des Femur bei der Revisionssituation kaum möglich ist, eine Verlängerung des Femur im Regelfall bis zu 3€cm durchführbar, jedoch nur selten darüber hinaus möglich ist. Sind stärkere Verlängerungen geplant, wird dies nicht ohne Zusatzeingriff (Freilegung des N.€ischiadicus, ständige Spannungskontrolle des Nerven, ausgedehntes periartikuläres Release o.€Ä.) durchführbar sein.
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Revisionsoperation mit zementierten Prothesenschäften Für die Verwendung zementierter Schäfte in der Revisionsendoprothetik am Femur gilt genau wie am Azetabulum, dass für das Zementieren das Vorhandensein von Spongiosa zur Verzahnung unabdingbare Voraussetzung ist. Ebenso ist es notwendig, dass der Zement unter Druck eingebracht werden kann, um ein entsprechendes Einpressen in den Knochen zu ermöglichen. Entsprechende Defekte im Femur (z.€B. nach Durchbohren der Kortikalis im Rahmen der Zemententfernung, Defekte ausgewanderter Prothesen) müssen daher vor dem Zementiervorgang verschlossen werden, wenn eine zementierte Verankerung erfolgen soll. Für die Durchführung der Implantation eines zementierten Revisionsschafts sind im Regelfall mehrere Schritte notwendig: • Entfernung/Anfrischung der Neokortikalis; • Beurteilung bzw. Wiederherstellung spongiöser Flächen (bei der Revisionsoperation findet sich autologe Spongiosa im Regelfall im Bereich des Trochanter minor bzw. distal der alten Prothese). Ist der sonstige spongiöse Anteil nicht ausreichend, muss der Wiederaufbau durch die Technik des „impaction grafting“ erfolgen; • Verwendung moderner Zementiertechnik; • Langschaftimplantat. Die Indikation für eine zementierte Verankerung des Prothesenschafts ist dann gegeben, wenn es sich entweder um ältere Patienten handelt, wenn mit einer zementfreien Prothese kein ausreichendes Press-fit erreichbar ist, wenn der Leistungsanspruch insgesamt gering ist bzw. schlechte Voraussetzungen (bestrahltes Gewebe, osteopener Knochen) für eine biologische Fixation vorliegen. Die oben genannte moderne Zementiertechnik am Prothesenschaft umfasst mehrere Punkte: • Präparation/Jet-Lavage des Markraums, • Vakuumanmischen des Zements, • Verwendung eines distalen Markraumstoppers etwa 2€cm unterhalb der Prothesenspitze, • retrogrades Auffüllen des Femur mit einer Zementspritze, • Aushärten des Zements unter Druck. Die Länge des Prothesenschafts ist so zu wählen, dass eine ausreichende Verankerung im Wirtsknochen erfolgt. Zementierte Prothesen unter 20€ cm Länge werden daher bei der Revision nur sehr selten Verwendung finden.
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C. Perka
Abb. 14.127↜ Prinzip der Zement-in-Zement-Technik
Abb. 14.128↜ Intraoperativer Situs mit implantierter totaler Femurtotalprothese
Eine spezielle Indikation stellt das Zementieren in den Zementköcher der vorangegangenen Prothese dar. Diese „Zement-in-Zement“-Technik setzt voraus, dass ein absolut stabiler und korrekter, d.€h. prothesenumfassender Zementmantel vorhanden ist. Zudem muss selbstverständlich die Prothese in den Zementmantel passen, d.€h. im Regelfall wird eine kleinere Prothese Verwendung finden bzw. wird der alte Zementköcher aufgebohrt werden (Abb.€14.127). Für das Wiedereinzementieren sollte niedrigvisköser Zement Verwendung finden. Die in der Literatur verfügbaren Ergebnisse dieser immer noch kontrovers diskutierten Techniken sind ausnahmslos gut. Die Technik des „Zement in Zement“ besitzt mehrere Vorteile: • bessere Übersicht über das Azetabulum nach Entfernung der zementierten Komponente, • Möglichkeit der Veränderung der Beinlänge, • Beseitigung einer Instabilität bzw. Luxationsneigung, • Revisionsmöglichkeit für Monoblockprothesen mit heute unüblichem Kopfdurchmesser, • Revisionsmöglichkeit bei Beschädigung eines Monoblockkopfes.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch die zementierte Schaftverankerung weiterhin zweifellos einen Standard in der Revisionsendoprothetik darstellt. Insbesondere bei reduzierter, jedoch zirkumferent vorhandener Knochensubstanz ist das Verfahren die Methode der Wahl, wenn eine zementfreie Pressfit-Verankerung nicht erreichbar ist. Der große Vorteil besteht in der relativen Freiheit der Implantatpositionierung. Durch die Möglichkeit der lokalen Antibiotikaapplikation ist zudem ein Schutz des Implantats bei einzeitigen Wechseloperationen gegeben. Nicht geeignet ist Zement jedoch als Versorgungsmöglichkeit bei defizitären Schaftsituationen, bei denen die Verwendung des Zements als „Klebstoff“ ausgelegt ist. In solchen Fällen, wo der Zement ohne entsprechenden Druck eingebracht und kein zirkumferenter Zementmantel erreicht wurde, ist von einem frühzeitigen Versagen des Implantats auszugehen. Totale Femurprothese╇ Bei hochgradig defizienten Knochenverhältnissen des Femur, bei denen eine Rekonstruktion nicht möglich ist, hat sich die totale Femurprothese als Implantat der Wahl bewährt (Abb.€14.128). Die Indikation für die totale Femurprothese ist gegeben, wenn sowohl das proximale Femur als auch die Diaphyse nicht mehr für eine Verankerung ausreichend sind. Auch interprothetische Frakturen, die durch eine Osteosynthese nicht ausreichend zu stabilisieren sind, stellen eine Indikation für den totalen Femurersatz dar. Die totale Femurprothese besteht aus einer gekoppelten Knieprothese, an der ein gerader oder antekurvierter femoraler Schaft angesetzt ist. Auf dieses wird dann das Hüftgelenksegment aufgesetzt (Abb.€14.129 und 14.130). Die Kniegelenksendoprothese ist im Regelfall eine Rotationsknieendoprothese mit Luxationsschutz oder eine Scharnierprothese mit Kopplung über eine Achse. Zwischen dem femoralen Schaft der Knieprothese und dem aufsetzbaren Hüftgelenkseg-
14â•… Revisionsendoprothetik
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Abb. 14.129↜ Komplexes Rekonstruktionssystem für das Knie- und Hüftgelenk
ment kann je nach Hersteller eine unterschiedliche Anzahl von Verlängerungszylindern gesetzt werden, um intraoperativ die bestmögliche Anpassung an die Weichteilspannung zu ermöglichen. Das Hüftgelenkssegment hat statt des sonst üblichen Schafts unter dem Kragen ein Rohr. Dieses Rohr wird beim Zusammenbau über das proximale Ende des Schafts der Femurkomponente geschoben und mit einer Schraube über eine axiale Bohrung am proximalen Schaftende fixiert. Zusätzlich wird bei einigen Systemen ein Sicherungsstift aus Polyethylen vor endgültiger Montage des Hüftgelenksegments in eine quere Bohrung der Zentralschraube gesetzt und beim Eindrehen abgeschert. Dies verhindert ein Auswandern der Schraube. Wichtig ist, dass eine adäquate Verzahnung der Stirnflächen vom proximalen Schaftende, Verlängerungszylindern und der korrespondierenden Fläche im Inneren des proximalen Rohrs erreicht wird. Hierzu ist auf die biomechanischen Arbeiten von Bergmann zu verweisen,
der insbesondere die Rotationskräfte als extrem hoch und potentiell zum Versagen führend herausgearbeitet hat. Für den operativen Zugang ist der transgluteale Zugang mit Verlängerung nach distal im Sinne eines lateralen Zugangs zum Kniegelenk am einfachsten. Wir präparieren bei solchen Operationen von proximal nach distal, was sich auch bei anderen bewährt hat. Die früher häufig verwendeten Polyethylenhülsen, die in Fällen von aseptischer Revision den Knochen ersetzen sollten, finden heute kaum noch Verwendung. Prinzipiell ist aber auszusagen, dass eine Fixation der Weichteile an dem Prothesenschaft realisiert werden sollte. Dabei können Polyethylenhülsen durchaus hilfreich sein, insbesondere dann, wenn ein totaler Femurersatz nach kompletter Entfernung des Femur erfolgt und die Prothese nicht als Durchsteckprothese verwendet wird. Der Weichteilapparat bewegt sich ohne Fixation bei jeder Bewegung auf der Prothese
C. Perka
516 Abb. 14.130↜ Röntgenaufnahme einer totalen Femurprothese in 2 Ebenen a.p. (a) und seitlich (b)
Abb. 14.131↜ Foto eines intraoperativen Situs mit eingebrachtem PE-Anbindungsschlauch zur Fixierung von Muskulatur
Metall) realisiert werden. So kann durch das zunächst etwas kürzere Implantat ein möglicherweise Zuviel an Weichteilspannung mit der Gefahr der Nervenläsion verhindert werden.
hin und her, was zu hochgradig schmerzhaften Flüssigkeitsansammlungen um die Prothese führen kann. Ebenso sind diese Hülsen, wie auch textile Materialien zur Verankerung von Muskelansätzen, insbesondere der Glutealmuskulatur, am Hüftgelenksbereich zu empfehlen (Abb.€14.131). Die Wirksamkeit dieses Anbindungsschlauchs wird kontrovers diskutiert. Eine feste Verbindung zwischen Weichteilen und Prothese ist unmöglich. Gelingt die Weichteilrekonstruktion, kann über Jahrzehnte eine exzellente Funktion erreicht werden, auch ohne dass eine feste Verbindung Weichteil-Prothese besteht (Abb.€14.132). Entscheidend für den Erfolg ist wieder einmal die präoperative Planung, d.€ h. insbesondere die genaue Bestimmung der Länge des zu ersetzenden Femur. Die Längenbestimmung erfolgt durch Vermessung der Gegenseite. Grundsätzlich sollte die Länge von Kniegelenksprothese und Hüftgelenkshülse zusammen etwas kürzer sein, als dies in der Planung ermittelt wird. Die endgültige Länge kann dann durch Aufsetzen der Verlängerungsstücke (Polyethylen oder
►⌺ Die Exzision von Verknöcherungen und Vernarbungen führt oftmals zu einer Abnahme der Weichteilspannung und somit zu einer potentiellen Verlängerung des Beins. Die Verwendung von Polyethylen- oder Metallhülsen erhöht dagegen die Weichteilspannung um den Prothesenschaft.
Statt der Polyethylenhülsen können auch Knochentransplantate zur Verankerung der umgebenden Weichteile, insbesondere im Hüftgelenksbereich, Verwendung finden. Hauptproblem hierbei sind die hohen Kosten einer solchen Versorgung. In allen Fällen septischer Revision sollte der komplette Schaft mit antibiotikahaltigem Knochenzement ummantelt werden, um das neu eingebrachte Implantat vor einer bakteriellen Besiedlung zu schützen. Eine solche Ummantelung des Implantats mit Zement führt also nicht zur Beseitigung von Infektionen, sondern dient ausschließlich dem Schutz des eingebrachten Implantats. Die Implantation erfolgt zunächst am Kniegelenk, startend mit dem Einsatz im Regelfall einer (häufigen) Probekomponente der Tibia. Auf diese wird dann die Femurkomponente gesetzt. Der Erhalt des auch bei ausgedehntem Defekt noch vorhandenen Knochens
14â•… Revisionsendoprothetik
517
Abb. 14.132↜ (a) 15€ Jahre nach Sarkomresektion Schmerzen wegen Pfannenschädigung. Kompletter Prothesenwechsel, da kein passendes Inlay auf dem Markt verfügbar war. Gleiche
Schaftverankerung wie zuvor. Der geschlossene Weichteilmantel ermöglicht eine freie Funktion: 0–0–130, Rotation 40–0–30 auch 22€Jahre (b) bzw. 29€Jahre (c) nach Primäroperation
ist, sofern kein Infekt vorliegt, anzustreben, d.€h. die Prothese im Sinne einer Durchsteckprothese zu verwenden. Im Erfordernisfall sollte hier eine Keilosteotomie der Diaphyse durchgeführt werden, falls der Prothesenschaft der Knieprothese nicht in den Femurmarkraum einzubringen ist. In seltenen Fällen ist auch suprakondylär eine Osteotomie notwendig. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Femur in der Frontalebene einen großen anatomischen Valguswinkel zeigt. In diesen Fällen kommt es ansonsten durch die Führung des Prothesenschafts im Markraum trotz korrekter intrakondylärer Resektion zu einem seitlichen Versatz, d.€h. zu einem medialen Überstehen der Prothese. Das Herüberragen eines Teils der Prothese über den Knochen des Kondylus ist unbedingt zu vermeiden. Über eine suprakondyläre Osteotomie ist dann eine Ad-latum-Verschiebung möglich. Eine Probereposition ist obligat und dient der korrekten Längenbestimmung. Ist diese durchgeführt worden, folgt das Einzementieren der femoralen Komponente. Nach dem Aushärten des Zements wird dann
das Hüftgelenksegment (evtl. mit eingebrachten Verlängerungszylindern) auf dem proximalen Ende des Schafts mit einer Schraube fixiert. Für diese Zentralschraube sollte ein Sicherungsstift aus Polyethylen verwendet werden. Danach folgt die Reposition des Gelenks und die abschließende endgültige Verankerung der definitiven Tibiakomponente. ►⌺ Von entscheidender Bedeutung ist der anschließende eng anliegende Schluss des Weichteilmantels um das Implantat. Die genaue Zuordnung der Schichten (Muskel/Muskel, Faszie/Faszie ist zu beachten).
14.5.3.3 D efektrekonstruktionen am Azetabulum C. Perka Neben der stabilen Verankerung der Implantate zählt die Rekonstruktion der knöchernen Defekte zu den
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C. Perka
Abb. 14.133↜ Posttraumatische Koxarthrose rechts mit ausgedehnter knöcherner Defektsituation (a). Für die Defektrekonstruktion wurde der autologe Hüftkopf verwendet (b)
Abb. 14.134↜ Lockerung einer Sockelpfanne, die bei schwerer Osteopenie im Rahmen einer rheumatoiden Polyarthritis nicht indiziert war (a). Die Rekonstruktion erfolgte mit einem Allograft (2 Hüftköpfe) und großflächiger Krafteinleitung über
einen Stützring, der das Transplantat entlastet. Die initial eingetretene Fraktur des Sitzbeins (b) nach Implantation ist nach 14€Monaten weitestgehend konsolidiert (c)
relevantesten Herausforderungen der Revisionsendoprothetik. Zu berücksichtigen sind dabei immer die Biologie und die Biomechanik der zu verwendenden Knochenersatzmaterialien bzw. der allogenen und autogenen Transplantate. Generell gilt, dass primär die biologische Rekonstruktion anzustreben ist (Abb.€14.133). Nur mit einer biologischen Rekonstruktion ist die potentielle Möglichkeit für den Wiederaufbau des Knochendefekts mit körpereigenem Knochen gegeben. Die Einsatzmöglichkeiten biologischer Transplantate werden jedoch durch ihre mechanischen Eigenschaften begrenzt. Insbesondere in der Hauptbelastungszone, d.€ h. im Bereich des kraniodorsalen Beckenpfeilers sind mechanisch dauerhaft
stabile metallische Knochenersatzmaterialien derzeit zu bevorzugen. Eine alternative Technik stellt der vorübergehende Schutz des Transplantats (Allograft) durch metallische Überbrückungskonstruktionen (im Regelfall Abstützschalen am Azetabulum) dar. International gebräuchlich ist hier der Begriff des „protected allograft“ (Abb.€14.134). Am Femur werden Defekte bzw. deren Rekonstruktion im Regelfall durch langstielige, den Defekt weit überbrückende Implantate geschützt. Knochentransplantate Die Auswahl des korrekten Knochentransplantats bedarf des Verständnisses von Biologie und Biomecha-
14â•… Revisionsendoprothetik
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these implantiert wurde, zur Revisionsendoprothetik der Gegenseite, so zeigen sich Lockerungsraten von 12,5€% nach nur 3,5€Jahren (Klein et€al. 2006). Da bisher keine Verbesserung des Heilungsverlaufs unter Verwendung größerer Autografts beobachtet wurde, kann diese Technik derzeit nicht für größere Defektrekonstruktionen empfohlen werden, da sie mit einem erhöhten organisatorischen und Kostenaufwand sowie bei Beckenkammtransplantaten mit einer relevanten Morbidität an der Entnahmestelle einhergeht. Abb. 14.135↜ Versuch der Defektrekonstruktion des rechten kranialen Pfannendachs mit einem auf der Gegenseite entnommenen Beckenkammspan und osteosynthetischer Abstützung. Fehlschlag 3€Monate nach Rekonstruktion
nik. Zu berücksichtigen sind dabei grundsätzlich die osteokonduktiven und osteoinduktiven Eigenschaften des verwendeten Transplantats bzw. deren Zusammenwirken mit dem autologen Wirtsknochen während der Osteogenese (Goldberg 2000). Autologe Knochenchips Autologe Chips haben ein exzellentes osteogenetisches und osteokonduktives Potential, sie besitzen jedoch keine relevante mechanische Stabilität. Zudem ist ihr Einsatz in der Revisionsendoprothetik durch die mangelhafte Verfügbarkeit des Knochens begrenzt. Autologe Chips werden daher im Wesentlichen bei begrenzten Knochendefekten mit erhaltener knöcherner Wand (kavitäre Defekte) Anwendung finden. Nichtvaskularisierte kortikospongiöse Autografts Nichtvaskularisierte kortikospongiöse Autografts (Beckenkamm) zeigen eine höhere mechanische Stabilität, haben aber eine geringere Osteogenität und Osteoinduktivität als autologe Knochenchips (Abb.€ 14.135). Der Vorteil der erhöhten biomechanischen Belastbarkeit geht mit eine Verschlechterung der biologischen Potenz des Transplantats einher. Autografts zeigen grundsätzlich eine bessere Integration und Osteoinduktion als Allografts. Jedoch ist festzustellen, dass keine ausreichenden Daten über Autografts in der Hüftrevisionsendoprothetik existieren. Vorliegende Arbeiten zeigen gute Kurzzeitergebnisse bei einfachen Versorgungen (Hing et€al. 2004). Bei größeren Defekten tritt auch bei Autografts das Problem der zu geringen mechanischen Stabilität in den Vordergrund. Verwendet man die Hüftköpfe der kontralateralen Seite, auf der eine Primärendopro-
Allogene Knochenchips Allogene Knochenchips sind osteokonduktiv und allenfalls minimal osteoinduktiv. Sie besitzen ebenfalls keine mechanische Stabilität. Die Stabilität kann erhöht werden, indem diese Chips in einem begrenzten Raum maximal verdichtet werden. Allogene Chips können nur dann funktionieren, wenn sie biologisch optimal aufbereitet werden. Zur Verwendung kommen sollten Chips unterschiedlicher Größe, da sie die beste Stabilität liefern. Die Chips herkömmlicher „Knochenmühlen“ sind zu klein und mechanisch wertlos. Am besten ist bisher die manuelle Herstellung mit einem Luer (Abb.€14.136). Anschließend muss die komplette Reinigung der Chips am besten mit einer Jet-Lavage in einem Metallbecher erfolgen. Die Chips sollten dabei so lange mit einer Jet-Lavage gereinigt werden, bis keinerlei Fettanteil mehr in der Spülflüssigkeit nachweisbar ist. Für den klinischen Einsatz ist dann die Verdichtung der Chips von herausragender Bedeutung. ►⌺ Knochenchips machen nur dann Sinn, wenn zuvor ein umschlossener Raum hergestellt wurde, in dem diese mit hoher mechanischer Kraft verdichtet werden können.
Bei offenen, sog. segmentalen Defekten, bei denen die Kontinuität der umgebenden Kortikalis gestört ist, ist zunächst der offene segmentale Defekt („uncontained defect“) in einen geschlossenen Defekt („contained defect“) zu überführen (Einsatz von Knochenscheiben, Metallnetzen o.€Ä.) und anschließend die Chips einzubringen (Abb.€ 14.137). Diese sind dann mit einem Ullmark-Impactor (s.€ Abb.€ 14.137) oder mit einer rückwärtsdrehenden Fräse maximal zu verdichten. Das Prinzip entspricht dem des Straßenbaus. Durch die Verwendung unterschiedlicher Größen der Chips, kann dabei die maximale mechanische Stabili-
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C. Perka
Abb. 14.136↜ Aus einem Hüftkopf mit Hilfe eines Luers hergestellte allogene Knochenchips (a) und intraoperative Situation vor abschließender Verdichtung (b)
tät erreicht werden (siehe auch Technik des „impaction grafting“; Abb.€14.138). Allogener demineralisierter Knochen Diese Knochensubstanzen sind hoch osteokonduktiv, im Regelfall jedoch von begrenzter mechanischer Belastbarkeit und zeigen kein osteogenetisches Potential. Dennoch bieten sie Vorteile aufgrund der guten Möglichkeit der Lagerung, und somit der Verfügbarkeit zur Revisionsoperation (Abb.€ 14.139). Zu den Herstellungsverfahren unterschiedlicher Knochentransplantate sei auf das Kap.€14.5.3.6 verwiesen. Knochentransplantate können derzeit von der Universitäts-Gewebebank der Charité, Institut für Transfusionsmedizin, Chariteplatz 1, 10117 Berlin, Tel.: 030-450525142 oder dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz gGmbH (DIZG), Köpenicker Straße 325, Haus 42, 12555 Berlin, Tel.: 03065763050, bezogen werden. Allogene kortikospongiöse Transplantate╇ Allografts sind die am häufigsten angewendeten Knochentransplantate. Verwendet werden hier vor allem der Femurkopf, seltener distale Femura. Der Vorteil dieser Transplantate ist bedingt durch den hohen kortikalen Knochenanteil, die initial ausgezeichnete mechanische Stabilität. Darüber hinausgehend sind sie osteokonduktiv aber de facto nicht osteoinduktiv. Voraussetzung ist eine optimale Aufbereitung dieser Transplantate. Zur Optimierung der biologischen Potenz eines Hüftkopfes ist zunächst die Entfernung des gesamten Weichteilmaterials, insbesondere des Knorpels, notwendig. Die Knorpelschicht sollte dabei nur so weit entfernt werden, dass die mechanische Stabilität der subchondralen Sklerosezone nicht wesentlich geschwächt wird. Nachfolgend muss die völlige Entfernung des Knochenmarks aus dem zu transplantierenden Knochen erfolgen.
Abb. 14.137↜ Ullmark-Impaktor zur Verdichtung der Spongiosa im Azetabulum
Die Transplantation eines Femurkopfes und auch des distalen Femur sollte dann so erfolgen, dass die Trabekel des Transplantats parallel zur Hauptbelastungsrichtung sind (Chandler et€ al. 1995). Grundsätzlich ist auszusagen, dass Allografts in den körpereigenen Knochen integriert werden, jedoch in keinem Fall komplett ersetzt werden. Die Revaskularisation beträgt etwa 2€mm (Hooten et€al. 1996). Das Versagen großer Allografts wird nach 6–8€ Jahren in einer Vielzahl von Fällen beschrieben. (Kwong et€al. 1993; Jasty und Harris 1990; Hooten et€al. 1994). Sporer gibt eine Fehlschlagsrate von 25€% nach 10€Jahren an (Sporer et€al. 2005). ►⌺ Eine Verbesserung der Standzeiten großer Allografts zur azetabulären Defektrekonstruktion wird dann angegeben, wenn diese durch eine zusätzliche mechanische Abstützung, d.€ h. im Regelfall einen Abstützring, geschützt werden. Im Regelfall finden dabei Burch-Schneider-Ring ähnliche Stützringe Verwendung, d.€h. Implantate, die sich am Ilium und am Ischium abstützen (vgl. Abb.€14.135a–c).
Xenografts╇ Über die Verwendung von Xenografts in der Revisionsendoprothetik liegen wenige Ergebnisse vor. Die vorliegende größte Arbeit von Charalambi-
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Abb. 14.138↜ Prinzip des Baus einer Straße. Durch die Verwendung unterschiedlicher Korngrößen, wird ein stabiler Unterbau erreicht. Keine einzelne Korngröße besitzt alle Vorteile
Deckschicht
Tragschichten unterschiedlicher Korngröße (Spongiosachips unterschiedlicher Größe)
zu fein (nicht standfest)
gut Verdichtbarkeit = f
zu grob (kein Bewegungsraum)
(Schichtdicke ) Größtkorn
des et€ al. (2005) unter Verwendung von Surgibone® zeigte, dass, auch wenn dieses zusätzlich mit autologer Spongiosa angereichert wurde, hohe Fehlschlagraten, resultieren. Beschrieben werden 6 aseptische und ein septischer Fehlschlag bei 27€ Patienten nach 2,5€ Jahren. Aus diesem Grund können derzeit Xenografts nicht empfohlen werden.
Abb. 14.139↜ Lyophiliserte Spongiosablöcke
Metallische Augmentate („wedges“ [Keile], „buttress plates“ [Abstützplatten]) Festzustellen ist, dass Knochentransplantate in der Hauptbelastungszone versagen. Aus diesem Grund
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C. Perka
Abb. 14.140↜ Modell (a) und Röntgenbild (b) bei Versorgung mit einem modularen Revisionssystem (kranialer Wedge und Pressfit-Pfanne sowie zusätzliche Schraubenverankerung)
wurden in den letzten Jahren modulare Revisionssysteme entwickelt, die verschiedene Ziele haben. • Herstellung der mechanischen Stabilität, • Adaptation der metallischen Augmentate (Wedges) ohne zusätzliche Knochenresektion an dem Defekt, • Osteointegration des Knochenersatzmaterials, • Möglichkeit der kombinierten Nutzung mit Autografts. Das am weitesten verbreitete System ist das TMTSystem (Trabecular Metal Technology, Zimmer, Freiburg, Deutschland). Verwendet wird dabei ein poröser Tantalschaum, d.€ h. ein Kohlefasergerüst, das mit Tantal bedampft wurde (Abb.€ 14.140). Der Vorteil der metallischen Augmentate ist zunächst ihre trabekuläre Struktur, die der Steifigkeit des umgebenden kortikospongiösen Knochens im Azetabulum ähnlich ist. Folge ist eine natürlichere Krafteinleitung in den Knochen nach Implantation der Prothese. Zugleich führt die größere poröse Oberfläche zu einer stärkeren ossären Integration. Der dritte wesentliche Vorteil ist die hohe Friktion des Materials gegenüber dem Knochen und die dadurch erreichbare hohe Primärstabilität.
Zwischenzeitlich stehen solche defektrekonstruierenden metallischen Implantate auch aus Titan von unterschiedlichen Firmen zur Verfügung (z.€B. Regenerex, [Biomet, Berlin, Deutschland]). Des Weiteren gibt es auch Augmentate, die auf Titangitterstrukturen [Aesculap, Tuttlingen, Deutschland] basieren. Bei derzeit noch begrenzten Erfahrungen ist der Einsatz dieser Transplantate zur Defektrekonstruktionen aus unserer Sicht derzeit nur bei zwei Indikationen gegeben. Die wichtigste Indikation ist der Wiederaufbau der kraniodorsalen Defekte in der Hauptbelastungszone. Hierfür finden die halbkreisförmigen Wedges Anwendung (Abb.€14.141). Eine zweite Indikation ist die Anwendung dieser Wedges zur Optimierung der Position einer eines Stützrings. Hierbei wird das Wedge von Form, Größe und Position so gewählt, dass es zugleich als stabile mechanische Abstützung der Pfanne dient (Abb.€14.142). Dabei handelt es sich jedoch um einen sog. „off-label use“ ebenso wie bei der Implantation der Wedges in Verbindung mit einer zementierten Pfanne (Abb.€14.143). Diese Techniken sollten daher
14â•… Revisionsendoprothetik
523
Abb. 14.141↜ Halbmondförmige Metallaugmentate
Abb. 14.142↜ Intraoperativer Situs (a) und Röntgenbild (b) nach Versorgung einer Paprosky-IIIb-Defektsituation. Aufgrund der Defektgröße war der bei der Erstversorgung verwendete Stützring nach 2€Monaten disloziert. Ursache war die inkorrekte Position. Erst durch das Wedge konnte der Ring ausreichend nach kaudal verlagert werden (Off-label Use)
Abb. 14.143↜ Kraniale Defektsituation nach septischem Ausbau wegen mehrfacher Infektion (a). Bei weichem Knochen und Nutzung des Knochenzements als Antibiotikaträger erfolgt die Reimplantation zementiert (b). In der Hauptbelastungszone kommt ein metallischer Wedge zum Einsatz (Offlabel Use)
gegenwärtig nur Fällen vorbehalten sein, in denen die zugelassene Technik nicht eingesetzt werden kann und somit eine nicht-versorgbare Situation resultiert. Für große Defekte steht das „cage in cup concept“ zur Verfügung. Hierbei wird eine Tantal-Press-fitPfanne zunächst in den Defekt „gelegt“ und nachfolgend mit einem Stützring stabilisiert. Wedges können dabei zusätzlich zum Einsatz kommen. In der Summe ist auszusagen, dass metallische Implantate aufgrund der fehlenden Rekonstruktionsmöglichkeit Knochentransplantate nicht ersetzen können. Sie stellen jedoch eine sinnvolle Ergänzung
für den Defektaufbau dar. Metall sollte immer dort Verwendung finden, wo die größte Krafteinleitung erfolgt, d.€h. im Bereich der „Versagensorte“ allogener Transplantate. Knöcherne Allografts und Autografts haben in der Revisionsendoprothetik ihren Stellenwert bei der Auffüllung kavitärer, d.€h. von Knochen umgebenden Defekten. Modulare Systeme, wie das TMTSystem, kommen dagegen vor allem bei Defekten des kranialen Pfeilers und des kraniodorsalen Pfeilers zur Anwendung. Mit ihnen gelingt es in einer Vielzahl von Fällen, die Position einer Press-fit-Pfanne oder auch eines Stützrings zu optimieren und die Stabili-
524
tät der Verankerung zu erreichen. Diese Technik ist auch zur Versorgung von Beckendiskontinuitäten einsetzbar. Im Prinzip wird hier ein Wedge im Regelfall kranial an der Grenze zum Os ilium und ein zweiter Wedge kaudal an der Grenze zum Os ischium bzw. Os pubis fixiert. Im Prinzip wird hier bei einem Wedge im Regelfall kranial an der Grenze zum Os ilium und kaudal an der Grenze zum Os ischium bzw. Os pubis fixiert. Anschließend erfolgt die Implantation einer Press-fit-Pfanne zwischen diese beiden metallischen Implantate. Zu den Ergebnissen ist bisher nur wenig zu sagen. Das Problem aller metallischen defektrekonstruktiven Implantate ist, dass bisher keine Daten über die Langzeitstabilität dieser Konstrukte vorliegen. Prinzipiell ist die Möglichkeit der Entstehung von Abrieb an der Grenzfläche zwischen den beiden metallischen Körpern gegeben. Aufgrund der fehlenden Kongruenz nach der Implantation wird deshalb der Einsatz von Knochenzement an die Grenzfläche zwischen metallischen Augmentaten und der Pfanne zur Optimierung der Kontaktfläche empfohlen. Auch dazu fehlen bisher Langzeitergebnisse. Prinzipiell besteht jedoch der wesentliche Nachteil metallischer defektkonstruierender Materialien darin, dass keine biologische Wiederherstellung der Knochensubstanz erfolgt.
14.5.3.4 Defektrekonstruktionen des Femur C. Perka Für die Knochendefektrekonstruktionen im Femurbereich stehen knöcherne (allogene Spongiosachips, diaphysäre allogene Knochentransplantate – „strutgrafts“ und proximale Femura) sowie metallische (Tumorprothese) Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung. Die Indikationen und Technik sollen nachfolgend kurz dargestellt werden. • Allogene Spongiosachips finden bei der femoralen Defektrekonstruktion im Wesentlichen beim „impaction grafting“ Anwendung. Ziel ist es, nach Lockerungen mit ausgedehntem Defekt, die nicht mehr vorhandene spongiöse Knochenstruktur des Femur wieder aufzubauen. In diese rekonstruierte Knochenstruktur erfolgt dann die zementierte Prothesenverankerung. Vor der Implantation erfolgt eine schrittweise Verdichtung in axialer und radialer Richtung der eingebrachten Spongiosachips (vgl. Kapitel zum „impaction grafting“).
C. Perka
• Diaphysäre Knochentransplantate (sog. „Strutgrafts“) besitzen eine eigene mechanische Stabilität (Abb.€ 14.144). Sie werden überwiegend bei zwei Techniken eingesetzt. Das erste Anwendungsgebiet ist der Verschluss von segmentalen Knochendefekten im Femurbereich zur Umwandlung eines segmentalen Defekts in einen geschlossenen Defekt, z.€B. wenn ein „impaction grafting“ durchgeführt werden soll. Da dieses an einen vollständig umschlossenen Raum gebunden ist, müssen alle Knochendefekte zunächst verschlossen werden, wozu die „Strutgrafts“ Verwendung finden (Abb.€14.145). Der zweite wesentliche Einsatzbereich von „Strutgrafts“ sind die periprothetischen Frakturen. „Strutgrafts“ haben eine eigene mechanische Stabilität. Sie werden medial und/oder lateral angelegt und anschließend mit Cerclagen oder auch mit Platten fixiert (Abb.€14.146). Die höhere Stabilität wird durch Fixation mit einer Platte erreicht, jedoch ist dies nicht immer technisch möglich, da die Positionierung der Schrauben durch das einliegende Femurimplantat erschwert ist. Alternativ kann auf winkelstabile Schrauben verzichtet werden oder es werden Platten mit Aufsätzen auf den Plattenlöchern verwendet, die eine andere Richtung des Schraubensetzens erlauben. Immer durchführbar ist die Stabilisierung mit Cerclagen. Verwendet werden Drahtcerclagen oder Bänder aus Titan. ►⌺ Beim Einsatz von Strutgrafts ist immer eine Osteosynthese notwendig. Doppelseitige Strutgrafts sollten mit Cerclagen stabilisiert werden, bei einseitigen Strutgrafts bietet die gleichzeitige Stabilisierung mit einer winkelstabilen Platte Vorteile.
er Umbau von Strutgrafts erfolgt durch schleiD chenden Ersatz (sog. „creeping substitution“). • Proximale Femurtransplantate werden bei großen proximalen Femurdefekten eingesetzt. Dies erfolgt selten, da die alleinige Wiederherstellung der knöchernen Substanz im Regelfall nicht ausreichend ist. Proximale Femurtransplantate sind indiziert, wenn der noch vorhandene Trochanter einschließlich der dort ansetzenden Muskulatur nicht anders als an dem proximalen Schaftimplantat refixiert werden kann. Sie stellen somit eine Maßnahme dar, mit der es gelingt, eine „Anbindung“ der Weich-
14â•… Revisionsendoprothetik Abb. 14.144(a-c)↜ Periprothetische Femurfraktur Typ Vancouver€C. Die Stabilisierung erfolgte zunächst mit einer von lateral angelegten winkelstabilen Platte (LISS). Bei unzureichender medialer Abstützung ausbleibende Konsolidierung und Fraktur der Platte. Durch medial angelagertes Strutgraft suffiziente Abstützung und Ausheilung
Abb. 14.145(a-c)↜ Prinzip des Verschlusses eines knöchernen segmentalen Defekts durch ein Strutgraft zur Durchführung eines Impaction-Graftings
525
B. Fink
526 Abb. 14.147↜ Tumorprothese mit Ersatz des proximalen Femurs
Abb. 14.146↜ Prinzip der Stabilsierung eines Strutgrafts (medial) mit eine lateral angelegten Winkelplatte (a). Fixierung zweier strut-grafts durch Cerclagen (b)
teile an eine knöcherne Matrix zu schaffen. Sie werden v.€ a. bei Defekten eingesetzt, die durch „Strutgrafts“ nicht suffizient versorgt werden können. Wir implantieren ausschließlich langstielige zementierte Prothesen nach Versorgungen mit proximalen Femurtransplantaten. • Die Tumorprothesen stellen eine Technik zur Defektrekonstruktion durch Metall dar (Abb.€ 14.147). Da sie immer mit einem Verlust an proximaler Knochensubstanz, einschließlich der daran ansetzenden Muskulatur, einhergehen (lockerungs- oder operationsbedingt), bilden sie am Femur eine „letzte Verteidigungslinie“. Ein Hauptproblem ist die Schwierigkeit bis Unmöglichkeit, an der Prothese dauerhaft Weichteile zu verankern. Die Luxationsrate ist somit hoch. Durch einen Trevira-Anbindungsschlauches (Fa. Implantcast, Buxtehude, Deutschland), der fest an der Prothese fixiert wird, ist die Anbindung der Weicheile deutlich zu optimieren. Wegen der dennoch verbleibenden hohen Luxationsgefahr wird die Verwendung eines Kopfes mit großem Durchmesser (z.€ B. 36€ mm) gefordert. Nur so lässt sich die häufigste Frühkomplikation, d.€ h. die Luxation, vermeiden. Zudem wird dadurch langfristig wenigstens eine teilweise Stabilität durch die erhaltene Muskulatur erreicht.
Auch andere „Megaprothesen“ finden in der Endoprothetik Verwendung. Diese werden sowohl zementiert als auch zementfrei eingesetzt. Sie erlauben die Wiederherstellung der Kontinuität einer belastungsstabilen Extremität, im Regelfall jedoch nicht die Wiederherstellung adäquater Weichteilverhältnisse, weshalb ihr Einsatz wirklich nur dann erfolgen sollte, wenn andere Optionen nicht mehr Erfolg versprechend sind. Im Extremfall findet der totale Femurersatz Verwendung. Periprothetischer Infekt des Hüftgelenks B. Fink Periprothetische Infektionen sind mit einer Inzidenz von unter 1€ % eine seltene, aber ernsthafte Komplikation nach Hüftendoprothesen (Garvin et€ al. 1995; Fitzgerald 1995). Es lassen sich basierend auf der von Coventry (1975) entwickelten Klassifikation und deren Weiterentwicklung heute vier verschiedene Typen differenzieren (Estrada et€al. 1993; Garvin und Hanssen 1995): Positive intraoperative Kulturen Hier wird die Infektion trotz suffizienter präoperativer Diagnostik erst nach einem scheinbar aseptisch durchgeführten Prothesenwechsel postoperativ durch den Nachweis
14â•… Revisionsendoprothetik
eines oder mehrerer identischer Mikroorganismen in mindestens zwei der intraoperativ entnommenen Proben des periprothetischen Gewebes nachgewiesen. Um hier Kontaminationen auszuschließen, sind daher neben einer korrekten mikrobiologischen Diagnostik die Gewinnung von mehreren (mindestens 5) Proben des periprothetischen Gewebes für die mikrobiologische Kultur und weitere Proben zur histologischen Begutachtung zu empfehlen. ►⌺ Bei intraoperativ positivem Keimnachweis bei komplettem aseptischen Prothesenwechsel wird eine sechswöchige intravenöse spezifische Antibiotikatherapie empfohlen (Garvin und Hanssen 1995). Wurde nur eine Prothesenkomponente gewechselt und der periprothetische Infekt ist gesichert, sollte dem Patienten der zeitnahe Wechsel des Gesamtsystems angeraten werden.
Frühinfektionen╇ Frühinfektionen entstehen innerhalb weniger Wochen nach der Primärimplantation und gehen in der Regel mit klassischen Infektionszeichen einher. Die zeitliche Grenze zwischen dem Frühund Spätinfekt ist nicht genau definiert, wird allerdings von den meisten Autoren bei vier Wochen angegeben (Estrada et€al. 1993; Garvin und Hanssen 1995). Bei einer Frühinfektion kann mit hoher Erfolgsrate das Implantat belassen werden, wobei eine möglichst frühzeitige Operation mit radikalem Debridement, Wechsel von Inlay und Prothesenkopf erfolgen sollte. Bei der gleichzeitig eingeleiteten intravenösen Antibiotikatherapie führt der zusätzliche Einsatz von Rifampicin in Kombination mit z.€ B. Chinolonen oder Vancomycin (wegen Resistenzentwicklung wird Rifampicin nicht als Monotherapie empfohlen) zu einer deutlichen Steigerung der Erfolgsrate. Die Arbeitsgruppe um Zimmerli und Ochsner konnte mit diesem Konzept eine Heilungsrate von 82€% bzw. von sogar 100€% erzielen (Widmer et€al. 1992; Zimmerli et€al. 1998). Wichtig für eine hohe Erfolgsrate ist vor allem das frühzeitige Erkennen und Handeln. Bei dem Verdacht einer Frühinfektion sollte daher die Diagnose erzwungen werden, wobei eine Hüftpunktion mit Zellzahlbestimmung des Punktats für die schnelle Diagnosestellung hilfreich ist. Eine Zellzahl von über 4.000 Leukozyten pro ml und einem hohen Anteil von neutrophilen Granulozyten (ca. 65–80€ %) am Hüftgelenk in der Kombination mit einem erhöhten CRPWert sollte zur umgehenden Revision Anlass geben (Schinsky et€al. 2008).
527
Akute hämatogene Infektion Diese Infektion ist charakterisiert durch ein akutes Auftreten von klinischen Symptomen bei einem bisher über längere Zeit (viele Monate bis Jahre) problemlos funktionierenden künstlichen Hüftgelenk. Das Auftreten der Symptome steht in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer bakteriellen Infektion abseits der Hüfte (z.€ B. Zahn, Harntrakt, Atemwege, Ulcus cruris). Auch hier ist eine zügige Diagnosestellung essentiell. Ist das Implantat fest, wird die Situation wie ein Frühinfekt behandelt, ist es locker, wie ein Spätinfekt (s.€unten). Spätinfektionen Während bei Frühinfekten das Implantat belassen werden kann, bedürfen Spätinfekte zwingend eines Implantatwechsels (Cui et€ al. 2007; Hanssen und Osmon 2002; Mont 1997). Hierbei unterscheidet man zwischen sog. einzeitigen und zweizeitigen Wechseln. Bei einzeitigen Wechseln wird nach der Entfernung allen Fremdmaterials und radikalem Debridement des Gewebes in derselben Operation ein neues Implantat zumeist mit antibiotikahaltigem Zement wieder eingesetzt. Bei dem zweizeitigen Wechsel wird in einer ersten Operation alles Fremdmaterial entfernt und für eine Interimsphase von meist 6 bis 12€Wochen eine Girdlestone-Situation belassen oder ein Zementspacer implantiert, bevor in der zweiten Operation das definitive Revisionsimplantat eingesetzt wird. Bei beiden Konzepten werden einzelne Aspekte der Behandlung sehr unterschiedlich gehandhabt. Nachfolgend sollen die verschiedenen gängigen Behandlungskonzepte hinsichtlich ihrer möglichen Vor- und Nachteile beschrieben werden. Einzeitiger Wechsel:╇ Der Vorteil des einzeitigen Wechsels ist, dass nur eine Operation notwendig ist und funktionelle Probleme mit einer Girdlestone-Situation wie Beinverkürzung und Instabilität bzw. ein potentieller Spacerbruch, Zementabrieb vom Spacer oder Knochenresorption durch den Spacer vermieden werden können. Hierbei wird bei der Reimplantation in der Regel antibiotikahaltiger Knochenzement verwendet, bei dem ein auf den Keim spezifisch wirkendes Antibiotikum enthalten ist bzw. beigemischt wird (Steinbrink 1990; Steinbrink und Frommelt 1995; Wroblewski 1986). Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass der Keim bzw. die Keime und deren Antibiotiakempfinglichkeit in einer vorherigen Punktion oder Biopsie identifiziert wurden und somit eine spezifische Antibiotikabeimischung in den Knochenzement zur lokalen Antbiotikatherapie möglich ist (Steinbrink
528
1990; Steinbrink und Frommelt 1995). Hierfür wiederum ist es notwendig, dass in der Diagnostik eine Inkubation der Proben von 14€ Tagen durchgeführt wird (Gollwitzer et€al. 1995). Diese lange Bebrütungszeit ist notwendig, da die die periprothetische Infektion verursachenden Bakterien zum einen in geringer Keimzahl im Biofilm vorliegen und sich zum anderen häufig in der sessilen Form befinden, die durch eine langsame Vermehrungsgeschwindigkeit gekennzeichnet ist (Costerton 2005; Gallo et€al. 2003; Gollwitzer et€al. 2006; Peters et€al. 1995; Neut et€al. 2003). Wir konnten anhand einer Analyse von 110 infizierten Hüft- und Knieendoprothesen zeigen, dass die Nachweisrate von periprothetischen Infekten nach 7€Tagen (der in den meisten bisherigen Studien angegebenen Inkubationsdauer) nur 73,6€ % war. Um alle Infektionen zu identifizieren, bedurfte es einer Inkubation von 13€ Tagen (Schäfer et€ al. 2008). Bei ausreichend langer Bebrütungszeit kann mit der Punktion eine Genauigkeit von ca. 90€ % erzielt werden (Ali et€ al. 2006; Williams et€al. 2004). In der fehlenden langen Bebrütungszeit dürfte unseres Erachtens eine Ursache der schlechteren Sensitivitäten der präoperativen Aspiration anderer Studien (von z.€B. 46,1€% bei Hofmann et€al. 2005) liegen. Einzeitige Prothesenwechsel mit speziellen Antibiotikazumischungen im Knochenzement lassen eine Infektfreiheit von 88€% bei Steinbrink und Frommelt (1995), 91€ % bei Wroblewski (1986) und 93,7€ % in einer neueren Studie von Rudelli et€al. (2008) erzielen. Die Antibiotikabeimischung in den Zement beeinflusst die mechanische Zementqualität, weshalb nicht mehr Antibiotikum als 10€ % der Zementmenge verwendet werden soll (Hanssen und Spanghel 2004). Nicht alle Antibiotika können verwendet werden. Sie müssen als Pulverform vorliegen, wasserlöslich und hitzestabil sein. Verwendet werden meist Gentamicin, Clindamycin, Vancomycin, Tobramycin, Aztreonam, Ampicillin und Ofloxacin (Garvin et€ al. 1995; Fink et€al. 2009; Hanssen und Spanghel 2004; Hsieh et€al. 2006). Über die Freisetzung von Antibiotika aus dem Knochenzement für die Dauer von mehreren Wochen existieren nur sehr wenige In-vivo-Daten von Spacern, die aber eine suffiziente Freisetzung über mindestens 4€Monate vermuten lassen (Masri et€al. 1998; Bertazzoni et€al. 2004; Minelli et€al. 2004; Hsieh et€al. 2006). Weiterhin hat sich gezeigt, dass sich Antibiotika hinsichtlich ihrer Freisetzung aus dem Zement gegenseitig beeinflussen, wobei bei der Verwendung von zwei Antibiotika die Freisetzung jedes einzelnen höher
B. Fink
ist als bei der Verwendung nur eines Antibiotikums (Simpson et€al. 2005; Baleani et€al. 2008; Anagnostakos et€al. 2005; Ensing et€al. 2008; Penner et€al. 1996). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Antibiotikafreisetzung bei mit Hand angemischtem Zement mit dem Vorhandensein von Luftblasen aufgrund der entstehenden größeren Oberflächen höher ist als bei in Vakuum angemischtem Zement. Allerdings wird die mechanische Qualität des Zements durch die Handanmischung verschlechtert (Hanssen und Spangehl 2004). Vereinzelt wird in neueren Studien über den einzeitigen septischen zementlosen Wechsel berichtet, bei dem mit Antibiotika imprägnierte allogene Spongiosachips verwendet werden. Winkler et€al. (2008) berichten bei 37 so durchgeführten einzeitigen zementlosen Wechseloperationen eine Eradikationasrate von 92€% nach 4,4€Jahren. Ein einzeitiger Wechsel kann unabhängig von dem bevorzugten Konzept indiziert sein, wenn bei einem bekannten Keim eine Spacer-Implantation aufgrund großer Pfannendefekte nicht möglich ist und eine Girdlestone-Situation nicht gewünscht wird. Zweizeitiger Wechsel:╇ Die zweizeitige Wechselstrategie ist die am weitesten verbreitete Therapie periprothetischer Infekte. Ein genereller Vorteil des zweizeitigen Konzepts ist, dass das chirurgische Debridement zweimal durchgeführt wird, wobei in der zweiten Operation ggf. nach der Erstoperation noch verbliebene Bakterien eradiziert werden. Da der Zement bei einem Spacer nicht zur dauerhaften Prothesenfixation verwendet wird, muss auf die mechanische Qualität des Zements kein besonderes Augenmerk gelegt werden, so dass höhere Antibiotikamengen dem Zement beigemischt werden können. Mit der zweizeitigen Wechselstrategie sind Erfolgsraten mit einer Infektfreiheit von sogar 90–100€% berichtet worden (Burnett et€al. 2007; Garvin und Hanssen 1995; Garvin et€al. 1994; Lieberman et€al. 1994). Bei zweizeitigen Wechseln wird in der Regel ein antibiotikabeladener Zementspacer für einige Wochen an die Stelle der ehemals infizierten Prothese platziert, bevor bei Infektberuhigung eine neue Hüftprothese implantiert wird (Evans 2004; Burnett et€ al. 2007; Hofmann et€al. 1995; Goldman et€al. 1996; Fink et€al. 2009). Die Funktion dieses Spacers ist einerseits die lokale Antibiotikafreigabe in das infizierte ehemalige Prothesenlager und andererseits die Erhaltung der Gelenkfunktionalität durch Vermeidung von Kontrak-
14â•… Revisionsendoprothetik
turen und die Aufrechterhaltung der Weichteilspannung bis zur Reimplantation (Burnett et€al. 2007). Man unterscheidet verschiedene Spacertypen: Monoblock und zweiteilige Spacer, vorgefertigte und in der Operation individuell hergestellte Spacer. Die Monoblockspacer haben den potentiellen Nachteil der Gefahr des Spacerbruchs sowie der Knochenresorption und die zweiteiligen Spacer den des Zementabriebs (Disch et€al. 2007; Hsieh et€al. 2005; Leunig et€ al. 1998). Zur Vermeidung von potentiellen Spacerbrüchen verwenden wir einen zweiteiligen Spacer, wobei ins Azetabulum ein mit Antibiotikapulver zugesetzter Zementklumpen als Zementpfanne gesetzt wird. Schaftseitig werden alte, nicht mehr für die Primärimplantation verwendete Prothesenschaftmodelle (meist Monoblockprothesen) mit einem ebenfalls antibiotikaangereichertem Zement ummantelt und vor der Implantation für die später leichtere Entfernung mit Patientenblut bestrichen. Die Konnektion der beiden Spacermodule erfolgte über einen Metallkopf (Fink et€al. 2009). Allerdings konnten wir in einer Analyse von Synovialis, die bei der Spacerentfernung und dem Wiedereinbau einer Prothese gewonnen wurden, Abriebpartikel des Zements mit vor allem Zirkoniumdioxidpartikeln nachweisen (Fink et€al. 2009). Eine andere Möglichkeit besteht in der Verwendung von Antibiotikaketten (Fehring et€ al. 1999; Haddad et€al. 2005). Der Nachteil dieser Methode liegt jedoch darin, dass nur industriell vorgefertigte Ketten mit Freigabe von Gentamicin oder Vancomycin verwendet werden können. Weiterhin entsteht eine Beinverkürzung sowie Instabilität mit der daraus resultierenden schwierigeren Mobilisation. Die Reimplantation ist in der Regel aufgrund von Vernarbungen, Gewebeschrumpfungen und Inaktivitätsosteoporose deutlich erschwert (Leunig et€ al. 1998; Mitchell et€ al. 2003; Hsieh et€al. 2004). Darüber hinaus ist ein Zirkoniumdioxidpartikelabrieb bei einer Mobilisation anzunehmen, was einen Drittkörperabrieb nach der Reimplantaton der Prothese bedingen könnte. Disch et€al. (2007) verwendeten daher beim zweizeitigen Wechsel keinerlei lokale Antbiotikaträger nach dem Prothesenausbau und sahen hiermit bei 32 Hüften eine Reinfektionsrate von 6,3€% 41,3€Monate nach Reimplantation jedoch in der durchschnittlich 13€Monate betragenden Phase der Girdlestone-Situation eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität. Bei dem zweizeitigen Wechsel gibt es ebenso wie bei dem einzeitigen noch viele ungeklärte Fragen, und bisherige Vorgehensweisen basieren eher auf empiri-
529
sche Erfahrungen als auf Daten prospektiver Studien mit höheren Evidenzgraden. So werden folgende Aspekte bei dem zweizeitigen Wechsel sehr unterschiedlich gehandhabt: Art der Antibiotikabeimischung in den Spacer, Länge der Spacereinlage, Länge der systemischen Antibiose, vorherige Aspiration vor der Reimplantation und Art der Reimplantation (zementiert oder zementlos). Antibiotikabeimischung in den Spacer In den meisten Arbeiten werden immer dieselben, vorgegebenen Antibiotika in den Zement beigemischt. Einige Autoren verwenden regelhaft Vancomycin und Tobramycin aufgrund ihres breiten Wirkungsspektrums (Fehring et€ al. 1999; Kraay et€ al. 2005). Jedoch können nicht alle Bakterien mit diesen Antibiotika erfolgreich therapiert werden (z.€ B. einige gramnegative Organismen). Dies ist ein Argument für die präoperative Identifizierung der Bakterien und deren Empfindlichkeit sowie für die bakterienspezifische Antibiotikaauswahl für die lokale und systemische Therapie. Masri et€al. (2007) berichteten in einer retrospektiven Studie über eine Erfolgsrate von 89,7€% bei einer bakterienspezifischen Antibiotikabeimischung in den Zement der PROSTALAC®-Spacer (DePuy, Kirkel-Limbach, Deutschland). In einer eigenen prospektiven Studie von 36 Fällen sahen wir bei einem Mindestnachuntersuchungszeitraum von 2€Jahren keine Reinfektion bei bakterienspezifischer Antibiotikabeimischung in individuell angefertigen Spacern (Fink et€al. 2009). Länge der Antibiotikatherapie Von den meisten Autoren wird eine 6-wöchige intravenöse Antibiotikatherapie durchgeführt, insgesamt wird sie jedoch sehr unterschiedlich gehandhabt (s.€Tab.€14.7 und 14.8). In neueren Arbeiten werden zum Teil sehr viel kürzere Antibiotikatherapiedauern angegeben. Whittaker et€al. (2009) fanden nach einer kürzeren, ausschließlich intravenösen Antibiotikatherapie mit Vancomycin in Kombination mit Vancomycin und Gentamicin beladenen Zementspacern nach dem Wiedereinbau der Prothese bei 41 Hüften eine Rate der Infektfreiheit nach durchschnittlich 4€Jahren von 92,7€%. McKenna et€ al. (2009) fanden sogar nur einen Reinfekt nach durchschnittlich 35€ Monaten bei 30 infizierten HüftTEPs, bei denen im Rahmen eines zweizeitigen Wechsels nach jeder Operation nur jeweils 5€ Tage eine systemische Antibiose gegeben worden war. Noch unterschiedlicher wird die Antibiotikagabe nach der Reimplantation der Prothese gehandhabt (s.€Tab.€14.7
B. Fink
530 Tab. 14.7↜╇ Ergebnisse der zweizeitig zementierten Revision von periporthetischen Infektionen an der Hüfte Interval bis zur Reimplantation
Keine
26,1 (4–59€Tage)
Keine
6€Wochen parenteral
╇ 87 1,5 Jahre (6€Tage bis 6,2€Jahre) 6 Wochen 2€Wochen ╇ 84 (4–214€Wochen) parenteral, 3€Monate oral 6 Wochen – ╇ 91
Follow-up
Lokale Spacer/ Antibioti- Antibiotika kaketten
McDonald 82 et€al. (1989)
5,5 Jahre
37
2,7 Jahre
Resektionsarthroplastik Resektionsarthroplastik
Colyer und Capello (1994)
Garvin et€al. 32 (1994) Lieberman 32 et€al. (1994)
â•›≥â•›2€Jahre, 4,1€Jahre 40 (24–80) Monate
Ketten
48 Younger et€al. (1997)
43 (24–63) Monate
Spacer
Leunig et€al. 12 (1998) Evans 23 (2004) Hsieh et€al. 24 (2005)
2,2 Jahre
Antbiotika nach Reimplantation Keine
Infektfreiheit (%)
Dauer der intravenösen Antibiose
Autor (Jahr) n
Aseptische Lockerung (%) –
–
╇ 91
–
3€Wochen ╇ 94 parenteral, 3€Wochen oral – 100
0
Spacer
6€Wochen parenteral Gentamicin 6€Wochen 8,8 Wochen Tobramycin (20–49€Tage) (3€Wochen bis Vancomycin 32€Monate) 13 Wochen Gentamicin 3€Wochen (5–42€Wochen) parenteral, 3€Wochen oral 4 (2–7) Monate Gentamicin –
–
–
Spacer
Gentamicin
12 Wochen
Keine
╇ 95,7
–
4,2 Jahre
Spacer
Spezifisch: 2 Wochen Vancomycin parenteral, 4 Piperacillin Wochen oral Aztreonam Teicoplanin
11–17 Wochen, wenn CRP normal
1 Woche parenteral
100
0
Ketten Spacer
Gentamicin
6 Wochen
und 14.8). Es lassen sich Angaben von gar keiner Antibiotikagabe bis zu über 3€Monaten postoperativ finden (s.€Tab.€14.7 und 14.8). Die Tatsache, dass die Dauer der Antibiotikatherapie nicht nur bei verschiedenen Autoren, sondern zum Teil auch innerhalb einer Studie unterschiedlich ist, bedeutet, dass bisher keine optimale Therapiedauer festzulegen ist. Eine unterschiedliche Antibiotikatherapiedauer mit vergleichbarer Erfolgsrate unterstreicht, dass die konsequente chirurgische Entfernung der Fremdkörper und das radikale Debridement allen entzündlichen und ischämischen Gewebes für den Therapieerfolg ausschlaggebend ist und die systemische Antibiotikatherapie nur unterstützend wirkt sowie einer Prophylaxe einer systemischen Bakteriämie und der Behandlung eines eventuell vorhandenen primären Infektionsherdes dient.
–
0
falls stark divergierende Angaben von wenigen Tagen bis zu Jahren (s.€Tab.€14.7 und 14.8). Viele legen den Zeitpunkt des Wiedereinbaus der Prothese anhand klinischer und laborchemischer Parameter fest und führen vorher eine Punktion durch (Lieberman et€al. 1994; McDonald et€al. 1989; Hsieh et€al. 2005; Masri et€al. 2007). Andere wiederum haben ein mehr oder weniger festes Schema (Haddad et€al. 2000; Garvin et€al. 1994; Evans 2004). Auch bezüglich des Intervalls zwischen den Operationen lässt die Variabilität innerhalb und zwischen den Studien keine klare Entscheidung für die beste Zeitspanne zu. Auch dies mag die vorrangige Bedeutung des operativen Debridements für den Therapieerfolg unterstreichen.
Punktion vor der Reimplantation Von vielen Autoren wird vor der Reimplantation eine Punktion empfohlen, damit die infektfreie Situation vor der Länge der Spacereinlage und Antibiotikatherapie Reimplantation der Prothese überprüft werden kann Bezüglich der Zeitspanne zwischen den beiden Ope- (Berry et€ al. 1991; Masri et€ al. 2007). Der Nachteil rationen des zweizeitigen Vorgehens finden sich eben- dieses Konzepts ist, dass eine solche Punktion eine
14â•… Revisionsendoprothetik
531
Tab. 14.8↜╇ Ergebnisse der zweizeitigen zementlosen septischen Wechsel von infizierten Hüftprothesen Autor (Jahr)
N
Follow-up
Wilson und Dorr (1989) Nestor et€al. (1994) Fehring et€al. (1999) Haddad et€al. (2000) Koo et€al. (2001)
22/13a â•›≥â•›3€Jahre, 48 Monate
Spacer/Anti- Lokale biotikaketten Antibiotika
Interval Dauer der intravenösen bis zur ReimplanAntibiose tation 3€Wochen 6–12 parenteral Wochen
Antbiotika nach Reimplantation 3€Tage parenteral
Aseptische Lockerung
91/100 7,6€% zement- Schaftlolos ckerung ╇ 82 18€% Schaftlockerung ╇ 92 0€%
Resektionsarthroplastik
Keine
34
47 (24–72) ResektionsMonate arthroplastik
Keine
â•›≥â•›4€Wochen parenteral
8 (3–19) Monate
Different
25
41 (24–98) Ketten Monate
Tobramicin in 16 Fällen
6€Wochen parenteral
4,8 Monate
–
50
5,8 (2–8,7) KetGentamycin Jahre tenâ•›+â•›Zementkugeln 41 (24–78) Spacer Vancomycin Monate Ketten Gentamicin Cefotaxime
5€Tage parenteral, danach oral 6 Wochen
3 Wochen
â•›≥â•›3 Monate
╇ 92
8€% Schaft subsid.
6–12 Wochen
–
╇ 95
–
–
╇ 94
5€% Pfanne locker 30€% Schaft subsid. 0€%
7,4 (3–37) – Monate
╇ 92
22
Hofmann et€al. (2005)
27
76 (28–148) Monate
Alter Schaft und neue PolyethylenPfanne
Tobramicin
Kraay et€al. (2005) Masri et€al. (2007)
33
â•›≥â•›2 Jahre
Spacer in 16 Fällen
Tobramicin in 16 Fällen
29
â•›≥â•›2 Jahre
Prostalac Spacer
Tobramicin Vancomycin Cefuroxime Penicillinb
Yamamoto 17 et€al. (2009)
38 Monate
Spacer
Gentamicin Vancomycin
31
35 Monate
Spacer
6€Wochen parenteral, in 17 Fällen zusätzlich oral für 6 Wochen â•›≥â•›6€Wochen parenteral
╇ 90 12 Wochen 5€Tage 6€Wochen intravenös parenteral oder in Kombination mit oral 100 â•›>â•›3 Wochen – 1€Woche parenteral, bis CRP normal 5 Tage Verschie- 5 Tage 100 den
Gentamycin Vancomycin Tobramycin 2€Wochen 36 â•›≥â•›2€Jahre Spacer Spezifisch: Gentamicin parenteral, Clindamycin 4€Wochen Vancomycin oral Ampicillin Ofloxacin a 13 der 22 Reimplantationen zementlos; Mo Monate, subsid subsidence b Kombination eines anderen lokalen Antibiotikums mit Tobramycin McKenna et€al. (2009) Fink et€al. (2009)
Infektfreiheit (%)
mindestens zweiwöchige, besser vierwöchige Antibiotikapause und eine zweiwöchige Bebrütungszeit des Punktats bedingt und somit die zweite Operation um mindestens vier bis sechs Wochen verschoben wird (Mont et€ al. 2000). Darüber hinaus sind noch lokale
6 Wochen
2€Wochen 100 parenteral, 4€Wochen oral
9€% Pfanne 0€% Schaft 0€%
–
–
6€% Schaft subsid. 0€% Lockerung
Antibiotikawirkspiegel von dem Spacer zu erwarten, die den Nachweis von Bakterien erschweren bzw. verhindern (Cui et€ al. 2007). Wir verzichten daher auf eine weitere Punktion und lassen uns entsprechend der Studie von Hsieh et€ al. (2004) ausschließlich durch
532
den klinischen Verlauf und die Laborwerte (crP) leiten. Zementierte Reimplantation Für die Fixation der endgültigen Prothesenkomponenten beim zweizeitigen septischen Hüftprothesenwechsel wird von den meisten Operateuren wieder Zement gewählt, da es wiederum die Beimischung von Antibiotika zu Vermeidung einer Reinfektion erlaubt (Duncan und Masri 1995; Evans 2004; Garvin et€al. 1994, 1995; Lieberman et€ al. 1994). Hiermit werden Eradikationsraten des periprothetischen Infekts zwischen 84 und 100€% beschrieben (Tab.€14.7). Zementfreie Reimplantation Der Nachteil der zementierten Revisionstechnik besteht darin, dass das knöcherne Prothesenlager durch die Lockerung der Primärprothese ausgeweitet, verdünnt und sklerosiert ist. Hierdurch wird die Haftung des Zements im Knochen deutlich geschwächt. So haben Untersuchungen ergeben, dass die Belastbarkeit der KnochenZement-Verbindung für Scherkräfte bei aseptischen zementierten Revisionen um 79€ % im Vergleich zu einer zementierten Primärimplantation reduziert ist (Dohmae et€ al. 1988). Dies erklärt bei aseptischen Lockerungen die deutlich höhere Rerevisionsrate von zementierten Revisionsprothesen im Vergleich zu zementlosen Revisionskomponenten, wie Wirtz und Niethard (1997) in einer Übersichtsarbeit sowohl für die Pfanne als auch die Schaftkomponente darstellen konnten (15,1€% vs. 4,3€% für die Pfanne und 12,7€% vs. 5,5€ % für den Schaft). Bei infektbedingten Prothesenlockerungen finden sich regelhaft sklerotische, glatte Knochenwände, so dass in diesen Fällen von einer deutlich verschlechterten Zementinterdigitation auszugehen sein dürfte. Daher mögen die Vorteile der zementlosen Revision auch für die Fixation des definitiven Implantats beim zweizeitigen septischen Wechsel vorliegen, obwohl exakte Daten über mittel- und langfristige Überlebensraten von zementierten und zementlosen zweizeitigen septischen Wechseln in der Literatur rar sind (Mitchell et€al. 2003). Sanchez-Sotelo et€al. (2009) berichten für zumeist zementierte Schäfte nach 10€Jahren über eine Infektfreiheit in 87,5€% der Fälle, aber nur über eine 10-Jahres-Überlebensrate mit aseptischen Lockerungen als Endpunkt von 75,2€%. Da die zementfreie Reimplantation keine lokale Antibiotikabeimischung und somit -freisetzung am Fixationsbett erlaubt, befürchten
B. Fink
einige Autoren mit diesem Konzept höhere Reinfektionsraten (Duncan und Masri 1995; Wilson und Dorr 1989). Einige wenige retrospektive Studien berichten über vielversprechende Ergebnisse mit zementlosen zweizeitigen Wechseln mit Raten der Infektfreiheit zwischen 82 und 100€ % (Tab.€ 14.8; Fehring et€ al. 1999; Haddad et€al. 2000; Koo et€al. 2001; Lai et€al. 1996; Masri et€al. 2007; Nestor et€al. 1994; Wilson und Dorr 1989). Über die Implantatstabilität von zementlosen Implantaten bei septischen Wechseloperationen existieren nur wenige Daten über zumeist nichtmodulare Revisionsimplantate. Fehring et€ al. (1999) erreichten eine stabile Fixation der zementlosen Prothese in 96€%. Nestor et€al. (1994) erreichten mit einem zementlosen, nichtmodularen, proximalen sandgestrahlten Schaft eine Implantatstabilität von 79€ %. Wilson und Dorr (1989) hatten allerdings in einer kleinen Gruppe von 13€Patienten bei Verwendung von zementlosen, nichtmodularen Schäfte mit alleiniger proximaler Fixation nach 3€Jahren nur in 38€% eine Osteointegration. Darüber hinaus variiert die Rate der aseptischen Frühlockerungen von zementlosen Revisionsschäften zwischen 0 und 18€% (s.€Tab.€14.8). Wir beobachteten ein deutlich geringere Migrations- und Lockerungsrate (6 und 0€%) für einen modularen zementlosen Revisionsschaft mit distaler Fixation (Revitan kurviert, Zimmer, Winterthur, Schweiz), was unseres Erachtens erstens in dem distalen Fixationsprinzip des Revisionsschafts im nichtdestruierten Knochen und zweitens in der Modularität des Schafts begründet ist. Allografts Bei septischen Prothesenwechseln stellen größere Knochendefekte ein erhebliches Problem dar. Eine Möglichkeit zur Rekonstruktion von Knochendefekten ist prinzipiell die Verwendung von Allografts. Viele Studien über Allografts im Rahmen eines septischen zweizeitigen Wechsels lassen keine klare Schlussfolgerung zu, da sie strukturelle Allografts und allogene Spongiosachips, die sich biologisch unterschiedlich hinsichtlich Porosität, Durchblutung und Inkorporation verhalten, in ihren Patientenserien gemeinsam untersuchen. Generell werden Reinfektionsraten von 9–14€ % mit Allografts beschrieben (Ammon et€ al. 2004; Berry et€ al. 1991; Wang und Chen 1997). Der Vorteil in der Verwendung von größeren Allografts liegt in der Rekonstruktion des defizitären Knochens, dem Ausgleich der zumeist vorliegenden
14â•… Revisionsendoprothetik
Beinverkürzung und der Möglichkeit, Standardrevisionsimplantate verwenden und somit Megaprothesen häufig vermeiden zu können. Der Erhalt des Trochanter majors und dessen Anschluss an das Allograft erlaubt häufig die Wiederherstellung der Abduktorenfunktion (Alexeeff et€al. 1996; Ilyas und Morgan 2001). Der Nachteil dieses Konzepts ist das potentiell höhere Reinfektionsrisiko, da Allografts avaskuläre Knochensegmente sind und somit potentielle Sequester darstellen (Salvati et€ al. 1982; Tornford et€al. 1990). Allerdings berichten Hsieh et€al. (2005) bei zweizeitigen septischen Wechseln keine Reinfektion bei 24€ Fällen mit Allografts nach einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 4,2€Jahren und Ilyas und Morgan (2001) bei 10€Patienten nach einem durchschnittlichen Follow-up von 5€ Jahren. Alexeeff et€ al. (1996) sahen ebenso keine Reinfektion und nur ein Versagen mit mangelnder Osteointegration des Allografts in 11€ Fällen mit einem durchschnittlichen Follow-up von 47,8€ Monaten. Sie empfahlen strukturelle Allografts bei zweizeitigen septischen Wechseln nur mit einem Zeitintervall zur Reimplantation von 3€ Monaten bei grampositiven und sechs Monaten bei gramnegativen Bakterien oder polymikrobiellen Infektionen. English et€ al. (2002) berichten über eine Infektfreiheit mit diesem Konzept von 93€ % nach durchschnittlich 53€ Monaten bei 53€ Patienten. Buttaro et€ al. (2005) verwendeten Vancomycin-getränkte allogene Knochenchips für ein „impaction grafting“ bei zweizeitigen septischen Wechseln und fanden eine Reinfektionsrate von 3,3€ % bei 29€ Patienten nach durchschnittlich 32,4€Monaten Beobachtungszeit. Winkler et€ al. (2008) verwendeten allogene Knochenchips mit und Rudelli et€ al. (2008) sogar ohne lokale Antibiotikaimpregnierung im Rahmen von einzeitigen septischen Wechseln mit Erfolgsraten von 92 und 93,7€% nach 4,4€Jahren bzw. 8,6€Jahren. Den wenigen In-vitro- und In-vivo-Studien über die Freisetzung von Antibiotika aus Allografts nach zu schließen, scheint es mit dieser Technik möglich zu sein, hohe lokale Antibiotikakonzentrationen von mehr als 90€% der minimalen Inhibitionskonzentration (MIC) zu erzielen (Winkler et€ al. 2000; Witso et€ al. 2000). Zur letztendlichen Beurteilung der antibiotikaversetzten Allografts bedarf es aber noch weiterer Studien, um auch die Dauer der Antibiotikafreisetzung in vivo aus solchen Allografts untersuchen zu können.
533
Eigenes Konzept Wir führen einen zweizeitigen Wechsel auf eine zementlose Hüftprothese durch. Unser Konzept unterscheidet sich von dem bisher vorgestellten Vorgehen mit zementlosen zweizeitigen Wechseln durch vier Aspekte (s.€Tab.€14.8). • Erstens, die auf das Bakterium spezifisch zugeschnittene systemischen Antibiotikatherapie und die lokale Antibiotikabeimischung im Zementspacer. Da eine Beimischung von mehreren Antibiotika im Zement deren lokale Freisetzung gegenseitig fördert verwenden wir regelhaft mindestens zwei Antibiotika im Spacer und bevorzugen z.€B. COPAL®-Zement gegenüber z.€B. Palacos®R-G-Zement (Heraeus Medical, Wehrheim, Germany), da erstgenannter eine bessere Freisetzung von Gentamicin aufweist (Ensing et€al. 2008; Hanssen und Spangehl 2004). • Zweitens führen wir eine reduzierte intravenöse Antibiotikadauer von 2€Wochen und • drittens eine Reimplantation nach 6€Wochen Spacer-Intervall durch, die beide kürzer sind als in den meisten anderen Studien (s.€ Tab.€ 14.7 und 14.8). Die zweiwöchige parenterale Antibiotikagabe basiert auf den Empfehlungen von Zimmerli (1995, 2006) sowie Trampuz und Zimmerli (2005). Dieses Konzept wurde auch in anderen Studien erfolgreich eingesetzt (z.€B. Hsieh et€al. (2004) mit einer Infektfreiheit von 95€ % (Hsieh et€ al. 2004; Zimmerli et€ al. 1998)). Genauso basiert die Gesamtdauer der Antibiotikatherapie von drei Monaten auf Empfehlungen von Zimmerli (2006) sowie von Trampuz und Zimmerli (2005). Das Spacer-Intervall von 6€Wochen ist ebenfalls eher kurz, wurde aber bereits von anderen erfolgreich eingesetzt (s.€Tab.€14.7 und 14.8). • Viertens verwenden wir regelhaft einen modularen zementfreien Revisionschaft mit distaler Verankerung in der Femurdiaphyse. In einer prospektiven Studie an 36€ Patienten mit diesem standardisierten Protokoll für zweizeitige zementlose septische Wechsel von Hüfttotalendoprothesen konnten wir eine Infektfreiheit von 100€%, eine aseptische Lockerungsrate von 0€%, eine knöcherne Schaftintegration von 94€%, kein Nachsinken des Schafts in 94€% und einen Harris-Hip-Score von 90€Punkten erzielen, so dass dieses Konzept suffizient erscheint (Fink et€al. 2009).
534
C. Perka
Abb. 14.148↜ a Röntgenbild a.p. einer periprothetischen Azetabulumfraktur mit Dislokation, b CT-Bild Azetabulumfraktur mit Dislokation
Periprothetische Frakturen des Azetabulums C. Perka Epidemiologie und Pathogenese╇ Periprothetische Frakturen des Azetabulum sind im Vergleich zu denen des Femur außerordentlich selten. In der Literatur wird die Häufigkeit mit 1:5400 bei zementierter Implantation und 1:1500 bei zementfreien Implantationen angegeben. Häufigster auslösender Mechanismus sind das Einschlagen der Press-fit-Pfanne und das Eindrehen einer Schraubpfanne, die zur periprothetischen Azetabulumfraktur führen (Abb.€ 14.148). Die rein traumatische Entstehung durch ein adäquates Ereignis ist selten. Die häufigste Ursache sind schleichende Frakturen des Azetabulum bei ausgedehnten Osteolysen. Diese finden sich sowohl nach zementfreien als auch nach zementierten Versorgungen. Problematisch ist die Frage, ob die vorliegende Fraktur akut eingetreten ist. Einziges typisches Hinweiszeichen ist das plötzlich auftretende Schmerzereignis. Jedoch kann auch dann nicht immer entschieden werden, ob es sich um ein schleichendes Ereignis handelte, bei dem es jetzt lediglich zum endgültigen Versagen des knöchernen Lagers und somit zur klinischen Symptomatik kam oder um eine wirklich traumatische Fraktur. Risikofaktoren sind präoperativ bestehende Knochendefekte, die Osteoporose und auch bereits vorliegende Osteolysen. So ist beim Vorliegen von Osteolysen oder anderen Risikofaktoren, die Durchführung regelmäßiger Röntgenkontrollen wichtigste Präventionsmaßnahme.
Klinik Klinisch steht die plötzliche Schmerzentstehung bzw. -zunahme im Vordergrund. Die Veränderungen können radiologisch in Röntgenaufnahmen a.p. und in Schrägaufnahmen nach Judet gesichert werden. Ein zusätzliches CT ist selten indiziert. Betroffen können grundsätzlich alle Abschnitte des Azetabulums sein, d.€ h. der vordere oder hintere Pfeiler, die mediale Wand und das Ilium („kranialer Dom“). Einteilung:╇ Die verbreitete Einteilung nach Peterson unterscheidet ein Typ€ 1, d.€ h. eine Fraktur bei stabilem Implantat, von einem Typ€2, d.€h. einer Fraktur bei instabilem Implantat. Therapie Ist das Implantat stabil, kann eine konservative Therapie durchgeführt werden. Die Stabilität ist anzunehmen, wenn keine typischen radiologischen Lockerungszeichen vorliegen, keine subjektiven Beschwerden bis zum Unfall bestanden und ein Zeitraum größer als 2€Jahre seit der Primäroperation (Dauer bis zur Integration) vergangen ist (Abb.€14.149). ►⌺ Die Stabilität des Implantats entscheidend über die Therapie!
Zeitnah zu Operationen, d.€ h. innerhalb von 3–6€ Monaten, auftretende periprothetische Frakturen sind im Regelfall instabil. Definitiv instabil sind intraoperativ auftretende periprothetische Frakturen des Azetabulum. Diese bedürfen einer sofortigen Versorgung auch wenn die Fragmente (noch) nicht dislozieren. Dies resultiert aber definitiv mit dem Einsetzen der Belastung.
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.149↜ Röntgenbild a.p. Azetabulumfraktur ohne Dislokation
Periprothetische Frakturen des Azetabulum stellen per se keine Indikation für erweiterte Zugänge dar. Das Risiko einer Devitalisierung ausgewählter Knochenabschnitte, von Wundheilungsstörungen und Infektionen ist mit diesen Zugängen signifikant erhöht. Die Versorgung erfolgt bei intraoperativ eingetretenen Frakturen durch zwei Maßnahmen: einerseits durch die Osteosynthese der erlittenen Fraktur und andererseits durch die stabile Implantation eines geeigneten Pfannenimplantats. Bei reellen Frakturen sind die Osteosynthese und die primärstabile knöcherne Versorgung anzustreben. Die Stabilität der Osteosynthese ist durch den oftmals sehr dünnen bzw. auch osteoporotischen Knochen gegenüber der von Osteosynthesen nach Azetabulumfrakturen ohne Endoprothese reduziert. Aus diesem Grund muss eigentlich immer zusätzlich das Implantat revidiert werden. Liegt die Operation länger zurück bzw. liegt eine schleichende Fraktur vor, muss neben der Stabilisierung der Fraktur und der stabilen Pfannenverankerung die Rekonstruktion der vorliegenden Knochendefekte (Osteolysen) erfolgen. ►⌺ Die alleinige Osteosynthese nach periprothetischen Azetabulumfrakturen stellt die Ausnahme dar.
Standard ist die gleichzeitige Revision des Pfannenimplantats. Dazu existieren zwei Möglichkeiten: • die Stabilisierung durch Einbringen eines das Azetabulum überbrückenden Stützrings, • als Alternative steht die Verwendung einer Pressfit-Pfanne zur Verfügung, wobei die Stabilität durch multiple Schraubenverankerungen in alle Fragmente erreicht wird.
535
Unsere Erfahrung zeigt, dass die Verwendung eines überbrückenden Stützringes (z.€ B. Reko-Ring oder Burch-Schneider-Ring) die einfachere und zudem primär sichere Versorgung darstellt (Abb.€ 14.150). Das grundsätzliche Prinzip der Versorgung besteht darin, dass die Frakturen am posterioren Pfeiler durch eine Osteosynthese stabilisiert und anschließend die Gesamtfraktur durch das überbrückende Implantat nochmals stabilisiert wird. Aus unserer Sicht ist die Stabilität im Ilium von herausragender Bedeutung. Demgegenüber sind die Stabilität und die Fragmentposition am Pfannenboden bzw. des vorderen Pfeilers sekundär (bzw. vernachlässigbar streichen). Zu den in der Literatur existierenden Berichten über die zusätzliche Versorgung mit Kabeln können hier aufgrund der fehlenden Erfahrungen keine Aussagen gemacht werden. Bei Verwendung von Stützringen ist grundsätzlich die simultane Therapie der Fraktur, der eingetretenen Lockerung und des Knochendefekts möglich. Sie stellt für uns somit die primäre Option bei periprothetischen Azetabulumfrakturen dar. Dagegen ist die in der Literatur als gleichwertig beschriebene Verwendung von Press-fit-Pfannen mit multipler Schraubensetzung, d.€h. die „interne Osteosynthese“, aus unserer Sicht primär weniger stabil und wird daher von uns nicht mehr durchgeführt. Theoretisch erlaubt diese Technik jedoch die langfristige Integration des Implantats in den Knochen. Vergleichende Daten fehlen jedoch bisher aufgrund der begrenzten Fallzahlen. Periprothetische Fraktur des Femur J. Schröder und H. Bail Die Behandlung der periprothetischen Fraktur ist komplex und schwierig, die erreichten Ergebnisse sind oft unbefriedigend und die Komplikationsrate hoch (Young et€ al. 2007). Die Mortalität periprothetischer Frakturen ist mit bis zu 11€% nach einem Jahr ähnlich hoch wie nach proximalen Femurfrakturen (Bhattacharyya et€al. 2007). 4€ % aller Patienten mit einer Hüft-TEP erleiden in ihrem Leben eine periprothetische Fraktur (Berry 1999), wobei der einfache Sturz der häufigste Unfallmechanismus ist (75€% nach primärer Hüft-TEP, 56€% nach Revisions-TEP; Lindahl et€al. 2005).
J. Schröder und H. Bail
536 Abb. 14.150↜ (a) Periprothetische Azetabulum„Ermüdungsfraktur“ bei ausgedehnten Osteolysen, (b) Versorgung durch Knochenrekonstruktion mit metallischem Wedge sowie Rekoring (Off-Label-Use)
Die Häufigkeit periprothetischer Frakturen nimmt bei steigender Lebenserwartung, höherem Aktivitätsniveau der Patienten und einer steigenden Zahl von Primärimplantationen und Revisionen zu (Berry 2003). Der wichtigste patientenassoziierte Risikofaktor der periprothetischen Fraktur ist die Implantatlockerung (70€ % bei primären Hüft-TEP, 56€ % bei RevisionsTEP (Lindahl 2005). Weiterhin gelten Osteoporose, Osteolysen, Knochenareale mit lokaler Gewebsschwächung und hoher Lasteinleitung („stress-riser“) sowie ein höheres Lebensalter (2,9faches Risikoâ•›>â•›70€ Jahre (Cook et€al. 2008) als Risikofaktoren. Zementierte Versorgungen besitzen sowohl intraals auch postoperativ ein deutlich niedrigeres Risiko für die Entstehung einer periprothetischen Fraktur. Klassifikation Zahlreiche Klassifikationen sind publiziert worden, die sich in an der Lokalisation der Fraktur in Relation zur Prothese und an der Stabilität des Implantats orientieren (Fink et€al. 2005). Unter diesen Klassifikationen ist die VancouverKlassifikation (Duncan und Masri 1995) die gebräuchlichste. Sie berücksichtigt neben der Lokalisation der Fraktur, die Prothesenstabilität und die Qualität des periprothetischen Knochens. Damit ermöglicht diese Klassifikation die Ableitung einer Therapiestrategie. Die Vancouver-Klassifikation unterscheidet je nach Höhe der Fraktur in Relation zur Schaftkomponente Vancouver-A-, -B- und -C-Frakturen. Vancouver-A-
Tab. 14.9↜╇ Vancouver-Klassifikation der periprothetischen Frakturen A
Trochanter-Region
B
Schaft
C
Distal der Prothese
AG: Trochanter major AL: Trochanter minor B1: stabile Prothese B2: instabile Prothese B3: ossäre Defektsituation und B2
Frakturen betreffen die Trochanterregion, Typ€AG den Trochanter major und Typ€AL den Trochanter minor. Die Vancouver-B-Fraktur ist im Bereich des Prothesenschafts lokalisiert. B1-Frakturen liegen bei fester Prothese, B2 bei gelockerter und B3 bei gelockerter Prothese mit begleitenden ossären Defekten vor. Die Vancouver-C-Fraktur ist unterhalb der Prothesenspitze lokalisiert (Tab.€14.9). Therapie Das Ziel der Therapie ist die Wiederherstellung der korrekten Achse und Länge des Femur, die Rekonstruktion der Knochensubstanz und eine stabile Endoprothese. Nur so ist eine rasche Mobilisation bei vergleichbarer oder besserer Funktion als vor dem Eintreten der Fraktur möglich. Es existiert kein Standardverfahren! Die Therapiestrategie ist abhängig von der Lokalisation der Fraktur, der Stabilität der Prothese und der Qualität des periprothetischen Knochens. Das operative Vorgehen
14â•… Revisionsendoprothetik
537
Abb. 14.151↜ Stabile Vancouver-A-Fraktur, konservative Therapie
muss sich zudem an die Frakturmorphologie, die ossären Defekte und die Komorbiditäten anpassen. Eine Vielzahl von Verfahren und Implantaten stehen zur Verfügung. Durch die modularen Prothesen und winkelstabilen Implantate wurden die Therapieoptionen in den letzten Jahren signifikant erweitert. Es fehlen jedoch umfassende Daten zu den unterschiedlichen Techniken und Implantaten, was durch die geringe Studienzahl mit meist wenigen Fällen bedingt ist. ►⌺ Das zentrale Prinzip lautet: Eine festsitzende Prothese wird überwiegend osteosynthetisch versorgt, eine gelockerte Prothese muss gewechselt werden.
Hauptherausforderung ist somit die Bestimmung der Stabilität der Prothese. Die fehlerhafte Bewertung einer Fraktur als B1-Fraktur bei jedoch gelockerter Prothese ist die Ursache der hohen Komplikationsrate bei diesem Frakturtyp (Lindahl et€al. 2006). Es existieren keine allgemeingültigen Tests, die die Stabilität einer Prothese bestimmen lassen. Zementierte Prothesen sind überwiegend zu wechseln. ►⌺ Bei zementfreien Prothesen gilt als Faustregel, dass, wenn mehr als ein Drittel des verankerungsrelevanten Anteils der Prothese vom Knochen gelöst ist, ein Wechsel durchgeführt werden sollte!
Das Einbringen eines Meißels an die Grenzfläche zwischen Prothese und Knochen kann bei der Stabilitätstestung helfen. ►⌺ Die Prothese gilt bei periprothetischen Frakturen des Vancouver Typs B bis zum Beweis des Gegenteils als locker!
Konservative Therapie╇ Die konservative Therapie ist aufgrund der hiermit verbundenen langen Immobilisationsdauer, häufigen Fehlstellungen sowie einer hohen Pseudarthroserate weitestgehend verlassen. Heute ist sie bei stabilen Vancouver-A-Frakturen indiziert (Abb.€14.151). Operative Therapie • Vancouver-A-Fraktur: Nur etwa 5€% der periprothetischen Frakturen betreffen den Trochanter major. Die postoperative Vancouver-A-Fraktur kann traumatisch oder bei osteolytischen Veränderungen im proximalen Femur auftreten. Davon abzugrenzen sind intraoperativ nicht bemerkte Frakturen bzw. relevante Strukturschwächungen, die kurz nach der Implantation zum Nachweis einer Trochanterfraktur führen. Wenig dislozierte intra-/postoperative Trochanterfrakturen ohne gluteale Insuffizienz können zunächst konservativ therapiert werden, da mehr
J. Schröder und H. Bail
538
Abb. 14.152↜ Vancouver B1-Fraktur, Übergang zur C-Fraktur, Osteosynthese mittels inverser LISS
als die Hälfte der Patienten hierunter beschwerdefrei werden (Pritchett 2001; Hsieh et€al. 2005). Ist der frakturierte Trochanter jedoch osteolytisch, sollte die Revision mit Spongiosaplastik und Osteosynthese erfolgen (Wang et€ al. 2006). Verwendet werden bei großen Fragmenten Cerclagen (die um die mediale Kortikalis oder auch um den Prothesenhals gelegt werden; Achtung: gleiches Material von Cerclage und Prothese notwendig!), Zuggurtungsosteosynthesen oder sog. Trochanterkrallen. Letztere bietet im Allgemeinen die höchste Stabilität, haben aber den Nachteil, dass die verwendeten Kabel häufig brechen und sehr oft mechanische Reizungen am Trochanter durch das auftragende und die Weichteile störende Osteosynthesematerial auftreten. • Vancouver-B-Fraktur: 80€ % der periprothetischen Frakturen sind Vancouver-B-Frakturen, insbesondere B1- und B2-Frakturen. Die Beurteilung der Stabilität der Prothese ist wie oben ausgeführt für die Behandlungsstrategie und deren Erfolg entscheidend. • Vancouver-B1-Frakturen: Bevorzugt wird hier die Osteosynthese der Fraktur. Diese ist oftmals schwierig. Die Rate an zur Reoperation führenden
Komplikationen ist hoch. Ursache ist die Ausfüllung des Markraums, insbesondere bei zementfreien Endoprothesen, was die korrekte Positionierung der Schrauben erschwert. Mit der Einführung neuer, insbesondere der winkelstabilen Implantate wie der LCP oder dem Less Invasive Stabilisation System (LISS), konnte die Komplikationsrate gesenkt und Konsolidierungsraten von über 90€% erreicht werden, wenngleich der Evidenzlevel dieser Studien niedrig ist (O’Toole et€al. 2006; Kääb et€al. 2006; Ricci und Borelli 2007; Abb.€14.152). Neue Plattensysteme erlauben den Aufsatz von „Laschen“, die eine größere Vielfalt an Richtungen für die Schraubenverankerung realisieren. Die additive Verwendung von strukturellen Allografts (sog. „Strutgrafts“) kann in ausgewählten Fällen sinnvoll sein, um die Stabilität des Konstrukts erhöhen (Talbot et€al. 2008). • Vancouver-B2/B3-Frakturen: Bei diesem Frakturtyp ist die Prothese (und evtl. der Zement sowie das Granulationsgewebe) zu entfernen, die Fraktur zu reponieren und durch das Implantat sowie die zusätzliche Osteosynthese zu stabilisieren. Der zentrale Punkt dabei ist die Primärstabilität des Prothesenschafts. Bevorzugt werden zementfreie
14â•… Revisionsendoprothetik
539
Abb. 14.153↜ VancouverB2-Fraktur, Revision mittels modularem Revisionsschaft
Revisionsimplantate, da hier kein Eintritt von die Frakturheilung beeinträchtigendem Zement in den Frakturspalt befürchtet werden muss. Bei älteren Patienten ist jedoch auch eine zementierte Verankerung möglich, wenngleich dadurch die Frakturheilung nur in seltenen Fällen eintritt. Dieses Vorgehen ist also nur sinnvoll, wenn der noch intakte Knochen, eine stabile Verankerung der Prothese erlaubt. Bei zementfreien Prothesen ist eine diaphysäre Verankerungsstrecke von ca. 2 Femurquerdurchmessern oder von 3€cm unbedingt anzustreben. Dies ist abhängig vom Prothesentyp (s.€Kap.€14.3). Modulare Prothesensysteme erleichtern die Operation wesentlich. Bei diesen Prothesen wird zunächst der distale Prothesenteil im Sinne eines Fundaments stabil verankert und nachfolgend der proximale Teil variabel der konkreten Situation angepasst. Zusätzliche Cerclagen dienen zur Osteosynthese der Fraktur (Abb.€14.153).
Gelingt es im Falle eines hochgradigen Knochendefektsituation nicht, eine suffiziente diaphysäre Verankerung zu erzielen, kann eine Rekonstruktion mit strukturellen Allografts und nachfolgendem „impaction grafting“ (Tsiridis et€ al. 2004) bzw. einer Kombination aus kurzem, zementierten Schaft und einer suffizienten Osteosynthese als, wenngleich meist schlechtere Alternative, in die therapeutische Strategie einbezogen werden. • Vancouver-C-Fraktur: Bei der Vancouver-C-Fraktur mit meist festem Implantat ist die Osteosynthese die Therapiestrategie der Wahl. Das Therapieprinzip entspricht dem der distalen Femurfraktur. Winkelstabile Implantate mit vielen distalen Schrauben helfen, in der spongiösen Knochensubstanz des distalen Femur ausreichende Stabilität zu erzielen. Es ist aber zu berücksichtigen, das die Verankerungsqualität winkelstabiler Schrauben im spongiösen Knochen wegen des üblicherweise flacheren
540
C. Perka und R. Ascherl
Abb. 14.154↜ Vancouver-CFraktur, Osteosynthese mit winkelstabiler Platte
Gewindes nicht höher als bei Standardosteosynthesen ist. Dabei sollte eine ausreichend lange, bis weit proximal der Prothesenspitze reichende Platte gewählt werden, um eine Ermüdungsfraktur zwischen Prothese und Osteosynthese zu verhindern (Abb.€14.154). Fazit Die Behandlung der periprothetischen Fraktur ist komplex und schwierig, sie bedarf gleichermaßen der Kenntnisse in der Revisionsendoprothetik als auch in der Frakturbehandlung. Entscheidendes Kriterium für die Therapie ist die Stabilität der Prothese: Ist diese locker, muss sie gewechselt werden, bei festem Implantat erfolgt nahezu immer die Osteosynthese.
14.5.3.5 T ipps und Tricks in der Revisionsendoprothetik C. Perka und R. Ascherl Im Folgenden sollen praktische Hinweise, Tipps und Tricks aus der eigenen Erfahrung und der von Kollegen gegeben werden. Planung • Präoperativ sollte der Endoprothesenpass eingesehen werden. Notwendig sind die Kenntnis des verwendeten Konus, des Kopfdurchmessers, des
Schafts (spezieller Ausschläger?), der Pfanne (Ausdrehinstrumentarium bei Schraubpfannen) und der Pfannengröße (v.€a. beim Inlaywechsel). Fehlt ein solcher Pass und erlaubt das Röntgenbild keine eindeutige Zuordnung, so kann die Nachfrage beim Hersteller in der Operationsplanung weiterhelfen. • Bei allen Schrauben muss die Art des Schraubenkopfes identifiziert werden. Es existiert eine Vielzahl von Schraubenköpfen auf dem Markt (Schlitzschrauben, Sternschrauben, Sechskantinbus, Torx-Schrauben u.€a.; Abb.€14.155). Ein komplettes Schraubenzieherset sollte verfügbar sein. • Bei geplanter Entfernung eines Keramik-Inlays empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit der Herstellerfirma der Prothese. Einige Keramik-Inlays sind bereits durch leichtes Anschlagen auf dem Pfannenrand zu lösen, bei anderen sind spezielle Inlay-Extraktoren (meist Vakuumextraktoren) notwendig. Präoperative Vorbereitung • Das zu operierende Bein sollte unbedingt präoperativ markiert werden (Abb.€14.156). • Der Patient ist so zu lagern, dass eine Bildwandleruntersuchung problemlos möglich ist. • Die Abdeckung muss die Erweiterung des Hautschnitts nach distal (z.€B. periprothetische Fraktur des Femur) und nach proximal (Implantation von
14â•… Revisionsendoprothetik
541
Abb. 14.155↜ Darstellung unterschiedlicher Schraubenköpfe, die bei der Revision möglicherweise zu entfernen sind
Abb. 14.156↜ Markierung des zu operierenden Beines mit einem Kreuz am Vorabend der Operation
Stützringen) bzw. in Richtung des Bauchraums beim Auftreten von Gefäßverletzungen erlauben. OP-Techniken • Die Präparation einer vernarbten Fascia lata erfolgt von distal nach proximal, da distal die Darstellung fast immer einfacher ist. • Als Zugang sollte der Zugang der vorangegangenen Operation im Regelfall gewählt werden. Ausnahmen sind spezielle Erfordernisse hinsichtlich der geplanten zu implantierenden Komponenten bzw. vorbestehende ausgedehnte Weichteilschädigungen oder notwendige Erweiterungen. Auch eine vorbestehende Luxationsneigung (z.€B. nach dorsal
nach hinterem Zugang) kann einen Zugangswechsel bedingen. Der in Revisionsoperationen weniger Erfahrene sollte den Standardzugang der Primärprothetik bevorzugen. • Bei einem dorsalen Zugang sollte der N.€ischiadicus von distal nach proximal dargestellt werden. Bereitet das Auffinden Schwierigkeiten, kann dieser in Höhe des Sitzbeins durch Druck gegen das Sitzbein als Widerlager im Regelfall sehr gut identifiziert werden (Abb.€14.157). • Das Einsetzen der Haken muss in der Revisionsendoprothetik vorsichtig erfolgen. Ursachen sind die herabgesetzte knöcherne Stabilität und die bei Knochendefekten vorliegende anatomische Nähe von Nerven und Gefäßstrukturen zur Hakenposition. Ist der vordere Pfannenrand nicht sicher darzustellen und der Haken somit nicht sicher zu positionieren, sollte dieser zunächst soweit kranial wie möglich eingesetzt und erst schrittweise unter Sicht und genauer Positionierung entlang des vorderen Azetabulumrands nach distal verlagert werden. • Das Einsetzen des hinteren Pfannenrandhakens ist bei hinteren Pfeilerdefekten nicht sinnvoll möglich und sollte unterbleiben. Ein besonderes Risiko ist die anatomische Nähe des N.€ischiadicus, der häufig durch narbige Einziehungen näher als bei der Primärversorgung am Azetabulum liegt.
C. Perka und R. Ascherl
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M. vastus lateralis
M. gluteus medius
M. gluteus maximus M. piriformis N. ischiadicus
Abb. 14.157↜ Intraoperativer Situs mit Darstellung der Lage des N.€ischiadicus
• Die Luxation des Hüftgelenks erfolgt immer nur mit geringem Zug. Der Schlüssel für die Luxation mit geringem Kraftaufwand ist im Regelfall das Release am proximalen Femur. Dies beinhaltet die vordere Kapsel, die medial am Femur ansetzenden Strukturen bis zur Iliopsoassehne, die dorsale Kapsel und evtl. Vernarbungen im Ansatzbereich der Glutealmuskulatur. Bei brüsker Kraftanwendung sind Frakturen an den Trochanteren, besonders bei Osteolysen, zu erwarten. Bei tiefen Protrusionen nach Pfannenmigration ist eine Trochanterosteotomie hilfreich (Abb.€14.158). Voraussetzungen sind gute Knochenverhältnisse im Ostetomiebereich, die eine Konsolidierung der Fraktur erwarten lassen. Die Techniken der Trochanterrefixation müssen beherrscht werden. Diese ist im Regelfall so durchzuführen, dass die Muskelansätze des Glutaeus medius und des Vastus lateralis erhalten werden, da diese die Osteosynthese zusätzlich muskulär stabilisieren (s.€Abb.€14.158). • Das Abschlagen eines Kopfes vom Konus kann durch ein leichtes Anschlagen eines metallischen Stößels auf den Prothesenhals erleichtert werden. Der Hals sollte in dieser Phase fixiert werden (Einzinker, Polygripzange o.€a.). • Die Antibiotikatherapie beginnt erst nach Entnahme von Synovialflüssigkeit und mikrobiologischen Proben (im Regelfall 5 bis 7). Gegebenenfalls ist die vorherige Instruktion des Anästhesisten notwendig. • Festsitzende zementierte und zementfreie Pfannen sind durch gebogene Meißel oder Spezialmeißel (Zentriermeißel), die über den Prothesenkopf
Abb. 14.158↜ Prinzip der Trochanterosteotomie in der Revisionsendoprothetik. Aufgrund der Komplikationen bei der Ostetomieheilung geht die Anwendung dieser Technik zurück. Die korrekte Richtung der Ostetomie ist für den Erfolg entscheidend
Abb. 14.159↜ Ansetzen des Zentriermeißels
zentrieren, zu lockern. Der Meißel ist dabei am Übergang Zement/Polyethylen (bei zementierten Pfannen) bzw. von Zementknochen (bei zementfreien Pfannen) anzusetzen (Abb.€14.159). • Ist der Einsatz eines Zentriermeißels geplant, müssen selbstverständlich zunächst alle Schrauben entfernt werden. Das für die Schraubenextraktion
14â•… Revisionsendoprothetik
Abb. 14.160↜ Darstellung eines Zentriermeißels
zunächst entfernte Inlay muss unbedingt aufgehoben und nach Entfernen der Schrauben wieder eingesetzt werden, da sonst der Zentriermeißel nicht verwendet werden kann (Abb.€14.160). • Vor dem Ausschlagen von Abstützringen ist die vollständige Entfernung der Schrauben zu kontrollieren. Die Übersicht über alle Löcher des Stützringes ist daher notwendig. Zement im Schraubenkopf kann durch entsprechendes Anbohren mit einem 3,2-mm-Bohrer entfernt werden. ►⌺ Cave: Niemals einen noch stabil sitzenden Ring ausschlagen ohne Sicherheit darüber, dass alle Schrauben entfernt worden sind! Neben knöchernen Defekten könnte es auch zu Gefäßverletzungen kommen.
• Besondere Vorsicht gilt bei Implantaten und Zement im kleinen Becken. Zement kann relevante Weichteilstrukturen, insbesondere Gefäße umfließen. Die unvorsichtige Entfernung führt oft zu massiven Blutungen. Die Entfernung von protrudierten Komponenten bzw. von Zement aus dem kleinen Becken ist am sichersten über einen zusätzlichen vorderen Zugang möglich. Soll die Entfernung von lateral
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erfolgen, muss die Präparation unbedingt mit einem stumpfen Instrumentarium (z.€ B. Cobb-Raspatorium) durchgeführt werden, um die umgebende Granulationsgewebsschicht vom zu entfernenden Implantat bzw. Zement zu trennen. • Polyethylen-Inlays zementfreier Pfannen lassen sich am einfachsten entfernen, wenn diese mit einem 6-mm-Bohrer angebohrt und anschließend mit dem Korkenzieherinstrument herausgetrieben werden. Alternativ sind auch das Anbohren mit einem kleineren Durchmesser (3,2€ mm) und das Eindrehen einer Spongiosaschraube zum Austreiben des Inlays möglich. Der Effekt entsteht durch das Auftreffen der Schraubenspitze bzw. des Korkenziehers auf der Metallschale. • Für die Entfernung von Schraubpfannen gelten die gleichen Grundsätze wie für Press-fit-Pfannen. Das sofortige Herausdrehen einer festen Schraubpfanne ist mit einer extrem hohen Gefahr der knöchernen Verletzung des vorderen bzw. hinteren Pfannenrandes verbunden. Dies sollte unbedingt unterbleiben. Schraubpfannen sind ebenso wie Press-fit-Pfannen vor der Entfernung zu lockern. Komplett ummeißelt werden sollten dabei die drei Hauptpunkte des Krafteintritts, d.€h. der Übergang zum Sitzbein ebenso wie die Kontaktfläche zum Darmbein bzw. auch zum Schambein. Ist der Knochen in diesen drei Regionen gelöst, gelingt im Regelfall das Herausdrehen der Schraubpfanne. Schaftentfernung • Prinzipiell ist ein Release des proximalen Femur notwendig, ohne jedoch Muskulatur zu schädigen. Muskulatur ist elastisch und dehnbar und stellt kein Hindernis bei der Entfernung der Schaftkomponente dar. Zementierte Prothesen lassen sich im Regelfall leicht herausschlagen. Anschließend wird der Zement von proximal nach distal entfernt Der Zement ist grundsätzlich zuerst in Längsrichtung zu spalten (z.€ B. durch Federmeißel oder Spaltmeißel) und erst nach multiplen Spaltungen ist die Grenzzone zwischen Zement und Knochenlager zu bearbeiten. Der Versuch, größere Zementteile durch Hebeln aus dem Knochenlager zu lösen, führt oft zu Frakturen. Verwendet werden sollten Meißel mit negativem Schliff, um beim Heraushebeln des Zements eine zu große Krafteinwirkung auf den Knochen zu verhindern.
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C. Perka und R. Ascherl
Abb. 14.161(a, b↜) Exzentrische Lage der distalen Prothesenspitze im Zement. Bei endostaller Zemententfernung besteht ein großes Risiko für eine Femurperforation
• Bei endofemoraler Zemententfernung muss diese mindestens bis unterhalb des Niveaus des Trochanter minor von proximal erfolgen, bevor Bohrer oder Korkenzieher zum Einsatz kommen können. Ein zu zeitiger Einsatz eines Korkenziehers führt sonst zur Gefahr der Fraktur. • Zementierte Prothesen sind oftmals gebogen, so dass der Eintrittspunkt relativ weit medial liegt. Für die distale endofemorale Zemententfernung sind jedoch ein sehr lateraler Eintrittspunkt des Bohrers und eine laterale Führung des Bohrers notwendig. Die hier im lateralen Trochanterbereich noch vorhandene Spongiosa ist eventuell zu entfernen, da sonst eine varische Ausrichtung des gegenüber der gebogenen Prothese geraden Bohrers resultiert. Im Zweifelsfall sollte eine Bildwandlerkontrolle erfolgen. Die Perforationsgefahr besteht besonders in lateraler und ventraler Richtung. Aus diesem Grund ist eine eher posteriore und mediale Bohrrichtung beim Aufbohren des Zementköchers anzustreben. Dies gilt insbesondere für den distal der Prothese gelegenen Anteil, bei dem keine gute Führung mehr durch das ehemalige Prothesenlager vorhanden ist (Abb.€14.161). • Markraumsperrer sollten niemals nach unten durchgestoßen, sondern wenn immer möglich entfernt werden. Möglich ist dies mit langen Korkenziehern mit kleinem Durchmesser bzw. Küretten. • Festsitzender Zement, bei dem jeweils nur kleine Zementmengen entfernt werden können, sollte unbedingt unter Bildwandlerkontrolle entfernt werden, da im Regelfall der feste Zement zu einem Abdrängen des Bohrers in den Knochen führt. Eventuell ist ein transfemoraler Zugang zu wählen.
• Ist der Zement nicht entfernbar, sollte die Entfernung des Zements über ein ventral angelegtes Kortikalisfenster erfolgen. Dies sollte einen trapezförmigen Querschnitt mit spitz nach distal auslaufender Form haben. Die Ecken dieser Kortikalisfenster sind grundsätzlich anzubohren. Wir empfehlen hier einen 3,2-mm-Bohrer. Beim Anlegen des Fensters ist auf ein konzentrisches schräges Sägen zu achten, damit das spätere Fenster nicht in den Markraumkanal hineinfällt (Abb.€14.162). • Zementfreie Prothesenstiele sollten mit dünnen Federmeißeln bzw. Lambotte-Meißeln von proximal vorsichtig ummeißelt werden. Sind stabil festsitzende Prothesen mit distaler Verankerung oder Prothesen mit makroporöser Oberfläche zu entfernen, sollte frühzeitig ein transfemoraler Zugang von entsprechender Länge durchgeführt werden. Hilfreich ist die Verwendung einer Hochgeschwindigkeitsfräse für die Bearbeitung des umliegenden Knochens bzw. mit der Möglichkeit der Metalldurchtrennung (z.€ B. Midas-Rex-System, Medtronic, Deutschland). Hierbei kann z.€ B. nach Durchtrennung der Prothese und Entfernung des proximalen kragenteilenden Prothesenanteils der distale Anteil dann überfräst werden. Wenngleich auch hierbei der Knochensubstanzverluste auftreten, ist die Entfernung der Prothese ohne Frakturgefährdung im Regelfall möglich. • Das Markraumlager ist vor der Reimplantation ausgiebig zu lavagieren. Beim Kürettiereng des Markraums ist auf den Blutverlust zu achten. • Bezüglich spezieller Implantationstechniken sei auf das Kap.€14.5.3.1 verwiesen.
14â•… Revisionsendoprothetik
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20°
a
20°
b
Abb. 14.162↜ Prinzip der Anlage eines Knochenfensters. Es wird eine Trapezform gewählt, um Spannungsspitzen zu vermeiden (a). Zugleich konzentrisches, schräges Sägen, damit das Knochenfenster am Ende wieder eingepasst werden kann und nicht in den Markraum fällt (b)
14.5.3.6 H inweise zur Führung einer Knochenbank A. Pruss und K. Thiele Allogene Knochentranssplantate sind trotz der Bemühung um Alternativen (Knochenersatzmaterialien, Tissue Engineering) für die Behandlung ausgedehnter Knochendefekte bei Revisionsoperationen unabdingbar. In Deutschland werden derzeit jährlich etwa 75.000 autogene und ca. 30.000 allogene Knochentransplantationen durchgeführt (Pruss und Katthagen 2008). Überregionale Gewebebanken, die kortikospongiöse Knochentransplantate sowie ein breites Spektrum weiterer muskuloskelettaler Transplantate (Bänder, Sehnen, Faszien) bereithalten, existieren derzeit nur in Berlin (Gewebebank am Institut für Transfusionsmedizin der Charité und Deutsches
Institut für Zell- und Gewebeersatz). Zusätzlich sind deutschlandweit ca. 250 klinikinterne bzw. lokale Knochenbanken an unfallchirurgischen bzw. orthopädischen Kliniken angesiedelt. Diese Banken halten hauptsächlich Femurköpfe vor, die bei endoprothetischen Primärversorgungen des Hüftgelenkes steril entnommen wurden (Abb.€14.163). Neben allogenen Knochentransplantaten werden autologe Knochengewebe, künstliche und bovine Materialien sowie vitale Knochenzellkulturen (Tissue Engineering) verwendet (Tab.€ 14.10). Das autogene Knochentransplantat, meist aus dem Beckenkamm, gilt weiterhin als biologischer „Goldstandard“, da es sich durch optimales Einwachsverhalten bei fehlender Immunogenität und Infektiosität auszeichnet. Die Einheilung autogener Knochentransplantate beruht auf osteoinduktiven und osteokonduktiven Mechanismen. Aufgrund seiner überlegenen biologischen Potenz ist das Autograft besonders im ersatzschwachen Lager indiziert. Nachteilig zeigt sich jedoch die Materiallimitierung bei größeren Defekten sowie die durch einen Zweiteingriff verlängerte Operations- und Narkosezeit (Dutting et€ al. 1988; Niedhart et€ al. 2003; Ruter und Lob 1986; Kreibich et€al. 1994; Wippermann et€al. 1997). Der wesentliche Vorteil allogener Knochentransplantate im Vergleich zu künstlichen Knochenersatzmaterialien (Knochenzement, Hydroxylapatitkeramik, bovines Material) ist, neben der osteokonduktiven Wirkung in Form von demineralisierten Knochenmatrixkomponenten, teilweise auch osteoinduktiv zu wirken. Das natürliche Knochentransplantat dient als Leitsystem für eine knöcherne Durchbauung und bietet somit die ideale, der physiologischen Morphologie entsprechende, Architektur (Katthagen und Pruss 2008). Derzeit ist die Tätigkeit von muskuloskelettalen Gewebebanken, die v.€a. allogene Gewebe bearbeiten, auf 3 Schwerpunkte ausgerichtet: 1. juristische Vorgaben, insbesondere infolge des Gewebegesetzes, 2. Infektionssicherheit (Spenderauswahl, Labortestung, Entnahme), 3. spezielle Herstellungsverfahren inklusive validierter Inaktivierungsverfahren. Juristische Vorgaben Das am 01.08.2007 in Kraft getretene „Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen“ (Gewebegesetz) vom 20.07.2007 dient der Sicherheit der Patienten und veränderte die rechtliche
A. Pruss und K. Thiele
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Abb. 14.163↜ Operativ entnommener Femurkopf und Instrumentarium zur Entknorpelung
Tab. 14.10↜╇ Allogene muskuloskelettale Transplantate und Indikationen Transplantat Spongiöse Knochengewebe
Kortikale Knochengewebe
Indikationen
•â•‡ TEP-Wechsel in Hüft- und Kniegelenk • Verfüllung bei zystischen Tumoren und „tumor-like lesions“ •â•‡ Posttraumatische Defekte •â•‡ Rekonstruktion der Hüftpfanne •â•‡ Ventrodorsale-Fusion bei LWS-Instabilitäten •â•‡ Umstellungsosteotomien der Tibia und des Femurs •â•‡Wirbelkörperersatz nach Entzündung oder Tumor, Ersatz peripheren Knochens bei unterschiedlichen Defektsituationen
•â•‡ „greffe anterior“ – ventrale Stabilisierung bei schweren Skoliosen •â•‡Rekonstruktion von Knochendefekten, v.€a. Endoprothetik, Stabilisierung bei zystischen Läsionen in biomechanisch belasteten Bereichen (Femur bei fibröser Dysplasie), Knochendeckel bei Knochenzysten •â•‡ Ventralisation der Tuberositas tibiae •â•‡ Korrekturosteotomien •â•‡ OP nach Eden-Hybinette bei habitueller Schultergelenksluxation Bandgewebe
Sehnengewebe Fasziengewebe Knorpelgewebe
•â•‡ Ersatz bei Ruptur des Ligamentum patellae •â•‡ Ersatz bei defektem Streckapparat •â•‡ Seitenbandinstabilität der Kniegelenkskapsel •â•‡ Kreuzbandplastiken •â•‡ Seitenbandinstabilität der Kniegelenkskapsel •â•‡ Gelenksarthrosen
Lage muskuloskelettaler Gewebeeinrichtungen, insbesondere der lokalen Knochenbanken. Hintergrund der Gesetzgebung ist die Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Konservierung, Lagerung und
Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. Die Richtlinie 2006/17/EG sowie die Richtlinie 2006/86/ EG dienen der technischen Durchführung dieser Richtlinie und sind durch das Gewebegesetz vom 20.07.2007 in deutsches Recht umgesetzt worden. Die Qualität und Anwendungssicherheit der muskuloskelettalen Gewe-
14â•… Revisionsendoprothetik
betransplantationen kann damit nicht mehr allein durch die „Richtlinien zum Führen einer Knochenbank“ geregelt werden, sondern muss die neuen gesetzlichen Regelungen des Gewebegesetzes berücksichtigen (von Auer 2008). Entsprechend dieser gesetzlichen Vorlage erfasst der Gewebebegriff in Abgrenzung zum Organbegriff alle menschlichen Gewebe und Zellen, die medizinisch verwendet werden, einschließlich Herzklappen, Augenhornhäute, Knochenmark, fötale und embryonale Organe, Gewebe und Zellen sowie Keimzellen. Der Begriff „Gewebeeinrichtung“ umfasst jede Einrichtung, die mit Gewebe umgeht, also auch solche Einrichtungen, die nicht be- oder verarbeiten, sondern nur entnehmen oder nur testen oder nur transportieren oder nur in den Verkehr bringen (von Auer 2008). Wesentliche rechtliche Rahmenbedingungen des Gewebegesetzes sind: 1. Gewebeeinrichtungen, die sich mit der Gewinnung, Testung, Ver- und Bearbeitung, Lagerung und dem Inverkehrbringen klassischer Gewebezubereitungen beschäftigen, benötigen, sofern sie nicht über eine Herstellungserlaubnis gemäß §Â€13 AMG verfügen, hierfür eine Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde (§Â€20b AMG und §Â€20c AMG). 2. Es entfallen bei fehlender Herstellungserlaubnis gemäß §Â€13 AMG die Positionen des Leiters der Herstellung, des Leiters der Qualitätskontrolle und der sachkundigen Person. Stattdessen wird gemäß §Â€20c AMG eine „verantwortliche Person“ für die Leitung der Gewebeeinrichtung eingesetzt. Diese muss Arzt, Biologe oder Biochemiker mit zweijähriger praktischer Tätigkeit auf dem Gebiet der Be- oder Verarbeitung von Geweben oder Gewebezubereitungen sein. 3. Klassische, nicht industriell bearbeitete Gewebezubereitungen (z.€ B. Herzklappen, Augenhornhäute, Femurköpfe) unterliegen derzeitig einer verfahrensbezogenen Genehmigungspflicht (§Â€21a AMG), die Voraussetzung für das Inverkehrbringen dieser Gewebezubereitungen ist. Diese Genehmigung ist bei der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, zu beantragen. 4. Durch Änderung von §Â€4a (4) AMG ist die frühere Ausnahme der Entnahme, Herstellung und Anwendung von Gewebe unter der Verantwortung eines Arztes vom Anwendungsbereich des AMG (§Â€ 4a (4) AMG alt) aufgehoben und auf den Fall beschränkt worden, dass Gewebe innerhalb eines Behandlungsvorgangs einer Person entnommen und auf diese wieder rückübertragen wird im Sinne
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einer autologen Verwendung (z.€B. Schädelkalotte bei neurochirurgischen Eingriffen; §Â€ 4a (4) AMG neu). Auch bei der Verwendung allogener Gewebe ist die Ausnahmeregelung vom AMG bei Personenidentität von Entnahme, Herstellungs- und Transplantationsvorgängen in §Â€4a (3) AMG noch erhalten geblieben. 5. Die Meldungen der Gewebeeinrichtungen über die Art und Menge der entnommenen und be- oder verarbeiteten Gewebe an die zuständige Bundesbehörde (Paul-Ehrlich-Institut) soll die Transparenz erhöhen und Tissue-Vigilanz ermöglichen. Infektionssicherheit Die schwerwiegendste unerwünschte Begleiterscheinung der allogenen Knochentransplantation ist die Übertragung von viralen bzw. nichtviralen Krankheitserregern. Historisch beschriebene Infektionsübertragungen von u.€a. HIV, HBV, HCV, Clostridien führten zu strikten Regulationen hinsichtlich der Lebend- oder Multiorgan-/Leichenspende von Knochengewebe sowie diesbezüglicher Verfahren (Simonds et€ al. 1992; Schratt et€al. 1996). Die „Richtlinien zum Führen einer Knochenbank“ legen Normen für die Auswahl von Lebend- und Leichenspendern fest, die sich in vergleichbarer Form auch in den internationalen Standards der American Association of Tissue Banks (AATB), der European Association of Tissue Banks (EATB), der European Association of Musculoskeletal Transplantation (EAMST), der EU-Richtlinie 2006/17/ EG sowie der TPG-Gewebeverordnung (TPG-GewV) wiederfinden. Voraussetzung für die Knochenspende ist gemäß TPG die Einwilligung des Spenders bzw. im Fall einer Knochenentnahme bei Verstorbenen, soweit kein Spendeausweis vorliegt, deren Angehörige. Bei allen Knochenspendern ist die Spendetauglichkeit durch Anamnese, Laboratoriums- und Untersuchungsbefunde ärztlich zu beurteilen und zu dokumentieren. Anamnese Der Knochenspender bzw. im Fall einer Knochenentnahme bei Verstorbenen dessen behandelnder Arzt sowie die Angehörigen müssen nach Risikofaktoren für die Spendetauglichkeit befragt werden. Der Lebendspender muss die Richtigkeit seiner anamnestischen Angaben durch Unterschrift bestätigen, ebenso muss eine ausführliche Spenderanamnese mit Ausschlusskriterien, die v.€ a. der Erkennung und Vermeidung von Infektionsrisiken dienen, vorliegen (s.€ folgende Übersicht). Es wird darauf hingewiesen,
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dass die BÄK-Richtlinie zum Führen einer Knochenbank in absehbarer Zeit novelliert werden soll. In diesem Zusammenhang werden auch die Spenderauswahlkriterien an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft angepasst. Bei der körperlichen Untersuchung des Spenders ist insbesondere auf Zeichen einer Infektionskrankheit und Anzeichen von parenteralem Drogenmissbrauch zu achten. Bei Vorliegen entsprechender Symptome ist auf eine Knochenentnahme zu verzichten.
Ausschlusskriterien
• Ausschluss auf Dauer − Nachweis einer HCV-, HBV-, HIV-Infektion unabhängig von Krankheitserscheinungen − Patienten, bei denen eine chronische Hepatitis oder Leberzirrhose unbekannter Ätiologie vorliegt − Allgemeinbevölkerung mit erhöhtem Risiko für HVB-, HCV- oder HIV-Infektion − Vorliegen einer Protozoonose: Babesiose, Trypanosomiasis, Leishmaniasis oder Malaria − Erkrankung an Lues − Erkrankung an Brucellose, Rickettsiose, Lepra, Rückfallfieber, Tularämie − Nach Osteomyelitis im Explantatknochen − Nach manifester Tuberkulose − Bekannte Dauerausscheider von Salmonellen (Typhus- und Paratyphus) − Behandlung mit Hypophysenhormonen − Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung bzw. bei Blutsverwandten mit dieser Erkrankung − Nachweis anderer neurologischer Erkrankungen (Meningitis, Enzephalitis, multiple Sklerose, Polyneuritis) − Patienten mit Kornea- oder Dura-materTransplantaten − Patienten mit Xenotransplantaten − Erkrankungen mit bösartigen Neoplasien (außer einige primäre Tumoren des ZNS) − Regelmäßige Hämodialyse − Regelmäßige systemische Behandlung mit Glukokortikoiden oder anderen Immunsuppressiva
A. Pruss und K. Thiele
• Ausschluss für 2€Jahre − Nach gesichert ausgeheilter Toxoplasmose • Ausschluss für 12€Monate − Nach Diagnose und Behandlung einer sexuell übertragbaren Krankheit − Nach postexpositioneller Impfung gegen Tollwut − Nach Verabreichung Sera tierischen Ursprungs • Ausschluss für 6€Monate − Nach intimen Kontakt mit Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko für HIV, HBV, HCV − Nach Transplantation eines Organs humanen Ursprungs (außer Kornea und Dura mater) − Nach Gabe von Blut oder Plasmaderivaten − Nach unbeabsichtigter Exposition gegenüber Blut durch Stichverletzungen etc. − Nach Akupunktur, falls diese nicht unter aseptischen Bedingungen durchgeführt wurde − Nach Tätowierungen • Sonstige Ausschlusskriterien − Erkrankung an akuter Hepatitis€A oder E unbekannter Ätiologie mind. für 2€Monate − Mögliche Exposition gegenüber Malaria − Nach Besuch Malaria-Endemiegebiet für mindestens 6€Monate − Nach fieberhafter Erkrankung und/oder Durchfallerkrankungen unklarer Ursache für 4€Wochen − Nach Verabreichung von Lebendimpfstoffen für 4€Wochen − Nach Hepatitis-B-Impfung für 3€Wochen − Nach einem unkompliziertem Infekt für eine Woche
Laboruntersuchungen Der zeitliche Abstand von der Blutentnahme für die Laboruntersuchungen bis zur Explantation sollte sowohl beim Lebend- als auch beim Leichenspender möglichst kurz sein, 7€ Tage jedoch nicht überschreiten. Bei Lebendspendern kann die Blutentnahme noch bis zu 7€Tage nach der Gewebeentnahme und bei Leichenspendern noch bis 24€h p.m. durchgeführt werden. Hämodilutionseffekte durch die Gabe von Blut, Blutbestandteilen, Kolloiden
14â•… Revisionsendoprothetik Tab. 14.11↜╇ Infektionsparameter Parameter Anforderungen Anti-HIV-1/2 Negativ Anti-HCV Negativ Anti-HBc Negativa HBs-Antigen Negativ Negativ HCV-RNAb Negativ HIV-RNAb Negativ HBV-DNAb Antikörper gegen Treponema pallidum Negativ a Für den Fall, dass der Anti-HBc-Test positiv und der HBsAgTest negativ ausfallen (z.€B. bei vorbestehender Immunität), sind weitere Untersuchungen (Anti-HBs, HBV-Einzel-PCR) durchzuführen, um eine HBV-Infektion auszuschließen (BÄK 2001) b Bei Leichenspendern: Erst- und Zweittestung als Einzelbestimmung, bei Lebendspendern: ggf. Ersttestung, Zweitestung, validierte Pooltestung möglich. Validierte Virusinaktivierungsverfahren sind in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Endgültige Empfehlungen folgen.
bzw. Kristalloiden innerhalb von 48€ h vor der Blutprobenentnahme müssen mittels eines geeigneten Berechnungsalgorithmus erfasst werden. Proben mit einer Plasmaverdünnung von >â•›50€% dürfen nicht zur Testung verwendet werden. Die Untersuchung der in Tab.€14.11 aufgeführten Parameter ist obligat. Da bei Frauen im gebärfähigen Alter rhesuskompatibel (RhFaktor D) transplantiert werden muss, ist neben der AB0-Blutgruppe der Rhesusfaktor des Knochenspenders zu dokumentieren. Bei gesicherter Entfernung aller Erythrozyten aus dem Transplantat kann auf diese Testung verzichtet werden. Frühestens sechs Wochen nach Entnahme des zur Transplantation vorgesehenen Knochens ist eine zweite Testung des Lebendspenders auf HBsAg, Anti-HBc, HBV-DNA sowie auf Anti-HIV1/2, HIV-RNA und Anti-HCV, HCV-RNA durchzuführen. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die anstehende Novellierung der BÄK-Richtlinie hingewiesen. Auf die zweite Testung kann verzichtet werden, wenn ein validiertes chemisches oder physikalisches Verfahren zur Virusinaktivierung eingesetzt wird. Untersuchung des Explantats Die Explantate müssen visuell und röntgenologisch auf Zeichen von Tumor, Nekrose und Infektion kontrolliert werden. Als bakteriologische Untersuchung ist die Explantatoberfläche vollständig mit Spüllösung zu bedecken mit anschließender Überführung eines Aliquots der Spüllösung
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von je 5–10€ml in ein für aerobe und anaerobe Keime geeignetes Nährmedium mit nachfolgender Bebrütung in einem Blutkultursystem für mindestens sieben Tage. Unmittelbar nach ihrer Entnahme müssen die Knochen mit geeignetem Material hygienisch einwandfrei verpackt werden. Dies kann durch eine Dreifach-Weichverpackung oder eine Einfach-Hartverpackung geschehen. Unmittelbar nach der Entnahme soll das Explantat kältekonserviert werden. Bis zur Überführung in die dauerhafte Kryokonservierung ist außerhalb der Verarbeitungszeit eine Zwischenlagerung der Explantate von –18° bis zu sieben Tagen möglich. Für eine adäquate langfristige Gefrierkonservierung ist eine Lagerungstemperatur von −â•›70° und tiefer bis maximal 5€ Jahre oder von −â•›35€ °C bis maximal 2€ Jahre erforderlich. Für die Transplantation ist eine vollständige Dokumentation mit schriftlicher Einverständniserklärung des Spenders, unterschriebenem Anamnesebogen des Lebendspenders, ärztlicher Bestätigung der Einhaltung der Ausschlusskriterien, Ergebnisse der labormedizinischen und bakteriologischen Untersuchung, ggf. Blutgruppe von Spender und Empfänger, Datum und Uhrzeit der Knochenentnahme und der -transplantation und Kennzeichnung des Knochenexplantats und der dazugehörigen Begleitdokumente zur späteren Identifikation beizulegen. Sämtliche Prozeduren sind schriftlich in Standardarbeitsanweisungen (SOP) festgelegt. Alle Dokumente, die für die Freigabe der Explantate relevant sind, müssen 30€Jahre verwahrt und im Bereich der Knochenbank vorgehalten werden. Hinsichtlich der arzneimittelrechtlichen Dokumentation wird auf das erforderliche QS-System gemäß §Â€ 3 (3) AMWHV sowie die weiteren relevanten Passagen in den Abschn.€14.3 und 14.5 a der AMWHV verwiesen. Spezielle Herstellungsverfahren Um die mögliche Übertragung von Pathogenen zu verhindern, sollte ein Virusinaktivierungsverfahren in den Herstellungs- und Präparationsprozess integriert werden. Chemische und physikalische Verfahren sowie deren Kombination finden hierfür ihren Einsatz. In Deutschland zählen hierzu v.€a. die chemische Behandlung mit Peressigsäure/Ethanol, die Sterilisation mit Gammastrahlen bzw. Kombinationsverfahren sowie die thermische Behandlung mit feuchter Hitze (Marburger Knochenbanksystem). Chemische Behandlung mit Peressigsäure/Ethanol (Pruss et€al. 2003; Brosig et€al. 2005). Wirkmechanis-
A. Pruss und K. Thiele
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mus: Die lipidlöslichen PES-Moleküle, die nicht durch Katalyse inaktiviert werden können, durchdringen alle Zellmembranen, gelangen zu den ungeschützten, oxidationsempfindlichen Stoffwechselenzymen und spalten hier aktiven Sauerstoff ab. Bevorzugt werden Strukturelemente mit SH- oder -S-S Gruppen oxidiert. Der Ethanolzusatz führt im Verfahrensprozess zu einer Herabsetzung der Oberflächenspannung, durch den Unterdruck (200€mbar) werden durch die PES-Reaktion entstehende Gasbläschen entfernt. Wirkungsspektrum:╇ Nachweis einer effizienten Abreicherung von >â•›4€log10 TCID50/ml für klinisch relevante Viren sowie >â•›5€log10€cfu/ml für Bakterien, Pilzen, Sporenbildnern und Sporen. Einschränkungen:╇ Nachteilig zeigt sich eine reduzierte Eindringtiefe, daher werden nur Transplantatgrößen mit max. 15€mm in einer Ebene hergestellt sowie eine verzögerte Einheilung bei Sehnentransplantaten. Sterilisation mit Gammastrahlen (Campbell et€ al. 1994; Fideler et€al. 1994). Wirkungsmechanismus: Die beim Zerfall radioaktiver Elemente entstehende energiereiche Gammabestrahlung (z.€B. 60Cobalt) sabotiert die genetische Information im Zellkern, setzt Defekte und regeneriert Fehler in der späteren Replikation des Erregers. Die Bandbreite der empfohlenen Dosis reichen von 2,5–89,0€ kGy und wird über den D10-Wert in Abhängigkeit von der Temperatur definiert. Der D10-Wert beschreibt die erforderliche Strahlendosis, um den Anfangsvirustiter um 90€% bzw. 1 log10-Stufe zu reduzieren. Bekannte D10-Werte für verschiedene Viren, Bakterien, Sporenbildner und Pilze sind in (Tab.€ 14.12) aufgeführt. Hierbei zeigen sich nichtvirale Mikroorganismen wesentlich strahlensensibler als Viren; zurückzuführen auf die unterschiedliche Genomgröße und der dadurch bedingten erhöhten Trefferquote/Zeit. Bei dem durch die Firma Tutogen angewandten Kombinationsverfahren sichern mehrere Schritte die validierte Abreichung potentieller Erreger. Nach einer Entfettung im Ultraschallbad erfolgen mehrfache Behandlungen in hyperosmotischen bzw. deionisierten Wasserbädern. Nach einer H2O2-Behandlung wird das Gewebe abschließend mit Aceton gewaschen und einer Dehydratation unterzogen. Nach Beendigung der chemischen Behandlung wird das Gewebe mit Gammastrahlen sterilisiert und ist dann bei Raum-
Tab. 14.12↜╇ D10-Werte für ausgewählte Mikroorganismen Mikroorganismus Bovines Parvovirus HIV-2 Hepatitis-A-Virus Pseudorabiesvirus Bovines Virus, Diarrhoe-Virus Streptococcus faecium Clostridium sporogenes Candida crusei Salmonella spp. Bacillus subtilis Escherichia coli Enterobacter spp. Campylobacter jejuni Staphylococcus aureus Pseudomonas aeruginosa Aspergillus niger
D10-Wert (kGy) 7,30 7,10 5,30 5,30 3,00 2,80 1,60 1,16 1,10 0,60 0,31 0,31 0,23 0,20 0,16 0,04
temperatur lagerbar (Hinton et€al. 1992; Gunther et€al. 1998). Thermische Behandlung mit feuchter Hitze (Pruss et€ al. 2003a, b). Wirkungsmechanismus: Derzeitige Umsetzung in Deutschland im Rahmen des Marburger Knochenbanksystems „Lobator-sd-2-System“ bei der Desinfektion von Femurköpfen. Die thermophysikalische Desinfektion beruht auf der Konformitätsänderung von Proteinen in einem Inaktivierungsbereich von ≥â•›82,5€°C für mindestens 15€min. Das System ist in der Lage, zahlreiche Bakterien und virale Infektionserreger ohne wesentliche Beeinträchtigung der Osteokonduktivität sowie der Festigkeit und Struktur des Knochens zu eliminieren. Einschränkung: Sporen und Sporenbildner werden erwartungsgemäß nicht ausreichend inaktiviert. Hinsichtlich der sterilen Entnahme der Femurköpfe im Operationssaal kann dieses jedoch vernachlässigt werden. Fazit Allogene Knochentransplantationen gehören heute weltweit zu den häufigsten Anwendungen allogener Gewebetransplantate, deren therapeutisches Ziel die verbesserte Rekonstruktion von Knochendefekten ist. In Anbetracht der Regelungen des Gewebegesetzes ist die Arbeit lokaler Gewebebanken neu geordnet worden, so dass mittelfristig die Ausbildung größe-
14â•… Revisionsendoprothetik
rer regionaler muskuloskelettaler Gewebebanken zu erwarten ist. Schwerpunkt der Tätigkeit von Gewebebanken ist die umfassende Qualitätssicherung mit Integration von validierten Inaktivierungsverfahren. Es verbleiben jedoch eine Vielzahl von muskuloskelettalen Geweben, die keinem Inaktivierungsprozess unterzogen werden (z.€B. osteochondrale Gewebe, Meniski, Zellkulturen), so dass perspektivisch eine Erweiterung der Verfahren mit konsekutiver Risikominimierung angestrebt wird.
14.6 K omplikationen bei Revisionseingriffen am Hüftgelenk C. Perka und M. Millrose Prinzipiell treten nach Revisionseingriffen am Hüftgelenk die gleichen Komplikationen wie in der Primärendoprothetik auf. Diese sind aufgrund der höheren Komplexität der Operation jedoch häufiger. Prozentual steigt die Anzahl der Komplikationen mit der Zahl der Voreingriffe (Kavanagh und Fitzgerald 1987). Ursachen sind die längere Dauer des Eingriffs, die veränderte Anatomie infolge der Voreingriffe, die sekundäre Schädigung des Knochens durch die Lockerung der Prothese und die oftmals schlechtere räumliche Orientierung. Die typischen Komplikationen sind in Tab.€14.13 aufgeführt.
14.6.1 Gefäßverletzungen Gefäßverletzungen sind in der Revisionsendoprothetik häufiger, da klare anatomische Grenzen oftmals fehlen. Das gelockerte Implantat hat bedingt durch Protrusionen und Wanderung (z.€B. Kranialisierung oder Medialisierung ins kleine Becken) den Knochen zerstört, so dass die pfannennahen Gefäße oftmals nur noch durch Bindegewebe bzw. Muskulatur abgegrenzt sind. Postoperative Blutungen, die eine Revision bedürfen, werden bei Wechseleingriffen in der Literatur mit 2–5€% angegeben (Berry 1992; Morscher et€al. 1989). Diese Zahl erscheint aber aus heutiger Sicht zu hoch. Im eigenen Patientengut liegt dieser Prozentsatz bei etwa 0,3€%. Die gefährdenden Schritte bei der Revisionsendoprothetik sind daher:
551 Tab. 14.13↜╇ Komplikationen bei der Revision von HüfttoÂ�talendoprothesen
Intraoperativ
Postoperativ (früh)
Postoperativ (spät)
Spezifische Komplikationen Gefäßverletzung Nervenverletzung Implantatinstabilität Gelenkinstabilität Azetabuläre oder femorale Fraktur Nachblutung Infekt Wundheilungsstörung Luxation Infekt Luxation Periprothetische Fraktur Heterotope Ossifikation Aseptische Lockerung
Allgemeine Komplikationen Gerinnungsstörung Embolie Kardiopulmonale Komplikationen
Gerinnungsstörung Thrombose Embolie Kardiopulmonale Komplikationen Thrombose Embolie
• Entfernung des am Bindegewebe fixierten Implantats: Dabei kann es insbesondere im Bereich des Pfannenbodens zur Gefäßläsion kommen. Operationen mit ins Becken protrusionierter Komponente sollten daher bevorzugt in Rückenlage mit weitreichender Abdeckung des Operationsfeldes durchgeführt werden, um evtl. über einen zweiten Zugang das geschädigte Gefäß schnell erreichen zu können. Bei ausgeprägter Protrusion ist eine digitale Subtraktionsangiographie durchzuführen, um den Bezug der Pfanne zu den großen Gefäßen darzustellen (Abb.€14.164). Diese Blutungsquelle ist aber selten. Mindestens genauso problematisch, aber häufiger ist das bei protrusionierter Pfannenkomponente oftmals gestaute Venengeflecht im Bereich des Pfannenbodens. Im Zweifelsfall sollte immer über einen ilioinguinalen Zugang zunächst die Innenseite des Beckens dargestellt und die Pfanne von innen nach außen herauspräpariert werden. • Entfernung des Granulationsgewebes und des Zements: Die Entfernung des Granulationsgewebes am Pfannenboden sowie die Entfernung von Knochenzement können ebenfalls zu starken Blutungen führen. Knochenzement, insbesondere im Pfannenbodenbereich, umfließt beim Einbringen Weichteilstrukturen und härtet dann aus. Die Folge ist beim Entfernen des Zementes dann die Gefäßarrosion mit relevanter Blutung.
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Abb. 14.164↜ Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) zur Planung der Revision bei gelockertem und disloziertem BurchSchneider-Ring zur Darstellung der iliakalen Gefäßversorgung
• Spongiosachips: Beim Aufbau knöcherner Defekte, insbesondere bei „uncontained defects“, können scharfkantige Spongiosachips zu Gefäßverletzungen führen. Eine Blutung bei der Impaktion des Allografts muss daher sorgfältig geprüft werden. Vor allem die Kompression scharfkantiger Spongiosachips am Pfannenboden kann zu Gefäßschädigungen führen. Der Verschluss des Pfannenbodens muss daher initial erfolgen (Knochenscheibe, Metallnetz, TMT-Knopf). • Implantatassoziierte Blutungen: Bei der Verwendung von Schraubpfannen mit selbstschneidendem Gewinde besteht ein hohes Blutungsrisiko. Aufgrund der knöchernen Substanzverluste sind in der Revisionsendoprothetik Schraubpfannen mit großem Durchmesser zu implantieren, der sich meist am größeren kraniokaudalen Durchmesser orientiert. In der Sagittalebene sind diese Implantate dann größer als der natürliche Pfannendurchmessser. Die Folge ist das „Durchschneiden“ des meist sowieso defizitären vorderen Pfannenrandes. Die im vorderen Teil dann überstehenden scharfen Schraubzähne führen leicht zu einer Verletzung der A.€ femoralis mit massiven Blutungen. Auch gelockerte Pfannen können zu einer Verdrängung der A. und V.€femoralis führen (Abb.€14.165). Die Verwendung von Schraubpfannen im Revisionsfall sollte daher aus unserer Sicht, trotz guter Einheilungsergebnisse nur erfolgen, wenn ausreichend Knochen in allen Segmenten, vor allem am vorderen Pfannenrand, vorhanden ist.
C. Perka und M. Millrose
• Einbringen der Schrauben: Ein weiteres Blutungsrisiko besteht beim Einbringen der Schrauben (Abb.€14.166). Diese Blutungen sind extrem gefährlich und werden oftmals durch den Operateur nicht wahrgenommen. Jeder Blutdruckabfall während oder wenige Minuten nach Setzen der Bohrlöcher oder Einbringen der Schrauben, ist auf das Vorhandensein einer intrapelvinen Blutung verdächtig und abzuklären. In Abhängigkeit der Schraubenposition sollte dann bei massivem Blutdruckabfall die sofortige Darstellung über einen ilioinguinalen oder retroperitonealen Zugang erfolgen. Ein sofortiges interventionsradiologisches Vorgehen ist bei Verfügbarkeit ebenfalls adäquat. Ist der Blutdruckabfall weniger stark ausgeprägt, kann eventuell durch die kardiovaskuläre Diagnostik im Rahmen der Interventionsradiologie die Blutung erkannt und gestillt werden. ►⌺ Schraubenfehllagen im kleinen Becken stellen eine häufigste Blutungsquelle dar.
• Mediale Pfannenbodenperforation: Besonders gefährdet ist die medial der Tränenfigur am Pfannenboden verlaufende kräftige Arteria obturatoria. Insbesondere bei Operationen, bei denen eine Medialisierung des Pfannenbodens eingetreten oder für die Verankerung geplant ist, besteht hier die Gefahr für eine massive Blutung, wenn im kaudalen Pfannenbereich gearbeitet wird. Das Gleiche gilt für die kaudale Verschraubung von Stützringen, die wir u.€ a. deshalb nur noch in Ausnahmefällen durchführen. Tritt eine Blutung der A.€ obturatoria ein, ist dies zweifellos eine lebensgefährliche Situation. Wir empfehlen hier die sofortige Tamponade und anschließend die Freilegung über einen ilioinguinalen oder Stoppa-Zugang. Die Arterie muss unterbunden werden, weshalb ein Gefäßchirurg nicht unbedingt notwendig ist. • Incisura ischiadica: Bei der Implantation von Stützringen, beim Vorliegen von ausgedehnten kranialen Defekten und bei der Implantation der Sockelpfanne, d.€h. bei allen Techniken mit anatomischer Nähe zur Incisura ischiadica bei der Präparation, besteht die Gefahr der Verletzung der Arteria und/oder Vena glutea superior (vgl. Kap.€14.5.3.1, Abb.€ 14.118). Die Verletzung dieser Arterie kann insbesondere dann, wenn eine Anastomose oder
14â•… Revisionsendoprothetik
553
Abb. 14.165↜ Lagebeziehung (a) und potentielle Verdrängung der femoralen Gefäße durch das gelockerte Implantat (b)
ein direkter Ursprung aus der A.€ epigastrica inferior vorliegt, zu massiven Blutungen führen. Das Aufsuchen dieser Arterie ist bei einer einmal eingetretenen Blutung außerordentlich kompliziert. Es existiert eigentlich kein Zugang, mit dem diese Arterie sicher und schnell erreicht werden kann. Nach unserer Erfahrung ist das sofortige Tamponieren obligat. Anschließend muss nach der Kreislaufsituation entschieden werden, ob evtl. unter Mitbeteiligung des Gefäßchirurgen über einen retroperitonealen Zugang die Beckengefäße (A. und V.€iliaca interna) dargestellt werden oder ob interventionsradiologisch die Blutungsstelle zu diagnostizieren und zu therapieren ist. Postoperativ ist die Differenzierung, ob es sich um eine Blutung aus dem Knochen bei zum Teil großen freiliegenden spongiösen Flächen, insbesondere nach Entfernung eines großen Granuloms, handelt oder aber um eine Blutung aus einem Gefäß, außerordentlich schwierig. Zu berücksichtigen ist, dass nach den großen, zum Teil ausgedehnten Eingriffen postoperativ die Gerinnung gestört ist oder es im Rahmen einer beginnenden Verbrauchskoagulopathie zur vermehrten Blutung kommen kann. Zudem wird in den meisten Fällen präoperativ oder kurz postoperativ mit der Thromboembolieprophylaxe begonnen, so dass hier ein weiterer Risikofaktor für eine systemische Störung der Blutgerinnung besteht. ►⌺ Im Zweifelsfall ist bei akuten Blutungen die angiographische Darstellung indiziert!
Postoperativ sollten die Wunde und die Laborparameter, d.€ h. sowohl am Abend des Operationstages als auch am Morgen des ersten postoperativen Tages kontrolliert werden. Bei unklarem Hämoglobinabfall im Verlauf (im Sinne einer subakuten Blutung) stellt das CT die Methode der Wahl dar, um retroperitoneale Einblutungen frühzeitig zu erkennen. Danach muss entschieden werden, ob eine weiterführende interventionsradiologische Diagnostik durchgeführt wird. ►⌺ Die gefährlichsten und massivsten Blutungen führen zu einem retroperitonealem Hämatom, das klinisch oftmals nicht sichtbar ist. Aus diesem Grund fordert jeder unklare Hb-Abfall eine CT-Diagnostik. Klinisch ist in vielen Fällen ist auch eine beginnende Ileus- bzw. Subileussymptomatik wegweisend.
Erwähnt werden müssen auch noch die unmittelbar postoperativ auftretenden Beinvenenthrombosen. Diese sind oftmals Folge der direkten Schädigung der Gefäßwand. Auch hier sollte eine weiterführende Diagnostik (im Regelfall durch Dopplersonographie) und Therapie (in Zusammenarbeit mit dem Gefäßchirurgen) erfolgen.
14.6.2 Postoperative Luxation Die Luxationsrate nach Revisionseingriffen an der Hüfte liegt zwischen 1–27€ % (Berry 1992; Morrey 1997; Paprosky et€al. 1994; Silverton et€al. 1995). Die
C. Perka und M. Millrose
554
Abb. 14.166↜ (a) a.p.-Röntgenaufnahme einer Hüft-TEP-Versorgung links mit scheinbar unauffälliger Schraubenlage. (b) DSA a.p.-Darstellung der Lagebeziehung beider Schrauben zur Arteria iliaca. In der 2. Ebene ist klar zu erkennen, dass der
Operateur nur knapp an einer schweren Komplikation vorbei gekommen ist. Beide Schrauben befinden sich in unmittelbarer Gefäßnähe
wesentliche Ursache ist dafür die mehrfach operative Schwächung der Muskulatur, der ausgedehntere operative Zugang, das höhere Alter der Patienten und die meist längere Erkrankungsdauer. Zudem resultieren aus der Defektsituation des Azetabulum oftmals eine höhere Inklination der implantierten Komponente und eine Kranialisierung des Pfannenimplantats. Die entscheidenden Faktoren, die die Luxation bedingen, sind die Weichteilspannung, die Weichteilschädigung durch den operativen Zugang bzw. die Voreingriffe und die Pfannen- und Schaftorientierung. Die Ursache ist dabei meist multifaktoriell. Eine verstärkte Anteversion der Pfanne führt zusammen mit einer verstärkten Antetorsion des Schaftes zum dorsalen Impingement und zu einer möglichen vorderen Luxation (Abb.€14.167). Ein ventrales Impingement durch eine Retroversion der Pfanne kann v.€a. Ursache der Luxation sein, wenn gleichzeitig die Antetorsion des Schafts fehlt oder sogar eine Retroversion vorliegt. Hierbei kommt es dann zur hinteren Luxation. Die häufigste Ursache ist eine zu große Inklination der Pfanne, so dass es schon bei geringer Adduktionsbewegung und bei leichter Außenrotation zu einer Luxation des Hüftkopfes kommt. Angestrebt wird eine Inklination von 30–50°. Eine Inklination >â•›55° ist ein großes Risiko für eine Luxation und bei deren Auftreten nahezu immer zu korrigieren. Bei der Auswertung der Röntgenbilder ist darauf zu achten, ob evtl. durch den Voroperateur überhöhte Inlays zur Anwendung kamen, die die Pfanneninklination korrigieren.
Abb. 14.167↜ Antevertierte Pfannenposition mit konsekutivem posteriorem Impingement. Folge war eine rezidivierende Luxation
Zu achten ist auf das Kopf-Hals-Verhältnis. Je geringer der Unterschied zwischen dem Kopf- und dem Halsdurchmesser ist, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten einer Luxation infolge eines Hals-Inlay-Impingements. Insbesondere Kopfverlängerungen (XXXXL) werden über einen dicken Kragen auf dem Konus fixiert, wodurch bei deren Einsatz zwar die Weichteilspannung erhöht wird, jedoch das Impingementrisiko steigt.
14â•… Revisionsendoprothetik
►⌺ Bei der Verwendung von Kopfverlängerungen besteht das Risiko, die Luxationsursache einer zu geringen Weichteilspannung gegen das eines Impingements zwischen Halsverlängerung und Inlay zu tauschen. Die Luxationsursache ist daher genau zu bestimmen. Das Aufsetzen eines längeren Halses darf kein Automatismus sein!
Prinzipiell sinkt somit durch die Verwendung großer Prothesenköpfe das Luxationsrisiko. Dies ist insbesondere durch die höhere „Jumping-Distance“ und den größeren Bewegungsumfang größerer Köpfe zu erklären. Diese sind daher insbesondere bei einer geringeren Weichteilspannung indiziert. Fehlstellungen von Komponenten können jedoch durch einen größeren Kopfdurchmesser nicht kompensiert werden. Kommt es postoperativ zur Luxation, so kann die erste Luxation (mit Ausnahme gravierender Implantationsfehler) konservativ behandelt werden. Bei der zweiten Luxation ist eine umfassende Diagnostik im Regelfall mit CT zur sicheren Beurteilung der dreidimensionalen Stellung der Komponenten notwendig. Findet sich hier eine korrekte Stellung der Implantate und ist eine hochgradige Muskelinsuffizienz (z.€ B. Fehlen des proximalen Femur, komplette M.-glutaeus-medius-Atrophie) bekannt, ist nach Reposition die Therapie mit der Gipshose für 6€Wochen nach unseren Erkenntnissen die Methode der Wahl. Sämtliche anderen von uns verwendeten Orthesen konnten in solchen Fällen keine zuverlässige Stabilisierung bieten. Nur in wenigen Fällen kann durch die Verwendung eines Kopfes mit exzentrischer Lage der Steckverbindung und damit möglicher zunehmender Varisierung, Retro- oder Antetorsion des Schaftes eine Verbesserung der Situation erzielt werden. Oftmals ist zwar die Luxation zu beseitigen, funktionell bleibt die Hüfte jedoch unbefriedigend. Nach der zweiten Luxation bzw. bei einer Luxation unter Ruhigstellung ist die operative Revision notwendig. Dabei ist dann die Verwendung einer adäquaten Pfanne die Therapie der Wahl. Nach unseren Erkenntnissen können Schnapp-Inlays keine ausreichende Stabilität bieten. Zudem ist bei einer nochmaligen Luxation, die geschlossene Reposition im Regelfall nicht möglich. Die Verankerung zusätzlicher Kunststoffblöcke mit Schrauben am eigentlichen Inlay liefert ebenfalls meist keine ausreichende Stabilität.
555 Abb. 14.168↜ a.p.-Röntgenaufnahme nach Versorgung mit einer Polar-Cup-Prothese links
Ziel ist es, durch eine Vierfachstrategie die Stabilität des Hüftgelenks wiederherzustellen. Diese beinhaltet: 1. Einstellung der korrekten Position von Pfanne und Schaft, 2. Wahl des größtmöglichen Kopfes (im Regelfall 36€mm), 3. Korrektur der Weichteilsituation durch Muskelreinsertion, Fasziendopplung usw. Liegen keine Strukturen um die Prothese für eine sichere Weichteilanheftung vor, werden die Weichteile über einen MUTARS-Anbindungsschlauch (Implantcast, Buxthude, Deutschland) wie in der Tumorprothetik üblich an der Prothese fixiert, 4. postoperative Ruhigstellung in einer Orthese oder besser einer Gipshose für mindestens 6€ Wochen (für 24€h) und 6€Wochen (12€h tagsüber). Sollten dieses Vorgehen fehlschlagen, ist die Verwendung einer tripolaren Pfanne mit großem Polyethylenkopf, der in einer Metallschale artikuliert zu empfehlen (z.€ B. Polarcup, Smith & Nephew, Marl, Deutschland; Abb.€14.168). Hiermit lassen sich nach unserer Erkenntnis Luxationen nahezu immer verhindern. Diskutiert wird jedoch das Risiko des langfristig verstärkten Polyethylenabriebs. Bisherige Daten liefern dafür jedoch keine Anhaltspunkte. Es sei noch einmal festgestellt, dass diese Möglichkeiten nur dann zum Tragen kommen, wenn die korrekte Position der Pfanne und des Schafts gesichert wurde.
556
14.6.3 Infektion Die peripothetische Infektion stellt eine schwerwiegende Lokalkomplikation dar. Die Infektionsrate nach Wechseleingriffen am Hüftgelenk liegt zwischen 1 und 14€% (Berry 1992; Marti et€al. 1990; Zehnter und Ganz 1994). Ein Infektionsverdacht ist insbesondere durch die Schmerzhaftigkeit gekennzeichnet. Ruheschmerz, Persistenz des Schmerzes, ein Wechsel der Schmerzintensität, d.€h. nach initialem Rückgang wieder eine Zunahme der Beschwerden, ein erhöhter Schmerzmittelverbrauch und eine persistierende Sekretion sind typisch für eine Infektion. Laborchemisch sind eine Blutsenkungsgeschwindigkeiten größer 25€mm/h sowie ein erhöhtes crP typische Infektionsparameter. Grundsätzlich ist die Entscheidung zu treffen, ob die Prothese belassen werden kann, welche Prothesenkomponenten zu wechseln sind oder aber ob die Prothese komplett auszubauen ist. Eine ausschließliche Antibiotikatherapie ist allenfalls für alte, multimorbide unkooperative oder demente Patienten, bei denen eine Operation nicht möglich ist, indiziert. Weitere Voraussetzungen für eine ausschließliche Antibiotikatherapie sind ein niedrig virulenter Organismus, eine Sensibilität des Keims gegenüber dem Antibiotikum und eine feste Prothese. Sind die Voraussetzungen nicht gegeben, ist in jedem Fall eine Operation indiziert. Eine prothesenerhaltende operative Therapie erfolgt, wenn die Primärimplantation weniger als 3€ Wochen zurückliegt oder ein hämatogener Spätinfekt vorliegt, bei dem die Symptomdauer kürzer als eine Woche ist. Voraussetzungen für eine gelenkerhaltende Operation sind somit: • kurze Symptomdauer, kürzer als 3€ Wochen nach Implantation beim Frühinfekt oder weniger als eine Woche beim Spätinfekt, • festsitzende Prothese, • Sensibilität des Keims gegen Antibiotika, • adäquate Weichteilsituation und • immunkompetenter Patient. In diesen Fällen kann durch ein radikales Debridement, eine ausgiebige Spülung, den Wechsel aller modularen Teile (im Regelfall Kopf und Inlay), die mechanische Reinigung der Prothesenkomponenten sowie einer gezielten Antibiotikatherapie das Gelenk erhalten werden. Im Regelfall ist hier eine Kombinationstherapie anzustreben wobei die Kombination mit
C. Perka und M. Millrose
Rifampicin besonders hohe Heilungsraten verspricht (Zimmerli 1998). Umstritten ist das Vorgehen bei MRSA- und MRSEInfektionen. Wir empfehlen hier die Prothese sofort zu entfernen, da die Antibiotikaanwendung auf ein oder wenige Präparate beschränkt ist. Das Fehlschlagrisiko ist hoch und häufig bei einer Resistenzentwicklung kein weiteres Reserveantibiotikum verfügbar. Schlägt ein Erhaltungsversuch fehl, sollte die Prothese ausgebaut werden. Ein nochmaliger Versuch ist nicht indiziert. Ausnahme sind hier lediglich Megaprothesen bzw. prothetische Versorgungen bei Tumorpatienten. In diesen Fällen ist individuell zu entscheiden, d.€h. dass möglicherweise durch ein mehrfaches Debridement die Keimzahl so weit reduziert werden kann, dass unter Antibiotikatherapie der Infekt zwar nicht saniert, aber supprimiert ist und zu keiner klinischen Symptomatik führt. Ein solches Vorgehen ist mit dem Patienten abzustimmen. Bezüglich der Wechselstrategien sei auf das entsprechende Kapitel verwiesen.
14.6.4 Nervenschädigungen Nervenläsionen, die nach Primäroperationen etwa in 1€% der Fälle auftreten, werden nach Revision ebenfalls häufiger beobachtet. Gründe dafür sind der erweiterte Zugang, die Komplexität des Eingriffs und die beim Revisionseingriff veränderte Anatomie mit einschließlich vorliegender zum Teil erheblicher Narbenbildung. Außerdem sind Veränderungen der mechanischen Situation, z.€B. die Verlagerung des Rotationszentrums mit Verlängerung des Beins und entsprechender Dehnung des Nervens möglicherweise ursächlich für die Nervenschädigungen. Am häufigsten betroffen ist der peroneale Anteil des N.€ ischiadicus. Dessen Schädigung ist mit dem typischen Bild des Ausfalls der Zehenheber und insbesondere des Großzehenhebers sowie des Taubheitsgefühls auf dem Bereich des Fußrückens und der Unterschenkelaußenseite gekennzeichnet. Ebenso häufig, klinisch jedoch oftmals schlechter nachweisbar, scheinen Schädigungen des N.€ gluteus superior zu sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Verlängerung des lateralen oder anterolateralen Zuganges nach kranial durchgeführt wird. Insbesondere der in Mitteleuropa bevorzugte transgluteale Zugang führt bei kranialen Verlängerungen
14â•… Revisionsendoprothetik
557
M. tensor fasciae latae N. gluteus superior
Caput femoris
M. gluteus minimus
M. vastus intermedius
Abb. 14.170↜ Hüft-TEP links mit heterotopen Verknöcherungen (Brooker III) M. vastus lateralis
M. gluteus medius Trochanter major
Abb. 14.169↜ Lage des N.€glutaeus superior beim transglutealen Zugang. Eine Zugangserweiterung über 4€cm nach kranial beinhaltet ein hohes Risiko für einen Nervenschaden
oftmals zur Schädigung des N.€ gluteus superior und damit zur permanenten Parese des M.€gluteus medius (Abb.€14.169). Infolge der fehlenden knöchernen Abgrenzung ist jedoch auch der N.€femoralis oftmals betroffen. Hauptursache hier ist das Einsetzen des Hakens im ehemals ventralen Azetabulumbereich, wodurch beim Vorliegen entsprechender Wanddefekte eine enge räumliche Beziehung der verbliebenen knöchernen Restsubstanz zum N.€ femoralis gegeben ist. Dessen Schädigung ist jedoch durch eine streng am Knochen orientierte Präparations- und Einsatztechnik der Haken nahezu sicher zu vermeiden. Schädigungen des N. obturatorius sind prinzipiell möglich, bilden jedoch die Ausnahme. Die Therapie erfolgt in einer Lagerung mit Entlastung des geschädigten Nerven und im Regelfall dem sofortigen Beginn eines „Glukokortikoidschemas“. Es gibt jedoch für ein solches Schema bisher keinen Standard. Insbesondere aus forensischen Gründen ist jedoch die sofortige Hinzuziehung eines Neurologen dringend zu empfehlen. Inwiefern physiotherapeutische Maßnahmen, insbesondere elektrische Stimulationsmaßnahmen Vorteile bringen, ist umstritten. Prognostisch günstig ist eine verbliebene Restfunktion. In diesen Fällen ist nahezu immer von einer weitestgehenden Erholung auszugehen. Femorale Läsionen haben eine bessere Tendenz zur Erholung als Läsionen des N.€ischiadicus. In einer Übersichtsarbeit
konnte gezeigt werden, dass sich 41€% der Läsionen komplett und 44€ % der Läsionen teilweise erholen. Bei 15€% der Patienten bleibt ein relevantes Restdefizit bzw. eine persistierende Schmerzhaftigkeit (sog. Kausalgie, Schmalzried et€al. 1997).
14.6.5 Heterotope Ossifikationen Heterotope Ossifikationen nach Revisionseingriffen sind heute nicht mehr häufiger als nach Primäreingriffen (Abb.€ 14.170). Ein Risiko besteht vor allem bei Patienten, bei denen bereits bei der Primäroperation massive heterotope Verkalkungen entstanden sind. Neben der üblichen Prophylaxe mit nichtsteroidalen Antirheumatika (z.€ B. 3-mal 25€ mg Indometazin) ist auch eine einmalige prä- oder kurz postoperative Bestrahlung (7€ Gy innerhalb der ersten 24€ h) möglich. Die unmittelbar postoperative Bestrahlung ist bei dem oftmals im Allgemeinzustand noch deutlich eingeschränkten Patienten aufwendiger und komplizierter. Liegen zum Zeitpunkt des Revisionseingriffs Ossifikationen vor und liegt der Ersteingriff weniger als 1€Jahr zurück, ist die Durchführung einer Szintigraphie zu empfehlen, um präoperativ die Aktivität der Ossifikation zu bestimmen. Bei einem Verhältnis der szintigraphischen Anreicherung in der ossären Phase von >â•›1,5 gegenüber der Gegenseite ist von einem deutlich erhöhten Ossifikationsrisiko auszugehen, so dass wir in diesen Fällen auf jeden Fall eine Bestrahlung empfehlen. Der Patient ist über ein höheres Risiko des Wiederauftretens von Ossifikationen aufzuklären.
C. Perka
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►⌺ Das Auftreten heterotoper Ossifikationen, insbesondere außerhalb der typischen Stelle im Bereich des M. gluteus medius, stellt stets auch ein Verdachtszeichen für das Vorliegen einer Infektion dar. Entsprechende der Labordiagnostik und eventuelle Lokaldiagnostik durch Aspiration/Punktion bzw. lokale Gewebsentnahme sind daher dringend anzuraten.
der Anzahl der Lastwechsel funktioniert. Im Regelfall geschieht durch die weit überwiegende Zahl der Patienten die Belastung des Beins unkontrolliert. Aus diesem Grund muss die Versorgung eine ausreichende Stabilität haben, damit postoperativ die Mobilisierung mindestens im Dreipunktgang möglich ist. Das Treppensteigen erfolgt somit im Nachstellschritt. In der Regel gilt, jeder Patient sollte baldmöglichst nach der Operation aufstehen.
14.7 Postoperative Maßnahmen
14.7.2 Thromboembolieprophylaxe
C. Perka
Von außerordentlicher Relevanz ist die Thromboembolieprophylaxe. Die Säulen der Thormboembolieprophylaxe auch in der Revisionsendoprothetik sind: • medikamentöse VTE-Prophylaxe, • physikalische Prophylaxe, • Frühmobilisation. Die medikamentöse Prophylaxe sollte nach modernen Standards mit oralen Medikamenten (Dabigatran, Rivaroxaban) oder niedermolekularen Heparin durchgeführt werden. Bei bekannter Heparinunverträglichkeit ist Fondaparinux zu empfehlen. Die medikamentöse Prophylaxe beginnt am Vorabend mit niedermolekularen Heparinen. Bei oralen Medikamenten beginnt sie 4€Stunden postoperativ, mit Fondaparinux 6€Stunden postoperativ. Es wird erwartet, dass sich der postoperative Beginn zunehmend durchsetzt. Die Thromboembolieprophylaxe ist entsprechend der geltenden Leitlinien für 28–35€Tage nach der Operation zu gewährleisten. Eine Verlängerung dieses Zeitrahmens ist nur bei ungenügender Mobilisierung notwendig. Inwiefern eine zusätzliche Behandlung mit Kompressionsstrümpfen Sinn macht, ist umstritten. Wissenschaftlich validierte Zahlen fehlen hier. Im Regelfall ist bei den erheblichen Schwellungszuständen hüftgelenksnah eher ein Einschnüren durch die Kompressionsstrümpfe bzw. ein Herunterrutschen zu beobachten als eine wirkungsvolle Kompression. Strümpfe machen nur bei optimaler Passform Sinn. Wir verwenden sie daher nicht mehr und stützen uns dabei auf die Studie im „Lancet“ (Dennis et€al. 2009). Als außerordentlich unterstützend, insbesondere zur Entstauung der betroffenen Extremität, haben sich pneumatische Pumpsysteme (intermittierende pneumatische Kompression) erwiesen. Wichtigster Punkt bleibt jedoch die Frühmobilisierung des Patienten. Ist die Frühmobilisierung nicht möglich, sollte durch
Die postoperativen Maßnahmen, insbesondere die Rehabilitation, verlangen in der Hüftrevisionsendoprothetik ein hohes Ausmaß an Individualität. Generelle Empfehlungen sind kaum zugeben. Hinzuweisen ist jedoch auf folgende Punkte:
14.7.1 Dauer der Bettruhe Eine Entlastung des Hüftgelenks nach der Operation ist de facto nicht möglich. Wie bereits Bergmann in den 90er Jahren zeigen konnte, werden beim normalen Stehen und Gehen Kräfte im Hüftgelenk frei, die etwa dem 2- bis 3fachen des Körpergewichts entsprechen. Solche Hüftkontaktkräfte sind jedoch auch bei Belastungen im Bett (z.€ B. Setzen auf den Schieber) und physiotherapeutischen Beübungen mit Anspannung der Muskulatur zur erreichen, so dass eine Bettruhe, hinsichtlich der Entlastung des Hüftgelenks, keine Erfolgsaussichten hat (Bergmann et€al. 1993). Eine Bettruhe kann • aufgrund des Allgemeinzustands sowie • aufgrund ausgiebiger operationsbedingter Weichteilalteration, die zu erheblichen postoperativen Schwellungen und Schmerzzuständen führen oder • Maßnahmen der Weichteilreinsertion bzw. bei Weichteilplastiken indiziert sein, de facto jedoch nicht aufgrund der unzureichenden mechanischen Stabilität der Implantatverankerung. Für die postoperative Belastung, wenngleich auch wir Waagen einsetzen, um den Patienten ein Gefühl für die Teilbelastung zu geben, ist festzustellen, dass diese Belastungslimitierung allenfalls hinsichtlich
14â•… Revisionsendoprothetik
Techniken wie Atemgymnastik, Spannungsübungen sowie passive Mobilisationstechniken der Blutfluss stimuliert werden. Kurzfristig empfehlen wir zwei Unterarmgehstützen für 4–6€ Wochen, bis ein sicherer Gang erreicht wird. In der langfristigen Nachbehandlung ist darauf zu achten, dass wenn eine Glutealinsuffizienz vorliegt, die Verordnung einer Abstützhilfe für die Gegenseite vorgenommen wird. Dabei ist mit dem Patienten gemeinsam zu evaluieren, ob es eine Unterarmgehstütze oder ein Gehstock sein soll. Eventuell ist jedoch die Weiterführung der Verwendung von 2 Unterarmgehstützen zum Erhalt der Gangsymmetrie zu erwägen.
559
einer „Mahnbandage“ für den Patienten können jedoch unterstützend sein. Für die Vermeidung von Extrembewegungen ist im Einzelfall zu erwägen, inwiefern besondere Voraussetzungen (Toilettensitzerhöhung) zu schaffen oder Hilfsmittel (Strumpfanziehhilfen, Greifzangen u.€a.) notwendig sind. Bei länger dauernder Immobilisierung bzw. zu erwartendem persistierenden Funktionsdefizit sollte die Verordnung weiterer Hilfsmittel, wie die Montage von Haltegriffen an den Toiletten, die Verordnung eines Duschhockers, eines Duschklappsitzes, eines Wannenbretts oder eines Wannenlifters geprüft werden. Für die Sitzerhöhung haben sich die Arthrodesekissen und ähnliche Hilfsmittel bewährt. Als Lagerungshilfe zur Nacht ist die Verordnung eines Abduktionskeils oder -kissens hilfreich.
14.7.3 Luxationsprophylaxe Die Luxation stellt eines der häufigsten Probleme nach Hüft-TEP-Revisionseingriffen dar. Die Häufigkeit wird mit 1–27€% in der Literatur angegeben (siehe Kap.€ 14.6.2). Die Luxationsrichtung unterscheidet sich grundsätzlich nach dem gewählten Zugang. Während bei einem anterolateralen oder lateralen Zugangsweg im Regelfall eine vordere Luxation zu erwarten ist, sind es bei den hinteren Zugangswegen hintere Luxationen. ►⌺ Die Luxationsprophylaxe hat daher unbedingt den gewählten operativen Zugang zu berücksichtigen.
Bei vorderen Zugängen sollte die Adduktion und Außenrotation für mindestens 3€ Monate vermieden werden. Bei hinteren Zugängen sind Adduktions- und Beugebewegungen über 90° für die Dauer von die gleiche Zeit verboten. Aussagen zur Luxationsprophylaxe sollten sich im OP-Bericht finden, da Abweichungen von diesen Standards aufgrund von Voroperationen, vorbestehender Narben und muskulärer Imbalancen möglich sind. Tritt eine Luxation auf, so ist diese beim ersten Mal im Regelfall konservativ, d.€h. durch Reposition unter Narkose zu behandeln. Ab einer zweiten Luxation bedarf es einer weiterführenden Diagnostik und oft einer operativen Therapie (s.€Kap.€14.6). Inwiefern die Verwendung von zusätzlichen Bandagen und Hilfsmitteln sinnvoll ist, ist in der Literatur umstritten. Steife Korsetts werden heute nur noch selten verwendet. Bandagen für das Hüftgelenk im Sinne
14.7.4 Beinlänge Beinlängenunterschiede sollten ab einer Beinlängendifferenz von 1€ cm ausgeglichen werden. Der Beinlängenausgleich sollte im Regelfall nicht sofort nach der Operation erfolgen, da nach Aufdehnung und Kräftigung der hüftumgebenden Muskulatur häufig eine vorbestehende Adduktions- oder Abduktionskontrakur beseitigt und somit die funktionelle Beinlängendifferenz beeinflusst wird. Die exakte Bestimmung der Beinlänge ist erst nach etwa 12€Wochen mit dem Erreichen der Vollbelastung und der Beseitigung der wesentlichen Kontrakturen möglich. Bis dahin ist nach unserer Erfahrung ein partieller Beinlängenausgleich empfehlenswert. Die Unterkorrektur beträgt 0,5–1€cm, da sonst eine z.€ B. bestehende Adduktionskontraktur weiter bestehen bleiben kann. Natürlich erfolgt dieser „temporäre Ausgleich“ zunächst nur für ein Paar Schuhe.
14.7.5 Physiotherapie Die abschwellende Therapie im Operationsgebiet erfolgt mit Physiotherapie, mit der unmittelbar nach der Operation begonnen wird. Die Kryotherapie sollte im Regelfall nur tagsüber durchgeführt werden, da nachts die Gefahr des Verrutschens der Eisbeutel besteht. Wichtig ist die Verhinderung der zu starken Kühlung des Gewebes, die sonst zu einer reaktiven Schwellung führen kann. Dies ist durch kurze Küh-
C. Götze
560
lungsintervalle und das Ummanteln der Kühlkissen zu erreichen. Zur Entstauung können neben des Einsatzes einer Pumpe auch Techniken der manuellen Lymphdrainage eingesetzt werden. Im Vordergrund bei Revisionseingriffen stehen eindeutig Dehnungsübungen der hüftumgebenden Muskulatur, wobei die Mobilisation des Gelenks im schmerzfreien Bereich unter Verwendung kurzer Hebel erfolgen muss. Beübt werden sollten dabei aufgrund der Angaben zur Luxationsgefährdung insbesondere die Flexion und Abduktion des Beins, da diese beiden Bewegungsrichtungen auch im Alltag die größte Relevanz haben. Selbstverständlich ist beim Vorliegen vorbestehender Streckdefizite diese Bewegungsrichtung ebenfalls zu trainieren. Die Festlegung der Belastung muss durch den operierenden Arzt erfolgen. Dabei gilt, dass eine Versorgung, bei der nur passive physiotherapeutischer Maßnahmen erlaubt werden, durch die alltäglichen Belastungen des Patienten in höchstem Maße gefährdet ist. Die Kräftigung der Muskulatur ist die Aufgabe des zweiten Abschnitts der Rehabilitation, die im Regelfall nach der 12.€Woche, d.€ h. mit Erreichen einer stabilen Situation, bei den Implantaten beginnt. Bis dahin stehen die Dehnungstherapie bzw. Grifftechniken und zur PNF abgewandelte Bewegungsmuster im Vordergrund. Nicht angewendet werden sollten jedoch Mobilisierungstechniken der manuellen Medizin. Koordinative Trainingstechniken können im Stehen bzw. bei ungenügender Standsicherheit auch im Sitzen durchgeführt werden. In der Spätphase bei ausreichender Stabilisierung des Hüftgelenks sind dann Übungen der aktiven Krankengymnastik, der Sporttherapie und der medizinischen Trainingtherapie patientenund befundabhängig indiziert. Auch hier erfolgt die Übungsbehandlung im geschlossenen System. Es sollten auch hier kurze Hebel bei den Übungstechniken Verwendung finden. Grundsätzlich gilt, dass häufige Wiederholungen mit geringem Widerstand einer geringen Zahl von Übungen mit Entwicklung der Maximalkraft eindeutig vorzuziehen sind. In dieser Phase sind dann auch beckenstabilisierende Übungen für die Bauch- und Rückenmuskulatur mit in das Übungsprogramm einzubauen. Zielstellung sollte dabei immer das Erlernen eines Trainingsprogramms zum selbstständigen Üben sein, da eine dauerhafte Verordnung von Physiotherapie weder ökonomisch möglich, noch sinnvoll ist.
Generell ist auszusagen, dass die Mitbehandlung von benachbarten Gelenken (insbesondere der Wirbelsäule und des Kniegelenks) häufig notwendig ist, da durch den lang andauernden Krankheitsverlauf hier sekundäre Schädigungen eingetreten sind. Insbesondere ist auf Fußfehlstellungen zu achten. Langfristig ist die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten, heute auch in den meisten Fällen der Revisionsendoprothetik, möglich. Dies ist selbstverständlich vom Zustand der hüftgelenksumgebenden Muskulatur und der Stabilität der Verankerung der Komponenten abhängig. High-impact-Sportarten sind nicht zu empfehlen. Empfohlen werden können leichtes Joggen, Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen und Skilanglauf, sofern diese Übungen auch vor der Operation durchgeführt wurden.
14.8 N achuntersuchung nach Hüftrevisionsendoprothetik C. Götze Die Durchführung eines Hüfttotalendprothesen(HTEP-)Wechseleingriffs bleibt Bestandteil der Versorgungsstruktur für den betroffenen Patienten. Während hingegen Früherkennung, Diagnosestellung und Therapie der gelockerten Hüftgelenkstotalendoprothese per Datenlage zufriedenstellend dokumentiert sind, bleibt die mittel- bis langfristige Nachversorgung eines solchen Eingriffs bis heute nicht standardisiert dargestellt. Im Folgenden soll versucht werden ein klinisch orientiertes Nachsorgekonzept zu erstellen.
14.8.1 Z eitlicher Ablauf der Revision im Follow-up-Schema Die Hüftendoprothesenrevision kann in verschiedene Phasen, die sich zum Teil überlappen, unterteilt werden: • Phase€I: Zeit zwischen ersten klinischen Beschwerden und der Diagnose einer Prothesenlockerung, • Phase€ II: Zeit zwischen der Sicherung der Diagnose und der operativen Revision, • Phase€ III: Nachbehandlung im Akutkrankenhaus und in der Rehabilitatonseinrichtung, • Phase€IV: Nachbehandlung außerhalb von stationären Einrichtungen.
14â•… Revisionsendoprothetik
Die Dauer der einzelnen Phasen ist sehr unterschiedlich und abhängig von mehreren Faktoren: Neben dem Alter spielt die rechtzeitige Diagnosestellung eine besondere Rolle. Intraoperativ beeinflussen die operative Rekonstruierbarkeit der Defekte und die Technik des Revisionseingriffs den Verlauf. Die Spannweite reicht von der einfachen Wechselsituation bis hin zum totalen Femurersatz und ist durch den periprothetischen Knochenverlust sowie die Muskelschädigung geprägt. Die Belastbarkeit des operierten Beins variiert durch die operative Technik. Die Anzahl der Patienten in den einzelnen Phasen ist sehr unterschiedlich, wobei sich der größte Anteil der Patienten in der Phase-IV-Nachsorge außerhalb der akuten und rehabilitativen Einrichtung befindet. Während die Datenlage bezüglich Diagnosestellung und Therapieverfahren in der Revisionschirurgie als zufriedenstellend angesehen werden kann, ist die Strategie für die Nachbehandlung bis heute nicht standardisiert. In keiner Studie zur Nachsorge wird ein differenziertes Konzept für die postoperative Kontrolle der betroffenen Patienten angezeigt. Zudem unterscheidet sich die septische von der aseptischen Revision in der Nachsorge. In diesem Kapitel soll versucht werden, ein Konzept darzustellen, das den Patienten langfristig nach der durchgeführten Revision unterstützt.
14.8.2 W ie sollte die Nachsorge durchgeführt werden? ►⌺ Eine ambulante postoperative 3-Monats-Kontrolluntersuchung in der Klink, in der die Revision durchgeführt wurde, sollte obligat sein. Bestehende Restbeschwerden und Muskelinsuffizienzen bedürfen einer weiteren ambulanten Kontrolluntersuchung 6€Monate postoperativ.
Danach ist eine weiterführende Kontrolluntersuchung durch den niedergelassenen Facharzt, der möglichst in der Endoprothetik kompetent und versiert ist, durchzuführen. Die Nachsorge sollte individuell ausgerichtet sein und möglichst vom selben Arzt ausgeführt werden. Im Vordergrund stehen die Schmerz- und Beschwerdeanamnese sowie die klinische Untersuchung. Nur bei klinischen Hinweisen oder auffälligen Symptomen besteht die Notwendigkeit einer zusätzlichen apparativen Diagnostik. Eine gute Dokumentation sowohl zum
561
Nutzen des Patienten wie auch des Arztes ermöglicht eine qualifizierte Nachuntersuchung. Standardisierte Fragen und Untersuchungsbögen, wie z.€B. der Harris-Hip-Untersuchungsbogen (Harris 1969) ermöglichen eine vergleichende Beobachtung zu den vorangegangenen Untersuchungen (Tab.€ 14.14). Bewertet werden subjektive, wie Schmerz, Gehstrecke und Mobilität, und objektive Faktoren (Beweglichkeit des operierten Gelenks). Die klinische Untersuchung umfasst die Inspektion der Narben- und Wundverhältnisse, das Vorliegen von Infektzeichen sowie die Gangbeurteilung. Gangunsicherheiten und Muskelinsuffizienzen könnten ggf. durch Bewegungsanalysen im Ganglabor differenzierter dargestellt und somit selektiv therapiert werden. In der Bewegungsprüfung, die in Extension/Flexion, Rotationsprüfung in Streckstellung und 90° Hüftbeugung durchgeführt wird sowie in der Ab- und Adduktionsbewegung kann der Erfolg der Revision und deren Schmerzreduktion selektiv für das Hüftgelenk analysiert werden. Insbesondere die Rotationsbewegung bewirkt einen maximalen Stress auf das operierte Hüftgelenk. Eine erneute Lockerung des Prothesenschafts bei der Bewegungsüberprüfung kann sich in einer Schmerzreaktion des Patienten ausdrücken. ►⌺ Die Innenrotation und die Außenrotation des 90° gebeugten Hüftgelenks gegen Widerstand sind die sensibelsten klinischen Tests für das Vorliegen einer Schaftlockerung.
Neben der klinischen Untersuchung vervollständigt die native Röntgenbildgebung in 2 Ebenen die Nachuntersuchung. Die korrekte Lage des Beckens und ein reproduzierbarer Film-Fokus-Abstand sind einzuhalten (Abb.€14.171 und 14.172). Nach septischen Prothesenwechseleingriffen sollte eine Kontrolle der Entzündungsparameter (crP, BSG) erfolgen. Laborchemische Untersuchungen sollten in den ersten 6€ Monaten postoperativ im Abstand von 4€ Wochen ducrhgeführt werden. In der Folgezeit ist heute nur eine klinische Beurteilung erforderlich. Nur bei erneutem Infektverdacht (Schmerzzunahme!) ist die Analyse der Entzündungsparameter zu wiederholen. Bei laborchemischem Infekthinweis ist die Punktion des operierten Gelenks notwendig. Neben der Bestimmung der Leukozytenzahl im Punktat sind der Erreger und dessen Resistenzen mikrobiologisch zu bestimmen.
C. Götze
562
Tab. 14.14↜╇ Nachuntersuchungsscore (Harris-Hip-Untersuchungsscore) Klinischer Hüftscore nach Harris Punktzahl (0 bis max. 100 Punkte) I. Schmerz (max. 44 Punkte) A. Kein B. Leicht, gelegentlich C. Gering, ohne Einfluss auf übliche Belastung, gelegentlich Analgetikum D. Erträglich, Begrenzung der normalen Aktivitäten oder beruflicher Tätigkeit E. Stark, schwere Einschränkung normaler Aktivität F. Ruheschmerz, bettlägerig, starke Behinderung II. Funktion (max. 47 Punkte) A. Gangbild (max. 33 Punkte) 1. Hinken a. kein Hinken b. leichtes Hinken c. mäßiges Hinken d. starkes Hinken mit Gehhilfe 2. Gehhilfen a. keine Gehhilfen b. ein Gehstock nur für lange Strecken c. ein Gehstock auch für kurze Strecken d. eine Unterarmgehstütze e. zwei Gehstöcke f. zwei Unterarmgehstützen g. Gehwagen i. nicht gehfähig 3. Gehleistung a. unbegrenzt b. ca. 1000€m c. ca. 500€m d. nur im Haus/in der Wohnung e. nicht gehfähig B. Aktivitäten (max. 14 Punkte) 1. Treppensteigen a. problemlos möglich b. Festhalten am Treppengeländer c. mit Nachziehen des Beines d. nicht möglich 2. Öffentliche Verkehrsmittel a. Benutzung möglich b. Benutzung nicht möglich 3. Sitzfähigkeit a. jeder Stuhl für eine Stunde b. hoher Stuhl für ½ Stunde c. nicht beschwerdefrei sitzfähig 4. Schuh- und Strumpfanziehen a. ohne Schwierigkeiten beides möglich b. mit Schwierigkeiten, aber noch möglich c. beides nicht möglich III. Deformität (max. 4 Punkte)
44 Punkte 40 Punkte 30 Punkte 20 Punkte 10 Punkte 0 Punkte
11 Punkte 8 Punkte 5 Punkte 0 Punkte 11 Punkte 7 Punkte 5 Punkte 4 Punkte 3 Punkte 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkte 11 Punkte 8 Punkte 5 Punkte 2 Punkte 0 Punkte
4 Punkte 2 Punkte 1 Punkt 0 Punkte 1 Punkt 0 Punkte 5 Punkte 3 Punkte 0 Punkte 4 Punkte 2 Punkte 0 Punkte
14â•… Revisionsendoprothetik
563
Tab. 14.14 Fortsetzung A.
Beugekontraktur â•›<â•›30 Grad 1 Punkt â•›>â•›30 Grad 0 Punkte B. Adduktionskontraktur â•›<â•›10 Grad 1 Punkt â•›>â•›10 Grad 0 Punkte C. Innenrotationskontraktur in Extension â•›<â•›10 Grad 1 Punkt â•›>â•›10 Grad 0 Punkte D. Beinlängendifferenz â•›<â•›3€cm 1 Punkt â•›>â•›3€cm 0 Punkte IV. Bewegungsumfang (max. 5 Punkte) A. Flexion 0–45 Gradâ•›×â•›1,0 max. 45 Punkte max. 27 Punkte 45–90 Gradâ•›×â•›0,6 max. 6 Punkte 90–110 Gradâ•›×â•›0,3 max. 0 Punkte 110–130 Gradâ•›×â•›0,0 B. Abduktion 0–15 Gradâ•›×â•›0,8 max. 12 Punkte max. 1,5 Punkte 15–20 Gradâ•›×â•›0,3 max. 0 Punkte 20–45 Gradâ•›×â•›0,0 C. Adduktion max. 3 Punkte 0–15 Gradâ•›×â•›0,2 â•›>â•›15 Gradâ•›×â•›0,0 max. 0 Punkte D. Außenrotation 0–15 Gradâ•›×â•›0,4 max. 6 Punkte max. 0 Punkte >â•›15 Gradâ•›×â•›0,0 E. Innenrotation max. 0 Punkte Keine Vorgabeâ•›×â•›0,0 F. Extension Keine Vorgabeâ•›×â•›0,0 max. 0 Punkte Errechnete Punktzahl aus Flexion, Abduktion und Außenrotation werden addiert (max. 100,5 Punkte) und dann mit 0,05 multipliziertâ•›=â•›Maß der Beweglichkeit (max. 5,025 Punkte)
Weder die 3-Phasen-Skelettszintigraphie noch die Bestimmung der Entzündungsparameter bieten in diesen Fällen eine ausreichend hohe Spezifität.
14.8.3 Dauer der Nachsorge ►⌺ Eine jährliche Kontrolle sollte standardisiert zumindest in Form einer klinischen Untersuchung erfolgen. Bestehen Beschwerden, sollte ein radiologischer Vergleich zum unmittelbar postoperativen Befund herangezogen werden.
Idealerweise erhält der Patient ein Röntgenbild zum Zeitpunkt der stationären Entlassung. Veränderungen der Implantatposition können so beurteilt werden. Eine Abklärung mittels 3-Phasen-Skelettszintigraphie empfiehlt sich nur bei klinischen Beschwerden und radiologisch unauffälligen Befund. Frühester Zeitpunkt sind 12€Monate postoperativ, um Fehlinterpretationen einer positiven Anreicherung zu vermeiden. Computertomographien sind nicht geeignet, Lockerungen der Implantate darzustellen. Eine standardisierte Röntgenuntersuchung in 2€ Ebenen sollte auch ohne klinische Symptome alle 5€ Jahre erfolgen, um einem frühzeitigen Verschleiß
564
C. Götze
Abb. 14.171↜ Konstantes klinisches und radiologisches Follow-up nach Hüfttotalendoprothesenrevison bei gelockerter Schraubpfanne. (a) Primärimplantation einer zementfreien HüftTEP (Typ Mecron) bei einem 45-jährigen Patienten aufgrund einer rechtsseitigen Hüftkopfnekrose (1989). (b) Azetabuläre Komponentenlockerung 1999, 10€ Jahre nach Primärimplantation. (c) Revision auf längsovale Revisionspfanne (LOR, Zim-
mer, Winterthur, Schweiz) mit zentrischen Inlay und Wechsel des Kugelkopfes unter Belassen der Hüftschafts. (d) Follow-up 2007, 8€Jahre nach der Revision mit guten klinischen Ergebnisse bei sekundärer Osseointegration der zementfreien Revisionspfanne. Unveränderter Sitz der zementfreien Revisionspfanne im Verhältnis zu den knöchernen Landmarken (Köhler-Tränenfigur). Kein Lockerungssaum entlang der Schrauben
Abb. 14.172↜ (a) Hüft-TEP Infekt bei einem 53-jährigen Patienten. (b) Zweizeitiger Wechsel mittels Antibiotika-Spacer als Platzhalter 02/2002. (c) Hüft-TEP-Reimplantation 05/2002 auf zementierte PE-Pfanne und zementfreien modularen Revisionsschaft (Mutars Revisionsschaft, Implantcast, Buxtehude,
Deutschland). (d) Follow-up-Kontrolle 5€ Jahre postoperativ (06/07) mit unauffälligen radiologischen Verlauf bei zementfreiem modularem Revisionsschaft. Kein Hinweis von Sinterungen des Femurschafts, keine periprothetischen Osteolysen, Saumbildungen
der Gelenkpartner zu erkennen. Durch eine zeit- und zielgerichtete Untersuchung können Folgeschäden wie periprothetische Osteolysen aufgrund gelockerter Implantate oder synovialen Begleitreaktionen auf-
grund von Polyethylen oder Materialabrieb vermieden werden. Beschwerden, die eindeutig dem operierten Gelenk zugeordnet werden können sowie auffällige radiolo-
14â•… Revisionsendoprothetik
565
Tab. 14.15↜╇ Follow-up nach Hüfttotalendoprothesenrevision Untersuchung Anamnese Klinische Untersuchung Röntgenkontrolle Sonstige Bildgebung Entzündungsparameter
3€Monate postoperativ Bei jeder Kontrolle Bei jeder Kontrolle Erforderlich Nicht in der Routine Nach akutem/chronischem Infekt
1. Jahr postoperativ Bei jeder Kontrolle Bei jeder Kontrolle Erforderlich Nicht in der Routine Bei klinischem Verdacht
2–4. Jahr postoperativ Bei jeder Kontrolle Bei jeder Kontrolle Nicht in der Routine Nicht in der Routine Bei klinischem Verdacht
5. Jahr postoperativ Bei jeder Kontrolle Bei jeder Kontrolle Erforderlich Nicht in der Routine Bei klinischem Verdacht
Tab. 14.16↜╇ Ergebnisse zementierter Pfannen bei Wechseloperationen Autor (Jahr)
Implantat
UCLA Amstutz et€al. (1982) HSS Callaghan et€al. (1985) Mayo (Charnley-type) Kavanagh et€al. (1985) HSS Pellicci et€al. (1985) Verschiedene Strömberg et€al. (1988) Verschiedene Retpen et€al. (1989) Webera Marti et€al. (1990) Engelbrecht et€al. (1990) Verschiedene Kershaw et€al. (1991) Verschiedene (Charnley) Strömberg et€al. (1992) Verschiedene Garcia-Cimbrelo et€al. LFAb (1995) Charnleyc Iorio et€al. (1995) a Zimmer GmbH, Winterthur, Schweiz b Chas, F. Tackray, Leeds, U.K. c DePuy, Johnson and Johnson, Warsaw, IL, USA
n 66 69 81 99 67 195 60 140 60 204 148 107
gischen Veränderungen erfordern die Überweisung in die Klinik. Durch das standardisierte Nachversorgungsschema nach einer Hüftgelenksrevision ergeben sich sowohl aus medizinischer als auch aus ökonomischer Sichtweise Vorteile für den betroffenen Patienten. Die hier aufgeführten Standards sind ein Versuch, klinische Erfahrungen, Patientenwünsche und wissenschaftliche Evidenz zu einer in der Nachversorgung ausgerichteten Empfehlung zu kombinieren (Tab.€14.15).
14.9 E rgebnisse nach Revisionsendoprothetik B. Fink
14.9.1 Zementierte Pfannen Zementierte Pfannen weisen im Revisionsfall höhere Lockerungsraten auf, da die Interdigitation des
Follow-up (Jahre) 2,1 3,6 4,5 8,1 4,0 4,3 8,9 7,4 6,3 7,0 11,5 7,7
Lockerung (%) 20,0 57,4 40,7 29,0 12,0 – 16,7 37,9 10,0 8,3 19,6 4,6
Revision aseptisch (%) 7,5 17,4 10,0 12,0 21,0 27,7 8,3 12,1 30,0 4,9 12,8 4,3
Revision septisch (%) 1,5 5,5 6,2 1,0 1,5 2,0 3,3 1,6 3,3 1,5 7,8 0,9
Zements in den Azetabulumknochen aufgrund der durch die Lockerung bedingten sklerotischen Knochens vermindert ist (Tab.€14.16). Wirtz und Niethard (1997) konnten in einer Übersichtsarbeit zeigen, dass die Rerevisionsrate von zementierten Pfannen deutlich höher ist als von zementfreien Pfannen.
14.9.2 Zementfreie Pfannen Bei den zementfrei implantierten Pfannen werden Pfannen, die über eine Press-fit-Verklemmung fixiert werden, von Schraubpfannen unterschieden.
14.9.2.1 Hemisphärische Press-fit-Pfannen Standard-Press-fit-Pfannen╇ Die Press-fit-Pfannen weisen auch im Revisionsfall sehr gute Standzeiten auf (Tab.€ 14.17). Pfannen, die ohne Press-fit eingebracht werden und nur eine Schraubenfixation erfahren („line-in-line reaming“) scheinen jedoch höhere
B. Fink
566 Tab. 14.17↜╇ Zementfreie Pfannen Autor (Jahr)
Pfanne
n
Follow-up (Jahre) 5–11
Chareancholvanich et€al. Harris-Galante-Grafts, ╇ 40 (1999) Schrauben 14,9 Della Valle et€al. (2004) Harris-Galante I Sch, line ream. 138 Jones und Lachiewicz Harris-Galante Iâ•›+â•›II; Trilogy; 211 – (2004) Sch, gra ╇ 5,0 Lachiewicz et€al. (1994) Harris-Galante Sch, gra, pressf ╇ 60 ╇ 7,0 Lachiewicz und Poon Harris-Galante Sch, gra, pressf ╇ 57 (1998) Harris-Galante 138 10,5 Leopold et€al. (1999) Harris-Galante grafts, Schews 129 ╇ 3,6 Padgett et€al. (1993) Harris-Galante grafts, Schews 111 ╇ 8,3 Silverton et€al. (1995) Silverton et€al. (1996) Harris-Galante Sch, line ream. 111 ╇ 8,3 Harris-Galante grafts, Schews 140 ╇ 3,4 Tanzer et€al. (1992) ╇ 61 12,9 Templeton et€al. (2001) Harris-Galante Sch, line ream. Harris-Galante ╇ 94 10,8 Jamali et€al. (2004) 1, gra, pressfa ╇ 47 ╇ 5,0 Avci et€al. (1998) Dorr und Wan (1995) APR Sch, rim fit fix 139 ╇ 4,3 Pressf, gra, Sch ╇ 30 ╇ 7,0 Mont et€al. (2002) ╇ 47 ╇ 4,8 Ng und Chiu (2003) AML ╇ 60 ╇ 5,6 Obenaus (2003) Duraloc, pressf Allofit-S, pressf ╇ 52 ╇ 2,9 Fink et€al. (2008) APR Anatomic Porous Replacement; Sch Schrauben, gra grafts, pressf press-fit, Rim-fit-Fixation a 3 Exactech MCS, Porous Coated Anatomic cup, Cluster cup
Lockerung (%) ╇ 5,0
Revision Revision aseptisch (%) septisch (%) 13,0 5,0
╇ 0,7 ╇ 2,0
13,8 ╇ 3,3
4,3 1,4
0 0
0 0
1,7 1,7
╇ 1,8 10,8 3,8 ╇ 2,3 ╇ 5,0 3,1 0 11,0 5,4 0 11,0 5,0 ╇ 1,4€% ╇ 0,7 – ╇ 3,0€% 21,0 1,6 ╇ 4,2 ╇ 9,4 0 – ╇ 4,3 8,5 ╇ 1,4 ╇ 4,3 – 10,0 20,0 6,7 ╇ 2,0 0 9,0 ╇ 3,4 ╇ 1,6 3,3 0 0 0 line ream line to line reaming, rim fit fix
Tab. 14.18↜╇ Ergebnisse von Jumbo-Cups
a
Autor (Jahr)
Implantat
n
Follow-up (Jahre)
Lockerung (%)
Revision aseptisch (%)
Revision septisch (%)
Jasty (1998) Deanborn und Harris (2000) Whaley et€al. (2001) Gustke (2004)
HGIa HGIa HG I, HGIIa APRa, InterOPa
╇ 19 ╇ 24 ╇ 89 166
10,0 ╇ 7,0 ╇ 7,2 6╇ ,1
5,2 0 4,5 0,6
5,2 4,1 4,5 1,2
0 12,5 ╇ 1,1 ╇ 1,2
Zimmer Inc., Warsaw, IL, USA
Lockerungsraten bzw. Revisionsraten aufzuweisen (s.€Tab.€14.17). Jumbo-Cups Die Ergebnisse dieser Pfannen in der Literatur sind sehr zufriedenstellend (Tab.€ 14.18). Gustke (2004) gibt sogar an, dass seiner Erfahrung nach 50€% Kontakt der Pfanne mit dem Wirtsknochen nicht zwingend notwendig ist, um eine stabile Pfannenfixation zu erzielen. Dies entspricht auch unserer Erfahrung mit der Allofit-S-Pfanne, bei der es in erster Linie auf die Qualität und Stabilität des verbleibenden Knochens für eine Verklemmung ankam (Fink et€ al.
2008). Auch Trabecular-Metal-Pfannen können als Jumbo-Cups verwendet werden und weisen vielversprechende erste Ergebnisse auch bei größeren Defekten auf (s.€Tab.€14.27; Unger et€al. 2005; Flecher et€al. 2008).
14.9.2.2 Oblong-Cups Biradiäre Oblong-Cups╇ Die Fixation biradiärer Oblong-Cups basiert auf der Verklemmung und der zusätzlichen Schraubenfixation in beiden Pfannenabschnitten. Das passgenaue Fräsen des Pfannenbettes für die Prothese ist jedoch technisch schwierig, was
14â•… Revisionsendoprothetik
567
Tab. 14.19↜╇ Ergebnisse von biradiären Pfannen Autor (Jahr)
Implantat
n
Follow-up Lockerung Revision asep(Jahre) (%) tisch (%)
Revision septisch (%)
Sutherland (1996) Sutherland (1998) DeBoer und Christie (1998) Berry et€al. (2000) Chen et€al. (2000)
JMPa, TCMb, DCMc JMPa, TCMb, DCMc SROM (E-15, E-25)d SROM (E-15, E-25)d JMPa
6 6 15 38 34
>â•›4,0 1,5 4,5 3,0 3,4
0 0 0 0 2,9
50,0 33,3 ╇ 0 ╇ 2,6 16,0
50,0 ╇ 0 ╇ 0 ╇ 2,6 14,7
a
Joint Medical Poducts, Stamford, Conneticut Techmedica c Dow Corning Wright, Arlington Tennessee d DePuy, Johnson and Johnson, Warsaw, IL b
Tab. 14.20↜╇ Ergebnisse von Oblong-Cups (LOR-Cups, Zimmer, Winterthur, Schweiz) Autor (Jahr) Köster et€al. (1998) Götze et€al. (2002) Herrera et€al. (2006) Survace et€al. (2006) Civinini et€al. (2008)
n 102 ╇ 50 ╇ 35
Follow-up (Jahre) 3,6 2,8 6,3
Lockerung (%) ╇ 2 12 14,2
Revision aseptisch (%) ╇ 2 12 14,2
Revision septisch (%) 1 4 0
╇ 41
5,3
0
╇ 2,5
0
╇ 55
7,2
╇ 1,8
╇ 3,6
0
die sehr unterschiedlichen Ergebnisse in der Literatur erklären kann (Tab.€14.19). Die hohen Lockerungsraten bei Sutherland (1996, 1998) sind vor allem durch eine technische Ungenauigkeit des CT-basierenden Custom-made-Oblong-Cup bedingt. Längsovale Revisionspfannen Längsovale Revisionspfannen basieren ebenso auf einem Fixationsprinzip mit randständiger Verklemmung und additiver Schraubenfixation. Die Inlays weisen oft einen exzentrischen Drehpunkt auf, um das Gelenkdrehzentrum zu distalisieren und so die Rekonstruktion des ursprünglichen Gelenkdrehzentrums zu realisieren. Diese exzentrische Belastung der Pfanne dürfte zu einer Art „Rocking-Horse“-Phänomen und somit zum Teil zu höheren Lockerungsraten führen (Tab.€14.20). Herrera et€al. (2006) verwendeten diesen Pfannentyp allerdings nur bei Typ-AAOS-III- und -IV-Defekten, was die Versagerrate von 14,2€% nach durchschnittlich 6,3€Jahren mit erklären mag. Hingegen fanden Götze et€al. (2002) in der Studie keinen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der LOR-Pfanne und dem Typ bzw. Schweregrad des azetabulären Knochendefekts.
14.9.2.3 Schraubpfannen Schraubpfannen können prinzipiell auch in Revisionsfällen verwendet werden, eignen sich in der Regel aber nur bei kavitären Defekten mit ausreichend stabilen Pfannenrändern. Die publizierten hohen Lockerungsund Revisionsraten sind durch das unzureichende Einschneiden der Gewindegänge mit dem dadurch bedingten geringen Flächenkontakt zum Knochen sowie die damals noch glatten Oberflächen der MECRinge bedingt (Tab.€14.21).
14.9.3 P fannendach- und Pfannenstützschalen 14.9.3.1 Müller-Pfannendachschale Die in der Literatur dargestellten Lockerungsraten sind sehr unterschiedlich, wahrscheinlich aufgrund einer nicht regelhaft strengen Indikationsstellung (Tab.€14.22). Müller-Ringe zeigen bei kavitären Defekten, isolierten kleinen Pfannenerkerdefekten, mittleren Defekten der medialen Wand sowie Defekten des vorderen Pfannenrands gute Ergebnisse.
B. Fink
568
Tab. 14.21↜╇ Ergebnisse zementfreier Schraubpfannen bei Pfannenwechseln Autor (Jahr) Engh et€al. (1988) More et€al. (1992) a
Implantat a
MEC-Ring MEC-Ringa
n
Follow-up (Jahre) Lockerung (%)
Revision aseptisch (%) Revision septisch (%)
107 32
4,4 2,5
╇ 7,5 44,0
15,0 53,0
0,9 0
Mecron Medical, Port Washington, New York, USA
Tab. 14.22↜╇ Ergebnisse der Müller-Pfannendachschale (Zimmer, Winterthur, Schweiz) bei Pfannenwechsel Autor (Jahr) Dihlmann et€al. (1994) Gurtner et€al. (1993) Haentjens et€al. (1986) Korrevessis et€al. (1992) Mayer und Hartseil (1986) Panski (1997) Pascarel et€al. (1993) Peters et€al. (1995) Rooson und Schatzker (1992) Schatzker et€al. (1984) Stöckl et€al. (1997)
n ╇ 42 150 ╇ 14 ╇ 30 ╇╇ 9 ╇ 14 141 ╇ 22 ╇ 46 ╇ 20 ╇ 47
Follow-up (Jahre) 2,5 7,0 3,3 2,5 2,7 3,3 8,0 7,2 5,0 2,4 6,4
Lockerung (%) ╇ 0 10,0 ╇ 7,1 ╇ 0 ╇ 0 28,6 ╇ 6,4 31,8 34,8 ╇ 5,0 ╇ 4,0
Revision aseptisch (%) ╇ 0 ╇ 6,7 ╇ 7,1 ╇ 0 ╇ 0 14,3 ╇ 1,4 31,8 10,9 ╇ 5,0 ╇ 4,0
Revision septisch (%) 0 6 0 0 0 0 0 0 0 0 4
Tab. 14.23↜╇ Ergebnisse mit der Hakendachschale nach Ganz Autor (Jahr) Siebenrock (2001) Gerber et€al. (2003)
n 36 50
Follow-up (Jahre) 11,4 ╇ 9,0
Lockerung (%) ╇ 8,0 14,0
14.9.3.2 Hakendachschalen Über die Hakendachschalen vom Typ Ganz-Schale finden sich nur wenig publizierte Ergebnisse in der Literatur (Tab.€14.23). 14.9.3.3 Abstützschalen Bei den Ergebnissen der Abstützschalen vom Typ Burch-Schneider muss differenziert werden, ob diese technisch korrekt eingebracht wurden. In einigen, vor allem älteren Publikationen wurde die untere Lasche nicht in das Os ischium eingeschlagen, sondern nur angelagert und manchmal dort verschraubt. Dies hat sich jedoch als nachteilig erwiesen, da Lockerungen resultieren können. Zudem sollten Knochendefekte zwischen dem Implantat und dem Wirtsknochen mit homologem Knochen aufgefüllt werden. Rosson und Schatzker (1992) führte dies nicht regelhaft durch, so dass vermehrte Bewegungen des Abstützrings die höheren Lockerungsraten erklären lassen. Sembrano und Cheng (2008) errechneten für 72 Abstützschalen
Revision aseptisch (%) 5,5 6,0
Revision septisch (%) 2,8 2,0
verschiedener anderer Hersteller eine 5-Jahres-Überlebensrate von 87,8€ % und Carroll et€ al. (2008) für 55 Burch-Schneider-Ringe und 6 Eichler-Ringe eine 10-Jahres-Überlebensrate von 85€% (Tab.€14.24).
14.9.4 Sonderimplantate Bei den verschiedenen, in dieser Gruppe der Sonderimplantate zusammengefassten Implantaten sind allgemein nur wenige Ergebnisse publiziert worden (Tab.€14.25 bis 14.27). Über Custom-made-Beckenteilersätze finden sich nur für die Triflange-Cup (DePuy, Johnson & Johnson, Warsaw, IL) im internationalen Schrifttum publizierte Ergebnisse (s.€Tab.€14.25). Vielversprechend scheinen die neuen TMT-Pfannen in der Kombination mit Augmentaten zur Defektauffüllung zu sein (s.€ Tab.€ 14.27). Kosashvili et€ al. (2009) konnten in einer Kombination von TMT-Pfannen und darüber implantiertem Abstützring sogar
14â•… Revisionsendoprothetik
569
Tab. 14.24↜╇ Ergebnisse des Burch-Schneider-Antiprotrusio-Ringes bei Pfannenwechseln Autor (Jahr)
n
Follow-up (Jahre)
Untere Lasche am Os ischium in in –
Defektfüllung
Lockerung Revision (%) aseptisch (%) ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0 25,0 ╇ 0
Revision septisch (%) ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0
Komplikationen (%)
Schatzker et€al. (1984) ╇ 5 ╇╇ 2,4 b – ╇╇ 2,7 b – Mayer und Hartseil (1986) 12 ╇╇ 5,0 bâ•›+â•›câ•›+â•›Ø – Rooson und Schatzker 20 (1992) Berry (1992) 42 ╇╇ 5,0 in bâ•›+â•›c ╇ 0 11,9 11,9 14,3 ╇╇ 2,8 in b ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0 – Zehnter und Ganz (1994) 28 ╇ 8 ╇╇ 7,5 in b 12,0 12,5 ╇ 0 – Garbuz et€al. (1996) 24 ╇╇ 8,0 in b ╇ 4,1 ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0 Symeonides et€al. (1997) 63 ╇╇ 8,5 in bâ•›+â•›c ╇ 4,8 ╇ 6,3 ╇ 1,6 ╇ 7,9 Gill et€al. (1998) 43 ╇╇ 5,8 in b ╇ 4,6 ╇ 4,6 ╇ 0 – Starker et€al. (1998) Böhm und Banzhaf (1999) 26 ╇╇ 4,5 in b 15,4 ╇ 3,8 ╇ 0 – 38 ╇ 12,0 inâ•›+â•›on b ╇ 2,6 ╇ 5,3 ╇ 2,6 21,0 Wachtl et€al. (2000) 18 ╇╇ 4,6 – bâ•›+â•›c ╇ 8,0 ╇ 8,0 ╇ 0 23,0 Udomkiat et€al. (2001) ╇╇ 5,4 onâ•›+â•›in B ╇ 0 ╇ 4,8 ╇ 3,2 – Perka und Ludwig (2001) 63 38 ╇╇ 7,3 in B ╇ 0 ╇ 0 ╇ 2,6 13,1 Winter et€al. (2001) 21 ╇╇ 8,7 in B 13,0 10,0 ╇ 0 – Bonnomet et€al. (2001) Van Koeveringe und Ochs- 33 ╇╇ 5,0 in b+â•›c 12,1 ╇ 0 ╇ 3,0 18,2 ner (2002) ╇╇ 2,1 in b ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0 11,0 Blacha und Gagala (2004) 28 in untere Lasche in das Os ischium eingeschlagen, on untere Lasche auf das Os ischium gelegt, b Knochenchips, c Knochenzement
Tab. 14.25↜╇ Ergebnisse der Triflange-Cup (DePuy, Johnson & Johnson, Warsaw, IL, USA) Autor (Jahr) Christie et€al. (2001) Dennis (2003)
n 67 24
Follow-up (Jahre) Lockerung (%) 4,4 ╇ 0 4,0 12,5
Revision aseptisch (%) Revision septisch (%) ╇ 7,8 0 12,5 0
Tab. 14.26↜╇ Ergebnisse der Stielpfannen Autor (Jahr)
Implantat
n
Badhe et€al. (2000) McMinn-Link Newsplinta Schoellner und Sockelpfanne Schoellner (2000) Sockelpfanne Perka et€al. (2002) Sockelpfanne Tohtz et€al. (2007) a McMinn-Link Newsplint, Hants, UK
Lockerung (%)
22 51
Follow-up (Jahre) 3,8 2,6
╇ 0 ╇ 0
Revision aseptisch (%) ╇ 0 ╇ 2,0
Revision septisch (%) 4,5 2,0
╇ 4 50
2,4 2,2
╇ 0 16,0
╇ 0 12,0
0 4,0
Tab. 14.27↜╇ Ergebnisse der Trabecular-Metal-Pfannen bei Pfannenrevisionen Autor (Jahr) Unger et€al. (2005) Weeden und Schmidt (2007) Flecher et€al. (2008)
n 60 43 23
Follow-up (Jahre) 3,5 2,8 2,9
Lockerung (%) 1,6 0 0
Revision aseptisch (%) 1,6 0 0
Revision septisch (%) 0 2,3 0
B. Fink
570
Tab. 14.28↜╇ Ergebnisse der nichtmodularen zementierten Revisionsschäfte
╇ 38
Follow-up Zugang Revision Sinken Locke(Jahre) (%) (%) rung (%) 11,7 tt 10,5 – 21,0
Dislokation (%) ╇ 2,6
Infektion Fraktur (%) (%) ╇ 2,6 ╇ 2,6
–
╇ 16
╇ 5,0
pl
╇ 0
0
–
43,7
12,5
25,0
Charnley Charnley, RM-Isoelastic
107 148
╇ 7,7 10,0
tt tt
╇ 7,5 ╇ 3,4
– –
12,0 ╇ 8,8
╇ 5,0 –
╇ 0,9 ╇ 2,7
– –
16,3
╇ 6,3
╇ 4,2
–
16,3
25,9
╇ 2,5
–
╇ 8,4
16,2
╇ 1,1
╇ 6,8
╇ 6,0
╇ 2,9
–
17,6
26,0
╇ 4,6
–
–
14,0
14,0
╇ 3,4
–
Autor (Jahr)
Schaft
n
Estok und Harris (1994) Haentjens et€al. (1996) Iorio et€al. (1995) Izquierdo und Northmore-Ball (1994) Katz et€al. (1995)
HD-2,CRI
Iowa, Charnley, ╇ 79 10,0 tt ╇ 5,4 – Richards tt ╇ 5,4 – Katz et€al. (1997) Iowa, Charnley, ╇ 81 10,0 Richards 191 ╇ 6,2 Charnley, t, p ╇ 9,4 25,0 Kershaw et€al. (1991) Howse Stanmore, McKee CPT ╇ 34 ╇ 2,5 ╇ 6,0 38,0 Meding et€al. (1997) ╇ 43 15,1 tt 16,3 – Mulroy und CDH, CAD, Harris (1996) HD-2, ╇ 29 ╇ 8,5 tt 10,3 ╇ 3,4 Pierson und HD-2,Calcar, Harris (1994) Precoat, CDH Precoat, TR-28 CRI Calcar Replacement Implant, tt transtrochantär, pl posterolateral, p posterior
Tab. 14.29↜╇ Ergebnisse des modularen zementierten Revisionsschaft l lateral, tt transtrochantär Autor (Jahr)
Schaft
n
Crawford et€al. (2000)
–
74
Follow-up (Jahre) 5,7
Zugang l; tt
Revision (%) 4,1
Sinken (%) 2,7
Lockerung (%) 12,2
Dislokation (%) 12,2
Infektion (%) 6,8
Fraktur (%) 0
bei 26 Beckendiskontinuitäten nach durchschnittlich 44,6€ Monaten (24–68€ Monaten) Beobachtungszeiten mit 88,5€ % klinisch und radiologisch fest sitzendem Implantat und einem Harris-Hip-Score von 76,6 Punkten (55,5–92,0) sehr gute Ergebnisse erzielen. Langzeitbeobachtungen fehlen hier jedoch noch. Azetabulumfrakturen beim Einschlagen der Pfanne wurden beobachtet (Springer et€al. 2005).
sind mit Ausnahme des Schafts von Crawford et€ al. (2000) nicht modular. Crawford et€ al. entwickelten einen geraden zementierten Revisionsschaft, der zur Vermeidung des Einsinkens mit verschiedenen Ringen kombiniert werden kann. Bei 74 Implantationen wurde eine Einsinkrate von 2,7€ % und eine Lockerungsrate von 12,2€% nach durchschnittlich 5,7€Jahren beobachtet (Tab.€14.29).
14.9.5 Zementierte Schaftsysteme
14.9.6 Zementfreie Schaftsysteme
Aufgrund der schlechteren Interdigitation des Zements im sklerotischen Knochen des Femur weisen auch zementierte Revisionsschäfte höherer Lockerungsraten auf (Tab.€ 14.28). Zementierte Revisionsschäfte
Bei den zementfreien Revisionssystemen unterscheidet man • Monoblockimplantate von modularen Revisionssystemen,
14â•… Revisionsendoprothetik
571
Tab. 14.30↜╇ Ergebnisse zementfreier nichtmodularer Schäfte („proximally porous coated“) Autor (Jahr)
Schaft
Follow-up Zugang (Jahre) ╇ 375 4,7 ╅ 66 4,7 p
n
Revision (%) 20,8 ╇ 6,0
Sinken (%) 55,0 ╇ 3,0
Lockerung (%) 15,7 ╇ 3,0
Dislokation (%) – –
Infektion (%) 4,0 –
Fraktur (%) 26,0 15,1
Berry et€al. (1995) 1a Buoncristiani et€al. APR (1997) ╇ 177 2,8 al, strut grafts ╇ 3,3 – – – – – Head et€al. (1993) Calcar ╇ 177 3 al, strut grafts ╇ 3,0 ╇ 2,8 – – – – Head et€al. (1994) Calcar ╇ 304 10–13 strut grafts ╇ 3,0 ╇ 0,3 0 1,0 – ╇ 0 Head et€al. (2000) Calcar al, strut grafts ╇ 1,0 1179 6,2 – – 0,6 – ╇ 0,1 Head et€al. (2001) Calcar â•… 41 5 tt ╇ 0 32,0 – 7,0 0 12,2 Hussamy und BIAS Lachiewicz (1994) â•… 36 6,5 pl ╇ 3,0 – ╇ 8,3 – 6,0 – Kim (2004) IPS Malkani et€al. Osteonics â•… 69 2,8 tg, al, p, tt ╇ 8,7 57,0 20,0 2,0 – 46,0 (1996) Mallory â•… 52 4,6 tg 10,0 10,0 24,0 – – 38,5 Mulliken et€al. (1996) Head â•… 49 5,4 tg, tt ╇ 4,0 57,0 ╇ 4,0 4,1 2,0 22,4 Peters et€al. (1995) BIAS â•… 25 5,5 tt, p, tg 20,0 48,0 40,0 – – 24,0 Woolson und Dela- Harrisney (1995) Galante IPS Immediate Postoperative Stability; APR Anatomic Porous Replacement Revision Prosthesis; p posterior, tt transtrochantär, pl posterolateral, tg transgluteal, al anterolateral a 1 BIAS, Harris-Galante, Omnifit, Omnifit Long Stem, Porous Coated Anatomic, Porous Coated Anatomic Long Stem
• Geradschäfte von kurvierten Schäften und • Schäfte mit proximalen von Schäften mit distaler Verankerung.
14.9.6.1 Z ementfreie, proximal fixierende, nichtmodulare Revisionsschäfte Bei proximal fixierenden Schaftsystemen erfolgt die Verankerung des Schafts im metaphysären bzw. metadiaphysären Femur. Dieser Bereich ist jedoch aufgrund des lockerungsbedingten Knochenverlusts aufgeweitet, ausgedünnt, glatt, sklerotisch und zeigt teilweise segmentale Defekte. Daher scheint die Fixationsqualität in diesem Bereich nicht sicher reproduzierbar zu sein, so dass zum Teil hohe Lockerungs- und Migrationsraten für diese Schaftsysteme beschrieben wurden. Darüber hinaus ist das Frakturrisiko im proximalen Femurbereich deutlich erhöht (Tab.€14.30). 14.9.6.2 Z ementfreie, proximal fixierende, modulare Revisionsschäfte Monoblockimplantate erlauben nicht immer eine optimale Anpassung der Prothese an den Femur. Durch die Einführung der Modularität bei zementfreien, proximal beschichteten Schäften, wie dem S-ROM-Schaft
(DePuy, Warsaw, IL, USA), konnte das Prinzip des proximalen „maximal fit and fill“ durch die individuelle Anpassung der proximalen Schaftkomponente an die Femuranatomie verbessert und somit die Lockerungs- und Nachsinkraten im Vergleich zu den nichtmodularen Schäften gesenkt werden (Tab.€14.31). Einige Autoren berichten allerdings auch bei dieser Implantationstechnik über häufigere Femurfrakturen (Bolognesi et€ al. 2004; Chandler et€ al. 1995; Smith et€ al. 1997). McCarthy und Lee (2007) fanden eine Überlebensrate nach 14€Jahren für den S-Rom-Schaft bei Revisionen von lediglich 60€%.
14.9.6.3 Z ementfreie, distal fixierende, nichtmodulare Revisionsschäfte Mit der Technik einer distalen Fixation im intakten Isthmus des Femur lassen sich sowohl mit den Cobalt-Chrom-Schäften als auch mit den konischen Titanschäften reproduzierbar gute Ergebnisse erzielen (Tab.€14.32 und 14.33). Der Wagner-SL-Schaft als erster konischer Titanschaft hatte ursprünglich herstellungstechnisch bedingt einen CCD-Winkel von 145°, was eine Offset-Reduzierung verursachte. Hierdurch und durch
B. Fink
572 Tab. 14.31↜╇ Ergebnisse von modularen proximal fixierenden Revisionsschäften Autor (Jahr)
Schaft
n
Follow-up Zugang (Jahre)
Bolognesi et€al. (2004) Bono et€al. (1999) Cameron (1994) Cameron (2001) Chandler et€al. (1994)
S-ROM S-ROM S-ROM S-ROM S-ROM
╇ 53 ╇ 62 ╇ 62 157 ╇ 30
╇ 4,0 ╇ 5,9 ╇ 3,9 ╇ 2,0 ╇ 1,8
Chandler et€al. (1995)
S-ROM
╇ 52
╇ 3,0
Christie et€al. (2000) McCarthy und Lee (2007) Smith et€al. (1997) Walter et€al. (2006)
S-ROM S-ROM
129 ╇ 92
S-ROM S-ROM
╇ 66 ╇ 62
╇ 6,2 14,0
p p – – ttâ•›+â•›allografts tt, vâ•›+â•›allografts – pl, tf
╇ 3,4 ╇ 6,0
p tg
Revision Sinken LockeDisloka(%) (%) rung (%) tion (%)
Infektion Fraktur (%) (%)
╇ 3,8 14,0 16,1 6,4 10,0
1,9 6,4 – 3,2 –
1,9 6,4 – 1,3 –
╇ 3,8 – ╇ 1,6 ╇ 4,5 16,7
– – ╇ 4,8 ╇ 3,2 ╇ 3,3
20,7 ╇ 0 ╇ 4,8 ╇ 1,3 –
25,0
–
9,6
23,1
╇ 6,0
28,0
╇ 0,8 –
2,9 –
2,9 9,0
– –
– 10,0
╇ 0 –
╇ 3,0 ╇ 1,6
– –
7,6 5,0
╇ 7,6 ╇ 2,0
╇ 3,0 ╇ 2,0
27,3 ╇ 2,0
p posterolateral, tt transtrochantär, tg transgluteal, ef endofemoral, tf transfemoral
Tab. 14.32↜╇ Ergebnisse der zementfreien nichtmodularen Schäfte („extensively porous coated“) Autor (Jahr) Aribindi et€al. (1998) Chen et€al. (2000) Engh et€al. (1998) Engh et€al. (1990) Glassman und Engh (1995) Krishnamurthy et€al. (1997) Lawrence et€al. (1994) Lawrence et€al. (1993) Miner et€al. (2001) Moreland und Bernstein (1995) Moreland und Moreno (2001) Paprosky et€al. (1999) Paprosky et€al. (2002) Sugimura und Tohkura (1998) Weeden und Paprosky (2002)
Schaft
n
Follow-up (Jahre)
Zugang Revision Sinken Lockerung Disloka- Infektion Fraktur (%) (%) (%) tion (%) (%) (%)
Solution
╇ 71
5,8
pâ•›+â•›tf
╇ 4,2
–
╇ 0
╇ 6,0
–
╇ 1,4
Solution AML AML AML
╇ 42 ╇ 21 204 154
3,6 6,3 4,5 9,2 (5–15)
plâ•›+â•›eto p pâ•›+â•›eto –
╇ 7,0 ╇ 0 ╇ 4,9 ╇ 4,5
0 – – –
╇ 0 ╇ 0 ╇ 4,0 ╇ 6,6
11,0 ╇ 4,8 – ╇ 0,6
2,4 0 – 0,6
– ╇ 9,5 ╇ 0,5 –
AML
297
8,3 (5–13)
pl
╇ 1,7
–
╇ 2,4
╇ 2,6
0,7
–
2a
╇ 83
9 (5–13)
p
10,0
–
11,0
╇ 3,6
1,2
╇ 2,4
AMLâ•›+ Solution Solution AMLâ•›+ Solution AML
174
7,4
tgâ•›+â•›tt
╇ 5,7
–
╇ 1,1
╇ 3,4
2,9
╇ 0,6
166 175
3,9 5 (2–10)
eto tt
10,2 ╇ 4,0
– 12,6
╇ 0,6 ╇ 1,7
10,0 ╇ 2,9
2,4 0,6
10,8 ╇ 0,6
137
9,3 (5–16)
tt
╇ 7,0
–
╇ 4,0
╇ 4,4
3,6
╇ 1,5
AMLâ•›+ Solution Solution
170
13,2 (10–16)
p
╇ 3,5
16,0
╇ 4,1
╇ 7,1
1,8
14,7
193
5
pâ•›+â•›tf
╇ 0
–
–
╇ 9,0
3,0
╇ 5,0
AML
╇ 32
4 (2–6,5)
–
╇ 3,1
28,1
╇ 0
–
–
╇ 3,1
Solution
170
14,2 (11–16)
p, tf
╇ 3,5
16,0
╇ 4,1
╇ 7,1
1,8
14,7
p posterior, pl posterolateral, tt transtrochanteric, tf transfemoral, eto extended trochanteric osteotomy, 2a New England Baptist, Custom P-10, AML
14â•… Revisionsendoprothetik
573
Tab. 14.33↜╇ Ergebnisse des nichtmodularen distal fixierten Revisionsschafts Wagner SL (Zimmer, Winterthur, Schweiz) Autor (Jahr)
Schaft
n
Zugang Follow-up (Jahre) 5,0 tg, tf 5,4 tf, tg, tt, ve 4,8 tf, tg, tt, a
Revision Sinken LockeDisloka(%) (%) rung (%) tion (%)
Bircher et€al. (2001) Wagner SL ╇ 99 ╇ 6,1 ╇ 6,1 ╇ 4,7 34,1 Böhm und Bischel Wagner SL 128 (2001) ╇ 4,6 34,1 Böhm und Bischel Wagner SL 129 (2001) Böhm und Bischel Wagner SL 129 8,1 tf, tg, tt, a ╇ 4,6 34,1 (2004) ╇ 79 8,4 tg, tf, tt ╇ 6,3 20,3 Wagner SL Gutiérrez del Alalmo et€al. (2007) ╇ 40 3,9 l, tf, tg 10,0 47,5 Grünig et€al. (1997) Wagner SL ╇ 37 2,3 tf, tg ╇ 2,7 18,9 Hartwig et€al. (1996) Wagner SL ╇ 43 2,1 tf – 26,0 Isacson et€al. (2000) Wagner SL ╇ 31 3,0 tf 16,1 ╇ 6,4 Kolstad et€al. (1996) Wagner SL Wagner (1987) Wagner SL ╇ 20 â•›<â•›3,0 pâ•›+â•›tf 0 ╇ – ╇ 38 <â•›0,03 pâ•›+â•›tf ╇ 5,3 ╇ 5,3 Wagner (1989) Wagner SL 150 2–7 pâ•›+â•›tf ╇ 2,6 ╇ 6,0 Wagner und Wagner Wagner SL (1993) ╇ 17 0,5–1,5 tf 0 23,0 Warren et€al. (2002) Wagner SL ╇ 38 5,4 tf, tt, tg, al ╇ 5,3 21,0 Weber et€al. (2002) Wagner SL ╇ 25 <â•›4,0 pâ•›+â•›tf ╇ 4,0 ╇ – Wehrli (1991) Wagner SL ╇ 24 1,5 tf ╇ 8,3 12,5 Wilkes et€al. (1994) Wagner SL tg transgluteal, tf transfemoral, tt transtrochantär, a anterior, al anterolateral, ve ventral
Infektion Fraktur (%) (%)
– ╇ 3,1
╇ 4,0 ╇ 5,0
╇ 0 ╇ 2,3
╇ – ╇ 4,7
╇ –
╇ 5,4
╇ 2,3
╇ 4,6
╇ 0
╇ 5,4
╇ 2,3
╇ 5,4
1,3
13,9
╇ 2,5
10,1
10,0 ╇ 2,7 ╇ 0 ╇ – ╇ 0 ╇ 0 ╇ 0
╇ 5,0 ╇ – 21,0 16,1 ╇ – ╇ 0 ╇ 2,0
╇ 2,5 ╇ 2,7 ╇ – ╇ 3,2 ╇ – ╇ 0 ╇ 1,3
22,5 ╇ – ╇ – ╇ – ╇ – ╇ 0 ╇ 0
╇ 0 ╇ 5,3 ╇ 4,0 ╇ 0
17,6 13,2 16,0 12,0
╇ – 10,5 ╇ 0 ╇ –
17,0 31,6 ╇ 4,0 12,0
Tab. 14.34↜╇ Ergebnisse von modularen distal fixierenden kurvierten Revisionsschäften Autor (Jahr)
Schaft
n
Follow-up (Jahre) 2,6
Zugang
Fink et€al. Revitan ╇ 68 tf (2007) kurviert Revitan 120 3,2 p, tf Fink et€al. (2009) kurviert Profemur-R ╇ 73 6,2 tg, tf Köster et€al. (2008) MRP ╇ 79 4,0 ef, tf Schuh et€al. (2004) Schuh et€al. MRP 130 2,9 ef, tf (2004) MRP 142 2,3 – Wirtz et€al. (2000) ef endofemoral, p posterolateral, tg transgluteal, tf transfemoral
das bei unzureichender distaler Fixationsqualität bedingte Nachsinken des Schafts ergab sich ein hohes Luxationsrisiko (s.€Tab.€14.33). Der neue Wagner-SLSchaft hat einen CCD-Winkel von 135°, mit dem diesem Problem begegnet wurde.
Revision Sinken Lockerung Dislokation Infektion Fraktur (%) (%) (%) (%) (%) (%) 4,4 5,9 2,9 ╇ 4,4 0 0 1,7
7,5
1,7
╇ 4,2
0
0
4,1
2,7
2,7
╇ 1,3
1,3
9,5
3,8
2,5
0
╇ 5,1
2,5
6,3
4,6
0,8
0,8
╇ 3,8
2,3
1,5
4,9
4,0
1,4
11,3
1,4
1,4
14.9.6.4 Z ementfreie modulare, distal fixierende Revisionsschäfte Die Modularität erleichtert die reproduzierbare Fixation der Schäfte. Sie weisen in der Regel niedrige Einsink- und Lockerungsraten auf (Tab.€14.34). Die hohen
C. Perka et al.
574 Tab. 14.35↜╇ Ergebnisse von modularen distal fixierenden geraden Revisionsschäften Autor (Jahr)
Schaft
n
Follow-up (Jahre)
Zugang Revision Sinken Locke(%) (%) rung (%)
Dislokation (%0
Infektion (%)
Fraktur (%)
Kessler et€al. (2002) McInnis et€al. (2006)
PFM-R PFM-R
50 70
1,0 3,9
tg – p, (etoa) 4,3
– 10,0
– 2,9
– 24,2
24,0 55,7
– 12,8
tg transgluteal, p posterolateral, a eto extended trochanteric osteotomy in 2 Fällen
Nachsinkraten des PMF-R-Schafts bei Kessler et€ al. (2002) und McInnis et€al. (2006) sind durch die häufig erzielte 3-Punkte-Fixation erklären (Tab.€14.35).
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587
Sachverzeichnis
A Abrieb, 449 Abriebpartikel, 78 Abriebphänomen, 76 Abstützschale, 463, 568 Adduktorentenotomie, 219 perkutane, 151 Adipositas, 430 Akupunktur, 358 Alendronat, 290 Algodystrophie, 375 der Hüfte, 260 Algofunktion, 404 Allergie, 449 implantatassoziierte, 386 Allgemeinanästhesie, 134 Alloarthroplastik, 2 Alloclassic-Schaft, 87, 89 Allofit-S-Pfanne, 460, 565 Allograft, 306, 503, 532, 533 Alloplastik, 241, 362 Alumina-Alumina-Paarung, 74 Alumina-Keramik, 70 Alumina, zirkoniaverstärktes, 75 Aluminiumoxidkeramik, 7 Amid-Lokalanästhetikum, 136 Amiodaron, 349 Amputation, 396 Anaerobierinfekt, 395 Anästhesie balancierte, 135 rückenmarksnahe, 148 total intravenöse, 135 Anästhesietechnik, 134 Anästhesiologie, 129 Aneurysma, 116 Angulationsosteotomie, subtrochantäre, 118 Ankylose, 3, 114, 296 Antibiose, 294, 333 Antibiotika, 528 Antibiotikaprophylaxe, 146 Antibiotikatherapie, supprimierende systemische, 395 Antifibrinolytika, 343 Antigranulozytenszintigraphie, 97, 392
Antiluxationsinlay, 327 Antirheumatika, nichtsteroidale (NSAR), 150, 356 ARCO-Klassifikation, 105 Arthritis, rheumatoide, 102, 107, 217, 267, 274 Hüftbefall, 268 Langzeitergebnisse, 437 Arthrodese, 114, 296 extraartikuläre, 115 Remobilisation, 297 Arthrographie, 96 Arthrose, 288 posttraumatische, 103 primäre, 42 Arthrose-Score, 98 Artikulationsgeometrie, 74 Ärztliche Berufsordnung, 141 Aseptic Lymphocytic Vasculitis-Associated Lesion (ALVAL), 77 Aufhärtungsartefakt, 94 Aufklärungsgespräch, 144 Aufklärungspflicht, 142 Augmentat, metallisches, 521 Austin-Moore-Schaft, 70 Autograft, 306 nichtvaskularisierte kortikospongiöser, 519 Autotransfusion, 353 Azetabulum, 61, 248 Defektrekonstruktionen, 517 dysplastisches, 227 Knochendefekte, 271 periprothetische Frakturen, 534 sklerotisches, 202 Azetabulumdefekt, 450 AAOS-Klassifikation nach D’Antonio, 454 ENDO-Klassifikation nach Nieder, 453 Klassifikation nach Paprosky, 450 Azetabulumfraktur, 246
B BÄK-Richtlinie, 548 Balneotherapie, 360 Bandscheibenvorfall, 387
L. Claes et al. (Hrsg.), AE-Manual der Endoprothetik, DOI 10.1007/978-3-642-14646-6, ©Â€Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik 2012
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Sachverzeichnis
590 Beckendiskontinuität, 487 Beckenosteotomie, 262 Beckentumor, 118 Befunddokumentation, 353 Begutachtung, 411 verschiedene Rechtsbereiche, 412 Behandlungspfad, klinischer, 139 Beinlängenänderung, 156 Beinlängendifferenz, 327, 559 Beinvenenthrombose, tiefe, 344, 346 Beißzangeneffekt, 44 Benchmarking, 422 Bestrahlung, 150 Betablocker, 349 Bewegungsartefakt, 95 Bewegungseinschränkung, postoperative, 300 Biegemoment, 32, 34 Biegespannung, 34 Bilanzraum, 29 Bildgebung, 93 Biofilm, 390, 445 Bisphosphonat, 290 Blutgerinnung, 132 Blutkonserve, homologe, 132 Bluttransfusion, allogene, 344 Blutung allogene, 344 implantatassoziierte, 552 Blutungsneigung, 334 Bogenschaft, 52 Bone-Morphogenic-Protein-4 (BMP-4), 148 Boneloc-Knochenzement, 432 Bronchitis, chronisch obstruktive (COPD), 130 Burch-Schneider-Ring, 464, 504, 535, 569 Bursektomie, 215 Bursitis, 216, 270 aseptische, 215 iliopectinea, 383, 388 trochanterica, 383, 388
C Cage-in-cup-Koncept, 523 Cages, 66 Calcar femorale, 172 Cam-Impingement, 44 Caput femoris, 21, 23, 28 CCD-Winkel, siehe Centrum-Collum-Diaphysenwinkel Cellsaver, 134, 202, 353 Centrum-Collum-Diaphysenwinkel (CCD-Winkel), 27, 47, 156 Cephalosporin, 146, 476 Charnley-Retraktor, 193 Chemotherapie, neoadjuvante, 123 Chiari-Osteotomie, 101 Cholestyramin, 269 Chondrom, 110, 284 giant conglomerates, 284 Chondromatose, 284, 287 synoviale, 110, 120 Chondrosarkom, 118
Chondrozyten, 99 Chordom, 120 Christiansen-Prothese, 431 Cobalt-Chrom-Schaft, 571 Cobra-Platte, 114 CoCr-Legierung, 65 Collum-Femoris-Preserving-Stiel, 188 Compartment syndrome of the hip, 257 Computertomographie (CT), 93 Mehrschicht-(„Multislice“)Geräte, 94 Contained defect, 496 Containment-Therapie, 261 Coronary disease of the hip, 257 Coxa magna, 104 profunda, 44 saltans, 219, 382 valga, 38, 190 vara, 38, 111, 190 Coxarthrose, siehe Koxarthrose CPM-Schiene, 359 Critical-Path-Methode, 139 CUT-Prothese, 187
D Dauerkatheter, 354 Deformität, präarthrotische, 101 Dehnung, 34 Dehnungszustand, dreidimensionaler, 35 Dermatom, 388 Dilutionskoagulopathie, 343 Direkttransfusionssystem, 134 Dislokation, 427 Distraktion der dysplastischen Hüftgelenke, 234 Doppelaufklärung, 143 Drainagevolumen, 353 Drehmann-Zeichen, 92 Drehmoment, 37 DRG-System, 138 Druckkraft, 34 Druckscheibenprothese, 12, 185, 187 Druckzementierung, 202 Dual-Energy X-Ray Absorptiometry (DEXA), 86 Duokopfprothese, 17, 242, 508, 510 Duraloc-Pfanne, 460 DUROM-Instrumentarium, 195 Dynamische Referenzierungsbasis (DRB), 223, 225 Dysplasie, 42, 43, 102, 215, 235, 268 fibröse, 119 Typen, 235 Dysplasiekoxarthrose, 101, 153, 190, 227, 229, 232, 233, 271 Dysplasiepfanneneinsatz, 230
E Eigenblutspende, 144 Ein-Bild-Röntgenanalyse (EBRA), 374, 402 Embolie, 344
Sachverzeichnis Eminentia iliopubica, 24 Enchondrom, 118, 304 Endoprothese, siehe auch Hüftendoprothese, 2 aus Elfenbein, 5 Biomechanik, 28 Geschichte, 1 Lagerung des Patienten, 161 Zugangswege, 162 Endoprothesenregister, 409, 422 deutsches, 423 europäisches, 425 internationale, 424 Endoprothesenwechsel einzeitiger, 396 zweizeitiger, 396 Endoprothetik, siehe Endoprothese Entnahmemorbidität, 305 Entschädigungsrecht, 415 Entzündungsdiagnostik, periprothetische, 98 Entzündungsszintigraphie, 379 Epiduralanästhesie, 136 Epiphysiolysis capitis femoris (ECF), 42, 104, 251 Hüfttotalendoprothese, 254 Koxarthrose, 251 nach dem Gleitwinkel, 253 Ergebniskontrolle, 401 patientenbezogene, 403 Ergotherapie, 365 Erythropoetin, 133 Erythrozyten, 134 Ethanol, 549 EUROHIP-Projekt, 16 Ewing-Sarkom, 118, 119 Extensionosteotomie, 267
F Facies lunata, 21, 22 Fasziendefekt, 383 Federmeißel, 544 Femur, 249 Defektrekonstruktion, 524 dysplastisches, 230 periprothetische Frakturen, 535 primäre Knochentumoren, 119 proximales Anatomie, 38 Beanspruchung, 38 Femurdefekt, 452 AAOS-Klassifikation nach D’Antonio, 457 ENDO-Klassifikation nach Engelbrecht/Heinert, 453 Klassifikation nach Paprosky, 452 Femurfraktur, 250 pertrochantäre, 239 proximale, 236 Versorgungsstrategie, 237 subtrochantäre, 239 Femurkopfnekrose, 239 aseptische, 15 Druckscheibenprothese, 266
591 Femurkortikalis, 13 Femurosteotomie, 233 valgisierende, 263 Femurprothese, totale, 514 Femurrevision, 511 Femurtransplantat, proximales Fettembolie, 350 Fibrinmonomer, 334 Fibrinogen, 343 Fibrosarkom, 120 Fiducials, 222 Fingerpacking, 171 Finite-Element-Analyse, 85 Flächenmoment, axiales, 34 Flachprofilpfanne, zementfreie, 230 Flanged socket, 203 Flexionsosteotomie, 267 Fluoroskopie, virtuelle, 223 Flussartefakt, 95 Foramina intervertebralia, 136 obturatoria, 153 Formraspel, 173, 183 Formschluss, 66 Fossa acetabuli, 22 piriformis, 180 Fovea capitis femoris, 21 Fragebogen EuroQol, 404 SF-36, 404 Fraktur periazetabuläre, 329 periprothetische, 329, 333, 429, 447 Freikörperbild, 29, 31 Fremdblutgabe, 344 Fremdknochentransplantat, 248 Frischplasma, 342 Frühinfekt, 332, 388 Frühmobilisation, 355 Fully-porouscoated-Implantat, 511
G Gangbild, 91 Gefäßverletzung, intraoperative, 327 Gehbehinderung außergewöhnliche, 415 erhebliche, 415 Gelenkinstabilität, 383 intraoperative, 328 Gelenkkraft, 27 Gelenkpunktion, 393 Gelenkschutz, 365 Gelenktransplantation, 2 Gelenkverschleiß, degenerativer, 91 Geradschaft, 52 unzementierter, 177 Operationstechnik, 178 Verankerungsprinzip, 177
592 Gerinnungsdiagnostik intraoperative, 340 präoperative, 335 Gerinnungsfaktor, 342 Gerinnungsstörung, 334 intraoperative, 335 präoperative, 335 Gewebegesetz, 545, 547 Gewebeverträglichkeit, 75 GHE-Kurzschaft, 190 Giant cell pneumonia (GIP), 78 Girdlestone-Situation, 112, 291, 527 Giving-way-Phänomen, 278 Gleichgewicht, statisches, 31 Grad der Behinderung (GdB), 412, 415 Granulationsgewebe, 497 Greifhilfe, 366 Gutachtentabelle, 411 H Haftpflichtrecht, 415 Hakendachschale, 463, 568 Hämangioperizytom, 308 Hämatom, 332 Hämoglobin, 133 Hämophilie, 104 A, 335 Hämosiderin, 278 Hämostase, 334 intraoperative, 340 Hämostasestörung, 334 Hämotherapie, 132, 342 Harris-Hip-Score (HHS), 99, 404 Harris-Hip-Untersuchungsbogen, 561 Harris-Plastik, 328 Hart-Hart-Paarung, 74 Hausfrauentabelle, 415 Head-at-risk-Zeichen, 260 Hebelarm, 37 Hemiarthroplastik, 237, 241 bipolare, 242 unipolare, 241 Hemipelvektomie, 304, 307 Hemiprothese, 241 aus Metall, 6 aus Plexiglas, 4 Hemmkörperhämophilie, 343 Heparin niedermolekulares, 147, 347 unfraktioniertes, 147, 347 Herz-Kreislauf-System, 130 Herzinsuffizienz, 349 Hilfsmittelversorgung, 365 Hinge abduction, 260 Histiozytom, malignes fibröses, 120, 307 HLA-DRB1-Gen, 107 Hohlmeißel, 299 Hohmann-Zeichen, 387 Homöostase, 85 Hook’sches Gesetz, 35 Hounsfield-Einheit, 223
Sachverzeichnis Hüftarthrodese, 118 Hüftbeugekontraktur, 221 Hüftbeweglichkeit, 40, 41 Hüftdysplasie, 43, 227, 235 Hüfte schnappende, 98 stumme, 105 Hüftendoprothese, 83 bei rheumatoider Arthritis, 267 computerassistierte Verfahren, 220 manuelle Registrierung, 222 mentale Registrierung, 222 Navigator, 222 virtuelles Objekt, 222 Epidemiologie, 14 Indikationsstellung, 15 madrepore, 8 modulare, 7 nach Morbus Perthes, 256 posttraumatische Koxarthrose, 244 präoperative Planung, 151 präoperative Vorbereitung, 129 Risikobewertung, 129 Schmerztherapie, 356 unklare Schmerzen, 388 zementfreie, 8, 10 Hüftendoprothesenstiel, zementierter, 231 Hüftendoprothetik, siehe Hüftendoprothese Hüftgelenk akute hämatogene Infektion, 527 aseptisch gelockertes, 373 Außenrotation, 40 Bänder, 25 Beanspruchungen bei verschiedenen Aktivitäten, 39 Bewegungsumfang, 40 Biomechanik, 36 Frühinfektion, 527 funktionelle Anatomie, 21 Innenrotation, 40 Kinematik, 40 Kraftfluss, 27 Oberflächenersatz, 264 operative Versteifung, 114 periartikuläre Ossifikationen, 247 periprothetischer Infekt, 526 schmerzhaftes, 381 Spätinfektion, 527 Hüftgelenksfraktur, 95 Hüftgelenksresultierende, 38 Hüftkappe, 4 Hüftkontaktkraft, 31, 32, 40 Hüftkopfnekrose, 104, 238, 252, 256 ARCO-Klassifikation, 257 Ficat/Arlet-Klassifikation, 257 kortisoninduzierte, 267 Kurzschaftprothese, 266 Langzeitergebnisse, 438 Hüftluxation, 227, 235 Hüftprothese, 47 Bewegungsfreiheit, 47 Halsgeometrie, 47 infizierte, 97
Sachverzeichnis Hüftprothesenpfanne, 60 Materialien, 69 Oberflächengestaltung, 69 Hüftprothesenschaft, biodynamischer, 188 Hüftschraube, dynamische, 239 Hüftsubluxation, 235 Hüfttotalendoprothese, 6 nach Epiphysiolysis capitis femoris, 254 Hybrid-Prothese, 291 Hybridversorgung, 18, 435 Hydroxylapatitbeschichtung, 502 Hylamer, 71 Hyperfibrinolyse, 343 Hyperlordose, 221 Hyperthyreose, 131 Hypertrophie, 43
I Impaction grafting, 201, 469, 482, 513, 533 Impingement, 41, 42, 43, 60 Impingement-Syndrom, 383, 389, 448 Impingement-Test der Hüfte, 93 Implantat, 47, 457 bilobäres, 501 Fehlpositionierung, 448 gebrochenes, 447 ovaläres, 501 primäre Instabilität, 326 Verweildauer, 17 Implantatentfernung, 485 Implantatwahl, 16 Inaktivitätsosteoporose, 264 Incisura acetabuli, 67, 234 ischiadica, 508, 552 Infekt ohne Lockerung, 445 Infektion, periprothetische, 390, 556 Infektionsprophylaxe, 145 Infektionssicherheit, 547 Inlay konisches, 64 sphärisches, 64 Instabilität von Prothesenkomponenten, 333 Interface-Membran, 76 Interpositionsarthroplastik, 1, 13 Geschichte, 1
J Jet-Lavage, 171, 433 Jumbo-Cup, 461, 565 Jumping-Distance, 555
K Kapsel-Release, 218 Kapsulektomie, 217, 219 Kapsulotomie, 218
593 Kastenmeißel, 180 Katheterspinalanästhesie, 136 Kausalität, haftungsbegründende, 413 Kehlkopfmaske, 135 Kellgren-Lawrence-Score, 99 Keramik-Inlay, 486 Implantatentfernung, 486 Keramik-Keramik-Paarung, 74 Keramik-Metall-Paarung, 75 Keramik-UHMWPE-Artikulation, 71 Keramikhüpfkopf, 494 Keramikpartikel, 494 Knochen adaptives Remodelling, 84 allogener demineralisierter, 520 periprothetische Entlastung, 86 Knochenabbau, 85, 89 klinische Beurteilung, 86 Knochenatrophie, 185, 295 Knochenbank, 545 Knochenchip allogener, 519 autologer, 519 Knochendefekt, 449 Defektklassifikation, 449 Knochendichte, 289 Knochendichtereduktion, 84, 88 Knochendichteveränderung, 86 Knochendichtezunahme, 88 Knochenfenster, 489 Knochengewebe, 547 Knochenlagerspülung, 202 Knochenmetastase, 119 Knochenmühle, 519 Knochenplastik, 299 Knochenspülung, 173 Knochentransplantat, 231, 232, 518 allogenes, 545 diaphysäres, 524 Knochentumor, 118 Lodwick-Klassifikation, 120 Knochenumbau, 85 Knochenverlust, 83 altersbedingter, 84 durch biomechanisch bedingten Knochenabbau, 84 durch fremdkörperinduzierte Osteolysen, 83 periprothetischer, 290 Knochenzement, 7, 47, 60, 172 Anmischvorgang, 174 Kontaktallergie, 77 Knochenzyste, 118 Knorpelschicht, 38 Knorpelzellnester, 284 Koagulopathie, 334, 339 intraoperative, 342 Köhler-Linie, 451 Köhler’sche Tränenfigur, 275 Komplikationen aseptische, 373 kardiopulmonale, 348 Kompressionsstrümpfe, 558 Kompressionsverband, 354
Sachverzeichnis
594 Kondylenschraube, dynamische, 239 Konus, 57 Konusprothese, 231 Kopfdurchmesser, 55 Kopflänge, 55 Korrekturosteotomie, 231, 251 intertrochantäre, 253 subkapitale, 253 Kortikalisdestruktion, 121 Koxarthrose, 15, 215, 288, 430 bei Hämophilie, 104 bei Lähmungen, 116, 301 biomechanische Ursachen, 42 Langzeitergebnisse, 437 nach Epiphysiolysis capitis femoris, 104, 251 nach Morbus Perthes, 104 postinfektiöse, 103 posttraumatische, 244 primäre, idiopathische, 99 rheumatische, 269 sekundäre, 101 Koxitis, 260 Kraft, 28 Komponenten, 30 Schnittprinzip, 29 Krafteinleitung, 185 Kraftschluss, 66 Krankengymnastik, 360 Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), 409 Krankenversicherung, 416 Kryotherapie, 362 Kugelkopfsystem, 57 Kugelprüfkörper, 93 Kurzschaft, 52 Kurzschaftprothese, 184, 188 Operationstechnik, 184 Kurzstielprothese, 14 Kyphose der Wirbelsäule, 282
L Laborkontrolle, 355 Labrum acetabuli, 25 Lagerungstechnik, 354 Lähmung, 116, 301 Lambotte-Meißel, 544 Lamina interna, 275 Langschaft, 53 Langzeitergebnis, 419, 426 Einfluss der Indikation, 436 Einfluss des Alters, 435 Einfluss des Geschlechts, 435 Laschenschmerz, 186 Lebensqualität, 404 Leberfunktionsstörung, 131 Leflunomid, 269 Leitungsanästhesie, rückenmarknahe, 132, 135 Lendenwirbelsäule (LWS), 387 Less Invasive Stabilisation System (LISS), 538 Ligamentum capitis femoris, 26, 200 iIliofemorale, 25
iliopectineum, 296 ischiofemorale, 25 pubofemorale, 25 transversum, 199, 498 transversum acetabuli, 23 Line-to-line-Implantation, 460 Lockerung aseptische, 378, 426 Revisionsoperation, 442 septische, 378, 428 Revisionsoperation, 443 Lockerungsdiagnostik, 97, 374 Szintigraphie, 376 Lokalanästhetikum, 135 vom Amidtyp, 135 Low-Friction-Arthroplastik, 7, 9, 70 Low-grade-Infektion, 76, 375, 393 Lumbalskoliose, 387 Lungenembolie, 146, 346, 347 Lungenerkrankung, 130 Luxation, 333, 427 rezidivierende, 448 Luxationsprophylaxe, 209, 559 Lymphdrainage, 360 Lymphozytentransformationstest (LTT), 77
M Magnetfeldtherapie, 364 Marburger Knochenbanksystem, 549 Markraumpräparation, 172 Markraumstopper, 173 Massivtransfusion, 339 Matching, 222 Materialgesetz einfachstes, 35 komplexes, 36 viskoelastisches, 36 Materialversagen, 431 Matrixmetalloproteinasen (MMP), 76 Mayo-Kurzschaft, 188 Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV), 425 Medizinproduktegesetz (MPG), 425 Medizinprodukteverordnung (MPV), 425 Mehrfragmentfraktur, 240 Membran, periprothetische vom Indifferenztyp, 76 Membrana fibrosa, 25 synovialis, 25 Merkel’scher Schenkelsporn, 23 Metall-Metall-Gleitpaarung, 6, 13, 72 Reibung, 7 Metall-UHMWPE-Artikulation, 71 Metallkappe, 13 Metha-Kurzschaft, 189 Migrationsanalyse digitale, 374 konventionelle, 373 Migrationsdiagnostik, 373 Migrationsmessung, 402 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), 412
Sachverzeichnis MiniHip-System, 190 Mobilisation, 300 postoperative, 300 Moment, 30 Momentensumme, 31 Monoblockprothese, 241 Monoblocksystem, 64, 65 Morbus Bechterew, 108, 282 Paget, 110 Perthes, 104, 256 Klassifikationen, 257 Mould-Arthroplastik, 5 Müller-Pfannendachschale, 462, 567 Müller-Stützschale, 504 Musculus glutaeus, 305 iliopsoas, 219 tensor fasciae latae, 115 Musculus-piriformis-Syndrom, 98 Muskel-Release, 218 Muskeladaptionsnaht, 309 Muskelinsuffizienz, 555 Muskelkraft, 31, 40 Muskelrelaxation, 137 Muskelverletzung, 330
N Nachblutung, postoperative, 334, 343 Nachsorge, 561 Nanopartikel, 78 Nanos-Kurzschaft, 189 Narkoseaufklärung, 132 Nativröntgen, 392 Nekrose, fibrinoide, 78 Nervenläsion, 384 Nervenschaden, peripherer, 91 Nervenschädigung, 556 Nervenverletzung, 330 Nervus femoralis, 296 glutaeus superior, 116 ischiadicus, 292, 296 Neurolyse, 331 Neuropathie, 387 Neutral-Null-Methode, 92, 151 Nierenerkrankung, 131 Nockenwelleneffekt, 43 Notching, 193, 196 Notwendigkeit ständiger Begleitung, 416
O Oberflächenersatz, 58, 191 Materialien, 68 Oberflächengestaltung, 68 Oberschenkelhämatom, 355 Oblong-Cup, biradiärer, 566 Olisthese, 387
595 Operationszugang, 17 Optan-Schaft, 87 Os ilium, 24, 25 Resektion, 305 Osseointegration, 213 Ossifikation, heterotope, 148, 382, 557 Osteoarthrose, 273 nach angeborener Hüftdysplasie, 438 Osteochondrom, 110, 118, 285, 304 synoviale, 284 Osteochondrose, 387 Osteoidosteom, 118 Osteointegration, 205, 273 Osteoklasten, 76, 78, 110 Osteolyse, 15, 78, 376, 535 fremdkörperinduzierte, 83 Knochenverlust, 83 Osteomyelitis, 1 Osteopenie, 288 Osteophyten, 253 Osteoporose, 236, 238, 273, 287 Implantatwahl, 291 primäre Verankerung, 289 Standzeiten von Hüftprothesen, 289 transitorische, 260 Osteoradionekrose, 329 Osteosynthese, 30, 237, 248, 535 Osteosynthesehilfe, 295 Osteosynthesematerial, 247, 297 Osteotom, 1 Osteotomie, 178, 233 medialisierende, 267
P Pamidronat, 291 Paproskys-Klassifikation, 450 Parese, 330 Partikelkrankheit, 78, 83 Patientenaufklärung, 141, 292 Payr-Zeichen, 387 PCA-Pumpe, 137 Pentasaccharid, 147 Peressigsäure, 549 Periduralanästhesie, 136, 357 Pfanne flache, 325 Planungsskizze, 156 Positionierungsfehler, 325 steile, 325 zementfreie, 61, 459 zementierte, 60, 459 Pfannenauswahl, 153 Pfannenbodenperforation, 552 Pfannendachplastik, 193 Pfannendachschale, 67, 462 mit Haken, 67 Typ Müller, 462 Pfannendysplasie, 272 Pfannenerkerplastik, 264
Sachverzeichnis
596 Pfannengrundkörper, 62 Pfannenkomponente, 421, 434 Pfannenlockerung Wertigkeit der Szintigraphie, 444 Wertigkeit des Röntgens, 443 Pfannenmigration, 542 Pfannennavigation, 224 anatomische Grundlagen, 224 Pfannenrandosteophyten, 207 Pfannenstützschale, 462 Phlebographie, 346 Physiotherapie, 355, 559 Piezo-Kraftaufnehmer, 28 Pipino-Schaft, 190 Planungsskizze, 151, 154 Plexiglas, 4 Poisson’s ratio, 35 Polar-Cup-Prothese, 555 Polyester, 7 Polyethylen Artikulationen, 70 hochvernetztes, 71 Polyethylen-Inlay, 206 Implantatentfernung, 485 Polyethylenpfanne, 12–14, 60, 65, 229 Polymethylmetacrylat (PMMA), 7, 70, 75 Polytetrafluorethylen (PTFE), 7, 70 Porometallprothese, zementfreie, 10 Positronen-Emissions-Tomographie (PET), 98 Präexzitationssyndrom, 349 Press-fit-Pfanne, 62, 63, 69, 229 Auffräsen des Pfannenlagers, 208 hemispärische, 459 Implantatpositionierung, 208 Kostruktionsmerkmale, 205 modulare, 206 zementfreie, 205 Press-fit-Verankerung, 10, 51 Primärschaft, modularer, 58 Proplast, 431 Prostaglandin, 78, 148 Prothesenimplantation, 175 Protheseninfektion, 97, 145 Prothesenlockerung, aseptische, 12 Prothesenpass, 355 Prothesenpfanne, 485 Implantatentfernung, 485 Prothesenregister, 419 Prothesenschaft, 486 Implantatentfernung, 486 Prothesenstiel, 10 isoelastischer, 12 Torsionsfehler, 325 Prothesenversagen, 430 Prothesenwerkstoff, 76 mögliche Reaktionen, 76 Prothesenzentrierhilfe, 177 Prothrombin, 334 Protrusion, 325, 329 Protrusionskoxarthrose, 102, 200, 208, 274 PROXIMA-Hüftsystem, 190 Pseudarthrose, 238, 246
Psoas-Block, 138 Psychopathologie, 388 Punctio sicca, 394
Q Qualitätsdarstellung, 409 Qualitätskontrolle, 401 Qualitätsmanagement, 140 Qualitätssicherung, 424 registerbasierte, 409 Querdehnung, 34 Querkontraktionszahl, 35
R Radiolucent lines, 501 Radiostereophotogrammetrie, 374 Radiosynoviorthese, 280 Rehabilitation, 359 Behandlungsplan, 359 Rehabilitationsbedürftigkeit, 358 Rehabilitationsfähigkeit, 358 Rehabilitationsziel, 359 Reimplantation zementfreie, 532 zementierte, 532 Reko-Ring, 464, 505, 535 Rekonstruktionssystem, modulares, 508 Remobilisation, 297 Rente auf unbestimmte Zeit (RAUZ), 413 Rentengutachten, 413 Rentenversicherung, gesetzliche, 416 Reosteosynthese, 296 Resektionsarthroplastik, 113, 118 Geschichte, 1 Girdlestone-Situation, 112 Resurfacing-Hüftarthroplastik, 72 Resurfacing-Pfanne, 59 Retrotorsion, 384 Revisionsendoprothetik, 441 Ergebnisse, 565 Erhalt der Pfanne und des Schafts, 490 Gefäßverletzungen, 551 Nachuntersuchung, 560 Operation, 482 Patientenaufklärung, 480 postoperative Luxation, 553 postoperative Maßnahmen, 558 präoperative Vorbereitung, 474 Press-fit-Pfanne, 500 Rekonstruktion mit Allografts, 503 Revision der Gleitpaarung, 490 Revision der Pfannenkomponente, 496 Revision des Hüftkopfes, 492 Revisionsinstrumentarium, 482 Zugangswege, 487 Revisionspfanne, 66, 69 längsovale, 462 Revisionspfannensystem, 457
Sachverzeichnis Revisionsschaft, 53 modularer, 58 zementfreier, 470 zementierter, 468 Revisionsschaftsystem, 468 Revitan-Schaft, 472 Rezidivprophylaxe, 348 Rhabdomyosarkom, 120 Rheumapatient, 274 Riesenzelle, mehrkernige, 76 Riesenzelltumor, tendosynovialer, 279 Ringe, 66 Risikoaufklärung, 132 Risikoaufklärungspflicht, 141 Rocking-Horse-Phänomen, 567 Rollator, 366 Rollhügel, 294 Röntgen-Stereometrie-Analyse (RSA), 402 Röntgendiagnostik, 93 Röntgenkontrolle, 355 Rotationsknieendoprothese, 514 Rotationsosteotomie, 267 Rotationszentrum, 154
S Salter-Osteotomie, 263 Sandwich-Inlay, 64 Sattelprothese, 308, 509, 510 Schaft anatomischer, 52 Konus, 56 Planungsskizze, 156 Positionierungsfehler, 325 zementfreier, 49 Instrumentierung, 51 Materialien, 68 Oberflächengestaltung, 68 Verankerungskonzept, 51 zementierter, 47 Materialien, 68 Oberflächengestaltung, 68 Verankerungskonzept, 49 Zementköcher, 48 Zementmantel, 48 Schaft-Femur-Interface, 50 Schaftauswahl, 153 Schaftentfernung, 543 Schaftkomponente, 420 Schaftkonuswinkel, 57 Schaftlockerung Wertigkeit der Szintigraphie, 444 Wertigkeit des Röntgens, 443 Schaftsprengung, 329 Schaftsystem zementfreies, 570 zementiertes, 570 Schaftzementiertechnik, 432 Schenkelhals komplexer Spannungszustand, 33 Kräfte und Momente, 31
597 Schenkelhalsendoprothese, 273 Schenkelhalsfraktur, 15, 237, 249 Langzeitergebnisse, 437 Schenkelhalsosteotomie, 178 Schenkelhalsprothese, 52, 184, 185 Operationstechnik, 184 Schenkelhalswinkel, 27 Schenkelhalszyste, 279 Scherkraft, 34 Scherspannung, 34 Schmerz, 91 Schmerzhinken, 91 Schmerzpumpe, 354 Schmerztherapie, 356 intraoperative, 357 perioperative, 356 postoperative, 357 Schnapppfanne, 302, 327, 428, 448 Schock, septischer, 391 Schraubendurchbruch, 63 Schraubpfanne, 61, 69, 210, 228, 462, 567 hemisphärische, 62 konische, 11, 212 Konstruktionsmerkmale, 212 sphärische, 212 Schraubring, 210 Schwalbennest, 325 Schwerbehindertengesetz, 415 Schwerbehinderung, 415 Sehnen-Release, 218 Sehnenverletzung, 330 Selbstbestimmungsaufklärung, 144 Septikämie, 395 Sham-Akupunktur, 358 Short Tau Inversion Recovery (STIR), 121 Sicherungsaufklärung, 145 Sitzbeinosteolyse, 450 Skelettmetastase, 119 Skelettszintigrafie, 392 Skoliose, 327 Sleeve, 470 Sockelbildung, 376 Sockelpfanne, 507 Sofortinfekt, 332 Sonderimplantat, 464, 568 Sonification, 380 Sozialgesetzbuch, 413 Spacereinlage, 530 Spacermodul, 529 Spannung, 32 Spannungszustand, dreidimensionaler, 34 Spastik, 304 Spätinfekt, 333 Spezialpfanne, 229 Spinalanästhesie, 136, 357 Spinalkanalstenose, 387 Spiralverfahren, 93 Spironprothese, 188 Spondylarthrose, 387 Spondylitis ankylosans, 108, 274, 282 New-York-Kriterien, 109
Sachverzeichnis
598 Spongiosachip, 552 allogener, 524 Spongiosaplastik des Pfannengrunds, 275 Spongiosaschraube, 51 Spreizpfanne, 63, 64 Standardpfanne, zementierte, 198 Operationstechnik, 199 Verankerungsprinzip, 198 Staphylokokken, 395 koagulasenegative, 146 Methicillin-resistente, 146 Steppergang, 91 Sterilisationsverfahren, 432 Stielpfanne, 569 Störung, metabolische, 131 Straight-Leg Raise-Test, 92 Streptokokken, 395 Stress Shielding, 85, 188, 382, 431 Stress, siehe Spannung Stressfraktur, 384 Stressfraktur, 388 Strutgraft, 513, 524, 538 Stützpfanne, 504 Stützschale, 67 nach Ganz, 504 Subtraktionsangiographie, digitaler (DSA), 96, 442 Suszeptibilitätsartefakt, 95 Synovektomie, 217 Synovialektomie, 271, 286 arthroskopische, 280 Synovialis, 279 Synovialitis, 260, 270 pigmentierte villonoduläre (PVNS), 109, 120, 218, 278 System, modulares, 58, 64 Szintigraphie, 97
T Technetium, 97 Teleskop-Hüfte, 307 Tendinitis der Iliopsoassehne, 219 Teratom, 120 Thomas-Handgriff, 92 Thompson-Schaft, 70 Thrombelastometrie, 341 Thrombin, 334 Thrombinburst, 343 Thromboembolieprophylaxe, 476, 558 Thrombopathie, 343 Thrombopenie, 339 Thrombophlebitis, 362 Thrombose, 344, 347 Thromboseprophylaxe, 146, 334 medikamentöse, 147, 148 physikalische, 148 Thrombozyten, 334 Thrombozytopenie, 147 Tissue Engineering, 545 Titanpfanne, 206 Totalendoprothese (TEP), 6, 242
Totalhüftarthroplastik, 74 Trabecular-Metal-Pfanne, 460, 569 Traktopexie, 219 Tränenfigur, 67, 451 Transfusion, allogene, 133 Transfusionskomplikation, 344 Transplantat, allogenes kortikospongiöses, 520 Trendelenburg-Hinken, 91, 330 Trendelenburg-Test, 92 Trendelenburg-Zeichen, 441 Tribologie, 69 Trichterbohrung, 63 Triflange-Cup, 464, 511, 569 Trochanter major, 26 Pseudarthrose, 233 Schmerzen, 381 Trochanter-Flip-Osteotomie, 192, 280 Trochanterfraktur, 383 Trochanterhochstand, 264 Trochanterosteotomie, 234, 286, 542 Trochanterpseudarthrose, 294, 296, 300 Trümmerfraktur, 240 Tubercula pubicae, 225 Tumor fibroossärer, 118 hüftgelenksnaher, 118, 304 Tumorprothese, 510, 526 Tuohy-Nadel, 137
U Überlebensanalyse nach Kaplan-Meier, 423 UCLA-Score, 99 UHMWPE (ultra-high molecular weight polyethylene), 70 mit erhöhter Kristallinität, 71 mit Fasern verstärkt, 71 Ulcera cruris, 396 Ullmark-Impaktor, 499, 519 Umstellungsosteotomie, 107 Uncontained defect, 496 Underreaming, 500 Unfallversicherung gesetzliche, 413 private (PUV), 414 Unterarmgehstütze, 366 Unterschenkelvenenthrombose, 346
V Vanadium, 76 Vancouver-Frakturen, 537 Varisationsosteotomie, 267 Vaskulitis, 107 Verankerung zementfreie, 434 zementierte, 432 Verankerungsmechanismus, 432 Verankerungsprinzip, 171 Verbandtechnik, 354
Sachverzeichnis Verbundosteosynthese, 239, 307 Verkürzungshinken, 91 Verlängerungszylinder, 515 Verschlusskrankheit, periphere arterielle (pAVK), 387 Versorgung, orthetische, 367 Viererposition, 179 Vigilance Report, 425 Vollbluttransfusion, 339 von Willebrand-Syndrom, 335 Vorhofflimmern, 349
W Wagner’sche Revisionsprothese, 299 Ward-Dreieck, 21 Warfarin, 147 Watson-Jones-Zugang, 488 Wegefähigkeit, 416 Weichteil-Balancierung, 54 Weichteilretraktor, 207 Weichteiltumor, 120 Western Ontario and Mac Master Universities Osteoarthritis Index (WOMAC), 404 WOMAC-Score, 99 WPW-Syndrom, 349 Wunddehiszenz, 332 Wundheilungsstörung, 332 Wundverband, 354
X Xenograft, 520
599 Y Young’s modulus, 35
Z Zement-Containment, 203 Zement-in-Zement-Technik, 469, 514 Zementapplikation, 202 femorale, 174 Zementdicke, 66 Zemententfernung, endofemorale, 544 Zementiertechnik, 171, 432 Zementkrankheit, 83 Zementmantel, 171, 177 Zementstopper, 174 Zentraliser, 177 Zentriermeißel, 542 Zerebralparese, 117 Zirkonia-Kopf, 71 Zirkonium, 68 Zugangswahl, 16 Zugangswege, 162 anterolateraler Zugang nach Watson-Jones, 162 dorsaler Zugang nach Moore, 163 minimal-invasive Technik, 166 anterolateraler Zugang in Seitenlage, 169 minimierter dorsaler Zugang, 169 vorderer Zugang in Rückenlage, 167 transglutealer Zugang nach Bauer, 162 Zugankerprothese, 186 Zugspannung, 33 Zweites Newton’sches Axiom, 28 Zyste, azetabuläre, 201