ARCHIV FÜR GESCHICHTE DES BUCHWESENS »AGB«
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Historischen Kommissio...
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ARCHIV FÜR GESCHICHTE DES BUCHWESENS »AGB«
ARCHIV FÜR GESCHICHTE DES BUCHWESENS Im Auftrag der
Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. Herausgegeben von
MONIKA ESTERMANN UND URSULA RAUTENBERG
Band 62
K . G . Saur München 2008
HERAUSGEBER Ordentliche Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. h.c. mult. Klaus G. Saur, Berlin, Vorsitzender; Prof. Dr. Reinhardt Wittmann, Oberachau, Stellv. Vorsitzender; Prof. Dr. Stephan Füssel, Mainz; Prof. Dr. Georg Jäger, München; Prof. Dr. Siegfried Lokatis, Leipzig; Prof. Dr. Wulf D. von Lucius, Stuttgart; Prof. Dr. Ursula Rautenberg, Erlangen; Thedel von Walmoden, Göttingen. Korrespondierende Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. Hans Altenhein, Bickenbach; Dr. Werner Arnold, Wolfenbüttel; Dr. Jan-Pieter Barbian, Duisburg; Prof. Frédéric Barbier, Paris; Thomas Bez, Leipzig; Dr. Hans-Erich Bödeker, Göttingen; Prof. Dr. Bernhard Fabian, Münster; Dr. Bernhard Fischer, Weimar; Prof. Dr. Ernst Fischer, Mainz; Prof. Dr. John Flood, London; Prof. Dr. Christine Haug, München; Dr. Stephanie Jacobs, Leipzig; Dr. Thomas Keiderling, Leipzig; Dr. Michael Knoche, Weimar; Prof. Dr. HansJoachim Koppitz, Mainz; Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig; Prof. Dr. Alberto Martino, Wien; Prof. Dr. Ulrich Ott, Marbach/N.; Prof. Dr. Günther Pflug †, Frankfurt a.M.; Prof. Dr. h.c. mult. Paul Raabe, Wolfenbüttel; Prof. Dr. Helmut Rötzsch, Leipzig; Prof. Dr. Walter Rüegg, Veytaux-Chilion; Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, Köln; Prof. Dr. Ute Schneider, Mainz; Herta Schwarz, Frankfurt a.M.; Dr. Volker Titel, Erlangen; Prof. Dr. Peter Vodosek, Stuttgart; Clara Waldrich, München; Prof. Dres. Bernhard Zeller, Marbach/N.
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Dateien sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar
Gedruckt auf säurefreiem Papier © 2008 by K. G. Saur Verlag, München Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG Alle Rechte vorbehalten Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig Satz: Anke Vogel, Ober-Olm Druck & Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Printed in Germany ISBN 978-3-598-24858-0 ISSN 0066-6327
INHALT
BEITRÄGE URSULA RAUTENBERG: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in Deutschland, den Niederlanden und Venedig – Quantitative und qualitative Studien .......................................... 1 JOHANNA GUMMLICH-WAGNER: Das Titelblatt in Köln: Uni- und multivalente Titelholzschnitte aus der rheinischen Metropole des Inkunabeldrucks .......................................................................................... 106 Register Rautenberg/Gummlich-Wagner ........................................................................................................... 150 GISELA MÖNCKE: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Johann Lobmeyer – Balthasar Müller – Melchior Bopp .................................................................................... 153 Register ............................................................................................................................................................... 187 VOLKER R. REMMERT/ UTE SCHNEIDER: Wissenschaftliches Publizieren in der ökonomischen Krise der Weimarer Republik – Das Fallbeispiel Mathematik in den Verlagen B. G. Teubner, Julius Springer und Walter de Gruyter ........................................................................................................................................ 189 KARSTEN JEDLITSCHKA: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« – Zensurfelder und Arbeitsweise am Beispiel des Münchner Lektors Ulrich Crämer ................. 213
REZENSIONEN MARION JANZIN/JOACHIM GÜNTNER: Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte. (Konrad Umlauf) ... 227 OLIVER DUNTZE: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98–1520). (Jonathan Green) ..................................................................................................................... 231
Bandregister ........................................................................................................................................................ 234 Anschriften der Herausgeber und Verfasser ....................................................................................................... 240
1
URSULA RAUTENBERG
Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in Deutschland, den Niederlanden und Venedig – Quantitative und qualitative Studien Inhalt Vorbemerkung ......................................................... 3 Danksagung ............................................................. 3 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4
1.1.5 1.1.6 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 2
2.1 2.2
Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem ..................................... 4 Einhundertzehn Jahre Forschung zum frühen Buchtitelblatt: Von Alfred W. Pollard bis zur Gegenwart ........................... 4 Ausgangslage .............................................. 4 Die Anfänge um und nach 1900: Von Pollard zu Haebler und Johnson ........... 4 Der Leipziger Sammelband »Das Titelblatt im Wandel der Zeit« (1929) ........................ 7 Die Titelblattforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: länderspezifische Fokussierung und das Titelblatt volkssprachlicher Drucke ............ 9 Am Ende des 20. Jahrhunderts: Margaret M. Smith’s »The title-page« ...... 13 Erreichtes und Desiderate ......................... 16 Zwei Erlanger Forschungsprojekte zum frühen Buchtitelblatt .................................. 17 Die Titelblattdefinition .............................. 17 Die quantitativ-statistische Erfassung: Das Inkunabeltitelblatt in Deutschland, den Niederlanden und Venedig ................. 18 Die qualitative Tiefenanalyse: Sieben deutsche Druckorte bis Ende 1490 ............ 20 Die Fallstudien .......................................... 21 Die Titelblatt-Datenbank im Internet ........ 21 Überlegungen zu einer Theorie des frühen Buchtitelblatts ................................ 22 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig: Quantitative Analyse und prädispositive Titelblätter .... 24 Quantitative Vergleichsanalyse ................. 24 Prädispositive Formen: Titelblätter bis 1480 ..................................................... 26
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4
3
Die frühesten Titelblätter in Deutschland: Mainz, Köln und Nürnberg ........................ 27 Die frühesten Titelblätter in den Niederlanden .............................................. 28 Die frühesten Titelblätter in Venedig und Italien .................................................. 30 Exkurs: Prädispositive Titelblätter und geregelte typographische Praxis am Beispiel der Offizin Peter Schöffer ........... 31
Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ – Systematik und quantitativer Vergleich .............................. 34 3.1 Die Zeichenmittel des Titelblatts ............... 34 3.2 Die makrotypographischen Zeichenmittel . 34 3.2.1 Leerseite, Leerblatt und Titelblatt ............. 34 3.2.2 Die Position der Titelseite ......................... 38 3.2.2.1 Die Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts ............................................... 38 3.2.2.2 Der Endtitel................................................. 39 3.2.3 Die Titelseite und nachfolgende Seite ....... 40 3.2.4 Die Titelseite im Lagenverbund ................ 41 3.3 Die mesotypographischen Zeichenmittel: Flächengliederung ...................................... 41 3.4 Die mikrotypographischen Zeichenmittel . 42 3.4.1 Rotdruck .................................................... 44 3.4.2 Schriftwahl, gestufte Typographie und Figurensatz ................................................. 44 3.4.3 Die mikrotypographischen Zeichenmittel und ihre Bedeutung für den Titelsatz ........ 46 3.5 Die xylographische Titelseite als Sonderfall ................................................... 48 3.6 Die sprachlichen Zeichenmittel: Werkund Buchkennzeichnung ............................ 48 3.6.1 Die Angaben der Hauptgruppe .................. 48 3.6.2 Zum Verhältnis von Kolophon und Angaben des Impressums auf dem Titelblatt ..................................................... 48 3.6.3 Produktionsrelevante Hinweise auf dem Titelblatt ..................................................... 49
2
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
4
Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden 53 4.1 Typographische Titelseite und illustrativer Schmuck auf dem Titel: quantitative Vergleichsanalyse bis 1500 ....................... 53 4.2 Gerard Leeu und das Titelblatt mit einem Titelholzschnitt .......................................... 56 4.2.1 Die Druckproduktion der Offizin Leeu in Gouda und Antwerpen und die Einführung des Titelblatts ............................................ 56 4.2.2 Bucheingang und illustriertes Titelblatt bei Gerard Leeu.......................................... 59 4.2.3 Titelblatt, Illustration, Buchtyp und Werk: die illustrierten Titelblätter der Offizin Leeu (1484–1493) ........................ 61 4.2.3.1 Andachts- und Erbauungstexte ................. 61 4.2.3.2 Unterhaltungsliteratur, Ratgeber und zeithistorische Texte .................................. 65 4.2.3.3 Titelillustration und Titelgestaltung .......... 67 4.3 Das illustrierte Titelblatt bis 1490 in Haarlem, Delft und Zwolle ....................... 68 4.3.1 Jacob Bellaert in Haarlem ......................... 68 4.3.2 Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft ...................... 69 4.3.3 Peter van Os in Zwolle .............................. 71 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden ............................................. Gerard Leeu in Antwerpen ........................ Govaert van Ghemen und Gotfrid van Os in Gouda ........................................ Richard Paffraet in Deventer ..................... Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft ...................... Peter van Os in Zwolle .............................. Lehrbuch und illustriertes Titelblatt in den Niederlanden .............................................
73 73 76 78 81 81 81
5.5
Die Entstehung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden als typographisches Dispositiv ........................ 82
6
Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig ............................................... 84 Die Anfänge des illustrierten Titelblatts in Nürnberg bei Hans Folz ......................... 84 Die deutschen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1490 im Überblick . 88 Heiligenlegenden im Einzeldruck um und nach 1500 ............................................ 88 Die venezianischen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1495 im Überblick ......... 90
6.1 6.2 6.3 6.4 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5
Das Titelblatt mit einem Signet ................. 91 Signet und Firmierung ............................... 91 Deutschland ............................................... 92 Niederlande ................................................ 92 Venedig ...................................................... 93 Ausblick und Exkurs: Der Gebrauch des Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben ........................................................ 94
8
Resümee ..................................................... 95
Anhang ................................................................... 98 1 2 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 4
Abbildungsverzeichnis .............................. 98 Zitierweise und Quellennachweise ............ 99 Abkürzungsverzeichnis .............................. 99 Bibliotheken und Archive .......................... 99 Abgekürzt zitierte Literatur ....................... 99 Zeitschriften ............................................... 99 Bibliographien und Nachschlagewerke ... 100 Verzeichnis der Forschungsliteratur ........ 101
Vorbemerkung
Vorbemerkung In diesem und den beiden folgenden Bänden des Archiv für Geschichte des Buchwesens erscheinen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts1 zum frühen Buchtitelblatt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von Januar 2000 bis März 2002 gefördert worden ist. Der allgemeine Teil umfasst neben einem Forschungsbericht und einführenden Überlegungen zum frühen Buchtitelblatt eine quantitative und qualitative Vergleichsanalyse der Entstehung und Entwicklung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig (Ursula Rautenberg). Es folgen fünf Fallstudien zu den Druckorten Köln (Johanna Christine Gummlich-Wagner), Augsburg (Oliver Duntze), Nürnberg (Randall Herz), Straßburg (Ursula Rautenberg) und Basel (Oliver Duntze/Gaby Kachelrieß). Der vorliegende Band 62 bietet den grundlegenden ersten Teil und eröffnet den zweiten Teil mit der Fallstudie Köln. In Band 63 folgen die Untersuchungen für die Druckorte Augsburg und Nürnberg, in Band 64 die für Straßburg und Basel. Für den quantitativ-statistischen Zugang, der wesentlicher Teil des Projektdesigns ist, wurden die Grundlagen in frühen Arbeitsschritten zu Beginn des Projekts gelegt. Die umfassendste elektronische Quellenbibliographie, der ISTC als vollständigster internationaler Inkunabelzensus, war im Jahr 2000 nur in zweiter Auflage als CD-ROM verfügbar. Die Online-Version mit ihren laufend vorgenommenen Aktualisierungen und neuen Titelmeldungen ist erst seit Anfang 2006 zugänglich und daher nicht in die quantitative Analyse eingegangen. Auch die seit August 2003 online gestellten Katalogeinträge der noch nicht gedruckten Bände der Berliner Arbeitstelle des GW konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Eine nachträgliche Umstellung nach dem Ende der Projektlaufzeit auf den jeweils aktuellen Datenstand dieser beiden wichtigen Online-Datenbanken wäre zwar wünschenswert gewesen, erwies sich unter arbeitsökonomischen und methodischen Gesichtspunkten als nicht einlösbar.2 1 Zu den Erlanger Forschungsprojekten und zum Projektdesign siehe ausführlich Kap. 1.2 dieser Studie. 2 Eine unaufwändige Neuberechnung der Prozentwerte erwies sich als nicht praktikabel, da die Abfrageparameter, z. B. für ›preferred attributions‹ und ›not broadside‹, zwischen CD und Online-Version verändert wurden. Die Ergebnisse sind also nicht direkt miteinander vergleichbar und mit einer einfachen Rechenoperation zu aktualisieren. Zudem sind die über den CD-ISTC ermittelten Zahlen vom Erlanger Projekt punktuell durch die Tilgung von Dubletten und nicht verzeichneten Inkunabeln bereinigt und durch die Sichtung gedruckter Quellenbibliographien ergänzt worden. Eine Stichprobe (Abfrage am 18. September 2007) hat ergeben, dass für Deutschland im online-ISTC gegenüber der CD-Version 5,6 % mehr Inkunabeln verzeichnet sind, für die Niederlande 11 % und für Venedig 1,1 %. Da es sich hier um alle Inkunabeln handelt, unabhängig davon, ob sie ein Titelblatt
3 Während der Laufzeit des Projekts wurden die Fallstudien des zweiten Teils, die in Händen mehrerer Projektmitarbeiter lagen, abgeschlossen, ebenso wie die Arbeit am Datenmaterial. Der grundlegende erste Teil, der in meinen Händen lag, ist in großen Teilen erst nach dem Ende des offiziellen Förderungszeitraums erarbeitet worden. Daher ist der Stand der Literatur für den allgemeinen Teil und die Fallstudien uneinheitlich. Berücksichtigt wurde für den ersten Teil die bis 2005 erschienene Forschungsliteratur, für die Fallstudien die bis Mitte 2003. In einzelnen Fällen, aber nicht systematisch, wurden nachträgliche Ergänzungen vorgenommen.
Danksagung Mein Dank gilt an erster Stelle den vielen Mitarbeitern in Bibliotheken, ohne deren sachkundige Unterstützung und Hilfsbereitschaft diese Publikation nicht entstanden wäre. Dank schulde ich den Projektmitarbeitern und Autoren der Fallstudien, Johanna Christine Gummlich-Wagner, Gaby Kachelrieß, Oliver Duntze und Randall Herz, nicht zuletzt für ihre Geduld für das verzögerte Erscheinen ihrer Beiträge, das allein zu meinen Lasten geht. Besonders hervorheben möchte ich Oliver Duntze, Berlin, der für viele fachliche Gespräche Geduld hatte, aber auch stets kompetente Hilfe im Dickicht der Zahlen geleistet hat. Celestina Filbrandt, Erlangen, hat sich der immensen Mühe unterzogen, Titelangaben, Zitate und Quellennachweise in einer Schlussredaktion zu prüfen. Lotte Hellinga, London, hat das Projekt wohlwollend begleitet, Teile des Manuskripts gelesen und mit hilfreichen Anmerkungen versehen. Auch ihr sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt.
haben oder nicht, ist es fraglich, ob sich dieser bibliographische Zuwachs signifikant auf unsere Statistik auswirken würde. Insgesamt liegen die Erlanger Daten erheblich über der Validität einer Stichprobe, da Klärungsraten von 85–90 % erreicht werden konnten. Am ehesten zu bedauern bei der Nennung absoluter Zahlen im niedrigen Bereich ist, dass die Werte nicht auf den aktuellen Stand gebracht werden konnten. Anzumerken ist aber auch, dass bei der gegenwärtigen raschen Entwicklung der Online-Nachschlagewerke mit ihren Möglichkeiten für flächendeckende Statistiken bei umfassenderen und längerfristig angelegten Forschungsprojekten eine ständige Aktualisierung der quantitativen Analysen arbeitstechnisch schwer möglich ist.
4
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem 1.1 Einhundertzehn Jahre Forschung zum frühen Buchtitelblatt: Von Alfred W. Pollard bis zur Gegenwart 1.1.1 Ausgangslage Ein Forschungsbericht über die inzwischen einhundertzehnjährige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Titelblatt liegt bisher nicht vor; selbst neuere Publikationen wie die monographische Studie von Margaret M. Smith (2000) verzichten auf eine ausführliche Darstellung des Forschungsstandes. Der folgende, in den Grundlinien chronologisch angelegte Literaturbericht behebt dieses Desiderat, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Lediglich Forschungsbeiträge, die sich insgesamt oder in wichtigen Teilen mit dem frühen Titelblatt auseinandersetzen, sind hier berücksichtigt. Nicht aufgenommen wurden Untersuchungen, die sich punktuell mit der Interpretation einzelner Titelblätter oder spezieller Druckorte ohne Anspruch auf allgemeine Geltung beschäftigen; die Ergebnisse sind an entsprechender Stelle in den allgemeinen Teil und in die Fallstudien eingearbeitet. Der zeitliche Rahmen umfasst die Inkunabelzeit und greift verschiedentlich in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts über. Neben der einschlägigen buchhistorischen Literatur werden typographiegeschichtliche Studien sowie die kunsthistorisch orientierte Titelblatt-Forschung einbezogen. Auf eine breite Referierung kunsthistorischer Ergebnisse, insbesondere zu technischen und stilistischen Entwicklungen, zu einzelnen Künstlern etc. musste verzichtet werden. Ebenfalls nicht oder nur ausnahmsweise hat die Literatur zur Formulierung des Werk- bzw. Sachtitels hier Eingang gefunden. Einen guten Überblick über die literatur- und sprachwissenschaftlich orientierten Arbeiten bietet ein neuerer Lexikonartikel.3 Da die frühe Buchgeschichte zumindest ihrem Anspruch und Untersuchungsraum nach in gesamteuropäischem Zusammenhang steht, ist die fremdsprachige Literatur soweit wie möglich zur Kenntnis genommen worden. Der Schwerpunkt liegt auf der deutschen, englischen und niederländischen Forschung, die französische und italienische wurde so weit wie möglich einbezogen.
1.1.2 Die Anfänge um und nach 1900: Von Pollard zu Haebler und Johnson Den Grundstein für die Erforschung des frühen Titelblatts hat der englische Inkunabelforscher Alfred W. 3 Vgl. die knappe Übersicht bei Rolle: Titel.
Pollard4 mit einem monographisch erschienenen Essay Last words on the history of the title-page with notes on some colophons and twenty-seven facsimiles of title-pages 1891 gelegt. In diese rund vierzig Textseiten umfassende Untersuchung sind zwei kürzere, auf Vorträgen basierende Artikel von 1888 und 1889 eingegangen: daher auch die (missverständliche) Titelformulierung Last words.5 Pollards Ausführungen erstrecken sich von der Inkunabelzeit bis ins 17. Jahrhundert. Er definiert nicht eigens, was er unter einem Titelblatt versteht; aus seinen Ausführungen lässt sich jedoch schließen, dass er buchidentifizierende Angaben zu Beginn des Buchs auf einem separaten Blatt oder einer separaten Seite als Titelblatt bezeichnet, aber herstellungsrelevante Angaben nicht zwingend fordert. Die Beobachtung, dass der mittelalterlichen Handschrift ein Titelblatt fehlt, erklärt Pollard einerseits aus der Sparsamkeit der Mönche oder der Schreiber bei der Verwendung von Pergament oder Papier, andererseits mit ihrer Indifferenz gegenüber bibliographisch relevanten Paratexten: Even when books were written instead of printed it is surprising that the title-page should never have been invented; but the monks were presumably economical, and refused to devote a whole leaf of good paper or parchment to information which could be given in three or four lines. […] When books were few and costly, there was the less need for description, and a label on the upper cover answered all purposes even in a large library. Whatever other interests our medieval forefathers may have possessed, for bibliography they cared nothing.6 Nach einer Diskussion früher Kolophone und der Rolle der Rubrikatoren für die Datierung eines Druckes kommt Pollard auf das Titelblatt zurück: »It is hard to understand how the first printers, who had introduced so mighty a revolution in the art of multiplying books, hesitated for so long over so simple and so sorely needed a reform as the introduction of the title-page.«7 Pollard setzt die Erfindung des Titelblatts nicht vor 1470 an. Zwischen 1480 und 1490 »what may be called the ›label‹ title-page creeps into existence − the shortest possible title of the book printed at the top of a blank page.«8 Damit führt Pollard den Begriff ›Label-Titel‹ (›label-title‹) in die Titelblattforschung ein. Die Titelseite, die den Namen des Druckerverlegers, den Ort und 4 1859−1944, Bibliothekar, 1919−1924 Direktor der Abteilung »Printed Books« der British Museum Library, London. 5 Vgl. Pollard: Last words, Vorwort. 6 Pollard, S. 4 u. 7. 7 Pollard, S. 14. 8 Pollard, S. 15.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem das Jahr der Drucklegung nennt, kommt nach Pollard erst am Ende des 15. Jahrhunderts auf und hat sich allgemein um 1520 durchgesetzt. Vorbildfunktion für die ›moderne‹ Titelseite haben nach Pollard die italienischen Verleger, ebenso wie für das hochwertig illustrierte Titelblatt.9 Pollards wesentlich deskriptiv angelegte Untersuchung bietet eine Fülle von Beobachtungen zum Titelsatz und zum Titelschmuck, allerdings beruht diese überwiegend auf englischen, französischen und italienischen Beispielen. Grundtenor des Artikels ist Pollards Verwunderung darüber, dass eine so nützliche Erfindung wie das Titelblatt (»a simple but most useful innovation«10) erst so spät von den Druckerverlegern akzeptiert worden sei. Warum das so ist und welche Gründe es für die Einführung des Titelblatts als fester Bestandteil des gedruckten Buchs geben könnte, diese Fragen stellt Pollard nicht. Eine längere Passage11 in Last words hat Pollard dem Kolophon als Mittel der Buchkennzeichnung gewidmet. 1906 erscheint seine Monographie An essay on colophons with specimens and translations. Pollard vertritt hier die These, dass die Schlussschrift in der Tradition des Schreiberkolophons weniger der Buchidentifikation diene als dem Stolz des Produzenten auf die geleistete Arbeit: »Colophons, in fact, are the sign and evidence of the printer’s pride in his work, and this is the main clue we have in seeking for them.«12 Aus diesem Grunde haben nach Pollard volkssprachliche Drucke, die von den Zeitgenossen nicht hoch eingeschätzt worden seien, nur selten ein Kolophon, während lateinische wissenschaftliche Bücher im Vergleich dazu häufig eine Schlussschrift aufweisen. Auch in der Titelblattforschung nach Pollard werden regelmäßig Kolophon und Drucker- bzw. Verlegersignet behandelt, da es sich hier um die wichtigsten buchidentifizierenden Schlüssel neben dem Titelblatt handelt. Explizite Thesen über die Beziehung zwischen dem Titelblatt und der Schlussschrift bietet jedoch keiner der Autoren; zu ungeregelt ist die Verwendung des Kolophons im Inkunabel- und Frühdruck, um eine Korrelation − etwa nach dem Muster: ›Wenn ein Kolophon, dann kein Titelblatt bzw. wenn ein Titelblatt, dann kein Kolophon‹ − herzustellen. So ist die Schlussschrift noch im 16. Jahrhundert häufig, als sich das Titelblatt mit herstellungsrelevanten Angaben bereits etabliert hat. Zur Bedeutung der Schlussschrift für die Entstehung und Entwicklung des Titelblatts schreibt Konrad Haebler:
9 10 11 12
Pollard, S. 15 bzw. S. 26. Pollard, S. 15. Pollard, S. 8–13. Pollard: An essay, S. 7.
5 Es wäre nur eine folgerichtige Entwickelung gewesen, wenn sich aus der Schlußschrift der Wiegendrucke ein Schlußtitel herausgebildet hätte. In der Tat weisen eine bescheidene Anzahl von Druckwerken der Inkunabelzeit einen solchen Schlußtitel auf. An eine konsequente Entwicklung [!] wird man aber dabei doch wohl nicht denken dürfen.13 Abschließend fasst Severin Corsten 1995 die Diskussion zusammen: »Der Weg zum Titelblatt ging jedoch nicht von der Schlussschrift aus, sondern vom Incipit.«14 Pollards Arbeiten zum frühen Titelblatt und zum Kolophon haben die nachfolgenden Publikationen nachhaltig beeinflusst. So ist Last words 1971, der Essay on colophons 1968 nachgedruckt worden. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Pollard im Jahr 1908 Beobachtungen zum Titelblatt in Karolingischen Handschriften und italienischen Renaissancehandschriften, denen er Einfluss auf gedruckte Titelblätter um 1500 zuschreibt, veröffentlicht: The title-pages in some Italian manuscripts. Nur ein Jahrzehnt nach Pollard legt Theodore Low De Vinne15 A treatise on title-pages with numerous illustrations in facsimile and some observations on the early and recent printing vor, eine umfangreiche Monographie, die auf einem bibliophilen Privatdruck von 1901 (Title-pages as seen by a printer) für die Mitglieder des Grolier Club, New York, basiert und 1974 als Reprint erschienen ist. Es handelt sich um eine Geschichte des Titelsatzes und Titelschmucks von den Anfängen des Buchdrucks bis zum Ende des 19. Jahrhunderts aus der Sicht eines Typographen. Sie umfasst drei Teile. Der erste, historische Teil behandelt den Kolophon − De Vinne führt zahlreiche geometrische Formen für die Textverteilung an − und unterschiedliche Titelblatttypen, gegliedert nach dem verwendetem Titelschmuck bzw. den Hauptformen des typographischen Titels. Da De Vinne außer auf Pollard noch nicht auf einschlägige Literatur für das frühe Titelblatt zurückgreifen kann, geht er von ihm bekannten Drucken selbst aus. Mit diesem reich mit Beispielen und Illustrationen versehenen Werk hat De Vinne ein für die Geschichte der Titelblatttypographie wichtiges Überblickswerk vorgelegt, in dem typographische Regeln und Gestaltungsmittel für den Titelsatz herausgearbeitet und ihre Verwendung in unterschiedlichen Epochen nachgezeichnet werden. Der zweite und dritte Teil der Studie sollen als praktische Anleitung für den Titelsatz dienen. Das deutschsprachige Gegenstück zu De Vinne ist Reinhold Bammes’ Der Titelsatz, seine Entwicklung 13 Haebler: Inkunabelkunde, S. 120. − Zum Schlusstitel vgl. auch Smith: The end-title. 14 Corsten: Die Erfindung, S. 192 und Anm. 231 unter Verweis auf Haebler, Schottenloher, Kiessling, Geldner und Schmitt. 15 1828−1912, Typograph und Drucker in New York.
6
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
und seine Grundsätze, zuerst 1911, 1918 in zweiter, vermehrter Auflage erschienen. Auch Bammes schreibt eine Geschichte der Titelblattgestaltung von den Anfängen bis zur Moderne, die in Regeln für den Titelsatz mündet. Seine Beobachtungen zum frühen Buchtitelblatt gehen nicht über das bereits Bekannte hinaus. Dies gilt auch für den kurzen Aufsatz von Karl Schottenloher16 Über Titelsatz, Schrift und Satzspiegel im alten und neuen Buch (1939). Mit Konrad Haebler17 setzt die engere buchkundliche Titelblattforschung nach Pollard wieder ein. Es ist Haeblers Verdienst, als erster in seinem Handbuch der Inkunabelkunde 192518 auf den Buchbeginn mit einer Leerseite oder einem Leerblatt aufmerksam gemacht zu haben, eine Beobachtung, die in Pollards Last words fehlt, aber von großer Bedeutung ist. Haebler bemerkt, dass bereits 1464 die ersten Beispiele von Leerseiten zum Beginn des Buchblocks auftauchen, und »von 1470 an kommt die Gepflogenheit allerorten in Übung, ohne jedoch konsequent durchgeführt zu werden«.19 Die Leerseite oder das Leerblatt haben nach Haebler die Funktion, den Textbeginn vor Verschmutzung zu schützen: Sehr bald aber kamen die Drucker zu der Erkenntnis, daß das erste Blatt eines Druckes besonderen Gefahren ausgesetzt war. Wenn die gebrochenen und zu einem Exemplar vereinigten Bogen des Druckwerks nicht alsbald mit einem festen Einbande versehen werden konnten − und das ist wahrscheinlich bei weitem häufiger der Fall gewesen, als man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt ist − mussten die äußeren Blätter durch Beschmutzung und Abnutzung erheblich beschädigt werden.20 Haebler formuliert vorsichtig und stellt noch keine explizite Verbindung zwischen dem Leerblatt und der Entstehung des Titelblatts her. Alfred Forbes Johnson tut diesen zweiten Schritt wenig später unter Berufung auf Haebler. Dieser wichtige Zusammenhang von Leerblatt bzw. Leerseite und Titelblatt wird allerdings bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht weiter verfolgt. Er wird z. B. auch von Ferdinand Geldner in seinem Handbuch Inkunabelkunde 1978 nicht erwähnt. Immerhin resümiert Severin Corsten 1995: Schon früh hatte es sich eingebürgert, daß man zum Schutz der ersten Textseite das erste Blatt des 16 1878−1954, Bibliothekar, seit 1908 an der Bayerischen Staatsbibliothek München, ab 1929 Direktor der Katalogabteilung. 17 1857−1946, Bibliothekar, Druckforscher und Typenkundler; seit 1914 Direktor der Handschriftenabteilung der Königlichen Bibliothek Berlin. 18 Haebler: Inkunabelkunde, S. 115–132. 19 Haebler, S. 116. 20 Haebler, S. 116.
Bogens unbedruckt ließ. Es lag nahe, aus rein praktischen Gründen auf der Recto-Seite dieses Schutzblattes kurz und bündig den Inhalt des Buches anzugeben. Dieser Brauch kam Mitte der achtziger Jahre in Straßburg auf.21 Erst Jan Willem Klein und Margaret M. Smith belegen und erhärten am Ende des 20. Jahrhunderts in statistischen Untersuchungen die Bedeutung von Leerblatt und Leerseite für die Entstehung des Titelblatts. 1927 veröffentlicht Moriz Sondheim22 einen Vortrag Das Titelblatt in der Reihe Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft. Anlass war eine Ausstellung »Der schöne Buchtitel im Laufe der Jahrhunderte« im Frankfurter Kunstgewerbe-Museum. Neben der Aufzählung früher Titelblätter bietet die Abhandlung wenig Neues. Auffallend ist die These, aus dem Wettbewerb der Drucker untereinander entstehe das ›schöne‹ (d. h. illustrierte) Titelblatt als Blickfang für den Käufer, wobei Sondheim die auf den frühen Buchhandel nur zum Teil zutreffende Vorstellung vom Vertrieb über den Platzhandel und die Auslage im Buchladen unterstellt: Bei der Untersuchung dieser Vorläufer unseres Titelblattes [sc. Konrad Fyner, Esslingen 1773 und Bernhard Maler, Peter Löslein, Erhard Ratdolt, Venedig 1476] habe ich die Überzeugung gewonnen, daß es ihren Druckern nicht darauf ankam den Titel des Buchs genau zu formulieren, sondern das Buch zu empfehlen, um seinen Vertrieb zu erleichtern. Denn bei dem wachsenden Wettbewerb der schnell sich vermehrenden Druckereien wurde es immer schwieriger die Bücher an den Mann zu bringen. […] Das Titelblatt ist aus der Notwendigkeit entstanden Reklame zu machen. In der Auslage des Buchführers sollte es das Buch empfehlen und die Käufer herbeilocken und fesseln.23 Sondheim ist der erste, der die These einer Entstehung des Titelblatts aus den Marktbedingungen für das gedruckte Buch formuliert. Gustav Adolf Erich Bogeng wird dies 1929 in seine Überlegungen aufnehmen und weiter ausführen. Auf Sondheim stützt sich Werner Kienitz wenig später in seiner Dissertation Formen literarischer Ankündigung im 15. und 16. Jahrhundert (1930), der werbende Elemente auf dem Titelblatt untersucht. Ähnlich wie Sondheim formuliert noch Horst Kunze in seiner Geschichte der Buchillustration in Deutschland 1975: Mit dem Aufbau eines buchhändlerischen Vertriebssystems erwies es sich jedoch als nützlich, 21 Corsten: Die Erfindung, S. 192. 22 1860−1944, Antiquar und Teilhaber (ab 1900 bis zur Enteignung 1934 durch die Nationalsozialisten) der Firma Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. 23 Sondheim: Titelblatt, S. 7.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem die Inhalte der in den Druckerstuben oder auf Märkten feilgebotenen Bucherzeugnisse schon äußerlich sichtbar zu machen: Die Werbung für das Buch hat an der Wiege des Titelblatts gestanden.24 Alfred Forbes Johnson nimmt im Vorwort zu seinem Katalog One hundred title-pages von 1928 die bisher erreichten Forschungsergebnisse auf, insbesondere beruft er sich auf Haebler: The title-page owes its origin, according to one theory, to the fact that printers found it necessary to protect the first leaf of the text. Whereas a manuscript would be bound as soon as the calligrapher had finished the text, most of the copies of a printed edition were delivered to a bookseller in sheets, and many might remain unbound for years. Hence arose the practice of beginning the book on the second leaf or on the back of the first leaf. The first page could then be used for the purpose of advertising the book, for the fully-developed titlepage arose out of commercial need.25 Ein nur wenige Seiten umfassender Aufsatz von Johnson,26 ebenfalls aus dem Jahr 1928, bietet einen knappen Überblick über das Titelblatt bis ins 18. Jahrhundert. Der Schwerpunkt liegt auf der Titelblattgestaltung, wobei die inzwischen geläufigen Entstehungstheorien − Schutz des Textbeginns und kommerzielle Strategien − aufgegriffen werden.27 Zum illustrierten Titelblatt des 16. Jahrhunderts liegen weiter verschiedene umfangreiche Abbildungsbände von Johnson vor.28
1.1.3 Der Leipziger Sammelband »Das Titelblatt im Wandel der Zeit« (1929) Die erste umfassende deutschsprachige Publikation zum Titelblatt, Das Titelblatt im Wandel der Zeit, erscheint im dritten Jahrgang von Buch und Schrift. Jahrbuch des Deutschen Vereins für Buchwesen und Schrifttum 1929 [1930] in Leipzig. Aus diesem Sammelband hervorzuheben ist der Aufsatz von Gustav
24 Kunze: Geschichte der Buchillustration, 15. Jahrhundert, Bd. 1, S. 189. 25 Johnson, One hundred title-pages, S. Vf. 26 1884−1972, Bibliothekar, seit 1908 Mitarbeiter an der Abteilung »Printed Books« der British Museum Library, London. 27 Johnson: Title-pages, S. 288. 28 Neben der genannten Publikation: A catalogue of engraved and etched English title-pages; A catalogue of Italien engraved title-pages in the 16th century; German Renaissance title-borders. − Der Aufsatz von Mortimer, »Dimensions of the Renaissance title-page« (1981), beschreibt ausgewählte Titelblätter mit Renaissance-Ornamentik; die einleitenden Passagen zur Entwicklung des Titelblatts berücksichtigen weder den damaligen Forschungsstand noch ist die Literatur zur Kenntnis genommen worden.
7 Adolf Erich Bogeng29 Über die Entstehung und die Fortbildungen des Titelblattes. Nach Pollards Last words und den knappen Bemerkungen Haeblers in seiner Inkunabelkunde – beide Publikationen sind grundlegend für die weitere Titelblattforschung – legt Bogeng auf nur zwanzig Seiten eine Fülle von Überlegungen vor, die bis heute Geltung beanspruchen können.30 Bogeng versteht sich, anders als Pollard und Haebler, nicht als Inkunabel- und Druckforscher, der sich auf Typographie und Druckprozess konzentriert. Bezeichnenderweise greift er an keiner Stelle explizit auf die vorhergehende Forschung zurück. Der Aufsatz des Privatgelehrten enthält zudem keine Anmerkungen. Bogeng schlägt den Weg des Bibliographen ein, der das Buch als Teil des frühmodernen Kommunikationssystems begreift. Seine Studie ist im Ansatz mediengeschichtlich ausgerichtet. Das Titelblatt sei von Bedeutung, weil es Metadaten des Buchs an herausgehobener Stelle vereine. Die ökonomischen und technischen Voraussetzungen der mechanischen Buchproduktion, nicht zuletzt aber die Entstehung eines literarischen Bewusstseins bei den Autoren führen nach Bogeng zum Entstehen des Titelblatts. Aus literatursoziologischer Sicht legt Bogeng fruchtbare Ansätze einer systematischen Reflexion über das Titelblatt vor, die leider in der weiteren Titelblattforschung gegenüber der druckanalytischen Sicht auf das Titelblatt ohne Nachfolge bleiben.31 Bogeng beginnt mit der Feststellung, dass Einrichtung und Aussehen des Buchs zunächst dem mittelalterlichen Vorbild folgen. Erst nach und nach hätten sich die spezifischen Eigenschaften des gedruckten Buchs entwickelt, wobei das Titelblatt gegen Ende dieses Prozesses der sichtbarste Bruch mit der mittelalterlichen Buchtradition sei: Allmählich nur begann es aus den Bedürfnissen eines Massen- und Schnell-Vervielfältigungs-Verfahrens, zumal aus denen einer exakten Rationaltechnik der Typographie und denen einer öffentlichen literarischen Produktion, die eigenen Eigenschaften eines Buchdruckwerkes mit den Fortbildungen zur Verselbständigung des neuen Vervielfältigungs-Verfahrens anzunehmen, deren Abschluß
29 1881−1960, Privatgelehrter und Bibliophile; Hauptwerk »Die großen Bibliophilen« 1922. 30 Eine Zusammenfassung mit kulturkritisch-pessimistischem Unterton, die nicht das Niveau des ursprünglichen Aufsatzes erreicht, hat Bogeng 1940 in der Zeitschrift »Der Türmer« veröffentlicht. 31 So auch Rothe: Das Titelblatt als System, S. 27: »Im übrigen wurde der systematische Ansatz gegenüber dem historischen bisher vernachlässigt. Eine gewisse Ausnahme bildet allerdings G. A. E. Bogeng (1929).«
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit in manchen Beziehungen durch die Ausbildung des Titelblattes gekennzeichnet wird.32
Für Bogeng gipfelt die Entwicklung von der »kollektiv-statischen« Einzelhandschrift zum »neuzeitlichindividualistischen« Auflagendruck in der Originaledition. Das Titelblatt habe zwar die Aufgabe, jedes Exemplar einer Auflage mit dem anderen zu verbinden − die Kennzeichnung des Buchs über seine auf dem Titel versammelten Metadaten ermöglicht das vom Exemplar unabhängige Zitierwesen −, sei aber darüber hinaus Ausdruck des Bedürfnisses nach dem »richtigen Text«. Dieser werde durch den Kastigator bzw. Korrektor, den Verleger und, nicht zuletzt, den Autor garantiert: Die Bedeutung des modernen Titelblattes gründete sich von drei Richtungen her, welche am Anfange des 16. Jahrhunderts in einer neuartigen Begriffsbildung, der der Originaledition, zusammentrafen. Die Autorität ihres Titels und mit ihr die ihres Titelblattes beruhte auf der vom Verfasser anerkannten und dem Verleger berechtigten Ausgabe, die dazu dem Verleger amtlich erlaubt und auch geschützt war. In diesen drei Beziehungen dokumentierte fortan das Titelblatt das Buchdruckwerk. […] Die im Begriff der Originaledition sich von überallher verdichtenden literarischen und merkantilen Interessen verliehen so im 16. Jahrhundert dem Titelblatt Inhaltswerte, die sich in der Behauptung eines ausschließlichen Rechtes auf den Originaltitel zusammenfaßten.33 Von diesem zentralen Punkt her seien die auf dem Titelblatt gespeicherten Informationen und die Bedeutung des Titelblatts für den Buchhandel im weitesten Sinne zu verstehen. Dem Bewusstsein von der persönlichen Leistung des Urhebers, die sich in einem ›originalen‹ Text manifestiere, stehe der Verleger gegenüber, der die Verbreitung dieser eigenständigen geistigen Leistung ohne Verfälschung in der Auflage gewährleistet. An diese wende sich die Pressegesetzgebung, indem sie eine Nennung an exponierter Stelle im Druckwerk fordere. Von der Originalausgabe verspreche man sich einen ökonomischen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Verlegern (und hieraus resultiere die Abwertung des Nachdrucks), der – nach Bogeng – fortan rechtlich geschützt werde. All dies werde sichtbar auf dem Titelblatt: mit der individuellen Werkbezeichnung in der Titelformulierung, dem Auftreten des Autors, Bearbeiters oder Herausgebers und nicht zuletzt der Untergruppe, die − im Gegensatz zum Kolophon − nicht den Drucker (oder Schreiber) nennt, sondern den Verleger: »Damit hatte sich auch das Buch von einer graphischen 32 Bogeng: Entstehung und Fortbildungen des Titelblatts, S. 74. 33 Bogeng, S. 79f. u. 83.
Reproduktion zu einer literarischen Repräsentation individualisiert, der Band, der ein Schriftwerk verkörperte, vertrat dessen Urheber selbst beim Leser.«34 Alles Weitere, die Entstehung des Titelbogens mit umfangreichen Äußerungen aller beteiligten Urheber, die gegenüber dem Werksatz freiere und ornamentale Titelblattgestaltung, die Formulierung eines den Werkinhalt umfassenden knappen Werktitels, entstehe aus dieser neuen Positionierung des Buchs als Überlieferungsträger. Seine dichten Thesen hat Bogeng nur ausnahmsweise an Beispielen belegt. Es bleibt die Aufgabe, die seit Bogeng in der Titelblattforschung erzielten Ergebnisse mit seinen Überlegungen abzugleichen. Kritisch ist zu fragen, ob Bogeng nicht eine an modernen Vorstellungen geschulte Auffassung des materiellen und geistigen Urhebers zu bruchlos auf die frühe Neuzeit überträgt. In der neueren Titelblattforschung schließt noch am ehesten Eleanor F. Shevlin − allerdings ohne auf Bogengs Aufsatz Bezug zu nehmen − an diese Überlegungen an. In dem 1999 erschienenen Aufsatz, ›To Reconcile Book and Title, and Make ’em Kin to One Another‹. The Evaluation of the Title’s Contractual Functions, untersucht sie am Beispiel englischer Titelformulierungen des 16. bis 18. Jahrhunderts deren kommerzielle und rechtliche Bedeutung.35 Neben Bogengs Aufsatz enthält der Leipziger Sammelband eine umfassende und reich illustrierte Abhandlung von Gerhard Kiessling: Die Anfänge des Titelblattes in der Blütezeit des deutschen Holzschnitts (1470−1530). Kiessling widmet sich dem Randornament, wobei er eine starke Kontinuität von der illustrierten ersten Seite der mittelalterlichen Handschrift zur Holzschnittbordüre im gedruckten Buch konstatiert; dies gilt nach Kiessling auch für den Initialschmuck. Der Zusammenhang zwischen der Gestaltung der ersten Textseite und dem Titelblatt wird hier erstmals ins Zentrum gestellt. Die ersten Holzschnittbordüren erscheinen in Augsburg, als Günter Zainer in 1472 Holzschnittranken des Meisters des Ulmer Boccaccio für die Bucheinleitung verwendet.36 Kiessling nimmt leider keine Unterscheidung zwischen der Bordüre als Schmuck der Textseite und auf der Titelseite vor, so dass seine Ausführungen im Hinblick auf das Titelblatt wenig ergiebig sind. Nach Kiessling entwickelt sich in der Folge aus der Umrahmung des Textblocks mit vier einzelnen Leisten der geschlossene Titelrahmen, der durch Hans Baldung Grien zum Architekturrahmen 34 Bogeng, S. 81. 35 Leider wird die französische und deutschsprachige Literatur ausgeblendet; Shevlin verweist zwar in einer Fußnote auf die umfangreichen Monographien von Hoeck und Rothe, »but neither has yet been translated into English«; Shevlin: To Reconcile, S. 70. 36 Kiessling: Die Anfänge, S. 12.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem fortentwickelt wird. Diese Verschmelzung von Schriftund Bildfeld könne auch erreicht werden, indem die sprachlichen Elemente in den Titelholzschnitt integriert werden. Im Einleitungsholzschnitt, der allerdings an den Beginn des Textes gebunden bleibt, wenn diesem ein Register vorgeschaltet ist, sieht Kiessling ebenso wie in der ornamentalen Bordüre und im Titelholzschnitt künstlerische Mittel, die die Entstehung der Titelseite begünstigen.37 Denn das Problem der frühen Drucker sei es gewesen, die (noch) sehr sparsamen Informationen zur Buchkennzeichnung auf der weißen Fläche anzuordnen. Als ästhetisch gelungene Lösung verweist Kiessling auf den Holzschnitttitel, worunter er die in einen Holzblock geschnittene Titelformulierung versteht. Dieser ist nicht selten von bedeutenden Künstlern entworfen worden, so z. B. von Albrecht Dürer, und dem Typensatz durch seine individuelle Gestaltung der Schrift überlegen, vor allem aber durch die im Typenguss schwer oder gar nicht zu erzielenden großen Schriftgrade und die Verbindung der Buchstaben untereinander. Der Titelsatz mit gegossenen Typen dagegen werde bis um 1530 häufig als geschlossener Titelsatz in geometrischen Formen ausgeführt.38 An Kiesslings Untersuchung schließt sich thematisch und chronologisch eine Abhandlung von Erich von Rath Zur Entwicklung de Kupferstichtitels an. Mit dem Versiegen der im Holzschnitt ausgeführten Titelrahmung gehe die Portalarchitektur, stilistisch beeinflusst von italienischer Renaissance-Ornamentik, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an den Kupferstichtitel über. Ebenfalls im Jahrbuch Buch und Schrift hatte Karl Schottenloher im Jahr zuvor die Sonderform des Holzschnitttitels behandelt. In einem kurzen Aufsatz wird Der Holzschnitt-Titel im Buch der Frühdruckzeit, an Beispielen vollständiger xylographischer Titelseiten mit Illustrationen behandelt. Die Fülle der nach Johnson und dem Leipziger Sammelband publizierten Untersuchungen zum illustrierten Titelblatt, in denen zumeist das kunsthistorische Interesse dominiert, kann hier nicht berücksichtigt werden. Eine kurze Übersicht zum illustrierten Titelblatt in Deutschland gibt Horst Kunze 1993.39 Erwähnt sei hier lediglich ein wenige Seiten umfassender Aufsatz von Hans Heinrich Bockwitz Warum 37 Zur Diskussion um den Einleitungsholzschnitt in seiner Bedeutung für das Titelblatt s. die Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 38 Bereits De Vinne: The practise, behandelt den Figurensatz ausführlich bei der Schlussschrift. 39 Kunze: Geschichte der Buchillustration, 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1, S. 142–156; »Den müßigen Streit, wer das Titelblatt ›erfunden‹ […], überlassen wir buchhistorischen Quizfreunden und steuern sogleich die Titeleientwicklung im 16. und 17. Jahrhundert an, nachdem wir uns seiner Herausbildung im 15. Jahrhundert erinnert haben. Die Werbefunktion unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist uns bereits geläufig […]« (S. 142).
9 hat die Inkunabel kein Titelblatt? im Archiv für Kunstgewerbe und Gebrauchsgrafik von 1941, der allerdings keine neuen Erkenntnisse enthält. Seine Ausgangsfrage nach der Entstehung des Titelblatts beantwortet Bockwitz: […] es war eben schwierig, ohne Vorbild zu arbeiten und selbst etwas ganz Neues zu erfinden; denn die typographische Gestaltung eines Titelblattes war damals, wie noch heute, keine leichte Aufgabe. Dennoch schwebte den Frühdruckern deutlich vor, daß ein Buch sozusagen einer Visitenkarte bedürfe, um den Blick des Interessenten auf sich zu ziehen, war doch der tiefere Grund, aus welchem heraus das Titelblatt schließlich zustande kam, der einer Werbung für das Buch.40
1.1.4 Die Titelblattforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: länderspezifische Fokussierung und das Titelblatt volkssprachlicher Drucke Handbücher spiegeln in der Regel den aktuellen Forschungsstand auf einem bestimmten Arbeitsgebiet wider. Ferdinand Geldners Inkunabelkunde aus dem Jahr 1978 enthält ein Kapitel Titel und Titelblätter, das diesen Anspruch allerdings nicht erfüllt.41 Geldners reicher Erfahrungsschatz äußert sich in langwierigen Aufzählungen, so z. B. von Titelblättern auf Bibelausgaben oder zu Titelblättern einzelner Druckregionen. Insgesamt bietet Geldner wenig mehr als eine positivistische Faktensammlung. Leider scheint es auch Geldner zu sein, der die irreführende Bezeichnung »Schmutztitel«42 für den Label-Titel einführt. 1969 erscheint die zweibändige Untersuchung von Francesco Barberi43 Il frontespizio nel libro italiano del Quattocento e del Cinquecento, die das italienische Buchtitelblatt im 15. und 16. Jahrhundert umfassend abhandelt. Damit wird erstmals eine länderspezifische Entwicklungsgeschichte des frühen Buchtitelblatts vorgelegt. Der erste Band enthält Kapitel zum Handschriften-Titelblatt, zum Inkunabel-Titelblatt und zum Titelblatt im Buch des 16. Jahrhunderts in Italien. Er wird ergänzt durch einen Tafelband mit 135 ganzseitigen Abbildungen. Barberi bietet anhand einer Fülle von einzelnen Beobachtungen einen profunden Überblick über die Formen und die Entwicklung des italienischen Titelblatts. Einen Schwerpunkt setzt Barberi auf den Titelschmuck und die Titelillustration. Das besondere Verdienst dieses leider 40 Bockwitz: Warum hat die Inkunabel, S. 300 u. 304. 41 Geldner: Inkunabelkunde, S. 107–112. 42 Geldner, S. 108. 43 1905–1988, Bibliothekar, u. a. 1944–1952 Direktor der Biblioteca Angelica di Roma; Dozent für Bibliothekswissenschaft an der Università di Roma.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
international zu wenig beachteten Standardwerks liegt jedoch für die Titelblattforschung vor allem in der systematischen Analyse der Beziehung von Bucheröffnung und Titelblatt, des typographischen Titelblatts, der Formulierung seiner Bestandteile und ihrer Gestaltung sowie des illustrierten Titelblatts. Barberi geht nicht über eine beschreibende Bestandsaufnahme des Materials hinaus und verzichtet auf Funktionsbestimmungen früher italienischer Titelblätter für die Buchidentifizierung und den Buchhandel, zudem nimmt er keine drucker- oder druckortbezogene Interpretationen vor. Eine buchökonomische oder produzenten- und produktionsorientierte Perspektive fehlt gänzlich. Dennoch stellt Barberi wertvolles Vergleichsmaterial zur Verfügung. – Hingewiesen sei noch auf einen weiteren Aufsatz des Verfassers zur Titeleinfassung im 16. Jahrhundert: Derivazioni di frontespizi (1969). Im Rahmen eines Ausstellungskataloges der Nationalbibliothek Rom erscheint 1989 ein Aufsatz von Paolo Veneziani Il frontespizio come etichetta del prodotto zum italienischen Titelblatt bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, der die Funktion von Druckerund Verlegermarken betont. Im Anschluss an Barberi hat Lorenzo Baldacchini 2004 eine knappe, monographisch erschienene Übersicht Aspettando il frontespizio. Pagine bianche, occhietti e colophon nel libro antico publiziert. Baldacchini behandelt in einzelnen Kapiteln u. a. das Verhältnis von Titel und Incipit, Leerblatt bzw. Leerseite, das illustrierte Titelblatt und die Schlussschrift auf der Grundlage einer statistischen Auswertung des ISTC, ergänzt neuere Sekundärliteratur. Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt auf Italien. Rudolf Hirsch hat sich in zwei jeweils nur wenige Seiten umfassenden Artikeln (beide erschienen 1978) zum Inkunabeltitelblatt geäußert. In Title pages in French incunables, 1486−1500 nennt Hirsch die Zahl von 1500 Titelblättern für die Inkunabelzeit, die neben dem Autor und/oder dem Titel Drucker, Verleger oder Buchhändler auf dem Titelblatt nennen, manchmal auch Erscheinungsdatum und -ort. Rund 70 % davon wurden in Paris, Lyon, Poitiers und Rouen gedruckt. Die statistische Analyse beruht auf der Durchsicht der einschlägigen Inkunabelbibliographien. Hirsch gibt darüber hinaus Übersichten über die größten Titelblattproduzenten in Frankreich (angeführt mit großem Abstand vom Pariser Verleger Jean Petit) sowie Werkausgaben mit Titelblättern in fünf oder mehr Ausgaben. Da bis heute keine weitere statistische Analyse zum französischen Inkunabeltitelblatt vorliegt, muss auf Hirschs Zahlenangeben − trotz wenig zuverlässiger Methodik − zurückgegriffen werden. Der nur wenig später entstandene Vortrag The earliest development of title pages. 1470–1479 (1977)
für den Philobiblon-Club, Philadelphia, wiederholt diese Zahlen, spezifiziert aber den Anteil von Titelblättern für die Inkunabelzeit auf 5−6 % der Gesamtproduktion. Hirsch geht von einer Definition des Titelblatts aus, die herstellungsrelevante Metadaten als notwendig erachtet (»true title page«).44 Die erschienene Literatur zum Inkunabeltitelblatt berücksichtigt er nicht. Hirsch hat das Verdienst, als erster auf die frühen Titelblätter des Nürnberger Autors und Druckers Hans Folz hinzuweisen: »Quite unexpectedly the first person who made full use of title pages was a barber-physician, poet and printer, a native of Worms named Hans Folz«.45 Ein knapper, aber informativer Überblick zur Entwicklung des französischen Inkunabeltitelblatts findet sich im ersten Band der Histoire de l’edition française 1982.46 Alfred Labarre gliedert den zeitlichen Verlauf in die Stufen Leerblatt oder Leerseite, Label-Titel (»libellé«) und dessen Erweiterung mit einem Holzschnitt oder einer Druckermarke sowie dem Impressum. Im Gegensatz zu Hirsch und dessen Beschränkung auf vollständige Titelblätter verweist Labarre darauf, dass die frühesten französischen Titelblätter um 1484/85 in kleinen Provinzdruckereien (u. a. Chambéry, Vienne, Bréhan-Loudéac, Rennes) erschienen sind. Es handelt sich um die schlichten typographischen Titelblätter mit einer knappen Werkkennzeichnung. Die erste Druckermarke auf dem Titelblatt stammt von 1483 (Paris, Guy Marchant), 1488/89 findet man die erste Herkunftsangabe (Paris, Jean Dupré). Im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts werden Impressumsangaben häufiger, die Gewohnheit, diese an den Fuß der Seite zu setzen, etabliert sich um die Mitte des Jahrzehnts. Seit den 1970er Jahren sind mehrere Beiträge zum frühen Buchtitelblatt volkssprachlicher Drucke der Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur erschienen. Den Beginn macht Anneliese Schmitt, langjährige Mitarbeiterin an der Berliner Arbeitsstelle des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke, mit einem 1974 abgeschlossenen, aber erst 1983 erschienenen Aufsatz Zur Entwicklung von Titelblatt und Titel in der Inkunabelzeit. Hinter der weiten Titelformulierung steht eine Untersuchung der in Augsburg gedruckten − von Schmitt als ›Volksbücher‹ bezeichneten − Prosaromane und populärer Gebrauchsliteratur. Nach Schmitt beginnt mit Johann Schönsperger d. Ä. »eine neue Etappe im Gebrauch des Titelblattes für volkstümliche Literatur«.47 Trotz detaillierter Beschreibungen der Titelblattproduktion von Johann Bämler, Anton Sorg und Schönsperger ist diese an einem schmalen 44 Hirsch: The earliest development, S. XVII/5. 45 Hirsch, S. XVII/7. 46 Alfred Labarre: Les incunables: la présentation du livre. In: Histoire, S. 228–255. 47 Schmitt: Zur Entwicklung von Titelblatt, S. 28.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem Corpus gewonnene Verallgemeinerung nicht haltbar. Dem steht die späte Einführung des Titelblatts in Augsburg generell bei einer niedrigeren Titelblattzahl in Druckorten wie z. B. Köln, Straßburg und Nürnberg gegenüber. Zudem hat Augsburg den Sonderfall einer Bucheröffnung durch den Einleitungsholzschnitt aufzuweisen, der die Einführung des typographischen Titelblatts verzögert.48 Hans-Joachim Koppitz behandelt in einer Monographie Studien zur Tradierung der weltlichen mittelhochdeutschen Epik im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert von 1980 auch das Titelblatt der deutschen Frühdrucke, beschränkt sich aber auf die Formulierungen des Werktitels auf dem Titelblatt oder im Incipit und die darin vorkommenden Epitheta: Wenn nur von dem Nutzen der Lektüre die Rede ist, dann ist das Buch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Beginn der 70er Jahre erschienen; wenn außerdem gesagt wird, das Buch sei sehr schön, hübsch und (oder) lieblich zu lesen, dann stammt es offenbar aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre; und wenn daneben noch oder hauptsächlich Kurzweil bei der Lektüre versprochen wird, dann ist es kaum vor den 80er Jahren gedruckt worden.49 Von diesen − allerdings textsortenspezifischen und damit nur eingeschränkt verallgemeinerbaren Beobachtungen − schließt Koppitz auf die Ausbildung des Titelblatts durch die wachsende Konkurrenz auf dem Büchermarkt, die die Anpreisung nötig mache.50 Ähnlich argumentiert Yves G. Vermeulen in zwei Aufsätzen zum niederländischen volkssprachlichen Titelblatt. Das erste Titelblatt ist − nach seinem 1982/83 erschienenen Aufsatz zur Textpräsentation niederländischer Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur − um 1483 bei Jacob Bellaert erschienen. Bereits 1487 werde das Titelblatt mit einem Schlagworttitel Allgemeingut. Um 1500 preisen lange Titelformulierungen das Werk und den Druck an.51 Die werbenden Titelblätter untersucht Vermeulen genauer 1984: Reclame op de vroegste Nederlandstalige titelpagina’s. In der 1986 erschienenen Dissertation des Autors ›Tot profijt en genoegen‹. Motiveeringen voor de produktie van Nederlandstalige gedrukte teksten 1477−1540 werden diese Vorstudien vertieft. Vermeulen analysiert die gesamte niederländische volkssprachliche Druckproduktion nach Erstdrucken (242 Erstdrucke bis Ende 1500; 666 Erstdrucke bis Ende 1540) auf paratextuelle Elemente (»presentatiekennmerken«: u. a. Titelblatt, Prolog, Incipittitel, Epilog und Kolophon). Sein Zugang ist überwiegend statis48 49 50 51
Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band. Koppitz: Studien zur Tradierung, S. 195. Koppitz, S. 192. Vermeulen: Een schoon historie, S. 255.
11 tisch. 525 Ausgaben haben danach ein Titelblatt, 304 einen Prolog und 556 eine Schlussschrift.52 Eine statistische Analyse über die Verwendung von Titelblättern im zeitlichen Verlauf erfolgt nicht, ebenso wenig eine detaillierte inhaltliche Analyse. Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf anpreisenden, d. h. für Buch und Text werbenden Bemerkungen in den genannten Paratexten. Während in handschriftlichen Fassungen leserlenkende Elemente kaum vorkommen, nehmen diese in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, besonders in religiösen Texten zu, die nicht mehr zum Vorlesen, sondern zum Selbststudium dienen: In de vijftiende eeuw, met name in de tweede helft ervan, worden dan steeds meer tractaten, bedoeld om zelf te lezen, voorzien van (voornamelijk religieuze) aanprijzingen. Teksten die niet meer voorgedragen worden, moeten op een andere manier appelleren aan het publiek dan voorheen. Daarom krijgen de teksten steeds meer een soort van titel of opschrift en verschijnen er steeds meer aanprijzingen. De producenten van het gedrukte boek brengen deze ontwikkeling in een stroomversnelling en vestigen voorgoed zowel titel als aanprijzing als vast onderdeel bij de presentatie van het gedrukte boek.53 Vermeulens Publikation hat das Verdienst, bereits zu einem frühen Zeitpunkt systematisch und mit statistischen Methoden den Zusammenhang von werbenden und leserlenkenden Bemerkungen zu untersuchen und auf den Warencharakter des Buchs zu beziehen. Zudem sieht er einen Zusammenhang zwischen anpreisenden Formulierungen und Buchtypen. Er stellt die These auf, dass der mittelalterliche Buchkäufer bereits anhand des Titelblatts und des Prologs feststellen konnte, welche Art von Buch er vor sich hatte: »Dat was althans de bedoeling van de producent bij het uitbrengen van zijn teksten en dat was war de consument verwachtte bij het kopen en lezen.«54 Dies belegt er durch ausführliche Analysen der häufig vorkommenden Wörter in ihrem Verwendungskontext und im Rückgriff auf rhetorische Traditionen der Artes-Literatur, so z. B. »gheneochlijc«, »troostelijc«, »nieu«, »cort« und »waerachtich«. Peter M. H. Cuijpers untersucht in seiner umfangreichen Monographie Teksten als koopwaar: vroege drukkers verkennen de markt. Een kwantitatieve analyse van de productie van de Nederlandstalige boeken (tot circa 1550) en de ›lezershulp‹ in de seculiere prozateksten (1998) u. a. ebenfalls Präsentationsformen und werbende Elemente in der niederländischen volkssprachlichen Druckproduktion. Ein kurzes Kapi52 Vermeulen: Tot profijt, S. 35. 53 Vermeulen, S. 65. 54 Vermeulen, S. 194.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
tel zum Titelblatt resümiert die Ergebnisse anhand einer Stichprobe von knapp sechzig Ausgaben (Abenteuerromane und didaktische Literatur). Danach haben nach 1485 alle Ausgaben dieser Textsorten ein Titelblatt mit einem Titelholzschnitt.55 Beiläufig nennt Cuijpers zwei Gründe für die Entstehung des Titelblatts. Während es sich bei den mittelalterlichen Handschriften oft um Sammelhandschriften handele, die nicht insgesamt auf einem Titel angekündigt werden könnten, bevorzuge der Buchdruck die Vereinzelung von Texten, für die sich ein eigenes Titelblatt lohne. Zudem müssten gedruckte Bücher nach ihrer Herstellung verkauft werden, wobei ein werbendes Titelblatt helfen könne.56 Zusammenfassend kommt Cuijpers, Vermeulen relativierend, zu dem Ergebnis, dass die frühen Druckerverleger, die er meist als Kleinunternehmer sieht, recht wenig getan hätten, um neue, lateinunkundige Leserschichten an sich zu binden. Ausnahmen seien das Titelblatt und die Einführung des Oktavformats nach 1490 für religiöse Literatur.57 Das Titelblatt im niederländischen Inkunabeldruck untersucht Jan Willem Klein 1999. Nach einer Statistik, die auf der Auswertung von Campbells Annales beruht, haben zwischen 1470 und 1485 fast 60 % aller niederländischen Inkunabeln ein Leerblatt, während 38 % mit dem Text auf der ersten Seite beginnen; nur etwa 3 % der Drucke zeigen ein Titelblatt. Um 1483 geht der Gebrauch der leeren Seite rapide zurück und das Titelblatt setzt sich nach 1481 auf Kosten der Leerseite schnell durch.58 Als Begründung für die Entstehung beruft sich Klein auf die spätestens seit Haebler 1925 in Umlauf gebrachte Theorie der Schutzfunktion. Diese These führt Klein in einem 2002 erschienen Aufsatz The Leeu(w) van Gouda: new facts, new possibilities weiter aus. Gegenüber dem Handschriftenhandel mit der Produktion auf Bestellung und der direkten Aushändigung an den Auftraggeber bzw. dem antiquarischen Buchhandel mit gebrauchten, dann bereits gebundenen Büchern, hätten gedruckte Exemplare in ungebundenem Zustand den Transport vor sich. Die Drucker planen nach Klein die Leerseite zum Schutz für den Transport. Allerdings lässt sich einwenden, dass das ›Schmutzblatt‹ nur dann Sinn macht, wenn die Exemplare bereits als fertige Buchblocks verpackt werden. Klein setzt dagegen, dass die Falzung der Bogen und das Zusammentragen in der richtigen Reihenfolge bereits in der Offizin des Druckers erfolgt sei. Weiter geht er auf die Praxis des Büchertransports in Fässern ein. Da nur einmal gefaltete und lose zusammengelegte Bogen oder Lagen diese Transportart − der Inhalt wurde beim Rollen 55 56 57 58
Vgl. Cuijpers: Teksten als koopwaar, S. 214. Cuijpers, S. 214. Cuijpers, S. 246. Klein: Boekgeschiedenis, S. 101, 103.
der Fässer durchgeschüttelt − nicht ohne Schäden und unbeabsichtige Knicke überstanden hätte, seien die Exemplare als Buchblocks in einzelne Päckchen gepackt und diese Päckchen dicht an dicht in das Bücherfass gestapelt worden.59 Da nun die IncipitFormulierung nicht mehr auf den ersten Blick außen zu sehen gewesen sein, werde der Label-Titel auf die Leerseite gedruckt. Es ist hier nicht der Ort, Vermutungen über die frühneuzeitliche Verpackungspraxis anzustellen. Wenn aber Kleins These über die Gründe für die Entstehung des Titelblatts zutrifft, hätte dies ein zeitliches Auseinanderfallen der eigentlich buchbinderischen Arbeit zur Folge. Das Falzen der Bogen in der endgültigen Form und das Zusammentragen zum Buchblock hätte dann eine mit diesen Arbeiten vertraute Person bereits noch in der Druckerwerkstatt ausführen müssen, der vom Käufer beauftragte Buchbinder, sei nur noch für die Einbanddecke und das Einhängen zuständig gewesen sei. Kleins Vermutungen kommen nicht über den Status einer Hypothese hinaus. Völlig außen vor bleibt die Frage, wie dies mit der Praxis des Buchbinderhandwerks und den strengen mittelalterlichen Zunftvorgaben in Einklang zu bringen ist. Bereits Severin Corsten hatte 1965 in einem Aufsatz über Ulrich Zells deutschsprachige Drucke auf dessen Titelblätter der Passiendrucke in Köln hingewiesen, die Holzschnitte mit einer weiblichen Heiligenfigur zeigen. Der Holzstock ist für unterschiedliche Legendendrucke verwendbar, da das passende Attribut der Heiligen jeweils in die ausgesägte untere Ecke des Grundstocks eingesetzt werden kann.60 1996 hat Ursula Rautenberg in Überlieferung und Druck. Heiligenlegenden aus Kölner Offizinen die Titelblätter aller Kölner Passiendrucke vom Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem charakteristischen Heiligenbild untersucht. Nicht nur die Rationalisierung des Illustrationsverfahrens in der beschriebenen Weise ist bei vier Kölner Druckern zu beobachten, sondern ein gezielter Einsatz des standardisierten Titelblatts und der Titelillustration zur Kennzeichnung einer Textsorte bzw. von Werkgruppen; diese Drucke lassen sich über Hinweise in den Texten selbst wie auch über Provenienzanalysen als Literatur für Köln-Pilger verorten. Zudem besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Titelholzschnitt und dem sog. kleinen Andachtsbild.61 Ursula Rautenberg untersucht 1999 in einer auf Methoden der analytischen Druckforschung basierenden Studie Das Werk als Ware die Druckproduktion des Nürnberger Autors und Kleindruckers Hans Folz; bereits Hirsch hatte 1977 passim Folz als frühen Titelblattdrucker erwähnt. Folz ist der erste Dru59 Klein: The Leeu(w) van Gouda, S. 187. 60 Corsten: Ulrich Zell, S. 199–202. 61 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62–76.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem ckerverleger, der regelmäßig ein Titelblatt mit einem Holzschnitt und in nicht wenigen Fällen mit einer Firmierung versieht. Die Druckproduktion dieses Nebenerwerbsdruckers lässt sich anhand der verwendeten Typen in zwei Perioden einteilen. Zwölf Drucke aus der ersten Produktionsphase von 1479−1483 besitzen nicht nur ein Titelblatt, sondern verfügen neben der Titelformulierung über einen Titelholzschnitt. Auffallend ist die Stellung der vollständig ausgebildeten Titelseite in neun Fällen auf der Rückseite des ersten Blatts, wobei die erste Seite leer bleibt (Abb. 32). In der zweiten Phase der Druckproduktion von 1483−1488 rückt die Buchkennzeichnung bei 22 Drucken auf die erste Seite vor, während der Eingangsaufbau variiert: entweder zeigt das Titelblatt einen Schlagworttitel mit Holzschnitt (Abb. 33) oder lediglich einen Label-Titel, während der Holzschnitt als Texteinleitungsholzschnitt auf der Rückseite des ersten Blatts positioniert ist. Diese Frontstellung einer Titelseite geht mit einer Rationalisierung der Lagenplanung in einen Umfang von vier, sechs oder acht Blatt einher. Hans Folz hat fast ausschließlich seine eigenen Werke in einer Nebenerwerbsoffizin gedruckt und diese im lokalen und engeren regionalen Umkreis vertrieben; als Autor, Drucker und Verleger hat er die Bedeutung des Titelblatts für die Buchkennzeichnung und als Blickfang für seine Broschüren erkannt. Er gehört zu den ersten Druckern, die einen Titelholzschnitt auf das Titelblatt bringen, wobei die Stöcke in zwei Serien eigens für den Titel geschaffen worden sind. Mit seinen illustrierten Titelblättern haben die Folz-Broschüren eine Titelgestaltung entwickelt, die noch bis in das 16. Jahrhundert hinein typisch für Kleindrucke geringen Umfangs bleiben wird. Fast alle Folz-Drucke sind nur unikal oder in nur sehr wenigen Exemplaren (zum größten Teil in der Bayerischen Staatsbibliothek München oder der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel) erhalten. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die Bedeutung der FolzTitelblätter in der Titelblattforschung – bis auf die genannte Untersuchung – kaum gewürdigt worden ist, allerdings liegt die detaillierte Beschreibung der Folz-Drucke bereits seit 1981 im GW vor.62 Doch auch die neue monographische Studie zum frühen Titelblatt von Margaret M. Smith berücksichtigt Folz in ihrer Diskussion früher und ›vollständiger‹ Titelblätter nicht.63 Zudem müssen Smiths Ausführungen auch im Hinblick auf die frühesten illustrierten Titelblätter revidiert werden, die sie der Presse des Gerhard Leeu in Antwerpen 1484 zuschreibt.64 Sowohl 62 Erschienen in der ersten Lieferung des neunten Bandes. 63 Smith: The title-page, passim S. 46; sie spricht lediglich von vier Drucken mit dem Titelblatt auf der Rückseite des ersten Blatts. 64 Smith, S. 79f. bzw. S. 83: »The only printer who placed woodcuts on his title-pages with any regularity during the 1480s seems to have been Gerard Leeu […]«.
13 hinsichtlich der Anzahl seiner Titelblätter, den auf ihnen vorkommenden bucherschließenden Metatexten und des Titelschmucks ist die Folz-Produktion bemerkenswert; sie ist auch exemplarisch in der Art, wie Folz mit dem Eingangsaufbau der Broschüre experimentiert, und das ohne Vorbild. Die Fallstudie zum Druckort Nürnberg arbeitet die Rolle der volkstümlichen Nürnberger Kleindrucker − neben Folz vor allem Peter Wagner und Marx Ayrer − für die Titelblattentstehung heraus.65 Zum englischen Titelblatt insgesamt findet sich ein kurzer chronologischer Abriss bei Roland B. McKerrow.66 Er nennt drei Entwicklungsstufen für das frühe Buchtitelblatt: Bezeichnung des Inhalts mit oder ohne Verfassernamen, Übernahme der Funktion des Kolophons und schließlich: »It becomes more definitely an advertisement of the book designed to attract purchasers. Laudatory phrases are added. […] It seems clear that title-pages were actually posted up as advertisements […]«.67 Martha W. Driver behandelt in ihrem Aufsatz Ideas of order. Wynkyn de Worde and the title-page (1997) Titelblätter des Caxton-Nachfolgers. Im Gegensatz zu den titelblattlosen Caxton-Drucken experimentierte Wynkyn de Worde mit der Bucheinleitung, u. a. mit dem Autor-Portrait. Der größere Teil des Aufsatzes beschäftigt sich mit dem Bucheinband bzw. den Werkstätten, in denen die Drucke gebunden worden sind. Driver vertritt die These, dass Wynkyn zwar ein attraktives Titelblatt für die Kundenwerbung geschaffen habe, die Buchkennzeichnung am Anfang und am Ende jedoch eine Hilfe für den Buchbinder gewesen sei: There is also de Worde’s own tendency to label the text to consider, with title pages, images, and printer’s marks at beginning and end, thus setting off each book as a discrete item. In addition to attracting customers with an attractive title page, he is apparently labelling text for the bindery, the sheets to be bound as marked, which shows at the very least his awareness of the proper preparation of books for the binding stage.68
1.1.5 Am Ende des 20. Jahrhunderts: Margaret M. Smith’s »The title-page« Seit Pollards Monographie (1891) und seit dem Leipziger Sammelband Das Titelblatt im Wandel der Zeit (1929) sind keine umfangreicheren Untersuchungen zum frühen Titelblatt mit thematisch umfassendem 65 66 67 68
Vgl. Fallstudie Nürnberg im folgenden Band. McKerrow: An introduction, S. 88–95. McKerrow, S. 90. Driver: Wynkyn de Worde, S. 114.
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Anspruch erschienen. Im Jahr 2000 legt Margaret M. Smith69 die Studie The title-page. Its early development 1460−1510 vor. Smith hatte sich bereits wenige Jahre zuvor mit dem Endtitel oder Schlusstitel, einem separaten Blatt mit einer Formulierung des Sachtitels am Ende des Buchs, auseinandergesetzt. Diese sehr selten erhaltenen Schlusstitel (nach einer Hochrechung etwa 0,5 % der überlieferten Inkunabelproduktion) sieht Smith als eine der Formen, mit denen die Drucker auf dem Weg zur Titelseite experimentierten, diskutiert aber auch den Zusammenhang zwischen dem so genannten integrierten Buchumschlag und der Entwicklung des Titelblatts.70 In ihrer Monographie verbindet Smith einen chronologisch-beschreibenden Zugang mit statistischen Untersuchungen. Ihren Anspruch formuliert sie wie folgt: »A plausible explanation for the initiation and then the growth of the use of title-pages can be pieced together from the writings of various scholars, although no one has set it out as a theory to be thoroughly discussed, let alone proved conclusively.«71 Bogengs wegweisende Bemerkungen werden von ihr nicht berücksichtigt. Die einzelnen Entwicklungsstufen des Titelblatts, die zugleich den argumentativen Fortgang der Studie bestimmen, fasst Smith wie folgt zusammen: Broadly speaking, during the incunable period, the title-page went through several stages of development: beginning with the adoption of manuscript practise, then to a blank, to a label-title on the blank (the birth of the title-page in the printed book), and finally to the full title-page, by means of the gradual inclusion of more information, and the introduction of decoration. By the end of the incunable period, it was more common to find some sort of title-page in a book than not.72 Mit der Zunahme der Metadaten und des Titelschmucks auf der Titelseite »[…] its function grew from mere identification to promotion. In other words, its advertising potential became clear.«73 Bereits Pollard hatte diese Abfolge − mit inzwischen stark revidierten zeitlichen Ansetzungen − in groben Zügen etabliert,74 allerdings ohne auf das Leerblatt oder die Leerseite als Etappe auf dem Weg zum Titelblatt hinzuweisen. Deren entscheidende Rolle für die Entstehung des Titelblatts blieb nach Haeblers frühem Hinweis verschüttet. Von Klein75 1999 in einer statistischen Auswertung für das nie69 Lecturer, Department of Typography & Graphic Communication, University of Reading. 70 Smith: The end-title, S. 95, S. 104–110. 71 Smith: The title-page, S. 16. 72 Smith, S. 15f. 73 Smith, S. 22. 74 Vgl. dazu auch Tabor: [Rezension], S. 321. 75 Klein: Boekgeschiedenis.
derländische Inkunabeltitelblatt am Rande aufgenommen, diskutiert Smith diese These nun ausführlich im dritten Kapitel. Smith untersucht den Bucheingang anhand der ersten Seite nach einem Sample von ca. 4.200 Inkunabeln (Band 3−7 des GW). Folgende Gruppen werden gebildet: 1. der für Handschriften übliche Bucheingang mit Incipit und Text, 2. der mit erster leerer Seite oder Leerblatt, 3. der mit irgendeiner Art von Titel auf der ersten Seite und 4. der mit anderen Textsorten ohne Incipit (z. B. Vorreden, Register etc.). 6,6 % beginnen mit dem Text, 23,3 % mit Incipit und Text, 22,1 % mit einem Leerblatt und 7,3 % mit einer Leerseite. 29,5 % des Samples gehören zur zweiten Gruppe mit dem Leerblatt zu Beginn. Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass in der frühen Periode die erstgenannte Eröffnungsmöglichkeit die häufigste ist, die Zahl der Ausgaben mit Leerseite bzw. Leerblatt 1470/74 diese aber bereits übersteigt. Sie erreichen den Höchststand 1480/84; ihr rascher Rückgang in der Folge korreliert mit dem verstärkten Aufkommen der Titelseite. Smith interpretiert das Verhältnis zwischen Leerseite und LabelTitel (die weitaus überwiegende Form des Titels) nicht als einen Ersetzungs- oder Verdrängungsvorgang, sondern als ein Vorrücken von Informationen auf die weiße Seite.76 Abschließend betont sie noch einmal die Bedeutung von Leerseite und Leerblatt und diskutiert die temporäre Schutzfunktion der Leerseite und des Leerblatts für den folgenden Text,77 wobei ihr diese für das Leerblatt, das (sofern verschmutzt) beim Binden weggeschnitten werden kann, plausibler erscheint als für die Leerseite. Nach statistischen Ermittlungen anhand einer Stichprobe aus dem GW kommt sie zum Ergebnis, dass das Leerblatt dreimal häufiger vorkommt als die Leerseite. Die Schutzfunktion der Leerseite scheint ihr eine mögliche Erklärung zu sein, ohne dass sie sich jedoch darauf festlegt: The importance of the blank lies not at all in its appearance, but in its location in the book, and in the possible reasons behind its use, to protect a valuable product of the new process. If so, it was a practical, physical solution to one of the first outcomes of printing, the fact of multiple copies. […] Boring as the blank may be in aesthetic terms, it has a secure if not entirely unproblematic place in the history of the title-page, and thereby also in the general changes in early book design brought about by the transition from manuscript to print […].78
76 Smith: The title-page, S. 48–56. 77 Smith, S. 52–58, allerdings ohne Berücksichtigung von Haeblers Ausführungen. 78 Smith, S. 58.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem Die folgenden Kapitel untersuchen das Layout des Label-Titels,79 den Zusammenhang von Titelformulierung und Incipit, die Erweiterung durch den Titelholzschnitt und die Informationszunahme auf dem Titelblatt. Merkmale des Label-Titels seien die Beschränkung auf eine im oberen Drittel der Seite positionierte (oft kurze) Inhaltsbezeichnung, häufig ohne Autornennung. Es fehlen produktionsrelevante Hinweise und der Titelschmuck. Der Titelholzschnitt, eine Erweiterung des Label-Titels, wird nach 1490 häufig, bleibt aber wesentlich auf Deutschland und die Niederlande beschränkt, während in Frankreich Drucker- und Verlegerzeichen auf dem Titelblatt eingesetzt werden. Ungefähr gleichzeitig mit dem Aufkommen der illustrierten Titelseite verzeichnet das Titelblatt nach Smith einen Informationszuwachs. Ab 1490 werden Nennungen des Druckers bzw. Verlegers (auch in Form der Drucker- oder Verlegermarke) häufiger, aber auch Titelzusätze, etwa zum Wert und zur Bedeutung des Buchs. Für eine gewisse Vorreiterrolle Frankreichs beruft Smith sich auf die Beobachtungen Hirschs. Die Angabe des Druckdatums scheint demgegenüber seltener zu sein: zwischen 1495 und 1500 sind über 40 % der Inkunabeln (basierend auf dem oben beschriebenen Korpus von Ausgaben) noch ohne diese.80 In den beiden letzten Kapiteln setzt sich Smith mit dem Holzschnitttitel und der Titelbordüre auseinander. Wie Kiessling (1930) diskutiert auch Smith den Titelschmuck unter dem Aspekt der ästhetisch befriedigenden Füllung des weißen Raums der Titelseite. Der Holzschnitttitel bzw. die xylographische Titelseite scheinen in Deutschland und den Niederlanden häufiger zu sein als in Spanien oder Frankreich; in Straßburg, Augsburg, Nürnberg und Speyer sind sie schwerpunktmäßig vertreten.81 Ingesamt aber bleiben die xylographischen Titelseiten ein Experiment, da sie zwar ästhetische Vorteile aufweisen, aber das unter Umständen nur einmal verwendbare Material zu teuer sei. Für den Zierrahmen sieht Smith klarer als Kiessling das Problem, dass einzelne Leisten als relativ kleine und vielseitig verwendbare Formen nicht speziell für das Titelblatt hergestellt sein müssen und traditionell für die ersten Buchseiten typisch sind. Die ersten vierseitigen Zierrahmen auf einem Titelblatt erscheinen nach Smith in den 1490er Jahren bei Manfredus de Bonellis in Venedig und bei Johann Amerbach in Basel; in Venedig finden sich auch die ersten Beispiele für einen Titelrahmen aus einem Druckstock.
79 Smith, S. 59, allerdings, auch hier, ohne Verweis auf die Einführung der Bezeichnung durch Pollard. 80 Smith, S. 97. 81 Smith, S. 112.
15 Die Studie von Margaret M. Smith bestätigt in den Grundzügen Entwicklungsstadien, die bereits früh in der Titelblattforschung, insbesondere von Pollard und Haebler, erkannt worden sind, präzisiert diese jedoch durch statistische Analysen und eine Fülle von Einzelbeobachtungen; ihr gelingt so die Darstellung einer zeitlichen Abfolge der Entwicklungsstadien, die fast allen vorhergehenden Untersuchungen aufgrund der mangelnden Materialfülle fehlt. Zudem diskutiert Smith die verschiedenen Entstehungstheorien erstmals kritisch, insbesondere die Schutzblatttheorie, allerdings ohne hier zu grundlegend neuen Ergebnissen zu kommen. Leider ist eine starke Konzentration auf englischsprachige Forschungsergebnisse zu beobachten; fremdsprachige Literatur wird selten berücksichtigt. Smiths Buch ist in der Kritik weitgehend positiv aufgenommen worden. So schreibt Stephen Tabor 2002 in The Library: Margaret Smith, in her excellent study, is equally curious about the thought processes of the longdeparted, though her discussion avoids the teleological slant of many of her predecessors. It should come as no surprise, and is no discredit to Smith, that she has not been able to uncover much new evidence about the motives that nudged the title-page towards its modern presentation.82 Ähnlich äußert sich Eleanor F. Shevlin 2002 in der Zeitschrift Papers of the Bibliographical Society of America: The Title-Page resists treating familiar ground as terra firma. Notions that the title-page marked an ›advance‹ over manuscripts or that manuscripts lacked title-pages to save on costly parchment are among the commonplaces that Smith dissects and rejects. Frequently the evidence and reasoning are persuasive, but in some cases (particularly less familiar ones), the objection seems to hinge more on semantics than any significant disagreement.83 Kritik wird weiter an den von Smith gewählten Corpora von Titelblättern und den Auswertungsmethoden geübt. Smith beschränke sich auf die erste Seite bzw. das erste Blatt: Smith’s narrow focus on the treatment on the first recto […] also generates some statistics that need care in handling. A printer’s decision on whether to provide a preliminary blank is separate from, though related to, the decision on how to present the book’s title in rhetorical and typographic terms. Both of these matters are worthy of study,
82 Tabor: [Rezension], S. 321. 83 Shevlin: [Rezension], S. 567.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit but to keep the picture clear one needs to be able to trace them as separate phenomena.84
Auf den Nachteil des relativ willkürlich gewählten Samples und die fehlenden Parameter für die drucker-, druckort- und länderspezifische Auswertung weist Johanna Christine Gummlich-Wagner 2001 in der Zeitschrift Aus dem Antiquariat hin: Die didaktisch aufbereitete Form der Materie mit grundsätzlichen Ausführungen zum Aufbau von Handschriften und Inkunabeln erleichtern einerseits den Einstieg ins Thema, andererseits beantwortet Smiths Studie durch die Konzentration auf die Bestände der British Library und die Form des länderübergreifenden Überblicks tiefgreifendere Fragestellungen zu Entwicklung und Motivation der Titelseite noch nicht.85 Nicolas Barker paraphrasiert 2003 in einem in der Zeitschrift The Book Collector anonym erschienenen Artikel The title-page die wichtigsten Ergebnisse, durchmischt mit eigenen Kommentaren. Als wichtiges Desiderat bezeichnet er für die Titelblatt-Forschung allgemein, dass eine Untersuchung des Zusammenhangs von Titelblatt und Kolophon bzw. der Formulierung von Titel und Schlussschrift noch ausstehe.86
1.1.6 Erreichtes und Desiderate Der Überblick über einhundertzehn Jahre internationaler Forschung zum Inkunabel- und Frühdrucktitelblatt zeigt in Grundzügen folgende Forschungsergebnisse: –
Die Entwicklung des frühen Titelblatts verläuft von der Leerseite bzw. dem Leerblatt (ab der Mitte der 1460er Jahre), über den einfachen typographischen Titel (den so genannten Label-Titel, ab ca. 1480), das Titelblatt mit Titelholzschnitt (nach Vorläufern um 1480, verstärkt ab der Mitte der 1480er Jahre), bis hin zur Informationszunahme durch herstellerische Angaben (auch durch ein Drucker- oder Verlegerzeichen) im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts und zur Etablierung des Titelblatts bis ca. 1520. Während für die Niederlande und Deutschland sich eine Vorreiterrolle bei der Einführung des mit einem Holzschnitt illustrierten Titelblatts abzeichnet, nehmen Paris und Oberitalien die führende Position für den habituellen Gebrauch der Firmierung ein. Der Buch-
84 Tabor: [Rezension], S. 322. 85 So die Rezension von Johanna Gummlich-Wagner: The title-page, S. A 620. 86 [Barker, Nicolas:] The title-page, S. 458.
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druck auf den britischen Inseln nimmt insgesamt eine Sonderstellung ein. Die Holzschnittbordüre erscheint ebenfalls um 1490, wobei der Zusammenhang mit dem Buchschmuck des Textbeginns durch Schmuckinitiale und Zierrahmen sowohl in der Handschrift wie im Inkunabeldruck hergestellt wird. Als nicht dauerhafte Sonderformen haben sich der Holzschnitttitel und das Holzschnitttitelblatt erwiesen, ebenso wie der Schlusstitel. Eine Beziehung zwischen der Entstehung des Titelblatts und dem Kolophon wird verneint, hingegen die Rolle des Incipits für die Formulierung des Buchtitels und die Titelblattgestaltung betont. Abgesehen von diesen buchtechnischen, auf empirischem Weg zu erhebenden Fakten, wird die Frage nach den Gründen für Entstehung des Titelblatts nicht befriedigend beantwortet. Die Schutzblatttheorie ist aufgrund der mangelnden Kenntnisse darüber, wie die ausgedruckten Bogen in der Werkstatt gelagert wurden, kritisch zu diskutieren. Dass das Titelblatt als Träger von Metainformationen unter den Bedingungen des Marktes für den Auflagendruck erscheint, zudem das Titelblatt als Werbeträger dienen kann, ist allgemein geläufig.
Trotz der erzielten Ergebnisse, die nicht zuletzt auf einer Fülle von Detailstudien beruhen, sind Desiderate kritisch anzumerken. Eine die fachlichen Disziplinen übergreifende Diskussion wird nicht erkennbar. Hinzu kommt die seit einiger Zeit verstärkt zu beobachtende ›babylonische‹ Sprachverwirrung. Leider ist die Inkunabelforschung nicht mehr bereit, auch fremdsprachige Literatur zu überschauen.87 Dies ist besonders sichtbar am Beispiel des frühen Theorieansatzes von Bogeng, eines Außenseiters und bibliophilen Privatgelehrten, der in der fremdsprachigen Forschung nicht zur Kenntnis genommen wird, aber auch deutschsprachige Publikationen kaum beeinflusst hat. Das Niveau seiner dichten und weit reichenden Überlegungen zur Titelblattentstehung im buchhändlerischen und literatursoziologischen Zusammenhang wird selten erreicht. Zudem mangelt es nicht wenigen Publikationen an einer expliziten Titelblatt-Definition. Hier zeigen sich die methodischen Beschränkungen eines überwiegend historisch-beschreibenden Vorgehens, das die buchwissenschaftliche Forschung insgesamt kennzeichnet. Dieses Versäumnis einer mangelnden Verständigung über den Gegenstand ist von Arnold Rothe generell für die Titelblattforschung angemahnt worden: »Im
87 Vgl. den Klappentext zum Buch von Smith: »This is the first book dealing with the early development of the title-page since A.W. Pollard’s ›Last Words‹ on the subject, published in 1891.«
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem
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übrigen wurde der systematische Aspekt gegenüber dem historischen bisher vernachlässigt.«88 –
1.2 Zwei Erlanger Forschungsprojekte zum frühen Buchtitelblatt Eleanor Shevlin hatte ihre Rezension mit den Worten geschlossen: »Rather than offering any ›last words‹, The Title-Page [sc. von Margaret Smith] instead announces that the conversation has just begun.«89 Die Diskussion setzt ein Forschungsprojekt fort, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft von Januar 2000 bis April 2002 unter dem Arbeitstitel Die Entstehung und Entwicklung des Titelblatts in der Inkunabel- und Frühdruckzeit am Fach Buchwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg gefördert hat. Im Rahmen eines Anschlussprojekts, ebenfalls von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt, wurde von März 2003 bis Mai 2004 die InternetPublikation einer Datenbank zum Titelblatt der Inkunabel- und Frühdruckzeit Das frühe deutsche Buchtitelblatt. Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Basel, Augsburg und Nürnberg erarbeitet, die das Quellenmaterial online kostenfrei allen interessierten Nutzern zur Verfügung stellt.
1.2.1 Die Titelblattdefinition Im Folgenden wird zwischen der Bezeichnung ›Titelblatt‹ bzw. ›Titelseite‹ nicht immer systematisch unterschieden. Im Allgemeinen wird ›Titelblatt‹ unspezifisch verwendet, wenn es um den übergeordneten Begriff geht. ›Titelseite‹ bezeichnet dagegen präzise die einzelne Seite der Titelei. Die Erlanger Forschungsprojekte legen ihrer Definition des Titelblatts folgende Kriterien zugrunde. Bei einem Titelblatt handelt es sich um: –
eine separate Seite oder ein separates Blatt, wobei der Beginn des im Buch enthaltenen Werks auf
88 Rothe: Das Titelblatt als System, S. 27. − Rothe selbst geht von einer sprachlichen, typographischen und ikonischen Ebene aus, von der jede über eine Ausdrucks- und Inhaltsseite verfüge, wobei es bestimmte Regeln für die Verknüpfung dieser Zeichen auf dem Titelbatt gebe (S. 28). Ebenso wie das grundsätzliche Zugeständnis, dass auch die typographischen (gemeint sind die sprachlichen) Anteile des Titelblatts nicht »ästhetisch indifferent« (S. 28) seien, ist der zeichentheoretische Theorieansatz, den Rothe implizit zugrunde legt, viel versprechend. Dieser wird jedoch nicht weiter ausgeführt, lediglich die unterschiedlichen Disziplinen − Philologie, Buchwissenschaft und Kunstgeschichte − den drei Ebenen schematisch zugeordnet werden. Rothes Monographie Der literarische Titel von 1986 führt diesen theoretischen Ansatz nicht weiter. 89 Shevlin: Rezension, S. 568.
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einer von der Titelseite getrennten Seite einsetzt (Separierung) eine Seite am Buchbeginn,90 d. h. die erste Seite des Buchblocks oder die erste bedruckte Seite nach Leerseite(n) bzw. Leerblatt, in der Regel auf einer Recto-Seite, aber auch als Verso-Seite bei vorheriger Leerseite (Positionierung) eine teilweise oder insgesamt typographisch bedruckte Seite (Druckverfahren) eine Seite, die werk- bzw. autorkennzeichnende Angaben zum Inhalt des Buchs enthält; herstellungsrelevante Angaben können, müssen aber nicht vorhanden sein (Metatexte)
Dieser Katalog führt die notwendigen Merkmale auf, die eine Titelseite erfüllen muss. Die Definition bezieht den Buchkörper (Positionierung, Separierung), sprachliche Metatexte sowie Typographie und Textorganisation (Separierung, Druckverfahren) ein. Sie ist einerseits eng genug angelegt, um das Untersuchungscorpus klar zu konturieren, andererseits hinreichend offen für alle vorkommenden Varianten. So können z. B. Bilder oder Titelschmuck auf der Titelseite hinzukommen, diese Beigaben sind aber nicht konstitutiv für das Titelblatt allgemein, sondern nur für das illustrierte Titelblatt. Dies gilt auch für charakteristische Merkmale der Titelblatttypographie wie Auszeichnungen, Figurensatz, Schriftmischung oder Variation der Schriftgröße. Zwar bilden sich Konventionen des Titelsatzes beim frühen Buchtitelblatt in Anlehnung an vorhandene Gestaltungsmuster des Werkbeginns oder des Kolophons heraus, diese sind aber nicht zwingend vorhanden. Die titelblatttypische Flächensyntax, die für das ›moderne‹ Titelblatt maßgeblich ist,91 wurde als notwendiges Kriterium aus90 Die seltenen Schlusstitel sind in dieser Definition nicht enthalten und nicht in die quantitativen Erhebungen eingegangen. 91 Das typographische Regelwerk zur modernen Titelblattgestaltung kann in den einschlägigen Handbüchern zur Buchgestaltung abgerufen werden (z. B. Willberg/Forssman: Lesetypographie, S. 313–337). Es beschreibt die konventionell geregelten Möglichkeiten zur Anordnung und Gestaltung der sprachlichen und zur Einbindung der bildlichen Bestandteile auf dem Titelblatt sowie deren Stellung innerhalb der Titelei. Die wichtigste Unterscheidung ist zunächst die in eine Hauptgruppe und in eine Nebengruppe. Die erste Gruppe (Hauptgruppe) bezeichnet den geistigen Urheber und das Werk bzw. die enthaltenen Werke (Werktitel oder Sachtitel); ihr Informationsgehalt weist damit über die Überlieferungseinheit (das Exemplar als Teil einer Auflage) hinaus auf ein Werk, das in unterschiedlichen Ausgaben zirkulieren kann. Aufgabe der zweiten Gruppe ist hingegen, die konkret vorliegende Ausgabe zu identifizieren. Dies geschieht mindestens über die Nennung des Verlags; das Erscheinungsjahr und der Erscheinungsort können hinzutreten. Die Hauptgruppe steht stets oben, die Nebengruppe (auch: Untergruppe), unten auf der Titelseite. Beide Gruppen sind durch einen leeren Raum voneinander getrennt, aber auch durch das Verlagssignet oder – heute nur noch selten, so z. B. bei bibliophilen Buchprojekten oder illustrierten Büchern – ein Titelbild. Diese makrotypographische Anordnung
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
geschlossen. Da die Inkunabeltitelseite nur selten sprachliche Metatexte des Impressums enthält, wird die Trennung in eine Haupt- und Untergruppe mit der fest etablierten Ober- und Unterordnung auf der Seite nicht zur typographischen Aufgabe. Zudem zeigt sich auch in der Geschichte der Titelblattgestaltung, dass die Untergruppe anders als die Hauptgruppe weniger fest etabliert ist, da impressumsrelevante Merkmale auf der Rückseite des Titelblatts oder am Buchschluss erscheinen können. Ebenso lässt sich das Merkmal ›Weißraum‹ nicht als notwendiges Kriterium aufnehmen, da bereits die illustrierten Titelseiten dieses außer Kraft setzen. Methodisch lässt sich eine Unterscheidung zwischen den oben genannten notwendigen Merkmalen treffen, die stets erfüllt sein müssen, und den nicht obligatorischen Zeichenmittel. Letztere können durchaus ›titelblatttypisch‹ sein, aber sie bilden kein einschließendes Kriterium, sondern sind entscheidend für die historisch realisierten Varianten. Diese Unterscheidung von notwendigen oder obligatorischen und zusätzlichen, alternativen Kriterien ist bisher in der Titelblattforschung nicht in dieser Konsequenz getroffen worden.92 Für die vorliegende Untersuchung hat sie das Projektdesign, die Auswertung und die methodischen Vorüberlegungen bestimmt. Die Systematik der Zeichenmittel des Titelblatts93 bildet sich in den Feldern der Erfassungsmaske ab und bestimmt so über die qualitative Tiefenanalyse die Auswertung und Interpretation.
1.2.2 Die quantitativ-statistische Erfassung: Das Inkunabeltitelblatt in Deutschland, den Niederlanden und Venedig Wie der Forschungsbericht zeigt, basiert die Literatur zum frühen Titelblatt in aller Regel auf wenig repräsentativen Corpora von Titelblättern. Ausnahmen bilden die Auswertungen von Rudolf Hirsch und Jan Willem Klein auf der Grundlage von Quellenbibliographien zum französischen und niederländischen Titelblatt sowie die quantitativ-statistischen Untersuchungen von Margaret M. Smith über ein Sample von 4.200 Beschreibungen des GW (Band 3−7). Für gehört zu den Grundregeln des Titelsatzes und spiegelt den unterschiedlichen Status – oben der geistige Urheber, unten der materielle – der auf dem Titelblatt gespeicherten Informationen wider. 92 Vgl. Smith: The title-page, S. 14f.: »For my purposes, a title-page will be defined as a seperate page containing the title of the book, and not containing any of the text. Furthermore, a titlepage usually occurs at or very near the beginning of the physical book and it relates to the whole book. Apart from the title itself, it ›may or may not‹ [im Original kursiviert] contain further information about the book (e.g. a contents list) its author and its production, as well as decoration.« 93 Vgl. dazu Kap. 3 dieser Studie.
weiter gehende, inhaltsorientierte Fragestellungen zieht sie ein (nicht näher spezifiziertes) Corpus von Inkunabeln heran, das sich im Besitz der British Museum Library befindet. Bereits Gummlich-Wagner hat zu bedenken gegeben, dass Smith mit diesem Verfahren zwar die Darstellung einiger länderübergreifender Grundzüge gelinge, allerdings die unterschiedliche drucker-, druckortspezifische und regionale Entwicklungen sich nicht zuverlässig darstellen ließen. Zudem handelt es sich bei den Inkunabeln der British Museum Library um einen über Jahrhunderte und nicht zuletzt durch Einverleibung von privaten Sammlungen eher zufällig gewachsenen Bestand, mit allen sich daraus ergebenden Überlieferungszufällen, die nicht ohne Auswirkungen auf die Ergebnisse im Einzelnen bleiben.94 Demgegenüber hat das Erlanger Projekt eine Kombination quantitativ-statistischer Analysen mit qualitativen Tiefenuntersuchungen gewählt, die jeweils auf klar definierten Untersuchungsräumen und Zeitabschnitten basieren. Zu Beginn stand auch hier − wie bei Smith − eine Schätzung, wie viele Inkunabeln ein Titelblatt95 besitzen. Für die statistische Ermittlung der Gesamtzahl aller Inkunabeltitelblätter wurden jedoch die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Bände 1 bis 10 (A − Heinricus) des GW ausgewertet. Die Gefahr alphabetischer Zufälle, wie z. B. beim Buchstaben B mit vielen Einträgen für »Biblia« o. ä., konnte durch diese breite Quellenanalyse verringert werden. Die Auswertung der bibliographischen Beschreibungen des GW nach Titelblättern ergab, dass von den insgesamt 12.411 verzeichneten Inkunabeln rund 4.842 Drucke (39 % der Gesamtmenge) ein Titelblatt haben, davon 1.078 (ca. 9 %) im Zeitraum bis Ende 1490. Hochgerechnet auf eine geschätzte Gesamtzahl von 27.000 Inkunabelausgaben96 ergibt dies eine zu erwartende Menge von etwa 11.000 Inkunabeln mit Titelblatt, davon 2.500 Drucke vor 1490. Es schien weder möglich noch sinnvoll, diese ›Titelblattflut‹, die anhand der damals vorliegenden Sekundärliteratur in keiner Weise zu erwarten war, einer breiten, autoptischen Tiefenanalyse zu sichten. Als fruchtbar hatte sich bereits früh in einzelnen Stichproben die Kombination von autoptischer Einzelanalyse, Sichtung der vorhandenen Quellenbibliographien und statistischer Methodik abgezeichnet. 94 Hier sei nur das Beispiel der wichtigen Folz-Drucke erwähnt, von dessen Produktion sich allerdings nur zwei Exemplare in der BL befinden. 95 Zur genauen Titelblatt-Definition, die den Corpora zugrunde gelegt wurde, vgl. S. 17. 96 Nach Dachs/Schmidt: Inkunabelausgaben. − Der ISTC auf CD-ROM enthält 26.550, der ISTC online 27.936 [Stand: 18. September 2007]. Die bibliographischen Angaben in GW und ISTC stimmen in einigen Fällen nicht überein, da die fortschreitende bibliographische Arbeit seit Erscheinen der ersten GWBände zu Umdatierungen, neuen Ausgaben etc. geführt hat.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem Das Erlanger Projekt hat sich daher entschieden, nach inhaltlich und formal vorgegebenen Richtlinien bestimmte Corpora für eine Tiefenanalyse auszuwählen, die bis zum Ende des Jahres 1490 weitgehend nach Autopsie erfolgen sollte. Da nach 1490 die Zahl der Titelblätter stark ansteigt, ist selbst für ausgewählte Corpora eine Behandlung der gesamten Inkunabelzeit nicht möglich. Für die Tiefenanalyse wurden die deutschen Oberzentren des Buchdrucks – Straßburg, Köln, Basel, Augsburg, Nürnberg – ausgewählt, zu denen Mainz (einschließlich Eltville) und Bamberg als die ersten Druckorte überhaupt hinzugenommen wurden. Die zuerst genannten Städte sind die bedeutendsten und produktivsten deutschen Druckorte, hinter denen Mainz und vor allem Bamberg ungeachtet ihrer frühen Drucktätigkeit an Bedeutung zurücktreten. Umfassendere Corpora wurden für die quantitativstatistische Vergleichsanalyse bestimmt. Es handelt sich um alle ermittelten Titelblätter der Inkunabelzeit (bis zum 31. Dezember 1500) für den deutschen Sprachraum (einschließlich der oben genannten Druckorte, die für die qualitative Tiefenanalyse gewählt worden waren), die Niederlande97 und den Druckort Venedig. Als Basis dieser Auswertung wurden die im ISTC98 verzeichneten Drucke gewählt. Zur Ermittlung, ob eine Inkunabel über ein Titelblatt verfügt, wurden das Bildmaterial des ISTC, die gedruckten Bände des GW99 und Hains Repertorium sowie weitere Spezialbibliographien und Bibliothekskataloge herangezogen, u. a. BMC, BSB-Ink und Campbells Annales. Insgesamt handelt es sich 13.767 Datensätze,100 wobei die Prozentzahl der eindeutig geklärten Fälle bei 89,5 % liegt.101 Nach den Kurztitelaufnahmen des ISTC, der umfangreichsten und zudem elektronisch mit den ent97 Das Corpus niederländischer Inkunabeln nach ISTC; zur Abgrenzung vgl. Le cinquième centenaire, S. XIII−XIV. 98 Vgl. dazu die Vorbemerkung S. 3. 99 Es wurden die Bände 1–10 und die ersten beiden Lieferungen des 11. Bandes (bis: Historia, Wigalois) ausgewertet. 100 Für das deutsche Sprachgebiet wurden 8.409 bibliographische Einheiten ausgewertet, für Venedig 3.413, für die Niederlande 1.946, einschließlich der Einblattdrucke. Diese Basis ergab sich aus der Abfrage des ISTC nach dem Kriterium ›place of publication‹ (für Venedig) bzw. ›printing area‹ (für Deutschland und die Niederlande). Die vereinzelt im ISTC verzeichneten Postinkunabeln wurden für unsere Auswertung nicht berücksichtigt. In einigen Fällen mussten zudem Doppelaufnahmen oder Fehler im ISTC auf der Basis der gedruckten Bibliographien korrigiert werden, so dass sich vom ISTC leicht abweichende Zahlen ergeben. 101 Deutschland 93,0 %, Venedig 85,8 %, Niederlande 81,2 %. Bezüglich der bibliographischen Lage ist anzumerken, dass nur GW, BMC und Campbells Annales (nur für die Niederlande) die für das Projekt notwendigen Daten in vollem Umfang liefern. Hains »Repertorium« ließ sich nur begrenzt im Hinblick auf unsere Fragestellung auswerten; die ›kleineren‹ Inkunabelkataloge und Quellenbibliographien konnten in der Regel nur zur Überprüfung von Einzelfällen herangezogen werden.
19 sprechenden Recherchemöglichkeiten vorliegenden Gesamtbibliographie der Inkunabeldrucke, kann nur anhand von beigegebenen Abbildungen (ca. 15 % der Datensätze in der zweiten Auflage) sicher entschieden werden, ob Ausgaben mit Titelblättern versehen sind. Die Ergänzung über die oben genannten Hilfsmittel ist äußerst zeit- und arbeitsaufwändig, so dass eine Gesamtermittlung für alle Inkunabeltitelblätter auch für die vergleichsweise an der Oberfläche verbleibende statistische Analyse ausscheiden musste. Diese Auswahl der Regionen und Druckorte ist folgendermaßen begründet. Mit dem deutschen Sprachraum und den Niederlanden102 wurden die kulturräumlich eng verbundenen und frühen bedeutenden Druckregionen und Handelszentren berücksichtigt. Venedig trat als wirtschaftlich führende und mit innovativen Verlegern besetzte Handelsmetropole hinzu, die mit ihren Fernhandelsbeziehungen weit in den europäischen Raum ausstrahlt. Die Inkunabelproduktion Frankreichs, besonders der Städte Paris und Lyon, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten der Inkunabelzeit zu führenden Buchzentren entwickeln, konnte nicht als eigenes Untersuchungscorpus bearbeitet werden. Die wichtige Rolle Frankreichs für die Gestaltung des Titelblatts, insbesondere die Verwendung von Drucker- und Verlegermarken oder die vollständige Firmierung, deutet sich aus der Spezialliteratur nur schemenhaft an. Die zeitliche Beschränkung auf die Inkunabelperiode ist für die Entwicklungsgeschichte des Titelblatts ebenso sachfern wie für andere Phänomene der frühen Buchgeschichte. Da aber die Quellenbibliographien an dieser Grenze ausgerichtet sind, sind Überschreitungen nur in Einzelfragen möglich gewesen. Um die selbst für die ausgewählten Corpora noch erhebliche Datenmenge zu strukturieren und auszuwerten, war ein Rückgriff auf statistische Methoden notwendig. Als Ziel ist nicht lediglich eine Stichprobenanalyse, sondern eine Vollerfassung angestrebt worden. Gegenüber der Arbeit mit Stichproben oder zufällig zusammengestellten Corpora, die weniger zeitaufwändig ist, hat die Vollerhebung innerhalb des vorgegebenen Rahmens den Vorteil, dass die Ergebnisse allgemeine Gültigkeit beanspruchen können. Zudem können an die erfassten Daten computergestützt unterschiedliche Fragestellungen herangetragen werden. Die statistische Analyse der Daten ermöglicht eine quantitativ orientierte Analyse, z. B. lässt sich die Titelblattproduktion einzelner Drucker über Listen und Tabellen während bestimmter Zeiträume 102 Der ISTC verzeichnet bei einer Abfrage ›printing area‹ für die Niederlande die Drucke ab 1473 (Alost: Johannes de Westfalia und Thierry Martens). Der Bestand der Niederländischen Prototypographie ist im ISTC zwar mit 200 Drucken enthalten, doch werden die bei der Gesamtabfrage ›printing area‹ nicht ausgegeben. Diese fehlen zwar in der Auswertung, sind aber für die Frage nach Titelblättern nicht relevant.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
ermitteln. Von Vorteil ist auch, dass als Referenzgröße das ›Negativmaterial‹ (die Drucke ohne Titelblatt) zur Verfügung steht. Da es sich in der Regel um einfache Analyseverfahren deskriptiver Statistik handelt (Analyse uni- und bivarianter Häufigkeitsverteilungen), wurde die Standardsoftware Excel eingesetzt. Die Vorgehensweise der statistischen Auswertung gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte: Zunächst wurden für die auszuwertenden Städte Tabellen mit ausgewählten Informationen über die Druckproduktion der Inkunabelzeit erstellt. Basis dieser Listen ist der ISTC. Ausgehend von diesen Listen fand zunächst eine bibliographische Überprüfung statt, ob die betreffenden Ausgaben überhaupt ein Titelblatt haben und ob dieses mit einem Holzschnitt bzw. einem xylographischen Titel (Holzschnitttitel) versehen ist. Soweit es anhand der herangezogenen Bibliographien möglich war, wurden weitere Angaben zur Typologie der Titelblätter aufgenommen, die für die autoptische Feinanalyse entwickelt wurde. Die Ergebnisse der quantitativ-statistischen Analyse bilden zwar das Grundgerüst des ersten Teils, diese wurden jedoch stellenweise ergänzt durch Einzelanalysen, so z. B. zum Titelblatt bei Peter Schöffer (Kap. 2.2.4), zum illustrierten Inkunabeltitelblatt in den Niederlanden, insbesondere bei Gerard Leeu (Kap. 4, 5) und zum Gebrauch des Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben (Kap. 7.5). Zudem wurden in den gesamten Argumentationsgang immer wieder Einzelnanalysen von Bucheingängen einbezogen. Die Massenanalyse nach quantitativen Parametern steht daher nicht allein für sich allein: an Schlüsselstellen der Untersuchung ist die Skizze zum farbigen Bild ausgeführt.
1.2.3 Die qualitative Tiefenanalyse: Sieben deutsche Druckorte bis Ende 1490 Die statistische Analyse der Daten ermöglicht eine quantitativ orientierte Analyse (z. B. Häufigkeit von Titelblättern zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten), die auch das ›Negativmaterial‹ (die Drucke ohne Titelblatt) beachtet. Zudem lassen sich regionale Unterschiede bei der Einführung und Verwendung des Titelblatts, seine Ausstattung und sein Verhältnis zu nachfolgenden Buchteilen ermitteln. Für die Tiefenanalyse wurde eine Datenbank aufgebaut, in der die bibliographischen Beschreibungen und das Bildmaterial computergestützt erfasst und verwaltet werden konnten. Für das gewählte Datenbanksystem (HiDA3) bzw. die dafür vorhandene Systematik (Marburger Inventarisations-, Dokumentations- und Administrationssystematik; MIDAS) musste im ersten Schritt ein konsistentes, aber flexibel zu handhabendes Datenmodell entwickelt werden, das die Erfassung von Druckausgaben in Kombination
mit den im Einzelfall autopsierten Drucken ermöglicht.103 Weiter sind einige für die Inkunabelerfassung notwendige Datenfelder (z. B. GW- und ISTCNummern als indexierbare bibliographische Verweise) neu eingerichtet worden. In der vorliegenden Fassung des Datenmodells wurden die Fähigkeiten der HiDADatenbank zur Verwaltung hierarchisch angelegter Dokumente genutzt, indem die (abstrakte) Ausgabe auf der höchsten Hierarchieebene erfasst wird, und die einzelnen Seiten mit Abbildungsmaterial (an dieser Stelle mit Verweis auf das autopsierte und abgebildete Einzelexemplar) auf einer zweiten, hierarchisch untergeordneten Ebene. Diese Hierarchisierung ermöglichte eine sukzessiv verfeinerte Beschreibung der Drucke: zunächst eine knapp gehaltene Erfassung der Druckausgabe, dann – verbunden mit der Einbindung des Bildmaterials – die Beschreibung der einzelnen Seiten und schließlich fakultativ die Beschreibung der einzelnen Seiten und ihrer Bestandteile. Weder die bildlichen noch die sprachlichen Bestandteile des Titelblatts können unabhängig vom Textbeginn und dessen Positionierung im Aufbau des Buchs, sowie von Textende und Buchschluss behandelt werden. Insbesondere ist der Zusammenhang von der Titelformulierung auf dem Titelblatt und dem Textbeginn (Incipit-Formulierung) oder das Verhältnis von Einleitungs- und Titelholzschnitt nur so zu beurteilen. Diese Fragestellungen haben für das Design der Erfassungsmaske eine wichtige Rolle gespielt. Für eine verfeinerte Analyse wurde eine formalisierte und erweiterungsfähige Typologie der frühen Titelblätter erarbeitet. Diese berücksichtigt für die einzelne Titelseite Angaben zum Informationsgehalt (Sachtitel, Autor, Impressum, Holzschnitt, Druckermarke u. ä.) und zum Layout (einfache oder gestufte Typographie, Rotdruck, Verwendung mehrerer Schrifttypen, von Initialen und Lombarden). Über die Beschreibung der Titelseite hinaus werden die Stellung im Lagenverbund (am Anfang der ersten Lage mit dem Werkbeginn, einer vorgeschalteten Lage, als Karton etc.) sowie das Verhältnis der Titelseite zu den nachfolgenden Seiten berücksichtigt. Unterschieden wird zwischen der mit Text bedruckten Rückseite (Textbeginn, Register- oder Registerbeginn, kleinere abgeschlossene Beigaben wie Autor-, Verleger- oder Herausgebervorwort) und der Rückseite mit einer Abbildung (ganzseitiger Holzschnitt, sog. Texteinleitungsholzschnitt, z. T. mit typographischer Bildüber- und -unterschrift). Diese Kategorisierung wird auch angewandt auf Folgeseiten, wenn die Rückseite der Titelseite leer ist. Alle verzeichneten Ausgaben mit Titelblättern der genannten deutschen Druckorte bis zum Ende des Jahres 1490 wurden ermittelt, beschrieben und größtenteils mit Bildmaterial (Titelblätter und Schlüsselseiten, z. B. auf das Titelblatt folgende Register, Textein103 Vgl. Gummlich-Wagner: Das Erlanger Forschungsprojekt.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem gänge und Schlussschriften) versehen. Für die Autopsie wurde auf die Bestände von fünf Bibliotheken zurückgegriffen: SB Bamberg, UB Erlangen, UStB Köln und BSB München, daneben (in Einzelfällen) auf die Inkunabelbestände des GNM Nürnberg und der HAB Wolfenbüttel. Von den für das Projekt relevanten Inkunabeln mit Titelblatt sind (mit regionalen Unterschieden) ca. 70−75 % in diesen Sammlungen vorhanden. Die verbleibenden Drucke verteilen sich unregelmäßig auf kleinere deutsche Bibliotheken oder Bibliotheken im Ausland. Die Titelblattdrucke, die nicht auf autoptischem Wege beschrieben werden konnten, wurden über eine genaue Analyse der einschlägigen Bibliographien dem Corpus hinzugefügt.
21 Am weitesten ins 16. Jahrhundert hinein greift die Studie zum Basler Titelblatt, die die Erasmus-Drucke des bedeutenden Verlegers Johannes Froben behandelt. Damit wird nicht nur das aufwändig in Renaissance-Ornamentik gestaltete Titelblatt einbezogen, sondern die selbstbewusste Position des humanistisch gebildeten Wissenschaftsverlegers als Partner des Autors deutlich, die sich in der Verlegermarke und einer ausformulierten Untergruppe äußert. Eigene Fallstudien zu den frühen Druckorten Bamberg und Mainz wurden nicht erarbeitet. Die die Druckorte betreffenden Daten sind in die allgemeine Statistik eingeflossen.
1.2.5 Die Titelblatt-Datenbank im Internet 1.2.4 Die Fallstudien Ergänzend zur quantitativ-statistischen Vergleichsanalyse für Deutschland, Venedig und die Niederlande sowie der statistischen Tiefenanalyse der sieben deutschen Druckorte sind die Fallstudien zu den fünf genannten Oberzentren des deutschen Sprachraums zu sehen. Die Fallstudien gliedern sich jeweils in einen statistischen Überblick bis Ende 1500, der in allen Fällen gleich strukturiert ist. Dieser berücksichtigt die Gestaltung des Bucheingangs, die Entwicklung des Titelblatts im zeitlichen Verlauf, das Titelblatt in der Produktion einzelner Drucker und die Titelblatt-Typologien. In der Übersicht sind druckortspezifische Tendenzen gut erkennbar, die dann zu einer weiter gehenden inhaltlichen Analyse ausgebaut worden sind. So stellt jede der Fallstudien in einem interpretierenden Teil die charakteristischen Grundzüge für den jeweiligen Druckort heraus, wobei das Produktionsprofil dieser Druckzentren insgesamt berücksichtigt worden ist. Sie greifen dabei nicht selten über die durch die Quellenbibliographien gesetzte Inkunabelgrenze hinaus. Für Köln mit seinem ausgeprägten lateinischen und wissenschaftlichtheologischen Profil wird die Bedeutung der Lehrszene auf dem illustrierten Titelblatt des Buchs für den Schul- und Universitätsunterricht herausgearbeitet, die in den Niederlanden ihren Ursprung hat und auch in fast allen anderen Druckorten aufscheint. Die Studie zu Augsburg legt den Schwerpunkt auf den Einleitungsholzschnitt und die Gestaltung des Eingangs von Liturgica, beides Augsburger Sonderentwicklungen der Bucheröffnung. Am Beispiel von Nürnberg hingegen lässt sich die Entwicklung der Titelseite, ihre sprachliche, bildliche und typographische Gestaltung auf Drucken populärer Unterhaltungs- und Gebrauchsliteratur zeigen. Für Straßburg mit seinem Schwerpunkt auf der Produktion wissenschaftlicher Literatur wird das in der Forschung diskutierte Verhältnis zwischen Produktionsvermerken am Buchschluss und auf dem Titelblatt untersucht.
Die Druckbeschreibungen und das zugehörige Bildmaterial waren zwar die Ausgangsbasis für die Druckpublikation, aber von Beginn an nicht nur als Arbeitsinstrument des Forschungsprojekts gedacht. Geplant war vielmehr, diese für die Forschung allgemein zugänglich zu machen. Dies ist in Form einer InternetPublikation Das frühe deutsche Buchtitelblatt. Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Basel, Augsburg und Nürnberg. Bibliographische Daten und Abbildungen geschehen.104 Die Datenbank enthält 1.039 Datensätze mit bibliographischen Beschreibungen und knapp 3.200 Abbildungen (Titelblätter und Schlüsselseiten). Die bibliographischen Metadaten sind überwiegend autoptisch erarbeitet. Insgesamt wurden für das Projekt 589 Inkunabeln autopsiert, daneben 125 Erasmusdrucke Johann Frobens. Der Ausrichtung des Vorgängerprojekts entsprechend enthält das Corpus Ausgaben mit Titelblättern aus den Druckorten Mainz, Bamberg, Straßburg, Köln, Augsburg, Nürnberg und Basel. Bis zum Ende des Jahres 1490 sind Drucke mit Titelblättern aus den genannten Druckorten nahezu vollständig erfasst worden (818 Datensätze), 96 weitere ausgewählte Datensätze bis Ende 1500 sowie 125 Datensätze zu den Erasmus-Drucken des Basler Verlegers Johannes Froben 1513 bis 1527. Für die Umsetzung der lokal unter HiDA aufgebauten Datenbank in das Internet erwiesen sich die für dieses System angebotenen proprietären Lösungsansätze als unflexibel und mit hohen Entwicklungszeiten verbunden. Aus diesen Gründen wurde der gesamte Datenbestand vom HiDA-eigenen Exportformat in einen XML-codierten Text konvertiert.105 Der Einsatz von XML als universeller Auszeichnungssprache ermöglichte die Integration der Titelblattdatenbank in die von der HAB Wolfenbüttel und der UStB Köln 104 Im Juli 2004 online gestellt unter http://inkunabeln.ub.unikoeln.de/titelblatt/. 105 Die Konvertierung erfolgte mit Hilfe des Tools H2X der Firma Stegmann Systemberatung (http://www.rs-system.de/german/ produkte/h2x/main.htm).
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
aufgebaute ›Verteilte digitale Inkunabelbibliothek‹.106 Zur Verwaltung der XML-Daten und zur Aufbereitung für das Internet wird das in der ›Verteilten digitalen Inkunabelbibliothek‹ verwendete nichtrelationale Datenbanksystem KLEIO eingesetzt.107
1.3 Überlegungen zu einer Theorie des frühen Buchtitelblatts Die Forschung zum frühen Buchtitelblatt hat bisher kaum Überlegungen zu einer Theorie des frühen Buchtitelblatts angestellt. In der älteren Titelblattforschung bildet lediglich der Aufsatz von Bogeng aus dem Jahr 1923 eine Ausnahme: sein Verdienst ist es, das Titelblatt als Teil neuer kommunikativer Aufgaben des ›gedruckten‹ Buchs insgesamt zu sehen. Erst die jüngere Forschung, angeregt durch literarsoziologische und mediengeschichtliche Fragestellungen, verfolgt diesen Ansatz – wie auch diese Studie – weiter. Zudem gehen nahezu alle Untersuchungen von der Vorstellung des modernen Titelblatts aus; vor diesem Hintergrund erscheint das frühe Buchtitelblatt implizit als ›unvollständig‹ oder ›unausgereift‹. Betrachtet man die vielfältigen Erscheinungsformen ›historischer‹ Titelblätter aber nicht als defizitäre Form eines prototypischen Konstrukts, erkennt man, dass diese präzise den Ort des gedruckten Buchs als Überlieferungsträger im Kommunikationssystem eines mit dem Buchdruck entstehenden frühmodernen Buchhandels widerspiegeln. Die frühen Titelblätter als ›Medien‹ leisten nicht mehr als das, was ihre Produzenten ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt an Informationen mitgeben, und das ist das, was Buchdrucker und Verleger als hinreichend für die Kennzeichnung des Buchs und nützlich für den Vertrieb der Ware einschätzen. Es sind also zwei methodische Schritte aufeinander zu beziehen: der erste ist auf das materielle Produkt ›Buch‹ gerichtet, beschreibt Formen von Titelblättern anhand ihrer Zeichenmittel und gewichtet diese quantitativ-statistisch, und ein zweiter, der von diesen Ergebnissen ausgehend die Funktionen und Leistungen von dispositiven Titelblattformen in den geographischen und zeitlichen Kontext des zeitgenössischen Buchhandels stellt. Die folgenden knappen Überlegungen zum frühen Buchtitelblatt gehen vom Begriff des typographischen Dispositivs aus. Der Begriff Dispositiv allgemein (frz.: ›dispositif‹: ›Gliederung, Vorrichtung‹) wird als Teil eines umfassenden Theoriegebäudes von Michel Foucault erstmals 1976 in La volonté du savoir eher beiläufig in die Diskurstheorie eingeführt. In Dispositiven 106 URL: http://inkunabeln.ub.uni-koeln.de/ 107 Für die technische Unterstützung und die Integration der Titelblattdatenbank in die Oberfläche der VdIB sei Prof. Dr. Manfred Thaller, Köln, an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.
werden diskursive wie nicht-diskursive Elemente (Institutionen) zu einem Netz verknüpft. Dispositive schaffen Voraussetzungen für kulturelle Formierungen.108 Nach Gilles Deleuze sind Dispositive »[…] weder Subjekte noch Objekte, sondern Ordnungen, die es für das Sichtbare und für das Aussagbare zu definieren gilt − mit ihren Abweichungen, ihren Transformationen und ihren Mutationen.«109 Ausgehend von der Genese in der Diskurstheorie der 1970er Jahre wird der Begriff ›Dispositiv‹ inzwischen in unterschiedlichen Zusammenhängen und Wissensbereichen verwendet, wobei die ursprüngliche gesellschaftliche Verortung in den Hintergrund tritt. Ganz allgemein strukturiert ein Dispositiv »Raum und Zeit, Wahrnehmungen und Rezeptionskontexte« und dient »als Beschreibungsmodell für das Zusammenspiel von Zeichenebenen«.110 Die Medienwissenschaft nutzt ›Mediendispositive‹ als Erklärungskonzept für die Funktionen und Leistungen der audiovisuellen apparativen Medien wie Kino, Fernsehen und Radio.111 Auf das Zeichensystem ›Buch‹ als Überlieferungsträger gestalteter Texte übertragen, lässt sich das Dispositiv als scripturales oder typographisches Dispositiv verstehen. Für den Akt der Lektüre spricht Roger Chartier 1990 von »scripturalen und formellen Dispositiven«, die mitverantwortlich sind für den »Aufbau des historisch oder gesellschaftlich variablen Sinns«112 im Lektüreprozess. Susanne Wehde führt in ihrer Studie Typographische Kultur Chartiers Ausführungen weiter, indem sie ›typographische Dispositive‹ beschreibt. Typographische Dispositive sind »makrotypographische Kompositionsschemata, die als syntagmatische gestalthafte ›Superzeichen‹ jeweils Textsorten konnotieren«.113 Sie stellen sicher, dass bestimmte Textsorten, z. B. Lyrik oder Drama, im Schriftbild unmittelbar über die typographische Form identifiziert werden. Das Dispositiv ist als formale Strukturvorgabe Teil der Bedeutungskonstruktion, ohne dass die sprachlichen Zeichen gelesen werden müssen. Zu den wichtigen Formationsregeln typographischer Dispositive, die diesen Prozess beeinflussen, gehört die Anordnung von Textelementen auf der Fläche. Wehde spricht von »flächensyntaktische[n] typographische[n] Codes«, die auf der »Basis kulturellen Wissens« entschlüsselt werden.114 Zu den gut eingeführten Dispositiven zählt sie neben dem Dramen- oder Lyriksatz das Titelblatt. Als Metazeichen verwaltet und ordnet es buch- und textkenn108 Vgl. Gerhard/Link/Parr: Diskurs und Diskurstheorie, S. 115− 117, und Neumeyer: Dispositiv, S. 117f. 109 Deleuze: Was ist ein Dispositiv, S. 154. 110 Lommel: Dispositiv, S. 66. 111 Hickethier: Einführung in die Medienwissenschaft, S. 186– 201. 112 Chartier: Lesewelten, S. 50. 113 Wehde: Typographische Kultur, S. 119. 114 Wehde, S. 170, S. 168.
1 Das frühe Buchtitelblatt als Forschungsproblem zeichnende Metatexte an exponierter Stelle im Buchaufbau. Das Metazeichen Titelblatt selbst, seine impliziten Ordnungsstrukturen und seine Zeichenmittel, seien diese (natürlich-)sprachlicher oder nichtsprachlicher Art, können zum Gegenstand zeichentheoretischer Analyse gemacht werden. Mit der Übertragung des Dispositivbegriffs auf Buch und Schrift durch Chartier und Wehde ist eine begriffliche Zuspitzung verbunden. Chartier betont wie Foucault eine die Wahrnehmung strukturierende Macht des Dispositivs, die im Lektüreprozess sinnkonstitutiv ist, während Wehde den Blick konkret auf die Beschreibung konventionell etablierter typographischer Strukturen legt, deren einzelne Elemente zum Dispositiv zusammengefügt werden. Aus der Sicht normierender Institutionen ist sogar die Festschreibung weniger dispositiver Muster von Titelblättern in ISObzw. DIN-Normen möglich.115 Die Durchsetzungskraft derartig starrer Normierungsversuche bleiben in der Realität allerdings vielfach und zu Recht auf der Strecke: hier reicht ein Blick in eine beliebige Auswahl von Büchern unterschiedlicher Verlage. Verlängert man die Überlegungen zum typographischen Dispositiv Titelblatt in die historische Perspektive, zeigen Epochen der Titelblattgeschichte variierende und unterschiedlich stark standardisierte dispositive Titelblattformen, die jeweils zur Verfügung stehen. Allen gemeinsam ist ein Minimalkatalog der notwendigen Zeichenmittel, die ein Titelblatt ausmachen; diese definieren das Titelblatt als Dispositiv. Der Dispositivbegriff impliziert darüber hinaus eine gewisse Reichweite der eingeführten Varianten, denn nur ihre habituelle typographische Praxis garantiert, dass das Dispositiv die Wahrnehmung leitet und ordnet. Dies hat nicht unwesentliche Auswirkungen auf die Erforschung des Titelblatts. Denn über die Interpretation einzelner Beispiele historisch realisierter Titelblätter lassen sich nur punktuelle Ergebnisse erzielen. Allgemeingültige Aussagen setzten eine Analyse vieler Titelblätter voraus, die strukturierten Corpora angehören und auch auf vor dem Hintergrund des Negativmaterials getroffen werden sollten. Denn eine Aussage darüber, ob eine dispositive Form in einer bestimmten Region oder für einem Zeitraum ›typisch‹ ist, lässt sich erst dann treffen, wenn bekannt ist, welchen Anteil sie unter den Varianten des Bucheingangs insgesamt einnimmt. Die Interpretation einzelner herausragender, ›beispielhafter‹ (›erster‹, ›besonderer‹, ›berühmter‹ oder ›abweichender‹ etc.) Titelblätter oder zufällig zusammengestellter Corpora birgt die Gefahr der Überinterpretation, ohne dass ein zuverlässiges Gesamtbild entsteht. Eine Analyse des frühen Buchtitelblatts setzt daher ein methodisches 115 Festgeschrieben als ISO 1086: »Title leaves of books« (1991); diese ersetzt die alte DIN 1429: »Titelblätter und Einbandbeschriftungen von Büchern« (1975).
23 Vorgehen voraus, das es erlaubt, unterschiedliche Gestaltungen von Titelblättern entweder als mehrheitlich geübte, etablierte typographische Praxis zu klassifizieren oder sie als Rand- und Übergangsphänomene in ihrer Bedeutung zurückzustufen. Gerade die Mengenanalyse strukturierter Corpora über den zeitlichen Verlauf verdeutlicht auch den prozesshaften Charakter der Entstehung dispositiver Formen. Der bibliometrische Zugang über eine Massenanalyse umfassender und methodisch reflektiert zusammengestellter Samples ist freilich erst mit digital greifbaren Quellenbibliographien und mit Hilfe elektronisch gestützter statistischer Auswertungen zeitund arbeitsökonomisch vertretbar anzugehen, dies auch um den Preis, dass sich die Datenbasis durch die ständige Möglichkeit zur Aktualisierung im Fluss befindet. Zwar kann man auf einer Wanderdüne stehen und gehen, aber man kann sich über den genauen Standort nicht immer gewiss sein. Dies ist ein Nachteil, wenn man nur den exakten Stellen nach dem Komma geneigt ist zu vertrauen. Im interpretatorischen Gesamtkontext, der, auch jenseits von solcher Genauigkeit, signifikant belegte Ergebnisse und Entwicklungen in den größeren Rahmen stellt, ist eine solche Unschärfe nach Meinung der Autoren dieser Studie zu verschmerzen. Das Erlanger Forschungsprojekt hat die quantitativ-statistische Massenanalyse und die qualitative Tiefenanalyse als erste methodische Schritte gewählt. In der Bibliometrie ist dieses Verfahren gängig, insofern betritt das Projekt hier kein Neuland. Auch hat die Titelblattforschung bereits vereinzelt diesen Weg beschritten. Neu am Erlanger Projekt ist die breite Basis der Analyse über strukturierte Corpora und das im Projektdesign festgelegte, in die Tiefe gehende und feine analytische Instrumentarium, das einzelne Zeichenmittel wie auch das Verhältnis von Titelseite und Bucheingang erfasst. Die Ergebnisse dieser quantitativen und qualitativen Mengenanalysen sprechen für sich, können aber ohne einen übergeordneten interpretatorischen Rahmen nicht bestehen. Diesen bietet einmal das Konzept des Titelblatts als typographisches Dispositiv. Dies schließt den konventionell-hermeneutischen Zugriff auf Geschichte des Buchhandels als Interpretationsrahmen nicht aus. Denn die Kenntnis der buchhändlerischen Organisationsformen ist nötig, um die Funktion nicht ›des‹ Titelblatts, aber seiner dispositiven historischen Formen auf dem frühneuzeitlichen Buchmarkt zu würdigen. Ziel der Erlanger Studien war es nie, eine chronologisch fortschreitende, schlüssige ›Geschichte‹ des frühen Buchtitelblatts zu schreiben. Schon die Einschränkung auf die im Titel genannten geographischen Gebiete verbietet dies. Im Vordergrund steht vielmehr eine Bestandsaufnahme dispositiver Formen des frühen Buchtitelblatts, ihrer Zeichenmittel, ihrer geographischen und zeitlichen Gleichzeitigkeit
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und Ungleichzeitigkeit. Eine monographisch runde Darstellung konnte so nicht entstehen, vorgelegt werden größere und kleinere Bausteine und Mauerstücke, die hoffentlich eine Vorstellung vom Gesamtgebäude vermitteln. Gegenüber dem ›Geschichte erzählenden‹ Verfahren kann diese eher sperrige Darbietung der Projektfunde auf der Habenseite für sich verbuchen, dass die einzelnen Bausteine handwerklich solide erstellt und nicht nach luftigen Konstruktionsplänen zu größeren Gebäuden zusammengefügt wurden. So sprechen die Fallstudien für sich, wie auch der erste, zum Überblick ausgreifende Teil.
2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig: Quantitative Analyse und prädispositive Titelblätter Die beiden folgenden Hauptkapitel (2 und 3) stellen die wichtigsten Ergebnisse der quantitativen Erhebungen in den drei Vergleichsräumen für die Inkunabelzeit zusammen. Kapitel 2 zeichnet die Entstehung und Entwicklung der Druckproduktion mit Titelblättern im zeitlichen Verlauf nach der in Kapitel 1.2.1 aufgestellten Titelblattdefinition nach. Eine Detailanalyse der so ermittelten frühesten Titelblätter bis zum Jahr 1480 zeigt deren weitgehend prädispositiven Status. Der Exkurs zur Offizin Schöffer zeigt am Beispiel die Praxis der Titelblattverwendung. Kapitel 3 beginnt mit einer Systematik der Zeichenmittel des Titelblatts. Ebenfalls mit den Mitteln der quantitativen Vergleichsanalyse werden das Verhältnis von Leerseiten und Titelblatt, die Position des Titelblatts im Buchaufbau (die makrotypographischen Zeichenmittel), die Flächengliederung (die mesotypographischen Zeichenmittel) und Titelsatz (die mikro-typographischen Zeichenmittel) des Inkunabeltitelblatts analysiert. Die sprachlichen Zeichenmittel der Werk- und Buchkennzeichnung beschließen das Kapitel. 2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig
2.1 Quantitative Vergleichsanalyse Der folgende Überblick beruht auf der quantitativen Vergleichsanalyse.116 Die beiden ersten Diagramme 116 Basis der Auswertungen waren aus dem ISTC (CD-ROM) erzeugte Listen aller ›echten‹ Inkunabeln (Option ›pre-1501‹). Für die Abfrage im ISTC wurde als Option ›preferred attributions search‹ gewählt, um so doppelte Einträge aufgrund von alternativen Drucker- bzw. Druckort-Zuweisungen zu vermeiden. Für Deutschland und die Niederlande wurde jeweils die entsprechende ›printing area‹ gewählt, für Venedig nur der Druckort abgefragt. Durch die in den Fallstudien vorgenommenen Detailuntersuchungen konnten die Listen noch durch einige nicht im ISTC verzeichnete Drucke ergänzt werden. Insgesamt ergaben sich damit folgen-
(Abb. 1 u. 2) zeigen das Aufkommen und die quantitative Verbreitung von Drucken mit Titelblättern in Deutschland, den Niederlanden und Venedig von deren erstem Erscheinen vor 1476 bis zum Ende der Inkunabelzeit nach Jahresschritten und in Bezug auf die Anzahl der Drucke bzw. den Anteil an der Gesamtproduktion. Bis Ende 1480 erscheinen danach 15 Drucke mit Titelblättern in Deutschland, darunter die ersten überhaupt, in Venedig vier und in den Niederlanden zwei. Erst im Jahr 1483 lässt sich ein deutlicher Anstieg der Titelblattproduktion in Deutschland − wenn auch bei nach wie vor geringen absoluten Zahlen − beobachten, der sich in den folgenden anderthalb Jahrzehnten kontinuierlich fortsetzt. Für das Jahr 1500 sind 381 Ausgaben mit Titelblättern nachweisbar. Für den Druckort Venedig ist eine gegenüber Deutschland zeitlich verzögerte Entwicklung zu beobachten. Die ersten Titelblätter erscheinen 1487, im Jahr 1490 sind es bereits 39 und 1500 142. Gegenüber dem deutschen Sprachraum setzt der kontinuierliche Anstieg von Titelblättern auch in den Niederlanden etwas verzögert ein, jedoch früher als in Venedig. Der sprunghafte Anstieg vollzieht sich um 1486 mit einer Verdoppelung der absoluten Zahlen von 14 im Jahr 1485 auf 28 Titelblätter 1486. Anders als in den beiden Vergleichsräumen verläuft die Entwicklung in den Niederlanden allerdings nach absoluten Zahlen nicht in einem kontinuierlichen Anstieg, sondern mit Rückschlägen. So erreicht die Titelblattproduktion mit 72 Drucken 1496 ihren Höchststand und fällt dann deutlich ab: 1499 erscheinen nur 42 Drucke, 1500 nur 39 Drucke mit Titelblättern.
de absolute Werte für die Datengrundlage: Deutschland 8.830 Drucke, Niederlande 1.946 Drucke (drei der 1 949 im ISTC verzeichneten Inkunabeln wurden als Postinkunabeln ausgeschieden), Venedig 3.413 Drucke (fünf Postinkunabeln bei 3.418 im ISTC verzeichneten ›echten‹ Inkunabeln). Für diese Drucke konnten in Bezug auf die Frage, ob ein Druck über ein Titelblatt verfügt, mit bibliographischen Mitteln folgende Klärungsraten erreicht werden: 92,9 % (Deutschland), 81,2 % (Niederlande), 85,5 % (Venedig). Für die Frage nach dem Titelblatt unerheblich und daher in allen folgenden Statistiken nicht einberechnet sind die Einblattdrucke (1.187 in Deutschland, 89 in den Niederlanden, 24 in Venedig). Ein methodisches Problem entstand aus den zahlreichen erschlossenen Datierungen in der Inkunabelzeit. Sie wurden jeweils im erschlossenen Jahr angesetzt, bei von-bis-Datierungen wurde als ›Notlösung‹ die Mitte des angegebenen Zeitraums angesetzt. Eine Datierung wie z. B. [1487–1493] erscheint in der Statistik also im Jahr 1490. Leichte Verzerrungen in der Statistik sind daher im Einzelfall nicht auszuschließen, ihnen wurde durch die in der Regel vorgenommene Gruppierung in Jahrfünfte entgegen gewirkt.
2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig
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450 400 350 300 250 200 150 100 50
Deutschland
Niederlande
1500
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1498
1497
1496
1495
1494
1493
1492
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1483
1482
1481
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1479
1478
1477
1476
vor 1476
0
Venedig
Abb. 1: Titelblätter in Deutschland, Venedig und den Niederlanden bis 1500 im Vergleich (Anzahl der Drucke)
100,0% 90,0% 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0%
Deutschland
Niederlande
Venedig
Abb. 2: Titelblätter in Deutschland, Venedig und den Niederlanden bis 1500 im Vergleich (Anteil an der Gesamtproduktion)
1500
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1498
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Wie aber die Auswertung der letzten Inkunabeljahre für die niederländische Entwicklung zeigt, kann der Vergleich nach absoluten Zahlen irreführen. Hier ist der Vergleich nach dem Anteil an der Jahresproduktion heranzuziehen. Die niederländischen Drucker überholen im Jahr 1488 erstmals die deutschen Drucker, wobei ein niederländischer Titelblattanteil von 72,2 % einem geringeren deutschen von 66,7 % gegenüber steht. Zwar übersteigen in den Folgejahren die deutschen Prozentanteile meist die niederländischen, dennoch ist dies nicht durchgängig der Fall, wie die Jahre 1491, 1497 und 1500 zeigen. Im Jahr 1500 haben 92,9 % der niederländischen Drucke ein Titelblatt, Deutschland liegt mit 89,6 % leicht darunter. Die Stagnation bzw. der Rückfall niederländischer Titelblattdrucke nach den absoluten Zahlen lässt sich also mit einem allgemeinen Produktionsrückgang erklären. Auch für die venezianischen Drucker sind die Werte nach den Anteilen an der Jahresproduktion aufschlussreicher als die nach den absoluten Titelblattzahlen. Der Anstieg verläuft um mindestens fünf Jahre verzögert gegenüber den Vergleichsräumen, pendelt sich ab 1492 auf relativ hohem Niveau zwischen 70 und 90 % ein, übersteigt aber bis zum Ende der Inkunabelzeit nicht die 90-Prozent-Marke; diese erreicht Deutschland erstmals 1494, die Niederlande 1496. Obwohl die absoluten Zahlen für den Druckort Venedig einen kontinuierlichen Anstieg der Titelblätter signalisieren, zeigt das Jahr 1500 nach den Anteilen an der Jahresproduktion eine leicht rückläufige Tendenz mit nur 75,5 %. Offenbar hat sich der regelmäßige Gebrauch des Titelblatts in Venedig in der typographischen Praxis nicht so weitgehend durchsetzen können, wie in den beiden Vergleichsräumen nördlich der Alpen. Folgendes Ergebnis lässt sich aufgrund der Datenerhebungen für die drei genannten Erhebungsräume und -zeiten insgesamt festhalten: in den ersten drei Jahrzehnten nach der Erfindung des Druckens mit beweglichen und vielfachen Lettern sind Titelblätter überall Zufallsprodukte. Dies bestätigt auch die Einzelanalyse dieser Titelblätter im folgenden Kapitel, die eine ungeregelte Vielfalt prädispositiver Formen aufscheinen lässt. Erst in den fünf Jahren zwischen 1481 und 1485 ist ein signifikanter Anstieg in Deutschland und den Niederlanden bis auf 42,6 bzw. 34,1 % (Anteil an der Gesamtproduktion) zu beobachten. Der Gebrauch eines Titelblatts wird zur regelmäßig geübten, nicht mehr ungewöhnlichen typographischen Praxis. Ab 1486 (59,1 % Anteil an der Jahresproduktion) werden dann in Deutschland mehr Drucke mit Titelblättern ausgestattet als ohne. Nahezu zeitgleich ist diese Tendenz auch für die Niederlande zu beobachten, wo ein Jahr später, 1487, die Zahl der Ausgaben mit Titelblatt die derjenigen ohne übersteigt (59,3 %). Für Venedig gilt dies mit
der bereits beschriebenen Verzögerung und Reduktion etwas abgeschwächt; erst das Jahr 1492 bringt die Wende mit 70,4 %. Das letzte Inkunabeljahrzehnt zeigt allgemein das Titelblatt als Ausstattungsmerkmal des gedruckten Buchs, das sich auf breiter Basis durchgesetzt hat: Titelblattlose Ausgaben sind nun die Ausnahme.117
2.2 Prädispositive Formen: Titelblätter bis 1480 Wie die Gesamtstatistik für Deutschland, die Niederlande und Venedig (Abb. 1 u. 2) zeigt, ist die Zahl der Titelblätter bis 1480 mit 0,9 % (Deutschland), 0,8 % (Niederlande) bzw. 0,7 % (Venedig)118 äußerst gering. Das folgende Kapitel bespricht alle bekannten Titelblätter unseres geographischen Erhebungsraumes (Deutschland, Niederlande und Venedig), die nach der Projektdefinition zu den Titelblättern gerechnet wurden, bis einschließlich 1480. Auch die von Haebler, Geldner, Hirsch und Barberi angeführten frühesten Beispiele werden berücksichtigt.119 Die Klassifizierung als ›prädispositives‹ Titelblatt meint hier, dass es sich um Vorläufer-Phänomene für eine noch nicht eingeführte Praxis handelt und weiter, dass sich keine geregelten Gestaltungskonventionen für diese isoliert erscheinenden Frühformen beobachten lassen. Die frühesten Titelblätter stiften keine Kontinuität. Auf die beiden ersten Titelblätter überhaupt, die Mainzer Türkenbullen von 1463, folgt bis 1479 kein weiteres. In Venedig hält die Überlieferungslücke nach den Titelblättern auf den Regiomontanus-Kalendern acht Jahre an, in den Niederlanden findet auch der sonst so innovative Druckerverleger Gerard Leeu nach einem singulär bleibenden Titelblatt von 1477 erst nach 1484 zu einer geregelten Titelblattpraxis. 117 Zu anderen Ergebnissen kommt Smith: The title-page, S. 59, aufgrund des von ihr analysierten Samples: »[…] one quarter of editions in the final few years of the fifteenth century still had no title-page of any kind.« Es ist anzunehmen, dass sich diese Abweichungen durch die unterschiedliche Corpuswahl und den Verhältnissen in den von uns nicht analysierten Druckregionen ergeben. Bei einer nicht nach Druckregionen differenzierten Sample-Analyse sollten im Idealfall alle Druckregionen repräsentiert sein. Wie der hier durchgeführte Vergleich zwischen Deutschland, den Niederlanden und Venedig können Smiths Werte als Indiz dafür gelten, dass gerade die deutschen und niederländischen Drucker ihre Drucke häufiger mit Titelblättern versahen als beispielsweise die italienischen Drucker. 118 Werte jeweils bezogen auf die Gesamtzahl der geklärten Fälle bis einschließlich 1480. 119 Vgl. Pollard: Last words, S. 14f.; Haebler: Inkunabelkunde, S. 122f.; Geldner: Inkunabelkunde, S. 107; Hirsch: The earliest development; Barberi: Il frontespicio; die Beispiele hier über einzelne Kapitel verstreut. − Smith: The title-page, S. 38−46, behandelt ausführlich drei sehr bekannte frühe Titelblätter; die kurzen Hinweise auf S. 46 beziehen sich auf in der älteren Literatur bereits genannten Beispiele.
2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig
2.2.1 Die frühesten Titelblätter in Deutschland: Mainz, Köln und Nürnberg Die ersten Titelblätter erscheinen in Mainz auf den beiden Türkenbullen, Druckwerken im Umfang von kleineren Broschüren.120 Die lateinische und deutsche Ausgabe der Bulla cruciata contra Turcos (nach dem 22. Oktober 1463)121 von Fust und Schöffer in Mainz markieren den Beginn der Drucktätigkeit der Offizin im Auftrag weltlicher und geistlicher Obrigkeiten. Der Aufruf Pius’ II. zum Kampf gegen die Türken umfasst in der lateinischen Ausgabe sechs Blätter, die Titelblattrückseite und die letzte Seite sind leer. Die deutsche Ausgabe hat acht Blätter, ebenfalls mit leerer Titelblattrückseite und leerer letzter Seite.122 Die fünf erhaltenen lateinischen Exemplare sind entweder mit typographischer, xylographischer oder handschriftlicher Titelformulierung versehen, die (drei) deutschen alle mit typographischem Text. Velke vermutet, dass man mit dem Titelblatt der lateinischen Ausgabe noch experimentierte und erst für die deutsche endgültig zum Typendruck übergegangen sei: »Offenbar sind erst Versuche angestellt worden, bis man zum Typendruck endgültig überging, der dann auch für die deutsche Ausgabe verwendet wurde.«123 Die Bulle ist in beiden Ausgaben in der DurandusType ohne weitere Auszeichnung im Fließtext abgesetzt worden, für die Titelformulierung hingegen wurde die auffällige Psaltertype gewählt: Vier (deutsche Ausgabe) bzw. zwei (lateinische Ausgabe) Zeilen über die gesamte Kolumnenbreite setzen am oberen Satzspiegelrand ein. In den Mainzer Bullen lautet die Titelformulierung in der lateinischen Fassung: »Bulla cruciata sanctissimi domini nostri Pape contra turchos.« und in der deutschen Fassung: »Dis ist die bul zu dutsch die vnser allerheiligster vatter der babst Pius heruß gesant hait widder die snoden vngleubigen turcken.«124 Diese frühesten Titelseiten sind in den Gebrauchskontext der amtlichen Ausschreibungen einzuordnen, die öffentlich bekannt gemacht wurden. Dazu sollen noch weitere Beispiele herangezogen werden. Die Kreuzzugsbulle Calixtus III., gedruckt in Mainz 1456 mit den Typen der 36-zeiligen Bibel, hat eine ähnliche Einleitung wie die Mainzer Türkenbullen, aller120 Vgl. auch Velke: Bücheranzeigen, S. 227: »Sie [sc. die lateinische Bulle] ist der erste Druck mit einem besonderen Titelblatte.« 121 Früher sind nur die ersten erhaltenen gedruckten Kundgebungen, ebenfalls bei Fust und Schöffer, aus dem Jahr 1462; vgl. Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung, S. 139. 122 ISTC ip00655750 (H 261) und ip00655800 (H 263). 123 Velke: Bücheranzeigen, S. 227 u. Tafel IX. – Die lateinische Bulle ist in der Bücheranzeige Schöffers aus dem Jahr 1470 aufgelistet. 124 Zitiert nach Velke, ebd.
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dings nicht separat auf einer Titelseite, sondern unmittelbar vor dem Textbeginn: »Dis ist die bulla vnd der ablas zu dutsche die vns vnßer aller heilgister vatet [!] vnd herre babst calistus gesant vnd geben hat widder die bosen vnd virfluchten tyrannen die turcken Anno Mcccc lvj et cetra.«125 Ein Aufruf zum Kampf gegen die Türken, 1474 in Augsburg bei Johann Bämler gedruckt, ist wie die Mainzer lateinische Türkenbulle mit Titelvarianten überliefert.126 Neben Exemplaren mit einer leeren ersten Seite sind Drucke mit aufgeklebtem roten Titel in gleich lautenden Formulierungen, aber unterschiedlichem Satz überliefert. Sollten diese Exemplare zeitnah zum Druck mit dem Titelaufkleber versehen worden sein, handelt es sich um das erste in Augsburg hergestellte Titelblatt. Die ausführliche Formulierung der Ausschreibung richtet sich unmittelbar an den Leser oder Hörer mit der Aufforderung, den Beschluss Friedrichs III. und der Reichsstände vom Reichstag im Juni 1474 zu beachten: »Vermerckt den gemeinen Anschlag So vnser allergenedigister herr der Römisch keyser […] Zuo Augspurg. wider die. Türken geordnet vnd geseczt hat […]«.127 Besonders die ausführlichen deutschen Formulierungen in Satzform aller hier genannten Kreuzzugsaufrufe erinnern an die Einleitungsfloskeln mündlicher Ausrufe und öffentlicher Verlesungen von handschriftlichen und gedruckten Verlautbarungen. Es liegt also nahe, dass die Drucker, der appellativen Funktion entsprechend, diesen Aufmerksamkeit heischenden Rufen der öffentlichen Kundgebung eine auch typographisch hervorgehobene Position auf dem Titelblatt einräumen. Bereits Lehmann-Haupt hat in seiner SchöfferMonographie hervorgehoben, dass dieser als erster ein »richtiges Titelblatt […] nicht für eines seiner normalen Buchprojekte, sondern für eine seiner ›politischen‹ Flugschriften« verwende, verzichtet jedoch auf eine weitere Erklärung.128 Die Überlieferung ähnlicher Aufrufe zeigt jedoch, dass diese beiden ersten bekannten Titelblätter im Kontext der kommunikativen Funktion derartiger Bekanntmachungen im öffentlichen Raum zu sehen129 sind: Unter den Bedingungen des Buchdrucks und einer zunehmend geschärften gestalterischen Wahrnehmungsweise des Überlieferungsmediums Druck entstehen die ersten Titelblätter. Auch die plakative Typographie, die den 125 ISTC ic00060100; GW 5916. 126 ISTC ia00758000, GW 2029; vgl. dazu die Fallstudie Augsburg im nächsten Band. 127 Zitiert nach GW 2029, Variante 1. 128 Lehmann-Haupt: Peter Schöffer, S. 45; Smith: The titlepage, S. 38−40, beschränkt sich auf die Referierung älterer Forschung. 129 Vgl. dazu Giel: Politische Öffentlichkeit, Kap. II; vgl. auch Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung. – Ich danke Prof. Dr. Nikolas Jaspert, Ruhr-Universität Bochum, für diesen Hinweis.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
akustischen Ruf in einen ›visuellen‹ übersetzt, spricht für diese These. Mit den Titelblättern der Mainzer Türkenbullen ist die Gestaltung der beiden chronologisch nächsten Titelseiten nicht vergleichbar. Sie erscheinen 1470 in Köln bei Arnold ter Hoernen auf zwei leicht unterschiedlichen Ausgaben des Sermo in festo praesentationis beatissmae Mariae virginis. Wie bei den beiden Türkenbullen-Ausgaben handelt es sich bei dieser Predigt hier um einen zeitgenössischen, kurzen Text (12 Blatt), der mit einer eigenen Titelseite versehen wird (vgl. Abb. 3 u. 4 der Fallstudie Köln). Während Fust und Schöffer den Titel mit einer Auszeichnungsschrift hervorheben, verwendet Arnold ter Hoernen eine nicht vom Werksatz unterschiedene Typographie für die umfangreiche Titelformulierung, so dass der Eindruck eines Absatzes entsteht, der durch die Separierung auf der Titelseite vom Werktext getrennt wird. Nur wenig später, um 1473, folgt der Kölner Drucker Johann Schilling mit einer Ausgabe der Flores ex libris de civitate dei Augustini des Franciscus de Mayronis dem Beispiel Arnold ter Hoernens in der Titelgestaltung. Als Neuerung ist zu vermerken, dass alle drei Kölner Ausgaben sich nicht mit der Nennung des Autors und des Werktitels begnügen, sondern auf der Vorder- oder Rückseite des Titelblatts herstellungsrelevante Angaben hinzufügen.130 Aus dem Jahr 1473 stammt auch das frühe Titelblatt der Exhortatio de celebratione missae des Esslinger Druckers Conrad Fyner.131 Der Traktat wird Henricus de Hassia (um 1360−1427) zugeschrieben. Der Druck hat einen Umfang von zehn Blättern; die ausführliche, mehrzeilige Titelformulierung, im Layout den Kölner Beispielen ähnlich, gibt den Inhalt wieder. Der Straßburger Nachdruck durch Heinrich Knoblochtzer von 1482132 übernimmt das Titelblatt nicht. Am Ende unseres Erhebungszeitraumes stehen neun Kleindrucke des Hans Folz in den Jahren 1479/80 in Nürnberg, die als Übergangsphänomen eingestuft werden können. Sie tragen noch deutliche Zeichen des Experimentierens mit der Titelseite, z. B. mit der Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts und mit dem Titelholzschnitt oberhalb der Titelformulierung, markieren aber dennoch den Beginn der seit Mitte der 1490er Jahre erfolgreichen dispositiven Form des illustrierten Titelblatts für populäre Kleindrucke. Wie die nähere Betrachtung aller frühen Folz-Titelblätter zeigt, handelt es sich um ein durchdachtes und seriell eingesetztes Gestaltungsschema (vgl. Abb. 32 u. 33); auch aus diesem Grund lassen sie sich nicht umstandslos den prädispositiven Beispielen zurechnen. 130 Zu den frühen Kölner Beispielen s. Fallstudie Köln in diesem Band, Kap. 2.2.2. 131 ISTC ie00138000, GW 9511. Vgl. auch Pollard: Last words, S. 14. 132 ISTC ie00139000, GW 9512.
2.2.2 Die frühesten Titelblätter in den Niederlanden Bei Gerard Leeu in Gouda erscheint am 6. August 1477 die erste Titelseite auf einer Ausgabe des weit verbreiteten Erbauungstextes Cordiale quattuor novissimorum in niederländischer Sprache.133 Die umfangreiche beschreibende Titelformulierung »Jn desen boec sijn bescreuen die vier uterste ofte die leste dinghen die ons anstaende ende toecomende sijn […]« stammt wohl vom niederländischen Bearbeiter der Druckfassung; sie kommt in keiner der lateinischen und volkssprachlichen Ausgaben vor, auch nicht in dem Kölner Druck, der Leeus Ausgabe zugrunde liegt.134 Das Layout der Titelseite ist dem der beiden Kölner auf der Marienpredigt des Arnold ter Hoernen vergleichbar. Die beiden Nachdrucke Leeus von 1479 und 1482 verzichten ganz auf diese Einleitung und damit auch auf das Titelblatt, ebenso wie die folgenden Drucke von Matthias van der Goes 1483 und Jacob Bellaert 1484. Der Text setzt in diesen Ausgaben mit »Memorare nouissima tua et in eternum non peccabis« ein, die aus der lateinischen Fassung übernommen wurde. Mit der ersten illustrierten Ausgabe in den Niederlanden 1486, Jacob van der Meer zugeschrieben, bekommen die niederländischen Ausgaben generell ein Titelblatt, nun mit dem festen Werktitel Die vier utersten, dem ein Titelholzschnitt beigegeben wird.135 Nicht nur in der Druckproduktion Leeus, der Titelblätter erst nach dem Jahr 1484 regelmäßig druckt, bleibt dieses frühe Titelblatt eine Einzelerscheinung. Dies gilt für die gesamte niederländische Produktion, in der erst ab 1482 kontinuierlich Titelblätter aufkommen. Lediglich eine Ausgabe des Doctrinale von Alexander de Villa Dei bei Richard Paffraet, deren Datierung umstritten ist, könnte noch vor 1480 erschienen sein.136
133 Die vier uterste. Anhang: Bedudenisse der missen. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477 (ISTC ic00902000, GW 7519). 134 ISTC ic00909280, GW 7515, ohne Titelblatt; vgl. auch GW Bd. VII, S. 54. 135 Vgl. ISTC ic00902500, ic00903000, ic00903100, ic00903200, ic00904000, ic00904100, ic00905200, ic00904300, ic00905400, ic00906000, GW 7520–7529. 136 Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars I). Deventer: Richard Pafraet. Datierung zwischen 1477 und 1479 nach ISTC ia00440680; davon abweichend GW 1138: um 1484.
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Abb. 3: Die erste niederländische Titelseite: Die vier utersten. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
2.2.3 Die frühesten Titelblätter in Venedig und Italien Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die im Projekt erhobenen Daten für Venedig und auf die Sekundärliteratur zum italienischen Titelblatt, so dass sich, ungeachtet des Projektdesigns, wenigsten in Umrissen die Entwicklung in Gesamtitalien nachzeichnen lässt. Während das Titelblatt Leeus bisher in der Forschungsliteratur nicht als erstes niederländisches erkannt wurde, gehören die drei venezianischen Ausgaben des Calendarium des Johannes Regiomontanus zu den ›berühmten‹ und viel zitierten Beispielen früher Titelblätter.137 1476 erscheinen die lateinische138 und die italienische139 Ausgabe mit 32 bzw. 30 Blättern Umfang, 1478 die deutsche140 mit 30 Blättern. Das Layout ist in allen drei Ausgaben gleich: Der typographische Text, ein Gedicht in abgesetzten Verszeilen, wird von einem aus fünf einzelnen Stücken zusammengesetzten Rahmen umgeben. Diese Leisten werden als die frühesten und besten im Renaissance-Stil bezeichnet, zudem sind es die ersten auf einem Titelblatt. Autor und Sachtitel sind in den fortlaufenden Text des Gedichtes integriert, Druckort und Jahr darunter freigestellt. Die Namen der beiden Druckerverleger Erhard Ratdolt und Peter Löslein − Letzterer fehlt auf dem Titelblatt der deutschen Ausgabe − und des Vorzeichners der Leisten, Bernhard Maler, werden dagegen deutlich hervorgehoben: in rotem Typendruck sind sie mittig in den unteren Rahmen integriert. Diese frühe Titelseite ist eine auf hohem Niveau durchgestaltete, den Schriftraum kompakt füllende Bucheröffnung. Die auf der Rückseite des ersten Blatts gedruckte Titelseite der Ars Moriendi, 1478 in Verona bei Giovanni und Alberto Alvise, scheint dem Layout der Venezianischen Kalender nachempfunden zu sein. Die dekorativen Titelseiten des Calendarium werden in der Regel als die ersten in Venedig gedruckten angesehen. Wesentlich früher ist jedoch eine Titelseite auf der Ausgabe des (Pseudo-)Augustinus De virtute Psalmorum vom 6. März 1471, die dem aus Padua stammenden Drucker Clemens Patavinus und dem Druckort Venedig zugeschrieben wird. Da sich nur ein Exemplar dieser Ausgabe in der Nationalbibliothek in Paris erhalten hat, ist dieses Titelblatt der Aufmerksamkeit bisher entgangen. Bei der Titelformulierung 137 Vgl. zuletzt Smith: The title-page, S. 43f. 138 Regiomontanus, Johannes: Calendarium. Venedig: Bernhard Maler (Pictor), Erhard Ratdolt und Peter Löslein, 1476 (ISTC ir00093000). 139 Regiomontanus, Johannes: Calendario. Venedig: Bernhard Maler (Pictor), Erhard Ratdolt und Peter Löslein, 1476 (ISTC ir00103000). 140 Regiomontanus, Johannes: Kalender. [Venedig]: Bernhard Maler (Pictor) und Erhard Ratdolt, 1478 (ISTC ir00100500).
»Dicta beatissimi Augustini de septem virtutibus psalmorum poenitentialium feliciter incipiunt« handelt es sich um ein Incipit, das hier, getrennt vom Werkbeginn, allein auf einer Seite steht. Der Titelsatz, nach dem Vorbild von Monumentalinschriften in einer großen Capitalis auf Mittelachse gesetzt, ist inspiriert von Humanisten-Handschriften.141 Vermutlich wegen des kleinen Oktav-Formats der Ausgabe, das in ungünstigem Verhältnis zur Schriftgröße steht, bleibt das Incipit allein auf der ersten Seite. Es lässt sich also nicht erkennen, ob die Separierung des Incipits auf der ersten Seite bewusst geplant ist oder dem Platzmangel geschuldet. Das typographische Schema wiederholt sich bei den Zwischenüberschriften und dem Impressum am Ende. Diese frühen Venezianischen Beispiele zeigen, wie unterschiedlich prädispositive Titelblätter ausfallen können, die zwar die Formalkriterien an ein Titelblatt erfüllen, aber besonderen Produktionsumständen ihr Erscheinen verdanken und weit entfernt davon sind, vorbildlich für eine kontinuierliche typographische Praxis zu werden. Geldner nennt als weiteres frühes italienisches Titelblatt die Oratio gratulatoria des Antonius Turchetus, das in einer »höchst eigenartigen Form« Verfasser, Titel, Drucker und Druckdatum nennt.142 Der Paduaner Druck von 1472 enthält diese Elemente in zwei Zeilen in stark abgekürzter Form. Diese Informationen sind wohl nicht für den Leser gedacht, sondern eher als Merkhilfe für den Buchvertrieb. Der Turiner Druck Decreta Sabaudie ducalia von 1477143 hat eine mehrzeilige ausführliche Titelformulierung mit Druckjahr, gesetzt in einem Absatz. Diese frühe Titelseite erscheint nach einem leeren Blatt auf der Vorderseite des zweiten Blatts. Der Text beginnt auf der Rückseite. Aus dem Jahr 1477 stammt der Druck eines Psalmenkommentars, erschienen in Mailand bei Leonardo Pachel und Ulrich Scinzenzeler; Werktitel, Autor und Zueignung sind in einer Rubrik auf dem Titelblatt zusammengefasst.144 Um einen einfachen typographischen Titel handelt es sich auch bei den beiden Ausgaben des Martyrium Sebastiani in Treviso bei Bernardinus Celerius vom 12. Mai und 14. Juli 1480; die Ausgabe vom Mai hat eine Widmung auf dem Titelblatt.145 Diese Liste früher italienischer Titelblätter modifiziert das Gesamtbild, das sich aus der flächendeckenden Datenerhebung für Venedig ergibt, nur unwesentlich.
141 Vgl. Baurmeister: Clément de Padoue, S. 23; ISTC ia01348300. 142 Geldner: Inkunabelkunde, S. 107; ISTC it00500000. 143 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 64 u. Abb.; (ISTC is00001000, BMC VII 1054). 144 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 57 u. Abb.; ISTC ip00181200. 145 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 58; ISTC is00628000, ISTC is00629000.
2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig
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Am Beispiel der Offizin Peter Schöffer d. Ä. in Mainz soll das Verhältnis von präsdispositiven Titelblättern und dem Übergang zur habituellen Titelblattpraxis im Einzelnen untersucht werden. Peter Schöffer wurde ausgewählt, weil in seiner Offizin mit den Türkenbullen-Ausgaben die ersten deutschen Titelblätter erscheinen und sich die Entwicklung der Titelblattverwendung über einen langen Zeitraum in einem ökonomisch erfolgreichen Unternehmen darstellen lässt. Nach dem Tode von Johannes Fust 1467 führt Peter Schöffer, Gutenbergs ehemaliger Geselle, das FustSchöffer’sche Gemeinschaftsunternehmen in Mainz allein weiter, das sich zum europaweit erfolgreich agierenden Buchhandelsunternehmen entwickelt. Bis zum Ende der Inkunabelzeit erscheinen insgesamt 224 Druckwerke bei Fust und Schöffer bzw. bei Peter Schöffer.146 Die Praxis der Titelblattverwendung dieses Verlags, dessen Profil mit dem Schwerpunkt auf Liturgica, Theologie und Recht eher konservativ ist, soll kurz gesichtet werden. Der ISTC verzeichnet 103 Einblattdrucke − ein Schwerpunkt, der sich u. a. aus dem Geschäft mit im Auftrag hergestellten amtlichen und kirchlichen Drucksachen erklärt − und 121 Bücher. Davon haben 21 Drucke ein Titelblatt.147 Der deutlich überwiegende Teil (70 Drucke) beginnt auf der Vorderseite des ersten Blatts unmittelbar mit dem (Werk-)Text und 20 Drucke beginnen mit einem vorgeschalteten Leerblatt oder einer Leerseite. Im zeitlichen Verlauf (Abb. 4) stellt sich dies folgendermaßen dar: Die beiden ersten Titelblätter der Offizin auf den Türkenbullen, vermutlich noch Ende des Jahres 1463 gedruckt, markieren den Beginn des Inkunabeltitelblatts generell. Für fast zwanzig Jahre verlassen nach dieser Innovation allerdings nur noch titelblattlose Drucke die Offizin. Zwischen 1481 und 1485 nimmt, wie die Vergleichsanalyse belegt, die Zahl der Titelblätter nach zögerlichem Beginn insgesamt sprunghaft zu. In dieser Zeitspanne setzt bei Schöffer die Titelblattproduktion wieder ein, wobei er nur unwesentlich mehr Ausgaben mit Titelblatt als ohne Titelblatt verlegt. Im letzten Inkunabeljahrzehnt fällt die Zahl der Drucke mit Titelblatt sogar unter das Niveau der Ausgaben ohne Titelblatt zurück. Allerdings ist diese Beobachtung zu relativeren, da Schöffer in diesen zehn Jahren nur wenige Bücher produziert (eines mit und vier ohne Titelblatt).
Sieht man die Ausgaben Schöffers mit einem Titelblatt genauer an, zeichnen sich folgende Grundlinien ab. Die lateinische Türkenbulle ist mit drei Titelblattvarianten überliefert.148 Erst nach der Mitte der 1480er Jahre und zwanzigjähriger Pause werden Drucke auch bei Schöffer mit Titelblättern ausgestattet, gegenüber der allgemeinen Titelblattpraxis ein verspäteter Einsatz. Die Liturgica bleiben weiterhin generell ohne Titelblatt. Für die Ausgaben mit Titelblatt, lateinische wie deutsche, ist keine klare Linie der Titelblattverwendung erkennbar. Es finden sich unter den Büchern mit Titelblatt zwar überwiegend Texte für den Universitäts- und Schulunterricht, aber auch Handbücher für den Seelsorger, Flugschriften zu politischen Tagesereignissen und amtliche Verlautbarungen. Fast alle Titelblätter zeigen das gleiche Gestaltungsschema. Die Titelformulierung wird in einer Auszeichnungsschrift in großem Schriftgrad nahe am oberen Satzspiegelrand im Blocksatz angeordnet; es dominiert der einzeilige Schlagworttitel im Mittelachsensatz. Hervorhebungen durch Initialen oder gestufte Typographie kommen so gut wie nicht vor; Angaben des Impressums sind äußerst seltene Ausnahmen. Abbildung 5 zeigt ein für Schöffer typisches typographisches Titelblatt. Aus dieser unauffälligen Alltagspraxis ragen nur einige wenige Titelblätter hervor, darunter wiederum eines der bekanntesten Titelblätter der Inkunabelzeit, das des Herbarius latinus von 1484. Die erhaltenen Exemplare dieser Ausgabe sind, wenn sie ein Titelblatt haben, in unterschiedlichen Varianten überliefert. Der GW weist drei nach: mit schwarzer oder roter Farbe gedruckt oder mit schwarzem typographischem Text und rotem Signet.149 Mit diesem Titelblatt setzt Schöffer einen weiteren Meilenstein: der Herbarius latinus ist das erste Buch mit einem Signet auf der Titelseite. Freilich bleibt auch dieser Vorstoß Schöffers in seiner Gesamtproduktion singulär. Eine weitere, allerdings weit weniger spektakuläre Ausnahme unter den Schöffer’schen Titelblättern, ist eine Landgerichtsordnung, gedruckt nach dem 25. Februar 1498.150 Oberhalb der dreizeiligen Titelformulierung zeigt ein Holzschnitt das Wappen des Auftraggebers Johannes Graf zu Nassau-Dillenburg. Das illustrierte Titelblatt ist eine seltene Ausnahme bei Schöffer, und auch hier hat das Wappen keine schmückende Funktion, sondern beglaubigt den im Auftrag des Grafen hergestellten Gesetzestext.151 Die Praxis der Titelblattverwendung Peter Schöffers erscheint inkonsequent. Aus der Mainzer Werkstatt gehen mit den Türkenbullen 1463 die beiden
146 Anzahl der im ISTC verzeichneten sicher Schöffer zugewiesenen Drucke inklusive der von Fust und Schöffer gemeinsam verlegten Werke, aber ohne die im ISTC vereinzelt aufgenommenen Postinkunabeln. 147 In zehn Fällen konnte nicht geklärt werden, ob diese ein Titelblatt haben oder nicht: Acht Drucke sind nur fragmentarisch überliefert.
148 S. oben S. 27f. 149 ISTC ih00062000, GW 12268. 150 ISTC Ij00224300. 151 Vgl. auch Schottenloher: Frühdruck im Dienste der öffentlichen Verwaltung, S. 139.
2.2.4 Exkurs: Prädispositive Titelblätter und geregelte typographische Praxis am Beispiel der Offizin Peter Schöffer d. Ä.
32
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
100,0% 90,0% 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% <1471
1476–1480
1486–1490
Buchbeginn mit 1r bedruckt (Schöffer) Buchbeginn mit Leerseite (Schöffer) Drucke mit T itelblatt (Deutschland insgesamt)
1496–1500
Buchbeginn mit Leerblatt (Schöffer) Drucke mit T itelblatt (Schöffer)
Abb. 4: Bucheingänge der Offizinen Fust/Schöffer und Schöffer im Vergleich zur deutschen Titelblattproduktion ersten Inkunabeltitelblätter überhaupt hervor, und mit dem Herbarius latinus erscheint 1484 eines der frühesten Titelblätter mit einer Firmierung durch das Signet. Diese Beispiele, vielfach abgebildet, werden immer wieder als Beleg für die Innovationskraft Peter Schöffers bzw. als wichtige Fortschritte der Titelblattentwicklung interpretiert. Überblickt man aber die Titelblattpraxis der Schöffer’schen Offizin insgesamt und damit den typographischen Alltag der Offizin, trübt sich das Bild. Obwohl in der Offizin von Fust und Schöffer die ersten Titelblätter gedruckt werden, ist eine ansatzweise geregelte Titelblattverwendung später und in geringerer Dichte erkennbar, als dies die Gesamtstatistik unserer Erhebungen nahe legt. Das durchschnittliche Titelblatt Schöffers beschränkt sich auf die Werkkennzeichnung und dies in möglichst unaufwändiger Gestaltung. Dass das illustrierte Titelblatt fast gänzlich fehlt, hat seinen Grund unter anderem im Produktionsprofil der Offizin. Die Titelblattpraxis der Offizin Schöffer ist typisch und untypisch zugleich. Sie ist typisch für die Massenproduktion des unauffälligen typographischen Titelblatts, der üblichen Variante für einen Verlag mit diesem Produktionsprofil in der Inkunabelzeit. Die Offizin dürfte auch typisch sein für die inkonsequente Praxis der Verwendung von Titelblättern; die Gesamtstatistik überdeckt dies allzu leicht. Untypisch
sind die signifikanten Abweichungen vom Gesamtbild bei der Titelblattverwendung nach der quantitativen Analyse. Dies gilt besonders für die Stagnation in den letzten beiden Inkunabeljahrzehnten. In seiner immer noch maßgeblichen Biographie Peter Schöffers von 1950 resümiert Lehmann-Haupt: In seinen frühen Jahren war Peter Schöffer als Drucker und Buchgestalter Pionier gewesen, auch später stand er dem Fortschritt nicht ablehnend gegenüber. Er verschloß sich nicht neuen Herausforderungen und Bedingungen, aber Schritt für Schritt verlor er seine frühere, unangefochtene Führungsposition. Der Verleger Peter Schöffer erscheint in einer ähnlichen Perspektive. Seine frühen Leistungen blieben das Fundament seines Geschäftes. Der Wechsel auf neue Gebiete beschränkte sich auf vereinzelte Versuche.152 Diese Einschätzung der gilt auch für die Buchtitelblätter Peter Schöffers.
152 Lehmann-Haupt: Peter Schöffer, S. 58.
2 Das Aufkommen und die Verbreitung des Titelblatts in Deutschland, den Niederlanden und Venedig
Abb. 5: Für die Offizin Schöffer typisches Titelblatt: Wandalbertus. Legenda et miracula sancti Goaris. Mainz: [Peter Schöffer] für Johannes Gisen de Nasteden, 1489
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ – Systematik und quantitativer Vergleich 3.1 Die Zeichenmittel des Titelblatts Der oben beschriebene Verlauf der Einführung und Durchsetzung des Titelblatts beruht auf einer Titelblattdefinition nach obligatorischen bzw. ausschließenden Kriterien, die der Datenerhebung zugrunde gelegt wurden. Wiederum ausgehend von den auf dem ISTC beruhenden Listen wurde – soweit eine bibliographische Klärung möglich war – ermittelt, wie das Titelblatt in den Lagenverbund integriert ist, welche Texte auf das Titelblatt folgen und welche Schmuckformen für das Titelblatt verwendet werden. Auch die ›Vorläufer‹ des Titelblatts, Leerseite und Leerblatt, wurden berücksichtigt. Für die Beschreibung der Zeichenmittel greife ich auf die von Wehde entwickelte Theorie der Typographie auf zeichentheoretischer Grundlage zurück, die sich an den semiotischen Theorien von Charles S. Pierce und Umberto Eco orientiert. Mit Wehdes systematischen Überlegungen zum Zeichencharakter und Zeichenrepertoire der gestalterischen Typographie liegt erstmals ein ausgearbeitetes Klassifikations- und Beschreibungsmodell vor, das auch für typographiegeschichtliche Untersuchungen herangezogen werden kann.153 Die wichtigsten Zeichenmittel des Titelblatts sind: Auf der Ausdrucksseite:154 –
– –
makrotypographisch: Separierung und Positionierung; diese Zeichenmittel definieren die Stellung der Titelseite im Buchaufbau bzw. der Bucheröffnung mesotypographisch: die Gliederung der Fläche und die Anordnung sprachlicher und bildlicher Zeichen auf der Seite mikrotypographisch: typographische Gestaltung (Auszeichnung) von natürlichsprachlichen (z. B. werk- und buchkennzeichnenden) Metatexten
Auf der Inhaltsseite: – –
die natürlichsprachlichen Zeichen; die bildlichen Zeichen (Titelschmuck, Signet, Titelillustration)
Die folgenden Kapitel behandeln zunächst die Zeichenmittel auf der Ausdrucksebene, d. h. die typographische Gestaltung der Titelseite und ihre Position im 153 Vgl. Wehde: Typographische Kultur. 154 Zur Unterscheidung von Ausdrucks- und Inhaltsseite vgl. ebd. Kap. 5.4.2.
Buchaufbau. Auf der Inhaltsebene werden die werkund buchkennzeichnenden sprachlichen Metatexte behandelt. Die bildlichen Zeichen sind nicht eigens abgehandelt, da weder eine Theorie des Bildes noch eine stilgeschichtliche Untersuchung angestrebt wird. In den quantitativen Analysen wird dekorativer und illustrierender Titelschmuck lediglich formal berücksichtigt (›gezählt‹). Auch die Signete als bildliche Zeichen finden nur in ihrer buchkennzeichnenden Funktion Beachtung. Einer stärker inhaltsorientierten Analyse des Titelbildes widmen sich die Ausführungen zum illustrierten Titelblatt und die Fallstudien. Bewusst wird bei der Darstellung der Ergebnisse des Erlanger Forschungsprojektes auf den in der Forschung von Pollard eingeführten und häufig benutzten Begriff des Label-Titels verzichtet. Da die Beschreibung dispositiver Titelblattformen von den verwendeten Zeichenmitteln ausgeht, wird die Bezeichnung typographisches Titelblatt als Gegensatz zum illustrierten Titelblatt verwendet. Die Gestaltung des typographischen Titelblatts im Einzelnen ist über die genaue Layoutanalyse auf der mikrotypographischen Ebene ablesbar. Gegen die Bezeichnung LabelTitel spricht, dass sie einen Kurz- oder Schlagworttitel als Werkbezeichnung andeutet. Unter den rein typographischen und schmucklosen Titelblättern finden sich jedoch viele Beispiele für ausführliche Incipit-Titel oder umfangreiche, den Inhalt erläuternde Sachtitel, die den Sachverhalt eines Schlagworttitels nicht treffen.
3.2 Die makrotypographischen Zeichenmittel Die Makro- oder Großtypographie bezieht sich auf den gesamten Aufbau des Buchs und die seitenübergreifende Verteilung und Gestaltung von Texten und Bildern. Die folgenden Überlegungen berücksichtigen die Positionierung des Titelblatts, dessen Spitzenstellung im frühen Buchdruck festgelegt wird. 3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
3.2.1 Leerseite, Leerblatt und Titelblatt Der Zusammenhang zwischen der Bucheröffnung mit einer oder mehreren Leerseiten und der Entwicklung des Titelblatts ist bereits von Haebler in Grundzügen erkannt worden; Smith diskutiert die Leerseite ausführlich.155 Das folgende Diagramm (Abb. 6) zeigt Leerseite und Leerblatt im Vergleich mit den übrigen Formen der Bucheröffnung für Deutschland.
155 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 14.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
35
1400 1200 1000 800
600 400 200 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
Buchbeginn mit 1r bedruckt
Buchbeginn mit Leerblatt
Buchbeginn mit Leerseite
Drucke mit T itelblatt
Sonderfälle
ungeklärt / Verlust
Abb. 6: Die Gestaltung des Bucheingangs in Deutschland Nach zögerlichem Beginn ab 1461, deutlicher um 1468, wird eine Neuerung bei der Planung der ersten Lage greifbar: Es erscheinen zunehmend Bücher, die mit einer Leerseite oder einem Leerblatt beginnen. Das erste Leerblatt im Buchaufbau einer Inkunabel eröffnet Ulrich Boners Der Edelstein, erschienen in Bamberg bei Albrecht Pfister um 1462.156 Es handelt sich um einen Vorläufer, denn regelmäßiger stattet erst der Kölner Ulrich Zell ab 1467 seine lateinischen theologischen Drucke mit einem Leerblatt zu Beginn aus. Bis Ende 1470 haben 33 deutsche Inkunabeln ein Leerblatt, allein zwanzig kommen aus Zells Werkstatt. Damit ist Ulrich Zell der Begründer dieser neuen typographischen Praxis. Die restlichen Drucke mit Leerblatt zeigen eine breite Streuung über unterschiedliche Drucker. Anders stellt sich die seltenere Bucheröffnung mit nur einer Leerseite und bedruckter Rückseite dar. Nur acht Inkunabeln bis 1470 beginnen mit nur einer Leerseite, die erste erscheint wiederum bei Pfister um 1463 im Ackermann von Böhmen.157 Zell eröffnet nie mit einer Leerseite. Ein deutlicher Schwerpunkt ist auch
156 Ulrich Boner: Der Edelstein. [Bamberg: Albrecht Pfister, um 1462] (ISTC ib00974550, GW 4840). 157 Der Ackermann von Böhmen. [Bamberg: Albrecht Pfister, um 146] (ISTC ia00039000, GW 194).
hier nicht erkennbar. Lediglich zwei weitere frühe Beispiele stammen von Johann Mentelin in Straßburg.158 Um die Mitte der 1470er Jahre übersteigt die Zahl der Ausgaben mit Leerstelle zum Buchbeginn die der Drucke mit einer bedruckten ersten Seite und erreicht ein Niveau, das für das nächste Jahrzehnt mit einem leichten Anstieg erhalten bleibt. Nach 1483 geht die Zahl der Drucke mit Leerseite oder Leerblatt schnell zurück. Der Rückgang des Leerraumes zum Buchbeginn korreliert deutlich mit dem Anstieg der Zahl der Titelseiten. Insgesamt machen die Drucke mit Leerblatt oder Leerseite in Deutschland in der Inkunabelzeit 21,5 % aller Drucke aus.159 Zwischen 1481 und 1485 beginnen 54,0 % der deutschen Drucke mit einer oder mehreren Leerseiten und 17,4 % haben ein Titelblatt. Bereits im folgenden Jahrfünft 1486 bis 1490 haben 72,9 % ein Titelblatt, während die Zahl der Drucke mit Leerseite oder Leerseiten auf 13,6 % zurückfällt. 158 Aurelius Augustinus: De arte praedicandi. [Straßburg: Johann Mentelin, um 1466] (ISTC ia01226000, GW 2871). Hieronymus: Epistolae. [Straßburg: Johann Mentelin, nicht nach 25. November 1469] (ISTC ih00162000, GW 12422). 159 Bezogen auf die geklärten Fälle, ohne Einblattdrucke. – Zu einem höheren Ergebnis von 29,4 % kommt Smith (The title-page, S. 49); allerdings liegt ihren Berechnungen ein Sample ohne regionale Differenzierung zugrunde.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Sehr ähnlich sind die Ergebnisse für die niederländischen Inkunabeln160 mit 54 % (Leerblatt bzw. Leerseiten) zu 10,6 % (Titelblatt) zwischen 1481 und 1485 und 16,4 % zu 59 % für das folgende Jahrfünft (Abb. 7). Für den Druckort Venedig161 zeigt sich eine verzögerte Entwicklung (Abb. 8). Während 1486 bis 1490 69,2 % mit Leerseite oder Leerseiten beginnen und 11,7 % mit einem Titelblatt, kehrt sich im Jahrfünft von 1491 bis 1495 die Tendenz um: 17,5 % (Leerblatt bzw. Leerseiten) zu 67,7 % (Titelblatt). Aus der quantitativen Erhebung lässt sich schließen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Leerstelle am Beginn des Buchs und der Titelseite gibt. Um 1485 in Deutschland und den Niederlanden, etwas verspätet auch in Venedig, wird die zu diesem Zeitpunkt häufig vorkommende erste leere Seite zunehmend für Metatexte der Buchkennzeichnung genutzt. Allerdings vergehen mindestens fünfzehn Jahre zwischen dem Auftauchen der ersten leeren Seite(n) bis die Drucker die Möglichkeit in Erwägung ziehen, diese als Titelblatt zu nutzen. Die Leerseite selbst ist nicht auf die Titelseite hin geplant worden. Für die mittelalterliche Handschrift gibt es keine quantitative Untersuchung über das Vorkommen von Leerseiten am Buchbeginn; es muss also offen bleiben, ob diese Art der Bucheröffnung eine Neuerung des gedruckten Buchs ist oder nicht. Allerdings spricht einiges für diese Vermutung, denn die Drucke im ersten Jahrzehnt nach der Einführung der Typographie, die sich stark an handschriftlicher Buchgestaltung orientieren, bleiben in Deutschland generell ohne Leerräume zu Beginn. Es stellt sich also die Frage nach der Funktion der Leerseite oder des Leerblatts für das typographisch gedruckte Buch. Die ältere und neuere Forschungsliteratur bevorzugt die These, die erste Leerseite habe die Funktion, die ausgedruckten Bogen bei Lagerung und Transport zu schützen,162 eine These, die allerdings mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Denn die dauerhafte Falzung des Druckbogens gehörte in der Regel zu den Aufgaben des Buchbinders, der meist erst im Auftrag des Buchkäufers den festen Einband anfertigte. Nach allem, was wir wissen, wurden die lagenweise zusammengetragenen Druckbogen in der Druckwerkstatt lediglich einmal in der Mitte umgelegt.163 Zudem spricht gegen diese These, dass im160 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die geklärten Fälle von 81,2 %. 161 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die geklärten Fälle von 85,8 %. 162 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 6, 12. 163 Gaskell: A New Introduction, S. 143f., geht davon aus, dass in der Druckerwerkstatt die Druckbogen nach dem Trocknen in der Reihenfolge der Bogensignaturen auf einzelne Stapel jeweils gleicher Bogen geschichtet und die Exemplare vom letzten bis zum ersten Druckbogen zusammengetragen wurden. Das einzelne Exemplar wurde im Folio-, Quart- und Oktavformat
merhin 447 der Inkunabeln in Deutschland eine zwar leere erste Seite (gegenüber 971 Inkunabeln mit Leerblatt) aufweisen, die Rückseite aber bedruckt ist; ein beschmutztes Blatt hätte ohne Text- oder Bildverlust nicht aus dem Buchblock heraus gelöst werden können.164 Die folgende Erklärung fragt zunächst nach der zeichentheoretischen Bedeutung des Leerraumes zum Buchbeginn. Diese lässt sich auch aus vereinzelten historischen Belegen erschließen. Bereits Haebler beschreibt die Praxis einiger Drucker, das erste leere Blatt mit einer Bogensignatur zu versehen, was auf die bewusste Planung und Bezeichnung des Leerraumes im Lagenzusammenhang deutet.165 Smith verweist weiter auf das Beispiel Venezianischer Druckerverleger, die im Registrum ihrer Bücher, einem Inhaltsverzeichnis anhand der einzelnen Lagenbezeichnungen, die erste freie Seite mitzählen und mit dem Lateinischen ›vacat‹ oder ›prima alba‹ aufführen, unabhängig davon, ob es sich um eine gänzlich leere oder nur mit einem kurzen Titel bedruckte Seite handelt.166 Diese Beobachtungen bestätigen die bedeutungstragende Funktion des Leerraums aus der Sicht des zeitgenössischen Buchherstellers. Da eine oder mehrere leere Seiten am Buchbeginn nicht − wie etwa am Ende der Lage − zufällig sein können, werden diese bewusst in die Lagenplanung einbezogen. Auf das Techniksystem des Hochdrucks bezogen, ist der freie Raum Ergebnis des Setzvorgangs ebenso wie die zu Wörtern und Sätzen zusammengetragenen Buchstaben etc. Ein Leerraum wird durch einen materiellen Körper erzeugt und muss, wie auch die bildtragenden Lettern, in die Druckform eingebunden werden. In diesem System sind Weißräume entlang der Höhe des Bogens und beim Duodez entlang der Breite mittig gefalzt, gepresst und gestapelt zum Verkauf oder zum Transport. Nickel: Inkunabeln als Lagerproblem, S. 30, geht − im Gegensatz zu Gaskell − davon aus, dass die zu vollständigen Exemplaren zusammengetragenen, aber ungefalteten Planobögen in der Offizin zu Stapeln aufeinander geschichtet wurden, von denen bei Bedarf die angeforderten Exemplare heruntergenommen wurden. Janssen: A note on loose-sheets, führt Belege für erhaltene, gefaltete Druckbogen an; er bezieht sich im Folgenden allerdings auf die Übergabepraxis von der Druckwerkstatt zum Verleger, wobei offen bleibt, wie die frühen Druckerverleger ihre Ware in die Filiale, zum Zwischenhändler oder zum Endkunden transportierten. Welche Praxis die gängige war, lässt sich aufgrund der Forschungslage nicht sagen. − Zur Diskussion in der TitelblattLiteratur vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 12. 164 Für Deutschland ergibt sich bei den geklärten Fällen eine Zahl von 971 Inkunabeln mit Leerblatt und 447 mit Leerseite. Der relative Wert ist bezogen auf die Anzahl der geklärten Fälle ohne Einblattdrucke. 165 Vgl. Haebler: Inkunabelkunde, S. 122. 166 Z. B. im Inhaltsverzeichnis eines Druckes von Baptista de Tortis, Venedig 1497; dort wird der Titel, der aus einem Schlagworttitel und dem Nachnamen des Druckerverlegers »Instituta de Tortis« auf einer sonst weißen Seite besteht, als »Prima alba«, also als erste weiße Seite der ersten Lage aufgeführt; vgl. Smith: The title-page, S. 69.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
37
300
250
200
150
100
50
0 <1476
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
Buchbeginn mit 1r bedruckt
Buchbeginn mit Leerblatt
Buchbeginn mit Leerseite
Drucke mit T itelblatt
Sonderfälle
ungeklärt / Verlust
Abb. 7: Die Gestaltung des Bucheingangs in den Niederlanden
700 600 500 400 300 200 100 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
Buchbeginn mit 1r bedruckt
Buchbeginn mit Leerblatt
Buchbeginn mit Leerseite
Drucke mit T itelblatt
Sonderfälle
ungeklärt / Verlust
Abb. 8: Die Gestaltung des Bucheingangs in Venedig
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Kompositionselemente der Kolumne (Seite), des Satzspiegels wie der gesamten Druckform. Eine der wichtigsten Auswirkungen des Setzens von Schrift im Gegensatz zum Schreiben ist ein bewussterer Umgang mit der Flächengliederung, da jeder weiße Raum über die typographischen Null-Zeichen167 durch das Blind- und Stützmaterial materiell repräsentiert wird. In zeichentheoretischer Deutung markieren Leerräume und Leerseiten im typographischen System eine Unterbrechung, eine Pause oder den Beginn von etwas Neuem. Innerhalb des typographischen Systems argumentiert, können der Freiraum oder die Leerfläche vor dem Werkbeginn als Zeichen für das Bedürfnis der Typographen gedeutet werden, nicht ›mit der Tür ins Haus zu fallen‹. Damit würde es sich nicht um ein funktionales, sondern eher ein ästhetisches Phänomen handeln, das im Zusammenhang mit einer mit dem Druck neu zu entwickelnden buchtypischen Zeichensprache gehört. Zu den obligatorischen Kriterien der TitelblattDefinition gehören die Separierung der Metatexte vom Werktext oder anderen einleitenden Paratexten sowie die Positionierung am Buchbeginn. Einer der ersten und wichtigen Schritte auf dem Weg zum Titelblatt ist damit die Freistellung von titelblattrelevanten Informationen am Beginn der Bucheinheit. Die Frontstellung der Titelseite entspricht der besonderen Bedeutung der Informationen auf dem Titelblatt. Weiter betont die räumliche Separierung die metatextuelle Qualität dieser Informationen. Die Voraussetzungen für die beiden Kriterien der Spitzenstellung und der Separierung sind mit der Einführung des Leerblatts bzw. von Leerseiten am Buchbeginn gegeben. In der nun bedruckten Titelseite bleibt die Leerseite am Buchbeginn im hohen Anteil an nicht bedrucktem weißen Raum gegenüber der ›normalen‹ Buchseite präsent. Positionierung, Separierung und Spannung zwischen graphischen und typographischen Elementen und der weißen Fläche gehören bis heute zu den wesentlichen Merkmalen des typographischen Dispositivs ›Titelseite‹, auch wenn Epochen ›barocker‹ Titelblattgestaltung dies manchmal vergessen lassen.168 In der europäischen Buchgeschichte ist die frühe typographische Titelseite mit ihrem hohen Weißanteil vermutlich das erste regelhaft gestaltete Element eines Buchs, das die Spannung zwischen bedruckter (beschriebener) Fläche und leerem Raum derart disponiert aushält.
167 Vgl. Wehde: Typographische Kultur, S. 103f. 168 Einen anschaulichen Überblick über diese verschiedenen Epochen der Titelblattgestaltung gibt De Vinne: The practise.
3.2.2 Die Position der Titelseite 3.2.2.1 Die Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts Zu den Experimenten früher Drucker gehören die Titelseiten auf der Rückseite des ersten Blatts bei leerer Vorderseite. Ein frühes Beispiel ist der Fabularius seu Repertorium vocabulorum des Conrad von Mure, um 1475 in Basel von Bertold Ruppel gedruckt.169 In Form eines mehrzeiligen Absatzes werden Titel, Inhalt, Autor und das Entstehungsjahr des Werks genannt, darunter folgen fünf Distichen mit dem Lob des Druckers und einer Anrede an den Leser. Diese umfangreichen bucheinleitenden Beitexte sind klar vom Werkbeginn auf der folgenden dritten Seite getrennt, aber noch nicht auf die einleitende Leerseite vorgerückt. Auch die neun Kleindrucke des Hans Folz aus den Jahren 1479/80 haben Titelseiten auf der Rückseite des ersten leeren Blatts,170 während nach 1482 die Titelseite bei Folz generell nach außen auf die Vorderseite rückt. Da der Aufbau dieser späteren Drucke stärker unter ökonomischen Gründen geplant ist, dürfte hier die Platzersparnis ein Grund sein. Weitere deutsche Drucke mit rückseitiger Titelseite sind Anton Sorgs Augsburger Erstdruck des Tristan aus dem Jahr 1484 sowie ein weiterer Augsburger Druck aus dem Jahr 1486171 und ein Magdeburger Druck um 1484.172 Für Italien nennt Hirsch unter den von ihm aufgeführten ersten Titelseiten bis 1479 überwiegend Ausgaben, bei denen die Titelseite bei leerer Vorderseite auf der Rückseite des ersten Blatts erscheint. Darunter sind die italienische Erstausgabe des Hermes Trismegistus De potestate et sapientia Dei, in Treviso von Gerardus de Lisa 1471 gedruckt,173 und Antoninus Florentinus’ Specchio di conscienza, Bologna: Balthasar Azoguidus, 1472, mit Impressum und Verweis auf die Tabula.174 Eine Art Titelseite hat auch die Ausgabe einer italienischen Ars Moriendi, gedruckt 1478 in Verona von Giovanni und Alberto Alvise.175 Auf der Rückseite des ersten Blatts findet 169 Vgl. Hirsch: The earliest development, XVII; ISTC ic00855000 (Datierung um 1475 nach BSB-Ink); GW 7424 (datiert um 1470). 170 Vgl. Rautenberg: Das Werk als Ware. Es handelt sich um die Drucke: ISTC if00239220, GW 10113; ISTC if00239310, GW 10122; ISTC if00239440, GW10135; ISTC if00239510, GW 10142; ISTC if00239210, GW 10112; ISTC if00239360, GW 10127; ISTC if00239460, GW 10137. 171 Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 172 Salomon et Marcolfus. [Magdeburg: Albert Ravenstein und Joachim Westval, um 1484] (ISTC is00096000, GW 12756). 173 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVIIf. u. Abb. 3 (ISTC ih00077000, GW 12310). 174 ISTC ia00843000, GW 2173. 175 Vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 45f. u. Abb. Tafel II; Sander: Le livre à figures, Nr. 629, Abb. 120 (ISTC ia01104000, GW 2621).
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ sich eine ausführliche, anpreisende Titelformulierung, deren Satz von typographischen Zierstücken durchbrochen und gerahmt wird. Barberi widmet in seiner Untersuchung der italienischen Titelblätter der Rückseite des ersten (leeren) Blatts ein Kapitel, wobei er neben werk- und buchkennzeichnenden Hinweisen auch Bilder und Widmungen etc. einbezieht. Auch Barberi erklärt diese rückwärtigen Titelseiten mit der Schutzblatttheorie.176 Die frühen deutschen und italienischen Beispiele zeigen, dass titelseitenähnliche Paratexte auf der Rückseite eines auf der Vorderseite leeren Blatts mit einer prädispositiven Anordnung nicht standardisierter werk- oder buchbeschreibender Paratexte einhergehen. Man sollte das Phänomen des rückseitigen Titels daher nicht überbewerten. Ein vereinzeltes Beispiel ist auch die von Johnson erwähnte mehrbändige Ausgabe der Werke des Pietro Bembo von 1548, in Rom bei den Gebrüdern Dorici gedruckt.177 3.2.2.2 Der Endtitel Die Titelseite konkurriert für kurze Zeit mit dem End- oder Schlusstitel. Das Phänomen ist in der Literatur gut erschlossen und wird im Zusammenhang mit der Positionierung eines Impressums am Ende des Buchs diskutiert. Haebler schreibt: Es wäre nur eine folgerichtige Entwicklung gewesen, wenn sich aus der Schlußschrift der Wiegendrucke ein Schlußtitel herausgebildet hätte. In der Tat weisen eine bescheidene Anzahl von Druckwerken der Inkunabelzeit einen solchen Schlußtitel auf. An eine konsequente Entwicklung wird man aber dabei doch wohl nicht denken dürfen. Die Druckwerke, bei denen sich ein solcher Schlußtitel findet, gehören ohne Ausnahme erst einer verhältnismäßig späten Zeit an, in der auch die Gestaltung eines Anfangstitels bei den Frühdruckern sich einzubürgern begonnen hatte.178 Smith schätzt die Zahl der erhaltenen Endtitel für die Inkunabelzeit auf ca. 150. Bei den (wenigen) Drucken, die sowohl einen Anfangs- als auch einen Endtitel haben, interpretiert sie dies als Form eines in den Buchblock integrierten Umschlags für das ungebundene Buch. Letztlich aber lassen sich nach Smith wegen der geringen Zahl der bekannten Beispiele kaum sichere Schlüsse über die Funktion des Endtitels ziehen: »Because there were so few end-titles altogether they cannot detain us further. They represent part of the
176 Vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 45f., S. 44. 177 Johnson: One hundred title-pages, S. VI. 178 Haebler: Inkunabelkunde, S. 120.
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early working out of the handling of title information and methods of opening and closing books.«179 Ein gutes Beispiel für die Verbindung von Anfangsund Schlusstitel ist ein Venezianischer Druck von Augustinus’ De civitate dei aus den Jahren 1489/90.180 Die Ausgabe hat auf der Titelseite den typographischen Titel »Augustinus de ciuitate dei cum commento.« Dieser wird in identischem Satz auf der Rückseite des letzten Blatts wiederholt; beide Titel stehen nahe beim Bund in der Mitte der Seite. Die eigentliche Bucheinleitung beginnt auf der Rückseite der Titelseite mit einem großen, in zwei Bildflächen geteilten und typographisch beschrifteten Texteinleitungsholzschnitt (Augustinus als Autor in der Schreibstube im oberen Teil, im unteren Teil eine Darstellung von Sion und Babylon) sowie einleitenden Distichen. Das Buch endet auf der Recto-Seite des letzten Blatts mit dem Registrum und der Verlegermarke. Ist der Buchblock geschlossen, sind lediglich Anfangs- und Schlusstitel sichtbar, wobei diese Seiten wegen der bedruckten Verso-Seiten nicht zum Wegfall beim Binden bestimmt sein können. Die beiden Kurztitel sind für die schnelle Identifizierung des Buchs gedacht, alles Weitere, der Blickfang des Holzschnittes und der Hinweis auf den Verleger, liegen innen. Neben dem Endtitel legt aber auch der Kolophon, der im frühen Buch in Kontinuität mit der Handschriftenpraxis am Schluss oder gegen Ende des Buchs positioniert ist, die Frage nahe, warum sich das Titelblatt nicht in der Endposition etabliert hat. Wie der Forschungsbericht zeigt, wird eine direkte Beziehung zwischen dem Kolophon und der Entstehung des Titelblatts abgelehnt, nicht zuletzt auch aus inhaltlichen Gründen.181 Der Kolophon dient weniger der Werkkennzeichnung, die ihren Platz in der Spitzenposition der Incipit-Formulierung hat, sondern ist als abschließende Bemerkung des Schreibers nach getaner Arbeit zu sehen, der sich selbst nennen kann, und Ort und Zeit, an und zu denen die Abschrift beendet worden ist. Ähnlich ist nach Pollard auch die Funktion des Kolophons im Buchdruck zu sehen: »Colophons, in fact, are the sign and evidence of the printer’s pride in his work, and this is the main clue we have in seeking for them.«182 Zudem ist ein Kolophon weder in der Handschrift noch im Inkunabeldruck die Regel; auch hier ist der Kolophon nicht mit dem Titelblatt vergleichbar, das obligatorisch wird.
179 Smith: The Title-page, S. 73 bzw. S. 71. 180 Aurelius Augustinus: De civitate dei. Venedig: [Bonetus Locatellus] für Octavianus Scotus, 18. Februar 1489/90 (ISTC ia01245000, GW 2889). 181 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 5. 182 Vgl. Pollard: An essay, S. 7.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit 1v mit Text- oder Registerbeginn 17,2 %
3.2.3 Die Titelseite und nachfolgende Seite Das Verhältnis von Titelseite und nachfolgenden Texten, Illustrationen oder Leerseite(n) ist in einem weiteren Schritt zu klären (Abb. 9). Für deutsche Druckorte konnte in 91,0 % (3.323 von 3.649) der Inkunabelausgaben mit Titelblatt eine Zuordnung vorgenommen werden.183 Danach folgt bei 57,2 % eine leere Seite, bei 11,7 % ein kleinerer abgeschlossener Text, bei 7,9 % ein ganzseitiger Titelholzschnitt (u. U. mit einer typographischen Bildlegende) und bei 23,2 % der Fälle der Beginn eines längeren Textes, z. B. der Werktext oder ein Registrum. Nimmt man die ersten drei Fälle zusammen, ergibt sich bei 76,8 % eine deutliche Separierung des ersten Blatts mit der Titelinformation vom übrigen Buchinhalt, eine frühe Entscheidung für ein Blatt und nicht nur eine Seite, das für Titelinformationen eingeplant wird.
1v mit Text- oder Registerbeginn 23,2 %
1v leer 57,2 %
1v mit abgeschlossenem Kleintext 11,7 %
1v mit ganzseiteigem Holzschnitt 7,9 %
Abb. 9: Deutschland: Titelseite und nachfolgende Seite Für die Niederlande ergibt sich ein ähnliches Bild (Abb. 10): Bei 96,6 % (748 von 772) der für niederländische Inkunabeln nachgewiesenen Drucke mit Titelblatt findet sich in 82,8 % der Fälle eine Trennung im Buchaufbau zwischen Titelblatt und weiterem Buchinhalt.184 Eine leichte Differenz ist nur bei Text- bzw. Registerbeginn auf der Rückseite der Titelseite zu verzeichnen.
183 Entweder durch Autopsie oder nach GW und Hain. 184 65,4 % mit leerer Rückseite, 17,2 % mit Text- oder Registerbeginn, 7,9 % mit ganzseitigem Holzschnitt, 9,5 % mit kurzem abgeschlossenem Text.
1v mit abgeschlossenem Kleintext 9,5 %
1v leer 65,4 %
1v mit Einleitungsholzschnitt 7,9 %
Abb. 10: Niederlande: Titelseite und nachfolgende Seite Für den Druckort Venedig bestätigt sich dies nochmals (Abb. 11): Bei 80 % der Titelblätter (908 von 1.134) konnte die Gestaltung der Rückseite geklärt werden. Von diesen geklärten Fällen zeigen 80,2 % diese Separierung, davon 53,2 % mit leerer Rückseite. Für Venedig ist allerdings der höhere Anteil von kleinen abgeschlossenen Texten auf der Titelblattrückseite (24,2 %) gegenüber Deutschland und den Niederlanden auffällig, wobei es sich häufig um einseitige Verleger- oder Herausgebervorworte handelt. Dabei scheint es sich um eine für Venedig charakteristische Form der Bucheröffnung für wissenschaftliche Bücher zu handeln, da dieser Typus auch bei titelblattlosen Drucken (Leerseite mit Herausgebervorwort auf der Rückseite) häufig vorkommt. Demgegenüber ist der Anteil von ganzseitigen Holzschnitten auf der Rückseite der Titelseite mit nur 2,8 % niedriger als in Deutschland und den Niederlanden. Auch hier kann man die titelblattlosen Drucke anderer Druckorte zum Vergleich heranziehen: Für Augsburg, Straßburg und Nürnberg ist die Kombination Leerseite und Einleitungsholzschnitt auf der Rückseite geläufig. Die beiden Varianten − Leerseite zu Beginn mit einem kleinen abgeschlossenen Text auf der Rückseite bzw. Leerseite mit einem Einleitungsholzschnitt − belegen die wichtige Rolle der bewusst geplanten Leerseite als Voraussetzung des Titelblatts.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ 1v mit Text- oder Registerbeginn 19,8 %
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schaftlichen Handschriften des Mittelalters häufig, entweder zu Beginn oder am Ende der jeweiligen Bucheinheit. Das Titelblatt wird eher in die separat geplante Lage mit den Vorstücken integriert, die dann allerdings die Spitzenposition einnehmen muss und nicht mehr ans Ende gebunden werden kann.
3.3 Die mesotypographischen Zeichenmittel: Flächengliederung
1v leer 53,2 %
1v mit abgeschlossenem Kleintext 24,2 % 1v mit Einleitungsholzschnitt 2,8 %
Abb. 11: Venedig: Titelseite und nachfolgende Seite
3.2.4 Die Titelseite im Lagenverbund Offen ist noch, wie sich das Titelblatt im Lagenverbund verhält. Mit der Entstehung des Titelblatts geht − zumindest in Deutschland und den Niederlanden − keine Entwicklung zum Titelbogen als separate Lage einher.185 In 96,9 %186 konnte die Einbindung des Titelblatts in die erste Lage geklärt werden; davon beginnt bei nur 8,9 % der Werktext erst mit der zweiten oder einer späteren Lage. Anders verhält es sich beim Druckort Venedig, für den sich in 22,7 %187 das Titelblatt auf einer separaten Lage findet, wobei eine deutliche Zunahme separat gedruckter Vorstücke gegen Ende der Inkunabelzeit festzustellen ist.188 Vor allem Register189 oder Kalender190 mit bucherschließender Funktion, die den modernen Inhaltsverzeichnisses vergleichbar sind, füllen − mit oder ohne Titelblatt − die separate Lage. Anders als das Phänomen des Titelblatts sind separate Register jedoch keine Errungenschaft des gedruckten Buchs, sondern finden sich u. a. bei juristischen, theologischen und wissen185 Zu erkennen an Lagensignaturen wie Sonderzeichen, römische Ziffern etc. oder ganz ohne Lagenbezeichnung, wobei die folgende Lage mit dem ersten Buchstaben des Alphabets beginnt. 186 3.537 von insgesamt 3.649 ermittelten Drucken mit Titelblatt. 187 247 von 1.090 Fällen, in denen der Lagenaufbau geklärt werden konnte. 188 Separate Lagen mit oder ohne Titelblatt bei Venezianischen Inkunabeldrucken: 1481−1484: 3,6 %, 1486−1490: 5,2 %, 1491− 1495: 14,6 %; 1496−1500: 15,6 %. 189 Zusammenstellungen der Kapitelanfänge in der Folge des Buchaufbaus (›Tabula rubricarum‹), aber Stich- und Schlagwortregister (›Tabula materiarum‹). 190 Vor allem Texte, die nach dem Kirchenjahr angeordnet sind, z. B. Legendare, Predigtsammlungen, Liturgica.
Die Art der Anordnung von sprachlichen und bildlichen Elementen auf der Buchseite gehört zu den typographischen Zeichenmitteln auf einer mittleren (mesotypographischen) Ebene; im Folgenden wird die Flächengliederung der Titelseite behandelt. Nach Wehde sind »Flächensyntaktische Formbildungen […] sowohl unabhängig vom Bedeutungssystem typographischer Dispositive als auch unabhängig vom jeweilig zugrundeliegenden sprachlichen Textinhalt bedeutungshaft.«191 So werden z. B. die räumlichen Zuordnungen oben und unten bzw. vorn und hinten kulturtypisch als hierarchische Verhältnisse interpretiert. Regeln der Flächengliederung sind in typographischen Handbüchern niedergelegt und bestimmen als Ordnungen wesentlich die Gestalt typographischer Dispositive. Für das Titelblatt bzw. den (modernen) Titelsatz gilt nahezu unumstößlich der Grundsatz, dass die Hauptgruppe mit der Urheber- und Werkkennzeichnung oben auf der Seite erscheinen, Angaben des Impressums im unteren Bereich. Die Flächensyntax legt die Interpretation nahe, dass Autor und Werk auf dem Titelblatt wichtiger erscheinen als der materielle Urheber. Eine weitere Markierung erfolgt über die Schrifthierarchie durch die Schriftwahl und die Schriftgröße, die für die Untergruppe meist kleiner gewählt wird.192 Ebenso wie die Spitzenstellung der Titelseite in der Inkunabelzeit festgelegt wurde, bildet sich die Flächensyntax der Titelseite zu dieser Zeit in rudimentären Grundzügen heraus. Die Entwicklung von Grundregeln des Titelsatzes ist als Prozess zu verstehen, dessen Etappen durch die nach und nach auf dem Titelblatt erscheinenden Metatexte gegliedert werden, so dass die Chronologie die Raumaufteilung mitbestimmt. Die früheste und die Inkunabelzeit beherrschende Dispositivform ist die eines rein typographischen Titels mit variablen Angaben der Hauptgruppe, dessen Mikrotypographie im folgenden Kapitel beschrieben wird. Die Angaben der Hauptgruppe besetzen das obere Drittel der Seite, seltener die Mitte, während der Rest der Fläche leer, d. h. weiß, bleibt. Diese Regel hatte schon Johnson formuliert: »One rule which seems to have been almost universally observed 191 Wehde: Typographische Kultur, S. 172. 192 Vgl. dazu die Gestaltungsbeispiel bei Willberg/Forssman: Lesetypographie, S. 316f.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
is that the mass of the type must be in the top half of the page and not evenly distributed.«193 Die in den Niederlanden nahezu gleichzeitig wie in Deutschland kurz nach dem typographischen Titel auftretende Dispositivform ist die der illustrierten Titelseite. Der Holzschnitt auf dem Titelblatt besetzt den Platz unterhalb der Titelformulierung. Nur ganz vereinzelt kommen Titelseiten mit Holzschnitten oberhalb der Hauptgruppe vor. Dazu gehören die frühen Titelseiten aus der Offizin Folz, die den Übergang von der prädispositiven zur dispositiven Form markieren. Noch gegen Ende der Inkunabelzeit erscheinen in Venedig illustrierte Titelseiten auf Klassikerausgaben mit dem Holzschnitt oben. Der jeweils längsformatige Holzschnitt zeigt in der Mitte den Autor, rechts und links flankiert von seinem Kommentator bzw. dem Korrektor. Unterhalb folgen Angaben der Hauptgruppe oder eine Aufzählung der enthaltenen Werke.194 Diese Beispiele sind wie die Experimente mit der Platzierung der Titelseite auf der Rückseite des ersten Blatts oder am Buchende Übergangserscheinungen. Die für spätere Dispositivformen charakteristische Flächengliederung Hauptgruppe mit deutlich getrennter Untergruppe oder Hauptgruppe mit mittig platziertem Holzschnitt und Angaben des Impressums am Fuß der Seite ist für das Inkunabeltitelblatt nicht ausgebildet. Herstellerische Metatexte erscheinen erst zögerlich und in Bruchstücken im letzten Inkunabeljahrzehnt auf dem Titelblatt und dann meist als Zusatz zur Hauptgruppe, so dass keine Formationsregelungen für die Flächengliederung ausgebildet werden. Ebenso lässt sich keinerlei Tendenz zur vollständigen Untergruppe mit Druckort, Drucker und Druckjahr ausmachen. Erst Titelblätter Johannes Frobens nach 1523 realisieren die Dispositivform Hauptgruppe, Signet, Untergruppe regelmäßig.
Dazu einige Vorüberlegungen. Wehde195 unterscheidet zwischen dem primären Zeichensystem der Inhaltsseite der Schrift und dem sekundären der Ausdruckseite. Die einzelnen Schriftzeichen wiederum sind abstrakt-formale Konfigurationen graphischer Merkmale (Typus bzw. Legi-Zeichen), die aber eine physikalisch-gegenständliche Materialität (Exemplar, Token oder Sin-Zeichen) besitzen. Während der Typus als abstraktes Konzept aufzufassen ist und lediglich denotative Funktion hat, wird das Exemplar des Typus in klassifizierenden Matrizen typographischer Systematik wie z. B. Schriftfamilien oder Schriftschnitten realisiert. Die Konstruktion von Bedeutung aus gedruckten (oder geschriebenen) Texten wird wesentlich durch die Ausdrucksseite der Schrift mitbestimmt. »(Druck-)Schriftsprachliche Äußerungen haben nie nur denotative Zeichenfunktion als Zeichenträger sprachlicher Aussagen, sondern sind mindestens immer auch als codierte Reize, d. h. als Ausdruckszeichen bestimmter Empfindungen oder Vorstellungen wirksam.«196 Diese meist unbewussten Assoziationen durch den Leser sind allerdings nicht rein individuelle Gefühlseindrücke, sondern haben eine Basis in kulturell und zeittypisch geprägten Erfahrungen.197 Die drei folgenden Diagramme (Abb. 12, 13, 14) zeigen die Verwendung mikrotypographischer Gestaltungsmittel für Deutschland, die Niederlande und Venedig:
3.4 Die mikrotypographischen Zeichenmittel Die folgenden Kapitel untersuchen die mikrotypographischen Gestaltungsmittel der Titelseite: Rotdruck, Schriftwahl und Schriftanordnung, die auch für den Textsatz (Werksatz) eingesetzt und für die Gestaltung der Titelseite übernommen oder modifiziert werden. Sie sind an sprachliche Zeichen gebunden, ohne allerdings selbst bedeutungstragend im Sinn einer sprachlichen Denotationsfunktion zu sein.
193 Johnson: One hundred title-pages, S. XII; vgl. auch Smith: The title-page, S. 61. 194 Publius Ovidius Naso: Epistolae Heroides. Venedig: Christophorus de Pensis, 30. März 1495 (ISTC io00163000); Aulus Persius Flaccus: Satyrae. Venedig: Johannes Tacuinus, 4. November 1499 (ISTC ip00362000); Gaius Sallustus Crispus: Opera. Venedig: Johannes Tacuinus, 20. Juli 1500 (ISTC is00085000).
195 Wehde: Typographische Kultur; vgl. bes. Kapitel III: »Ein semiotisches Modell von Druckschrift«. 196 Wehde, S. 149. 197 Vgl. Wehde, S. 150.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
43
1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
T itelblätter insgesamt typographische T itelblätter ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher T ypographie ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter T ypographie ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck Dreiecksatz u. ä. ermittelt
Abb. 12: Deutschland: Mikrotypographische Gestaltungsmittel
300 250 200 150 100 50 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
T itelblätter insgesamt typographische T itelblätter ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher T ypographie ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter T ypographie ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck Dreiecksatz u. ä. ermittelt
Abb. 13: Niederlande: Mikrotypographische Gestaltungsmittel
1496–1500
44
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
700 600 500 400 300 200 100 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
T itelblätter insgesamt typographische T itelblätter ermittelte rein typographische T itelblätter mit einfacher T ypographie ermittelte rein typographische T itelblätter mit gestufter T ypographie ermittelte typographische T itelblätter mit Rotdruck Dreiecksatz u. ä. ermittelt
Abb. 14: Venedig: Mikrotypographische Gestaltungsmittel
3.4.1 Rotdruck Die Vervielfältigung von Schrift und Bildern erfolgt über den Abdruck einer Druckform auf einen Bedruckstoff mittels Druckfarbe.198 Für den Buchdruck ist die übliche Schriftfarbe schwarz bzw. schwarzbraun am wenigsten mit Bedeutung aufgeladen. Davon abweichende Farbkonzepte sind folglich offen für rezipientenabhängige und konventionell gesteuerte Semantisierungen. Für das frühe Titelblatt gilt dies hauptsächlich für Rotdruck. Rote Farbe wird im Kodex zur Hervorhebung und Auszeichnung von Wörtern und Textteilen verwendet. Werk- und Kapitelanfänge sowie Rubrikzeichen sind häufig rot geschrieben oder unterstrichen. Für das Titelblatt der Inkunabelzeit spielt der Rotdruck allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Von der Gesamtmenge der 3.649 deutschen Drucke verwenden lediglich 68 Rotdruck auf dem Titelblatt (1,9 %). Bis in die 1480er Jahre bleibt Rotdruck die große Ausnahme (3 Drucke), ab den 1490er Jahren ist die Tendenz steigend, wobei es sich bei den ermittelten Drucken überwiegend um Liturgica oder Andachtsliteratur (49 Drucke) bzw. römisches oder kano198 Wehde bezeichnet im Rückgriff auf Charles S. Pierce die materiellen Eigenschaften der Zeichen als Quali-Zeichen (Qualitätszeichen), die selbst Zeichenfunktion erlangen könne; vgl. Wehde: Typographische Kultur, S. 66.
nisches Recht (6 Drucke) handelt. Für Venedig ergibt sich ein abweichendes Bild mit einem höheren Anteil von 14,4 % (163 Drucke) mit Rotdruck; aber auch hier ist dieser liturgischen und juristischen Texten vorbehalten. Die Schmuckfunktion, die der Rotdruck als Blickfang und zur Hervorhebung einzelner Textteile auf dem Titelblatt des 16. Jahrhunderts erreicht, so z. B. bei den zahlreichen Drucken mit RenaissanceEinfassungen, kennt das Inkunabel-Titelblatt nicht.199 Nicht nur Schrift, sondern auch illustrierende Elemente können auf der Titelseite im Rotdruck ausgeführt werden. In der Inkunabelzeit wird diese Praxis fast ausschließlich auf Signete beschränkt; sie ist vor allem im Venezianischen Druck zu beobachten.
3.4.2 Schriftwahl, gestufte Typographie und Figurensatz Für den Titelsatz ist nach titelblatttypischen Gestaltungsmitteln zu fragen. Diese betreffen neben der Schriftwahl die Schriftgröße, Schriftanordnung wie gestufte Typographie und Figurensatz sowie Auszeichnungsmittel wie Initialen, Lombarden etc. Die folgenden statistischen Analysen beziehen sich wiederum auf Deutschland, die Niederlande und Venedig. 199 Vgl. die Abbildungen bei Johnson: German Renaissance.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ Da die einschlägigen Bibliographien, die der Statistik zugrunde liegen, die mikrotypographische Gestaltung nicht detailliert beschreiben, musste hier wesentlich auf vorhandenes Bildmaterial zurückgegriffen werden. Die angegebenen Prozentzahlen beziehen sich daher auf eine deutlich kleinere Anzahl von Drucken (1.815 von 3.649 ermittelten deutschen Drucken mit Titelblatt). Bei 66,2 % dieser Drucke (1.202 Drucke) wurde nur eine einzige Schrift auf dem Titelblatt verwendet, entweder die Grundschrift, die für den Werksatz benutzt wurde, oder eine Auszeichnungsschrift. Davon entfällt der größte Anteil von 996 Drucken (54,9 % aller Titelblätter bzw. 82,9 % der Titelblätter mit nur einer Schriftgröße) auf Titelseiten ohne graphische Elemente. Die restlichen 211 Drucke (11,3 % bzw. 17,1 %) werden durch einen Titelholzschnitt, Zierleisten, Rotdruck (29 Drucke) oder eine Kombination dieser Elemente aufgewertet. Gestuftes Layout, d. h. die Verwendung von zwei Drucktypen aus unterschiedlichen Schriftfamilien, ist in 22,6 % (410 Drucke) nachzuweisen. Als Satzkonvention200 gilt, dass die gesamte erste Zeile in einer Auszeichnungstype, einer Textura oder Rotunda, gesetzt wird, der weitere Zeilen in einer kleineren Texttype folgen. 269 (19,0 % aller Titelblätter bzw. 65,6 % der Titelblätter mit nur einer Schriftgröße) sind ohne jeden weiteren graphischen Schmuck, 141 (10 % bzw. 34,4 %) mit den genannten Schmuckelementen (davon 6 im Rotdruck). Hier ist der zeitliche Verlauf interessant: Die ersten Fälle von gestuftem Layout sind erst um 1485 in Köln nachweisbar,201 der erste datierte Druck mit gestufter Typographie stammt nur ein Jahr später, 1486,202 ebenfalls aus Köln. Ab 1487 sind Drucke mit gestufter Typographie auch in anderen deutschen Druckorten nachweisbar und nach 1490 steigt die Tendenz deutlich an.203 Die Abbildung (Abb. 15) zeigt eines der frühen Kölner Beispiele gestufter Typographie mit einem auffälligen Einzug der ersten Zeile:
200 Vgl. zur Schriftverwendung auf dem Titelblatt De Vinne: The practise, Kap. V: Paragraph and bastard titles, bes. 102: »The first attempts at relief or display began with the selection of large type for the first lines of separate paragraphs.« 201 Thomas von Aquin: De eucharistia ad modum decem praedicamentorum, sive De corpore Christi. (Pseudo-)Expositio orationis dominicae. Köln: [Ulrich Zell, um 1485] (ISTC it00294000); Proverbia communia. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] (ISTC ip01025000); Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] (ISTC ia00256000, GW 624). 202 Bonaventura: Opuscula. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 24. Dezember 1486 (ISTC ib00925000, GW 4646). 203 Gestufte Typographie: 1481−1485: 3,5 % des Jahrfünfts, 1486−1490: 9,0 %, 1491−1495: 24,5 %, 1496−1500: 40,2 %.
45
Abb. 15: Gestufte Titelblatttypographie auf: Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] Die gestufte Typographie auf dem Titelblatt ist ein einfaches Mittel, den Titelsatz optisch aufzuwerten, ebenso wie die später hinzukommende Verwendung von Lombarden oder Schmuckinitialen.204 Die frühesten Beispiele dafür erscheinen in Deutschland 1487 in Straßburg (Abb. 16) und Speyer,205 insgesamt bildet der Initialschmuck auf dem Titelblatt im 15. Jahrhundert mit 2,9 % (53 Drucke) die Ausnahme. Ähnlich ist das Bild in den Niederlanden; hier konnte in 588 Fällen206 das Layout des Titelblatts geklärt werden. 460 (83,3 %) zeigen nur eine einzige Schrifttype; auch hier nimmt die gestufte Typographie als Auszeichnungsmittel nach 1490 deutlich zu.
204 Die folgende Statistik beruht auf der Auswertung von Bibliographien, in denen der Initialschmuck nicht differenziert wird. 205 Stephanus Fliscus: Sententiarum variations sive synonyma. Straßburg: Johann Prüß, 1487 (ISTC if00203000, GW 10009); Antoninus Florentinus: Confessionale. [Speyer: Peter Drach], 30. Juni 1487 (ISTC ia00821000, GW 2125). 206 Das sind 76,2 % der insgesamt nachgewiesenen Titelblätter.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Für den Druckort Venedig konnte bei 387 Titelblättern das Layout geklärt werden: 343 zeigen nur eine Schrift (88,6 %). Die Venezianischen Druckerverleger bevorzugen gegenüber der gestuften Typographie, die auch nach 1490 nicht wesentlich zunimmt, den Rotdruck oder den Figurensatz als Blickfang des Titelsatzes (Abb. 17).207 Figurensatz in Form eines Dreiecks ist in 56 Fällen nachgewiesen, in den Niederlanden hingegen nur dreimal, in Deutschland nur neunmal. Abbildung 17 zeigt eines der frühesten Titelblätter mit der Hauptgruppe in Form eines auf die Spitze gestellten Dreiecks in Venedig:
Abb. 16: Frühes Titelblatt mit Initialschmuck auf: Stephanus Fliscus: Sententiarum variationes. Straßburg: Johann Prüß, 1487
3.4.3 Die mikrotypographischen Zeichenmittel und ihre Bedeutung für den Titelsatz Betrachtet man die Wahl der mikrotypographischen Zeichenmittel, sind folgende Grundzüge erkennbar. Der Einschnitt um 1490, der sich bereits für die Zunahme produktionsrelevanter Angaben als bedeutsam erwiesen hat, bildet auch für die mikrotypographische Gestaltung eine markante Schwelle. Während die Titelblattgestaltung in den ersten Jahren des typographischen Titelblatts äußerst schlicht ist, mehren sich im letzten Jahrzehnt der Inkunabelzeit die Hinweise für einen auf mehr visuelle Effekte zielenden Titelsatz. Das Titelblatt wird nun als fester Bestandteil im Buchaufbau gesehen und entsprechend in die gestalterischen Bemühungen einbezogen. Die Gestaltungsmittel, die zum Einsatz kommen, sind allerdings diejenigen, die auch sonst charakteristisch für ›Schlüsselstellen‹ im Buchaufbau sind, wie z. B. für den Werkbeginn, den Buchschluss oder die Hervorhebung einzelner Textteile; in aller Regel beruhen sie auf skriptographischen Traditionen.209 Dies gilt für den Rotdruck ebenso wie für die Hervorhebung des Werk- oder Kapitelbeginns durch unterschiedliche Schriften und Schriftgrößen, durch Initialen und Lombarden. Auch der dekorative Figurensatz stammt aus der Hand des Schreibers, der Marginalien, Kolophone und Textschlüsse, bei denen die Textmenge den Schriftspiegelrand nicht erreicht, in geometrischen Figuren auslaufen lässt, um keine ungebrochenen weißen Flächen in der sonst geschlossenen Buchseite stehen zu lassen.210 Lange bevor der Figurensatz das Titelblatt erreicht, ist er im gedruckten Buch im Kolophon präsent. So zeigt sich auch hier, dass die eigentliche Innovation im Prozess der Titelblattentwicklung in der Idee einer separaten, buchkennzeichnenden Seite zum Buchbeginn liegt, während die sprachlichen und gestalterischen Mittel konventionell sind, skriptographischen Gepflogenheiten entstammen und schon an anderen Stellen des gedruckten Buchs erprobt sind. Zudem richtet sich die typographische Auszeichnung nicht nach sprachlich vorgegebenen Sinnschritten, sondern nach dem Zeilenfall. Der dekorative Effekt, der besonders im Figurensatz mit mehreren Schriften und Schriftgrößen sichtbar wird, steht über dem des besseren Textverstehens.
Das französische Titelblatt entwickelt für den Titel große Holzschnittinitialen. Diese Titeldekoration ist typisch für Paris (u. a. Antoine Vérard) und Lyon.208
207 Zum italienischen typographischen Titelblatt vgl. Barberi: Il frontespizio, S. 55−66. 208 Vgl. Labarre: Les incunables, S. 231.
209 Vgl. Smith, The design relationship. 210 Vgl. Lehmann: Figurale Schriftflächen; De Vinne: The practise, S. 12−19.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
Abb. 17: Figurensatz auf dem Titelblatt: Michael Scotus: Liber physiognomiae. [Venedig: Johannes Baptista Sessa, 1490]
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
3.5 Die xylographische Titelseite als Sonderfall 211
Beim Holzschnitttitel oder xylographischen Titel handelt es sich um eine Sonderform der Titelblattgestaltung. Ein meist kurzer Titel, der selten mehr als eine oder zwei Zeilen umfasst, wird von einem hölzernen Druckstock vervielfältigt, wobei Ergänzungen im Typendruck vorkommen können. Für Deutschland konnten 129 Holzschnitttitel und 14 xylo-typographische Titel (7,9 %)212 ermittelt werden. Sie erscheinen zuerst in Speyer und Straßburg um 1483. Die regionalen Schwerpunkte liegen mit den Druckorten Augsburg, Nürnberg, Straßburg und Speyer im süddeutschen Raum, ihre Verteilung ist über den Zeitraum von 1483 bis 1500 gleichmäßig, allerdings nimmt die Tendenz zum Jahrhundertende hin ab. Zum Vergleich sei noch der Druckort Venedig angeführt, für den von 387 geklärten Titelblatt-Layouts nur fünf (1,3 %) xylographisch sind, der erste 1493 datiert. Der xylographische Titel ist also als eine Besonderheit des deutschen Sprachraums zu werten und wohl im deutschen Südwesten entwickelt worden. Der Grund für die technisch und finanziell aufwändigere Lösung des xylographischen Titelblatts liegt in seinem dekorativen Charakter. Anders als im Typenguss kann die Verbindung zwischen den einzelnen Buchstaben individuell gestaltet werden, sind Cadellen und andere Verzierungen möglich, zudem lässt sich der Schlagworttitel in einer Schaugröße realisieren.
3.6 Die sprachlichen Zeichenmittel: Werk- und Buchkennzeichnung Während das vorhergehende Kapitel die Zeichenmittel der Ausdrucksseite behandelt hat, stehen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen die sprachlichen Metatexte des Titelblatts.
3.6.1 Die Angaben der Hauptgruppe Die große Mehrheit der Titelblätter bis um 1490 dient ausschließlich der Textidentifikation. Die Fallstudien zu den deutschen Druckorten zeigen einen Anteil von über 90 % aller Titelblätter, die sich auf die Hauptgruppe mit oder ohne Autornennung beschränken. Meist handelt es sich um einen schlagwortartigen Kurztitel, aber auch mehrzeilige Hauptgruppen kommen vor; diese sind oft Formulierungen des Incipits bzw. der Werkeinleitung, die unverändert 211 Im Folgenden werden unter ›Holzschnitttitel‹ nur Titelseiten gerechnet, bei denen die gesamte sprachliche Formulierung oder ein Teil davon xylographisch realisiert ist. Titelseiten, bei denen dekorative Elemente im Holzschnitt hinzukommen, sind gesondert erfasst worden. 212 Bezogen auf die 1.815 Drucke, für die das Layout des Titelblatts geklärt werden konnte.
auf das Titelblatt übernommen werden. In den 1490er Jahren finden sich vermehrt längere, beschreibende Sachtitel, die den Inhalt des Buchs wiedergeben. Auch Beigaben wie Gedichte erscheinen nun auf dem Titelblatt. Eine stringente chronologische Entwicklung vom Schlagworttitel bzw. der Incipitformulierung auf dem Titelblatt zum deskriptiven Titel lässt sich allerdings nicht feststellen, zu heterogen stellen sich die einzelnen Fälle dar. Es sei hier auf die Fallstudien verwiesen, die ausführlich die Titelformulierungen untersuchen; besonders die Untersuchung zum Nürnberger Titelblatt setzt hier den Schwerpunkt. Innerhalb der Hauptgruppe dominiert der Werktitel gegenüber der Autor- oder Herausgebernennung, die nicht zwingend auf dem Titelblatt erscheint, vom Sonderfall der anonymen Werke abgesehen. Zudem wird weder typographisch noch in der sprachlichen Formulierung zwischen Bestandteilen unterschiedlicher metatextueller Qualität getrennt. Hier eröffnet sich ein weites Feld für die literaturhistorische Analyse zur Entwicklung des Werktitels und zur Einschätzung der Rolle des Autors, wie sie sich in seiner Nennung bzw. seinem Fehlen auf dem Titelblatt äussert.213 Das Inkunabeltitelblatt verharrt in diesem Punkt zunächst noch in der mittelalterlichen Tradition, d. h. der unfesten Kennzeichnung eines Werks, bezogen auf die vorliegende Überlieferungseinheit. Der eigenständige Werktitel mit hoher einheitlicher Kennzeichnungskraft entsteht erst in der Frühen Neuzeit. Das Titelblatt ist hier ein wichtiger Katalysator. Nach Shevlin entsteht im späteren 16. und im 17. Jahrhundert der ›free floating title‹, der unabhängig von der einzelnen Überlieferungseinheit des Buchs ein Werk kennzeichnet: »The title’s ability to circulate without its text in tow made it an invaluable tool for accomplishing several tasks that all required the title to act as a stand-in for the work.« 214 Nicht nur die wissenschaftliche Bibliographie und der Katalog werden durch den eingeführten Werktitel erst möglich, sondern auch rechtliche Belange sind zunehmend an den Namen des Werks geknüpft. Am Ende dieser Entwicklung steht die gesetzliche Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Titelschutzes.215
3.6.2 Zum Verhältnis von Kolophon und Angaben des Impressums auf dem Titelblatt Im mittelalterlichen Kodex erscheinen Angaben zur Buchproduktion unterschiedlicher Art in der Regel 213 Die sprachliche Formulierung des Werk- oder Sachtitels wird im Folgenden als eher literaturhistorische Fragestellung nicht behandelt. Zum literarischen Titel vgl. den knappen Überblick bei Rolle: Titel, sowie die Studien von Hoek: La marque du titre, und Rothe: Der literarische Titel. 214 Shevlin: To reconcile, S. 48. 215 Vgl. Reclams Sachlexikon des Buches, Artikel »Titelschutz«.
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹ am Schluss des Buchs als Teil des Kolophons. Diese Gewohnheit übernimmt auch der frühe Buchdruck; ebenso wie im handschriftlichen Buch die Schlussschrift keine allgemein geübte Praxis ist, haben viele Inkunabeln keine Firmierung durch ein Kolophon. Hirsch nennt anhand einer Auszählung der ersten sieben Bände des GW die Zahl von 45,3 % der Inkunabeldrucke ohne Produktionsbezeichnung.216 Als hartnäckig erweist sich auch die Positionierung von Angaben des Impressums, die nach der Etablierung des Titelblatts in der Inkunabelzeit bis auf wenige Ausnahmen weiterhin am Schluss des Buchs verbleibt. Der Venezianische Druckerverleger Aldus Manutius, in vielem vorbildlich für die ›moderne‹ typographische Gestaltung des Buchs, setzt generell das Impressum an das Buchende.217 Ähnliches gilt für den französischen Buchdruck.218 Trotz der buchtechnischen Gemeinsamkeiten, bei denen herstellungsrelevante Informationen in der Handschrift wie im Druck ans Ende platziert werden, ist eine grundsätzliche funktionale Veränderung mit dem Übergang von der handschriftlichen Schlussschrift zum Impressum zu beobachten. Pollard hat betont, dass der Schreiberkolophon weniger der Buchkennzeichnung diene, als den Stolz über die geleistete Arbeit zeige.219 Overgauuw hat jüngst systematisch die Schlussschriften anhand von Handschriftenkatalogen deutscher Bibliotheksbestände untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich im späten Mittelalter diejenigen Schreiber häufiger in Handschriften nennen, die sie für sich oder ihren engeren Umkreis abschreiben, als in Handschriften, die sie im Auftrag gefertigt haben. Zudem scheint die Schreibernennung stark textsortenabhängig zu sein: In Stunden- und Gebetbüchern, die zu den Büchern mit dem höchsten Ausstattungsniveau zu rechnen sind und die für einen größeren Markt produziert werden, ist so gut wie nie eine Selbstnennung des Schreibers zu finden. Overgauuw schließt daraus, dass der Schreiber mit der Selbstnennung die Anonymität aufgebe und dem Buch seinen persönlichen Stempel aufdrücke, was für ein Auftragsprodukt unerwünscht sei.220 Diese Beobachtung scheint zunächst der Schlussfolgerung Pollards für das Impres216 Hirsch: Title pages, S. 63: »[…] yet E. von Kathen, who carefully analysed entries in the volumes I-IV of the ›Gesamtkatalog der Wiegendrucke‹, found that, even in the last decennium of the fifteenth century, 45,3 % of imprints still failed to identify the producer.« Leider macht Hirsch keinerlei Angaben dazu, welche Angaben zum Produzenten gemacht werden. − Vgl. dazu auch Barberi: Il frontespizio, S. 48. 217 Vgl. Johnson: One hundred title-pages, Nr. 19, sowie die Beschreibungen im Ausstellungskatalog: Aldo Manuzio tipografo. 218 Labarre: Les incunables, S. 230: »Le colophon a survécu à l’apparition de la page de titre. Fréquent dans les livres du début du XVIe siècle, le colophon apparaît encore parfois jusq’en plein XVIIe siècle.« 219 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band S. 5. 220 Vgl. Overgauuw: Where are the colophons?
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sum zu widersprechen. Danach hätten volksprachliche Drucke, die von den Zeitgenossen eher gering geschätzt worden seien, nur selten ein Kolophon, während die lateinische Produktion im Vergleich dazu häufiger eine Schlussschrift aufweise. Auch der Buchdrucker bzw. der Druckerverleger drücke in den ausführlich formulierten Schlussschriften noch Erleichterung und Stolz über das geleistete Werk aus.221 Dennoch ist eine generelle Funktionsverschiebung zu konstatieren. Das handschriftliche hochwertige Buch geht nach Auftragsabschluss in den Besitz des Auftraggebers über, der über den Besitzvermerk, Stifterbilder o. ä. seinen persönlichen Anspruch dokumentiert. Der materielle Produzent, sei es der Buchkünstler oder der Schreiber, treten hinter dem Auftraggeber und Besitzer zurück. Diese Form der Buchkennzeichnung führen im gedruckten Buch das individuelle Exlibris oder der handschriftliche Provenienzvermerk fort. Die Linie vom Schreiberkolophon hingegen führt zum Impressum, erst traditionell am Buchende platziert, seit dem 16. Jahrhundert vermehrt auch auf dem Titelblatt.
3.6.3 Produktionsrelevante Hinweise auf dem Titelblatt Eine eigene, typographisch durchgestaltete und von den anderen Titelinformationen deutlich abgesetzte Untergruppe kennt das Inkunabeltitelblatt so gut wie nicht.222 Produktionsrelevante Hinweise, sei es zum Erscheinungsort, zum Druckerverleger oder zum Erscheinungsdatum sind entsprechend selten. Von 3.592 deutschen Titelblattdrucken223 enthalten 97,2 % Informationen der Hauptgruppe, u. U. ergänzt durch Gedichte, Anpreisungen etc. Nur bei 100 Titelblättern werden Angaben zum Druckerverleger und/oder Druckort bzw. Druckjahr etc. gemacht. Hiervon sind noch 30 Titelblätter als Sonderfälle abzuziehen, da verlagsrelevante Angaben in der Druckermarke verschlüsselt sind. Nach 1490 zeichnet sich eine leichte Steigerung ab: Zwischen 1491 und 1495 haben 30 Drucke, zwischen 1496 und 1500 48 Drucke produktionsrelevante Angaben auf dem Titelblatt.
221 Vgl. dazu die Zusammenstellung zahlreicher Colophone bei Pollard: An essay, und De Vinne: The practise, Kap. II. 222 Hinweise auf einzelne Drucke bei Geldner: Inkunabelkunde, S. 107−112; Hirsch: The earliest development. − Dazu auch Haebler: Inkunabelkunde, S. 122f.: »Ein Titelblatt, wie diejenigen der Reformationszeit, das neben dem Titel der Schrift und dem Namen des Verfassers auch den Druckort und das Erscheinungsjahr angibt, kennt die Wiegendruckzeit überhaupt noch nicht. Die wenigen Anläufe, die nach dieser Richtung an ein paar vereinzelten Stellen unternommen worden sind, werden weiterhin Erwähnung finden; sie bestätigen aber mehr die Regel, als daß sie sie durchbrechen«. 223 Geklärte Fälle von insgesamt 3.649 Drucken mit Titelblatt.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Abb. 18: Titelblatt zum Herbarius latinus. Passau: [Johann Petri, 14]85
3 Die Zeichenmittel des typographischen Dispositivs ›Titelblatt‹
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Abb. 19: Titelblatt mit Druckervermerk auf Alexander de Villa Dei. Doctrinale. Deventer: Jacob van Breda, 31. Dezember 1495 Als prädispositive Vorstufe anzusehen ist die Kölner Ausgabe von Werner Rolevincks Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis, bei Arnold ter Hoernen 1470 erschienen, die auf der Vorderseite des Titelblatts Titel und Druckdatum nennt, auf der Rückseite Druckort und Drucker.224 Zu den frühen Druckerverlegern mit typographischem Impressum gehört Hans Folz mit einer Gruppe von Drucken aus den Jahren 1479/80: Druckort, Drucker und Druckjahr sind in einigen Fällen typographisch durch einen Leerraum von der Hauptgruppe abgesetzt, sofern der Platz auf der Seite ausreicht. Auf dem Titelblatt des Herbarius latinus von 1484 werden Druckort und Druckjahr oberhalb des Zweischildersignets der Offizin Fust und Schöffer genannt, das stellvertretend für die Druckerverleger steht. Wie einflussreich die Vorgabe Schöffers war, zeigt der 224 Vgl. die Fallstudie Köln in diesem Band, S. 111.
Passauer Nachdruck durch Johann Petri nur ein Jahr später, mit sehr ähnlicher Titelformulierung: »Herbarius Patauie impressus Anno domini etcetera .lxxxv.«225 Ein Kolophon fehlt wie auch bei Schöffer. Johann Bergmann von Olpe in Basel firmiert ab 1494 seine Drucke häufig auf dem Titelblatt mit seinem Namen oder seinen Initialen zusammen mit dem Motto »Nihil sine causa« und dem Druckjahr.226 Wenn in den Niederlanden die Zahl der Titelblätter mit herstellerischen Angaben mit 14,7 % (112 Titel-
225 ISTC ih00064000, GW 12270. − Wie schwankend die Praxis selbst bei einem Drucker ist, zeigen die Ausgaben Johann Petris; der Nachdruck um 1486 (ISTC ih00066000, GW 12273) hat keinen Titel, sondern ein leeres erstes Blatt, der auf 1486 (ISTC ih00065000, GW 12275) datierte, hat ein Titelblatt wie die Ausgabe von 1485. 226 Siehe die Fallstudie Basel im übernächsten Band.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
blätter)227 höher ausfällt als in Deutschland, ist dies nahezu ausschließlich auf den früheren und häufigeren Einsatz des Verlegersignets zurückzuführen. Die demgegenüber kleine Gruppe von vier Titelblättern mit typographischen produktionsrelevanten Angaben sei hier durch zwei Beispiele vertreten. Jacob van Breda zeichnet mit seinem vollen Namen auf dem Doctrinale des Alexander de Villa Dei vom 31. Dezember 1495 (Abb. 19). Diese Titelseite zeigt bereits die typische Flächengliederung, allerdings mit rudimentärer Untergruppe »Jacobus de Breda«, gesetzt in gleichem Schriftgrad wie die Hauptgruppe. Weit ausführlicher ist aber noch das Impressum am Textende, das genaue Angaben zum Werk, zum Druckort, Drucker und Druckjahr macht.228 Typographisch firmiert auch Peter van Os auf dem Titelblatt, allerdings nur mit dem Druckort: »zwollis impressi« (Abb. 20). Der knappe Zusatz am Ende einer ausführlichen Werkbezeichnung ist in die Hauptgruppe integriert, die wie ein Textabsatz gesetzt ist.229 Eine Schlussschrift hat der Druck nicht. In Venedig erscheinen trotz der späteren Einführung des Titelblatts früher und häufiger produktionsrelevante Angaben auf dem Titelblatt als in Deutschland, bleiben aber hinter den Niederlanden zurück. Die Gesamtzahl liegt bei circa 10 %, wobei in über der Hälfte der Fälle (60 Drucke: 5,3 % der Druckproduktion) das Signet gewählt wird. Wie in Deutschland und den Niederlanden ist auch für den Druckort Venedig die Tendenz im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts steigend: Zwischen 1490 und 1495 sind es 7,3 %, zwischen 1496 und 1500 12,4 %. Die ersten venezianischen Titelblätter mit herstellerischen Angaben sind die auf dem RegiomontanusKalender 1476 und 1478 mit Druckort, Druckernennung und Druckjahr.230 Der Turiner Druck der Decreta Sabaudie ducalia (Giovanni Fabri, 17. November 1477) hat auf der Vorderseite von Blatt 2 (das erste Blatt ist leer) eine Titelformulierung mit dem Druckjahr am Ende.231 Das frühe, sehr ausführliche Titelblatt zum Libro delle sorti des Lorenzo Spirito (Perugia: Stephan Arndes, Gerhard Thomas und Paul 227 Bezogen auf 99 % geklärter Fälle (764 von 772 Drucken mit Titelblatt). In acht Fällen konnte nicht ermittelt werden, ob auf dem Titelblatt lediglich Angaben zum Inhalt oder auch produktionsrelevante Informationen gegeben werden. 228 Alexander de Villa Dei. Doctrinale. Deventer: Jacob van Breda, 31. Dezember 1495 (ISTC ia00445500, GW 1121). − Die Schlussschrift lautet: »Finit prima et secunda pars alexandri Jmpressa Dauentrie cum summa diligentia emendata per me Jacobum de Breda. Anno domini. M.quadringentesimo. xcv. ultima die Decembris«. 229 David de Augusta. De exterioris et interioris hominis compositione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] (ISTC id00102700, GW 8169). 230 S. S. 30. – Die folgenden italienischen Titelblätter mit produktionsrelevanten Hinweisen nach Barberi: Il frontespicio. 231 Vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 64 u. Abb. (ISTC is00001000, BMC VII 1054).
Mechter, 1482) beginnt mit einem Titelgedicht, darunter folgen die in einen mehrzeiligen Absatz integrierte Autor- und Sachtitelnennung und ein ausführliches Impressum: Sorte composite per lo nobile ingegno de Lorenzo spirito perugino. Et impresse nella Augusta citta de Perugia: Per opera et ingegno de maestro Stephano arendes de Hamborch: et de Paulo mechter et Gherarado thome de Alamania compagni. Nelli anni del signore. M.CCCC.LXXXII. foeliciter.232
Abb. 20: Titelblatt mit Druckortvermerk auf: David de Augusta. De exterioris et interioris nominis compositione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] Eine sprachliche Firmierung findet sich in Venedig vor allem bei Baptista de Tortis, der die Hauptgruppe um den Druckernamen erweitert, z. B. »Instituta de Tortis«.233
232 Vgl. Barberi: Il frontespizio, Abb. Tafel X u. S. 65 (ISTC is00685500). 233 Vgl. Smith: The title-page, S. 67−70.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sprachliche Hinweise der Untergruppe auf dem Titelblatt eine Ausnahme bilden; auch das Signet bleibt, gemessen an der Gesamtzahl der jeweils untersuchten Druckproduktion, selten. Wenn überhaupt, erscheinen nur einzelne Teile der Untergruppe. Weiterhin deutet sich weder eine Standardisierung der impressumsrelevanten Angaben der Untergruppe an, noch eine ihrer Platzierung. Eine steigende Tendenz, bei allerdings noch geringen absoluten Zahlenwerten, ist generell nach 1490 erkennbar.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts als Gestaltungsdispositiv in den Niederlanden. Gerard Leeu entwickelt diese dispositive Form in seiner Antwerpener Offizin als einer der ersten Druckerverleger gezielt für bestimmte Buchtypen und Textsorten. Anders als der rein typographische Titel mit einer sprachlichen Buchkennzeichnung arbeitet die illustrierte Titelseite zusätzlich mit bildlichen Mitteln. Die Illustration auf dem Titel bietet für die visuelle Charakterisierung des Werks ein breites Spektrum an Möglichkeiten und gibt damit dem in ökonomischen Kategorien denkenden herstellenden Buchhändler ein Instrument zur Rezeptionslenkung des Käufers und des Lesers. Neu an dieser Idee ist, das Bild in die herausgehobene Position der Titelseite einzubinden. Die Auswahl der Bildmotive vertraut hingegen den etablierten Traditionen der Text- und Bildverbindungen im illustrierten Buch. So zeigt die Einzelanalyse der von Leeu für den Titel verwendeten Druckstöcke, dass diese nicht selten aus dem vorhandenen Fundus von Illustrationszyklen entnommen werden. Die Sehgewohnheiten der Käufer und Leser des Buches, ihre Fähigkeiten zur Analyse der Bildsprache und ihre Kenntnisse der Bildmotive können unmittelbar genutzt werden. Die illustrierte Titelseite ist nach den Ergebnissen der quantitativen Vergleichsanalyse trotz dieser Vorteile deutlich seltener als der typographische Titel ohne grafischen Schmuck, ein Ergebnis, dass – wie die Detailanalyse für die Niederlande zeigt – auf eine enge Verbindung von Titelillustration, Buchtyp und Illustrationstraditionen des jeweiligen Textes verweist.
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4.1 Typographische Titelseite und illustrativer Schmuck auf dem Titel: quantitative Vergleichsanalyse bis 1500 Zunächst soll die quantitative Position des illustrierten Titelblattes im Vergleich zum typographischen Titel nach den Erhebungsregionen bestimmt werden. Die typographische Titelseite beherrscht in der Inkunabelzeit in Deutschland und Venedig den Alltag der Buchgestaltung: 71,6 % der deutschen Titelblätter sind rein typographisch und sogar 84,8 % der venezianischen. Diese Titelseiten sind ohne dekorative Elemente wie Leisten, ohne illustrierendes Titelbild und ohne Signet, können aber über (typografischen) Initialschmuck verfügen. Im Jahrzehnt von 1480 bis 1490 ist die typographische Titelseite in einer denkbar einfachen und schmucklosen Form Standard. Eine ein- bis mehrzeilige Buchkennzeichnung, gesetzt in einem Absatz und einer einzigen Schriftart, ohne jede weitere Auszeichnung oder Illustration, beherrscht die sonst leere Seite. Erst ab den 1490er Jahren wird sie visuell durch einfache Gestaltungsmittel wie gestufte Typographie, Figurensatz oder Rotdruck aufgewertet. Der Schriftblock enthält nur vereinzelt herstellungsrelevante Angaben und noch seltener werden diese herausgelöst und selbständig positioniert. Die folgende Analyse basiert für Deutschland auf der Gesamtzahl von 3.649, für die Niederlande auf 772 und Venedig auf 1.135 ermittelten Titelblättern bis zum Ende der Inkunabelzeit. Wegen der sehr guten bibliographischen Quellenlage konnte für alle ermittelten Titelblätter geklärt werden, ob sich graphischer Schmuck auf dem Titelblatt befindet. 2.732 (74,7 %) der deutschen Titelblätter, einschließlich der Holzschnitttitel, sind nicht illustriert, d. h. ohne Leisten und Einfassungen, Titelholzschnitt oder Druckermarken (Abb. 21). Für die restlichen 934 Titel ist der Titelholzschnitt das wichtigste Schmuckelement (889 Drucke bzw. 24,3 %). Nur 30 Drucke haben eine Druckermarke auf dem Titelblatt. Leisten oder Titeleinfassungen kommen in der Inkunabelzeit nur in 31 Fällen (0,9 %) vor, zum Teil in Kombination mit dem Titelholzschnitt oder der Druckermarke. Interessant ist der zeitliche Verlauf bei illustrierten Titelseiten: Ihr Anteil nimmt nach 1485 zu, der größte Sprung ist aber für das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu verzeichnen: 1486−1490: 9,4 %, 1491− 1495: 27,4 % und 1496−1500: 36,5 %.234 Der Anteil der Druckermarken und Zierleisten bleibt gering.
234 Bezogen jeweils auf die Gesamtmenge der ermittelten Titelblätter im jeweiligen Zeitraum.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
T itelblätter insgesamt Ohne T itelillustration u.ä. (typographisch und xylographisch Mit T itelillustration (xylographisch und xylographisch Mit Druckermarke Mit Zierleisten
Abb. 21: Deutschland: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500
300 250 200 150 100 50 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
T itelblätter insgesamt Ohne T itelillustration u.ä. (typographisch und xylographisch) Mit T itelillustration (xylographisch und xylographisch) Mit Druckermarke Mit Zierleisten
Abb. 22: Niederlande: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500
1496–1500
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden
55
700 600 500 400 300 200 100 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
1496–1500
T itelblätter insgesamt Ohne T itelillustration u.ä. (typographisch und xylographisch) Mit T itelillustration (xylographisch und xylographisch) Mit Druckermarke Mit Zierleisten
Abb. 23: Venedig: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500 In der Verwendung graphischer Elemente auf dem Titelblatt nehmen die niederländischen Drucke eine Spitzenposition ein (Abb. 22). Über die Hälfte aller Inkunabeltitelblätter (411 Drucke, 53,3 %)235 ist mit Holzschnittelementen ausgestattet, davon 303 (39,2 % aller Titelblätter) mit einem illustrierenden Titelholzschnitt und 108 (14 %) mit einem Drucker- oder Verlegersignet. Zierleisten oder Rahmen sind nur für sieben Drucke nachgewiesen, alle in Kombination mit einem Titelholzschnitt. Auch hier ist der zeitliche Verlauf aufschlussreich. Im Gegensatz zu Deutschland wird schon in den 1480er Jahren über die Hälfte der Titelblätter mit graphischen Elementen aufgewertet, ab 1484 sind durchgängig illustrierte Titelblätter belegt. Besonders interessant ist die Verteilung nach sprachlichen Kriterien auf volkssprachliche236 und lateinische Drucke: Von 227 volkssprachlichen Titeln sind 188 (82,8 %) mit graphischen Elementen ausgestattet, davon jedoch nur sechs mit einer Druckermarke. Bei den 545 lateinischsprachigen findet sich nur in 223 (40,9 %) Fällen graphischer Titelschmuck, 235 Davon 405 mit typographischem Titel, sechs in Kombination mit einem xylographischen Titel. 236 Darunter werden alle Ausgaben in nicht-lateinischer (oder griechischer) Sprache gefasst, also auch die für den Export bestimmten niederdeutschen, französischen und englischen Drucke.
doch handelt es sich bei knapp der Hälfte (106 Drucke) um Signets. Die Zahlen für Venedig zeichnen ein anderes Bild (Abb. 23). Nur 14,8 % (168 Titelblätter) haben graphische Elemente, davon 107 (9,4 %) einen Titelholzschnitt, 60 (5,3 %) eine Druckermarke und 11 Zierleisten (1 %). Auch die zeitliche Streuung ergibt keine deutlich zunehmende Tendenz für das letzte Jahrzehnt der Inkunabelzeit. Stellt man dieses Ergebnis in einen Zusammenhang mit dem mikrotypographischen Befund, zeichnet sich für das venezianische Titelblatt eine andere Stilrichtung der Titelblattgestaltung ab als im nördlichen Mitteleuropa. Dem bildlichen oder ornamentalen Schmuck wird der rein typographische Titel vorgezogen, der mit Figurensatz oder Rotdruck besonders ausgezeichnet wird. Von den drei Möglichkeiten, eine Titelseite zu illustrieren – mit einem Titelholzschnitt, einem Signet oder ornamentalem Schmuck –, rangiert die letztgenannte nach der Statistik im unteren Bereich. Der ornamentale Titelschmuck bringt, zumindest in der Inkunabelzeit in Deutschland und den Niederlanden, keine eigenständige Dispositivform hervor. Der eigens angefertigte Titelrahmen ist eine Erscheinung vor allem des zweiten und dritten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
4.2 Gerard Leeu und das Titelblatt mit einem Titelholzschnitt Druckerverleger in den Niederlanden gestalten den Bucheingang nach der Mitte der 1480er Jahre regelmäßig mit einem illustrierten Titelblatt. Vom ersten illustrierten Titelblatt aus dem Jahr 1484 bis zum Ende des Jahres 1490 sind um 130 Ausgaben für die Niederlande nachweisbar, bis Ende 1500 knapp 180. 73 sind allein für Gerard Leeu bis 1493 nachweisbar. Diese Offizin hat das Verdienst, das illustrierte Titelblatt als feste Größe in der Buchgestaltung eingeführt zu haben. Neben Leeu sind weiter die Offizin von Jacob Jacobszoon van der Meer und/oder Christiaen Snellaert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle zu nennen. Eine Sonderform des illustrierten Titelblatts, – Schulund Lehrbücher mit einer ›Magister cum discipulis‹Szene –, findet sich ebenfalls häufig bei den genannten Druckerverlegern, darüber hinaus auch bei Govaert van Ghemen in Gouda und Richard Paffraet in Deventer. Aber auch hier liegt die Initiative bei Leeu. Leeus Bedeutung für die Einführung des illustrierten Buchtitelblatts ist in der Forschung bisher nicht eingehend gewürdigt worden. Die folgenden Kapitel legen daher den Schwerpunkt auf seine Antwerpener Produktion, betrachten aber auch die Titelblattverwendung der einleitend genannten Offizinen.237 Im Zentrum steht die Frage, für welche Buchtypen und Textsorten die frühen Titelillustrationen in den Niederlanden überwiegend eingesetzt und mit welchen Bildmotiven die Titelseiten gestaltet wurden. Denn nur auf diesem Weg lässt sich erschließen, warum die Druckerverleger beginnen, eine Titelseite zusätzlich zur typographischen Hauptgruppe mit einem Titelholzschnitt auszustatten. Ein wichtiger Akzent der folgenden Detailanalyse liegt auf der Titelillustration selbst. Stammen die Holzstöcke aus älteren Verwendungszusammenhängen oder handelt es sich um speziell für das Titelblatt eines bestimmten Werks angefertigte Illustrationen? Hier bietet der Katalog von Ina Kok De houtsneden in de incunabelen van de Lage Landen 1475–1500 (1994) reiches Quellenmaterial.238 237 Smith, The title-page, S. 83, bemerkt lediglich: »The only printer who placed woodcuts on his title-pages with any regularity during the 1480s seems to have been Gerard Leeu, when he printed in Antwerp.« 238 Kok bietet eine systematische Übersicht über die niederländischen Inkunabelholzschnitte nach Druckern, erstem Vorkommen und weiterer Verwendung. Ein mögliches Vorkommen in der Funktion eines Titelholzschnittes weist Kok jedoch nicht explizit aus, so dass folgendes Vorgehen gewählt wurde: Die illustrierten Titelblätter wurden zunächst mit bibliographischen Hilfsmitteln identifiziert, anschließend bei Kok die Verwendungszusammenhänge der Stöcke überprüft. Vollständigkeit für die hier untersuchten Offizinen innerhalb der zeitlichen Untersuchungsgrenzen wurde angestrebt, aber nicht erreicht. Die verdienstvolle, reiches Material bietende Dissertation von Kok ist für die genannten Fragen nur schwer benutzbar, so dass für jeden Einzelfall die Verwendungen in akribischer Kleinar-
Die Untersuchungen von Vermeulen Tot profijt en genoegen. Motiveringen voor de produktie van Nederlandstalige gedrukte teksten 1477−1540 (1986) und Cuijpers Teksten als koopwaar: vroege drukkers verkennen de markt (1998) geben wertvolle Hinweise für den leser- und rezeptionsgeschichtlichen Hintergrund. Hilfreich ist auch die Monographie von Vermeulen, der die volkssprachliche Druckproduktion auf werbende und anpreisende Paratexte der Druckerverleger untersucht. Alle Indizien zusammen genommen lassen ein schlüssiges Bild der Funktionen des illustrierten Titelblatts im Kontext des literarischen Marktes für das gedruckte Buch entstehen.
4.2.1 Die Druckproduktion der Offizin Leeu in Gouda und Antwerpen und die Einführung des Titelblatts Gerard Leeu ist der bedeutendste niederländische Druckerverleger der Inkunabelzeit.239 Von 1477 bis 1493 sind im Illustrated incunabula short-title catalogue 219 Drucke (einschließlich 9 Einblattdrucke) für seine Werkstätten in Gouda und Antwerpen nachgewiesen. Willem Heijting nennt in seiner bibliometrischen Studie zur Druckproduktion Leeus die Zahl 228, also etwa ein Zehntel aller in den Niederlanden gedruckten Inkunabeln; 66 Ausgaben ordnet er der Goudaer Presse zu.240 Nach Vermeulen hat Leeu 56 Erstdrucke von Werken in den Niederlanden herausgegeben, davon 26 in Gouda und 30 in Antwerpen.241 Zudem ist die Offizin führend im Segment des illustrierten Buchs: Leeu hat nach Kok über 850 Holzstöcke benutzt.242 Er verfügt damit über einen größeren Materialbestand als jeder andere niederländische Druckerverleger der Inkunabelzeit. Sein Illustrationsmaterial ist vielfach ausgeliehen und kopiert worden. Leeu druckt ab 1477 in seiner Heimatstadt Gouda in Holland. Herman Pleij hat darauf hingewiesen, dass in den nördlichen Niederlanden – anders als in Flandern und Brabant mit einer Bildungselite unter dem beit aufgesucht werden mussten. Zudem definiert Kok nicht genau, was sie unter einem Titelblatt versteht. – Die Titelansetzung und die Datierung der zahlreichen unfirmierten Drucke erfolgt für die im Folgenden genannten niederländischen Ausgaben nach dem neuesten Census »Incunabula printed in the Low Countries« (ILC). In diesen Census ist die vielfach von Kok vorgenommene Neudatierung aufgrund der Illustrationen eingearbeitet. Abweichungen, z. B. bei GW, werden erwähnt. 239 Vgl. zum Folgenden Lotte Hellinga: Gérard Leeu. In: Le cinquième centenaire, S. 280–286; Hellinga/Hellinga: Printig Types, Bd. 1, S. 36–38; S. 69–73. Zu Leeus Produktion vgl. die bibliometrische Analyse von Heijting: Success in numbers. 240 Vgl. Heijting: Success in numbers, S. 276f. – Unterschiede in den absoluten Zahlenwerten in der Literatur und in dieser Studie gehen auf die unfirmierten und undatierten Drucke Leeus zurück, die unterschiedlich zugeordnet werden. 241 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 95. 242 Kok: Houtsneden, S. 199.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden kulturellen Einfluss des burgundischen Hofes – eine Mittelschicht von Lehrern, Beamten, Notaren, Anwälten, Angestellten und Kaplänen als Publikum für volkssprachliche niederländische Literatur vorhanden ist. Einer der Gründe ist in der Frömmigkeitsbewegung der Devotio moderna zu suchen, die unter den lesenden Laien eine positive Einstellung zur Lektüre und zum Selbststudium geschaffen hat. Die Nachfrage nach religiöser Unterweisungsliteratur, nach Ratgebern für den Alltag und nach Unterhaltung in der Volkssprache ist groß, und sie wird von den ersten Pressen in Gouda, Delft und Haarlem befriedigt, Zentren gedruckter volkssprachlicher Literatur in den 1480er und 1490er Jahren. Leeu ist der erste Druckerverleger, der diesem Publikum mit Andachtsliteratur, Heiligenleben, historischen Stoffen und Unterhaltung im Prosaroman und mit allegorisch-moralischen Stoffen eine breite Auswahl für die Lektüre bereitstellt.243 Der Anteil niederländischsprachiger Drucke an der Goudaer Produktion Leeus ist mit 60 % ungewöhnlich hoch.244 Das Jahr 1480 markiert aber bereits einen Einschnitt: Leeu verfügt nun auch über Material für den Druck umfangreicher lateinischer Werke, darunter die erfolgreiche Ausgabe des Dialogus Creaturarum. Zudem wendet er sich der Buchillustration zu. Der Dialogus Creaturarum hat eine Folge von 123 Holzschnitten, seine erste eigene Holzschnittserie erscheint noch im gleichen Jahr in der Historia septem sapientium Romae. Um 1482/83 ist eine Produktionsunterbrechung erkennbar, die Lotte und Wytze Hellinga mit einer möglichen Reise Leeus nach Venedig zum Erwerb neuen lateinischen Typenmaterials in Venezianischem Charakter erklären.245 Sein lateinisches Schriftmaterial in holländischem Stil ist für die Ausweitung auf einen internationalen Markt, verbunden mit den Umzugsplänen nach Antwerpen, nicht mehr ausreichend. Ab Ende des Jahres 1483 arbeitet er, noch in Gouda, mit neuem Typenmaterial und druckt Bücher im bis dahin nördlich der Alpen ungebräuchlichen Sedezformat (16°).246 Um die Mitte des Jahres, vermutlich ab August 1484, beginnt die Arbeit in der Werkstatt in Antwerpen.247 Der letzte datierte Druck, Van Marien rosencransken, mit dem Erscheinungsort Gouda ist vom 19. Juni 1484, der erste datierten Antwerpener, Gem243 Vgl. Pleij: Dutch literature, S. 51f. 244 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 78. 245 Type 3 und 5, vgl. dazu ausführlich Hellinga/Hellinga: Printing types; S. 38, S. 70. 246 Vgl. Hellinga: Printing types, S. 38: »The year 1483, however, seems to form a caesura in Leeu’s output. It is possible that Leeu travelled to Venice for the purpose of bringing his business up to date. Another likelihood is that his printing activities were brought to a standstill by the economic crisis that followed the exceptionally savage ›Utrecht war‹.« – Vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 281f.; Hellinga: Bookshop of the world, S. 18–20. 247 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 69.
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mula Vocabulorum, vom 18. September 1484. Wie Hellinga/Hellinga vermuteten, hat der Ortswechsel an den bedeutenden Messe- und Buchhandelsplatz Antwerpen in Brabant seinen Grund in der bereits in Gouda erkennbaren Strategie Leeus, seine Geschäftstätigkeit mit der lateinischen Produktion über die Region hinaus auszuweiten. Zudem ist die Nachfrage für niederländischsprachige Ausgaben bald weitgehend gedeckt. Dies führt zu einem Versiegen des Drucks volkssprachlicher Literatur gegen Ende des Jahrhunderts.248 Mit Leeus Umzug geht eine Überarbeitung des Programmprofils der Offizin einher. Schul- und Lehrbücher für den Unterricht an Lateinschulen werden zu einem neuen Schwerpunkt entwickelt,249 während im Gegenzug der Anteil der umfangreichen Werke in Folio in den Sparten Theologie, Recht und Geschichte zurückgenommen wird. Die Produktion von Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur in kleinen Formaten wird fortgeführt und mit Stundenbüchern ausgeweitet. Hinzu kommen Romane französischer Stofftradition, nach 1490 auch als Parallelausgaben für den niederländischen und französischen Markt. Weiter verlegt Leeu pragmatische Textsorten wie Prognostiken und Münzordnungen. Leeu druckt in lateinischer, niederländischer, niederdeutscher, französischer und englischer Sprache. Seine Produktion zielt weniger auf den akademischen lateinischen Buchmarkt als auf ein breites Profil gut verkäuflicher Bücher von allgemeinem Interesse. Nach dem Tod von William Caxton Anfang 1492, der seit 1476 ein Monopol für englischsprachige fiktionale Literatur aufgebaut hatte, versucht Leeu mit der History of Jason und Cronicles of England auch in diesen fremdsprachigen Markt einzudringen. Das nötige Typenmaterial dafür liefert der Schriftschneider Henric Symmen, den Leeu wohl ab 1488 beschäftigt. Im Dezember 1492 kommt es zum Streit zwischen beiden, weil Leeu vermutlich von Symmen verlangt hat, dass dieser exklusiv für ihn arbeitet. Leeu stirbt an den Folgen einer Kopfverletzung, die Symmen ihm mit einem Stock zugefügt hat, zwei oder drei Tage nach der Auseinandersetzung.250 Die letzte Ausgabe unter seinem Namen erscheint posthum 1493.
248 Vgl. Pleij: Dutch literature, S. 56f. u. S. 58: »To start with the exploration and development of the possibilities for printing and distributing vernacular literature were confined to the North, but in the long run it was only in the South from about 1500 onwards that the publication of vernacular literature could succeed.« 249 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 284. – Vgl. auch Cuijpers: Teksten als koopwar, S. 242, wonach 63 % volkssprachlicher niederländischer Drucke bis 1540 aus Antwerpen kommen, 21 % aus Holland, 7 % aus Zwolle und Deventer, 9 % aus anderen Druckorten. Nach 1500 ist die Dominanz von Antwerpen erdrückend. 250 Vgl. Hellinga: Bookshop of the world, S. 22.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1476–1480
1481–1485 T itelblatt illustriert
Jahr
1486–1490
T itelblatt typographisch
kein T itelblatt
1491–1495 ungeklärt
Abb. 24: Ausgaben der Offizin Gerard Leeu mit und ohne Titelblatt im zeitlichen Verlauf Leeus Tätigkeit in Gouda und Antwerpen umfasst insgesamt rund eineinhalb Jahrzehnte, eine Zeitspanne, die die für die Entstehung des Titelblatts in Deutschland und den Niederlanden wichtigen frühen Jahren abdeckt. Der folgende knappe Überblick ordnet zunächst die Titelblätter Leeus in die Tätigkeit der Offizin ein. Von den 210 hier zugrunde gelegten Buchausgaben Leeus sind etwa ein Viertel in Gouda entstanden und drei Viertel in Antwerpen.251 In Gouda haben Leeus Drucke in aller Regel kein Titelblatt, lediglich zwei Ausnahmen sind zu verzeichnen.252 Das erste niederländische Titelblatt überhaupt erscheint auf einer Ausgabe von Die vier utersten am Beginn von Leeus Tätigkeit am 6. August 1477 (Abb. 3).253 Das zweite Goudaer Titelblatt ist zugleich das erste illustrierte: Van Marien rosencransken vom 1. März 1484 (Abb. 25).254 Bis zum Juni 1484 und der Verlagerung der Werkstatt nach Antwerpen sind keine weiteren Titelblätter auf Goudaer Drucken nachzuweisen. Zwei 251 Für Leeu konnten auf der Basis des ISTC insgesamt 210 Ausgaben (ohne Einblattdrucke) nachgewiesen werden. Für 197 konnte geklärt werden, ob sie ein Titelblatt haben oder nicht, in 13 Fällen war mit bibliographischen Mitteln keine Klärung zu erzielen bzw. war das erste Blatt eines unikalen Exemplars verloren. 252 Vgl. auch Kronenberg: Leeu, S. 17: »Op een heel enkele uitzondering na hebben de Goudse uitgaven nog de eigenaardigheid van de zeer vroege drukken, dat er geen titelblad in voorkomt. […] Eerst later, in de Antwerpse jaren, volgt Leeu gewoonlijk de nieuwe mode van een afzonderlijk titelblad.« 253 Vgl. oben S. 28. 254 Vgl. unten S. 61f.
im ISTC noch unter Gouda (zwischen 9. März 1484 und 9. Juli 1485) geführte unfirmierte Drucke mit einem illustrierten Titelblatt – Van die konste van spreken ende van swighen und das Stundenbuch Devote ghetijden van het leven Ons heren – sind von Kok neu datiert worden auf zwischen 18. September 1484 und 9. Juli 1485. Danach gehören sie an den Beginn der Antwerpener Periode, wobei sich ILC dieser Datierung anschließt.255 Erst in Antwerpen bekommt das Titelblatt in Leeus Büchern einen festen Platz. Insgesamt 100 typographische und illustrierte Titelseiten lassen sich nachweisen, 26 Ausgaben sind ohne Titelseite, für die übrigen 22 Titel konnte keine Klärung erreicht werden. Nur 28 von diesen 100 Titelblättern sind rein typographisch, zudem setzt die Verwendung des typographischen Titelblatts bei Leeu mit dem der Epistola contra Judaeorum errores des Rabbis Samuel vom 18. Oktober 1486256 erst zwei Jahre nach dem Umzug ein. Es zeigt eine schlichte Gestaltung mit einer dreizeiligen Hauptgruppe, zentriert im oberen Drittel der Seite. Autor- und Werknennung werden in Satzform gekleidet. Zu diesem Zeitpunkt kommt das illustrierte Titelblatt bei Leeu bereits häufiger vor. Auffällig ist auch, dass das typographische Titelblatt bei Leeu sich überwiegend auf lateini255 ISTC ia00209200 sowie ih00433150; vgl. auch die Fußnoten 279. 256 ISTC is00109500, ILC 1927, Campbell 1504.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden schen Ausgaben findet. Nur vier der 28 Titelblätter sind auf Ausgaben in niederländischer Sprache. Sie gehören mit den Erscheinungsjahren 1491/92 ausschließlich in die letzten beiden Jahre der Offizin. Abschließend kann man festhalten, dass das rein typographische Titelblatt bei Leeu gegenüber dem illustrierten Titelblatt deutlich seltener vorkommt und zudem fast ausschließlich auf lateinische Drucke beschränkt bleibt. Weniger eindeutig ist die Sprachzugehörigkeit bei den illustrierten Titelblättern. Von den 72 illustrierten Titeln sind 33 lateinisch und 39 volkssprachlich. Hingegen lässt sich eine deutliche Korrelation zwischen Buchtyp, Textsorte und Gebrauchsfunktion herstellen. Leeu setzt das illustrierte Titelblatt gezielt für religiöse Erbauungsliteratur für den Laien und volkssprachliche Unterhaltungsliteratur ein. Das Diagramm (Abb. 24) zeigt in Fünfjahresschritten257 noch einmal die Titelblattverwendung Leeus im zeitlichen Verlauf. Die Kurve der titelblattlosen Ausgaben fällt in der Periode 1481–1485 steil ab, während gleichzeitig die der illustrierten Titelblätter steil ansteigt. Das typographische Titelblatt wird erst nach 1486 fassbar und verbleibt in der Folge auf niedrigem Niveau. Nach 1486 zeigen aber auch die Drucke mit illustrierten Titelblättern einen Abwärtstrend.
4.2.2 Bucheingang und illustriertes Titelblatt bei Gerard Leeu Zunächst ist der Zusammenhang zwischen der Einführung des illustrierten Titelblatts, Bucheingangsformen ohne Titelblatt und textbegleitend illustrierten Ausgaben zu prüfen. Die Forschung zum Inkunabeltitelblatt ist bisher in fast selbstverständlicher Weise davon ausgegangen, dass der illustrierte Titel aus der typographischen Titelseite entsteht. Noch Smith kommt in ihrer Monographie aus dem Jahr 2000 zu dem Schluss: To modern eyes the typical label-title appears to be lost in a sea of space − often printed in type that seems too small, with little that is attractive in its layout. A woodcut would have been one way to fill the space and at the same time to add to its attractiveness. We will never know precisely why printers began to fill the space. To claim that they immediately recognised the possibility of a new role for the page is a little speculative.258 Diese These impliziert eine stringente Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen. Sie wird aber durch 257 Produktionsschwankungen und die Zahl nur ungefähr datierter Drucke werden so ausgeglichen. 258 Smith: The title-page, S. 89.
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eine genauere Analyse des Entstehungskontextes der frühesten Titelseiten mit einem illustrierenden Holzschnitt relativiert. Die rein quantitative Analyse im zeitlichen Verlauf legt diese These zwar nahe, sie wird aber bereits dadurch entkräftet, dass ein solcher Vergleich die beiden frühen Hauptformen als isolierte Gruppen und ohne den Entstehungskontext und das Umfeld der unterschiedlichen zeitgenössischen Bucheingangsformen erfasst. Betrachtet man hingegen die ersten illustrierten Titelseiten in diesen Zusammenhängen, zeigen sich andere Entwicklungslinien. Das erste illustrierte und datierte Titelblatt in den Niederlanden findet sich am 1. März 1484 bei Leeu, noch in Gouda, auf dem kleinformatigen Andachtsbuch Van Marien rosencransken. Der Titelholzschnitt zeigt eine symbolische Rosenkranzdarstellung.259 Dieses Titelblatt ist nicht aus einer Addition typographischer Titel plus Titelholzschnitt in zeitlicher Abfolge entstanden. Der Bucheingang der zeitlich nahen lateinischen Parallelausgabe (zwischen 1483 und dem 11. Juni 1484) zeigt eine andere Entwicklung. Hier wird der Holzschnitt ohne jeden typographischen Zusatz auf der Recto-Seite des ersten Blatts frei gestellt. Wir haben eine illustrierte ›Titelseite‹ im Anfangsstadium vor uns, der der Sachtitel fehlt. In der lateinischen wie in der volkssprachlichen Fassung ist die Illustration der Ausgangspunkt, nicht eine typographische Werkkennzeichnung. Weiter widerlegt die Gesamtchronologie der Titelblattproduktion Leeus die These von Margaret M. Smith. Im August 1477 war Leeus erstes Titelblatt erschienen, das rein typographisch ist. Bis zum zweiten in seiner Offizin nachweisbaren typographischen Titelblatt im Oktober 1486 vergehen mehr als neun Jahre. In den rund zweieinhalb Jahren seit dem ersten illustrierten Titel im März 1484 bis zum zweiten typographischen Titelblatt erscheinen aber nicht weniger als 17 Ausgaben mit illustrierten Titelblättern. Das Titelblatt als feste Größe des gedruckten Buchs nimmt bei Leeu seinen Anfang als illustriertes Titelblatt und nicht als Erweiterung des typographischen Titelblatts mit einem Holzschnitt. Untersucht man weiter Leeus Bücher mit illustrierten Titelblättern auf die Verwendung von Bildern (ohne Druckermarken) im Buchinnern, ist die deutlich größere Gruppe von 42 Drucken nicht mit Textillustrationen ausgestattet.260 Im zeitlichen Verlauf gesehen sind nahezu alle Ausgaben in den ersten drei bis vier Jahren, die ein illustriertes Titelblatt haben, im Buchinnern nicht illustriert. Der Holzschnitt auf dem Titelblatt verweist also nicht auf das illustrierte Buch, sondern ist Teil neuer und eigen259 Die detaillierte Analyse s. unten S. 61-63. 260 Von den 73 hier zugrunde gelegten Drucken, für die eine illustrierte Titelseite ermittelt werden konnte, haben 45 Drucke keine textbegleitenden Illustrationen, 28 Ausgaben sind illustriert.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
ständiger Überlegungen zur Ausstattung des Bucheingangs. Auch der Umkehrschluss anhand illustrierter Bücher ohne illustriertes Titelblatt bestätigt dieses Ergebnis. Leeu verlegt seit 1480 zum Teil reich illustrierte Bücher. Das erste, der Dialogus creaturarum moralisatus vom 3. Juni 1480,261 ist mit 123 Holzschnitten ausgestattet. Der Bucheingang gliedert sich in Leerblatt, Vorrede und Werkbeginn. Auf dem ersten Blatt der zweiten Lage erscheint der zum ersten Dialog gehörende Holzschnitt mit Sonne und Mond als Einleitungsholzschnitt unterhalb der Incipitformulierung. Der Werkbeginn wird zudem durch eine große Holzschnittinitiale und vier florale Randleisten zusätzlich betont. Diese und alle weiteren Ausgaben in Gouda und Antwerpen, vier lateinische, zwei niederländische und eine französische mit diesem Holzschnittzyklus, folgen der ursprünglichen Bucheingangsplanung, nur die Zierleisten fallen ab 1486 weg. Erst die letzte lateinische Ausgabe vom 11. April 1491 hat eine rein typographische Titelseite mit einem einzeilig zentriert gesetzten Sachtitel in Texttype ohne jeden weiteren Schmuck. Keiner der Holzschnitte der Serie, auch nicht die ›Sonne und Mond‹-Darstellung, findet bei Leeu in acht Ausgaben vor 1491 den Weg auf das Titelblatt einer der bedeutendsten illustrierten Ausgaben des 15. Jahrhunderts. Dieser Befund spricht für eine bemerkenswerte Konstanz für ein einmal entwickeltes Layoutschema, selbst als um die Mitte der 1480er Jahre das illustrierte Titelblatt bei Leeu regelmäßig erscheint. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Buchillustration und Titelillustration gibt es auch in diesem Fall nicht. Dass auch andere Lösungen praktiziert wurden, zeigt Christiaen Snellaert in Delft mit seiner niederländischen Ausgabe vom 2. November 1488,262 der sich Leeus Stöcke ausgeliehen hat. Snellaert gestaltet ein illustriertes Titelblatt mit der ›Sonne und Mond‹-Darstellung unterhalb einer werbenden Sachtitelformulierung »Een genouchlick boeck gheheten dyalogus der creaturen«. Andere frühe illustrierte Ausgaben Leeus haben ebenfalls weder Titelblatt noch Titelholzschnitt. Die Exempelsammlung Gesta Romanorum263 in der niederländischen Übersetzung Die gesten van Romen (30. April 1481) und die lateinische Historia septem sapientium Romae (vor 3. Juni 1480),264 die Erbauungsschriften Dat liden ende passie ons Heren Jesu
261 ISTC id00159550, ILC 708, Campbell/Kronenberg 565; vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 292f.; Kok: Houtsneden, S. 210–214. 262 ISTC id00159650, ILC 710, Campbell 568. 263 ISTC ig00298000, ILC 1101, GW 10889, Campbell 826; mit sieben Holzschnitten, die zweite illustrierte Ausgabe in den Niederlanden erscheint in Zwolle: Peter van Os, 26. Mai 1484 (GW 10891) mit neun Holzschnitten. 264 ISTC is00448000, ILC 1952, GW 12850, Campbell 947.
Christi (29. Juli 1482),265 Die vier utersten (23. August 1482)266 und Pierre Michaults Van den drie Blinde Danssen (9. August 1482)267 sind mit Textholzschnitten ausgestattet. Der Bucheingang zeigt in diesen Fällen eine vom Dialogus abweichende Bucheingangsgestaltung: Leerblatt (1 recto), Holzschnitt auf der Rückseite des Leerblatts (1 verso) und Textbeginn (2 recto). Für Drucke mit Textillustrationen, aber (noch) ohne Titelblatt ist mit dieser Variante eines Bucheingangs ohne Titelblatt ein Modell skizziert, das auch für viele deutsche Offizinen vor 1490 für textbegleitend illustrierte Bücher und solche mit einem Einleitungsholzschnitt charakteristisch ist. Die wichtigsten Varianten für den Bucheingang mit Illustrationen in der Inkunabelzeit sind: – – –
–
erste Seite leer, Holzschnitt auf der Rückseite der Titelseite, Textbeginn auf Seite drei typographische Titelseite, Holzschnitt auf der Rückseite der Titelseite, Textbeginn auf Seite drei erste Seite mit Titelholzschnitt ohne typographischen Text, Wiederholung des Titelholzschnittes oder eines anderen Holzschnitts auf der Rückseite der Titelseite Titelseite mit Titelformulierung und Titelholzschnitt sowie leere, typographisch oder mit einem Holzschnitt bedruckte Rückseite
Viele der Drucke Leeus sowie anderer niederländischer und deutscher Inkunabeldrucker zeigen diese Schemata, wie die Übersicht über die Ausgaben einzelner Werke in chronologischer Folge bestätigt.268 Die Genese der Titelseite mit einem illustrierenden Holzschnitt lässt sich also nicht als Weiterentwicklung der typographischen Seite mit einfachem Sachtitel auffassen, vielmehr sind typographisches und das illustriertes Titelblatt konkurrierende Dispositivformen. Die frühe illustrierte Titelseite entsteht aus unterschiedlichen Bucheingangsformen in eigenständiger Entwicklung und nicht in Abhängigkeit von einer zeitlich vorausgehenden typographischen Titelseite. Sie steht vielmehr in gestalterischer Tradition des Bucheingangs mit einem Einleitungsholzschnitt auf Rückseite des ersten 265 ISTC il00213200, ILC 1451, Campbell 1156. 266 ISTC ic00903000, ILC 629, GW 7521, Campbell 1316, mit vier Holzschnitten; die zweite illustrierte Ausgabe in den Niederlanden Delft: [Jacob van der Meer], 2. März 1486 (GW 7524) zeigt die Bucheröffnung: typographische Titelseite, Holzschnitt auf der Rückseite, Textbeginn Bl. 2a. Ebenso die Nachdrucke: Delft: Jacob van der Meer oder Christiaen Snellaert, 13. Juni 1487 (GW 7525) und Delft: Christiaen Snellaert, um 1488/89 (GW 7526). Die erste mit illustrierter Titelseite: Antwerpen: Gerard Leeu, 15. April 1488 (GW 7527). Ebenso: Zwolle: Peter van Os, 1. Juli 1491 (GW 7528) und Delft: Hendrik Eckert, um 1499 (GW 7529). 267 ISTC im00566500, ILC 1587, Campbell 1704. 268 Dies ist anhand von Quellenbibliographien wie z. B. dem GW, die die Gestaltung der ersten Seiten ausführlich beschreiben, leicht möglich. Vgl. dazu auch die Fallstudien.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden Blattes. Dieses Modell zeigt sich noch im häufigen Vorkommen des Bucheingangs mit einem ganzseitigen Einleitungsholzschnitt auf der Rückseite des Titelblatts, der für niederländische und deutsche Drucke fast 8 % ausmacht (vgl. Abb. 9 u. 10).
4.2.3 Titelblatt, Illustration, Buchtyp und Werk: die illustrierten Titelblätter der Offizin Leeu (1484–1493) Die folgenden Ausführungen gehen von einer groben Einteilung in drei Programmbereiche aus: der religiösen Literatur im weitesten Sinn, der weltlich unterhaltenden (fiktionalen) und moralisch belehrenden Literatur sowie pragmatischen, handlungsanleitenden Texten für den Alltag. Der Sonderfall der Titelblätter mit einer Lehrszene auf Schulbüchern wird in einem gesonderten Kapitel behandelt. 4.2.3.1 Andachts- und Erbauungstexte Die Andachts- und Erbauungsliteratur nimmt unter den drei genannten Gruppen den größten Teil ein. Zu dieser Gruppe gehört auch das bereits erwähnte erste illustrierte Titelblatt (Abb. 25) auf der niederländischen Ausgabe des Quodlibet de veritate fraternitatis Rosarii des Michael Francisci de Insulis unter dem Titel »Van marien rosencransken een suuerlic boexken« (9. März 1484).269 Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit das erste niederländische illustrierte Titelblatt überhaupt, in jedem Fall aber das erste auf einer datierten Ausgabe. Der Inhalt des Buchs mit Rosenkranz-Traktaten, Gebeten und Marien-Exempeln gehört in den Kontext der 1475 in Köln von Jacob Sprenger gegründeten Rosenkranzbruderschaft. Wie es im Prolog heißt, der vermutlich von Leeu selbst bearbeitetet wurde, druckte er das Buch »bi versoec van enen deuoten persoen«, also auf Bitten eines frommen, devoten Menschen.270 Dieses Titelblatt ist in vielerlei Hinsicht charakteristisch für die Entstehung, Gestaltung und Gebrauchsfunktion des illustrierten Titelblatts. Da ist zunächst der Blickfang der Illustration. Der sehr kleine Holzschnitt (54 x 42 mm) zeigt einen zum Kreis ausgelegten Rosenkranz. Fünf Perlen sind als offene Blütenkelche gestaltet, in deren Mitte die durchbohrten Hände und Füße und die Seitenwunde Christi zu sehen sind. Einen zweiten Kreis bildet eine Dornenkrone mit dem an der linken Seite durchbohrten Herz Jesu in Zentrum. Die vier Ecken des Bildes sind mit stilisierten Wolken gefüllt. Aus den beiden oberen ragen Hände hervor, die auf die Leidenssymbole Christi 269 ISTC if00299050, ILC 1000, GW 10264, Campbell 762. 270 Vgl. dazu die ausführlichen Bemerkungen bei Vermeulen: Tot profijt, S. 88f.
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deuten. Leeus Holzschnitt ist möglicherweise vom sog. Zweiten Goudaer Holzschneider angefertigt worden; nach Conway handelt es sich um ein häufig vorkommendes, dem Gläubigen geläufiges Motiv.271 Das Bild weist nicht nur auf den frommen Inhalt des Buchs hin, sondern lässt sich als begleitendes Andachtsbild ›lesen‹. So ist auch die Bemerkung am Schluss des Textes zu verstehen: »[…] ende die niet lesen en konnen die sullen tot elcke figuerken een aue maria segghen ende also ouerdencken dat leuen ende die passie ons heren op dat hy ons nae dit verganclike leuen will gheuen sijn ewich leuen Amen«. Auch die vierzeilige Gebetsaufforderung unterhalb des Titelholzschnittes gehört in diesen Gebrauchskontext: »Die mit marien / Ewelic wil verblien / Die spreeck tot allen tyen / Veel aue marien«. Sie stellt das Buch an herausgehobener Stelle in den Kontext privater Frömmigkeitsübungen. Der Zusatz zum Sachtitel, »een suuerlich boexken« weist mit einer typischen Formel auf den Buchtyp hin. Vermeulen hat das Adjektiv ›suverlic‹ (im Sinne von ›rein‹) als häufige anpreisende Formel für populäre Andachtstexte und mystische Werke belegen können.272 Die Bezeichnung ›Büchlein‹ wird zeitgenössisch in volkssprachlichen niederländischen Inkunabeldrucken für Ausgaben in kleineren Formaten und hier vor allem für devote und mystische Texte verwendet. Sie ist im Zusammenhang mit kleinem Format und Illustrationen buchtypenkonstituierend: Omtrent het voorkomen van bepaalde formaten, lettertypen en illustraties zijn geen generalisaties mogelijk, maar in het algemeen is te zeggen, dat bij het aantreffen van de term ›boeck/boecxken‹ de middeleeuwse consument, afhankelijk van de gebruikte aanprijzingen, in de meeste gevallen dacht aan een religieus-moralistisch boekje.273 Das Rosenkranz-Andachtsbuch ist eines der ersten Bücher Leeus im kleinen Oktavformat. Auch hier führt Leeu einen Trend an. Nach der bibliometrischen Analyse Cuijpers’ erscheinen nach 1490 60 % aller niederländischen volkssprachlichen Ausgaben in Oktav, für geistliche Literatur ist das Oktavformat das nahezu ausschließlich gewählte.274
271 272 273 274
Vgl. Conway: Woodcutters, S. 52. Vgl. Vermeulen, Tot profijt: S. 62, S. 173. Vermeulen: Tot profijt, S. 177f. Vgl. Cuijpers: Teksten als koopwar, S. 243f.
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Abb. 25: Das erste datierte illustrierte Titelblatt: Van Marien rosencransken. Gouda: Gerard Leeu, 9. März 1484 Leeus erstes illustriertes Titelblatt zeigt eine ausgereifte Variante des Dispositivs für die illustrierte Titelseite im gebrauchsfunktionalen Kontext spätmittelalterlicher individueller Frömmigkeit. Es steht für eine sorgfältig geplante Einheit von Buchinhalt, Buchtyp und Zielgruppe. Leeu beschränkt sich nicht darauf, buch- und textcharakterisierende Bezeichnungen prägnant auf dem Titelblatt zusammenzuführen, sondern bettet diese Neuerung in einen Gesamtkontext ein, der Format, Illustrationen und paratextuelle Bestandteile auf einen bestimmten Buchtyp hin schärft. Er entwickelt die äußere Gestalt des gedruckten Buchs für die religiösen und literarischen Bedürfnisse einer großen Zielgruppe: die lesenden Laien und der niedere weltliche Klerus, Klosterangehörige sowie Beginen und Begarden. Dieses Muster wird er in Abwandlungen für die Antwerpener Produktion geistlicher Literatur übernehmen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um niederländische oder lateinische Ausgaben
handelt. Leeu denkt hier weniger in sprachlichen Kategorien als in Buchtypen und Textsorten. Die lateinische Parallelausgabe des RosenkranzBüchleins hat nach den hier zugrunde gelegten Kriterien ein noch ›unvollständiges‹ Titelblatt. Der Holzstock erscheint als Bucheinleitungsholzschnitt ohne jeden typographischen Text in Gouda auf der undatierten lateinischen Parallelausgabe Quodlibet de veritate fraternitatis Rosarii, die zwischen 1483 und 11. Juni 1484 erschienen ist.275 Welche der beiden Ausgaben die Priorität hat, lässt sich wegen der undatierten lateinischen nicht sicher entscheiden. Die kleine Illustration steht in der lateinischen Ausgabe im Quartformat zentriert auf der ersten Seite, umgeben von viel Weißraum. Wie der volkssprachliche Druck enthält auch der lateinische bis auf die Titelabbildung keine weiteren Illustrationen. Die Rückseite des ersten Blatts ist in 275 ISTC if00297500, ILC 999, GW 10261 (datiert um 1483/84), Campbell 759.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden beiden Ausgaben leer, der Text beginnt auf Seite drei. Es ist unklar, ob der Holzschnitt eigens für den Bucheingang dieser beiden Ausgaben angefertigt wurde. Dagegen spricht seine kleine Größe, die auf einen Text-Bild-Verbund angelegt ist und frei gestellt keine befriedigende Gestaltung des Bucheingangs ergibt. Erst die rahmenden Blöcke des gesetzten Textes bilden zusammen mit der Illustration eine schlüssige Titelgestaltung. Nach Ina Kok gehört der Holzschnitt von Format und Stil in eine umfangreiche Serie, die für Oktav- und Sedezformate gedacht ist. Im folgenden Jahr erscheint der Zyklus erstmals nahezu geschlossen in Jordanus’ von Quedlinburg Meditationes de vita et passione Jesu Christi (10. Februar 1485). In der vorhergehenden Verwendung eines Bildes als Titel- bzw. Bucheinleitungsillustration wären dann die ersten Spuren eines sehr erfolgreichen Bildzyklus greifbar, den Leeu in vielfachen Variationen und für unterschiedliche Werke bis 1492 einsetzt. Insgesamt verfügt er über drei einander sehr ähnliche Varianten dieser Rosenkranzdarstellung.276 Eine zweite illustriert die Titelblätter der zwischen 1487 und 1489 gedruckten Sedez-Ausgaben des Rosarium beatae virginis Mariae mit fünfzig kurzen Gebeten; auch diese Drucke gehören in das Umfeld der Rosenkranzbewegung.277 Ein weiteres frühes Titelblatt hat das ›Passien-Stundenbuch‹ Devote ghetijden van het leven Ons heren mit Gebeten und geistlichen Übungen für jeden Wochentag278, datiert zwischen 18. September 1484 und 9. Juli 1485.279 Die Titelillustration zeigt das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹, mit dem der fromme Leser auf die Passion Christi eingestimmt wird. Das Bild gehört zu einer Serie von 68 Stöcken, die in dieser Ausgabe erstmals insgesamt gedruckt wurden. Ebenfalls daraus stammt die allegorische Titelillustration ›Christus in der Kelter‹ (Der mystische Weinberg), die für die Liden ende passie ons Heren Jesu Christi in den Ausgaben vom 9. Juli 1485280 und 1. September 1490281 gewählt wurde. Dieser literarisch wenig anspruchsvolle Traktat eines anonymen Verfassers über die Leiden Jesu Christi und Mariens gehört zu den am häufigsten im niederländischen Sprachgebiet gedruckten Passien. Leeu verlegt ihn insgesamt sieben Mal, die drei Antwerpener Ausgaben sind illustriert. Das Werk zielt auf ein Publikum von Leserinnen und Lesern, das auf einfache und emotionale 276 Vgl. zum Zyklus und seinen Verwendungen ausführlich Kok: Houtsneden, S. 236–259 (Holzschnitt: 9.3.60) 277 Vgl. Kok: Houtsneden, S. 242f. (Holzschnitt 9.3:59). 278 Vgl. Rosier: Gheraert Leeus illustraties, S. 135. 279 ISTC ih00433150, ILC 1246, Campbell 1115; Kok: Houtsneden, S. 219–233 (Holzschnitt: 9.2:64). – Zur kunsthistorischen Interpretation des Zyklus und zu seiner weiteren Verwendung vgl. ausführlich Rosier: Gheraert Leeus illustraties. 280 ISTC il00213500, ILC 1454, Campbell 1159. 281 ISTC il00214225, ILC 1464, Campbell 1164; Kok: Houtsneden, S. 224 (Holzschnitt 9.2:68).
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Weise zu Meditation und zum Mitleiden angeregt werden soll.282 Das theologisch anspruchsvolle Titelbild zweier Antwerpener Ausgaben zeigt Christus gekrümmt unter dem schweren Balken der Weinpresse, doch statt der Trauben wird Christus selbst ausgepresst; sein Blut fließt in einen Kelch. Der Sachtitel weist in beiden Ausgaben werbend auf die vielen Abbildungen hin: »met figueren«. Aus diesen Ausgaben stammt auch die Titelillustration zur niederländischen Ausgabe des Cordiale quattuor novissimorum, Die vier utersten vom 15. April 1488, die den Tod mit einem Pfeil neben einem leeren Sarg zeigt.283 Auf den fünf lateinischen Drucken des Beichtbüchleins Libellus de modo poenitendi et confitendi (28. Januar 1485284, 28. Januar 1486285, 23. Oktober 1486286, 18. Februar 1488287, 17. März 14[88]288) ist eine Beichtszene auf dem Titel zu sehen: Ein junger Patrizier kniet vor einem Geistlichen in einem Beichtstuhl. Der Holzschnitt ist einer Serie entnommen, die erstmals in den Liden ende passie ons Heren Jesu Christi vom 29. Juli 1482 abgedruckt ist.289 Ebenfalls aus dieser Ausgabe stammt die Verkündigungsszene auf dem Marien-Spiegel des Bonaventura, Speculum Beatae Mariae Virginis vom 2. August 1487290, und Bernhards von Clairvaux Homiliae super evangelio Missus est angelus Gabriel (zwischen 2. August 1487 und 26. November 1489)291. Zu dem Zyklus sehr kleinformatiger Holzschnitte, der erstmals in Jordanus’ von Quedlinburg Meditationes de vita et passione Jesu Christi (10. Februar 1485)292 vorkommt, gehört das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹. Als Titelholzschnitt wird es auf Leeus Nachdrucken dieses Werks vom 25. Juli 1487293 und vom 20. November 1488294 eingesetzt, ebenso auf der niederländische Ausgabe vom 5. Januar 1487295 unter dem Titel: »Jordanus meditacien vanden soeten leuen ende bitter passie verrisenisse ende glorificacie ons heeren jhesu christi.« Jordanus von Quedlinburg († 1380) stand den mystischen Strömungen seiner Zeit aufgeschlossen gegenüber, 282 Vgl. dazu die Untersuchung von Moolenbroek: Dat liden. 283 ISTC ic00904300, ILC 634, GW 7527, Campbell 1320; Kok: Houtsneden, S. 219–233 (Holzschnitt: 9.2:58). 284 ISTC im00764000, ILC 1611, Campbell 1129. 285 ISTC im00765000, ILC 1612, Campbell 1130. 286 ISTC im00766000, ILC 1613, Campbell II 1131. 287 ISTC im00767000, ILC 1614, Campbell 1134. 288 ISTC im00766500, ILC 1615 (Datierung nach Kok), Campbell 1133. 289 Kok: Houtsneden, S. 222, S. 230f. (Holzschnitt 9.2:66). 290 ISTC ib00961000, GW 4819, ILC 449, Campbell/Kronenberg II 1576; Kok: Houtsneden, S. 220, S. 231 (Holzschnitt 9.2:8). 291 ISTC ib00400000, GW 3933, ILC 384, Campbell 281 = 280. 292 ISTC ij00473900, ILC 1364, Campbell 1046; Kok: Houtsneden, S. 236–259 (Holzschnitt 9.3:68). 293 ISTC ij00473800, ILC 1365, Campbell 1047. 294 ISTC ij00474000, ILC 1366, Campbell 1048. 295 ISTC ij00475100, ILC 1369, Campbell 1051.
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und seine Meditationes haben die spätmittelalterliche Frömmigkeit stark beeinflusst. Der Titelholzschnitt stimmt auf das Werk ein: Er zeigt den nur mit einem Lendenschurz bekleideten Christus mit seinem Kreuz und den Leidenwerkzeugen vor einem offenen Sarg. Eine Darstellung von König David und zwei Priestern, die die Bundeslade in den Tempel tragen, ist im Psalterium daviticum vom 31. Januar 1487296 auf dem Titelblatt und der Rückseite zu sehen. Der Holzschnitt erscheint hier zum ersten Mal, der Druck ist nicht weiter illustriert. Stilistisch ordnet Kok ihn als Nachzügler einer umfangreichen und häufig eingesetzten Serie zu, die fast vollständig erstmals in Jordanus’ von Quedlinburg Meditationes de vita et passione Jesu Christi (10. Februar 1485) benutzt wurde.297 Die Titelformulierung lautet: »Psalterium dauiticum deuotum cum titulis et orationibus«. Der Titelholzschnitt wird nochmals in der Ausgabe vom 15. Oktober 1488 verwendet.298 Aus diesem Zyklus zum Leben Christi mit knapp 80 sehr kleinen Holzschnitten stammen auch die Titelholzschnitte zu Dirk Coeldes Kerstenspiegel vom 20. Oktober 1485 (Stephaton reicht Christus einen mit Essig getränkten Schwamm)299 und zum Spiegel der volcomenheit vom 11. März 1488 (heilige Veronika mit dem Schweißtuch)300. Titelformulierung »tot heyl ende salicheyt alre kersten menschen« und Incipit »totter zielen salicheit« weisen auf den Nutzen des Buchs für das Seelenheil hin.301 In allen diesen Beispielen ist die Titelillustration aus dem reichen Fundus vorhandener Holzstöcke mit passenden Motiven gewählt worden. In den folgenden Ausgaben ist der Titelholzschnitt Teil einer eigens auf das Werk abgestimmten, neuen Serie von Holzschnitten. Diese Praxis, Titelillustration und textbegleitende Bilder als Einheit zu sehen, setzt erst spät ein. Am 28. November 1487 beendet Leeu Thoofkijn van devotien, drei Traktate nach der Hohelied-Auslegung Le Jardin amoureux des Petrus de Alliaco, ins Niederländische übersetzt nach einem französischsprachigen Erstdruck aus Brügge 1475. Der IncipitTitel auf dem Titelblatt lautet: »Hier beghint een sueuerlijk boecxken ghenoemt thoofkijn van deuotien«. Auch das Incipit selbst und die Schlussschrift enthalten anpreisende Formulierungen wie »zeere deuoet ende profitelijck«.302 Dieser niederländische Erstdruck ist mit einer neu angefertigten Serie von zwölf verschiedenen blattgroßen Holzschnitten illu296 ISTC ip01046400, ILC 1824, Campbell 541; Kok: Houtsneden, S. 249 (Holzschnitt 9.3:74). 297 Vgl. Anm. 276. 298 ISTC ip01048500, ILC 1825, Campbell 542. 299 ISTC ic00747200, ILC 591, GW 7138, Campbell 579; Kok: Houtsneden, S. 251 (Holzschnitt 9.3:47). 300 ISTC is00677700, ILC 2024, Campbell 1577; Kok: Houtsneden, S. 251 (Holzschnitt 9.3:70). 301 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 87. 302 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 88f.
striert. Auf dem Titelblatt ist die minnende Seele im Garten der Devotion im Kreis der vier Tugenden zu sehen.303 Die erste vollständige niederländische Ausgabe der Vita Christi, der Meditationen zum Leben Jesu des rheinländischen Kartäusers Ludolf von Sachsen († 1387), erscheint unter dem Titel Tboeck vanden leven Jhesu Christi am 3. November 1487. Es handelt sich um ein für die Frömmigkeitsbewegung der ›Devotio moderna‹ zentrales Buch. Leeus Übersetzung aus dem Lateinischen ist ein umfangreicher Prolog über den Autor und seine Quellen vorgeschaltet; er bezeichnet das Buch als ›nützlich‹ zu lesen.304 Das Titelblatt zeigt das Motiv ›Christus mit der Weltkugel‹ (Salvator Mundi), gerahmt von Zierleisten, die an den Holzschnitt angepasst wurden.305 Dieser Titelholzschnitt gehört zu einer umfangreichen Serie von Illustrationen, die hier erstmals erscheinen. Die Titelabbildung wird wiederholt auf der Ausgabe des Claes Leeu, Antwerpen, 20. November 1488.306 Das Motiv ›Die Jungfrauen Justitia und Veritas wiegen das Jesuskind‹ wählt Leeu für den Titel der einzigen niederländischen Ausgabe Van die gheestelike Kintscheijt ihesu ghemoraliseert (16. Februar 1488) mit 38 neuen Holzschnitten.307 Die mystischallegorische Darstellung der Kindheit Jesu weist Züge Franziskanischer Spiritualität auf und wurde möglicherweise von Jan Brugman verfasst.308 Aus diesem Illustrationszyklus stammt der Titelholzschnitt ›Das Jesuskind erscheint in einem Dornenkranz der Seele‹ auf Den gheesteliken minnenbrief die Jesus Christus sendet tot synre bruyt (zwischen 11. Juli 1491 und 1492).309 »Vander dochtere van Sion een deuot exercitie«310 lautet die Titelformulierung zu der allegorischen Prosabearbeitung der Filia Sion vom 7. Januar 1492, die Leeu zusammen mit der Geestelijke oefeninge hoe men dat soete kindeken Jesus besoecken sal druckt. Das Titelblatt wird von einem seitengroßen Holzschnitt gefüllt, der zeigt, wie die Tochter von Sion (Jerusalem) die Jungfrau Cognitio aussendet. Der Titelholzschnitt ist Teil einer neuen Serie, der für dieses Werk angefertigt wurde. Ein Stundenbuch in niederländischer Sprache vom 16. August 1491 hat ein aufwändig gestaltetes Titelblatt. Vier Zierleisten bilden 303 ISTC ia00478250, ILC 217, Campbell 985; Kok: Houtsneden, S. 303–305 (Holzschnitt 12.4:7). 304 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 89. 305 ISTC il00353000, ILC 1503, Campbell/Kronenberg II 1181; Kok: Houtsneden, S. 295–301 (Holzschnitt 12.3:16). 306 ISTC il00355000, ILC 1505, Campbell 1183; Kok: Houtsneden, S. 299. 307 ISTC ik00022000, ILC 1386, Campbell 1074; Kok: Houtsneden, S. 306–310 (Holzschnitt 12.6:10). 308 Vgl. die Untersuchung zum Werk von Buuren: Van die gheestelike kintscheyt. 309 ISTC im00585970, ILC 1595, Campbell 1258; Kok: Houtsneden, S. 309 (Holzschnitt 12.6:2). 310 ISTC id00298800, ILC 733, GW 8589, Campbell 603; Kok: Houtsneden, S. 346f. (Holzschnitt 12.17:2).
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden einen Rahmen, der oben den Sachtitel »Duytsche ghetijden« und darunter die Darstellung der Verkündigung umschließt.311 Die mystische Krone Mariens mit drei Sternen, drei Blumen und sechs Edelsteinen zeigt das Titelblatt der Corona mystica Beatae Mariae Virginis vom 6. Oktober 1492.312 Der Holzschnitt gehört zu einer neuen Serie für diesen von Leeu erstmals in den Niederlanden gedruckten Text. Ausschließlich auf dem Titelblatt des Morticellarium aureum vom 20. Februar 1488 kommt der eigens angefertigte Holzschnitt vor, der einen Einsiedler und einen jungen Edelmann vor einem Beinhaus zeigt.313 Maria, die den knienden Sünder belehrt, zeigt der neue Titelholzschnitt der einzigen niederländischen Ausgabe des Dionysus Carthusiensis Speculum conversionis peccatorum, Spiegel der bekeeringen der zondaren. Dialog van Maria en de zondaar vom 16. März 1488.314 Leeu bezeichnet in dem von ihm hinzugefügten Incipt das Werk als »seer profitelijc«.315 Aus den Illustrationen zu diesem Druck ist auch der Titelholzschnitt in der Funktion einer ›Magister cum discipulis‹-Szene – ein Lehrer unterrichtet einen jungen Mann – für die einzige niederländische Ausgabe des Jacobus de Reno Dialogus senis et iuvenis de amore disputantium vom 5. Juli 1491 entnommen.316 Die folgenden Titelblätter zeigen Heiligenfiguren. Das Psalterium Sancti Hieronymi (zwischen 30. April 1491 und 1492) hat als einzige Illustration einen Titelholzschnitt: Dem Hieronymus in der Wüste erscheint Christus am Kreuz.317 Dieser Holzschnitt kommt sonst nicht mehr vor und ist für die Ausgabe geschnitten worden. Oberhalb des Bildes lautet der Titel: »Psalterium Jheronimi valde deuotum et meritorium«, unterhalb findet sich die Aufforderung: »BEatus Jheronimus in hoc modo disposuit hoc psalterium: […] Porro propter«. ›Anna Selbdritt in einem Dornenkranz‹ zeigt die Titelabbildung für das Legendenbuch Historie, getijden en exempelen van S. Anna (zwischen 9. Februar 1491 und 1492)318, ebenso für die Ausgabe vom 17. Dezember 1491319. Die niederländische Legende van Sinte Franciscus (Bo311 ISTC ih00430300, ILC 1229, Campbell/Kronenberg I 835a; Kok: Houtsneden, S. 336– 343 (Holzschnitt 16.1:18). 312 ISTC ic00926000, ILC 641, GW 7575, Campbell 497; Kok: Houtsneden, S. 348–352 (Holzschnitt 12.19:1). 313 ISTC im00864000, ILC 1636, Campbell/Kronenberg II 1270; Kok: Houtsneden, S. 310 (Holzschnitt 12.7). 314 ISTC id00248400, ILC 726, GW 8421, Campbell 591; Kok: Houtsneden, S. 311f. (Holzschnitt 12.8:1). 315 Vgl. Vermeulen: Tot profijt, S. 89f. 316 ISTC ij00061000, ILC 1300, Campbell III 571 u. 1457; Kok: Houtsneden, S. 312 (Holzschnitt 12.8:2). 317 ISTC ih00188300, ILC 1186, Campbell 935; Kok: Houtsneden, S. 331 (Holzschnitt 12.13:4). 318 ISTC ia00743000, ILC 247, GW 1996, Campbell/Kronenberg III 961; Kok: Houtsneden, S. 328–330 (Holzschnitt 12.12:2). 319 ISTC ia00743100, GW 1997, ILC 248, GW 1997, Campbell 1508, GW 1997; Kok: Houtsneden, S. 330.
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naventura) und die Legende en leven van Sinte Clara (Thomas de Celano) druckt Leeu zusammen in einer Ausgabe vom 28. Juni 1491.320 Der Titelholzschnitt des heiligen Franciscus, seine Stigmata zeigend, illustriert mit der für Einzellegendenausgaben typischen Heiligenfigur diese Ausgabe. Allerdings fehlt ein visueller Hinweis auf die im zweiten Teil folgende Klara-Legende. Leeu löst das Problem auf originelle Art: das Bild der heiligen Klara (mit einer Monstranz) findet sich auf der Außenseite des letzten Blatts (190v). Aufgeschlagen ergibt sich ein Buchumschlag mit zwei Heiligenbildern. Die KlaraLegende wird innerhalb des Buchs (Bl. 150v) mit dem gleichen Holzschnitt eingeleitet. Der ›heilige Bernhard von Clairvaux vor Maria und dem Christuskind kniend‹ illustriert das Titelblatt der niederländischen Ausgabe des Pseudo-Bernardus Psalterium Beatae Mariae Virginis vom 8. Oktober 1491.321 4.2.3.2 Unterhaltungsliteratur, Ratgeber und zeithistorische Texte Die folgenden Titelblätter gehören zum Programmbereich der weltlichen, moralisch belehrenden und unterhaltenden Literatur. Eines der frühen illustrierten Titelblätter Leeus findet sich auf der populären Fabelsammlung Vita et Fabulae des Aesop vom 12. Oktober 1485, eine freie Übersetzung in die niederländische Sprache nach einer französischen Fassung.322 Diese Ausgabe zeigt unterhalb des typographischen Titels »Dye historien ende fabulen van Esopus / die leerlijck wonderlijck en zeer ghenoehlijck zijn« den aus dem süddeutschen Raum bekannten Einleitungsholzschnitt mit dem buckligen Dichter Aesop, umgeben von Requisiten aus seinen Fabeln. Die 184 Holzschnitte für die Ausgabe hat Leeu vom Straßburger Druckerverleger Heinrich Knoblochtzer übernommen. Auch die lateinische Ausgabe vom 26. September 1486 hat die gleiche Titelillustration.323 Titelblatt und Titelblattrückseite des Aesopus moralisatus cum commento vom 14. Mai 1488, Leeus einzige Ausgabe dieses Textes, zeigen eine verkleinerte und seitenverkehrte Kopie des Titelholzschnitts der Ausgabe vom 12. Oktober 1485.324 Diese wird auf dem Titelblatt des Dialogus Salomonis et Marcolphi (nach 14. Mai
320 ISTC ib00889300, ILC 428, GW 4664, Campbell 334; Kok: Houtsneden, S. 335 (Holzschnitt 12.13:1 und 12.13:2). 321 ISTC ib00425500, ILC 385, GW 4062, Campbell/Kronenberg II 278; Kok: Houtsneden, S. 344 (Holzschnitt 12.15). 322 ISTC ia00116900, ILC 24, GW 374, Campbell 28; Kok: Houtsneden, S. 273–282 (Holzschnitt 15.1). 323 ISTC ia00114000, GW 349, ILC 23, Campbell 26, GW 349. 324 ISTC ia00129500, ILC 26, GW 402, Campbell 38; Kok: Houtsneden, S. 314f. (Holzschnitt 12.10).
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1488)325 wiederholt: Wohl keine glückliche Wahl, denn Leeus englische, für den Export bestimmte Ausgabe (zwischen 27. Juli 1489 und 1492) zeigt eine Neuanfertigung mit dem Motiv ›Marcolphus und seine Frau vor dem thronenden König Salomon‹.326 Claes Leeu, der in enger, aber ungeklärter Beziehung zu Gerard Leeu steht,327 publiziert die für den Export bestimmte niederdeutsche Ausgabe der Historia Septem Sapientium Romae vom 11. April 1488 (Historie van die seven wise mannen van Romen). 328 Diese moralische Exempelsammlung hat Gerard Leeu erstmals in Gouda am 25. Juli 1479 nach einem Kölner Druck von um 1473 aufgelegt.329 Die mit einer Serie neuer Holzschnitte ausgestatte Antwerpener Ausgabe hat einen Titelholzschnitt auf dem zu sehen ist, wie Kaiser Pontianus in Anwesenheit der Kaiserin den sieben Weisen die Aufsicht über seinen Sohn überträgt. Zeitlich gehört dieser Druck in die Nähe der Ausgaben, die seit 1487 mit einem Titelbild illustriert sind, das zu dem im Buchinnern verwendeten Zyklus gehört. Die lateinische Ausgabe Gerard Leeus vom 6. November 1490 ist ähnlich illustriert.330 Johannes Jacobis Pestbuch Regimen contra pestilentiam hat auf dem Titelblatt zweier Ausgaben, die zwischen den 11. Januar 1486331 und 26. November 1489332 nur ungefähr zu datieren sind, den Heiligen Abt und Pestpatron Antonius mit seinen Attributen Buch, Glocke, Stab und Schwein in hügeliger Landschaft. Nach Kok stammt der Holzschnitt nicht von Leeu, sondern aus dem Bestand von Jacob Bellaert in Haarlem, möglicherweise aus einer Serie zu einem heute verlorenen Druck. Auf den Holzstock-Bestand aus Bellaerts Nachlass333 gehen auch die qualitativ guten Illustrationen des Haarlemer Künstlers334 zu den Büchern hervor, die Leeu in seinem letzten Lebensjahr nach dem Tod Caxtons für den englischen Markt herausbringt. Raoul Lefèvres L'histoire de Jason in der Übersetzung von William Caxton, History of Jason, erscheint am 2. Juni 1492. Die 21 Holzschnitte hatte Jacob Bellaert für unterschiedliche
325 ISTC is00095430, ILC 1920 (Datierung nach ILC), GW 12760 (zwischen 2. August 1487 und 26. November 1489), Campbell 455; Kok: Houtsneden, S. 314. 326 ISTC is00102800, ILC 1926, Campbell 460; Kok: Houtsneden, S. 319f. (Holzschnitt 10.12). 327 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 74. 328 ISTC is00450250, ILC 1959, Campbell 954; Kok: Houtsneden, S. 312–314. (Holzschnitt 12.9:2). 329 Vgl. Bree: Leeu als drukker, S. 63–69. 330 ISTC is00448600, ILC 1953, Campbell 950; Kok: Houtsneden, S, 313f. 331 ISTC ij00003540, ILC 1289, Campbell 1065; Kok: Houtsneden, S. 466f. (Holzschnitt 12.13:3). 332 ISTC ij00003550, ILC 1290, Campbell/Kronenberg I 1065a. 333 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 73f.; Kok: Houtsneden, S. 467. 334 Vgl. Conway: Woodcutters, S. 65f.
Bücher verwendet, aber nicht auf dem Titelblatt.335 Leeus Titelblatt zeigt unterhalb des sechszeiligen Sachtitels wie Jason auf der Insel Colchis mit dem Feuer speienden Drachen kämpft. Ebenfalls mit einer Serie Bellaerts von 25 Holzschnitten, die anders als die Jason-Serie von diesem vermutlich nicht für ein Ausgabe benutzt worden sind, illustriert Leeu seine verschiedenen Ausgaben des Prosaromans Historie von Paris und Vienna:336 die französische Histoire du chevalier Paris et de la belle Vienne (15. Mai 1487)337, die nur vier Tage später folgende niederländische Historie van Parijs ende Vienna (19. Mai 1487)338 unter dem Titel »DIe historie vanden vromen ridder parijs ende van die schone vienna des dolphijns dochtere« (1487), die zweite niederländische (zwischen 9. Februar 1491 und 1492)339, die niederdeutsche (nach 19. Mai 1488)340 und die für den englischen Markt bestimmte »Thystorye of the right noble and worthy knyght parys and of the fayre vyenne the dolphyns doughter of vyennoys« in der Übersetzung von William Caxton (23. Juni 1492)341. Der Titelholzschnitt zeigt Vienna mit ihren Eltern; er wird in allen Ausgaben auf der Rückseite des Titelblatts wiederholt und erscheint nicht mehr als Textholzschnitt. Leeus letztes Buch ist die für den englischen Markt bestimmte Chronik Chronicles of England (vor 21. Juli 1493). Der von zwei Leisten aus dem Bestand von Jacob Bellaert gerahmte neue Titelholzschnitt zeigt das Wappen von England von zwei Engeln gehalten.342 Leeu druckt nur wenige ›Sachbücher‹ für den praktischen Gebrauch im Alltag. Darunter fünf Prognostiken in unterschiedlichen Ausgaben des Jaspar Laet. Zuerst erscheint 1487 eine lateinische Ausgabe der Prognosticationes de anno 1488; weitere für die Folgejahre 1491 erscheinen in Latein, Niederländisch 1491 und Französisch 1493 und mit unbekanntem Jahr.343 Das Layout der Titelblätter ist in allen Ausgaben ähnlich. Unterhalb des Sachtitels mit der Nennung des Autors und des Jahrs, für das die Prognostik 335 ISTC il00112100, ILC 1418, Campbell 1093; Kok: Houtsneden, S. 346–449 (Holzschnitt 11.6:15). 336 Kok: Houtsneden, S. 467 (Serie 12.1:1–25), ohne genaue Beschreibung des Zyklus; Conway: Woodcutters, S. 247–249. 337 ISTC ip00112800, ILC 1691, GW 12686, Campbell 941. – Dem einzig bekannte Exemplar der Nationalbibliothek Paris fehlt das erste Blatt. Da der Erstdruck nach Satzspiegel und Illustrationen mit der wenige Tage später erscheinenden niederländischen übereinstimmt, ist es wahrscheinlich, dass die französische Ausgabe die gleiche Titelausstattung hatte. 338 ISTC ip00113800, ILC 1692, GW 12700, Campbell II 942. 339 ISTC ip00114500 ILC 1693, GW 12701 (datiert um 1491/92), Campbell II 942a. 340 ISTC ip00115200, ILC 1696, GW 12699, Campbell 943. 341 ISTC ip00113600; ILC 1695, GW 12692, Campbell II 994a. 342 ISTC ic00481000, ILC 559, GW 6674, Campbell 511; Kok: Houtsneden, S. 354 (Holzschnitt 12.20). 343 Die Ausgaben werden hier nicht einzeln aufgeschlüsselt. Vgl. Kok: Houtsneden, S. 305f. (Holzschnitt 103).
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden erstellt wurde, füllt eine astronomische Figur, eine Sternenkonstellation mit Erläuterungen, das Titelblatt aus. Die quadratische schematische Darstellung hat die übliche Form, die den Interessenten geläufig war. Zur zeithistorischen (Flugschrift-)Literatur gehört die Beschreibung der Krönung Maximilians Electie coronacie ende salvinghe des roemschen conincs Maximilianus, gedruckt zwischen 27. April und 23. Oktober 1486. Unter einem mit fünf Zeilen umfangreichen Sachtitel mit einer Inhaltsangabe zeigt der Titelholzschnitt die Krönungszeremonie mit Maximilian und drei Bischöfen.344 Zu erwähnen ist auch die Titelblattgestaltung der Invectiva in superstitiosum quendam astrologum Johannem Lichtenberger des Paulus de Middelburgo, nach dem 1. Januar 1492. Zwar handelt es sich nicht um ein illustriertes Titelblatt, unter den typographischen Titeln Leeus ragt es heraus durch die Verwendung der großen Titeltype, in der »Invectiva« als dominierender Blickfang gesetzt ist. Dieses erste Wort der umfangreichen Sachtitelformulierung steht zentriert und allein in einer Zeile oberhalb des typographischen Textblocks von sieben Zeilen.345 4.2.3.3 Titelillustration und Titelgestaltung Die vorhergehende Übersicht hat einen deutlichen Zusammenhang zwischen Leeus Programmschwerpunkt geistlicher Literatur zum Leben und Leiden Christi und Marias, von Heiligenlegenden, Gebetsund Andachtsbüchern, Sterbebüchlein und Beichtbüchlein und der Einführung und Gestaltung des illustrierten Titelblatts ergeben. Die Variationsbreite der von Leeu für die Publikation gewählten Texte ist allerdings geringer als der hohe Anteil der Drucke an der Gesamtproduktion verspricht. Leeu druckt vor allem gut verkäufliche Werke mehrfach nach. Zu dieser profitorientierten Strategie gehört auch das illustrierte Titelblatt.346 Zur Ausstattung dieses Buchtyps – ein kleinformatiges Buch (›boecxken‹) häufig in Oktav, manchmal auch in Sedez – verfügt die Offizin ab etwa 1482 über teilweise sehr umfangreiche Illustrationszyklen. Die Titelholzschnitte werden in den frühen Antwerpener Jahren aus diesem Fundus gewählt und wandern von Ausgabe zu Ausgabe, von Werk zu Werk. Leeu verfügt über ein genügend großes Reservoir an Druckstöcken, so dass sein Standardprogramm an religiöser Lektüre mit passenden Titelillustrationen ausgestattet werden kann. Bereits die ersten Titelblätter aus dem Jahr 1484 folgen dieser Ausstattungsökonomie. Selten sind Holzschnitte, 344 ISTC im00385050, ILC 1564, Campbell 659; Kok: Houtsneden, S. 289 (Holzschnitt 10.5). 345 ISTC ip00184600, ILC 1707; vgl. auch Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 71 u. Tafel 248. 346 Kok: Houtsneden, S. 289.
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die ausschließlich auf dem Titelblatt zu finden sind. Eine anspruchsvollere Variante kommt ab 1487 vor, wenn nämlich eine Titelabbildung aus einem eigens für die Ausgabe neu geschaffenen Zyklus stammt. Der Schwerpunkt der Titelblattgestaltung liegt auf dem Bild. Es ist dominanter Blickfang, das Motiv ist den Gläubigen geläufig und passt sich dem Erwartungshorizont des Käufers und Lesers an. Auch die werbenden und anpreisenden Adjektive, die in die Titelformulierung aufgenommen worden (›devoet‹, ›suverlic‹), oder Hinweise auf den Nutzen der Lektüre für das Seelenheil, bedienen diese Erwartungen. Titelformulierung und Titelbild legen den Schluss nahe, dass Leeu ein Konzept für die Gesamtpräsentation seiner Bücher entwickelte, der neben Prolog und Schlussschrift vor allem auf das Titelblatt setzt. Dies ist schlüssig auf die Frömmigkeitspraxis des ausgehenden 15. Jahrhunderts und ein lesendes Publikum vom frommen Laien bis zum Weltkleriker sowie Mönch und Laienbruder, Nonne, Begine und Begarde, abgestimmt. Pleij hat darauf hingewiesen, dass die frühen niederländischen Druckerverleger sich nicht auf bestimmte Zielgruppen konzentrierten, sondern versuchen viele Interessenten anzusprechen, um den Absatzmarkt möglichst nicht von vornherein einzuschränken.347 Weniger Augenmerk legte Leeu auf den Titelsatz. Da das Material nicht selten aus dem vorhandenen Fundus von Holzstöcken unter inhaltlichen Gesichtspunkten ausgewählt wird, stellte sich die Frage einer befriedigend durchkomponierten Titelseite wohl gar nicht. Die Abbildung, wenn sie nicht Satzspiegel füllend ist, wird zentriert, der Titel bzw. Incipitformulierung im Block darüber gesetzt. Bei mehreren Zeilen wird die erste manchmal eingezogen oder mit einem Rubrikzeichen versehen, der üblichen Gestaltungskonvention für den Beginn eines Textabschnitts. Schmuckinitialen kommen selten vor, nie eine typographisch abgestufte Gestaltung und kein Figurensatz. Das besondere Spannungsverhältnis zwischen Weißräumen und bedruckten Flächen, das später für die Titelgestaltung charakteristisch wird, gerät nicht als gestalterisches Problem in den Blick. Titelseiten werden zunächst noch nicht in ihrer Eigenheit als typographisches Problem erkannt, sondern ähnlich wie illustrierte Textseiten behandelt. In den Fällen, in denen Textzusätze wie Gebete oder eine Aufforderung zum Gebet hinzukommen, wird der Weißraum am Fuß der Seite unterhalb des Bildes genutzt. In Grundzügen gelten diese Ergebnisse auch für die anderen Programmbereiche. In der Wahl der Titelillustrationen ist die Offizin für nicht-geistliche Literatur allerdings weniger frei, da die inhaltlichthematische Variationsbreite der Stoffe, wenn die 347 Zu den volkssprachlich Lesenden vgl. ausführlich Pleij: Lay persons, hier S. 17f.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Titelillustration den Inhalt charakterisieren soll, eine Einschränkung bedeutet. Insgesamt lassen sich wegen der kleinen Zahl an Ausgaben jedoch keine klaren Linien erkennen. Bemerkenswert ist, dass das Material für nicht wenige der Titelabbildungen von anderen Druckern übernommen wurde: für den Aesop, das erste Titelblatt auf einem fiktionalen Werk, vom Straßburger Heinrich Knoblochtzer, oder für die für den englischen und französischen Markt bestimmten Ausgaben der letzten Produktionsjahre aus dem Nachlass von Bellaert in Haarlem. Unter diesen Titelblättern ragt das für die L'histoire de Jason vom 2. Juni 1492 durch den Titelsatz heraus. Oberhalb von Bellaerts Holzschnitt wird das gesamte obere Drittel der Seite dominiert von drei Zeilen, gesetzt in Leeus großer Titeltype, die er auch für den Titelsatz der Invectiva aus dem gleichen Jahr verwendet. Auch der Titel der Chronicles of England, Leeus letztes Buch, zeigt diese Type über zwei Zeilen des Sachtitels oberhalb des Holzschnitts mit den beiden Randleisten aus dem Nachlass Bellaerts.348
4.3 Das illustrierte Titelblatt bis 1490 in Haarlem, Delft und Zwolle Die folgenden Kapitel sind drei Offizinen gewidmet, die bis 1490 ebenfalls Ausgaben mit illustrierten Titelblättern herausgebracht haben: Jacob Bellaert in Haarlem, Jacob Jacobszoon van der Meer und/oder Christiaen Snellaert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle. Die Schul- und Lehrbücher mit Lehrszenen auf dem Titelblatt bleiben auch hier ausgeklammert.
4.3.1 Jacob Bellaert in Haarlem Von Ende 1483 bis 1486 betreibt Jacob Bellaert aus Zierikzee die erste Druckwerkstatt in Haarlem, aus der 17 Ausgaben bekannt sind. Bis auf zwei Drucke in französischer Sprache publiziert er nur niederländische Drucke populärer geistlicher und unterhaltender Literatur. Seine anspruchsvollen Bücher deuten nach Inhalt und Ausstattung auf den Burgundischen Hof; Conway hält Bellaerts Holzschneider für den besten seiner Zeit in den Niederlanden.349 Eine Verbindung mit Gerard Leeu in Gouda, für den Bellaert möglicherweise als Setzer gearbeitet hat, ist offensichtlich: 1483 arbeitet er in Haarlem mit Typenmaterials Leeus aus Gouda.350 Ein Teil von Bellaerts Holzschnitten gelangt nach 1486 in den Besitz von Leeu. 348 Vgl. zu Leeus großer Titeltype 10, die von 1491 bis 1493 verwendet wird, Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 71f. 349 Conway: Woodcutters, S. 64. 350 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S, 38; Le cinquième centenaire, S. 283; Kok: Houtsneden, S. 435.
In der kurzen Produktionszeit der Werkstatt von nur drei Jahren, die sich mit den ersten Verwendungen des illustrierten Titelblatts bei Leeu teilweise überschneiden, lassen sich nur wenige Spuren illustrierter Titelblätter bei Bellaert ausmachen. Eine der möglicherweise ersten illustrierten Titelseiten könnte sich auf der Ausgabe von Arent Bosmans Mirakel Die ist dat boec van arent Bosman befunden haben. Vermeulen identifiziert diese Ausgabe als die erste niederländischsprachige mit einem Titelblatt, allerdings ohne Begründung.351 Das einzig bekannt gewordene Exemplar in der Stadtbibliothek Lübeck ist inzwischen verschollen. Nach den vorliegenden Beschreibungen war die Ausgabe nicht datiert und firmiert. Die Beschreibung im GW beruht auf Autopsie nach dem Lübecker Exemplar, der Druck wird hier spät auf um 1485/86 datiert. Ina Kok (und ihr folgend ILC) datiert aufgrund des Titelholzschnittes auf zwischen 10. Dezember 1483 und 15. Februar 1484.352 Sie stützt sich dabei wesentlich auf eine autoptische Beschreibung, ebenfalls nach dem Lübecker Exemplar, die Campbell für seine Annales zugrunde legt und die, anders als der GW, Angaben zur Titelillustration enthalten. Danach identifiziert Kok den Titelholzschnitt als die beiden zusammengesetzten Seitenstücke ›Leben‹ und ›Tod‹ aus Bellaerts Serie für Der sonderen troest vom 14. Februar 1484. Folgt man der neuen Datierung Koks, würde dieses Titelblatt noch vor Leeus erstem datierten vom 9. März 1484 entstanden sein. Da Koks Argumentation auf einer langen Indizienkette beruht, wird dieses Titelblatt hier nicht weiter in die Überlegungen zur Chronologie der frühesten illustrierten Titelblätter einbezogen. Das einzige datierte illustrierte Titelblatt Bellaerts findet sich auf Guillaume de Degullevilles (*um 1295) allegorisch-didaktischem Werk über die Pilgerfahrt des träumenden Mönchs, Le pèlerinage de la vie humaine, in der niederländischen Übersetzung unter dem Titel »Dit is dat boeck vanden pelgherym« vom 20. August 1486. Der Titelholzschnitt zeigt den Autor, der eine Vision des himmlischen Jerusalem hat.353 Das Bild gehört zu einer Serie von 61 für diese Ausgabe angefertigten Illustrationen, die Conway einem Schüler des Haarlemer Meisters zuschreibt.354
351 Zum Druck in Delft vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 34–36, S. 102–104. – Vgl. Vermeulen: Een schoon historie, S. 254. 352 ISTC ib01039850, ILC 456, GW 4949, Campbell II 357 (datiert; Kok: Houtsneden, S. 441f.). 353 ISTC ig00638000, ILC 1136, GW 11851 Campbell 1376; Kok: Houtsneden, S. 462–466 (Holzschnitt 11.12:1). 354 Conway: Woodcutters, S. 73.
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden
4.3.2 Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft Jacob Jacobszoon van der Meer und Maurice Yemantszoon sind als Erstdrucker Delfts ab 1477 nachweisbar, von 1480 bis 1487 arbeitet Van der Meer allein. In einer Übergangszeit um 1487/88 ist unklar, ob Delfter Drucke Jacob Jacobszoon van der Meer oder dessen Nachfolger Christiaen Snellaert zuzuordnen sind. Snellaert benutzt seine eigene Druckermarke ›Einhorn mit Schild‹ zum ersten Mal im Dialogus creaturarum vom 2. November 1488, für den er die Holzstöcke von Leeu nutzte. Er ist 1487/88 und 1496/97 sicher in Delft tätig.355 Van der Meer hat seine Drucke reich illustriert, wenn es sich auch nicht selten um Kopien nach Leeus Holzschnitten handelt. Er gehört zu den Druckern, die häufig illustrierte Titelblätter gestalten. Die Ausgabe des Versromans Seghelijn van Jerusalem (zwischen 14. Februar 1483 und 25. März 1486), der die Abenteuer des zum Christentum übergetretenen Sohns des heidnischen Königs Prides von Jerusalem erzählt, zeigt möglicherweise eine der ersten illustrierten Titelseiten (Abb. 26).356 Der im Text nicht illustrierte Erstdruck hat unterhalb der einzeiligen Titelformulierung »Die historie van seghelijn van iherusalem« Abdrucke von fünf Holzstöcken. Zwei kleine Holzschnitte mit einander zugewandten Rittern stammen aus einer erstmals in der niederländischen Ausgabe von Jacobus de Cessolis’ Schachbuch De ludo scachorum vom 14. Februar 1483 benutzten Serie.357 Nicht aus diesem Illustrationszyklus kommt eine Darstellung der Beschneidung Christi im Tempel,358 rechts und links gerahmt durch schmale, gekürzte Zierstücke mit Heiligenfiguren in gotischer Architektur. Die Titelillustration ist aus bereits vorhandenen Holzschnitten unterschiedlicher Serien zusammengewürfelt und hat nur einen vagen Inhaltsbezug. Sie verfehlt gleichwohl ihre Wirkung als Blickfang nicht. Die Seghelijn van Jerusalem-Ausgabe ist nicht datiert und wird nur ungefähr in die zweite Hälfte der Tätigkeit der Offizin eingeordnet. Regelmäßig werden Titelillustrationen erst ab 1486 von Van der Meer eingesetzt. Nimmt man das Aufkommen des Titelblatts bei Van der Meer als ein Datierungskriterium hinzu, ist der Seghelijn-Druck möglicherweise erst 1486 entstanden. Das erste datierte illustrierte Titelblatt stammt vom 29. November 1486 und zeigt das Motiv der Gregorsmesse auf den Epistolae et
355 Vgl. Le cinquième centenaire, S 262–264; Kok: Houtsneden, S. 151. 356 ISTC is00366400, ILC 1939, GW 12790 (datiert um 1484), Campbell 980. Datierung nach ISTC und ILC. 357 Kok: Houtsneden, S. 115–117 (Holzschnitte 21.3:4, 21.3:5). 358 Kok: Houtsneden, S. 122 (Holzschnitt 21.7:7).
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Evangelia in niederländischer Sprache.359 Der Holzschnitt gehört zu einem umfangreichen Zyklus, der zuerst in Die vier utersten vom 25. März 1486 eingesetzt wurde.360 Diese Ausgabe und der Nachdruck vom 13. Juni 1487 sowie die Ausgabe von Snellaert um 1488/89361 haben als Titelholzschnitt eine Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes. Das Motiv ›Christus als Schmerzensmann‹, ursprünglich als Textholzschnitt eingesetzt, erscheint erstmals als Titelholzschnitt auf einer illustrierten Ausgabe Liden ende passie ons Heren Jesu Christi bei Van der Meer oder Snellaert vom 18. März 1487.362 Ebenfalls aus dessen Offizin ist die Ausgabe einer reich illustrierten Legenda aurea sanctorum in niederländischer Sprache vom 1. März 1487 mit demselben großformatigen Titelholzschnitt für Winter- und Sommerteil. Zu sehen ist die ›Sacra Scriptura‹ als Nonne am Lesepult vor einem Bücherschrank, die einem vor ihr knienden Gläubigen vorliest.363 Nach Kok handelt es sich um einen Nachschnitt nach einem Titelholzschnitt, den Leeu für eine niederländischen Ausgabe von Ludolfs von Sachsen Vita Christi Tboeck vanden leven Jhesu Christi vom 3. November 1487 verwendet hat.364 Für eine Reihe von Ausgaben der Übergangszeit 1487/88 bei Jacob Jacobszoon van der Meer oder Christiaen Snellaert werden dann eigene Titelholzschnitte angefertigt. Die Liebesgeschichte von Euryalus und Lucretia in niederländischer Übersetzung (Pius II: De duobus amantibus) zeigt auf der undatierten Ausgabe ein junges Paar bei einem Brunnen.365 Arent Bosmans Mirakel aus der Offizin Van der Meer oder Snellaert hat in der ersten (zwischen 29. November 1486 und 26. Juni 1488) 366 und in der zweiten Ausgabe (zwischen 1. März 1487 und 10. August 1491)367 einen eigens angefertigten Titelholzschnitt, der den Tod im Gespräch mit einem jungen Mann mit Federhut auf einem Grasfeld stehend zeigt. 359 ISTC ie00069000, ILC 955, Campbell 696; vgl. Kok: Houtsneden, S. 122–125 (Holzschnitt 21.7.53). 360 ISTC ic00904000, ILC 632, GW 7524, Campbell 1319; vgl. Kok: Houtsneden, S. 122–125 (Holzschnitt 21.7.39). 361 ISTC ic00905200, ILC 636, GW 7526, Campbell 1322. 362 ISTC il00213700, ILC 1458, Campbell 1160; vgl. Kok: Houtsneden, S. 117–119 (Holzschnitt 13.1), dort auch spätere Verwendungen als Titelholzschnitt. 363 ISTC ij00147200, ILC 1310, Campbell 1763 = 1764. Vgl. Kok: Houtsneden, S. 131–138 (Holzschnitt 21.9:1), dort auch spätere Verwendungen als Titelholzschnitt. 364 ISTC il00353000, ILC 1503, Campbell/Kronenberg II 1181; Kok: Houtsneden, S. 135, räumt allerdings Datierungsprobleme ein. 365 ISTC ip00681500, GW Nachträge 281, ILC 1767, Campbell/Kronenberg I 13a (nur ungefähr datiert zwischen 4. Oktober 1486 und1491); Kok: Houtsneden, S. 130 (Holzschnitt 121). 366 ISTC ib01039900, GW 4950, ILC 457, Campbell/Kronenberg I 355c; Kok: Houtsneden, S. 130. 367 ISTC ib01039950, GW 4951, ILC 458, Campbell 356; vgl. Kok: Houtsneden, S. 130f. (Holzschnitt 21.19).
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Abb. 26: Titelblatt zu: Historie van Seghelijn van Jerusalem. Delft: Jacob Jacobszoon van der Meer, [um 1484]
4 Die Entstehung und Entwicklung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden Die Ausgabe des Kerstenspiegel von Dirk Coelde van Munster (Van der Meer oder Snellaert, zwischen 1. März. 1487 und 2. November 1488) zeigt eine Kreuzigung mit Maria und Johannes aus einer umfangreichen Serie, die den Illustrationen in Leeus Druck vom 20. Oktober 1485 verwandt ist.368 Der Spiegel der volcomenheit (Christiaen Snellaert, 29. Mai 1490) hat auf dem Titelblatt eine ›heilige Veronica mit dem Schweißtuch‹ aus dieser Serie, eine getreue Kopie nach Leeus Ausgabe vom 11. März 1488.369 Ebenfalls daraus ist der Titelholzschnitt mit der Krönung Mariens auf dem Druck Croon Onser Liever Vrouwen (29. März 1490) genommen.370 Der kleine Titelholzschnitt ist nicht, wie viele andere der Ausgabe, nach Leeus Erstdruck vom 3. November 1487 kopiert, sondern neu. Dennoch wurde der Stock oben angesägt, wohl um ihn in den einteiligen vierseitigen Rahmen einzupassen. Die Vita Christi in niederländischer Sprache, Tboeck vanden leven Jhesu Cristi von Ludolf von Sachsen (Van der Meer oder Snellaert, 22 Mai 1488), hat auf dem Titelblatt ›Christus als Weltenherrscher mit dem Reichsapfel‹ unter einem gotischen Architekturbogen.371 Die Legende Leven van Liedwij, die maghet van Schiedam, verfasst von Johannes Gerlach, wird erstmals von Van der Meer oder Snellaert am 3. März 1487 in den Niederlanden herausgebracht.372 Der Titelholzschnitt zeigt die Heilige mit Kruzifix und Blütenzweig in einem einteiligen floralen Rahmen. Die gleiche Titelgestaltung hat der Nachdruck vom 11. Juni 1490.373 Ein Rechtsbuch, der sog. Holländische Sachsenspiegel nach Eike von Repgows Spiegel van Sassen unter dem Titel »Die spieghel van sassen van alle keyserlike rechten«,374 erschienen bei Van der Meer oder Snellaert zwischen 1. März 1487 und 26. Juni 1488, hat – ebenso wie der Nachdruck, datiert in den gleichen Zeitraum,375 – auf dem Titel die Abbildung eines Königs mit Szepter und Reichsapfel auf dem Thron. Der Holzschnitt gehört zu einer Serie, die Van der Meer für seine Ausgabe des Schachbuchs des 368 ISTC ic00747350, ILC 593 (Datierung nach Kok), GW 7139, Campbell 599, (Campbell und GW geben nur Van der Meer an); Kok: Houtsneden, S. 138–142 (Holzschnitt 21.17:10). 369 ISTC is00677800, ILC 2025, Campbell 1578; Kok: Houtsneden, S. 140 (Holzschnitt 21.17:25). 370 ISTC ic00978600, GW 7383, ILC 648, Campbell 331; Kok: Houtsneden, S. 140 (Holzschnitt 21.17:21). 371 ISTC il00354000, ILC 1504, Campbell 1182; Kok: Houtsneden, S. 144–150 (Holzschnitt 21.12:70). 372 ISTC ig00182500, GW 10703, ILC 1077, Campbell 1123; Kok: Houtsneden, S. 142f. (Holzschnitte 21.10, 21.11) 373 ISTC ig00182550, GW 10704, ILC 1078, Campbell 1124; Kok: Houtsneden, S. 142f. 374 ISTC ie00028250, GW 9270 (datiert um 1486/88), ILC 897 (Datierung nach Kok), Campbell 1594; Kok: Houtsneden, S. 115–117 (Holzschnitt 21.3:1). 375 ISTC ie00028350, ILC 898, Campbell 1595, GW 9272.
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Jacobus des Cessolis vom 14. Februar 1483 zuerst benutzt hatte. Folgende Titelblätter sind Snellaert allein zuzuweisen. Die zweite Ars moriendi (Sterfboek) in niederländischer Sprache (nach dem 2. November) 1488 folgt dem Erstdruck von Peter van Os in Zwolle. Snellaert hat eine neue Serie von elf Bildern, die frei nach den großen Holzschnitten Peter van Os’ kopiert sind.376 Unter dem in einer großen Textura gedruckten zweizeiligen Sachtitel »Een notabel boeck ghenoemt dat sterf boeck« steht der Tod in einem offenen Sarg mit einem Pfeil, ein Spruchband über dem Schädel: »De doot en spaert neyemant«. Die erste illustrierte Ausgabe der Historia Alexandri Magni in niederländischer Sprache »Historye vanden groten coninc Alexandere« erscheint bei Snellaert im Jahr 1488.377 Der Titelholzschnitt zeigt drei Ereignisse, die der Geburt Alexanders vorausgehen. Alle sieben Holzschnitte der Serie sind für diese Ausgabe angefertigt worden. Der gleiche Holzschnitt findet sich auf dem Titelblatt der mittelniederländischen Verserzählung Karel ende Elegast, »die historie van coninck karel ende van elegast« (zwischen 1. März 1487 und 26. Juni 1488 bei Van der Meer oder Snellaert).378 Illustrierte Titelblätter bei Van der Meer bzw. Snellaert kommen regelmäßig erst ab 1486 vor, und damit zwei Jahre später als in der Offizin Leeu. Die Praxis der Titelblattverwendung und ihrer Ausstattung unterscheidet sich kaum. Der Schwerpunkt liegt auf der religiösen Literatur, fiktional-weltliche oder moralisierende Schriften treten zurück. Auch die Delfter greifen häufiger auf vorhandenes Material aus Serien zurück, eigene Anfertigungen für das Titelblatt sind selten.
4.3.3 Peter van Os in Zwolle Peter van Os (van Breda) ist der bedeutendste und produktivste Druckerverleger der Inkunabel- und Frühdruckzeit in Zwolle, tätig zwischen 1480 und 1510. Für die Periode von 1483 bis 1492 steht er in enger Beziehung zu Gerard Leeu. Er druckt ab 1483 mit Typen Leeus und auch dessen Holzschnitte kommen ab 1484 regelmäßig in seinen Drucken vor. Nach Leeus Tod 1492 gelangt ein großer Teil von dessen Holzstöcken ganz in seinen Besitz. Peter van Os verlegt populäre volkssprachliche Literatur in kleinen Formaten. Sein Programm überschneidet sich
376 ISTC ia01121000, ILC 283 (Datierung nach Kok), GW 2594, Campbell 1619; Kok: Houtsneden, S. 156–158 (Holzschnitt 21.14:11). 377 ISTC ia00402000, ILC 83, GW 893, Campbell III 959; Kok: Houtsneden S. 158f. (Holzschnitt 122). 378 ISTC ic00204700, ILC 507 (Datierung nach Kok), GW 12601, Campbell 971; Kok: Houtsneden, S. 116.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
teilweise mit dem Leeus in Antwerpen, obwohl unveränderte Nachdrucke selten sind.379 Der erste Druck mit einem illustrierten Titelblatt aus der Offizin des Peter van Os ist der Winterteil der Sermones de tempore et de sanctis des Bernhard von Clairvaux vom 24. Dezember 1484.380 Unter dem Sachtitel »Dit is dat boec van sinte bernaerdus sermonen« ist die Vision des heiligen Bernhard zu sehen. Das verbreitete Bildmotiv, Hauptthema der Ikonographie des Heiligen, zeigt diesen in der Mönchskutte zusammen mit Maria und dem Kind im Moment des marianischen Milchwunders: ein Milchstrahl aus der Brust Marias benetzt die Lippen des Heiligen. Die Deutung »monstra te esse matrem« ist im Typendruck hinzugefügt. Der sehr dekorative Holzschnitt des Zwolle-Meisters381 wird an anderer Stelle im Winterteil und zu Beginn des Sommerteils vom 30. April 1485 wiederholt; die Ausgabe enthält außer der Druckermarke keine weiteren Textillustrationen. Dies ist der erste illustrierende Holzschnitt, den Peter van Os besitzt. Er wurde eigens für den Titel dieser Ausgabe im Folioformat angefertigt. Nach Kok stammen der Titelholzschnitt wie auch die zweite Druckermarke Peter van Os’ aus einer Hand. Ein weiterer großer Titelholzschnitt desselben Künstlers erscheint auf dem niederländischen Der Sielen troest vom 21. Juli 1485.382 Er zeigt Moses auf dem Berg Sinai mit den Gesetzestafeln und den Tanz um das goldene Kalb im Vordergrund. Der Holzschnitt wird im Buch wiederholt, zusammen mit weiteren, deren Druckstöcke aus einer Serie von Gerard Leeu stammen. Zu nennen sind weiter die Ausgaben Liden ende passie Ons Heren Jesu Christi vom 2. Februar 1486383, zwischen 1486 und 1488384 und in der Ausgabe vom 21. Februar 1489385 mit dem Motiv ›Christus in der Kelter‹ (Christus in der mystischen Weinpresse). Der Holzstock gehört zu einer Serie von Illustrationen aus dem Leben Christi, die Peter van Os eigens für diese Ausgaben herstellen ließ. Das Titelbild fällt aber heraus, da es sich nach Kok um eine sehr getreue Kopie nach einem Holzschnitt Gerard Leeus handelt. Peter 379 Zu Peter van Os vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 42f., 104–107; Hermans: Zwolse boeken, S. 80–84, besonders ebd. den Katalog der Drucke ZD 21–185 mit zahlreichen Abbildungen der Titelblätter. Zur Verbindung zwischen Leeu und Peter van Os vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 38 und 43: »What is clear is that from his return in 1483 onwards his business was related in various ways to that of Gheraert Leeu.« Vgl. auch: Le cinquième centenaire, S. 284, Lem: De Zwolse drukker. 380 ISTC ib00434000, ILC 390, GW 3947, Campbell 275; Kok: Houtsneden, S. 391f. (Holzschnitt 17.2). 381 Vgl. Conway: Woodcutters, S. 100. 382 ISTC is00361100, ILC 1935, Campbell 1547; Kok: Houtsneden, S. 392. (Holzschnitt 17.3). 383 ISTC il00213550, ILC 1455, Campbell 1159a; Kok: Houtsneden, S. 393–395 (Holzschnitt 17.5:14). 384 ISTC il00213600, ILC 1456, Campbell 1166. 385 ISTC il00214200, ILC 1463, Campbell 1163.
van Os druckte Leeus Ausgabe vom 9. Juli 1485 nach.386 Die lateinische Ausgabe der Epistolae et Evangelia zwischen 28. August 1486 und 1488387 sowie die beiden niederländischen vom 5. Januar 1487388 – diese unter dem Titel »Dit sijn die duytsche epistelen ende euangelijen mitten figuren doer den gantsen iaer« – und 10. November 1488389 haben ebenfalls einen neuen Holzschnitt eigens für das Titelblatt: eine Darstellung des Apostels Lucas mit seinem Symbol, dem Ochsen. Der lateinische Druck besitzt keine Textholzschnitte, die niederländischen hingegen 18 Bilder, entnommen aus anderen Serien. Die lateinische Ausgabe und die zweite niederländische haben als zusätzlichen Titelschmuck eine große HolzschnittCadelle im Schreibmeisterstil als Titelinitiale. Die große Verkündigungsszene zur niederländischen Ausgabe der Vitae sanctorum patrum, Van den leven der heiligen Vaderen, vom 1. April 1490 stellt Maria mit dem Erzengel Gabriel dar; nach Kok lässt diese wegen der Perspektive an den Künstler des Bernardus-Holzschnittes denken.390 Ebenfalls 1490 ist eine niederländische Legenda aurea sanctorum erschienen. Die den Satzspiegel füllende Titelabbildung für den Winter- wie den Sommerteil zeigt viele kleine Märtyrerszenen verstreut in einer hügeligen Landschaft. Der Holzschnitt wurde für diesen Druck gefertigt, allerdings handelt es sich um einen minderwertigen Nachschnitt nach einem Utrechter Original des Druckers Johann von Veldener.391 Ein vierblättriger Druck von Paulus Pellantinus’ Carmen lyricum de nativitate Domini (zwischen 28. August 1486 und 1488) zeigt zwischen zwei gotischen Architekturstücken eine Darstellung der Geburt Christi im Stall.392 Das Titelbild wird mit einem Stück aus einer zersägten Druckplatte gestaltet, die zu einem Blockbuch (Biblia Pauperum) gehört hat. Aus diesem Blockbuch stammen ebenfalls die beiden Bilder auf dem Titelblatt des Breviarium Trajectense (Utrecht) vom 23. August 1487: ›Christus trägt die Seelen der Auserwählten in einem Tuch‹ und der ›Traum des Jacob von der Himmelsleiter‹.393 Die Ars moriendi »Dit boeck is gheheyten dat sterfboeck.« aus dem Jahr 1488 hat einen blattgroßen Holzschnitt einer Sterbeszene, der vermutlich einem Blockbuch 386 Vgl. Anm. 280. 387 ISTC ie00064500, ILC 932, Campbell 682; Kok: Houtsneden, S. 397f. (Holzschnitt 17.4:1). 388 ISTC ie00069500, ILC 956, Campbell 697. 389 ISTC ie00070500, ILC 959, Campbell 699. 390 ISTC ih00211000, ILC 1195, Campbell 938; Kok: Houtsneden, S. 404f. (Holzschnitt 18.3). 391 ISTC ij00142000, ILC 1312, Campbell 1766; Kok: Houtsneden, S. 405f. (Holzschnitt 17.9). 392 ISTC ip00258800, ILC 1718, Campbell 1378; Kok: Houtsneden, S. 29–39, (Holzschnitte 1:b4 (Blockbuch), 17.4:2, 17.4:3 (Zierstücke)). 393 ISTC ib01184200, ILC 475, GW 5485, Campbell 374; Kok: Houtsneden, S. 29–39 (Holzschnitte 1:.t.4, 1:.t5 [!]).
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden nachgeschnitten wurde.394 Beim Bienenbuch vom 15. Januar 1488 handelt es sich um einen im Einflussbereich der Devotio moderna beliebten Text. Peter van Os druckt eine niederländische Übersetzung des neunten Buchs des Bonum universale de proprietatibus apum aus Thomas’ von Cantimpré naturkundlichem Werk De naturis rerum. Das Titelblatt ist ungewöhnlich gestaltet. Unterhalb des typographischen Titels »Dit is der bien boeck.« erstreckt sich ein schmaler, seitenbreiter Holzschnitt mit zwei Bienenkörben rechts und links, dazwischen Blumen und Bienen. Es handelt sich um die einzige Verwendung. Es folgt ein achtzeiliges Gedicht über die Bienen in zwei Kolumnen. Die untere Hälfte der Seite füllen zwei Holzschnitte, die aus einem Druckstock für eine Biblia Pauperum ausgesägt wurden: das bereits im Breviarium Trajectense abgedruckte Motiv mit Christus und den Seelen in einem Tuch sowie ›Das letzte Gericht‹.395 Überblickt man die Titelblattgestaltung von 1484 bis Ende 1490, zeichnet sich eine einheitliche Praxis ab. Überwiegend werden Ausgaben religiöser Erbauungsliteratur in niederländischer Sprache mit einem Titelholzschnitt ausgestattet. Der Einfluss der Devotio moderna bei der Textauswahl der volkssprachlichen wie auch der lateinischen Titel – mit Werken von Bernhard von Clairvaux, Thomas von Cantimpré, dem Seelentrost und der Ars moriendi – ist deutlich spürbar.396 Lateinischsprachige Drucke mit einem Titelholzschnitt bilden die seltene Ausnahme. Im Vergleich zu Leeu und Van der Meer bzw. Snellaert sind illustrierte Titelblätter bei Peter van Os selten, was sich mit der überwiegend lateinischen Druckproduktion erklären lässt.397 Bemerkenswert ist allerdings, dass er Titelillustrationen für ein bestimmtes Werk anfertigen lässt, die das Thema und den Inhalt präzise aufnehmen. Von den hier vorgestellten Titelblättern, die die frühe Phase vollständig dokumentieren, erscheinen diese Abbildungen auch auf sonst nicht illustrierten Büchern. Man beobachtet weiter, dass neue Holzschnitte selbst dann eingesetzt werden, wenn Serien für die Textillustration vorliegen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Peter van Os von Anfang an großen Wert auf qualitativ gute und passende Bilder legt. Dies zeigt bereits sein erstes Titelblatt mit der Darstellung der Vision des heiligen Bernhard vom 24. Dezember 1484, das zeitlich nah an Leeus erstes illustriertes Titelblatt vom 9. März 1484 heranrückt. Peter van Os’ Holzschnitt 394 ISTC ia01121100, ILC 284, GW 2595, Campbell 1620; Kok: Houtsneden, S. 387f. (Holzschnitt 17.7:1), Hermans: Zwolse boeken, ZD 57. 395 ISTC it00348000, ILC 2096, Campbell 1658; Kok: Houtsneden, S. 402 (Holzschnitt 17.6 und 1:.t.4, 1:.s.4 [!]). 396 Lem: De Zwolse drucker, S. 190f. 397 Vgl. die Übersicht bei Hermans: Zwolse boeken, S. 66.
73 ist jedoch ungleich spektakulärer als etwa die schlichte Rosenkranzdarstellung Leeus. Bei der Gestaltung des illustrierten Titels folgt Peter van Os stets dem gleichen Schema: Die typographische Sachtitelformulierung, häufig in einer Texttype, wird linksbündig oder zentriert an den Kopf der Seite gesetzt. Die Abbildung darunter dominiert das Titelblatt.
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden Unter den Drucken mit illustrierten Titelblättern der Inkunabelzeit zeichnen sich die Schul- und Lehrbücher als eine besondere Gruppe ab. Grammatiken, Vokabularien und Texte der klassischen Literatur für den Unterricht gehören zur ›Brotware‹, die seit den Donatus-Drucken Johannes Gutenbergs auf einen guten städtischen und regionalen Absatzmarkt rechnen kann. In den Niederlanden beginnen die Drucker damit, ein Erkennungszeichen für diesen Programmbereich auf das Titelblatt zu setzten: Szenen, die eine Unterrichtssituation schildern. Die ersten Ausgaben mit Lehrszenen auf dem Titelblatt finden sich bei Gerard Leeu in Antwerpen. Sie markieren den Beginn einer bis in das 16. Jahrhundert − wie Schreiber und Heitz formulieren − überdauernden »Mode, die Schulbücher mit einem Bilde zu versehen«398. 1908 haben Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz die im deutschsprachigen Raum vorkommenden Schnitte und Nachschnitte von Magisterszenen zusammengetragen; die Autoren unterscheiden 75 unterschiedliche Stöcke bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, die auf dem Titel von fast 400 Inkunabelausgaben in Deutschland erscheinen.399 Für die Niederlande liegt bisher keine spezielle Untersuchung zur Titelblattgestaltung von Schul- und Lehrbüchern der Inkunabelzeit vor. Die folgenden Kapitel bilden daher den Versuch einer ersten systematischen Zusammenstellung.
5.1 Gerard Leeu in Antwerpen Während das erste illustrierte Titelblatt Leeus an das Ende der Goudaer Tätigkeit fällt400, markiert das zweite den Beginn der Produktion in Antwerpen. Mit dem Umzug in die Handels- und Messestadt an der 398 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 24. 399 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 8. Es ist nicht genau ersichtlich, ob es sich bei dieser Schätzung ausschließlich um Holzschnitte auf Titelblättern handelt. Ein Nachteil für unseren Zusammenhang ist auch, dass Schreiber/Heitz die Drucker und den Verwendungszeitraum nicht nennen, leider wird der Holzschnitt ohne jeden Titelblattkontext behandelt. 400 Der letzte datierte und firmierte Druck ist: Van den seven sacramenten. Gouda: Gerard Leeu, 19. Juni 1484.
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Schelde erfolgt eine grundlegende Neuorientierung, die einen Programmschwerpunkt auf Schul- und Lehrbücher für den Lateinunterricht legt. Das illustrierte Titelblatt erhält in diesem Segment eine gegenüber der Gruppe der Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur weiter geschärfte Funktion: es kennzeichnet nicht nur einen Buchtyp, sondern eine spezielle Warengruppe. Das erste illustrierte Titelblatt Leeus in Antwerpen ist zugleich das erste auf einem Schulbuch: die Gemmula vocabulorum vom 18. September 1484.401 Der Titel zeigt ein bekanntes Motiv der christlichen Ikonographie (Abb. 27). Der zwölfjährige Christus unterrichtet im Tempel die drei Doktoren. Den Holzstock hat Leeu nicht eigens anfertigen lassen; er folgt auch hier einer Ökonomie wie sie insgesamt in den frühen Jahren der Antwerpener Offizin die Ausstattung der Titelblätter bestimmt. Für das illustrierte Titelblatt greift er oft auf Holzstöcke aus Bildzyklen zurück, die für die Textillustration geschaffen worden waren. Der Titelholzschnitt des lateinisch-niederländischen Vokabulars ist einer Serie entnommen, die hauptsächlich zur Illustration verschiedener Werke zum Leben Christi benutzt wurde.402 Auch die folgenden Auflagen des Werks aus den Jahren 1486 und 1488 sowie die beiden Drucke des Exercitium grammticale puerorum von 1485 und 1488 (Claes Leeu) zeigen diesen Titelholzschnitt.403 Der zweite Druck mit einer Magisterszene auf dem Titelblatt (Abb. 28) ist eine niederländische Ausgabe Van die konste van spreken ende van swighen (zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485).404 Diese weit verbreitete Schrift De arte loquendi et tacendi des Albert von Brixen gehört zu den gängigen Lehrbüchern für den Schulunterricht. Der Holzschnitt zeigt einen Lehrer und einen Schüler stehend im Dialog. Auch hier verwendet Leeu einen älteren Holzstock aus einem anderen Werkkontext. Im letzten datierten Druck der Goudaer Presse Van den seven sacramenten (19. Juni 1484) stellt der Holzschnitt den Dialog zwischen dem Lehrer Hostiensis und dem Schüler Actoer dar. Er kommt als Seitenstück jeweils mit den Darstellungen der sieben Sakramente vor, über die im Dialog gesprochen wird. Unabhängig von dieser konkreten Zuordnung setzt Leeu den Holzschnitt zweimal auf einem Titelblatt ein: auf der genannten Ausgabe Van die konste van spreken ende van swighen, die Kok aufgrund des Zustandes der Lehrszene neu datiert hat (erster Zustand: mit ausgebrochenem linken Rand), und auf 401 ISTC iv00332500, ILC 2187, Campbell II 787; vgl. auch Le cinquième centenaire, S. 297. 402 Kok: Houtsneden, S. 219–233 (Holzschnitt 9.2:16). 403 Kok: Houtsneden, S. 230f. 404 ISTC ia00209200 (datiert zwischen 9. März und 9. Juli 1484), GW 564 (datiert um 1484), ILC 49 (Datierung bei ILC und hier nach Kok), Campbell 69; Kok: Houtsneden, S. 259.
den lateinischen Disticha Catonis vom 1. März 1485 (zweiter Zustand mit ergänztem linken Rand).405 Danach verschwindet dieser Holzschnitt bei Leeu. Einen getreuen Nachschnitt hat nur wenig später Johann Amerbach in Basel. Er verwendet ihn für das Titelblatt seines Nachdrucks der Disticha Catonis vom 14. Juni 1486 406 nach Leeus Ausgabe vom 1. März 1485.407 Es handelt sich um das erste Basler illustrierte Titelblatt. Diese beiden ersten Schulszenen, die 1484 bis 1486 benutzt wurden, konnten nur eine Übergangslösung für Leeus Konzept sein, Schulliteratur mit einem charakteristischen Titelblatt zu versehen.408 Ein eigens angefertigter, fast satzspiegelgroßer Holzschnitt findet sich erstmals auf der zweiten lateinische Ausgabe der Disticha Catonis vom 2. Juni 1486 (Abb. 29).409 Auf einem gotischen Stuhl sitzt ein nach rechts gewandter Lehrer und blickt in ein Buch auf einem beweglichen Pult, das am Stuhl befestigt ist. Zu seinen Füßen, drei Stufen tiefer, sitzen fünf Schüler, einer davon hält ein Buch. Nur wenige Tage später, am 14. Juni 1486, erscheint der Holzschnitt bereits zum zweiten Mal auf Petrus Hispanus’ Summulae logicales.410 Nach Kok ist diese Magisterszene für insgesamt neun Ausgaben Leeus zwischen dem 2. Juni 1486 und 1488 ausschließlich auf dem Titelblatt von Schul- und Lehrbüchern zu finden.411 Dieser erste Holzschnitt Leeus, der für die Schultexte eigens geschnitten wurde, avanciert zum ›Urvater‹ vieler mehr oder weniger ähnlicher Holzschnitte, die auf Grammatik-Lehrbüchern, Vokabularien, Verhaltenslehren und Lesetexten der Klassiker in den Niederlanden und in Deutschland eingesetzt werden. Conway hält den sog. Ersten Antwerpener Holzschneider, der vielfach für Leeu tätig war, für den Urheber der Magisterszene; er beschreibt ihn als ungelernten, groben Handwerker ohne Originalität und Interesse an seiner Arbeit. Den Titelholzschnitt sieht er in deutscher Tradition, möglicherweise nach einer deutschen Vorlage kopiert.412 405 ISTC ic00296000, GW 6282, ILC 534, Campbell 406; Kok: Houtsneden, S. 260. 406 Vgl. die Fallstudie zu Basel im übernächsten Band. Schreiber/Heitz: Accipies (S. 30f. u. Abb. Nr. 15) vermuten aufgrund der Tracht und Technik niederländischen Ursprung, kennen jedoch die Vorlage bei Leeu nicht. 407 Zum vorhergehenden vgl. Kok: Houtsneden, S. 259–262 (Holzschnitt: 9.4:8). 408 Vgl. auch Kok: Houtsneden, S. 290, die die Notwendigkeit für einen neuen Holzschnitt u.a. im schlechten Zustand von 9.4:8 sieht. 409 ISTC ic00296500, GW 6283, ILC 535, Campbell 407; Kok: Houtsneden, S. 289f. (Holzschnitt: 10.3). 410 ISTC ij00236320, ILC 1337, Campbell 1394 = 1400. Vgl. auch Schreiber/Heitz: Accipies, S. 15 mit weiteren Verwendungen 1486/87. 411 Vgl. die Aufzählung bei Kok: Houtsneden, S. 290. – Zu Nachschnitten in Deutschland vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 15f. 412 Conway: Woodcutters, S. 55.
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden
Abb. 27: Leeus erstes Antwerpener illustriertes Titelblatt: Gemmula vocabulorum. Antwerpen: Gerard Leeu, 18. September 1484
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5.2 Govaert van Ghemen und Gotfrid van Os in Gouda
Abb. 28: Albert von Brixen: Van die konste van spreken ende van swighen. Antwerpen: Gerard Leeu, zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485 Leeu setzt mit seinen Schüler-Lehrer-Bildern auf seiner Schulbuchproduktion einen Standard beim illustrierten Titelblatt. Er initiiert eine ›Mode‹, die von den Druckerverlegern in seinem engeren Umkreis und über die Niederlande hinaus in Deutschland und Europa verbreitet wird. Seinen Ausgangspunkt nimmt er bei einem Motiv, das, ursprünglich aus der Illustration geistlicher Literatur stammend, mit der Übertragung des Holzstocks auf den Schulbuchtitel und in eine säkulare Textumgebung nur noch metaphorische Bedeutung hat. Die ab 1486 eigens angefertigte ›weltliche‹ Schulszene setzt die Entwicklung konsequent fort. Sie wird von anderen Druckerverlegern unmittelbar aufgenommen und weiter geführt, von Govaert van Ghemen und Gotfrid van Os in Gouda, Richard Paeffraet in Deventer sowie Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft.
Govaert van Ghemen war Wanderdrucker in Gouda, Leiden und Kopenhagen. Zwischen 1486 und 1488 betrieb er in Gouda eine Druckerei und nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen arbeitete er von 1495 bis 1510 in Leiden. Nach Kok können ihm in Gouda sieben, in Leiden zwei Drucke zugeschrieben werden, wovon acht mit Holzschnitten illustriert sind.413 Das illustrierte Titelblatt ist bei ihm selten. Erwähnenswert ist die Ausgabe Die jeeste van Julius Caesar. Der Druck wird von Kok aufgrund der Illustrationen Govaert van Ghemen zugeschrieben und wurde wohl bald nach 1486 gedruckt. Das Titelblatt ist rein xylographisch: der große Holzschnitt zeigt Caesar mit Buch und Schwert auf einer Weltkugel. Im unteren Drittel nennt ein Spruchband den Sachtitel: »Dit is die jeeste van iulius cesar«.414 Der ›Magister cum discipulis‹-Holzschnitt Leeus, den dieser für Schultexte angefertigt und zuerst für die Disticha Catonis vom 2. Juni 1486 eingesetzt hat, wird von Govaert van Ghemen in Gouda, vermutlich noch im gleichen Jahr, seitenverkehrt nachgeschnitten. Die beiden Schüler rechts und links werden weggelassen. Der Lehrer, sich nach links wendend, sitzt auf einem Stuhl mit gotischen Schnitzereien an den vier Pfosten; er hält anstelle des Buchs eine Rute in der linken Hand. Auch der Sessel wurde verändert.415 Ina Kok hat die Abdruckgeschichte des Holzstocks aufgearbeitet und kommt über drei Erhaltungszustände zu einer frühen Datierung des unfirmierten Drucks, auf dem – nach Kok – dieser Stock zum ersten Mal benutzt wird: auf dem Titelblatt Van die konste van spreken ende van swighen. Die bisherigen Datierungen gingen weit auseinander: von um 1486 und zwischen 1496 und 1498.416 Kok datiert nun vor 13. November 1486.417 Sie begründet ihre frühe Datierung damit, dass der Holzstock beim nach ihrer Zählung zweiten Abdruck am linken Rand beschädigt sei. Er findet sich auf einer fünfteiligen lateinisch-niederländischen Grammatik unter dem Titel Opusculum quintupertitium grammaticale, datiert auf den 13. November 1486, aus der Offizin Gotfrid van Os in Gouda, der den Stock von Govaert van Ghemen
413 Zu Govaert van Ghemen vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 83–85; Kok: Houtsneden, S. 490. 414 ISTC ic00029500, GW 5879, ILC 498, Campbell 393; Kok: Houtsneden, S. 496–498 (Holzschnitt 26.2:1), vgl. auch Le cinqième centenaire, S. 439–442. 415 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16. 416 Vgl. dazu die Angaben unter ISTC ia00209450. 417 ISTC ia00209450, GW 567, ILC 52, Campbell II 69a; Kok: Houtsneden, S. 492f. und 504 (Holzschnitt 25.3) − Bei Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16, Gotfried van Os zugeschrieben.
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden
Abb. 29: Leeus erste eigens angefertigte Magisterszene: Disticha Catonis. Antwerpen: Gerard Leeu, 2. Juni 1486
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übernommen hat.418 Ein drittes Mal wird der Holzstocks mit weiteren Ausbrüchen für das Titelblatt (Abb. 30) des Doctrinale des Alexander de Villa Dei mit einem Kommentar von Wilhelm Zenders de Wert verwendet, datiert 16. September 1488 und gedruckt mit den Typen des ›Drucker des Alexander, Opus Minus‹.419 Vermutlich ist Gotfrid van Os der Drucker. Dieser war kein eigenständig tätiger Verleger, sondern als Auftragsdrucker und Schriftschneider für Leeu in Gouda tätig, ohne ihm nach Antwerpen zu folgen.420 Eine Kopie dieser Szene findet sich bereits früher auf dem zweiten Basler Titelblatt mit einem Titelholzschnitt, den Quaestiones super Donatum minorem, vermutlich bei Michael Furter um 1490 gedruckt.421 Dieser Holzschnitt gehört in Deutschland zu den beliebtesten Lehrszenen und wird häufig nachgeschnitten: auf Basel (Michael Furter) folgen Nürnberg (Friedrich Creussner), Straßburg (Martin Schott, Johann Prüß d.Ä., Matthias Hupfuff), Leipzig (Konrad Kachelofen, Melchior Lotter), Speyer (Konrad Hist) und Heidelberg (Heinrich Knoblochtzer).422
Richard Paffraet aus Köln ist als Erstdrucker der Stadt in Deventer von 1477 bis 1511 tätig, in den ersten acht Jahren mit Schriften, die er aus Köln importiert hat. Nach einer Produktionsunterbrechung zwischen 1485 und 1488 beginnt er mit komplett erneuertem Typenmaterial.423 Er spezialisiert sich nun auf humanistische Schul- und Lehrbücher in lateinischer Sprache und wird neben Jacob van Breda zum wichtigsten Schulbuchdrucker in den nördlichen Niederlanden. Zwei Jahre nach Gerard Leeu und Govaert van Ghemen besitzt er zum Beginn der neuen Produktionsphase eine ›Magister cum discipulis‹ Szene mit einem Lehrer und fünf Schülern, erstmals gezeigt 1488 auf dem Titelblatt des Franciscus Mataratius:
De componendis versibus hexametro et pentametro (Abb. 31). Sie ist möglicherweise der Leeus vom Sommer 1486 frei nachgeschnitten.424 Der Lehrer sitzt auf einem gotischen Stuhl mit reicher Dekoration auf der Rückenlehne. Er hält ein Buch aufgeschlagen in beiden Händen und liest daraus fünf sitzenden Schülern vor, denen er frontal zugewandt ist; einer der Schüler hat ein Buch. Paffraet verwendet nach Kok die Schulszene auf dem Titelblatt von 28 Ausgaben bis 1495, fast ausschließlich auf Schultexten.425 Eine weitere Lehrszene benutzt Paffraet nur zweimal: auf dem Titelblatt von Albrecht von Eybs Ehebüchlein in niederländischer Sprache unter dem Titel Van den Echten Staete426 1493/94 und auf den Disticha Catonis vom 8. November 1497.427 Sie zeigt einen Lehrer im Dialog mit einem jungen Adligen mit Schwert, ein Motiv, dass zum Ehebüchlein gut passt, aber weniger zum lateinischen Lehrbuch. Für den Cato ist die Verwendung dieses Holzstocks wohl als Verlegenheitslösung zu werten. Die drei vorhergehenden Ausgaben des Werks bei Paffraet zeigen auf dem Titelblatt die erste und zweite LebuinusMarke und den vielfach verwendeten ›Magister cum discipulis‹ Holzschnitt, der allerdings nach 1495 auf keinem datierten Druck mehr vorkommt und 1497 wohl nicht mehr vorhanden war.428 Von den über 240 Drucken Paffraets der zweiten Produktionsphase haben nur 69 einen oder mehrere Holzschnitte.429 60 davon entfallen auf Titelholzschnitte, von denen der größte Teil von nur drei Stöcken stammen: die ›Magister cum discipulis‹-Szene und Paffraets erste und zweite Druckermarke. Beide Signets stellen den heiligen Lebuinus dar, den Stadtpatron von Deventer und der Lateinschule der Stadt. Auf elf Schul- und Lehrbüchern, meist Grammatiken, kommt die erste Marke zwischen 1488 und 1489 vor. Ab 1489 setzt er in der gleichen Funktion seine zweite Druckermarke ein, bis 1500 auf 18 Titelseiten von Lehrbüchern.430
418 ISTC ic00792300, GW 10995, ILC 609, Campbell 1331. Wiederholung des Titelholzschnittes am Ende Bl. 94v. 419 ISTC ia00445580, GW 1169, ILC 197, Campbell/Kronenberg I 116a. − Diese Ausgabe ist nur in einem Exemplar nachgewiesen, das sich jetzt in der Bibliothek des Priesterseminars in Wittenberg befindet. 420 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 83f.; Le cinquième centenaire, S. 430f. 421 ISTC iq00006500, GW 11104. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 16, weisen den Druck Johann Amerbach 1489 zu. 422 Die Schulszene Nr. 38 (Schreiber/Heitz: Accipies) befand sich um 1488 im Besitz Martin Schotts (vgl. ISTC ic00792500, GW 11000), Schulszene Nr. 44 wurde um 1494 von Johann Prüß d. Ä. verwendet (vgl. ISTC ic00793800, GW 10988). Beide Schulszenen befinden sich zu Beginn des 16. Jahrhundert im Besitz Hupfuffs. Vgl. die entsprechenden Nummern bei Schreiber/Heitz: Accipies, S. 35–44. 423 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 39f.; Le cinquième centenaire, S. 308.
424 ISTC im00348500, GW 9278, ILC 1550, Campbell 1218; Kok: Houtsneden, S. 599–602 (Holzschnitt 28.13) u. S. 612, Anm. 5. Der Stock ist nicht, wie unter GW 9278 vermerkt, von Leeu übernommen. − Vgl. Schreiber/Heitz, Accipies, S. 16. 425 Kok, Houtsneden, S. 599–602, bes. S. 601 und Liste S. 600 (Holzschnitt 28.13). 426 ISTC ie00184050, ILC 976 (Datierung nach Kok), GW 9528, Campbell 724, Kok: Houtsneden, S. 241. 427 ISTC ic00302200, ILC 542, GW 6296, Campbell 413. 428 Kok: Houtsneden, S. 610f. (Holzschnitt 28.16:1). 429 Vgl. auch Conway: Woodcutters, S. 161: »They [sc. J. de Breda und R. Paffraet] employ very few cuts, but those which they do use occur again and again. Paffraet seems only to have possessed five blocks of any importance, and they were all the work of the same woodcutter.« 430 Kok: Houtsneden, S. 597–599 (Holzschnitt 28.11) u. S. 602–605 (Holzschnitt 28.12). – Zu Druckermarken auf der Titelseite s. unten Kap. 7.3.
5.3 Richard Paffraet in Deventer
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden
Abb. 30: Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II). Gouda: [Drucker des Alexander, Opus Minus (Gotfrid van Os?)], 16. September 1488
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Abb. 31: Paffraets erste Magisterszene: Franciscus Mataratius: De componendis versibus hexametro et pentametro. [Deventer: Richard Paffraet, 1488]
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden
5.4 Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft Christiaen Snellaert druckt als Titelholzschnitt dreier Schultexte eine Darstellung des zwölfjährigen Christus im Kreis von sieben Schriftgelehrten auf folgenden Titeln ab: Wilhelmus Zenders’ de Wert Lilium grammaticae (zwischen 16. April 1494 und 27. November 1495)431, Gemmula vocabulorum (16. April 1494)432 und Proverbia seriosa (1495)433, alle lateinisch-niederländisch. Er handelt sich um eine sekundäre Verwendung eines Textholzschnittes aus einem Zyklus zur Vita Christi, der zuerst in der niederländischen Ausgabe des Corduale quattuor novissimorum (Die vier utersten) vom 25. März 1486 benutzt wurde.434 Diese Serie wird als Pendant zu Leeus Serie von 1481 angesehen, aus der dieser die entsprechende Episode aus dem Leben Christi bereits für sein erstes illustriertes Titelblatt eines Schulbuchs, die Gemmula vocabulorum vom 18. September 1484, nutzt. Snellaert folgt hier Leeus Beispiel. In dieser Delfter Offizin erscheinen zwei Ausgaben De arte loquendi et tacendi in niederländischer Sprache, datiert zwischen 1. März 1487 und 10. August 1491435 bzw. 23. September 1493 und 16. April 1494436. Der Titelholzschnitt beider Ausgaben ist Teil einer Serie von vier Stöcken, die Van der Meer für seine niederländische Ausgabe der Historia Septem sapientium Romae hatte anfertigen lassen. Es handelt sich um seitenverkehrte Nachschnitte des Zyklus der lateinischen Ausgabe der Historia bei Gerard Leeu (vor 3. Juni 1480, ohne Titelblatt). Der Holzschnitt zeigt, wie Kaiser Pontianus in Anwesenheit der Kaiserin seinen Sohn Diocletian den sieben weisen Meistern übergibt.
5.5 Peter van Os in Zwolle Auch Peter van Os reiht sich bei Gerard Leeu und Christiaen Snellaert ein. Die Gemmula vocabulorum437 vom 7. September 1492, Alexanders de Villa Dei Doctrinale (zwischen 26. März 1493 und 1. Dezember 1496)438 und Wilhelm Zenders’ de Wert Lilium grammaticae (zwischen 26. März 1493 und 1. Dezember 431 ISTC iz00021600, GW 12086, ILC 2223 (Datierung nach Kok), Campbell 1791. 432 ISTC iv00332700, ILC 2198, Campbell 796. 433 ISTC ip01025675, ILC 1815, Campbell 1454. 434 Kok: Houtsneden, S. 122–129, bes. S. 127 (Holzschnitt 21.7:12). 435 ISTC ia00209250, GW 565, ILC 53, Campbell 70; Kok: Houtsneden, S. 113–115 (Holzschnitt 21.2:1). 436 ISTC ia00209350, GW 568, ILC 54 (Datierung nach Kok), Campbell 71. 437 ISTC iv00332650, ILC 2196, Campbell 794. 438 ISTC ia00422600, GW 970, ILC 158, Campbell II 115a; Kok: Houtsneden, S. 409, S. 416.
81 1496)439, alle lateinisch-niederländisch, zeigen als Titelholzschnitt den zwölfjährigen Christus im Tempel. Die Szene ist einer Serie von 1491 entnommen, die als Vorbild das entsprechende Motiv aus Leeus Zyklus in Dat liden ende die passie Ons Heren Jhesu Cristi (1. September 1490) hat. In allen drei Fällen ist der kleinformatige Holzschnitt gerahmt: 1492 mit einem gotischen Architekturrahmen, der genau zur Größe des Holzschnitts passt, auf den späteren Drucken mit der Evangelisten-Leiste.440 Für seine Ausgabe der Rudimenta grammaticae ad pueros de Remigio Donato Alexandroque lecta zwischen dem 26. März 1493 und dem 1. Dezember 1496 benutzt Peter van Os einen Holzschnitt aus dem Nachlass Bellaerts in Haarlem mit einer Darstellung des zwölfjährigen Christus im Tempel, ehemals Teil einer Serie zur Ausgabe der niederländischen Epistolae et Evangelia vom 8. April 1486.441
5.6 Lehrbuch und illustriertes Titelblatt in den Niederlanden Von 1489 an ergießt sich ein steter Strom aus den Pressen von Paffraet und Jacob van Breda in Deventer.442 Hier befindet sich die Kollegiatsschule St. Lebuinus, unterhalten von den ›Brüdern des gemeinsamen Lebens‹, an der Erasmus von Rotterdam von 1477 bis 1488 Schüler war. Diese beiden Druckerverleger bedienen für ein halbes Jahrhundert den Markt in Norden und Osten Europas: Les livres et les opuscules de van Breda, tout comme ceux de Pafraet, étaient répandus dans l’Europe entière, surtout dans l’Est et le Nord. Grâce à leur dizaine de milliers d’exemplaires de livres scolaires et d’étude, les imprimeurs de Deventer ont contribué pendant un demi-siècle […] à la latinité et par là à la propagation de l’humanisme, précisément à l’aide de ces texts qui étaient en usage à Deventer comme centre d’enseignement moderne.443 Mit dem holländischen Monopol in Deventer konkurriert Gerard Leeu im entfernten Antwerpen. Und auch andere Druckerverleger der Inkunabelzeit lassen sich, wenn auch in geringerem Maße, das Geschäft mit der Schulliteratur nicht entgehen. Die Einführung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden ist eng mit der Gruppe dieser Sprachlehrbücher verbunden. Nicht jedes Schul- und Stu439 ISTC iz00021300, GW 12088, ILC 2221 (Datierung nach ILC), Campbell/Kronenberg I 1791b. 440 Kok: Houtsneden, S. 407–413, bes. S. 411 (Holzschnitt 18.4). 441 ISTC ip00935920, ILC 1895, Campbell XIII 1484b; Kok: Houtsneden, S. 459 (Holzschnitt 11.9:9). 442 Vgl. Hellinga/Hellinga: Printing types; S. 108–111. 443 Le cinqième centenaire, S. 403.
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dienbuch aus niederländischen Pressen hat in der Inkunabelzeit eine Unterrichtsszene auf dem Titelblatt, dennoch entwickelt sich das Motiv seit der zweiten Hälfte der 1490er Jahre zu einem in Europa weithin bekannten Erkennungszeichen. Gerard Leeu in Antwerpen, Govaert van Ghemen in Gouda, Jacob van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft, Peter van Os in Zwolle und Richard Paffraet in Deventer besitzen oft mehrere Holzschnitte mit Lehrszenen. Die ›Urszene‹ bildet das den Illustrationszyklen zur Passio Christi entnommene Motiv des zwölfjährigen Christus, der im Tempel die Doktoren belehrt. Diese säkulare ›Verwertung‹ eines Standardmotivs der christlichen Ikonographie wird auch dann noch weiter geführt, als ab 1486 weltliche Schulszenen auf das Schulbuchtitelblatt gelangen. Jacob Jacobszoon van der Meer und Christiaen Snellaert in Delft sowie Peter van Os in Zwolle pflegen diese Tradition noch in der ersten Hälfte des letzten Inkunabeljahrzehnts. Zusammen mit den weltlichen Schulszenen prägen sie das Titelblatt des Schulbuch- und Lehrbuchs in den Niederlanden. Allerdings verweigern sich die bedeutenden Pressen in Deventer – Jacob van Breda mit seiner Druckermarke mit den Evangelistensymbolen, Richard Paffraet mit seiner Lebuinus-Marke auf vielen Titelblättern – für einen Teil ihrer großen Schulbuchproduktion dieser Art der Warenkennzeichnung. Die Verleger dieser ›Schulbuchfabriken‹ gehen mit der Druckermarke auf dem Titel ihren eigenen Weg zugunsten einer auf die Offizin bezogenen Warenkennzeichnung. Ausgehend von den Niederlanden wird das kulturräumlich und wirtschaftlich eng verbundene Köln zur nächsten Station des Titelblatts mit ›Magister cum discipulis‹-Bildtypen. Als verbreitender Buchhändler unterhielt Gerard Leeu Geschäftsbeziehungen zu Johann Koelhoff d. Ä. und Hermann Bumgart. Eine bisher wenig beachtete archivalische Quelle vom 11. Dezember 1489 belegt ein Treffen zur gegenseitigen Abrechung zwischen Leeu und den Kölnern Druckerverlegern zur Messe in Bergen op Zoom.444 Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Treffen und dem Titelblatt mit einer Lehrszene soll hier keinesfalls behauptet werden – dies ist angesichts der komplexen Buchhandelsbeziehungen und des stetigen Warenflusses der Bücher unnötig –, dennoch wirft die Quelle ein helles Licht auf den unmittelbaren persönlichen Austausch. Der ›Accipies‹-Holzschnitt, der einen heiligen Kirchenlehrer mit Nimbus vor Schülern darstellt, kommt als erste Lehrszene auf der Legenda Alberti Magni bei Johann Koelhoff d. Ä. vor, datiert auf den 11. September 1490. In der Folge erscheinen Drucke mit dieser Illustration auf dem Titelblatt überwiegend bei Heinrich Quentell, der sich zwischen 1483 und 1487 in Antwerpen auf444 Vgl. Gnirrep: Relaties van Leeu, S. 195–197.
gehalten hat. Von 1490 bis 1500 werden über 150 Drucke seines Verlages für die Schullektüre entweder mit einem ›Accipies‹-Holzschnitt (1490−1495), einem Thomas von Aquin-Holzschnitt (1496/97) oder seinen beiden Magisterszenen (1494−1500 bzw. 1499/1500) publiziert. Seine Erben setzten diese Tradition mit einem dritten Magisterszenen-Holzstock fort, den sie zwischen 1500 und 1508 verwenden.445 In der Quelle, die von der Bergener Zusammenkunft berichtet, wird auch der in Köln ansässige Buchhändler Heinrich Mülich († 1490) genannt, der Bücher zwischen Antwerpen und Basel handelte sowie Geschäftsbeziehungen mit »sinen gutten fruind« Johannes Amerbach in Basel unterhielt. Das erste illustrierte Basler Titelblatt, die Disticha Catonis vom 14. Juni 1486 bei Amerbach, zeigt den Nachschnitt einer Magisterszene Leeus; bei dem Druck handelt es sich um einen Nachdruck nach Leeus Ausgabe vom 1. März 1485. Auch hier soll kein direkter Zusammenhang unterstellt werden. Das Beispiel zeigt aber ein weiteres Mal am Beispiel das enge Netz der Verleger und Buchhändler, über das nicht nur Letternmaterial, Holzschnitte und Bücher gehandelt wurden, sondern auch buchgestalterische Neuerungen ausgetauscht wurden.
5.5 Die Entstehung des illustrierten Titelblatts in den Niederlanden als typographisches Dispositiv Das illustrierte Titelblatt als typographisches Dispositiv entsteht in den Niederlanden im Jahr 1484. Es nimmt seinen Ausgangspunkt bei Gerard Leeu in Antwerpen. Die vorhergehenden Untersuchungen haben die Berechtigung dieser Aussagen im Detail zeigen können. Dennoch sollen hier einige abschließende Überlegungen folgen. Vor dem 9. März 1484 – Leeus erstem illustrierten Titelblatt – lassen sich nur sehr wenige illustrierte Titelblätter aufgrund der Sekundärliteratur und dem Material, das dieser Studie zugrunde liegt, identifizieren. Da sind zunächst die sehr frühen aus der Druckproduktion des Hans Folz zwischen 1479 und 1483 auf der Rückseite des ersten Blatts, zwischen 1483 und 1488 auch auf der Vorderseite. Die Folz-Titelblätter bleiben an eine Offizin gebundene Ausnahmeerscheinungen. Sie zeigen zudem in der Position des Titelblatts im Buchaufbau wie der Art und Anordnung der Bilder und Texte Schwankungen und eine gewisse Unentschlossenheit. Ein weiteres illustriertes Titelblatt vor 1484 hat der Straßburger Druck des deutschen Schachbuch des Jacobus de Cessolis bei Heinrich Knoblochtzer vom 1. September 1483. Erst nach 1486/87 wird das illustrierte Titelblatt in Deutschland, wenn auch noch sehr spärlich, verwendet. Die erste illustrierte Titel445 Vgl. die Fallstudie Köln in diesem Band, Kap. 3.2.
5 Die Lehrszene auf dem Titelblatt in den Niederlanden seite in Venedig druckt Bernardinus Benalius auf dem Aesopus moralisatus vom 20. November 1487, nach 1490 sind illustrierte Titel auch in Italien häufiger. Leeu hat zwar von seiner (vermuteten) Venedig-Reise um 1482/83 Venezianisches Typenmaterial und die Kenntnis kleiner Buchformate mitgebracht, aber nicht die Innovation des illustrierten Titels. Wir wissen nicht, ob er die wenigen deutschen illustrierten Titelblätter zum Vorbild hatte. Die Drucke der Nebenerwerbsoffizin Folz, die über keine nennenswerten Vertriebsstrukturen verfügte, sind, auch aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen, kaum über den regionalen Raum hinaus gehandelt worden. Leeu wird sie vermutlich nicht gekannt haben. Anders verhält es sich mit dem Cessolis-Druck des Heinrich Knoblochtzer. Eine Verbindung lässt sich über die Holzschnitte des Aesop herstellen, die Leeu von Knoblochtzer übernommen hat. Vielleicht hat Leeu auf seiner Reise nach Venedig, für die er die Rhein-Route gewählt haben wird, 1482/83 in Straßburg Station gemacht und ist dort 1483 mit der Cessolis-Ausgabe oder deren Planung und Drucklegung in Berührung gekommen. Möglich ist, dass er diese Anregung aufgenommen und in der Umstrukturierungsphase seiner Offizin strategisch umgesetzt hat. Hans Folz in Nürnberg und Heinrich Knoblochtzer in Straßburg haben die ersten illustrierten Titelblätter gestaltet, gedruckt und verbreitet. Erst die Offizin Leeu aber verhilft dem illustrierten Titelblatt zum Status eines typographischen Dispositivs. Folgende Gründe lassen sich dafür anführen: Leeus frühe und relativ konsequente Praxis, Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur sowie die Lehr- und Schulbücher mit Titelholzschnitten auszustatten, der Einbezug des Titelblatts in seine Überlegungen zur Konzeption von Buchtypen und seine Geschäftsstrategie, und, nicht zuletzt, Leeus enge Verbindung zu Druckern, die in enger Verbindung zu ihm stehen und ebenfalls sehr frühe illustrierte Titelblätter herausbringen. Besonders zu erwähnen sind Jacob Bellaert und Peter van Os.446 Als spezifische Form des Mediendispositivs ›Titelblatt‹ ordnet und steuert es die Wahrnehmung des Lesers. Das Dispositiv macht etwas sichtbar, ohne selbst gesehen zu werden; als kulturelles Artefakt setzt es beim Wahrnehmungsakt eines einzelnen Lesers, bei jedem Blick auf ein bestimmtes Buchtitelblatt, eine implizite und universelle Kenntnis seiner Ordnungsstrukturen und Zeichenmittel voraus. Leeu ist zwar nicht der erste Druckerverleger, der das ›Superzeichen‹ illustriertes Titelblatt in die Buchtypographie eingeführt hat, aber er ist der erste, der es re446 Hellinga/Hellinga: Printing types, S. 38: »Perhaps we may risk the conjecture that both Peter van Os and Bellaert were fellow-workers of Leeu’s who left in 1483 with some of his material, – the one man to start his own business, the other to continue one already started. Both, it may be supposed, continued to be dependent to a certain extend on Leeu.«
83 gelmäßig, bewusst kalkulierend und strategisch einer Gesamtplanung folgend, einsetzt und ihm so weit Geltung verschafft, dass es von anderen Druckern und Buchgestaltern aufgenommen und tradiert wird. Leeu ›erfindet‹ nicht nur das illustrierte Titelblatt als festen Bestandteil der Bucheinleitung, er setzt es bewusst zur Kennzeichnung von Buchtypen ein, die er auf bestimmte Gebrauchsfunktionen und Leserkreise zuschneidet. Drei Grundfunktionen lassen sich aus Leeus Praxis der Titelblattverwendung erschließen: das illustrierte Titelblatt kennzeichnet Buchtypen und Warengruppen, es steuert die Erwartungshaltung, mit der der Käufer und Leser an ein Buch herantritt, es als bestimmten Buchtyp wahrnimmt, und es beeinflusst den Akt der Lektüre. Nach mehr als einem halben Jahrtausend Geschichte des gedruckten Buchs und eines kulturell eingeübten und verfestigten Umgangs mit der Medienspezifik des Buchs stellt sich heute diese Innovation als wenig spektakulär da. Schaut man aber vom titelblattlosen mittelalterlichen Codex aus auf die erste Zeit des gedruckten Buchs, gehört Leeu zu den führenden Druckerverlegern, die sich der neuen typographischen Zeichenmittel souverän bedienen. Lotte Hellinga hat Leeus Bedeutung als Typograph herausgestellt: Leeu obviously was very sensitive to typographical form, and to what form was appropriate to particular markets, to communities of readers. These could be learned readers, or a not quite so learned public; a distinction in language could also come into play. He published in Latin, Dutch, English, French and Low German. With his aim to reach markets in several language areas his typographical resources were therefore of the greatest importance to him […].447 Das illustrierte Titelblatt ist ein Teil dieser strategischer Überlegungen, die zuerst im Übergang der Offizin von Gouda nach Antwerpen sichtbar werden: die Änderung des Programmprofils, die Bevorzugung kleinerer Formate und eine ausgefeilte sprach- und buchtypenabhängige Schriftwahl. Geht man von den einzelnen Zeichenmitteln aus, ist der Holzschnitt auf dem Titelblatt ein starker visueller Reiz. Für Leeu und seine niederländischen und deutschen Nachahmer ist die Abbildung auf dem neu entdeckten illustrierten Titelblatt so dominierend, dass sie wenig Aufmerksamkeit auf die Gestaltung der sprachlichen Beitexte verwenden. Bis 1490 werden in den hier untersuchten Beispielen die anderen Zeichenmittel des Titelblatts wie Rotdruck, Schrifthierarchie etc. nicht gezielt eingesetzt. Lediglich die Schmuckinitiale und eine größere Schrift werden in der Tradition der Absatzeinleitung und Überschrift als Auszeichnungsmittel übernommen. 447 Hellinga: Bookshop of the world, S. 22.
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Die ersten illustrierten Titelblätter Leeus erscheinen innerhalb eines halben Jahres im März und September 1484. Diese beiden Muster stehen für die beiden Programmsegmente, die Leeu in Antwerpen besonders herausstellen wird: die geistliche Literatur für den Laien und die Unterrichtswerke. Die fiktionale Literatur tritt mit der Aesop-Ausgabe vom Oktober hinzu, aber in diesem Segment wird das illustrierte Titelblatt erst einige Jahre später häufiger eingesetzt. Die für die Titelabbildung ausgewählten Druckstöcke stammen zunächst noch aus dem vorhandenen Fundus. Erst einige Jahre später, ab ca. 1488, bekommen die Erbauungstexte eigens als Titelillustration vorgesehene Holzschnitte. Über die bloße Präsenz eines visuellen Zeichens hinaus werden sie nun in ihrer besonderen Funktion als Titelholzschnitte gewürdigt. Für die Lehrszenen setzt diese Entwicklung mit Leeus erster ›Magister cum discipulis‹-Szene vom Juni 1486 früher ein. Hier war der Handlungsbedarf größer, da sich nur wenige Bildmotive zur Kennzeichnung dieses Programmbereichs eignen und die Auswahl aus dem vorhandenen Material begrenzt war. Die dispositive Genese des frühen illustrierten Titelblatts ist mit dem neu angefertigten Titelholzschnitt abgeschlossen. Was intendiert der Buchgestalter, was sieht der Käufer und Leser? Als visuelle Chiffre bezeichnet das Bild den Inhalt des Buchs und den Buchtypus. Im Segment der Erbauungstexte setzen die Titelabbildungen mit Motiven aus dem Leben und der Passion Jesu, aus dem Leben der Maria, Heiligenfiguren und Szenen aus der Bibel auf das dem Gläubigen bekannte Bildinventar. Bei den Büchern für den Schul- und Universitätsunterricht besteht kein enger Inhaltsbezug, da die Titelillustration nur allgemein eine Lehrszene darstellt. Diese ist universeller einsetzbar, wodurch sich eine größere Uniformität und Serialität dieser Titelblätter ergibt, die nicht auf das spezielle Werk hinweisen, sondern auf eine Warengruppe. Ins Extrem treibt Richard Paffraet dieses Prinzip fort. Seine Titelblätter mit der Lehrszene haben nicht nur die gleiche Abbildung, sondern auch ein identisches Layout, so dass sie sich nur durch den Sachtitel unterscheiden. Das typographische Dispositiv des illustrierten Titelblatts erfährt bei der Gruppe der Schulliteratur eine weitere Verfestigung, die nun auch auf den Bildinhalt selbst übergreift. Das illustrierte Titelblatt ist, anders als die frühen typographischen Titel, stärker auf den Käufer und Leser ausgerichtet. Dies gilt in besonderer Weise für die religiöse Gebrauchsliteratur. Die Funktion der sprachlichen Inhaltskennzeichnung tritt in den Hintergrund gegenüber der Abbildung, die sich unmittelbar an den Buchkäufer und späteren Leser wendet und – hier vergleichbar den Andachtsbildern und frühen illustrierten Einblattdrucken – an spätmittelalterliche private Glaubenspraktiken anknüpft. Die Lehrszene der Schulbücher erlaubt eine eher ober-
flächliche Identifikation mit der alltagsweltlichen Situation der Buchnutzer. Die Titelbilder der moralisierenden und unterhaltenden Bücher haben einen konkreten Bezug zum Inhalt; die Motive auf den hier vorgestellten Titelblättern erschließen sich in der Regel erst nach der Lektüre oder dann, wenn das Werk bekannt ist. Das typographische Dispositiv des illustrierten Titelblatts lässt sich in seinen Anfangsjahren mit folgender Grundfunktion beschreiben: Es eröffnet nicht aus seiner räumlichen Position das Buch als Buchkörper, sondern öffnet auch die vielfältigen kommunikativen Bezüge, in die es hineingestellt wird, sei es die des Buchhandels oder des Lesers und der Lektüre.
6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig Im Vergleich mit den Niederlanden sind, auch gemessen an der Gesamtproduktion, illustrierte Titelblätter bis 1490 in Deutschland selten. Zudem lässt sich, bis auf den Sonderfall Hans Folz, kein herausragender Druckerverleger identifizieren, der sich besonders um das illustrierte Titelblatt bemüht hat. Für die Druckorte Köln, Nürnberg, Augsburg und Straßburg wird in den Fallstudien ein differenziertes Bild über 1490 hinaus gezeichnet. Der Druckort Venedig wird im Folgenden nur kursorisch behandelt.
6.1 Die Anfänge des illustrierten Titelblatts in Nürnberg bei Hans Folz Die ersten Titelseiten in Deutschland mit einer nahezu regelmäßigen Verwendung von Titelholzschnitten stammen aus der Nürnberger Kleindruckerei des Hans Folz.448 Der Wundarzt und Dichter Folz druckte in seiner Nebenerwerbsoffizin fast ausschließlich eigene Werke, meist populäre volkssprachliche Reimpaargedichte (Mären und Schwänke). Nach den von Folz verwendeten Typen lässt sich die Drucktätigkeit der Offizin in zwei Phasen einteilen, die Drucke in Type 1 von 1479 bis 1483 und die Drucke in Type 2 1483 bis 1488.
448 Nach Hirsch: The earliest development, hat Kiepe: Die Nürnberger Priameldichtung, S. 193f., auf die frühen Folz-Titelblätter hingewiesen. Die folgenden Ausführungen nach Rautenberg: Das Werk als Ware; da in diesem Aufsatz eine genaue Untersuchung der Folz-Titelblätter vorgenommen wird, wird hier auf die bibliographischen Nachweise und Beschreibungen verzichtet.
6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig
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Abb. 32: Beispiel für eine frühe Titelseite des Hans Folz auf der Rückseite des ersten Blatts: Von Adam und Eva. Nürnberg: Hans Folz, 1480
In den Jahren 1479 und 1480 produziert er eine Kerngruppe von sieben datierten und firmierten Drucken, die europaweit die ersten Titelblätter mit einem Sachtitel (Abb. 32), einem Impressum und einem Titel-
holzschnitt haben. Die Titelseiten der nur ein bis zwei Lagen umfassenden Broschüren in Quart zeigen einen dreiteiligen Aufbau: einen querformatigen, satzspiegelbreiten Titelholzschnitt, darunter eine mehr-
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
zeilige Titelformulierung, die den Inhalt paraphrasiert, schließlich die Firmierung mit Druckort, Drucker und Druckjahr. Diese Titelblätter druckt Folz auf die Rückseite des ersten Blatts. Drei weitere Drucke sind ohne die Untergruppe, vier mit einem satzspiegelgroßen Texteinleitungsholzschnitt auf der Rückseite des ersten Blatts und dem Textbeginn gegenüber auf der Rückseite des ersten Blatts gedruckt, dessen Vorderseite leer bleibt. In der folgenden Übergangsphase ab 1482 wechselt das Format der Broschüren von Quart nach Oktav. Mit diesem Wechsel rückt der nun knappe, typographische Werktitel auf die Außenseite, während Holzschnitt und Textbeginn die Rückseite des ersten Blatts füllen. Die Drucke dieser ersten Produktionsphase spielen insgesamt alle möglichen prädispositiven Varianten der Bucheröffnung durch: der blattgroße Texteinleitungsholzschnitt auf der Rückseite mit vorhergehender Leerseite, der knappe typographische Titel und schließlich das illustrierte Titelblatt mit Sachtitelformulierung, produktionsrelevanten Hinweisen und Titelholzschnitt. In der zweiten Druckperiode, in der 23 Drucke mit der zweiten Type im Oktavformat hergestellt werden, rückt die Titelseite generell nach außen. Bei 18 Drucken besteht das Titelblatt aus einem Kurztitel oberhalb eines fast seitengroßen, nun hochformatigen Holzschnitts, während die Firmierung fehlt (Abb. 33). Die Titelgestaltung zeigt durchgängig das charakteristische Layout der Dispositivform Titelformulierung mit Titelholzschnitt: Der in der ersten Periode noch umfassende, mehrzeilige Titel wird auf den kurzen Werktitel reduziert und der Holzschnitt unterhalb des Werktitels platziert; eine Untergruppe fehlt. Folz verwendet für die Titelblätter seiner Drucke Holzstöcke, die eigens angefertigt worden sind und für die erste und zweite Periode jeweils aus der Hand desselben Künstlers stammen. Der serielle Charakter, der sich aus der in beiden Druckperioden gleichen Gestaltung der Titelseiten und den im Format übereinstimmenden Holzschnitten ergibt, sollte nicht unterschätzt werden. Folz erzielt damit den Wiedererkennungseffekt einer frühen ›Reihe‹ oder ›Serie‹. Bei den Bildern selbst handelt es sich um charakteristische, kleine Szenen, die eine Episode der erzählten Geschichte wiedergeben und eng auf den Inhalt abgestimmt sind. Die Bilder können als qualitätsvolle Erzeugnisse eines anonym bleibenden Nürnberger Kleinmeisters gelten. In der ersten Druckperiode experimentiert Folz ohne jedes Vorbild mit der illustrierten Titelseite: Der früheste datierte niederländische Druck erscheint erst fünf Jahre später bei Gerard Leeu 1484, der erste deutsche bei Knoblochtzer in Straßburg 1483. Selbst wenn man nur die Drucke der zweiten Periode mit der Titelseite auf der Vorderseite des Titelblatts berücksichtigt, die alle nicht datiert sind, stehen diese immer
noch in einer Reihe mit den frühen niederländischen und deutschen Beispielen. Es würde einiges dafür sprechen, die nur grob dem Zeitraum 1483 bis 1488 zugeschlagenen Folzdrucke in die Mitte oder an das Ende dieser Periode zu rücken: Sie stünden dann deutlicher im Zusammenhang mit den Nürnberger Drucken mit Titelblättern des Marx Ayrer, Peter Wagner und Hans Hoffmann. Zudem tragen die Drucke der zweiten Periode mit ihrer rationellen Lagenplanung und dem Titelblattlayout, das den anderen Nürnberger Kleindrucken entspricht, eine andere Handschrift. Die datierten Folz-Titelblätter der ersten Druckperiode 1479/80 aber stehen ohne Vorbild für sich. Sie sind als prädispositiv zu klassifizieren. Folz legt die Lagenplanung so an, dass die Titelseite auf die Rückseite des ersten Blatts gedruckt wird. Der Holzschnitt steht so in engem Zusammenhang mit dem Werkbeginn auf der gegenüberliegenden Seite und übernimmt die Funktion eines Einleitungsholzschnitts. Die Titel- und Impressumszeile unterhalb des Bildes besetzt die Position der Bildunterschrift bzw. der Kapiteleinleitung. Dieses Layout ist aus illustrierten Handschriften spätmittelalterlicher populärer Literatur geläufig. Singulär aber ist die Firmierung auf dem Titelblatt. Die Formulierung ist in allen Drucken ähnlich. »Gedruckt von hansen folczen von wurmß barwirer wonhafft zu nuremberg Im Mcccc vnd im lxxix Jare« lautet beispielsweise das Impressum zu Von einem Juden und einem Christen. Folz nennt sich ausdrücklich als Drucker, während er als Autor des enthaltenen Werks seinen Namen traditionell in die Schlussverse integriert. Mit der Bezeichnung seines bürgerlichen Berufs ›Barbierer‹ wird ein weiteres Merkmal seiner sozialen Verortung in der Stadt Nürnberg aufgeführt. Die Folz-Werkstatt ist nach dem Zuschnitt ihrer Produktion eine kleine Nebenerwerbsoffizin. Der Wundarzt, Barbierer, Autor und Druckerverleger Folz trägt das finanzielle Risiko seines kleinen Selbstverlags. Vermutlich aus dieser Personalunion im städtischen Umfeld ist die Ausstattung der Broschüren mit einer illustrierten Titelseite, ihre konsequente Reihengestaltung und nicht zuletzt das Impressum der frühen Drucke zu erklären. Die mehrfache Kennzeichnung seiner Ware als Autor, Verleger und verbreitender Buchhändler, der den Vertrieb der eigenen Produktion besorgte, zeigt ein klares Bewusstsein Folz’ für diese vielfachen Identitäten.449 449 Vgl. auch Kiepe: Die Nürnberger Priameldichtung, S. 194f.: »[…] daß man entscheidende Anstöße für die Ausbildung des Titelblatts im Bereich der heute fast vollständig verlorenen Kleindrucke zu suchen hat, denn bei ihnen trafen zwei Faktoren zusammen: zum einen war ein äußeres Deckblatt als Schutz für die nicht zum Binden bestimmten schmalen Hefte besonders nötig […], und zum anderen erwies sich eine wirkungsvolle Titelangabe aufgrund des besonderen Charakters dieser Texte als wichtig.«
6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig
Abb. 33: Beispiel für eine Titelseite aus der zweiten Druckperiode: Hans Folz: Von den drei Weibern. [Nürnberg: Hans Folz, zwischen 1483 und 1488]
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6.2 Die deutschen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1490 im Überblick Die folgende knappe Übersicht über die frühen deutschen illustrierten Titelblätter bis 1490 erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie beruht auf der quantitativen Analyse und der einschlägigen Literatur. Das erste datierte illustrierte Titelblatt in Deutschland nach den Folz-Drucken von 1479/90 erscheint in Straßburg auf dem deutschen Schachzabelbuch des Jacobus de Cessolis bei Heinrich Knoblochtzer vom 1. September 1483.450 Die mit 16 Holzschnitten illustrierte Ausgabe hat als vierte von drei vorhergehenden der Jahre 1477 bis 1483 erstmals einen neu formulierten Sachtitel: »Dis buochlin weiset die außlegung des schachzabel spils Vnd menschlicher sitten Auch von den ampten der edeln«. Das Titelbild zeigt ein auf dem Tisch liegendes Schachbrett. Dieses frühe illustrierte Titelblatt bleibt wiederum für einige Jahre ohne Nachfolger. Erst nach 1486/87 werden die Titelholzschnitte in Deutschland häufiger; bis Ende 1490 erscheinen knapp 90 mit einem Titelholzschnitt illustrierte Titelblätter. Allein 25 entfallen davon auf die Offizin Folz und mit weiteren zehn illustrierten Titeln (darunter eine Druckermarke), u.a. bei Friedrich Creussner und Peter Wagner, ist Nürnberg die deutsche Stadt mit den meisten frühen Titelillustrationen. Neben Nürnberg ragt Köln mit fast zwanzig Titeln heraus, wobei diese Position vor allem durch die Verwendung von Lehrszenen auf Schul- und Lehrbüchern erreicht wird. Von einiger Bedeutung ist sonst nur noch Leipzig, fast ausschließlich durch Konrad Kachelofen mit lateinischen und deutschen Drucken kleiner Texte vertreten (z. B. Disticha Catonis,451 Prognostiken, Johannes Widmann von Eger: Rechnung auf allen Kaufmannschaft, Nigellus Wirecker: Speculum stultorum (lat. Satire auf den Klerus, nur mit Titelholzschnitt). Nur vereinzelt finden sich illustrierte Titelblätter in Magdeburg (drei bei Simon Koch), in Basel, Stendal, Speyer, Ulm, Straßburg und Heidelberg. Mit diesen Zahlen sollen nur Tendenzen für die frühesten illustrierten Titelblätter angedeutet werden. Einer in diesem Zeitraum am häufigsten mit einem Titelholzschnitt illustrierten Texte ist die Epistola de miseria curatorum seu plebanorum eines unbekannten Verfassers – möglicherweise war er Weltgeistlicher der Diözese Meißen – eine Satire, die auf Missstände im unteren Klerus aufmerksam macht. Der fast satzspiegelgroße Holzschnitt mit der Jahreszahl 1489 zeigt eine Gruppe von Geistlichen und Laien in einem Kirchenraum. Konrad Kachelofen in Leipzig veröffentlicht diesen Text 1489/90 viermal, ein Nach450 Jacobus de Cessolis: Schachzabelbuch. Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, 1. September 1483 (ISTC ic00418000, GW 6530). – Zu den vorhergehenden Ausgaben vgl. GW 6527, 6528, 6529. 451 GW 6325, 6326 (um 1490).
druck erscheint bei Simon Koch in Magdeburg, ebenfalls um 1490. Während die erste Ausgabe Kachelofens den Holzschnitt auf der Rückseite des einfachen typographischen Titels hat, rückt er in den folgenden auf das Titelblatt unterhalb des Schlagworttitels vor. Auch die Nachdrucke in Straßburg (Johann Prüß und Martin Schott), Speyer (Konrad Hist) und Nürnberg (Peter Wagner) 1489/90 haben den Holzschnitt entweder auf dem Titelblatt oder auf der Rückseite.452 Das Bildmotiv der diskutierenden Laien und Geistlichen, die auf die Aktualität deutende Jahreszahl 1489 und der agitatorische Charakter der Satireschrift stellt diese Druckwerke an den Beginn der Gestaltungskonvention der Flugschriften. Weiter zu nennen ist der Dialogus Salomonis et Marcolfi in Magdeburg,453 in Leipzig in fünf lateinischen Ausgaben bei Konrad Kachelofen (Markolf als Esopus-Typus mit Salomon im Gespräch), als deutsche Prosa in Leipzig ebenfalls bei Kachelofen,454 und in Augsburg bei Johann Schobser,455 in niederdeutscher Übersetzung in Stendal bei Joachim Westval 1489456 und bei Johann Koelhoff d. Ä. um 1490.457 Auch diese Ausgaben sind wie die Epistola de miseria curatorum seu plebanorum beispielhaft dafür, dass von der Erstausgabe an ein Holzschnitt für die Bucheröffnung verwendet wird, dieser aber alternativ auf der Vorderseite des Titelblatts oder aber auch der Rückseite eingesetzt wird.
6.3 Heiligenlegenden im Einzeldruck um und nach 1500 Nach der quantitativen Analyse im zeitlichen Verlauf liegt der Anteil der illustrierten Titelseiten an allen Drucken mit Titelblatt bis 1490 unter 10 %. Erst im letzten Inkunabeljahrzehnt ist ein Anstieg auf 27,4 % (1491−1495) bzw. 36,5 % (1496−1500) zu verzeichnen. Die Feinanalyse dieser Dekade bleibt den Fallstudien vorbehalten. Für die Jahrhundertwende soll 452 Vgl. dazu die Ausgaben mit Titelholzschnitt GW 9342– 9351; vgl. auch Roloff: Jacob Wimpfeling, S. 16. 453 [Magdeburg: Albert Ravenstein und Joachim Westval, um 1484] (IISTC is00096000, GW 12756), mit dem Titelblatt auf der Rückseite des ersten Blatts. 454 Um 1490 (ISTC is00096200, GW 12764; ISTC is00097000, GW 12765; ISTC is00100000, GW 12766; ISTC is00097600, GW 12767; ISTC is00097700, GW 12768); eine deutsche Ausgabe um 1490 hat vermutlich denselben Holzschnitt auf dem Titelblatt (ISTC is00102890, GW 12783). – Vgl. auch Katalog der Bibliothek Otto Schäfer, S. 581, wonach Kachelofen mindestens sechs illustrierte Ausgaben mit dem gleichen Titelholzschnitt ausstattet. 455 Alle Ausgaben der deutschen Prosa (bis auf die Kachelofens) haben folgende Bucheröffnung: Bl. 1a: Werktitel Bl. 1b: Holzschnitt, Bl. 2a: Textbeginn (GW 12781, 12782, 12784–12786). 456 ISTC is00102870, GW 12788. 457 ISTC is00103000, GW 12789; der Titelholzschnitt ist nach Griese: Salomon und Markolf, S. 211, der englischen Ausgabe von Gerard Leeu, Antwerpen, um 1492, entlehnt.
6 Das illustrierte Titelblatt in Deutschland und Venedig hier einmal beispielhaft ein Titelblattkomplex herausgegriffen werden, der einen Schwerpunkt in Köln in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ausmacht. Das illustrierte Titelblatt von Heiligenviten im Einzeldruck ist in seiner Funktionsweise den Titelblättern mit Schulszenen zu vergleichen. Auf diesen Legendendrucken erscheint ein Holzschnitt, der den jeweiligen Heiligen bzw. die Heilige zeigt, deren Leben im Buch erzählt wird. Dieser Bildtypus ist ähnlich standardisiert wie die Lehrszenen. Das Bild wird dominiert von einer stehenden Heiligenfigur mit den allgemeinen und individuellen Attributen, wobei die Umgebung, in die die Figur hineingestellt ist, wechseln kann. Aber anders als die ›Magister-cum-discipulis‹-Szenen verfügen diese Heiligendarstellungen über eine Bildtradition, die über den Buchdruck hinaus zur graphischen Massenware führt, die im Einblattdruck in unterschiedlichen Vervielfältigungstechniken vom Zeugdruck über den Metallschnitt bis zum Holzschnitt kursiert. Deren Bildsprache ist selbst bei zeitlich und räumlich auseinander liegenden Beispielen in hohem Maße genormt, erklärbar auch damit, dass diese preiswerten Produkte für einen breiten Publikumskreis immer wieder als Vorlagen für Nachzeichnungen und Kopien dienten. Als ›kleine Andachtsbilder‹ gehören diese Heiligendarstellungen in die Praxis spätmittelalterlicher Privatfrömmigkeit, für die die Anrufung der Heiligen, besonders der Nothelfer und der Muttergottes, zentral ist. Die Heiligenfigur auf Papier oder, seltener, Pergament, nun außerhalb des Kirchenraums und den höherwertigen Kunstformen wie dem Tafelbild oder der Skulptur für viele verfügbar, ist die bildliche Vorgabe für die private Andacht. Xylographisch oder typografisch textierte Blätter fügen kürzere Texte wie Gebete, Mirakel u.ä. hinzu.458 Die Bildformel besteht aus einer als Ganzfigur gezeigten, statischen Heiligenfigur mit allgemeinen Attributen (z. B. dem Buch, dem Heiligenschein, der Märtyrerkrone) und den individuellen Attributen. Der Name kann hinzugefügt werden. Die Buchdrucker, die diese Heiligenbilder auf das Titelblatt nehmen, kannten die weite Verbreitung des Bildgenres und wussten, dass die Bilder nahezu universell im christlichen Kulturraum entschlüsselt werden konnten. Diese Titelblattgestaltung zielt auf eine unmittelbar herzustellende Beziehung von Titel und Inhalt und weist den Drucken ein klares gebrauchsfunktionales Konzept zu. Ähnlich wie bei der Schulliteratur fasst auch das Heiligenbild auf dem Titelblatt − von der untypischen Verwendung der Heiligenfigur als Druckermarke bei Richard Paffraet in Deventer abgesehen459 − lose zusammenhängende Werkgruppen unter einem ›Markenzeichen‹ zusammen: Legenden in 458 Vgl. dazu Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62–71, dort weiterführende Literatur. 459 S. unten Kap. 7.3.
89 Prosa und Versen, in der Volkssprache und in Latein, Mirakel und Gebetstexte oder Führer zu Reliquien und Heiltumsweisungen. Letztere meist als Zusätze zur Vita des entsprechenden Heiligen, erschienen unter dem gemeinsamen Deckblatt einer formelhaften Titelblattgestaltung. Leider gibt es keine Untersuchung, die den Umkreis dieser druckort- und länderübergreifenden Konvention auch nur annähernd umgreift. Die charakteristische Titelblattgestaltung begegnet im letzten Inkunabeljahrzehnt in den Niederlanden. Govaert Bac illustriert die Titelseiten zweier Legendendrucke mit Heiligenfiguren: 1496 eine lateinische Legenda S. Dympnae (die Märtyrerheilige mit Schwert und angekettetem Teufel zu ihren Füßen)460 und eine niederländische Katharinen-Prosa Sinte Katherinen legende (die Heilige mit Schwert, zerbrochenem Rad und der überwundene Kaiser Maxentius unter ihren Füßen)461. In Modena druckt Domenicus Rocociolus 1490 die Historia trium regum des Johannes von Hildesheim mit einer Anbetungsszene und eine »Leggenda di Santa Caterina d’Allessandria«, die die stehende Heilige mit ihren Attributen in einer Titelrahmung zeigt.462 Der Schwerpunkt liegt wiederum in Köln.463 Kurz vor der Jahrhundertwende setzen die so genannten ›Kölner Passiendrucke‹ ein, zunächst mit den vier Hauptjungfrauen Barbara, Dorothea, Katharina und Margarete, wenig später kommt die Stadtpatronin Ursula hinzu. Es handelt sich um schlichte volkssprachliche Verse, die bereits in handschriftlicher Tradition unfest überliefert sind. Sie erscheinen zuerst bei Johann Koelhoff d. J., teilweise als Lohndrucke Ulrich Zells, 1498/99, später bei Heinrich von Neuß (ab 1509 und 1513), Servas Kruffter (um 1520) und Johann Landen (ab 1509). Das Layout der Titelblätter folgt dem zu dieser Zeit fest etablierten Muster der Titelformulierung oberhalb eines satzspiegelgroßen Holzschnitts, die Firmierung auf dem Titelblatt fehlt bis auf wenige Ausnahmen. Seit den frühesten Ausgaben bei Koelhoff d. J. ist das Bemühen um eine rationalisierte serielle Gestaltung offensichtlich. Einem Grundstock, dem rechts oder links unten eine Ecke ausgesägt wird, werden die individuellen Attribute der weiblichen Heiligen durch ein auswechselbares Teil hinzugefügt. Die damit erzielte Senkung der Herstellungskosten hat zugleich den Effekt einer Seriengestal460 Petrus Cameracensis: Legenda S. Dympnae. Antwerpen: Govaert Bac, 1496 (ISTC ip004570000, ILC 1745, Campbell 1098). 461 Antwerpen: Govaert Bac, nicht vor 3. Juli 1496 (ISTC ic00278950, ILC 519, Campbell 1101). 462 Johannes von Hildesheim: Liber de gestis et translatione trium regum. Modena: Domenicus Rocociolus, 17. August 1490 (ISTC ij00340000, Sander: Le livre à figures, Nr. 3650, Abb. 456); Legenda di S. Caterina de Alessandria. Modena: Domenicus Rocociolus, 7. Juni 1490 (ISTC ic00278300, Sander: Le livre à figures, Nr. 1804). Vgl. auch Fava: Sulla typografia. 463 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 62−67.
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tung, die konsequent von den Kölner Nachdruckern bei neu angefertigten Holzstöcken beibehalten wird. Die wichtigste Zielgruppe dieser Legendenausgaben mit auswechselbarem Attribut, wie auch für die zahlreichen anderen lateinischen und deutschen Drucke der verschiedenen Fassungen von Ursula-Legenden (Quentell Erben und Martin von Werden ab 1503) oder dem Leben der Heiligen Drei Könige, die einen einteiligem Holzschnitt haben, sind die Kölnpilger, die zu den regelmäßig stattfindenden Heiltumsweisungen in die Stadt strömen oder die Reliquien in den Kölner Kirchen aufsuchen. Die Broschüren werden in den Druckwerkstätten oder direkt am Ort des Geschehens, vor den Kirchentüren,464 verkauft. Für diese Verkaufssituation dürfte das Titelblatt als Teil einer seriellen Gestaltung und mit hohem Wiedererkennungswert ideal gewesen sein: Sind die Heiligen doch auf den ersten Blick identifizierbar, genauso wie der Kunde es von den Einblattdrucken her gewohnt war. Köln gilt im Mittelalter wegen der zahlreich in der Stadt verwahrten Reliquien als ›nördliches Rom‹ mit dem entsprechend hohen Aufkommen an Pilgern und ist ein guter und sicherer Absatzmarkt für die heimische Legendenproduktion. Die weitgehende Standardisierung der deutschen und lateinischen Ausgaben, die überwiegend für Köln-Pilger gedacht sind, ist auch Ausdruck einer klar konturierten Zielgruppe. Auch Drucker anderer Städte übernehmen diese Titelblattgestaltung. Auf das Kölner Vorbild der »Passienbüchlein der vier Hauptjungfrauen« gehen die Magdeburger, Leipziger und Lübecker Gesamt- und Einzelausgaben und Serien aus den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zurück, auch wenn hier verschiedentlich die Heiligenfigur zeittypisch mit Leisten gerahmt wird.465 Damit sind aber bereits die Zentren für diese Art volkstümlicher Legendendrucke nach Kölner Vorbild benannt. Auch wenn Zufallsfunde466 − eine genauere Untersuchung liegt nicht vor − zeigen, dass auch andere Drucker im 16. Jahrhundert auf die Gestaltungskonvention zurückgreifen, so scheint sie nicht bindend gewesen zu sein. Neben der isolierten Heiligenfigur mit ihren Attributen werden für die Titelillustration von Einzellegenden Szenen aus der Vita gewählt.
464 »Dese legendt hat man vield by sent columben thorn«. Sankt Columben Passie. Köln [Hermann Gutschaiff, um 1515]. Beschreibung bei Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 324. 465 Vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 36−39. 466 Zum Beispiel Bonaventura: S. Legenda de Sancta Clara. Venedig: Simon de Luere, 7. Juli 1513 (Sander: Le livre à figures, Nr. 1162, Abb. 329).
6.4 Die venezianischen Titelblätter mit Titelholzschnitten bis 1495 im Überblick Die quantitative Analyse hat für das venezianische Inkunabeltitelblatt ergeben, dass die Illustration der Titelseite gegenüber den Niederlanden und Deutschland verzögert einsetzt. Ein Anstieg ist erst nach 1490 zu beobachten.467 Insgesamt sind 14,8 % der venezianischen Inkunabeltitelblätter illustriert, bis 1495 konnten etwa fünfzig Ausgaben ermittelt werden; davon entfallen 9,4 % auf illustrierende Titelholzschnitte, 5,3 % auf Drucker- oder Verlegersignets und 1 % auf Zierleisten. Die folgende Übersicht greift einige Beispiele bis 1495 heraus. Die erste illustrierte Titelseite in Venedig druckt Bernardinus Benalius auf dem Aesopus moralisatus vom 20. November 1487;468 diese ist zugleich die erste italienische Ausgabe des Aesopus überhaupt mit einem illustrierten Titel. Das Titelblatt dieser und der folgenden Ausgaben in lateinischer und italienischer Sprache469 reiht sich damit in die frühe niederländische und deutsche Titelillustration ein, in der dieser Text ebenfalls mit einem illustrierten Titelblatt versehen wird. Allerdings ist die Bildtradition in Venedig eine andere. Dem in den Niederlanden und in Deutschland dominierenden Typus des buckligen Aesop wird in Venedig470 der ›weise‹ Aesop als Lehrer vorgezogen. Zu den früh mit einem illustrierten Titelblatt versehenen und häufig gedruckten Werken gehört eine vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts in Bologna von Tommaso Gazzadini zusammengestellte Sammlung von Tierfabeln unter dem Titel Fiore di virtù. Zwei Ausgaben mit Titelblatt erscheinen 1490: bei Giovanni Ragazzo am 30. Dezember und bei Seraphinus de Cennis; 1492 zwei und 1493 drei weitere.471 Der Titelholzschnitt zeigt meist Cherubino von Spoleto in einem Garten von Tieren umgeben und Blumen sammelnd.472 Nach Curt F. Bühler sind die Fiore di virtù
467 Zum italienischen illustrierten Titelblatt vgl. Barberi: Il frontespicio, S. 66−71. 468 Aesopus moralisatus. Bearbeitet von Accio Zucco. Venedig: Bernardinus Benalius, 20. November 1487 (ISTCia00150400; GW 431; Sander: Le livre à figures, Nr. 55). 469 Dieser Ausgabe folie u. a. die venezianischen Ausgaben des Manfredus de Bonellis, 27. März 1492, 15. Februar 1491 und vom 17. August 1493 mit illustrierter Titelseite. Der »Aesopus moralisatus« sowie die »Vita« gehören zu den im italienischen Inkunabel- und Frühdruck häufig gedruckten illustrierten Ausgaben. Die Titelblattgestaltung kann hier im Einzelnen nicht verfolgt werden. Diese Ausgaben sind beschrieben bei Sander: Le live à figures, Nr. 49−120, Addenda Nr. 2−5. 470 So auf den Ausgaben des Manfredus de Bonellis, Nachweise bei Sander (s. die vorhergehende Anm.). 471 Nachweise bei Sander: Le livre à figures, Nr. 2720−2758, Addenda Nr. 179, 180. 472 »Ces éditions portent généralement un bois de frontispice, dans lequel on voit frère Cherubino da Spoleto dans un jardin, cueillant des fleurs. Dans quelques éditions il est assis dans sa
7 Das Titelblatt mit einem Signet virtù »the most popular of all books printed in Italy during the fifteenth century«, das in den folgenden Jahrhunderten als »chap book or ›coutesy book‹ for the moral education of the youth« weiterlebt.473 Die Fiore di virtù-Ausgaben, in Einschränkung auch der Aesopus moralisatus können als Beispiel dafür gelten, dass in Italien das Titelblatt mit einem Holzschnitt besonders für volkssprachliche, populäre Drucke konzipiert wurde.474
7 Das Titelblatt mit einem Signet Bevor die Angaben des Impressums als Untergruppe im 16. Jahrhundert zu einem regelmäßigen Bestandteil des Titelblatts werden, kündigt sich die Firmierung der Ausgabe durch ein Signet bzw. eine Drucker- oder Verlegermarke an. Diese nehmen als eine variante Dispositivform des illustrierten Titelblatts die Stelle der Illustration ein. Da die Druckermarken der Inkunabelzeit in vielen Fällen groß und dekorativ sind, dienen sie ebenso wie die inhaltsbezogene Illustration als Blickfang und werten die Titelseite auf.
7.1 Signet und Firmierung Die Titelseite mit einem Signet kündigt sich in der Inkunabelzeit nur zögerlich an. Sie steht in Konkurrenz zur illustrierten Titelseite, da die großen Druckermarken, wie sie die vor allem die niederländischen und die französischen Druckerverleger verwenden, eine ähnliche Schmuckwirkung haben wie die textgebundenen Titelholzschnitte. Am Beispiel einiger Druckerverleger und Verleger können im letzten Jahrzehnt Tendenzen zur Verwendung von Signeten auf Titelseiten ausgemacht werden, die sich im 16. Jahrhundert verfestigen. Wie das Titelblatt ist auch das Signet ohne Vorbild in den mittelalterlichen Handschriften. Signets von Buchproduzenten werden genauer in Druckeroder Verlegermarken bzw. Druckerzeichen und -signets unterschieden.475 Es handelt sich um mehr oder weniger komplexe bildliche Darstellungen, die in der Art von Firmenmarken Aufschluss über den Produzenten eines Produktes geben und damit dessen Identifikation dienen; sie erfüllen auch rechtliche Zwecke und übernehmen die Funktion von Qualitäts-
cellule, lisant ou écrivant; des vases garnis de fleurs ornent sa table.« Sander: Le livre à figures, S. 477. 473 Bühler: Studies, S. 315. 474 Diese These formuliert Barberi: Il frontespicio, S. 67f. 475 Im Englischen gibt es analog die Bezeichnungen ›printer’s mark‹ oder ›printer’s device‹, ›publisher’s mark‹ oder ›publisher’s device‹.
91 zeichen.476 Bei den Signeten der Inkunabelzeit und noch in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts lässt sich eine Differenzierung in (reine) Druckeroder Verlegermarken nur selten vornehmen, denn die Druckerverleger waren für den Druck bzw. die Druckwerkstatt zuständig und trugen das verlegerische Risiko allein oder, bei besonders kostspieligen und aufwändigen Buchprojekten, im Konsortialverbund mit anderen Druckerverlegern. Mit einem mehr verlegerisch akzentuierten Selbstverständnis der Buchproduzenten gegenüber der Herstellung bildet sich gegen Ende der Inkunabelzeit, zunächst in Italien, das reine Verleger- oder Verlagssignet heraus. Einen informativen Überblick über die Haupttypen der Drucker- und Verlegerzeichen und ihr Aufkommen in den einzelnen europäischen Ländern gibt Geldner.477 Vor 1480 kommen im deutschen Sprachgebiet und in den anderen europäischen Ländern Signets nur sporadisch vor. Mit dem Signet, das im Buch seinen Platz zunächst regelmäßig am Buchschluss bzw. beim Kolophon findet, eröffnet sich die Möglichkeit, es auf der nur wenig früher in Gebrauch gekommen Titelseite zu integrieren. Die folgenden Bemerkungen sind wiederum der quantitativen Analyse der deutschen, niederländischen und venezianischen Drucke entnommen. Für das französische Titelblatt mit einem Signet lassen sich nach der Literatur einige Anhaltspunkte benennen. In Frankreich erscheinen im letzten Inkunabeljahrzehnt große, reich ornamentierte Signets auf der Titelseite, die darüber hinaus noch von Leisten gerahmt werden können. Die Marken sind nicht selten mit dem Namen des Verlegers oder seinen Initialen versehen.478 Auch Wahlsprüche sind integriert, so benutzt Jean Trepérel eine Marke, die an den Rändern von seiner Devise umgeben ist.479 Labarre betont die Bedeutung des Signets für das französische Titelblatt; der weiße Raum unterhalb der Hauptgruppe werde mit einer plakativen Verlegermarke gefüllt: Le blanc laissé sous le titre imprimé est rapidement comblé par une illustration. Il s’agit généralement de la marque du libraire, ou de l’imprimeur lorsque c’est le même personnage, ce qui est très fréquent. Quand l’imprimeur est différent, sa marque reste en fin d’ouvrage, généralement à la suite du colophon. Au titre encore plus qu’au colophon, il est évident que la marque revêt moins un aspect
476 Vgl. dazu die grundlegende Untersuchung: Davies: Devices of the early printers. 477 Geldner: Inkunabelkunde, S. 112–123; vgl. auch De Vinne: The practise, S. 21−28. 478 Vgl. Johnson: One hundred title-pages, S. VII; De Vinne: The practise, S. 25f. mit Abbildungen. 479 Vgl. die Abbildung auf drei Titelblättern bei: Katalog der Bibliothek Otto Schäfer, T. 1, S. 241.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit décoratif (même quand celuici est certain) que documentaire, puisque c’est déjà une adresse.480
7.2 Deutschland Die erste in einem Buch gedruckte Marke ist das Zweischildsignet Peter Schöffers in Mainz, das 1457 in einem Exemplar des Mainzer Psalter erscheint.481 Die zweite gebraucht Arnold ter Hoernen in Köln seit 1471 in bildlicher Anlehnung an das Schöffersche Signet. Schöffer ist auch der erste, der das Signet auf einer Titelseite einsetzt, auf dem Herbarius latinus von 1484, in roter oder schwarzer Farbe.482 Das nächste in Deutschland auf dem Titelblatt vorkommende Signet erscheint in Nürnberg bei Friedrich Creussner um 1485 und nach 1487, wie das von Arnold ter Hoernen ebenfalls dem Mainzer Zweischildsignet nachempfunden.483 1490 ist eine weitere Druckermarke auf dem Titelblatt der Horae des Marcus Reinhart in Kirchheim im Elsass zu finden.484 Zu einer regelmäßiger geübten Praxis findet nach 1491 der Kölner Ulrich Zell in niederländischer Tradition mit seinem großen Holzschnitt der Maria mit dem Kind und Kölner Wappen bzw. dem Stadtwappen gehalten von Löwe und Greif. 485 Die Marke ist hier zugleich dekorativer Titelschmuck. Ebenso plakativ ist Hermann Bumgarts Signet mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige und seiner Hausmarke, das er seit 1496 benutzt und auf einem Titelblatt bis 1500 zweimal einsetzt. Auf seinem Druck der gereimten Drei-Könige-Legende um 1505 übernimmt die bildliche Darstellung zugleich die Funktion eines textbezogenen Holzschnittes.486 Neben Köln liegt ein weiterer Schwerpunkt in Basel bei Michael Furter (nach 1498) und Jacob Wolff (nach 1497), den ersten Basler Druckerverlegern mit einem Signet auf dem Titelblatt.487 Insgesamt lassen sich für Deutschland nur gut dreißig Titelseiten mit einem Drucker- oder Verlegerzeichen zwischen 1484 und Ende 1500 nachweisen. 480 Labarre: Les incunables, S. 233f.; dort auch Bemerkungen zur Titeltypographie. Labarres Beobachtungen, dass die Druckermarke im Kolophon steht, die Verlegermarke auf dem Titelblatt, lässt sich für die von uns untersuchten Corpora nicht bestätigen. 481 Zum Zweischildsignet vgl. Schneider: Peter Schöffer, S. 12−14. 482 Vgl. oben S. 51. 483 Vgl. dazu Fallstudie Nürnberg im folgenden Band. 484 ISTC ih00366000. 485 ISTC ia00441800, GW 1059; ISTC ia00444600, GW 1070; ISTC ib00098000, GW 3327; ISTC ic00319400, GW 6357; ISTC ig00166600, GW 10673; ISTC ig00167100, GW 10678; ISTC ih00010650, GW 12408; ISTC im00261150; vgl. auch Geldner: Inkunabelkunde, S. 114. 486 ISTC ia00208000, GW 1059; ISTC ip01102150, GW 11097; auf dem Titelblatt der Postinkunabel mit Impressum, vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 314f. 487 Vgl. die Fallstudie Basel im übernächsten Band.
7.3 Niederlande Für die Niederlande ist der Anteil an Signeten auf dem Titelblatt bedeutend höher: 297 aller Titelseiten (38,5 %) zeigen Druckermarken. Die erste erscheint bei Matthias van der Goes auf Bonaventura Sermones quattuor novissimorum (21. Juni 1487). Das dekorative Signet nimmt fast die gesamte Titelseite ein, nur ein Kurztitel findet darüber Platz. Ein wilder Mann schwingt drohend eine Keule über dem Kopf, in der linken Hand hält er das Wappen von Brabant mit dem Löwen, zwischen seinen Füßen ist das Monogramm Matthias’ van der Goes integriert, ein ›M‹, überragt von einer Stange mit einem Stern. Die Druckermarke kommt sonst nicht mehr auf einem Titelblatt bei Matthias van der Goes vor.488 Der hohe Anteil von Signeten in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland und Italien ist allerdings größtenteils darauf zurückzuführen, dass Druckerverleger wie Richard Paffraet und Jacob van Breda Druckermarken für die Titelblattgestaltung heranziehen. Paffraet benutzt zwei Druckermarken auf dem Titelblatt: Beide zeigen den heiligen Lebuinus, Patron der Lateinschule und Stadtpatron von Deventer. Der erste Stock ist seit 1488 in Gebrauch, zugleich mit der Wiederaufnahme seiner Drucktätigkeit nach einer Pause und der Erneuerung seines gesamten typografischen Materials.489 Der Heilige steht auf einer Wiese mit Kreuzstab und Buch, rechts unten das Stadtwappen, links ein Schild, der typographisch mit »Sanctus lebuinus« gefüllt ist; unterhalb der Füße findet sich weiß auf schwarzem Grund die Hausmarke Paffraets, ein doppelter Winkelhaken. Paffraet setzt den Holzschnitt erstmals auf dem Titelblatt eines Schulbuchs, der Verba deponentalia des Johannes de Garlandia ein, nach Kok datiert vor 4. September 1488. Insgesamt benutzt Paffraet die Marke zwölf Mal auf einem Titelblatt, bis auf eine Ausnahme handelt es sich ausschließlich um Schultexte, meist Grammatiken. Weitere Illustrationen kommen nicht vor. Zum letzten Mal kommt die erste Marke auf dem Titel von John Anwykylls Compendium totius grammaticae am 4. Mai 1489 vor, zusammen mit der zweiten Marke am Ende des Buchs, die von 1489 bis 1500 in Gebrauch ist. Lebuinus steht hier mit den gleichen Attributen versehen in einem gotischen Bogen vor einem Vorhang, rechts neben sich das Stadtwappen.490 Die zweite Marke kommt auf 18 Titelblättern vor, einmal auf der Titelblattrückseite. Auch hier handelt es sich fast ausschließlich um Schultexte. Zeitlich parallel hat Paffraet einen Holzschnitt mit einer Lehrszene, ein Leh488 Kok: Houtsneden, S. 587–589 (Holzschnitt 33.1:1). 489 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 308; Kok: Houtsneden, S. 597–599 (Holzschnitt: 28.11). 490 Kok: Houtsneden, S. 602–605 (Holzschnitt 28.12).
7 Das Titelblatt mit einem Signet rer unterrichtet fünf Schüler, ebenfalls als Illustration für Lehrbücher.491 Auf dem Titel von knapp einem Drittel (76 von über 250 Inkunabeln) findet sich bei Jacob van Breda ein Holzschnitt für Quart-Drucke: im Zentrum weiß auf schwarzem Grund das Monogramm IHS (Jesus Hominum Salvator), umgeben von vier weißgrundigen kreisrunden Medaillons mit den Evangelistensymbolen in den Ecken.492 Er wird erstmals auf der niederländischen Ausgabe des Plenars Epistolae et Evangelia vom 1. März 1493 benutzt und bis 1498 verwendet.493 Jacob van Breda, der ab 1485 eine eigene Druckwerkstatt führt, war vermutlich bereits einige Zeit zuvor bei Paffraet tätig. Beide Druckerverleger arbeiteten räumlich eng benachbart zur Lateinschule der Stadt und haben sich auf humanistische Schul- und Lehrbücher spezialisiert. Die Produktion aus diesen beiden Pressen in Deventer wird in Tausenden von Exemplaren im nördlichen und östlichen Europa vertrieben.494 Wegen der prominenten Platzierung der Marken auf dem Titelblatt kann man wohl nicht von einer ausschließlichen Funktion als Druckermarke sprechen, zumal auch jeder explizite oder verschlüsselte Bezug zum Inhaber der Marke fehlt.495 Als Titelholzschnitt sind sie wiederum zu wenig auf den Inhalt des Werks bezogen, und anders als bei der stereotypen Verwendung von Lehrszenen fehlt der gebrauchsfunktionale Aspekt. Bei Paffraet und Jacob van Breda scheint die Marke – vergleichbar einem Wasserzeichen – für eine allgemeine Herkunfts- und Qualitätsbezeichnung zu stehen. Zudem hat diese Gestaltung den Vorteil, dass nur wenig Aufwand mit Bilddruckmaterial betrieben werden muss. Ähnlich rationell verfährt Jacob van Breda auch in einer weiteren Gruppe von Titelblättern. 14 Drucke zwischen 1490 und 1497 zeigen eine Darstellung der Gregorsmesse, überwiegend auf Schultexten.496
7.4 Venedig In der Gestaltung der italienischen Signets herrscht das Motiv des geteilten Erdballs mit Doppelkreuz als Grundform vor. Die venezianische Verlags- und Buchhandelsgesellschaft »Johannes de Garlandia, Nicolaus Jensen et socii« benutzt ab 1481 ein solches Signet, das erste in Italien überhaupt.497 Die erste venezianische Druckermarke auf einem Titelblatt 491 Vgl. S. 78. 492 Kok: Houtsneden, S. 551–558 (Holzschnitt 28.7). 493 ISTC ie00071750, ILC 961, Campbell 703; vgl. Kok: Houtsneden, S. 555. 494 Vgl. Le cinquième centenaire, S. 403. 495 Vgl. Langer: Von vier sich ähnlichen Titelholzschnitten; Kok: Houtsneden, S. 555 u. ebd. Anm. 7 (Verweis auf Juchhoff und BMC). 496 Vgl. Kok: Houtsneden, S. 548–551 (Holzschnitt 28.5). 497 Vgl. Geldner: Inkunabelkunde, S. 117.
93 lässt allerdings noch zehn Jahre auf sich warten, es ist die des Hieronymus de Paganinis 1492.498 In den folgenden nur acht Jahren bis Ende 1500 sind bereits etwa 60 Signets auf dem Titelblatt nachzuweisen. Der größte Anteil entfällt auf den Verleger Luca Antonio Giunta d. Ä., Kaufmann und Gründer einer der bedeutendsten italienischen Drucker- und Verlegerdynastien im letzten Inkunabeljahrzehnt und im 16. und 17. Jahrhundert. Verleger dieses Typs sind oft im überregionalen Buchvertrieb tätig und entsprechen dem Typ des verlegenden Buchhändlers (›librarieditori‹).499 Giunta d.Ä. setzt konsequent sein Signet ein, als Verlegerzeichen, nach dem Kauf einer Druckerei 1499 auch als Druckermarke. Da die GiuntaDrucke meist über ein ausführlich formuliertes Impressum verfügen, lassen sich Verlegersignet und Druckermarke in ihren unterschiedlichen Funktionen deutlich auseinander halten. Giunta d. Ä. handelt seit 1489 als reiner Verleger (›editore‹) mit Büchern, sein Signet, die Florentiner Lilie − der Hauptsitz des Unternehmens war Florenz − mit den Initialen ›L‹ und ›A‹,500 benutzt er erstmals im Oktober 1490.501 Am 25. Dezember 1493 wird das Signet in ein Titelblatt integriert, auf dem Diurnale Romanum. Drucker ist Johann Emerich (von Speyer), der hier erstmals im Auftrag von Giunta tätig ist. Dieser Druck markiert den Beginn einer Vielzahl von Drucken des Johann Emerich im Auftrag Guintas. Bis zum letzten Auftragsdruck, dem Missale Majoricensis Ecclesiae vom 16. September 1506, folgen nahezu alle Ausgaben einem ähnlichen Schema. Das Verlegersignet wird unterhalb der Titelformulierung angefügt, manchmal im Rotdruck. Das ausführliche Impressum mit Druckort und Druckdatum nennt den Drucker, häufig auch den Auftraggeber, z. B. »Impressum Uenetijs impensis nobilis viri Luca Antonij de giunta Florentini: Arte autem et ingenio Joannis Emerici de Spira Alemani.«502 In knapp dreißig Drucken Johann Emerichs für Giunta erscheint die Verlegermarke auf dem Titel, und nur ganz zu Beginn der Zusammenarbeit fügt Emerich seine Druckermarke in den Jahren 1494 und 1495 dem Kolophon hinzu. Auch andere venezianische Druckerverleger, wie Giovanni Rosso, Mat498 Gregorius: Dialogorum libri quattuor. Venedig: Hieronymus de Paganinis, 13. November 1492 (ISTC ig00405000, GW 11401); zu Marken von Druckerverlegern auf dem Titelblatt in Italien vgl. auch Barberi: Il frontespicio, S. 65f.; Geldner: Inkunabelkunde, S. 116−119. 499 Vgl. Richardson: Printing, writers, S. 34f. 500 Diese Grundform existiert in mindestens zehn unterschiedlichen Varianten und Größen für verschiedene Buchformate. Sie sind abgebildet bei Kristeller: Die italienischen Buchdrucker- und Verlegerzeichen, S. 80−83; Husung: Drucker- und Verlegerzeichen, S. 109f. 501 Vgl. Nuovo, A.: Giunta. In: LGB2, Bd. 3, 1991, S. 180f. Zum Folgenden vgl. die Bibliographie der Giunta-Drucke von Camerini: Annali dei Giunti. 502 ISTC ib01126200, GW 5144.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
teo Capcasa, Giovanni Ragazzo und Cristoforo de’ Pensi waren für Giunta tätig und firmieren die Drucke ähnlich wie Johann Emerich, allerdings nicht mit dessen Konsequenz. Für Giunta d. Ä. trifft generell die Beobachtung zu, dass zumindest in den ersten Dekaden seiner Tätigkeit (Drucke unter seinem Namen erscheinen bis 1537) die Firmierung konsequent am Schluss des Buchs verbleibt und das Signet als Platzhalter für den Buchproduzenten fester Teil des Titelblatts ist, eine Praxis die auch Aldus Manutius beibehält. Bei den ebenfalls häufig auf venezianischen Titelblättern auftauchenden Druckermarken handelt es sich um die des Johannes Baptista Sessa, der von Juni 1496 bis Ende 1500 immerhin mindestens 13 der von ihm produzierten und verlegten Titel mit seinen Signeten versieht, die eine Katze mit der Maus im Maul unterhalb einer Krone oder einem Erdball mit Doppelkreuz darstellen, beide mit seinen Initialen versehen.503 Die im Vergleich zu den niederländischen und deutschen Signeten eher kleinformatigen venezianischen werden meist unmittelbar unterhalb der Titelformulierung platziert, oft als Abschluss des Dreieckssatzes. Bei Paganinus de Paganinis im letzten Jahrfünft der Inkunabelzeit auch oberhalb des Titels.504 Johann Baptista Sessa kombiniert in einigen Fällen die Dispositivvarianten Titelseite mit Titelholzschnitt und Titelseite Signet: Er platziert seine Marke mittig unterhalb der Illustration, an die Stelle der Untergruppe.505 Betrachtet man abschließend das Verhältnis von Signeten auf dem Titelblatt und sprachlich formulierten Bestandteilen der Untergruppe, so kann vorsichtig vermutet werden, dass das Signet als Firmenzeichen zumindest in der Inkunabelzeit für die Formierung des Dispositvs sowohl nach der Häufigkeit seines Vorkommens als auch in seiner Bedeutung herausragt. Das Signet in seiner Funktion als Herkunfts- und Firmenzeichen, auch als Qualitätssiegel, steht in der Tradition der mittelalterlichen Handelmarke. Da liegt die Firmierung mit bildlichen Mitteln noch näher als eine sprachliche Umschreibung in einer Impressumsformel. Aus dem Signet lassen sich zudem nur Rückschlüsse auf den Druckerverleger und den Druckort ziehen, das Druckjahr als später fester Bestandteil eines Impressums auf dem Titel, spielt fast keine Rolle. Diese Angabe bleibt weiterhin nahezu ausschließlich dem Kolophon vorbehalten. Die Untergruppe erscheint meist 503 Kristeller: Die italienischen Buchdrucker- und Verlegerzeichen, S. 114f.; Husung: Drucker- und Verlegerzeichen, S. 142−144. 504 ISTC ip00087000, GW 12056, IGI 7213; ISTC id00444000, GW 9147, IGI 3648; ISTC ia00729000, GW 1945, IGI 571; vgl. neben den Beispielen von Paganinus de Paganinis auch das Folgende: Otinus de Luna für Alexander Calcedonius (ISTC it00290000, IGI 9539). 505 Vgl. Sander: Le livre à figures, Nr. 212, Abb. 272; Nr. 660, Abb. 275; Nr. 5667.
rudimentär, auch als Zusatz zum Signet. Gegenüber dem sprachlich formulierten Herkunftsnachweis hat das Signet nicht nur den Vorteil der unmittelbaren Eingängigkeit, wenn es erst einmal am Markt eingeführt ist, sondern füllt auch den leeren Raum mit einem attraktiven Blickfang. Letzteres zeigen vor allem die niederländischen und französischen Signets. Anders als die Schlussschrift gehört das Signet zu den innovativen Elementen, die der Buchdruck einführt. Vielleicht ist dies die Erklärung dafür, dass das Signet − wie bei Aldus Manutius − auf der Titelseite die Untergruppe vertritt und − wie bei Froben dann gut zu beobachten − die sprachliche Firmierung nachzieht.
7.5 Ausblick und Exkurs: Der Gebrauch des Signets bei Aldus Manutius und Johannes Froben Aldus Manutius und Johannes Froben gehören in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu den bedeutenden Verlegern wissenschaftlicher und klassischer Literatur in Europa. Ihre Druckproduktion eignet sich in besonderer Weise, die Firmierungspraxis dieses gebildeten und selbstbewussten Verlegertypus zu beleuchten. Das Signet des Venezianers Aldus Manutius, das einen sich um einen Anker windenden Delphin zeigt, ist prototypisch für das humanistische und hieroglyphische Signet. Johannes Froben in Basel greift Aldus’ hieroglyphische Konstruktion mit seinem Schlangenstab-Signet auf und wird – wie das des Aldus Manutius – vorbildlich für das humanistische Signet nördlich der Alpen. Erasmus von Rotterdam, der mit beiden eng zusammen gearbeitet hat, interpretiert die Signets, an deren Entwicklung er wohl beteiligt war, einflussreich in Ausgaben seiner Adagia.506 Aldus Manutius (Tätigkeit 1494−1515) setzt sein Signet ab 1502 in der Funktion einer Drucker- und Verlegermarke ein; er benutzt es mit der Ausnahme von wenigen Privatdrucken in allen seinen Büchern.507 In den Varianten bzw. Neuschnitten des Signets ist Aldus mit seinem Vornamen, z. T. auch einem oder zwei Anfangsbuchstaben des Nachnamens präsent, die in den Holzschnitt integriert, aber auch typographisch gesetzt sind.508 Anhand eines reich illustrierten Ausstellungskataloges sowie der neueren Detailforschungen von Wolkenhauer lässt sich die Verwendungsweise des Signets in den Aldus-Drucken nachvollziehen.509 Eine geregelte Praxis ist danach in 506 Auf die Bildlichkeit und Deutung der Signets soll hier nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu ausführlich Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, hier bes. S. 183, S. 213. 507 Vgl. Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 165. 508 Zur den einzelnen Stadien der Verlegermarke vgl. Fletcher: New Aldine studies, S. 43−61. 509 Vgl. Aldo Manuzio tipografo; Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 165–185.
8 Resümee Grundzügen gut erkennbar. Das Signet wird erstmals auf dem Titelblatt der Herodot-Ausgabe vom September 1502 eingesetzt. In den folgenden Jahren bis zum Tod des Aldus 1515 ist das Bestreben deutlich, das Signet mehrmals, zwei- oder sogar dreimal, in den Ausgaben zu platzieren, in der Regel auf dem Titel, dem Zwischentitel und in der Nähe des Impressums. Von 1502 bis etwa 1505 ist die Praxis aber noch recht unterschiedlich: Manchmal steht das Signet nur auf dem Titelblatt, seltener fehlt es dort und steht am Ende. Ab 1505 findet es sich dann regelmäßig auf dem Titelblatt, wobei die Tendenz zur Mehrfachplatzierung bestehen bleibt. Denn Aldus belässt das typographische Impressum konsequent am Ende des Buchs − wir finden den Druckvermerk auf keinem einzigen Titelblatt −, und löst die Verbindung seiner Marke zur Schlussschrift nicht. Auf dem Titelblatt aber kann das Signet erst seine Funktion als unmittelbar ins Auge fallendes Herkunftszeichen und Gütesiegel erfüllen. Die Praxis, das Signet auf der Titelseite und am Buchschluss unterzubringen, ist nicht auf Aldus beschränkt, sie wird vor ihm von anderen Druckerverlegern in Venedig geübt, wenn auch nicht in dieser Konsequenz. Erst die Aldinen zeigen deutlich das Bestreben, das Verlegersignet auf der ersten und (meist) letzten Seite wie eine Klammer um den Buchblock zu legen. In seiner Bedeutung für den humanistischen Buchdruck ist der Basler Druckerverleger Johannes Froben (selbstständige Verlagstätigkeit 1513−1527) nördlich der Alpen dem Aldus Manutius an die Seite zu stellen, ein Verdienst, das er sich nicht zuletzt als Verleger und Freund des Erasmus von Rotterdam erworben hat. Seine Bücher gestaltet Froben im Hinblick auf das Titelblatt und den Buchschmuck anders als Aldus Manutius, der sonst als Vorbild Frobens gelten kann. Bis auf das Signet sind die Titelseiten der Ausgaben aus der Offizin des Aldus Manutius ohne jeden weiteren Schmuck, und er verzichtet auch bis auf die nicht seltenen Inhaltsverzeichnisse fast immer auf buchwerbende Elemente. Froben hingegen setzt ab 1513 Titeleinfassungen in RenaissanceOrnamentik ein und zieht bedeutende Künstler wie Urs Graf und die Brüder Holbein heran, die die Vorlagen für Titeleinfassungen und Signets zeichnen. Dieser Buchschmuck wird überwiegend für das Titelblatt, den Texteingang und den Buchschluss verwendet. Wie Aldus legt auch Froben großen Wert auf sein Signet, den Caducaeus als Attribut Merkurs. Es wird zuerst mit eigenem Druckstock im Frühjahr 1515 im Buchinneren eingesetzt, als Erasmus sich bereits in Basel aufhält, im gleichen Jahr gelegentlich auch auf dem Titelblatt.510 Mit einem auffälligen 510 Vgl. Wolkenhauer: Zu schwer für Apoll, S. 199, S. 213 u. S. 200. – Zum Folgenden vgl. die Ergebnisse der Fallstudie Basel im übernächsten Band, die Frobens Erasmus-Drucke untersucht.
95 gestalterischen Neubeginn des Titelblatts nach 1523 ändert sich das Konzept. Auf Erasmus-Titelblättern zwischen 1523 und 1527 rückt die Druckermarke als einziges Schmuckelement in das Zentrum der Titelseite zwischen Haupt- und Untergruppe. Damit nähert sich Froben den weitgehend schmucklosen Titelblättern der Aldinen an. Die herausragende Position des Signets als Markenzeichen wird auch an Frobens Praxis deutlich, es mehrfach in einem Buch zu verwenden, meist zusätzlich zur Titelseite auf der Rückseite des letzten Blatts. Froben trennt sogar in einigen Fällen Kolophon und Druckermarke durch eine Leerseite oder ein Leerblatt, so dass das Signet das ›erste und das letzte Wort‹ hat und wie bei Aldus zur Buch umschließenden Klammer wird. Nur wenige Erasmus-Drucke Frobens sind ohne Druckermarke am Buchschluss und diese befindet sich bis auf ganz wenige Ausnahmen auf der Rückseite des letzten Blatts.
8 Resümee Als Ergebnis des Forschungsberichts zu Beginn dieser Abhandlung sind verschiedene Desiderate angemerkt worden. Eines der grundlegenden Probleme der bisherigen Titelblattforschung betraf die Validität allgemeiner Aussagen über die Quantität und den zeitlichen Verlauf der Einführung und Entwicklung des Titelblatts, die bisher auf willkürlich gewählten Samples oder mehr oder weniger zufälligen Beobachtungen beruhen. Dem setzt diese Studie einen konsequenten bibliometrischen Zugang entgegen, der für die drei Vergleichsregionen, Deutschland, Niederlande und Venedig, eine flächendeckende quantitative Analyse mit hohen Klärungsraten erreicht und nicht von einer statistischen Hochrechung ausgeht. Die Ergebnisse sollen hier nicht im Einzelnen wiederholt werden. Für Deutschland und die Niederlande konnte jedoch gezeigt werden, dass zwischen 1480 und 1485 das Titelblatt häufiger wird und in der Folgezeit eine kontinuierlich ansteigende Entwicklung zu beobachten ist. Im letzten Inkunabeljahrzehnt ist es etablierter Bestandteil des gedruckten Buches. Für den Druckort Venedig setzt diese Entwicklung signifikant später ein. Erhärtet werden konnten die Beobachtungen, dass eine enge Korrelation zwischen Leerseite(n) und Titelblatt besteht. Mit absoluten Zahlen, die auf Klärungsraten über 80 % beruhen, lässt sich nach zögerlichem Beginn eine Änderung in der Lagenplanung im zweiten Inkunabeljahrzehnt in Deutschland belegen, bis um die Mitte der 1470er Jahre die Bucheröffnung mit einer Leerstelle die Zahl der Ausgaben mit einer ersten mit dem Werkbeginn bedruckten Seite übersteigt. An die Stelle der Leerseite zu Beginn des Buches tritt in der Dekade zwischen 1480 und 1490 die Titelseite. Ähnlich ist die
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
Entwicklung in den Niederlanden, in Venedig setzt diese wiederum später ein. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung des Titelblatts, unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung, ist die Separierung der Metatexte vom Werkbeginn. Eine zeichentheoretische Deutung auf der makrotypographischen Ebene bietet sich hier als Erklärung an. Danach ist die Leerstelle am Buchbeginn ein bahnbrechender Schritt auf dem Weg zum Titelblatt, da Buchbeginn und Werkbeginn nicht mehr notwendig zusammenfallen. Der Freiraum setzt eine typographische Pause vor den Werkbeginn. Von der mittelalterlichen Handschrift unterscheidet sich das gedruckte Buch, trotz aller übernommenen Layouttraditionen, durch einen anderen Umgang mit dem Weißraum, der in der Druckform durch Blindmaterial repräsentiert und – als Ergebnis eines vorherigen Planungsprozesses – bedeutungstragend wird. Eine Reminiszenz an den ursprünglichen Weißraum bewahrt die Flächengliederung der Titelseiten bis heute. Auch die makrotypographische Analyse des Verhältnisses der Titelseite zu den nachfolgenden Seiten und im Lagenverbund belegt die Sonderstellung der Metatexte und ihre bewusste Separierung im Buchaufbau durch die Häufigkeit, mit der die Rückseite des Titelblatts leer bleibt oder sich ein kleinerer abgeschlossener Text bzw. ein Holzschnitt vor den Werkbeginn schiebt. Dies gilt für fast 77 % der deutschen, 83 % der niederländischen und 80 % der italienischen Inkunabeln. Ein wichtiges Ergebnis der durch die Einzelanalyse ergänzten bibliometrischen Untersuchungen ist, dass die hier so bezeichneten prädispositiven Titelblätter bis 1480 von den dispositiven Formen, die sich etwa ab Mitte der 1480er Jahre deutlich herauskristallisieren, zu unterscheiden sind. Die frühesten, nur vereinzelt auftretenden, Titelblätter haben in ihrer unterschiedlichen, noch experimentierenden Ausgestaltung lediglich das Bemühen gemeinsam, Metatexte wie umfangreiche Incipit- und oder knappe Sachtitelformulierungen, Autorvorreden, Ausrufformeln wie im Fall der Schöffer’schen Türkenbullen oder ein einleitendes Gedicht wie bei den Venezianischen Kalendern, vom Werktext zu separieren. Sie sind daher wenig hilfreich, wenn eine Erklärung für das Auftretens des Titelblatts und seine Funktion gefunden werden soll. Erst die habituell in der typographischen Praxis verwendeten Dispositive lassen allgemeingültigere Aussagen zu. Ebenso gehört die kleine Anzahl von Titelseiten auf der Rückseite des vorn leeren Titelblatts und der Endtitel in diesen Zusammenhang des Experimentierens mit der Freistellung von buchkennzeichnenden Metatexten an Schlüsselstellen im Buchaufbau. Erst das typographische Titelblatt, noch fast immer ohne Impressumsangaben, das illustrierte Titelblatt und das Titelblatt mit Signet sind die erfolgreichen Muster, auf die sich die Buch-
gestalter verständigen, und die jenseits der Inkunabelgrenze weiter ausgefaltet werden. Die seit Haebler von der älteren und neueren Forschung immer wieder vertretene Schutzblattthese als Begründung für die Einführung des Titelblatts sollte endlich ad acta gelegt werden. Es sprechen wichtige Gründe dagegen. Nicht alle Drucke mit einer Leerstelle zu Beginn haben ein weißes Blatt, das, durch den Transport verschmutzt, beim Binden weggeschnitten werden könnte. Zwar sind nach dem Ergebnis der quantitativen Analyse des Bucheingangs Inkunabeln mit Leerseite seltener als solche mit Leerblatt, zwischen 1471 und 1480 machen sie aber immerhin ein Drittel aller Fälle in Deutschland aus, zwischen 1481 und 1485 sogar die Hälfte. Zudem ändert sich nach der Einführung des Titelblatts die Vertriebssituation im Buchhandel nicht. Warum sollte der Typograph die wichtigen metatextuellen Informationen, auf deren Präsentation er zunehmend mit besonderen Auszeichnungsformen und der Titelillustration Wert legt, einer Stelle im Buch anvertrauen, die er für ungeschützt hält? Viel eher sind die Überlegungen Bogengs richtungsweisend, der von solchen rein buchtechnischen Erklärungen absehend, das Titelblatt als Teil einer geänderten Kommunikationssituation begreift. Seit Pollard und Johnson ist die Standardbegründung für die Entstehung des Titelblatts, dass sich das Titelblatt aus kommerziellen Bedürfnissen entwickelt habe. Aber was genau ist damit gemeint? Die Forschung ist bisher, bis auf die neueren Analysen einzelner Fallbeispiele zu Textsorten oder Druckerverlegern, eine umfassendere Antwort schuldig geblieben. Hier setzten die Ergebnisse der quantitativen Vergleichanalyse und der Feinanalyse der typographischen Zeichenmittel ein, und auch hier zeigen sich die Vorteile eines der Detail- und Beispielanalyse vorausgehenden bibliometrischen Zugriffs. Er lässt nicht nur konkrete Aussagen über den zeitlichen Verlauf der Entstehung unterschiedlicher Titelblattformen zu, sondern auch über deren quantitative Gewichtung. Zwei vorherrschende Dispositivformen bilden sich als konkurrierende Modelle heraus: der rein typographische Titel und der illustrierte Titel. Das Titelblatt, das nicht durch Auszeichnungen im Titelsatz aufgewertet wird, ist bis 1490 die gängige Form. Erst ab 1490 mehren sich nach den Ergebnissen der typographischen Feinanalyse die Hinweise auf eine gefälligere Ausstattung, die die Titelseite über ihre bloße Funktion der Inhaltsbezeichnung hinaus aufwertet. Der schmucklose typographische Titel hat die Funktion einer schnellen Identifikation des Werks auf den unterschiedlichen Handelsstufen. Für das gedruckte Buch, das in größeren Mengen zirkuliert und überregional gehandelt wird, ist diese Neuerung von praktischem Wert: für den reisenden Buchführer, der Partien unterschiedlicher und in der Regel nicht gebundener Bücher mit sich führt, für
8 Resümee den Druckerverleger, der seine Produktion in kleinen und kleinsten Auflagenteilen im Bücherfass oder im Paket verpackt auf die Messen, in seine auswärtigen Handelsniederlassungen und zu seinen Handelspartnern schickt, für die Faktoren, die die Ware auspacken und anhand der Listen in Begleitbriefen kontrollieren, schließlich für die Ordnung im Bücherlager des stationären Buchhändlers. Der typographische Titel ist unmittelbar auf die Inhaltsidentifikation des Buches bezogen und bietet eine Erleichterung für dessen Weg über den herstellenden und verbreitenden Buchhandel zum Käufer. Dass auch der spätere Buchbesitzer vom Titelblatt profitiert, ist eine zunächst wohl nicht bewusst intendierte Zugabe, und erst nach Etablierung des Titelblatts werden dem Typographen und Verleger die Möglichkeiten bewusst, die das Titelblatt für die Warenkennzeichnung und für den Buchkäufer eröffnet. Damit ist ein Prozess in Gang gekommen, der jenseits der Inkunabelgrenze mit dem Impressum als Bestandteil des Titelblatts im 16. Jahrhundert zum Ende kommt. Als zweite dispositive Form ist das mit einem Titelholzschnitt illustrierte Titelblatt zu nennen, das dem rein typographischen quantitativ weit unterlegen ist. Nur knapp 25 % der deutschen Inkunabeltitelblätter und weniger als 10 % der italienischen, aber immerhin fast 40 % aller niederländischen besitzen einen Titelholzschnitt. Die Funktionen der illustrierten Titelseite sind komplexer als die der rein typographischen. Der Titelholzschnitt ist ein starker optischer Reiz. Mit seinem Aufkommen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Titelbild und seiner Kennzeichnungskraft für das Buch. Man muss davon ausgehen, dass die Drucker oder Verleger mit der Titelillustration Signale für den Buchkäufer und Leser setzten. Die quantitative Analyse für die Niederlande zeigt hier erstmals die überragende Rolle des Druckerverlegers Gerard Leeu für die Etablierung des illustrierten Titels. Die Tiefenanalyse seiner Produktion und die Interpretation beispielhafter Drucke lässt Schlüsse zu, welchen gestalterischen, strategischen und ökonomischen Überlegungen Leeu gefolgt ist, als er diesen zu einem festen Platz in der Konzeption des gedruckten Buchs verhilft. Das illustrierte Titelblatt charakterisiert nicht nur das Werk, sondern wird konstitutiv für die Gestaltung von Buchtypen und Textsorten, zudem ist es rezeptionsleitend. Hier werden auch die von der Forschungsliteratur als Grund für die Entstehung des Titelblatts häufig beschworenen werbenden Elemente genauer fassbar, die in standardisierten sprachlichen Floskeln auf das Titelblatt und in die Titelformulierung finden. Wie auch die Fallstudien besonders für die Druckorte Nürnberg und Augsburg zeigen, findet das illustrierte Titelblatt seinen Platz häufig auf volkssprachlicher populärer Unterhaltungs- und Erbauungsliteratur, aber auch die lateinische religiöse Erbauungsliteratur
97 gehört zu den Textsorten, die mit einem illustrierten Titelblatt ausgestattet werden. Gerard Leeu in Antwerpen, dem der zentrale Teil der Analyse des niederländischen illustrierten Titelblatts gewidmet wurde, setzt hier mit seinen illustrierten Titelblättern einen Schwerpunkt. Eine Verlegerpersönlichkeit, die in Deutschland eine ähnlich bedeutende Rolle wie Leeu für die Niederlande übernommen hat, lässt sich nicht ausmachen. Die sehr frühen Titelblätter der Nürnberger Offizin Folz sind von ihrem gestalterischen Anspruch prädispositiv und finden lange keine Nachahmer. Im Umkreis Leeus hingegen wird das illustrierte Titelblatt schnell übernommen. Margaret M. Smith ist in ihrer Monographie aus dem Jahr 2000 zu dem Schluss gekommen, dass man nie wissen werde, warum die Drucker begannen, den Leeraum der typographischen Titelseite mit einem Holzschnitt zu füllen.511 Nach den hier vorgestellten Ergebnissen kann man die Gründe ziemlich genau benennen, wie und warum die Druckerverleger sich der Titelillustration zuwenden. Nicht nur die niederländischen Titelblätter lassen hier präzise Schlussfolgerungen zu, sondern auch die Traditionen, aus der das illustrierte Titelblatt entwickelt wird, bietet Aufschluss. Die Tradition verläuft von der Bucheröffnungsform mit einem werkeinleitenden Holzschnitt ohne eigenständiges Titelblatt zum Titelblatt mit Titelholzschnitt. Bei der Planung einer Ausgabe mit einer Titelseite kann der Holzschnitt entweder auf der Titelseite erscheinen oder auf der Rückseite des Titelblatts, oder aber, wiederholt, auf der Vorder- und der Rückseite. Etwa ab der Mitte der 1480er Jahre lassen sich diese Varianten in niederländischen und deutschen Inkunabeln häufiger beobachten. Zudem gibt es keine Hinweise darauf, dass das illustrierte Titelblatt zwingend aus dem illustrierten Buch entsteht. Als weiteres Argument sei hier die ersten illustrierte Titelseite Leeus Van Marien rosencransken vom 19. Juni 1484 – die die erste niederländische ist, auch dies ein Ergebnis des quantitativen Zugangs – angeführt, eines der Beispiele, das ausführlich diskutiert wurde. Der Blick auf die lateinische Parallelausgabe macht vollends deutlich, dass es keinerlei chronologischen oder entwicklungsgeschichtlichen Fortschritt vom rein typographischen Titel zum mit einer Illustration ergänzten Titelholzblatt gibt. Zeitlich parallel zum Aufkommen des illustrierten Titelblatts setzt eine dispositive Variante ein, die standardmäßig das Schul- und Lehrbuch mit einer Lehrszene auf dem Titel kennzeichnet. Hier ist weniger das Bildmotiv im Einzelnen von Bedeutung, als seine Kennzeichnungskraft für eine Warengruppe. Auch diese Innovation aus dem Jahr 1484 kommt aus der Offizin Leeu, wird schnell von niederländischen Druckerverlegern übernommen und breitet sich über 511 Vgl. den Forschungsbericht in diesem Band, S. 13f.
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Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit
das kulturräumlich mit Holland eng verbundene Köln in Deutschland aus. Eine weitere Variante des illustrierten Titels ist die mit einer Druckmarke bzw. einem Signet als Herkunfts- und Qualitätszeichen in der Tradition der mittelalterlichen Handelsmarke. Der Weg dahin verläuft über gelegentliche Nennungen von Druckort, Druckdatum und/oder Name des Druckerverlegers. Früher, häufiger und weitaus konsequenter äußert sich der verlegerische Anspruch allerdings in der Drucker- und Verlegermarke auf dem Titelblatt. Auch hier sind die Niederlande mit der hoch standardisierten Form auf Schul- und Lehrbüchern im letzten Inkunabeljahrzehnt führend, wie sie besonders von Druckerverlegern in Deventer praktiziert werden. Bis zum Ende der Inkunabelzeit noch weitgehend offen ist die Standardisierung der Untergruppe. Sprachlich codierte Hinweise auf den materiellen Urheber des Buches sind auf dem Buchtitelblatt der Inkunabelzeit in unseren Erhebungsregionen äußerst selten, und eine typographischen Trennung von der Hauptgruppe ist in diesen wenigen Beispielen in aller Regel noch nicht vollzogen. Ihre endgültige Etablierung und Standardisierung in sprachlicher Form und in der bildlichen des Verlagssignets bleiben den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts vorbehalten, mit erheblichen regionalen und verlagsspezifischen Schwankungen. Als Beispiele jenseits der Inkunabelgrenze wurden hier Aldus Manutius in Venedig und die Erasmus-Drucke des Johannes Froben in Basel berücksichtigt, und die die Bedeutung des im europäischen Rahmen handelnden Wissenschaftsverlegers für diesen Prozess belegen. Für Froben zeigt die Fallstudie Basel die Bedeutung, die das Titelblatt nun für die Zwiesprache des Verlegers mit dem Leser gewonnen hat.
Das Register folgt am Ende des folgenden Beitrags (Das Titelblatt zu Köln).
Anhang 1 Abbildungsverzeichnis Annähernd in der Originalgröße reproduziert wurden Abb. 5, 17, 18, 19, 25, 29, 30, 31, 32, verkleinert Abb. 3, 26, 27, 28, 33, stark verkleinert Abb.15, 16, 20. Abb. 1: Titelblätter in Deutschland, den Niederlanden und Venedig im Vergleich (Anzahl der Drucke) Eigenes Diagramm Abb. 2: Titelblätter in Deutschland, den Niederlanden und Venedig im Vergleich (Anteil an der Gesamtproduktion) Eigenes Diagramm Abb. 3: Die vier utersten. Gouda: Gerard Leeu, 6. August 1477 Göttingen SUB, 8 Th Thet II, 650/7 Inc. Abb. 4: Bucheingänge der Offizin Fust/Schöffer im Vergleich zu deutschen Titelblattproduktion Eigenes Diagramm Abb. 5: Wandalbertus. Legenda et miracula sancti Goaris. Mainz: [Peter Schöffer] für Johannes Gisen de Nasteden, 1489 London BL, IA.257 Abb. 6: Bucheingänge in Deutschland Eigenes Diagramm Abb. 7: Bucheingänge in den Niederlanden Eigenes Diagramm Abb. 8: Bucheingänge in Venedig Eigenes Diagramm Abb. 9: Deutschland: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm Abb. 10: Niederlande: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm Abb. 11: Venedig: Titelseite und nachfolgende Seite Eigenes Diagramm Abb. 12: Deutschland: Mikrotypographische Gestaltungsmittel Eigenes Diagramm Abb. 13: Niederlande: Mikrotypographische Gestaltungsmittel Eigenes Diagramm Abb. 14: Venedig: Mikrotypographische Gestaltungsmittel Eigenes Diagramm Abb. 15: Albertus Magnus: Liber aggregationis. [Köln: Heinrich Quentell, um 1485] München BSB, 4°Inc. s. a. 1310d/3 Abb. 16: Stephanus Fliscus: Sententiarum variationes. Straßburg: Johann Prüß 1487 München BSB, 4°Inc. c. a. 508 Abb. 17: Michael Scotus: Liber physiognomiae. [Venedig: Johannes Baptista Sessa, 1490] Mainz, Stadtbibliothek/Gutenberg Museum, Mainz, Inc. 177 Abb. 18: Herbarius latinus. Passau: [Johann Petri, 14]85. Erlangen UB, 4 Trew R 404
Anhang Abb. 19: Alexander de Villa Dei: Doctrinale. Deventer: Jacobus de Breda, 31. Dezember 1495 Lüneburg, Ratsbücherei, Inc. 1315 Abb. 20: David de Augusta. De exterioris et interioris nominis compositione. Zwolle: [Peter van Os, zwischen 7. September 1492 und 10. November 1500] Köln UStB, ADbl 103 Abb. 21: Deutschland: Graphischer Schmuck auf der Titelseite bis 1500 Eigenes Diagramm Abb. 22: Niederlande: Graphischer Schmuck auf der Titelseite Eigenes Diagramm Abb. 23: Venedig: Graphischer Schmuck auf der Titelseite Eigenes Diagramm Abb. 24: Drucke der Offizin Gerard Leeu Eigenes Diagramm Abb. 25: Van Marien rosencransken. Gouda: 9. März 1484. Köln, UStB, Adbl 127b Abb. 26: Historie van Seghelijn van Jerusalem. Delft: Jacob Jacobszoon van der Meer, [um 1484]. Gent UB, 15.8., Res. 1409 Abb. 27: Gemmula vocabulorum. Antwerpen: Gerard Leeu, 18. September 1484 Brüssel KglB, Inc. A. 1395 Abb. 28: Albertanus Brixiensis: Van die konste van spreken ende van swighen. Antwerpen: Gerard Leeu, zwischen 18. September 1484 und 1. März 1485 Den Haag KglB, 1084 C25 Abb. 29: Disticha Catonis. Antwerpen: Gerard Leeu, 2. Juni 1486 Köln UStB, GB IIc 257 Abb. 30: Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II). Gouda: [Drucker des Alexander, Opus Minus (Gotfrid van Os?)], 16. September 1488 Wittenberg, Bibliothek des Predigerseminars, NH B55,2 Abb. 31: Franciscus Mataratius: De componendis versibus hexametro et pentametro. [Deventer: Richard Paffraet, 1488] Münster UB, 9 an Inc. 516 Abb. 32: Hans Folz: Von Adam und Eva. Nürnberg: Hans Folz 1480 München BSB, Rar 183/3 Abb. 33: Hans Folz: Von den drei Weibern. [Nürnberg: Hans Folz, zwischen 1483 und 1488] Wolfenbüttel HAB, 117 Eth. (11)
99 Die bibliographischen Nachweise der Inkunabelausgaben werden in der Regel in der folgenden Reihung in den Fußnoten angegeben: ISTC, GW. Es folgen die maßgeblichen länder-, orts- und druckerspezifischen Quellenwerke, auch wenn hier Vollständigkeit nicht angestrebt wurde.
3 Abkürzungsverzeichnis Das folgende Abkürzungsverzeichnis gilt für alle drei Folgen. Weitere Abkürzungen, die nur für einzelne Fallstudien gelten, sind am jeweiligen Ort verzeichnet.
3.1 Bibliotheken und Archive Bamberg SB Staatsbibliothek Bamberg Berlin SBB-PK Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz Bonn ULB Universitäts- und Landesbibliothek Bonn Darmstadt ULB Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt Erlangen UB Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg Köln HAStK Historisches Archiv der Stadt Köln Köln UStB Universitäts- und Stadtbibliothek Köln London BL British Library, London München BSB Bayerische Staatsbibliothek München Nürnberg GNM Germanisches Nationalmuseum Nürnberg StaatsAN Staatsarchiv Nürnberg Wolfenbüttel HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
2 Zitierweise und Quellennachweise
3.2 Abgekürzt zitierte Literatur
Bei Zitaten aus Inkunabel- und Frühdrucken wurden die dort gebrauchten Abkürzungen und Sonderzeichen stillschweigend aufgelöst; ebenfalls wurde auf eine Kennzeichnung der Zeilentrennung verzichtet. Im Übrigen wird der Text getreu und ohne weitere Eingriffe wiedergegeben. Zitate aus Inkunabel- und Frühdrucken nach der Sekundärliteratur folgen, wie in den entsprechenden Anmerkungen angegeben, den Sekundärquellen.
3.2.1 Zeitschriften AdA Aus dem Antiquariat. Beilage zum Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1948–1970 Redaktion Bernhard Wendt. 1971–1996 Redaktion u. hrsg. v. Karl H. Pressler. – 1997ff. hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. –
100
Ursula Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit 2003ff.: Zeitschrift für Antiquare und Büchersammler. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1948–2002; MVB Marketing u. Verlagsservice des Buchhandels 2002, H. 10ff.
AGB Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. 1– 56 Hrsg. v. d. Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Frankfurt a. M.: BuchhändlerVereinigung 1958– 2001. Bd. 57 Frankfurt a. M.: MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels 2003. Bd. 58f. hrsg. i. A. der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels v. Monika Estermann, Ursula Rautenberg u. Reinhard Wittmann. München: Saur 2004f. Bd. 60f. hrsg. i. A. der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels v. Monika Estermann u. Ursula Rautenberg. München: Saur 2006f. GJ Gutenberg-Jahrbuch. Begr. u. hrsg. v. Aloys Ruppel. Mainz: Gutenberg-Gesellschaft 1926– 1969. 1970–1976 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Hans Widmann. 1977f. hrsg. v. d. Gutenberg-Gesellschaft. 1979–1993 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Hans-Joachim Koppitz. 1994 hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Stephan Füssel u. Hans-Joachim Koppitz. 1995f. Hrsg. i. A. der Gutenberg-Gesellschaft v. Stephan Füssel. Wiesbaden: Harrassowitz.
3.2.2 Bibliographien und Nachschlagewerke BMC Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum. Bd. 1–10. London: Trustees of the British Museum 1908–1971. Bd. 11, 13. MS ’t Goy Houten: Hes & de Graaf 2004, 2007. Bd. 12 London: British Library 1985. BSB-Ink Bayerische Staatsbibliothek. Inkunabelkatalog. 6 Bde. Wiesbaden: Reichert 1988–2005. Online: http://www.bsb-muenchen.de/Inkunabeln. 181.0. html. C Copinger, Walter Arthur: Supplement to Hain’s Repertorium bibliographicum or collections towards a new edition of that work. In two parts. The first containing nearly 7000 corrections of and additions to the collations of works described or mentioned by Hain. The second, a list with numerous collations and bibliographical particulars of nearly 6000 volumes printed in the fifteenth century, not referred to by Hain. Tl. 2 in 2 Bdn. London: Sotheran 1898–1902.
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4 Verzeichnis der Forschungsliteratur lenziani, Enrico Cerulli e Paolo Veneziani. Bd. 6 compilato da Enrichetta Valenziani e Enrico Cerulli. Roma: Libreria dello Stato 1943–1981. (Indici e cataloghi. Nuova serie 1). ISTC The Illustrated ISTC on CD-ROM. 2nd edition. Reading: Primary Source Media 1998. Online: URL: http://www.bl.uk/catalogues/istc/ LGB1 Lexikon des gesamten Buchwesens. Hrsg. v. Karl Löffler u. Joachim Kirchner. 3 Bde. Leipzig: Karl W. Hiersemann 1935–1937. LGB2 Lexikon des gesamten Buchwesens. Hrsg. v. Severin Corsten u. a. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Bd. 1ff. Stuttgart: Anton Hiersemann 1987ff. [Bisher erschienen bis Bd. 6 u. ein Registerband]. R Reichling, Dietrich: Appendices ad Hainii-Copingeri repertorium bibliographicum. Additiones et emendationes. 6 Fasc. u. Index. München: Rosenthal 1905–1911. Supplement. Münster: Theissen 1914. Schramm Schramm, Albert: Der Bilderschmuck der Frühdrucke. Bd. 1–20. Fortgeführt von der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Bd. 21f. hrsg. v. Maria Möller u. Wieland Schmidt, Bd. 23 hrsg. v. Maria Möller. Leipzig: Hiersemann 1920–1943. VD 16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts. VD 16. Hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verb. mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und Irmgard Bezzel. Bd. 1–25. Stuttgart: Hiersemann 1983– 2000. – Online-Ausgabe mit Nachträgen: Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD 16). Hrsg. von der Bayerische Staatsbibliothek München. München 2004. URL: http://www. vd16.de. VL2 Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet v. Wolfgang Stammler, fortgeführt v. Karl Langosch. Bd. 1–8 hrsg. v. Kurt Ruh, Bd. 9ff. hrsg. v. Burghart Wachinger u. a. 2., völlig neu bearb. Aufl. 12 Bde. Berlin/New York: de Gruyter 1978–2006. (Veröffentlichungen der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften). [Bisher erschienen bis Bd. 12, Bd. 13 u. 14 in Vorbereitung]
101
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106
JOHANNA CHRISTINE GUMMLICH-WAGNER
Das Titelblatt in Köln: Uni- und multivalente Titelholzschnitte aus der rheinischen Metropole des Inkunabeldrucks Inhalt 1 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 4
Einleitung ................................................ 106 Statistischer Überblick ............................ 107 Die Gestaltung des Bucheingangs in Köln 108 Die Entwicklung des Titelblatts im zeitlichen Verlauf ..................................... 109 Die Drucke ohne Titelblatt ...................... 109 Einführung und Durchsetzung des Titelblatts ................................................. 111 Das Titelblatt in der Produktion der einzelnen Druckerverleger ...................... 116 Zur Typologie des Titelblatts .................. 120 Informationsgehalt .................................. 121 Layout ...................................................... 123 Titelblatt und Titelbogen ......................... 124 Titelblatt und Folgeseiten ........................ 124 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte ...................................... 124 Textbezogene Titelillustrationen aus der Offizin der Koelhoffs .............................. 127 Die Aesop-Ausgabe Johann Koelhoffs d. Ä. ......................................... 128 Der Magisterszenen-Holzschnitt der Koelhoffs ................................................. 128 Der Doernenkrantz van Collen: Mnemotechnische Elemente auf der Titelseite .................................................. 130 Zielgruppenorientierte Titelillustration aus der Offizin des Heinrich Quentell: Magisterszenen auf Drucken für die Schullektüre ............................................. 136 Der Accipies-Holzschnitt (1490–1495) .. 136 Die erste multivalente Magisterszene (1494–1500) ............................................ 139 Der Thomas von Aquin-Holzschnitt (1496 und 1497) ...................................... 139 Die zweite multivalente Magisterszene (1499–1500) ............................................ 142 Die dritte multivalente Magisterszene (1500–1508) ............................................ 144 Schluss: Kölner Strategien der Titelillustration in der Inkunabelzeit .............. 144
Anhang ................................................................. 147 1 Abbildungsverzeichnis ............................ 147 2 Literaturverzeichnis .................................. 147 Register ................................................................. 150
1 Einleitung In der Inkunabelzeit war Köln die führende Druckerstadt im deutschsprachigen Raum. Der Kölner Erstdrucker Ulrich Zell nahm dort 1464/65 (bis 1500) als vierter Drucker überhaupt nach den Mainzer (um 1452–1454), Straßburger (nicht nach 1460) und Bamberger Erstdruckern (nicht nach 1461) seine Tätigkeit auf.1 Nach einer Anlaufphase in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre stieg die Kölner Inkunabelproduktion auf ein kontinuierlich hohes Niveau mit nur leichten Rückgängen zu Beginn der 1480er und 1490er Jahre. Im internationalen Vergleich stand Köln hinsichtlich der Gesamtproduktion an fünfter Stelle nach Venedig, Paris, Rom und Lyon.2 Der stark wissenschaftlich-theologische Inhalt der Inkunabeldrucke weist Köln als deutlich scholastisch geprägt aus. Nahezu alle Drucke waren lateinischsprachig, weitaus mehr als die Hälfte befasste sich mit theologischen Fragen und von diesen waren wiederum mehr als die Hälfte Traktate albertinischer oder thomistischer Richtung. Hieraus sind die engen Zusammenhänge zwischen der thomistisch orientierten Kölner Universität und der Entwicklung des Kölner Buchdrucks unschwer ablesbar. Die Kölner Universitätsprofessoren nutzten die Technik des Buchdrucks allerdings erst relativ spät zur Verbreitung ihrer eigenen Schriften: Seit den achtziger Jahren ließen auch Professoren der Kölner Universität ihre Vorlesungen und sonstigen Hervorbringungen bei Koelhoff und Quentel drucken. In den einschlägigen Bibliographien stoßen wir vor allem auf die Namen von Gerhard van Harderwijk, Lambertus de Monte und Johannes Versor. Aber das waren doch nur erste Anfän——————— 1 Vgl. Schmitz: Überlieferung, S. 311–315. 2 Vgl. Schmitz, S. 9.
2 Statistischer Überblick ge. Man hat errechnet, dass von den 240 Professoren, die während der Jahre 1465 bis 1500 in Köln bei den ›Artisten‹ und Theologen gelehrt haben, nur zwölf als Autoren oder Herausgeber bei kölnischen Verlagen hervorgetreten sind. Von den 80 Juristen haben drei je eine Schrift, ein vierter zwei Schriften zum Druck gebracht. Die 31 Professoren der Medizin blieben noch sämtlich ungedruckt.3 Dennoch erlaubte der Kölner Buchmarkt dem Kölner Druckerverleger Heinrich Quentell (1478–1501) eine Spezialisierung zunächst auf Handbücher für die pastorale Praxis und schließlich auf Lehr- und Handbücher für Schul- und Universitätszwecke.
Forschungsstand Wie aber wurde die Bedeutung dieser Metropole des Buchdrucks für die Entstehung und Entwicklung des Titelblatts bisher bewertet und welches Bild kann anhand flächendeckender statistischer Untersuchungen ermittelt werden? Die frühere Forschung hat sich zu den Kölner Inkunabel-Titelblättern eher zurückhaltend geäußert. Noch im Ausstellungskatalog 500 Jahre Buchtradition in Köln. Von der Koelhoff’schen Chronik bis zu den Neuen Medien von 1999 formulierte Wolfgang Schmitz vorsichtig, dass sich in Köln »ein Titelblatt in heutigem Sinne« mit dem beginnenden 16. Jahrhundert entwickelt habe.4 Die gleiche Meinung hatte auch schon Severin Corsten vertreten.5 Zwar wurde in Überblickswerken zum Inkunabeldruck allgemein der Sonderfall der ausgesprochen frühen Titelblätter des Arnold ter Hoernen (1470– 1494) regelmäßig erwähnt,6 die Gesamtsituation der Kölner Titelblattentwicklung im 15. Jahrhundert war jedoch noch nicht Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung und wurde, wie die Bedeutung der Titelblätter im deutschsprachigen Raum überhaupt, bis zur Untersuchung Margaret M. Smiths unterschätzt.7 Einem weiteren Sonderfall unter den Kölner Titelblättern, den illustrierten Titelblättern Johann Koelhoffs d. J. (1492–1502) von 1498/99 und ihrer unmittelbaren Weiterverwendung im 16. Jahrhundert widmete sich Ursula Rautenberg in einem Kapitel ihrer Habilitationsschrift Überlieferung und Druck. Heiligenlegenden aus frühen Kölner Offizinen (Tübingen 1990). Eine für die Kölner Inkunabel-Titelblätter sehr bedeutsame Gruppe illustrierter Titelblätter stellten Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz in ihrem bereits 1908 erschienenen Buch Die deutschen ——————— 3 Corsten: Blütezeit, S. 140. 4 Schmitz: Buchtradition, S. 19. 5 So u. a. Corsten: Blütezeit, S. 130–149, insbes. S. 143. 6 Vgl. Smith: The title-page, S. 41f. sowie die Ausführungen in: Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 2.2. 7 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVII/8.
107 »Accipies« und Magister cum discipulis Holzschnitte zusammen.8 Die Titelgraphiken des Kölner Malers und Holzschneiders Anton Woensam von Worms (vor 1500 bis um 1541), dessen vor allem im Auftrag der Kölner Druckerverleger entstandene zahlreiche graphische Arbeiten die Kölner Buchillustration ab etwa 1517/18 ein halbes Jahrhundert lang maßgeblich bestimmten, wurden im Rahmen der kunsthistorischen Forschungen zu diesem Künstler berücksichtigt, jedoch noch nicht auf ihre titelblatt-spezifischen Eigenschaften befragt.9 In der Dissertation Kölner Druckgraphik der Gegenreformation von Bernadette Schöller (Köln 1992) wiederum spielen das Titelblatt und seine Illustration kaum eine Rolle. Allerdings bieten sich ihre Überlegungen zu Gestaltungs- und Funktionsweisen gegenreformatorischer Druckgraphik zum Vergleich mit den vorreformatorischen illustrierten Titelblättern an. Mit der Kölner Titelgraphik der Jahre 1570 –1700 befasste sich sodann Annette Frese in ihrer Dissertation Barocke Titelgraphik am Beispiel der Verlagsstadt Köln (1570–1700). Funktion, Sujet, Typologie (Köln/Wien 1989). Für die vorliegende Fallstudie zur Entstehung und Entwicklung des Titelblatts der Inkunabelzeit in Köln konnte demnach auf erste Ansätze und Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Von dieser Ausgangsbasis aus ließ sich die statistische Aufarbeitung der gesamten Kölner Inkunabeln konzipieren und unter besonderer Berücksichtigung der sich rasch abzeichnenden charakteristischen Eigenheit der Kölner Inkunabeltitelblätter, der illustrierten Titelblätter für Schul- und Universitätsdrucke, aufarbeiten. Nach der Behandlung der Fragen, die im Rahmen des Erlanger Forschungsprojektes an alle Druckerstädte in gleicher Weise heranzutragen waren, wie nach dem Anteil der TitelblattDrucke insgesamt, ihrer zeitlichen Ansetzung, ihren Vorläufern oder Alternativen, der Bedeutung der Sprache für das Titelblatt, den Normierungstendenzen, der Beteiligung bestimmter Druckerverleger etc. folgt die Untersuchung der in Köln prominent vertretenen illustrierten Titelblätter hinsichtlich ihrer uni- oder multivalenten Funktionsweise.
2 Statistischer Überblick Aus Kölner Offizinen gingen etwa 1.400 gedruckte Inkunabelbände hervor. Der mit 4 % verhältnismäßig geringe Anteil an Einblattdrucken – der Incunabula Short-Title Catalogue (ISTC) verzeichnet nur 57 Einblattdrucke – ist nicht in dieser Zahl enthalten und wird in sämtlichen nachfolgenden Diagrammen nicht mehr berücksichtigt. Ernst Voulliéme führte 1903 insgesamt ——————— 8 Schreiber/Heitz: Accipies. 9 Vgl. Kisky: Woensam, S. 165–168 mit Hinweisen auf weitere Publikationen.
108
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
1.273 bibliographische Einheiten auf,10 der ISTC in seiner zweiten Auflage (1998) insgesamt 1.448 mit bzw. 1.395 Drucke ohne die Einblattdrucke.11 Der Fallstudie zu den Kölner Inkunabel-Titelblättern liegt ein so weit wie möglich vollständiges Inkunabelcorpus in digitaler Form zugrunde, das im weiteren Verlauf als statistische Grundgesamtheit angenommen wird. Zum Aufbau der bibliographischen Basis des Corpus wurden der ISTC, die publizierten Bände und die unpublizierten Karteikarten des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke (GW) sowie Ernst Voulliémes Inkunabelbibliographie Der Buchdruck Kölns bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts (1903) herangezogen. Zusätzlich wurde gelegentlich auf die Niederdeutsche Bibliographie von Conrad Borchling und Bruno Claussen12 sowie auf den entsprechenden Inkunabelband des British Museum Catalogue13 zurückgegriffen. Alle weiteren Informationen beruhen auf autoptischen Beobachtungen an Inkunabeln der Universitätsbibliotheken in Erlangen, München, Köln und Bonn, der Staatsbibliotheken in München und Bamberg sowie den in der zweiten Auflage des ISTC vorgehaltenen Abbildungen. Für die statistische Auswertung wurden bei mehrbändigen Werken die Bände einzeln gezählt, da hinsichtlich der Titelblätter Mischformen auftreten: Einige Werke weisen nicht durchgehend bei allen Bänden jeweils ein Titelblatt oder gemischt typographische und rein typographische Titelblätter mit Holzschnitt-Illustration auf. Auf diesem Weg kam der bereits genannte Datenbestand von etwa 1.400 Inkunabelbänden zustande. Zusätzlich zu den bibliographischen Erfassungskriterien wie Autor, Titel, Erscheinungsort und -jahr14 sowie Drucker, bibliographischer und Exemplarnachweis wurden Sprache, Umfang, Format, das Erscheinungsbild des ersten Blatts der ersten Lage, die Ikonographie illustrierter Titelseiten sowie die Titelblatt——————— 10 Zu den in dieser Studie zugrunde gelegten elektronischen Katalogen vgl. Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 1.2; Voulliéme: Buchdruck. 11 Die Angaben variieren vor allem aufgrund unterschiedlicher Lokalisierungen und Datierungen unfirmierter Drucke. Die Angaben des ISTC umfassen auch sämtliche Drucke mit Mehrfachzuschreibungen. Außerdem sind die Angaben des ISTC von den Angaben bzw. den Beständen der beitragenden Bibliotheken abhängig. 12 Borchling/Claussen: Niederdeutsche Bibliographie. 13 BMC, Bd. I. 14 Die Datierungen folgen weitgehend dem ISTC. Bei relativen Datierungen in einen Zeitraum wurde ein Mittelwert gewählt. Da relative Datierungen in der Forschung häufig auf Jahrzehntwechsel gelegt werden, weisen die Statistiken für die Jahre 1470, 1480, 1490 und 1500 auffällig höhere Werte auf, bei deren Bewertung die positivistischen Eigenschaften einer Datentabelle gedanklich miteinbezogen bzw. gedanklich korrigiert werden müssen. Eine der statistischen Vorgehensweise angepasste Einzelbewertung der Inkunabeln ist nicht möglich. Aufgrund hieraus resultierender Datierungsunschärfen konnte die Auswertung nicht feinteiliger als in Jahrfünften vorgenommen werden.
Typologie15 – Informationsgehalt, Layout, Titelblatt und Titelbogen, Titelblatt und Folgeseite – annähernd vollständig erfasst und einer statistischen Auswertung zugänglich gemacht. Dieser Informationspool bildet mit nur 3 % ungeklärten und 1 % wegen Verlust des Buchanfangs bei den bibliographisch nachweisbaren erhaltenen Exemplaren nicht mehr klärbaren Fällen eine sichere Grundlage zur Beantwortung der für die Entstehung und Entwicklung der Inkunabeltitelblätter relevanten Fragestellungen.
2.1 Die Gestaltung des Bucheingangs in Köln Die Kölner Inkunabeldrucker kannten verschiedene Formen des Buchanfangs. Die eigentliche Entwicklung setzte in Köln nach den prädispositiven Titelblättern in den Jahren 1470, 1473 und 1482 Mitte der 1480er Jahre ein. Die statistische Auswertung der Daten zu den Kölner Inkunabeln erlaubt eine Unterteilung der Buchanfänge der Kölner Inkunabeln in drei Hauptgruppen: – Drucke mit unterschiedlich geartetem Text auf der ersten Recto-Seite des Buchblocks mit einem Anteil von 26 % , – Drucke mit einem Leerblatt (20 %) oder einer Leerseite (3 %) am Buchbeginn mit einem Anteil von 23 % und schließlich – die mit 47 % stärkste Gruppe der TitelseitenDrucke, die in rein typographische (29 %) und typographische Titelseiten mit graphischen Elementen (18 %) unterteilt werden kann. Das einzige xylographische Titelblatt und der als xylographisches Titelblatt eingesetzte Texteinleitungsholzschnitt zum Aesop-Druck von Johann Koelhoff d. J. stellen statistisch unerhebliche Größen dar (0,1 %). Für die drei Hauptgruppen konnten drei chronologisch aufeinander folgende Entwicklungsphasen bestimmt werden. Die erste begann 1465 und reicht bis 1474. Ein knappes Jahrzehnt lang (1475–1483) dominierte die zweite Gruppe. Ab 1484 überwog die dritte. Die graphische Umsetzung der Daten in Abbildung 1 veranschaulicht die Ergebnisse der Gesamtverteilung in prozentualen Anteilen für den gesamten Zeitraum der Inkunabelzeit. Die Einblattdrucke spielen in dieser Graphik keine Rolle. Von Titelblättern ist im Folgenden nur noch dann die Rede, wenn ausgedrückt werden soll, dass auf die Titelseite eine Leerseite als klare Trennung vor der ersten Textseite folgt.16 Ab 1484 beschäftigten sich die Kölner Druckerverleger systematisch mit der Titelseite bzw. dem Titelblatt als paratextuellem Bestandteil des ——————— 15 Vgl. Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, S. 20. 16 Smith: The title-page, stellt Überlegungen zu Leerblatt und Leerseite am Buchbeginn an. Ihren Überlegungen zu folgen und entsprechend Titelblatt und Titelseite zu unterscheiden, erweist sich für die Kölner Inkunabeln als sehr aufschlussreich.
2 Statistischer Überblick Buchs. Anders als in Straßburg mit bereits knapp 40 % Titelblatt-Drucken zwischen 1480 und 1490, dem ersten Jahrzehnt der Einführung von Titelblättern überhaupt, wurden in Köln bis 1490 nur ein Viertel der gedruckten Bücher mit einer Titelseite versehen. In der zweiten Hälfte der 1480er Jahre setzten sich Titelseite und Titelblatt jedoch auch in Köln rasch durch. Von besonderem Interesse für die Kölner Inkunabel-Titelseite sind die Grundformen der illustrierten Titelseite in den 1490er Jahren. Die Wechselbeziehung zwischen Text und Bild führt in verschiedenen Offizinen zu unterschiedlichen Lösungen, die im Rahmen der Fallstudie näher vorgestellt werden. Die Sprachauswahl hatte – anders als in anderen Druckorten wie z. B. Nürnberg – bei den Kölner Inkunabeln keine Auswirkungen auf die Entstehung und Entwicklung der Titelseite. Die Kölner Drucker verlegten fast ausschließlich lateinische Texte (93 %). Die ermittelte Zahl von 7 % deutschen Drucken liegt etwas höher als bisher angenommen, obwohl zur genauen Erfassung mehrbändiger, ausschließlich lateinischer, Werke mit und ohne Titelseite die Bände einzeln gezählt wurden.17 Allgemein wird mit höheren Verlusten bei der volkssprachlichen als bei der lateinischen Literatur gerechnet, so dass diese Zahl noch etwas nach oben hin zu korrigieren wäre.18 Der chronologische Verlauf der Anteile lateinischer und deutscher Drucke weicht während der gesamten Inkunabelzeit nur um wenige Prozent von den Durchschnittswerten ab. Die Anteile lateinischer und deutscher Drucke mit Titelseite entsprechen dem Verhältnis lateinischer und deutscher Drucke insgesamt. Auf die Kölner Inkunabeln trifft nicht zu, dass die Titelseite tendenziell häufiger oder früher bei volkssprachlichen Texten verwendet wurde. Die Sprachauswahl steht vielmehr in Zusammenhang damit, dass die Kölner Druckerverleger ihr Produktionsprofil den Bedürfnissen ihrer wichtigsten Zielgruppen und Abnehmer anpassten. Drei Viertel der Drucke aus dem Zeitraum vor der Einführung der Titelseite Mitte der 1480er Jahre dienten im weiteren Sinne kirchlichen oder religiösen Zwecken. Seitdem sich jedoch die Titelseite durchsetzte, trat den Titelseiten-Drucken dieser Literatursparte ein hoher Anteil von Werken für den Schul- und den universitären Lehrbetrieb zur Seite. Die Kölner Druckerverleger – in erster Linie Heinrich Quentell – versahen ihre Werke offensichtlich mit Rücksichtnahme auf die beiden Hauptzielgruppen mit zwei verschiedenen Formen von Titelseiten. Rein typographische Titelseiten wurden vorwiegend theologischen Werken vorangestellt. Mit Holzschnitten wurden hingegen hauptsächlich Titelseiten von Schul- und Lehrwerken illustriert. ——————— 17 Zuletzt Schmitz: Überlieferung, S. 10, unter Berufung auf Voulliéme: Buchdruck, S. LXXX. 18 So auch Schmitz, S. 10.
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2.2 Die Entwicklung des Titelblatts im zeitlichen Verlauf 2.2.1 Die Drucke ohne Titelblatt Im ersten Jahrzehnt typographischer Buchproduktion (1465–1474) bestimmen Bücher, deren erstes Blatt mit unterschiedlich geartetem Text bedruckt ist, den Markt (Abb. 2). In der Gesamtverteilung der Buchanfänge in Köln bis 1500 nehmen sie jedoch nur 27 % ein. Die wichtigsten Produzenten von Drucken mit Textbeginn auf Blatt 1r sind insbesondere Kölns Erstdrucker Ulrich Zell und der Drucker der ersten Kölner Titelseite, Arnold ter Hoernen. Aber auch Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493), Johann Guldenschaff (1476–1494) und Nikolaus Götz (spätestens 1474–1478) nutzen diese Bucheröffnung im Vergleich zu anderen Kölner Druckerverlegern noch relativ häufig. Bei etwas mehr als der Hälfte der Werke ohne Titelseite mit bedruckter erster Seite wird der eigentliche Text durch eine Incipit-Formulierung eingeleitet. Die andere Hälfte teilt sich zu annähernd gleichen Teilen auf in Drucke mit einem Kopftitel vor dem Textbeginn, mit einer Tabula auf der ersten Seite oder mit einem reinen Textbeginn. Während IncipitFormulierung, Kopftitel und Tabula am Buchanfang schwerpunktmäßig in den siebziger Jahren auftreten, tauchen bis zum Ende der 1490er Jahre immer wieder vereinzelte Drucke mit allein stehendem Textbeginn (bzw. eines Kalendariums oder anderer Tabellen mit komputistischen Angaben) auf der ersten Seite als Randphänomen auf. Dieses Phänomen konnte zwar nicht als Eigenart einzelner Drucker bestimmt werden, scheint jedoch zumindest im letzten Jahrzehnt ähnlich wie z. B. in Augsburg19 textsortenspezifisch begründet zu sein. Lehr- und Handbücher für Schul- und Universitätszwecke wurden in diesem Zeitraum bis auf eine möglicherweise schlichtweg früher zu datierende Ausnahme20 grundsätzlich mit einer Titelseite versehen. Die knapp 20 Drucke ohne Titelseite aus dem Jahrzehnt von 1491 bis 1500 gehören mehrheitlich zu den liturgischen Büchern. Der im weiteren Verlauf der Arbeit behandelte Druckerverleger Heinrich Quentell verzichtete in den 1490er Jahren nur noch in Ausnahmefällen auf die zu diesem Zeitpunkt längst etablierte Titelseite. Bezeichnenderweise handelt es sich dabei um zwei liturgische Bücher.21 Aus der Offizin der Koelhoffs gingen im gleichen Zeitraum keine Drucke ohne Titelseite mehr hervor. ——————— 19 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 20 Vocabularius: Curia palatium. [Köln: Ulrich Zell um 1495 oder nach 1477] (ISTC iv00327400). 21 Missale Coloniense. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1494 (ISTC im00653800, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 803); Missale Treverense. Köln: Heinrich Quentell, 1. Juni 1498 (ISTC im00729560, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 810).
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Buchbeginn mit Leerseite/ -seiten: 3 %
ungeklärt/Verlust: 4%
Titelblatt ohne graphische Zierelemente: 28 % Buchbeginn mit Leerblatt/ -blättern: 20 %
Titelblatt mit graphischen Zierelementen: 18 %
1r bedruckt mit: Buchbeginn 27 % xylographisch: 0%
Abb. 1: Gesamtverteilung der Buchanfänge in Köln bis 1500
250
200
150
100
50
0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
Bucheingang mit 1r bedruckt
Bucheingang mit Leerblatt/-blättern
Drucke mit Titelblatt
ungeklärt/Verlust
1491–1495
1496–1500
Bucheingang mit Leerseite/-seiten
Abb. 2: Buchanfänge in Köln bis 1500 in chronologischem Verlauf nach Anzahl der Drucke
2 Statistischer Überblick Von etwa 1475 bis 1483 stellen Drucke mit einem Leerblatt am Beginn der ersten Lage den größten Anteil. Diese Form des Buchanfangs ist in Köln schon kurz nach dem Einsetzen des Buchdrucks nachweisbar (1467). Sie überwog seit Mitte der 1470er Jahre die bedruckte erste Buchseite und fand das letzte Mal im Jahr 1490 Verwendung. Der Anteil der Drucke mit einem Leerblatt am Beginn der ersten Lage ist mit 20 % wesentlich höher als die Eröffnung des Buchs mit einer Leerseite am Buchbeginn, deren Verso-Seite bereits bedruckt ist (3 %). Die Bucheröffnung mit einem Leerblatt wählte in Köln am häufigsten Johann Koelhoff d. Ä. (60 Drucke). Ulrich Zell setzte sie 1467 vermutlich als erster ein (insgesamt 38 Drucke mit Leerblatt während seiner gesamten Tätigkeit). Auch Arnold ter Hoernen (34), Conrad Winters de Homborch (1475–1482) (39) und Bartholomäus von Unkel (1475–1484) (24) organisierten immer wieder ihre Drucke mit einem Leerblatt am Buchbeginn. Dieser Befund widerlegt die Meinung, dass der Brauch, ein Leerblatt am Anfang des Druckes unbedruckt zu lassen, Mitte der 1480er Jahre in Straßburg aufgekommen sei.22 Leerblatt und Leerseite am Buchbeginn spielten dort auch nicht im gleichen Maß eine intermediäre Rolle zwischen den frühen Inkunabeldrucken mit Textbeginn auf Blatt 1r und den Titelblatt-Drucken ab Mitte der 1480er Jahre. Das Phänomen der Leerseite am Buchbeginn ist unter den Kölner Inkunabeln die Ausnahme. Es ist hauptsächlich bei Drucken von Ulrich Zell und Conrad Winters de Homborch, aber neben Einzelfällen bei diversen anderen Druckerverlegern auch noch bei Johann Koelhoff d. Ä. und Arnold ter Hoernen zu beobachten. Möglicherweise ist es dennoch eine Vorform der in Köln relativ häufig vorkommenden Titelseiten mit bedruckter Verso-Seite. Auf ein Leerblatt am Buchbeginn folgt in gut drei Vierteln aller Fälle auf Blatt 2r ein unterschiedlich gearteter Textbeginn, bei den restlichen ist zwischen Leerblatt und Text eine Tabula eingeschoben. Wurde lediglich eine Leerseite an den Anfang des Buchs gestellt, so folgt bei gut der Hälfte dieser Drucke eine Tabula und in nur gut einem Drittel der Fälle unmittelbar der Textbeginn auf Blatt 1v. Eine seltene Ausnahmeerscheinung unter den Kölner Inkunabeln stellen die vier Drucke aus den frühen 1480er Jahren mit einer Leerseite am Buchbeginn und einem Holzschnitt auf Blatt 1v sowie dem Textbeginn auf Blatt 2r dar.23 Dies ——————— 22 Vgl. Corsten: Die Erfindung, S. 192. 23 Johannes Herolt: Sermones super epistolas dominicales. [Köln: Heinrich Quentell, um 1480] (ISTC ih00127000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 562); Thomas von Aquin: Super secundo libro Sententiarum. Köln: Heinrich Quentell, 8. September 1481 (ISTC it00163000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1150, Schramm, Bd. 8, S. 20); Petrus de Harentals: Collectarius super librum Psalmorum. [Köln]: Johann Guldenschaff, 1. März 1483 (ISTC ip00472000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 919, Schramm, Bd. 8, S. 19); Seelentrost, ndt. Köln: Ludwig von Renchen, 1484 (ISTC is00359200, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1065).
111 entspricht der Vernachlässigung der Möglichkeit, bei Drucken mit Titelseite auf Blatt 1v einen Holzschnitt zu platzieren (3 % der Titelseiten-Drucke). Unverkennbar ist, dass bei den Kölner Inkunabeln der mit einem Leerblatt oder seltener – mit einer Leerseite – beginnende Buchblock als vermittelnde Entwicklungsstufe und Standardlösung des Buchaufbaus zwischen die Drucke ohne und mit Titelseite bzw. Titelblatt einzuordnen ist.
2.2.2 Einführung und Durchsetzung des Titelblatts Die letzte und größte Gruppe bilden mit einem Anteil von 47 % aller Kölner Inkunabeln die Drucke mit Titelseite. Eine erstaunliche Diskrepanz besteht zwischen der ersten und der regelmäßigen Verwendung von Titelseiten durch die Kölner Druckerverleger. Nach den Türkenbullen von 1463 (Mainz: Johann Fust und Peter Schöffer) weisen die beiden Ausgaben von Werner Rolevincks Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis von 1470 aus der Offizin des Kölner Druckerverlegers Arnold ter Hoernen die dritte bzw. vierte bekannte Titelseite der Inkunabelzeit überhaupt auf (vgl. Abb. 3 u. 4). Arnold ter Hoernen druckte seine schmucklosen Titelseiten in der Texttype. Mit einem neunzeiligen Titel in Blocksatz informierte er ausführlich über den Werktitel, die Zielgruppe, die Herstellung im Druckverfahren und das Druckdatum: Sermo ad populum predicabilis. In festo presentationis. Beatissime marie semper virginis nouiter cum magna diligentia. ad communem vsum multorum sacerdotum presertim curatorum collectus. Et idcirco per impressionem multiplicatus. Sub hoc currente Anno domini M°.cccc°.lxx°. Cuiusquidem colleccionis atque eciam multiplicacionis eius non paruipendenda racio si placet. videri poteret. In huius folij latere sequenti24 Das schlichte Erscheinungsbild des Titels gleicht einem Textabschnitt. Titel- und Textsatz unterscheiden sich nicht. Besonders bemerkenswert ist allerdings Arnold ter Hoernens Nennung auf der VersoSeite des Titelblatts, die bereits eine eindeutige Werbefunktion aufweist und einen Kolophon am Ende des Bandes überflüssig machte. Der an dieser Stelle noch so ungewöhnliche Wortlaut dieses Druckerlobs ließ Rudolf Hirsch vermuten, dass der Autor des Buchs, der Kölner Kartäuser Werner Rolevinck (1425–1502), und noch nicht, wie in typischen späteren Fällen des Selbstlobs und der Selbstanzeige, der Druckerverleger Arnold ter Hoernen selbst, ihr eigentlicher Urheber gewesen sein könnte.25 ——————— 24 S. unten Liste 1, zitiert nach: Köln, UStB: ADbl3, Bl. 1r. 25 Vgl. Hirsch: The earliest development, S. XVII/3.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Abb. 3: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470, Bl. 1r
2 Statistischer Überblick
Abb. 4: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470, Bl. 1v
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
[...] Et quia nulla alia via cicius & facilius potuit plurimis personis communicari. procuraui solicite. eundem per artem impressoriam librorum ad. magnam numerositatem multiplicari in ciuitate coloniensi. per discretum virum Arnoldum terhoernen qui habitat infra sedenci domus prope conuentum fratrem predicatorum.26 Noch vor der nächsten häufig in der Forschungsliteratur angeführten Titelseite auf dem Calendarium des Johannes Regiomontanus, 1476 gedruckt von dem in Venedig tätigen Augsburger Druckerverleger Erhard Ratdolt, erschien in Köln eine Ausgabe der Flores ex libris de civitate dei Augustini des Franciscus de Mayronis mit Titelseite, gedruckt um 1473 von dem Drucker der Flores S. Augustini (Johann Schilling; tätig um 1473). Diese folgt im Layout mit zehnzeiligem Blocksatz in Texttype offensichtlich denen Arnold ter Hoernens und bietet neben dem Werktitel, dem Namen des Autors sowie lobender Worte zu Autor und Werk auch einen knappen Hinweis auf den Herstellungsprozess auf Blatt 1r: Quidquid nota dignum ex omnibus beati augustini de ciuitate dei elegantissimis libris colligi potest id omne diuini iuris interprete probatissimo francisco de mayronis autore per veritates suis cum declarationibus ingeniosissime extractum hoc emendatissimo volumine impressum scire ne pigeat. In cuius etiam fine de animarum commemoracione ac missa pro defunctis celebranda cum ea res maximo commodo mortalibus carnisque universe viam ingressis esse soleat tractatulum spetialem pluribus sanctorum summaque scientia preditorum corroboratum autoritatibus non incongrue quod et fecimus apponi posse visum est.27 Blatt 1v trennt als Leerseite die Titelseite von dem Text, der auf Blatt 2r mit einer Incipit-Formulierung beginnt: »Incipiunt flores beati augustini extracti per veritates ex libris de ciuitate dei per magistrum franciscum de mayronis de ordine fratrum minorum [...]«. Die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin besitzt ein vollständiges Exemplar dieses Druckes, dessen Titelseite Paul Needham 1986 in einem Einzelblatt der Bayerischen Staatsbibliothek München erkannte (Abb. 5).28
———————
26 S. unten Liste 1, zitiert nach: Köln, UStB: ADbl3, Bl. 1v, Zeile 18–23. – Es folgen weitere lobende Ausführungen über die qualitätsvolle Arbeit Arnold ter Hoernens. 27 S. unten zitiert nach: Berlin, SBB-PK: 4° Inc 829,3, Bl. 1r. 28 Berlin, SBB-PK: 4° Inc 829,3; München BSB: 2° Inc.s.a. 126 + Bl. 1 unter Einbl. VIII,2m (BSB-Ink F-242); ISTC im00087000, unpublizierter GW 22439, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 184. Vgl. Needham: Caxton, S. 121–123. – Ich danke Frau Cathrin Fehrmann, GW Staatsbibliothek PK Berlin, für die freundliche Unterstützung bei der Identifizierung des Berliner Exemplars.
Abb. 5: Typographische Titelseite: Franciscus de Mayronis: Flores Sancti Augustini ex libris De civitate dei extracti. De commemoratione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473 Diese frühen Titelseiten bleiben sowohl für Köln als für auch andere Druckerstädte Ausnahmeerscheinungen. Ihr Status ist als prädispositiv zu bezeichnen.29 Auch im Rahmen der vorliegenden Fallstudie kann noch keine Erklärung für die Zeitdifferenz zwischen diesen frühen und hinsichtlich des Informationsgehalts recht hoch entwickelten Titelseiten und der späteren Entwicklung beziehungsweise für das Auftreten von Titelseiten überhaupt oder speziell in Köln geboten werden.30 Liste 1: Die ersten Kölner Titelblätter Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470.31 Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. [Köln: Arnold ter Hoernen], 1470.32 Franciscus de Mayronis: Flores Sancti Augustini ex libris De civitate dei extracti. De commemora——————— 29 Vgl. zu den frühesten Titelblättern Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 2.2. 30 Zuletzt: Smith: The title-page. 31 ISTC ir00303000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1048. 32 ISTC ir00304000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1049.
2 Statistischer Überblick tione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473].33 Henricus de Piro: Super Institutiones. [Köln: Conrad Winters de Homborch, um 1482].34 Vereinzelt bleibt auch ein um 1482 datiertes Kölner Titelblatt des Druckerverlegers Conrad Winters de Homborch. Erst im Jahr 1484 fangen Kölner Druckerverleger an, sich mit den Möglichkeiten der Titelseite als paratextuellem Element systematischer zu beschäftigen. In diesem Jahr erscheinen zunächst sieben Titelseiten-Drucke bei den fünf Druckerverlegern Johann Koelhoff d. Ä., Ulrich Zell, Johann Guldenschaff, Heinrich Quentell und Ludwig von Renchen (1479–1500). Aber bereits ein Jahr später überwiegen die Titelseiten-Drucke alle anderen Formen der Bucheröffnung. Die konjunkturellen Schwankungen in der Inkunabelproduktion sind für die Verteilung in Drucke mit Titelseiten und titelseitenlose Drucke ohne greifbare Auswirkung. Erstaunlicherweise hat auch die Verteilung auf wesentlich mehr Drucke mit Leerblatt als mit Leerseite am Buchbeginn keine statistisch messbaren Konsequenzen für die auf die Titelseite folgenden Seiten. Etwas mehr als die Hälfte der Kölner Inkunabeln mit einem gedruckten Titel weisen ein selbständiges, allein dem Titel vorbehaltenes Blatt auf. Aber bei immerhin 40 % der Drucke mit einem Titel auf der Recto-Seite des ersten Blatts ist die Rückseite bedruckt (Abb. 6). Bis etwa 1490 herrschten in Köln mit zwei Dritteln die rein typographische Titelseiten vor (403 = 62 %); nur gut ein Drittel der Kölner Titelseiten (38 %) weisen graphische Elemente – Holzschnitte, Zierleisten oder Druckermarken – auf. Anfang der 1490er Jahre veränderte sich das Verhältnis zwischen rein typographischen und illustrierten Titelseiten kurzfristig zugunsten illustrierter Titelseiten-Drucke und pendelte sich im letzten Jahrfünft auf etwa gleiche Anteile ein. Bei den weitaus meisten Titelseiten mit graphischen Elementen handelt es sich um Illustrationen im engeren Sinne (231 von insgesamt 247 Titelseiten mit graphischen Elementen bzw. von 651 Kölner Titelseiten). Sie weisen jeweils einen Holzschnitt auf, der in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Text steht. Nur auf elf Titelseiten finden sich Druckermarken. Die bisher bekannten vier Titelseiten mit Zierleisten, die um einen typographischen Titel herumgeführt wurden, alle um 1499 oder 1500 entstanden, stellen für die Inkunabelzeit eine statistisch unerhebliche Größe dar. Ihr Erscheinungsbild verweist auf die Entwicklung des 16. Jahrhunderts, die auch in Köln zu den häufig programmatisch angelegten, komplexen ——————— 33 ISTC im00087000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 184. 34 ISTC ip00651000, GW 12256, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 553.
115 Titelkupfern führte, hin zu typographisch und graphisch anspruchsvoller gestalteten Titelseiten mit nicht mehr nur informativem und oder zusätzlich werbendem, sondern schmückendem Charakter.35 In den gleichen Kontext gehören auch die Titelseiten mit typographischem Titel, Holzschnitt und Zierleisten, die bis auf zwei Drucke von Johann Koelhoff d. Ä. ebenfalls um 1499/1500 datiert werden. Die nachfolgenden Listen der Kölner Titelseiten mit Zierleisten sowie mit einem kombinierten Buchschmuck aus Holzschnitt-Illustration und Zierleisten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Liste 2: Titelseiten mit Zierleisten (1499/1500) Leonardus Brunus Aretinus: De duobus amantibus Guiscardo et Sigismunda. Daran: Aeneas Sylvius Piccolomini Epistola amatoria ad Lucretiam. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1499–1500].36 Leonardus Brunus Aretinus: De duobus amantibus Guiscardo et Sigismunda. Daran: Aeneas Sylvius Piccolomini (Pius II.): Epistola amatoria ad Lucretiam. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].37 Juvencus Presbyter: Historia evangelica heroicis versibus conscripta. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].38 Mensa philosophica. Köln: Apud praedicatores [Cornelis de Zierickzee, um 1500].39 Liste 3: Titelseiten mit Holzschnitt und Zierleisten (1491/92 und 1499/1500) Aristoteles: Parva naturalia. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 27. Oktober 1491.40 Statuta Coloniensia: Provincialia et synodalia ecclesiae Coloniensis. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 29. September 1492.41 Hieronymus de Vallibus: Jesuida seu De passione Christi. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1499].42 Ulricus Molitoris: De lamiis et phitonicis mulieribus. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].43 ——————— 35 Vgl. Frese: Titelgraphik. 36 ISTC ib01239250, GW 5639. 37 ISTC ib01239300, GW 5640. 38 ISTC ij00675000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 707. 39 ISTC im00497000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 797. 40 ISTC ia01017000, GW 2428, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 159, Schramm, Bd. 8, S. 18. 41 ISTC is00733000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1097, Schramm, Bd. 8, S. 18. 42 ISTC iv00084000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 580, Schramm, Bd. 8, S. 28. 43 ISTC im00803000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 820, Schramm, Bd. 8, S. 28.
116
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Ulricus Molitoris: De lamiis et phitonicis mulieribus. Köln: Cornelis de Zierickzee, [um 1500].44 Pharetra fidei Catholicae contra Judaeos. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].45 De vita et origine Pilati. Daran: De Caipha, Juda et Anna. [Köln: Cornelis de Zierickzee, um 1500].46 Fraternitas Rosaceae Coronae ad honorem B. V. M. [Köln: Johann Landen, um 1500].47 Völlig isoliert unter den Kölner Titelseiten ist der Einzelfall einer xylographischen Titelseite aus der Offizin des Johann Landen. Für die Titelseite des kleinen, um 1496 gedruckten Oktav-Bandes mit dem Text De summo bono des Isidorus Hispalensis wurde der Titel negativ in eine rechteckige Holzplatte eingeschnitten, die Buchstaben erscheinen weiß auf schwarzem Grund.48 Ein weiterer Sonderfall, die Titelseite eines Aesop-Druckes von Johann Koelhoff d. Ä., wird in Kapitel 3.1.1 diskutiert.
2.3 Das Titelblatt in der Produktion der einzelnen Druckerverleger Bei weitem die meisten Kölner Titelseiten (über 380; vgl. auch Abb. 7 u. 8) stammen aus der Offizin des Heinrich Quentell. Er wählte für nahezu alle seine Drucke (91 %) die Titelseite als Bucheröffnung. Johann Koelhoff d. Ä., dessen Druckproduktion insgesamt durchaus mit der Quentell’schen vergleichbar ist, nutzte wesentlich häufiger die Bucheröffnung mit einem Leerblatt vor dem Textbeginn (45 %). Dies erklärt sich dadurch, dass die Koelhoff’sche früher als die Quentell’sche Offizin und bevor sich die Titelseite durchgesetzt hatte, maßgeblich am Kölner Buchdruck beteiligt war. Aber auch bei Koelhoff d. Ä. weisen gut die Hälfte der Drucke eine Titelseite auf (51 % bzw. knapp 70 Drucke). Heinrich Quentell und Johann Koelhoff d. Ä. beherrschten mit einem Anteil von etwa 43 % aller Kölner Inkunabeln den Markt seit den 1470er Jahren. Der Kölner Erstdrucker Ulrich Zell, dessen Offizin mit einem Gesamtanteil von 13 % (knapp 200 Drucke) ebenfalls zu den leistungsstärkeren gehörte, ist für die Entstehung und Entwicklung der Titelseite von nebensächlicher Bedeutung (31 TitelseitenDrucke), weil der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in das erste Jahrzehnt des Kölner Buchdrucks fällt (1465– ——————— 44 ISTC im00804000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 823, Schramm, Bd. 8, S. 28. 45 ISTC ip00579100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 940, Schramm, Bd. 8, Abb. 936. 46 ISTC ip00647000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1249, Schramm, Bd. 8, S. 28. 47 ISTC if00306000, GW 10313, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 750. 48 ISTC ii00202000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 705.
1475). Gleiches gilt für Arnold ter Hoernen, dessen beide Titelseiten-Drucke von 1470 unter seinen etwa 120 Drucken (8 % der Kölner Gesamtproduktion) zwar die ersten Kölner Titelseiten waren, aber auch seine einzigen blieben. Bevor die Offizin des Heinrich Quentell gegen Ende der 1480er Jahre weite Teile der Buchproduktion abdecken konnte, teilte sich Johann Koelhoff d. Ä. den Markt mit drei weiteren Druckerverlegern mit mittlerem Produktionsumfang, Conrad Winters de Homborch, Johann Guldenschaff und Ludwig von Renchen. Ihr gemeinsames Leistungsprofil prägte die zeitliche Abfolge von bedruckter 1r-Seite, Leerblatt am Buchbeginn und schließlich Titelseite in Köln. Tab. 1: Produktionsumfang: Format der Drucke Druckerverleger
Folio
Quart
Oktav
Sonstige
Einblattdrucke
Alle Kölner Druckerverleger
29 %
61 %
5%
1%
4%
Ulrich Zell (1465–1500)
24 %
64 %
2%
3%
7%
Arnold ter Hoernen (1470–1486)
18 %
71 %
3%
1%
7%
Heinrich Quentell (1478–1501)
20 %
79 %
1%
Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493)
60 %
29 %
4%
7%
Johann Koelhoff d. J. (1492–1502)
15 %
73 %
4%
8%
Conrad Winters de Homborch (1475–1482)
63 %
28 %
6%
3%
Johann Guldenschaff (1476–1494)
33 %
66 %
Ludwig von Renchen (1479–1500)
42 %
36 %
4%
98 %
2%
Cornelis de Zierickzee (1498–1517)
1% 2%
16 %
Zur korrekten Bewertung der Leistungsfähigkeit ihrer Offizinen sind Format und Umfang ihrer Drucke zu berücksichtigen (vgl. Tab. 1). Conrad Winters de Homborch (insgesamt 65 Drucke) und Johann Guldenschaff (insgesamt 69 Drucke) stellten jeweils 5 % der Kölner Inkunabeln her. Aus der Offizin des Conrad Winters gingen allerdings mit etwa zwei Dritteln (63 %) mehrheitlich Folio-Drucke mit einem Umfang von weit mehr als 100 Blättern hervor, aus der Guldenschaffs jedoch hauptsächlich Quart-Drucke (66 %) mit einem Umfang von weniger als 100 Blättern.
2 Statistischer Überblick
117
250
200
150
100
50
0 <1471
1471–1475
Titelblatt mit graph. Zierelementen
1476–1480
1481–1485
Titelblatt ohne graph. Zierelemente
1486–1490
Titelblatt xylographisch
1491–1495
Drucke ohne Titelblatt
1496–1500
ungeklärt / Verlust
Abb. 6: Titelblätter in Köln im chronologischen Verlauf nach Anzahl der Drucke Die Offizin des Conrad Winters de Homborch druckte in den Jahren 1475 bis 1482. Mehr als zwei Drittel seiner Drucke beginnen mit einem Leerblatt am Anfang der ersten Lage und nur ein einziger mit einer Titelseite. Von Conrad Winters stammt das oben erwähnte typographische Titelblatt aus dem Jahr 1482, das als unmittelbarer Vorläufer der eigentlichen Kölner Titelseiten-Periode ab 1484 anzusehen ist. Johann Guldenschaff war über einen etwas längeren Zeitraum (1476–1494) tätig. Ende der 1470er und Anfang der 1480er Jahre überwogen bei ihm Drucke mit unterschiedlich geartetem Text – vorwiegend Textbeginn mit Incipit-Formulierung – auf der ersten Seite der ersten Lage. Ab 1484 kamen auch aus seiner Offizin fast ausschließlich Drucke mit Titelseite. Ludwig von Renchen produzierte von 1479–1495 3 % der Kölner Inkunabeln mit einem relativ hohen Anteil an Einblattdrucken (insgesamt 43 Drucke). Etwa zwei Drittel seiner in Folio (42 %) und Quart (36 %) hergestellten Drucke bzw. fast alle Drucke ab 1484 waren mit einer Titelseite versehen. Der Buchanfang mit Leerblatt oder Text auf der ersten Seite spielte eine untergeordnete Rolle. Als Cornelis de Zierickzee 1498 (bis 1517) mit dem Buchdruck begann, hatte sich die Titelseite längst durchgesetzt. Aus seiner Offizin gingen in den letzten drei Jahren des 15. Jahrhunderts immerhin 47
Drucke (3 % der Kölner Inkunabeln) ausschließlich mit Titelseite, in Quart und mit einem Umfang von weniger als 50 Blättern hervor. Der Blick auf die Gesamtzahl gedruckter Bücher einer Offizin und das überwiegend verwendete Format verführt zu einer vorschnellen Bewertung der Situation. Diagramm 7 zum Produktionsumfang der einzelnen Offizinen in Gesamtzahlen der gedruckten Bücher lässt Heinrich Quentell als nahezu konkurrenzlos marktbeherrschenden Monopolisten erscheinen.49 Das Ergebnis der Untersuchung der Formate (vgl. Tab. 1) relativiert diesen Eindruck erheblich. Aber erst durch eine Hochrechnung der aus Format und Umfang zu ermittelnden hypothetischen Zahl der bedruckten Folioblätter, wie sie zunächst von Miriam Usher Chrisman und wenig später von Hans-Jörg Künast zur Beurteilung der Straßburger bzw. Augsburger Druckproduktion durchgeführt wurde, können relativ objektive Werte ermittelt werden.50 Bei der Verwendung dieser Zahlen sollte jedoch nie übersehen werden, dass auch auf diesem Weg immer noch ——————— 49 Diese hier zu korrigierende Meinung hatte sich in der Forschung festgesetzt. Zuletzt vertrat sie z. B. auch noch Funke: Buchkunde, S. 122. 50 Vgl. Chrisman: Lay culture, S. 5–9; Künast: Getruckt zu Augspurg, S. 217–250.
118
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Ungenauigkeiten bleiben. Schließlich können keine Aussagen über die Auflagenhöhe gemacht werden. Der Materialaufwand für die Herstellung der Typen und die Arbeitszeit des Setzers stehen bei dieser Rechenweise im Vordergrund, während die Kosten für Papier und den eigentlichen Druckprozess unberücksichtigt bleiben. Die in Tabelle 2 und Abbildung 7 und 8 einzeln aufgeführten Druckerverleger stellten 86 % der Kölner Inkunabeln her (mind. 44.593,5 Folioblätter). Die künstliche Zeitgrenze 1500 verursacht Verzerrungen bei der Beurteilung des Produktionsumfangs derjenigen Druckerverleger, die auch nach 1500 noch tätig waren. Die Problematik lässt sich besonders deutlich an Cornelius de Zierickzee zeigen. Voulliéme geht davon aus, dass er von mindestens 1499 bis 1517 tätig war. Aus der gesamten Zeit stammen etwa 65 Drucke. Über 30 werden durch relative Datierungen in die Jahre 1499 und vor allem um 1500 datiert. Da relative Datierungen statistisch nicht kenntlich gemacht werden können, entsteht der durchaus unwahrscheinliche Eindruck, Zierickzees wichtigste Produktionsphase läge im Jahr 1500. In diesem Punkt müssen die Statistiken gedanklich ausgeglichen werden. Dennoch ist die Tätigkeit des Cornelius de Zierickzee am Ende des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts wichtig für das Verständnis der Entwicklung der Kölner Titelseiten, weil Zierickzee individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für seine Titelseiten entwickelte. Hierzu gehört in erster Linie die Verwendung von Zierleisten für das Layout seiner Titelseiten.51 Bei Berücksichtigung der errechneten Folioblätter pro Druckerverleger ergibt sich ein wesentlich ausgewogeneres Bild (vgl. Tab. 2). Die Offizinen des Heinrich Quentell und des Johann Koelhoff d. Ä. dominierten vom Ende der siebziger Jahre bis zum Tod Koelhoffs im Jahr 1493 die Kölner Druckproduktion. Johann Koelhoff d. J. übernahm zwar die Offizin seines Vaters, aber die Schwerpunkte seiner Tätigkeit lagen nicht im Buchdruck.52 Aus der Koelhoff’schen Offizin gingen nach dem Tod des Vaters nur noch wenige, hinsichtlich der illustrierten Titelseiten allerdings durchaus interessante Drucke hervor. Aus diesem Blickwinkel erhält die so ungleich wirkende Anzahl an Druckwerken aus den Offizinen des Heinrich Quentell und des Johann Koelhoff d. Ä. und in Konsequenz auch die Anteile der Buchanfänge (vgl. Tab. 3), die diese beiden Druckerverleger während ihres gesamten Tätigkeitszeitraumes wählten, eine andere Bedeutung. Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493) druckte in dem entscheidenden Jahrzehnt der Einführung der Titelseite bereits sechs Jahre früher als Heinrich Quentell (1478–1501), verstarb jedoch auch früher. Beide Druckerverleger nutzten ——————— 51 Vgl. Voulliéme: Buchdruck, S. LXXV–LXXVII. 52 Vgl. Voulliéme, S. LXV–LXIX.
die Möglichkeit der Bucheröffnung mit einer Titelseite seit dem Jahr 1484, in dem die Titelseite tatsächlich eine Rolle im Kölner Buchdruck zu spielen begann. Wie arrangierten sich diese beiden konkurrierenden Druckerverleger auf dem Kölner Buchmarkt? Diese Frage wäre nur durch eine detailliertere Untersuchung ihrer Produktionsprofile und insbesondere der Textsorten umfassend zu beantworten. Eine Grobklassifikation der Textsorten erlaubt es, gewisse Tendenzen zu beschreiben, die die Unterschiede in Format und Umfang der Drucke verständlich machen. Tab. 2: Produktionsumfang: Anzahl der gedruckten Folioblätter bis 1500 Druckerverleger (Tätigkeitszeitraum)
Folioblätter (ohne Einblattdrucke) bis 1500
Alle Kölner Druckerverleger
Mind. 51.891,29 (7 % ungeklärt/nicht klärbar)
Heinrich Quentell (1478–1501)
Mind. 13.226,25 (9 % ungeklärt/nicht klärbar)
Johann Koelhoff d. Ä. (1472–1493)
Mind. 10.298,125 (4 % ungeklärt)
Johann Koelhoff d. J. (1492–1502)
Mind. 593,75 (12 % ungeklärt/nicht klärbar)
Ulrich Zell (1465–1500)
Mind. 7.178,625 (2 % ungeklärt)
Conrad Winters de Homborch (1475–1482)
Mind. 5.837,75 (5 % ungeklärt/nicht klärbar)
Ludwig von Renchen (1479–1500)
Mind. 2.677,5 (17 % ungeklärt/nicht klärbar)
Arnold ter Hoernen (1470–1486)
Mind. 2.388,75 (4 % ungeklärt)
Johann Guldenschaff (1476–1494)
Mind. 2 088,75 (6 % ungeklärt/nicht klärbar)
Cornelis de Zierickzee (1498–1517)
Mind. 250 (19 % ungeklärt/nicht klärbar)
Die Frage, welcher der beiden Druckerverleger wichtiger für die Entstehung und Entwicklung der Titelseite im Kölner Inkunabeldruck war, kann letztendlich nicht beantwortet werden, weil die Unterschiede im Produktionsprofil zu gravierend sind. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Entscheidung für eine Titelseite bei einem qualitätsvoll gedruckten Buch mit vielen Seiten in einem Folioformat, das eine erhebliche finanzielle Investition und ein entsprechendes Risiko für den Druckerverleger darstellte, als genauso schwerwiegend einzuschätzen ist, wie der Druck einer größeren Anzahl dünnerer Bücher im Quartformat. Außerdem wählten die beiden Druckerverleger sehr unterschiedliche Wege bei der Auswahl der Holzschnitte für ihre illustrierten Titelseiten.
2 Statistischer Überblick
119
500 450 400 350 300 250 200 150 100
ungeklärt / Verlust
Drucke ohne Titelblatt
Quentell, Heinrich
Zell, Ulrich
Koelhoff, Johann d.Ä.
TerHoernen, Arnold
Guldenschaff, Johann
Winters, Conrad de Homborch
Cornelis de Zierikzee
Ludwig von Renchen
Götz, Nikolaus
Bartholomaeus de Unkel
Bumgart, Hermann
Koelhoff, Johann d.J.
Landen, Johann
0
Schilling, Johannes
50
Drucke mit Titelblatt
Abb. 7: Produktionsumfang: Anzahl der Drucke nach Offizinen
160 140 120 100 80 60 40 20 0 <1471
1471–1475
1476–1480
1481–1485
1486–1490
1491–1495
Cornelis de Zierikzee
Guldenschaff, Johann
Koelhoff, Johann d.Ä.
Koelhoff, Johann d.J.
Quentell, Heinrich
TerHoernen, Arnold
Winters, Conrad de Homborch
Zell, Ulrich
1496–1500
Abb. 8: Druckproduktion der wichtigsten Kölner Drucker in chronologischem Verlauf nach Anzahl der Drucke
120
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Tab. 3: Buchanfänge bei Johann Koelhoff d. Ä. und Heinrich Quentell Buchbeginn
Johann Koelhoff d. Ä.
Heinrich Quentell
Buchbeginn auf Bl. 1r ohne Titelseite
28
17
Leerblatt am Buchbeginn
60
18
Leerseite am Buchbeginn
5
5
Typographische Titelseite
41
229
Titelseite mit graphischen Elementen
15
155
ungeklärt/nicht klärbar
5
17
Als Maßstab für die Grobklassifikation der Textsorten bieten sich Ernst Voulliémes Angaben über den »Charakter der ältesten Kölner Literatur« an. Seinen Untersuchungen zufolge ist die kölnische Literatur des 15. Jahrhunderts ihrem Inhalt nach ein getreues Spiegelbild der Universität, neben der sie emporgewachsen ist. »Wie diese, wenn auch nicht ausschließlich so doch vorwiegend, theologischen Charakters ist, so gehört von der in Köln gedruckten Literatur nicht weniger als die Hälfte theologischen Disciplinen an.«53 57,7 % machen die Werke »für die theologischen Disciplinen« aus. Mit 10 % stehen an zweiter Stelle Werke für den Lateinunterricht, deren hoher Anteil vor allem auf die zahlreichen Ausgaben der einzelnen Teile des Doctrinale des Alexander de Villa Dei, der Schriften des Johannes de Garlandia und des Johannes Synthen zurückzuführen ist. Schon der oberflächliche Vergleich der Textsorten bei Heinrich Quentell und Johann Koelhoff d. Ä. zeigt, dass sich die beiden Monopolisten auf unterschiedliche Programmbereiche spezialisiert hatten. ——————— 53 Voulliéme, S. LXXIX. Im Einzelnen nennt Voulliéme: Literatur für die theologischen Disziplinen 57,7 % , im Detail: Bibel und Exegese 3,7 %, Patres und spätere Kirchenlehrer 5,9 %, Dogmatik 5 % , Apologetik und Polemik 1,4 % , Katechetik 1,2 % , Ethik 6,7 % , Askethik 3 % , Liturgik 7 % , Hymnologie 2,5 % , Homiletik 5,6 % , Pastoraltheologie 1,6 % , Heilige (Marienkultus etc.) 4,8 % , Ordenswesen 0,9 % , Ablass (-Briefe, -Bullen, etc.) 1,7 % . Übrige Wissenschaften: Philosophie und Pädagogik 12,6 % (davon Aristoteles 6,7 %), Politik und Rechtswissenschaften 7 % , Mathematik, Astronomie etc. 0,8 % , Naturwissenschaften, Medizin 1,3 % , Geschichte, Geographie 2,6 % , Rhetorik, Stilistik 2,3 % , Latein, Grammatik, Vokabulare (insbes. Ausgaben der einzelnen Teile des »Doctrinale« von Alexander de Villa Dei, der Schriften des Johannes de Garlandia und des Johannes Synthen) 10 %. Griechische Autoren in lateinischer Übersetzung (Aesop, Lucian, Phalaris, Plutarch) 1 % , lateinische Autoren einschließlich der apokryphen Schriften (Boethius, Cicero, Claudian, Florus, Horaz, Ovid, Seneca, Terenz, Vegetius, Vergil) 3,7 % , Neulateiner 4,8 %.
Bei Johann Koelhoff d. Ä. überwiegen die Werke theologischen Charakters deutlich, während er weniger als 20 Drucke für den Lateinunterricht herstellte. Auch etwa jedes zweite Buch aus der Offizin des Heinrich Quentell gehörte zu den theologischen Werken. Mit etwa einem Drittel seiner Drucke waren in seinem Sortiment zudem noch die Schulbücher, insbesondere für die der Universität vorgeschalteten Lateinschulen, stark vertreten (knapp 150). Der Abnehmerkreis der Koelhoff’schen Bücher ist demnach überwiegend an der Universität zu vermuten, während Quentell ein breiteres Leserpublikum und zu einem nicht unerheblichen Anteil eben auch Lateinschüler bediente. Ein weiterer Unterschied im Produktionsprofil liegt in der Verwendung lateinisch- oder auch volkssprachlicher Texte. Heinrich Quentell druckte zu 98 % lateinische Werke. Von den neun Werken mit volkssprachigen Anteilen sind sieben lateinisch-niederdeutsche Vokabulare und Sprichwörter-Sammlungen für den Lateinunterricht. Die beiden anderen Drucke sind die beiden Ausgaben der niederdeutschen Bibel von 1478/79.54 Ganz anders zeigt sich das Programm der Koelhoffs. Johann Koelhoff d. Ä. druckte Werke der Andachtsliteratur, Ablass- und Schwankbücher, historische Texte sowie einige Einblattdrucke für die Stadt Köln in niederdeutscher Sprache. Insgesamt machten volkssprachliche Texte immerhin 17 % seiner Druckproduktion aus. Sein Sohn Johann Koelhoff d. J., der die Offizin nur noch mit stark verminderter Leistung weiterführte, wandte sich schließlich noch verstärkt dem Druck volkssprachlicher Bücher zu. Mehr als die Hälfte seiner Drucke sind in niederdeutsch gedruckt (insgesamt 26 bis 1500). Seine Bücher wiesen vermutlich durchgehend Titelseiten auf, wobei diejenigen der niederdeutschen Passiendrucke aus dem Jahr 1498 aufgrund ihrer originellen Titelseiten für die Entwicklung der Titelseiten um die Jahrhundertwende am meisten Relevanz besitzen.
2.4 Zur Typologie des Titelblatts Der überwiegende Anteil der erfassten Titelblätter – insbesondere in den ersten Jahrzehnten des Inkunabeldrucks – weist einen einfachen typographischen Titel auf. Derartige Titelseiten mit schlagwortartigen Angaben zu Autor und Sachtitel machen auch den größten Teil der Kölner Inkunabel-Titelseiten aus. ——————— 54 ISTC ib00636000, GW 4307, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 256, Schramm, Bd. 8, S. 19; ISTC ib00637000, GW 4308, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 257, Schramm, Bd. 8, S. 19; Die Kölner Bibel 1478/1479. Amsterdam Buijten & Schipperheijn/Hamburg: Friedrich Wittig 1979; Kautzsch, Friedrich: Die Kölner Bibel 1478/1479: Studien zur Entstehung und Illustrierung der ersten niederdeutschen Bibel. Kommentarband zum Faksimile 1979 der Kölner Bibel 1478/1479. Hamburg: Wittig 1981.
2 Statistischer Überblick Um genauere Erkenntnisse über das Interesse der Kölner Drucker an der Verwendung von Titelseiten zu erhalten, sind auch die Kölner Titelseiten entsprechend der im Forschungsprojekt erarbeiteten Titelblatt-Typologie analysiert worden. Für die Kriterien ›Informationsgehalt‹ und ›Titelblatt und Titelbogen‹ sowie das Verhältnis von Titelblatt und seinen Folgeseiten ließen sich bibliographisch und autoptisch weitgehend vollständige Daten bis zum Ende der Inkunabelzeit ermitteln. Zum Layout können gegenwärtig statistische Aussagen bis einschließlich 1490 gemacht werden. Für die Titelseiten des letzten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts konnten gewisse Tendenzen festgestellt werden. Eine flächendeckende Untersuchung an Originalen für den Zeitraum von 1491 bis 1500 steht jedoch noch aus.
2.4.1 Informationsgehalt Unter Informationsgehalt der Titelseite werden hier sowohl verbale als auch verbildlichte Informationen zum Autor, Werk oder Herstellungsprozess zusammengefasst. Die elaborierte Form der Titelseite sowohl mit inhaltsidentifzierenden als auch herstellungsrelevanten Elementen ist unter den Kölner Inkunabeln eine Randerscheinung (7 %) und bestätigt die Hypothese, dass der Weg zum Titelblatt eher vom Incipit als vom Kolophon ausgegangen sei. Die ursprünglich im Kolophon verfügbaren Informationen über Druckort und Selbstnennungen oder Selbstlob des Druckers wanderten in Köln erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts allmählich auf die Titelseite.55 Die frühesten drei Kölner Titelseiten von 1470 bzw. 1473 mit ihren Angaben zum Erscheinungsjahr oder Autor neben dem Sachtitel und Hinweisen auf die Herstellung im Druckverfahren blieben erstaunlich wirkungslos. Die Titelformulierungen boten meistens allein einen häufig auf einen Kurztitel reduzierten Sachtitel, gelegentlich wird zusätzlich der Autor oder der Verfasser eines Kommentars genannt. Sofern auf der Titelseite überhaupt ausführlichere Angaben gemacht werden, beziehen sich diese fast immer auf den Inhalt des Textes, die Themen der verschiedenen Kapitel und seltener die Ehrwürdigkeit oder das reiche Wissen des Autors. 93 % der Kölner Titelseiten weisen nur derartige inhaltsidentifizierende Elemente auf. Bei zwei Dritteln wurden die Angaben allein verbal vermittelt und typographisch umgesetzt. Die restlichen Titelseiten dieser vom Informationsgehalt her einfachsten Form waren mit einem Holzschnitt, dessen Ikonographie sich auf den Inhalt des Textes bezieht, illustriert. Der chronologische Verlauf der inhaltsidentifizierenden Titelseiten ohne bzw. mit Holzschnitt entspricht der oben ——————— 55 Vgl. Corsten: Die Erfindung, S. 192–196.
121 bereits beschriebenen Gesamtentwicklung: Im Zeitraum von 1481 bis 1485 setzten die rein typographischen Titelseiten auf zahlenmäßig niedrigem Niveau ein, sie überwogen aber auch noch mit deutlicher Mehrheit im Jahrfünft von 1486–1490, in dem auch die ersten illustrierten Titelseiten einsetzen. Im Jahrfünft von 1491–1495 näherten sich die Anteile der nicht illustrierten und der illustrierten Titelseiten einander nahezu an, bis im letzten Jahrfünft des 15. Jahrhunderts wiederum die nicht illustrierten Titelseiten mit nur inhaltsidentifizierenden Informationen leicht überwogen. Unterschiedliche Lösungsansätze bei der Verbindung von verbaler und graphischer Umsetzung des Buchinhalts, mit der Absicht den Buchnutzer nicht nur zu informieren oder um ihn zu werben, sondern ihn regelrecht auf den zu lesenden Text einzustimmen, kennzeichnen die Entwicklungsstufe der 1490er Jahre in der Kölner Titelblatt-Entwicklung. In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts traten vereinzelt rein typographische und auch illustrierte Titelseiten auf, deren Sachtitel um eine Epistel an den Leser in Gedichtform ergänzt wurde.56 Die wenigen Exemplare scheinen eher Vorläufer einer erst nach 1500 verstärkt einsetzenden Entwicklung zu sein. Johann Koelhoff d. J. wendete dieses Gestaltungsmittel in Köln wohl als erster und bis 1500 nur einmal an: auf der Titelseite des ersten Teils der in Quart gedruckten Medulla artis grammaticae sive aureum compendium vom 1. Dezember 1495.57 Heinrich Quentell ergänzte 1496 zum ersten Mal den Sachtitel auf den Titelseiten zweier Auflagen des kommentierten Liber Faceti docens mores hominum um eine Epistel an den Leser in Gedichtform.58 Bei seinen weiteren neun Inkunabel-Titelseiten aus den Jahren 1499 und 1500, die er ebenso gestaltete bzw. die in seinem Auftrag gedruckt wurden, handelt es sich um die Opuscula,59 Bucolica60 und Georgica61 des Vergil, den Traktat De muliere forti des Albertus Magnus,62 einen Kommentar zu Aristoteles De coelo et mundo cum textu von Eberhard von Amersford und Johannes von Nürtingen,63 die Interpretation des Aristoteles-Textes Copulata novae logicae,64 die Viola animae sive De natura ——————— 56 So z. B. in den beiden um 1500 datierten Drucken: ISTC ia01064000, GW 2515, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 165=166; ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167. 57 ISTC im00438500, GW 11052, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 786. 58 ISTC if00036600, GW 9680, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1009; ISTC if00038000, GW 9682. 59 ISTC iv00231600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1209. 60 ISTC iv00215000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1206, Schramm, Bd. 8, S. 24. 61 ISTC iv00230000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1207. 62 ISTC ia00286000, GW 699, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 41. 63 ISTC ie00002800, GW 9184, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 408. 64 ISTC ia01001500, GW 2404, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 140.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
hominis des Petrus Dorlandus,65 die Reparationes tractatuum parvorum logicalium Petri Hispani et trium modernorum des Arnoldus de Tungern66 sowie die Epitomata sive Reparationes logicae veteris et novae Aristotelis vom gleichen Autor.67 Als Beispiel sei das im Vergleich zum 16-zeiligen Titel sehr kurze vierzeilige Gedicht auf der Titelseite zur Interpretation der Copulata novae logicae genannt: Qui sophie partes animo desiderat omnes Qui falli nolit: multaque nosse cupit Aurea veridici condiscat dogmata Thome Omnia cui genitrix ipsa Minerua dedit68 Alle diese Gedichte formulieren in appellativer Weise einen erzieherisch-moralisierenden Anspruch, der konkret mit der Lektüre des gedruckten Werks und dem darin enthaltenen und erstrebenswerten Wissen in Verbindung gebracht ist. Letztendlich handelt es sich also hierbei um eine Werbemaßnahme auf der Titelseite, da ihm die Vorzüge der Lektüre des Buchs oder auch seines Autors angepriesen werden. Ein wesentlich häufigeres und durchgehend bis zum Ende der Inkunabelzeit auf den Kölner Titelseiten zu beobachtendes Phänomen ist die Übernahme einer ursprünglich dem Textbeginn vorgeschalteten Incipit-Formulierung auf die Titelseite. Dies deutet darauf hin, dass von den Kölner Druckern oft der einfachste Weg zur Erzeugung eines Titels gewählt wurde, indem nämlich eine bereits vorhandene Formulierung mit einer Aussage über den Textinhalt oder auch den Autor als Titel um eine (oder seltener mehrere) Seite(n) nach vorne verschoben wurde und dadurch auch doppelt auf Titelseite und am Textbeginn erscheinen konnte. Bei diesem Verfahren war der Transfer produktionsrelevanter Informationen auf die Titelseite, die traditionell im Kolophon und nicht am Textanfang Erwähnung fanden, ausgeschlossen.69 In Kölner Inkunabeln erscheinen produktionsrelevante Informationen auf der Titelseite sowohl in Form von verbalen Hinweisen auf den Druckort, die Offizin oder den Herstellungsprozess als auch in Form von Druckerzeichen, durch die ein Druckerverleger seine Erzeugnisse mit einem unverwechselbaren Gütesiegel versah. In Köln nutzten allerdings nur drei Druckerverleger ihre Druckerzeichen zur Gestaltung ——————— 65 ISTC id00360000, GW 9046, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 394, Schramm, Bd. 8, Abb. 490. 66 ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167. 67 ISTC ia01064000, GW 2515, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 165 =166. 68 S. oben Anm. 61, zitiert nach: Köln UStB: GBVII9+B Bd. 1 (1), Bl. 1r. 69 Incipit-Formulierung auf der Titelseite z. B. in Voulliéme: Buchdruck, Nr. 164, 165, 167, 397 (mit schematischen Angaben zum Inhalt), 401, 439, 442, 444, 446, 558, 574, 610, 736, 750, 1160, 1214; ISTC if00306100, GW 10314; ISTC ih00010500, GW 12405 (Incipit für die Titelseite übernommen und erweitert um schematische Angaben zum Inhalt).
von Titelseiten (1 % = 11 Titelseiten). Ulrich Zell setzte seine Druckermarke zwischen 1491 und 1500 auf acht Titelseiten. Hermann Bumgart versah 1497 und 1498 jeweils eine Titelseite mit Holzschnitt und Druckermarke.70 Johann Koelhoff d. J. nutzte diese Möglichkeit einmal im Jahr 1500.71 Etwas häufiger, aber immer noch nur in seltenen Ausnahmefällen (6 % = 37 Titelseiten), wurden im weitesten Sinne produktionsrelevante Informationen in die Titelformulierung aufgenommen. Ulrich Zell warb auf der Titelseite mit dem Hinweis auf eine korrigierte Neuauflage mit der Qualität der Drucke,72 ließ den Leser um die Herkunft des Druckes aus seiner Offizin wissen, indem er mit den Worten »Impressum prope« oder »apud Lijskyrchen« deren Sitz in Köln angab73 oder umwarb eine bestimmte Zielgruppe, indem er schon auf der Titelseite bekannt machte, dass der Druck den Ansprüchen der Kölner Laurentianerburse folgte: »Commentaria in quattuor libros noue logice secundum processum burse laurentiane Coloniensis ubi doctrine Alberti magni peripateticorum veracissimi interpretis sectatores propagatoresque fidelissimi.«74 Darunter setzte Zell sein Druckerzeichen und die Beischrift »Impressum Colonie apud lijskirchen«.75 Auch Heinrich Quentell warb auf der Titelseite insbesondere bei korrigierten Wiederauflagen mit der Qualität des Druckes, so zum Beispiel in diversen Drucken des Doctrinale von Alexander de Villa Dei,76 oder wies, genauso wie Ulrich Zell, durch den Beisatz »Impressa prope Summum« ebenfalls auf den Sitz seiner Offizin hin.77 Genauere Informationen über die Herkunft aus seiner Offizin, den Druckort Köln oder das Fertigstellungsdatum eines Druckes, wie sie im 16. Jahrhundert regelmäßig auf der Titelseite erscheinen, finden sich allerdings überwiegend im Kolophon seiner Drucke, weshalb eine nähere Untersuchung über die Bedeutung der Kolophone für die Titelseiten-Entwicklung Erfolg versprechend wä——————— 70 ISTC ia00208000, GW 562, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 36, Schramm, Bd. 8, S. 26; ISTC ip01102150, GW 11097, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 993. 71 ISTC ic00707500, GW VI Sp. 697, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 338. 72 Z. B. Voulliéme: Buchdruck, Nr. 59. 73 So z. B. in ISTC ia00450400, GW 1094, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 78; ISTC ij00238500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 929, Schramm, Bd. 8, S. 17. 74 Gerardus de Harderwyck: Commentaria in quattuor libros novae logicae. Köln: Ulrich Zell, 24. Januar 1494 (ISTC ig00166600, GW 10673, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 440, Schramm, Bd. 8, S. 17 u. Abb. 79). 75 Druckerzeichen und verbale Angabe der Offizin in ISTC ig00167100, GW 10678, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 444, Schramm, Bd. 8, Abb. 73–77; ISTC ig00167200, GW 10676, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 446. 76 ISTC ia00450470, GW 1124 (II), Voulliéme: Buchdruck, Nr. 79. 77 So z. B. in ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930.
2 Statistischer Überblick re. Quentell beabsichtigte, genauso wie Zell, mit einigen Titeln potentielle Käufer seiner Bücher zum Kauf anzuregen, so z. B. die Studenten der LaurentianerBurse auf der Titelseite eines Aristoteles-Kommentars von Gerard de Harderwyck, der von dieser Burse herausgegeben wurde: Ad laudem ac honorem indiuidue trinitatis patris, filij et spiritussancti, gloriosissimeque virginis Marie Incipiunt commentaria questiones et dubia pulcerrima continentia. cum textu Arestotelis in octo libros de physico auditu iuxta doctrinam exquisitissimam venerabilis domini Alberti. in Bursa Laurentiana florentissimi agripinensis gymnasii edita.78 In einigen Fällen nannte er den Druckort Köln auf der Titelseite, indem er allein den Stadtnamen ›Colonia‹ zentriert in einer eigenen Zeile unter dem Sachtitel hinzufügte79 oder ihn in Ausführungen über die Qualität einschob: Glosa notabilis secunde partis Alexandri cum interlinealibus expositionibus textus eiusdem in planissimis sententijs, subiunctis perpulcre ordinatis questionibus atque argumentis cum replicis contra eorundem solutiones, omnibus (qui scire desiderant) summe necessarijs, nouissime diligenter correctis, cum additis in locis, in quibus pro iuuenibus neccessarium esse videbatur. Que iam de nouo impressa est Colonie, cum multis argumentis et replicis prius non additis, ut prima facie videri potest circa illos textus (Uult intransitio) et (Sepe vocans verbum) cum reliquis.80
2.4.2 Layout Die bisherigen Untersuchungsergebnisse zum Erscheinungsbild zeigen ein recht stereotypes Bild. Die ——————— 78 Gerardus de Hardewyck: Commentaria in octo libros de physico auditu cum textu Aristotelis. Köln: Heinrich Quentell, 26. Mai 1497 (ISTC ij00334950, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 442, Schramm, Bd. 8, S. 23). 79 So z. B. in den folgenden acht Drucken: ISTC ia00445010, GW 1080, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 71, Schramm, Bd. 8, Abb. 485; ISTC ia00445030, GW 1083, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 72; ISTC ib00797000, GW 4556, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 263, Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ir00129000, GW 11263, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1006; Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ir00129370, GW 11264, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1007, Schramm, Bd. 8, S. 484; ISTC ir00132000, GW 11262, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1008, Schramm, Bd. 8, S. 25; ISTC ib00824000, GW 4600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1183, Schramm, Bd. 8, S. 21; ISTC ib00827000, GW 4603, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1184, Schramm, Bd. 8, S. 24. 80 Alexander de Villa Dei: Doctrinale. Pars secunda. Köln: Heinrich Quentell, 7. März 1498 (ISTC ia00452070, GW 1114, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 85, unter dem Titel ein Holzschnitt mit einer Lehrszene). Ebenso in: ISTC ia00452150, GW 1117, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 86, Schramm, Bd. 8, S. 185; ISTC ia00452250, GW 1119, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 87.
123 Kölner Titelseiten bis etwa 1490 waren sowohl im Layout der gesamten Seite als auch in der Wahl der Texttypen denkbar schlicht. Der zumeist in einer größeren Texttype gehaltene Titel wurde im oberen Drittel oder der oberen Hälfte der Seite in Blocksatz und einheitlichem Schriftgrad eingefügt. Knapp zwei Drittel der Inkunabeln mit Titelseite entsprechen diesem Typus (60 % bei einer mit 23 % relativ hohen Quote bisher noch ungeklärter Fälle). Von etwas über 900 Drucken bzw. knapp 230 Titelseiten-Drucken aus diesem Zeitraum ließen sich nur gut 30 (17 % der Titelseiten-Drucke) mit einer gestuften Typographie auf der Titelseite nachweisen. Gut drei Viertel dieser wenigen Titelseiten mit gestufter Typographie stammen aus der Offizin des Heinrich Quentell, der diese Form der Titelseitengestaltung auch in den 1490er Jahren zunehmend einsetzte.81 Vor der Einführung der illustrierten Titelseite mit Beginn der 1490er Jahre fällt die Gestaltung einiger immer noch sehr einfacher Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. auf. Das unbeholfene Layout der Titelseite einer Legenda aurea des Jacobus de Voragine, an die das Martyrologium des Usuardus angehängt ist, erinnert entfernt an das ästhetisch ansprechende sanduhrenförmige Erscheinungsbild von Titelseiten des 16. Jahrhunderts. Auf der Titelseite dieses Druckes von 1490 (22. Juli)82 werden die Titel beider Texte genannt: oben der Titel der Legenda aurea dreizeilig in Blocksatz, darunter folgt eine Leerzeile, sodann das Verbindungswort »Item« zentriert über dem in einem etwas breiteren Block gesetzten Titel des Martyrologium. Auf den Titelseiten zweier Drucke mit Texten des Johannes Chrysostomos setzte Koelhoff d. Ä. den Autornamen durch einen Abstand von einer knappen Leerzeile von dem Block mit den Texttiteln ab.83 Die Einführung graphischer (Zier-)Elemente auf der Titelseite führte jedoch zu einer grundlegenden Trendwende der Layout-Gestaltung. Bis etwa 1490 herrschten in Köln rein typographische Titelseiten vor, die insgesamt knapp zwei Drittel der Kölner TitelseitenDrucke der Inkunabelzeit (403 = 62 %) ausmachten. Gut ein Drittel der Kölner Titelseiten (38 %) weisen graphische Elemente – Holzschnitte, Zierleisten oder Druckermarken – auf, wobei die Kombination aus Titel und Holzschnitt deutlich überwiegt. Die Titelholzschnitte sind in den wenigsten Fällen in der Größe dem Satzspiegel angepasst. Die Größe der Titelholzschnitte orientiert sich vielmehr grob am Format der Drucke, die mit illustrierten Titelseiten ausgestattet wurden. Hier überwiegen die 203 Titelseiten-Drucke ——————— 81 Für eine zukünftige Analyse des Layouts von Kölner Titelseiten wäre es daher wahrscheinlich sinnvoll den Fokus insbesondere auf die Offizin Quentell zu setzen. 82 ISTC ij00123000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 625. 83 ISTC ij00284000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 643; ISTC ij00307000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 654.
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in Quart die 14 im Folio- und die 13 im Oktav-Format bei weitem. Andererseits entspricht auch die Verteilung der rein typographischen Titelseiten den grundlegenden Tendenzen in der Auswahl der Formate (106 in Folio, 272 in Quart, 21 in Oktav). Anfang der 1490er Jahre veränderte sich das Verhältnis zwischen rein typographischen und illustrierten Titelseiten kurzfristig zugunsten illustrierter Titelseiten-Drucke und pendelte sich im letzten Jahrfünft des Jahrhunderts auf etwa gleiche Anteile ein. Die Titelseiten mit Zierleisten fallen statistisch gesehen ebenso wenig wie die xylographische Titelseite(n) ins Gewicht. In den 1490er Jahren verwendete vor allem Heinrich Quentell für den Titelsatz nicht mehr nur Texttypen in einheitlichem Schriftgrad, sondern häufig zwei und gegen Ende des Jahrhunderts auch drei Schriftgrade.84 Aber erst im 16. Jahrhundert erweiterte er dieses Schema noch um Initialen auf der Titelseite, wie z. B. auf dem Titelblatt eines Aristoteles-Kommentars von Albertus Magnus von 1505 mit einer Magisterszene.85 Auf Titelseiten mit gestufter Typographie erfolgte zumeist eine Hervorhebung eines wichtigen Stichwortes aus dem Werktitel, indem die erste oder die ersten beiden Zeilen in einem größeren Schriftgrad gesetzt wurden. Die restliche Formulierung schloss sich ohne Rücksicht auf Worttrennungen in einer oder zwei kleineren Typen an. Sofern Quentell Ende der 1490er Jahre eine Epistel an den Leser in Gedichtform auf die Titelseite setzte, hob er diese wohl zunehmend durch eine Antiqua-Type und als schmaleren Block vom eigentlichen Titel ab. Alles in allem entsteht der Eindruck, als ob die Kölner Druckerverleger in der Inkunabelzeit noch keinen Anlass sahen, ihre Titelseiten aufwendiger zu gestalten. Auf eine Untersuchung der für die Titelblätter verwendeten Typen wurde hier verzichtet, da es sich weitgehend um schlichte Texttypen handelt. Stattdessen wurde der Schwerpunkt des zweiten Teils dieser Fallstudie auf eine intensive Analyse der illustrierten Titelseiten gelegt.
2.4.3 Titelblatt und Titelbogen Hinsichtlich der Lagenstellung der Titelseite bieten die Kölner Drucke der Inkunabelzeit ein sehr einheitliches Bild. Bei 95 % der Drucke mit einer Titelseite befindet sich diese oder das Titelblatt am Anfang der Lage, in der auch der Text beginnt. In den restlichen, zumeist umfangreicheren Drucken steht sie am Anfang einer ——————— 84 So z. B. in den folgenden beiden Drucken: ISTC ia01064100, GW 2516, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 167; ISTC ij00373000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 573. 85 Albertus Magnus: Commentaria in libros Physicorum Aristotelis. Köln: Heinrich Quentell, Dezember 1505.
vorgeschalteten Lage mit paratextuellen Elementen wie einem Register oder einer Tabula, die für Gelehrte ebenfalls einen sehr attraktiven Bestandteil des Buchs darstellten. Beide Gruppen verteilen sich proportional zur Zunahme der Titelblatt-Drucke relativ gleichmäßig über die Jahrzehnte der Inkunabelzeit. Dieser Befund zeigt eindeutig, dass die Titelseite in Kölner Inkunabeln fast ausschließlich ein von vornherein vorgesehener Bestandteil der Drucke und nicht das Ergebnis späterer Umplanungen war. Aber von einer planvollen Verwendung eines Titelbogens im heutigen Sinne kann noch nicht die Rede sein.
2.4.4 Titelblatt und Folgeseiten Auch beim Verhältnis der Titelseiten zu den nachfolgenden Seiten zeigen die Kölner Inkunabeln mit Titelseite eindeutige Tendenzen. In gut der Hälfte der Titelseiten-Drucke (52 %) folgt – im Sinne eines tatsächlichen Titelblatts86 – eine Leerseite auf die Titelseite. Der Text beginnt sodann auf der Recto-Seite des zweiten Blatts in der ersten Lage. In knapp einem Drittel der Titelseiten-Drucke (30 %) wurde Blatt 1v bereits für den Textanfang genutzt. Dieser hohe Anteil an Titelseiten im engeren Sinne macht deutlich, dass die Kölner Druckerverleger das Titelblatt – anders als z. B. die Augsburger Druckerverleger87 – noch nicht uneingeschränkt als separaten Buchbestandteil einsetzten, typographisch hervorheben wollten oder überhaupt wahrnahmen. Bei der Hälfte der restlichen Titelseiten folgt auf die Titelseite unmittelbar auf Blatt 1v (4 %) oder mit zwischengeschalteter Leerseite auf Blatt 2r (5 %) ein bucherschließendes Vorstück (Register, Tabula, Tituli etc.). 6 % der Titelseiten weisen auf der Verso-Seite der Titelseite und vor dem Textbeginn auf Blatt 2r einen kleinen abgeschlossenen Text, z. B. eine Epistel, auf. Eine seltene Ausnahme blieben typographische Titelseiten mit einem Holzschnitt auf Blatt 1v und nachfolgendem Textbeginn auf Blatt 2r (3 %).
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte 3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
Die hohe Anzahl illustrierter Titelseiten mit typographischem Teil und einem textbezogenen Holzschnitt (etwa 94 % mit graphischen Elementen = etwa 226 Titelseiten) kam hauptsächlich durch den Produktionsschwerpunkt Heinrich Quentells zustande. Dieser verwendete für seine Drucke, deren Abnehmer im ——————— 86 Zur Differenzierung zwischen Titelblatt und Titelseite vgl. auch oben Anm. 16. 87 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band.
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte Umfeld der Kölner Lateinschulen und der Universität anzunehmen sind, ab 1490 immer wieder die gleichen Holzschnitte mit Magisterszenen (etwa 68 % der illustrierten bzw. insges. 144 Titelseiten). Bei diesem einen Buchtyp konstitutierenden Titelseitentypus war ganz offensichtlich weniger eine konkrete Textillustration als ein optischer Wiedererkennungseffekt mit Werbecharakter intendiert. Die Ikonographie der übrigen illustrierten Titelseiten (31 %) weist zu gut drei Vierteln christologische, mariologische Themen, Heiligendarstellungen sowie Szenen sakramentaler Handlungen (Beichtszenen) oder geistliche Themen (Versuchung eines Priesters) auf. Die meisten dieser Holzschnitte sind nicht titelseitenspezifisch. Ihre häufig nicht auf das Buchformat abgestimmte Größe signalisiert ebenso wie die Nutzung weit verbreiteter Motive oder die Wiederverwendung von Druckstöcken, dass sie aus einem anderen Kontext stammen können. Die Quellen dieser Sorte illustrierter Titelseiten in Köln sind vor allem in den Bereichen der Textillustration und der kleinen Andachtsbilder zu suchen. So verwendete Ulrich Zell einen Metallschnitt mit der Geburt Christi, der einer Illustrationsfolge mit Metall- und Holzschnitten von zwei unterschiedlichen Händen angehörte, für die Titelseite seines um 1488 datierten Horologium devotionis.88 Die mehrfigurige Kreuzigung auf der Titelseite der Passio Christi ex quattuor evangelistis von Petrus Keyerslach, die Zell 1487 druckte, entspricht dem gängigen und für variable Funktionen verwendbaren ikonographischen Schema (Abb. 9).89 Das Layout dieser Titelseite fällt insofern unter den illustrierten Kölner Titelseiten auf, als der qualitätsvolle Holzschnitt oberhalb und nicht wie gewöhnlich unterhalb des Titels »Passio christi ex quattuor euangelistis per deuotum virum Petrum kyerslach ordinis predicatorum collecta Cum tractatulo de planctu Marie« angeordnet ist. Die Anordnung des Holzschnitts unterhalb der Titelformulierung scheint sich erst mit der häufigeren Verwendung der illustrierten Titelseite in den 1490er Jahren durchgesetzt zu haben. Zell strukturierte den genannten Druck zudem durch einen weiteren Kruzifix-Holzschnitt (Bl. 31v) und trennte durch ihn das Textende der Leidensgeschichte Christi von dem zweiten Text mit einem Traktat über die Marienklage. Zur präziseren Beschreibung der illustrierten Kölner Titelseiten werden hier die Begriffe uni- und multivalente Titelholzschnitte in Anlehnung an die Überlegungen Norbert H. Otts neu eingeführt. Ott umschrieb im Zusammenhang seiner Untersuchung zu Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustrationen in Handschriften des Spätmittelalters die Multiva——————— 88 ISTC ib00503000, GW 4172, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 246 (I), Schramm, Bd. 8, S. 4, S. 17 u. Abb. 41. 89 Schramm, Bd. 8, Abb. 39.
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lenz von Bildtypen sehr treffend: »Diese Multivalenz der Bildtypen, ihre Verfügbarkeit und Abrufbarkeit für den jeweils aktuellen Text ist wohl am besten mit ›Egalisierung‹ bezeichnet: Bildformeln mit ehemals spezifischem Sinn werden so verallgemeinert, daß ihre Benutzung unbegrenzt wird.«90 Die Verwendung funktional multivalenter Bilder für illustrierte Titelseiten kennzeichnete nicht nur die Anfangsphase der illustrierten Titelseiten in Köln. So wurde z. B. auch noch 1498 (16. Mai) in der Offizin ›Retro Minores‹ (Martin Werden?) ein kleiner Oktavdruck der Sermones XIII praedicabiles per totum annum fertig gestellt, dessen Titelseite der Holzschnitt einer ›Anna selbdritt mit Heiliggeisttaube‹ ziert.91 Die stereotype, formelhafte Gestaltung dieses Holzschnitts passte aus der Sicht des Druckers offensichtlich in beliebige Zusammenhänge, so dass er keine Schwierigkeiten sah, ihn z. B. auch auf die Titelseite eines Donatus moralisatus (1498)92 zu platzieren. Heinrich Quentell versah, ohne dass die Titelformulierungen zwangsläufig dies verlangen würden, 1499 (20. September) einen Druck der Summulae logicales des Petrus Hispanus93 und 1500 ein Resolutorium dubiorum circa celebrationem missarum occurentium des Johannes de Lapide94 mit demselben Holzschnitt, auf dem die Heiligen Drei Könige sich aus drei Richtungen kommend dem Stall mit Maria und Kind annähern. In diesem speziellen Fall könnte aufgrund des geringen Bezugs zwischen Text und Titelbild der Holzschnitt auch als Hinweis auf die Herstellung des Druckes in Köln interpretiert werden. Hermann Bumgart setzte um 1500 einen Holzschnitt aus dem für Andachtsbilder typischen ikonographischen Themenkreis der De imitatione Christi des Thomas von Kempen mit dem kreuztragenden Christus, dem Maria mit einem Kreuz nachfolgt, auf die Titelseite eines Jubilarium aureum seu septena dominicae roseae passionis.95 In allen diesen Fällen nutzten die Drucker tradierte Bildformen und erweiterten deren Funktionsbereich für ihre Zwecke. Hierbei folgten sie letztendlich der Funktionszuweisung, die kirchliche Autoren während des gesamten Mittelalters und bis in die Renaissance immer wieder zur Rechtfertigung von religiösen Bildern in der Kirche angeführt hatten. Der Vorteil der Bilder gegenüber der Wortpredigt wurde darin gesehen, dass sie dem Bedürfnis des Menschen nach Vergegenwärtigung schriftlich fixierter Inhalte entgegenkamen und diese Inhalte sich durch optische Ein——————— 90 Vgl. Ott: Überlieferung, Ikonographie, S. 359f. 91 ISTC im00547000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 799, Schramm, Bd. 8, S. 27 u. Abb. 898. 92 Johannes Gerson: Donatus moralisatus. [Köln: Retro Minores (Martin Werden?), 1498] (ISTC ig00224000, GW 10870, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 464). 93 ISTC ij00236000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 934. 94 ISTC ij00373000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 573. 95 ISTC ij00492800.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Abb. 9: Illustrierte Titelseite mit Holzschnitt einer mehrfigurigen Kreuzigung: Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte drücke nachhaltiger einprägten als durch verbal vermittelte. Neben oder zum Teil möglicherweise an die Stelle der Aspekte Information, Kommemoration der Glaubenswahrheiten und Provokation der angemessenen Geisteshaltung, die im Sinne der ›triplex ratio‹ mittelalterlicher Theologen für den Einsatz von Bildern sprachen,96 trat die Absicht der Druckerverleger, den potentiellen Käufern ihrer Drucke eine Orientierungshilfe zur Unterscheidung der Büchergattungen und eine optische Attraktion als Kaufanreiz zu bieten. Indem sie bekannte ikonographische Schemata aufgriffen, konnten sie sich einerseits vorhandener Druckstöcke bedienen und andererseits sich aufgrund lange eingeübter bilddialogischer Mechanismen auf die Verständlichkeit ihrer Titelillustrationen verlassen. Die Titelillustrationen informierten aber auch auf den ersten Blick darüber, dass die Bücher im weitesten Sinne der gleichen Funktion wie die Bilder, nämlich der Annäherung und Kontemplation der Glaubenswahrheiten, dienen sollten. Da mehr als die Hälfte der Kölner Inkunabeln theologischen Inhalts war, lag diese pragmatische Vorgehensweise nahe und verursachte den Druckern die geringsten Kosten. Von größerem Interesse für die Entwicklung der illustrierten Titelseite ist der Weg der Bildfindung für diejenigen Drucke, mit denen noch keine Bildtradition in Verbindung zu bringen war. Die beiden Monopolisten im Kölner Buchdruck, Johann Koelhoff d. Ä. und Heinrich Quentell, vertraten auch hier zwei unterschiedliche Lösungsmodelle, die den Gesamteindruck vom Produktionsprofil der jeweiligen Offizin bestätigen. Die wenigen illustrierten Titelseiten Koelhoffs d. Ä. waren Einzelfälle, die gegebenenfalls bei einer Wiederauflage des gleichen Druckes noch einmal Verwendung fanden. Heinrich Quentell hingegen verfolgte eine ganz andere Taktik. Er ließ im Lauf seiner Tätigkeit drei Druckstöcke mit verschiedenen Magisterszenen anfertigen, die er jeweils über mehrere Jahre hinweg für eine Vielzahl unterschiedlicher Drucke einsetzen konnte. Johann Koelhoff d. J. behielt die Vorgehensweise seines Vaters mit einer kleinen, aber wichtigen Variation bei, aufgrund der er die entscheidenden Vorteile beider Lösungsmodelle miteinander vereinbaren konnte.
3.1 Textbezogene Titelillustrationen aus der Offizin der Koelhoffs Johann Koelhoff d. Ä. versah weniger als 20 seiner knapp 180 Drucke mit Holzschnitten. Nur wenige dieser Titelholzschnitte verwendete er mehrfach: seinen ersten Titelholzschnitt mit der Darstellung eines ——————— 96 Vgl. Baxandall: Wirklichkeit, S. 55–60; vgl. auch Belting: Bild und Kult, Kap. 19.
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jüdischen Gelehrten mit Spruchband umgeben von einem durchgehend umlaufenden Zierrahmen sowie einen ebenfalls gerahmten Holzschnitt mit Beichtszenen und einen mit einer Magisterszene (siehe Tab. 4). Allerdings gehörte er zu den ersten Kölner Druckern, die die Möglichkeit des Titelholzschnitts überhaupt nutzten. Nachdem Bartholomäus von Unkel und Johann Guldenschaff 1486 als erste jeweils eine ihrer Titelseiten mit einem Holzschnitt versehen hatten,97 machten Johann Koelhoff d. Ä. und Ulrich Zell98 im Jahr 1487 ebenfalls von dieser optischen Aufwertung der Titelseite Gebrauch. Die Leistungen Johann Koelhoffs d. Ä. auf dem Gebiet des Holzschnitts wurden immer wieder mit der Begründung, dass seine Holzschnitte nur ›handwerksmäßige‹ Qualität hätten, recht gering eingeschätzt, abgesehen von den Nachschnitten nach Buchillustrationen anderer Drucker.99 Jedoch sind für die Wahl seiner Titelholzschnitte Einzelfallentscheidungen charakteristisch. Koelhoffs Leistung in diesem Bereich sollte daher nicht aufgrund der ästhetischen oder künstlerischen Qualität der Titelholzschnitte grundsätzlich abgewertet werden. Stattdessen ist mit Ott die weniger aufwändige Gestaltung als Nebeneffekt der geringeren Dignität der Gattung Buchillustration zu verstehen.100 Koelhoffs entscheidendes Kriterium bei der Wahl seiner Titelholzschnitte wäre demnach die visuelle Vermittlung einer inhaltlichen Aussage und nicht der dekorative Charakter des Bildes gewesen. Allen seinen Titelholzschnitten gemein ist, dass zwischen der Ikonographie des Titelholzschnitts und dem illustrierten Text konkrete Bezüge bestehen. Unabhängig davon, ob er Illustrationen anderer Drucker übernahm oder eigene anfertigen ließ, waren seine Titelholzschnitte zwar nicht alle eindeutig univalent wie z. B. die kölnspezifischen Holzschnitte oder derjenige mit den Beichtszenen, aber zumindest wesentlich weniger flexibel verwendbar als die im nachfolgenden Kapitel vorzustellenden von Heinrich Quentell. ——————— 97 Dirk Coelde van Munster: Kerstenspiegel (»Hantbochelgin oder Spegel des Kirstenmynschen«). [Köln: Bartholomaeus von Unkel?], 7. März 1486 (ISTC ic00747700, GW 7144, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 340. Titelseite mit Kruzifix); Conradus Sehusen: Arenga recommendatoria Maximiliani regis Romanorum. [Köln: Johann Guldenschaff, nach 16. März 1486] (ISTC is00366700, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1067, Schramm, Bd. 8, Abb. 19. Titelseite mit Schema der mystischen Spielerei). 98 Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487 (ISTC ik00021000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 715. Titelseite mit Kreuzigung Christi). 99 Voulliéme: Buchdruck, S. XXVI: »Fassen wir das Resultat dieser Aufzählung zusammen, so erscheint das Verdienst des älteren Koelhoff um die Pflege des Holzschnittes als ein recht geringes: Das sich über das Niveau des Handwerksmäßigen Erhebende ist entlehntes Gut, kommt also zur Beurteilung der Kölner Buchillustration nicht in Betracht (Aesop u. Seelentrost), alles übrige ist ohne künstlerische Bedeutung.« So ähnlich auch Schramm, Bd. 8, S. 5, über Johann Koelhoff d. Ä. 100 Vgl. Ott: Überlieferung, Ikonographie, S. 356–385.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
3.1.1 Die Aesop-Ausgabe Johann Koelhoffs d. Ä. Einzigartig unter den Kölner Titelholzschnitten ist die eindeutig univalente Titelseite für die Übersetzung der Fabeln des Aesop in niederdeutscher (Kölner) Sprache. Koelhoff d. Ä. ließ für diese Ausgabe von 1489 den Holzschnitt nachschneiden, der seit der ersten gedruckten Auflage des Erstherausgebers und Übersetzers Ulrich Steinhöwel (Ulm: Johann Zainer 1476/77)101 bis weit ins 16. Jahrhundert alle Folgeauflagen, so auch diejenigen in Augsburg102 oder Straßburg,103 einleitete. In allen nicht-kölnischen Drucken erscheint der Holzschnitt allerdings auf der VersoSeite des ersten Blatts und ist daher nicht als Titelillustration im engeren Sinne anzusehen, sondern als ein den Text einleitender Holzschnitt. Die Eigentümlichkeit dieses Aesop-Holzschnitts ermöglichte allerdings beide Nutzungsformen. Der Holzschnitt zeigt den buckligen Aesop inmitten von 30 Tieren, Gegenständen und Situationen, die seine verschiedenen Fabeln symbolisieren oder in Beziehung zu seiner Vita stehen.104 Gerd Dicke interpretierte den Holzschnitt als »bildliches Inhaltsverzeichnis und als Ersatz zugleich für den noch fehlenden Buchtitel«.105 Über dem Kopf des Verfassers der Fabeln ist aber auch sein Name »ESOPVS« eingefügt. Dieser xylographische Schriftzug kann sowohl als Bildinschrift als auch als Titel aufgefasst werden.106 Koelhoff d. Ä. verstand ihn offensichtlich als Buchtitel: er stellte den Holzschnitt auf die erste Seite seines Druckes, trennte diese durch eine Leerseite (Bl. 1v) vom Textbeginn und erzeugte so ein Titelblatt im engeren Sinne. Den durch eine Holzschnittrahmung hervorgehobenen Textbeginn ließ er auf Blatt 2r einsetzen. Koelhoffs ›importierte‹ Aesop-Titelseite kann demnach als zweite xylographische Titelseite in einer Kölner Inkunabel angesehen werden. Aufgrund ihres zwitterhaften Charakters ist sie zu den prädispositiven Vorstufen der illustrierten Titelseite zu rechnen.
——————— 101 Aesopus: Vita et Fabulae. Ulm: Johann Zainer, [um 1476– 77] (ISTC ia00116000, GW 351, Schramm, Bd. 5, S. 18). 102 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band. 103 Zum Beispiel Aesopus: Vita et Fabulae. [Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, 1481] (ISTC ia00113000, GW 348, Schramm, Bd. 19, S. 14). 104 »Requisiten äsopischer Streiche (Kochtopf, Schweinepfote), Fabelakteure (Wolf, Lamm, Grille), Dingsymbole äsopischer Lehrreden und Rätsellösungen (Zunge, Kräuter), Lebensstationen Äsops von der göttlichen Begabung mit Weisheit und Eloquenz (Isis) über die Lebensrettung (Hermippus’ Grab) bis zu seiner Hinrichtung (Felsensturz) und der bald danach schon sich einstellenden Verehrung durch die Nachwelt (Säulendenkmal).« Aus: Dicke: Esopus, S. 21. 105 Dicke: Esopus, S. 22, S. 121. Diese Gestaltungsvariante der Kölner Ausgabe des Aesop hat Dicke nicht berücksichtigt. 106 Vgl. Fallstudie Augsburg im folgenden Band.
3.1.2 Der Magisterszenen-Holzschnitt der Koelhoffs Ähnlich eindeutig im Textbezug und daher wesentlich eingeschränkter in den Nutzungsmöglichkeiten als bei Quentells Holzschnitten mit Magisterszenen war die einzige Magister- oder Unterrichtsszene, die auf vier Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. sowie auf zwei Drucken von Johann Koelhoff d. J. zu finden ist. Ihre univalente Ikonographie ist nur im Zusammenhang mit ihrem ersten Erscheinen auf der Legenda Alberti Magni vom 11. September 1490 verständlich (Abb. 10). Der Titelholzschnitt zeigt, wie Albertus Magnus an einem Katheder sitzend unterrichtet. Der Weisegestus seiner linken Hand lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine nimbierte Mönchsgestalt unter seinen sechs Zuhörern, die durch den Schriftzug »Sanctus Thomas Aquinas« als Thomas von Aquin identifiziert ist. Das Spruchband über der Szene gibt die Prophezeiung des Albertus Magnus über die zukünftige Größe und Bedeutung des Thomas von Aquin wieder: »uos bouem mutum istum esse dicitis sed talem adhuc in doctrina dabit mugitum ut totus mirabitur mundus«.107 Warum Johann Koelhoff d. Ä. 1491 mit dem gleichen Holzschnitt zudem jeweils eine Ausgabe von Aristoteles De anima und seinen Parva naturalia illustrierte, war der wahrscheinlich vorgebildeten Lesergruppe dieses Textes bzw. dem Betrachter der Titelseite verständlich. In diesem Personenkreis dürfte es bekannt gewesen sein, dass Thomas von Aquin der bedeutendste Aristotelesexeget (des Mittelalters) und der wichtigste Schüler des Albertus Magnus war. Wesentlich schwerer fällt es, eine Erklärung für den Einsatz des Holzschnitts auf den Kölner Statuten Provincialia et synodalia ecclesiae Coloniensis von 1492 zu finden. Möglicherweise entfremdete Koelhoff d. Ä. hierfür tatsächlich den Holzschnitt seinem ursprünglichen Kontext und signalisierte nur allgemein die Situation einer Disputation, deren Ergebnis die Statuten waren. Es könnte aber auch sein, dass er auf die wichtige Vermittlerrolle des Albertus Magnus im Streit zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden (1239–1261) und der Kölner Stadtgemeinde anspielen wollte.108 Die ursprüngliche Bildaussage über die Person bzw. die Leistungen des Thomas von Aquin könnte bei dieser Interpretation lediglich zur näheren Umschreibung des Albertus Magnus gedient haben.
——————— 107 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 53f., Nr. 66 u. 67; Kimpel: Albert der Große, Sp. 71–73. 108 Vgl. Schäfke: Albertus Magnus, S. 35–44.
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
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Tab. 4: Illustrierte Titelseiten von Johann Koelhoff d. Ä. Ikonographie der Titelillustration
Druckausgabe
Jahr
Jüdischer Gelehrter mit Spruchband, vierseitige Zierleiste
Gerardus de Vliederhoven: Cordiale quattuor novissimorum, dt.: Hertzlich gedechtnis van den veir uijsstersten
23. Juni 1487112
Jüdischer Gelehrter mit Spruchband, vierseitige Zierleiste
Vocabularius: Curia palatium
um 1487113
Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes, Dietrich Coelde: Handbüchelchen oder vierseitige Zierleiste Spiegel eines Christenmenschen
1489114
Aesop, umgeben von Tieren und Gegenständen
Aesop. Vita et Fabulae, Lib. I-IV. Daran: Fabulae extravagantes. Fabulae novae. Fabulae Aviani. Fabulae collectae
14. März 1489115
Beichtszenen
Poenitentionarius: Poeniteas cito
20. Dezember 1489116
Magisterszene
Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni. Daran: Jacobus de Gouda: Legenda compendiosa et metrica
11. September 1490117
Christus am Kreuz, umgeben von der Dornenkrone und den Namen der Kölner Kirchen mit Heiltümern
Der Doernenkrantz van Collen (ndt.)
9. Oktober 1490118
Mann mit drei Würfeln
Der boiffen Orden
um 1490119
Beichtszenen
Confessionale: Formula purae confessionis
um 1490120
Markolf mit seinem Weib vor König Salomon Dialogus Salomonis et Marcolphi (ndt.)
um 1490121
Magisterszene
Aristoteles: De anima (Kommentar: Johannes Mechlinia). Daran: Gerardus de Harderwyck: Epitome
28. Februar 1491122
Magisterszene
Aristoteles: Parva naturalia (Kommentar: Johannes de Mechlinia). 27. Oktober 1491123 Ed: Jacobus de Amorsfordia
Kaiser Justinian mit zwei Rittern zu Pferd
Sifridus Teutonicus de Arena: Expositiones sive Declarationes titulorum utriusque juris
3. Dezember 1491124
Christus am Kreuz, umgeben von der Dornenkrone und den Namen der Kölner Kirchen mit Heiltümern
Aflais und Heyldoms der Stadt Colne (ndt.)
18. Februar 1492125
Christus in der Mandorla, umgeben von den 24 Altvätern
Otto von Passau: Die vierundzwanzig Alten, oder Der goldne Thron
26. Mai 1492126
Magisterszene
Statuta Coloniensia: Provincialia et synodalia ecclesiae Coloniensis 29. September 1492127
Gekrönter Doppeladler mit Gekreuzigtem als Brustschild
Nicasius de Voerda: Lectura libri Institutionum, cum tractatibus de 6. April 1493128 successionibus, de arboribus consanguinitatis, affinitatis, spiritualis cognationis et actionum. Ed: Gerardus de Harderwyck
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121
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124
125
——————— 109 ISTC ic00909300, GW 7516, Schramm, Bd. 8, Abb. 94–99. 110 ISTC iv00326200, Schramm, Bd. 8, S. 94. 111 ISTC ic00747800, GW 7145, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 341, Schramm, Bd. 8, Abb. 284–289. 112 ISTC ia00123000, GW 364, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 23, Schramm, Bd. 8, S. 18. 113 ISTC ip00841000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 971, Schramm, Bd. 8, S. 18. 114 ISTC ir00349000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1056, Schramm, Bd. 8, S. 18. 115 ISTC ic00755270, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 388. 116 ISTC ib00833000, GW 4613. 117 ISTC ic00805000, GW 7352.
118 ISTC is00103000, GW 12789. 119 ISTC ia00970000, GW 2347, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 141, Schramm, Bd. 8, S. 18. 120 ISTC ia01017000, GW 2428, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 159, Schramm, Bd. 8, S. 18. 121 ISTC is00496000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1087. 122 ISTC ia00157300, GW 8, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 248. 123 ISTC io00122000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 875, Schramm, Bd. 8, S. 18. 124 ISTC is00733000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1097, Schramm, Bd. 8, S. 18. 125 ISTC in00042000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 830.
130
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln schon fast zu einer Verunklärung beim Verständnis der Ikonographie, hier speziell der Nimbierung des Lehrers und eines des Zuhörers, führen konnte.
3.1.3 Der Doernenkrantz van Collen: Mnemotechnische Elemente auf der Titelseite In den seltensten Fällen ist nachvollziehbar, ob überhaupt und wie im Detail Autor oder Drucker die medialen Möglichkeiten des Buchdrucks und insbesondere der illustrierten Titelseite in inhaltliche Überlegungen einbezogen. Genau dies belegt eine Textpassage am Ende des ersten Teils des Doernenkrantz van Collen, dessen Druck Koelhoff d. Ä. am 9. Oktober 1490 abschloss: [...] daemit Coellen wyrdichlichen begaifft is Schone bouen allen Steden eyn krone/ as vurschreuen in den heufftboichstauen eyns ytlichen Artykels begreffen ist. Dairumb Sy billich hillich genant wyrt. want sy an allen enden mit dem bloede der hilligen merteler geverwt vnd mit dem verdienste der lieuen hilligen in allen eynden vmbgeuen vnd vmbgreiffen is So men dat klairlich vnd genoichelich an schauwen mach in der figuren vp dem yrsten blade des boichs gedruckt. dae deser spruch in latynschen worden geschreuen steyt.126 Abb. 10: Illustrierte Titelseite mit Holzschnitt einer Magisterszene: Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 11. September 1490 Tendenziell ist eher an einen langsamen Ablösungsprozess aus dem ursprünglichen Textzusammenhang zu denken, weil Johann Koelhoff d. J. offensichtlich keine Schwierigkeiten hatte, den ›Albertus-Magnus‹Titelholzschnitt seines Vaters 1495 für eine zweibändige Ausgabe des Doctrinale des französischen Grammatikers Alexander de Villa Dei (um 1170–um 1250) zu verwenden. Unter den Lesern und Käufern dieses Basislehrbuchs der Lateinschulen konnte das Wissen zur Entschlüsselung der komplexen Ikonographie der Titelseite höchstens bei den Lehrmeistern vorausgesetzt werden. Ein Bild-Text-Bezug unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bildaussage würde auch nur noch wenig Sinn ergeben. Eher scheint hier die Bildaussage auf die Wiedergabe einer prototypischen Lehrsituation reduziert worden zu sein. Da die Koelhoffs nicht – wie Heinrich Quentell – eine erhebliche Anzahl von Drucken mit gleichen Holzschnitten versahen, muss eine endgültige Beurteilung dieses Vorgangs offen bleiben. Eine Einflussnahme Quentells auf die Koelhoff’sche Praxis der Titelblatt-Illustration ist wahrscheinlich. Gleichzeitig zeigt sich hier, wie die Wiederverwendung eines auf einen Text abgestimmten – univalenten – Titelholzschnitts zu Schwierigkeiten oder
Da zwischen der Fertigstellung des Textes selbst im Jahr 1468 durch den in Demut anonym verbliebenen Autor127 und der Druckausgabe Koelhoffs d. Ä. immerhin 22 Jahre lagen, ist es wahrscheinlich, dass die betreffende Passage eine nachträgliche Ergänzung ist, die erst hinzugefügt wurde, nachdem Koelhoff d. Ä. die Entscheidung zugunsten einer illustrierten und wiederum eindeutig univalenten Titelseite getroffen hatte (Abb. 11).
——————— 126 Der Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 9. Oktober 1490, Bl. 19v (ISTC ic00755270, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 388). Zitiert nach dem Exemplar der 2. Auflage Köln UStB: Ennen 133, fol. 19v/[c5]v, Z. 13–24: Ablais und Heyldoms der Stadt Colne, ndt. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 18. Februar 1492 (ISTC ia00157300, GW 8, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 248). Vgl. auch Venns: Dornenkranz, S. 44. Die Titelseite dieser Auflage ist unbekannt. Aufgrund des wortwörtlich übereinstimmenden Hinweises auf die illustrierte Seite jeweils auf Bl. 19v ist es sehr wahrscheinlich, dass beide die gleiche unten beschriebene Titelseite aufgewiesen haben. 127 Wie Anm. 126, Bl. [L4]v/84v, Z. 26–32: »Und so wer dyt liest und mit vlysse besynnet der mach gunstlichen myrcken die meynunge und besseren den synn deser materien. Und vynden sy gebrech/dat sy dat van lieffden korrygeren. un bydden got vur den der dit zusamen gesatzt und geschreuen hait Des name got bekant is. Geschreuen. M.CCCC.lxviij. Deo gratias.«
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
131
Abb. 11: Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 9. Oktober 1490 Das Titelblatt weist am oberen Blattrand den typographischen Titel »Der doernen krantz van Collen« und darunter einen durch eine einfache Linie vierseitig gerahmten Holzschnitt mit dem Hexameter »Sancta Colonia diceris hinc. quia sanguine tincta Sanctorum. meritis quorum stas undique cincta.« und dem Motto »Collen eyn croyn. Bouen allen steten schoyn« als xylographische Inschriften auf. Im Zent-
rum befindet sich eine Kruzifix-Darstellung, die von einem zweiteiligen aus der Dornenkrone und den radial angeordneten Namen der Kölner Heiltümer gebildeten Kreisschema eingeschlossen ist.128 Der Kruzifixtypus folgt in starker Vereinfachung einer in Köln mehrfach rezipierten Vorlage, einem etwa um ——————— 128 Schramm, Bd. 8, Abb. 318.
132
Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
1475 entstandenen Kupferstich Martin Schongauers (um 1450–1491), die einen Terminus post quem für die Entstehung des Titelholzschnitts liefert.129 Die Komposition mit der Darstellung des Kruzifix inmitten zweier konzentrischer Kreise führt Dirk Venns auf eine Zeichnung in der ältesten Abschrift der Agrippina des Heinrich von Beeck zurück. Dort ist der Gekreuzigte von den Namen der Reichsstädte umgeben.130 Ein Fehler bei der Aufzählung der Kölner Heiltümer, der vom Holzschneider im Arbeitsprozess korrigiert wurde, lässt vermuten, dass der Autor an der Konzeption der Titelillustration keinen Anteil (mehr) hatte. In der Vorrede des ersten Textteils ist von 36 Heiltümern die Rede, während im ersten Textteil selbst insgesamt 37 beschrieben werden. Eben diese Ungenauigkeit der Vorrede hatte der Holzschneider übersehen, der deshalb den Hinweis »Barbam carthuß«, d. h. auf die Kartause St. Barbara, außerhalb des Kreises ›anflicken‹ musste, weil er nur 36 Stationen in das Kreisschema integriert hatte. Mit dem auf den ersten Blick daher in seiner additiven Gestaltung etwas ungelenk wirkenden Titelblatt verfolgte Koelhoff d. Ä. dennoch konkrete Zwecke. Der Aufmerksamkeit erweckende Holzschnitt setzte durch die Darstellung des Dornenkranzes einerseits konkret den Titelwortlaut graphisch um und fasste den Inhalt des ersten Teils zusammen, so dass allein durch die Bildbetrachtung diese Textpartien ins Gedächtnis gerufen werden konnten. Andererseits ist die dem individuellen Seelenheil des Lesers zuträgliche Lektüre bzw. nachvollziehende Heiligenverehrung mit dem Stadtlob in einen Kontext gebracht, womit Koelhoff d. Ä. dem Selbstbewusstsein der Kölner entgegenkam und mit der Bedeutung der Stadt gleichzeitig für seinen Druck werben konnte.131 Auf beide Funktionen weist der oben zitierte Hinweis auf das Titelblatt im Buch selbst explizit hin. Darüber hinaus sind in der Illustration der Titelseite des Doernenkrantz van Collen Prinzipien des Anordnens und Verbildlichens wiederzuerkennen, die auf die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen mnemonischen Traktate zurückzuführen sind und als vorausdeutend auf die Gestaltung von Titelillustrationen im 16. und 17. Jahrhunderts angesehen werden können. Bernadette Schöller bringt die Gestaltungsund Funktionsweisen gegenreformatorischer Druckgraphik mit der »Trias von Erfreuen, Belehren und Bewegen« in Verbindung, die Gabriele Paleotti 1582 im Hinblick auf die christliche Malerei und unter ——————— 129 Lehrs: Kupferstich S. 14; The illustrated Bartsch, Bd. 8, S. 239, Nr. 25 (130). Vgl. auch Gummlich: Bildproduktion, S. 236–239. 130 Vgl. Venns: Dornenkranz, S. 47, mit Hinweis auf Köln, HAStK: Chroniken und Darstellungen 19 (Autograph der Agrippina) und Chroniken und Darstellungen 20, Bl. 2v (älteste Abschrift). 131 Vgl. Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 165f.; Venns: Dornenkranz, S. 44ff.
Berufung auf die rhetorische Praxis als zentrale, auf die Rezipienten gerichtete Momente hervorhob.132 Unter Verweis auf drei Textpassagen133 aus der Summa Theologica des Thomas von Aquin stellt sie heraus, inwiefern »Eindringliche, von Ähnlichkeitsbeziehungen geleitete Vorstellungen, ordnende Reihung des zu Erinnernden sowie emotionale Anteilnahme und stete Übung« das Fundament der im 12. Jahrhundert wieder aufgegriffenen antiken Mnemonik (Gedächtniskunst) oder Mnemotechnik bildeten.134 Deren System diente der Einprägung und Wiedergewinnung eines zu merkenden Stoffes. Und eben dieses Systems bediente sich laut Schöller die gegenreformatorische Druckgraphik nicht nur, um zu belehren im Sinne der Aufgabe, die Bildern im Mittelalter und der frühen Neuzeit grundsätzlich unterstellt wurde, sondern gerade auch um gegenreformatorische Propaganda einprägsam zu vermitteln. Koelhoff d. Ä. war mit seiner Titelseite des Doernenkrantz van Collen wohl einer der ersten Kölner Druckerverleger – wenn nicht sogar der erste überhaupt – der in dieser Deutlichkeit ein an der zeitgenössischen mnemotechnischen Übung orientiertes gestalterisches Verfahren einsetzte, das später in Graphiken wie dem Kupferstich Ein schöne Newe Fasten Spiegel (Incipit)135 mit Szenen der Versuchung Christi im Bildmittelpunkt, um die herum kreisförmig Fische ——————— 132 Schöller: Druckgraphik, S. 109; Paleotti: Discorso, S. 215 (libro primo, cap. XXI). 133 »Die Erinnerung hat ›[...] nicht nur einen Ausgangspunkt in der Natur, sondern auch sehr viel von Kunst und Fleiß an sich‹ (Cicero). Und es sind vier Dinge, durch die der Mensch sein Erinnern stärkt. Erstens muß er gewisse Vorstellungen suchen, die dem entsprechen, woran er sich erinnern will, aber nicht völlig gewohnt sind, weil uns das Ungewohnte mehr auffällt und den Geist mehr und stärker in Bann hält. Daher kommt es, daß wir uns mehr an das erinnern, was wir in der Kindheit gesehen haben. Nun ist aber das Finden solcher Vorstellungen oder Bilder (similitudinum vel imaginum adinventio) notwendig, weil die einfachen und geistigen Begriffe leichter aus der Seele entschwinden, wenn sie nicht gleichsam durch gewisse körperliche Vorstellungen angebunden werden; denn die menschliche Erkenntnis ist mächtiger im Bereich es Sinnenfälligen. […] – Zweitens muß der Mensch das, was er in der Erinnerung behalten will, im Nachdenken so anordnen, daß man von einem Gedächtnisinhalt leicht zu einem anderen fortschreitet. Darum sagt Aristoteles: ›Manchmal scheint man sich [an etwas] von seinem Ort her zu erinnern; der Grund aber liegt darin, daß man schnell von einem zum anderen kommt.‹ – Drittens muß der Mensch sich um das sorgen und sein Herz dem zuwenden, woran er sich erinnern will, weil etwas um so weniger leicht entschwindet, je tiefer es dem Geiste eingeprägt wurde. [...] – Viertens müssen wir das häufig bedenken, woran wir uns erinnern wollen.« Zitiert nach Schöller: Druckgraphik, S. 109, bzw. Thomas von Aquin. »Summa Theologica«, Secunda secundae, quaestio 49,1. Übersetzt und kommentiert von Dominikanern und Benediktinern, Bd. 17 B, 1966, S. 248f. 134 Schöller: Druckgraphik, S. 109. 135 Kupferstich, beschnitten, 365 : 272 mm (Blatt), bez.: Gerhart Altzenbach E., ohne Datum (wohl Mitte 17. Jahrhundert). Nürnberg GNM, Graphische Sammlung, HB 15961/1337. Vgl. Schöller: Druckgraphik, Abb. 39.
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte jeweils für einen der 40 Fastentage gruppiert sind, in ausgereifter Form wieder zu finden ist. Auf seiner Titelseite ist genauso um ein ›Konzentrationsmotiv‹ – den Kruzifix – mnemonisch geordnet und zum sukzessiven Nachvollzug bestimmt eine Bild-Text-Kombination angelegt (die Namen der Heiltümer in Strahlenkranz und Dornenkrone). Mit den oben bereits zitierten Worten »So men dat klairlich vnd genoichelich an schauwen mach in der figuren vp dem yrsten blade des boichs gedruckt« am Ende des ersten Teils des Buchs weist er den Leser explizit auf eben diese Möglichkeit hin. Die Art der Gestaltung einer Graphik ist am Ende des 15. Jahrhunderts an sich noch nicht überraschend, innovativ sind allerdings die Bilderfindung und der Einsatz derartiger komplexer mnemonischer Mittel auf der Titelseite. Hinter der Verwendung mnemonischer Gestaltungselemente auf der Titelseite ist nicht nur der Hintergedanke einer besseren Handhabe für den Leser zu vermuten, sondern auch die Absicht, ein funktional attraktives Element als Blickfang an den Anfang des Buchs zu stellen. Dass in Köln die Möglichkeiten der Mnemonik grundsätzlich zumindest Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt waren, belegen die Kölner Epistolae obscurorum virorum (1514 und weitere Ausgaben), die sich ironisch zu Thomas Murners sehr ausgedehntem Gebrauch dieser Technik äußerten.136 Als Beispiel einer bildlich-mnemonischen Darstellung, die in Köln Ende des 15. Jahrhunderts entstanden sein könnte, ist die nachträgliche Zeichnung anzuführen, um die die ursprünglich rein typographische Titelseite einer aus der Kölner Gymnasialbibliothek stammenden Ausgabe137 der Copulata tres super libros Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486]138 ergänzt wurde. Der skizzenhaften Federzeichnung eines barhäuptigen Mannes mit geöffnetem Oberkörper sind unter anderem schriftliche Erläuterungen der Sinnes- und Denkfunktionen (Visus, Olfactus, Gustus, Estimativa, u. a.) beigefügt (Abb. 12).139 Der 1489 von Koelhoff d. Ä. für seine AesopAusgabe übernommene Aesop-Holzschnitt gehört letztendlich in die gleiche Kategorie mnemonischer Bilder, da auch er zur sinnlich-räumlichen Einprägung von Begriffen oder genauer Begebenheiten diente. Im Unterschied zur Titelillustration des Doernenkrantz van Collen, für den Koelhoff d. Ä. eine Kombination aus schematisch-verbalem und figürlichbildlichem mnemonischem Bild entwickelte oder entwickeln ließ, bewegt sich die Ikonographie des Aesop-Holzschnitts rein im konkret-figürlichen Be——————— 136 Vgl. Volkmann: Ars memorativa, S. 142. 137 Köln, UStB: GBIIb372f[6], Bl. 1r = [a1]r Titelseite. 138 ISTC im00837000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 720. 139 Die ausführliche Untersuchung dieser höchst komplexen Zeichnung ist noch nicht abgeschlossen. Zudem würden weitere Ausführungen den Rahmen der Fallstudie sprengen.
133
reich und ist als Einzelbild in die Nachfolge mnemonischer Bilderschriften wie dem Blockbuch Ars memorandi notabilis per figuras evangelistarum, hic et post descripta, quam diligens lector legat et practicet per signa localia, ut in practica explicitur (ober-dt. ?, um 1470) einzuordnen.140 Johann Koelhoff d. J. engagierte sich mit insgesamt 22 Drucken wesentlich weniger im Buchdruck als sein Vater und fast genauso wenig wie er in der Buchillustration (Tab. 5). Jedoch sind alle seine Drucke mit Titelseiten und mehr als die Hälfte davon mit im weiteren Sinne illustrierten Titelseiten versehen. Sein einziges im eigentlichen Sinne durchgängig illustriertes Buch ist die bedeutende Cronica van der hilliger Stat van Collen von 1499, die wiederum ganz in der Tradition Koelhoffs d. Ä. einen eindeutig für dieses Werk angefertigten Titelholzschnitt mit dem Kölner Wappen und den acht halbfigurigen heiligen Petrus, Severin, Maternus, Anno, Heribert, Agilolph, Kunibert und Evergislus aufweist. Ebenfalls kölnspezifisch ist die Ikonographie des zweimal für den Modus legendi abbreviaturas von 1493 und des Summarium des Johannes Koelner de Vanckel von 1494 gebrauchten Titelholzschnitts mit einem Doppeladler mit dem Kölner Wappen als Brustschild. Dieser Holzschnitt steht weniger in unmittelbarer Beziehung zum Text, als dass er als Hinweis auf den Druckort Köln zu verstehen ist. Wegweisend für die Entwicklung von Kölner Titelseiten im 16. Jahrhundert sind seine originellen Titelillustrationen der um 1498/99 in kölnischem Dialekt gedruckten Heiligenlegenden.141 Koelhoff d. J. fand einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen dem wenig rentablen, weil nur begrenzt verwendbaren univalenten und dem in seiner Signalwirkung und Aussagekraft uneindeutigen bis fast schon beliebigen multivalenten Titelholzschnitt, indem er in Köln den Kombinationsstock einführte. Er greift auf ein Verfahren zurück, das die Nutzung ein- und desselben Holzstocks für alle vier Drucke erlaubt: In richtiger Unterscheidung zwischen generellen und individuellen Attributen hat die Heilige Palmzweig und Buch in den Händen, während ihre individuellen Attribute, die sonst an verschiedenen Stellen in die Bildkomposition eingefügt werden können, in die rechte untere Ecke gesetzt werden. Der ursprünglich einteilige Holzstock wird nun in zwei Teile zersägt, in die Platte mit der Heiligenfigur und ein auswechselbares Eckstück mit dem passenden Attribut. Für die Drucke mit gleicher Ausstattung sind nun nur noch die fehlenden Eckstücke mit den weiter benötigten Attributen herzustellen.142 ——————— 140 Vgl. Volkmann: Ars memorativa, S. 119–121 u. Abb. 109–111. 141 Vgl. Schramm, Bd. 8, Abb. 833–836. 142 Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 64; vgl. auch Schmitz: Überlieferung, S. 66f.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Abb. 12: Typographische Titelseite mit mnemonischer Skizze: Thomas von Aquin: Copulata tres super libros Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486]
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
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Tab. 5: Illustrierte Titelseiten von Johann Koelhoff d. J. Ikonographie der Titelillustration
Druckausgabe
Jahr
Kreuzigung Christi
Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini (ndt.): Vraege zo Marien van der Passie uns lieven Heren
1492144
Doppeladler mit Kölner Wappen als Brustschild
Modus legendi abbreviaturas
1493145
Doppeladler mit Kölner Wappen als Brustschild
Johannes Koelner de Vanckel: Summarium textuale et conclusiones super Sextum, Clementinas et Decretales extravagantes Johannis XXII
1494146
König thronend mit Pagen, Wappenschild mit drei Lilien
Descriptio apparatus bellici Caroli Regis Franciae intrantis Italiam. Daran: Prognosticon 1496
um 1495147
Magisterszene
Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars I) (Kommentar: Gerardus Zutphaniensis)
24. Juli 1495148
Magisterszene
Alexander de Villa Dei: Doctrinale (Pars II) (Kommentar: Gerardus Zutphaniensis)
28. September 1495149
Kreuzigung Christi
Medulla artis grammaticae sive aureum compendium, P. 2
1. Dezember 1495150
Weibliche Heilige mit Turm (hl. Barbara)
Sent Barbaren passie
vor Jahreswechsel 1498/1499151
Weibliche Heilige mit Rad und Schwert (hl. Katharina)
Sent Katerinen passie
vor Jahreswechsel 1498/1499152
Weibliche Heilige mit Drache (hl. Margaretha)
Sent Margareten passie
vor Jahreswechsel 1498/1499153
Weibliche Heilige mit Turm (hl. Barbara)
Sent Barbaren passie
Ende 1499154
Kreuzigung Christi
Dialogus beatae Mariae et Anselmi de passione Domini (ndt.): Vraege zo Marien van der Passie Jesu Christi
21. März 1499155
Kölner Wappen mit 21 Flämmchen und acht Heiligen
Die Cronica van der hilliger stat van Coellen
23. August 1499156
Kreuzigung Christi
Die Frau vom Himmel
um 1500157
Ritter Lancelot mit Fahne
Historie van Lanslot ind dye schone Sandryn
um 1500158
143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157
——————— 143 ISTC ia00764300, GW 2043, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 118. 144 ISTC im00749500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 817. 145 ISTC ik00032000, GW 9714, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 695. 146 ISTC ic00214000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 366. 147 ISTC ia00444790, GW 1076, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 70. 148 ISTC ia00451830, GW 1109, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 84. 149 ISTC im00438500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 786, GW 11052. 150 ISTC ib00098200, GW 3334, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 890, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 251 PB B 1. 151 ISTC ic00278920, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 893, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 260 PB K 1. 152 ISTC im00261120, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 895, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 265 PB M 1.
153 ISTC ib00098400, GW 3335, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 891, Rautenberg: Überlieferung und Druck, S. 252 PB B 2. 154 ISTC ia00764500, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 119, GW 2045. 155 ISTC ic00476000, GW 6688, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 324, Schramm, Bd. 8, S. 26. Die Cronica van der hilliger Stat van Coellen. Originalgetreuer Nachdruck eines Frühdrucks von Johann Koelhoff d. J., Köln 1499 nach einem Exemplar der DiözesanBibliothek Köln mit einem Kommentar von Severin Corsten. Hamburg: Wittig 1982. 156 ISTC if00308000, GW 10318. 157 ISTC il00032700, GW 12626.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
3.2 Zielgruppenorientierte Titelillustration aus der Offizin des Heinrich Quentell: Magisterszenen auf Drucken für die Schullektüre Aus der Offizin Heinrich Quentells gingen mit mehr als 150 die meisten Kölner Drucke mit illustrierten Titelseiten hervor. 94 % dieser Titelseiten weisen von 1490 bis ans Ende seiner Drucktätigkeit (1501) eine grundsätzlich übereinstimmende Ikonographie auf. Heinrich Quentell nutzte für diese Titelseiten den sogenannten Accipies-Holzschnitt und vier Holzschnitte mit unterschiedlichen Magisterszenen – sämtlich wegen ihrer Größe nur für die Illustration von Drucken in Quart geeignet. Die anderen Titelseiten illustrierte er mit Holzschnitten der Anna selbdritt, der Anbetung der Heiligen Drei Könige, der Kreuzigung Christi und eines Autors in seiner Schreibstube. Von besonderem Interesse ist seine Vorgehensweise bei der Verwendung der Accipies- und Magisterszenen-Holzschnitte als Titelseiten-Illustration. Für Heinrich Quentell kann weder in Anspruch genommen werden, dass er als erster Drucker überhaupt Magisterszenen als Titelillustration verwendete, noch ist die ikonographisch multivalente Titelillustration in ihrem Ursprung auf ihn zurückzuführen. Wilhelm Ludwig Schreiber und Paul Heitz resümierten bereits 1908: Die Niederländer sind die Erfinder der Titelillustrationen für Schulbücher und Amerbach in Basel folgt seit 1489 als erster ihrem Beispiel. Um 1490 oder 1491 entschließt sich Quentell, seinen AccipiesHolzschnitt fast allen von ihm gedruckten Schulbüchern voranzustellen und gibt damit das Signal für die übrigen deutschen Drucker. Wer einen Holzstock besitzt, der sich allenfalls zu diesem Zwecke eignet, benutzt ihn, die anderen lassen sich neue anfertigen; und die Mode, die Schulbücher mit einem Bilde zu versehen, gewinnt mehr und mehr an Ausdehnung, bis sie in dem Zeitraum von 1495 bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht.158 Dennoch ist an Quentells Holzschnitten mit Magisterszenen die Entwicklung von der Erstnutzung eines ikonographisch univalenten Holzschnitts über seine unveränderte Fremdnutzung für die Titelseiten anderer Texte, hin zur veränderten Fremdnutzung und schließlich der Verwendung ikonographisch multivalenter Titelholzschnitte sehr gut nachvollziehbar. Schließlich belegt darüber hinaus Quentells Rückkehr zu ikonographisch univalenten Titelholzschnitten für einige wenige Drucke in den Jahren 1496 und ——————— 158 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 24; zu den niederländischen Ausgaben mit einer Magisterszene vgl. ausführlich Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 5.
1497 seine bewusste Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit. Die fünf verschiedenen Holzschnitte Heinrich Quentells zeigen jeweils einen Lehrer, der zwei, drei oder vier Schüler unterrichtet. Die Ikonographie dieses Magister-in-cathedra- oder Magister-Scholaren-Motivs ist laut Florens Deuchler letzten Endes von Darstellungen Christi im Gebet, als Lehrer oder Prediger abzuleiten. Viele Züge der säkularisierten Magister-Bilder haben ihre Wurzeln in seit dem frühen und hohen Mittelalter gängigen Einzelmotiven, wie z. B. der sitzenden Haltung der Jünger, die ihrem Lehrer zuhören, über seine Worte nachdenken und mit begleitenden Handbewegungen dialogisieren, nur dass die Szene in einen anderen Schauplatz, den Hörsaal, versetzt ist. Weitere typische Kennzeichen der in der Spätgotik in Buchmalerei und Buchillustration weit verbreiteten Magisterszenen sind Frontalität oder Seitenwendung des Lehrers, die Dialogsituation sowie die wechselnde Anzahl der Schüler.159 Für die Kölner Magisterszenen-Holzschnitte, an deren Anfang eine Darstellung des Aristoteles-Exegeten Thomas von Aquin stand, ist von besonderem Interesse, dass unter anderem auch für Aristoteles formal und ikonographisch genau diese Darstellungsform in der spätmittelalterlichen Buchmalerei verwendet wurde. So ist z. B. in Add. MS 15692 (British Library, London) Aristoteles bartlos mit Barett und Talar bekleidet wiedergegeben, wie er links im Bild auf einer Bank vor einem Pult sitzend vier Schüler, die in der rechten Bildhälfte entsprechend ihrer Bedeutungsgröße etwas kleiner dargestellt sind, unterrichtet. In den Händen hält er ein geöffnetes Buch, aus dem er doziert. Ein weiteres Buch liegt geschlossenen auf dem Pult.160
3.2.1 Der Accipies-Holzschnitt (1490–1495) Heinrich Quentell machte sich die Allgemeinverständlichkeit von Schulszenen (Accipies-Holzschnitt)161 zunutze und ließ sie 1490 von einem Holzschneider mit der Ikonographie des Thomas von Aquin zu einem Titelholzschnitt für einen bestimmten Text, die Copulata tractatuum Petri Hispani et parvorum logicalium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis,162 verbinden (Abb. 13). Schreiber und Heitz führten den Nachweis, dass auf diesem Holzschnitt der 1323 kanonisierte Kirchenlehrer Thomas von Aquin – und nicht Gregor der ——————— 159 Vgl. Deuchler: Magister, S. 63–69. 160 Vgl. Stammler: Aristoteles, S. 204 u. Anm. 25 sowie Abb. 2. 161 Nachfolgend die verschiedenen Bezeichnungen des Holzschnitts in der Sekundärliteratur: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt a«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 18«; Schramm, Bd. 8, Abb. 484. Der GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz. 162 ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930.
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte Große – mit der Taube des Heiligen Geistes auf der Schulter wiedergegeben ist. Im Einzelnen zeigt der Holzschnitt in der linken Bildhälfte einen sitzenden Lehrer vor einem Katheder, auf dem ein geöffnetes Buch mit durch Punkte angedeuteten Schriftzeichen liegt. Sein Sitz ist von einem verzierten Baldachin gekrönt. Er trägt eine runde Magisterhaube, sein Kopf ist von einem Nimbus umgeben. Auf seiner rechten Schulter sitzt eine Taube. Zwei Schüler sitzen mit geöffneten Büchern vor ihm auf dem schwarz-weiß gekachelten Fußboden. Über den Köpfen des Lehrers und der Schüler schwebt ein Schriftband mit der Aufschrift »Accipies tanti doctoris dogmata sancta«. (Du sollst die heiligen Glaubenswahrheiten vieler Gelehrter empfangen.) Die Szene ist in einen annähernd perspektivisch wiedergegebenen Innenraum versetzt. Hinter dem Lehrer befindet sich ein Fenster mit Fensterkreuz. Ein zweites, rundbogiges Fenster gibt den Blick auf eine schematisch nur angedeutete Landschaft frei. Die Inschrift des Spruchbandes »Accipies tanti doctoris dogmata sancta« kann von dem Titelzusatz der von Thomas von Aquin bearbeiteten Copulata des Petrus Hispanus in Quentells Ausgabe vom 16. Mai 1496 abgeleitet werden und bezieht sich offensichtlich auf eine Studien- oder Lektüreempfehlung für die Lehrer der Kölner Montanerburse: Copulata commentaria textui omnium tractatuum Petri hyspani. etiam paruorum logicalium et trium modernorum per quem solerter inserta. Iterum atque iterum emendata et diligentissime correcta secundum irrefragabilem et fundatissimam doctrinam diui Thome Aquinatis. perpateticorum interpretis veracissimi. Ac iuxta frequens exercitium magistrorum Coloniensium gymnasii in bursa Montis regentium. qui tanti doctoris sancti sectatores existunt sincerissimi propagatoresque fidelissimi.163 Diese nach dem Spruchband als Accipies-Holzschnitt bezeichnete Titelillustration wurde von Quentell, soweit es seine datierten Drucke überliefern, sicher mindestens vom 7. April 1490164 bis zum 6. April 1495 verwendet.165 Da ein derartiger Textbezug allein bei diesem Kölner Titelholzschnitt nachgewiesen werden kann, darf die Bezeichnung Accipies-Holzschnitt nur für diesen Holzschnitt verwendet werden. Noch in dem Jahr, in dem Quentell den Holzschnitt kontextgebunden eingeführt hatte, ignorierte er die Tatsache, dass im Holzschnitt der Kirchenlehrer Thomas von Aquin dargestellt war und setzte ihn auf die Titelseite einer kommentierten Floretus-Ausgabe des Bernhard von Clairvaux, die vor den 14. Oktober 1490
137
datiert wird.166 Er scheint auch nachfolgend keine Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, die Aufforderung auf dem Spruchband auf andere Autoren zu übertragen, auch wenn die Ikonographie mit Heilig-GeistTaube und Nimbus eigentlich unpassend war. Am Anfang von Quentells Bemühungen um einen rationell wieder verwendbaren Titelholzschnitt stand demnach die Entfremdung eines ikonographisch univalenten Titelholzschnitts. Möglicherweise empfand er zunächst – spätestens 1495 änderte er seine Meinung – gar keinen Widerspruch aufgrund der allgemeiner formulierten oder zu verstehenden Aufforderung zu Lektüre und Studium der ›Doctores sancti‹. Vielleicht war es aber auch schlichtweg Sparsamkeit und nach einer gewissen Zeit schließlich die Signalwirkung des Holzschnitts, die ihn bewog, fünf Jahre lang etwa 80 seiner ›Schulbücher‹ im weiteren Sinne regelrecht zu kennzeichnen. Die Signalwirkung des Accipies-Holzschnitts war offensichtlich so bedeutend, dass sie eine umfangreiche Rezeption des Holzschnitts für illustrierte Titelseiten in ganz Deutschland auslösen konnte. Dieses, auf den ersten Blick unverständliche Interesse [an Quentells qualitativ mittelmäßigen Accipies-Holzschnitt] findet aber seine Erklärung in dem Umstande, daß die Bewegung in dem Jahre 1495 begann, also zu der Zeit, wo Quentell seinen stark abgenutzten Holzstock nicht mehr gebrauchen konnte und seine Drucke mit einem anderen Bilde schmücken mußte. Die Lösung ist also die, daß nicht der Holzschnitt zur Nachahmung anspornte, sondern der gute Ruf, den sich die Quentellschen Ausgaben erworben hatten. Das Titelbild mit dem Heiligen und seinen beiden Schülern war ein Empfehlungsbrief geworden, und da Quentell selbst keine Bücher mit diesem Bilde mehr auf den Markt brachte, die Käufer aber nach solchen suchten, so benutzten die nicht allzu gewissenhaften Kollegen die günstige Gelegenheit, um ihren Erzeugnissen unter falscher Flagge einen besseren Absatz zu verschaffen.167
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163 ISTC ij00239100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 932. 164 ISTC ij00238600, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 930. 165 ISTC iv00210000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1205, Schramm, Bd. 8, S. 22.
166 ISTC ib00392000, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 232, Schramm, Bd. 8, S.20. 167 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 19. Siehe dort auch zur detaillierten Aufzählung der Nachahmer.
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Johanna Christine Gummlich-Wagner: Das Titelblatt in Köln
Abb. 13: Illustrierte Titelseite mit Accipies-Holzschnitt: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani et parvorum logicalium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1490
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte Quentell hatte also schon mit seinem ersten illustrierten ›Schulbuch‹-Titelholzschnitt erreicht, dass die intendierten Leser und insbesondere auch potentiellen Käufer seiner Bücher auf den Titelseiten nicht nur die verbale Vorabinformation über den Inhalt wahrnahmen, sondern er schaffte es darüber hinaus auch noch, die Besitzer seiner Schulbücher quasi auf den leicht wieder zu erkennenden Holzschnitt und werbenden Blickfang im Hinblick auf den Kauf weiterer Schulbücher wie auf ein Markenzeichen zu konditionieren. Die künstlerische Qualität des Holzschnitts spielte offensichtlich weder für die Leser noch für die Druckerverleger eine Rolle, die außerhalb Kölns den Holzschnitt nach 1495 übernahmen.
3.2.2 Die erste multivalente Magisterszene (1494–1500) Bevor sein Accipies-Holzschnitt wegen der häufigen Nutzung völlig unansehnlich geworden war, bemühte sich Quentell um Ersatz und fand ein geeignetes Vorbild in einem Holzschnitt mit einem Lehrer und vier Schülern. Dieser Holzschnitt erschien zuerst in Nürnberg um 1490 bei Friedrich Creussner und war bereits 1492 an den Nürnberger Druckerverleger Peter Wagner gegangen.168 Der Holzschnitt169 zeigt in Seitenansicht links einen Lehrer an einem Katheder mit aufgeschlagenem Buch, der vier in der rechten Bildhälfte sitzende Schüler unterrichtet. Drei der Schüler blicken zu dem Lehrer auf, der vierte ist dem Betrachter zugewendet und blickt aus dem Bild heraus. Die Szene ist in einen gotischen Innenraum versetzt. Verglichen mit dem Accipies-Holzschnitt war Quentells Holzschnitt mit dieser Magisterszene in zwei Beziehungen vorteilhafter: Sie war einerseits ästhetisch ansprechender und andererseits in ihrer Ikonographie weniger festgelegt. Weder der Lehrer mit Barett und Baculus noch die Schüler mit Schreibtafeln und Griffeln in den Händen sind mit Attributen versehen, die über grundsätzliche Standesangaben hinausgehen. Stattdessen erlaubte eine kleine Freifläche oberhalb der Schüler das Einfügen einer typographischen Inschrift, in der Quentell den jeweiligen Namen des Lehrers bzw. Autors mit dem Zusatz »cum discipulis (suis)« angeben konnte. Es kann hier nun tatsächlich von einem multivalenten Titelholzschnitt gesprochen werden. Quentell ist außerdem eine bewusste Abwendung von dem ikonographisch ——————— 168 Schreiber/Heitz: Accipies, S. 18, S. 48f. 169 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt b«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 56«; Schramm, Bd. 8, Abb. 485 u. 486. GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz.
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ursprünglich eindeutigeren Accipies-Holzschnitt für seine Schulbuch-Produktion zu unterstellen, weil er sich parallel zu diesem multivalenten Holzschnitt 1496 und 1497 für Thomas von Aquin-Texte eines speziellen Titelholzschnitts bediente. Quentell verwendete seinen ersten multivalenten Magisterszenen-Holzschnitt laut GW nicht das erste Mal im Jahr 1495,170 sondern bereits für eine Ausgabe des Doctrinale (Pars I) von Alexander de Villa Dei, die das Fertigstellungsdatum 2. November 1494 trägt,171 nutzte ihn 1495 noch parallel mit dem Accipies-Holzschnitt und danach regelmäßig bis 1499 (Abb. 14). Das letzte Mal taucht er wiederum auf der Titelseite einer Ausgabe des Doctrinale (Pars I) vom 5. Juni 1500 auf.172 Nach der Ausmusterung des Accipies-Holzschnitts übernahm dieser erste multivalente Magisterszenen-Holzschnitt für an die 50 Drucke dessen Funktionen eines visuellen Hinweises auf Inhalt und Nutzungsmöglichkeit und wird eine ähnliche Signalwirkung erreicht haben. Denn sonst hätte ihn Quentell vermutlich früher durch einen geeigneteren Titelholzschnitt ersetzt.
3.2.3 Der Thomas von Aquin-Holzschnitt (1496 und 1497) Bei Quentell ist zumindest ab 1496 eine bewusste Wahl ikonographisch uni- oder multivalenter Holzschnitte für seine Titelillustrationen festzustellen. In diesem Jahr brachte er eine Ausgabe der Copulata tractatuum Petri Hispani etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis (16.–31. Mai 1496) heraus.173 Für den Titel ließ er einen Holzschnitt174 anfertigen (Abb. 15), der insgesamt anscheinend nur drei Mal zur Verwendung kam.175 Im Zentrum des Holzschnitts ist Thomas von Aquin mit Magisterhaube und der Heilig-Geist-Taube auf der Schulter zu sehen. Er sitzt auf einem thronartigen Sitz mit Baldachin und Maßwerkverzierungen. Er unterrichtet drei Schüler, von denen zwei vor ihm bzw. in der rechten Bildhälfte und ein dritter zu seiner Rechten bzw. in der linken Bildhälfte sitzen, aus einem aufgeschlagenen Buch, das auf einer Halterung mit einem abgewinkelten Holzarm vor ihm liegt. Um das Buch herum ——————— 170 Vgl. Schreiber/Heitz: Accipies, S. 49. 171 ISTC ia00444700, GW 1072. 172 ISTC ia00445030, GW 1083, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 72. 173 ISTC ij00239100, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 932. 174 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt c«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 49«; Schramm: Bd. 8, Abb. 488 u. 489. GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz. 175 Die von Schreiber und Heitz postulierte Abhängigkeit dieses Holzschnitts von der Nürnberger Kopie des Quentell’schen Accipies-Holzschnitts ist nicht nachvollziehbar. Vgl. Schreiber/ Heitz: Accipies, S. 45.
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Abb. 14: Illustrierte Titelseite mit Quentells erster multivalenter Magisterszene: Johannes Versoris: Quaestiones super omnes libros novaelogicae (Pars II). Köln: Heinrich Quentell, 23. Juli 1497
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
Abb. 15: Illustrierte Titelseite mit Quentells Thomas von Aquin-Holzschnitt: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 16. bis 31. Mai 1496
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ist ein mehrfach verschlungenes Spruchband dargestellt. Oberhalb des einzelnen Schülers in der linken Bildhälfte ist eine weiße Freifläche gelassen, in die genauso wie in das Spruchband und eine schmale Fläche am unteren Bildrand typographischer Text eingefügt werden konnte. Die Freiflächen sind sämtlich nur für die Ausgabe der Copulata von 1496 genutzt und belegen die Identifizierung des Lehrers als Thomas von Aquin. Im Spruchband steht »S. Thomas« sowie »Thomiste eius discipuli«. Auf der Freifläche ist angemerkt: »Qui fueris cupidus sophie mox carpere flores Scripta Thome diui perlege doctus eris«. Ein zweites Mal nutzte Quentell den Holzschnitt für eine Ausgabe der Opera des Aristoteles unter dem Titel Expositiones textuales dubiorum mit einem Kommentar des Thomas von Aquin (22. September 1497).176 Die Darstellung des Aristoteles-Exegeten Thomas von Aquin verweist auf seine Autorschaft für den Kommentar und bürgt quasi für die Qualität der Ausgabe. In beiden Fällen passt die ikonographische Univalenz des Titelholzschnitts eindeutig zum Inhalt des Buchs. Im gleichen Jahr (1497) entfremdete Quentell jedoch schon diesen für seine Zwecke nur bedingt brauchbaren Holzschnitt seines ursprünglichen ikonographischen Kontextes und verwendete ihn für die Postilla super epistolas et evangelia des Guillermus Parisiensis. Der Titelholzschnitt unter dem dreifach gestuften typographischen Titel »Postilla Guillerini Epistolas et Euangelia de Tempore et Sanctis et pro defunctis« weist die Inschrift »Guillerinus Magister Parisiensis« auf, womit Quentell eindeutig kennzeichnete, dass der abgebildete Lehrer nun als der Autor des Kommentarbandes zu verstehen sei.177
3.2.4 Die zweite multivalente Magisterszene (1499–1500) Ein zweiter multivalenter Magisterszenen-Holzschnitt178 ist um 1499 mit einigen wenigen Drucken Heinrich Quentells in Verbindung zu bringen. Er kam im 15. Jahrhundert in seiner Offizin allerdings erstaunlicherweise nur für einige wenige Titelseiten zur Verwendung, obwohl er genauso wie der MagisterszenenHolzschnitt nach dem Nürnberger Vorbild das Kriterium der ikonographischen Multivalenz aufgrund des Verzichts auf personenidentifizierende Attribute voll und ganz erfüllte. Der qualitätsvolle und kompositorisch ausgewogene Holzschnitt setzte sich auf Quentell’schen Titelseiten nicht durch – vielleicht weil er ———————
176 ISTC ia00967000, GW 2342, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 150. 177 ISTC ig00703000, GW 11977, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 538, Schramm, Bd. 8, S. 23. Überprüft am Original in Bonn ULB: Inc. 509, Bl. 1r. 178 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt g«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 59«; Schramm, Bd. 8, Abb. 901. GW 2503 bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz.
durch seine deutlich von den bisherigen Magisterszenen abweichende Bildkomposition die Signalwirkung der früheren Holzschnitte nicht im gleichen Maß übernehmen konnte. Vermutlich stand der Druckstock nur sehr eingeschränkt in Quentells eigener Offizin zur Verfügung, da der Typenbefund von Anfang an Bezüge zu einer zweiten Offizin belegt. Die Ausgabe De declaratione difficilium terminorum tam theologiae quam philosophiae ac logicae des Armandus de Bellovisu vom 23. August 1499, dessen Titelseite den Holzschnitt trägt (Abb. 16), ist laut Voulliéme das Ergebnis einer Kooperation Quentells mit der bzw. einer teilweisen Auftragsvergabe an die Kölner Offizin ›Retro Minores‹ (Martin Werden?), die »opera atque impensis Henrici Quentell« druckte.179 Gleiches wies Voulliéme für die um 1499 gedruckte Ausgabe von Wilhelm Zenders de Werts Lilium grammaticae180 sowie ein Exercitium grammaticale puerorum vom 9. November 1500 nach.181 Endgültig stand der Druckstock wohl ab 1501 allein der Offizin ›Retro Minores‹ zur Verfügung und wurde dort bis 1513 auch häufig genutzt.182 In dem Holzschnitt ist eine Unterrichtsszene mit einem nahezu frontal wiedergegebenen Lehrer hinter einem breiten Katheder mit eisenbeschlagenen Türen im Bildzentrum und vier Schülern dargestellt. Die Schüler sitzen mit Büchern in den Händen rechts und links in Zweiergruppen auf Bänken im Vordergrund. Der Unterricht findet in einem Innenraum mit verglasten Fenstern und einem gekachelten Fußboden statt. Vom Typus her ist er am ehesten den frühen niederländischen Titelholzschnitten mit Magisterszenen von Gerard Leeu (Antwerpen), Gotfrid van Os (Gouda) und Richard Paffraet (Deventer)183 verwandt, in denen ein nicht individualisierter Schullehrer frontal und im Bildzentrum von drei bis fünf Schülern umgeben war. Kennzeichnend für diese Titelholzschnitte war bereits seit 1486 die durch den Verzicht auf individuelle Attribute angestrebte multivalente Verwendungsmöglichkeit für unterschiedlichste Unterrichtswerke.
———————
179 ISTC ia01057000, GW 2503, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 163, Schramm, Bd. 8, S. 24. Vgl. Voulliéme: Retro Minores, S. 103, Nr. 21. 180 ISTC iz00021760, GW 12082, Voulliéme: Buchdruck, Nr. 1265. 181 Exercitium grammaticale puerorum. Köln: Heinrich Quentell, 9. November 1500 (ISTC ie00137150, GW 9509). 182 Vgl. Voulliéme: Buchdruck, S. LIIIf. 183 Vgl. dazu Rautenberg: Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts, in diesem Band, Kap. 5.1–5.3.
3 Die illustrierte Titelseite in Köln: Univalente und multivalente Titelholzschnitte
Abb. 16: Illustrierte Titelseite mit Quentells zweiter multivalenter Magisterszene. Armandus de Bellovisu: De declaratione difficilium terminorum tam theologiae quam philosophiae ac logicae. Köln: Retro Minores (Martin Werden?)] Heinrich Quentell, 23. August 1499
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3.2.5 Die dritte multivalente Magisterszene (1500–1508) Quentell und seine Söhne illustrierten von 1500 bis 1508 die Titelseiten ihrer Schulbücher statt mit dem zweiten Magisterszenen-Holzschnitt mit einem dritten multivalenten Magisterszenen-Holzschnitt.184 Zu den sieben sicher noch ins Jahr 1500 datierten Drucken mit dieser illustrierten Titelseite (drei weitere undatierte Drucke sollen 1500 entstanden sein) gehört unter anderem eine Ausgabe der Expositio mysteriorum missae des Guilelmus de Gouda, die Quentell unter dem Titel Expositio mysteriorum misse et verus modus rite celebrandi185 herausgab (Abb. 17). Kompositionell griff dieser Holzschnitt wieder die Anordnung der Schulszene in Seitenansicht wie im ersten Magisterszenen-Holzschnitt (1494–1500) auf. Der Lehrer sitzt links im Bild an einem baldachinbekrönten Katheder. Er weist mit seiner rechten Hand auf das Buch und hält den Baculus in der anderen. Vor ihm sitzen drei Schüler auf niedrigen Bänken. Einer der Schüler blickt zu ihm auf und reagiert mit einer Geste seiner linken Hand auf das Gehörte. Ein zweiter Schüler ist mit gesenktem Kopf in Lektüre oder Mitschrift vertieft. Der dritte Schüler blickt vom Lehrer weg nach hinten. Die Szene findet in einem gewölbten Innenraum statt. Im Hintergrund ist ein eisenbeschlagener Fensterladen oder Wandschrank zu sehen. Anders als bei den früheren MagisterszenenHolzschnitten ist bildintern keine Freifläche für eine eventuelle Beschriftung vorgesehen.
4 Schluss: Kölner Strategien der Titelillustration in der Inkunabelzeit Die Ergebnisse der Fallstudie weisen auf zwei grundlegende Sachverhalte hin. Der erste betrifft zunächst die Umstände der Entstehung und Entwicklung der Titelseite im Kölner Inkunabeldruck überhaupt: Aufgrund dreier chronologisch aufeinander folgenden Formen der Buchanfänge sind die Entwicklungsphasen von den prädispositiven Vorläufern bis zur Durchsetzung der dispositiven Hauptformen der Titelseite klar ablesbar. Im ersten Jahrzehnt typographischer Buchproduktion (1465–1474) beginnt der Text auf der ersten Buchseite. Die Standardlösung von etwa 1475 bis 1483 stellten Drucke mit einem Leerblatt am Be——————— 184 Der Holzschnitt wird unter folgenden Bezeichnungen in der Sekundärliteratur geführt: Voulliéme: Buchdruck: »Quentells Titelholzschnitt h«; Schreiber/Heitz: Accipies: »Schulszene 52«; Schramm, Bd. 8, Abb. 487. Der GW bezieht sich in seinen Angaben auf Schreiber/Heitz. 185 ISTC ig00631000, GW 11897, Vouilliéme: Buchdruck 531, Schramm, Bd. 8, S. 25.
ginn der ersten Lage dar. Ab 1484 wurde die Titelseite in Köln systematisch eingesetzt. Abhängigkeiten zwischen den ungewöhnlich frühen und informativen Kölner Titelseiten und den typographisch einfach gestalteten Titelseiten ab Mitte der 1480er Jahre ließen sich nicht nachweisen. Der fast ausschließlich auf den Werktitel beschränkte Informationsgehalt der Titelseiten verweist darauf, dass Kölner Titelformulierungen eher anhand des Incipit als anhand des Kolophons formuliert wurden, wenn nicht sogar die Incipit-Formulierung vollständig auf die Titelseite übertragen wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts traten als Sonderform Titelergänzungen in Gedichtform mit erzieherischmoralischem Impetus auf. Produktionsrelevante Informationen blieben auf den Kölner Titelseiten der Inkunabelzeit eine Randerscheinung. Die Untersuchungen zur Lagenstellung der Titelseite ergaben, dass die Titelseite seit ihrer Einführung in Köln von vornherein eingeplanter paratextueller Bestandteil des Buchs war. Auf die Hälfte aller Titelseiten folgte eine Leerseite, so dass ein selbständiges Titelblatt zustande kam. Bei einem Drittel der TitelseitenDrucke fällt auf, dass die Rückseite der Titelseite allerdings für den Textbeginn genutzt wurde. Hieran zeigt sich wiederum, dass das Titelblatt in Köln während der Inkunabelzeit noch nicht uneingeschränkt als separater Buchbestandteil eingesetzt wurde. Von ebenso grundlegender Bedeutung sind die Ergebnisse zur Entstehung und Entwicklung der illustrierten Titelseite im Kölner Inkunabeldruck. Hierbei spielten die Titelseiten mit Magisterszenen aufgrund ihres hohen Anteils an illustrierten Titelseiten überhaupt (68 %) sowie aufgrund ihrer ikonographischen Entwicklung mit Sicherheit eine wichtige Rolle. Magisterszenen bewährten sich in Köln nach kurzer Zeit und waren schon ab 1492 standardisiertes Gestaltungselement für die Titelseiten der Lehrbücher aus der Offizin des Heinrich Quentell. Der bereits an der niederländischen Inkunabelproduktion gezeigte Zusammenhang zwischen den Accipies-Holzschnitten und der Entwicklung des illustrierten Titelblatts wird auch am Beispiel der Druckerstadt Köln bestätigt.186 Der hohe Wiedererkennungswert der wenigen verwendeten Holzschnitte scheint sich dort im Hinblick auf die in Schulen und der Universität anzunehmenden Hauptabnehmergruppen bewährt zu haben. Um den Erfolg dieser ›Illustrationsstrategie‹ erklären zu können, war es notwendig zu unterscheiden, welche Wertigkeit die unterschiedlichen Titelholzschnitte besaßen. Zur Benennung der unterschiedlichen Illustrationsstrategien wurden hier die Bezeichnungen ›uni- bzw. multivalenter Titelholzschnitt‹ eingeführt. ——————— 186 Vgl. zu Köln auch Smith: The title-page, S. 87–89.
4 Schluss: Kölner Strategien der Titel-illustration in der Inkunabelzeit
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Abb. 17: Illustrierte Titelseite mit Quentells dritter multivalenter Magisterszene: Guilelmus de Gouda: Expositio mysteriorum missae. Köln: [Heinrich Quentell], 1500 Heinrich Quentell entwickelte mit dem AccipiesHolzschnitt zunächst einen ikonographisch univalenten Titelholzschnitt. Dieser Holzschnitt wurde wieder verwendet und dabei des ursprünglich vorhandenen
Bild-Text-Bezuges entfremdet, so dass auf knapp 80 Inkunabel-Titelseiten aus einer etwa ein Jahrfünft andauernden Phase (1490–1495) genau genommen eine Diskrepanz zwischen Titel bzw. Inhalt des
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Buchs und der exakten ikonographischen Aussage des Titelholzschnitts herrschte. Trotzdem erfüllte der Holzschnitt mit seiner dem Bereich der SchulszenenDarstellung zugehörigen Bildaussage offensichtlich den Zweck, dem potentiellen Käufer und Leser den Zugang zum Inhalt des Buchs zu erleichtern, indem er als visueller Anknüpfungspunkt die rasche Assoziation mit der ›richtigen‹ Funktion des Buchs als Lehrbuch weckte. Die Identität des eigentlichen Autors spielte, verglichen mit der Autorität des prototypischen Lehrers Thomas von Aquin, eine nebengeordnete Rolle. Vielmehr konnte dessen Darstellung sowohl als eine Bürgschaft für die Qualität des Buchinhaltes als auch über die Qualität des Drucks angesehen werden. Je häufiger die Lesererwartung nach in beider Hinsicht zuverlässiger Qualität befriedigt wurde, desto mehr steigerte sich der Wert des Holzschnitts als Kaufanreiz im Sinne eines Gütesiegels. Für den Magisterszenen-Holzschnitt, der Quentell ab 1494 (bis 1500) zur Verfügung stand, ließ er den schon dem Accipies-Holzschnitt zugrunde liegenden Bildtypus – aller Wahrscheinlichkeit aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Marktfähigkeit dieser Form von Titelillustration – egalisieren und erreichte hierdurch eine ikonographisch multivalente, beliebig für Schulbücher nutzbare Bildformel. Der zweite (1499–1500) und der dritte multivalente Magisterszenen-Titelholzschnitt (1500–1508) folgten den gleichen Prinzipien. Die parallele Nutzung des wiederum kontextuell univalent gebundenen Thomas von AquinHolzschnitts der Jahre 1496 und 1497 belegt andererseits, dass Quentell mittlerweile bewusst zwischen den beiden Alternativen unterschied. Charakteristisch für die Entwicklung des mengenmäßig größten Anteils der Kölner Titelillustration ist diese bewusste Unterscheidung zwischen den funktional multivalenten Bildern, die auf das Andachtsbild zurückzuführen sind, und den funktional eindeutigen, nämlich für die Titelillustration zu verwendenden Bildern, die dann aber ikonographisch multivalent zu unterschiedlichen Texten passten. Dieses Ziel wurde durch den Verzicht auf eine detailliert inhaltsbeschreibende Ikonographie erreicht. An deren Stelle trat ein vereinfachtes Motiv, mit dem sich die potentielle Lesergruppe rasch identifizieren konnte, das die Gebrauchsfunktion des Buchs kommentierte und dem Leser-Käufer bei etwaiger Unkenntnis des Buchtitels auf den ersten Blick zu erkennen gab. Der Titelholzschnitt diente Quentell demnach als Bezugsrahmen und Rezeptionsvorgabe für den noch zu gewinnenden Leser. Außerdem erreichte er durch die häufige Wiederholung des gleichen Holzschnitts auf dem Blickfang des Titelblatts und immer neuen Druckwerken eine gewisse Konditionierung seines Publikums hinsichtlich seines Kaufverhaltens und seiner Erwartungshaltung.
Anders als bei den teilweise sehr durchdachten und für die weitere Entwicklung wegweisenden, univalenten illustrierten Titelseiten der Koelhoffs oder auch den illustrierten Augsburger Titelblättern, für die Oliver Duntze zu der Schlussfolgerung kommen konnte, dass diese als komplexer typographischikonographischer Zeichenverbund eine eindeutige Textidentifikation187 ermöglichten, diente die Mehrheit der illustrierten Kölner Titelseiten aus der Offizin des Heinrich Quentell der verkaufsstrategisch abgestimmten Funktionsidentifikation des Buchs. Hier erweist sich Quentell als Nachfolger der niederländischen Druckerverleger, besonders aber Gerard Leeus, der die dispositive Form des Titelblatts für Schulund Lehrbücher mit einer Magisterszene entwickelt hat.
——————— 187 Siehe Fallstudie Augsburg im folgenden Band.
Anhang
Anhang 1 Abbildungsnachweis Die illustrierten Titelblätter sind wenn möglich in der Originalgröße reproduziert; geringfügig verkleinert wurde Abb. 12, stark verkleinert Abb. 5 und 10. Abb. 1: Gesamtverteilung der Buchanfänge in Köln bis 1500 Eigenes Diagramm Abb. 2: Buchanfänge in Köln bis 1500 in chronologischem Verlauf nach Anzahl der Drucke Eigenes Diagramm Abb. 3: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470 Köln UStB, ADbl3 Abb. 4: Werner Rolevinck: Sermo in festo praesentationis beatissimae Mariae virginis. Köln: Arnold ter Hoernen, 1470 Köln UStB, ADbl3 Abb. 5: Franciscus de Maioranis: Flores Sancti Augustini ex libris De civitate die extracti. De commemoratione defunctorum. [Köln: Drucker der Flores Sancti Augustini (Johann Schilling), um 1473] Berlin SBB-PK, 4° Inc. 829.3 Abb. 6 : Titelblätter in Köln im chronologischen Verlauf nach Anzahl der Drucke Eigenes Diagramm Abb. 7: Produktionsumfang: Gesamtzahl der Drucke nach Offizinen Eigenes Diagramm Abb. 8: Druckproduktion der wichtigsten Kölner Drucker in chronologischem Verlauf Eigenes Diagramm Abb. 9: Petrus Keyerslach: Passio Christi ex quattuor evangelistis. [Köln: Ulrich Zell], 1487 Köln UStB, Ennen 60 Abb. 10: Rudolphus de Novimagio: Legenda Alberti Magni. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 11. September 1490 Bamberg SB, Inc.typ.E.VI.4 Abb. 11: Doernenkrantz van Collen. Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 9. Oktober 1490 Darmstadt ULB, Inc. II/674 Abb. 12: Thomas von Aquin: Copulata tres super libros Aristotelis. De anima iuxta doctrinam Thomae de Aquino [Köln: Heinrich Quentell, um 1486] Köln UStB, GB IIb 372f [6] Abb. 13: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani et parvorum logicalium etiam Syncategorematum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 7. April 1490 München BSB, 4° Inc.s.a. 112d/1
147 Abb. 14: Johannes Versoris: Quaestiones super omnes libros novaelogicae (Pars II). Köln: Heinrich Quentell, 23. Juli 1497 Köln UStB, GB VII 19b Bd. 4 [2] Abb. 15: Petrus Hispanus: Copulata tractatuum Petri Hispani etiam parvorum logicalium et trium modernorum, cum textu, secundum doctrinam Thomae Aquinatis. Köln: Heinrich Quentell, 16.–31. Mai 1496 Köln UStB, GB VII 117d Abb. 16: Armandus de Bellovisu: De declaratione difficilium terminorum tam theologiae quam philosophiae ac logicae. [Köln: Retro Minores (Martin Werden?)] Heinrich Quentell, 23. August 1499 Bonn ULB, Ink. 100 Abb. 17: Guilelmus de Gouda: Expositio mysteriorum missae. Köln: [Heinrich Quentell], 1500 Köln UStB, GB IV 3111 [3]
2 Literaturverzeichnis Für Bibliographien und Nachschlagewerke ist auch das übergeordnete Literaturverzeichnis S. 101–106 in diesem Band zu beachten. Die dort im Anhang unter 3.2 genannte Literatur wird hier nicht nochmals aufgeführt. Baxandall, Michael: Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts. Sonderausgabe. Frankfurt a. M.: Athenäum 1987. Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Unveränd. Nachdr. d. 2. Aufl. 1991. München: Beck 1993. Bloch, Peter: Lehrer, Lehrszenen. In: Lexikon der Christlichen Ikonographie. Bd. 3. Rom u. a.: Herder 1994, Sp. 86–88. Borchling, Conrad/Claussen, Bruno: Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. 3 Bde. Neumünster: Wachholtz 1931–1957. Chrisman, Miriam Usher: Lay culture, learned culture. Books and Social Change in Strasbourg, 1480–1599. New Haven/London: Yale University Press 1982. Corsten, Severin: Die Blütezeit des Kölner Buchdrucks (15.– 17. Jahrhundert). In: Rheinische Vierteljahresblätter 40 (1976), S. 130–149. Corsten, Severin: Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. In: Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert. Hrsg. vom Vorstand der Maximilian-Gesellschaft und Barbara Tiemann. 1. Halbbd. Hamburg: Maximilian-Gesellschaft 1995, S. 125−202. Deuchler, Florens: Magister in cathedra. Lehrer und Schüler im Mittelalter. In: Schülerfestgabe für Herbert von Einem zum 16. Februar 1965. Hrsg. von F. D. u. Reiner Haussherr. Bonn: Kunsthistorisches Institut der Universität 1965, 2 Bde. (Text und Abbildungen), Bd. 1, S. 63–69.
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Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner
Register Das folgende Register fasst wegen des engen thematischen Zusammenhangs die Beiträge »Die Entstehung und Entwicklung des Buchtitelblatts in der Inkunabelzeit« und »Das Titelblatt in Köln« zusammen.
Aesop 65, 90, 128 Albert von Brixen 74 Albertus Magnus 45, 121, 124, 128 Alexander Calcedonius 94 Alexander de Villa Dei 28, 52, 78, 81, 120, 122, 130, 139 Alvise, Alberto 30, 38 Alvise, Giovanni 30, 38 Amerbach, Johannes 15, 74, 78, 82 Amersford, Eberhard von 121 Antoninus Florentinus 38, 45 Antonius Turchetus 30 Anwykyll, John 92 Aristoteles 115, 121, 128, 136, 142 Armandus de Bellovisu 142 Arndes, Stephan 52 Arnold ter Hoernen 28, 51, 92, 107, 109, 111f., 114, 116, 118 Arnoldus de Tungern 122 Augustinus, Aurelius 30, 38f. Ayrer, Marx 13, 86 Azoguidus, Balthasar 38 Bac, Govaert 89 Baldacchini, Lorenzo 10 Bämler, Johann 10 Bammes, Reinhold 5, 6 Baptista de Tortis 52 Barberi, Francesco 9f., 39 Barker, Nicolas 16 Bartholomäus von Unkel 111, 127 Beeck, Heinrich von 132 Bellaert, Jacob 11, 28, 66, 68, 81, 83 Bembo, Pietro 39 Bergmann von Olpe, Johann 51 Bernardinus Benalius 83, 90 Bernhard von Clairvaux 63, 72f. Bogeng, Gustav Adolf Erich 6–8, 14, 22 Bonaventura 45, 63, 65, 90, 92 Boner, Ulrich 35 Bonetus Locatellus 39 Borchling, Conrad 108 Bosman, Arent 68f. Breda, Jacob van 52, 78, 81, 92f. Brugman, Jan 64 Bühler, Curt F. 90 Bumgart, Hermann 82, 92, 122, 125
Calixtus III., Papst 27 Capcasa, Matteo 94 Caxton, William 57, 66 Celerius, Bernardinus 30 Chartier, Roger 22f. Chrisman, Miriam Usher 117 Christophorus de Pensis 42 Chrysostomos, Johannes 123 Claussen, Bruno 108 Coelde, Dirk 64, 71 Conway, William Marten 68 Cornelis de Zierickzee 115–118 Corsten, Severin 5f. 12, 107 Creussner, Friedrich 78, 88, 92, 139 Cristoforo de’ Pensi 94 Cuijpers, Peter M. H. 11f., 61 David de Augusta 52 De Vinne, Theodore Low 5 Deleuze, Gilles 22 Deuchler, Florens 136 Dicke, Gerd 128 Dorici, Gebrüder 39 Drach, Peter 45 Driver, Martha W. 13 Drucker der Flores Sancti Augustini 28, 115 Dupré, Jean 10 Dürer, Albrecht 9 Eckert, Hendrik 60 Eco, Umberto 34 Emerich, Johann 93 Erasmus von Rotterdam 81, 94, 98 Eyb, Albrecht von 78 Fabri, Giovanni 52 Folz, Hans 12f., 28, 38, 42, 51, 82, 84, 86, 97 Foucault, Michel 22 Franciscus de Mayronis 28, 114 Franciscus Mataratius 78 Froben, Johannes 20f., 42, 94f., 98 Furter, Michael 78, 92 Fust, Johann 27f., 31f., 51, 111 Fyner, Conrad 28 Gazzadini, Tommaso 90 Geldner, Ferdinand 6, 9, 30 Gerardus de Lisa 38 Gerard de Harderwyck 123
Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner Gerhard van Harderwijk Siehe Gerard de Harderwyck Gerlach, Johannes 71 Ghemen, Govaert van 56, 76, 82 Giunta, Luca Antonio d. Ä. 93 Gotfrid van Os 142 Götz, Nikolaus 109 Graf, Urs 95 Gregor (I.) der Große, Papst 137 Gregorius 93 Grien, Hans Baldung 8 Guilelmus de Gouda 144 Guillaume de Degullevilles 68 Guldenschaff, Johann 109, 115f., 118, 127 Gummlich-Wagner, Johanna Christine 16, 18 Gutenberg, Johannes 31 Gutschaiff, Hermann 90 Haebler, Konrad 4–6, 12, 14f., 36, 39, 96 Heijting, Willem 56 Heitz, Paul 73, 107, 136 Hellinga, Lotte 57, 83 Hellinga, Wytze 57 Henricus de Hassia 28 Henricus de Piro 115 Hermes Trismegistus 38 Hieronymus de Paganini 93 Hieronymus de Vallibus 115 Hirsch, Rudolf 10, 12, 15, 18, 38, 49, 111 Hist, Konrad 78 Hoffmann, Hans 86 Holbein, Ambrosius 95 Holbein, Hans 95 Hupfuff, Matthias 78 Jacob Jacobszoon van der Meer 28, 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Jacobis, Johannes 66 Jacobus de Cessolis 69, 71, 82, 88 Johannes de Garlandia 120 Jacobus de Voragine 123 Johannes, Graf zu Nassau-Dillenburg 31 Johannes Tacuinus 42 Johannes von Hildesheim 89 Johannes von Nürtingen 121 Johnson, Alfred Forbes J. 4, 6f., 39, 41 Jordanus von Quedlinburg 63 Juvencus Presbyter 115 Kachelofen, Konrad 78, 88 Keyerslach, Petrus 125 Kienitz, Werner 6 Kiessling, Gerhard 8f., 15 Klein, Jan Willem 6, 12, 14, 18 Knoblochtzer, Heinrich 65, 68, 78, 82 Koch, Simon 88
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Koelhoff, Johann d. Ä. 45, 82, 88, 106, 109, 112, 115f., 118, 120, 123, 127–130, 132f. Koelhoff, Johann d. J. 89, 107f., 118, 120f., 127f., 130, 133, 135 Koelner de Vanckel, Johannes 133 Kok, Ina 56, 58, 66, 68f., 72, 74, 76, 78, 92 Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln 128 Koppitz, Hans-Joachim 11 Kruffter, Servas 89 Künast, Hans-Jörg 117 Kunze, Horst 6 Labarre, Alfred 10, 91 Lambertus de Monte 106 Landen, Johann 89, 116 Leeu, Claes 66 Leeu, Gerard 13, 20, 28, 30, 53, 56–61, 63–67, 69, 71–74, 76, 78, 81–83, 86, 97, 146 Lefèvre, Raoul 66 Lehmann-Haupt, Hellmut 27, 32 Leonardus Brunus Aretinus 115 Löslein, Peter 30 Lotter, Melchior 78 Ludolf von Sachsen 64, 71 Ludwig von Renchen 115f., 118 Maler, Bernhard 30 Manfredus de Bonellis 15, 90 Manutius, Aldus 20, 94f., 98 Marchant, Guy 10 Matthias van der Goes 28, 92 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 67 McKerrow, Roland B. 13 Mechter, Paul 52 Meister des Ulmer Boccaccio 8 Michael Francisci de Insulis 61 Michault, Pierre 60 Molitoris, Ulricus 115 Mülich, Heinrich 82 Mure, Conrad von 38 Murner, Thomas 133 Needham, Paul 114 Neuß, Heinrich von 89 Octavianus Scotus 39 Os, Gotfrid van 76, 78 Os, Peter van 52, 56, 60, 68, 71–73, 81–83 Otinus de Luna 94 Ott, Norbert H. 125 Ovidius Naso, Publius 42 Pachel, Leonardo 30 Paffraet, Richard 28, 56, 78, 81f., 89, 92, 142 Paganinus de Paganinis 94 Patavinus, Clemens 30 Paulus Pellantinus 72
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Register zu den Beiträgen Rautenberg und Gummlich-Wagner
Persius Flaccus, Aules 42 Petri, Johann 51 Petrus Cameracensis 89 Petrus de Alliaco 64 Petrus Dorlandus 122 Petrus Hispanus 74, 125, 137 Pfister, Albrecht 35 Piccolomini, Aeneas Sylvius Siehe Pius II., Papst Pierce, Charles S. 34, 44 Pius II., Papst 27, 69, 115 Pleij, Herman 56, 67 Pollard, Alfred W. 4–6, 13–15, 34, 49 Prüß, Johann d. Ä. 45, 78, 88 Pseudo-Bernardus 65 Quentell Erben 90 Quentell, Heinrich 45, 106f., 109, 115–118, 121f., 124f., 127f., 130, 133, 136f., 139, 142, 144, 146 Rabbi Samuel 58 Ragazzo, Giovanni 90, 94 Ratdolt, Erhard 30, 114 Rath, Erich von 9 Rautenberg, Ursula 12, 107 Ravenstein, Albert 38 Regiomontanus, Johannes 30 Reinhart, Marcus 92 Repgow, Eike von 71 Retro Minores, Druckerei (Martin Werden?) 125, 142 Rocociolus, Domenicus 89 Rolevinck, Werner 51, 111, 114 Rosso, Giovanni 93 Rothe, Arnold 16 Ruppel, Bertold 38 Sallustus Crispius, Gaius 42 Schilling, Johann Siehe auch Drucker der Flores Sancti Augustini 28 Schmitt, Anneliese 10 Schmitz, Wolfgang 107 Schobser, Johann 88 Schöffer, Peter d. Ä. 20, 27f., 31f., 51, 92, 96, 111 Schöller, Bernadette 132 Schönsperger, Johann d. Ä. 10 Schott, Martin 78, 88 Schottenloher, Karl 6, 9 Schreiber, Wilhelm Ludwig 73, 107, 136 Scinzenzeler, Ulrich 30 Seraphinus de Cennis 90 Sessa, Johannes Baptista 94
Shevlin, Eleanor F. 8, 15, 17, 48 Simon de Luere 90 Smith, Margaret M. 4, 6, 13–15, 18, 36, 39, 59, 97, 107 Snellaert, Christiaen 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Sondheim, Moriz 6 Sorg, Anton 10, 38 Spirito, Lorenzo 52 Sprenger, Jacob 61 Steinhöwel, Ulrich 128 Stephanus Fliscus 45 Symmen, Henric 57 Synthen, Johannes 120 Tabor, Stephen 15 Thomas de Celano 65 Thomas von Aquin 45, 82, 128, 136f., 142, 146 Thomas von Cantimpré 73 Thomas, Gerhard 52 Thomas von Kempen 125 Trepérel, Jean 91 Usuardus 123 Veldener, Johann von 72 Velke, Wilhelm 27 Veneziani, Paolo 10 Venns, Dirk 132 Vérard, Antoine 46 Vergilius Maro, Publius 121 Vermeulen, Yves G. 11f., 61 Versor, Johannes 106 Voulliéme, Ernst 107f., 118, 120, 142 Wagner, Peter 13, 86, 139 Wehde, Susanne 22f., 34, 42 Werden, Martin von 90 Westval, Joachim 38, 88 Widmann von Eger, Johannes 88 Winters de Homborch, Conrad 111, 115f., 118 Wirecker, Nigellus 88 Woensam, Anton 107 Wolff, Jacob 92 Wolkenhauer, Anja 94 Wynkyn de Worde 13 Yemantszoon, Maurice 69 Zainer, Günter 8, 128 Zell, Ulrich 12, 35, 45, 89, 92, 106, 109, 115f., 118, 122, 125 Zenders de Wert, Wilhelm 81, 142 Zwolle-Meister 72
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GISELA MÖNCKE
Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Johann Lobmeyer – Balthasar Müller – Melchior Bopp Der Würzburger Buchdruck1 brachte nach den typographisch hochwertigen Inkunabeln Georg Reysers im 16. Jahrhundert keine vergleichbaren Glanzleistungen hervor. Die Diözese war gut versorgt mit den liturgischen Drucken, die Reyser für den Würzburger Ritus hergestellt hatte. Soweit noch Bedarf bestand, wurden Würzburger Breviere und Meßbücher nach 1503 auswärts gedruckt, in Basel, sogar in Lyon und Venedig.2 Großaufträge dieser Art hätten die auf Reyser folgenden Hofbuchdrucker auch handwerklich überfordert. Sie begnügten sich mit der Herstellung kleinerer und weniger anspruchsvoller Drucke. Zur Entlastung der fürstbischöflichen Kanzlei und der Diözesanverwaltung druckten sie Formulare, Mandate und amtliche Verlautbarungen. Sie besorgten als Auftragsarbeit auch mehr oder weniger halbamtliche Druckschriften, mit denen der Bischof seiner Stellungnahme zu bestimmten tagespolitischen Fragen publizistisch Nachdruck verlieh. Ein einträgliches Geschäft waren die Kalenderdrucke, besonders die mit reichem Bilderschmuck versehenen Wappenkalender des Hochstifts. Bescheiden war dagegen der Anteil von Drucken literarischen oder theologischen Inhalts, obwohl sich darunter auch einige beachtenswerte Erstausgaben finden. Martin Schubart hat sich nicht zuletzt durch die Drucklegung der Schriften des Würzburger Humanisten Schenck von Sumau verdient gemacht. Um 1505 brachte er auch einen anonymen Traktat heraus, der im Streit um die Berechtigung neulateinischer Dichtung engagiert den humanistischen Standpunkt gegenüber den Scholastikern verteidigte.3 Von Schubarts Kalenderdrucken ist nur ——————— 1 Eine vorzügliche Einführung bietet neuerdings PletichaGeuder, Eva: »Getruckt in der statt Würtzburg«, 525 Jahre Buchdruck in Würzburg. In: Abklatsch, Falz und Zwiebelfisch. 525 Jahre Buchdruck und Bucheinband in Würzburg. Begleitbuch zur Ausstellung der Universitätsbibliothek Würzburg 17. 9.–21. 11. 2004. Würzburg: Ergon 2004, S. 9–99. Ich danke an dieser Stelle Herrn Dr. Helmut Claus (Gotha), der meine Arbeit nicht nur angeregt, sondern ihren Fortgang mit immer gutem Rat und großer Geduld über mehrere Jahre begleitet hat. 2 Engelhart, Helmut: Die frühesten Druckausgaben des Missale Herbipolense (1481–1503). In: Würzburger DiözesanGeschichtsblätter 62/63 (2001), S. 69–173, hier S. 113–121. Engelhart, Helmut: Georg Reyser zum 500. Todestag. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 56 (2004), S. 130–161. 3 VD16 L 692.
einer für das Jahr 1510 vollständig erhalten.4 Erst seine Nachfolger, Lobmeyer, Müller und Bopp, bedienten mit ihren Lieddrucken und Neuigkeitsberichten auch ein breiteres, nicht lateinkundiges Lesepublikum. Der folgende Beitrag bringt nur wenige Ergänzungen zu Lobmeyers Druckertätigkeit. Er beschäftigt sich vor allem mit der Offizin, die Balthasar Müller bis zu seinem Tode 1542 betrieb und die Melchior Bopp bis 1547 fortsetzte. Obwohl abhängig vom fürstbischöflichen Hof, haben beide auch auf eigene Rechnung gearbeitet. Die im Anhang beigegebene Bibliographie kann die Zahl der Drucke, die bisher aus ihrer Werkstatt bekannt geworden sind, beträchtlich erweitern.
Johann Lobmeyer (1518–1525) Johann Lobmeyer wurde am 25. Januar 1518 von Bischof Lorenz von Bibra als Hofbuchdrucker angenommen.5 Sein Privileg befreite ihn nicht nur von bürgerlichen Lasten, sondern sicherte ihm auch eine feste Entlohnung zu, für die er neben den Drucken, die er im Auftrag des Bischofs zu besorgen hatte, auch zu anderen Dienstleistungen bei Hofe herangezogen werden konnte.6 Mit Ausnahme eines großformatigen Wappenkalenders des Hochstifts Würzburg auf das Jahr 15247 sind keine firmierten Drucke ——————— 4 Mainfränkisches Museum Würzburg, Graphische Sammlung, Inventarnr. A. 46211. Dieser Kalender mit der Überschrift »Ordo diuinorum« und dem Aderlassmännchen am Ende ist nicht firmiert, aber aufgrund der Typen Schubart zuzuweisen. Er fehlt ebenso wie der nur fragmentarisch erhaltene Kalender für 1514 (siehe Anm. 10) bei Brod: Mainfränkische Kalender. 5 Schottenloher, Karl: Beiträge zur Bücherkunde der Reformationszeit. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 38 (1921), S. 20–33, hier S. 21–23: Johann Lobmeyer von Würzburg und seine Druckwerke (1518–1525). 6 Meyer, F. Hermann: Würzburger Befreiungen für Buchdrucker, 1481–1548. In: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 15 (1892), S. 4–10, hier S. 7f. 7 Brod, Walter Michael: Mainfränkische Kalender aus vier Jahrhunderten. Inkunabel- und Wappenkalender. Festgabe der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. Würzburg zur Zwölfhundert-Jahrfeier. Volkach 1952, S. 20–22. Wagner, Bettina: Der Drucker Johann Lobmeyer und frühe Wappenkalender des Hochstifts Würzburg. In: Bewahren und Erforschen. Beiträge aus der Nicolaus-Matz-Bibliothek (Kirchenbibliothek) Michelstadt. Festgabe für Kurt Hans Staub zum 70. Geburtstag.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aus seiner Presse überliefert. Zwei frühere Kalender, die in Bruchstücken erhalten sind, hat er nur als Verleger mit seinem Namen unterschrieben, aber nicht selbst gedruckt. Dabei handelt es sich um einen lateinischen Wappenkalender auf das Jahr 1516, dessen Druck Jobst Gutknecht in Nürnberg besorgte,8 und um ein erst vor kurzem bekannt gewordenes Blatt aus der Nicolaus-Matz-Bibliothek in Michelstadt.9 Nach Ausweis der Typen wurde es von Martin Schubart gedruckt und dürfte für das Kalenderjahr 1514 bestimmt gewesen sein.10 Neben dem Buchhandel, den er seit 1504 betrieb,11 betätigte sich Lobmeyer also bereits im Jahre 1513 als Verleger, möglicherweise in Zusammenarbeit mit dem Würzburger Buchführer Bernhard Weigel. Dieselben Holzschnitte, die für Lobmeyers Kalender auf das Jahr 1514 verwendet wurden, schmücken eine andere Ausgabe desselben Jahres, die Bernhard Weigel herausbrachte und die nach dem typographischen Befund von Johann Weißenburger in Nürnberg gedruckt wurde.12 Beiden Kalendern ist ein aus fünf Distichen bestehendes Gedicht beigefügt, das aber nur in der Weigelschen Ausgabe mit dem Namen des Autors, Peter Chalybs, überschrieben ist.13 Die nahezu gleichzeitige Verwendung derselben Holzschnitte in beiden Ausgaben lässt nur den Schluss zu, dass sich Lobmeyer und Weigel in diesem Jahr das Geschäft mit dem Wappenkalender teilten. Ohne Kalender- und andere Einblattdrucke konnten aus Lobmeyers Presse bisher 17 Drucke der Jahre 1518–1525 allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Würzburg und des ihnen gemeinsamen Typenmaterials nachgewiesen werden.14 Nachzutragen sind drei weitere Zuschreibungen: Hrsg. von Wolfgang Schmitz. Michelstadt: Stadt Michelstadt 2003, S. 345–363, hier S. 358f. 8 Wagner: Lobmeyer, S. 356f. mit Abb. 72. 9 Wagner: Lobmeyer, S. 346 mit Abb. 69 und 70. 10 Die mittlere Auszeichnungsschrift sowie ein in die Texttype eingesprengtes kleines w finden sich später in den sogenannten ›Fellenfürsttypen‹ (Coburg oder Bamberg). Die Zuweisung an Schubart, der nur bis 1518 druckte, bestätigt zugleich die von Wagner: Lobmeyer, S. 359, vorgenommene Datierung des Kalenders auf das Jahr 1514 (statt 1520). Der deutschsprachige Wappenkalender des Hochstifts auf das Jahr 1516 (Wagner: Lobmeyer, S. 358 mit Abb. 73) stammt nach freundlicher Mitteilung von Helmut Claus aus der Presse Johann Schönspergers in Augsburg. 11 Pleticha-Geuder: Würzburg, S. 17. 12 Grimm, Heinrich: Die Buchführer des deutschen Kulturbereichs und ihre Niederlassungen in der Zeitspanne 1490 bis um 1550. In: AGB 7 (1967), Sp. 1153–1772, hier Sp. 1179. Erhalten ist nur die untere Hälfte in einem Exemplar des Mainfränkischen Museums (Graphische Sammlung, Inventarnr. A 46210), am Ende unterschrieben: Bernardus Weygel Liberarius || Herbipolensis. 1514. ||, darunter Weigels Verlegerwappen. 13 In magistri Conradi Nurnbergensis iudicium Petri Chalibis Philocali carmen. Der Gefeierte ist der aus Nürnberg stammende, in Leipzig tätige Mediziner und Astronom Konrad Tockler. 14 Wagner: Lobmeyer, S. 351–355.
1. Ein neus lied vom Anti||christ zu Rom vnd seinen || Aposteln/ wie sie vns/ durch verschuldung || vnser sunden vnd vndankbarkeyt gegen || got/ verfureth haben mit iren lehren || gesetzen/ vnd gepoten/ dorin ver||mant werden alle Christen || solche verfurische lehr || zu verlassen || vnd die Euangelisch warheit || anzunemen. || ... || Anno XXiij. || [Würzburg: Johann Lobmeyer] 1523. [4] Bl. [a4] Bl. 8° Weller, Repertorium 2482; Maltzahn, Bücherschatz 730; VD16 N 1237. *London BL, 3437.ee.49 2. Hymni per circulum anni. || Psalmi feriales/ et Versiculi pro par=||uulis Diuino cantico mancipatis, || Secundū vsum ecclesie Herbi=||polensis nouiter reuisi atqa; || summa cum diligentia || correcti.) || ♣ + ♣ || [Holzschnitt: Stiftswappen mit den drei Frankenaposteln] || [Würzburg: Johann Lobmeyer um 1523] erhalten [8] Bl. A8 (A1v leer). 8°. – Rotschwarzdruck mit Noten. Benzing, Müller 4. *Zweibrücken, Bipontina, Frgm.Dr.Bip.1 (Fragment) Dieses Psalteriumfragment in ungewöhnlich kleinem Format, von Josef Benzing ins Jahr 1526 datiert und Balthasar Müller zugeschrieben, dürfte nach dem typographischen Befund eher von Lobmeyer gedruckt worden sein. Die lateinische rundgotische Texttype gehört zu jenen Schriftarten, die Johnson als »germanised« charakterisiert hat.15 Sie wurde von Lobmeyers Nachfolger, Balthasar Müller, nicht mehr verwendet ebenso wenig wie die Auszeichnungsschrift (eine Missale mit M 29), die sich nur in frühen Drucken Lobmeyers findet.16 Der Schnitt der Noten stimmt überein mit dem Druck des Hymnus auf den heiligen Kilian, den Lobmeyer wohl um 1524/25 herausbrachte.17
——————— 15 Johnson, Alfred Forbes: Notes on some German Types used in the Reformation Period. In: Festschrift für Josef Benzing zum sechzigsten Geburtstag. Hrsg. von Elisabeth Geck und Guido Pressler. Wiesbaden: Pressler 1964, S. 226–252. 16 Beide Typen schon im Druck der von Lobmeyer besorgten Würzburger Ausgabe der Bulle »Exsurge Domine« von 1521. VD16 K 280. Vgl. die Abb. bei Fabisch, Peter/Iserloh, Erwin (Hrsg.): Dokumente zur Causa Lutheri (1517–1521). T.2. Münster: Aschendorff 1991 (Corpus Catholicorum. 42), S. 354f. 17 Brod: Mainfränkische Kalender, S. 20 mit Anm. 64. Brednich: Liedpublizistik, Nr. *81 mit Abb. 21.
Balthasar Müller (1525?–1542) 3. Warhaffter bericht vō || der schlacht geschehen || vor Pauia/ darinen der || Kung von Franckreich || vnd vil mechtiger herrē || Von Keyserlicher maie||stat kriegsuolck ge=||fangen worden || ist. || M. D. XXv. || [TE] [Würzburg: Johann Lobmeyer] 1525. [4] Bl. A4 (A4v leer). 4° VD16, ZV 22049 *Leipzig UB, Lib.Sep. 1883. Der auf Georg von Frundsberg zurückgehende Bericht über die Schlacht vom 24. Februar 1525 liegt in zahlreichen Druckausgaben vor.18 Sein bisher unbekannter Würzburger Nachdruck hat wieder Lobmeyers rundgotische Texttype und seine aus vier Holzschnittleisten zusammengesetzte Titeleinfassung. Erst nach dem Bauernkrieg verliert sich Lobmeyers Spur. Dass er, wie mitunter behauptet wird, schon im Spätherbst 1524 oder noch vor der Frankfurter Ostermesse 1525 gestorben sei,19 lässt sich aus den Quellen nicht belegen. Die reformationsfreundlichen Drucke, die er 1524 herausbrachte, sprechen allerdings dafür, dass sein auf sechs Jahre befristetes Privileg nicht verlängert worden war. Keineswegs wird man ihm nach der Niederwerfung der Bauernerhebung seinen Nachdruck der ›Zwölf Artikel‹20 verziehen haben. Hatte er seine Presse noch in den Wochen, in denen der Neckartal-Odenwälder Haufen die Stadt beherrschte und die Burg belagerte, in den Dienst der Aufständischen gestellt oder stellen müssen? Lorenz Fries berichtet in seiner Geschichte des Bauernkriegs, die Hauptleute des Würzburger Lagers hätten, als das Heer des Schwäbischen Bundes bedrohlich näher rückte, an die umliegenden Städte und Dörfer zur Aufrechterhaltung der Disziplin »ein gemain ausschreyben im truck ausgehn« lassen, datiert vom 26. Mai 1525.21 Auch wenn von einem solchen Blatt, dessen Text Fries überliefert, bisher kein Exemplar nachgewiesen ist, kommt für den Druck nur Lobmeyers Presse in Frage. Es gab keine andere in Würzburg. Zwei Wochen später unterwarf sich die Stadt auf Gnade oder Ungnade ihrem Bischof
155 und Herrn. Mit Lobmeyers Typen wurde nun ein Flugblatt gedruckt, auf dem die Wappen der Domherren und Ritter, die erfolgreich die bischöfliche Festung verteidigt hatten, abgebildet sind.22 Der letzte Druck, der Lobmeyer zugeschrieben wird, Luthers Verdikt Wider die räuberischen und mordischen Rotten der andern Bauern23 riet zwar zu einem schonungslosen Vorgehen gegen die Aufständischen, wird aber den Bischof kaum mit seinem früheren Hofbuchdrucker ausgesöhnt haben.
Balthasar Müller (1525?–1542) Lobmeyers Nachfolger, dessen Loyaliät sich der Bischof gewiss sein durfte, wurde Balthasar Müller. Als Hofbuchdrucker wurde er zwar erst im März 1526 privilegiert,24 druckte aber schon vorher in amtlichem Auftrag. Es liegt eine erste Untersuchung Karl Schottenlohers vor, an die Josef Benzing mit einer Auflistung weiterer Drucke aus dieser Presse anknüpfte. Zusammengenommen haben beide 44 Drucke ausführlich oder nur mit Kurztitel für Müller verzeichnet, von denen ihm einige allerdings wieder abzusprechen sind. Hinzu kommen neun Neuzuschreibungen, die Helmut Claus in der Abteilung III (Druckerregister) des VD 16 publiziert hat. Nach neueren Recherchen komme ich auf insgesamt 107 Drucke, die firmiert und unfirmiert, mit Exemplarnachweis oder zumindest aus der Literatur bekannt, der Würzburger Presse für die Jahre 1525–1547 zuzuordnen sind. Bei der Zuschreibung nur aufgrund des typographischen Befundes ist allerdings Vorsicht geboten, denn die Neudörffer-Andreae-Fraktur, die Müller sich aus Nürnberg besorgt hatte, ist von den in Nürnberg selbst verwendeten Typen kaum zu unterscheiden. So gehört der Druck der Ansuchung Herzog Christophs von Württemberg aus dem Jahre 1533, den Benzing Müller zugeschrieben hat, nicht nach Würzburg. Er stammt trotz der ähnlichen Frakturschrift seiner übrigen Ausstattung nach von Franz Rhode in
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18 VD16 F 3179–3192. 19 Grimm: Buchführer, Sp. 1179. Benzing: Buchdrucker, S. 513. Wagner: Lobmeyer, S. 349. 20 VD16 G 3560. Wagner: Lobmeyer, Nr. 15. 21 Fries, Lorenz: Die Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken. Hrsg. von August Schäffler und Theodor Henner. 2 Bde. Neudruck der Ausgabe Würzburg 1883, vermehrt um Ergänzungen. Aalen: Scientia 1978, S. 295f. Nach Johann Reinhart, einem Zeitgenossen von Lorenz Fries, der dessen Bauernkriegsgeschichte bearbeitet hat, wurde auch (oder nur?) das gleichzeitige allgemeine Ausschreiben gedruckt, mit dem die »Hauptleute, verordneten Räte und Versammlung der von der Landschaft zu Franken, itzund zu Würzburg« den Aufstand nach außen zu rechtfertigen versuchten. Gropp, Ignaz: Collectio novissima scriptorum et rerum Wirceburgensium novissima a saec. XVI. XVII. et XVIII. hactenus gestarum. T. III. Würzburg: Engmann 1748 (Frankfurt a.M.: Weidmann 1754), S. 124. Dieses Ausschreiben bei Fries: Bauernkrieg, S. 294.
22 Verkleinerte Abb. nach einem Exemplar der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (cod.hist. 52, fol. 152) bei Arnold, Klaus: Der Bauernkrieg. In: Unterfränkische Geschichte. Hrsg. von Peter Kolb und Ernst-Günther Krenig. Bd 3. Würzburg: Echter 1995, S. 63–80, 181; hier S. 181. 23 VD16 L 7500. Wagner: Lobmeyer, Nr. 16. Lobmeyer wird diesen Druck, der nur in einem einzigen Exemplar nachgewiesen ist, nicht vor Ende Mai 1525 fertiggestellt haben. Der Wittenberger Erstdruck lag als Anhang zu Luthers »Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft« (VD16 L 4690) erst am 10. Mai vor. Vgl. Clos, Albert: Zur näheren Bestimmung der Abfassungszeit von Luthers Schrift »Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern« 1525. In: Archiv für Reformationsgeschichte 33 (1936), S. 126–133. 24 Meyer: Befreiungen, S. 8f. Müllers Druckprivilegien wie die von Lobmeyer im Staatsarchiv Würzburg, WU 33/133b, zugleich kopial überliefert Ldf 19, S. 308 und Ldf 27, S. 196.
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Marburg.25 Müller bezog von Andreae Frakturtypen in zwei verschiedenen Graden, bei denen 20 Zeilen 114 mm bzw. 91 mm messen, druckte damit aber noch nicht 1526, wie Schottenloher annahm, sondern erst seit dem darauf folgenden Jahr. Drei Drucke, die Schottenloher Müller zuweist und die alle in das Jahr 1526 gehören, haben auf der Titelseite auch größere Auszeichnungsschriften,26 die in sicheren MüllerDrucken der folgenden Jahre nicht wiederkehren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind diese Drucke – hier in der Reihenfolge aufgeführt, wie sie Schottenloher und Müller verzeichnen – nicht in Würzburg, sondern von Hieronymus Andreae in Nürnberg gedruckt worden: 1. Eberlin, Johannes: Ein getreue Warnung an die Christen in der Burgauischen Mark Ein getrewe war=||nung an die Christen/ in der Bur=||gawischen marck/ sich auch fFro || hin zů hFten vor aufrur/ || vnnd vor falschen || predigernn || Seyt nFchtern vnd wachent/ dann ewer wider=|| sacher der Teuffel/ geht vmb her wie ein brFllen=|| der Lew vnnd sucht welchen er veschlinde/ dem || widersthet fest im glauben. 1. Pet. 5. || [TE, zusammengesetzt aus 4 Leisten, in der rechten ein Eier legender Narr] Endet D6r Zeile 14: Ewer bruder Johan Eber=||lein von Gintzburg || [Nürnberg: Hieronymus Andreae 1526] [18] Bl. A-C4 D6 (A1v und D6v leer) 4°. Panzer 3075; Schottenloher, Müller 5; Hohenemser 3299; Claus, Bauernkrieg 208; VD16 E 127; Köhler 791; Peters, S. 371, Nr. 71; Bibliotheca Palatina 03031; Pegg, Alsace I, 1055. Textedition: Endres, S. 253–287 (und 370–374). Berlin SB, Cu 2005 R; Berlin KiB EKU, Refschr. 730; Città del Vaticano BVat, St.Pal. IV, 384.11; Colmar Consistoire Protestant, 109 S. 4272A/9; Frankfurt/M. StUB, G.F. XVII, 563; *München SB, 4 Eur. 332,45; Nürnberg StB, Theol. 913 4°(10); *Regensburg SB, 4° Theol.syst. 550/(2(1); Schaffhausen StB; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Eberlin, J 7; Wolfenbüttel HAB, 189.27 Theol.(25); Wien NB, 20.Ded. 1368. Erstdruck. Nachgedruckt erst wieder 1573 in Basel als Anhang (VD16 E 128) zu einer verdeutsch——————— 25 (A)Nsuchung Her=||tzog Christoffs von Wirttenbergk/ bei || den Stendenn des Bunds im Landt zu || Schwaben/ darinn er das Fur=||stenthumb zu Wirtten=||bergk widder || fordert || vnd begert. || [Marburg: Franz Rhode 1533]. [12] Bl. A–C4. Benzing: Müller 12. Pegg: Alsace I, 1076. Beide beschreiben ein Colmarer Exemplar. VD16 W 4467 verzeichnet einen Druck vom selben Satz, aber mit der Titelvariante „bey || den“ und einem Blättchen unter der 8. Zeile. 26 Wie bei Crous, Ernst/Kirchner, Joachim: Die gotischen Schriftarten. Leipzig: Klinckhardt & Biermann 1928, Abb. 126 und 127.
ten Ausgabe der Bauernkriegsgeschichte von Petrus Gnodalius (VD16 G 2284). 2. Auszug eines Briefes Auszug eines brie||fes wie einer so in der TFr=|| ckey wanhafft seinem freund in dise land || geschrieben vnd angezeygt was/ das || TFrckisch regiment vnd wesen sey || v] wie er es mit den landen so er || erobert zůhaltenn pfligt/ kFrtz=||lich in Teutsch sprach gepra||cht/ nůtztlich diser zeyt zů || wissen. 1526. || [TE, zusammengesetzt aus 4 Leisten, in der rechten ein Eier legender Narr] Endet 4v Zeile 26: … Datum Andernopel am || ersten tag des monats Mertzen. Jm 1 5 2 6. jar. || [Nürnberg: Hieronymus Andreae 1526] [4] Bl. 4°. Weller, Repertorium 3726; Kertbeny 232; Schottenloher, Müller 6; Hubay 59; Göllner 248; VD16 A 4423; BNHCat, A797. Verkleinerte Abbildung der Titelseite bei Röttinger, Fig. 29. Budapest NB, Röpl. 59; Coburg LB, R II 8/1; Dresden SLUB, 3 A. 6141; *München SB, 4 Turc. 81,12; Weimar HAAB, 4° XVIII: 118 [b]. 3. Anzeigung etlicher irriger Mängel, so Kaspar Schatzgeyer, Barfüßer, in seinem Büchlein wider Andream Osiander gesetzt hat Anzaygung etli||cher Jrriger mengel so Cas=||par Schatzgeyer Barfusser in || seinem bůchleyn wider Andream || Osiander/ gesetzt hat/ darinn || Christenliche leuterung vnd || vnterrichtūg mit grund || G=tlicher schrifft be||gert wFrdt. || 1526. || [TE mit Laute spielendem Engel] [Nürnberg: Hieronymus Andreae] 1526 [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. Panzer 3140 [s.l.]; Schottenloher, Müller 7; Johnson 55 (mit Abb. der Titelseite und Zuweisung: H. Andreae ?); VD16 A 3021. *München SB, 4 Polem. 203; Schweinfurt Bibliothek Otto Schäfer, OS 1454; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Osiander.A.(14a); Wolfenbüttel HAB, 172.2 Quod.(22). Einige Werkverzeichnisse Dürers geben die Titelseite mit der Variante »Anno M.D. 1526« in Zeile 10 nach einem Exemplar des Kupferstichkabinetts Berlin wieder. Erstdruck, nachgedruckt in Basel (VD16 A 3020).
Balthasar Müller (1525?–1542) Für Andreae sprechen die Typen27, die Initialen28 und nicht zuletzt die in Holz geschnittenen Titelumrahmungen Nürnberger Herkunft. Die Einfassung mit dem Laute spielenden Engel wird heute nicht mehr Dürer, aber noch immer seiner Werkstatt oder der Dürerschule zugeschrieben. Ihren engen Zusammenhang mit dem ›Narrenrahmen‹ der beiden anderen Drucke hat Röttinger herausgearbeitet.29 Als Nürnberger Erzeugnisse sind demnach aus der Liste der Müller-Drucke außer dem Neuigkeitsbericht aus der Türkei, den Müller allerdings mit seiner Schwabacher Type nachdruckte, zwei reformationsfreundliche Druckschriften zu streichen. Eberlins letzte Druckschrift verneint ganz im Sinne von Luthers ZweiRegimenten-Lehre jedes Recht der Untertanen auf Ungehorsam gegenüber einer von Gott eingesetzten Obrigkeit, schließt sich in der theologischen Argumentation auch sonst Wittenberger Lehrmeinungen an. Verfasst wurde die Getreue Warnung wohl im Winter 1525/26 während sich Eberlin bei dem fränkischen Freiherrn Johann von Schwarzenberg aufhielt, bevor er im Frühjahr 1526 eine Pfarrstelle in der Grafschaft Wertheim annahm.30 In noch engerer Beziehung zu ihrem Druckort steht die anonyme Anzeigung etlicher Mängel. Ihr Verfasser, ein aus Bayern gebürtiger Nürnberger Bürger und Laie, war unschlüssig, ob er im Streit um die Messe, die Rechtfertigung und andere Glaubensgrundsätze nicht eher dem Nürnberger Reformator Andreas Osiander folgen sollte als dessen Kontrahenten, dem bayerischen Franziskaner Kaspar Schatzgeyer. Seine Fragen, die er deshalb an Schatzgeyer richtete und dieser bald
——————— 27 Ähnlich schon Crous, Ernst: Dürer und die Schrift. Mit einer Wiedergabe von Dürers Abhandlung aus seiner »Unterweisung der Messung«. Berlin: Aldus 1933 (Vereinsgabe des Berliner Bibliophilen Abends für 1933), S. 18, Anm. 29: »Ich bin geneigt, die Drucke [Schottenloher] 5-7 Müller ab und Andreä zuzusprechen.« 28 Die Initiale E in der »Anzeigung« (A1v) findet sich in mehreren Drucken Andreaes, unter anderem in Dürers »Vier Büchern von menschlicher Proportion« (VD16 D 2859, A3v) und in dessen »Unterweisung« (wiedergegeben bei Crous: Dürer und die Schrift, K1v). 29 Röttinger, Heinrich: Dürers Doppelgänger. Straßburg: J.H. Ed. Heitz 1926 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 235), S. 18–20. Beide Einfassungen wie übrigens auch den Rahmen des 1527 von Andreae gedruckten Betbüchleins Luthers weist Röttinger einem ›Birgittenmeister‹ zu. Vgl. dazu auch Zimmermann, Hildegard: Der ›Birgitten-Meister‹ = Peter Vischer?. In: Nordisk Tidskrift för Bok- och Biblioteksväsen 15 (1927), S. 7–16, S. 7– 16. Zimmermann stimmt Röttingers Zusammenführung verschiedener Holzschnittillustrationen weitgehend zu, folgt aber nicht dessen Versuch, den fiktiven Rosenkranz-Birgittenmeister mit Peter Vischer d.Ä. zu identifizieren. 30 Peters, Christian: Johann Eberlin von Günzburg ca. 1465– 1533. Franziskanischer Reformer, Humanist und konservativer Reformator. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus 1994 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. 60), S. 281–291.
157 mit einer eigenen Schrift beantwortete, lassen deutlich den Einfluß osiandrischer Predigten erkennen.31 Nach der Zuschreibung dieser Drucke an Andreae wird auch die mitunter geäußerte Vermutung hinfällig, das Wappenschild in der unteren Leiste der ›Narreneinfassung‹ mit dem Baum, an dessen Ästen ein Dreschflegel und ein Apfel hängen, stelle Müllers Druckermarke dar.32 Müller hatte die Schnitte ja nicht selbst in Auftrag gegeben. Er bezog aus Nürnberg nicht nur seine Frakturtypen, sondern übernahm von Andreae auch die Leisten der ›Narreneinfassung‹ und schmückte damit seit 1527 die eigenen Drucke. Schon vor der ersten Wiederverwendung durch Müller wurde allerdings der als anstößig empfundene, weil mit entblößtem Hinterteil dargestellte Mann von der einen Randleiste entfernt und durch ein Schmuckelement ersetzt. Bald danach wurde auch der Narr von der anderen Leiste abgetrennt und gesondert für einen Kalenderdruck weiterverwendet. Zu dem Bildmaterial, das sich Müller aus Nürnberg beschaffte, gehören neben den Leisten aus der Werkstatt des ›Birgittenmeisters‹ auch die beiden Holzschnitte mit der Darstellung von Adam und Eva, die Sebald Beham zugeschrieben werden. Müller verwendete sie seit 1527 für die Titeleinfassungen einiger Quartdrucke, in anderer Anordnung auch für einen großformatigen Kalenderdruck. Auf dem Almanach Erhard Etzlaubs für das Jahr 1531 ist die obere Rahmenleiste mit Adam und Eva und dem zwischen ihnen eingefügten Würzburger Wappen aus drei Holzschnitten zusammengesetzt. Nachgewiesen ist dieses Kalenderblatt nur in einem Makulaturdruck aus einer Nürnberger Werkstatt, die dessen Rückseite neu bedruckte.33 Wie es der streng altkirchlichen Haltung von Bischof und Domkapitel entsprach, druckte Müller mehrere Schriften, die im Abwehrkampf gegen die lutherische Reformation den Standpunkt der katholischen Kirche vertraten. Neben Nachdrucken von Werken so bekannter Kontroverstheologen wie Johannes Eck und Johannes Fabri erschien bei ihm als Erstdruck 1526 auch eine gegen die Lutheraner gerichtete Schrift des Augustinereremiten Bartholomaeus Arnoldi, der ein Jahr zuvor Erfurt verlassen und im Würzburger Kloster eine neue Heimat gefun——————— 31 Vgl. Martin Stupperichs Beitrag in: Andreas Osiander d.Ä. Gesamtausgabe. Bd. 1. Gütersloh: Mohn 1975, S. 471–479, und Erwin Iserloh in: Kaspar Schatzgeyer. Schriften zur Verteidigung der Messe. Münster: Aschendorff 1984 (Corpus Catholicorum. 37), S. 594–597. 32 Schottenloher, Karl: Balthasar Müller in Würzburg. (Fränkische Druckereien der Reformationszeit. 2). In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 28 (1911), S. 64–72, hier S. 69. Röttinger: Dürers Doppelgänger, S. 18. Endres, Heinrich: Würzburger Druckermarken des 16. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Bücherfreunde 40/2 (1936), S. 51–53. 33 Anhang Nr. 48.
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den hatte.34 Es spricht allerdings nicht gerade für die Leistungsfähigkeit dieser Presse, dass weitere Druckaufträge für Schriften Arnoldis später von einem Würzburger Verleger nicht an Müller, sondern an Georg Erlinger in Bamberg vergeben wurden.35 Auch andere zeitweilig in Würzburg ansässige Autoren, der Weihbischof Augustinus Marius36 und der als Jurist wie Kontroverstheologe bedeutsame Konrad Braun37, haben auswärtige Pressen bevorzugt. Zwei MüllerDrucke überliefern Reden des Kartäusers Jodocus Hess (Hesch). Er war als Procurator in Ittingen lutherischer Neigungen verdächtigt worden, wurde nach seiner Inhaftierung aber auf Betreiben seines Ordens 1525 aus der Schweiz ausgewiesen, als Hospes in die Kartause Buxheim bei Memmingen versetzt und übernahm ein Jahr später das Priorat in Astheim, nun unter würzburgischer Landeshoheit. Müller druckte eine Rede, die Hess in Buxheim unter dem Priorat Georg Mentelins gehalten hatte mit einer Auslegung des Bibelverses Ezechiel 36,8 und heftigen Invektiven gegen Luther.38 Diese Collatio Carthusiae ist der Kartäuserforschung bis heute verborgen geblieben, denn sie wurde in die Sammlung seiner Reden, die postum 1539 in Erfurt herauskam, nicht aufgenommen.39 Bekannt ist die dort wieder abgedruckte Oratio de optimi pastoris officio, gehalten auf dem Generalkapitel 1531, von der aber auch eine Würzburger Erstausgabe vorliegt.40 Ob Jodocus Hess auch ein deutsches Reimpaargedicht verfasst hat, das in einem von Müller besorgten Druck nur mit den Initialen ——————— 34 Anhang Nr. 9. 35 VD16 A 3718, L 308, A 3736. 36 Eine Festpredigt zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums des Würzburger Domherrn Lorenz Truchseß von Pommersfelden erschien 1538 in Leipzig (VD16 M 1016), ein Brief an Friedrich Nausea in Köln (VD16, ZV 10398). Seine Abhandlung über den Uhu als Orakelvogel gab Marius nach Ausweis der Typen 1541 in Nürnberg bei Johann Petreius in Druck (VD16 M 1015). Vgl. dazu Mauerhoff-Henke, Thomas: Der Uhu und der Weihbischof. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 62/63 (2001), S. 185–194, wo aber keine Druckerbestimmung versucht wird. Als Drucker der wiederum Lorenz Truchsess von Pommersfelden gewidmeten Schrift »De praedestinatione divina« wurde (VD16, ZV 25311) Ivo Schöffer in Mainz ermittelt. Danach ist Adams M 600 [Würzburg] zu berichtigen. 37 Eine Rede, die Konrad Braun als fürstbischöflicher Kanzler 1535 anläßlich des Priesterjubiläums des Domherrn Johann von Liechtenstein gehalten hatte, wurde nach dem typographischen Befund ebenfalls von Petreius in Nürnberg gedruckt (VD16 B 7206). 38 Anhang Nr. 13. 39 Vgl. Richermoz, Bruno: Hesse (Josse). In: Dictionnaire de Spiritualité ascétique et mystique. V. 7. Paris: Beauchesne 1971, Sp. 380–381, hier Sp. 380f.; Stöhlker, Friedrich: Die Kartause Buxheim 1402–1803. Folge 4. Der Personalschematismus I. 1402– 1554. [Buxheim] 1978, S. 773–780. Ebenso wenig bekannt ist das nur dem Bamberger Exemplar beigefügte längere Dankes- und Rechtfertigungsschreiben Hesses an seinen Ordensgeneral. Es belegt unter anderem, dass sich Hess noch Mitte Juli 1526 in Buxheim aufhielt. 40 Anhang Nr. 56.
J. H. F. unterschrieben ist?41 Das Gedicht rechnet ähnlich schonungslos wie die Collatio mit der neuen Ketzerei ab, hält ihr einen ähnlichen Sündenkatalog vor, polemisiert nicht nur gegen die Lutheraner, sondern ruft am Ende ausdrücklich auch die Eidgenossen zum Kampf gegen die zwinglische Reformation auf. Äußerst selten, wohl nur noch in einem Exemplar der Bibliothek Scheurl erhalten, ist auch Müllers Nachdruck des antilutherischen, von einem pseudonymen Autor verfassten Bockspiels.42 Rublack hat nachgewiesen, dass Bischof Konrad nach dem Bauernkrieg noch entschiedener als zuvor gegen reformatorische Regungen im Hochstift vorging. Evangelische Predigt wurde weniger denn je geduldet.43 Im Unterschied zu seinem Vorgänger hütete sich Müller denn auch vor dem Geschäft mit allzu reformationsfreundlichen Drucken. Immerhin druckte er die Briefe nach, die Luther und Herzog Georg von Sachsen im Dezember 1525 gewechselt hatten und die deren unterschiedliche Auffassung in der Religionsfrage veranschaulichten. Außerdem wagte er den Druck einer lutherischen Bekenntnisschrift, die unter dem Namen des Reformators während des Augsburger Reichstages wohl zunächst in Coburg herausgekommen war und noch im selben Jahr zahlreiche Nachdrucke erfuhr.44 Es war ein unautorisierter Druck der Schwabacher Artikel, die kursächsische und ansbach-brandenburgische Theologen unter maßgeblicher Mitwirkung Luthers bereits im Sommer 1529 erarbeitet hatten.45 Um Einfuhr und Vertrieb lutherischer Bücher entgegenzuwirken, waren die Würzburger Buchführer eidlich zur Unterwerfung unter eine Vorzensur verpflichtet worden.46 Dass sich dennoch unter Umgehung der Zensurbestimmungen selbst der fürstbischöfliche Hofbuchdrucker eines solchen Druckes annahm, zeigt allerdings, wie schwierig es war, das Buchgewerbe wirklich lückenlos zu kontrollieren. Müller war vorsichtig genug, den Nachdruck der Schwabacher Artikel nicht mit einer Titeleinfassung zu versehen. Sie hätte die Herkunft aus seiner Presse leichter erraten lassen. Erst die Entgegnung, mit der vier katholische Kontroverstheologen aus dem Gefolge des Kurfürsten von Brandenburg auf den Druck ——————— 41 Anhang Nr. 14. Mit diesem Druck hat sich anscheinend noch niemand beschäftigt. Das einzig nachweisbare Exemplar liegt in Zürich. 42 Anhang Nr. 57. 43 Rublack, Hans-Christoph: Gescheiterte Reformation. Frühreformatorische und protestantische Bewegungen in süd- und westdeutschen Residenzen. Stuttgart: Klett-Cotta 1978 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung. 4), S. 34–41. 44 Anhang Nr. 47. 45 Wegen ihrer von Zwingli abweichenden Abendmahlsauffassung fanden sie auf einer Zusammenkunft evangelischer Stände in Schwabach (16.–19. Oktober) nicht die Zustimmung oberdeutscher Reichsstädte. 46 Rublack: Gescheiterte Reformation, S. 40.
Einblattdrucke der Schwabacher Artikel antworteten, druckte Müller wieder mit vollem Buchschmuck nach.47
Einblattdrucke Ohne Einblattdrucke, die auch das VD 16 nicht berücksichtigt, vermitteln bibliographische Arbeiten nur ein unvollständiges Bild von der Produktion einzelner Offizinen. Das gilt besonders für solche Werkstätten, die überwiegend in amtlichem Auftrag arbeiteten. Die Suche nach den meist einseitig bedruckten Verordnungen und Ausschreiben wird allerdings dadurch erschwert, dass die Findmittel der Archive, in deren Bestand sie vorrangig zu vermuten sind, Drucke nicht als solche ausweisen. Für Würzburg liegt nur eine Untersuchung zu den Einblattdrucke vor, die Georg Reyser als Hofbuchdrucker Bischof Rudolfs von Scherenberg gegen Ende des 15. Jahrhunderts herstellte.48 Immerhin hat auch Josef Benzing in seine Auflistung der Müller-Drucke einige Einblattdrucke aufgenommen. Mehr davon fand ich bei meinen Recherchen in den Archiven von Würzburg, Meiningen und Nürnberg. Selbst in der British Library London liegt ein Konvolut, das neben handschriftlichen Eintragungen eine Reihe Würzburger Ausschreiben aus dem hier behandelten Zeitraum enthält. Unter den im Anhang aufgeführten Drucken der Jahre 1525–1547 sind nun ohne Anspruch auf Vollständigkeit elf Kalenderdrucke49 verzeichnet sowie 40 amtliche Einblattdrucke. Letztere richteten sich an einzelne Landstände oder an alle Stiftsuntertanen, waren mitunter auch für eine noch breitere Öffentlichkeit im Reich bestimmt. Der Plakatdruck, mit dem sich Bischof Konrad von Thüngen in Sachen ›Packsche Händel‹ rechtfertigte, wurde einem zeitgenössischen Bericht zufolge nicht nur in den Städten, Märkten und Flecken des Hochstifts angeschlagen, sondern mit der Bitte um öffentliche Bekanntmachung auch ——————— 47 Anhang Nr. 49. Luther reagierte darauf mit einer Gegenschrift, die unter dem Titel »Auf das Schreien etlicher Papisten über die siebzehn Artikel Antwort« in Coburg gedruckt wurde. Benzing /Claus 2861. 48 Eisermann, Falk: Buchdruck und Herrschaftspraxis im 15. Jahrhundert. Der Würzburger Fürstbischof Rudolf von Scherenberg und sein Drucker Georg Reyser. In: Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur im Spätmittelalter. Hrsg. von Horst Brunner. Wiesbaden: Reichert 2004 (Imagines medii aevi. 17), S. 495–509. Vgl. auch Eisermanns Beitrag: Archivgut und chronikalische Überlieferung als vernachlässigte Quellen der Frühdruckforschung. In: GJ 2006, S. 50–61. Sein Plädoyer für die Erfassung archivalischer Druck-überlieferung gilt Inkunabeln, ist aber zu übernehmen für die weit weniger gut erschlossenen Einblattdrucke des 16. Jahrhunderts. 49 Glücklicherweise sind die Kalender im Besitz des Historischen Vereins entgegen der Befürchtung Brods (Mainfränkische Kalender S. 18) nicht als Folge archivalischer Kriegsverluste verloren gegangen, sondern heute in der Universitätsbibliothek Würzburg einzusehen.
159 an auswärtige Adressaten verschickt, an insgesamt 28 Fürsten, 14 Grafen und 104 Städte.50 Ladungen zu Landtagen, Steuermandate, Mobilmachungsbefehle verließen die Presse in der Regel als Formulare. Der gedruckte Text enthielt Freiräume, in denen der Name des Empfängers handschriftlich eingetragen werden konnte. Die Auflagenhöhe der amtlichen Einblattdrucke wird sich gegenüber der Inkunabelzeit, für die Eisermann von einer Stückzahl zwischen 50 bis 200 Exemplaren ausgeht,51 nicht wesentlich verändert haben. Die gedruckten Mandate und Ausschreiben geben einen Einblick in die Schwerpunkte fürstbischöflicher Politik während der Regierungszeit Bischof Konrads von Thüngen und seiner Nachfolger. Nach der Niederwerfung des Bauernaufstandes verlangten die Sieger eine Entschädigung für ihre während des Krieges erlittenen Schäden. Im Einladungsschreiben auf den Landtag zum 28. August 1525 forderte der Bischof die Ritterschaft zu Verhandlungen über eine geordnete Regelung auf und ermahnte jeden, sich nicht im Alleingang an den Untertanen des Hochstifts schadlos zu halten.52 Die Entschädigung erfolgte schließlich nach dem Bamberger Vorbild auf der Grundlage des ›Ritterlichen Vertrages‹ vom 8. November 1525.53 Ihm war der Adel allerdings nicht ausnahmslos gefolgt.54 Wer nicht unterschrieben hatte, wurde noch 1527 in einem monströsen, aus fünf Folioblättern zusammengesetzten Plakatdruck an die Rechtsverbindlichkeit dieses mittlerweile vom Kaiser konfirmierten Einigungsvertrages erinnert. Die Betroffenen sollten nach Maßgabe der Konfirmationsurkunde binnen Monatsfrist »nach anschlahung oder verkündigung dieser auscultirten Copey den vilgemelten vertrag annemen und zuschreiben«; andernfalls verloren ——————— 50 Schottenloher, Karl: Die Druckschriften der Pack’schen Händel. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 25 (1908), S. 219. Unten Anhang Nr. 31. 51 Eisermann: Buchdruck und Herrschaftspraxis, S. 506. 52 Anhang Nr. 3 und 4. 53 Anhang Nr. 5. Davon abweichend gibt Cronthal, Martin: Die Stadt Würzburg im Bauernkriege. Hrsg. von Michael Wieland. Würzburg: Verl. d. Histor. Vereins von Unterfranken 1887, S. 105– 110 den Vertrag ungenau wieder mit Datum 29. November (Mittwochen nach Conradi). Ihm folgen in Unkenntnis des zeitgenössischen Druckes Scarbath, Alma: Bischof Konrad III. von Würzburg und der Bauernkrieg in Franken. Phil. Diss. Würzburg 1935, S. 55 mit Anm. 169, und noch Endres, Rudolf: Der Bauernkrieg in Franken. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 109 (1973), S. 31–68, hier S. 64. Das richtige Datum hat Wendehorst, Alfred: Das Bistum Würzburg, T. 3: Die Bischofsreihe von 1455 bis 1617. Berlin: de Gruyter 1978 (Germania Sacra. N. F. 13), S. 85. Die Schadenssumme (nach Cronthal S. 111 auf mehr als 27.300 fl. veranschlagt) sollte durch eine Haussteuer von 7½ fl. abgegolten werden, die alle Untertanen, »ein yeder haußsesse, er sey reich oder arme, fraw oder man, fur sein peron«, in drei Raten entrichten mußten (Bl. A3r, Art. 7). 54 Anhang Nr. 6.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
sie jeden Anspruch.55 Aus aktuellem Anlass ging in Würzburg um diese Zeit auch ein längeres Gedicht über den Aufstand in Druck, den die Bürgerschaft einst gegen Bischof Gerhard von Schwarzenberg unternommen hatte und der im Jahre 1400 bei Bergtheim blutig niedergeschlagen wurde.56 Im Jahre 1528 drohte dem Hochstift Gefahr, als Bischof Konrad während der ›Packschen Händel‹ von Hessen und Kursachsen beschuldigt wurde, an einem angeblichen Offensivbündnis katholischer Fürsten beteiligt zu sein. Müller druckte nicht nur die Rechtfertigung des Würzburger Bischofs, sondern besorgte in dessen Auftrag auch einen Nachdruck der fiktiven Bündnisurkunde sowie Nachdrucke von Stellungnahmen anderer Landesfürsten. Da dem Bischof als Ausgleich für Rüstungskosten vom hessischen Landgrafen eine hohe Entschädigungssumme abgepresst worden war, berief er zum Juni einen Landtag, der eine neue Steuer bewilligen sollte.57 Von seinen zahlreichen Verordnungen im Bereich der Justiz, des Verwaltungs- und Polizeiwesens erschienen eine Feuerlöschordnung und eine Almosenordnung für die Stadt Würzburg in Buchformat. Eine Fischerordnung und eine kurze Armenordnung wurden als Einblattdrucke veröffentlicht. Ein Erlass an den Klerus, den Kampf gegen die Türken 1532 mit Fürbitten und Prozessionen zu unterstützen, lässt das besondere Interesse Bischof Konrads an der Türkenabwehr erkennen. Sogar der Eid, den die Söldner vor dem Feldzug dem Kaiser, den Reichsständen und ihrem obersten Befehlshaber, Graf Friedrich von Fürstenberg, leisten sollten, wurde in Druck gegeben.58 Nach mehreren Zeitungsberichten, die schon anlässlich der Schlacht von Mohács und der Belagerung Wiens die Türkengefahr beschworen hatten, druckte Müller schließlich auch den von Johann Haselberg verlegten, sicherlich von Bischof Konrad gern gesehenen Bericht über den erfolgreich verlaufenen Feldzug von 1532.59 Die Unterstützung kaiserlicher Politik sowohl gegen die Türken wie gegen die Lutheraner hinderte den Bischof nicht daran, 1533 einem interkonfessionellen Bündnis beizutreten, das sich gegen die habsburgische Über——————— 55 Anhang Nr. 23. 56 Anhang Nr. 24. Rochus von Liliencron legte seiner Edition eine nicht sehr verlässliche zeitgenössische Abschrift dieses Druckes, den er nicht hatte auffinden können, zugrunde. Erst später beschrieb Schottenloher den Druck nach dem Münchner Exemplar. Unverständlich ist, warum er in der neueren Forschung, die sich sowohl aus germanistischer wie landesgeschichtlicher Sicht für den Text sehr interessiert, noch immer als verschollen gilt. Vgl. Vom Großen Löwenhof [Katalog], Nr. 23, S. 72. Schubert: Lieder vom Würzburger Städtekrieg, S. 39–81. 57 Anhang Nr. 34 und 35. 58 Anhang Nr. 61. Der Druck, nicht bei Göllner verzeichnet, wurde erst vor kurzem in einem Sammelband der Universitätsbibliothek Würzburg entdeckt. 59 Anhang Nr. 63.
macht richtete.60 Dass insbesondere die Täufer als eine Bedrohung empfunden wurden, gegen die mit äußerster Strenge vorzugehen sei, zeigt Konrads Rüstungsbefehl von 153461, dem in den folgenden Jahr die von Müller gedruckten Zeitungen über die Belagerung und Eroberung Münsters folgten. In der Glaubensfrage setzte der Bischof große Hoffnungen auf ein Konzil. Dessen Einberufung nach Mantua wurde ihm im Januar 1537 in einem päpstlichen Breve bekannt gegeben, das der Nuntius Van der Vorst neben mehreren Kopien der Indikationsbulle persönlich überbrachte. Schon bald nach der Weiterreise des Nuntius verschickte der Bischof das in Müllers Presse vervielfältigte Breve mit der Konzilsankündigung62 an alle Klöster und Stifte seiner Diözese, und zwar zusammen mit einem von ihm in Auftrag gegebenen, bisher noch gänzlich unbekannten Würzburger Nachdruck der Einberufungsbulle vom 16. September 1536.63 Die Ausschreiben der vierziger Jahre betreffen die Türkenhilfe, auch die auf dem Speyerer Reichstag von 1544 bewilligte Hilfe gegen Frankreich, dann verschiedene Maßnahmen, die zur Sicherung des Hochstifts während der schmalkaldischen Wirren notwendig geworden waren.
Melchior Bopp (1542–1547) Gegen Ende der dreißiger Jahre war die Produktion aus Müllers Presse erheblich zurückgegangen. Seine letzte Flugschrift, die er noch dazu mit vollen Namen unterschrieb, enthält einen Bericht über den Aufenthalt Karls V. in Nürnberg, wo der Kaiser auf dem Weg zum Regensburger Reichstag im Februar 1541 Station machte. Firmiert erschien auch noch Dierbachs Wappenkalender auf das Jahr 1543,64 woraus unter anderem ersichtlich wird, wie frühzeitig man mit dem Druck des für das kommende Jahr bestimmten Kalenders begann. Balthasar Müller starb nämlich bereits am Ostertag 1542.65 Dieselbe Quelle, die sein Todesdatum überliefert, die ›hohe Registratur‹ des fürstbischöflichen Sekretärs und Archivars Lo——————— 60 Anhang Nr. 67. Der Druck, mit dem der Bischof seinen Beitritt zur Rheinischen Einung am 2. November im Hochstift publik machte, enthält die wichtigsten Vertragsartikel, aber nicht das Beitrittsdatum (26. Mai). Der Druck fehlt in der Untersuchung von Eymelt, Friedrich: Die Rheinische Einung des Jahres 1532 in der Reichs- und Landesgeschichte. Bonn: Röhrscheid 1967 (Rheinisches Archiv. 62). 61 Anhang Nr. 70. 62 Anhang Nr. 77. Vgl. dazu Freudenberger, Theobald: Die Fürstbischöfe von Würzburg und das Konzil von Trient. Münster: Aschendorff 1989 (Reformationsgeschichtliche Studien. 128), S. 15–35, wo allerdings der Bullendruck (Nr. 78) nicht eigens erwähnt wird. 63 Anhang Nr. 78. Auf diesen Druck bezieht sich der Bischof in Nr. 77, Zeile 15: » exemplum Bulle indictionis prefati Concilij futuri vobis si=||mul transmittentes«. 64 Anhang Nr. 82. 65 Pleticha-Geuder: Würzburg, S. 18 mit Anm. 52 (S. 87). Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 1011, Bl. 74.
Melchior Bopp (1542–1547) renz Fries, nennt unter dem Schlagwort ›buchtrucker zu Wirtzburg‹ auch seinen Nachfolger. Hofdrucker in den Jahren 1542–1548 war demnach Melchior Bopp.66 Diesen Drucker haben Schottenloher und Benzing noch nicht gekannt. Bopp wurde erst 2004 von Pleticha-Geuder wiederentdeckt und ist nun auch in das jüngste Standardwerk über die deutschen Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts aufgenommen worden.67 Nur seinen ersten Druck hat Bopp unterschrieben. Es ist eine amtliche Schrift aus dem Jahre 1542, bei deren Herstellung ihm zahlreiche Satzfehler unterliefen. Wohl deshalb wurde sie rechtzeitig auch einem Nürnberger Drucker in Auftrag gegeben.68 Die übrigen unfirmierten Drucke lassen sich nur aufgrund typographischer Indizien oder auch wegen ihres amtlichen Charakters seiner Würzburger Presse zuschreiben. Für die folgenden Jahre bis 1548 sind neben zahlreichen Einblattdrucken zumindest drei weitere Quartdrucke bekannt. Von ihnen verdient die Neue Zeitung über den Fußfall der sächsischen Kurfürstin Sibylle besondere Beachtung. In enger zeitlicher Nähe zu dem Ereignis berichtet die Flugschrift über die Begegnung der Kurfürstin mit Kaiser Karl V. am 24. Mai 1547 in dessen Feldlager vor Wittenberg und über ihre kniefällige Bitte um Freilassung des in Gefangenschaft geratenen Gemahls. Der äußerst seltene Druck ist als Quellentext auch der Geschichtswissenschaft bisher nicht bekannt geworden.69 Kalender haben sich aus Bopps Presse nicht erhalten, obwohl davon auszugehen ist, dass er wie seine Vorhänger ein entsprechendes Privileg für Druck und Vertrieb der Wappenkalender erhalten hatte.70
161 Auffällig ist die Umstellung auf neues Typenmaterial noch zu Bopps Lebzeiten. Für den Druck der Flugschrift mit dem Bericht über den Fußfall der Kurfürstin Sibylle wurden 1547 noch die alten, von Balthasar Müller übernommenen Typen verwendet. Zu gleicher Zeit wurden andere Drucke bereits mit neuen Frakturtypen und einer neuen oberrheinischen Texttype hergestellt. Es ist die Ausstattung der Drucke von Hans Mylius, der aber erst 1548 offiziell Bopps Nachfolge als Hofbuchdrucker antrat. Dieser Mylius oder Myller, dessen Familienname ein Verwandtschaftsverhältnis zu Balthasar Müller nahelegt, brachte die Offizin in den folgenden Jahren mit handwerklichem und verlegerischem Geschick zu neuem Ansehen.71 Die NeudörfferAndreae-Fraktur, die Balthasar Müller seit 1527 und nach ihm Bopp verwendeten, ging anscheinend nicht in Mylius’ Besitz über.72 Sie begegnet erst wieder in Drucken Hans Baumanns, und zwar bereits in denen, die er 1550–1557 in Salzburg druckte, bevor er sich 1562 als Hofbuchdrucker in Würzburg niederließ. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Baumann dieses Typenmaterial aus Bopps Nachlass beschafft hatte.73 Vier Jahrzehnte nach Bopps Tod firmierte in Würzburg ein Hans Buppe den Druck einer Neuen Zeitung.74 Man darf davon ausgehen, dass dieser noch ganz unbekannte Drucker des Jahres 1588 ein Nachkomme Melchiors war.
——————— 66 »Balthasar Muller ist am ostertag des 1542 [jars]. gestorben und Melchior Bop an seiner stat zu buchtrucker angenomen. Anno 1548 ist Melchior Bop gestorben und Hans Miller zu buchtrucker angenomen.« Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 1001, Bl. 74, zitiert nach Schäfer, August: Die ›hohe Registratur‹ des Magisters Lorenz Fries. In: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 22 (1874), S. 1–33, hier S. 23. PletichaGeuder, S. 18 mit Anm. 54. 67 Reske, Christoph: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. Wiesbaden: Harrassowitz 2007 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 51), S. 1024. 68 Anhang Nr. 83. 69 Anhang Nr. 106. Einen anderen Text bieten die handschriftlichen ›Zeitungen‹ bei Wenck, Woldemar: Die Wittenberger Capitulation von 1547. In: Historische Zeitschrift 20 (1868), S. 53–131, hier S. 112–114 [heutiger Standort: Berlin Geh. StA, Hist. Staatsarchiv Königsberg, HBA A 2 1547 Juni 3 (K.34)] und bei Lenz, Max: Die Schlacht bei Mühlberg. Gotha: Perthes 1879, S. 5–9 [heutiger Standort: Berlin Geh. StA, Hist. Staatsarchiv Königsberg, HBA H 1547 April 24 bis Mai 36 (K. 790)]. Über den Fußfall berichtet zuverlässig auch der Gesandte Venedigs als Augenzeuge: Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe. Bd. 2. Bearb. von Gustav Turba. Wien: 1892, Nr. 114. 70 In einem Kopialbuch, das ein entsprechendes Privileg von 1527 für Müller überliefert, ist der Name Balthasar Müllers durchgestrichen und am Rand von alter Hand ersetzt durch: »Melicher Bopen Privilegium«. Würzburg Staatsarchiv, Ldf 27, S. 190.
——————— 71 Endres, Heinrich: Der Arzt Gualterius Hermenius Rivius und der Würzburger Drucker Johann Myller. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 52 (1935), S. 605–607. Die Printausgabe des VD16 verzeichnet von Johann Müller 16 Druckwerke aus den Jahren 1548–1561 und ein Verlagswerk, das er noch 1572 herausbrachte. Mittlerweile wurde er auch als Drucker einer weiteren von Nikolaus Mameranus verfassten Schrift (VD16 G 379) ermittelt. Hinzu kommen zwei firmierte Drucke der Jahre 1550 (VD16, ZV 18246) und 1559 (VD16, ZV 20915) sowie eine amtliche Druckschrift von 1559 (VD16, ZV 24208). 72 Selbst amtliche Einblattdrucke wurden seit 1548 nicht mehr in dieser Fraktur (Type 4), sondern wieder in der Schwabacher (Type 2) gedruckt. Vgl. das Steuermandat vom 25.2.1548. Staatsarchiv Meiningen, GHA IV, Nr. 42. 73 Endres, Heinrich: Der fränkische Wanderdrucker Hans Baumann aus Rothenburg ob der Tauber, ([1510]-1570). Sein Leben und sein Werk. In: Archiv des Historischen Vereins von Mainfranken 71 (1937/38), S. 72–91. Hier S. 80f. auch die Vermutung, Baumann habe früher in Balthasar Müllers Presse gelernt oder eine Zeitlang gearbeitet. 74 Newe zeitung. || Erschreckliche/ Graw=||same vnd wahrhafftige Geschicht/ so sich || zugetragen in der Stad Schweinfurt im || Land zu Francken/ am tage aller || Heiligen/ dieses jtzigen || 1588. jahrs, || … || (Gedruckt zu Wirtzburgk bey || Hans Buppen.||). [4] Bl., TH. 4°. Dresden LB, Meteor. 350,53. – VD16, ZV 8249.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Ausstattung der Drucke Typen 1. Mittelgroße Auszeichnungstype. M-Form wie Proctor, S. 214 (Fig. 30). Von Lobmeyer übernommen und noch bis ins Jahr 1547 verwendet. Typenproben: Zopf S. 40 (Abb., Zeile 2); Wagner S. 361 (Abb. 71, Zeile 1, 6–7); Pleticha-Geuder S. 16 (Abb., Zeile 2–3). 2. Schwabacher. M 81. 20 Zeilen = 88 mm. Als Texttype von Müller 1525–1539 verwendet. Typenproben: Pleticha-Geuder S. 16 (Abb., Zeile 2–10), Farbtafel II (untere Abb.). 3. Auszeichnungs- und Texttype. Fraktur. 20 Zeilen = 114 mm, entsprechend Crous/Kirchner Abb. 125. Seit 1527 verwendet. 4. Texttype. Fraktur. 20 Zeilen = 91 mm, entsprechend Crous/Kirchner Abb. 131. Seit 1527 verwendet. 5. Große Auszeichnungstype. Fraktur. Versalien 12 mm hoch. Seit 1547 verwendet. 6. Kleine Auszeichnungstype. Fraktur. 10 Zeilen = 70 mm. Seit 1547 verwendet. 7. Oberrheinische Texttype. M 44. 20 Zeilen = 90 mm. Seit 1547 verwendet.
Titeleinfassung mit geschlossenem Rahmen TE 1 4°. 155 x 111 (77 x 55) mm. Oben ein Posaune blasender Engel unter einem Bogen sitzend mit einem Täfelchen, unten fünf Engel mit einem Karren. Schwarzer Grund. Nachschnitt nach Monogrammist H. Die Vorlage wurde in Erfurt 1522–1531 von Matthes Maler (Luther: Titeleinfassungen 68), nach Entfernung der Jahreszahl ›1521‹ auf dem Täfelchen von Wolff Heinick 1535 verwendet (Hase: Erfurter Kleindrucker, S. 199. VD16 A 2410). Sie war 1541 im Besitz Christian Rödingers d. Ä. in Magdeburg (VD16 L 1176), bevor sie nach Hannover zu Henning Rüdem (Luther 68 a) wanderte. Rüdem verwendete sie noch 1550 (VD16 B 7238). Weitere Nachschnitte sind für Gabriel Kanz in Altenburg und Wolfgang Meyerpeck in Zwickau (Luther 68 b), für Georg Erlinger in Bamberg (Luther 68 c) sowie für Hans Hergot und Hieronymus Höltzel in Nürnberg (Luther 68 d) nachgewiesen. Von Müller verwendet 1526–1532 (5, 6, 9, 11, 13, 14, 16, 49, 61). Abbildung: Luther 68 e (nur oberer Teil); Pleticha-Geuder: Würzburg, S. 16 (verkleinert).
Einzelleisten Die zu Titeleinfassungen zusammengestellten Leisten sind bei den Drucken in der Reihenfolge: oben – links – rechts – unten angeführt, mehrere Leisten für Seitenteile von oben nach unten. L = Leiste.
L 1 20 x 125 mm. Kopf mit Arabesken. Übernommen von Hieronymus Andreae und nach Entfernung der Begrenzungslinien verwendet 1527– 1537 (24, 26, 29, 30, 32, 37, 38, 56, 67, 78). L 2 20 x 96 mm. Von drei Löwenmasken getragene Kandelabersäule mit Kanneluren von rechts unten nach links oben. Übernommen von Hieronymus Andreae, verwendet nach Entfernung des über der Säule hockenden Mannes und der Begrenzungslinien 1527–1531 (20, 25, 28, 29, 38, 56, 58). L 3 20 x 126 mm. Von drei Löwenmasken getragene Kandelabersäule mit Kanneluren von links unten nach rechts oben, darüber ein Eier ausbrütender Narr. Von Hieronymus Andreae übernommen, verwendet nach Entfernung der Begrenzungslinien 1527 (24) und nach Abtrennung des Narren 1527–1531 (20, 28, 56, 58), in erneuter Zusammensetzung mit dem zuvor abgetrennten Narren 1528 (29), nur der Narr 1527 (21). L 4 30 x 125 mm. Wappenschild, flankiert von einem Phoenix und einem Pelikan. Im Wappen ein Baum mit zwei Ästen, an dem links ein Dreschflegel, rechts ein Apfel hängt. Übernommen von Hieronymus Andreae, verwendet 1527–1528 (24, 30, 32), ohne den Baum im Wappen 1528–1537 (26, 29, 37, 67, 78). L 5 20 x 128 mm. Mehrfach gegliederter, ornamental geschmückter Säulenaufbau, getragen von einer sitzenden Männergestalt mit Flügeln. Ohne Begrenzungslinien. Verwendet 1528–1533 (26, 30, 32, 37, 67). L 6 20 x 128 mm. Mehrfach gegliederter, ornamental geschmückter Säulenaufbau, getragen von zwei Frauengestalten, die Rücken an Rücken lehnen. Ohne Begrenzungslinien. Verwendet 1528– 1537 (26, 30, 32, 37, 67, 78). L 7 20 x 33 mm. Mit Arabesken geschmückter Säulensockel. Verwendet 1527–1537 (24, 29, 58, 78). L 8 47 x 119 mm. Liegende Eva, nach rechts schauend. Verwendet 1527–1531 (20, 48, 58). L 9 47 x 119 mm. Liegender Adam, nach links schauend. Verwendet 1527–1531 (20, 38, 48, 56, 58).
Anhang: Verzeichnis der Drucke Die Drucke sind nach der Abfolge ihrer Erscheinungsjahre verzeichnet, unter dem jeweiligen Jahr aber nicht streng chronologisch, sondern in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Verfasser, Urheber oder Sachtitel. Bei den Einblattdrucken, die mir zum Teil nur in nicht maßstabsgetreuen Kopien vorlagen, musste auf Angaben zum Satzspiegel zugunsten der allerdings oft unsicheren Formatangabe verzichtet werden. Literarische Nachweise sind im Anschluß an die Titelbeschreibungen in zeitlicher Folge angeführt,
Anhang: Verzeichnis der Drucke Standorte der Drucke, die im Original oder als Kopie eingesehen wurden, mit Asteriskus gekennzeichnet. 1525 1. Ein neues Lied, gemacht von der Bauernschaft im Frankenland. Ein newes Liedt gemacht || von der Baurschafft im Franckenland || auch von jrem loßen schiessen/ vnd || von jrem blinden stürmen. || Bawr hFt dich || Mein roß schlecht dich.|| [2 Holzschnitte: Bauer und Wegelagerer] [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [4] Bl. [a4] (a4v leer) 8°. – Typen: 1, 2. Liliencron III, 380 (Textabdruck); Claus, Bauernkrieg 229; VD16, ZV 11605. *Berlin SB, Ye 2741. Die beiden Holzschnitte sind Nachschnitte von Figuren des Frankfurter Messeflugblattes von Peter Schöffer d.J. (um 1516). Vgl. Benzing, Messeflugblatt Abb., hier die beiden vorletzten Figuren der ersten Reihe. 2. Ein neues Lied von der Belagerung der Bauernschaft zu Würzburg. Ein newes lied von der be||legerung der Bawrschafft zw Wurtzburg || vor dem Schloß/ Vnser Frawen berg || genandt/ Jn dem thon Von erst || so w=ll wir loben. || [2 Holzschnitte: Bürger und Bauer] [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [4] Bl. [a4] (a4v leer) 8°. – Typen: 1, 2. Weller, Repertorium 3312; Liliencron III, 382 (Textabdruck); Claus, Bauernkrieg 230; VD16 ZV 11616. *Berlin SB, Ye 2751. Der Bauer auf der Titelseite ist dem ›Heintz‹ des Schöfferschen Messeflugblattes nachgeschnitten. Vgl. Benzing, Messeflugblatt Abb., hier die letzte Figur der ersten Reihe. 3. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ladung auf einen Landtag, der am 28. August in Würzburg abgehalten werden soll. 23. Juli 1525. Formular. Conrad von Gots gnaden Bischoue zw || Wirtzburg v] Hertzog zu Francken. || (V)Nnsern grues zuuor/ Lieber getrewer/ Wiewol wir hieuor ... [endet Zeile 25:] … Datum in vnser stat Wirtzburg/ Sontags nach Maria magdalene. Anno im XXv || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Meiningen Staatsarchiv, GHA II Nr.737 Den Text überliefert auch Cronthal S. 100f.
163 4. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ausschreiben, wegen eines Vertrags bezüglich der Begleichung der Bauernkriegsschäden zu erscheinen. 27. Oktober [15]25. Formular. Conrad von Gots gnaden Bischoue zu || Würtzburg v] Hertzog zu Francken. || (V)Nsern freuntlichen grůs zuuor/ Lieber getrewer/ Wyr haben hieuor gātz getrewer/ v] gnediger || meynūg ... [endet Zeile 23:] … Datum in vnnser Stat || Würtzburg/ Freytag am abent Symonis et Jude/ Anno ⁊c. jm XXv. || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 24 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Meiningen Staatsarchiv, GHA II Nr. 592, Bl. 24. 5. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Welchermaßen sich der hochwürdig Fürst und Herr, Konrad, Bischof zu Würzburg, mit dero Stifts Grafen, Herren und Ritterschaft vertragen hat. Welher massen sich || der Hochwirdig Furst vnnd || Herr/ herr Conrad Bischoue || zu Würtzburg/ v] Hertzog || zu Francken. mit seiner || F. G. dero Stiffts || Grauen/ Herren vnnd Ritter=||schafft/ der beschedigung || halben/ Jnen in der ver=||gangen Beurischen || entp=rung gefFgt || vertragen hat.|| 1525 || ♣ || [TE] Endet B3v Zeile 13: … Der geben ist auf Mitwochen nach sant Lyn=||harts tag [8.11.]/ Nach Christi geburt jm Funfftzehenhundertn/ vnnd || FFnff undzwaintzigisten Jar. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1525 [8] Bl. A–B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Panzer 2753; Weller, Repertorium Suppl. I, S. 40 (3303); Schottenloher, Müller 2; Claus, Bauernkrieg 212; Pegg, SwissL 939; VD16 W 4548; Köhler 2063. *Bamberg SB, 35 D 4/2; *Berlin SB, Flugschriften 1525-17; Dresden LB, H.Germ.B 178,90; *München SB, Rar. 1677/10; München UB, 4° Hist. 2171:7; Nürnberg StB, 5 an: Theol. 783.4°; Zürich ZB. Textabdruck: Gropp S. 516–522. 6. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an seiner F. G. Ritterschaft, den Vertrag der zugefügten Schäden halben anzunehmen. Auszschreyben des || Hochwirdigen Fürsten vnnd || herrn/ Herrn Conrad Bis=||choue zu WFrtzburg v] || Hertzog zu Francken || An seiner F. G. Ritterschafft || den Vertrag der zugefugten || scheden halben anzune=||men. || ♣ || 1525 || [TE] Endet a3v Zeile 20: … Datum in vnser stat Würtzburg vnther vnserm Secret || auff Montag nach sant Catherinentag [26.11.]. Anno ⁊c. Jm xxv. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1525 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Panzer 2754; Weller, Repertorium 3302; Schottenloher, Müller 1; Claus, Bauernkrieg 211; BNHCat C 984; VD16 W 4540; Köhler 2061.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
*Bamberg SB, 35 D 4/3; Budapest NB, Ant. 2789; Dresden LB, Hist.Germ.B 178,87; *München SB, Rar. 1677/11. 7. Revers betreffend die Wiedergutmachung der im Bauernkrieg verursachten Schäden. [Dezember 1525]. Formular für Städte und Ämter des Hochstifts. (W)Jr Schultheys/ Burgermeyster/ R(the/ Dorffmeyster vnnd gantze gemeynde/ arme vnd reich/ || Als der Hochwirdig Fürst vnd herr/ Herr Conrad Bischoue zu Würtzburg vnd Hertzog zu Francken/ vnser Gnediger Herr/ vns vnd andere || seiner FFrstlichen Gnaden/ vnd dero Stiffts vnderthane vnd verwante … [endet Zeile 38:] … Zu urkunt vnd merer sicherhayt/ haben wir || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Würzburg Staatsarchiv, Historischer Saal VII, Nr. 3 (= Revers der Stadt Gerolzhofen mit zugehörigem Amt, datiert und besiegelt am 11. Dezember 1525). 8. Revers betreffend die Wiedergutmachung der im Bauernkrieg verursachten Schäden. 23. Dezember [15]25. Formular für zu Klöstern gehörige Dörfer, Weiler und Höfe des Hochstifts. (W)Jr Schultheyß/ Dorffmeister/ vnd gantze gemeynde/ Arme vnd Reiche/ der nachgemelte D=rffer/ Weyler vnd H=ff/ zu vnnd an das Closter || geh=rig. … [endet Zeile 31:] … Der geben ist vff Sambstag nach Thome des || heylgen zwelffpotten Anno ⁊c. Jm XXv. Vnd sind das die Dorffer/ Weyler vnnd h=ff/ dauon obgemelt/ || [Würzburg: Balthasar Müller 1525] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. Weller, Repertorium Suppl. II, 547. *Würzburg Staatsarchiv, Lehensachen 182, fol. 37r, 38r. 1526 9. Arnoldi, Bartholomäus: Libellus de tribus necessario requisitis ad vitam christianam. Libellus Fratris || Bartholomei de || Vsingen Augustiniani/ De || tribus necessario requisitis || ad vitā christianam que || sunt gratia/ fides et || opera || Contra Lutheranos/ || Hussopycardos. || Herbipoli. 1526. || [TE] Endet H5v Zeile 26: ¶ Balthassar Muller || Jmpressor. || * || Würzburg: Balthasar Müller 1526 [34] Bl. A–G4 H6 (A1v und H6 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Roth, Usingen S. 366,5; Schottenloher, Müller 4; VD16 A 3754; IA 108.966; Pleticha-Geuder S. 16 (Abbildung der Titelseite).
Bamberg SB, 35E#2; Berlin SB, Cy 7144; Edinburgh NL, BL 848; Eichstätt UB, B X 1189; Gotha FB, Theol.4° 338 o-p(7) R; Köln UB, WFIV70+B; Konstanz Wessenberg, 17412; Leipzig UB, Kirchg. 979/3; London BL, 697.h.4.(6.); *München SB, 4 Polem. 3137; *Regensburg SB, 4 Theol.syst. 723(4; Wolfenbüttel HAB, Li 257; *Wien NB, 31.1.125;*Würzburg UB, Th.dp.q. 944 angeb. 6. Erstausgabe. Eine zweite, erweiterte Ausgabe erschien 1529 in Köln (VD16 A 3755). 10. Auszug eines Briefs, wie einer, so in der Türkei wohnhaftig, seinem Freund in diese Land geschrieben. Auszug eines Brieffs Wie einer so in der || Türckey wonhafftig seinem freund/ in dise Land geschriben || vnnd angezeigt/ was das Türckisch Regiment vnnd || wesen sey/ Vnnd wie er es mit den Landen/ so er || erobert zuhalten pfligt/ kürtzlich in Teutsch || sprach gebracht/ Nützlich dise zeyt zu || wissen. M. D XXvj. || Endet A4v Zeile 37: … Datū Andernopel/ am ersten tag des Monats || Mertzen: Jm. M. D XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. Weller, Repertorium 3725; Kertbeny 231; Hubay 58; Göllner 247; VD16 A 4417; BNHCat A 798. *Budapest NB, Röpl. 58. Wohl Nachdruck. Andere Ausgaben erschienen unfirmiert noch 1526 in Augsburg, Köln, Mainz, Magdeburg und Nürnberg (VD16 A 4418–A 4423, ZV 25220), 1543 in Wien (VD16 A 4424) und 1547 in Wittenberg (VD16 A 4425). 11. Etliche Artikel, so gegen dem Türken zu bedenken Not sind. Etliche Artickel so || gegen dem Tür=||cken zubeden=||cken not || sein. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526?] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. Göllner 245; Benzing, Müller 3; GermSTC, S 875; VD16 E 4044. *London BL, 1312.c.74. Erster und einziger Druck? 12. Fabri, Johannes: Neue Zeitung und heimliche Offenbarung etlicher Sachen und Handlungen, so sich auf dem Tag zu Baden im Aargau zugetragen und begeben hat. Newe Zeittung vnd heimliche wunder||barliche Offenbarung etlicher sachē || vnd handlungen/ so sich vff dem tag der zw Baden || in Erg=w/ vor den Sanndtbotten der Zwelff || =rter der l=blichen Eydgnosschafft/ vff den || Sechßundzweintzigistē tag des
Anhang: Verzeichnis der Drucke Brach||monats. Jm jar Tausent Fünff||hundert v] XXvj. gehalten || worden/ zwgetragen || vnnd begeben || hat. || [6 Sternchen] || Psalmo 118. || Das wort des Herren beleybt vnd wirt || beston in ewig zeyt. || Mathei 10. Marci 4. Luce 8. || Nihil opertum qđ non reueletur: et ocultum qđ non sciatur. || M D XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller ] 1526 [12] Bl. A–C4 (C4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. A1v–A3v: Widmungsvorrede Johannes Fabris an Bürgermeister und Rat der Stadt Freiburg i. Br., datiert 24.6.1526. A4r–C1r: Von Fabri übersetzte und kommentierte Briefe: Capito an Zwingli, Farel an Oswald Myconius (4.6.1526), Oekolampad an Zwingli (8.6.1526), Capito an Pellican (11. 6. 1526). C1r–C3r: Brief der Ratsboten der 12 Orte an die in Speyer versammelten Reichsstände (28.6.1526), Sendbrief der Ratsboten an die Stadt Straßburg (28.6 1526). C3r–C3v: Auszug aus dem Abschied der Tagsatzung zu Baden. Panzer 3049; Weller, Zeitungen 30; VD16 F 215; Köhler 1112. *Gotha FB, Theol. 4° 346–347(2) R; *Wolfenbüttel HAB, 102 Theol.(2). Nachdruck einer Freiburger Ausgabe von Johann Wörlin (VD16 F 216). 13. (Hess, Jodocus): Collatio Carthusiae. Collatio Carthusie || Anno a Christo nato. M. D. || XXvj. pridie Kalendas May || declamata magna patrū co=||rona principio R. patrem Car||thusie priorem/ nūquam satis || laudatum laude prosequitur/ || postea Lutherum proprijs/ qđ || dicitur/ coloribus depingit/ || Demū/ ne eius pestilentissimo || dogmati nomen demus/ atqa || vt gregi nobis cōmisso inuigile||mus nos adhortatur. || ♣ || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [12] Bl. AI4 AII–B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. AII1r–B3v: Gedichte und Brief an den Ordensgeneral Guillaume Bibauce, unterschrieben (B3v Zeile 14): … ex Museolo nostro buxiano. Pridie Jdus Julij [14. 7.]. M. D. XXvj. || F. Jodocus Hessus qualis qualis || dei seruulus/ totus tamē tue R. P. || mancipatus. || Schottenloher, Müller 3; VD16 H 2736. *Bamberg SB, Misc.theol.q. 6/3; *Jena ULB, 8 MS 26 081(10) (nur Bogen AI). Erster und einziger Druck. 14. (J.H.F = Hess, Jodocus:) Warnung und Ermahnung der christlichen Kirchen zu Germanien ihrer Tochter. Warnung vnd er=||manūg der Christelichen Kir=||chen zw Germanien jrer Do=||chter/ das sie jre verfuerer mit
165 || fewer vnd eysen außreutten/ || vnd ein Reformation in jr || w=lle machen/ damitt || sie nit richtenn mFsse || das Schwert || Gedeonis. || ♣ || [TE] Endet A4r Zeile 17: J. H. F. M. D. XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 2. TE 1. VD16 W 1221. *Zürich ZB, Res 1007. Zweispaltig gesetztes Reimpaargedicht. Erster und einziger Druck. Zum mutmaßlichen Verfasser siehe oben S. 158.158. 15. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ladung der Geistlichkeit auf einen Landtag, der am 6. November in Würzburg abgehalten werden soll. 14. Oktober 1526. Conradus dei gratia Episcopus Herbipole] || et Frantie Orientalis Dux. || Venerabilis/ Honorandi/ nobis in Christo dilecti/ Nuper grauissimis quibusdā ex causis/ ne=||dum Ecclesiam nostram Herbipole] et nos/ sed vestrum quoq; statum et conditionē concer=||nentibus … [endet Zeile 14:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipoli || in die Sancti Burckhardi Episcopi. Anno d]i. M. D. XXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 2°-quer. – Type 2. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 13999. 16. Luther, Martin: Ein Sendbrief an Herzog Georg von Sachsen. Ein Sendtbrieff || Doctor Martini Luthers an || Hertzog Georg zu Sachsen / ||... Dari] er || jn freuntlich ermant zu dem || wort Gottes zu dretten.|| Antwort || Hertzog Georg zw Sachsen/ || ... || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1526] [6] Bl. 4°. TE 1. Benzing/Claus, Luther 2379; Benzing, Müller 2; VD16 L 5925. Ehemals Berlin SB, kein weiteres Exemplar bekannt. Nachdruck. Einschließlich zweier niederdeutscher Drucke sind insgesamt 14 Druckausgaben aus dem Jahre 1526 nachgewiesen. Benzing/Claus, Luther 2376–2389. 17. Neue Zeitung, wie die Schlacht zu Ungarn mit dem türkischen Kaiser ergangen. Newe Zeittung Wie die Schlacht zu || Vngern mit dem Tücrkischen [!] Keyser || ergangen: Hatt einer vonn Wien || so dabey gewest: herauff jen || Oringen Geschriben. || M. D. XXvj.|| [Holzschnitt: Türke nach rechts reitend wie Nr. 18] Endet a3v, Zeile 28: … Datum zu Wien Anno ⁊c. jm XXvj. ||
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
[Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2.
*Dillingen SB, Einbl. 4.2; *München SB, Einbl.Kal. 1525; *Würzburg UB, 36/E 1.
Weller, Repertorium 4036; Weller, Zeitungen 25; Kertbeny 255; Hubay 68; Göllner 273; BNHCat, M 746; VD16 N 1045. *Budapest NB, Röpl 68.
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Erstdruck? Enthält nur den Bericht über die Schlacht von Mohács. 18. Neue Zeitung, wie die Schlacht in Ungarn mit dem türkischen Kaiser ergangen. Newe zeyttung Wie die Schlacht in Vn=||gern/ mit dem Türckischen Keyser ergangen/ Hat einer von Wienn || so dabey gewest/ herauff gen Oringen geschriben. Auch vol=||get hernach des Blůthūdts/ der sich nent ein Türckischn || Keyser/ gethatten/ so er vnd die seinen/ nach eroberūg || der Schlacht/ auf den. xxviij. tag Augusti nechst || vergāgen/ geschehen/ an vnsern mitbrFdern der || Vngerischen Landschafften gantz vnmensch||lich getriben hat/ vnd noch teglichs || thůt. M. D. XXvj || [Holzschnitt: Türke nach rechts reitend wie Nr. 17] Endet A4v Zeile 32: Außgangen den xxx. Tag des Monats Septembris. || Anno M. D. xxvj || [Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. A1v–A3r: Bericht über die Schlacht von Mohács. A3r–A4r: Bericht über Ereignisse nach der Einnahme von Pest und Ofen im September 1526. A4v: Liste der im Kampf getöteten Ungarn, Böhmen und Polen. Panzer 3155; Kertbeny 256; Weller, Repertorium Suppl. II, 566; Hubay 69; Göllner 272; BNHCat, M 747; VD16 N 1046. *Budapest NB, Röpl. 69. Der Satz des Schlachtenberichts von Nr. 17 wurde hier fast unverändert weiterverwendet. Der beigefügte Bericht über ›des Bluthunds Taten‹ mit der Liste der Getöteten liegt sonst nur in Einzeldrucken aus Augsburg, Basel, Freiburg i.Br., Nürnberg und Regensburg vor (VD16 B 5792–B 5797, ZV 2106). 19. Süleymān, der türkische Kaiser. Solymon der Türckisch Keyser. M.D.XXVvj. || [Holzschnitt: Portrait Süleymāns] [Würzburg: Balthasar Müller] 1526 [1] Bl. Gr.2°. Probeabdruck (?) auf der Rückseite eines von Lobmeyer gedruckten Wappenkalenders auf das Jahr 1525. – Type 1. Benzing, Müller 1 (verkleinerte Abbildung); Heller S. 806 (verkl. Abbildung); Pleticha-Geuder S. 17 (verkl. Abbildung).
20. Eck, Johannes: Wider den Gotteslästerer und Ketzer Konrad Sam. Wider den Gotzlesterer || vnnd Ketzer Conraden Som/ ge=||nant Rotenacker/ Predicanten in || der Pfarr/ der Erbarn Reichstat Vlm || anbietung ainer Disputation/ von || wegen des hochwirdigen Sa=||crament des altars. Durch || Doctor Johann Eck || von Jngolstat. || ♣ || Datum Jngolstat/ an der heyligen Junck=||frawen Sant Barbara tag [4.12.]. || M. CCCCC. XXvij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [4] Bl. 4 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE: L 8, L 2, L 3, L 9. Schottenloher, Müller 8; Metzler 61(2); VD16 E 441; Köhler 866. Bamberg SB, 22/Misc.q.40; *Gotha FB, Theol.4°203 (19)R; *Regensburg SB, 4° Theol.syst. 482/7(1). Textedition: Johannes Eck: Vier deutsche Schriften gegen Martin Luther, den Bürgermeister und Rat von Konstanz, Ambrosius Blarer und Konrad Sam. Hrsg. von Karl Meisen und Friedrich Zoepfl. Münster: Aschendorff 1929 (Corpus Catholicorum. 14), S. 53– 61. Nachdruck von VD16 E 440 [Ingolstadt: Peter und Georg Apian], auch enthalten in VD16 E 438 [Augsburg: Alexander Weißenhorn I.] 1528, S. 151–157. 21. Etzlaub, Erhard: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1528. (I)M jar nach der gebůrt vnnsers erlösers. M.C.C. C.C.C. vnnd XXviij. Die GFlden zal.ix. Sunn=||nen Cickel. XXv. Schalck [!] Jar … [Zeile 14:] Almanach Erhardi Etzlaub || Burger zw Nůrnberg/ der Freyen kunst vnd Ertzney liebhaber. || … || Gedruckt zu || Wirtzburg || Durch Balthassar || Muller. || Würzburg: Balthasar Müller [1527] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 154 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie unten Nr. 39 und Nr. 55). Das Impressum ist am linken unteren Rand in der Wappenreihe als Viereck gesetzt, darin der in Holz geschnittene Narr aus Leiste 3. Scharold I/3, S. 259; Brod S. 24, S. 69; Benzing, Müller 17. *Würzburg UB, 36/A 50,63-3
Anhang: Verzeichnis der Drucke 22. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Publikation eines vom Schwäbischen Bund am 5. Juli ausgegangenen Ausschreibens betreffend die Entwaffnung der im Bauernkrieg schuldig gewordenen Untertanen. 23. September [15]27. (W)Jr Conrad vō Gottes gnaden/ Bischoue zu Wirtzburg vnd Hertzog zu Frācken. Alls vns vergangen tagen vō den Botschafften/ Hauptleutten v] R(then des || Kayserlichen Būndts zu Schwabē/ so dazumal zu Thonawerd bey einander versamlet gewest/ ein offen außschreiben/ vnter der dreyer gemainē Hauptleutten furge||getrFckten Betschiern besigelt zukomen … [endet Zeile 22:] … Geben vnter vnnserm fFrgetrFcktem Secret/ vff Montag nach Matthej/ den XXiij. Septembris. Anno ⁊c. jm XXvij. Jare. || [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [1] Bl., einseitig bedruckt, 22 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Würzburg Staatsarchiv, Standbuch 895, 216. 23. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Publikation der vom Reichskammergericht vidimierten Urkunde, mit der Kaiser Karl V. den Ritterlichen Vertrag vom 8. November 1525 konfirmiert. 9. November 1527. (W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken. Alls vns hieuor mit vnsern vnd vnsers Stiffts Grauen/ Herren vnd Ritterschafft/ der scheden || halben/ so Jnen durch die entp=rischen Bawrn/ in der Auffrur/ des nechstuergāgen Funffvndzweintzigisten Jars/ … [endet Zeile 247:] … geben/ vff Dinstag nach Marie gepurt/ den NeFndten des Monats Septembris/ nach Christi vnsers lieben herren gepurt. M.D.XXvij Jare. || [Würzburg: Balthasar Müller 1527] [5] Bl., einseitig bedruckt, 2°-quer, zu einem Plakat mit insgesamt 247 Druckzeilen verklebt. – Typen: 3, 4. Angeführt bei Schubert, Landstände S. 116 Anm. 55. *Nürnberg Staatsarchiv, Würzburger Bücher 11 (eingelegt). 24. Wahrhaftiger Bericht und Handlung. Wahrhafftige bericht vnnd handlung Wie || der Hochwirdig FFrst vnd Herre/ her Ger=||hardt von Schwartzenberg/ Bischoue zw || Wirtzburg v] Hertzog zu Francken/ seiner || FFrstilchen [!] G. AuffrFrische Landschafft || Anfang der handlung vnnd geschicht/ Jm || M.CCC. vnd. xcviiij. jare. V] darnach || jm M.CCCC.j. jar. Mit eroberter veld=||schlacht vor Berchtheym eingenomen || vnd gestrafft hat/ Alls wie her=||nach angezeygt ist.|| M. CCCCC. XXvij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1527 [16] Bl. A–D4 (D4v leer) 4°. – Typen: 3, 4. TE: L 1, L 3, L 2 und L 7, L 4. Schottenloher, Müller 10; VD16 W 674.
167 Berlin SB, Yh 301; *München SB, Rar. 1677/12. Textedition: Liliencron I, 40 (nach jüngerer handschriftlicher Überlieferung). Gedicht aus 1008 paargereimten Versen, in zwei Spalten zu je 36 Zeilen gesetzt. Erster und einziger Druck. Nach Schubert, Lieder (2004) eine redigierte Zusammenfassung mehrerer ursprünglich selbständiger Lieder vom Würzburger Städtekrieg (1397–1400). Zur Überlieferung und zur Verfasserfrage auch Johanek, Peter: Bernhard von Uissigheim. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 1. 1978, Sp. 774–776. 1528 25. Albrecht, Erzbischof von Mainz: Wahrhaftige Entschuldigung wider die falschen Kopie einer Bündnis. Des Hochwirdigsten Durchleuchti=||gen/ Hochgeboren Fůrsten vnd Herren/ herren/ Al=||brechts/ Cardinals vnd Ertzbischouen zu Meyntz || vnnd Magdeburg/ Churfůrsten/ ⁊c. Warhafftige || entschuldigung/ wider die falschenn Copey ainer || BFndtnus/ so seiner Churfůrstlichenn Gnaden/ || auch etlichen andern stenden/ des hayligen R=mi||schen Reichs/ zu Neyd vnd Haß erdicht worden. || ♣ || [Holzschnitt: L 2 liegend] Endet 4v Zeile 13: … Der || geben ist zu Sant Martins Burgk/ in vnser stat Meyntz/ den Siben=||vnd zwaintzigsten tag May. Anno domini Millesimo quingente=||simo visecimo octauo. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [4] Bl. 4 4°. – Typen: 1, 3, 4. Schottenloher, Pack 10; VD16 M 281. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/1. Nachdruck. Zuerst als Plakat von Johann Schöffer in Mainz gedruckt (Schottenloher, Pack 12). Weitere Nachdrucke erschienen in Straßburg, Leipzig und München (VD16 M 276–280), in Erfurt und Breslau (VD16, ZV 22034 und ZV 23325). Auch enthalten in einem Kölner Druck (VD16, ZV 23340). Textedition (nach dem Erfurter Druck von Matthes Maler ): Laube/Weiß I, Nr. 31.5, S. 637–642. 26. Dies ist die vermeinte Kopie der Bündnis, durch welcher sich etliche des Heiligen Reichs Stände gegeneinander wider die Kurfüsten und Fürsten von Sachsen und Hessen verbunden haben sollen. Dis ist die vermainth Copia || der Bündnus durch welche || sich etliche des Heyligē Reychs Stende || gegen einander/ wider die ChurfFrsten || vnd Fůrsten/ von Sachsen vnd Hessen/ || verpunden haben sollen/ Aber in rechter || warheyt nit anderß/ dann erdicht/ vnnd || ongrundt befunden. || ♣ || M. C.C.C.C.C. XXviij. || [TE]
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
[Würzburg: Balthasar Müller 1528] [6] Bl. 6 (1r und 6 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 7; VD16, ZV 2663; Pegg, Alsace II, 1912. *Bamberg SB, Dipl.q.41; Strasbourg BNU, D144. 885/1. 27. Etzlaub, Erhard: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1529. (I)M jar nach der gebůrt vnsers erlösers. M.CCCCC. XXiX. Die GFlden zal X. Sunnen Cickel. XXvj. || Suntag buchstab C. … [Zeile 13:] Almanach Erhardi etzlaub burger zu Nürnberg ď freyē kūst v] ertzney liebhaber. || … [Zeile 152:] Gedruckt zů || Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1528] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 155 Zeilen, 2°.– Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen von zwei Löwen gehalten, umgeben von zwei seiner Ahnenwappen. Scharold I/3, S. 259f.; Welzenbach S. 189; Brod S. 69; Benzing, Müller 18. *Würzburg UB, 36/A 50.63-4. 28. (Georg, Herzog von Sachsen:) Zu vermerken, mit was betrüglicher Unwahrheit die Kinder dieser boshaftigen Welt bei unsern Zeiten sich bearbeiten, zwischen Königen, Prälaten, Fürsten, geistlichen und weltlichen, Aufruhr zu Verderbung armer Leute im Reich zu erwecken. Zuuermercken mit was betryglicher vn||warhayt/ die Kinder diser boßhafftigen welt/ bey vnsern zeyt=||ten sich bearbayten/ zwischen/ K=nigen/ Prelaten/ Fůrstenn/ || Gaistlichen vnd Weltlichen/ Auffrůr/ zu verderbung armer || lewte/ jm Reich zuerwecken. || Derhalben so haben wir Ge=rg vō Gottes gnaden/ Hertzog zu Sach=||sen ⁊c Was der Hochgeborne FFrst vnser Lieber Oheim v] Sone/ || Herr Philips Landtgraue zu Hessen ⁊c. ann vnns freuntlicher || maynung geschriben/ vnnd ein erdicht Copien/ derselben || boßhafftigen zugeschickt/ Auch vnnser antworth in || Druck pringen lassen/ daraus derselben vnwar||heyt vnd vnser vnschuld clerlich zubefin=||den/ V] ob Gott will/ hynfFrter || ye meer vnd meer soll befun=||denn werden. || ♣ || [Holzschnitt: L 3 liegend] [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [2] Bl. 2 4°. – Typen:1, 3, 4. 1v–2r: Brief Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Georg, datiert Homburg 17.5.1528. 2r–2v: Antwort Herzog Georgs, datiert: Dresden 21.5.1528.
Schottenloher, Pack 8; VD16 S 785. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/2. Nachdruck. Den Erstdruck, der auch die vermeintliche Bündnisurkunde enthält, besorgte Wolfgang Stöckel in Dresden (Schottenloher, Pack 5; VD16 S 773). 29. 29. a. (Georg, Herzog von Sachsen:) Zu vermerken, mit was betrüglicher Unwahrheit die Kinder dieser boshaftigen Welt bei unsern Zeiten sich bearbeiten, zwischen Königen, Prälaten, Fürsten, geistlichen und weltlichen, Aufruhr zu Verderbung armer Leute im Reich zu erwecken. Zuuermercken mit was be=||trieglicher vnwarheyt/ die kinder diser boß=||hafftigen wellt/ bey vnsern zeytten/ sich bearbeyten/ || zwyschen K=nigen/ Prelaten/ FFrsten/ Geystlichen || vnd welltlichen/ Auffrur zu verderbūg armer lewte || jm Reich zuerweckenn. Derhalben so haben wir || Ge=rg vō Gottes gnaden/ Hertzog zu Sachsen ⁊c. || Was der Hochgeporne FFrst vnser Lieber Oheim || vnd Sone/ Herr Philips Landgraue zu Hessen ⁊c: || an vns freuntlicher maynung geschriben/ vnnd ein || erticht Copien/ derselbenn boßhafftigen zugeschickt/ || Auch vnser antwort in Druck pringen lassen/ || daraus derselben vnwarheyt vnd vnser vn||schuld clerlich zubefinden/ V] ob Gott || will/ hynfFrter ye meher vnd meer || soll befunden werden. || ♣ || M. C.C.C.C.C. XXviij.|| [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [8] Bl. 8 (1v und 8 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 7 und L 2, L 3, L 4. 2r–2v: Brief Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Georg, datiert Homburg, 17.5.1528. 3r–6r: Abdruck der vermeintlichen Bündnisurkunde. 7r–7v: Antwort Herzog Georgs, datiert Dresden, 21. 5. 1528. VD16 ZV 2591. *Berlin SB, Flugschr. 1528, 1 ca. Bei Schottenloher unter Pack 9 (=29b) aufgeführt. Textedition (nach dem Dresdener Erstdruck): Laube/ Weiß I, 31.1, S. 610–622. Nachdruck. Den Erstdruck besorgte Wolfgang Stöckel in Dresden (Schottenloher, Pack 5; VD16 S 773). Zahlreiche andere Nachdrucke (VD16 S 774–784). 29. b. Titel und Satz wie a, doch ohne die Bündnisurkunde. [4] Bl. [Aa] (1v und 4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 7 und L 2, L 3, L 4. 2r–2v: Brief Landgraf Philipps von Hessen, datiert Homburg 17.5.1528. 3r–3v: Antwort Herzog Georgs, datiert Dresden 21.5. 1528. Schottenloher, Pack 9; VD16 S 786. *Bamberg SB, Inc.typ. D VI,23/2; *Coburg LB, R II/11:50.
Anhang: Verzeichnis der Drucke 30. Karl V., Kaiser: Wider die Disputatz von Bern römischer kaiserlicher Majestät Mandat. Wider die Disputatz || von Bern. || R=mischer Kayserlicher Mayestat || Mandat/ Wider die Ketzerische || Disputatz zu Bern. || [Holzschnitt: Kaiserliches Wappen] || Der Acht Christenlichen ort/ in Eydt=||gnossen Sandbrieff/ an die || von Bern. || M.D.XXviij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [6] Bl. A6 (A6v leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE: L 1, L 5, L 6, L 4. A1r–A2v: Mandat Karls V. an Schultheiß, großen und kleinen Rat von Bern, datiert Speyer 28. 12. 1527. A2v–A6r: Sendbrief der acht Orte an die von Bern, datiert Luzern 18. 12. 1527. Schottenloher, Müller 9; VD16 D 1179. *Augsburg SStB, 4 Th H 1720. Textedition (nach dem Ingolstädter Druck): Laube/Weiß I, Nr. 26, S. 494–502. Nachdruck der von Johannes Eck veranlassten Erstausgabe [Ingolstadt: Peter und Georg Apian] (VD16 D 1178). Einen weiteren Nachdruck besorgte Wolfgang Stöckel in Dresden (VD16 D 1177). 31. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Rechtfertigung in Zusammenhang mit den Packschen Händeln. 28. Mai 1528. (A)Llen vnd yeden/ Gaystlichen vnd Weltlichen/ des Hailigen Römischen Reichs Churfürsten/ Fürsten/ Prelaten/ Grauen … Ewern liebden vnd euch/ ist sonder zweyuell woll wissendt vnd || vnuerporgen/ wie sich ein zeytlang here/ bey etlichen stenden im hayligen Reich/ mercklich gewerbe/ von Geraysigen vnd Fußuolck zugetragen/ vnd sonderlich/ das die Hochgeboren Fürsten/ vnnsere besondere liebe || herren vnd freunde/ herr Johans Hertzog zu Sachsen … nach ains jeden würden/ stat vnd wesens/ freuntlich/ gunsticklich/ v] gnedicklich zuuerdienen/ zu || beschulden v] zuerkennen. Geben vnder vnserm bey endt der schrifft furgetrücktem Secret/ am Donnerstag nach Exaudi Anno ⁊c. Jm XXviij. || [Holzschnitt mit dem bischöflichen Wappen] [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [3] Bl., einseitig bedruckt, 2°-quer, zu einem Plakat mit insgesamt 149 Druckzeilen verklebt. J. Menth: Zu den Druckschriften der Packschen Händel. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 26 (1909), S. 217–218, wo Balthasar Müller als Drucker nicht ausdrücklich angegeben ist. Vgl. Schottenloher, Pack S. 219 mit Anm. 1: »Die Rechtfertigung des Bischofs wurde in allen Städten, Märkten und Flecken des Stifts angeschlagen«. Nicht aufgefunden. Das von Menth beschriebene Exemplar war 1909 im Besitz des Antiquars Jacques Rosenthal.
169 32. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:) Werbung und Handlung, so beider Fürsten von Sachsen und Hessen Räte vor dem hochwürdigen Fürsten und Herrn Konrad, Bischof zu Würzburg, getan. Werbung vnnd Handlung/ so beder FFrstē || von Sachsen vnd Hessen R(the vor dem || Hochwirdigen FFrsten vnd Herren Con=||raden Bischouen zu Wirtzburg || vnd Hertzogen zu Francken. || gethon auch seiner || F. G. antwort || vnnd entschuldigunng darauff. || ┼ || [TE] Endet B4r Zeile 16: Geben || vnder vnserm bey endt der schrifft furgetrFcktem Secret/ am Donnerstag || nach Exaudi [28. 5.]. Anno ⁊c. Jm XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [8] Bl. A–B4 (A1v und B4v leer) 4°. – Typen: 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 6; VD16 S 947; Pegg, Alsace II, 1930. *Bamberg SB, Inc.typ. D.VI.23/3; Strasbourg BNU, D 144.885/2. Textedition (nach dem Mainzer Nachdruck): Laube/ Weiß I, Nr. 31.6, S. 643–653. Andere Ausgabe als der textidentische Plakatdruck. Nachdrucke erschienen noch 1528 in Wien (VD16 S 945), unter dem Titel Entschuldigung des hochwürdigen in Gott, Fürsten und Herrn, Herrn Conraden Bischof zu Würzburg in Breslau (VD16 W 4541 und ZV 20128), Erfurt (VD16 W 4543) und Leipzig (VD16 W 4544), unter dem Titel Würzburgisch wahrhaftige Bericht und Entschuldigung in Mainz (VD16, ZV 21885) und unter dem Titel Anfänglicher Handel und Werbung in Straßburg (VD16 S 946). 33. 33. a.Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ladung auf einen Landtag, der am 25. Juni in Würzburg abgehalten werden soll. 15. Juni [15]28. Formular. Connrad von gottes gnaden/ Bischoue zu || Wirtzburg/ vnd Hertzog zu Francken. || (V)Nsern gruß zuuor/ Wirdiger lieber Andechtiger/ Wir setzen in kaynen zweyfel/ Jr habt nuhmer auß dem gemainenn geschray/ v] sunst wol vernomē/ wie gātz || beschwerlich v] besorglich/ sich die sachē/ in disen seltzamen v] geschwindē leufften/ zugetragen …[endet Zeile 20] … Datum in vnser || Stat Wirtzburg am Montag nach Corporis Christi/ Anno ⁊c. im XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 21 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 25. 33. b. Wie a, aber Zeile 3: … Wirdige liebe Andechtige … und ab Zeile 15 anderer Satz. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 13399.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
34. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Vorladung der Klöster und Stifte. Ihre Vorsteher oder deren Vertreter werden auf den 25. Juni in das Kapitelhaus des Domstifts nach Würzburg geladen. 15. Juni 1528. Formular. Conradus dei gratia Epūs Herbipole] || et Francie orientalis Dux. || Venerabilis honorādi deuoti nobis in Christo dilecti. Emerserūt nuper ardua quedam negocia/... [endet Zeile 13:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipoli die Lune post Festum Corporis Christi. Anno d]i || M.D.XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 14 Zeilen, 4°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 24. 35. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Steuerforderungen an den Klerus nach Maßgabe der auf dem Landtag für drei Jahre bewilligten Steuersätze. 30. August 1528. Formular. Conradus die gratia/ Epūs Herb] || et Francie Orientalis dux. || Salutem in d]o sempiternam. Haud latere arbitramur/ per vniuersum vtriusq; || status clerum/ et monastice vite addictos/ qui modico abhinc tēpore ad nostram vrgētibus de causis accersionē/ in cōmitijs die Jouis post diui Joannis baptiste festū/ in nostra ciuita||te Herbipolensi celebratis/ presto adfuere/ … [endet Zeile 38:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipolensi/ die Jouis XX. mēsis Augusti. Anno ⁊c. M.D.XXviij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1528] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°-quer. – Type 4.
Welcher gestalt der Hochwirdigst in Gott || vatter Fůrst vnnd herr/ der Ertzbischoue zu || Saltzpurg/ Cardinal/ Legat ⁊c. sich gegen || Kay. M. Regiment im hayligē Reich/ vff || die nichtig vngegrFndt/ v] erdicht BFndt=||nuß/ darein sich sein Fürstlich Gnad/ sampt andern || des hayligen Reichs Stendē begeben habē sol/ V] || derwegen seinen F. G. von gedachtē Regiment zu=||geschickt worden/ thut verantworten/ WFrt hierinnē || mit der kFrtz vnnd warhafftigklich befunden. || M .C.C.C.C.C. XXviij. || [TE] Endet 2r Zeile 20: … Datum in vnser Stat || Saltzburg/ am Mitwochen nach dem hayligen Pfingstag [3. 6.]. || Anno domini ⁊c. jm XXviij. Jare. || Ann Stathalterßuerweser vnd Regiment/ im || hayligenn Reich/ yetzo zu Speyer versamelt. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1528 [2] Bl. [a2] (a2v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 6, L 5, L 4. Schottenloher, Pack 11; VD16 S 1526. *Bamberg SB, Dipl.q. 41/4. Textedition: Hortleder S. 792f. Erstdruck? Auch zusammen mit der Rechtfertigung Kurfürst Joachims von Brandenburg gedruckt von Johann Schöffer in Mainz (VD16, ZV 25439) und Anastasius Nolt in Speyer (VD16, ZV 2320). Entgegen Laube/Weiß I, S. 266 enthält der Würzburger Druck das Schreiben an das Reichsregiment in Speyer und nicht das spätere, auch als Plakatdruck überlieferte allgemeine Ausschreiben des Erzbischofs vom 8. Juni 1528.
*Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42., Bl. 23. 36. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:): Feuerordnung für die Stadt Würzburg. Fewer Ordnung || zu Wirtzburg/ || Jm XXviij. Jare Auffgericht. || [Holzschnitt: Wappen Bischof Konrads mit vier kleineren Ahnenwappen] Würzburg: Balthasar Müller [1528] Endet 6r Zeile 15: Actum am Donnerstag nach dem || heyligen Jare/ nach Christi vnnsers lieben || Herren geburt [30. 12.]. M. D. vnd jm || XXviij. Jaren. || ♣ || GedrFckt zu Wirtzburg/ durch || Balthassar MFller. || [6] Bl. <2-5>6 (6v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Adams W 279; Benzing, Müller 5; VD16, ZV 20580. Cambridge UL, F152.d.1.6; *Jena ULB, 4° Bud.Jus. germ. 160(1). Textedition: Scharold I/2, S. 96–108. 37. (Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg:) Welchergestalt der Erzbischof zu Salzburg sich gegen kaiserlicher Majestät Regiment im heiligen Reich auf die nichtige ungegründte und erdichte Bündnis tut verantworten.
1529 38. Cordus, Euricius: Ein gutes Regiment, wie man sich vor der neuen Krankheit, der Englisch Schweiß genannt, bewahren soll. Jn disem Büchlin findt man || gar ein gutt Regiment/ wie man sich || vor der newen Kranckhayt/ der Englisch || Schwayß genant/ bewaren/ V] so || man damit angegriffen wirdt/ || darinnnen halten sol/ durch || Euricium Cordum/ || der Ertzney Doctorem || vnd Professorem || zu Marpurg. || ♣ || M.CCCCC.XXIX.|| [TE] Endet B3v Zeile 29: GedrFckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller 1529 [8] Bl. A–B4 (A1v und B4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 2, L 3, L 9. VD16, ZV 3872. *München UB, 4° Med. 1440:9. Nachdruck. Die Erstausgabe kam im September 1529 in Marburg bei Franz Rhode heraus (VD16 C 5098–
Anhang: Verzeichnis der Drucke 5100, als Faksimiledruck hrsg. von Gunter Mann, Marburg 1967). Fünf weitere Nachdrucke erschienen noch 1529 in Augsburg (VD16 C 5097), Nürnberg (VD16 C 5101 mit ZV 3871, C 5102), Straßburg (VD16 C 5103) und Tübingen (VD16 C 5104). 39. Etzlaub, Erhard:Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1530. (I)M Jar nach der geburt vnsers erl=sers. M.CCCCC. XXX. Die gFlden Zal xj. Sūnen cickel. xxvij. || Suntag buchstab B. … [Zeile 9:] Almanach Erhardi Etzlaub/ Burger zu Nůrnberg/ der Freyenn kunst vnnd Ertzney liebhaber. || [endet Zeile 150:] Gedruckt zw Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1529] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen: 1, 2, 3. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie Nr. 21 und Nr. 55). Brod S. 69; Benzing, Müller 19; Pleticha-Geuder, Farbtafel II (Abbildung des unteren Abschnitts). *Würzburg UB, 36/A 50.63-5. 40. Grimaldi, Giambattista: Neue Zeitung, wie kaiserliche Majestät in tapfer Rüstung stehe, sich in Hispanien zu erheben und über Meer in Italien zu reisen. Neue Zeitūg wie Kayserliche Mayestat || vnser allergnedigster herre in dapfer || rFstung stehe/ sich in Hyspanien zuerheben/ vnnd || vber Meere in Jtalien zůraysenn/ Durch || Miser Joha] Baptist de Grimaldis/ || ainem seinem vettern Ansalde de || Grimaldis/ vnd anderen vom Adel daselbst auß || Hyspanien zugeschriben. M.D.XXiX. || [Holzschnitt: Belagerung einer Burg] [Würzburg: Balthasar Müller 1529] [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 371; VD16 G 3352. *London BL, 1315.c.6. Nachdruck? Andere Ausgaben erschienen unter dem Titel Kopie eines Briefes in Augsburg und Speyer (VD16 G 3350–3351), unter dem Titel Ein Brief kaiserlich Majestats in Ulm (VD16, ZV 7047 und 7048). 41. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Steuerforderungen an den Klerus nach Maßgabe der auf dem Landtag im Sommer 1528 bewilligten Steuersätze. 25. Januar 1529. Formular. Conradus dei gratia Epūs Herbiopole] || ac Francie Orientalis dux. || Salutem in domino || Persuasum habemus nondum vobis memoria excidisse/ qualiter
171 proxima estate subito ingruentibus bellicis quibusdā procellis … [endet Zeile 28:] … Datum in nostra Ciuitate Herbipolensi/ die Lune XXv. mensis Januarij. || M.D.XXix. || Joannes Zeyß || procurator Fisci. || [Würzburg: Balthasar Müller 1529] [1] Bl., einseitig bedruckt, 30 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 26. 42. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Erlaß an den Klerus. [Würzburg: Balthasar Müller] 1529 ? Bl. 4° Roth, Würzburg S. 83, Anm. 57 (ohne weitere Angaben); Benzing, Müller 6. Kein Exemplar aufgefunden. 43. Neue Zeitung vom Türken. Newe Zeyttung vom TFrcken. So || ein gut Freůndt/ der damit vnnd bey gewest ist/ vonn Wien || herauff gehen Nůrnberg geschriben/ Dabey von Drey || gef(ngen Turcken/ Was man die gefragt/ vnd sie || darauff geantwort haben. M. D. XXjX. || [Holzschnitt: Türke begeht Gräueltat an Kindern] [Würzburg: Balthasar Müller ] 1529 [4] Bl. [a4] (a1v und a4 leer) 4°. – Typen: 1, 2. Weller, Zeitungen 51[b]; Kertbeny 351; Sturminger 516; Hubay 104; Göllner 356; BNHCat, N 164; VD16 B 1582. *Budapest NB, Röpl 104. Bericht über die Ereignisse bis zum Sonntag nach Matthaei (26.9.1529). Erster und einziger Druck? Entgegen Göllners Annotation anderer Text als die Drucke mit dem Titel Die Belagerung der Stadt Wien (VD16 B 1583–1588). 44. Neue Zeitung von Speyer. Newe Zeittung von Speyer || von handlung der Fursten || einreytten v] erscheinung. || M.CCCCC. XXix. || [Holzschnitt: Geharnischter Reiter zwischen zwei Frauen] [Würzburg: Balthasar Müller] 1529 [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16, ZV 11524. Dresden LB, Hist.Germ.B.179,9; *Jena ULB, 4° Bud. Hist.eccl. 261(50). Wohl Nachdruck. Andere Ausgaben erschienen in Nürnberg (VD16 N 961) und Regensburg (VD16 N 960).
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
45. Türkische Belagerung der Stadt Wien Türckische Belegerung der statt Wienn || So es den vergangen Herbst/ inn disem XXiX. || Jare verschinen/ vnd ergangen hat. || [Holzschnitt: Türke begeht Gräueltat, wie oben Nr. 43] [Würzburg: Balthasar Müller 1529] ? Bl. 4°. – Typen: 1, 4. Kábdebo S. 19, 57; Kertbeny 341; Breitschedl S. 22 (verkleinerte Abbildung der Titelseite); Sturminger 31. Kein Exemplar aufgefunden. 46. Türkische Belagerung. Wahrhaftigen Bericht. [Xyl.:] Türckische belegerung || [typ.:] Warhafftigen bericht/ wie es den vergangen Herbst/ in || disem. XXiX. Jare verschinen/ Mitt dem grausams || Feyndt/ des Christenlichen namens vnd glaubens/ dē Turcken || in Hungern vnd Osterreich/ zugangen vnd gehandelt worden/ || Durch einen so zum theyl/ bey vnnd mit der sach || gewesen/ gruntlich angezeygt. || [Holzschnitt: Portrait Süleymāns mit der Unterschrift: Wolff Hanna/ TFrckischer Keyser] Würzburg: Balthasar Müller [1529] [6] Bl. A4–B2 4°. – Typen: 3, 4. A1v – B1v: Bericht über die Belagerung, datiert Wien 19. 10. 1529. B1v Zeile 20: ¶ GedrFckt zu Wirtzburg durch || Balthassar Muller. || B2r: Brief von Ibrāhīm Pasha an die Stadt Wien, datiert vor Wien Oktober 1529. Kábdebo S. 19, 56; Kertbeny 336; Schottenloher, Müller [18]; Breitschedl S. 24 (verkleinerte Abbildung der Titelseite); Hubay 108; Sturminger 41; Göllner 343; Strauss S. 562f. (Abbildung der Titelseite); BNHCat, T 359; VD16 T 2244; Pegg, Alsace II, 4051. *Budapest NB, Röpl. 108; *Göttingen SUB, 8 H AU GERM V, 6550; *Nürnberg Scheurl, 420, 354-359; Strasbourg BNU, D 107.799; *Würzburg UB, Inc.q. 74 angeb. 15. 1530 47. Die Bekenntnis Martini Luthers. Die Bekenthnus Martini Lut=||thers. auff den yetzigen annge=||stelten reichßtag zu Augsp=||urg einzelegen. Jn Xvij. || Artickel verfasset. || Jm XXX. Jar. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1530 [4] Bl. A4 4°. – Typen: 1, 2. Benzing/Claus 2857; Benzing, Müller 7; VD16 B 1547. *Gotha FB, Th 378(12) R; Wittenberg LH, Ag 4°211 t. Nachdruck. Die Erstausgabe druckte Hans Bär in Coburg (Benzing/Claus 2850; VD16, ZV 1225–1226).
Acht weitere Nachdrucke erschienen 1530 in Augsburg, Breslau, Eilenburg, Erfurt, Nürnberg, Straßburg und Wittenberg (VD16 B 1539–1546; Benzing/Claus 2851–2859). Außerdem kam in Magdeburg eine Ausgabe in niederdeutscher Sprache heraus (VD16 B 1548, Benzing/Claus 2860). 48. Etzlaub, Erhard: Almanach für das Jahr 1531. (J)M jar nach der gebůrt vnsers erl=sers. M.CCCCC. xxxj. Die gFlden zal xij … || Almanach Erhardi Etzlaub/ Burger zu Nurmberg/ der freyen kůnst vnd Ertzney liebhaber. || … || [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [?] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt. 2°. – Typen: 3, 4. Schottenloher, Müller S. 70 mit Anm. 4; Röttinger Fig. 30 (verkl. Abbildung); Zinner 1439 a; Schoch 255. Wien, Albertina. Nur als doppelseitig bedrucktes Fragment erhalten; auf der Vorderseite Holzschnitt mit dem 2. Wappen des Lorenz Staiber (nach einem Entwurf Albrecht Dürers). – Zum Bilderschmuck (Verwendung von L 8 und L 9) siehe oben S. 157. 49. Gegen die Bekenntnis Martini Luthers auf den jetzigen angestellten Reichstag zu Augsburg aufs Neue eingelegt, in 17 Artikel verfasst, kurze und christenlich Unterricht. Gegen die Bekent||nus Martini Luthers/ auf || den yetzigen angesteltē Rei=||chßtag zw Augspurg/ auffs newe || eingelegt/ in Xvij. artickel verfaßt. || Kurtze v] Christenlich vnderricht || durch || Conrad Wimpina doctor. || Johann Mensing doctor. || Wolffgāg Red=rffer doctor. || Rupert Elgersma Licenci. || Zu Augspurg. || M. D. XXX. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [6] Bl. A4 B2 (B2v leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. TE 1. Benzing/Claus 2857; Benzing, Müller 8; Pegg GB/I 1609; VD16 G 686. Berlin SB, Dg 2430 R; Dublin, Trinity C.; *Erfurt UB, 13-Th 8° 8714; *Gotha FB, Th 378(13) R; Weimar HAAB, Aut.ben.Aut.Wimpina,K.(29); Wittenberg LH, Kn A 270/1831. Textedition: WA 30,3, S. 172–193; Laube/Weiß II, Nr. 57, S. 1237–1247 (nach dem Augsburger Erstdruck). Nachdruck. Die Erstausgabe druckte Alexander Weißenhorn in Augsburg (VD16 G 682–683). Weitere Nachdrucke erschienen in Leipzig und München (VD16 G 684–685). 50. Neue Zeitung aus Rom. [Xyl.:] Newe zeÿtūg || [typ.:] Auß Rom Wie das grausam || vnnd erschröckenlich || groß Wasser der || Tyber schadē || than hat. || [Zierleiste: Zwei Knaben mit Ungeheuer]
Anhang: Verzeichnis der Drucke [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [2] Bl. 2 4°. – Typen: 1, 3, 4. Weller, Zeitungen 53; Hellmann S. 37 [I] (6); Schottenloher, Lobmeyer S. 23 Anm. 2; VD16 N 710. *Berlin SB, Flugschriften 1530,7 c. Wohl einer Nürnberger Ausgabe nachgedruckt. Von demselben Bericht über die Tiberüberschwemmung vom 8. Oktober 1530 sind vier weitere unfirmierte Einzeldrucke bekannt. Als Drucker wurden ermittelt für VD16 N 707 (= Hellmann [I] 7): [Nürnberg: Jobst Gutknecht], für VD16 N 708 (= Hellmann [I] 4): [Nürnberg: Johann Stuchs], für VD16 N 711 (= Hellmann [I] 5): [Nürnberg: Friedrich Peypus], für VD16 N 706 (= Hellmann [I] 8): [Wittenberg: Georg Rhau]. Zusammen mit einem Bericht über eine Flutkatastrophe in den Niederlanden wurde der Text nach Ausweis der Typen auch nachgedruckt in Landshut (VD16 N 705 = Hellmann [II] 3) und Zwickau (VD16 N 709 = Hellmann [II] 4). – Die Zierleiste auf der Titelseite wurde schon von Lobmeyer in einer Titeleinfassung (VD16 L 7500) verwendet. 51. Neue Zeitung kaiserlicher Majestät Einreitung zu Augsburg. [Xyl.:] Newe zeÿtūg || [typ.:] Kayserlicher Mayestatt einreittung zw Augspurg/ Auff || den Xv. tag/ des Monats Junij. Des hayligenn || Pluts tage abent. Anno ⁊c. jm XXX. jare || Geschehen/ durch ainen der solchs gesehen || seinē gebietenden herren zugeschriben. || Dabey ein verzeichnuß der FFrsten. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [4] Bl. a4 4°.– Typen: 3, 4. WABr 5, S. 443, 4; Claus, Zwickau 182 (Annotation); VD16, ZV 25521. *Berlin SB, Flugschr. 1530, 18. Erster und einziger Druck? Der Titelholzschnitt ist Drucken von Heinrich Steiner nachgeschnitten (VD16 N 62, N 954, W 739). 52. Neue Zeitung, wie kaiserliche Majestät ihre kaiserliche Krönung zu Bologna empfangen. Newe Zeyttunng. Wie Kayserli=||che Mayestat/ jre Kayserliche kr=nung/ vff Sant || Mathies tag/ den. XXiiij. Februarij nechstuer=||rFckt zu Bononien entpfangen/ vnd willens sey/ || sich herauß in TeFtsche Land/ vff den ange=||setztenn/ Reichßtag zuthun. || M.D.XXX. || [Holzschnitt: Kaiserliches Wappen, wie oben Nr. 30] Am Ende (A4r) Holzschnitt mit dem spanischen Wappen, verfremdet durch eine Helmzier, aus dessen Turm ein Teufelchen lugt. [Würzburg: Balthasar Müller] 1530 [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4.
173 Weller, Zeitungen 56; Kertbeny 411; Hubay 125; VD16 N 1062. *München SB, Germ.g. 644 y. Erste und einzige Ausgabe? Anderer Text als in den übrigen deutschen Flugschriften, die über die Krönung berichten (VD16 K 31–34, K 40–43). 53. [Sturm, Kaspar]: Klärliche Anzeigung, was durch kaiserliche Majestät und alle Kurfürsten, Fürsten und Stände des heiligen Reichs itzo zu Augsburg auf dem Reichstag gehandelt ist worden. Clerliche anzeigūg wes durch Kayser=||lich Mayestat/ auch Kůnigliche wirde zu Hungern || vnd Beheim. Vnd dann auch alle ChurfFr=||sten/ Fůrsten vnd Stende/ des Hayligen || Reichs/ ytzo zu Augspurg auff dem || Reichßtag vesamlet/ gehādelt || ist worden. || [Holzschnitt: Kaiserliches Wappen] [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [4] Bl. A4 (A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16 S 10014. *Würzburg UB, 25 an H.p.q. 316. Nachdruck. Den ausführlicheren Erstdruck, aus dem Müller nur den Bericht über die Ereignisse vom 20.– 27. Juni übernahm, besorgte Philipp Ulhart in Augsburg (VD16 S 10013). 54. Vertrag im 1525. Jahre der Land Preußen halben aufgerichtet. (V)Ertrag im Funftzehen hunderten || vnnd FFnffundzwaintzigsten Jare/ der Landt Preussen || halben/ zwischen KFnig Sigmunden vonn Poln || vnnd Margraue Albrechten von Branden||burgk/ etwan Hochmayster Teutschs || Ordenns/ vffgericht. || Vnnd durch vnsern Allergenedigsten || Herren denn R=mischen Kayser/ im FFnfftzehen||hunderten vnnd Dreyssigistenn Jare vffge=||habenn vnnd vernichtiget. || [Würzburg: Balthasar Müller 1530] [8] Bl. A–B4 (B4v leer) 4°. – Typen 1, 3, 4. Dolezel, S. 12 (b); VD16, ZV 21959. *Dresden LB, Hist.Preuss. 208,5; *Heidelberg UB, Cod.Pal.Germ. 493, fol. 332–339. Aufhebung des ›Krakauer Vertrags‹ durch Kaiser Karl V. (datiert Augsburg 14.11.1530), darin (A2r– B2r) Transsumpt des Vertrags vom 9.4.1525. Erster und einziger Druck in dieser Textfassung. Der Edition des Vertragswerks (Dolezel, Nr. 1, S. 12–30) liegt neben einer lateinischen Ausfertigung der zeitgenössische Königsberger Druck von Hans Weinreich zugrunde (VD16, ZV 25308). Der von Dolezel, S. 13, erwähnte Einblattdruck der kaiserlichen Kassa-
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
tion in einer Ausfertigung für Albrecht von Brandenburg (Berlin, Geheimes Staatsarchiv, HA Königsberg, HBA H 1530 November 14, K. 756) wurde nach Ausweis der Typen von Silvan Otmar in Augsburg hergestellt. 55. Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1531. [Xyl.:] Ordo diuinorū secūdū chorū Herbipole] || (A)[typ.:]Nno domini M.D.XXXj. erit Jndictio iiij. Aureus numerus xij. … || [endet Zeile 124:] Jmpressum Herbipoli per || Balthazarem MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1530] [3] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt und verklebt, 125 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben von acht seiner Ahnenwappen (wie Nr. 21 und Nr. 39). Brod S. 22f. mit Abbildung 3, S. 69; Zinner 1472 b. *Würzburg Mainfr. Museum, Leihgabe ohne Inventarnummer. Verfasser nicht genannt. 1531 56. 56. a. Hess, Jodocus: Oratio de optimi pastoris officio. Oratio de optimi pastoris || officio deq; ouium || prefectura habita. || M.D. XXXj. || Jodoco Hessio || Autore. || [TE] Würzburg: Balthasar Müller 1531 Endet B1v Zeile 27: ¶ Jmpressum Herbipoli per || Balthazarem MFller. || [6] Bl. A4 B2 (B2 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 3, L 2, L 9. Benzing, Müller 9; VD16 H 2737; Pegg, Alsace II, 1650. *Strasbourg Bibl. Saint Guillaume, 16.304/142. Erstdruck. Nachgedruckt 1539 in Erfurt (VD16 B 2551, Bl. f1r–g3v). 56. b. Titel und Satz wie a, aber am Ende ohne Impressum. [Würzburg: Balthasar Müller] 1531 [6] Bl. A4 B2 (B2 leer?) 4°. – Typen: 1 ,3, 4. TE: L 1, L 3, L 2, L 9. VD16, ZV 25267. *Freiburg UB, 35.154 (Bl. B 2 mit Errata auf der Vorderseite gehört zu einem anderen Druck).
57. (Keller, Hans Will): Bockspiel Martini Luthers. [Xyl.:] Bockspiel Mar=||[typ.:]tini Luthers: Darinnen fast || alle St(nde der menschen begriffen/ V] || wie sich ein yeder beklaget/ der yetzt || leuffigen schweren zeyt. Gantz || kůtzrweilig [!] vnd lFstig || ♣ zulesen. ♣ || [2 Holzschnitte: Bock und Widder] || Du stoltzer Wider laß dein pracht/ || Verleurst die schantz/ so wirst veracht || Der Steinbock ist dir starck genůg. || Dein hochmůt wirt er stilln mit fug. || ¶ Gehalten zu R(mmbach vff dē Schloß. || Am XXV Tag Junij. Des || M.D.XXXj. Jarß. || Endet F4v Zeile 10: Außgangen zu Mentz/ bey Peter || Jordan/ Am xv. tag Julij. || M.D.XXXj. || [Holzschnitt:Widder] [Würzburg: Balthasar Müller 1531] [24] Bl. A-F4 8°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Zopf S. 29f. (Druck N) und S. 40 (Abbildung der Titelseite); Rosen 529 (mit Abbildung der Titelseite, verkleinerter Ausschnitt); Benzing, Müller 10; VD16 B 6076. *Nürnberg Scheurl, 548, 55-78. Verbleib des Rosenschen Exemplars unbekannt. Nachdruck. Die erste Zeile des Titels ist ein xylographischer Nachschnitt der Auszeichnungsschrift, die Peter Jordan für die Mainzer Erstausgabe verwendete (VD16, ZV 20425). Die Verfasserfrage ist nach wie vor ungeklärt, die Vorrede (A1v–A2r) mit dem Pseudonym ›Hanns will Keller‹ unterschrieben. 58. Nausea, Friedrich: De praecipuo huius anni 1528 apud Moguntiam terrae motu responsum. Friderici Nausee Blanci=||campiani/ De precipuo huius Anni || post Christum natum. M. D. || XXviij. Apud Moguntiā || terre Motu || Responsnm[!]. || Mathei xxiiij. Marci xiij. Luce xxj. || Et erunt terre motus per loca et fames/ || inicia dolorum. || [TE] Am Ende, 6r Zeile 18: Jmpressum Herbipoli/ per || Balthazarem MFller. || + || [Holzschnitt: L 7] Würzburg: Balthasar Müller [1531] [6] Bl. <2-5>6 (6v leer) 4°. – Typen: 1, 3 ,4. TE: L 9, L 2, L 3, L 8. 1v: Widmungsvorrede an Lorenz Truchseß von Pommersfelden, Domdekan zu Mainz, datiert Mainz 7.2.1528. Schottenloher, Müller 17; VD16 N 261; Pegg, Alsace I 3215 [zu 1528]. *Mainz StB, Mog 296; Strasbourg Bibl. du Grand Séminaire, A 1132; *Würzburg UB, M.ch.q.24 angeb. 2. Nachdruck einer Mainzer Ausgabe von Ivo Schöffer 1531 (VD16 N 198). Zum Erscheinungsjahr vgl. Roth, Schöffer S. 181, Anm. 1. Wieder abgedruckt in Nauseas Libri mirabilium, Köln 1532 (VD16 N 250), S3r– T4r. Eine deutsche Übersetzung erschien 1582 in dem von Johannes Rasch herausgegebenen Werk Von Erdbiden, München 1582 (VD16, ZV 11372), B1r–C3v.
Anhang: Verzeichnis der Drucke 59. Neue Zeitung des Vertrags, so die fünf Orte des alten christlichen Glaubens der Eidgenossenschaft mit denen von Zürich angenommen. [Xyl.:] Newe zeyttung des ||[typ:] vertrags so die Funff orth des alten || Christlichen glaubens =rtter der Eydgnoschafft mit || namen Lucern/ Vri/ Schweytz/ Vnderwalden/ v] Zu=||ge/ mit denen von ZFrch angenomen/ vnd wes zeit || here darselbstumb geschehen vnd gehandelt || worden ⁊c.|| ♣ || Beginnt A2r mit der Überschrift: Außzuge von einem schreiben dem Landtuogt || von seinen Herren zu Zuge zugeschickt. || [Würzburg: Balthasar Müller 1531] [4] Bl. A4 (A1v und A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Hohenemser 1655; VD16 N 758. Frankfurt/M. StUB: Slg. G. Freytag; *Wolfenbüttel HAB, 151.40 Theol.(30). Erster und einziger Druck? Bericht über den Zweiten Kappeler Landfrieden (16.11.1531) und die Ereignisse bis zum 19. November. 60. Schöner, Johannes: Konjektur oder abnehmliche Auslegung über den Kometen. Coniectur oder Abnemliche außlegung Joannis Schöners: vber den Cometen so im Augst monat, des M.D.XXXj jars erschynen ist. Zu ehren einem erbaren Rath vnd gemainer Bürgerschafft der stat Nürmberg außgangen. [Holzschnitt : Komet] Würzburg: Balthasar Müller 1531. ? Bl. 4° Scharold I/3, S. 260 Anm.; Welzenbach, S. 190; Roth, Würzburg S. 83 Anm. 57; Schottenloher, Müller [21]. Kein Exemplar aufgefunden. Nachdruck. Zuerst bei Friedrich Peypus in Nürnberg erschienen (VD16 S 3473), nachgedruckt 1531 auch in Leipzig (VD16 S 3471), Magdeburg (VD16 S 3472) und Zwickau (VD16 S 3474), sowie als Einblattdruck in Dresden (Tamman/Véron, Abb. II.19). 1532 61. Artikelbrief, so das Kriegsvolk zu gegenwärtigem Türkenzug schwören solle. Artickel brieff So || das Kriegßuolck || zu gegēnwertigem || Türckenzug sch=||weren solle. || M.D.XXXij. || [TE] [Würzburg: Balthasar Müller] 1532 [4] Bl. 4 4°. – Typen: 1, 4. TE 1. New Haven Yale UL, Bp5A 532H; *Würzburg UB, Inc.q. 74 angeb. 14.
175 62. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Erlaß an den Klerus. Der Kampf gegen die Türken soll mit Fürbitten, Prozessionen und Glockengeläut unterstützt werden. 3. Juli [15]32. (W)Jr Conrad von Gottes gnaden/ Bischoue zu Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken/ Entbietten allen vnd yden/ vnseren vnd vnsers Stiffts Prelaten Eb=||ten/ Pr=bsten/ Dechanten/ Capiteln/ Prioren/ Conuentn/ Pfarrherren/ Predigern/ vnd allen anderen vnsern gaistlichen/ inn was wurden/ wesen oder standt || die seyen/ vnsern gFnstigen gruß zuuor/ ... [endet Zeile 29:] … Geben vnter vnserm zu ende der schrifft furgedrucktem Secret/ am Mitwochen nach visitationis Marie. Anno ⁊c. XXXij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1532] [1] Bl., einseitig bedruckt, 29 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV, Nr. 42, Bl. 27. 63. 63. a. Wahrhaftige Beschreibung der Kriegshandlung und Rüstung römischer kaiserlicher Majestät und des türkischen Kaisers. Warhafftige beschreibung des Kriegs || handlung vnd rüstung/ R=mischer Kayserlicher Maye||stat/ vnd des TFrckischen Kaysers ⁊c. Was sich in disem XXXij || Jar/ auff Wasser vnd Land zutragen vnd verloffen hat/ wie/ || vnd wann/ welcher orth vnnd endt/ || der Türck/ von Kay=||serlicher May. vnd dē R=mischen Reich/ erlegt/ vnd || in die flucht pracht ⁊c. Sampt der handlung || des Deuren Anndrea Dorea/ Kay. || Maye. =berster Haubtman auff || dem Meer. ⁊c. || Mit verzeychung aller Oberster vnd befelchslewtten/ Keyserlicher vnd || K=nigklicher Mayestat. Auff disem TFrcken zug. || [Holzschnitt: Kaiser und König im Kampf mit zwei Türken] Endet B4r Zeile 30: Johann Haserlberg. || Gerdruckt [!] zu Wirtzburg bey Balthassar || MFller. 9. Nouēbris. Anno. 1532. || Würzburg: Balthasar Müller für Johann Haselberg 1532 [8] Bl. A–B4 (B4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Schottenloher, Müller S. 72 [19]; Benzing, Haselberg 26; VD16 H 709. *Bamberg SB, Misc.q.25/46; *Nürnberg Scheurl, 295, 296–303 [u.] 427, 306–313. 63. b. wie a, aber ohne Nennung des Verlegers Haselberg im Kolophon. Endet B4r Zeile 30: || Gerdruckt [!] zu Wirtzburg bey Balthassar || MFller. 9. Nouēbris. Anno. 1532. || Göllner 456. *Berlin SB, 4° Flugschr. 1532/8.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
64. [Würzburg, Rat:] Bekanntgabe einer vom Bischof erlassenen Armenordnung. (J)R außerwelten in Gott. Nachdem sich bißhere vnter den armen lewtten/ so das Almusenn hie zu Wirtzburg genomen haben/ grosse vnordnunng || zugetragen/ also das vil Junger starcker Manne/ Frawen/ Knaben vnd maydlin dem bettell obgelegen ... || [Würzburg: Balthasar Müller 1532] [1] Bl., einseitig gedruckt, 22 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. Die Bekanntmachung schließt mit der Aufforderung, ein jeder fromme Christ möge, da weitere Hilfe von Nöten sei, »zu disem ehrlichen fFrnemen v] vnderhaltung der armen nottFrff||tigen lewtte/ sein milte handraichung vnd steur thun/ sich in solchem erzaygen/ wie er gern w=lte/ das jme auch beschehe/ wa er in gleichem falle betret=||ten were«. Angeführt bei Rublack S.131 Anm. 19. *Würzburg Stadtarchiv, Ratsakt 1907 1533 65. Brelochs, Anton: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1534. (A)Ls man zalt nach der geburt Christi vnsers erlōsers M.D.XXXiiij. || Aber von der sch=pffung der welt 6733 jare ... [Zeile 13:] Laßzettel Antonij Brelochs der ertzney Doctor vnd stat artzt zů Schwebischen Hall ... || [Würzburg: Balthasar Müller 1533] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert von zwei gewappneten Rittern (wie unten Nr. 68 und Nr. 79). Brod S. 25, S. 69; Benzing, Müller 22. *Nürnberg GNM, HB 14601/1240a. Nur als doppelseitig bedrucktes Fragment erhalten. Die Rückseite ist mit dem Kalender für das Jahr 1535 (siehe unten Nr. 69) bedruckt. 66. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:) Almosenordnung. [Xyl.:] Almůsen OrDnung || [typ:] Zu Wirtzburg. Jm Tausent Funff=||hundert vnd XXXiij. Jare. || Furgenomen. || [Holzschnitt: Wappen des Bischofs] [Würzburg: Balthasar Müller 1533] [8] Bl. A-B4 (B4 leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. Benzing, Müller 11; GermSTC, S. 929; VD16, ZV 16604. London BL, 5305.a.2; *München SB, 4 Dogm. 605 a/8; Wolfenbüttel HAB, 105.2.Quod.(59).
Textabdruck: Scharold, Carl Gottfried: Würzburger Almosen-Ordnung vom Jahre 1533. In: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 5 (1839), S. 136–152. 67. (Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg:) Vereinigung der fünf Kur- und Fürsten Mainz, Trier, Pfalz, Würzburg und Hessen. (V)Eraynigung der Fünnff || Chur vnnd Fursten || Meintz Trier Pfaltz Wirtz||burg vnd || Hessen. || M. D. XXXiij. || ♠ || [TE] Endet a4v Zeile 19: … Geben || vnther vnserem furgetrůckten Secret/ am Sontag nach aller hey||ligen tage [2.11.] / vnd Christi vnnsers lieben Herren geburt/ Funfftzehen=||hundert vnd ime Dreyunddreissigisten. || [Würzburg: Balthasar Müller 1533] [4] Bl. [a4] (a1v und a4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L 1, L 5, L 6, L 4. Benzing, Müller 13; VD16 V 624. *Wolfenbüttel HAB, 108.17 Quod.(24). Erstdruck. Nachdrucke erschienen noch im selben Jahr in Nürnberg (VD16 V 623) und Erfurt (VD16 V 622). 1534 68. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1535. [Almanach n]ach Christi vnsers herrē geburt M.DXXXv. daz drit nach || … derenhalb wurt es Embolismicus genant. Dem Hochwirdigen FFrsten vnnd Herren || … Bischouen zu Wirtztburg v] Hertzogen zu Francken/ zu eheren / durch Casparn Dierbach/ der freyen kunst || [vnd artzney do]ctorn/ seiner FFrstlichen gnaden leyb artzt/ calculiert vnd beschriben … [Zeile151:] … Gedrůckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller.|| Würzburg: Balthasar Müller [1534] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 157 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert zwei gewappneten Rittern (wie Nr. 65 und Nr. 79). Scharold I/3, S. 260. *Würzburg UB, 36/A 50.63-6 (beschädigt). 69. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1535. Ordo Diuinorum secundum chorum Herbipole]. || [Holzschnitt: Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert von Saturn und Mars, Jupiter und Merkur] || (A)Lmanach ad Annū a Christo nato M. D. XXXv qui et embolismicus || eo q; Tredecim Con-
Anhang: Verzeichnis der Drucke iunctiones habet/ adpellatur/ in gratiam et honorem Gratiosissimorum dominorum meorum de Capitulo || maioris ecclesie Herbipolensis/ per Casparem Dirobachium/ Artium et Medicine Doctorem conscriptum … || [Würzburg: Balthasar Müller 1534] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 2°. – Typen 1, 3, 4. An den beiden Längsseiten die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, umgeben je zwei figürlichen Planetensymbolen (links Saturn und Mars, rechts Jupiter und Merkur). Brod S. 25, S. 69; Benzing, Müller 23. *Nürnberg GNM, HB 14601/1240a. Nur als doppelseitig bedrucktes Fragment erhalten. Die Vorderseite ist mit dem Kalender für das Jahr 1534 (oben Nr. 65) bedruckt. 70. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Mobilmachungsbefehl für einen bevorstehenden Einsatz gegen die Täufer. 12. April [15]34. Formular. Conrad von Gottes gnaden/ Bischoue zu || Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken. || (L)Jieber getrewer/ wir finden in glaublichem bericht/ das sich ytzo die leufft allenthalben geschwind vnd beschwerlich zutragen/ vnd sonder=||lich/ das sich an etlichen ortten im heyligen Reich/ Teutscher Nation/ ein mercklich summa vnd hauffen Widertauffer/ vnd anderer b=ser || Secten anhengere/ zusammen thun vnnd rottieren sollen/ ... [endet Zeile 12:] … Datum in vnser stat Wirtzburg/ vff Sontag Quasimodogeniti. Anno ⁊c. jme XXXiiij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1534] [1] Bl., einseitig bedruckt, 12 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *München SB, Einbl. VI, 38 r. 1535 71. Buchner, Berthold: Neue Zeitung. Newe zeyttung: So am tag Petri vnnd || Pauli der heyligen zwelffpotten/ des XXXv. jarß/ Durch || xxv. bFrger vnd burgerß s=ne/ der statt zu Amberg/ die in ai=||nen vngeheuren holen Felß oder bergk/ drey meyl wegs von || Amberg bey einem dorff/ heyst Bredenwindt gelegen/ erfarē || vnd im durchkriechen gesehen/ Durch Bertholdt BFchner/ ainen || mitrayser solcher grausammer farth/ gar kFntlichen seinem || vettern zugeschribē/ Welchs den vnwissendē vnglaub=|| lichen zuh=ren/ v] den erfarnen vnmFglich gnug=|| sam anzuzeygen ist/ Wie hernach zu=||uernemen ist. || [Holzschnitt: Zwei weibliche Halbfiguren mit verbundenen Augen, wie schon in der rechten Hochleiste von Etzlaubs Almanach für 1531, oben Nr. 48]
177 [Würzburg: Balthasar Müller 1535] [4] Bl. A4 (A4 leer) 4°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Weller, Zeitungen 90 [4]; VD16 B 9008. *Jena UB, 4 Bud.Hist.eccl.209b(35); *Würzburg UB, 22 an: 35/A 20.15. Wohl Nachdruck. Weitere Ausgaben: [Augsburg, Steiner] 1535 (VD16 B 9009–9010), [Zwickau, Meyerpeck] 1535 (VD16, ZV 2643), s.l. 1535 (Weller, Zeitungen 90 [3]). Vgl. Claus Zwickau 2, Annotation zu 212. 72. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Ausschreiben betreffend die Gerichtsbarkeit. Überweisung aller geringen Klagesachen an die Amtleute. 17. Juli [15]35. (W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken. Entbietten/ allen vnd yeden vnnsern || vnd vnsers Stiffts vnderthanen vnd verwanthen vnsern grůß vnd gnad zuuor ... [endet Zeile 16:] … Geben vnther vnserm fFrgetrůcktē Secret/ sambßtag nach Margarethe/ || Anno ⁊c. im XXXv. || [Würzburg: Balthasar Müller] 1535 [1] Bl., einseitig bedruckt, 17 Zeilen, 2°-quer. – Type 3. Schottenloher, Müller S. 66 Anm. 1; Benzing, Müller 14. *Bamberg SB, MvO.Bamb.f.19/6,2. 73. Neue Zeitung des Lagers zu Münster. [Xyl.:] Newe zeyttung des || [typ.:] Legers zu Münster Was sich begeben || hatt/ Jnn der Stadt vnd außwendig der Schantzen || vnd Blochhewsern/ seyd Pfingsten/ erbermlich || zuh=ren. M. D. XXXv. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd, wie oben Nr. 51] Endet Bl. 2 Zeile 20: Signatum Walbeck/ Sambstag den Sechß=||vnddzweintzigisten des Brachmonats || Anno M. D. XXXv. || ♣ || [Würzburg: Balthasar Müller 1535] [2] Bl. 2 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD16 N 949. *Würzburg UB, 35/A 20.15 angeb.20. Textabdruck (nach der Nürnberger Ausgabe): Niesert, Joseph: Münsterische Urkundensammlung. Bd. 2. Coesfeld: Wittneven 1827, S. 499–504. Nachdruck. Die Erstausgabe unter dem Titel Neue Zeitung von Münster, aber datiert vom 3. Juni, erschien unfirmiert in Nürnberg bei Friedrich Peypus Nachfolger (Bahlmann S. 146, 16 = VD16 N 948).
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
74. Neue Zeitung, welchermaßen römische kaiserliche Majestät vor Tunis ankommen ist. [Xyl.:] Newe zeyttung || [typ.:] Welcher massen römische Kayserliche || Mayestat/ im jFngstuerschynen monatt Junio/ von || Sardinia anß[!]/ gehen Aphricam geschifft/ vor || Thůnis ankōmen/ auch wes jr Mayestat || daselbst von dem Barbarossa vnnd || TFrcken begeget ist. jm XXXv. || [Holzschnitt: Kaiser und König im Kampf mit zwei Türken, wie oben Nr. 63] [Würzburg: Balthasar Müller 1535] [2] Bl. [a2] (a2v leer) 4°. – Typen: 1, 3.
Bahlmann S.156, 9; Hillerbrand 570; VD16, ZV 21825. *Weimar HAAB, Aut.IX(26); Münster ULB, 1E 7568. Ob Erstdruck? Eine andere Ausgabe unter diesem Titel, aber ohne die letzten Zeilen erschien unfirmiert bei Wolfgang Stürmer in Erfurt (VD16, ZV 11221). Sie fehlt bei Bahlmann und Hillerbrand. Das von Vogler (Das Täuferreich Nr. 14 mit Abbildung der Titelseite) benutzte Exemplar repräsentiert nicht den mit Bahlmann 9 übereinstimmenden Würzburger, sondern diesen Erfurter Druck.
VD16 N 1026. *Wolfenbüttel HAB, 108.17 Quod.(15).
Ausgaben unter dem Titel Des münsterischen Königsreichs und Wiedertaufs An- und Abgang aus Frankfurt am Main (VD16 M 6734) und Nürnberg (VD16 M 6733, M 6735) sind Nachdrucke. Auch Ihnen fehlt am Ende der Hinweis auf einen Gewährsmann namens Fritz Beck.
Erster und einziger Druck? 1536 75. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Fischerordnung. 7. April [15]36. (W)Jr Conrad von Gottes gnaden Bischoue zu Wirtzburg vnd Hertzog zu Francken. Thun kunth allermeniglichen. Nachdem vns durch || vnsere vnd ander Fischer/ ann vnd auff dem Mayn wonendt/ manigfaltiglichen angelangt/ Welcher massen/ der Maynfluß/ der dan ein || Fischreich wasser gewessen ist/ durch mancherley Fischzeug/ die darauff gepraucht worden/ fast ver=det ... [endet Zeile 25:] … Geben vndter vnserm zu endt auffgetrucktē Secret/ am Freytag nach Judica. Anno ⁊c. XXXvj. || [Würzburg: Balthasar Müller 1536] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°-quer. – Type 4. *Würzburg Stadtarchiv, Ratsakt 1202. 76. Wahrhaftige Geschichte, welchermaßen der gottlosen, unchristlichen und wüterischen Sekte der Wiedertäufer vermeint aufgeworfen König zu Münster gerichtet worden. Warhafftige geschicht. welher massen || der Gotlosen vnchristlichen v] wFterischen sect der Wider||tauffer vermaint aufgeworffen K=nig/ sampt sein zweyen || =bersten Propheten/ vff Sambstag nach Sebastiani/ des || XXXvj. Jarß zu Můnster/ vom lebenn zum todt gericht || worden/ vnd wie sie verstorben sindt. || [Holzschnitt: Lambertiturmspitze mit den drei Käfigen, in denen die Hingerichteten ausgestellt wurden] Endet 4v Zeile 4: … M.D.XXXvj. || Durch anzeygung/ Fritz Becken vonn Betteldorff/ || welcher zu der zeyt in aygener person zu Můnster ge=||west/ vnd solchs erfaren vnd gesehen hat. || [Holzschnitt mit allegorischer Darstellung, die sich auf den fiktiven (?) Gewährsmann bezieht.] [Würzburg: Balthasar Müller 1536] [4] Bl. [44] 4°. – Typen: 1, 3, 4.
1537 77. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg: Mitteilung des inserierten päpstlichen Breves vom 10. September 1536, das den Klerus zum Konzil nach Mantua einlädt. 27. Februar [15]37. Formular. (C)Onradus Dei gratia Epūs Herbipole]/ ac Francie Orientalis Dux. || salutem in d]o. Noueritis nos nuper a sanctissimo in Christo Patre et d]o nostro/ d]o Paulo Sancte || Romane ac vniuersalis ecclesie pontifice summo d]o nostro clementissimo/ Breue quoddam recipisse apostolicum … [endet Zeile 20:] … Datum in ciuitate nostra Hebipoli penultima Februarij. Anno ⁊c. XXXXvij. || [Würzburg: Balthasar Müller 1537] [1] Bl., einseitig bedruckt, 20 Zeilen, 2°-quer. – Typen: 3, 4. Drugulin 82; Benzing, Müller 15; Freudenberger S. 23f. mit Anm. 26. *Würzburg Staatsarchiv, Geistliche Sachen 1233. 78. Paul III., Papst: Bulla indictionis sacrosancti generalis concilii. S. D. N. D. Pauli || diuina prouidentia.|| pp. iij. || Bulla.|| Jndictionis Sacrosancti || Generalis Concilij. || [Holzschnitt: Päpstliches Wappen] [TE] [Würzburg: Balthasar Müller 1537] [4] Bl. 4 (4v leer). 4°. – Typen: 1, 3, 4. TE: L1, L6, L7, L4. 1v-3r: Text der Konzilsbulle mit der Unterschrift der Kardinäle. 4r: Römisches Publikationsprotokoll. VD 16, ZV 25584. *München UB, 4° H.eccl. 2198:1a; *Würzburg Staatsarchiv, Geistliche Sachen 1233.
Anhang: Verzeichnis der Drucke Bisher unbekannter Nachdruck, der zusammen mit dem bischöflichen Mandat (Nr. 77) an den Klerus des Bistums verschickt wurde. Im deutschen Sprachraum erschienen lateinische Ausgaben in Freising (mit Publikationsmandat des dortigen Bischofs VD16 K 392), Nürnberg (VD16 K 389), Köln (VD16, ZV 8873) und Regensburg (VD16 K 390, mit Publikationsmandat K 391), Ausgaben in deutscher Übersetzung in Augsburg (VD16 K 395), Breslau (VD16, ZV 8870), Dresden (VD16, ZV 8871), Erfurt (VD16 K 396), Nürnberg (VD16 K 397) und Wittenberg (VD16 K 393–394). 1538 79. Brelochs, Anton: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1539. (A)Ls man zalt nach der geburt Christi vnsers erlösers. M.D.XXXViiij. || Aber von der sch=pffung der Welt. 6738. jare.Suntag buchstab. E. Die GFlden zal j. Sunnen cickel viij. [Zeile 12:] Laßzettel Antonij Brelochs der (rtzney Doctor vnd Statartzt zu Schwebischen Hall/ … [Zeile 152, rechte Spalte neben dem Aderlaßmann:] Gedrůckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1538] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 156 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. An den beiden Längsseiten und am unteren Rand die Wappen der Domherren. Über dem Text in der Kopfleiste das Wappen Bischof Konrads von Thüngen, flankiert von zwei gewappneten Rittern (wie oben Nr. 65 und Nr. 68). Scharold I/3, S. 260; Brod S. 69; Zinner 1709 a; Benzing, Müller 16. *Würzburg UB, 36/A 50.63-7.
179 *Würzburg UB, 36/A 50.63-8 (unteres Blatt beschädigt). 1541 81. 81. a.Von römischer kaiserlicher Majestät Caroli V. ehrlich Einreiten in des heiligen Reichs Stadt Nürnberg. (V)Onn Römischer Kayserli=||cher Mayestat Caroli V. || Ehrlich einreitten in des Hey=||ligen Reichs Stat Nürm=||berg den xvj. Februarij. || Anno M.D.XXXxj. || [Holzschnitt: Ritter, zum Turnier gerüstet, auf Pferd, wie oben Nr. 51] Endet B2r Zeile 21: Getruckt zu Wirtzburg durch || Balthassar MFller. || ♣ || Würzburg: Balthasar Müller [1541] [6] Bl. A4 B 2 (A1v und B2v leer) 4°. – Typen: 1, 4. Wie b, aber Bogen A mit anderem Satz im Widerdruck. A 2r Zeile 1 endet: widerumb inn ||. Welzenbach, S. 191; Schottenloher, Müller [20]; GermSTC, S. 195; VD16 V 2726; Pegg, B/NL 535; Pegg, Alsace I, 173. *Augsburg SSt, 4 Gs Flugschr. 159; *Berlin SB, 8° Flugschr. 1541/3; Colmar BVille, V.11814; Gent UL; London BL, 9930.d.34; *München SB, Res/4 Eur. 412,36; *Wolfenbüttel HAB, 190.7 Quod.(27). 81. b. Wie a, aber Bogen A mit anderem Satz im Widerdruck. A 2r Zeile 1 endet: widerumb in hoch Teu || *Wolfenbüttel HAB, 140.15 Quod.(10); *Bamberg SB, JH.Inc.typ.IV.228; *Budapest NB, Ant. 3496. Erster und einziger Druck? 1542
1539 80. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1540. (A)Lmanach nach Christi vnsers lieben Herren vnd Erl=sers geburt. M.D.XXXX. ein schaltjare/ vnd || hat xiij. new monschein/ derhalben wirts Embolismicus genant. Dem Hochwirdigen FFrsten vnd Herren/ hern Con||raden Bischoffen zu Wirtzburg vnd Hertzogen zu Francken/ zu lob vnd ehren/ durch Casparem Dierbach/ der freyē || kunst vnd artzney Doctorem/ jrer Fůrstlichen gnaden leyb artz gestellet. … || [Würzburg: Balthasar Müller 1539] [2] Bl., einseitig in Rotschwarzdruck und mehrspaltig gedruckt, 155 Zeilen, 2°. – Typen: 1, 2, 3, 4. Scharold I/3, S. 261; Brod S. 69.
82. Dierbach, Kaspar: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels für das Jahr 1543. [Xyl.:] ORDO DIVINORVM || [Holzschnitte: Wappen des Propstes, des Bischofs und des Dekans] || (R) [typ.:]euerendissimo Jn Christo Patri ac domino d]o Chunrado Electo et Confirmato Wirtzburgensi || Episcopo Jllustrissimoque Oriētalis Francie duci Principi suo Clementissimo/ Caspar Dierbach Medicine doctor di=||arium suū et consecrat et cōmendat / Anno A Christo saluatore Nato M D XXXXiij … || [Gegen Ende unter den Zeichen von Sonne und Mond:] Jmpressum Herbipoli || per Balthazarem MFller. || Würzburg: Balthasar Müller [1542] ? Bl., einseitig in Rotschwarzdruck gedruckt, 2°. – Typen: 3, 4.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
*Würzburg Mainfränkisches Museum, Graphische Sammlung Inventarnr. S. 47383 (Fragment aus 2 Stücken). 83. 83. a. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Gemeines Ausschreiben an seiner F. G. Prälaten, Geistlichkeit und Landschaft von wegen der beharrlichen Türkenhilfe. (D)ES. Hochwirdigen/ furstenn vnd hern || hernn Conraden Erwelten vū[!] bestettig=||ten zu bischoff zu wirczburg v] herczo=||gē zu Franckē/ gemains ausschreiben || an seiner/ F. G. prelatē geistlickait || vnd landschafft vou[!] wegen. || Der beharrlichē Turckenhilf vff dem/ Reichstag || Zu Speir beschloßen vud[!] zugesagtt in dem Jar. || M. D. XLij || Endet a4v Zeile17: … Geben/ Jnn vnnser/ stat/ Wirczburg/ vnter vn=||serm zu/ end der schrift furgetrucktē Secret/ vff/ samstag nach || Misericordia/ domini/ [29. 4.] vnd christi/ vnsers Lieben hern gepurt || funffczehēhundert vnd/ Jm zweivnduirczigsten Jarenn ♣ || Gedruck zu Wirczburg durch || Melchior boppen. || Würzburg: Melchior Bopp 1542 [4] Bl. [a4] (a1v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. VD 16 W4550. *Würzburg UB, Inc.q. 39 angeb. 81. b. Satz wie a, aber ohne Kolophon. *Würzburg Staatsarchiv, M.S.f 506. Erstdruck? Auch in Nürnberg gedruckt von Johann Petreius (VD16 W 4549). 1544 84. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Steuerforderung. Die auf dem Speyerer Reichstag bewilligte Reichshilfe gegen Türken und Frankreich muss in Anbetracht der Verschuldung des Hochstifts von den Untertanen aufgebracht und der veranschlagte Betrag zum 24. August in Würzburg abgeliefert werden. 28. Juni [15]44. Formular. Wir Conrad von Gots Gnaden Erwelther vnd || bestettigter zu Bischoff zu Wirczburg vnnd Herczog zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Liebe getrwe/ … [endet Zeile 26:] Datum in vnser stat Wirtzburg Am Freytag nach Johannis Baptiste. Anno ⁊c. 44. ♣. || [Würzburg: Melchior Bopp 1544] [1] Bl., einseitig bedruckt, 26 Zeilen, 2°-quer. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 929. *London BL, C.55.k.2(7).
85. Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg: Bekanntgabe des Mandats, mit dem Kaiser Karl V. den Untertanen bei Androhung von Strafe verbietet, in französische Kriegsdienste zu treten. 1. Juli [15]44. Formular. (W)ir Conrad von Gots Gnaden Erwelther vnd bestettigter zu Bischoff zu Wirczburg vnd Herczog zu Francken. Entpietten allen vnd Jeden vnsern Amptleuten || Vogten/ Kellern/ Schultheissen/ Burgermeistern/ Rethen gerichten/ Dorffmeistern/ vnd andern vnsern vndterthanen vnd verwanthē. vnsern grus zuuor/ … [endet Zeile 44:] … Geben vnder vnserm zu ende der schrifft furgetruckten. || Secret am dinstag nach Petrj vnd Paulij. Anno ⁊c 44. || [Würzburg: Melchior Bopp 1544] [1] Bl., einseitig bedruckt, 45 Zeilen, 2°-quer. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S.929. *London BL, C.55.k.2(8). 1545 86. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben mit Mobilmachungsbefehl. 19. Juni [15]45. Melchior von Gots gnaden Erwelter vnd bestettigter zu || Bischoue zu Wirtzburg/ vnd Hertzog zu Francken. || (V)nsern grus zuuor Lieber getrewer/ Vorschienē tagē habē wir dir thun schrey=||ben vnnd anzaigen/ wie sich die leufft allenthalben geschwinde ereugten … [endet Zeile 15:] Datum am Freitag nach Viti. Anno ⁊c. XLv. || [Würzburg: Melchior Bopp 1545] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 4°-quer. – Typen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 87. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an die Städte mit der Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit. 1. Oktober [15]45. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Ersamen Lieben getreuen/ Nachdem wir vor augen sehennn die || leufft so sich/ allenthalben Ytzt erzeugen/ vnnd diser zeit etwas sorgfeltig anlassen/ || … [endet Zeile 14:] … Datum Jn vnnser Stat Wirtzburg am || Donerstag nach Michaelis. Anno ⁊c. XLv. || [Würzburg: Melchior Bopp 1545] [1] Bl., einseitig bedruckt, 15 Zeilen, 4°-quer. – Typen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b.
Anhang: Verzeichnis der Drucke 1546 88. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben mit Warnung vor Mordbrennern und fremden Personen, die durch das Stiftsgebiet zum Reichstag nach Regensburg unterwegs sind. 17. Mai [15]46. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grus zuuor Liebe getrewe/ Vns hat itzo angelanget/ wie sich abermals etliche b=se verwe=||gene buben vndterstehn sollen/ hin vnd wider Jnn den landen feur einnzulegen/ die armen leuth || Jemerlich mordtprennen/ vnd beschedigen/ … [endet Zeile 34:] … Datum Jnn vnnser Stat Wirtzburg/ am || Montag nach Jubilate. Anno ⁊c. XLvj. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 20 Zeilen, endet Zeile 17: … Datum vt in literis. || Vnnd ist dis der obgemelten new bestelten mordbrenner || zaichen/ welches wir dir vnangezaigt nit lassen wollenn || desto statlicher nach inen wissen zutrachten. || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 89. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg (dessen Statthalter und Räte): Ausschreiben betreffend die Getreidebevorratung und den Getreideverkauf. 19. Juni [15]46. (V)nser freuntschafft freuntlich diēst v] grus zuuor/ Lieber besōder schwager freūd/ vnd beson=||der/ Wiewol des nechstuerschinē 1545 Jars die erēd vō den gnadē Gotes ain gut zimlich || v] notturfftig getraid gebē/ … [endet Zeile 31:] … Datum Wirtzburg am || Sambstag nach dem heiligen Pfingstag. Anno ⁊c. 46. || Vnsers gnedigen herrn von Wirtzburgs ⁊c || Stathalter vnd Rethe doselbst. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 34 Zeilen, 2°. – Type 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 90. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ladung der Grafen, Herren und Ritterschaft auf einen Landtag, der am 9. Juli in Würzburg abgehalten werden soll. 26. Juni [15]46. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nseren freuntlich grues zu uor/ freund vnd Lieber getreuer/ Jr tragt on || zweifel gut wissen/ wie sich die leufft ain zeitlang here etwas beschwerlich seltzam vnd sorglich || angelassen haben/ … [endet Zeile 34:] … Datum Jn vnser || Stat Wirtzburg am Sambstag nach vnsers heren Fronleichnams tag. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4.
181 *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 91. 91. a. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben mit Mobilmachungsbefehl und Aufforderung zu erhöhter Wachsamkeit. 29. Juni [15]46. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || ieber getreuer/ Vns hat itzund von mer dan ainem ort glaublich angelangt || wie etwan vil vnd grosse gewerbe zu roß vnd fueß/ hin vnd wider in deutscher Nation sein/ … [endet Zeile 34:] … Datum in vnser || Stat Wirtzburg am dinstag Petri vnd Pauli. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig gedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(16). 91. b. Satz wie a, aber Zeile 3: (V)nsern grues zuuor Lieber getreuer/ Vns hat itzūd von mer dan ainem ort glaublich angelāgt || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 92. 92. a.Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben, wonach sich der Mobilmachungsbefehl auch an die Klöster des Hochstifts und deren Hintersassen richtet. Dem durchziehenden Kriegsvolk soll, um Übergriffe zu vermeiden, zu niedrigem Preis Brot angeboten werden. 30. Juni [15]46. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken.|| (V)nsern grus zuuor wirdiger Lieber andechtiger/ Aus was vrsachen wir itzūd in vnd alle || iede vnser ambte ausgeschriben haben/ werdt ir ab inligender copien vernemē …[Zeile 13:] … Datum in vnser stat Wirtzburg am Mittwochen nach || Petri vnd Pauli. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 14 Zeilen, 4°-quer. – Typen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 9 Zeilen, endet Zeile 9: … Datum vt in literis. || *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 92. b. Satz wie a, aber Zeile 3: (V)nsern grus zuuor wirdige Liebe andechtige/ Aus was vrsachen wir itzund in vnd alle || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(17). 93.
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
93. a.Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an die Prälaten (und Prälatinnen) des Hochstifts mit der Aufforderung, die Privilegienbriefe und Kleinodien ihrer Klöster vor dem heranziehenden Kriegsvolk in Sicherheit zu bringen. 10. Juli [15]46. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grues zuuor wirdiger Lieber Andechtiger/ Nach dem man allenthallben offentlich || dauon redet/ das ein mercklich gros kriegs volck zu Roß v] Fuessen gewordē sei/ … [endet Zeile 25:] … Datum Jn vnser Stat Wirtzburg vff Sambstag nach Kiliani. A]o ⁊c 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 93. b. Satz wie a, nur Zeile 3: (V)nnsern grues zuuor wirdige Liebe Andechtige/ Nach dem man allenthallben offentlich || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(18). 94. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an alle, die zu militärischem Zuzug verpflichtet sind. Sie haben sich mit Knechten und Pferden bis zum 19. Juli am angegebenen Ort einzufinden. 12. Juli [15]46. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grus zuuor Lieber getreuer/ Wir haben dir am Sambstag nach vnsers heren Fron=||leichnās tag nechstuerschinē [26.6.] schrifftlich zuerkennen geben was mercklicher groser gewerbe || vffgebot vnd kriegsrustung zu roß vnd fueß an vil orten Teutscher nation/ vor handē vnd || vff den bainen weren … [endet Zeile 30:] … Datum Jn vnser || Stat Wirtzburg am Montag nach Kiliani/ den 12. July. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 31 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. Nebst Zusatzblatt, 9 Zeilen, endet Zeile 9: Datum vt in Literis. || GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(19); *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 95. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben mit erneuertem Mobilmachungsbefehl. 19. Juli [15]46. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nsern grus zuuor/ Lieber getreuer/ Nachdem sich die lauffe/ wie du selbs gut wissen tregst || Je lenger Je beschwerlicher
vnnd sorglicher anlassen/ … [endet Zeile 23:] … Datū Jn vnser Stat Wirtzburg am Montag nach der hai=||ligen Apostel thailung. Anno ⁊c. 46. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 24 Zeilen, 2°. – Typen 3, 4. *Würzburg Staatsarchiv, G-Akten 9930 b. 96. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben (an die Amtleute). Sie sollen sich baldigst mit Knechten und Pferden am angegebenen Ort einfinden. [25. November 1546]. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnseren grues zuuor Lieber getreuer/ Dir ist one zweifel gut wissenn/ was mercklicher || grosser KriegsrFstung vnd entb=rung sich vergangen Somers Jm reich Teutscher || Nation gleich vnuersehenlich zugetragē haben / … [endet Zeile 34:] … W=llen vns aber versehen || du dich hier Jnnen vnuerweislich halten vnd erzaigen werdest/ Datum Jn vnnser || Stat Wirtzburg || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 36 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(28). Darüber handschriftlich: »Derhalben schrib mein g. herr von Wirtzburg vff Donnerstag Catharine [25.11.] an seiner f. g. amptlewt wie hernach volgt.« Am Ende handschriftlich ergänzt: »vff donnerstag am tag Catharine Anno. 46«. 97. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben (an die Lehensleute). Sie sollen sich baldigst mit Knechten und Pferden am angegebenen Ort einfinden. [25. November 1546]. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnseren grues zuuor Lieber getreuer/ Dir ist one zweifel gut wissen/ was mercklicher || grosser KriegsrFstung vnd entb=rung sich vergangen Somers Jm reich Teutscher || Nation gleich vnuersehenlich zugetragē haben/ … [endet Zeile 31] … das soll dir zu gnaden ver=||merckt/ vnnd in keinen vergeß gestelt werden. Datum Jn vnnser Stat Wirtzburg || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(28). Darüber handschriftlich: »Desgleichen auch an die lehenlewt wie hernach volgt«. Ab Zeile 28 anderer Satz als im vorigen Ausschreiben.
Anhang: Verzeichnis der Drucke 98. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ladung auf einen Landtag, der [im Januar 1547] in Würzburg abgehalten werden soll. [28. Dezember 1546]. Formular. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || ieber getreur/ du tregst on zweiuel gut wissen/ was vnuersehē=||licher/ mercklicher vnd besorglicher gewerbe/ vnd Kriegsrustung/ sich verschinnen || Somers zugetragen haben … [endet Zeile 27:] … Datum jn vnnser Stat || Wirtzburg am || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 4° – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(31). Am Ende handschriftlich ergänzt: »dinstag nach christi heiligem christtag 47«. 99. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an die Klöster und Stifte. Ihre Vorsteher oder deren Vertreter werden auf den 10. Januar1547 in das Kapitelhaus des Domstifts nach Würzburg geladen. 28. Dezember 1546. Formular. Melchior dei gratia Episcopus Herbipoleñ || et Frantiae Orientalis Dux. || Salutem in domino sempiternam. Non dubitamus esse cognitum/ estate || proxime preterita/ varios exercitus ac militum copias Episcopatum ac Ducatum nr^ || Francie Orientalis/ non sine nostro ac subditoru^ nostrorum ecclesiasticorum et secu=||larium periculo/ iactura ac damno non modico peragrasse … [endet Zeile 34:] … Datum in Ciuitate nostra Herbipoli die Jnnocentium [!] Anno a natiuitate d]i || Millesimo quingentesimo quadragesimo septimo. || [Würzburg: Melchior Bopp 1546] [1] Bl., einseitig bedruckt, 35 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(30); *Meiningen Staatsarchiv, GHA IV Nr. 42, Bl. 28. 1547 100. Luther, Martin: Ratschlag, ob das Wort Gottes mit dem Schwert möge verfochten werden. Rathschlag durch D. || Martinum Luther gemacht/ Ob das || wort Gottes mit dem Schwert || m=ge verfochten werden/ || oder nit? || M. D. xlv j. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547?] [4] Bl. a4 (a4v leer) 4°. – Typen: 5, 6, 7. Benzing/Claus **2978a; VD16 L 5773. *London BL, C. 55. k. 2 (26); *München SB, H.ref. 754 q; Münster ULB, Coll. Erh, 251; Nürnberg GMN, 8°Rl. 2213.
183 Nachdruck eines Lutherbriefes vom 6. März 1530 an Kurfürst Johann von Sachsen. Der Erstausgabe, die Wolfgang Stöckel 1531 in Dresden druckte, folgten während des Schmalkaldischen Krieges weitere Nachdrucke in Berlin, Dresden, Hannover und Leipzig (Benzing/Claus 2973–2978). Der Würzburger Druck gehört, wie die handschriftliche Ergänzung des Erscheinungsjahres auf dem Titel des Münchener Exemplars nahelegt, eher in das Jahr 1547. Dafür sprechen auch die erst seit 1547 verwendeten neuen Typen. 101. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Erlass mit Ausführungsbestimmungen für die Erhebung der auf dem Landtag bewilligten Steuer durch Untereinnehmer. 12. Januar 1547. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zu || Wirtzburg vnd Hertzog Zu Francken. || (V)nnsern grues zuuor/ Liebe getrewe. Vnns haben itzund vff disem gehalten Landtag || vnsere vnd vnsers Stiffts angeh=rige vnterthane vnnd verwante/ aus beweglichen/ || ansehenlichen vrsachen/ ain gemaine Landsteuer von allen vnd jeden jren haben vnd || guetern ligend/ varend … [endet Zeile 31:] … Datum jn vnnser Stat Wirtzburg am Mitwochen nach der || heiligen trei K=nig tag. Anno ⁊c. 47. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 32 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(33). 102. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Wie die Landsteuer gegeben und eingebracht werden soll. Wie die Landsteuer gegeben vnd || eingepracht werden solle. || (D)ie bewilligt Landsteuer/ soll gegeben werden/ von Silbergeschirr/ Barschafft/ Zehenden/ Zinsen/ Gulten/ || Schulden/ Wein/ Getraid/ grobem vihe … [endet Zeile 32–38 mit einer Umrechnungstabelle für verschiedene Währungen] [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 38 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(35); *Würzburg Staatsarchiv, Historischer Saal VII, 16, Nr. 244. 103. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Ausschreiben an die geistlichen Stände wegen ihrer Veranlagung zu der auf dem Landtag im Januar 1547 bewilligten Steuer. 15. Januar 1547. Melchior dei gratia Episcopus Herbipole] || Francieq; orientalis Dux. || Cum nuper in conuentu cleri nostri nobis subiecti per nos vocati/ in Ciuitate || nostra Herbipole] celebrato de modo ac forma taxe subsidij vrgente necessitate || ac alijs ex causis coram auditis
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
laciusqz expressis ac certificatis/ nobis prestādi || vos per speciales literas ac nunctios certiores reddere promiserim9 Eam ipsam || taxam presentibus vobis transmittim9 Non dubitantes vos in prestando hu=||iusmodi subsidio fore obsequētissimos Quod nos e diuerso affectu materno ac || gracioso erga vos recognoscere non omittemus Datum in ciuitate nostra || Herbipole] die decima quinta Januarij. Anno a natiuitate d] Millesimo || quingentesimo quadragesimo septimo. || Guilielmus Ruswurm || Fiscalis sszt. || [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 13 Zeilen, 4°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(32). 104. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Veranlagung des Klerus zur Landsteuer. Der Hochwirdig Furst vnd her/ vnser gnediger her von Wirtzburg ⁊c. || hat sich mit sampt ainem Erwirdigen domcapitel entschlossen/ || nachuolgende collect vnd Anlag/ von Jres || Stiffts Geistlickait zůnemen. || Zum ersten …|| [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 48 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(34). 105. Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg: Mobilmachungsbefehl aufgrund der Befürchtung, dass der Landgraf von Hessen mit seinem Heer von Schmalkalden aus in das Hochstift einfallen werde. 21. Mai [15]47. Melchior von Gots gnaden Bischoue Zů || Wirtzburg vnd Hertzog Zů Francken. || (V)nnsern grůs zuuor/ Lieber getrewer/ Du hast aus nechstem an dich gethonen vn=||serm schreiben verno^en/ jn was gefahr vnd sorgen wir vnd vnser Stifft zeither || gestandenn/ von wegen der mercklichen kriegßFbung/ die sich allenthalben vmb || vnsern Stifft eraigt hat/ … [endet Zeile 24:] … Datū || jn vnser Stat Wirtzburg am Sambstag nach ascensionis domini/ Anno ⁊c. || XLvij.|| [Würzburg: Melchior Bopp 1547] [1] Bl., einseitig bedruckt, 25 Zeilen, 2°. – Typen: 3, 4. GermSTC, S. 930. *London BL, C.55.k.2(37n). 106. Neue Zeitung, wie und welchermaß des gewesen Kurfürsten zu Sachsen Gemahl der Röm. Kai. Ma. vor Wittenberg zu Fuß gefallen. [Xyl.:] Newe zeyttung || (W) [typ.:]ie vnnd welcher maß || des gewesen ChurfFrstē zu Sach||sen gemahel der R=m. Kai. Ma. || vor Wittenberg Zů FFß || gefallen vnnd an=||dere meher. || Anno. M. D. XLvij. ||
[Würzburg: Melchior Bopp] 1547 [4] Bl. A4 (A1v und A4v leer) 4°. – Typen: 1, 3, 4. GermSTC, S. 813; VD16, ZV 5784. *Heidelberg UB, B 1868-10 RES; *London BL, C. 55. K. 2 (40) (defekt). Erster und einziger Druck. Für die erste Zeile (xylographisch) wurde der Teil eines Stockes verwendet, den Müller bereits 1535 in Gebrauch hatte (oben Nr. 73). 107. Ein schön neu gemacht Lied zu Lob und Ehr von Gott aufgesetzter Obrigkeit. (E)Jn Sch=n new || gemacht Lied/ zu Lob vnnd || Eer von Gott auff gesetzter Obrigkeit: || Von jetz schwebenden auffrFri=||schen geschwinden Practicken || v] kriegßleuffen. Jm thon/ || Auß tieffer noth. || Ain jetzlicher der sich erh=cht/ wFrd ernidert/ vnd der || sich ernidert/ wFrdt erh=cht. Mat. xxiij. Luc. xiiij || Der knecht nit vber sein Herren ist. Johan. xiij. || Der vngerecht kan im krieg nit glFck habē. Eccle. viij. || Wer verhart biß ans end/ der wFrt selig. Mat. xxiiij || M. D. xlvij. || [Würzburg: Melchior Bopp] 1547 [8] Bl. a–b4 (a1v und b4 leer) 4°. – Typen: 5, 6, 7. Liliencron IV, 583(C); Hohenemser 4391; VD16 S 3581. *Berlin SB, Ye 3435, Frankfurt/M. StUB: Slg. G. Freytag. Textedition: Liliencron IV, 583 (nach A = VD16 S 5385); Kohler, Quellen 91, S. 344–355. 50 siebenzeilige Strophen, die ersten 30 mit dem Akrostichon ›Carolus der funft romischer Kaiser‹. Die erste Strophe beginnt: Clar, hell und lauter ist am Tag. Wohl Nachdruck. Bisher sind sieben durchweg unfirmierte Drucke bekannt geworden. Vier Drucke besorgte Heinrich Steiner in Augsburg (Liliencron, A, B, D = VD16 S 3583, 3585, ZV 14077 sowie S 3584), einen weiteren in Leipzig Valentin Bapst (Liliencron C = VD16, ZV 14078). In einem Augsburger Druck von Narziss Ramminger (VD16 S 3582) wurde die Schlussstrophe geändert und auf der letzten bedruckten Seite ein Spruch hinzugefügt, der sich gegen Philipp von Hessen richtet (O Landgraf, du edels Blut).
Literatur zur Bibliographie
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
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Fabri, Johannes 157, 164 Friedrich Peypus Nachfolger 177 Friedrich, Graf von Fürstenberg 160 Fries, Lorenz 155, 161 Frundsberg, Georg von 155 Georg, Herzog von Sachsen 158, 165, 168 Gerhard von Schwarzenberg, Bischof von Würzburg 160 Grimaldi, Giambattista 171 Gutknecht, Jobst 154, 173 Haselberg, Johann 160, 175 Heinick, Wolff 162 Hergot, Hans 162 Hess, Jodocus 158, 165, 174 Höltzel, Hieronymus 162 Ibrahim Pasha, Großwesir des Osmanischen Reiches 172 Joachim von Brandenburg, Kurfürst 158 Johann von Sachsen, Kurfürst 183f. Johannes, Eck 166 Jordan, Peter 174 Kanz, Gabriel 162 Karl V., röm.-dt. Kaiser 160f., 167, 169, 173, 180 Keller, Hans Will 174 Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg 180 Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg 158–160, 163, 165f., 168–171, 174–178 Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg 170
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Gisela Möncke: Zum Würzburger Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Lobmeyer, Johann 153–155, 162, 166, 173 Lorenz von Bibra, Bischof von Würzburg 153, 155 Luther, Martin 157f., 165, 172, 174, 183 Maler, Matthes 162, 167 Marius, Augustinus, Weihbischof von Würzburg 158 Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg 180–184 Mentelin, Georg 158 Meyerpeck, Wolfgang 162, 177 Monogrammist H. 162 Müller, Balthasar 153f., 156–163, 165–179 Mylius, Hans 161 Nausea, Friedrich 174 Nolt, Anastasius 170 Osiander, Andreas 156f. Otmar, Silvan 174 Paul III., Papst 178 Petreius, Johann 180 Peypus, Friedrich 173, 175 Philipp, Landgraf von Hessen 168, 184 Pommersfelden, Lorenz Truchseß von 174 Ramminger, Narziss 184 Rasch, Johannes 174 Reyser, Georg 153, 159 Rhau, Georg 173 Rhode, Franz 155, 170 Rödinger, Christian d. Ä. 162
Rüdem, Henning 162 Rudolf von Scherenberg, Bischof von Würzburg 159 Sam, Konrad 166 Schatzgeyer, Kaspar 156f. Schöffer, Ivo 174 Schöffer, Johann 167, 170 Schöffer, Peter d. J. 163 Schöner, Johannes 175 Schottenloher, Karl 156, 161 Schubart, Martin 153f. Schwarzenberg, Johann von 157 Sibylle von Cleve, Kurfürstin von Sachsen 161 Staiber, Lorenz 172 Steiner, Heinrich 177, 184 Stöckel, Wolfgang 168, 183 Stuchs, Johann 173 Sturm, Kaspar 173 Stürmer, Wolfgang 178 Süleimann (II.) der Prächtige, Sultan 166 Sumau, Hieronymus Schenck von 153 Ulhart, Philipp 173 Van der Vorst, Peter 160 Weigel, Bernhard 154 Weinreich, Hans 173 Weißenburger, Johann 154 Weißenhorn, Alexander 172
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VOLKER R. REMMERT / UTE SCHNEIDER
Wissenschaftliches Publizieren in der ökonomischen Krise der Weimarer Republik – Das Fallbeispiel Mathematik in den Verlagen B. G. Teubner, Julius Springer und Walter de Gruyter »Es gehört zu den Grundsätzen meiner Firma, keine Subventionen anzunehmen. Ich kann mit einem gewissen Stolz feststellen, dass ich als einziger deutscher wissenschaftlicher Verleger niemals Gelder von der Notgemeinschaft in Empfang genommen habe«1, schrieb Ferdinand Springer (1881–1965) auf die Weimarer Republik rückblickend im Jahr 1949. Diese selbstbewusste Feststellung eines wissenschaftlichen Verlegers bedarf noch der Verifizierung, aber sie ist Ausdruck eines typisch deutschen verlegerischen Selbstbildes, dessen Rollenideal auf der selbstlosen, nicht profitorientierten Dienstleistungsfunktion im wissenschaftlichen Kommunikationsprozess beruhte. Tatsächlich leistet ein Verlag kaum zu überschätzende Unterstützung bei der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse, indem er Publikationsformen zur Verfügung stellt, die sich zwar an den kognitiven und an den sozialen Strukturen der Wissenschaft orientieren und auf den wissenschaftlichen Bedarf reagieren,2 aber die verlegerische Funktion beschränkt sich in der Regel nicht auf die reine Reaktion, sondern der Verleger wird, wenn er erfolgreich sein will, selbst Buch- und Zeitschriftenprojekte anregen. Über die Marktbeobachtung hinaus wird er um persönliche Kontakte zu renommierten Wissenschaftlern bemüht sein, denn die Reputation seiner Autoren wirkt auf die Reputation des Verlags zurück, was wiederum dazu führen kann, dass er weitere angesehene Autoren an sich binden kann. Die Rekonstruktion des vielschichtigen Verhältnisses von Verlag und Disziplin soll hier am Fallbeispiel der Mathematik und des Buchmarktsegmentes ›Mathematik‹ in Deutschland während der Weimarer Republik nachvollzogen werden.3 Die enge Verknüp——————— 1 Zitiert nach Heinz Sarkowski: Der Springer Verlag. Stationen seiner Geschichte. Teil 1: 1842–1945. Berlin, Heidelberg: Springer 1992, S. 396. 2 Vgl. zur Wechselwirkung zwischen wissenschaftlichem Buchhandel und Wissenschaft aus systemtheoretischer Perspektive Georg Jäger: Wissenschaft und Buchhandel. Zur Ausdifferenzierung des wissenschaftlichen Buchhandels. Siegen 1990 (LUMISSchriften. 26). 3 Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit dem DFG-Projekt »Eine Disziplin und ihre Verleger. Formen, Funktionen und Initiatoren mathematischen Publizierens 1871–1949«, das zurzeit am Institut für Mathematik und am Institut für Buchwissen-
fung von wissenschaftlicher Kommunikationsstruktur und Buchhandel war schon in der entscheidenden Formierungsphase des großbetrieblichen Bildungsund Wissenschaftssystems ganz besonders deutlich geworden (1890 bis etwa 1914), als sich ein Teilbereich des Buchhandels in seiner Struktur mehr und mehr an der Wissenschaft ausrichtete.4 Von wissenschaftshistorischer Seite hat sich in den vergangenen Jahren ein verstärktes Interesse an der Analyse der Bedeutung spezifischer Publikationsformen entwickelt.5 Eine zeitlich und geographisch klar umgrenzte Studie zu einer Einzeldisziplin liegt jedoch bislang nicht vor. Insbesondere gibt es nur vereinzelte Studien, die sich ausdrücklich mit der Geschichte spezifischer mathematischer Publikationsformen bzw. des mathematischen Publikationswesens in Deutschland zwischen 1871 und 1949 befassen. Gleichwohl wird, ebenso wie für die Geschichte anderer Disziplinen, die zentrale Rolle des wissenschaftlichen Publikationswesens im Prozess der Disziplinenbildung, -differenzierung und -spezialisierung durchgängig betont. Wir beschränken uns auf die Periode der Weimarer Republik, weil sich hier nicht allein wissenschaftli-
schaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter der Leitung von Volker R. Remmert und Ute Schneider durchgeführt wird. Wir danken Maria Remenyi, Heidelberg, für ihre Unterstützung. 4 Vgl. Helen Müller: Wissenschaft und Markt um 1900. Das Verlagsunternehmen Walter de Gruyters im literarischen Feld der Jahrhundertwende. Tübingen: Niemeyer 2004, S. 7. 5 Dazu z. B. Elana Ausejo/Mariano Hormigón (Hrsg.): Messengers of Mathematics: European Mathematical Journals (1800– 1946). Madrid: Siclo Veintiuno 1993; Christoph Meinel (Hrsg.): Fachschrifttum, Bibliothek und Naturwissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 1997; Reinhard SiegmundSchultze: Mathematische Berichterstattung in Hitlerdeutschland. Der Niedergang des »Jahrbuchs über die Fortschritte der Mathematik«. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993; Reinhard Siegmund-Schultze: The Emancipation of Mathematical Research Publishing in the United States from German Dominance. In: Historia Mathematica 24 (1997), S. 135–166; Jonathan R. Topham: Scientific Publishing and the Reading of Science in NineteenthCentury Britain: A Historiographical Survey and Guide to Sources. In: Studies in History and Philosophy of Science 31 (2000), S. 559– 612; Roland Wagner-Döbler/Jan Berg: Nineteenth-Century Mathematics in the Mirror of Its Literature: A Quantitative Approach. In: Historia Mathematica 23 (1996), S. 288–318.
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Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik
che und verlegerische, sondern auch staatliche Interessen miteinander verbinden. Der Frage, welchen Entwicklungen und Veränderungsprozessen die Beziehung zwischen einer Disziplin und ihren Verlegern in wirtschaftlichen Krisensituationen ausgesetzt ist und welche Konsequenzen sich aus einer Veränderung der Produktionsbedingungen für die Wissenschaft einerseits und für die Verleger andererseits ergaben, gehen die folgenden Überlegungen nach.
Die Situation des wissenschaftlichen Verlags nach dem Ersten Weltkrieg Der ab der Reichsgründung 1871 durch schnell voranschreitende Forschungs- und Publikationstätigkeit aufblühende wissenschaftliche Buchmarkt mit kontinuierlich steigenden Produktionszahlen im Buch- und Zeitschriftenbereich6 erlebte nach dem Ersten Weltkrieg einen rapiden Einbruch, von dem sich zahlreiche Traditionsfirmen im Verlags- und Sortimentsbuchhandel kaum oder nur schwer erholten. Die Ursachen dafür waren vielfältig: Erstens wirkten sich die gegen die deutsche Wissenschaft gerichteten internationalen Sanktionen der Siegermächte, aus denen eine Isolierung deutscher Wissenschaftler resultierte, auch auf die Verlage aus, denn besonders die auf Naturwissenschaften und Medizin spezialisierten Verlage bedienten nicht nur den inländischen Absatzmarkt, sondern exportierten einen nicht geringen Teil ihrer Produktion ins europäische Ausland und in die USA. Der Ausschluss deutscher Wissenschaftler und wissenschaftlicher Gesellschaften aus Institutionen, Arbeitsgemeinschaften und Verbänden ließ internationale Kontakte nur unter schwierigen Umständen zu. Hauptträger des Boykotts der deutschen Wissenschaft war der sog. Internationale Forschungsrat (Conseil international de recherches), die 1919 gegründete Nachfolgeorganisation der Internationalen Assoziation der Akademien, die bis zum Weltkrieg als eine Art internationales Koordinierungsorgan der Wissenschaftsbeziehungen gedient hatte.7 Darüber hinaus trat der Effekt ein, wie Brigitte Schröder-Gudehus bemerkt hat, dass der Kriegsschuldparagraph des Versailler Vertrags einen Keil zwischen die deutschen Wissenschaftler und ihre ——————— 6 Vgl. die Statistiken bei Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann. Band 1: Das Kaiserreich 1871–1918. Teil 2. Frankfurt a. M.: MVB 2003, S. 300–367. 7 Dazu am Beispiel der Physik: Gabriele Metzler: Internationale Wissenschaft und nationale Kultur. Deutsche Physiker in der internationalen Community 1900–1960. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000.
Kollegen in den ehemaligen Feindstaaten trieb.8 Denn unabhängig von den möglichen Intentionen der Siegermächte nahmen viele Wissenschaftler außerhalb Deutschlands diesen Paragraphen sehr ernst und forderten sichtbare Zeichen der Reue und Sühne von ihren deutschen Kollegen. Im Laufe der 1920er Jahre normalisierte sich die Situation zwar, aber zum Beispiel konnten deutsche Mathematiker erst wieder 1928 in Bologna am Internationalen MathematikerKongress teilnehmen.9 Zweitens verschärfte die Inflation die ohnehin komplizierte Situation. Eine angemessene staatliche Finanzierung von Forschung und Lehre war kaum zu leisten. Die Geldentwertung wirkte sich auch auf das Stiftungsvermögen von Akademien, wissenschaftlichen Gesellschaften und Forschungsinstituten aus, die ihre Unterstützungsfunktionen nicht mehr aufrechterhalten konnten. Betroffen waren außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ebenso wie die Hochschulen und die wissenschaftlichen Bibliotheken, die zunächst mit Abbestellungen wissenschaftlicher Zeitschriften reagierten.10 Der Kaufkraftschwund im studentischen Publikum schlug sich vor allem auf dem Lehrbuchmarkt nieder. Trotz steigender Studierendenzahlen unmittelbar nach dem Krieg,11 wodurch eine positive Stimulierung des Lehrbuchmarktes zu erwarten war, erfüllten sich die Hoffnungen der Verleger nicht. Die Nachfrage im Lehrbuchgeschäft war im Kaiserreich ein vergleichsweise gut zu kalkulierender Bereich gewesen, dessen ökonomischer Gewinn nicht selten zur Finanzierung spezialisierter Monographien diente. Der Verleger Friedrich Oldenbourg nannte noch 1931 verschiedene Gründe für die Erhöhung der Lehrbuchpreise gegenüber der Vorkriegszeit: Umfangsvermehrung, bessere Ausstattung, geringere Auflagen, höherer Aufwand der Materialbeschaffung.12 Von wissenschaftlicher Seite wurden angesichts der wirtschaftlichen Situation der Studie——————— 8 Brigitte Schröder-Gudehus: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914–1928. Ein Beitrag zum Studium kultureller Beziehungen in politischen Krisenzeiten. Genf: Dumaret & Golay 1966, S. 112f. 9 Vgl. Renate Tobies: Zur Unterstützung mathematischer Forschungen durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im Zeitraum der Weimarer Republik. In: Mitteilungen der Mathematischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik (1981) 1, S. 82. 10 Vgl. Elke Behrends: Die Auswirkungen des Boykotts der deutschen Wissenschaft nach dem Ersten Weltkrieg auf das Referatewesen: Die Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung. In: Fachschrifttum, Bibliothek und Naturwissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Christoph Meinel. Wiesbaden: Harrassowitz 1997, S. 58. 11 Vgl. Konrad H. Jarausch: Deutsche Studenten 1800–1970. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1984 (edition suhrkamp. 1258 = N.F. 258). 12 Vgl. Friedrich Oldenbourg: Zur Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums. Sonderdruck aus dem Bbl. Nr. 81 vom 9.4.1931. Leipzig 1931, S. 11.
Die Situation des wissenschaftlichen Verlags nach dem Ersten Weltkrieg renden die Preiserhöhungen auf dem Lehrbuchmarkt besonders scharf kritisiert, und der Buchhandel wurde aufgefordert, das Problem zu lösen.13 1922 wurde nach langen und überaus kontrovers geführten Diskussionen zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Verlegerverein, dem Akademischen Schutzverein und dem Verband der Deutschen Hochschulen vereinbart, den so genannten »Hörerschein« einzuführen, der es Dozenten erlaubte, auf der Grundlage von § 26 Verlagsrechtgesetz ihre Werke mit 25 Prozent Rabatt an ihre eigenen studentischen Hörer abzugeben.14 Im besonderen Fall der Mathematik kam folgendes Problem als Drittes hinzu: Der schwierige mathematische Formelsatz, für den nur wenige deutsche Druckereien das erforderliche Typenmaterial besaßen, war besonders teuer und trieb so die Herstellungskosten nochmals in die Höhe. In der Denkschrift über Die Not der deutschen Wissenschaft des Reichsministeriums des Innern für das Haushaltsjahr 1920 wurde festgestellt: Für einen Band mathematischen Druckes z. B. verlangt heute ein Verleger 100 000 M Zuschuß, so daß der Forscher außer seiner Arbeit […] noch gewaltige Kosten aufzubringen hätte, wenn er die Ergebnisse seiner Forschung allgemein zugänglich machen wollte. Zeitschriften mathematischer Art bedürfen einer jährlichen Unterstützung etwa in derselben Höhe. […] In anderen Wissenschaften sind die erforderlichen Druckzuschüsse zwar nicht ganz so hoch, steigen aber auch ins Unerschwingliche, besonders wenn etwa Zeichnungen und Abbildungen oder fremdsprachliche Typen den Gang der Untersuchungen erläutern müssen.15 Auch die Papierpreise waren nach dem Ersten Weltkrieg bis auf das 85-fache des Vorkriegsniveaus angestiegen, was sich sofort in Preiserhöhungen für Periodika niederschlug.16 Ebenso wie die Materialkosten stiegen die Lohntarife für Drucker und Setzer, gleichzeitig mangelte es aber an qualifizierten Arbeitskräften: ——————— 13 Vgl. dazu ausführlich Ute Schneider: Der wissenschaftliche Verlag. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2: Weimarer Republik 1918–1933. Teil 1. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel. München: K. G. Saur 2007, S. 379–440. 14 Der »Hörerschein« existierte bis 2002. 15 Zitiert nach Kurt Zierold: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft. Geschichte – Arbeitsweise – Kommentar. Wiesbaden: Franz Steiner 1968, S. 568. 16 Zur Entwicklung der Papierpreise bis 1922 vgl. die Angaben bei Silke Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft. Der Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 2001 (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft. 13), S. 410–413.
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Für die Herstellung wissenschaftlicher Literatur sind nicht alle Werkdruckereien geeignet, ein geschultes Setzerpersonal mit mehrjähriger Erfahrung muß vorhanden sein. Die Druckereien waren bis zum Sommer 1922 und sind es auch noch jetzt teilweise mit Aufträgen aus dem Auslande, besonders für Rußland, überhäuft; arbeitslose Setzer und Buchdrucker waren in den größeren Druckstädten wie Leipzig und Berlin und anderweitig nicht vorhanden.17 Eine Teillösung des Kapazitäts- und Personalproblems sollte die untertarifliche Beschäftigung von Setzern und Druckern für die Herstellung von Werken und Zeitschriften sein, die von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gefördert wurden.18 Den Einsatz von unerfahrenen Setzern lehnten wiederum die wissenschaftlichen Verleger ab, denn ein nicht exakt ausgeführter Satz führte zwangsläufig zu hohen Korrekturkosten und zur kaum vermeidbaren Verärgerung auf Seiten der Autoren.19 Auch im Leipziger Verlag B. G. Teubner, der sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf mathematische Literatur spezialisiert hatte und seine Zeitschriften und Bücher in der für mathematischen Satz hervorragend ausgestatteten hauseigenen Druckerei herstellte, stiegen die internen Kosten durch Lohnerhöhungen so an, dass er den Druck der Jahresberichte der Deutschen Mathematiker-Vereinigung ohne Druckkostenzuschuss nicht fortsetzen konnte. Der Hallenser Mathematiker August Gutzmer (1860– 1924) stellte im Februar 1919 hellsichtig fest, dies sei »bei Teubner nicht etwa allein so, sondern bei allen Verlegern und Druckern. Die Zustände drängen auf eine völlige Beseitigung des wissenschaftlichen Verlages hin; Deutschland, das Land der stärksten Bücherproduktion, kommt in der Kultur gewaltig zurück.«20 Gutzmer sprach hier bereits zwei Probleme im wissenschaftlichen Publikationswesen an, die in den folgenden Jahren zu zentralen Themen wurden: (1) die ökonomische Krise des wissenschaftlichen Verlags mit erheblichen Konsequenzen für die Wissenschaftler und (2) der kulturelle Bedeutungsverlust des wissenschaftlichen Buches mit Konsequenzen für den Export deutscher Forschungsliteratur und damit deutscher Forschungsergebnisse ins Ausland. ——————— 17 Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum März 1922. Wittenberg: Herrosé & Ziemsen 1922, S. 23. 18 Bericht der Notgemeinschaft 1922, S. 22f. 19 Vgl. Zweiter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1922 bis zum 31. März 1923. Halle: Emil Wolff & Söhne 1923, S. 17. 20 August Gutzmer am 6.2.1919, Adressat ungenannt, vermutlich sein Kollege Adolf Krazer (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/20).
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Für die wissenschaftlichen Autoren wurde es zunehmend schwieriger, einen Verlag zu finden, dessen Finanzlage die Übernahme von hoch spezialisierten Manuskripten erlaubte. Die im Vergleich mit der Vorkriegszeit geringere Umschlagsgeschwindigkeit auf dem Gesamtmarkt führte zu einer stärkeren Kapitalbindung im Verlagswesen, so dass »die Neigung der Verleger zu langsam absetzbaren oder sogar buchhändlerisch aussichtslos erscheinenden Werken, selbst beim besten Willen und bei allem Interesse für die Wissenschaft, nicht sehr groß sein kann.«21 Die Wissenschaft ist gerade bei Büchern, die keinen buchhändlerischen Erfolg versprechen, aber für die Forschung relevant sind, auf die Risikobereitschaft eines engagierten Verlegers angewiesen. Über den Erfolg oder Misserfolg eines wissenschaftlichen Werkes wird im Gegensatz zu belletristischen Werken nicht auf dem Buchmarkt, sondern innerhalb der »scientific community« entschieden. Hohe Auflagenzahlen sagen nicht zwangsläufig etwas über den wissenschaftlichen Wert eines Buches aus, hochpreisige Werke, die in kleinen Auflagen nur in Fachbibliotheken zu finden sind, können für die Forschung bedeutender sein als gut verkäufliche Ware. Die spürbare Zurückhaltung der Verleger im Produktionsprozess hatte also zwangsläufig Auswirkungen auf die wissenschaftliche Kommunikation und damit auch auf den kollektiven Erkenntnisfortschritt. Den engen Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Kommunikation in Druckform und dem Gedeihen einer Disziplin betonten die Göttinger Mathematiker David Hilbert (1862–1943), Edmund Landau (1877– 1938), Richard Courant (1888–1972) und Gustav Herglotz (1881–1953) 1930 ausdrücklich in ihrem Glückwunschschreiben an Ferdinand Springer zur Göttinger Ehrendoktorwürde: Hätten Sie nicht nach dem Kriege in Ihrer grosszügigen und weit ausblickenden Art sich in die Bresche gestellt, so wäre der mathematischen Literatur in Deutschland durch das Versagen anderer Verleger ein tödlicher Schlag versetzt worden, der auch auf die Wissenschaft als solche unheilvolle Auswirkungen hätte haben müssen.22 Betroffen vom Produktionsrückgang bei der wissenschaftlichen Literatur war insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs, der sich mit Laufbahnschriften wie Dissertationen oder Habilitationsschriften der öffentlichen Kritik von Fachkollegen unterziehen musste. Ein wenig florierendes Verlagswesen war für ——————— 21 Sechster Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1926 bis zum 31. März 1927. o. O. 1927, S. 16. 22 Hilbert, Courant, Landau und Herglotz an Springer, 30.1.1930 (Heidelberg, Verlagsarchiv Springer, FS 31.2).
den individuellen Wissenschaftler ebenso ein Problem wie für die ganze Gemeinschaft: Die Schichten unseres Volkes, welche den Zuwachs zu dem deutschen Gelehrtenstande brachten, waren in den Jahren vor dem Krieg auch zumeist in der Lage, hierzu die Mittel aufzubringen. Nachdem die Inflation die Grundlagen für solche Hilfen vernichtet hat, sind gerade die jungen Gelehrten sehr oft nicht mehr imstande, ihre Arbeiten, mit denen sie den Nachweis ihres Könnens erbringen wollen, zu veröffentlichen, zumal auch die gegenüber den Vorkriegsjahren wirtschaftliche äußerst bedrängte Lage des wissenschaftlichen Verlagsbuchhandels es dem Verleger in der größten Zahl der Fälle unmöglich macht, wissenschaftliche Veröffentlichungen ohne Zuschuß herauszubringen.23
Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme? Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme? Die Ablösung B. G. Teubners durch Julius Springer auf dem mathematischen Buchmarkt Der anfangs zitierte Berliner Verleger Ferdinand Springer, der seine Verlagsproduktion ohne Druckkostenzuschüsse finanzierte, war mit seinem Vetter Julius Springer d. J. (1880–1968) in dritter Generation Inhaber der traditionsreichen und hoch angesehenen Verlagsbuchhandlung Julius Springer. Nach dem Tod des Verlagsgründers Julius Springer (1817– 1877) hatten seine Söhne Fritz Springer (1850–1944) und Ferdinand Springer d. Ä. (1846–1906) den Verlag insbesondere auf den Gebieten der Ingenieurwissenschaften ausgebaut. Sie galten seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts außerdem als hoch spezialisierte Verleger für Medizin. 1907 übernahmen ihre Söhne Ferdinand und Julius die Verlagsleitung.24 In der Weimarer Republik wurde der Verlag durch die Initiative von Ferdinand Springer d. J. zudem zum wohl bedeutendsten (internationalen) Verlagsunternehmen für Mathematik. Vor dem Krieg war der Leipziger Verlag B. G. Teubner nach der Anzahl der publizierten Titel ebenso wie nach der Reputation seiner Autoren unangefochten der herausragende für Mathematik.25 Vor allem der Verlagsleiter Alfred Ackermann——————— 23 Achter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft umfassend ihre Tätigkeit vom 1. April 1928 bis zum 31. März 1929. o. O. 1929, S. 36. 24 Zur Verlagsgeschichte des Hauses Springer vgl. Sarkowski: Der Springer Verlag. 25 Vgl. Ute Schneider: Mathematik im Verlag B. G. Teubner – Strategien der Programmprofilierung und der Positionierung auf einem Teilmarkt während des Kaiserreichs. In: Wissenschaftsverlage zwischen Professionalisierung und Popularisierung. Hrsg. von
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Teubner (1857–1940), der lange Jahre Schatzmeister des Berufsverbandes der Mathematiker, der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV), gewesen war, hatte dieses Verlagssegment intensiv betreut und persönliche, teilweise freundschaftliche Kontakte zu den bedeutendsten Fachvertretern wie den Göttinger Mathematikern Felix Klein (1849–1925) und David Hilbert gepflegt. Ackermann-Teubners Engagement war zu verdanken, dass der Verlag die erste Adresse der Mathematiker war, wenn sie einen Publikationsort suchten.26 Diese Position konnte und wollte der Verlag nach dem Krieg nicht mehr verteidigen. Schon 1916 war Alfred Ackermann-Teubner aus der Geschäftsleitung ausgeschieden. An seine Stelle trat sein Vetter Konrad Giesecke-Teubner (1878–1931), der den Verlag stärker als Schulbuchverlag profilieren wollte, schien doch dieser Programmzweig in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stabiler und damit lukrativer zu sein als das Verlegen mathematischer und technischer Werke. Tatsächlich war die stetige Förderung der Mathematik durch Ackermann-Teubner verlagsintern bereits vor dem Krieg nicht ohne Widerspruch geblieben, denn Gutzmer wusste im Oktober 1916 zu berichten, Ackermann-Teubner habe seit Jahren »mit seinen Vettern und Sozien eigentlich nur noch durch den Rechtsanwalt verkehren« können. So dürften die Mathematiker nicht »verhehlen, dass der Verlag sich mehr und mehr von der Mathematik abwenden wird; seit längerer Zeit ist nach dieser Seite schon abgebaut worden.«27 Um diese Lücke zu schließen, stand Ferdinand Springer bereit, der, wie auch die G. J. Göschen’sche Verlagshandlung,28 schon vor Kriegsausbruch versucht hatte, seinen Einstieg ins mathematische Verlagssegment massiv voranzutreiben. Sein Vater und sein Onkel, Ferdinand d. Ä. und Fritz Springer, hatten schon seit den 1880er Jahren kontinuierlich, aber wenig aussichtsreich darauf hingewirkt, renommierte Mathematiker an ihr Haus zu binden.29 Die Affinität
Fritz Springers zur Mathematik basierte auf seinem Studium. Er hatte am Polytechnikum in Karlsruhe Maschinenbau studiert und dort Vorlesungen beim Mitbegründer des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Franz Grashof (1826–1893), gehört. Über Grashof kam später auch der enge Kontakt des Verlags zum VDI zustande, dessen Zeitschrift lange Jahre bei Springer herauskam.30 Franz Grashof war der prominenteste Vertreter des theoretischen Maschinenbaus, der »besonders in der Mathematik die Leitdisziplin für die Entwicklung der Technik zur Wissenschaft sah«.31 Sein »methodisches Werkzeug war die analytische Rechnung, wobei er einen für die damalige Zeit großen mathematischen Aufwand betrieb. […] Wie in seinen literarischen Arbeiten setzte er auch in seinen Lehrveranstaltungen ganz auf die analytische, mathematische Behandlung des Maschinenbaus.«32 Fritz Springers Ambitionen auf mathematischem Verlagsgebiet entsprangen möglicherweise dieser wissenschaftlichen Ausbildung und der Hoffnung, mit der Mathematik als Leitdisziplin zugleich ein prestigeträchtiges Gebiet zu erobern. Gegen die große, bereits etablierte Konkurrenz von B. G. Teubner und dem Berliner Georg Reimer Verlag, der seit 1886 Kommissionsverlag der Preußischen Akademie der Wissenschaften war und ebenfalls mathematische Bücher sowie bis 1896 den Jahresbericht der DMV herausbrachte, hatte der Springer Verlag jedoch keinen durchschlagenden Erfolg und konnte nur wenige mathematische Titel verlegen. Als Antrieb für den über Jahrzehnte konstant verfolgten Plan, die Mathematik neben Medizin und Technik, insbesondere Elektrotechnik, zum weiteren Programmschwerpunkt aufzubauen, obwohl sie vordergründig – zum Beispiel im Vergleich mit der Medizin – ein niedrigpreisiges und nur einen kleinen Absatzmarkt umfassendes Segment war, mag für die nächste Generation auch folgende verlegerische Strategie entscheidend gewesen sein: Im auf Technik und Ingenieurwissenschaften konzentrierten Verlagsprogramm war zunächst die (angewandte) Mathematik eine willkommene Ergänzung, die den schon erschlossenen und durch neue Berufssparten zukünftig sicher weiter expandierenden Absatzmarkt der Techniker und Ingenieure auch mit den erforderlichen mathematischen Büchern versorgen konnte. Hierdurch ließ sich also die Kundenbindung relativ einfach intensivieren. Ferdinand Springer d. J. ging nun zielstrebig vor und gewann die tatkräftige Unterstützung des jungen, ———————
Monika Estermann und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2007, S. 129–145 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens. 41). 26 Vgl. zur Verlagsgeschichte die Festschrift: B. G. Teubner 1811–1911. Geschichte der Firma, in deren Auftrag hrsg. von Friedrich Schulze. Leipzig: B. G. Teubner 1911, sowie zum mathematischen Programm auch: Friedrich Wille: Die Mathematik im Verlag B. G. Teubner. In: Wechselwirkungen. Der wissenschaftliche Verlag als Mittler. 175 Jahre Teubner 1811–1986. Stuttgart: Teubner 1986, S. 29–72. 27 Gutzmer am 15.10.1916, Adressat ungenannt, vermutlich sein Kollege Adolf Krazer oder Ludwig Kiepert (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/17). 28 Seit 1911 war Walter de Gruyter Gesellschafter der Göschen’schen Verlagshandlung, ab 1919 firmierte sie unter dem Dach der Vereinigung Wissenschaftlicher Verleger, die 1922 in Verlag Walter de Gruyter umbenannt wurde. 29 Dazu siehe Peter Ullrich: Wie Karl Weierstraß und Hermann Amandus Schwarz zum Springer Verlag kamen. In: DMVMitteilungen (2000) 1, S. 38–42.
30 Zu den weiteren VDI-Verlags-Beziehungen vgl. Sarkowski: Der Springer Verlag, S. 96–99. 31 Wolfgang König: Künstler und Strichezieher. Konstruktions- und Technikkulturen im deutschen, britischen und französischen Maschinenbau zwischen 1850 und 1930. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999 (stw 1287), S. 35. 32 König: Künstler und Strichezieher, S. 30.
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bei Siemens tätigen Privatdozenten der Mathematik Leon Lichtenstein (1878–1933). Dieser initiierte eine neue Fachzeitschrift, die Mathematische Zeitschrift, brachte sie ab 1917 bei Springer heraus und beriet den Verleger auch bei der inhaltlichen Planung eines neu aufzubauenden mathematischen Programmbereichs.33 Mit Gründung der Mathematischen Zeitschrift mitten im Krieg wurde nun ein neues Organ geschaffen, das der Mathematikergemeinschaft dringend benötigte Publikationsmöglichkeiten zur Verfügung stellte, zumal die zu dieser Zeit bedeutendste mathematische Zeitschrift in Deutschland, die 1868 gegründeten, bei Teubner erscheinenden Mathematischen Annalen, während des Kriegs nicht mehr regelmäßig herauskam.34 Ein deutliches Signal für den Positionsverlust Teubners im mathematischen Feld war in der Folge der Übergang der Mathematischen Annalen von Teubner an den Springer Verlag 1919/20. Dass der Kommunikationsprozess in einer Disziplin, gerade in wirtschaftlich brisanten Zeiten, in nicht geringem Maß vom Engagement des Verlegers abhängt, wird hier besonders gut deutlich. Unmittelbar nach Kriegsende wurde vom Herausgebergremium (Felix Klein, David Hilbert, Walther von Dyck und Otto Blumenthal) die regelmäßige Fortführung dieser so wichtigen Zeitschrift und zudem eine Umfangsvermehrung beim Teubner Verlag dringend eingefordert, zumal schon 1916/17 das Gerücht kolportiert wurde, Teubner wolle sich aus dem mathematischen Buchmarktsegment zurückziehen, was zunächst durch die neue Geschäftsleitung vehement bestritten wurde.35 Tatsächlich bestätigten sich die Gerüchte alsbald. Der Rückzug Teubners bedeutete in der wirtschaftlich prekären Lage des Verlagswesens für die Disziplin einen »empfindlichen Schlag«36, denn einen anderen Verleger zur Übernahme risikoreicher Verlagsprojekte zu bewegen, hätte zumindest erhebliche Verzögerungen in der Publikationspraxis nach sich gezogen. Ferdinand Springer hatte durch die Vermittlung der Physiker Max Born (1882–1970) und Arnold Berliner (1862–1942), der nicht nur Herausgeber der Springer-Zeitschrift Die Naturwissenschaften, sondern auch sein Berater in Physik und Mathematik ——————— 33 Dazu siehe Volker R. Remmert/Ute Schneider: »Ich bin wirklich glücklich zu preisen, einen solchen Verleger-Freund zu besitzen.« Aspekte mathematischen Publizierens im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: DMV-Mitteilungen 14 (2006) 4, S. 196–205. 34 Bei Teubner erschien Band 77 im Jahr 1916, Band 79 erst 1919, Band 80 1921. Bereits 1920 erschien der 81. Band bei Springer. 35 Vgl. das Schreiben des Verlags an Friedrich Engel vom 5.9.1917 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120228). 36 Gutzmer am 15.10.1916, Adressat ungenannt, vermutlich sein Kollege Adolf Krazer oder Ludwig Kiepert (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/17).
war, neben Leon Lichtenstein einen weiteren jungen Mathematiker als Berater für seinen Verlag gewinnen können, nämlich Richard Courant (1888–1972), den jungen Göttinger Privatdozenten und Schwiegersohn des ebenfalls in Göttingen lehrenden MathematikProfessors Carl Runge (1856–1927).37 Die Verbindung zu Courant und damit ins Göttinger Zentrum der Mathematik war für Springer besonders fruchtbringend, und er nutzte die Chancen, die sich aus der zögerlichen Haltung Teubners ergaben. Das Mathematische Institut der Universität Göttingen hatte es schon im 19. Jahrhundert durch eine Reihe illustrer Mathematiker wie etwa Carl Friedrich Gauß (1777– 1855), P. G. L. Dirichlet (1805–1859) und Bernhard Riemann (1826–1866) zu Weltruhm gebracht. Doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der 1886 nach Göttingen berufene, herausragende Geometer Felix Klein mit ungeheurem organisatorischen Geschick und großer Energie den systematischen Ausbau Göttingens zu einem nationalen Zentrum der Mathematik, das bald Berlin überstrahlte.38 Insbesondere die Berufung des überragenden Mathematikers und einflussreichen Lehrers David Hilbert im Jahr 1895 führte das Göttinger Institut zu ungeahnten Höhen, die seinen Ruf als internationales Mekka der Mathematik begründeten.39 Der Mathematiker Hermann Minkowski (1864–1909) hat seinen Freund Hilbert im Juli 1900 in einem Brief als »Generaldirektor« bezeichnet, der »die Mathematik für das 20te Jahrhundert in Generalpacht genommen« habe.40 In Analogie dazu ist Klein von dem Historiker Herbert Mehrtens als »leitender Manager« charakterisiert worden.41 Courant, der in engem Kontakt zu Hilbert und Klein als führenden Repräsentanten der Göttinger Mathematik stand, hatte Ferdinand Springer 1919 auf die Probleme im Hause Teubner im Vertrauen aufmerksam gemacht: Soweit ich unterrichtet bin, hat die Annalenredaktion an Teubner eine Art von, allerdings nicht befristetem, Ultimatum gestellt, wonach Teubner ——————— 37 Vgl. Frank Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur. Der Physiker Max Born und sein Verleger Ferdinand Springer 1913–1970. In: AGB 45 (1996), S. 61. 38 Vgl. David E. Rowe: Episodes in the Berlin-Göttingen Rivalry, 1870–1930. In: The Mathematical Intelligencer (2000), S. 60–69. 39 Dazu siehe Herbert Mehrtens: Moderne Sprache Mathematik. Eine Geschichte des Streits um die Grundlagen der Disziplin und des Subjekts formaler Systeme. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1990, passim; David E. Rowe: Making Mathematics on an Oral Culture: Göttingen in the Era of Klein and Hilbert. In: Science in Context 17 (2004), S. 85–129. 40 Minkowski an Hilbert, 28.7.1900, in: Lily Rüdenberg/Hans Zassenhaus (Hrsg.): Hermann Minkowski: Briefe an David Hilbert. Berlin usw.: Springer 1973, S. 129–131, Zit. 130. 41 Mehrtens: Moderne Sprache Mathematik, S. 108 und 206.
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sich verpflichten sollte, die Annalen wieder mit einer festgesetzten Mindestzahl von Heften u.s.w. herauszugeben, widrigenfalls man sich einen anderen Verlag suchen würde. Teubner hat sich Bedenkzeit erbeten. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, meines Wissens ist auch noch keine Antwort von Teubner da. Ich glaube nicht, dass er so dumm sein wird, die Annalen aus der Hand zu geben. Sollte dies trotzdem geschehen, so wird es natürlich für Sie eine wichtige Frage sein, ob sie in die Krise aktiv eingreifen wollen oder nicht. Im ersteren Falle werde ich Ihnen hier gern behilflich sein, soweit dies angeht.42
›mathematischen Annalen‹ zu meinen vornehmsten Verlagsunternehmungen gehören. In einem anderen Falle würde ich sonst gewiss nicht so entgegenkommen.44
Ferdinand Springer griff sofort ein und konnte sich dabei der Unterstützung der Göttinger Mathematiker gewiss sein. Durch Courants fruchtbare Vermittlerrolle hatte er Zugriff auf das ungeheure Göttinger Publikationspotential und konnte dadurch seinen lange gehegten Plan, die Mathematik in sein Verlagsprogramm einzubinden, endlich umsetzen. Die Auseinandersetzungen zwischen Teubner und den Herausgebern der Annalen dokumentieren einerseits die Abhängigkeit der Wissenschaft vom Verleger, andererseits aber auch die des Verlags von der Wissenschaft. Konrad Giesecke-Teubner hatte gegenüber den Herausgebern der Annalen argumentiert, dass »wir in früheren Jahren immer wieder uns bereit gefunden, die Erträgnisse der philologischen Verlagsabteilung dem mathematischen Verlage zukommen zu lassen, ohne die sein Fortbestehen schon längst nicht mehr möglich gewesen wäre.«43 Die Behauptung, nur der gute Absatz der philologischen Werke habe die kontinuierliche Pflege des mathematischen Programmteils durch Quersubventionierung möglich gemacht, ist wegen fehlenden Quellenmaterials nicht zu überprüfen, aber dass die renommierten Annalen bereits vor dem Krieg keinen größeren Gewinn abwarfen, wird durch ein Schreiben Alfred Ackermann-Teubners an David Hilbert aus dem Jahr 1910 bestätigt. Im Hinblick auf die Autorenhonorare erklärte der Verleger: Wie ich Ihnen schon in Königsberg mitteilte, balancieren die Annalen gerade, d. h. der eine Band bringt einen geringen Ueberschuss, der andere wieder Verluste. Ich dachte, mit dieser Auskunft sei diese Angelegenheit erledigt. Zufolge Ihres Schreibens macht es mir aber doch den Eindruck, dass Ihnen andere Hilfsmittel als die Verlagsbuchhandlung nicht zur Verfügung stehen und so muss ich mich wohl oder übel mit Ihrem Wunsche einverstanden erklären, im Hinblick darauf, dass die ——————— 42 Courant an Springer am 18.10.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 43 Konrad Giesecke an Felix Klein am 4.4.1919 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120235A).
Ackermann-Teubner war im Gegensatz zu seinem Nachfolger allerdings noch bereit, gewisse finanzielle Opfer zu bringen, zumal die Annalen zu seinen prestigeträchtigsten Verlagsprojekten gehörten und es daher für den Verlag wichtig war, solche Publikationen auch ohne finanziellen Gewinn weiterzuführen. Durch die damit verbundene Reputation konnte der Verlag Autoren gewinnen, die beispielsweise auch als Lehrbuchautoren zur Verfügung standen und so ökonomisch lukrativere Bücher schrieben. Nicht ohne Grund galt der Verlag Teubner kurz vor dem Ersten Weltkrieg als »Heimstätte der deutschen Mathematik«.45 Diese Mischkalkulation kam für Giesecke-Teubner nicht mehr in Frage. Er wandte der Mathematik den Rücken zu und fiel damit für neue mathematische Verlagsprojekte aus, womit unmittelbar der Positionsverlust des Verlags im mathematischen Feld einherging. Altverleger AckermannTeubner stand die kommende Entwicklung ganz deutlich vor Augen: »Ich glaube fast, dass der Verlust dieses Ansehens dem Verlag viel teurer zu stehen kommt. Der Verlust der Annalen ist ein überaus beklagenswerter, der Firma Springer ist ein Geschenk des Himmels in den Schoss gefallen, sie ist über Nacht in der Tat zu einer Weltfirma geworden.«46 Dass Springer später zu einer Weltfirma wurde, ist nicht allein auf die Übernahme der Annalen zurückzuführen, aber die andauernden Kontroversen zwischen Wissenschaftlern und Teubner waren doch zündend, denn Ferdinand Springer konnte schon im November 1919 an Courant berichten: Zur Zeit weiss ich mich vor dem Ansturm an mathematischen Angeboten kaum zu retten, – kaum ein Tag vergeht ohne Angebot. Meist handelt es sich um Unternehmungen, die entweder bereits früher in mehreren Auflagen bei Teubner erschienen oder von diesem wenigstens vertraglich übernommen waren. Zum Teil sind es auch sicher wertvolle, aber ganz schwere wissenschaftliche Monographien mit kleinem Abnehmerkreis. Es ist sehr schwer, hier eine Stellung einzunehmen, die bei aller Rücksicht auf die ideelle Seite doch auch den materiellen Gesichtspunkt nicht ausser acht lässt.47 ——————— 44 Ackermann-Teubner an Hilbert am 29.11.1910 (NSUB Göttingen, Cod. Ms. D. Hilbert 403, Nr. 23). 45 Aus der Grußadresse der DMV zum 100. Verlagsjubiläum; zitiert nach: Die Hundertjahrfeier der Firma B. G. Teubner. Leipzig 3. und 4. März 1911, S. 26. 46 Ackermann-Teubner an Engel am 30.1.1920 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120245). 47 Ferdinand Springer an Richard Courant am 18.11.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I).
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Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik
Bei der kollektiven Enttäuschung der Mathematiker durch den Teubner Verlag werden die an den Verleger Springer gerichteten Erwartungen der Wissenschaftler besonders gut deutlich, und zwar Erwartungen, die über seine reine Dienstleistungsfunktion weit hinausgehen. Alfred Ackermann war als Schatzmeister ein geachtetes Mitglied der DMV, was ihm nicht nur Kontakte, sondern auch Geschäftsvorteile einbrachte, und ein von der Mathematikergemeinschaft anerkannter Verleger gewesen. Sein Nachfolger Konrad Giesecke »erfreut sich aber gar keiner Sympathien in dem Kreise unserer Fachgenossen, weil man in ihm den neuen Geist der Firma erblickt, der sich von der alten Vornehmheit abwendet und in erster Linie das geschäftliche Interesse im Auge hat«.48 Der Hinweis auf die »alte Vornehmheit« in positiv konnotierter Abgrenzung zum »neuen Geist« der Verleger ist vor dem Hintergrund der deutschen verlegerischen Tradition zu verstehen. Das tradierte Standesethos des bürgerlichen Verlegers verlangte, im Verlag nicht nur eine Firma, ein Geschäft, sondern vor allem eine Bildungsinstitution zu sehen, und diese Vorstellung vom idealen Verleger wurde auch und gerade in Wissenschaftskreisen des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Der Verleger gehörte zwar dem Unternehmertum an, teilte in seiner Wertorientierung jedoch meist bildungsbürgerliche Vorstellungen. Wie Helen Müller am Beispiel des Berliner Verlegers und Springer-Konkurrenten Walter de Gruyter (1862–1923) überzeugend belegen konnte, war die Vorstellung, dass ein Wissenschaftsverleger den Wert seiner Produktion »lediglich an Marktchance und Kapitalrechnung«49 maß, völlig ausgeschlossen. Die für beide Seiten erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Autor und Verleger gründete auf ähnlichen oder gemeinsamen Überzeugungen von der (gesellschaftlichen) Bedeutung ihres Handelns, dies konnte bis hin zur politischen Einstellung reichen.50 Diese gemeinsame Basis, die Ackermann-Teubner mit seinen Autoren verband, wurde von seinem Nachfolger Giesecke nicht gepflegt, und so waren die Autoren nicht bereit, das notwendige Vertrauen auf ihn zu übertragen. Springer hingegen nahm durchaus Rücksicht auf die »ideelle Seite« – aus verlegerischer Taktik oder aus derselben Überzeugung wie sein Onkel, mit der Mathematik eine wissenschaftliche Leitdisziplin in ——————— 48 Gutzmer am 13.12.1919, Adressat unbekannt (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/21). 49 Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Müller: Wissenschaft und Markt um 1900, hier besonders S. 61. 50 Vgl. Helen Müller/Gangolf Hübinger: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage im Kaiserreich. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Band 1: Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 1. Hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 2001, S. 347–405.
sein Haus zu holen. Ferdinand Springer d. J. verkörperte damit den Mathematikern gegenüber den adäquaten neuen Ansprechpartner, der der jungen Mathematikergeneration gleichaltrig war. Auch wenn Ferdinand Springer nicht mehr der alten bürgerlichen Verlegergeneration angehörte, die sich nach ihrem Standesethos primär eine Bildungsfunktion im geistigen Leben Deutschlands mit entsprechenden Wertvermittlungsambitionen auf ihre Fahnen geschrieben hatte, so war er doch in einem liberal-bürgerlichen Familienunternehmen51 mit entsprechender Werteorientierung sozialisiert worden und entwickelte daraus anscheinend ein Gespür auch für die irrationalen Aspekte der Autor-Verleger-Beziehung. Einerseits befanden sich die Autoren zwar in der Notlage, ihre Manuskripte zum Druck bringen zu wollen, denn die Eröffnung neuer, innerdisziplinärer Arbeitsfelder und damit die weitere Binnendifferenzierung der Mathematik als akademischer Disziplin musste sich in adäquaten Lehrbüchern und anderen Publikationen niederschlagen. Andererseits musste Springer erst das Vertrauen der Autoren dauerhaft gewinnen, um zukünftig auch unter dem »materiellen Gesichtspunkt« erfolgreich zu wirtschaften. Zur »ideellen Seite« der Springerschen Verlagsstrategie zählte auch die Publikation von Felix Kleins Gesammelten Abhandlungen, die Springer 1919 von dessen Neffen, dem Braunschweiger Mathematikprofessor Robert Fricke, angeboten wurden. Klein war, wie erwähnt, ein weit über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannter und tätiger Wissenschaftler, der sich zugleich als Wissenschaftsorganisator einen Namen gemacht hatte. Robert Fricke hatte Springer mitgeteilt, die »Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Mathematik und Physik« habe zugesagt, einen großzügigen Druckkostenzuschuss für die Abhandlungen zur Verfügung zu stellen. Zunächst war Springer trotz der in Aussicht gestellten Gelder außerordentlich skeptisch: Grundsätzlich habe ich wohl große Neigung, Ihrem Vorschlage zu folgen. Ich schätze jedoch die Herstellungskosten von 120 Bogen mathematischen Satz unter den heutigen Verhältnissen auf mehr als 100.000 Mark. Demgegenüber würde ein Zuschuß von M. 20.000.– noch keineswegs ermöglichen, den Preis für die Abhandlungen so niedrig zu halten, dass auch der minderbemittelte Mathematiker sich die Anschaffung leisten kann. Hierin sehe ich zunächst eine fast unüberwindliche Schwierigkeit [...].52 ——————— 51 Zum Verleger als Bürger vgl. Georg Jäger: Die Verlegerpersönlichkeit – ideelle Interessen, wirtschaftliche Erfolge, soziale Stellung. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1, Teil 1, S. 216–244. 52 Ferdinand Springer an Robert Fricke am 17.11.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], K 121, I).
Reputationsverlust als Folge ökonomischer Probleme?
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Springer beriet sich darüber mit Leon Lichtenstein und nahm schließlich das Angebot an, und zwar auf sein »alleiniges Risiko«, denn die mit den Abhandlungen für seinen Verlag verbundene Reputation schien ihm hoch: »Wenn ich als Verleger das Risiko alleine auf mich nehme, so nehme ich auch die Ehre hierfür nach außen hin in Anspruch und teile sie mit niemandem, der auf sie keinen berechtigten Anspruch erwerben kann.«53 Die Bemühungen Springers um die Mathematik, die mit der Übernahme der Annalen, der unter schwierigen Umständen begonnenen Publikation von Felix Kleins Gesammelten Abhandlungen und der Herausgabe der durch Richard Courant 1919/20 gegründeten Grundlehren-Reihe erste Erfolge brachten, trugen bald weitere Früchte, denn 1923 fragte Max Born bei Ferdinand Springer an, ob er die bis dahin bei Teubner erscheinende, noch nicht abgeschlossene GaußAusgabe der Göttinger Akademie der Wissenschaften ebenfalls übernehmen wolle.54 Die zukünftige Akademie-Anbindung mit potentiell weiteren Publikationsaufträgen war für den Verleger sicherlich ein attraktives Argument bei der Übernahme, denn der Absatz der Ausgabe verlief eher schleppend. Der bis dahin zuständige Teubner-Verleger Konrad Giesecke hatte die »ideelle Seite« völlig außer acht gelassen und an Felix Klein geschrieben, dass die bereits vorliegenden Bände der Gauß-Ausgabe »nach jetzigem Vorrat und dem Absatz der letzten Jahre noch mehrere Jahrhunderte ohne Aussicht auf Verwendung«55 lagerten und man sie daher makulieren wolle. Die Entrüstung der Mathematiker über dieses verlegerische Ansinnen führte geradewegs zu Konkurrenz, zu Springer, der sich nicht nur zur Weiterführung der Ausgabe bereit erklärte, sondern darüber hinaus auch prüfen wollte, ob er der Kaestner’schen Druckerei in Göttingen, die die Drucklegung ausführte, finanzielle Unterstützung zum Kauf von fehlendem Typenmaterial für den mathematischen Satz gewähren könne.56 Ebenso bereitwillig ließ sich Springer auf die Honorarzahlungen für die an der Ausgabe beteiligten Mathematiker ein. Born hatte argumentiert, die wirtschaftliche Situation der Autoren mache es erforderlich, dass sie einen
zahlte die Gesellschaft der Wissenschaften die Honorare nachträglich aus dem Erlös des Verkaufs. Auf diese Weise bekamen die Autoren das Geld spät und entwertet in die Hände. Darin wäre es mir lieb, wenn jetzt die Honorarfrage gleich in dem Kontrakt mit Ihnen so geregelt würde, dass Sie vermöge Ihrer Kapitalkraft einen Teil des Honorars im Voraus auszahlen könnten.57
beträchtlichen pekuniären Gewinn von ihrer Arbeit haben, weil […] sonst von ihnen nicht erwartet werden [kann], daß sie die Arbeit an Gauß’ Werken vor anderen Arbeiten vorziehen. Bisher ——————— 53 Ferdinand Springer an Robert Fricke am 3.2.1920 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], K 121, I). 54 Dazu siehe Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 118f. 55 Konrad Giesecke an Felix Klein, 4.4.1919 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120235A). 56 Vgl. Ferdinand Springer an Max Born am 5.7.1923 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20).
Springer akzeptierte in relativ kurzer Zeit alle Wünsche und Vorgaben der Akademie. Durch die engen Kontakte zu Göttinger Mathematikern erschloss er sich, das finanzielle Risiko nicht scheuend, das Zentrum im mathematischen Feld. Als Begründung, weshalb die Firma Springer im Gegensatz zu vielen anderen Verlagen gleich nach dem Krieg stark expandieren konnte (sie kaufte auch etliche medizinische Zeitschriften von de Gruyter), führte Konkurrent Giesecke-Teubner die noch unbewiesene Behauptung an, dass »sie eben doch während des Krieges infolge des starken Absatzes der technischen Literatur ausserordentliche Erträgnisse gehabt hat«58 und daher sei »die Einwendung, was die Firma Springer könne, müssten wir doch auch können, […] vollständig unhaltbar«.59 Unabhängig von den Gründen für die Springerschen Expansionsmöglichkeiten, ob aufgrund von Kreditaufnahmen60 oder Profiten aus der technikwissenschaftlichen Buchproduktion während des Krieges, hat Thorsten Grieser errechnet, dass Springer im Vergleich mit der gesamtdeutschen Buchproduktion überdurchschnittlich viele Titel auf den Markt brachte.61 Selbst nach der Währungsreform im November 1923, als der deutsche Buchmarkt erneut einbrach, konnte Springer seine Gesamttitelproduktion noch leicht steigern und sein jährliches Volumen vor der Weltwirtschaftskrise bis auf 500 Publikationen erhöhen. Die Spitzenstellung Springers im wissenschaftlichen Buchmarkt zog allerdings im Laufe der 1920er Jahre auch mehr und mehr Kritik von Wissenschaftsseite mit sich.
——————— 57 Max Born an Ferdinand Springer am 15.7.1923 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20). 58 Giesecke-Teubner an Otto Blumenthal am 15.9.1920, (Durchschlag des Briefes, NSUB Göttingen, Cod. Ms. D. Hilbert 403, Beilage 2/1). 59 Giesecke-Teubner an Friedrich Engel am 16.1.1920 (Gießen, Universitätsarchiv, Nachlass Engel, NE 120244). 60 Dies vermutet vorsichtig Thorsten Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation. In: AGB 51 (1999), S. 161. 61 Vgl. die Tabelle, Abb. 14, bei Grieser: Inflation, S. 161.
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Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen Die anscheinend relativ komfortable Lage des Springer Verlags darf über die grundsätzlichen Probleme des mathematischen Publikationswesens zu Beginn der 1920er Jahre nicht hinwegtäuschen. 1920 wurde unter staatlicher Bezuschussung von 20 Millionen Mark die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gegründet mit dem Ziel, durch finanzielle Unterstützung »die der deutschen wissenschaftlichen Forschung durch die gegenwärtige wirtschaftliche Notlage erwachsene Gefahr völligen Zusammenbruchs abzuwenden«.62 Vertreten waren die deutschen Akademien der Wissenschaften, die Universitäten und Technischen Hochschulen, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine und die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. Die Notgemeinschaft vergab Forschungsstipendien, unterstützte wissenschaftliche Einzelforschung sowie Forschergruppen, förderte Bibliotheksetats und vergab Druckkostenzuschüsse zu wissenschaftlichen Publikationen. Die deutschen Mathematiker waren in der Notgemeinschaft gut repräsentiert, weil der Münchner Mathematiker Walther von Dyck (1856–1934), ein Schüler Felix Kleins, erster Stellvertreter des Präsidenten, des Staatsministers Friedrich Schmidt-Ott (1860– 1956), war.63 Allerdings führte die unbeständige Lage im mathematischen Verlagswesen – es musste sich erst noch erweisen, ob Springer nach Teubners Rückzug diese Lücke dauerhaft würde schließen können und wollen – zu vielen ungeklärten Fragen, etwa was die Weiterführung bestehender oder die Gründung neuer Zeitschriften betraf. Die Förderpolitik in Bezug auf mathematisches Publizieren lässt sich aufgrund der ungünstigen Quellenlage nur schwer rekonstruieren, da in den Akten der Notgemeinschaft für den Fachausschuss Mathematik, der zugleich für Astronomie und Geodäsie zuständig war, nur wenige aussagekräftige Dokumente überliefert sind. Es handelt sich dabei vor allem um den Etatvorschlag des Fachausschusses für das Jahr 1921/22, den der Berliner Mathematiker Issai ——————— 62 §1 der Satzung, vgl. Thomas Nipperdey/Ludwig Schmugge: 50 Jahre Forschungsförderung in Deutschland. Ein Abriß der Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Bonn-Bad Godesberg: DFG 1970, S. 108. Zur Notgemeinschaft vgl. auch Ulrich Marsch: Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Gründung und frühe Geschichte 1920–1925. Frankfurt a. M. usw.: Peter Lang 1994 (Münchner Studien zu neueren und neuesten Geschichte. 10); siehe auch Margit Szöllösi-Janze: Fritz Haber 1868–1934: Eine Biographie. München: C. H. Beck 1998, S. 528–547. 63 Zu Dyck siehe Ulf Hashagen: Walther von Dyck (1856– 1934): Mathematik, Technik und Wissenschaftsorganisation an der TH München. Stuttgart: Steiner 2003.
Schur (1875–1941) in Vertretung des erkrankten Vorsitzenden Felix Klein im Mai 1921 vorlegte.64 Tab. 1: Der Etat der Notgemeinschaft mit Förderanteil des Verlagswesens65 Jahr
Verlagswesen
Gesamtmittel
%
1922/23
14.913.853,40
858.543.440,29
1,74
1923/24
Keine Angabe
Keine Angabe66
1924/25
1.031.372,00
ca. 3.000.000,00
ca. 34,38
1925/26
1.239.394,00
ca. 8.000.000,00
ca. 15,50
1926/27
1.219.040,77
5.098.977,74
23,91
1927/28
2.567.681,06
8.394.717,75
30,59
1928/29
1.116.201,64
8.718.329,70
12,80
1929/30
997.635,93
7.243.739,67
13,77
1930/31
1.164.386,72
7.622.246,64
15,28
1931/32
936.258,21
5.193.972,34
18,03
Bei der Unterstützung von Publikationen waren dabei zunächst lediglich Zeitschriften und Fortsetzungswerke in Betracht gezogen worden. Monographien wurden nicht genannt, allerdings war vielen Autoren auch noch nicht bekannt, dass überhaupt eine Fördermöglichkeit durch die Notgemeinschaft bestand. Für die Mathematik schlug der Ausschuss vor, mit der Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften67 und der Gauß-Ausgabe zwei Langzeitprojekte mit je 100.000 Mark zu fördern. Zudem wurden für die Weiterführung des Referateorgans Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik, des, wie in einer Vorbesprechung betont worden war, »neutralen, die Mathematik mit ihren Anwendungen umfassenden Referierorgans«68, dringend 20.500 Mark gewünscht. ——————— 64 Etat des Fachausschusses V für das Jahr 1921/22, 14.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 65 Die Zahlen beruhen auf den Angaben in den gedruckten Jahresberichten der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. 66 Im »Dritten Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft« für den Zeitraum April 1923 bis März 1924 wird der Etat nicht aufgeschlüsselt unter Hinweis darauf, dass eine »übersichtliche Rechnungslegung […] unter den Verhältnissen des letzten Geschäftsjahres unmöglich« sei (S. 5). 67 Die »Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften« kam seit 1898 bei Teubner heraus und war noch immer nicht mit allen Bänden fertig gestellt (in 1950er Jahren erschienen noch einige Bände). Vgl. dazu Renate Tobies: Mathematik als Bestandteil der Kultur. Zur Geschichte des Unternehmens »Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen«. In: Österreichische Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte. Mitteilungen 14 (1994), S. 1–90; Hashagen: Walther von Dyck, bes. S. 439–470; Hildegard Tombrink: Die Bedeutung der »Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften« im B. G. Teubner Verlag um 1900. Magisterarbeit am Institut für Buchwissenschaft. Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2002. 68 Protokoll der ersten Tagung des Fachausschusses V am 7./8.2.1921 in Göttingen (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemeinschaft [Reichsverband], Nr. 41–60).
Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen 199 Das zentrale Problem aber war das Überleben der mathematischen Zeitschriften. Die mathematische Zeitschriftenlandschaft war bis nach dem Ersten Weltkrieg recht übersichtlich: Bei Teubner erschienen (1) das 1841 gegründete Archiv der Mathematik und Physik, das die Bedürfnisse der Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten berücksichtigte (bis 1920), (2) die Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft, (3) die seit 1856 bestehende Zeitschrift für Mathematik und Physik als Organ für die angewandte Mathematik (bis 1917), (4) die renommierten 1868 gegründeten Mathematischen Annalen, die fest in Göttinger Hand waren und seit 1921 im Springer Verlag veröffentlicht wurden, (5) die Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht (gegründet 1869) sowie (6) der Jahresbericht der Deutschen MathematikerVereinigung, das offizielle Organ der Standesvertretung der Mathematiker in Deutschland. Die älteste und hochangesehene Zeitschrift Journal für die reine und angewandte Mathematik (Crelles Journal, gegründet 1828) war zunächst bei Reimer beheimatet und später bei de Gruyter. Springer hatte 1917 die Mathematische Zeitschrift aus der Taufe gehoben und war kurzzeitig Kommissionsverlag der Zeitschrift für angewandte Mathematik und Mechanik (1921–1923, danach VDI-Verlag), die Richard von Mises 1921 gegründet hatte und die ab 1923 Vereinsorgan der Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik war. Zumindest das Fortbestehen des bei de Gruyter erscheinenden Journals für die reine und die angewandte Mathematik (Crelles Journal), des bei Teubner erscheinenden Jahresberichts der Deutschen Mathematiker-Vereinigung sowie die Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft war ohne finanzielle Unterstützung nicht gesichert. Die Schwierigkeit lag auch hier darin, dass die Abonnentenzahl kriegsbedingt zurückgegangen war, durch die steigenden Abonnementspreise weiter zurückging und aus dem Teufelskreis stetiger Preiserhöhung und abbestellender Bezieher kein Entkommen in Sicht war. Von Seiten der Mathematik wünschte man sich eine grundsätzliche Lösung des Problems unter Einbeziehung der DMV. Das Protokoll der ersten Tagung des Fachausschusses V vom Januar 1921 hielt dazu fest, die DMV habe bereits »eine wesentliche Erhöhung des Mitgliederbeitrages und eine Neuorganisation des von der Vereinigung herausgegebenen Jahresberichts beschlossen. Aber, so hieß es weiter, auch das Weiterbestehen der anderen deutschen mathematischen Zeitschriften und die Verbilligung der Preise, insbesondere für ausländische mathematische Literatur, bedarf weitgehender Fürsorge. Es wird daran gedacht, diesen ganzen Fragekomplex durch Zwischentreten der Deutschen Mathe-
matikervereinigung zu ordnen. Die Vereinigung könnte als Grossbezieher der deutschen mathematischen Literatur auftreten und denjenigen ihrer Mitglieder, welche subskribieren wollen, einen billigen Bezug der von ihnen gewünschten Bücher oder Zeitschriften sichern, indem sie mit den Verlegern günstige Abmachungen trifft, ev. auch ausländische Werke im Austausch erwirbt, und dabei seitens der Notgemeinschaft durch einen Jahresbeitrag, der mindestens 100 000 M. betragen müsste, unterstützt wird. Dieser Betrag müsste auf sämtliche Anschaffungen nach einem gleichen Prozentsatz verteilt werden, so dass das kaufende Publikum in der Hand hat, welche Veröffentlichungen es vor anderen bevorzugen will.69 Dieser Vorschlag wurde vom Fachausschuss im Mai 1921 an das Präsidium der Notgemeinschaft weitergereicht. Die Verbilligung der mathematischen Zeitschriften für die Mitglieder der DMV erschien dem Ausschuss als dringend notwendig und der geforderte Betrag als angemessen. Gerade die beiden größten Zeitschriften (Mathem. Annalen und Mathem. Zeitschrift), die keine direkte Unterstützung verlangt haben, und das ebenso wichtige […] Jahrbuch, das seine Forderungen so sehr beschränkt hat, konnten sich bis jetzt nur durch eine exorbitant hohe Steigerung des Abonnementspreises halten. Der Gefahr, dass hierdurch die Verbreitung der Zeitschriften zurückgeht und ihr Fortbestand in Frage gestellt wird, muss unbedingt begegnet werden. Der verlangte Kredit erscheint als gerechtfertigt.70 Felix Klein begleitete diese ungewöhnliche Initiative mit einem vermutlich an den Präsidenten SchmidtOtt gerichteten Schreiben, das allerdings erkennen lässt, dass sich zumindest Klein eine gewisse Neuordnung des Zeitschriftenwesens, die er um 1900 schon einmal unter dem Dach des Teubner Verlages versucht hatte,71 von der Initiative versprach: Es scheint mir dies der einzige Weg, um die Zahl der Zeitschriften, die zu gross ist, vielleicht zu reduzieren: das Publikum wird selbst entscheiden, welche Zeitschriften es bevorzugen will. Jeder andere Weg führt dazu, schwache Zeitschriften zu stützen. Ich möchte also ein solches Verfahren ——————— 69 Protokoll der ersten Tagung des Fachausschusses V am 7./8.2.1921 in Göttingen (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemeinschaft [Reichsverband], Nr. 41–60). 70 Etat des Fachausschusses V für das Jahr 1921/22, 14.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 71 Dazu siehe Renate Tobies: Zu Veränderungen im deutschen mathematischen Zeitschriftenwesen. In: NTM. Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der Naturwissenschaften, Technik und Medizin 23 (1986) 2, S. 19–33, und 24 (1987) 1, S. 30–49.
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auch für andere Wissenschaften, deren Vertreter sämtlich in einer führenden Gesellschaft vereinigt sind, empfehlen. Um aber bei der Mathematik zu bleiben: auch hier bitte ich, weil sonst die Unbestimmtheit der Lage alles verdirbt, um baldmöglichste Entscheidung.72 Schmidt-Ott allerdings lehnte den Vorschlag als »sehr zweifelhaft« mit der Begründung ab, dass zunächst einmal das Weitererscheinen der Zeitschriften überhaupt sichergestellt werden müsse, bevor an eine Verbilligung der Preise gedacht werden könne. Zudem wollte er nicht die Kontrolle der Notgemeinschaft über die Einzelförderung aus der Hand geben, daher bevorzugte er eine Unterstützung auf direktem Wege und nicht »auf dem für die Notgemeinschaft ganz unkontrollierbaren Wege von Zuschüssen an die Bezieher«.73 Klein versuchte zwar noch einmal, auf das »traurige Kapitel der Mathematischen Zeitschriften« zurückzukommen, in dem überhaupt nur Springer ein Lichtblick sei, denn »Teubner, der seit Dezennien unser Hauptverleger geworden ist, hat allen Mut verloren, fünf Zeitschriften weiter zu führen«. Auch bei Springer, der »vorläufig mit grossen Verlusten gearbeitet« habe, dürfe »man darf darauf gespannt sein, wie lange er das Tempo seines Vorgehens einhalten wird. Kundige wollen schon jetzt eine unverkennbare Verlangsamung wahrnehmen.«74 Erfolg hatten Kleins Einwände allerdings nicht, denn die Notgemeinschaft blieb bei dem Prinzip der Einzelförderung. Präsident Schmidt-Ott ließ Felix Klein im März 1922 wissen, der Hauptausschuss sei zu der Überzeugung gekommen, »dass eine Bewilligung für die Mathematiker-Vereinigung zur Verbilligung der Zeitschriften Konsequenzen hätte, denen die Notgemeinschaft nicht gewachsen wäre«.75 Man hatte sich auch außerhalb der Mathematik für den vorgeschlagenen Modus, die Mittel zentral über eine wissenschaftliche Gesellschaft zu verteilen, nicht begeistern können, wie aus einem Schreiben des Schriftführers der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) an Klein hervorgeht. Zwar begrüße der Vorstand der DPG die »Tendenz der Anträge von Herrn Geh. Klein« und wünsche »seit langem Einfluss auf die Verleger zu gewinnen«, halte dagegen den Fachausschuss der Notgemeinschaft für das geeignete Fo——————— 72 Auszug aus einem Schreiben ohne Adressat, vermutlich an Schmidt-Ott, von Klein, 28.5.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/ 140). 73 Schmidt-Ott an Klein, 3.6.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/140). 74 Auszug aus einem Schreiben ohne Adressat, vermutlich an Schmidt-Ott, von Klein, 5.6.1921 (Bundesarchiv Koblenz, R 73/ 140). 75 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 296).
rum.76 Schmidt-Otts erster Stellvertreter Walther von Dyck sah als wichtigste Hindernisse bei der Durchsetzung des Vorschlags der DMV die »Hartnäckigkeit« des Präsidenten, aber ebenso »die nicht unberechtigte Animosität gegen Springer, welcher der einzige Verleger ist, von allen, mit denen die Kommission verhandelt, welcher sich nicht in seine Bücher schauen lassen will!«77 Diese Episode mag zunächst banal erscheinen, zeigt aber in aller Deutlichkeit, dass es zumindest drei Interessengruppen gab, die zwar das gleiche Ziel verfolgten – die Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Publikationskultur in Deutschland – aber sehr unterschiedlicher Meinung über den einzuschlagenden Weg waren: die Fachwissenschaftler, die Verleger und die Notgemeinschaft. Die Einzelförderung in der Mathematik im Förderzeitraum 1921/1922 (bis 31. März 1922) sah folgendermaßen aus: 2.000,–
Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft (B. G. Teubner Verlag)
35.000,–
Jahresbericht der DMV (B. G. Teubner Verlag)
48.000,–
Heffter, Lothar: Lehrbuch der analytischen Geometrie (B. G. Teubner Verlag)
60.000,–
Bachmann, Paul: Arithmetik der quadratischen Formen (B. G. Teubner Verlag)
30.000,–
Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften (B. G. Teubner Verlag)
37.500,–
Gauß-Werke (Göttinger Akademie der Wissenschaften, B. G. Teubner Verlag, ab 1923 Springer)
20.000,–
Neugebauer, Otto: Tafeln zur Astronomischen Chronologie (in dieser Form nie erschienen; Neugebauer publizierte später beim Springer Verlag)
20.500,–
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik Verlag (Verlag Walter de Gruyter)
20.000,–
Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität (Universität Hamburg)
50.000,–
Klein, Felix: Gesammelte Abhandlungen (Universität Göttingen, Springer Verlag)
Wie an dieser Aufstellung deutlich wird, profitierten von der Finanzierung durch die Notgemeinschaft vor allem Projekte aus dem Haus Teubner. Die Zuschüsse erhielten allerdings die bearbeitenden Stellen, nicht die Verlage, so dass es sich hier um eine indi——————— 76 Schriftführer Rüchardt an Klein, 21.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 298). 77 Dyck an Klein, 24.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 299).
Die Förderpolitik der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im mathematischen Publikationswesen 201 rekte Förderung handelt. Ebenso verhielt es sich mit der Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen Felix Kleins: auch hier wurde die Unterstützung zur Finanzierung der Herausgeber verwendet, nicht für den Druck. Von besonderem Interesse ist die Position, die der Springer Verlag in der Zeitschriftenfrage einnahm. Dabei ist wesentlich, dass der für die Sparte Mathematik verantwortliche Ferdinand Springer durch seinen mathematischen Hauptberater Richard Courant eingehend über alle Initiativen der DMV und des Verlagsausschusses unterrichtet wurde. Im Januar 1921 plante der Schatzmeister der DMV, der Karlsruher Mathematiker Adolf Krazer (1858–1926), sich mit einem Rundschreiben an die DMV-Mitglieder zu wenden, in dem die Lage im Zeitschriftenbereich zusammengefasst und um Vorschläge zur Behebung der Misere gebeten wurde.78 Den Entwurf des Schreibens sandte er auch an die Verlage de Gruyter und Springer. Er enthielt schon den Vorschlag, die DMV solle bei der Notgemeinschaft den Antrag auf Mittel stellen, um ihren Mitgliedern den Bezug von Zeitschriften zu ermäßigten Preisen zu ermöglichen. Konkret führte er aus, die Verlage Springer und de Gruyter sollten »den Mitgliedern der Vereinigung bei Bestellung der Zeitschriften durch diese 20 % Nachlass […] gewähren; es ist beabsichtigt, weitere 30 % aus den Mitteln der Vereinigung zu bezahlen in der Erwartung, dadurch den Zeitschriften eine erhebliche Anzahl neuer Abonnenten zuzuführen.« Krazer forderte darüber hinaus die Möglichkeit, dass Bibliotheken mehrere Exemplare einer Zeitschrift zum reduzierten Preis beziehen können sollten, um diese gegen ausländische Zeitschriften zu tauschen. Der Bezug ausländischer Zeitschriften war für die meisten Seminare und Universitätsbibliotheken ein kaum zu bewältigendes Problem. Allein die Berliner Staatsbibliothek konnte 1920 statt der vor dem Krieg bezogenen 2.300 ausländischen Zeitschriften nur noch 150 halten, insgesamt wurden an deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken überhaupt nur noch 300 ausländische wissenschaftliche Zeitschriften gehalten.79 Damit war eine kontinuierliche Partizipation an ausländischer Forschung kaum noch möglich. Die Antworten aus den beiden Verlagen fielen unterschiedlich aus. Für de Gruyter bezog Wilhelm von Crayen mit Blick auf Crelles Journal und das Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik ausführlich Stellung, nicht ohne gegen Springers Preispolitik zu sticheln, weil doch »dessen jetzige Preise für seine beiden Zeitschriften [Mathematische Annalen und ——————— 78 Rundschreiben Krazers, 22.1.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22). 79 Vgl. die Angaben bei Eduard Wildhagen: Die Not der deutschen Wissenschaft. In: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 15 (1920) 1, S. 18.
Mathematische Zeitschrift] geradezu prohibitiv wirken müssen.«80 Von Crayen wandte sich mit nachvollziehbaren Argumenten entschieden gegen den Austausch deutscher gegen ausländische Zeitschriften: Ein derartiger Modus würde uns Verlegern mehr oder weniger schnell den ganzen Absatz nach dem Ausland abgraben, auf die dabei erzielten höheren Preise können wir aber unmöglich verzichten, denn gerade die zwischen dem Inlands- und Auslandspreise bestehende Differenz ermöglicht es uns, das betreffende Buch oder die Zeitschrift zu einem einigermassen noch erschwinglichen Preise an die Inlandskäufer abzugeben! Fällt diese Einnahme weg, so erhöht sich ganz automatisch der Inlandspreis und damit ist den deutschen Käufern, vor allen Dingen auch den Bibliotheken, doch absolut nicht gedient! Ich weiss nicht, wie die Firmen Springer, Teubner usw. darüber denken, für uns aber möchte ich schon heute die Erklärung abgeben, dass wir auf den Valuta-Aufschlag für Lieferungen nach dem Ausland, gleichwie in welcher Form diese erfolgen, nicht verzichten können, denn wir würden damit das wesentlichste Fundament für unsere Zeitschriften vernichten.81 Ferdinand Springer, der wie von Crayen eine Kopie seiner Antwort Felix Klein zukommen ließ, eröffnete seinen Brief an Krazer mit grundsätzlichen Erörterungen über seinen mathematischen Verlag: Ich möchte ganz allgemein vorausschicken, dass die mathematischen Zeitschriften, wie überhaupt die mathematischen Verlagswerke im allgemeinen, nicht als Unternehmungen aufgefasst werden können, die der Verleger aus materiellen Gründen betreibt. Es empfiehlt sich für die Autoren, diese Tatsache zu beachten, denn wenn der Verleger, trotzdem er sich uneigennützig in den Dienst der Wissenschaft gestellt hat, doch immer wieder auf die Meinung stösst, dass für ihn nur materielle Gesichtspunkte massgebend wären, so muss das auf die Dauer dahin führen, dass der Verleger der ja nun einmal offenbar doch nicht zu bekämpfenden Ansicht entsprechend handelt. Wie ich in Göttingen kürzlich hörte, ist von verschiedenen Herren sogar die Ansicht geäussert worden, dass meine Firma dahin strebe, ein Monopol auf dem Gebiete der Mathematik zu schaffen und nach Erlangung dieses Monopols die Autoren bezw. die Abnehmer der mathematischen Literatur auszubeuten. Ich möchte dazu bemerken, dass einmal im Verlage eine Monopolstellung überhaupt nicht möglich ist und dass insbesondere jeder Missbrauch eines Mo——————— 80 Crayen an Krazer, 3.2.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22). 81 Crayen an Krazer, 3.2.1921.
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nopols zum Verlust der erworbenen Vormachtstellung führen würde. Sodann ist es aber doch klar, dass ein Verleger, der auf wirtschaftliche Ausbeutung ausgeht, sich nicht gerade die Mathematik als Gebiet seiner Tätigkeit aussuchen wird. Ich muss mich über diese Dinge aber einmal offen aussprechen, um danach mit etwas erleichtertem Herzen zu meiner Tätigkeit zurückkehren zu können.82 Rückblickend lässt sich feststellen, dass sich das Gebiet der Mathematik vielleicht nicht unbedingt zur »Ausbeutung« eignete, dass es aber im Hause Springer vermutlich seit Mitte der 1920er Jahre durchaus Profit abwarf (s. u. den Abschnitt »Lukrative Mathematik?«). In der Frage des Tausches mit dem Ausland zeigte Springer sich formal offen, stellte aber ähnlich wie von Crayen fest, dass »das valutastarke Ausland einen Aufschlag von 100 % bei den Zeitschriften zu zahlen hat und dass die Einnahmen aus diesem Aufschlag den Inlandspreisen zugute kommen, nicht etwa vom Verleger als Gewinn betrachtet werden. Tritt infolge des Tauschverkehrs eine wesentliche Verringerung der Zahl der mit Aufschlag gelieferten Exemplare ein, so muss die Folge eine entsprechende Steigerung des Inlandspreises sein«. Wenn der Schriftführer der DMV, Ludwig Bieberbach (1886–1982), diese Einschätzung Springers auch zunächst als entgegenkommend empfand83, so wurde dieser Aspekt des Planes später nicht weiter verfolgt. Wohl aber versuchte die DMV, allerdings ebenfalls ohne Erfolg, Mittel der Notgemeinschaft für ihr Subventionsprogramm zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist Springers Haltung zur Notgemeinschaft von Interesse. Zwar hat er 1927 im Rückblick die Abschaffung des Verlagsausschusses gefordert und 1949, wie gesehen, seine grundsätzliche Ablehnung von Subventionen erklärt. Allerdings berichtet von Crayen in einem weiteren Brief an Krazer, es scheine »allerdings ein Irrtum vorzuliegen«, wenn angenommen werde, dass »Springer für seine Zeitschriften keinerlei Unterstützung seitens der Notgemeinschaft haben wollte«. Vielmehr habe ihm ein »Vertreter der Firma Springer« im Gespräch mitgeteilt, Springer wolle nicht direkt als Petent auftreten und als Verlag einen Zuschuss haben, jede indirekte Förderung seiner Zeitschriften aber wäre ihm ausserordentlich erwünscht, sei es dergestalt, dass eine grössere Anzahl von Exemplaren seitens der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, die die Mittel dazu von der Notgemeinschaft bekommen müsste, abgenommen ——————— 82 Springer an Krazer, 9.2.1921, zur Kenntnis an Klein (NSUB Göttingen, Klein IV Notgemeinschaft [Reichsverband], Nr. 81–100) 83 Bieberbach an Krazer, 10.2.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22).
würde, womit sich eine Verminderung des Preises erzielen liesse, sei es in irgend einer anderen Form. Von Crayen erwähnte schließlich auch noch den eigentlich problematischen Punkt, dass nämlich zum gegebenen Zeitpunkt noch völlig unklar sei, »wie die Notgemeinschaft eingreifen soll«.84 Tatsächlich führte diese Unklarheit gerade in der Zeitschriftenfrage bald zu einer Verstimmung zwischen Felix Klein, Richard Courant und Springer auf der einen und der Notgemeinschaft auf der anderen Seite, als es um die Förderung einer neu gegründeten mathematischen Zeitschrift ging, die Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität.
Durchsetzung partikularer Interessen und wissenschaftsinterne Kontroversen – Die »Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität« Das Mathematische Seminar der 1919 gegründeten Universität Hamburg zählte nach dem Krieg sogleich zu den hervorragenden Adressen in der Mathematik. Die Ordinarien Wilhelm Blaschke (1885–1962) und Erich Hecke (1887–1947) waren mathematisch äußerst produktiv. Zudem erwiesen sie sich gemeinsam mit dem Extraordinarius Johann Radon (1887–1956) als sehr einfallsreich in Bezug auf die praktischen Probleme, die der Aufbau des Seminars mit sich brachte. In diesen Zusammenhang ist die Gründung der Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität zu verstehen, deren erstes Heft 1921 im Selbstverlag des Mathematischen Seminars erschien und die noch heute bestehen. Unter den schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen wurden die Abhandlungen nicht gegründet, um ein eigenes Publikationsforum zu haben, denn Hecke verfügte über gute Verbindungen zu den Mathematischen Annalen und Blaschke gehörte dem wissenschaftlichen Beirat der bei Springer 1917 neu gegründeten Mathematischen Zeitschrift an. Vielmehr verband sich mit der Gründung die Hoffnung auf einen Zeitschriftentausch mit dem Ausland, um eine wissenschaftlich adäquate Ausstattung der Seminarbibliothek zu gewährleisten. Die treibende organisatorische Kraft hinter den Abhandlungen war Blaschke und schon der erste Band bestach dadurch, dass neben Hecke und Blaschke hochkarätige Mathematiker darin publizierten. Nicht nur die renommierten englischen Mathematiker Godfrey H. Hardy und John E. Littlewood hatten in Zeiten des Boykotts der Wissenschaft in Deutschland einen Aufsatz beigesteuert, sondern Hecke hatte auch ——————— 84 Crayen an Krazer, 5.2.1921 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/22).
Die »Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität« seinen Lehrer Hilbert gewinnen können, der dem Unternehmen durch seinen Artikel über Neubegründung der Mathematik seine Rückendeckung gab.85 Der Mathematiker Heinrich Behnke (1898–1979), ein Schüler Heckes, erinnerte sich später, dass es allerlei Schwierigkeiten gab, einen geeigneten Drucker zu finden – vom zweiten Band habe es etwa zehn Korrekturen gegeben. Besonders aber betonte Behnke die Leistung Blaschkes, »in dieser Zeit der allgemeinen Entwertung und Armut die zum Druck notwendigen Gelder zu beschaffen«. Behnke war es »völlig unverständlich, wie Blaschke in dieser Zeit größter Geldknappheit diese Finanzierung gelungen ist«.86 Tatsächlich erfolgte die Anschubfinanzierung aus Mitteln der Notgemeinschaft, die – vermutlich am Fachausschuss für Mathematik vorbei – die Abhandlungen im Haushaltsjahr 1921/22 mit 20.000 Mark und 1922/23 mit einem Betrag in unbekannter Höhe unterstützte.87 Diese Förderung wurde sowohl im Springer Verlag als auch bei Felix Klein, dem Vorsitzenden des Fachausschusses für Mathematik, mit Verwunderung, ja Verärgerung aufgenommen. Im März 1922 war die Angelegenheit Thema eingehender Diskussionen zwischen Richard Courant, der seit Oktober 1921 als Berater auf Springers Honorarliste stand,88 Ferdinand Springer, Felix Klein, Walther von Dyck und Friedrich Schmidt-Ott. Courant und Springer zeigten sich entrüstet, dass die Notgemeinschaft in Zeiten knapper Gelder die Neugründung einer Zeitschrift finanziell unterstützte, die den bereits bestehenden Zeitschriften staatlich subventioniert Konkurrenz machen werde. Courant wandte sich deswegen im März 1922 in enger Abstimmung mit Klein und Springer mit einer Protestnote an die Notgemeinschaft, die durch ein Schreiben von Klein begleitet wurde. Präsident Schmidt-Ott antwortete Klein in einem Brief, in dem er zunächst das Füllhorn der Notgemeinschaft für die Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen von Felix Klein öffnete. Die Bewilligung von 50.000 Mark zu diesem Zwecke ging einher mit der Stellungnahme zu der Förderung der Hamburger Abhandlungen.89 Über »die Prinzipien, nach welchen die Höhe der Unterstützungsbeiträge für Publikationen in jedem Einzelfalle vom Verlagsausschuss der Notgemeinschaft festgesetzt« werden, habe ——————— 85 Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität 1 (1922). 86 Heinrich Behnke: Die goldenen ersten Jahre des Mathematischen Seminars der Universität Hamburg. In: Mitteilungen der Mathematischen Gesellschaft in Hamburg 10 (1976), S. 225–240, S. 237f. 87 Dazu siehe Bericht der Notgemeinschaft 1922, S. 68; Zweiter Bericht der Notgemeinschaft 1923, S. 34. 88 Dazu siehe Remmert/Schneider: »Ich bin wirklich glücklich zu preisen, ...«, S. 196–205. 89 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922 (NSUB Göttingen, Klein IV A, Nr. 296).
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ihm Courant nach seiner Besprechung mit den zuständigen Herren sicherlich schon berichtet. Klein werde einsehen, dass »die Notgemeinschaft bei Unterstützung von Publikationen nicht gut anders handeln« könne. Insbesondere brauche er nicht zu befürchten, dass »andere wichtige Interessen der Mathematiker etwa deshalb unberücksichtigt bleiben« könnten. Zu den Hamburger Abhandlungen teilte er mit, ihre Unterstützung sei »wesentlich mit der Absicht ins Auge gefasst worden, dadurch den Tauschverkehr des Hamburger Seminars zu fördern. Bei Uebermittlung der Bewilligung werde ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Bewilligung unter der Voraussetzung erfolgt, dass die eingetauschten Exemplare ausländischer Literatur der Gesamtheit der deutschen Mathematiker zugänglich sein müssen.«90 Courant war über die Ablehnung seines Einspruches bei der Notgemeinschaft sehr verärgert, sah er doch erhebliche Gefahren für die deutsche Zeitschriftenlandschaft. In einem Brief an Springer schilderte er die Situation Ende März 1922 mit deutlichen Worten: Über die Notgemeinschaft habe ich mich sehr geärgert; sie hat unseren sehr energischen Brief wegen der Hamburger Zeitschrift freundlich, aber sachlich eigentlich ablehnend beantwortet, indem sie erklärt, dass es sich nur um Unterstützung des Austausches handele; wir haben dann strikte verlangt, dass den Inlandszeitschriften keine Konkurrenz gemacht werden dürfe, indem im Inland die Zeitschrift umsonst abgegeben wird. Die Gefahr ist, dass andere Stellen das Hamburger Beispiel nachmachen; ich traue in dieser Hinsicht gerade solchen Hochschulen nicht, wo mehrere produktive Leute zusammen sitzen; blinder partikularistischer Egoismus ist ja ein berühmtes deutsches Zersetzungselement; vielleicht liegt auch hierin der tiefere Grund für die laue Haltung der Notgemeinschaft. Jedenfalls muss man rechtzeitig überlegen, wie man gegen solche Möglichkeiten das Interesse der Wissenschaft sichern kann. Man muss diesen Unternehmungen den Boden entziehen, vielleicht indem man den mathematischen Seminaren von Berlin, Leipzig, Göttingen und vielleicht auch den physikalischen Instituten Göttingen und München anbietet, für Austauschzwecke zu Vorzugspreisen rasch erscheinende Sonderabdrücke von Abhandlungen aus den Zeitschriften Ihres Verlages zu verkaufen, natürlich nur von solchen Autoren, die zu dem betr. Institut irgendwie gehören; diese Sonderabdrücke könnten, unter Bezeichnung ihres Ursprungs, zusammengebunden als »Mitteilungen aus dem math. Institut soundso« erscheinen, würden nicht im Handel zu haben sein und natürlich nur in beschränkter Zahl ausdrücklich für Tauschzwecke ——————— 90 Schmidt-Ott an Klein, 20.3.1922.
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hergestellt werden. Lässt sich so etwas machen? Wenigstens zunächst einmal, solange die Gefahr derartiger Sonderaktionen besteht. Ich werde mit Klein sprechen, sobald ich eine Meinungsäusserung von Ihnen habe.91 Der schwere Vorwurf, die Hamburger Wissenschaftler verfolgten partikulare Interessen und verstießen damit gegen die Normen wissenschaftlichen Handelns, muss natürlich insofern relativiert werden, als Courant auf Wissenschaftlerseite und darüber hinaus als Gehaltsempfänger des Berliner Verlags sowie Ferdinand Springer auf Verlegerseite durchaus auch nicht uneigennützig, also ebenfalls normverletzend, dachten, wenn sie das konkurrierende Hamburger Unternehmen verurteilten und sanktioniert wissen wollten. Die staatliche Verteilung von Forschungsgeldern und Druckkostenzuschüssen basierte in nicht geringem Maß auf dem Erfolg konkurrierender Wissenschaftler. Springer hielt Courants Vorschlag, die Gründung neuer Zeitschriften durch »Zusammenstellung von Separata« zu Austauschzwecken zu verhindern, für »durchaus vernünftig«, zumal bereits zahlreiche medizinische Institute entsprechend verfahren würden.92 Obschon Courant und Springer sich in ihrer Ablehnung der staatlichen Förderung der Hamburger Abhandlungen auch die Unterstützung von Dycks sicherten,93 wurde die neue Zeitschrift auch 1922/23 noch von der Notgemeinschaft gefördert. Als der Herausgeber Blaschke im April 1924 Springer antrug, die Hamburger Abhandlungen in Verlag zu nehmen, bekräftigte Springer in einem Brief an Courant, er halte »das Erscheinen der Hamburger Zeitschrift für eine bedauerliche Zersplitterung der Literatur«. Zudem sehe es »doch so aus, als wäre die Zeitschrift im Eingehen, und ich habe keine rechte Lust, ihr Leben zu verlängern«.94 Blaschke bedauerte zwar Springers diplomatische Ablehnung – Blaschke zählte zu den Autoren und Herausgebern seines Verlags, und Courant hatte Springer daher zu einer gemäßigten Reaktion geraten –, »die sich vom wirtschaftlichen95 Standpunkt rechtfertigen« lasse, fand aber schon für 1924 in Teubner einen neuen Verlag.96 Im Sommer 1931 fragte Blaschke erneut an, ob Springer bereit wäre, den Kommissionsverlag der Abhandlungen und der Einzelschriften des Hamburger Seminars zu übernehmen. Inzwischen genoss das ——————— 91 Courant an Springer, 28.3.1922 (Heidelberg, Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 92 Springer an Courant, 29.3.1922 (Heidelberg, Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 93 Courant an Springer, 5.4.1922 (Heidelberg, Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 94 Springer an Courant, 29.4.1924 (Heidelberg, Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 95 Im Original unterstrichen. 96 Blaschke an Springer, 10.5.1924 (Heidelberg, Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], B 168 I).
Hamburger Mathematische Seminar mit seiner Zeitschrift bereits einen so guten Ruf, dass Springer ihm nach Rücksprache mit Courant wenige Tage später schrieb, er stehe »sehr gern zur Übernahme des Kommissionsverlages der Veröffentlichungen des Hamburger Instituts zur Verfügung«. Ohnehin, so Springer, habe er »den Wunsch, meine Beziehungen zu Ihnen und Ihrem Kreise zu festigen.«97 Allerdings blieben die Hamburger Abhandlungen bei Teubner und es ist unklar, woran das Projekt gescheitert ist. Das Beispiel der Hamburger Abhandlungen belegt nicht nur den Einfallsreichtum, mit dem der Literaturknappheit in Zeiten geringer Bibliotheksetats begegnet wurde, sondern wirft ein Schlaglicht auf die Auseinandersetzungen um die richtige Förderpraxis der noch jungen Notgemeinschaft im Verlagswesen. Die Situation wurde noch dadurch erschwert, dass offenbar verschiedene Instanzen über die Förderung von Publikationen entscheiden konnten. Die Förderung von Kleins Gesammelten Abhandlungen etwa wurde nicht aus den Mitteln des Fachausschusses Mathematik gezahlt, sondern aus einem Sonderfonds des Präsidiums. Ebenso unübersichtlich war die Situation bei der Förderung der Hamburger Abhandlungen. Präsident Schmidt-Ott stellte im Spätsommer 1922 in einem Rundschreiben fest, dass die finanzielle Lage zur Konzentration der Mittel zwinge und ging speziell auf die Lage der Zeitschriften ein. Bei der Bewilligung von Mitteln seien strengste Maßstäbe anzulegen und insbesondere könnten »mehrere nebeneinander laufende Zeitschriften auf gleichen oder verwandten Gebieten nicht erhalten werden, wenn eine genügt. Parallelunternehmungen müssen überall zurücktreten, so wünschenswert sie für den wissenschaftlichen Wettbewerb sind.« Dies betraf nun auch ausdrücklich die Hamburger Abhandlungen, denn unter den vom Verlagsausschuss in seiner letzten Sitzung behandelten Anträgen, die die Befürwortung der Fachausschüsse gefunden hatten, befinden sich Arbeiten über Kölnische Bibliotheksgeschichte, […], Pilze aus Bayern, Abhandlungen aus dem Mathematischen Seminar der Hamburgischen Universität, […], Unternehmungen von deren Beanstandung für dieses Mal abgesehen worden ist, und deren Wert ich keineswegs verkenne, deren Unterstützung aber angesichts unserer Vermögenslage kaum vertretbar erscheint.98
Springer Springer Springer Springer Springer
——————— 97 Blaschke an Springer, 14.7.1931; Springer an Blaschke, 18.7.1931 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912– 1936], B 168 I) 98 Rundschreiben von Schmidt-Ott, 1.9.1922 (Bundesarchiv Koblenz, R73/156: Verlagsausschuss 1921–1942).
Ferdinand Springers Kritik an der Förderpolitik der Notgemeinschaft
Ferdinand Springers Kritik an der Förderpolitik der Notgemeinschaft Ferdinand Springer stand den Aktivitäten der Notgemeinschaft ausgesprochen skeptisch gegenüber, denn er befürchtete eine staatlich subventionierte Wettbewerbsverzerrung in der Branche und, wie am Beispiel der Hamburger Abhandlungen deutlich geworden ist, erwartete er nach Teubners Rückzug neue Konkurrenz. Einige seiner Verlagswerke, wie die Gauß-Ausgabe und die Gesammelten Abhandlungen Felix Kleins, wurden zwar von der Notgemeinschaft unterstützt, das Geld floss aber nicht direkt in den Verlag, sondern im Falle der Gauß-Ausgabe an die Akademie und im Falle der Werke Kleins an die Göttinger Mitarbeiter und Hilfskräfte, die mit der Edition seiner Abhandlungen beschäftigt waren. Mitte der 1920er Jahre war der Springer Verlag durch die Etablierung einer neuen mathematischen Reihe, der 1921 gestarteten Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, und als Verlag der beiden führenden mathematischen Zeitschriften zu einem attraktiven Publikationsort avanciert. Die Verbindungen zu Göttinger Mathematikerkreisen waren stabil. Das verlegerische Ziel musste die Verteidigung der nun eingenommenen Spitzenposition bleiben. 1927 schrieb Ferdinand Springer ein zwölfseitiges Memorandum über den Verlagsausschuss der Notgemeinschaft, in dem er betonte, dass »der wissenschaftliche Verlag nach den Gesetzen der Wirtschaft«99 geführt werden müsse. Er hob hervor: »Den Vorteil von diesem freien Wettbewerb hat die Wissenschaft und haben die Abnehmer. Das jetzige System unterstützt Verknöcherung, Mangel an Wagemut und sichert Monopole, die es bei dem wissenschaftlichen Verlag nicht geben soll, ohne Rücksicht auf die Tüchtigkeit des Monopolinhabers.« Springer nahm Bezug auf den Fünften Bericht der Notgemeinschaft von 1926, in dem behauptet wurde, der Absatz der mathematischen Zeitschriften sei erfreulich gewesen, was Springer zurückwies. Aus dem Hause Springer liegen keine Angaben über den Absatz der Zeitschriften vor, allerdings zeigen die überlieferten Kalkulationen für Crelles Journal (de Gruyter), dass in den Jahren 1924 und 1925 die Deckungsauflage annähernd oder vollständig durch die Zahl der Abonnenten beim Absatz erreicht wurde. Crelles Journal erschien in einer Auflage von jeweils 500 Exemplaren. 1924 bestanden 332 Abonnements (Deckungsauflage: 338 Ex.), 1925 existierten 340 Abonnements (Deckungsauflage: 340 Ex.).100 Über die Anzahl der ——————— 99 Ferdinand Springer über den Verlagsausschuss der Notgemeinschaft, zwölfseitiges Memorandum vom 5.8.1927 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, SA 1.20). 100 Vgl. Kalkulationen Abt. Göschen, 1922–1939 (Berlin, Staatsbibliothek, Dep. 42: 593).
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evtl. über die Abonnements abgesetzten Exemplare hinaus geben die Quellen leider keine Auskunft. In den darauf folgenden Jahren bis 1932 blieb die Zahl der Abonnenten deutlich unter der Deckungsauflage, dennoch wurde die Gesamtauflage ab 1928 auf 525 Exemplare erhöht. Als explizites Beispiel für verlegerisches Engagement ohne Aussicht auf ein kostendeckendes Geschäft führte Springer den Übergang der Annalen in seinen Verlag an: In der Mathematik lag die Sache folgendermaßen: Die führende Zeitschrift waren die ›Annalen der Mathematik‹, die bei Teubner erschienen. Als die Inflation alle Berechnungen über den Haufen warf, zögerte Teubner von Heft zu Heft mehr mit der Herausgabe, so dass sich unhaltbare publizistische Zustände herausstellten. Darauf gründete eine Reihe jüngerer Mathematiker in meinem Verlag die ›Mathematische Zeitschrift‹. Ihr strömte von vorn herein ein reiches und ausgezeichnetes Material zu, und sie hatte einen vollen moralischen Erfolg, förderte auch die Interessen des Verlages in erheblicher Weise, indem sich um sie eine große Reihe von erfolgreichen mathematischen Buchpublikationen anschlossen. An eine Kostendeckung ist allerdings bis auf den heutigen Tag nicht zu denken. Die Zeitschrift erfordert vielmehr auch heute noch nicht unerhebliche Zuschüsse. Nun ergab sich aber aus der Lage noch eine weitere, besonders interessante Entwicklung: Die Herausgeber der ›Mathematischen Annalen‹ stellten, als sie die rasche Entwicklung der ›Mathematischen Zeitschrift‹ beobachteten, die Firma Teubner vor die Entscheidung, entweder die Herausgabe ohne schädliche Beschränkung des Umfanges und innerhalb angemessener Zeit zuzusagen oder auf die Zeitschrift zu verzichten. Die Firma Teubner tat das letztere, und die ›Mathematischen Annalen‹ gingen ebenfalls in meinen Verlag über. Die beiden Zeitschriften gedeihen jetzt in einer Weise, die die Herausgeber und die publizierenden Autoren wie auch die Abnehmer durchaus befriedigt. […] Man kann nicht jedem Buch eine Erklärung beigeben, dass sein Preis sich durch erhaltene oder nicht erhaltene Unterstützung der Notgemeinschaft erklärt. Insbesondere im Ausland verursacht die hierdurch hervorgerufene Ungleichheit der Preise ein Mißtrauen gegen die Preispolitik der deutschen Verleger überhaupt.101 Von der Notgemeinschaft wurde Springers Kritik 1928 sofort zurückgewiesen. Es sei keineswegs so, dass sie die »Verlagsverhältnisse vergifte«, es beste——————— 101 Ferdinand Springer über den Verlagsausschuss der Notgemeinschaft, zwölfseitiges Memorandum vom 5.8.1927 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, SA 1.20).
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he »aber die wunderliche Vorstellung, als wenn in Berlin ein großer Topf wäre, aus dem unentwegt, namentlich von den Verlegern, geschöpft werden könne«.102 Die auch von Wissenschaftlerseite geübte Kritik an den Vergabemodalitäten führte allerdings dazu, dass die Anzahl der geförderten Titel nach 1927 rückläufig war. Im Falle der Mathematik beispielsweise war die für die Werke von Lothar Heffter und Paul Bachmann (siehe Förderungsübersicht oben) bewilligte Summe von Felix Klein und Ludwig Bieberbach als zu hoch eingeschätzt worden, und es wurde bemängelt, dass die Vergabe auf nur einem einzigen Fachgutachten basierte.103 Zu verstehen sind Springers Monita vor dem Hintergrund der in den 1920er Jahren zunehmenden Kritik an den Preisen seiner Verlagsprodukte im Inland, besonders aber auch im Ausland. Selbst Courant hatte schon 1925 geschrieben: »jedesmal wenn ich den Preis von Gauss’ Werken sehe, erschrecke ich etwas.«104 Den Verzicht auf Subventionen kompensierte Springer mit der entsprechenden Gestaltung seiner Ladenpreise. Er hatte schon 1920 die Ladenpreise gegenüber dem Vorkriegsjahr 1913 um 468 % erhöht, im Vergleich dazu waren die Preiserhöhungen bei de Gruyter (188 %) und Teubner (286 %) geradezu moderat.105 Mit einem Durchschnittsladenpreis von 44,64 Mark stand Springer 1920 an der Spitze aller deutschen wissenschaftlichen Verlage (de Gruyter: 13,06 Mark, Teubner: 11,75 Mark)106, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass bei den Springerschen Durchschnittsladenpreisen auch hochpreisige, aufwändig ausgestattete medizinische Werke zu Buche schlugen. Besonders seine Zeitschriftenpreise wurden als viel zu hoch angesehen. Am 23. Juli 1928 veröffentlichte die schwedische Zeitung Svenska Dagbladet einen Bericht, in dem insbesondere die Bücher und Zeitschriften aus dem Hause Springer als »maßlos teuer« gebrandmarkt wurden: Sicherlich sind nicht nur deutsche Bücher teuer, aber einige der größten Verleger, darunter vor allem Julius Springer in Berlin, haben zweifellos in dieser Hinsicht einen Rekord geschlagen. Der außerordentlich produktive Springersche Verlag überschwemmt die wissenschaftliche Welt auf allen Forschungsgebieten. Der Inhalt ist oft von hoher ——————— 102 So der damalige Vorsitzende des Verlagausschusses Ernst Heymann, in: Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (Deutsche Forschungsgemeinschaft). Heft 7: Bericht über die Mitgliederversammlung vom 1. Dezember 1928. Berlin: Siegismund 1929, S. 23f. 103 Ludwig Bieberbach an den Schatzmeister der DMV, Adolf Krazer, 22.5.1922 (Freiburg, Universitätsarchiv, E4/70). 104 Courant an die Hirschwaldsche Buchhandlung am 10.8. 1925, weitergeleitet an Springer am 14.8.1925 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], G 20). 105 Vgl. die Gegenüberstellung bei Grieser, Tabelle 9, S. 174. 106 Grieser.
Klasse, die Ausstattung von noch höherer, aber am allerhöchsten in der Reihe steht der Preis, der nicht selten phantastisch erscheint.107 Die Vielzahl der auf dem deutschen Markt konkurrierenden wissenschaftlichen Zeitschriften wurde von den Wissenschaftlern jedoch meist als Vorteil empfunden, auch wenn es schon seit der Jahrhundertwende in der mathematischen Disziplin Versuche gegeben hatte, das Zeitschriftenwesen zu reformieren.108 Die Bindung von Zeitschriften an (konkurrierende) akademische Schulen stand diesen Bemühungen oft entgegen wie auch die Gründung neuer Periodika für hochspezialisierte, kleine Forschungszweige dem Verleger den Vorteil brachte, Nischen zu besetzen und so auf längere Zeit Konkurrenten fernzuhalten. Zu einer Einigung in der Zeitschriftenfrage zwischen Verlegern, Wissenschaftlern und Bibliothekaren kam es erst im August 1933 (Preisnachlass von 20 Prozent für Bibliotheken), auf internationaler Ebene im Oktober 1933 auf der Jahrestagung der American Library Association in Chicago, zu der der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Ferdinand Springer und den Verleger des Verlags Chemie, Hermann Degener, als deutsche Vertreter entsandt hatte.109
Wissenschaftliche und staatliche Interessen beim Buch- und Zeitschriftenexport Neben den grundsätzlichen Finanzierungsproblemen in den einzelnen Disziplinen und des Zeitschriftenimports bestand das zusätzliche Problem des fast völlig zum Erliegen gekommenen Buchexports.110 Von 1913 bis 1924 ging der Export auf dem gesamten deutschen Buchmarkt um 60 % zurück, wobei es sich dabei in erster Linie um wissenschaftliche Bücher und Zeitschriften handelte.111 Der Buchexport hatte nicht nur wirtschaftliche Bedeutung für die einzelnen Verlage und lag im Interesse der Wissenschaftler, sondern war darüber hinaus ein kultur——————— 107 Vgl. die deutsche Übersetzung des Artikels bei Ferdinand Springer: Die Preise der deutschen wissenschaftlichen Zeitschriften und das Ausland. Nach einem am 9.11.1928 vor der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger gehaltenen Referat. Mit einem Anhang: Beiträge zur Psychologie des In- und Auslandes. Als Manuskript gedruckt 1928. Anlage 1, S. 25. 108 Dazu siehe Tobies: Zu Veränderungen im deutschen mathematischen Zeitschriftenwesen; Hashagen: Walther von Dyck (1856–1934). 109 Vgl. Georg Leyh: Die Zeitschriftenreform und das Abkommen von Chicago vom 18.10.1933. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 51 (1934), S. 81–97. 110 Zum Buchexport und Auslandsbuchhandel vgl. Grieser, Inflation. 111 Vgl. die Angaben z. B. in Friedrich Schmitt-Ott: Denkschrift über den Rückgang in der Verbreitung deutscher wissenschaftlicher Werke und Zeitschriften im Auslande. Als Handschrift gedruckt. Berlin 1925, S. 4.
Wissenschaftliche und staatliche Interessen beim Buch- und Zeitschriftenexport politischer Faktor, so dass diesem Thema auch von staatlicher Seite erhöhte Aufmerksamkeit zukam. Die Beantwortung der Frage »Welche Folgen hat das für das Reich?«112 eröffnete eine Diskussion, an denen sich Verleger, Wissenschaftler und Politiker beteiligten. Im Februar 1920 formulierte Adolf von Harnack (1851–1930), der Präsident der Kaiser-WilhelmGesellschaft (1911–1930), im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften eine Eingabe an die Nationalversammlung in Weimar, in der es hieß: Zu den vitalen Notwendigkeiten des Staates gehört auch die Erhaltung derjenigen großen Aktivposten, die er noch besitzt. Unter diesen Aktivposten kommt der deutschen Wissenschaft eine hervorragende Stelle zu. Sie ist die wichtigste Voraussetzung nicht nur für die Erhaltung der Bildung im Lande sowie für die Technik und Industrie Deutschlands, sondern auch für sein Ansehen und seine Weltstellung, von der wiederum Geltung und Kredite abhängen. Diese Tatsachen sind so bekannt, dass sie einer näheren Darlegung nicht bedürfen. Vor dem Kriege gründete sich das Ansehen Deutschlands auf seine Militärmacht, seine Industrie (und Handel) und seine Wissenschaft; in der letzteren hatte es in einigen Hauptzweigen die Führung und stand nirgendwo an zweiter Stelle; unermeßlich ist der geistige und auch der materielle Einfluß, den es durch die Wissenschaft ausgeübt hat. Nun aber ist die Militärmacht vernichtet, und Industrie und Handel sind aufs äußerste geschwächt; die Wissenschaft aber, trotz des Verlustes von tausenden ihrer Träger, steht noch immer aufrecht, doch droht auch ihr der Untergang.113 Harnack gab der durchaus verbreiteten Auffassung Ausdruck, dass die Wissenschaft in Deutschland zu den wenigen Gebieten zählte, auf denen man noch ungeschlagen sei. Natürlich gehörte dieser rhetorische Kunstgriff zu den Standardargumenten, wenn es darum ging, der in finanzieller Hinsicht notleidenden Wissenschaft in Deutschland neue Ressourcen zu eröffnen oder doch zumindest die alten nach Möglichkeit zu erhalten. Wie die Schwierigkeiten, die für die Verleger hinsichtlich der Fortführung der wissenschaftlichen Zeitschriften entstanden, auch an maßgebender Stelle beurteilt wurden, geht aus nachfolgender Äußerung des Unterstaatssekretärs Becker in den Verhandlungen des Staatshaushalts-Ausschusses hervor: ——————— 112 Vgl. die Angaben bei Eduard Wildhagen: Die Not der deutschen Wissenschaft, S. 1. 113 Zitiert nach Notker Hammerstein: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–1945. München: C. H. Beck 1999, S. 33.
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Die Achtung vor der deutschen Wissenschaft rührt nicht von den grossen Instituten und Museen her, sondern von der tiefgrabenden und emsigen Gelehrtenarbeit, die durch die deutschen wissenschaftlichen Zeitschriften in der ganzen Welt verbreitet werden. Die hierfür aufgewendeten Jahroder Hunderttausende bedeuten für das deutsche Ansehen viel mehr als die Millionen, die für Auslandspropaganda von Seiten des Reiches ausgegeben werden. Deshalb ist die Frage der wissenschaftlichen Zeitschriften eine der brennendsten Fragen unserer ganzen Kulturpolitik überhaupt. Die Verleger können selbst die grossen wissenschaftlichen Organe nicht mehr aufrecht erhalten. Auf diesem Gebiete droht die Gefahr, dass alles durch Konkurrenzgründungen des Auslandes tot gemacht wird. Deshalb muss hier etwas Grosszügiges und zwar bald geschehen.114 Insgesamt kam der Reintegration der deutschen Wissenschaftler in das internationale Beziehungsgeflecht nicht nur eine hohe Bedeutung für den Fortgang der Wissenschaft im Deutschen Reich zu – obwohl über das Ausmaß der tatsächlichen Boykottfolgen insbesondere im Vergleich zu den materiellen Engpässen kaum konkrete Daten in der historischen Literatur zu finden sind115 – sondern spielte auch eine wichtige Rolle in der offiziellen Außenpolitik. So hatte man im Auswärtigen Amt in den frühen 1920er Jahren großes Interesse daran, den Boykott schnellstmöglich zu beenden und sich als verlässlicher, aufrichtiger Partner zu profilieren.116 Die staatlichen Interessen am privatwirtschaftlich organisierten und finanzierten Buchexport und der damit ideell verbundenen »Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Buches«117 sind auch im Zusammenhang mit der gleichzeitig enorm ansteigenden Buchausfuhr Frankreichs zu verstehen. Auf der im Dezember 1923 vom Auswärtigen Amt einberufenen Besprechung, an der Vertreter aus Wissenschaft und Verlagsbuchhandel teilnahmen, wurde festgestellt, dass im gleichen Maß, wie der deutsche Export rückläufig war, der französische mit staatli——————— 114 Zitiert nach: Konrad Giesecke an Friedrich Engel, 16.1.1920 (Gießen, Universitätsarchiv, NE 120244). 115 Dazu Brigitte Schröder-Gudehus: Internationale Wissenschaftsbeziehungen und auswärtige Kulturpolitik 1919–1933. Vom Boykott und Gegen-Boykott zu ihrer Wiederaufnahme. In: Rudolf Vierhaus/Bernhard vom Brocke (Hrsg.): Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Stuttgart: DVA 1990, S. 85–885, 861f. 116 Dazu siehe Schröder-Gudehus: Deutsche Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit 1914–1928. 117 So der Titel bei Oldenbourg: Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums. Vgl. auch Bruno Hauff: Die Aufgaben des wissenschaftlichen Verlages für die Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Buches. Leipzig: Thieme 1931.
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cher Unterstützung florierte. 1924 meldete der Jahresbericht des Maison du Livre Français, dass sich der Umsatz im französischen Buchausfuhr gegenüber 1923 verdoppelt habe. Diese Entwicklung wurde von deutscher Seite als kulturpropagandistische Bedrohung empfunden.118 In den Verhandlungen der Notgemeinschaft mit Vertretern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und Verlagsbuchhändlern, u. a. mit de Gruyter-Verleger von Crayen, am 29. November 1924 wurde beschlossen, das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsinnenministerium sowie das Auswärtige Amt zu durchgreifenden Maßnahmen aufzufordern, da die Weltgeltung der deutschen Wissenschaft bedroht sei. Als Beispiel für eine fatale Entwicklung wurde neben Schweden und Ungarn auch Italien genannt, wo »Bibliotheken die deutsche Literatur abbestellten, wenn sie gleichwertige französische umsonst oder zu niedrigeren Preisen erhalten können. Frankreich habe jährlich 63 Millionen Frcs für Propagandazwecke zur Verfügung.«119 Auch die finanzielle Förderung von Gründungen französischer Buchhandlungen im Ausland (Schweiz, Schweden, Niederlande, Norwegen und Dänemark) durch den französischen Staat wurde als Bedrohung gewertet. Als Lösung des Export-Problems besonders auf dem Gebiet der Zeitschriften wurden von der Notgemeinschaft und dem Börsenverein Leitsätze verabschiedet, deren Kern aus der Forderung nach Einrichtung eines staatlichen Zeitschriftenfonds aus Reichsmitteln bestand. Dieser sollte wissenschaftliche Zeitschriften, »die für die Verbreitung im Auslande von Bedeutung sind«, zur Herabsetzung des Verkaufspreises unterstützen. Etwa 400 deutsche Zeitschriften seien betroffen. Man verständigte sich darauf, dass dieser Antrag streng vertraulich an das Wirtschaftsministerium weitergeleitet werden sollte, »auch in die Presse dürfe die Sache erst später kommen, denn das Ausland dürfte nicht darauf aufmerksam gemacht werden«. Im März 1925 reagierte das Reichswirtschaftsministerium mit einem vertraulichen Schreiben an das Innenministerium, in dem betont wurde, das von der Notgemeinschaft und dem Börsenverein angestrebte Ziel verdiene grundsätzlich jede Förderung »welche die Finanzlage des Reiches irgend zulässt«.120 Konkrete Vereinbarungen wurden allerdings nicht getroffen. ——————— 118 Vgl. dazu Schmitt-Ott: Denkschrift über den Rückgang in der Verbreitung deutscher wissenschaftlicher Werke und Zeitschriften im Auslande, S. 4. 119 Vgl. zum Folgenden Karl Siegismund: Niederschrift über Verhandlungen mit Vertretern des Vorstandes des Börsenvereins und der Verlags-Buchhandels am 29.11.1924 (Abschrift in: Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42, Mappe Nr. 86). 120 Vgl. das vertrauliche Schreiben des Reichswirtschaftsministers an das Reichsministers des Innern vom 24.3.1925 (Ab-
Nicht nur aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive war ein florierender Absatz deutscher wissenschaftlicher Publikationen im Ausland wünschenswert, sondern auch aus Verlegerperspektive. Wilhelm von Crayen hatte der DMV gegenüber in seiner Verteidigung des Valuta-Aufschlags beim Export schon geäußert, dass der Gewinn aus dem Export von Büchern und Zeitschriften auch den Inlandspreisen zugute komme und für den Verlag von hoher ökonomischer Bedeutung sei (siehe oben). Als Beleg lässt sich Crelles Journal heranziehen: von den ersten beiden Heften des 153. Bandes dieser Zeitschrift setzte de Gruyter 1923 insgesamt 236 Exemplare im Inland ab und erzielte einen Erlös von rd. 3,47 Milliarden Mark, im Ausland hingegen wurden zwar nur 126 Exemplare verkauft, der Erlös betrug allerdings rd. 4,63 Milliarden Mark.121
Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer Giesecke-Teubner hatte als Argument für seinen weitgehenden Rückzug aus dem mathematischen Buchmarkt angeführt, Mathematik sei kein lukratives Verlagssegment und müsse durch andere Verlagsobjekte gestützt werden. Wie sich die Finanzsituation im Hause Teubner konkret darstellte, lässt sich kaum rekonstruieren. Dass die mathematischen Publikationen aber durchaus kein defizitäres Geschäft bedeuten mussten, lässt sich am Erfolg der mathematischen Bändchen in der Sammlung Göschen ablesen, mit der sich der Verlag Walter de Gruyter auf dem Lehrbuchmarkt einen Namen gemacht hatte.122 Zwei Beispiele mögen dies belegen: 1. Vom 47. Bändchen der Sammlung Göschen wurden 1896 bis 1913 insgesamt 36.012 Exemplare verkauft. Der Gesamtgewinn lag bis 1911 bei 16.945,07 Mark (vgl. Tab. 2). 2. Vom 51. Bändchen der Sammlung Göschen wurden bis 1913 insgesamt 74.462 Exemplare verkauft. Der Gesamtgewinn bis 1911 betrug 12.840,30 Mark (vgl. Tab. 3). schrift in: Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42, Mappe Nr. 86). 121 Vgl. Kalkulationen Abt. Göschen, 1922–1939 (Berlin, Staatsbibliothek, de Gruyter-Archiv, Dep. 42: 593). 122 Vgl. hierzu die positive Einschätzung in Paul Stäckel: Die Lehrbücher für Studierende des Ingenieurwesens. In: Abhandlungen über den mathematischen Unterricht in Deutschland. Hrsg. von Felix Klein. Band 4: Die Mathematik an den Technischen Schulen. Leipzig: B. G. Teubner 1915, S. 159: »Außerordentlich beliebt und verbreitet sind bei den Studierenden die Bändchen der Sammlung Göschen, die sich durch billigen Preis (90 Pf.) und hübsche Ausstattung auszeichnen. Daß bei einem Umfang von 150 bis höchstens 200 Seiten Kleinoktav nur eine beschränkte Auswahl des Stoffes geboten werden kann, ist selbstverständlich. Indessen hat die Verlagsbuchhandlung Mitarbeiter zu gewinnen gewußt, die mit Sachkenntnis und anerkennenswertem Geschick gearbeitet haben.«
Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer Bereits seit 1899 wurde in der G. J. Göschen’schen Verlagshandlung parallel zur Sammlung Göschen die Sammlung Schubert, eine Sammlung mathematischer Lehrbücher publiziert, in die bis 1921 mehr als 60 Titel aufgenommen wurden. Sie wurde mit der ausschließlich auf die Mathematik konzentrierten Reihe Göschens Lehrbücherei (Gruppe 1 – Reine Mathematik) weitergeführt, die 1921 mit Oskar Perrons Irrationalzahlen gestartet wurde. Noch im selben Jahr wurden drei weitere mathematische Titel auf den Markt gebracht, die alle mehrere Auflagen erlebten. Auch Ferdinand Springer rechnete sich als erfahrener Verleger sicher einen pekuniären Vorteil beim Aufbau und der weiteren Etablierung des neuen Verlagszweigs aus, da sein Unternehmen trotz der oben schon angesprochenen »ideellen Seite« der Verlagstätigkeit die Aufnahme der Mathematik nicht vollends uneigennützig betreiben wollte. Die in seinem Verlag ab 1921 auf den Markt gebrachte Reihe Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, die bis heute als sogenannte »Gelbe Reihe« eine international bekannte Marke bei Springer darstellt, ging auf die Initiative Richard Courants zurück, kam also aus der Wissenschaft selbst, wurde aber von Springer sofort begrüßt, denn nach Gründung der Mathematischen Zeitschrift 1917 musste er weitere mathematische Titel folgen lassen, um als mathematischer Fachverlag von den Wissenschaftlern wahrgenommen zu werden. Dies war mit Hilfe einer gut durchdachten, qualitativ überzeugenden Reihe, die auch in ihrer äußeren Gestaltung einen Wiedererkennungseffekt auf dem Markt hervorrufen konnte, am leichtesten zu erreichen. Die Herausgabe einer neuen (Lehrbuch-)Reihe lag auch im Interesse der Disziplin, denn »schon vor dem Kriege macht sich empfindlicher Mangel an Deutschen mathematischen Lehrbüchern fühlbar, welche weniger den Charakter von Monographien tragen, sondern den pädagogischen Zweck voranstellen«.123 Spätestens ab 1918 entwickelte Courant einen inhaltlichen Plan, der sich an den Bedürfnissen der universitären Lehre ausrichtete und moderne Strömungen der Göttinger Mathematik aufnahm. Neben der zielgruppengerechten Aufbereitung mathematischer Stoffe für Studierende sollte die Reihe auch für Wissenschaftler gedacht sein, die keine Mathematiker waren, aber mathematische Kenntnisse anwenden mussten, wie Physiker, Chemiker und Ingenieure. Courant gelang es, die bekanntesten deutschen Mathematiker als Mitherausgeber der Reihe und als Autoren zu gewinnen, und am 28. November 1918 unterzeichneten Courant, Blaschke, Runge und Born den Herausgebervertrag. Courant hatte durchaus solche Titel vor ——————— 123 Richard Courant, Entwurf eines Rundschreibens, Beilage zum Brief an Springer vom 30.1.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I).
209
Augen, die »Aussicht auf buchhändlerischen Erfolg« versprachen, denn dies war »das wichtigste, für den Augenblick«. Das anhaltend angespannte Verhältnis der Mathematikergemeinschaft zum Teubner Verlag machte auch die Autorenakquisition »unter den augenblicklichen Verhältnissen leicht«.124 Die Reihe lief gut an und entwickelte schnell Markencharakter. Eine Übersicht der ersten neun Titel, die bis Ende 1923 herauskamen, zeigt, dass die jeweilige Deckungsauflage selbst in der Inflationszeit meist nach kurzer Zeit erreicht wurde. Der gute Absatz der Bände machte relativ schnell eine zweite oder dritte Auflage erforderlich und damit stellte die »Gelbe Reihe« kein defizitäres Geschäft dar (siehe Tabelle 4).125 Die Reihe nahm im Gefüge vergleichbarer Verlagsprodukte der Zeit (z. B. Göschens Lehrbücherei) in verschiedener Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Themen wurden mit besonderer Sorgfalt ausgewählt, denn Ziel war es nicht, zu wohlbekannten abgeschlossenen Teilgebieten der Mathematik den schon vorhandenen Darstellungen eine weitere hinzuzufügen, sondern im Gegensatz dazu echte Lücken zu füllen und neue Ergebnisse erstmals in Form von Lehrbüchern zu präsentieren, z. B. Vorlesungen über allgemeine Funktionentheorie von Adolf Hurwitz und Richard Courant (Band 3, 1922), Die Theorie der Gruppen von Andreas Speiser (Band 5, 1923), Theorie der Differentialgleichungen von Ludwig Bieberbach (Band 6, 1923), Vorlesungen über Topologie von Béla Kerékjárto (Band 8, 1923) und Der RicciKalkül von Jan Arnoldus Schouten (Band 10, 1924). Dies hatte naturgemäß zur Folge, dass die Werke der Reihe inhaltlich häufig an aktuelle Forschungsfragen heranführten. Der Ehrgeiz vieler Autoren galt darüber hinaus dem Ziel, das Maß an vorausgesetztem mathematischem Wissen möglichst gering zu halten, sodass auch junge Studierende von den Büchern profitieren konnten, wie die Rezensenten häufig betonten.126 Der Anspruch war allerdings meist insofern hoch gesetzt, als dass durch den stringenten und zielgerichteten Aufbau hohe Anforderungen an das abstrakte und strukturierte Denkvermögen gestellt wurden. Bisweilen war dies in der Rezeption auch Gegenstand von Kritik, da Studierende diese Fertigkeit erst im Verlaufe ihres Studiums erwerben könnten. Vergleichbare Bücher in Göschens Lehrbücherei waren nur Oskar Perrons Irrationalzahlen (1921) und Felix Hausdorffs Mengenlehre (1927; zuerst 1914 als Grundzüge der Mengenlehre bei Veit & Comp.). ——————— 124 Courant an Springer am 20.1.1919 (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67 I). 125 Absatzstatistiken – auch weiterer Bände – befinden sich in der Korrespondenz von Richard Courant mit Ferdinand Springer (Heidelberg, Springer Verlagsarchiv, Abteilung B [1912–1936], C 67). 126 Dazu etwa die Rezensionen der ersten beiden Bände in den Monatsheften für Mathematik 32 (1922), S. 30f., und 33 (1923), S. 9f.
210
Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik
Schubert, Hermann: Arithmetik und Algebra. Leipzig: Göschen 1896. (Sammlung Göschen 47). 2. durchgesehene Auflage 1898, 2. Auflage Neudrucke 1900, 1903, 1906, 1907, 1911, 1914, 1917, 1918, 1919, 3. von Paul Fischer neubearbeitete Auflage 1923, 4. von Paul Fischer neubearbeitete und erweiterte Auflage 1926, weitere Auflagen mit verändertem Titel unter Fischers Namen
Tab. 2: Absatz und Gewinn des Bandes 47127 1896
1896/97
1897/98
1898/99
1899/00
1900/01
1901/02
1902/03
1903/04
1904/05
Abgesetzte Ex.
210
1989
2310
2313
2641
2777
2913
3032
3559
2757
Gewinn in Mark
425.71
38.95
218.71
714.11
817.64
943.67
962.16
1021.27
1216.52
842.21
1905/06
1906/07
1907/08
1908/09
1909/10
1910/11
1911
1912
1913
Abgesetzte Ex.
2777
3154
3957
2954
3403
3388
1892
4189
2642
Gewinn in Mark
617.54
801.98
1329.16
967.31
1479.51
1088.63
654.57
k.A.
k.A.
Bürklen, Otto Th.: Formelsammlung und Repetitorium der Mathematik. (Sammlung Göschen 51). Enthaltend die wichtigsten Formeln und Lehrsätze der Arithmetik, Algebra, algebraischen Analysis, ebenen Geometrie, Stereometrie, ebenen und sphärischen Trigonometrie, mathematischen Geometrie, analytischen Geometrie der Ebene und des Raumes, der Differential- und Integralrechnung. Leipzig: Göschen 1898, 2. Auflage 1898, 2. Auflage/2. Abdruck 1899, 2. Auflage/3. Abdruck 1901, 2. Auflage/4. Abdruck 1903, 3. durchgesehene Auflage 1904, 3. Auflage/2. Abdruck 1906, 3. Auflage/3. Abdruck 1907, 3. Auflage/4. Abdruck 1909, 3. Auflage/ durchgesehener Neudruck 1912, 3. Auflage/ durchgesehener Neudruck 1915, 3. Auflage/Neudruck 1918, 3. Auflage/Neudruck 1920, 3. Auflage/Neudruck 1922, 3. Auflage/Neudruck 1923; von F. Ringleb vollständig umgearbeitete Neuausgabe als Mathematische Formelsammlung 1927, 1. Auflage/Neudruck 1928, 2. verbesserte Auflage 1931, 3. Auflage/Neudruck 1936, 3. Auflage/Neudruck 1939.
Tab. 3: Absatz und Gewinn des Bandes 51128 1896
1896/97
1897/98
1898/99
1899/00
1900/01
1901/02
1902/03
1903/04
1904/05
Abgesetzte Ex.
446
4112 (II)
4037 (I)
4555 (I)
5131 (I)
5318 (I)
5839 (I)
6016 (I)
7822 (I)
6480 (I)
Gewinn
368.62
779.48
159.02
740.13
1404.78
1541.77
1772.47
1760.96
2549.04
1727.72
1905/06
1906/07
1907/08
1908/09
1909/10
1910/11
1911
1912
1913
Abgesetzte Ex.
6354 (I)
7165 (I)
7644 (I)
7145
7645
7749
3143
9040
7065
Gewinn
1885.60
2176.86
2342.50
2091.09
2317.64
2262.43
908.20
k.A.
k.A.
127 128
Für forschende und angehende Mathematiker bot die Reihe ein hohes Maß an Identifikationsmöglichkeiten. Sie repräsentierte sowohl den neuesten Stand der Entwicklungen als auch die für die Mathematik der Zeit paradigmatische Strenge und Klarheit, welche im Idealfall verbunden war mit einer verständlichen Darstellung. Die Verbindung von »Strenge« und »Fasslichkeit« galt als eines der erstrebenswertesten
Ziele in der Diskussion um adäquate Lehrbuchliteratur nach 1900.129 Ein wichtiges Anliegen der Zeit war die angemessene Berücksichtigung der mathematischen Anwendungen. Dieses wurde in den Grundlehren nicht nur im Reihentitel, sondern auch in der Auswahl der Werke, von denen etwa 30 % der anwandten Wissenschaft in der Mathematik zugerechnet werden können, umgesetzt. ———————
——————— 127 Absatz-, Gewinn- und Verlust-Statistik der Sammlung Göschen 1896–1915 (Berlin, Staatsbibliothek, Archiv de Gruyter, Dep.42, 314 und 315). 128 Absatz-, Gewinn- und Verlust-Statistik der Sammlung Göschen 1896–1915 (Berlin, Staatsbibliothek, Archiv de Gruyter, Dep.42, 314 und 315).
129 Dazu siehe die Bemerkungen bei Susann Hensel: Die Auseinandersetzungen um die mathematische Ausbildung der Ingenieure an den Technischen Hochschulen in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts. In: Susann Hensel/Karl-Norbert Ihmig/ Michael Otte: Mathematik und Technik im 19. Jahrhundert in Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1989, S. 1–111, bes. S. 34– 42: Zur Lehrbuchsituation. Eine genauere Untersuchung der mathematischen Lehrbuchliteratur ist im Rahmen unseres Projektes in Vorbereitung.
Lukrative Mathematik? Die Grundlehren-Reihe bei Springer
211
Tab. 4: Titel- und Auflagenübersicht der Reihe »Grundlehren der mathematischen Wissenschaften« Band 1
Autor Blaschke
Titel Differentialgeometrie I Differentialgeometrie I, 2. Aufl. Differentialgeometrie I, 3. Aufl.
Auflagenhöhe 1500 2000 2000
2
Knopp
Unendliche Reihen Unendliche Reihen, 2. Aufl. Unendliche Reihen, 3. Aufl. Funktionentheorie Funktionentheorie, 2. Aufl. Funktionentheorie, 3. Aufl. Mathematische Hilfsmittel des Physikers Mathematische Hilfsmittel des Physikers, 2. Aufl. Mathematische Hilfsmittel des Physikers, 3. Aufl. Gruppentheorie Gruppentheorie, 2. Aufl. Gruppentheorie, 3. Aufl. Differentialgleichungen Differentialgleichungen, 2. Aufl. Differentialgleichungen, 3. Aufl. Differentialgeometrie II Topologie (I) Mengenlehre (2. Aufl.) Mengenlehre, 3. Aufl.
3
Hurwitz/Courant
4
Madelung
5
Speiser
6
Bieberbach
7 8 9
Blaschke Kerékjártó Fraenkel
Die Grundlehren standen somit für das Selbstverständnis der Mathematik als lebendige, gleichzeitig axiomatisch strenge Wissenschaft mit hoher naturwissenschaftlich-technischer Relevanz. Die Mehrheit der Einzelbände waren Produkte am Puls der Zeit, so dass ihr Verkaufserfolg rückblickend verständlich ist. Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen war die Mathematik in den Jahren der Weimarer Republik ein potentiell lukrativer Publikationszweig, sofern die Verleger die Produkte angemessen aufbereiteten. Entscheidend für den ökonomischen Erfolg waren nicht zwingend die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, sondern wichtiger war die Bindung renommierter Autoren an einen Verlag und die inhaltliche Ausgestaltung des Verlagsprogramms an den Bedürfnissen der sich stets weiterentwickelnden und ausdifferenzierenden mathematischen Disziplin. Unter den
1200 1750
Kostendeckung 770 896 1353 750 (ab 1.7.22: 935) 990
1921 1924
1500 1500 1800 2000
1151 1209 1382 1290
1931 1922 1925 1929
2000
1044
1922
2000
1523
1925
2000 1200 1500 1500 2000
1182 611 1068 838 1105
1936 1923 1927 1937 1923
2000
1527
1926
2500 3000 1500 1500 1500
1887 710 728 768 1116
1930 1923 1923 1923
erschienen 1921 1924 1929
Deckung erreicht nach: 1 Jahr 2 Jahren 4 Jahren 1 Jahr
2 Jahren mehr als 5 Jahren 1 Jahr 2 Jahren 2 Jahren 2 Jahren 6 Jahren k.A.
1928
1 Jahr 5 Jahren 1 Jahr 1 Jahr 3 Jahren mehr als 5 Jahren 1 Jahr 1 Jahr 1 Jahr 4 Jahren
konkurrierenden Unternehmen auf dem mathematischen Markt waren de Gruyter mit der Sammlung Göschen und dem Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik sowie Springer mit der GrundlehrenReihe, den Mathematischen Annalen und der Mathematischen Zeitschrift letztlich ökonomisch erfolgreicher und boten prestigeträchtigere Werke an als der stark subventionierte Verlag B. G. Teubner. Für eine weitere Analyse der Entwicklung des mathematischen Publikationswesens – auch über den Zeitraum der Weimarer Republik hinaus – wird eine zentrale Frage sein, wie es zu einer adäquaten Gestaltung mathematischer Publikationen kam. Die Forschungsliteratur geht in der Regel von einem fertigen Produkt, nämlich dem geschriebenen mathematischen Buch (oder im weitesten Sinne, einem bereits verfassten wissenschaftlichen Text) aus, das dann als
212
Volker R. Remmert/Ute Schneider: Wissenschaftliches Publizieren in der Weimarer Republik
solches auf einen »sich stetig differenzierenden Markt« kommt.130 Demgegenüber stellt sich die Frage, wer entscheidet, welches Wissen in welcher Form zugänglich gemacht wird und an welches Publikum sich das Endprodukt richtet. Zwar wird in der Literatur Kommunikation häufig als definierendes Merkmal von Bildung und Entwicklung wissenschaftlicher Disziplinen angeführt, gleichwohl sind wir über einen zentralen Bereich wissenschaftlicher Kommunikation sehr unzureichend unterrichtet, nämlich den Prozess des kommunizierbar Machens von Wissen, der schließlich vom Gedachten und mündlich Mitgeteilten zu den Druckerzeugnissen führt. Es wäre eine Fehlhypothese, davon auszugehen, dass (mathematisches) Wissen per se kommunizierbar ist, dass es ohne weiteres lehrbar, lernbar und verwendbar bzw. benutzbar ist. Die Kommunizierbarkeit ist Ergebnis eines – häufig langwierigen – Prozesses. Für den wissenschaftlichen Verleger kommt es darauf an, Wissensbestände zu erschließen, die entweder bereits kommunizierbar sind oder kommunizierbar gemacht werden können, aus ihnen eine Auswahl zu treffen und abzuschätzen, welche Ziel- bzw. Käufergruppen erreicht werden können. Unterstützung erhält er dabei durch die jeweils spezifischen Verlagsberater: Ohne Richard Courant wäre es Springer wohl trotz des Teilrückzugs des Verlages Teubner kaum gelungen, in den mathematischen Markt einzusteigen. Das Feld zwischen Wissenschaft, Verlagsberater und Verleger, in dem sich verschiedene Interessenlinien kreuzen, aber mit Blick auf ein mögliches Buch auch bündeln, ist der historischen Analyse aufgrund der Quellenlage schwer zugänglich, denn der schriftliche Austausch macht häufig nur einen Bruchteil des Kommunikationsnetzes aus, das zum Buch führt.
Abkürzungen DMV Deutsche Mathematiker-Vereinigung DPG Deutsche Physikalische Gesellschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure
——————— 130 Müller: Wissenschaft und Markt um 1900, S. 6.
213
KARSTEN JEDLITSCHKA
Die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« Zensurfelder und Arbeitsweise am Beispiel des Münchner Lektors Ulrich Crämer Einleitung Literaturkontrolle und Zensur waren wesentliche Elemente nationalsozialistischer Herrschaftssicherung. Eine wichtige Rolle hierbei spielte die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« (PPK). Bislang haben sich die Untersuchungen zu dieser Zensurstelle – grundlegend hierzu die Studie von Jan-Pieter Barbian1 – v. a. auf institutionelle und organisatorische Aspekte konzentriert.2 Dies war u. a. eine Folge der schwierigen Quellenlage, denn der Aktenbestand der PPK ist bei der Zerstörung der Berliner Dienststelle im Jahr 1943 fast vollständig vernichtet worden, insbesonde-
1 Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im »Dritten Reich«. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, Frankfurt a.M.: Buchhändler-Vereinigung 1993, zur PPK S. 128–137, 231–233. 2 Die Beschäftigung mit der NS-Schrifttumspolitik ist erst relativ spät angelaufen. Volker Dahm hatte noch im Jahre 1983 das Fehlen einschlägiger quellengesättigter Studien zu dieser Thematik als ein »Skandalon deutscher Vergangenheitsbewältigung« bezeichnet (Volker Dahm: Die nationalsozialistische Schrifttumspolitik nach dem 10. Mai 1933. In: 10. Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Hrsg. von Ulrich Walberer. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1983 (Informationen zur Zeit), S. 36–83, S. 77). Aufbauend auf die Studie von Barbian sind seitdem einige Arbeiten entstanden. Vgl. Klaus-Peter Horn: Pädagogische Zeitschriften im Nationalsozialismus. Selbstbehauptung, Anpassung, Funktionalisierung. Weinheim: Deutscher Studien-Verlag 1995 (Bibliothek für Bildungsforschung. 3); JanPieter Barbian: Die vollendete Ohnmacht? Das Verhältnis der Schriftsteller zu den staatlichen und parteiamtlichen »Schrifttumsstellen« im »Dritten Reich«. In: IASL 20,1 (1995), S. 137–160; Volker Dahm: Nationale Einheit und partikulare Vielfalt. Zur Frage der kulturpolitischen Gleichschaltung im Dritten Reich. In: VfZ 43 (1995), S. 221–265; Otto Seifert: Die Große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945. Schkeuditz: GNN-Verlag 2000; Jan-Pieter Barbian: Der Börsenverein in den Jahren 1933 bis 1945. In: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825–2000. Ein geschichtlicher Aufriss. Hrsg. von Stephan Füssel, Georg Jäger, Hermann Staub. Frankfurt a.M.: Buchhändler-Vereinigung 2000, S. 91–117; Jan-Pieter Barbian: Die Beherrschung der Musen. Kulturpolitik im »Dritten Reich«, in: Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus. Hrsg. von Hans Sarkowicz. Frankfurt a.M./Leipzig: Insel-Verlag 2004, S. 40–74.
re sind nur wenige Zensurakten überliefert.3 Hier möchte der vorliegende Beitrag ergänzend ansetzen. Ausgehend von einem neuen Aktenfund sollen Gegenstände, Verfahren und Reichweite der von der PPK betriebenen Literaturkontrolle dargestellt und anhand charakteristischer Beispiele illustriert werden. Wie so oft, hat auch hier der Zufall die entscheidende Rolle gespielt.4 In der Personalakte des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907–1992), der zwischen 1937 und 1939 für die PPK als Gutachter arbeitete, fand sich dessen vollständige Korrespondenz mit der Zensurstelle. Besonderen Wert besitzt dieser Aktenfund, weil hier eine Kombination aus Sender- und Empfängerüberlieferung vorliegt. Von jedem fertig gestellten Gutachten behielt Crämer eine Kopie und heftete sie zur zugehörigen Anfrage. Die Unterlagen fanden aus ungeklärten Gründen ihren Weg in Crämers Personalakt der Universität, aus dem er nach dem Krieg in die Akten des Bayerischen Kultusministeriums übernommen wurde.5 Zusammen mit dem Berliner Restaktenbestand bilden diese Unterlagen die Grundlage der folgenden Untersuchung. Crämers Arbeit für die PPK ist zudem in besonderer Weise aufschlussreich, weil sie Einblicke in die Überwachung (geschichts-)wissenschaftlicher Literatur ermöglicht. Geschichtswissenschaftlichen Veröffentlichungen galt neben volkstumspolitischem, außenpolitischem und »rassepolitischem« Schrifttum das
3 Im Bundesarchiv (BA Berlin-Lichterfelde NS 11) ist ein im Jahr 1960 bei Aufräumarbeiten in Berlin aufgefundener kleiner Restbestand der ursprünglich sicherlich sehr umfangreichen Registraturen überliefert. Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 13, 231. 4 Siehe dazu die anregenden Überlegungen bei Arnold Esch: Überlieferungs-Chance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historikers. In: HZ 240 (1985), S. 529–570. 5 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) MK 43500, Korrespondenz Crämer mit PPK (5.2.1937–5.9.1939). Grundlage der folgenden Darstellung sind die einschlägigen Passagen meiner Dissertation, die um einige Beobachtungen ergänzt wurden (Karsten Jedlitschka: Wissenschaft und Politik. Der Fall des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907–1992). Berlin: Duncker & Humblot 2006 (Ludovico Maximilianea. Forschungen. 21), S. 139–160).
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Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«
besondere Interesse der PPK,6 die sich wegen beschränkter Ressourcen auf bestimmte Kernbereiche konzentrieren musste.7 Crämers Tätigkeit kann damit zugleich cum grano salis als beispielhaft für diese politische Kontrollarbeit durch Historiker gelten, für die bislang kein Quellenmaterial vorlag. Zensurtätigkeiten sind beispielsweise auch für den Königsberger Historiker Theodor Schieder und den Münchner Dekan der Philosophischen Fakultät und Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Karl Alexander von Müller, belegt.8 Es wird sich zudem zeigen, dass auch für die PPK, wie in fast allen Bereichen von Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft im »Dritten Reich«, das Phänomen polykratischen Kompetenzstreites als prägendes Element zu konstatieren ist, sowohl auf institutionell-organisatorischer als auch auf fachlich-gutachterlicher Ebene.9 6 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/12, Aktennotiz betreffs »Zuständigkeit der Dienststelle« 14.7.1941. Vgl. auch das ausführliche Exposé »Zusammenfassung über den Aufgabenkreis der Parteiamtlichen Prüfungskommission, der für sie gemäß der augenblicklich geltenden Arbeitsgrundlagen und Richtlinien in Betracht kommt« vom 15.9.1939 [7 S.], S. 4 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/6). 7 Jürgen Soenke: Studien über zeitgenössische Zensursysteme. Frankfurt a.M.: Diesterweg 1941 (Zeitung und Zeit. N.F., Reihe A. 20), S. 69. Soenke war Leiter der Abteilung »Führerreden« der PPK. Vgl. dazu Barbian: Literaturpolitik, S. 137, 393; Michael Knoche: Wissenschaftliche Zeitschriften im nationalsozialistischen Deutschland. In: Von Göschen bis Rohwolt. Beiträge zur Geschichte des deutschen Verlagswesens. Festschrift für Heinz Sarkowski zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Monika Estermann und Michael Knoche. Wiesbaden: Harrassowitz 1990 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 30), S. 260–281, hier: S. 275–280. 8 Theodor Schieder (1908–1984) wurde anlässlich seiner Königsberger Hausberufung 1942 auf den Lehrstuhl von Rothfels Lektor der PPK (Hans-Ulrich Wehler: Historiker und Nationalsozialismus. In: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Hrsg. von Winfried Schulze und Otto Gerhard Oexle. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1999, S. 306–339, hier: S. 321). Für den Fall Karl Alexander von Müllers (1882–1964) ließ sich nicht eindeutig klären, ob es sich bei seiner Zensurarbeit um eine einmalige Begutachtung oder ständige Mitarbeit gehandelt hat (UAM EII-2517, Telegramm PPK an v. Müller 31.8.1943). Zu von Müller, der sich bereits früh auf die Seite des Nationalsozialismus gestellt hatte, siehe Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 107–130, 343–348, 397; Ferdinand Kramer: Der Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte von 1917 bis 1977. In: Im Dienst der Bayerischen Geschichte. 70 Jahre Kommission für bayerische Landesgeschichte und 50 Jahre Institut für bayerische Geschichte. Hrsg. von Wilhelm Volkert und Walter Ziegler. 2. Aufl. München: C.H. Beck 1999, S. 351–406, hier: S. 365–378. 9 Während die ältere Forschung von der Schrifttumsbürokratie als einem totalem Erfassungsinstrument ausgegangen war (so stellvertretend Dieter Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im Dritten Reich. 4. Aufl. Bonn: Bouvier 1985 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. 13), S. 15–21), hat die neuere Forschung übereinstimmend den Konkurrenzkampf der verschiedenen schrifttumspolitisch ambitionierten Staats- und Parteistellen herausgearbeitet (Barbian: Literaturpolitik, S. 128–137, 366f.; Volker Dahm: Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer. Die »Berufsgemeinschaft« als Instrument kulturpolitischer Steuerung und sozialer Reglementierung. In: VfZ (1986), S. 53–84; Norbert Frei:
Professor von Hitlers Gnaden – Der Münchner Historiker Ulrich Crämer (1907–1992) Der Neuzeithistoriker Ulrich Crämer war Ende des Jahres 1939 auf das Münchner Ordinariat für Mittlere und Neuere Geschichte berufen worden.10 Damit hatte er mit erst 32 Jahren das höchste Amt einer akademischen Karriere erlangt, noch dazu an einer der renommiertesten Hochschulen des Deutschen Reiches. Dies hatte der Jungwissenschaftler vor allem seinem frühen und steten Engagement für den Nationalsozialismus zu verdanken. Schon als Student an den Universitäten Heidelberg, Königsberg, Wien und Rostock war er mit völkisch-nationalistischem Gedankengut in Kontakt gekommen. An der »Grenzlanduniversität« Königsberg hatte er sich der »Deutsch-Akademischen Gildenschaft« angeschlossen, einer bündisch verfassten Korporation mit volkstumspolitischer Ausrichtung, in der auch die jungen Historiker Ernst Anrich, Werner Conze oder Theodor Schieder aktiv waren.11 In Wien begeisterte sich Crämer für die ständestaatlich-autoritären Gedanken seines dortigen Lehrers Othmar Spann (1878–1950), in Rostock folgte der Eintritt in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, bevor sich Crämer im Februar 1930 der NSDAP anschloss. Nach der Promotion, die er bei Willy Andreas mit einer Arbeit über die Geschichte Straßburgs im 16. und 17. Jahrhundert ablegte,12 ging Crämer nach Weimar, um dort die Grundlagen für seine weitere Karriere zu legen. Zum einen konnte er sich durch eigene Forschungen im Rahmen seiner Mitarbeit im »Carl-August-Werk«, eines von seinem Lehrer Andreas geleiteten Großprojekts über den Weimarer Herzog und Freund Goethes Carl August von Weimar, die Basis für die ersehnte akademische Laufbahn schaffen. Andererseits zeigte er durch den Beitritt in SA und SS Ende des Jahres 1930, wie ernst es ihm mit dem Engagement für den Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1980, S. 12f.). 10 Im Folgenden nach Jedlitschka: Wissenschaft und Politik. Siehe auch knapp Karsten Jedlitschka: Professor von Hitlers Gnaden: Der Münchner Neuzeithistoriker Ulrich Crämer (1907–1992). In: Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I. Hrsg. von Elisabeth Kraus. München: Herbert Utz-Verlag 2006 (Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1), S. 299–344. 11 Zur jugendbewegt-bündischen »Deutsch-Akademischen Gildenschaft«, die sich als Avantgarde einer neuen völkischen Gemeinschaft verstand, vgl. Karl-Eckhard Hahn: Geschichte der Deutschen Gildenschaft. In: Schriften der Deutschen Gildenschaft. Sonderheft 3 (1998), S. 23–65; Ingo Haar: »Revisionistische« Historiker und Jugendbewegung. Das Königsberger Beispiel. In: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Hrsg. von Peter Schöttler. Frankfurt a.M.: Shurkamp 1997, S. 52– 103, hier: S. 54–69. 12 Ulrich Crämer: Die Verfassung und Verwaltung Straßburgs von der Reformationszeit bis zum Fall der Reichsstadt (1521– 1681). Frankfurt a.M.: Elsaß-Lothringen Institut 1931.
Politische Zweckmäßigkeit statt ideologischer Fanatismus: Kontrollverfahren und Zensurpolitik der PPK Nationalsozialismus war. Damit dürfte er innerhalb der Historikerschaft an erster Stelle stehen. Selbst gegenüber der Gruppe der sog. »Gegnerforscher« des SD steht Crämer besonders exponiert da. So trat etwa der Bauernkriegsforscher Günther Franz der NSDAP und SA erst 1933, der SS sogar erst 1935 bei. Auch Historiker, die für den SD arbeiteten – wie Rudolf Levin, Hermann Löffler, Hans Schick oder Walter Wache – schlossen sich erst später der Partei und ihren Gliederungen an.13 Dieser frühe und engagierte Einsatz – Crämer diente in den ersten Monaten nach der sog. »Machtergreifung« auch als Hilfspolizist und Schulungsleiter im »Rasse- und Siedlungsamt« der SS und sekundierte dem Regime publizistisch durch die Verherrlichung des Nationalsozialismus14 – zahlte sich auch bald aus. Im Frühjahr 1934 wurde Crämer, der sich bereits im Jahr 1932 durch eine 150-seitige Denkschrift zur »Reichsreform«, also zur Frage einer territorialen Neugliederung des Deutschen Reiches, profiliert hatte,15 als kommissarischer Referent ins Reichsministerium des Innern nach Berlin bestellt. Parallel konnte er sich, gestützt auf seine guten Beziehungen zur Partei, im Jahr 1934 an der betont nationalsozialistisch ausgerichteten Universität Jena mit einer Studie zur politischen Korrespondenz von Carl August von Weimar habilitieren.16 Als Ende 1935 alle Arbeiten an der »Reichsreform« eingestellt werden mussten, konnte der »Politikberater« Crämer problemlos wieder in die akademische Laufbahn wechseln. Nicht zuletzt die Unterstützung des Reichsinnenministers Wilhelm Frick und des Thüringischen Gauleiters Fritz Sauckel verhalfen ihm zunächst zu einem bezahlten Lehrauftrag an der Jenaer Universität. Ab dem Sommersemester 1936 durfte er den Lehrstuhl des gerade emeritierten Alexander Cartellieri vertreten.
13 Zu den Personen im Einzelnen Joachim Lerchenmüller: Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheitsdienstes der SS. Der SD-Historiker Hermann Löffler und seine Denkschrift »Entwicklung und Aufgaben der Geschichtswissenschaft in Deutschland«. Bonn 2001, S. 30–50, 53–57. 14 Nationalsozialismus und Philosophie. Eine Auseinandersetzung mit den Problemen von heute. Von Dr. phil. Ulrich Crämer und Dr. med. Dankmar Hauert. In: Reclams Universum 50 (1933), S. 234f.; Ulrich Crämer: Führer und Gefolgschaft in der deutschen Geschichte. In: Almanach der Deutschen Beamten. Hrsg. vom Reichsbund der Deutschen Beamten, o.O. u. o.J. [Berlin, Weihnachten 1934], S. 136–139. 15 Das Manuskript ist nicht überliefert, die Argumentation lässt sich aber anhand einer späteren Publikation analysieren (Ulrich Crämer: Das Problem der Reichsreform. Jena: Frommann 1935). 16 Das Werk ist nie publiziert worden und nach Crämers Aussage im Krieg verloren gegangen. Erst drei Jahrzehnte später hat Crämer dann eine Arbeit vorgelegt, die wohl in weiten Teilen auf diesen Vorarbeiten aufbaute (Ulrich Crämer: Carl August von Weimar und der deutsche Fürstenbund 1783–1790. Wiesbaden: Hardt u. Hauck 1961).
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Der u. a. durch sein Konzept einer »volkstumsgeschichtlichen Geopolitik«17 profilierte Jungwissenschaftler erhielt dann bereits ein halbes Jahr später den Ruf an die Münchner Universität. Parteiinterne Rivalitäten brachten Crämer allerdings arg in Bedrängnis, so dass er sich drei Jahre lang mit der Vertretung des ihm angetragenen Lehrstuhls zufrieden geben musste. Wegen Bedenken gegenüber seiner angeblichen »jüdischen Versippung« hatte er zeitweilig sogar das Ende seiner Karriere zu befürchten. Doch vor dem Hintergrund seines großen Einsatzes für den Nationalsozialismus beschied Hitler, was nur in ganz wenigen Fällen geschah, ein von Crämer eingereichtes Gnadengesuch positiv und machte so den Weg für die Berufung auf das Ordinariat im Jahr 1939 frei.18 Eine wesentliche Rolle dabei spielten die im Zuge des Verfahrens eingeholten positiven Stellungnahmen, u. a. von Parteigrößen wie Frick, Sauckel oder Rudolf Heß. Unisono tönte aus ihren Beurteilungen das große Lob für den Einsatz Crämers für das neue Regime. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Einschätzung hatte sicher auch seine Gutachtertätigkeit für die PPK geleistet.
Politische Zweckmäßigkeit statt ideologischer Fanatismus: Kontrollverfahren und Zensurpolitik der PPK Mitte März 1934 wurde die PPK gegründet, um »nationalsozialistisches Konjunkturschrifttum« zu bekämpfen.19 Darunter verstand man Bücher und Schriften, die sich in welcher Art auch immer mit dem Wesen und den Zielen der nationalsozialistischen Bewegung befassten. Die PPK sollte die zunehmende Kommerzialisierung dieser Literatur eindämmen und der Gefahr einer Verfälschung ideologischer Inhalte entgegentreten. Sie stand hier in Konkurrenz zu Rosenbergs »Amt für Schrifttumspflege« und dem Leiter des Zentralverlages der NSDAP »Franz Eher Nachf.«, Max Amann. Durch geschicktes Taktieren, der Protektion durch Hitler und ein Arbeitsabkommen mit 17 Crämer suchte hier, die Ansätze der Volkstumshistorie mit den v. a. mit dem Namen Karl Haushofers verbundenen Fragestellungen der Geopolitik zu verknüpfen. Siehe Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 199–232. 18 Dazu John M. Steiner/Jobst Freiherr von Cornberg: Willkür in der Willkür. Befreiungen von den antisemitischen Nürnberger Gesetzen. In: VfZ 46 (1998), S. 143–187, hier: S. 147–149. 19 Barbian: Literaturpolitik, S. 128–137, hier: S. 128. Vgl. weiter Peter Longerich: Hitlers Stellvertreter. Führung der Partei und Kontrolle des Staatsapparates durch den Stab Heß und die Partei-Kanzlei Bormann. München u. a.: Saur 1992, S. 30f., und Jeremy Noakes: Philipp Bouhler und die Kanzlei des Führers. Beispiel einer Sonderverwaltung im Dritten Reich. In: Verwaltung contra Menschenführung. Studien zum politisch-administrativen System. Hrsg. von Dieter Rebentisch und Karl Teppe. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986, S. 208–236.
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Rust war es dem PPK-Vorsitzenden und Leiter der »Kanzlei des Führers« Philipp Bouhler20 gelungen, das Gewicht zu Gunsten der PPK zu verlagern. So konnten hier die Zensurkompetenzen bald auf das »gesamte wissenschaftliche, erzieherische und volksbildnerische Schrifttum« ausgedehnt werden. Damit wurde nicht mehr nur die Vorlage von Parteischrifttum und politischer Fachliteratur zur Pflicht, sondern die Zensur wurde darüber hinaus auf Lexika, Kalender, aber auch Romane und Lyrik ausgeweitet. Ab Kriegsbeginn versuchte man zudem, ausgewählte unselbständige Veröffentlichungen und Zeitschriftenartikel, später auch Schulbücher in die Überwachung einzubeziehen.21 Seit der Verselbständigung im Jahr 1936 stieg der Bedarf der PPK an Lektoren deutlich an. Bei der Rekrutierung stützte man sich vor allem auf die Mitarbeiter aus Rosenbergs Schrifttumsamt. Es ist zu vermuten, dass auch der dort seit 1934 tätige Crämer Anfang 1937 auf diese Weise von der PPK geworben wurde.22 Eine Mitarbeit in dieser Zensurinstitution war angesichts der Machtverlagerungen taktisch klug. Zudem ist zu vermuten, dass Crämer in jener Zeit in besonderer Weise darum bemüht war, seine nationalsozialistische Überzeugung unter Beweis zu stellen. Denn, wie erwähnt, seit 1937 hatte – als Folge einer Denunziation, mit der ihn ein Konkurrent um die Münchner Professur zu Fall zu bringen suchte – die Reichsstelle für Sippenforschung ein Verfahren wegen »nichtarchischer Abstammung« eingeleitet. Die Abstammung einer Großmutter war nicht zweifelsfrei zu klären gewesen. Seine harschen Zensuren, die mitunter sogar deutlich über den Erwartungshorizont der Dienststelle hinausgingen, sollten wohl auch den »Blutsmakel« vergessen machen. Auch sonst erwies sich Crämer als sehr eifrig. Mitte Juli 1937 schloss die PPK mit dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) ein Arbeitsabkommen, das dieser die Überwachung wissenschaftlichen Schrifttums übertrug.23 Hierfür wurden nun dringend neue Lektoren gesucht. Crämer schlug seinen Trauzeugen Dipl. Ing. Paul-Reinmar Geibel und seinen Freund Hauert, mit dem er bereits 1933 das Loblied auf den Nationalsozialismus ange-
20 Zur Ämter- und Kompetenzagglomeration Bouhlers vgl. Hans-Walter Schmuhl: Philipp Bouhler – Ein Vorreiter des Massenmordes. In: Die Braune Elite II. 21 weitere biographische Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser u. a. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993, S. 39–50. 21 Martin Kröger/Roland Thimme: Die Geschichtsbilder des Historikers Karl Dietrich Erdmann. Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik. München: Oldenbourg 1996, S. 67–76; Barbian: Literaturpolitik, S. 104f., 131–136. 22 Horn: Pädagogische Zeitschriften, S. 66 Anm. 107; Barbian: Literaturpolitik, S. 128–130. 23 Barbian: Literaturpolitik, S. 104.
stimmt hatte,24 als »weltanschaulich sehr sicher und vor allem in der Philosophie beschlagen« vor.25 Für die Ausweitung von Macht und Zensurkompetenzen der PPK ist eine sich fortwährend verstärkende Dynamik zu beobachten, wie sie allgemein ein Charakteristikum der nationalsozialistischen Verwaltungsrealität war.26 Sie ging mit heftigen Auseinandersetzungen zwischen Max Amann und dem »Amt Rosenberg« einher.27 Für die im Zuge dieses Konkurrenzkampfes erstrittenen neuen Zensuraufgaben benötigte man mehr Personal. Auch hier wurde wieder Crämer um gern gewährte Mithilfe gebeten, um neue Lektoren »vor allem für Deutsch, Erdkunde, Biologie (Botanik, Zoologie, Somatologie usw.), Latein, Griechisch, Englisch, Mathematik, Physik und Chemie« zu gewinnen.28 Der Expansionsprozess nahm immer radikalere Ausmaße an, wie ein Dossier zur Kontrolle der Geisteswissenschaften aus dem Jahr 1944 zeigt. Die darin entwickelten Vorstellungen einer Steuerung wissenschaftlicher Veröffentlichungen über ein Mitspracherecht bei der Auswahl und Vergabe von Dissertations- und Habilitationsthemen hätten wohl tatsächlich eine lückenlose Kontrolle ermöglicht.29 Dazu ist es allerdings unter den Bedingungen des totalen Krieges nicht mehr gekommen. Dennoch hatte sich die PPK bis Kriegsbeginn zur mächtigsten Institution parteiamtlicher Zensur entwickelt. Im Mai 1942 arbeiteten hier immerhin 692 Außenlektoren, auch wenn 165 von ihnen zu diesem Zeitpunkt im Wehrdienst standen.30 Die PPK hielt durch »Verbindungsmänner« vor Ort und die Veranstaltung verschiedener Tagungen Kontakt zu ihren Lektoren.31 24 Nationalsozialismus und Philosophie. 25 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 15.7.1937; Crämer an PPK 31.8.1937. 26 Michael Ruck: Führerabsolutismus und polykratisches Herrschaftsgefüge – Verfassungsstrukturen des NS-Staates. In: Deutschland 1933–45. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Hrsg. von Karl Dietrich Bracher u. a. 2. Aufl. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1993 (Studien zur Geschichte und Politik. 314), S. 32–56, hier: S. 44–56; Ulrich von Hehl: Nationalsozialistische Herrschaft. 2. Aufl. München: Oldenbourg 2001 (Enzyklopädie deutscher Geschichte. 39), S. 60–66. 27 Vgl. dazu die verbalen Attacken von Amann auf Bouhler und dessen Reaktion (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/9, Amann an Bouhler 10.12.1938, Bouhler an Amann 19.12.1938). Zum Machtkampf zwischen Bouhler und Rosenberg siehe die Korrespondenz vom Dezember 1939 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/10, 23). Dazu Barbian: Literaturpolitik, S. 120/121, 130–132. 28 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 11.2.1938. 29 Dossier betreffs »NSB. und Lenkung der Geisteswissenschaften« des PPK-Mitarbeiters Coulon 10.5.1944 [5 Bl.] (BA BerlinLichterfelde NS 11/40). 30 Barbian: Literaturpolitik, S. 130–132, 232/233. Dazu kam nochmals eine ansehnliche Zahl hauptamtlich angestellter Sachbearbeiter in der Verwaltung, auch wenn das Personal ab 1943 kriegsbedingt verringert werden musste. Siehe dazu die Aufstellung der Mitarbeiter vom 30.6.1944 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/39). 31 Vgl. die Aufforderung der PPK an Crämer, mit seinem »Verbindungsmann« in München Kontakt aufzunehmen und die
Zensurfeld Außenpolitik Bei der Zensur bestanden grundsätzlich zweierlei Arten der Kontrolle: Die Überprüfung bereits erschienener Veröffentlichungen, also eine Nachzensur, und die Präventivzensur noch vor Erscheinen einer Publikation. Bestanden nach der Auffassung der PPK keine Bedenken, wurde ein »Unbedenklichkeitsvermerk« erteilt und die Schrift mit einer knappen Zusammenfassung in die seit 1936 beim »Zentralverlag Eher Nachf.« erscheinende »Nationalsozialistischer Bibliographie« aufgenommen. Dieser Eintrag war für die Verleger wirtschaftlich sehr wichtig, bedeutete dies doch eine Empfehlung zur Anschaffung in Parteibüchereien und zum Einsatz bei Schulungen. Die Verweigerung dieser parteiamtlichen Förderung zog zwar nicht ein Verbot nach sich, aber angesichts von Papierkontingentierungen wurde sie bald zur Überlebensnotwendigkeit für die Verlage. Die PPK konnte schließlich auch eine Abänderung bestimmter Passagen oder im äußersten Fall auch Verbote aussprechen bzw. bei der Gestapo beantragen.32 Dem Propagandaministerium wurde zwar innerhalb von drei Wochen ein Einspruchsrecht eingeräumt, das jedoch keine aufschiebende Wirkung hatte. Auch dies unterstreicht die erstarkte Stellung der PPK gegenüber den anderen schrifttumspolitisch ambitionierten Stellen.33 Um die Kontrolle so effektiv wie möglich zu gestalten, ging die PPK weitgehend im Verborgenen vor. Alle Gutachten durften ausdrücklich nur parteiintern verwendet werden, Mitteilungen an die Öffentlichkeit waren strengstens untersagt. Auch Zahl und Namen der Lektoren unterlagen der Geheimhaltung.34 Im Folgenden soll nun anhand des überlieferten Berliner Restbestandes die Bandbreite der Zensurarbeit der PPK dargestellt werden, um dann in einem zweiten Schritt dieses Bild durch Crämers Zensurtätigkeit zu ergänzen. Wie sich zeigen wird, war die Literaturkontrolle der PPK erstaunlich pragmatisch. Es ging nicht um eine Förderung möglichst ideologiekongruenten Schrifttums, sondern um die Kontrolle nach Maßgabe der augenblicklichen außen- und innenpolitischen Notwendigkeiten der Staatsräson. Dabei wurde möglichst umfassend überwacht, in jedem Einzelfall jedoch die Verhältnismäßigkeit der Mittel genau abgewogen und entsprechend abgestuft sanktioniert. Einige charakteristische Beispiele mögen das verdeutlichen. Anfrage Crämers bezüglich der Teilnahme an einer Münchner Tagung der PPK vom 4.–6.11.1938 (BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 11.12.1937 bzw. Crämer an PPK 2.11.1938). 32 Barbian: Literaturpolitik, S. 132–137; Horn: Pädagogische Zeitschriften, S. 64–66. 33 Schreiben Lammers an Goebbels 2.4.1941 (BA BerlinLichterfelde NS 11/17). 34 Bekanntmachung des Reichsleiters Bouhler 11.4.1935 (zitiert in: BA Berlin-Lichterfelde R 58/1106, SD-Leitheft Schrifttumswesen und Schrifttumspolitik, S. 54/55).
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Zensurfeld Außenpolitik Der Bereich der Außenpolitik erforderte je nach Frontverlauf und Bündniskonstellation wechselnde Rücksichten. So verweigerte die PPK nach einem entsprechend negativen Gutachten der Wehrmacht der Arbeit Erwin Haudans über Das Motorisierungspotential der Sowjetunion den gewünschten Empfehlungsvermerk, da sie die technische Entwicklung der »Roten Armee« als »zu günstig« darstellte. Das Buch wurde allerdings nicht verboten.35 Die scharfen Urteile über die Volksmusik Ungarns und Rumäniens in dem Werk von Peter Gericke Anteil der volksdeutschen Musikarbeit am gesamtdeutschen Werden36 konnten von der PPK trotz inhaltlicher Zustimmung nicht toleriert werden. Die Bündnispartner sollten nicht vor den Kopf gestoßen werden. Nachdem die Passagen geglättet worden waren, wurde dem Werk umgehend das wichtige Prädikat verliehen.37 Dass die PPK ihre Zensurarbeit ohne Scheu auch gegen die Parteiprominenz durchzusetzen in der Lage war, zeigt ein anderer Fall. Der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar von Magdeburg-Anhalt, Rudolf Jordan, wollte eine im Februar 1943 in Magdeburg gehaltene Rede zum Thema des »totalen Krieges« als Broschüre herausbringen. Doch die PPK lehnte eine Drucklegung ab, da viele Passagen zwar »fortgerissen durch den Impuls der Rede« gesagt werden könnten, aber aus »propagandistischen Gründen« besser nicht gedruckt würden. Jordans Ausfälle gegen die mangelnde Arbeitswilligkeit der weiblichen Angehörigen der »höheren Kreise« würden im In- und Ausland das Bild der Geschlossenheit der deutschen »Volksgemeinschaft« beeinträchtigen und »Klüfte« im »lebendigen Zusammenhang des völkischen Organismus« aufreißen. Im Übrigen schien es der PPK im Hinblick auf den Verbündeten Japan »nicht opportun«, vom »Ansturm des asiatischen Ostens« zu sprechen. Schließlich sei Jordans Ankündigung von »letzten radikalen Maßnahmen«, um die Juden »ein für allemal zur Strecke zu bringen«, zu eindeutig und spiele der »feindlichen Agitation« in die Hände; eine überraschende Feinfühligkeit Anfang des Jahres 1943, als die die planmäßige Vernichtung des euro35 Die Wehrmacht kritisierte, dass Haudan zwar den technischen Stand der »Roten Armee« weitgehend zutreffend schildere, aber zu wenig Zweifel an den russischen Angaben äußere (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, Oberkommando der Wehrmacht an PPK 29.3.1939). Vgl. den fehlenden Vermerk in Erwin Haudan: Das Motorisierungspotential der Sowjetunion. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1937 (Veröffentlichungen des Instituts für allgemeine Wehrlehre der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. 1). 36 Hermann Peter Gericke: Der Anteil der volksdeutschen Musikarbeit am gesamtdeutschen Werden. Eine Berichtfolge aus einem unbeachteten Arbeitsgebiet der deutschen Musikpflege. Berlin: Verlag Grenze und Ausland 1942. 37 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, PPK an Verlag Voggenreiter 5.2.1942 und 28.2.1942.
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päischen Judentums längst angelaufen war. Insgesamt kam die PPK zum Schluss, dass eine Veröffentlichung der Rede nur nach einer umfassenden Überarbeitung unter dem Gesichtspunkt »politischer Zweckmäßigkeit« möglich wäre.38 Dazu ist es dann aber nicht mehr gekommen.
Zensurfeld Innenpolitik Auch im Bereich der Innenpolitik dominierten Motive der Herrschaftssicherung und politischer Raison gegenüber der Verbreitung möglichst reiner nationalsozialistischer Ideologie. Das zeigt sich besonders deutlich an dem Vorgang um Eberhard Froweins Buch Ich klage an, das sich mit der von den Nationalsozialisten stark propagierten »Euthanasie« von »lebensunwertem Leben« befasste. Das Werk war die erweiterte Fassung eines Drehbuches, das schließlich nach verschiedenen Überarbeitungen als Grundlage für den im Jahr 1941 gedrehten gleichnamigen Propagandafilm Ich klage an gedient hatte. Der Film war als Reaktion auf den öffentlichen Protest gegen das auf Befehl Hitlers seit 1939 angelaufene Euthanasieprogramm produziert worden, um die Unterstützung der Bevölkerung für die Tötung unheilbar Kranker zu gewinnen.39 Das ›Buch zum Film‹ hatte Eberhard Frowein dann 1942 nachgereicht. Das Werk sollte den nächsten Schritt zur publizistischen Vorbereitung einer »endgültigen Regelung« des »Problems der Euthanasie« darstellen. Bei der PPK wurde es, da die Meinungen über den Film innerhalb des Amtes geteilt gewesen waren, verschiedenen Lektoren vorgelegt. Zudem wandte man sich an Viktor Brack, Chef des Hauptamtes II der Kanzlei des Führers und zuständig für das Euthanasieprogramm, der auch für die Produktion des Kinofilms verantwortlich gewesen war.40 Das Urteil fiel vernichtend aus. Sowohl stili38 »Stellungnahme zur Rede des Gauleiters und Reichsstatthalters Rudolf Jordan am 9. Februar 1943 in Magdeburg« 22.3.1943 (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23). 39 Ernst Klee: »Euthanasie« im NS-Staat. Die »Vernichtung lebensunwerten Lebens«. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1985, S. 342f.; Hans-Walter Schmuhl: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung »lebensunwerten Lebens« 1890–1945. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987, S. 285–287; Winfried Süß: Krankenmord. Forschungsstand und Forschungsfragen zur Geschichte der nationalsozialistischen »Euthanasie«. In: NS-Diktatur, DDR, Bundesrepublik. Drei Zeitgeschichten des vereinigten Deutschland. Werkstattberichte. Hrsg. von Theresia Bauer und Winfried Süß. Neuwied: Friedrich-Ebert-Stiftung 2000, S. 47–86. 40 Vgl. das Schreiben Bracks an PPK vom 23.4.1942 und die knappe Darstellung des Sachverhalts in einer Aktennotiz vom 30.5.1942 über ein Gespräch zwischen einem PPK-Mitarbeiter und Brack (BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23). Zur Entstehungsgeschichte des Filmes »Ich klage an« vgl. Karl Heinz Roth: »Ich klage an«. Aus der Entstehungsgeschichte eines PropagandaFilms. In: Aktion T 4 1939–1945. Die »Euthanasie«-Zentrale in
stisch als auch inhaltlich verdiene das Werk »restlose Ablehnung«41. Das Ziel einer »Popularisierung der Euthanasie« werde mit diesem in »primitiver Offenherzigkeit«, durchzogen mit »naiv-dummen Reflexionen« und »Plattheiten« verfassten »Machwerk« konterkariert. Was der Film an Vorsicht und Geschick bei dem Umgang mit dem sensiblen Thema gezeigt habe, fehle dem Buch vollkommen. Die offensichtlichen Schwächen dieser so »oberflächlich« gehaltenen Werbung wären eine gefährliche Waffe in den Händen der Gegner der Euthanasie. Auch Verbesserungen könnten diese grundlegenden Mängel nicht beseitigen, deswegen komme ein Erscheinen dieses Werkes nicht in Betracht.42 Dementsprechend wurde von einer Publikation abgesehen.43
Zensurinstrument der »Damnatio Memoriae« Neben den bisher geschilderten Bereichen der Vorund Nachzensur war die PPK auch auf einem im Laufe der Jahre immer wichtigeren Gebiet totalitärer Literaturkontrolle tätig. Auf Weisung sorgte sie dafür, dass in Ungnade gefallene Repräsentanten des Regimes oder des öffentlichen Lebens so bald als möglich aus dem Bewusstsein getilgt wurden. Für diese Art der aus der Antike bekannten »Damnatio Memoriae«, also einer gezielten und umfassenden Auslöschung der proskribierten Person, finden sich einige Beispiele in den Unterlagen der Zensurstelle. Nachdem der früher in der Partei-Kanzlei zuletzt als Amtsleiter für Kulturfragen tätige Literaturwissenschaftler und Privatgelehrte Ernst Schulte-Strathaus in Ungnade gefallen und auf Weisung Hitlers aus der Partei ausgeschlossen worden war, ließ man seinen Eintrag in Kürschners Deutschem Literaturkalender löschen.44 Damit war der Wissenschaftler praktisch aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Auch den prominenten Industriellen Fritz Thyssen traf der Bannstrahl des öffentlichen Vergessens. Im Februar 1941 wurde die PPK vom RSHA angewiesen, dessen Nennung in Konversationslexika zu unterbinden.45 der Tiergartenstraße 4. Hrsg. von Götz Aly. 2. Aufl. Berlin: Edition Hentrich 1989 (Stätten der Geschichte Berlins. 26), S. 93–120; Klee: Euthanasie, S. 86–95. 41 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, Gutachten der PPK vom 8.6.1942. 42 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/23, PPK an Brack 14.7. 1942. 43 In den Beständen des Deutschen Filmmuseums ist lediglich ein maschinenschriftlicher Durchschlag des 285-seitigen Manuskripts überliefert, eine Kopie befindet sich im Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg. 44 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Partei-Kanzlei an PPK 17.11.1942. Vgl. den fehlenden Eintrag in Kürschner Deutscher Literaturkalender, Berlin 1943. Zur Biographie siehe Barbian: Literaturpolitik, S. 393; Barbian: Börsenverein, S. 100. 45 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, RSHA an PPK 14.2.1941.
Zensurinstrument der »Damnatio Memoriae« Thyssen, der anfangs zu einem der wichtigsten Förderer Hitlers gehört hatte, war im September 1939 aus Enttäuschung über die nationalsozialistische Kirchenund Judenpolitik in die Schweiz geflohen und hatte dort in seinem Buch I paid Hitler mit dem »Dritten Reich« abgerechnet.46 Als Folge war sein Vermögen eingezogen und seine Familie ausgebürgert worden. Thyssen war 1940 im unbesetzten Teil Frankreichs verhaftet, an Deutschland ausgeliefert und bis Kriegsende in verschiedenen KZs in Haft gehalten worden.47 Noch strikter ging man gegen in Ungnade gefallene Repräsentanten des Regimes vor. Der erste Fall betrifft den engen Freund und frühen Förderer Hitlers Ernst Franz Hanfstaengel. Dieser, der Hitler nach dem misslungenen Putschversuch bis zur Verhaftung in seinem Uffinger Haus versteckt gehalten hatte, war seit 1931 Auslandspressechef der NSDAP und seit 1935 im Stab von Heß Leiter des Amtes Auslandspresse gewesen. Aus Furcht vor einer Intrige floh Hanfstaengel dann 1937 nach England. Später beriet er die USA in der psychologischen Kriegsführung gegen das »Dritte Reich«.48 Von Hanfstaengel stammten bekannte Kompositionen wie der Marsch Deutscher Föhn, der Volkschoral Hymne an die deutsche Erde und die Filmmusik zu einschlägigen Produktionen wie Horst Wessel oder Mussolinis Leinwand-Epos Hundert Tage.49 Der Verrat eines so bekannten Paladins brachte das Regime in große Verlegenheit. Man entschied sich für eine rasche »Damnatio Memoriae«. Die PPK wurde angewiesen, »absolut parteiintern« dafür zu sorgen, dass »in Veröffentlichungen aller Art« Hanfstaengel nicht mehr erwähnt werde. Weiter wurde um Vorschläge gebeten, wie man »in unauffälliger Weise« Bücher und Kompositionen Hanfstaengels – »ohne Aufsehen zu erregen« – aus dem Handel ziehen könne. Die PPK sicherte die lückenlose Auslöschung Hanfstaengels in künftigen Publikationen und den unauffälligen Einzug seiner Veröffentlichungen aus dem Handel zu.50 Die PPK stellte ihre Fähigkeiten aber auch noch für einen weit prominenteren Fall unter Beweis. Am zehnten Mai 1941 hatte Heß seinen spektakulären Schottlandflug unternommen und damit die Führung des »Dritten Reiches« in Erklärungsnot gebracht. Um 46 Fritz Thyssen: I paid Hitler. London: Hodder and Stoughton 1941. 47 Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Hrsg. von Hermann Weiß. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1998, S. 459f. 48 Vgl. David G. Marwell: Ernst Hanfstaengel – Des »Führers« Klavierspieler. In: Die Braune Elite II. 21 weitere Biographische Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser u. a. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993, S. 137–149. 49 Helmut Heiber: Walter Frank und sein Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1966, S. 24. 50 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Stab SdF Bormann an PPK 26.7.1937; PPK an Bormann 7.8.1937.
219 die Angelegenheit Heß schnell zu bereinigen, hatte Hitler seinen Stellvertreter kurzerhand zum Psychopathen erklärt. Ob Heß Friedensverhandlungen mit Großbritannien anbahnen wollte, wie vermutet wurde, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.51 Die Frage des weiteren Umgangs mit Heß war nicht leicht zu beantworten, denn eine restlose Tilgung war angesichts seiner zentralen Rolle in der »Geschichte der Bewegung« schlichtweg nicht realistisch. Die PPK erarbeitete umgehend entsprechende Richtlinien. Dabei orientierte man sich an den Vorschriften, die man seinerzeit nach der blutigen Niederschlagung des »Röhm-Putsches« erlassen hatte. Hatte man im Falle Röhms jegliche namentliche Erwähnung und alle Bildberichte verboten, fokusierte man bei Heß auf das Amt als Stellvertreter des Führers. Während bei allen Schriften allgemeinen Charakters und der Presse- und Zeitschriftenveröffentlichungen eine Nennung in jedem Falle unterbleiben musste, blieb sie in solchen Fällen erlaubt, in denen von Anordnungen und Maßnahmen berichtet wurde, an denen Heß durch sein Parteiamt beteiligt gewesen war. Gewohnt zügig setzte die PPK diese neuen Richtlinien um.52 Damit war ab Herbst 1941 die Person Heß’ nahezu vollständig aus den verschiedenen Druckmedien verschwunden. Wie alarmiert man über den Fall Heß war, zeigt der Umstand, dass der Bannstrahl auch dessen Lehrer und Freund, den Münchner Geopolitikprofessor Karl Haushofer, traf. Nach dem Schottlandflug seines Schülers – in diesem Zusammenhang war Haushofer kurzzeitig verhaftet und von der Gestapo vernommen worden – geriet der General a.D. zunehmend in Isolation.53 Auf Weisung des SD wurde die Verbreitung seiner Schriften stark eingeschränkt und die Besprechung seiner Veröffentlichungen untersagt. Jede »Herausstellung« in der Öffentlichkeit sollte vermieden werden.54 Ein recht ungewöhnlicher Fall einer »Damnatio Memoriae« soll abschließend die Breite des Zensurspektrums verdeutlichen. Im November 1941 wies Hitler das REM an, die Behandlung von Friedrich Schillers Wilhelm Tell in den Schulen zu untersagen. Da das Werk dem Kanon deutschen Literaturerbes angehört, musste dies natürlich unter höchster Geheimhaltung erfolgen.55 Über die Gründe erfährt man 51 Vgl. Dietrich Orlow: Rudolf Heß – ›Stellvertreter des Führers‹. In: Die Braune Elite I. 22 Biographische Skizzen. Hrsg. von Ronald Smelser und Rainer Zitelmann. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 3. Aufl. 1994, S. 84–95, hier vor allem S. 91–93. 52 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, PPK an Bormann 30.7. 1941; Bormann an PPK 14.8.1941; PPK an Bormann 17.9.1941. 53 Hans-Adolf Jacobsen: Karl Haushofer. Leben und Werk, Bd. 1: Biographie und ausgewählte Texte zur Geopolitik, Boppard 1979, S. 224–258. 54 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/19, Chef des SD an PPK 20.5.1942 und 4.11.1942; Partei-Kanzlei an PPK 7.12.1942. 55 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/25, REM an PPK 6.11.1941.
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nichts. Hitler wird wohl vor allem das Generalthema des Widerstandsrechts gegen ungerechte Herrschaft beunruhigt haben. Entsprechend Hitlers Weisung bat das REM die PPK auch, auszuloten, inwieweit die in Schulbüchern enthaltenen Zitate und Kernsätze aus dem Wilhelm Tell »eliminiert« werden könnten. Denn ohne eine solche »Ausmerze« könne nicht garantiert werden, dass die Dichtung weiterhin ihre »in mehrfacher Hinsicht schiefe Auswirkung« zeitige. Doch selbst hier, wo es um eine Weisung Hitlers persönlich ging, zeigte die PPK ihren pragmatischen Sinn für das Realisierbare. Da eine sofortige Tilgung aus Lese- und Geschichtsbüchern nicht praktizierbar war, schlug sie vor, lediglich bei Neuauflagen entsprechende Passagen zu streichen und das Verbot damit unauffällig und ohne Aufheben umzusetzen.56 Jenseits des hier interessierenden Rahmens zeigt der Vorgang die zunehmend psychopathische Züge annehmende Angst Hitlers vor möglicher Opposition und Widerstand. Wie deutlich wurde, war das Instrument der »Damnatio Memoriae« ein wichtiges Element der nationalsozialistischen Literaturpolitik. Wenn sich auch das Ausmaß und die Reichweite auf Grund der schwierigen Quellenlage nicht exakt bestimmen lässt, so legt doch die thematische Streuung der überlieferten Gutachten angesichts der Tatsache, dass es sich dabei nur um einen sehr kleinen Teil der einst umfangreichen PPK-Registraturen handelt, eine solche Vermutung nahe. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die PPK ihre Instrumente der Präventiv- und Nachzensur, wie auch der »Damnatio Memoriae« ausgesprochen pragmatisch und mit nüchternem Blick nach Maßgabe politischer Zweckmäßigkeiten einsetzte. Im Zuge ihrer Kompetenzexpansion konnte sie ein beachtenswert breites Gebiet abdecken. Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers
Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers Die PPK wandte sich vornehmlich mit Anfragen zu historischen Veröffentlichungen des 18. und des 19. Jahrhunderts an Crämer. Neben der Begutachtung von Monographien fiel ihm auch zu, ausgewählte Zeitschriften laufend zu überwachen. Außerdem hat Crämer im Auftrag der PPK einige weltanschaulich besonders relevante Lexikonartikel verfasst. Die populäre kirchliche Kalenderliteratur, ein in beiden Kirchen weit verbreitetes Genre der Erbauungsliteratur, war der PPK ein Dorn im Auge. Man argwöhnte, die Kirchen würden hier versteckt Systemkritik üben. Aus diesem Grunde überwachte man
56 BA Berlin-Lichterfelde NS 11/25, Chef der Reichskanzlei Lammers an REM 12.12.1941.
dieses Medium besonders kritisch.57 Jede potentiell verdächtige Bemerkung fand die Aufmerksamkeit der Zensurbehörde. In diesem Zusammenhang wandte man sich beispielsweise an Crämer mit der Bitte, eine im Kalender des Bistums Bamberg abgedruckte Episode aus dem Leben Friedrichs des Großen wissenschaftlich zu falsifizieren. In der fraglichen Schilderung hieß es, nach der Verhaftung eines Paters hätten katholische Soldaten Tumulte verursacht, vor denen sich der Preußenkönig ängstlich versteckt gehalten hätte.58 Eine solche herabsetzende Darstellung des in der nationalsozialistischen Propaganda als Ahnherr deutscher Großmacht gepriesenen Preußenherrschers konnte nicht toleriert werden. Crämer lieferte umgehend einen Beleg, dass diese Darstellung wissenschaftlich absolut unhaltbar sei.59 Wie ein anderer Zensurauftrag zeigt, versuchte die PPK auch, ausgewählte wissenschaftliche Zeitschriften zu überwachen.60 Crämer wurde gebeten, die 1936 neu ins Leben gerufenen Blätter für deutsche Landesgeschichte laufend zu begutachten.61 Hier konnte der Landeshistoriker Crämer sowohl sein Fachwissen als auch seine politische Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Wie das Crämer zugesandte vorgefertigte Formular vermuten lässt, bestimmte die PPK zur Überwachung ausgewählter Zeitschriften einzelne Lektoren, die diese dann kontinuierlich überwachten. Angesichts des 1936 ideologisch neu ausgerichteten Profils der landesgeschichtlichen Zeitschrift ist das fast unbeschränkt positive Urteil Crämers nicht überraschend.62 Den Jahrgang 1937 beurteilte Crämer insgesamt als »einwandfrei«. Besonders freute er sich 57 Barbian: Literaturpolitik, S. 135. 58 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 27.2.1937. 59 BayHStA MK 43500, Crämer an PPK 28.2.1937. Crämer führte als Beweis den Artikel in der ADB, Bd. 27, Leipzig 1888, S. 180f. an. 60 Für den Bereich einer juristischen Fachzeitschrift hat Lothar Becker die Kontrolle des »Archivs des öffentlichen Rechts« durch die PPK anhand der im Archiv des Verlags Mohr Siebeck überlieferten Korrespondenzen dargestellt (Lothar Becker: »Schritte auf einer abschüssigen Bahn«: Das Archiv des öffentlichen Rechts (AöR) und die deutsche Staatsrechtswissenschaft im Dritten Reich, Tübingen: Mohr Siebeck 1999 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. 24), S. 33–38). 61 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 12.7.1937. 62 Die Blätter für deutsche Landesgeschichte waren 1936 aus dem vom Berliner Professor Hoppe herausgegebenen Korrespondenzblatt des »Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine« hervorgegangen, das sich mit der Namensänderung auch nach dem »starken Rhythmus« der neuen Zeit ausrichtete. Vor allem Fragen der Siedlung und der »Bevölkerungsverschiebung« rückten nun in den Mittelpunkt, um die Bedeutung der Landschaft und des »heimatlichen Bodens« für die Geschichte des Volkes angemessen würdigen zu können. Wie es im Vorwort der neuen Ausgabe heißt, sei von den deutschen Geschichtsvereinen der »Zusammenklang« von »Blut und Boden« zu lange vernachlässigt worden, nun sei es an der Zeit, umzudenken (Geleitwort zur ersten Ausgabe, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 83 (1936/37), S. 3–5).
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darüber, dass die Landesgeschichtsschreibung nun »die Ziele des neuen Staates erkennt und auch innerlich eine neue Zielsetzung vollzogen hat«. Ein Artikel von Wilhelm Grau, in Franks Reichsinstitut stellvertretender Leiter der Abteilung »Judenfrage«,63 fand seinen besonderen Beifall. Endlich könnten die Gesichtspunkte der Sippen- und Judenforschung in der notwendigen »Tiefe und Breite« behandelt werden. Hierfür leiste die Zeitschrift einen vorbildlichen Beitrag.64 Auch der nächste Jahrgang fand die Billigung des PPK-Lektors, besonders ein Aufsatz über Siedlungsformen in Österreich65 schien Crämer angesichts des im Frühjahr erfolgten »Anschlusses« Österreichs als »willkommener Beitrag« auf dem Wege des erstarkenden »Großdeutschlands«. Sein Urteil über diese landesgeschichtliche Zeitschrift lautete daher auch auf »in ihrer politischen Tendenz einwandfrei« und »in gewisser Weise unentbehrlich«.66 Gleichlautend fiel sein Urteil über den Jahrgang 1939 aus, lediglich einige »törichte und gedankenlose Redensarten« vom »österreichischen Menschen« fanden Kritik, da dieses »Gespenst« doch bereits seit einem Jahr verscheucht worden sei.67 Neben der Überwachung der Zeitschrift bestanden die meisten Aufträge in Begutachtungen historischer Monographien zur deutschen und österreichischen Geschichte. Die Urteile Crämers zeigen eine tiefe Aversion gegen jede positive Darstellung der österreichischen Geschichte, da der Reichsreformer hier sofort partikularistische Motive unterstellte. Eine Arbeit Hans-Wilhelm Büchsels über Das Volk im Staatsdenken Friedrichs des Großen,68 in dem dieser Friedrich als ersten »völkisch« denkenden Monarchen darzustellen suchte, fand dagegen eine ausgezeichnete Beurteilung.69 Im Kontrast hierzu stehen Crämers Rügen neuerer Erscheinungen aus der Feder österreichischer Historiker. Das zeigt sich beispielsweise in Crämers negativer Besprechung der im Jahr
des »Anschlusses« erschienenen Maria TheresiaBiographie des österreichischen Historikers Heinrich Kretschmayr.70 Crämer verurteilte scharf die positive Zeichnung der Geschichte des österreichischen Vielvölkerstaates – nach Meinung des Zensors eine verhängnisvolle »Fehlentwicklung« – als »echt habsburgisch«.71 Noch deutlicher zeigt sich die Abneigung in Crämers Beurteilung des Wiener Historikers von Srbik. Dessen Anliegen war die Ablösung einer staatlich-konfessionsbezogenen Historiographie, konkret der preußisch-protestantischen, aber auch der österreichisch-katholischen durch eine »gesamtdeutsche« Geschichtsauffassung, die insbesondere die Geschichte Österreichs als einen vollberechtigten Teil der deutschen Geschichte anerkennen sollte.72 Dieses Konzept, das von Srbik vor allem im Vorfeld des »Anschlusses« durch verschiedene Vortragsreihen und Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln gesucht hatte, wurde von Crämer heftig angegriffen. Dies zeigt sich anlässlich eines positiven Gutachtens Crämers über ein Buch des Österreichers Victor Bibl, der ebenfalls gegen die »gesamtdeutsche Geschichtsbetrachtung« von Srbiks zu Felde zog. Crämers Stellungnahme zu Bibls Werk Metternich. Der Dämon Österreichs stellt darüber hinaus ein Lehrstück über das Ausfechten wissenschaftlicher Kontroversen und persönlicher Feindschaften unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Diktatur dar. Es sei aus diesem Grunde etwas ausführlicher wiedergegeben. Hintergrund ist die Auseinandersetzung zwischen von Srbik und Bibl um die Beurteilung des österreichischen Staatskanzlers Metternich.73 Von Srbik, als Vertreter einer »gesamtdeutsch« ausgerichteten Geschichtsschreibung, hatte Metternich viele positive Züge abgewonnen. Bibl dagegen, der schon früh mit den Zielen des Nationalsozialismus sympathisiert hatte, stieß der Stratege einer dezidiert übernationa-
63 Wilhelm Grau: Die Geschichte der Judenfrage und ihrer Erforschung. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 83 (1936/37), S. 163–173. Zu Graus Bedeutung bei der Erforschung der »Judenfrage« in Franks Reichsinstitut vgl. Heiber: Walter Frank, S. 422– 435; Patricia von Papen: Schützenhilfe nationalsozialistischer Judenpolitik. Die ›Judenforschung‹ des »Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland« 1935–1945. In: »Beseitigung des jüdischen Einflusses ...«. Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Hrsg. vom Fritz Bauer Institut. Frankfurt a.M./New York: Campus-Verlag 1999 (Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, 1998/99), S. 17–42. 64 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 22.9.1937. 65 Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen in Österreich. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 84 (1938), S. 108–118. 66 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 8.10.1938. 67 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.3.1939. 68 Hans-Wilhelm Büchsel: Das Volk im Staatsdenken Friedrichs des Großen. Breslau: Priebatsch's Buchhandlung 1937 (Breslauer historische Forschungen. 2). 69 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 1.2.1938; Gutachten Crämers vom 2.3.1938.
70 Heinrich Kretschmayr: Maria Theresia. Leipzig: Staackmann Verlag 1938. 71 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 15.3.1939. Zu Heinrich Kretschmayr (1870-1939) vgl. NDB, Bd. 13, Berlin 1982, S. 13f. 72 Vgl. Heinrich Ritter von Srbik: Zur Gesamtdeutschen Geschichtsauffassung. Ein Versuch und sein Schicksal. In: HZ 156 (1937), S. 229–262. Dazu Helmut Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik. In: Deutsche Historiker. Hrsg. von Hans-Ulrich Wehler. Bd. 8. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982, S. 78–95, hier: S. 86f.; Karen Schönwälder: Heinrich von Srbik. »Gesamtdeutscher« Historiker und »Vertrauensmann« des nationalsozialistischen Deutschland. In: Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Hrsg. von Doris Kaufmann. Göttingen: Wallstein Verlag 2000, S. 528–544, hier: S. 532–540. 73 Zu Bibl siehe Siegfried Nasko: Viktor Bibl (1870-1947). Studien zu seinem Leben und Werk. Wien Diss. 1970; ders.: Bibl contra Srbik. Ein Beitrag zur historiographischen Polemik um Metternich. In: Österreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), S. 497–513.
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len europäischen Friedensordnung Metternich zutiefst ab. Ein extrem negatives Metternich-Bild in seinen Publikationen war die Folge, was Bibl bereits in den zwanziger Jahren in eine Konfrontation mit von Srbik getrieben hatte. Von Srbik war jedoch nicht bereit gewesen, Bibls Angriffe auf das eigene Werk zu tolerieren.74 Da umgekehrt Bibl sich nicht dem Führungsanspruch des einflussreichen, aber auch jüngeren von Srbik hatte unterordnen wollen und dessen Metternich-Interpretation weiterhin scharf angegriffen hatte, war die Auseinandersetzung Ende der zwanziger Jahre eskaliert. Dabei hatte Bibl von Srbik sogar zum Duell gefordert, nur die Intervention befreundeter Kollegen hatte Schlimmeres verhindern können.75 Von Srbik warf Bibl mangelnde Sorgfalt und Quellenkenntnis, kurz fehlende fachliche Qualifikation und Professionalität vor, umgekehrt waren Bibls Bücher im wesentlichen Angriffe auf von Srbik. In seinem 1936 erschienenen Werk Metternich. Der Dämon Österreichs76 verstärkte Bibl nochmals seine Angriffe auf den verhassten Wiener Kollegen. Von Srbik warf daraufhin Bibl platte Polemik, Neid und Epigonentum vor. Da aber Bibls Attacken von den meisten österreichischen und reichsdeutschen Kollegen nicht gutgehießen wurden, geriet Bibl in der Zunft immer mehr in Isolation.77 Dagegen wurde die große Metternich-Biographie von Srbiks von prominenten Historikern wie Friedrich Meinecke oder Wilhelm Mommsen überschwänglich gelobt.78 Sein wissenschaftliches Renommee führte schließlich dazu, dass von Srbik im Jahr des »Anschlusses« Österreichs zum Präsidenten der Wiener Akademie der Wissenschaften gewählt und Mitglied des Deutschen Reichstags wurde.79 Gerade dieser Erfolg und die vielfachen Ehrungen von Srbiks waren dem jungen Rezensenten Crämer ein Dorn im Auge. Sein Gutachten für die PPK setzte zunächst mit einem »sachlichen« Vergleich der Werke Bibls und von Srbiks ein.80 Nach der Schilderung der verschiedenen Stadien des Konfliktes resümierte er, dass von Srbiks Versuch einer »großartigen Ehrenrettung« Metternichs angesichts der Widerlegungen Bibls als »gescheitert« angesehen werden müsse. Dann verließ er die Ebene der Werkinterpretation 74 Zu den autokratischen Neigungen von Srbiks vgl. Nasko: Bibl contra Srbik, S. 499. Helmut Reinalter spricht von »egozentrische[n] Zügen« von Srbiks (Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 83). 75 Nasko: Bibl contra Srbik, S. 500. 76 Viktor Bibl: Metternich. Der Dämon Österreichs, Leipzig/ Wien: Günther-Verlag 1936. 77 Nasko: Bibl contra Srbik, S. 507. 78 Heinrich Ritter von Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. 3 Bde. München: F. Bruckmann 1925–1954. Vgl. dazu Nasko: Bibl contra Srbik, S. 508. 79 Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 81f. 80 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.10.1938. Hier auch alle Zitate im Folgenden.
und wandte sich der Bewertung der Personen zu. An Bibl sei der »nicht nur einwandfreie, sondern hervorragende Charakter« hervorzuheben, der es ihm unmöglich gemacht habe, den »katholisch-legitimistischhabsburgischen Kurs« der österreichischen Regierung mit zu tragen. »Mutig« habe er alle Konsequenzen seines Bekenntnisses zum »Nationalsozialismus und zum Führer« in Kauf genommen. Darin unterscheide er sich grundlegend von seinem Gegenspieler, der sich zu einer solchen »geraden und männlichen Haltung« nicht hatte durchringen können und sich stattdessen »alle Türen« offen gehalten habe. Mit seinem Werk Die Deutsche Einheit sei von Srbik zu einem »Rattenfänger von Hameln« geworden. Wie »Fliegen« seien Studenten, Laien und Gelehrte in sein »Irrlicht« hineingetaumelt. »Mit allen Mitteln echt jesuitischer Verdrehungskunst« mache von Srbik »aus Schwarz Weiß«. Sein Buch sei recht besehen genau das Gegenteil der »deutschen Einheit«, nämlich eine Ehrenrettung Habsburgs, über das die Geschichte doch längst ein vernichtendes Urteil gefällt habe. Umso mehr sei die erneute Karriere von Srbiks im »Dritten Reich« erstaunlich. Empört ereifert sich Crämer: Genug! Seitdem durch die Ereignisse des Frühjahrs 1938 die Türe zu einem Ministerposten in einem wiederhergestellten Habsburgerstaat endgültig zugeschlagen war, galt es den anderen offengehaltenen Weg zu beschreiten. Nach bewährtem Muster war man ja eigentlich schon immer Nationalsozialist gewesen; die Mitgliedschaft im Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands galt als vollgültiger Ausweis; insgeheim, aber an einflussreicher Stelle hatte man ja immer schon im Grunde für reichsdeutsche Politik am Ballhausplatz gewirkt – wie hätte man das verkennen können? Ein nun nicht mehr kompromittierendes Hakenkreuz legte jetzt auch äußerlich den Beweis dafür ab, und bereits ein halbes Jahr nach der Rückgliederung war eine neue weithin sichtbare Stufe erklommen: Heinrich Ritter von Srbik glänzt heute als Mitglied des Reichstags! Scharf fährt der Zensor Crämer fort, der »kleine Metternich« von Srbik habe es als »Meister der Intrige und Verstellung« offenbar verstanden, »selbst den Führer« zu täuschen. Signifikant ist nun die Reaktion der PPK auf die Tirade ihres Lektors. Denn diese letzte Passage war ihr zu brisant. Obgleich nur für den internen Gebrauch bestimmt, musste Crämer nach einer Rücksprache mit dem zuständigen Reichsamtsleiter der PPK Gerhard Krüger (1902–1970), auch er ein Historiker, diesen Abschnitt streichen.81 81 Im Gutachten ist dieser Absatz mit dem Vermerk »von Krüger gestrichen, 21.10.« versehen. Wahrscheinlich wurde Crämer telephonisch von dieser Streichung in Kenntnis gesetzt (BayHStA MK 43500, Gutachten Crämers vom 18.10.1938).
Wenig Lob und harsche Rügen – Die Gutachtertätigkeit Crämers Immerhin blieb der vorausgegangene Teil unverändert und auch der im Anschluss folgende Ausfall gegen den Historiker Arnold Oskar Meyer wurde nicht zensiert. Sehr abfällig heißt es da, Meyers in einem Beitrag für die Historische Zeitschrift geäußerte Kritik an Bibls Metternich-Interpretation82 verstärke nur den »Eindruck der Senilität« dieses Historikers, der sich offenbar mit dem mächtigen von Srbik gut stellen wolle. Es müsse sichergestellt werden, dass Meyer mit solchen »Stücklein und Tücklein und spitzigen Grifflein«, so Crämer mit einem Ausdruck Luthers, nicht länger durchkomme. Es schmerzte den jungen Rezensenten ganz offensichtlich, dass die Exponenten einer noch aus der Zeit der Weimarer Republik stammenden Geschichtswissenschaft auch im neuen Staat reüssierten, während er als ein Mann der ersten Stunde so lange auf eine Professur warten musste. Crämers Beurteilung schließt mit einer antithetischen Gegenüberstellung Metternichs und Hitlers: »Metternich kann von unserer Weltanschauung aus weder als Mensch noch als Staatsmann bejaht werden, ebensowenig wie der Habsburgerstaat und die Habsburgerdynastie. Er ist in allen Stücken das Gegenteil eines Staatsmanns, wie er uns vorschwebt und wie wir das Glück haben, ihn zu besitzen.« Dieses Gutachten und die Reaktion der PPK darauf machen einmal mehr deren pragmatische Ausrichtung deutlich. Kritik an prominenten und vom Regime aus welchen Gründen auch immer protegierten Autoren wurde, so berechtigt sie unter ideologischen Aspekten auch sein mochte, nicht weiterverfolgt. Man nahm Rücksicht auf ihr wissenschaftliches und gesellschaftliches Renommee, wobei die Erbitterung »alter Kämpfer« in Kauf genommen wurde. Das Gutachten wurde von Seiten der PPK modifiziert und führte zudem, trotz Crämers massiver Kritik, für den österreichischen Historiker zu keinerlei Konsequenzen. Freilich muss man auch die Seite des von Srbikschen Werkes in Rechnung stellen, die sich durchaus in wohlgesetzten Worten zum Nationalsozialismus bekannte. Seine Schriften waren außerdem keinesfalls frei von antisemitischen Tönen. Da sich von Srbik zudem im Sinne des Regimes als Kommentator des politischen Geschehens und ›Leitartikler‹ für die Tagespresse betätigte, zahlte sich seine Rücksicht letztlich aus.83 Und auch in Meyers Werke hatten 82 Es handelt sich um eine Rezension Meyers über das Biblsche Werk, in der eine Vielzahl sachlicher Fehler nachgewiesen wird, die Polemik gegen von Srbik scharf verurteilt und eindringlich vor den Gefahren für die Wissenschaft gewarnt wird, wenn der »Hass« als »Ratgeber« wirke (Arnold Oskar Meyer: Der Streit um Metternich. In: HZ 157 (1938), S. 75–84). 83 Zur völkisch-antisemitischen Passagen in von Srbiks Werk vgl. Reinalter: Heinrich Ritter von Srbik, S. 88f.; Karen Schönwälder: »Lehrmeisterin der Völker und der Jugend«. Historiker als politische Kommentatoren 1933 bis 1945. In: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Hrsg. von Peter
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völkisch-rassistische Elemente Eingang gefunden.84 Das Gutachten zeigt schließlich auch Crämers politische Heimat, bewegt er sich mit seiner Einschätzung des österreichischen Historikers doch genau auf der Linie des SD, wie sie der SD-Historiker Löffler 1941 formuliert hatte.85 Auch andere Parteistellen teilten diese Einschätzung.86 Andererseits war der Wiener Historiker zu einflussreich. Sein »gesamtdeutsches« Konzept konnte in vielerlei Art und Weise zur Legitimierung nationalsozialistischer Expansionsziele verwendet werden. Man schätzte von Srbik als gesamtdeutsche Integrationsfigur. Taktischen Erwägungen wurde also der Vorzug vor ideologischer Linientreue gegeben. Puristisch eingestellte Zensoren wie Crämer hatten da das Nachsehen. Abschließend soll am Beispiel Crämers noch ein besonderes Kapitel der parteiamtlichen Zensurtätigkeit dargestellt werden. Denn die PPK begnügte sich nicht damit, nur präventiv oder nachträglich zu zensieren. In besonderen Fällen griffen die PPKLektoren selbst zur Feder. Zwei Beispiele sind für den Fall Crämer belegt. So wurde er auf Vermittlung der PPK gebeten, ein Geschichtsbuch für den Zeitraum 1648–1789 zu verfassen, da die geplante Schulreform eine Überarbeitung aller Unterrichtswerke notwendig machte. Obgleich ihm dieses Angebot »ebenso ehrenvoll wie verlockend« schien, lehnte Crämer unter Hinweis auf seine Münchner Lehrverpflichtungen ab.87 Ein anderes Angebot nahm er hingegen an. Der Geist der neuen Zeit hatte eine Überarbeitung von Lexika und Nachschlagewerken notwendig gemacht. Die Schrifttumsämter hatten hier wegen ihrer weiten Verbreitung vor allem die KonSchöttler. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997, S. 128–165, hier: S. 141–143; Schönwälder: Heinrich von Srbik, S. 533–538. 84 Helga Grebing: Zwischen Kaiserreich und Diktatur. Göttinger Historiker und ihr Beitrag zur Interpretation von Geschichte und Gesellschaft (M. Lehmann, A.O. Meyer, W. Mommsen, S.A. Kaehler). In: Geschichtswissenschaft in Göttingen. Hrsg. von Hartmut Bookmann und Heinrich Wellenreuther. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987 (Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften. 2), S. 204–238, hier: S. 221–223. 85 Für Löffler war von Srbik »untragbar«, da seine Geschichtsauffassung latent »universal« und »katholisch« ausgerichtet sei und daher so schnell als möglich durch eine »volksdeutsche Geschichtsauffassung« überwunden werden müsse (Hermann Löffler: Die Lage in der deutschen Geschichtswissenschaft. Vortrag gehalten am 17.3.1941 auf der Tagung der Kulturreferenten des Amtes III C des Reichssicherheits-Hauptamtes. In: Lerchenmüller: Geschichtswissenschaft, S. 240–261, hier: S. 256f.). 86 Vgl. Schönwälder: Heinrich von Srbik, S. 542–544. Auch die Dozentenschaft der Wiener Universität stand von Srbik äußerst kritisch gegenüber (vgl. Gernot Heiß: Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismus. In: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945. Hrsg. von Gernot Heiß u. a. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1989 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik. 43), S. 39–76, hier: S. 55). 87 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 9.8.1937; Crämer an PPK 11.8.1937.
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Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«
versationslexika im Auge. Um politische Schwierigkeiten von Anfang an zu vermeiden, hatte daher der »Brockhaus Verlag« für die Neuauflage des Großen Brockhaus der PPK von sich aus die Überprüfung und Überarbeitung von 100 Stichworten übertragen. Das »Deutsche Bibliographische Institut« war sogar noch weiter gegangen. Die achte Auflage von Meyers Konversationslexikon wurde im Wesentlichen von den Mitarbeitern der Bouhler-Kommission gestaltet.88 Einer von ihnen war Crämer. Ende Februar 1937 erhielt er den Auftrag, den Artikel »Föderalismus«, an dessen »politischer Ausrichtung« die NSDAP ein besonderes Interesse hatte, »vom politischen Standpunkt aus« zu verfassen.89 Der Grund für die Wahl Crämers lag auf der Hand. Der ehemalige Ministerialreferent war ausgewiesener Experte für Neugliederungsfragen. Gerne nahm Crämer die Chance wahr, seine Qualifikation unter Beweis zu stellen. Er bot auch sogleich an, »der einheitlichen Fassung wegen« den Artikel »Unitarismus« zu übernehmen, was dankbar angenommen wurde.90 Im Sinne seiner Denkschrift zur »Reichsreform« und seiner Jenaer Antrittsvorlesung beginnt der Artikel:91 Das Wesen des F[öderalismus] beruht auf der schon seit langem wiss[enschaftlich] als irrig erwiesenen, in Deutschland seit 1933 auch weltanschaul[ich] überwundenen Lehre vom Gesellschaftsvertrag, die mit der Fr[anzösischen] Revolution 1789 und dann vor allem im 19. Jahrhundert mit der Gedankenwelt des Liberalismus, der Demokratie und des Marxismus zur polit[ischen] Auswirkung kam. Über die Schilderung der Versuche der Schaffung föderaler Gebilde in der deutschen Geschichte und deren »kurzer Dauer« – er nennt den »Rheinbund«, den »deutschen« und »Norddeutschen Bund«, das »Deutsche Reich 1871–1933« und »ÖsterreichUngarn« – gelangt Crämer dann zu den »Begleiterscheinungen« des Föderalismus: Geradezu als eine arteigene Begleiterscheinung des F[öderalismus] kann man den Partikularismus (»Kantönligeist«) bezeichnen, hinter dem sich vermeintlich zu kurz gekommene völkische Sonder88 Heinz Sarkowski: Das Bibliographische Institut. Verlagsgeschichte und Bibliographie 1826–1976. Mannheim u. a.: Bibliographisches Institut 1976, S. 156–158; Barbian: Literaturpolitik, S. 136. 89 BayHStA MK 43500, PPK an Crämer 28.2.1937. 90 BayHStA MK 43500, Crämer an PPK 30.5.1937; PPK an Crämer 31.5.1937. 91 Da die Veränderungen zwischen dem von Crämer eingereichten vierseitigen Manuskript (BayHStA MK 43500) und dem gedruckten Lexikonartikel nur in sprachlicher Straffung und Verdichtung bestehen, wird für die folgenden Ausführungen die gedruckte Endfassung herangezogen: Artikel »Föderalismus«. In: Meyers Lexikon. Achte Auflage in völlig neuer Bearbeitung und Bebilderung, Bd. 4, Leipzig: Bibliographisches Institut 1938, Sp. 351–353. Hier auch im Folgenden.
bildungen zu sammeln pflegen. Der Partikularismus bildet nicht nur für sein Gegenteil, den Unitarismus, sondern, wenn übertrieben, auch für den F[öderalismus] eine Gefahr, da er dazu neigt, in Separatismus überzugehen (z. B. Bayerische Volkspartei). Auch hier zeigt sich in der Negativklimax Föderalismus – Partikularismus – Separatismus der Konnex zu Crämers Forschungsfeld, wie er es in seiner Jenaer Antrittsvorlesung skizzierte.92 Der letzte Abschnitt beginnt mit der Feststellung: Das Deutsche Reich ist seit der nat[ional]-soz[ialistischen] Revolution 1933 theoretisch ein Einheitsstaat: die Länder haben auch ihre restlichen Hoheitsrechte auf das Reich übertragen und stellen im staatsrechtlichen Sinn nur noch Gebietskörperschaften dar. Doch ist der F[öderalismus] praktisch noch nicht ganz überwunden. Die Ländergrenzen und das geltende Verwaltungsrecht würden noch der »föderalistischen Zeit« entstammen und mithin ihrer »Vereinheitlichung« durch die »Reichsreform« harren. War die Verwirklichung der »Reichsreform« auf Hitlers Weisung hin bis auf weiteres unterbunden worden, so konnte der ehemalige Referent am Reichsministerium des Innern wenigstens hier die Notwendigkeit einer grundlegenden Neugliederung des Reichsgebietes fordern. Crämer hatte die PPK und die Verlagsredaktion überzeugt und man setzte weiterhin auf seine Mitarbeit. Ende des Jahres begutachtete Crämer den von einem auswärtigen Autor erstellten Artikel »Gegenreformation«, an dem er jedoch nichts auszusetzen hatte.93 Eigentlich sollte Crämer im Jahr 1940 auch noch den Artikel »Reformation« erarbeiten, aber dieser Auftrag fiel wie auch der geplante Artikel zum »Unitarismus« dem Wehrdienst des jungen Historikers zum Opfer.94 Allerdings zeigte sich, dass die PPK mit dieser Art einer umfassenden Vorzensur zu weit gegangen war. Der Absatz im Inland war schlecht, da die Handschrift der Partei zu deutlich zu Tage trat. Die Resonanz im Ausland war so verheerend, dass die Verlagsleitung im Juli 1944 mit Einverständnis der Partei um eine Entbindung von der Zusammenarbeit mit der PPK ersuchen musste.95
92 Crämer: Reichsreform, S. 9. 93 BayHStA MK 43500, Gutachten Crämer vom 11.12.1937. 94 BayHStA MK 43500, Anfrage des Bibliographischen Instituts an Crämer 13.11.1940 und bedauernde abschlägige Antwort Crämers 24.11.1940. 95 Sarkowski: Das Bibliographische Institut, S. 158.
Resümee
Resümee Die PPK legte bei ihrer Arbeit eine überraschend pragmatische Einstellung hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung der von ihr kontrollierten Literatur an den Tag. Wie die ausgewerteten Gutachten zeigen, hatte die PPK versteckte Kritik oder falsche Interpretation der nationalsozialistischen Ideologie kaum zu fürchten. Im Gegenteil musste sie eingreifen, um außen- wie innenpolitisch sensible Bereiche vor übereifrigen Autoren in Schutz zu nehmen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel sind die Einwände gegen die Rede des Gauleiters Jordan oder die Abschwächung der Tirade Crämers gegen von Srbik. Diese erstaunlich abwägende Haltung der Zensurbehörde aus machttaktischen Erwägungen heraus, denen im Zweifelsfalle der Vorrang vor ideologischer Kongruenz eingeräumt wurden, ist bemerkenswert. Außen- oder innenpolitisch Inopportunes – gleich ob Publikation oder Zensurgutachten – wurde abgemildert oder gestrichen. Gefragt war pragmatisches Kalkül und nicht linientreue Ideologieproduktion. Die Beispiele der »Damnatio Memoriae« zeigen auf der anderen Seite, dass man dort, wo es aus machttaktischen Überlegungen heraus geboten war, auch rasch und mit aller Härte zuschlug. Personae non gratae aus Partei, Wissenschaft und Wirtschaft sollten mit bürokratischer Perfektion aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt werden. Diese Herangehensweise der PPK erinnert an das nüchterne Ethos des SD, der fern von ideologischer Borniertheit die Effizienz von Kontrolle und damit letztlich von Herrschaftssicherung optimierte.96 Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die PPK von allen Schrifttumsstellen am engsten mit dem SD zusammenarbeitete, sogar zu jeder Kommissionssitzung einen Vertreter des RSHA hinzuzog. Schrifttum galt dem SD als nachrichtendienstliche Quelle »ersten Ranges«, um »Krankheitsherde« frühzeitig erkennen und »gegnerische Strömungen« bekämpfen zu können. Dabei wurden neben den Veröffentlichungen auch die Verlage und Autoren in die Überwachung mit einbezogen.97
96 Jens Banach: Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936–1945. Paderborn u. a.: Schöningh 1998, S. 94–97, 325–335; Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939– 1944. Hrsg. von Heinz Boberach. Neuwied/Berlin: Deutscher Taschenbuch Verlag 1965 (dtv-dokumente. 477), S. IX–XXVIII; Wolfgang Dierker: Himmlers Glaubenskrieger. Der Sicherheitsdienst der SS und seine Religionspolitik 1933–1941. Paderborn u. a.: Schöningh 2002, S. 15–29. 97 Vgl. dazu den Abschnitt »Die Aufgaben und Möglichkeiten des Sicherheitsdienstes in der Schrifttumsüberwachung« in einem als »geheim« eingestuften Dossier des SD 1937 (BA BerlinLichterfelde R 58/1106, SD-Leitheft Schrifttumswesen und Schrifttumspolitik, März 1937 [73 S.], S. 64–73, hier: S. 69f.). In dieser Darstellung werden die unterschiedlichen Zensurstellen des
225 Die Zensurarbeit Crämers hat zudem die in der Literatur konstatierte Ausweitung der Kompetenzen der PPK als Element der typischen Dynamik nationalsozialistischer Verwaltungsrealität bestätigt. Ein konkretes Beispiel für das polykratische Wuchern der PPK ist die erwähnte Anfrage an Crämer zur Abfassung eines Schulbuches 1937, obgleich die Zensurbehörde offiziell erst 1940 damit beauftragt wurde, sich auch um den Bereich der Schulbuchproduktion zu kümmern.98 Damit unterstreicht die Entwicklung der PPK auch für den Bereich der Literaturpolitik die in der Forschung allgemein für das »Dritte Reich« konstatierte »enorme Dynamik des Wandels«, die als »Stabilisierung durch Bewegung« die Grundlage dafür bildete, dass sich das ausgesprochen heterogene Machtgebilde des nationalsozialistischen Staates bis zur vollkommenen militärischen Niederlage halten konnte, ohne etwa zuvor von innen heraus auseinander zu brechen.99 Mit dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« fand im Übrigen auch die Karriere Crämers ein jähes Ende.100 Nach der von der Besatzungsmacht verfügten Amtsenthebung und längeren Internierung musste der ehemalige Professor beruflich völlig neu beginnen. Trotz verbissener Versuche, die Crämer sogar zu einer Klage gegen die Münchner Universität führten, blieb er auf Dauer von einer Rückkehr ins akademische Lehramt ausgeschlossen. Auch die Unterstützung durch alte Seilschaften oder den »Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer«, in dem sich die wegen ihrer NS-Belastung amtsenthobenen Professoren zusammengeschlossen hatten,101 brachten Crämer der ersehnten Wiedererlangung seines Lehrstuhls nicht näher. Nachdem er sich und seiner Familie in Kempten zuerst als Töpfer, später als Versicherungsvertreter den Lebensunterhalt verdient hatte, fand er schließlich eine Anstellung beim Brockhaus Verlag. Dort war er von 1950 bis 1976, seit 1965 als Redaktionsmitglied, für die historischen Inhalte der Brockhaus-Enzyklopädie zuständig. Crämer starb 1992 in Wiesbaden.
Regimes kurz dargestellt und nach ihrem Wert für den SD beurteilt; zur PPK siehe S. 53–64. 98 Kröger/Thimme: Geschichtsbilder, S. 67–76; Barbian: Literaturpolitik, S. 104/105, 136. 99 Ruck: Führerabsolutismus und polykratisches Herrschaftsgefüge, S. 45. Zur polykratischen Kompetenzanarchie im nationalsozialistischen Verwaltungsalltag bilanzierend S. 44–56. 100 Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 233–370. 101 Zu dieser Lobbyvereinigung, deren besonders aktiver bayerischer Landesverband mit Sitz in Erlangen in den 1950er und 1960er Jahren lautstark die Interessen der amtsenthobenen Hochschullehrer gegenüber den Universitäten und dem Bayerischen Kultusministerium vertrat, siehe Jedlitschka: Wissenschaft und Politik, S. 252–291.
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Karsten Jedlitschka: Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«
Abkürzungen BA BayHStA HZ KZ NSDAP PPK
Bundesarchiv Berlin Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Historische Zeitschrift Konzentrationslager Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums
REM RSHA SA SD SS UAM VfZ
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Reichssicherheitshauptamt Sturmabteilung Sicherheitsdienst Schutzstaffel Universitätsarchiv München Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
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Rezensionen Buchgeschichte populärwissenschaftlich Marion Janzin/Joachim Güntner: Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsanstalt 2006. 512 S. Leinen. ISBN 978-3-89993-805-0. Euro (D) 88,– Wer interessiert sich eigentlich für Bücher? Wer ein Interesse an Büchern artikuliert, meint meist die Buchinhalte, die seinen Wissensdurst stillen und seine Leselust befriedigen sollen. Aber da gibt es auch bibliophile Neigungen, und eine dritte Auflage binnen elf Jahren dokumentiert immerhin so viel Aufmerksamkeit des allgemeinen Publikums, dass der Verlag das Risiko einer erweiterten Neuausgabe, als die das rezensierte Werk bei präziser Terminologie bezeichnet werden muss, einzugehen bereit ist. Das Buch vom Buch hat Tradition. Es geht zurück auf ein von Helmut Presser verfasstes Werk gleichen Titels,1 das 1978 eine zweite Auflage bei der Schlüterschen Verlagsanstalt erlebte. 1995 kam die erste Auflage des zu rezensierenden Werks von Janzin und Güntner heraus, gegenüber Presser ein praktisch neu geschriebenes Buch. Ein Rezensent2 zählte seitenlang Mängel auf, von schlampigen Formulierungen wie z. B. »zweiseitig bedruckte Seite« bis zu sachlichen Fehlern beispielsweise bei den Erscheinungsjahren und Herausgebern der Monatsunterredungen (nicht 1641/42, sondern 1663 bis 1671; Johann Rist gab sie nicht gemeinsam mit Erasmus Francisci heraus, sondern war als Herausgeber dessen Vorgänger). In der zweiten Auflage 1997 waren diese Mängel weit gehend beseitigt. Eine weitere Bearbeitung hat das Buch, das in der dritten Auflage Text, Illustration und Layout der zweiten Auflage unverändert beibehält und deshalb komplett in alter Rechtschreibung steht, fast nicht erfahren (im Text ist allerdings auf das Buchpreisbindungsgesetz von 2002 verwiesen, andererseits sind veraltete Bezeichnungen wie z. B. »Deutsche Staatsbibliothek« unverändert stehen geblieben), so dass seine Herstellung kostengünstig war. Hinzugefügt ist in der vorliegenden dritten Auflage ein Schlusskapitel »An der Wende zum 21. Jahrhundert«. Der Gesamtcharakter des Werks blieb erhalten: Es will nicht – und das kann es auch nicht – ein Beitrag 1 Presser, Helmut: Das Buch vom Buch. Bremen: Schünemann 1962. 2 Meyer, Horst: Das Buch vom Buch [Rezension online]. In: Informationsmittel für Bibliotheken 4 (1996) 1 [zitiert am 13. Aug. 2007]. Im World Wide Web: http://www.bsz-bw.de/depot/media/ 3400000/3421000/3421308/96_0017.html.
zur Buchwissenschaft sein, weder hinsichtlich der Präsentation neuer Erkenntnisse noch einer handbuchartigen Zusammenfassung des Forschungsstands. Es richtet sich an interessierte Laien: »Unsere Buchgeschichte will dem Buchfreund Einblicke geben, vor allem aber soll sie Zusammenhänge aufzeigen und einen Überblick verschaffen«, heißt es im Vorwort (S. 11), und diesem Anspruch wird Das Buch vom Buch mit kleinen Einschränkungen gerecht. Es folgt einem breiten Ansatz, der weit über die Fragestellungen der Buchwissenschaft hinausgeht. Das macht es für ein breiteres Publikum interessant. In weiten Teilen erzählen die Autoren Kulturgeschichte rund ums Buch bis hin zu Literaturpreisen und Schriftstellervereinigungen (nicht von den Gewerkschaften der Buchbranche, deren Einfluss via Lohnkosten auf die Entwicklung des Buches womöglich bedeutsamer ist). Es handelt sich um ein illustriertes populäres Sachbuch im guten Sinn des Worts. Deshalb können die Autoren auf die Behandlung von Forschungsmethoden weit gehend verzichten. Nur vereinzelt, z. B. im Zusammenhang mit der Bestimmung von Inkunabeln (Typenanalyse, S. 159) oder der Datierung von Papieren anhand der Wasserzeichen (S. 97), kommen sie auf Forschungsmethoden zu sprechen. Die Autoren präsentieren ihren umfangreichen Stoff – Das Buch vom Buch hat einschließlich Literaturverzeichnis und Register über 500 großformatige und zweispaltige, deshalb gut lesbare Seiten – in kurzen, teils thematischen, teils chronologischen Kapiteln unter manchmal sachlichen (»Organisationsstrukturen in Verlag und Buchhandel«), mitunter eingängigen Überschriften (»Als der Buchdruck noch in der Wiege lag«). Sie wollen, und das gelingt ihnen überzeugend, zu nicht-linearem Lesen, zum Blättern und Schmökern, zum Nachschlagen – gutes Register mit rund 5.000 Eintragungen bis hin zu Buchtiteln – und Genießen einladen. Das große Format erlaubt Illustrationen mit aussagefähigen Bildunterschriften fast auf jeder Seite (Beispiele für Schriften, einzelne Buchstaben besonders aus den Schriften der Renaissance und des Barocks, Buchseiten, Bucheinbände, Doppelseiten aufgeschlagener Bücher, Buchillustrationen, Wasserzeichen, Druckerzeichen u.v.a.m.). Freilich hätte man
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Rezensionen
sich nicht nur Ansichten von Druckwerkstätten der frühen Neuzeit in schönen Stichen gewünscht, sondern auch ein Foto eines modernen Druckereibetriebs. Und nicht immer zeigen die Bilder den Buchtitel oder die Schrifttype, die der Text erwarten lässt. Schön ist der Druck auf mattem, ziemlich starkem Papier, wodurch zwar die Farben weniger kontrastreich sind, die Abbildungen aber spiegelfrei bleiben und der Druck der Rückseite nicht durchschlägt. Und die Autoren präsentieren die Stoffmassen nicht nur klar gegliedert und sauber erschlossen, sondern auch sprachlich durchweg flüssig, eingängig, elegant. Das Buch vom Buch zu lesen macht Spaß. Janzin und Güntner beginnen, wie etwa auch Fritz Funke3 in seiner längst als wissenschaftliches Standardwerk etablierten, staubtrockenen Buchkunde mit der Schriftgeschichte. Es folgt wie bei Funke die Geschichte der Beschreibstoffe von den Tontafeln über Papyrus und Pergament bis zum Papier. Dann kommt die Entstehung des Codex als der bis heute üblichen Form des Buches. Von da an holen Janzin und Güntner viel weiter aus als die buchwissenschaftliche Fachliteratur. Es folgen Kapitel nicht zur Buchgeschichte, sondern zur Geschichte der Textüberlieferung, soweit man beides trennen kann, am Beispiel der Bibel und anderer antiker Texte. Bei den Bibelübersetzungen geht es seitenlang, sehr berechtigt, um Sprachgeschichte. Vom 16. Jahrhundert an schieben die Autoren immer wieder Kapitel über Lieblingslektüren, über verbreitete und populäre Lesestoffe ein; sie schreiben auch eine Geschichte des Lesens. Sehr gelungen ist in dem Zusammenhang das Kapitel über die Bedeutung der kommerziellen Leihbibliotheken als »Großmächte des literarischen Lebens«. Über weite Strecken erzählen die Autoren Kulturgeschichte, etwa der Emblembücher und ihrer Bedeutung für Redensarten bis heute (»Krokodilstränen«, S. 222), referieren Literatur- und Kunstgeschichte, z. B. den Inhalt von Heinrich von Veldekes Eneit (S. 86), die Ikonografie der Stundenbücher (S. 91) oder die Politisierung der Literatur in den 1960er Jahren (S. 442), befassen sich ausführlich mit ebenso schönen wie für das Buchgewerbe marginalen Bereichen wie der Buchkunst (z. B. der Officina Bodoni, S. 368–370, einzelnen Buchillustratoren, etwa Gerhart Kraaz, HAP Grieshaber, Josef Hegenbarth, Werner Klemke, S. 431–435) und den Privatpressen (S. 361–368), legen detailliert die Entwicklung der Einbandgestaltung und des Layouts dar – sie liefern den Stoff, für den sich ein gebildeter Zeitgenosse, behaglich im Sessel bei Tee oder Rotwein vor der wohlsortierten Bücherwand schmökernd, interessiert und der im Buchhandel ein schmückendes Zusatzgeschäft bildet. 3 Funke, Fritz: Buchkunde. 6. Aufl. München: Saur 1999.
Sie würdigen einige Buchgattungen, die für die Verbreitung von Büchern eine herausgehobene Bedeutung haben, besonders Kinderbücher (S. 254) und Reiseführer (S. 297) oder Taschenbücher (S. 422). Sie sprechen von literatursoziologischen Zusammenhängen, beispielsweise hinsichtlich der Stellung der Schriftsteller im 18. Jahrhundert (S. 247): »Bis weit über die Jahrhundertmitte hinaus sah sich der deutsche Schriftsteller in einer ungünstigen Situation: die früheren Gönner, die das Interesse an poetischer Verherrlichung ihres Standes verloren hatten, ernährten ihn nicht mehr, und der Buchhandel tat dies noch nicht.« Umgekehrt interessieren sich die Autoren nur marginal (S. 321f.) für die Sozialgeschichte des Buchgewerbes von den frühen Buchdruckerverordnungen, mit denen die Städte um 1600 auf Streiks der Gesellen reagierten, bis zu den modernen Berufsbildern wie Mediengestalter oder Flexograf. Die Ethnologie der Buchberufe – Rituale und Zeremonien wie Deposition und Gautschen – bleibt anekdotisch und kursorisch. Es entsteht tatsächlich ein Buch vom Buch für den Buchliebhaber, das nahezu alle Facetten des Themas beleuchtet, von der Inkunabel bis zur elektronischen Zeitschrift, vom Egbert-Codex bis zu Rainer Langhans’ und Fritz Teufels provokativer 68er-Agitationsbroschüre Klau mich, von der Bibliothek von Alexandria bis zu Google Book Search. Dass dabei nicht alle Aspekte durch die Jahrhunderte mit derselben Aufmerksamkeit, sondern teils je nach vorliegender Fachliteratur, teils subjektiv verfolgt werden, das mag man den Autoren zugestehen, die ihre Schwerpunkte durchaus nach wohl berechtigt vermuteten Interessen ihrer Zielgruppen gesetzt haben. Leider ist Das Buch vom Buch wie wohl viele populäre Sachbücher von einer Fülle von kleineren Ungenauigkeiten durchzogen, die der Zielgruppe nicht nur nicht auffallen, sondern für diese wohl unerheblich sind, die es aber für Buch- und Bibliothekswissenschaftler unerträglich machen. Einige Unschärfen sollen beispielhaft genannt werden: –
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S. 34–35 heißt es über die Runen: »Seit dem 13. Jahrhundert wurde das traditionelle Runenalphabet von der Lateinschrift völlig verdrängt.« Das ist so richtig wie unscharf, denn die Norweger verwendeten Runen noch im 14. Jahrhundert als Gebrauchsschrift für alltägliche Mitteilungen, Frachtbriefe u. dgl. Dass die neuere Forschung das Etymon »rūn« nicht als »Mysterium, Geheimnis« deutet, sondern als »geschriebene Mitteilung« wird nicht erwähnt. S. 46 wird richtig festgestellt, dass die Regula Benedicti nicht vom »Bücherkopieren und von der Bewahrung der Literatur« spricht. Dennoch wird der entscheidende Zusammenhang nicht recht deutlich, denn Benedikt schreibt seinen Mönchen neben Gottesdienst und körperlicher
Buchgeschichte populärwissenschaftlich
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Arbeit die Lesung vor, individuell wie das Vorlesen zu jeweils festgesetzten Zeiten. Und gerade diese Vorschrift erzwang in einer Zeit, in der, wer ein Buch lesen wollte, erstmal eines der raren Exemplare beschaffen und für den eigenen Gebrauch abschreiben musste, eben das »Bücherkopieren«. Schreibstube und Bibliothek begründen sich unmittelbar aus der Benediktinerregel. S. 94 steht über die Bedeutung der Erfindung des Buchdrucks: »Bisher war jedes Buch einmalig, zwar in Abschriften, aber doch individuell und für einen ganz bestimmten Auftraggeber gefertigt worden. Nunmehr war es möglich, […] für einen anonymen Markt zu produzieren, für Abnehmer, die man zum Zeitpunkt der Herstellung noch gar nicht kannte.« Das stimmt in der hier formulierten Ausschließlichkeit nicht, denn bereits in der Antike gab es einen Buchhandel mit auf Vorrat »für einen anonymen Markt« hergestellten Rotuli. S. 449: Der Photosatz wurde nicht 1946 erfunden, sondern bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Erst der praktische Einsatz dieser Erfindung kam nach dem Zweiten Weltkrieg. S. 473: Wer die Druckausgabe der dreißigbändigen Brockhaus-Enzyklopädie in der Ausgabe 2006 erwarb, erhielt »zusätzlich« zwar zwei DVDs mit Bild- und Tondokumenten, aber keineswegs »das ganze Werk noch einmal auf einem kleinen Datenträger (einem USB-Stick)«. Vielmehr wird die Brockhaus Enzyklopädie digital separat mit eigenem Preis vertrieben. S. 475: »Books on Demand« kann keineswegs »wahlweise« für »Print on demand« verwendet werden, sondern ist die Bezeichnung für die Tochterfirma des Barsortiments Libri, die ein Print-ondemand-System betreibt. Möglicherweise haben Janzin und Güntner auch Konkurrenzunternehmen wie book-on-demand, die Print-on-demand-Linie einer Berliner Digitaldruckerei, im Auge gehabt. S. 475: Das Konzept des Buchdrucks nach Bedarf wurde keineswegs erst 1997 entwickelt, sondern hat in der wissenschaftlichen Publizistik eine jahrzehntelange Tradition, wenn auch auf Basis der Fotokopiertechnik. Die Ende der 1990er Jahre entwickelten Print-on-Demand-Technologien machen das Konzept für den Massenmarkt tauglich. S. 475 liest man: »Internet-Veröffentlichungen sind flüchtig, lassen sich leicht korrigieren, manipulieren oder fortschreiben, ohne daß für den Nutzer erkennbare Spuren davon zeugen.« Diese Eigenschaft können Internet-Publikationen haben – oder dank Authentifizierungs-Technologien ebenso beständig und zitierfähig wie PrintVeröffentlichungen sein. Darauf weisen die Autoren mit keinem Wort hin.
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S. 480 steht, dass der Terminus »Hörbuch« 1987 von der Deutschen Grammophon eingeführt wurde. Tatsächlich wurde der Terminus erstmals 1954 von der Deutschen Grammophon und der Deutschen Blindenhörbücherei verwendet.
Für Angehörige in der Buchbranche vom Verleger über den Buchhändler bis zum Bibliothekar mit einem Bedarf an aktueller Information über Trends der Buchbranche ist Das Buch vom Buch zu unpräzise. Auch dies soll an Beispielen gezeigt werden: –
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S. 480 erfährt man, dass Frauen und Männer ungefähr gleich häufig zum Hörbuch greifen. Bei der Aussage fehlt die Unterscheidung zwischen Nutzung und Kauf, eine Unterscheidung, die für den Buchhandel von zentraler Bedeutung ist. S. 474 heißt es, dass bei den wissenschaftlichen Zeitschriften – oder bei den naturwissenschaftlichen Zeitschriften, der Bezug wird nicht ganz klar – »die reinen E-Journale, also die ausschließlich online zu beziehenden wissenschaftlichen Periodika, die Oberhand« gewannen. Das trifft nicht zu; die Zahl der wissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Online-Zeitschriften, die eine parallele Print-Ausgabe haben, ist noch immer erheblich größer als die freilich wachsende Zahl der E-only-Titel. Vor allem wäre in diesem Zusammenhang die Aussage wichtig gewesen, dass der verbreitende Buchhandel am Online-Geschäft mit Zeitschriften keinerlei Anteil hat. S. 474 gehen die Autoren auf Open-AccessPublikation ein und stellen sie als Reaktion der Wissenschaftler auf drastische Preiserhöhungen bei den wissenschaftlichen Zeitschriften dar. Das ist einseitig, denn dem Open-Access-Modell, wie es 2001 in der (im Buch vom Buch nicht erwähnten) Budapest Open Access Initiative (BOAI) formuliert4 wurde, liegen nicht nur die Preisentwicklung bei Zeitschriften, mehr noch die Erfahrung restriktiver Autorenverträge und restriktiver Geschäftsmodelle zugrunde, die den bisher zeitlich unbefristeten Zugriff auf früher bezahlte Publikationen bei elektronischen Verlagspublikationen unterbinden. Ferner fehlt in dem Zusammenhang die Aussage, dass die Verlage ihrerseits mit einer Palette von Open-AccessGeschäftsmodellen reagiert haben. S. 474–481 wird der Terminus »Copyright« wie umgangssprachlich üblich auch für Deutschland synonym mit Urheberrecht bzw. Verwertungsrecht gebraucht; die Differenzen zwischen dem US-amerikanischen Copyright und dem deutschen Urheberrecht werden ignoriert.
4 (In World Wide Web:) http://www.soros.org/openaccess/g/ index.shtml.
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Rezensionen S. 474–481 befassen sich die Autoren mit elektronischem Publizieren. Dabei behandeln sie die eigentlich interessante Entwicklung nicht, nämlich den Vertrieb von Büchern in Form von pdfDateien mit Digital-Rights-Management via Download, obwohl diese Entwicklung wohl am besten die Überschrift »Das Buch verläßt den Buchkörper« illustriert hätte. Im Schlusskapitel S. 464–482 fehlt der Gedanke – der nach Auffassung des Rezensenten die bedeutendste Veränderung im Zusammenhang mit WWW-basierter Publikation ist –, dass die Online-Publikation die bisherige lineare Publikationskette vom Autor über Verlag und Distributionsinstanzen zum Konsumenten sowohl im populären (Wikipedia) wie im wissenschaftlichen Sektor in eine Netzstruktur umwandeln kann und im Wissenschaftsbetrieb die Integration von internen und externen Informationsressourcen mit Rohdaten der Forschung sowie mit elektronischen Instrumenten zur Diskussion der Auswertungsergebnisse und der Schlussfolgerungen via Internet (»Collaboratory« aus »collaboration« für Internet basierte Zusammenarbeit und »laboratory« für Labor) erlaubt. Während die Autoren historische Technologien von Satz und Druck (etwa Königs Schnellpresse, S. 318–320, die Linotype und der Weg dahin, S. 322–324) ausführlich und anschaulich behandeln, streifen sie aktuelle Satz- und Drucktechnologien nur essayistisch und oberflächlich (»Digitale Bildbearbeitungssysteme erlauben die reinste Zauberei.«, S. 451). Die Differenz zwischen professionellen DTP-Systemen und verbreiteten Büro-Anwendungsprogrammen wird nicht deutlich. Unklar bleibt ebenso der Unterschied zwischen dem Pixel-Raster der digitalen Bildverarbeitung und dem Punktraster der Druckform.
Es handelt sich eben um ein Sachbuch, das nicht als Fachbuch gelesen werden will. Freilich fehlen ihm auch als Sachbuch einige Qualitäten, die man längst von einem wirklich guten Sachbuch erwarten kann: Es soll seinen Stoff an ein nicht fachspezifisches Publikum vermitteln, dabei aber sachlich genau und terminologisch präzise sein. Eben dies leistet Das Buch vom Buch nicht durchgängig. Dass ein Sachbuch sich auf Fachliteratur stützt, ist selbstverständlich; dass es Absätze auf Absätze Fachliteratur in einer für Laien rezipierbaren Sprache referiert und sich dabei nicht scheut, lange Passagen bloß umzuformulieren, ist legitim. Aber diese Quellen müssen ausgewiesen sein. Auch im Sachbuch müssen Zitate belegt sein. Die Mittel, um dies auch ohne Fußnoten zu leisten, die nach einer verbreiteten Auffassung im Sachbuch stören, sind bekannt (Quellenangaben im Anhang nach Seiten usw.). Davon machen Janzin und Güntner keinen Gebrauch.
Sie geben Fachliteratur oft fast wörtlich ohne Anführungszeichen wieder, formulieren aber journalistisch um und steigern so die Verständlichkeit – das sollte man beim Sachbuch gutheißen: Bei Reinhard Wittmann5 steht: »Ähnlich machte eine bei Metzler in Stuttgart ab 1827 lieferungsweise erscheinende Übersetzungsbibliothek griechischer und römischer Klassiker in 729 Bändchen die Schätze humanistischer Bildung einem breiten Publikum zugänglich.« Janzin und Güntner formulieren (S. 303): »Vorerst allerdings hielt sich Metzler an humanistisches Bildungsgut. 1827 begann er, eine Bibliothek mit Übersetzungen griechischer und römischer Klassiker in 729 kleinen Bändchen herauszubringen.« – bis auf die missglückten »kleinen Bändchen« eine Verbesserung der Lesbarkeit. Freilich zitieren sie auch immer wieder wörtlich in Anführungszeichen, nennen dann den Autor, oft auch den Titel des zitierten Werks, aber nicht die exakte Quelle. Und das ist auch im Sachbuch nicht akzeptabel. Mitunter ist das zitierte Werk im Literaturverzeichnis der dritten Auflage gar nicht mehr enthalten (so der S. 86 wörtlich in Anführungszeichen zitierte Literaturhistoriker Bernd Lutz), denn das Literaturverzeichnis wurde gegenüber der zweiten Auflage erheblich gekürzt. Immerhin führen sie darin wichtige Fachliteratur auf, erwähnt seien Fritz Funkes Buchkunde6 (in der 5. Auflage 1992, während die 6. Auflage sieben Jahre vor der hier rezensierten dritten Auflage des Buchs vom Buch erschien), Rudolf Schendas Lesewelten der kleinen Leute7, die Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur8, um die dem Stoff des Buchs vom Buch entsprechende Spannweite anzudeuten. Nur am Rande sei angemerkt, dass nicht ganz nachvollziehbar ist, weshalb die Autoren das Wörterbuch des Buches von Hiller und Füssel auflisten und nicht das sehr viel qualitätsvollere Reclams Sachlexikon des Buches9 von Rautenberg. Insgesamt ist das Buch vom Buch ein vorzügliches, preislich angemessenes Coffeetable-Book, das den Haushalt jedes Buchliebhabers bereichert und schmückt (außer wenn ein Buch- und Bibliothekswissenschaftler zu Besuch kommt). Konrad Umlauf
5 Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C. H. Beck 1991, S. 219. 6 Funke: Buchkunde. 7 Schenda, Rudolf: Die Lesestoffe der kleinen Leute. München: Beck 1976. 8 Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. Von Herbert Hunger, Karl Langosch u. a. 2 Bde. Zürich: Atlantis 1961–1964. 9 Reclams Sachlexikon des Buches. Hrsg. von Ursula Rautenberg. 2. Aufl. Stuttgart: Reclam 2003.
Frühdruck in Straßburg
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Frühdruck in Straßburg Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum. Die Straßburger Offizin des Matthias Hupfuff (1497/98–1520). München: K. G. Saur 2007 (Archiv für Geschichte des Buchwesens. Studien. Bd. 4) Im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. hrsg. von Monika Estermann und Ursula Rautenberg, 508 S. Gebunden. ISBN 978-3-598-24903-7. Euro (D) 128,–
Monographs on a single printer or publisher from the first century of printing (apart from Gutenberg and Caxton) are not unknown since Oscar Hase’s 1885 work on Anton Koberger, but they remain a rarity, comprising perhaps no more than a few dozen titles. Oliver Duntze’s dissertation (Erlangen 2006) on Matthias Hupfuff, the most prolific publisher of German-language works in pre-Reformation Strasbourg, serves as a reminder that much more remains to be done in this area, and that research on early printers can have a significant impact on many fields of inquiry into the early modern period. Oscar Hase was able to draw on a wealth of correspondence and official documents for his study of the Kobergers, but much of Hupfuff’s biography remains a mystery, including the precise dates of his birth in the second half of the fifteenth century and death before 1522. Of the competing theses concerning Hupfuff’s origin, Duntze shows that Hupfuff did not acquire Strasbourg citizenship in 1484 and that he probably did not come from Reutlingen, but was rather more likely born in Strasbourg. The most important basis of Duntze’s analysis is formed not by archival documents, however, but by the products of Hupfuff’s workshop. For this type of analysis, it is essential that Hupfuff’s editions have a sound bibliographical footing, but one of the significant challenges in achieving this is that the method of Proctor and Haebler, whereby typefaces are attributed to a particular printer according to a characteristic majuscule letter and the measured height of 20 lines of text, is of uncertain reliability for the sixteenth century, when type standardization and trade in typefaces make attribution difficult. One of Duntze’s considerable accomplishments in Ein Verleger sucht sein Publikum is to face the challenge head-on with a critical reconsideration of the Proctor-Haebler method for the early sixteenth century. Duntze shows that a method developed for fifteenth-century printing is nevertheless applicable to sixteenth-century editions as one criterion among others for attributing an unsigned print to a particular printer and time period based on the entire variety of a work’s various types, woodcuts, illustrated initials, and other decorative material in the context of contemporary print editions. On the basis of a solid methodological
foundation, Duntze is able to establish a list of 253 editions attributable to Hupfuff for the years 1497– 1520 (compared to the 210 currently found in VD16), as well as to identify 32 editions falsely attributed to Hupfuff and 33 probable ghost editions (appendices A–C, pp. 357–486). Establishing a sound bibliography of Hupfuff editions requires painstaking attention to what appear to be very minor details of typefaces and woodcuts, but the effort is rewarded by a clear glimpse of Hupfuff’s career in publishing and his role in the early modern marketplace for printed books. The considerable changes in output, both in terms of number of editions and of printed quires, demonstrate that Hupfuff’s establishment of his print shop from 1497/98 to 1504 was followed by a marked expansion in 1505–1507 before a dramatic decline from 1508 to 1509. After rebuilding the business in 1510–1511, Hupfuff was able to expand again to become one of the most productive publishers in Strasbourg between 1512 and 1516, at which time Hupfuff likely made use of 6–8 presses to attain print runs of 750–1000 copies. Except for a single edition commissioned from the press of Heinrich Knoblochtzer in the year 1520, however, Hupfuff disappeared from the world of print after 1516. The greater part of Ein Verleger sucht sein Publikum examines the titles printed by Hupfuff and their contents, which Duntze categorizes as technical/advisory, religious, or secular literature, politics and current events, and schoolbooks, with each genre further divided into appropriate subcategories. Thus chapter 8 on secular literature (pp. 183–221), for example, addresses separately works of the high and late middle ages, contemporary literature of the late fifteenth and sixteenth centuries, and printed songs. The detail presented in this and other chapters make Ein Verleger sucht sein Publikum essential reading for the study of early modern German literature and the reception of medieval literature in print, and the same is true for the study of other genres printed by Hupfuff. The titles and their relation to earlier and later editions or to manuscript traditions are not only important data for literary history, but they also tell a story of a printer’s hopes, ambitions, and disappointments. A recurrent pattern in the chapters addressing particular genres is the shift from an initial
232 preponderance of popular booklets in smaller formats to the inclusion of more substantial or learned works. Particularly the medieval literature frequently printed in Hupfuff’s early years later disappears from his publishing program. Hupfuff’s publication program is the key to understanding his place in the ecosystem of preReformation German printing. For any genre or type of literature, Hupfuff’s editions were nearly always focused on the everyday needs of practitioners, rather than on theoretical considerations. With few exceptions, Hupfuff chose to print works that had already appeared in print, often based on previous Augsburg editions, or works that were already popular in manuscript. At the same time, Hupfuff’s editions were often the first to be printed in Strasbourg. It seems quite clear that Hupfuff discovered an effective market strategy in producing small vernacular works for local and regional book markets less expensively than they could be imported from more distant publishing centers. As can be expected from any contribution to scholarship, Ein Verleger sucht sein Publikum raises as many questions for further research as it answers, not least among them how we are to think of the early modern book market. We understand ›market‹ in terms of producers and customers, supply and demand, and other concepts not formulated in their modern sense until centuries after the early publishers flourished. Although not addressing the topic directly, Duntze adduces several examples of early printing involving Hupfuff that make printing in Strasbourg seem less a competitive arena than a cooperative network. The case of Hupfuff also raises questions about the customers for printed works. Hupfuff’s wares, typically illustrated popular works in small formats, appear to have been less expensively produced than contemporary editions; but this is less a matter of Hupfuff seeking a particular audience than of his seeking a particular price point. Did Hupfuff try to serve the needs of one market segment, or to dominate the entire market with wares that could still be sold profitably at an incomparably low price? Whether lower-priced editions primarily served less wealthy readers, or whether readers of all classes pre-ferred less expensive books to more carefully crafted wares, remains a question requiring further attention. The data Duntze gathers from the record of printed editions are subject to competing interpretations. In the expansion of printed editions and publication formats, do we see a printer’s triumphal rise from humble beginnings, or a failure born of excessive ambition and poor business acumen? Duntze suggests that the setback of 1508–1509 was the result of an ill-considered overexpansion, but Hupfuff’s whole career appears marked by an aspiration towards more
Rezensionen prestigious projects than the mass-market vernacular booklets of his beginning years; Hupfuff’s publication program becomes most Latinate in 1506–1507, just prior to the caesura, and then in 1515–1516 (although to a smaller degree), just prior to the conclusion. If a successful edition in the fifteenth and sixteenth centuries was one that was later reprinted, what are we to make of Hupfuff’s many editions that mark the end of a work’s edition history? Hupfuff either discovered a way to profit from selling end-oflife products – or he did not. Ein Verleger sucht sein Publikum also contains valuable material for the study of early modern authorship. Hupfuff’s numerous measures to reduce production costs also raise the question as to why he did not dispense with illustration altogether in his editions. One can say that illustrations in vernacular works were traditional or expected by the customers, but what functions did woodcuts serve that made them essential? One provocative example is Hupfuff’s 1512 edition of Sebastian Brant’s Narrenschiff, which made use of the woodcuts from the original 1494 Basel edition. Duntze suggests that the woodcuts were brought to Strasbourg by Sebastian Brant himself. If this is correct, it represents a case where an author maintained control over images associated with his work, and where their use in a later edition was perhaps intended to authenticate the reprinted text. Hupfuff had contact with and published works by other leading intellects of pre-Reformation Strasbourg, including Thomas Murner, Johannes Geiler and Jakob Wimpheling. In an incident significant for the history of authorship and of censorship, Hupfuff paid Murner four gulden for the manuscript of the satirical Geuchmatt, a sum that Hupfuff later demanded back from Murner after the city of Strasbourg had forbidden the work’s publication. The transaction does not necessarily point to the author’s particular power in his relationship to the printer, however. The Geuchmatt edition printed in 1519 by Adam Petri is a quarto volume of 128 leaves and thus the manuscript was a significant investment in time and material on the part of its author; the four gulden Hupfuff paid to Murner for it in 1514 is dwarfed by the 1.984 gulden owed to Hupfuff by the elder Johann Knobloch in 1516. Compared to the number of scholarly volumes devoted to early modern intellectual figures such as Brant, Murner, and Wimpheling, it is striking how few scholarly monographs address the printers and publishers who brought their works into circulation. Ein Verleger sucht sein Publikum not only represents a significant contribution to print history and several other fields, but it also offers demonstrates the value of integrating print and intellectual history. Jonathan Green
Register
233
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Ackermann, Alfred 196 Ackermann-Teubner, Alfred 193, 195 Aesop 65, 90, 128 Albert von Brixen 74 Albertus Magnus 45, 121, 124, 128 Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz 167 Alexander Calcedonius 94 Alexander de Villa Dei 28, 52, 78, 81, 120, 122, 130, 139 Alvise, Alberto 30, 38 Alvise, Giovanni 30, 38 Amann, Max 215f. Amerbach, Johannes 15, 74, 78, 82 American Library Association 206 Amersford, Eberhard von 121 Andreae, Hieronymus 156f., 162 Andreas, Willy 214 Anrich, Ernst 214 Antoninus Florentinus 38, 45 Antonius Turchetus 30 Anwykyll, John 92 Apian, Georg 166, 169 Apian, Peter 166, 169 Aristoteles 115, 121, 128, 136, 142 Armandus de Bellovisu 142 Arndes, Stephan 52 Arnold ter Hoernen 28, 51, 92, 107, 109, 111f., 114, 116, 118 Arnoldi, Bartholomaeus 157f. Arnoldus de Tungern 122 Augustinus, Aurelius 30, 38f. Ayrer, Marx 13, 86 Azoguidus, Balthasar 38 Bac, Govaert 89 Bachmann, Paul 200 Baldacchini, Lorenzo 10 Bämler, Johann 10 Bammes, Reinhold 5, 6 Baptista de Tortis 52 Barberi, Francesco 9f., 39 Barbian, Jan-Pieter 213 Barker, Nicolas 16 Bartholomäus von Unkel 111, 127 Baumann, Hans 161 Bär, Hans 172 Beck, Fritz 178 Beeck, Heinrich von 132 Beham, Sebald 157 Bellaert, Jacob 11, 28, 66, 68, 81, 83
Bembo, Pietro 39 Benedikt von Nursia 228 Benzing, Josef 154f., 159, 161 Bergmann von Olpe, Johann 51 Berliner, Arnold 194 Bernardinus Benalius 83, 90 Bernhard von Clairvaux 63, 72f. Bibl, Victor 221–223 Bibliographisches Institut, Mannheim 224 Bieberbach, Ludwig 202, 206, 209 Birgittenmeister 157 Blaschke, Wilhelm 202–204, 209 Blumenthal, Otto 194 Bodoni, Giambattista 228 Bogeng, Gustav Adolf Erich 6–8, 14, 22 Bonaventura 45, 63, 65, 90, 92 Boner, Ulrich 35 Bonetus Locatellus 39 Bopp, Melchior 161, 180–184 Borchling, Conrad 108 Born, Max 194, 197, 209 Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Leipzig 191, 206, 208 Bosman, Arent 68f. Bouhler, Philipp 216, 224 Brack, Viktor 218 Brandenburg, Albrecht von, Hochmeister des Deutschen Ordens 174 Brant, Sebastian 232 Braun, Konrad 158 Breda, Jacob van 52, 78, 81, 92f. Brelochs, Anton 179 F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig 224f. Brugman, Jan 64 Buchner, Berthold 177 Büchsel, Hans-Wilhelm 221 Bühler, Curt F. 90 Bumgart, Hermann 82, 92, 122, 125 Buppe, Hans 161 Calixtus III., Papst 27 Capcasa, Matteo 94 Carl August, Herzog von Weimar 214f. Cartellieri, Alexander 215 Caxton, William 57, 66, 231 Celerius, Bernardinus 30 Chalybs, Peter 154 Chartier, Roger 22f. Chrisman, Miriam Usher 117
234 Christoph, Herzog von Württemberg 155 Christophorus de Pensis 42 Chrysostomos, Johannes 123 Claus, Helmut 155 Claussen, Bruno 108 Coelde, Dirk 64, 71 Conway, William Marten 68 Conze, Werner 214 Cordus, Euricius 170 Cornelis de Zierickzee 115–118 Corsten, Severin 5f. 12, 107 Courant, Richard 192, 194f., 197, 201–204, 206, 209, 212 Crämer, Ulrich 213–217, 220–225 Crayen, Wilhelm von 201f., 208 Creussner, Friedrich 78, 88, 92, 139 Cristoforo de’ Pensi 94 Cuijpers, Peter M. H. 11f., 61 David de Augusta 52 Degener, Hermann 206 Deleuze, Gilles 22 Deutsch-Akademische Gildenschaft 214 Deutsche Blindenhörbücherei 229 Deutsche Grammophon 229 Deutsche Mathematiker-Vereinigung 193, 199f., 201f. Deutsche Physikalische Gesellschaft 200 Deutscher Verlegerverein, Leipzig 191 Deuchler, Florens 136 De Vinne, Theodore Low 5 Dicke, Gerd 128 Dierbach, Kaspar 160, 176, 179 Dirichlet, P. G. L. 194 Dorici, Gebrüder 39 Drach, Peter 45 Driver, Martha W. 13 Drucker der Flores Sancti Augustini 28, 115 Dupré, Jean 10 Dürer, Albrecht 9, 172 Dyck, Walther von 194, 198, 200, 203f. Eberlin von Günzburg, Johann 156f. Eck, Johannes 157 Eckert, Hendrik 60 Eco, Umberto 34 Emerich, Johann 93 Erasmus von Rotterdam 81, 94, 98 Erlinger, Georg 158, 162 Etzlaub, Erhard 157, 166, 168, 171f. Eyb, Albrecht von 78 Fabri, Giovanni 52 Fabri, Johannes 157, 164 Folz, Hans 12f., 28, 38, 42, 51, 82, 84, 86, 97 Foucault, Michel 22 Francisci, Erasmus 227
Register Franciscus de Mayronis 28, 114 Franciscus Mataratius 78 Frank, Walter 221 Franz, Günther 215 Frick, Wilhelm 215 Fricke, Robert 196 Friedrich (II.) der Große, König von Preußen 220f. Friedrich, Graf von Fürstenberg 160 Fries, Lorenz 155, 161 Froben, Johannes 20f., 42, 94f., 98 Frowein, Eberhard 218 Frundsberg, Georg von 155 Funke, Fritz 228, 230 Furter, Michael 78, 92 Fust, Johann 27f., 31f., 51, 111 Fyner, Conrad 28 Gauß, Carl Friedrich 194 Gazzadini, Tommaso 90 Geibel, Paul-Reinmar 216 Geiler von Kaysersberg, Johannes 232 Geldner, Ferdinand 6, 9, 30 Georg, Herzog von Sachsen 158, 165, 168 Gerardus de Lisa 38 Gerard de Harderwyck 123 Gerhard van Harderwijk Siehe Gerard de Harderwyck Gerhard von Schwarzenberg, Bischof von Würzburg 160 Gericke, Peter 217 Gerlach, Johannes 71 Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte 198 Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik 199 Gestapo 217, 219 Ghemen, Govaert van 56, 76, 82 Giesecke, Konrad 196f. Giesecke-Teubner, Konrad 193, 195, 208 Giunta, Luca Antonio d. Ä. 93 Goethe, Johann Wolfgang von 214 G. J. Göschen’sche Verlagshandlung, Leipzig 193, 209 Gotfrid van Os 142 Göttinger Akademie der Wissenschaften 197, 200 Götz, Nikolaus 109 Graf, Urs 95 Grashof, Franz 193 Grau, Wilhelm 221 Gregor (I.) der Große, Papst 93, 137 Grien, Hans Baldung 8 Grieshaber, HAP 228 Grieser, Thorsten 197 Grimaldi, Giambattista 171 de Gruyter, Walter, Verlag, Berlin 196f., 199–201, 205f., 208, 211 Guilelmus de Gouda 144
Register Guillaume de Degullevilles 68 Guldenschaff, Johann 109, 115f., 118, 127 Gummlich-Wagner, Johanna Christine 16, 18 Gutenberg, Johannes 31, 231 Gutknecht, Jobst 154, 173 Gutschaiff, Hermann 90 Gutzmer, August 191, 193 Haebler, Konrad 4–6, 12, 14f., 36, 39, 96 Hanfstaengel, Ernst Franz 219 Hardy, Godfrey H. 202 Harnack, Adolf von 207 Hase, Oscar 231 Haselberg, Johann 160, 175 Haudan, Erwin 217 Hauert, Dankmar 216 Hausdorff, Felix 209 Haushofer, Karl 219 Hecke, Erich 202 Heffter, Lothar 200, 206 Hegenbarth, Josef 228 Heijting, Willem 56 Heinick, Wolff 162 Heitz, Paul 73, 107, 136 Hellinga, Lotte 57, 83 Hellinga, Wytze 57 Henricus de Hassia 28 Henricus de Piro 115 Herglotz, Gustav 192 Hergot, Hans 162 Hermes Trismegistus 38 Hess, Jodocus 158, 165, 174 Heß, Rudolf 215, 219 Hieronymus de Paganini 93 Hieronymus de Vallibus 115 Hilbert, David 192–195, 203 Hirsch, Rudolf 10, 12, 15, 18, 38, 49, 111 Hist, Konrad 78 Hitler, Adolf 214f., 218f., 220, 223f. Hoffmann, Hans 86 Holbein, Ambrosius 95 Holbein, Hans 95 Höltzel, Hieronymus 162 Hupfuff, Matthias 78, 231 Hurwitz, Adolf 209 Ibrahim Pasha, Großwesir des Osmanischen Reiches 172 Jacob Jacobszoon van der Meer 28, 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Jacobis, Johannes 66 Jacobus de Cessolis 69, 71, 82, 88 Joachim von Brandenburg, Kurfürst 158 Johann von Sachsen, Kurfürst 183f. Johannes de Garlandia 120
235 Johannes, Eck 166 Jacobus de Voragine 123 Johannes, Graf zu Nassau-Dillenburg 31 Johannes Tacuinus 42 Johannes von Hildesheim 89 Johannes von Nürtingen 121 Johnson, Alfred Forbes J. 4, 6f., 39, 41 Jordan, Peter 174 Jordan, Rudolf 217, 225 Jordanus von Quedlinburg 63 Juvencus Presbyter 115 Kachelofen, Konrad 78, 88 Kaestner’sche Druckerei, Göttingen 197 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 198, 207 Kanz, Gabriel 162 Karl V., röm.-dt. Kaiser 160f., 167, 169, 173, 180 Keller, Hans Will 174 Kerékjárto, Béla 209 Keyerslach, Petrus 125 Kienitz, Werner 6 Kiessling, Gerhard 8f., 15 Klein, Felix 193f., 196–206 Klein, Jan Willem 6, 12, 14, 18 Klemke, Werner 228 Knoblochtzer, Heinrich 65, 68, 78, 82, 231 Koberger, Anton 231 Koch, Simon 88 Koelhoff, Johann d. Ä. 45, 82, 88, 106, 109, 112, 115f., 118, 120, 123, 127–130, 132f. Koelhoff, Johann d. J. 89, 107f., 118, 120f., 127f., 130, 133, 135 Koelner de Vanckel, Johannes 133 Kok, Ina 56, 58, 66, 68f., 72, 74, 76, 78, 92 König, Friedrich 230 Konrad von Bibra, Bischof von Würzburg 180 Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln 128 Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg 158–160, 163, 165f., 168–171, 174–178 Koppitz, Hans-Joachim 11 Kraaz, Gerhart 228 Krazer, Adolf 201f. Kretschmayr, Heinrich 221 Kruffter, Servas 89 Krüger, Gerhard 222 Künast, Hans-Jörg 117 Kunze, Horst 6 Labarre, Alfred 10, 91 Lambertus de Monte 106 Landau, Edmund 192 Landen, Johann 89, 116 Lang, Matthias, Erzbischof von Salzburg 170 Langhans, Rainer 228
236 Leeu, Claes 66 Leeu, Gerard 13, 20, 28, 30, 53, 56–61, 63–67, 69, 71–74, 76, 78, 81–83, 86, 97, 146 Lefèvre, Raoul 66 Lehmann-Haupt, Hellmut 27, 32 Leonardus Brunus Aretinus 115 Levin, Rudolf 215 Libri, Barsortimenter, Hamburg 229 Lichtenstein, Leon 194, 197 Littlewood, John E. 202 Lobmeyer, Johann 153–155, 162, 166, 173 Löffler, Hermann 215, 223 Lorenz von Bibra, Bischof von Würzburg 153, 155 Löslein, Peter 30 Lotter, Melchior d. Ä. 78 Ludolf von Sachsen 64, 71 Ludwig von Renchen 115f., 118 Luther, Martin 157f., 165, 172, 174, 183 Maison du Livre Français 208 Maler, Bernhard 30 Maler, Matthes 162, 167 Manfredus de Bonellis 15, 90 Manutius, Aldus 20, 94f., 98 Marchant, Guy 10 Maria Theresia, Kaiserin 221 Marius, Augustinus, Weihbischof von Würzburg 158 Matthias van der Goes 28, 92 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 67 McKerrow, Roland B. 13 Mechter, Paul 52 Meinecke, Friedrich 222 Meister des Ulmer Boccaccio 8 Melchior Zobel von Giebelstadt, Bischof von Würzburg 180–184 Mentelin, Georg 158 Metternich, Clemens Fürst von 222f. Meyer, Arnold Oskar 223 Meyerpeck, Wolfgang 162, 177 J. B. Metzler'sche Buchhandlung, Stuttgart 230 Michael Francisci de Insulis 61 Michault, Pierre 60 Minkowski, Hermann 194 Mises, Richard von 199 Molitoris, Ulricus 115 Mommsen, Wilhelm 222 Monogrammist H. 162 Mülich, Heinrich 82 Müller, Balthasar 153f., 156–163, 165–179 Müller, Helen 196 Müller, Karl Alexander von 214 Mure, Conrad von 38 Murner, Thomas 133, 232
Register Mylius, Hans 161 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 219, 224 Nationalsozialistischer Deutschen Studentenbund 214 Nausea, Friedrich 174 Needham, Paul 114 Neugebauer, Otto 200 Neuß, Heinrich von 89 Nolt, Anastasius 170 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 189, 198– 200, 202–205, 208 Octavianus Scotus 39 Oldenbourg, Friedrich 190 Os, Gotfrid van 76, 78 Os, Peter van 52, 56, 60, 68, 71–73, 81–83 Osiander, Andreas 156f. Otinus de Luna 94 Otmar, Silvan 174 Ott, Norbert H. 125 Ovidius Naso, Publius 42 Pachel, Leonardo 30 Paffraet, Richard 28, 56, 78, 81f., 89, 92, 142 Paganinus de Paganinis 94 Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums (PPK) 213–215, 217f., 220, 223, 225 Patavinus, Clemens 30 Paul III., Papst 178 Paulus Pellantinus 72 Perron, Oskar 209 Persius Flaccus, Aules 42 Petreius, Johann 180 Petri, Adam 232 Petri, Johann 51 Petrus Cameracensis 89 Petrus de Alliaco 64 Petrus Dorlandus 122 Petrus Hispanus 74, 125, 137 Peypus, Friedrich 173, 175 Peypus, Friedrich Nachfolger 177 Pfister, Albrecht 35 Philipp, Landgraf von Hessen 168, 184 Piccolomini, Aeneas Sylvius Siehe Pius II., Papst Pierce, Charles S. 34, 44 Pius II., Papst 27, 69, 115 Pleij, Herman 56, 67 Pollard, Alfred W. 4–6, 13–15, 34, 49 Pommersfelden, Lorenz Truchseß von 174 Preußische Akademie der Wissenschaften 193, 207 Presser, Helmut 227 Prüß, Johann d. Ä. 45, 78, 88 Pseudo-Bernardus 65
Register Quentell Erben 90 Quentell, Heinrich 45, 106f., 109, 112, 115–118, 121f., 124f., 127f., 130, 133, 136f., 139, 142, 144, 146 Rabbi Samuel 58 Radon, Johann 202 Ragazzo, Giovanni 90, 94 Ramminger, Narziss 184 Rasch, Johannes 174 Ratdolt, Erhard 30, 114 Rath, Erich von 9 Rautenberg, Ursula 12, 107 Ravenstein, Albert 38 Regiomontanus, Johannes 30 Reichsministerium des Innern 215, 224 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 217 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) 216, 219f. Reichssicherheitshauptamt (RSHA) 218, 225 Reimer, Georg Ernst, Verlag, Berlin 193, 199 Reinhart, Marcus 92 Repgow, Eike von 71 Retro Minores, Druckerei (Martin Werden?) 125, 142 Reyser, Georg 153, 159 Rhau, Georg 173 Rhode, Franz 155, 170 Riemann, Bernhard 194 Rist, Johann 227 Rocociolus, Domenicus 89 Rödinger, Christian d. Ä. 162 Röhm, Ernst 219 Rolevinck, Werner 51, 111, 114 Rosenberg, Alfred 215f. Rosso, Giovanni 93 Rothe, Arnold 16 Rüdem, Henning 162 Rudolf von Scherenberg, Bischof von Würzburg 159 Runge, Carl 194, 209 Ruppel, Bertold 38 Rust, Bernhard 216 Sallustus, Crispus Gaius 42 Sam, Konrad 166 Sauckel, Fritz 215 Schatzgeyer, Kaspar 156f. Schenda, Rudolf 230 Schick, Hans 215 Schieder, Theodor 214 Schiller, Friedrich 219 Schilling, Johann Siehe auch Drucker der Flores Sancti Augustini 28, 236 Schlüter, Theodor C. 234 Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 227
237 Schmidt-Ott, Friedrich 198–200, 203f. Schmitt, Anneliese 10 Schmitz, Wolfgang 107 Schobser, Johann 88 Schöffer, Ivo 174 Schöffer, Johann 167, 170 Schöffer, Peter d. Ä. 20, 27f., 31f., 51, 92, 96, 111 Schöffer, Peter d. J. 163 Schöller, Bernadette 132 Schöner, Johannes 175 Schönsperger, Johann d. Ä. 10 Schott, Martin 78, 88 Schottenloher, Karl 6, 9, 156, 161 Schouten, Jan Arnoldus 209 Schreiber, Wilhelm Ludwig 73, 107, 136 Schröder-Gudehus, Brigitte 190 Schulte-Strathaus, Ernst 218 Schubart, Martin 153f. Schur, Issai 198 Schwarzenberg, Johann von 157 Scinzenzeler, Ulrich 30 Seraphinus de Cennis 90 Sessa, Johannes Baptista 94 Shevlin, Eleanor F. 8, 15, 17, 48 Sibylle von Cleve, Kurfürstin von Sachsen 161 Sicherheitsdienst (SD) 215, 223, 225 Simon de Luere 90 Smith, Margaret M. 4, 6, 13–15, 18, 36, 39, 59, 97, 107 Snellaert, Christiaen 56, 60, 68f., 71, 73, 76, 81f. Sondheim, Moriz 6 Sorg, Anton 10, 38 Spann, Othmar 214 Speiser, Andreas 209 Spirito, Lorenzo 52 Sprenger, Jacob 61 Springer, Julius, Verlag, Berlin 192, 194, 197–203, 205f., 211 Springer, Ferdinand d. Ä. 192f. Springer, Ferdinand, d. J. 189, 192f., 195–197, 201–206, 209 Springer, Fritz 192f. Springer, Julius d. J. 192 Srbik, Heinrich Ritter von 221, 223, 225 Staiber, Lorenz 172 Steiner, Heinrich 177, 184 Steinhöwel, Ulrich 128 Stephanus Fliscus 45 Stöckel, Wolfgang 168, 183 Stuchs, Johann 173 Sturm, Kaspar 173 Stuchs, Nikolaus 235 Stürmer, Wolfgang 178
238 Süleimann (II.) der Prächtige, Sultan 166 Sumau, Hieronymus Schenck von 153 Symmen, Henric 57 Synthen, Johannes 120 Tabor, Stephen 15 B. G. Teubner Verlag, Leipzig 191f., 194–200, 204, 206, 208f., 211 Teufel, Fritz 228 Thomas de Celano 65 Thomas von Aquin 45, 82, 128, 136f., 142, 146 Thomas von Cantimpré 73 Thomas, Gerhard 52 Thomas von Kempen 125 Thyssen, Fritz 218f. Trepérel, Jean 91 Ulhart, Philipp 173 Usuardus 123 Van der Vorst, Peter 160 Veit, Moritz, Verlagsbuchhandlung, Berlin 209 Veldeke, Heinrich von 228 Veldener, Johann von 72 Velke, Wilhelm 27 Veneziani, Paolo 10 Venns, Dirk 132 Vérard, Antoine 46 Verband der Deutschen Hochschulen 191 Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer 225 Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine 198 Verein Deutscher Ingenieure 193 Vergilius Maro, Publius 121
Register Verlag Chemie, Leipzig 206 Vermeulen, Yves G. 11f., 61 Versor, Johannes 106 Voulliéme, Ernst 107f., 118, 120, 142 Wache, Walter 215 Wagner, Peter 13, 86, 139 Wehde, Susanne 22f., 34, 42 Weigel, Bernhard 154 Weinreich, Hans 173 Weißenburger, Johann 154 Weißenhorn, Alexander 172 Werden, Martin von 90 Westval, Joachim 38, 88 Widmann von Eger, Johannes 88 Wiener Akademie der Wissenschaften 222 Wimpheling, Jakob 232 Winters de Homborch, Conrad 111, 115f., 118 Wirecker, Nigellus 88 Woensam, Anton 107 Wolff, Jacob 92 Wolkenhauer, Anja 94 Wynkyn de Worde 13 Yemantszoon, Maurice 69 Zainer, Günter 8, 128 Zell, Ulrich 12, 35, 45, 89, 92, 106, 109, 115f., 118, 122, 125 Zenders de Wert, Wilhelm 81, 142 Zentralverlag der NSDAP »Franz Eher Nachf.«, München 215, 217 Zwolle-Meister 72
239
ANSCHRIFTEN DER HERAUSGEBER UND VERFASSER
HERAUSGEBER Dr. Monika ESTERMANN, Historische Kommission, Großer Hirschgraben 17–21, 60311 Frankfurt a.M. Prof. Dr. Ursula RAUTENBERG, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Buchwissenschaft, Harfenstr. 16, 91054 Erlangen
AUTOREN Dr. Jonathan GREEN, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Buchwissenschaft, Harfenstr. 16, 91054 Erlangen Dr. Johanna GUMMLICH-WAGNER, Am Kuxenberg 2, 53639 Königswinter-Thomasberg Dr. Karsten JEDLITSCHKA, BStU Berlin, Referat AR 1, Karl-Liebknecht-Straße 31–33, 10178 Berlin Dr. Gisela MÖNCKE, Bayerische Staatsbibliothek, Handschriften und Alte Drucke, Ludwigstraße 16, 80328 München Prof. Dr. Volker R. REMMERT, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Mathematik, Staudinger Weg 9, 55099 Mainz Prof. Dr. Ute SCHNEIDER, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Buchwissenschaft, Welderweg 18, 55099 Mainz Prof. Dr. Konrad UMLAUF, Humboldt Universität zu Berlin, Bibliothekswissenschaft, Dorotheenstraße 26, 10099 Berlin