IN JEDES HAUS GEHORT DIESES WERK dos ist dos überzeugende Urleil von Presse und Rundfunk über die große, spannend geschriebene Weltgeschichte „Bild der Jahrhunderte* des Münchner Historikers Otto Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses neuartigen, erregenden Geschichtswerkes erfüllt. Hier sind nicht, wie in Lehrbüchern alter Art, die historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit aneinandergereiht: die Vergangenheit wird vor dem Auge des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen wie Du und ich schreiten über die wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den Ablauf der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen miterleben. Zierers »Bild der Jahrhunderte" ist ein Werk für die Menschen unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für die Jugend. DER
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VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAU • M Ü N C H E N • INNSBRUCK • ÖLTEN (SCHWEIZ)
Düsenflugzeug durchbricht mit anlcgbaren Flügeln die „Schallmauer'
Phantasten oder Pioniere? Am 17. Dezember 1903 — vor fünfzig Jahren — erhob sich zum ersten Male ein Mensch, der Amerikaner Orville Wright, mit einer Flugmaschine schwerer als die Luft vom Erdboden und flog — zwölf Sekunden lang. Ein knappes Menschenalter ist seit diesem ersten rührend kindlichen und doch so großartigen Unternehmen vergangen, das einen Hopser weit weg von der Erde führte. Seitdem ist der Raum rings um den Erdball, der dem Menschen von Natur aus versagt schien und in den er sich doch stets hinausgesehnt hatte, zum Tummelplatz und Verkehrsrevier der Erdenbewohner geworden. Gewiß hat der Mensch nicht zum Vogel werden können, nie wird er 2
die tänzerische Leichtigkeit eines Falken, den eleganten und souveränen Schwung einer Möwe im Sturm erlangen, und trotzdem hat er das gefiederte Flugvolk der Lüfte in vielem weit hinter sich gelassen; denn längst schon vermag er höher, schneller, weiter als jeder Vogel zu fliegen. Schneller als ein Donnerschlag sich fortpflanzt, mit mehr als einem Drittelkilometer je Sekunde, jagen heute, den Schall weit hinter sich lassend, die geschwindesten Flugzeuge durch den Erdraum. Die gefürchtete „Schallmauer" ist den Rekordtliegern der internationalen Luftfahrt kein undurchdringliches Hindernis mehr. Und doch scheint auch damit die Grenze noch nicht erreicht. In Stratosphärenhöhen bieten sich selbst dem Flugzeug noch Möglichkeiten zur Geschwindigkeitssteigerung, die heute in ihren Werten nicht abzusehen sind. Aber all diese Flüge spielen sidi immer nodi im Erdraum, in der erdnahen Schicht der Atmosphäre, ab. Darüber hinaus, in den Regionen der dünner und dünner werdenden Luftsduchten, versagen die Antriebe der bekannten Flugzeugtypen. Hier, bis hinauf in den Weltraum — jenseits der irdischen Gashülle —, ist das Feld der Raumschiffe, deren Raketentriebwerke die einzigen Motoren sind, die erst in der Gas- und Luftleere ihre volle Antriebskraft entfalten. Fünfzig Jahre nachdem die ersten Flugmaschinen schwerer als Luft den Erdraum zu erobern begannen, sind die Menschen dabei, mit Masdiinen schwerer als Luft auch den Weltraum dem Verkehr zu gewinnen. Die Astronautik — die Wissenschaft von der Raumsdiiffahrt — gehört heute zu den erregendsten Forschungsgebieten des Menschengeistes. Noch sind die Männer, die sich der Idee des Raumverkehrs versduieben haben, für viele nichts als seltsame Phantasten, die nie zu erreichenden Zielen nachjagen. Die Raumforsdier aber können diese Zweifler auf die unbestreitbare Tatsache hinweisen, daß der Vorstoß ins Weltall schon seit Jahren handgreifliche Wirklichkeit ist, — eben seit dem Tage, an dem das unbemannte Weltraumschiff einer Höhenrakete nach 403 km Aufstieg die Grenzen des Erdraums weit hinter sich gelassen hat. Wer das Planen der in vielen Instituten, Gesellschaften und Arbeitskreisen tätigen Raumfahrtpioniere begreifen will, sollte wenigstens eines der Vorhaben kennen, die der „Verkehrserschließung*4 der Erdferne gewidmet sind. Auf den folgenden Seiten ist es das Projekt Wernher von Brauns, an dem der Leser sich über die entscheidenden Fortschritte und Probleme dieser kühnsten technischen Idee unserer Zeit orientieren kann. Es ist nicht das einzige, das in 3
unserer Zeit gedanklich vorbereitet wird — es ist auch nicht unbestritten. Aber es ist am weitesten von allen Raumfahrtplänen durchdacht, in den Einzelheiten durchgeredinet und in den Konstruktionsskizzen testgelegt. Braun schlägt ein Raumschiff vor, das im Dienst eines größeren Unternehmens steht; denn letzter Zweck seines „Schiffbaus" ist nicht ein gelegentlicher Ausflug in kosmische Höhen, sondern die Errichtung einer Station im Weltraum, die wie ein winziger Mond ständig die Erde umschweben soll. Dieser neue Erdbegleiter ist als Startpunkt für einen der Erdanziehung entzogenen späteren Raumflug zum Mond ausersehen. Die Entfernung, in der der „künstliche M o n d Brauns seine Kreisbahn ziehen soll, beträgt 1730 km — das ist der Abstand, in dem eine Raumstation genau 2 Stunden braucht, um den Erdball zu umrunden und dabei jeden Tag jeden Punkt der Erdoberfläche überblicken zu können. Wie aber kann ein Traum von solcher Kühnheit jemals Wirklichkeit werden?
Zwei Seiten Physik Um gedanklich zu erfassen, was da beabsichtigt ist, beobachten wir im Stoßkreis des Sportplatzes den Kugelstoßer. Zehn Meter weit soll die Kugel geworfen werden. Wir erinnern uns des bekannten geometrischen Satzes, daß die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten die Gerade ist, und so könnte es zweckmäßig ericheinen, mit der Kugel direkt auf die Zehnmetermarke zu zielen und aus der Schulter abwärts geradewegs auf die Marke zuzustoßen. Aber merkwürdigerweise stellt sich heraus, daß der Wettkämpfer die Marke auf diesem kürzesten Wege gar nicht erreicht, sondern daß er die Kugel schräg aufwärts stoßen muß, so daß sie in einer Bogenbahn durch die Luft fliegt. In diesem alltäglich zu beobachtenden Vorgang liegen die zwei Hauptprobleme der Weltraumfahrt, der friedlichen Loslösung von der Mutter Erde, versteckt. Es gehören keine großen naturkundlichen Kenntnisse dazu, dahinter zu kommen, was sie besagen: Die gestoßene Kugel ist auf ihrem Elug zwei grundsätzlichen Kräften unterworfen: zunächst wirkt auf sie die Bewegungskraft — die kinetische Energie —, die ihr mein Arm verliehen hat und die sie vorwärts treibt; gäbe es nun keine weiteren Kräfte mehr, die der dahinschießenden Kugel zusetzten — nun so würde sie nach dem 4
Daß Raketen, die bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts vornehmlich als Feuerwerkskörper verwendet wurden, auch geeignet waren, Fahrzeuge anzutreiben, mußte erst erwiesen werden. Der Nachweis gelang 1928, im gleichen Jahre, in dem erstmals der Atlantik in Ostwestrichtung überquert wurde. Die Abbildung zeigt: (l) Opel-Sander Rak I, mit dem der Rennfahrer Volkhart im April 1928 die ersten Raketenfahrten ausführte. (2) Opel-Sander Rak 2 wurde am 23. Mai 1928 von Fritz von Opel mit 170 km/h über die Avusbalin gesteuert. (3) Opel-Sander Rak-Schienenwagen verunglückte am 23. Juni 1928 auf der Bahnstucke Burgwcdel—Celle, nachdem er eine Geschwindigkeit von 281 km/h erreicht hatte. (4) Valier-Saucr Rakctenvchlittcn fuhr am 22. Januar 1929 auf dem Flugfeld Schleißheim ein Tempo von 110 km'h.
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„Beharrungsgesecz" unverdrossen mit gleicher Geschwindigkeit weiterfliegen, ohne je einzuhalten. Dieses Gesetz, das auch Trägheitsgesetz genannt wird und das zuerst von dem großen Naturforscher Galilei, einem der Begründer der neuzeitlichen Naturwissenschaft erkannt worden ist, hat bisher noch niemand erklären können; es gehört zu den unergründlichen Gegebenheiten der Schöpfung, die mit ihrer großen Zahl stetig durch den leeren Raum dahinjagender Himmelskörper die Richtigkeit dieses Naturgesetzes ständig vor Augen führt. Auch die Kugel des Sportlers, einmal angestoßen, würde unaufhörlich weiterfliegen, würde sie nicht unterwegs von einer zweiten Kraft erfaßt (den Luftwiderstand lassen wir hier einmal außer acht), die sehr energisch auf sie einwirkt. Es ist die Anziehungskraft der Erde, die Schwerkraft oder Gravitation, eine ebenso unerklärliche Erscheinung wie die der Beharrung und Trägheit. Auf dem ersten Teil der Wurfbahn überwiegt noch die Bewegungskraft, die unser Arm ihr verliehen — die Kugel steigt; die Kraft verbraucht sich jedoch allmählich in Überwindung der Anziehungskraft der Erde und unterliegt ihr zuletzt — die Kugel senkt sich in einer Bogenbahn herab, und ihre Bewegung erlischt schließlich ganz. Die Kugel, von der Schwerkraft bewältigt, fällt jäh zur Erde. Zwei geheimnisvolle Kräfte also sind es, denen alles Fliegende von Natur aus unterworfen ist. Im Letzten unbegreifliche Kräfte — aber wenn man sie auch in ihrem Wesen nicht versteht, so hat es der Mensch doch verstanden, sie in seine Berechnungen mit einzubeziehen. Je stärker die der Kugel von der stoßenden Hand verliehene Bewegungsenergie ist, desto mehr wird sie der Anziehungskraft der Erde gewachsen sein und um so schneller und weiter wird sie fliegen. In Gedanken läßt sich durchaus eine Kugel vorstellen, die mit so viel Bewegungsenergie versehen ist, daß sie von der Anziehungskraft nidit mehr überwunden werden kann, also nidit mehr auf die Erde herunterkommt. Was aber geschieht dann mit ihr, fliegt sie auf Nimmerwiedersehen in den Raum hinaus? Ja, das wäre der Fall, wenn wir beim Start oder bald nach dem Start eine Geschwindigkeit von mehr als 11,2 km je Sekunde erzeugen könnten. Diese Zahl hat schon der Schriftsteller Jules Verne gekannt, als er in seinem Roman „Von der Erde zum Mond" eine fliegende Kabine aus dem Bannkreis der Erdanziehung in das Weltall hinausschießen wollte. Um einen Körper für immer aus den Fangarmen der Erde in den Weltraum zu jagen, muß nämlich eine Anfangsgeschwindigkeit erzeugt werden, die ebensogroß ist oder wird, wie die Aufschlagsgeschwindigkeit eines Körpers, der ungehindert aus der Unend 6
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lichkeit des Weltraums auf die Erde stürzt. Diese Geschwindigkeit hat sich errechnen lassen — es sind 11,2 Kilometer in der Sekunde. Mit dieser Geschwindigkeit läßt sich also die Sdiwerkraft völlig übertrumpfen. Will man ihr aber nur die Waage halten, so braucht das Tempo nicht so groß zu sein. Stehen Erdanziehung und die Geschwindigkeit des aufgestiegenen Körpers im Gleichgewidn, so wird ein solcher Körper nicht mehr zur Erde zurückkehren, aber auch nicht in den Weltraum entweichen können. Er wird ständig in gleichbleibendem Abstand um den Globus fliegen. Das ist eine Tatsache, die uns im Zusammenhang mit der Raketenfahrt in den Weltraum brennend interessiert.
Drei „Stufen" ins Weltall Das Verhältnis zwisdien den beiden Kräften läßt sich rechnerisch genau erfassen. Je weiter ein Körper von der Erde entfernt ist, um so geringer \>t dort die Anziehungskraft der Erde geworden, um so geringer ist auch die Geschwindigkeit, die der betreffende Körper an dieser Stelle haben muß, um der Anziehungskraft das Gleichgewicht zu halten und ständig in einer Kreisbahn um die Erde zu laufen. Der Mond zum Beispiel, der 384 000 km von der Erde entfernt ist, braucht „nur" eine Sekundengeschwindigkeit von 1 km, um nidit auf die Erde herabzufallen. Da der geplante „Künstlidie Mond'* in 1730 km, also in wesentlidi näherem Abstand den Erdball umkreisen soll, hat er gegen eine um vieles stärkere Schwerkraft anzukämpfen als der echte Mond und muß deshalb cntsprediend sdineller sein. Man weiß heute, daß die geplante Raumstation in 1730 km Höhe eine Stundengeschwindigkeit von 25 400 km (7,08 km je Sekunde) besitzen muß, um sich auf einer Kreisbahn um den Erdball halten zu können. Das erste Erfordernis also für das ganze Projekt des künstlichen Erdbegleiters, der Raumstation, ist also die Erzielung einer solchen Geschwindigkeit. Das einzige dafür heute zur Verfügung stehende technische Mittel ist die Rakete, das schnellste „Flugzeug", das die Menschheit zur Zeit besitzt. Die Entwicklung der Rakete ist im letzten Jahrzehnt energisch und erfolgreich vorangetrieben worden. 1944 erreichte eine deutsche V-2-Rakete eine Höhe von 175 km, 1949 stieg eine amerikanische „WAC-Corporal" bereits 403 km hoch, und inzwisdien ist die Entwicklung ja nicht stehengeblieben. Zwar fehlt bis zu den vorgesehenen 1730 km Gipfelhöhe noch immer ein ganzes Stück,doch glaubt Wernher v. Braun Raketen bauen zu können, die diese Höhe erreichen. Er und
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seine Mitarbeiter sind davon überzeugt, innerhalb von zehn Jahren die betriebsfähige Weltraumstation einschließlich der Erdanlagen und der Fahrzeuge für den Pendelverkehr schaffen zu können — wenn das Geld zur Verfügung stünde. Die veranschlagten Kosten von 17 Milliarden Mark sind eine gewaltige Summe. Man hofft, daß die Nationen sich zusammentun, um den Vorstoß in den Weltraum zu einem Anliegen der ganzen Menschheit zu machen. Die Rekordrakete WAC-Corporal, die 403 km Höhe erreichte, war eine zweistufige Rakete, das heißt: eine große und kleine Rakete waren aufeinandergesetzt, unten befand sich eine V-2-Rakete, wie sie im Kriege gebaut worden war, und huckepack obenauf in der Spitze die kleinere, die eigentliche „WAC-Corporal". Das Raketentriebwerk der Spitze, der „Zweiten Stufe", begann erst dann zu arbeiten, als die sie emportragende „Erste Stufe", die V 2, den Brennstoff ihres Antriebswerkes verbraucht hatte. Da ihre Endgeschwindigkeit zur Anfangsgeschwindigkeit der W A C wurde, brauchte diese einen nur noch geringen Antrieb, um auf 403 km zu steigen, zumal inzwischen die Erdanziehung und der Widerstand der Erdatmosphäre erheblich oder fast ganz nachgelassen hatte und durch den Abwurf der ausgebrannten V 2 das Gewicht geringer geworden war. In einer ähnlichen Weise soll nach dem System von Wernher von Braun die Weltraumrakete gebaut werden, und zwar als Dreistufenrakete. Wie sie in ihren Einzelheiten gedacht ist, das ist heute kein Geheimnis mehr. Auf wissenschaftlichen Kongressen, in Ausstellungen, in Büchern und Fachzeitschriften ist die dreigeteilte Braunsche Rakete eingehend beschrieben worden, damit die Wissenschaftler aller Nationen sich kritisch mit ihr befassen können. Dieses gewaltige, am Startplatz senkrecht aufgestellte „Weltraumschiff" wird eine Höhe von 80 Metern haben, am unteren Ende mit 20 Meter Durchmesser und einem Gesamtgewicht von 6400 Tonnen. Das ist so viel wie ein leichter Kreuzer wiegt. Jede ihrer drei Stufen besitzt ein Raketentriebwerk. Diese drei „Raketenmotore" werden mit dem flüssigen Treibstoff Hydrazin, einer Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff, als Brennstoff gespeist werden. Salpetersäure, die den in ihr enthaltenen Sauerstoff leicht abgibt, wird das Hydrazin zu gewaltiger Energieerzeugung in den Raketendüsen entfachen. Die Mitnahme dieses flüssigen Sauerstoffträgers ist deshalb notwendig, weil man schon in etwa 200 km Höhe die Lufthülle der Erde hinter sich haben wird und dort der leere, sauerstofffreie Raum beginnt. Ohne die Mitnahme des Sauerstoffs würde hier die Entzündung der ungeheuren Antriebskräfte unmöglich sein. Das Triebwerk der „Ersten 8
Schematicher Querschnitt einer 80 Meter hohen dreistufigen Vtltraum-Raketc (System Braun)
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Stufe", des Unterteils der Rakete, besteht aus 51 Brennkammern, denen durch Turbopumpen innerhalb der vorgesehenen Brenndauer von 84 Sekunden 4800 Tonnen Treibstoff und Sauerstoff zugeführt werden, so daß also in knapp anderthalb Minuten sich das Gewicht der Rakete um 75 Prozent vermindert. Die im Mittelteil der Rakete befindliche „Zweite Stufe" erhält aus 34 Brennkammern ihren Antrieb, in 124 Sekunden werden 700 Tonnen Treibstoff verbrannt. Und darüber endlich ist die „Dritte Stufe" angebracht, der entscheidende Raketenteil. Hier hat die Mannschaft ihre Kabinen und ihre Ausrüstung, hier ist auch die für den Bau der Weltraumstation bestimmte erste Nutzlast von 33 Tonnen untergebracht. Dieses Oberteil besitzt fünf Brennkammern und 83 Tonnen Treibstoff für den letzten Anstieg, für die Navigation sowie für den Rückflug des Schiffes zur Erde. Für den Rückflug, für den Landungsflug innerhalb der Lufthülle der Erde sind auch die Tragflächen der „Dritten Stufe" vorgesehen. Sie hat fast das Aussehen eines Flugzeuges (vgl. die Abbildung auf der Rückseite des Umschlages und Abbildung Seite 15). Dem Bau einer solchen Riesenrakete stehen keine grundsätzlichen technischen Hindernisse entgegen. Sofern die Millionensummen zur Verfügung gestellt würden, könnte das Raketenschiff zusammengesetzt und startklar gemacht werden. Was bei Start und Flug vor sich gehen wird, glauben die Ingenieure bis ins einzelne voraussagen zu können. Schließen wir uns einmal der Führung dieser zuversichtlichen Männer an. Zu unserer Überraschung erfahren wir, daß sogar über den Startplatz des ersten Raumschiffes klare Vorstellungen bestehen. Um die Startstelle zu erreichen, werden wir wahrscheinlich nach der Johnston-Insel im Pazifik reisen müssen, vielleicht aber auch an irgendeinen Ort an der amerikanischen Atlantikküste, auf jeden Fall an eine Stelle, von der aus sich nach Osten hin der Ozean erstreckt. Der Startplatz wird sich nur wenig von den Abschußstellen der bisherigen Höhenraketen unterscheiden — nur daß alles entsprechend dem Raketenkoloß geräumiger, gewaltiger angelegt sein wird. Von einem hohen Montagegerüst aus wird die Rakete zus immengebaut, betankt und beladen werden. Die Starttisch-Plattform befindet sich über einem Schacht, der tief in den Boden führt, damit die feurigen Verbrennungsgase der „Ersten Stufe" hier aufgefangen und ge' fahrlos abgeleitet werden können. Für die in Raumanzüge gekleidete Besatzung ist die Kabine an der Spitze des Schiffes bestimmt. Die Männer liegen mit dem Rücken zur Erde in muldenartig vertieften 10
statten, „Konturbetten", die der Körperform genau angepaßt sind. Bis zur Erreichung der Kreisbahn haben die Raumfahrer mit der Navigation des Schiffes nichts zu tun, sie erfolgt automatisch nach einem genau testgelegten Plan. Sobald auf dem entfernten Befehlsstand der Starthebel bewegt wird, zünden die 51 Brennkammern der „Ersten Stufe". Ein ohrenbetäubendes Brausen und Donnern — das Raumschiff steigt senkrecht auf. Langsam zunächst, kaum fünf Meter in der ersten Sekunde — die Geschwindigkeit eines Läufers —, doch dann immer schneller; schon nach zwanzig Sekunden ist die Rakete aus dem Gesichtskreis entschwunden und nur nodi durch die Leitstrahlen der Radargeräte zu verfolgen. Zuerst also steigt die Rakete senkrecht hoch, um schnell und mit der vollen Antriebskraft der mehr als 50 Düsen den Widerstand der dichten unteren Luftschichten zu durchbrechen, dann nach kurzer Zeit dreht die automatische Steueranlage das Schiff in eine flache, unter einem Winkel von etwa 20 Grad ansteigende Bahn, die etwa der Erdkrümmung folgt. Nach etwa 84 Sekunden ist der Treibstoff der „Ersten Stufe" nahezu verbraucht. Das Schiff ist 40 km hoch gestiegen und hat eine Geschwindigkeit von 2,3 Sekundenkilometer (8450 Stundenkilometer) erlangt. Nach dem Verlöschen der „Ersten Stufe" trennt sich das Schiff mit Hilfe eines automatischen Abwurfmechanismus von seinem brannten Unterteil, die Brennkammern der „Zweiten Stufe" werden gezündet und mit erneut zunehmender Geschwindigkeit steigt die verkürzte und erleichterte Rakete weiter. Das abgeworfene Unterteil fällt inzwischen nicht sofort zur Erde zurück, sondern steigt unter dem Einfluß der „Trägheit 1 ' weiter und folgt dem mächtig spurtenden Raumschiff noch bis ungefähr auf eine Höhe von 64 km, erst dann unterliegt es der Anziehungskraft der Erde, senkt ^ich in einer Kurve herunter und trifft in 340 km Entfernung vom Startplatz auf das Meer auf, wo es von bereitliegenden Bergungsdampfern aufgenommen und zum Startplatz zurückgebracht wird. Das ist der Grund, warum die Abtlugstelle genügend Meeresraum nach Osten aufweisen muß. Die herunterfallende „Erste" und später auch die „Zweite Stufe" würde über Land allzu leicht Menschen und Siedlungen gefährden, während die Meeresfläche zum Zeitpunkt des Startes von allen Schiffen außer den Bergungsdampfern leicht geräumt werden kann. Um die wertvollen Bauteile unversehrt bergen und wiederverwenden zu können, sind die beiden Stufen mit Fall11
schirmen aus Stahlgaze versehen, die sich im Niedersturz selbständig öffnen und die Fallgeschwindigkeit verringern. Kleine Raketensätze, die kurz vor dem Auftreffen der Stufen auf das Wasser durch einen Annäherungszünder in Betrieb gesetzt werden, bremsen außerdem durch ihre Gegenwirkung den Fall bis zum sanften Schweben und ruhigen Aufsetzen auf das Wasser. Das Raketenschiff befindet sich 124 Sekunden nach dem Zünden der „Zweiten Stufe" in 64 km Höhe und hat seine Sekundengeschwindigkeit auf 6,4 km — 23 000 km in der Stunde — gesteigert. In diesem Zeitpunkt ist auch die „Zweite Stufe" ausgebrannt, wird von dem Raumschiff getrennt, das nun sein letztes Triebwerk in Gang setzt und mit wiederum zunehmender Geschwindigkeit weiter und höher rast. Auch die leere „Zweite Stufe" fliegt zunächst noch ein Stück hinterher, senkt sich dann aber herab, entfaltet ihren Fallschirm, entzündet ihre Bremssätze und trifft in 1460 km Entfernung von der Startstelle auf das Meer auf. Im Alleinflug befindet sich die „Dritte Stufe" des Raumschiffs mit seiner Mannschaft nach weiteren 84 Sekunden auf 102 km Höhe. Die Geschwindigkeit hat nun 8,02 km in der Sekunde, 29 650 km in der Stunde, erreicht. Der Treibstoff ist zwar noch nicht verbraucht, aber jetzt können die Antriebsraketen abgestellt werden; denn hier im fast schon widerstandsfreien Raum steigt das Schiff antriebslos weiter und strebt ohne weitere Nachhilfe der beabsichtigten Höhe von 1730 km entgegen. Bis jetzt wurde der Aufstieg automatisch gesteuert, doch nun übernimmt die Mannschaft die weitere Führung. Das Raumschiff bedarf nun einer besonders umsichtigen Steuerung, denn unter der noch immer wirksamen Anziehungskraft der Frde hat es an Geschwindigkeit nachgelassen, die schließlich nach Erreichung des Gipfelpunktes in 1730 km Höhe nur noch 23 750 Stundenkilometer, also wieder rund 6,4 km in der Sekunde, beträgt. Das aber ist, wie wir wissen, zu wenig. um das Schiff auf einer Kreisbahn zu halten. Erhielte die Rakete jetzt keinen weiteren Stoß, so würde sie eine elliptische Bahn um den Erdball einschlagen, sich der Erde auf 102 km nähern, dann wieder auf der anderen Seite auf 1730 km emporsteigen und wieder auf 102 km fallen. Bei jedem erneuten Durchfliegen der 102-km-Höhenschicht aber würde der wenn auch geringe Widerstand der Lufthülle den Flug mehr und mehr abbremsen und so das Schiff schließlich zur Erde herunterzwingen. Deshalb müssen nach Erreichung der Gipfelhöhe von 1730 km die Raketentriebwerke noch einmal für etwa 15 Sekunden eingeschaltet und die Geschwindigkeit wieder auf 25 400 Stunden12
kilometer (7,08 Sekundenkilometer) gesteigert werden; auf jene Geschwindigkeit also, die notwendig ist, die Schwerkraft der Erde entgegenzuwirken, das Schiff auf einer ständigen Kreisbahn zu halten und es in den künstlichen Satelliten zu verwandeln, der sich in zwei Stunden einmal um die Erde herum bewegt.
Ausladen — aber wohin? Unser in die Kreisbahn einschwenkendes Raketenschiff ist jedoch noch nicht die endgültig geplante Raumstation, sondern nur das Transportmittel, das die ersten Bauteile der künftigen Station in die Bestimmungsbahn bringt. Die mitgeführten 33 Tonnen Nutzlast werden dort oben ausgeladen. Ausgeladen? Aber wohin? Nichts leichter als das. Die Ladung wird einfach aus dem Schiff herausgeschoben und bewegt sich — und das ist sozusagen der „Pfiff* des ganzen Unternehmens — dem Gesetz der Trägheit folgend allein auf der Kreisbahn fort; denn auch die Ladung hat ja die gleiche Geschwindigkeit wie das Raumschiff selber, und fliegt, im Gleichgewicht mit der Erdanziehung, auf der Zwei-Stunden-Bahn weiter durch den atmosphärefreien Raum, in dem es nichts gibt, das abbremsen könnte. Das Raumschiff aber, seiner Last ledig, macht sich bereit zur Rückkehr auf die Erde. Steuerraketen drehen es um 180°, so daß es mit dem Schwanz voran fliegt. Das Raketentriebwerk wird für einige Sekunden in Gang gesetzt und dadurch die Geschwindigkeit so weit herabgemindert, daß die Erdanziehung das Übergewicht erhält; das Sdiiff kann sich nicht mehr auf der Kreisbahn halten, dreht und schwingt erdwärts. Nach 51 Minuten taucht es, nachdem es den halben Erdball umrundet hat, in etwa 200 km Höhe wieder in die Atmosphäre ein. Hier im Bereich der irdischen Lufthülle treten die Tragflächen des Schiffes in Funktion und verwandeln es in ein Gleitflugzeug. Und jetzt beginnt, vom Flugtechnischen her gesehen, der schwierigste Teil des ganzen Fluges. Durch den gewaltigen Fallschwung des Schiffes während der 51 Minuten seit dem Verlassen der Kreisbahn ist beim Eintauchen in die Lufthülle die Geschwindigkeit auf fast 30 000 Stundenkilometer gestiegen. Der rasende Sturz trifft auf den Widerstand der Atmosphäre, die Reibungswärme wird ungeheuer; in 60 km Höhe 13
beträgt sie nach den Schätzungen bis zu 730 Grad Celsius. Der Schiffskörper glüht auf wie ein Meteor. Im Laufe des weiteren Gleitfluges läßt die Hitze aber nach, bis sie bei der Landung wieder auf den normalen Wert abgesunken ist. Doch wird diese starke Erhitzung, so versichern v. Braun und seine Mitarbeiter, weder dem Schiff noch seiner Mannschaft etwas ausmachen, da es hitzebeständige Stähle gibt, die solchen Temperaturen ohne weiteres standhalten, und zum Schutz der Raumfahrer das Schiffsinnere durch doppelte Wände, flüssige Kühlmittel und andere Wärmeisolierungen geschützt sein wird; ähnliche technische Aufgaben, wenn auch in kleinerem Malsstab, sind bereits in den heutigen Oberschallflugzeugen gelöst. Bei dem Gleitflug durch die Erdatmosphäre, der um den halben Erdball führt, verringert man die Geschwindigkeit des Schiffes derart, daß es schließlich nur mit 105 Stundenkilometern — langsamer als die heutigen Flugzeuge — die Landung vornehmen kann. Etwa zwei Stunden sind seit dem Augenblick vergangen, da der Raketenich in die Lüfte erhoben hat. Nach der Landung wird das Schiff gründlich untersucht. Reparaturen werden vorgenommen, Teile ausgewechselt. Sobald die Bergungsdampfer die „Erste - und „Zweite Stufe" herangebracht haben, werden auch diese Raketenteile inspiziert. Dann kann die Rakete wieder zum Dreistufenschiff zusammengesetzt, aufgetankt und mit neuen Bauteilen für die Raumstation beladen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, weitere gleichartige, dreistufige Lastraketen auf den Weg zu bringen, um den Stationsbau zu beschleunigen; denn inzwischen kreist die im Weltraum aus dem Schiff herausgeschobene 33-Tonnen-Ladung beständig um die Erde herum. Etwa zwölf Flüge werden nötig sein, um das gesamte Baumaterial für die Station auf die Kreisbahn hinaufzubringen. Die einzelnen Teile bestehen aus einem plastischen Kunststoff und sind so konstruiert, daß sie oben leicht zusammengebaut werden können. Die Mechaniker werden einfach aus dem Schiff heraussteigen und ebenso wie die Ladung auf der Kreisbahn dahinfliegen. Wie Taucher stecken sie in ihren aufgeblasenen, luftgefüllten, geheizten Raumanzügen. An langen Seilen bleiben sie mit dem Schiff in Verbindung. Die ungeheure Geschwindigkeit merken sie ebensowenig, wie wir erdgebundenen Menschen die Geschwindigkeit von 30 Sekundenkilometern spüren, mit denen unser Planet sich durch den Raum bewegt. 14
Nach Abstoß der Stufen 1 und 2 trifft Stufe 3 der Transportrakete bei der im Bau befindlichen Raumstation ein. (Zur Verdeutlichung wurden die Maßstäbe der Flugbahn und der Raumstation verändert.)
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Hin- und Herbewegungen bewerkstelligen die „Stationsarbeiter" mit Hilfe kleiner tragbarer Raketengeräte, mit denen sie sich in die gewünschte Richtung rückstoßen oder die im Raum dahintreibenden einzelnen Bauteile zueinandcrschieben können. Selbstverständlich ist eine sorgfältig vorausberechnete Abfahrt und Navigation der von der Erde heraufkommenden Lastraketen notwendig, damit sie genau mit dem kreisenden Baumaterial oder später mit der Station selbst zusammentreffen. Da sich alle Gegenstände auf der Zwei-Stunden-Bahn mit einer Sekundengeschwindigkeit von 7,08 km dahinbewegen, würde die schon um eine ein/ige Sekunde verfrühte oder verspätete Ankunft des Nachschubschiffes einen Abstand von sieben Kilometern ergeben. Doch erscheint dieses Einregulieren schwieriger als es tatsächlich ist, da Differenzen sich durch Änderung des Raketentriebs der „Dritten Stufe a und durch genaueste Abstimmung des Kurses mit Hilfe der modernsten Elektronen-Rechenmaschinen ausgleichen lassen. Wenn endlich die einzelnen Bauteile zusammengesetzt sind, wird das Ganze trotz seines romantischen Namens „Künstlicher Mond" nicht wie ein Mond, sondern wie ein Riesenautoreifen aussehen. Die Raumstation erhält nämlich aus wohldurchdachten Gründen die Gestalt eines Rades von 75 Meter Durchmesser, in dessen Reifenwulst sich die Wohnräume, Werkstätten, Laboratorien befinden, während ein Aufstiegslift und ein Strickleiterschacht durch die Radspeiche zur Radnabe führt, wo der Eingang zur Station gelegen ist und wo wir jetzt in Gedanken unsere Besichtigung beginnen.
Die rotierende Weltinsel Vor wenigen Minuten sind wir, mit dem Raumschiff von der Erde heraufkommend, auf der Kreisbahn „gelandet" und fliegen nun in einigen hundert Metern Entfernung hinter der Station her; dieser Abstand muß eingehalten werden, um die Station nicht beim Manövrieren des landenden Raumschiffes oder durch den Raketenstrahl beim Rückflug zu gefährden. Wir haben das Gefühl, als stünden wir still, wie auch die Station drüben; lediglich an dem unter uns ablaufenden Landkartenfilm der Erde erkennen wir, daß und wie schnell wir uns um den Erdball bewegen. Unsere zweistündige Bahn um den Globus verläuft in einem Winkel von etwa 67 Grad zum Äquator, so daß die Erdkugel sich quer unter uns 16
herumbewegt und wir im Laufe eines einzigen Tages jeden Punkt der Erde von Pol zu Pol erblicken können. Von der Station kommt ein Raumtaxi auf unser Schiff herübergesteuert: ein dicker, wenige Meter langer wurstförmiger „Zeppelin - , angetrieben von einem kleinen Raketentriebwerk. Das Taxi legt sich neben die T ü r des Schiffes, und wir, in Raumanzüge gekleidet, steigen hinüber. Zugleich nimmt es einen Teil der heraufgebrachten Fracht mit, Sauerstoffflaschen, Lebensmittel, Wasser, Laboratoriumsund Werkstattbedarf. Dafür hat es von der Station Rückfracht mitgebracht, darunter vor allem die Abfälle aus Küche und Waschräumen, die man ja nicht einfach aus der Station in den Raum hinauswerfen kann, da sie dann wie alles andere auf der Kreisbahn mitfliegen würden. An der Station manövriert das Taxi in eine Landekoje an der Radnabe, ein trichterförmiges Gebilde, in das das Taxi wie ein Flaschenkork hineinschlüpft. Wir steigen im Innern der Station aus, betreten nebenan die Luftschleuse, wo wir die Raumanzüge ablegen, um uns nun mit dem Lift oder über die Strickleiterbahn hinüber zum Reifen zu begeben. Hier treffen wir wieder einigermaßen erdhafte Verhältnisse an; denn drüben im Schiff, auf der Kreisbahn wie auch später in der Nabe der Station waren wir einem uns völlig neuen, unirdischen Zustand ausgesetzt, nämlich dem der Schwerelosigkeit. Die Schwerkraft auf Erden ist die Wirkung der rätselvollen Anziehungskraft des Erdballs. Sie ist auf der Kreisbahn aufgehoben durch eine Gegenkraft, die Fliehkraft der mit 25 400 Stundenkilometer dahinfliegenden Station — diese Tatsache ist es ja, die die Station auf der Kreisbahn hält und sie niemals abstürzen läßt. Der Schwerkraft entzogen, sind auch die Insassen schwerelos. Wohl übt die tonnenschwere Masse der Station auf die anderthalb Zentner eines Menschen eine gewisse Anziehungskraft aus, doch ist sie praktisch so gering, daß man z. B. mit dem gewohnten irdischen Kraftansatz ein Buch, das man aufheben will, sogleich an die Zimmerdecke schleudert. Daher muß das Buch, wie jeder andere Gegenstand auch, auf dem Tisch festgeklemmt werden, damit die Dinge nicht bei der geringsten Bewegung herumzuwirbeln beginnen wie aufgescheuchte Federn. Der Topf mit dem Essen wird magnetisch auf dem Tisch festgehalten und hat einen Deckel, den wir zu jedem Bissen, den wir mit der Gabel aufspießen oder mit einer „Eßzangc" 17
ergreifen, lüften und wieder zudecken müssen, damit uns dai I nicht davonfliegt. Daher können wir auch keinen Löffel verwenden; die Getränke können wir nicht in ein Glas gießen, sondern saugen sie im Strohhalm aus der Flasche — kurz, es ergeben sich durch die Schwerelosigkeit die kuriosesten Verhältnisve. Wie sich der menschliche Organismus physisch und psychisch in solchem Zustand der Schwerelosigkeit verhält, dafür gibt es kaum Irfahrungen. Die theoretischen Ansichten der Mediziner hierüber gehen weit auseinander. Die einen meinen, die Schwerelosigkeit werde ein völlig harmloser Zustand sein, der nur einiger Gewöhnung bedürfe, andere wieder glauben, daß der Mensdn in diesem Zustand nur zu kurzem Aufenthalt verweilen könne; die meisten Sachverständigen allerdings neigen der erstgenannten Auffassung zu. An anderer Stelle soll über dieses heikle Problem noch einiges gesagt werden. Da die Schwerelosigkeit sich vor allem auf die praktische Arbeit in der Station störend auswirken würde, wird man versuchen, der Station eine künstliche Schwere zu verleihen. Ein Raketenmotor an der Nabe wird für kurze Zeit in Betrieb genommen und versetzt das Rad in eine Rotation, bei der es sich in 22 Sekunden einmal um sich selbst herumdreht. Durch die dabei entstehende Zentrifugalkraft wird eine künstliche Schwere von einem Drittel der irdisdien erzeugt. Eine raschere Rotation des Rades zur Erlangung der vollen normalen Sduvere ist nicht möglich, da die dabei auftretenden Kreiselkräfte das Gleichgewichtsorgan im Ohr unangenehm beeinflussen und krankhafte Störungen verursachen würden. Je näher wir also von der Radnabe, an der die Schwere gleich Null ist, durch die Radspeidie zum Reifen vordringen, desto mehr kehren wir zu einigermaßen erträglichen Schwereverhältnissen zurück. Abgesehen von dieser Anomalität herrschen hier im Innern der rotierenden Raum-Insel fast irdische Verhältnisse: Die Räume sind elektrisdi erleuchtet, temperiert, und wir können in ihnen frei ohne Sauerstoffgerät atmen. Die Luft allerdings ist keine irdisdie, sondern künstlich zusammengesetzt und für diesen Lebensraum besser geeignet. Sie besteht nicht wie auf Erden aus einem Gemisch von Sauerstoff und Stickstoff, sondern enthält statt des Stickstoffs H e lium. Dieses Edelgas nämlich löst sidi im Gegensatz zum Stickstoff nicht oder nur wenig im Blut und kann daher auch nicht zu der gefährlichen Taucherkrankheit führen, die auftritt, wenn der äußere Luftdruck auf den menschlichen Körper plötzlich absinkt und da18
durch der im Blut gelöste Stickstoff Gasbläsdien bildet. Ein solcher plötzlicher Druckabfall kann in der Station immer einmal eintreten, dann nämlich, wenn ein Meteor die Außenwand durchschlägt und die Luft durch das entstandene Loch rasch entweicht.
Auge am Himmel Die Meteore stellen überhaupt eine der stärksten Gefährdungen der Raumstation dar. Diese Stäubdien, Bröckchcn und Brocken bevölkern den an sich leeren Weltraum immerhin so zahlreich, daß nach den Berechnungen des amerikanischen Meteorforsdiers Whipple die Station die »statistische" Aussicht hat, zweimal im Monat von einem Meteorgeschoß getroffen zu werden. Bei der gewaltigen Geschwindigkeit von 10 bis 160 km pro Sekunde besitzt schon ein stecknadelkopfgroßes Körnchen eine enorme Durchschlagskraft. Gegen diese Geschosse ist die Station durch einen metallenen, einige Zentimeter entfernten Schutzmanrel rund um das eigentliche Gehäuse geschützt, an dem wenigstens die Masse der kleineren zerschmettert und verdampft. Wird aber das Gehäuse selbst beschädigt, so schlagen sofort selbsttätige Meldeanlagen Alarm, automatisch schließen sich die Schotten zu den Nebenräumen, die Mannschaft in der gefährdeten Abteilung schlüpft in die Raumanzüge, die überall griffbereit liegen. So geschützt, kann die Behebung des Schadens vorgenommen werden. Zum Ausgleich der Luftverluste muß ständig ein gewisser Vorrat an flüssiger oder komprimierter Luft vorhanden sein. Ebenso muß ständig Luft, insbesondere Sauerstoff heraufgeschafft werden, da jeder Mann am Tage 1,35 kg Sauerstoff verbraucht. Das gleiche gilt für das Wasser. Hier besteht jedoch die Möglichkeit, einen Teil des verbrauchten Wassers wiederzugewinnen. Von den zwei Litern, die ein Mensch täglich zu sich nimmt, wird etwa die Hälfte in flüssiger Form ausgeschieden, die andere Hälfte durch die Atmung und Transpiration. Dieser in die Luft entlassene Wasserdampf geht durch die Klimaanlage, wird hier gereinigt und kann noch einmal für äußerliche Zwecke verwendet werden. Die Klimaanlage reinigt die Innenräume auch von der ausgeatmeten Kohlensäure und von schlecht riechenden Dünsten, sie sichert den nötigen Luftdruck und regelt die Temperatur. Die Station ist nämlich zwei Temperaturextremen ausgesetzt: auf der sonnenabndten Seite dem wärmefressenden leeren Raum, auf der Sonnen19
seite dagegen der kräftigen Bestrahlung. Deren Energie ist es auch, die in einer durch Spiegel betriebenen Wärmekraftanlage zur Erzeugung des elektrischen Stromes dient. Dieses „Elektrizitätswerk" hat seine wärmesammelnden Einrichtungen außen auf dem „Radreifen" des kreisförmigen Stationsgehäuses. Auf der Reifenwölbung zieht sieh ein dachrinnenähnlicher Kanal hin, aus hochpoliertem Blech, in dessen Mitte die Sonnenstrahlen wie in einem Parabolspiegel gesammelt werden und eine dort befindliche mit Quecksilber gefüllte Rohrleitung erhitzen. Der so erzeugte heiße Quecksilberdampf treibt eine Turbine mit einem Generator an und wird dann auf der Schattenseite wieder zu flüssigem Quecksilber kondensiert und erneut in die Verdampfungsröhre geleitet. Um diese Sonnenkraftanlage beständig betriebsfähig zu erhalten, muß die Lage der Station im Raum alle paar Tage korrigiert werden. Denn da die Station als neuer Erdmond zusammen mit der Erde die Sonne umkreist, ändert sich im Lauf des Jahreskreises ständig die Stellung des Spiegels zur Sonne. Er muß also immer wieder der Sonne entgegen gerichtet werden, und zwar erfolgt die Ausrichtung durch zwei Raketentriebwerke an der Nabe des Rades, die so gedreht werden, daß sie genau nach entgegengesetzten Richtungen weisen — dann genügt ein kurzer Schubstoß, um das ganze Rad in die neue Lage zu kippen. So begegnen wir auf unserem Rundgang einem ansehnlichen und entsprechend den besonderen Verhältnissen der Station technisch interessanten Maschinenpark. Dazu gehört auch die automatische Trimmanlage, mit deren Hilfe man die beim Aufnehmen und Verteilen der Nachschubgüter, beim Schichtwechsel der Mannschaften in den verschiedenen Abteilungen auftretende Gleichgewichtsveränderungen des Rades durch Wasserfluttanks ausgleicht. Unser Hauptinteresse aber richtet sich auf die Arbeitsräume, vornehmlich jene, in denen die Wetter- und Himmelsbeobachtungen vorgenommen werden. Da die Station selbst sich dauernd dreht, erfolgen die Beobaditungen auf indirektem Wege über das Observatorium, das neben der Station für sich im Raum schwebt. Seine Fernrohre werden drahtlos von der Station aus gesteuert und über Fernsehgeräte auf die Beobachtungsobjekte am Himmel oder auf dem Erdball gerichtet, ebenso werden die mit ihnen verbundenen Photoapparate auf dem Funkwege bedient. Lediglich zum Auswechseln der Filme wird das Observatorium von Zeit zu Zeit mit einem Lufttaxi aufgesucht.
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Schon im Jahre 1923 entwarf Prof. Obcrth, einer der Pioniere der Raketentechnik, ein Raumschiff, das zwei Stufen übereinander vorsah. Die beiden Teile sind in der Abbildung zu erkennen. Die untere Stufe ist eine mit Alkohol betriebene Rakete, HC wird nach dem Abbrennen ihrer Treibladung abgeworfen. Die obere Stufe, eine r^toff-Rakctc, trägt dann die Zwei-Mann-Be
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Das Observatorium ist das Herzstück der ganzen Station. Man hat darauf hingewiesen, welch einen vortrefflichen Wachtposten dieses Raumstationsauge darstellt in seiner Möglichkeit, jeden Punkt des Erdballs zu überblicken. Jeder militärische Aufmarsch eines mutmaßlichen Gegners wäre rechtzeitig zu erkennen — ja, eben darum würde er gar nicht stattfinden, vielmehr würde dieser scharfsichtige Wächter am Himmel die Völker zwingen, ihre Streitigkeiten in friedlicher Auseinandersetzung zu schlichten. Sollte aber ein Gegner dennoch einen Krieg anfangen, wäre die Station eine vorzügliche Abschußbasis für ferngesteuerte Atombomben, deren Lauf man bis ins Ziel hinein verfolgen und beeinflussen könnte. Nun, solche scheinbar den Weltfrieden sichernde Funktion einer Raumstation ist sittlich und auch praktisch recht fragwürdig. Ihr wahrhaft humaner Sinn und Wert liegt auf ganz anderem Gebiet: dem der wissenschaftlichen Forschung. Das Observatorium auf dem künstlichen Erdbegleiter würde uns Menschen erst riduig i.\\:n Himmel zur Beobachtung öffnen, ihr Bau hätte mindestens die gleiche epochale Bedeutung wie seinerzeit die Erfindung des Fernrohrs zu Beginn der Neuzeit. Wir Menschen leben ja hier unten auf dem Erdboden wie Tiefseefische in den Meeresgründen, umschlossen vom Luftozean, der uns den Blick hinauf in den Himmel trübt und verschleiert. Mit unseren Augen nehmen wir ohnehin nur einen kleinen Teil der Erscheinungen wahr, nämlich jenen, der sich in Licht-Gestalt darstellt. Der Bereich der Lichtwellen zwischen 380 und 760 Millimikron Wellenlänge (1 Millimikron = ein millionstel Millimeter) ist nur eine winzige Oktave in der weiten Klaviatur, die von den kilometerlangen Wediselstromwellen bis zu den nur einen Bruchteil von Millimikron messenden Gammastrahlen reicht. Das Bild aber, das wir hier auf dem „Meeresgrund" der Atmosphäre mit künstlich geschaffenen Sinnesorganen, den technischen Aufnahmegeräten, von den aus dem Himmel niederfallenden Strahlen, die nicht Licht sind, gewinnen, ist vielfach nicht das ursprüngliche. Viele dieser Strahlungen werden beim Durchdringen des irdischen Luftmeeres geschwächt, verschluckt oder in ihrer Form verändert, bevor sie von den Registriergeräten erfaßt werden. In der Raumstation aber ragt der Mensch weit über den Luftozean hinaus und steht den Sternen und ihren Strahlenboten unmittelbar gegenüber. Sicher würde sich das Interesse einer Raumstation zu allererst auf den nächsten Stern, auf unsere Sonne, richten, um unser bisheriges Bild von ihr und ihrer verschiedenartigen
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Energie zu vervollkommnen oder, wenn notwendig, zu korrigieren; dann den vielerlei anderen Sternentypen in unserem Milchstraßcnl) item und in anderen, ferneren Welteninscln. Der Bau des Universums würde sich uns klarer erschließen, und in die Fragen nadi seinem Entstehen und nach seiner Größe würden wir tiefer eindringen. Auch unseren Planetennachbarn könnten wir besser ins Antlitz schauen und schließlich sogar von der einmal geschaffenen Station aus zu einem Besuch des Mondes, vielleicht auch des Mars aufzubrechen versuchen.
Reisepläne Solche Ausflüge von unserer Unterwegsstation aus riefer in den Weltraum hinein sollen mit verhältnismäßig weniger Kosten und Schwierigkeiten zu unternehmen sein, als die Auffahrt in die ZweiStunden-Bahn von der Erde herauf. In einem Gerüst aus Aluminiumträgern würde ein Raketenschiff mit einigen großen Treibstoffbehältern zusammengebaut werden. Daß dieses Gebilde plump und unförmig aussehen wird, spielt keine Rolle; denn im leeren Raum bedarf es keiner Stromlinien- oder Raketenform mehr, wie ja auch die radförmige Raumstation selber schon nicht mehr solchen irdischen Anforderungen zu entsprechen braucht. Für einen Flug hinüber zum Mond — ohne dal? eine Landung vorgesehen ist — und zurück auf die Kreisbahn muß das Mondraumschiff — so hat man berechnet — die ihm beim Start eigene Kreisbahngeschwindigkeit von 25 400 Stundenkilometer auf 35 500 erhöhen. Das geschieht durch einen etwa zwei Minuten langen Raketenantrieb. Mehr ist hier in der Raumleere an Energiezufuhr nicht mehr erforderlich. Unter Triebwerkstößen verlaßt das Schiff die Kreisbahn und fliegt jenem Punkt entgegen, den der Mond auf seinem Lauf in fünf Tagen erreichen wird. Während seines fünftägigen Fluges verliert das Schiff unter der auch hier immer noch leicht wirksamen Anziehungskraft der Erde beständig an Geschwindigkeit, gelangt schließlich in einer Ellipsenbahn 80 km über der Rückseite des Mondes auf den entferntesten Punkt seiner Reise und fällt nun wieder zur Erde herunter. Zum ersten Male würden auf einer solchen Raum-Expedition Menschenaugen die Rückseite des Mondes sehen, die uns sonst ewig verschlossen bliebe, da die Rotation des Mondes seit Anbeginn im genau gleichen Rhythmus verläuft wie sein Umlauf um die Erde. 23
Bei dem dichten Vorüberflug wird die wirksame Anziehungskraft des Mondes das Schiff zwar von seiner Bahn ablenken, aber doch nur in unerheblichem Maße; die Abweichung müßte natürlich vorher rechnerisch bei der Bahnbestimmung berücksichtigt werden. Nach weiteren fünf Tagen Rückflug erreicht das Schiff wieder die Kreisbahn, und zwar mit der durch den Fall hervorgerufenen Ausgangsgeschwindigkeit von 35 500 Stundenkilometern. Sie muß wieder auf die Kreisbahngeschwindigkeit vermindert werden; das Expeditionsschiff wird deshalb so eingesteuert, daß die Raketentriebwerke nach vorn weisen und dann kurz in Gang gesetzt werden, wodurch sich die Fallgeschwindigkeit entsprechend verringert. Eine solch kurze Besichtigungsfahrt zum Mond von der Raumstation aus soll nach Ansicht der Fachleute eine verhältnismäßig einfache Aufgabe sein; technisch viel schwieriger, wenn auch nicht unlösbar, wäre indessen eine Landung auf dem Mond. Da der Mond keine Atmosphäre besitzt, könnte eine Landung nicht durch Gleittliegen auf dem Polster einer Gashülle erfolgen, sondern nur dadurch, daß die Fallgeschwindigkeit des auf den Mond niedergezogenen Schiffes durch einen entgegenwirkenden Raketenstrahl so gebremst wird, daß das Schiff schließlich ganz sanft auf den Mondboden aufsetzt. Günstiger dagegen lägen die Verhältnisse auf dem Mars, sofern man ihn als Reiseziel ins Auge fassen kann. Der Mars hat eine Atmosphärenhülle, die zwar dünner als die irdische ist, die aber doch ein normales Landen, wie auf einem Flugplatz, gestatten würde. Einem Marsausflug ständen indessen ganz andere Schwierigkeiten im Wege; denn eine Reise zum Mars und wieder zurück zur Raumstation würde über zweieinhalb Jahre dauern. Schon die reine Flugzeit hin und zurück erfordert 520 Tage — dazu käme eine Wartezeit am oder auf dem Mars von etwa 450 Tagen. Denn wie der Zeitpunkt des Abfluges von der Raumstation nicht beliebig gewählt werden könnte, sondern der Bewegung des Mars bei seinem Lauf um die Sonne angepaßt sein müßte, genau so müßte man beim Rückflug vom Mars die Stellung der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne in Rechnung stellen. Da die beiden Planeten eine verschieden lange Umlaufszeit um die Sonne haben (Erde 365 Tage, Mars 687 Tage), wodurch sich ihre Stellung zueinander beständig verändert, ergäbe sich bis zu der für den Rückflug notwendigen einzig günstigen KonBild auf der gegenüberliegenden Seite: Erst* deutsche Rakete, die nidit mit Pulvrr, sondern mit llimigcm Treibstoff angetrieben wurde; sie war das Vorbild audi für die Raumsdiiffe von morgen (redits der Erbauer Ingenieur Johannes Winkler)
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itellation die genannte Wartezeit von 450 Tagen, die zur reinen Fahrtzeit hinzukäme. Das Risiko einer solch ausgedehnten Weltraumreise läge jedoch nicht so sehr auf technischem Gebiet. Ein weit größeres Problem wäre vielmehr die Versorgung der Mannschaft mit Luft, Wasser und Lebensmitteln in über zweieinhalb Jahren der Abwesenheit. Die dazu notwendigen Vorräte ließen sidi nicht in einem einzigen Raumschiff unterbringen; eine Marsexpedition könnte nur mit einer ganzen Flotte von Raumschiffen unternommen werden, die sidi aus i-k-n eigentlichen Forschungssdiiffen und einer Anzahl von Frachtschiffen zusammensetzte. Hier vor allem bleibt der Phantasie noch ein weiter Spielraum.
Menschen im leeren Raum Bisher haben wir vornehmlich nur die technische Seite einer Raumstation, die die Erde als künstlidier Mond umkreist und von der aus weitere Schritte in den Weltraum hinein gewagt werden könnten, betrachtet und uns von den Sachverständigen versichern lassen, daß in dieser Hinsidu keine unüberwindlichen Schwierigkeiten mehr bestehen. Einen Faktor aber haben wir bisher kaum berücksichtigt, und zwar den wichtigsten: den Menschen selber, den zukünftigen Raumfahrer und Raumbewohner. Als ein in der Tiefe und im Schutze einer etwa 200 bis 300 Kilometer dicken Atmosphäre lebendes Geschöpf ist der Mensch in seinem Körperbau den sich daraus ergebenden Lebensbedingungen der Erdnähe angepaßt, an den Luftdruck, die Luftzusammensetzung, Temperatur, an das vom Luftmeer gefilterte Licht, die von der Lufthülle gedämpfte kosmische Strahlung, an die Schwerkraft der Erde. Alle diese Lebensbedingungen ändern sich oder verschwinden völlig, wenn der Mensch sich vom Grunde des Luftozeans erhebt, aufsteigt und sich über die Atmosphäre in den Weltraum hinauswagt. Die ersten Schritte dazu hat der Mensch bereits in den heutigen, bis zu 25 Kilometer hoch fliegenden Flugzeugen getan. Wie in einer Taucherkugel sitzt er in einem solchen Flugzeug, beheizt, belüftet und mit dem normalen Atmosphärendruck ausgestattet. Ähnliche künstliche Lebensbedingungen in einem Raumschiff zu ichaffen, wird wohl kaum schwer sein. Man wird in ihm für den notwendigen Luftdruck sorgen, wird es heizen und mit Atemluft versehen. Die Raketeningenieure sehen darin das geringste Hindernis 26
für den Vorstoß ins Freie des Raumes. Die Frage, wie sich der Organismus beim Aufstieg und in der Höhe verhalten wird, gibt ihnen viel mehr zu bedenken. Gleich nadi dem Start, beim Aufstieg des dreistufigen Raketenschiffes von der Erde hinauf zur Zwei-Stunden-Bahn, steht der Mensch schon vor einer der kompliziertesten Zustands Veränderungen; denn der Körper der Raumfahrer wird durch die jeweilige starke Geschwindigkeitsbeschleunigung der Ersten, Zweiten und Dritten Stufe ungeheuren Schwerebelastungen ausgesetzt sein. Das Wirken dieser IV1 istung, wenn auch nur in ganz schwachem Ausmaß, verspüren wir schon beim Autofahren, wenn das Fahrzeug plötzlich und schnell von 40 Stundenkilometern auf 70, 80 vorschießt; dann werden wir von der Beschleunigungslast deutlich merkbar in unseren Sitz hineingedrückt. Bei dem Raketenaufstieg aber treten viel, viel größere Beschleunigungen auf — in der „Ersten Stufe" innerhalb von 84 Sekunden eine Steigerung von Null auf 8450 Stundenkilometer — und mit ihnen weit gewaltigere Belastungen. Die Schwerebelastung wird in „g" ausgedrückt (lat. gravitas = Schwere). Ein g — es hat hier eine andere Bedeutung als die „g"Abkürzung für Gramm — ist der Wert unseres Körperzustandes unter normalen Verhältnissen. In der Beschleunigung jedoch vervielfacht er sich und ruft im Körper das Gefühl hervor, als laste ein gewaltiges Gewicht auf ihm. Die Wirkung dieses Andrucks auf den menschlichen Körper ist in luftfahrtmedizinischen Instituten in den USA mit Hilfe riesiger Zentrifugen untersucht worden. Die bisher größte Anlage dieser Art besteht aus einem fünfzehn Meter langen waagerechten stählernen Gerüstarm, mit einer Gondel daran; Arm und Gondel können innerhalb von sieben Sekunden auf 48 Umläufe in der Minute gebracht werden. Bei diesen Untersuchungen ergab sich, daß der in der Gondel sitzende Mensch bei 4 g nicht mehr den Kopf aufrecht halten oder einen Arm heben kann. Bei 5 bis 6 g wird das Atmen schwierig, das Blut strömt infolge der Rotation aus dem Kopf in die Körpermitte und der Mensch wird bewußtlos. Indessen steigt die Widerstandsfähigkeit gegen die Beschleunigungskräfte erheblich, wenn die Versuchsperson so auf dem Rücken liegt, K\MI der Andruck in Richtung Brustkorb-Rücken wirkt; in dieser I age konnten manche Versuchspersonen 7 g länger als zwei Minuten aushalten. Um die beim Aufstieg der Rakete kurzfristig bis zu 9 g auftretenden Beschleunigungen überstehen zu können, müssen die Mannschaften in besonders konstruierten Konturbetten liegen, die sie erst Verlanen, wenn die „Dritte Stufe" nach Abstellung ihres 17
Triebwerkes in freiem Flug dahinzieht. Dort aber im freien Raum stellen sich einige weitere neue, erschwerende Umstände ein. Die Schwerelosigkeit, die auf alle Gegenstände und das Verhalten so merkwürdige Auswirkungen hat, wie wir sie schon beschrieben haben, kann man nicht künstlich im Laboratorium hervorrufen; dodi haben neuerdings schon einige Piloten von Düsenflugzeugen einen fast gleichen Zustand an sich erfahren. Der erste war der Amerikaner Yeager. Aus 12 000 Meter Höhe ging er mit seinem Düsenjäger in den Sturzflug, um Geschwindigkeit zu gewinnen, zog bei 6000 Meter die Maschine hoch und ging in einen weiten, gleichmäßigen Bogen über, als folge er einer freitliegenden Granate. Während dieses 32 Sekunden dauernden Bogentluges war Yeager, wie überhaupt das ganze Flugzeug, schwerelos. Ein Bleistift auf dem Instrumentenbrett erhob sich geisterhaft, blieb in der Luft schwebend stehen und diente so als Kursanzeiger; denn sobald Yeager den Bogen der Schwerelosigkeit nicht genau einhielt, verlor oder gewann der Bleistift an Höhe. Erst als Yeager nadi 32 Sekunden den Bogen-Kurs verließ und wieder normal flog, landete auch der Bleistift wieder sanft auf dem Instrumentenbrett. Der Pilot selbst hatte während dieses Zeitraums das Gefühl, als falle er, obwohl er wußte, daß die Maschine stieg und er selbst festgeschnallt war. Der Kopf „schwoll ihm an" und er konnte sich kaum orientieren. Auch schien es ihm, als säße er auf einer großen Kugel, die sich nach allen Riduungen zugleich bewegte. — Hier werden weitere Versuche mit noch schnelleren Raketenflugzeugen, die eine längere Schwerelosigkeit erzeugen können, Aufschluß darüber geben, ob und wie sich der Mensch an diesen Zustand gewöhnen kann und ob er auch in ihm zu arbeiten vermag. Auch die Gefährdung durch Meteor-Geschosse darf man nicht leicht nehmen, obwohl man ihr durch den metallenen Schutzmantel einigermaßen begegnen kann. Diese Geschosse werden wohl stets ein gewisses Risiko für die Raumschiffahrt bilden, doch ist die "Wahrscheinlichkeit, daß ein großes Meteor ein Raumschiff schwer beschädigt oder gar zerstört, recht gering. Es gibt noch andere Geschosse im Weltenraum, viel winzigere als selbst die feinsten Meteorstäubchen und viel häufigere und vielleicht für den Organismus weit gefährlichere: die kosmischen oder Höhenstrahlen. Schon seit Anfang unseres Jahrhunderts kennt man diese rätselhafte Strahlung, die um so intensiver auftrat, je höher man die Registrierballone mit den Meßinstrumenten hinaufsteigen ließ; aber erst in jüngerer Zeit ist man dem Wesen dieser Strahlung etwas nähergekommen. Soviel man heute weiß, besteht die Höhenstrah28
Für den Bau und die Entfernung einer die (Außenstation) liegen zahlreidie Vorsdiläge das die Kreisbahn in 1669 km Abstand von benförmig mit Vorwölbungen und rotiert,
Erde ständig umkreisenden Raumstation vor. Die Abbildung zeigt ein Projekt, der Erde vorsieht. Die Station ist sdicium künstlidie Sdiwerkraii zu erzeugen
Iung ursprünglich aus energiereichen Atombausteinen, die — was noch völlig ungeklärt ist — vielleicht aus unserer Sonne, vielleicht aus Doppelsternen, vielleicht aus den explodierenden SupernovaSternen abgestrahlt werden und den Weltraum durcheilen. Beim Auftreffen auf die Gashülle der Erde werden diese Teilchen zertrümmert und geschwächt. Was wir also hier auf Erden von der Höhenstrahlung wahrnehmen, ist tatsächlich nur ein wenig kräftiger Bruchteil der ursprünglichen Strahlung; und doch ist dieser Bruchteil noch so wirksam, daß er Bleiplatten durchdringt und noch in tiefen Bergwerken nachweisbar ist. Wie energiereich muß diese Strahlung im freien Weltraum sein! Die Frage erhebt sich, ob und wie der lebendige Organismus die ungeschwächte Strahlung verträgt. Längere Einwirkungen von Röntgen- und Radiumstrahlen rufen bekanntlich tödliche Gewebeschädigungen hervor und auch die Erbmasse eines Lebewesens kann durch sie geschädigt werden, wie manche Erfahrungen ergeben haben. 29
Hier vor allem liegt zur Zeit für die Raumfahrt noch die größte Unbekannte in allen Beredinungen. Um auch sie und noch andere unsichere Fragen ihrer Weltraumpläne zu klären, haben die Männer um Wernher v. Braun als nächsten größeren Schritt den Plan einer Kleinraumstation ausgearbeitet.
Der Vorbote In einer Höhe von nur 320 Kilometern, die also verhältnismäßig leicht zu erzielen ist, soll die „Dritte Stute'' einer Rakete mit einer Stundengesdiwindigkeit von 27 5C0 km den Erdball etwa 60 Tage lang umkreisen, wobei jeder Umlauf um die Erde 91 Minuten dauert. Ausgerüstet ist das kleine Schiff mit vielerlei Meßgeräten, die ihre Fruebnisse auf dem Funkwege automatisdi zur Erde herunter melden. Geigerzähler innen und außen messen die Strahlung im Raum; zahlreiche Mikrophone an der Außenwand melden auftreffende Meteore; eine Fernsehkamera an der Spitze des Schiffes vermittelt ständig ein Bild des gerade übertlogenen Erdgebietes. Der Strom zum Betrieb all dieser Geräte soll von einer kleinen SonnenkraftItation erzeugt werden, die nach Erreidiung der Kreisbahn hydraulisch aus dem Schiff ausgefahren wird und, wie bei dem größeren Projekt der Raumstation, mit Hohlspiegeln und Quecksilberdampf arbeitet. Die lebenden Bewohner dieses kleinen künstlidien Satelliten sollen nicht Menschen, sondern drei Rhesus-Affchen sein. Eines von ihnen sitzt angeschnallt und mit verschiedenen Geräten zum Messen von Blutdruck, Atmung, Herztätigkeit versehen in einem Käfig, während die anderen beiden sich frei bewegen können. Alle drei befinden sich ständig im Blickfeld einer Fernsehkamera; so können auf Erden alle ihre Lebensäußerungen beobachtet werden, sobald sie in ihren Konturbetten aus der leichten Betäubung erwadit sind, in die man sie für die Zeit des Raketenaufstiegs versetzt hat. Auf diese Weise will man ermitteln, wie sie sich zu bewegen verstehen in einem Raum, in dem es kein Oben und Unten gibt. Zu ihrer Bequemlichkeit sind überall in der Kabine Haltegriffe angebradn, an denen sie entlang klettern können. Die Ernährungsfrage ist so gelöst, daß die Tiere auf Erden erst dahin trainiert werden, auf ein Signal einen kleinen Nebenraum aufzusuchen, der sich nach dem Betreten hinter ihnen automatisch schließt. Dort bedienen sie Futter- und Wasserautomaten, während inzwischen ihi }Q
Wohnraum durch einen Luftstrom gelüftet und von Abfällen aus.gespult wird; der angeschnallte Affe hat sein Futter neben sich. So kreist das kleine Sdiiff, Vorläufer und „Versuchskaninchen" für den geplanten künstlichen Mond, um den Erdball, ständig beobachtet von den Fernsehschirmen und Funkgeräten der über die ganze Erde verteilten Empfangsstationen. Da auch dieses Schiff annähernd senkrecht zum Äquator die Erde umkreist, befindet es sich bei jedem Umlauf über einem anderen Teil der Erde und bestrahlt nur diesen mit seinen Fernseh- und Radiosendungen. Die Bahn der Station ist jedoch nicht geschlossen kreisförmig. In 320 km Höhe sind noch immer Spuren der Lufthülle vorhanden, die den Lauf des Schiffes allmählich bremsen und es so immer mehr an Höhe verlieren lassen. Dadurch gelangt es in immer dichtere Luftschichten, die die Reibung verstärken und die Temperatur erhöhen. Wenn sie einen für die Tiere lästigen Grad erreicht, wird mit Hilfe eines Thermostaten, eines durch Wärme sich auslösenden Mechanismus, aus einem Behälter Giftgas entlassen, das die Tiere rasch und schmerzlos tötet. Nach einem weiteren Zeitraum wird unter dem Widerstand der Luft die Kraftanlage abgerissen und die Station verstummt. Nur als ein immer stärker aufglühender Punkt wandert dieser Vorläufer des ersten künstlichen Mondes noch eine Zeitlang über den Himmel — dann eines Tages zischt er weißglühend auf und zersprüht wie ein Meteor. Umschlaggcstaltung: Karlheinz Dobsky Das Umschlagbild zeigt vorn das Rad der Raumstation nach dem System Braun, auf der Rückseite die flugzeugartige .Dritte Stufe' eines Raumschiffes. Die Angaben in diesem Heft fußen auf den Ergebnissen des letzten Aeronautischen Kongresses in Zürich, auf Studien in der Astronautischen Sonderschau der Verkehrsausstellung München und den Schriften Wcrnher von braun* und seiner Mitarbeiter. Dem Leser wird zur Orientierung besonders empfohlen: W. v. Braun u. a. „Station im Weltraum", »Die technischen, medizinischen und politischen Grundlagen des Raketenfluges im Weltraum", S. Fischer-Verlag 1953.
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