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Die einzigartige britische Fernsehserie jetzt als Goldmann Taschenbuch! Der phantastische Dr. WHO mit seinem unmöglichen Raumschiff auf Abenteuersuche im Weltall! Auf seiner Verfolgungsjagd nach den Daleks landet der Doktor zusammen mit seiner Freundin Jo auf dem Planeten Spiridon, inmitten eines tropischen Jungels. Doch nicht nur die Daleks erwarten ihn auf dem Planeten, sondern auch hinterhältige, spuckende Giftpflanzen, unsichtbare Ureinwohner, eine kleine Thalexpedition – und eine riesige Armee tiefgefrorener Daleks, die jeden Moment aus ihrem Kälteschlaf erwachen kann, um die Galaxie zu erobern … DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Aus der Reihe Dr. WHO sind im Goldmann Verlag erschienen: Dr. WHO und die Invasion der Daleks David Whitaker • 23611 Dr. WHO und das Komplott der Daleks Terrance Dicks • 23612 Dr. WHO und der Planet der Daleks Terrance Dicks • 23622
TERRANCE DICKS
UND DER PLANET DER DALEKS
GOLDMANN VERLAG
Deutsche Erstausgabe Aus dem Englischen übertragen von Bettina Zeller Originaltitel: Dr. WHO And The Planet Of The Daleks erschienen bei Target Books, W. H. Allen & Co
Der Goldmann Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann Made in Germany 12/89 1. Auflage © des Fernsehdrehbuchs 1973 by Terry Nation © des Romans 1976 by Terrance Dicks © der Serie »Dr. WHO« 1963, 1964, 1977 by British Broadcasting Company © der deutschsprachigen Ausgabe 1989 by Wilhelm Goldmann Verlag, München Umschlaggestaltung: Design Team München Satz: Fotosatz Glücker, Würzburg Druck: Eisnerdruck, Berlin Verlagsnummer: 23622 Lektorat: Christoph Göhler Herstellung: Peter Papenbrok ISBN 3-442-23622-6
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Jo – auf sich selbst gestellt Der große, weißhaarige Mann lag so still, als wäre er tot. Das Mädchen, das sich über ihn beugte, konnte keinen Puls fühlen. Anscheinend schlug keines der beiden Herzen. Seine Haut fühlte sich eiskalt an. Sie hockte sich in die Ecke des Sofas und legte das Gesicht in die Hände. Um sie herum türmten sich die Maschinen eines geheimnisvollen Raumschiffs, das den Raum und die Zeit in alle Richtungen überwinden konnte und Tardis genannt wurde. Das Schiff summte leise und gleichmäßig, als ob das Schicksal seines Besitzers seine Tätigkeit nicht beeinflussen könnte. Die Säule in der vieleckigen Hauptkonsole stieg und fiel. Die Tardis flog jetzt durch einen Raum- und Zeitstrudel. Das Mädchen war sehr zierlich und außerordentlich hübsch. Sie rieb sich die Augen und stand wieder auf. Sie öffnete ein Schließfach unter der Hauptkonsole und nahm eine kleine schwarze Schachtel heraus. Diese glich einem Kassettenrecorder, wie er im zwanzigsten Jahrhundert auf der Erde weit verbreitet gewesen war, doch ihre Energiequelle war unermeßlich und ihre Aufnahmekapazität unbegrenzt. Sie war das ›Logbuch‹ der Tardis, das nur in Notfällen benutzt wurde. Das Mädchen schaltete sie ein und begann zu sprechen. »Mein Name ist Jo Grant. Ich bin eine Zeitlang die Assistentin des Doktors in der Unit gewesen – der Informationssondereinheit der Vereinten Nationen. Vor einigen Wochen hat der Doktor mich auf eine Reise in der Tardis mitgenommen. Wir sind weit in die Zukunft gereist und wurden in eine Verschwörung verwickelt, mit deren Hilfe ein Krieg im Weltraum angezettelt werden sollte. Der Doktor entdeckte, daß sein alter Feind, der Meister, an der Verschwörung beteiligt war – und hinter dem Meister standen 7
die Daleks. Obwohl es dem Doktor gelang, den Meister zu besiegen und den Krieg zu verhindern, wurde er in einem Hinterhalt der Daleks schwer verwundet. Es ist mir gelungen, ihn in die Tardis zu schaffen.« Jos Stimme stockte, als sie sich an die Gefahren erinnerte, die sie hinter sich gelassen hatten. Sie beruhigte sich und fuhr fort: »Der Doktor hatte eine schlimme Kopfwunde… er war kaum mehr bei Bewußtsein. Er schaffte es noch, die Tardis zu starten. Dann benutzte er etwas, das er telepathische Leitung nannte, um seinem eigenen Volk, den Herren der Zeit, eine Nachricht zu übermitteln. Daraufhin fiel er langsam ins Koma. Er sagte, daß er wahrscheinlich sehr lange schlafen würde. Er bat mich darum, daß ich das, was passiert ist, in diesem Logbuch aufzeichne.« Jo schaltete das Logbuch aus und untersuchte den Doktor noch mal. Als sie damit fertig war, nahm sie wieder die Maschine in die Hand. »Der Doktor scheint nicht mehr zu atmen. Man kann keinen Puls oder Herzschlag fühlen, und seine Haut ist eiskalt.« Jo Grant machte eine Pause und atmete tief durch. Sie wußte ganz genau, daß diese Symptome bei einem menschlichen Lebewesen nur eines bedeuten konnten – Tod. Aber das Wissen, daß der Doktor nicht menschlich war, ließ sie hoffen. Sie hatte ihn in diesem Zustand, dem Koma, schon zuvor erlebt. Das gehörte zu jenem geheimnisvollen Prozeß, durch den sein Körper sich selbst nach außerordentlicher Beschädigung und Streß heilte. Diese Fähigkeit besaßen alle Herren der Zeit. Jo hoffte, daß genau das jetzt passierte. Die Alternative, nämlich, daß der Doktor tot war oder im Sterben lag, war viel zu scheußlich, um sie in Erwägung zu ziehen. Plötzlich bemerkte sie, daß etwas geschah. Die Geräusche der Tardis hatten sich verändert. Die Mittelsäule wurde langsamer. Die Lampen auf dem Betriebspult flackerten, die Schalter und Hebel bewegten sich von selbst. Sie schaltete den 8
Recorder ein. »Die Tardis landet anscheinend – die Herren der Zeit müssen sie per Fernsteuerung lenken. Ich hoffe, daß sie uns an einen Ort gebracht haben, wo man dem Doktor helfen kann.« Sie warf wieder einen Blick auf den Doktor und rannte dann erschrocken zu ihm hinüber. Sein Gesicht war über und über mit glitzernd weißem Frost überzogen. Jo wischte die Kristalle vorsichtig mit dem Taschentuch ab. Einen Augenblick lang fürchtete sie, daß der Doktor wirklich tot war. Dann öffnete er die Augen. Sie starrten Jo einen Moment lang an, ohne etwas wahrzunehmen, und schlossen sich dann wieder. Jo atmete erleichtert auf. »Doktor… o Doktor, Sie sind am Leben!« Der Doktor gab nicht zu erkennen, ob er sie gehört hatte. Es schien so, als wäre er wieder in das Koma gefallen. Jetzt hörte Jo ein glucksendes, klatschendes Geräusch. Es drang von außen in die Tardis herein. Sie ging zum Betriebspult hinüber, und nach längerem Herumfummeln fand sie den Scannerschalter. Ganz langsam formte sich ein Bild auf dem kleinen Bildschirm. Man konnte ein Stück dichten Dschungel sehen, Rebengewächse, Bäume, Lianen und seltsam geformte Pflanzen, die um Platz und Raum wetteiferten. Sie wußte sofort, daß sie nicht auf der Erde war. Die Vegetation war fremdartig und von einer unheimlichen, fleischigen Beschaffenheit, als ob dieser Dschungel in Wirklichkeit ein enormes Raubtier wäre. Jo spähte durch einen winzigen Spalt im Laubwerk und konnte ein Teilstück einer zerbröckelnden Ruine erkennen, die ausgewaschen und überwuchert war. Irgend etwas tropfte auf den Bildschirm. Das mittlerweile bekannte Glucksen war immer noch zu hören. Dann war ein Tropfen zu sehen und noch einer. Jo schaute genau hin. Regen? Nein, etwas Dickflüssigeres – und Lebendigeres. Jo schaltete den Scanner aus und dachte nach. Es sah nicht so aus, als würden draußen angenehme Lebensbedingungen herrschen. Es 9
schien Nacht zu sein, und wahrscheinlich war es auch kalt. Sie ging zu einem Wandkleiderschrank hinüber und nahm einen langärmeligen Mantel mit Kapuze und ein Paar dicke Handschuhe heraus. Während sie sich anzog, ging sie wieder zum Doktor. »Ich weiß nicht, ob Sie mich hören können, Doktor. Ich gehe los und suche Hilfe. Ich werde so schnell es geht zurück sein.« Sie warf einen letzten Blick auf die stille Gestalt, die auf der Couch lag. Dann ließ sie den kleinen Recorder in die Tasche gleiten, betätigte den Türmechanismus und trat in den Dschungel hinaus. Die Tür der Tardis schloß sich hinter ihr. Der Doktor, der ausgestreckt auf dem Sofa ruhte, war so kalt und still wie ein Steinbildnis auf dem Grabstein eines Kreuzritters. Das Licht außerhalb der Tardis war dunkelgrün. Die Luft war frisch. Jo war froh, daß sie ihren warmen Mantel anhatte. Die Tardis war inmitten eines Dickichts aus lockeren, fleischigen Pflanzen gelandet, die einen unheimlichen Zischlaut von sich zu geben schienen. Die Telefonzelle, denn so sah die Tardis aus, war über und über mit den Tropfen einer dickflüssigen weißen Substanz bedeckt. Während Jo noch hinschaute, schaukelte eine der nachgiebigen Pflanzen nach vorn und ›spuckte‹ einen weiteren Tropfen auf die Seitenwand der Tardis. Es war, als hätte die Ankunft der Telefonzelle einen Verteidigungsmechanismus ausgelöst. Die Pflanzen attackierten blindwütig den neuen Feind. Jo hatte oft gehört, wie der Doktor sagte, daß die Tardis nicht zerstörbar war, wenn sie von außen angegriffen wurde. Nachdem sie sich zu dem Entschluß durchgerungen hatte, daß ein paar dreckige Pflanzen wohl keinen Schaden an dem Raumschiff anrichten würden, drehte sie sich um und ging los.
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Sobald sie sich bewegte, traf etwas ihre Schulter. Eine der Pflanzen hatte sie als Feind registriert und spritzte einen Strahl der ekligen Flüssigkeit auf sie. Mit ihrer behandschuhten Hand wischte Jo den Fleck weg. Sie beeilte sich, aus der Reichweite der Schwammpflanzen zu fliehen, und kämpfte sich durch den Dschungel zu der Ruine, die sie durch den Scanner gesehen hatte. Als sie dort ankam, gab es nicht viel zu sehen. Zerbröckelnde Steinsäulen, kaputte Wände, eine Steinplatte, die wahrscheinlich als Altar gedient hatte… Jo vermutete, daß sie vor den Ruinen eines alten Tempels stand. Der Beweis dafür, daß es auf diesem seltsamen Planeten früher einmal intelligentes Leben gegeben hatte. Aber es war möglich, daß dieses Leben schon vor Tausenden von Jahren ausgestorben war. Auf der anderen Seite, reflektierte Jo, konnte man wahrscheinlich genauso eine Ruine im Dschungel von Brasilien finden – nur ein paar Meilen entfernt von einer riesigen, modernen Stadt. Dieser Gedankengang besserte ihre Laune auf, und sie marschierte weiter. Sie war sehr erleichtert, daß der Dschungel durchlässiger wurde und in einen Sandboden überging, auf dem die Pflanzen sparsamer wuchsen. Außerdem bemerkte sie die Veränderung in der Lichtqualität. Das dumpfe, dunkle Grün verwandelte sich in ein gelbes, grelles Licht. Die Temperatur stieg drastisch an. Der Morgen dämmerte so schnell, als hätte jemand das Licht angeschaltet. Eine große gelbe Sonne brannte vom Himmel herunter, und Jo fand es in ihrem Kapuzenmantel unerträglich heiß. Sie zog ihn aus und stellte dann angeekelt fest, daß der Spritzer von den Schwammpflanzen sich in einen dicken grünen Wackelpeter verwandelt hatte, der sich anscheinend immer weiter auf dem Mantel ausbreitete. Sie warf das Kleidungsstück auf die Seite und ging unbeirrt weiter. 11
Zwischen den anderen Pflanzen wuchsen vereinzelt größere, schilfrohrartige Gewächse, an deren Spitze eine kleine, runde und mit Blättern bewachsene Hülse saß. Mitten in der Hülse war eine Öffnung, die an ein menschliches Auge erinnerte. Als Jo an einer Gruppe dieser Pflanzen vorbeiging, war sie überrascht zu sehen, wie die Stiele sich ihr schwankend näherten. Und die Augen der Pflanzen waren weit aufgerissen, als ob sie erstaunt wären. Aber ihre Überraschung verschwand schon bald. Sie hörte ein seltsames Rascheln und unheimliche Schreie aus dem dichten Dschungel hinter ihr. Jo eilte weiter. Sie war nicht in der Lage, das unheimliche Gefühl abzuschütteln, daß ihr irgend etwas folgte… Der Doktor öffnete die Augen. Er erhob sich. »Jo?« rief er. »Jo, wo sind Sie?« Er horchte. Er hörte nur ein kontinuierliches Schlagen als ob etwas auf die Außenhülle der Tardis spritzen würde. Der Doktor schnupperte. Auch etwas anderes stimmte nicht, er ging zur Konsole. Die Instrumente zeigten an, daß man draußen atmen konnte – die Tardis hätte sich diesen Umstand zunutze machen sollen, um Frischluft anzusaugen. Diese hätte zuerst von allen unerwünschten Elementen befreit werden müssen. Aber statt dessen lag ein leicht abgestandener Geruch in der Luft. Die Tardis benutzte ihre automatische Luftversorgung. Aus irgendeinem Grund drang keine Luft von draußen in die Tardis. Auf der Konsole begann eine Warnlampe aufzublinken. Der Doktor schaute hin. Auf einem winzigen Bildschirm blinkte eine Nachricht. ›AUTOMATISCHE SAUERSTOFFVERSORGUNG ERSCHÖPFT.‹ Der Doktor schüttelte den Kopf. Er fühlte sich immer noch benommen und durcheinander. Alles schien schiefzulaufen. »Werde einfach die Notversorgung benutzen müssen«, murmelte er. Er berührte einen Schalter, und eine 12
Wandschalttafel glitt zurück. Dadurch wurden drei riesige Sauerstoffzylinder freigelegt. Über jedem hing eine Glasskala. Der Doktor schaltete den ersten ein. Ein kurzes, beruhigendes, durch den Sauerstoff verursachtes Zischen war zu hören dann herrschte Stille. Der Doktor stierte die kleine Skala an – die Nadel zeigte auf ›LEER‹. Er versuchte es mit dem zweiten Zylinder. Das Ergebnis war dasselbe. Der Doktor wandte sich dem dritten Zylinder zu, und dieses Mal zischte es gleichmäßig und kontinuierlich. Erleichtert seufzte er auf und betrachtete dann die Anzeige. Die Nadel stand nicht auf LEER, aber sie war dem Schriftzug schon gefährlich nah. »Der Vorrat wird kaum eine Stunde ausreichen«, überlegte der Doktor nachdenklich. Er wußte, daß er ausschließlich sich selbst die Schuld geben konnte. Es war schon schlimm genug, ein Hilfssystem ausfallen zu lassen, aber zwei… Im Geiste schwor er sich, alle Sauerstoffsysteme der Tardis sobald als möglich aufzufüllen. Da keine Luft hereinkam, beschloß der Doktor, daß er hinausgehen mußte. Er nahm einen Umhang aus dem Wandschrank und betätigte den Türkontrollmechanismus. Nichts geschah. Der Doktor runzelte die Stirn, überprüfte die Kontrollstromkreise und versuchte es dann noch einmal. Immer noch nichts. Er war in der Tardis gefangen. In der Stille konnte der Doktor die regelmäßigen Schläge draußen hören. Das Zischen des Sauerstoffzylinders wurde immer leiser, die Nadel auf der Anzeige rückte der Leermarke konsequent näher. Wenn der Sauerstoff verbraucht war, dann würde er sterben…
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Die unsichtbare Bedrohung Jo eilte weiter. Jetzt, da der Dschungel weniger dicht war, kam sie besser voran. Zu ihren Füßen entdeckte sie etwas und kniete sich hin. Der Sand war weich, und sie erblickte den klar umrissenen Abdruck eines Fußes. Ein Stück weiter weg konnte sie einen weiteren Fußabdruck sehen und dahinter noch einen… Sie zog den Handschuh aus, um den Boden abzutasten, und sie fragte sich, ob der Fußabdruck frisch oder schon sehr alt war. Mit den Fingern zerkrümelte sie den Sand. Jo bemerkte nicht, wie nah sie an eine Schwammpflanze gekommen war. Plötzlich bespuckte die Pflanze sie mit einer milchigen Flüssigkeit. Jo sprang zurück, aber ein paar Tropfen der Flüssigkeit landeten auf ihrem Handrücken. Sie zog ihr Taschentuch heraus und wischte das Zeug ab. Als sie damit fertig war, warf sie das Taschentuch weg. Während sie den Fußabdrücken nachging, zog sie den Handschuh wieder an. Die Spuren führten sie durch eine Gegend, wo der Dschungel wieder dichter war, und dann auf eine Lichtung. Mitten auf der Lichtung stand das Wrack eines kleinen Raumschiffs, dessen Schiffskörper wegen seiner Farben Blau und Gold hervorstach. Vorsichtig bewegte Jo sich darauf zu. Das Raumschiff war schmal und gedrungen. Es glich in etwa der Form einer Zigarre. Der Schiffskörper und die Stabilisierungsflächen waren stark beschädigt, und die Tür stand offen. Ein feines Netzwerk aus Rebengewächsen überwucherte schon die Öffnung. Was aber trotzdem nicht unbedingt heißen mußte, daß das Raumschiff nicht erst vor kurzer Zeit gelandet war, dachte Jo. In einem Dschungel wie diesem wuchs wahrscheinlich alles mit beängstigender Geschwindigkeit. Jo rief durch die Tür: »Hallo, ist jemand da?« 14
Keine Antwort. Sie riß ihren ganzen Mut zusammen und kletterte hinein. Drinnen war es eng und düster. Das grüne Licht, das von dem Dschungel draußen hereinströmte, erhellte das Schiff nur schwach. In der Raketenspitze entdeckte Jo ein winziges Cockpit. Eine Gestalt in einem Raumanzug saß im Pilotensessel. Jo ging darauf zu. Das Wesen gab nicht zu erkennen, ob es ihre Gegenwart bemerkte. Schüchtern klopfte sie ihm auf die Schulter. Der Drehstuhl fuhr quietschend herum, und der Körper des Piloten glitt sanft auf den Boden. Das Gesicht hinter dem Helmvisier war festgefroren und tot. Jo schrie auf, sprang zurück… und eine Hand packte mit eisernem Griff ihre Schulter. Zwei Männer standen hinter ihr und schauten sie an. Beide waren groß und hatten helles Haar; sie trugen einfache Arbeitsuniformen, die zweckdienlich aussahen. Um ihre Taillen waren breite Gurtbänder geschnürt, an denen eine Ansammlung von Werkzeugen und Waffen hing. Außerdem hatten sie kleine Rucksäcke geschultert. Der Mann, der sie festhielt, war sehr groß und hatte ein längliches, knochiges Gesicht, das freundlich und streng zugleich wirkte. Der Mann, der hinter ihm stand, war kleiner, jünger und hatte ein schmales Gesicht, auf dem sich ein grimmiger und wütender Ausdruck zeigte. Er hatte einen Blaster in der Hand, mit dem er auf Jo zielte. Jo schaute die beiden verängstigt an. »Wer sind Sie?« »Mein Name ist Taron«, sagte der große Mann. »Das hier ist Vaber.« Vaber steckte seine Waffe in den Pistolenhalfter. Es war klar, daß er sie nicht als sehr gefährlich einstufte. »Woher kommen Sie?« fragte er. »Von welchem Planeten?« »Ich komme von der Erde.« Jos einfache Erklärung löste eine überraschende Reaktion aus. Beide Männer starrten sie skeptisch an. »Die Erde gibt es
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nicht«, sagte Vaber hart. »Das ist nur ein Name aus den alten Legenden.« »Wie sind Sie hierhergekommen?« fragte Taron. »In der Tardis. Das ist eine Art Raumschiff.« Jo war erleichtert, als sie sah, daß diese Antwort ohne Nachfrage akzeptiert wurde. »Ein Freund ist bei mir«, fuhr sie fort. »Er ist sehr krank, es ist sogar möglich, daß er stirbt. Bitte, können Sie mir helfen?« »Sehen Sie, wir haben keine Zeit, um –«, setzte Vaber mit harter Stimme an, aber Taron unterbrach ihn. »Ich habe eine qualifizierte Ausbildung in Raummedizin. Ich werde für Ihren Freund tun, was in meiner Macht steht. Wo ist diese Tardis?« »Weiter hinten, durch den Dschungel, in der Nähe einer Art Tempelruine.« Taron nickte. »Ich denke, ich kenne die Stelle.« Ein dritter Mann kam in das Raumschiff gerannt. Wie die anderen trug auch er eine Uniform und hatte blonde Haare. Er war sehr groß und dünn, und seine Angst trat offener als bei seinen beiden Begleitern zutage. »Patrouille nähert sich«, keuchte er. »Drei oder vier.« Taron übernahm sofort das Kommando. »In Ordnung, Codal, wir werden abziehen.« Er wandte sich Jo zu. »Sie bleiben hier und verstecken sich. Wenn wir versuchen, Sie mitzunehmen, werden Sie unseren Rückzug nur verzögern. Wir werden sie im Dschungel abschütteln und dann zurückkommen, um Sie zu holen, wenn es uns möglich ist.« Bevor Jo protestieren konnte, hatten alle drei das Raumschiff fluchtartig verlassen und ließen sie mit unzähligen unbeantworteten Fragen zurück. Wer war diese unbekannte ›Patrouille‹, die solch einen Alarm auslöste? Sie ging zur Tür und schaute hinaus, aber die drei Männer waren schon verschwunden. Plötzlich hörte Jo ein Rascheln, das von einer Stelle am Rand der Lichtung, wo der Dschungel 16
sehr dicht war, herüberdrang. Irgend etwas kämpfte sich da durch, und es kam auf sie zu… Jo zog sich in das Raumschiff zurück und schaute sich schnell nach einem Versteck um. Sie fand einen hohen Kleiderschrank, in dem Ersatzuniformen und Raumanzüge aufbewahrt wurden. Jo schlüpfte hinein, kauerte sich hinter ein Regal mit Kleidungsstücken und zog die Tür zu. In der Tür waren Ventilationsschlitze, durch die sie nach draußen schauen konnte. Das Raumschiff vibrierte ein bißchen, und die Klettergewächse über der Tür wurden beiseite geschoben. Jo spähte durch die Schlitze und sah – nichts! Dennoch war es ganz offensichtlich, daß jemand die Kabine betreten hatte. Sie konnte ein heiseres Atmen und verhaltene, gepolsterte Tritte wahrnehmen. Ein Plastikbecherglas hob sich wie von selbst in die Luft und fiel dann zu Boden. Ein Füllfederhalter, ein Notizbuch aus Plastik und verschiedene Navigationsinstrumente, die auf dem Cockpit lagen, erhoben sich und fielen auf die gleiche schaurige Weise wieder herunter. Schubladen öffneten und schlossen sich, ihr Inhalt flog durch die Luft und fiel zu Boden, als ob ein unsichtbarer Sucher sie fallen ließe. Das Schnaufen und die Schritte kamen näher. Jo hielt die Schranktür von innen fest zu. Und dennoch spürte sie einige Minuten später das unsichtbare Etwas auf der anderen Seite der Tür. Es versuchte den Griff zu drehen. Verzweifelt drückte sie dagegen an. Nach einem kurzen Augenblick ließ das Zerren nach, und das heisere Atmen entfernte sich. Jo spähte hinaus. In der Nähe der Tür sprang ein Plastikkarton herum, als hätte ihn jemand zur Seite gekickt. Das kleine Schiff neigte sich, die Kletterpflanzen über der Tür wurden von unsichtbarer Hand zur Seite geschoben, das Raumschiff ruckelte und kam dann wieder in seine frühere Position. Jo kroch aus ihrem 17
Versteck, ging zur Tür hinüber und warf einen Blick durch den Vorhang aus Kletterpflanzen. Auf dem sumpfigen Boden vor dem Raumschiff erschien eine Reihe von Fußabdrücken, Fußabdrücke, deren Form vollkommen ungewöhnlich war. Sie führten zum Rand der Lichtung, die Pflanzen raschelten und bewegten sich, und dann war der unsichtbare Eindringling verschwunden. Der Doktor überprüfte alle Türstromleitungen und stellte fest, daß sie ausnahmslos in Ordnung waren. Er entfernte sich vom Betriebspult und versuchte die Türen von Hand zu öffnen. Eine Zeitlang mühte er sich erfolglos ab. Die Türen wurden von außen mit einem Griff zusammengehalten, der zwar gummiartig war, aber dennoch fest saß. Die Türen gaben ein wenig nach, aber man konnte sie nicht öffnen. Das Zischen des Sauerstoffzylinders wurde leiser und erstarb dann. Eine Warnlampe blinkte auf der Mittelkonsole auf. Lustlos taumelte der Doktor zu ihr hinüber. Dieses Mal lautete die Meldung auf dem Bildschirm: ›ATMOSPHÄRE IN KABINE BALD NICHT MEHR GEEIGNET, LEBEN AUFRECHTZUERHALTEN.‹ Der Doktor kehrte zur Tür zurück und fuhr mit seinen verzweifelten Bemühungen fort. Doch schon sehr bald bemerkte er, daß er langsam das Bewußtsein verlor. Vaber und Codal kauerten in einem dichten Dschungelbusch, die Blaster in der Hand. Als sie ein sich näherndes Geräusch vernahmen, wirbelten sie herum. Es war Taron. »Ich glaube, wir haben sie abgeschüttelt. Es waren nur ein paar Kundschafter, und sie entfernen sich vom Schiff. Dem Mädchen geht es bestimmt gut. Wir sollten lieber versuchen, ihren Freund zu finden.«
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Vaber warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Das kann doch nicht dein Ernst sein? Warum sollten wir wegen eines Fremden Zeit vergeuden?« »Weil er krank ist. Ich bin immer noch Arzt, Vaber. Selbst hier.« Taron marschierte in den Dschungel, ohne eine Antwort abzuwarten, und die anderen folgten ihm. Als sie die Tempelruine erreicht hatten, brauchten sie noch ziemlich lange, bis sie die Tardis fanden. Sie suchten zuerst nach einem konventionellen Raumschiff, aber dann erkannten sie, daß die hohe, rechteckige Kiste das ›Raumschiff‹ war, das sie suchten. Die Tatsache, daß die Tardis mit dem gummiähnlichen Pilz überzogen war, den die Schwammpflanzen ausspuckten, machte die Sache auch nicht gerade leichter. Taron kratzte sich am Kopf. »Nun, was auch immer es ist, es ist das einzig Neue hier und deshalb muß es das sein, was wir suchen!« Er zog ein winziges quadratisches, transparentes Plastikstück aus seiner Gürteltasche, das, wenn man es auseinanderfaltete, einen kompletten Schutzanzug darstellte – Umhang, Kapuze und Panzerhandschuhe in einem. Aus seinem Rucksack holte er ein Spray, das das gummiähnliche Pflanzensekret von der Tardis ablöste. Als ein Teilstück freigelegt war, begann Taron, den Pilz mit seinen behandschuhten Händen abzuziehen. Die anderen schlossen sich ihm an; die Schwammsporen spritzten auf ihre Schutzkleidung, ohne etwas auszurichten. Als sie den Bereich um die Tür freigelegt hatten, flog diese plötzlich auf, und der Doktor purzelte heraus. Sie packten ihn und zogen ihn ins Freie. Die Tardis-Tür knallte hinter ihm ins Schloß, und die Schwämme gingen wieder ihrer sinnlosen Betätigung nach. Der Doktor atmete tief durch, bis er sicher war, daß auch der letzte Winkel seiner Lungen mit Sauerstoff gefüllt war. Sobald 19
er sprechen konnte, keuchte er: »Ich danke Ihnen… ich danke Ihnen wirklich sehr. Wie haben Sie mich gefunden?« Taron berichtete ihm kurz und knapp von ihrem Treffen mit Jo, das in ihrem kaputten Raumschiff stattgefunden hatte. Als der Doktor das hörte, war er erleichtert. Das bedeutete, daß es Jo bis vor kurzem also noch gutgegangen war. Taron wandte sich Codal zu. »Es ist besser, wenn du das Gebiet abwanderst und nachsiehst, ob es noch irgendwo Patrouillen gibt.« Als Codal wegschlich, bemerkte Taron, daß der Doktor ihn intensiv anstarrte. »Nun, was ist?« fragte er brüsk. Der Doktor antwortete: »Vergeben Sie mir. Es ist nur so, daß ich Sie zu kennen scheine – Sie alle! Oder, besser gesagt, Ihr Volk.« »Das ist kaum möglich.« »Oh, man kann nie wissen«, entgegnete der Doktor blasiert. »Ich komme schon ein bißchen in der Welt herum. Woher kommen Sie?« »Von einem Planeten, der viele Sternsysteme von hier entfernt ist. Er heißt –« »Skaro!« ergänzte der Doktor triumphierend und beantwortete so seine Frage selbst. »Natürlich Sie sind Thals.« Taron starrte ihn an. »Das können Sie doch unmöglich wissen!« »Ich bin auf Skaro gewesen. Zur Zeit des ersten Dalekkrieges.« Taron musterte die hohe Form der Tardis. Jetzt verwirrte ihn die gummiähnliche Spucke der Schwammpflanzen wieder. »In unseren Legenden gibt es ein Wesen von einem anderen Planeten, das nach Skaro kam, als die Gefahr am größten war. Es reiste in etwas mit dem Namen –« »Tardis«, bestätigte der Doktor. »Das ist das da drüben.« »Es hatte drei Begleiter«, fuhr Taron langsam fort. Der Doktor half mit den fehlenden Namen aus. »Barbara, Ian und Susan.« 20
»Versuchen Sie uns weiszumachen, daß Sie der Doktor sind?« fragte Vaber. »So ist es, alter Freund.« »Das ist nicht möglich. Der erste Dalekkrieg fand vor vielen Generationen statt, lange bevor einer von uns geboren war. So lange lebt niemand.« »Ah, aber ich bin kein Thal. Außerdem, berichten Ihre Legenden nicht davon, daß die Tardis auch durch die Zeit reisen konnte?« Vaber kam näher. Seine Hand lag auf dem Blaster an seinem Gürtel. »Und jetzt tauchen Sie hier auf – ausgerechnet auf diesem Planeten, wo es in der Galaxie so viele gibt. Nun, ich glaube Ihnen nicht. Sie sind gekommen, um uns auszuspionieren. Wer sind Sie? Was machen Sie wirklich hier?« Der Doktor blickte ihn ruhig an. Er versuchte die Tatsache zu berücksichtigen, daß Vaber offensichtlich Angst hatte und erschöpft war. Insofern war er wahrscheinlich bereit, auf jedes sich bietende Ziel loszugehen. »Nun, sehen Sie, junger Mann«, erklärte er milde, »Sie haben geholfen, mein Leben zu retten, und ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, aber das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, mich zu verhören.« Taron unterbrach sie. Er zog noch eine Spraydose aus seiner Gürteltasche und besprühte die Wange des Doktors. Der Doktor sprang zurück. »Was fällt Ihnen denn ein?« »Ein Tropfen dieser weißen Flüssigkeit war auf Ihrem Gesicht. Sie enthält die Wachstumssporen der Schwammpflanzen. Der Pilz wächst sehr schnell. Ohne Behandlung hätte er sich über Ihren ganzen Körper ausgebreitet.« Der Doktor schauderte. »Anscheinend muß ich Ihnen danken, weil Sie mir zum zweiten Mal das Leben gerettet haben.«
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Jo wurde es langweilig, während sie darauf wartete, daß die Thals zurückkehrten, aber sie wagte es nicht, das Raumschiff zu verlassen. Sie durchstöberte die kleine Kabine und kramte eine Plastikschachtel mit Nahrungskonzentraten hervor, gummiähnliche Kuben in unterschiedlichen Farben. Sie aß ein paar und fand, daß sie einen seltsamen Geschmack hatten, den Hunger aber stillten. In einer Nische entdeckte sie ein Waschbecken. Nachdem sie eine Zeitlang mit den Hähnen herumgespielt hatte, gelang es ihr zuerst, Trinkwasser sprudeln zu lassen und dann einen Schwall Seifenwasser, das in das kleine Becken lief. Jo beschloß, sich schnell zu waschen. Nicht nur, daß sie sich danach besser fühlen würde, nein, es würde ihr auch helfen, die Zeit zu überbrücken, bis die anderen zurückkamen. Sie zog die Handschuhe aus und rollte sich die Ärmel hoch. Dann hielt sie mitten in der Bewegung inne und starrte erschrocken auf ihren rechten Handrücken. Er war vollkommen bedeckt, der Pilz hatte ihn total überwuchert… Der Doktor hörte zu, wie sich seine Retter untereinander stritten. Es drehte sich anscheinend um die Frage, ob sie sofort losziehen oder auf Codals Rückkehr warten sollten. Schließlich wurde beschlossen zu warten. Der Doktor fand, daß er die Zeit genausogut nutzen konnte, indem er ein paar Informationen über seine neue Umgebung sammelte. »Wie heißt dieser Planet?« fragte er. Vaber antwortete. Er sprach mit der harten Bitterkeit, die ihm anscheinend zur Gewohnheit geworden war. »Spiridon – eines der gräßlichsten Stücke planetarischen Abfalls in dieser Galaxie.« Der Doktor hob eine Augenbraue. »In der Tat! Wird er bewohnt?«
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»O ja! Von einer Vegetation, die die scheußlichsten Eigenschaften der Tierwelt aufweist. Von Tieren, die alles verzehren, was sich bewegt, und sich auch noch gegenseitig auffressen. Und am Tag ist es tropisch heiß, während es nachts friert.« »Irgendwelche intelligenten Lebensformen?« »Nur die Spiridons. Sie hatten mal eine Zivilisation, aber die liegt jetzt unter den Ruinen begraben.« »Ich würde gern einen von ihnen sehen.« Vaber grinste säuerlich. »Das wird Ihnen Schwierigkeiten bereiten. Zufälligerweise sind sie unsichtbar.« Eine weitere, wichtige Frage geisterte dem Doktor durch den Kopf. Er sprach vorsichtig, tastete sich langsam vor. »Ich nehme an, daß Sie aufgrund einer Art geheimer Mission hier sind – daß Sie gefährliche Feinde haben?« Die Thals schauten ihn mißtrauisch an, gaben aber keine Antwort. »Ich selbst bin eigentlich auch mit einem besonderen Auftrag hier«, fuhr der Doktor fort. »Vielleicht können wir einander helfen?« Taron schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber wir wissen nicht genug über Sie, als daß wir Ihnen so vertrauen könnten.« »Oh, warum erzählst du es ihm denn nicht?« knurrte Vaber. »Keiner von uns wird Spiridon lebend verlassen. Das hier ist ein Selbstmordkommando.« Der Doktor schaute ihn scharf an. »Was veranlaßt Sie zu dieser Einschätzung?« »Wir hatten eine Bruchlandung. Unser Kommandant wurde durch den Aufprall getötet, und so hat Taron hier die Befehlsgewalt übernommen. Das Funkgerät wurde bei der Landung zerstört, und das Schiff ist so schwer beschädigt, daß wir nie wieder starten können.« »Du hast dich freiwillig gemeldet, Vaber«, sagte Taron hart. »Niemand hat dich dazu gezwungen, mitzukommen.« Für Männer, die zusammen in einer verzweifelten Situation steckten, kamen sie nicht sehr gut miteinander aus, dachte sich 23
der Doktor. »Wie viele von Ihnen sind denn hier?« fragte er ruhig. »Wir waren sieben«, sagte Taron langsam. »Der Kommandant wurde getötet und seitdem haben wir noch drei verloren.« »Aber meine Hilfe wollen Sie trotzdem nicht annehmen?« Taron schüttelte den Kopf. »Wir werden Sie zu Ihrer Freundin zurückbringen, und von da an sind Sie auf sich allein gestellt. Unser Auftrag ist zu wichtig, als daß wir ihn wegen eines Unbekannten aufs Spiel setzen dürften.« »Sie mögen mir noch nicht vertrauen, Taron, aber ich habe das Gefühl, daß es zwischen uns schon eine enge Verbindung gibt. Auf der Erde gibt es ein altes Sprichwort – ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹.« Plötzlich tauchte der schlaksige Codal aus dem Dschungel auf. »Jetzt ist alles ruhig.« Taron stand auf. »Lassen Sie uns losmarschieren, Doktor. Wenn Sie sehen, daß ich ein Zeichen gebe, dann gehen Sie schnell in Deckung. Und machen Sie keinen Lärm.« »Ich bin schon mal im Dschungel gewesen«, meinte der Doktor ziemlich empfindlich. »Nicht in so einem«, erwiderte Taron grimmig. Als sie sich durch den Dschungel kämpften, sah Taron, daß der Doktor sich ebenso leise bewegen konnte wie die anderen. Die unerträgliche Hitze schien ihm nichts anzuhaben, und er zeigte keine Anzeichen von Ermüdung, während sie sich durch die zähe Vegetation arbeiteten. Sie kamen zu einem breiten Pfad, der quer durch den Dschungel führte. Offensichtlich war er unter Zuhilfenahme hochentwickelter technischer Geräte freigelegt worden. Der Doktor berührte die abgeknickten Enden eines Klettergewächses und kam dann zu dem Entschluß, daß es sich um breitstrahlige Hitzestrahlen gehandelt haben mußte. Taron hob seine Hand hoch, und augenblicklich war Ruhe. Etwas 24
bewegte sich auf sie zu. Seltsamerweise konnten sie es hören, aber nicht sehen. Es machte ein seltsam klirrendes, knirschendes Geräusch, das sich so anhörte, als stünde ein komplexes mechanisches Gerät kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Eine undeutliche Spur kroch auf sie zu, den Pfad entlang, dessen Oberfläche verkohlt war. Das unsichtbare Wesen zauderte und hielt an, und das gemein knirschende Geräusch verstummte. Codal blickte Taron an. »Was meinst du?« »Klingt wie die Lichtwellenkrankheit. Das hatten die anderen.« »Nun, sollen wir es riskieren? Sollen wir unserem neuen Freund zeigen, wogegen wir antreten?« Vabers Stimmung konnte man jetzt vielleicht als hysterische Fröhlichkeit bezeichnen. Er rannte auf den Pfad hinaus und hin zu der Stelle, an der die mysteriöse Fährte endete. Er riß ein paar Spraydosen aus seiner Gürteltasche und warf dem Doktor eine zu. »Jetzt geht es los, machen Sie mit!« Der Doktor schaute die Spraydose an. »Ist das eine Art Waffe?« Vaber lachte. »Das ist Farbe, sonst nichts. Ein Farbspray aus den Vorratsräumen des Raumschiffs.« Vaber berührte den Sprühkopf auf der Spraydose, und ein hellblauer Farbnebel schoß heraus. Er schwenkte die Spraydose vor sich hin und her, und der Doktor machte es ihm nach, nachdem er einen verunsicherten Blick auf Taron geworfen hatte. Aus seiner Spraydose kam ein feiner Goldnebel. Langsam zeichnete sich vor ihren Augen eine Gestalt in der leeren Luft ab. Der Effekt ähnelte einem ›magischen‹ Zeichenbuch, bei dem man, wenn man mit einem Bleistift über eine anscheinend leere Seite reibt, ein verstecktes Bild zutage fördert. Das Bild vor ihnen jedoch war handfest und dreidimensional. In der Mitte des Pfades stand die drohende 25
Gestalt eines Daleks. Sein Körper strahlte unpassenderweise in Blau und Gold.
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Die tödliche Falle Vaber schaute den Doktor an und fragte sich, wie er reagieren würde. Falls er Angst oder Schrecken erwartet hatte, mußte er enttäuscht sein. Der Doktor war extra nach Spiridon gekommen, um Jagd auf die Daleks zu machen. Außerdem hatte er von Anfang an gewußt, daß die Anwesenheit der Thals nur eines bedeuten konnte – auf diesem Planeten gab es auch Daleks. Tarons ›besondere Mission‹ konnte nur ein gegen die Erbfeinde der Thals gerichteter Streifzug sein. Mit forscher Kompetenz begann der Doktor den Dalek zu untersuchen. Er wedelte mit einer Hand vor dem Dalek herum. »Totaler Verlust des Sehvermögens, Antriebskraft Null, auch die Waffen sind deaktiviert – zu unserem Glück!« Taron beobachtete ihn neugierig. »Sie scheinen eine ganze Menge über die Daleks zu wissen.« »Dazu habe ich allen Grund. Aber ich bin noch nie zuvor einem unsichtbaren Dalek über den Weg gelaufen. Wie machen sie das?« Codal war anscheinend der Wissenschaftler der Gruppe. »Sie sind auf das Geheimnis gestoßen, als sie die Spiridons studierten. Das ist auch der Grund, weshalb sie auf diesen Planeten gekommen sind. Es handelt sich um eine Art nicht reflektierender Lichtwellen.« Da Codal einen verwandten Geist erkannte, redete er wie ein Wissenschaftler, der sich mit einem gleichrangigen Kollegen unterhält. »Ihr Problem liegt darin, daß sie enorme Mengen von Kraft verbrauchen, um die notwendige Energie für diesen Vorgang zu produzieren. Sie können ihre Unsichtbarkeit nicht lange aufrechterhalten. Entweder werden sie wieder sichtbar, oder sie fallen der Lichtwellenkrankheit zum Opfer, so wie der hier. Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf ihn werfen, ja?« 27
Codal wollte den Dalek am liebsten auf der Stelle auseinandernehmen, aber der Doktor hielt ihn davon ab. »Die meisten Daleks haben ein automatisches Notsignal. Selbst wenn der Dalek deaktiviert ist, ist es doch möglich, daß der Sender noch eine Zeitlang funktioniert. Es ist besser, wenn wir weitergehen.« Einige Zeit später hielt Taron mitten in einer kleinen Lichtung an. »Codal und ich kennen die Gegend am besten. Wir werden vorausgehen und das Gebiet auskundschaften. Vaber, du bleibst hier bei dem Doktor.« Taron und Codal gingen weg. Der Doktor, der den Hang dazu hatte, aus einer Sache immer das Beste zu machen, setzte sich mit dem Rücken an einen seltsam knorrigen Baumstamm und streckte seine langen Beine aus. »Ihr Taron ist ein sehr vorsichtiger Kamerad.« »Zu vorsichtig«, murrte Vaber protestierend. »Die Dinge stünden anders, wenn Miro noch leben würde.« Der Doktor inspizierte eine Ansammlung eigenwillig geformter Pflanzen, die in der Nähe seines Baumes wuchsen. »Miro?« »Miro war unser Kommandant – er kam um, als wir landeten. Taron ist der Doktor der Expedition. Ich war Miros Nummer Zwei, aber Taron hat einen höheren Rang als ich. Er übernahm die Befehlsgewalt und er hat ein nettes Durcheinander geschaffen. Er wird so lange vorsichtig sein, bis wir alle tot sind.« Der Doktor nickte nachdenklich. Vabers Geschichte erklärte die Spannungen in der kleinen Thalgruppe. Taron war ein Doktor, der nicht daran gewöhnt war, Befehle zu erteilen. Nun, da er die Verantwortung übernommen hatte, war es sehr gut möglich, daß er übervorsichtig war und Angst davor hatte, einen Fehler zu machen. Auf der anderen Seite war es aber auch möglich, daß seine Haltung mehr als gerechtfertigt war. Der Doktor wußte immer noch zu wenig über die Lage auf 28
Spiridon, als daß er sich eine eigene Meinung bilden konnte. »Was denken Sie denn, was Taron tun sollte?« fragte er beiläufig. Vaber war nur zu gerne bereit, ihm das zu erzählen: »Die Daleks angreifen und sie ausradieren. Auf diesem Planeten gibt es nicht mehr als ein Dutzend. Es ist nur eine kleine wissenschaftliche Gruppe, die die Techniken der Unsichtbarkeit studiert. Ein zielgerichteter Angriff könnte sie allesamt vernichten.« Der Doktor nickte nachdenklich. Der Plan hörte sich gut an. Aber lagen die Dinge wirklich so einfach? Bei den Daleks konnte man sich niemals sicher sein. »Erzählen Sie mir von den Spiridons«, wechselte er deshalb das Thema. »Sind Sie immer unsichtbar?« Vaber hörte mit seinem Herumschleichen auf und setzte sich am Rand der Lichtung hin. »Codal ist dieser Ansicht. Er ist der Meinung, dieser Planet sei so feindlich, daß sie die Unsichtbarkeit entwickeln mußten er nennt das die höchste Vollendung der Überlebenstechnik.« Obwohl weder der Doktor noch Vaber es bemerkten, wurde genau in diesem Moment die Feindseligkeit der Lebensformen auf Spiridon demonstriert. Ein dicker, haariger Fühler von der Größe einer ausgewachsenen Python rührte sich hinter Vaber im Dschungel. Der Fühler gehörte nicht zu einem Tier, sondern zu einer Pflanze, was für Spiridon äußerst typisch war. In der Mitte der Pflanze befand sich ein fleischiges, orchideenartiges Gewächs, das ungefähr siebzig Zentimeter breit war. Die Pflanze war ein Fleischfresser, wie viele andere auf Spiridon, und die langen Fühler, die in ihrer Mitte wuchsen, waren so geformt, daß sie ihre Beute fangen konnten. Die Ansammlung von Pflanzen direkt vor ihm fesselte immer noch die Aufmerksamkeit des Doktors. Er hatte entdeckt, daß, wenn er seine Hand hin und her bewegte, sich auf der Hülse ein ›Auge‹ öffnete. Die Pflanze wiegte sich dann 29
hin und her, als würde sie ihn beobachten. »Faszinierend«, murmelte er. Vaber beobachtete sein Tun. »Auch nützlich. Die Pflanzen reagieren immer, wenn sich ein unsichtbarer Spiridon nähert. Wir benutzen sie als eine Art Frühwarnsystem.« Unbeobachtet glitt der Fühler näher. »Dann kooperieren die Spiridons also mit den Daleks?« fragte der Doktor. »Ich glaube nicht, daß sie eine Wahl hatten. Die Daleks haben den Dschungel mit tödlicher Strahlung verseucht. Gegen das Zeug nutzte den Spiridons ihre Unsichtbarkeit gar nichts. Die Überlebenden hatten zu viel Angst, um etwas anderes zu tun, als aufzugeben und zu kooperieren.« Jetzt war der Fühler nahe genug. Er schlug aus wie ein Peitschenriemen, wand sich um Vabers Taille und zerrte ihn in den Dschungel. Der Doktor rannte, von den Schreien alarmiert, über die Lichtung, packte Vabers Beine und versuchte ihn zurückzuziehen. Aber der Fühler war unglaublich kräftig. Das einzige Ergebnis seiner Anstrengungen war, daß sie beide unbarmherzig in den Dschungel gezerrt wurden. Der Doktor hörte, wie Vaber keuchte: »Messer… nehmen Sie das Messer…« An Vabers Gürtel war eine Scheide, in der ein schweres Buschmesser steckte. Der Doktor riß es heraus und hackte wie wild auf den Fühler ein. Dicker grüner Nektar quoll heraus. Der Fühler ließ Vaber los, schlug wild um sich und zog sich in den Dschungel zurück. Vaber kauerte auf dem Boden, und der Doktor kniete über ihm, als Taron von der anderen Seite der Lichtung angerannt kam. »Was ist passiert?« Der Doktor deutete auf den Dschungel. »Etwas ziemlich Scheußliches hatte vor, uns zum Frühstück zu verspeisen.« Vaber rappelte sich mühsam hoch, als wollte er sich auf keinen Fall vor Taron schwach zeigen. »Jetzt bin ich schon wieder in Ordnung…« Er zuckte zusammen, denn das 30
Sprechen jagte ihm Schmerzen wie Messerstiche durch seine zerquetschten Rippen. Taron schaute ihn ängstlich an. »Wenn du dich gern eine Weile ausruhen möchtest…« »Ich sagte, ich bin in Ordnung!« Vaber warf dem Doktor einen Blick zu und murmelte: »Danke.« Der Doktor wischte das Messer am Boden ab und warf es Vaber zu. »Nennen wir es doch eine nützliche Lektion – weil Vorsicht zu jeder Zeit vonnöten ist! Vielleicht hat Taron doch recht.« Taron blickte verwirrt drein. »In bezug auf was?« Der Doktor schaute Vaber an. »Daß man sich nicht Hals über Kopf in einen Kampf mit den Daleks stürzen sollte.« Vaber brauste erneut auf. »Falls ich sterbe, möchte ich das jedenfalls nicht umsonst tun müssen. Ich möchte nicht nur einer fleischfressenden Pflanze als Frühstück dienen!« Codal, der in diesem Augenblick zurückkehrte, unterbrach den Disput. »Was macht ihr denn? Schaut euch die Augenpflanzen an!« Die Pflanzen waren in Bewegung, schlugen um sich, die Fransen am Blätterrand zogen sich kringelnd über der Mittelhülse zusammen. »Spiridonpatrouille«, sagte Taron knapp. »Es ist besser, wenn wir uns verstecken.« Er führte sie mitten in eine Gruppe niedriger Gewächse, die Zwergpalmen ähnelten. Zwischen den dicken Stämmen war genug Platz, um sich zu verstecken, und die großflächigen Blätter boten gute Deckung. Von ihrem günstig gelegenen Aussichtspunkt aus konnten sie sehen, wie der Dschungel durch die Anwesenheit von etwas Unsichtbarem in Bewegung geriet. Der Doktor studierte das Muster dieser Bewegung. »Das Rauschen bewegt sich in unsere Richtung. Sie werden uns finden, wenn wir nicht bald unseren Standort wechseln.« 31
Vaber griff nach seiner Strahlenpistole. »Warum greifen wir sie nicht zuerst an? Wir können sie aus dem Hinterhalt überfallen!« Tarons Hand umklammerte seinen Arm. »Wir wissen nicht, wie viele es sind! Und worauf zielen wir, wenn wir sie nicht sehen?« Codal sagte: »Ich werde sie ablenken. Ihr könnt euch aufund davonmachen, während sie mich verfolgen.« Bevor ihn jemand aufhalten konnte, hatte er schon seine Deckung verlassen und rannte durch den Dschungel. Er unternahm keinen Versuch, sich zu verbergen, sondern produzierte im Gegenteil soviel Lärm, wie er nur konnte. Die anderen schauten ihm zu. Bald geriet die dicke grüne Vegetation in ein Wogen, das Codal folgte. »Es funktioniert«, sagte Taron. »Sie folgen ihm. Codal hat uns eine Chance gegeben. Vergeuden wir sie nicht.« Sie krabbelten aus ihrem Versteck und rannten in die entgegengesetzte Richtung. Keuchend erreichte Codal einen Platz auf halber Strecke des Dschungelpfades. Die Spiridonpatrouille war ein gutes Stück hinter ihm. Mit ein bißchen Glück hatte er sie so weit weggeführt, daß die anderen eine Chance hatten zu fliehen. Jetzt war es an der Zeit, einen Bogen zu schlagen, wenn er sich den anderen wieder anschließen wollte. Sein schmaler Brustkorb hob und senkte sich heftig, während er nach Luft schnappte. Codal staunte selbst über seine Unverfrorenheit. Er war schon unterwegs gewesen, bevor er überhaupt begriffen hatte, was über ihn gekommen war. Vielleicht war er doch kein solcher Waschlappen. Codal war das jüngste und am wenigsten erfahrene Mitglied der Thalgruppe, und er hatte sich die ganze Zeit über schon gefragt, wie es wohl um seinen Mut bestellt war. Aber der Augenblick der Selbstbeweihräucherung war nur kurz. Er bemerkte, daß neben dem Pfad eine Gruppe 32
Augenpflanzen wuchs, und erschrocken erkannte er, daß seine Verfolger bereits bedrohlich nahe waren. Plötzlich griffen unsichtbare Hände nach ihm. Er kämpfte wild, trat und schlug nach seinen unsichtbaren Feinden, die ihn gefangennehmen wollte. Er hörte ihr Grunzen, als seine verzweifelten Schläge sie trafen. Aber der Kampf war hoffnungslos. Der Griff ihrer unsichtbaren Hände wurde fester, und Codal sah hilflos mit an, wie ein Stück totes Holz, das am Wegesrand lag, sich erhob und direkt auf seinen Kopf zuflog. Inzwischen fühlte Jo sich sehr schwach. Der Pilz hatte sich bereits über ihren halben Arm ausgebreitet und zehrte offensichtlich an ihren Kräften. Ihre Körpertemperatur war rasend schnell angestiegen, und sie fühlte sich krank. Außerdem war ihr schwindelig. Sie dachte, daß sie das Logbuch auf dem laufenden halten sollte, obwohl es nur wenig zu sagen gab. Mit der rechten Hand fummelte sie den Recorder aus der Tasche und schaltete ihn ein. »Meine Hand und mein Arm sind durch irgendeine Pflanze im Dschungel infiziert worden. Die Infektion breitet sich ungeheuer schnell aus. Ich gehe nicht davon aus, daß die Männer, die ich hier getroffen habe, wieder zurückkehren werden, deshalb werde ich versuchen, mich durch den Dschungel zu schlagen und Hilfe zu suchen.« Sie stellte den Recorder ab und stopfte ihn unbeholfen wieder in die Tasche. Sie bemerkte nicht, daß er nur zur Hälfte in der Tasche steckte. Jo stand auf und taumelte, weil ihr plötzlich schwindelig wurde dann ging sie zur Tür. Sie versuchte aus dem Raumschiff zu klettern, als sie eine raschelnde Bewegung vernahm, die aus dem Dschungel zu ihr herüberdrang. Die unsichtbare Kreatur kehrte zurück! Verstört drehte Jo sich um und ging zurück ins Schiff. Sie hatte vor, wieder in ihr Versteck im Schrank zu kriechen, aber sie bemerkte nicht, daß der Recorder vor dem Raumschiff auf den
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Boden gefallen war. Die Bewegung strengte sie zu sehr an. Die Kabine drehte sich um sie, und alles wurde schwarz. Im Dschungel raschelte es, als der Spiridon sich durch die Vegetation kämpfte. Er hielt am Rand der Lichtung an, schlich zu dem kleinen Raumschiff hinüber und stieg an Bord. Jos Körper lag ungeschützt mitten in der Kabine. Neugierig bewegte sich der Spiridon auf sie zu… Taron, Vaber und der Doktor hatten ein neues, sicheres Versteck gefunden. Dort warteten sie, solange sie sich getrauten, darauf, daß Codal auftauchte. Schließlich stand Taron auf. »Es ist besser, wenn wir zum Raumschiff gehen. Vielleicht wird er sich dort mit uns treffen.« »Vielleicht sind wir jetzt aber auch nur noch zu zweit«, sagte Vaber säuerlich. Taron erwiderte nichts. Er ging voran durch den Dschungel, und der Doktor folgte ihm. Vaber stapfte eingeschnappt hinter ihnen her. Sie brauchten ziemlich lange, bis sie das Raumschiff erreichten. Taron bewegte sich mit seiner bekannten Umsichtigkeit und bestand auf einem großen Umweg, um weiteren Patrouillen aus dem Weg zu gehen. Schließlich standen sie am Rand der Lichtung. Das zerstörte Raumschiff stand immer noch in deren Mitte. Der Doktor drängte weiter, denn er wollte so schnell wie möglich bei Jo sein, aber Taron hielt ihn zurück. »Warten Sie – da bewegt sich etwas auf der anderen Seite der Lichtung.« Zum Entsetzen des Doktors glitten vier Daleks aus dem Dschungel. Sie bildeten einen Halbkreis um das kleine Raumschiff. Der Doktor hörte, wie die bekannte, verhaßte Stimme durch die Dschungelluft tönte: »Dalekpatrouille ruft Kommandozentrale. Thalraumschiff ist lokalisiert worden. Werden es gemäß Anordnung zerstören.« Die Daleks vergrößerten ihren Halbkreis. Der Patrouillenführer befahl: »Fertig machen zum Feuern.«
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Der Doktor stand sofort auf. Taron versuchte ihn aufzuhalten. »Da ist nichts, das Sie tun können.« Der Doktor schüttelte seine Hand ab. »Jo ist da drinnen! Ich muß sie aufhalten.« Die Dalekstimme befahl: »Feuern!« Doch bevor der Befehl ausgeführt werden konnte, rannte der Doktor nach vorn und stellte sich zwischen das Schiff und die Daleks. »Warten Sie! Sie dürfen nicht schießen, es ist jemand da drinnen!« Einen Augenblick blieben die Daleks wie versteinert stehen, als könnten sie diese Dreistigkeit gar nicht fassen. Dann sprach der Patrouillenanführer: »Gefangenen außer Gefecht setzen. Für Verhör festnehmen.« Ein Dalek feuerte umgehend. Eine qualvolle Schmerzwelle jagte durch den Körper des Doktors, und er spürte, wie seine Füße ihren Dienst verweigerten. Als er auf den Boden knallte, vernahm er die Dalekstimme erneut: »Machen Sie wie befohlen weiter. Feuern!« Der Doktor, dessen Beine taub und insofern nutzlos waren, rief: »Nein, Sie dürfen nicht…« Die Dalekwaffen jagten ihre Ladung über den Kopf des Doktors hinweg. Das kleine Raumschiff glühte kirschrot auf und explodierte in einem Flammenmeer.
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In der Gewalt der Daleks Der Doktor schaute auf den Boden, denn er konnte den Anblick des brennenden Schiffes nicht ertragen. Ein paar Schritte entfernt entdeckte er ein bekanntes schwarzes Päckchen – den Logbuch-Recorder der Tardis. Automatisch streckte er die Hand aus und stopfte ihn in seine Tasche. Ein Dalek türmte sich bedrohlich über ihm auf. »Aufstehen.« Der Doktor versuchte es. Da seine Beine eingeschlafen waren und schmerzten, taumelte er und fiel hin. »Entweder Sie stehen auf, oder wir werden Sie jetzt exterminieren.« Unter Schmerzen kam der Doktor auf die Beine. Der Dalek trieb ihn vorwärts. »Gehen Sie!« Langsam und stolpernd entfernte sich der Doktor zwischen seinen Wächtern. Am Ende der Lichtung hielt er an, um einen letzten Blick auf das Raumschiff zu werfen, das immer noch in Flammen stand. »Bewegung.« Die Daleks befahlen ihm weiterzugehen. Als die Dalekpatrouille und ihr Gefangener im Dschungel verschwanden, kamen Taron und Vaber aus ihrem Versteck heraus. Vaber schaute den Daleks hinterher. »Wir hätten ihm helfen sollen.« Taron schüttelte den Kopf und starrte in das Flammenmeer. »Wir hätten nichts tun können… gar nichts.« Während des langen Marsches durch den Dschungel kehrte langsam das Gefühl in die Beine des Doktors zurück. Aber er war dennoch froh, als ihr Zielort in Sichtweite kam. Es war nicht mehr als ein kleines, kompaktes Blockhaus. Die Tür glitt zur Seite, und er konnte einen Lift sehen. Die Patrouille trat hinein. 36
Der Doktor war nicht besonders überrascht. Es war für die Daleks ganz normal, daß sie ihre Stützpunkte unter der Erde installierten, wann immer das möglich war. Tageslicht und frische Luft bedeutete ihnen nicht viel, denn sie gediehen am besten in einer kontrollierten, unterirdischen Umgebung. Der Lift schoß in einem Höllentempo nach unten, und der Doktor legte die Hände auf die Ohren, als sie durch die Druckveränderung fielen. Endlich kam der Lift mit einem Ruck zum Stehen. Nacheinander marschierten sie hinaus in einen langen Korridor, der in den harten Stein gehauen war. Andere Korridore kreuzten ihn in regelmäßigen Abständen. Der Doktor wurde zu einer Metalltür gebracht. Ein Dalek berührte einen Schalter, die Tür öffnete sich, und der Doktor wurde hineingeschoben. Dann schloß sich die Tür hinter ihm. Der Doktor war nicht überrascht, daß er sich in einer leeren Metallzelle befand. Aber es überraschte ihn, daß Codal in einer Ecke kauerte, das Gesicht in den Händen. Der junge Wissenschaftler blickte erstaunt auf. »Doktor!« Dann wurde seine Miene wieder düster. »Dann war es also ganz umsonst. Sie haben Sie doch noch gekriegt.« »Nicht alle von uns. Taron und Vaber sind immer noch frei.« Der Doktor erklärte kurz und bündig, wie er gefangengenommen worden war. Codal berichtete dem Doktor von seiner eigenen Gefangennahme. »Ich verstehe nicht, wieso sie mich nicht getötet haben«, endete er. »Ich fürchte, daß uns der Tod nur erspart geblieben ist, weil sie uns beide verhören wollen«, sagte der Doktor. »Sie werden wissen wollen, was wir auf diesem gottverdammten Planeten zu suchen haben.« Codal zitterte. Der Gedanke an das Dalekverhör ließ ihn schaudern. Der Doktor konnte deutlich sehen, daß er eine Aufheiterung nötig hatte. »Ich habe Ihnen noch nicht dafür
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gedankt, daß Sie uns die Flucht ermöglicht haben. Das war sehr tapfer von Ihnen.« Codal lachte bitter. »Tapfer? Ich? Ich habe mich halb zu Tode geängstigt, seit wir auf diesem Planeten gelandet sind.« Der Doktor nickte. »Das ist ganz normal. Wir alle haben ab und zu Angst.« »Taron und Vaber wissen, wie man mit Furcht umgeht. Ich dagegen bin ein Wissenschaftler, kein Soldat. Ich bin an Gefahr nicht gewöhnt.« »Ich dachte, in Ihrer Einheit wären nur Freiwillige?« »Das sind wir!« bestätigte Codal mit düsterer Miene. »Ich war der einzige junge Wissenschaftler, der fit genug war, um diese Expedition mitzumachen. Jeder erwartete, daß ich mich freiwillig melde, und so tat ich es. Ich hatte nicht einmal den Mut, den Außenseiter zu spielen.« Der Doktor kicherte. »Mut zu haben bedeutet nicht, daß man keine Angst hat, wissen Sie.« »Was ist es dann?« »Es bedeutet, Angst zu haben, aber das zu tun, was man sowieso tun muß. Genau wie Sie es taten. Sie sind ein sehr tapferer Mann, Codal.« Codal lächelte zynisch. »Davon bin ich nicht überzeugt. Aber trotzdem, vielen Dank. Nun, was werden wir jetzt unternehmen?« »Wir werden damit anfangen, einen Weg zu suchen, der hier herausführt. Lassen Sie uns erst einmal nachsehen, ob wir irgend etwas Nützliches bei uns haben. Hat man Sie durchsucht?« »Nein, nicht richtig. Sie haben mir nur meinen Blaster und mein Messer abgenommen.« »Dann durchsuchen Sie Ihre Taschen. Man weiß ja nie.« Der Doktor fing an, seine eigenen Taschen zu durchwühlen, aber das erste, was er fand, ließ ihn traurig innehalten. Es war der Logbuch-Recorder, den Jo aus der Tardis mitgenommen 38
hatte. Er drückte auf die Rückspultaste und lauschte Jos Stimme. »Der Doktor scheint in ein tiefes Koma gefallen zu sein…« Er ließ das Band durchlaufen und erfuhr, daß Jo die Tardis verlassen hatte, daß sie auf die Thals gestoßen war. Er zitterte bei der Beschreibung ihrer Infektion, die durch den Pilz verursacht worden war. Vielleicht war ihr Ende doch noch eine Erlösung gewesen. Jo Grant erwachte. Ein Alptraum nach dem anderen hatte sie im Schlaf verfolgt. Jetzt fand sie sich auf einem Berg Felle in einer winzigen Höhle wieder. Sie konnte das grünglühende Dschungellicht sehen, das durch den mit Kletterpflanzen bewachsenen Eingang drang. Sie stellte fest, daß ihr Fieber gefallen und das Pochen in ihrem Arm kaum mehr zu spüren war. Ängstlich schaute sie ihre Hand und ihren Arm an. Sie waren mit einer gelblichen Paste bestrichen, unter der der Pilzfleck kleiner geworden war. Jo blinzelte und schaute sich in der Höhle um. Eine Holzschale schwebte in der Luft. Eine Handvoll Beeren zerquetschten sich darin wie von allein. Eine jener unsichtbaren Kreaturen aus dem Raumschiff war bei ihr, hier in der Höhle. Jo blieb vollkommen regungslos. Die Schale schwebte auf sie zu. Sie hörte ein heiseres Atmen und dann eine flüsternde Stimme: »Haben Sie keine Angst. Ich will Ihnen nur helfen.« Da sonst niemand da war, mit dem man sich unterhalten konnte, sprach Jo die Holzschale an. »Wer sind Sie?« »Mein Name ist Wester. Ich bin ein Spiridon. Trinken Sie diesen Saft hier. Er wird Ihnen helfen, die Auswirkungen der Pilzinfektion zu beheben.« Die Schale hüpfte näher. Jo nahm sie und trank den Saft, der gleichzeitig sauer und süß zu sein schien. Sie fühlte, wie ein Schauer durch ihren Körper rann.
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»Die Infektion ist fast weg«, flüsterte die geisterhafte Stimme. »Das hier wird sie vollends vertreiben.« Jo trank die Schale leer, dann wurde sie ihr von einer unsichtbaren Hand abgenommen und zur Seite gestellt. »Was ist passiert?« fragte Jo verwirrt. »Wo sind wir?« »Wir sind in einer Höhle in der Nähe der Dalekstadt. Ich habe Sie bewußtlos im Raumschiff vorgefunden und Sie hierhergebracht. Kurz danach haben die Daleks das Raumschiff zerstört.« »Warum haben Sie mir geholfen?« fragte Jo. Ein Schwindelanfall überkam sie. »Es gibt so vieles, das ich Sie fragen möchte«, sagte sie schwach. »Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll.« »Sie müssen zuerst einmal ausruhen, bis der Saft seine volle Wirkung entfaltet hat«, sagte die Spiridonstimme. »Danach werden wir uns unterhalten…« Als Jo einige Zeit später aufwachte, fühlte sie sich frisch und ausgeruht. Zu ihrer Freude waren alle Spuren der Infektion von Hand und Arm verschwunden. Wester fütterte sie mit seltsam aussehenden Früchten, und während sie aß, erzählte er ihr, in was für einen traurigen Zustand die Daleks diesen Planeten gebracht hatten. »Sie bombardierten unsere Welt mit Bakterien und tödlichen Strahlen. Spiridon wurde ein Planet der Daleks. Nur eine Handvoll Menschen meines Volkes haben überlebt, und sie wurden gezwungen, mit den Daleks zusammenzuarbeiten, die versuchten, hinter das Geheimnis der Unsichtbarkeit zu kommen.« »Aber Sie kooperieren nicht?« »Ein paar von uns versuchen alles, was in unserer Macht liegt, um Widerstand zu leisten… was wenig genug ist. Ich hatte gehofft, die Außerirdischen würden uns helfen, aber einer nach dem anderen wurde getötet. Heute ist wieder einer gefangengenommen worden – obwohl er anders als die anderen aussah.« 40
Jos Interesse war geweckt. »Wie hat er denn ausgesehen?« »Groß, mit weißem Haar. Seine Kleider waren anders.« »Der Doktor!« sagte Jo aufgeregt. »Er muß sich erholt haben, nachdem ich die Tardis verlassen habe. Man kann darauf wetten, daß er augenblicklich in Schwierigkeiten gerät. Ich muß ihm helfen.« »Das ist nicht möglich«, sagte der Spiridon traurig. »Die Daleks werden ihn verhören und ihn dann für ihre Lichtwellenexperimente verwenden. Es wäre besser für ihn, wenn er tot wäre.« Mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln legte der Doktor seinen Schallschraubenzieher beiseite. »Hoffnungslos. Wenn es etwas gibt, das die Daleks wirklich gut machen, dann sind das Schlösser!« Codal schüttelte traurig den Kopf. »Nun, wenn wir die Tür nicht aufkriegen…« Der Doktor spann den Gedanken weiter. »Dann müssen wir fliehen, wenn die Tür schon offen ist.« »Was bedeutet, daß zumindest ein Dalek hier sein wird«, beendete Codal mit düsterem Unterton den Satz. Der Doktor ließ sich davon nicht entmutigen. »Exakt. Wir haben das Problem vom falschen Blickwinkel aus betrachtet. Wir versuchen nicht mit einer Tür fertigzuwerden wir versuchen mit einem Dalek fertigzuwerden.« »Wie?« fragte Codal nur. Der Doktor rieb sich am Kinn. »Ich bin mir noch nicht sicher.« Vor ihm lagen die Dinge, die sie aus ihren Taschen zutage gefördert hatten. Er stocherte irritiert in dem Haufen herum. »Es muß hier etwas Nützliches geben…« Er hob den kleinen Recorder hoch. »Ein kleiner, aber sehr leistungsfähiger Motor mit einem eingebauten Atomenergiegenerator… nun, wenn ich die Schaltkreise freilege, die Polarität umkehre und
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ihn zu einem Empfänger-Sender mit positivem Feedback umbaue…« Erwartungsvoll schaute er Codal an, der sagte: »Ich verstehe! Das Führungssystem der Daleks funktioniert unter Zuhilfenahme von Funkimpulsen mit hoher Frequenz…« »… und wenn ich diese Impulse blockieren kann sollte der Dalek eine nette kleine Gehirnwäsche abkriegen.« Eifrig begann der Doktor mit der Arbeit. Im zentralen Kontrollraum hörte der Dalekkommandant und militärische Expeditionsführer nach Spiridon dem Bericht seines Zweiten Befehlshabenden zu. »Wissenschaftliche Sektion bittet darum, daß die Gefangenen nach dem Verhör an ihr Labor zum Zweck von Lichtwellenversuchen übergeben werden.« Der Kommandant schaute zum Labor hinüber. Es lag in einer eigenen Sektion, die durch eine Glaswand vom Kontrollbereich abgetrennt war. »Genehmigt. Was ist mit dem Rest der Thalexpedition?« »Wir nehmen an, daß zwei Thals immer noch auf freiem Fuß sind. Ihre Gefangennahme ist unumgänglich.« Auf einer abgeschiedenen Dschungellichtung gruben Vaber und Taron so schnell sie konnten. Vaber war schlecht gelaunt, denn er mußte zugeben, daß Tarons obsessive Vorsicht sich zum erstenmal bezahlt gemacht hatte. Nachdem sie die Bruchlandung überstanden hatten, war Taron zu der Einsicht gelangt, daß die Daleks das Raumschiff früher oder später finden würden. Deshalb hatte er als erste Maßnahme angeordnet, daß ihr wertvoller Sprengstoff zu diesem versteckten Waffenlager gebracht werden sollte. Taron grunzte, als seine Finger die Plastikumhüllung berührten. Nachdem er noch ein bißchen länger gegraben hatte, hob er ein riesiges Bündel heraus und legte es auf den Boden.
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Aufgeregt half Vaber ihm dabei, es auszupacken. Zufrieden schaute er sich die plumpen, zylindrischen Bomben an, an denen Zeitzünder angebracht waren. »Das hier reicht, um fünfzig Daleks auszuradieren. Wir können zum Blockhaus rennen, den Liftschacht in die Luft jagen und das ganze Pack für immer begraben.« »Nimm mal an, wir schaffen es nicht bis zum Liftschacht? Ich möchte keine unnötigen Risiken eingehen, Vaber. Jetzt sind wir nur noch zu zweit, und du weißt, was es bedeutet, wenn wir versagen. Wir werden loslegen, wenn wir einen Plan haben, von dem ich meine, daß er gelingen könnte, und keinen Augenblick früher.« Vaber sah fassungslos zu, wie Taron begann, den Sprengstoff wieder einzupacken. Er zog seine Sprengstoffkanone. »Hände weg von diesen Bomben.« Taron warf einen Blick nach oben, sah die Sprengstoffkanone und arbeitete weiter. »Nein.« »Gib sie mir. Ich werde dich töten, wenn es nicht anders geht.« Taron hatte inzwischen das Bündel wieder eingepackt und fing an, es zu vergraben. »Dann wirst du mich töten müssen.« Hilflos starrte Vaber ihn an. Tarons Ruhe entnervte ihn. Plötzlich war da ein Tosen, eine Hitzewelle, dann schoß etwas über ihren Kopf hinweg und verschwand hinter einem nahen Hügel. Vaber schaute dem Geräusch nach. »Das war ein Raumschiff«, sagte er. »Kommt für eine Landung zu niedrig und zu schnell herein. Komm schon!« Er rannte zu dem kleinen Hügel. Taron, vorsichtig wie immer, vergrub erst noch den Sprengstoff und rannte ihm dann hinterher. Es dauerte nicht lange, bis sie das zerstörte Raumschiff fanden – eine schwarze Rauchwolke stieg über dem Dschungel auf und stellte eine ausgezeichnete Orientierungshilfe dar. Sie konnten es schon fast sehen, als sie ein dumpfes Donnern 43
hörten. Und dann kam eine Hitzewelle, die die beiden Thals von den Füßen riß. »Es ist explodiert«, erklärte Taron, als sie wieder aufstanden. »Laß uns hoffen, daß die Besatzung rechtzeitig aussteigen konnte.« Sie hörten, wie sich jemand durch den Dschungel auf sie zuschleppte, und warteten. Ein großes, blondes Mädchen in der Raumfahrtuniform der Thals stolperte aus dem Dschungel. Ihr Gesicht war rauchgeschwärzt. Taron erkannte sie sofort und rannte zu ihr. »Rebec! Was ist passiert?« Das Mädchen schaute ihn benommen an. »Unser Gleitflugwinkel war zu steil. Unser Raumschiff wurde beim Flug durch die Atmosphäre überhitzt. Direkt nachdem wir gelandet sind, ist es in die Luft geflogen.« »Irgendwelche anderen Überlebenden?« »Marat und Latep… sie müssen gleich kommen.« Vaber trat vor. »Warum seid ihr denn gekommen? Woher wußtet ihr, daß wir Hilfe brauchten?« Das Mädchen schüttelte den Kopf, so, als ob sie ihn wieder klarkriegen wollte. »Als ihr euch nicht mit dem Subraumschiffsfunkgerät gemeldet habt, sind wir davon ausgegangen, daß ihr in Schwierigkeiten steckt. Dann hat die Kommunikationsstelle ein weiteres Daleksignal aus dem Weltraum abgefangen. Dieses Mal ist es ihnen gelungen, den Code zu knacken. Nachdem wir es gelesen hatten, mußten wir euch warnen…« »Uns warnen? Wovor?« »Vor der Dalekeinheit auf Spiridon.« »Das wissen wir schon«, sagte Vaber ungeduldig. »Es sind aber nur ein knappes Dutzend.« Rebec schüttelte den Kopf. »Das haben wir auch gedacht, als wir euch losschickten. Aber wir haben uns getäuscht. Das Signal, das wir abgefangen haben, war für den 44
Oberbefehlshaber der Daleks bestimmt. Es besagte, daß die Dalekeinheit auf Spiridon jetzt komplett sei. Irgendwo auf diesem Planeten sind zehntausend Daleks.«
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Die Flucht Selbst Vaber mußte die eiserne Ruhe bewundern, mit der Taron diese erschütternde Neuigkeit aufnahm. Er nickte und sagte: »Das heißt, daß wir umgehend handeln müssen.« Er wandte sich Rebec zu. »Bist du kräftig genug, um loszugehen? Die Daleks werden eine Patrouille ausschicken, die schon sehr bald die Unfallstelle erreicht haben wird.« »Ich bin in Ordnung – nur ein bißchen durchgerüttelt«, sagte Rebec. Zwei weitere Thals kamen aus dem Dschungel. Der eine war ein großer, muskulöser Mann mit einem frischen, offenen Gesicht, der andere war kaum älter als ein Junge. Taron begrüßte sie gelassen. »Marat, Latep, seid ihr auch unverletzt? Wir können uns ja später unterhalten. Im Augenblick ist es wichtiger, von hier zu verschwinden.« Der junge Latep grinste frech und antwortete für beide. »Uns geht es gut. Sind mit ein bißchen viel Wucht heruntergekommen, aber das ist schon alles. Marat war schon immer ein grauenhafter Pilot.« Marat grinste und verpaßte seinem kleineren Freund einen Schlag, der natürlich nicht ganz ernst gemeint war. »Keinem anderen wäre es gelungen, euch überhaupt hierherzubringen!« Taron sprach jetzt voller Ernst. »Es tut gut, euch zu sehen – euch alle. Aber es ist besser, wenn wir uns jetzt auf den Weg machen.« Die kleine Thalgruppe verschwand im Dschungel. Kurz vor der Stadt kauerte Jo in einem Versteck, Wester war direkt neben ihr. Nicht, daß Wester es nötig gehabt hätte, sich zu verstecken, dachte sie, denn er war ja sowieso unsichtbar. Mittlerweile hatte Jo sich ganz gut an die nicht sichtbare 46
Anwesenheit des Spiridons und an das geisterhafte Geflüster gewöhnt, das in ihr Ohr drang. Sie schob die Blätter auseinander und spähte durch den sich bildenden Spalt. Sie konnte das Blockhaus und die Daleks sehen, die drumherum patrouillierten. Gestalten in Fellen und Häuten schleppten große Körbe, die mit Vegetation vollgepackt waren, durch die Tür des Blockhauses. »Wer sind die?« fragte Jo. »Das sind Spiridons, die versklavt wurden.« »Aber ich kann sie sehen.« »Sie können die Kleider sehen, die sie tragen. Die Daleks haben unseren Leuten befohlen, Kleider zu tragen. Sie müssen jederzeit sichtbar sein.« »Was für ein Zeug ist das, das sie in die Stadt bringen?« »Proben der Vegetation, die auf diesem Planeten wächst. Die Daleks führen Experimente durch – mit Bakterien, die Pflanzen vernichten.« Jo schaute sich die Körbe an. Es waren wirklich riesige Drahtkörbe. Man brauchte zwei Spiridonsklaven, um sie zu transportieren. »Wenn es mir gelingen würde, in einen dieser Körbe zu gelangen, würde ich direkt an den Dalekwachen vorbeigetragen werden.« »Das ist viel zu gefährlich«, zischte Wester. Jo ignorierte ihn. »Wohin haben sie wohl den Doktor gebracht?« »Die Gefangenen werden immer auf den unteren Stockwerken festgehalten. Wahrscheinlich ist er auf Level Sieben.« »Ich werde es jedenfalls versuchen«, sagte Jo. »Kommen Sie, wir müssen sehen, wie wir dort hinüberkommen.« Es erwies sich als überaus einfach, in einen Korb zu klettern. Sie schlichen bis an den Rand des Dschungels und krochen in die Nähe einer Gruppe Spiridonsklaven, die unter der Oberaufsicht eines Dalekwächters arbeiteten. Jo näherte sich den Körben so weit, wie sie es wagte, während Wester 47
geräuschvoll durch den Dschungel stapfte, auf die andere Seite der Lichtung zu. Der Dalekwächter registrierte den Lärm und zog los, um die Ursache herauszufinden. Die Sklaven beobachteten die Wache und begannen sich sofort überaus aufgeregt mit zischenden Stimmen zu unterhalten. Jo schlüpfte unbeobachtet in einen fast vollen Korb und versteckte sich unter der dicken Vegetation. Da der Dalek nichts gefunden hatte, trieb er die Spiridonsklaven wieder an die Arbeit. Schon sehr bald nahmen zwei von ihnen Jos Korb hoch und trugen ihn in die Stadt. Jo lag unter den Pflanzen. Ihr Herz pochte laut. Sie hoffte nur, daß sie ebenso leicht aus der Stadt der Daleks kommen würde, wie sie hineingekommen war. Taron und die anderen Thals standen zitternd mitten in einer seltsamen, vereisten Landschaft. Sie waren über eine Reihe von niedrigen, steinigen Hügeln geklettert. Die kleinen Berge waren mit klaffenden Öffnungen übersät, die eher großen Höhlen glichen. Taron führte sie direkt an den Rand eines dieser finster aussehenden Löcher. Eis und Schnee bedeckten den Kraterrand. Rebec zerrieb ein Stück Eis zwischen ihren Fingern. »Dieses Zeug hier ist irgendwie seltsam – obwohl es extrem kalt ist, ist es doch weich…« Taron nickte. »Codal nannte es ein Allotrop Eis, das eine andere Zusammensetzung hat als jenes, das wir kennen. Er sagt, der Kern dieses Planeten bestehe aus einer festen Masse, die aus diesem Zeug besteht. Hin und wieder erhöht sich der Druck, und dann dringt das Eis aus diesen Löchern.« Marat spähte in das Loch. »Eine Art kalter Vulkan?« »So ist es. Codal nennt sie ›Eiskan‹.« »Sehr interessant, Taron«, sagte Marat. »Und jetzt erzähl uns, warum du uns hierhergebracht hast und warum du Vaber und Latep zurückgeschickt hast, um den Sprengstoff zu holen.« 48
»Gleich nachdem wir auf diesem Planeten gelandet sind, habe ich eine komplette Untersuchung des Gebiets angeordnet, das die Dalekstadt umgibt. Ich habe einen Plan ausgearbeitet, um sie zu zerstören. Aber dann ging alles schief. Zuerst haben wir drei Männer in einem Hinterhalt verloren, dann wurde Codal gefangengenommen. Also waren nur noch Vaber und ich übrig. Da mein Plan mit zwei Leuten nicht funktionieren konnte, habe ich ihn aufgegeben und angefangen, einen anderen auszubrüten. Jetzt, da ihr hier seid, können wir wieder auf die ursprüngliche Idee zurückgreifen.« Taron atmete nach der für ihn ungewöhnlich langen Rede tief durch. Dann fuhr er fort: »Als die Daleks ihre unterirdische Stadt errichteten, benutzten sie diesen Eiskan als Kühlsystem. Anscheinend brauchen sie sehr niedrige Temperaturen für ihre Experimente.« »Ich frage mich nur, warum«, sagte Rebec nachdenklich. »Unsichtbarkeit ist ein Problem, das mit Lichtwellen zusammenhängt, nicht mit der Temperatur.« Taron ignorierte ihre Unterbrechung. »Die Daleks bohrten Schächte nach draußen, die auf die natürlichen Spalten treffen. Wenn wir nun in einen dieser Eiskane hinunterklettern und uns bis zu den Dalekschächten vorarbeiten, haben wir vielleicht die Möglichkeit, ungesehen zum Mittelpunkt ihrer Stadt zu gelangen. Dort können wir die Sprengstoffladungen an strategisch wichtigen Punkten deponieren und den ganzen Ort in die Luft jagen.« Rebec schaute in das dunkle, vereiste Loch hinunter und zitterte. »Und wenn dieser Eiskan ausbricht, während wir dort unten sind?« Taron erwiderte nichts. Seine Antwort war klar. Marat warf einen Blick auf den eisigen Abhang. »Vaber und Latep kommen«, rief er. Die beiden Thals rutschten und glitten auf dem vereisten Stein immer wieder ab. Doch schließlich hatten sie es bis zu 49
ihren Freunden geschafft. Vaber trug ein Plastikbündel. Er packte die Bomben aus und verteilte sie. Die Thals steckten sie in ihre Rucksäcke. Vaber wirkte aufmerksam und eifrig, sein übliches Schmollen war durch die Aussicht auf Aktion wie weggewischt. »Ich habe den restlichen Sprengstoff an einem anderen Ort versteckt, so wie du es angeordnet hast, Taron«, sagte er. »Ich habe die Stelle auf dieser Karte hier markiert.« Er zeigte Taron ein zerknittertes Stück Papier. »Das X kennzeichnet die Stelle.« Taron nahm das Papier und studierte es. »Ich kenne den Platz. Hier, Marat, du nimmst das hier – nur für alle Fälle.« Er wandte sich den anderen zu. »Es ist besser, wenn wir bald anfangen. Die Tatsache, daß sich in dieser Stadt eine Dalekarmee befindet, macht deren Zerstörung zu einer Angelegenheit von allerhöchster Wichtigkeit. Vaber, du und Latep, ihr nehmt eure Bomben und sucht eine Öffnung, die näher am Haupteingang der Stadt liegt. Sprengt den Hauptliftschacht, dann wird der ganze Ort begraben sein. Wir anderen werden von dieser Seite aus angreifen.« Taron zog eine Rolle dünner Plastikschnur aus seinem Rucksack und warf sie über die Schulter. Er berührte einen Schalter, der an seinem Gürtel angebracht war. »Schaltet eure Wärmeaggregate ein, denn dort unten wird es ganz schön kalt.« Als Taron dicht vor dem Rand der Öffnung stand, warf er einen Blick auf die Versammlung. Sein Blick verweilte einen kurzen Augenblick bei Rebec. Dann schwang er ein Bein über den Rand, und Vaber trat zu ihm, um ihm zu helfen. »Taron«, flüsterte er, »es tut mir leid das, was passiert ist.« »Vergiß es.« Taron kletterte über den Rand und verschwand langsam in der Dunkelheit. Vaber und Latep halfen Rebec und Marat, die ihm nach unten folgten. Dann drehten sie sich um und rannten weg, um eine Öffnung zu suchen, die es ihnen ermöglichte, ebenfalls in die Stadt der Daleks einzudringen.
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Der Doktor beendete seine Arbeiten. Er hatte den Recorder wieder zusammengesetzt und die Einzelteile haargenau in die Schachtel zurückgelegt. Er schaute zu Codal auf. »Nun, besser kann ich es nicht. Das einzige, was wir jetzt noch brauchen, ist ein Dalek, an dem wir ihn ausprobieren können.« Codal sagte nervös: »Ich glaube, Ihr Wunsch wird gleich in Erfüllung gehen. Ich kann den Lift hören.« Ein paar Minuten später ging die Tür auf, und ein Dalek trat in die Zelle. Codal und der Doktor saßen wie die Unschuldslämmer in der Ecke. Die Hände des Doktors waren hinter seinem Rücken versteckt. »Die Gefangenen sollen sich erheben«, befahl der Dalek. Langsam und steif standen sie auf. »Sie werden zum Verhör gebracht. Bewegung!« Der Dalek stand einfach da und wartete in der Tür. Der Doktor und Codal traten vor. Als sie nah genug waren, rief der Doktor: »Jetzt.« Codal sprang auf den Dalek zu und rammte ihn gegen die Wand. Die Schulter drückte er gegen das Metallgehäuse. Er packte die Waffe des Daleks und drückte sie nach oben. Im gleichen Augenblick sprang der Doktor hinter den Dalek und preßte den umgebauten Recorder an sein Kopfteil. Der Dalek kämpfte wild gegen Codals Griff an. Er war außerordentlich stark, und Codal wußte, daß er ihn nicht lange festhalten konnte. »Sofortige Aufgabe, oder Sie werden exterminiert«, knarrte die rauhe Stimme. Kaum eine Sekunde später veränderte sich die Stimmlage. Das Kreischen wurde höher und nahm einen hysterischen Unterton an. »Aufgabe, Aufgabe… ich höre die Kontrollzentrale nicht mehr, ich höre die Kontrollzentrale nicht mehr…« Die Worte überschlugen sich plötzlich. Dann war nur noch ein gequälter elektronischer Schrei zu hören. Der Dalek befreite sich aus Codals Griff und schleuderte durch die Zelle. Er krachte von einer Wand zur anderen und prallte wieder ab, wie eine Wespe, die in einer 51
Flasche in der Falle sitzt. Codal und der Doktor sprangen verzweifelt in dem engen Raum umher, damit sie nicht von dem rasenden Dalek zerquetscht wurden. Der Recorder wurde dem Doktor aus der Hand geschlagen. Schließlich jagte der Dalek direkt auf eine Wand zu, krachte dagegen, drehte sich um die eigene Achse und war still. Codal schnappte hektisch nach Luft und schaute den Doktor an. »Das ist eine kleine, aber sehr effektive Maschine.« »Leider nicht mehr«, antwortete der Doktor traurig. Er hob den kaputten Recorder vom Boden auf. In dem Durcheinander war der Doktor auf ihn getreten und der Dalek über ihn weggerannt. Es klimperte, als der Doktor ihn schüttelte. »Und trotzdem, er hat seinen Zweck erfüllt.« Er warf einen Blick auf den unbeweglichen Dalek. »So sehr ich Gewalt auch verabscheue, das hier habe ich ehrlich gestanden genossen.« Er ging zur Tür, die immer noch offenstand. »Kommen Sie, Codal. Wir können jetzt aus dieser Zelle gehen – aber es ist noch ein langer Weg zur Freiheit.« Der Korb wurde unsanft abgestellt, und Jo spähte vorsichtig hinaus. Sie befand sich in einem langen, breiten Korridor. In Pelz gekleidete Spiridonsklaven leerten den Inhalt der Körbe in metallene Tonnen und schoben diese in einen Raum, der wie ein riesiges Labor aussah. Wieder andere trugen die Körbe weg. Es war offensichtlich, daß es für Jo nicht gut war, in dem Korb zu bleiben, bis er ausgeleert wurde. Sie schlüpfte aus dem Korb, vergewisserte sich, daß der Haufen zwischen ihr und den Spiridons lag, und rannte auf und davon. Natürlich durfte sie nicht einfach so herumlaufen – sonst würden die Daleks oder Spiridons sie zweifellos entdecken. Jo entschloß sich, ein Versteck zu suchen, in dem sie sich über ihren nächsten Schritt klarwerden konnte. Mit Vorsicht kroch sie durch die nächste Tür in den Korridor.
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Sie gelangte auf ein weiträumiges Gelände, das von riesigen Steinwänden begrenzt war und auf dem verschiedene wissenschaftliche Geräte herumstanden, die den Daleks gehörten. Jo ging davon aus, daß es sich hier um den Kontrollbereich handelte. Hinter einer Glaswand, die den Raum teilte, schritten die Daleks auf und ab und gingen ihren geheimnisvollen Aufgaben nach. Glücklicherweise waren sie alle ein gutes Stück weit entfernt und standen mit den Rücken zu ihr. Jo schaute sich nach einem Versteck um. Wie der größte Teil der unterirdischen Dalekstädte war anscheinend auch dieser Raum aus dem Fels gemeißelt, und die Wände waren nicht ganz gerade. Riesige, glänzende Betriebspulte waren an den Steinwänden aufgereiht, aber sie paßten nicht richtig in die Nischen. Und hinter einem dieser Pulte entdeckte sie einen Spalt, so wie der zwischen einem Sofa und einer Wand, in den sich eine zierliche Person gut hineinquetschen konnte. Jo, die sich nicht zum ersten Mal über ihre Größe freute, schlich hinter die Konsole und schob sich langsam in den Spalt, bis sie überhaupt nicht mehr zu sehen war. Aber plötzlich schlug ganz in der Nähe ihres Verstecks eine Klingel an. Zwei Daleks kamen herübergelaufen, und Jo konnte hören, wie sie sich auf der anderen Seite der Instrumentenbank unterhielten. »Sensoren registrieren Eiseruption, die jeden Augenblick einsetzen wird.« »Vorbereiten auf Schließung aller Kühlröhren. Schließung aktivieren, wenn Warnzeiger rotes Feld erreicht.« »Ich gehorche.« Einer der Daleks kehrte zu seinem Platz auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes zurück. Aber der andere blieb, wo er war. Offensichtlich behielt er die Anzeige im Auge. In seiner momentanen Position mußte er Jo einfach entdecken, wenn sie versuchen würde zu entkommen. Aus ihrem Versteck war eine Falle geworden. 53
Die Meldung einer Eiseruption, die für Jo vollkommen bedeutungslos war, stellte für Taron und seine Gruppe eine tödliche Bedrohung dar. Sie mühten sich den Eisspalt hinunter, der mittlerweile breiter und ein richtiger Tunnel geworden war. Sie hofften, daß er sie in die Stadt der Daleks bringen würde. Plötzlich kam ein Wind, der von einem leisen Donnern begleitet wurde. Die Thals kämpften gegen den Wind an, so gut sie es vermochten. Schließlich kamen sie an eine Stelle, wo sich der Tunnel verzweigte. Sie hielten an. Alle Augen lagen auf Taron. Der Wind war so laut, daß eine Unterhaltung nicht mehr möglich war, aber Taron machte eine Geste, die sie veranlaßte zu warten. Er rannte den rechten Tunnel ein Stück weit hinunter und blieb dann entsetzt stehen. Eine Wand aus Eis blockierte den Tunnel und sie kam auf ihn zu. Taron drehte sich um und rannte zur Gabelung zurück. Er gab seiner kleinen Gruppe ein Zeichen, daß sie den linken Weg hinunterlaufen sollten. Rebec schüttelte den Kopf und zeigte auf den Weg, den sie gekommen waren. Offensichtlich wollte sie vorschlagen, daß sie aufgeben und zurückgehen sollten. Aber gerade als sie mit dem Finger auf den Pfad deutete, brach die Tunnelwand auf, und Eis quoll herein. Ihr Rückweg war blockiert. Es blieb nur noch ein Weg übrig. Sie rannten den linken Tunnel hinunter, der sich hinter ihnen unerbittlich mit Eis füllte. Der Doktor und Codal hatten beinahe den Lift erreicht, als ein Dalek um die Ecke bog. Glücklicherweise war er ebenso überrascht wie sie. Sie drehten sich schleunigst um und rannten davon. Bis der Dalek das Feuer eröffnete, waren sie bereits hinter der nächsten Ecke verschwunden. Aufgeregt schwenkte der Dalek die Taschenlampe hin und her und begann zu schreien. »Alarm! Alarm! Alarm!«
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In dem Kontrollraum, wo Jo sich versteckt hatte, wurde die Nachricht entgegengenommen. Wieder hörte sie Dalekstimmen. »Level Sieben meldet, daß Gefangene entkommen sind.« »Alarm auf maximale Stufen erhöhen. Normale Operationen werden unterbrochen, bis die Flüchtigen wieder gefangengenommen, worden sind.« »Ich gehorche.« Einen Augenblick herrschte Ruhe. Dann hörte Jo eine andere Stimme, die über eine Lautsprecheranlage sprach. »Alle Daleks sollen sich umgehend auf den unteren Stockwerken melden. Suche mit maximaler Intensität soll sofort beginnen. Gefangene lokalisieren und vernichten. Lokalisieren und vernichten!« Jo, die immer noch in ihrem Versteck war, hörte den Dalekstimmen entsetzt zu. Sie war sich sicher, daß der Doktor einer der entkommenen Gefangenen war. Sie konnte darauf vertrauen, daß er auch ohne ihre Hilfe entkam. Jo wollte unverzüglich in die unteren Stockwerke, um ihn zu suchen, aber das konnte sie nicht – nicht solange der Dalek vor ihrem Pult an seinem Standort verweilte. Ironischerweise hatten sich die Positionen verändert. Irgendwo in der Stadt der Daleks war der Doktor jetzt frei – aber dafür war Jo eine Gefangene der Daleks geworden.
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Gefahr auf Level Null Codal und der Doktor rasten verzweifelt die vielen Korridore entlang. Immer wieder bogen sie in letzter Sekunde um eine Ecke, denn überall tauchten plötzlich Daleks auf. Dennoch rannte der Doktor nicht vollkommen planlos herum. Er führte Codal um die drei hinteren Ecken des Lifts, den sie ursprünglich hatten erreichen wollen. Schließlich kam die Lifttür in Sicht, die einladend offenstand. Der Doktor und Codal stürmten hinein und in diesem Augenblick tauchte ein Dalek im Liftkorridor auf. Der Doktor schlug wild auf die Liftbedienung ein. Der erstaunte Dalek brauchte einen Moment lang, bis er ihre Anwesenheit registrierte. Als er seine Waffe hob und feuern wollte, schlossen sich die Lifttüren bereits. Sie trafen genau in dem Moment aufeinander, als der Dalek schoß; die Ladung seiner Waffe versengte die Metalltüren. Im Lift hämmerte der Doktor auf die Hochtaste. Nichts passierte. »Sie müssen den Hauptkontrollmechanismus manipuliert haben«, sagte er. »Nun, was nicht hochgeht, muß hinuntergehen.« Er berührte die Untentaste, und der Lift begann langsam und sanft nach unten zu gleiten. Der Doktor fuhr einige Stockwerke nach unten, hielt den Lift dann an und öffnete die Türen. Sie glitten zurück und brachten einen wartenden Dalek zum Vorschein. Er konnte gerade einmal abfeuern, dann hatte der Doktor die Türen wieder geschlossen. Die beiden Flüchtlinge fuhren nach oben. Codal warf einen Blick auf die versengte Stelle auf der Liftrückwand. »Sie wollen uns zwingen, daß wir in die unteren Stockwerke fahren, Doktor. Dort werden sie dann auf uns warten!«
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Der Doktor rieb sich am Kinn. »Nun, wenn wir in den Keller müssen, dann versuchen wir eben, vor ihnen dort zu sein.« Er riß die Verschalung der Bedienungstastatur herunter und machte sich mit seinem Schallschraubenzieher an die Arbeit. »Festhalten, Codal, wir jagen jetzt zum Level Null – ohne Zwischenstopp!« Er berührte einen Schalter. Ein Funkenregen ergoß sich in die Kabine, und der Lift fiel wie ein schwerer Stein nach unten. Codal sank auf den Boden, legte die Hände schützend auf die Ohren, die unter dem schnell zunehmenden Druck zu bersten drohten. Der Lift kam ruckartig zum Stehen, und der Doktor öffnete die Tür. Sie sahen einen düsteren, sparsam erleuchteten Raum vor sich. Korridore, deren Wände aus Stein waren, zweigten in alle Richtungen ab. Der gesamte Bereich wirkte primitiv und funktional und weniger ausgearbeitet als die oberen Stockwerke. Der Doktor nahm an, daß hier die eigentlichen Wartungsmaschinen der Dalekstadt untergebracht waren. Mehr oder weniger wahllos ging der Doktor einen Korridor hinunter. Das Allerwichtigste war, so schnell wie möglich ein sicheres Versteck zu finden. Danach mußten sie sich etwas Neues einfallen lassen. Er hatte einen Korridor gewählt, der düster und ausgestorben zu sein schien und von dem er hoffte, daß er sie aus dem Zentrum wegführte. Der Doktor konnte natürlich nicht wissen, daß der Korridor an dem äußeren Stadtrand entlang verlief und so leer war, weil man ihn evakuiert hatte. Er gehörte zu jenem Teilbereich, der am stärksten von den Eruptionen des Eiskans betroffen war. An den Wänden waren in regelmäßigen Abständen Metallgitter angebracht, die von schweren metallenen Fensterläden flankiert waren. Im Moment waren die Metalläden geöffnet. Ein Schwall eiskalter Luft strömte durch die Gitter. Der Doktor zitterte. Er fragte sich, warum die Daleks diesen Bereich so stark kühlen mußten. 57
Gerade als sie an einem weiteren Gitter vorbeikamen, hörte er ein quietschendes, donnerndes Geräusch. Es schien näher zu kommen. Auch Taron, Rebec und Marat konnten dieses Donnern gut hören. Sie krochen durch einen sich schnell verjüngenden Eisspalt. Die Eiswand verfolgte sie immer noch. Es war außerordentlich schwierig, sich in dem engen und rutschigen Raum schnell vorwärts zu bewegen, und Taron hatte das scheußliche Gefühl, daß der Abstand zwischen ihnen und dem Eis geringer wurde. Trotz des ununterbrochenen Donnerns des Eises hörte er, wie Rebec schrie: »Seht mal, da oben. Das ist ein Schacht…« Links oben, über ihren Köpfen, war ein quaderförmiger Schacht zu sehen, der ganz offensichtlich von den Daleks gegraben worden war. Er zweigte rechtwinklig von dem natürlich entstandenen Spalt ab. Sie erreichten ihn gerade noch rechtzeitig. Die Eiswand flutete mit unerwarteter Geschwindigkeit auf sie zu und berührte schon fast ihre Absätze, als sie in den Schacht flohen. Sie befanden sich jetzt in einem kleinen, quadratischen Tunnel, der an einem schweren Metallgitter endete. Taron spähte hindurch. Auf der anderen Seite war ein schwach beleuchteter Korridor, dessen Wände aus Stein waren und jemand rannte diesen Flur hinunter. Taron spähte erstaunt durch das Gitter, als zwei Gestalten näher kamen. »Doktor! Codal«, rief er. Der Doktor war ebenso erstaunt, als er Tarons Stimme aus dem Nichts vernahm. Augenblicklich rannte er zu dem Gitter hinüber. Er konnte Taron, der auf der anderen Seite kauerte, kaum ausmachen. »Ich denke nicht, daß das der geeignete Augenblick ist, um Sie zu fragen, wie Sie hier hereingekommen sind«, sagte er sanft. »Es würde mich aber dennoch interessieren…« 58
»Doktor, helfen Sie mir, das Gitter zu entfernen«, unterbrach ihn Taron. »Wir sitzen in diesem Schacht in der Falle, und das Eis kommt immer näher.« Im Kontrollraum der Daleks, der sich in einem der oberen Stockwerke befand, sah der Dalek, der den Eismonitor beobachtete, wie der Zeiger in den Gefahrenbereich kroch. Jo, die immer noch in ihrem Versteck saß, hörte ihn sagen: »Eiseruption gefährdet äußere Korridore. Schließvorrichtungen der Kühlungsschächte werden jetzt geschlossen.« Der Dalek betätigte einen Schalter. Der Doktor und Codal zerrten an einer Seite, und Taron und Marat drückten auf der anderen, und so hatte das Gitter nicht die geringste Chance; quietschend gab das Metall nach. Der Doktor warf das Gitter gerade noch in dem Moment auf die Seite, als sich die schweren, elektrisch betriebenen Läden langsam zuschoben. Der Doktor und Codal reagierten gleichzeitig. Jeder von ihnen packte eine Metallplatte. Beide kämpften damit, sie zurückzuhalten. Taron zwängte sich der Länge nach zwischen die sich schließenden Platten. Er preßte die Schuhe gegen die eine Seite, den Rücken gegen die andere. Inzwischen war der Kühlungsschacht beinahe voller Eis, und Marat spürte, wie die klamme Masse sich an ihn drückte. »Beeilt euch!« kreischte er. »Es wird uns zerquetschen!« Trotz der Anstrengung der drei Männer wurde Tarons Körper langsam durch den Druck der beiden Schließvorrichtungen zusammengepreßt. Rebec kletterte schnell über ihn hinweg. Dann folgte Marat. Codal und der Doktor zerrten ein letztes Mal mit aller Kraft, der Doktor schrie: »Jetzt, Taron!«, und Taron rollte sich in den Korridor ab. Codal und der Doktor ließen dankbar die Türen los, und die Vorrichtungen schlossen sich mit lautem Tosen. In der Mitte 59
blieb ein schmaler Schlitz, aus dem ein bißchen Eis hervorschaute. Der Doktor half Taron auf die Füße. Sie begrüßten sich alle gleichzeitig und gaben Erklärungen zum besten. Plötzlich schrie Codal: »Daleks! Rennt los, alle!« Im Korridor waren zwei Daleks aufgetaucht. Der Doktor rannte los und führte seine Gruppe in die andere Richtung. Sie rannten und schlingerten hin und her, um den Dalekwaffen keine Möglichkeit zum Zielen zu geben. Die Daleks nahmen sofort die Verfolgung auf. Doch als sie an dem Schacht vorbeikamen, durch den Taron und die anderen entkommen waren, wurde in diesem Moment die Schließvorrichtung nach innen gedrückt. Ein Eisschwall ergoß sich in den Korridor und begrub die Daleks unter sich. Der Doktor machte eine Pause und warf einen Blick über seine Schulter. »Nun, wir hatten ja ein bißchen Glück«, sagte er heiter. »Sehen wir zu, daß wir von hier verschwinden.« Die Nachrichten vom neuerlichen Auftauchen des Doktors wurden wieder zum Kontrollraum der Daleks weitergeleitet. »Gefangene wurden auf Level Null getrieben. Alle Aufstiegsmöglichkeiten sind verschlossen. Alle Einheiten begeben sich umgehend zum Level Null.« Die Daleks strömten aus dem Raum, lediglich jener, der in Jos Nähe stand, blieb auf seinem Platz. Sie saß immer noch in der Falle. Der Doktor und seine Freunde legten eine ganz beachtliche Strecke zurück, bevor sie auf die nächste Dalekpatrouille trafen. Das Eis riegelte den Korridor hinter ihnen ab, aber mittlerweile strömten Daleks aus den oberen Stockwerken nach unten. Es war nicht zu vermeiden, daß die Gefangenen schließlich entdeckt wurden. Sie kamen um eine Ecke und erblickten ein halbes Dutzend Daleks, das in einem Hinterhalt auf sie wartete. 60
Sie wirbelten herum, rannten voller Verzweiflung den nächsten Seitengang hinunter, danach einen weiteren und stellten dann fest, daß sie in der Falle saßen. Dieser Korridor endete vor zwei massiven Metalltüren. Genau daneben zeigte sich noch eine kleine Tür, die ebenfalls verschlossen war. Der Doktor untersuchte die Bedienungstafel neben den Türen. »Beide verschlossen«, stellte er fest. »Das hier ist irgendein Sicherheitsbereich.« Mit erstaunlicher Geschwindigkeit schraubte er die Bedienungstafel ab. Dann nahm er seinen Schallschraubenzieher zu Hilfe. »Falls es mir gelingen sollte, das Sicherheitssiegel außer Kraft zu setzen…« Die größeren Türen schoben sich unendlich langsam auseinander. Der Spalt öffnete sich, bis er fast so breit war, daß ein Mensch sich durchzwängen konnte. Am entgegengesetzten Ende des Korridors tauchten Daleks auf. Die rauhen Stimmen ertönten. »Ergeben Sie sich sofort, oder Sie werden exterminiert!« Marat, der hinter den anderen stand, warf einen nervösen Blick auf die sich langsam öffnenden Türen. Dann schaute er zu den herannahenden Daleks zurück. Fünf Leute mußten durch diese Türen gehen und sie wieder schließen, und das alles, bevor die Daleks nahe genug waren, um zu schießen. Die Zeit reichte nicht aus. Marat schrie, bevor ihn jemand aufhalten konnte: »Macht, daß ihr hineinkommt, ihr alle!« Und noch während er seinen Blaster zog, rannte er schon auf die Daleks zu. Die Daleks blieben stehen, als ob sie nicht fassen könnten, daß sich jemand so töricht verhielt. Marat hatte nur Zeit für einen einzigen Schuß. Ein Dalek wirbelte im Feuer seiner Strahlenpistole herum. Die anderen Daleks schossen sofort zurück. Marats rauchender Körper wurde durch den Korridor geschleudert. Mittlerweile waren Rebec, Codal und Taron durch den Spalt geschlüpft. Der Doktor warf einen gequälten Blick auf Marat, 61
aber er erkannte, daß er ihm nicht mehr helfen konnte, und so verschwand auch er durch die Tür. Auf der anderen Seite machte er sich schnell an der Bedienungstafel zu schaffen, und die schweren Türen glitten langsam zu. Die Türkanten trafen genau in dem Augenblick aufeinander, als die ersten Daleks bei ihnen angekommen waren und das Feuer eröffneten. Der Doktor führte noch ein paar Regulierungen aus. Er sprang nach hinten, dann gab es plötzlich einen Funkenregen und einen Schlag. »Fest verschlossen«, erklärte er zufrieden. »Die werden sie nicht mehr öffnen können, das ist sicher.« Rebec schluchzte in Tarons Armen. Unbeholfen tätschelte er ihren Rücken. »Es gibt nichts, was wir jetzt noch für ihn tun können«, sagte er grimmig. Der Doktor ging zu ihnen hinüber. »O doch, das können wir! Marat hat sich geopfert, damit wir etwas länger Zeit haben. Wir sind es ihm schuldig, daß wir sie sinnvoll nutzen.« Rebec nickte und unterdrückte ihre Tränen. Der Doktor sah sich um. »Ich frage mich nur, wo wir hier gelandet sind.« Sie standen in einer riesigen, runden Kammer, die Steinwände und eine gewölbte Decke hatte. Um sie herum summten und hämmerten schwere Dalekmaschinen. Der Doktor ging hinüber, um sie zu untersuchen. Er betrachtete die vielen Reihen von Anzeigen und Schaltern. »Es ist eine Art Gefrieranlage«, sagte er. »Das hier muß die Kühlkammer sein. Nun, es gibt doch wirklich genug Eis hier. Warum ist es für die Daleks so wichtig, alles noch kälter zu machen? Mit einer Anlage dieser Größe könnte man leicht einen Ozean einfrieren.« »Nun, jedenfalls sind wir hier eine Zeitlang sicher«, sagte Rebec mit zittriger Stimme. »Es gibt keine andere Tür, und wenn die da wirklich verschlossen ist…« »Unterschätzen Sie die Daleks nicht«, warnte der Doktor. »Sie werden sich von einer Kleinigkeit wie einer schweren Metalltür nicht lange aufhalten lassen.« 62
Codal untersuchte die gegenüberliegende Seite des Zimmers, wo eine große, metallene Kappe wie der Abzug eines Kamins aus einer Wand herausragte. »Schaut euch das hier an«, rief er. Sie kamen zu ihm hinübergelaufen. Er stand direkt unter der Kappe und deutete nach oben. Ein riesiger, kreisförmiger ›Kamin‹ mit glänzenden Metallwänden ragte über ihnen auf. Er ging ewig weit hoch, bis er in einem kleinen blauen Punkt endete, der fast nicht mehr zu sehen war. »Eine Art Luftschacht«, sagte der Doktor. »Scheint offensichtlich an die Oberfläche zu gehen!« Taron grunzte. »Nützt uns nichts. Zu breit und zu glatt, als daß man ihn hochklettern könnte.« Der Doktor nickte abwesend. Irgendwo in seinem Kopf glühte der winzige Funke einer Idee. Er kroch unter der Haube hervor und wanderte durch das Zimmer. Anscheinend wurde gerade eine Maschine in der Zimmerecke repariert. Sie war mit einer riesigen transparenten Plastikplane abgedeckt. Der Doktor prüfte sie mit den Fingern. Sie war dünn, schien aber sehr stark zu sein. Er betrachtete die Rollen Plastikseil, die die Thals über ihre Schultern geworfen hatten. Der Doktor fuhr sich mit den Händen durch die Haare, sein Gehirn beschäftigte sich mit Kalkulationen von Gewicht, Hub- und Anziehungskraft. Ein Schrei von Rebec unterbrach ihn. »Doktor, sehen Sie, die Tür!« Ein kleiner, glühender, rauchender Punkt wurde im Metall der Tür sichtbar. Während sie zusahen, begann sich der Punkt nach unten zu bewegen und wurde langsam zu einer Linie… »Sie schneiden die Tür auf«, sagte Taron. Der Doktor warf ihm einen schnellen Blick zu. »Tja, es war ja ziemlich klar, daß sie etwas in der Art unternehmen würden. Man muß ihre Technologie bewundern, nicht wahr?« Taron sah ihn an, als ob er verrückt wäre. »Doktor, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie hier drinnen sind. Was werden wir jetzt tun?« 63
Die Stimme des Doktors klang beinahe verlegen. »Nun, tatsächlich habe ich eine Idee. Aber ich fürchte, sie ist ziemlich bizarr…« Draußen, vor den schweren Metalltüren, schaute der Leiter der Daleksicherheitstruppe zufrieden zu, wie der Schneidbrenner die glühende Linie Stück um Stück verlängerte. Ein anderer Dalek näherte sich ihm. Am Ende seines Saugnapfarms hing ein zerknittertes Blatt Papier. »Der tote Thal hatte dieses Papier bei sich.« Der Leiter las das Papier durch. Es war die Karte, die Vaber Marat gegeben hatte, nachdem er ein neues Versteck für den Sprengstoff gesucht hatte. »Das mag wichtige Informationen enthalten. Schicken Sie es zur Analyse in die Zentralkontrolle.« »Ich gehorche.« In der Kühlkammer zeigte der Doktor den Thals, wie man die Seilenden an den Ecken des riesigen Plastikquadrats befestigte. »Ich wünschte, Sie würden uns erzählen, was das alles soll«, murmelte Taron. »Was machen wir denn eigentlich?« »Nun, auf der Erde nennt man das einen Fallschirm aber das hier ist ein Fallschirm, mit dem man aufsteigt, nicht hinuntergeht. Man könnte sagen, ein Fallschirm-Ballon.« »Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß wir den Kamin hochfliegen werden?« fragte Codal ungläubig. »Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir hinausgelangen können«, erwiderte der Doktor. »In diesem Kamin da gibt es einen kraftvollen Sog nach oben. Wenn wir eine Ladung einfangen können, die groß genug ist dann müssen wir uns nur noch dranhängen.« Taron sagte: »Das ist lächerlich, Doktor. Es wird nie klappen.« »Das muß es aber«, sagte der Doktor. »Sehen Sie doch!«
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Während sie beschäftigt gewesen waren, hatte sich die Linie in der Tür wieder vergrößert. Sie bildete jetzt schon zwei Seiten eines eckigen Bogens. Wenn erst einmal die dritte Seite aufgeschnitten war, dann würde ein riesiges Stück der Tür einfach herausfallen und einen Bogen hinterlassen, durch den die Daleks in die Kammer klettern konnten. Jetzt, da die Knoten fertig waren, hievten die Thals die sperrige Plastikplane durch den Raum und stopften sie in die Öffnung. Sie verschwanden vollkommen unter ihr. Einen Moment später kroch Codal wieder hervor. »Das ist nicht gut, Doktor. Es entsteht eine Tasche, aber der Aufwärtssog ist nicht stark genug.« Der Doktor kratzte sich am Kinn. »Warten Sie, ich werde die Anlage auf die Höchststufe schalten, das wird den Aufwärtssog verstärken.« Der Doktor rannte zur Kühlanlage hinüber und betätigte die Schalter. Taron und die anderen, die unter der Haube standen, spürten, wie der Aufwärtssog zu einem gleichmäßigen Sturm anschwoll. Der Doktor durchquerte den Raum, um sich ihnen anzuschließen, als etwas an der nächsten Wand seine Aufmerksamkeit erregte. Eine kurze Rampe führte auf eine kleine Plattform. In der Wand über der Plattform war ein kleines Fenster mit Läden aus Metall eingelassen. Das Ganze ähnelte einer Aussichtsgalerie. Aber wozu diente diese Aussichtsgalerie? Selbst unter solch gefährlichen Bedingungen wie jetzt war der Doktor nicht in der Lage, sich im Zaum zu halten. Neugier war schon seit jeher seine ausgeprägteste Charaktereigenschaft gewesen. Er eilte die Rampe hoch, zog die Fensterläden zurück und schaute hindurch. Codal rief von der anderen Zimmerseite herüber: »Es funktioniert, Doktor, der Ballon steigt auf.« Der Doktor hörte es kaum. Vollkommen erstaunt starrte er auf eines der eigenwilligsten Szenarien, die er jemals gesehen hatte. Das Fenster ging auf eine riesige, schwach beleuchtete 65
Höhle hinaus. Metallene Gehsteige verliefen entlang der Wände. Die Höhle war so geräumig, daß die Wände, die auf der anderen Seite lagen, im Schatten nicht mehr zu sehen waren, und sie war bis zum letzten Zentimeter ausgefüllt. Sie war vollgepropft mit Daleks. Es waren Tausende von ihnen, Reihe um Reihe, sie standen vollkommen still, eisige Luftschwaden umwehten ihre Körper. Eine ganze Armee von Daleks, still, bewegungslos, wartend… Codal, der erneut schrie, riß den Doktor aus seiner Trance. »Doktor, sie sind beinahe durch. Beeilen Sie sich!« Der Doktor warf einen Blick auf die Metalltüren. Die dritte Seite des Bogens war fast vollendet. Er rannte zu der Haube. Der ›Plastikfallschirm‹ war im Kamin weit aufgestiegen, und die Thals hingen an den Seilen. Taron warf dem Doktor eins zu, und er wickelte es um seine Fäuste, um sich festzuhalten. Die Seile rissen jetzt an seinen Gelenken, aber sie hoben ihn noch nicht ganz hoch. Der Schneidbrenner der Daleks bearbeitete gerade die letzten paar Zentimeter des Bogens. »Es klappt nicht«, schrie Codal. »Der Auftrieb ist nicht stark genug, um unser ganzes Gewicht zu heben.« »Lassen Sie ihm Zeit«, sagte der Doktor und wollte sie beruhigen. »Er wird uns nach oben bringen.« »Es wird nicht klappen«, sagte Rebec verzweifelt. Der Leiter der Sicherheitstruppe der Daleks beobachtete, wie die Schneidemaschine das letzte Bogenstück aufschnitt. Ein Dalek packte das ausgeschnittene Stück mit einer magnetischen Schraubzwinge und zog daran. Das Teilstück wurde herausgehoben, und der Dalek riß es nun ganz heraus. Jetzt hatte die Metalltür einen richtigen Torbogen. »Angriffseinheit vorbereiten«, ordnete der Truppenleiter an. »Maximale Feuerkraft. Alle Gefangenen müssen exterminiert werden.«
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Die Daleks, die ihre Waffen griffbereit hatten, strömten in die Kühlkammer.
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Aufstieg in die Gefahr Die Kühlkammer war leer. Das Erstaunen der Daleks war beinah grotesk. Sie strömten in den Raum und rannten auf der Suche nach den Sträflingen wild hin und her. In der Stimme des Anführers war eine Spur Hysterie zu hören. »Flucht aus dieser Sektion ist unmöglich. Es gibt keine anderen Ausgänge. Die Gefangenen verstecken sich. Ausfindig machen und vernichten. Sie müssen exterminiert werden.« Die Anweisungen klangen logisch, aber es war ganz unmöglich, sie auszuführen. Da es keinen Platz gab, an dem die Gefangenen sich verstecken konnten, war es auch nicht möglich, sie zu suchen. Die Daleks, die mittlerweile vollkommen verwirrt waren, liefen kreuz und quer durch den Raum. Der Doktor und seine Freunde schwebten mittlerweile langsam in dem riesigen Metallkamin nach oben. Die Plastikplane bauschte sich über ihnen wie das Segel einer großen Jacht. Kurz bevor die Türen schließlich nachgegeben hatten, war es ihnen gelungen abzuheben. Nur wenige Sekunden nachdem sie in dem Kamin verschwunden waren, hatten die Daleks den Raum betreten. Als sie erst einmal unterwegs waren, ging der Aufstieg offenbar einfacher vonstatten. Jetzt stiegen sie langsam, aber sicher auf. Ein ganz angenehmes Gefühl, dachte der Doktor. Irgendwann einmal mußte er einen Versuch mit einem Heißluftballon machen. Rebec schaute nach unten. Sie erschauderte und schloß die Augen. »Wie weit sind wir wohl aufgestiegen?« Der Doktor warf einen Blick auf den Röhrenabschnitt, der unter ihnen lag. »Schwer zu sagen. Ich hoffe ja nur, daß wir 68
hoch genug sind, um außer Reichweite zu sein. Früher oder später wird einer von ihnen garantiert auf die Idee kommen, einen Blick nach oben zu werfen.« Genau in dem Moment, als der Doktor sprach, war ein Dalek unter die Haube geglitten. Sein Augenstiel drehte sich zufällig nach oben, dann stieß der Dalek vor Erstaunen einen heiseren Schrei aus. »Gefangene lokalisiert.« Er hob seinen Waffenstock hoch und feuerte. Sie hörten das Dröhnen der Ladung, das im Kamin ein Echo warf, und sie spürten sogar die Hitze des Feuerstoßes, aber sie wurden nicht verletzt. »Ist das eine Erleichterung«, sagte der Doktor. »Es sieht doch so aus, als ob wir außer Reichweite sind!« Er sah, wie Rebec, die an ihrem Seil hing, sich drehte und vor Angst schluchzte. »Schließen Sie auch weiterhin Ihre Augen, meine Liebe, und halten Sie sich fest. Es wird alles gut werden.« Er schaute die beiden anderen an. Taron hing mit finsterer Miene am Seil, aber Codal schaute sich mit leidenschaftlichem, wissenschaftlichem Interesse um, das seine Ängste übertraf. »Wie lange noch, bis wir oben angelangt sind, Doktor?« »Noch eine ganz schöne Weile. Wir steigen von den untersten Stockwerken auf, erinnern Sie sich? Insofern ist es ein langer und langsamer Aufstieg.« Unten in der Kühlkammer erteilte der Dalekanführer neue Befehle, um die Situation wieder in den Griff zu kriegen. »Eine Patrouille soll umgehend an die Oberfläche geschickt werden, zu der Stelle, wo der Schacht endet. Sie müssen in dem Gebiet sein, bevor es den Gefangenen gelingt zu entfliehen. Veranlassen Sie, daß sofort eine Anti-Gravitationsscheibe hierhergeschafft wird.« »Ich gehorche.« Der Zweite Befehlshabende glitt aus dem Raum. Der Anführer trat unter die Haube und drehte seinen Augenstiel nach oben. 69
Die Gefangenen waren jetzt kaum mehr sichtbar; sie waren nur noch langsam aufsteigende Punkte. Aber sie waren noch nicht entkommen. Schon bald würden die Daleks oben am Kamin auf sie warten, und ein anderer Dalek würde ihnen nach oben folgen. Kurzum, sie saßen ohne Fluchtmöglichkeit in der Falle. Jo Grant fragte sich, ob sie dazu verdammt war, sich für den Rest ihres Lebens wie eine Ratte hinter einer Täfelung im Kontrollraum der Daleks zu verstecken. Jetzt war nur ein Dalek an den Kontrollen in ihrem Bereich des Raumes, aber er war ihr immer noch zu nah. Ihr Mut sank, als zwei weitere in den Raum traten und zu ›ihrem‹ Dalek herüberliefen. »Du mußt mit uns kommen. Die Eiseruption ist unter Kontrolle. Wir haben herausgefunden, wo die Thals ihren Sprengstoff versteckt haben. Wir müssen sie suchen und vernichten.« Am Saugnapf des Neuankömmlings hing ein zerknüllter Fetzen Papier. Es handelte sich um die Karte, die man Marats Leiche abgenommen hatte, aber Jo wußte das nicht. »Ich gehorche.« Die drei Daleks verließen den Kontrollraum und endlich war Jos Fluchtweg frei. Nach einer kurzen Überlegung entschloß sie sich, der Patrouille zu folgen. Erstens konnte man davon ausgehen, daß sie sie aus der Stadt führen würde. Und zweitens würde sich vielleicht eine Möglichkeit ergeben, wie sie sie daran hindern konnte, den Sprengstoff der Thals zu finden. Da sie im Augenblick dem Doktor ohnehin nicht helfen konnte, war es das Naheliegendste, wenn sie den Thals zu Hilfe kam. Jo verfolgte die drei Daleks den Korridor hinunter. Sie kamen an dem Laborgelände vorbei. Spiridonsklaven leerten dort immer noch unzählige Körbe mit Vegetation aus. Jo entdeckte einen jener voluminösen Pelzmäntel, die von den Spiridons getragen wurden. Er war über einen Krater geworfen worden. Vermutlich hatte sein unsichtbarer Besitzer ihn allen 70
Anordnungen zum Trotz abgelegt. Jo, die hoffte, daß derjenige nicht in der Nähe war, schnappte den Mantel und zog ihn an. Sie packte einen leeren Korb und ging kühn hinter der Dalekpatrouille her. Der Mantel war viel zu groß, aber das war nur gut so. Er verhüllte ihren Körper von Kopf bis Fuß, und die weiten Ärmel bedeckten ihre Hände. Die Daleks ließen sich anscheinend nicht dadurch stören, daß sie von einem sehr kleinen Spiridon verfolgt wurden. Wahrscheinlich war es unter ihrer Würde, Spiridonsklaven ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Jo ging hinter den Daleks her, die Korridore hinunter, in den Lift, ohne daß sie angehalten und überprüft wurde. Sobald sie weit genug vom Blockhaus entfernt war, vergrößerte sie den Abstand zwischen sich und der Einheit, legte ihre Verkleidung ab und warf den leeren Korb in die Büsche. Sie eilte durch den schützenden Dschungel hinter den Daleks her. Die Daleks führten sie durch den Dschungel, über ein steiniges Hügelgebiet, und dann schließlich in eine Art Steinbruch. Während sie aus der Entfernung ihre Beobachtungen anstellte, spürte sie, wie der Boden unter ihren Füßen vibrierte. Jo konnte sehen, wie die Daleks am Grund des Steinbruchs auf und ab gingen. Über ihnen ragte eine Steinwand auf, die wie ein Gesicht aus Stein aussah. Das Gestein war locker und bröselig. Hin und wieder hagelten Steinbrocken, die von den unterirdischen Vibrationen des Eiskans gelockert worden waren, auf die Patrouille herunter. Schließlich blieb einer der Daleks vor einem großen Felsen stehen. Die anderen traten zu ihm, und zusammen schoben sie den Felsen weg. Sie legten so den Eingang zu einer kleinen Höhle frei. In der Höhlenöffnung lag ein Plastikbündel. Jo kroch so nah heran, daß sie das, was die Daleks sagten, hören konnte. »Sprengstoff ist mit Detonationsmechanismus ausgestattet. Wir werden ihn in die Luft jagen. Mechanismus aktivieren.« Einer der Daleks glitt näher an das 71
Sprengstoffversteck heran und fuhr seinen Saugnapfarm aus. »Alle Mechanismen jetzt eingeschaltet. Die Bomben werden sich selbst in die Luft jagen, wenn wir das Gebiet verlassen haben. Wir werden in die Stadt zurückkehren und bei der Wiedergefangennahme der Sträflinge behilflich sein.« Die drei Daleks drehten sich um und verließen die Stelle hintereinander. Jo wartete, bis sie außer Sichtweite waren, und machte sich dann auf den Weg zu den Bomben. Sie handelte nach dem Prinzip, daß sie gegen alles war, was die Daleks wollten, und mußte deshalb die Bomben ausschalten, falls ihr das möglich war. Vielleicht hätten die Thals oder der Doktor später eine Chance, sie zu holen und sie gegen die Daleks einzusetzen. Die Bomben lagen in der Höhlenöffnung und tickten leise vor sich hin. Es handelte sich um gedrungene, silberne Metallzylinder. Auf jedem war eine kleine Uhr angebracht. Der einzelne Zeiger einer jeden Uhr bewegte sich langsam von der ›Ein-Uhr‹- auf die ›Zwölf-Uhr‹-Position zu. Es war nicht schwer herauszufinden, daß die Bomben in die Luft gehen würden, sobald die Zeiger die Zwölf erreicht hatten. Neben dem Uhrenglas ragte ein Knopf, wie der auf einer Stoppuhr, heraus. Jo wappnete sich, streckte die Hand aus und drückte auf den Knopf. Der Zeiger bewegte sich nicht mehr. Erleichtert seufzte sie, dann schaltete sie die zweite Bombe ab. Sie ignorierte den Dreck und die kleinen Steine, die von oben herunterrollten. Als Jo zu der dritten Bombe hinüberging, regnete es wieder Steine. Unglücklicherweise waren dieses Mal größere Brocken dabei, und einer traf Jo hinter dem Ohr, als sie sich nach vorn, über die dritte Bombe, beugte. Er war nicht allzu groß, nur wenig größer als ein Tennisball, aber der Schlag war fest, so fest, daß sie das Bewußtsein verlor. Sie fiel über die dritte Bombe. Da es ihr nicht geglückt war, die dritte Bombe
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abzuschalten, tickte sie immer noch. Der Zeiger auf ihrer Uhr bewegte sich langsam, aber stetig auf den Detonationspunkt zu. Der Doktor und die Thals, die von dem Fallschirmballon baumelten, waren jetzt kurz unterhalb der Spitze des riesigen Kamins angelangt. Der runde Ausschnitt des blauen Himmels wurde größer und kam näher, und sie fingen an zu hoffen, daß sie sie tatsächlich erreichen könnten. Dem Doktor ging es anscheinend gut. »Sie müssen doch zugeben«, sagte er schwatzhaft, »das ist wirklich eine ziemlich aufregende Reise.« Rebec, deren Augen immer noch fest geschlossen waren, antwortete ihm durch zusammengebissene Zähne: »Ich möchte nur ein einziges Mal in meinem Leben wieder den Boden verlassen – in einer Rakete, die mich von diesem Planeten wegbringt.« »Machen Sie sich jetzt keine Sorgen«, sagte der Doktor beruhigend. »Solange Sie sich festhalten, wird Ihnen nichts passieren.« Über dem Kopf des Doktors, an der Stelle, wo sein Seil an der Plastikplane befestigt war, war ein winziger Riß aufgetaucht. Langsam, äußerst langsam wurde er größer. Sehr viel weiter unten, in der Kühlkammer am Fuße des Kamins, brachte eine Dalekeinheit eine flache Metallscheibe unter der Haube in die richtige Position. Sie war ungefähr dreißig Zentimeter dick und gerade groß genug, daß ein Dalek in deren Mitte stehen konnte. Der Führer der Einheit glitt eine kleine Rampe hoch und nahm seine Position auf der Scheibe ein. Ein Dalekwissenschaftler meldete: »AntiGravitationsscheibe jetzt in Position. Energiezufuhr jeden Moment auf voller Startkapazität.« In dem Augenblick, als er sprach, drang ein Motorengeräusch aus der Scheibe. Es baute sich zu einem 73
hämmernden Crescendo auf und verstummte dann. Der Führer der Einheit befahl: »Für Start bereithalten!« Wieder begann der Motor zu surren, und dieses Mal erstarb das Hämmern nicht mehr. »Abheben!« Die Anti-Gravitationsscheibe stieg langsam in die Luft und trug den Dalek den langen Kamin hinauf, damit er die Flüchtlinge verfolgen konnte. In der Zwischenzeit marschierte eine Dalekpatrouille durch den Dschungel, um die Gefangenen oben am Schacht abzufangen. Ein Bericht aus der Zentralkontrolle hatte sie darüber informiert, daß die Gefangenen immer noch im Kamin waren. Deshalb waren die Daleks sich auch sicher, daß sie rechtzeitig eintreffen würden, um sie beim Ausstieg zu exterminieren. Ihr Weg führte sie in ein felsiges Gebiet. Hügel ragten aus dem Dschungel. Sie benutzten einen Pfad, der durch eine Art Steinbruch führte, als ihr Anführer etwas Verdächtiges auf einem Steinabhang vor ihnen entdeckte. Eine zierliche Gestalt lag auf ein paar silbernen Objekten. Der Anführer der Patrouille blieb stehen. »Wir haben einen Thalsaboteur entdeckt, außerdem noch versteckten Sprengstoff. Der Thal muß gefangengenommen und verhört werden.« Langsam glitten sie auf dem Pfad zur Höhle hinunter. Jo Grant kam gerade wieder zu Bewußtsein. Benommen kniete sie sich hin, stützte sich mit den Händen ab und schüttelte ihren Kopf, damit er wieder klar wurde. Plötzlich erkannte sie die doppelte Gefahr. Der Uhrzeiger der dritten Bombe hatte den Detonationspunkt fast erreicht. Und mehrere Daleks näherten sich ihr auf dem Pfad. Jo packte die beiden abgeschalteten Bomben und kroch den felsigen Abhang hinauf. Die Daleks beschleunigten ihr Tempo. »Halt! Halten Sie an und ergeben Sie sich, sonst werden Sie exterminiert!« 74
Jo beachtete den Befehl nicht und taumelte weiter. Die Daleks verfolgten sie. Sie waren sich sicher, daß sie sie mit ihren Blastern aufhalten konnten, wenn sie erst nah genug waren. Gerade als die Dalekpatrouille vor der kleinen Höhle angekommen war, explodierte die dritte Bombe. Es gab eine ohrenbetäubende Explosion, und eine riesige Lawine aus Erde und Steinen prasselte nach unten. Jo warf sich auf den Boden. Sie hatte die beiden Bomben immer noch fest im Griff. Erde und Steine rumpelten an ihr vorbei, aber dieses Mal hatte sie mehr Glück und überstand den Vorfall unverletzt. Als das Geräusch erstarb, schaute sie auf. Dort, wo die Daleks gestanden hatten, war jetzt ein riesiger Schutthaufen, der sie vollkommen begrub. Mit einer Bombe unter jedem Arm stolperte Jo in den schützenden Dschungel. Der Fallschirmballon hatte die Kaminspitze jetzt beinah erreicht. Der Doktor spähte nach oben. »Der Kamin wird kurz vor dem Ende enger, und an den Seitenwänden sind Speichen. Es ist möglich, daß der Fallschirm hängenbleibt, aber wir sollten doch in der Lage sein hochzuklettern. Bereiten Sie sich darauf vor, daß wir uns am Kamin festhalten müssen.« Taron schaute prüfend nach unten. »Da kommt irgendetwas hinter uns her!« Der Doktor warf einen Blick nach unten und sah einen winzigen Fleck. Es handelte sich um die AntiGravitationsscheibe, die sich langsam, aber stetig im Kamin nach oben bewegte. »Das ist schon in Ordnung«, rief er. »Das steigt nicht schneller auf, als es bei uns der Fall war und wir hatten einen großartigen Start. Wir werden oben sein, bevor es in Reichweite ist.« Plötzlich hörte er Rebecs Schrei. »Sehen Sie, Doktor, der Fallschirm! Er reißt!«
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Aus dem kleinen Riß neben dem Seil des Doktors war ein großer Spalt geworden, der sich rasend schnell auf der Plastikplane ausbreitete. »Das ganze Ding geht zum Teufel«, brüllte er. »Springen Sie auf die Seitenwände wir werden klettern müssen.« Rebec, Codal und Taron sprangen einer nach dem anderen auf die Metallsprossen, die sie wie eine Leiter zum Hochklettern benutzten. Sie kletterten weiter und immer weiter hoch. Ihre Arme und Beine schmerzten, denn der Weg schien unendlich lang zu sein. Zuletzt kletterten sie einer nach dem anderen über eine niedrige Steinbrüstung, die die Kaminöffnung einfaßte. Dann waren sie im Freien. Taron war der letzte, der hinauskletterte. Er beugte sich über die Brüstung und schaute in den Kamin hinunter. »Der Doktor ist immer noch da drinnen!« brüllte er. Der Doktor, der als letzter von dem trudelnden Ballon abgesprungen war, hatte nur die unterste Sprosse der Speichenleiter erwischen können. Da seine Füße keinen Halt hatten, damit er hochklettern konnte, hielt er sich mit beiden Händen daran fest und baumelte in der Luft. Weiter unten im Kamin driftete die verknautschte Plastikmasse, deren Auftrieb gebende Lufttasche nicht mehr existierte, langsam nach unten. Noch weiter unten bewegte sich die AntiGravitationsscheibe, deren Dalekpassagier mittlerweile deutlich sichtbar war, auf den hilflosen Doktor zu.
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Der Feind im Zentrum Flink wickelte Taron das lange Plastikseil von seiner Schulter ab und ließ es langsam in den Schacht hinunter. Es war fast lang genug, aber eben nur fast. Das Seilende baumelte knapp dreißig Zentimeter oberhalb der Hand des Doktors. Besorgt warf er einen Blick nach unten. Der Dalek, der auf der AntiGravitationsscheibe stand, stieg unablässig höher. Schon sehr bald war er nah genug, um zu schießen. Es sah so aus, als ob sich die fallende Plastikplane über ihn werfen würde, aber der Dalek löste das Hindernis mit seinem Blaster in brennende Einzelteile auf. Oben, am Schachtende, rief Taron: »Er kommt nicht heran. Rebec, Codal, haltet mich an den Beinen fest.« Er beugte sich mit seinem Oberkörper in den Schacht hinunter und streckte sich, um das Seil in die Reichweite des Doktors zu manövrieren. Taron lehnte sich gefährlich weit nach unten, der Doktor löste eine Hand vom Seil, streckte sie aus und das Seilende strich über seine Fingerspitzen. Der Dalekverfolger war jetzt schon sehr nah herangekommen. Die Retter unternahmen eine letzte Anstrengung. Taron hing jetzt mit ganzer Länge im Schacht. Codal und Rebec sicherten ihn nur, indem sie seine Knöchel fest umklammerten. Der Doktor holte verzweifelt aus, und endlich gelang es ihm, mit der linken Hand das Seilende zu erwischen. Genau in dem Moment rutschte seine linke Hand von der glatten Metallsprosse ab. Er baumelte, drehte sich in der Luft und umklammerte das Seil mit einer Hand. Rebec und Codal packten Tarons Beine und halfen ihm dabei, sich dem Gewicht des Doktors, der am Seil hing, zu widersetzen. In der Zwischenzeit hatte der Doktor auch die zweite Hand am Seil, und langsam legte er eine Hand über die 77
andere. Die drei Thals bemühten sich derweil, ihn nach oben zu ziehen. Taron fiel über die Brüstung, und dann schoß der Doktor aus dem Kamin wie der Korken aus einer Flasche und krabbelte über die Brüstung. »Dalek«, keuchte er. »Ist immer noch auf dem Weg nach oben.« Er schaute sich nach einer Waffe um. Ein riesiger, runder Felsblock steckte zur Hälfte im Erdreich neben der Brüstung. Der Doktor rannte darauf zu und stemmte sich mit der Schulter dagegen. Der Felsblock bewegte sich ein kleines bißchen. »Ihr alle, helft mir«, ordnete er an. Obwohl sie sich jetzt zu viert bemühten, gelang es ihnen nur mit aller Kraft, den Felsblock den Hügel hochzurollen und ihn dann auf die Brüstung hochzuhieven. Sie schoben und keuchten, doch schließlich hatten sie es geschafft. Einen kurzen Augenblick lang schwebte der Felsblock über der Brüstung. Dann schrie der Doktor: »Heben!«, und mit einem letzten Ruck kippten sie ihn um. Sie beugten sich über die Brüstung, um das Ergebnis zu begutachten. Der Felsblock jagte den Schacht hinunter und traf auf den Rand der Scheibe, drehte sie wie ein Geldstück und zerstörte den Anti-Gravitationsmechanismus. Felsblock, Scheibe und Dalek purzelten den Schacht hinunter. Unten am Schachtende hatte sich eine Dalekeinheit versammelt und stand wartend herum. Die Objekte flogen gleichzeitig aus dem Schacht. Die Scheibe explodierte, ein ohrenbetäubendes Getöse drang nach oben, und die Daleks wurden in alle Himmelsrichtungen geschleudert. Der Doktor und seine Freunde hörten am oberen Ende des Kamins den Lärm. Zufrieden lächelte der Doktor. »Das sollte sie für einige Zeit aufhalten. Lassen Sie uns von hier verschwinden, bevor die Patrouille auftaucht.« Taron riet: »Wir müssen in den Steinbruch, wo Vaber den Sprengstoff zurückgelassen hat. Falls die Daleks die Karte finden, werden sie alles daransetzen, ihn zu vernichten.« 78
Langsam gingen sie den Hügel hinunter. Als sie sich dem Steinbruch näherten, war Jo Grant gerade dabei, ihn zu verlassen. Sie begegneten sich auf einer Dschungellichtung. Jo wagte es kaum, ihren Augen zu trauen. Dann warf sie sich in die Arme des Doktors. »Doktor, ich dachte, Sie sind immer noch in der Tardis. Ich dachte, Sie würden sterben… oh, ich weiß nicht, was ich überhaupt dachte.« Der Doktor war ebenso erfreut und sogar noch überraschter. »Aber ich dachte, Sie wären tot. Ich dachte, daß Sie in dem Raumschiff der Thals waren, als die Daleks es in die Luft sprengten…« Jo fing an, eine ziemlich verwirrende Darstellung ihrer Abenteuer zu erzählen, aber der Doktor machte dem bald ein Ende. »Später haben wir noch genug Zeit für Erklärungen. Sie haben Taron und Codal schon kennengelernt. Das hier ist Rebec.« Jo begrüßte sie alle freundlich und wandte sich dann wieder dem Doktor zu. »Ich habe gehört, daß Sie von den Daleks gefangengenommen worden sind. Ich bin in die Stadt gegangen, um Sie zu retten…« »Sie haben was getan?« Taron unterbrach die beiden. »Es wird schon sehr bald dunkel. Ich denke, es ist besser, wenn wir den Sprengstoff bald holen.« »Wenn Sie von ein paar Bomben reden, die in einem Steinbruch versteckt wurden – dann machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte Jo. »Eine ist in die Luft gegangen, und die anderen habe ich in einer Lichtung in der Nähe versteckt.« Sie erzählte ihnen, was im Steinbruch geschehen war. Taron schüttelte müde den Kopf. »Es ist so viel passiert, daß es einem schwerfällt, geradeaus zu denken. Es ist besser, wenn wir uns hier ein bißchen ausruhen.« Die Thals errichteten ein Lager. Ihre anscheinend unerschöpflichen Rucksäcke waren mit Unmengen 79
konzentrierter Nahrungsmittel gefüllt, und es gab auch einen kleinen atombetriebenen Ofen, mit dem man die Lebensmittel warm machen konnte. Bald spülten sie die harten, kernigen Lebensmittelkonzentrate mit einer köstlichen heißen Suppe herunter, und Jo spürte, wie ihr Körper wieder zu Kräften kam. Während sie aßen, brachten Jo und der Doktor sich gegenseitig auf den neuesten Stand ihrer jeweiligen Abenteuer. Beide stellten fest, wie glücklich sie sich schätzen konnten, daß sie sich unverletzt wiedergetroffen hatten. Der Doktor nahm einen Schluck Suppe. »Aber warum sind Sie nicht einfach in der Tardis geblieben, Jo? Dort wären wir sicher gewesen – solange es ausreichend Luft gab.« »Sie haben nicht sehr sicher ausgesehen. Ich dachte, Sie lägen im Sterben, und so bin ich losgegangen, um Hilfe zu holen.« »Auf einem Planeten, der von den Daleks okkupiert wird. Ich habe Sie doch gewarnt.« »Sie haben mich überhaupt nicht gewarnt, Doktor. Sie sind in die Tardis geeilt, haben ein telepathisches Telegramm an die Herren der Zeit heruntergerasselt und sind dann zusammengebrochen.« Der Doktor wirkte geknickt. »Es tut mir leid, Jo. Ich war nicht ganz ich selbst! Ich habe die Herren der Zeit darum gebeten, uns hinter den Daleks herzuschicken, und dann habe ich das Bewußtsein verloren.« »Was machen die Daleks denn überhaupt auf diesem Planeten?« »Ich dachte, sie würden nur das Geheimnis der Unsichtbarkeit studieren, aber es geht um mehr als das. Sie haben hier eine riesige Armee versteckt, ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Offensichtlich ist das ein Teil eines Planes, bei dem es darum geht, die Galaxie zu erobern…«
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Während Jo und der Doktor sich unterhielten, saßen Taron und Rebec ein Stückchen weiter zusammen. Jetzt hatten sie zum ersten Mal Gelegenheit, allein zu sein, seit sie sich auf diesem Planeten wiedergetroffen hatten. Zu Hause, auf Skaro, waren sie sehr enge Freunde gewesen, und sie hatten beschlossen, nach Tarons Rückkehr zu heiraten. Aber hier auf Spiridon hatte Rebec einen anderen Taron kennengelernt, der sich ihr gegenüber steif und beinah feindselig verhielt. »Du könntest wenigstens sagen, daß du dich freust, mich zu sehen«, sagte sie sanft. Er schaute sie kalt an. »Das könnte ich. Warum bist du hierhergekommen ?« »Weil ich bei dir sein wollte.« Einen Augenblick lang war Taron still, aber dann platzte er heraus: »Siehst du denn nicht, was du angerichtet hast? Selbst wenn Vaber und Latep am Leben sind, dann sind wir doch nur fünf. Fünf Überlebende von zwei Missionen, die eine Dalekarmee vernichten sollen.« »Und meine Anwesenheit hier soll die Lage noch verschlechtern?« Mit ruhiger Stimme antwortete Taron: »Weil ich dich liebe. Und das wird meine Entscheidungen beeinträchtigen. Möglicherweise werde ich zögern, Risiken einzugehen, notwendige Risiken, weil ich mich um dich sorge. Und wenn ich die falschen Entscheidungen treffe, dann werden die Daleks gewinnen!« Schnell stand er auf und ging auf die andere Seite der Lichtung. Rebec begann leise zu schluchzen. Der Doktor, der sich mit Jo unterhielt, blickte auf. Wie immer war er sich dessen, was um ihn herum vorging, sehr bewußt. Er stand leichtfüßig auf. »Ich denke, ich sollte mich mal kurz mit Taron unterhalten. Rebec dürfte sich im Moment auch über eine weibliche Schulter freuen.« Während Jo zu Rebec hinüberging, um sie zu trösten, trat der Doktor zu Taron, der auf der anderen Seite der Lichtung 81
stand. Mißmutig stierte er in den dichten, grünen Dschungel, dessen belaubte Tiefe in der Abenddämmerung lange Schatten warf. »Wird die Last ein bißchen schwer, alter Freund?« fragte der Doktor. Taron konnte nicht anders; er reagierte auf die Sympathie, die in der Stimme des Doktors zum Ausdruck kam. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dem hier auch weiterhin fertig werden kann.« »Weil Sie nicht aus Stein sind?« »Ich muß diese Expedition leiten, Doktor. Das ist eine Aufgabe, bei der menschliche Schwächen nicht erlaubt sind.« »Vielleicht hätten sie eine Maschine schicken sollen.« »Ich dachte, ich könnte wie eine handeln«, sagte Taron grimmig. »Ich habe mich geirrt.« »Gut!« erwiderte der Doktor. »Maschinen sind nicht zum Kommandieren gemacht. Wenn Sie vergessen, daß Sie es mit Menschenleben zu tun haben, dann sind Sie nicht besser als die Kreaturen, die zu vernichten wir hierher gekommen sind. Wenn wir erst einmal anfangen, wie Daleks zu handeln – dann ist die Schlacht schon verloren!« Taron wollte gerade etwas erwidern, als er hörte, wie sich im Dschungel etwas bewegte. Er zog seine Sprengstoffwaffe und wartete, während er den anderen eine kurze Warnung zurief. »Paßt auf, da kommt jemand.« Sie warteten angespannt und Vaber und Latep tauchten aus dem Dschungel auf. Die Thals freuten sich aufrichtig über ihr Wiedersehen. Vaber und Latep hatten ungefähr die Hälfte der Wegstrecke in der Eisspalte zurückgelegt, die sie ausgewählt hatten, als sie hörten, wie der Eiskan ausbrach. Da sie es nicht wagten, weiterzugehen, plazierten sie ihre Bomben für eine Explosion, aber nichts geschah. Eine Eislawine begrub die Bomben unter sich und absorbierte die Auswirkung der Explosion. »Wir hatten Glück, daß wir lebend ins Freie kamen«, schloß Latep. »Wir sind in den Steinbruch gegangen, 82
um die anderen Bomben zu holen, aber die waren schon in die Luft gegangen.« Jo konnte nicht widerstehen und mischte sich ein. »Nicht alle. Ich habe zwei in Sicherheit gebracht und sie nicht weit von dort vergraben.« »Dann haben wir ja immer noch eine Chance«, sagte Vaber eifrig. »Morgen früh können wir noch einmal angreifen.« »Vielleicht«, stimmte Taron zu, »aber wir müssen erst einmal die Nacht hinter uns bringen. Hier können wir nicht bleiben, wir sind zu nah an den Hauptwegen der Daleks. Außerdem würden wir die Kälte niemals überleben. Wir müssen zur Steinebene gehen.« Der Doktor blickte ihn verwirrt an. Codal trat vor und erklärte: »Das ist ein Gebiet, das mit riesigen Felsblöcken übersät ist. Sie sind aus einem Gestein, das tagsüber die Hitze aufsaugt und sie nachts wieder abgibt.« »Eine Art Nachtspeicherheizung«, erklärte Jo. »Es ist nett, nachts irgendwo zu sein, wo es warm ist.« »Aber es ist gefährlich dort«, warnte Codal. »Eine ganze Menge wilder Tiere ziehen wegen der Wärme dorthin.« »Jo, würden Sie mit Latep dorthin gehen, wo Sie die Bomben versteckt haben? Wir anderen werden das Lager abbauen«, schlug Taron vor. Jo drehte sich zu Latep, der sie angrinste. Sie stellte fest, daß sein Aussehen ihr gut gefiel. Er hatte ein freundliches, offenes Gesicht, und da er der kleinste und der jüngste Thal war, war er der einzige, der ihr in bezug auf Alter und Größe entsprach. Die anderen überragten sie und schienen alles immer schrecklich ernst zu nehmen. Jo streckte ihre Hand aus. Latep schaute sie verwirrt an. Sie erkannte, daß er nicht wußte, was das bedeutete. »Das ist eine alte Gepflogenheit auf der Erde«, erklärte sie. »Wir geben uns die Hand, um zu zeigen, daß wir uns freuen, daß wir uns kennenlernen.«
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Latep nahm ihre Hand und schüttelte sie energisch. »Kommen Sie«, sagte Jo. »Gehen wir doch los und holen diese Bomben.« Als die Bomben eingepackt waren und das Lager abgebaut, machten sie sich wieder auf den Weg durch den Dschungel. Mittlerweile war es fast dunkel, und es wurde schnell kalt. Codal ging an der Spitze der Hauptgruppe und spielte den Kundschafter. Plötzlich rief er nach hinten: »Alle runter! Da kommt eine Dalekpatrouille.« Der Doktor ließ sich auf den Boden fallen und kroch auf den Ellbogen zu Codal vor. Direkt auf dem Pfad vor ihnen glitt eine Dalekpatrouille durch die Finsternis. Sie wurden von Spiridons begleitet, die in ihren riesigen Mänteln steckten. Als die Truppe in der Dunkelheit verschwunden war, tippte der Doktor Codal auf die Schulter. »Haben Sie bemerkt, wie langsam sich diese Patrouille bewegte? Fast so, als ob ihre Reflexe nicht ordnungsgemäß funktionierten.« Taron schloß sich ihnen an. »Sie sind immer noch schnell genug, um uns zu töten. Ich glaube, wir können es jetzt riskieren, weiterzugehen.« Eine ungehaltene Stimme drang zu ihnen vor. »Dann laßt uns das endlich tun. Ich friere!« Das war Jo. Taron gab das Zeichen, und alle setzten sich in Bewegung. Die Steinebene machte ihrem Namen alle Ehre: Es war ein trostloses Flachland, das mit riesigen Felsblöcken übersät war. Ihre phantastisch geformten Umrisse zeichneten sich gegen die Dunkelheit ab. Von allen Seiten tönte das Knurren, Geschnatter und Heulen der Tierwelt von Spiridon herüber. Sie entdeckten einen Kreis aus Felsblöcken, die enger zusammenstanden, und entschieden, in deren Mitte ihr Lager aufzuschlagen. Die Steinansammlung wirkte wie eine Miniaturausgabe von Stonehenge. Als sie sich niederließen, hörten sie plötzlich einen heiseren Schrei, und ein großer schwarzer Schatten jagte 84
im Sturzflug über ihre Köpfe hinweg. Das Tier hatte riesige Flügel. Jo packte Lateps Arm. »Was war das?« Der Junge zuckte mit den Schultern, und Taron antwortete an seiner Stelle: »Eine Art Pterodaktylus, denke ich. Sie kommen nur nachts heraus.« Er wandte sich dem Doktor zu. »Würden Sie zusammen mit Latep die erste Wache übernehmen, Doktor?« »Ja, aber selbstverständlich. Vielleicht leisten Sie uns eine Weile Gesellschaft, Jo?« Plötzlich hörten sie wütende Stimmen. Vaber half Codal, das Lager einzurichten, und erging sich in seinen üblichen Beschwerden. Seit der Angriff auf die Dalekstadt fehlgeschlagen war, war er so verdrießlich wie eh und je. »Ich habe dieses ganze Gerenne und Verstecken satt, Codal«, murrte er. »Wir müssen angreifen, und zwar bald.« Taron ging zu ihnen hinüber. »Das werde ich entscheiden, Vaber.« »Du – du hast schon einen Angriff verpatzt. Du hast deine größte Chance verpaßt.« Taron seufzte. »Und die war?« »Die Kühlanlage. Codal hat mir davon erzählt. Offensichtlich ist sie für das, was die Daleks vorhaben, absolut unerläßlich.« »Wir wissen immer noch nicht, warum die Daleks solch niedrige Temperaturen brauchen«, sagte Taron milde. »Wen interessiert das Warum? Tatsache ist, daß sie sie brauchen. Wenn wir diese Kühlanlage zerstören, dann werden wir die Pläne der Daleks durchkreuzen. Wir können wieder den Schacht hinuntergehen, den ihr hochgekommen seid. Besser noch, wir könnten einfach die Bomben hinunterlassen…« Taron schüttelte den Kopf. »Die Daleks werden den Schacht nicht ohne Bewachung lassen. Wir werden wieder angreifen, aber die ganze Sache muß ordentlich geplant werden. Und bis dahin warten wir.« 85
Auf dieses Wort schien Vaber nur gewartet zu haben. »Warten!« schnaubte er. »Das ist alles, was wir von dir zu hören kriegen. Ich glaube, du hast Angst zu handeln, weil sie dir im Nacken sitzt.« Er deutete mit dem Kinn auf Rebec, die daneben stand und den Streit bekümmert mit anhörte. Tarons große Hand schoß hervor und umklammerte Vabers Hals. Er schüttelte ihn heftig. Vaber zog Taron die Füße weg, und die beiden Männer rollten kämpfend über den Boden. Die Stimme des Doktors zischte wie eine Peitsche durch die Luft: »Hören Sie auf, alle beide. Stehen Sie sofort auf!« Betreten kamen die beiden Thals auf die Beine. Trotz ihrer Größe und ihrer Stärke wirkten sie wie Kinder, die man dabei erwischt hatte, als sie sich auf dem Spielplatz prügelten. Der Doktor sprach jetzt sanfter: »Wir werden die Daleks niemals schlagen, wenn wir nicht einig sind. Wir dürfen nicht zulassen, daß der Streß uns argwöhnisch und feindselig macht. Das ist der wahre Feind, der innere Feind, gegen den wir zuerst kämpfen müssen. Nicht die Daleks, sondern unsere eigenen Ängste.« Taron und Vaber starrten sich einen Augenblick lang an. Dann sagte Taron langsam: »Ich habe hier noch immer die Befehlsgewalt, Vaber. Wir werden angreifen, wenn ich es sage, und nicht früher. Ob es dir gefällt oder nicht, du wirst den Befehlen gehorchen. Wenn du es nicht tust werde ich dich töten!« Der Leiter der Dalekexpedition sprach im Kontrollraum zu seinen Untergebenen. Sie standen im Halbkreis um ihn herum und hörten betreten der arroganten Stimme zu. »Eine Truppe wird vermißt. Die anderen haben keinen Kontakt zu den Gefangenen gemeldet. Die Oberste Kommandantur ist vom Verlauf dieser Expedition zutiefst enttäuscht.« Niemand erwiderte etwas oder unternahm den Versuch, sich zu entschuldigen. Der Leiter der Expedition fuhr fort: »Die 86
Oberste Kommandantur hat verfügt, daß wir eine bakteriologische Waffe präparieren. Sie wird alle lebenden Zellen auf Spiridon vernichten. Den Daleks und den Spiridonsklaven werden Impfungen gegen diese Krankheit verabreicht.« Wieder gab es keine Erwiderung. Es kam keinem Dalek in den Sinn, gegen diesen skrupellosen Vorschlag, alle Lebensformen auf dem gesamten Planeten auszuradieren, Einspruch zu erheben. Die Daleks hatten schon immer auf jeden Widerstand mit schweren Vergeltungsmaßnahmen reagiert. Der Leiter wandte sich an einen Dalekwissenschaftler. »Berichten Sie über die bakteriologische Waffe.« Der Dalekwissenschaftler zeigte auf einen Metallhandwagen, der im Labor stand. Durch die Glaswand konnte man sehen, daß eine Reihe von Gläsern darauf standen. »Die Bakterien reproduzieren sich. Die Kultur wird den Planeten vollkommen kontaminieren, nachdem sie freigesetzt worden ist. Alle Pflanzenarten werden austrocknen und absterben. Alle nicht immunisierten Tierarten werden ausgerottet. Die Kultur wird innerhalb von einem Spiridontag zur Freisetzung bereit sein.« »Genehmigt. Mit den Vorbereitungen weitermachen.« Ein weiterer Dalek trat ein, stand da und wartete, bis er sprechen konnte. Der Kommandant drehte sich zu ihm um. »Erstatten Sie Meldung.« »Spiridonsklavenspione haben gemeldet, daß sich in der Steinebene Außerirdische verstecken.« »Ordnen Sie an, daß alle Suchtrupps sich in diesem Gebiet konzentrieren.« »Ich gehorche.« Jo, die mit dem Rücken an einem der Felsblöcke lehnte, döste vor sich hin. Der riesige Fels strahlte eine gleichmäßige Wärme ab, und sie hatte einen konfusen Traum über Ferien an der 87
Französischen Riviera. Nur ganz langsam nahm sie eine aufgeregte Stimme wahr, die ihren Traum störte und sie aufweckte. Es war Taron. Er schüttelte den Doktor, der neben ihr schlief. »Doktor, wachen Sie auf. Es geht um Vaber. Er ist abgehauen und hat die Bomben mitgenommen. Er hat diese Nachricht hinterlassen.« Taron reichte ihm die Nachricht hinüber, und der Doktor las sie laut vor. »Ich werde tun, was getan werden muß, und zwar allein.« Er warf die Nachricht zu Taron zurück. »Nur melodramatischer Unsinn. Allein hat er überhaupt keine Chance.« »Und wir jetzt auch nicht mehr«, sagte Taron wütend. »Er hat den Sprengstoff, der noch übrig war, mitgenommen. Ich werde ihm nachgehen.« Der Doktor erhob sich. »Ich werde Sie begleiten.« »Es wäre mir lieber, wenn Sie hier die Verantwortung übernehmen würden.« Der Doktor freute sich über das Vertrauen, das Taron ihm entgegenbrachte. »In Ordnung. Ganz wie Sie wollen.« »Codal, du kommst mit mir«, befahl Taron. »Die anderen bleiben hier. Der Doktor hat die Befehlsgewalt, bis ich wieder da bin.« Codal und Taron schlichen in die Dunkelheit davon. Jo war gerade wieder eingeschlafen, wurde aber von dem Doktor wieder aufgeweckt. »Ich halte es für besser, wenn wir ein Feuer machen«, sagte er. Jo war immer noch ganz benommen und überhaupt nicht geneigt, sich zu bewegen. »Wieso, Doktor? Mit diesen Felsblöcken ist es doch warm genug.« »Nicht der Wärme wegen, Jo, sondern wegen der Sicherheit. Sehen Sie!« Der Doktor streckte den Finger aus. Ein Kreis aus finster glühenden Augen umringte das Lager. Die Tierwelt von Spiridon kam langsam näher, um zu töten. 88
Vaber hatte nicht die geringste Chance. Er taumelte auf die Dalekstadt zu, eine Bombe unter jedem Arm. Er war blind gegenüber seiner Umwelt. Er dachte einzig und allein an sein Bedürfnis, sich gegenüber Taron zu rechtfertigen – Taron, der die Befehlsgewalt übernommen hatte, die rechtlich gesehen ihm zugestanden hätte. Eine plumpe Gestalt zeichnete sich vor ihm gegen die Dunkelheit ab – ein Spiridon im Pelzmantel. Vaber drehte sich um und wollte losrennen, aber mehrere Gestalten umringten ihn. Sie warfen sich auf ihn, und ihre klauenartigen Hände packten ihn, so daß er sich nicht bewegen konnte. Er hörte ein heiseres Flüstern: »Bringt ihn zu den Daleks.«
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Vabers Opfer Taron und Codal, die sich in der Nähe im Dschungel versteckt hielten, schauten dem Vorgang entsetzt zu. Sie waren dicht hinter Vaber gewesen, kurz davor, ihn zu packen und wieder in den Besitz der Bomben zu gelangen, als sie Zeugen seiner Gefangennahme durch die Spiridontruppe wurden. Es bestand keine Möglichkeit, ihn zu retten, denn es waren viel zu viele Spiridons. Hilflos beobachteten die beiden Thals, wie Vaber weggeschleppt wurde. Taron tippte auf Codals Schulter. »Wir müssen diese Bomben wiederkriegen. Komm.« Leise folgten sie den Spiridons und ihrem Gefangenen. Der Doktor, Jo, Rebec und Latep kauerten um das kleine Feuer. Sie hatten schon festgestellt, daß es gar nicht so einfach war, es in Gang zu halten. In der näheren Umgebung gab es nicht viel Brennbares, und sie hätten an den Kreaturen mit den glühenden Augen vorbeigehen müssen, wenn sie im weiteren Umkreis hätten suchen wollen. Trotz des Feuers schienen die Augen näher zu kommen. Rebec zog ihren Blaster. »Ich werde versuchen, auf sie zu schießen.« Sie feuerte aufs Geratewohl in die Dunkelheit. Energie knisterte, dann war ein Schmerzensschrei zu hören. Die Augen zogen sich zurück. Doch nach einem kurzen Augenblick kehrten sie zurück, krochen sogar noch näher. »Man kann sie nicht lange einschüchtern, nicht wahr?« bemerkte der Doktor grimmig. Rebec schoß noch einmal. Dieses Mal verpuffte die knisternde Energie plötzlich. »Die Ladung ist aufgebraucht«, erklärte sie.
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Der Doktor schaute zu Latep hinüber, der aber nur den Kopf schüttelte. »Es tut mir leid – ich habe meinen Blaster bei der Bruchlandung verloren.« Der Doktor seufzte. »Es ist besser, wenn wir noch mehr Holz für das Feuer suchen.« Sie starteten umgehend die Suche. Hinter einem der Felsblöcke ganz in der Nähe stieß der Doktor auf eine Art verkümmerten Baum. Er riß ihn aus dem kargen Erdreich und schleppte ihn zum Feuer hinüber. »Das sollte eine Zeitlang reichen.« Während die anderen Zweige abbrachen und diese ins Feuer warfen, stutzte der Doktor ein paar der größeren Äste, die als Prügel dienen sollten. Er hielt das Ende eines Astes ins Feuer und näherte sich dann den bedrohlichen Augen. Vor sich schwenkte er die brennende Fackel hin und her. Mit ärgerlichem Gebrüll zogen sich die unsichtbaren Kreaturen zurück. »Nehmen Sie sich auch einen Prügel. Sie alle«, ordnete er an. Jo und die anderen kamen seiner Anordnung nach. Energisch schritten sie mit den brennenden Ästen nach vorn, und schon bald gelang es ihnen, die Kreaturen zurückzudrängen. »Sie werden natürlich wiederkommen«, sagte der Doktor fröhlich. »Aber nichtsdestotrotz haben wir uns eine Atempause verschafft.« Da die Bemühungen sie erschöpft hatten, saßen sie schweigend um das Feuer. Schließlich sagte der Doktor: »Was ist nur in Vaber gefahren, daß er sich so davongemacht hat?« Rebec seufzte. »Als er seinen Plan endlich ausgearbeitet hatte, konnte er es nicht ertragen, noch länger zu warten.« »Was für ein Plan?« »Die Kühlanlage der Daleks in die Luft zu sprengen. Er glaubte, daß er die Daleks vernichten würde, wenn er die Anlage zerstörte.« Der Doktor schaute sie erschrocken an. »Ganz im Gegenteil – er würde ihre Armee zum Leben erwecken.« »Doktor«, sagte Jo, »wenn Sie die Güte hätten, Ihre Worte wenigstens ab und zu zu erklären…« 91
Der Doktor atmete tief durch. »In Ordnung, das werde ich. Die Daleks, die ich in jener Vorratskammer gesehen habe, die sich neben der Kühlkammer befand, waren in einem Stadium, das man als Kälteschlaf betrachten könnte. Kein Alterungsprozeß, keine Degeneration. Man braucht sie nicht einmal zu warten. Eine Dalekarmee, die so lange eingelagert ist, bis sie gebraucht wird. Aus diesem Grund sind die Daleks auf diesen Planeten gekommen. Um ihn als Stützpunkt zu benutzen. Diese Unsichtbarkeit ist ein reiner Nebeneffekt. In Wirklichkeit waren sie hinter dem Eiskern des Planeten her. Aber sie haben herausgefunden, daß der Eiskan zu instabil ist, und deshalb haben sie die Kühlanlage gebaut.« Er schaute die anderen an. »In dem Moment, in dem die Temperatur ansteigt, werden all diese Daleks zum Leben erweckt.« Er wurde von einer heiseren Stimme unterbrochen, die aus der Dunkelheit zu ihnen herüberdrang. »Jo! Ich habe Sie gefunden.« Der Doktor sprang auf die Füße. Eine massige Gestalt trat in den Feuerschein. Sie steckte in einem Pelzmantel und trug einen gefährlich aussehenden Prügel. Der Doktor griff ebenfalls nach seinem Prügel, aber Jo winkte ab. »Es ist alles in Ordnung, Doktor. Das ist Wester – der Spiridon, der mir half, als ich krank war.« Der Doktor senkte seinen Prügel wieder. »Dann stehe ich tief in Ihrer Schuld. Bitte nehmen Sie meinen Dank an.« Er streckte seine Hand aus und spürte, wie sie von einer unsichtbaren gepackt wurde, die aus dem weiten Pelzärmel herauskam. Die flüsternde Stimme sagte: »Ich habe Neuigkeiten aus der Stadt. Die Daleks haben eine bakteriologische Waffe vorbereitet. Sie wird alle Lebensformen auf diesem Planeten zerstören, bis auf die Daleks und deren Helfer. Ich wollte Sie nur warnen. Jetzt werde ich wieder in die Stadt zurückgehen und versuchen, sie aufzuhalten.« 92
Die Stimme des Doktors war ernst. »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um zu helfen. Vielen Dank, daß Sie uns gewarnt haben.« »Wester, seien Sie vorsichtig…« begann Jo. Aber der Spiridon war schon verschwunden. »Sobald es hell ist, werden wir losziehen«, sagte der Doktor mit Bestimmtheit. »Was ist mit Taron und den anderen?« protestierte Rebec. »Wir werden bis zum Morgengrauen warten. Wenn sie bis dann nicht zurück sind dann müssen wir eben ohne sie gehen.« Die Spiridontruppe marschierte flink den Pfad hinunter. Ein paar von ihnen drängten sich eng um den Gefangenen. Die anderen hielten größeren Abstand, agierten als Kundschafter oder bildeten die Nachhut. Der letzte Spiridon aus der Einheit lief in einiger Entfernung hinter den anderen her. Die Patrouille hörte nicht, wie Codal und Taron plötzlich vorsprangen und den Spiridon, der die Nachhut bildete, zu Boden rissen. Sie schlugen ihn mit Hieben zu Boden. Taron riß der unsichtbaren Kreatur den Pelzmantel vom Leib und zog ihn an. »Ich werde versuchen, in Vabers Nähe zu kommen«, flüsterte er. »Halte dich bereit und greife ein, wenn ich auf die Wachen springe.« Codal nickte, und Taron rannte los, um sich der Patrouille anzuschließen. Codal folgte mit leichtem Abstand und blieb in Deckung. Taron holte die Einheit ein. Man konnte ihn nicht von den Spiridons in ihren Pelzen unterscheiden. Die Patrouille marschierte ein ganzes Stück lang weiter, doch Taron machte keine Anstalten loszuschlagen. Codal begann, sich Sorgen zu machen. Sicher dauerte es nicht mehr lange, bis sie bei der Dalekstadt waren. Er kroch durch die Büsche und schlich sich an den letzten Mann der Truppe an. Dann tippte er ihm auf die Schulter.
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»Taron«, flüsterte er, »es ist jetzt höchste Zeit, daß wir…« Die Gestalt drehte sich um. Erschrocken stellte Codal fest, daß unter der Haube kein Gesicht war, sondern nur Leere. Er redete mit einem echten Spiridon. Die Kreatur sprang auf ihn, unsichtbare Hände griffen nach ihm. Codal kämpfte verzweifelt, aber der Spiridon war äußerst stark. Doch plötzlich zuckte sein Gegenspieler zusammen und wurde schlaff. Jetzt war noch eine weitere in Pelz gehüllte Gestalt aufgetaucht. Sie hatte ihn betäubt. Und das war dann endlich Taron. »Was glaubst du eigentlich, was du tust?« wisperte er verärgert. Codal lachte hysterisch. »Ich habe mit ihm gesprochen. Ich dachte, er wäre du.« »Du hast dich fast ans Messer geliefert«, murrte Taron. »Andererseits sind wir so in den Besitz einer zusätzlichen Verkleidung gekommen. Zieh diesen Pelz an und folge mir. Ich habe den Spiridon, der die Bomben hat, ausgemacht. Wenn ich mich auf ihn stürze, greifst du dir die Bomben und rennst los. Sie sind das Allerwichtigste.« »Was ist mit dir?« »Sobald du weg bist, werde ich Vaber befreien. Und dann werden wir ebenfalls fliehen.« Codal nickte zustimmend. Er war froh, daß sie Vaber nicht im Stich ließen, trotz all der Probleme, die er verursacht hatte. Kurz darauf eilten die beiden Gestalten in den Pelzen los, um sich der Spiridonpatrouille anzuschließen. Taron wollte gerade losschlagen, aber sie hatten Pech. Die Spiridons trafen auf eine Patrouille der Daleks und hielten sofort an. Eine Dalekstimme krächzte: »Halt! Was ist hier los?« Ein Spiridon, der nach Lob gierte, flüsterte: »Wir haben einen der Fremden aufgegriffen. Er hatte Sprengstoff bei sich.« Der Anführer der Dalekpatrouille glitt auf Vaber zu, der von zwei Spiridons festgehalten wurde. 94
»Wo verstecken sich Ihre Kameraden, die Thals?« »Keine Ahnung. Wenn Sie sie wollen, dann müssen Sie sie selbst suchen«, antwortete Vaber herausfordernd. »Laßt ihn los. Tretet zur Seite.« Die Spiridons, die Vaber festhielten, nahmen ihre unsichtbaren Hände von ihm und traten zurück. Die Waffe des Daleks schwenkte herüber und zielte auf Vabers freistehende Gestalt. »Antworten Sie, oder ich werde Sie exterminieren.« Vabers Widerstand schien unter der Drohung zu schrumpfen. »Nein… schießen Sie nicht. Ich werde Sie zu ihnen führen…« In der Stimme des Daleks schwang Zufriedenheit mit. »Wir werden sofort losgehen.« Vaber drehte sich um und tat so, als wollte er vorangehen. Doch plötzlich duckte er sich zwischen den beiden Spiridons und rannte auf den Dschungel zu, um dort Deckung zu suchen. Ein abseits stehender Spiridon packte ihn. Ein verzweifelter Kampf begann. Vaber gelang es, den Spiridon herumzudrehen und ihn als Schutzschild zu benutzen. Aber der Tod einer ihrer Diener interessierte die Daleks überhaupt nicht. »Feuer eröffnen!« ordnete der Anführer der Patrouille an. Feuer schoß aus den Waffen der Daleks, und Vaber und der Spiridon wurden zusammen niedergeschossen. Als die Daleks auf die Leichen zugingen, griffen Taron und Codal ein. Sie liefen auf den Spiridon zu, der die Bomben trug, warfen ihn zu Boden, packten jeder eine Bombe und rannten zurück in den Dschungel. Die Daleks, die von der Aufregung abgelenkt waren, drehten sich mit einer winzigen Verzögerung um und eröffneten dann das Feuer. Aber da war es schon zu spät. Taron und Codal waren verschwunden. Die Daleks verfolgten sie. »Verfolgen! Verfolgen und töten«, schrien sie wütend.
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Ein Dalektechniker erstattete dem Obersten Wissenschaftler Bericht. »Das Gegenmittel ist vorbereitet. Wir können es jetzt einsetzen.« »Erst eine Demonstration.« Der Techniker zog ein rechteckiges Gerät, das in etwa die Form einer Waffe hatte, heran. Es stand auf einem Handwagen. Der Dalektechniker berührte einen Schalter. Es gab ein kurzes Zischen, und eine feine Nebelwolke legte sich auf sie beide. »Synthetisierte antibakteriologische Elemente sind freigesetzt worden. Die Elemente liefern bei Kontakt Immunität.« »In Ordnung. Ich werde anordnen, daß alle Dalekeinheiten und Spiridonsklaven sich versammeln, damit sie behandelt werden können. Sind die Bakterien jetzt zur Freisetzung bereit?« Stolz deutete der Dalektechniker auf einen anderen Handwagen. »Der Reifeprozeß ist beendet. Jetzt muß man nur noch die Deckel der Behälter abnehmen, und schon können die Bakterien in die Atmosphäre eindringen, das ist alles.« Schließlich dämmerte es, und plötzlich war es wieder hell und warm. Dankbar ließ der Doktor das Feuer ausgehen. Die Kreaturen von Spiridon waren in ihre Höhlen zurückgekehrt. Der Doktor verschwand für einen kurzen Augenblick, um die unmittelbare Umgebung auszukundschaften. Währenddessen suchte Latep, der oben auf einem Felsblock stand, die Ebene ab. Jo hörte, wie er rief: »Da kommt jemand. Das sind Taron und Codal!« Im nächsten Moment kamen die beiden ins Lager gerannt; der Doktor war dicht hinter ihnen. Sie hatten nur wenig Zeit für die Begrüßung. Als Taron ihnen von Vabers Tod berichtete, war es auf einmal ganz still. Der Doktor sagte: »Er war unbesonnen und impulsiv, der arme Kerl, aber mit einer Sache hatte er ganz recht: Es ist an der Zeit, daß wir zum Angriff übergehen.«
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»Wenn Sie einen Plan haben, der funktioniert…«, sagte Taron defensiv. »Ich denke, daß ich den habe«, antwortete der Doktor sanft. »Ich habe den größten Teil der Nacht damit verbracht, darüber nachzudenken. Werden Sie mir vertrauen?« Taron nickte niedergeschlagen. »Ich werde es Ihnen überlassen, Doktor. Sie können es auch nicht schlechter machen, als ich es getan habe.« »Unsinn«, erwiderte der Doktor scharf. »Bei jenem ersten Angriff haben wir Informationen von unschätzbarem Wert zusammengetragen. Jetzt ist es an der Zeit, unser Wissen sinnvoll einzusetzen. Wir müssen wieder in die Stadt zurück, aber dieses Mal, ohne entdeckt zu werden.« »Und wie sollen wir das anstellen?« »Nun, zuallererst müssen wir es so einrichten«, sagte der Doktor fröhlich, »daß uns eine Dalekpatrouille sieht.« Die anderen schwiegen, so erstaunt waren sie. Der Doktor lächelte und fügte geheimnisvoll hinzu: »Begleiten Sie mich, Taron, ja? Ihr anderen wartet hier.« Der Doktor führte Taron einen schmalen Weg in die Hügel hoch, die die Steinebene begrenzten. Sie hielten an einem kleinen Tümpel im felsigen Erdreich an. »Habe ihn heute morgen gefunden, als ich die Gegend auskundschaftete.« Taron war nicht beeindruckt. »Überall auf diesem Planeten gibt es diese Tümpel. Sie bestehen aus flüssigem Eis, das aus den Eiskanen nach oben dringt.« »Genau. Es ist seltsam, aber das Wasser auf diesem Planeten scheint kälter als null Grad zu sein und bleibt trotzdem flüssig.« Taron erwiderte: »Es tut mir leid, Doktor, aber ich verstehe immer noch nicht…« Geduldig begann der Doktor mit der Erklärung. »Die Daleks vertragen niedrige Temperaturen überhaupt nicht. Wenn es
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unter Null geht, können sie sich nicht einmal mehr rühren. Verstehen Sie jetzt?« Langsam öffnete sich Tarons Gesicht zu einem Lächeln. »Ja, ja, ich verstehe.« Er begann seinen Blick über die Landschaft schweifen zu lassen. »Dann schauen wir uns doch um und arbeiten einen Plan aus, damit er funktioniert.« Auch der Doktor lächelte. »Das ist ein gutes Gefühl, nicht wahr – wenn die Gejagten die Jäger werden.«
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Rückkehr in die Stadt Nach dem Tod des gefangengenommenen Fremden und der Flucht der beiden anderen, die die Bomben zurückbekommen hatten, ordnete der Dalekkommandant an, daß die Steinebene intensiv abgesucht werden sollte. Die Suchenden schlossen sich in Zweier- oder Dreiergruppen zusammen, um möglichst viele Einheiten zu bilden. Der Anführer der ersten Patrouille wußte, daß die Fremden ebenso gerissen wie verzweifelt waren, und deshalb war er überrascht, als er zwei von ihnen fast sofort fand. Vielleicht machte sie die Müdigkeit unvorsichtig. Die beiden Außerirdischen, die jung und klein waren, standen mitten auf dem Pfad, der zur Steinebene führte. Es sah fast so aus, als ob sie gesehen werden wollten. Als die Truppe sie entdeckte, drehten sie sich um und flohen durch die Felsblöcke. Sie bewegten sich langsam, als ob sie sehr müde wären, und die Patrouille hatte sie schon bald wieder eingeholt. »Verfolgen und exterminieren«, befahl der Anführer der Truppe. »Der Oberste Kommandant hat angeordnet, daß keine Gefangenen gemacht werden. Sie müssen exterminiert werden.« Sobald die Fremden zwischen den Felsblöcken waren, verschwanden sie, und die Daleks waren gezwungen, ihnen nachzujagen. Doch obwohl der Einsatztrupp aus nur zwei Daleks bestand, waren sie zuversichtlich, denn sie waren sich ziemlich sicher, daß sie in der Lage waren, mit den Fremden fertigzuwerden. Jo und Latep brachen keuchend hinter einem Felsen zusammen. »Sind Sie in Ordnung, Jo?« schnaufte Latep. »Mal gerade so. Bin noch nie in meinem Leben so schnell gerannt!« 99
Latep spähte hinter dem Felsen hervor. »Sie kommen. Sind Sie bereit?« Jo nickte. Sie sprangen hinter dem Felsblock hervor und rannten davon. Die Daleks sahen und verfolgten sie. Taron, Codal, Rebec und der Doktor kauerten hinter einem riesigen Felsblock neben dem Weg, der zum Tümpel hinunterführte. Die Stelle war sorgfältig ausgesucht worden. Hier war der Pfad eng, so daß die Daleks hintereinander laufen mußten. Jo und Latep rasten den Weg hinunter und versteckten sich bei den anderen. Keuchend berichtete Jo: »Die Daleks sind kurz hinter uns.« »Gut«, stellte der Doktor fest. »Verteilen Sie sich, jetzt übernehme ich.« Jo, Latep und Rebec gingen in der Nähe in Deckung. Taron und Codal rannten den Pfad zum Tümpel hinunter, auf ihre zuvor ausgemachten Positionen. Der Doktor wartete. Als die beiden Daleks in Sicht kamen, trat er aus seinem Versteck hervor, um sich dann sofort wieder herunterzuducken. Die Aktion hätte trotzdem keine Sekunde länger dauern dürfen. Die Salve der Dalekwaffe verkohlte den Stein über seinem Kopf. »Feuerdeckung geben!« befahl der Truppenführer und ging alleine weiter. Der zweite Dalek folgte weitaus langsamer, seine Waffe schwenkte er mißtrauisch hin und her. Der Patrouillenführer kam um den Felsblock herum und glitt vorsichtig den Pfad entlang, der den Tümpel begrenzte. Dann tauchte plötzlich der Doktor hinter einem der Felsen auf und verschwand sofort wieder. Der Truppführer lief nach vorn. Eine zweite Salve verschmorte die Felsen, in deren Nähe der Doktor sich befand. Jetzt war der Dalek am Tümpelrand. Plötzlich schoß Taron aus seinem Versteck hervor. Er stürmte auf den Dalek zu und packte ihn von hinten, so daß er seine Waffe nicht mehr einsetzen konnte. Mit bloßen Händen hob er ihn auf den Eisteich zu. Der Doktor kam Taron zu Hilfe. 100
Mühsam zerrten sie ihn zum Teich. Der Dalek wehrte sich mit aller Kraft. Die ganze Zeit über schrie er: »Hilfe! Hilfe! Ich werde angegriffen!« Ein Stück weiter den Weg hinunter sah Jo, wie der zweite Dalek nach vorn rannte, um dem Rufenden zu helfen, und sie begriff, daß sie ihn aufhalten mußte. Sie schoß quer über den Pfad, und der Dalek drehte sich um, um die Verfolgung aufzunehmen. Jo stolperte über einen kleinen Stein, fiel auf den Boden und lag hilflos und ausgestreckt auf dem Weg, als der Dalek sich über sie beugte. Gerade in dem Moment, als der Dalek schießen wollte, sprang Latep von einem nahen Felsblock herunter. Er hatte einen Spiridonmantel in der Hand, den er über den Dalek warf, so daß er den Augenstiel des Daleks total zudeckte. Der Dalek wirbelte hilflos herum und schrie: »Sicht beeinträchtigt. Ich verliere die Kontrolle.« Irgendwie gelang es Latep, sich auf dem Dalek zu halten. Er drückte den Mantel fest nach unten. Codal kam aus seinem Versteck gerannt, packte die Dalekwaffe und drückte sie hoch, damit die Sprengladung niemanden treffen konnte. Rebec und Jo eilten ihm zu Hilfe. Sie nahmen den hilflosen Dalek in ihre Mitte und schleppten ihn den Pfad hinunter, den schon sein Kollege gegangen war. Als sie hinter dem Felsblock hervorkamen, gaben der Doktor und Taron dem Patrouillenanführer einen mächtigen Schubs, der ihn in den Eistümpel schickte. Das Wasser blubberte und zischte, und das Geschrei des Anführers verstummte abrupt. Der Doktor und Taron eilten hinüber, um den anderen mit dem zweiten Dalek zu helfen. Latep sprang von dessen Rücken und schloß sich ihnen an. Der Dalek, der von sechs Armpaaren in die Luft geworfen wurde, schoß wie eine Rakete in die Höhe und platschte neben seinem Führer in den Eisteich.
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Am Ufer ertönte ein Chorus aus Schreien und Hurragebrüll. Der Doktor und Jo traten zu den jubelnden Thals. Sie schüttelten sich die Hände, und jeder klopfte dem anderen auf den Rücken. Dann hob der Doktor die Hand und bat um Ruhe. »Gut gemacht, ihr alle. Aber denkt daran, wir haben noch viel vor uns.« Taron und Latep schalteten ihre tragbaren Heizanlagen an und wateten in das eiskalte Wasser. »Treten Sie nicht genau vor ihre Waffen«, warnte der Doktor sie. »Sie können immer noch in Betrieb sein. Ziehen Sie die oberen Teile herunter.« Das taten Taron und Latep auch, aber sie erschauderten beim Anblick der ekelerregenden Gestalten, die darin verborgen waren. »Sind sie tot?« rief der Doktor. Latep schluckte schwer, bevor er antwortete: »Ich denke schon. Die Kälte muß sie sofort getötet haben.« »Sie werden die Leichen herausholen und sie in den Teich werfen müssen.« Taron und Latep waren für ihre festen Raumpanzerhandschuhe dankbar, als sie in die Maschinenhülle griffen und die verkrümmten Leichen in den Teich warfen. Alle atmeten erleichtert auf, als die Körper unter der Wasseroberfläche verschwanden. »Jetzt«, sagte der Doktor ausgelassen, »werden wir die Maschinen ans Ufer ziehen.« Sie begannen, die Maschinen aus dem Teich und auf den Weg zu zerren. Eine lange Reihe Spiridonsklavenarbeiter marschierte langsam in die Stadt der Daleks. Sie machten sich für den Impfungsvorgang bereit, wie es ihnen befohlen war. Niemand bemerkte, daß Wester aus dem Dschungel kroch und sich in die Reihe einordnete. Es gab niemanden, der sich für einen zusätzlichen Sklaven interessierte.
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Ein Dalek wartete in der Stadt, um ihnen Anweisungen zu geben. »Spiridonsklavenarbeiter werden sich auf Stockwerk Vier begeben und dort warten, bis sie behandelt werden.« Die sanftmütige Sklavenschlange tat, wie ihr befohlen. Bis auf Wester, der sich aus der Schlange entfernte und sich langsam zum Laboratorium der Daleks vorarbeitete. Er wußte von anderen Spiridons aus seiner Widerstandsgruppe, daß dies der Ort war, an dem die Bakterienbehälter aufbewahrt wurden. Niemand hielt ihn auf seinem Weg dorthin an. In der Dalekstadt herrschte große Aufregung, die Daleks rannten geschäftig in alle Richtungen. Aber an der Tür des Kontrollraums wurde er schließlich doch von einem Dalekwächter angehalten. »Halt. Was machen Sie hier?« »Ich habe eine äußerst wichtige Nachricht für den Leitenden Wissenschaftler.« »Der Leitende Wissenschaftler ist beschäftigt. Sie können in das Laboratorium hineingehen und ihm die Nachricht übermitteln, wenn er Zeit hat.« Wester konnte sein Glück kaum fassen. Er ging quer durch den Kontrollraum und wartete vor der abgeriegelten Tür, die ins Laboratorium führte. Zischend öffnete sie sich, ließ ihn eintreten und schloß sich dann wieder mit einem Zischen, als er drinnen war. Wester entdeckte eine Gruppe Daleks, die sich um ein klobiges, waffenförmiges Gerät scharte, das auf einem Metallhandwagen befestigt war. Daneben, auf einem anderen Handwagen, stand eine Reihe durchsichtiger Behälter, deren Deckel fest versiegelt waren. Wester unternahm keinen Versuch, sich der Dalekgruppe zu nähern. Statt dessen schlich er in die genau entgegengesetzte Ecke des Labors. Die Daleks stritten sich anscheinend. Der Leitende Wissenschaftler fragte ärgerlich: »Warum wird die Schutzbehandlung nicht wie angeordnet verabreicht?« »Der Mechanismus weist einen kleinen Fehler auf. Ich werde ihn sofort korrigieren.« 103
»Dann machen Sie aber schnell. Dalekeinheiten und Spiridonarbeiter sind versammelt und warten.« Die Dalektechniker scharten sich hektisch um die Immunisierungsmaschine. Wester glitt langsam aus dem Pelzmantel, dem Symbol der Sklaverei, und stopfte ihn unter eine Maschine. Geschützt durch seine Unsichtbarkeit, der einzigen Waffe seines Volkes, wartete er auf seine Gelegenheit. In der Nähe des Eingangs zur Dalekstadt war eine seltsam zusammengesetzte Gruppe versammelt. Ein Dalek, drei Spiridons in Pelzen, ein Thal und ein weiblicher Mensch. Aber nur die letzten beiden waren auch das, was sie zu sein schienen. In der Maschinenhülle des Daleks steckte Rebec, die ihnen Einlaß in die Stadt verschaffen sollte. Die drei Spiridons waren Codal, Taron und der Doktor… noch ein unglücklicher Spiridon war in einen Hinterhalt gelockt worden, denn sie brauchten einen dritten Pelzmantel. Der Doktor lehnte sich zu dem Dalek hinüber. »Rebec, geht es Ihnen dort drinnen gut?« Als Antwort kam ein gedämpftes Ja. Da Jo die kleinste von allen war, wäre es logisch gewesen, daß sie in den Dalekpanzer gestiegen wäre, aber ihre Abneigung war so offensichtlich, daß Rebec sich freiwillig gemeldet hatte. Der Doktor wandte sich Jo und Latep zu. »Sind Sie sicher, daß Sie den richtigen Ventilationsschacht finden werden?« Latep nickte. »Taron hat uns eine Karte gegeben.« »Ich wünschte, wir könnten alle zusammen gehen, Doktor«, sagte Jo. »Ein Angriff von zwei Seiten aus verdoppelt unsere Erfolgschance. Ich möchte, daß Sie Ihre Bombe in dem Tunnel zünden, der sich in der Nähe der Kühlanlage befindet aber was auch immer Sie tun, beschädigen Sie die eigentliche Anlage nicht. Sie muß auch weiterhin funktionieren.« »Wir verstehen, Doktor.« 104
»Dann los mit Ihnen und viel Glück!« Jo und Latep verschwanden im Dschungel. Der Doktor schaute ihnen einen Moment lang besorgt nach. Dann gab er Rebecs Dalek einen freundschaftlichen Klaps. Sie setzte sich etwas ruckartig in Bewegung. Der Doktor, Taron und Codal folgten ihr. Drei Spiridonsklaven wurden von ihrem Dalekherrn wieder in die Stadt gebracht. Codal hatte die letzte Bombe bei sich; er verbarg sie unter seinem Pelzmantel. Alles ging gut, bis sie den Eingang erreichten. Ein Dalek glitt auf sie zu. »Alle Einheiten wurden schon vor einiger Zeit zurückgerufen. Sie sind spät dran.« Rebecs Dalek erwiderte natürlich nichts auf diesen Vorwurf. Die Wache sagte verärgert: »Sofort in der Zentralen Kontrolle melden.« Er glitt zur Seite, und die vier traten in die Stadt ein. Als sie aus dem Lift stiegen, war es mehr als einfach, sich in dem allgemeinen Gewirr der Daleks zu verlieren. Vor dem Kontrollraum war eine Gruppe versammelt. Sie schienen auf etwas zu warten. Der Doktor und seine Gruppe marschierten gemächlich durch den Raum, bis sie an eine Stelle gelangten, an der sie durch die Glaswand in das abgeriegelte Laboratorium sehen konnten. Sie konnten eine kleine Gruppe von Daleks ausmachen, die um einen Handwagen herumstand und augenscheinlich an einem waffenförmigen Gerät arbeitete. Ganz in der Nähe stand ein zweiter Handwagen, auf dem die versiegelten Behälter standen. »Was machen sie?« wisperte Taron. »Ich denke, sie treffen die letzten Vorbereitungen, um die Wartenden hier zu immunisieren«, sagte der Doktor ruhig. »Die Bakterienkulturen sind bestimmt in diesen versiegelten Behältern. Wenn wir nah genug an den Immunisierungsapparat herankommen könnten, um ihn zu zerstören, dann wären sie nicht mehr in der Lage, die Bakterien freizusetzen, ohne sich selbst zu töten.«
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Dann schwieg der Doktor. Er durchführbaren Angriffsplan auszuhecken.
versuchte
einen
Der Leitende Dalekwissenschaftler trat von der Immunisierungspistole weg. »Fehler beseitigt. Gerät ist jetzt voll funktionstüchtig.« »Sofort anfangen, die Schutzimpfung an alle Einheiten zu verabreichen. Sobald Vorgang abgeschlossen ist, werden die Behälter mit den Bakterienkulturen an ausgesuchten Punkten auf dem Planeten geöffnet. Jede Form von nicht immunisiertem Leben wird exterminiert werden.« Der Techniker begann den Handwagen auf die Tür zuzuschieben. Plötzlich erhob sich die Immunisierungspistole wie von selbst und krachte auf den Handwagen mit den Bakterienkulturen. Die meisten Behälter gingen zu Bruch. Taron packte den Arm des Doktors. »Da drinnen ist ein unsichtbarer Spiridon.« »Das ist Wester«, antwortete der Doktor. »Er muß es sein. Er sagte, daß er sie aufhalten würde. Er ist weitaus besser für einen solchen Sabotageakt qualifiziert als wir.« In dem Laboratorium herrschte mittlerweile ein riesiges Durcheinander. Jene Behälter, die ganz geblieben waren, flogen durch die Luft und zerschellten an den Wänden. Die Dalekwissenschaftler jagten hin und her und versuchten, ihren unsichtbaren Gegenspieler zu finden. »Er hat die Bakterien freigesetzt, obwohl er noch drinnen ist«, sagte Taron. »Er hat Selbstmord begangen.« Die Stimme des Doktors klang traurig. »Ich weiß. Hören Sie!« Der Leitende Dalekwissenschaftler machte eine Durchsage durch eine Art Lautsprecher. »Die Tür zu diesem Labor darf niemals geöffnet werden. Niemand darf eintreten. Wir können den Raum hier nie wieder verlassen.«
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»Sehen Sie nicht?« flüsterte der Doktor. »Die Daleks sind noch nicht geimpft. Wenn sie diese hermetisch verriegelte Tür öffnen, werden die Bakterien austreten und sie vernichten. Wester hat uns unsere Arbeit abgenommen, und er hat sie besser gemacht, als wir es je hätten tun können… aber es hat ihn das Leben gekostet.« Traurig wandten sie sich ab. Die Daleks und Spiridons rannten vollkommen verwirrt hin und her, und so war es ein leichtes, unbemerkt zu einer Seitentür zu gelangen. »Wir müssen einen Lift finden und dann in die unteren Stockwerke fahren«, ordnete der Doktor an. Sie waren schon fast vor einer Lifttür angelangt, als eine Stimme knarzte: »Halt!« Am anderen Ende des Korridors war ein Dalek aufgetaucht. Er glitt in ihre Richtung. »Spiridonsklavenarbeitern ist befohlen worden, im Stockwerk Vier zu warten. Bewegung!« Rebec, die in ihrem Dalekpanzer steckte, blieb regungslos stehen. Der Doktor, Taron und Codal tauchten tiefer in ihre Pelze und drehten sich ganz langsam um. Als sie mit dem Dalek auf gleicher Höhe waren, befahl dieser: »Warten Sie!« Sein Augenstiel drehte sich nach unten. Der Doktor folgte dessen Blick. Tarons Fuß schaute unter seiner Spiridonrobe heraus. Plötzlich schrie der Dalek: »Sie sind keine Spiridons. Sie sind außerirdische Eindringlinge. Notfall! Notfall! Notfall!«
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Eine Armee erwacht Der Doktor versuchte gar nicht erst zu bluffen. Er streifte seinen Pelz ab, warf ihn über den Augenstiel des Daleks und verpaßte ihm dann solch einen Schubs, daß er den Korridor hinuntertorkelte. Er und Taron packten den Dalek, in dem Rebec steckte, und schoben ihn, so schnell es ging, vor sich her. Sie konnten hinter sich eine Dalekstimme hören, die über die Lautsprecheranlage brüllte: »Alarm! Alarm! Alarm! Fremde auf freiem Fuß in der Stadt. Maximale Sicherheitsvorkehrungen umgehend einleiten. Alarm! Alarm! Alarm! Fremde werden von falschem Dalek begleitet. Sofort suchen und exterminieren!« Eine Dalekpatrouille kam um die Ecke gerannt und sah sich zwei Außerirdischen gegenüber. Die beiden rahmten einen Dalek ein. Die Außerirdischen rannten weg, bis sie außer Sichtweite waren, aber der Dalek bewegte sich überhaupt nicht. Die Patrouille, die davon ausging, daß es sich um den Betrüger handeln mußte, eröffnete umgehend das Feuer. Der Dalek wirbelte um seine eigene Achse; Rauch und Flammen quollen aus dem oberen Panzerteil. »Falscher Dalek vernichtet«, meldete der Anführer der Patrouille. Der Doktor, Taron, Codal und Rebec, die sich gleich hinter der nächsten Ecke versteckt hatten, rannten jetzt um ihr Leben. »Sie haben Ihr Dalekdasein gerade noch rechtzeitig beendet«, brüllte der Doktor Rebec zu. Rebec lächelte ihn nur an, denn sie war so außer Atem, daß sie nicht sprechen konnte. Schließlich fanden sie einen Lift und sprangen hinein. Der Doktor stellte die Anlage so ein, daß sie direkt zum Level Null hinunterfuhren. »Wir müssen unbedingt in dieses Lager hineinkommen«, erklärte er.
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»Und was dann?« fragte Codal. »Sie haben uns Ihren Plan immer noch nicht ganz dargelegt, Doktor. Was soll diese eine Bombe gegen eine ganze Dalekarmee ausrichten?« »Sehr viel – wenn sie am richtigen Platz angebracht wird«, sagte der Doktor geheimnisvoll. »Wir können diese Armee nicht vernichten – aber wir können verhindern, daß sie jemals eingesetzt wird.« Die Lifttür ging auf, und sie traten in das unterste Stockwerk hinaus. Dann rannten sie schnell zum Kühlbereich, aus dem sie erst vor so kurzer Zeit geflohen waren. Die Überreste der AntiGravitationsscheibe lagen verstreut vor der zerstörten Haube. Sie kletterten durch den Bogen, den die Daleks in ihre Tür geschnitten hatten. Rebec erschauderte, als sie sich an die alptraumhafte Reise durch den Kamin erinnerte. Und jetzt waren sie wieder da. Der einzige Unterschied war, daß sie eine Bombe hatten und den Plan des Doktors. Der Doktor aber schien fröhlich und zuversichtlich zu sein. »Suchen Sie alles zusammen, was sich für eine Barrikade eignen könnte, und riegeln Sie das Ende des Flurs ab«, ordnete er an. »Die Daleks müßten schon sehr bald auftauchen. Wir müssen sie so lange wie möglich aufhalten.« Er stürmte die Rampe hoch und spähte durch die Luke, die zum Arsenal führte. Sein Gesicht verdüsterte sich, als er all die Daleks sah, die dort bewegungslos aufgereiht waren. Rebec kam die Treppe hoch und stellte sich neben ihn. Beim Anblick der Dalekarmee schnappte sie nach Luft. »Die größte Invasionseinheit der Daleks, die je versammelt wurde«, erklärte der Doktor. »Und noch dazu ist sie mit der Fähigkeit der Spiridons ausgerüstet, sich unsichtbar zu machen. Die kann eigentlich nichts mehr aufhalten!« Er warf die Lukentür zu. »Dann helfen wir mal den anderen mit der Barrikade.« Taron und Codal hatten Arbeitsbänke herausgerissen und Maschinenteile zusammengeschoben und so eine ziemlich
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beeindruckende Barrikade gebaut. Der Doktor und Rebec halfen ihnen dabei, ihr den letzten Schliff zu geben. Ihrer aller Leben hing vom Ergebnis dieser letzten Bemühung ab. In der Kontrollzentrale hörte der Kommandant der Expedition dem Bericht seines Zweiten Befehlshabers zu. »Nachricht vom Raumschiff des Obersten Befehlshabers. Der Oberste Dalek wird in Kürze auf Spiridon landen. Er wird die totale Befehlsgewalt über alle Operationen auf diesem Planeten übernehmen.« Der Kommandant nahm diese Nachrichten ohne Kommentar entgegen. »Verstanden. Fortfahren.« »Der Oberste Befehlshaber hat den Fremden identifiziert, der kein Thal ist. Er ist als der Doktor bekannt, der größte Feind der Daleks.« Der Kommandant dachte nach. »Er wird sehr viele wertvolle Informationen gesammelt haben. Er muß gefangengenommen und verhört werden.« Jo und Latep waren immer noch in der Nähe der Dalekstadt, als sie beobachteten, wie ein kleines Raumschiff zur Landung ansetzte. Es war düster und ähnelte einer fliegenden Untertasse. Es glitt in ein freies Gelände in der Nähe des Eingangs zur Stadt. Jo und Latep, die am Rand des Dschungels kauerten, beobachteten den Vorgang. Eine Rampe fuhr leise aus dem Schiffskörper. Eine Tür ging auf, und zwei Daleks glitten hinunter. Sie bezogen am Rampenende Stellung, jeder auf einer Seite. Ein dritter Dalek trat an das obere Ende der Rampe. Die Farbe seines Körpers war nicht Silber wie sonst, sondern ein glänzendes Schwarz, und seine Haube schimmerte in strahlendem Gold. Dieser Dalek glitt ruhig die Rampe hinunter und hielt dann auf die Stadt zu; seine zwei Gehilfen folgten ihm. 110
Lateps Stimme war voller Ehrfurcht. »Das war der Oberste Dalek, Vorsitzender des Obersten Rates. Er kommt gleich nach dem Imperator.« Jo starrte nachdenklich das Raumschiff an. »Das da unterscheidet sich nicht allzu sehr von Ihrem Raumschiff. Könnten Sie es fliegen?« Latep nickte. »Das könnte jeder von uns. Wir haben die gekaperten Dalekschiffe studiert.« »Dann können Sie es ja nehmen, um nach Skaro zurückzufliegen! Begreifen Sie nur, Sie sind jetzt nicht mehr von der Außenwelt abgeschnitten! Ich wünschte, wir könnten es den anderen erzählen.« »Vielleicht ist es ebenso gut, daß wir es nicht können.« Latep sprach mit vollem Ernst. »Es hat etwas für sich, bei einem Selbstmordkommando mitzumachen. Man hat nichts zu verlieren.« Jo schaute ihn verzweifelt an. »Ich dachte, es würde Ihnen gut tun zu wissen, daß es zumindest einen Hoffnungsschimmer gibt, wieder von hier wegzukommen.« Latep lächelte. »Glauben Sie mir, das tut es. Ich denke, ich habe jetzt einen sehr guten Grund, weshalb ich am Leben bleiben möchte.« Er schaute Jo direkt an, während er mit ihr sprach. Jo drehte sich schnell weg. »Es ist besser, wenn wir wieder losgehen. Es ist immer noch ein ganz schönes Stück.« Der Doktor starrte die Maschinen in der Kühlkammer an und fluchte fließend in einem obskuren marsianischen Dialekt. Taron konnte die Worte nicht verstehen, aber deren Bedeutung war offensichtlich genug. »Was ist denn los, Doktor?« »Ich hatte gehofft, daß ich eine Möglichkeit finden würde, um diese Schalter auf der ›AN‹-Position zu justieren. Sobald die Kühlung nämlich abgeschaltet wird, erwacht die Dalekarmee zum Leben. Doch das wird nicht funktionieren. 111
Die Hauptschalter befinden sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Zentralen Kontrollbereich. Dann werden wir eben gemäß meinem anderen Plan vorgehen. Taron und Rebec, behalten Sie die Barrikade im Auge, Codal, Sie kommen mit mir.« Er führte Codal in den Flur hinaus und öffnete mit seinem Schallschraubenzieher eine kleinere Tür, die in das Daleklager führte. Codal blieb beim Anblick der riesigen Dalekarmee abrupt stehen, aber der Doktor sagte fröhlich: »Machen Sie sich keine Sorgen, die schlafen alle tief und fest.« Er zeigte auf eine Rampe, die zu den metallenen Laufstegen führte, welche um die riesige Höhle liefen. »Wir gehen auf diese Stege hoch, Codal, Sie in die eine Richtung, ich in die andere. Wir suchen nach einem netten, tiefen Felsspalt…« Der Oberste Dalek stand in der Zentralkontrolle, flankiert von seinen beiden Gehilfen. Der Bereich war geräumt worden. Der Kommandant der Daleks und sein Zweiter Befehlshaber standen direkt vor ihm. Schroff sprach der Oberste Dalek den Zweiten Befehlshaber an und ignorierte den Kommandanten der Expedition. »Berichten Sie über die Unsichtbarkeitsexperimente.« »Daleks können Unsichtbarkeit für zwei Arbeitsperioden beibehalten. Nach Ablauf dieses Zeitraums tritt ein Zusammenbruch ein, der durch die Lichtwellenkrankheit verursacht wird.« »Zufriedenstellend. Der Oberste Rat hat befohlen, daß unsere Armee sofort aktiviert wird. Die Invasion der Galaxie wird umgehend beginnen. Stellen Sie die Kühlungsanlage ab.« »Ich gehorche.« Der Zweite Befehlshaber entfernte sich. Jetzt wandte der Oberste Dalek seine Aufmerksamkeit dem Kommandanten der Expedition zu. »Das Vorhandensein feindlicher Außerirdischer hat eine Verzögerung unserer Operation auf diesem Planeten verursacht.«
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»Diese Angelegenheit lag außerhalb meiner Kontrolle.« Der Kommandant sprach ohne Hoffnung, denn er wußte, daß er schon verurteilt war. »Ihre Befehle lauteten dahingehend, daß Sie sie vernichten sollten.« »Das ist leider nicht möglich gewesen. Wegen der Sabotage eines Spiridon konnten wir die Bakterien nicht einsetzen.« Der Oberste Dalek war einen Augenblick lang still und äußerte dann sein Urteil. »Die Verantwortung hat bei Ihnen gelegen. Sie haben versagt. Der Oberste Rat der Daleks akzeptiert kein Versagen.« Der Kommandant der Expedition stand vollkommen regungslos und akzeptierte sein Schicksal. Die Waffen des Obersten Dalek und seiner Gehilfen feuerten gleichzeitig, und der Kommandant ging in Rauch und Flammen auf. Latep und Jo standen oben vor dem Kaminschacht. Latep hatte eine Art improvisierten Montagekran aus Baumzweigen gefertigt, die sie auf dem Weg gesammelt hatten. Daran war ein Ende eines unendlich langen Seils befestigt. Das andere Ende ließ er gerade in den Schacht hinunter. Jo schaute ihm skeptisch zu. »Was, wenn das Ding nicht hält?« Latep grinste. »Es wird aber halten.« »Nun, und wenn aber das Seil nicht lang genug ist?« »Jo, wir haben jedes einzelne Seil der ganzen verdammten Expedition verwendet. Glauben Sie mir, es wird lang genug sein. Ihr Freund, der Doktor, hat das ausgeheckt.« Jo lächelte matt. »Nicht die Reise macht mir Sorgen, sondern das, was wir vorfinden werden, wenn wir erst einmal unten sind.« Latep grinste sie ermutigend an. »Wir werden den Doktor und die anderen treffen, genau so, wie wir es abgemacht haben. Ich mache mich jetzt auf den Weg. Kommen Sie mir nach,
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wenn ich Sie rufe.« Er hob das Bein über die Mauer und packte das Seil mit den Händen. Jo beugte sich vor und drückte ihm schnell einen Kuß auf die Wange. »Viel Glück, Latep.« »Und Ihnen auch, Jo.« Er glitt nach unten und war schon kurz darauf nicht mehr zu sehen. Jo wartete ängstlich, bis sie hörte, wie seine Stimme aus dem Kamin nach oben drang. »Es ist alles okay, Jo, kommen Sie jetzt.« Sie kletterte auf die Mauer, nahm das Seil, so wie er es getan hatte, und folgte ihm. Der Doktor suchte immer noch, als er Codal rufen hörte: »Doktor, ich denke, ich habe gefunden, was Sie brauchen.« Der Doktor rannte den Steg hinunter und trat dann neben ihn. Codal stand vor einem ausgezackten Loch in der Felswand. Die kostbare Bombe lag zu seinen Füßen. »Ganz schön tief, finde ich, ich kann meinen Arm hineinstecken.« Codal führte es dem Doktor vor. Plötzlich tauchte Taron in der Arsenaltür auf. »Doktor – die Daleks sind jetzt vor der Barrikade – sie greifen jetzt an! Und die Kühlanlage ist anscheinend abgeschaltet worden. Die Temperatur steigt.« Der Doktor hielt inne. »Genauso ist es. Es ist nur ein sehr geringer Temperaturanstieg vonnöten, und schon setzen sich die Daleks hier in Bewegung. Wir müssen schnell machen, Codal!« Doch Codal hörte nicht zu. Fasziniert stierte er in das Lager hinunter. Seine Augen waren vor lauter Schrecken weit aufgerissen. »Sehen Sie, Doktor!« Er zeigte mit dem Finger nach unten. Der Doktor tat, wie ihm geheißen. Die Daleks, die unter ihnen aufgereiht waren, schwenkten ihre Waffen unsicher, ihre Augenstiele drehten sich orientierungslos und bedrohlich hin und her. Einige Daleks taumelten leicht, stießen sanft an ihre Nachbarn. Es war unverkennbar, daß die Armee
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der Daleks schwerfällig und widerwillig wieder zum Leben erwachte.
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Das letzte Spiel Taron und Rebec, die vor der Kühlkammer standen, schauten den Korridor hinunter auf die Barrikade am anderen Ende des Raumes. Sie schwankte rhythmisch hin und her, als die Daleks sich auf sie warfen. Zuerst hatten sie versucht, sie auf die Seite zu sprengen, aber dadurch war das Metall geschmolzen und hatte sich nur noch stärker zusammengeschweißt. Jetzt setzten sie rohe Gewalt ein, indem sie sich in Gruppen wie Rammböcke dagegen warfen. Es war eine langsame und schwerfällige Methode, nichtsdestotrotz war sie effektiv. Teile der Barrikade begannen schon wegzubrechen. »Noch ein paar Versuche, und das ganze Ding wird zusammenbrechen«, sagte Taron. »Es ist an der Zeit, daß wir uns zurückziehen.« Sie gingen zurück in das Daleklager, und Taron berührte einen Hebel, um die Tür zu schließen. Nichts geschah. Taron schüttelte den Kopf. »Das bringt gar nichts, die Daleks haben den Strom abgedreht.« Sie liefen die Rampe, die zum Steg führte, hoch und schlossen sich Codal und dem Doktor an, die eifrig damit beschäftigt waren, ihre Spalte zu vergrößern, indem sie alles Geröll herausholten. »Die Tür geht nicht zu, von Jo und Latep ist immer noch nichts zu sehen, und die Daleks werden jede Sekunde die Barrikade durchbrechen«, meldete Taron knapp. »Was nun?« Der Doktor überlegte einen Augenblick lang. »Irgendwie müssen sie doch diese Daleks hier hereingekriegt haben, und es ist doch anzunehmen, daß sie sich um eine Möglichkeit gekümmert haben, sie hinauszuschaffen. Ich gehe nicht davon aus, daß sie vorhaben, einen nach dem anderen im Lift nach oben zu transportieren! Insofern denke ich, daß einer dieser
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Stege zu einem Ausgang führt, wahrscheinlich zu einer Art Rampe. Sehen Sie mal, ob Sie etwas finden können.« Taron und Rebec spurteten weg, und der Doktor steckte seinen langen Arm in den Spalt. »Das scheint jetzt in Ordnung zu gehen. Reichen Sie mir die Bombe, Codal!« Codal drehte sich um, um die Bombe aufzuheben und erwischte sie seitlich mit dem Fuß, als er sich umdrehte. Die Bombe rollte langsam zum Rand des Laufstegs. Codal sprang hinter ihr her, aber es war zu spät. Er verpaßte sie um ein paar Zentimeter. Sie rollte über den Rand hinaus und fiel hinunter. Der Doktor und Codal gingen sofort in Deckung – aber nichts passierte. Codal warf einen Blick über den Rand. »Dort ist sie, dort unten.« Er zeigte mit dem Finger auf sie. Die Bombe war ein paar Meter weit gerollt und lag jetzt zu Füßen eines Daleks. Der Doktor schaute nun auch. Der Höhenunterschied betrug nur knappe drei Meter. Ohne zu zögern, ließ er sich am Rand hinunter, hielt sich einen Moment lang mit den Händen fest und ließ sich dann fallen. Der Doktor stand eine Weile lang still und schaute sich um. Denk an Daniel im Löwenkäfig, dachte er. Hier stand er nun, und eine ganze Dalekarmee konnte ihn ausgezeichnet sehen. Die Daleks schienen seine Anwesenheit verschwommen zur Kenntnis zu nehmen, aber sie waren immer noch zu schläfrig, um irgend etwas zu unternehmen. Ihre Augenstiele drehten sich langsam bei dem Versuch, sein Vordringen zu verfolgen, als er zwischen den hin und her schwankenden Gestalten durchging. Ihre Saugnapfarme, die Waffen hielten, waren immer mal wieder auf ihn gerichtet, und die sich langsam bewegenden Dalekkörper rempelten ihn an, als er an ihnen vorbeikam. Der Doktor ging durch die Daleks und versuchte sich der Bombe zu nähern. Aber auch der Dalek, zu dessen Füßen die Bombe lag, bewegte sich, und die Bombe rollte weiter, um dann wieder von einem anderen Dalek weitergestoßen zu werden. Das alles wirkte wie ein 117
geisterhaftes Fußballspiel in Zeitlupe, dachte der Doktor, bei dem Tausende von Spielern auf der anderen Seite kämpften. Er wich den Daleks aus, die ihn behinderten, war dann endlich bei der Bombe und las sie auf. Codal beobachtete ihn nervös vom Steg aus. Dann schrie der Doktor: »Hier!« und warf ihm die Bombe zu. Codal fing sie keuchend auf. Der Doktor machte sich wieder auf den Rückweg. Er sprang in die Höhe, wollte sich hochhieven, aber der Steg war zu hoch und sein Anlauf war in dem beengten Raum nicht lang genug. Jetzt setzten die Daleks ihm immer mehr zu, so, als ob sie versuchten, ihn zu zerquetschen. Flink kraxelte der Doktor auf den nächsten Dalek und benutzte ihn als Sprungbrett zum Steg. Nachdenklich untersuchte Codal die Bombe. »Ich denke, daß sie in Ordnung ist, aber der Zeitmechanismus ist kaputt. Ich werde ein paar Minuten brauchen, bis ich ihn repariert habe.« Er zog das Werkzeug aus seinem Gürtel und machte sich an die Arbeit. Taron und Rebec kamen den Laufsteg heruntergerannt. »Sie hatten recht, Doktor«, sagte Rebec aufgeregt. »Dort drüben, auf der anderen Seite, ist eine riesige, spiralförmige Rampe. Sie muß direkt zur Oberfläche des Planeten führen.« »Ausgezeichnet. Das ist unser Weg nach draußen, wenn die Zeit gekommen ist.« »Ist es jetzt nicht an der Zeit, daß Sie uns den Rest Ihres Planes erzählen?« fragte Taron. Der Doktor lächelte. »Es tut mir leid Sie sind außerordentlich geduldig gewesen. Nun, wie Sie wissen, befindet sich dieses Lager genau am Rand eines Eiskans. Die Daleks haben es absichtlich hier gebaut, damit sie dessen Kühlkraft verwenden konnten. Die ganze Gegend ist wabenförmig mit Tunnels durchzogen und der Eiskan ist nicht stabil. Wenn wir unsere Bombe an genau der richtigen Stelle zünden, könnte sie bewirken, daß der Eiskan ausbricht und die Tragfähigkeit der Wände schwächt. Das Eis wird durchbrechen 118
und die ganze Höhle überfluten. Das ist jedenfalls die Theorie. Wir werden einfach darauf hoffen müssen, daß sie stimmt.« »Das Eis kann die Daleks nicht vernichten«, stellte Rebec klar. »Es wird sie nur wieder lahmlegen.« »Da wir ja nur eine Bombe haben, ist das das Beste, worauf wir hoffen können. Außerdem, wenn die Kammern erst einmal überflutet sind, dann wird es Jahrhunderte brauchen, den Eiskan einzudämmen und die Daleks herauszuschaffen.« Der Doktor wurde von einem Donnern unterbrochen, das von draußen hereindrang. Er wandte sich Codal zu. »Beeilen Sie sich lieber, alter Freund. Das hörte sich nach der letzten Barrikade an – sie haben nun Sprengstoff genommen.« Hinten in der Kühlkammer tauchten ein paar Beine unter der beschädigten Haube auf. Latep landete auf dem Boden, Jo folgte gleich darauf. Er half ihr aufzustehen. »Sind Sie in Ordnung?« »Ich denke schon«, keuchte sie. »Was war das für ein Lärm?« Vom Korridor drang lautstarkes Klappern und Klopfen herein. Sie krochen zur Tür hinüber und warfen einen Blick nach draußen. Die Daleks schoben die Überreste der zerstörten Barrikade zur Seite. Jo schaute Latep ängstlich an. »Wir müssen sie unbedingt aufhalten.« Latep befreite die Bombe aus ihrer Halterung und stellte den Zeitzünder schnell ein. Kühn trat er in den Korridor hinaus und warf die Bombe auf die Daleks. Ein Dalek feuerte in dem Moment, in dem er auftauchte. Latep machte einen Satz nach hinten, und die Ladung verfehlte ihn um wenige Zentimeter. Einen kurzen Augenblick lang lag der glänzende Zylinder harmlos zwischen den Daleks. Aber dann explodierte er, schüttelte die umstehenden Daleks durch und brachte ein Stück Decke zum Einstürzen. Ein Schuttberg blockierte nun den Korridor zur Hälfte. Jo und Latep streckten sich, um einen Blick durch den Staub und Rauch zu ergattern. Am anderen 119
Ende des Korridors begannen die Daleks schon wieder damit, den Schutt zur Seite zu schieben. »Die geben nicht auf, oder?« sagte Jo. »Gehen wir doch los und suchen den Doktor.« Sie rannten in das Arsenal und dann den Laufsteg hinunter. Rebec, Taron und der Doktor warteten immer noch darauf, daß Codal seine Reparaturarbeiten beendete. Sie begrüßten sie enthusiastisch. »Die Daleks sind nicht mehr weit weg«, warnte Jo. »Wir haben versucht, sie mit unserer Bombe aufzuhalten, aber das hat nicht geklappt.« Codal schaute auf. »In Ordnung, jetzt bin ich fertig.« Der Doktor atmete erleichtert auf. »Taron, Sie bringen die anderen nach oben. Codal und ich werden die Bombe einsetzen und dann nachkommen. Codal, stellen Sie die Bombe so ein, daß sie in dreißig Sekunden detoniert.« Taron, Rebec, Latep und Jo rannten den Steg hinunter, bis sie die Rampe erreichten. Der Doktor sah zu, wie Codal einen Schalter an der Bombe bewegte. »Zündmechanismus läuft«, meldete Codal und reichte die Bombe schnell dem Doktor. Der Doktor drückte sie tief in die Felsspalte und fummelte so lange herum, bis sie richtig festsaß. Draußen im Korridor schoben die Daleks den letzten Schuttrest auf die Seite und glitten auf die Lagertür zu. Der Doktor zog den Arm aus der Felsspalte. »Gut, das sollte genügen. Kommen Sie!« Sie begannen genau in dem Moment den Steg hinunter zu rennen, als der erste Dalek durch die Tür glitt. Vorsichtig betraten die Daleks die Rampe und dann den Steg. Der Doktor und Codal rannten, so schnell sie konnten, und ließen die Daleks weit hinter sich. Die anderen vier warteten auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers. Hinter ihnen war eine riesige, spiralenförmige Rampe, die oben in der Dunkelheit verschwand.
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Ängstlich beobachtete die kleine Gruppe, wie die Daleks langsam den Steg herunterliefen. Der Doktor hörte, wie Codal schwer atmend zählte: »Sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins…« Als der erste Dalek auf gleicher Höhe mit dem Spalt war, explodierte die Bombe. Rauch und Flammen quollen aus dem Spalt, und die Daleks wurden in das Lager geschleudert. Sie krachten auf die Armee, die gerade aufwachte. Der Steg war kaputt und abgerissen. Für einen Augenblick sah es so aus, als ob das schon alles wäre. »Es hat nicht hingehauen«, keuchte Codal. »Sie werden diesen Schaden in wenigen Minuten repariert haben. Wir haben versagt.« »Warten Sie«, sagte der Doktor ruhig. Sie hörten ein leises Donnern. Neben der Spalte bildeten sich Risse in der Wand, wie die Risse, die ein Stein verursacht, der auf dünnes Eis fällt. Die Risse wurden länger, breiteten sich aus… Plötzlich brach eine ganze Wand nach innen, und ein Strom aus flüssigem Eis flutete herein. Noch während sie zuschauten, war die riesige Höhle schon überflutet. Als die brennende Kälte des flüssigen Eises die Körper der Daleks einbettete, froren sie fest, waren bewegungsunfähig und verfielen wieder in den langen Schlaf, aus dem sie erst vor so kurzer Zeit erwacht waren. Außerhalb des Lagers war ein bedrohliches Donnern zu hören. Das Eis brach auch in anderen Stadtteilen durch. Der Eiskan war ausgebrochen. Die Thals rannten schon die Spiralrampe hoch. Jo riß den Doktor am Ärmel. »Kommen Sie, Doktor!« Der Doktor blieb stehen, um einen letzten Blick nach unten zu werfen. Mittlerweile war die riesige Höhle bis zur Hälfte mit Eis gefüllt, und die hilflosen Daleks verschwanden in den Fluten. »Äußerst zufriedenstellend«, grinste der Doktor. Er und Jo folgten jetzt den anderen.
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Nur noch drei Daleks standen im Zentralen Kontrollbereich, der eben angekommene Oberste Dalek und seine beiden Gehilfen. Alle anderen Mitglieder der Dalekexpedition nach Spiridon hatten sich an dem letzten Versuch beteiligt, den Doktor gefangenzunehmen, und saßen jetzt in dem herausquellenden Eis fest. Der erste Gehilfe studierte ruhig die Instrumentenanzeigen im Kontrollraum und meldete die ganze Katastrophe ausführlich. »Lager und alle unteren Stockwerke überschwemmt. Geschmolzenes Eis dringt extrem schnell in die anderen Stockwerke. Keine Antworten von irgendeiner Dalekeinheit.« Der Oberste Dalek wirbelte herum. Ein kleiner Eisstrom drang durch den Türschlitz des Zentralen Kontrollbereichs. »Mit Oberstem Kommando beraten. Angriffseinheit vollkommen immobil. Selbstzerstörung aller Instrumente einschalten. Wir verlassen den Planeten.« Der Doktor und seine Freunde versammelten sich an der Rampe, die in das Raumschiff der Daleks führte. Codal hatte die Tür mit Leichtigkeit öffnen können und überprüfte glücklich die Kontrollen. Sie hörten ein leises Motorsurren, als das Schiff zum Abflug vorbereitet wurde. »Es ist an der Zeit, zu gehen«, sagte der Doktor fröhlich. Rebec hielt Tarons Hand fest. »Und jetzt können wir heim nach Skaro. Das ist etwas, das ich nicht erwartet habe.« Taron drehte sich zum Doktor um. »Es gibt keine adäquate Art, Ihnen zu danken, Doktor, aber wenn es irgend etwas gibt, was wir für Sie tun können, dann heraus damit.« Der Doktor schüttelte vollkommen beschämt den Kopf. Dann sagte er: »Warten Sie, vielleicht gibt es doch etwas. Die Thals sind immer ein friedliebendes Volk gewesen. Es wäre mir mehr als recht, wenn das so bliebe. Wenn Sie wieder zu 122
Hause sind, dann werden Sie Helden sein. Aber glorifizieren Sie Ihre Abenteuer nicht. Bringen Sie Ihre Mitbewohner nicht dazu, daß sie denken, Krieg sei ein aufregendes Spiel. Erzählen Sie ihnen von den Ängsten und Gefahren, von den Freunden, die nie wieder zurückkehren werden.« Taron nickte ernst. »Sie können sich auf uns verlassen, Doktor. Auf Wiedersehen.« Taron und Rebec eilten in das Schiff. Der Doktor hielt nach Latep und Jo Ausschau, die sich ein Stück weiter unterhalten hatten. Sie kamen auf ihn zu, Latep hielt Jos Hand. Er wirkte nervös, aber bestimmt. »Ich habe versucht, Jo zu überreden, mit mir zurück nach Skaro zu gehen, Doktor. Würde es Ihnen etwas ausmachen?« Der Doktor schaute zu Jo hinunter. »Nicht, wenn es das ist, was sie möchte. Ist es das, Jo?« Jo lächelte Latep weinend an. »Es tut mir leid, Latep, ich fürchte, daß es nicht so ist. Ich mag Sie sehr gern – aber ich habe meine eigene Welt und mein eigenes Leben, zu denen ich zurückkehren muß.« Latep nickte. Er streckte seine Hand aus. Jo schüttelte sie und küßte dann Latep auf die Wange. Er eilte die Rampe hoch. Taron trat in die Tür. »Sie werden die hier brauchen, um wieder in Ihr Schiff zu gelangen, Doktor«, rief er und warf ein mit Plastik umwickeltes Bündel herunter. »Auf Wiedersehen, und noch mal vielen Dank!« Sie hörten, wie sich die anderen im Schiff von ihnen verabschiedeten, dann ging die Tür zu, und die Rampe wurde eingezogen. Jo und der Doktor rannten zum Dschungelrand. Dann drehten sie sich um und verfolgten den Start. Das Schiff hob mit donnernden Hilfstriebwerksraketen ab und verschwand kurz darauf im Himmel auf seinem Rückflug nach Skaro. Der Doktor untersuchte das Bündel, das Taron ihm zugeworfen hatte. Es handelte sich um zwei Plastikschutzanzüge und ein Spray. »Sehr umsichtig von ihm«, 123
sagte er. »Wir hätten ganz schön zu tun, wenn wir ohne die hier wieder in die Tardis gewollt hätten.« Doch Jo hörte ihm nicht zu. Sie zeigte auf das Blockhaus, das am Eingang der Dalekstadt stand. Der Oberste Dalek und seine beiden Gehilfen kamen dort heraus. »O Gott«, sagte der Doktor. »Sie werden nicht allzu glücklich sein, daß die Thals ihr Raumschiff genommen haben.« »Nein.« Jo lächelte. »Das glaube ich auch nicht.« Jo und der Doktor drehten sich um und rannten los. Die Sprengladung einer Dalekwaffe entflammte den Dschungel neben ihnen. Während sie durch das Unterholz eilten, hörten sie die wütende Stimme des Obersten Dalek: »Außerirdische! Verfolgen und exterminieren!« Es war ein Glück für Jo und den Doktor, daß der Oberste Dalek und seine Gehilfen auf Spiridon fremd waren und über den Planeten weitaus weniger gut Bescheid wußten als sie selbst. Es dauerte nicht lange, bis sie sie im dichten Dschungel abgeschüttelt hatten. Danach mußten sie nur noch eine lange Wegstrecke zurücklegen, bis sie die Stelle erreichten, wo die Tardis zu Anfang gelandet war. Als sie bei dem alten Tempel angekommen waren, brauchten sie einen Augenblick lang, bis sie die Tardis entdeckten. Die Schwammpflanzen hatten sie nicht essen können, aber sie hatten sie mit einem dicken Pilzmantel überzogen, so daß sie beinahe wie ein großer, quadratischer Schwamm aussah. Der Doktor und Jo zogen ihre Schutzkleidung aus Plastik an, und der Doktor besprühte die Tardis, bis er die Tür fand. Als er sie erst einmal ausgemacht hatte, konzentrierte er sich darauf, den Pilz mit dem Spray zu bearbeiten, damit er dann die Tür öffnen konnte. Jo hielt Ausschau, während er daran arbeitete. Die Schwammpflanzen, die durch ihre Anwesenheit aufgeweckt worden waren, bespuckten sie wütend. Jo schauderte, als sie sah, wie die weißen Tropfen auf dem Plastikmantel des Doktors landeten. 124
Sie erinnerte sich an ihre Infektion, bevor sie von Wester geheilt worden war. Armer Wester, dachte sie. Der Doktor hatte ihr von seiner Selbstaufopferung berichtet…. Plötzlich bemerkte Jo drei glänzende Gestalten, die durch den Dschungel auf sie zukamen. Mit unglaublicher Hartnäckigkeit hatten die Daleks sie wieder gefunden. Sie tippte dem Doktor auf die Schulter und meldete es ihm. Der Doktor arbeitete gelassen weiter. »Fast fertig, Jo. Das Schloß ist voll von diesem Zeug, und der Schlüssel wird sich nicht drehen.« Der Doktor setzte seine Arbeit ohne Hetze fort. Die Daleks kamen immer näher. »Beeilen Sie sich, Doktor«, drängte Jo. »Sie werden uns jede Minute entdecken.« Und sie hatte recht. Sekunden später registrierte der erste Dalek die Gestalten, die bei der Tardis standen. Er feuerte sofort, und der Schuß löste einen Pilzflecken von der Wand der Tardis. Aber jetzt war es dem Doktor gelungen, die Tür zu öffnen. »Beeilen Sie sich, Jo«, brüllte er. Jo rannte durch die spuckenden Schwämme und stürzte hinein. Der Doktor warf die Tür hinter ihnen zu. Jetzt kamen alle drei Daleks auf die Tardis zu. Ihre Waffen feuerten. Aber sie kamen zu spät. Die Tardis konnte durch einen Angriff von außen nicht beschädigt werden. Die Daleks sahen hilflos zu, wie die Tardis sich dematerialisierte. Pilzstückchen fielen zu Boden. Ihr größter Feind hatte ihre Pläne vereitelt und war ihrer Rache wieder entkommen. Der Oberste Dalek drehte sich arrogant seinen Gehilfen zu. Der Tag war voller Katastrophen gewesen. Die Armee war begraben, die Expedition nach Spiridon mißglückt, die Stadt zerstört. Jede andere Lebensform wäre verzweifelt und am Boden zerstört. Aber Daleks akzeptieren eine Niederlage nicht. Sie ignorieren sie und gehen den selbstgewählten Weg der Eroberung und Zerstörung weiter. 125
In der Stimme des Obersten Dalek lag unverbesserliches Vertrauen. »Die Oberste Kommandantur wird ein Rettungsschiff schicken. Gleich nach der Ankunft werden wir mit den Vorbereitungen beginnen, die Armee aus dem Eis zu befreien. Wir sind aufgehalten, aber nicht geschlagen worden.« Die rauhe Stimme war voller Triumph. »Die Daleks geben sich nie geschlagen.« Jo stopfte die Schutzanzüge in den Müllschlucker. »Spiridon ist ein Planet, den ich nie wiedersehen möchte«, sagte sie. Der Doktor beendete die Überprüfung während des Fluges und trat an eine Monitorleinwand. Er betätigte die Kontrollen, bis sich die Leinwand mit Sternen füllte, dann rückte er einen bestimmten Planeten in den Blickwinkel. »Was ist mit dem hier, Jo?« fragte er spitzbübisch. »Das ist Skaro. Bereuen Sie es?« Jo lächelte ein bißchen traurig, als sie an Lateps ernstgemeinte Bitte dachte. Aber sie schüttelte den Kopf. »Nein, Doktor. Skaro ist nichts für mich.« Wieder betätigte der Doktor die Schalter. Eine andere Galaxie tauchte auf dem Bildschirm auf und dann auch ein anderer Planet. »Was ist mit dieser kleinen Welt?« Jo betrachtete den Planeten, der friedlich im Weltraum trieb. »Das ist die Erde, nicht wahr?« Der Doktor nickte. »Dann ist es das, was ich sehen möchte«, sagte Jo bestimmt. »Bitte nach Hause, Doktor!« Der Doktor grinste. »Sehr gut, Jo. Nach Hause, so soll es sein.« Er beugte sich über das Schaltpult und gab die Koordinaten der Erde ein.
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