MedR
Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Rolf Mehringer
Die Anfangeroperation Zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit
Sprin ger
RolfMehringer Haidplatz i 93047 Regensburg
[email protected]
ISSN 1431-1151 ISBN 978-3-540-69098-6 Springer Berlin Heidelberg New York
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Gedruckt auf saurefreiem Papier
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde von der juristischen Fakultat der Universitat Regensburg im Sommersemester 2006 angenommen. Sie beriicksichtigt Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum bis Mitte 2006. Neuere Publikationen und Entscheidungen haben noch Eingang in die Druckfassung gefunden. Herzlich bedanken mochte ich mich an erster Stelle bei meinem verehrten Doktorvater und Erstgutachter Herrn Prof. Dr. Andreas Spickhoff, der die Bearbeitung des interessanten Themas angeregt und mit wertvollen Beitragen sowie konstruktiver ICritik begleitet hat. Besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Reinhard Richardi ftir die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Eltern, die mir meinen Lebensweg geebnet haben, schulde ich mehr als den hier moglichen Dank. Sie haben mir mein juristisches Studium und die Promotion durch ihre finanzielle und vor allem auch menschliche Unterstutzung erst ermoglicht.
Regensburg im Januar 2007
Rolf Mehringer
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Inhaltsverzeichnis A Problemstellung I. Zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit II. Gang der Darstellung B Begriff und Wirklichkeit I. Entstehung - Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs 1. Prozessgeschichte a) Sachverhalt b) Berufungsentscheidung des OLG Koln 2. Das Urteil des Bundesgerichtshofs a) Aufklarung b) Erhohte Pflichten c) Haftung des Kliniktragers d) Haftung des Anfangers e) Beweislastumkehr II. Terminologie 1. „Anfanger" - Der personliche Anwendungsbereich a) Der Arzt in den verschiedenen Stufen seiner Ausbildung aa) Allgemein bb) Famulatur cc) Praktisches Jahr (PJ) dd) Arzt im Praktikum (AIP) ee) Arzt in der Weiterbildung ff)Facharzt b) Anwendbarkeit auf andere Medizinalfachberufe c) Zusammenfassung 2. ^Operation" - Der sachliche Anwendungsbereich a) Herkommlicher Sinn b) Umfassender Sinn aa) Nichtchirurgische HeilmaBnahmen bb) Nichtoperative HeilmaBnahmen c) Zusammenfassung
V VII 1 1 4 7 7 8 8 8 9 10 10 10 11 11 12 12 13 13 13 14 16 19 21 23 25 26 26 27 27 28 29
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Inhaltsverzeichnis
III. Organisation 1. Horizontale Arbeitsteilung 2. Vertikale Arbeitsteilung
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C Vertragliche Grundlagen I. Allgemein II. Stationare Behandlungsverhaltnisse , 1. Totaler Krankenhausaufnahmevertrag 2. (Auf-) Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag 3. Totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Sondervereinbarung III. Ambulante Behandlungsverhaltnisse 1. Einsatzbereich des Anfangers. 2. Einzel- und Gruppenpraxis a) Einzelpraxis b) Gruppenpraxis aa) Praxisgemeinschaft bb) Gemeinschaftspraxis / Medizinisches Versorgungszentrum IV. Besondere Behandlungsverhaltnisse 1. Ambulante Krankenhausbehandlung , ,,....... 2. Notfallmedizin
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D Besondere Verkehrspflichten I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht 1. Einwilligung und Aufklarung, conditio sine qua non 2. Die Aufklarung vor dem arztlichen Heileingriff a) Gegenstand der Aufklarung , aa) Sicherungsaufklarung bb) Wirtschaftliche Aufklarung cc) Selbstbestimmungsaufklarung b) Aufklarungspflicht iiber Person bzv^. Qualifikation des „Operateurs" aa) Vertragsabhangigkeit bb) Risikoabhangigkeit (1) Die Entwicklung der Rechtsprechung (2)Literatur (3) Fragerecht des Patienten cc) Bewertung II. ,JNegative Ubernahmepflicht" - Ubernahmeverschulden 1. Priifungs- und Uberweisungspflicht 2. Inhaltliche Anforderungen a) Theoretisches Wissen b) Praktische Erfahrungen aa) Grundlegende Abgrenzungskriterien bb) Negativabgrenzung cc) Das Stufenmodell - schrittweise Annaherung 3. Zusanmienfassung
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Inhaltsverzeichnis III. Erhohte Dokumentationspflicht 1. Allgemeine Grundsatze 2. Ausgestaltung der Dokumentationspflicht a)Inhalt b)Form c)Zeitpunkt 3. Anforderungen fiir die Anfangeroperation a) Rechtsprechung b)Literatur 4. Zusammenfassung IV. Besondere Organisationspflichten 1. Aufsichtspflicht a) Aufsichtspflicht und deren Ausgestaltung aa) Allgemeine Anforderungen bb) Einzelfallabhangigkeit (1) Eingriffsabhangigkeit (2) Erfahrungsabhangigkeit (3) Anlehnung an das Stufenmodell b) Ausbildungsstand des Uberwachenden aa) Formeller Facharztstatus bb) Materielle Facharztqualifikation 2. Organisationspflichten imengeren Sinn. a) Krankenhaustrager., b) Chef- undOberarzte 3. Zusammenfassung E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation I. Passivlegitimation und Haftungsgrundlage 1. Keine spezialgesetzlichen Haftungsgrundlagen 2. Vertrag a) Haftungsgrundlage aa) Eigenhaftung bb) Zurechnung uber § 278 BGB cc) Zurechnung uber § 31 i.V.m. § 839 BGB b) Passivlegitimation aa) Anfanger bb)Dritte (1) Ambulantes Behandlungsverhaltnis (2) Stationares Behandlungsverhaltnis 3. Quasivertragliche Haftung a) Haftungsgrundlage b) Passivlegitimation aa) Anfanger bb)Dritte
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IX 88 88 91 91 94 95 97 97 99 101 102 103 103 104 105 105, 107 109 109 110 Ill 114 114 116 118 121 121 121 124 125 125 126 127 128 129 129 129 130 133 133 133 133 134
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Inhaltsverzeichnis 4.Delikt a) Haftungsgrundlage aa) § 823 BGB bb) § 831 BGB cc) § 839 BGB b) Passivlegitimation aa) Anfanger bb)Dritte (1) § 831 BGB (2) § 839 BGB II. HaftungsmaBstab 1. Sorgfalt als zentrales Element a) FahrlassigkeitsmaBstab der zivilrechtlichen Haftung b) Differenzierung zwischen Fahrlassigkeit und Pflichtverletzung. 2. Konkretisierung des SorgfaltsmaBstabs a) Objektiv typisierender SorgfaltsmaBstab aa) Begriff des Standards bb) Empfehlungen, Leitlinien und Richtlinien cc) Verkehrskreise (1) Fachgebietsspezifische Verkehrskreise (2) Versorgungsstufenspezifische Verkehrskreise b) Individuelle Starken als Ausnahme 3. Besonderer AnfangermaBstab a) Problematik der Anfangerhaftung b) Facharztstandard und innerbetrieblicher Schadensausgleich (1) Facharztstandard auch fiir den Berufsanfanger (2) Innerbetrieblicher Schadensausgleich c) Ausbildungsdifferenzierte Losungsansatze aa) Krankenpfleger, Famulant und Praktisches Jahr bb) Berufsanfanger (1) Subjektivierter VerschuldensmaBstab (2) Aufteilung in innere und auBere Sorgfalt (3) Anfangerstandard - Verkehrskreis Anfanger (a) Rechtsprechung (b) Literatur - Darstellung und eigene Wertung (c) Losungen anderer Rechtsordnungen d) Zusammenfassung III. Besondere Behandlungsfehler 1. tJbernahmefehler bzw. -verschulden 2. Organisationsfehler bzw. -verschulden a) Uberwachungsfehler b) tJbertragungsfehler c) Organisationsfehler im engeren Sinn
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Inhaltsverzeichnis
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FBeweislast I. AUgemeine Beweisgrundsatze in der Arzthaftung II. Besondere Beweiserleichtemngen bei der Anfangeroperation 1. Fehlerhafte Dokumentation 2. Fehlgeschlagene Anfangeroperation III. Anfangerspezifische Problematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
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G Gesamtbetrachtung und Ausblick I. Zusammenfassung der Ergebnisse II. AbschlieBende Bewertung
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Literatur
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A Problemstellung
So ist es nun mal in der Welt eingerichtet, dass Juristen und Arzte die Erfahrungen machen und die Parteien und Patienten diese bezahlen. Man muss sich damit trosten, denn es kommt der Menschheit und der Wissenschaft zugute. Rudolf von Jhering^ Hatte Rudolf von Ihering eine Abhandlung zur Anfangeroperation geschrieben, dann hatte er sic nur mit diesen Worten beginnen konnen. Seine zwei Thesen zeigen die enge Verbindung von Juristerei und Medizin^ und bringen auf den Punkt, welche Problemsetzung dieser Arbeit zugrunde liegt: Die Notwendigkeit, auf Kosten eines Einzelnen Erfahrungen zu sammeln und dadurch alien Nachfolgenden damit von Nutzen sein zu konnen. Im Rahmen der folgenden Auseinandersetzung mit der rechtlichen Seite einer Anfangeroperation soil nun versucht werden, mit allem Respekt, den Worten des groBen Rechtsgelehrten Ihering zu v^idersprechen. Denn es darf nicht geniigen, sich mit dem Nutzen fiir die Allgemeinheit zu trosten, sondern es muss ein Weg gefunden und beschritten werden, der auch ohne zusatzliche Patientenbelastung einen effizienten Erfahrungsgewinn ermoglicht.
I. Zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit Mit dem Blick auf das Altertum, als die Medizin noch in ihren Kinderschuhen steckte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass Medizin und Recht erst in der heutigen Zeit in so engen Kontakt geraten sind. Damals gait es namlich als Gottesstrafe, wenn ein Mensch von einer Krankheit befallen war. Nur konsequent erscheint es dann, dass zu dieser Zeit eine rechtliche Inanspruchnahme des behandelnden Arztes bzw. „Rechte des Patienten" nicht einmal denkbar waren^.
^ Rudolf von Ihering, frei zitiert durch Heinze, MedR 1996, 252. ^ Wie sie J.W.v. Goethe in: Faust, der Tragodie erster Teil, bereits den Faust durchaus mit heiBem Bemtihn studieren lieB. ^ Dazu etwa Ehlers/Broglie, Praxis des Arzthaftungsrechts, S. 2.
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A Problemstellung
Jedoch gab es auf der anderen Seite schon um 2500 v. Chr, eine Art schriftlichen Protest gegen arztliches Handeln; diesen batten sich zwei agyptiscbe Patienten, ironischer Weise, auf ihren Grabstein meiBeln lassen: „Hor auf und lass mich dahinscheiden und tu mir doch nicht so weh!*"^. Die ersten wirklichen Patientenrechte findet man allerdings bei den Babyloniern: unter Konig Hammurabi (17931750 V. Chr.) hatte man namlich die ersten gesetzlichen Regelungen im Bezug auf die arztliche Haftung geschaffen^. Mit der Erforschung und empirischen Erfassung von Krankheitsursachen und Krankheitsbildern hat sich die Einstellung zum Handeln der Arzteschaft immer mehr verandert. Wahrend der Schaden friiher noch als Ungliick angesehen wurde, hat er sich inzwischen zum ersatzpflichtigen Unrecht gewandelt^. Die Medizin ist einem standigen Streben nach Fortschritt und Entwicklung unterworfen. Je erfolgreicher sie wird, umso komplizierter werden ihre Verfahren und Methoden. Hochstes Gebot muss es aber sein, dass der Fortschritt dem Kranken zugute kommt'^. Dem muss aber nicht nur von medizinischer Seite Sorge getragen werden, sondern auch von juristischer. Der medizinische Fortschritt darf nicht zu Lasten der Patienten gehen, ihre Rechte miissen geschiitzt und bewahrt werden^. Der Arzt befindet sich in der Kegel gegeniiber dem Patienten in einer iiberlegenen Position^. Der Patient ist in seiner durch die Krankheit bereits geschwachten Lage auf dessen Expertise angewiesen und ist, bei groBeren Eingriffen, narkosebedingt gar nicht fahig, seine Rechte zu vertreten. Grundlegend hat dazu das Bundesverfassungsge-
Carstensen, Arzthaftung, in: Festschrift fur Erwin Deutsch, S. 505, mit weiteren interessanten Aspekten der geschichtUchen Entwicklung der Arzthaftung. So zum Beispiel im Codex Hammurabi: ,,§219 Wenn ein Arzt einem Sklaven eines Palastangehorigen eine schwere Wunde mit einem Operationsmesser beibringt und seinen Tod herbeifuhrt, so soil er Sklaven um Sklaven ersetzen. § 220 Wenn ein Arzt seine Schlafe mit einem Operationsmesser offnet und sein Auge zerstort, so soil er Geld in Hohe der Halfte des Kaufpreises zahlen."; nach der Ubersetzung von Berger/Lutzmann/Romer/von Schuler, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, S. 17ff; Zum Codex Hammurabi und zur arztlichen Haftung im Altertum m.w.N. siehe von Gerlach, Das Arzthaftungsrecht der Antike, in: Festschrift fUr Karlmann Geiss, S. 389 ff; vgl. auch Thorwald, Macht und Geheimnis der fruhen Arzte, S. 124; Kleinewefers, VersR 1992, 1425 (1426), insbesondere auch Fn. 8. Vgl. hierzu Medicus, Schuldrecht I, S. 271 f; Ziegler, Schwarzkittel und WeiBkittel, S.l m.w.N. Carstensen, Arzthaftung, in: Festschrift fur Erwin Deutsch, S. 507. Dazu wurde u.a. 2002 im Auftrag der Enquete Kommission „ Recht und Ethik der modernen Medizin'' des Deutschen Bundestages ein Rechtsgutachten „Ansatze fur eine Starkung der Patientenrechte im Deutschen Recht - Bestandsaufnahme und Perspektiven" erstellt, in dem die Professoren Fischer, Kluth und Lilie ausfuhrlich zu den Patientenrechten Stellung nehmen. Besonders interessant erscheint hier die Einbettung in das Deutsche Verfassungsrecht, dem sich die Autoren auf den Seiten 25 ff widmen. Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 10; Giesen, JZ 1982, 392 ff
I. Zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit
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richt im Jahre 1979^^ das „Prinzip der Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess" herausgearbeitet, das bis heute von Rechtsprechung und Wissenschaft in alien Richtungen weiterentwickelt wurde. In diesem Zusammenhang interessant erscheinen auch neuere Bestrebungen, eine „Charta der Patientenrechte" zu schaffen, um den Patienten noch besser zu schiitzen^^ Die gleiche Zielsetzung, namlich der Schutz des Patienten, liegt auch den Grundsatzen der „Anfangeroperation" zugrunde, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.8.1983 - VI ZR 230/81^2 aufgestellt hat: Im Rahmen seiner Aus- und Weiterbildung nimmt jeder Arzt eine medizinische Handlung irgendwann einmal zum ersten Mai vor. Mangels Erfahrung und Routine erwachst dabei aber dem zu behandelnden Patienten ein gesteigertes Risiko^^ eines im Extremfall sogar letalen Behandlungsfehlers^"^. Da aber die Ausbildung zum Facharzt denknotwendig ohne das sog. „Erste Mai" der Behandlung nicht moglich ist, muss das erhohte Risiko, dem der Patient bei der Behandlung durch einen Anfanger ausgesetzt ist, auf andere Art und Weise ausgeglichen werden. Ein Ausgleich dahingehend, dass auf Ubungen in der Praxis ganzlich verzichtet wird und die Ausbildung nur theoretisch erfolgt, ist nicht moglich. Auch die inzwischen zur Ausbildung eingesetzten „Patientenpuppen"^^, anhand derer beispielsweise sogar das Vorgehen bei einer akuten Lungenblutung simuliert werden kann, vermoBVerfG, Beschluss v. 25.7.1979 - 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131-187 = NJW 1979, 1925 ff. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, inwieweit die Grundrechte und allgemeinen Verfahrensgrundsatze auf den Arzthaftungsprozess einwirken. Anzumerken ist, dass ein VerstoB gegen Art. 3 GG nur deswegen nicht festgestellt werden konnte, weil es im Senat zu einer Stimmengleichheit gekommen war, § 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG. Instruktiv zum VerfassungsverstoB die Anmerkung der Richter Hirsch, Niebler und Steinberger, die eine Verletzung des Grundgesetzes bejaht hatten, NJW 1979, S. 1930 ff „Patientenrechte in Deutschland", Patientencharta vom 16.10.2002, abgedruckt in NJW 2003, S. 1508ff; Erlautemd dazu auch Brahms/Bollweg, „Patientenrechte in Deutschland" - Neue Patientencharta, NJW 2003, S. 1505 ff BGH, Urteil v. 27.8.1983 - VI ZR 230/81, BGHZ 88,248 = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327; in Osterreich grundlegend: Urteil des OGH vom 9.9.1986, 2 Ob 599/86, JBl 1987, 104 im Falle einer Anfangemarkose. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 486f; Deutsch, NJW 1984, S. 650; Kullmann, Zum Einsatz von Berufsanfangem, in: Konzepte zur Risikominderung in der Anasthesiologie, S. 29; Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 161; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 246 ff, mit div. Nachweisen aus der Rspr. zu diesem Thema. In einer Untersuchung am South Manchester University Hospital werteten Ben Bridgewater und dessen KoUegen die Daten von 18913 Herzpatienten aus, die zwischen 1997 und 2003 von ca. 50 Herzchimrgen mit unterschiedlicher Berufserfahrung operiert wurden. Dabei wurden deutliche Verbesserung zwischen den ersten 4 Praxisjahren festgestellt: wahrend im ersten Ausbildungsjahr eine Letalitatsrate von 2,2 % vorlag, senkte sich diese im vierten Ausbildungsjahr knapp um die Halfte auf 1,2 %; in: British Medical Joumal (BMJ) 2004, online-Ausgabe, doi: 10.1136^mj. 38173.577697.55. Vgl. dazu Padtberg, Androiden unterm Messer, auf: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,341900,OO.html.
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A Problemstellung
gen das Arbeiten am wirklichen Patienten nicht wirklich zu ersetzen. „Operieren kann erst durch Operieren gelernt werden", formuliert es Quaas treffend in seiner Anmerkung zu oben genanntem Bundesgerichtshof-UrteiP^. Die Ausbildung kann nur in der Praxis erfolgen^'^, ein Risikoausgleich muss auf anderem Wege erfolgen. Wie dies durch die Grundsatze der „Anfangeroperation" erfolgen soil und inwieweit hier die vom Bundesverfassungsgericht proklamierte „Waffengleichheit" erreicht wird, soil Inhalt der folgenden Auseinandersetzung sein.
II. Gang der Darstellung Um den Gang der Argumentation besser darstellen zu konnen, bietet es sich an, zunachst eine negative Abgrenzung vorzunehmen: Ziel und Absicht der Arbeit soil es nicht sein, der nahezu uniiberschaubaren Zahl von allgemeinen Abhandlungen zur Arzthaftung eine weitere hinzuzufugen^^. Ganz im Gegenteil soil eine konkrete Befassung ausschlieBlich mit dem Thema der Anfangeroperation erfolgen, die zwar einen Schwerpunkt im Bereich der Haftung haben wird, aber besagte Problematik auch unter anderen Aspekten beleuchten soil. Zunachst soil anhand des Bundesgerichtshof-Urteils vom 27.9.1983^^ die Entstehung des darin gepragten Ausdrucks der „Anfangeroperation" aufgezeigt werden, wobei nach Darstellung der vorausgegangenen Entscheidung unterer Instanz^^ die Grundziige der Bundesgerichtshof-Entscheidung kurz dargestellt werden. Daran anschlieBend erfolgt eine terminologische Auseinandersetzung mit den Begriffen des Anfangers und der Operation, deren Bedeutung im herkommlichen Sinn und deren erweiterter Auslegung, die ihnen mittlerweile widerfahren ist. Besonders im Zusammenhang mit dem Anfanger an sich steht die anschlieBende Auseinandersetzung mit der Arbeitsteilung im Rahmen medizinischer Ablaufe, da erst durch sie ein Einsatz des Anfangers moglich wird. Sind diese Grundlagen gesetzt, folgt die Darstellung einem durchwegs chronologischen Aufbau, angelehnt an den praxisnahen Verlauf eines Anfangereinsatzes im medizinalen AUtag. Dabei geht es zunachst um den Vertrag zwischen Patient und Arzt bzw. Krankenhaus sowie dessen Auswirkungen auf die Anfangeroperation, wobei sich eine Differenzierung zwischen dem stationaren und dem ambulanten Behandlungsverhaltnis aufdrangt. Daran angekniipft beschaftigt sich die Arbeit mit den besonderen Pflichten, die im Zusammenhang mit der Anfangeropera16 GMaa5, MedR 1984, 64. 1'^ So u.a. Deutsch im Zusammenhang mit der Aufklarungspflicht liber die Person des Operateurs, NJW 1984, 650; Nunius, Die arztHche Weiterbildung im Krankenhaus, S. 147 ff. 1^ Einen zwar kleinen aber dennoch bereits beeindruckenden Ein- bzw. Uberblick bietet hierzu bspw. die Schrifttumstibersicht in MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 642 ff; vgl. dazu auch: RGKY.-Nufigens, § 823, Anh. II, vor Rn.l. 19 BGH, Urteil v. 27.9.1983 - VI ZR 230/81, B G H Z 88,248 = N J W 1984, 655 = JZ 1984, 327. 20 O L G Koln, Urteil v. 6.8.1981 - 7 U 105/80, VersR 1982, S. 453 f
II. Gang der Darstellung
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tion angedacht bzw. aufgestellt wurden. Beginnend mit der zur Einwilligung notwendigen Aufklarung durch den behandelnden Arzt, wird dabei im speziellen dabei auf Inhalt und Pflicht einer solchen Aufklarung einzugehen sein, vor allem im Hinblick auf die Person des Operateurs selbst. Weiterhin sollen als besondere Pflichten, die zum besonderen Schutz des Patienten entwickelt wurden, die negative tJbernahmepflicht bzw. das tjbernahmeverbot, die Dokumentation und die Organisation, insbesondere die Aufsichtspflicht im Vordergrund stehen. Nach Darstellung der Pflichten widmet sich die Arbeit dem Fall der Falle, der Haftung nach nicht ordnungsgemaB erfolgter Operation. Neben Haftungsgrundlage und Anspruchsgegner steht eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem HaftungsmaBstab und dem Grund der Haftung im Zentrum des Interesses. Vor allem der SorgfaltsmaBstab nimmt hierbei einen wesentlichen Schwerpunkt ein, ebenso die von der Rechtsprechung entwickelten Unterarten des Behandlungsfehlers in Form von Ubernahme-, Ubertragungs- und Organisationsverschulden. In konsequenter chronologischer Fortfiihrung stellt sich im Anschluss daran die Frage nach der prozessualen Durchsetzung, wobei die besondere Beweislastumkehr im Rahmen der Anfangeroperation von zentraler Bedeutung sein wird. Den Abschluss der Arbeit bilden eine Zusammenfassung der vorgefundenen Ergebnisse sowie ein Ausblick, inwiefern es Gesetzgebung, Rechtssprechung und medizinischer Praxis gelungen ist, ein Gleichgewicht im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht^^ postulierten Waffengleichheit herzustellen, in welchen Bereichen diesbeziiglich Nachholbedarf besteht und ob es weiterhin die einzige Alternative bleibt, sich mit dem Nutzen fiir Wissenschaft und Menschheit zu trosten, dass Mediziner Erfahrungen auf Kosten des Patienten machen miissen.
21 BVerfG, BVerfGE 52,131-187.
B Begriff und Wirklichkeit
Liest man den Begriff „Anfangeroperation", so stellt sich zwangslaufig die Frage, was damit eigentlich gemeint ist. Es handelt sich dabei nicht um einen terminus technicus im herkommlichen Sinne^^. Rein dem Wortsinn nach kann man von einem operativen Eingriff durch einen Arzt sprechen, der seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat und somit noch nicht ausreichend qualifiziert ist. Diese eher einfach wirkende Definition fUhrt aber nicht weiter, sie eroffnet eher noch mehr Fragen, u.a. nach Herkunft und Reichweite.
I. Entstehung - Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs Der Begriff „Anfangeroperation" wurde grundlegend, umsichtig und weiterfiihrend^^ zum ersten MaP"^ im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.9.1983^^ in der Rechtsprechung verwendet. Das Urteil war ergangen, nachdem zunachst das Landgericht Koln die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht Koln der Klage stattgegeben hatte.
22 MUller-Gmff, JuS 1985, S. 353. 2^ So beschriebt Giesen das Urteil in seiner Anmerkung dazu, JZ 1984, S. 331; dabei beschreibt er das Urteil in der Form, dass der entscheidende Senat trotz einer „verjungenden" Neubesetzung an seiner „ immer erkennbarer gewordenen Linie der entschlossenen, aber gleichwohl sehr behutsamen und abwagenden...zivilrechtlichen Arzthaftung ohne groBeren Bruch" festgehalten hat. 2"^ Die Rechtssprechung wurde darauf kontinuierlich fortgesetzt und erweitert, worauf im Folgenden noch genauer einzugehen ist; vgl. dazu bspw.: BGH, NJW 1988, 2298 f; BGH, NJW 1992, 1560 f; BGH, NJW 1993, 2989 ff; BGH, NJW 1994, 3008 f.; zudem OLG Diisseldorf, NJW 1986, 790 f; OLG Zweibrucken, VersR 1988, 165 f Allerdings sind die genannten Grundsatze nicht nur in der deutschen Rechtsprechung angewendet worden, sondem auch in anderen vergleichbaren Rechtsordnungen: fur das Osterreichische Recht vgl. OHG, Urteil v. 15.2.1983, 5 OB 652/81 KRSlg 686; 9.9.1986, 2 Ob 599/85, JBl 1987, 104; fur das Schweizer Recht u.a. BGE 113 II, 429, 432; BGE 166 II, 519, 521; Kuhn. Handbuch des Arztrechts, S. 78. 25 BGHZ 88, 248 (258) = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327 (330) = MedR 1984, 63 = VersR 1984, 66.
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B Begriff und Wirklichkeit
1. Prozessgeschichte a) Sachverhalt Im zugrunde liegenden Fall sollte der Klagerin ein kirschgroBer und gut tastbarer Lymphknoten exstripiert werden, um diesen anschlieBend histologisch untersuchen zu konnen. Der diensthabende Oberarzt hatte dazu einen Assistenzarzt als Operateur eingeteilt. Dieser befand sich in seiner Facharztausbildung und hatte den bevorstehenden Eingriff noch nie selbst vorgenommen. Nachdem der Oberarzt dem Assistenzarzt gezeigt hatte, wo er die Injektion fiir die Lokalanasthesie zu setzen und wo er den Schnitt zu fiihren habe, lieB er ihn ohne weitere Aufsicht die Operation allein durchfiihren. Der Operateur loste nach einem 2,5cm groBen Schnitt den Knoten stumpf mit dem Finger aus. Dieser Eingriff fuhrte zu einer Schadigung des nervus accessorius, was eine neurogene Schadigung des musculus trapecius nach sich zog. Der Klagerin war es infolge der Schadigung nicht mehr moglich, den rechten Arm liber die Horizontale zu heben, ihre Schultermuskulatur bildete sich zuriick. Daraufhin erhob die Klagerin Klage vor dem Landgericht Koln; sie verklagte den Operateur und das Land als Krankhaustrager auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht fiir Zukunftsschaden. Eine Klage gegen die leitenden Oberarzte sowie den Chefarzt wurde nicht erhoben, so dass darliber auch keine Entscheidung ergehen konnte. Das Landgericht wies die Klage in alien Punkten ab.
b) Berufungsentscheidung des OLG Koln Die Klagerin legte nach Klageabweisung durch das Landgericht Berufung zum OLG Koln ein. Das Gericht verurteilte daraufhin den Assistenzarzt zur Zahlung von Schmerzensgeld in Hohe von 6000 DM und gab der Schmerzensgeldklage dem Grunde nach statt. Den Krankenhaustrager verurteilte das Berufungsgericht ebenfalls dem Grunde nach und sprach die begehrte Feststellung aus^^. Als Haftungsgrund sah es das Gericht an, dass die Patientin mangels ausreichender Aufklarung nicht in die Operation eingewilligt hatte. Dem Assistenzarzt hatte die Pflicht oblegen, die Patientin ungefragt dariiber in Kenntnis zu setzen, dass er einen solchen Eingriff zum ersten Mai vornehmen wiirde und deshalb hierfiir iiber keine Erfahrung verfiige. SchlieBlich, so das Berufungsgericht, trafe den Arzt eine erhohte Offenbarungspflicht aufgrund des gesteigerten Risikos. (Jber den Ausbildungsstand des Operateurs hatte die Patientin aufgeklart werden mlissen, denn er erhohe das Operationsrisiko^'^. Dariiber hinaus lage in der tJbernahme durch den Assistenzarzt ein schwerer Behandlungsfehler, fiir den er einzustehen habe. Der Trager der Klinik hafte insoweit fiir seinen Erfiillungsgehilfen.
26 OLG Koln, Urteil v. 6.8.1981 - 7 U 105/80, VersR 1982, S. 453 f. = ArztR 1982, S. 62. 27 OLG Koln, VersR 1982, S. 454.
I. Entstehung - Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs
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Mit seiner Argumentation rief das Urteil ein geteiltes Echo, sowohl in medizinischen als auch in juristischen Kreisen, hervor^^. Wahrend nur vereinzelt positive Stimmen^^ zum Urteil des OLG laut wurden, war die Mehrzahl der Reaktionen eher kritisch^^. Giesen^^ spricht beispielsweise in seiner Anmerkung zur Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs von einem „sympathischen Respekf', der dem Urteil des OLG Koln zuteil werden sollte. Dies, so meint er, auch im Hinblick auf die aufgehobenen Aspekte der Entscheidung, dem Ubernahmeverschulden und der Aufklarungspflicht. Auch Nufigens^^ schlieBt sich der Rechtsauffassung des OLG Koln an. Er stellt darauf ab, dass die Ersatzpflicht nach einem Behandlungsfehler einen Schadensausgleich ftir einen Schaden darstellt, den man bei entsprechender Aufklarung bereits hatte vermeiden konnen. Diesbeziiglich kritisiert dagegen beispielsweise Deutsch^\ gerade im Hinblick auf die Ausftihrungen zur AuMarung iiber den Ausbildungsstand des Operateurs, dass diese uberflussig sei: Zum einen bediirfe es bei einem ausreichend durch einen Facharzt iiberwachten Anfanger keiner Aufklarung, weil in diesem Fall kein erhohtes Risiko vorliegen wiirde. Zum anderen ware bei einem nicht ausreichend uberwachten Anfanger eine Aufklarung, und damit verbunden eine Einwilligung, von vornherein gar nicht moglich. Das Risiko eines solchen Eingriffs ware namlich so groB, dass die der ungeeigneten Person erteilte Zustimmung unwirksam ware^"^. Auch aus den Reihen der Arzteschaft wurde das Urteil des OLG Koln wegen seiner hohen Anforderungen an die Aufklarung kritisiert^^. Mit der Aufklarung iiber seinen Ausbildungsstand wiirde eine sinnvolle Arbeitsteilung^^ sowie eine effektive Ausbildung junger Arzte schwerer wenn nicht sogar unmoglich gemacht^'^.
2. Das Urteil des Bundesgerichtshofs Gegen die Entscheidung des Urteils aus Koln legten sowohl der Assistenzarzt als auch das Land Revision zum Bundesgerichtshof ein. Die Revisionsangriffe des 28 Dazu ausfiihrlich m.w.N. Franzki, MedR 1984, S. 187, v.a. Fn. 3 und 4. 2^ U.a. Kern/Laufs, Die arzdiche Aufklarungspflicht, 1993, S. 110. 30 Bspw. Giesen, J Z 1984, S. 327; Uhlenbruck, D M W 1981, S. 1630 ff; ders. D M W 1982, S. 235 ff; Deutsche N J W 1982, S. 2585 ff 31 G/^^en, J Z 1984, S. 3 3 1 . 32 In RGRYi-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 136. 33 DeutscK N J W 1982, S. 2587. 34 Deutsch, a.a.O., S. 2587; so wohl auch MiiKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677, m.w.N. Ahnlich kritisch Gounalakis, N J W 1991, S. 2946. 35 Dazu Franzki, a.a.O., S. 187. 3^ Die Arbeitsteilung als organisatorische Grundlage bzw. Grundvoraussetzung des Einsatzes eines Anfangers soil noch vertieft behandelt werden, vgl. dazu § 2 III. 3'^ Eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Aspekt erfolgt in § 4 I., wobei dort besonders auf eine mogliche Aufklarungsverpflichtung im Bezug auf die Person des Operateurs eingegangen wird. D a s Ergebnis vorwegnehmend, wird eine solche Pflicht, u.a. auch aus den hier genannten Griinden, abgelehnt.
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B Begriff und Wirklichkeit
beklagten Landes wurden als im Ergebnis unbegriindet zuriickgewiesen, die Revision des Assistenzarztes ftihrte zur Aufhebung des ihn belastenden Teils und der Zurtickverweisung der Sache. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vor allem Grundsatze zur Aufklarungspflicht, den erhohten Pflichten im Zusammenhang mit der Anfangeroperation, der Haftung von Krankenhaustrager und Assistenzarzt sowie der Umkehr der Beweislast aufgestellt^^, die im Folgenden kurz erlautert werden. a) Aufklarung Der Senat macht hier ausdriicklich klar, dass es gerade nicht auf die Aufklarung des Patienten ankommt. In Leitsatz 1 der Entscheidung heiBt es, dass unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verletzung der arztlichen Aufklarungspflicht Ersatzansprtiche grundsatzlich nicht begriindet werden^^. Besteht, beispielsweise wegen der standigen Aufsicht durch einen anwesenden Facharzt, keine erhohte Gefahr fur den Patienten, so treffe weder Assistenz- noch Oberarzt eine Aufklarungspflicht. b) Erhohte Pflichten Der Schutz des Patienten erfordert nach Ansicht des Senats einen standigen Facharztstandard. Diesen zu gewahrleisten, ist Aufgabe von Arzten und Krankenhausern. So muss der Assistenzarzt notwendige theoretische Kenntnisse besitzen, die fiir die vorzunehmende Operation ausreichen. Die ersten Schritte sollten unter fachkundiger Einflihrung und Aufsicht erfolgen, von einem Facharzt, „der stets anwesend ist'"^^. c) Haftung des Kliniktragers Der Bundesgerichtshof hat zwar die Haftung des Landes bestatigt, allerdings hat er sie auf eine andere Begrundung gestutzt als das Berufungsgericht. Wahrend das OLG Koln"^^ in seiner Urteilsbegriindung darauf abstellt, dass die Pflichtverletzung in der unzureichenden Aufklarung zu finden ist, stellt der Bundesgerichtshof auf einen „VerstoB gegen die geschuldete sorgfaltige arztliche Betreuung und Behandlung" ab"^^. Das Land hat fiir die Schlechterftillung durch seinen Erfiillungsgehilfen zu haften. Der Behandlungsfehler an sich liegt dabei gerade nicht am falschen Oder unsorgfaltigen Vorgehen des Arztes in der Operation, sondern in deren selbstandigen tJbertragung auf den noch nicht qualifizierten Arzt"*^.
^^ So zusammenfassend Deutsche NJW 1984, 650 f; dem hat sich auch die Rechtsprechung in Osterreich angeschlossen, vgl. OHO, Urteil vom 9.9.1986, JBl. 1987, 104 (106). 39 BOH, NJW 1984, S. 655. 40 BOH, a.a.O., S. 656. "^^ Vgl. dazu die vorhergehenden Ausfiihrungen sowie OLG Koln, a.a.O. 42 BGH, a.a.O., 655. 43 BGH, a.a.O., 656 und 657.
I. Entstehung - Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs
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Dem Kliniktrager obliegt die Pflicht, einen fehlerfreien Operationsplan in der Art aufzustellen, dass wahrend einer Operation stets ein Facharztstandard gewahrleistet wird. d) Haftung des Anfangers In seinem Urteil stellt der Bundesgerichtshof fest, dass auch der Assistenzarzt gegentiber dem Patienten dieselbe Pflicht hat wie jeder andere Arzt, mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen und ihn im Rahmen der von ihm zu fordernden Kenntnisse und Fahigkeiten vor Gesundheitsschaden zu bewahren. Erkennt er, dass wegen seiner mangelnden Qualifikation ein erhohtes Gesundheitsrisiko entsteht, darf er nicht gegen sein arztliches Wissen handeln und muss die Operation ablehnen. Operiert er denn, so trifft ihn sog. Ubernahmeverschulden'*'^. e) Beweislastumkehr Nach bisheriger Rechtsprechung kam dem Patienten immer nur dann eine Beweislastumkehr zugute, wenn der behandelnde Arzt schuldhaft einen groben Behandlungsfehler begangen hatte, der generell geeignet war, unmittelbar zu einer Schadigung der Gesundheit der vorliegenden Art zu fiihren^^. In der hier zugrunde liegenden Entscheidung stellt er allerdings gerade nicht mehr auf die Schwere des Behandlungsfehlers ab, sondern auf die Ubertragung bzw. Ubernahme einer selbstandigen Operation durch einen nicht qualifizierten Anfanger. Der Bundesgerichtshof sieht namlich fiir den Patienten eine unzumutbare Verschlechterung seiner Prozesssituation"^^: Besagter Patient ware stets dem zusatzlichen Beweisproblem ausgesetzt, ob gerade die mangelnde LFbung bzw. die fehlenden praktischen Kenntnisse des Operateurs ursachlich waren fur seine erlittene Schadigung oder ob es sich um einen unvermeidbaren Zwischenfall gehandelt hat, der gleichsam einem erfahrenen Arzt hatte unterlaufen konne. Da fiir den Krankenhaustrager so wie den ausbildenden Arzt das Risiko der Anfangeroperation voll beherrschbar ist, kann die Beweislast fiir den ursachlichen Zusammenhang der mit der Anfangeroperation geschaffenen Risikoerhohung mit dem eingetretenen Schaden auf beide ubertragen werden 4'^.
"^^ BGH, a.a.O., 657. 45 Exemplarisch hierzu: B G H , N J W 1959, 1583; B G H N J W 1978, 1683 und 2337; B G H , N J W 1979, 1933; B G H , VersR 2 0 0 1 , 1116 f. Umfassende Nachweise zur Rechtsprechung bei: Staudinger-//ager, § 823, Rd. I 54. Instruktiv Nufigens, in: Festschrift HauB, S. 287, 294 ff. sowie Muller, N J W 1997, 3049, 3052. 46 BGH, a.a.O, S. 656. 47 Inwiefem dies auch auf den Anfanger ubertragen werden kann, lasst sich dem Urteil nicht eindeutig entnehmen. Muller-Graff in JuS 1985, 360 geht ohne Zweifel davon aus, wahrend Deutsch in NJW 1984, 651 dahingehend durchaus Zweifel auBert. Die Reichweite der Beweislastumkehr wird im Laufe der Arbeit noch zu klaren sein, wobei auf § 6 der Arbeit verwiesen wird.
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B Begriff und Wirklichkeit
Zwar kommt es nicht mit der gewunschten Deutlichkeit zum Ausdruck'^^ dass der Senat hier eine neue Beweisregel geschaffen hat, allerdings lasst sich dies aus den Urteilsgriinden unzweifelhaft entnehmen.
II. Terminologie „Keine wissenschaftliche Arbeit kann der Klarung und Erlauterung von Begriffen entbehren, mit denen sie arbeiten will""^^. Insofern bedarf es also auch hier der Klarung der genauen Bedeutung und der Reichweite des Ausdrucks „Anfangeroperation", die der Begriff inzwischen durch Wissenschaft, Rechtsprechung und Lehre erlangt hat.
1. „Anfanger" - Der personliche Anwendungsbereich Der Anfanger wird im Duden als eine mdnnliche bzw. weibliche Person umschrieben, die mit einer ihr neuen Tatigkeit, Beschaftigung beginnt^^. Diese allgemeine Definition erlaubt jedoch fiir den medizinischen Bereich noch keine speziellen Aussagen, wann bei einem Arzt bzw. Medizinstudenten von einem Anfanger gesprochen werden kann und wann nicht, insbesondere auch nicht, was die Rechtsprechung in ihren Entscheidungen iiber den Anfanger genau darunter versteht, wenn sie sich pauschal auf das Fehlen eines Facharzttitels beruft oder wenn die Literatur von der Gefahrlichkeit des Eingriffs ausgehend, die tatsachlichen praktischen Erfahrungen, die individuelle Erfahrung sowie den konkreten Ausbildungsstand zur Bestimmung heranzieht^^. Insoweit bedarf es eines kurzen tJberblicks iiber die Ausbildungsstufen, die auf dem Weg zum Facharzt zu durchlaufen sind; anhand derer kann dann eine genaue Eingrenzung vorgenommen werden, wann nach o.g. Definition der Begriff des Anfangers erfiillt ist.
^^ Kritisiert von FranzkU MedR 1984, S. 188. ^'^ Priitting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 5. 50 Exemplarisch: Der Duden, Band 10, S. 49. Schelling, Die arztliche Aufklamng iiber die Qualitat der Behandlung, S. 108 unter Bezugnahme auf Baur, MedR 1995, 192 f.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 20; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 76.
11. Terminologie
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a) Der Arzt in den verschiedenen Stufen seiner Ausbiidung^^ Die Ausbildung zum Facharzt ist bundeseinheitlich in der Approbationsordnung fiir Arzte (AAppO)^^ geregelt, die auf Grundlage der Bundesarzteordnung (BAO)^'* erlassen worden ist. In ihrer neuen Fassung hat die AAppO die medizinische Ausbildung wesendich reformiert^^; vor allem auch der Wegfall des Arztes im Praktikum (AIP) gemaB §§ 34 ff. AAppO, den der neue Art. 10 Abs. I BAO^^ fiir Studenten ab dem 1.10.2004 vorsieht, ist insoweit von enormer Bedeutung^"^. aa) Allgemein Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AAppO beginnt die Ausbildung mit einem sechsjahrigen Hochschulstudium, das in Studienjahre eingeteilt ist. Bereits wahrend des Studiums sind verschiedene praktische Abschnitte vorgesehen, die der werdende Arzt absolvieren muss, um die notige Praxiserfahrung peu-a-peu zu erlangen: neben einer Ausbildung in erster Hilfe sowie einem dreimonatigem Krankenpflegedienst muss der Medizinstudent auch eine viermonatige Famulatur absolvieren^^. bb) Famulatur^^ Wahrend der Famulatur bleibt der Studentenstatus erhalten. Der Famulus ist nicht dazu ermachtigt, eigenmachtige Behandlungen o.a.^^ vorzunehmen, nicht einmal das Verabreichen einer Injektion ist insoweit gestattet^^ Die Famulatur beschrankt sich auf ein learning by watching und umfasst gerade nicht ein learning by doing^^. Der Medizinstudent soil sich lediglich mit der arztlichen Patientenversorgung „vertraut" machen, sie aber gerade noch nicht, bzw. nur in sehr begrenztem MaBe, selbst vornehmen.
^^ Einen umfassenden Uberblick iiber die medizinische Ausbildung gibt Laufs, in: Laufs/Uhlenbmck, Handbuch des Arztrechts, 3. Kap, § 7, Rn. 1 ff; in diesem Zusammenhang gleichfalls erwahnenswert: Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 198 ff.; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I., Rn. A52 ff.; mit einem Schwerpunkt im Weiterbildungsrecht vgl. auch Hespeler/KuntzeU in: Rieger. Lexikon des Arztrechts, Kz. 5490, Rn. 1 ff 53 AAppO in der Fassung vom 27. Juni 2002, BGBl. I 2002, 2045 ff. 5^ BAO in der Fassung vom 15. Dezember 2004, BGBl. I 2004, 3396, 3404. 55 Einfuhrend Haage, MedR 2002, S. 456 ff. 5^ Art. 10 Abs. I BAO: ,y4^ dem 1. Oktober 2004 haben Studierende der Humanmedizin, die vor diesem Zeitpunkt ihr Medizinstudium mit Bestehen des Dritten Abschnitts der arztlichen PrUfung absolviert haben, keine Tdtigkeit als Arzt im Praktikum mehr zu leisten'\ Siehe dazu die folgenden Ausfiihrungen. § 1 Abs. 2 Nr. 3-5 AAppO. Vgl. dazu § 7 AAppO. D.h. arztliche Tatigkeiten, die als Auslibung der Heilkunde dem Arzt vorbehalten sein miissen, Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I., Rn. A123. ^^ LMU/S, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 10. ^^ Vgl. dazu Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 2, 6.
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B Begriff und Wirklichkeit
Allerdings schlieBt dies gerade nicht aus, dass der Famulus zu bestimmten Tatigkeiten, beispielsweise zur Assistenz wahrend einer Operation herangezogen wird. In diesem Fall erscheint eine Anwendbarkeit der Grundsatze der Anfangeroperation auf den Studenten wahrend der Famulatur nicht nur moglich, sondern auch notwendig. Er nimmt in diesem Zusammenhang namlich Eingriffe in der Funktion eines Arztes am Patienten vor, so dass es konsequenterweise auch eines besonderen Schutzes von juristischer Seite bedarf. Die Grundsatze der Anfangeroperation soUen schlieBlich gerade eine „Waffengleichheit"^^ zwischen Arzt und Patienten im Haftungsfall herstellen. Auch im Fall des Famulus kann es zu einem Ungleichgewicht kommen. Sollte der Student auf der einen Seite seinen Kompetenzbereich iiberschreiten, haftet er insoweit unmittelbar^"^. tJberschreitet er den Bereich nicht, begeht aber dennoch einen Behandlungsfehler, der auf seiner mangelnden Erfahrung beruht, so muss er wie ein Anfanger im Sinne der Rechtsprechung behandelt werden^^. Es macht fiir den Patienten keinen Unterschied, ob nun der assistierende Mediziner ein Arzt in der Weiterbildung ist oder „nur" ein Student in seiner Famulatur, wenn die vorzunehmende Tatigkeit zum ersten Mai vorgenommen werden soil. Beide sind noch nicht ausreichend qualifiziert und verfiigen nicht liber die ausreichende Erfahrung, eigenstandig den geschuldeten Facharztstandard zu gewahrleisten. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Grundsatze der Anfangeroperation auch auf den Studenten wahrend seiner Famulatur zu erstrecken sind^^. cc) Praktisches Jahr (PJ)®7 Das Praktische Jahr gliedert sich in drei Abschnitte von je 16 Wochen und steht als letztes Studienjahr am Ende der universitaren Ausbildung. In diesem Zeitraum
Hierzu set auf die Ausfuhmngen in § 1 I. verwiesen, v.a. auf BVerfG, Beschluss v. 25.7.1979 - 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131-187 = NJW 1979, S. 1925 ff Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22 fUr den Studenten, der seine Kompetenz im Rahmen des Praktischen Jahrs uberschreitet. Insoweit kann dies hier parallel herangezogen werden, da die rechtliche Stellung des Studenten in Famulatur und Praktischem Jahr identisch sind. So entschieden vom osterreichischen OGH speziell fur den Fall einer fehlerbehafteten Operationsassistenz durch einen Studenten wahrend der Famulatur: Urteil vom 25.1.1994, 1 Ob 532/94 KRSlg 780 und nicht 778, wie teilweise falschlich zitiert. Im Ergebnis zustimmend Giesen, Arzthaftungsrecht Rn. 38, ders. in: Festschrift fur Erich Steffen, 159 (162); auch in Osterreich OGH, Urteil vom 25.1.1994, KRSlg. 788, 2371 (2376); a.A. allerdings Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 4, die anhand des BGH Urteils vom 10.3.1992 - VI ZR 64/91= NJW 1992, 1560 ff, eine Anwendbarkeit lediglich auf den Arzt in der fortgeschrittenen Weiterbildung erstrecken und dies mit der vom BGH verwendeten Terminologie begrtinden woUen. Dem ist aber mit o.g. Argumenten zum Schutz des Patienten entgegenzutreten, wie auch anderslautende Urteile und Stimmen in der Literatur zeigen, vgl. dazu die folgenden Ausfuhmngen. Vgl. dazu § 3 AAppO.
II. Terminologie
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soil der Student^^ die bisher nur theoretisch erlernten Kenntnisse „am Patienten"^^ vertiefen, erweitern und auf den einzelnen Krankheitsfall anwenden'^^. Zwar ist es ihm nicht gestattet, therapeutische oder diagnostische MaBnahmen selbst vorzunehmen oder anzuordnen; unter Aufsicht, Anleitung und Verantwortung seines ausbildenden Arztes und seinem Ausbildungsstand angepasst darf und soil er durchaus MaBnahmen dieser Art durchfiihren. Eine vollig eigenstandige Vorgehensweise ist ihm dabei, wie auch wahrend der Famulatur'^^ nicht gestattet'^^. Zum besseren Schutz des Patienten soil der Student im Praktischen Jahr auch nicht den Anschein erwecken, bereits ein approbierter Arzt zu sein"^^. Es stellt sich nun allerdings die Frage, ob der Student im Praktischen Jahr nach oben Gesagtem unter die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsatze zur Anfangeroperation subsumiert werden kann, ob er also ein „Anfanger" in diesem Sinne ist'^^. Aus Sicht des Patienten ist dies durchaus zu bejahen. Fiir ihn macht es keinen Unterschied, ob nun ein Assistenzarzt eine therapeutische MaBnahme unter Aufsicht zum ersten Mai an ihm vornimmt oder ob es sich bei der behandelnden Person um einen Studenten im PJ handelt. In beiden Fallen ist er einem erhohten Risiko durch fehlende Erfahrung ausgesetzt. Insoweit ist es nur konsequent, den PJAuch im Rahmen des PJ besteht noch ein Studentenstatus; es liegt dabei ein schulisches und kein betriebliches Ausbildungsverhaltnis vor, die Regelungen des Bemfsausbildungsgesetzes finden keine Anwendung, Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 19; siehe auch Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A132; BAG, NJW 1981, 2534. Instmktiv auch: Rieger, DMW 1981, S. 1471 ff. 69 § 3 Abs. 4 AAppO, vom 27.6.2002, BGBl. I S. 2405 ff. 70 OLG Stuttgart, Urteil vom 1.12.1994 (14 U 48/93), MedR 1996, 82 = VersR 1995, 1353. Der Umfang der Tatigkeiten, die der Student im PJ schrittweise iibemehmen und beherrschen soil, ist nicht offiziell festgelegt. Allerdings wurde 1997 durch Medizinstudenten und dem Hartmannbund ein sog. Ausbildungskatalog zusammengestellt, in dem u.a. die wichtigsten, zu erlemenden Tatigkeiten aufgelistet sind. Vgl. dazu: http://www.hartmannbund.de/pdf/2003-04PJLemzielkatalog.pdf Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A123. OLG Koln, Urteil vom 4.7.1990 (27 U 86/89), VersR 1992, 452; in diesem Zusammenhang auch Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A132; insoweit ist er auch in seiner Stellung nicht mit dem friiheren Medizinalassistenten auf eine Stufe zu stellen, well der Medizinalassistent gerade zu selbstandiger Tatigkeit in begrenztem Rahmen befiigt war, so Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arzt- und Anwaltshaftungsrecht, S. 202 und Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 17; Hespeler in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz.3490. Postulierend Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22; in der Praxis wird dies dadurch erreicht, dass die Studenten im Praktischen Jahr stets auf ihren Namensschildem den Zusatz „PJ** bzw. „Student im PJ" tragen mussen, um so dem Patienten sofort zu zeigen, dass es sich bei der behandelnden Person nicht um einen Arzt handelt. Bejahend: OLG Stuttgart, MedR 1996, 82; OLG Koln, VersR 1992, 452; Laufs, in: Laufs/Uhlenbmck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 101, Rn. 20.
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B Begriff und Wirklichkeit
Studenten in den Anwendungsbereich fallen zu lassen und so dem Patienten einen besseren Schutz im Ausgleich zur Ausbildungsnotwendigkeit der jungen Arzte zu bieten. Bei ordnungsgemaBer Beaufsichtigung und Anleitung durch einen Facharzt besteht namlich kein wesentlicher Unterschied zwischen dem vor oder nach der Approbation stehenden Arzt'^^. Auch aus der Sicht des Krankenhauses bzw. dessen Tragers ist eine Gleichstellung von PJ und Assistenzarzt im Zusammenhang mit den Grundsatzen der Anfangeroperation sinnvoU. Der Pflichtenkatalog im Hinblick auf Organisation, Aufsicht und Anleitung von Anfangern muss in jedem Fall als hochstes Ziel den Schutz und das Wohlergehen des Patienten tragen. Diese Pflichten andern sich nicht dadurch, dass ein Student seine Approbation zum Arzt erhalt. Sie miissen fur den Fall, dass eine therapeutische MaBnahme zum ersten Mai durchgefuhrt wird, die gleichen bleiben. Das Krankenhaus hat flir den Patienten stets einen objektivtypisierten Facharztstandard zu gewahrleisten, der in diesem Fall durch die in § 3 Abs. 4 AAppO ausdriicklich vorgeschriebene Aufsichtspflicht gewahrleistet wird. Davon zu unterscheiden ist allerdings der vom Studenten zu verlangende Standard, der noch ein vertieftes Eingehen erforderlich machen wird, vor allem die Frage, ob von ihm verlangt werden kann, gleich einem approbierten Arzt zu haften oder lediglich fiir die Schaden, die bei der Anwendung der bereits erworbenen Fahigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen sowie unter Zugrundelegung der gewonnenen Erfahrungen hatten vermieden werden konnen'^^.
dd) Arzt im Praktikum (AIP)^^ Bis zum 1.10.2004 folgte, ahnlich dem friiheren Medizinalassistenten^^, dem Hochschulstudium seit 1.7.1988 die achtzehnmonatige AlP-Phase'^^, die zur Erlangung der Approbation abgeleistet werden musste. Mit dieser praktischen Ausbildung sollte die Theorielastigkeit und der mangelnde Praxisbezug der Medizi-
75 OLG Stuttgart, MedR 1996, 82 m.w.N.; OLG Schleswig-Holstein, MedR 1997, 321; Martis/Winkharu Arzthaftungsrecht, S. 13; auch Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, S. 113 f., die den Studenten im PJ in den Anwendungsbereich der Anfangeroperation mit einbeziehen; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 101, Rn. 20; PflUger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 153. '^^ V.a. Bodenburg VersR 1979, 308, 310; Walter, Spezialisiemng und Sorgfaltsstandard, S. 203. In diesem Zusammenhang auch Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A133; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22; vertiefte Ausfuhrungen dann bei § 5, II., 3. 77 §§ 34 ff. AAppO. 7^ Die Medizinalassistentenphase wurde 1953 durch die Bestallungsordnung (BGBl. I S. 1334) eingefuhit aber bereits Ende der Siebziger Jahre im Zusammenhang mit der Einfuhrung des PJ durch die Approbationsordnung von 1970 (BGBl. I S. 1458) wieder abgeschafft. 79 Einen umfassenden UberbHck tiber das AIP geben: Rieger, DMW 1988, 1204 ff; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 23 ff mit weiterfuhrenden Verweisen.
II. Terminologie
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nerausbildung ausgeglichen werden^^. Nach standiger Kritik^^ an der AlP-Phase ist nach der Reform des Medizinstudiums^^ durch die Approbationsordnung 2002 die Abschaffung des AIP beschlossen worden^^. Dafiir wurde die Bundesarzteordnung als hoherrangige Norm geandert und mit Art. 10 Abs. I BAO^^ die AlP-Pflicht beseitigt. Trotz der Abschaffung der AlP-Phase seit dem 1.10.2004 erscheint aber ein kurzes Eingehen auf die Frage, ob der Arzt im Praktikum unter den Anfangerbegriff fallt, als sinnvoU. Gerade im Arzthaftungsrecht^^ lasst sich namlich das Phanomen des sogenannten Spatschadeneffekts (long-tail-Falle) feststellen^^. Darunter werden Behandlungsfehler verstanden, die zunachst mangels anfanglicher Beschwerden unerkannt bleiben und erst nach langerer Zeit, mitunter bis zu 10 Jahre spater, zutage treten. Als Beispiel sei hier der im Patienten vergessene Operationstupfer genannt, der erst nach Jahren zu einer ernsthaften Erkrankung fiihrt und so erst spater entdeckt wird. Zwangslaufig kommt es dann ^uch zu einer zeitversetzten prozessualen Geltendmachung eines solchen Schadens, so dass es noch viele Jahre nach dem 1.10.2004 Falle geben wird, in denen iiber den Fehler eines Arztes im Praktikum zu entscheiden ist. Uberdies kann eine liber mehrere Instanzen ausgetragene, gerichtliche Auseinandersetzung mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Auch wenn der AIP ab Herbst 2004 von den Krankenhausgangen verschwunden ist, in den Salen der Zivilgerichte wird er noch langere Zeit anzutreffen sein. Mit Beginn des AIP erhielt der Mediziner die Erlaubnis zur voriibergehenden Ausiibung des arztlichen Berufes^'^. Nach § 4 Abs. 4 B AO a.F. war er dann berechNarr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A211. So kritisieren u.a. Riedel/Ewert, NJW 1989, 745 ff., dass die AlP-Phase im Anschluss an das Studium den angehenden Arzt in seiner Berufsausubung beschrankt und so einen VerstoB gegen die durch das Grundgesetz gewahrte Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt. Das Argument einer praxisorientierten Ausbildung sei insoweit nur vorgeschoben; das Ziel des Gesetzgebers, eine kostenneutrale Senkung drohender Arbeitslosigkeit medizinischer Jungakademiker zu erreichen, wird durch das AIP nicht verwirklicht, sondem nur verschoben. Instmktiv zur Reform, deren Entstehung, Inhalt und Folgen vgl. Haage, MedR 2002, 456 ff., sowie ders., MedR 1998, 204 ff. Vgl. dazu auch die Approbationsordnung der Arzte in der Fassung vom 19.12.1997, BR Dr. 1040/97, v.a. S. 86. Art. 10 Abs. I BAO n.F.: ,Ab dem 1. Oktober 2004 haben Studierende der Humanmedizin, die vor diesem Zeitpunkt ihr Medizinstudium mit Bestehen des Dritten Abschnitts der arztlichen PrUfung absolviert haben, keine Tdtigkeit als Arzt im Praktikum mehr zu leisten'\ Vergleichbar dazu ist aber auch z.B. die An waits-, Architekten-, Notars- oder Steuerberaterhaftung, bei der eine ahnliche Langzeitwirkung wie in der Arzthaftung festzustellen ist. Dazu ausfuhrlich mit aktuellen Zahlen und Statistiken zu Schadensfallen in den Jahren 1996 - 2003, Weidinger, MedR 2004, 289, 290. § 10 BAO a.F.: (1) Die Erlaubnis zur voriibergehenden Ausiibung des arztlichen Berufs kann aufAntrag Personen erteilt werden, die eine abgeschlossene Ausbildung fUr den arztlichen Beruf nachweisen.
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B Begriff und Wirklichkeit
tigt, unter Aufsicht arztlichen Tatigkeiten nachzugehen, im Ubrigen standen ihm aber bereits die Rechte und Pflichten eines approbierten Arztes zu, § 10 Abs. 6 BAO a.F.^^ Ziel war es, den angehenden Arzt in die Lage zu versetzen, am Ende der Praktikumphase eigenverantwortlich und selbstandig einer arztlichen Tatigkeit nachgehen zu konnen^^. Der entscheidende Unterschied zum PJ lag darin, dass der Student nicht nur unter Aufsicht, sondern auch unter Anleitung und Verantwortung des ausbildenden Arztes tatig werden durfte, wahrend der AIP seinem Konnen angemessen nur noch der „Aufsicht" bedurfte^^. Je weiter der Arzt im Praktikum in die berufliche Eigenverantwortlichkeit hineinwachst, umso geringer wird die Aufsichtspflicht durch den ausbildenden Arzt. Dies zeigt bereits deutlich, dass der AIP dem Berufsanfanger in diesem Sinne noch naher steht^^ als der Student im PJ, so dass in diesem Fall die Anwendbarkeit der Grundsatze zur Anfangeroperation a fortiori anzunehmen ist. Der AIP nimmt sozusagen eine Mittelstellung zwischen dem Lernenden und dem Facharzt ein, der entsprechend Rechnung zu tragen ist^^. Der noch nicht approbierte Mediziner darf bereits arztliche Handlungen in einem steigenden AusmaB eigenverantwortlich vornehmen, die Aufsicht ist ... (4) Personen, die die arztliche Priifung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bestanden haben, erhalten aufAntrag eine aufdie Tatigkeit als Arzt im Praktikum (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) beschrdnkte Erlaubnis. Diese Erlaubnis darf nur widerruflich und bis zu einer Gesamtdauer der Tatigkeit erteilt werden, deren es zum Abschlufi der Ausbildung bedarf. ... (6) Personen, denen eine Erlaubnis zur AusUbung des arztlichen Berufs nach den vorstehenden Vorschriften erteilt warden ist, haben im Ubrigen die Rechte und Pflichten eines Arztes. Ausfuhrlich zur Rechtsstellung des AIP: Baur, MedR 1989, 111 ff.; Stellungnahme dazu von OpderbeckeAVeifiauer, MedR 1989, 306 ff.; Fahrenhorst, MedR 1991, 173 ff; Stellungnahme dazu von Opderbecke, MedR 1992, 205; einen umfassenden UberbUck bzgl. des AIP geben auch: Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A211 ff; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 13 ff; sowie Rieger in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 350. 89 Vgl. Art 35 AAppO. ^0 5awr, MedR 1989, 111,116. ^^ Fahrenhorst, MedR 1991, 173, 174, spricht hier von einer haftungsrechtlichen Gleichstellung mit dem Berufsanfanger und bezeichnet es als praxisfremd, „den arztlichen Berufsanfanger erster und zweiter Klasse zu schaffen". Im Ergebnis auch Baur, MedR 1989, 111; Bericht der Bundesregierung uber die Realisierung der Tatigkeit als Arzt im Praktikum, BT-Drs 11/6149, Abschn III 4. Opderbecke kritisiert, wie die wohl uberwiegende Meinung im Schrifttum in MedR 1992, 205 die Auffassung Fahrenhorsts, von einer voUstandigen Gleichstellung mit dem friiheren Berufsanfanger zu sprechen. So auch: Rieger, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 350, Rn. 15 m.w.N. und Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 27 und § 101, Rn. 19. Im Bezug auf die aktuelle Lage ist es m.E. durchaus moglich, den Arzt im Praktikum mit einem Berufsanfanger weitgehend zu vergleichen, allerdings bedarf es dann feiner Differenzierungen u.a. im Bereich des Ubemahmeverschuldens oder des Ubertragungsverschuldens, dazu im Detail § 5 III. ^^ Vgl. dazu auch Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516), der davon ausgeht, dass die HaftungsmaBstabe dann auch „in der Mitte" liegen mtissen.
IL Terminologie
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deutlich gegeniiber dem PJ reduziert, so dass das Risiko des Patienten und der notwendige Schutz die Anwendbarkeit vorliegender Grundsatze erforderlich machen. Dariiber, dass der Mediziner als AIP den Grundsatzen der Anfangeroperation unterfallt, besteht und bestand von Seiten der Literatur kein ZweifeP^. Auch die Rechtsprechung wendet insoweit die Grundsatze der Anfangeroperation auf den Arzt im Praktikum entsprechend an^'*. ee) Arzt in der Weiterbildung Nach erfolgreichem Abschluss des Zweiten Abschnitts der arztlichen Priifung wird nach entsprechendem Antrag die sog. Approbation^^ erteilt, § 39 AAppO. Mit der Approbation ist die Ausiibung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung Arzt Oder Arztin gestattet, § 2 Abs. 5 B A O . In der Regel beginnt der Arzt im Anschluss daran mit der Weiterbildung zum Facharzt^^, die er als Assistenzarzt in einem Krankenhaus oder einer Praxis absolviert. Ohne den nachweisbaren Erwerb einer Facharzt- bzw. einer sog. Gebietsbezeichnung ist es namlich nicht moglich^^, als Vertragsarzt zugelassen zu werden und so eine eigene Praxis zu eroffnen^^. Unter der Weiterbildung zum Facharzt versteht man eine Spezialisierung in Form der Vertiefung und Erweiterung der bisher erworbenen, allgemeinen Kenntnisse und Fertigkeiten im Hinblick auf ein bestimmtes Spezialgebiet^^. Die Weiterbildung ist bundesweit durch eine Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bun-
^3 Exemplarisch dazu: Baur, MedR 1989, 116; FahrenhorsU MedR 1991, 174; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 88, der „von einem nicht ausreichend ausgewiesenen anderen Arzt" spricht; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 13; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A224; Laufs, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 101, Rn. 10.; sowie Rieger in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 350, Rn. 32; Kroes, MedR 1994, 478 ff ^4 Vgl. dazu OLG Schleswig, NJW 1997, 3098; OLG Dusseldorf, VersR 2001, 460; angesprochen in OLG Munchen, Urteil v. 21.3.2002, 1 U 5064/01. ^^ Die Approbation stellt eine staatliche Erlaubnis zur Ausiibung eines akademischen Heilberufes dar. Sie wird auf Antrag an grundsatzlich nur Deutsche oder diesen nach EU-rechtlichen Vorschriften gleichgestellte auslandische Staatsangehorige erteilt. Sie ist nicht nur im Bereich der Humanmedizin notwendig, sondem auch in den Bereichen der Zahn- und Tiermedizin. Vorlaufer der Approbation war bis zum Inkrafttreten der Bundesarzteordnung 1970 die sog. Bestallung, vgl. dazu Brauer/Stobrawa, Approbationsordnung fur Arzte - Bundesarzteordnung; grundlegend: Hespeler, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 160, Rn. 1. ^^ Einen guten Uberblick bieten abermals: Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. Wl ff.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 11, Rn. 10 ff; sowie Rieger in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 5490. ^'7 Gesetzliche Gmndlage in §§ 95 Abs. 2 Satz 1 Nr.l, 95a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V, BGBl 11988, 2477, 2482. ^^ Vgl. dazu ausfuhrlich: Grofibolting/Jaklin, NZS 2003, 131 f ^^ § 1 Musterweiterbildungsordnung (MWBO) 1992.
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BBegriffundWirklichkeit
desarztekammer^^ geregelt, die wiederum durch die Regelungswerke der jeweiligen Landesarztekammer^^^ konkretisiert wird. Die Weiterbildung endet mit dem Erwerb der Gebietsbezeichnung, d.h. dem Facharzt z.B. fiir Innere- und Allgemeinmedizin. Die hier beschriebene Phase zwischen der Approbation und dem Erlangen des Facharztes ist der Bereich, in dem es am haufigsten zur Anwendung der Grundsatze iiber die Anfangeroperation kommt und anhand dessen sie auch zunachst entwickelt wurden^^^. Ein Blick auf die Rechtsprechung^^^ zeigt, dass nahezu jeder Fall, in dem die Grundsatze eine Rolle spielen, mit einem Assistenzarzt zusammenhangt. Gerade in dieser Phase ist namlich der approbierte Jungarzt auf der einen Seite zum ersten Mai ermachtigt, weitgehend eigenstandig und selbstverantwortlich medizinische MaBnahmen vorzunehmen^^"^; auf der anderen Seite fehlt es ihm aber noch an der notigen Erfahrung und Praxis, besonders im Hinblick auf spezielle Eingriffe, die von der allgemeinen Ausbildung noch nicht erfasst waren. Die Wahrscheinlichkeit fiir einen Behandlungsfehler ist deshalb besonders hoch, die Patienten also auch einem hohen Risiko ausgesetzt. Man kann daher den Assistenzarzt als den Berufsanfanger im herkommlichen Sinne^^^ bezeichnen. Jedoch muss und darf dies nicht automatisch fiir jeden Assistenzarzt gelten. Immerhin entschlieBt sich eine Vielzahl von Arzten nicht dazu, nach ihrem langem Studium noch die Ausbildung zu einem Facharzt zu absolviert mit der Folge, dass es viele Arzte gibt, die ihr ganzes Berufsleben lang Assistenzarzt ohne Facharzttitel bleiben. Sie verfugen dann gleich einem Facharzt iiber einen immensen Erfahrensund Wissensschatz, der eine Qualifizierung als Anfanger selbstredend ausschlieBt^^^. Demnach ist es nicht moglich, eine kategorische Einordnung vorzunehmen, sondern es bedarf insoweit einer abwagenden Einzelfallentscheidung, ob sich der Arzt noch unter den Begriff des unerfahrenen Anfangers subsumieren ^^ Aus Grunden der Aktualitat sei auf http://www.bundesaerztekammer.de/30AVeiterbildung/05MWBO2003.pdfverwiesen. ^^^ Aus Grunden der Aktualitat sei exemplarisch fur die Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesarztekammer auf http://www.blaek.de/weiterbildung/WBO%2024% 2004%202004.pdf verwiesen. 102 Vgl. dazu die grundlegende Entscheidung des BGH, Urteil v. 27.9.1983 - VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327, in der ein Arzt im Rahmen seiner Weiterbildung zum Facharzt fur Chirurgie als Assistenzarzt tatig war. Fortgesetzt bei: BGH NJW 1993, 2989; OLG Zweibrucken, VersR 1988, 165; Siehe dazu die genauen Ausfuhrung oben in § 21. 10^ Zusammenfassender Uberblick iiber die Rechtsprechung zur Anfangeroperation bei Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 246 ff Bei lediglich zwei der rund 35 genannten Entscheidungen ist der Beklagte nicht Assistenzarzt. ^^^ Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. W2. 105 Ygj j^jg Ausfuhmngen von Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard im Arztund Anwaltshaftungsrecht, S. 205 ff 10^ In diesem Zusammenhang hat der BGH, NJW 2001, 1786 einem Assistenzarzt den Anfangerstatus versagt, da dieser bereits iiber ein entsprechend groBes MaB an Erfahrung verfugt habe.
II. Terminologie
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lasst Oder ob er aufgrund seiner bereits erworbenen Kenntnisse diesem Status entwachsen ist. ff) Facharzt Am Ende der langen Ausbildung steht der Facharzttitel, den der Mediziner nach bestandener Priifung erhalt. Er ist in seinem Gebiet voll ausgebildet und garantiert den durch seinen Titel verbrieften Facharztstandard^^^. Man mochte meinen, dass es hier keines besonderen Schutzes mehr fiir den Patienten bedarf. Er wird von einem voll ausgebildeten und spezialisierten Arzt behandelt, der nach einer bis zu 6 Jahre dauernden Facharztausbildung auch iiber ein solides MaB an Erfahrung verfugt. Hier noch zusatzlich besondere Pflichten aufzuerlegen, erscheint nicht mehr notig, da i.d.R. der Facharztstandard gewahrleistet wird. Auch eine Umkehr der Beweislast erscheint in diesem Fall nicht mehr angebracht, weil der Facharzt in der Regel eben gerade iiber eine ausreichende Qualifikation verfugt^^^. Jedoch bedarf es in diesem Zusammenhang zweier Einschrankungen. Zum einen ist es befremdlich, wenn der Arzt in der Weiterbildung noch als Anfanger gesehen wird, mit der Verleihung seiner Facharzturkunde aber bereits nicht mehr. Dieser Wechsel vollzieht sich buchstablich in einer Sekunde^^^. Mit dieser Sekunde gleichsam einen Qualifikationswechsel anzunehmen fiihrt zwar zur einer eindeutigen Trennlinie und damit zu wiinschenswerter Rechtsklarheit. AUerdings wird man dem verfolgten Ziel von Waffengleichheit zwischen Arzt und Patient nur bedingt gerecht. Besser ist es daher, neben der formalen Facharztreife auch ein entsprechendes MaB an Erfahrung zu verlangen, also den Standard eines erfahren Facharztes als MaBstab zu nehmen^^^. Zum anderen ist es nach den Weiterbildungsordnungen moglich, nicht nur einen Facharzttitel zu erwerben, sondern sich auch noch auf einem zweiten Gebiet
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Stejfen, MedR 1995, 360, 361. Die Umkehr der Beweislast fur grobe Behandlungsfehler ist hiervon nicht betroffen, sie gilt schlieBlich unabhangig vom Ausbildungsstand des Arztes, immer; vgl. zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlem Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 515 und Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 406 ff., v.a. Fn. 247 m.w.N. Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 2, 4. So die uberwiegend verbreitete Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, exemplarisch: BOH, NJW 1984, 655 ff, NJW 1987, 1479 ff, NJW 1988, 2298 f, NJW 1992, 1560 ff, NJW 1993, 2989 f; OLG Dusseldorf, NJW 1995, 1620 ff; OLG Bamberg, VersR 1988, 407 f; RGRYi-Nufigens, §823, Anh. II, Rn.l82; MuKoBGBGrundmann, § 276, Rn. Ill; Dressier, in: Festschrift fur Karlmann GeiB, S. 379 ff; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 144 f; Deutsche MedR 2001, 435; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 71 f; Katzenmeier, Arzthaftungsrecht, S. 166; Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, S. 33; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 88; Laufs, Arztrecht, Rn. 473, 492; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandards, S. 174; Walter, in: VersR 2003, S. 1130 f; Muller, MedR 2001, 487 ff; Fehn, ZaeFQ 95 (2001), 469 f; Heilmann, NJW 1990, 1513 f; Kullmann, VersR 1997, 529 f; Ulsenheimer, MedR 1995, 438.
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B Begriff und Wirklichkeit
zu spezialisieren^^^ Dabei sind zwar nur bestimmte Kombinationen zugelassen, welche die Landesarztekammern in ihren Weiterbildungsordnungen festgelegt haben^^^, dennoch kann beispielsweise ein Facharzt fiir Humangenetik sich noch in der Weiterbildung zum Facharzt fiir Chirurgie befinden. In diesem Fall ist zu uberlegen, inwieweit dann die Grundsatze der Anfangeroperation Anwendung finden konnen, wenn dem Humangenetiker in seiner ersten Blinddarmoperation ein folgenschwerer Fehler unterlauft. Strikt an der Terminologie argumentiert, mtisste man dem Humangenetiker die Berufsanfangereigenschaft dem Grunde nach aberkennen, schlieBlich praktiziert er als Arzt bereits iiber einige Jahre hinweg. So betont Laufs in diesem Zusammenhang, dass die Qualifikation als Gebiets- bzw. Facharzt im Unterschied zum Arzt keinen besonderen, eigenen Beruf darstellt, sondern nur als eine Auspragung des einheitlichen Arztberufes zu gelten hat^^^. Davon ausgehend erscheint es befremdlich, Grundsatze, die fiir die Tatigkeit eines Berufsanfangers entwickelt wurden, auf einen Facharzt mit langjahriger Berufserfahrung anzuwenden. Ahnlich ist dies gleichsam in Fallen, in denen ein Arzt erst viele Jahre nach seiner Approbation eine Weiterbildung beginnt. Auch er ist schon lange beispielsweise als angestellter Assistenzarzt tatig, so dass die Bezeichnung „Anfanger" unpassend wirkt. Weg von terminologischen Uberlegungen und hin zu den Interessen des Patienten und des Arztes in der Weiterbildung, muss aber die Anwendung der Anfangergrundsatze auch in den eben aufgezeigten Fallgestaltungen moglich sein. Denn auch wenn der Arzt bereits langere Zeit in einem anderen Gebiet der Medizin tatig war, so liegen doch wieder die gleichen Probleme vor, die einst den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung von 1983^^^ getragen haben: in der konkreten Situation fehlen dem erfahrenen und langjahrig tatigen, um obigen Beispiel treu zu bleiben, Humangenetiker die speziellen chirurgischen Kenntnisse und Erfahrungswerte, die ein Facharzt der Chirurgie vorweisen kann und muss. Gleiches muss auch gelten, wenn ein Facharzt eine neue Behandlungsmethode erlernen muss, auch dann kann von ihm nicht der Standard eines erfahrenen Arztes erbracht werden, der mit dieser neuen Methode schon mehrfach Patienten behandelt hat^^^. Fiir den Patienten besteht also wiederum ein hohes Risiko. Es ist ihm auch in diesem Fall nicht zuzumuten, ungeschiitzt den ersten Operationsversuchen eines, wenn auch auf einem anderen Gebiet fertig ausgebildeten, unerfahrenen As-
^^^ § 3 Abs. 4 MWBO 1992, exemplarisch § 3 Abs. 2 Weiterbildungsordnung fiir die Arzte Bayems 2004, abgedruckt in Bayerisches Arzteblatt SPEZIAL 1/2004. ^^^ Fiir Bayem: Weiterbildungsordnung fiir die Arzte Bayems 2004, a.a.O., Abschnitt D, Fiihrbarkeit mehrer Facharztbezeichnungen, S. 82 ff ^'^ LaufSy in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 11, Rn. 11; gleichsam Nunius, Die arztliche Weiterbildung im Krankenhaus, S. 74; HUbner, ZVersWiss 1990, 55 (74). 11^ BOH, Urteil v. 27.9.1983 - VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327. ^^^ Carstensen, in: Referate, S. 15 (17) mit dem Beispiel der sog. laparoskopischen Chirurgie, die ein Facharzt der Chirurgie voUkommen neu erlernen muss.
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sistenzarztes ausgeliefert zu sein^^^. Andererseits kann auch dem Arzt in der Weiterbildung kein Facharztstandard fiir Chirurgie abverlangt werden, wenn er bisher nur auf dem Gebiet der Humangenetik weitergebildet ist^^^. Auch ihm darf nur ein Ubernahmeverschulden, wie jedem Anfanger, anzulasten sein. Aus diesen Griinden ist eine Anwendung der Grundsatze der Anfangeroperation ebenso dann anzunehmen, wenn der handelnde Arzt vor seiner Weiterbildung bereits einen anderen Facharzt erlangt hat bzw. schon mehrere Jahre ohne Facharztausbildung tatig^^^. Der Begriff des Berufsanfangers darf also zusammenfassend so ausgelegt werden, dass er sich nicht auf die Tatigkeit als Arzt im allgemeinen erstreckt, sondern auf die im konkreten Fall erforderliche facharztliche Qualifikation bezieht. Im folgenden soil jedoch - der libersichtlicheren Darstellung wegen - die Diskussion ausschlieBlich anhand des „klassischen" Berufsanfangers erfolgen, wenn gleich die entsprechende (Jbertragbarkeit auf den Facharzt, der eine Behandlungsmethode zum ersten Mai durchfiihrt, aus den oben genannten Griinden gegeben sein wird.
b) Anwendbarkeit auf andere Medizinalfachberufe Nach der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Stufen der arztlichen Ausbildung stellt sich zwangslaufig die Frage, inwieweit man die Angehorigen medizinaler, also nicht-arztlicher Heilberufe unter die Grundsatze der Anfangeroperation subsumieren kann, wenn diese aus dem arztlichen Bereich abgeleitete Aufgaben wahrnehmen. Unter Medizinalfachberufen werden die nicht-arztlichen Heilberufe verstanden, also Berufsgruppen, die bei der Erbringung der arztlichen Leistung mitwirken^^^, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies in abhangiger oder freiberuflicher Stellung geschieht^^^. Nicht erfasst werden hier von vornherein medizinale Mitarbeiter, die lediglich Tatigkeiten der Grund- und Funktionspflege bzw. der pflegerischen Erganzung des arztlichen Behandlungskonzepts nachgehen^^^. Hierbei handelt es sich namlich gerade nicht um aus dem arztlichen Bereich abgeleitete Aufgaben; die Mitarbeiter sind in diesen Fallen nicht arztliche Erfullungsgehilfen, sondern dem pflegerechtlichen Verantwortungsbereich unter-
116 BGH, NJW 1984, 656. 11^ So auch Schelling, Die arztliche Aufklarung liber die Qualitat der Behandlung, S. 110; a.A. Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, S. 54, Rn. 42. 11^ Carstensen, in: Referate, S. 15 (17); Kerschhaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 220; insoweit kann dann auf die Ausfiihrungen zum Arzt in Weiterbildung verwiesen werden, § 2 II. 1. a) ee). A.A. ist Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, S. 54 Rn. 42, der eine Anwendung der Grundsatze der Anfangeroperation nach erreichen des Facharztes ablehnt, 11^ Dazu Kiesecker, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 3520, Rn. 1. 1^° Dieser Hinweis fmdet seine Grundlage darin, dass u.a. Hebammen als Medizinalassistenten sowohl freiberuflich (z.B. Beleghebammen) als auch angestellt tatig sein konnen; vgl. Pfluger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 19. 1^1 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 224.
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B Begriff und Wirklichkeit
stellt^^^. Eine entsprechende Anwendung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsatze zur arztlichen Anfangeroperation scheidet insoweit aus; der Anwendungsbereich wlirde sonst zu weit und eine klare Rechtsanwendung verwassert. Somit stellt sich lediglich die Frage, ob der medizinale Anfanger, der einer aus dem arztlichen Aufgabenbereich abgeleiteten Tatigkeit nachgeht, unter den Anwendungsbereich fallt. Ohne Zweifel zulassig und durch die Reclitsprechung institutionalisiert ist eine Beweislastumkehr in Fallen der Kompetenziiberschreitung durch nichtarztliche Mitarbeiter, die als grober Behandlungsfehler qualifiziert wird^^^. Diese lasst sich vorliegend aber nicht iibertragen, denn ausschlaggebend ist nur, ob eine Beweislastumkehr wegen der Anfangereigenschaft in einem nichtarztlichen Heilberuf angenommen werden kann. Ausgehend von der Grundentscheidung des Bundesgerichtshof aus dem Jahre ^933124^ in der das Gericht das Problem in der tJbertragung einer Operation zur selbstandigen Durchfiihrung auf einen noch unerfahrenen Assistenzarzt sah^^^, entstehen diesbeziiglich Zweifel. In der Kegel werden dem nichtarztlichen Mitarbeiter solch schwerwiegende Eingriffe nie zur selbstandigen Durchfiihrung iibertragen, so dass es gar nicht zu einer Situation wie im Falle der unerfahrenen Assistenzarzte kommen kann^^^. Andererseits muss es nicht immer ein operationsvergleichbarer Eingriff sein, der zu einer erhohten Gefahrdung des Patienten ftihren kann. Auch das von der Schwester in Ausbildung falsch verabreichte Medikament kann zu ernsthaften Schaden fiihren. Ein Vergleich der Ausgangssituation beim auszubildenden Arzt und der auszubildenden nichtarztlichen Hilfsperson spricht hingegen durchaus fur eine entsprechende Anwendung der Anfanger grundsatze: Beide miissen zu ihrer Ausbildung am Patienten von Beginn an praktisch arbeiten, um die notwendigen Erfahrungen zu erlangen. Die medizinischen Heilbehandlungen sind, vor allem wenn sie direkt am Patienten vorgenommen werden, so komplex, dass alleine deren theoretische Kenntnis nicht zu einer fehlerfreien Behandlung fiihren kann, es bedarf stets einer praktischen Ausbildung. Dies gilt nicht nur fiir die arztlichen sondern fiir alle medizinischen Tatigkeiten^^'^, also auch fUr die hier in Rede stehenden nichtarztli122 Vgl. u.a. BOH, Urteil v. 10.1.1984 - VI ZR 158/82, BGHZ 89, 263, 271 f. = NJW 1984, 1400 = VersR 1984, 356. 123 Vgl. OLG Oldenburg, VersR 1997, 749; LG Dortmund, MedR 1985, 291; LG Gottingen, VersR 1983, 1188. 124 BGH, Urteil v. 27.9.1983 - VI ZR 230/81, BGHZ 88, 248 = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327. 125 BGH, NJW 1984, 655. 126 In Ausnahme dazu sind Hebammen und Medizinisch-technische Assistenten (MTA) zu sehen, die nach § 3 Abs. 1 HebammenG bzw. § 9 Abs. 1 MTA-Gesetz selbstandig bestimmte medizinische Tatigkeiten vomehmen durfen; in diesem Zusammenhang stellt sich auch immer die Frage, inwieweit Krankenschwestern Injektionen verabreichen durfen, vgl. z.B. Kolanczky, Haftungsrechtliche Fragen im Arztrecht: Durfen Sch western spritzen?, S. 47ff. 12'^ Dazu ausfiihrlich Baur, Der Krankenhausarzt 1972, 374.
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chen. Der Patient selbst befindet sich bei beiden dem Risiko ausgesetzt, in Folge der fehlenden Praxis der tatigen Medizinalperson, Opfer eines Behandlungsfehlers zu werden. Auch die Stellung der beiden Personengruppen im hierarchischen System der vertikalen Arbeitsteilung ist die gleiche^^^: Wahrend beim Arzt in Weiterbildung eine Weisungsbefugnis und Aufsicht durch den ausbildenden Facharzt bzw. Ober- oder Chefarzt besteht, ist die medizinale Fachkraft gleichsam in einem Verhaltnis von Weisung und Aufsicht gegeniiber dem jeweiligen Arzt, dem sie unterstellt ist^^^. Dabei trifft den hohergestellten und anweisenden Arzt in beiden Fallen die gleiche Pflicht zur Gefahrenabwehr. Eine Vergleichbarkeit liegt vor. Den Grundsatzen, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aufgestellt hat, kann somit insoweit eine AUgemeingiiltigkeit zugeschrieben werden^^^. Zwar sind die Aufgaben, die dem Arzt und dem Medizinalassistenten obliegen, anders, allerdings steht dies einer tJbertragung der Grundsatze nicht entgegen: beide miissen als Anfanger mit unzureichenden Kenntnissen und Fahigkeiten^^^ direkt am Patienten „uben" und bringen diesen damit stets in eine besondere Gefahrdungslage, die auch einen entsprechenden Schutz erfordert.
c) Zusammenfassung Mit Blick auf die oben gemachten Ausfiihrungen kann im Fall der personlichen Anwendbarkeit von einer sehr weiten Auslegung gesprochen werden, die von gegenseitigem Interesse der Arzte und Patienten getragen ist. Um eine sinnvoile Ausbildung von Personen in Heilberufen zu ermoglichen und dennoch dem Patienten einen angemessenen Schutz zuteil werden zu lassen, ist der Begriff des „Anfangers" moglichst weit zu fassen. Neben dem Arzt im Praktikum sind die Studenten in Famulatur und Praktischem Jahr genauso als Anfanger in diesem Sinne zu erfassen, als auch der Arzt in der Weiterbildung. Dies muss zwangslaufig auch dann gelten, wenn der sich weiterbildende Arzt bereits iiber einen Facharzttitel
128 Ygj j^^2u Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 10 ff. ^^^ In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass hier nur medizinale Mitarbeiter erfasst sind, die einer aus dem arztlichen Bereich stammenden Tatigkeit nachgehen. Im Fall der pflegerischen Betatigung ware namlich auch das Weisungsrecht nicht beim Arzt, sondem grundsatzlich bei der Pflegedienstleitung angesiedelt. Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 224. ^^^ So tritt auch Umhreiu Verantwortlichkeit des Arztes, S. 160, fur eine Ubertragung der BGH-Grundsatze auf nichtarztliche Mitarbeiter ein. In der Rechtsprechung bereits angesprochen in den Entscheidungen OLG Koln, Urteil v. 22.1.1987 - 7 U 193/86, VersR 1988, 44 ff Auch Schelling, Die arztliche Aufklarung uber die Qualitat der Behandlung, S. 122 pladiert fur eine entsprechende Anwendung in diesen Fallen. ^^^ In der Entscheidung OLG Diisseldorf, MedR 1985, 85 (86 f), wird ausnahmsweise einem Chefarzt die Qualifikation fiir eine auBerst seltene und komplizierte Operation abgesprochen. Dabei wird aber deutlich, dass das Gericht auch in diesem Fall, ahnlich der Anfangerentscheidung, auch darauf abstellt, dem Chefarzt ein Ubemahmeverschulden mangels fehlender Fahigkeiten anzulasten.
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B Begriff und Wirklichkeit
verfugt^^^ und sich anschickt, einen weiteren zu erwerben. Selbstverstandlich eroffnet eine so weite Auslegung der Begrifflichkeiten auch einen entsprechenden groBen Anwendungsbereich. Kritikern, die dem mit dem Argument fehlender Rechtssicherheit entgegentreten mochten, sei an dieser Stelle gesagt, dass vorliegend eine weite Auslegung von Vorteil fiir alle Beteiligten ist und so mogliche Nachteile ausgleicht. Wie oben dargestellt, soil es schlieBlich das Ziel sein, dem Patienten eine Behandlung zuteil werden zu lassen, die stets den Facharztstandard erfiillt. Auf der anderen Seite muss dem, allgemein formuliert, „noch nicht Facharzt" ausreichend Gelegenheit gegeben werden, seine Fahigkeiten so zu verbessern, dass er mit dem Abschluss seiner formellen Facharztpriifung auch materiell den jeweiligen Facharztstandard zu erbringen vermag, Mit dieser Zielsetzung vor Augen ist die Anwendung der Grundsatze der Anfangeroperation auf jeden am Patienten tatigen, noch nicht voll ausgebildeten Arzt gerechtfertigt. Parallel dazu lasst sich auch im Rahmen der Angehorigen medizinaler Heilberufe argumentieren. Auch dort sieht sich die Gesellschaft dem Zwiespalt zwischen Patientensicherheit und Ausbildungsnotwendigkeit ausgesetzt. Am Beispiel der Hebamme argumentiert muss auch in diesen Bereichen der medizinischen Handlungsbandbreite ein hoher Standard, insoweit der einer voll ausgebildeten Hebamme stets garantiert sein. Somit ist es nur konsequent, Angehorige medizinaler Heilberufe, die sich in ihrer Ausbildung befmden, unter die Grundsatze der Anfangeroperation entsprechend zu fassen, wenn sie einer aus dem arztlichen Bereich abgeleiteten Aufgabe nachgehen.
2. „Operation" - Der sachliche Anwendungsbereich a) Herkommlicher Sinn Mit dem Begriff „Operation" verbindet man im ersten Augenblick einen chirurgischen Eingriff, der meist stationar unter Narkose vorgenommen wird. Defmiert wird er als von einem Arzt zu diagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken vorgenommener chirurgischer Eingriff in den lebenden Organismus eines Menschen als besondere Form der Heilbehandlung^^^. Zu Eingriffen dieser Art hat der Bundesgerichtshof ausfuhrlich Stellung genommen, sie bilden das Gros der zur Anfangeroperation ergangenen Entscheidungen, was auch fiir die Begriffsbildung ausschlaggebend war^^"^. Dabei wurden iiberwiegend chirurgische Eingriffe erfasst. ^^^ Dies lassen Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 2 (3), vollkommen auBer Betracht, wenn sie den vom BGH gebrauchten Begriff des erfahrenen Arztes pauschal als den Facharzt bezeichnen und so die Anwendbarkeit gmndlos beschranken. ^^^ Jansen, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940, Rn. 1; vgl auch die Definition bei Pschyrembel, Klinisches Worterbuch; Operation (lat. operatio BewerkstelHgung, Bemuhung) f: (engl.) operation, surgery; Abk. Op.; zu diagn. bzw. therap. Zwecken durchgefuhrter chir. Eingriff in den lebenden menschl. Organismus u. damit in die korperl. Integritat des Betroffenen. ^^"^ Rechtsprechungsubersicht bei Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn.246 ff
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die dabei von der Appendektomie^^^ bis bin zur Lympbdriisenexstirpation^^^ reicben. Als ursprunglicber Anwendungsbereicb ist desbalb die operative Heilbebandlung eines Chirurgen festzubalten.
b) Umfassender Sinn Die soeben aufgestellte Definition des Operationsbegriffs eroffnet den Anfangergrundsatzen, v^ie sie der Bundesgerichtshof aufgestellt hat, nur einen sehr scbmalen sachlichen Anv^endungsbereicb. Ein Blick auf die zahlreichen Entscbeidungen der Recbtsprecbung zeigt allerdings, dass der Begriff „Operation" nicbt nur im Sinne der oben genannten engen Bedeutung verstanden werden kann. Eine Bescbrankung ist weder auf den Bereicb der Cbirurgie nocb auf den Bereicb des operativen Eingriffs vorzunebmen:
aa) Nichtchirurgische HeilmaBnahmen Klassiscber Partner des Cbirurgen ist der Anastbesist, obne den eine Operation nicbt mogbcb ware. Fiir den Bereicb der Anastbesie lasst die Recbtsprecbung die Anfangergrundsatze gleicbsam gelten, v^eil Ausgangslage und Interessenverteilung vergleicbbar sind^^'^. Im Rabmen der Narkose bedarf es des Facbarztstandards, den das Krankenbaus sowie die dort tatigen Arzte zu erbringen baben^^^. Dennocb bediirfen andererseits aucb Anastbesisten ein entsprecbendes Ma6 an praktiscber Ausbildung, die sie nur durcb die Tatigkeit am Patienten erlangen konnen. Eine entsprecbende Anwendung der Grundsatze aucb auf die Anfangernarkose ist folglicb sinnvoll und daber zu befiirworten^^^. Uberdies lassen sicb aucb eine Vielzabl von Entscbeidungen im Bereicb der Gynakologie finden, in denen die Grundsatze der Anfangeroperation gleicbsam angewendet v^urden^"^^. Dabei lasst sicb als Problemscbwerpunkt der Bereicb der Geburtsbilfe ausmacben, da vor allem bier ein Febler besonders scbwere Folgen baben kann^^^^ Gerade desbalb miissen in diesem Bereicb besondere Vorkebrungen getroffen werden, um die Gefabren eines Anfangerbandelns aufzufangen.
135 BGH, NJW 1990, 1560 f. 136 BGH, MedR 1984, 63 ff. 137 BGH, NJW 1985, 2189 ff; BGH, NJW 1993, 2989 f; OLG Zweibrucken, MedR 1989, 96 ff 138 BGH, NJW 1985, 2189; BGH, NJW 1990, 759; BGH, NJW 1993, 2989 f 139 Ygi ^^^ ay^]^ zustimmend die einhellige Meinung in der Literatur: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 90; Gounalakis, NJW 1991, 2945, 2946 f m.w.N.; Kern, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, Rn. 41 sowie Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 15; Schmid, NJW 1994, 767, 772 f; Bamberger/Roth-Spindler, § 823, Rn. 678; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 200 f; MiiKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677. 140 B G H , N J W 1998, 2736; B G H , N J W 1994, 3008 ff; O L G Dusseldorf, VersR 2 0 0 1 , 460
f; OLG Oldenburg, VersR 1994,180. 141 ymLoQGB-Wagner, 4.Aufl., § 823, Rn. 677.
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B Begriff und Wirklichkeit
Diese Vorkehrungen lassen sich mit einer entsprechenden Anwendung der Anfangergrundsatze des Bundesgerichtshofs treffen^"^^. Eine weitere Fachrichtung, in der eine Anwendbarkeit moglich und sinnvoll ist, stellt der Bereich der Inneren Medizin dar. Auch dort hat der Bundesgerichtshof bereits die Anfangergrundsatze herangezogen; in dem speziellen Fall handelte es sich um eine Behandlung im Rahmen der Notfall- bzw. Hochdruckambulanz, die eine Assistenzarztin in ihrer Weiterbildung zum Facharzt fiir Innere Medizin vorgenommen hatte^"^^. Ahnlich gestaltet sich die Lage in den Fachbereichen der Urologie^^^ Psychiatrie^"^^ sowie der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie^"^^, in denen bereits von der Rechtsprechung die besonderen Umstande des Berufsanfangers entsprechend gewiirdigt warden. Es zeigt sich also, dass es verfehlt ware, die Grundsatze der Anfangeroperation lediglich auf den Bereich der Chirurgie anzuwenden. Auch in den anderen medizinischen Fachrichtungen kann es zum Konflikt zwischen der Ausbildungsnotwendigkeit und des dem Anfangerhandeln immanenten erhohten Risikos kommen. Dies rechtfertigt es, die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsatze dem Grunde nach auch dort anzuwenden und somit besser von Grundregeln zu sprechen, die eben auch in anderen Fachrichtungen Geltung erlangen konnen und miissen^'^'^. bb) Nichtoperative HeilmaBnahmen In Konsequenz stellt sich nun zuletzt die Frage, inwiefern die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Regeln fiir den medizinischen Eingriff von Berufsanfangern auch fiir andere Heilbehandlungen Anwendung finden konnen, oder ob diesbeziiglich eine begrifflich vorgegebene Begrenzung auf die „Operation" im Sinne der obigen Definition vorzunehmen ist. Wie bereits erwahnt, sind die meisten Entscheidungen, in denen die Rechtsprechung sich mit dem Anfangereingriff auseinander setzten musste, aus dem Bereich
145 146 147
So auch die herrschende Meinung in der Literatur: Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, Rn. 41 sowie Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 15; ders., in: Arztrecht, Rn. 524; ders., NJW 1991, 1522 f.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 248, 253; Bamberger/RothSpindler, § 823, Rn. 678; MiXKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677; dazu umfassend die Abhandlung von Ulsenheimer/Schluter/Bocker, Rechtliche Probleme in der Geburtshilfe und Gynakologie. BGH, NJW 1988, 2298 ff.; bestatigend MuYioBGQ-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677 unter Verweis auf vorstehendes Urteil. OLG Koblenz, MedR 1991, 35 ff; Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, Rn. 42. OLG Stuttgart, VersR 1990, 858. OLG Oldenburg, NJWE-VHR 1998,140 ff BGH, a.a.O., NJW 1993, 299, der davon spricht, dass die Anfordemngen auch „fur andere Bereiche der arztlichen Versorgung" zu gelten haben. Ebenso Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 15; ders/. Arztrecht, Rn. 524.
II. Terminologie
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der operativen MaBnahmen^'^^. Allerdings lassen sich auch eine Vielzahl von Entscheidungen finden, die zwar auf die Grundsatze des Bundesgerichtshofs zuriickgreifen, aber gerade nicht auf einem operativen Sachverhalt basieren. So wurde in mehreren Fallen eine Anwendbarkeit angenommen, in denen der Berufsanfanger gerade nicht im Rahmen einer Operation sondern schon bei der Diagnose fehlerhaft gehandelt hatte und eine KontroIIe durch den ausbildenden Arzt nicht erfolgt war^"^^. Auch beim Legen eines zentralen Venenkatheters (ZVK) wurde schon iiber Reichweite der Anfangeroperation geurteilt; letztlich wurde diese zwar im konkreten Fall abgelehnt, aber nur deshalb, weil der Schaden (eine Nervenlasion) hier nicht mit der fehlenden Qualifikation im Zusammenhang gestanden hatte^^°. Letztlich spielt es keine RoUe, in welchem Bereich der Anfanger tatig wird. Entscheidend ist allein, dass ihm bei der von ihm vorzunehmenden medizinischen Behandlung die notwendige facharztliche Erfahrung noch fehlt. Dies geht, unabhangig von der Art der Behandlung, zwangslaufig auf Kosten des Patienten, dem ohne zusatzliche Vorkehrungen im konkreten Fall kein Facharztstandard zu teil wird. Mit einer nicht nur auf operative Eingriffe begrenzten Anwendung kann dem entgegen gewirkt werden. Hugo Schmid ist aus diesem Grund nur beizupflichten, wenn er die Anfangeroperation schlicht mit der Ubernahme einer Heilbehandlung defmiert^^^
c) Zusammenfassung Ahnlich wie im Zusammenhang mit dem personlichen Anwendungsbereich ist auch fur den sachlichen Anwendungsbereich eine erweiterte Sinngebung sinnvoll und moglich, wie die verschiedenen Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur deutlich zum Ausdruck bringen. Der Begriff „Operation", wie er im Zusammenhang mit Berufsanfangern gebraucht wird, bedarf nicht eines sklavischen Festhaltens an der lexikalen Definition. Ganz im Gegenteil erlaubt bzw. verlangt er sogar nach einer extensiven Anwendung, um eine patientengerechte Ausbildung in Medizinalberufen zu gewahrleisten. Neben der chirurgischen Operation sind auch andere Fachrichtungen sowie andere HeilmaBnahmen unter den Begriff zu subsumieren. Die Grundsatze zur Anfangeroperation sind demnach als Grundregeln^^^ zu verstehen, die im medizinischen Bereich eine relative Allgemeingiiltigkeit^^^ einnehmen konnen und im Interesse des Patienten auch einnehmen miissen.
^"^^ Rechtsprechungsuberblick bei Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 246 ff. 149 BOH, NJW 1987, 1479 ff.; BOH, NJW 1988, 2298 ff; OLG Dusseldorf, VersR 1985, 169 ff; OLG Dusseldorf, NJW 1986, 790 ff 150 Vgl. OLG Oldenburg,, NJW-RR 1999, 1327 ff. 151 Schmid, NJW 1994, 767, 772. 152 Der BGH, NJW 1993, 299, macht von diesem Begriff Gebrauch und stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Grundsatze auf andere Medizinalbereich gleichsam zu ubertragen sind. 153 Zum Begriff: Umbreit, VerantwortHchkeit des Arztes, S. 160.
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B Begriff und Wirklichkeit
III. Organisation „Die Anfangeroperation setzt eine besondere Organisation voraus" schreibt DeutsM^"^ in einem seiner zahlreichen Aufsatze zur Arzthaftung. Diese Organisation stellt, neben der Entstehungsgeschichte und den terminologischen Grundlagen der Anfangerbehandlung eine entscheidende Komponente dar; sie hat Auswirkungen auf wesentliche Bereiche der vorliegenden Auseinandersetzung wie die Haftung, im besonderen die des Kliniktragers, die Aufsichtspflicht und den Umfang der Aufklarung^^^ im Zusammenhang mit der Anfangeroperation. Dariiber hinaus schafft sie flir den Arzt ein konkretes Pflichtengefiige, das aus dem medizinalen Zusammenwirken vieler Einzelpersonen resultierende Gefahrenquellen in Form von mangelhafter Kommunikation, Koordination und Kompetenzentscheidung vermindert^^^. Aufgrund der engen Verkniipfung des Anfangerhandelns mit der klinikinternen Organisation werden diese Themenkomplexe sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung oft miteinander vermengt und zusammen behandelt^^'^, so dass auch hier darauf einzugehen sein wird. Der Erstlingseingriff muss im Rahmen einer bestimmten Organisationsstruktur erfolgen. Wie bereits angesprochen, fmdet die praktische Ausbildung der Arzte zum GroBteil in Kliniken, Krankenhausern oder groBen Arztpraxen statt. Dort werden die Anfanger zum ersten Mai praktisch am Patienten tatig. Dabei muss sich, um einen geregelten Ablauf zu erzielen und die Patienten vor moglichen Gefahren und Leiden zu bewahren, auch der Anfanger in eine bestimmte Struktur einfinden und im Rahmen der jeweiUgen Klinikorganisation Beriicksichtigung fmden^^^. Der organisatorische bzw. praktische Aspekt des Tatigwerdens basiert auf der sog. Arbeitsteilung. Diese gewinnt mit der fortschreitenden SpeziaHsierung der Humanmedizin immer mehr an Bedeutung^^^. Dies wird besonders dadurch verstarkt, dass die Halbwertszeit durch den raschen Fortschritt in der Medizinforschung mittlerweile weniger als 10 Jahre betragt und diesem Umstand nur
154 Deutsche N J W 2000, 1745
155 Vgl. dazu aus Sicht der Juristen Weissauer, in: Arztliche Aufklamng, S. 59ff. und aus Sicht der Arzte Bonhoeffer, in: Arztliche Aufklamng, S. 53 ff 156 Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, S. 50 f. 15'^ Vgl. zum Beispiel Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, der die Anfangeroperation im Kapitel „Horizontale und vertikale Arbeitsteilung" behandelt; ders., Arztrecht, Rn, 524; Katzenmeier, Die Arzthaftung, S. 486; Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 132; aus der Rechtsprechung: BGH, VersR 1994, 1303; OLG Munchen, VersR 1993, 1400; OLG Koln, VersR 1993, 1157; OLG Zweibrucken, VersR 1997, 833; OLGHamm, VersR 1998, 104. 158 DeutscK NJW 2000, 1745. 15^ So auch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 152; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch das Arztrechts, Kap. 17., § 101, Rn.l unter Hinweis auf Carstensen/Schreiber, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 167 ff
III. Organisation
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durch extreme Spezialisierung entgegen zutreten ist^^^. „Non omnia possum omnes", wir alle konnen nicht alles, stellte bereits Gaius Lucilius^^^ zutreffend fest und hat damit einen noch heute giiltigen Grundsatz formuliert. Auf Grund dieser Tatsache ist es namlich, und das nicht nur im medizinischen Alltag notwendig, Aufgaben aufzuteilen und Teilbereiche den jeweiligen Spezialisten zuzuweisen^^^. Dabei werden die jeweiligen Fachgebiete aber immer kleiner und den Arzten geht der (Jberblick verloren. Notwendige Konsequenz daraus ist, dass eine alle Bereiche umfassende Behandlung nur noch im Rahmen einer funktionierenden Arbeitsteilung mit vielen Personen moglich ist^^^; diese hat weiterhin als alien gemeinsames Handlungsendziel die Gesundheit des Patienten vor Augen^^"^. Nicht nur im Bereich der Chirurgie, in dem bereits bei einer Routineoperation durchschnittlich mindestens sechs Personen tatig sind^^^, sondern auch in anderen Gebieten der Medizin^^^ gehort die Arbeitsteilung mittlerweile zur Grundlage einer erfolgreichen und effizienten Vorgehensweise^^^. Dabei lassen sich im wesentlichen zwei Arten der Arbeitsteilung unterscheiden. Je nach Stellung der tatigen Personen zueinander im hierarchischen System der Klinik bzw. des Krankenhauses spricht man von der horizontalen bzw. der vertikalen Arbeitsteilung und Delegation.
1. Horizontale Arbeitsteilung Unter der horizontalen Arbeitsteilung versteht man das Zusammenwirken von Arzten verschiedener Fachrichtungen und auch sonstigen Spezialisten in einer Weise, die durch Gleichordnung und Weisungsfreiheit gepragt ist^^^. Dem liegt das sogenannte KoUegialprinzip der funktionsbedingten Gleichordnung verschie^^^ Dazu Katzenmeier, Arzthaftung, S. 13; ders., MedR 2004, 34; vgl. in diesem Zusammenhang auch Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn. B 305. ^^^ Macrobius, Satumalien 6, 1, 35, behauptet, diese Worte stammen von Lucilius, die auch von Vergil in Ecloge 8,63 erwahnt werden. ^^^ Die zunehmende Komplexitat fuhrt nicht nur im Bereich der Medizin zu einer Spezialisierung und damit verbunden auch zu einem „ausdifferenzierten, arbeitsteiligen Zusammenwirken", sondern auch in den ubrigen Bereichen von Naturwissenschaft, Wirtschaft und Sozialem, Pitschas, in: Schmidt, Offentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 250 ff. 163 Katzenmeier, MedR 2004, 34 (35). ^^^ Wilhelm, MedR 1983, 46; dies., Verantwortung und Vertrauen bei Arbeitsteilung in der Medizin, S. 3. 16^ Der Chirurg sowie dessen arztliche Assistenz, der Anasthesist und dessen Assistenz und je eine instrumentierende Schwester. 166 Ygj (^jg Ausfuhrungen von Westermann, NJW 1974, 577 ff., mit besonderem Augenmerk auf die Haftung bei Arbeitsteilung im Bereich der Intensivmedizin. 16'^ Vgl. Rumler-DetzeU VersR 1994, 254 ff., die sich allgemein mit der Arbeitsteilung in Medizinalberufen auseinandersetzt und dabei auch auf deren Auswirkungen auf die Anfangeroperation eingeht. 168 Lipperu NJW 1984, 2606 (2610); Rumler-DetzeU VersR 1994, 254.
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B Begriff und Wirklichkeit
dener zusammenarbeitender Disziplinen zugrunde^^^. Das beste Beispiel dafiir ist wohl das Zusammenwirken von Anasthesist und Chirurg wahrend einer Operation. Dabei stehen die jeweiligen Arzte selbstandig und gleichberechtigt nebeneinander, was vor allem auch auf den Haftungsbereich Einfluss hat. So ist die zunachst im Strafrecht zur Haftungsbegrenzung entwickelte Rechtsprechung^^^ inzwischen auch im Zivilrecht standige Rechtsprechung geworden, dass jeder Arzt denjenigen Gefahren begegnen muss, die in seinem Arbeitsbereich entstehen. „Solange keine offensichtlichen Qualifikationsmangel oder Fehlleistungen erkennbar werden, muss er sich aber darauf verlassen diirfen, dass auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfiillt. Grundsatzlich besteht nicht die Pflicht, sich gegenseitig zu uberwachen"^'^^ Darin kommen die zwei der Arbeitsteilung zugrunde liegenden Prinzipen zu Ausdruck. Zum einen geht man vom Prinzip der strikten Arbeitsteilung aus, also einer eigenen bzw. einzelnen Verantwortlichkeit, die jeder Arzt fur seinen Tatigkeitsbereich zu tragen hat^"^^. Zum anderen spricht man in diesem Zusammenhang vom sog. Vertrauensgrundsatz^^^, dem zufolge der Arzt auf die Kompetenz seines KoUegen vertrauen darf. Dieses Vertrauen ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern endet im Falle gegenteiliger Anzeichen, so dass auch den Chirurgen eine Nachforschungs- bzw. Uberwachungspflicht trifft, wenn in seinen Augen der Anasthesist seiner Aufgabe nicht gewachsen scheint. Fiir den Bereich der Anfangeroperation ist die horizontale Arbeitsteilung allerdings nur bedingt von Bedeutung. Der Berufseinsteiger ist in der Regel namlich nicht in einer gleichgeordneten Position wie andere Kollegen und handelt deshalb auch stets weisungsgebunden. Zwar ist es fur das Vorliegen horizontaler Arbeitsteilung nicht zwingend erforderlich, dass ein gleicher Ausbildungsstand bzw. gleiche Fachkompetenz der zusammenarbeitenden Arzte vorhanden ist.^^"^ Es ist durchaus moglich, dass ein junger Arzt unmittelbar nach seiner Facharztpriifung mit einem erfahrenen alteren Kollegen auf einer Stufe tatig ist. Jedoch kommt im Fall des medizinalen Berufsanfangers hinzu, dass er in seiner Rolle als „Auszubil^^^ Giesen, Arzthaftungsrecht, Fn. 452; Steffen, Arzthaftungsrecht, Rn. 234 ff. mit div. Beispielen aus der Rechtsprechung; RGRK-Nufigens, § 823 Anh. II, Rn. 217 f. ^'^^ Vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 179 ff. 171 BGH, NJW 1980, 649 f; BGH, NJW 1991, 1539. Beispielsweise trifft einen Chirurgen nicht die Pflicht, wahrend des Eingriffs den Anasthesisten standig zu tiberwachen, BGH VersR 1991, 694; vgl. auch Katzenmeier, MedR 2004, 34 (37) m.w.N. 172 Dazu Ulsenheimer, MedR 1991, 127 (131 f). 173 Vom Vertrauensgrundsatz sprechen u.a. BGH NJW 1999, 1779 (1780), aber auch Lipperu NJW 1984, 2606 (2610); MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 656 m.w.N. und Staudinger-Hager, § 823 Rn. 131; dieser gilt nicht nur im Zivilrecht, sondern fmdet gleichsam im Strafrecht Anwendung, vgl. dazu die Ausfuhmngen von Carstensen/Schreiher, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 167; Wilhelm, Verantwortung und Vertrauen bei Arbeitsteilung in der Medizin. 174 Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 67 f Dabei kritisiert er zu Recht Wilhelm, MedR 1983, 45, 46, die einen gleichen Erfahmngsstand bzw. vergleichbare Fachkompetenz als wesentliches Merkmal der horizontalen Arbeitsteilung ansieht.
III. Organisation
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dender" stets einem weisungsgebundenen System unterworfen ist. Die LehrerSchiiler-Beziehung erfordert fur ihre Effektivitat eine gewisse hierarchische Grundstruktur, die Voraussetzung fiir ein sinnvolles Vermitteln von Wissen und Erfahrung ist. Insoweit steht sie dann der horizontalen Arbeitsteilung bei Anfangern entgegen und schlieBt sie nahezu aus. Zu einer horizontalen Zusammenarbeit kann es daher nur bedingt kommen. Lediglich in der wohl eher praxisfremden Konstellation, in der zwei junge Arzte zusammen ohne weitere Kollegen tatig sind, konnte man an eine horizontale Struktur denken, jedoch ist dies aufgrund ihrer Seltenheit fiir die vorliegenden Ausfiihrungen zu vernachlassigen.
2. Vertikale Arbeitsteilung Anders als bei der horizontalen ist die vertikale Arbeitsteilung eine wichtige Grundlage und Bedingung fiir die Anfangeroperation; Pfluger stellt die Anfangerbehandlung sogar als besondere Fallgruppe der vertikalen Arbeitsteilung dar^'^^. Sie ist es, welche die oben angesprochene enge Verknupfung^"^^ zwischen den Grundsatzen der Anfangeroperation und der medizinischen Arbeitsteilung begriindet. Vor allem im Fall des Anfangers erwachst einem Unter- bzw. Regelfall der vertikalen Arbeitsteilung besondere Bedeutung, namlich die sog. Delegation arztlicher Leistung^'^^. Dabei werden im Rahmen des hierarchischen Zusammenwirkens verschiedenrangiger Arzte Aufgaben an nachstehende arztliche und auch zum Teil nichtarztliche^^^ Mitarbeiter iibergeben bzw. delegiert, die zum Tatigkeitsfeld des libergeordneten Arztes gehoren^^^. Gerade dies ist dann meist der Anfanger, der einfache Aufgaben, zu denen sein vorgesetzter Arzt verpflichtet ist, iibernehmen muss. Grenze der Delegierbarkeit stellt dabei die Wechselwirkung von Konnen des Arztes und Schwierigkeitsgrad des Eingriffs dar, die sich als zentrales Kriterium in nahezu alien Bereichen der Anfangeroperation wiederfmdetiso.
1^5 PflUger, Krankenhaushaftung, S. 132 ff. ^^^ Auch Laufs, Arztrecht, Rn. 625, behandelt das Risiko der Anfangeroperation im Rahmen als Folge der vertikalen Arbeitsteilung. 1^7 So Wilhelm, MedR 1983, 45, 46; Lippert, NJW 1984, 2606 (2610 f); Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 74, der zu Recht feststellt, dass sich eine Differenzierung in dieser Hinsicht nicht auswirken wurde. ^^^ Diese Fallgestaltung soil bewusst auBen vor bleiben, um den Schwerpunkt der Arbeit nicht zu verwassem; gleichwohl findet sich auch im Bereich der Delegation an nichtarztliche Mitarbeiter unter anderem die Delegation von Infusionen und Injektionen haufig als Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen wieder, vgl. Rumler-Detzel, VersR 1994, 254 (256) m.w.N. ^^^ Einen umfassenden Uberblick liber die Beschaftigtenstruktur bzw. den „Personalen Aufbau" eines Krankenhaus bietet Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 13. 1^0 Zur Grenzziehung vgl. RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II Rn. 222 sowie Narr, MedR 1989,215,216.
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B Begriff und Wirklichkeit
Das Fundament vertikaler Arbeitsteilung ist das sog. hierarchische Prinzip der fachlichen Uber- und Unterordnung^^^ Es stellt die Grundlage fur die Arbeit in einem Krankenhaus dar, bei der es stets neben dem verantwortlich leitenden Arzt auch arztlicher Mitarbeiter bedarf, die in ihrer Weiterbildung unterschiedlich weit fortgeschritten sind^^^. Zudem betrifft die vertikale Arbeitsteilung aber nicht nur das arztliche Personal, sondern sie reicht vom Chefarzt iiber den behandelnden Arzt und Assistenzarzt auch bis zum Pfleger und der Krankenschwester. Dies gilt gleichwohl auch in einer Praxis zwischen dem frei praktizierenden Arzt und seinen Hilfskraften^^^, unabhangig davon, ob es sich um eine Einzel- oder Gruppenpraxis handelt In dieser Hierarchie findet sich auch der Anfanger, je nach dem aktuellen Stand seiner Ausbildung wieder, so dass die Organisation in Form der vertikalen Arbeitsteilung weitreichende Folgen fiir die Anfangeroperation hat. Dies beginnt schon bei der Aufklarung^^"^. Ohne bereits die konkreten Ausflihrungen zur Aufklarung eines Patienten im Zusammenhang mit dem Anfangereinsatz vorwegnehmen zu wollen, fiihrt die Unterordnung des jungen Arztes unter den Chefarzt dazu, dass eine Aufklarung iiber seine Beteiligung an einer Operation nicht notwendig ist, weil sich der Patient mitunter damit einverstanden erklaren muss, auf die durchgehende Fiihrung eines einzelnen Arztes zu verzichten^^^. Weiterhin nimmt die hierarchische Ordnung Einfluss auf die iiberwiegend geforderte Uberwachung des Anfangers. Die Aufsicht durch einen erfahrenen Arzt wird namlich erst mittels einer Uber- bzw. Unterordnung ermoglicht, da nur so die notwendige Weisungsbefugnis entsteht. Neben dem Zivilrecht spielt der Einsatz eines jungen, unzureichend qualifizierten Arztes natiirlich auch eine Rolle im Strafrecht. Insbesondere die Haftung wegen fahrlassiger Koperverletzung nach § 229 des Strafgesetzbuches steht hier im Vordergrund. In diesem Bereich nimmt die vertikale Arbeitsteilung gleichsam Einfluss darauf, wie sich die strafrechtliche Haftung des ubergeordneten Chefarztes zu der des untergeordneten und vor allem weisungsgebundenen Jungarztes verhalt^^^. Der zentrale und sowohl fiir den Anfanger als auch fiir den Patienten entscheidende Punkt ist allerdings, dass das Prinzip der vertikalen Arbeitsteilung die Haf181 Gepragt von Weifiauer, A&I 1982, 359 (361). 18^ Carstensen/Schreiber, in: Jung/Schreiher, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 167 (170). 18^ Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 73. 18"^ Dazu im Uberblick Schelling, Die arztliche Aufklarung uber die Qualitat der Behandlung, S. 108 ff; vgl. auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 338 f. 185 Ygi Laufs, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zwischen Theorie und Recht, S. 71 (78); diese Unterordnung findet allerdings in nahezu alien Hochschulgesetzen eine Eingrenzung, vgl. zur alteren Rechtslage Lippert, NJW 1984, 2606 (2610), v.a. Fn. 49. m.w.N. 18^ Zum Einfluss auf die strafrechtliche VerantwortHchkeit vgl. die umfassenden Ausfuhrungen zur Arbeitsteilung im Zusammenhang mit unerfahrenen Arzten bei Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 179 ff
III. Organisation
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tung im Falle eines Behandlungsfehlers wesentlich mitbestimmt^^'^. Durch die hierarchische Struktur trifft den Kliniktrager die Verantwortung fiir die richtige Organisation und Einteilung, so dass ein an der falschen Stelle eingesetzter, unzureichend qualifizierter Anfanger einen Haftungsgrund darstellt. Ahnlich trifft es gleichsam den Chef- bzw. Oberarzt, der einem jungen Arzt im Rahmen der Arbeitsteilung Aufgaben iibertragt, denen er noch nicht gewachsen ist^^^. Widerspricht der Anfanger einer solchen Ubertragung nicht und ubernimmt er die Aufgabe, obwohl er weiB, dass er dazu noch nicht fahig ist, macht er sich gleichsam haftbar^^^. Allerdings, und dabei fmdet der Vertrauensgrundsatz der horizontalen Arbeitsteilung auch hier Anwendung, darf der Anfanger darauf vertrauen, dass der ubergeordnete Arzt die Indikation in ausreichender Weise gepriift hat und die Verantwortung insoweit, also auch fiir den Operationsentschluss, tragt^^^. Dieser kurze Aufriss zeigt bereits, wie sich die Organisationsstruktur der vertikalen Arbeitsteilung im Bereich der Anfangeroperation bemerkbar macht. Sie ist eine grundlegende Bedingung fiir den Einsatz junger Arzte, der sonst nur in sehr engen Grenzen moglich ware. SchlieBlich kommt der Medizinstudent oder der Arzt im Praktischen Jahr nicht in die Situation, selbst ein Behandlungsverhaltnis mit einem Patienten abzuschlieBen. Er kann nur im Rahmen der Arbeitsteilung einem Arzt untergeordnet tatig werden, was abermals die grundlegende Bedeutung dieser Struktur in den Krankenhausern fiir die Ausbildung junger Arzte verdeutlicht.
^^'^ Die Haftung von Anstaltstrager, Chefarzt und Anfanger stellt einen wesentlichen Punkt der vorliegenden Auseinandersetzung dar und soil daher im Rahmen einer ausfUhrlichen Darstellung behandelt werden. ^^^ Vgl. dazu Katzenmeier, MedR 2004, 34 (38); Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn. B 305 ff.; Rumler-DetzeU VersR 1994, 254 (256); RGRKNufigens, § 823 Anh. II, Rn. 221 ff; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 223, sprechen davon, dass die RoUenverteilung in der Hierarchie eine Verteilung der Haftungszustandigkeiten bewirkt; Ulsenheimer, MedR 1992, 127 (131). ^^^ Statt aller Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17. § 101, Rn. 18 m. W.N. 190 OLG Dusseldorf, VersR 1991, 1412; MiiKoBGB-Mertens, § 823, Rn. 401; Ulsenheimer, MedR 1992, 127 (132).
C Vertragliche Grundlagen
I. Allgemein Konfrontiert man den juristischen und medizinischen Laien mit dem Begriff der Anfangeroperation, so folgt nach der Klarung begrifflicher Unklarheit meist die Frage, unter welchen Voraussetzung ein Anfanger tatig werden konne. SchlieBlich, so der Laie, habe man selbst noch nie mit einem Berufsanfanger einen Vertrag geschlossen oder habe sich zu ihm in Behandlung begeben sondern stets nur zu einem ,/ichtigen" Arzt. Mit dieser, nun etwas salopp formulierten Aussage wird ein Problembereich angesprochen, der sich im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Anfangereingriff zwangslaufig stellen muss. Er schlieBt sich insoweit nahtlos an das vorangegangene Kapitel iiber die Arbeitsteilung an, die grundlegend fiir den praktischen Anfangereinsatz ist. Juristisch gesehen handelt es sich dabei um die Frage nach der vertraglichen Grundlage, auf der ein solcher Anfangereingriff moglich ist. Denn gerade der Vertrag hat Einfluss darauf, ob und wie ein Anfanger im Rahmen der Behandlung tatig werden kann bzw. darf. Wann dies der Fall ist, sollen die folgenden Ausfiihrungen klaren, weil „entscheidend ist ..., wer Vertragspartner ist"i9i.
Die rechtliche Grundlage einer jeden arztlichen Heilbehandlung, respektive der Anfangeroperation, aus der sich die Rechte und Pflichten fur Patient, Arzt und Krankenhaus bzw. dessen Trager ergeben, bildet das sog. Behandlungsverhaltnis. Dabei handelt es sich um ein privatrechtliches^^^ Verhaltnis, das in der Regel
Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 313 unter Bezugnahme auf OLG Zweibriicken, VersR 1998, 593 im Zusammenhang mit der vertraglichen Haftung fiir den Assistenzarzt, seines Zeichens in der Regel Anfanger im Sinne dieser Arbeit. Nur in Ausnahmefalien gesetzlich angeordneter Behandlung liegt ein offentlichrechtliches Verhaltnis vor: so z.B. zwischen einem psychiatrischen Landeskrankenhaus und seinem Patienten, bei der Behandlung durch einen Amtsarzt oder die Heilfiirsorge in besonderen offentlich-rechtlichen Dienstverhaltnissen; dazu BGH, NJW 1994, 3012, BGHZ 38, 49 (51); Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 4; Hoxhaj, Quo Vadis Medizintechnikhaftung?, S. 26; Laufs, Arzthaftungsrecht, Rn. 87, v.a. Fn. 5; MuKoBGBMuller-Gloge, § 611, Rn. 73.
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C Vertragliche Grundlagen
durch den Arztvertrag verkorpert wird. Im Hinblick auf die Rechtsnatur^^^ spielt es dabei keine RoUe, ob das Behandlungsverhaltnis mit einem Privat- oder mit einem Kassenpatienten zu Stande kommt. Auch mit dem in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten kommt es zu einem privatrechtlichen Behandlungsvertrag, weil § 76 Abs. IV SGB V in diesem Zusammenhang auf die Sorgfalt nach den Vorschriften des biirgerlichen Privatrechts und damit auf ein Privatrechtsverhaltnis verweist^^"^. Nach langem Streit hat sich sowohl in der Literatur^^^ als auch in der Rechtsprechung^^^ die Meinung durchgesetzt, dass es sich bei dem nicht eigens geregelten Behandlungsvertrag^^^ regelmaBig um einen Dienstvertrag und nicht um einen Werkvertrag handelt^^^. Zu vernachlassigen sind dabei die werkvertragHchen Aus-
^^^ Im Hinblick auf die Arztwahl und die damit im Zusammenhang stehenden Auswirkungen fiir die Anfangeroperation ergeben sich dabei allerdings bedeutende Unterschiede, auf die unter § 3II. im Einzelnen eingegangen wird. ^^'* Herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur: BGHZ 76, 259 (261); 97, 273 (276); 100, 363 (367); Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, S. 161; Erman-Hanua, § 611, Rn. 48; Soergel-Kraft, Vorbem. vor § 611 BOB, Rn. 105; MuKoBGB-MM//erGloge, § 611, Rn. 49; Staudinger-RichardU Vorbem. zu §§ 611 ff.BGB Rn. 1252; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 48 m.w.N.; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 7, § 40, Rn. 31; Vertreter der Mindermeinung, die von einem gesetzlichen Schuldverhaltnis ausgeht ist Eherhardt, AcP 171, 289 (296 ff). Bine umfassende und anschauliche Darstellung der sowohl offentlich- als auch privatrechtlichen Vierecksbeziehung zwischen Kassenarzt, Patient, Krankenkasse und Kassenarztlicher Vereinigung bieten Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 67 ff.. 195 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 64 ff; EsserAVeyers, Schuldrecht Band II, § 27 II 3 d); Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, S. 15 ff; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 7; Erman-Hanau, § 611, Rn. 47; Hart, Jura 2000, 14 (15); Soergel-Kraft, Vorbem. vor § 611 BGB, Rn. 94 ff; Larenz, Schuldrecht II, § 52 I, S. 310 f; Laufs, Arztrecht, Rn. 100; MuYjdBGB-MullerGldge, § 611, Rn. 62; Palandt-Putzo, Einf vor § 611, Rn. 18; Staudinger-RichardU Vorbem. zu §§611 ffBGB Rn. 53f m.w.N.; Schlechtreim, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn. 397; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 7, § 39, Rn. 10; ders., NJW 1973, 1398 (1401). Vertreter der Mindermeinung, es wurde sich um einen Werkvertrag handeln, sind u.a. Jakobs, NJW 1975, 1437 f; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht S. 603. 196 Siehe dazu exemplarisch: BGHZ 63, 306 (309); BGHZ 76, 249 (261); BGHZ 97, 273; OLG Dusseldorf, NJW 1975, 595; OLG Zweibriicken, NJW 1983, 2094; OLG Koln, VersR 1988, 1049; OLG Braunschweig, VersR 1980, 853 f; OLG Koln, VersR 1988, 1049; OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 52. 197 Quaas/Zuch Medizinrecht, S. 240 ff; Spickhojf, NJW 2005, 1694 (1695). 198 Zum Teil wird die Meinung vertreten, fur den Arztvertrag einen Vertrag sui generis anzunehmen, da sich bei diesem Vertragstyp Erfolgs-, Dienst- und Tatigkeitselemente derart vermengen, dass dem nur mittels eines eigenstandigen Vertrags Rechnung getragen werden kann; dazu: Deutsch/Geiger, Medizinscher Behandlungsvertrag, S. 1049 (1095 f); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85.
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nahmen, in denen der Arzt vornehmlich die Herstellung und Lieferung von Gegenstanden schuldet, z.B. die einer Zahnprothese^^^ oder einer Schuheinlage^^^. Bin solcher Dienstvertrag liegt auch bei dem hier relevanten „Operationsvertrag" vor, in dem gerade die sachverstandige Ausfiihrung der Operation und nicht der Heilerfolg geschuldet wird^^^ Der dagegen im Werkvertrag postulierte Erfolg lasst sich namlich im Arztvertrag nicht adaquat umsetzen, da der zu behandelnden Krankheit stets eine subjektive, nur begrenzt kalkulierbare Komponente anhaftet, die die Ubernahme einer „Gesundheitsgarantie"^°^ durch den Arzt unmoglich macht. Die Arzthaftung wiirde im Falle des Werkvertrages nahezu unbegrenzt, wenn der Arzt eine solche Erfolgsgarantie iibernehmen miisste^^^. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass auch bei Annahme eines Werkvertrags kein Heilerfolg im engeren Sinn geschuldet wird, da der fur den Werkvertrag maBgebliche Erfolg nicht darin besteht, dass ein weiterer mit der Tatigkeit nicht notv^endig verbundener Erfolg, sondern der nach dem Leistungsversprechen in der Arbeit liegende Erfolg eintritt ^o^. Da das Verhaltnis zwischen Arzt und Patient von einem besonderen Vertrauen gepragt ist, in dem Recht und Ethik flieBend ineinander iibergehen konnen, kann der Vertrag somit zusammenfassend als Dienstvertrag hoherer Art^^^ qualifiziert v^erden^^^.
II. Stationare Behandlungsverhaltnisse Das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung der zv^ei wesentlichen Behandlungsverhaltnisse ist die historisch gewachsene, sektorale Differenzierung^^^ zwischen der ambulanten und der stationaren Behandlung. Statistisch gesehen waren in Deutschland Anfang 2004 insgesamt 304117 Arzte tatigt, von denen v^iederum 145536 in Krankenhausern und 124203 als niedergelassene Arzte zu verzeichnen
199 B G H Z 63, 6 0 3 (309); dazu: FallschusseU M e d R 1985, 147 und Jakobs, N J W 1975, 1437 ff. 200 A G Krefeld, N J W 1967, 1512. 201 Vgl. dazu MviYsSyBGB-Muller-Gldge § 6 1 1 , Rn. 4 4 sowie Laufs, Arztrecht, Rn. 100 u n d
Schlechtreim, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn. 397. 202 Uhlenbruck, in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 7, § 39, Rn. 10. 203 Insoweit auch Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 85, d i e treffend vom „Arztvertrag als personlicher Dienstvertrag ohne Gesundheitsgarantie" sprechen. 204 Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, S. 432 f. 205 Vgl. § 627 B G B . 206 So u.a. Laufs, Arztrecht, R n . 100; Hoxhaj, Q u o vadis Medizintechnikhaftung, S. 2 7 ; Taupitz, N J W 1986, 2851 (2857); Hollmann, ArztR 1977, 69 (70). 20"^ Dazu Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 36.
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C Vertragliche Grundlagen
waren^^^. Das darin zum Ausdruck kommende LFbergewicht der angestellten zu den niedergelassenen Arzten zeigt, dass dem Rechtsverhaltnis zwischen Patient und Klinik und dem dort tatigen arztlichen Personal eine weitaus groBere praktische Bedeutung zukommt, als dem Verhaltnis zu einem niedergelassenen Arzt^^^. Dies unterstreicht auch der Anteil der Urteile gegen angestellte Arzte und Kliniken im Vergleich zu den Prozessen gegen niedergelassene Arzte: im Jahre 1994 waren 41,67 % der in der Zeitschrift Versicherungsrecht veroffentlichten Urteile gegen Klinikarzte, 29,17 % gegen die Kliniktrager, aber nur 18,75 % gegen niedergelassenen Arzte gerichtet^^^. Die vorliegende Problematik der Heilbehandlung durch einen Berufsanfanger findet daher auch ihren Ursprung in der Regel in dem Rechtsverhaltnis Patient-Klinik-angestellter Arzt, da der Anteil von auszubildenden Arzten bei einem niedergelassenen Arzt einfach geringer ist und die Ausbildung nahezu ausschlieBlich an Krankenhausern und Kliniken stattfindet^^^ Aus diesen Griinden bietet es sich an, den Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen einer arztlichen Behandlung auf dieses stationare Verhaltnis, dem sog. Krankenhausbehandlungs- bzw. -aufnahmevertrag zu setzen. Aus ihm ergeben sich u.a. der richtige Haftungsschuldner^^^ sowie die Stellung des Patienten zu einer Behandlung durch einen Berufsanfanger. Da jedoch auf der anderen Seite, schon allein ausbildungsbedingt eine Fortbildung des Anfangers gleichsam im ambulanten Bereich stattfinden muss und auch stattfindet, schlieBt sich eine kurze Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen im ambulanten Behandlungsverhaltnis im Folgenden an^^^. Der Krankenhausvertrag setzt sich sich als typengemischter Vertrag aus verschiedenen leistungsspezifischen Elementen zusammen^^"^. Dabei seien die Miete in Form der Raumiiberlassung bei stationarer Behandlung oder auch werkvertragliche Elemente wie die Bekostigung des Patienten als Beispiel genannt. Allerdings nimmt mit der arztlichen Behandlung und Pflege der dienstvertragliche Charakter den Schwerpunkt der Vertragsbeziehung ein, so dass die ubrigen Elemente dahinter zuriickbleiben^^^ In der Regel schlieBt der Patient den Vertrag bei stationarer ^^^ Kopetsch, DABl. 2004, 271, der sich auf die Arztestatistik der Bundesarztekammer auf Gmndlage der dort gemeldeten Arzte in Deutschland sttitzt; zur jeweils aktuellen Statistik vgl.: http://www.bundesaerztekammer.de. ^^ So auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 70; Bunte, JZ 1972, 279, spricht sogar von einer „Massenerscheinung" im Hinblick auf die Behandlung in Krankenhausern. ^^^ Vgl. dazu die aufschlussreiche Studie von Sethe/Krumpaszky, VersR 1998, 420, 422, in der die Urteile nach verschiedenen Aspekten analysiert und katalogisiert wurden, um Fehlerschwerpunkte in der Qualitatssichemng aufzuzeigen. ^^^ Genzel/Siess, MedR 1999, 1 (6); diese ist sogar gesetzliche manifestiert, vgl. Art. 52a Abs. 3 BayHG, i.d.F. vom 1.3.1998. 212 Dazu Busken/KluglicK VersR 1994, 1141 ff; Debong, ArztR 1995, 71 ff Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung?, S. 29. 21^ Vgl. dazu die Ausfuhmngen in § 3 III. ^^^ Genzeh in.* Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 93, Rn. 3. 215 BGHZ 2, 94; Hart, Jura 2000, 14 (17); Michalski, VersR 1997, 137 f; Muller-Gloge, in: MuKoBGB § 611, Rn. 71; Staudinger-RichardU Vorbem. zu §§ 611 ff., Rn. 1255.
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Behandlung mit dem Krankenhaustrager ab, wobei dafiir auBer den offentlichrechtlichen Rahmenbedingungen des Krankenhausrechts^^^ keine speziellen Vorschriften bestehen. Mangels gesetzlicher Vorlagen^^'^ haben sich in der Praxis drei Formen des Krankenhausbehandlungsvertrages herausgebildet: der totale, der gespaltene und der totale Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag. Diese Unterteilung ist fiir die Anfangeroperation von groBer Bedeutung, insbesondere weil sich daraus die Einsatzmoglichkeiten fur Berufsanfanger, die Aufklarungsmodalitaten^^^ sowie die Grundlagen des Einstehens fiir den Erfiillungsgehilfen^^^, als solcher der Anfanger stets tatig ist, ergeben. Insofern sind im folgenden die Besonderheiten und Unterschiede der jeweiligen Vertragsform herauszustellen.
1. Totaler Krankenhausaufnahmevertrag Der totale Krankenhausaufnahmevertrag (KHV) stellt den NormalfalP^^ einer stationaren Behandlung im Krankenhaus dar. Dabei ist der alleinige Vertragspartner des Patienten, unabhangig davon ob privat^^^ oder gesetzlich versichert, der Krankenhaustrager, der seine geschuldete Leistung durch die Arzte sowie das Pflege-
^^^ Dabei sei insbesondere auf das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie die Bundespflegeverordnung (BPflG) verwiesen, wobei anzumerken ist, dass trotz dieser Vorschriften des Offentlichen Rechts das Vertragsverhaltnis zwischen Patient und Krankenhaustrager ein privatrechtliches ist.; KHG in der Fassung vom 10.4.1991, BGBl. 1986 I, 33, zuletzt geandert am 23.4.2002, BGBl. 2002 I, 1412 und BPflG vom 26.9.1994, zuletzt geandert am 27.4.2001, BGBl. 20011, 772. ^^'^ Auch im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber nicht die vielfach z.B. von Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049, geforderte Aufnahme eines Arztvertrages in das BGB in die Tat umgesetzt, sondem den Vertrag unkodifiziert gelassen; vgl. dazu: Spickhoff, NJW 2001, 1757 (1759). ^^^ Mit kritischer Einschatzung zum Zusammenhang zwischen Aufldarung und Vertragstypus Deutsche NJW 1982, 2585 (2586). ^^^ So auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 75. 220 Reiling, M e d R 1995, 4 4 3 (447 f.); Vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 7 3 u n d Bunte, J Z 1982, 279 (280), die v o m Regelfall des Vertrages zwischen Patient und Krankenhaus sprechen; Daniels, N J W 1972, 305 bezeichnet den Begriff als „unschon", wohingegen Geifi, Arzthaftpflichtrecht, S. 27, die Bezeichnung des „einheitlichen" Vertrages vorschlagt; Kistner, Wahlbehandlung u n d direktes Liquidationsrecht d e s Chefarztes, S. 2 5 f., nimmt eine voUkommen neue Begriffsbildung vor und bezeichnet den totalen Krankenhausaufnahmevertrag als „einheitlichen Wahlbehandlungsvertrag" und den Vertrag mit Arztzusatzvertrag als „ kumulierten Wahlbehandlungsvertrag". 221 GemaB § 17 A b s . K H G kann auch der Privatpatient als Selbstzahler einen totalen Krankenhausvertrag abschlieBen, Katzenmeier, Arzthaftung, S. 106, Reiling, M e d R 1995,
443 (447).
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C Vertragliche Gmndlagen
personal erbringen lasst^^^. Dies gilt auch fiir den Kassenpatienten mit der MaBgabe, dass neben Patient und Krankenhaus die Krankenkasse iiber offentlichrechtliche Versorgungsvertrage Partner der vertraglichen Beziehung wird, die aber trotzdem zwischen Patient und Krankenhaus privatrechtlicher Natur bleibt^^^ Gegenstand des Vertrages ist eine umfassende, gleichsam „totale", Versorgung des Patienten, die neben der arztlichen Behandlung auch Unterkunft, Verpflegung und Pflege mitumfasst^^"^. Definiert ist diese „Rundumversorgung", zu deren Leistung der Krankenhaustrager verpflichtet ist, in § 2 Abs. 2 BPflG^^^ sowie § 39 Abs. 1 S. 3 SOB V. Nicht mitumfasst ist dabei allerdings, dass der Patient einen Anspruch auf die personHche Behandlung bzw. Betreuung durch einen bestimmten Arzt, eine bestimmte Hebamme oder einen bestimmten Pfleger hat. Diese handeln namlich lediglich als Erfiillungsgehilfen im Sinne von § 278 BOB, so dass dem Krankenhaustrager insoweit ein Auswahlrecht zusteht^^^. Der Krankenhauspatient hat lediglich einen Anspruch auf die allgemeine Krankenhausleistung, die eine medizinisch zweckmaBige und ausreichende Versorgung zusammen mit einer arztlichen Leistung nach Facharztstandard gewahrleistet, § 2 Abs. 2 BPflG^^'^. Als Konsequenz fiir den Berufsanfanger ergibt sich daraus, dass der Patient gerade keinen Anspruch darauf hat, von einem erfahrenen Arzt, sei es nun der Ober- oder Chefarzt, behandelt zu werden. In Ausnahme dazu stehen lediglich die Falle, in denen aus medizinischen Griinden die Behandlung durch den bspw. Chefarzt zwingend erforderlich ist^^^. Die Haftung des Anfangers kann sich dann nur aus Delikt ergeben, da eine vertragliche Beziehung lediglich zum Krankenhaustrager besteht, der dann fiir ihn als seinen Erfiillungsgehilfen vertraglich einzustehen hat229.
222 Vgl. B G H Z 2, 94; 5, 321 (323); B G H , VersR 1988, 272; Genzel, in: Laufs/UhlenbrucK Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 9 3 , Rn. 3 m.w.N.; Hoxhaj, Quo Vadis Medizintechnikhaftung?, S: 29; UhlenbrucK N J W 1964, 431 (432). 223 Schmid, Die Passivlegitimation i m ArzthaftpflichtprozeB, S. 79 f, vertritt diesbezuglich die Mindermeinung, es k o m m e nicht zu einem Vertrag zwischen Kassenpatient und Krankenhaustrager, sondem es erwachse nur eine Beziehung uber den Vertrag zugunsten Dritter. Dies wird von Damm, N J W 1989, 1531 stark kritisiert. 224 Busken/KluglicK VersR 1994, 1141 f; MichalskU VersR 1997, 138; Schmid, a.a.O., S. 79; UhlenbmcK N J W 1964, 431 (432); ders. N J W 1973, 1399 (1400). 225 Bundespflegesatzverordnung in der Fassung vom 22.12.1999. 226 Bergmann, VersR 1996, 810 (8812); Daniels, N J W 1972, 305; Kuhla, N J W 2000, 841 (843); Miebach/Patu N J W 2000, 3377 (3378); Stejfen, M e d R 1995, 360 m.w.N. 227 KuhaU N J W 2000, 841 (843); Miebach/Patu N J W 2000, 3377 (3378), Spickhoff, NZS 2004, 57 (58); Steffen, M e d R 1995, 3 6 1 ; fur die Rspr.: O L G Dusseldorf, N J W 1995, 2421. 228 Vgl. dazu: Biermann/Ulsenheimer/Weifiauer, M e d R 2000, 107 ff 229 Statt aller: MviKoBGB-Muller-Gldge § 6 1 1 , R n . 7 5 ; GenzeU in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts; Kap. 16, § 9 3 , Rn. 3; Giesen, J Z 1982, 345, vor allem Fn. 10 m.w.N.; RGRK-NUfigens, § 823 B G B , Anh. II, Rn. 25.
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2. (Auf-) Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag Diese Form des Krankenhausaufnahmevertrages besteht dem Grund nach aus zwei vertraglichen Verhaltnissen^^^: Wahrend sich der leitende Arzt bzw. Belegarzt^^^ zur arztlichen Behandlung verpflichtet, schuldet das Krankenhaus, respektive dessen Trager, die dazugehorige Versorgung in Form der pflegerischen und nachgeordneten medizinischen Tatigkeiten. Dem Patienten stehen dabei zunachst zwei Vertragspartner gegeniiber, der Arzt und der Krankenhaustrager^^^. Hauptanwendungsfall dieses Vertrages ist der des Belegarztes, der die stationare Behandlung eines zuvor lediglich ambulant behandelten Patienten unter Inanspruchnahme krankenhauseigener Ausstattung im Krankenhaus fortsetzt^^^. Da in diesen Fallen der Arzt im Hinblick auf die vertraglichen Leistungen der Vertragspartner^^"^ des Patienten ist, handelt er in Konsequenz auch nicht als Angestellter und Erflillungsgehilfe des Krankenhauses. Beauftragt er hingegen arztliches Personal, werden sie als Erfiillungsgehilfen des Belegarztes tatig. Entscheidend fiir die vorliegende Arbeit ist allerdings, dass der Patient gerade mit dem behandelnden Arzt eine eigene vertragliche Beziehung hat, auf die gleichsam § 613 BGB, also die Hochstpersonlichkeit der Leistungserbringung, Anwendung fmdet. Dies hat auch in der Vorschrift § 23 Abs. 1 Nr. 1 BPflV^^^ Niederschlag gefunden, in der ein Belegarzt fiir seine „personlichen Leistungen" in die Verantwortung genommen wird. Der Arzt ist demnach personlich zur Leis^^^ Ob es sich dabei sachlich um zwei eigenstandige Vertrage handelt oder lediglich einen Vertrag mit zwei vertraglichen Beziehungen, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Eine Ansicht geht von zwei vertraglichen Beziehungen, aber nur einem Vertrag aus, vgl. die vorhergehende FuBnote, wahrend die Vertreter der anderen Meinung von zwei Vertragen ausgehen: Eichholz, Die Rechtsstellung des Belegarztes, S. 84 und Kistner, Wahlbehandlung und direktes Liquidationsrecht des Chefarztes, S. 21. ^^^ Grundlegend zur rechtlichen Stellung des Belegarztes und den damit verbundenen haftungsrechtlichen Fragen die Arbeiten von DohlinskU Der Belegarzt, Diederichsen, Die Vergutung arztlicher Leistungen im Krankenhaus, S. 8 f. und Eichholz, Die Rechtsstellung des Belegarztes. ^^^ Diese Vertragsform war vor dem Inkrafttreten des BPflG als Regelfall der Krankenhausaufnahmevertrage anzusehen, v.a. im Hinblick auf die Selbstzahler der ersten und zweiten Pflegestufe; GenzeU in: Laufs/Uhlenbruck, Kap. 16, § 93, Rn. 4; Daniels, NJW 1972, 305; UhlenbrucK NJW 1964, 431 (432); ders. NJW 1973, 1399 (1400). 233 Vgl. dazu: Franzki/Hansen, N J W 1990, 737 ff; Hart, J U R A 2000, 15 (16 f ) ; Hoxhaj, Q u o vadis Medizintechnikhaftung?, S. 30 f 234 Die gesetzliche Ausgestaltung findet sich diesbezuglich in den Vorschriften § § 2 3 Abs. 2 BPflV, 121 Abs. 1 SGB V. 235 § 2 3 BPflV i.d.F. v o m 22.12.1999: (1) Belegarzte i m Sinne dieser Verordnung sind nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsarzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) i m Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfur bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationar oder teilstationar zu behandeln, ohne hierfur v o m Krankenhaus eine Vergutung zu erhalten. Leistungen des Belegarztes sind 1. seine personlichen Leistungen,...
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C Vertragliche Grundlagen
tung verpflichtet^^^, es sei denn, vertragliche Klauseln sehen die Zulassigkeit einer Vertretertatigkeit vor. Einsatze eines Anfangers und damit die Anwendung der Anfangergrundsatze sind in diesem Fall daher eher die Ausnahme. Sie sind nur dann denkbar, wenn der betreffende Arzt sich in zulassiger Weise anderer Arzte, im konkreten Fall also Berufsanfanger, bedient, um seiner Pflicht nachzukonimen. Die herangezogenen Arzte sind dann Erfiillungsgehilfen des Belegarztes i.S.v. § 278 RGB, fiir die er, genauso wie der Krankenhaustrager im Fall des totalen Krankenhausaufnahmevertrages, einzustehen hat^^'^.
3. Totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Sondervereinbarung Die dritte Form des Krankenhausaufnahmevertrages^^^ ist eine Modifikation des oben dargestellten totalen Vertrages, dem lediglich ein sog. Arztzusatzvertrag angefiigt wird. Darin kann der selbstzahlende Patient die personliche Zuwendung und besondere fachliche Qualifikation und Erfahrung eines in der Kegel Chefarztes „hinzukaufen"2^^, ohne dass es auf eine medizinische Notwendigkeit ankommt^"^^. Der Zusatzvertrag liber die chefarztliche Wahlleistung im Sinne von § 22 Abs. 3 BPflV verspricht dem Patienten eine personliche Behandlung durch die Chefarzte der jeweiligen betroffenen Krankenhausabteilung. Im Gegenzug ist der Arzt zur Eigenliquidation nach § 22 Abs. 3 BPflV i.V.m. § 4 GOA berechtigt Trotz der scheinbaren Ahnlichkeit entpuppen sich der gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag und der Vertrag mit Arztzusatzvereinbarung als unterschied236 Daniels, NJW 1972, 305. 23'^ Sehr ubersichtlich in diesem Zusammenhang Busken/KlUglich, VersR 1994, 1141; Hart, Jura 2000, 14 (17); anzumerken ist, dass vor allem im Hinblick auf die Haftungsaufteilung zwischen Belegarzt und Krankenhaustrager eine Reihe von Einzelproblemen in Diskussion sind, die fur die vorliegende Erorterung aber keine Auswirkung haben. Einen umfassenden Uberblick iiber Literatur und Rechtsprechung gibt dazu Franzki, NJW 1990, 737 ff, wobei er die verschiedenen Losungsansatze gegentiberstellt und anschlieBend einen eigenen Losungsweg aufzeigt, um fur den Patienten eine interessengerechte Haftungsverteilung zu erreichen. 238 Sie wird vom BGH sogar als Regelmodell bezeichnet, B G H Z 95, 63 (67) = NJW 1985, 2189 = VersR 1985, 1043 ( 1044 f f ) ; B G H Z 121, 107 (111 ff); Hart, Jura 2000, 14 (18). Allerdings fordem Stimmen in der Literatur unter Kritik der kumulierten Haftung wieder die „Ruckkehr z u m Trennungsmodell", alien voran Kistner, Wahlbehandlung und direktes Liquidationsrecht des Chefarztes, S. 114 f Hanau, MedR 1992, 18 (22), so wie Kramer, N J W 1996, 2398 (2405) tiben sich gleichsam in Kritik und stellen als Losung eine Betriebshaftpflichtversicherung vor, u m einen „Gleichklang von Liquidation und Haftung" zu erreichen. 239 Dazu BGH, N J W 1998, 1778 (1789); Miebach/Patt, NJW 2000, 3377 (3378). 2"^^ Z u m Teil wird meist nicht nur die Leistung eines einzelnen Arztes erfasst, sondem eine sog. Wahlarztkette, in der auch exteme Arzte enthalten sein konnen, Ittenbach, in.- Luxenburge/Birkenheier, Opuscula honoraria fur Egon Mtiller, 201, 203.
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liche rechtliche Konstruktionen, die deshalb streng nach dem Inhalt der jeweiligen Vereinbarung zu differenzieren sind. Der wesentliche Unterschied lasst sich darin ausmachen, dass beim Vertrag mit Arztzusatzvereinbarung zunachst die gleichen Grundsatze wie beim regularen totalen Krankenhausaufnahmevertrag gelten, also das Krankenhaus Schuldner einer sowohl arztlichen als auch nichtarztlichen Rundumversorgung i s P ^ Durch besagten Arztzusatzvertrag tritt dann neben den Kliniktrager aber zusatzlich der jeweilige Chefarzt, der gleichsam die arztliche Behandlung schuldet. Der Patient sieht sich demnach einem Doppelschuldner im Hinblick auf die arztliche Leistung gegeniiber, da ihm zwei Schuldner zur Verfiigung stehen^"^^. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag schuldet dagegen nur der Arzt die arztliche Leistung^^^ wahrend der Kliniktrager dafiir nicht in Anspruch genommen werden kann. In Folge dieses Unterschiedes konnen sich fiir den Patienten gravierende Unterschiede in Haftung und Passivlegitimation ergeben, so dass die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Patienteninformationen iiber die Art des jeweiligen Behandlungsvertrages stellt^"^. Fiir die vorliegende Arbeit ergibt sich daraus folgendes: Um sich von der regularen arztlichen Leistung, zu der die Klinik bereits mit dem „normalen" Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet ist, abzuheben, muss durch die Zusatzvereinbarung der Wahlleistung Arzt eine hochstpersonliche Betreuung durch den liquidationsberechtigten Arzt erfolgen, wobei in der Regel alle liquidationsberechtigten Arzte einer Klinik im Rahmen der sog. „Wahlarztkette" davon erfasst werden^"^^. Der Arzt muss die seinen Fachbereich pragende Tatigkeit personlich und eigenhandig erbringen, der Chirurg darf beispielsweise die Operation nicht ohne besondere Vereinbarung auf einen nachgeordneten Arzt libertragen^"^^. Insoweit ist dann ein Anfangerhandeln von vornherein ausgeschlossen und eine Anwendung der Anfangergrundsatze nicht notig. In diesem Zusammenhang wird es zwar grundsatzlich als zulassig angesehen, in einer vertraglich vereinbarten Form die Arbeit des Arztes zu delegieren^"^^; allerdings wird besagte Delegierbarkeit gerade fiir den ^"^^ Vgl. die obigen Ausftihrung zum totalen Krankenhausaufnahmevertrag. ^^'^ Einen umfassenden Uberblick gibt statt vieler: Genzel, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 93, Rn. 6 ff; zur Rechtsprechung vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 30 ff. ^^^ Zum Grundsatz der personlichen Leistungserbringung vgl. statt aller Ittenbach, in; Luxenburge/Birkenheier, Opuscula honoraria fiir Egon Miiller, 201, 205 ff m.w.N. 244 Vgl dazu die Entscheidungen B G H Z 95, 63 ( 67 f f ) sowie B G H Z 112, 107 ( 1 1 1 f f ) . 245 O L G Stuttgart, M e d R 1995, 230; IttenbacK in: Luxenburge /Birkenheier, Opuscula honoraria fur Egon Miiller, 2 0 1 , 203. 246 Kuhla, N J W 2000, 841 (842); OLG Stuttgart, M e d R 1995, 320; L G Berlin, N J W - R R 1991, 765 (766); fur den Bereich der Anasthesie O L G Celle, N J W 1982, 2129, das darauf abstellt, dass d e r Chefarzt sowohl die Einleitung als auch die Fiihrung der Narkose selbst v o m e h m e n muss und nicht delegieren darf 24'^ S o werden v o n der Rechtsprechung Vereinbarung als zulassig erachtet, in denen ein Abweichen v o m Prinzip der Hochstpersonlichkeit vorgesehen ist, O L G Stuttgart, V u R 2002, 218; L G M u n c h e n I, ArztR 2002, 149. Grundlegend dazu Spickhoff, N Z S 2004, 57 ff m.w.N. sowie Kuhla, N J W 2000, 841 ff
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C Vertragliche Grundlagen
operativen Eingriff selbst wiederum nicht bzw. nur in engen Grenzen zugelassen^"^^, so dass hier in der Regel kein Anfanger tatig werden darf. Ausnahmen gelten fur delegierbare^'*^ Aufgaben, die gerade nicht zum „Kernbereich" der Chefarztleistung gehoren. Handelt es sich dennoch um Tatigkeiten aus diesem Bereich, ist es erforderlich, dass die Durchfiihrung durch den anderen Arzt unter Fiihrung und Geprage des liquidationsberechtigten Mediziners durchgefiihrt wird^^^. Diese Pramisse erwachst in diesem Zusammenhang allerdings eher gebiihrenrechtlichen Griinden, weil nur dann noch von einer eigenen, zur Liquidation berechtigenden Leistung gesprochen werden kann^^l Eine weitere Moglichkeit des Tatigwerden von Anfangern im Rahmen eines Arztzusatzvertrages ist nur dann noch zulassig, wenn der Chefarzt dies durch eine spezielle Vertreterklausel im Vertrag festgelegt hat, wiederum allerdings unter der Voraussetzung, dass der Facharztstandard gewahrleistet ist^^^.
III. Ambulante Behandlungsverhaltnisse Neben der stationaren Behandlung in einer Klinik, bei der es zu oben genannten Vertragsverhaltnissen kommen kann, ist eine weitere Beziehungen denkbar, in welcher der Einsatz eines Anfangers moglich ist. Zwar findet, wie bereits verdeutlicht, das Gros der Anfangereinsatze im Bereich der stationaren Krankenhausbehandlung statt^^^, jedoch darf die ambulante Behandlung nicht auBer Acht gelassen werden. Dies schon allein deshalb, weil ambulante und stationare Arbeit von Arzten immer mehr ineinander iibergehen und so zum Teil nur noch schwer vonein-
248 Spickhoff, NZS 2004, 57 (5S). 2"^^ Zur Delegierbarkeit vgl. die obige Ausfuhrungen zur vertikalen Arbeitsteilung. 2^^ Biermann/Ulsenheimer/Weissauer, MedR 2000, 107, 110; Ittenbach, in; Luxenburge/Birkenheier, Opuscula honoraria fiir Egon Muller, 201, 210 ff.; die Anwesenheit ist dabei nach Andreas, ArztR 2000, 240, 242, nicht zwingend erforderlich. 251 Vgl. dazu § 4 Abs. 2 GOA i.d.F. v. 1.1.2002, http://www.bmgs.bund.de/download/gesetze/gesundheitsbemfe/GOAE2002.pdf so wie die Ausfuhrungen von Kuhla, NJW 2000, 841, 842. 252 Stejfen, MedR 1995, 361 m.w.N. sowie Kuhla, NJW 2000, 841 (843), der sich in diesem Zusammenhang weiter mit der Frage auseinandersetzt, inwiefem solche Klauseln bei vorformulierten Vertragen einer AGB-Priifung standhalten wtirden. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Klauseln vor allem dann unwirksam sind, wenn sie in jedem Verhinderungsfall eine Vertretung des Chefarztes zulassen und wenn die Leistung allgemein gleichermaBen von Chef- oder Oberarzt erbracht werden kann. 253 Ygi ^^^y ^|g Studie von Sethe/Krumpaszky, VersR 1998, 420, 422 mit verschiedenen Statistiken von Haftungsprozessen im Bereich der stationaren und ambulanten bzw. der Klinik- und Praxisbehandlung.
III. Ambulante Behandlungsverhaltnisse
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ander zu unterscheiden sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „Verzahnung" der beiden Versorgungsarten^^"^.
1. Einsatzbereich des Anfangers Das Gegenstuck zur stationaren Behandlungsstruktur stellt also die meist medizinisch nicht so schwerwiegende aber dafiir dem Grunde nach haufiger stattfindende ambulante Behandlung dar, die v.a. beim sog. Hausarzt stattfindet. Sie umfasst beispielsweise eine einfache Vorsorgeuntersuchung, das Impfen oder schlicht das Verschreiben einer bestimmten Medikation und reicht mittlerweile bis bin zu kleinen operativen Eingriffen beispielsweise im Rahmen der Kieferchirurgie^^^. Auch die Deutsche Gesellschaft fur Medizinrecht hat bereits der Tendenz zur ambulanten Operation Rechnung getragen und auf einem eigens dazu ins Leben gerufenen Workshop ein Thesenpapier verabschiedet, in dem Empfehlungen zum ambulanten Operieren gegeben wurden^^^. Natiirlich besteht auch in diesen medizinischen Tatigkeitsfeldern die Moglichkeit, einen Berufsneuling einzusetzen und ihn anzulernen. Als konkretes Beispiel sei hier, mit Hinweis auf Nr. 10.1. der Weiterbildungsordnung fiir die Arzte Bayerns^^'^, die Ausbildung eines Facharztes in Innerer- und Allgemeinmedizin, der den neuen Hausarzt darstellt, genannt. Im Rahmen dieser Ausbildung muss der junge Arzt 24 Monate in der ambulanten hausarztlichen Versorgung tatig sein, um seinen Facharzttitel erwerben zu konnen. In diesem Rahmen wird ein Patient also durchaus haufig einem Berufsanfanger gegeniiberstehen und muss daher ausreichend geschiitzt sein. Auch wenn der Eingriff bzw. der Umfang einer ambulanten Behandlung meist nicht so gravierende Folgen haben kann, als ein stationarer, konnen dennoch auch in diesem Fall Fehler auftreten, die fiir den Patienten ernsthafte und im Extremfall auch letale Folgen haben konnen und eine Haftung auslosen. Im Rahmen der ambulanten Behandlung ist grundsatzlich, wie bereits bei der stationaren, zwischen privatem und kassenarztlichem Verhaltnis zu differenzieren. Jedoch wird, unabhangig von seiner Versicherung zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt aber auch im Rahmen einer ambulanten Behandlung ein ^^"^ Dazu instruktiv die Aufsatze von Andreas, ArztR 1994, 151; Kendel ArztR 1994, 153; Junghans, ArztR 1994, 154. ^^^ Zur Problematik des ambulanten Operierens, v.a. die RoUe eines niedergelassenen Anasthesistens, Pitschas, JbSozRGegenwart 1995, S. 267 (274 f.); vgl. zur Haftung bei ambulanten Operationen auch Kern, NJW 1996, 1561.. ^^^ Empfehlungen zum ambulanten Operieren, Deutsche Gesellschaft fiir Medizinrecht e.V.y MedR 1994, 149; in 6. Durchfuhrung wird dabei interessanter Weise gefordert, dass der Arzt die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen fur den jeweiligen Eingriff benotigt, also eine einzelfallorientierte Qualifikation. ^^'^ Weiterbildungsordnung fiir die Arzte Bay ems in der Neufassung vom 24. April 2004, in Kraft seit dem 1. August 2004, abgedruckt in Bayerisches Arzteblatt, SPEZIAL 1/2004 S. 1 ff, sowie unter http://www.blaek.de/weiterbildungAVBO%2024%2004%202004.pdf
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C Vertragliche Grundlagen
privatrechtliches Rechtsverhaltnis begriindet^^^, aus dem sich die jeweiligen Rechte und Pflichten fiir die Vertragsparteien ergeben. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Patient nun ambulant oder stationar behandelt wird, denn der Schutzzweck ist in beiden Fallen der gleiche, namlich die Gesundheit des Patienten zu bewahren und vor zusatzlichen Risiken zu schiitzen. Somit gilt im wesentlichen das bereits oben Gesagte. Auch im Bereich ambulanter Kjrankenversorgung liegt ein Vertrag vor, der durch ein besonderes Vertrauen zwischen Arzt und Patient gepragt ist^^^. Inhaltlich unterscheidet er sich zu oben genannten Krankenhausaufnahmevertragen im wesentlichen dadurch, dass er meist nur die arztliche Leistung zum Gegenstand hat. Elemente der Pflege, Versorgung und Unterbringung schlieBen sich bei ambulanten BehandlungsmaBnahmen denknotwendig aus. Der Vertrag wird auch nicht mit anderen Angestellten, sowohl nichtarztlichen als auch arztlichen^^^, und somit auch nicht mit dem Anfanger selbst geschlossen. Diese werden im Wege der vertikalen Arbeitsteilung nur als Erfiillungsgehilfen des Vertragsarztes, in der Regel dem Praxisinhaber, herangezogen. Insoweit spielt es fiir die vertragliche Einbindung des Anfangers und infolge dessen auch fur dessen vertragliche Haftung keine Rolle, ob es sich bei seinem Arbeitsplatz um eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis handelt. Der Anfanger stellt nie den unmittelbaren Vertragspartner des Patienten dar, sondern ist stets nur gegeniiber dem Arbeitgeber, also Krankenhaustrager oder anstellendem Arzt vertraglich verpflichtet^^^
2. Einzel- und Gruppenpraxis Da also der junge Arzt im Regelfall nicht Vertragspartner des Patienten wird, ist fiir letzteren im Falle des Behandlungsfehlers um so mehr entscheidend, wer dann der Vertragspartner war bzw. ist, gegen den der geschadigte Patient vertragliche Anspriiche geltend machen kann. Insoweit erscheint eine kurze Auseinandersetzung mit den Organisationsformen der ambulanten Patientenversorgung erforderlich, deren Ergebnisse im Verlauf der Arbeit vor allem fiir die Passivlegitimation im Fall der Haftung von entscheidender Bedeutung sein werden. Des besseren Verstandnisses wegen sollen daher vor die Klammer gezogen die verschiedenen
258 Y g j (j^2u statt aller Laufs, Arztrecht, Rn. 87 f, i m Besonderen Fn. 6; sowie die graphische Darstellung unter Einbeziehung der Kassenarztlichen Vereinigung sowie der Krankenkasse, Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 68. 259 Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung, S. 2 7 ; Taupitz, N J W 1986, 2851 (2857); Hollmann, ArztR 1977, 69 (70). 260 Y g j Schmidt, Die Passivlegitimation i m Arzthaftpflichtprozess, S. 60 unter Bezugnahm e auf L G Hannover, N J W 1981, 1320, das diese Frage fur einen angestellten Zahnarzt entschieden hatte. 2^^ Z u r Frage nach der deliktischen Verantwortlichkeit gegenuber dem Patienten vgl. § 6 der Arbeit.
III. Ambulante Behandlungsverhaltnisse
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Moglichkeiten der ambulanten arztlichen Versorgung dargestellt werden, um dann bei den jeweiligen Fragen nur darauf verweisen zu konnen.
a) Einzelpraxis Ohne rechtliche Besonderheiten gestaltet sich die Vertragsgestaltung im Falle einer Einzelarztpraxis^^^. Der Arzt muss seine Praxis personlich ausiiben, sowohl als Kassen^^^- als auch als Privatarzt^^^^ SQ ^J^SS in Konsequenz dessen auch die Vertragspartner stets nur der Praxisinhaber und der Patient sein konnen. Kommt der Patient somit in die Einzelpraxis, ist sein einziger Anspruchgegner grundsatzlich der Praxisinhaber. Weder ein nichtarztlicher Mitarbeiter noch der zur Ausbildung angestellte Arzt in der Weiterbildung gehen mit in das Vertragsverhaltnis ein. Dies gilt mit den oben genannten Besonderheiten auch fiir den gesetzlich versicherten Patienten und den Kassenarzt. Dies ist unabhangig davon, welcher Meinung man sich in der Frage anschlieBt, ob es sich nun um einen direkt zwischen Arzt und Patient geschlossenen Vertrag handelt oder lediglich um einen Vertrag zwischen Krankenkassenarztlicher Vereinigung und Kassenarzt, der dann aber vertragliche Rechte fiir den Patienten im Sinne des § 328 BGB begriindet^^^. Zu einer vertraglichen Verbindung mit einem dort angestellten Arzt, im konkreten Fall beispielweise dem Arzt in der Weiterbildung, kommt es dabei nicht^^^. Der Patient kann sich vertraglich immer nur an den praxisleitenden Arzt wenden, der dann allerdings fiir Fehler des Anfangers auch vertraglich einstehen muss^^'^.
b) Gruppenpraxis SchlieBen sich Arzte zu einer Gruppenpraxis zusammen, geschieht dies iiberwiegend in der Form von sog. Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften oder Medizinischen Versorgungszentren, die als die iibliche Form des arztlichen Zusammenwirkens auBerhalb eines Krankenhauses anzusehen sind^^^. Auch wenn die ^^^ Dies war bis 1960 die einzige mogliche Form der arztlichen Tatigkeit auBerhalb eines Krankenhauses, da bis dahin ein Zusammenwirken mehrer Arzte nicht gestattet war, Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn. B 426 ff. ^^^ Fur den Kassenarzt Uhlenbmch, Laufs/Uhlenbruch, Handbuch des Arztrechts, Kap. 5, § 18, Rn. 1 unter Hinweis auf BSGE 23, 97, 99. 26"^ § 19 Abs. 1 Satz 1 MBO-A 2004, zuletzt geandert durch die Beschlusse des 107. Deutschen Arztetages 2004 in Bremen, http://www.bundesaerztekammer.de/30/Bemfsordnung/10Mbo/index.html#B41. 265 B G H Z 97, 2 3 7 = N J W 1986, 2364; vgl. dazu die Ausfuhmngen z u m Streitstand v o n Buddee, Der Arztvertrag nach S G B V , S. 19 ff. 266 So Schinnenburg, M e d R 2000, 3 1 1 . 267 S o haftet er fiir d e n Anfanger als seinen Erfullungsgehilfen uber § 278 B G B ; Z u vertieften Ausfuhmngen vgl. § 6. 268 Daneben treten F o r m e n wie das Arztehaus oder d i e Gruppenpraxis, i m besonderen Damm, in: Festschrift fiir Hans Erich Brandner, S. 31 ff; Ehmann, M e d R 1994, 141, 143, die aber fur die vorliegende Arbeit nur bedingt von Bedeutung sind; weitere Hinweise auch bei Eisenberg, Arztliche Kooperations- und Organisationsformen; Taupitz,
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C Vertragliche Gmndlagen
Begriffe oft synonym verwendet werden, weisen sie rechtlich wesentliche Unterschiede auf, die eine getrennte Betrachtung erfordern. aa) Praxisgemeinschaft Als fiir die vorliegende Arbeit ohne weitere Besonderheiten erweist sich die Praxisgemeinschaft. Es handelt sich dabei, vergleichbar mit der Biirogemeinschaft bei Rechtsanwalten^^^, um ein selbstandiges Nebeneinander verschiedener Arzte, mitunter auch anderer Fachrichtungen, das lediglich in der gemeinsamen Nutzung und Unterhaltung der notwendigen sachlichen und personlichen Infrastruktur seine Verbindungfindet^'^^.So werden zum Beispiel Praxisraume gemeinsam angemietet Oder auch das nichtarztliche Personal fiir alle beteiligten Arzte zusammen angestellt. Die Arzte allerdings bleiben vollkommen selbstandig und unabhangig voneinander^'^^ Dies hat auch zur Folge, dass gleichsam ihre Vertrage mit den Patienten unabhangig von den Praxiskollegen nur zwischen Patient und dem jeweils behandelnden Arzt bzw. der Kassenarztlichen Vereinigung zustande kommen und nicht die Praxisgemeinschaft Vertragspartner des Patienten wird^'^^. Die Kollegen bleiben dabei auBen vor, so dass letztlich nichts anderes gilt, als wenn der Arzt in einer Einzelpraxis tatig ware, namlich dass er dem Patienten gegeniiber alleinverantwortlich ist. Im Hinblick auf den Berufsanfanger ist jedoch durchaus moglich, dass dieser von der Praxisgemeinschaft zusanmien angestellt wird, d.h. er kann fur jeden der beteiligten Arzte eingesetzt werden. Dies ist oft in groBeren Praxisgemeinschaften der Fall, um dem Anfanger einen umfassenden und vielseitigen Praxiseinblick zu ermoglichen. Der Jungarzt kann dann von einem der weisungsbefugten Gemeinschaftsarzte zu einer Behandlung herangezogen werden, die in dessen Pflichtenkreis liegt. Der weisungsbefugte Arzt ist dabei sowohl vertraglich als auch deliktisch^'^^ dem Arzt in der Einzelpraxis gleichgestellt^'^'^.
MedR 1993, 367 ff. und Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn. B 426. 269 Vgl. dazu Hartung, in: Henssler/Priltting, BRAO, § 59a Rn. 83 ff.; im tJberblick die Ausfuhrungen von Steinkraus/Schaaf, JuS 2001, 377 ff; vergleichend BGHZ 97, 273, 276. ^'^^ Ehmann, MedR 1994, 141, 143 f; Eisenberg, Arztliche Kooperations- und Organisationsformen, S. 119 ff; Henke, NJW 1974, 2035; Ohl, in: Kamps/Laufs, Arzt- und Kassenarztrecht im Wandel, S. 197, 199; Rieger, MedR 1998, 75, 77; Rupprechu Zivilrechthche Haftung, S. 123. ^'^^ Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn B 435. 2'72 Ehmann, MedR 1994, 141, 143; Schinnenburg, MedR 2000, 311, 312; Uhlenbruck in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 5, § 18 Rn. 9. ^^^ So auch Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 126 f ^^"^ Vertiefte Ausfuhrungen zur Haftung in § 5.
III. Ambulante Behandlungsverhaltnisse
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bb) Gemeinschaftspraxis / Medizinisches Versorgungszentrum Anders erweist sich die vertragliche Gestaltung der Arzt-Patientenbeziehung allerdings bei der Gemeinschaftspraxis und dem medizinischen Versorgungszentrum. Die Form klassischere Form der Gemeinschaftspraxis wird von Rechtsprechung^'^^ und Literatur^"^^ als die gemeinsame Ausiibung arztlicher Tatigkeit durch melirere Arzte des gleichen oder ahnlichen Fachgebiets definiert, die in gemeinsamen Raumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, gemeinsamer Karteifuhrung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung erfolgt. Die Arzte treten dabei nicht nur raumlich nach auBen hin, sondern auch fachlich als Einheit auf. Bereits diese Festlegung zeigt die enge Verbindung zwischen den Mitgliedern einer solchen Gemeinschaftspraxis, die sich auch vertraglich auswirkt. Begibt sich namlich ein Patient in Behandlung bei einer Gemeinschaftspraxis, so schlieBt er nicht einen Vertrag mit dem behandelnden Arzt, sondern mit der Gemeinschaft an sich. Bei der Gemeinschaftspraxis handelt es sich in der Regel um eine Gesellschaft des Biirgerlichen Rechts im Sinne von §§ 705 ff. gQg277^ wobei auch eine Partnerschaft im Sinne des Gesetzes iiber die Partnerschaftsgesellschaften Angehoriger Freier Berufe^'^^ moglich ist. Das hat zur Folge, dass die Leistung dem Grunde nach austauschbar wird und der Patient grundsatzlich keinen Anspruch mehr darauf hat, von einem bestimmten Arzt behandelt zu werden^'^^. Diese Tatsache wirkt sich im Bereich der Anfangereingriffe in vielfacher Hinsicht aus. So werden davon u.a. die Aufklarung aber auch Haftung und Passivlegitimation im Falle eines Anfangerfehlers beeinflusst^^^. Dies gilt jedoch nur fiir die Grundform der Gemeinschaftspraxis, den Zusammenschluss von Arzten gleicher oder sehr ahnlicher Fachgebiete^^^ Mit dem klar275 Vgl. BSGE 23 170, 171; 55, 97,104. 2'^^ Dazu Ehmann, MedR 1994, 141, 143; Eisenberg, Arztliche Kooperations- und Organisationsformen, S. 63 ff; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. II, Rn. B 429 f; OhU in: Kamps/Laufs, Arzt- und Kassenarztrecht im Wandel, S. 197, 199 f; Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 131; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 62f; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruch, Handbuch des Arztrechts, Kap. 5, § 18, Rn. 12 m.w.N. 277 Zur naheren Ausgestaltung als Gesellschaft des Burgerlichen Rechts sowie zu anderen moglichen, aber eher seltenen Rechtsformen siehe Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. II, Rn. B 433 sowie Rn. B 428 z u m Vertragschluss mit der Gemeinschaft und nicht d e m einzelnen Arzt. 278 PartGG v o m 25.7.1994, B G B l . I, 1744, zuletzt geandert durch Gesetz v o m 10.12.2001 (BGBl. I S. 3422) m.W.v. 15.12.2001. 279 So statt aller Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruch, Handbuch des Arztrechts, Kap. 5, § 18, Rn. 12. 28^ Eine vertiefete Auseinandersetzung mit genannten Problemfeldem folgt in den nachstehenden Kapiteln. 281 Dazu ausfuhrlich die Dissertation von Eisenberg, Arztliche Kooperations- und Organisationsformen, S. 66 ff, die sich intensiv mit den unterschiedlichen Auswirkungen der facharztlichen Ausrichtung in einer Gemeinschaftspraxis auseinandersetzt.
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C Vertragliche Gmndlagen
stellenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.4.1983^^^ wurden neben der Verbindung von Arzten der gleichen Fachrichtung auch Zusammenschliisse von unterschiedlichen Facharzten fiir rechtlich zulassig erklart, so dass zwischen Gemeinschaftspraxen die nur ein Fachgebiet betreuen und solchen Praxen, die fachiibergreifend tatig sind, unterschieden werden muss^^^. Als Beispiel sei dabei der Zusammenschluss eines Internisten mit einem Chirurgen genannt. Insoweit ist die Austauschbarkeit des Arztes nur bedingt moglich. Sind der Chirurg und der Internist in einer Gemeinschaftspraxis vereint, so kann bei einem chirurgischen Eingriff nicht der Internist tatig werden. Konsequenterweise muss sich dies bereits im Behandlungsvertrag auswirken, so dass man in diesem Fall von einer konkludenten Arztwahl, ahnlich dem oben genannten Arztzusatzvertrag, ausgehen kann. Es kommt lediglich mit dem Arzt zu einem Behandlungsverhaltnis, auf den der Patient nach objektiv erkennbaren Kriterien Wert legt und auf dessen arztliche Leistung er ausdriicklich Wert legt^^"^. Die Verpflichtung zur personlichen Leistungserbringung beschrankt sich dann auf den jeweils zustandigen Facharzt, wenn gleich die Gemeinschaft an sich als Gesamtschuldner bestehen bleiben kann^^^. Dies ist allerdings nur dann moglich, wenn jeder Arzt im Rahmen seiner berufsrechtlichen Pflicht die fachgebietsspezifischen Grenzen achtet und die freie Arztwahl innerhalb der Gemeinschaftspraxis weiterhin gewahrt ist^^^. Ob man in Anbetracht dessen iiberhaupt noch von einer Gemeinschaftspraxis sprechen kann oder besser auch von Einzelpraxen spricht, die lediglich auch iiberschneidende Tatigkeitsfelder haben, ist fiir die vorliegende Arbeit nicht von ausschlaggebendem Belang^^'^. Entscheidend ist vielmehr, dass auch in einer fachiibergreifenden Gemeinschaftspraxis gleichsam kein Vertrag mit einem Anfanger geschlossen wird, er also selbst vertraglich nicht gegeniiber dem Patienten verantwortlich ist. Vergleichbar mit der Gemeinschaftspraxis ist die sich auf dem Vormarsch befindliche Organisationsform des sog. Medizinischen Versorgungszentrums. Be-
282 BSGE55,97. 283 Z u r Differenzierung Ehmann, MedR 1994, 141, 145; Schirmer, MedR 1995, 341, spricht von „fachdifferenten Partnerschaften". 284 O L G Oldenburg, VersR 1997, 1492 fur den Fall einer Kniegelenkspiegelung und OLG Oldenburg, VersR 1998, 1421 im Falle einer Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung; zu eng ausgelegtes Argument des Gerichts war in diesen Fallen die Nichtaustauschbarkeit der jeweiligen Leistung; vgl. auch Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 62a.; kritisch dazu Katzenmeier, Arzthaftungsrecht, S. 104. 285 RupprechU Zivilrechtliche Haftung, S. 132; Schirmer, MedR 1995, 341, 449. 286 Vgl. § 33 G O A sowie BSG, B S G E 55, 97, 101 zur freien Arztwahl; von besagten Verpflichtungen wird in der Regel die sog. Statusentscheidung, also die Genehmigung des Zulassungsausschusses abhangig gemacht, die fur den Betrieb einer fachiibergreifenden Gemeinschaftspraxis erforderlich ist; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 5, § 18, Rn. 12; Ehmann, MedR 1994, 141, 145.; Reiter, GesR 2005, 6; Beispiel fur einen Zulassungsbescheid bei Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. II, Rn. B 435 ff 28"^ Dazu ausfuhrlich Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 132 f, v.a. Fn. 364 m.w.N.
IV. Besondere Behandlungsverhaltnisse
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senders seit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes^^^ am 1.1.2004 kommt ihm besondere Bedeutung zu, da mit diesem Gesetz erstmals neben Vertragsarzten und Krankenhausern auch Versorgungszentren zur vertragsarztlichen Versorgung zugelassen wurden. Danach handelt es sich bei einem Medizinischen Versorgungszentrum um eine fachtibergreifende arztlich geleitete Einrichtung, in der Arzte als Angestellte oder Vertragsarzte tatig sind. Vertragspartner des Patienten wird - wie bei der Gemeinschaftspraxis - nicht der jeweilige Arzt, sondern das Zentrum selbst, so dass auch hier der Patient im Regelfall keinen Anspruch auf personliche Behandlung durch einen der Arzte des Zentrums hat.
iV. Besondere Behandlungsverhaltnisse Neben den eben geschilderten Regelvertragsverhaltnissen gibt es besondere Fallgestaltungen, die einer kurzen Erwahnung bediirfen.
1. Ambulante Krankenhausbehandlung Zunachst seien hier Falle genannt, in denen durch ein Krankenhaus bzw. eine Klinik ambulante Leistungen erbracht werden. Dabei nimmt ein meist liquidationsberechtigter Arzt in einem Klinikum eine ambulante Behandlung vor und beteiligt dabei als Erftillungsgehilfen einen jungen Arzt an der medizinischen Tatigkeit^^^. Die Besonderheit liegt hier vor allem darin, dass, trotz verschiedener Versuche der Legislative, die ambulante Behandlung im wesentlichen immer noch den niedergelassenen Arzten vorbehalten ist und auch entsprechend gesondert vergiitet wird, so unter anderem nach Bema oder EBM-'^. In einem solchen Fall ambulanter Klinkleistungen ist regelmaBig von einer sog. Chefarztambulanz nach § 116 SGB V auszugehen, wobei der Chefarzt mit Zustimmung des Kliniktragers ermachtigt ist, eine vertragsarztliche Versorgung sozialversicherter Patienten vorzunehmen. Gesetz zur Modemisierung der gesetzHchen Krankenversicherung, 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Dazu Adam, Krankenhausmanagement, S. 150; Hubner, ZVersW 1990, 55 (64); ausfuhriich Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 98 ff., die ahnhch wie Adam auf Grundlage der alten Rechtslage vor dem Gesundheitsstrukturgesetz zwischen einer Vertrags- und einer Institutsleistung differenzieren. Wahrend die Vertragsleistung der Regelfall war, wurden im besonderen von Universitatskliniken sog. Institutsleistungen erbracht, bei denen ein Vertragsschluss mit dem Trager und nicht mit dem behandelnden Arzt zustande kommt; dies ist jetzt fiir den Kassenpatienten der Regelfall. Insoweit gilt dann das zur Haftung im Falle des totalen Krankenhausaufnahmevertrages Gesagte. PflUger, Krankenhaushaftung, S. 36 unter Hinweis auf die grundlegenden Entscheidungen des BVerfG und des BSG, BVerfGE 16, 286 (298) und BSGE 56 111 (114); Michalski,WQrsR 1997, 137.
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C Vertragliche Grundlagen
Aus diesem Grund kommt es ausschlieBlich zu einem Vertragsverbaltnis zwischen Chefarzt und Patient, der Kliniktrager bleibt insoweit auBen vor. Dies gilt ebenso fiir den Privatpatienten^^^. Dies muss auch dann gelten, wenn der Patient eigentlich an das Krankenhaus iiberwiesen^^^ wurde oder auch dann, wenn der liquidationsberechtigte Arzt selbst gar nicht tatig war^^^ sondern nur der ihm nachgeordnete Arzt in der Ausbildung. Wie bereits in den zuvor geschilderten Fallgestaltungen wird der Anfanger selbst nie Vertragspartner des Patienten, sondern nur der Chefarzt. Von der Chefarztambulanz zu unterscheiden ist die sog. Institutsambulanz nach §§ 117 ff. SOB V. Seit Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes^^"^ im Jahr 1993 ist es moglich, dass einem Krankenhaustrager die Erlaubnis nach §§ 115b, 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erteilt wird, in Eigenregie nichtstationare Behandlungen anzubieten und dementsprechend zu liquidieren. Dies wird vor allem Institutionen gestattet, die einen Lehr- und Forschungsauftrag besitzen^^^ so dass diese Art der ambulanten Behandlung besonders fur den Einsatz junger Arzte von Bedeutung ist. Dadurch kann der Trager des Krankenhauses auch im Rahmen einer ambulanten Behandlung Vertragspartner und somit auch Haftungsgegner des sozialversicherten Patienten werden^^^. Problematisch erweist sich die Frage nach dem Vertragspartner des Privatpatienten, wenn sich dieser in die Institutsambulanz begibt. Auf der einen Seite tritt mit oben genannter Zulassung der Krankenhaustrager an die Position des liquidierenden Chefarztes, so dass auch der Krankenhaustrager als Vertragspartner in Betracht kommt. Dafiir sprache auch die propagierte Gleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten. Daneben wurde dann der beim Privatpatient gleichsam liquidationsberechtigte Chefarzt selbst treten, ahnlich dem Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag^^'^.
291 BGHZ 105, 189; BGHZ 120, 376; Laufs/Uhlenbruck-Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts,Kap. 16, §95,Rn. 1. 292 Mit der Inanspruchnahme des Arztes, an den der Patient uberwiesen worden ist (Uberweisungsempfanger), kommt nach allgemeiner Meinung vielmehr ein neuer Behandlungsvertrag zwischen diesem u n d d e m Patienten zustande; B G H Z 100, 3 6 3 , 3 6 7 ; VersR 1 9 8 9 , 1 0 5 1 , 1052; VersR 1994, 102, 103; BGH, VersR 1987, 1191, 1192. 293 BGH, N J W 1986, 2883. 294 Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I S. 2266.
295 PflUger, Krankenhaushaftung, S. 3 8 . 296 Ausfuhrlich dazu Laufs/Uhlenbruck-Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 95, Rn. 1, der verdeutlicht, dass der Kliniktrager den Chefarzt als eigentlichen Trager der Ambulanz in all den Fallen ersetzt, in denen das Krankenhaus zur Durchfiihrung ambulanter Operationen in einem Katalog zugelassen ist. Busken, VersR 1994, 1141 ff; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 4 6 und zur Rechtslage vor dem 1.1.1993 Rn. 45. 29'^ Bisher hochstrichterlich nicht entschieden, lediglich L G Hamburg in einer unveroffentlichten Entscheidung, v o m 30.7.1997, Az. 303 O 20/96, S. 22; aus der Literatur v . a Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 38 ff; Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 10 f; Reiling, M e d R 1995, 443 (445); Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 46.
IV. Besondere Behandlungsverhaltnisse
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2. Notfallmedizin Nicht in jedem Fall arztlichen Tatigwerdens liegt von vornherein ein vertragliches Verhaltnis zugrunde. Gerade im Bereich der Notfallmedizin kann oftmals aufgrund der Zeitnot oder der Unfahigkeit des beispielsweise bewusstlosen Patienten, sich zu einem moglichen Vertragsschluss zu auBern, zunachst kein Vertrag geschlossen werden^^^. Auch der Anfanger kann in eine Situation geraten, in der er einen Patienten ohne vorherigen Vertragsschluss behandeln muss. Entsteht eine solche Situation im Rahmen seiner beruflichen Anstellung, so wird allein durch die Behandlung als Realakt weder mit einem Kassen- noch mit einem Privatpatient ein Behandlungsvertrag geschlossen. Allerdings kommt im RegelfalF^^ ein solcher Vertrag dann durch nachtragliche Erklarung oder konkludent durch die Weiterbehandlung mit dem Kliniktrager bzw. Praxisinhaber zustande^^^, bei dem der Anfanger angestellt ist. Die oben aufgezeigten Grundsatze konnen demnach ohne weiteres Geltung beanspruchen. Wird ausnahmsweise nachtraglich kein Vertrag geschlossen, sind in der Regel die Grundsatze der Geschaftsfiihrung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB anzuwenden. Telle der Literatur nahmen in einem solchen Fall die Existenz eines sog. faktischen Vertragsverhaltnisses^^^ an; inzwischen hat sich allerdings die Losung liber die Regeln der Geschaftsfiihrung ohne Auftrag durchgesetzt^^^. Danach hat 298 wTgitei-e Falle, in denen es nicht oder zunachst nicht zu einem Vertragsschluss zwischen Patient und Arzt kommt, sind die Falle beschrankter oder fehlender Geschaftsfahigkeit. Diese sind aber fur die Falle der Anfangerbehandlungen unerheblich, da insoweit keine Besonderheiten bestehen; ein, mit unter nachtraglicher Vertragsschluss erfolgt in der Regel immer mit dem ausbildenden Arzt und je nach Fallgestaltung mit dem Patienten selbst oder durch Genehmigung des Betreuers bzw. Vertreters, z.B. bei Kindem durch die Eltem. Vgl. dazu ausfuhrlich Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 64 f; eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Problematik stellt die Dissertation von Ndgeli, Die arztliche Behandlung handlungsunfahiger Patienten aus zivilrechtiicher Sicht, dar, die sich zwar mit dem Schweizer Recht auseinandersetzt, allerdings mit grundsatzlicher Ubertragbarkeit auf das deutsche Recht. ^^^ Im Falle eines sozialversicherten Patienten wird jedoch angenommen, dass dieser auch ohne ausdrucklichen Vertragsschluss bereits durch die Ubemahme der Behandlung in ein gesetzliches Schuldverhaltnis eintritt, vgl. Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 7, § 40, Rn. 7; Eberhardu AcP 171, 289 (300); dies gilt entsprechend auch bei einem Arzt, der nicht an einer kassenarztlichen Versorgung teilnimmt, dazu Weber/Braun, NZS 2002, 400 f ^^ Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 65; Laufs, Arztrecht, Rn. 72; Luig, Der Arztvertrag, S. 233 ff 301 Luig, Der Arztvertrag, S. 223 (228); Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 62 f erwahnen zwar das faktische Vertragsverhaltnis, fur den konkreten Fall eines Notfalleinsatzes halten sie allerdings gleichsam die GoA fiir allein einschlagig. 30^ Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn.30; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 109; Kerschbaum, Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 7; Laufs, Arztrecht, Rn. 71; MiiYioEGB-Sdllner, § 611, Rn. 54; KGRK-NUfigens, § 823, Anh. II, Rn. 40; Schmid, Die
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C Vertragliche Grundlagen
sich der behandelnde Arzt an dem objektiv verstandenen Interesse des Patienten unter Berucksichtigung seines tatsachlichen bzw. mutmaBlichen Willens zu orientieren^^^ und darf deshalb nur die lebenserhaltenden oder absolut indizierten Handlungen vornehmen^^'^. Grundsatzlich ist davon auszugehen, dass diese Beschrankung nicht nur fur den erfahrenen Arzt sondern auch fur den Anfanger gelten muss. Folglich sind die vornehmbaren Handlungen sehr beschrankt und die Bedeutung der Geschaftsftihrung ohne Auftrag fiir den Anfanger gering. Hinzu kommt, dass der Anfanger selbst in der Kegel gar nicht eigenstandig im Rahmen einer Geschaftsfuhrung ohne Auftrag tatig ist. Da ein Anfanger beruflich stets „nur" als angestellter Arzt tatig sein wird, also auch iiber keinerlei Liquidationsrechte verfiigt, ist davon auszugehen, dass er auch im Rahmen der Geschaftsfuhrung ohne Auftrag lediglich als Erfiillungsgehilfe, somit als sog. Geschaftsfuhrergehilfe tatig ist^^^. Er handelt insoweit gerade nicht mit dem erforderlichen Fremdgeschaftsfiihrungswillen, sondern handelt seinem Anstellungsvertrag entsprechend, Danach ist er eben auch verpflichtet, fiir seinen Vertragspartner, also den Kliniktrager, Chefarzt bzw. Praxisinhaber, Notfalle zu behandeln, auch wenn mit dem Patienten noch kein Vertrag geschlossen werden konnte. Neben den Situationen eines beruflichen Tatigwerdens des Anfangers sind andererseits auch Konstellationen denkbar, in welchen der junge Arzt auBerhalb seiner Anstellung, vor allem im privaten Leben, gezwungen sein kann, medizinisch ohne vorherigen Vertragsschluss eingreifen zu mtissen. In diesem Zusammenhang wird er nicht im Rahmen seines Anstellungsverhaltnisses tatig, so dass er gleichsam nicht als Erfiillungsgehilfe agieren darf, sondern selbst als Geschaftsfiihrer agieren muss. Insoweit sind dann regelmaBig die Regelungen der Geschaftsfuhrung ohne Auftrag auch direkt auf den Anfanger anzuwenden, denn ein nachtraglicher Vertragsschluss kann bei einem nicht liquidationsberechtigten, junge Arzt in der Regel ausgeschlossen werden. In einem solchen konkreten Fall konnte er dann grundsatzlich wie jeder andere, auch nicht medizinal vorgebildete. Heifer behandelt werden und sich so auch auf die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB berufen, was bei einem beruflich eingreifenden Notarzt beispielsweise nicht moglich ware^^^. Allerdings trifft auch den Anfanger in einem solchen Fall das Erfordernis,
Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 65; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 63; aus Sicht des Schweizer Rechts, das auch die Go A kennt, NdgelU Die arztliche Behandlung handlungsunfahiger Patienten aus zivilrechtlicher Sicht, S. 74 ff. 303 Exemplarisch KGRKINufigens, § 823, Anh. II, Rn. 40. ^^^ Katzenmeier, Arzthaftungsrecht, S. 109. 305 p^j. j^jg Anwendbarkeit des § 278 BGB im Rahmen der Geschaftsfuhrerhaftung vgl. Bamberg/Roth-Gehrlein, § 677, Rn. 10; Kohler, JZ 1990, 466 (471), zwar konkret fur den Bereich der Schwarzarbeit, aber mit Allgemeingultigkeit; MuKoBGB-5^//^r, § 677, Rn. 56 und Fn. 50; Staudinger-Wittmann, § 677, Rn. 8. 30^ Im Bereich der arztlichen Go A wird allgemein angenommen, dass ein Arzt, der im Falle eines Notfalles tatig ist, einen Anspruch auf regulare Vergutung nach § 683 BGB i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB analog hat, vgl. u.a. Laufs, Arztrecht, Rn. 125; Luig, Der Arztvertrag, S. 228; Soergel-Beuthien, § 683, Rn.ll; RGRK-Stejfen, § 683, Rn. 7.; im
IV. Besondere Behandlungsverhaltnisse
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Seine besonderen Kenntnisse in Form der medizinischen Vorbildung einzusetzen und bei deren Nichteinsatz auch zu haften^^^. Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit der eingreifende Arzt dennoch seine besonderen Fahigkeiten einzusetzen hat, gehort letztlich aber dem Problemkreis der Haftung und des anzulegenden SorgfaltsmaBstabs an und soil deshalb den dortigen Ausfiihrungen vorbehalten bleiben. Die mogliche Gleichstellung mit Nichtmedizinern resultiert aus dem Handlungs willen des eingreifenden Arztes. Kommt er im privaten Bereich einem Menschen zu Hilfe, dann handelt er nicht mit dem Willen, in Ausiibung seiner beruflichen Tatigkeit gegen Entgelt, also in seiner Position als angestellter Arzt, tatig zu werden^^^. Auch nach den objektiven Umstanden ist in so einem Fall die tJbernahme der Geschaftsfuhrung nicht in Form einer beruflichen Handlung gegen Entgelt zu erwarten^^^, so dass gleichsam objektiv nicht von einem beruflich eingreifenden Arzt ausgegangen werden kann. Die Privilegierung nach § 680 BOB soil auBenstehende Dritter zu einer Handlung motivieren^^^. Im privaten Bereich ist auch der Arzt nur ein auBenstehender Dritter, der gleichsam einer solchen Motivation bedarf. Auch wenn fiir den professionellen Nothelfer das Helfen im Notfall den Normalfall darstellt^^\ muss dies nicht fiir alle Arzte pauschal gelten. Demnach ist auch eine Behandlung des helfenden jungen Arztes nicht von vornherein als beruflicher Eingriff anzusehen. Festzuhalten bleibt demnach, dass auch dann, wenn der Anfanger bei einem Notfall auBerhalb seiner beruflichen Tatigkeit medizinische MaBnahmen vornehmen muss, er nicht vertraglich gebunden wird. Gegenzug dazu kann er sich aber nicht mehr auf die Privilegierung des § 680 BOB berufen, da es nicht angemessen erscheint, dem Arzt ein geringeres Ma6 an Sorgfalt aufzuerlegen, nur well es noch nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist, Laufs, Arztrecht, Rn. 125; Luig, Der Arztvertrag, S. 227; Uhlenbruck, DMW 1965, 45; in der neueren Literatur und Rechtsprechung wird die Anwendbarkeit der Privilegierung des § 680 BOB fur den zufallig bei einem Notfall anwesenden Arzt allerdings angenommen, vgl. u.a. OLG Munchen, Urteil vom 6.4.2006, Az.: 1 U 4142/05; Heinz, Hessisches Arzteblatt 2006, 650 ff 307 Ygj 2um Erfordemis und zur Haftung bei Nichteinsatz besonderer Fahigkeiten und Kenntnisse die Ausfuhrungen bei § 5 II 2. b), sowie BGH, VersR 1987, 686; BGH, VersR 1967, 775; OLG Oldenburg, VersR 1989, 402; Deutsck NJW 1987, 1481; ders., Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 143; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); PflUger, Krankenhaushaftung, S. 89; "RGRK-Nufigens, §823 Rn. 411 m.w.N.; SoergelWolf, § 276, Rn. 76 f; MuKoBGB-GmnJmann, § 276, Rn. 56. ^^^ Diese Willensrichtung wird vorausgesetzt, wenn der Arzt seine iiblichen Gebuhren iiber § 683 BGB Hquidieren darf, Laufs, Arztrecht, Rn. 125; Luig, Der Arztvertrag, S. 227 Schmid, Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 65; Soergel-Beuthien, § 683, Rn. 11. ^^ MuKoBGB-5£//^r, § 683, Rn. 25 spricht von einer „korrigierenden Interpretation" des § 683 BGB, und lasst eine bemfliche Behandlung des Geschaftsfuhrers nur dann zu, wenn es nach den objektiven Umstanden zu erwarten gewesen ist. 310 Katzenmeier, Arztrecht, S. 110 f; MuKoBGB-Seiler, § 680, Rn. 1. 311 So Katzenmeier, Arztrecht, S. 110.
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C Vertragliche Grundlagen
sondern lediglich den quasivertraglichen Rechten und Pflichten einer Geschaftsfuhrung ohne Auftrag unterliegt, wie jeder andere Nothelfer auch.
D Besondere Verkehrspflichten
Im Mittelpunkt der Diskussion um die Anfangeroperation steht das Risiko, welches das Handeln eines unerfahrenen Arztes mit sich bringt. Um eine sinnvolle praktische Ausbildung der Arzteschaft fur die Zukunft nicht zu verhindern, gilt es Voraussetzungen zu schaffen, unter denen auch der unerfahrene Arzt praktisch am Patienten tatig werden kann, ohne fur den Patienten eine unbotmaBige Gefahr hervorzurufen. Bildlich gesprochen bedarf es besonderer,flankierender^^^bzw. neutralisierender MaBnahmen, die das Ubergewicht des Ausbildungsrisikos zugunsten der Sicherheit des Patienten wieder ausgleichen und die - insbesondere auch als Pendant zur fehlenden Aufklarungspflicht - die Anfanger- und Patienteninteressen in Einklang bringen. Diesem Anliegen hat sich der Bundesgerichtshof^^^ in seiner Leitentscheidung besonders angenommen und zu verschiedenen Pflichten Stellung genommen, deren besondere Beachtung im Rahmen einer Anfangeroperation einen Ausgleich zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit schaffen konnten.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht Es ist hinlanglich bekannt, dass jedem arztlichen Eingriff eine Aufklarung durch den behandelnden Arzt vorausgehen muss, denn salus et voluntas aegroti suprema lex^^"^. Welchen Inhalt eine solche Aufklarung hat, warum sie erforderlich ist und vor allem weshalb diese Fragen von entscheidender Bedeutung fiir die Anfangeroperation sind, soil das nachste Kapitel zeigen^^^. Da jedoch die Aufklarung ein wesentliches Thema des Arztrechts ist, das standig zu einer „Flut der Veroffentli-
^^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161. 313 BGH, Urteil v. 27.9.1983 - VIZR 230/81, BGHZ 88,248 = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327. 31^* Das Heil und der Wille des Kranken als oberstes Gesetz; siehe u.a. Harrer, Die arztliche Aufklarung aus der Sicht des Arztes, Juristen und Patienten, S. 53. 31^ Grundlegend zu Aufklarungsfragen im Arztrecht mit umfassender Ubersicht tiber Literatur bei Laufs, in Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, 11. Kap. § 61; speziell zur Haftung in Aufklarungsfragen mit div. Schaubildem Krauskopf/Marburger, Die Haftung des Arztes fiir Behandlungsfehler, S. 105 ff
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D Besondere Verkehrspflichten
chungen und Urteile"^^^ fiihrt, soUen im Rahmen der folgenden Erorterungen nur Grundziige dargestellt werden und das Hauptaugenmerk auf die Auswirkungen fiir den Berufsanfangereinsatz gerichtet werden.
1. Einwilligung und Aufklarung, conditio sine qua non Der arztliche Heileingriff setzt eine Einwilligung voraus^^^. Bereits das Reichsgericht hat festgestellt, dass ein medizinischer Eingriff im Falle der fehlerhaften oder eigenmachtigen Durchfiihrung eine Korperverletzung und damit einen Haftungsfall darstellen kann^^^. Es ergibt sich bereits aus dem verfassungsrechtlich geschiitzten Selbstbestimmungsrecht^^^, dass eine rechtmaBige Behandlung (volenti non fit iniuria) von der Einwilligung des Patienten voU umfasst sein muss^^^, es muss ein sog. „informed consent" vorliegen. In diesem Zusammenhang spricht das Bundesverfassungsgericht von einem „von der Verfassung geforderten normativen Kernbereich der Einwilligung und - in ihrem Rahmen - der arztlichen Aufklarung"^^^. Diese Einwilligung kann der Patient aber nur dann geben, wenn er liber die Art und Weise, Folgen und Risiko sowie den Umfang der arztlichen MaBnahme entsprechend informiert worden ist. Er muss soweit informiert sein, dass er nicht nur „Objekt" der Behandlung ist, sondern mitentscheiden kann^^^. Die Aufklarung muss demnach die erforderliche Einwilligung ihrem materiellen Sinn nach ausfullen^^^. Ziel ist es, dem Patienten die Voraussetzungen zu geben, iiber die bevorstehenden Behandlungen eine wohl iiberlegte Entscheidung treffen zu konnen, die das Ergebnis einer Abwagung von Risiko und Nutzen darstellt. Er soil dem 316 So Laufs, NJW 1988, 1499 (1505), bereits 1988 in seinem jahrlich erschienen wissenschaftlichen Bericht tiber die Entwicklung des Arztrechts, der seit 2001 von Spickhoff fortgesetzt wird und der dies gleichsam 2004 feststellt, NJW 2004. 1710 (1716). 31'^ Lippert, VersR 1992, 790 f. formuliert hier treffend: „Vor die Einwilligung haben Cotter und Juristen die Aufklarung gesetzt...". 31^ Hierzu die Grundsatzentscheidung vom 31.5.1894, RGSt 25, 375; weitergefuhrt bis heute, vgl. BOH VersR 1959, S. 312; 1972, S. 153; Schlund, Der Arzt und sein Recht, S. 2 ff.; Ehlers/Borglie, S. 1991; dass dies auch in Osterreich und der Schweiz gelten muss und gilt zeigt Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn 204, v.a. Fn. 30. 31^ Art. 2 GG; vgl. dazu statt vieler: Maunz/During-Di Fabio, Gmndgesetz-Kommentar, Art. 2 Rn. 204-206 und Kunig, in: von Munch, Grundgesetzkommentar, Art. 2 Rn. 72, die sogar von einem Grundrecht auf „bioethische Selbstbestimmung" sprechen. 320 Dazu Esser/SchmidU Schuldrecht, Bd. I, Teilband 2, S. 70ff; Giesen, Jura 1981, 10 (16 ff); ders., J Z 1990, 1053 (1058); Laufs, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 11, § 6 3 , R n . 1 ff; Nufigens, in: R G R K § 823 R n . 6 6 ff; Schelling, D i e arztliche Aufklarung tiber d i e Qualitat der Behandlung, S. 27 f; MtiKoBGB-Wagner,
4. Aufl., § 823, Rn. 665 ff 321 BVerfG, Beschluss des zweiten Senats v o m 2 5 . JuH 1979, BVerfGE 52, 131 (176). 322 Y g j jjhlenbruck, D M W 1981, 1630 (1631), bereits i m Z u s a m m e n h a n g mit der Anfangeroperation. 323 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 187; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 202.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklamngspflicht
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Arzt als „verstandiger Partner"^^"^ gegeniiberstehen konnen und sich nicht „blind" in dessen Hande begeben, wie dies friiher der Fall war. Dabei zeigt sich, welche Rolle die Aufklarung im Rahmen der arztliche Behandlung einnimmt. Sie gibt den Inhalt der rechtfertigenden Einwilligung vor. Der Patient kann nur in das einwilligen, was er auch weiB und der Arzt kann in Konsequenz auch nur in der Art und Weise vorgehen, in welche der Patient eingewilligt hat^^^. In Ausnahme dazu stehen offensichtlich die Falle der Notfallmedizin^^^. Aufgrund der Notwendigkeit eines unverziiglichen arztlichen Handelns kann in dieser Situation eine Einwilligung und demzufolge auch eine Aufklarung nicht zwingend erforderlich sein^^^. Es wiirde eine Notfallrettung ad absurdum fiihren, wenn man in diesem Bereich erst warten miisste, bis der Patient in der Lage ist, aufgeklart zu werden und dann seine Einwilligung geben zu konnen. Es muss ausreichen, wenn der Bewusstlose kraft vermuteter Einwilligung behandelt wird. In Ausnahme dazu stehen nur bereits bekannte Behandlungsverweigerung, also beispielsweise, wenn sich der Patient bereits vor dem Notfall gegen eine dahingehende Behandlung ausgesprochen hat^^^. Fiir den Einsatz eines Anfangers hat dies im Bereich der Aufklarung also insoweit keine besonderen Auswirkungen, da eine Aufklarung weder notig noch moglich ist.
2. Die Aufklarung vor dem arztlichen Heileingriff Beginnt man die Betrachtung der arztlichen Aufklarung von ihrer geschichtlichen Seite, so wird man feststellen, dass sie an sich noch eine relative kurze Vergangenheit aufweist. Dies beruht letztendlich auf dem Typus des Arzt-PatientenVerhaltnisses, der sich erst sehr spat gewandelt hat. In den Kinderschuhen der Medizin unterwarf sich der Patient vertrauensvoll dem Arzt in einer nahezu „pateranalistischen" Weise, der eine Aufklarung vollkommen fremd war^^^. Erst im Laufe der Epoche der Aufklarung im 17. Jahrhundert mit der Emanzipation des Patienten und der Entmystifizierung der Heilkunst wurden die Grundlagen fiir die
^'^^ Schelling, Die arztliche Aufklarung uber die Qualitat der Behandlung, S. 27. 325 Y g i j^^2u auch die umfassende Auseinandersetzung mit der Aufklarung i m Lichte d e s
Grundgesetztes von Hirsch/Niebler/Steinberger, BVerfGE 52, 171 (176). 326 Y g j ^^2u umfassend Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 4 8 7 ff. ^^"^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, R n . 487; Laufs, Arztrecht, R n . 2 2 6 m.w.N.; Lippert/Weissauer, Rettungswesen, S. 113 f. ^^^ B G H , VersR 2000, 603, i m vorliegenden Fall speziell fur eine verweigerte Einwilligung aus strafrechtlicher Sicht. ^^^ D e r Arzt als „Bewahrer der Wohlordnung", Schumacher, V o m W e s e n des Arzttums, S. 47; sehr anschaulich auch Ehlers, Aufklarung v o r medizinischen Eingriffen, S. 17; vgl. auch Schelling, Die arztliche Aufklarung tiber die Qualitat der Behandlung, S. 2 2 ; aussagekraftig auch d i e Aufforderung des Hippokrates, d e m Patienten tiber seine Krankheit nichts mitzuteilen, Eberhardt, Selbstbestimmungsrecht des Patienten u n d arztliche Aufklamngspflicht im Zivilrecht Frankreichs und Deutschlands, S. 153.
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D Besondere Verkehrspflichten
arztliche Aufklarungspflicht geschaffen^^^, welche die Rechtsprechung 1916 zum Recht jedes Patienten erhoben hat^^^ Diese Grundlagen lassen sich zum einen in der Ethik, zum anderen im Recht selbst finden^^^. Aus der Ethik deshalb, weil es ein moralisches Recht des Menschen auf Selbstverwirklichung und Nichttauschung durch den Arzt zu beachten gilt^^^, und aus dem Recht, weil das Selbstbestimmungsrecht und damit verbunden das Personlichkeitsrecht des Menschen in Art. 2 Abs. 1 GG gesetzlich garantiert wird. So zeigt auch beispielsweise die Musterberufsordnung fiir die deutschen Arztinnen und Arzte die wichtige Verbindung und Basierung auf dem Grundgesetz, in dem sie die Achtung der Personlichkeitsrechte des Patienten in besonderem MaBe in den Vordergrund stellt ^^^. Die Aufklarung ist deshalb auch nicht nur auf einen kleinen, eng defmierten Behandlungsbereich beschrankt, sondern sie ist sowohl in den Bereichen von Diagnose, Therapie und Nachsorge als auch von Pravention und Rehabilitation von entscheidender Bedeutung fiir die Vornahme rechtmaBiger Heileingriffe^^^.
a) Gegenstand der Aufklarung Da die Aufklarung^^^ unmittelbar den Umfang der Einwilligung bedingt, definiert sie gleichsam auch den medizinischen Eingriff. Sie stellt somit einen wesentlichen Teil des arztlichen Aufklarungsbereichs dar^^'^. Man spricht in diesem Fall von der ^^^ Kienzle, Risiko Aufklarung, S. I l l f, Weher-Steinhaus, Arztliche Berufshaftung, S. 36; vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 188., die anschaulich eine Szene aus dem Leben Bismarcks schildem, in der er im Jahre 1887 von der arztlichen Aufklarung des Thronfolgers Friedrich III. vor einer Operation berichtet. ^^^ Dazu: Lohmann, Ge- und Verbote beim arztlichen Handeln, S. 22 f; vgl. hierzu auch die Ausfuhrungen von Laufs, in: Jung/Schreiher, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, 71 ff 3^2 Einftihrend zur Aufklarung: Deutsche VersR 1981, 293. 33^ Illhardu Medizinische Ethik, S. 129 ff; Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 189 ff ^^"^ § 7 Abs. 1 Musterberufsordnung fiir die deutschen Arztinnen und Arzte, Stand 2004 in der Fassung der Beschltisse des 100. Deutschen Arztetages 1997 in Eisenach; geandert durch die Beschltisse des 103. Deutschen Arztetages 2000 in Koln; geandert durch die Beschltisse des 105. Deutschen Arztetages 2002 in Rostock; geandert durch die Beschltisse des 106. Deutschen Arztetages 2003 in Koln; geandert durch die Beschltisse des 107. Deutschen Arztetages 2004 in Bremen; vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Berufsordnung/10Mbo/index.html#top ^^^ Vgl. dazu „Patientenrechte in Deutschland", Patientencharta vom 16.10.2002, abgedruckt in NJW 2003, S. 1508ff; Erlautemd dazu Brahms/Bollweg, „Patientenrechte in Deutschland" - Neue Patientencharta, NJW 2003, S. 1505 ff; Francke/HarU Gutachten zur Charta der Patientenrechte, S. 114. ^^^ Umfassender Uberblick zur Literatur von Staudinger-Hager, §823, Rn. I 76 sowie MtiYioBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, vor Rn. 642, 2.; einen UberbHck tiber die intemationalen Regelungen zur Aufklarung in Europa bietet Fischer, in: Fischer/Kluth/Lilie, Ansatze ftir eine Starkung der Patientenrechte im deutschen Recht, S. 98 ff 337 BVerfGE51, 131.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht
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sog. Selhstbestimmungsaufklarung, da durch sie das oben angesprochene, verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht des Menschen ge- und beachtet werden soil. Je nach Schutzzweck lassen sich noch zwei andere Formen der Aufklarung unterscheiden^^^.
aa) Sicherungsaufklarung Zunachst kann man von einer therapeutischen^^^ bzw. Sicherungsaufklarung^"^^ sprechen. Im Gegensatz zu ihrem Titel handelt es sich dabei nicht um eine Aufklarung im klassischen Sinn, sondern mehr um eine Beratung bzw. eine Aufklarung im gesundheitlichen Interesse des Patienten. Dabei stellt sie einen Teil der medizinischen Behandlung dar und hat den Zweck, den Patienten vor Gefahren zu bewahren^'^l Der Bundesgerichtshof ftihrt dazu aus, dass die therapeutische Aufklarung als beratender Teil der Behandlung den Patienten zu gesundheitlichem Verhalten anleiten und ihm eine verantwortliche Lebensgestaltung naher bringen solP"^^. Aus dieser Zielsetzung resultiert auch der zweite, fur diese Art der Aufklarung gebrauchliche Begriff der Sicherungsaufklarung. Darunter fallen zum Beispiel das Anraten einer gesiinderen Ernahrung oder der Hinweis auf verminderte Fahrtiichtigkeit nach der Verabreichung sedativer Medikamente^"^^. In diesem Zusammenhang spielt der Einsatz von Anfangern nur bedingt eine Rolle, so dass sich ein vertiefteres Auseinandersetzen mit dieser Form der Aufklarung eriibrigt.
bb) Wirtschaftliche Aufklarung Weiterhin ist die wirtschaftliche Aufklarung bekannt, die als Information iiber wirtschaftliche Aspekte der Behandlung eine vertragliche Nebenpflicht darstellt^"^. Vor allem im Bereich von zahnarztlichen Eingriffen spielt diese Form der Aufkla33^ Vgl. Kurzbeitrag zur Aufklarung in Osterreich, Pitzl/Huber, RdM 1996, 113 ff.; kritisch zu den verschiedenen Aufklarungsfachbegriffen, welche die Verstandigung seiner Ansicht nach nur erschweren, Wawersik, in: Jung/Schreiber, Arzt und Patient zwischen Therapie und Praxis, S. 90 (96). ^^^ Laufs, Arztrecht, Rn. 633 f.; zur Hinweispflicht ders., Arztrecht, Rn. 510; a.A. Hart, Arzneimitteltherapie und arztliche Verantwortung, S. 162 ff ^^^ Ausfuhrlich statt aller: Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 48 f. und Laufs, NJW 1985, 1361 (1366). ^^^ Rechtsvergleichend nicht nur zur therapeutischen Aufklarung Eberhardt, Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Zivilrecht Frankreichs und Deutschland, S. 4 f. 342 B O H N J W 1987, 2923 f u n d N J W 1981, 6 3 3 f auch in der Literatur, so u.a. Laufs, Arztrecht, Rn. 168, v.a. Fn. 2 und Rn. 540; ders.: in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 640, Rn. 23 ff 343 Dazu L G Konstanz, Urteil v o m 14.4.1972, N J W 1972, 2223. 344 Y g j ^^^2;u Bergmann, Beratungspflicht des Arztes tiber wirtschaftliche Folgen der Behandlung, in: Fehlerquellen i m Arzthaftungsprozess, S. 4 5 ff; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 212; Ehlers, Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 4 9 ; Laufs, Arztrecht, Rn. 232; Schelling, Die arztliche Aufklarung tiber die Qualitat der Behandlung, S. 25. Beispielhaft zur einschlagigen Rechtsprechung: B G H , Urteil v o m 1.2.1983, M e d R 1983, 109; A G Koln, Urteil v o m 6.6.1980, N J W 1980, 2756.
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D Besondere Verkehrspflichten
rung eine wichtige RoUe. Fiir die vorliegende Arbeit ist sie aber gleichsam ohne Bedeutung und im Lichte der Anfangeroperation hintanzustellen. cc) Selbstbestimmungsaufklarung Sie stellt die hier entscheidende und fiir die Einwilligung maBgebliche Form der Aufklarung dar, denn sie soil dem Patienten die notwendige Entscheidungsgrundlage fiir die Entscheidung iiber den Gebrauch des eigenen Selbstbestimmungsrechtes schaffen^"^^. Es lassen sich im wesentlichen drei Untergruppierung feststellen, die terminologisch an den Inhalt der jeweiligen Aufklarung angelehnt sind: man differenziert in diesem Zusammenhang zwischen der Diagnose-, Verlaufs- und Risikoaufklarung^"^^. Mittels der Diagnoseaufklarung^'^'^ soil der Patient uber seinen Befund unterrichtet werden, aber auch dariiber, wenn die Erstellung einer Diagnose, aus welchen Griinden auch immer, nicht moglich ist^"^^. Je nach Art der Erkrankung und individuellen Fahigkeiten des Patienten kann der Arzt die Hinweise zur festgestellten Diagnose relativ oberflachlich halten^"^^, und so beispielsweise die Diagnose einer Grippeerkrankung ohne weitere Hinweise pauschal vornehmen. Was mit dem Patienten geschehen wird, also Inhalt, Art, Umfang und Durchfiihrung des medizinischen Eingriffs soil im Rahmen der sog. Verlaufsaufklarung durch den Arzt vermittelt werden^^^. Davon erfasst sind beispielsweise auch die Folgen, wenn der Patient nicht in die Behandlung einwilligen wiirde^^^ Ebenso wie bei der
^"^^ Kerschbaum, Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 166; zum Umfang der Aufklarung im konkreten auch Bodenburg, NJW 1981, 601 (603) so wie Kaufrnann, Beweisproblematik im Arzthaftungsprozess, S. 32 ff ^"^^ Sehr ausfuhrlich zur Aufklarung und den verschiedenen Arten: Kerschbaum, Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 165 ff und Glatz, Der Arzt zwischen Aufklarung und Beratung, S. 236 ff ^^"^ Niifigens, in: RGRK § 823 Rn. 108, geht davon aus, dass die Diagnoseaufklarung im Rahmen der beiden anderen Aufklarungsformen inzident miterfolgt, da ohne Informationen uber den Befund eine Aufklarung Uber Verlauf und Risiko nicht moglich ware. Ebenso Kern/Laufs, Die arztliche Aufklamngspflicht, S. 53 ff; Laufs, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 640, Rn. 3. ^^^ Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. S. 69 f ^^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 204, lasst sogar eine Unterrichtung in „groben Zugen" ausreichen; vgl. zur Diagnoseaufklarung auch OLG Koln, VersR 1984, 1094 so wie Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 68 und Eisner, Aufklamngspflicht des Arztes, S. 63. 350 BGHZ 29, 43 (46); 29, 176 (181); VersR 1988, 493; Laufs, in: Laufs/UhlenbmcK Handbuch des Arztrechts, 11. Kap., § 63, Rn. 18. 35^ Fur den speziellen Fall der unterlassenen Impfung Deutsch, VersR 2003, 80If mit dem Hinweis auf Parallelen in den USA, wo man von Informed Refusal spricht, wenn sich der Patient dennoch weigert, eine Behandlung vornehmen zu lassen; O'NeiU Peperdine Law Review 1981, 1067; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 209. aus der Rspr.: BGH VersR 1992, 237; OLG Stuttgart VersR 1987, 391; OLG Munchen VersR 1988,
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht
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Diagnoseaufklarung kann der aufklarende Arzt auch in diesem Fall den Umfang der Information an Intelligenz, Vorbildung und Verstandnisvermogen des Patienten ausrichten^^^. Die Verlaufserklarung hat den Zweck, dem Patienten den entscheidenden tJberblick iiber den Eingriff zu geben, ohne auf jeden einzelnen Behandlungsschritt eingehen zu miissen^^^. Wesentlicher Bestandteil der Verlaufsaufklarung ist deshalb auch die Erfolgschance bzw. Erfolgssicherheit des Eingriffs. Mit den Erfolgs bzw, Nichterfolgsquoten eines arztlichen Eingriffs ist die Grenze zur dritten Form der Aufklarung, der Risikoaufklarung flieBend^^'*. Mit dieser Form der medizinischen Aufklarung^^^ soil dem Patienten ein Eindruck der moglichen mit dem Eingriff verbundenen Gefahren gegeben werden. Diese Unterrichtung muss nicht medizinisch exakt und unter Nennung aller denkbarer Erscheinungsformen erfolgen, sondern es wird bereits als ausreichend eingestuft, wenn der Patient sich iiber Schwere und Risikospektrum ein Bild machen kann^^^. Dabei miissen allerdings die Risikohaufigkeit und dessen Dichte unberiicksichtigt bleiben, d.h. der Arzt muss auch auf relativ seltene Komplikationen hinweisen ohne sie zu verharmlosen. Ansonsten kann dies zur Unwirksamkeit der Einwilligung fiihren^^^, weil der Arzt durch gezieltes Schweigen die Entscheidung des Patienten wesentlich beeinflussen konnte^^^.
b) Aufklarungspflicht uber Person bzw. Quallflkatlon des „Operateurs" In ihrer bekannten „abweichenden Meinung"^^^ zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts^^^ vom 25.7.1979 stellten die drei Verfassungsrichter Hirsch, 1156; LG Memmingen VersR 1981, 585; OLG Koln VersR 1996, 1021; OLG DiisseldorfVersR 1997, 1402. •^^•^ Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 69 unter Hinweis auf eine reichhaltige Rechtsprechung, vgl. v.a. Fn. 333. 353 BGHZ 90, 103; BGH VersR 1988, 493; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Kap. 11, § 63, Rn. 16; Wussow, VersR 2002, 1337 (1339). 35"^ Uber denflieBendenUbergang zwischen Verlaufs- und Risikoaufklarung: BGH NJW 1961, 261 f.; OLG Koln, VersR 1978, 551 f.; Ehlers, S. 69; Giesen/KlotK JZ 1991, 782 (783 f.); TempeU NJW 1980, 609 (613). 355 Statt aller vgl. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 11, § 64, Rn. 1 ff., der sich intensiv mit der Risikoaufklarung auseinandersetzt und ihr ein eigenes Kapitel widmet; instruktiv zur Risikoaufklarung und arztlicher Haftung, Miiller, in: Festschrift fur Karlmann Geiss, 461 (471 ff). 356 Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn 329 ff mit verschiedenen Bsp. aus der Rspr., exemplarisch B G H N J W 1992, 2352; Wussow, VersR 2002, 1337 (1339). 357 B G H VersR 1972, 153; 1982, 456. Vgl dazu auch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn 265, der wiederum die tibereinstimmende osterreichische Rechtsprechung aufzeigt. 358 Schelling, Die arztliche Aufklarung uber die Qualitat der Behandlung, S. 33. 359 Hirsch/Niebler/Steinberger, BVerfGE 52, 171 (176). 360 BVerfG, 25.7.1979, Az. 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131.
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D Besondere Verkehrspflichten
Niebler und Steinberger die Frage, ob nicht zumindest bei schwerwiegenden Eingriffen mit erheblichen Risiken eine Aufklarung iiber den konkreten Erfahrungsstand des Operateurs unter die Aufklarungspflicht fallt. Auch wenn diese Frage in dem vom Verfassungsgericht entschiedenen Fall noch offen blieb, gilt sie im folgenden dahingehend zu beantworten, inwieweit es im Hinblick auf den Einsatz des Bemfsanfangers im medizinischen AUtag der Aufklarung dariiber bedarf, welche Erfahrung der behandelnde Arzt hat, bzw. mit anderen Worten, ob es eine Aufklarungspflicht dariiber geben muss, dass die Behandlung von einem Anfanger vorgenommen wird. Die Person des Operateurs bzwi sein Kenntnis- und Erfahrungsstand konnten nach obigen Ausfuhrungen als ein Teil der Verlaufsaufklarung verstanden werden. Gegenstand der Verlaufsaufklarung ist die Durchfiihrung der bevorstehenden Behandlung zu der zwangslaufig auch die Person des (be-)handelnden Arztes selbst gehort. Seine Erfahrung spielt fiir die Art und Weise einer Behandlung eine entscheidende RoUe. Auf der anderen Seite erscheint es aber durchaus vertretbar, die Aufklarung liber den Arzt auch der Risikoaufklarung unterzuordnen. Im ersten Augenblick ist auch fiir den Laien der Einsatz eines unerfahrenen Arztes immer mit einem erhohten Risiko fiir den Patienten verbunden. Die mangelnde Erfahrung sowie die fehlende Praxis flihren ohne das Treffen besonderer Vorkehrungen, auf die im Folgenden noch gesondert einzugehen sein wird, stets zu einem erhohten Risiko. Folglich ware die Aufklarung iiber die Erfahrung des behandelnden Arztes eine Risikoaufklarung. Unabhangig davon, ob sie nun im Rahmen einer Verlaufs- oder einer Risikoaufklarung zu erfolgen hat, ist die entscheidende und sowohl fiir den Patienten als auch fiir den Arzt grundlegende Frage zu klaren, ob eine solche Aufklarung iiberhaupt stattzufmden hat. Eine Pflicht bedarf stets einer Grundlage, aus der sie sich ergibt. Auch eine Verpflichtung des Arztes zur Aufklarung kann also immer nur dann vorliegen, wenn es dafiir einen entsprechenden Grund gibt. Im vorliegenden Fall lassen sich zwei mogliche Grundlagen finden, die einer vertieften Auseinandersetzung bediirfen. Auf der einen Seite kann man die Notwendigkeit der Aufklarung in der vertraglichen Verpflichtung suchen, die zwischen Arzt und Patient zustande gekommen ist; auf der anderen Seite kann sich die Pflicht zur Aufklarung aber auch aus einem erhohten Risiko ergeben, das nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshof 361 stets zur Aufklarung zwingt. Die Aufklarungspflicht kann also als Teil des vertraglichen Pflichtprogramms erscheinen und bzw. oder als Voraussetzung der den Tatbestand des deliktischen Eingriffs rechtfertigenden Einwilligung^^^. aa) Vertragsabhangigkeit Wie bereits ausgefiihrt, werden im Rahmen der arztlichen Versorgung im Wesentlichen drei Vertragsarten unterschieden, der totale, der gespaltene und der totale 361 BGHZ 88, 248 (258) = NJW 1984, 655 = JZ 1984, 327 (330) = MedR 1984, 63 = VersR 1984, 66. 362 Muller-Grajf,
JuS 1985, 352 (355).
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht
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Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag^^^. Diesen Vertragen ist gemein, dass bei deren Abschluss beiden Parteien Haupt- und Nebenpflichten obliegen, die im Synallagma stehen. Wie bereits oben festgestellt wurde, wird der Arzt, auBer beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Wahlleistung oder etwa in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis, zu einer eigenhandigen Behandlung verpflichtet. Aufgrund der Erfahrung und Qualifikation werden solche Vertrage uber die personliche Leistungserbringung ausnahmslos mit dem Chef-, Ober- und Praxisarzt geschlossen. Dem Patient kommt es darauf an, von einem bestimmten Arzt behandelt zu werden, was auch vertraglich zum Ausdruck kommen soil. Er macht seine EinwilHgung also von der Behandlung durch einen bestimmten Arzt abhangig. Ein Abweichen ist dann nur moglich, wenn wirksame^^"^ Vertreterklauseln oder die Delegation Vertragsbestandteil geworden sind. Unter Hinweis auf das Erfordernis einer Arbeitsteilung kann ein Wechsel gleichsam nicht ohne Aufklarung erfolgen^^^. Dieser Grundsatz bedarf jedoch im Lichte der heute allgemein iiblichen Arbeitsteilung in Kliniken und Krankenhausern einer Einschrankung^^^. RegelmaBig wird keine Operation mehr in Zeiten von immer komplizierteren und spezialisierteren Eingriffen von weniger als sechs Personen durchgefiihrt, so dass der vertraglich vereinbarte Facharzt nicht alle Schritte selbst vornehmen kann und auch wird^^^. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es dann auch moglich, dass Anfanger zwar nicht selbstandig den Eingriff vornehmen, aber dennoch mitarbeiten; liber diesen Beitrag bedarf es dann aber keiner besonderen Aufklarung. Will man nun von dieser personlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt abweichen und nicht den vertraglich festgelegten Oberarzt bei der bevorstehenden Operation einsetzen, so ware dies vertragswidrig und mangels EinwilHgung rechtswidrig^^^. Um die Vertragswidrigkeit zu umgehen, miisste man konsequenter Weise den Patienten davon in Kenntnis setzten und sein Einverstandnis dazu einholen, dass ihn ein anderer Arzt behandeln wiirde. Soil dann dieser „andere" Arzt ein Berufsanfanger sein, miisste der Patient also iiber dessen Einsatz aufgeklart werden. Fiir die Frage der vertragliche Aufklarungspflicht hieBe das dann, dass im Falle eines vertraglichen Anspruchs auf einen bestimmten Arzt der Patient immer dann iiber den Einsatz eines unerfahrenen Assistenzarztes aufgeklart werden muss, wenn vertraglich die Behandlung durch einen Chef- bzw. Oberarzt vereinbart ^^j.369 pQj. ^QYi Kassenpatienten, der lediglich einen totalen Krankenhausvertrag
363 Ygj jjj^ Einzelnen die Ausfuhrungen zu § 3 II. 36^ Zur Frage der Wirksamkeit solcher Klauseln vgl. Spickhojf, NZS 2004, 57 ff ^^^ Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 216 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BOH, LM § 823 (Da) BOB Nr.8. 366 Ygj 2ur Arbeitsteilung auch die Ausfuhrungen in § 2 III. ^^^ Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 152; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch das Arztrechts, Kap. 17., § 101, Rn.l; ders., in: Jung/Schreiher, Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, S. 71 (78). 368 OLG Celle, Urteil vom 02.03.1981 - 1 U 22/80, NJW 1982, 706 f = VersR 1982, 46. Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 96. 369 So u.a. Gounalakis, N J W 1991, 2945 (2946).
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D Besondere Verkehrspflichten
ohne Arztzusatzvereinbarung abgeschlossen hat, besteht aber dennoch die Moglichkeit einer arztlichen Informationspflicht^'^^. Er kann ausdriicklich darauf hinweisen, dass seine Einwilligung vom Einsatz eines bestimmten Arztes abhangen wurde. Da er aber keine Anspruch auf einen bestimmten Arzt hat, lauft er dann Gefahr, im Fall einer Auswechslung des Arztes mangels entsprechender Einwilligung gar nicht behandelt zu werden. Das OLG Celle hat in einer Entscheidung^^^ aus dem Jahre 1981 dazu Stellung genommen und herausgestellt, dass bei einem totalen Krankenhausvertrag ohne Arztwahl die Wirksamkeit der Einwilligung nicht davon abhangt, ob liber die Person des Operateurs aufgeklart worden ist. In dem Fall war die Klagerin vom Chefarzt ambulant untersucht worden und nach Einlieferung ins Krankenhaus von einem in der Ausbildung befmdlichen Assistenzarzt an der Schilddriise operiert worden. Infolge des Eingriffs kam es zu einer linksseitigen Stimmbandlahmung, wegen der die Geschadigte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld klagte. Gestiitzt wurde die Klage darauf, dass die Operation mangels Aufklarung ohne wirksame Einwilligung vorgenommen worden sei. Das hat das Gericht abgelehnt und eindeutig dargestellt, dass die arztliche Mitteilungspflicht von dem zugrundeliegenden Vertragsverhaltnis abhangen wiirde, also bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Sondervereinbarung kein Anspruch auf das Tatigwerden eines gewiinschten Arztes bestehen wiirde^'^^. Infolgedessen miisse beim totalen Krankenhausvertrag ohne Arztzusatzvertrag und letztlich auch in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis keine Aufklarung iiber die Person des Operateurs erfolgen, wahrend bei gespaltenem und durch Zusatzvereinbarung erganztem Vertrag sowie einer Einzelarztpraxis eine solche im Fall des Abweichens vom urspriinglichen Arzt notwendig ware. Ahnlich urteilte das OLG Miinchen^'^^ in einem Fall, in dem ein Privatpatient ohne vorherige Unterrichtung nicht vom Chef der Anasthesie betaubt wurde sondern von einer Assistenzarztin. Wird ohne Zustimmung des Patienten ein anderer Arzt als der urspriinglich vereinbarte an HeilmaBnahmen in nicht unwesentlichem Umfang tatig, so stellt dies, von Notfallen einmal abgesehen, einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten dar und bedarf deshalb der rechtzeitigen Unterrichtung^'^'^. Diese im Augenblick sehr klare Schlussfolgerung bedarf allerdings der Erganzung. Zunachst ist fur diesen Fall eine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, als dass diese Art der Aufklarung nicht spezifisch auf den Berufsanfanger bezogen ist. Sie ergibt sich viel mehr fiir jeden Arzt, unabhangig von seiner Quali370 O L G Miinchen, Urteil vom 28.07.1983 - 1 U 1459/83, N J W 1984, 1412; Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 9 6 ; FranzkU D A B I . 1983, 94 (96).
371 OLG Celle, a.a.O. 372 Vgl. O L G Celle, a.a.O. 373 O L G Munchen, a.a.O. 37"^ So das O L G Munchen, a.a.O.; gleichsam fiir eine vertragsabhangige Aufklarungspflicht Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 9 5 ; Franzki, MedR 1984, 186 f.; ders. DABI. 1983, S. 94 ff
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fikation, Erfahrung und Reputation. Hat der Patient vertraglich die Behandlung durch den Chefarzt A bzw. dessen Team vereinbart, dann miisste er auch dann dartiber informiert werden, wenn er von Chefarzt B bzw. einem Arzt aus dessen Team behandelt wiirde. Dies gilt auch im Falle einer chirurgischen Gemeinschaftspraxis, die zum Beispiel auf dem Gebiet der Schonheitschirurgie tatig ist. Insoweit liegt also der Grund bzw. die Motivation der Aufklarung nicht in der Eigenart des unerfahrenen Jungarztes sondern ausschlieOlich darin, dass der Arzt nicht der vertraglich vereinbarte war. Mit anderen Worten ist hier zwischen der Aufklarung liber die Person des Operateurs und der Aufklarung iiber die Qualifikation des Operateurs zu unterscheiden. Es handelt sich um zwei verschiedene Gegenstande der Aufklarung, die nicht generalisierend vermengt werden diirfen. In der falschen Generalisierung liegt auch die Kritik von Deutsch, der das Urteil des OLG Celle scharf angreift^'^^: In Konsequenz ergibt sich, dass die Aufklarung im herkommlichen Sinne fur den Privatpatienten anders ausfalien miisste, als fiir den Kassenpatient. Wahrend der Kassenpatient in der Kegel einen einfachen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Sondervereinbarung abschlieBt, hat der Privatpatient immer einen Vertrag mit Arztwahl. Eine Aufklarung iiber den Anfangereinsatz wird dann aus vertraglichen Griinden beim Kassenpatienten nicht vorgenommen, so dass das Verhaltnis Arzt-Patient, das eigentlich fiir Kassen- und Privatpatient zivilrechtlich gleich gestaltet sein sollte^^^, zu einer Zweistufigkeit auch im rechtlichen Sinne verurteilt wird. Eine Losung dieser Aufspaltung lasst sich darin fmden, nicht eine generalisierende Anwendung vorzunehmen und im Bezug auf die vertraglichen Verpflichtung nicht von einer Aufklarung im Sinne der Selbstbestimmungsaufklarung zu sprechen, sondern eher im Sinne einer moglichen Vertragsgestaltung und dem Hinweis auf eine Anderung, da der vereinbarte Arzt nicht tatig werden kann. bb) Risikoabhangigkeit Die risikoabhangige Aufklarung findet entgegen der Aufklarung iiber die Person des Operateurs ihre Motivation in dem erhohten Risiko, das die Anfangereigenschaft eines Arztes mit sich bringt. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur hat man sich mit dem Problem intensiv auseinandergesetzt. (1) Die Entwicklung der Rechtsprechung Ausgangspunkt der Diskussion ist zunachst die Berufungsentscheidung des OLG Koln^'^'^, welche die Vorinstanz der Anfangeroperationsentscheidung des Bundesgerichtshofs war. Darin sieht es das Berufungsgericht noch als erforderlich an, den Patienten iiber die Anfangereigenschaft des Arztes aufzuklaren. Das Gericht geht davon aus, dass die gegebene Einwilligung unwirksam ist, weil der Patient nicht 375 So DeutscK N J W 1982, 2585 (2587), der mit dem Urteil des O L G Celle hart ins Gericht geht und es aus rechtspolitischer Sicht „bedenklich" und rechtsdogmatisch als „unbefriedigend" einstuft. 376 Vgl. §348IVRVO. 377 O L G Koln, VersR 1982, S. 453 f.
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D Besondere Verkehrspflichten
dariiber aufgeklart wurde, dass der operierende Arzt einen solchen oder vergleichbaren Eingriff noch nie bzw. erst ein- oder zweimal selbst durchgefiihrt habe. Gestiitzt auf die standige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs^'^^, dass ein erhohtes Risiko Inhalt und Umfang der Aufklarungspflicht bestimme^^^, argumentiert das OLG Koln, da der niedrigere Ausbildungsstand des Arztes das Operationsrisiko erhohe sei er zwangslaufig aufklarungspflichtig^^^. Der Patient miisse wissen, auf welche Risiken er sich einlasst, so dass der offensichtliche Mangel an Erfahrung, die fehlende Qualifikation also, einer strengen Offenbarungspflicht unterlieEs ist nachvollziehbar, dass die Kritik an dieser Entscheidung und ihrer tragenden Argumentation, v.a. von Seiten der Arzteschaft, sehr vehement ausfiel. Hauptkritikpunkt war dabei vor allem, dass der Arzt verpflichtet ware, den Patienten stets dariiber in Kenntnis zu setzen, dass es sich fur ihn um seine erste Operation handeln wiirde^^^ Diese missliche Lage, die nicht nur fiir den Arzt unangenehm ware, wiirde in besonderem MaBe ftir die Effektivitat der medizinischen Ausbildung eine wesentliche Beeintrachtigung darstellen. Ganz zu schweigen sei von der Lage des Patienten, der in dem Wissen, von einem Anfanger behandelt zu werden, noch mehr einer psychischen Belastung ausgesetzt sei, als er dies durch die bevorstehende Behandlung sowieso schon ware^^^. Auch wenn die Kritik zu Recht erfolgt ist, geht das OLG Koln aber einen richtigen Weg, es geht ihn nur nicht weit genug. Zuzustimmen ist der Entscheidung namlich in dem Gesichtspunkt, dass der Patient stets tiber ein erhohtes Risiko aufzuklaren ist^^^. Allerdings, und damit beschaftigt sich das Gericht im Unterschied zur Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs nicht, ist eine Losung auf anderem Wege wesentlich interessengerechter zu finden: Sorgt man namlich dafiir, dass sich das Risiko erst gar nicht erhoht, dann bedarf es auch keiner, fiir alle Seiten unangenehmen, Aufklarung iiber die Anfangereigenschaft. Diesen Gedanken legt der Bundesgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde und setzt gerade nicht an einer moglichen Erhohung des Operationsrisikos an. Vielmehr stellt das Gericht direkt auf den Eingriff selbst ab und sucht nicht eine 378 Vgl. BOH VersR 1971, 227 ff.; BOH, VersR 1981, 456 ff.; so auch in der Literatur, statt aller: RGRK-NUfigens, § 823, Anh. II Rn. 134. 3'^^ So auch damals bereits in der Literatur herrschende Ansicht, dass, die Risikoaufklarung vor Operationen auf besondere Einzelfallumstande zu erstrecken ist, die das Eingriffsrisiko erhohen, Deutsche NJW 1982, 2585 (2587); ders.: NJW 1984, 650 f 380 O L G Koln, a.a.O., 454.
381 Vgl. zu den Reaktionen auf das OLG Koln Urteil, Uhlenbmck, DMW 1982, 236 f.; Die Aufklarung wird allerdings seit jeher von der Arzteschaft kritisiert, da sie ihre Arbeit behindem wtirde, zur allgemeinen Kritik vgl. Rumler-DetzeU in: Festschrift fur Erwin Deutsch, 699 (700); Wachsmuth/Schreiber, NJW 1981, 1985 ff 382 M i t den gleichen Argumenten Gounalakis, N J W 1991, 2945, 2946; ahnlich auch Kerschbaum, Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 218. 383 So auch der B G H in seiner Revisionsentscheidung, N J W 1982, 6 5 5 ; in einem anderen Zusammenhang, i m Fall hygienischer Missstande in einem Krankenhaus, B G H N J W 1971, 241 und daran anknupfend das O L G Koln N J W 1978, 1960.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklamngspflicht
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Losung uber den Umweg der Aufkiarungspflichtverletzung. Die Pflichtverletzung, so der Bundesgerichtshof, konne dann nur ein VerstoB gegen die arztliche Sorgfaltspflicht sein, wenn ein unerfahrener Arzt in selbstandiger Ausfiihrung einen medizinischen Eingriff ohne entsprechende Aufsicht vornimmt^^'^. Konnen nun durch die Beachtung bestimmter Grundlagen die dem Anfangereingriff inharenten Gefahren minimiert werden, entsteht auch kein erhohtes Risiko, iiber das aufgeklart werden miisste. In seiner Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof verschiedene Voraussetzungen auf, die vorliegen miissen, wenn einem Anfanger ein medizinischer Eingriff zur selbstandigen Durchfiihrung ubertragen werden soil. Neben einem gewissen Grad an Vorbildung in Theorie und Praxis wird u.a. auch ein noch zu klarendes MaB an Aufsicht durch einen erfahrenen Arzt gefordert^^^. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss mangels erhohtem Risiko auch nicht mehr iiber die Anfangereigenschaft aufgeklart werden. AUerdings ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch nicht frei von Kritik. Leider hat sich der Senat in seiner ersten Entscheidung zur Anfangeroperation nicht in der wiinschenswerten Klarheit ausgedriickt und so nicht gerade zur Rechtssicherheit beigetragen: So bedient er sich in seinen Grunden unkonkreter Formulierungen^^^, dass etwa die Aufklarung nicht „ini Vordergrund" stehe, sondern „in erster Linie" ein VerstoB gegen die arztliche Sorgfaltspflicht vorliegen wiirde^^^. Damit lasst er Raum zur Auslegung und Spekulation und legt nicht eindeutig fest, ob und wann nun eine Aufkiarungspflichtverletzung doch entscheidend sein kann. Im Weiteren geht er auf den Fall einer iiberwachten Anfangeroperation gar nicht mehr ein, sondern auBert sich nur zur selbstandigen Ausfiihrung ohne Aufsicht^^l Seine Formulierung lasst aber den Schluss zu, dass a maiore ad minus eine Aufklarung bei der iiberwachten Aufklarung erst recht nicht notig ist, wenn sie bereits bei der uniiberwachten als nicht notwendig erachtet wird. In einer spateren Entscheidung, die auch eine Lymphknotenexstripation durch einen Berufsanfanger zum Gegenstand hatte, lasst der Bundesgerichtshof wiederum eine klarstellende Aussage vermissen^^^. In diesem Fall steht lediglich die Verletzung der Dokumentationspflicht im Vordergrund, die Aufklarung wird wieder
^^^ BGH, a.a.O, 655; Wunsch, Ablosung der Verschuldenshaftung im Arzt-PatientenVerhaltnis, S. 25, geht falschlicherweise dagegen in ihrer Dissertation noch von einer allgemeinen Tendenz aus, die Vorwerfbarkeit im Aufklamngsfehler zu sehen und spricht ihm als Klagegrund immer mehr Bedeutung zu. 385 Vgl. § 5 der Arbeit. 38^ Miiller-Graff, Jus 1985, 352 (357) spricht in seiner Rezension von abstrakten Begriffzuordnungen, hinter denen die Konsequenzen verborgen bleiben. 387 BGH, a.a.O., 656. 388 In Leitsatz 1 der Entscheidung stellt er nur klar, dass es sich bei der selbstandigen, also untiberwachten, Durchfuhrung durch einen nicht qualifizierten Anfanger um einen Behandlungsfehler handelt und unter dem Gesichtspunkt der Aufkiarungspflichtverletzung keine Ersatzanspniche begnindet werden. Kritisiert wird dies u.a. von RGRK-NuJ3gens, §823,Anh.IIRn. 135f. 389 B G H , N J W 1985, 2193 (2194).
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nur bedingt behandelt. Eine eindeutige Linie des Senates ware in diesem Zusammenhang durchaus wiinschenswert gewesen, da er auch in dieser Entscheidung eine Aufklarungspflicht liber die Anfangereigenschaft ablehnt, allerdings eine Aufklarung tiber risikoerhohende Umstande wie einen niedrigen Standard in Ausbildung und Erfahrung der behandelnden Arzte fordert^^^. Inzwischen hat sich allerdings die Entscheidung des Bundesgerichtshof zur Aufklarungspflicht insoweit gefestigt, als dass eine Aufklarung bei einer iiberwachten Anfangeroperation nicht verpflichtend ist. Verschiedene Gerichte haben die Argumentation ubernommen, verfeinert und auch auf andere Gebiete erweitert^^i (2) Literatur Noch vor der Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs 1983 hatte sich Uhlenbruck zur Berufungsentscheidung des OLG Koln geauBert und klargestellt, dass es die Pflicht eines jeden Operateurs sei, selbst auf seine Unerfahrenheit hinzuweisen, was zur bereits erwahnten Kritik von Seiten der Arzteschaft gefiihrt hat^^^. Die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs wurde dann in der Literatur zwar kritisch aber im Ergebnis positiv und mit einem spiirbaren Aufatmen aufgenommen. Vor allem unmittelbar nach der Veroffentlichung des Urteils sah sich die Entscheidung einer Vielzahl von Rezensionen ausgesetzt. In seiner kurzen Zusammenfassung pflichtet u.a. Deutsch^^^ dem Bundesgerichtshof bei, dass der Hinweis auf die Tatsache der bevorstehenden Anfangeroperation selbst im Interesse des Patienten nicht erfolgen solle, da seine psychische Verfassung sonst nicht auf die Mitwirkung zur Therapie ausgerichtet sei^^^. Franzki^^^ der sich ausfiihrlich mit der Entscheidung befasst, befurwortet gleichsam die Abkehr von der Aufklarungspflicht im Hinblick auf eine Erhaltung einer effektiven Medizinalausbildung. Er geht dabei sogar soweit, dass er postuliert, ein Restrisiko in Kauf zu nehmen, um nicht die „Nachwuchsausbildung zum Erliegen" zu bringen^^^. Frei390 BOH, NJW 1984, 655 (656); kritisiert auch von Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 220. 39^ Eine Ubersicht der neueren Rechtsprechung zur Aufklarung im Zusammenhang mit dem Einsatz von Anfanger findet sich bei Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 254. 392 Uhlenbmck, D M W 1981, 1630 (1632); nach der enormen Kritik von Seiten der Arzteschaft sah sich Uhlenbmck interessanter Weise genotigt, in D M W 1982, 235 ff, klarstellend die aufgebrachten Gemuter dadurch zu besanftigen, dass er sowohl auf die Besonderheiten dieses Einzelfalls u n d den beschrankten Anwendungsbereich des Urteils hinwies. 393 DeutscK N J W 1984, 6 5 0 ; resumierend formuHert er „so ware alles wieder i m Lot*', 6 5 1 ; ahnlich auch Hiersche, M e d R 1983, 53 (54). 394 S o auch Gounalakis, N J W 1991, 2945 (2946); Fahrenhorst, M e d R 1991, 173 (177); a.A. O L G Koln, VersR 1972, 453. 395 FranzkU M e d R 1984, 186ff; daran ankniipfend auch Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 217 ff 396 Auch Emmerich stellt in seiner Rezension d i e Ausbildungsnotwendigkeit der jungen Arzte als Hauptargument gegen die Aufklarungspflicht, JuS 1984, 556 f.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht
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lich geht diese Aussage ein bisschen weit und wird von Schelling^^^ zu Recht kritisiert. Letzterer fiihrt es auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zuriick, dass er selbstandig dariiber entscheiden konnen muss, ob er ein Risiko eingeht oder nicht. Schelling halt es deshalb auch nicht fiir lebensfremd und dem Patienten eher dienlich, die Aufklarung iiber den Ausbildungsstand zu fordern. Jedoch lasst er bei seiner ICritik auBer Acht, dass Franzki seine These zum Restrisiko auch wieder einschrankt, indem er es zur Aufgabe der Rechtsprechung macht, besagtes Restrisiko verantwortungsbewusst zu minimieren und unter dieser Pramisse eine sinnvoUe Ausbildung zu ermoglichen^^^. Ahnlich argumentiert auch Gounalakis, indem er das Wohl des Patienten in den Vordergrund stellt, dem im Interesse der Ausbildung keine zusatzlichen Risiken aufgebiirdet werden diirfen^^^. Jedoch differenziert er in diesem Zusammenhang ausdriicklich zwischen der Risikoaufklarung und der vertraglich motivierten Aufklarungspflicht iiber die Person des Operateurs"^^^. Giesen"^^^ bezeichnet die Entscheidung des Bundesgerichtshof als ein „grundlegendes, hilfreiches, umsichtiges und weiterfiihrendes Urteil". Hinsichtlich der Frage nach der Aufklarungspflicht vertritt er aber die Ansicht, der Leitsatz des Bundesgerichtshofs sei missverstandlich formuliert. Die Risiken mangelnder arztlicher Qualifikation soUten nicht ganz aus dem Bereich der Aufklarungspflicht genommen werden, sondern nur fiir den Fall der beaufsichtigten Anfangeroperation. Dem ist insoweit beizupflichten, denn liegen die geforderten Voraussetzungen fiir den Erstlingseingriff nicht vor, erhoht sich zwangslaufig das Risiko. Aus dieser Erhohung resultiert dann auch wieder eine Aufklarungspflicht. Muller-Grajf^^ greift diesen Gedanken gleichsam in seiner Rezension der Entscheidung auf und bemangelt ebenfalls, dass in dieser Hinsicht scheinbar die „iiberwachte Anfangermitwirkung" mit der selbstandigen Anfangeroperation vermengt wiirde und so die Frage nach der Aufklarung bei einer beaufsichtigten Operation durch den Anfanger nicht ausdriicklich entschieden werde. Aus diesem Grund differenziert er ausdriicklich zwischen den beiden Alternativen und lehnt eine Aufklarungspflicht fiir die beaufsichtigte Anfangeroperation ab. Eine solche Differenzierung nimmt auch Weissauer vor^^^^ und verneint eine Aufklarungspflicht, wenn sich der Anfanger „im Schoss der Abteilung" befmdet und es zu keiner Risikoerhohung wegen einer angemessenen Beaufsichtigung kommt. Kleinwefers^^"^ ist gleichsam dieser Ansicht und argumentiert weiter damit, dass es die Arzteschaft iiberfordern ^^^ Schelling, Die arztliche Aufklarung iiber die Qualitat der Behandlung, S. 119. 398 Franzki, a,a.O, S. 186. 399 Gounalakis, NJW 1991,2945 (2946). 400 Y g j Insoweit auf die obigen Ausfuhrungen zur vertragsabhangigen Aufklarung, in denen auch auf die Argumentation von Gounalakis Bezug genommen wird.
401 G/^5^n,JZ1984, 331ff. "^02 Siehe die ausfiihrliche Auseinandersetzung mit der Aufklarung Muller-Graff, Jus 1985, 352 (357). "^o^ Weissauer, in: Arztliche Aufklarung, S. 59 (63). 404 Kleinwefers, VersR 1981, 99 (102).
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D Besondere Verkehrspflichten
wiirde, wenn sie stets iiber ihren Erfahrungsstand aufklaren miisste. SchlieBlich sei auch der Erfahrungsstand keine Gewahr flir eine sorgfaltigere Behandlung als durch weniger lang tatige Arzte'^^^. (3) Fragerecht des Patienten Trotz der genannten Voraussetzungen und einzuhaltenden Besonderheiten bei einem Erstlingseingriff, gehen kritische Stimmen"^^^ weiterhin von einer Beeintrachtigung des Selbstbestimmungsrechtes aus. Dem wird jedoch ein weiteres Argument entgegen gehalten, das dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten zur Durchsetzung verhilft. Auch wenn der Patient nicht iiber die Anfangereigenschaft aufgeklart zu werden braucht, hat er immer noch die Moglichkeit und vor allem das Recht, nach dem behandelnden Arzt und dessen Erfahrung zu fragen"^^^. Immer wenn der Patient sich namlich direkt an den Arzt mit einer Frage wendet, dann ist dieser verpflichtet, ihm wahrheitsgemaB zu antworten"^^^. Dies gilt vor allem auch dann, wenn der Gegenstand der Frage gar nicht zu den aufklarungspflichtigen Punkten gehort"^^^, also vorliegend der Erfahrungsstand des behandelnden Arztes. In Folge dessen hat der Patient die Moglichkeit, durch konkrete Fragen den Umfang der Aufklarung wesentlich mitzubestimmen"^^^ und ihn so auf den Ausbildungsstand des Arztes zu erweitern. Je konkreter sich der Patient also nach seinem Arzt erkundigt, desto genauer muss er auch dariiber informiert werden'^^^ Mit dem entsprechenden Kenntnisstand steht es dem Patienten dann offen, seine Einwilligung von der Person des Operateurs abhangig zu machen und so sein Selbstbestimmungsrecht voUends zu verwirklichen'^^^. Gerade flir den Kassenpatienten ohne vertraglichen Anspruch auf einen bestimmten Arzt und der damit fehlenden vertraglichen Aufklarungspflicht steht durch das Fragerecht die Moglichkeit offen, sich entsprechend zu informieren.
"^^^ Ahnlich Bonhoejfer, in: Arztliche Aufklarungspflicht, S. 51 ff, aus der Sicht der Arzte. ^^^ U.a. betont Laufs, Arztrecht, Rn 211, Rn 465, dass sich diese Anonymitat nicht mit der Wiirde des Kranken vereinbaren lasse. 407 Muller-Graff, JuS 1985, 352 (358). "^^^ Das Bundesverfassungsgericht spricht von einer Rechtspflicht des Arztes, iiber die Grenzen hinaus eine umfassendere und genauere Aufklarung zu geben, wenn dies vom Patienten verlangt werde, BVerfG, 25.7.1979, Az. 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131(167); standige Rechtsprechung: BGHZ 102, 17 (27); BGH, NJW 1980, 633 (635); BGH, NJW 1982, 2121 (2122); MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 717; MiiKoBGB-Mertens, § 832, Rn 423, 3. Aufl.; Staudinger-Hager, § 823, Rn. 196. "^^ Zur Beantwortungspflicht siehe auch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 217; Schaffer, VersR 1993, 1458 (1462); MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 717. 410 B G H N J W 1987, 2923; Schelling, Die arztliche Aufklarung iiber die Qualitat der Behandlung, S. 25; MviY.oBGB-Wagner, 4. Aufl. § 823, Rn. 716. 411 Ehlers, Die arztliche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 96 f; Friedrich, VersR 1954, 380 (382); Laufs, Gmndlagen und Reichweite der arztlichen Aufklarungspflicht, 71 (87ff). 412 OLG Celle, VersR 1982, 46 f; Kleinewefers, VersR 1981, 9 9 f
I. Mogliche Erweitemng der Aufklarungspflicht
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cc) Bewertung Die Aufklarungspflicht iiber den Erfahrungsstand der Medizinalperson abzulehnen erscheint konsequent und ist auch zu befiirworten. Rechtsprechung und Literatur sehen sich dabei dem Problem ausgesetzt, auf der einen Seite das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht zu beeintrachtigen"^^^, aber auf der anderen Seite gleichzeitig auch die Medizinausbildung nicht auf das Abstellgleis der Uneffektivitat zu schieben. Das Selbstbestimmungsrecht kann nur dann sinnvoll ausgeiibt werden, wenn der Patient weiB, worauf er sich mit seiner Einwilligung einlasst. Andererseits wird durch erhohte Anforderungen an die Aufklarung zum einen der Patient zusatzlich psychisch belastet und zum anderen die Zukunft einer qualifizierten Arzteschaft sowie damit verbunden der Volksgesundheit'^^'^ gefahrdet. In letzter Konsequenz wiirde es keine erfahrenen Arzte mehr geben, weil schlieBlich jeder Patient einer Behandlung durch einen Anfanger die Einwilligung verweigern wiirde. Zwar ist es durchaus moglich, dass es Patienten gibt, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Zustimmung zu einer Operation durch den Berufsanfanger erteilen wUrden, soweit sie wissen, dass ein Facharzt jeden Schritt des Anfangers uberwacht und bei Eintritt einer Komplikation sofort das Ruder bzw. Skalpell wieder selbst in die Hand nehmen kann'^^^. Allerdings diirfte deren Anzahl verschwindend gering sein. Somit muss im Rahmen einer verantwortungsvollen Abwagung festgestellt werden, inwieweit das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Ausbildung dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im konkreten Fall der Anfangeroperation vorangestellt werden kann. Dieser notwendige, aber schwer zu bewerkstelligende Spagat zwischen Individual- und AUgemeininteresse zeigt sich bereits in den ungenauen Formulierungen der Rechtsprechung und in der kontroversen Diskussion iiber Risiko und Selbstbestimmungsrecht. Pauschal eine Aufklarung um der Ausbildung Willen abzulehnen, fiir die Falle, in denen ein Anfanger beteiligt ist, ware genauso falsch wie eine pauschale Aufklarungspflicht*^^ um des Selbstbestimmungsrechtes Willen. Es bedarf in diesem Zusammenhang einer genauen Differenzierung'^^'^ zwischen der iiberwachten und der uniiberwachten medizinischen Behandlung durch einen unerfahrenen Arzt.
^^^ So spricht das Bundesverfassungsgericht davon, dass es sich bei der Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten schlieBlich um einen wesentlichen Teil des arztlichen Aufgabenbereiches handelt, BVerfGE 52, 131 (170). "^^^ Die Volksgesundheit als besonders wichtiges und absolutes Gut der Gemeinschaft, BVerfG, BVerfGE 25, 247. ^^^ Schwab/Gramer/Krieglstein, Rechtliche Grundlagen der arztlichen Aufklarungspflicht, S. 42; UhlenbrucK DMW 1981, 1630 (1631). 416 So wie z.B. OLG Koln, VersR 1982, 453 f 417 Gleichsam fur eine differenzierende Betrachtung: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 91 ff; RGRK-NUSgens, § 823, Anh. II Rn. 136 f; MuKoBGB-M^r^^n^, § 823, Rn. 432; UhlenhrucK DMW 1982, 235 (236f).
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Eine unliberwachte Operation durch einen Anfanger stellt einen Behandlungsfehler dar^^^. Wiirde man diesbeziiglich eine Aufklarung fordern"^^^, wiirde sich ein bizarres Bild ergeben: Der Patient mtisste dann in einen solchen Behandlungsfehler einwilligen. Dies ist nicht moglich. Das Risiko eines uniiberwachten Anfangereingriffs ist in diesem Fall so groB, dass die Zustimmung, die der Behandlung durch diese ungeeignete Person erteilt wird, stets unwirksam sein muss'^^^. Es lage eine nicht zu legitimierende Pflichtverletzung vor"^^^. Abgesehen von Notsituationen"^^^, in denen ein sofortiges Eingreifen zwingend erforderlich und das Zuwarten auf einen Facharzt nicht mehr zumutbar ist, muss ein unbeaufsichtigter Erstlingseingriff von vornherein unterbleiben. Zur Frage nach einer Aufklarung dariiber kommt es gar nicht mehr. Das Risiko erreicht eine insoweit unkalkulierbare Stufe, dass das Allgemeininteresse nicht das Interesse des Einzelnen iiberwiegen kann. Auf der anderen Seite bleibt dann noch die Anfangeroperation unter entsprechender Aufsicht. Eine Aufklarung iiber diese Konstellation erscheint nicht sinnvoll und gleichsam nicht notwendig. Neben den vom Bundesgerichtshof aufgestellten und zwischenzeitlich noch weiter konkretisierten Voraussetzungen fuhren namlich noch weitere berucksichtigungsfahige Aspekte dazu, dass alleine die Anfangerbeteiligung zu keinem erhohten Risiko fiihrt. Zunachst darf nicht auBer Acht gelassen werden, dass ein Anfanger in der Regel sorgfaltiger als ein erfahrener Arzt arbeitet, da er bei seinen ersten medizinischen Eingriffen besonders auf eine korrekte Vorgehensweise achtet"^^^. Dies bestatigt auch eine Untersuchung in GroBbritannien, in der bei 50 Herzchirurgen mit unterschiedlichem Erfahrungsstand die jeweiligen Behandlungserfolge empirisch analysiert worden waren: zwar verringerte sich die Fehlerquote bei den jungen Arzte innerhalb der ersten vier Ausbildungsjahre von 2,2 % auf 1,2 %. Allerdings war die Haufigkeit eines letalen Behandlungsfehlers bei den Anfangern im Gesamtvergleich zwischen Jungund Altarzten nicht hoher, so dass im Ergebnis festgehalten werden konnte, dass sich das Risiko die Waage halt zwischen der Behandlung durch einen established surgeon (erfahrenen Chirurgen) und einen newly appointed consultant (gerade
"^^^ Einen VerstoB gegen die gebotene arztliche Sorgfaltspflicht konstatieren u.a. BOH NJW 1984, 655 (656f.); 1985, 2193; 1992, 1560 (1561); OLG Oldenburg, NJW 1998, 1381 (1382). 419 So u.a. Nufigens, in: R G R K § 823, Anh. II Rn. 136. 420 Vgl. B G H N J W 1993, 2989 (2991), anders noch in N J W 1980, 2751 (2753); DeutscK N J W 1982, 2585 (2587); Muller-Grajf, Jus 1985, 352 (357); a.A. Weissauer, in: Arztliche Aufklarung, S. 59 (63), der eine Aufklarungspflicht fur die Falle einer unuberwachten Anfangerbehandlung fordert. 421 MviKoBGQ-Wagner, 4 . Aufl., § 823, Rn. 677. 422 V o n medizinischen Notfallen sprechen in diesem Zusammenhang B G H N J W 1982, 2121 f; O L G Miinchen, V e r s R 1992, 876f.; Ehlers, Die arzthche Aufklarung vor medizinischen Eingriffen, S. 78; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 9 8 ; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 218. 423 Vgl. DeutscK N J W 1982, 2 5 8 5 (2587).
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zum Facharzt ernannten Arzt)'^^'*. Auf ein vergleichbares Ergebnis weist auch Pichlmaier hin, der sich auf eine bessere Statistik bei den Auszubildenden als bei den Facharzten im Bereich der Chirurgie beruft"^^^. Zu einem vergleichbaren Ergebnis in diesem Zusammenhang kann die erworbene Routine zu einem Verlust an Aufmerksamkeit und Genauigkeit in der Vorgehensweise fiihren, da der langjahrig tatige Arzt sich leichtfertig auf seine Erfahrung verlasst"^^^. Zudem spielt in einigen Fallen die Komponente Alter eine weitere RoUe. Die im Regelfall jiingeren Anfanger verfiigen meist noch iiber eine bessere korperliche Konstitution, die ihnen, vor allem bei langeren Eingriffen, zum Vorteil gereicht und eine hohere Belastung ohne Konzentrationsverlust zulasst. Zwar mogen die kritischen Stimmen'^^'^, die dennoch fiir eine Aufklarungspflicht pladieren, nicht ganz unrecht haben; vor allem, wenn sie darauf abstellen, dass ein, wenn auch nur minimales, Restrisiko bleibt und dieses auch im Hinblick auf die effektive Ausbildung nicht hingenommen werden diirfe. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten darf selbstredend in diesem Zusammenhang nicht vernachlassigt werden. Jedoch, und das betont der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung besonders, sollen weder Ausbildungs- noch Qualifikationsinteressen der beteiligten Arzte oder Personalengpasse den Vorrang vor dem Wohl der Patienten haben diirfen^^^. Unter Beachtung dieser Pramisse kann eine Einschrankung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten nicht mehr stattfinden, da sein Wohl die Richtschnur des arztlichen Handelns bildet. Vor allem, wenn man die zusatzliche Moglichkeit mit in die Betrachtung einbezieht, dass es dem Patient unbenommen ist, sich jederzeit durch gezielte Fragen iiber den behandelnden Arzt zu informieren^^^. Zusammenfassend lasst sich somit festhalten, dass das Risiko bei einer ordnungsgemaB iiberwachten Anfangeroperation nicht wesentlich hoher einzuschatzen ist, als bei einer Operation durch einen Routinier. Die liberwachte Operation des unerfahrenen Mediziners stellt keinen in der Weise gefahrerhohenden Umstand dar, der einer gesonderten und ausdriicklichen Aufklarung iiber den Erfahrungsstand des Arztes notwendig machf^^^. Anders natiirlich immer dann, wenn
^'^^ Untersuchung a m South Manchester University Hospital von Ben Bridgewater u n d KoUegen uber 18913 Herzpatienten zwischen 1997 und 2003 unter Behandlung von ca. 50 Herzchimrgen mit unterschiedlicher Berufserfahrung, in: British Medical Journal (BMJ) 2004, online-Ausgabe, doi:10.1136^mj.38173.577697.55. "^^^ Pichlmaier, in: Nagel/Fuchs, Leitlinien und Standards, S. 114 ff. 426 Y g j Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 218. ^^'^ Vgl. statt aller Laufs, Arztrechts, R n 2 1 1 , R n 4 6 5 ; Schelling, Die arztliche Aufklarung uber die Qualitat der Behandlung, S. 119. 428 B G H , a.a.O, 656; auch Giesen, J Z 1984, 331. 429 Siehe die obigen Ausfuhrungen in § 4 1 . 2. 43^ I m Ergebnis Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, R n 161; Jansen, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940 Rn. 4 u n d 15; hingewiesen sei auch auf Schlund, M e d R 1994, 190, der fur den Bereich gynakologischer Operationen eine Aufklarungsliste auf stellt, in der die Qualifikation des Arztes keine Erwahnung mehr findet.
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die oben genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Dann libersteigt das Risiko wieder eine aufklarungspflichtige Grenze. Eine im Zweifel verbleibende Beeintrachtigung des Selbstbestimmungsrechts kann dahinstehen, da dem Patienten einerseits stets ein aktives Fragerecht iiber den Arzt und seine Qualifikation zur Seite steht. Andererseits ist in einer abwagenden Wertung davon auszugehen, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer quaiifizierten Gesundheitsfiirsorge durch erfahrene Arzte das Selbstbestimmungsrecht des Patienten immer dann tiberwiegt, wenn mangels Risiko ohnehin kein Aufklarungsbedurfnis besteht. Es darf nicht vergessen werden, dass der Patient auch ohne Aufklarungspflicht nicht schutzlos gestellt ist. Wie bereits zu Anfang der Diskussion angedeutet wurde, wird eine haftungsrechtlich relevante Schutzwirkung durch die Qualifikation als Behandlungsfehler erreicht, die vollkommen unabhangig von einer Aufklarung eingreifen kann.
II. ^Negative Ubernahmepflicht'' - Ubernahmeverschulden Der zunachst etwas befremdlich anmutende Begriff der „negativen Ubernahmepflicht des Anfangers" resultiert zwangslaufig aus einer Begriffsbestimmung, die der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung"^^* fiir die Anfangeroperation gepragt hat, namlich dem sog. „Ubernahmeverschulden". Das tJbernahmeverschulden, auf das im Laufe dieser Arbeit noch vertieft einzugehen sein wird, stellt einen Behandlungsfehler dar, der letztlich auf einer Pflichtverletzung des Anfangers basiert. Wenn man nun davon ausgeht, dass beispielsweise bei einem Organisationsverschulden ein VerstoB gegen eine Organisationspflicht vorliegt, miisste konsequenter Weise einem Ubernahmeverschulden auch ein VerstoB gegen die Ubernahmepflicht zugrunde liegen. Gegenstand dieser Pflicht ist nach allgemeiner Meinung die Ubernahme einer Behandlung'^^^. Ihre Verletzung miisste dann konsequenter Weise in der Nichtiibernahme bestehen, was allerdings bei einem Anfanger gerade nicht der Fall ist. Er hat schlieBlich eine Behandlung ubernommen und dabei ist es dann zu einem Fehler gekommen. Seine Pflicht besteht demnach vielmehr darin, zunachst zu prlifen, ob er eine bestimmte Behandlung uberhaupt iibernehmen kann und falls er dies nicht kann, die Behandlung sogar abzulehnen und an einen anderen Arzt zu tiberweisen. Als Beispiel sei hier der Internist genannt, der im Falle des Verdachts auf einen Blindarmdurchbruch verpflichtet ist, einen Chirurgen zu Rate zu ziehen"^^^. In Konsequenz dessen handelt es sich also eher um ein Ubernahmeverbot, also eine negative tJbernahmepflicht oder eine Pflicht zur Nichtiibernahme. Diese verkorpert, um der Pflichtenterminologie treu zu bleiben, die Priifungs- und Uberweisungspflicht des Anfangers, wie sie von ei431 BGHZ88,248. "^^^ Vgl. dazu ausfiihrlich Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 14 ff; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 43, Kap. 8, Rn. 1 m.w.N. 433 OLG Dusseldorf, VersR 2004, 1563.
11. „Negative Ubemahmepflicht" - Ubemahmeverschulden
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nigen Autoren, die sich gleichsam nur bedingt mit der Terminologie des Ubernahmeverschuldens anfreunden konnten, zutreffend bezeichnet wird"^^^. Andererseits kann man die tJbernahmepflicht bzw. tJbernahmeverantwortung'^^^ auch dahingehend definieren, dass es sich dabei um die Pflicht handelt, eine Behandlung nur dann zu iibernehmen, wenn man dazu auch aufgrund hinreichender allgemeiner und fachlicher Kenntnisse geeignet ist"^^^. Dann wiirde es auch eine Verletzung der Ubernahmepflicht und somit ein Ubemahmeverschulden darstellen, wenn der junge Arzt eine Behandlung durchftihrt, ohne dafiir geeignet zu sein. Entscheidend fiir die Qualitat einer Behandlung ist aber in jedem Fall der Wissens- und Erfahrungsstand eines Arztes. Auch bei dem Anfanger hangt die Art und Weise seiner Tatigkeit davon ab, was er bereits gelernt und gesehen hat. Die Ausbildung zum Arzt beginnt mit dem universitaren Studium der Medizin. Dabei werden, wie bereits ausftihrlich dargestellt wurde'^^'^, zunachst theoretische Kenntnisse vermittelt, die beispielsweise von der Anatomie liber die Biochemie bis hin zu Pharmakologie und Hygiene reichen. Erst wenn ein bestimmtes Ma6 an theoretischem Wissen erreicht ist, werden auch praktische Tatigkeiten mit einbezogen^^^. Dabei richtet sich der Anspruch und Schwierigkeitsgrad der erlaubten, vornehmbaren Handlung stets nach dem theoretischen und praktischen Wissensstand des Anfangers. Jeder Anfanger muss sich dessen bewusst sein, dass er nur dann eine Behandlung iibernehmen darf, wenn er ihr auch gewachsen ist. So ist zu Beginn im Rahmen der Famulatur die Tatigkeit von der Durchftihrung einer Anamnese und Blutabnehmen gepragt, wahrend im Praktischen Jahr bereits ein wesentlich breiteres Spektrum an medizinischen Handlungen vorgenommen werden darf und soil. Es bedarf bei jeder neuen Behandlungsubernahme einer neuen Priifung, zu welcher der junge Arzt verpflichtet ist.
1. Prufungs- und Uberweisungspflicht Jedem Arzt obliegt die Pflicht, bevor er eine Behandlung iibernimmt, zu prtifen, ob die bei ihm bereits vorliegenden Kenntnisse und Fahigkeiten ausreichen, die bevorstehende Behandlung vorzunehmen und den erforderlichen Standard zu
^^^ Giesen, JZ 1982, 345 (349 f) spricht in diesem Zusammenhang von der sog. Priifungspflicht eines jeden Arztes; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516) greift bei der Begriffsbildung auf die Folge der Priifung zuriick und spricht von einer Uberweisungspflicht; auch Weyers/Mirtsching, JuS 1980, 317 (319), stellen in diesem Zusammenhang fest, dass es sich bei dem Ubemahmeverschulden um die negative Bezeichnung verschiedener Pflichten handelt. ^^^ So Qtwdi Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, S. 173. 436 Fehn, MID 2002, S. 1 ff "^^"^ Vgl. die Ausfiihrung in § 2 II. 1. a). "^^^ Zum Gang der Ausbildung vgl. Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A52 ff; so wie Hespeler/Kiintzel, in: Rieger Lexikon des Arztrechts, Kz. 5490, Rn. 1 ff
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D Besondere Verkehrspflichten
erbringen"^^^. Dabei muss er sowohl fachliche Griinde wie zum Beispiel fehlende Fachkenntnisse als auch korperliche und situationsbedingte Umstande mit in die Abwagung einbeziehen, ob er konkret in der Lage ist, den Patienten standardgerecht zu versorgen und eine dem Facharztstandard entsprechende Behandlung zu gewahrleisten"^^. Korperliche Griinde sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Miidigkeit, Uberarbeitung, Kopfschmerzen oder einfach eine fehlende Konzentrationsfahigkeit'^'^^ Fiihrt schon einer dieser Griinde dazu, dass die bevorstehende Behandlung nicht ordnungsgemaB durchgefiihrt werden konnte, dann ist der Arzt verpflichtet, die Behandlung nicht durchzufuhren und sie an einen Kollegen abzugeben, der entweder korperlich voU einsatzfahig ist oder eben iiber bessere fachliche Kenntnisse fiir die konkrete Behandlung verfugt. Als Beispiel sie hier die Behandlung eines komplizierten Handgelenksbruchs genannt, die der Allgemeinarzt auf dem Dorf an einen Facharzt fiir Handchirurgie abgeben sollte, wenn dies unter den gegebenen Umstanden moglich ist. Dieses Priifen und gegebenenfalls auch tJbergeben oder Uberweisen an einen Kollegen hat in diesem Zusammenhang zu der Begriffsbildung der sog. Priifungspflicht oder LFberweisungspflicht gefiihrt'^'^^. Das Gegenstiick zur Uberweisungspflicht, also das Ubernahmeverbot der Behandlung war die Grundlage fiir das sog. Ubernahmeverschulden, dessen sich der Arzt dann haftbar macht, wenn er eine Behandlung iibernimmt, obwohl er nach ordnungsgemaBer Priifung zu einer tjberweisung hatte kommen miissen'^'^^. Diese Pflicht zur inneren Priifung und Einschatzung, ob die geforderten Anspriiche auch erfUllt werden konnen, gilt nicht nur fiir Arzte, sondern ist auch im Bereich von Krankenhausern und Praxen anerkannt. Auch ein Krankenhaus, respektive dessen Organe miissen natiirlich priifen, ob sie sowohl personell als auch
439 Giesen, JZ 1982, 345 (349 f.); Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516); Weyers/Mirtsching, JuS 1980, 317 (319). ^0 Allgemein, als nicht speziell auf den Anfanger bezogen, BOH, BGHZ 102, 17; BGH, NJW 1989, 2321; OLG Celle, VersR 1988, 159; OLG Hamm, VersR 1989, 706; in der LiiQYaituY Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 160; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 8, § 43, Rn. 2; Rilmelin, Die Haftung im klinischen Betrieb, S. 12 f "^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 160; a.A. scheinbar Law/5, Arztrecht, Rn. 483, der beim Ubernahmeverschulden lediglich vom Fehlen der fachlichen Kompetenz spricht, korperliche Schwachen aber nicht erwahnt. ^'^ Giesen, JZ 1982, 345 (349 f.) spricht in diesem Zusammenhang von der sog. Priifungspflicht eines jeden Arztes; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516) greift bei der Begriffsbildung auf die Folge der Priifung zuruck und spricht von einer Uberweisungspflicht; Weyers/Mirtsching, JuS 1980, 317 (319), stellen in diesem Zusammenhang fest, dass es sich bei dem Ubernahmeverschulden um die negative Bezeichnung verschiedener Pflichten handelt. "^^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 160; Rilmelin, Die Haftung im klinischen Betrieb, S, 12 f; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 8., § 43, Rn. 1 ff
II. „Negative Ubemahmepflicht" - Ubemahmeverschulden
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apparativ in der Lage sind, den neuen Patienten standardkonform zu behandeln'^^^. tJbernehmen sie dennoch die Behandlung, obwohl es erkennbar nicht moglich ist, die medizinische Versorgung durchzufiihren, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlich gewesen ware, dann verstoBt auch das Krankenhaus bzw. dessen Trager gegen diese Pflicht und macht sich eines Ubernahmeverschuldens haftbar"^"^^. Darauf aufbauend ist zum Schutz des Patienten gerade auch eine erhohte Prtifungspflicht des jungen Arztes zu fordern. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung"^"^^ zur Anfangeroperation festgehalten, dass auch der junge Arzt vor der Ubernahme einer Behandlung zu priifen hat, ob der Patient durch die von ihm eigenverantwortlich durchgeftihrte Operation einem hoheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt wird. Dabei hat er allerdings sehr streng vorzugehen und muss gegebenenfalls auch die LFbernahme einer Behandlung ablehnen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass er ihr noch nicht gewachsen ist, Es muss aus der Sicht eines jeden jungen Arztes mit dem Ausbildungsstand dieses Anfangers erkennbar sein, dass sein theoretischer Wissens- und praktischer Erfahrungsstand ftir die Ubernahme der Behandlung und deren standardgemaBe Durchflihrung nicht ausreichend ist"^^"^. Durch eine besondere Selbstkritik hat der junge Arzt deshalb stets sein Konnen zu hinterfragen und fehlende Kenntnisse und Erfahrung durch entsprechende Fragen an seinen Ausbilder auszugleichen"^^^. Diese Pflicht geht sogar soweit, dass der Anfanger auch trotz drohender beruflicher Nachteile eine Behandlung gegen den Willen seiner Vorgesetzen abzulehnen und an einen anderen Arzt zu iibergeben hat, wenn er nach kritischer Beurteilung seiner Fahigkeiten im Hinblick auf die Ubertragene Behandlung zu dem Entschluss kommt, dieser nicht gewachsen zu sein"^^^. Diese Konsequenz ergibt sich in erster Linie aus der Abwagung von Patientenschutz und den beruflichen Interessen des jungen Arztes, die hinter der Gesundheit des Patienten zuriicktreten miissen. Gerade der Berufsanfanger, so der Senat in einer anderen Entscheidung zur Anfangerhaftung, muss besonders selbstkritisch gegentiber seinen Fahigkeiten sein und darf nicht gedankenlos am Behandlungsplan festhalten und so durch fehlende Umsicht oder ein „vorschnelles Unterdriicken von Zweifeln" den Patienten lebensbedrohlichen Gefahren aussetzen"^^^. 4^^ Zum Ubemahmeverschulden von Krankenhaus und Praxis BOH, NJW 1989, 2321; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 73; Gehrlein, Leitfaden der Arzthaftpflicht, Rn. B 10 f.; Grofi, ArztHcher Standard, S. 4 f.; Kullmann, VersR 1997, 529 (530 f.); Rumler-Detzel, VersR 1998, 546 (547 i.).Walter, Der Facharztstandard, S. 4. 4^5 So BOH, VersR 1988, 179 (181); BGH, NJW 1994, 1596; ein vertieftes Eingehen auf die Haftung wegen des sog. Ubemahmeverschuldens erfolgt in § 5 III. 2. der Arbeit. 446 447 448 449
B G H , N J W 1984, 6 5 5 . S o bereits B G H , N J W 1984, 655 (657). Deutsch/Spickhojf, MtdizmvQchuRn. 161. B G H , N J W 1984, 655 (657); Carstensen, in: Referate, S. 15 (17); Matusche-Beckmann, D a s Organisationsverschulden, S. 173; Muller-Graff, JuS 1985, 3 5 2 (358). 450 B G H , N J W 1988, 2 2 9 8 , 3000.
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D Besondere Verkehrspflichten
Um den jungen Arzt aber auch in solchen Situationen nicht vollkommen schutzlos seinem Ausbildungsschicksal zu iiberlassen, hat man hier auf der anderen Seite gewisse Mechanismen entwickelt, die es dem Anfanger erlauben, sich hinsichtlich seines Haftungsrisikos abzusichern. So kann er sich darauf verlassen und verletzt insoweit auch nicht seine negative Ubernahmepflicht, wenn er seine Vorgehensweise im Vorfeld genau mit seinem Ausbilder bzw. dem Oberarzt abgesprochen hat und es zum Schaden trotz eines besprechungskonformen Verhaltens gekommen ist"^^^. Allerdings reicht es nicht aus, dass der junge Arzt von seinem Ausbilder lediglich fiir eine bestimmte Operation eingeteilt war; bei der schlichten Einteilung stehen namlich die konkreten Umstande und das AusmaB der vorzunehmenden medizinischen MaBnahmen noch gar nicht in dem Umfang fest, als dass sie eine genaue Abschatzung zulieBen, ob der Anfanger dafiir bereits geeignet ist oder nicht. Nur weil ein Anfanger im taglichen Behandlungsplan flir einen bestimmten Operationssaal eingeteilt ist, bedeutet das demnach nicht, dass ihn der einteilenden Oberarzt von vornherein fiir die kommenden medizinischen MaBnahmen geeignet halt; dafiir, dass sich der junge Arzt in haftungsbefreiender Weise darauf verlassen kann, bedarf es noch der Beriicksichtigung besonderer Umstande'*^^. Erst wenn die Behandlungssituation konkret absehbar ist, kann sich der junge Arzt mit seinem Ausbilder absprechen und dadurch eine mogliche Pflichtverletzung vermeiden. Dadurch, dass er sich mit dem aufsichtsfiihrenden Arzt abspricht, liegt die Verantwortlichkeit des medizinischen Vorgehens nicht mehr in seiner Hand^^^. Eine Pflichtverletzung des Anfanger scheidet auch dann aus, wenn er zwar erst wahrend einer schwierigen Operationssituation feststellt, dass er den Komplikationen nicht gewachsen ist, er aber dann unverzuglich seinen Oberarzt beizieht und dieser seine Vorgehensweise bestatigt"^^"^. Hierauf muss sich ein noch unerfahrener Arzt verlassen konnen und darf nicht fur eine Fehleinschatzung der erfahreneren Kollegen zur Verantwortung gezogen werden. Stellt der Anfanger jedoch fest, dass der Rat des erfahrenen Kollegen sachlich unzutreffend ist, muss er dem nicht folgen, sondern ist insoweit verpflichtet, sachgerecht davon abzuweichen"^^^. Insbesondere darf er in solchen Fallen letztlich auch darauf vertrauen, dass der Kliniktrager organisatorische MaBnahmen getroffen hat, die beim Auftreten von Komplikation die fehlende Erfahrung des Anfangers neutralisie-
451 BGH, B G H Z 88, 248 (260); OLG Koln, VersR 1993, 1157; OLG Dusseldorf, VersR 1991, 694; OLG Hamm, VersR 1998, 104. 452 So das O L G Zweibrucken, N J W E - V H R 1998, 186 (187) bei einem Arzt in der gynakologisch-geburtshelferischenFacharztausbildung. 453 O L G Zweibnicken, N J W E - V H R 1997, 161; OLG Zweibrucken, N J W E - V H R 1998, 186; ahnlich auch das OLG Koln, VersR 1993, 1197. 454 So in einer Entscheidung des O L G Munchens, in welcher ein Oberarzt seinem Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt die von diesem getroffene Diagnose bestatigt hatte, OLG Miinchen, VersR 1993, 1400. 455 O L G Celle, VersR 1984,444.
II. „Negative Ubemahmepflicht" - Ubemahmeverschulden
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ren"^^^. Ein Vertrauen des jungen Arztes scheidet nur dann aus, wenn sich ftir den Anfanger erkennbare Umstande ergeben, die ein solches Vertrauen nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen lassen"^^^. Dies ware beispielsweise der Fall, wenn sich bei der Einteilung des Anfangers zunachst keine Schwierigkeiten offenbaren, allerdings dann in der Person des Patienten liegenden Komplikationen auftreten, die ein Fortsetzen der Behandlung ausschlieBen. Demnach kann man vorliegend von einer Pflicht des Anfangers zur kritischen Selbstkontrolle sprechen, die bei Zweifeln auch durch Rticksprache mit dem jeweils vorgesetzten Kollegen gleichsam erflillt werden kann.
2. Inhaltliche Anforderungen Nachdem der junge Arzt in selbstkritischer Form seine Fahigkeiten zu priifen und mit der bevorstehenden Behandlung gegenliberzustellen hat, stellt sich ftir ihn allerdings die Frage, wie seine Kenntnisse und Fahigkeiten bereits ausgestaltet sein mlissen, um die Behandlung vornehmen zu dtirfen. Fur den Anfanger gelten zunachst die gleichen Anforderungen wie fur den erfahrenen Facharzt. Die Zielsetzung ist, dass jeder Arzt bei der Ubernahme einer Behandlung in der Lage sein muss, den Eingriff zuverlassig durchftihren zu konnen. Insbesondere korperliche Beeintrachtigungen wie Krankheit, Sucht, Mlidigkeit, Altersschwache oder sonstige korperliche Gebrechen diirfen insoweit den Erfolg nicht beeintrachtigen und das Behandlungsrisiko erhohen"^^^. Klare Worte findet in diesem Zusammenhang auch das LG Frankfurt"^^^, das von jedem Arzt verlangt, seine korperliche Konstitution zu iiberpriifen und ihr Rechnung zu tragen. Daneben ist jedoch entscheidend, wie hoch der jeweilige Ausbildungsstand des Arztes bzw. angehenden Arztes sein muss, damit er einen praktischen Eingriff, respektive also eine Operation vornehmen kann, ohne den Patienten zu gefahrden. Mit dieser Frage hat sich auch der Bundesgerichtshof^^^ auseinander gesetzt und gefordert, dass der Arzt einen „erforderlichen Ausbildungsstand" aufweisen muss. Jedoch, so stellt der Senat fest, lassen sich keine generellen Verhaltensregeln aufstellen, etwa zu Art und Anzahl der vorangegangenen Assistenzen. Die oben genannten Anforderungsdefinitionen oder wohl besser Umschreibungen verdeutlichen zwar das Ziel, das mit ihnen erreicht werden soil, namlich ein Eingriff unter hohem Standard und niedrigem Risiko zu gewahrleisten. AUerdings stellen sie keine, zur Rechtssicherheit beitragende, klare Definition derselben dar. Es ist ^^^ U.a. durch einen entsprechenden Ruf- oder Hintergrunddienst; vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487; ders., MedR 1994, 490; Baur, MedR 1995, 192; OLG Frankfurt, MedR 1995, 328. 457 BGH, NJW 1994, 3008. ^^^ Dazu: Uhlenbmck, in: Laufs/Uhlenbmck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 8, § 43, Rn.2. 459 LG Frankfurt, VersR 1982, 237. 460 Vgl. dazu BGH, NJW 1987, 1479 mit Anm. Deutsch bzw. JZ 1987, 877 mit Anmerkung Giesen.
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D Besondere Verkehrspflichten
demnach klarungsbediirftig, wann der „erforderliche", „umfassende" bzw. „ausreichende Ausbildungsstand" erreicht ist. Im Rahmen einer Priifung sind zwei Bereiche zu unterscheiden, denen jeweils ein entsprechender MaBstab zugrunde zu legen ist. Wie auf alien Ausbildungsgebieten gilt es auch hier die Kenntnisse in Theorie sowie in deren praktischer Anwendung differenziert zu untersuchen. a) Theoretisches Wissen In der Theorie ist es relativ einfach, den vom Anfanger zu erwartenden Standard festzulegen. Da die Grundlage seines Studiums und der Hauptzeitanteil sowie die Prlifungen in Physikum, 1. und 2. Staatsexamen lediglich theoretischer Natur sind, kann und muss bei einem Ersteingriff das voile, dafiir erforderliche theoretische Wissen vorhanden sein. Fehlen dem Anfanger noch theoretische Aspekte, ist es unverantwortlich, ihn in diesem Bereich bereits praktisch einzusetzen. Vergleichbar ist diese Situation mit einem Fahrschiiler, der schlieBlich ohne theoretische Kenntnisse iiber die Bedienung eines Autos nicht im offentlichen Verkehrsraum fahren kann und darf. Werden von erfahrenen Arzten Kenntnisse zur neuesten Literatur"^^^ sowie zu einschlagigen Lehrmeinungen"^^^ gefordert, so muss dies erst recht flir den Anfanger gelten"^^^. SchlieBlich ist er durch die zeitliche Nahe zur universitaren Ausbildung im Hinblick auf wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Entwicklung meist wesentlich besser unterrichtet als ein Arzt in der Praxis, der nur bedingt die Zeit aufbringen kann, sich neben seiner praktischen Tatigkeit auch noch theoretisch fortzubilden und auf dem Laufenden zu halten. b) Praktische Erfahrungen Im Hinblick auf die praktischen Erfahrungen erweist es sich als weitaus schwieriger, einen klaren AnforderungsmaBstab fiir den Anfanger festzulegen, da Begriffe wie Erfahrung oder der erforderliche Ausbildungsstand eine subjektiv-individuelle Pragung aufweisen und so einer greifbaren Definition nur bedingt zuganglich sind. Ein Anforderungstableau fiir den praktischen Ausbildungsstand, der fiir eine Anfangeroperation erforderlich sein soil, lasst sich deshalb nur begrenzt erstellen. aa) Grundlegende Abgrenzungskriterien Vereinfacht wird die Suche nach einem greifbaren Anforderungsprofil, indem man zunachst festlegt, was mit den Eigenschaften, die vom Anfanger gefordert werden, erreicht werden soil. Das anvisierte Ziel muss ein medizinischer Eingriff sein, der trotz der Beteiligung eines Anfangers ohne ein zusatzliches Risiko fiir den Patienten vorgenommen werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn das Wissen des Operateurs so umfassend ist, dass es moglich wird, zunachst noch unter Auf-
^^^ Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Kap. 8, § 43, Rn. 4. 462 BGHZ 72, 132; BGH NJW 1983, 333. "^63 Im Ergebnis auch Soergel-Zeuner, § 823, Rn. 164, insbesondere Fn. 47.
II. „Negative Ubernahmepflicht" - Ubernahmeverschulden
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sicht eines erfahrenen Arztes, den geschuldeten'*^ Standard zu erbringen"^^^. Bei dieser Aussage zeigt sich bereits ein erstes Differenzierungskriterium: 1st die Operation iiberwacht oder nicht? Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Aufklarung wurde schon dahingehend differenziert, ob der Anfanger alleine handelt oder ob er in Begleitung eines erfahrenen Arztes den Eingriff vornimmt. Auch wenn sich mit der Frage nach der Aufsicht im nachsten Kapitel eine vertiefte Auseinandersetzung anschlieBt"^^^, so ist dieser Umstand bereits auch hier von Bedeutung. Die an den Anfanger zu stellenden Anforderungen sind namlich wesentlich hoher anzusetzen, wenn er ohne Aufsicht handelt als wenn ein routinierter Oberarzt jederzeit eingriffsbereit hinter ihm steht. Soil der Anfanger einen Eingriff vollkommen alleine durchflihren konnen, dann muss er bereits so gute Fahigkeiten erworben haben, dass es einer Risikokompensation durch den ausbildenden Arzt in Form eine Aufsicht nicht mehr bedarf^^^. Er muss somit schon iiber eine fortgeschrittene Erfahrung verfiigen, wobei sich dann die Frage stellt, ob man in diesem Fall noch von einer Anfangeroperation in diesem Sinne sprechen kann. Unabhangig davon lasst sich aber als erstes festhalten, dass die Anforderungen strenger sind, wenn der junge Arzt ohne Aufsicht eine Operation vornehmen soil. Ein zweites Differenzierungskriterium liegt in der Art des Eingriffs selbst. Die Anforderungen an die praktischen Fahigkeiten mlissen flexibel sein und sich namlich an den Schwierigkeitsgrad der vorzunehmenden Behandlung anpassen'^^l D.h., je komplexer sich ein Eingriff gestaltet, um so hoher sind zwangslaufig die Fahigkeiten anzusetzen, die man ftir dessen Vornahme benotigt"^^^. Fur die Durchfiihrung einer schwierigen Operation mtissen demzufolge vorher bereits mehrere einfache Operationen zuverlassig durchgefiihrt worden sein"^^^. Beispielsweise im Bereich der Neurochirurgie sind Operationen denkbar, die so komplex sind, dass bereits der kleinste Fehler zu weitreichenden Konsequenzen friihen kann'^''^ Ohne entsprechende Vorkenntnisse und LFbung ist ein solcher Eingriff nicht durchfuhrbar. Andererseits bedarf es bei einer einfachen Operation keiner besonderen Er"^^ Der geschuldete Standard, auch fur die Anfangeroperation ist der sog. Facharztstandard. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Facharztstandard fmdet sich § 5 II. ^•65 BGH, NJW 1994, 3008 (3009). "^^^ Zur Aufsichtspflicht im Einzelnen vgl. das nachste Kapitel, § 4 IV 1. "^^^ Insofem ist aber zunachst an eine Lockerung der Aufsicht zu denken, bevor davon ganz abgesehen wird, OLG Dusseldorf, NJW 1994, 1598f; MuKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn 401; Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 247; Staudinger-Hager, § 823, Rn. 133. ^^^ So bereits Muller-Graff, JuS 1985, 352 (358), der auf den individuellen Ausbildungsstand des Assistenzarztes im Verglich zum Schwierigkeitsgrad der Operation abstellt. "^^^ So u.a. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161 unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Oldenburg, MedR 2000, 424: darin war das Legen eines ZVK (Zentralvenenkatheder) durch einen Assistenzarzt kein Fall einer Anfangeroperation mehr. '•^o So bspw. OLG Koblenz, MedR 1991, 35 (37). '^'^^ So Franzki, MedR 1984,186 und Schelling, Die arztliche Aufklarung iiber die Qualitat der Behandlung, S. 119. im Zusammenhang mit der Aufsichtspflicht, dazu vertiefte Ausfuhrungen in § 5 II.
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D Besondere Verkehrspflichten
fahrung, so dass in diesem Falle erhohte Anforderungen nicht notwendig sind und fur die Ausbildung kontraproduktiv waren. Es lasst sich also festhalten, dass auch nach dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad des Eingriffs die Anforderungen an die Fahigkeiten proportional steigen. bb) Negativabgrenzung Fiir die nahere Bestimmung der Anforderungen kann weiterhin mittels einer Negativabgrenzung ein grober Rahmen abgesteckt werden. Zunachst muss der Anfanger nicht bereits alle Techniken beherrschen und im richtigen Augenblick anzuwenden verstehen. Dies sind Erfahrungswerte, die erst durch Ubung zu erlangen sind, so dass es ans Unmogliche grenzt und lebensfremd ist, dies schon beim Ersteingriff zu verlangen'^^^. Allerdings ist auf der anderen Seite die Forderung einleuchtend, dass der Anfanger wenigstens schon einmal an einem solchen Eingriff teilgenommen haben muss'^'^^. Die Vornahme einer Behandlung kann schlieBlich nur dann ordnungsgemaB vonstatten gehen, wenn der betreffende Arzt die Vorgehensweise nicht nur theoretisch kennt, sondern bereits am lebenden Objekt gesehen hat, wie sich welche Handlung auswirkt und welche Reaktionen sie nach sich zieht. Insoweit sind die sprichwortlichen Unterschiede zwischen Theorie und Praxis enorm, so dass vorherige Teilnahmen zwingend erforderlich sind. cc) Das Stufenmodell - schrittweise Annaherung Die oben geforderten Teilnahmen bediirfen einer weiteren Konkretisierung, vor allem im Hinblick darauf, inwieweit der Anfanger dabei in die Behandlung eingebunden ist. Vertretbar erscheint es, den Anfanger im Wege eines Stufenmodells"^^^ an die selbstandige Vornahme eines medizinischen Eingriffs heranzufiihren, was, je nach Schwere des Eingriffs, entsprechend ausfiihrlich und intensiv ausfalien muss. An diesem Stufenmodell sollte der Anfanger sich dann auch orientieren, wenn es darum geht, ob er die bevorstehende medizinische MaBnahme vornehmen kann oder nicht. Zunachst sollte der junge Arzt lediglich in der Rolle eines Beobachters teilnehmen und sich dabei die entsprechenden Schritte erlautern lassen. Arztliche Aufgaben sollten in dieser Phase weitgehend ausgeschlossen sein. In einer zweite Stufe sollte er zunachst als zweiter, dann als erster Assistent in den Eingriff integriert werden, allerdings ohne die Kompetenz zu eigenstandigem Handeln. Dabei sind zunachst einzelne kleine Verrichtungen, mit zunehmender Erfahrung auch komplexere Behandlungsablaufe durchzufiihren. Erst in der dritten Ebene darf er selbstandig den Eingriff unter Aufsicht eines erfahrenen Arztes vornehmen, stets abhangig von Kenntnissen und Fahigkeit. Die vierte und letzte ^''^ So bereits der BGH, VersR 1985, 782, der feststellt, „Bei ihm (dem Anfanger) ist es nicht selbstverstandlich, da6 er von vomherein die medizinisch richtige und ubliche Operationstechnik anwendet und beherrscht." ^''^ Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80; Mards/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 17. ^^^ Auch fur die schrittweise Heranfuhrung des Anfangers sprechen sich aus: BGHZ 88, 248, 254; NJW 1992, 1560 (1561); OLG Koblenz, MedR 1991, 35 (37); StaudingerHager, § 823, Rn. I 33; Jansen, in: Rieger: Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940 Rn. 15.
II. „Negative Ubemahmepflicht" - Ubemahmeverschulden
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Stufe ist dann das eigenstandige, unbeaufsichtigte Operieren, bei dem in der Kegel nicht mehr von einem Anfangerhandeln die Rede sein kann'*^^ In dieses System eingebettet ist der bereits erwahnte ansteigende Schwierigkeitsgrad der Eingriffe, beginnend mit einfachen Behandlungen bis bin zur komplexen Operation. Konnen dann bei dieser schrittweisen Fortbildung die Zuverlassigkeit und ein praktischer Fortschritt festgestellt werden, ist an eine selbstandige Durchfiihrung zu denken"^^^. Unter Zugrundelegung dieser gestaffelten Heranfiihrung an die selbstandige Durchfiihrung der ersten „eigenen" Operation kann man durchaus von einem sorgfaltig ausgebildeten Anfanger sprechen, wie er iibereinstimmend gefordert wird"^^^.
3. Zusammenfassung Unter Zugrundelegung obiger Ausftihrungen lassen sich flir den Anfanger die folgenden Anforderungen festhalten, die er prlifen muss und die ihn dann gegebenenfalls an der tJbernahme einer Behandlung hindern wlirden. In theoretischer Hinsicht muss der angehende Arzt ftir die konkrete Behandlung voll ausgebildet sein. Dabei miissen neben den Grundlagen auch neue Erkenntnisse der Wissenschaft im Kenntnisstand vorhanden sein. Im Bezug auf die praktischen Anforderungen hat sich die Aussage des Bundesgerichtshofs bestatigt, dass sich grundsatzlich keine generellen Regeln aufstellen lassen. Vielmehr sind die Fahigkeiten stets an den konkreten Einzelfall anzupassen, wobei sich dennoch bestimmte Rahmenbedingungen festhalten lassen: zunachst sind die Anforderungen, denen der junge Arzt geniigen muss, der Schwere des Eingriffs anzupassen. Dabei spielt es auch eine Rolle, ob der Arzt uberwacht ist oder nicht. Weiterhin ist es auf der einen Seite nicht notig, dass der Anfanger die zu tibernehmende Behandlung umfassend beherrscht, denn diese soil er schlieBlich erst erlernen. Auf der anderen Seite muss er jedoch bereits an der Behandlung schon einmal teilgenommen haben, bevor er selbst tatig wird. Dabei sollte er den Umfang der Teilnahme schrittweise erweitern und die Anforderungen dadurch erhoht werden. Kommt der Anfanger allerdings bei der Priifung seiner Fahigkeiten zu dem Ergebnis, dass er der bevorstehenden Behandlung nicht gewachsen ist, dann hat er die Pflicht, diese nicht zu iibernehmen.
^^^ Zu diesem Stufenmodell, FranzkU MedR 1984, S. 186.; gleichsam, allerdings ftir den Bereich der Anasthesie Opderbecke/Weifiauer, Anasthesiologie und Intensivmedizin, S. 4.; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 204; auch der BGH fordert in diesem Zusammenhang eine schrittweise Heranftihrung des Arztes, BGH NJW 1992, 1560 (1561). ^^6 Vgl. OLG Koblenz, NJW 1991, 2967 (2968); PflUgler, Krankenhaushaftung, S. 133 spricht von einem reziproken Stufenverhaltnis. '^^'^ So bspw. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 218.
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D Besondere Verkehrspflichten
III. Erhohte Dokumentationspflicht Nach der Auseinandersetzung mit der notwendigen Qualifikation des Anfangers und den Aufsichts- bzw. Organisationspflichten wendet sich die Arbeit mit dem folgenden Abschnitt einer weiteren Voraussetzung zu, die der Bundesgerichtshof kurz nach seiner Leitentscheidung 1983'^'^^ im Jahr 1985'^'^^ aufgestellt hat, namUch der erhohten Dokumentationspflicht^^^^. Ohne der Diskussion vorgreifen zu woUen, ist der Sinn und Zweck einer solchen Pflicht dem ersten Anschein nach in der Beweiserleichterung"^^^ zu finden. Eine vertiefte Auseinandersetzung zeigt aber, dass das primare Ziel in medizinischen Erwagungen liegt"^^^. Aus diesem Grund wiirde eine Behandlung dieser Thematik lediglich im Kapitel iiber die Beweislage die Besonderheiten der Dokumentationspflicht vernachlassigen, so dass eine eigene Darstellung im Rahmen der besonderen Pflichten erfolgen soil.
1. Allgemeine Grundsatze Es stellt nicht nur ein Spezifikum der Anfangeroperation dar, dass ein Arzt seine Diagnose- und TherapiemaBnahmen festhalten muss"^^^. Ganz im Gegenteil ist sowohl in Rechtsprechung"^^"^ als auch in Literatur"^^^ anerkannt, dass fiir den gesam-
478 B O H , Urteil v o m 27.9.1983 - V I Z R 230/81, B G H Z 88,248 = N J W 1984, 6 5 5 = J Z 1984, 327. 479 B G H , Urteil vom 7.5.1985 - V I Z R 224/83, N J W 1985 2193 = VersR 7 8 2 = M e d R 1986, 39. 480 Grundlegend zur arztlichen Dokumentation sind die Arbeiten von: Wendty Die arztliche Dokumentation, sowie Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung. 481 Vgl. dazu Grofi, in: Festschrift fiir Karlmann Geiss, S. 429 ff 482 MuKoBGB-Wagn^r, 4. Aufl., § 823, Rn. 740. 483 Eine ausfuhrliche Literaturubersicht zur arztlichen Dokumentationspflicht im allgemeinen Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 59, Kap. 10, vor Rn.l. 484 Vor der Leitentscheidung aus dem Jahre 1978, BGH, N J W 1978, 2337 ff = BGHZ 72, 132 ff = VersR 1978, 1022 ff wurde die Dokumentation der Arzte lediglich als bloBe „Gedachtnisstutze" qualifiziert, vgl. BGH, VersR 1963, 168; B G H JZ 1963, 369; vgl dazu auch Ortner/Geis, MedR 1997, 337; seit 1978 allerdings standige Rechtsprechung: exemplarisch BGHZ 99, 391= BGH, NJW 1987, 1482; BGH NJW 1989, 2330; BGH, N J W 1994, 799; OLG Koln, VersR 1994, 1424; OLG Dusseldorf, ArztR 1996, 160. 485 Bender, VersR 1997, 918, spricht in diesem Zusammenhang davon, dass m a n fruher von der Dokumentation als „ausgelagerten Teil des arztlichen Gehims'* sprechen konnte; Bockelmann, in: Festschrift fiir Hans Heinrich Jeschek, Bd. 1, S. 6 9 3 ; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 137; MuKoEGB/Wagner, § 823, Rn. 738; Nufigens, in: Festschrift fiir Karlheinz Boujong, S. 8 3 1 ; OpderbeckeAVeissauer, M e d R 1984, 2 1 1 ; Peter, N J W 1988, 7 5 1 ; Schmid, N J W 1987, 6 8 1 ; Staudinger/Hager,
III. Erhohte Dokumentationspflicht
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ten Bereich der medizinischen Patientenversorgung eine allgemeine Dokumentationspflicht besteht. Inzwischen wurde sie gesetzlich normiert*^^ und fiir besondere Sachverhalte sogar speziell^^"^ geregelt. Die Dokumentationspflicht stellt im Verhaltnis Arzt-Patient keine Hauptpflicht, sondern lediglich eine Nebenpflicht*^^ dar. Deren Verletzung schafft somit nicht eine eigene Haftungsgrundlage bzw. einen „dritten Haftungsweg""^^^, sondern kann lediglich zu einer Beweiserleichterung fuhren^^o. Die Grundlage fiir diese Pflicht ist umstritten"^^^. So kann man darauf abstellen, dass ihre Grundlage im Behandlungsverhaltnis zu finden sei, welches in der Kegel vertraglich begriindet ist. AUerdings, so die Gegenansicht, ist dies nicht zwingend erforderlich'^^2, um zu einer Dokumentationspflicht zu gelangen. Diese konne auch schon dann gegeben sein, wenn der Arzt die medizinische Behandlung iibernommen hat, also beispielsweise auch im Falle eines Notfalleinsatzes. Fiir die vorliegende Arbeit ist die Klarung des Rechtsgrundes der Dokumentationspflicht aber nicht erforderlich, da dies auf die anfangerspezifischen Anforderungen keine Auswirkungen hat. Entscheidend fiir die weitere Diskussion ist vielmehr der Sinn und Zweck der Dokumentation, was also mit einer ordnungsgemaBen Aufzeich§ 823, Rn. I 70; Steffen/Dressler, Rn. 455; Strohmaier, VersR 1998, 416; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, § 59, Kap. 10. m.w.N., v.a. in Fn.2. ^^^ § 10 der Musterberufsordnung fur die deutschen Arztinnen und Arzte (Stand 2004): „Arztinnen und Arzte haben uber die in Ausiibung seines Bemfes gemachten Feststellungen und getroffenen MaBnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Diese sind nicht nur Gedachtnisstiitzen fiir die Arztin oder den Arzt, sie dienen auch dem Interesse der Patientin oder des Patienten an einer ordnungsgemaBen Dokumentation.". Aktueller Text auf: http://www.bundesaerztekammer.de/30/Bemfsordnung/Mbopdf.pdf "^^"^ Vgl. z.B. § 43 StrSchVO; § 29 Abs. R6V0 sowie zahlreiche Kammergesetze der Lander; dazu Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 59, Kap. 10., Rn. 3 und Beispiele in Fn. 8. 488 B G H , VersR 1982, 1193; B G H , VersR 1986, 788; B G H , VersR 1987, 1089; Heilmann, N J W 1990, 1513 (1516); Hohloch, N J W 1982, 2577 (2578), der dabei zwischen der Dokumentationspflicht u n d d e m Recht auf Dokumentation differenziert; R G R K Nufigens, § 823, Rn. 260; Strohmaier, VersR 1991, 416. 489 Steffen, ZVersWiss 1990, 31 (41). 49^ S o stellt dies der B G H , VersR 1989, 8 0 ausfuhrhch in seiner Entscheidung dar, in der eine zu spat durchgefiihrte Schnittentbindung, die zu himorganischen Schaden gefuhrt hatte, nicht hinreichend dokumentiert worden war; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht,
Rn. 456 f 49^ Zum Uberblick vgl. Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 37 ff 49^ Die Grundlage ist im Detail umstritten, neben den hier aufgefiihrten Grundlagen wird auch das Personlichkeitsrecht des Patienten genannt, aus dem eine solche Pflicht flieBen konnte, BGHZ 106, 146.Letztlich bedarf dieser Streit aber keiner Entscheidung, da die Rechtsfolgen unabhangig von der rechtlichen Grundlage die gleichen sind, RGRKNufigens, § 823 Anh. II, Rn. 320; zum Ganzen vgl, RGKY^-Anders/Gehle, § 611, Rn. 334.
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D Besondere Verkehrspflichten
nung der medizinischen MaBnahmen erreicht werden soil. Dabei lassen sich im wesentlichen zwei Grundtendenzen ausmachen. Dem ersten Anschein nach scheint das Ziel einer ordnungsgemaBen Dokumentation in der Beweiserleichterung und Beweissicherung'^^^ fiir einen moglichen spateren Prozess zu liegen, wobei auch in diesem Zusammenhang der oben bereits angesprochene Begriff der Waffengleichheit auftaucht'^^'^. So wird von einer vorprozessualen, berufsstandischen Pflicht zur Schaffung von Beweismitteln gesprochen'^^^ Es soil mit der Aufzeichnung der arztlichen Tatigkeit dem Patienten im Falle eines Fehlers eine Beweisfiihrung ermoglicht bzw. erleichtert werden. Auf der anderen Seite liegt ein wesentlicher Grund fiir die Dokumentation viel mehr in der Sicherung des Patienten, mit anderen Worten in der sog. Therapiesicherung"^^^. Dieser Gedanke erwachst unmittelbar aus dem Bereich der medizinischen Arbeitsteilung, die durch eine vermehrte Spezialisierung noch verstarkt wird'^^'^. Der Patient wird nicht mehr nur von einem Arzt rundum versorgt, sondern ein Team von Spezialisten kiimmert sich um ihn, wobei jeder Arzt die zu seiner Spezialisierung passende Aufgabe wahrnimmt. Wahrend der Radiologe lediglich die Rontgenbilder anfertigt, kann der Internist die Diagnose treffen und der Chirurg den notwendigen Eingriff vornehmen, die Nachsorge erfolgt dann durch den Allgemeinarzt zuhause. In dieser Konstellation ist es entscheidend, dass ein Arzt stets weiB, welche Diagnose, Therapie und welche Behandlungsschritte sein Vorganger bereits vorgenommen hat. Danach muss sich sein weiteres Vorgehen orientieren. Die Dokumentation soil mit anderen Worten verhindern, dass sprichwortlich die eine Hand nicht weiB, was die andere tut. Als Hauptzweck lasst sich demnach die zuverlassige Information des Mitbehandelnden zur Sicherung des Patienten festhalten"^^^.
"^^^ Lediglich in begrenztem Umfang „beweis- und damit prozessbezogen", BGH, VersR 1987, 1089; BGH, VersR 1989, 80; Ortner/Geis, MedR 1997, 337, a.A. OLG Saarbrucken, VersR 1988, 916 sowie auch Bender, VersR 1997, 918 (919 ff.), der in der Beweissicherung einen wesentlichen Aspekt der Dokumentation sieht. 494 BGH, N J W 1983, 332; B G H N J W 1985, 1399; B G H Z 99, 3 9 1 ;
RGR}L-Anders/Gehle,
§611,Rn. 336. 495 Schmidt, N J W 1987, 681 (682 f.); Steffen, in: Festschrift fur Hans Erich Brandner, S. 327 (330j; Stumer, N J W 1979, 1223 (1228); Wasserburg, N J W 1980, 617 (618). 496 Die Dokumentation „als Gmndlage fur die Sicherung des Patienten in der Behandlung", Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 455 bzw. „Statussichemng als den Patienten schiitzende Verpflichtung", Steffen, ZVersWiss, 1990, 31 (41) ; vgl. auch Francke/Hart, Arztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 83; Gaishauer, VersR 1991, 672; Nufigens, in: Festschrift fur Karlheinz Boujong, S. 831 (832); Opderbecke/Weifiauer, M e d R 1984, 211 (212); Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 10, § 59, Rn. 5. 497 Bender, VersR 1997, 918 (920), spricht in diesem Zusammenhang von einer „Atomisierung des arztlichen Bemfsbildes". 498 Stejfen, ZVersWiss 1990, 31 (41); Strohmaier, VersR 1998, 416 (419), der unter B e zugnahme auf die „Dekubitus T'-Entscheidung des BGH, Vers 1986, 788, von der Verkorperung der Troika der Zwecke der arztlichen Dokumentation.
IIL Erhohte Dokumentationspflicht
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Bin weiteres Ziel der Dokumentation, das schon eher dem Bereich der Beweisfiihrung zugeordnet werden kann, ist die Pflicht, den Patienten nicht nur vor, sondern auch nach der Behandlung iiber die medizinischen MaBnahmen zu unterrichten und aufzuklaren bzw. Rechenschaft dariiber abzulegen, was der Arzt an MaBnahmen vorgenommen hat"^^^. Mittels einer ordnungsgemaBen Aufzeichnung der jeweiligen Behandlungsschritte wird dies wesentlich vereinfacht. Auch der Patient erhalt so eine abschlieBende Stellungnahme zur durchgefiihrten Behandlung, die ftir ihn gleichsam abschlieBend ist und ihm verdeutlicht, dass die Leistung des Arztes insoweit voUendet ist.
2. Ausgestaltung der Dokumentationspflicht Bei der Ausgestaltung der Dokumentation sind drei Komplexe zu unterscheiden, der Inhalt, die Art und Weise sowie der zeitliche Rahmen, also die Frage nach dem „wann" einer Aufzeichnung der arzdichen Tatigkeiten im Zusammenhang mit der jeweiligen Behandlung. a) Inhalt Geht man vom Begriff der Dokumentation aus, so kann man von einer Zusammenstellung verschiedener Beweisstiicke sprechen, die alle im Rahmen der arztlichen Behandlung des Patienten durch den Arzt bzw. das nichtarztliche Personal erstellt werden^^^. Entscheidend flir deren Effektivitat sind die inhaltlichen Anforderungen, die man an die arztlichen Aufzeichnungen, gleich welcher Art, stellt. Je hoher sie sind, also je umfangreicher die Aufzeichnung zu erfolgen hat, um so besser und genauer ist natiirlich auch die Information die Arzt und Patienten iiber die vorangegangene Behandlung erhalten. Nachteil dabei ist, dass die arztliche Tatigkeit und der Behandlungsablauf an sich um so mehr behindert werden, je mehr der Arzt seine Schritte aufzuzeichnen hat. Der entsehende Mehraufwand durch iiberspannte Dokumentationsanforderungen wiirde dann in der Regel auf Kosten des Patienten gehen, dem sich der Arzt im Gegenzug weniger intensiv widmen konnte. Zudem wiirde eine solche Volldokumentation zu einer „Ubermedizin" bzw. eine „Uberdiagnose" fiihren, die als sog. Defensivmedizin dem Interesse des Patienten entgegenlauft ^^^. Wie in so vielen Bereichen ist deshalb auch hier ein
^^^ Vgl. zur Rechenschaftspflicht Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 10, § 59, Rn 6 m.w.N. ^^ Bender, VersR 1997, 918, der insoweit Francke/Hart, Arztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 80, kritisiert, well sie nur auf Daten abstellen, der Begriff der Dokumentation aber auch bspw. Gegenstande erfassen kann, die anlassHch der Behandlung beweisrelevant wurden. ^^^ Dazu Gross, Arztlicher Standard, S. 12; Steffen, in: Festschrift fur Hans Erich Brandner, S. 327 ( 329f).
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Kompromiss zu suchen und eine inhaltliche Mindestgestaltung^^^ zu finden, die alien Interessen gerecht wird. Die Rechtsprechung hat im Hinblick auf einen erweiterten Patientenschutz sehr hohe Anforderungen aufgestellt, auch wenn sie im einzelnen nicht konkret festgelegt worden sind^^^. Zur Beurteilung, ob diese Anforderungen erfiillt werden, sind Kriterien der Vollstandigkeit, Klarheit und Wahrheit einzustellen^^"^. Die Dokumentation hat angemessen und umfassend zu erfolgen, wobei sich der Umfang am Schutzzweck orientieren sollte^^^. Die ordnungsgemaBe Dokumentation ist nur dann komplett, wenn sie dem „guten arztlichen Branch" entspricht^^^, der eine sorgfaltige und voUstandige Fiihrung der Krankenunterlagen mitumfassen solP^'^. Eine Zusammenschau mit der obigen Zweckdarstellung zeigt sehr deutlich, dass sich der Inhalt also nicht danach richten soil, wie am besten Beweise fur einen spateren Arzthaftungsprozess zu sichern sind, sondern vor allem wie nach therapeutischen Belangen der Umfang auszurichten ist^^l Im Bezug auf die Sicherung des Patienten kann deshalb als generelle Kegel festgehalten werden, dass grundsatzlich jede MaBnahme, deren Vornahme oder auch Nichtvornahme medizinische Konsequenzen nach sich zieht, Inhalt der Dokumentation sein muss^^^. Dies bedeutet, dass zunachst die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen sowie alle sonstigen MaBnahmen, die fiir die Weiter- bzw. Parallelbehandlung des Patienten mitbestimmend sind, enthalten sein miissen^^^. Darunter fallen beispielsweise Diagnoseuntersuchungen, Funktionsbefunde, Medikationen, arztli502 Schmid, N J W 1987, 681 (682), zieht dafur § 273 Abs. 1 StPO als Gmndlage heran, der die „wesentlichen Formlichkeiten" fur eine ProtokoUiemng i m Strafprozess vorsieht. Dies wird von Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 66 f, zu Recht abgelehnt; vgl. beispielsweise fiir den Bereich gynakologischer Operation die Dokumentationsvorgaben bei Schlund, M e d R 1994, 190, 192. 503 O L G Numberg, VersR 1990, 1121; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, S. 126, bemangeln in diesem Zusammenhang, dass „abgesehen v o n Grundlinien, bisher noch keine kasuistische Durchstrukturierung" vorliegen wurde. 504 So u.a. Wasserburg, N J W 1980, 617 (619). 505 Bereits Francke/Hart, Arztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 4 3 ; HohlocK N J W 1982, 2577 (2578); dazu auch OpderbeckeAVeissauer, M e d R 1984, 211 (212); RGRK-NUfigens, § 823 Anh. II, Rn. 262; StUrner, N J W 1979, 1223 (1228). 506 Vgl. B O H , VersR 1972, 887; BOH, VersR 1978, 542; BGH, VersR 1978, 1002. 507 L G Limburg, Urteil vom 17.1.1979, N J W 1979, 607. 508 BGH, N J W 1989, 2330 (2331); diese Zielsetzung hat sich auch in den gesetzhchen Normiemngen zur Dokumentationspflicht niedergeschlagen, die nicht dem Beweis dienen soUen, sondern im Allgemeininteresse stehen, vgl. § 28 Abs. RoV, § 4 3 Abs. 1 S. 2 StrlSchV Oder § 10 Abs. 1 S. 2 GeschlKrG; dazu auch Laufs, in: Laufs/Uhlenbmck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 19, § 111, Rn. 4; Strohmaier, VersR 1998, 416. 509 Uberzeugend Strohmaier, VersR 1998, 416. 510 Dazu Francke/HarU Arztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 81 f; Gaisbauer, VersR 1991, 672; Schmid, N J W 1978, 681 (683 f.); eine umfassende Aufzahlung fmdet sich bei Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 19, § 111, Rn. 3, sowie bei Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 68 f
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che Hinweise fur und iiber die Behandlungspflege sowie das Abweichen von Standardbehandlungen aufgrund besondere Umstande^^^. Daneben muss die Dokumentation eine Art Behandlungs- bzw. Operationsprotokoll enthalten, das die sog. Verlaufdaten enthalt. Dies ist vor allem auch fur die vorliegende Arbeit der wichtigste Bestandteil. Die Verlaufsdaten umfassen die Aufklarung, den Operationsbericht, das Narkoseprotokoll, eventuelle Zwischenfalle, den Wechsel des Operateurs, Intensivpflege, die KontroUe des Anfangers sowie zum Beispiel auch den arztlichen Rat bei eigenmachtigem Verlassen der Klinik^^^. Interessant ist, vor allem im Hinblick auf die vorliegende Diskussion, dass auch das Aufklarungsgesprach Gegenstand der zu dokumentierenden Vorgehensweisen sein muss^^^. Die Aufzeichnungen einer Behandlung machen die Dokumentation aber noch nicht komplett, sondern es treten noch weitere Unterlagen wie zum Beispiel Rontgenbilder hinzu, die letztlich erst zur Komplettierung flihren. Insoweit zeigt sich, dass auch im Bereich der Dokumentation in der Regel keine klaren Aussagen getroffen werden und konkrete Anforderungen an die Arzteschaft gestellt werden. Man bedient sich auch hier wieder auslegungsfahiger und -bediirftiger Begriffe wie „umfassend" oder „angemessen", um den Inhalt der Dokumentation mehr zu umreiBen als ihn festzulegen. Dies ist jedoch, trotz der damit verbunden Rechtsunsicherheit, verstandlich und hinnehmbar. Denn auch fur die Dokumentation ist es erforderlich, dass dem jeweiligen Arzt eine dem Einzelfall angepasste Vorgehensweise moglich sein muss. Nur so kann den unterschiedlichen Fallgestaltungen, die das Individuum Mensch mit sich bringt, ausreichend Rechnung getragen werden. So hatte es das OLG Oldenburg beispielsweise als nicht erforderlich angesehen, bei einer komplikationslos verlaufenen Zahnextraktion eine Dokumentation durch Rontgenbilder vorzunehmen^^"^, wohin gegen eine solche bei komplizierten kieferchirurgischen Eingriffen von entscheidender Bedeutung sein kann. Ein Routineeingriff bedarf somit nur einer eingeschrankten Dokumentation, wahrend ein Abweichen vom Regelfall vertiefter Details bedarP^^ D.h., dass beispielsweise bei Auftreten von Komplikationen wahrend des Eingriffs eine erhohte Dokumentati-
on BGH, Urteil vom 24.1.1989 - VIZR 170/88, NJW 1989, 2330, in wechem die Parteien iiber die Dokumentation einer nicht dem Regelfall entsprechende Behandlung streiten; der nervus radialis dies war bei der Entfemung einer Verschraubung verletzt worden und hatte zu einer Bewegungseinschrankung der rechten Hand geftihrt, sog. Fallhand. 512 BGH, Urteil vom 19.5.1987 - VI ZR 147/86 -, NJW 1987, 2300; zum ganzen vgl. Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 458 f mit weiteren Nennungen aus der Rspr. 013 RGRK-Anders/Gehle, § 6 1 1 , Rn. 334; Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 7 6 ; a.A. Bender, VersR 1997, 918; Kaufmann, D i e Beweisproblematik i m Arzthaftungsprozess, S. 7 4 ; Kerschhaum, D i e Waffengleichheit i m Arzthaftungsprozess, S. 149. 014 OLG Oldenburg, Urteil vom 29.10.1991, NJW-RR 1992, 1504. 010 Der B G H hat eine Dokumentationspflicht in bestimmten, sehr einfach gelagerten Fallen sogar ganzlich vemeint, BGH, VersR 1987, 1118 fur einen Druckverband und B G H N J W 1993, 2375 fur eine Routinekontrolle; vgl. auch O L G Dusseldorf, BeckRS 2003/06550; vgl. dazu mchLaufs, N J W 1986, 1515 (1519).
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onspflicht entsteht, was insoweit nur konsequent ist, da in diesem Fall schon gar kein Routineeingriff mehr vorliegen kann^^^. So gilt es auch fiir die Dokumentation einen Mindestrahmen festzusetzen, die konkrete inhaltliche Ausgestaltung jedoch einzelfallorientiert^^^ vorzunehmen, stets unter der MaBgabe, den Status zum Schutz des Patienten ausreichend zu sichern, aber auf der anderen Seite die medizinische Tatigkeit nicht durch einen uberspannten Katalog von Dokumentationsanforderung in den Hintergrund zu drangen.
b) Form Nach der Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Anforderungen stellt sich nun aber die Frage, wie die Art und Weise der Dokumentation auszusehen hat. Grundsatzlich soUte dabei an erster Stelle die Verwertbarkeit stehen. Eine Aufzeichnung, die nicht lesbar^^^ ist, verliert ihren Sinn und Zweck ist von daher unbrauchbar. Dabei stellt sich aber die Frage, fiir v^en die Dokumentation lesbar sein muss, also wer ihr primarer Adressat ist. Unter Bezugnahme auf die Zwecksetzung, die der arztlichen Dokumentation zugrunde liegt, kommen als erste und v^ohl auch wichtigste Adressaten die be- und nachbehandelnden Arzte und Pflegekrafte in Betracht, denn fiir sie dient die Dokumentation als notwendige Erkenntnisgrundlage. Ob dann auch ein Richter im Falle eines moglichen Prozesses die Aufzeichnungen ohne fremde Hilfe lesen und verstehen kann, darf dabei zunachst keine Rolle spielen, denn es wtirde den dokumentierenden Arzt iiberfordern und die Anforderungen ins Unendliche verkehren, wenn jede Dokumentation fiir eine unmittelbare gerichtliche Beweisfiihrung ausgelegt sein miisste^^^. Es muss ausreichen, dass es in einer fur den Fachmann hinlanglich klaren Form erfolgt^^^. Unter dieser Pramisse hat der Arzt aber dann relativ freie Hand, wie er seine Aufzeichnungen fuhrt. Er muss sie nicht zwingend selbst anfertigen, sondern kann sie z.B. auch von einer Sprechstundenhilfe anfertigen lassen, die ihm assistiert^^^ Urspriinglich war es im Bereich der Form der Dokumentation noch umstritten, ob nur eine schriftliche Aufzeichnung den Anforderungen geniigen konne, well die
^^^ Wendt, Die arztliche Dokumentation, S. 74, kommt mit anderer Argumentation zum gleichen Ergebnis. ^^^ So statt aller Gross, ArztHcher Standard, S. 12. ^^^ In Ausnahme dazu fuhrt eine nur schwer lesbare Dokumentation nicht von vomherein zu einer Unverwertbarkeit, Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts,Kap. 10, §59, Rn 11. ^^^ Steffen, ZVersWiss 1990, 31 (41) spricht in diesem Zusammenhang von einer Belastung der arztlichen Aufgaben zu Lasten des Patienten; vgl. auch Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 71 sowie BGH, NJW 1989 2330 (2331); OLG Dusseldorf, VersR 1995, 339 (340). 520 Aus der Rechtsprechung: BGH, VersR 1989, 512 f.; BGH VersR 1983, 983. 52^ Vgl. Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 471 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 29.5.1990 - VIZR 240/89.
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technischen Moglichkeiten noch sehr begrenzt waren^^^. Inzwischen ist die Technik der Datenaufzeichnung und Verarbeitung so fortgeschritten und verfeinert worden, dass zweifelsfrei sowohl die elektronische Datenerfassung als auch eine schlichte handschriftliche Dokumentation moglich und zulassig sind. Diese kann zunachst auch nur in Stichworten oder diktiert erfolgen^^^, sofern danach noch eine Reinschrift verfasst wird^^'*. Die Stichworte sollten dabei allerdings so genau sein, dass fur den nachfolgenden Arzt keine Irrtiimer mehr auftreten konnen^^^ Nur im Falle von Verwechslungsmoglichkeiten oder vom Regelfall abweichenden Besonderheiten ist eine nur stichpunktartige Aufzeichnung unzureichend^^^. Neben den schriftlichen Informationen sind auch andere Gegenstande in die Dokumentation aufzunehmen, sofern sie von Aussagekraft sind. Angefangen mit Rontgenbildern oder Ergebnissen einer Blutbildanalyse konne dabei auch entnommene Proben mitumfasst sein.
c) Zeitpunkt Neben der inhaltlichen Ausgestaltung erscheint es von entscheidender Bedeutung, wann die Dokumentation erfolgen bzw. vorliegen muss. Denn auch die umfangreichste Aufzeichnung verliert an Aussagekraft, wenn sie nicht zum richtigen Zeitpunkt herangezogen werden kann. Fiir diesen Zeitpunkt ist dabei zweckorientiert zu unterscheiden, ob die Dokumentation nun der Sicherung des Patienten bei der Weiterbehandlung oder der spateren Beweisfiihrung dienen solP^^. Ausgehend von der Zwecksetzung der Dokumentation, den Patienten wahrend der Behandlung zu sichern^^^, lasst sich schlussfolgern, dass eine Dokumentation stets dann fertiggestellt sein muss, wenn der nachste Behandlungsschritt ansteht. Die Aufzeichnung konnte noch so umfassend und inhaltlich angemessen sein, sie ware dennoch unzweckmaBig, wenn der Nachstbehandelnde vor seinem Tatigwerden nicht iiber die vorangegangenen Schritte informiert werden konnte, weil die Do-
^^^ RGR¥JNufigens, § 823 Anh. II, Rn. 263, spricht davon, dass diese Frage nach der Zulassigkeit einer elektronischen Datenverarbeitung nicht eindeutig zu beantworten sei. ^^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 453; Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 62; Interessant zu modemen Formen der Dokumentation v.a. Wendt, Die arzthche Dokumentation, S. 65, die sogar die Aufzeichnung mit einer Videokamera proklamiert, S. 358 ff. ^^^ Zur zeitHchen Abfolge und Erforderhchkeit einer unverzughchen Aufzeichnung vgl. das nachste Kapitel. 525 BGH, VersR 1983, 983; BGH, VersR 1992, 745. 52^ In BGH, VersR 1984, 386, lies das Gericht sogar als Dokumentation ein Symbol fur die Lagerung in der sog. „Haschenstellung" ausreichen; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 460 m.w.N. 52"^ Vgl. dazu die obigen Ausftihrungen sowie Wendt, Die arztliche Dokumentationspflicht, S. 220 ff, v.a. Fn. 1042. 528 BGH, NJW 1999, 3408 (3409); BGHZ 85, 327; BGH, NJW 1989, 2330; OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 1504; RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 261.
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kumentation dazu noch nicht vorliegt^^^. Demnach ist der jeweils tatige Arzt gehalten, wahrend bzw. unmittelbar nach der Behandlung seine Arbeitsschritte, Diagnosen und TherapiemaBnahmen aufzuzeichnen und in einem Protokoll festzuiialten. Zwar ist Laufs^^^ der Ansicht, die Aufzeichnung miisse spatestens am Ende des einzelnen Behandlungsabschnitts vorliegend, jedoch muss es in diesem Zusammenhang aber ausreichend sein, wenn im Zeitpunkt der Weiterbehandlung die notwendigen Angaben zur Verfiigung stehen, um eine sinnvoUe Fortsetzung zu gewahrleisten. Die ordnungsgemaBe Endfassung kann dann erst spater fertiggestellt werden^^^ Stellt man nun auf den Zweck der Beweiserleichterung ab, sind in die Diskussion um den entscheidenden Zeitpunkt der Dokumentation weitere Gesichtspunkte mit einzustellen. Zwar werden die Beweise in diesem Sinne erst spater, beispielsweise im Rahmen eines Haftungsprozesses benotigt, so dass die Tendenz zu einem spateren Zeitpunkt nahe lage. Jedoch verliert ein Beweismittel an Aussagekraft, wenn es ihm an Genauigkeit fehlt. Diese nimmt aber rapide ab, je weiter der zu dokumentierende Vorgang von der eigentlichen Aufzeichnung entfernt liegt. Nur dann, wenn der Arzt unter dem „frischen Eindruck" vom Behandlungsgeschehen die Aufzeichnung anfertigt, sind sie entsprechend genau und frei von gedachtnisbedingten Abweichungen^^^. Somit ist zweckunabhangig eine behandlungsnahe Dokumentation angezeigt. Eine mogliche spatere Abfassung wird, je nach Einzelfall, in einem Zeitraum weniger Tage noch als zulassig angesehen^^^. Erfolgt die Aufzeichnung spater, ist sie nicht mehr ordnungsgemaB erfolgt, weil einerseits wegen der zeitlichen Entfernung Ungenauigkeiten entstehen und sie andererseits fiir eine sinnvolle Nachbehandlung bereits zu spat sein kann. Ist der Zeitraum zwischen Behandlung und Aufzeichnung zu lange, wird der Zweck der Dokumentation vereitelt^^"^. Fiir zu spat wurden unter anderem ein Zeitraum von 2 Jahren^^^, aber auch schon von 10 Monaten^^^ erachtet. Schmidt-Beck^^^, der sich ausfUhrlich mit dem Zeitpunkt auseinandersetzt, ist der Ansicht, eine Woche ware fiir die Reinschrift noch hinnehmbar. Dies vor allem aus dem Grund, dass die Erinnerungen noch so konkret waren. 529 Gaisbauer, VersR 1991, 672. 5^0 Laufs, Arztrecht, Rn. 454. 5^^ Wendt, Die arztliche Dokumentation, S. 64; Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 60, halt eine Frist von einer Woche fur die „Reinschrift" fur angemessen. 5^2 Bruns, ArztR, 1999, 121 (126) sowie unter Bezugnahme darauf Wendt, Die arzthche Dokumentation, S. 64. 5^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn.453; eine erst nach 10 Jahren erfolgte Dokumentation wurde in diesem Zusammenhang vom Schweizer Bundesgericht, BGE 113 II 429, als unzureichend beurteilt. ^^^ Vgl. Francke-Hart, Arztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 83; GeigelAVellner, Der Haftpflichtprozess, Kap. 14, Rn. 266 unter Hinweis auf OLG Zweibriicken, VersR 1999, 1546; Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 59; Wasserburg, NJW 1980, 617 (619); Wendt, Die arzthche Dokumentation, S. 64. 535 OLG Koln, AHRS 6450/102. 536 O L G Saarbrticken, A H R S 6450/105 (S.7). 53'^ Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 60 und 63.
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dass ausreichende Ergebnisse zu erzielen waren. Dieser Rahmen ist jedoch auch wieder unter dem Aspekt der verschiedenen Schwierigkeitsgrade dem Einzelfall anzupassen und so fur unkomplizierte Eingriffe einen spateren Dokumentationszeitpunkt bzw. eine nachtragliche Erstellung aus dem Gedachtnis zulassen^^^. Fiir schwierigere Eingriffe hat allerdings die Aufzeichnung unmittelbar nach Beendigung zu erfolgen^^^.
3. Anforderungen fur die Anfangeroperation Die vorhergehend dargestellten inhaltlichen Anforderung gelten selbstredend auch im Fall einer Anfangeroperation, da es sich dabei um die zwingenden Grundlagen, also den Mindestinhalt einer sinnvollen und effektiven Dokumentation handelt. Zu diesen allgemeinen Anforderungen miissen nun aber fiir den Bereich des Erstlingseingriffs abermals besondere Voraussetzungen hinzutreten. Dieses Erfordernis zusatzlicher Anforderungen entspringt der Notwendigkeit, mogliche Risiken, die ein Anfangerhandeln mit sich bringt, entsprechend zu kompensieren und den Patienten ausreichend zu schutzen^"^^. Infolgedessen lasst sich auch feststellen, dass die Argumentationslinie, die sich in Rechtsprechung und Literatur gebildet hat, parallel zu der bei Aufsichts- und Aufklarungspflicht verlauft. a) Rechtsprechung Erstmals 1985 hat der Bundesgerichtshof^"^^ neben den Grundsatzen aus seiner Entscheidung von 1983^"^^ ausfiihrlich auch zu einer erhohten Dokumentationspflicht im Rahmen der Anfangeroperation Stellung genommen. Dabei war es wie in seiner ersten Entscheidung bei einer Lymphknoten-Exstripation durch einen in der Facharztausbildung befmdlichen Assistenzarzt zu einer Schadigung des nervus accessorius gekommen. In Unkenntnis der Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1983 hatte das Berufungsgericht die Klage noch abgewiesen, wohingegen die Revision dann unter Zugrundelegung der Anfangergrundsatze zur Aufhebung und Zuriickverweisung fiihrte. In seiner Entscheidung stellt der Senat fest, dass neben den bisherigen Anforderungen fiir den Erstlingseingriff auch die Dokumentation besonderen Voraussetzungen unterliegen miisse: Ein Berufsanfanger hat den Gang der von ihm selbstandig durchgefiihrten Operation auch bei sogenannten Routineeingriffen in den wesentlichen Punkten zu dokumentieren. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Anforderungen vor allem das Operations- bzw. ^^^ Uhlenbruck, in: Laufs/UhlenbrucL Rs^dbuch des Arztrechts, Kap. 10, §59, Rn. 12; Wasserburg, NJW 1980, 617 (619). ^^^ Fiir eine einzelfallorientierte Beurteilung auch Schmid, NJW 1987, 681 (682). ^^^ „Wohl und Sicherheit des Patienten erfordem es", Heilmann, NJW 1990, 1513(1516). 541 BOH, Urteil vom 7.5.1985 - VI ZR 224/83, NJW 1985 2193 = VersR 782 = MedR 1986, 39 = MDR 1986, 220. ^^'^ Allerdings auch hier wird die Problematik der Dokumentation angesprochen, BGHZ 88, 248 (257).
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BehandlungsprotokolP'^^ betreffen, das wahrend des Eingriffs erstellt wird und im Besonderen Angaben iiber die Operationsmethode^'*'* und iiber den Operationssitus enthalten soil. Im Vergleich weicht der Bundesgerichtshof damit von seiner Rechtsprechung zur allgemeinen Dokumentationspflicht ab, in der er fur den erfahrenen Facharzt bei Routineeingriffen wenn iiberhaupt nur eine verminderte Dokumentationspflicht fordert^"^^. Als Grund dafiir werden von dem Gericht zwei Argumente genannt: zum einen wird durch die besondere Dokumentation im Interesse der Ausbildung und des Patienten eine gewisse Kontrolle erreicht und zum anderen wird eine unbillige Beweissituation flir den Patienten vermieden. Somit tauchen also zunachst wieder die bereits oben angesprochenen Ziele der Dokumentation auf, namlich die Sicherheit des Patienten und die Beweiserleichterung. Zusatzlich spricht der Senat aber auch die Kontrolle im Interesse der Ausbildung an, die beim Anfanger noch hinzutritt. Durch die erhohte Dokumentationspflicht wird die Konzentration des jungen Arztes erhoht, da er reflektierter vorgeht, stets in dem Wissen, jeden Schritt auch aufzeichnen zu miissen, den er vornimmt. Greift man den Gedanken des Risikoausgleichs auf und verfolgt ihn weiter, ist auch hier eine Differenzierung zwischen der beaufsichtigten und unbeaufsichtigten Anfangerbehandlung zwingend vorzunehmen. Dies war bereits in der BundesgerichtshofEntscheidung^"^^ aus dem Jahre 1985 angedeutet, indem der Senat ausdriicklich von einer „selbstandigen" Durchfuhrung sprach, also ohne Beteiligung eines aufsichtsfuhrenden Facharztes. Noch sehr viel deutlicher kommt dies aber in der Entscheidung des OLG Karlsruhe^"^"^ von 1990 zum Ausdruck. Das Gericht stellt darin klar, dass das Gebot der Aufzeichnung von Routineeingriffen immer nur dann gelten soUe, wenn der operative Eingriff selbstandig, also ohne Kontrolle oder Assistenz eines erfahrenen Kollegen durchgefiihrt wird. Da im entsprechenden Fall ein Oberarzt wahrend der Operation anwesend und eingriffsbereit war, sah es das Gericht als nicht erforderlich an, dass die Dokumentation auch RoutinemaBnahmen mitumfasste. Dies zeigt sehr deutlich, dass die Rechtsprechung insoweit einer einheitlichen, zielorientierten Linie folgt: der Patient muss so stehen, wie wenn er von einem Facharzt behandelt wurde, mit anderen Worten, der Facharztstandard muss gewahrleistet sein. Dies gilt auch fiir den Bereich der Dokumentation. Ist ein erfahrener Arzt zugegen, der weiB, worauf es bei einer Dokumentation ankommt, dann ist es nicht notwendig, auch Routinevorgange schriftlich festzuhalten. Handelt der Anfanger allerdings alleine und selbstandig, dann ist es erforderlich, dass er alles aufzeichnet, um nicht etwas zu vergessen, was aus Sicht des erfahrenen Kollegen ^"^^ Einfuhrend zum sog. Operationsbericht, der wie oben gezeigt auch Teil der Dokumentation ist, Wendt, Die arztliche Dokumentation, S. 68 ff 544 Schmid, N J W 1987, 681 (686). 545 Vgi. Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 460 m.w.N. aus der Rechtssprechung des BGH. 546 BGH, N J W 1985, 2193.
547 OLGKarlsruhe,Urteilvoml0.10.1990-7U 12/89,VersR 1991, 1177.
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entscheidend ist. Dieses Erfordernis wird den beiden oben herausgestellten Zwecken gerecht. Auf der einen Seite wird der Patient geschiitzt, da wichtige Informationen in jedem Fall dokumentiert werden, auf der anderen Seite ist sichergestellt, dass die BeweisfUhrung nicht durch eine unzureichende Aufzeichnung gefahrdet ist. b) Literatur Die Auseinandersetzung mit einer erhohten Dokumentation verlauft in der Wissenschaft weitgehend parallel zur Rechtsprechung. Auch hier wird bei einer selbstandigen^"^^ Anfangeroperation iiberwiegend eine vollumfangliche Aufzeichnung aller Behandlungsschritte, auch der einfachen RoutinemaBnahme gefordert und gleichsam auf den Schutz des Patienten, die Ausbildung des jungen Arztes und mitunter auf die Beweiserleichterung^"^^ abgestellt^^^. Wendt beispielsweise befurwortet eine umfassendere Dokumentationspflicht, kommt aber zu dem Ergebnis, dass eine Begriindung erhohter Dokumentationsanforderungen nicht nachvollziehbar sei, wenn dabei auf den Therapiezweck, also eine sichere Weiterbehandlung abgestellt werde^^^ Wenn eine Information fur die Weiterbehandlung wichtig ist, dann miisse sie nicht nur der Anfanger, sondern auch der Routinier dokumentieren. Eine Differenzierung nach der Person des Arztes sei in diesen Fallen weder moglich noch notig, well es schlieBlich fiir den nachbehandelnden Arzt ohne Belang sei, wer die fiir ihn wichtige Information dokumentiert habe. Zwar ist Wendt naturlich darin zuzustimmen, dass die Wertigkeit einer Information die Notwendigkeit der Aufzeichnung pragt und dass dies auch unabhangig von der Person gelten miisse. Allerdings, und hier setzt auch die Argumentation Steffens^^^ an, weiB der Anfanger mitunter gar nicht, welche Information nun wichtig ist und welche nicht. Es besteht also die Gefahr, dass der Anfanger Informationen, die wichtig sind und die auch ein erfahrener Arzt in die Aufzeichnungen aufnehmen wiirde, als unwichtig einstuft oder iibersieht^^^. Um diese Gefahr einer unvoUstandigen Dokumentation auszuschlieBen, ist es dann nur konsequent zu fordern, dass der junge Arzt alle und darin eingeschlossen auch die einfachen bzw. RoutinemaBnahmen zu dokumentieren hat. Erst mit der wachsenden Erfahrung kann er dann differenzieren zwischen unwichtigen und behandlungserheblichen Informationen und danach seine Aufzeichnungen ausrichten. Deshalb begriindet Steffen in diesem Zusammenhang auch die besonderen Anforderungen an die arztlichen Aufzeichnungen nur damit, dass der Anfanger „vielleicht wichtiges nicht fiir wichtig halt". Dadurch kommt im Ergebnis zum Ausdruck, dass auch mittels einer erweiterten Dokumentationspflicht der facharztliche Standard ge^"^^ Vgl. u.a. Gross, Arztlicher Standard, S. 12. ^^^ Eine Beweissicherungspflicht ist in diesem Zusammenhang fraglich, vgl. VersR 1997, 918 (924). 550 Ygi g|-^|-|- ^igj. Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 200 ff ^^^ Wendt, Die arztliche Dokumentation, S. 74 f. 552 Steffen, ZVersWiss 1990, 31 (41). 553 So auch Hausck VersR 2005, 600 ff.
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wahrleistet werden soil, also eine vollstandige Aufzeichnung, wie sie von einem erfahrenen Arzt gefertigt werden wiirde. Da der Anfanger nicht beurteilen konne, was fiir den nachbehandelnden Kollegen wichtig ist, miisse er in Konsequenz einfach alles, also auch Routineeingriffe dokumentieren, um nichts tatsachlich ausschlaggebendes zu iibersehen. Damit bleibt Steffen auch der Linie seiner Senatsrechtsprechung treu und stellt an die Spitze der Erwagungen den Schutz und Anspruch des Patienten auf eine Behandlung, die nicht durch die Anfangerbeteiligung mit einem zusatzlichen Risiko behaftet ist. Im Weiteren wird von Seiten der Literatur argumentiert, dass die erhohten Dokumentationsanforderungen auch die Kontrolle des Anfangers durch sich selbst und Dritte fordern und ermoglichen sollen. Dies begiinstigt gleichsam ein konzentrierteres Arbeiten zugunsten des Patienten, well der Dokumentation so eine „akut wirkende KontroUfunktion"^^"^ zukommt. Dem pflichtet auch Schmidt-Beck in seinen Ausfuhrungen zur Dokumentationspflicht des Anfangers bei und stellt fest, dass die Selbstkontrolle des Arztes im Interesse des Patienten erfolgt^^^. Er stellt dabei in zutreffender Weise darauf ab, dass der Anfanger durch die erhohte Pflicht zu einer Art Selbstkontrolle gezwungen wird, die zu einem nochmalige Durchdenken des eigenen Handelns fiihrt. Dies fiihrt zur „Vervollkommnung des Arztes", die zwar auch im Interesse des Arztes und seiner Ausbildung aber primar im Interesse des Patienten steht, dem dadurch neben einem konzentriert arbeitenden Arzt auch ein Beweismittel entsteht^^^. Wenn der junge Arzt schon selbstandig eine Behandlung vornimmt, so muss er zum einen besonders konzentriert arbeiten und zum anderen auch mit der Gewissheit handeln, stets durch eine umfassende Dokumentation von dritter Seite aus kontrollierbar zu sein. Dies dient, so Laufs in diesem Zusammenhang, dann nicht nur dem Schutz des Patienten, sondern auch der besseren Ausbildung des Arztes und tragt zu einer schnelleren und effektiveren Fortbildung bei^^"^. Trotz dieser Argumentation, und damit widerspricht er sich eigentlich selbst, geht Schmidt-Beck dann aber entgegen der Ansicht Laufs an anderer Stelle davon aus, dass zur Begrundung erhohter Aufzeichnungsanforderungen, das Patienteninteresse nicht ausschlaggebend sein konne. Nur die Sicherung der Weiterbehandlung und die Rechenschaftspflicht des Arztes wlirden die Dokumentationspflicht bedingen^^^. Die Person an sich habe keinen Einfluss auf die Dokumentation, erhohte Anforderungen seien fiir den Anfanger deshalb abzulehnen. Dem ist entschieden entgegenzutreten. Ahnlich wie Wendt, die sich teilweise auch auf 554 Heilmann, N J W 1990, 1513 (1519). 555 Schmidt-Beck, D i e Dokumentationspflichtverletzung, speziell zur erhohten Selbstkontrolle, die mit der Dokumentation einhergeht S. 2 0 1 . 556 Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 17, der allerdings unter Bezugnahme Siuf Bender, VersR 1997, 918 (924), die Beweissicherungspflicht, die man daraus ruckschlieBen konnte, in Frage stellt. 55"^ Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17., § 101, Rn. 17, spricht davon, dass die Dokumentationspflicht der „Vervollkommnung des Arztes" dient. 558 Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 75.
III. Erhohte Dokumentationspflicht
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Schmidt-Beck stlitzt, vertritt er die Ansicht, der Inhalt der Dokumentation diirfe sich nur nach der Notwendigkeit ftir die Nachbehandlung richten, die unabhangig von der Erfahrung des Arztes immer gleich ist. Dem ist insoweit noch beizupflichten, aber Schmidt-Beck iibersieht, dass eben gerade der Anfanger die Notwendigkeiten nicht immer richtig einzuschatzen vermag. Dem kann nur dureh einen erhohten DokumentationsmaBstab entgegen gewirkt werden.
4. Zusammenfassung Zusammenfassend lasst sich zunachst festhalten, dass auch im Bereich der Dokumentationspflicht eine Differenzierung zwischen selbstandigem und nicht selbstandigem Anfangerhandeln vorzunehmen ist. Diese Notwendigkeit resultiert ahnlich wie bei der Auflclarung oder dem Erfahrungsstand des Berufsanfangers aus dem Einfluss einer Beaufsichtigung auf das Risiko, das mit dem Erstlingseingriff einhergeht. So ist das Risiko bei einem untiberwachten Vorgehen zwangslaufig hoher anzusetzen als in Fallen, in denen der ausbildende Arzt jederzeit eingriffsbereit hinter dem Anfanger steht. Dieser Diskrepanz ist insoweit auch bei der Dokumentation Rechnung zu tragen, in dem man bei einem selbstandigen Vorgehen des jungen Arztes hohere Anforderungen stellt. Der Anfanger kann es oft noch nicht einschatzen, wann eine Tatsache wichtig und fiir die Nachbehandlung entscheidend ist^^^. Um Unklarheiten zu vermeiden, muss er bei einem alleinigen Handeln auch Routineeingriffe mitdokumentieren, um nichts zu iibersehen bzw. zu vergessen. Dadurch wird gleichzeitig sein Handeln reflektierter und besonnener, well er sich seine Schritte bewusster vor Augen fuhren muss, um sie auch alle aufzeichnen zu konnen. Unter diesem Gesichtspunkt konnte man sogar davon sprechen, dass es sich bei der erhohten Dokumentationspflicht um eine Ausgestaltung oder besser um eine Erganzung der oben postulierten Aufsichtspflicht handelt. Der Anfanger schafft namlich durch eine Aufzeichnung all seiner Tatigkeiten ein Werkzeug dafur, ihn auch noch nachtraglich kontrollieren zu konnen, also ex post festzustellen ob und wenn ja welchen Fehler er wann begangen hat. Zwar ist bei dieser Art der Uberwachung ein korrigierender Eingriff nicht mehr moglich, da der kontrollierende Arzt schlieBlich erst nach dem Eingriff von der Dokumentation Kenntnis erlangt. Dennoch dient sie aber dem Wohl des Patienten, da der junge Arzt im Wege der dadurch generierten Selbstiiberwachung beispielsweise unterlassene Schritte noch selbst und unverziiglich nachholen kann, die er ansonsten moglicherweise vergessen hatte. Unabhangig von der Pflicht zur Beweissicherung schaffen die erhohten Anforderung an die Dokumentation mehr Transparenz fiir den Patienten und ein zusatzliches Beweismittel, um in einem moglichen Prozess die Vorgange besser aufklaren zu konnen. Dieser Umstand bringt dann sowohl fiir den Patienten als auch fiir den Anfanger positive Aspekte mit sich. Denn wahrend der eine mogliche Fehler
559 So bereits BGHZ 88, 241 (257).
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nachweisen kann, besteht fiir den anderen die Moglichkeit, sich exkulpieren zu konnen. Somit zeigt sich letztlich wieder, dass das Erfordernis, bei einer selbstandigen Operation durch einen Anfanger auch Routineeingriffe dokumentieren zu miissen, nicht nur zugunsten des Patienten sondern auch zum Vorteil des jungen Arztes gereicht. Zwar darf man insoweit keine zu hohen Erwartungen haben, da eine schlechte Behandlung durch eine gute Dokumentation nicht von vornherein besser wird. Allerdings tragt es dazu bei, die Risiken einer Anfangerbehandlung weiter zu minimieren und so eine medizinische Ausbildung ohne Nachteile fiir die Patienten zu sichern.
IV. Besondere Organisationspflichten Wenn auch die bisher behandelten Pflichten stets den Anfanger selbst betrafen, so treffen auch die iibrigen, an einem Anfangereinsatz beteiligten Personen, erhohte Pflichten, die den Patienten schiitzen soUen. Der Patient hat grundsatzlich einen Anspruch auf eine dem Facharztstandard entsprechende arztliche Behandlung^^^. Diese Verpflichtung den facharztlichen Standard durch eine entsprechende Einteilung der Arzte zu sichern obliegt in erster Linie nicht dem Anfanger, sondern dem Chefarzt, dem delegierten Oberarzt bzw. dem Praxisinhaber sowie dem Trager einer Klinik bzw. eines Krankenhauses^^^. Die fehlende Erfahrung und unzureichenden Kenntnisse des medizinalen Anfangers fiihren dazu, dass zur Erbringung des geschuldeten Facharztstandards ausgleichenden MaBnahmen notwendig sind. Diese Ausgleichshandlungen sind im Rahmen eines jeden Anfangereinsatzes besonders zu organisieren, so dass stets der Facharztstandard gewahrleistet werden kann. In diesem Zusammenhang kann man dann von besonderen Organisationspflichten^^^ sprechen, zu deren Einhaltung Chef- und Oberarzte genauso verpflichtet sind, wie der Trager einer Klinik bzw. der Inhaber einer groBen Praxis^^^. Grundsatzlich besteht die Organisationspflicht in der Verpflichtung des Geschaftsherrn, seine Rechtssphare so zu organisieren, dass es nicht zu einer Verletzung seiner Pflichten kommt^^"^. Konkret auf den Anfangereinsatz bezogen kann ^^^ Exemplarisch sei insoweit verwiesen auf BOH, NJW 1996, 779; OLG Frankfurt, MedR 1995, 75. 561 Vgl. BGHZ 88, 248 (254); NJW 1987, 1479 (1480), mit Anm. Deutsch, NJW 1987, 1481. 56^ Bei dem Begriff der Organisationspflicht handelt es sich um ein sehr weites und rechtsprechungsgepragtes Feld der zivilrechtlichen Haftung. Fiir die vorliegende Arbeit soil davon nur ein sehr kleiner Teil beleuchtet werden, so dass hinsichtlich allgemeinerer Ausfuhrungen u.a. auf Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, Brandes, Die Haftung fiir Organisationspflichtverletzung, und PflUger, Krankenhaushaftung verwiesen sei. 563 Deutsch, NJW 2000, 1745 (1747). 56"^ Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, S. 113, 97 ff
IV. Besondere Organisationspflichten
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man diese allgemeine Umschreibung bereits darauf begrenzen, dass es bei den hier relevanten Organisationspflichten nur darum geht, die Fehler von Anfangern zu vermeiden oder wenn dies nicht moglich ist, sie wenigstens zu kompensieren.
1. Aufsichtspflicht Bereits mehrfach war die Uberwachung des Anfangers wahrend seines Ersteingriffs Gegenstand der vorliegenden Diskussion. Sowohl im Bereich der Aufklarung als auch im Zusammenhang mit den zu fordernden Fahigkeiten des Auszubildenden spielt es eine entscheidende Rolle, ob der Arzt vollkommen allein handelt, Oder ob ein erfahrener Arzt den Eingriff mit liberwacht. Dabei stellen sich verschiedene Fragen, die einer vertieften Auseinandersetzung bedlirfen, beispielsweise ob es einer tJberwachung iiberhaupt bedarf und falls ja durch wen und in welcher Form. Der Bundesgerichtshof ^^^ hat in seiner Entscheidung zur Anfangeroperation auch fiir die Uberwachung durch einen erfahrenen Arzt maBgebliche Grundlagen aufgestellt. In seinem Urteil fordert er, dass immer dann, wenn der notwendige Standard durch den Anfanger noch nicht gewahrleistet werden kann, die Operation von einem Facharzt, der stets anwesend ist, uberwacht werden muss^^^. Erst nach Unterweisung und Einarbeitung sowie nach Feststellung der Zuverlassigkeit bei ahnlichen Eingriffen und dem Nachweis von praktischen Fortschritten diirfe eine eigenstandige Operation durchgeftihrt werden^^'^. Der auszubildende Arzt darf nur in dem Umfang eingesetzt werden, wie er bereits iiber die erforderlichen Kenntnisse verfiigt^^^. Mittels einer objektiven Begutachtung durch den ausbildenden Facharzt muss gepriift werden, ob der junge Arzt soweit ausgebildet ist und iiber die notwendigen Kenntnisse verfiigt, dass fiir den Patienten kein zusatzliches Risiko entsteht^^^. Damit werden zu den bereits erwahnten Punkten Aussagen getroffen, die seitdem eine Weiterentwicklung erfahren haben und Diskussionsgegenstand in Rechtsprechung und Literatur waren: die Uberwachungspflicht sowie deren Ausgestaltung und der Ausbildungsstand des beaufsichtigenden Arztes.
a) Aufsichtspflicht und deren Ausgestaitung MaBgeblich fiir den Erstlingseingriff ist es, ob dieser nur dann vorgenommen werden darf, wenn er unter den Augen eines erfahrenen Arztes durchgefiihrt wird. Mit Blick auf das Behandlungsrisiko, dass der Anfangereingriff dem ersten Anschein nach mit sich bringt, mutet eine uneingeschrankte Aufsichtspflicht zur Kompensa565 BGHZ 88, 248 (258). 566 B O H , N J W 1984, 655 (656). 567 S o auch O L G Koblenz, N J W 1991, 2967 (2968). 568 So Lipperu N J W 1984, 2606 (2611), der sich aber auch nicht festlegt, wann von „erfor-
derlichen Kenntnissen" die Rede sein kann. 569 B G H , N J W 1984, 655 (656); B G H Z 8 8 , 2 5 4 f; B G H , VersR 1985, 782; B G H N J W 1988, 2298; B G H N J W 1992, 1560; O L G Koblenz, M e d R 1991, 35 (37).
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tion dieses Risikos als zwingende Voraussetzung an. Auch der Gesichtspunkt, dass der ausbildende Arzt im Wege der Erfiillungsgehilfenhaftung flir den Anfangerfehler verantwortlich sein kann^'^^, legt die Vermutung nahe, dass dieser den Anfanger stets uberwachen sollte. Im Falle einer wahlarztlichen Vereinbarung spielt die Uberwachung auch dahingehend eine Rolle, dass sie Voraussetzung dafiir sein kann, dass die medizinale Behandlung noch als Leistung des Wahlarztes gilt und er so zur Liquidation berechtigt ist und nicht der behandelnde Anfanger^'^^ Dieser letzte Gesichtspunkt ist jedoch zu vernachlassigen. SchlieBlich erwachst er mehr dem Berufsrecht und findet fiir alle Arzte Anwendung. Diese aus der vertraglichen Pflicht zur personlichen Leistungserbringung resultierende Aufsichtspflicht ist keine Besonderheit der Anfangeroperation, so dass sie in den folgenden Ausftihrungen keine Rolle spielen wird. aa) Allgemeine Anforderungen Wie einleitend zitiert, geht der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung von einer solchen Uberwachungspflicht aus. Die standige Anwesenheit des qualifizierten Arztes, durch die ein jederzeitiges Eingreifen moglich ist, steht dabei im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen^^^. Jedoch wird davon nicht nur die Uberwachung wahrend des Eingriffs an sich erfasst, sondern die Aufsichtspflicht beginnt bereits mit einer Einfiihrung in die anliegende Behandlung, einer Vergewisserung iiber die Befahigung des Anfangers und den Hinweis auf mogliche Komplikationen^'^^ Der iiberwachende Arzt muss in der Lage sein, im Falle einer Komplikation Oder eines unerwarteten Zwischenfalls jederzeit korrigierend eingreifen zu konnen^'^'^. Dafiir ist es gleichsam erforderlich, dass der aufsichtsfiihrende Arzt bei dem Eingriff die Moglichkeit eines umfassenden tFberblicks besitzt und so in der Lage ist, auch „versteckte Fehler" fruhzeitig zu erkennen und zu beheben^^^. Dies gilt nicht nur fiir den arztlichen Berufsanfanger sondern auch fiir anderes medizinisches Personal, so zum Beispiel fur eine Hebamme, die gleichsam zur Gewahrung des Facharztstandards iiberwacht werden muss^'^^. AUerdings erfahrt diese Forderung eine Einschrankung, indem der Bundesgerichtshof sie nur dann auf5^0 Vgl. MnKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677. ^^1 Andreas, ArztR 2000, 240, 242; Biermann/Ulsenheimer/Weissauer, MedR 2000, 107, 110; Ittenbach, in: Luxenburge/Birkenheier, Opuscula honoraria ftir Egon Miiller, 201, 210 ff. ^"^2 BGHZ 88, 248 (258); gleichsam die Literatur, vgl. statt aller Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33. 573 So u.a. O L G Dusseldorf, VersR 1994, 352. 574 B G H , N J W 1992, 1560 (1561); O L G Munchen, O L G R Munchen 2003, 101 f; O L G Oldenburg, VersR 1998, 1360; Muller-Graff, JuS 1985, 352(357), „Stets u b e m a h m e b e reit"; Soergel-Zeuner, § 823, Rn. 162. 575 O L G Oldenburg, VersR 1998, 1380; in diesem Sinne auch PflUger, Krankenhaushaftung, S. 136. 576 Dazu die Entscheidung des O L G Stuttgart v o m 11.1.2000, O L G R Stuttgart 2 0 0 1 , 3 9 4
ff
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stellt, wenn Zweifel am erforderlichen Ausbildungsstand des Anfangers bestehen^^'^. Somit geht der Senat nicht von einer uneingeschrankten tJberwachung aus, sondern setzt sie nur dann voraus, wenn es mangels erforderlicher Fahigkeiten einer Risikokompensation bedarf. Insoweit ist diese Argumentation konsequent, denkt man an die obige Diskussion zur Aufklarung^^^ zuriick. Dort war das entscheidende Argument fur bzw. gegen die Aufklarungspflicht, ob der Eingriff ein zusatzliches Risiko fur den Patienten bedeutet. Gleichsam setzt sich dies im Hinblick auf die (Jberwachung fort. Besteht kein zusatzliches Risiko, dann ist auch keine tJberwachung notig bzw. wird die Gefahr fiir den Kranken wegen der fehlenden Erfahrung vergleichsweise hoher, ist die Anwesenheit eines erfahrenen Arzt umso mehr notwendig^^^. Der Grund fur diese Schlussfolgerung ist, dass zwar die Aufsicht ein Risiko nicht ausschlieBen kann, aber durch sie kann es reduziert und nahezu eliminiert werden^^^.
bb) Einzelfallabhangigkeit In Konsequenz zu dieser Argumentation erscheint es sinnvoU, eine uneingeschrankte Aufsichtpflicht nicht immer zu fordern, sondern sie risiko- bzw. einzelfallabhangig zu gestalten und den jeweiligen, auch fachspezifischen^^^ Gegebenheiten anzupassen. Das Ziel muss es wiederum sein, den Patienten nicht einem erhohten zusatzlichen Risiko auszusetzen. Dabei lassen sich Rechtsprechung und Literatur zwei wesentliche Aspekte entnehmen, die in diesem Zusammenhang Einfluss auf das AusmaB der Aufsicht haben. Neben Art und Schwierigkeitsgrad des konkreten medizinischen Eingriffs ist dies auch die kontinuierlich steigende Erfahrung des zu iiberwachenden jungen Arztes^^^. (1) Eingriffsabhangigkeit Der Bundesgerichtshof stellt keine generelle Forderung nach einer Aufsicht des Anfangers, sondern lasst eine Tendenz zur Einzelfallentscheidung zu, in denen auch Art und Umfang des Eingriffs mit zu beriicksichtigen sind. So riickt er im Fall der Narkose, also der Ausbildung zum Facharzt in Anasthesie, von der Pflicht zu einer stets vorhandenen Aufsicht ab und pladiert fur eine fachspezifische Auf-
577 BOH, a.a.O, 456. 578 Vgl. dazu ausfuhrlich § 4II. 2. b). 579 Diese Auffassung wurde v o m B G H seither mehrfach bestatigt, exemplarisch: B G H , Urteil v o m 10.3.1992 - V I Z R 64/91, N J W 1992 1560; Urteil v o m 15.6.1993 - V I Z R 175/92, N J W 1993, 2989. Weitere Urteile auch bei Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 247 ff.; Kern, in Laufs/UhlenbrucK Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, R n .
38 ff 580 Staudinger-Hager,
§ 823, Rn. 1 9 3 .
581 MiiKoBGB-M^r^^n^, 3. Aufl., §823, Rn. 401; Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 201 ff 582 Deutsch/Spickhojf,Mtdizimtchi^Rn. 161.
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sichtspflicht^^^. Es geniigt bereits ein Blick- bzw. Rufkontakt, d.h. der Aufsichtsfiihrende muss zwar anwesend aber nicht an der Seite des Anfangers stehen, sondern kann beispielsweise in einem benachbarten Raum eine andere Narkose leiten. AUerdings muss er, nach Ansicht des Senates, trotzdem jederzeit einspringen konnen, wenn sich UnregelmaBigkeiten abzeichnen^^"^. SoUte wahrend der Narkose aber eine Umlagerung notig sein, so ist damit bereits wieder ein so hohes Risiko verbunden, dass der Rufkontakt nicht mehr ausreichen kann^^^. Auch im Bereich der Gynakologie sind Einschrankungen zur standigen Anwesenheitspflicht moglich, die sich konsequenter weise auch am Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Eingriffs orientieren. So kann bei einer zu erwartenden Routinegeburt auch die telefonische Hintergrundbetreuung durch den Oberarzt von zuhause ausreichend sein^^^. Natiirhch sind auch Eingriffe in anderen Fachbereichen denkbar, die so einfach sind, dass das Risiko von vornherein relativ gering ausfallt und auch ein Anfanger den dafiir notwendigen Facharztstandard erbringen kann^^^. Es bedarf keiner umfangreichen Operationspraxis, um bestimmte, einfach gelagerte medizinische Handlungen vorzunehmen wie zum Beispiel das Legen eines Zentralvenenkatheders^^^. In solchen Fallen kann von Anfang an, bzw. relativ friih von einer Aufsicht abgesehen werden. Eingriffe dieser Art durfte bereits ein damaliger Arzt im Praktikum^^^ selbst und ohne Aufsicht vornehmen, wenn er iiber die erforderlichen Kenntnisse und Fahigkeiten verfligte^^^. In Fallen, in denen die Gefahr einer Komplikation allerdings noch gegeben ist, sollte eine jederzeitige Herstellung des
583 So u.a. BGH, N J W 1983, 1374 (1376); N J W 1993, 2989 (2991); vgl. auch M u K o B G B Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 390. 584 Bereits in einer fniheren Entscheidung BGH, N J W 1975, 1424 (1425); B G H N J W 1983, 1374 (1375); gleichsam MiXKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 391. 585 BGH, N J W 1993, 2989. 586 VgL BGH, M D R 1994, 1088; auch Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77; im Ergebnis ahnlich BGH, N J W 1989, 2736, der es ausreichen lasst, wenn ein Facharzt zumindest telefonisch sofort hinzugezogen werden kann und der sich dann auch unverzuglich einfindet. 587 Vgl. z.B. O L G Zweibrucken, VersR 1997, 1104 (1104); O L G Oldenburg, VersR 2000, 191 (192); O L G Braunschweig , N J W - R R 2000, 238 (239). 588 Das O L G Oldenburg, Urteil vom 16.3.2000, VersR 2000, 191 (192), hat die Anwendung der Anfangergrundsatze wegen des geringen Schwierigkeitsgrades des Eingriffs sogar abgelehnt. 589 Nach Abschaffiing des Arztes i m Praktikum (AIP) gilt dies zwangslaufig auch fiir den unerfahrenen Assistenzarzt nach dem Praktischen Jahr, der jetzt an dessen Stelle getreten ist, vgl. die Ausfuhmngen unter § 2 II. 1. so wie im speziellen zur Reform, deren Entstehung, Inhalt und Folgen Haage, M e d R 2002, 456 ff., sowie ders., MedR 1998, 204 ff. 590 Dazu Schelling, Die arztliche Aufklamng uber die Qualitat der Behandlung, S. 109, unter Bezugnahme auf O L G Koln, VersR 1992, 452; Franzki, M e d R 1984,186.
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Facharztstandrads durch einen erfahrenen Kollegen moglich sein^^^ Auf der anderen Seite ist allerdings ein GroBteil der durchzufiihrenden Operationen auch von einem enormen Schwierigkeitsgrad gezeichnet, der dann konsequenter Weise auch zu hoheren Anforderungen fUhrt. Je verantwortungsvoller und schwieriger eine Tatigkeit ist, um so grower muss dann auch die anzuwendende Sorgfaltspflicht sein^^^. In solchen Fallen ist das Risiko fUr den Patienten entsprechend hoch, so dass es solange einer sehr intensiven Aufsicht bedarf, bis dass eine selbstandige Operation durch den Anfanger moglich ist. Neuere Entscheidungen in der Rechtsprechung deuten gleichsam darauf hin, dass eine Lockerung der Kontrolldichte moglich und erforderlich ist, je nach Umstanden des Einzelfalls. So hat es der Bundesgerichtshof ^^^ als zulassig angesehen, einen Assistenzarzt im zweiten Ausbildungsjahr zum Facharzt fiir Gynakologie fiir die Nachtbereitschaft einzuteilen und ihm lediglich einen in Zehnminutenfrist erreichbaren Facharzt in Rufbereitschaft zuzuteilen. (2) Erfahrungsabhangigkeit Auch der Anfanger selbst stellt im Rahmen der tjberwachung einen maBgebenden Faktor dar. Je langer er als Arzt tatig ist und an den jeweiligen Eingriffen beobachtend bzw. assistierend tatig ist, desto umfangreicher wird sein Erfahrungsschatz. Wahrend am Anfang mangels Erfahrung noch ein groBes Risiko besteht, kann mit fortschreitender Ubung die Aufsicht gelockert und Schritt fiir Schritt zuriickgenommen werden^^^. Eine Kompensation des anfangerbedingten Risikos wird immer weniger notwendig, Je nach Grad des Konnens muss eine Lockerung der Aufsicht auch moglich sein, um den jungen Arzt auf diese Weise langsam an eine selbstandige Vorgehensweise heranzufiihren und schrittweise auch zur Eigenverantwortung^^^ zu erziehen^^^. Dies betrifft insoweit sowohl die zeitlichen Intervalle als auch die Intensitat der jeweiligen Uberwachung selbst. Wtirde man stets bis zum Erwerb des Facharztes eine voile Aufsicht verlangen, dann wiirde die Ausbildung auf der einen Seite ad absurdum gefiihrt, weil der Anfanger dann nie ein eigenstandiges Arbeiten lernen wiirde. Auf der anderen Seite wiirde man auch die anderen Arzte stark behindern, wenn sie immer jeden Nichtfacharzt ii^^^ Das OLG Dusseldorf lasst bei Routineeingriffen den Anfanger ohne Aufsicht handeln, NJW 1994, 1598; kritisch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 88. 5^2 Zu diesem allgemeinen Grundsatz OLG Koln, NJW-RR 1997, 471. 593 BGH, NJW 1998, 2736. 59^ So auch der BGH bereits in seiner Grundentscheidung, BGH, NJW 1994, 655; NJW 1993, 2989; NJW 1992, l560;Laufs, Arztrecht, Rn. 524; Rupprecht, ZivilrechtHche Haftung, S. 202 f; Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 247. 595 Vgl. hierzu auch die Zielsetzung der Approbationsordnung fiir Arzte v o m 27.Juni 2002 (BGBl. 2002 Teil I Nr. 44, 2405) in § 1 Abs. 1: „Ziel der arztlichen Ausbildung ist der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt, der zur eigenverantwortlichen und selbstandigen arztlichen Berufsausubung...befahigt ist." 596 Bodenburg, VersR 1979, 308 (309); MuKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 8 2 3 , Rn. 4 0 1 ; Staudinger-Hager, § 823 Rn. I 3 3 ; Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 247 m.w.N.
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berwachen miissten. Je eher der Arzt also in die Verantwortung hineinwachst und an Erfahrung gewinnt, um so mehr verliert auch die Aufsichtspflicht an Gewicht^^^. In letzter Konsequenz ist dann von einer Aufsicht abzusehen, wenn der Arzt praktisch so versiert ist, dass er zuverlassig Gewahr fiir den geschuldeten Standard bietet^^^. Fiir die Feststellung, ob der Arzt iiber die ausreichende Erfahrung und LFbung zur eigenstandigen Operation verfugt, ist dann aber vor allem im Interesse des Patienten ein strenger MaBstab anzusetzen^^^. SchlieBlich ist in diesem Fall der Patient dem jungen Arzt alleine „ausgeliefert"^^^, so dass sich Schwachen und Unsicherheiten ohne die Moglichkeit des korrigierenden Eingriffs unmittelbar auswirken. Mit anderen Worten darf kein zu kompensierendes Risiko mehr vorhanden sein. Es lasst sich demnach die Regel aufstellen, dass proportional zur Erfahrungszunahme des Anfangers die Aufsicht abzunehmen hat. AbschlieBend gilt es aber noch festzuhalten, dass auch im Rahmen der Aufsichtspflicht eine Ausnahme fiir Notfalle gelten muss^^^. In Situationen, in denen ein sofortiges Handeln notwendig ist, kann nicht verlangt werden, dass der Anfanger auf die Assistenz eines erfahrenen Arztes wartet. Ein Zuwarten wiirde den Patienten einem wesentlich hoheren Risiko aussetzen, als es bei einem nicht iiberwachter Jungarzt der Fall ware. Als Zwischenbilanz kann somit festgestellt werden, dass das Ziel stets die Gewahrung des facharztlichen Standards sein muss. Je nach Erfahrungsstand des Anfanger und Schwierigkeitsgrad des Eingriffs kann dann eine Aufsicht noch notwendig sein Oder sich schon eriibrigen. Insoweit ist also eine Einzelfallabwagung angezeigt, ob der Anfanger alleine zumindest die materiellen Qualitaten eines Facharztes fiir den konkreten Fall aufweist oder nicht^^^.
^^"^ OLG Koblenz, VersR 1991, 1376; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 101, Rn. 19, der dies sogar fiir den damaligen Arzt im Praktikum fur sinnvoll halt; PflUger, Krankenhaushaftung, S. 133. 598 O L G Miinchen, Urteil v o m 21.3.2002, veroffentlicht in Juris, Nr. K O R E 4 0 9 3 4 2 0 0 3 ; O L G Karlsruhe, VersR 1991, 1177; O L G Oldenburg, V e r s R 1993, 180; O L G Dusseldorf, VersR 1994, 6 0 3 ; O L G Zweibriicken, VersR 1997, 1103. 599 Vgl. dazu u.a. B G H , N J W 1985,2193; B G H , N J W 1992, 1560; B G H , N J W 1993, 2989; O L G Munchen, Urteil v o m 21.3.2002, veroffentlicht in Juris, Nr. K O R E 4 0 9 3 4 2 0 0 3 ; sowie Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 249 m.w.N. ^^ B G H , N J W 1984, 6 5 5 (656), „dem Patienten gegentiber schlechterdings nicht zu verantworten, ihn ungeschutzt d e n ersten Operationsversuchen eines unerfahrenen Assistenzarztes auszuHefem". 601 Insoweit sind sich Rechtsprechung u n d Literatur einig: B G H Z 8 8 , 2 4 8 (255); O L G Karlsruhe, VersR 1990, 5 3 ; Staudinge/Hager, § 823, Rn. I 33; Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 252. 60^ Gleichsam fiir eine einzelfallbezogene Abwagung hinsichtlich der Fahigkeiten des P^nfangQYS Frahm/Nixdorfy Arzthaftungsrecht, Rn. 76; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Kap. B , Rn. 4; Grofi, Arztlicher Standard, S. 10; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 210; vgl. auch, noch zur alten A A p p O , Bodenburg, VersR 1979, 308 ff
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(3) Anlehnung an das Stufenmodell Je schwieriger der Eingriff und je ungeiibter der Anfanger ist, um so intensiver muss die Uberwachung durch einen Arzt mit facharztlichem Erfahrungs- und Kenntnisstand ausfallen. Diese Schlussfolgerung korrespondiert mit einem bereits im Rahmen der allgemeinen Anforderungen angesprochenen Stufensystem, das die Kompetenz eines jungen Arztes mit dem Ausbildungstand proportional erweitert^^^. Die vier Stufen umfassende Einteilung lasst sich auch auf die Aufsichtspflicht iibertragen, so dass mit anderen Worten die tJberwachung entsprechend dem Erfahrungs- und Kenntnisstand des jeweiligen Anfangers stufenweise abnimmt. Je nach Komplikationsdichte des jeweiligen Eingriffs sind dann umgekehrt proportional die Uberwachungsstufen anzuheben. Nimmt man die vier Stufen als Grundlage, dann lassen sich fiir die tJberwachung die folgenden Schritte festlegen: Beginnend mit einer voUen tJberwachung unter standiger Anwesenheit des ausbildenden Arztes sind besonders schwierige Eingriffe oder Eingriffe des noch unerfahrenen Jungarztes vorzunehmen. Steigern sich Kenntnis- und Erfahrungsstand oder handelt es sich um einen leichteren Eingriff, dann kann bereits eine Rufbereitschaft des Ausbilders ausreichend sein, um den Patienten zu schiitzen und den notwendigen Standard zu gewahrleisten. Hat der Anfanger dann bereits einschlagige Erfahrungen in der jeweiligen Behandlungsmethode bzw. ist von einem komplikationslosen Eingriff auszugehen, muss es geniigen, wenn durch eine entsprechende Vor- und Nachbesprechung mit dem erfahrenen Chef- bzw. Praxisarzt eine tJberwachung gewahrleistet ist. Erst in der vierten Stufe, wenn der Arzt in der Ausbildung den notwendigen Kenntnisstand erreicht hat und iiber ein entsprechendes MaB an Erfahrung verfiigt kann gleichsam wie bei einer problemlosen RoutinemaBnahme eine Aufsicht nahezu entfallen. Lediglich sporadische Stichproben zur Zuverlassigkeit des jungen Arztes sind in diesem Stadium als gerechtfertigt anzusehen. SchlieBlich soil es auch Ziel der Ausbildung sein, ein entsprechendes MaB an eigenverantwortlichem und selbstandigem Handeln zu erreichen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn dem Arzt auch die Moglichkeit gegeben wird, unter entsprechenden Voraussetzungen eigene Entscheidungen zu treffen. b) Ausbildungsstand des Uberwachenden Die Frage nach dem Ausbildungsstand des aufsichtfiihrenden Arztes ist in diesem Zusammenhang sehr umstritten. Im Wesentlichen lassen sich zwei Ansichten vertreten: wahrend man auf der einen Seite einen formellen Facharztstatus fiir den iiberwachenden Mediziner fordern kann, erscheint es auf der anderen Seite auch
Vgl. dazu die Ausfuhmngen Rechtsprechung: BGHZ 88, 248, 254; NJW 1992, 1560 (1561); OLG Koblenz, MedR 1991, 35 (37) und Literatur: Hager, in: Staudinger § 823, Rn. I 33; Jansen, in: Rieger: Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940 Rn. 15 FranzkU MedR 1984, S. 186.; gleichsam, allerdings fiir den Bereich der Anasthesie Opderbecke/Weifiauer, Anasthesiologie und Intensivmedizin, S. 4.; speziell auf den damaligen AIP, Rupprechu Zivilrechtliche Haftung, S. 204.
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moglich, eine einzelfallbezogene, mehr materiell denn formelle Qualifikation des Aufsichtsflihrenden zu fordern. aa) Formeller Facharztstatus Der Bundesgerichtshof vertritt hier im wesentlichen die Ansicht, dass der aufsichtsfuhrende Mediziner die Facharztqualifikation bereits erworben haben miisse. Die pauschale Forderung des Bundesgerichtshofs nach einem Facharzt hat zu enormer Kritik^^^ gefuhrt. Besonders in der sog. Facharztentscheidung^^^ von ][ 992606 ^ ^ j . ^QY liberwachende Arzt zwar noch ein in der Ausbildung befindlicher Assistenzarzt, allerdings hatte er bereits eine funf-jahrige Chirurgieerfahrung und 150 Appendektomien selbstandig durchgeflihrt, so dass man durchaus von einer umfassenden Erfahrung ausgehen konnte. Dennoch hatte der Senat die Aufsicht durch einen Facharzt gefordert. In seinem Urteil vom 15.6.1993^^'^ hielt er ausdriicklich an dieser Forderung nach einer Facharztprasenz fest. Zwar wurden in der Entscheidung gewisse Einschrankungen im Hinblick auf die Prasenzdauer gemacht, die Qualifikation des liberwachenden Arztes als Facharzt bleibt aus Sicht des Gerichtes aber verpflichtend. Am 12.7.1994^^^ v^ar die Frage nach der Facharztprasenz abermals Gegenstand einer Bundesgerichtshof-Entscheidung. Entgegen der Ansicht Baurs^^ riickt das Gericht darin aber wieder nicht von seiner Forderung nach einer Facharztqualifikation ab, sondern trifft nur dahingehend eine Einschrankung, als dass die Anwesenheit unter bestimmten Voraussetzungen auch durch eine Rufbereitschaft ersetzt v^erden kann. Flir diese pauschale Forderung^^^ nach einer formellen Facharztqualifikation, der zum Teil entschieden entgegengetreten wird^^^ sprechen im wesentlichen drei ^^"^ U.a. Laufs, Arztrecht, S. 298, insbesondere Fn. 202; Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 1 ff.; vgl. zu neuerer Kritik Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161, v.a. Fn. 103, die unter Hinweis auf BGH, VersR 1992, 745 = NJW 1992, 1560, die pauschale Forderung des BGH nach einem Facharzt fur zu streng halten. 605 Ygj uisenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 20. 606 B G H , Urteil v o m 10.3.1992 - V I Z R 64/91, N J W 1992 1560. 607 B G H N J W 1993, 2989; gleichsam die Instanzgerichte, z.B. O L G Oldenburg, Urteil v o m 8.6.1993 - 5 U 14/93 -, VersR 1994, 180; O L G Diisseldorf, Urteil v o m 7.10.1993
- 8 U 18/92 -, VersR 1994, 603. 608 B G H N J W 1994, 3008 ff; in dieser Entscheidung war einem Assistenzarzt, der sich in der Ausbildung z u m Facharzt der Gynakologie befand, wahrend einer Geburt ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Ein hinzugezogener zweiter Assistenzarzt konnte dies nicht verhindem, der Oberarzt in Rufbereitschaft traf erst spater i m Operationssaal ein. Die Rufbereitschaft sah der Senat als ausreichend an. 609 Baur, MedR 1995, 192, sieht in d e m Urteil die moghche Einleitung einer differenzierenden u n d einzelfallbezogenen Spruchpraxis i m Bezug auf die Facharztprasenz. Jedoch auBert es sich dazu lediglich im Zusammenhang mit der Facharztqualifikation und nicht differenziert zur Prasenz. 6^0 Zwar ist diese Auffassung uberwiegend in der Judikatur vertreten, allerdings sind auch Telle der Literatur dieser Ansicht: Deutsch, N J W 1984, 650; Graf, Die Beweislast bei Behandlungsfehlem, S. 160 ff; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, S. 14 f;
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Gesichtspunkte. Zunachst spricht flir einen Facharztstatus, dass ein alterer Arzt und Facharzt gegeniiber dem Anfanger durch seinen Titel neben der Qualifikation auch ein hoheres Ma6 an Ansehen genieBt, was Kompetenz, Souveranitat und Verantwortung beinhaltet^^^. Mit dieser Autoritat, die durch das Rangverhaltnis zwischen Assistenzarzt und Facharzt beeinflusst ist, kann die Aufsicht und Anleitung des Anfangers effektiver erfolgen. Weiteres Argument fiir den Facharztstatus ist es, im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine feste Grenze zu Ziehen, wann ein Arzt ausreichend qualifiziert ist, einen anderen zu iiberwachen. Als diese Grenze bietet sich zwangslaufig der Erwerb des Facharztstatus an. Ein weiteres Argument, das fur die Forderung nach dem Facharzt spricht, ist eine erleichterte Beweisfiihrung fiir den Patienten^^^. Dieser miisste namlich im Falle eines Behandlungsfehlers zum einen den Beweis erbringen, dass der Anfanger noch nicht erfahren genug war und zum anderen, dass der aufsichtsfiihrende Arzt noch nicht die Fahigkeit hatte, besagte Aufsicht zu ftihren. Es wiirde sich hierbei um ein „organisatorisch vollbeherrschbares, iatrogenes Risiko" handeln, dass nicht in die Beweislast des Patienten fallen diirfe.
bb) Materielle Facharztqualifikation Jedoch besteht bei der Frage nach der Qualifikation des iiberwachenden Arztes gleichsam die Moglichkeit, eine einzelfallbezogene Differenzierung vorzunehmen^^"^, die sich nicht am formellen Status^^^ des Arztes orientiert, sondern an seiner fiir den konkreten Fall erforderlichen, materiellen bzw. tatsachlichen Qualifikation. Hat man auf der einen Seite beispielsweise einen jungen Arzt, der bereits mehrere Jahre auf dem Gebiet der Chirurgie tatig ist und kurz vor dem Abschluss seiner Facharztausbildung steht, so verfiigt dieser iiber einen ernormen Erfahrungsschatz. Auf der anderen Seite kann ein Facharzt, der nur unter groBten Anauch Muller-Grajf, JuS 1985, 352 (357), der von einem „stets ubemahmebereiten Facharzt" ausgeht; Steffen, ZaeF 1995, 595 (596). ^^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161, v.a. Fn. 103; Kern, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/ Hirsch, Entwicklung der Arzthaftung, S. 313 ff.; Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 1 ff.; dies., MedR 1993, 449; Ulsenheimer, Gynakologe 1993, 349; ders.\ Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 20. 612 OLG Diisseldorf, VersR 1994, 352; Gross, Arztlicher Standard, S. 10 f.; Stejfen, MedR 1995, 360 (361). 61^ Vgl. dazu die Ausfiihrungen von Steffen, MedR 1995, 360 (361), der hier in seiner Funktion als VorsRiBGH a.D. die Rechtsprechung des BGH erlautert und rechtfertigt, stets den Facharzt zu fordem; dem schlieBt sich Graf, Die Beweislast bei Behandlungsfehlem, S. 160 ff vollumfanglich an. 614 OLG Dusseldorf, NJW 1995, 1620; Baur, MedR 1994, 192 f; Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33, der zwar auf die divergierenden Meinungen hinweist, sich aber selbst nicht festlegt; a.A. scheinbar Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, Kap. 14, Rn. 263, der zunachst nur von der Uberwachung durch den delegierenden Arzt spricht, dann aber auch eine Aufsicht durch den Facharzt erwahnt. 61^ Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 75, gehen von einem materiellen Facharztstandard aus.
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strengungen gerade noch seine Facharztpriifung bestanden hat, eine wesentlich schlechtere Qualifikation aufweisen, well er zum Beispiel einen schlechten Ausbilder hatte oder personliche Schwachen aufweist^^^. Alleine die absolvierte Facharztpriifung, welche in diesem iiberspitzten Beispiel die beiden Arzte trennt, kann nicht zu einer besseren Aufsicht und zu einer effektiveren Risikokompensation fiihren. Sie stellt keinen „Freibrief Vdar, einen jungen Arzt alleinverantwortlich bei einer Operation umfassend und ausreichend betreuen zu konnen^^^ Mit anderen Worten spielt die Facharzteigenschaft nicht zwingend eine Rolle und kann pauschal als Giitesiegel verstanden werden. Ein schlecht ausgebildeter Arzt wird durch die Facharztpriifung nicht besser als er vorher war. Es darf nicht auBen vor bleiben, dass es sich auch bei den „Halbgottern in WeiB" nur um menschliche Individuen handelt, die nie gleichqualifiziert sein konnen. Individuelle Begabungen und Neigungen bei den Arzten fiihren dazu, dass ein beispielsweise vier Jahren tatiger Assistenzarzt weit mehr in der Lage sein kann, einen Anfanger anzuleiten als ein altgedienter Facharzt. Auch die oben vorgebrachten Argumente im Hinblick auf das Ansehen und den Respekt den ein Arzt, der schon den Facharztstatus erreicht hat, gegeniiber jiingeren Kollegen genieBt, iiberzeugen nur bedingt. SchlieBlich hangen diese Aspekte nicht nur von der beruflichen Stellung ab, sondern sind auch stark von der Person des Einzelnen gepragt. Eine Fiihrungspersonlichkeit und die Fahigkeit, Kollegen anzuleiten und zu iiberwachen, kann nicht durch den Erwerb des Facharzttitels erzwungen werden. Weiterhin spricht gegen eine pauschale Forderung nach dem Facharztstatus^^^, dass auch die Patienten und die jeweilige Operation durch ihre Individualitat einer pauschalisierten Grenzziehung entgegenstehen. Jeder Eingriff bringt einen anderen Schwierigkeitsgrad mit sich, gleichsam verlauft eine Behandlung bei jedem Patienten aufgrund der differierenden Konstitution unterschiedHch. Diesen Unterschieden kann man nur mittels einer auf den Einzelfall ausgerichteten tJberwachung gerecht werden. So kann ein erfahrener Assistenzarzt, der sich in einem bestimmten Bereich bereits als zuverlassig und qualifiziert gezeigt hat, in einer Operation aus diesem Bereich einen Anfanger qualifiziert anleiten; dafiir einen Facharztstatus zu fordern ist nicht notwendig. Auf der anderen Seite kann ein junger Facharzt unmittelbar nach seiner Priifung bei einer komplizierten Operation, die er selbst bisher erst ein paar Mai vorgenommen hat, nicht auch noch einen Anfanger in einer ausreichenden Weise iiberwachen und anleiten. Konsequenterweise muss es dem leitenden Oberarzt obliegen, anhand einer objektiven Priifung je nach Lage des Falles, also unter Berlicksichtigung von Anfanger, Patienten und vorzunehmender Operation, die Aufsicht so zu wahlen, dass der Aufsichtfiihrende in der Lage ist, den Anfanger anzuleiten und im Falle einer Komplikation kompetent re-
^^^ Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 20. 617 Vgl. Baur, MedR 1995, 192 (193). 618 BGH VersR 92, 745; auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161 und Rn. 305 halten diese Forderung fur „zweifelhaft" bzw. zu strong und stellen lediglich auf die Kompetenz des tiberwachenden Kollegen ab; ahnlich Operbecke/Weifiauer, MedR 1993, 2.
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agieren zu konnen^^^. Die tatsachliche Qualifikation und das Konnen des iiberwachenden Mediziners sind dabei entscheidend, nicht sein formeller Status^^^. Das Argument Steffens^^K man wiirde dem Patienten eine doppelte Beweislast aufbiirden, wenn man nicht die feste Grenze der Facharztqualifikation festsetzen wiirde, kann gleichsam entkraftet werden. War namlich der aufsichtsfiihrende Arzt nicht in der Lage, den Anfanger ordnungsgemaB zu leiten, so trifft ihn auch ein Ubernahmeverschulden, das seine eigene Haftung begriindet^^^. Somit erwachst dem Patienten ein weiteres Haftungsobjekt, gegen das er seine Anspriiche geltend machen kann. Seine Stellung wird dadurch verbessert und nicht durch eine zusatzHche Beweispflicht belastet. Es muss abermals das Ziel sein, eine Behandlung mit dem geschuldeten Standard zu gewahrleisten. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Forderung nach dem iiberwachenden Facharzt nicht formeller sondern materieller Natur^^^ ist und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auch dahingehend ausgelegt werden^^"^. Der iiberwachende Arzt muss nicht iiber den Titel Facharzt verfiigen, sondern er muss das Wissen und die Fahigkeiten besitzen, die ein Facharzt flir die jeweilige Operation im Einzelfall aufweisen sollte^^^. Die Autoritat erwachst nicht aus dem Titel, sondern aus dem Wissen und Konnen, das man damit verbindet^^^. Unter dieser MaBgabe ist dem Ruf nach einem Facharzt beizupflichten und eine
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MixKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 401, fordert zwar gleich dem BGH eine Facharzt-Qualifikation, allerdings raumt er selbst ein, eine fortschreitende Relativierung der strengen MaBstabe sei mit der wachsenden Erfahrung des Anfangers moglich. Im Ergebnis auch OLG Mtinchen, Urteil vom 21.3.2002 - 1 U 5064/01, zitiert nach Juris. Steffen, MedR 1995, 360 (361). Dazu BGH, NJW 1992, 1560; MuKoBGB-M^rr^n^, 3. Aufl., § 823, Rn. 401; auch Steffen selbst weist auf die Haftung des Aufsicht fuhrenden Arztes hin, Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 250 m.w.N. Vgl. dazu auch OLG Mtinchen, Urteil vom 21.3.2002, veroffentlicht in Juris, Nr. KORE409342003; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 75; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 20. Fur den Fall einer ambulanten Operation fordert die Deutsche Gesellschaft fur Medizinrecht auch eine materielle und einzelfallbezogenen Qualifikation des Arztes, wenn sie in Empfehlungen zum ambulanten Operieren, Deutsche Gesellschaft fur Medizinrecht e.y., MedR 1994, 149, 6. Durchfuhrung, fordert, dass der Arzt die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen fur den jeweiligen Eingriff benotigt. Von einer formellen Facharztqualifikation ist dabei nicht die Rede. MtiKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677, spricht schlicht von einem „kompetenten Operateur", der anwesend sein muss; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 161 und 305, die allerdings erganzend fordem, dass ein Facharzt hinzugezogen werden konnte; vgl. in diesem Zusammenhang auch; Kern, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/ Hirsch, Entwicklung der Arzthaftung, S. 313 ff.; Opderbecke/Weifiauer, MedR 1993, 2 ff. Baur, MedR 1995, 192 (193); Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 215.
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tJberwachung durch einen Arzt zu fordern, der facharztliche Qualitaten aufweist, aber nicht zwingend eines Facharzttitels bedarf.
2. Organisationspflichten im engeren Sinn Geht man von der Uberwachungspflicht des ausbildenden Arztes eine Stufe weiter nach oben in der Organisationshierarchie einer Klinik oder groBeren Praxis, so kommt man zu den jeweiligen Chef- und Oberarzten, die entweder eigenstandig Oder auch in ihrer Funktion als Organ des Krankenhauses flir die Einteilung von Anfanger und beaufsichtigenden Arzten zustandig sind. Sowohl Arzt als auch Krankenhaustrager sind insoweit verantwortlich und letztlich dem Patienten gegeniiber verpflichtet, fiir einen ordnungsgemaBen Behandlungsverlauf zu sorgen. Besonders im Bereich der Anfangeroperation treffen auch sie iiber das gewohnliche MaB hinausgehende Pflichten, um die fehlende Erfahrung eines jungen Arztes organisatorisch entsprechend zu kompensieren. Diese Kompensationspflicht trifft dabei sowohl den Krankenhaustrager selbst als auch die bei ihm tatigen Chef- und Oberarzte. a) Krankenhaustrager Vor allem im Bereich von Krankenhausern, Kliniken und groBen Arztpraxen sind eine Vielzahl von Personen gleichzeitig nebeneinander tatig, die alle zusammen als ein geordnetes Gesamtgefuge zur Behandlung des Patienten zusammenwirken^^'^. Um dieses Ineinandergreifen reibungslos und zum Wohl des Patienten zu gestalten, bedarf es einer umfassenden Organisation, zu welcher in erster Linie der Trager des Krankenhauses und in zweiter Linie die leitenden Arzte verpflichtet sind. Es handelt sich dabei um die sog. Organisationspflicht^^^, die auf die Verantwortung des jeweiligen Tragers zur Sicherstellung des Facharztstandards zuruckzufuhren ist^^^. Bei der Organisationspflicht von Krankenhaustrager bzw. Praxisinhaber handelt es sich um eine Verkehrspflicht, den Betriebsablauf und die personellen MaBnahmen so zu organisieren und den Ablauf dementsprechend zu kontroUieren, dass die Patienten nicht geschadigt werden^^^. Das Reichsgericht nahm in diesem 627 Fehn, MID 2002, 1 (2f.); MiiKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 394. 628 Ygi jj^2u die umfassende Auseinandersetzung irdt d e m Organisationsverschulden von PflUger, Krankenhaushaftung; allgemeiner Brandes, D i e Haftung fur Organisationspflichtverletzung; Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden; BrUggemeier, Prinzipen des Haftungsrechts, S. 116 ff; Zu den Pflichten i m Bereich der Personalorganisation Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, Rn. 123 ff.; Deutsch/Spickhojf, M e dizinrecht, Rn. 10 ff und Rn. 300 ff 629 statt aller BGH, N J W 1996, 779 m.w.N.; O L G Frankftirt, M e d R 1995, 75. 6^^ BGH, VersR 1985, 1043; umfassend dazu Brandes, Die Haftung fiir Organisationspflichtverletzung, S. 119 ff; konkret fiir die Organisationspflichten des Krankenhaustragers vgl. PflUger, Krankenhaushaftung, S. 125 ff
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Zusammenhang zunachst eine Dreiteilung der Organisationspflicht vor, indem es von einer Pflicht zur ordentlichen Auswahl des Personals, einer Pflicht zur Festlegung konkreter Verhaltensanweisungen und einer Pflicht zur umfassenden Aufsicht der jeweils ausgewahlten Personen ausging^^^ Diese Aufgliederung ist auch heute noch feststellbar und erleichtert eine Konkretisierung der Organisationspflicht. tJbertragen auf den Krankenhaustrager hat dieser die Einstellung bzw. Auswahl, die Anleitung und die Beaufsichtigung der Arzte vorzunehmen und pflichtgemaB auszufiihren^^^. Im Mittelpunkt hat dabei stets die Sorge dafiir zu stehen, dass sowohl das medizinische als auch das nachgeordnete nichtmedizinische Personal stets die erforderlichen fachlichen und personlichen Qualifikationen gegenliber dem Patienten aufweist^^^. Es muss zu jeder Zeit eine ausreichend qualifizierte Behandlung gewahrleistet sein, unabhangig von Tageszeit oder Wochentag^^l Gerade im Fall eines Anfangereinsatzes erweist sich diese Verpflichtung allerdings als sehr problematisch, da der Anfanger allein nicht iiber die erforderliche fachliche Qualifikation verfiigen kann, so dass dem jeweiligen Kliniktrager nur die Moglichkeit bleibt, durch den Einsatz zusatzlicher Fachkrafte den Patienten ausreichend zu schiitzen. Zunachst ist im Rahmen der Auswahl zu klaren, ob der ausgewahlte Anfanger einen Ausbildungsstand erreicht hat, mit dem er in der Lage ist, die bevorstehende Behandlung und daraus moglicherweise resultierende Komplikationen zu erfassen und ihnen in medizinisch zutreffender Weise zu begegnen^^^. Ist dies nicht der Fall oder kann die fehlende Kenntnis nicht mittels facharztlicher Beaufsichtigung ausgeglichen werden, ist es in Konsequenz dessen auch die Pflicht des Kliniktragers und dessen Organen, die Behandlung anders zu organisieren und eben den noch unzureichend qualifizierten Arzt nicht alleine einzuteilen. Insoweit sind sich Rechtsprechung und Literatur auch einig, dass die Ubertragung einer selbstandigen Operation auf einen noch in der Ausbildung befindlichen Arzt nur unter Aufsicht durch einen erfahrenen Facharzt erfolgen
^^^ Dazu Biisken, Haftungssystem, Freistellung und Regress, S. 99 m.w.N.; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S: 109 ff.; Deutsch, NJW 2000, 1745 ff., nimmt auch eine Unterteilung vor, allerdings in primare, sekundare, abstrakte und konkrete Organisationspflichten; vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 284 f. mit einer Vierteilung der Organisationspflicht. ^^^ Auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 135, lehnt sich an die vom Reichsgericht initiierte Einteilung an. 633 Bergmann, VersR 1996, 810 (812); Laufs, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, § 102, 17. Rap. Rn. 1 ff.; Laufs, Arztrecht, Rn. 533; MMioBGB-Mertens, 3. Aufl., § 839, Rn. 390 ff.; BGH, VersR 1985, 782. ^^4 Vgl. dazu BGH, NJW 1985, 2189; NJW 1986, 766; BGH, VersR 1988, 723; OLG Dusseldorf, VersR 1987, 489. ^^^ So bereits der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung zur Anfangeroperation, BGH, NJW 1984, 655. Vgl. auch Rumler-Detzel, VersR 1994, 254 (256 f.); vgl. auch zur Sorgfaltspflicht bei der Auswahl, Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S: 109 ff.
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kann^^^, Es geniigt allerdings den Organisationspflichten des Krankenhaustragers nicht, nur die Auswahl und richtige Einteilung der Arzte vorzunehmen, sondern es muss auch eine entsprechende Kontrolle derselben stattfinden^^^. Insbesondere sind auch die jeweiligen Chef arzte dahingehend zu iiberwachen, dass auch sie ihrer durch den Anfangereinsatz erhohten Organisationspflicht nachkommen^^^. Dabei sind im Vorfeld bereits entsprechende Unterweisungen und Handlungsrichtlinien festzusetzen, um auch den einteilenden Chefarzten und Oberarzten ein gewisses MaB an Handlungssicherheit zu geben und fiir ein standardisiertes Vorgehen zu sorgen^^^. So bietet es sich dem Grunde nach an, in einem Krankenhaus Richtlinien fiir die Ubertragung bestimmter Behandlung auf junge Arzte festzulegen, aus denen dann hervorgeht, ab welchen Ausbildungsjahr friihestens eine bestimmte Operation zur selbstandigen Vornahme iibertragen werden darf^'^o. Allerdings miissen solche Anweisungen dann aber ein gewisses MaB an Flexibilitat zu lassen, um den individuellen Schwachen und Starken des jeweiligen Anfangers gerecht werden zu konnen. Unter Bezugnahme auf die vorgenannte Dreiteilung der Organisationspflicht durch das Reichsgericht kann man fiir den Anfangereinsatz festhalten, dass den Kliniktrager als Organisationspflicht eine Pflicht zur sorgfaltigen Auswahl von Anfanger und Ausbilder, eine Pflicht zu deren konkreter Unterweisung und eine Pflicht zur Kontrolle trifft. b) Chef-und Oberarzte Nicht nur den Krankenhaustrager, sondern auch den Chef- bzw. Oberarzt^"^^ treffen bestimmte Pflichten, seinen Verantwortungsbereich so zu organisieren, dass Pati636 Richtungsweisend BGH, NJW 1984, 655; bestatigend BGH, NJW 1985, 2193; BGH, NJW 1988, 2298; BGH, NJW 1989, 2321; BGH, NJW 1993, 2989; BGH, NJW 1998, 2736; OLG Oldenburg, VersR 1998, 1381; OLG Stuttgart, VersR 1990, 858; aus der Literatur beispielsweise Deutsch, NJW 1984, 650; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 447; ders., JZ 1984, 311; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 486; Muller-Grajf, JuS 1985, 352. 63'^ Zur Uberwachungspflicht als Bestandteil der Organisationspflicht Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, Rn 27; Busken/KlUglich, VersR 1994, 1141 (1144); Busken, Haftungssystem, Freistellung und Regress, S. 99 f; Franzki, MedR 1994, 171 (177); Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, S. 155; allgemein auch PalandtThomas, § 831, Rn. 14 ff; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S: 115 ff 638 Y g j ^^Q Entscheidung des O L G Schleswig, VersR 1997, 69, die zwar nicht anfangerspezifisch ist, deren Grundsatze allerdings ubertragbar sind. 639 So BGH, N J W 1988, 2298; B G H N J W 1992, 1560; BGH, N J W 1993, 2989; B G H , N J W 1994, 3008; speziell zu Aufklarungsrichtlinien Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17 , § 102, Rn. 18; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn.253 m.w.N. 640 Rupprecht, ZivilrechtHche Haftung, S. 112 ff ^^^ D a ein Chefarzt nicht samtliche organisatorischen Aufgaben und damit auch Pflichten selbst erfiillen kann, kann er diese auch auf seine Oberarzte delegieren, so dass auch
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enten nicht zu Schaden kommen. Insoweit handelt es sich aber um die gleichen Pflichten, die auch dem Krankenhaustrager obliegen, allerdings wohl in noch strengerem MaBe^'*^. Auch bei ihnen kann man von Sorgfaltspflichten bei der Auswahl, Instruktion und Uberwachung sprechen^"^^. Insoweit kann hier zunachst auf die obigen Ausfiihrungen verwiesen werden. Dennoch lassen sich aber im Einzelnen doch noch gewisse Unterschiede und Nuancen feststellen, die einer gesonderten Erwahnung bediirfen. Zunachst ist es die Pflicht leitender Arzte und Krankenhauser, die Weiterbildung von Arzten zu organisieren und sie dementsprechend einzusetzen^"^"^. Dabei ist stets darauf zu achten, dass dieser Einsatz nur im Umfang der bereits erworbenen Kenntnisse und Fahigkeiten erfolgt. Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung stellt infolgedessen auch hier die Einteilung eines jungen Arztes fiir eine konkrete Behandlung, bzw. einen bestimmten Dienst^"^^ dar, wenn er fiir diese Situation noch nicht ausreichend iiber entsprechende Erfahrungen verfiigt oder die mangelnde Qualifikation durch Aufsicht und Unterstiitzung erfahrener Arzte nicht ausgeglichen werden kann^"^^. Dabei reichen bereits Zweifel hinsichtlich der Fahigkeiten des jungen Arztes aus, ihm eine Behandlung nicht zu iibertragen^^'^. Man kann in diesem Zusammenhang also von einer Verletzung der Ubertragungspflicht sprechen, die den Einsatz eines nicht ausreichend qualifizierten Arztes zum Gegenstand hat^"^^. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Leitentscheidung festgehalten - und in verschiedenen nachfolgenden Entscheidungen^'*^ auch bestatigt -, dass der einteilende Arzt die gegenliber dem Patienten bestehende objektive Pflicht zur Erbringung des facharztlichen Standards hat, welche die Einteilung eines noch unerfahrenen Arztes zu einer ihn iiberfordernden eigenstandigen Behandlung verbietet^^^. Der erfahrene Kollege muss diese eine Organisationspflicht treffen kann, Fehn, MID 2002, 1 ff.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80; Lippert, NJW 1984, 2606 (2611); Rumler-Detzel, VersR 1994, 254. ^^'^ So Matusche-Beckmann, Organisationsverschulden, S. 170; PflUger, Organisationsverschulden, S. 133. 643 Ygj 2u dieser Aufteilung der Sorgfaltspflichten, Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 109 ff ^^ Diese Verpflichtung ist bei Hochschulklinika gesetzlich festgelegt, wenn auch je nach Bundesland an verschiedenen Stellen der landesrechtlichen Vorschriften; allgemein dazu L/pp^rr, NJW 1984, 2606 (2611). ^^^ So beispielsweise Nacht- oder Wochenenddienste, vgl. OLG Dusseldorf, VersR 1986, 659. 6^6 OLG Oldenburg, NJWE-VHR 1998, 18 (19). ^47 BGHZ 88, 248; BGH, NJW 1985, 2193; OLG Dusseldorf, VersR 1994, 352. ^48 Dazu DeutscK NJW 1984, 650; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 77; Giesen, J Z 1984, 3 1 1 ; ders., Arzthaftungsrecht, Rn. 447; Laufs, Arztrecht, Rn. 524; Muller-Graff, JuS 1985, 352. 649 Vgl. u.a. BGH, N J W 1985, 2193; BGH, N J W 1988, 2298; B G H , N J W 1992, 1560; B G H , N J W 1993, 2990; B G H , N J W 1998, 2736; OLG Oldenburg, VersR 1998, 1381. 650 B G H , N J W 1984, 655 (657); sich auf den B G H berufend auch Muller-Grajf, JuS 1985, 352 (359).
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die Risiken kennen und abschatzen, ob diese bereits mit dem Konnen des Anfangers vereinbar sind. Dies soil im Wege einer Abwagung erfolgen, in welcher der einteilende Vorgesetzte die Schwierigkeiten des bevorstehenden Eingriffs dem Konnen des Anfangers gegeniiberzustellen hat und mit Blick auf das Risiko des Patienten entsprechend zu gewichten^^^ Unter Einbeziehung von bereits gezeigtem manuellen Geschick, der sozialen Kompetenz im Umgang mit dem Patienten sowie die theoretischen Kenntnisse hat er dann je nach Gefahrdung gleichsam uber die Notwendigkeit und Intensitat einer Beaufsichtigung des Berufsanfangers durch sich oder einen anderen erfahrenen Kollegen zu entscheiden^^^. Bei der objektiven Prtifung der Fahigkeiten des Anfangers sind die im vorangegangen Kapitel genannten Grundsatze ftir die Voraussetzung einer Behandlungsiibernahme durch den jungen Arzt anzuwenden und sein Konnen mit dem Schwierigkeitsgrad der medizinischen MaBnahme abzuwagen, was unter Zugrundelegung eines strengen MaBstabes zu erfolgen hat^^^. 1st die Behandlung erfolgt, hat der leitende Arzt weiterhin die Pflicht, fiir das Wohlergehen des Patienten Sorge zu tragen und das Vorgehen seines Assistenten nochmals zu kontroUieren^^"^.
3. Zusammenfassung Die Organisationspflicht ist ein weiter Begriff, unter den sich viele Unterarten von Verkehrspflichten subsumieren lassen. Vor allem fiir den Bereich der Anfangeroperation lassen sich dabei die Aufsichtspflicht liber den jungen Arzt und die Pflicht zur ordnungsgemaBen Organisation im engeren Sinne festhalten. Die Aufsichtspflicht ist an den Einzelfall anzupassen und je nach den Fahigkeiten des Anfangers und dem Schwierigkeitsgrad der durchzufiihrenden Behandlung zu messen. Bei der Frage, welchen Ausbildungsstand der aufsichtsfiihrende Arzt aufzuweisen hat, ist auf einen materiellen Facharztstand abzustellen. Auf der einen Seite kann es nicht ausreichen, sich auf einen formellen Facharzttitel zu berufen, wenn die fachliche Kompetenz einem Facharzt noch nicht angemessen ist und auch die Fahigkeit zur Leitung junger Kollegen noch nicht vorhanden ist. Auf der anderen Seite ware es aber widersinnig, einem Arzt die Aufsichtsbefugnis zu versagen, obwohl er dazu fachlich in der Lage ware, nur weil ihm der entsprechende, formelle Titel des Facharztes noch fehlt. Neben der Aufsichtspflicht hat auch die Organisationspflicht im engeren Sinne eine groBe Bedeutung bei Anfangereinsatzen. Es handelt sich dabei um eine Pflicht, die Krankenhaustrager als auch leitende Arzte in gleichem MaBe trifft. ^^1 Opderbecke, MedR 1992, 205; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 202. 652 B O H , N J W 1984, 655 (657); O L G Diisseldorf, VersR 1994, 3 5 2 ; Opderbecke/Weissauer, M e d R 1989, 306 (307). 653 Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 249 unter Hinweis auf B G H , N J W 1985, 2 1 9 3 ; B G H , N J W 1992, 1560; B G H , N J W 1993, 2989; O L G Dusseldorf, VersR 1985, 1049; O L G Dusseldorf, VersR 1994, 352. 654 So beispielsweise der B G H , VersR 1979, 844; B G H , VersR 1988, 1270.
IV. Besondere Organisationspflichten
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Ziel ist es, trotz der fehlenden Erfahrung eines jungen Arztes, den Facharztstandard fur den Patienten zu gewahrleisten. Dafiir bedarf es organisatorischer MaBnahmen, die alle Teil der Organisationspflicht sind. Sie beginnen bei der richtigen Auswahl und Einteilung der Arzte und reichen iiber notwendige Unterweisung bis hin zu einer konsequenten tJberwachung und Kontrolle.
E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Nach der Darstellung der besonderen Voraussetzungen, die vor und wahrend eines Anfangereingriffs zu beachten sind, stellt sich zwangslaufig die Frage, was geschieht danach, wenn trotz der hohen Anforderungen ein Fehler passiert und der Patient zu Schaden gekommen ist. 1st dann der Anfanger voll zur Haftung heranzuziehen, inwieweit haften die Fach-, Ober- und Chefarzte und in welchem Umfang kann man sich an das Krankenhaus, respektive dessen Trager oder die Gemeinschaftspraxis wenden. Das folgende Kapitel soil sich mit diesen Fragen auseinandersetzen und die Haftungssituation im Rahmen des Anfangereingriffs offen legen.
I. Passivlegitimation und Haftungsgrundlage Im Folgenden ist nun konkret fiir die Anfangeroperation zu klaren, wer im Falle eines Fehlers woraus haften muss bzw. die Frage nach der Passivlegitimation und Haftungsgrundlage. Wer die Passivlegitimation inne hat, muss anhand der Haftungsgrundlage geklart werden^^^, so dass sich allein schon, um Wiederholungen zu vermeiden, eine gemeinsame Auseinandersetzung der beiden Themenkomplexe anbietet.
1. Keine spezialgesetziichen Haftungsgrundlagen Wie bereits in der Einleitung der Arbeit angeklungen, sind Medizin und Recht schon sehr lange miteinander verkniipft; dennoch ist es bisher nicht zu einer eigenen, spezialgesetziichen Normierung gekommen, so dass das deutsche Recht ahnlich den meisten europaischen Rechtsordnungen keine speziellen Regelungen zum Medizinrecht und schon gar nicht zur Problematik eines Anfangerfehlers kennt^^^. Zwar wurde bereits auf europaischer Ebene eine einheitliche Richtungsgebung zur ^^^ Tilch/ArlotK Deutsches Rechtslexikon, Bd. 2, S. 3184. ^^^ Fischer, in; Fischer/Kluth/Lilie, Ansatze fur eine Starkung der Patientenrechte im deutschen Recht, S. 107 ff.Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 1; Katzenmeier, Arzthaftung, S.76.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Kodifizierung medizinischer Grundsatze in Angriff genommen, diese ist jedoch bisher ohne konkrete Ergebnisse geblieben^^'^, Lediglich im Berufsrecht selbst, also beispielsweise im Bereich der Ausbildung und Niederlassung wurden europaische Normierungen vorgenommen^^^, deren Auswirkungen auf die Haftung des Arztes aber eher unbedeutend sind. Im nationalen Bereich ist man von einer Kodifizierung des Arztrechtes weit entfernt, auch wenn bereits mehrfach versucht wurde, fur die Arzthaftung einen spezialgesetzlichen Regelungskomplex zu schaffen^^^. Auch Bestrebungen nach einer Berufshaftung sind bisher nicht zu einem iiber die Rechtsprechungsgrundsatze hinausgehenden Ergebnis gelangt^^^. Vor allem in dem Gutachten von Deutsch/Geiger^^^, das diese im Auftrag des Bundesministeriums fur Justiz zur (jberarbeitung des Schuldrechts erstellt hatten, wurde die Forderung nach einer eigenstandigen Kodifizierung laut. Trotz der ausfiihrlichen Darlegung von Notwendigkeit und Vorteilen, die eine spezielle Regelung fiir das Arzt-PatientenVerhaltnis hatte, wurde der zwolf Paragraphen^^^ umfassende Vorschlag nicht beriicksichtigt. Die Kodifizierung des Arztvertrages blieb deshalb auch im Rahmen der Schuldrechtsreform unberiicksichtigt^^^. Bereits 1998 hatte sich die Bundesregierung dahingehend geauBert, dass es in nachster Zukunft im Hinblick auf die Verbesserung der Patientenstellung sowie die genauer werdende Beschreibung arztlicher Pflichten durch die Rechtsprechung keiner gesetzgeberischer MaBnahmen auf zivilrechtlichem Gebiet bediirfe, die eine Regelung fiir die Durchsetzung von Schadensersatzanspriichen schaffen wiirden^^^. Infolge der mangelnden Kodifizierung ist das Haftungsrecht im medizinalen Bereich von der Rechtsprechung so gepragt, dass man durchaus von Richterrecht
^^^ Faure, ZEuP 2000, 575 ff, fasst in seiner Abhandlung die verschiedenen europaischen Haftungsmodelle zusammen und beleuchtet die Notwendigkeit einer europaweiten Harmonisiemng. 658 Vgl. Richtlinien 75/363/EWG ABIEG 1975 Nr, L 167 S. 1 sowie 75/362/EWG ABIEG 1975 Nr. L 167 S. 14; ein Entwurf einer Dienstleistungshaftungsrichtlinie wurde 1994 von der Kommission wieder zuriickgenommen, die Heilberufe waren darin allerdings von vomherein nicht extra bedacht, Schalast, Voigtldnder-Tetzner, VersR 1994, 1266. 65^ Vgl. dazu den 52. Deutschen Juristentag in Wiesbaden, der bereits 1978 die einheitliche Kodifizierung zum Gegenstand hatte, v.a. Weyers, 52. DJT-Gutachten; Deutsch, NJW 1978 1657 ff 66^ Zur Frage der Berufshaftung, die fur die vorliegende Arbeit nur im Rahmen der Sorgfaltspflichten von Bedeutung ist, vgl. die ausfuhrliche Darstellung von Katzenmeier, Arzthaftung, S. 89 ff 66^ Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1049 ff; dazu auch StaudingerRichardU § 611, Vorbem. 1619. 66^ Abgedruckt bei Deutsch/Geiger, Medizinischer Behandlungsvertrag, S. 1111 ff 663 Y g j ^2aAx auch schon vor d e n Kodifizierungsversuchen i m R a h m e n der Schuldrechtsreform Kaufinann, D i e Beweisproblematik, S. 5 ff; Uhlenbruck, N J W 1973, 1399 ff;
Westermann, NJW 1974 577 f 664 BReg, BT-Dr. 13/11452 v o m 30.9.1998, S. 10.
I. Passivlegitimation und Haftungsgmndlage
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sprechen kann.^^^ Dies gilt im Besonderen auch fiir den Anfangereinsatz, wie das grundlegende Urteil und die dadurch angestoBene Entwicklung gezeigt hat auch noch zeigt^^^. Bereits 1971 hatte Isele treffend feststellt, dass ein groBer, ja der groBte Teil der modernen Arzthaftung Rechtsprechungsrecht ist, die typische Kasuistik der Zivilgerichte^^'^. Diese Auffassung trifft noch heute zu, da es im Wege der gerichtlichen Rechtsfortbildung, insbesondere der des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes^^^, moglich ist, auf die individuellen Fallgestaltungen in der Arzthaftung einzelfallbezogen einzugehen und deni Fortschritt in der medizinischen Forschung gerecht zu werden. Um mit der Entwicklung Schritt halten zu konnen, ist die Legislative nicht schnell und flexibel genug, so dass man ein gewisses MaB an Rechtsunsicherheit zugunsten der richterrechtlichen Konkretisierung hinnehmen muss. Nichts desto trotz bedarf es allerdings einer gesetzlichen Grundregelung, welche die Basis der gerichtlichen Auslegung bilden muss. Diese Grundregelungen sind aufgrund mangelnder Spezialnormen im allgemeinen Recht des Biirgerlichen Gesetzbuches zu fmden, welche die Gerichte durch die entsprechenden Entscheidungen auf die Arzthaftung angepasst haben und anpassen. Grundsatzlich lasst sich das Haftungssystem des BGB in zwei verschiedene Anspruchgruppen teilen, so dass in diversen Abhandlungen von einer zweigleisigen Oder dualistischen Haftung gesprochen wird^^^. Man kann in diesem Zusammenhang von der vertraglichen Haftung die deliktische Haftung unterscheiden, die beide im Verhaltnis einer freien Anspruchskonkurrenz zueinander stehen^'^^. Dieses System dualer Haftungsgrundlagen setzt sich mangels spezieller Vorschriften auch im Medizinrecht fort, so dass es auch in diesem Bereich zwischen einer vertraglichen und einer deliktischen Haftung zu unterscheiden gilt. Daneben tritt noch eine Zwischenstufe, die sog. quasivertragliche Haftung, auf die im Folgenden auch kurz einzugehen sein wird. Die beiden Haftungsgrundlagen wurden im Arzthaftungsrecht zunachst kumuliert und zu einem Haftungsgrund verbunden, der die Vor- und Nachteile der verschiedenen im Biirgerlichen Gesetzbuch angelegten Haftungsgrundlagen kompensierte, zum Teil wird von einem „gemeinsamen verschmolzenen Haftungsgrund der Arzthaftung" gesprochen^^^ Aufgrund der ge^^^ Bestes Beispiel dafur ist das Werk von Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, das durch einschlagige Rechtsprechungsnachweise die Haftungsgrundsatze im Arztrecht festlegt; vgl. auch Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 210; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 77; Muller, MedR 2001, 478, 494. 666 Urteil des BOH vom 27.9.1983, BGHZ 88, 248. 66'7 Isele, in: Mergen, Die juristische Problematik in der Medizin, Bd. 3, S. 11.; in diesem Zusammenhang auch Laufs, NJW 1996, 2413 f. und mit Bezug auf Einfltisse aus dem europaischen Ausland Giesen, in: Festschrift fur Erich Steffen, 159 (160). 668 Laufs, Arztrecht, Rn. 5 5 1 , v.a. Fn. 279. 669 Emmerich, J u S 1984, 556, spricht gar von einer „Zweispurigkeit" des deutschen Arzthaftungsrechts. 6'^^ Speziell fur d i e Arzthaftung Deutsch/Geiger, Medizinscher Behandlungsvertrag, S. 1049 (1094); Rupprechu ZivilrechtUche Haftung, S. 8. 6'^^ Gehrlein, in: Budewig/Gehrlein, Haftpflichtrecht nach der Reform, S. 1196 f; Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung?, S. 36, stellt in diesem Zusammenhang den Gegen-
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
setzlichen Anderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts^^^ und das Zweite Gesetz zur Anderung schadensersatzrechtlicher Normen^^^ hat die Haftung aus Vertrag gegenliber dem Delikt ein Mehr an Bedeutung gewonnen hat^"^"^. Als Hauptgrund kann in diesem Zusammenhang der Ersatz flir immateriellen Schaden genannt werden, der vormals nur im Wege einer deliktischen Haftung durch den inzwischen aufgehobenen § 847 BOB a.F. moglich war und nunmehr durch den neuen § 253 Abs. 2 BOB unabhangig von der Haftungsgrundlage, also auch im Falle der vertraglichen Haftung, geltend gemacht werden kann^^^.
2, Vertrag Gegenstand der Auseinandersetzung soil zunachst die vertragliche Haftung fur Fehler im Rahmen einer Anfangerbehandlung sein^"^^.
satz zum franzosischen Recht dar, das eine derartige Kumulierung nicht kennt, sondem dem das Prinzip des non-cumul zugrunde liegt. Vgl. dazu auch Deutsch, JZ 1989, 465 (469). 672 Gesetz vom 26.11.2001, BOB!. 3138. ^'73 Gesetz vom 19.7.2002, BGBl. I 2674. ^'^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 128, sprechen von einer „Akzentverschiebung" und begriinden dies uberdies mit der einfacheren Art, das Fehlverhalten Dritter zuzurechnen; Hart, Jura 2000, 14 (19), spricht in weiser Voraussicht, noch vor der Schadensrechtsreform, davon, dass die Vertragshaftung vie! mehr im Vordergrund stehen wurde, wenn man gleichsam Ersatz flir seine immateriellen Schaden erlangen wiirde; gleichsam Deutsch, JZ 2002, 588 (592); vgl. auch Gehrlein, in: Budewig/Gehrlein, Haftpflichtrecht nach der Reform, S. 186; Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1072 ff); Rehborn, MDR 2002, 1281 (1288); Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2532); ders., FamRZ 2002, 389 (390). 67^ Gleichsam wurden die unterschiedlichen Verjahrungsfristen der beiden Haftungssysteme angeglichen; wahrend fur vertragliche Anspriiche eine regelmaBige Verjahrung von 30 Jahren nach § 195 BGB a.F. gait, hing die dreijahrige Verjahrungsfrist im Deliktsrecht gemaB § 852 Abs. 1 BGB a.F. davon ab, wann der Patient Kenntnis von Schaden und ersatzpflichtiger Person hatte. Der Patient musste von Tatsachen Kenntnis erlangt haben, die aus Sicht des medizinischen Laiens den Schluss zulassen, dass der Arzt von den ublichen medizinischen MaBnahmen abgewichen ist bzw. dem arztlichen Standard entsprechende MaBnahmen unterlassen hat, BGH, NJW 2001, 885; im Detail Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (275). Mit dem neuen Schuldrecht gilt nun einheitlich eine regelmaBige Verjahrungsfrist fiir alle Anspruche auf Schadensersatz von 3 Jahren nach § 195 BGB, der noch durch die dem § 852 BGB a.F. vergleichbare Regelung des § 199 BGB modifiziert wird; zur Neuregelung auch Deutsch, JZ 2002, 588 ff ^'76 Grundlegend dazu: BUsken/Kluglich, VersR 1994, 1141 ff; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 129 ff; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 21 ff; Hart, Jura 2000, 14 ff; Laufs, Arztrecht, Rn. 88 ff; 555 ff; ders. in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 98 Rn. 1 ff; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 ff; Reiling, MedR 1995, 433 ff; Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 23 ff
I. Passivlegitimation und Haftungsgrundlage
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a) Haftungsgrundlage Mit der arztlichen Haftpflicht soil dem geschadigten Patienten ein Ausgleich ftir widerfahrenes Unrecht, nicht aber ftir widerfahrenes Ungliick gewahrt werden; da dem Unrecht im Gegensatz zum Ungliick ein Verschulden immanent ist, lasst sich schlussfolgern, dass der Haftung stets das Verschuldensprinzip zugrunde liegt^'^'^. Dieses Verschulden kann sowohl bei dem Anfanger als auch bei anderen, an der Behandlung beteiligten Personen zu Tage getreten sein, so dass man insoweit zwischen dem eigenen und dem fremden, aber zurechenbaren Verschulden zu unterscheiden hat. Diese Differenzierung findet sich gleichsam in der vertraglichen Haftung wieder, so dass sie im folgenden als Gliederungshilfe herangezogen werden soil. aa) Eigenhaftung Wie bereits in den obigen Ausflihrungen dargestellt, handelt es sich bei dem medizinischen Behandlungsverhaltnis unabhangig vom Partner des Patienten in der Kegel um einen Dienstvertrag im Sinn der §§ 611 ff. BGB^^^ in dem die Durchfiihrung der medizinischen MaBnahme nach den anerkannten Regeln der arztlichen Kunst geschuldet wird. Davon umfasst ist gleichsam die Verpflichtung, nach dem Stand der Wissenschaft zu diagnostizieren, den Patienten zu beraten sowie aufzuklaren und mit dem Ziel einer Heilung bzw. Linderung auf einfachste, schnellste und schonendste Weise zu therapieren^^^. Wird nun gegen eine dieser Pflichten verstoBen, dann haftet der jeweilige Vertragspartner^^^ vertraglich auf Schadensersatz. Diese Haftung wurde vor der Schuldrechtsreform^^^ auf das gewohnheitsrechtlich entwickelte und auf Staub^^^ zurlickgehende Rechtsinstitut der positiven Vertrags- bzw. Forderungsverletzung (pVV bzw. pFV) gestiitzt, das den Ersatz ftir ein verletztes Erftillungsinteresse ermoglichte^^^ Nach der umfangrei-
6'77' Laufs, NJW 1996, 2413 (2414); Muller, NJW 1997, 3049; Weber, NJW 1997, 761 (767). ^^^ Vgl. die Ausflihrungen zum Vertragsrecht in § 3 I; nur in Ausnahmefallen, u.a. bei der Herstellung von Prothesen kann es zu einem Werkvertrag kommen, z.B. ftir den Fall einer Zahnprothese LG Hannover, NJW 1980, 1340. Die Schaffung eines eigenen Regelungskomplexes zum Behandlungsvertrag ist auch mit der Reform des Schuldrechts nicht erfolgt, Spindler/Rieckers, JuS 2004, 272 (273). ^''^ Dazu statt Silltr Laufs, Arztrecht, Rn. 110. ^^^ Vgl. die Ausflihrungen in § 3 II. und III. ^^^ Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001, BGBl. 3138. ^^^ Vgl. Staub, z.B. in: Jhering, Rudolf, Culpa in contrahendo, S. 93 ff; erlautemd Staudinger-Lowisch, Vorbem. zu §§ 275-283, Rn. 28. ^^^ Die pVV im Arzthaftungsrecht vor der Schuldrechtsreform beispielsweise bei Jaspersen, VersR 1992, 1431 (1433 ff); fur den Begriff der positiven Forderungsverletzung, also der pFV, mit dem Argument, dass nicht nur vertragliche sondem auch anderen Pflichten verletzt werden konnten, die zu einer Schadensersatzpflicht flihren, Medicus, Biirgerliches Recht, 18. Auflage, Rn. 306 ff; iiberblicksartig zur alten Arzthaftung auch
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
chen Reformierung des allgemeinen Schuldrechts bedarf es eines solchen Riickgriffs auf die pVV nicht mehr^^^. Die vertragliche Ersatzpflicht hat eine gesetzliche Normierung in § 280 BGB gefunden, der als zentrale Anspruchsgrundlage ftir alle Vertragsverhaltnisse Geltung beanspmcht. Nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift kann der Glaubiger, vorliegend also der zu Schaden gekommene Patient, Schadenersatz verlangen, wenn der Arzt eine Pflicht aus dem Schuldverhaltnis verletzt hat und dafiir auch verantwortlich ist, er also die Pflichtverletzung nach § 276 BGB zu vertreten hat^^^. Kommt es demnach im Rahmen eines Anfangereinsatzes zu einem schadensverursachenden Ereignis, dann haftet der Vertragspartner des Patienten zunachst fiir die Fehler aus seinem eigenen Verantwortungsbereich. Darunter fallt beispielsweise, dass der Anfanger unzureichend iiberwacht worden ist, dass bei einem Zwischenfall nicht entsprechend eingegriffen wurde Oder dass dem Anfanger eine Aufgabe iibertragen worden war, fiir die er nicht ausreichend qualifiziert gewesen ist^^^. bb) Zurechnung uber § 278 BGB Neben eigenen Fehlern muss der Vertragspartner aber auch fiir die Fehler eines Dritten einstehen, dessen er sich zur Erfiillung seiner vertraglichen Pflichten bedient hat, dem sog. Erfiillungsgehilfen. Diese Zurechnung des Verschuldens Dritter erfolgt bei der vertraglichen Haftung iiber § 278 BGB und setzt das Bestehen einer Sonderverbindung voraus, d.h., dass der Erfiillungsgehilfe zur Erfiillung einer bestehenden Verbindlichkeit eingesetzt wird^^'^. Der Begriff des Erfiillungsgehilfen ist, wie das gesamte Recht der Arzthaftung, durch die Rechtsprechung gepragt. Er lasst sich zunachst im Wege einer Negativabgrenzung dahingehend definieren, als dass es sich bei einem Erfiillungsgehilfen um einen medizinalen Gehilfen handelt, der nicht Vertragspartner ist und somit kein eigenes Liquidationsrecht hat^^^. Da es zwischen dem Patienten und dem Anfanger in der Regel nicht zu einem eigenen Vertragsschluss kommt, sondern der Anfanger stets nur im Rahmen der vertikalen Arbeitsteilung tatig wird, ist er in der Mehrzahl der Falle als Erfiillungsgehilfe einzustufen^^^. Der Vertragspartner des Patienten bedient sich des
Wilts/Kleinewefers, in: Mergen, Die juristische Problematik in der Medizin, Bd. Ill, S. 23 ff. 684 Dazu auch in der Gesetzesbegriindung BT-Drucks. 14/6040, S. 136. 685 Die neu eingefuhrte Beweislastumkehr, die bisher lediglich fur den Fall der Unmoglichkeit in § 282 BGB a.F. geregelt war, ist Gegenstand der Ausfuhmng zur Beweisfiihrung in § 6 der Arbeit. ^^^ Zur vertieften Auseinandersetzung mit den jeweiligen Haftungsgrunden vgl. die Ausftihrungen in § 5 IIL 687 Grundlegend statt aller MiiKoBGB-GrwnJmann, § 278, Rn. 15 ff., speziell fiir das Arztrecht Rn. 35 m.w.N. Fischer, in.* Fischer/Kluth/Lilie, Ansatze fur eine Starkung der Patientenrechte im deutschen Recht, S. 78; Laufs, Arztrecht, Rn. 559. Dies gilt nicht nur fur den Arzt in der Weiterbildung, sondern auch fiir Famulanten und Studenten im Praktischen Jahr genauso, Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 197 f
L Passivlegitimation und Haftungsgrundlage
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jungen Arztes zur Erfullung seiner vertraglichen Pflichten die ihm gegentiber dem Patienten obliegen, so dass er im Gegenzug dazu auch fiir die Anfangerfehler einstehen muss. Freilich muss in diesem Zusammenhang unterschieden werden, in wessen Bereich der Erflillungsgehilfe eingesetzt wurde. Man spricht insoweit auch von der sog. „Ubergeordnetenhaftung"^^^. cc) Zurechnung uber § 31 i.V.m. § 839 BGB Nicht auBer Acht bleiben darf in diesem Zusammenhang eine weitere Zurechnungsnorm des Burgerlichen Gesetzbuches, die im Rahmen der Arzthaftung von erwahnenswerter Bedeutung ist und insoweit auch § 278 BGB verdrangt. Es handeh sich dabei um § 31 BGB i.V.m. § 839 BGB, der die Zurechung des Verhaltens von Organen unabhangig von der Anspruchsgrundlage ermoglicht^^^ Unter sog. Organen werden verfassungsmaBige Vertreter verstanden, deren Handlungen einer juristischen Person als ihre eigene zugerechnet werden, ohne ihr die Moglichkeit einer Exkulpation zu geben^^^. In dieser fehlenden Enthaftungsmoglichkeit besteht auch der vermeintliche Vorteil zur deliktischen Haftung, denn durch eine stringente Rechtsprechung ist eine Exkulpation nur noch bedingt moglich^^^, auch wenn sie im Rahmen des § 831 BGB zumindest theoretisch zugelassen ist. Unter die oben genannte Definition des Organs fallen vor allem die leitenden Krankenhausarzte bzw. Chefarzte. Sie sind medizinal weisungsfrei und delegieren im Rahmen einer vertikalen Arbeitsteilung die jeweiligen Aufgaben an die untergebenen Oberarzte, Assistenten und eben auch Anfanger^^"^ weiter. Insoweit stellen sie verfassungsmaBig berufene Vertreter dar und losen im Fall der falschen Auswahl eines Anfangers eine Organhaftung des jeweiligen Tragers aus. Jedoch gilt dies immer dann nicht, wenn die Behandlung im Rahmen eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages vereinbart wurde. In diesem Fall handelt der jeweilige Chefarzt auf eigene Verantwortung und wird insoweit auch nicht als Organ des Krankenhaustragers tatig^^^. Eine Zurechnung ware in dieser Konstellation verfehlt.
^^^ Vgl. die Ausfiihrungen zur Verschuldenszurechnung Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 313. ^^^ Baur, Die Organhaftung des Krankenhaustragers, S. 150 ff; allgemein Steindorff, AcP 170, 93 (104); Soergel-Hadding, § 31 Rn. 1, 19; Standinger-Weick, § 31, Rn. 4 ff ^^2 Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 299; Laufs, Arztrecht, Rn. 570 f; Schmidt, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 108 u. 112 ff 693 B O H N J W 1993, 2989 (2990 f ) u n d Schur, Leistung u n d Sorgfalt, § 4 II 2.; Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, R n . 9 0 ffm.w.N.; zudem MiXKoBGB-Wagner,
4. Aufl., § 823, Rn. 643; Staudinger-Hager, § 823 Rn. I 7; RGRK-Nuflgens, § 823, Anh. II, Rn. 4. 694 B O H , N J W 1980, 7 6 8 ; B O H , N J W 1987, 1040 m.w.N.; vgl. dazu die Ausfuhrungen bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 310. 695 B O H , N J W 1975, 1463 (1464 f ) ; B O H , N J W 1985, 1374; Busken, Haftungssystem, Freistellung u n d Regress, S. 8 7 ; Hoxhaj, Q u o vadis Medizintechnikhaftung, S. 6 1 ; Laufs, Arztrecht, Rn. 576.
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Es stellt sich in diesem Zusammenhang aber die Frage, ob neben den herkommlichen Chefarzten^^^ nicht auch die nachgeordneten Ober-, Stations- und Assistenzarzte, letztlich auch der Anfanger selbst als Organe angesehen werden konnen. Zunachst lassen sich insoweit zwei besondere Arten von Chefarzt unterscheiden, bei denen einen Organstellung fraglich ist. Zum einen lassen sich Chefarzte finden, denen lediglich eine leitende Funktion als Klinikleiter aber keine medizinische Vorrangstellung eingeraumt ist. Zum anderen treten daneben Kollegen auf, die gerade umgekehrt zwar keine leitende Funktion inne haben, aber fachlich unabhangig und weisungsfrei fiir eine eigene Abteilung in einer Klinik verantwortlich sind. In beiden Fallen nimmt der jeweilige Chefarzt allerdings eine reprasentative Stellung ein und handelt weisungsfrei und delegationsbefugt, so dass auch in diesen Fallen zu Recht von einer Organeigenschaft ausgegangen wird ^^^. Im Hinblick auf die ubrigen Arzte und somit auch die auszubildenden Jungarzte, die im Rahmen der vertikalen Arbeitsstruktur einer Klinik tatig sind, war und ist die Rechtsprechung auBerst restriktiv und hat insoweit eine Organstellung weitgehend abgelehnt^^^ Es fehlt am medizinischen Einfluss, entsprechender Selbststandigkeit und auch der Delegationsberechtigung, die eine Organstellung rechtfertigen wtirden. Zwar fordert Hoxhai^^^ in Anbetracht der unterschiedlichen Klinikstrukturen eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise und keine pauschale Abhangigkeit von Anstellung und Organeigenschaft. Fiir den Anfanger ist eine Einzelfallbetrachtung allerdings im Hinblick auf die Organstellung nicht notig. Ein junger Arzt, der noch lernt und als Anfanger zu qualifizieren ist, wird sich nie in der Position eines verfassungsmaBig berufenen Vertreters befmden, da stets ein tibergeordneter Arzt vorhanden sein wird, der als dessen Ausbilder einer Organstellung eher gerecht wird. Insoweit kann eine Organeigenschaft des Anfangers weitgehend ausgeschlossen werden.
b) Passivlegitimation Fiir den Patienten letztlich entscheidend ist die Frage nach der Passivlegitimation, mit anderen Worten also die Frage, an wen er sich wenden muss, um den Ersatz seiner entstandenen Schaden zu erlangen. DefinitionsgemaB steht hinter dem Beg696 Vgl. BGH, VersR 1984, 460 und BGH, NJW 1985, 2198, bei denen jeweils nur der arztliche Leiter des Krankenhauses als Organ angesehen wurde; BGH NJW 1987, 2925 erkennt sogar den Oberarzt, der einen Chefarzt lediglich urlaubsbedingt vertritt, als Organ im Sinnedes § 31 BGB an. 69'^ BGHZ 4, 138 (152), wobei dort der Begriff des Organs sehr restriktiv ausgelegt wird; aufschlussreicher dazu BGH, NJW 1980, 1901 (1902); Daniels, NJW 1972, 305 (308); Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung, S. 61; Musielak, JuS 1977, 87 (90). 698 Vgl. dazu B G H , VersR 1960, 752f. fur den Oberarzt; O L G Bamberg, N J W 1959, 8 1 6 fur den Stationsarzt; B G H , N J W 1978, 1681 fiir den Assistenzarzt, was dann zwangslaufig auch fur d e n Anfanger Geltung beansprucht. In A u s n a h m e dazu lediglich R G Deutsches Recht 1944, 287, das einem Assistenzarzt i m besonderen Fall der alleinigen Leitung einer Ambulanzstation eine Organstellung zugedacht worden ist. 699 Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung, S. 6 1 .
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riff der Passivlegitimation die richtige Stellung des Beklagten, d.h. weg von prozessualer Terminologie, der richtige Anspruchgegner'^^. Fiir den Bereich des Anfangerhandelns bedeutet dies demnach derjenige, der fiir mogliche Fehler im Rahmen einer Anfangeroperation gegeniiber dem geschadigten Patienten haften muss. aa) Anfanger Bereits der Passus Vertragshaftung verdeutlieh, dass es sich in diesem Bereich lediglich um die Haftung der am Vertrag beteiligten Individuen handelt. Die Passivlegitimation im Falle der vertraglichen Haftung trifft somit kurz gesprochen denjenigen, mit dem der Patient den Vertrag geschlossen hat und der deshalb als Trager der Behandlung die diagnostischen bzw. therapeutischen Aufgaben zu iibernehmen hatte'^^^ Deutsch/Spickhoff stellQn in diesem Zusammenhang zurecht fest, „wer liqudiert, haftet"'^^^. Dabei ist nach den obigen Darstellungen festzustellen, dass der Anfanger in diesem Fall nicht personlich zur Haftung herangezogen werden kann, denn in keiner der dargestellten Vertragskombinationen wird der Anfanger auch Vertragspartner des Patienten, sondern er ist stets nur als Erfiillungsgehilfe tatig'^^^. Fine Passivlegitimation des jungen Arztes kann somit fiir vertragliche Haftungsanspriiche im Normalfall ausgeschlossen werden. bb) Dritte Zwar ist es regelmaBig nicht moglich, den Anfanger personlich im Wege der vertraglichen Haftung heranzuziehen, da er nicht als Vertragspartner des Patienten in Frage kommt. Jedoch kommen statt dessen verschiedene andere Haftungsgegner in Betracht, stets in einer Abhangigkeit davon, welches Vertragsverhaltnis mit dem Patienten geschlossen wurde. (1) Ambulantes Behandlungsverhaltnis Zunachst ist im Fall der ambulanten Behandlung der Inhaber einer Einzelpraxis als passivlegitimiert anzusehen, weil schlieBlich nur mit ihm ein Vertrag geschlossen wurde'^^^. Dies lasst sich gleichsam auf die Falle iibertragen, wenn mit Einverstandnis des Patienten ein Konsilarzt beigezogen wird. Zwischen ihm und dem Patienten kommt ein eigenes Vertragsverhaltnis zustande, aus dem der Konsiliarius
^^ Tilch/Arloth, Deutsches Rechtslexikon, Bd. 2, S. 3184. ^01 Laufs, Arztrecht, Rn. 555. ^02 Deutsch/Spickhoff, Rn. 310 unter Bezugnahme auf OLG Koln, VersR 1985, 844 und OLG Hamburg, MDR 1991, 1040. 703 Ygj ^^Q Ausfuhrungen zu § 3 III. 1.; sowie Fischer, in.- Fischer/Kluth/Lilie, Ansatze fur cine Starkung der Patientenrechte im deutschen Recht, S. 78; Laufs, Arztrecht, Rn. 559. '^^'^ Der Patient kommt in die Praxis mit dem Willen, ausschlieBlich mit dem Inhaber einen Vertrag zu schlieBen, vgl. Schinnenburg, MedR 2000, 311.
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auch fiir Fehler im Zusammenhang mit einem Anfangereinsatz haftet.'^^^. Das gleiche muss dann zwangslaufig auch fiir den jeweiligen Arzt in einer Praxisgemeinschaft gelten, zu dem sich der Patient in Behandlung begeben hatte. SchlieBlich handelt insoweit jedes Mitglied der Gemeinschaft eigenverantwortlich und haftet dementspreciiend'^^^. Komplexer erweist sich insoweit die Haftung, wenn der Anfanger in einer Gemeinschaftspraxis tatig ist bzw. war. Die anfangs'^^^ eingefuhrte Differenzierung zwischen einer „reinen" und einer „gemischten" Gemeinschaftspraxis offenbart auch im Bereich der Passivlegitimation ihre Auswirkungen. Bietet die Praxis weitgehend austauschbare Leistungen an, handelt es sich also um Arzte gleicher Fachrichtung, dann haften alle beteiligten Arzte als Gesamtschuldner gegeniiber dem geschadigten Patien-ten'^^^. Anders ist dies im Fall nicht austauschbarer Leistungen, z.B. wenn sich ein Chirurg und ein Radiologe in einer Gemeinschaftspraxis zusammen-geschlossen haben. Dann kommt es in der Regel nur zwischen dem Patienten und dem jeweiligen Facharzt zu einem Behandlungsverhaltnis, im Rahmen dessen der Arzt fiir Fehler durch einen bei ihm angestellten Anfanger vertraglich haften muss und somit passivlegitimiert ist'^^^. Grund dafiir liegt in der Tatsache, dass der Patient mit der Wahl des jeweiligen Facharztes, unabhangig vom Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis, konkludent ein Arztwahl trifft, die letztlich zu einer Passivlegitimation fiihrt. (2) Stationares Behandlungsverhaltnis Bleibt noch das stationare Behandlungsverhaltnis zu klaren, in dem es wohl am haufigsten zum Einsatz von Anfangern und infolge dessen auch zu den anteilig meisten Haftungsfallen in diesem Bereich kommt. Die Frage nach der Passivlegi^^^ Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 14; Laufs, Arztrecht, Rn. 98 und 557; Schinnenburg, MedR 2000, 311 (315); vgl. bzgl. der Abgrenzung zu einem „intemen Konsilium" Katzenmeier, Arzthaftungsrecht; S. 103, v.a. Fn. 166. ^06 Vgl. u.a. Hart, Jura 2000, 14 (16); Henke, NJW 1974, 2035; Laufs/Uhlenbruck-Schlund, Handbuch des Arztrechts, Kap. 20, § 115 Rn. 12; Schinnenburg, MedR 2000, 311 (314); UhlenbrucK ArztR 1969, 151 (152). ^^"^ Vgl. die Ausfiihrungen zu den Vertragsaltemativen bei Gemeinschaftspraxen in § 3 III. 2. b).; bei einer reinen Gemeinschaftspraxis haben sich Arzte zusammengeschlossen, die den gleichen oder einen ahnlichen Facharzttitel erworben haben bzw. in selben Bereich tatig sind, anders dagegen bei der gemischten Gemeinschaftspraxis, in der sich Arzte verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen haben und nicht austauschbare sondem erganzende Leistungen erbringen. '^^^ In der sog. „Institut fur Rontgen- und Nuclearmedizin"- Entscheidung des BGH, NJW 1986, 2364 f., hatte das Gericht die gesamtschuldnerische Haftung einer Praxisgemeinschaft manifestiert, allerdings ausdriicklich offengelassen, ob dies fur andere Gemeinschaftspraxen auch Geltung beanspruchen konne; im Urteil vom 27.9.1999 - IV ZR 24/98 - BGHZ 142, 126 ff = JuS 2000, 185 f, mit Anm. von Emmerich, hat der Senat dann eindeutig Stellung bezogen und eine gesamtschuldnerische Haftung fiir eine fachbereichsgleiche Gemeinschaftspraxis, im konkreten Fall im Bereich der Gynakologie, anerkannt; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 62 m.w.N. ^^^ Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 96 m.w.N.
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timation gestaltet sich dabei in Abhangigkeit zur Gestaltung des Behandlungsvertrages. Im Fall des totalen Krankenhausaufnahmevertrages wird alleiniger Vertragspartner des Patienten der Trager des Krankenhauses bzw. der Klinik. Er ist allein zur arztlichen und nichtarztlichen Leistung verpflichtet, wobei er sich seiner Organe bzw. Erfiillungsgehilfen und im Rahmen der vertikalen Arbeitsteilung letztlich auch des Anfangers bedienf ^^. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, welche Rechtsnatur der Trager besitzt'^^^ sei es nun eine Universitat, der die Klinik zugeordnet ist, ein Bundesland, eine kommunale Gebietskorperschaft oder eine private Gesellschaft. Es handelt sich stets um rechts- sowie prozessfahige Subjekte, die passivlegitimiert sein konnen. Wird neben dem Krankenhausaufnahmevertrag auch ein Arztzusatzvertrag geschlossen, so gilt fiir die Passivlegitimation des Kliniktragers zunachst das vorstehende^^^, jedoch mit einer durchaus entscheidungserheblichen Besonderheit. Auch der im Arztzusatzvertrag beteiligte und liquidationsberechtigte Chefarzt v^ird der Vertragspartner des Patienten und demzufolge auch passivlegitimiert'^^^. Dem Patienten steht somit nicht nur der Krankenhaustrager, sondern auch der Chefarzt als Haftungsgegner zur Verftigung, da beide vertraglich Schuldner geworden sind. In diesem Bereich entsteht demzufolge fiir den Chefarzt und den Kliniktrager eine gesamtschuldnerische Haftung^^"^. Anders gestaltet sich dies beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag. Wie bereits die Terminologie andeutet, findet hierbei eine Spaltung statt, die sich auf die jeweilige Leistungsverpflichtung bezieht. Wahrend das Krankenhaus, respektive dessen Trager, lediglich fiir Unterbringung, Pflege und Verpflegung, also die sog. nichtarztliche Grund- und Funktionspflege'^^^, verantwortlich ist, liegt die medizinische Verantwortlichkeit alleine bei dem liquidationsberechtigten Arzt. Als haftungsbegriindende arztliche Tatigkeiten kommen insoweit sowohl diagnostische als auch therapeutische Fehlleistungen sowie Fehler im Bereich der Aufklarung in Betracht"^^^. Diese Aufgabenteilung wirkt sich zwangslaufig auch auf die Passivlegitimation aus, da der Krankenhaustrager in dieser Konstellation eben nicht fiir medizinale Fehler einzustehen hat. Unterlauft somit einem jungen Arzt im Bereich der arztlichen Versorgung ein Fehler, betrifft dies nur den Verantwor^^^ Exemplarisch dazu Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 20; MuKoBGB-MullerGloge, § 61, Rn. 75; Reiling, MedR 1995, 443 (447); Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 106 ff. ^^^ Laufs/Uhlenbruck-Schlund, Handbuch des Arztrechts, Kap. 20, § 115, Rn. 31. 712 BGHZ 95, 63 (67f.); BGHZ 121, 107 (110 f.). '^^^ Diederichsen, Die Vergtitung arztlicher Leistungen im Krankenhaus, S. 9; Laufs, Arztrecht, Rn. 564; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. II, Rn. B 272 ff; Schmid, Passivlegitimation, S. 82; Uhlenbruck, Der Krankenhausaufnahmevertrag, S. 46 ff; ders., NJW 1973, 1400. 714 Busken/KlUglicK VersR 1994, 1141 (1143); Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 57; Hiibner, ZVersW 1990, 55 (62j; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 93, Rn. 7. 71^ Katzenmeier, Arzthaftungsrecht, S. 107 unter Hinweis auf v.a. Busken/Kluglich, VersR 1994, 1141 (1142). Reiling, MedR 1995, 443 (443). 716 LG Hamburg, VersR 1991, 190; Pfluger, KrankenhaushafUing, S. 47.
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tungsbereich des jeweiligen Chefarztes'^^'^. Eine Haftung muss daher bei einem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag dahingehend differenziert werden, in wessen Bereich der Anfanger eingesetzt worden ist, im Bereich der arztlichen Versorgung oder im Bereich der nichtarzdichen Versorgung. Werden demnach beispielsweise im Bereich der Pflege Anfanger eingesetzt, so ist letztlich der jeweilige Krankenhaustrager als passivlegitimiert anzusehen und nicht der Chefarzt. Dieser haftet nur fiir Schaden aus der arztlichen Versorgung, in welcher der Anfanger als Erfullungsgehilfe gehandelt hat. Im Bereich der oben behandelten ambulanten Klinikbehandlungen fmdet gleichsam der Grundsatz Anwendung, dass eine Passivlegitimation bei der Geltendmachung vertraglicher Anspriiche nur fiir den jeweiligen Vertragspartner in Frage kommt. Zwar scheidet demnach eine vertragliche Haftung des Anfangers wiederum von vornherein aus, der Chefarzt ist dagegen bei Fehlern im Rahmen der Chefarztambulanz^^^ passivlegitimiert. Da es ausschlieBlich zu einem Vertragsverhaltnis zwischen Chefarzt und Patient kommt, unabhangig davon, ob es sich um einen Kassen- oder einen Privatpatienten handelt'^^^, bleibt der Kliniktrager insoweit auBen vor. Eine Haftung sowohl fiir eigenes als auch fiir das Verschulden des nachgeordneten arzdichen und nichtarztlichen Personals, respektive des eingesetzten Anfangers, trifft nur den Chefarzt selbst'^^^. Anders gestaltet sich die Lage allerdings im Fall der Institutsambulanz^^^ Wird dabei ein Kassenpatient behandelt, wird der Kliniktrager dessen Vertragspartner und deshalb auch dessen Klagegegner im Fall der vertraglichen Haftung. Im Hinblick auf einen privatversicherten Patienten ist wohl davon auszugehen, dass sowohl Krankenhaustrager als auch Chefarzt Vertragspartner werden und insoweit nebeneinander passivlegitimiert sind, ahnlich dem Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag'^^^. Sind im Rahmen einer vertraglichen Inanspruchnahme verbeamtete Arzte involviert, so wird das vertragliche Haftungsverhaltnis unabhangig von der Vertragsstruktur nicht beeinflusst'^^^. Die Passivlegitimation andert sich insoweit gleichsam nicht, so dass auf die vorangegangenen Ausfiihrungen verwiesen werden kann.
717 Dazu B G H Z 129, 6 (13 f f ) ; BGH, N J W 2000, 2737 (2738 f.); O L G Koblenz, VersR 2001, 897 (898); Diederichsen, Die Vergtitung arztlicher Leistungen i m Krankenhaus, S. 8 f.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 2 1 ; Hart, Jura 2000, 14 (18); Katzenmeier, Arzthaftungsrecht, S. 106; Laufs, Arztrecht, Rn. 4 5 ; Staudinger-RichardU Vorbem. zu §§ 611 ff., Rn. 1257; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 99 ff. m.w.N.; Uhlenbruck, Der Krankenhausaufnahmevertrag, S. 4 6 ff.; ders., N J W 1973, 1400. 718 V g l . o b e n § 3 I V l .
719 B G H Z 105, 189; B G H Z 120, 376; Uhlenbruck in: Laufs/UhlenbrucK Handbuch des Arztrechts, Kap. 16, § 95, Rn. 1. 720 BGH, VersR 1994,425 (426); B G H Z 100, 363 (366). 721 Vgl.oben§3IVl. 722 Ygj ^^j^ jjjg Ausfiihrungen von Pfluger, Krankenhaushaftung S. 38 ff. 723 BGH, MedR 1986, 8 1 ; Busken, Haftungssystem, S. 107; BUsken/KluglicK VersR 1994, 1141 (1143 f ) ; Hubner, ZVersW 1990, 55 (64); Schmid, D i e Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 49 u. 76 f
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3. Quasivertragliche Haftung Neben dem Regelfall, bei dem sich der Patient in arztliche Behandlung begibt und dafur ein Vertragsverhaltnis eingeht, gibt es Fallgestaltungen, in denen eine medizinische Versorgung aufgrund besonderer Umstande zunachst ohne einen Vertragsschluss erfolgen muss. Darunter fallen beispielsweise Konstellationen, in denen sich der Patient wegen einer temporaren Bewusstlosigkeit nicht artikulieren kann. Wird er dann dennoch medizinisch erstversorgt, bilden die Vorschriften liber die Geschaftsfiihrung ohne Auftrag (GoA) den rechtlichen Rahmen, sowohl fur die Forderung von entstandenen Aufwendungen als auch fiir die Geltendmachung von Schadensersatzanspruchen^^"^.
a) Haftungsgrundlage Die GoA nimmt eine Art Zwischenstellung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung ein, da sie ein Rechtsverhaltnis schafft, ohne dass es zu einem Vertragsschluss gekommen ist^^^; man spricht deshalb auch von einer quasivertraglichen Haftung. Grundlage der Haftung bilden auch in diesem Zusammenhang die allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB, die auch auf quasivertragliche Verhaltnisse Anwendung finden'^^^. Demnach beansprucht auch § 278 BGB Geltung, mit der Folge, dass sich gegebenenfalls der Kliniktrager bzw. der Praxisinhaber auch im Rahmen der GoA das Verschulden des bei ihm angestellten jungen Arztes zurechnen lassen muss.
b) Passivlegitimation aa) Anfanger Denkbar ist im Gegensatz zur vertraglichen Haftung des Anfangers eine mogliche Inanspruchnahme im Fall der Geschaftsfiihrung ohne Auftrag. Zunachst ist der richtige Anspruchgegner im Bereich der Haftung aus Geschaftsfiihrung ohne Auftrag weitgehend parallel zur vertraglichen Haftung zu bestimmen. Ereignet sich der Behandlungsfehler in einer Situation, in welcher der Anfanger im Rahmen seines Anstellungsverhaltnisses tatig war, dann ist der jeweilige Dienstherr'^^^ des jungen Arztes passivlegitimiert. Dieser stellt den wahren Geschaftsfiihrer dar, in dessen Namen der Anfanger lediglich tatig wird. Er selbst tritt beruflich gerade nicht selbst als Geschaftsfiihrer einer Geschaftsfiihrung ohne Auftrag auf, sondern agiert lediglich als Erfiillungsgehilfe des jeweiligen Geschaftsfiihrers'^^^ Der An-
'^^'^ Zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der GoA-Vorschriften vgl. § 3 IV 2. ^^^ \gl. Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 7 f. 726 MuKoBGB-Seiler, § 677 Rn. 56; Palandt-Spraw, § 677, Rn. 15. '27 Im weiteren Sinne, d.h. nicht nur beamtenrechtlich sondern generell die Rechtsperson, bei welcher der Anfanger angestellt ist. 728 Zur § 278 BGB im Rahmen der Geschaftsfiihrung ohne Auftrag vgl. Bamberg/RothGehrlein, § 677, Rn. 10; Kohler, JZ 1990, 466 (471), zwar konkret fur den Bereich der
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fanger handelt nur auf Grundlage seines Anstellungsvertrages mit seinem Dienstherrn, der auch eine medizinische Versorgung im Falle eines Notfalles ohne Behandlungsvertrag vorsieht. Er handelt insoweit als Erfiillungsgehilfe des Kliniktragers oder Praxisinhabers und kann so nicht selbst passivlegitimiert sein. Eine Haftung aus GoA kann ihn nur dann treffen, wenn er als Privatperson, also auBerhalb seiner Anstellung, medizinische MaBnahmen vornimmt, ohne dass zuvor eine vertragliche Grundlage geschaffen wurde. In einem solchen Fall ist der junge Arzt jedoch wie jeder andere auch, der in einer Notlage zu Hilfe eilt, zu beurteilen.
bb) Dritte Fur die Passivlegitimation im Bereich der Geschaftsfiihrung ohne Auftrag gilt grundsatzlich, dass sich der Patient an den jeweiligen Geschaftsfiihrer halten muss. Wie bereits bei den Ausfiihrungen zur Haftung des Anfangers selbst angedeutet, ist in der Kegel nicht er der eigentliche Geschaftsfiihrer, sondern stets sein Dienstherr bzw. Chef. In dessen Verantwortungsbereich nimmt der Anfanger als Erfiillungsgehilfe die Pflichten des Geschaftsfiihrers wahr, so dass dieser letztendlich Haftungsschuldner ist. Je nach dem, bei wem der junge Arzt angestellt ist, richtet sich auch die Passivlegitimation, ahnlich der vertraglichen Haftung. Insoweit kommen also jeweils nur der Kliniktrager oder der Praxisinhaber bzw. der jeweils Liquidationsberechtigte in Betracht. Handelt es sich um eine Gemeinschaftspraxis, dann ist der richtige Klagegegner bei facharztgleichen Arzten die Gemeinschaft aller Praxisarzte; handelt es sich dagegen um eine gemischte Gemeinschaftspraxis, ist der jeweilige Arzt passivlegitimiert, in dessen Fachbereich sich die Geschaftsfiihrung eingefiigt hat.
4. Delikt Die deliktische Haftung stellt vor allem im Bereich der Arzthaftung immer noch den Hauptfall der Anspruchgrundlagen dar; dies ergibt sich zum einen daraus, dass vormals nur im Wege der deliktischen Haftung ein Ersatz fiir immaterielle Schaden moglich war und dass zum anderen auch der handelnde Arzt personlich und unabhangig von einer vertraglichen Grundlage in Anspruch genommen werden kann.
a) Haftungsgrundlage Gesetzlich manifestiert ist diese Haftung aus unerlaubter Handlung in den §§ 823 ff. BGB'^2^. Ihre besondere Bedeutung fiir die Anfangeroperation ist darin zu seSchwarzarbeit, aber mit Allgemeingiiltigkeit; MiiKoBGB-5g//^r, § 677, Rn. 56 und Fn. 50; Staudinger-Wittmann, § 677, Rn. 8. Zur Arzthaftung aus Delikt siehe u.a. Bergmann, Die Arzthaftung; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 122; Dressier, FS Geifi, S. 379 ff; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht; Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 57 ff; Katzenmeier, Arzthaftung, S. I l l ff.; Kollhosser/Kubillus, JA 1996, 339 ff; Laufs, Arztrecht,
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hen, dass fiir eine Inanspruchnahme des Arztes kein Schuldverhaltnis vorausgesetzt wird, so dass im Gegensatz zur vertraglichen Haftung auch der Anfanger personlich haftbar gemacht werden kann. Die Haftung setzt im wesentlichen eine schuldhafte und rechtswidrige Handlung bzw. die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus, die kausal zu einem Schaden gefuhrt hat. Neben materiellen Schaden wie zusatzlichen Arzt-, Krankenhaus-, Pflege- oder Heilmittelkosten kann dann, nach der Reform des Schadensersatzrechts nicht mehr nur sondern auch, der Ersatz fiir immaterielle Schaden geltend gemacht werden. Dieser richtet sich nach dem jetzt allgemeingiiltigen § 253 Abs. 2 BGB'^^^. Als einzelne Haftungsgrundlagen kommen im Bereich der Anfangeroperation vornehmlich § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz sowie § 831 BGB in Betracht. Speziell fiir die Haftung beamteter Arzte gilt die Sondervorschrift § 839 BGB731. aa) § 823 BGB Die Grundnorm der Haftung aus unerlaubter Handlung stellt § 823 Abs. 1 BGB^^^ dar, der Ersatz fiir rechtswidrig und schuldhaft verursachte Korper- oder Gesundheitsverletzungen gewahrt'^^^. Daneben kann die Haftung auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem verletzten Schutzgesetz^^"^ gesttitzt werden, wobei Schutzgesetze in diesem Zusammenhang alle Rechtsnormen im Sinne des Art. 2 EGBGB sind. Die Haftungsnorm tritt jedoch, ausgehend von der Haufigkeit ihrer prozessualen Verwendung, gegeniiber Absatz 1 eher in den Hintergrund, da im Fall der Verletzung eines Schutzgesetzes im Bereich der Arzthaftung regelmaBig auch eine Verletzung einer Verkehrspflicht im Sinne von Absatz 1 vorliegt'^^^. § 823 Abs. 2 BGB setzt im Gegensatz zu Absatz 1 nur die schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes voraus, nicht allerdings die Verletzung eines Rechtsgutes, es sei denn, das Schutzgesetzt selbst hat eine solche Verletzung als Tatbestandsmerk-
Rn. 467 ff.; MuKoBGB-Wagner, § 823, Rn. 661 ff.; RGRK-NUfigens, § 823, Anh. II, Rn. 1 ff; Staudinger-Hager, § 823 Rn. I 1 ff; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 128 ff; Spickhoff, GesetzesverstoB und Haftung, insbesondere S. 59 ff '^^^ Vormals nur im Rahman der Haftung aus unerlaubter Handlung gemaB § 847 BGB a.F. ^^^ Zwar kennt das Deliktsrecht noch weitere Haftungsgrundlagen wie z.B. § 826 BGB, allerdings sind diese im Zusammenhang mit der Anfangerhaftung zu vemachlassigen. '^^^ Vgl. exemplarisch zu § 823 BGB Briiggemeier, Deliktsrecht; Deutsche Allgemeines Haftungsrecht; und speziell zum Arzthaftung MtiKoBGB-Wagner, § 823 Rn. 676 ff; RGRK-Nufigens, § 823 Anh. II Rn. 1 ff; Staudinger-//ag^r, § 823, Rn. I 1 ff; MuKoBGB- Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 346ff m.w.N. ^33 Kollhosser/Kubillus, JA 1996, 339 (344). '^^^ Vgl. dazu die umfassende Auseinandersetzung mit § 823 Abs. 2 BGB, Spickhoff, GesetzesverstoB und Haftung, S. 97 ff; eine Auflistung von Schutzgesetzten bietet u.a. Staudinger-Hager, § 823, Rn. G 41 ff '^^^ So u.a. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, § 77 I 1.; zu den Verkehrspflichten im Rahmen deliktischer Haftung Mertens, VersR 1980, 397 ff
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maF^^. Dabei handelt es sich dann um konkrete Gefahrdungsnormen, die ein Rechtsgut bzw. Interesse schiitzen; in der Arzthaftung von besonderer Relevanz sind hier vor allem die Korperverletzungsparagraphen §§ 223 ff. StGB^^^, insbesondere die fahrlassige Korperverletzung gemaB § 229 StGB, die deshalb in diesem Zusammenhang besonders erwahnt seien. bb) § 831 BGB Neben einer Eigenhaftung kennt das Deliktsrecht auch die Haftung fiir das Verschulden Dritter, so dass sich ahnlich wie im Vertragsrecht auch im Deliktsrecht eine Ubergeordnetenhaftung des Arztes bzw. Kliniktragers fiir Fehler des als Gehilfen eingesetzten Anfangers wiederfindet^^^. Im Rahmen des § 831 BGB haftet der Geschaftsherr fiir seinen Verrichtungsgehilfen aufgrund eines Auswahl-, Anleitungs- oder Uberwachungsverschuldens; die vorwerfbare Handlung besteht dabei in dem Unterlassen z.B. einer sorgfaltigen Auswahl und wird durch das Verhalten des Gehilfen ausgelost'^^^. Das Verhalten des Verrichtungsgehilfens und konkret auf die vorliegende Problematik bezogen, das Verhalten des als Verrichtungsgehilfen eingesetzten Anfangers, muss den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung verwirklicht haben, denn der Geschaftsherr kann nur iiber § 831 BGB herangezogen werden, wenn er, hatte er die Handlung selbst schuldhaft vorgenommen, haften wiirde^^^. Der Verrichtungsgehilfe stellt in diesem Zusammenhang eine Person dar, die allgemein oder im konkreten Fall in die Herrschaft- und Organisationssphare eines anderen weisungsgebunden eingegliedert ist'^'^^. Diese Eingliederung findet beim Anfanger im Rahmen der oben ausgefuhrten vertikalen Arbeitsteilung^^^ statt, die gerade von einem Uber-Unterordnungsverhaltnis gepragt ist. In diesem hierarchischen System findet sich der junge Arzt als weisungsgebundenes Glied wieder, so dass er stets als Verrichtungsgehilfe zu qualifizieren sein wird. Er selbst kann infolge dessen regelmaBig auch nicht aus § 831 BGB haftbar gemacht werden, da er seine Aufgaben nicht an weisungsgebundene 7' 36 DeutscK Unerlaubte Handlung, Rn. 225 f.; Staudinger-//ag^r, § 823, Rn. G 34 m.w.N.; 5ro//,AcP 176, 145(180). 7^'^ Hoxhaj, Quo vadis Medizintechnikhaftung?, S. 49 f. unter Hinweis auf Bodenburg, Der arztliche Kunstfehler, S. 19 ff.; aus strafrechtlicher Sicht Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rn. 17 ff ''^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 314. ''^^ Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, § 79 III la; BrUggemeier, Deliktsrecht, Rn. 880; Katzenmeier, Arztrecht, S. 128. 7^0 Fur den Student im Praktischen Jahr vgl. OLG Koln, VersR 1992, 452 (453); fur den Famulanten vgl. Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 198; dieser nicht nur fiir die Arzthaftung geltende Grundsatz wurde in einer Entscheidung zur Verwechslung von Blutgruppen in einem Hygieneinstitut aufgestellt, BGH AHRS 0841/1 (1951) und daran anknupfend BGH, VersR 2003, 1256 sowie BGH, AHRS 1815/102. ^^1 RGZ 92, 345 (346f); BGHZ 45, 311 (313); BGHZ 103, 298 (303); BGH, NJW-RR 1998, 250 (251f); Katzenmeier, Arztrecht, S. 129; WxKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 831, Rn. lOf.; Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 59 f 742 Vgl. § 2 III.
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und vor allem ihm untergeordnete Dritte delegiert und sich demnach auch nicht eines Verrichtungsgehilfens bedient. Fiir die Passivlegitimation hat dies zur Konsequenz, dass zwar im Rahmen des § 831 BGB der Anfanger nie, allerdings stets dessen Vorgesetzte verantwortlich gemacht werden konnen. Der Unterschied zwischen der Verschuldenszurechnung des § 278 BGB und § 831 BGB liegt darin, dass den haftenden Arzten im Deliktsrecht nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB die grundsatzliche Moglichkeit einer Exkulpation eroffnet wird, wenn der Anfanger sorgfaltig ausgewahlt und iiber langere Zeit iiberwacht wurde und sich dabei seine Zuverlassigkeit gezeigt hat'^^^. Allerdings wurden fiir eine erfolgreiche Entlastung durch die Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht so hohe Anforderungen aufgestellt, dass sie nur selten gelingt und in der Praxis nahezu nicht vorkommt^"^. Vor allem in der vorliegenden Problematik der Anfangerhaftung ist eine Exkulpation aufgrund der Unerfahrenheit regelmaBig von vornherein ausgeschlossen'^^^ Eine weitere Moglichkeit der Verschuldenszurechnung eroffnet auch im Deliktsrecht der Weg iiber die Organhaftung^"^^. Die §§ 31, 89 BGB fmden neben der vertraglichen Haftung auch im Deliktsrecht Anwendung und legen einer juristischen Person die besondere Haftung fiir ihre Organe auf '^'^^. Insoweit sei auf die bereits oben getroffenen Ausfiihrungen zur Organhaftung des Krankenhaustragers fiir seine weisungsfreien Chefarzte verwiesen^'^^ so dass sich ein weiteres Eingehen eriibrigt. cc) § 839 BGB Eine Sonderstellung im deliktischen Haftungsgefiige nimmt die Haftung verbeamteter Arzte ein, die sich nach § 839 BGB richtet. Davon zu unterscheiden ist jedoch zunachst die Konstellation, in welcher der fehlgeschlagene Eingriff ein staatliches Handeln darstellt und der Arzt nicht fiskalisch gehandelt hat'^'^^; dann greift nach Art 34 GG i.V.m. § 839 BGB fiir die Amtspflichtverletzung des jeweiligen 743 Ygj 2um sog. Entlastungsbeweis allgemein MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 831, Rn. 27 ff.; speziell fur die Arzthaftung. 7^ BGH NJW 1993, 2989 (2990 f.); OLG Oldenburg 1998, 1380; OLG Koln, VersR 1989, 708 und Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 90 ff.m.w.N.; zudem MuKoBGBWagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 643; KGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 4; Schinnenhurg, MedR 2000, 311; Staudinger-T/ag^r, § 823 Rn. 17. 745 Bodenburg, VersR 1979, 308 f. '^'^^ Dazu Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 55 ff; Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. HI ff '^'^7 Exemplarisch dazu Soergel-Hadding, § 31, Rn. 1 und 19; Staudinger-Weick, § 31, Rn. 4ff ''^^ Vgl. die Ausfiihrungen zu § 5 I 2. a) cc); exemplarisch zu diesem Themenkomplex BGHZ 77, 74. '^^^ Als Beispiel seien hier die Zwangsbehandlung, die Unterbringung psychischer Kranker, die gesetzlich normierte Schutzimpfung sowie Reihenuntersuchung genannt, Kerschbaum. Das Waffengleichheit im Arzthaftprozess, S. 9; vgl. auch § 37 BSeuchG oder § 18 GeschlKrG.
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Arztes eine staatliche Haftung der Anstellungskorperschaft ein^^^. Allerdings stellt die Heilbehandlung regelmaBig keine hoheitliche MaBnahme dar, sondern das Verhaltnis zum Patienten ist trotz der Verbeamtung des jeweiligen Arztes bzw. der offentlich-rechtlichen Struktur der Heilanstalt privatrechtlicher Natur'^^^ Demnach ist die Haftung nach Art 34 GG auch zu vernachlassigen, da der Arzt meist nicht in Ausiibung des ihm anvertrauten offentlichen Amtes tatig wird'^^^. In der Kegel handelt es sich namlich nicht um eine staatliche MaBnahme, so dass der Arzt fiir eine Verletzung seiner Amtspflicht nach der, die allgemeinen Grundlagen verdrangenden^^s; Sondervorschrift des § 839 BGB haftet. Fiir § 839 BGB reicht es dann bereits aus, dass der Arzt Beamter auf Probe, auf Widerruf oder nur auf Zeit ist und er die ihm gegeniiber dem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt hat^^"^. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach bei einer fahrlassigen Schadensverursachung der Arzt nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der geschadigte Patient nicht von einem anderen Ersatz verlangen kann^^^. Gerade im Bereich der Anfangerhaftung sind dabei die Verweisungen auf den Kliniktrager iiber § 278 BGB im Rahmen der vertraglichen Haftung, aber auch iiber §§ 823, 31 BGB und § 831 BGB denkbar^56
b) Passivlegitimation aa) Anfanger Grundsatzlich kann sich der Patient bei der Haftung aus unerlaubter Handlung gegen jede an seiner Behandlung beteiligte Person richten^^^ und damit auch gegen den Anfanger selbst. Anders als bei vertraglicher und quasivertraglicher Haftung ^50 Dazu MixKoBGB-Papier, 4. Aufl., § 839, Rn. 127 ff.; Taupitz, in: Festschrift fur Erwin DeutscK 825 ff; dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Arzt verbeamtet ist, entscheidend ist nur, dass es sich um eine hoheitliche Tatigkeit gehandelt hat, Katzenmeier, Arzthaftung, S. 144 f ^^^ Busken, Haftungssystem, S. 108; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 4; MtiKoBGB-Papier, § 839, Rn. 127 ff 752 B O H , VersR 1974, 8 0 4 (806) m.w.N.; BUsken, Haftungssystem, S. 103 ff u n d 108; BUsken/KuglicK VersR 1994, S. 1141 (1143). 753 B G H Z 34, 99 (104). 754 Busken/Kluglich VersR 1994, 1141 (1147).
755 Dieses Verweisungsprivileg gilt allerdings nur im Deliktsrecht, so dass eine vertragliche Haftung, beispielsweise des liquidationsberechtigten Arztes unberuhrt bliebe, vgl. Busken/Kluglich,VcYsR 1994, 1141 ff 756 Dazu B G H Z 95, 6 3 ; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, R n . 3 8 ; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 7 6 ff; Katzenmeier, Die Arzthaftung, S. 143. 757 Dies kann sogar fiir einen nur mittelbar Beteiligten gelten, vgl. B G H N J W 1980, 1905 (1907) i m Bereich d e r fehlerhaften Aufklarung durch einen Dritten; Gehrlein, in: Budewig/Gehrlein, Haftpflichtrecht nach der Reform, S. 196; vgl. auch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 2 3 ; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, R n . A 55; Katzenmeier, Arztrecht, S. 128.
I. Passivlegitimation und Haftungsgrundlage
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kann sich der Anfanger selbst haftbar machen, so dass gerade die deliktische Haftung fiir den Bereich der Anfangeroperation von enormer forensischer Bedeutung ist. Ausnahmslos jede Entscheidung, die gegen einen jungen Arzt ergangen ist, war auf die deliktische Haftung gestutzt, so dass sie praktisch gesehen die einzige Moglichkeit der personlichen Inanspruchnahme des Anfangers darstellt"^^^. Eine Passivlegitimation fiir den Anfanger ergibt sich in der Regel aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, nicht dagegen aus § 831 BGB, da es weitgehend unwahrscheinlich ist, dass sich ein junger Arzt, der sich noch in der Ausbildung befindet, eines ihm untergeordneten Verrichtungsgehilfens bedienen kann'^^^. Auch aus § 839 BGB kann sich eine Passivlegitimation des Anfangers durchaus ergeben'^^^. SchlieBlich bedarf es fiir eine Haftung keiner Lebenszeitverbeamtung, sondern es reicht bereits ein widerruflicher oder auf Probe erteilter Status"^^^; diesen kann beispielsweise der an einem Uniklinikum zur Ausbildung angestellte junge Arzt besitzen. Wegen der Subsidiaritatsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB greift eine Haftung aber erst dann ein, wenn sich der Patient nicht gegen die Anstellungskorperschaft wenden kann, fiir die der Anfanger tatig war'^^^. bb) Dritte Nicht nur fiir den Anfanger sondern auch fiir die iibrigen an der Behandlung beteiligten Personen kann die Haftung aus Delikt zu einer Passivlegitimation fiihren. Grundsatzlich konnen der Kliniktrager, ein Chefarzt, der aufsichtsfiihrende Oberarzt, der Praxisinhaber oder einfach ein Kollege des Anfangers zum deliktischen Haftungsobjekt werden, wenn sie sich einer vorwerfbaren Pflichtverletzung verantwortlich gemacht haben. (1) § 831 BGB AUerdings haften Dritte meist nicht bzw. nicht nur aus § 823 BGB im Rahmen eines fehlgeschlagenen Anfangereingriffs, sondern regelmaBig aus § 831 BGB und sind dementsprechend passivlegitimiert. Im Einzelnen lasst sich dabei wiederum feststellen, dass auch hier die Art des zugrundeliegenden Behandlungsverhaltnisses Auswirkungen hat, auch wenn das Vertragsverhaltnis fiir die deliktische Haftung an sich unerheblich ist. Die jeweilige Stellung von Geschaftsherr und Verrichtungsgehilfen wird namlich grundlegend von der Art der vertraglichen Bezie-
'^^^ Eine Ubersicht zu Entscheidungen, die gegen den Anfanger ergangen sind, bieten Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 246 ff. und Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, Rn. 38 ff "759 Zum Begriff des ErfuUungsgehilfen vgl. BGHZ 45, 311 (313); BGHZ 103, 298 (303); BGH, NJW-RR 1998, 250 (251f); Katzenmeier, Arztrecht, S. 129; MuKoBGBWagner, 4. Aufl., § 831, Rn. lOf; Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 59 f 760 Vgl. Kern, VersR 1981, 316.
761 Busken/KluglicK VersR 1994, 1141 (1147). 762 BGH, N J W 1983, 1374; Daniels, N J W 1072, 309; Kern, VersR 1982, 316; Schmid, D i e Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 123.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
hung bestimmt^^^. Bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit und ohne Arztzusatzvertrag ist zunachst nur der Krankenhaustrager, nicht allerdings der Krankenhausarzt Geschaftsherr und daher im Fall der Haftung fur das gesamte arzdiche und nichtarzdiche Personal passivlegitimiert^^"^. Dies gilt unabhangig davon, ob der Arzt eine Leitungsfunktion gegeniiber anderen Untergebenen ausiiben konnte^^^. Bei einem Arztzusatzvertrag tritt neben den Krankenhaustrager der jeweilige liquidationsberechtigte Chefarzt, da der Verrichtungsgehilfe sowohl fur den Chefarzt als auch fiir den Trager haftungsmittelnd tatig ist^^^. In der letzten Gestaltungsvariante stationarer Behandlungsvertrage, dem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag, richtet sich ahnlich wie bei der vertraglichen Haftung die Zurechnung nach dem Bereich, in dem der Verrichtungsgehilfe medizinal tatig geworden ist. Demnach ist der Kliniktrager dann passivlegitimiert, wenn der Anfanger nicht im Fachbereich des liquidationsberechtigten Arztes gehandelt hat, sondern im allgemeinen Bereich der Krankenhausassistenz, in nachgeordneter Assistenz klinikeigener Stationen oder im Bereich der Pflege. Auf der anderen Seite ist der jev^eilige Chef- bzw. auch Belegarzt der Anspruchsgegner, wenn es zu einem Fehler in seinem Verantwortungsbereich gekommen ist ^^'^, Auf dem Sektor ambulanter Behandlungen gestaltet sich die Haftung fiir den Verrichtungsgehilfen nach der Art der jeweiligen Praxis. In einer Einzelpraxis ist der Praxisinhaber fiir die Fehler seiner Verrichtungsgehilfen verantwortlich und damit auch passivlegitimiert^^^ Dies gilt entsprechend fiir den Arzt einer Praxisgemeinschaft, je nachdem, in wessen Bereich der Anfanger als Verrichtungsgehilfe tatig ist^^^. Kommt es zu einem Fehler, muss der jeweilige Arzt auch deliktisch fiir den von ihm eingesetzten Gehilfen einstehen. Handelt es sich hingegen um eine Gemeinschaftspraxis im engeren Sinn, also einen Zusammenschluss fachrichtungsgleicher Arzte, haftet zunachst jedes Mitglied allein. Beim Einsatz eines Ver'^^^ Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 18., § 104, Rn. 9. ^^"^ BGH NJW 1994, 1594 zur Haftung von Kliniktrager und Chefarzt wegen Organisationsfehlem; OLG Diisseldorf, VersR 1985, 291; weitere Nennungen bei Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 104; Busken/KluglicK VersR 1994, 1141 (1145); Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 66; Katzenmeier, Die Arzthaftung, S. 130; Pfluger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 58; Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 119 f. 765 O L G Dusseldorf, VersR 1985, 2 9 1 . 766 O L G Dusseldorf, VersR 1998, 1285; O L G Oldenburg, VersR 1998, 1377; vgl. auch Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 7 1 ; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 18., § 104, Rn. 9. 767 Speziell fur den Fall des Belegarztes und die Haftung fur eine H e b a m m e B G H , VersR 1995, 706; O L G Stuttgart, VersR 2002, 235; auch Franzki/Hansen, N J W 1990, 7 3 7 (739 f f ) ; allgemein Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 69; Hubner, ZVersWiss 1990, 5 3 (61 f f ) ; Katzenmeier,T>it Arzthaftung, S. 131; Reiling, M e d R 1995, 443 ff; Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 158 ff 768 Schmid, Die Passivlegitimation i m Arzthaftpflichtprozess, S. 9 5 unter Hinweis auf L G Hannover, N J W 1981, 1320. 769 Schlund, in: Laufs/Uhlenbruck Kap. 20, § 115, Rn. 12.
11. HaftungsmaBstab
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richtungsgehilfen findet allerdings eine gemeinsame Haftung statt, well alle Arzte der Gemeinschaftspraxis den Anfanger gemeinsam zum Verrichtungsgehilfen bestellt haben'^'^^. Sie sind somit gemeinsam passivlegitimiert. (2) §839BGB Im Sonderfall des § 839 BGB ergibt sich regelmaBig nur eine Passivlegitimation fiir Anstaltstrager wie beispielsweise Universitaten, denn im Gegensatz zu niedergelassenen Arzten ist dort eine offentlich-rechtliche Struktur moglich, die iiberhaupt erst zu einer Amtshaftung fiihren kann. Bei gewohnlichen Heilbehandlungen, denen wie bereits eingangs erwahnt, ein privatrechtlicher Charakter zugrunde liegt, kann zwar der jeweils beamtete Krankenhausarzt unabhangig von seiner Stellung haftbar sein, so dass ihn die Passivlegitimation gemaB § 839 BGB trifft, wenn er seine Amtspflicht schuldhaft verletzt hat'^^l Jedoch verliert dies durch die Verweisungsmoglichkeit des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB stark an Bedeutung. Die Anwendbarkeit umfasst zwangslaufig auch den liquidationsberechtigten Chefarzt, der sich in Konsequenz dessen auch auf die Moglichkeit der Verweisung nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen konnte, so dass es letztlich zu einer Passivlegitimation der Anstaltskorperschaft kommt'^'^^. Nur v^enn eine Haftung des Anstaltstragers aus Vertrag oder Delikt nicht in Frage kommt, kann sich der Patient an den beamteten Arzt wenden^^^. Die Passivlegitimation der Anstaltskorperschaft ergibt sich stets auch bei einer hoheitlichen Tatigkeit, lediglich mit dem Unterschied, dass die Grundlage dafiir Art. 34 i.V.m. § 839 BGB bilden^^^
II. HaftungsmaBstab Bereits in den Ausfuhrungen'^'^^ zur vertraglichen Grundlage der Arztbehandlung und damit auch des Anfangereinsatzes hat sich gezeigt, dass der behandelnde Arzt bzw. die Klinik oder Praxis in der Mehrzahl der Falle vertraglich nicht zu Erbrin-
770 BOH, N J W 1975, 533; Schlund, in: Laufs/Uhlenbruck, Kap. 20, § 115, Rn. 9; Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 98. 771 Das privatrechtliche Verhaltnis zwischen Patient und Klinik spielt insoweit keine Rolle, Daniels, N J W 1972, 309; Kern, VersR 1981, 316; Laufs, Arztrecht, Rn. 356; Schmid, Die Passivlegitimation im Arztpflichtprozess, S. 123. 772 Standige Rechtsprechung, vgl. BOH, VersR 1983, 244; BGH, VersR 1984, 356; BOH, VersR 1991, 779, BGH. VersR 1993, 357; Busken/KluglicK VersR 1994, 1141 (1147). 773 B G H , NJW 1983, 1374; Daniels, N J W 1072, 309; Kern, VersR 1982, 316; Schmid, Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess, S. 123. 774 B G H Z 108, 230 fur die Behandlung von Soldaten; BGH, N J W 1990, 2311 bei Impfschaden; RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 258. ''' Vgl. §3 I.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
gung eines bestimmten Heilerfolges verpflichtet sind'^'^^. Da es in realiter nur begrenzt moglich ware, eine „Gesundheitsgarantie" zu ubernehmen, besteht meist „nur" die Pflicht zur Vornahme einer ordnungsgemaBen Behandlung'^^'^. Diese gegeniiber dem Patienten bestehende Verpflichtung wirkt sich nicht nur auf die Leistungserbringung selbst aus, sondern zeigt sich auch im Rahmen der Arzthaftung wieder. Aufgrund der fehlenden Erfolgsverpflichtung ist es namlich nicht moglich, den Arzt einer Erfolgshaftung auszusetzen, da er schlieBlich nicht fiir etwas haften kann, was gar nicht geschuldet ist. Infolgedessen liegt der Arzthaftung auch nicht das Prinzip der Erfolgshaftung zugrunde, sondern das Verschuldensprinzip^^^. Erst die schuldhafte Verletzung einer arztliche Pflicht fuhrt bei Eintritt eines kausalen Schadens zur Haftung. Diese schuldhafte Pflichtverletzung gilt es im folgenden naher zu beleuchten und vor allem mit Hinblick auf den Einsatz eines Anfangers die daraus resultierenden Besonderheiten darzustellen.
1. Sorgfalt als zentrales Element Um die Besonderheiten des Anfangereinsatzes besser gegeniiber der „normalen" Arzthaftung abgrenzen zu konnen und deren Auswirkungen deutlich werden zu lassen, bedarf es zunachst einer Festlegung dessen, was unter Verschulden und Pflichtverletzung im Rahmen der Arzthaftung verstanden werden kann.
a) FahrlassigkeitsmaBstab der zivilrechtlichen Haftung Grundsatzlich finden sich im Bereich der Haftung zwei wesentliche Haftungsgrundlagen, die sich - wie oben ausfiihrlich dargestellt'^'^^ - in die vertragliche und die deliktische Haftung differenzieren lassen. Wahrend den Anfanger neben der Haftung aus unerlaubter Handlung eine Inanspruchnahme aus Vertrag nicht treffen kann, ist dies bei den anderen medizinalen Haftungssubjekten, die bei der Anfangeroperation gleichsam beteiligt sind, durchaus moslich. Trotz sewisser Unterschiede, beispielsweise im Bereich der Gehilfenhaftung^^^, liegt beiden Grundlagen das Verschuldenserfordernis zugrunde, das in § 276 BGB seine gesetzliche
^76 BOH, NJW 1991, 1540 (1541) m.w.N bei Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 128 ff; statt aller Spindler/Riekers, JuS 2004, 272 (274). '^'^'^ In diesem Zusammenhang sei exemplarisch auch verwiesen auf MuKoBGB-Mw//^rGloge, % 611, Rn. 44 so wie Laufs, Arztrecht, Rn. 100 und Schlechtreim, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn. 397. ^^^ Grundlegend.- v. Caemmerer, Das Verschuldensprinzip, 261 (280); eine ausfuhrliche Auseinandersetzung mit dem Verschuldensprinzip, v.a. mit Bezug zum Arztrecht fmdet sich bei Deutsch, NJW 1993, 1506; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 150 ff. ^^9 Vgl. §511. ^^^ Ausfuhrlich zu den Unterschieden, die nach der Schuldrechtsreform geblieben sind, Deutsch, JZ 2002, 588 ff.; Katzenmeier, VersR 2002, 1066 ff.
II. HaftungsmaBstab
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Niederlegung gefunden hat'^^l Das deutsche Zivilrecht unterscheidet - wie sich aus § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt - gmndsatzlich zwei Verschuldensformen, den Vorsatz und die Fahrlassigkeit, wobei der Vorsatz vom Willen des Handelnden und die Fahrlassigkeit von der Sorgfaltsverletzung durch den Handelnden gepragt ist'^^^. Im Bezug auf die Arzthaftung kann jedoch uneingeschrankt davon ausgegangen werden, dass nahezu alle Haftungskonstellationen auf einem fahrlassigen Verhalten basieren. Es ist anzunehmen, dass weder Arzt noch Klinik oder Praxis mit „Wissen und Wollen"^^^ und damit vorsatzlich eine haftungsauslosende Verkehrspflichtverletzung und damit verbundene Schadigung des Patienten verursachen, sondern dass ein Behandlungsfehler im Normalfall fahrlassig hervorgerufen wird'^^'^. Somit kann ein vorsatzliches Verschulden im Rahmen der Arzthaftung weitgehend ausgeschlossen und in der vorliegenden Arbeit vernachlassigt werden, so dass das Augenmerk ausschlieBlich auf die Fahrlassigkeit gerichtet werden kann. Ausgangspunkt der Fahrlassigkeit ist § 276 Abs. 2 BGB'^^^. Er definiert das fahrlassige Verhalten zwar unvollstandig aber normativ und sozialbezogen als ein AuBerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt'^^^. Mit Blick auf die Arzthaftung und im Besonderen die Haftung im Fall der Anfangerbehandlung bringt diese Definition allerdings zunachst mehr Fragen mit sich als sie beantwortet. Zwar bestimmt die Vorschrift als MaBstab fur die anzuwendende Sorgfalt die „im Verkehr erforderliche", jedoch gibt dies nur wenig Aufschluss, woran sich das jeweilige Verschulden konkret orientiert. Die gewahlte Formulierung lasst sich als eine Generalklausel verstehen, die es letzten Endes der Rechtsprechung iiberlasst, '7^1 Zur „Stmkturgleichheit" der Haftungsgmndlagen vgl. BOH, NJW 1989, 763; Bergmann, VersR 1996, 810 ff; Deutsche JZ 1997, 1030 f.; Gehrlein, Leitfaden fur die Arzthaftpflicht, S. 196 f.; Giesen, Jura 1981, 10 (14); Laufs, in: Z^w/^AJhlenbrnck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17, § 97, Rn. 9 ff.; RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 4. 782 Ygi j ^ ^ Rumelin, Das Verschulden im Straf- und Zivilrecht, sowie Weyl System der Verschuldensbegriffe im Btirgerlichen Gesetzbuche des Deutschen Reichs. '^^^ Der Begriff des Vorsatzes ist zwar nicht gesetzlich normiert, jedoch geht man davon aus, dass jemand immer dann vorsatzlich handelt, wenn er im Bewusstsein des Handlungserfolges und in Kenntnis der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens den Erfolg will; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 114 und 116. '^^^ In Ausnahme dazu stehen beispielsweise Falle medizinischer Experimente oder der aktiven Sterbehilfe, Fischer, in: Fischer/Lilie, Arztliche Verantwortung, S. 10. Dies soil aber in der vorliegenden Arbeit unberiicksichtigt bleiben, da es sich hierbei im Sonderfalle handelt, die unabhangig von der Beteiligung junger Arzte einer gesonderten rechtlichen Behandlung bediirfen; vgl. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 142; Pelz, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Entwicklung der Arzthaftung, S. 41 f '^^^ Im Bereich der Vertragshaftung bei Kassenpatienten fmdet eine Anwendung tiber § 76 Abs. 4 SGB V statt. '^^^ Zurtickzufuhren ist der Begriff der Sorgfalt auf die diligentia im Romischen Recht, Mot. I, 279; Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 16. Die allgemeine Entwicklung des Fahrlassigkeitsbegriffs in Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 120 ff, Deutsch, NJW 1993, 1506; Katzenmeier, Arztrecht, S. 156 ff
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die entsprechenden Konkretisierungen vorzunehmen und auch gegebenenfalls den jeweiligen Umstanden anzupassen. Dies darf aber, um eine Diskrepanz zwischen medizinischen und juristischen MaBstaben zu vermeiden, im konkreten Fall nur mittels sachverstandiger Beratung erfolgen, da es dem Richter insoweit an der notwendigen Sachkunde fehlt^^'^. b) Differenzierung zwischen Fahrlassigkeit und Pflichtverletzung Das zweite, wesentliche Kriterium fiir die Haftung von Arzt bzw. Krankenhaustrager stellt neben dem Verschulden der Haftungsgrund dar. Dieser Grund besteht definitionsgemaB in der Verletzung einer Sorgfaltspflicht gegeniiber dem Patienten, die sowohl im Delikts- als auch im Vertragsrecht bei der Arzthaftung weitgehend identisch ist und somit einer getrennten Erorterung nicht bedarf ^^. Sucht man nach einer einfachen Definition, um diesen weiten Anwendungsbereich besser erfassen zu konnen, so findet man regelmaBig als Umschreibung, dass die Pflichtverletzung, konkret der Behandlungsfehler, ein arztliches Handeln darstellt, das die nach dem Stand oder besser Standard der Medizin erforderliche Sorgfalt missen lasst und daher als unsachgemaB zu beurteilen ist^^^. Diese Definition zeigt, dass auch hier das Element der Sorgfalt im Mittelpunkt der rechtlichen Priifung stehen muss. Dem Verschulden wie auch der Pflichtverletzung ist als zentrales Tatbestandselement die anzuwendende Sorgfalt gemein. Beide Merkmale gehen insoweit von einem SorgfaltsverstoB aus, der in einem Unterschreiten des medizinischen Standards zu sehen ist. Diese Gemeinsamkeit mit der Verschuldensdefinition fiihrt allerdings dazu, dass die Begriffe der Pflichtverletzung und des Verschuldens ungenau und nicht immer zutreffend verwendet oder gar miteinander vermengt werden, so dass oft von einer Pflichtverletzung gesprochen wird, obwohl nicht die Verletzung einer Verkehrs- oder Verhaltenspflicht gemeint ist, sondern die Rede von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht im verschuldenstechnischen Sinne ist^^^. Ein Unterschied zwischen Verschulden und Pflichtverletzung ist letztendlich nahezu
787 B O H , VersR 1995, 659; Gross, ArztHcher Standard, S. 2; ders., VersR 1996, 657 (658); Kullmann, VersR 1997, 5 2 9 (530); Wa/rer, Spezialisiemng u n d Sorgfaltsstandard, S. 155 ff.; ders., VersR 2003, 1130 (1131). 788 B O H , N J W 1989, 767 (768); N J W 1991, 2960 f.; VersR 1988, 1273 f.; Deutsch N J W 1976, 2290; ders., in: Festschrift fur Walter Weissauer, S. 12 (13); Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 6 1 ; Stejfen, ZVersWiss 1990, 30 (33). 789 Giesen, Arzthaftungsrecht, R n . 6 8 ; dazu auch Laufs, Arztrecht, R n . 4 6 9 ; ders. in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17., § 99, Rn. 5; RGRK-Niifigens, § 823, Anh. II, Rn. 179. 79^ Als Beispiel unklarer Differenzierung sei hier genannt BGH, VersR 1999, 1241 oder Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 68 ff, 107 ff; Hart, Jura 2000, 14 ( 1 8 f ) ; vgl. dazu kritisch Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 94.
II. HaftungsmaBstab
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nicht mehr vorhanden'^^^. Die terminologische Nahe der Tatbestandsvoraussetzung verleitet dazu, bei Vorliegen eines VerstoBes gegen die arztliche Sorgaltspflicht immer auch gleich ein Verschulden, das schlieBlich als ein „auBer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" definiert ist, anzunehmen"^^^. Hier gilt es allerdings bei einer - wenn auch im Einzelfall oft schwierigen'^^^ - Differenzierung zwischen Verschulden und Pflichtverletzung zu bleiben, da die Verletzung einer Verhaltenspflicht im Sinne des Behandlungsfehlers nicht immer gleichbedeutend mit einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sein kann^^"^. Die Pflichtverletzung ist nicht identisch mit Fahrlassigkeit'^^^ So gibt es durchaus auch VerstoBe gegen berufliche Verhaltenspflichten, die sich nicht als Sorgfaltspflichtverletzung einstufen lassen, weil „die Methodenfreiheit den Arzt zu seinen konkreten MaBnahmen im Einzelfall berechtige"'^^^. Um nun eine Unterscheidung zu gewahrleisten, lasst sich als Unterscheidungskriterium hier eine differenzierte Auslegung der Sorgfalt heranziehen, so dass man unter einer Pflichtverletzung die Verletzung der Sorgfalt im objektiven HochstmaB verstehen kann, die aus einer ex-post-Perspektive zu beurteilen ist^^"^. Das Verschulden hingegen wird, als Element der Zurechenbarkeit'^^^, an einem gleichsam objektiv-typisierten SorgfaltsmaBstab gemessen, allerdings werden im Rahmen einer ex-ante-Betrachtung auch ^^^ Berg-Winters, Der Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht, S. 193; Deutsch, in: Festschrift fiir V. Caemmerer, 329 (331); Muller, NJW 2002, 3049; Spickhoff NJW 2002, 2530(2532). ^^^ So beispielsweise bei Fabarius, AuBere und innere Sorgfalt, S. 139; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 99 ff; Hart, Jura 2000, 14 (18 f), ders., in: Festschrift fur Heinrichs, S. 291 (315 f),der davon ausgeht, dass sich das Verschulden nach dem objektivtypisierten Fahrlassigkeitsbegriff aus der Pflichtverletzung ergebe und daher mit diesem identisch sei. '^^^ Bydlinski, in: Deutsch/TaupitZy Haftung der Dienstleitungsberufe, S. 167 (179) spricht sogar davon, dass die beiden Begriffe untrennbar seien; vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, VersR 1977, 547; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188; MiXKo-Hanau, 3. Aufl., § 276, Rn. 32. '^^'^ Vgl. in diesem Zusammenhang die zu befUrwortenden Ausfiihrungen von Deutsch, Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 449, 458 f, ders., NJW 1976, 2289 (2291); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 SOWIQ Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 370; Walter, Spezialisierung und Sorgfalts standard, S. 101 ff.; Diese Frage ist vor allem im Bereich der Beweislast von Bedeutung; mit Blick auf die Verschuldensvermutung des § 280 BGB, ungeachtet seiner Anwendbarkeit im Arzthaftungsrecht, wirkt es sich insofem aus, dass, trennt man nicht zwischen Pflichtverletzung und Verschulden, entweder kein Verschulden mehr zu vermuten ist oder gleich die Pflichtverletzung mit vermutet wird. Vgl. die Ausfiihrung zu § 280 BGB in § 6 III. '^^^ So wortlich und eindeutig PflUger, Krankenhaushaftung, S. 94. ^^6 Laufs, Arztrecht, Rn. 469. ^^^ So Kohler, ZZP 118 (2005), 25 (34f); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 136; Spickhoff, NJW 2005, 1694 (1698); ders., NJW 2002, 2530 (2536 f.). '^^^ y. Caemmerer, Das Verschuldensprinzip, S. 261 (280); Deutsch, NJW 1978, 1657 (1659).
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
die situationsbezogenen konkreten Umstande mit beriicksichtigt, die einen herabgesetzten MaBstab erlauben, der nicht an das generell menschenmogliche anknupft799
2. Konkretisierung des SorgfaltsmaBstabs Der Vergleich der Definitionen von Verschulden und Pflichtverletzung hat gezeigt, dass das zentrale Element der Arzthaftung der SorgfaltsmaBstab ist. Er ist es auch, der beim Einsatz des Anfangers und demnach bei der haftungsrechtlichen Beurteilung einer fehlgeschlagenen Anfangeroperation eine entscheidende, wenn nicht die entscheidende Rolle spielt. Erst uber die konkrete Festlegung der erforderlichen Sorgfalt lasst sich rechtlich beurteilen, ob das Verhalten des Anfangers nun zu einer personlichen Haftung fiihrt oder nicht. Im Mittelpunkt einer Sorgfaltskonkretisierung steht dabei die Frage, ob bei der Festlegung der anzuwendenden Sorgfalt ein subjektiver oder ein objektiver Ansatz als Grundlage zu nehmen ist, d.h., ob sich beispielsweise der Anfanger darauf berufen kann, er personlich habe aufgrund seiner subjektiven individuellen Fahigkeiten die erforderliche Sorgfalt nicht einhalten konnen, oder ob einer solchen Individualisierung nicht Argumente von Rechtssicherheit und der Schutz des Patienten entgegenstehen, so dass nur an einen objektiven Sorgfalts- bzw. einen dementsprechenden VerschuldensmaBstab zu denken ist ^^.
a) Objektiv typisierender SorgfaltsmaBstab Nach § 276 Abs. 2 BGB stellt die Fahrlassigkeit ein AuBerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar. Auch wenn dieser Wortlaut nicht eindeutig Aufschluss iiber den eigentlichen MaBstab gibt^^^ so deutet seine Formulierung dennoch bereits auf eine objektiv-typisierte Sorgfalt hin, wie sie bei Rechtsprechung^^^ und Wissenschaft^^^ - nicht nur in Deutschland^^"^ - weitgehend einhellig ^^^ Dazu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 136; Fabarius, AuBere und innere Sorgfalt, S. 72 ff; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 188 f.; Portmann, SJZ 1997, 273 (278 f); Soergel-Wolf, §27, Rn. 36 ff; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 114 f; Spickhoff, NJW 2005, 1694 (1698); v. Bar, Verkehrspflichten, S. 172 ff ^^ Vgl. zu dieser Problematik u.a. Soergel-Wolf, Band 2, Schuldrecht I, § 276, Rn. 75 ff ^^^ Kritisch v.a. im Hinblick auf das Wortlautargument: Soergel/Reimer - Schmidt, § 276, Rn. 17, der allein aus der Formulierung des § 276 Abs. 2 BGB nicht auf einen objektiven MaBstab schlieBen will. ^^^ Insoweit beispielsweise fur die Tatsache, dass individuelle Schwachen unberucksichtigt bleiben miissen BGH, NJW-RR 1996, 980; BGHZ 80, 186 (193); BGHZ 87, 27 (35); BGH, JZ 1968, 103 m. Anm. Deutsch; BGH, NJW 1976, 775 (776); BGH, NJW 1994, 2332 (2333). ^^^ Bamherger/Roth-Grilneherg, § 276, Rn. 20; Brilggemeier, Deliktsrecht, Rn. 106 ff; ders., JZ 1986, 969 (976); Deutsch, Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 31 ff; ders., Jura 1987, 505 (507 f); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 123;
II. HaftungsmaBstab
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vertreten wird. Speziell fiir das Arztrecht stellt man darauf ab, dass von einem maBgeblichen, objektivierten zivilrechtlichen Fahrlassigkeits- und damit SorgfaltsmaBstab auszugehen ist^^^. Die Erwartungen, die gegeniiber dem Verkehrkreisangehorigen gestellt werden, konnen nicht von individuellen Faktoren abhangen, sondern miissen einem gewissen Soil entsprechen, das meist unabhangig von individuellen Momenten auf einem Vertrauen in das Gegeniiber basiert. Dieser Grundsatz des Vertrauens^^^ ist es, der dem VerschuldensmaBstab zugrunde liegt und speziell im Bereich der Arzthaftung Ausdruck der iiberlegenen Stellung des Arztes gegeniiber dem Patienten ist, der darauf vertraut, eine professionelle Behandlung zu erhalten^^'^. Jeder Mensch nimmt am Rechtsverkehr in dem Vertrauen teil, dass sein Partner ihm gegeniiber die Sorgfalt an den Tag legt, die man von einem sorgfaltigen^^^, verniinftigen^^^, gewissenhaften und ordentlichen^^^ Menschen in der konkreten Lage erwarten kann. Dieser Erwartungshorizont ist aber nicht von subjektiven Faktoren wie tJbermiidung, Krankheit oder psychischen Problemen gepragt, sondern er erwachst aus einem durchschnittlichen und typischen Verhalten, auf dem auch der sog. objektiv-typisierende VerschuldensmaBstab basiert^^^ Danach sind subjekts-
Erman-Westermann, § 276, Rn. 10; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 2, S. 82 ff.; Kotz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 112 ff.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 20 III, S. 284 ff.; Medicus, Schuldrecht I, Allgemein Teil, Rn. 309 f.; PalandtHeinrichs, § 276, Rn. 15; Soergel-Wolf, § 276, Rn. 75; Spickhojf, GesetzesverstoB und Haftung, S. 215 ff; exemplarisch fiir die Arzthaftung: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 72; Katzenmeier, Arzthaftung, Rn. 403; Laufs, Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 99, Kap. 17., Rn. 11. ^^"^ Einen Uberblick zum europaischen Meinungsstand bei Fischer/Lilie, Arztliche Verantwortung, S. 11; Giesen, International medical malpractice law, § 9, Rn. 131; beispielsweise im Osterreichischen Recht, dastiber§ 1299 ABGB fiir die Haftung sachkundiger Personen und damit auch Arzten einen objektiven MaBstab festlegt. 805 Vgl. BGH, NJW 2001, 1786, speziell fiir den Fall eines Assistentenfehlers, den der BGH nicht mehr als Anfanger eingestuft hat; allgemein BGHZ 113, 297 (303 f) m.w.N.; BGH, NJW 2003, 2311; auch bereits 1953 BGHZ 8, 141. 80^ Zum Vertrauensgrundsatz als Ausgangspunkt der Verschuldenshaftung u.a. Bamberger/Roth-Griineberg, § 276, Rn. 20 Deutsch, Deliktsrecht, Rn. 123 f; ders., Fahrlassigkeit und erforderhche Sorgfalt, S. 140; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, §20 III, S. 286; Soergel-Wolf, §276, Rn. 75; StaudingerLowiscK § 276, Rn. 2 5 ; MviYjdBGQ-Grundmann, § 2 7 6 , Rn. 55. 80^ Rupprecht, Zivilrechthche Haftung, S. 40. 808 So KotzAVagner, Deliktsrecht, Rn. 108. 809 Munzberg, Verhalten u n d Erfolg als Gmndlagen d e r Rechtswidrigkeit u n d Haftung, S. 250. 810 B G H , VersR 1976, 775 (776); vgl. z u m Ganzen Wagner, Spezialisiemng und Sorgfaltsstandard, S. 38 ff, sowie bereits Prot. II, 604. 811 In B G H , VersR 1953, 3 3 8 hatte der Senat einem Arzt die Entlastung mit d e m Argument, es sei wegen einer Uberbeanspruchung zum Behandlungsfehler gekommen, ver-
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
bezogene Individualeigenschaften und Schwachen, seien sie nun physischer, psychischer Oder fachlicher Art, des einzelnen Arztes, seine Konstitution, seine konkreten Erfahrungen und Kenntnisse fur die Beurteilung des Verschuldens grundsatzlich unerheblich, sondern es kommt nur auf den Vergleich zu dem Durchschnittsarzt in der konkreten Situation an. Es ist demnach nicht entscheidend, wie der Arzt in einer Durchschnittssituation gehandelt hatte, sondern wie er in der konkreten Situation unter Beriicksichtigung der besonderen Umstande des jeweiligen Einzelfalls vorgegangen ware^^^. Es muss dabei auf die vorliegenden Gegebenheiten abgestellt werden, die unter anderem beispielsweise durch die jeweilige Konstitution des Patienten oder unvorhersehbarer Komplikationen stets ein anderes Vorgehen erfordern^^^. Auch besondere zeitliche Umstande konnen Beriicksichtigung finden, wie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt^^'*; darin hatte der Senat ein Verschulden trotz der unzureichenden Auswertung einer Rontgenreihenuntersuchung im Jahre 1948 aufgrund der zeitlichen Umstande und der anfanglichen Schwierigkeiten verneint. Stellte man diesbeziiglich auch auf eine Durchschnittssituation ab, so wiirde unter Verkennung des Verschuldensprinzips eine Haftung fern der Realitat geschaffen. Es ist nicht moglich, das Verschulden an einer durchschnittlichen Situation ex-post zu messen, wenn zum Beispiel in einem Notfall gar nicht die Moglichkeiten vorhanden sind, eine voll umfassende und dem durchschnittlichen Standard entsprechende medizinische Versorgung zu gewahrleisten. Gerade eine Notfallbehandlung kann nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie eine sorgfaltig geplante und vorbereitete Operation durchgefuhrt werden^^^ KoUabiert ein Patienten auf dem Krankenhausgang oder ein Passant auf der StraBe^^^, so kann nicht auf die weigert, da auf einen objektiven MaBstab, frei von subjektiven Schwachen, abzustellen ist. ^^^ Bereits Riimelin, Das Verschulden im Straf- und Zivilrecht, S. 49 ff. weist auf das Erfordemis der Situationsbezogenheit hin. ^^^ Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 136; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 189; Laufs, Arztrecht, Rn. 477 ff; Nowak, Leitlinien in der Medizin, S. 67 ff; Portmann, SJZ 1997, 273 (278 f); Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 114 f; Soergel-Wolf, § 276, Rn. 37; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 60 ff 814 BOH, NJW 1961, 600 f 81^ Giesen, Medical Malpractice Law, S. 16; Staudinger-Schdfer, § 276, Rn. 45; PalandtHeinrichs, § 276, Rn. 17. 81^ So in etwa auch das Beispiel von Deutsch, Jura 1987, 505 (508); allgemein zum Einfluss der ortlichen Gegebenheiten auf den VerschuldensmaBstab Rixecker, in: Geigel, Haftpflichtprozess, S. 32 f; allerdings vermogen die von ihm genannten Beispiele aus der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang nicht zu uberzeugen, da sie zwar von der Beriicksichtigung konkreter ortlicher Gegebenheiten ausgehen, diese allerdings in diesen Fallen bereits im Verkehrskreis zu berucksichtigen sind: So verneint der BGH in der Entscheidung BGH, VersR 1955, 82 f das Verschulden eines Hauseigentumers, well in einer besonders schneereichen Region ein unter seinem ausreichend gesicherten Dach ein dort geparktes Auto durch herabmtschenden Schnee beschadigt worden war, well er ein Parken unter seinem Haus aufgrund der dort vorherrschenden Schneesituati-
11. HaftungsmaBstab
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durchschnittlichen medizinischen MaBnahmen abgestellt werden, die ein Arzt in einem Operationssaal hatte vornehmen konnen, sondern ist konkret und ex-ante darauf abzustellen, was der gedachte Durchschnittsarzt bei einem solchen Fall im Krankenhausgang unternommen hatte^^^. Die konkreten Umstande diirfen aber nicht zu einem Wechsel des Verkehrskreises fuhren, sondern es muss, schon allein aus Griinden der Rechtssicherheit bei dem jeweiligen Verkehrskreis des Handelnden bleiben^^^, lediglich eine Verschuldensmodifikation kann durch die Beriicksichtigung der konkreten Umstande erreicht werden. Insoweit ist die pauschale Bezeichnung des objektiv-typisierten VerschuldensmaBstabes nicht vollstandig bzw. ungenau, da nur hinsichtlich des Arztes auf einen objektiven DurchschnittsmaBstab abgestellt werden kann, hinsichtlich der Situation selbst allerdings die konkreten Umstande des jeweiligen Einzelfalles ausschlaggebend sind. Somit miisste man genaugenommen von einem situationsbezogenen objektiv-typisierten VerschuldensmaBstab sprechen. aa) Begriff des Standards Dabei stellt sich allerdings immer noch die Frage, was unter der zu erwartenden Sorgfalt zu verstehen ist, wie sie zu bestimmten und justiziable zu machen ist. Um Rechtsklarheit zu schaffen und Anhaltspunkte zu geben, versuchte man zunachst eine Typisierung durch den Begriff „Stand der Wissenschaft und Technik" bzw. konkret in der Arzthaftung auch durch die „Regeln der arztlichen Kunst"^^^. Die Problematik dieser Festlegung zeigte sich allerdings darin, dass der Stand immer etwas Erreichtes und damit etwas Statisches darstellt und so dem Fortschritt und der Weiterentwicklung nur bedingt gerecht werden konnte^^^. Aufgrund dieser Unflexibilitat entlehnte man dem englischen Recht den Begriff des sog. standard of care und fand so zu dem der Sorgfalt zugrundezulegenden Begriff des Standards als Synonym fiir das Gewohnliche und durchschnittlich zu Erwartende^^^ Erstmals Gestalt nahm der Begriff dann im Bereich der Arzthaftung durch die - zwi-
on nicht hatte besonders vermeiden mussen. Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verkehrskreis und nicht um die Berucksichtigung ortlicher Gegebenheiten im obengenannten Sinne, da vorliegend lediglich ein spezieller Verkehrskreis fur schneereiche Orte anzunehmen ist, der die Sorgfaltsanforderung modifiziert. Ahnlich auch in der Entscheidung BGH, VersR 1956, 711 (712). 817 Statt aller Soergel-Wolf, § 276, Rn. 37 und Rn. 41. 818 Vgl. Deutsch/Spickhoffy Medizinrecht, Rn. 136 a.E. 819 Zum Stand der Wissenschaft und Technik in der Medizin und dessen damaligen Verstandnisses in der Rechtsprechung Kriele, NJW 1976, 355 ff.; zum Wechsel und den Nachteilen des Begriffs vgl. aus neuerer Zeit Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap.l7., § 99, Rn. 3. ^^^ Zu den Problemen der starren Begrifflichkeit Deutsch, NJW 1987, 1481; Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 310 ff m.w.N. ^^^ Der Begriff des Standards ruhrt von dem standard of care des Englischen Rechts, vgl. Lang, Normzweek und duty of care; Deutsch, JZ 1997, 1030 (1031); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 144; Velten, Der medizinische Standard, S. 36 f
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schenzeitig mehrfach weiterentwickelte - Definition von Carstensen an, der den Ausdruck dahingehend prazisiert, als dass es sich bei dem medizinischen Standard um den jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnis und arztlicher Erfahrung handelt, der zur Erreichung des arztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewahrt hat^^^. Nach dieser Definition kann man nun einerseits vertreten, als Grundlage immer das Bestmogliche heranzuziehen und so - vor allem im Interesse des Patienten - einen Hochststandard zu manifestieren. Andererseits ist es aber genauso denkbar, eine Art Mindeststandard festzulegen, der durchschnittlich erbracht werden kann und den Interessen des Patienten dennoch gerecht wird. Es erscheint bei genauerer Betrachtung nur bedingt sinnvoll, wenn jeweils die Methoden, Kenntnisse und Fahigkeiten als Richtschnur herangezogen werden, die nur der jeweils Beste seines Faches zu leisten im Stande ist. Wie die obigen Umschreibungen schon andeuten, ist das in der Praxis Anerkannte ausschlaggebend und der Standard nicht als Spitzenwert sondern als Bandbreitenwert festzusetzen. Denn was wiirde es nlitzen, ein Verhalten als Pflicht festzusetzen, das nur die Besten in der Lage sind, zu erfullen. Der Standard von seiner allgemeinen Wortbedeutung erfasst einen Durchschnittswert dessen, was derzeit moglich ist und von daher iiberall verlangt werden kann^^^. Bezugnehmend auf das angesprochene Vertrauen des Patienten kann man demnach von einem Vertrauen auf den „Mindeststandard" und nicht einem Vertrauen auf den nur im Einzelfall leistbaren, hochstmoglichen Standard sprechen^^"^. Die Grenzen der je verfiigbaren arztlichen, pflegerischen, apparativen, raumlichen Potentiale verbieten es, den MaBstab fiir die arztliche Behandlung und Haftung einheitlich ganz oben anzusetzen^^^. Die erforderliche Sorgfalt orientiert sich also an einem medizinischen Mindeststandard, nach dem der Arzt die MaBnahmen zu ergreifen hat, die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Mediziner aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereiches vorausgesetzt und erwartet werden^^^.
822 Carstensen, DABl. 1989, B-1736 (B-1737); vgl. auch Buchbom, M e d R 1993, 328 ff., der auch auf die weitere Entwicklung des Begriffs eingeht; Deutsch, J Z 1997, 1030 (1031); Gross, Arztlicher Standard, S. 1; Hart, M e d R 1998, 8 (9); Taupitz, N J W 1986, 2851 (2858). 823 Laufs, in: Festschrift fur Joachim Gemhuber, S. 245 (252) stellt zu Recht fest, dass das Abverlangte vemtinftiger Weise auch von einem ttichtigen Durchschnittsmenschen einlosbar sein vms%t\ Deutsch, J Z 1968, 103 (104); ders., Fahrlassigkeit und erforderliche
Sorgfalt, S. 303; Grunewald, JZ 1982, 627 (630). 824 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rumler-Detzel, VersR 1998, 5 4 6 (545 f f ) ; Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 29; Ulsenheimer, BayABl. 1998, 51 ff 825 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 135. 826 B G H , VersR 1995, 659 (660); B G H , VersR 1996, 330; Kullmann, VersR 1997, 529 ff spricht dabei allgemein v o n den jeweils einzuhaltenden Regeln, die ein Angehoriger des jeweiligen Fachbereichs einzuhalten hat.
II. HaftungsmaBstab
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bb) Empfehlungen, Leitlinien und Richtlinien Dieser nun festgelegte objektiv-typisierte SorgfaltsmaBstab bedarf allerdings einer entsprechenden Konkretisierung, gibt es doch den verkehrstypischen Standard an sich nicht^^^. Zur Konkretisierung des Mindeststandards bieten sich nun im ersten Augenblick die sog. Empfehlungen, Leitlinien und Richtlinien medizinischer Fachgesellschaften an, die, vormals als Direktiven bezeichnet, eine Aufzahlung bzw. Auflistungen von medizinischen Verhaltensregeln darstellen^^^. Sie sind meist fachbereichsbezogen und regeln fur bestimmte Behandlungssituationen und medizinische Indikationen eine Vorgehensweise, die im Zeitpunkt ihres Erlasses dem medizinischen Standard entspricht bzw. entsprach^^^. Sinn und Zweck dieser Empfehlungen sowie der Richt- und Leitlinien ist dabei vor allem, die Qualitat der Behandlung zu sichern und den Patienten zu schiitzen, allerdings auch Handlungsablaufe im Sinne der Wirtschaftlichkeit zu straffen und sinnvoll zu gliedern^^^. Insoweit kann demnach an dieser Stelle festgehalten werden, dass diesen Regelungswerken zumindest Anhaltspunkte fiir die Standardkonkretisierung zu entnehmen sind, schlieBlich geben sie in der Form einer Momentaufnahme das wieder, was standardgemaB fiir den Patienten im Zeitpunkt der Erstellung am besten war. Ob dies allerdings ausreicht, um im Rahmen der Fahrlassigkeit bzw. auch im Bereich der Pflichtverletzung eine konkrete rechtliche Festlegung der jeweils von arztlicher Seite anzuwendenden Sorgfalt zu ermoglichen, erscheint fraglich. Was die Verbindlichkeit anbelangt, so kann man beginnend mit den Richtlinien von einer stufenweisen Befolgungsverpflichtung ausgehen. Richtlinien, von einer gesetzlich legitimierten Stelle konsentiert, schriftlich fixiert und veroffentlicht, erlangen wohl grundsatzlich keine rechtsnormgleiche Verbindlichkeit^^^ die Nichteinhaltung kann jedoch sanktioniert werden. Daran schlieBen die Leitlinien an, bei denen es sich um systematisch entwickelte Entscheidungshilfen zur vorbeugenden
^^'7 Vgl. Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 34. 828 YQJ. allem die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften ( A W M F ) u n d die Arztliche Zentralstelle fiir Qualitatssichemng bei der Bundesarztek a m m e r und der Kassenarztlichen Bundesvereinigung haben bereits eine Vielzahl von Leitlinien zusammengestellt. Eine umfassende Aufzahlung findet sich bei Nagel, Leitlinien u n d Standards i m Gesundheitswesen u n d i m Internet bei http://www.uniduesseldorf.de/www/awmf u n d http ://leithnien.net/. 829 Z u m Begriff vgl. u.a. Deutsch, J Z 1997, 1030 (1032); Hart, M e d R 1998, 8 (10 f f ) ; Laufs, in: Festschrift fiir Erwin Deutsch, S. 6 2 5 (631); Walter, Spezialisierung u n d Sorgfaltsstandard, S. 157 ff. 830 Dressier, in: Festschrift fur Karlmann Geiss, S. 379 (384 ff); Hart, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 500, R n . l ; ders., MedR 1998, 8 (12); Katzenmeier, Arzthaftung, S. 280. 8^1 Hinsichthch der Verbindhchkeit a.A. Hart, MedR 1998, 8 (11); zur Definition vgl. auch BSG, B S G E 78, 10, 7 4 f, das in der sog. Methadon-Entscheidung fur die MethadonSubstitutions-Richtlinie des Bundesausschusses der Arzte und Krankenkassen, die auf Grundlage des § 9 2 Abs. 1 Satz 1. Hs. SGB V erlassen worden war; dazu auch Neumann, in: SchnappAVigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 12 Rn. 8.; und Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandards, S. 157 ff
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Steuerung diagnostischen und bzw. oder therapeutischen Vorgehens handelt^^^. Was ihre Verbindlichkeit anbelangt, so konnen sie insoweit als Empfehlungen betrachtet werden, die einen gewissen „Abweichungskorridor" haben, der ein Abweichen in bestimmten Einzelfallen zulasst und zum Teil auch gebieten^^^. Die Empfehlung ist das letzte und unverbindlichste Mittel fachlicher Verhaltensregelungen. Sie enthalt lediglich eine Handlungsempfehlung und Orientierungshilfe fiir bestimmte Konstellationen, deren Nichtbeachtung nicht sanktioniert ist und der Arzt insofern jederzeit davon abweichen kann^^"^. Bereits die unterschiedlichen Stufen der Verbindlichkeiten deuten an, dass eine Konkretisierung des Standards fiir die rechtliche Bewertung anhand von Richt- und Leitlinie sowie Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften nur bedingt moglich ist^^^. Der Hauptgrund dafiir liegt allerdings vor allem in ihrer fehlenden Flexibilitat^^^. Eine Richtlinie wird in der Regel iiber einen langeren Zeitraum hinweg vorbereitet und bedarf dann einer gewissen Zeit bis zu ihrer Veroffentlichung. Will nun ein Gericht das Verhalten eines Arztes anhand dieser Richtlinie messen, besteht die Gefahr, dass die standig fortlaufende, wissenschaftliche Entwicklung in der Medizin gar nicht mehr mit den in der Richtlinie festgelegten Verhaltensnormen iibereingestimmt hat. Es ware dann widersinnig, einem Arzt ein fahrlassiges Verhalten vorzuwerfen, well er von einer veralteten Richtlinie abgewichen ist, die nicht mehr dem tatsachlichen Standard entsprochen hat. Dieser verandert sich stetig, was in der Regel nur zu einem sehr kurzen Parallellauf mit dem tatsachlichen Standard fiihrt und so eine standige Anpassung von Leit- und Richtlinien notwendig machen wiirde. Eine solche standige Aktualisierung ist allerdings nur bedingt moglich, so dass den Empfehlungen, Leitlinien und Richdinien mehr eine deklaratorische^^^ denn eine konstitutive Funktion fur die rechtliche Standardbestimmung zukommen kann. Nicht auBer Acht bleiben darf in diesem Zusammenhang auch, dass wie bereits im vorangegangenen Kapitel ausgefiihrt - der anzuwendenden Sorgfalt auch stets ein gewisser Situationsbezug anhaftet^^^. Je nach Konstellation von Pa^^^ NageU Leitlinien und Standards, S. 154; Velten, Der medizinische Standard, S. 53. ^^^ Hart, MedR 1998, 8 (11); Seewald, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 19 Rn. 45. ^^"^ Vosteen, in: Hart, Arztliche Leitlinien, S.24; Seewald, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 19, Rn. 45.; Velten, Medizinischer Standard, S. 55. 835 Vgl. dazu Rehborn, MDR 2002, 1281 (1283); ders., MDR 2001, 1148 (1150). 836 OLG Hamm, NJW 2000, 1801 (1802); Hart, MedR 1998, 8 (11 f.); PflUger, Krankenhaushaftung, S. 286 f.; Spickhoff, NJW 2001, 1757 (1764); Walter, Speziahsierung und Sorgfaltsstandard, S. 159 spricht von der Dynamik des Standards, der eine Leitlinie nicht gerecht werden kann. 837 OLG Hamm, NJW 2002, 857; NJW 2000, 1801 (1802); Seewald, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 19 Rn. 45, definiert insoweit auch zutreffend, dass es sich dabei um den Standard feststellende Normen handelt, die zur Orientierung fur das arztliche Handeln festgelegt werden; in diesem Zusammenhang auch Rehbom, MDR 2000, 1101 (1102); Walter, Speziahsierung und Sorgfaltsstandard, S. 159. 838 Dressier,
in: Festschrift fiir Karlmann
Sorgfaltsstandard, S. 159.
Geiss, S. 379 (381); Walter, Speziahsierung und
II. HaftungsmaBstab
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tient, medizinischen Moglichkeiten, vorhandenem Material und sonstigen Variablen, die ein jeder Einzelfall mit sich bringt, kann eine schriftlich fixierte Richtlinie nie alle Eventualitaten mit umfassen und so einen Standardbegriff fiir die arztliche Handlung umfanglich regeln. Sie kann insofern nur allgemeine, wie es auch dem Begriff der Richtlinie inharent ist, Verhaltenslinien aufzeigen, die einer einzelfallorientierten Anpassung bediirfen und deshalb auch nur bedingt als Hilfe zur rechtlichen Qualifizierung fahrlassigen Verhaltens dienen konnen. Zusammenfassend ist demnach ein Heranziehung von Empfehlungen, Leitlinien und Richtlinien zur Bestimmung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bzw. des Standards zwar hilfreich, allerdings sind sie nicht geeignet, den Standard festzulegen oder gar mit ihm gleichzusetzen^^^. cc) Verkehrskreise Eine weitere Moglichkeit zur Festlegung des Standards und dessen Konkretisierung deutet der Begriff des objektiv-typisierten VerschuldensmaBstabes bereits selbst an: die sog. Typisierung, mit anderen Worten die Einteilung in verschiedene Verkehrskreise. Die Formulierung „im Verkehr erforderlich" verdeutlicht, dass das Verschulden nach der im Verkehr erwarteten Sorgfalt und deshalb - das obige Ergebnis aufgreifend - objektiv-typisiert festzulegen ist. Nachdem Richt- bzw. Leitlinien nicht allein geeignet sind, einen solchen allgemeinen Erwartungshorizont festzulegen, sondern ihn lediglich wiederzugeben, hat sich eine flexiblere und effektivere von der Rechtsprechung gepragte Form der Typisierung entwickelt, die in der Bildung von Verkehrskreisen besteht^"^^. Dabei wird danach gefragt, welche Bedingungen an das Verhalten des Schuldners nach Ansicht des jeweiligen Verkehrskreises typischer Weise gestellt werden^^^ Entscheidend ist der objektive Leistungsstandard des Verkehrskreises und die Sorgfalt, die von einem Angehorigen des jeweiligen Verkehrskreises zu erwarten ist. Schon durch das Reichsgericht wurde etwa im Bereich des objektiven FahrlassigkeitsmaBstabes der Begriff des 83^ Mit dem gleichen Ergebnis BGH, NJW 1998, 2814; Bamberger/Roth-Spindler, § 823, Rn. 593; Dressier, in: Festschrift fiir Karlmann Geiss, S. 379 (381 f); Hart, MedR 1998, 8 (12 ff); Nowak, Leithnien in der Medizin, S. 150; Spickhojf, NJW 2001, 1757 (1764); Velten, Der medizinische Standard, S. 55; Walter, SpeziaHsierung und Sorgfaltsstandard, S. 160 ff ^"^^ Deutsche DeHktsrecht, Rn. 123; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Allgemeiner Teil, § 20 III; Soergel-Wolf, § 276, Rn. 78 ff; dies gilt nicht nur fiir das Deutsche Recht, sondern auch in anderen europaischen Rechtsordnungen, vgl. dazu Giesen, International medical malpractice law, § 9, Rn. 135; Fischer/Lilie, Arztliche Verantwortung, S. 11; eine umfassende und sehr ausfiihrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte und Entwicklung der Verkehrskreisbildung in Literatur und Rechtsprechung fmdet sich bei Wa/r^r, SpeziaHsierung und Sorgfaltsstandard, 65 ff 8^1 Vgl. exemplarisch aus der Rechtsprechung BGH, NJW 1994, 2232 (2233) und BGHZ 113, 297 (301 ff); aus der Literatur grundlegend Engisch, Die Idee der Konkretisierung, S. 279; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 404; MvYjd^GB-Grundrriann, § 276, Rn. 57 ff; Seyfried, Die haftungsrechtliche Bedeutung, S. 117 ff; StaudingerLowisch, § 276, Rn. 34.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Verkehrskreises eingefuhrt und weiterentwickelt^"^^. Der Standard wird dabei nicht nach den Anlagen eines gewohnlichen Verkehrsteilnehmers gebildet, sondern nach den jeweiligen Fahigkeiten des durchschnitthchen Teilnehmers einer bestimmten Gruppe, so dass in diesem Zusammenhang auch von der sog. Gruppenfahrlassigkeit gesprochen wird^"^^. Immer dann, wenn eine Person in einem Beruf auftritt, so wird - was der Standardbegriff bereits terminologisch zum Ausdruck bringt^"^^ - von ihr diejenige Sorgfalt erwartet, die von einem ordentlichen, durchschnittlichen, normalen, verntinftigen, besonnenen oder gewissenhaften^"*^ Berufsangehorigen in der konkreten Situation erwartet werden kann^"^^. Es werden die durchschnitthchen Fahigkeiten des typischen Berufsangehorigen verlangt, nicht die des Besten, auch wenn dieser, unabhangig davon, seine besonderen Fahigkeiten einzusetzen hat^"^^. Auch hier gilt das bereits oben ausgeftihrte Prinzip des Mindeststandards und nicht das des Hochststandards. Zur Differenzierung bzw. als Basis der Gruppen- und Verkehrskreisbildung werden zwei wesentliche Kriterien herangezogen, die Einteilung nach Gefahrbereichen^"^^ und die nach Berufsfeldern, wobei vorliegend eine Auseinandersetzung mit Verkehrskreisen, die an eine bestimmte Gefahrensituation ankniipfen, vernachlassigt wird. SchlieBlich bringt die Diskussion um die Haftung von Berufsanfangern zwangslaufig eine Orientierung zur berufsorientierten Verkehrskreisbildung mit sich. In der Rechtsprechung wurde bereits sehr friih von berufsbezogenen Verkehrskreisen gesprochen, die nicht nur die hier relevanten Arzte erfass-
8^2 RGZ 102, 47 (49); 126, 329 (331); 152, 129 (140); in diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Bildung von Verkehrskreisen nicht neu war, sondern bereits bei den Postglossatoren, namentlich des Postglossatoren Bartolus, der bei der Sorgfalt bereits nach den Berufen und Eigenschaften unterschied; vgl. dazu Engelmann, Die Schuldlehre der Postglossatoren, S. 192. 8^^ Zum Begriff der Gruppenfahrlassigkeit Soergel/Wolf, § 276, Rn. 82; MuKoBGBGrundmann, § 276, Rn. 59; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 123 ff. ^"^"^ Zur Definition des Standardbegriffs als Synonym fiir das Normale, Gewohnliche oder Durchschnittliche, vgl. Velten, Der medizinische Standard, S. 36 m.w.N. ^"^^ Diese Adjektive werden in der Rechtsprechung im Bereich der Gruppenfahrlassigkeit synonym verwendet, RG Recht, 1912, Nr. 2516; BGH, NJW 1976, 1504; BGH, VersR 1976, 726; BGH 72, 9 (15); BGHZ 123, 311 (318); BGH, NJW 1982, 2555; BGH, NJW-RR 1986, 899. ^"^^ Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 123, die als Beispiel den Arzt benennen, der aus Mangel an medizinischem Besteck einen Luftrohrenschnitt mit einem Taschenmesser durchfLihrt. ^"^^ Vgl. die folgenden Ausfiihrungen sowie staU aller Bamberger/Roth-Griineberg, § 276, Rn. 20. ^^^ Als Beispiele seien hier einige gefahrbezogene Verkehrskreise genannt: StraBenverkehrssteilnehmer, die nochmals nach der Art ihrer Fortbewegung unterschieden werden konnen, vgl. Palandt-Sprau, § 823, Rn. 232 ff.; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 67, nennt in diesem Zusammenhang noch die Jagd, sportliche Aktivitaten oder das Entzunden eines Feuers.
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ten^"^^, sondern selbstredend auch andere Berufsgruppen, die zum Teil, wie zum Beispiel der Verkehrskreis des „ordentlichen Kaufmanns" in § 347 HGB, sogar einen gesetzlichen Niederschlag gefunden haben^^^. Konkret fur den Bereich der Arzthaftung wird dabei der Standard erwartet und gefordert, der von einem verantwortungsbewussten und besonnenen Arzt aus Sicht seines Fachbereichs geleistet werden kann, man spricht insoweit vom sog. ,JFacharztstandard"^^^ Dieser Standard ist es auch, der die Grundlage einer jeden Behandlung, als auch der hier in Rede stehenden Anfangerbehandlung bildet. Der Patient muss darauf vertrauen konnen, dass bei jedem medizinischen Vorgang der Facharztstandard gewahrleistet ist, so dass bei fehlender Erfahrung des jungen Arztes die bereits dargestellten, flankierenden MaBnahmen der besonderen Kontrolle, Aufsicht und Dokumentation erforderlich sind^^^. In diesem Zusammenhang sei auf das sog. „Facharzturteir' des Bundesgerichtshofs hingewiesen, in dem der 6. Senat fiir einen Eingriff kategorisch den Facharztstandard fordert^^^ Insofern handelt es sich dabei allerdings um ein materielles und nicht ein formelles Kriterium; d.h., dass die Behandlung den facharztlichen Grundsatzen entsprechen muss, eine formelle Facharztbezeichnung aber insofern nicht erforderlich ist^^"^. SchlieBlich kann es durchaus Assistenzarzte geben, die einen Facharztstandard gewahrleisten und auf der anderen Seite aber Facharzte, die unmittelbar nach ihrer Facharztpriifung noch nicht in der Lage sind, den gebietsspezifischen Anforderungen zu geniigen. Es handelt sich al^"^^ RGZ 97, 4 (5), im Fall eines Chirurgen, der einen Fremdkorper in der Bauchhohle zuruckgelassen hatte; 118, 41 (42), im Fall der falschen Bedienung eines Rontgenapparates durch eine Krankenschwester, die sich der Arzt zurechnen lassen musste. ^^^ Neben dem Verkehrskreis fiir Mauerer oder Handwerksmeister bei RG, Recht 1913, Nr. 19 und RG, JW 1913, 197 beispielsweise auch fur Notare und Rechtsanwalte bei RGZ 78, 241 (245); 81, 157 (158); RG, JW 1911, 573, fur Tankwagenfahrer, BGH, NJW 1995, 1150 usw.; weitere Nachweise bei Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 123 und bei Walter, Spezialisierung und Sorgfaltstandard, S. 66 f 851 Exemplarisch fur die Rechtsprechung: RGZ 97, 4 (5); BGH, NJW 1961, 600; NJW 1984, 655; NJW 1985, 2189; NJW 1993, 2989; NJW 1995, 776; NJW 1996, 779; NJW 1999, 1778;NJW 2000, 2737; NJW 2001, 1786;VersR 2003, 1128; OLG Hamm, NJOZ 2002, 1986; OLG Stuttgart, NJOZ 2001, 1702; OLG Niimberg, MedR 2002, 261; gleiches gilt fur die Literatur, die ebenso einhellig den Facharztstandard fordert: Deutsch/Spickhojfy Medizinrecht, Rn. 144 f; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 71 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 72, mit Nachweisen zu anderen Rechtsordnungen; Heilmann, NJW 1990, 1513 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 166; Kem, NJW 1996, 1561 (1562); Kuhla, NJW 2000, 841 (843); Kullmann, VersR 1997, 529 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 99, Rn. 11; ders., Arztrecht, Rn. 474; MuKoBGB-GrMnJmann, §276, Rn. Ill; RGRY^-NUfigens, §823, Anh. II, Rn. 182; Stejfen, MedR 1995, 361 ff.; Spickhoff, NZS 2004, 57 (58); Walter, SpeziaHsierung und Sorgfaltstandard, S. 174 Uders., VersR 2003, 1130. 852 Vgl. statt aller B G H Z 105, 189 (196 f.); N J W 1992, 1560 (1561); N J W 1994, 3008 (3009); N J W 1998, 2736 (2737); O L G Koln, VersR 1 9 9 2 , 4 5 2 . 853 B G H , N J W 1992, 1560 ff. 854 Opderbecke/Weissauer, M e d R 1993, 449; Ulsenheimer, Gynakologe 1993, 349.
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so um eine materielle Pramisse, die einen bestimmten Wissens- und Erfahrungsschatz unabhangig von dem verbrieften Facharztstatus umfasst, wenn also der Arzt sein Handwerk theoretisch wie praktisch so beherrscht, wie es von einem Facharzt erwartet werden kann. Das kann dann, bezogen auf die vorliegende Arbeit, durchaus schon bei einem langjahrigen Assistenzarzt in der Weiterbildung der Fall sein^^^ Allerdings unterliegt die Arzthaftung einer standig fortschreitenden Spezifizierung der verschiedenen medizinischen Fachrichtungetf^^. Infolgedessen erweist sich der allgemeine Facharztstandard nur als bedingt tauglich, das Verhalten von Arzten rechtlich konkret zu bewerten. Aufgrund der verschiedenen Fachrichtungen war die Rechtsprechung gezwungen, die Haftung und im Konkreten die Verkehrskreise dem medizinischen Fortschritt anzupassen und innerhalb des Facharztstandards weitere Differenzierungen einzufuhren. Im Wesentlichen sollten dabei die, vor allem fxir die weitere Diskussion relevanten Altemativen einer fachgebietsspezifischen und einer versorgungsspezifischen Differenzierung genauer beleuchtet werden. (1) Fachgebietsspezifische Verkehrskreise Zunachst lassen sich Verkehrskreise im Rahmen der Arzthaftung anhand einer fachgebietsspezifischen Differenzierung ausmachen. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang den pragenden Allgemeingrundsatz aufgestellt, dass ein Arzt diejenigen MaBnahmen ergreifen muss, die in der gegebenen Situation von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachgebiets vorausgesetzt und erwartet werden^^^. Auch mit Blick auf das Vertrauen des Patienten, der sich schlieBlich bewusst zu dem jeweiligen Facharzt begibt, weil er von ihm eine spezialisierte Behandlung erwartet, sind deshalb im Rahmen der sog. Gruppenfahrlassigkeit Differenzierungen im Wege der facharztspezifischen Verkehrskreisbildung angezeigt^^^ So schuldet der Arzt fur Allgemeinmedizin ein geringeres MaC an konkretem, fachspezifischem Konnen und Wissen als ein Arzt, der auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert ist^^^. Dementsprechend verlangte die friihere Rechtsprechung beispielsweise vom Allgemeinmediziner auch nicht die Lektiire auslandischer Fachzeitschriften^^^. Dies
^^^ Steffen, MedR 1995, 360; Ulsenheimer, Behandlungsfehler vermeiden, IV. 2. e). ^^^ Vgl. Bamberger/Roth-Gruneberg, § 276, Rn. 21; Laufs, Arztrecht, Rn. 474; SoergelWolf, § 276, Rn. 81; MuKoBGB-Grundmann, § 276, Rn. 111.; Ulsenheimer, Der Kassenarzt2000, lOff. 857 B G H , N J W 2000, 2737; N J W 1997, 3090; 1991, 1535.
858 Deutsch, Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 321;Gross, Arztlicher Standard, S. 5; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); UxxY^oBOB-Grundmann, § 276, Rn. Ill; Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 34 ff 859 B G H , N J W 1997, 3090; N J W 1991, 1535; so auch Frahm/Nixdorf, Rn. 7 1 ; Grofi, Arztlicher Standard, S. 5. 860 B G H , VersR 1962, 155.
Arzthaftungsrecht,
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wird man heute freilich differenzierter betrachten miissen. Die Facharzte mussen sich in erster Linie auf dem eigenen Fachgebiet auf dem Laufenden halten und brauchen daher nicht die Spezialliteratur der anderen Gebiete zu studieren^^^ Zwischenzeitig waren eine Vielzahl verschiedener Facharzte Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen, die jeweils nach der speziellen Sorgfalt ihres fachspezifischen Verkehrskreises beurteilt wurden. Als Beispiel seien hier u.a. der Augenarzt^^^, der Chirurg^^^, der Gynakologe^^"^, der Internist^^^ oder der Zahnarzt^^^ genannt, die alle, die jeweils in ihrem Fachbereich typische Sorgfalt zu wahren haben^^'^. Insoweit zeigt sich also, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt objektivtypisiert nach dem jeweiligen Fachgebiet zu bestimmen ist, dem der Arzt angehort, so dass beispielsweise ein Gynakologe nicht nach den MaBstaben gemessen werden darf, die von einem Internisten in der gleichen Situation zu erwarten gewesen waren. Letztlich muss dies dann auch schon fur einen Arzt in der Weiterbildung gelten, werden doch gerade in der Weiterbildung bereits die Fachkenntnisse erworben, die den spateren Facharzt auszeichnen. Anders ist dies nur bei einem Arzt im Praktischen Jahr, denn dort besteht noch keine fachspezifische Orientierung. In diesem Stadium werden noch Grundkenntnisse auf einer breiten Basis vermittelt, so dass man hier vergleichbar mit dem Verkehrskreis des AUgemeinarztes, einen AllgemeinmaBstab ansetzen muss. (2) Versorgungsstufenspezifiische Verkehrskreise Neben der fachgebietsspezifischen Unterscheidung von Verkehrskreisen haben sich inzwischen weitere Verkehrskreise gebildet, die, vor allem auf Praxen, Kliniken bzw. Krankenhauser zugeschnitten, einer strukturellen Differenzierung nach Versorgungsstufen unterliegen; mit anderen Worten werden die jeweiligen objektiven Typisierungen an personellen, apparativen und raumlichen Bedingungen der jeweiligen Versorgungsstufe angepasst^^l Wesentliche Kriterien, die in diesem
^^^ Walter O., Der Facharztstandard, S. 4. 862 O L G Dtisseldorf, M e d R 1994, 110; O L G Stuttgart, VersR 1992, 55f. 863 Grundlegend R G Z 9 7 , 4 (5); B G H J W 1984, 655 (656); N J W 1985, 2193 (2194); N J W 1987, 1479 (1480); welter differenzierend in Kinderchirurgen, O L G Miinchen, VersR 1997, 577 Oder Neurochirurgen, B G H , N J W 1999, 1778 (1779). 864 B G H , N J W 2 0 0 1 , 1786 (1787); O L G Miinchen, VersR 1998, 588 (589); VersR 1996, 63 (64); VersR 1987, 165. 865 O L G Munchen, VersR 1995, 417 (418); O L G Frankfort, VersR 1995, 785 f. 866 B G H Z 8, 138 (140); OLG Oldenburg, M e d R 1994, 110; DeutscK VersR 1983, 9 9 3 (994 f.). 867 Eine umfassenden Aufzahlung m.w.N. findet sich bei Walter, Spezialisierung u n d Sorgfaltsstandard, S. 173 ff. 868 Vgl. z u m Begriff B G H , N J W 1988, 1511 ff.; in d e m konkreten Fall hatte der B G H eine Elektrokoagulation, also die operative Gewebszerstorung durch Hochfrequenzstrom, z.B. zur Blutstillung, die in einem kleineren Krankenhaus noch mit monopolarem Hochfrequenzstrom anstatt d e m neuen, an groBen Kliniken bereits moglichen bipolaren
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Zusammenhang Einfluss auf die Bildung der Verkehrskreise haben, sind das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie die Kostendampfung, an denen sich Kliniken gleich wie Praxen zu orientiert haben und auch orientieren^^^. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Verkehrskreise nicht grundsatzlich mit dem hochsterreichbaren Standard gebildet werden miissen und auch nicht konnen. Es konnen beispielsweise, orientiert an Universitatskliniken, von Kreiskrankenhausern nicht Qualifikationen gefordert werden, die diese praktisch gar nicht in der Lage sind, zu erbringen^^^. Die Anforderungen sind an den fur den Patienten in der jeweiligen Situation faktisch erreichbaren Gegebenheiten auszurichten, sofern damit ein noch ausreichender medizinischer Standard erreicht werden kann^'^^. Insoweit ist jedoch sowohl medizinisch als auch rechtlich situationsorientiert ein unterschiedlicher Standard hinzunehmen^^^. Erst eine zur Schadigung des Patienten fiihrende Unterausstattung des jeweiligen Hauses bedeutet eine Verletzung des Standards des jeweiligen Verkehrskreises und fuhrt so zu einer Haftung ^"^^ Zum Schutz des Patienten haftet die Praxis oder das Krankenhaus aber auch dann, wenn es seine Fahigkeiten iiberschatzt, und ein Patient behandelt wird, der aufgrund der entsprechenden medizinischen Voraussetzungen an ein groBeres Haus hatte verwiesen werden miissen^'^'*. Anhand dieser Pramissen lassen sich, geordnet nach dem jeweils zu stellenden Anspruch, Verkehrskreise bilden; beginnend mit einer Landarztpraxis oder einem kleinen Krankenhaus steigt der zu erwartende Standard bei einem Kreiskrankenhaus iiber ein Klinikum bis hin zu einer Spezialklinik bzw. Spezialpraxis, beispielsweise fiir Padiatrie, immer weiter an^'^^. Der Patient weiB, wohin er sich in Behandlung begibt, so dass sich sein Vertrauen auf einen bestimmten, zu erwartenden Standard den jeweiligen Gegebenheiten anpasst. Wahrend eine kleine Allgemeinarztpraxis lediglich eine Art Grundversorgung erbringen kann, wird der Patient, der sich in eine Spezialklinik begibt, einen spezifizierten und weitaus hoheHochfrequenzstrom durchgefuhrt wurde, nicht als Behandlungsfehler beanstandet; ahnlich BGH, VersR 84, 470. 869 Rumler-Detzel VersR 1998, 546 ff.; Wienke, HessABl. 2002, 462. 870 B G H , VersR 1988, 179 (181); BGH, N J W 1994, 1596; dazu Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 7 3 ; Gehrlein, Leitfaden d e r Arzthaftpflicht, Rn. B 10 f.; Grofi, Arztlicher Standard, S. 4 f.; Kullmann, VersR 1997, 5 2 9 ( 5 3 0 f.); Rumler-Detzel, VersR
1998, 546 (547 f.). 871 BGH, NJW 1994, 1596. 872 B G H , VersR 1982, 771 (772); B G H , VersR 1984, 470 (471); B G H , VersR 1989, 851 (852); Grofi, Arztlicher Standard, S. 5; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 135 ff.
873 Walter, Der Facharztstandard, S. 3. 874 B G H , N J W 1989, 2 3 2 1 , stellte fest, dass ein Kreiskrankenhaus in diesem Zusammenhang auch verpflichtet ist, den Patienten daruber aufzuklaren, dass in einer Spezialklinik ein bessere Behandlungssituation - i m konkreten Fall ein spezielle Tumorbestrahlung - fiir seine Erkrankung vorzufmden sei; Walter, Der Facharztstandard, S. 4.
875 Vgl. in diesem Zusammenhang BGH, NJW 1988, 1511; NJW 1989, 2321; 1994, 1596 im Hinblick auf die unterschiedlichen Anforderungen im Rahmen einer Zwillingsgeburt an einem Belegkrankenhaus im Vergleich zu einem Pranatalzentrum.
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ren Standard in dem jeweiligen Spezialbereich erwarten. Aus diesem Grund sind auch in diesem Zusammenhang Verkehrskreise zu bilden, die sich an den Moglichkeiten der jeweiligen Versorgungseinheit orientieren. b) Individuelle Starken als Ausnahme Gerade mit Blick auf die objektive Typisierung und auch zur Festsetzung des Mindeststandards stellt sich die Frage, ob der Einsatz besonderer, iiber dem Durchschnitt liegender Qualifikationen verpflichtend ist oder ob es ausreicht, den Mindeststandard zu erfuUen. Vor allem in Universitatskliniken sind viele Arzte, die sich zum Teil sogar noch im Anfangerstadium befmden, beschaftigt, die neben der Patientenversorgung auch zum Beispiel forschend tatig sind. Durch ihre wissenschaftliche Tatigkeit und dem besonderen Interesse in einem bestimmten Fach verfiigen diese Arzte liber eine erhohte und ihren Fachkollegen mitunter uberlegene Expertise. Ausgehend von einem objektiven Fahrlassigkeitsbegriff konnte man der Meinung sein, dass ein solches Sonderwissen des Einzelnen, wird es trotz medizinischer Indikation nicht eingesetzt, nicht zu einem Verschulden des Arztes fiihren diirfte. SchlieBlich ist grundsatzlich der Standard des durchschnittlichen Berufsangehorigen ausreichend, auf subjektive Kenntnisse und Fahigkeiten kommt es nicht an^'^^. Dies vermag jedoch nur vordergriindig zu uberzeugen, denn dem Grunde nach kann davon ausgegangen werden, dass im Verkehr auch darauf vertraut wird, dass jeder sein Bestes gibt und die ihm zur Verfugung stehenden Fahigkeiten, Kenntnisse und Mittel voll ausschopft, unabhangig davon, ob diese liber dem Durchschnittsstandard liegen. Infolge dessen ist es nur konsequent, beim Nichteinsatz dieser Fahigkeiten bzw. bei Nichtbenlitzung einer liber den Standard hinausreichenden Praxisausstattung ein fahrlassiges Verhalten anzunehmen und diesen Nichteinsatz haftungsrechtlich im Schadensfall zu berlicksichtigen^'^'^. Im Umkehrschluss gilt dies aber nicht nur fur die Arzteschaft, sondern auch flir Krankenhauser und Arztpraxen. Verfiigen diese uber besondere Geratschaften und medizinische Einrichtungen, die eine bessere und hochwertige Behandlung erlauben und liber den Standard hinausreichen, so sind diese auch einzusetzen und ein Nichteinsatz haftungsrechtlich anzurechnen^"^^.
Also auch nicht auf besondere Fahigkeiten, denn dies wiirde im Widerspruch zum objektivierten Standard stehen, so die Ansicht Koziol, Osterreichisches Haftpflichtrecht, Band 1, 209, Rn. 113. BOH, VersR 1987, 686; BGH, JZ 1987, 477 mit Anm. Giesen; BGH, VersR 1967, 775; BGH, VersR 1989, 851; OLG Oldenburg, VersR 1989, 402; Deutsch, NJW 1987, 1481; ders., Fahrlassigkeit und erforderUche Sorgfalt, S. 143; Erman-Westermann, §276, Rn. 11; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); Nowak, Leitlinie in der Medizin, S. 73 f.; Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 89; RGRK-Nufigens, § 823 Rn. 411 m.w.N.; SoergelWolf, § 276, Rn. 76 f.; MuKoBGB-GrwnJmann, § 276, Rn. 56. BGH, NJW 2003, 2311 (2313), in dem ein Krankenhaus bei entsprechender Indikation ein Hysteroskop hatte einsetzen mussen, um sich nicht dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers auszusetzen; Rumler-Detzel, VersR 1998. 546 (548); auch zum Einsatz
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Diese Auffassung zum Einsatz uberstandardgemaBer Fahigkeiten ist allerdings nicht unumstritten und eine Verallgemeinerung dieses Grundsatzes wird zum Teil mit dem Argument abgelehnt, man enge den Handelnden durch die Pflicht zur Beriicksichtigung seiner besonderen Fahigkeiten ein^^^. Letztlich darf es darauf aber nicht ankommen. Ausgehend vom Vertrauen, mit dem der Patient dem Arzt gegeniiber tritt, ist der Schutz und die Gesundheit des Patienten in jedem Fall einer Einengung der Handlungsfreiheit gerade wegen der Spezialkenntnisse vorzuziehen^^°. Dafiir spricht auch, dass der Arzt, der iiber entsprechendes Sonderwissen verfiigt, auch und gerade aufgrund seines erhohten Leistungsvermogens zur Einhaltung eines hoheren Standards in der Lage ist und so nicht iibergebiihr belastet wird. Die zum Teil geforderte Einschrankung, der Einsatz von Sonderwissen sei nur dann haftungsrelevant, wenn der Patient davon weiB^^\ iiberzeugt nur bedingt. Denn auch wenn der Arzt sein Konnen nicht offenbart, muss er dennoch dazu verpflicht bleiben, fiir das Wohl des Patienten sein Bestes zu geben und kann sich nicht auf dem Durchschnittsstandard ausruhen und sich in diesem Wege exkulpieren.
3. Besonderer AnfangermaBstab Die vorangegangene Darstellung des SorgfaltsmaBstabes in seiner konkreten objektiv-typisierten Auspragung und der gruppenbezogenen Ausrichtung an Verkehrskreisen gilt grundsatzlich in alien Bereichen der zivilrechtlichen Haftung. In der vorliegenden Konstellation einer fehlgeschlagenen Anfangerbehandlung miissen sich demnach zunachst alle Beteiligten, angefangen mit der Klinik liber den Chef- und Oberarzt bis hin zum Aufsicht fiihrenden Facharzt und grundsatzlich den Anfanger daran festhalten lassen, dass sie den geschuldeten, jeweiligen Facharztstandard nicht eingehalten haben. Hinsichtlich der Haftung fiir den Anfanger iiber § 278 BGB bzw. § 831 BGB wird zweifelsfrei die facharztliche Sorgfalt des Geschaftsherrn, sei dies nun die Klinik, der Chefarzt oder der Praxisinhaber, erwartet, schlieBlich lasst dieser den Anfanger an seine Stelle treten und fiir ihn handeln^^^. Infolgedessen haften die angesprochenen Subjekte uneingeschrankt fiir die Unterscheitung des Standards. Fraglich ist aber, ob man von dem Anfanger selbst, also mit Blick auf dessen personliche Haftung, auch den erwarteten Facharztstan-
vorhandener noch nicht dem Standard entsprechender Gerate, BGH, VersR 1989, 851; NJW 1988, 2949; a.A. Nowak, Medizinische Leitlinien, S. 75. ^'^^ Staudinger-LowiscK § 276, Rn. 26. ^^^ Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 397, geht davon aus, dass es vorliegend einer weiteren Handlungsfreiheit wegen der besonderen Fahigkeiten nicht mehr bediirfe, so dass jeder nur den benotigten Freiraum erhalte; ders., Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 143; ders., JZ 1997, 1030 (1033). ^^^ Vgl. dazu beispielsweise Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 44 f. ^^2 BGHZ31,367;Z)6wr5c/?, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 408.
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dard fordern kann oder ob dieser mit Blick auf eine effektive Ausbildung einer anderen rechtlichen Behandlung bedarf.
a) Problematik der Anfangerhaftung Grundlage der Verschuldenshaftung ist der Vertrauensgrundsatz^^^. Ein jeder Verkehrsteilnehmer muss darauf vertrauen konnen, dass der andere Verkehrsteilnehmer die typischen Fahigkeiten seines Berufs bzw. seiner Berufsgruppe besitzt. Begibt sich nun ein Patient in Behandlung, so vertraut er auch folgerichtig darauf, dass ihm der geschuldete Facharztstandard zuteil wird, schlieBlich ist der Berufsanfanger auch nicht dazu verpflichteten, tiber seine Anfangereigenschaft aufzuklaren. Dies, obwohl er aber, je nach bereits absolvierter Ausbildung, mehr oder weniger nur bedingt in der Lage ist, den Standard zu erfullen, schlieBlich bedarf es dazu eines entsprechenden MaBes an Erfahrung und Kenntnissen, die er erst noch erwerben muss. Um dennoch eine praktische Ausbildung zu ermoglichen ohne den Patienten libermaBig zu gefahrden, hat man die oben geschilderten flankierenden MaBnahmen beispielsweise die der Aufsicht festgesetzt, um so einen Ausgleich zu schaffen und durch den eingriffsbereiten Arzt dennoch den geschuldeten Facharztstandard zu gewahrleisten^^'*. Geschieht trotz dieser MaBnahmen ein Fehler und ein Patient kommt zu Schaden, dann haften das Krankenhaus, der Chefarzt sowie moglicherweise auch der aufsichtsfuhrende Arzt nach dem objektivtypisierten Facharztstandard. Daneben kann sich der Patient aber auch personlich an den jungen Arzt wenden, der schlieBlich auch hinter dem Facharztstandard zuriickgeblieben ist. Da der Berufsanfanger dem Patienten bei der fehlgeschlagenen Behandlung am nachsten war, ist eine deliktische personliche Inanspruchnahme auch durchaus wahrscheinlich. Durch die Ubernahme der Behandlung sowie die fehlende Verpflichtung, den Patienten liber seinen Anfangereigenschaft aufklaren zu miissen, schafft der Berufsanfanger fiir den Patienten den Rechtsschein und damit das Vertrauen, einem voUausgebildeten Arzt gegeniiber zustehen^^^. Infolgedessen ist es dann grundsatzlich nur konsequent, der Haftung auch den Facharztstandard uneingeschrankt zugrunde zulegen. AUerdings obliegt dem Anfanger dann stets ein sehr hohes Haftungsrisiko, da er regelmaBig nie in der Lage sein wird, den Facharztstandard zu gewahrleisten. In diesem Spannungsverhaltnis zwischen dem Vertrauen des Patienten in eine fachgerechte Behandlung und dem hohen Haftungsrisiko des Berufsanfangers gilt es einen Weg zu finden, der beiden gerecht wird. Dabei muss allerdings streng unterschieden werden zwischen dem ^^^ Grundlegend fur den Vertrauensgrundsatz als Ausgangspunkt der Verschuldenshaftung u.a. Bamberger/Roth-Griineberg, § 276, Rn. 20 Deutsch, Deliktsrecht, Rn. 123 f; ders., Fahrlassigkeit und erforderhche Sorgfalt, S. 140; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 20 III, S. 286; Soergel-Wolf, § 276, Rn. 75; Staudinger-LowiscK § 276, Rn. 25; MixY.oQGQ-Grundmann, § 276, Rn. 55. 884 S o u.a. B G H Z 105, 189 (196 f ) ; N J W 1992, 1560 (1561); N J W 1994, 3008 (3009); N J W 1998, 2736 (2737); O L G Koln, VersR 1 9 9 2 , 4 5 2 . 885 DeutscK N J W 1993, 1506 (1509); Laufs, Arztrecht, Rn. 158; Giesen, Arzthaftung, S. 7 f.
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Standard, der gegeniiber dem Patienten geschuldet ist und der stets gewahrleistet sein muss sowie die Sorgfalt, die als HaftungsmaBstab fiir die Beurteilung der Verantwordichkeit des jeweiligen Arztes entscheidend ist. Unstreitig ist gegeniiber dem Patienten der geschuldete MaBstab der Facharztstandard^^^. Fraglich und fiir die Haftung des jungen Arztes entscheidend ist allein, ob dieser Facharztstandard auch als HaftungsmaBstab heranzuziehen ist, oder ob man hier von verschiedenen MaBstaben auszugehen hat, einem fiir die geschuldete Leistung gegeniiber dem Patienten im AuBenverhaltnis und einen fiir die jeweilige Haftung des Einzelnen im Innenverhaltnis. Diese Differenzierung tritt beispielhaft in einer Entscheidung des OLG Zweibriickens hinsichtlich eines Arztes in der Weiterbildung zum Gynakologen hervor, in der das Gericht zunachst klar stellt, dass auch bei Behandlung durch den Anfangers gegeniiber dem Patienten der Facharztstandard zu leisten ist, allerdings hinsichtlich einer Haftung wegen Ubernahmeverschuldens ein besonderer SorgfaltsmaBstab gelten konnte^^"^. Diese Frage soil Gegenstand der folgenden Auseinandersetzung sein.
b) Facharztstandard und innerbetrieblicher Schadensausgleich Nachdem einhellig vom Patienten als Mittelpunkt der Diskussion um die Arzthaftung und deren Grundsatze gesprochen wird, liegt es zunachst auch nahe, ihn zum Ausgangspunkt der vorliegenden Uberlegungen zu machen^^^. Danach ist zum Schutz des Patienten fraglos fiir den Anfanger der Standard eines Facharztes im Einklang mit dem Reichsgericht^^^ und einem Teil der Rechtswissenschaft zu fordern^^^. In erster Linie lassen sich dafiir neben dem erhohten Schutz des Patienten
Exemplarisch sei insoweit verwiesen auf BGH, VersR 1985, 782; OLG Diisseldorf, VersR 1986, 659; OLG Koblenz, VersR 1991, 1376; vgl. auch Deutsch NJW 1987, 1481. OLG Zweibrucken, NJWE-VHR 1998, 186 (187); ahnlich auch BGH, NJW 1993, 2989 ff. Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823, Rn. 682 probagiert in diesem Zusammenhang als Ausgangspunkt einer MaBstabsfestlegung stets das zu schiitzende Rechtsgut zugrunde zu legen. Vgl. RGZ 119, 397 (400 f.), in dem das Reichsgericht entgegen dem OLG Kiel in der Vorinstanz einen eigenen Verkehrskreis fur unerfahrene Schiffskapitane ablehnt; die Klage wurde im konkreten Fall aber letztlich abgewiesen, da der Auftraggeber von der fehlenden Erfahrung des Kapitans gewusst hatte und ihm dennoch den Auftrag der Schiffsfuhrung iibertragen hatte. Einen Facharztstandard fiir den Anfanger fordem u.a. Bodenhurg, VersR 1979, 308 (309 f.), Franzki, MedR 1984, 186 (189); Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 87, v.a. Fn. 116; ders., Medical Malpractice Law, § 9, Rn. 218 ff und 643 ff.; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1514); Jorzig, MDR 2001, 481 (483); Laufs, NJW 1984, 650 f; MullerGraff, JuS 1985, 352 (359); RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 182; StaudingerLowiscK § 276, Rn. 45; auch DeutscK NJW 1984, 650 und NJW 1993, 1506 (1508), allerdings wie bereits oben dargestellt nur fiir den Bereich der auBeren Sorgfalt.
II. HaftungsmaBstab
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auch Argumente des Vertrauensschutzes und einer verbesserten Haftungssituation fur den Patienten ins Feld fiihren. (1) Facharztstandard auch fiir den Berufsanfanger Grundlegend hatte das Reichsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1928 festgestellt, dass es innerhalb einer Berufsgruppe nicht moglich sei, Untergruppen entsprechend dem Grad der beruflichen Erfahrung zu bilden^^^ also auch nicht die Untergruppe eines Berufsanfangers. Zwar hatte dies noch das OLG Kiel in der Vorinstanz fur moglich gehalten, jedoch lehnte der Senat ein solches Vorgehen mit der Begriindung ab, dass man ansonsten den „sachlichen MaBstab" durch die Beriicksichtigung personlicher Umstande unzulassig verschieben wiirde^^^. Mit dieser Argumentation zielte das Reichsgericht deutlich auf den der Haftung zugrundeliegenden objektiven Standard ab, in dem es sich vor dem Hintergrund des Patientenschutzes dagegen aussprach, personliche Schwachen, im konkreten Fall die fehlende Erfahrung eines Kapitans, bei der Haftung mit zu beriicksichtigen. Bereits im Rahmen der Ausfiihrungen zum geteilten FahrlassigkeitsmaBstab ist jedoch deutlich geworden, dass es sich bei der moglichen besonderen Beriicksichtigung eines Anfangerhandelns gerade nicht um einen subjektivierten HaftungsmaBstab handeln darf, sondern dass auch das Anfangerhandeln anhand objektiver Kriterien festzulegen ist^^^. Insoweit kann in dieser Hinsicht dem Reichsgericht durchaus entgegengetreten werden, das daher eigentlich zu Unrecht mit einem drohenden subjektiven FahrlassigkeitsmaBstab argumentiert. Anders sieht dies jedoch mit dem Vertrauen bzw. der Erwartungshaltung des Patienten in eine fachgerechte Behandlung aus. Der Vertrauensschutz des Patienten griindet darauf, dass der Berufsanfanger gegeniiber dem Patienten stets als Arzt auftritt und dieser sich darauf verlasst, dass er der medizinischen Kunst gemaB behandelt wird. tJbernimmt ein Anfanger eine Behandlung, in der er den Facharztstandard nicht gewahrleisten kann, dann macht er sich demzufolge eines (jbernahmeverschuldens haftbar. Es darf, so u.a. Bodenburg und Lowisch, nicht wegen der Eigenschaft als Berufsanfanger zu einer Verminderung der Sorgfaltsanforderungen kommen, da es im Verkehr erwartet werden darf, dass derjenige, der einen bestimmten Beruf ausiibt, iiber die erforderlichen Kenntnisse verfugt^^"^. Gerade der Arzt in der Weiterbildung ist bereits approbiert, so dass man wegen der Arzteigenschaft und der daraus resultierenden Gestattung arztlicher Tatigkeiten grundsatzlich eine Verringerung der Sorgfaltsanforderungen auf ein objektives 891 RG, RGZ 199, 397 (400 f). 89^ Dieser Argumentation schlieBen sich Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516) und Franzki, MedR 1984 186 (189) an. 893 Vgl. dazu Huber, in: Festschrift fur Huber, S. 253 (265); Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2536); sowie die Ausfiihrungen zu § 5 II 2. a); a.A. ist Heilmann, NJW 1990, 1513 (1514 f), der von einer entbehrlichen Personalisierung des Verkehrskreises spricht, die eine nicht sachgerechte Verschiebung des Beurteilungsrahmens darstelle. 894 Bodenburg, VersR 1979, 308 (309 f.), der sogar die gleiche Sorgfalt wie die eines Ausbilders fordert, Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 45.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Anfangerniveau verneinen miisste^^^ Mit Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz ist dem durchaus zuzustimmen, denn einerseits vertraut der Patient darauf, dass er fachgerecht behandelt wird und andererseits hat jeder Anfanger die Moglichkeit, sich durch die Hilfe von erfahrenen Kollegen entsprechend abzusichern oder die Behandlung ganzlich abzulehnen. Die Forderung nach dem facharztlichen Standard korrespondiert letzten Endes auch mit der Tatsache, dass iiber die Anfangereigenschaft eben nicht aufgeklart werden muss^^^. Der Anfanger erweckt fur den Patienten den Anschein, er sei vollausgebildeter Arzt, so dass es grundsatzlich nur konsequent erscheint, ihn auch dementsprechend haften zu lassen^^'^. Bei genauerer Betrachtung ist das Argument eines Vertrauensschutzes auf den Facharztstandard aber nur ein relativ stumpfes Schwert, um fur die Haftung des Berufsanfangers nach einem facharzthchen MaBstab zu begriinden. Letztlich bringt der Patient namlich sein Vertrauen und seine Erwartungshaltung in erster Linie seinem Vertragspartner entgegen, also dem Krankenhaus, dem Chefarzt oder dem Praxisinhaber^^^. Sie sind es schlieBlich auch, die sich gegeniiber dem Patienten vertraglich verpflichten, den notwendigen Standard zu erbringen. In dieser Hinsicht wird das Vertrauen des Patienten auch geschiitzt, da der geschuldete Standard im Wege einer Gesamtleitung auch erbracht wird. Darauf, dass ein einzelner, sprich der Anfanger, alleine auch diesen Standard erfiillt, soweit geht die Erwartungshaltung nicht, sie ist vielmehr allgemeiner Natur und auf die Gesamtbehandlungsleistung aller daran beteiligten bezogen. In Zusammenarbeit mit dem beaufsichtigenden Arzt wird der Facharztstandard auch eingehalten und das Vertrauen nicht enttauscht. Aus diesem Grund kann der Vertrauensschutz nicht ausschlaggebend dafiir sein, dass ein Berufsanfanger am Facharztstandard zu messen ist. Hauptargument fiir einen Facharztstandard ist und bleibt der Schutz der Gesundheit und des Lebens des Patienten^^^. Zwar erkennen die Verfechter des Facharztstandards die Notwendigkeit der standigen Ubung und praktischen Tatigkeit
896 897
Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band 1, Teilband 2, S. 87; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. W 1 ff.; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 201 zwar im Zusammenhang mit dem AIP, allerdings tibertragbar auf den Arzt in der Weiterbildung. Vgl. dazu die obigen Ausfuhrungen bei § 4. So bereits das RG, RGZ 119, 397 ff; ahnlich auch OLG Celle, Anasthesiologie und Intensivmedizin 1982, 76; Franzki, MedR 1984, 186 (189), spricht in diesem Zusammenhang davon, dass dem Patienten die graduellen Unterschiede der Ausbildungsstufen nicht erkennbar sind, so dass es unbillig ware, wenn er erstmals im Prozess davon erfahre, wegen der Anfangereigenschaft hatten nur geringere Sorgfaltsanfordemngen gegolten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass schlieBlich fur die Klinik und den Chefbzw. Oberarzt weiterhin die facharztlichen Sorgfaltsstandards gelten und danach auch gehaftet wird. Auch gegen das Argument des Vertrauensschutzes Nowak, Leitlinien in der Medizin, S. 79 f Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 87, Fn. 116; RGRK-NuJ3gens, § 823, Anh. II., Rn. 182, stellt, dazu fest, dass es dem Patienten zustehe, mit der Sorgfalt eines Facharztes behandelt zu werden.
II. HaftungsmaBstab
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an, allerdings ist das oberste Gebot der Schutz von Gesundheit und Leben des Patienten, was nur durch den Facharztstandard gewahrleistet werden konne^^^. Der Schutz des Patienten, und soweit gehen die Kritiker eines besonderen Verkehrskreises fiir Anfanger auch, kann allerdings durch die Anleitung und Uberwachung von Seiten eines erfahrenen KoUegens weitgehend gewahrleistet werden^^^ Die Schwachen des jungen Arztes werden demnach kompensiert, etwaige Unterschreitungen des Standards werden durch den bildlich gesprochen hinter ihm stehenden Facharzt ausgeglichen. Hinzukommt, dass durch einen zu strengen MaBstab die praktische Tatigkeit von Anfangern aus Angst vor einer Haftung eingedammt oder zum Erliegen gebracht wird, mit der Folge, dass der junge Arzt am Ende seiner Ausbildung nur ein geringes Ma6 an Erfahrung gesammelt hat. Es ware dann ein noch viel groBeres Risiko, einem Arzt ohne praktische Erfahrung die Approbation bzw. den Facharzttitel zu erteilen und ihm danach ohne Aufsicht alle medizinischen Tatigkeiten zu gestatten, als ihn nach und nach mit der Hilfe erfahrener Kollegen an eine selbstandige Behandlung heranzufiihren^^^. Zudem sei darauf hingewiesen, dass eben dieses Ziel, der Schutz der Gesundheit und des Lebens des Patienten durch ein Festhalten am Facharztstandard auch fiir Anfanger nicht sicherer oder gar schneller erreicht werden kann, wie wenn man von einem eigenen Verkehrskreis fiir Anfanger ausgeht: Allein der Umstand, dass von einem Anfanger gefordert wird, dass er den Sorgfaltsanforderungen eines Facharztes entspricht, macht ihn nicht zu einem besseren Arzt. Er wird deshalb weiterhin die gleichen Fehler machen und muss erst die notwendige Erfahrung sammeln, um eine Behandlung facharztgerecht durchfiihren zu konnen. Die Beurteilung seines Verhaltens fiihrt daher gar nicht zu einem verbesserten Gesundheitsschutz des Patienten, sondern erleichtert lediglich ein haftungsrechtliches Vorgehen gegeniiber dem Anfanger. Dieses weitere Argument, der Patient wiirde haftungsrechtlich besser gestellt, wenn der Anfanger nach dem facharztlichen MaBstab zu messen ware, ist nicht falsch und nicht ganzlich von der Hand zu weisen. Fordert man von einem Berufsanfanger den gleichen Standard wie von einem erfahrenen Facharzt, dann hat dies zur Folge, dass der junge Arzt bei einem Fehler stets haften wird, da er aufgrund seiner noch fehlenden Erfahrung nicht in der Lage ist, diesen Standard zu erfiillen. Es entsteht letztlich eine Haftungssituation, nach der ein junger Arzt bei jedem Fehler nahezu verschuldensunabhangig immer personlich herangezogen werden kann. Aus Sicht des jungen Arztes und der Ausbildung ist dies jedoch nicht interessengerecht. Um einer Haftung zu entgehen, miisste der Berufsanfanger bis zum Abschluss seiner Weiterbildung letztlich nahezu jede Behandlung unterlassen oder ablehnen, da er schlieBlich hinter dem geforderten Standard zuriickbleibt. Dies 900 Bodenburg, VersR 1979, 308 (309 f.), FranzK 2 0 0 1 , 4 8 1 (483); dies., A u K 1999, 185 (186).
MedR 1984, 186 (189); Jorzig, M D R
901 So u.a. Jorzig, MDR 2001, 481 (483); dies., AuK 1999, 185 (186), die zwar einen Facharztstandard fur den Berufsanfanger fordert, aber andererseits feststellt, dass durch Anleitung und Uberwachung eine Sicherstellung erfolgen kann. 902 Rupprecht, ZivilrechtHche Haftung, S. 2 0 1 .
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
wiirde dann dazu fiihren, dass ein Anfanger nur sehr begrenzt oder gar keine praktischen Erfahrungen sammeln kann, die letztlich den Facharzt auszeichnen und ihn von einer Haftung befreien konnten^^^. Diesem daraus resultierenden Zirkelschluss erlag bereits Grothofredus im Zusammenhang mit dem Erlernen des Reitens; er stellte dabei fest, dass „cum sciens prudens insufficiens et imperitus equum ascendere non debuerit"^^'^ und machte so das Erlernen des Reitens letztlich unmoglich, da sich ein tJben auf dem Pferd mangels Erfahrung grundsatzlich ausschloss. Weg von diesem anschaulichen, aber fiir die Arzthaftung eher bedingt geeigneten Beispiel zuriick zum medizinalen Berufsanfanger stellt sich zwangslaufig die Frage, wie man trotz eines vorausgesetzten Facharztstandards dennoch den jungen Arzt praktische Tatigkeiten vornehmen lassen kann, ohne das Haftungsrisiko unbotmaBig auszudehnen. Nach dem oben Gesagten setzt man den Anfanger durch den Facharztstandard einem ernormen Risiko aus und verhindert so eine sinnvolle Ausbildung und Schaffung einer immer neuen Arzteschaft, da sich kein Anfanger mehr wagt, eine Behandlung vorzunehmen. SchlieBlich droht ihm stets ein Behandlungsfehler in Form der Unterschreitung des Facharztstandards. Problematisch erweist es sich iiberdies, dass zur Gewahrleistung dieses Facharztstandards stets weitere Personen notwendig sind, die unstreitig in Form einer lenkenden und leitenden Aufsicht die Schwachen des Anfangers ausgleichen sollen. Durch eine sinnvolle und effektive KontroUe der jeweiligen Fahigkeiten des Anfangers so wie geeignete organisatorische MaBnahmen ist eine qualifizierte Erledigung der anfallenden medizinischen Eingriffe zu gewahrleisten^^^. Eine Haftung des Anfangers alleine ist insoweit nicht interessengerecht und rechtlich bedenklich. Er ist alleine nicht in der Lage, den Facharztstandard zu erbringen, was bereits zu einem Behandlungsfehler fiihrt. Nur wenn durch Dritte eine entsprechende Aufsicht gewahrleistet ist und Defizite ausgeglichen werden, liegt der Facharztstandard und damit kein Behandlungsfehler mehr vor. In Konsequenz dessen hinge die Haftung des Anfangers von der Organisation des Krankenhauses und der Uberwachung durch einen anderen Arzt ab. Dies erscheint in sich mehr als bedenklich, so dass ein Facharztstandard fiir den Berufsanfanger abzulehnen ist und die Haftung des Anfangers nach einem eigenen Verkehrskreis „Berufsanfanger" zu bestimmen ist. Folgt man dennoch der Ansicht, dass auch fiir den Anfanger der Facharztstandard zu gelten hatte, so sieht sich dieser einem ernormen Haftungsrisiko ausgesetzt. Als Losung wird auf eine fiir den Anfanger letztlich modifizierte Regressmoglichkeit gegeniiber seinem Kliniktrager bzw. Praxisinhaber verwiesen, also einen erleichterten Schadensausgleich durch seinen Arbeitgeber, den Vertragspartner des Patienten^^^. Damit wiirde man die verbesserte Haftungssituation fiir den Patienten erhalten und den jungen Arzt zwar nicht von einer Haftung befreien. ^^3 Statt aller Rupprecht, ZivilrechtHche Haftung, S. 201 f. ^^^ Grothofredus zu 1.8.D ad leg. Aquil. 9,2, zitiert nach Binding, Die Normen und ihre Ubertretung, Bd. IV, S. 444. ^05 Opderbecke/Weissauer, MedR 1993, 447 (450); Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 214. ^^6 Dazu Staudinger-LowiscK § 276, Rn. 45, 136.
11. HaftungsmaBstab
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ihm aber die Moglichkeit geben, seinen Schaden im Wege eines internen Ausgleichs ersetzt zu bekommen. (2) Innerbetrieblicher Schadensausgleich Kommt es nach einer fehlgeschlagenen Behandlung und einer Schadigung des Patienten zu einem Haftungsprozess, so werden regelmaOig sowohl der Trager des Krankenhauses, der aufsichtsfiihrende Arzt und der Anfanger selbst als Gesamtschuldner verklagt. Grund dafiir ist wohl die verbesserte Prozesschance des Patienten und der Umstand, dass wegen der passiven Prozessstandschaft die Beteiligten Partei sind und sich so nicht gegenseitig zu ihrer Endastung als Zeugen benennen konnen^^'^. Unabhangig davon, wer dann letztendlich gegeniiber dem Patienten haftet, kommt es dann zwischen den Haftungssubjekten zu einem internen, dem jeweiligen Verschulden entsprechenden Schadensausgleich. In diesem Rahmen besteht nun eine Moglichkeit, das benannte Spannungsverhaltnis zwischen Patientenschutz und Haftungsrisiko des Anfangers zu entspannen, da so im Verhaltnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Fall der Haftung gegeniiber Dritten ein Freistellungsanspruch bzw. Erstattungsanspruch entstehen kann. Diese Art der Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers gilt nicht nur in Anstellungsverhaltnissen, sondern kann aufgrund der Flirsorgepflicht des Ausbilders auch auf Ausbildungsverhaltnisse iibertragen werden^^^; infolge dessen konnen sich auch der Student im praktischen Jahr und der Famulus, die in keinem Anstellungsverhaltnis, sondern in einem reinen Ausbildungsverhaltnis stehen, auf eine Haftungsfreistellung berufen^^^. Das Institut der Haftungsfreistellung oder beschrankten Arbeitnehmerhaftung ist unabhangig von dem jeweils dem Verschulden zugrundegelegten MaBstab anwendbar, so dass sowohl die Anhanger eines Facharztstandards als auch die Befiirworter eines eigenen AnfangermaBstabs den innerbetrieblichen Schadensausgleich als Schutz von Anfanger und Ausbildung aufftihren. So schlagt u.a. Spindler vor, einen Facharztstandard vorauszusetzen und zu Gunsten des Anfangers entsprechende Einschrankungen der Arbeitnehmerhaftung vorzunehmen, also einen entsprechenden Innenausgleich zwischen Beschaftigungsstelle und dem angestellten jungen Arzt zu ermoglichen^^^. Ahnlich auch Laufs, der zusatzlich zu der Annahme eines eigenen Verkehrskreises bei Medizinstudenten auf eine interne
907 Vgl. dazu Lindacher, JuS 1986, 379 (381); Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 78 ff. 90^ BAG, NZA 2003, 37, zu einem Auszubildenden, der irdt einem Gabelstapler einen Unfall verursacht; Fahrenhorst, MedR 1991, 173 (178); Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22; auch Krause, NZA 2003, 577 (581); Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A 133. ^^ Nicht ganz unumstritten; die Rechtsprechung sowie ein GroBteil der Literatur wendet auf dieses universitare Ausbildungsverhaltnis nicht die Vorschriften des Bundesbildungsgesetzes und insbesondere nicht § 19 BBiG, an, da es in das Studium integriert ist, BAG, NJW 1981, 2534; Leinemann/Teubert, BBiG, § 19, Rn. 10, m.w.N.. 9^0 Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823, Rn. 682 und 277; ebenso Bodenburg, VersR 1979, 308 ff.; FranzkU MedR 1984, 186 (189).
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Haftungsfreistellung des Anfangers durch die jeweilige Ausbildungsinstitution hinweist^^^ Die auf die Fiirsorgepflicht und das Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuriickzufiihrende interne Haftungsbeschrankung im Bereich der Arbeitnehmerhaftung ist allgemein anerkannt^^^. Sie betrifft ausschlieBlich das Innenverhaltnis zwischen dem angestellten bzw. verbeamteten^^^ jungen Arzt und seinem Arbeitgeber bzw. dem auszubildenden Studenten und dem Lehrkrankenhaus. Das haftungsrechtliche AuBenverhaltnis, also das Verhaltnis zum Patienten, erfahrt dadurch keinerlei Einschrankungen, so dass es bei einer vollen Haftung gegeniiber dem Patienten bleibt^^"^. Die Suche nach einer gesetzlichen Verankerung fur diese Haftungserleichterung im Innenverhaltnis ist letztlich durch die Anderung des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 254 BGB weitgehend beendet. Die strittige Frage wurde mit der Schuldrechtsreform nur bedingt geklart, indem der Gesetzgeber mit der neuen Formulierung des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB^^^ eine bisher nicht im Gesetz vorgesehene mildere Haftung zulieB^^^. Grundlegende Voraussetzung flir eine Haftungsfreistellung des Anfangers ist die Betriebsbezogenheit der Tatigkeit, die nach dem BAG als Tatigkeit definiert wird, die dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich iibertragen worden ist bzw. die im Interesse des Arbeitgebers flir den Betrieb steht^^'^. Bezogen auf den Anfanger liegt diese Voraussetzung also immer dann vor, wenn er in seiner Ausbildungsstatte weisungsgemaB tatig wird und somit die Betriebsbezogenheit begriindet. Die Folge der Haftungsbeschrankung zeigt sich dann grundsatzlich in einem Freistellungsanspruch des angestellten Arztes gegeniiber seinem Arbeitgeber, der sich in ^^^ Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22. ^^^ Zur Haftungsbeschrankung des Arbeitnehmers grundlegend BAG, NJW 1995, 210; im Uberblick, v.a. unter Einbeziehung des Schuldrechtsmodemisierungsgesetzes Walker, JuS 2002, 736 ff.; Bittner, NZA 2002, 833 ff.; auch MuKoBGB-Muller-Gldge, § 611, Rn. 461 ff. ^^^ In den Grundziigen ist der Rechtsgedanke des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auch auf beamtete Arzte tibertragbar, Annufi, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 142; vgl. u.a. auch zu den bestehenden Unterschieden Busken, Haftungssystem, S. 197 ff; aus der Rechtsprechung OVG Saarland, AP Nr. 43 zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers. ^14 BGHZ 108, 305; BGH, VersR 1994, 477, insbesondere 479 m.w.N.; eine Beschrankung der AuBenhaftung stelle eine unzulassige richterliche Rechtsfortbildung dar; dazu auch Busken/Kluglich, VersR 1994, 1141 (1149); Bilsken, Haftungssystem, S. 116; in Ausnahme dazu steht fur beamtete Arzte das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, was hier aber zu vemachlassigen ist. ^^^ § 276 Abs. 1 BGB: Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlassigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere (Anm.: Hervorhebung durch den Autor) Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhaltnisses ... zu entnehmen ist. 916 Vgl. aus den Grunden BT-Dr. 14/6857, S. 48, sowie BT-Dr. 14/7052, S. 204. 91'^ Mit dem Prinzip der Betriebsbezogenheit wurde die Gefahrgeneigtheit abgelost, die jetzt nur noch im Bereich der Abwagung zum Tragen kommt; zur Definition vgl. BAG, NZA 1994, 1030 m.w.N.
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einen Erstattungsanspruch wandelt, sobald der junge Arzt gegeniiber dem Patienten Schadenersatz geleistet hat^^^. Konsequenter Weise gelten diese Grundsatze aber auch dann, wenn zunachst nur der Arbeitgeber des Anfangers vom Patienten in Anspruch genommen wird. Der Arbeitgeber kann so gegen seinen Arbeitnehmer im Innenverhaltnis einen Regressanspruch geltend machen, in dem gleichsam die Grundsatze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches zur Anwendung gelangen^i^. Hinsichtlich des Umfangs wird bei der Freistellung grundsatzlich eine Dreiteilung vorgenommen, bei der je nach Verschuldensgrad der Umfang des Freistellungsanspruchs variiert^^^. Bei leichtester Fahrlassigkeit kann der Arbeitnehmer voile Erstattung verlangen, wohingegen bei grobster Fahrlassigkeit^^^ und Vorsatz eine alleinige Haftung des Arbeitnehmers, also des Berufsanfangers bestehen bleibt. Interessant und auch im Bereich der Arzthaftung eigentlich nur von Bedeutung ist der Bereich der normalen Fahrlassigkeit. In diesem Bereich haftet der Arbeitnehmer gegeniiber dem Patienten wie oben dargestellt uneingeschrankt; allerdings erwachst ihm gegeniiber dem Kliniktrager bzw. dem Praxisinhaber je nach dem Anteil seines Verschuldens ein Freistellungsanspruch^^^. Der Umfang dieses Anspruchs ist durch Abwagung und Quotelung, die angelehnt an § 254 BGB erfolgen, zu ermitteln. Dabei sind u.a. Faktoren des Verschuldens, der Schadenshohe, des versicherbaren Risikos sowie des Arbeitsentgelts mit einzubeziehen^^^. Besonders relevant im Rahmen der Anfangerhaftung ist auch der Umstand, dass das Kriterium der Gefahrgeneigtheit^^^ sowie personliche Umstande, z.B. die 918 Bittner, N Z A 2002. 833 (837); speziell fur den angestellten Arzt HUbner, ZVersWiss 1990, 55 (65); RichardU N Z A 1994, 241 ff 919 Anspruchgmndlage dafiir sind §§ 830, 426, 421 B G B ; vgl. HUbner, ZVersWiss 1990, 55 (67); Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 79 f. 920 Dieses, bereits 1957 vertretene Modell, B A G , A P Nr. 4 zu §§ 898, 899 R V O , wurde zwischenzeitig von der Rechtsprechung aufgegeben; mittlerweile ist der Haftungstrias allerdings wieder allgemein anerkannt. u n d wird insoweit in Literatur und Rechtsprechung angewendet, so u.a. B A G , N Z A 2 0 0 3 , 37 m.w.N.; HUbner, ZVersWiss 1990, 55 (66); Krause, N Z A 2003, 577 (582 f ) 921 In diesem Zusammenhang werden inzwischen weitere Spezifizierungen anerkannt, wie z.B. die grobste Fahrlassigkeit, bei der eine Enthaftung ausgeschlossen ist, wohingegen bei einer groben Fahrlassigkeit doch moglicherweise eine Freistellung erfolgen kann, vgl. B A G , N Z A 1998, 310; Walker, JuS 2002, 736 zu weiteren Abstufungen, die allerdings fur die vorliegende Arbeit wenig Bedeutung haben und daher vemachlassigt werden konnen. 922 Busken/KlUglicK VersR 1994, 1141 ( 1 1 4 3 f f ) . 923 Walker, JuS 2002, 736 (738); Bamberger/Roth-Fuchs, § 6 1 1 , Rn. 37. 924 B A G , N Z A 2003, 3 7 ; D i e Gefahrgeneigtheit wurde zunachst als grundlegendes A b grenzungskriterium herangezogen; nachdem sich aber herausstellte, dass dies zu willkurlichen Entscheidungen und damit zu einem untragbaren MaB an Rechtsunsicherheit fuhrte u n d es einer notwendigen Einzellfallentscheidung entgegenstand, wendete sich d a s B A G mit Beschluss v o m 27.9.1994, N J W 1995, 210, davon ab u n d legte sich in Zusammenschau mit den i m B G B enthaltenen Wertungen auf das Prinzip der „betrieblich veranlassten Tatigkeit" n e u fest. Z u r Entwicklung des Arguments der Gefahrge-
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Unerfahrenheit des Arbeitnehmers, mit zu beriicksichtigen sind^^^. Zum einen lasst sich daher fiir den Anfanger anfuhren, dass seine Tatigkeit wegen seiner fehlenden Erfahrung stets von einer erhohten Gefahr bzw. einem Schadensrisiko umgeben ist, was dann konsequenter Weise zu einer Reduzierung seiner Haftung und einer gewissen Freistellung fiihren muss^^^. Im Gegensatz dazu sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Tatigkeit als Arzt an sich nicht als von vornherein gefahrgeneigt zu bezeichnen ist, sondern dass fiir eine Gefahrgeneigtlieit noch besondere Umstande hinzutreten miissten, bei Anfangern wohl deren Unerfahrenheit^^'^. Dariiber hinaus stellt seine Unerfahrenheit alleine bereits einen beriicksichtigungsfahigen Umstand dar, der in die Abwagung mit einzubeziehen ist. Das Missverhaltnis vom Lohn des Anfangers und der meist sehr hohen Schadenssumme fiihrt darliber hinaus zu einer weiteren Haftungsverschiebung^^^. Natiirlich sind in diesem Zusammenhang auch Fehler des Arbeitgebers von Bedeutung, von denen im Bereich der Anfangerhaftung vornehmlich das Organisationsverschulden zu beriicksichtigen ist^^^. Wird ein Anfanger namlich fiir Arbeiten eingeteilt, fiir die er die notwendige Erfahrung noch nicht besitzt oder steht kein erfahrener Kollege zur UnterstUtzung und Aufsicht bereit, verschiebt auch dies die Haftungsquote zugunsten des Anfangers^^^. Neben den genannten Vorteilen, die eine solche innerbetriebliche Haftungsbeschrankung und Freistellung des Berufsanfangers mit sich bringt, diirfen die damit einhergehenden Nachteile nicht auBer Acht gelassen werden. Die Freistellung ist fiir den Anfanger stets nur dann von Bedeutung, wenn er von dem geschadigten Patienten bzw. seinem Arbeitgeber in Anspruch genommen wird. In diesem Zusammenhang sieht sich der jungen Arzt dann aber stets einem Prozessrisikos, Anwalts- und Gutachterkosten sowie der Gefahr einer Schadigung seines guten Rufs ausgesetzt. Hinzukommt, dass er zusatzlich im Wege einer Leistungsklage selbst noch gegen seinen Arbeitgeber vorgehen muss, um einen vollstreckbaren Titel auf Freistellung zu erhalten^^^. Diese Klage wird er jedoch nie in vollem Umfang gewinnen konnen, da aufgrund der Abwagung aller Faktoren regelmaBig ein Rest-
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neigtheit vgl. BUsken, Haftungssystem, S. 119 ff. Ubrig geblieben ist die Gefahrgeneigtheit nur noch in der Prufung des Verschuldens. Vgl. Ermann/Hanau, § 611, Rn. 339; zum Ganzen im Uberblick MuKoArbeitsrecht-5/<9me3;er, § 59 Rn. 29 ff. BAG, NJW 2002, 2900; Palandt-Weidenkaff, §611, Rn. 157; dies ist allerdings umstritten, a.A. u.a. Annufi, NZA 1998, 1089 (1094). Bodenburg, VersR 1979, 308 (309 f.); Fahrenhorst, M e d R 1991, 173 (178). BUsken, Haftungssystem, 141 ff; Fahrenhorst, M e d R 1991, 173 (178) m.w.N., v.a. in Fn. 99; Huhner, ZVersWiss 1990, 55 (66). Fahrenhorst, MedR 1991, 173 (178).
929 Franzki, MedR 1984, 186 (189); Palandt-Weidenkaff, § 6 1 1 , Rn. 157; Walker, JuS 2002, 736 (738). 9^0 Die Auswirkung, die eine Haftpflichtversichemng fiir Krankenhaustrager und Anfanger mit sich bringt, fiihren im Bereich der Anfangeroperation nicht zu Besonderheiten, so dass diese insoweit vemachlassigt werden konnen; ausfiihrlich dazu PflUger, Krankenhaushaftung, S. 78 ff 931 Vgl. Bittner, N Z A 2002, 833 (837).
II. HaftungsmaBstab
171
verschulden bleiben wird und eine Nichthaftung selten sein wird. Das Verschulden des Anfangers bzw. dessen Fehler ist darliber hinaus nur schwer darzulegen und meist nur mittels Sachverstandigen zu beweisen, da es von den oben genannten, nicht immer konkret bestimmbaren Abwagungspunkten abhangig ist. Gleichsam sind bei einem Prozess gegen den Arbeitgeber die negativen Folgen auf das Betriebsklima vorbestimmt und der Anfanger wird im Extremfall sogar zum Wechsel des Arbeitsplatzes gezwungen sein. Aus Sicht des jungen Arztes vermittelt der innerbetriebliche Schadensausgleich somit nur einen bedingt brauchbaren Schutz und kann daher, wie dies die Vertreter des facharztlichen MaBstabes versuchen, nur bedingt zur Rechtfertigung des Facharztstandards und als Interessenausgleich fiir Anfanger herangezogen werden. c) Ausbildungsdifferenzierte Losungsansatze Als Ergebnis der bisherigen Auseinandersetzung zum medizinischen HaftungsmaBstab lasst sich zunachst noch einmal festhalten, dass sich ein voll ausgebildeter Arzt stets nach dem jeweiligen Standard seines Fachbereichs messen lassen muss^^-. Diese pauschale Feststellung kann allerdings - das Ergebnis bereits vorwegnehmend - aufgrund der genannten Problemkreise nicht ohne weiteres auch auf die medizinalen Anfanger angewendet werden. Allein aus dem Stand der Ausbildung ergeben sich zwingende Differenzierungen, die vor allem aus dem Status des jungen Mediziners resultieren. Bei den Ausftihrungen zum Anfangerbegriff wurden zu Beginn dieser Arbeit bereits die verschiedenen Ausbildungsstufen vom Studenten bis hin zum Facharzt dargestellt'^^^. Insbesondere lieBen sich dabei die verschiedenen Positionen ersehen, die der Jungmediziner im Lauf seiner Ausbildung durchlauft und die daraus resultierenden unterschiedlichen Kompetenzen, Rechte und Pflichten gegeniiber dem Patienten. Diese Differenzen zwischen den einzelnen Beschaftigungsstufen bedtirfen einer gesonderten Erorterung im Hinblick auf den zu leistenden MaBstab, so dass insofern den Befiirwortern eines pauschalen Facharztstandards fiir alle medizinalen Berufsanfanger bereits an dieser Stelle zu widersprechen ist. aa) Krankenpfleger, Famulant und Praktisches Jahr Der junge Mediziner, der als Krankenpfleger, Famulant und spater als Student im Praktischen Jahr tatig ist, handelt stets mit dem Status eines Studenten; zwar ist es Sinn und Zweck dieser Ausbildungsabschnitte, den angehenden Arzt mit der medizinischen Tatigkeit vertraut zu machen und die Fahigkeit der arztlichen Tatigkeit schrittweise zu erlernen, dennoch ist in diesem Stadium der Ausbildung jegliches arztlich-selbstandige Handeln untersagt^^"^. Infolgedessen haben die Mitglieder
^^^ Vgl. die Ausftihrungen zu § 5 II 2. a) cc). 933 Siehe§2111. 934
OLG Koln, VersR 1992, 452; Hespler/Kunzel, in: Rieger, Lex ikon des Arztrechts, Kz. 520, Rn. 1 f. zum PJ; dies ist jedoch auf den Krankenpflegedienst und die Famulatur ubertragbar; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arzdiches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A 123 fiir
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
dieser Gruppen es auch zu vermeiden, dem Patienten den Anschein zu gerieren, sie seinen vollausgebildete Arzte^^^; dem wird in der Regel mit der jeweiligen Tatigkeitsbezeichnung „Famulant" oder ^Student im Praktischen Jahr" auf einem Namensschild am Kittel des Studenten Rechnung getragen, so dass der Patient stets weiB, dass er sich gerade nicht einem Facharzt gegeniiber befmdet und so auch nicht auf eine dementsprechende Behandlung vertrauen kann und darf. Aus diesen beiden Griinden, zum einen der stark beschrankten Handlungskompetenz und zum anderen der Kenntnis des Patienten, lasst sich bereits auf einen gesonderten MaBstab schlieBen. Es ware nicht gerechtfertigt, den Studenten an einem facharztlichen MaBstab zu messen, zu dessen Erftillung er erst am Ende seiner Ausbildung im Stande ware^^^. Zurecht wird hier iiberwiegend von einem gesonderten SorgfaltsmaBstab oder einem eigenen Verkehrskreis ausgegangen. Es handelt sich dabei nicht um eine subjektive Wertung, die sich an individuellen Schwachen orientiert, sondern um eine objektive Einstufung, die - konform mit der herrschenden Meinung^^^ - objektiv-typisiert festgelegt wird^^^ Der Student hat demnach nur die Sorgfalt anzuwenden, die von einem typischen Famulanten oder PJ-Studenten mit dessen durchschnittlichen Kenntnissen, Fahigkeiten und dessen Erfahrung erwartet werden kann^^^. Eine personHche Haftung ergibt sich folglich dann nur, wenn der Student bei Anwendung der typischer Weise in seiner Ausbildungslage erlernten Fahigkeiten und seiner Einsichtsfahigkeit die mit dem konkreten Eingriff im Zusammenhang stehenden Gefahren hatte erkennen und vermeiden konnen. Gegen eine solche besondere Beriicksichtigung des Studentenstatus, also eines sog. Studenten-Verkehrskreises und im speziellen gegen den Verkehrskreis ,JV[edizinalstudent" werden allerdings Bedenken, u.a. von Bodenburg, laut. Er fordert allgemein einen Facharztstandard, der auch flir den Studenten im Praktischen Jahr zu gelten hat^"^^. Zwar erscheint seine Argumentation mit dem Schutz des Patienden Famulanten und fur den Studenten im PJ Rn. A 133; Laufs, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 10. ^^^ Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7 Rn. 22. ^^^ Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7 Rn. 22.; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A 187; Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 153; Walter, Spezialisiemng und SorgfaltsmaBstab, S. 202. ^^^ Vgl. dazu die obigen Ausfuhrungen sowie statt aller u.a. Bamberger/Roth-GrUneberg, § 276, Rn. 20; Briiggemeier, Deliktsrecht, Rn. 106 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 123; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Band I, Teilband 2, S. 82 ff; Kotz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 112 ff; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 20 III, S. 284 ff; Spickhojf, GesetzesverstoB und Haftung, S. 215 ff; fur die Arzthaftung: Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 72; Katzenmeier, Arzthaftung, Rn. 403. 938 Ygj \Ycilter, SpeziaHsierung und Sorgfaltsstandard, S. 202. ^^^ Ubereinstimmend Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22; MuKo-Hanau, 3. Aufl., §276, Rn. 82; MuKo-Grundmann, §276, Rn. Ill; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, ArztUches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A123 und A 133; Rupprecht ,Zivilrechtliche Haftung, S. 198; Walter, Spezialisiemng und Sorgfaltsstandard, S. 202. 940 Bodenburg, VersR 1979 308 ff
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ten als nachvollziehbar. Bei genauerer Betrachtung ist es zum Schutz des Patienten aber gar nicht notwendig, den Studenten wie einen Facharzt haften zu lassen. Zum einen geht Bodenburg davon aus, dass der Student wie ein Arzt auftritt und so gegeniiber dem Patienten den entsprechenden Rechtsschein erzeugt^'^^ Dies stimmt aber mit der heutigen Praxis nicht mehr iiberein. Zum anderen wird durch die flankierenden MaBnahmen von Aufsicht und Uberwachung^'*^ sowie die beschrankten Handlungskompetenzen fiir den Patienten schlieBlich der notwendige Facharztstandard gewahrt und es bedarf mangels erhohten Risikos keines zusatzlichen Schutzes^"^^. Demnach ist entgegen vereinzelter kritischer Stimmen von einem besondern „Studentenstandard" auszugehen, der im Rahmen der personlichen Haftung aus Delikt Beriicksichtigung zu fmden hat^^"^. bb) Berufsanfanger Bis zum Jahr 2004 folgte nach dem Praktischen Jahr der Arzt im Praktikum und nach der Approbation der Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt. Inzwischen ist die Tatigkeit als Arzt im Praktikum weggefallen und auch wenn es derzeit noch moglich ist, dass es vereinzelt zu Haftungsfallen mit Arzten im Praktikum kommt^"^^, ist ein gesondertes Eingehen auf den HaftungsmaBstab fiir diese Ausbildungsstufe nicht mehr angezeigt. Zum einen ist der AiP aufgrund seiner Abschaffung eine auslaufende Erscheinung und zum anderen sind der Berufsanfanger im engeren Sinne, also der Arzt in der Weiterbildung, sowie der Arzt im Praktikum, was ihre Stellung und Kompetenz anbelangt zwar nicht deckungsgleich aber weitgehend vergleichbar. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass der damalige Arzt im Praktikum liber § 10 Abs. 6 B A O a.F. ^"^^ bereits eine voriibergehende Erlaubnis zur Ausiibung des arztlichen Berufs erhielt und somit als Arzt auftreten durfte. Auch § 34b AAppO a.F., der Sinn und Zweck der AIP-Ausbildung mit dem Sammeln arztlicher Erfahrung und der Ubung medizinischer Tatigkeiten unter Aufsicht definierte, verdeutlicht, dass der junge Arzt gleich einem Berufsan-
941 Bodenburg, VersR 1979, 308 (309 f). ^-^^ Vgl. dazu die Regelung des § 3 Abs. 4 AAppO, vom 27.6.2002, BGBl. I S. 2405 ff.; Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 161. 9"^^ Der Student im Praktischen Jahr hat nicht mehr die Kompetenzen des friiheren Medizinalassistenten, er darf nur noch unter Aufsicht tatig werden, vgl, § 3 Abs. 4 AAppO. ^^ Im Ergebnis auch Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 22; MiiKo-Hanau, 3. Aufl., §276, Rn. 82; MuKo-Grundmann, §276, Rn. Ill; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arzthches Bemfsrecht, Bd. I, Rn. A123 und A 133; Pflilger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 152 f.; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 198; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 202. 9"^^ Vgl. die Ausfuhmngen zu § 2II. 1. a) dd). 9"^^ § 10 Abs. 6 BAO: Personen, denen eine Erlaubnis zur Ausiibung des arztlichen Berufs nach den vorstehenden Vorschriften (also dem ehemaligen Arzt im Praktikum, Anm. d. Verf) erteilt worden ist, haben im ubrigen die Rechte und Pflichten eines Arztes.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
fanger handeln durfte und sollte^'^'^. Alleine der veranderte formelle Status nach der Approbation vermag eine Differenzierung im Bereich der Haftung nicht zu rechtfertigen948. Auch bei dem Berufsanfanger im engeren Sinn, dem es zwangslaufig gleichsam noch an der entsprechenden Erfahrung mangelt, stellt sich die Frage nach dem SorgfaltsmaBstab. Insbesondere deshalb, weil es sich bei dem Arzt in der Weiterbildung bereits um einen approbierten Arzt handelt^"^^, der auch dementsprechend auftritt und so das Vertrauen in eine fachgerechte Behandlung begriindet. In Rechtsprechung und Literatur divergieren in dieser Hinsicht die Meinungen und Losungswege, eine sinnvolle Ausbildung, ein iiberschaubares Haftungsrisiko sowie den Patientenschutz auf einen Nenner zu bringen. Wahrend die Rechtsprechung, insbesondere der 6. Senat des Bundesgerichtshofes, zwar voraussetzt, dass die Anforderungen, die an den Anfanger gestellt werden konnen, nicht die sind, die von einem erfahrenen Facharzt zu erwarten sind, sind im Schrifttum verschiedeiie, richtungsweisende Ansatze erkennbar, die von einem subjektiven SorgfaltsmaBstab liber die Aufspaltung der Sorgfalt in einen inneren und einen auBeren Teil bis hin zu einem eigenen Verkehrskreis fiir Anfanger reichen. Inwieweit diese Ansatze neben der Moglichkeit einer innerbetrieblichen Haftungsfreistellung geeignet sind, den Interessen des Patienten und des Berufsanfangers gleichsam gerecht zu werden, soil die folgende Diskussion aufzeigen. (1) Subjektivierter YerschuldensmaBstab Nachdem die Befiirworter eines facharztlichen Standards vom Patienten als Mittelpunkt ausgehen, konnte man andererseits zur Festlegung eines FahrlassigkeitsmaBstabes auch vom Standpunkt des Anfangers ausgehen; insoweit konnte man dann zu seinen Gunsten den einfachsten Weg eines subjektiven Verschuldensgrundsatzes propagieren, der sich an den individuellen Fahigkeiten und Kenntnissen des jeweils zur Haftung Herangezogenen orientiert^^^. Bei diesem sog. subjektiven Ansatz handelt der Verpflichtete nicht schuldhaft, wenn er aus korperlicher Oder geistiger Unfahigkeit die erforderliche Sorgfalt nicht zu erflillen imstande
^^^ Baur, MedR 1989, 111 ff.; Fahrenhorst, MedR 1991, 173; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A 133; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 204 f. ^48 So auch Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 212. ^^^ Bzw. beim Arzt im Praktikum, einem zwar noch nicht approbierten, aber mit ahnlichen Rechten ausgestatteten Arzt, Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches Berufsrecht, Bd. I, Rn. A211 ff; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 3, § 7, Rn. 13 ff.; sowie Rieger in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, Kz. 350. ^^^ Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Entwicklung des subjektiven Fahrlassigkeitsbegriffs und seiner verschiedenen Untergruppierungen bietet Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 15 ff
II. HaftungsmaBstab
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ist^^^ Der Vorteil dieser Art der Haftungsindividualisierung liegt darin, dass insoweit genau auf den Haftungsschuldner eingegangen werden kann und vor allem im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Auseinandersetzung ein auf den Anfanger und seine individuellen Fahigkeiten bezogenes Haftungsgefiige entsteht952. Vor allem Nipperdey und Brodmann pragten die Auffassung von einem subjektiven MaBstab, in dem sie fiir das Verschulden ein subjektiv vorwerfbares Verhalten postulierten, dass von personlichen Fahigkeiten und Anlagen des zur Haftung Verpflichteten abhangig ist und legten ihrer Auffassung den Satz zugrunde, dass ultra posse nemo obligatur^^^. Konkret konnte man dann infolgedessen eine Haftung des jungen Arztes ausschlieBen, wenn dieser Arzt die vorgenommene Behandlung noch nicht ausreichend gelernt bzw. geiibt hatte und so subjektiv noch nicht fahig war, den facharztlichen Standard zu erfiillen. Innerhalb dieser individuellen Fahigkeiten konnte fiir jeden jungen Arzt auf seinen konkreten Ausbildungsstand im Zeitpunkt der streitgegenstandlichen Pflichtverletzung bezogen, eine eigene Fahrlassigkeit festgelegt werden. Mit dem schlichten Hinweis, er habe die vorgenommene Behandlung noch nicht voll beherrscht und habe damit die eigentlich notwendige Sorgfalt nicht einhalten konnen, wurde dem Anfanger dann unter Umstanden ein individueller Entschuldigungsgrund erwachsen. Eine solche Auffassung lieBe sich auch dem Bundesgerichtshof unterstellen, der in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1983 davon spricht, dass der Anfanger „nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen" haften miisse^^^. Darauf gestiitzt unterstellt zumindest Miiller-Gmff dtm 6. Senat, letztlich zu Unrecht, er wiirde eine „Schneise" in den objektiven VerschuldensmaBstab schlagen und fiir die Anfangerhaftung eine subjektive Beurteilung propagieren^^^. Dies kann der Rechtsprechung indes allerdings nicht entnommen werden, denn bereits die Formulierung der „vorausgesetzten Kenntnisse(n)" deutet darauf hin, dass es sich hier um MaBstabe handelt, die vorausgesetzt und damit allgemein und objektiv von einem Berufsanfanger erwartet werden. Dies zeigt sich auch in den Folgeentscheidungen zur Anfangerhaftung, in denen der Bundesgerichtshof stets objektiv auf das vom Berufsanfanger zu erwartende Verhalten abstellt^^^.
^^^ Aus neuerer Literatur v.a. Huber, Leistungsstorungen, Bd. 2, S. 671 m.w.N; ders., Festschrift fur E.R. Huber, S. 253 (282 ff.), der nach innerer und auBerer Sorgfalt differenziert; Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778 f); ders., Festschrift fuv Alex Meyer, S. 95 ff. 952 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Tell, S. 1307 ff.; Nipperdey, NJW 1957, 1777 (1778 f); ders., Festschrift fur Alex Meyer, S. 95 ff 95^ Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, S. 1307 ff; Brodmann, AcP 99, 327 (367 ff); darstellend auch Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 399, m.w.N. 954 B G H Z 88, 248 (258). 955 Muller-Grajf, JuS 1985, 3 5 2 (359); Graf, D i e Beweislast bei Behandlungsfehlem, S. 164 unterstellt d e m Senat, er wende einen subjektiv-individuellen MaBstab an; ahnHch auch Emmerich, JuS 1984, 556 und anfangs Deutsch, N J W 1984, 650 f 956 Vgl. u.a. BGH, N J W 1988, 2298 (2300).
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Besonders im Hinblick auf den Schutz des Rechtsverkehrs, im Besonderen hinsichtlich des Patienten, bringt ein subjektiver HaftungsmaBstab auch ernsthafte Bedenken mit sich. SchlieBlich geht ein Patient, unter Zugrundelegung des Vertrauensgrundsatzes^^'^ davon aus, dass der handelnde Arzt vollkommen unabhangig von individuellen Schwachen eine Behandlung vornimmt^^^. Zudem muss der Patient auch nicht dariiber aufgeklart werden, dass ihm ein Anfanger gegeniibersteht. Insoweit erweckt der junge Arzt selbst den Anschein, er sei ein vollausgebildeter Mediziner und schafft so die Grundlage fur das Vertrauen des Patienten. Nur wegen individueller Unkenntnis und Unerfahrenheit kann dieses Vertrauen nicht unterwandert werden, so dass der Berufsanfanger sich nicht pauschal auf einen solchen Entschuldigungsgrund berufen darf. Eine Beriicksichtigung individueller Schwachen fiihrt dazu, dass der Rechtsverkehr und darin eingeschlossen letztlich jeder Patient einen erheblichen Teil des erforderlichen Schutzes verliert^^^. Es darf, gebraucht man die Worte der Kommission zur Uberarbeitung des Schuldrechts, auf das individuelle Leistungsvermogen keine Riicksicht genommen werden, da die Verschuldenshaftung das Vertrauen im Rechtsverkehrs schiitzen soil. Dies kann sich aber nur „am Typischen orientieren und nicht an individuellen Abweichungen"^^^, so dass ein subjektiver FahrlassigkeitsmaBstab abzulehnen ist und einer Losung des vorliegenden Problems wegen der nicht hinnehmbaren Nachteile fiir den jeweiligen Patienten wenig zutraglich ist. (2) Aufteilung in innere und auBere Sorgfalt Eine weitere Moglichkeit, der fehlenden Erfahrung des jungen Arztes gerecht zu werden ist die Beriicksichtigung im Rahmen der sog. inneren Sorgfalt^^^ Die objektiv-typisierte Festlegung des VerschuldensmaBstabes korrespondiert mit dem herrschenden sog. zweigliedrigen Fahrlassigkeitsbegriff, der gemaB dem bilateralen Handeln des Menschen in eine auBere, verhaltensgebundene und eine ^^'^ Gmndlegend fiir den Yertrauensgrundsatz als Ausgangspunkt der Verschuldenshaftung u.a. Bamberger/Roth-Griineberg, § 276, Rn. 20; Deutsche Deliktsrecht, Rn. 123 f; ders., Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 140; Grunewald, JZ 1982, 627 (630); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 20 III, S. 286; MuKoBGB-Grwn
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innere, intellektuell emotionale Sorgfalt geteilt ist und in Konsequenz dessen fur ein fahrlassiges Verhalten neben dem objektiven Zuriickbleiben hinter dem Standard auch eine subjektive Sorglosigkeit erfordert^^^. Wahrend die auBere Sorgfalt in der Einhaltung eines sachgemaBen Verhaltens besteht, versteht man unter der inneren Sorgfalt das Erkennen und Einhalten dieses normierten Verhaltens^^^. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es sich bei der inneren Sorgfalt nicht um einen, sozusagen durch die Hintertiir eingefuhrten subjektiven VerschuldensmaBstab handelt, wie dies mitunter vorgebracht wird^^"^. Auch dem inneren SorgfaltsmaBstab liegt eine objektive Typisierung zugrunde, die frei von individuellen Schwachen sein muss^^^, so dass auch iiber die innere Sorgfalt eine am Schuldner orientierte Fahrlassigkeit nicht entstehen kann, sondern es bei verkehrsspezifischen Verhaltensnormen bleibt. Mit anderen Worten liegt ein fahrlassiges Verhalten auch dann vor, wenn ein Arzt aufgrund personlicher Schwachen beispielsweise wegen einer vorangegangenen, schlaflosen Nacht, personlich nicht in der Lage war, den objektiven Standard einzuhalten; diese ware fiir einen jeden Arzt in der Situation des Schuldners erkennbar gewesen, so dass dieser nicht nur die auBere sondern auch die innere Sorgfalt verletzt hat. Hatte er und auch jeder andere Angehorige seines Verkehrskreises allerdings nicht erkennen konnen, dass der entsprechende Standard unterschritten wird - z.B. wegen eines nicht vorhersehbaren Zitterns der skalpellflihrenden Hand - dann liegt zwar ein VerstoB gegen die auBere Fahrlassigkeit vor, weil der geforderte Standard unterschritten worden ist. Allerdings wurde die innere Sorgfalt nicht verletzt, weil es flir keinen Arzt erkennbar gewesen ware, dass er in dem konkreten Fall zittern wUrde. Solche Konstellationen, in denen trotz Verletzung der auBeren Sorgfalt eine Verletzung der inneren Sorgfalt nicht stattgefunden hat und der Arzt deshalb nicht fahrlassig gehandelt hat, sind in der Praxis eher die Ausnahme. In der Regel wird daher bei Verletzung
9^^ Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 276 ff.; ders., NJW 1993, 1506 (1508); Deutsch/Ahrens, Unerlaubte Handlung, Rn. 121 ff; in diesem Sinne auch Stathopoulus, in: Festschrift fur Karl Larenz, S.631 (634 ff); Seyfried, Die haftungsrechtliche Bedeutung,S. 115ff 963 Brodmann, AcP 99, S. 327 ff.; Deutsch, NJW 1993, 1506 f; grundlegend fur den zweigeteilten Fahrlassigkeitsbegriff, Engisch, Untersuchungen iiber Vorsatz und Fahrlassigkeit, S: 269 ff mit den strafrechtlichen Besonderheit; BaumgdrteU in: Festschrift fur Rudolf Bruns, S. 93 (95); Huber, in: Festschrift fiir Huber, S. 253 (265); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, § 20IV, S. 290 f.; Laufs/Uhlenbruck-Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 99, Rn. 18; KGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 5. 96^ Koziol, AcP 196, 593; Schlechtreim, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Rn. 328; MiiKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 33 f weist scharf und zurecht darauf hin, dass es sich bei diesem Argument um einen Zirkelschluss handelt. 96^ Deutsch, Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 468; Huber, in: Festschrift fiir Huber, S. 253 (265) spricht hier von einer normativen, erforderlichen Sorgfalt; Seyfried, Die haftungsrechthche Bedeutung, S. 116; Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2536).
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der auBeren Sorgfalt auch auf die Verletzung der inneren Sorgfalt geschlossen^^^. Ausnahmefalle zu diesem Automatismus sind beispielsweise Falle des entschuldbaren Irrtums, vor allem im Diagnosebereich sowie - und hier kommt der junge Arzt ins Spiel - im Bereich der personlichen Haftung des Anfangers^^^. Hier kann namlich mitunter auf die innere und auBere Sorgfalt ein, wenn auch objektiver aber anderer MaBstab angewendet werden^^^. Dem jungen Arzt ist es im Regelfall objektiv nicht moglich, eine anstehende Behandlung und deren Folgen soweit zu uberblicken, um erkennen zu konnen, ob bzw. dass er den erforderlichen Facharztstandard erfiillen kann oder nicht. Stellt man nun im Rahmen der inneren Sorgfalt auf den typischen Anfanger ab, dann verhalt er sich nicht fahrlassig und ist insoweit geschiitzt, wenn er aufgrund seiner fehlenden Erfahrung die Nichteinhaltung des auBeren Facharztstandards nicht erkennen konnte. Insoweit stellt u.a. Deutsch konsequent darauf ab, dass deshalb im Bereich der inneren Sorgfalt ein anderer Standard, namlich der des Anfangers, zu gelten hat. Wiirde man auch dort einen Facharztstandard ansetzen, dann ware die Argumentation sinnentleert, denn einem Facharzt ware es regelmaBig aufgrund seiner Kenntnisse auch subjektiv moglich, eine bestimmte Behandlung einzuschatzen, so dass der Anfanger bei einem Facharztstandard auch im Bereich der inneren Sorgfalt stets fahrlassig handeln wiirde. Dieser typisierten, „inneren Anfangersorgfalt" schlieBt sich auch Grundmann unter Bezugnahme auf den Bundesgerichtshof an. Der Anfanger kann sich, so Grundmann, im Rahmen seiner personlich Haftung mit seiner fehlenden Erfahrung entschuldigen, weil er seine Uberforderung nicht erkennen konnte und so die Konsequenzen auch nicht zu vermeiden im Stande war^^^. Es stellt keine Verletzung der inneren Sorgfalt dar, wenn der Anfanger nicht erkennen kann, dass er die auBere Sorgfalt nicht einhalten kann. Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang fest, dass der an einen Anfanger zu stellende MaBstab fur Uberlegungen im Hinblick auf die Gefahrdung des Patienten und die daraus resultierenden Konsequenzen nicht an den Wissens- und Erfahrungsstand eines geiibten Facharztes angeknlipft werden kann^'^^. Aus dieser Formulierung lasst sich durchaus schlieBen, dass auch der Bundesgerichtshof dazwischen differenziert, was der Anfanger erkennen kann und muss und was dem Patienten gegeniiber geschuldet ist, auf der einen Seite ein BerufsanfangermaBstab und auf der anderen Seite ein auBerer Facharztstandard. Konsequenz dieses Ansatzes ist zunachst fiir den jungen Arzt, dass er immer dann nicht fahrlassig handelt, wenn ein typischer Anfanger in seiner Lage nicht 966 B G H Z 80, 186 (199); VersR 1986, 766 (767); Baumgartel in: Festschrift fur Rudolf Bruns, S. 9 3 (95); ders., Handbuch der Beweislast, § 276, Rn. 8; Stathopoulos, in: Festschrift ftir Karl Larenz. S. 631 (634 f ) ; RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 5. 967 Dazu u.a. Deutsch, N J W 1993, 1506 (1509). 968 Yg2 lo^tisch Fabarius, Innere u n d auBere Sorgfalt, S. 114, d i e allerdings die auBere Sorgfalt mit der Pflichtverletzung gleichsetzt und nur die Verletzung der inneren Sorgfalt als Verschulden ansieht; Velten, Der medizinische Standard, S. 19. 969 MuKoBGB-Grundmann, § 276, Rn. 111. 9'7o B G H Z 88, 248 (258); N J W 1992, 1560 (1561); N J W 1993, 2989 (2992).
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hatte erkennen konnen, dass die selbstandige Durchfiihrung der anstehenden Behandlung aufgrund seiner unzureichenden Erfahrung eine zusatzliche Gefahr fiir den Patienten bedeutet hatte. Ware dies allerdings auch fiir einen Anfanger erkennbar gewesen, ware er dem Vorwurf des fahrlassigen Verhaltens und der Haftung ausgesetzt. Diese Konstellation lag einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde, in der eine Assistenzarztin am Anfang ihrer Facharztausbildung notwendige diagnostische MaBnahmen unterlassen hatte, obwohl eindeutige Zeichen fiir eine lebensbedrohende Erkrankung vorgelegen hatten^'^^. Der Senat stellte fest, dass auch unter Zugrundelegung der Kenntnisse und Fahigkeiten eines Anfangers die Arztin ein Verschulden trifft, da es „fur eine Berufsanfangerin" in der Position der Beklagten erkennbar gewesen ware, dass eine weitere diagnostische Aufklarung erforderlich gewesen ware^^^. Fur den Patienten bedeutet eine solche Aufspaltung in einen auBeren FacharztmaBstab und einen inneren AnfangermaBstab, dass er gegebenenfalls nicht gegen den jungen Arzt vorgehen kann, well dieser nicht fahrlassig gehandelt hat. Allerdings ist er dadurch nur unwesentlich schlechter gestellt, denn es bleibt bei der Haftung der Klinik bzw. deren Tragers, des einteilenden Chefarztes sowie moglicherweise des zur Aufsicht verpflichteten Ausbilders. Diese sind namlich gleichsann zum Facharztstandard verpflichtet, der eben nicht eingehalten worden ist. Eine Inanspruchnahme des Kliniktrager oder des Chefarztes erscheint zudem auch aus Liquiditatsgriinden erfolgsversprechender als gegen einen Arzt, der noch in der Ausbildung steht, vorzugehen^^^. (3) Anfangerstandard - Verkehrskreis Anfanger Die letzte und wohl auch am haufigsten vertretene Losung ist die Bildung eines eigenen Verkehrskreises fiir den medizinalen Berufsanfanger. Mit Hinblick auf die Effektivitat der medizinischen Ausbildung und dem Schutz des Anfangers vor einem unuberschaubaren Haftungsrisiko konnte man von einem eigenen Verkehrskreis „Medizinaler Berufsanfanger" ausgehen, der insoweit objektiv-typisierend ist und andererseits allerdings den begrenzten Moglichkeiten, die einem unerfahrenen Arzt gegeniiber einem erfahrenen Facharzt zur Verfiigung stehen, ausreichend Rechnung tragt. Unter Zugrundelegung der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Argumente soil die anschlieBende Diskussion das Fiir und Wider eines eigenen Anfangerstandards zeigen. (a) Rechtsprechung In der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.9.1983^^'* stellte das Gericht fest, dass die Ubertragung einer Operation auf einen daftir noch ungeeig971 BOH, N J W 1988, 2298. 972 BGH, N J W 1988, 2298 (2299 f.). 973 So u.a. auch der B G H , B G H Z 88, 249 ff, der beim Anfanger v o m schwachsten Glied in der Kette der Verantwortlichen spricht; Narr/Hess/Nosser/Schirmer, Arztliches B e mfsrecht, Bd. I, A 224 a.E. B G H , B G H Z 88, 248.
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neten Assistenzarzt einen objektiven VerstoB gegen die arztliche Sorgfaltspflicht darstellt. Allerdings, so das Gericht weiter, konne aber gegenliber dem unerfahrenen Assistenzarzt gerade nicht auf den medizinischen Wissens- und Erfahrungsstand eines fertigen und in der Praxis versierten Facharzt abgestellt werden, sondern der Anfanger miisse an den „bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen" gemessen werden^'^^. Mit dieser Pramisse hat sich der Bundesgerichtshof eindeutig gegen den Facharztstandard bei Anfangern entschieden und sich bei der deliktischen Haftung des jungen Arztes fiir einen bei Anfangern voraussetzbaren MaBstab ausgesprochen^'^^. Entgegen kritischer Stimmen im Schrifttum^'^^, die bei dieser Argumentation eine mogUche Versubjektivierung befiirchten, geht der 6. Senat ausdrucklich von einem objektiven MaBstab aus und lehnt gleichsam die Beriicksichtung subjektiver Merkmale im Bereich des Verschuldens ab^'^^; somit handelt es sich auch bei einem Verkehrskreis Anfanger nicht um die Beriicksichtigung individueller Schwachen, sondern um einen objektiv-typisierten MaBstab. Dafiir spricht auch die immer wieder verwendete Formulierung der „vorauszusetzenden Kenntnisse und Fahigkeiten", denn Eigenschaften, die vorausgesetzt werden, haben nichts mit individuellen Schwachen und Starken zu tun, sondern das sind Merkmale, die allgemein erwartet werden von einer bestimmten Gruppe Menschen, hier eben von jungen, sich noch in der Ausbildung befindlichen Arzten^"^^. Nicht ganz so deutlich wie in der erstgenannten Entscheidung auBert sich der 6. Senat in seinem Urteil aus dem Jahre 1988^^^, in dem eine Assistenzarztin offensichtliche Symptome eines Phaocromozytoms (Nebennierentumor) nicht weiterverfolgt hatte und es so zum Tod des Patienten gekommen war. In den Grlinden stellt das Gericht fest, dass selbst wenn man keinen Facharztstandard, sondern einen Anfangerstandard voraussetze, wie dies das Oberlandesgericht in der Vorinstanz getan habe, miisse man der Assistenzarztin ein Verschulden vorwerfen, well auch fiir einen Anfanger die Symptome erkennbar gewesen waren. Gerade als Berufsanfangerin hatte sie selbstkritisch gegeniiber ihren eigenen Fahigkeiten sein und alsbald den Rat eines erfahrenen Kollegen einholen miissen^^^ Diese Argumentationsrichtung deutet auf einen AnfangermaBstab hin, auch wenn 975 BOH, BGHZ 88, 248 (258). 9"^^ Bereits fur andere Auszubildende, unter die der Arzt in der Weiterbildung durchaus subsumiert werden kann, BGH, VersR 1979, 278 (279). 977 Vgl. beispielsweise Seyfried, Die haftungsrechtliche Bedeutung, S. 116, der darin einen Rtickgriff auf personliche Merkmale sieht und die Gefahr einer subjektivierten Betrachtungsweise; Graf, Die Beweislast bei Behandlungsfehlem, S. 164 f 978 Exemplarisch dazu B G H Z 113, 297 (303 f ) ; BGH, N J W 2001, 1786; MedR 2003, 51 ff; vgl. auch die Ausftihrungen zu § 5 I I 2 . a). 979 So wird das Verb „voraussetzen" auch mit „als vorhanden, als gegeben, als selbstverstandlich annehmen" definiert und in den Sinnzusammenhang mit „Grundvoraussetzungen" gebracht, vgl. Der Duden, Band 10, S. 729; dies alles steht im Zusammenhang mit dem oben erlauterten Mindeststandard, der die als selbstverstandlich angenommene Grundvoraussetzung des Anfangerhandelns gesehen werden kann. 980 BGH, N J W 1988, 2298. 981 BGH, N J W 1988, 2298 (2300).
II. HaftungsmaBstab
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sich der Bundesgerichtshof mit seiner „selbst wenn" - Formulierung nicht ausdriicklich festlegt, sondern lediglich feststellt, dass unabhangig davon, ob man einen Facharzt- oder Anfangerstandard zugrunde lege, im vorliegenden Fall ein Verschulden vorhanden gewesen sei. Im Jahre 1992 befasste sich der Bundesgerichtshof erneut mit der Problematik der Anfangeroperation^^^; in diesem Fall war ein nicht ausreichend qualifizierter Assistenzarzt „nur" von einem erfahreneren Assistenzarzt aber nicht von einem Facharzt beaufsichtigt worden. Interessanter Weise lassen sich dabei fiir beide Arzte die Grundsatze der Anfangeroperation anwenden, was der Senat zwar nur andeutet, aber mangels erforderlicher Feststellungen zur weiteren Entscheidung in der Sache zuriickverweist. Auch wenn das Gericht nicht selbst entschieden hat, weist es - gleich einem Obiter Dictum - unter Bezugnahme auf die Grundentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1983 auf die Erheblichkeit der bei einem Assistenzarzt vorauszusetzenden Kenntnisse und damit auf einen eigenen Verkehrskreis hin^^^. Im Gegensatz dazu steht eine Entscheidung aus dem Jahre 1993^^'*, in welcher der Bundesgerichthof wieder von seinem Bekenntnis zum Anfangerverkehrskreis abriickt. In dem Urteil folgt das Gericht seiner „selbst dann, wenn" Argumentation und geht, ohne sich festzulegen, von einer Haftung des Assistenzarztes unabhangig vom zugrundegelegten MaBstab aus; auch als Anfanger hatte man im vorliegenden Fall erkennen konnen, dass er fiir die bevorstehende medizinische MaBnahme noch nicht qualifiziert gewesen sei. Daraus zeigt sich insofern, dass das Gericht von der Existenz eines solchen Verkehrskreises ausgeht; lediglich dessen Anwendung wird in dieser Entscheidung offen gelassen. Mehr Klarheit schafft das Urteil aus dem Jahr 1994, in dem der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass ein Verschulden des Anfangers nur dann vorliegt, wenn er nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Fahigkeiten eine Gefahrdung des Patienten hatte erkennen konnen^^^. Dies zeigt deutlich, dass es von einem Anfanger zu erwartende Anforderungen geben muss, die objektiv-typisiert in einem eigenen Verkehrskreis zu beriicksichtigen sind. In einer anderen Entscheidung zum Fehlverhalten eines erfahrenen Assistenzarztes stellt der Senat daran ankniipfend fest, dass ein Assistenzarzt immer dann, wenn er iiber die entsprechenden Erfahrungen verfuge, nicht mehr als Anfanger gelten konne und demnach an den objektiven Anforderungen eines Facharztes gemessen werden miisse^^^. Im Umkehrschluss dazu kann man der Entscheidung abermals entnehmen, dass also immer dann, wenn der Assistenzarzt noch nicht iiber die entsprechende Erfahrung verfugt, er eben auch noch nicht nach einem Facharztstandard beurteilt werden kann, sondern nach einem anderen MaBstab, namlich dem des Anfangers. Auch wenn somit der 6. Senat des Bundesgerichtshofes den Ver982 B O H , N J W 1992, 1560. 983 B O H , N J W 1992, 1560 (1561). 984 B G H , N J W 1993, 2989 (2992); in dieser Entscheidung hatte eine Anasthesieassistentin die selbstandige Umbettung eines Patienten vorzunehmen, die er bisher noch nie vorgen o m m e n hatte und deshalb auch keine Erfahrungen darin gesammelt hatte. 985 B G H , N J W 1994, 3003. 986 B G H , N J W 2 0 0 1 , 1786.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
kehrskreis ,3erufsanfanger" nicht beim Namen nennt, so kann man doch aus den vorgenannten Entscheidungen schlussfolgern, dass ein solcher Verkehrskreis existiert und dementsprechend auch bei der Beurteilung des Verschuldens eines jungen Arztes beriicksichtigt wird. Der Vollstandigkeit wegen sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch die Rechtssprechung der unteren Instanzen insoweit mit der Ansicht des Bundesgerichtshofes konform geht, indem man zwar grundsatzlich von einem Facharztstandard und objektiven Kriterien ausgeht, hinsichdich der Haftung des Anfangers allerdings auf die bei ihm objektiv vorauszusetzenden Kenntnisse und Fahigkeiten abstellt^^^. Demnach lasst sich fur die Rechtsprechung feststellen, dass zwar fiir eine Behandlung grundsatzlich der Facharztstandard gewahrleistet sein muss, andererseits aber fiir die personliche Haftung des Anfangers nicht mehr ein Facharztstandard gefordert wird, sondern, ohne es ausdriicklich zu benennen, die Fahigkeiten und Kenntnisse eines durchschnittlichen Berufsanfangers in der Lage des jungen Arztes als MaBstab heranzuziehen sind^^^ Die Ansicht des Reichsgerichts^^^ in der Kapitansentscheidung und dessen Ablehnung berufsinterner Verkehrskreise kann insoweit als iiberholt betrachtet werden. (b) Literatur - Darstellung und eigene Wertung Vielschichtiger gestaltet sich die Frage nach dem anzulegenden MaBstab in der Rechtswissenschaft. Wie die obigen Ausfiihrungen zum Facharztstandard gezeigt haben, sind einerseits die Stimmen in der Literatur, die einen Anfangerverkehrskreis aus Griinden des Patientenschutzes ablehnen und einen Facharztstandard auch fiir Anfanger fordern laut und vehement^^^. Dennoch sind bereits sehr friih Tendenzen feststellbar, die versuchen, zunachst mit subjektivem Einschlag aber dann auch unter Zugrundelegung eines objektiven FahrlassigkeitsmaBstabes den beschrankten Fahigkeiten, die einem Anfanger zwangslaufig nur zur Verfiigung stehen, gerecht zu werden. Beginnend mit Brodmann, stellt dieser - zwar noch mit Blick auf einen subjektvierten FahrlassigkeitsmaBstab aber auf die vorliegende Thematik dennoch iibertragbar - zur Problematik der personlichen Haftung des Anfangers fest: „Dass aber 9^^ So u.a. das OLG Zweibriicken, VersR 1988, 165 f.; OLG Zweibrucken, VersR 1997, 883; OLG Zweibrucken, NJW 1998, 186 (187); OLG Koblenz, NJW 1991, 2967, OLG Karlsruhe, VersR 1991, 1177; OLG Diisseldorf, NJW 1986, 790 (791); OLG Diisseldorf, NJW-RR 1996, 279 (289); OLG Oldenburg, VersR 1986, 659 (660). ^^^ In diesem Sinne legt u.a. auch Bamberger/Roth-Griineberg, § 276, Rn. 22 die Rechtsprechung des BGH aus. 989 RG, R G Z 199, 397 (400 f.). 990 Vgl. dazu Bodenburg, VersR 1979, 308 (309 f.), FranzK M e d R 1984, 186 (189); Giesen, Arzthaftungsrecht, R n . 87, v.a. Fn. 116; ders., Medical Malpractice Law, § 9 , Rn. 218 ff. u n d 643 ff.; Heilmann, N J W 1990, 1513 (1514); Jorzig. M D R 2001, 4 8 1 (483); Laufs, N J W 1984, 650 f.; Muller-Graffi JuS 1985, 352 (359); RGRK-NUfigens, § 823, Anh. II, Rn. 182; Staudinger-Lowisch, § 276, Rn. 45.
11. HaftungsmaBstab
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Jemandem die AuBerachtlassung einer Sorgfaltspflicht zugerechnet werden soil, deren er nach seiner Anlage einfach unfahig ist, erscheint mir als schreiende Ungerechtigkeit. Auch hier lauft die Lehre auf jene barbarische Haftung fiir reine Ursachlichkeit hinaus."^^^. Dem Angehorigen des Verkehrskreises Anfanger fehlt auch eine „Anlage", die Angehorigen des Verkehrskreises Facharzt zueigen ist, namlich die der facharztlichen Fahigkeiten und Kenntnisse^^^. Diese Anlage, also mit anderen Worten die facharztliche Qualifikation, stellt gerade das Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Gruppen dar, wer nicht die notwendigen Fahigkeiten und Kenntnisse aufweisen kann, fallt in den Bereich des Anfangers und nicht in den Bereich des Facharztes. Mit den Worten Brodmanns gesprochen wiirde der Anfanger demnach auch einer Haftung fiir reine Ursachlichkeit ausgesetzt, wenn man ihm keinen eigenen Verkehrskreis zubilligen wiirde. Wohl als erster Vertreter eines objektiven FahrlassigkeitsmaBstabes fordert Henkel dann die Beriicksichtigung des Ausbildungsstandes bei der Verschuldenszurechnung, in dem er darauf hinweist, dass ftir einen Arzt in der Ausbildung wohl kaum der gleiche Standard gelten konne, wie fiir einen alteren und erfahreneren Arzt^^^. Dagegen argumentieren nun zwar Vertreter des Facharztstandards wie beispielsweise Laufs, dass das dem Zivilrecht zugrundeliegende Verschuldensprinzip dem Arzt eine Handlungsfreiheit nur dann gebe, solange er den Sorgfaltspflichten seines Berufes geniige^^"^. Vorausgesetzt, dass der Anfanger den Sorgfaltspflichten eines Facharztverkehrskreises unterworfen ware, folgt aber aus der Feststellung Laufs, dass es fiir den jungen Arzt wenn iiberhaupt nur eine sehr begrenzte Handlungsfreiheit geben kann, da er aufgrund seiner fehlenden Erfahrung den Anforderungen eines Facharztes zunachst nie geniigen kann. Diese Konsequenz muss im Interesse einer sinnvollen Arztausbildung vermieden werden. Es kann nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen, dass sich junge Arzte wegen des Damokles-Schwertes eines nahezu automatisierten Verschuldens nicht mehr wagen wurden, die fiir ihren Beruf notwendigen Erfahrungen zu sammeln, die dann als Facharzt von ihnen erwartet werden. Laufs widerspricht sich insofern auch selbst, wenn er einerseits einen Facharztstandard fordert und andererseits dann an anderer Stelle davon ausgeht. ^^^ Brodmann, AcP 99 (1906), S. 327 (354); zwar ist Brodmann eher der subjektiven Fahrlassigkeitslehre zugetan und geht speziell in der vorliegenden Abhandlung auf die Haftung von Schiffem ein, jedoch ist sein Gedankengang auch auf den hier vertretenen objektiv-typisierten MaBstab iibertragbar, da letztlich auch bei der Verkehrsgruppe Anfanger die Anlage „Facharzt" schlieBlich noch fehlt; ahnlich auBert sich auch Binding, Die Normen und ihre tJbertretung, Bd. IV, S. 444, im Jahre 1919, der in diesem Zusammenhang feststellt, dass es gerade die Ubung ist, die zum Erwerb der Handlungsfahigkeit fiihrt und es deshalb nicht sein konne, dass der Anfanger deshalb haften mtisse, well er diese noch nicht besitze, ^^^ Unabhangig von dem formellen Kriterium des Facharzttitels, der aus Griinden der Rechtssicherheit zur Differenzierung heranzuziehen ist: aus Sicht des Patienten und des tatsachlichen Behandlungsrisikos nimmt er eher eine sekundare RoUe ein. 993 Henkel, VersR 1953, 303 (304); in diesem Sinne auch schon RGRK-Oegg, 4d), 10. Auflage. 994 Laufs, Arztrecht, Rn. 486.
§ 276, Anm.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
dass die Sorgfaltsanforderungen, die an einen Verkehrskreisangehorigen gestellt werden, verniinftigerweise fiir jeden tiichtigen Durchschnittsangehorigen erfiillbar sein miissten^^^. Fiir den Anfanger, und ist er auch noch so tiiclitig, sind die Anforderung, die an einen Angehorigen des Verkehrskreises Facharzt gestellt werden, nie Oder nur sehr begrenzt erfiillbar, so dass die Forderung Laufs letztlich ins Leere geht. Infolgedessen muss es fiir den jungen Arzt einen eigenen Verkehrskreis und draus resultierende eigene Sorgfaltsanforderungen geben, die dann ein tiichtiger Anfanger auch in der Lage ist, zu erfiillen^^^. Dieser Verkehrskreis lasst sich, wie bereits von HenkeP'^^ angedeutet, aufgrund der konsequent und streng durchstrukturierten Medizinalausbildung an berufspezifischen Kriterien festlegen und so fiir einen in der Ausbildung befindlichen Assistenzarzt ein anderer MaBstab als fiir einen Facharzt abgrenzen^^^. KotzAVagner^^^ gehen zum Beispiel davon aus, dass im Rahmen des objektiven FahrlassigkeitsmaBstabes in einem gewissen Umfang die personlichen Fahigkeiten Beriicksichtigung finden konnen und miissen und nennen als Beispiel den Assistenzarzt, der nicht schon dann schuldhaft handeln kann, wenn ihm die Kenntnisse des Facharztes fehlen und es deshalb zum Behandlungsfehler kommt. Insoweit setzen die beiden also auch einen objektiv-typisierten Verkehrskreis Anfanger voraus, denn nur dann liegt noch kein Verschulden vor, wenn der Anfanger den Sorgfaltsanforderungen eines Facharztes nicht geniigen konnte. Da sich der junge Arzt in einem Wissensstadium zwischen Studium und Facharzt befindet, erscheint es nur konsequent, auch den anzulegenden MaBstab zwischen diesen beiden Punkten festzulegen^^^. Dem entsprechend befiirwortet auch Gruneberg mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs^^^^ dass es einen Verkehrskreis Berufsanfanger bzw. Auszubildender geben muss, der deren speziellen Bediirfnissen Rechnung tragt^^^^. Genauso Binding^^^\ der von der Notwendigkeit einer be-
^^^ Laufs, in: Festschrift fur Joachim Gernhuber, S. 245 (252); zum Erfordemis der Erfiillbarkeit nimmt auch Katzenmeier, Arzthaftung, S. 190 ff. konstruktiv Stellung. ^^6 So fur den Arzt im Praktikum auch Opderbecke, MedR 1992, 205. ^^'7 Henkel VersR 1953, 303 (304); in diesem Sinne auch schon RGRK-Oegg, § 276, Anm. 4d), 10. Auflage. ^^^ Sehr deutlich aber ohne weitere Begriindung Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kap. 1, Rn. 77. ^^^ KotzAVagner, Deliktsrecht, Rn. 115; im Ergebnis auch Gounalakis, NJW 1991, 2945; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80. ^^^ So, zwar noch fiir den Arzt im Praktikum aber auch fur den Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt tibertragbar, Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516); im Ergebnis weniger deutlich, aber wohl auch fur einen speziellen AIP-MaBstab spricht sich auch Rieger, in: Rieger, Handbuch des Arztrechts, Kz. 350, Rn. 32, aus. 1001 BGHZ 88 248 (259); BGH, NJW 1993, 2989 (2992); BGH, NJW 1979, 864, dies gilt nicht nur im Bereich der medizinalen Berufsanfanger sondem allgemein, so im konkreten Fall fiir einen Handwerkslehrling, der bei unsachgemaBen SchweiBarbeiten einen Dachstuhl in Brand gesetzt hatte. 1002 Bamberger/Roth-Gruneberg, § 276, Rn. 22.
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sonderen Behandlung von Lehrlingen und Gesellen spricht, was sich gleichsam ohne weiteres auf den „Arztlehrling" iibertragen lasst. Grundmann und Westermann^^^"^ gehen „mit gewissen Modifikationen" gleichsam von der Berufsgruppe bzw. dem Verkehrskreis eines Arztes in der Ausbildung aus^^^. Im Ergebnis stimmt dem auch Spickhoffl^^^ zu, der darauf abstellt, dass man den auszubildenden Arzt bzw. den Arzt in der Weiterbildung nicht dem Verkehrskreis eines ausgebildeten Arztes zuordnen konne, so dass in Konsequenz dessen ein Zuriickbleiben hinter dem Facharztstandard keine Haftung auslose; nur die LFbernahme einer Behandlung, fiir deren Vornahme der Anfanger erkennbar nicht die notwendigen Kenntnisse und Fahigkeiten aufgewiesen hat, fuhrt zu einem Verschulden, dem bereits erwahnten Ubernahmeverschulden^^^'^. Geht man nochmals auf die bereits angesprochene Aufteilung der Fahrlassigkeit in eine auBere und innere Sorgfalt zuriick, so scheinen die Vertreter dieser Ansicht, alien voran Deutsch, einen vordergrlindig neuen Losungsweg mit ins Spiel gebracht zu haben^^^^. Sie gehen zunachst davon aus, dass der Anfanger in der auBeren Sorgfalt zum Schutz von Patient und Rechtsverkehr verpflichtet ist, den Facharztstandard zu erfullen. Dabei wird auch nicht verkannt, dass der Anfanger andererseits nicht in der Lage sein kann, den notwendigen Standard zu erfiillen, da er eben gerade noch kein Facharzt ist. Um die Ausbildung des jungen Arztes nicht zu einem unkalkulierbaren Haftungsrisiko werden zu lassen, lost man diese Divergenz iiber die Einhaltung der inneren Sorgfalt. Konnen dem Arzt besondere Fahigkeiten nicht abverlangt werden, so handelt er dennoch nicht fahrlassig, wenn er die innere Sorgfalt eingehalten hat, was insbesondere „fur die personliche Haftung im Bereich der Anfangeroperation" Geltung beanspruchen solP^^^. Im Bereich besagter innerer Sorgfalt hat der Anfanger dann entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung mit gesteigerter Selbstkritik, rechtzeitiger Beratung und entsprechender tJberwachung durch den Ausbilder selbst erkannte Schwachen ^^^^ Binding, Normen, S. 444; so auch Deutsch, Fahrlassigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 141 und ymLoBGB-Hanau, § 276, Rn. 82. ^^^ Erman-Westermann, Bd. 1, § 276, Rn. 12 f. spricht sogar davon, dass eine eigene Gruppe fur Bemfsanfanger anerkannt sei und bei diesen ein ihnen angemessener SorgfaltsmaBstab notig sei. 1005 MiXKoBGB-Gmndmann, § 276, Rn. 59, der als Stutze seiner Argumentation u.a. auf das OLG Koblenz, NJW 1991, 2967, das OLG Karlsruhe, VersR 1991, 1177 sowie das OLG Zweibrucken, VersR 1997, 883 verweiset. 1006 Y g i dig Ausfiihmngen von Spickhoff, N J W 2 0 0 2 , 2530 ( 2 5 3 6 f ) unter B e z u g n a h m e auf
BGH, NJW 1994, 3008, der in diesem Zusammenhang auch die Moglichkeit anspricht, ein HochstmaB an Sorgfalt in der Pflichtverletzung anzusetzen und den VerschuldensmaBstab situationsbezogen-konkreter auszugestalten, wobei seiner Feststellung, dass diese Unterscheidung nur geringe Auswirkung habe, zuzustimmen ist; so auch in Kohler, ZZP 118 (2005), 25 (34f); Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 136; Spickhojf, NJW 2005, 1694(1698). ^^^"^ Gleichsam Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 206 ff. 1008 Ausfuhrlich behandelt in § 5. 1009 Deutsch, NJW 1993, 1506 (1509).
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auszugleichen und dem Patienten den facharztlichen Standard zu gewahren^^^^. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob dem Anfanger im Rahmen der inneren Sorgfalt auch ein facharztlicher MaBstab obliegen soil. Dies ist aber nicht moglich und wtirde u.a. Deutschs Theorie ad absurdum fllhren, da der Anfanger konsequenter Weise nie der inneren Sorgfalt eines Facharztes geniigen konnte. Also muss im Bereich der inneren Sorgfalt ein anderen MaBstab gelten, namlich der des Anfangers. Dies stellt Deutsch dann auch fest, indem er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zitiert^^^^ dass der Anfanger nur dann fahrlassig gehandelt hatte, wenn er „nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen" die Gefahrdung des Patienten hatte voraussehen miissen^^^^. Mit anderen Worten kann man dieser Argumentation also entnehmen, dass - wenn auch im Rahmen des inneren SorgfaltsmaBstabes - ein eigener Verkehrskreis fur Anfanger bestehen muss. Demnach ist auch bei der Aufteilung der Fahrlassigkeit in den Innen- und AuBenbereich letzten Endes von einem Anfangerverkehrskreis auszugehen, der zu einer verbesserten Haftungssituation fiir den jungen Arzt fiihrt, ohne den Patienten zu benachteiligen. Dieser Ansicht folgt offensichtlich auch Grundmann, der davon ausgeht, dass sich ein junger Arzt wegen seiner noch fehlenden Erfahrung personlich entlasten kann, weil er seine tJberforderung und die daraus resultierenden Konsequenzen nicht absehen konnte^^^^. Ahnlich stellt auch Grofi fest, dass es, ausgehend vom Ubernahmeverschulden, bei der Haftung des Anfangers von seinen objektiv-typisierten Anfanger-Fahigkeiten abhangt, ob er das mit der Behandlung einhergehende Risiko erkennen konnte^^^'^. Da er dies nicht im Umfang eines Facharztes kann, schlieBlich fehlt es an der dazu notwendigen Erfahrung, kann von ihm nicht der medizinische Wissens- und Erfahrungsstand eines fertigen und geiibten Facharztes verlangt werden. Er verhalt sich nur dann fahrlassig, wenn er nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen ein Unterschreiten des erforderlichen Standards und eine damit verbundene Gefahrdung des Patienten hatte erkennen konnen und miissen. Konnte er dies erkennen und hat er dennoch die Behandlung ubernommen, handelt er im Falle eines Schadens fahrlassig, da er seine Bedenken hatte auBern und den Eingriff ablehnen miissen^^^^.
1010 Ygj j^2u die obigen Ausfuhmngen zu den einzelnen besonderen Pflichten im Rahmen der Anfangeroperation, die beginnend mit den theoretischen Kenntnissen, besonderer Sorgfalt und Dokumentation bis zur Beaufsichtigung durch einen erfahrenen Arzt reichen, § 4. 1011 BGHZ 88, 248 (258). 1012 Deutsck NJW 1993, 1506 (1509); ahnlich mchLaufs, Arztrecht, Rn. 524f 1013 MuKoBGB-Grundmann, § 276, Rn. Ill, insbesondere Fn. 407, in der er sich auf die herrschende Rechtsprechung des BGH zum Ubernahmeverschulden bezieht und damit die Tlechtsprechung des 6. Senats auch in dieser Richtung interpretiert. 1014 Grofi, Arztlicher Standard, S. 9. 1015 Grofi, Arztlicher Standard, S. 10 unter Hinweis auf BGHZ 88, 248 (258); BGH, VersR 1983, 723; BGH, VersR 1994, 1303 (1304).
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Betrachtet man unter dieser MaBgabe nochmals die Argumentation der Gegner eines eigenen Verkehrskreises fur Anfanger, so scheint es, als ob es einen solchen gesonderten Verkehrskreis, wenn auch nur indirekt, bereits gibt, so dass es hier nicht darum geht, ihn zu schaffen, sondern ihn lediglich kenntlich zu machen und aufzuzeigen. In alien Abhandlungen, die sich mit dem Problemkreis der Anfangerhaftung auseinandersetzen, wird fiir die Verantwortlichkeit des Anfangers das tJbernahmeverschulden intoniert. Ohne der noch folgenden, vertieften Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex vorweg greifen zu wollen^^^^, stellt das tJbernahmeverschulden kurz gesagt das vorwerfbare Verschulden des Anfangers dar, eine Behandlung iibernommen zu haben, fiir die er aus der Sicht eines besonnenen Arztes in seiner Position noch nicht die notigen Qualifikationen aufgewiesen hatte^^^'^. Bereits die Definition dieses Fehlverhaltens zeigt doch ein Abstellen auf den standardisierten Anfanger und die Existenz des Verkehrskreises „Berufsanfanger". Dieser gedachte, besonnene Arzt kann konsequenter Weise nur ein standardisierter Anfanger sein, denn wlirde man in diesem Zusammenhang auf einen erfahrenen Facharzt abstellen, so konnte dieser doch immer erkennen, wann die Qualifikationen nicht ausreichend sind. Konsequenz dessen ware also, dass der junge Arzt immer haften wiirde, weil seine mangelnde Qualifikation immer erkennbar gewesen ware. Insofern muss hier auf den Anfanger abgestellt werden; ein Abstellen auf den Facharzt wiirde die Haftung des jungen Assistenzarztes unzumutbar aufblahen. Es ware widersinnig, dem Anfanger ein Verschulden fiir die Ubernahme einer Behandlung aufzubiirden, bei der nur ein Facharzt hatte erkennen konnen, dass sie fiir einen Anfanger nicht zu bewerkstelligen gewesen ware^^^^. So nimmt Heck in ahnlichem Zusammenhang treffend dazu Stellung: „Wer zu dumm ist, eine Aufgabe zu erfiillen, wird erst recht zu dumm sein, seine eigene Unzulanglichkeit bereits beim Vertragsschlusse (vorliegend bei der Ubernahme der Behandlung) zu erkennen."^^^^. AuBerdem brauchte man, den Verkehrskreis Facharzt zugrunde gelegt, die Figur des Ubernahmeverschuldens gar nicht mehr, da der Anfanger wegen Unterschreitens des Facharztstandards stets wegen eines Behandlungsfehlers bereits schuldhaft handeln wiirde. Die komplexe Vorverlegung der Vorwerfbarkeit auf den Zeitpunkt der Behandlungsiibernahme ware iiberfliissig. Fiir die Existenz eines Verkehrskreises Anfanger konnte dariiber hinaus ein Argument vorgebracht werden, das auch parallel im Rahmen der Haftung von Krankenhausern Geltung beansprucht. Wie oben dargestellt, ist es allgemein anerkannt, fiir Krankenhauser bzw. Arztpraxen einen Verkehrskreis je nach deren personeller und technischer Ausstattung anzunehmen, d.h. dass der Standard eines Kreiskrankenhauses nicht so hoch angesetzt werden kann, wie der einer Universitatsklinik. In diesem Zusammenhang wird aber zum Schutz des Patienten angenommen, dass 1016 1017
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VgL§5IIIl. U.a. BGHZ 88, 248 (258); BOH, NJW 1993, 2989 (2991); Nowak, Leitlinien in der Medizin, S. 81; Taupitz, Standesordnung der freien Berufe, S. 1233. So beispielsweise Opderbecke, MedR 1992, 205. Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 78.
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eine Haftung immer dann einsetzt, wenn ein Krankenhaus eine Behandlung iibernimmt, zu der es aufgrund seiner Ausstattung nicht in der Lage ist^^^^. Es wird demnach gleichsam ein Ubernahmeverschulden konstruiert, das stmkturgleich mit dem Ubernahmeverschulden ist, das unstreitig auch dem Anfanger zur Last gelegt werden kann. Folgt man nun der Diskussionsrichtung, einen Facharztstandard flir Anfanger zu fordern, miisste man dann in Konsequenz dessen moglicherweise auch fiir ein kleines Krankenhaus den Standard eines Universitatsklinikums fordern. Die offensichtliche Absurditat einer solchen Forderung kommt tatsachlich nicht zum Tragen, da man in diesem Bereich ohne weiteres von zwei verschiedenen Verkehrskreisen je nach Ausstattung des Krankenhauses ausgeht und somit auch zwei verschiedene Standards voraussetzt^^^^. Aufgrund der vergleichbaren Ausgangslage kann man den Rechtsgedanken auch auf das Begriffspaar Anfanger Facharzt iibertragen und gleichsam von verschiedenen Verkehrskreisen ausgehen, ohne zu einem Rechtsverlust flir den Patienten oder zu einem unertraglichen MaB an Rechtsunsicherheit zu gelangen. Lediglich das Vertrauen des Patienten, steht diesem Vergleich zum Ubernahmeverschulden bei Krankenhausern grundsatzlich entgegen. Begibt sich der Patient namlich in ein kleines Landkrankenhaus, dann weiB er, anders als bei der Anfangeroperation, dass er dort nicht die Qualitatsanforderungen erwarten kann, die eine Spezialklinik offerieren konnte. Anders ist dies beim Anfanger, den der Patient meist erst wahrend der Behandlung sieht und mangels einer Aufklarung iiber dessen Ausbildungsstand auch nicht weiB, dass er nicht einem erfahrenen Facharzt gegeniiber steht. Jedoch vermag dieses von den Befiirwortern des Facharztstandards meist ins Feld gefuhrte Argument, der Patient vertraue infolge der fehlenden Aufklarung auf eine facharztgemaBe Behandlung, nur bedingt zu iiberzeugen. Geht man von der Erwartungshaltung eines Patienten aus, so begibt sich dieser in eine Praxis oder Klinik und erwartet bzw. vertraut auf eine fachgerechte Behandlung. Diese Erwartung trifft dabei jedoch zunachst seinen Behandlungsvertragspartner und die dahinterstehende Personengesamtheit, d.h. dass nicht nur der Chefarzt oder der Praxisinhaber, sondern eben alle Assistenzarzte, Pfleger, Schwestern etc. eine Gesamtleistung nach dem geforderten Standard erbringen. Insoweit kann man also auch davon ausgehen, dass sich das Vertrauen nicht alleine auf den Anfanger bezieht, sondern vielmehr darauf, dass die Klinik oder die Praxis an sich den Standard erfiillen wird^^^^. Bei alien Vorteilen, die eine Objektivierung und das uneingeschrankte Voraussetzen eines Facharztstandards mit sich bringt, darf zudem nicht ganz auBer Acht bleiben, welche Zielsetzung dem Verschuldensprinzip mit zugrunde gelegt wird. Es dient, wie es Katzenmeier formuliert, der Sicherung der individuellen Handlungsfreiheit und Verantwortungsfreude^^^^ Es darf durch eine ubertriebene oder zu grobe Verobjektivierung nicht soweit beeintrachtigt werden, dass es seinen 1020 Walter, Der Facharztstandard, S. 4. 1021 Ygj ^2iz\x die Darstellung der versorgungsspezifischen Verkehrskreisbildung bei Krankenhausern und Arztpraxen, § 5 II. 2 a) cc). 1022 j^Q^ak, Leidinien in der Medizin, S. 79. 1023 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 186.
11. HaftungsmaBstab
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Sinn und Zweck verliert. Versagt man dem Anfanger einen eigenen Verkehrskreis, so macht er sich infolge dessen immer dann schuldig, wenn er die von einem Facharzt zu fordernde Sorgfalt nicht einhalten kann. Diese wird er aber in der Regel nie bzw. erst kurz vor dem Abschluss seiner Facharztausbildung in der Lage sein, zu erfiillen, denn es macht gerade seine Eigenschaft als Anfanger aus, dass er nicht alle notwendigen BehandlungsmaBnahmen beherrscht und liber die erforderlichen Erfahrungswerte verfiigt, die ein erfahrener Facharzt aufweisen kann. Demnach wiirde der junge Arzt in der Mehrzahl aller Falle von vornherein schuldhaft handeln, was letztendlich und iiberspitzt formuliert, dazu fiihrt, dass ein Verschulden des Anfanger immer gegeben ware. Nicht nur dass man dann bereits von einer Garantiehaftung^^^"^ des Anfangers sprechen konnte, sondern es ginge auch die Funktion des Verschuldensprinzips als Haftungsschwelle^^^^ verloren; der Anfanger diirfte keine Behandlung mehr vornehmen, da er stets dem Vorwurf des Verschuldens ausgesetzt ware. Um dem entgegenzuwirken, ist die einzig interessengerechte Moglichkeit, einen gesonderten „Verkehrskreis Berufsanfanger" bei der Verschuldensbeurteilung zugrunde zulegen. (c) Losungen anderer Rechtsordnungen International ist die Frage nach der Haftung des Anfangers nicht so umstritten wie in Deutschland, vertiefte Auseinandersetzungen und Stellungnahmen zu dieser Problematik lassen sich nur begrenzt finden, so dass regelmaBig von keinem besonderen AnfangermaBstab ausgegangen werden kann^^^^. Im Vergleich verschiedener europaischer Haftungssysteme lasst sich allerdings feststellen, dass zumindest einheitlich ein objektiver VerschuldensmaBstab ohne Berticksichtigung individueller Schwachen als Grundlage der Verschuldenspriifung herangezogen wird, wenn auch zum Teil subjektive Elemente eine RoUe spielen konnen^^^'^. Vereinzelt lassen sich aber dennoch Hinweise auf die Problematik der Anfangerhaftung auch in anderen Landern finden. So wurde in England, entgegen der wohl dort herrschenden Ansicht^^^^, in einem Minderheitenvotum^^^^ das Ubernahmeverschulden eines auszubildenden Arztes an einem eigenen Standard gemessen, der dem vorliegend propagierten Anfangerstandard vergleichbar ist. Auch in Osterreich lassen sich Stimmen fmden, die einen besonderen SorgfaltsmaBstab fur Anfanger befiirworten, auch wenn grundsatzlich dort der facharztliche MaBstab bevorzugt wird. Mit § 1299 ABGB^^^^ wurde in Osterreich anders als in ^^^^ So u.a. Nowak, Leitlinien in der Medizin, S. 80. ^^^^ ^afz^nmef^r, Arzthaftung, S. 186. ^^^^ So zumindest die Auffassung von Fischer/Lilie, Arztliche Verantwortung, S. 12. 1027 Beispielsweise in Spanien, Giesen, International medical malpractice law, § 9, Rn. 131. ^^^^ Giesen, International medical malpractice law, § 9, Rn. 133 und 135, m.w.N. aus der enghschem, belgischen und portugisischen Rechtsprechung. 1029 Sir Nicolas Browne-Wilkinson V . - C , in Wisher v. Essex A.H.A. 1987, Q.B. 730, 777, zitiert nach Fischer/Lilie, Arztliche Verantwortung, S. 12, Fn. 90. 1030 g 2299 A B G B : W e r sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke offentlich bekennet; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschaft u b e m i m m t .
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Deutschland eine Regelung getroffen, die besagt, dass immer dann, wenn eine Person sich als Angehoriger eines bestimmten Fachkreises ausgibt - der Anfanger also als Arzt auftritt - diese sich bei einem Unterschreiten des Fachbereichsstandards daran festhalten lassen miisse. Dem folgend, hat auch der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung eine Anasthesistin in der Weiterbildung nach den Kenntnissen und Fahigkeiten eines Fachkollegen gemessen und sie wegen des Zuriickbleibens hinter dem facharztlichen Standard zur Haftung herangezogen^^^^ Dagegen sprechen sich aber Stimmen in der osterreichischen Literatur dafiir aus, dass der Standard in Art. 1299 ABGB innerhalb der Ausbildung anwachse, dass also fiir einen Turnusarzt im 1. Ausbildungsjahr ein anderer MaBstab gelten miisse, als bei einem Turnusarzt im 3. Jahr seiner Ausbildung^^^^, was eindeutig auf das Vorliegen eines Anfangerstandards hindeutet. In der Schweiz, in der auch das objektive, durchschnittliche Verhalten eines Gruppenangehorigen grundlegendes Verschuldenskriterium ist,^^^^ wird gleichsam zum Teil ein Durchschnittsstandard gefordert, der je nach Ausbildungsstand differieren kann^^^"^ und somit Raum fiir nicht nur einen Anfangerstandard lasst, sondern an jeden Ausbildungsabschnitt angepasste Verkehrskreise ermoglicht^^^^. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob eine solch weitreichende Differenzierung noch praktisch umsetzbar ist und nicht aus Griinden der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf einen Anfangerstandard beschrankt bleiben sollte.
d) Zusammenfassung Die voranstehenden Ausfuhrungen zum Fiir und Wider eines besonderen Standards haben gezeigt, dass, trotz der vordergriindigen Nachteile fiir den Patienten, ein eigener Verkehrskreis fiir Anfanger die wohl interessengerechteste Losung darstellt. Ein subjektiver MaBstab ist dabei von vorneherein abzulehnen, da er den Grundsatzen einer objektiven Haftung entgegensteht und eine nicht hinnehmbare dessen Ausfiihrung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewohnlichen FleiB erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen FleiB und die erforderlichen, nicht gewohnlichen, Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschaft iiberlieB, die Unerfahrenheit desselben gewusst; oder bei gewohnlicher Aufmerksamkeit wissen konnen, so fallt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last. 1031 ORG, Urteil vom 9.9.1986, Az. 20b599/85, JBl. 1987,104 (106). 10^^ Rummel, Kommentar zu Allgemeinen Btirgerlichen Gesetzbuch - Reischauer, § 1299, Rn. 25. Offensichtlich auch dieser Ansicht der OHG in einer fruheren Entscheidung fiir den Sekundararzt, der keinen Facharztstandard zu erbringen hat, OHG, Urteil vom 4.2.1959, JBl. 1960, 188. 1033 Qff^ Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Arztes, S. 124; Kuhn, MedR 1999,249(251). 1034 So fordert dies auch Nowak, Leitlinien in der Medizin, S. 81. 1035 So das Schweizerische Bundesgericht, BGE 64 II, 207; BGE 113 II, 429 (432); BGE 116 II, 519 (521); Ott, Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Arztes, S. 125.
II. HaftungsmaBstab
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Rechtsunsicherheit mit sich bringt, die ganzlich zu Lasten des Patienten geht. Gleichsam ist auch der Weg liber den Facharztstandard in Kombination mit dem innerbetrieblichen Schadensausgleich nicht tauglich, den Interessenkonflikt zwischen Patientenschutz und Ausbildungsnotwendigkeit zu losen. Der junge Arzt ware einem zu hohen Haftungsrisiko ausgesetzt, zu dessen Ausgleich der Schadensausgleich im Innenverhaltnis nur bedingt geeignet ist. Zwar ist auch die Festsetzung eines eigenen Verkehrskreises „Berufsanfanger" von Problemen begleitet, die zum einen aus der Abgrenzungsproblematik des Anfangerbegriffs herriihren und zum anderen zu einer zusatzHchen Belastung des Patienten fiihren konnen, allerdings miissen diese im Interesse einer sinnvollen Ausbildung hingenommen werden. Insbesondere die Auswirkungen fur den Patienten werden doch weitgehend minimiert; im Bereich der Behandlung selbst durch die oben genannten flankierenden MaBnahmen^^^^ und im haftungsrechtlichen Sinn insoweit, als dass keine Haftungsliicke eroffnet wird, da solvente Haftungsgegner in Form des Kliniktragers, des Praxisinhabers und des Chef- bzw. Oberarztes erhalten bleiben, die voll nach dem Facharztstandard sowohl vertraglich als auch deliktisch haften^^^"^. Dabei kommt zum Vorteil des Patienten noch hinzu, dass man aufgrund der Neuregelung des § 254 BGB nunmehr auch immaterielle Schaden im Rahmen einer vertraglichen Haftung geltend machen kann und nicht mehr auf die exkulpationsfreundliche deliktische Haftung angewiesen ist. Somit kann man ohne eine wesentliche Beschrankung der Patientenrechte von einem Anfangerstandard ausgehen, um im Interesse der Allgemeinheit eine Ausbildung junger Mediziner ohne ein zusatzliches Haftungsrisiko zu gewahrleisten. Dieser Anfangerstandard konnte dann, wie es auch bei Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts anklingt^^^^ weiter differenziert werden und eine Sorgfalt je nach Ausbildungsstand angenommen werden. Diese Differenzierung hatte den Vorteil einer einzelfallbezogenen und dennoch objektiven Haftungsbeurteilung des Anfangers. Allerdings stehen diesem theoretisch-juristischen Anliegen Aspekte der Praktikabilitat entgegen, da eine solche weitere Unterteilung zu einer Verkomplizierung und damit verbunden auch zu einer Rechtsunsicherheit bei Patient und Arzt fuhrt. Denkbar ware allerdings, die Sorgfaltabstufung im Rahmen des Verkehrskreises Anfanger an die bereits mehrfach angesprochenen Stufen der Ausbildung anzulehnen^^^^. Eine solche Vorgehensweise lasst sich auch der Entscheidung des OLG Zweibrlicken entnehmen, dass angelehnt an einen achtstufigen Ausbildungsplan ^03^ Opderbecke/Weissauer, MedR 1993, 447 (450); Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 214. 103^ Vgl. dazu Deutsch, NJW 1993, 1506 (1509); Novak Leitlinien in der Medizin, S. 81. 1038 Schweizerische Bundesgericht, BGE 64 II, 207; BGE 113 II, 429 (432); BGE 116 II, 519 (521); Otu Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Arztes, S. 125. 1039 Zum Stufenmodell, BGHZ 88, 248, 254; NJW 1992, 1560 (1561); OLG Koblenz, MedR 1991, 35 (37) und Literatur: Hager, in: Staudinger § 823, Rn. I 33; Jansen, in: Rieger: Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940 Rn. 15 FranzkU MedR 1984, S. 186.; Opderbecke/Weifiauer, Anasthesiologie und Intensivmedizin, S. 4.; speziell auf den damaligen AIP, Rupprecht, Zivilrechdiche Haftung, S. 204.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
fiir Anasthesisten den Kenntnis- und Erfahrungsstand des Anfangers bewertet hat^^"^^. Die Orientierung am Ausbildungsplan ermoglicht eine objektive Einteilung der jeweiligen Sorgfaltsstufe, die ein Arzt in der Ausbildung zu erbringen vermag. Der junge Arzt weiB auch, an welcher Stelle er sich in seiner Ausbildung befindet und kann danach auch beurteilen, ob sein Ausbildungsstand der bevorstehenden Behandlung geniigen kann oder nicht. Infolgedessen ist auch aus Grlinden einer einzelfallbezogenen Beurteilung der Haftungssituation und des vorwerfbaren Verhaltens des Anfangers auf einen eigenen Verkehrskreis abzustellen, der orientiert an den jeweiligen Ausbildungsstufen intern weiter zu differenzieren ist.
ill. Besondere Behandlungsfehler „Die vertragliche Haftung", so die Rechtsprechung, „fur Behandlungsfehler knlipft an die Verletzung von Verhaltenspflichten an, die in gleicher Weise und mit demselben Inhalt auf den Schutz der Gesundheit des Patienten bezogen sind wie die Pflichten, deren Verletzung zur deliktischen Haftung fuhren"^^'*^ Grundlegend lassen sich dabei zwei bzw. drei Arten^^"^^ von Pflichtverletzungen unterscheiden. Wahrend in der Mehrzahl der Haftungsfalle der sogenannte Behandlungsfehler als „erster" Haftungsgrund^^"^^ im Vordergrund steht, kann daneben noch die sogenannte arztliche Eigenmacht treten, die gleichsam einen eigenstandigen Haftungsgrund darstellt. Dieses eigenmachtige (Be-)Handeln^^'^ von Arzten stellt einen Eingriff in die korperliche Integritat ohne „inforniierte Einwilligung" des Patienten dar und geht daher stets mit einer Verletzung der Aufklarungspflicht einher^^"^^. Wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits festgestellt wurde, ist bei einer Anfangeroperation keine besondere Aufklarung angezeigt, sondern es 1040 OLG Zweibriicken, OLGZ 1988, 470. 1041 BGH, NJW 1987, 705 (706). 1042 Z u m Teil wird auch vertreten, dass die Verletzung der Aufklarungspflicht neben der
arztlichen Eigenmacht steht, so dass es sich dabei um zwei eigenstandige Haftungsgrtinde handelt, vgl. Heilmann, NJW 1990, 1513 (1514); Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 266, vertreten hingegen, dass neben Behandlungs- und Aufklarungsfehler der Organisationsfehler eine eigenstandige Haftungsgruppe ist, die nicht unter den Begriff des Behandlungsfehlers subsumiert werden kann. 1043 Spickhoff, NJW 2003, 1701 (1705); ders., NJW 2004, 1710 (1714). 1044 Giesen, Arzthaftungsrecht, R n . 2 0 0 ff.; Heilmann, N J W 1990, 1513; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 272 ff; RGKIL-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 4 3 ff.; Staudinger-Hager,
§ 823, Rn. 176 ff 1045 pfiiiger,
Krankenhaushaftung, S. 8 7 ; zur Aufklarungspflichtverletzung als Haftungs-
grund vgl. zudem Bilttner, in: Festschrift fur Karlmann Geiss, S. 353 ff; Krauskopf/Marburger, Die Haftung des Arztes fiir Behandlungsfehler, S. 105 ff; Kullmann, VersR 1999, 1190 ff; Muller, in: Festschrift fur Karlmann Geiss, S. 461 ff; RumlerDetzel, in: Festschrift fiXr Erwin Deutsch, S. 699 ff; allgemeine Ausftihrungen bei Laufs, in: Laufs/Uhlenhruck, Handbuch des Arztrechts, 11. Kap. § 61.
III. Besondere Behandlungsfehler
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gelten insofern die gleichen Grundsatze, wie bei jedem anderen Arzt auch^^"^^. Insoweit bringt der Haftungsgrund des eigenmachtigen Handelns demnach fiir die Anfangeroperation auch keine Besonderheiten mit sich, so dass dieser in der folgenden Auseinandersetzung auBen vor bleiben kann und das Hauptaugenmerk auf den Behandlungsfehler gerichtet werden soil. Neben dem Begriff des Behandlungsfehlers wurde und wird zum Teil immer noch der Begriff des Kunstfehlers synonym verwendet. Aufgrund der Ungenauigkeiten, die dieser Bezeichnung allerdings inharent sind, ist davon Abstand zu nehmen und ausschlieBlich vom Behandlungsfehler zu sprechen^^'^'^. Sein Anwendungsbereich umfasst alle Bereiche des arztlichen Behandlungsspektrums^^"^^. Von einem Tun hin zum Unterlassen, von der Vornahme einer nicht indizierten MaBnahme bis hin zur unsachgemaBen Diagnose, Therapie oder Nachsorge wird vom Begriff des Behandlungsfehler nicht nur die eigentliche Behandlung, sondern das gesamte Behandlungsumfeld erfasst^^"^^. Der Behandlungsfehler als arztliches Verhalten, das nach dem Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft die erforderliche Sorgfalt unterschreitet, umfasst eine uniiberschaubare Vielzahl verschiedener Fallgestaltungen, deren umfassende Darstellung weder moglich noch fiir die Auseinandersetzung mit der Anfangerhaftung erforderlich ist. Besondere Relevanz fiir die Haftung des Anfangers, der aufsichtsfiihrenden Arzte oder des Krankenhaustragers haben im wesentlichen nur zwei bzw. drei Behandlungsfehlertypen, namlich den sog. Ubernahmefehler des Anfangers und den (Jberwachungs- bzw. allgemein gefasst den Organisationsfehler der iibrigen beteiligten Haftungsschuldner.
1. Ubernahmefehler bzw. -verschulden Beginnend mit der personlichen Haftung des Anfangers lasst sich mit Blick auf die Rechtsprechung^^^^ und die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen^^^^ fest1046 Ygl JaZU § 4 I.
^^"^^ Ausfuhrlich dazu Katzenmeier, Arzthaftung, S. 273 ff.; Laufs, Arztrecht, Rn. 469; a.A. Deutsck NJW 1978, 1657 (1658f.); ders., NJW 1976, 2289 (2292); Weyers/Mirtsching, JuS 1980, 317 (319); noch heute verwendet von Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, S. 627. ^^^ Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 99. ^^^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 122, sprechen in diesem Zusammenhang deshalb auch davon dass es sich bei dem Begriffsteil der Behandlung in diesem Zusammenhang um einen „pars pro toto" handelt; vgl. im Ubrigen auch Francke/Hart, Charta der Patientenrechte, S. 34 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 276; Laufs, Arztrecht, Rn. 469. 1050 Einen umfassenden Uberblick zur Rechtsprechung bieten Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 165 ff.; Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 24, § 155, Rn. 1 ff. ^^^^ Deutsch/Spickhojf, Medizinrecht, Rn. 160; RUmelin, Die Haftung im klinischen Betrieb, S. 12 f.; Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 8., § 43, Rn. 1 ff.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
stellen, dass dem jungen Arzt in der iiberwiegenden Zahl der Falle ein sog. Ubernahmeverschulden vorgeworfen werden kann. Unter dem Ubernahmeverschulden ist die Verletzung einer Pflicht bei der tJbernahme der Behandlung zu verstehen. Es handelt sich also grundsatzlich gerade nicht um ein Fehlverhalten wahrend der eigentlichen Behandlung des Patienten, sondern die Pflichtverletzung fmdet hier in einem vorher liegenden Zeitpunkt statt. Insoweit wird hier auch von einer Vorverlegung des Zeitpunkts der Sorgfaltswidrigkeit gesprochen^^^^; nicht ein Fehler bei der Behandlung selbst fuhrt zur Haftung, sondern bereits ein Fehlverhalten bei der Entscheidung, ob die bevorstehende Behandlung durchgefiihrt werden soil. Der Grund bzw. die Notwendigkeit fiir diese Vorverlegung kann in dem besonderen Verkehrskreis des Anfangers gesehen werden. Geht man davon aus, dass ein Anfanger bei einer Operation einen Fehler begeht, der zwar einem Facharzt nicht unterlaufen ware, der aber fiir einen Anfanger typisch ist, liegt zwar grundsatzlich ein haftungsrelevantes Verhalten vor. Da es sich aber um einen anfangertypischen Fehler handelt, ist der junge Arzt nicht hinter dem Standard eines Anfangers zuriickgeblieben, und hat sich demnach auch personlich nicht haftbar gemacht^^^^. Infolgedessen bedarf es einer anderen Betrachtungsweise seines arztlichen Handelns, die in der genannten Vorverlegung der Sorgfaltswidrigkeit besteht. Es wird nicht der Zeitpunkt der Behandlung selbst betrachtet, sondern bereits der Moment vor der Ubernahme der Behandlung durch den Anfanger, so dass man von einem Ubernahmeverschulden oder auch von „einleitender" Fahrlassigkeit^^^"^ sprechen kann. Das Ubernahmeverschulden wird von jeher unter den Begriff des sog. Behandlungsfehlers subsumiert^^^^, auch wenn es sich genaugenommen um einen Fehler handelt, der schlieBlich meist schon vor der eigentlichen Behandlung stattfindet. Legt man den Behandlungsbegriff allerdings entsprechend weit aus und erfasst somit auch VorlaufmaBnahmen wie den Diagnosebereich, so ist der Klassifizierung als Behandlungsfehler durchaus zuzustimmen^^^^. Es handelt sich dabei nicht um eine besondere Haftungsform, die lediglich bei dem medizinalen Anfanger vorzufmden ist, sondern um ein Fehlverhalten, dass bei alien Arzten, gleich welchen Ausbildungsstandes anzutreffen ist. Auch ein erfahrener Facharzt oder ein Krankenhaus sind gehalten, bei unzureichender Sachkenntnis, ungeniigender sachlicher und raumlicher Ausstattung oder personellen Schwachen den Patienten nicht zu iibernehmen, sondern an einen Kollegen bzw. ein anderes Haus zu iiber-
^^^^ Taupitz, Die Standesordnung der freien Berufe, S. 1233. 1053 So auch Spickhojf, NJW 2002, 2530 (2536). 1054 Deutsch, VersR 1977, 101 ff.; Deutsch/Spickhojf,
Medizinrecht, Rn. 160.
1055 So schon in alterer Rechtsprechung bei BGHZ 72, 132; BGH, VersR 1978,1022; BGH, NJW 1982, 698. 1056 2 u r weiten Auslegung v o n Behandlungs- und Behandlungsfehlerbegriff vgl. v.a. auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, R n . 122; Francke/Hart, Charta der Patientenrechts, S. 34 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 276; Laufs, Arztrecht, Rn. 469.
1057 Statt aller Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 268.
III. Besondere Behandlungsfehler
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Grundlage eines jeden Fehlverhaltens ist der VerstoB gegen eine bestehende Verpflichtung gegeniiber dem Patienten. Die im Bereich des tJbernahmeverschuldens relevante Pflicht wurde bereits im Rahmen der erhohten Anforderungen, die flir eine Anfangeroperation zu erfiillen sind, ausfiihrlich erortert, so dass insoweit, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die vorangegangenen Ausfiihrung Bezug genommen werden soil. Es handelt sich dabei um die Pflicht, vor tJbernahme einer Behandlung zu priifen, ob man den Anforderungen gerecht werden und den erforderlichen Standard erbringen kann^^^^. Konmit ein Arzt bei dieser Priifung zu dem Ergebnis, dass er nicht geeignet ist und operiert er dennoch, liegt ein tJbernahmefehler vor^^^^. Dies allein kann allerdings fur die Annahme eines sog. Ubernahmeverschuldens noch nicht ausreichend sein. SchlieBlich sind auch Falle denkbar, in denen ein Anfanger zum dem Ergebnis kommt, dass er fur die anstehende medizinische MaBnahme geeignet ist, well er deren AusmaB aufgrund mangelnder Erfahrung gar nicht erfassen konnte. Es muss kumulativ zur Pflichtverletzung noch die Missachtung der erforderlichen inneren Sorgfalt hinzukommen^^^^. Hierbei ist zwangslaufig auf die Sorgfalt eines Anfangers abzustellen und der obige Verkehrskreis des Berufsanfangers zugrunde zu legen^^^^ Nur dann, wenn ein typischer Anfanger mit den bei ihm zu erwartenden Kenntnissen und Erfahrungen hatte erkennen konnen, dass er der bevorstehenden Behandlung nicht gewachsen ist, ist ein tjbernahmeverschulden anzunehmen; als Voraussetzung fiir ein schuldhaftes Fehlverhalten ist es demnach zu postulieren, dass dem Handelnden bei der tJbernahme der Behandlung ein tJberschreiten der Grenzen seines eigenen Konnens erkennbar war^^^^. Fiir das Vorliegen eines tjbernahmeverschulden kommt es, so der Bundesgerichtshof, weiterhin darauf an, ob sich der Anfanger darauf verlassen konnte, dass 1058 Ygi § 4^ 11^ s 78ff
1059 So bereits das OLG Hamm, VersR 1983, 883. 1060 pfiuger, Krankenhaushaftung, S. 9 5 stellt dieses Erfordemis hinsichtlich d e m Organisationsverschulden auf; dies ist allerdings aufgrund der vergleichbaren Ausgangslage durchaus auf das Ubemahmeverschulden ubertragbar.
1061 BGH, BGHZ 88, 248 (258); OLG Zweibrucken, VersR 1988, 165 f; OLG Zweibrucken, VersR 1997, 883; OLG Zweibrucken, NJW 1998, 186 (187); OLG Koblenz, NJW 1991, 2967, OLG Karlsruhe, VersR 1991, 1177; OLG Dusseldorf, NJW 1986, 790 (791); OLG Dusseldorf, NJW-RR 1996, 279 (289); OLG Oldenburg, VersR 1986, 659 (660); Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 80; Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kap. 1, Rn. 77; Gounalakis, NJW 1991, 2945; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1516); Henkel, VersR 1953, 303 (304); Kotz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 115; Opderbecke, MedR 1992, 205; RGRK-O^gg, § 276, Anm. 4d), 10. Auflage; Rieger, in: Rieger, Handbuch des Arztrechts, Kz. 350, Rn. 32; siehe auch die Ausftihrungen zu § 5 XL 3. 1062 Exemplarisch O L G Zweibrucken, N J W E - V H R 1998, 186 (187); so u.a. Deutsch, Unerlaubte Handlungen, R n . 127; Giesen, Arzthaftungsrecht, R n . 8 5 ; Gounalakis, N J W 1991, 2945; MviK.6BGB-Mertens, 3. Aufl., § 8 2 3 , R n . 4 0 1 ; MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 677; Schramm, Schutzbereich der Norm, S. 96; Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 34 m.w.N.
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die vorgesehene Behandlung ihn nicht iiberforderte und die fur seinen Einsatz verantwortlichen Entscheidungstrager fur mogliche, auBerhalb seines Konnens liegende Komplikationen entsprechende Vorkehrungen getroffen haben^^^^. Zu einem tJbernahmeverschulden kommt es demnach nicht, wenn die Handlungsverantwortlichkeit fur die Behandlung nicht mehr bei dem jungen Arzt gelegen hat, sondern auf diese Weise auf dessen ausbildenden Arzt tibergegangen ist. Dabei handelt es sich beispielsweise um Fallgestaltungen, in denen ein Oberarzt ausdriicklich von dem Anfanger herangezogen^^^"^ oder um Rat gefragt wird, weil ein weiteres Vorgehen aus seiner Sicht nicht mehr sicher erscheint^^^^. Ahnlich verhalt es sich auch, wenn bereits im Vorfeld das genaue Vorgehen mit dem Ausbilder abgesprochen war und es, obwohl sich der junge Arzt daran auch gehalten hat, zu einer Schadigung des Patienten gekommen ist^^^^. Zum Teil wird auch angenommen, dass ein Verschulden des jungen Arztes dann ausscheiden kann, wenn er sein Vorgehen mit dem Hintergrunddienst versehenden Oberarztes abgeklart hat^^^^. In diesen Fallen hat der Anfanger den an ihn gerichteten Sorgfaltspflichten geniigt und es liegt kein tJbernahmeverschulden vor, das zu einer personlichen Haftung fuhren wiirde. Der Bundesgerichtshof selbst relativiert diese Ausnahmen jedoch dahingehend, dass es dem Anfanger dennoch als tJbernahmeverschulden anzulasten sei, wenn er erkennt oder erkennen hatte miissen, dass es bei der von ihm durchzuflihrenden Operation zu einer erhohten Gefahrdung kommt und der Anfanger dennoch gegen sein arztliches Wissen und gegen seine bessere tJberzeugung die Anweisungen des ausbildenden Arztes befolgt^^^^ Der Anfanger muss also selbstkritisch seine Fahigkeiten und Erfahrungen dem Schwierigkeitsgrad einer Behandlung vor und auch wahrend ihrer Durchfiihrung gegeniiberstellen und schon bei geringsten Zweifeln an seiner Qualifikation die Behandlung verweigern, abbrechen oder einen erfahrenen KoUegen zu Rate Ziehen. Hatte er nach den bei ihm vorauszusetzenden Fahigkeiten und Kenntnissen erkennen konnen, dass er nicht ausreichend ausgebildet ist und behandelt er dennoch alleine weiter, ist ihm ein tJbernahmeverschulden vorwerfbar.
2. Organisationsfehler bzw. -verschulden Den zweiten im Bereich der Anfangerhaftung relevanten Behandlungsfehler stellt das sog. Organisationsverschulden^^^^ dar, das dabei sowohl als tJberbegriff fiir 1063 BGHZ 88, 248 (258); BOH, NJW 1994, 3008. 1064 vgl. zur „Heranziehungspflicht" OLG Dusseldorf, NJW 1986, 780 (781); OLG Munchen, YersR 1993, 1400 (1401); OLG Zweibrucken, VersR 1997, 833. 1065 BGH, NJW 1989, 2289 (2300); auch bereits angedeutet in BGH, NJW 1984, 655 (657). 1066 BGH, BGHZ 88, 248 (260); OLG Koln, VersR 1993, 1157; OLG Dusseldorf, VersR 1991, 694; OLG Hamm, VersR 1998, 104; OLG Munchen, VersR 1993, 1400 (1401). 1067 Ygi OLG Zweibrucken, NJWE-VHR 1998,186 ff 1068 BQH^ NJW 1984, 655 (657); BGH, NJW 1988, 2298 (2299 f.). 1069 Dazu umfassend Deutsch/Spickhoff,
Medizinrecht, Rn. 300 ff
III. Besondere Behandlungsfehler
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mehrere Fehler im Zusammenhang mit der Organisation einer Anfangerbehandlung als auch als Organisationsverschulden im engeren Sinne verstanden werden kann^^'^^. Synonym wird dabei zum Teil statt von einem Organisationsverschulden auch von einem Organisationsfehler gesprochen. Der Unterschied besteht - wie auch bereits beim Ubernahmeverschulden- lediglich darin, dass das Organisationsverschulden neben der objektiven Verletzung der Verkehrspflicht auch die Missachtung der erforderlichen inneren Sorgfalt, also die gesamte zurechenbare haftungsausfiillende Handlung umfasst^^^^ MaBstab fiir diese innere Sorgfalt ist dabei jeweils die Sorgfalt, die an den zur Organisation verpflichteten Haftungstrager gerichtet ist, also das Krankenhaus oder einen Arzt in leitender Position. Unterscheiden lassen sich hierbei im Wesentlichen der tjbertragungs- und der tJberwachungsfehler^^^^ sowie die Organisationsfehler im engeren Sinn. a) Uberwachungsfehler Wie auch schon beim tJbernahmeverschulden ist das tJberwachungsverschulden, respektive der Uberwachungsfehler auf die Verletzung einer Pflicht zuriickfiihrbar. Im Rahmen der bisherigen Ausfiihrungen v^urde bereits ausfuhrlich zu der Frage Stellung genommen, wie eine tJberwachung durch den ausbildenden Arztes auszusehen hat und welche Pflichten mit ihr verbunden sind, so dass, um Wiederholungen zu vermeiden, im wesentlichen darauf verwiesen werden solP^'^^. Stellt ein Oberarzt bei der Gegenliberstellung des Schwierigkeitsgrades der bevorstehenden Behandlung mit dem Konnen und der Erfahrung des Berufsanfangers fest, dass der junge Arzt noch nicht geeignet ist, im Rahmen einer eigenstandigen Behandlung den Facharztstandard zu gewahrleisten, dann bleibt ihm im ersten Augenblick als ultima ratio nur iibrig, dem Anfanger die Behandlung nicht zu iibertragen. Anderenfalls wiirde er sich letztlich wegen eines - noch naher zu erorternden - tJbertragungsverschuldens haftbar machen. Neben der Nichtiibertragung steht dem ausbildenden Arzt allerdings eine weitere Moglichkeit offen, die praktische Ausbildung des jungen Arztes fortzufiihren und dennoch den Facharztstandard fiir den Patienten zu sichern: Wenn der Berufsanfanger schon nicht selbst und eigenstandig in der Lage ist, den Standard zu erfullen, so kann dies in einem gewissen Rahmen durch eine entsprechende Uberwachung durch einen erfahrenen Kollegen ermoglicht werden. Diese tJberwachung muss jedoch dann einer strengen Reglementierung unterliegen, welche in der obengenannten Aufsichtspflicht besteht. Die Pflicht zur Aufsicht obliegt zunachst stets den vorgesetzten und zur Ausbildung des jungen Arztes berufenen Arzten, so dass es auch sie sind, die sich eines Uberwachungsverschuldens haftbar machen, wenn es zu einer Schadigung 1070 Ygi in diesem Zusammenhang z.B. BGH, NJW 1993, 2989 (2291), der den Ubertragungsfehler als Behandlungsfehler im weiteren Sinne und als Organisationsfehler bezeichnet; mit vergleichbarer Terminologie BGH, NJW 1996, 2429 ff. ^^'^^ Speziell fiir das Begriffspaar Organisationsfehler und Organisationsverschulden, PflUger, Krankenhaushaftung, S. 95. 1072 OLG Oldenburg, NJWE-VHR 1998, 140 (141). 1073 Ygi (j^2u die Ausfuhrungen in § 4IV. 1.
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
des Patienten durch einen nicht ausreichend iiberwachten Anfanger kommt. Der Bundesgerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang dahingehend geauBert, dass der Verlauf einer Operation so organisiert zu sein hat, dass jederzeit ein erfahrener Arzt zu Rate gezogen werden kann^^'^'^. Auch nach der Operation ist noch ein dem Schwierigkeitsgrad entsprechendes Ma6 an Kontrolle erforderhch^^'^^. Die tJberwachungspflicht kann sogar soweit gehen, dass ein Oberarzt im Hintergrunddienst bei einer fehlgeschlagenen Geburt fiir das fehlerhafte Handeln des jungen Arztes verantwortlich ist^^'^^. AUerdings bedarf diese strikte Forderung einer Korrektur, denn wann ein solches Uberwachungsverschulden vorHegt, kann nicht pauschal festgelegt werden, sondern bestimmt sich in Abhangigkeit zum Umfang der eigentlichen Uberwachungspflicht^^^'^. Dabei lasst sich als allgemeiner Grundsatz festhalten, dass mit dem Schwierigkeitsgrad der jeweihgen Behandlung und der fehlenden Erfahrung des Anfangers^^"^^ die Anforderungen an die Aufsicht und damit auch an den ausbildenden Arzt stufenweise steigen^^^^ und infolgedessen auch die Schwelle zur Aufsichtspflichtverletzung entsprechend sinkt. So kann bei einer komplexen Operation die Aufsicht des jeweils verantwortHchen Arztes mit der Uberpriifung des Wissens- und Erfahrungsstandes des Anfanger beginnen, die Einfiihrung und Eroffnung des Operationsfeldes umfassen und auch wahrend des Eingriffs erfolgende Kontrollen erforderlich machen^^^^. Wird diese Pflicht schuldhaft und zurechenbar verletzt, muss der aufsichtsfiihrende Arzt ein Uberwachungsverschulden gegen sich gelten lassen. Neben dem ausbildenden Arzt kann sich allerdings auch das Krankenhaus eines tjberwachungsverschuldens haftbar machen. Auch dem Trager eines Krankenhauses obliegt es als Teil der Organisationspflicht, seine Arzte und insbesondere die noch jungen und unerfahrenen zu iiberwachen. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem MaBe nach, liegt ein Organisationsverschulden in der Form eines Aufsichtsverschuldens vor^^^^
1074 1075 1076 1077 1078
BGH, NJW 1993, 2298 (2999); BGH, NJW 1998, 2736 (2737). Exemplarisch OLG Oldenburg, VersR 1995, 1237 (1238). OLG Zweibrucken, NJWE-VHR 1998, 186 ff. Dies ubersehend Berg-Winters, Der Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht, S. 181 f. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 76; Geifi/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Kap. B, Rn. 4; Grqfi, Arzthcher Standard, S. 10; Walter, Spezialisierung und Sorgfaltsstandard, S. 210; Bodenhurg, VersR 1979, 308 ff. 1079 Zum Stufenmodell, BGHZ 88, 248, 254; NJW 1992, 1560 (1561); OLG Koblenz, MedR 1991, 35 (37) und Literatur: Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33; Jansen, in: Rieger: Lexikon des Arztrechts, Kz. 3940 Rn. 15 Franzki, MedR 1984, S. 186.; Opderhecke/Weifiauer, Anasthesiologie und Intensivmedizin, S. 4.; speziell auf den damaligen AIP, Rupprecht, Zivilrechthche Haftung, S. 204. 1080 S o O L G Oldenburg, N J W - R R 1998, 18.
1081 BGH, NJW 1988, 2298; OLG Stuttgart, VersR 1990, 858; OLG Oldenburg, NJW-RR 1998,18.
Ill. B esondere B ehandlungsfehler
199
b) Ubertragungsfehler „Die Ubertragung einer selbstandigen Operation auf einen daflir noch nicht ausreichend qualifizierten Assistenzarzt ist ein B ehandlungsf ehler", stellt der Bundesgerichtshof im ersten Leitsatz zur Anfangerentscheidung fest^^^^. Die Ubertragung einer Behandlung auf einen unqualifizierten Berufsanfanger, der also noch nicht iiber die erforderliche Erfahrung und die erforderlichen Kenntnisse verfligt, um diese Behandlung eigenverantwortlich durchfiihren zu konnen, stellt also allgemeingesprochen einen Behandlungsfehler dar, der als Organisationsfehler oder unter Beriicksichtigung der jeweiligen Sorgfaltspflicht als Organisationsverschul(^gj^io83 bezeichnet wird^^^"^. Zutreffend wird die fehlerhafte Ubertragung einer selbstandigen Behandlung auf einen noch nicht ausreichend qualifizierten Arzt auch als Ubertragungsverschulden bezeichnet^^^^. Der tJbertragungsfehler resultiert gleichsam wie die vorangegangenen Behandlungsfehler aus der Verletzung einer Pflicht, die Chef- und Oberarzten wie auch dem Trager eines Krankenhauses obliegt. Es ist die Verpflichtung gegeniiber dem Patienten, vor jeder Behandlung zu iiberpriifen, ob diese einem Anfanger unter Beriicksichtigung seines Kenntnis- und Erfahrungsstandes und dem Schwierigkeitsgrad des medizinischen Eingriffs unter Gewahrleistung des Facharztstandards iibertragen werden kann^^^^. Kommt der einteilende Arzt zu dem Ergebnis, dass der Facharztstandard nur gewahrleistet werden kann, wenn der junge Arzt die Behandlung nur unter Aufsicht vornimmt und ubertragt er sie ihm unter dieser Pramisse, so kann er sich auch dann eines Ubertragungsverschuldens haftbar machen. Denn war der medizinische Eingriff so anspruchsvoll, dass eine Kompensation der fehlenden Erfahrung des Anfangers trotz Aufsicht nicht moglich ist, so hatte eine Ubertragung auf den jungen Arzt nicht erfolgen diirfen. Wird eine Operation auf einen Berufsanfanger iibertragen, ohne sicherzustellen, dass der Operierende iiber die theoretischen Kenntnisse verfiigt und gegebenenfalls entsprechend iiberwacht wird, so stellt dies einen Behandlungsfehler dar^^^'^. Das vorwerfbare Verhalten bei einem Ubertragungsverschulden ist demnach nicht ein falsches oder unsorgfaltiges Vorgehen bei der Behandlung selbst, sondern die unzulassige Ubertragung der 1082 BGH, NJW 1984, 655. 1083 fjjgj. zeigen sich abermals die Parallelen von Pflichtverletzung und der Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen der Fahrlassigkeit, die insbesondere bei der Arzthaftung meist entsprechend sind. 1084 Aus der Rechtsprechung vgl. B G H Z 88, 2 4 8 (252 ff.); N J W 1985, 2 1 9 3 ; N J W 1988, 2298; N J W 1992, 1560; N J W 1993, 2989; Deutsch, N J W 1984, 650; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, R n . 7 7 ; Giesen, J Z 1984, 3 1 1 ; ders., Arzthaftungsrecht, R n . 447; Muller-Graffi JuS 1985, 352; Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33.
1085 So u.a. Fehn, MID 2002, 1 (2 f.). 1086 Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 249 unter Hinweis auf B G H , N J W 1985, 2 1 9 3 ; B G H , N J W 1992, 1560; B G H , N J W 1993, 2989; O L G Dusseldorf, VersR 1985, 1049; O L G Dusseldorf, VersR 1994, 352. 1087 Insoweit einhellige Rechtsprechung: B G H 8 8 , 2 4 8 (254); B G H , N J W 1993, 2989
(2991); BGH, NJW 1992, 1560 (1561).
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E Haftung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation
Behandlung auf einen unzureichend qualifizierten Arzt. Diesen Vorwurf muss sich der Trager einer medizinischen Einrichtung genauso machen lassen wie ein Chefoder Oberarzt, der fiir die Einteilung der Arzte verantwortlich ist.
c) Organisationsfehler im engeren Sinn Der Organisationsfehler bzw. das Organisationsverschulden im engeren Sinn soil hier nur der Vollstandigkeit halber erwahnt und kurz angesprochen werden. Er stellt insoweit eine Art Auffangtatbestand fiir all die Fehler dar, die bei der Organisation eines Anfangereinsatzes auftreten konnen, aber keine Uberwachungsbzw. Ubertragungsfehler im oben genannten Sinne darstellen. Quaas/Zuck sprechen in diesem Zusammenhang von einem „catch-aH", das alles umfasst und so dem Krankenhaustrager auch zum Verhangnis werden kann^^^^. Den Trager einer Klinik sowie den Chefarzt treffen eine Vielzahl verschiedener Pflichten, die im Zusammenhang mit der Organisation einer Behandlung zu beachten sind; im Vordergrund steht dabei, den Betriebsablauf und die personellen MaBnahmen so zu organisieren und den Ablauf dementsprechend zu kontrollieren, dass die Patienten nicht geschadigt werden^^^^. Dabei resultieren aus der Beteiligung eines noch unerfahrenen Arztes zusatzliche besondere Anforderungen, die allesamt zur Minimierung des Patientenrisikos und zur Gewahrleistung des Facharztstandards erforderlich sind. Neben der Auswahl und tJberwachung des Anfangers ist der Behandlungsablauf so zu organisieren, dass stets ein erfahrener Arzt gerufen werden kann. Die Handlung des Anfangers und der Ausbilder miissen klar strukturiert und vorgegeben sein und eine Orientierung an der Verhaltensrichtlinie moglich ggjjjio9o Besonders fiir den Anfanger miissen diese Vorgaben iiber allgemeine Hinweise hinausgehen und eine personliche Anleitung umfassen, deren unzureichende Ausfiihrung gleichsam einen Organisationsfehler darstellt^^^^. Hinzukommen muss eine entsprechende NachkontroUe^^^^ und auch die standige Weiterbil-
^^^^ Quaas/Zuck Medizinrecht, S. 284. 1089 B G H , VersR 1985, 1043; umfassend dazu Brandes,
D i e Haftung fiir Organisations-
pflichtverletzung, S. 119 ff; konkret fur die Organisationspflichten des Krankenhaustragers vgl. Pfluger, Krankenhaushaftung, S. 125 ff 1090 S o B G H , N J W 1988, 2298; B G H N J W 1992, 1560; B G H , N J W 1993, 2989; B G H , N J W 1994, 3008; speziell zu Aufklarungsrichtlinien Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 17 , § 102, Rn. 18; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, R n . 2 5 3 m.w.N.
1091 Vgl. dazu BGH, NJW 1988, 2298 (2300); in dieser Entscheidung weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Trager einer Universitatsklinik im Falle der unzureichenden Anleitung einer Assistenzarztin in der Hochdruckambulanz einen Organisationsfehler begeht. 1092 B G H , N J W 1987, 1479, fur den Chefarzt einer chimrgischen Abteilung, der die eingeleitete Therapie seines Assistenzarztes zu uberpnifen hat; Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, R n 27; Busken/Kluglich, VersR 1994, 1141 (1144); Busken, Haftungssystem, Freistellung u n d Regress, S. 99 f; Franzki, M e d R 1994, 171 (177); Matusche-
III. Besondere Behandlungsfehler
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dung des Anfangers. Diese Aufgaben entspringen alle der Organisationspflicht und konnen als solche auch verletzt werden. Werden dabei zugleich die inneren Sorgfaltspflichten auBer Acht gelassen, fiihrt dies gleichsam zu einem Organisationsverschulden, fiir das sich der Chefarzt oder auch ein Praxisinhaber gegeniiber dem Patienten verantworten muss.
Beckmann, Das Organisationsverschulden, S. 155; allgemein auch Palandt-Thomas, § 831, Rn. 14 ff.; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S: 115 ff.
F Beweislast
I. Allgemeine Beweisgrundsatze in der Arzthaftung Grundlage einer jeden zivilrechtlichen Beweislastverteilung ist zunachst der Grundsatz der subjektiven Glinstigkeit der Norm, wonach der ein geschadigter Klager stets die Voraussetzung zu beweisen hat, aus denen sich in Verbindung mit der entsprechenden Haftungsgrundlage bzw. Rechtsnorm die fiir ihn giinstige Rechtsfolge ergibt^^^^. Bei der Arzthaftung schuldet der Arzt und auch der Trager einer medizinischen Einrichtung nicht den Erfolg einer Behandlung sondern lediglich eine sachgerechte, dem facharztlichen Standard entsprechende Behandlung; die Leistung des Arztes ist insoweit als verhaltens- und nicht als erfolgsbezogen zu qualifizieren^o^'^. Daraus ergeben sich auch im Rahmen der Beweislastverteilung gewisse Folgen, die zunachst zu Lasten der Patienten gehen. Will er wegen einer fehlgeschlagenen Behandlung mogliche Ersatzanspriiche geltend machen, liegt es dann an ihm, die anspruchsbegriindenden Tatsachen, namlich die schuldhafte und rechtswidrige Nichteinhaltung des facharztlichen Standards zu beweisen. Insofern trifft den Patienten mit Blick auf die Rosenbergsche Normtheorie die voile Darlegungs- und Beweislast^^^^, so dass er im Rahmen der Arzthaftung sowohl den haftungsbegriindenden Fehler als auch dessen Ursachlichkeit fiir den Schaden zu beweisen hat^^^. In diesem Zusammenhang wiirde sich der Patient allerdings einer kaum zu iiberwindenden Beweisproblematik gegeniiber sehen^^^^. Zum einen fehlt es ihm 1093 BOH, NJW 1991, 1052; vgl. auch Zoller, ZPO, vor § 284, Rn. 17a f. unter Bezugnahme Siuf Rosenberg. 10^4 Baumgdrtel Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C II, Rn. 2; Stoll, AcP 176, 145 (156). 1095 Exemplarisch: BGH, NJW 1991,1560; BGH, NJW 994, 1594; BOH, NJW 1995, 1618; BGH, NJW 1998, 1780; BGH, NJW 1999, 860; BGH, NJW 1999, 862; vgl. auch Grofi, in: Festschrift fiir Karlmann Geiss, S. 429 ff.; StejfeUy Arzthaftungsrecht, Rn. 492 m.w.N.; speziell im Bereich der Anfangerhaftung kurz angesprochen bei BGH, VersR 1993, 1231. 1096 standige Rechtsprechung: BGHZ 99, 391 (398); BGH, VersR 1989, 80; OLG Dusseldorf, VersR 1991, 1138 (1139). 1097 Laufs, Arzthaftungsrecht, Rn. 586 spricht von der „Beweisnot des Patienten"; eine umfassende Auseinandersetzung mit der Beweislastverteilung bei der Arzthaftung bietet die Dissertation von Fastenrath, Arzthaftpflichtprozess und Beweislast, Munchen 1989.
204
FBeweislast
bereits an der entsprechenden Fachkenntnis, um das Vorgehen des Arztes richtig beurteilen zu konnen. Zum anderen kommt hinzu, dass der Patient in einer Vielzahl der Behandlungen narkotisiert ist oder zumindest durch seine Erkrankung in der Wahrnehmung beeintrachtigt ist und so gar nicht feststellen kann, wie seine Behandlung verlauft. tJberdies ist auch bei voUstandiger Dokumentation der Untersuchung, der Befunde sowie der Behandlung selbst eine Beweisfiihrung fur den Patienten nur schwer moglich, da er regelmaBig nicht in der Lage sein wird, die Richtigkeit einer Dokumentation iiberpriifen zu konnen. Er ist darauf angewiesen, was die behandelnden Arzte dokumentiert haben und muss letztlich darauf vertrauen, dass dies korrekt erfolgt ist. Um den Patienten entgegen der vorgenannten Nachteile in eine bessere Position zu versetzten und auch im Bereich des Arzthaftungsprozesses der Waffengleichheit^^^^ naher zu kommen, wird die Beweisfiihrung ftir ihn durch verschiedene Fallgruppen der Beweiserleichterung verbessert. Diese bestehen vornehmlich darin, das Risiko der Beweislosigkeit auf den Arzt bzw. den Trager der medizinischen Einrichtung zu verlagern. Der Standardfall der Beweiserleichterung im Bereich der Arzthaftung ist der Fall des sog. groben Behandlungsfehlers. Grob ist ein Behandlungsfehler nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes immer dann, wenn der behandelnde Arzt eindeutig gegen bewahrte arztliche Behandlungsregeln oder gesicherte Erkenntnisse verstoBen und demnach einen Fehler begangen hat, der einem Arzt einfach nicht unterlaufen darf^^^. Grund fiir eine Beweiserleichterung in diesen Fallen ist nach Ansicht des erkennenden Senats die Tatsache, „dass das von dem Behandlungsfehler in das Behandlungsgeschehen hineingetragene Aufklarungserschwernis, um dessen Verteilung nach Billigkeit es geht, darin liegt, dass das Spektrum der fiir den Misserfolg in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der besonderen Schadensneigung des Fehlers verbreitert bzw. verschoben worden jg^^iioo insoweit hebt die Entscheidung also darauf ab, dass durch die besondere Gefahrgeneigtheit bestimmter Fehler sich aus Billigkeitsgriinden die Beweispflicht zu Lasten der behandelnden Seite verschiebt. Zwischenzeitig hat sich die Fallgruppe des groben Behandlungsfehlers zu einer tatbestandsmaBig umschriebe-
1098 Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, v.a. S. 25 ff; vgl. in diesem Zusammenhang auch Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 CII, Rn. 3. ^099 Standige Rechtsprechung, vgl. u.a. BOH, NJW 1956, 1835; BOH, VersR 1983, 729; BOH, VersR 1996, 1148; BOH, VersR 1998, 242 und 457; zur VerfassungsgemaBheit der Beweiserleichterung, BVerfG 1979, 1925 ff.; auch grebe Organisationsfehler konnen eine Beweislastumkehr auslosen; vgl. Franzki, D., Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, S. 57 ff; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 543; Mards/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 370; jeweils m. w. N. 1100 BGHZ 85, 212 (216); auch in diesem Sinne BGH, NJW 1983, 2080; BGH, VersR 1997, 794; BGH, VersR 1995, 46; BGH, NJW 1997, 796; zust. MiXKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 415; Laufs, NJW 1984, 1387.
L Allgemeine Beweisgrundsatze in der Arzthaftung
205
nen „Beweislastsonderregel" entwickelt, die im Bereich der Kausalitat von der Beweiserleichterung bis bin zur Beweislastumkebr reichen kann^^^^. Eine weitere Beweiserleicbterung, die allerdings nicbt bis zur Beweislastumkebr fiibren kann, ist der sog. Anscbeins- bzw. prima-facie-Beweis^^^^. Danacb ist ein Bebandlungsfebler immer dann anzunebmen - und es bedarf aucb keines zusatzHcben Beweises mebr - wenn nacb der Lebenserfabrung die Scbadigung typiscber Weise auf einen Bebandlungsfebler bindeutet bzw. sicb aufgrund eines mediziniscben Erfabrungssatzes die Vorstellung von einem bestimmten Gescbebensablauf aufdrangt^^^l Allerdings ist beim Anscbeinsbeweis obne weiteres moglicb, jederzeit von Seiten des Scbadigers entkraftet bzw. erscbiittert werden zu konnen, indem der Arzt das Vorliegen einer atypiscbe Situation glaubbaft macbt. Diese Darlegung muss zwar einerseits sebr konkret erfolgen und darf sicb nicbt in allgemeinen Ausfiibrungen verlieren, andererseits ist allerdings ein solcbes Erscbiittern relativ baufig anzunebmen^^^'^. Zudem ist der Anwendungsbereicb sebr bescbrankt, da es gerade bei der Arztbaftung meist an einer erforderlicben Typizitat patbologiscber Falle feblt, um zu einer „typiscben", fur den Anscbeinsbeweis erforderlicben Scbadigung zu gelangen^^^^. Lediglicb in Bereicben der Infektion^^^^, Anastbesie^^^'^ und der Sterilisation^^^^ kommt es vermebrt zu typiscben Feblerkonstellationen, die eine Anwendung des Anscbeinsbeweises denkbar ist^^^^.
^^^^ Zum Begriff der Beweislastsonderregel Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 CII, Rn. 3; vgl. auch BGH, NJW 1981, 2513. ^^^^ Dazu ausfuhrlich Lepa, in: Festschrift fur Deutsch, S. 635 ff ^^^^ Zum Anscbeinsbeweis in der Arzthaftung Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C II, Rn. 5; Deutsch, NJW 1986, 758 (759); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 384; Franzki D., Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, S. 46 ff; Jaeger, VersR 1989, 994 und VersR 1990, 717; Kramer, in: Ratajczak/Bergmann, „WaffenGleichheit", das Recht der Arzthaftung, S. 31; Laufs, Arztrecht, Rn. 595 ff; RGRKNufigens, § 823 II, Rn. 290 ff; Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 281; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 495 ff; Uhlenbruck, NJW 1965, 1057 ff iio"^ Giesen, Arzthaftungsrecht, S. 219, v.a. Fn. 172. ^^^^ Franzki D., Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, S. 55; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 29 f; Nufigens, in: Festschrift fur Fitz Haufi, S. 287 (298, 301); Uhlenbruck, NJW 1965, 1057 (1058); v. Wallenberg, Der zivilrechtliche Arzthaftungsprozess, S. 6 f. 1106 BGH, VersR 1991, 816; zu dieser Entscheidung auch Spickhoff, JZ 1991, 756; OLG Oldenburg, VersR 1991, 1378; OLG Celle, VersR 1998, 1023; OLG Stuttgart, VersR 2002, 577; OLG Koln, NJW 1985, 1402; OLG Dusseldorf, VersR 1991, 1136; vgl. auch Deutsch, NTW 1986, 757 ff; vor allem im Bereich der Infektion mit HIV durch eine Bluttransfusion werden oft die Grundsatze des Anscbeinsbeweises angedacht, aber meist verworfen, vgl. OLG Dusseldorf, VersR 1996, 103; LG Numberg-Furth, VersR 1998,461. 1107 OLG Dusseldorf, VersR 1987, 487; angesprochen von BGH, VersR 1993, 1231; weitere Hinweise bei Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 497 fur Falle, in denen der Anscbeinsbeweis gepruft aber letztlich abgelehnt wurde.
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F Beweislast
Daneben gilt es als weitere Griinde fiir eine Beweiserleichterung die Fallgruppen der Beweisvereitelung bzw. des Einwirkens auf BeweismitteP^^^ sowie die mangelnde bzw. fehlende Befundsicherung^^^^ zu nennen. Beide Formen der zu Gunsten des Patienten verbesserten Beweisfuhrung weisen fiir den Bereich der Anfangeroperation allerdings keine nennenswerten Besonderheiten auf, so dass insoweit ein Verweis auf die einschlagige Rechtsprechung und Literatur geniigen soli. Der Vollstandigkeit halber seien an dieser Stelle noch zwei weitere Konstellationen fiir eine Beweiserleichterung zugunsten des Patienten genannt, die im Bereich der Arzthaftung zur Anwendung kommen. Es handelt sich dabei um die fehlerhafte und oder ungeniigende Dokumentation und die Anfangereigenschaft bzw. allgemeiner formuliert, die unzureichende Qualifikation des behandelnden Arztes; da jedoch beide Arten im Bereich der Anfangeroperation im Gegensatz zu den vorgenannten Beweiserleichterungen von besonderer Bedeutung sind, soil sich ihnen in einem eigenen Kapitel ausfiihrlich gewidmet werden und es hier bei der schHchten Erwahnung bleiben.
II. Besondere Beweiserleichterungen bei der Anfangeroperation Fiir den Bereich des Anfangerhandelns hat sich, nicht zuletzt als Ausgleich der fehlenden Aufklarungsverpflichtung und der fachlichen Unterlegenheit des Patienten zu dessen Schutz eine Beweiserleichterung herauskristallisiert, die sich vor allem im Hinblick auf den Grundsatz der vielgeriihmten Waffengleichheit^^^^ in den Vordergrund drangt. Kommt es im Zusammenhang mit einem Anfangereingriff zu einer Schadigung des Patienten, so tritt eine Beweiserleichterung bzw. Beweislastumkehr zugunsten des Patienten ein. Dabei sind im Bereich der Anfangerhaf1108 Den Anscheinsbeweis vemeint: OLG Dusseldorf, VersR 2001, 1117; VersR 1992, 318; OLG Saarbnicken, VersR 1988, 831. 1109 Vorliegende Unterteilung findet sich bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 385 ffi; Kerschbaum, Die Waffengleichheit i m Arzthaftungsprozess, S. 32 ff. unterteilt dagegen in Injektions-, Ansteckungs- und Fremdkorperfalle u n d sieht in diesen Fallen die Typizitat gegeben.
1110 BGH, NJW 1983, 333; in diesem Fall hatte eine Arztin in das BehandlungsprotokoU Untersuchungen diktiert, die gar nicht stattgefiinden hatten; OLG Dusseldorf, VersR 2004, 792; Kramer in: Ratajczak/Bergmann, „Waffen-Gleichheit", das Recht der Arzthaftung, S. 31 (38); RGRK-NUfigens, § 823 II, Rn. 332; v. Wallenberg, Der zivilrechtliche Arzthaftungsprozess, S. 13 ff. 1111 BGHZ 99, 391; BGH, VersR 1999, 60; BGH, VersR 1999, 231; BGH, VersR 1999, 1282; Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C II, Rn. 63; Schulze-Zeu, VersR 2002, 565 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 392. 1112 Vgl. RGSt 25, 375; BGH VersR 1972, S. 153 f; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, im besonderen zur Beweislastverteilung ab S. 25 ff
II. Besondere Beweiserleichterungen bei der Anfangeroperation
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tung zwei verschiedene, besondere Arten der Beweislastumkehr zu unterscheiden, die sich zum einen auf die Eigenschaft des Arztes als Anfanger und zum anderen auf die erhohte Dokumentationspflicht fiir den Anfanger zuriickfuhren lassen.
1. Fehlerhafte Dokumentation Eine Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr ergibt sich im Bereich einer Anfangeroperation verstarkt immer dann, wenn aufgrund einer unzureichenden Dokumentation der Behandlungsablauf nicht mehr rekonstruierbar ist^^^^. Dokumentationsversaumnisse begriinden im Gegensatz zu anderen Pflichtverletzungen keine Haftung^^^"^; nur wenn es infolge einer unzureichenden Dokumentation zu Fehlbehandlungen kommt, kann eine Haftung fiir Behandlungsfehler in Frage kommen^^^^. Sie fiihren vielmeiir zu einer Beweiserleichterung, die in der Vermutung besteht, dass eine nicht dokumentierte MaBnahme vom Arzt, respektive dem Anfanger, nicht getroffen wurde^^^^ oder ein dokumentationspflichtiger Umstand sich so ereignet hat, wie ihn der Patient schildert^^^^. Ihm kann aufgrund der Aufklarungserschwernisse, die aus der mangelhaften Dokumentation resultieren, eine voile Beweislast nicht mehr zugemutet werden, so dass es einer entsprechenden Beweiserleichterung bedarP^^^. Nach standiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes greift diese Beweiserleichterung nicht nur bei Dokumentationsversaumnissen des Anfangers, sondern auch bei alien anderen an einer Behandlung beteiligten Fachkraften, denen eine Dokumentationspflicht anheim liegt^^^^. Die Beweissituation des Patienten verschlechtert sich allerdings im Fall der Anfangeroperation zusatzlich noch infolge der mangelnden Qualifikation des jungen Arztes, zum einen well dieser, im Gegensatz zu einem erfahrenen Facharzt, die aufgetretene Komplikation gar nicht bemerkt und sie deshalb auch nicht dokumentieren kann^^^^. Zum anderen ist es auch bei einem Anfanger eher unwahrscheinlich, dass
1113 BGHZ 85, 212; BGH, VersR 1985, 2193, BGH, VersR 1989, 512; dazu auch Bender, VersR 1997, 918 ff. iii"^ Dazu Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 464 mit Hinweisen zu Rechtsprechung. 111^ Quaas/Zuck Medizinrecht, S. 282. 1116 Allgemein B G H , VersR 1983, 9 8 3 . 1117 Jorzig, M D R 2 0 0 1 , 481 (482); Muller, M e d R 2 0 0 1 , 487 (491); v. Wallenberg, Der zivilrechtliche Arzthaftungsprozess, S. 24; aus der Rechtsprechung sei exemplarisch verwiesen auf B G H , N J W 1982, 1193; BGH, VersR 1983, 9 8 3 ; B G H , VersR 1987, 1089 und 1238; O L G Dusseldorf, VersR 1985, 169; O L G Zweibriicken, VersR 1997, 1103; O L G Koln, VersR 1998, 244; O L G Munchen, VersR 1997, 977. 111^ Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C I I , Rn. 57 m.w.N.
1119 BGHZ 85, 212; BGHZ 72, 132 ff; BGH, VersR 1983, 983; BGH NJW 1984, 1403; BGH, NJW 1986, 2365; OLG Dusseldorf, VersR 1991, 1138; LG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 124. 1120 B G H Z 88, 241 (257); Hausch, VersR 2005, 600 ff
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er immer die medizinisch korrekte Vorgehensweise wahlt und auch beherrscht^^^^ Diese Besonderheiten bzw. Erschwernisse im Bereich des Anfangerhandelns bedingen erhohte Anforderungen^^^^ an die Dokumentation, da mit ihnen auch eine erweiterte Beweiserleichterung zugunsten des Patienten erreicht werden kann^^^^. Je genauer und umfangreicher der Anfanger seine Vorgehensweise dokumentieren muss, umso eher kann der Patient anhand dessen ein mogliches Fehlverhalten beweisen und im Falle einer liickenhaften Dokumentation dann auf die Beweislastumkehr zuriickgreifen. Die Erweiterung der Dokumentationspflicht wurde ausfiihrUch in einer hochstrichterlichen Entscheidung 1985 behandelt, in welcher der Bundesgerichtshof iiber eine fehlerhafte Lymphdriisenextripation zu entscheiden hatte^^^"^. In diesem Urteil wurde die Zielsetzung der Dokumentation liber das therapeutische Interesse hinaus auf die KontroUe des Anfangers erweitert und infolgedessen ein umfassenderer Dokumentationskatalog gefordert. Sinn und Zweck dieser ausgedehnten Dokumentationspflicht - die bereits ausfuhrhch Gegenstand der vorHegenden Arbeit ^^j.1125 _ js|- deshalb neben der verbesserten Ausbildung des Anfangers vor allem der Schutz des Patienten sowie die Erleichterung der Prozessfiihrung. SchlieBhch kann der narkotisierte und medizinische ungebildete Patient nichts zum Behandlungsverlauf und etwaigen KausaHtatszusammenhangen beitragen. Werden infolge dessen die SchutzmaBnahmen zugunsten des Patienten nicht ausreichend wahrgenommen, dann kann sich weder der Anfanger noch der KHniktrager oder Chefarzt darauf berufen, der Patient konne die Kausahtat nicht ausreichend nachweisen, nur weil man der Dokumentationspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen sei. Es ist, auch um die Moglichkeit der Beweisvereitelung zu verhindern, erforderlich, dass sich die Beweislast bei fehlender Dokumentation umdreht und nicht mehr der Patient zum Beweis verpflichtet ist, sondern die Arzte^^^^. So kann eine fehlende Dokumentation sogar soweit flihren, dass bei fehlender Angabe des Namens des aufsichtsfiihrenden bzw. behandelnden Arztes von einer nicht beaufsichtigten Behandlung und damit von einem Organisationsfehler ausgegangen wird und der KHniktrager haftet^^^'^. Voraussetzung daftir ist allerdings stets, dass das Dokumentationsversaumnis auch nur dann zu einer Beweiserleichterung ftir den Patienten fiihren kann, wenn bei einer ordnungsgemaBen Dokumentation die Beweissituation besser gewesen 1121 BGH, NJW 1985, 2193; Baumgartel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C II, Rn. 72 speziell zur erhohten Dokumentationspflicht des Anfangers. 1122 Z u d e n erhohten Anforderungen an d i e Dokumentation durch den Anfanger vgl. die
Ausfuhmngen bei § 4 III. 112^ Statt aller Schmidt-Beck, Die Dokumentationspflichtverletzung, S. 201 ff m.w.N. 1124 B G H , M e d R 1986, 39 ff 1125 Y g j g 4 j j j 3 yj^^j j j ^ Besonderen die Zusammenfassung in 4. 1126 B G H , N J W 1985, 2193 (2194); O L G Karlsruhe, VersR 1991, 1177; O L G Dusseldorf,
VersR 1991, 1138(1139). 112'^ So in einer Entscheidung des OLG Dusseldorf, YersR 1984, 791, in der eine falsch behandelte Fingerverletzung zu dessen Versteifung gefuhrt hatte.
II. Besondere Beweiserleichtemngen bei der Anfangeroperation
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^^gii28 insofern bedarf es also auch hier einer kausalen Verbindung zwischen dem arztlichen Fehlverhalten und der Verschlechterung der Patientenposition. Bin nur unzureichend gefiihrter Operationsbericht belastet die Beweissituation des geschadigten Patienten regelmaBig aber noch zusatzlich und dies um so mehr, je schwieriger der Eingriff ist. Diese Schwierigkeit ist aber immer in Abhangigkeit zum Konnen des Arztes zu bemessen, so dass fiir einen noch unerfahrenen Anfanger auch ein unkompHzierter Eingriff einen entsprechenden Schwierigkeitsgrad aufweisen kann, der eine erhohte Dokumentation erfordert. Infolge dessen ist es dann auch nur konsequent, dass nicht nur der Anfanger, der seiner Dokumentationspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist, einer Beweislastumkehr gegeniibersteht, sondern dass auch der verantwortliche Oberarzt sowie der Kliniktrager, die dem Anfanger die Behandlung iibertragen haben, sich das Dokumentationsversaumnis im Rahmen der Beweisfiihrung iiber §§ 278, 831 BGB zurechnen lassen miissen^^^^. Somit treffen sowohl den Anfanger selbst als auch die fiir seine Ausbildung und Einteilung verantwortlichen Haftungsobjekte eine Beweislastumkehr in den Fallen, in denen die tatsachliche Dokumentation von der im Rahmen einer Anfangeroperation erforderlichen Bandbreite negativ abweicht. Die Bandbreite und damit auch der Anwendungsbereich der Beweiserleichterung steigen dabei proportional zum Schwierigkeitsgrad der Behandlung und indirekt proportional zum Konnen des jeweiligen Anfangers.
2. Fehlgeschlagene Anfangeroperation In seiner Leitentscheidung hat sich der Bundesgerichtshof bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob es zum besonderen Schutz des Patienten einer Beweiserleichterung nach fehlgeschlagener Anfangeroperation bedarf Dabei ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass immer dann, wenn die Gesundheit des Patienten durch einen nicht ausreichend qualifizierten Assistenzarzt geschadigt worden ist, die Beweislast dafiir, dass dies nicht auf der mangelnden Qualifikation beruht, den Krankenhaustrager und die fiir die Einteilung zur Operation verantwortlichen Arzte trifft^^^^. Die Besonderheit dieser Beweislastumkehr oder zumindest der Be-
1128 BOH, BGHZ 99, 391; BGH, NJW 1978, 2337; BGH, MedR 1996, 215; Giesen, JZ 1990, 1053 (1062) setzt sich kritisch mit dieser Grundvoraussetzung unter allgemeinen Erwagungen zur Beweiserleichterung im Arzthaftungsprozess auseinander; vgl. auch Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 266. 1129 So das OLG Dusseldorf, VersR 1991, 1138 (1139) in einer Entscheidung, bei der aufgrund mangelnder Dokumentation nicht mehr aufklarbar war, wie es genau zur Schadigung des Patienten gekommen war und sich der beklagte Krankenhaustrager die Dokumentationsversaumnisse zurechnen lassen musste. 11^0 BGHZ 88, 248 (257); zustimmend u.a. Giefien, Arzthaftungsrecht, S. 243; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1520); Muller-Graff, JuS 1985, 352; RGRK-Nufigens, § 823 II, Rn. 308.
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weisvermutung^^^^ zeigt sich darin, dass sie sich auf die haftungsbegriindende Kausalitat bezieht und nicht auf das Verschulden gerichtet ist^^^^. Kliniktrager, Praxisinhaber und aufsichtsfiihrender Facharzt haben bei einer fehlgeschlagenen Anfangeroperation zu beweisen, dass die Schadigung des Patienten nicht auf die fehlenden Kenntnissen und die unzureichende Erfahrung des beteiligten jungen Arztes zuruckzufiihren ist, mit anderen Worten, dass die mangelnde Qualifikation des Anfangers nicht kausal fiir den Fehler gewesen ist^^^^. Allgemeingesprochen handelt es sich um die Frage nach dem Einsatz einer geeigneten Person fur eine von ihnen vorzunehmende Behandlung. Sie geniigen ihrer Beweispflicht mit der Darlegung, dass der Schaden auch einem erfahrenen Arzt entstanden ware und es sich demnach um einen unvermeidbaren Operationszwischenfall gehandelt und sich ein unvermeidbares Behandlungsrisiko reaUsiert hat^^^'*. Allerdings lasst diese Vermutung den Nachweis unberiihrt, dass die Anfangerbehandlung iiberhaupt zu einem Schaden gefiihrt hat, so dass dies weiterhin vom Patienten bewiesen werden muss^^^^. Die Grundlage der vorliegenden Beweiserleichterung entspringt zum Teil dem Rechtsgedanken des § 831 BGB, nachdem die fiir den Organisationsverantwortlichen bestehende Verschuldensvermutung auch die Frage der hinreichenden Qualifikation des eingesetzten jungen Arztes mit der Konsequenz umfasst, dass er die Vermutung der Kausalitat der Unerfahrenheit fiir den Schadenseintritt zu entkraften hat^^^^. Der Bundesgerichtshof hat sich fiir die Rechtfertigung der Beweislastumkehr weiterhin auf die Argumentation gestiitzt, die auch bei einem groben Behandlungsfehler die Verlagerung der Beweisfiihrungspflicht auf den Arzt begriindet. „Die vielfach nicht zu losenden Schwierigkeiten bei der Aufklarung des Kausalverlaufs in Arzthaftungsprozessen machen es dem Patienten sehr oft unmoglich, den Beweis dafiir zu erbringen, dass sich bei ihm das erhohte Risiko der Anfangeroperation verwirklicht hat. Vor allem ist das Risiko der Anfangeroperation, das Krankenhaustrager und ausbildende Arzte setzen, fiir sie voll beherrschbar. ^^^^ So etwas vorsichtiger OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 1327 ganz im Gegensatz zum OLG Zweibrucken, VersR 1988, 165, das eindeutig von einer Beweiserleichterung in Form einer Beweislastumkehr ausgeht. ^^^^ Insofem formuliert Hausch, VersR 2005, 600, etwas unsauber, indem er zunachst vorbringt, bei einem Anfangereingriff werde ein Verschulden angenommen, sich aber dann doch noch prazisiert und darauf abstellt, dass die Beweislastumkehr die Kausalitat von Anfanger und Schaden betrifft. 1133 BGH, NJW 1985, 2193; NJW 1988, 2298; 1992, 1560; 1993, 2989; 1993, 3008; 1998, 2736; OLG Karlsruhe, VersR 1990, 53 (54); Deutsch, NJW 2000, 1745 (1748); Fastenrath, Arzthaftpflichtprozess und Beweislast, S. 90; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 144; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487; Laufs, Arztrecht, Rn. 625; MuKoBGBMertens,% 823, 3. Aufl., Rn. 418; MuKoBGB-Wa^n^r, § 823, 4. Aufl., Rn. 677; Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33 f.; Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 250 ff. 1134 Muller-Graff, JuS 1985, 352 (360) unter Hinweis auf BGHZ 88, 248 ff. 1135 OLG Stuttgart, MedR 1995, 239. 1136 So u.a. BGH, NJW 1993, 2989 (2991f); ahnlich BGH, NJW 1978, 1681; BGH, NJW 1988, 2299; OLG Koln, VersR 1982, 677.
11. Besondere Beweiserleichterungen bei der Anfangeroperation
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Dann miissen sie - ahnlich wie bei Vorliegen eines schweren Behandlungsfehlers - auch die Gefahr der Unaufklarbarkeit der Kausalitat der vorwerfbar geschaffenen Risikoerhohung fiir den eingetretenen Schaden tragen."^^^^. Dabei darf die Beweiserleichterung allerdings nicht als Sanktion fiir einen vorangegangenen Behandlungsfehler verstanden werden, sondern als Ausgleich dafiir, dass der Bereich der Schadigungsursachen durch den Einsatz eines unerfahrenen Arztes verbreitert bzw. verschoben worden ist^^^^. Dieses Verschieben liegt dabei eindeutig im Bereich der behandelnden Seite, so dass mit unter bei der Begriindung der Beweiserleichterung nicht nur von einer Beweislastumkehr aus Billigkeitsgriinden sondern auch wegen Gefahrbereichen gesprochen wird^^^^. Folge der Billigkeitserwagung bzw. der Einteilung in Gefahrenbereiche ist wie bereits eingangs angesprochen, dass sowohl der Krankenhaustrager als auch die leitenden Arzte in einem Prozess die Beweislast dafiir tragen, dass der beim Patienten entstandene Schaden gerade nicht auf die fehlende Erfahrung oder die fehlenden Kenntnisse des eingesetzten jungen Arztes zuruckzufiihren ist^^'*^. Diese Folge wird aber zum Teil auch kritisch gesehen und eine Beweislastumkehr im Bereich des Anfangereinsatzes als zu weitreichend und einseitig zu Lasten der behandelnden Seite angesehen. SchlieBlich, so u.a. Rupprechty ware es fur den aufsichtsftihrenden Arzt bzw. den Krankenhaustrager nur schwer moglich, die Beachtung ihrer Organisationspflichten und die Feststellung der ausreichenden Qualifikation des eingesetzten Anfangers im Nachhinein glaubhaft zu machen^^'^^ In Anbetracht dessen, dass einzig objektives Kriterium der Beweisfuhrung dann die Art und Anzahl der durchgefiihrten Behandlungen des Anfangers ist, wird anstatt der Beweislastumkehr eine Pflicht der Arzte zur Sachverhaltsermittlung gefordert^^"^^. Immer dann, wenn der Arzt dieser Pflicht nicht nachkommt, hat das Gericht unter Berucksichtigung anderer Beweisaufnahmen das schlussige Vorbringen des Pati1137 BGHZ 88, 248 (257); vgl. auch BGH, VersR 1980, 428 (429); BGH, VersR 1980, 940 (941); vgl. auch OLG Dusseldorf, VersR 1985, 169; fiir die Literatur u.a. Giefien, Arzthaftungsrecht, S. 243; Heilmann, NJW 1990, 1513 (1520); Muller-Graff, JuS 1985, 352; RGRK-NUfigens, § 823 II, Rn. 308. 113^ So auch OLG Zweibriicken, VersR 1988, 165 (166); Stejfen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 558 f 113^ Franzki, D., Die Beweisregeln im Arzthaftungsprozess, S. 87; Franzki, MedR 1984, 186(188). 1140 BGHZ 88, 248 (257); BGH, NJW 1985, 2193; BGH, NJW 1988, 2298; BGH, NJW 1992, 1560; BGH, NJW 1993, 2989; BGH, NJW 1994, 3008; BGH, NJW 1998, 2736; Baumgartel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 C II, Rn. 68 ff.; Deutsch, NJW 2000, 1745 (1748); Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 144; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 445 f.; Heilmann, NJW 1990, 1520; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 487; Laufs, Arztrecht, Rn. 625 f.; Muller-Graff, JuS 1986, 352; MuKoBGB-Mertens, 3. Aufl., § 823, Rn. 418; Opderhecke/Weissauer, MedR 1993, 2 (4); RGRK-Nufigens, § 823, Anh. II, Rn. 308; Staudinger-Hager, § 823, Rn. I 33 f ii'^i Rupprecht, ZivilrechtUche Haftung, S. 265. 11"^^ Fa^r^nrar/i, Arzthaftpflichtprozess und Beweislast, S. 92; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 265.
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enten als wahr anzusehen. Diese Losung stellt allerdings letztlich auch nur eine, wenn auch nur bedingte Beweislastumkehr dar und fiihrt im Ergebnis nicht zu einer moglichen Besserstellung, wie sie von den genannten Kritikern beabsichtigt wird. 1st der Arzt in der Lage, den Sachverhalt aufzuklaren, dann kommt er sowieso seiner Beweislast nach und kann sich in beiden Fallen exkulpieren. Kann er dies nicht, so ist sowohl bei der Beweislastumkehr als auch bei der Sachverhaltsermittlungspflicht das Vorbringen des Patienten entscheidend. Weiterhin stellt sich die Frage, die der Bundesgerichtshof vor allem in seiner Leitentscheidung bedauerlicher Weise relativ offen lasst, ob diese Form der Beweislastumkehr auch in einem Prozess gegentiber dem Anfanger selbst zur Anwendung gelangt. Dies wird u.a. von BaumgdrteU^'^^ in Zweifel gezogen und von einigen sogar ganz abgelehnt^^"^"^. Zum Teil wird die Frage aber auch offen gelassen bzw. umgangen und die Beweislastumkehr nicht mit der mangelnden Qualifikation des Anfangers begrtindet, sondern indem man die Ubernahme der Behandlung durch den Anfanger trotz Erkennbarkeit der eigenen Unzulanglichkeit als einen schweren Fehler ansieht. So gelangt man zu der oben angesprochenen Beweiserleichterung wegen eines groben Behandlungsfehlers und es ware - wie es Deutsch formuliert - „wieder alles im Lot"^^"^^. Eines solchen Umwegs bedarf es allerdings vorliegend gar nicht. Anders als bei der anzuwendenden Sorgfalt ist im Bereich der Beweislastverteilung eine Sonderbehandlung des Anfangers nicht notig. Auch er hat zu beweisen, dass die Schadigung des Patienten nicht auf seinen fehlenden Kenntnissen beruht hat^^"^^. Grund dafur ist, dass das Risiko einer Anfangerbehandlung auf Seiten des Krankenhaustragers, der ausbildenden Arzte und eben auch des Anfangers im Gegensatz zum Patienten weitgehend beherrschbar ist^^'^'^. Da dieses Risiko ursachlich sein kann fiir eine Schadigung des Patienten, kann hier nichts anderes gelten, als bei einem groben Behandlungsfehler, der gleichsam zur Beweiserleichterung fiir den Patienten zu einer widerlegbaren Beweisvermutung bzw. sogar zu einer Beweislastumkehr fiihrt^^'^^. Es ist nur konsequent, wenn auch der Anfanger selbst sich eine Beweislastumkehr entgegenhalten lassen muss, wenn er seine mangelnde Qualifikation hatte erkennen konnen. ^^"^^ Baumgdrtely Handbuch der Beweislast, § 823 C II, Rn. 71; ahnliche Zweifel auBert auch Deutsch, NJW 1984, 650 (651). 1144 FranzkU M e d R 1984, 186 (188). 1145 Deutsch, NJW 1984, 650 (651); ahnlich auch Heilmann, NJW 1990, 1520; OLG Koln, VersR 1989, 372. 1146 Heilmann, NJW 1990,1513 (1520 f). 114'^ Die Beherrschbarkeit des Risikos, die in der Leitentscheidung des BGH angesprochen ist, wird zum Teil auch das tragende Argument fur die Beweislastumkehr verstanden, vgl. Fastenrath, Arzthaftpflichtprozess und Beweislast, S. 89 f; Rupprecht, Zivilrechtliche Haftung, S. 263. 114^ Rixecker, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kap. 37, Rn. 94; das OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 1327 spricht in diesem Zusammenhang nur von einer Vermutung, die von der Behandlungsseite widerlegt werden konne; gleichsam mit dem Risikozusammenhang argumentierend Baumgdrtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, § 823 II C, Rn. 68; Kerschbaum, Die Waffengleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 92 ff
II. Besondere Beweiserleichtemngen bei der Anfangeroperation
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SchlieBlich fiihrte dann sein Fehlverhalten zu einer von ihm beherrschbaren Risikoerhohung des Patienten, die einer Kompensation im Wege der Beweiserleichterung bedarf. Schon in seiner Leitentscheidung spricht der Bundesgerichtshof von dem Risiko, das fiir die Behandlungsseite „voll beherrschbar" ist und rechtfertigt so die Beweiserleichterung zugunsten des Patienten^^'^^. Auch fiir den Anfanger ist das Risiko insoweit vollbeherrschbar, als dass er selbst entscheiden kann und muss, ob die ihm iibertragene Behandlung auch seinem Konnen entspricht. Kommt er zu dem Ergebnis, dass er nicht ausreichend qualifiziert ist, dann liegt es in seiner Hand, die Behandlung abzulehnen. Macht er dies dennoch nicht, muss er auch die Beweislastumkehr gegen sich gelten lassen^^^^. So hat der Bundesgerichtshof fiir einen bereits aufsichtsfiihrenden Anfanger eine Beweislastumkehr dafiir angenommen, dass die eingetretenen Komplikationen auf seiner mangelnden Erfahrung beruht haben^^^^. In einer anderen Entscheidung nimmt das Gericht zwar nicht eindeutig zu der Frage Stellung, deutet aber dennoch an, dass iiber die Grundsatze der Beweislastumkehr auch fur den Anfanger eine Haftung herzuleiten seiii52.
Anders gestaltet sich die Beweislage zwangslaufig bei Routineeingriffen, die auch ein Anfanger qualifiziert durchfuhren kann. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang das Legen eines Zentralvenenkatheters genannt^^^^. Dabei bedarf es zum Schutz des Patienten keiner zusatzlichen Beweiserleichterung, da es allein durch die Anfangereigenschaft des Arztes eben gerade nicht mehr zu einem erhohten Schadensrisiko kommt^^^"^. Ahnlich gestalten sich Falle, in denen die Anfangereigenschaft gerade umgekehrt nicht zu einer Steigerung des Behandlungsrisikos fiihrt, sondern sogar zu einer Risikoreduzierung fuhren kann. Auch in diesen Fallen ist eine Beweiserleichterung aufgrund der Anfangereigenschaft nicht von vornherein anzunehmen. So kann bei Injektionsschaden aufgrund mangelnder Desinfektion die Eigenschaft des jungen Arztes als Anfanger nicht zu einer Beweiserleichterung fiihren, da kein Anschein dafiir spricht, dass gerade ein Anfanger die Regeln der Hygiene missachtet. Verfiigt er iiber das notige Wissen fur die konkrete Injektion, so ist in solchen Fallen eher anzunehmen, dass der junge Arzt eine sehr sorgfaltige Beachtung der Hygiene an den Tag legt, weil sich Unzulang-
1149 BGHZ 88, 248 (257). 1150 Mit gleichem Ergebnis MUller-Graff, JuS 1985, 352 (360); Kerschbaum, gleichheit im Arzthaftungsprozess, S. 92 f 1151 BGH, NJW 1992, 1560 (1561).
Die Waffen-
1152 Angedeutet bei B G H , N J W 1993, 2989 (2992), d e r zunachst die Beweislastumkehr beim Krankenhaustrager annimmt u n d dann hinsichtlich d e m Anfanger feststellt, dass
aus diesen Grunden auch dessen Haftung gegeben sei. 1153 So in einer Entscheidung des OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 1327 und OLG Oldenburg, MedR 2000, 424. 1154 B G H , N J W 1998, 2 7 3 6 ; O L G Dusseldorf, N J W 1994, 1598.
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lichkeiten in diesem Bereich meist erst durch Routine einschleichen, iiber die der Anfanger nun gerade nicht verfiigt^^^^.
III. Anfangerspezifische Problematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB Eine neue und im Gesetz verankerte Beweislastverteilung stellt die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB^^^^ dar, nach der grundsatzlich das Verschulden des Schuldners, also vorliegend das des Arztes, vermutet wird. Gerade fiir den Bereich der Arzthaftung stellt allerdings die Anwendbarkeit dieser Vermutung ein ernstzunehmendes und diskussionswlirdiges Problem dar^^^"^. Geht man namlich von einer uneingeschrankten Anwendbarkeit aus, so ist auf den ersten Blick die vom Patienten zu beweisende Pfiichtverletzung der Behandlungsfehler durch den Anfanger bzw. dessen fehlerhaften Einsatz; ftir die Verschuldensvermutung und den inharenten objektiv-typisierenden VerschuldensmaBstab bliebe insoweit ,^ichts mehr von Bedeutung", da bereits in der objektivierten und verhaltensbezogenen Pflicht nahezu alle Haftungsvoraussetzungen enthalten sind^^^^. Es stellt sich insoweit die Frage, ob die Verschuldensvermutung, wie sie in § 280 Abs.l Satz 2 BGB festgelegt ist, im Arztrecht und damit auch im Rahmen einer fehlerhaften Anfangeroperation ohne weiteres Anwendung finden kann. Vor der Einflihrung des § 280 Abs. Satz 2 BGB kannte das deutsche Zivilrecht nur die Verschuldensvermutung des § 285 BGB a.F. im Rahmen der Unmoglichkeit einer geschuldeten Leistung. Diesbeziiglich waren sich Rechtsprechung und Literatur nur bedingt einig, dass eine Anwendung im Rahmen der Arzthaftung nicht in Frage komme^^^^.
^^^^ Dazu auch Ludolph/Hierholzer, VersR 1990, 716, die in ihrem Aufsatz auch Stellung nehmen zu dem oben angesprochenen Aufsatz von Jaeger, VersR 1989, 994, zum Anscheinsbeweis. 1156 § 280 Abs. I BGB lautet: Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhaltnis, so kann der Glaubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pfiichtverletzung nicht zu vertreten hat. ^^^"^ Eine aktuelle und sehr umfassende Auseinandersetzung im Lichte des Anscheinsbeweises bei Berg-Winters, Der Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht, S. 187 ff 115^ So Spickhoff, Aktuelle Rechtsfragen, S. 59 f, unter Darstellung moglicher Ausnahmen in Form von Entschuldigungsgriinden, Rechtsirrtum und Irrtum iiber den medizinischen Standard; ders: NJW 2002, 2530 (2535). 1159 Vgl. BGH, NJW 1999, 860 (861); NJW 1991 1551 (1542); NJW 1991, 1540 (1541); NJW 1981, 2000 (2002); Deutsch, Medizinrecht, Rn. 319; Laufs, Arztrecht, Rn. 619; ders. in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, Kap. 19, § 107, Rn. 10; Jorzig, MDR 2001, 481; MUller, NJW 1997, 3049; dies, DRiZ 2000, 259 (262); RGRKAnders/Gehle, § 611, Rn. 364; Schmid. NJW 1994, 767 (771); Simdingtv-Schiemann, Vorbem. zu §§ 249 ff, Rn. 94.
III. Anfangerspezifische Problematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
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Bei der Uberarbeitung des Schuldrechts ging man nun dazu iiber, die Vermutung auf die gesamte Schlechterfiillung auszudehnen. In diesem Zusammenhang stellte die eigens dafiir ins Leben gerufene Kommission in nicht unmittelbar konkreten Worten und gleichsam unverbindlich fest, dass es in der Arzthaftung bei der bisher geiibten Praxis zwar bleiben miisse, die Ausnahme an sich aber bisher einer gesetzlichen Regelung nicht zuganglich ware, also auch jetzt eine Verschuldensvermutung im Arztrecht nicht in Frage kommen konne^^^^. Infolge dessen sprachen und sprechen sich vermehrt Stimmen^^^^ fiir eine teleologische Reduktion des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus und lehnen eine Anwendung dieser Verschuldensvermutung im Arztrecht generell ab^^^^ oder propagieren, eine Handhabung zumindest „entsprechend vorsichtig" vorzunehmen^^^^. Zum einen kann und werde im Arztrecht regelmaBig kein Erfolg geschuldet^^^"^, so dass ein Ausbleiben dessen auch keine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB darstellen konne, so dass sich eine Anwendung nur bedingt anbiete. Vielmehr habe der Arzt fiir ein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Verhalten einzustehen^^^^. Gerade dies stelle aber keine Erfolgshaftung dar, wie sie als Rechtsgedanke dem § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsatzlich zugrunde liege^^^^. In diesem Zusammenhang erscheint deshalb eine andere Auffassung weit mehr geeignet, den Besonderheiten der Arzthaftung Rechnung zu tragen. So lehnt u.a. Ernst^^^'^ eine einschrankungslose Reduktion des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB fiir das Arztrecht ab und sieht dafiir die Anwendbarkeit nur fiir die Falle vor, in denen ein Erfolg geschuldet wurde. In ^^^^ So im Abschlussbericht 1992 der Kommission zur Uberarbeitung des Schuldrechts, S. 130.; vgl. auch Deutsch, JZ 2002, 588 (590). ^^^1 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 491 ff.; ders., VersR 2002, 1066 (1067), geht, ungeachtet der eigenen Kritik, davon aus, dass Rechtsprechung und herrschende Lehre versuchen werden, die Neuregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB teleologisch fur die Arzthaftung zu reduzieren. ^^^^ Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt-Wagner, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 219 ff.; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 420; MuKoBGB-Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 729; auch Muller, NJW 2003, 697 f; Rehbom, MDR 2002,1281 (1287f). 1163 So Spickhoff, N J W 2003, 1701 (1705), der eine Reduktion ablehnt, allerdings von einem sehr eingeschrankten Anwendungsbereich ausgeht und eine mogliche Exkulpation nur dann fur moglich erachtet, wenn der Arzt in einem Rechtsirrtum oder der Verkennung des medizinischen Standards befunden hat. Ders.: Aktuelle Rechtsfragen des medizinischen Behandlungsverhaltnisses, S. 60 m.w.N. 1164 MuKoBGB-MUller-Gldge, § 611, Rn. 44 sowie Laufs, Arztrecht, Rn. 100 und Schlechtr^/m, Schuldrecht Besonderer Teil, Rn. 397; in Ausnahme dazu stehen Vertrage, in denen v.a. die Herstellung von Gegenstanden geschuldet ist, beispielsweise von Prothesen, vgl. dazu BGHZ 63, 603 (309); Fallschussel, MedR 1985, 147 und Jakobs, NJW 1975,1437 ff; AG Krefeld, NJW 1967, 1512. 1165 Dazu fiir die Rechtsprechung B G H , N J W 1991, 1540 (1541) m.w.N u.a. bei Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 128 ff.; statt aller Spindler/Riekers, JuS 2004, 272 (274). 1166 Rehbom, MDR 2002,12^1 (12SS). 1167 MilKoEGB-Emst, § 280, Rn. 158.
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FBeweislast
den wesentlich haufigeren Fallen eines „Kunstfehlers" ohne Erfolgsverpflichtung differenziert er nach der inneren und auBeren Fahrlassigkeit - ahnlich wie beispielsweise Deutsch/Spickhoff und Katzenmeier^^^^ - ; wahrend der Patient die auBere Fahrlassigkeit, sprich die Pflichtverletzung, zu beweisen habe, gelte die Verschuldensvermutung nur fur die innere Fahrlassigkeit, so dass sich der Arzt insoweit zu exkulpieren habe. Dies ist nach obigen Ausfiihrungen zur Fahrlassigkeit nachvoUziehbar, da so das vielbesungene Waffengleichgewicht gewahrt bleibt. AUerdings erscheint die pauschale Aufspaltung in inneren und auBeren Fahrlassigkeitsbereich nicht immer sachgerecht und klar trennbar, vor allem im Fall eines Diagnosefehlers lasst sich eine genaue Zuordnung nicht vornehmen ^^^^. Geht man davon aus, dass im Rahmen einer bloBen Verschuldensvermutung nicht der ausbleibende Heilungserfolg entscheidend ist, sondern vielmehr ein Behandlungsfehler des Arztes, der positiv festgestellt werden muss^^^^, dann ist insoweit der Patient beweisbelastet. Gelingt dem Patienten der Nachweis des Vorliegens einer Pflichtverletzung, was in der Regel mangels eigenen Fachwissens und Einblicks in die klinikinternen Ablaufe nicht unproblematisch ist, dann erscheint es interessengerecht, dass der behandelnde Arzt die Umstande darlegen und beweisen muss, warum er die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, schlieBlich ist in der Regel allein die Behandlungsseite im Haftpflichtprozess zu hinreichend substantiierten Ausfiihrungen betreffend Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit eines eingetretenen Medizinschadens in der Lage^^'^^. Demnach bleibt aber nur ein sehr schmaler Anwendungsbereich^^'^^, in dem die Verschuldensvermutung Raum greift. Insoweit ist erst recht kein Grund ersichtlich, warum einem Arzt gegeniiber anderen Vertragsschuldnern, die gleichsam eine Beweislast trifft, wenn sie sich bei einer festgestellten Pflichtverletzung exkulpieren mochten, ein besonderes Privileg einzuraumen ist. Nimmt man - wie auch bereits oben ausfiihrlich dargestellt^^^^ - zwischen der grundsatzlich vom Patienten darzulegenden und zu beweisenden Pflichtverletzung einerseits und dem Verschulden andererseits eine klare, aber sicherlich im Einzelfall nicht immer leicht zu treffende Differenzierung vor, spricht nichts gegen die mit der Schuldrechtsreform in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB allgemein vorgesehene Verschuldensvermutung bei Leistungsstorungen, sondern sie erscheint auch im Rahmen des medizinischen Behandlungsvertrages angemessen, auch wenn ihre Auswirkungen auf das Arztrecht wohl eher gering sein werden^^'^'^. ^^^^ Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 135; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 186 ff 1169 Vgl. dazu die Ausfuhrungen von Spickhoff, NJW 2002, 2530 (2535). ii'^o MiiKoBOB-^m^r, § 280, Rn. 158; Bamberger/Roth-Spindler, § 823, Rn. 784; Spindler/Riekers, JuS 2004, 272 (274). ii'^i Katzenmeier, Arzthaftung, S. 491 ff.; ders., VersR 2002, 1066 (1068 f); ahnlich Walter, Spezialisiemng und Sorgfaltsstandard, S. 124 ff 11^2 Spindler/Riekers, JuS 2004, 272 (274); Spickhoff, NJW 2003, 1701 (1705). 1173 Dazuin§61. 1174 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 491 ff; ders., VersR 2002, 1066 (1068 f); so auch Schulze/Ebers, JuS 2004, 265 (270); Walter, Spezialisiemng und Sorgfaltsstandard, S. 124 ff
III. Anfangerspezifische Problematik des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB
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Im Hinblick auf dieses Ergebnis kann man, bezugnehmend auf die Kommission^^'^^ und die Vorsitzende des VI. Zivilrechtssenats des Bundesgerichtshofs Mul/^r^^^Vfeststellen, dass es einer teleologischen Reduktion des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gar nicht bedarf, weil sich insoweit keine wesentlichen Anderungen fiir die Arzthaftung ergeben. Die Beweislage, nach welcher der Patient die Pflichtverletzung in Form eines Abweichens vom Qualitatsstandard^^'^'^ zu beweisen hat, lasst fiir die so umstrittene Verschuldensvermutung nicht viel mehr als Entschuldigungsgriinde^^'^^ iibrig, die der Arzt sowieso hatte beweisen miissen^^^^, Vermutung hin Oder her. Eine Anderung zum alten Recht ist insoweit nicht festzustellen^^^^.
^^"^^ Abschlussbericht 1992 der Kommission zur Uberarbeitung des Schuldrechts, S. 130. ^^'^^ Muller, NJW 2003, 697 (698), die hier allgemein von den Auswirkungen des neuen Schuldrechts ausgehend , fiir die Arzthaftung keine wesentlichen Anderung kommen sieht; dem beipflichtend Berg-Winters, Der Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht, S. 194 f. 11^^ Vgl. Stejfen/Dressier, Arzthaftungsrecht, Rn. 128 ff 1178 Ygj speziell zu den Entschuldigungsgninden Hirte, Bemfshaftung, S. 142. ^^'^^ Berg-Winters, Der Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht, S. 193 ff; Deutsch, JZ 2002, 588 (591); Spickhoff, Aktuelle Rechtsfragen, S. 60, der neben den Entschuldigungsgninden den Rechtsirrtum und den Irrtum uber den medizinischen Standard nennt; ahnlich auch Spindler/Riekers, JuS 2004, 272 (274 f) ^^^^ Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht Aktuell, S. 233; Quaas/Zuck, Medizinrecht, S. 281.
G Gesamtbetrachtung und Ausblick
I. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Anfangeroperation zwischen dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemaBen Behandlung und dem Interesse der Allgemeinheit an einer sinnvollen praktischen Ausbildung der Arzteschaft bringt neben den medizinischen Problemen auch rechtliche Probleme mit sich, die Gegenstand der vorliegenden Auseinandersetzung waren. Deren Ergebnisse sollen im folgenden nochmals zusammengefasst wiedergegeben werden. 1. Zu Beginn der Arbeit stand zunachst, nach kurzer Erorterung des Darstellungsgangs und der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1983, der in Rechtsprechung und Literatur verwendete Begriff der „Anfangeroperation" im Vordergrund (B I. und II). Der Begriff der Anfangeroperation setzt sich aus einer personlichen und einer sachlichen Komponente zusammen; der Person des Anfangers zum einen und seiner Tatigkeit, der Operation, zum anderen. Beginnend mit dem Anfanger (B 11. 1.) und der Bedeutung dieses Begriffs ist bezogen auf die medizinale Ausbildung und deren Ablauf festzustellen, dass ein Mediziner im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn nicht nur einmal als Anfanger zu qualifizieren ist, sondern mehrfach als solcher gesehen werden kann. Zunachst am Beginn seines Studiums, wenn er als Famulant in einer Klinik oder Praxis die ersten Schritte wagt, aber genauso im Rahmen des Praktischen Jahres, das sich an das Studium anschlieBt und in dem der junge Mediziner, in den Klinikalltag integriert, seine ersten Erfahrungen im Umgang mit dem Patienten sammelt. Auch in der vormaligen Ausbildungsstation des Arztes im Praktikum kam es vermehrt zu Situationen, in denen der junge Arzt als Berufsanfanger gegeniiber dem Patienten auftritt. Der klassische medizinale Berufsanfanger ist jedoch der Arzt in der Weiterbildung zum Facharzt, immer dann wenn er neue Behandlungsschritte erlernen muss und mit einer fiir ihn neuen Methode zum ersten Mai konfrontiert wird. Zudem sind auch Situationen denkbar, in denen man unter Umstanden sogar einen fertigen und erfahrenen Facharzt unter den Anfangerbegriff subsumieren kann, namlich dann, wenn er neue Wege beschreitet, in denen er eben auch als Facharzt noch unerfahren ist. Aus diesem sehr umfassenden personlichen Anwendungsbereich lieBe sich letztlich als Definition festhalten, dass man immer dann von einem medizinalen Anfanger sprechen kann, wenn der Student bzw. Arzt mit einer fiir ihn neuen Behandlung an den Patienten herantritt. Grund fiir einen so weiten Anwendungsbereich ist es, sowohl den Pati-
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G Gesamtbetrachtung und Ausblick
enten als auch den Arzt, der sich mit neuen Methoden auseinandersetzen muss, ausreichend zu schlitzen, wobei es keinen Unterschied machen kann und darf, ob der Arzt nun als Student eine Behandlung zum ersten Mai durchfuhrt oder ob er als Facharzt einen komplizierten Eingriff zum ersten Mai vornimmt. Nach dem personlichen Anwendungsbereich gait es den sachlichen Anwendungsbereich zu defmieren und den Begriff der „Operation" zu konkretisieren (B II. 2.). Ergebnis dieser Auseinandersetzung war, dass neben dem herkommlichen Operationsbegriff des zu diagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken vorgenommenen chirurgischen Eingriffs in den lebenden Organismus eines Menschen auch dariiber hinausgehende medizinische MaBnahmen zu erfassen sind. Neben dem typisch chirurgisch gepragten Operationsverstandnis sind gleichsam Heileingriffe von Anasthesist, Internist, Gynakologe oder Zahnarzt, also allgemein gesprochen jedem Mediziner, gleich welcher Fachrichtung mitumfasst. Voraussetzung fiir die Anwendung der Grundsatze zur Anfangeroperation kann demnach in sachlicher Hinsicht jeder medizinale Eingriff sein, der bei unerfahrener Ausfiihrung zu einer Schadigung des Patienten fuhren kann. Systematisch lasst sich die Anfangeroperation in der Praxis- bzw. Klinikorganisation in der sog. vertikalen Arbeitsteilung verorten; in der horizontalen Arbeitsteilung dagegen sind Anfangereingriffe eher selten (B III.). Grund daflir ist, dass der unerfahrene Arzt regelmaBig in der hierarchischen Struktur eines Krankenhauses „tiefer" steht und so in ein tJber- bzw. Unterordnungsverhaltnis eingebettet ist. Nur wenn dieser „vorgesetzte" Kollege dem Anfanger eine Aufgabe im Wege der vertikalen Arbeitsteilung ubertragt, kann es uberhaupt zu einem Anfangereingriff im genannten Sinne kommen. Findet eine solche Arbeitsteilung nicht statt, kann der unerfahrene Arzt nie dazu kommen, neue Behandlungen zu lernen und praktische Erfahrungen zu sammeln, so dass eine solche vertikale Arbeitsteilung unerlasslich ist. 2. Nach Klarung der terminologischen und organisatorischen Voraussetzungen der Anfangeroperation stand die Frage nach der rechtlichen Grundlage einer solchen Behandlung im Mittelpunkt der Erorterung (C). Rechtliche Grundlage der Anfangerbehandlung ist wie bei alien anderen medizinischen Eingriffen auch, das sog. Behandlungsverhaltnis. Es handelt sich dabei regelmaBig um einen Dienstvertrag, der allerdings nicht mit dem Anfanger geschlossen wird, sondern stets mit seinem Arbeitgeber, sei dies der Kliniktrager oder der Praxisinhaber. Die Vertrage variieren dabei je nach Art bzw. Ort der Behandlung und vor allem der Versicherung des Patienten. Grundlegend ist dabei zwischen stationaren und ambulanten Behandlungsverhaltnissen zu unterscheiden. Bei den stationaren Behandlungsverhaltnissen kann man drei Unterkategorien feststellen: den totalen, den totalen mit Zusatzvereinbarung und den gespaltenen ICrankenhausaufnahmevertrag (C II.). Auswirkung fiir den Anfanger haben diese unterschiedlichen Vertragsgestaltungen in der Weise, als dass zunachst bei einem totalen ICrankenhausaufnahmevertrag der krankenkassenversicherte Patient keinen speziellen Anspruch auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt hat. In Konsequenz dessen konnen Anfanger nahezu problemlos im Rahmen dieses Vertrages als Erfiillungsgehilfen eingesetzt werden. Anders ist
I. Zusammenfassung der Ergebnisse
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dies, wenn zu dem totalen Aufnahmevertrag noch eine Zusatzvereinbarung getroffen wird, die sich auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt bezieht. In diesem Fall ist der Einsatz eines Anfangers regelmaBig ausgeschlossen, da sich der Patient vertraglich die Behandlung durch einen Chef- bzw. Oberarzt gesichert hat. Nur wenn der Chefarzt eine Delegationsklausel in seinem Vertrag hat oder die Tatigkeit nicht zum Kernbereich der chefarztlichen Behandlung gehort, kann sie an den Anfanger delegiert werden. Ahnlich beschrankt ist der Einsatzbereich des Anfangers bei einem gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag des privat versicherten Patienten. In diesen Fallen schlieBt der Patient einen Vertrag mit dem Krankenhaus und einen Vertrag mit einem bestimmten Facharzt, in der Kegel dem Chefarzt; nur dann, wenn in diesem Vertrag die Delegierbarkeit zugelassen ist, konnte man im Rahmen vertikaler Arbeitsteilung eine Tatigkeit des Anfangers annehmen. Dies ist jedoch die Ausnahme, so dass es in diesem Bereich selten zum Einsatz von Anfangern konmit. Neben dem stationaren Bereich konnen Anfanger auch in der ambulanten Behandlung eingesetzt werden (C III.). Die vertragliche Beziehung hangt dabei im wesentlichen von der Organisationsform des Arbeitgebers ab, bei dem der Anfanger angestellt ist. Dabei konnen ambulante Behandlungen sowohl in einer Einzelpraxis, einer Gemeinschaftspraxis und einem medizinischem Versorgungszentrum als auch in einer Praxisgemeinschaft durchgefiihrt werden. Da der Anfanger selbst regelmaBig nie Vertragspartner des Patienten wird, stellt sich flir eine vertragliche Haftung stets die Frage nach dem eigentlichen Vertragspartner des Patienten, wenn bei einer Anfangerbehandlung Schaden entstanden ist. Bei einer Einzelpraxis ist dies zweifellos der jeweilige Praxisinhaber, in dessen Auftrag der Anfanger tatig geworden ist. Ahnlich stellt sich die Lage im Bereich der Praxisgemeinschaft dar, in der sich selbstandige Arzte zusammengeschlossen haben. Bei einer sog. Gemeinschaftspraxis, in der mindestens zwei Facharzte einheitlich nach auBen und intern gemeinschaftlich regelmaBig in Form einer Gesellschaft Biirgerlichen Rechts handeln, kommt es gleichsam nicht zu einem Vertrag mit dem Anfanger. Er wird auch dort nur als Erfiillungsgehilfe des jeweiligen Arztes tatig. Besondere Behandlungsverhaltnisse, in denen es gleichsam zum Anfangereinsatz kommen kann, sind die ambulante Krankenhausbehandlung und der Notfalleinsatz (C IV.). Im Bereich der ambulanten ICrankenhausbehandlung wird der Anfanger vornehmlich dann eingesetzt, wenn es sich um die sog. Institutsambulanz handelt, in der das Krankenhaus eigenstandig ambulante Behandlung anbieten und liquidieren darf. Dagegen ist im Fall der Chefarztambulanz eine Behandlung durch den Anfanger nur bedingt moglich. Hinsichtlich der Notfalleinsatze ist zu differenzieren, ob der Notfall im Rahmen der beruflichen Tatigkeit des Anfangers stattfmdet oder in seinem Privatbereich. Ereignet sich der Notfall wahrend der Arbeitszeit, also im Rahmen seiner beruflichen Tatigkeit, dann handelt der Anfanger fiir seinen Arbeitgeber, also regelmaBig Krankenhaus oder Praxisinhaber, so dass er wiederum lediglich Geschaftsfiihrergehilfe im Rahmen einer Geschaftsfiihrung ohne Auftrag fiir diese ist. Im Privatbereich dagegen ist der Anfanger in einem Notfall so zu behandeln wie jeder andere Heifer auch, mit der Ausnahme, dass er seine bereits erworbenen medizinischen Kenntnisse in voUem Umfang einzusetzen hat.
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G Gesamtbetrachtung und Ausblick
3. Gegenstand der weiteren Auseinandersetzung waren die besonderen Verkehrspflichten, die mit einer Anfangeroperation einhergehen (D). Zielsetzung der Erhohung dieser Sorgfaltspflichten ist der Ausgleich des besonderen Risikos, das die mangelnde Erfahrung des Anfangers fiir den jeweiligen Patienten mit sich bringt. Im Idealfall ist die unzureichende Qualifikation des Anfangers dadurch soweit zu kompensieren, dass stets eine Behandlung unter dem objektiven Facharztstandard gewahrleistet ist. a) Zunachst gait es die umstrittene Frage zu klaren, ob es im Vorfeld einer Behandlung einer besonderen Aufklarungspflicht liber die Anfangeroperation bedarf (D I.). Die Aufklarung an sich, die Voraussetzung fiir die unabdingbare Einwilligung des Patienten in seine Behandlung ist, lasst sich in drei Arten untergliedern: die Sicherungs-, die Wirtschafts- und die Selbstbestimmungsaufklarung. Da im Rahmen einer Sicherungs- und Wirtschaftsaufklarung das Thema einer Anfangerbehandlung inhaltlich keine wesentliche Rolle spielen kann, sind diese vorliegend zu vernachlassigen. Gegenstand der Selbstbestimmungsaufklarung hingegen sind die Umstande der Behandlung, die Diagnose, der Verlauf und das mit der Behandlung einhergehend Risiko. Dem unterfallt grundsatzlich auch der Umstand einer Anfangerbehandlung, die zwangslaufig ein erhohtes Risiko mit sich bringt. Eine vertragsabhangige Aufklarung tiber die Person des behandelnden Arztes ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht sinnvoll, da sie zu einer Schlechterstellung des Kassenpatienten gegeniiber dem Privatpatienten fuhren wlirde. Der Kassenpatient hat schlieBlich regelmaBig keinen Anspruch auf einen bestimmten Arzt und ist daher auch nicht dartiber aufzuklaren, dass er von einem Anfanger behandelt wird. Anders und daher auch vorzugswiirdiger erscheint es, die Frage der besonderen Aufklarungspflicht im Rahmen einer risikoabhangigen Aufklarung zu beantworten, die an das erhohte Risiko einer Behandlung und nicht an den behandelnden Arzt selbst ankniipft. Dies ist allerdings nicht notwendig. Der Grund fiir die fehlende Notwendigkeit einer solchen, anfangerbezogenen Aufklarung, lasst sich im wesentlichen mit drei Argumenten konkretisieren. Zunachst sind fiir den Anfangereinsatz weitreichende flankierende MaBnahmen, u.a. die Aufsicht und die nur schrittweise praktische Heranfiihrung des jungen Arztes, zu ergreifen, die dazu fiihren, dass die fehlende Erfahrung weitgehend kompensiert werden kann. Folge dieser Kompensation ist es, dass das besondere Risiko einer Anfangerbehandlung verringert wird, so dass es einer Aufklarung tiber das vermeintliche Anfangerrisiko gar nicht mehr bedarf. Weiteres Argument gegen die Aufklarung ist der Umstand, dass der schon durch die Erkrankung und den bevorstehenden Eingriff psychisch belastete Patient einer zusatzlichen Belastung ausgesetzt wird, wenn man ihm stets mitteilen muss, dass er von einem unerfahrenen Arzt behandelt wird. Zuletzt darf auch nicht auBen vor bleiben, dass im Falle einer Aufklarungspflicht tiber den Anfangereinsatz die Aus- und Weiterbildung der Arzteschaft zu Lasten der Allgemeinheit wesentlich beeintrachtigt wird. SchlieBlich wiirde nahezu jeder Patient eine Behandlung ablehnen, wenn er im Vorfeld darauf hingewiesen wlirde, dass er von einem unerfahrenen Mediziner behandelt werde. Infolgedessen konnte eine praktische Ausbildung der Arzte nur begrenzt stattfinden, das Niveau der medizinischen Versorgung sinken. In Abwagung mit dem In-
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teresse der Allgemeinheit an einer qualitativ hochwertigen Versorgung gegeniiber einem bedingt erhohten Risiko des Einzelnen war ersterem der Vorzug zu geben und eine Aufklarung abzulehnen. Ein vermeintlicher Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten liegt nicht vor, da ihm das Recht unbenommen bleibt, sich nach dem Erfahrungsstand des behandelnden Arztes zu erkundigen und gegebenenfalls infolgedessen die Behandlung abzulehnen. b) Nach der besonderen Aufklarungspflicht war die „negative Ubernahmepflicht" Gegenstand der vorliegenden Arbeit (D II.). Darunter ist die Pflicht des jungen Arztes zu verstehen, seine theoretischen und praktischen Kenntnisse vor jeder Behandlung zu iiberpriifen und am Schwierigkeitsgrad des medizinischen Eingriffs zu messen. Entscheidende Frage fiir jeden Anfanger muss es sein, ob er in der Lage ist, die Behandlung nach den objektiven Kriterien eines Facharztes vornehmen zu konnen. In theoretischer Hinsicht hat er dabei auf dem fiir ihn hochsten und aktuellsten Stand zu sein, wahrend in praktischer Hinsicht sich keine konkreten Anforderung aufstellen lassen. Vielmehr sind die praktischen Fahigkeiten stets Einzelfall abhangig zu beurteilen und anhand eines Stufenmodells der Schwierigkeitsgrad des Eingriffs bzw. die Beteiligung des Anfangers an dem Eingriff zu steigern. Kommt der Anfanger dann bei der vorzunehmenden Priifung zu dem Ergebnis, dass sein theoretisches oder praktisches Wissen fur die bevorstehende Behandlung nicht ausreichend ist, dann hat er die Pflicht, auch wenn dies berufliche Nachteile hervorrufen konnte, die Behandlung nicht zu iibernehmen. Aus dieser Pflicht zur Nichtiibernahme folgt auch der eingangs genannte Begriff der negativen Ubernahmepflicht, deren Verletzung zu einem tJbernahmeverschulden fuhren kann. c) Neben den an den Anfanger zu stellenden Anforderungen sind auch bei der Behandlung selbst besondere Vorkehrungen zu treffen. Diese betreffen zunachst eine erhohte Dokumentationspflicht (D III.). Wird ein Anfanger selbstandig tatig, so hat er eine ausfiihrliche Dokumentation iiber die vorgenommene Behandlung zu erstellen, insbesondere sind auch solche Routineschritte zu dokumentieren, die ein erfahrener KoUege nicht mehr festhalten wiirde. Grund dafiir ist, dass der Anfanger oft noch nicht in der Lage ist, zu beurteilen, was beispielsweise fiir nachfolgende Behandlungen entscheidend ist, so dass er vorsichtshalber eine umfassende Dokumentation vorzunehmen hat, um nichts zu iibersehen. Daraus erwachst auch der zweite Grund fur eine erhohte Dokumentationspflicht. Ist der junge Arzt verpflichtet, all seine Schritte genau zu dokumentieren, so reflektiert er sein Vorgehen nochmals griindlich und ist auch ex post leichter zu iiberwachen. AuBerdem erwachst dem Patienten durch die umfassendere Dokumentation ein besseres Beweismittel. d) AUerdings sind bei dem Anfangereinsatz nicht nur fiir den Anfanger besondere Pflichten zu fordern, sondern und gerade auch fiir seinen Ausbilder, sei es nun der unmittelbar vorgesetzte Facharzt, die anstellende Korperschaft oder der Praxisinhaber. Als erstes ist hier die sog. Aufsichtspflicht festzustellen (D IV. 1.). Der Umfang der Aufsicht ist dem jeweiligen Einzelfall anzupassen. Dabei sind die praktische Erfahrung sowie der Schwierigkeitsgrad der Behandlung gegeniiberzustellen und je nach dem eine dauernde Uberwachung oder lediglich die telefonische Erreichbarkeit eines erfahrenen Kollegen zu fordern. Die tJberwachung ist
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dabei stufenweise zu reduzieren mit dem Ziel einer selbstandigen und uniiberwachten Behandlungsfiihrung durch den jungen Arzt. Bei der Frage nach der Qualifikation des iiberwachenden Arztes ist eine materielle und nicht eine formelle Facharztqualifikation zu fordern. Es kann fiir die sinnvolle und effiziente Beaufsichtigung und Anleitung eines unerfahrenen Arztes keine RoUe spielen, ob ein Arzt iiber den formellen Titel eines Facharztes verfiigt. Vielmehr muss er fachlich in der Lage sein, den jungen Kollegen zu fiihren und anzuleiten. Dafiir kommt es aber nicht auf das Ablegen einer Priifung an, sondern auf die personliche und fachliche Qualifikation, die ein Arzt auch schon vor dem Erwerb des Facharzttitels haben kann, ein anderer sie aber auch als langjahriger Facharzt nie erreichen wird. Demnach kann auch ein ,JS[ichtfacharzt" eine ausreichende Aufsicht des Anfanger gewahrleisten. e) Neben der Aufsichtspflicht sind im Falle der Anfangeroperation weitere besondere Organisationspflichten aufzustellen, um das Risiko, das die Behandlung durch einen unerfahrenen Arzt mit sich bringt, weiter zu minimieren und stets den Facharztstandard zu gewahrleisten (D IV. 2.). Zunachst trifft dabei vor allem den Krankenhaustrager bzw. den Praxisinhaber die Pflicht, die Anfangeroperation so zu organisieren, dass stets die erforderlich Aufsicht gewahrleistet ist. Dies umfasst eine ordnungsgemaBe Personalauswahl sowohl hinsichtlich des eingesetzten Anfangers als auch hinsichtlich des aufsichtsfiihrenden Kollegen, die Festlegung konkreter Vorgehensweisen sowie die tJberwachung aller beteiligten Personen. Diese Organisationspflichten lassen sich in der hierarchischen Struktur auch auf die darunter liegende Stufe, die Chef- und Oberarzte tibertragen. Auch sie sind organisatorisch dazu verpflichtet, einen Anfangereinsatz so zu planen, dass der objektive Standard eines Facharztes stets gewahrleistet werden kann. Sie haben insbesondere die Qualifikation und die Eignung des einzusetzenden Anfangers zu priifen und fur eine entsprechende Aufsicht Sorge zu tragen. Davon umfasst ist sowohl die Vorbereitung, die Behandlung selbst als auch die Nachsorge. 4. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildete die Auseinandersetzung mit der Haftung im Falle einer fehlgeschlagenen Anfangerbehandlung (E). a) Darin wurde zunachst im Rahmen von Haftungsgrundlage und Passivlegitimation festgestellt, dass es im Fall der Arzthaftung keine speziellen Rechtsgrundlagen gibt, sondern dass sich die Haftung nach den allgemeinen vertraglichen und deliktischen Anspriichen des Biirgerlichen Gesetzbuches richtet (E I. 1.). Aufgrund der Einfiihrung der Haftung fiir immaterielle Schaden auch im Bereich der vertraglichen Haftung haben sich die beiden Moglichkeiten der Schadensersatzpflicht - v.a. in der Arzthaftung - sehr angeglichen, so dass mit unter sogar von einem gemeinsamen Haftungsgrund gesprochen wird. Im Bereich der vertraglichen Haftung ist fiir die Eigenhaftung auf die Rechtsgrundlage des § 280 BGB abzustellen, der die zunachst nicht im Gesetz geregelte Haftung wegen positiver Vertragsverletzung nun gesetzlich festgelegt hat (E I. 2.). Da der Anfanger allerdings in der Regel nicht Vertragspartner des geschadigten Patienten ist, scheidet fiir ihn eine vertragliche Eigenhaftung aus. Es kann deshalb nur zu einer vertraglichen Haftung des Krankenhaustragers, des Chefarztes oder des jeweiligen Praxisinhabers kommen. Diese miissen sich jedoch das Verschulden des Anfangers, der
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als deren Erfullungsgehilfe tatig war, iiber § 278 BGB zurechnen lassen. Eine weitere Art der Zurechung eroffnet die Organhaftung nach § 31 BGB i.V.m. § 839 BGB. Da jedoch der Anfanger regelmalBig kein verfassungsmaBig berufener Vertreter des Krankenhaustragers sein wird, es ihm also an der Organeigenschaft fehlt, scheidet eine Organhaftung fiir den Anfanger regelmaBig aus. Sie betrifft vielmehr die Chef- und Oberarzte, die in ihrer Eigenschaft als Organ einer Klinik den Anfanger falsch ausgewahlt oder unzureichend iiberwacht haben. Demnach ist der Anfanger selbst im Rahmen einer vertraglichen Haftung grundsatzlich nicht passivlegitimiert; der Patient kann sich nur an seinen jeweiligen Vertragspartner wenden, also den Praxisinhaber, den Chefarzt oder den Kliniktrager. Als weitere Haftungsgrundlagen konnten neben den vertraglichen noch die „quasivertragliche" Haftungsgrundlagen genannt werden, die im Rahmen der Arzthaftung in Betracht kommen konnen (E I. 3.). Quasivertraglich deshalb, weil beispielsweise auf Grund eines Notfalls eine Behandlung ohne den Abschluss eines Vertrages erfolgen musste. In diesem Fall greifen die Vorschriften iiber die Geschaftsfiihrung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB), fur die gleichsam die Haftungsnorm des § 280 BGB eingreift. Ereignet sich ein Notfall im Rahmen der beruflichen Tatigkeiten des Anfangers, so handelt er wiederum nur als Erfullungsgehilfe fiir beispielsweise den Krankenhaustrager, so dass dieser letztlich auch im Falle einer Haftung passivlegitimiert ist. Nur wenn der unerfahrene Arzt mit einem Notfall in seiner Freizeit konfrontiert wird, ist eine Eigenhaftung nach § 280 BGB denkbar. Letzte und in der Rechtsprechung am meisten behandelte Rechtsgrundlagen fur die Arzthaftung stellen die deliktischen Haftungsgrundlagen dar (E I. 3.); dabei konnte zwischen § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einer Schutznorm sowie § 831 BGB unterschieden werden. Zudem war auch auf die besondere Haftungsnorm fiir beamtete Arzte, § 839 BGB hinzuweisen; der Spezialfall der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG konnte jedoch vernachlassigt werden, da die hierfur erforderlichen Falle eines hoheitlichen Handelns - beispielsweise Zwangsbehandlungen - nur selten und dann auch regelmaBig ohne Anfangerbeteiligung durchgefiihrt werden. Im Bereich der deliktischen Haftung kann von einem geschadigten Patienten nun auch der Anfanger selbst in Anspruch genommen werden; lediglich iiber § 831 BGB, der sog. Haftung fur Verrichtungsgehilfen, scheidet eine Inanspruchnahme des unerfahrenen Arztes regelmaBig aus, da er selbst keine Verrichtungsgehilfen beschaftigt, fiir die er zur Verantwortung gezogen werden konnte. Anders gestaltet sich dies jedoch fiir Praxisinhaber oder Kliniktrager, die sich im Gegensatz dazu durchaus des Anfangers als Verrichtungsgehilfen bedienen und im Falle einer Schadigung des Patienten auch iiber § 831 BGB passivlegitimiert sein konnen. b) Als einer der Hauptpunkte und wohl auch als der umstrittenste Punkt der Haftung im Rahmen der Anfangeroperation gilt wohl die Frage nach dem HaftungsmaBstab, an dem der Anfanger zu messen ist (E II.). Im Mittelpunkt der Haftung eines Arztes steht der sog. SorgfaltsmaBstab; sowohl die Verschuldensform der Fahrlassigkeit setzt ein AuBerachtlassen der im Verkehr erforderlich Sorgfalt voraus so wie auch die Pflichtverletzung eine Verletzung der Sorgfaltspflicht voraussetzt. Wahrend bei der Pflichtverletzung eine Sorgfaltspflicht ex-post im objek-
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tiven HochstmaB zu fordern ist, kann beim Verschulden eine situationsbezogene ex-ante-Beurteilung der Sorgfalt erfolgen; gemein bleibt aber beiden Elementen die Sorgfalt bzw. der SorgfaltsmaBstab an sich. Bei dessen genauer Bestimmung konnte zunachst festgestellt werden, dass eine Festlegung in objektiv-typisierender Weise und nicht anhand von subjektiven Kriterien erfolgen muss (E 11. 2.). Grund daflir ist die Rechtssicherheit und konkret das Vertrauen eines Patienten in das ordnungsgemaBe Verhalten eines Arztes, das nicht durch subjektive Schwachen und Unzulanglichkeiten beeintrachtigt werden darf. Die objektiv-typisierte MaBstabsbildung muss allerdings die jeweilige Situation beriicksichtigen, da die auBeren Umstande wesentlichen Einfluss auf die Jewells mogliche Sorgfalt haben. Allerdings stellt sich dabei die Frage, wie sich diese Anforderung an die Sorgfalt konkretisieren lassen. Dafiir hat man, ausgehend vom Stand der Wissenschaft und Technik, den Begriff des medizinischen Standards entwickelt; er stellt einen Mindestwert dessen dar, was von einem gewissenhaften und aufmerksamen Mediziner aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs als notwendige MaBnahme zu erwarten ist. Zur Konkretisierung dieser Erwartung ist eine Kategorisierung anhand von Empfehlungen sowie Leit- und Richtlinien denkbar. Dem war aber vorliegend aufgrund einer flexibleren und daher besseren Handhabung die Bildung von Verkehrskreisen vorzuziehen. Mit Hilfe von Verkehrskreisen ist es moglich, eine Typisierung von Verhaltensweisen und damit eines SorgfaltsmaBstabes festzulegen, der sich mit dem wissenschaftlichen Fortschritt weiterentwickelt. Der Standard wird dabei nach den Fahigkeiten des durchschnittlichen Verkehrskreisteilnehmers definiert, also danach, was von einem ordentlichen, durchschnittlichen, verniinftigen und besonnenen Berufsangehorigen in der jeweiligen Situation zu erwarten ist. Zur Festlegung von bestimmten Verkehrskreisen bot sich vorliegend im Bereich der Arzthaftung die Einteilung nach Fachbereichen an, da diese in sachgerechter Form einer klaren Abgrenzung zuganglich sind. Innerhalb dieser Bereiche war allerdings eine weitere Konkretisierung notig, die sich anhand von fachgebietsspezifischen und versorgungsspezifischen Kriterien vornehmen lieB. Als Beispiel seien insoweit die verschiedenen Facharzte als gebietsspezifische und die unterschiedlichen Krankenhausformen als versorgungsspezifische Kriterien genannt. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang stellt der Einsatz besonderer iiberdurchschnittlicher Fahigkeiten dar. Zwar richtet sich die Qualifizierung der Sorgfalt nach den Fahigkeiten des durchschnittlichen Verkehrskreisangehorigen, allerdings, so das Ergebnis der Auseinandersetzung, sind iiber dem Durchschnitt liegende Fahigkeiten aus Griinden des Patientenwohls und des Patientenvertrauens in die bestmogliche Behandlung einzusetzen. Nach Festlegung der erforderlichen Sorgfalt mittels Bildung von Verkehrskreisen stellte sich nun die Frage, ob innerhalb eines solchen Verkehrskreises eine Differenzierung dahingehend moglich sei, dass man zwischen dem erfahrenen Facharzt und dem unerfahrenen Anfanger unterscheiden kann und so fiir jeden einen eigenen, gleichwohl objektiv-typisierenden MaBstab annehmen konne (E II. 3.). Das allem vorstehende Ziel, eine dem Facharztstandard entsprechende Behandlung zu gewahrleisten und dennoch eine Ausbildung ohne zu hohes Haftungsrisiko fiir den Anfanger zu ermoglichen konnte dabei auf verschiedenen Wegen
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erreicht werden. Zunachst war daran zu denken, fiir den Anfanger die gleiche Sorgfalt wie fiir den Facharzt zu fordern und haftungsrechtliche Nachteile des Anfangers, der schlieBlich zunachst nie in der Lage ware, diese facharztliche Sorgfalt zu erfiillen, durch einen innerbetrieblichen Schadensausgleich zu kompensieren. Fiir diese Auffassung spricht neben einer besseren Haftungssituation vor allem das Wohl des Patienten und das Vertrauen in eine sachgerechte Behandlung, schlieBlich muss der Patient auch nicht iiber die Beteiligung des Anfangers aufgeklart werden. Jedoch wiirde man infolgedessen von einem Anfanger etwas verlangen namlich die Erfiillung der Sorgfalt eines Facharztes - was er nicht kann, sondern erst lernen muss, mit der Konsequenz, dass er stets einer Haftung ausgesetzt ware. Auch ein erleichterter Haftungsausgleich bzw. die Haftungsfreistellung des Anfangers durch den Krankenhaustrager bzw. den Praxisinhaber im Innenverhaltnis ist insofern nur eine vordergriindige Kompensation. Dem Anfanger bliebe stets das Prozessrisiko, zuerst vom Patienten auf Schadensersatz und dann gegen seinen Arbeitgeber auf Ausgleich verklagt zu werden bzw. klagen zu miissen. Zudem fuhrt ein solcher interner Schadensausgleich immer nur zu einer Quotelung, so dass der Anfanger regelmaBig nicht alles wieder erstattet bekommen wiirde, was er dem Patienten an Schadensersatz hatte zahlen miissen. Besser und auch interessengerechter erscheint es daher, einen ausbildungsspezifischen Weg zu gehen und die Sorgfaltsanforderungen an den objektiven Ausbildungsstand anzupassen. Wahrend dies fiir Krankenpfleger, Famulanten und Studenten im Praktischen Jahr zum Teil bereits angenommen wird, ist dies fiir den klassischen Berufsanfanger, also den Assistenzarzt in der Weiterbildung sehr umstritten. Fiir ihn einen subjektiven HaftungsmaBstab anzunehmen, ist von vornherein aus oben genannten Griinden abzulehnen. Die Aufspaltung des VerschuldensmaBstabes in eine innere und eine auBere Sorgfalt erscheint dagegen weit vielversprechender. Wahrend man fiir die auBere Sorgfalt, also das Verhalten an sich, den SorgfaltsmaBstab eines Facharztes fordert, ist bei der inneren Sorgfalt auf das Erkennen- und Einhaltenkonnen dieses normierten Verhaltens abzustellen. Diese innere Sorgfalt ist dann am Konnen eines objektiven Anfangers zu messen, was letztlich auf einen eigenen Verkehrskreis „Berufsanfanger" hinauslauft. Dies ist auch am vorzugswiirdigsten, da die Bildung eines eigenen Verkehrskreises fiir den Anfanger eine objektiv-typisierte Sorgfaltsfestlegung zulasst, den Patienten ausreichend schiitzt und den Anfanger nicht einem unverhaltnismaBigen Haftungsrisiko aussetzt. Zwar ist auch die Bildung eines eigenen Verkehrskreises nicht ohne Probleme, insbesondere geht damit ein gewisses MaB an Rechtsunsicherheit einher, schon allein aufgrund der Abgrenzungsproblematik des Anfangerbegriffs. Auch die Rechtsstellung des Patienten ist im ersten Augenblick schlechter, als wenn der unerfahrene Arzt am SorgfaltsmaBstab eines Facharztes zu messen ware, schlieBlich wiirde in diesem Fall die schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung durch den Anfanger schon sehr friih einsetzen. Jedoch ist dies im Interesse einer zukunftsorientierten Ausbildung hinzunehmen, nicht zuletzt auch deshalb, weil zum einen das Risiko fiir den Patienten aufgrund der oben genannten besonderen Sorgfaltspflichten minimiert wird und andererseits auch eine Schadenskompensation durch den weitaus solventeren Trager der Klinik bzw. den Praxisinhaber erhalten bleibt. Auch in anderen europaischen Rechtsordnungen sind Ansatze fiir einen solchen, eigenen Sorg-
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faltsmaBstab fiir Anfanger zu erkennen. So hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, dass sowohl in England als auch in Osterreich und der Schweiz zum Teil die Meinung vertreten wird, dass die Haftung eines Anfangers anhand eines gesonderten MaBstabes zu messen ist. c) Letzter Punkt der Auseinandersetzung mit der Haftung im Falle einer fehlerhaften Anfangeroperation waren die Pflichtverletzungen in Form besonderer Behandlungsfehler (E III.). Gegeniiber dem Anfanger wird dabei regelmaBig von einem Ubernahmeverschulden ausgegangen, das letztlich einer schuldhaften Verletzungen der negativen tJbernahmepflicht entspricht (E III. 1.). Diese Pflicht, eine Behandlung nicht zu ubernehmen und an einen anderen, dafiir ausreichend qualifizierten Arzt zu iibertragen, wenn man zu dem Entschluss kommt, bzw. hatte kommen miissen, dass man dafiir nicht iiber die erforderlichen Kenntnisse verfiigt, ist der Regelfall der Anfangerpflichtverletzung. Da diese bereits vor der eigentlichen Behandlung liegt, wird auch von einer „einleitenden" Fahrlassigkeit gesprochen. Diese scheidet allerdings immer dann aus, wenn die Handlungsverantwortlichkeit nicht mehr beim Anfanger lag, er sich beispielweise auf die Anweisungen seines Ausbilders verlassen durfte oder er sein Vorgehen mit diesem abgesprochen hatte. Neben dem tJbernahmeverschulden ist als weiterer, im Bereich der Anfangeroperation relevanter Behandlungsfehler das Organisationsverschulden anzusehen (E III. 2.). Auch das Organisationsverschulden stellt die objektive Verletzung einer Pflicht unter Missachtung der inneren Sorgfalt dar. Wesentliche Organisationspflichten und damit verbundene Organisationsfehler sind der tJberwachungsund der tJbertragungsfehler. Der Uberwachungsfehler ist auf die Verletzung bzw. mangelhafte Ausfuhrung der tJberwachungspflicht zuriickzufiihren, die neben dem ausbildenden Arzt auch dem Chefarzt sowie letztlich dem Klinikumstrager obliegt. Die Schwelle zur Verletzung der Aufsichtpflicht steigt mit der Erfahrung und dem Konnen des Anfangers; je erfahrener er wird, um so weniger hoch ist die Aufsichtpflicht und folglich auch deren Verletzung einzustufen. Der Aufsichtspflichtverletzung vorgelagert ist der Organisationsfehler des (Jbertragungsverschuldens. Es korrespondiert mit der Pflicht der vorgesetzten Arzte, vor jeder Behandlung zu priifen, ob der Anfanger dafiir schon geeignet ist oder nicht. Kommt man zu dem Ergebnis, dass er dies noch nicht ist, darf ihm die Behandlung auch nicht iibertragen werden. War dies fiir den einteilenden Arzt erkennbar, liegt als Pendant zum Ubernahmeverschulden ein Ubertragungsverschulden vor. Zudem sind auch weitere Fehler im Rahmen der Organisation einer Anfangerbehandlung denkbar, die vor allem den Krankenhaustrager treffen konnen. Man kann dabei vom Organisationsfehler im engeren Sinne sprechen; er umfasst beispielsweise fehlende Nachkontrollen oder eine unzureichende Hintergrunddiensteinteilung. 5. Zuletzt hat sich die Arbeit - dem chronologischen Ablauf folgend - mit dem Arzthaftungsprozess und den dafiir bestehenden Besonderheiten im Zusammenhang mit einem Anfangereingriff gewidmet (F). Dabei stand im Vordergrund die besondere Beweislastverteilung bzw. die Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten. Da dieser im Normalfall die Beweislast fiir all die Voraussetzungen zu tragen hat, aus denen sich sein Anspruch ergibt und dies aufgrund seiner fachlich
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unterlegenen Rolle gegeniiber dem Arzt nur bedingt moglich ist, hat die Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht flir bestimmte Konstellationen eine Beweiserleichterung bzw. eine Beweislastumkehr entwickelt. Als eine allgemein im Arzthaftungsrecht geltende Beweiserleichterung wird vor allem der Fall eines groben Behandlungsfehlers angenommen (F I.). Es handelt sich dabei um einen gravierenden Fehler, der einem Arzt hatte nicht unterlaufen diirfen. Kommt es dennoch zu einem solchen Fehler, wird dessen Ursachlichkeit fiir den Schaden des Patienten vermutet. Daneben werden im Arzthaftungsrecht auch in den Fallen der Beweisvereitelung, des Einwirkens auf Beweismittel sowie der fehlerhaften Befundsicherung eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Patienten angenommen. Speziell im Fall der Anfangeroperation sind jedoch zwei weitere Erleichterungen bei der Beweisfuhrung besonders relevant. So wird bereits infolge der im Verlauf der Arbeit festgestellten erhohten Dokumentationspflicht eine bessere Beweissituation des Patienten erzeugt (F II. 1.). Kommt der unerfahrene Arzt dieser Pflicht namlich nicht in ausreichendem Ma6 nach, verletzt er die Pflicht demnach, fiihrt dies zu der Vermutung, dass die nicht dokumentierte MaBnahme auch nicht vorgenommen worden ist. Dies hat zur Folge, dass je hoher die Dokumentationspflicht ist, es umso leichter fiir den Patienten ist, das Fehlen einer MaBnahme zu beweisen. Neben dieser Art der Beweiserleichterung wird auch aus der Anfangereigenschaft selbst eine Beweislastumkehr abgeleitet (F II. 2.). Wird ein Patient im Rahmen einer Anfangeroperation geschadigt, so geht man davon aus, dass der eingetretene Schaden auf die fehlende Erfahrung bzw. die mangelnde Qualifikation des Anfangers zuriickzufiihren ist. Krankenhaustrager, Praxisinhaber, aber auch der Anfanger selbst haben dann in einem moglichen Haftungsprozess zu beweisen, dass der Fehler auch bei einer ausreichenden Qualifikation eingetreten ware, die Unerfahrenheit also nicht kausal gewesen ist. Strukturell angelehnt ist diese Art der Beweiserleichterung an das Prinzip des § 831 BGB, nachdem auch der Organisationsverantwortliche die Vermutung zu entkraften hat, dass der Schadenseintritt nicht kausal auf die fehlende Qualifikation des Verrichtungsgehilfen zuriickzufuhren ist. Aufgrund der Beherrschbarkeit des speziellen Gefahrenbereichs der Anfangeroperation fiir die beteiligten Arzte wird aus Billigkeitsgriinden zugunsten des Patienten die genannte Beweislastumkehr angenommen. Neben den durch die Rechtsprechung entwickelten Formen der Beweiserleichterung kennt das Biirgerliche Gesetzbuch mit der neuen Fassung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB eine weitere, namlich die Verschuldensvermutung des Vertragspartners bei einer Vertragsverletzung (F III.). Danach hat der Patient nur die Pflichtverletzung, der aussichtsfiihrende Arzt bzw. der Kliniktrager allerdings sein fehlendes Verschulden zu beweisen. Die Anwendbarkeit dieser Verschuldensvermutung erscheint jedoch im Arzthaftungsrecht problematisch. Wie bereits festgestellt, sind namlich im Arzthaftungsrecht die Voraussetzungen der Pflichtverletzung zum Teil deckungsgleich mit denen des Verschuldens, insbesondere die AuBerachtlassung bzw. die Verletzung der Sorgfaltspflicht. Beweist dann der Patient das Vorliegen einer Pflichtverletzung, bleibt fiir eine Verschuldensvermutung nichts mehr von Bedeutung iibrig. Folglich wird die Anwendbarkeit des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Teil eingeschrankt bzw. gar nicht zugelassen. Einer solchen Einschran-
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kung bedarf es aber letztlich gar nicht, da aueh bei Anwendung dieser Vorschrift keine Anderungen fiir das Arztrecht entstehen, denn bei einer - wenn auch nicht immer leichten - Differenzierung zwischen Verschulden und Pflichtverletzung bleiben fiir die Verschuldensvermutung nicht viel mehr als Entschuldigungsgriinde iibrig, die in die Beweislast der Arzte fallen. Diese hatten sie aber sowieso zu beweisen, so dass eine Anderung hinsichtlich der Rechtslage vor § 280 Abs. 1 Satz 2 BOB n.F. nicht festzustellen ist.
II. AbschlleBende Bewertung Jeder Mensch, der sich in die Behandlung eines Arztes begibt, wunscht sich, von einem erfahrenen und qualifizierten Mediziner versorgt zu werden. Erfahrung und Qualifikation sind allerdings Eigenschaften, die nur aufgrund von tJbung und praktischer Tatigkeit erworben werden konnen. Insofern ist es demnach unerlasslich, dass auch ein junger Arzt auf seinem Weg zum qualifizierten Facharzt erst Erfahrungen sammeln muss. Da es jedoch nicht moglich ist, fiir alle auszubildenden Arzte freiwillige Patienten zu finden, die sich sozusagen als Ausbildungsobjekt zur Verfiigung stellen, befindet man sich nahezu in alien Ausbildungsberufen in einem Dilemma: die Notwendigkeit, auf Kosten eines Einzelnen Erfahrungen zu sammeln und dadurch alien Nachfolgenden damit von Nutzen sein zu konnen. Dieser eingangs formulierte Interessenskonflikt beherrscht die rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Anfangeroperation und war demnach auch der Mittelpunkt dieser Arbeit. Sowohl Rechtsprechung als auch die Rechtswissenschaft haben nach Wegen gesucht, eine Arztausbildung zu ermoglichen, die fiir die Patienten einen optimalen Schutz gewahrleistet. Wirft man einen Blick zuriick auf die vorangegangen Ausfiihrungen, so lasst sich feststellen, dass man von rechtlicher Seite aus im wesentlichen auf zwei Ebenen beschrankt ist, den Patientenschutz zu ermoglichen: zum einen die Anfangerbehandlung zu verbessern und den Facharztstandard zu gewahrleisten sowie zum anderen die haftungsrechtliche Stellung des Patienten zu starken und letztlich eine Waffengleichheit zwischen Patient und Arzteschaft herzustellen. Zur Verbesserung der Behandlungsqualitat und der Gewahrleistung des Facharztstandards wird von dem Anfanger ein hohes MaB an theoretischem Wissen und eine umfassendere Dokumentation als von erfahrenen Kollegen gefordert. Zentrales rechtliches Mittel der Qualitatsverbesserung ist daneben vor allem die Pflicht des Anfangers, sein praktisches Konnen stets mit dem Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Behandlung abzuwagen und im Fall fehlender Qualifikation die Behandlung einem erfahrenen Kollegen zu iiberlassen. Parallel dazu kann man dann von den ausbildenden Arzten, dem Kliniktrager und Praxisinhaber verlangen, den Anfanger zuverlassig zu priifen, ihn nur fiir Behandlungen einzusetzen, fiir die er geeignet ist und im Bedarfsfall zugleich fiir eine qualifizierte Aufsicht im erforderlichen Umfang zu sorgen. Infolge dessen wird die Anfangerbehandlung strengen Voraussetzungen unterworfen, die eine Ausbildung ermoglichen und
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dennoch einen Schutz fiir den Patienten schaffen und die Behandlungsqualitat dem Facharztstandard anzunahern. Jedoch darf dabei nicht auBer Acht bleiben, dass es sich bei den genannten MaBnahmen lediglich um theoretische Fordemngen und Idealbilder handelt, die in der Praxis weit weniger effektiv sind, als sie dies theoretisch scheinen. So ist es oft aus personellen Griinden nicht immer moglich, den genannten Pflichten in vollem Umfang gerecht zu werden. Hauptproblem aber ist und bleibt die Tatsache, dass auch bei noch so hohen und umfangreichen Pflichten, die man fiir eine Anfangerbehandlung fordert, man das Konnen bzw. das gerade noch fehlende Konnen des Anfangers nicht beeinflussen kann. Bin Anfanger wird nie in der Lage sein, auf Anhieb eine medizinische MaBnahme so sicher durchfiihren zu konnen, wie dies sein erfahrener Facharztkollege vermag. Die tatsachliche Qualitatsgrenze einer Behandlung wird stets die Fahigkeit des jeweiligen Anfangers sein; jede flankierende MaBnahme tragt zwar zur Sicherheit des Patienten bei, sie wird aber nie aus einem unerfahrenen jungen Arzt einen erfahrenen Spezialisten machen. Auch die Forderung nach dem SorgfaltsmaBstab eines Facharztes an dem auch der Anfanger zu messen sei, wiirde daran nichts andern, sondern konnte lediglich zu einer scharferen Haftung ftihren. Letztlich muss man sich sowohl theoretisch als auch praktisch mit einem gewissen Restrisiko, das die Anfangerbehandlung mit sich bringt, im Interesse der Allgemeinheit an der praktischen Ausbildung der Arzteschaft abfinden. Um dem Patienten allerdings einen Ausgleich dafiir zur Seite zu stellen und dem Prinzip der Waffengleichheit gerecht zu werden, bleibt von rechtlicher Seite wenigstens die Moglichkeit, schadensersatzrechtlich eine gesicherte und verbesserte Position des anfangerbehandelten Patienten zu schaffen. Bereits die Festlegung hoherer bzw. zusatzlicher Pflichten fiihrt zwangslaufig zu einer Erweiterung der Haftungsbandbreite; schlieBlich ist die Grundvoraussetzung einer schadensersatzrechtlichen Haftung die Pflichtverletzung und je mehr Pflichten fiir den Arzt bestehen, um so mehr kann er verletzen und der Patient sich darauf berufen. Als besondere Pflichtverletzungen bzw. - zuriick zur Terminologie der Arzthaftung Behandlungsfehler haben sich im Zusammenhang mit der Anfangeroperation das tjbernahmeverschulden des Anfangers, das (Jberwachungs-, Ubertragungs- und Organisationsverschulden vorgesetzter Arzte sowie des Kliniktragers bzw. Praxisinhabers entwickelt, die eine Schadensersatzpflicht begriinden konnen. Zusatzlich zu den besonderen Behandlungsfehlern werden dem Patienten, abweichend von den regularen Grundsatzen der Beweislastverteilung, Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugestanden, die seine unterlegene Position auszugleichen vermogen. Besonders relevant ist insofern die Anfangereigenschaft, die als Ankniipfungspunkt fiir eine Beweiserleichterung herangezogen wird. Wird eine Behandlung von einem Anfanger vorgenommen, so wird zu Gunsten des geschadigten Patienten vermutet, dass der Schaden kausal auf die Anfangereigenschaft zuriickzufiihren ist. Dadurch wird die Prozessposition des Patienten verbessert und die Beweisfiihrung erleichtert. Dies hat zur Folge, dass zumindest durch den Anfangereinsatz entstandene materielle und immaterielle Schaden ersetzt werden konnen. Der bereits mehrfach angesprochene SorgfaltsmaBstab eines Facharztes, der zum Teil auch fiir den Anfanger gefordert wird, wiirde in diesem Bereich gleich-
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sam zu einer weiteren Besserstellung des Patienten fiihren. Die Heraufsetzung des SorgfaltsmaBstabes hatte namlich zur Konsequenz, dass die Haftungsschwelle des Anfangers deutlich herabgesetzt wiirde, weil dieser regelmaBig nicht in der Lage ware, der Sorgfalt eines Facharztes zu entsprechen. Jedoch ware die Folge einer solchen zusatzlichen Haftungsmodifizierung, dass die anvisierte Waffengleichheit sich zu Lasten den jungen Arztes verschieben wiirde. Da dem Patienten aber neben dem Anfanger immer auch sein Vertragspartner, sei es nun der Praxisinhaber, der Kliniktrager oder der Chefarzt, zusatzlich als Haftungsobjekt zur Verfiigung steht, ist er ausreichend haftungsrechtlich gesichert. Hinzukommt, dass durch die sehr strengen Voraussetzungen fiir die Exkulpation im Rahmen der Verrichtungsgehilfenhaftung fiir Kliniktrager und Praxisinhaber zum Teil eine nahezu verschuldensunabhangige Haftung entstanden ist, nach der im Falle eines Anfangerfehlers regelmaBig die Klinik haftet. Lediglich dann, wenn auch den Vertragspartner des Patienten kein Verschulden an dem Schaden trifft, der durch die Anfangeroperation entstanden ist, entsteht eine Haftungsliicke fiir den Patienten. In solchen Fallen ware es denkbar, ahnlich wie bei der skandinavischen Patientenversicherung^^^^ eine verschuldensunabhangige Grundentschadigung des Patienten zu ermoglichen. Um nun abschlieBend ein Fazit uber die vorliegenden Ausfiihrungen zu treffen, bietet es sich an, sich die einleitenden Worte Jherings ins Gedachtnis zuriickzurufen, der zu Anfang der Arbeit damit zitiert wird, dass es nun mal so in der Welt eingerichtet sei, dass Arzte Erfahrung sammeln miissten und die Patienten diese bezahlen. Legt man das Verb „bezahlen" lediglich pekuniar aus, so ist man nach obigen Ausfiihrungen geneigt, dem zu widersprechen. Aufgrund besonderer Pflichten, besonderen Verschuldensformen und Beweiserleichterungen kann man durchaus davon sprechen, dass es durch die Anfangeroperation finanziell bzw. haftungsrechtlich zu keiner Schlechterstellung des Patienten kommt. Die vielbeschworene Waffengleichheit, die man auch bei einem regularen Arzthaftungsprozess zu erreichen versucht, wird so erhalten und der Patient kann seine Schaden regelmaBig voll ersetzt bekommen. Insofern geht die Ausbildung nicht auf Kosten des Patienten sondern regelmaBig auf Kosten der Versicherung, bei der sich der Krankenhaustrager oder Praxisinhaber fiir den Haftungsfall versichert hat. Zuzustimmen ist Jhering allerdings, wenn man den Begriff des Bezahlens welter fasst und nicht nur fmanziell sondern allgemein als Belastungen jeglicher Art defmiert. Denn es ist nicht zu verleugnen, dass ein Patient, der von einem Anfanger versorgt wird - und sind die rechtlichen SchutzmaBnahmen noch so hoch angesetzt - zwangslaufig anders behandelt wird, als von einem erfahrenen Spezialisten. Die daraus resultierenden Folgen sind durchaus als unabdingbare Nachteile zu verstehen, die der Patient zu Gunsten der allgemeinen Arzteausbildung tragen muss. Andererseits darf man aber nicht auBer Acht lassen, dass auch die Eigen1181 Ygi hierzu den Vorschlag des Rechtsgutachtens von Fischer/Kluth/Lilie, Ansatze fur eine Starkung der Patientenrechte im Deutschen Recht, S. 340.
II. AbschlieBende Bewertung
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schaft als erfahrener Facharzt kein Garant fiir eine facharztgerechte Behandlung ist, sondern stets der Faktor Mensch beispielsweise in Form routine- oder auch altersbedingter Ungenauigkeiten zu einem Gefahrdungspotential fiihrt, das bei einem Anfanger eher selten ist. Insofern bringt die Anfangeroperation zwar ein zusatzliches Risiko mit sich, das auf Kosten des Patienten geht, allerdings ist dies als so gering einzustufen, dass es dem Interesse der Allgemeinheit an einer auch in Zukunft gesicherten Ausbildung der Arzteschaft nachzustehen hat. Demnach bleibt resiimierend nur noch, das Zitat Jherings, bezogen auf die Anfangeroperation wie folgt zu modifizieren: Zwar ist es in der Welt so eingerichtet, dass Arzte ihre Erfahrungen machen mussen, jedoch geht dies in finanzieller Hinsicht letztlich zu Lasten der Versicherungen; dariiber hinaus miissen zwar die Patienten dafiir ein zusatzliches Risiko tragen, das allerdings - zum Trost gesprochen - gemessen am Nutzen fiir die Allgemeinheit zu vernachlassigen ist.
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