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STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge t. Reihe: Monographien
Im Auftrag der Görres-Gcsel...
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STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge t. Reihe: Monographien
Im Auftrag der Görres-Gcsellschaft herausgegeben von HEINRICH CHANTRAINE, Tom HACKENS, HANS JORGEN TSCHlEDEL U. ÜTIO ZWIERLEIN
17. Band
2001
Ferdinand Schäningh Paderborn . München' Wien' Zürich
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BERNHARD GEORG
Exegetische und schmückende Eindichtungen im ersten Properzbuch
2001
Ferdinand Schäningh Paderborn' München' Wien' Zürich
PVA
2001. 2708
TiuLrbbilJlmg: Hylas und die Nymphen Marmor-Puteal aus Ostia, litte 2. Jh. n. ehr., Gipsabguß, Kopcnhagen Thorvaldsens Museum L 298. Phow: Jooals
Die Deutsche Bibliotllek - CI P-Einheitsaufnahme
Georg. Bernhard: Exegetisch.: \.on
EinbandgcSlaltung: Anna Braungart. Regensburg G~ruckl
auf umwehfreundlichem, chlodrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier@ ISO 9706
() 2001 Ferdinand Schöningh. Paderhorn (Verlag Fcrdinand Schöningh GmbH, Jühenpl:.nz I, D·}J098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbch~1ten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in ~nderen als den gesetzlich zugelassenen Hllen in ohne vorherige schriftliche Zunimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herslellung: Ferdinand Schöningh. Paderborn ISBN 3-S06-79067-6
Orvt
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MEINEN ELTERN
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Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die ftir den Druck geringfligig veränderte Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 1999 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich· Wilhelms-Universität Bonn angenommen wurde. ABen, die mich während meines Studiums und bei dieser Arbeit mittelbar wie unmittelbar unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank aussprechen: meinen Lehrern und Freunden in Bonn, Oxford, München, Köln und Düsseldorf, Herrn Professor Rainer Jakobi f1lr die Übernahme des Korreferats. Der DFG danke ich f1lr ein großzügig gewährtes Promotionsstipendium im Rahmen des Graduiertenkollegs "Der Kommentar in Antike und Mittelalter" (Bochum, Bonn, Göttingen, Halle), den Herausgebern der "Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums" flir die Aufnahme der Arbeit in die Reihe und der GörresGesellschaft und ihrem Präsidenten, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mull. Paul Mikat, filr die Förderung der Publikation. Umfangreiche Vorarbeiten zur vorliegenden Arbeit entstanden bereits während meines Aufenthaltes an der University of Oxford im akademischen Jahr 1993/94. In Oxford arbeitete ich unter vorzüglichen Bedingungen und ganz besonders der intensiven Betreuung durch meinen dortigen Lehrer, Dr. Stephen J. Heyworth, dem ich f1lr seine scharfsinnige Kritik und seine geduldige Hilfsbereitschaft von Herzen danke. Für wichtige Anregungen und zahlreiche Verbesserungsvorschläge in späteren Phasen meiner Untersuchungen danke ich auch dem Bonner Oberseminar. Mein Lehrer, Herr Professor Otto Zwierlein, hat die Dissertation angeregt und über Jahre mit der ihm eigenen Offenheit und großzügigen Hilfsbereitschaft betreut. Sein wissenschaftlicher Rat und ebenso sein unermüdlicher Zuspruch sowie seine Geduld in schwierigen Entstehungsphasen hinterlassen ein bleibendes GefUhl tiefer Dankbarkeit.
Januar 2001
Bemhard Georg
(XXH5453
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lnhal tsverzeichnis
Einleitung I. Der Zustand des Properztextes und der echtheitskritische Ansatz
11. Methodische Grundlagen einer echtheitskritischen Untersuchung 111. Ziel und Aufbau der Arbeit
13 16 17
DIE ELEGIEN DES ERSTEN PROPERZBUCHES
21
I. Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
23
Die Elegie I, 19 Die Elegie I, 20 Die Elegie I, 21
11. Die echten Elegien des ersten Properzbuches A. Der Aufbau des Buches I. Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14 2. Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22 B. Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14 I. Die Elegien 7,9, 10 und 13
24 32 46
49 49 51 52 54 54
Die Elegie I, 7 Die Elegie I, 9
54 57
Die Elegie I, 10 Die Elegie I, 13
63 67 72
Entsprechungen zwischen den Elegien 7, 9,10 und 13 2. Die Elegien 8A, 8B, 1I und 12
•
13
77
Die Elegie I, 8A Die Elegie I, 8B
77 82
Die Elegie I, 11 Die Elegie I, 12 Entsprechungen zwischen den Elegien 8A, 8B, 11 und 12
85 92 95
3. Die Elegien 6 und 14 Die Elegie I, 6
99
99
10
Inhaltsverzeichni s
Die Elegie I, 14 Entsprechungen zwischen den Elegien 6 und 14 4. Gesamtdarstellung des Binnengeflechts der Elegien 6 - 14 C. Die rahmenden Elegien 1- 5 und 15 - 18. 22 I. Die Elegien 2 und 15
Die Elegie 1.2 Die Elegie I, 15 Entsprechungen zwischen den Elegien 2 und 15 2. Die Elegien 3 und 16 Die Elegie I. 3 Die Elegie I, 16 Entsprechungen zwischen den Elegien 3 und 16 3. Die Elegien 4 und 5 Die Elegie 1. 4 Die Elegie I, 5 Entsprechungen zwischen den Elegien 4 und 5 4. Die Elegien 17und 18 Die Elegie 1.17 Die Elegie 1. 18 Entsprechungen zwischen den Elegien 17 und 18 5. Die Elegien I und 22
104 107 108 110 110 110 115 122 124 124 133 138 139 139 145 149 152 152 156 160 16.2
Die Elegie 1. I 162 Die Elegie I, 22 lli8 Entsprechungen zwischen der ersten Elegie und den Elegien 17 und 18 .. 16,9 1II. Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (2. Teil)
1111
TYPOLOGIE DER ElNDlCHTUNGEN 1M ERSTEN PROPERZBUCH
1775
Einleitung I. Exegetische Eindichtungen
A. Eindichtungen mit verdeutlichender Funktion
1117
1719 1719
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Inhaltsverzeichnis 1. Verdeutlichung durch gleichartige Fortsetzung a. b. c. d. e.
179
Verdeutlichung emphatischer Aussagen, die die Zukunft betreffen ...... 179 Verdeutlichung emphatischer Schilderungen bestehender Verhältnisse180 Verdeutlichung der Empörung in emphatischen Ausrufen oder Fragen 182 Verdeutlichung von nachdrücklichen Wünschen 182 Verdeutlichung der Funktion mythologischer Exempla 182
2. Verdeutlichung durch andersartige Fortsetzung
B. Eindichrungen mit erklärender Funktion I. 2. 3. 4.
lI
Klärung des Gedankengangs am Ende eines längeren Zusatzes Erklärung der Aussage von emphatischen Fragen Ergänzende Anmerkung zu Vorhergehendem Erklärung von Folgendem
U. Schmückende Eindichtungen A. Emphatische Zusätze
184 185 185 186 187 188 191 191
I. Emphatische Zusätze ähnlich solchen mit verdeutlichender Funktion. 191 2. Emphatische Beteuerung einer lobenswerten Eigenschaft des Properz 193 194 3. Begründender Kommentar mit assoziativ angebundenem Ausruf B. Neutrale Zusätze I. Entfaltung von Andeutungen 2. Fortsetzung von Reihen 3. ,Modo' in ausmalenden Zusätzen C. Längere Zusätze am Anfang oder Ende einer Elegie I. Zusätze nach dem echten Ende einer Elegie 2. Zusätze vor dem echten Schlußdistichon einer Elegie 3. Zusatz zu Beginn einer Elegie
194 195 195 196 196 197 198 198
Schluß
199
Bibliographie
20 1
Stellenindex
204
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Einleitung
I. Der Zustand des Properztextes und der echtheitskritische Ansatz "Properzens Elegien sind uns in einem Zustand überliefert, dessen überaus starke Verdorbenheit eine längst erkannte und lAngst allgemein anerkannte Tatsache ist. Ebenso hat seit den Tagen Scaligers die Einsicht weitestgehende Billigung gefun· den, daß die Verderbnis nicht nur den Wortlaut ergriffen hat, sondern auch den Versbestand und die Versfolge, kurz, den Context. Bei dieser Lage sah sich die philologische Kritik, sogar die konservative Kritik, von jeher gezwungen, hier mit einschneidenden Mitteln Wandel zu schafTen: zahlreiche LOcken hat man angesetzt, zahllose Versversetzungen hat man vorgenommen, an irrtOmlich in den Text gedrungene Doppelfassungen von des Dichters eigener Hand hat man gedacht." Mit diesen Worten hat Knoche 1936 in einem rur die Properzkritik bahnbrechen· den Artikel l treffend den desolaten Zustand des Properztextes und die verzweifelten Versuche charakterisiert, der Probleme Herr zu werden. Angesichts dieser Lage erscheint es ihm merkwürdig, daß "bisher nur wenige der sorgfältigen Interpreten mit Versinterpolationen im Properztext gerechnet" haben. Sonst sei die Annahme von Interpolationen in fast allen umfangreicheren Texten der griechischen oder lateinischen Literatur eine Selbstverständlichkeit. Von dieser Festslellung ausgehend hat Knoche den bis heute allgemein anerkannlen Nachweis erbracht, daß Prop. 4, 5, 55f. interpoliert ist 2 , Damit hat er "der Propcrzinterpretation das methodische Recht" wiedergegeben, "Stellen, die sonst durch keines der anerkannten kritischen Minel befriedigend herzustellen sind, durch Ausmerzung des hybriden Gewächses zu heilen"l, Bereits ein Jahr vor Knoche hat Jachmann einen Vorstoß in die gleiche Richtung unternommen. In einer Abhandlung, die vornehmlich mit Interpolationen in Prop. 2, 15 befaßt ist, erklärt er, man tue dem Properz Unrecht, wenn man ihm Ausdrucksweisen zutraue, "die an Unbeholfenheit, Verschrobenheit, Dunkelheit Die hier zilienen Ausschnitte S. Sr. 1 Selbsl Goold. einer der bezüglich der Echtheitsrrage konservalivsten Properzkriliker, übemimml in seiner Ausgabe die Tilgung dieses Distichons. } Knoche, S. 11, I
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Exegetische und schmückende Eindichtungen im ersten Propcrzbuch
das Erdenklichste leisten". Wo immer die Erklärer zu Geständnissen genötigt seien wie ",die Worte lassen sich rur uns nicht mit voller Sicherheit erklären' oder ,die Worte sind kaum noch verständlich' (Rothstein zu 3, 7, 22. 49)", da dürfe man überzeugt sein, "nicht Properz, sondern einen Interpolator zu vernehmen',4. In der bisherigen Forschung sind diese Äußerungen von Jachmann und Knoche auf wenig Resonanz gestoßen. Die Gründe fur die mangelnde Popularität der Intcrpolationshypothese hat in jüngerer Zeit TarTant, auf dessen Ausfllhrungen ich im folgenden zurückgreife~, dargelegt. "For several decades in the mid-nineteenth century being a ,scientific' critic meant being a skeptical one, quick to doubt the reliabiliry of our transmitted texts both in details of wording aod in larger malters of form aod authorship ... Editors produced texts in wh ich literally thousands of lines of Greek and Latin poetry were deleted, secluded, damned, or otherwise branded as spurious. Then, in the 1880s and 1890s, the tide of scholarly opinion abruplly turned, and a reverence for the transmitted text ... became the mark of a (rue critic (11, S. 121f.)... In CUrTent editorial scholarship as a whole... interpolationist criticism even in modified fonn is distinctly a minority pursuit... (Il, S. 123)." Ursache für die massive konservative Gegenbewegung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist nach Tarrant der mangelhafte wissenschaftliche Anspruch, mit dem die Verfechter der Interpolationshypothese im 19. Jahrhundert auftraten: "For the most part they were content to denounce the lines they excised as inept, illogical, unworthy ofthe author, or, in extreme cases, merely inessential (11, S. 124)." Der einzige feste Zug, den sie dem Interpolator hätten zuschreiben können, sei "a mischievous or malevolent urge to deceive" (I, S. 283). Tarrant ist sich der Gründe, weshalb der echtheitskritische Ansatz in Mißkredit geraten ist, sowie auch der denkbaren Vorbehalte gegenüber demselben wohl bewußt, stellt seine Berechtigung aber gleichwohl nicht in Frage: Die Athetese könne einem Spiel ohne Regeln gleichen oder bestenfalls einem, in dem die Regeln nur dem Kritiker bekannt seien. Dieser Eindruck von Willkür sei zu einem gewissen Umfang zutreffend, da Echtheitskritik, wie Textkritik im allgemeinen, nicht nach Anwendung von Regeln vorgehe, sondern nach persönlichem Urteil. Jedoch: "When carried out with knowledge and tact it can resemble connoisseurship (1, S. 281 r.)." Bevor ich diesen von Tarrant hier gewiesenen Weg weiterverfolge, will ich kurz darlegen, weshalb mir der echtheitskritische Ansatz geeigneter erscheint, eine Rei· he von Schwierigkeiten im Properztext zu lösen, als die heute üblichen, eher ,tradilionellen' Methoden der Textkritik. Vertreter dieser herkömmlichen Methoden sind meist bemüht, den Text in seiner Grundsubstanz zu erhalten. Goold etwa, dessen Properz, wie zu Recht geäußert ~ J
Jachm:mn, S. 204. Die Seilenangaben zu den Zitaten aus Tarrnnt (I) und (11) finden sich in Klammem im Haupttcxt.
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Einleitung
15
wird 6 , zur Zeit immerhin der beste ist, hält nur zwei Distichen rur interpolien'; er nimmt dafür allerdings um der Lesbarkeit seines Textes willen eine große Zahl von Einzelkonjekturen und Umstellungen von Versen - mitunter sogar über Buchgrenzen hinweg - in Kauf1 Auch Heyworth, der eine neue Properzausgabe vorbereitet, läßt eine ähnliche Haltung erkennen, wenn er bemerkt: "We mayaiso suspect that non-Propenian matcrial has entered the corpus; but though there are clearly couplcts Propenius cannot have written in their present position or condition, there scems linie that he could not have written at all.,>3 Angesichts seiner Zuruckhahung gegenüber der Athetese als Heilmittel ist es höchst bemerkenswen, daß Hcyworth sich andererseits leicht vorstellen kann, daß das zweite Propcrzbuch eine Verschmelzung von ursprünglich zwei Büchern ist, und daß einige hunden Verse aus diesen beiden Büchern verlorengegangen sind9 ! Das beständige Ansetzen von Lücken, das in extremer Weise von Richmond betrieben wurde und mit dem auch in Heywonhs bevorstehender Properzausgabe zu rechnen ist, sowie die zahlreichen Versetzungen ganzer Versblöcke, für die Goold eintritt, sind nicht nur ähnlich schwerwiegende Eingriffe in den ilberlieferten Text wie die Annahme von Eindichtungen, sondern scheinen vor allem sehr viel willkürlicher und weniger leicht einsichtig zu machen als diese. Denn für jene ,mechanischen' Fehlcrtypen läßt sich in der Regel keine Ursache benennen, noch kann der Inhalt des in einer Lücke verlorenen Versgutes einigermaßen sicher bestimmt werden. Wer hingegen nach Eindichtungen Ausschau hält, ist bereits durch die Natur seines Ansatzes gehalten, seine Hypothesen wohldurchdacht und überzeugend darzutun. Er wird stets einen möglichen Grund fur die Eindichtung anzuruhren sowie nachzuweisen versuchen, daß der um die angenommenen Zusätze verkürzte Text der ursprüngliche zu sein scheint. Weil er nicht von einer schicksalsbedingten, sondern von einer intendienen, also nach gewissen Regeln erfolgten, Abänderung des Originals ausgeht, wird er auch imstande sein, die Eindichtungen zu systematisieren, damit zugleich die Konturen ihres Autors deutlich herauszustellen und SO schließlich erreichen, daß sich die einzelnen Interpolationshypothesen gegenseitig stülZen. Bis Jetzt ist von denjenigen, die einzelne Stellen in Properz für unecht erklän haben I , eine solche systematische Erfassung der Eindichtungen nicht geleistet 6 1
• ,
10
Vgl. J. L. Butrica, Phoenix 46, 1992,273-276. Außer den von Knoche getilgten Versen 4, 5, 55f. sieht er nur noch (mit Jaeob) die Verse 3,7, 23f. als unecht an. In der soeben erschienen Arbeit von Zwierlein wird dagegen das ganze vierte Elegienbuch nach dem Vorgang von C. Heimreich dem Propcrz abgesprochen; siehe Zwierlein, S. 7, Anm. I und das Stellenregister. Heyworth (11), S. 171. Heyworth (11), S. 165. Daß der überlieferte Properztext gegenüber dem Original möglicherweise Lücken enthalt, soll nicht gnmdslitzlich bestritten werden. Im asten Ploperzbuch etwa ließe sich gegebenenfalls vor dem abrupten Beginn der 17. Elegie mit er merita Textausfall vermuten. Aus jOngster Zeit ist hier Günther zu nennen. In seinen Quaestiones Propertiantu beabsichtigt er nach seinen eigenen Worten ..to revive the most infamous approaches to Propertian textual eriticism ... wholesale verse transposition and the search for interpolations" (S. VII). Mit Recht erklart er: ,,'Interpolationsforschung' still waits to become a major trend in Propertian scholarship" (S. VII, Anm. I). Er hält indes das Ausmaß von lnll:erpola-
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Exegetische und schmOckende Eindichtungen im ersten Properzbuch
worden. Wie ich im nächsten Abschnitt deutlich machen will, steht ihr nach Tarrants wichtigen Untersuchungen zu den Ursachen rur das Entstehen von Interpola· tionen nunmehr nichts mehr im Weg.
11. Methodische Grundlagen einer echtheitskritischen Untersuchung Die frOhere Interpolationsforschung war wenig darum bemüht, Ursache und Verlauf der Interpolationsgenese zu erhellen. So kann man nach Jachmann "gewisse wiederkehrende Typen von Interpolationen erkennen und ordnend unterscheiden. Andererseits ist eine bestimmte Triebfeder nicht in allen Fällen ersichtlich." Jachmann ist der Ansicht, "daß die Interpolatoren mitunter ganz aus freien Stücken und aus reiner Spielerei ihr Wesen in den Texten trieben: sie erweiterten, sie putzten auf, sie verschönten nach ihren Begriffen von Schönheit"ll. Erst Tarranl hat begonnen, die Komplexität der Interpolationsgenese gründlicher zu untersuchen. Er distanziert sich mit aller Deutlichkeit von den früheren, oberflächlichen Versuchen, die Entstehung von Interpolationen zu erklären, und vertritt vorsichtig einen neuen Ansatz, indem er betont, wichtig rur das Verständnis der Interpolationsgenese sei das Studium des besonderen Verhältnisses zwischen Text und Leser in der Antike, das sich wesentlich von allem unterscheidet, was in unserem Erfahrungsbereich liegt: "Tbe Qverwhelming majority of evident and probable interpolations in Latin poetry can be accounted for without recourse to fraudulent motives (I, S. 284)... Tbe origins of interpolation are not primarily to be 100ked for in the operations of a few unscrupulous deceivers but rather in the ways ancient and medieval readers in general encountered and responded to texts."u Tarrant klassifiziert die Interpolationen entsprechend ihren offensichtlichen Funktionen (11, S. 126, Anm. 16) und unterscheidet drei Kategorien, denen er die Bezeichnungen emendation, annotation und imitation oder collabora/ion gibt (I, S. 284). Emendation und annotation charakterisiert er als
means of dealing with defects or obscurities in a text... the reader who employs it for this end may be said to perfoml the task of an editor or cOlumentator (11, S. 126}". In Ermangelung zuverlässiger Texte sahen sich einzelne Leser dazu veranlaßt, rur sich selbst die Texte zu korrigieren. Wenn möglich, zogen sie zu diesem Zwecke andere Exemplare zum Vergleich heran; oft jedoch mußten sie Abschreibefehler durch eigenhändige Konjektur verbessern. Da, wo der in Frage stehende Fehler in der Auslassung eines oder mehrerer Verse bestand, stellt die Konjektur, vom Standpunkt der modemen Kritik gesehen, eine Interpolation dar (11, S. 127). ,,8
tionen in Propen für begrenzt und glaubt nicht, daß sie der HauplgNnd filr die Textproblerne in Properz sind (5. VIII). 11 Jachmann, 5. 207. n Tarnnt (11), 5. 126. Tanant erwlhnt (11, 5. 130) "the ancienl and medieval (ondness (or casting mnemonic tags, headings, captions, and other periphel1l1 mauer in metrical (orm··.
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Einleitung
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Für die Entstehung von Interpolationen der Kategorie annotation gibt es nach Tarrant auch noch eine andere mögliche Ursache: Die antiken Leser waren nicht nur gehalten, selbst als Herausgeber zu agieren; meist waren sie auch auf ihr eigenes KOnnen angewiesen, wenn es um die Interpretation des Textes ging, den sie lasen. Nur zu wenigen Dichtem, wie etwa zu Vergil und Terenz, gab es vollständige Kommentare, und selbst dann, wenn Scholien existierten, besteht kein Grund zu der Annahme, daß diese Hilfsmittel allen Lesern zur Verfilgung standen. Die Mehrheit der privaten Exemplare enthielt daher wahrscheinlich ein gewisses Ausmaß an Anmerkungen, die hinzugefUgt waren, um Unklarheiten zu erhellen oder einen Bezug zu einer bestimmten früheren Passage herzustellen (11, S. 130). Drei Typen von Interpolationen gehören nach Tarrant zur Kategorie annotation: Glosse, Kommen/ar und Zita/ oder Parallele. Eine Glosse in ihrer einfachsten Fonn erklärt, so Tarrant, die Bedeutung eines ungebräuchlichen Begriffes. Einen Kommen/ar charakterisiert er als eine Notiz, die entweder eine Passage auf ihr Wesentliches reduziert ("a kind of capsu1e summary") oder sonst eine Information liefert, die als nötig oder hilfreich rur das Verständnis einer Passage empfunden wird l }. Zu den Fonnen der dritten Variante, dem Zitat oder der Parallele, erläutert er, sie seien schwierig zu identifizieren, da sie rur gewöhnlich irgendeinen Bezug zu dem Kontext hätten, in dem sie sich fänden, zudem oft vollkommen klassisch in ihrer Diktion und in ihrem Stil seien und da es sehen ein offensichtliches Motiv fUr ihre Eindichrung gebe (11, S. 134f.).
Tarrants AusfUhrungen zur Interpolationskategorie der annotation bilden eine wichtige Grundlage rur eine Typologie det Eindichtungen im ersten Properzbuch. Von noch größerer Bedeutung allerdings ist seine Beschreibung der Kategorie imitation oder co//aboration. lnterpolationen dieser Art zeichnen sich nach seinen Worten aus durch "a desire to prolong, to elaborate, or even to surpass the text whieh inspires it (I, S. 295)". Der Leser habe in diesen Fällen anscheinend die Rolle eines Ko-Autors inne, der den Text revidiere, erweitere oder variiere, und zwar nicht etwa, weil dieser mangelhaft oder unklar erscheine, sondern weil er eine weitere Ausarbeitung gestatte (li, S. 137). Wie bei den Eindichtungen der Kategorie annotation, so unterscheidet Tarrant auch bei denen der Kategorie imitation oder collaboration drei Typen: "Those which smooth a transition or fill an apparent ellipse in the argument or narrative; those which extend, amplify, or heighten a point; and those wh ich add emphasis or weight to a conclusion (11, S. 137)". Vor allem der zweite dieser drei Typen, auch nach Tarrant "by far the most prolifie (U, S. 139r.)", ist im Hinblick auf eine Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch von Bedeutung.
LU. Ziel und Aufbau der Arbeit Tarrants Überlegungen bilden für die folgende Untersuchung eine wichtige GnmdJage. Denn in ihr wird sich zeigen, daß der Verfasser der Eindichrungen im l)
Für die vOl1lngegangenen Ausftlhrungen zur Kategorie annotation vg1. Tarrant (1), S. 290f.
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Exegetische und schmückende Eindichtungcn im ersten Propcrzbuch
ersten Properzbuch die von Tarrant beschriebenen Wesenszüge eines Editors oder Kommentators sowie eines Ko-Autors aufweist. Daß diese bei den Züge manches gemeinsam haben, liegt auf der Hand. Auf jeder Stufe ihrer Entwicklung dienen exegetische Schriften zur "schönen Literatur" nicht nur der Problemdiskussion und -lösung, sondern auch als Forum rur die Präsentation von erodirio, indem ctwa neu entdeckte Zusammenhänge innerhalb des jeweiligen Werkes oder Parallelen angeflihrt werden. Wenn darum in der Typologie im zweiten Teil dieser Untersuchung die Eindichtungen im ersten Properzbuch in exegetische und solche unterschieden werden, die vorwiegend eine schmückende Funktion besitzen, so sind sie gleichwohl als Erzeugnisse ein und desselben poetisch ambitionierten Exegeten aufzufassen, der den ihm vorliegenden Text teilweise verdeutlichen und erklären, teilweise aber auch ausschmückend erweitern wollte. Die Herauslösung und Klassifizierung der Eindichtungen im ersten Properzbuch ist eines der Ziele dieser Arbeit. Vor allem aber soll gezeigt werden, daß mit der Entfernung der Eindichrungen nicht nur die einzelne Elegie von zahlreichen bislang ungelösten Problemen und Widersprtichlichkeiten frei wird und ihre wirkliche Ausdrucksstärke zurückerhält, sondern auch der geniale Bauplan des gesamten Buches mit seinem komplexen Geflecht von inneren Bezügen erst richtig zum Vorschein kommt. Überlegungen, die die Konzeption der Monobiblos als ganzer betreffen, werden darum ebenfalls einen nicht unbeträchtlichen Platz in der folgenden Untersuchung einnehmen. Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Den Anfang des ersten Teils bildet die Besprechung der von Zwierlein getilgten unechten Elegien I, 19 - 21. Anschließend erfolgt die Untersuchung der echten Elegien der Monobiblos, beginnend mit einigen knappen AusfUhrungen zum Bauplan des Buches. Bei der Behandlung der einzelnen Elegien fasse ich diejenigen, die durch ein Geflecht von Bezügen besonders eng miteinander verbunden sind, zu Gruppen oder Paaren zusammen und erläutere im Anschluß an ihre Besprechung das jeweilige Beziehungsgeflecht. Am Schluß des ersten Teils führe ich auf der Grundlage der Besprechung der echten Elegien weitere Argumentc fur die Unechtheit der Elegien I, 19 und 21 an. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann die nachgewiesenen Eindichtungen in Foml einer Typologie klassifiziert. Die Untersuchung der echten Elegien erfolgt in der Weise, daß unter Berucksich· tung ihrer Stellung und Funktion im Gesamtzusammenhang der Monobiblos ihr Gedankcngang skizziert wird und jeweils an den Stellen, an denen eine Eindichtung angenommen wird, eine detaillierte Begründung dieser Annahme erfolgt. Dabei gilt es, nachzuweisen, daß sich die angezweifelte Passage nicht in das Gesamtkonzept und den gedanklichen Verlauf der Elegie fugt, sondern vielmehr Gedankensprunge, innere Widersprüche, gedankliche Dopplungen und Ungereimtheiten bestehen. Sodann sind, soweit vorhanden, inhaltliche Probleme, Besonderheiten im Sprachgebrauch und in der Metrik sowie stilistische Schwächen anzuftlhren. Die GewiChtung der Argumente für die Unechtheit ist von Stelle zu Stelle unterschiedlich.
Einleitung
19
In Anmerkungen werden auch mögliche Vorbilder für die Eindichtungen angeführt und erOrtert l ... Bereits Knoche geht davon aus, daß sich die "verschwommene Unklarheit des Gedankens und Ausdrucks" in Interpolationen dadurch erklän, "daß dem Fälscher ganz vag irgendein literarisches Vorbild vorschwebte, dessen Formulierung er mit wenig Geschick benutzte, dessen Gedanken er aber nur von ungefähr und nicht scharf wiederzugeben vennochte"u. In manchen Fällen ist der Nachweis solcher Vorbilder relativ leicht. Allerdings enthalten unsere Texte, wie Tarrant zu bedenken gibt, zumindest einige Zitate aus verlorengegangenen Werken (1, S. 293). So erklärt Jachmann zutreffend, man dOrfe ,,nicht erwarten, den lnterpolatoren in allen Fällen ihre Bezugsquellen nachweisen zu kOnnen"l6. Haupt'vorlage rur den Bearbeiter der Monobiblos sind offenbar Properz und Ovid. In geringerem Maße haben auch Vergil, Tibull und Horaz als Vorbilder rur die Eindichtungen gedient. Der Vollständigkeit halber ruhre ich unter den Parallelen auch Stellen aus denjenigen Schriften der augusteischen Zeit an, deren Autorschaft ungeklärt ist, sowie solche Stellen aus Ovid, deren Echtheit umstritten ist. Griechische Vorbilder rur unechte Partien habe ich nur bei der Besprechung VOll [Prop.}I, 20 namhaft gemacht. Die Frage nach der Datierung der Eindiehtungen im ersten Properzbuch wird in dieser Untersuchung nicht behandelt. Ich nehme an, daß sie innerhalb des ersten Jahrhunderts nach Abfassung der Monobiblos ihren Weg in den Text fanden. Die älteste wichtige Vorlage scheinen mir die Gedichte des Catull zu sein, die jüngsten die Tragödien Senecas l7 . Ein derartiger Eingriff in den Propcrztext, wie er in der folgenden Untersuchung vorgenommen wird, ist neu. Da jedoch die bisher angewandten Methoden der Pro· pcrzkritik zu kaum befriedigenden Ergebnissen geführt haben, erscheint es an der Zeit, eine solche via intacta zu beschreiten.
Die übereinstimmungen zu den angenommenen VorbildSIelIen mache ich dabei wie folgt kenntlich: Ein identischer oder stammverwandter Begriff ist dureh Fettdruck ausgewiesen. Sieht dieser Begriff zudem an der selben Stelle im Vers, ist er zusätzlich unterstrichen. Enthäll die mögliche VorbildsteIle neben einem identischen oder stammverwandten Begriff einen lediglich sinnverwandten, so ist di~r durch UnIerstreichung gekennzeichnet. l~ Knoche, S. 47. 16 Jachmann. S. 202. 17 Wenn ich in Anmerlcungen Aussagen mit Ausschließlichkeitseharakter mache (etwa, daß ein Begriff, eine Klausel oder eine Junktur sonst nich1 belegt ist), beziehe ich mich allein auf die DWlleogte des eenannlen ZduBumes und nicht auf die lateinische Literatur insge-
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samt.
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DIE ELEGIEN DES ERSTEN PROPERZBUCHES
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I. Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (1. Teil)
Der Schluß des ersten Properzbuches läßt sich, wie schon von mehreren bemerkt worden ist, nicht ohne Schwierigkeiten in dessen Gesamtkonzept einordneni!. So endet Camps' Bauplan der Monobiblos mit I, 19, dem "natural counterpart" von 1,1 19 . Skutsch läßt die Elegien 21 und 22 (zusammen mit 1,20) zwar "part ofthe Monobiblos" sein, erklärt aber gleichwohl: "The coda or superstructure of three poems, 20 to 22, stands entirely apart.,,20 Courtney schließt sich Skutsch an und erklärt die Elegien 20 - 22 fl.ir "carly poems, which Propertius did not wish to discard,·21. Otis, der die Elegien 1 - 19 als "the Monobiblos in the strict sense" bezeichnet 22 , behandelt die letzten Elegien nicht einmal. In dieser Untersuchung soll gezeigt werden, daß in der Tat drei Elegien am Schluß der Monobiblos Probleme bereiten. Dies sind allerdings nicht, wie bislang angenommen, die Elegien 20 - 22, sondern die von Zwierlein getilgten Elegien 19 - 21 23 . Ohne diese drei Elegien besitzt das erste Properzbuch einen Umfang von zwanzig Elegien 24 . Ähnliche Zahlen finden sich in Gedichtbüchern derselben Epo· che: Vergils Bucolica bestehen aus zehn Eklogen, das erste Tibullbuch umfaßt zehn Elegien, die Anzahl der Oden von Horazens zweitem Odenbuch ist zwanzig, die des dritten dreißig. Das erste Satirenbuch des Horaz besteht aus zehn Satiren, sein erstes Epistelbuch aus zwanzig Briefen. Vor allem aber bilden die nach Zwierleins Athetese der Gedichte I, 19 - 21 verbleibenden zwanzig Elegien des ersten Properzbuches, wie im Verlauf dieser Arbeit darzulegen sein wird, eine sorg faltig durchdachte, in sich geschlossene und abgerundete Struktur, in die sich die Elegien 19 - 21 nicht einordnen lassen. Um den Nachweis zu fuhren, daß es sich bei den Elegien 19,20 und 21 um Fremdkörper innerhalb des ersten Properzbuches handelt, ist der Schwerpunkt jeweils unterschiedlich zu setzen. Aufschlußreich ist zweifelsohne in allen drei Fällen die Untersuchung der Disposition des Gedankengangs und des Sprachgebrauchs, welche markante Unterschiede zum echten Properz zutage fördert. Die Gründe, die darüber hinaus dafl.ir sprechen, die Elegien dem Propen.: abzuerken· nen, sind jedoch verschieden. Im Fall der Elegie I, 19 ist die Problematik der gedanklichen Eingliederung in die Entwicklung der Cynthia-Thematik in der MonoDen folgenden handlichen überblick habe ich Stahl (S. 122) entnommen. 19 Camps, S. 10. 20 Skutseh, S. 239. 21 Courtney, S. 254. 22 Otis,S.7. 2l Vgl. Zwierlcin, S. 7 Anm. I und das Stellcnregister. 24 Ich betrachte, wie weiter unten zu Beginn der Untersuchung von I, 8B dargelegt, I, 8A und I, 8B als zwei gesonderte Elegien. 18
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Die Elegien des ersten Properzbuches
biblos entscheidend für den Nachweis ihrer Unechtheit. Bei der Elegie I, 20 gilt es, den grundlegend fremdartigen Charakter darzulegen sowie zu zeigen, inwiefern auch der Versuch der Anverwandlung griechischer und lateinischer Vorbilder Ursache tUr diese Fremdartigkeit ist. Was schließlich die Elegie I, 21 angeht, so ist nachzuweisen, inwiefern die Art ihrer Beziehung zur nachfolgenden Schlußelegie der Monobiblos, I, 22, ein Indiz für ihre Unechtheit darstellt. Ein Teil dieser Untersuchungen hat seinen Platz sinnvollerweise nak.h der Be· handlung der echten Elegien des ersten Properzbuches. Erst später erfolgen soll darum die Erörterung der problematischen Eingliederung von I, 19 in den gedank. lichen Aufbau des ersten Properzbuches sowie die Untersuchung der Art der Beziehung von 1,21 zur Schlußelegie 1,22.
Die Elegie I, 19 Hodge und Buttimore bezeichnen die Elegie I, 19 als "curiously unspecific about its ostensible cause... irrational, objectless". Auf der anderen Seite vennag Boyle überzeugend nachzuweisen, daß ihr eine klare, beinahe mathematisch gen aue, Struktur zugrunde liegt. Ich gebe in Übersetzung sein Strukturschema von I, 19.
vv.
1-4
Properzens Furcht
4 Verse
VV.
5-6
Übergangsdistichon: Properzens Liebe zu Cynthia
2 Verse
VV.
7·12 2S
Mythologisches Zitat A: Phy/acides heros und Properzens Liebe
6 Verse
vv.
13-18
Mythologisches Zitat B: formosae heroinae und Properzens Liebe
6 Verse
vv.
19-20
Übergangsdistichon: Cynthias Liebe zu Properz
2 Verse
vv.
21-24
Properzens Furcht
4 Verse
vv.
25-26
Schlußfolgerung:
2 Verse
inter nos /aelemur amanles 26
Ohne Zweifel ist Boyle's Schema recht vereinfachend 27 . Gleichwohl läßt sich nicht bestreiten, daß die Elegie eine spiegelsymmetrische Struktur aufweist, bei der die korrespondierenden Abschnitte jeweils gleich lang sind. Unterteilt man die Elegie " Streng genommen bilden die 16
"
Verse 11 f. eine gedankliche Einheit für sich.
Boylc, S. 897. Dies ist jedoch auch seinem Autor bewußt; vgl. Boyle, S. 898.
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Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
25
gemäß ihren gedanklichen Hauptzäsuren, so besteht sie, in leichter Abwandlung des obigen Schemas, aus vier Abschnitten von je sechs Versen und einer Schlußcoda von zwei Versen. Abschnitte derselben Länge zu bilden, ist nicht nur hier, sondern auch in etlichen weiteren Elegien des ersten Properzbuches eine offenkundige Vorliebe des Bearbeiters28 . Die mathematisch genaue Struktur einer Elegie ist ebensowenig ein Beweis von Echtheit wie die Häufung von Figuren und Stilmitteln wie Anapher und Alliteration, die sich an manchen Stellen im Properzcorpus beobachten läßt. Seide Phänomene können durchaus fur die Urheberschaft eines rhetorisch geschulten Bearbeiters sprechen 29 . Ich gehe nun im folgenden die einzelnen Abschnitte der Elegie I, 19 der Reihe nach durch und lege jeweils nach einer knappen Inhaltsangabe die Gründe dar, die mir fur ihre Unechtheit zu sprechen scheinen. 1,19,
I
Non JO ego nune Iristis vereo?l, mea Cynthia, MalJis, nee moro?2 extremo debita fatal) rogo}4:
1S Ich erwähne einige besonders markante Fälle, die im folgenden noch eingehend behandelt werden: Der Elegie I, 3 hat der Bearbeiter durch seine Zusätze eine Struktur von vier Abschnitten zu je zehn Versen und einer Coda von sechs Versen gegeben. Dabei stammen der dritte Abschnitt sowie die Coda komplelt von ihm. Die Elegie I, 6 besteht durch seine Zusätze aus sechs Abschnitten von je sechs Versen. Aus 1,9 hat er eine Elegie von viermal acht Versen mit einer Coda von zwei Versen gemacht, aus I, 10 eine Elegie mit drei Abschnitten von je zehn Versen. Eine völlig andere Auffassung venritt in diesem Punkt Günther, der davon überzeugt ist, "that numerical structure plays a larger role in Latin poetry than is normally reeognized·'. Nach ihm existiert ..a kind of stanza composition for many if not most of Propertius' poems", die er rur einen .,important check for hath transpositions and deletions" hält (alle Zitate S. VIII). Günther widmet ein ganzes der vier Kapitel seines Buches Untersuchungen über die Buch- und Gcdichtsstruktur bei Properz (das Kapitel 3, das ich in der Einleitung mit Skepsis erwähnt habe). 19 Für eine andere Bewertung der symmetrischen Struktur von I, 19 vgJ. Boyle, S. 898: "The linear design of the poem... rand) the poem's concentric structure... in combination sueeced in imbuing the elegy with a tightness of noetic organization which undoubtedly conveys to the responsive reader the impression of lirm control being exerted over the eomplex amalgam of thinking and feeling which the elegy contains." Boyle räumt allerdings ein, daß ohne eine gute gedankliche Verbindung dcr einzelnen Abschnitte miteinander ,,8 concentric, symmetrical structure might weIl appear ,rigged' and highly artilicial". Wie jedoch im folgenden zu zeigen sein wird, ist das Fehlen eben solcher guten gedanklichen Verbindungen der Abschnitte mit einander einer der Hauptmllngel dieses Gedichtes. )(I Der in dieser Untersuchung abgedruckte lateinische Text entspricht im Wesentlichen dem in Fedelis Properzausgabe. Gelegentlich habe ieh die Lesart aus Goolds Ausgabe übernommen, ohne allerdings jedes einzelne Mal damufhinzuweisen. JI Der Anfang von V. I ist dem von 1,6, I nachgebildet: non flO nune Hadriae vereor mare noseere teeum. Vgl. auch 1,2,25 non '10 nune vereor ne sis tibi vilior istis. )2 Nee moror am Versanfang lindet sich nur noch in Ov. epist. 12, 188. Zur Unechtheit der HerOldes s. Zwierlein, Kap. 111 7, Die Einflilsehung der Epislulae Heroidum und der Medi· eamina faciei femineae in das Ovidcorpus. .lJ Die lunkturdebitafato ist vorher sonst nicht belegt. Sie kommt erst wieder in Val. FI. 5, 21 vor.
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Die Elegien des erslen Properzbuches
5
sed ne forle IUO careaf mihi)) funus amore. hic timor esl ipsis durior exsequiis. non adeo leviter nostris puer hauit ocel/is16, ut meus oblilo pulvis amOTe vacet)1.
Die Elegie I, 19 beginnt mit der Beteuerung des Dichters gegenüber Cynthia, er fUrchte nicht die traurige Unterwelt, noch zögere er sein Schicksal binaus (VV. 1f.); die Furcht hingegen, daß seine Bestallung ihrer Liebe entbehre. sei härter als die Bestattung selbst (VV. 3f.). In den Versen 5f. gibt der Dichter eine Begründung rur die Äußerung in den Versen 1-4: Seine Liebe sei tiefer, als daß sie mit dem Tod aufhöre. In diesem Abschnitt lassen sich mehrere Auffalligkeiten feststellen: Erstens be· steht zwischen non ego nUlle vereor... Manis \'I. I) und hic timor es! ;psis durior exseqlliis (V. 4) ein gedanklicher Bruch: Der Komparativ dllr;or in V. 4 untergräbt die Beteuerung des Dichters im Anfangsvers, er fUrchte ni.c.h1 die Unterwelt. Zweitens ist der gedankliche Übergang von den Versen 1·4 zu den Versen 5f. unvermittelt: Auf eine Äußerung von Furcht folgt übergangslos eine Beteuerung von LiebeJ8 . Was die Sprache der Verse betriffi, so nult das/orte in V. 3 auf, das innerhalb der eindringlichen Aussage der Verse 3f. banal wirkt. FOr den passivischen Ge· brauch von oblilus \'I. 6) gibt es nach Thes. IX 2, 111, 79ff. nur einen Beleg vor Properz, nämlich Verg. ecl. 9, 53; nachfolgend scheint dieser Gebrauch bis zu den christlichen Autoren aufdr("i Stellen bei Val("rius Flaccus beschränkt Z'J seinJ'. 1,19,
7
10
iflic Phylacides iucundae coniugu heros non potuit caecis imrnemor use
~ Vorbild ist Ov. fast 3, 546 arseral Wlrucfis in sua (qtD coeiJ; eine ähnliche Klausel iSI sonSI nicht belegt. Die Junktur exlremlLJ rogus findel sich nur noch in Ov. ars 2, 120 salus
ad txt«mos permanel i1/e coras. ), Vgl. [Tib.] 3. 7, 27 hoc libi. nec /anlO ca«a, mihi 1/omine charta. )6 V. 5 dürRe eine Kontamination aus I, I, 1 Cymhia prima sujs miserum me ceoit occllj)' und Verg. Aen. I, 717f. ... hai!C ocu/is, haec pectore 1010 / hatrtr... sein. n Eine ähnliche Klausel wie arnore vacel findet sich sonst nur noch in [Prop.]I, 13,2. Daß dieser und der vorhergehende Vers I vom selben Dichler stammen wie die Verse I, 19, 5f., ist offensichtlich: Tu. quod saepe so/es, nOrlrD laelabi!re casu./ GaUe. quod abnplo solus "moa }'tlC(DI. Die Verse I, 19, 5r. sind ihrerseits deutlich Vorbild fllr den Vers I, 19,22:
abslrahal 0 nostro JlJilua. iniquus Amor. J* J9
•1
Boyle, S. 899. Fedeli ad loc. Dieselbe: Junktur findet sich nur noch in Qv. am. I, 14,38 ut plaCt!.QS, debes ,-'"'"emoc (Ut lui und Qv. epist. 15, 106: u/Ja, nisi ul noUes ,-,","""oc UM mei. Vergleiche Ov. met 11,63 invenit Eurydicen cupidisque amplectilur lda.i.r.. Statius hat in Ach. 1,69 die Klausel gaudia palmis offenbar als ersler imitiert: quos mihi! sie Phrygiae
pensamus raudi" palmRL.
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Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (1. Teil) 42
Ulic quidquid ero. semper lua dicar imago 4 rraicit e1 ) fari lilora magllus amor.
27
:
Die Verse 7-10 sollen zur Rechtfertigung der Aussage des Dichters in den Versen Sf. dienen, daß seine Liebe tiefer sei, als daß sie mit dem Tod aufhöre: Dort (in der Unterwelt) habe PrOiesilaus seine geliebte Gattin nicht vergessen können, sondern sei in dem Wunsch, sie zu berühren, in seine Heimat Thessalien zurückgekehrt (VV. 7-10). Don (in der Unterwelt) werde er selbst, so fährt der Dichter, oberOächlich an dieses Exemplum in den Versen 7-10 anknüpfend, in den Versen Ilf. fort, stets als das Schattenbild angesehen werden, welches zu Cynthia gehöre; eine große Liebe überquere sogar die Gestade des Todes. Der gedankliche Übergang zu den Versen 7-10, sowie von diesen Versen zu den Versen 11 f., ist ebenso problematisch wie es bereits der von den Versen 1-4 zu den Versen Sf. war. Hodge und Buttimore bemerken: ,jl/ie is immediately startling. The preceding couplets have circled around Hades: now we are suddenly there.'>44 Die Hauptursache für die Schwierigkeiten, die die gedanklichen Übergänge berei· ten, ist jedoch die Wahl des Exemplums. Sowohl in den Versen Sf., als auch mit der Aussage illic semper lua diear imago in V. II bringt der Dichter zum Ausdruck, daß seine Liebe zu Cynthia seinen Tod überdauern werde. Dabei läßt er allerdings keinen Zweifel daran übrig, daß er sich im Klaren über die Endgültigkeit seines Aufenthaltes in der Unterwelt ist (vgl. insbesondere V. 11). Es ist darum ungeschickt, daß er gerade das Beispiel eines Protesilaus wählt, der aus der Unterwelt zurückgekehrt ist, und daß er diese Rückkehr dazu noch so eingehend und plastisch schildert - wo doch der einzige Berührungspunkt des Beispiels mit dem Kontext das Motiv der den Tod überdauernden Liebe ist. In V. 12 bemüht sich der Dichter nachträglich um eine gedankliche Einbindung des Exemplum: Eine große Liebe überquere, so heißt es hier, sogar die Gestade des Todes. Di~ dargelegte gedankliche Unebenheit bleibt jedoch bestehen: Denn während in dem Exemplum das Überqueren der Grenze zwischen Unterwelt und Oberwelt wörtlich gemeint ist, muß man es in V. 12 übertragen verstehen. Die Verse 7-12 bergen auch sprachliche Schwierigkeiten in sich: Boyle kommentiert zu den Versen 7·10: "The writing in these lines is vibrant, economic, suggestive. Words are not wasted on unimportant matters 45 .•. Language is being pushed to its limits in this passage."46 Fedeli weist auf die ungewöhnliche sprachliche Einbindung des Exemplums hin: "L'exemplum non e introdotto con le formule abituali in Properzio... ma con il singolare ricorso all' anafora: il/ie (v. 7) in riferi· mento aHa situazione di Protesilao, il/ie (v. 1I e v. 13) in riferimento a quella di ~2 Der Vers 1I ist eine Kontamination aus I, 11,26 quicquid er~. dicam: ,Cynlhia causafuit'
4)
4-4
4' %
und Ov. Ponl. 2, 4, 7 aure oculos lIosrros posita esr lJlIl semper imallo. AufThllig ist außerdem die Ähnlichkeit der Verse 8 und 11 zu Eleg. in Maecen. 2, 21 f. ipse ego guicguid (CO dneres illterquefavillas, I tum quoque non potero non memor esse tui. Der Versanfang traidt et ist sonst nur noch in Verg. Aen. 11, 685 belegt: iMidt (r super haec inimico pectore!alur. Auch Camps spricht beim übergang nach V. 7 von einem ,jump in Ihought". Boyle, S. 90 I. Boyle, S. 902.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
Properzio." Cupidus mit dem Infinitiv (V. 9) ist hier wahrscheinlich erstmalig belegt'41. Eine sprachliche Schwierigkeit besteht auch in V. 10: Beläßt man dort das besser überlieferte Thessalus, so bleibt umbra ohne Attribut. Entscheidet man sich filr das 71ressalis der deteriores, so hat cupidus in V. 9 kein Substantiv, auf das es sich bezieht·'. 1,19,
13
15
jllicformosae veniant chorus heroinae", quas dedit Argivis Dardana praeda viri.1; quarum nulla tua fuerif"J mihi, Cynthia, forma gratior. el (Tellus hoc ita iusta sinal) quamvis le longae remorentur fata seneetae'l. eara lamen laerimis QSsa futura meu n .
In den Versen 13-18 fährt der Dichter mit der Beteuerung seiner Treue fort: Möchten dort in der Unterwelt auch die schönen Heroinen kommen, welche die griechischen Helden bei der Eroberung Trojas erbeutet haben - keine von ihnen werde ihm mehr bedeuten als Cynthia in ihrer Schönheit, und es werden, so möge die Göttin Tellus gestatten, ihre Gebeine, wie lange das Schicksal sie auch auf der Erde zurückhalten werde, dennoch seinen Tränen lieb sein. Das erste der drei Distichen dieses Abschnittes ist gedanklich noch am wenig· sten problematisch. Über den genauen Sinn der beiden folgenden Distichen hingegen existieren zahlreiche, teilweise recht komplizierte Spekulationen. Sicher scheint zu sein, daß sie eine Beteuerung fortwährender Hingabe an Cynthia darstellen sollen. Diese Beteuerung hat allerdings die Form einer Kette von Assozia· tionen, die kein in sich geschlossenes Ganzes ergeben. Die Struktur der Verse 15-18 ist sehr unausgewogen H . Bereits der relativische Anschluß quanlm in V. 15 ist ungewöhnlich prägnant. Er ist im Sinne von sed eanlm aufzufassen, ebenso wie in [Prop.] I, 18,24 quae im Sinne von sed eae S4 . (1
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Vgl. Thes. IV 1426, 72ff. Hodge und Buttimore ad loe. Die Verse 12f. weiscn Ähnlichkeiten zu Culex 260fT. auf: Elysjam tranandus agor delatus ad undam. / obvia Persephone comites huoidos urgel / adversas praeferre faces... FÜr einen ähnlichen Gedanken vcrgleiche außerdem die von Heimrcich und Wcber getilgten VCr3e [Prop.) 2, 28, 49f. Sunt apud infernos lot miliaformosDrum: / pulehra sir in supens. si lieet. una locis! Der Vcrsanfang ist aus I, 15,23 geholt: quarum RU"" tuos potuil eonvertere mores. Vgl. den umstriucnen Vers 2,13,47 cui si 10m lontee mjnuisselfDIII stneet4(. Die Klausel fala senectae kommt sonst noch in Tib. 1,4,31 und Lucan. 2, 65 vor. Vorbild ist offenbar Ov. fast. 5, 454 spargebanll4w'mjs oS$lIperusta 1.ILis.. Vgl. auch Ov. epiSl 15,62 ante diem I4crimqs OUR bjbere M(4S. Auch nach Boyle (5. 904) ist ..the loase structl1re of these laUer fair lines... particularly eonspicuous." Er wertet dies allerdings anders (5. 905): ..The eonglomerate efTeet is one of impromptu eonversation, of the sponlaneous, unordercd expression of feeling... The contral of the elegiac couplet is still present, bul the nonnal structul1ll and semantic pal1ems which it imposes upon ilS lines have been inlcnlionally dislocaled"· Butler und Barber ad loe. Vgl. auch Boyle, S. 904: "The quarom clause is made to funclion surprisingly as a main clause (that quarum is 10 be construed as hDrum is not realized until the et of 16),"
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Die unechlen Elegien des erslen Properzbuches (I. Teil)
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Das et in V. 16 verbindet quarum... gratior (VV. Ur.) mit cara... meis (V. 18)ss; die Parenthese in V. 16 gehört, so Fedeli richtig, zu dem, was folgt, und nicht zu dem, was vorausgeht: Die Verse 16b (ab er) bis 18 bilden also eine gedankliche Einheit. Diese Konstruktion ist in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen ist ein Enjambement über die Distichongrenze hinweg ungewöhnlich, zum anderen steht gleich zu Beginn der gedanklichen Einheit, welche die Distichongrenze überschreitet, eine Parenthese, die sich überdies noch bis zum Ende des ersten der beiden Distichen erstreckt. Zu Recht bezeichnet Camps die Passage als "confused and breathless" und merkt Fedeli zu der Parenthese in V. 16 an, daß sie ..interrompa la compatezza dei distico, lasciando in sospeso la conc1usione e difTerendola al distico successivo, per di piu dopo un el." Wie bereits angedeutet, ist auch der GedarLkengang in den Versen 15-18 unklar. Die Schwierigkeiten beginnen mit der Parenthese in V. 16: Bislang konnte nicht geklärt werden, weshalb der Dichter die Göttin der Erde beschwört und sich dabei auf ihre iustiria beruft. Die Verse 17r. sind ihrem Inhalt nach, grob betrachtet, eine Beteuerung der Bereitschaft, Cynthia selbst dann die Treue zu bewahren, wenn sie noch lange auf Erden zurückbleiben werde. Fraglich ist, wie sich dieser Gedanke zu dem vorausgehenden fugt, mit dem er gleichwohl durch ein et eng verbunden ist. Schließlich ist auch die Sprache der Verse 13-18 höchst auffällig. In V. 13 bereitetformosae eine ähnliche Schwierigkeit wie Thessalus in V. 9: Denn nachformosae, einer Fonn im Plural Femininum, folgt unerv/artet eine Fonn im Singular Maskulinum, chorus~6. Housman, der argumentiert, "that chorus, caterva, manus and similar words are not placed in apposition without an adjective in agreement"31, korrigiert darum zu formosus, was allerdings keine wirkliche Verbesserung gegenüber der überlieferten Lesart darstellt: Entscheidet man sich nämlich tur die Konjekturformosus, so ist heroinae eine Apposition zuformosus choms! V. 13 ist ein verSlIs spondiacus. Auch manche der übrigen spondiaci im Properzcorpus scheinen in unechten Passagen zu stehen~8. In V. 14 schließlich wird, so Fedeli, dem Subjekt (Dardana praeda) eine Handlung zugeschrieben, die es nicht ausfuhren kann. Maurach zählt diese Ausdrucksweise zu den Fällen einer "Umkehrung der natürlichen Verhähnisse,,~9. Größere Schwierigkeiten bereitet auch V. 18. Ein weiteres Mal findet sich eine ähnliche sprachliche "Überraschung" wie bei ThessaJus in V. 10. Man geht natürlicherweise davon aus, daß cara zu Beginn von V. 18 Femininum Singular ist und sich auf Cynthia bezieht. Es ist darum "schockierend", daß ossa das BeziehungsButler und Bacher ad loc. 56 Fedeli weist darauf hin, daß auch die Wortstellung unüblich ist: Das Substanliv chorus steht inmiUen des AusdrucksJormosae heroinae, der seiner Ansiehl nach die Funktion einer Apposilion haI. n Housman, JPh 21,1893, S. 184 (= Class. Pap. I. S. 294). ~. Eine AufzAhlung dieser Verse findel sich im index metricus er prosQ(/iaeus von Fedelis Properzausgabe. Zu dem Begriff heroinae vgl. die Ausführungen zu I, 13,31; das Substantiv heroina iSI nicht nur eine Neuschöpfung des Properzbearbeiters; es findet sich auch bei keinem späteren lateinischen Dichter! " Maurach, S. 482. 55
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Die Elcgien dcs ersten Properzbuches
wort ist. Hodge und Buttimore, deren Ausfilhrungen ich in diesem Punkt gefolgt bin, bemerken zur Konstruktion von V. 18: "This is not ungrammatical, but exploits a transient ambiguity". Boylc drückt sich skeptischer aus: "There is a sharp change of subject in the second main dause (coro ... meis, 18), despite the dause parallelism which the et of 16 leads one to expect.,,60 Des weiteren liegt, wie Fede1i anmerkt, in V. 18 eine außergewöhnliche Ellipse vor. Fedeli paraphrasicrt den Vers folgendennaßen: coro tamen locrimis osso futura <sunt> meis. Sodann ist ossa in V. 18 nicht nur sprachlich gesehen eine "Überraschung"; der Begriff wirkt auch unpassend makaber nach dem unmittelbar vorausgehenden Lob von Cynthias Schönheit. Schließlich sehen Hodge und Buuimore in lacrimis meis in V. 18 ,,8 complex interweaving of present and future, living and dead"; anders als sie werte ich diese Verwobenheit als Beweis rlir die mangelnde Fähigkeit des Dichters, einen in sich schlüssigen Gedankengang zuwege zu bringen61 • 1,19,
19
quae IU viva mea possis sentirefavilla! Ium mihi non ul/o mors sil amara loco 6J • quam vereor. ne te COniemplO, Cynlhia 6J , buslo ab stra hat a" nostro pli / Yere ImqllUS " Amor ". cogal et invitam lacrimas siccare cadentis! flectitur assiduis certa puel/a minis.
Nachdem der Dichter in den Versen 5-18 ausfilhrlich beteuert hat, daß seine Liebe zu Cynthia über den Tod hinaus fortdauern werde, verleiht er in V. 19 in einem emphatischen Ausruf dem Wunsch AusdruCk, sie möchte dies (qlloe~ filhlen, und tugt in V. 20 an, dann sei der Tod tur ihn nicht bitter. In den Versen 21-24 äußert er, einen im vorausgehenden Distichon offenbar unterschwellig mitschwingenden ebengedanken weiterentwickelnd, die Befürchtung, der grausame Amor könne Cynthia von seinen Überresten wegreißen und sie gegen ihren Willen zwingen, ihre hemiederfaJlenden Tränen zu trocknen; bei fortwährenden Drohungen gebe selbst das beständigste Mädchen nach. Die Verse 19-24 lassen sich weder leicht an das Vorhergehende anschließen, noch sind sie in sich schlüssig. Was die Anbindung nach oben betrim, so stell! sich zunächst die Frage, worauf qllae zu beziehen ist. Fedeli bezieht das Pronomen auf die gesamten vorausgehenden Ausftlhrungen des Dichters über seine fortdauernde Loyalität gegenüber Cynthia. Dabei ergibt sich jedoch ein innerer Widerspruch zum Beginn der Elegie: In V. 3 hatte der Dichter die Befurchtung geäußert, ne Boylc, S. 904f. 61 Für die Verse 11·18 vgl. Typologiekapitcl, Abschn. 11. A. 2. 62 Die Klausel amara loco findet sich nur noch in Ov. Pont. 3, 1,24. Der Vers 20 gleicht (Prop.) I, I, 33f. in me nOSlra Venus nQCtes exercelllmarllS / el nullo YaCIlUS lempore defit Amor. Für die Junktur non... ullo loco vgl. Prop. 2, 12, 8 nostraque non uWs permanet aura lJIris., &J Vgl. V. I non ego nunc lrislis ).'f!reor. mea O·"thig, Manis. ~ Die überlieferte Prnposition e ist sprachlich inakzeptabel. Der einzige weitere Beleg für die JunkIUr abstrahere a/ ab ist Ov. epist. 14,83. " Vgl. V. 6 ul meu.s oblito pulvis amore YaCet. " Über die genaue Beziehung des quae s. u. 60
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Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (1. Teil)
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forle lUO careat mihi funus amore. Sollte er sich nun damit begnügen, daß Cynthia wahrnimmt, daß seine Gefühle rür sie fortdauern? Daß die Erwartung des Dichters größer sein muß, als es in V. 19 den Anschein erweckt, wird in den Versen 21-23 deutlich, in denen er die zu Beginn der Elegie ausgesprochene Befürchtung aufgreift. Mit Recht bezeichnen also Butler und Barber quae als ..a vague neuter with no definitive antecedent" und halten das Distichon fiir "obscure aod strange in its expression. But 00 even plausible remedy has been suggested". Weitere Schwierigkeiten in den Versen 19f. sind die Ausdrücke tu viva und non ullo loco. Dem tu viva kommt wegen der kontrastierenden FomlUlierung mea favilla im selben Vers eine besondere Betonung zu, ohne daß allerdings ein Grund hierfür erkennbar wäre. Desgleichen ist non ullo loco besonders betont, jedoch ebenfalls ohne erkennbaren Grund. Was V. 21 betrim, so fragt man sich, wer als das Subjekt von contempto busto zu denken ist: "The ablative construction contempto bUSIO leaves it unstated who is doing the despising, though it is obvious that it must be Cynthia". schreiben Hodge und Buuimore, lassen dabei allerdings außer Acht, daß diese Interpretation im Wi· derspruch zu abstrahat (V. 22), cagat und invitam (V. 23) steht: Diese Ausdrücke zeigen, daß der Dichter annimmt, Cynthia werde sich bei seinem Begräbnis zu· mindest anfangs ihm gegenüber loyal zeigen. Wieder einmal ist es dem Dichter nicht gelungen, einen in sich widerspruchsfreien Gedankengang herzustellen67 . 1,19,
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quare. dum licet. imer nos laetemur amanres 6l : non salis esf ullo lempore 10llgus amor69 .
Die Verse 25f. sind ihrer Form nach eine Schlußfolgerung aus dem Vorhergehenden mit anschließender Begründung: "Laß uns darum, solange es möglich ist, uns lieben und fröhlich sein. Die Liebe hält nie lange genug an.',70 "The actual conneclion is not at all clear....., merken Hodge und Buttimore zutreffend zu den bei den Versen an. Nicht nur aber ist die Schlußfolgerung in V. 25 gedanklich schlecht angebunden: ihre Begründung in V. 26 ist gleichermaßen obskur7l ; insbesondere der Ausdruck non ullo tempore läßt sich kaum deuten.
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6t 69
70 71
Boyle (S. 908) versucht den Gedankengang zu glätten, indem er die Ausdrücke abslrahaf. iniquus. cogat. invitam und certa ironisch aufTaßt. Eine derartige Ironie stünde allerdings im Widerspruch zu der Ernsthaftigkeit, mit der Properz, wie im Verlauf dieser Unler· suchung deutlich wird, überall sonst im ersten Buch seine Gedanken und Gefilhle gegenüber Cynlhia zum Ausdruck bringt. Vgl. Prop. 2, 5, l3f. quamfacile irati verba mutanturamanW: / dum licef... Die Klauscl/ongus amor gleicht der von V. 12, magnus amor. Der Vers als ganzer gleicht, wie bereits V. 20, [Prop.] I, 1,34: et nuJlo vacuus temooredefit Amor. Diesen Vers hat der Dichter womöglich mit OV. ars I, 38 kontaminiert: lertius. ul tango kmoore duref amor. Das gesamte Distichon schließlich weist eine deutliche Ähnlichkeit zu Tib. I, I, 69fT. auf: interea, dum fata sinunl. ilmgamus amom: / iam velliet fenebris Mors adoperfa capllf. / iam subrepet iners aetas... vgl. außerdem Lucan. 3, 25r. dum non securos liceat mihi nltllpere somnos / ef nullum vesfro vacllum sit tempus amor;. Die Verse 25f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. I. erfaßt. Hodge und Buttimore bezeichnen diesen Vers als "enigmatic".
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32
Die Elegien des ersten Properzbuches
Offenbar sind die Verse 25f. ein - wenig gelungener - Versuch, den Grundgedanken von Catull. 5 einzuarbeiten 72 • Das Wortmaterial zur Komposition der Verse stimmt dabei, wie bereits in den Anmerkungen erwähnt, teilweise mit dem des ebenfalls unechten Verses I, 1,34 Uberein, mit dem bereits die Verse I, 19, Ilf. Ähnlichkeiten aufweisen 7l . Wie bereits eingangs erwähnt, gehört zum Nachweis der Unechtheit von I, 19 nicht nur die Besprechung der Elegie an sich, sondern auch die der Problematik ihrer Eingliederung in den gedanklichen Aufbau des ersten Properzbuches. Letztere wird im Anschluß an die Behandlung der echten Elegien des ersten Properzbuches erfolgen. Die Elegie I, 20 Hodge und Bultimore beschreiben die Elegie I, 20 als "the langest, but the least controlled, sometimes needlessly obscure, over-luxuriant, awkward"74. Die Elegie I, 20 stellt im Wesentlichen die Untennauerung einer zu ihrem Beginn geäußerten Warnung an Gallus dar. Diese erfolgt mit Hilfe eines mythologischen Exemplums, welches mit einem Umfang von 36 Versen den bei weitem größten Teil der Elegie ausmacht. Ein mythologisches Exemplum von einem solchen Umfang ist ohne Parallele im ersten Properzbuch, und es spricht einiges dafUr, daß von den langen Exempla in den übrigen Büchern ebenfalls manche unecht sind 7'. Was die Einarbeitung des Exempels in I, 20 angeht, so ist nach Hodge und Buttimore "the relation between the mythic narrative and the dramatic situation involving GaJlus... not weil worked out... We are not always sure what Gallus's situation is, nor when it is relevant". Hodge und Buttimore nehmen deshalb an, daß I, 20 eines der frühesten Gedichte des ersten Properzbuches sei: .,Tbe interest of this poem comes from its immature extravagance... h is e10se to a poetic exercise, almost a parody of his distinctive style, an interesting, revealing poem rather than a successful one." Diese und andere Fragen, die die Elegie als ganze betreffen, werden uns erst später beschäftigen. Zunächst soll die Elegie abschnittweise untersucht werden.
12 Der Bearbeiter unternimmt diesen Versuch auch in den Versen IProp.} 2, 15. 23f. (die Verse 23-28 der Elegie 2, 15 hat Jachmann getilgt). 7J FÜr die Verse 25f. vgl. Typologiekapitel, Abschn. 1. B. I. 74 In meintr Behandlung der Elegie I, 20 kann ich vieles von den wertvollen Ausführungen von Hodge und BUl1imorc übernehmen, die ebenfalls eine sehr kritische Haltung gegenüber dem Gedicht einnehmen, ohne gleichwohl seine Echtheit anzufechten. 7J HOChst verdAchtig scheinen mir zum Beispiel auch die Verse 2, 9, 9-16 zu sein. Für die bereits von Frijheren gellußerten Bedenken beZOglich einzelner Teile dieser Passage vgl. Smyth, Thes. Cril ad loc; vgl. auch Whitaker, S. 124[ In 3, 12 sind zumindest die Verse 23-38, die den mythologischen Exkurs enthalten, zu tilgen. Nach Smyth, Thes. Crit. ad loc. spricht sich Damon gegen die Verse 24-37 aus, andere sogar gegen die Verse 23-38. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die ganze Elegie unecht. Dasselbe gilt für das Exemplum in 3,15.11-42, bzw. die Elegie 3,15. Aueh bei dieser Elegie bestehen Zweifel, ob sie Oberhaupt von Properz verfaßt wurde.
Die unechten Elegien des erslen Properzbuches (I. Teil)
1,20,
1
33
Hoc pro conlinuo le. Galle. monemus amore1t (id libi ne l'llCUO dejIual u n animo 1l): sai!pe imprudenlifortuna occurrit amanti: crudelis }'{inyis dixedt Ascanius79•
Das erste Distichon der Elegie I, 20 dient zu deren Einleitung. In ihm kündigt der Dichter dem Adressaten Gallus an, er gebe ihm eine Warnung, die er nicht vergessen solle. Die Warnung selbst fonnuliert er in V. 3: saepe imprudenti fortuna occurrit amami; in V. 4 verweist er zu ihrer Bekräftigung auf ein Beispiel aus dem Mythos. Der Vers 3 entspricht inhaltlich nicht dem, was man nach der eindringlichen Ankündigung einer Warnung in den Versen I f. erwartete, sondern wirkt vergleichsweise banalso. Was den Vers 4 angeht, so ist die Anspielung auf den HylasMythos durch die Begriffe Minyis und Ascanius sehr undeutlich'l, Hodge und Buttimorc bezeichnen diesen Vers als "unsatisfactory and unclear" und wenden ferner gegen ihn ein, daß in ihm "Ascanius has no particular role to play". Neben den in den Anmerkungen aufgeruhrten VorbildsteIlen fur die Verse 1-4 sei noch auf die wörtlichen Entsprechungen innerhalb der Elegie selbst hingewiesen, die ich als ein Zeichen von "Interpolatorenökonomie" werte. Der erste Vers ist deutlich Vorbild filr den vorletzten: V. I: V. 5 I:
pro conlinuo u. Galle. MoneMUS gMau IW. 0 Galle. lilaS manitus servabis amom
~
In ähnlicher Weise ist V. 16 dem vierten Vers nachgebildet: V.4: V. 16:
crudelis Minyis dixtritA,wm;Hf Herculis indomitojIewrat ASC'lln;oIJ
1.20, 5
est tibi non infra speciem. non nomine dispar. Theiot!amameo lJ proximus ardor Hylae: hunc lu. sive leges umbrosaejIumina silvae. sive Aniena tuos tinxerit unda pedes.
Vgl. 1,22,2 quaeris pro lIostra semper aMidlia. Der Bearbeiter hat möglicherweise auch an CalulL 68. 149f. gedacht: ~ tibi. qllod polui. confeclUm carmine munus / pro multis. AIIi. redditur Q,fficijs. n Die Konstruktion von dejIuere mit eI ex ist in der Dichtung sonst nicht belegt. 71 Die Klausel ex animo ist aus CalUll. 109,4 geholt. Sie ist sonst nicht belegt FOt den Vers als ganzen ist CalUlI. 65. 17f. die Vorlage: Ife lua dicla vagis nequiquam credita ventis / rffluxUse meoforte pules gn;ma. 79 V. 16 der Elegie ist der einzige weilere Beleg filr eine Form des Eigennamens Ascaniw am Versende. 10 Hodge und Buttimore: ..The advice. when it comes in line 3, is banal yet vague in its appli. calion to both Gallus and the myth." I' Erst damit, daß in V. 16 Herakles und Ascanius mit einander in Verbindung gebracht werden, wird die Anspielung Ascanius in V. 4 richtig verständlich. IJ Auf die Ähnlichkeit der Verse I und 5 I sowie 4 und 16 weisl Curran (I, S. 285) hin. IJ Das Adjektiv Theiot!amanleus ist sonst nicht belegt. 76
Die Elegien des ersten Properzbuches
34
10
sive Giganreo sporiabere Iitorisa. orau, sive ubicumque vago fluminis hospitio14. Nympharum semper eupidas de/ende rapinas (non minor Ausoniis esl amor Adr)'asin); ne tibi sit duras montuV et frigida saxa, Galle. neque expertos semper adire laeus":
Die Verse 5-14 sollen eine Verbindung zwischen GaJlus' Situation und dem rnylhologischen Exemplum herstellen"; Gallus habe, so heißt es in den Versen 5f., einen Geliebten, der dem Hylas an Schönheit nicht nachstehe und ihm auch dem Namen nach ähnlich sei. Wo auch immer er, GaIlus, unterwegs sei, möge er die stets begierigen Nymphen von jenem femhahen (VV. 7-12), damit nicht harte Berge und eisige Felsen zu seinem Aufenthaltsort würden (VV. 13f.). Nach Hodge und Buuimorc sind die Verse Sf. ..an extremely strained way of saying that Gallus's boyfriend is almost as good as Hylas. The language is so tor· tured that it may even be a kind of joke at Gallus's expensc,,90. Dieser Eindruck entsteht deshalb, weil in dem Distichon zwei Aussagen kontaminiert sind, nämlich zum einen die Aussage, daß Gallus einen Geliebten hai, und zum anderen die Aussage, daß dieser Geliebte dem I-Iylas ähnlich ist. Es fehlt ein gedankliches Zwischenglied, in dem entweder Hylas oder GaJlus' Geliebter bereits erwähnt würde'1. Es bestehen weitere Schwierigkeiten in den Versen 5-14. Zunächst sei auf den rur properzische Verhältnisse außergewöhnlich langen Begriff Theiodamanteo in V. 6 verwiesen. Im Properzcorpus gibt es nur noch zwei weitere Belege für einen .. Vgl. Ov. fast. 3, 469 jlebat amans coniufU waljataque li1JH:.e C1Jf'\IO. lS Die Klausel liroris ora ist v~rgitisch. Eine ähnliehe Klausel findet sieh auch in dem von Zwi~rlein getilgten Vers [geerg.] 2, 44 sowie in Aen. 3, 396 (beide Male liroris oram); vgl. auch die Klausel litoris ora in Culex 313. Wahrend an d~r unechten Geergicaslell~ ein~ Ihnlieh kunstlose Tautologie vorliegt wie in dem Propel'2vers. handel! es sich an der Aeneis- sowie der Culexst~ll~ bei liroris um einen Genitivus definitivus; vgl. Aen. 3, 396 ...Italique hane litoris oram und Culex 313 ... Rhoetei liroris ora. I' FOr die Formulierungjluminis hospitio vgl. Aetna 129 +hospitium jluvium aut+ semita nulla profecto. Die Verse 7·10 erinnern an Verg. ed. 8, M. tu miM. UM. magnis Sllperas iam saxa Timavi / Hu. oram lI/yrici legis aequoris. ... sowie an Prop. I, 6, 31 fT. at 111 sm
1II0llis qua tend;, lonia. seu qua / ... // seu pedibus terras se" poil/um carpere remis / ... ., Vgl. ITib.) 3, 9, 2f. seil colis Ulllbrosi devia mOllt;s aper, / ure ab; sit t/uros acuisse in proelia demes. U Für die Klausel adire lacllS vgl. den umstrittenen Vers 3, 12, 34 Sirenum surdo remige
llJIiIH...lJI.. (gegen die Verse 24·37 der Elegie 3, 12 hat sich Damon ausgesprochen); die Junktur adire (Inf.) laeus findet sich nur noch ein weiteres Mal, nämlich in ClJlex 373. Die zweite HIlfte von V. 14 ist auch dem Vers Eleg. in Maecen. 1.6 ähnlich: it recJit in vaslOS Srmp" onusta laCHS. 19 90 91
Hodge und Buttimore ad lot. Hodge und Buuimore ad loe. Auch Fedeli beobachtet in den Versen Sr. und den folgenden Versen "una eerta durezza espressiva", die nach seiner Meinung "dipenderä da tentalivi di sperimentalismo, in pane anche dalla difficoltä di restare aderente alla fonte ellenisliea dei mito"...Sperimentalismo" ist k~ine akzeptable Erklärung. Inwieweit die Benutzung der griechischen Vorlage die QualilIlI d~r Elegie beeinflußt haI und welche Folgerungen sich hieraus ergeben, wird uns später beschäfligen.
Die une<:hten Elegien des ersten Properzbuehes (1. Teil)
35
Ausdruck, der eine ganze Vershälfte in Anspruch nimmt; mindestens einer davon sieht ebenfalls in einem zumindest verdächtigen Vers'n.. Ebenfalls in V. 6 unter· gräbt, wie Hodge und Buttimore richtig erkannt haben, proximus die exakte Gleichsetzung von Gallus' Geliebtem und Hylas im vorigen Vers; dieser Ausdruck impliziert nämlich, daß Gallus' Geliebter nur sehr weil an Hylas heranreicht91 . Nach Thes. II 492, 2-5 wird ardor in V. 6 erstmalig ..pro homine amato" gebraucht. Für diese Bedeutung von ardor existieren nur zwei Belege im Corpus Ovidianum: met. 14,682·683 und fast. 2, 308. Danach findet sie sich erst bei spa· ten Imitatoren wieder. In V. 12 ist nach Fedeli der Gebrauch von Adryades im Sinne von Hamadryades erstmalig belegt. Die griechischen Dativpluralfonnen auf -si(n) in V. 12, V. 32 und V. 34 sind, so Fede1i, die einzigen in Properz und die ersten in der lateinischen Dichtung überhaupt. An spätere Belegen aus der Dichtung nennt Fedeli nur Ov. episl. 13, 137, Ov. ars 3, 672 und trist. 5, 5, 43. 1.20,
15
20
•
•
• ')4
•
•
qlloe m/Ser IgnorlS error perpessus In OrlS Hercu/is ;ndomirojIeveral Ascanio". namqueferonr olim" Pagasae navalibus A'ß0n egreJsam longe Phasidos isse viam . er iam praereritis labemem Arhamamidos undis Mysorum scopulis app/icuisse ratem. hic manus heroum9l • placidis ur constitit ons". lOI mollia composita Iitora 'OlJ fronde tegit • or comes invicti ;lIvenis processeror ultra raram sepositi quaererefontis aqllam lOl •
Die Verse 15f. leiten zur eigentlichen Erzählung des Mythos tiber: Derlei (quae lOJ ) habe Herculcs ertragen, als er am Fluß Ascanius geweint habe. Anschließend wird
Die erste Hllifie des verdllchtigen Pentameters 3, 14, 14 wird von dem Begriff Thermodonriads ausgeflllh. die erste HAlfte von 4, 9, I von dem Begriff Amphitryoniades. Diese 1nfonnation habe ich Ross (S. 75f., Anm. 2) entnommen. 9J Anders sieht dies Fedeli: "Proximus designa somiglianza scnza inferiorita." .. Der Versanfang ist aus I, S, 5 geholt: er misee ienow' vesligiaferre per ;gniso 95 Zur Ähnlichkeit dieses Verses mit V. 4 s. o. 96 Der Versanfang stammt aus Catull. 64, 212 namgu, (qunt olim dassi cum moenia divae. 97 Vg!. 4, 1,36 ac rjbi Fidenas longa erat iss( vja. .. Die Junktur manus heroum findet sich nur noch in Culex 296 VQ.S' manet bcroum conlra manus. Iric er uterque. 99 Die Klausel COnstilit ons ist aus Verg. Aen. 8, 381 geholt: nunc lovu ;mpenou Rutulorum
92
constitil ods. 100 101
102
Vgl. I, 11, 14 mamter in tacilo lilOU composilam; die Junktur mollia litora stammt aus Ov. Pont. 1.2,60 mama naufragiis liIortlposse dari. Der Ver5Sehluß litorafronde teg;t ist dem von Ov fast. 2, 26 nachgebildet: casra sacerdofilm temportl (nm" te~it. Die Klausel fontis aquam stammt offenbar aus Tib. 2, I, 14 el manibus puris sumile {onUs aiuam. Eine ähnliche Klausel hai sonst nur noch Ov. am. 3, 7, 32 defidllnt laes; carmine {anlis aquar. o
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36
Die Elegien des ersten Properzbuches
berichtet, wie die Argo aufgebrochen sei und an den Klippen von Mysien angelegt habe (VV. 17·20), wie die Mannschaft ausgestiegen sei und den Boden mit weichen Blättern bedeckt (VV. 21 f.), der Begleiter des Hereules hingegen sich auf den Weg gemacht habe, um Trinkwasser zu suchen (VV. 23f.). Daß die Formulierung error Herculis in den Versen 15f. im Sinne von Hereules lO4 errans aufgefaßt werden kann, scheint durch Belege gesichert zu sein . Gleichwohl bleibt der Einwand von Hodge und Buttimore, daß hier "an extremely highly· .wrought construction" vorliege, bestehenlOS. In V. 18 ist die Konstruktion eines lO6 von viam abhängigen Genitivs (Phasidos) ungewöhnlich ; Buller und Barber nennen als Parallele die Formulierung caeli... iter in (Prop.] 2, 1,20 107 • Anläßlich der Formulierung Athamanridos undis in V. 19 stellt Ross einen interessanten Bezug zu den (gleichfalls interpolierten) Versen [Prop.l I, 11, 11 f. und 1,2, 17f. her: "The TeUlhrantis unda (in I, 11, 11) is proudly ,Ieamed· ... the Hellespont is referred to not only obliquely (Arhamantidos undis...), but also allowing Helle only her patronymic I03 ••. An cven more elaborate variation is found in 1,2, 17-18... Here Marpessa, ,once' the cause of strife between Apollo and Idas, is not named.'
Gemeint sind mit quae solche unwegsamen Gegenden, wie sie im vorigen Distichon dem Gallus rur den Fall, daß er die stels begierigen Nymphen nicht abwehre, als Aufenlhaltsort in Aussicht gestellt werden. 1(101 Vgl. die Kommentare. I~ Hodge und Buuimore fUhren diesen Einwand weiter aus: "Hercules's wanderings (,error') ralher Ihan himselfhave first 10 endure, in line 15, then even harder, in line 161his wandering has 10 weep for Ihe fact Ihal it is to exist. No explanation should try to make the expression seem other than very strained:' 106 Ross (S. 77) bezeichnet diesen Sprachgebrauch als archaisch. 101 Heimreich hat die Verse 2, I, 17-38 gelilgt. 101 Ross, S. 76f. 109 Ross, S. 77, Anm. 2. 110 Auch Curran (I), S. 291, gibt zu: "The use ofthe name ofthe ship as subject and a common noun referring to the same ship as objecl of the same verb is admilledly harsh." Recht verschwommen gibt er als Erklärung, daß "an unusual expression is used for an unusual cvenl". 111 Siehe voriger Absalz.
10l
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil) 1,20,
25
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37
hunc duo seClaafrau:es. Aquifonia proles. hunc super et Zeles. hunc super et Calais. oscula suspensis inslabant car~re palmis. oscula et alternaferre I! supinajuga. ilIe sub exlrema pendens secludilur ala 1u et \'Olucres ramo SUmmO\'e1 insidias . iam Pandioniae cenil genus Orilhyiae: a dolor m ! ibat Hylas. ibat Hamadryasin"'.
In den Versen 25-32 wird beschrieben, wie Zetes und Calais den Hylas attackieren; dieses Zusammentreffen ist sonst nicht belegt 1l6• Die Verse 27f. handeln von den AngrifTen der Boreaden, die Verse 29f. von den Versuchen des Hylas, sich ihrer zu erwehren. In den Versen 31 f. schließlich wird berichtet, wie sich die beiden entfernen, Hylas allerdings gleich der nächsten Gefahr, nämlich den Harnadryaden, entgegengeht. Sowohl den genauen Ablaufder Attacken der Boreaden auf Hylas als auch seine Methode der Verteidigung kann man aus den Versen 27-30 kaum rekonstruieren ll7 . Überhaupt aber bleibt die gesamte Episode, unabhängig von der Frage, wie sie genau zu verstehen ist, ein Fremdkörper innerhalb der Elegie: "The attack by Zetes and Calais... is a sudden, seemingly pointless intrusion - for the reader as weil as for Hylas. It is not anticipated, and Hylas proceeds on his way after lioe 32 as if nothing had happenend; the interlude itself is so compressed, so much a momentary glimpse of stopped action, that it is almost impossible to make sense of it."III Was Sprache und Stil der Verse betrim, so ist die Junktur oscula carpere in V. 27 nach Thes. m, 494, 41-43 an dieser Stelle erstmalig belegt" 9• Auffällig ist der dreimalige Gebrauch einer Anapher, nämlich in V. 26 120, in den Versen 27f. (oscula... oscula) und in V. 32 (ibal... ibat)l2l. Die erhabene Art schließlich, in der
Für die Junktur osculaferre vgl. Ov. am. 2, 5, 23fT. ... oscu/a vidi / ... // qualia non fratri lu/eril germono severo. IU Die ganze Szenerie erinnert an die Harpyiensituation im dritten Aeneisbuch; bezüglich V. 28 etwa vgl. Aen. 3.243 ... celeriquefuga subsidere lapsae, bezüglich V. 30 Aen. 3, 241 obsceflas pelagiferro foedare vo/ucus. 114 Für den Ausdruck 0 d%r findet sich in dem relevanten Zcitmum kein weiterer Beleg. 11' Vergleichbar ist nur noch die Klausel Hamadryadas in (Prop.] 2, 34. 76 (Heimreich hält die Verse 2, 34, 61-80 fur interpoliert). 116 Vgl. die Kommentare zur Stelle. m Vgl. Hodge und Buuimore: .. 11 is evidentthat kisses are involved in lines 27-8, but the rest ofwhal is going on is confused. Lines 29-30 describe his method of self-defence. This too is unclear." ... Ross. S. 78. 11' Fedeli hält eine Anspielung an Catull. 68, 127 osCHfa mordenti semper decewre rostro filr möglich. 120 Je nachdem, ob man den überlieferten Text in V. 26 beibehält oder Inden, liesl man in den Versen 25f. ein dreimaliges hunc oder zumindest ein zweifaches in V. 26. m Curran (I), S. 285. Die starke rhetorische Ausfonnung dieser Passage hängt womöglich mit ihrer relativen UnabhAngigkeit von den griechischen Vorbildern (s.u.) zusammen.
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Die Elegien des ersten Properzbuehes
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in V. 31 dar~estellt wird, wie sich die bei den Boreaden entfernen, wirkt geradezu parodistisch I 2. 1,20, 33
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hie erat Argamhi Pe~e sub vertiee montis grata domlls 2J Nymphis umida Thyniasin, quam supra nul/ae pendebanr debita eurae roseida desertis poma sub arboribus ll4 et eireum irriguo surgebant filia prato candida p"rpureis mixta papaveribus. quae mOOo deeerpens tenero pueriliter ungui12~ propositoeorem praetulit offieio et modoformosisl 'incumbens neseius undis errorem blandis tardat imaginibus.
Die Verse 33-38 sind eine Ekphrasis des Ortes, an dem sich die nächste Szene abspielt. Bei diesem handelt es sich um die Quelle Pege am Fuße des Berges Arganthos, das Zuhause der bithynischen Nymphen. Über der Quelle hängen an Bäumen Früchte, die ohne menschliches Zutun dort gewachsen sind. Rings auf der feuchten Wiese wachsen weiße Lilien und rote Mohnpflanzen. Bei der Quelle angelangt, begibt sich Hylas daran, Blumen zu pflücken. Indem er bald dies tut und bald sich über das Wasser beugend sein Spiegelbild betrachtet, zögert cr die Ausführung seines Auftrages hinaus (VV. 39-42). Sprachlich Billt in diesem Abschnitt der Begriff Arganthus (V. 33) auf, der in der lateinischen Literatur ein hapax legomenon ist. Ungewöhnlich ist auch die Dativform Ilullae in V. 35, fur die Fedeli lediglich einen einzigen weiteren, sehr viel späteren Beleg anzuführen weiß 127 . 1,20,
43 45
tandem haurire parat demissisflumina palmis 128 innixus dextro plena trahens umero. 119 euius ut aceensae Dryades eandore puellae miratae solitos destituere choros, prolapsum leviter faeili tra:cere liquore: tum sonitum rapto eorporefeeit Hylas.
Hodge und Buuimore ad loc. Vgl. auch Fedeli: ..Magniloquente e I'uso di genus." llJ Vorbild rur diesen Versanfang ist Ov. fast. 4, 421 frata dpmus Cereri. multas ea possidet urbes. 124 Die Klausel hat nur noch Petron. 127 vers. 5 albaque de viridi riserunt UUQ prolo. Eine ähnliche Klausel ist sonst nicht belegt. Handelt es sich bei dem Petronvers womöglich um eine Imitation unserer Stelle? 1lj Die Junktur tener unguis findet sich nur noch in Hor. eaern. 3, 6, 24 de lenerQ meditatur unru!. Fedeli verweist auch aufCatull. 62, 43: idem eum tenui eorptus defloruit unfHI. 126 Einen ähnlichen Versanfang findet man nur noch in 2, 34, 91 f( mOda founosa quam multa Lycoride Gallus. 121 Ross (S. 79) weist darauf hin, daß es im Properzcorpus nur noch einen Beleg filr eine ähnliche Fonn gibt, nämlich toto... orbi in dem - nach seiner Ansicht ebenfalls problematischen - Vers Prop. 3, 11,57. Für die Verse 39-42 vg1. Typologiekapitel, Abschn. 11. B. 3. 121 Oie Klausel stammt aus Verg. Aen. 8, 69 ... rite eavis undam dePHmjne DQ/mjs. l~ Eine ähnliche Klausel wie eandore puellae findet sich nur noch in Prop. 2, 25, 41 vidistis pleno teneram {andan pudliulJ.. 122
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
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cui procu/ A/eides ilerat responsa; sed i//i nomen ab exlremu monlibus aura refert.
In den Versen 43f. wird berichtet, wie sich Hylas nun doch anschickt, Wasser zu schöpfen. Die Baumnymphen, durch seine Schönheit entnammt, unterbrechen staunend ihre gewohnten Reigen (VV. 45f.). Sie ziehen ihn, so daß er ins Wasser fällt. Bei dem Raub seines Körpers gibt Hylas einen Ton oder ein Geräusch von sich (W. 47f.). Ihm antwortet aus der Ferne Hercules, ohne daß allerdings etwas anderes als das Echo zu ihm zurückgelangt (VV. 49f.) Der gedankliche Aufbau dieses Abschnittes, und in ihm insbesondere der Verse 45-48, ist eigentümlich. Die Verse 45f. sind ein Nebensatz, in dem von der Reakti· on der Nymphen auf die Anwesenheit des schönen Hylas berichtet wird. Aufgrund der Art der Darstellung, vor allem der Fonnulierung deslituere choros in V. 46, die eine gewisse Spannung erzeugt, erwartet man im nächsten Vers einen Höhepunkt. Der größte Nachdruck liegt indes erst auf dem - inhaltlich gesehen unbedeutenden - Vers 48. Eine gekürzte Paraphrase der Verse 45-48 mag diese Schwäche am besten aufzeigen: "Als die Nymphen, durch seine Schönheit entOammt (V. 45), staunend ihre Reigen unterbrachen (V. 46), zogen sie ihn, so daß er ins Wasser fiel (V. 47). Da gab I-lylas einen Ton von sich (V. 48)." 1.20.
SI
his,
0
Galle. luOS monitus servabis amores, formosum Nymphis credere visus Hy/an.
Die Elegie I, 20 endet mit der Mahnung an Gallus, durch das Beispiel aus dem MythOS gewarnt auf seine Liebe aufzupassen, wenn er nicht seinen Hylas verlieren wolle. Hodge und Buttimore bezeichnen die Verse 5 I f. als ,,3 disappointing admo· nitory couplet. This banal warning seems external to Propertius's real interests in the narrative, and his moral sense does not seern to have heen continuously awake throughout." Auch Me Carthy ist der Ansicht, daß his in V. 51, verstanden im Sinne von his dielis, "sums up the lesson of the unusually long exemplum rather Oatly"l)o. Sein Versuch, den Gedankenverlauf zu erklären, indem er his auf die Rufe und das Echo des Namens Hylas bezieht, überzeugt allerdings nicht. Auf die Ähnlichkeit, die zwischen dem Anfangs- und dem Schlußdistichon der Elegie I, 20 besteht, wurde bereits eingangs hingewiesen. Eine weitere Parallele soll nicht unerwähnt bleiben. Nach Me Carthy besteht eine gedankliche Verbindung zum Schluß von I, I, nämlich zu dem Motiv, "that failure to heed the warning of the praeceplor amaris bodes ill for the loverl}l ... The waming at the end of I promises the evocation of a painful echo in the memory of the lover, who proves hirnself negligent of il."1l2 Bezeichnenderweise ist der Schluß von I, I, wie ich weiter unten nachweise, ebenfalls unecht. Ober den grundlegend fremdartigen Charakter der Elegie 1, 20 ist man sich ge· meinhin einig. Diese Fremdartigkeit wird auf mancherlei Weise beschrieben und 1)0 l)l
1)2
Me Carthy, S. 201. Me Carthy, S. 197. Me Carthy. S. 205.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
gedeutet. Nach Curran ist die Elegie "a product of thc early stages of [the scarch far a poetic voice]... an experiment in the use of Greek and Greek myth in POClry"lll. M. Hubbard gibt folgende Charakteristik: "The Hylas poem exhales a marked fragrance ofTurkish delight. More than any other poem in the book it suggests pastiche... given this eccentricity, its conspicuous position near the end of the book is something of a puzzle."114 Auch Ross gebraucht ähnliche Worte: .,1. 20 is in same ways certainly the oddest piece in all Augustan elegy135". To areader who has just rearl through the first twenty poems (particularly to one who is aware of the arrangement of the book), I. 20 seems an entirely different poetic world.,,136 Unter dem, was die Andersartigkeit der Elegie ausmacht, stechen zunächst alle diejenigen sprachlichen Besonderheiten hervor, auf die schon im Zusammenhang mit der Besprechung der Elegie hingewiesen wurde. Es ist allerdings noch eine andere Kategorie von sprachlichen AufTälligkeiten zu nennen. Ober diese findet sich ein guter Überblick bei Curran lJ1, auf den ich im folgenden Bezug nehme. Curran bezeichnet die Elegie I, 20 als "a virtual tour-dejorce of elaborate sound efTects. An exotic navor is produced by the accumulation of a large number of Greek proper names". Er zählt einige Kategorien von Auffiilligkeiten auf. I. Eigennamen, die die nicht genuin lateinischen Konsonantenverbindungen th und ph enthalten: Theiodamanteo (V. 6), Nymphamm (V. 11), Phasidos (V. 18), Athamantidos (V. 19), Orilhyiae (Y. 31), Argafllhi (V. 33), Nymphis (YY. 34, 52), Thyniasin (V. 34).
2. Eigennamen, in denen, anders als im klassischen Latein, ein langer Vokal vor einem anderen Vokal seine ursprüngliche Quantität beibehält: Theiodamanteo (V. 6), Gigantea (V. 9), heroum (V. 21), Pandio1liae (V. 31). 3. Lange Patronymica oder von Eigennamen abgeleitete Adjektive: Theiodamanteo (V. 6), Gigantea (V. 9), Athamalltidos (V. 19), Pandioniae (V. 31),Aquilollia (V. 25,lateinisch). 4. Rein griechische Deklinationsendungen, die den fremdartigen Charakter der Sprache erhöhen: Phasidas (V. 18), A,hamafllidas (V. 19), Pege (V. 33); Adryasin (V. 12), Hamadryasill (V. 32) Thyniasin (V. 34); Argon (V. 17)Il8, Hylan (V. 52). 5. Worte, die den im lateinischen Alphabet nicht vorkommenden Vokal y enthal-
ten l19 :
Minyis (V. 4), Nymphamm (V. 11), Adryasin (Y. 12), Mysamm (V. 20), Orithyiae (V. 31), Hamadryasill (V. 32), Nymphis (V. 34; 52), Thyniasin (V. 34), Dryades (V. 45), viennal Hy/as (VV. 6, 32, 48, 52). Curran (I), S. 281. 114 M. Hubbard, S. 40. m Ross, S. 75. ll)
1J4i
Ross, S. 81.
m Curran (I), S. 281 f. 1]' Diese Akkusativfonn ist sogar im Griechischcn sehr selten. 119 Die folgende Aufzll.hlung findet sich bei CUIT8n (I) auf S. 285.
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
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Der fremdartige Charakter der Elegie I, 20 beruht des weiteren auf dem unge· wöhnlich großen Umfang des mythologischen Exemplums und der An und Weise der Benutzung von Vorbildern aus der lateinischen und vor allem der griechischen Literatur l40. Daß Propen sich an griechische Vorbilder anlehnt. ist durchaus geläufig. So sind etwa bereits die ersten vier Verse der Monobiblos deutlich an Melea· ger (AP 12. 101, 1-4) orientieT1. Gerade anband dieses Falles der Benutzung einer griechischen Vorlage läßt sich allerdings nachweisen, daß Properz keinesfalls im engeren Sinne von dem Vorbild ,,abhängig" ist, sondern es in völliger Wahrung seiner dichterischen Eigenständigkeit feinsinnig und kunstvoll umwandelt, um es in den Kontext einzupassen l4l • Das Gleiche gilt auch rur Properzens Anverwandlung von Vorbildern aus der lateinischen Literatur. Der Properzbearbeiter hingegen benutzt die laleinischen Vorbilder als Fonnulierungshilfe, eine Bequemlichkeit, die ich an manchen Stellen als "Inlerpolatorenökonomie" bezeichne. Auch im Falle der Elegie I, 20 kann man von einer solchen ..InterpolalorenökoDamie" sprechen. Denn sie ist zu großen Teilen nichts anderes als eine recht unbeholfene und hölzerne Übertragung von Theokrits 13. Idyll, unterlegt mit mehrfa~ chen Anklängen an die Erzählung des Hylas-Mythos bei Apollonios Rhodiosl 42 und die arcissus-Episode in den Metamorphosen des Ovid. Der hohe Abhängigkeitsgrad der Elegie I, 20 von der Theokritvorlage wird vor allem dadurch offenbar, daß sowohl in den Passagen, in denen sich keine Parallelen zu Theokrit nach~ weisen lassen, also in den Versen 1-14,25-32 und 39-42, als auch an den Stellen, an denen der Bearbeiter die Vorlagc zwar benutzt, sie allerdings zu variieren sucht, der Gedankengang noch weniger zufriedenstellt als in den übrigen Abschnitten. Die meisten Ähnlichkeiten bestehen zwischen I, 20, 17-50 und Theokrit 13, 28-60. In diesen beiden Abschnitten sind die Erzählungen des Mythos weitgehend parallel zueinander. Ein ersler deutlicher Anklang an Theo1crit findel sich allerdings schon in den Versen 15f. Dieses Distichon, das die Funktion hat, zur Erzählung des Mythos überzuleiten. iSI den Versen 64f. bei Theokrit nachgebildet, in denen es heißI, Herakles sei in unbelretenen dornenbewachsenen Gegenden umhergeirrt, getrieben von dem Verlangen nach Hylas. Die Verse 64f. bilden bei Theokrit den ~ der mythischen Erzählung. Weil der Dichter der Elegie 1,20 sie dazu benutzt, um zur mythischen Erzählung ü.berzuleiten, fehlen sie ihm am Schluß seiner mythi. sehen Erzählung, der darum sehr unvollständig wirkt. I~ Zu dem ersteren Punkt vg!. z. B. Mc Canhy, S. 203: ..The structure of I, 20 shows the preponderance of the narrative of the myth over the erotodidaclic thesis. This is an inversion of the exemplum technique as we see it elsewhere in the Monobiblos." Zum zweiten Punkt vgl. Curran (I), S. 281f.: "The handling ofthe Grcek myth (in 1,20) is nOI the one Properlius finally adopled for his first three books, viz. aseries of brief. aBusive references in Ihe same poem 10 severaJ myths or mythologicaJ figures. Here he treats a single myth at some length. largcly for its own sake. exploring in detail all of its imaginative and suggestive implications." Currnn bezeichnet ..an exquisite adaptation of the Hylas myth 10 tbe style and tone of eleg)"" als ..tbe main business oftbe poem". 141 Vgl. Slahl. S. 27f. 142 Ap. Rh. I, 1178fT. Für eine detaillierte Untersuchung vg!. H.-H. Koch. Die Hyla,s. geschichte bei Apollonios Rhodios, Theoktit, Propen und Valerius Flaccus, Diss. Kiel
1955.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
In den Versen I, 20, 17-20 werden, wie in den Versen 28·31 bei Theokrit, Aufbruch und Reiseroute der Argo beschrieben. Bei Theokrit heißt es, die Helden hätten ihren Platz in der Argo eingenommen, seien am drinen Tag zum Hcllespont
gelangt und in der Propontis vor Anker gegangen, dort, wo die Rinder von Kios pnügen. Wie im vorigen Distichon von I, 20 der Name des Herakles aus der griechischen Vorlage übernommen wurde (Herculis, V. 16; vgl. Theocr., V. 64), so nun der Name der Argo (Argon, V. 17; vgl. Theocr., V. 28). Die Ortsangaben der Reiseroute der Argo, im Griechischen schlicht der Hellespont (V. 29) und die Propontis (V. 30), sind im Lateinischen durch indirekte Bezeichnungen ersetzt, was zumindest im ersteren Fall zu einer recht nebulösen Fonnulierung, Alhamantidos undis (V. 19), flihrt. Die Verse 21·24 gehen auf die Verse 32-36 bei Theokrit zurück. Bei Theokrit
betreten die Argonauten den Stmnd und bereiten sich zu je zweien das Mahl, richten jedoch ein einziges Lager rur alle her, indem sie von einer Wiese das ölige holen; anschließend begibt sich Hylas auf den Weg, um Wasser zu holen. Bei der Anverwandlung dieser Passage hat der Dichter der Elegie I, 20 noch deutlicher als im vorigen Abschnitt im Wesentlichen nur die Fakten übernommen und alles Schmückende beiseite gelassen lO . Er hat es sich folglich so einfach wie möglich gemacht. In den Versen 1,20,25-32, die keinen Bezug zu Theokrit aufweisen, fällt die Verwendung von drei Anaphern auf, die allerdings keine ersichtliche Funktion haben. Es ist anzunehmen, daß der Dichter sie verwendet, um sich in dieser ..freihändig" komponierten Passage die Arbeil zu erleichtern. Die Verse 33·38 von 1,20 sind den Versen 39-43 bei Theokrit nachgebildet. Bei Theokrit findet Hylas bald eine Quelle an einem mit unterschiedlichsten Pflan· zen, die einzeln aufgezählt werden, bewachsenen Ort; minen im Wasser veranstalten die Nymphen ihren Reigen. Im Unterschied zu Theokrit, wo Hylas bald eine Quelle findet, bricht er in I, 20 auf, um raram sepositi quaerere fontis aquam (V. 24). Der Dichter muß in diesem Punkt von der Theokritvorlage abweichen, um die Episode in den voraufgegangenen Versen 25-32 einzubauen. Dafiir orientiert er sich allerdings an der Vorlage des ApoJlonios Rhodios (I, 1207), wo im Zusammenhang mit der Quelle der Ausdruck "entfernt" gebraucht wird. Die Beschrei· bungen der Quelle und ihrer Umgebung bei Theokrit und in I, 20 hingegen gleichen einander, indem jeweils die Verbindung der Nymphen zu diesem Ort deutlich gemacht wird, und die Pflanzen erwähnt werden, die dort sprießen. In den Versen 39-42 verläßt der Dichter der Elegie I, 20 ein weiteres Mal die griechische Vorlage. Während sich Hylas bei Theolcrit sofort daran begibt, Wasser zu schOpfen (Theocr. 13, 46f.)1.... läßt er sich in I, 20 durch das PflOcken von Blumen und die Betrachtung seines Spiegelbildes im Wasser von der Ausfilhnmg seines Vorhabens abhalten. Wie in den Versen 25-32, so verflillt der Dichter auch in diesen ,.selbständig" verfaßten Versen in mechanische und somit die Komposition
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Man vergleiche vor allem die starte Komprimienmg der Verse 3M. der griechischen Vorlage in dem Ausdruck composita[ronde in V. 32; vgl. hierzu auch Oilla, S. 428. Vgl. Diller, S. 421.
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
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erleichternde Sprachmuster, indem er die beiden Distichen mit quae modo bzw. et modo beginnen läßt 14S • Vorbild rur die Verse I, 20. 43-47 sind die Verse 46-49 bei Theokrit, wo indes die Reihenfolge der Darstellung eine andere ist: Hylas schickt sich eifrig an, Wasser zu schöpfen. Da ergreifen die Nymphen seine Hand; denn sie sind in Liebe zu ihm entbrannt. Hylas fallt ins Wasser. In I, 20 ist ebenfalls zuerst davon die Rede, daß Hylas sich daranbegibt, Wasser zu schöpfen (VV. 43f.). Anschließend wird der Eindruck geschilden, den seine Schönheit auf die Nymphen macht (VV. 45f.)'46. Den weiteren Verlauf des Geschehens vennag der Dichter von I, 20, nachdem er einmal die Reihenfolge der Darstellung bei Theokrit verlassen hat, nur unvoll~ kommen und wenig wirkungsvoll darzustellen: Bei Theokrit tritt zwischen das Ergreifen der Hand des Hylas durch die Nymphen und seinen Fall geschickt retardierend die Begründung, jene seien in Liebe zu ihm entbrannt. Damit wird der Sturz des Hylas ins Wasser (VV. 49f.) zum ..für die Geschichte zentrale Ereignis""'. In 1, 20 hingegen wird nach der Schilderung des Eindruckes, den Hylas' Schönheit auf die Nymphen macht. ungeschickt innerhalb eines Verses (V. 47) berichtet., daß die ymphen ihn ziehen und daß er fällt. Der beiläufige Charakter dieses Verses wird durch den Nachdruck, der auf dem - inhaltlich belanglosen - folgenden Pentameter (V. 48) lief.t, verstärkt. Ohne Zweifel zählt dieses Distichon zu den schwächsten der Elegie '8. Bei Theokrit erhäh die mythische Erzählung im Anschluß an die Schilderung vom Sturz des Hylas noch ein angemessenes Ende: Die Nymphen nehmen unten im Wasser den weinenden Hylas auf ihren Schoß und trösten ihn mit freundlichen Wonen. Unterdessen macht sich Herakles, in Unruhe um Hylas, auf die Suche nach ihm, wobei er seinen skythischen Bogen und seine Keule mitnimmt. Dreimal ruft er mit aller Kraft den Hylas mit Namen und erhält ebensooft eine schwache Antwort, wie aus der Feme (VV. 53-60). Mit den Versen 64f., in denen. wie be~ reits erwähnt. davon die Rede ist, wie Herakles, getrieben von dem Verlangen nach Hylas, in domenbewachsenen Gegenden umherirrt, endet die mythische Erzählung bei Theokrit. Der Schluß der mythischen Erzählung in I, 20 ist, verglichen mit dem bei Theomt, sehr knapp. Lediglich das Rufen des HerakJes und eine Antwol1, hier allerdings in fonn eines Echos, sind von der griechischen Vorlage übernommen. Die Verse 64f., die den wirkungsvollen Abschluß der mythischen Erzählung bei Theokrit bilden, hat der Dichter von 1,20 ja bereits als Vorlage fUr die Verse 15f. benutzt! Von den Parallelen zur Hylas-Erzählung bei Apollonios Rhodios lassen sich etliche auf die Gleichheit des Themas zurückfUhren. An manchen Stellen ist allerdings eine unmittelbare Beeinflussung durch dieses griechische Vorbild sehr wahrscheinlich: I'S I" I" I"
Nahezu alle so beginnenden Distichen im erslen Properzbuch gehören, wie ich zeigen werde, dem Bearbeiter. In diesem Distichon bringt der Dichter sogar noch den Reigen der Nymphen unler, den Theokril weiter oben erwlhnl. Diller, S. 422. Vgl. meine AusfUhrungen zu diesen Versen.
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Die Elegien des erslen Properzbuches
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Der seltene Begriff Theiodamanteo (V. 6) geht offenbar auf die Nennung dieses Eigennamens in den Versen I, 1213 und 1216 bei Ap. Rh. zurück. • Die Schilderung der Vorbereitung des Lagerplatzes durch die Argonauten in den Versen 21f. ist der in Ap. Rh. I, 1182-4 insofern ähnlicher als der bei Theokrit, als hier wie dort ausdrücklich Blätter benutzt werden. • Wie in Ap. Rh. I, 1207f. sucht Hylas nach einer ~ Quelle (V. 24). • In V. 33 ist Arganthi aus Ap. Rh. I, 1178 und Pege aus Ap. Rh. I, 1222 geholt. • Bei der Schilderung des Wasserschöpfens in den Versen 43f. hat sich der Dichter von [prop.]1. 20 eng an Ap. Rh. I, 1235 angelehnt. Bevor als Letztes die auffälligen Bezüge zwischen der Elegie I, 20 und der Narcissus-Episode im dritten Buch der Metamorphosen des Ovid dargetan werden. scheint eine Vorbemerkung angebracht. Aus Verg. georg. 3, 6 ist ersichtlich, daß es weit mehr, auch lateinische, Gestahungen des Themas gab··'. Die Abhängigkeit unserer Stelle vom Narcissus-Mythos bei Ovid läßt sich jedoch an einem Punkt eindeutig nachweisen. Wenn auch nicht explizit davon die Rede ist, so kann man gleichwohl davon ausgehen, daß Hylas mit einer Urne oder einem ähnlichen Behälter Wasser schöpfen soll ISO. Er schöpft hier jedoch absurderweise mit seinen Händen (demissis... palmis, V. 41), als ob er nur sich zu erfrischen gedenkt. Das Motiv paßt aber nur rur Narcissus (vgl. Ov. met. 3, 413fT. und besonders V. 429 bracchia mersit aquis... ).
Die Ovidreminiszenzen beginnen offenbar in 1, 20, 21 mit der Landung der Argonauten. Ich fUhre sie im folgenden katalogartig auf. • Die Verse 21 f., die davon handeln, daß die Argonauten nach ihrer Landung ein Lager aus Laub bereiten (hic manus heroum... / ...Iitora fronde /egi/), weisen Entsprechungen zu den Versen met. 3, 393f. auf, in denen davon die Rede ist, wie Echo, von Narcissus verschmäht, sich im Wald verbirgt: spreta lotet silvis pudibllndaque frolldibus ora / pro/eg;/... Ein inhaltlicher Bezug zwischen den beiden Passagen besteht nicht; die Ovidverse haben dem Dichter von I, 20 somit vornehmlich als Formulierungshilfe gedient. • Wie in met. 3, 379 davon die Rede ist, daß Narcissus vom agmen comitum versprengt ist, so wird Hylas in V. 23 als comes bezeichnet. • Beide Knaben gelangen zu einer Quelle (vgl.fons in met. 3, 407 undfomis in V.24). • Der Vers 25 klingt an den Vers met. 3, 371 an, in dem berichtet wird, wie Echo dem Narcissus folgt: ... sequitur vestigia fur/im. In I, 20 sind es die Boreaden, die dem Hylas folgen: hunc duo sec/a/ifralres... • Der Vers 28 hat die Verse met. 3, 451f. als Vorlage, in denen arcissus berichtet: nam quatiens Iiquidis porre.ximus oscula Iymphis, / hic totiells ad me resupino nilitur are. In I, 20, 28 sind es die Boreaden, die Küsse von Hylas zu 1"1
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Fedeli nennt die Argonautica des Varro Atacinus und weist außerdem auf die Verse Verg. ecl. 6, 43f. hin, die auf eine Behandlung des Hylas-Mythos bei Comelius Gallus hinzudeuten scheinen. Bei Theokril bedient er sich eines Kruges (Theocr. 13, 46), bei Apollonios eines Wasscrkruges (Ap. Rh. I, 1207. 1234).
Die unechlen Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
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erhaschen suchen: oscu/a et alterna/erre supina/uga. In diesem Vers ist besonders deutlich ein starker QualitälSabfali gegenüber der Ovidvorlage sichtbar. Die Verse 29f. weisen, wie bereits die Verse 21f.. Entsprechungen zu den Versen met. 3. 393f. auf, in denen davon die Rede ist, wie sich Echo im Wald verbirgt: spreta /.Q.w. si/vis pudibundaque frondibw ora / protegil... Diesmal besteht allerdings auch ein inhaltlicher Bezug: iIle... sec/(ulitur ala / et vo/ucres camo summovel insidias.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß die Verse 25-30 in 1,20 wohl die deutlichsten Entsprechungen zur Ovidvorlage aufweisen. Gerade in diesen Versen gibt es, wie bereits sichtbar wurde, keine Anklänge an die griechischen Vorbilder. Als Nächstes weisen die Verse 41 ff. Entsprechungen zur Ovidvorlage auf: • Neseiw in V. 41 entspricht dem besser gewählten Attribut inprudens, das in met. 3, 425 rur den sich über das Wasser beugenden Narcissus gebraucht wird (vgl. auch 3,430 quid videol, nescil... ). Der Begriff undis am Ende des Verses ist durch denselben BegrifT am Ende von met. 3, 407 inspiriert. Dieser letztere Ovidvers hat bereits als Vorlage fUr/olllis in V. 24 gedient. Nicht von ungefllhr war dem Dichter von I, 20 der Vers met. 3, 407 besonders gut eingeprägt steht er doch in einer besonders markanten Position, nämlich am Beginn der Ekphrasis des Ortes, an dem sich die Quelle befindet, auf die Narcissus triffi. • V. 42 ist ein Konglomerat von Ovidreminiszenzen: Für errorem vgl. met. 3.431 atque Deulos idem, qui decipit. ineitat error und 447 ... Iantus tenet error aman/em; rur blondis vgl. blandis in V. 375; für lardal vgl. V. 4 I9, wo davon die Rede ist. wie Narcissus gebannt sein Spiegelbild betrachtet: haeret UI e Pario /ormalum marmore signum; für imaginibus schließlich vgl. v. 416 imagine formae, V. 432 simulacrafugacia, V. 434 imaginis umbra, V. 439 mendacem... /ormam und V. 463 nec me mea fallil imago. • Das Eintauchen der Hände ins Wasser in V. 43 (... haurire parat demissis Jlu. mina palmis) ist dem Vers met. 3, 429 nachgebildet: braeehia mersit aquis... lSI • Die Verse 48f. schließlich weisen eine deutliche Entsprechung zu den Versen 495fT. bei Ovid auf. Ich gebe nur die Ovidverse: ... quotiensque puer miserabilis .eheu' / dixeral, haee resonis ;lffRbat voeibus ,eheu' / eumque SUDS manibus pereusserat il/e laeertos / haec quoque reddebat sOllitum plangoris eundem. Während bei Ovid der Begriff soni/um in V. 498 Sinn ergibt, wirkt er in V. 48
deplaziert. Die ungewöhnliche Sprache von 1,20 sowie die teilweise sehr unvollkommene Art 1l.lnd Weise. in der in ihr die Vorbilder aus der griechischen und lateinischen Literatur benutzt werden, vor allem aber ihr mangelhafter gedanklicher Aufbau, lassen einen dem Urteil von Hodge und Buttimore beipflichten, die sie als "uneven, experimental, interesting but self·indulgent poem" bezeichnen.
UI
Zur
enlSCheidenden Bedeutung dieser Reminiszenz unserer Stelte vom Narcissus·Mythos bei Ovid s.o.
für
den Nachweis der Abhängigkeit
00045453
Die Elegien des ersten Propcrzbuches
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Die Elegie I, 21 Die Elegie 1,21 ist nicht leicht verständlich. Deshalb gebe ich, dem Beispiel anderer folgend, nach dem lateinischen Text zunächst eine inhaltliche Paraphrase desselben. 1,21,
I
5
10
Tu, qui consorlem properlJS eVlJdere easum, miles ab Etruseis SlJlIeiUS a~eribusln. qllid nostro gemitll tu~en(ia lumina J torq/les ' s-4? pars eio sum l , vestrae proxima mi/itiae. sie te servoto l passinl galldere parentes, ne soror acta luis sentiat e lacrimis lll : Ga/lum per medios ereplum Caesaris ensis lll effugere ignoUlS non poluisse manus; el quaecumque super dispersa inveneril ossa monlibus Erruscis, haec seiar esse mea.
Die Elegie I, 21 ist von einem Verstorbenen oder Sterbenden mit Namen Gallus an einen verwundeten Soldaten gerichtet, der auf dem Weg von den Kämpfen in der Gegend um Perusia bei ihm vorbeikommt (VV. I f.). Gallus stellt dem Adressaten die Frage, weshalb er bei seinem Jammern die Augen abwende; er gehöre doch zu demselben Feldzug wie cr selbst (VV. 3f.). Anschließend erteilt er ihm als Bedingur.g dafUr, daß er wohlbehalten zu seinen Eltern gelangen möge (V. 5), den Auf· trag, damr zu sorgen, daß die Schwester nicht aus seinen Tränen erfahren möge, daß er sich zwar durch Cäsars Schlachtreihen hindurch habe retten können, nicht allerdings den Händen eines Unbekannten entkommen sei (VV. 6·8). Vielmehr solle sie wissen, daß, welche Gebeine auch immer sie auf den Hügeln Etruriens finden werde, diese die Seinigen seien (VV. 9f.). Hodge und Buttimore bezeichnen die Elegie I, 21 als "a shon but diflicult and perplexing poem... enigmatlc and strange", mit manchen "oddities of thought". Nach Traill ist sie "a challenging poem undcr the best of circumstances·.l~9. Die zweite Hälfte der Elegie enthält mehrere Textprobleme, die miteinander zusammenhängen; sprachliche Auffalligkeilen und gedankliche Unebenheiten finden sich auch in den Obrigen Versen. Wesentlich bezüglich der Echtheitsfrage sind allerdings zwei andere Aspekte: Der ungewöhnliche Inhalt der Elegie sowie die An ihrer Beziehung zur Elegie I, 22. 1"2 Vgl. den Schluß von 2, 13,48 ... mi/es in ggguibus. 11l Für die Formulierung lurgenlia lumina vgl. Catull 3, 18jIendo lurgidu/i ruhent ocd/j. 1}4 Eine Ihnliehe Klausel iSI nur noch in Verg. georg. 3. 433 belegt: usi/it in siecum, lujIam+
mantia lumjna tOCQHCD$.
IM
Der Versanfang kommt aus Ov. PanI. 4, 15, 14 pars ego .rum census quantulacumque lui. Die Junktur le servola stammt aus Ov. trist. 5, 9, 10 hic (( $(0'4(0 \'Ote maneret honor. FOr die Verbindung e lacrimis vgl. Prop. 4, 3, 4. Die Junktur medios ensis kommt offenbar aus Verg. Acn. 9, 400.
1S9
Traill, S. 89.
li'
I'" In
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (I. Teil)
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Ich gehe an dieser Stelle zunächst nur auf die Textprobleme und die sprachli· ehen Auffalligkeiten in 1,21 ein. Inwieweit die An der Beziehung dieser Elegie zur nachfolgenden Schlußelegie des ersten Properzbuches, ), 22, ein Indiz rur ihre Unechtheit darstellt, wird im Anschluß an die Behandlung der echten Elegien der Monobiblos dargelegt. Umstritten und daher verschiedentlich emendiert sind ne und acta in V. 6 sowie et in V. 9. Je nachdem, für welche Lesanen man sich entscheidet, ergibt sich ein unterschiedlicher Sinn der gesamten Elegie. Ohne weiter auf die Diskussion der einzelnen Möglichkeiten einzugehen, behalte ich in Y. 6 den überliefenen Text bei, während ich in Y. 9 Ayrmans at übernehme l60• Für das at liefert Stahl eine überzeugende Begründung: "He (sc. the poet) separates (a) what the bereaved womsn should not... become aware of (sentiat, 6), viz., the tragic circumstances preceding his death, from (b) what she is to know (seim, 10), viz., the fact itself of his death at a loca· tion unknown to her."161 Gravierender als die Textprobleme sind die sprachlichen Autralligkeiten und die gedanklichen Unebenheiten in der Elegie. Nostro gemitu in V. 3 ist, so Fedeli rich· tig, "un ablativo di difficile definizione". In V. 4 bereitet die Formulierung pars proxima militiae Schwierigkeiten: Militia bezieht sich nomlalerweise auf eine über einen Zeitraum sich erstreckende Tätigkeit; hier wird der Begriff mit einer Person in Verbindung gebracht. Ein metonymischer Gebrauch von mililia in der Bedeu· 162 tung "Truppe von Soldaten" ist belegt ; er ist jedoch gleichwohl ungewöhnlich. Diese Ungewöhnlichkeit wird durch die Konsttuktion mit proxima pors verviell63 facht • Auf ein gedankliches Problem in V. 4 machen Hodge und Buuimore auf· merksam: "Tbe opening line seems to refer to the soldier as a chance passerby... If Propertius meant it as a surprising revelation that really the two knew each other weil, he has certainly placed it oddly and been poinllessly obscure." In V. 6 läßt sich schwerlich entscheiden, wem die soror zuzuordnen ist, ob dem Gallus oder dem vorübergehenden Soldaten. Für beide Möglichkeiten lassen sich in etwa l64 gleich starke Argumente finden . Diese Uneindeutigkeit hat keinerlei ersichtliche Funktion, sondern ist eher verwirrend. In V. 6 ist außerdem der Begriff acta, der im Sinne von "was geschehen ist" aufgefaßt werden muß, sprachlich bedenklich 16s . Betrachtet man die Elegie I, 21 als ganze, so sticht zunächst einmal ihr epigram· matischer Charakter hervor. Diesen Charakter besitzt in einer so deutlichen Aus· 160
161 162
•0 •64
16J
Enks sed ist in etwa gleich gut. Eine Verschreibung 'Ion et zu al läßt sich jedoch paläographisch leichter erklären. Stahl, S. 1I S. 'ach Thes. VIII 964, 28 kehrt sogar die Junktur pars mililiae mit militia in metonymischer Bedeutung wieder, nämlich in 0'1. cpist. 8. 46; Fedeli fUhrt als weitere Belege außerdem Ov.met. 7,481(und 11,216an. Hodge und Buuimore 3d loc. Vgl. Hodge und Bunimore ad loc. Traill (S. 90) entscheidel sich filr die erstere, Stahl (5. 112) rur die letztere Möglichkeit. Vgl. Traill, S. 90: ,,acta... did not seem natural Lalin:'
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Die Elegien des ersten Properzbuches
prägung nur noch die ebenfalls unechte Elegie I, 19. Sodann fällt auf, daß die Elegie weder mit der das erste Properzbuch bestimmenden Cynlhia·Thematik, noch Oberhaupt mit Properz selbst etwas zu lun baI. Stattdessen weist sie ausschließlich zur Schlußelegie der Monobiblos, I, 22, eine Verbindung auf. ,.sy subject matter, time reference (41140 B.e.), size (the exceptional brevity of precisely teD lines - in 1.22 part of the overall design...) and position, the ,epigram' coordinates itself 10 only oße other poem in the book: the immediately following ,epilogue' I. 22.,,166 Die Untersuchung der An der Beziehung lwischen den Elegien 1,21 und 1,22 wird, wie bereits angekündigt, im Anschluß an die Behandlung der echten Elegien des ersten Properzbuches erfolgen.
1" Stahl, S. 112.
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n. Die echten Elegien des ersten Properzbuches A. Der Aufbau des Buches
"Mcaning... is not always confined within (he individual poem: apart ofthe poet's meaning can be contained in the relations between the poems in a book," Diese Aussage Hutchinsons l67 trim, wie er selbst meint und wie ich im Verlauf der Arbeit darlege, insbesondere auf das erste Properzbuch ZU I68 , Hutchinson bemerkt zu recht, daß Properzens Sprache zeigt, daß er seine Bücher fortlaufend gelesen wissen wollte, und daß demnach ein Römer die Beziehungen einzelner Teile untereinander oder zwischen einzelnen Teilen und dem Ganzen wahrnehmen konnte l69 . Ähnlich wie Hutchinson äußert sich auch Butries: ,,Propenius' technique is analogous to that of the collage, wherc elements assembled from different sources illustrate a single theme from different perspcctives... the reader is len to extract the cumulativc meaning from the multiple resonances, created by sequence, juxtaposition, echoing, or cross-references within the whole.,,17'O Einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung der kunstvollen Komposition der Monobiblos hat bereits ltes geleistet, indem er, ausgehend von der Widmung der Elegien 1,6,14 und 22 an Tullus, das Buch in drei Teilbereicbe, nämlich die Elegien I - 6, 7 - 13 und 14 - 22, aufteilte l1l . In der Einleitung seines Kommentars zur Monobiblos stellte alsdann Camps fest, daß die Elegien 2 - 18 in mehrere Elegiengruppen zerfallen, die in dem Buch chiastisch angeordnet sind. Nach seiner Darstellung bilden die Elegien 2 - 5, 7 - 9, 10 - 13 und 15 - 18 jeweils solche Gruppen; die Elegien 1,6, 14 und 19 stehen separat. Camps weist darauf hin, daß die Elegien 2 - 18 außerdem acht Paare bilden, deren Teile manchmal voneinander getrennt sind (2 und 15,3 und 16,6 und 14,7 und 9,10 und 13,8 und 11 m ), manchmal dagegen nebeneinander stehen (4 und 5, 17 und 18). Die Teile eines jeden dieser Paare sind an dieselbe Person gerichtet, außer in den Fällen, wo keine Person adressiert ist (3 und 16, 17 und 18), Hutchinson, S. 99. 161 Hutehinson, S. 103: ,,(Poems t - t9) are strongly bound logether not only by various ex· plicit or palpable connections, bul by the theme of them all." .., Hutchinson, S. 100. no J, L. Butrica, The ,Amores' 01 Propertius: Uniry and S'ructure in Boolcs 2 - 4, ICS 21, 1996,87-158; hier S. 98f. 161
Itcs, S. 17. m Camps sieht die Elegien 8A und 8B sowie JJ und 12 jeweils als eng miteinander vetbun-
111
den an.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
oder ein offensichtlicher Grund besteht, von diesem Prinzip abzuweichen (4 und 5). Sodann behandeln sie stets einen ähnlichen Gegenstand oder eine ähnliche Situation. Hinter den Ähnlichkeiten, die die Teile eines jeden Paares vereinen, stünden jedoch stets gewollte Unterschiede, die einen Kontrast zu diesen bildeten l73 • Zwei Jahre nach Camps legte Skutsch in einem kurzen, aber wichtigen Beitrag ein etwas modifiziertes Schema vor. Er tat überzeugend dar, daß die Elegien BA und 8B 174 in demselben Verhältnis zu einander stehen wie die Elegien 11 und 12 sowie daß diese beiden Elegienpaare jeweils von einem Paar aufeinander bezogener Elegien, den Elegien 7 und 9, bzw. 10 und 13, gerahmt werden. Als Rahmen dieser acht Elegien sieht er - zu Recht, wie sich erweisen wird - die Elegien 6 und 14 an. In diesen beiden Elegien vergleicht sich der Dichter mit seinem Freund, demütig in 6, stolz in 14. Die Elegien 15 - 19 hält Skutsch rur durch das Motiv der Einsamkeit, die Elegien I - 5 rur durch die Thematik der Beziehung des Dichters zu Cynthia miteinander verbunden l7S • Einen weiteren Fortschritt in der Erforschung der Gesamtkonzeption von Properzens Monobiblos bedeutet die Untersuchung von King. Während King das von Camps und Skutsch etablierte Schema im Wesentlichen beibehält, gelingt es ihr gleichwohl, wichtige neue Aspekte zutage zu fbrdem. Sie beschreibt die Grundstruktur von Buch I folgendennaßen: Die Elegien I und 22 rahmen das Buch als Ganzes, wobei 22 einem ergänzenden autobiographischen Zweck dient. In ähnlicher Weise rahmen die Elegien 6 und 14 die bciden mittleren Gruppen der "career oflove" poems, 7-9und 10_13 176 • Die Elegien 2 - 5 korrespondieren nach King in paralleler Anordnung den Elegien 15 - IB; beide Zyklen behandeln das Thema ,Rivalität und Treue,177. In den Elegien 7 - 9 hingegen geht es um das Thema der Elegie als eines geeigneten dichterischen Mediums rur Liebe, wobci BA ein Beispiel fur "erfolgreiche" Elegie ist. In ähnlicher Weise bietet Properz, ennutigt durch den Erfolg in BA, in 10, dcr erstcn Elegie des Zyklus 10- 13, weitere Ratschläge an, wie man in der Liebe zum 173 Camps, S. 10f. 174 Die in den maßgeblichen Handschriften nicht von einander getrennten beiden Teile der Elegie 8 sind als 'Zwei separate Elegien, 8A (VV. 1-26) und 8B (VV. 27-46), anzusehen. Vgl. meine AusfUhrungen 'Zur Elegie 8B. m Skutsch, S. 238. In Kapitel 3 scines Properzbuches greift Günther den ebenfalls von Skutsch (S. 23sr.) geäußerten Gedanken auf, daß die Monobiblos sogar bis hin zur Anzahl der Distichen durchdacht ist. Nachdem er in Kapitel 2 Bedenken auch bezüglich der Echtheit der Verse I, 15, 15f. und I, 16, 11f. vorgebracht hat, entscheidet er sich, um der numerischen Symmetrie willen gleichwohl (mit Courtney) nur die Verse I, 7, 23f. herauszunehmen (Günther, S. 123-126). So komml er, in leichter Abweichung von Skutsch, zu folgendem Ergebnis: Die Elegien I - 5 umfassen 88 Distichen, desgleichen die Elegien 15 - 19, was eine Summe von 176 Distichen ergibt. Sodann umfassen die Elegien 6 - 9 70 Distichen, ebenso auch die Elegien 10- 14, die Elegien 20 - 22 hingegen 36 Distichen. Die Summe der Distichen dieser drei Gruppen von Elegien ist somit ebenfalls 176 (Günther, S. 140). Günthers Vorgehensweise enlspricht einer pelitio principii. In der vorliegenden Untersuchung spielen darum numerische Überlegungen bei der Aussonderung von Eindichtungen keine Rolle. 176 King, S. 116. m King, S. 1l7.
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Der Aufbau des Buches
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Erfolg gelangen kann; diesmal allerdings ist 11 eine Elegie, die keinen Erfolg ge· habt hat m . Eine noch allgemeinere Unterscheidung nimmt King vor, wenn sie von den "successful poems of the first haJf' und den "unsuccessful poems of the second half' spricht l19 • Sie erläutert diese Unterscheidung, indem sie erklärt, daß die Elegien 2 - 9 von einer intakten Liebesbeziehung handeln: Sein Erfolg sporne Properz als Lehrer und Dichter der Liebe an (7 - 9). In den Elegien 10 und 13 hingegen stehe Gallus' Erfolg in der Liebe im Gegensatz zu Properzens Versagen; und in den Elegien 15 - 18 überwiege eine fortschreitende Enlfremdung und Trennung l80 . Die Elegien 7 - 9 zeigen, so King, Properzens frühen Erfolg in der Liebe sowie, warum es ein Erfolg war, 10 - 13 dagegen das Versagen der Liebe, wenn die Prin· zipien falsch angewandt werden. 15 - 18 wiederholen die Lektionen über Treue aus2_5 181 . In Anlehnung an die genannten Unlersuchungen zur Komposition des ersten Properzbuches vertrete ich die Auffassung, daß dieses nach Herausnahme der von Zwierlein alhetierten Gedichte 19 - 21 aus zwei Teilen von je zehn Elegien be· steht, nämlich dem Mittelteil der Elegien 6 - 14 und den rahmenden Elegien I - 5, 15 - 18 und 22. Ich lege im folgenden den Aufbau dieser beiden Teile dar und fUge jeweils auch eine schematische Darstellung hinzu l82 .
I. Das Binnengeflecht der Elegien 6 - /4 Innerhalb der kunslvollen Siruktur der Monobiblas stellen die mittleren zehn EIe· gien 6 - 14 ein thematisch in sich geschlossenes Binnengef1echt von besonders hoher Komplexität dar. Die Elegien 6 und 14, die dieses Binnengef1echt rahmen, sind, ebenso wie die beiden Elegien I und 22, die den Rahmen der Monobiblos bilden, an Tullus gerichtet. Sie enthalten beide einen Vergleich zwischen dem Adressaten, der in Elegie 6 als politisch und militärisch erfolgreicher, in 14 als wohlhabender Mann dargestellt wird, und Properz, dessen Leben ganz unter dem Zeichen der Liebe steht. Sie dienen somit dazu, den Themenkomplex der "Lebenswahl", um den es in den Elegien 6 - 14 hauplsächlich geht, zum einen einzufUhren (6) sowie zum anderen abzuschließen (14). Die beiden Elegien 6 und 14 sind einerseits miteinander durch zahlreiche inhaltliche und fonnale Bezüge eng verbunden. Auf der anderen Seite lassen sich auch klare Bezüge zu einzelnen der von ihnen umrahmten Elegien 7 - 13 nachweisen. Die Anzahl dieser Bezüge zwischen den rahmenden Elegien 6 und 14 einerseits und den eingerahmten Elegien 7 - 13 andererseits ist jedoch deutlich geringer als die der Bezüge innerhalb der Gruppe der Elegien 7 - 13 oder zwischen den Elegien 6 und 14. Den beiden Elegien 6 und 14 kommt somit, wenn sie auch zu 178 179
180 181 112
King, S. 113. King,S.115. King,S. 115,Anm. 17. King,S.121. Dabei lehne ich mich zum Teil an die Schemata King, S. 112 an.
von Skutsch, S. 238, Camps, S. 10 und
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
dem Binnengeflecht der Monobiblos gehören, in diesem gleichwohl eine Sonderstellung zu, ähnlich wie in der Monobiblos als ganzer der Anfangs- und der
Schlußelegie. Die übrigen acht Elegien des BinnengeOechtes 6 - 14 lassen sich in zwei Gruppen von je vier Elegien unterteilen. Die erste Gruppe besteht aus den heiden Elegienpaaren 7/9 und tO/13. Die Elegien 7 und 9 sind an Ponticus, die Elegien 10 und 13 an Gallus adressiert. Diese heiden Elegienpaare stellen gleichsam zwei symmetrisch um die Mittelachse der MonobibJos angeordnete Binnenrahmen dar. Innerhalb dieser heiden Elegienpaare und zwischen ihnen besteht ein äußerst komplexes Geflecht von Beziehungen - wohl das komplexeste in der Monobiblos. Desgleichen bilden die von den beiden Gedichtpaaren 7/9 und 10/13 gerahmten und somit ebenfalls einander spiegelsymmetrisch gegenüberstehenden Gedichtpaare 8N88 und 11/12 jeweils in sich eine Einheit, sind aber auch untereinander sehr kunstvoll verwoben.
6
8A
I
Adressat
Ihema
Tullus
unterschiedliche Lebenswahl
Ponticus
Warnung an Ponticus
Cynthia
Angst, Cynthia zu verlieren
r++-8B~
Angst beseitigt
'-- 9
Ponticus
Warnung an Ponticus bestätigt
,--- /0
Gallus
Gallus' glückliche Liebe
Cynthia
Angst, Cynthia zu verlieren
11
1
12~ '--/3 14 _ _-'
Angst bestätigt Gallus
Gallus' glückliche Liebe
Tullus
unterschiedliche Lebenswahl
2. Die rahmenden Elegien J - 5 und 15 - 18. 22 Die zehn Elegien 1-5 und 15 - 18.22 bilden einen Ring um das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14. Raumt man sinnvollerweise den Elegien I und 22 als der An· fangs· und der Schlußelegie der Monobiblos ähnlich wie den beiden das Binnengeflecht rahmenden Elegien 6 und 14 eine Sonderstellung ein, so bleiben die Elegien 2 - 5 und 15 - 18 übrig. Diese acht Elegien bilden vier Elegienpaare. Zwischen
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Dcr Aufbau des Buches
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den Elegien 4 und 5 sowie zwischen den Elegien 17 und 18 läßt sich jeweils ein Geflecht von deutlichen wörtlichen und inhaltlichen Bezügen nachweisen. Zwischen den Elegien 2 und 15 sowie zwischen den Elegien 3 und 16 bestehen eben· falls Parallelen, die allerdings weniger eng und vorwiegend inhaltlicher Natur sind.
~
Adressat
Thema
I
Tullus
Einleitungselegie
2
Cynthia
Moralpredigt
3
[: 15
Cynthias Einsamkeit Bassus
Bassus gefährdet die Beziehung
Gallus
Gallus gefährdet die Beziehung
Cynthia
Moralpredigt
16
[
Einsamkeit des e.xc/usus amator
17
Cynthia
Properz in der Einsamkeit
18
Cynthia
Properz in der Einsamkeit
22
Tullus
Schlußelegie
Bei der Behandlung der zwanzig echten Elegien des ersten Properzbuches wähle ich folgende Reihenfolge: Zuerst gehe ich auf die Elegien 6 - 14 ein, anschließend auf die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22. Gemäß den innerhalb dieser Gruppen bestehenden Beziehungsgeflechte unterteile ich den Mitteiteil der Monobiblos in die drei Elegiengruppen 7. 9. 10 und 13, sodann 8A, 8B, 1I und 12 und drittens 6 und 14. Die rahmenden Elegien behandle ich zu je zweien, und zwar zuerst die Elegien 2 und 15, dann 3 und 16, 4 und 5, 17 und 18 sowie schließlich I und 22.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
B. Das Binnengefiecht der Elegien 6 - 14 I. Die Elegien 7. 9. 10 und /3
Die Elegie I, 7 In den Versen 1,7, 1-4 stellt Properz Ponticus als großen und erfolgreichen epischen Dichter dar, der es sogar mit Homer aufnehmen könnte. Bei der Beschreibung der dichterischen Tätigkeit des Adressaten im ersten Distichon erhebt er sich bewußt zu den Höhen epischen StilslU. Während Ponticus die armaJra/ernae Iris/fa miJitiae (V. 2) besinge, betreibe er, Propert, Liebesdichtung (amores, V, 5), indem er irgend cin Mittel (aliqllid, V. 6) gegen die Härte seiner Herrin suche; seine Dichtung sei ein servire dolori (V. 7). Die Verse Sr. stehen in einer klaren inhaltlichen und sprachlichen Verbindung zu den Versen If., desgleichen auch die Vcrse 7f. zu den Versen 3f."3: Dem dieuntur aus V, I steht nos/ros agilamus mllQres in V. 5 gegenilber, denJata mollia aus V. 4 die tempora dura in V. 8 114 ...Whatlines 1-8 seern to amount to.., is a perfect complimem to the epic poet."ISS In den Versen 9-14 schildert Propcrz, wie er unter dem s('rvitium seiner pllella sein Leben dahinfnstet (vgl. V. 9 mihi con/eritur vitae modus). Sein Ruhm solle dann bestehen, allein einer puella docta gefallen und oft ihre ungerechten Drohungen enragen zu haben (VV. 11 f.). Seine Hauptaufgabe sehe er darin, einem anderen neglectllS amator mit seinen leidvollen Erfahrungen zu niltzen (W. I3f.). 1,7,
13
15
III Ia.. ISS
116
mt! It!gat IISsidut! PO!U hat!c nt!glt!ctus amalOr t!t prosint ilJi cognita nostra molo. [le quoqlle si cerro puer hic concusserit arcu, quo nol/em nOSlros me violasse deosi", longe caslra libi. longe miser agmina seprem a IOcere Sltu 117 ; fI ebIS· In. aeterno Sllr:d" et/rostra cupies mol/em componere versum lll
Slahl, S. 5I. Pelersmann, S. 68. Slahl, S. 5 I. Der Oberliererte Text quoll nolim nOSlros eviolasse deos iSI eindeutig korrupt. Fedeli setzt bis aur das lelZte Wort den ganzen Vers in cruces. Ohne mich näher aur eine texIkritische Diskussion einzulassen, drucke ich den Vers in der Form, rur die sich Goold entscheidet Goold liest mil den deterioN!S .quo', mit Tappe nol/em und mit Ouo violasse. Eine Parallele rur die Formulierung violasst! deos isl Ov. mel. 4, 613 10m violllSSt! dt!um quam non
agnosse nepotem. 1$1 Die Junktur aeterno situ ist sonSI nur in Sen. Hr 702 belegt; et foeda telJus torpet at!tt!rtlo
Wit.
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Das Binnengeflecht der Elegien 6-14 20
24
55
nee libi subiciet earmina seros Amor. lum me non humilem mirabere saepe poelam 119, tune ego Romanis prae/erar ingenjjs; nee poterunf iuvenes nostro retieere l90 sepulero .Ardoris nostri magne poeta l91 iaees. 1 ,u eave nostra tuo eonlemnas earmitra/astu: saepe venit magno /aenore 'ardus Amor.
(1,7,15-24)'" Der Abschnitt von V. 15 bis V. 24 enthält eine Zukunftsvision, in welcher der Dichter sich Ponticus als ebenfalls von Amors Pfeil getroffen vorstellt und die Folgen davon ausmalt: Ponticus werde darüber trauern, daß ihm die bisherigen Inhalte seiner Dichtung nicht mehr zu Gebote stünden, sich allerdings vergeblich darum bemühen, Liebesgedichte zu verfassen. Dann werde er den Properz bewundern, und dieser werde vor den anderen römischen Dichtem den Vorzug erhalten; auch die jungen Männer werden ihm an seinem Grabe huldigen. Diese düstere Prophezeiung läßt sich nicht in den Zusammenhang der Elegie I, 7 integrieren. Ganz offenkundig nämlich will es Properz selbst in der Elegie I, 7 bei verhaltenen Andeutungen bewenden lassen. Lediglich durch die subtilen Warnungen in den Versen 4 und 25f. sowie dadurch, daß er in den Versen 9-14 seine Dichtung und ihren Nutzen ausfUhrlich erläutert, macht er deutlich, daß der Gegensatz zwischen Ponticus' Glück und Erfolg und seinem eigenen schweren Los längst nicht so endgültig sein mag, wie es in seiner Darstellung in den Versen 1-8 vielleicht den Anschein hat. Damit liegt das Motiv fUr die Eindichtung der Verse 15-24 auf der Hand. Der Bearbeiter hat, in Kenntnis des Wandels der Verhältnisse zwischen den Elegien IU
119
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Die Klausel componere versus findet sich nur noch in Hor. sat. I, 4, 8 und in [Tib.) 3,7, 17. Die Klausel saepe poelam ist aus Hor. cpist. 2, 1, 219 geholt: mulla quidem nobis /acimus mala saepe poetae. Ganz deutlich hat der Horazvers Priorität gegenüber unserem Vers. Während nämlich dort der Sinn einwandfrei ist, läßt sich in 1,7, 21 das mit der Klausel aus Horaz übernommene saepe gedanklich nicht zuordnen. Damit bekommen wir als 'erminus post quem fur die Eindichtung 14-12 v. ehr. V. 23 stammt von der selben Hand wie [Prop.] I, 10, 13 UJl1! solum vesfros didici reticere d%res. Die Elegien I, 7 und I, 10 sind, wie ich weiter unten darlegen werde, von Properz in eine enge Beziehung zu einander gesetzt. Der Bearbeiter hat offenbar diese Verbindung erkannt, und entweder seinerseits zu verstärken gesucht oder die eng zusammengehörenden Elegien nacheinander bearbeitet und aus Gründen der Ökonomie ähnliches Wortmaterial zweimal gebraucht. Für die Junktur magne poela findet sich als einziger weiterer Beleg Qv. epist. 21,112 insidias /egi, warme poeia /lias. In den übrigen Kasus ist sie im Singular Überhaupt nicht in der Dichtung belegt. Daß die Verse 15-24 Probleme bereiten, ist ansatzweise bereits von Früheren erkannt worden. So versetzen Fischer und Quo die Verse 25f. hinter V. 14 - was meiner Lesart recht nahe sIeht -, E. Baehrens an dieselbe Stelle die Verse 23-26. Housman versetzt die Verse 23f. hinter V. 10 und hat somit zumindest auch den problematischen Übergang von V. 24 nach V. 25 wahrgenommen. Die Athetese der Verse 15-24 stammt von Qlto Zwierlein.
56
Die Elegien des ersten Properzbuchcs
1,7 und 1,9, den Versuch unternommen, durch das Ausmalen von Ponticus' künftigem Unglück dem Properz schon in I, 7 gleichsam Genugtuung zu verschaffen.
Vergleicht man die Verse 1,7, 15-24 mit der Elegie 1,9, so findet man, daß die dOsteren Prophezeiungen des Bearbeiters in I, 7 stark übel1rieben sind. Es überrascht nicht, daß die Verse 15-24 auch im Detail zahlreiche Probleme bereiten. In V. 15 wird durch die Fonnulicrung pller "ie äußerst unvenniueh Amor eingefUhrtl!H. Longe esse mit dem Dativ in V. 17 ist umgangssprachlich. Situs kommt in der Dichtung sehr selten VOT. Surdus (V. 18) scheint an dieser Stelle erstmalig in der Bedeutung "still" gebraucht. Seros Amor am Ende von V. 20 nimmt tardus Amor am Ende von V. 26 vOIweg. V. 22 steht in einem Widerspruch zu V. 7; man vergleiche die Gegensätzlichkeit der Aussagen, die jeweils über das ingenium des Propen gemacht werden! Die Verse 23f., die bereits Courtney aus der Elegie entfernt hat l94 , enlhalten nach Stahl eine "Ioosely added ... but far~reaching consequence of Propertius' posi· tion"19S. Solmsen spricht sich dafür aus, daß "the iuvenes of 23 are identical with the amator(es) of 13... Propertius in 24 tauches on the emotional identification between the readers and the poet and in 14 on its beneficial effect:.l llfi Diese beiden Äußerungen bringen nicht nur die schwache Anbindung der Verse 23f. nach oben zum Ausdruck, sondern lassen auch den Grund bierfilr erkennen: Mit diesem Dis· lichon versucht der Interpolator den Anschluß an den echten Propen wieder herzustellen, nämlich an den Schluß des vorausgehenden Teiles, die Verse 13f. 197 .
• Das Schlußdistichon von 1,7 (VV. 25f.) fugt sich gut an die Verse 13f. an. Die beiden Distichen stehen in einem pointierten inhaltlichen Gegensatz zu einander, der auch sprachlich in der Antithese von me zu Beginn von V. 13 und w zu Beginn von V. 25 zum Ausdruck kommt l98 . Die Verse 25f. wirken durch die Art der knappen Andeutung dessen, was der Bearbeiter in den Versen 15-24 breit ausgefUhrt hat. Ponticus, so heißt es dort, möge sich davor hüten, Properzens Dichtung zu ver· achten: Oft komme Amor spät und verlange hohe Zinsen.
Eine II.hnlich unvermittelte Einfilhrung von Amor durch den Begriff puer mit oder ohne Pronomen findet sich in folgenden, ebenfalls unechten Versen bei Propen: 1,6, 23f. et tibi non umquam nostras puu isu labores I afferat... ; I, 19, 5 non adeo leviter nostrU puer haesil oce//is. Auch 3, 10, 28 quem gravibus pennis verberet ille puu halte ich rur verdächtig. I~ Courtney,S.250r. 19l Stahl, S. 59. 196 SoJmsen (11), S. 80f. 197 Dic Verse 15·24 sind im Typologiekapilel in den Abschnillen I. B. 4 und 11. C. 2 erfaßI. IM Es ist bezeichnend, daß die Verse 25f. bereils im lelZten Jahrhundcn von Fischer und Olto hinter V. 14 versetzt worden sind. 19J
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Das Binnengefleeht der Elegien 6 - 14
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Die Elegie 1, 9 Properz knüpft zu Beginn der Elegie I, 9 an die Warnung am Schluß von I, 7 an und erinnert den Adressaten daran, daß er ihm prophezeit habe, die Liebe werde auch ihn einholen. In den Versen 3f. fuhrt er aus, inwiefern sich diese Warnung bestätigt hat: Ponticus befinde sich nun in der Gewalt irgendeines unbedeutenden Mädchens. I, 9,
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D;cebam t;b; ven'uros, ;rr;sor, amores, nec /ibi perpetuo libera verba fore: ecce ;aces supp/aque ven;s ad jura pue//ae tU t;b; nunc quaev;s ;mperal empla modo. [non me Chaoniae v;ncanr in amore columbae l99 dicere. quas iuvenes qllaeque pllella200 dome'. me dolar el/acrimae merito fecere peritum: afque urillam posito dicar amore rudis 201 I] qu;d tibj nune misero prodest grave d;cere carmen aut Amph;oniae moenjaflere lyrae?
[1,9,5-8) Die Verse 5-8 enthalten einen Exkurs über Properzens prophetische Fähigkeiten in Liebesdingen. Diese Fähigkeiten beruhen, wie es heißt, auf eigenen schmerzhaften Erfahrungen. Der Exkurs endet mit dem emphatisch geäußerten Wunsch, dieser Erfahrungen lieber ledig zu sein. Daß Properz selbst in diesem Zusammenhang so sehr in den Vordergrund gesteilt wird, ist auffällig; sonst kommt er in der Elegie I, 9 nirgends auf sich zu sprechen. Stahl macht eine Anmerkung, die einen der Gründe für die Einschleusung der Person des Properz an dieser Stelle liefert. "Already the opening passage (9. 1-8) imitates and thus recalls the structure of the openin Iines of 1.7: both tirnes a contrast is shown between Ponticus and Propertius.....2o In Wirklichkeit hat Properz, wie weiter unten detailliert dargelegt werden soll, den ~ Beginn von 1,9, also die Verse 1-4 und 9-12 in Anlehnung an 1,7,1-8 gedichtet. Die beiden Abschnitte stehen dabei in einer pointierten chiastischen Beziehung zu einander: Die Verse 1,9,1-4 entsprechen den Versen 1,7,5-8, die Verse 1,9,9-12 den Versen 1,7, 1-4. Der Bearbeiter, dem nicht entging, daß auch eine gewisse, eher äu-
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FOr die Junktur Chaaniae co/umhae vgl. als einzigen weiteren Beleg Verg. eel. 9, 13 Chaon;as dicunt aquila venientel:Jliumbas. Die Junktur in amore ist aus V. II geholt. Der Bearbeiter verwendet sie ein weiteres Mal in V. 34. Die Klausel in amore co/umbae findet sich nur noch in {Prop.] 2, 15,27. Die Verse 2, 15,23-28 sind von Jachmann getilgt. Vgl. Gv. ars 3, 10: spectetur meritis "u««ue oueUa suis. Vorbild rur V. 8 ist Prop. I, 17,20 ultimus et posito staref amore /apis.; der ablativus absolutus posito amore findet sich sonst nur noch in Ov. am. 2, 9, 25. Für das gesamte Distichon vgl. Prop. 2, 34, 82 sive in amorl! rud;s sive peritus erit. Stahl, S. 61.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
ßerliche, Parallelität zwischen den Partien 1,7, 1-4 und 1,9,1-4 besteht, hat eine formale Entsprechung zu den Versen 1,7,5-8 eingedichtct. Die in Y. 6 beanspruchte Fähigkeit, angeben zu können, quos iuvenes quaeque puella domeI, verträgt sich gedanklich nicht mit dem ersten Vers der Elegie, auf den sie sich bezieht. Die Ankündigung des Properz hatte lediglich darin bestanden, .daß Ponticus sich verlieben werde; jn wen er sich verlieben werde, batte dabei keine Rolle gespielt. Es erscheint merkwürdig, daß dieser letztere, vergleichsweise spezifische Aspekt nun so stark betont wird. Was die Sprache der Verse hetrim, so hat der Bearbeiter offenkundig Wortmaterial aus den umliegenden Versen übernommen. Propen benutzt in V. 1 die Fonn dicebam, in Y. 9 den Infinitiv dicere. Der Bearbeiter verwendet in V. 6 ebenfalls den Infinitiv dicere, in V. 8 dicar. In V. I steht amores, in V. 11 in amore. Letztere Wendung hat der Bearbeiter, wie bereits erwähnt, in V. 5 kopien; in V. 8 gebraucht er den bloßen Ablativ amare. Schließlich ist die Konstruktion von vincere mit dem Infinitiv (V. 5) ungebräuchlich. Fedeli ruhrt als weitere Belege lediglich Stellen aus Silius anUH .
• Die Verse 9f. gehören ganz offensichtlich unmittelbar hinter die Verse 3f. Man vergleiche die Ähnlichkeit der beiden Versanfänge: et libi nunc... (V. 4); quid ,ibi nunc (V. 9)204. Auch der gedankliche Übergang ist gut: Nachdem Properz in den Versen 3f. konstatiert hat, Ponticus befinde sich in der Gewalt irgendeines unbedeutenden Mädchens, gibt er in den Versen 9f. dem Adressaten in Form einer rhetorischen Frage zu verstehen, daß seine epische Dichtung ihm in Sachen Liebe nicht von Nutzen sei. Das grave carmen in V. 9 ist identisch mit der Thebais (vgl. V. 10), an der, wie man bereits in 1,7,1 erfahrt. Ponticus arbeitet 2M . Die negative Aussage der Verse 9f., daß epische Dichtung in Sachen Liebe nichts nUtze, wird in den Versen 11 f. durch einen ähnlichen, jedoch nunmehr positiv formulierten, Gedanken ergänzt. In der Liebe, so heißt es, nütze der Vers des Mimnennus mehr als der des Homer: Amor verlange cormino lenia. 1,9,
11
plus in Ilmore villet Itfimllermi versus Homero: cllrmitlll mlltlsuetus le"ill quaerlt Amor.
Die Verse sr. sind im Typologiekapitcl in Abschn. 11. A. 2 erfaßt, dic Verse 7f. in Abschn. 11. A. 3. 204 Auch Eindichtungen fallen milunter dadurch auf, daß ihr Anfang an den des vorherigen oder folgenden echten Verses oder Distichons angeglichen ist. Hier hat diese Ähnlichkeit eine sinnvolle Funktion: Sie verstllrkt den triumphierenden Charakter der Frage in V. 9. m Mader, S. 251. Maders Annahme, daß .,the periphrasis for Thebes, wilh ilS allusion to Amphion, was included precisely because the mythological reference sustains the motif of the miraculous power of song" (S. 252) kann ich nichl teilen, weil ihre Begründung ein Ausmaß an Hintergründigkeit voraussetzt. das rur Propen nicht typisch ist: "by s1ipping in an allusion to the 'efficacy' of an al the very point where he scofTs 81 the 'inefficacy' of Ponlicus' poetry... Propertius gives his argument a humorously malicious point" (50 253).
1'OJ
Das Binnengene<:ht der Elegien 6 - 14
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[i quaeso et Iris/es istos compone /ibellos 206 , et cane quOll quaevis nasse puella ve/ira'! quid si non essellaei/is rihi copia? nune tu insanus medio flumine'ZtJI quaeris aquam.)
11.9,13-61 In den Versen I3f. fordert der Dichter, anknüpfend an die Aussage von V. 12, Amor verlange carmina lenia, Ponticus auf, die traurigen Bacher beiseite zu legen und das zu besingen, was der puella gefalle. Diese ..einfache Lösung" steht im Wi· derspruch zum Rest der Elegie, in dem Ponticus eine eher unheilvolle Entwicklung der Beziehung in Aussicht gestellt wird. Anschließend an die Aufforderung in den Versen 13f. wird der mögliche Einwand des Ponticus, es fehle ihm der Stoff zur Liebesdichtung209, entkräftet. Die Aussage nune tu / insanus medio flumine quaeris aquam (VV. 15f.) ist in doppelter Hinsicht problematisch. Erstens widerspricht sie der Aussage in V. 2 nee tibi perpetuo libero verba fore. Zweitens steht die Ennutigung "du suchst ja mitten im Fluß nach Wasser" gar nicht zur Debatte. Denn weder bemüht sich Ponticus bereits um elegische Dichtung - vielmehr soll ihm in diesem Abschnitt die Unbrauchbarkeit epischer sowie der Wert elegischer Dichtung in Liebesdingen überhaupt erst klargemacht werden - noch hat Properz die Absicht, ihm zu helfen, sondern will vielmehr seinen Triumph über ihn ausspielen. 206 Dem Wortmalerial nach verwandt ist [Prop] I, I J. 19 ignosces igirur, si quid ribi trisr~ Ubc lli . Denselben Versschluß hat auch [Prop.) I, 13,4 lallere le numquam, Galle,~. Dieser Versschluß ist sonst nicht belegt. 101 Als Vorbild mag Ov. ars 1,748 gedient haben: speret et e mtdio flMm;n( mella petat. 109 An copia (V. 15) hat sich eine umfangreiche Diskussion ent2ilndet, die symptomatisch für die mangelnde Durchdachtheit der Verse 13-16 ist. Ganz ausgefallen ist Stahls Auslegung, der paraphrasiert: "What would you do, if it tumed out that you do not possess the exuberance of language (eopia, sc., verborum), which you, as an epic poet, believe yourself to have?" und dann die Verse als Ironie deutet: "This is spaken in the person of Ponticus who docs not yet realize that his epic ski11s are actually worthless" (S. 66). Kein Wunder, daß es Stahl bei einer solchen Interpretation schwerfällt, V. 16 anzuschließen. Daß copia nicht im erotischen Sinne von ,,zugang" aufgefaßt werden kann, hat bereits Davis (S. 504) angedeutet und Yardley (S. 323) vor allem mit sprachlichen und den Gesamtgedankengang betTeffenden Argumenten überzeugend dargetan. Weniger überzeugend ist Yardleys Plfidoyer zugunsten einer Auffassung von eopia als ,,3 weahh of material from which to drnw inspiration for writing" (S. 324); denn er kann nur eine sehr umständliche ErklänJng tur die Fortsetzung in den Versen I7f. anbieten: ..In I7ff. he (Prope:rtius) goes on to tell Ponticus that his love will deepen, and so the necessity for writing love-elegy... will be all the more pressing. Thus etiam in 17 does have 3 force, adding a further reason for Ponticus to start writing elegy now" (S. 325). Davis moniert zu RCi:ht, daß im Fall dieser AufTassung von copia ein plOlZlicher "change of dirCi:tion takes place bctween Iines 16 and 17", nAmlich ein Wechsel "to a description cf what the cpic poet may expect from a 10ve·afTair like Propenius.... Die LOsung, die er anbietet: .,copia here can mean both "acccss" and •.something to write about". This play... emphasizes the link that Propenius sees between the poet's life and thc poet's work..:' (S. 503f.) beseitigt die aufgeworfenen Probleme jedoch nicht.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
Die Verse 15f. tragen dazu bei, daß auch die folgenden, echten Verse I7f. zunächst wie eine Begründung der Aufforderung an Ponticus wirken, Liebesdichtung zu betreiben: necdum etiam pol/es, lIero nee tangens igni. Nach den Versen 19-22, in denen ausgefUhrt wird, wie es aussehen werde, wenn Ponticus einmal von dem wahren Feuer ergriffen werde, erwartet man die Folgerung, daß Ponlicus nach dem
richtigen Ausbruch der Leidenschaft nicht mehr zu epischer Dichtung in der Lage sein werde. Weil diese Folgerung allerdings ausbleibt, sind die Verse 17f. keine wirkliche Begründung der Aufforderung, Liebesgedichte zu verfassen; ihre Funktion im Gedankengang ist daher obskur. Der Bearbeiter hat filr V. 14 in den umliegenden Versen Anleihen gemacht: pueJla (V. 14) hat er aus V. 3 übernommen (in V. 6 gebraucht er pueJla an dersel· ben Stelle im Pentameter wie in V. 14); quaevis (V. 14) hat er aus V. 4 (dort an derselben Stelle im Pentameter), nasse aus V. 20 geholt. FaciJis in V. 15 stammt aus V. 23, wo es an der selben Versstelle steht. Bezüglich V. 16 sind die AusfUhrungen von Yardley aufschlußreich: Das Sprichwort medio... aquam "almost inva·
riably refers to want amid apparent plcnty and is one which has its origin in the myth ofTantalus. Here, however, Propertius uses it in a way unparalleled in earlier literature, of failure to see the obvious.,,2Io Auf eine andere Besonderheit macht Allen aufmerksam, indem er erwähnt, daß Properz an allen weiteren tunf Stellen, an denen er Fonnen von Iibel/us gebraucht, seine eigenen Elegien bezeichnet 211 . Bevor ich zur zweiten Hälfte von I, 9 komme, möchte ich noch zu der Annahme Stahls Stellung nehmen, die Passagen 1,7, 15·20 (bei mir getilgt) und 1,9, 1·16 stünden im Verhältnis von Prophezeiung und ErfUllung zueinander. Hier in Kürze Stahls Gedanken: I. Die ersten beiden Distichen von 1,9 entsprechen den Versen I, 7, 15_16212 . 2. 1,7, 17f.: Die ErfUlIung dieses Orakels wird in t, 9, 9·12 entfaltet, wo misero (V. 9) miser aus 1,7,17 aufgreift und V. 10 mit der Erwähnung des Amphion und seiner Leier auf die Thebais Bezug nimmt. 3. 1,9, 13-16 ist die Erfullung von 1,7, 19f. (componere (7, 19) - compone (9- 13))"'. ad 1.: Der Beginn von I, 9 ist in Wirklichkeit die Erfüllung der Warnung im Schlußdistichon von 1,7. Diese ErfiUlung nimmt der Bearbeiter in 1,7, 15f. vorweg. ad 2.: Nach dicebam tibi (I, 9, I) wäre ein weiterer Hinweis darauf, daß Prophezeites in Erfüllung gegangen ist, pedantisch. Die Verse 9·12 sind auch nicht als ein solcher Hinweis anzusehen, sondern vielmehr als triumphierende Schlußfolgerung aus den Versen 1-4 komponiert. Stahl hat allerdings nicht ganz unrecht: Die unechten Verse I, 7, t 7f. nehmen den Gedanken der Ver· se 1,9,9-12 vorweg.
Yardley, S. 323f. mAllen (111), S. 621. m Stahl, S. 63. m Stahl, S. 65. 210
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Das Binncngeflccht der Elegien 6 - 14
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ad 3.: Der hier angenommene Bezug besteht nur, wenn man mit Stahl die Verse 1,9, 15f. ironisch deutet. Diese Deutung der Verse 15f. läßt sich allerdings, wie oben gezeigt wurde, nicht mit dem Rest der Elegie vereinbaren. Man kommt somit zu dem Schluß, daß in I, 7 lediglich die Verse 25f. aufZukünftiges vorausweisen 214 .
• Mit V. 17 beginnt ein neuer Abschnitt in der Elegie. Properz erklärt, daß Ponticus der neuen Leidenschaft noch gar nicht recht anheimgefallen sei (W. 17f.). Anschließend gibt er einen Ausblick auf das, was Ponticus erwartet, wenn dies einmal der Fall sein werde. Dann werde er lieber wilden Tieren oder den Qualen der Un~ terwelt ausgesetzt sein wollen, als dem Bogen Amors, außerstande, seiner erzürn· ten Geliebten etwas abzuschlagen (W. 17-22). In den Versen 23f. folgt eine auf das Vorhergehende bezogene Allgemeinaussage: "Amor hat stets zwei Gesichter: Ein freundliches und ein unfreundliches.,,215 Im nächsten Distichon, mit dem die Elegie endet, werden die Verse 23f. in Fonn einer konkreten Anwendung auf die Situation des Adressaten ausgedeutet: "Ist deine neue Beziehung erst einmal rich~ tig etabliert, so wird die Geliebte viel schwerer zu handhaben sein" (VV. 25f.). 1,9,
2S
27 30
nee te decipiat, quod sit satis ifla parata: acrius ifla subit, Pontice. si qua tua est; [quippe IIbi non liceat vacuas seducere oeellos. nee vigilare alio namine cedat Amo?16. qlli IIon ame patet, donec manus attigit assa: 211 quisquis es. assiduas a fuge blandilias ! illis et silices el passim cedere quercus, nedum tu possis, spiritus iste2ll levis.
21~ Die Verse 13-16 sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 2 crfaßI.
Zu diesem Distichon hat sich T. K. Hubbard ausfuhrlich geäußert. Hubbard schließt sich im Wesentlichen der von Smyth und Shackleton Bailey vertretenen Auffassung an, "that love gives wings to the lover with one hand and in turn pushes hirn down with the other hand" (5. 219f.), erweitert diese Auffassung allerdings um die Aussage, es handle sich um eine "ongoing cyelieal ,alternation' ofthe two hands" (5.220). Seine Begründung, "verses 23-24 are clearly gnomic (with a gnomie perfect) and generic, referring to the wings that every love gives to every lover" (5. 221), sein Hinweis auf die gedanklichen Parallelen in Prop. 2, 8, 7f. und 2, 18, 21 f. und seine Schlußfolgerung, daß "the jUlltaposition of 23 ... with 24... creates a clear antithesis betwccn elevation and downfall of fortune, emotional elation and depression" (5. 222), sind überzeugend. Die Verse lassen sieh bei dieser Deu~ tung gut in den Kontext integrieren. "The focus of both what preccdes and what follows 23·24 is thereforc: on Love's pain, which coneeals itself st first". Die Verse 23f. sind "a contrast between unsuspecling present happiness and irnpending erotic pain" (5. 225). 216 Die Klausel cedat Amor ist aus Ov. rern. 752 geholt: dum bene de vacuo peetore ceda' amor. m Eekert hat erkannt, daß assiduas... blandilias in V. 30 mit I, 8B zusammenhängt; vgl. I, 8B, 28: ... assjduas non ruUt illa preees und die Verse I, 8B, 39f.: hane ego non (Juro, /lon Indis flectere conehis, / sed polui blandi earminis obsequio (5. 110). Mader (5. 254, Anm. 16) fUgt den Hinweis auf den klaren Bezug zwischen eedere (I, 9, 31) und fleetere (1,8B,39)hinzu. 2lS
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34
quare. si pudor est, ~uam primum erratalotere: dicere quo 21 pereas saepe in amore'l2O /evat.]
(1,9,27-34)'" Die Verse 27f. sind eine Entfallung222 der Warnung acrius il/a subil in V. 26: "Dann bist du nicht mehr frei für andere Liebesbeziehungen." Das nächste Distichon beginnt mit einem Kommentar zu Amor, dem letzten Wort von V. 28lli , der die Funktion einer erneuten Entfaltung der Warnung acriliS illa subit in V. 26 hat: "Amor ist erst dann sichtbar, wenn seine Hand deine Knochen berührt hat" (V. 29). Es folgt in V. 30 eine durch diesen Kommentar evozierte emphatische AufTorde· rung an einen unbestimmten Adressaten (quisquis es), vor beständigen Schmeicheleien zu fliehen. Eine logische Anbindung dieser Aufforderung an V. 29 besteht nicht. Die Verse 31 f. setzen die mit V. 27 beginnende Reihe von assoziativen achträgen fort. Sie sollen zur Begründung der Aufforderung in V. 30 dienen: "Steine und Bäume können Schmeicheleien nachgeben. Dann kannst du es erst recht." Offenbar ist nun wieder Pontieus und nicht mehr der unbestimmte Adressat aus V. 30 angeredet! Die Verse 33f. haben die Form einer Schlußfolgerung. Sie enlhahen die Aufforderung an Ponticus, so bald wie möglich seine Verinung zuzugeben, da Offenheit in Liebesangelegenheiten oft helfe. Nach der vorausgehenden gedanklichen Ab· schweifung versucht der Dichter nun, den Anschluß an den Rest der Elegie wieder herzustellen. Allerdings knüpft er zu diesem Zweck an die von ihm selbst interpolierte Aufforderung an Ponticus an, sich der Liebesdichtung zuzuwenden (VV. 13·6), eine Aufforderung, die, wie bereits deutlich wurde, im Widerspruch zum Rest der Elegie steht: Properz hat gar nicht im Sinn, Ponticus zur Liebesdiehtung zu animieren, sondern will ihm lediglich die Unbrauchbarkeit epischer sowie den Wert elegischer Dichtung in Liebesdingen klannachen. Jedoch selbst diese vom lnterpolator hergestellte gedankliche Anbindung an seinen eigenen Zusatz in den Versen 13-6 ist nicht ganz stimmig: Der Imperativ errata Jatere und das in Aussicht gestellte Resultat, (lieere gllo pereas saepe in arnore leyae, stehen nicht im Einklang mit der zuversichtlichen Aufforderung zur Liebesdichtung in den Versen 13-6. Der Versuch, mit dem letzten Distichon der Interpolation den Anschluß an den Rest der Elegie herzustellen, ist also deutlich mißlungen.
111
Die Junktur spiritus iSle kommt sonst nur in Ovid vor; vgl. am. 3, 1,30; trist. 5, 9, 38; mel
7,820;9,617. 119 110
111 111 111
Vgl. den Anfang des cbcnfaJls interpolierten Verses 6 djecu, fluos. .. Die Junktur saepe in amore wird nur noch zweimal, und zwar ebenfalls vom Properzbearheiter, gebrauchi, nllomlich in [Prop.] 1,3,44 Ulemo tangas SIIfPt: in Qmou moras und in [Prop.) 3, 8,18 has didici ce.rto $Q(Jlt: in omou notas. Der ersle der beiden Verse gehOrt zu der von mir getilgten Passage dcr Verse 1,3,4146, der zwcite zu der von Hausman getilgten Passage 3, 8, 13-18. Daß die Verse 29-34 an dieser Stelle nicht stehen können, hat bereits Stnlve erkannt. Vgl. die Anknüpfung durch quippe ubi. Dieser Kommentar ist, wie öfters, in Form eines Relativsatzes angeschlossen.
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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Auch sprachlich gesehen bereiten die Verse 27-34 Probleme. Cedere ist nach Thes. 1II, 728, 40fT. an dieser Stelle erstmalig im Sinne von permiuere belegt. Es hat in etwa die Bedeutung von concedere. Die höchst seltene Verbindung ante... donec (V. 29) ist hier erstmalig belegt. Die Gedankenfolge in den Versen 31 f., iI· tis... possim cedere... / Iledum tu possis ergibt keinen Sinn. Nedum ist umgangssprachlich und kommt bei Propen sonst nur noch in dem ebenfalls unechten Distichon 1,4, 9f. VO~24.
Die Elegie I, 10 In 1, 10 denkt Properz voller Begeisterung an die Situation zurück, als er Zeuge vom ersten Aufflammen der Liebe zwischen Gallus und seinem Mädchen war. Die ersten vier Verse der Elegie bestehen hauptsächlich aus einem emphatischen Preis der miterlebten Liebesnacht. In den Versen 5-10 wird Properz konkret: Er berichtet, wie er Gallus in der Umannung der Geliebten habe dahinschmelzen und das Gespräch lange hinziehen sehen (VV. 5f.). Trotz großer Müdigkeit und später Stunde habe er, Properz, sich nicht von den Liebenden losreißen können - so stark sei deren Leidenschaft gewesen 01V. 7-10). Zu Beginn des nächsten Abschnittes bietet Properz dem Adressaten Gallus nun zum Dank tmmera commissae faetitiae an (VV. 11 f.). 1,10,11
13 15
sed qtlOniam non es ve,itus conc,ede,e nobis, accipe commissae munera laetitiae: [/lon soill//l vestros didjci retieere l2S dolores Z16. est qlliddam 227 in nobis m maius. amice.f1.de229• poss11m ego dive,sas iterum cOllillllgere amantis Ja
m Die Verse 27-34 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. C. I erfaßt, die Verse 29f. außer-
dem in Abschn. 11. A. 3 sowie die Verse 33 f. in Abschn. I. B. I. m Einen ähnlichen Vers hat der Bearbeiter in 1,7 hinzugedichtet; vg1. (Prop.] 1,7,23 nec porerunt illVelle5 1I0St,0 «rjeeee seplliero. Wie bereits bei der Behandlung von I, 7 angemerkt, hat der [nterpolator ofTenbar die enge Verbindung, die Propen zwischen dcn Elegien I, 7 und I, 10 herstellt, erkannt, und entweder seinerseits verstärkt oder die beiden Elegien nacheinander bearbeitet und in ihnen aus Gründen der Ökonomie ähnliches Wortmaterial vClWende!. Besonders bemerkenswert ist die Entsprechung von rerieere. Dieses Verb findet sich im Properzcorpus sonst nur noch in dem von Lachmann getilgten Vers 2,24,4, dort in der Form retieendus. 226 Es erscheint fraglich, daß dolores die ursprüngliche Lesan iSI. Der gesamte vorausgehende Abschnitt spricht eher rur die von Guyet vorgeschlagene Konjektur calores. Die selbe Verschreibung liegt offenbar in 2, 15, 35 vor, wo hingegen calores von dcn deteriores überliefen ist. Überzeugende Argumente zugunsten der Konjektur colares finden sich bei Heyworth (I, S. 397fT.). 227 Esr quiddam ist am Versanfang nur noch in Prop. 2, 33, 42 belegt. 228 VgJ. aJ. deus;a nob;s am Beginn der Verse Ov. ars 3, 549 und fast. 6, 5. 219 Die Versklauseln dieses Distichons entsprechen denen von I, 18, 3f.: hie heet oceuftos 2}O
pro/erre impune tIolores, / si modo sola queanr saxa rellere fidem. Vorbild rur diesen Vers ist Hor. sa!. 1,5, 29legalj, aveCSOSso!itj 'lllIJP0nere fl1l1icos. Diesen Hinweis verdanke ich dem Kommentar von Fedeli.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
18
et dominae tardas possum aperire fores; et possum alterius curas sanare 2JI recentis, nec levis in verbis est medicina meiSJJl.l Cynthia me docllit semper qllae clliqlle p6enda qllaeqlle cavendll forent: non nillil egir Amor.
(I, 10, 13-18(
Nach accipe munera in V. 12 erwartet man eine baldige Entfaltung eben dieser angebotenen munera, ähnlich wie etwa unmittelbar nach 2, 13, 18: accipe quae servesfuneris acta mei eben diesefuneris acta benannt werden, oder wie unmittelbar nach 4, 8, 74: accipe. quae nostraeformu/a /egis erit dieformu/a /egis gegeben wird. Stattdessen jedoch macht der Dichter ab V. 13 in einem breiten Exkurs auf verschicdenc "Fähigkeiten seiner sclbst" aufmerksam. Als erstes nimmt er rur sich in Anspruch: vestros didici reticere da/ores (V. I)). An dieser Aussage ist zweierlei problematisch: Erstens ergibt didici in Verbindung mit vestros reticere d%res keinen Sinn; passen könnte allenfalls ein ~: Ich .w..llliii: eure d%res verschweigen. Wie es zu dem didici gekommen ist, läßt sich unschwer erkennen. Der echte Properz flihrt im Anschluß an V. l1 in V. 19 fort: Cynthia me doclI;/... Entsprechend beginm der Interpolator seinen Zusatz, den er inhaltlich auf die Verse 19f. bezieht, mit non so/um didici... Problematisch an V. 13 ist sodann, daß das Angebot, reticere do/ares, an das sich, so ist anzumerken, Propen ja bereits in dieser Elegie nicht häh 2JJ, schwerlich als mImus im Sinne einer Gegenleistung aufgefaßt werden kann. In V. 15 erklärt der Dichter, er könne getrennte Liebende wieder zusammenfilh· ren, in V. 16, er könne die widerstrebenden Türen der domina öffnen. Domina steht hier ungeschickt vor der Nennung des Namens Cynthia in V. 19. In den Versen 17f. schließlich nimmt er rur sich die Fähigkeit in Anspruch, a/terius curas sanare recentis, und versichert, in seinen Worten sei eine non /evis medicina. Der achdruck, der in V. 18 auf den verba liegt, ist unvermittclt und unerklärlich. Zu· dem stellt der Begriff verba, wenngleich er formal wie eine Zusammenfassung der vorher genannten Fähigkeiten wirkt, eine gedankliche Einschränkung dar: Er läßt sich nicht auf das in den vorigen Versen Genannte mitbeziehen. Schließlich ist keine glatte Anbindung der Verse 17f. an die Verse l5f. gegcben. Der Inhalt der Verse t 7f. ist nach den Versen 15f. zu allgemein, vor allcm aber zu negativ. Die echten Verse 19f. sind ganz offensichtlich als Erläuterung des Voraufgehenden konzipiert. Indes, keine der Aussagen in den Versen 15-18 läßt sich gc· danklich mit den Oberbegriffen petenda und cavenda oder den Ratschlägen. die Properz im Anschluß an die Verse 19f. dem Gallus erteilt, vereinbaren. Als Vorlage hat offenbar Tib. 2, 3, 13 gedient: nec potuit Cllnu s/mare salwbribus herbis. Die Junktur curas sanare ist sonst nicht belegt III FOr die Verse 17( hat Prop. 3, 17, 3r. als Vorlage gedient: (11 potes insana~ Veneris com· pescere faslus. I CllrllrJl"'qlle 1110 fit mtdicina mm. Zu den Versen 15·18 vgl. Prop. 2,8, sr. pDSSIlm qo in gJtaiuspositam spectare lacerto? 111«.... m Vgl. die Verse 1-10.
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Das Binnengeneeht der Elegien 6 - 14
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Wie nun ist es zu dieser Interpolation gekommen? Der Bearbeiter hat die knappe Andeutung in den Versen 19f., Cynthia me docuit semper quae cuique petendal quaeque cavenda forem, zum Anlaß genommen, eine Reihe von Fähigkeiten, die Properz erworben habe, einzufügen. Er bemüht sich, der Aufzählung dieser Fähigkeiten zusätzlich Gewicht zu verleihen, indem er vorab erwähnt, er habe nicht nur gelernt, mit den dalores des Adressaten diskret umzugehen, sondern es sei quiddom maius fide in ihm. Wie bereits deutlich wurde, läßt der Bearbeiter bei seiner Zudichtung den engeren Kontext außer Acht. Aber auch mit der gesamten Elegie stehen die Verse 13-18 im Widerspruch: Denn ganz offenkundig befindet sich Gallus mit seiner Liebesbeziehung in einer Lage, in der keine einzige der in den Versen 15-18 aufgezählten Fähigkeiten des Dichters ihm irgendwie von Nutzen sein könnte. Sprachlich fallt in den Versen 13f. die Unterdrückung von sed etiam nach non solum auf, die laut Fedeli selten ist 234 .
• Im Anschluß an die Verse 11 f., in denen Properz dem Adressaten munera commissae laetitiae anbietet, passen sehr gut die Verse 19f., in denen er, mur/era in V. 12 erläuternd, erklärt, Cynlhia habe ihn die Dinge gelehrt, die petenda bzw. cavenda seien. Anschließend wird Properz konkret: In den Versen 21f. nennt er drei Verhaltensweisen - eine im Hexameter, zwei im Pentameter - die es für Gallus zu vermeiden gilt. t,IO, 21 23 24
tu calle ne tristi cupias pugnare puel/ae, nelle superba lQqui, nelle tacere diu,' [neu. si quid petiit, ingra(a!'onle negaris. neu (ihi pro vano B verba beniglla1J6 cadani2J7.1 irritala lIenil, quando contemnitur i/la, nec meminit iustos ponere laesa mina$:
(1,IO,23f·1 In den Versen 23f. werden dem Gallus weitere cavenda genannt: Wenn seine puella etwas von ihm erbitte oder wenn sie sich mit freundlichen Worten an ihn wende, solle er nicht abweisend reagieren. Die Fortsetzung der Aufzählung in den Versen 21 f., die aus einem längeren und zwei kürzeren Gliedern besteht, durch zwei weitere, nun wieder einen ganzen Vers ausfüHende Glieder trägt dazu bei, daß die Struktur der gesamten Reihe unausgewogen ist. Die Verse 13-18 sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 4 erfaßt. m Die Junktur pro vono iSI sonst nicht belegt. 136 Für die Junktur verba benigna vgJ. Prop. 3, 13, 42 praebebant veslri Ifflba ben;&Dafoci. m V. 24 weiSI eine starke Ähnlichkeit zu Ov. epist. 3, 98 auf: a( mea/llil nul/apondere lIerba aulutrJ.. Die Verse 23f. gleichen in ihrem Wortmaterial den von Housman und anderen ausgesonderten Versen [Prop.] 2, 22, I1 f. quae si forte aliquid vultu mihi dura nelRrat / 214
frigida de (o(a fronte cadebat aqua.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
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Inhaltlich gesehen sind die Verse 23f. eine Wiederholung der Warnung in den Versen 21f., der puella gegenüber nicht unsensibel zu sein oder zu schweigen. Sie lassen sich allerdings in den genauen Kontrast, in dem diese Verse zu V. 27 stehen - superbus (V. 22) vs. humilisl subiectus (V. 27) - nicht einfligen 2J8 •
• Nach der Nennung dessen, was Gallus venneiden soll (VV. 21 f.), folgt in den Ver· sen 2Sf sehr passend die Schilderung der ansonsten zu erwartenden negativen Konsequenzen. In den Versen 27f, dem Schlußdistichon von I, 10, werden auf ähnliche Weise, allerdings diesmal nicht in jeweils einem Distichon, sondern injeweils einem Vers, die petenda sowie die positiven Konsequenzen, die sich bei ihrer Einhaltung ergeben, aufgeführt. 1,10, 27
29 30
al qllo sis humi/is magis el subiec(us amori, Jroc magis eJTecfll saepe fruare bono. fis pOlerit felix ulla remOllere puella. qUl. Ilumquam \'acuo pec(oreH9/°be Irent. J 0
11, 10, 29f.1 240 Die Verse 29f. sind inhaltlich gesehen dem vorherigen Distichon ähnlich. Sie ent· halten eine Allgemeinaussage: Derjenige werde mit einem Mädchen glücklich sein, der niemals frei und dessen Herz nie leer sein werde. Die Verse 29f sind zwar eine assoziative Weiterentwicklung des Gedankens der Verse 27f, lassen sich aber nicht gut anschließen. Die Ratschläge an Gallus in den Versen 21·28 bilden eine gedankliche Einheit: Gallus soll seiner pue/la gegenüber nicht hochmütig sein; je mehr er sich hingegen demütige und der Liebe unterwerfe, um so mehr werde er sich über Erfolg freuen. Der Vers 29 enthält, ähnlich wie V. 28, ein Versprechen, das jedoch diesmal an eine ganz andere Bedingung geknüpft ist: an die Bedingung, ",,,,,quam vacuo pec/ore liber zu sein. Diese Bedingung läßt sich mit der in V. 27 gedanklich nicht in Einklang bringen. Es bestehen weitere Schwierigkeiten: Die libertas vacuo pectore in V. 30, nach Fedeli "una nuova definizione dei servitium amoris", stelh eine unglückliche Kontamination zweier Gedanken dar: Während numquam... vacuo pectore in V. 30 im Einklang mitfelix in V. 29 eine positive Bedeutung hat, ist munquam liber in V. 30 negativ. Was die Sprache der Verse 29f angeht, so scheint der Gebrauch des gnomi· sehen Futurs (pOlerit, V. 29) laut Fcdeli in der klassischen Epoche auf die Sprache der Rhetorik und der Philosophie beschränkt zu sein. Fe/ix ist nach Fedeli an dieser Stelle erstmalig mit dem Ablativ der Person verbunden 241 . m Die Verse 23f. sind im Typologickapitcl in Abschn. 11. B. 2 erfaßt. 119 Vgl. Gv. am. I, [,26 IIror, el in vacuo peclo" regnat Amor. 240 2Cl
Die Tilgung dieses Distichons erfolgt nach einem Hinweis R. eramers. Die Verse 29f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. ß. 3 erfaßt.
00045453
Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
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Die Elegie I, 13 Bereits Skutsch hat auf die mangelhafte gedankliche Kohärenz der Elegie I, 13 hingewiesen 242 • M. Hubbard beanstandet: .,Tbe poem to Gallus in particular is perfunctory in structure and shows an unwonted slovenliness in execution."w Hiennit ist nur ein geringer Teil der Probleme angedeutet, mit denen man sich in I, 13 konfrontien sieht. Die Elegie I, 13 ist im e~ten Properzbuch die einzige, die mit einem unechten Zusatz beginnt. I. 13. 4
(Tu. quod saepe solei", nOStTO laelabere casu. Galle. quod abrepto solus amore vocem w . at non ipse tuos imitabor, peifide. voeei 46: 47 JaUere te nwnquam, Galle. puella velir .] dum tibi deceptis augelur Jama puellis, certU$ et in nullo quaeris amore moram,
11,13,1-41 In den Versen I, 13, Ir. reagiert der Dichter auf Gallus' Spott daJilber, daß Properz von seiner Geliebten getrennt ist. Er entgegnet, er werde es dem Freunde nicht gleichtun, sondern wünsche vielmehr, diesen möge niemals ein Mädchen betrOgen (W.3f.). Zwischen diesen vier Versen und dem Rest der Elegie besteht kein gedanklicher Zusammenhang. Sie sind mit dem Ziel hinzugefiigt worden, eine Verbindung zur vorherigen Elegie I, 12 herzustellen 2.'. Sprachliche AufTälligkeiten in den heiden Distichen sind vor allem die Pleonasmen saepe soles (V. 1) und abreplo solus amore vacem (V. 2) sowie die zweimalige Anrede Galle. Casus (V. I) wird bei Properz sonst nirgends im Sinne von
Skutseh, S. 239. m M. Hubbard, S. 29. 244 Die erste Vershälfte stammt aus Ov. Poot. 3, 5, 40 aut, 'luodsQfP( soles. exigis ur recitem. m Die Klausel amore vocem hat nur noch eine weitere Pamllele, und zwar in einem ebenfalls unechten Vers im ersten Propcrzbuch, {Prop.]I , 19,6 ul meus oblilO pulvis "more Nett. 246 Eine ähnliche Klausel findet sich erst wieder in Lucan. 9,100 ne mihi commissas auJerrem PU/ii/a roces. 247 Die Klausel puella wUt hat nur noch (Prop.]I, 9, 14. Wie weiter unten ausfilhrlicher dargelegt, haI Properz die heiden Elegien 1,9 und I, 13 durch ein dichtes Geflecht von Bezügen eng miteinander verbunden. Daß der Bearbeiter gerade in diesen beiden Elegien dieselbe sonst nicht belegte Klausel benutzt, zeigt, daß offenbar auch ihm die enge Beziehung zwischen ihnen bewußt war. Gegebenenfalls war es seine Absicht, diese enge Beziehung durch die zweimalige Verwendung der Klausel puella wlit zu verstlrken. 2« Petmmann, S. 133: "Der nosrer casus (I) bleibt als Gegensland der Schadenfreude des Gallus unvmtlndlich, wenn nicht die durch I. 11-12 eingetretene Situation gemeint ist." HZ
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Die Elegien des ersten Properzbuches
"Liebesleid" gebraucht20 . Schließlich nimmt, wie Petersmann zu Recht anmerkt, ,puella... die wenige Verse später genannte quaedam (7) VOf\\lcg,,2SO.
• Die Elegie I, 13 beginnt mit V. 5, und zwar mit denselben Worten wie die Elegie I, 7: mit dum libi, Im ersten Abschnitt filhn Properz dem Adressaten vor Augen, daß dieser, während er immer bekannter dafür werde, daß er Mädchen im Stich lasse und keine Beziehung bei ihm lange andauere, sich zu guter Letzt doch richtig verliebt habe (VV. 5-8). 1,13, 7 9
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perditus in quadam tardis paJlescere curis incipis, el primo lapsus abire gradu. [haec er;' illanjrn comempli poeno da/oris: mu/torum miseras exigeluna vices. haec (ibi l'Ufgaris istos compescet amores15l , nec nova quaerendo semper amieus erii'2.] haec non sum rumore molo, non augure doctus; vidi ego: me quaeso teste negare potes?
11,13,9-12) Die Verse 9-12 enthalten eine düstere Prophezeiung: Das Mädchen, in das sich Gallus verliebt habe, werde filr all die anderen Mädchen, die er früher betrogen habe, Rache üben und ihm abgewöhnen, ständig nach neuen Beziehungen Ausschau zu halten. Der Bearbeiter hat die Formulierungen tardis pallescere curis (V. 7) und primo lapsus abire gradu (V. 8) als Andeutung kommender Leiden aufgefaßt und, hierauf aufbauend, in seinem Zusatz dem Adressaten eine Strafe für sein treuloses Verhalten angekündigt, die zugleich eine Genugtuung für die betrogenen Mädchen istm . Die pue/fa, zu der Gallus in Liebe entbrannt ist, wird in V. 7 lediglich mit in qlladam bezeichnet. Ihre Identität bleibt auch ab V. 13 weiterhin recht unbestimmt
Petersmann, S. 133, Anm. 3. 130 Petersmann, S. 135. Die Verse 1-4 sind im Typologiekapitel in Absehn. 11. C. 3 erfaßI. 131 Das Wortmaterial rur die Verse 9ff. hat der Bearbeiter teilweise aus Ov. met. 4, 190r. geschöpft: exigit indic:ii memorem Cythereia poenam / inque viees iIlum. teetos qui {aes;, qmow. m Vg!. I, 22, 2 quaer;s pro /lostra semper Qmicilia. Der Vers 12 weist außerdem eine Ähnlichkeit zu dem von Struve und anderen getilgten Vers 2, 6, 42 auf: semper amieD mihi, "",per el uxor uU.. llJ Bereits in V. 4 untemimmt der Bearbeiter einen ersten Anlauf in dieselbe Richtung: fallere le numquam... pllella veti,. Das Bestreben, einem Benachteiligten Genugtuung zu verschaffen, [äßt er auch in seinem Zusatz in der Elegie I, 7 erkennen. Dort gibt er einen Ausblick auf die Zukunft, in der in Umkehrung der derzeitigen, in I, 7 geschilderten, Verhältnisse Ponticus derjenige sein werde, der angesichts seines Unvennögens bewundernd zu Propcrz aulblieken werde. 2.9
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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- außer in den Versen 29-32, die ebenfalls unecht sind. Die betont auf das Mädchen eingehenden Verse 9-12 stehen hierzu im Widerspruch. Sprachlich bedenklich ist das dreimalige haec zu Beginn der Verse 9. ll und 13. Nach M. Hubbard .,we can reasonably complain of a Latin poet who begins three consecutive couplets with haec when the first qualifies poena, the second refers to amistress and the third is neuter plural accusative.,,2S4 In V. 10 befremdet die betonte Gegenüberstellung mU!lamm-una, für die es keinen erkennbaren Grund gibt, sowie die ungewöhnliche Enallage (miseras)m .
• Oie Verse 13f. bilden eine gute Fortsetzung nach den Versen 7f. Nach der Be· hauptung, Gallus habe sich zu guter Letzt doch richtig verliebt, versichen Propen, er sei Zeuge von dessen auffiammender Leidenschaft gewesen. Den Beweis für diese Versicherung gibt er in den Versen 15-18. In ihnen berichtet er, wie er den Adressaten in inniger Umarmung lange habe weinen sehen, wie er dessen heiße Küsse sowie Anderes beobachtet habe. das zu erwähnen ihm sein Schamgefiihl verbiete. t,13,
t5
19
24
vidi ego te toto vinctum languescue coUo er flue iniectis, Galle, diu manibus, et cupere optatis animam deponere labris et quae deinde meU$ ce/at, amice, pudor. [non ego complexlls potui diducere vestros: tanlllS eral demens inter ulrosque ll6 [,uro?J7. non sic Haemonio Salmonida mutus Enipeo n Toenarius faciJi pressit amore deu.l". nee sie eae/estem flagrons amo,JMl Hercutis Heben 261 setlSit ab Oetaeis gaudia prima rogiJ62.) una dies omnis potuil praecurrere amantis: nam tibi non tepidas subdidit illtl faces.
M. Hubbard. S. 29. m Die Verse 9-12 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. I erfaßt. 2S6 Die Verbindungen inter utros- /asqlle sind sonst ersl später belegt. m Die Junktur demells furor findet sieh in dem relevanten Zeitraum nur noch in Sen. Med 930. nl Vgl. Ov. am. 3, 6, 43 siccus ut ampfecti Sa/monidaposset. Enineus. Eine ähnliche Klausel wie in V. 21 findel sich ers! wieder in lucan. 6. 373: Apidanos numquamque ce/er, nist" mixtur, En;Ptus. U9 Dieser Vers ist konlaminiert aus 1,9, 23f. nulJus Amor cuiquam /aci/is ila praebuit alas, / ut non a/terno prt!SSuil jJJe manu und I, 14, 10 seu/aciJi tOlum dllc;t amor( diem. 260 Die Junkturjlagrans amor ist bis Silius nur in Hor. cann. 1.25. t3 belegt: cum tjbiflQ~ grans amor et libido. 261 Vorbild für die Verse 21-23 ist offenkundig Prop. 3. 19. I3f. testis ThessaJico ßtlerans $a/monis tnipco / quae voluit liquida Iota subire iInl. :w Die Junktur Oetaeus rogus ist sonst noch in Sen. Med 777 belegt; vgl. die Verse 777f.: Oetaeus isto einere defecil rae"s. / qui viros Hercu/eum bibit. Als Nächster benulZt sie erst wieder Martial. 2S<e
Die Elegien des ersten Properzbuches
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11,13,19-241'" Properz schließt die Beschreibung von Gallus' Liebesleidenschaft mit den Wonen er quae deinde meus celat, amice, pudor in V. 18 diskret ab. Hier hat der Bearbeiter die Chance gesehen, eine emphatische Erweiterung anzuftigen: So versichert er in den Versen 19f., er habe die innige Umarmung der Liebenden nicht trennen kOnnen - so groß sei deren heider Tollheit gewesen; und um das Ausmaß der leidenschaft noch stärker zu betonen, gibt er anschließend zwei mythologische Beispiele von Liebesbeziehungen, deren Intensität nach seinen Worten gleichwohl nicht an die der Liebe zwischen Gallus und seinem Mädchen heranreicht. Die Verse 25f. lassen sich gedanklich schwer an die vorausgehenden mytholo-
gischen Exempla anbinden: Nach nur zwei konkreten Beispielen paßt der verall· gemeinernde Ausdruck omnes amantes (V. 25) nicht. Schließlich bereitet auch die Sprache der Verse 19-24 Schwierigkeiten. Statt inter utrosque (V. 20) wäre inter ulrumque grammatikalisch richtig. Propen ist allem Anschein nach der einzige, der das "omen appellativum, Tael/arills' (V. 22) rur Ncptun gebraucht. Flagrare mit dem Akkusativ in der Bedeutung von ..in Lie· be für jemanden brennen" (V. 23) ist laut Fedeli nur an dieser Stelle belegt 264 •
• Nach Vers 18, in dem Propen alle weiteren Details der leidenschaftlichen Begegnung von Gallus und seiner puc1l3 dezent r.tit den Wonen Cl quae deinde meus celal, amice. pudor umschreibt, paßt sehr gut der Vers 25, der die Schilderung in den Versen 15·17 sowie das. was aus Anstand verschwiegen wird, gleichsam rück· blickend zusammen faßt: ,,An einem Tag konnte eure Liebe alle Liebenden über· holen." Nach diesem resümierenden Vers gibt Propen eine Erklärung fUr das p1(~tzliche Aufflammen der Leidenschaft zwischen Gallus und seiner puella: Jene, so versi· chert er, habe kein lauwannes Feuer in ihm entfacht (V. 26) und nicht geduldet, daß sein fn1herer Hochmut (vgl. W. 5f.) hochkomme (V. 27). Sie werde dies auch in Zukunft nicht zulassen; vielmehr werde seine Liebesglut ihn gefUgig machen (V. 28). 1,13, 27
29
nee fibi praeurüos passa esl sueeedere!asfus, nee sinef: addiefum te fuus ardor agef. [llee mjrumu.~. cum Sillove dignae proxima Ledae ef Ledae partu gralior, una IribuJ66: iIIa Sif Inaehiu el b/andior heroini~7. iJ/a suis verbis eogaf amar?" lovem.
Die Tilgung di~f Verse verdanke ich einem Hinweis von R. eramef. 26& Die Vene 19·24 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. I waßt. 26S Für nce mirum gibt es in der augusteischen Dichtung sonst keinen Beleg. 266 Die Klausel una rn"bus kommt wohl aus Ov. POßt. 2, 8, 56. Sie findet sich sonst nur noch in der pseudoovidischen Nux, V. 76. 167 Vgl. 2, 13, 8 tune ego si. Inarbio norior arte Lino. 16& Vgl. Ov. am. 3, 11,52 ef quam, si nolim, rotar amau, veUm.
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Das BinnengeOecht der Elegien 6 - 14
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tu vero quoniam semel es periturus amore, utere: non 269 aUo /imine dignus erai?O.] qui tibi sir Jelit:, quon;am novus ;ncidit, error,' et quotcumque 21l voles, una sit ista tibi.
(t, 13,29_34)272
Properz begründet in den Versen 26·28 die resümierende Aussage aus V. 25, una dies om"is pOllliI praecurrere amallIis aus V. 25. Die Verse 26~28 werden ihrer· seits in den Versen 29-32 begründet: ..Kein Wunder (daß die puella dein Herz entflammt hat)! Sie ist sogar schöner und verfUhrerischer als manche Göttinnen."m Hieraus leitet der Bearbeiter in den folgenden Versen 33f. eine Handlungsanwei. sung rur Gallus ab: Weil er nun einmal im Begriff sei, in der Liebe zugrunde zu gehen, solle er diese Liebe nutzen: Er verdiene keine geringere Tür. Te tuus ardor aget in V. 28b markiert deutlich den Abschluß der Reihe von Aussagen in den Versen 26·28. Die Verse 29-32 sind ein typischer kommentierender Nachtrag, der auch in sich problematisch ist. Da ist zunächst die Banalität der Einleitung mit nec mimm zu nennen. Sodann befinden sich die beiden Attribute der puella des Gallus, proxima Ledae (V. 29) und Ledae parIIl gratior (V. 30), in einem gedanklichen Widerspruch zu einander, desgleichen auch die beiden Aussagen sit love dignae proxima Ledae (V. 19) und eogat amare lovem (V. 32). Die Apposition tribus zu Ledae partu ist unerklärlich. BUller und Barber nehmen eine Anspielung auf Helena und die Dioskuren an. Außer Eur. lA 49 gibt es in der Tat keinen weiteren Beleg rur eine Phoebe als dritte Tochter der Leda neben Helena und Klytämnestra 214 • Daß jedoch in diesem Zusammenhang auf die Dioskuren an· gespielt wird, erscheint höchst unpassend und läßt sich allenfalls als Gedankenlosigkeit des Dichters erklären. Sprachliche Einwände bestehen gegen gratior und heroillis. Für gratus im Sinne von venustus, pu/eher gibt es keinen sicheren früheren Beleg27S • Heroina ist in der gesamten lateinischen Dichtung nur im Properzcorpus belegt, und zwar außer an dieser Stelle noch in den Versen I, 19, 13 und 2, 2, 9, jeweils auch am Versende. Der erste dieser beiden Verse ist mit Sicherheit unecht, den zweiten halte ich ebenfalls rur höchst verdächtig. Was die Verse 33f. angeht, so entspricht der erste Teil dieses Distichons bis uIe~ re in etwa der Aufforderung in V. 35: qui tibi sit Je/ix, quoniam I/OVUS il/eidit. er~ ror; quoniam ist sogar wörtlich Ubemommen. Der zweite Teil ist schlechterdings Vorbild rur die Verse 33f. ist Tib. I, 8. 47f. Qt tu dum primi floret tibi temparis aeras / uteu.· non tardo labitur Wa pede. Der Versanfang utere non ist sonst nicht belegt. 210 Vgl. Ov. rern. 21f. qui, nisi desierit, misero peritueus Qmore est, / desinat, et nullifuneris auctor u:iJ., m Ich lese mit Fruter quotcumque statt des überlieferten quocumque. m Die Athetese der Verse 33f. verdanke ieh einem Hinweis O. Zwierleins, der unabhängig von mir die Verse 29-34 tilgte. 27J Wie in den Versen 9-12, so zeigt sich auch in den Versen 29·32 das Bestreben des Bearbeiters, die Identität der puella des Gallus, die Propen unbestimmt läßt, zu erhellen. 27. Fedeli ad loe. m Fedeli ad loe. 269
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
unverständlich: "The rest of line 34 is double-edgcd. It should mean Ihat he is worthy of cxactly this mistress, but limen for mistress is slighlly ominous - the threshold is where a rejecled lover waits - and the negative has pejorative implications, that he docs not deserve anyone else.,,276 Die Anbindung der Verse mit tu vero ist bedenklich. Fonnal ist mit diesem Ausdruck ein Kontrast signalisiert, der jedoch inhaltlich nicht besteht. Tu vero kann, entgegen der Auffassung von Fedeli, nicht Variante rur das viel schwächere, einen Gedichtsschluß einleitende 01111 (vgl. etwa 1,6,31) sein 277 .
• Der gedankliche Übergang von V. 28 zum Schlußdistichon, den Versen 35f., iSI gut: Weil er nun einmal diese neue Erfahrung in der Liebe mache, möge alles glOcklich ausgehen, so wünscht Properz, an die Prophezeiung aus V. 28 anknilpfend, in V. 35 dem Gallus, und gibt ihm, Bezug nehmend auf dessen in den Versen 5f. beschriebene Tendenz zur Treulosigkeit, auf die er mit praeleritos fastus im voraufgehenden Distichon (VV. 27f.) anspielt, abschließend den Rat mit, sein Mädchen möge für ihn all diejenigen sein, die er begehre (V. 36). Entsprechungen zwischen den Elegien 7, 9,10 und 13 Vor der detaillierten Darstellur:g der wörtlichen und inhaltlichen Bezüge zwischen den Elegien 7,9, 10 und 13 des ersten Proper.lbuches gebe ich einen knappen systematischen Überblick über die fonnale Struktur dieses Beziehungsgeflechtes: I. Innerhalb der Elegienpaare 1,7/9 und I, 10/13 bestehen Entsprechungen zwischen den jeweils ersten Abschnitten der Elegien. Was die Elegien I, 7 und 1,9
angeht, so gibt es außerdem nennenswerte Anklänge zwischen den Schlußdistichen sowie zwischen dem Schlußdistichon von I, 7 und dem ersten Distichon von 1,9. 2. Auffällige Entsprechungen lassen sich auch zwischen den jeweils letzten Abschnitten der Elegien I, 7 und I, 10 sowie zwischen denen der Elegien I, 9 und I, 13 nachweisen. 3. Es bestehen außerdem nennenswerte Entsprechungen zwischen den Anfangsversen der Elegien 1,7 und I, 13 und zwischen den ersten Abschnitten der Elegien 1,9 und I, 10. Das Anfangsdistichon von 1,7 weist auch wörtliche Anklänge an den Schluß der Elegie 1,6 auf. Im folgenden behandle ich nacheinander die Elegien I, 7 und I, 13, indem ich bei jedem Abschnitt die jeweiligen Entsprechungen angebe und deren Funktion erörte-
Hodgc und Buuimore ad loc. zn Die Verse 29-)4 sind im Typologiekapilel in Abschn. 11. C. 2 erfaßt. Zusätzlich sind die Verse 29f. in Abschn. I. B. 3, die Verse 31 f. in I. A. I. b und die Verse 33f. in I. B. 1 erfaßt.
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Das Binncngefleeht der Elegien 6 - 14
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re. Auf die Entsprechungen zwischen den Elegien I, 9 und I, 10 gehe ich nach der Besprechung der Elegie I, 7 ein. Entsprechungen zur Elegie I, 7 Das Anfangsdistichon von I, 7 weist wönliche Entsprechungen zum einen zu den vor der Coda von 1,6 stehenden Versen 29f. auf sowie zum anderen zu dem Anfangsdistichon von I, 13 (den Versen 5f.i 7l . 1,7,
H.:
Du m
I
i b i Codmeoe dieuntur, P01ltiee, 17Ieboe
armaque frotel7lae (rurio militiae, I, 6,
29f.:
flOfl ego sum laudi, flan flatus idoneus IIrmis: hone me mi/iliam fata subire valuni.
1.13.
Sr.,
D u m t i b i deeep'is augelurfama puellis, eertus ef in 1Iu/lo quaeris amore moram,
Wurde in I, 6 der Gegensatz zwischen der Lebensweise des Tullus und der des Propel4 dargestelh, so geht es in I, 7 um den Gegensatz zwischen der epischen Dichtung des Ponticus und Properzens Dichtung. Properz stellt einen Bezug zwischen den beiden Elegien her, indem er im ersten Distichon von 1.7 wörtlich Ausdrücke aus seiner in I, 6 geäußenen recusatio übernimmt und sie nun zur Beschreibung von Ponticus' Dichtung verwendet. Daß die beiden Elegien 1,7 und I, 13 mit den Wonen dum tibi beginnen, ist ein Signal tur ihre thematische Zusammengehörigkeit. Durch diesen wörtlichen Anklang bildet Properz zugleich auch einen Ring um die Gruppe der Elegien 7 - 13. Die Abgrenzung der Elegien 7 - 13 als thematische Einheit steht im Einklang mit der Sonderstellung, welche die Elegien 1,6 und I, 14 innerhalb des BinnengeOechtes der zehn mittleren Elegien der Monobiblos besitzen. Zahlreiche und eindeutige Entsprechungen bestehen zwischen dem ersten Abschnitt von 1,7, nämlich den Versen 1,7,1-8, und dem ersten Abschnitt von 1,9, nämlich den Versen 1-4 und 9-12. Ich gebe die relevanten TextstOcke. 1,7,
1-4:
5-8:
1,9,
1-4:
Dum I j b j Cadmeae dieunlur, Pomiee, Thebae armaque fratel7lae trislia militiae, atque, ita sim fe/ix, prima eontendis Ho m er 0 (sint modo fata tuis mD1liil carminibus), 110$, ul consuemUS, 1IoSlros agitamus 11 m 0 res alque a/iquid duram quaerimus in domjaam: nee lantum ingenio quantum sen1re dolori cogor el aetatis lempora dura queri. Dieebam libivenluros, irrisor, lImores, tw:. tibi perpetuo libya verbafore:
m leh mache die Entsprechungen aur rolgende Weise kennllieh: Gleiche Begriffe werden durch Fettdruck, sinnverwandte durch Untentreichung markiert. Stehen sie jeweils an derselben Stelle im Vers, so sind sie zusltzlich gespen1 gedruckt.
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Dic Elegicn des ersten Properzbuchcs
9-12:
ecce iaces supplexque wals Gd jura puellae et ribi nunc quaevis ;rnDerat empta modo. quid li b i nunc rnisero prodest grave dicere cannen allt Amphioniae moenia.ßßH lyrae? plus in amore valet Mimnermi versus Ho m e r 0 : carmina mallslletus kniJ:l. quaerit Amor.
Die jeweils ersten Abschnine der Elegien I, 7 und I, 9 entsprechen einander in der Weise, daß ihre Hälften chiastisch aufeinander bezogen sind. In den korrespondierenden Abschnitten 1,7, 1-4 und 1,9,9-12 geht es um die dichterische Tätigkeit des Ponticus. In 1,7,5-8 bzw. 1,9, 1-4 schildert Properz sein bzw. des Ponticus servitium amoris. Warum aber eine chiastische Entsprechung dieser vier Abschnitte? In 1,7, 1-8 läßt Properz dem bedeutenden Epiker bewußt den Vortritt 279 • In 1,9 hingegen ist im Leben des Ponlicus die Liebe in den Vordergrund getreten; erst an zweiter Stelle ist von seiner Dichtung die Rede. Von dieser heißt es in den Versen 9-12 nur noch, sie sei in der Liebe von keinem Nutzen. Der zweite Abschnitt von 1, 7, der aus den Versen 9-14 und 25f. besieht, ist durch mehrere deutliche Entsprechungen mit dem letzten der Elegie I, 10 verbunden: 1,7,
9-14:
hic Inihi conteritur vitae modus, haec mea fama est, hinc cupio nomen carminis ire mei. me lalldent doctae solum placuisse p u eil 0 e , Pontice, et in i u Si Q S saepe tulisse In i n a s .. me legat assidue post haec negl e c t usa m ator et prosint illi cognita nostra mal a . t u Cave nostra tuo contemnas carmina (aslu; saepe venit lIlagno faenore tardus Amor.
25f.:
1,10,
2If.: 25-8:
lu cave netristicup;aspugnare puellae, neve superba loqui, neve tacere diu. j"itala ",enit, quando contemnilur illa, nec memiait ; u s t a s poliere laesa m in a s : at quo sis humilis magis et subi e c t usa mon', hoc magis effectu soepe froare bon 0 .
Unter den fonnalen Entsprechungen der beiden Abschnitte sticht am meisten die Parallelität von 1,7, 12-4 und 1, 10,26-8 hervor. Des weiteren f.HlI auf, daß viel von dem Vokabular aus dem Schlußdistichon von I, 7 im letzten Abschnitt von 1,10 benutzt wird. Aber auch hier dienen die fonnalen Übereinstimmungen dazu, die Wirkung eines wesentlichen inhaltlichen Unterschiedes zu steigem: Während in I, 7, 9-14 die puella über Properz herrscht, befindet sich in I, 10 Gallus in einer überlegenen Position gegenüber seiner puella; Properzens Ratschläge sollen ihn lediglich befahigen, seine puella möglichst lange zu behalten. Untersuchen wir nun, wie dieser Gegensatz im Einzelnen ausgestaltet ist. In den eng verwandten Partien 1,7, 12-14 und I, 10,26-28 gebraucht Properz ähnlich klingende Formulierungen gegensätzlichen Inhaltes: Der Formulierung 21'l
Vgl. OV. am. 3, I. Dort hat die TragOdie den Vortritt vor der Elegie.
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Das Binncngene<:ht der Elegien 6 - 14
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iniuslas minas in 1,7, 12 steht an derselben Stelle in I, 10,26 die Fonnulierung iustas mi1las gegenüber. Durch die Wendung neglectus amator in 1,7, 13 wird ein trauriger, aber unabänderlicher Zustand bezeichnet; Die Worte subiectus amori an derselben Stelle in I, 10,27 hingegen stehen in einem Kontext, in dem Gallus ein sicheres Mittel zur Erhaltung seiner Liebesbeziehung genannt wird. Am deutlichsten sichtbar wird die Gegensätzlichkeit der beiden Partien schließlich in den Formulierungen pros;"t... mala in I, 7, 24 und effectu saepe Jruare bOllo in I, 10, 28. Pointiert stehen hier insbesondere die beiden AusdrOcke mala und b01lo einander gegenüber. Auch die Entsprechungen zwischen dem Schlußdistichon von I, 7 und dem letzten Abschnitt von I, 10 steigern pointiert die Wirkung einer inhaltlichen Gegensätzlichkeit. Beide Passagen sind durch ihren Beginn mit den Worten tu cave als Warnung ausgewiesen. Weitere Anklänge an das Schlußdistichon von 1,7 sind in I, 10 die AusdrOcke C01ltemllitur (V. 25), venit (V. 25), amori (V. 27), saepe (V. 28). Fastll aus I, 7,25 wird durch sllperba loqui (I, 10, 22) aufgegriffen. Während allerdings in I, 7, 25f. v o r ' gewarnt wird, enthalten die Verse I, 10, 21f. 25-8 Ratschläge zur Erhaltung des i:ci:cnwäOii:en Glilkm.
Zum Schlußvers von I, 7 finden sich eindeutige Entsprechungen im Anfangsvers von I, 9; an das Schlußdislichon von I, 7 gibt es, wenngleich nicht wörtliche, so doch inhaltliche, Anklänge im Schlußdistichon von 1,9. 1,7,
tu C4ve nostra IUO coa(gmnas carmina (as(u: saepe un;1 ma~a (aenare lardus Amor.
25f.:
1,9,
1f.:
Dicebam tibi ~·enluros. jrrisor omores, nec (ibi perpeluo libera verba fore:
1,9,
25f.:
nec le decjQ;at. quod sil salis il/a parala: acdllS Ula SllWl, Poncice. si qua (ua esl.
Die zweifache wörtliche Entsprechung zwischen dem Schlußvers von I, 7 und dem Anfangsvers von 1,9 signalisiert über die dazwischenliegenden Elegien I, 8A und I, 8B hinweg die enge inhaltliche und thematische Zusammengehörigkeit der beiden Elegien. Die Worte venit... Amor in 1,7,26 gehören zu einer Drohung, wäh· rend die Worte ventIIros... amores in I, 9, I, an diese frOhere Drohung anknüpfend, am Beginn der Elegie stehen, in der vom Eintreffen des Angedrohten berichtet wird. Die Drohung aus dem Schlußdistichon von I, 7 ist jedoch nur insoweit eingetrotTen, als Ponticus nun verliebt ist; er befindet sich erst im Stadium der prima favilla moli (I, 9, 18). Es steht noch Schlimmeres bevor, wie Properz ihm in den Versen 17-24 von 1,9 ankündigt, und auch schon im Schlußvers von I, 7 angedeutet hat: saepe venit magno faenore tardus Amor. Darum wird die erst teilweise eingetroffene warnende Vorhersage aus 1,7, 25f. im Schlußdistichon von 1,9, den Versen 25f., erneuert.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
Entsprechungen zwischen den Elegien 1,9 und I, 10 Die wörtlichen Anklänge in den Anfangsversen von 1,10 an die Anfangsverse von I, 9 können allein schon auf Grund ihrer hohen Anzahl nicht zufallig sein: Dem Ausdruck amores am Schluß von 1,9, I entspricht amor; am Schluß von I, 10, I; dem verba an vorletzter Stelle in 1,9,2 entspricht verba an identischer Stelle in I, 10, 6; dem puellae am Schluß von I, 9, 3 entspricht puella am Schluß von 1,10,5. In 1,9 gehören die genannten Ausdrücke zur negativen Beschreibung ei· ner beginnenden Liebe; in I, 10 hingegen dienen sie zur positiven Beschreibung einer solchen Liebe. Entsprechungen zur Elegie I, 13 Was das Anfangsdistichon von I, 13 anbetrim, so sind die Enlsprechungen zwischen ihm und dem Anfangsdislichon von I, 7 sowie die Funktion dieser Enlspre· chungen bereils dargetan. Der erste Abschnitt von I, 13 weist außerdem nennenswerte BezOge zu dem von I, 10 auf, ganz wie der von 1,7 zu dem von 1,9. Ich gebe die einschlägigen Stel· len. I, 13,
Dum tibi deceplis augeturfama p u ~ 11 i s. certus et in nullo quaeris Dmore m 0 ra m. perditw in quadom lordis pallescere atd.r. ir.ci;Jis. et pri:"o lapsus abire gred/:. hoec non sum rumort! molo, non augure doctus: vidi ego: me quaeso teste negare poles? vidi ego te loto vinclum languescere rollo et Jka. iniectis, Gall~. d.i.u. manibw et cupe.re oplotis animam deponere /obns et quoe deinde meus ce/at. omice. pudar.
5--8:
13·8:
I, 10,
1-6:
0 iucunda quies. primo cum testis amori affuerom vestris canscius in Iacdmis! o nOClem meminisse mihi iucunda va/uptas. o quotiens vatis iJ/a vocanda meis. cum le comp/exa mOn'entem, Galle, p u e 11 a vidimus et loaiD ducere verba mo ro !
Besonders hervorzuheben sind die Entsprechungen zwischen den Versen I, 10, 5f. und I, 13, 5f. Die Fonnen von pllel/a und mora, die in den Versen I, 10, 5f. zur Beschreibung der innigen Hingabe an eine einzige puel/a benutzt werden, dienen in den Versen I, 13, 5f., an derselben Versstelle stehend, zur Bezeichnung des ra· sehen Wechsels zwischen vielen puellae. Ähnlich wie zwischen den jeweils letzten Abschnitten von 1,7 und I, 10 lassen sich bei den Elegien I, 9 und I, 13 Entsprechungen zwischen den jeweils zweiten Abschnitten feststellen.
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Das Binnengcf1echt der Elegien 6 - 14
I, 13,25-8:
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una dies omnis potuil praeeurrere amanlis: nam libi non lepidas subdidit iIla [aces. nee tibi praeterilos passa est Sll e c e der e laslus, nee sinet: addielum le !uus ardor agel.
1,9, 17-22:
necdum eliam palles, vero /lee longeris jzni: haee esl venturi prima faviUa moli. tum magis Armenias eupies ace e der e !igris et magis in/emae vincula nosse rotoe, quam pueri lotiens areum sen/ire medullis et nihil ira/ae posse negare tIlae.
Wie bei den jeweils letzten Abschnitten der Elegien I, 7 und I, 10, so verbirgt sich auch in diesem Fall hinter den formalen übereinstimmungen ein wesenllicher in· haltlicher Gegensatz. Die Verse 1,9, 17·22 beschreiben in unheilvollem Ton ein bevorstehendes Stadium der Leidenschaft des Ponticus. In den Versen I, 13,25·28 schilden Propen - zwar, wie in 1,9, unter Verwendung der Feuermetaphorik, jedoch ohne jeglichen unheilvollen Untenan - die gegenwärtige Leidenschaft des Gallus. 2. Die Elegien 8A, 88. J I und J2
Die Elegie I, 8A Die beiden Elegien I, 7 und I, 9, die dem Epiker Ponlicus gegenüber den Wert der Elegie in der Liebe bekräftigen, umrahmen die Elegien I, 8A und I, 8B, die, zu· sammengenommen, eine praktische Demonstration von Properzens Macht als Lie· besdichter darstellen 28o• Mit I, 8A bemüht sich Properz, Cynthia dazu zu bewegen, eine geplante Reise nach lIlyrien abzusagen und bei ihm in Rom zu bleiben; 1,88 handelt von dem Erfolg dieser Bemühungen. Die Elegie I, 8A beginn! mit zwei vonvurfsvollen Fragen des Properz an Cynthia: Ob sie wahnsinnig sei und seine Sorge sie nicht bewege (V. I), und ob er ihr weniger bedeute als das kalte lIlyrien (V. 2). t,8A, I J 4
Tune igitur demens, nee te mea euro moralur? an libi sum gelida viJior lJ/yria? [et libi iam tanli, quieumque es!. isle videlur. UI sine me vento quolibel ire 28J velis?) tune audire potes vesan; murmura ponl; fortis, er in dura nave ;acere potes?
So Butriea, S. 84. Butriea sicht allerdings I, 8N B als ein Gedicht in zwei Teilen an. Zu dieser Frage vgl. die Ausflihrungen zu Beginn der Untcrsuchung von I, 8B. nl Für den Versanfang vgl. Ov. ars 2, 117: " ab; ;am venienl coni, formose, capilli. Die Junktur quolibe! ire findCI sich an derselben Versstelle nur noch in Ov. trist. 3, 8. 22 und Ponl. 3. 5, 48.
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Die Elegien des ersten PropeiZbuches
IU p~dibus I~n~ris POSitllS /ulcir~ pruinlls, lu poles inso/iltrS, Cynlhill,/ure nivesm.,
(I, 8A, 3f.1 In den Versen 3f. werden weitere Fragen an die in den Versen I f. angeschlossen: "Bedeutet dir dieser (andere) schon so viel, daß du mit jedem beliebigen Wind oh~ ne mich abreisen willst?" Diese beiden Verse bringen, fonnal betrachtet, zunächst die Anapher lUne (V. I)... lUne (V. 5)... lU (V. 7)... lU (V. 8) um ihre Wirkung. Inhaltlich gesehen zerreißen sie die Einheit des Gedankens der Passage, indem sie einen Keil zwischen die zusammengehörigen Formulierungen gelida l/Iyria (V. 2) und vesani murmura ponli (V. 5) treiben, die Ausdruck einundderselben negativen Haltung gegenüber Cynthias Reiseplänen sind. Am Gedanken von V. 3 ist außerdem auszusetzen, daß durch iam suggerien wird, nicht das Entstehen einer anderen Beziehung werde grundsätzlich mißbilligt, sondern lediglich dessen Geschwindigkeit. Der Vers 4 ist gedanklich überladen, weil er zwei gleichsam konkurrierende Fonnulierungen enthält, die Ausdruck einer heftigen Entrüstung sind: zum einen venta qualibel, zum anderen sine me2 l. Auch die Sprache der Verse stimmt bedenklich: Die Aufeinanderfolge von quicumque (V. 3) und quolibet (V. 4) hat keine erkennbare Funktion. Ist quicumqlle womöglich aus V. 17 (dort quocllmque modo) entlehnt? VidelUr ist tautologisch 2S4 • Die Verse 3f. sind zur Verdeutlichung der Entrüstung, die in den Fragen des Propen in der Anfangspartie von I, 8A zum Ausdruc.k kommt, interpoliert wor· den. Sie sind assoziativ an das erste Distichon angebunden: Die Frage Off (ibi sum... vilior.. ,? in V. 2 hat den Dichter zu der Frage el tibi iam... iste videlur.. ,? in V. 3 inspiriert. Mit den Versen 3f. verschwindet der Rivale, der ohnehin nicht richtig in den Gedankengang von I, 8A eingebaut ist, ganz aus dieser Elegie. Mit der Tilgung der Verse 33·8 und 45f. in I, 8B weichen auch aus dieser Elegie die beiden Stellen, an denen der Rivale vorkommr'S.
• Propen setzt ab V. 5 in guter gedanklicher AnknOpfung an die Verse 1f. die Reihe von vorwurfsvollen Fragen an Cynthia fort. Er will wissen, ob sie die vesa"i Für die Verse I f. und $-8 haben dem Propen unverkennbar die Verse 46-49 aus Vcrgils zehnter Ekloge als Vorlage gedient: llI. procul 0 potrio (tlfi si! mihi credere lantum) I Alpinas, a! dura n"vu el rn'rara Rheni I me sin~ solo ~·ides. a, le ne fri~Qra faedant! I a, libi ne (tnUQS e/acie.s secet aspera plantas! Wie sich zeigen wird, hat auch der Bearbeiter, al· lerdings nur sehr unvollkommen, dieselbe Vorlage fUr die Verse Jf. benulZt. lIJ Dieses Detail ist besonders interessant. Die VeJSe I f. und $·8 sind, wie bereits erwlhnt. deutlich den Versen 46-49 von Vergils zehnter Ekloge nachgebildet. Auch der Bearbeiter hat sich an dieser Vorlage orientien und sine me zu Beginn von Vergil übernommen (don me sine). Allerdings gelang es ihm offenbar nicht, diesen Ausdruck in den properzischen Gedankenzusammenhang zu integrieren. lS4 PClcrsmann, S. 79. m Die Verse 3f. sind im Typologickapitet in Abschn. I. A, I. c crfaßt
In
Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
79
murmura po"t; hören (V. 5) und in einem hanen Schiff liegen könne (V. 6), ob sie
mit ihren zanen Füßen auf Rauhreif treten (V. 7) und den ungewohnten Schnee ertragen könne (V. 8). Die Fragen in den Versen I f. und 5-8 bilden eine gedankli. ehe Einheit: Vesani in V. 5 knüpft an demens in V. I an; die Ausdrücke gelida Il/yria (V. 2), vesani murmura ponli (V. 5), in dura nave (V. 6) etc. haben aBe dieselbe Funktion: Cynthia zu zeigen, wie unvernünftig ihr Vorhaben ist Im Anschluß an die Fragen in den Versen 1-8 verleiht Propen in den Versen 9-12 der Hoffnung Ausdruck, die Reise werde nicht stanfinden. Er äußen vier negative Wünsche: Der Winter möge doppelt lang sein (V. 9), und ein verzOgener Aufgang der Pleiaden den Seemann zur Untätigkeit verdammen (V. 10), damit das SchifTstau nicht vom tyrrhenischen Ufer gelöst werde (V. 11) und der Wind nicht seine Binen davontrage (V. 12). 1,8A, 9
II
16
o utinQm hibernae dupficentur tempora brumae et sil ;ners tard;s nQl'itQ VergiJiis, nec tibi Tyrrhena ~'olvaturfUllis IIarella, neve inimica meas e1evet aura preces! [atque ego non videa", talis subsidere venlos. eum tibi provectas auferet unda ratii 16• ur" me defuum vacua potiatur in ora crude/em infesta saepe vocare manulll I) sed quocumque modo de me, per;ura, mereru, sit Ga/atea Iuae non aliena viae:
(I, 8A, 13-16\'" Die Verse 13-16 sind eine Fonsetzung der Reihe von Wünschen in den Versen 9-12. Der Text dieser vier Verse ist zwar deutlich korrupt; es steht jedoch soviel fest, daß V. 13 einen weiteren Wunsch enthält, der in den folgenden Versen im Dichter die Vorstellung davon evozien, wie er nach Cynthias Abfahrt am verlassenen Ufer zurückbleibt und ihr mit geballter Faust ihre Grausamkeit vorwirft. Dieses tragikomische AbreiseszenaJio steht in einem unangenehmen Gegensatz zu dem ergreifenden Ausdruck echten Schmerzes und tiefer Enttäuschung im vorausgehenden Abschnitt der Elegie. Vorbild rur V. 14 ist Gv. am. 2, 16,28 et subventuros auferal undR deos. Die Verse I3f. enthalten noch weitere Anklllnge an die Gvidstclle, die allerdings zufällig sein können: Gv. am. 2, 16.25 hat ralibus, [Prop.], V. 14 hat ralU; Gv., V. 27 hat venlosa, [Prop.], V. 13 hat ventos. Was die Klausel unda ratis angeht. so finden sich in den Heroides drei Belege rur die ähnliche Klausel unda rales; vgl. Ov. epist. 2. 6; 5, 42 und 5,90. 211 Ich Obemehme, wie Fedeli, Livineius' Konjektur ut anstelle des überlieferten el. 1" Die Junktur in/esta manu kommt aus Ovid; vgl. am. 3, 9, 10 pectoraque jn[(SUI tundat aperta manu; fast. 6. 344 lurba. per jnfcWU effugit i//e manus; vgl. auch Ibis 244 nevit et jnf(SUI stamina puJla manu. Danach ist diese Junktur erst wieder bei Seneca belegl, allerdings an anderer Stelle im Vers. 2I'J An dieser Passage hat man schon seit I!ngerem Anstoß genommen. So vermutet Muth hinter V. 12 eine LOcke, Richmond eine LOcke von zwei Versen hinter V. 14. Die Verse 13f. sind von verschiedenen Philologen hinter V. 10, V. 16 oder V. 18 versetzt worden (vgl. Smyth, Thes. Crit. ad loe.).
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Die Elegien des ersten Properzbuehes
Die sprachlichen Anstöße in den Versen 13f. sind erheblich. Für die zweite Hälfte von V. 13 existiert bislang keine überzeugende Konjektur. Die Erweiterung des in V. 14 beginnenden Nebensatzes (und somit des Bereiches, den das Subjekt unda regiert) um ein ganzes weiteres Distichon trägt zur strukturellen Unausgewo· genheit der Passage bei. Defigere (V. 15) ist in Propen sonst nicht belegt. Eine interessante Beobachtung macht Caims290 • Er stellt fest, daß die Verse 9-16 in zwei Abschnitte zerfallen, von denen der zweite die Gedanken des ersten wiederholt: Abfahrt von Cynthias SchifT(VV. 11. 14) Aufgang der Pleiaden (Vergiliis, V. 10; sidere, V. 13) Die Winde tragen Cynthia fort (inimica aura, V. 12; talts ventos, V. 13) Propenens Schetliasmos (meas preces, V. 12; erode/em etc., V. 16) Caims fragt sich, ob die Verse 13·6 eine "variation·cwlHepetition" der Verse 9-12 seien, oder die Konsequenzen im Falle der Erfijllung der Wünsche in den Versen 9-12 schilderten; er kommt zu dem Schluß, die Verse 13-6 als eine typisch properzische Variation der Verse 9·12 anzusehen. Bei kritischer Betrachtung komme ich zu einem anderen Schluß als Cairns: Die Verse 13-6 sind - in enger Anlehnung an die echten Verse 9-12 komponiert - vom Bearbeiter hinzugefügt worden, um der Reihe von WUnschen in den Versen 9·12, die deutlich in sich geschlossen ist, einen krönenden Abschluß 291 zu geben. Bestärkt wird diese Interpolationshypothese auch angesichts des schroffen Überganges von V. 16 nach V. 17 292 : Wenn die Verse 1·12 auch von Eifersucht und Enttäuschung geprägt sind, so SChwingt doch ab V. 5 die Sorge um Cynthia mit und überwiegt schließlich alle anderen Gefiihle. Diese Sorge ist mit der verbissenen Wut, die in der Interpolation hervorbricht, und die die Hauptursache fiir den abrupten Wechsel des Tons von V. 16 nach V. 17 ist, unvereinba~) .
• Der ab V. 17 beschriebene Stimmungsumschwung des Properz steht sehr passend unmittelbar nach den negativen Wünschen in den Versen 9·12: Die Sorge um Cynthia, die bereits in den Versen 5-12 durchschien, gewinnt nunmehr die Oberhand und veranlaßt Properz dazu, ihr eine gute Reise zu wOnschen, und zwar unge· achtet dessen, was sie ihm antue (VV. 17f.). Nachdem Properz in den Versen 17f. zum Ausdruck gebracht hat, er wolle, daß Galatea Cynthias Reise nicht Obcl gesonnen sei, wünscht er ihr in den Versen 19f. eine sichere Heimkehr.
Caims (I), S. 98f. 291 Burek (5. 199) spricht von einer •.zunehmenden Erregung... die sich zu einer empönen EnllAuschung steigen... Da lAßt er (der Dichter] sich in seiner Hoffnungslosigkeit zu dem Wunsche hinreißen, daß die tobenden Stürme (tales ventos 13) sich nicht legen möchten..," Mit V. 16 habe ..die Klimax ihre höchste afTektische Steigerung erreichr·. 291 Nach Burek (5. 201) gibt sich Properz mit V. 17 "gleichsam einen Ruck" und geht "von der Zornes- und Drohhaltung der Verse 15/16 in einem scharfen Wechsel (sed 17) zu freundlichen Wanen" über. m Die Verse 13-16 sind im Typolagiekapitel in Abschn. I. A. I. d erfaßt. 290
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Das BinnengenCi:ht der Elegien 6 - 14
1,8A. 19 2\ 22
2S
8\
ur t~,/~lici pra~"~cta C~raunia r~mo, IIccipillt pillcidis Oricos a~quoribusl [nam me non ulJae poterunt corrumper~ de te quin ego, vita, tuo limin~ verba querar;] nec m~ d~flci~t flautos rogitare ci/atos .Dicit~, quo portu c/ausa pu~lIll m~a at7', et dicam ,Licet Atrllciis considat in ons, ~t licd Hyla~is, i//a futura m~a esL'
Für die Verse 21 f. findet Gold2% die passende Bezeichnung "another oblique clause". Die beiden Verse passen in der Tat nicht in den gedanklichen Zusammenhang: Die in ihnen geäußerte Beteuerun§, keine Frauen könnten ihn, den Dichter abbrin· gen, vor Cynthias Tür ZU klagen 7, bildet einen Fremdkörper zwischen den zwei inhaltlich zusammengehörigen Abschnitten W. 17-20 und VV. 23-6, in deren erstem Properz eine gute Reise und sichere Ankunft wünscht, um im zweiten, hieran anknüpfend. fortzufahren: ..Und ich werde nicht davon ablassen, mich nach dei· nem AufenthallSOrt zu erkundigen..... Dcr Beginn mit nam me non u/lae poterunt corrumpere erweckt vielmehr fälschlicherweise den Eindruck, es sei eine konkrete Zusicherung von Treue vorangegangen. Auch in sich ist das Distichon nicht zufriedenstellend. Mit non u/lae kommt ganz neu das Motiv von möglichen Rivalinnen der Cynthia ins Spiel, das allerdings unausgefllhrt bleibt. Ocr Pentameter quill ego... verba querar ist nach der Icräftigen Einleitung im Hexameter inhaltlich enttäuschend. Schließlich ist das Distichon durch den Beginn des Nebensatzes am Schluß des Hexameters (... de te / ...) strukturell unausgewogen. Daß der Bearbeiter den Kontext nicht genügend berücksichtigt hat, zeigt auch die Anrede vita in V. 22: noch in V. 17 hatte Properz Cynthia als periura adressiert. Ebenso läßt sich auch die - sprachlich flache - Fonnulierung verba quera,J91 mit dem Optimismus der vier Schlußverse nicht in Einklang bringen299 •
•
Nach den Versen 19f., in denen Properz Cynthia eine sichere Heimkehr wünscht, paßt sehr gut seine Versicherung, er werde nicht aufhören, die Seeleute nach ihrem Verbleib zu fragen (VV. 23f.). Die Anbindung der Verse 23f. an die Verse 17-20 ~ Vgl. Prop. 2, 19,9 iIIie te nu//i Dokrunl coUUlfl/lru ludi.
m Das Distichon tilgte als erster Duo Zwierlein. Gold, S. 150. m Zum Gedanken der Klage vor der TOr bemerkt Rothstcin ad loe.: ..Ein offenbar absichllich sehr weit getriebenes Bild des fortdauernden obsequium." Recht verschwommen zu dieser Stelle Petersmann, S. 82: ..In der Imagination einer vorgestellten Welt stellen auch die Verse vom Dichter, der vor dem leeren Hause der Geliebten klagt, keinen Widerspruch dar." 291 Zu verba queri merkt Burck (S. 201, Anm. 30) an: "Die überlieferte Wendung ~rba queri begegnet, so weit ich sehe, nur dann, wenn die verba durch einen Zusatz naher bestimmt sind." Burck möchte daher vera lesen. 299 Die Verse 21 f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. 2 erfaßt. 296
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
durch nec anstatt 1/on läßt sich damit erklären, daß Properz in heiden Abschninen, nämlich im ersten in Form guter Wünsche an Cynthia indirekt, im zweiten durch konkrete Versprechen direkter zum Ausdruck bringt, seine Treue gegenüber CynIhia bleibe unverändert. In den Versen 25f. schließt Properz mit einer optimistischen Äußerung die Elegie ab: Ganz gleich, wo sie sich aufhalte - Cynthia werde zukünftig die Seine sein. Diese Äußerung, ilIa/II/lIra mea est, wird sich in I, 8B bewahrheiten.
Die Elegie I, 8B Mit der Frage, ob 1, 8 als eine oder zwei Elegien, oder als eine zweigeteilte Elegie anzusehen ist, hat man sich viel beschäftigt. SUlriea, der einen Überblick über die Handschriftenlage gegeben hat, um die Frage, ob 1,8 und I, 11/12 als jeweils eine oder zwei Elegien anzusehen seien, zu beantworten, stellt bezüglich I, 8 fesl, daß die wichtigen Handschriften keine Trennung bezeugen 3OO . Seine Schlußfolgenmgen sind allerdings teilweise verschwommen: ..Propertius I, 8 is indeed a poem in two parts", heißt es anfangs bei ihm30l . Diese Aussage wird jedoch später modifiziert durch die Bemerkung, die Elegien 7 und 9 bzw. 10 und 13 seien "two additional two-part poems that again depict successive stages of a single situation,,302. Richtig ist auf jeden Fall, daß die Elegien 7-13 zwei parallele Blöcke bilden, "consisting each of fouf elements which occur in the same order, a poet soon to be (7) or currently (10) in love, entreaties to Cynlhia departing (8A) or departcd (I I), reaction to her response (8B, 12), a sequel to the first poem (9, 13y,30J Hilfreich ist auch die Temlinologie von Gold, die I, 8 als zwei Gedichte, aber als "two phases of the same dramatic scene" ansieht, und außerdem erklärt, ,,8A, like 11, iftaken by itself, could be regarded as a complete unit, but the true impact ofit is not understood until8B (or 12 in case of 11) is read.,,304 Ich schließe mich denen an, die zwischen den Elegien I, 8A und I, 8B unterscheiden. Die enge thematische und inhaltliche Zusammengehörigkeit dieser beiden Elegien steht jedoch tur mich außer Frage. Mit I, 8A bemüht sich Properz, Cynthia von ihrer geplanten Reise nach IIIyrien abzubringen. I, 8B handelt von dem Erfolg dieser Bemühungen. Gleich im ersten Vers von I, 8B gibt Properz in Fonn von mehreren triumphalen Ausrufen bekannt, daß Cynthia dableiben werde (V. 27). Im nächsten Vers liefert er die Erklärung: Sie vennochte seinen Bitten nicht standzuhalten 01. 28). Im folgenden Distichon verkündet er dann triumphierend dem cupidus /ivor, den Neidern seiner Liebesbeziehung, das Ende ihrer Schadenfreude: Cynthia habe von ihren Reiscplänen Abstand genommen (VV. 29r.). Anschließend beschreibt er Cynthias veränderte Hal-
lO)
Butrica, S. Butrica, S. Butrica, S. Butrica, S.
J04
Gold, S. 149.
JOO 301 lO2
85. 83. 88. 88.
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Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
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tung: Er bedeute ihr viel; seinetwegen sei auch Rom ihr sehr teuer, und sie sage, daß ohne ihn selbst Königreiche keine Bedeutung tur sie hätten (W. 31 f.). 1,88, 31
33 3S
38 40
UU carus ego d p~r Me carissima Rotfta dieitur, ~t sin~ M~ du/eia regna n:faL [iJ/o vel anguslo m«um requiescere I«to et quocumque modo· ma/uit esse mea, quam sibi dotalae regnum vetu?" Hippodamiae ct quas E/is opes anle pararai* equis. quamvis magna daret, quamvis maiora* daturus, non tamen iIIa moor lO lugit avaro sinus.] hane ego non lIuro, non Indis fleet~re eonchis, sed potui b/andi carminis obsequio.
11,88,33-381 311 Nach der knappen Beschreibung von Cynthias Treue in den Versen 31f. hat der Dichter die Gelegenheit zu einer Erweiterung gesehen und darum in den Versen 33-36 eine ausfUhrliche Schilderung von Cynthias Treue angefligt: Sie wolle lieber mit ihm in seinem engen Bett liegen und quocumqlle modo die Seine sein, als das alte Königreich der Hippodamia und den Wohlstand zu besitzen, den die Pferdegegend Elis angehäuft habe. Die folgenden Verse 37f. mUssen wohl auf den Rivalen gehen: "Obwohl er große Geschenke gab und im Begriff war, größere zu geben, hat sie mich dennoch nicht aus Habgier verlassen:' Bereits die Struktur dieser Passage ist verdächtig. Die Beschreibung von Cynthias Treue in den Versen 31 f. wirkt in sich geschlossen: Es werden drei Angaben von zunehmendem Umfang gemacht, die jeweils zum Ausdruck bringen, worin Cynthias Treue sichtbar wird. Die zweite dieser Angaben reicht bis in den Pentameter hinein, während die dritte den Rest des Pentameters fliUt. Diese wirkungsvoll in sich geschlossene Struktur wird durch die Hinzufilgung einer weiteren, diesmal ~ Verse umfassenden Angabe ähnlichen Inhaltes aufgebrochen. V. 33 weist Ähnlichkeiten zu 2, 1,45 auf: nos contra lIneuslo versamus proelio w:Jil; die Junktur ongUSIUS leclUS ist sonst nicht mehr belegt Die Versklauscl requiescere lecto ist aus Tib. I, 1,43 genommen; dieser Vers ist auch dem Gedanken nach ähnlich: parva seges salis est; sotis est, "guineen w:Jil, lO6 Vorlage ist I, 8A, 17 sed guocumguc modo dc me, periura, mcrcris. 307 Die Junktur regnum \!fUUS ist offenbar aus Hor. carm. I, 15,8 geholt Sie ist sonst nicht belegt. )QI Synkopierte Formen des Indikativ Plusquamperfekt Aktiv von parare finden sich sonst erst ab Silius; sie stehen dort StelS am Versschluß. )09 Die Junktur quamvis maiora stammt aus Ov. trist. 2, 183, wo sie an der selben Versstelle stchL Sie ist sonst nicht belegt )10 Der Anfang von V. 38 ist an den von I, 16,31 angelehnt non Iqmcn jU" sUQSpoterit compescen ocellos. Einen weiteren Beleg fUr einen ähnlichen VeßlUlfang gibt es sonst nicht 3Il Nach Jacoby sind die Verse 39-44 später vom Dichter hinzugefilgt worden. Jacoby hat somit erkannt, daß sowohl der gedankliche Übergang von V. 38 zu v. 39, als auch der von V. 44 zu V. 45 problematisch ist (die Verse 45f. sind bei mir ebenfalls getilgt). Die Tilgung der Verse 33-38 erfolgt nach einem Hinweis Q. Zwicrleins.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
Aber auch inhaltlich gesehen bereiten die Verse 33-36 Schwierigkeiten. Nach den voraufgehenden drei knappen, aber gleichwohl inhaltsschweren Aussagen in den Versen 3lf. folgt ein Distichon, das zwar anfangs eine Steigerung zu sein ver· spricht (vgl. ve/ in V. 33), jedoch in einer Platitüde (vgl. quocumque modo in V. 34) mOndeI. Ebenso flach sind auch die Verse 35f., in denen von Reichtümern die Rede ist, denen Cynlhia. so heißt es, gleichwohl die Beziehung zu Propen vor· ziehe. In diesem Distichon fUhrt der Dichter offenbar die prägnante Fonnulierung du/cia regna negat aus V. 32 aus (vgl. regnum in V. 35). Die Verse 37f. erwecken den Anschein eines Höhepunktes (vgl. das zweimalige quamvis). genügen indes diesem Anspruch inhaltlich gesehen nicht. Die Steigerung wirkt darum künstlich. Die Verse 37f. nehmen außerdem auf oberflächliche Weise den Gedanken der Verse 39f. vorweg, jedoch so, daß diese beiden Distichen gedanklich gleichwohl aufeinanderprallen: quamvis magna daret, quamvis maiora datums (V. 37) ... hanc ego 11011 allro... flectere... potui... (VV. 39f.). Schließlich iSI in den Versen 37f. auch die Anspielung auf den Rjvalen angesichts der Tatsache, daß er vorher in der Elegie noch nicht erwähnt wurde, viel zu schwach. Der gedankliche Übergang zu den Versen 39f. ist auch in einer anderen als der eben genannten Hinsicht problematisch: Der Abschnitt ab V. 30 handelt von einem Sinneswandel Cynthias; das Signalwort in V. 30 ist destitit. In den Versen 31 f. be· schreibt Properz Cynthias gewandelte Haltung ihm gegenüber im Detail; in den Versen 39f. erklän er, wie er diesen Wandel herbeigefUhrt hat (hier ist das Signal· wonflectere in V. 39). Durch die weitläufigen Ausflihrungen in den Versen 33-38 gerät der Aspekt des Sinneswandels aus dem Bllck, so daßjlectere in V. 39 einer vernünftigen Anbindung an das Vorhergehende entbehrt)]2.
• Die Verse 39f. folgen sehr gut direkt auf die prägnante Beschreibung von Cynthias Treue in den Versen 31 f. In ihnen berichtet Properz, daß er seine Geliebte nicht durch Reichtümer, sondern durch sein blandfllll carmen habe umstimmen können. Aus dieser Feststellung folgen er in den Versen 41 f., daß die Musen und Apoll Liebenden zur Seite stünden. Die Elegie endet mit einem triumphierenden Ausruf: "Nun kann ich mit meinem Fuß die Sterne oben betreten: Mag Tag oder Nacht kommen - sie ist die Meine!" (VV. 43f.) Die letzten beiden Pentameter der Elegie I, 8B enden wie die der Elegie I, 8A auf mea est, was im Einklang mit der engen Zusammengehörigkeit der bei· den Elegien steht. 1,8B, 41
45
sunt igitur Musae, neque amanti tardus Apollo, quis ego fretus amo: Cynthia rara mea est! nunc mihi summa licet contingere sidera plantis: sive dies seu nox venerit, iIIa mea est! (nec mih; rivalis certos subducet amares: iSla meam nOT;t gloria caniliem.]
lU Die Verse 33·38 sind im Typologiekapilel in Abschn. I. A. I. b erfaßt.
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
85
(1, 88,4Sr.I JIJ
Die Verse 45f. dienen zur Fortsetzung der triumphalen Aussage über das eigene LiebesglOck in den Versen 43f. Auch der Rivale. so bekundet der Dichter. werde ihm seine sichere Liebe bis ins Alter nicht entreißen. In Wirklichkeit aber fällt dieses Distichon gegenüber dem triumphierenden Ton des voraufgehenden deutlich ab.
Der Rivale wird. wie in den unechten Distichen I, 8A. 3f. und 1. 8B. 37f.. so auch hier sehr unvermittelt eingeftlhrt. Sodann besteht zwischen V. 44 und den Versen 45f. eine gedankliche Unebenheit: Die schillernde Formulierung sive dies seu nox veneril, iIIa mea esl in V. 44 steht ganz im Einklang mit dem, was Properz sonst an Prognosen über seine Liebesbeziehung macht: Er legt sich nicht fest. Die zuversichtliche Hoffnung auf ein Andauern der Liebe. die in eerlOS amores (V. 45) und eanitiem (V. 46) zum Ausdruck kommt. ist hiermit unvereinbar. Was die Sprache der Verse betriffi, so ist die Inversion ista meam flor'" gloria eanitiem flIr mea eanilies gloriam islam floril ungewöhnlich. Für amores im Sinne von homo amolUS oder mulier amala nennt Fedeli neben einer Plautus· und einer Cicerostclle als Belege aus Properz die beiden unechten Stellen I, 20, 51 und 2.34,71 31 ••
Die Elegie I, II Die Elegie I, 11 beginnt mit der Frage an Cynthia, ob sie, während sie mitten in Baiae weile. immer noch an ihn denke und ihn liebe (VV. 5f.). 1.11.
I 3 4
Ecquid l~ m~diis eessa"t~m. Cy"thia. Bais, qua illut Huculeis s~mita litoribus, JlS {Cl modo Thesproti mirantem subdila regno proxima Misenis aequora nobilibus, ) nostri eura subit m~mous al duure "oet~s' ecquis in utremo rf!$tat amore loeus!
Auf die Verse 1f.. die Cynthias Aufenthaltsort durch die Angaben mediis Baiis und qua iaeel Hereuleis sem;ta litoribus näher bestimmen, folgt ein Distichon. das ge· m Fischer und Heydenreieh versetzen die Verse 45f. hinter V. 36. Daß der gedankJiche Übergang nach V. 45 problematisch ist, hat neben ihnen auch Jacoby gesehen, der die Verse 39-44 für einen splteren Zusatz des Propen hilI. m Heimreich hai die Verse 2. 34, 61·80 getilgt. Die Verse 45f. sind im Typologiekapitel in Absc.hn. I. A. I. a «faßt. m Die Klausel subdita regno findet sich nur noch in (Tib.) 3, 7. 67 vidit ut inferno Plutonu SMhdit4 rtZno. mEin fr11hert:r Versuch. die Schwierigkeiten zu Beginn von I, I1 in den GrifTzu bekommen, ist Barben Vertauschung der Verse 2 und 4. Barbet hat somit erkannt, daß V. 5 besser auf V. 2 alsaufV. 4 folgt.
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Die Elegien des erslcn Propcrzbuches
meinhin als schwierig anerkannt wird. Ich gebe einen kurzen Abriß verschiedener Stellungnahmen. Nach Petersmann ist keine "letzte Klarheit der Textaussage möglich,,311. Saylor macht auf einige gravierende Probleme aufmerksam: "The initial ecqllid must await line 5 to make its construction e1ear. .. The exact relationship between Thesproti... regno and proxima Misellis aequora is much debated. Misenis itself is a rare plural for singular found ooly here according to Butler and Barber.',)l8 Es sind weitere Schwierigkeiten zu nennen: Wie Fedeli zu Recht anmerkt, ist in V. I mediis "exaggerandi causa" zu Bais hinzugefugt. Neben mediis bringt auch eessamem deutlich zum Ausdruck, daß Properz Cynthias Aufenthalt in Baiae mißbilligt. In den Versen 3f. hingegen fehlt von einer derartigen Mißbilligung jede Spur. Sandbach bezieht modo auf subdita und übersetzt: "Marvelling that the waters, wh ich were but recently belaw Thesprotus' kingdom, are now e10se to Miseni.")l!il Gegen diese Interpretation ist mehreres einzuwenden: Zum einen vermißt man ein nune in V. 4; zum anderen ist der Gedanke einer "Bewegung des Wassers in Richtung Misenum" absurd J2 o. Modo im ersten Versfuß des Hexameters ist bei Properz stets mit dem nächstfolgenden Hauptverb zu verbinden. Dem entspricht hier m;ranlem. Bei einer Verbindung modo... m;rantem ist jedoch in den Versen If. in Gedanken ein weiteres ",odo zu supplierenJ2l . Daß in Gedanken ein modo zu ergänzen ist, wäre indes nicht nur an sich schon ungewöhnlich 322 ; eine solche Ergänzung ergäbe auch einen höchst merkwürdigen Gedankengang: "Einmal hältst du dich in Baiae auf~ das andere Mal wunderst du dich, daß das Wasser, welches sich unter Thesprotus' Herr· schaft befindet, nahe dem berühmten Misenum ist." Die Deutung der Verse, die Khan anbietet, wirkt gesucht: "He (Propertius) sup· poses, more as an effort to reassure Cynthia of his faith in her than because he actually believed that this was the case, that she is spending her time admiring the sights which were ofmythical and natural interest."m Auch die Umständlichkeit von Stahls Erklärung ist ein Indiz fLir die Schwierigkeit der Verse 3f. Stahl faßt das Distichon als assoziative Digression auf und bemerkt zu ",'-mnle",: "Tbc poet here thinks of some special, absarbing view, one which might make her forget that he is waiting in Rome ... the view one has when standing on the top of, or has when e1imbing ooly some way up to, the mountain of Cape Misenum, south of Baiae, looking north towards Baiae and Puteoli; the ,sea Pelcrsmann, S. 117. III Saylor, S. 128f. l19 F. H. Sandbach, eR 52,1938, S. 212. m Vgl. Saylor, S. 129: .,Proxima without any further explanation has the effect of bringing logether Lake Avemus and the waters or Miseni, a geographicat connection judged unten· able..... 111 Vgl. hierzu Saylor, S. 129: ..Shacklcton Bailcy judges coordination of cessal1fem and miranlem by el mOOo alone unusuaJ... ef modo (3) requires a second mOOo..... m Die andere Stelle in Properz, an der das erste modo fehil, 3, 14, 15, ist keine brauchbare Parallele: Die Verse 3, 14, l5f. sind mit großer Wahrscheinlichkeit zumindcSI deplazicrt. m Khan, S. 253. }17
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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(aequora) next to Misen;' is ,subjected to' ... the realm ofThesprotus, or appears to ,Ue at the foot or the volcanic landscape behind and above it." Properzens "imagi. nation is carried away by the many distractions which Saiae itself and its surround· ings offer· and by the unacknowledged, unadmitted fear that not these distractions, but another man is the reason why she does not come back: geography disguises emotion."m Daß Properz eine solche Digression an dieser Stelle haben wollte, läßt sich schwer vorstellen. Denn es wirkt unpassend, in einem derart emphatischen Kontext, in dem der Verdacht geäußert wird, daß Cynthia einen anderen Liebhaber hat, darüber nachzusinnen, ob sie sich wohl durch die Sehenswürdigkeiten in Saiae ablenken lasse, und dann diese Sehenswürdigkeiten sogar noch so minutiös zu be· schreiben. Stahls Interpretation erscheint immerhin plausibler als die von Saylor, der sich Camps Deutung: " ... and beholding with wonder how the sea ncar famed Miseni has lately been brought under Thesprotus' sway"m anschließt, indem er begründet: "This interpretation... takes the passage to refer to Agrippa's construction of the Portus lulius in 37 B.C. which connected the Lucrine Lake with the sea on the one hand and Lake Avemus (sc. rhesprotL regllo) on the other.,,326 Die Verse 3f. sind in enger Anlehnung an die Verse I f. komponiert 327 . Sie sind mit der Absicht interpoliert worden, das Bild der in Baiae weilenden Cynthia aus· zuschmücken. Der erste Abschnill der Elegie ist besonders eindringlich; sowohl mediis und cessanrem, als auch die Aufnahme von ecquid aus V. I durch ecquis in V. 6 bringen Vorwurf zum Ausdruck. Gerade die Folge von hämmernden Fragen büßt durch die Länge des ersten Satzes allerdings viel von ihrer Wirksamkeit ein. Der Anfang der Elegie ist viel eindringlicher, wenn ecqu;d in V. I von seiner Fortsetzung nostri cura subit nicht durch vier, sondern lediglich durch zwei Verse ge· trennt ist J28 .
• An die beiden Fragen, ob Cynthia immer noch an ihn denke und ihn liebe (VV. Sf.), schließt Properz in den Versen 7f. die Frage an: "Oder hat dich irgendein Nebenbuhler mit erheuchelter Leidenschaft aus meinen Liedern weggenom· men?" Hiennit endet die erste Passage der Elegie. Ihr Umfang entspricht dem der ersten Passage von I, 8A, die ebenfalls aus Fragen besteht, wie überhaupt beide Elegien "gleiche formale und inhaltliche Gliederung" aufweisen, zumindest in ihrem ersten Abschnitt: Die Verse bis V. 8 handeln von der "zukünftigen bzw. ge· genwärtigen Umwelt Cynthias" und von Properzens "erster Reaktion auf die bevorstehende bzw. bereits vollzogene Abreise der Geliebten,.J29. Stahl, S. 7. m Camps ad loc. J26 Saylor, S. 130. m Saylor, S. 129: "In land 3 the two words cessanlem ... miramem are positioncd in the cenler of their verses whilc 2 and 4 are intricately arranged to center semita and aequora within their qualifying phrases. The qualifying phrascs Herculeis ... litoribus and Misenis... nobilibus are reversed in respect to nouns and thcir adjectives." m Die Verse 3f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. 3 erfaßt. )29 Beide Male Burck, S. 195. )24
Die Elegien des ersten Propcrzbuches
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Ab V. 9 äußert Properz in den heiden Ele~ien I, SA und 1, 11 einen mit 0 urinom bzw. Qrque ulinam beginnenden Wunsch 3D, Der Wunsch in I, 11 ist als Alternative fomlUliert: Lieber (mage, V. 9) möge ein kleines Boot Cynthia auf dem Lukrinischen See aufhalten (VV. 9f.), als daß (quam, V. 13) sie bequem am verschwiegenen Strand liege und dem schmeichlerischen Gesäusel eines anderen zuhöre (VV. 13f.). Sehr wirkungsvoll sind die Ausdrücke moretur gegen Ende von V. 10 und vacet gleich darauf zu Anfang von V. 13 einander gegenübergestellt: 1,11, 9 11 12
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Qtque ulinGm mage te, reMis conjiSQ m;nutis, pa",u/il Lucrina cumba morelur aqua, [aUf/eneal clousam renu; Teuthranlis in ""dom alternaefacilis cedere Iympha manum.1 quam ~'acet alterius Mandos audire susurros molJiter in tacito litore e0'"/i0sitam! [ut solet amota labi ewtode puelfa) . perfida communis nec meminisse deosm:]
1I,I\,l\f.) In den Versen II f. wird an den in den Versen 9f. geäußerten Wunsch ein weiterer angeschlossen: Cynthia möge durch Schwimmen von dem Rivalen femgehalten werden. Dieser Wunsch wirkt nach dem vorausgehenden recht kunstlos: Der Kahn in den Versen 9f. ist gleichsam das Gefängnis, in dem Cynthia auf dem Wasser von den Schmeicheleien des Rivalen femgehalten wird; das Schwimmen ist nur eine blasse Kopie dieses so bedeutungsvollen Bildes. Fonnulierungen wie remis minutis (V. 9) und parvula cumba (V. 10) sind von Properz mit Bedacht gewählt; die Verse llf. lassen eine derartige DurchfomlUng und Zielgerichtetheit vennissen, wie übrigens oft Eindichtungen. Sie enthalten standessen belanglose Aspekte, die der Tendenz der Passage sogar eher zuwiderlaufen (vgl./ymphafacilis cedere in V. 12); bezüglich der Fonnulierung lenuL i" unda... Jacilis... lympha stellt Baehrens die Frage; "quid hoc novi est, per deos tc
In I, 8A handelt es sich, gcnauer gesagt, um eine Reihe von Wünschen, die mit 0 utinan! beginnt. BI Die Junktur tenui unda hat ihren Ursprung offenbar in Gv. met. 3, 161 fors sot/al a dextra, fenU; perfucidus unda. Sie findet sich sonst nur noch in [Gv.] hai. [9 sepia tardafugae, fenU; CUn! forte sub 1UlJiil, lJ2 Vorbild rur die Verse Ilf. ist zweifellos Prop. 1,9, 23f. nllllus Amor cliiqllam facilis ita proebuit alas, / ut non alterna presserit ilfe mllnu. Auffallend ähnlich ist außerdem [Tib.] 3, 5, 29f. ... lymphae / el faeilis lento pellitur unda manu. Eine ähnliche Verbindung wie allernae monu kommt an derselben Versstelle nur noch in Prop. 4, 7, 18 vor: altana veniens in IUO colfo manu. m Die Klausel custode puefla ist aus Gv. am. 3, 4, I geholt Dure vir, imposiro (enerae aa: tode pud/llc. ))4 Die Klausel memit/isse deos hat Parallelen in Gv. fast. 4, 122 (dort: meminisse deos) sowie in Gv. episL 20, 14 und 21,226 (dort: meminisse deam). Der vierte und letzte Beleg rur die Klausel, cala!. 9, 50, weist eine auffällige Ähnlichkeit zum Propenvers auf: communem belli non mem;n;ss( deum. 310
Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
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oro, in unda Iympha te teneat?"m Tenui in unda und /acilis Iympha sagen, so Rothstein, wesentlich dasselbe aus. Saylor spricht von einer "conspicuous duplication"JJ6. Bezeichnend ist Shackleton Baileys Bemerkung: Solche Redundanzen ,.abound in later verse... Nothing more need be seen in such pleonasms than verbal indiscipline; hence their rarity in Augustan writing, Propertius excepted.',m Auch bezüglich der Sprache sind einige Besonderheiten zu verzeichnen: Die Dativform manu ist laut Fedeli an dieser Stelle erstmalig belegt. Die Konstruktion von/acilis in der Bedeutung aplus, idoneus mit dem Inf. Akt. ist erst seit Properz belegen. Die Ortsangabe Teulhrantis (V. 11) ist unerkUl.rlich 3J9 . Saylor hält sie tUr einen ,~rt of an etTort to be obscure, overly-researched, as with Thesproti regno eaTiief' . In der Tat scheinen die heiden obskuren Ortsangaben miteinander in Verbindung zu stehen. So meint Saylor: "Syrnmetry seems to want a second body ofwater 1ike the Lucrine."J41 Während Khan der Ansicht ist, daß "the contrast of ideas in vv. 12 and 13 is in fact enhanccd by the succession of simi1ar sounds in alternae in v. 12 and alterius in v. 13,,342, und Saylor glaubt, daß "the landscapes and the elaborate, contorted languagc cooperate to display thc spiritual menace to Propcrtius's love as weil as thc anxicty and distraction he feels,,34J, sehe ich diese Phänomene als Merkmale einer Interpolation an, die mit dem Ziel eingearbeitet wurde, den Wunsch des Propen, Cynthia vor einem möglichen Nebenbuhler in Sicherheit zu wissen, auszuweiten und so zu intensivieren l44 • 11,l1,ISqJ45 Auf die in den Versen 13f. geAußerte Vorstellung, Cynthia könne, bequem am verschwiegenen Strand liegend, den Schmeicheleien eines anderen lauschen, folgt eine mit ut soleI eingeleitete, assoziativ angebundene Allgemeinaussage: ..... wie ja ein Mädchen, wenn die Wächterin fern ist, zu fallen und sich in ihrer Untreue nicht mehr an die gemeinsamen Götter zu erinnern pnegt." Diese Allgemeinaussage wirkt nach den Versen 13f. deplaziert. Dort ist Propen noch ganz damit beschäftigt, sich in sorgenvollen Gedanken auszumalen, was geschieht, während Cynthia in Baiae ist. Die Verse 15f. hingegen sind frei von solchen Emotionen. Dieses moralisierende Distichon wirkt wie ein ~ Kommentar und nicht wie die Äu-
m Dieses Zitat entstammt den Prolegomena von Baehrens' Properzausgabe von 1880, S. XXII. ]16 Saylor, S. 133. m Shackieion Bailey, S. 34. ])1 Fedeli ad loe. ]]9 Saylor, S. 131. M» Saylor, S. 133. ].61 Saylor, S. 131. ].61 Khan, S. 25S. ].6] Saylor, S. 130. l4' Die Verse 11 f. sind im Typologiekapilel in Abschn. I. A. I. d erfaßt ].6) Auch Housman hat die Verse ISf. nicht an der überlieferten Stelle belassen wollen. Er versetzt sie darum hinter V. 8.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
ßerung eines leidenschaftlich eife~üchtigen Dichters und steht somit in einem unangenehmen Gegensatz zur Eindringlichkeit der umliegenden Verse. Auch die gedankliche Anbindung der Verse 17f. an die Verse 15f. ist problematisch. Die Aussage der Verse 15f. ist zu verallgemeinernd pessimistisch, als daß gleich im Anschluß an sie Properz seine zuvor geäußerten Befürchtungen relativieren könnte, wie er dies in den Ve~en 17f. tut. Housman versetzt die Verse 15f. hinter V. 8. Gegen diese Umstellung spricht zum einen, daß die Verse 1-8 in sich geschlossen sind und daß eine Fortsetzung des ohnehin langen ersten Satzes sowie insbesondere auch der Wechsel von den aufgeregten Fragen an Cynthia zu der allgemeinen Aussage ut solet... abwegig erscheint. Zum anderen ergäbe sich ein uneinheitlicher Gedankengang: an te... sustuht (\IV. 7f.) ... ut solet... puella (\I. 15) ... atque utinam... le... moretur (\I. 9)346.
• Durch die Tilgung der Verse 3f., 11 f. und 15f. erhält der erste Abschnitt in I, 1 I dieselbe Länge von 10 Versen wie der in I, 8A. Zwischen diesen heiden Abschnitten bestehen, wie an anderer Stelle ausgeführt werden wird, zahlreiche wörtliche Entsprechungen. An der Grenze zwischen den Fragen und WUnschen nach den jeweils ersten sechs Versen tnm man auf die wohl markanteste Übereinstimmung zwischen den heiden Abschnittcn: Die namentliche Anrede von Cynthia steht im letzten Vers der Reihe von Fragen (I, 8A, 8 und I, 11,8); der nächste Vers beginnt mit 0 IIt;nam bzw. atqlle lltinam. Nachdem Properz den Wunsch geäußert hat, Cynthia möchte liebcr in einem kleinen Kahn auf dem Luknnischen See aufgehalten werden (VV. 9f.), anstatt, bequem am verschwiegenen Strand liegend, den Schmeicheleien eines anderen zu lauschen (VV. 13f.), fährt er im nlichsten Distichon, den Versen 17f., mit einer entschuldigenden Erklärung seiner Besorgnis fort: Nicht daß er kein Vertrauen in sie habe; aber in Baiae müsse man jede Art von Versuchung befUrchten347 • 1,11,
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non qu;a Jn.rsp«la non a m;hi cognila!ama, s~d quod in hac omnis pan~ tim~tur amor. Iignosces igitur, si quitf41 fibi triste libell,:J.t9 ottulerinf nostri: cu/po fimoris erir!>O.] ah miM non maior cara~ custodia mafris aut sine le vitae cura sil ulla meaeHl !
l46 Die Verse 15f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 3 erraßt. ~1 Ich schließe mich mil Fedeli Williams inlerpretation von V. 18 an. Vgl. G. Williams, JRS 97, 1957, 243: ..Every kind of love·alTair is rcared, i.e. when a girl is in Baiae, one's imagination conjures up every possible amofOUs lemptation 10 which she may be exposed." ~. Der Versanfang stamml aus Carull. 68, 31: ;gDosrn ie;I"' s;, f/llae mihi luctus ademi'. )t9 Die Klausel triste libeJli iSI aus Ov. trist. 5, I, 47 geholt: inferea nostri quid agant. nisi trine. lib(W? FOr ein llhnliches Wortmaterial vgl. auch (Prop.J 1,9, 13 i quaeso et tristes utos compone libd/os. J!>O Vorbild rar den Propcrzvcrs ist wahrscheinlich Ov. ars 2, 572 plena verecundi cu/Pa pudom (NIl. Einen ähnlichen Versschluß hat nur noch Ov. Ponl. I, 1,64 poena potest demi, cHipa perennis uU.. Vgi. außerdem die Ähnlichkeit von Ov. episl. I, 16 mit V. 20: AmiJochus nostri cousa amocjs URt.
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1I,II,19f.) In den Versen 19f. äußert der Dichter Cynthia gegenüber, sie werde es ihm nacbsehen, wenn seine Bücber ihr irgend Trauer beschert hätten: Schuld daran sei seine Furcht. Diese Verse sind nichts als eine Wiederholung des Gedankens der Verse 17f. Der Teil von ignosces igilur bis nostri dient zur Verdeutlichung des bereits in V. 17 subtil mitschwingenden Aspekts der Entschuldigung, während die Begründung cu/pa timoris erit in V. 20 nahezu exakt der in V. 18, quod... timetur, entspricht. Für diesen Zusatz gilt dasselbe wie rur den in den Versen) 5f. Er ist, gemessen an der Leidenschaftlichkeit der umliegenden Verse, unpassend nüchtern und in der Ausdrucksweise geradezu sachlich distanziert (vg!. die Fonnulierungen ignosces igitur, quid... triste, culpa timoris er;t). Vor allem der gedankliche Übergang zu den leidenschafilichen Versen 21 f. stellt darum nicht zufrieden m ,
• Als Begründung der in V. 18 zugegebenen Furcht gibt Properz ab V. 21 passend eine Beteuerung seiner Liebe zu Cynthia, indem er ausruft, weder möge seine Sorge um seine Mutter größer sein (als die um Cynthia, so ist zu ergänzen), noch möge es ohne die Geliebte irgendetwas in seinem Leben geben, das ihm wichtig wäre (VV. 21 f.). Im Anschluß an diese Beteuerung versichert Propen, Cynthia allein sei rur ihn Zuhause, Eltern und jede Zeit der Freude (VV. 23f.) Ob er traurig oder fröhlich zu den Freunden kommen werde - stets werde er Cynthia als Grund seiner Gemütsverfassun, angeben (W. 25f.). Der letzte Abschnitt von ), 11 läuft also, wie der von I, 8A 51, auf eine Huldigung Cynthias und ein Treuegelöbnis des Propen hinaus1S
tu modo quam primum corruptas desere Saias: multis ista dabunt lilorll discidium,
m In diesem Distichon habe ich den Text und die Interpunktion von Goold übernommen. Ah
ist Konjektur von Lachmann. i l l Die Verse 19f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 3 erfaßt. 1s) Gemeint sind jeweils die Verse IUf. l)ot Burck, S. 20 I. m Petersmann, S. 115. Saylor stellt fest, daß auch in V. 14, also am Schluß des ersten Abschnittes von 1, 11, litore steht. Er vennutet, daß diese Reminiszenz gewollt ist (S. 131).
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Die Elegien des ersten Properzbuches
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[Jitora qua?"fueranr costir j"imica3n puelliJ: Q pereant Ba;ae, crimen A.mo~. aquatf".'l
(1,1I,29f·l'"
In den Versen I, 11, 29f. ist an die subtile Andeutung in V. 28, multis ista dabunt Iitora discidium. ein moralisierender Kommentar angebunden, der in einen emphatischen Ausruf mündet: Diese litora seien anständigen Mädchen feind gewesen; es mögen (darum) die Wasser von Baiae zugrunde gehen! Khan merkt zum Schluß der Elegie I, 11 an, er sei inkonsistent mit Properzens "declaration of confidence in Cynthias fidelity'<J6I. Dies rur die Verse 29f. zweifellos zu: Der gesamte Wandel der Haltung des Propen, der ab V. 17 beschrieben iSr'2, wird in diesen Versen durch den giftigen Ton zunichte gemacht, ohne daß erkennbar wäre, welchen sinnvollen dichterischen Zweck dieser plOtzli· che Wechsel im Ton erfllllen solhe. In den Versen 29f. bestehen auch sprachliche Mängel. Die Epanalepse von liLO· ra über die Distichongrenze hinweg ist höchst ungewöhnlich und läßt die Verse 29f. als ungeschickt angebundenen achtrag wirken l6l . Das Plusquamperfektjiter. an! paßt nicht. Angebracht wäre eine Perfektfonn, die aber metrisch an dieser Stelle im Vers nicht stehen kann. Baiae wird laut Fedeli, der auf Thes. n 1684,31 verweist, nur an dieser Stelle adjektivisch gebrauehr"'.
tnm
Die Elegie I, 12 Die Elegie I, 12 ist in folgendem Kontext zu sehen: In I, 8A bemüht sich Properz, Cynthia von einer Reise nach JIIyrien abzubringen; in 1, 8B berichtet er von dem Erfolg seiner Bemühungen. In I, I I billet er Cynthia, die sich in Baiae aufhält, zurückzukehren. Diesmal allerdings sind seine Binen, wie man aus I, 12 erfährt, "' Vgl. Dime 48f. ... litora I)'mphis /Urorq. Quae... m Vorbild ist offenbar Hor. carm. I, 12, 59f. tu parum cDstis inimica mittes / fulmina lucis. ua Die Junktur crimen amaris findet sich noch an zwei weiteren Stellen, und zwar jeweils an derselben Position im Vers: in Ov. trist. 2,498 qui semper vetit; ceimro amocis habent und in Prop. 2, 30, 24. LelZtere Stelle weist noch eine weitere Entsprechung zu den Versen 29f. auf; vgl. Prop. 2, 30, 23f.: ... amiea? / hoc si crimen erir, Wmfn amodr erit. m Die Priorität liegt eindeutig bei der Junktur Baiarum aquar in 3, 18. 2:fumida Baiarum stagna repenris aquat. :160 Ich danke O. Zwierlein tur den Hinweis auf diese Interpolation. l'l Khan, S. 256. l6J Hierzu austuhrlicher Stahl, S. 9: ,,After his uncontrolled imagination has Icd him as far away from Cynthia as possible, he now realizes the irresponsibility of his suspicions and sets out to move in the opposit~ direction... Once expressed. his suspicions may have giv~n Cynthia the impression that his love has coolcd offto some degree. To counter such an untrue impression ... he now feels urged to reassure her of thc high rank she possesses in his feelings." )6J Die einzige weitere Belegstelle eine solche Epanalepse im Corpus des Propen, I, 15, 19f., ist ebenfalls unecht. )6ol Die Verse 29(. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. 3 erfaßI.
rur
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vergeblich. Die Elegien I, 8B und I, 12 handeln also von der Wirkung, die Properz mit der in der jeweils vorausgehenden Elegie an Cynthia gerichteten Bitte erzielt hat. Die Elegie I, 8B und der Abschnitt I, 12, 1-14 haben dieselbe Länge von 12 Versen)6~, eine ähnliche Struktur und weisen zahlreiche inhaltliche und sogar wörtliche Entsprechungen auf. In den ersten drei Distichen beider Elegien erfolgt eine Lagebeschreibung, durch die der Bezug zu den jeweils vorausgehenden Elegien I, 8A bzw. I, 11 hergestellt wird: In I, 12, 1-6 wendet sich Properz gegen den Vorwurf, Cynthia366 sei die Ursache seiner desidia, indem er entgegnet, sie sei weit von ihm entfernt und er genieße ihre Liebe nicht mehr. Diese sechs Verse sind, wie Stahl bemerkt hat, kunstvoll in chiastischer Form komponiert: ..Lines 3-6 are a perfect match for Iines 1/2... The poet explicitly answers both the charge and the premise on which it is based... The geographical quod-c1ause (2), being logically prior, is answered first, by the mock-geographical argument (3/ 4). The false ry;ngere} reproach of desidia (I), logically a consequent, is dealt with later (S/6}."36 Es folgt in beiden Elegien ein Abschnitt mit einem Umfang von ebenfalls drei Distichen. in diesem Abschnitt gehen jeweils zunächst vier Verse (in I, RB im Anschluß an den unechten Zusatz in den Versen 33-8) auf den Zeitraum vor der zuvor beschriebenen Lage ein: In I, 88 berichtet Properz, daß er seine Geliebte nicht durch Reichtümer, sondern durch sein blandum carme" habe umstimmen können, und folgert, daß die Musen und Apoll Liebenden zur Seite stünden (VV. 39-42). In J, 12, 7ff. berichtet Properz von dem Verlauf seiner Beziehung: "Einst (olim, V. 7) war ich willkommen. Niemals wurde es jemandem zuteil, mit ähnlicher Treue zu lieben (VV. 7f.). Wir waren ein Gegenstand des Neides. Hat mich ein Gott zu Fall gebracht, oder ein Zauberkraut (VV. 9f.)?" Im Schlußdistichon von 1,88 (VV. 43f.) zieht Properz triumphierend das Fazit aus dem Vorhergehenden. Auch in I, 12, 13f. zieht er ein Fazit, das allerdings weniger positiv ausfallt als das in 1,88. Ich gebe den Text der Verse I, 8B, 43f. und 1,12,7-14: 1,8B, 43
twlJJ: mihi summa licet contingere sidera plantis: sive dies seu llJM venerit, iIIa mea est!
1,12,
olim gralus eram: non iIIo lempore cuiquam contigit ut simili posset amare fide. invidiaefuimus: num me deus obruit? an quae Jecla Prometheis dividil herba jugis? [non sum ego quifueramW,; mutat via tonga puellas. quantus in exiguo tempore fugit amor.']
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I1 12
365 Die Verse I, 8B, 33-38 und 45f. sowie I, 12, 11 f. halte ich fUr unecht. 366 Ich lese in V. 2 mit den deteriores 'Cynthia', um einen sinnvollen Bezugspunkt fUr iIIa in v. 3 zu schaffen, halte aber den Schluß von V. 2 damit nicht filr hinreichend geklllrt. Kraf(em Konjektur Pontice indes zieht m. E. noch größere Schwierigkeiten nach sich. 167 Stahl, S. 16. J6I Vg1. Ov. trist. 3, 11, 25 non sum tfO quod ,"tram...
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Die Elegien des ersten Properzbuches
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DUD' prilflulIIloDgas solus cogDosure noaa cogor et ipse lIIeis IlUribllS esse grllvis.
11, 12, 11 f.I'" Daß das Distichon I, 12, 11 f. dazu beiträgt, daß die Parallelität der Struktur von I, 8B und I, 12, 1·14 nicht gewahrt bleibt, ist keineswegs das Hauptargument gegen seine Echtheit, wiewohl ja bereits aus den Elegien I, 8A und I, 11 bekannt ist, daß Propcrz mitunter durchaus bis ins Einzelne, also auch bezüglich der Länge, Parallelität herstellt. Was die Verse vor allem verdächtig macht, ist die durch sie verursachte Unterbrechung eines sonst sehr wirkungsvollen Gedankenverlaufs, nämlich: VV. 7f.: aliIngralus eram, gefolgt von einer Erläuterung: non... fide W. 9f.: invidiaefuimus; anschließend Mutmaßungen über die Ursache des inzwischen eingetretenen Unglücks W. 13f.: Olme... : Konkrete Schilderung dieses Unglücks Der Übergang von den Fragen in den Versen 9f. zur Darstellung des gegenwärtigen UnglOckes in den Versen 13f. ist knapp, aber gleichwohl sehr wirkungsvoll. Der Bearbeiter indes empfand das Bedürfnis, einen gedanklichen Zwischenschritt einzuschieben, in dem der Wandel vom Glück zum Unglück, den die Fragen in den Versen 9f. nur andeuten, noch einmal explizit formuliert wird. Das aus diesem Grund hinzugefligte Distichon besteht aus einem nachen Kommentar zu invidiae lUimus, nämlich flOIl SlIIn ego qui fueram, gefolgt von der Begründung mutal via fonga puellas, an die sich im Pentameter ein emphatischer Ausruf anschließt. Nach den dubitativen Fragen in den Versen 9f. kommt der Aussage non sum ego... in V. 11 entweder ein abschließender Charakter zu, etwa im Sinne von: ,Jedenfalls bin ich nicht mehr der Fruhere", oder sie gibt den Grund rur die Fragen an: "Ich bin nicht mehr der Frühere'" In beiden Fällen ist die nachträgliche Angabe der definitiven Ursache des inzwischen eingetretenen Unglilcks, mutat via fonga puellas (V. 11), nach den Mutmaßungen über diese Ursache in den Versen 9f. fehl am Platze. Auch innerhalb des Distichons bestehen Schwierigkeiten. Die Juxtaposition der heiden Aussagen non surn ~ qui fueram und mulat via fanga Duellas ist eher als gedankliche Ungereimtheit denn als geniale Identifikation von Properz und Cynthia anzusehen. Eine ähnliche Reibung besteht auch zwischen den Formulierungen via fonga in V. I) und in exiguo tempore in V. 12. In den Versen) I f. findet sich nicht nur eine bemerkenswerte Anleihe aus Ovids Tristien (s. Anm.), sondern auch erstaunlich viel von dem Wortmaterial der umlie· genden Verse: In V. 11 entspricht mutal dem mutare in V. 17,/onga dem fongas in V. 13, puellas dem puellae an der.oelben Ver.ostelle in V. 15; in V. 12 entspricht quanlus dem quantum an derselben Versstelle in V. 4; lempore ist aus V. 7 geholtJ1O •
•
)69
Ein früherer Versuch, die Stelle zu heilen, ist Caruuis Umstellung der Verse 9f. hinter V. 12.
0004S45J
Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
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Nachdem Properz in den Versen 13f. seinen derzeitigen bedauernswerten Zustand beschrieben hat, folgt in den Versen 15·20, die über den mit I, 8B parallelen Teil von I, 12 hinausgehen, zunächst ein Makarismos desjenigen, der in der Lage ist, in Gegenwart seines Mädchens zu weinen, oder, wenn verachtet, seine Liebe einer anderen zu schenken (W. 15-18). Daß dieses zuletzt (in den Versen 17f.) genannte Heilmittel flir ihn selbst nicht in Frage kommt, macht Propen im Schlußdistichon unmißverständlich deutlich: Ihm sei es vom Schicksal bestimmt, weder eine andere zu lieben noch von Cynthia abzulassen; Cynthia sei für ihn die Erste gewesen; sie werde flir ihn die Letzte sein (VV. 19f.)37I.
Entsprechungen zwischen den Elegien 8A, 8B, 11 und 12 Bevor ich die Bezüge zwischen den Elegien 8A, 8B, 11 und 12 des ersten Properzbuches im Einzelnen auffuhre und erläutere, gebe ich wieder einen knappen systematischen Überblick: 1. Properz hat insbesondere die Elegien I, 8A und I, 11, desgleichen die Elegien I, 8B und I, 12, die ihrer Position innerhalb des Binnengeflechtes der Elegien 1,6- 14 nach zu einander parallel sowie thematisch eng verwandt sind, inhaltlich betrachtet als die Elegienpaare I, 8A/8B und I, 11/12 jedoch einen Gegen. satz darstellen, durch zahlreiche wörtliche Entsprechungen verbunden. 2. Propen hat auch die einander benachbarten Elegien I, 8A und I, 8B sowie I, 11 und I, 12 durch sparsame, aber wohlüberlegte nennenswerte wörtliche Entsprechungen miteinander vemetzt.
Wie in dem Kapitel über die Entsprechungen zwischen den Elegien 7, 9,10 und 13 werde ich zunächst in der ersten, dann in der letzten der vier in Betracht stehenden Elegien, also in den Elegien I, 8A und I, 12, der Reihe nach diejenigen Abschnitte oder Distichen behandeln, in denen sich Entsprechungen zu den jeweils übrigen Elegien nachweisen lassen. Entsprechungen zur Elegie I, 8A Mehrere nennenswerte Entsprechungen bestehen zwischen dem ersten Abschnitt von I, 8A, der zehn Verse umfaßt (die Verse If. und 5~12) und dem ersten Ab· schnitt von I, 11, der ebenfalls zehn Verse umfaßt (die Verse I f., 5-10 und J3f.). 1,8A, If.: S-12:
170 )7l
Tune igitur dewens, nee le wea eura moratur? an tibi sum gelida vilior I/Iyria? tune audire potes vesan; murmura DOm; fortis, et in dura nave iaeere potes?
Die Verse 11 f. sind im Typologiekapitel in Absehn. I. B. 2 crfaßt, Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang Stahls Beobachlung, daß der Schlußvers von I, 12 auf Cynthia causa fuil in I, 11, 26 Bezug nimmt, Stahl merkt S. 19 hierzu an: ..He [Propertius] now takes up thai poetie coinage and reeasts it into an even more exc1usive and rigid formula",
0004M53
Die Elegien des ersten Propcrzbuches
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tu pedibllJ leneris positaslu/eire pruinas, tu potes insolitas, C y 11 I Ir; 11 ,/erre nives! o 111; n /11ft Ilibernae dup/icentur tempora brumae el sit inen tardis navita Vergiliis, nec libi Tyrrlrena so/wJturJunis harena, nn-e inimica meas elevet aura preces! I, 11,
I f.: 5-10:
13f.:
Ecquid te mediis cessantem, Cynthia. Bois, qua iacel Herculeis semita litaribus, nostn' Cllrtl sublt memores a! duare nactes! ecquis in extremo reslot amore locus! an te neseio quis simu/atis ignlbllJ hastis sustulil e nostris, C y n I Ir ; /I. carminibllJ! alque 11 tin 11 m mage te. remis confisa mimllis. parvula Luerina eumba Iftorelur aqua, quam \'aeet allerius blantlos /ludire susurros mQWrer ia tacitQ Wore compositam!
Alle Entsprechungen zwischen den beiden Abschnüten haben eine tiefere Bedeutung. lhre identische Länge und Einteilung in einen sechs Verse langen Teil von empörten Fragen, in dessen letztem Vers Cynthia namentlich adressiert wirdm, und einen vier Verse umfassenden, in dem Properz einen verzweifelten Wunsch äußertJ1l , machen die enge Bezogenheit der beiden Abschnitte deutlich: Die jeweils beschriebenen Situationen sind einander sehr ähnlich. Hinter den Obrigen Entsprechungen hingegen verbirgt sich der inhaltliche Gegensatz der beiden Abschnitte. So ist die cura in I, 8, 1 die Sorge des Properz um Cynthia, während derselbe Begriff in I, 11, 5 in einer Frage vorkommt, mit der Properz Zweifel daran äußert, ob sich bei Cynthia noch cura ihm gegenüber vor· finde. In den Versen 1,8, Sr. spricht Properz deutlich seine Sorge um Cynthia aus. Ln den in ihrer Wortwahl diesen Versen teils identisch, teils kontrastierend nachgebildeten Versen I, 11, 13f.)7· verleiht Properz ebenfalls seiner Sorge um Cynthia Ausdruck. Gegenstand dieser Sorge sind allerdings nicht wie in I, SA die Bärten der Reise, sondern die.s..ilDfu:: VerfUhrungvon seiten eines gefUrchteten Rivalen. Daß die Ausgangssituation der beiden Elegien bei äußerer Ähnlichkeit in Wirklichkeit doch eine ganz andere ist, zeigt sich auch in der Gegensätzlichkeit des Zusammenhangs, in dem die beiden einander entsprechenden BegrilTe moratur (I, 8A, I) und moretur (I, 11, 10) jeweils stehen. In I, 8A, I beklagt Properz, daß Cynthia keine Sorge um ihn von ihrer Reise zurückhalte (moratur).ln I, 11, 10 hat er seine Erwartungen so weit zurückgeschraubt, daß er hier lediglich den Wunsch äußert, eine ablenkende Beschäftigung mOChte Cynthia von einem Rivalen fernhalten (morerur). m Der Vokativ Cynthia steht jeweils an derselben Versstelle. J1J Ulinam steht jeweils an derselben Versstelle im ersten Vers des zweiten Abschnittes. J1~ Beiden Distichen gemeinsam ist der Infinitiv oudire; einander entgegengesetzt sind zum einen die Fonnulierungen vesonj murmura ponli (I, 8A, 5) und blondos... SIlJUrT'OS (I, 11, 13), zum anderm die Fonnulierungen in dura nave (I, 8A, 6) und moJ/iter;n taelto Jitore(I, 11, 14).
00045450
Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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Im letzten Distichon des ersten Abschnittes von I, 8A (VV. II f) hat Properz eine wichtige Entsprechung einerseits zum letzten Distichon des ersten Sinnabschnittes von 1,6 (VV. 5f), andererseits zum ersten Distichon von 1, 8B (VV. 27f) hergestellt. 1,8A, IU.:
nec übi Tyrrhena solvaturfunis harena, neve inimiea meas elevei aura p r e ces!
1,6,5[,:
red me complexae remoran/ur verba pue/lae mutatoque graves saepe eolore pr e ces.
1,8B, 27f.:
Hic erit! hic iurata manet! nlmpantllr iniqui! vicimus: assiduas non tulit i/la p r e ces.
Der BegrifT preces steht jeweils am Pentameterende, ist also in I, 6, 6 und in I, 8A, 12 das letzte Wort des gesamten ersten Abschnittes und hat somit an diesen bei den Stellen eine Position inne, auf der eine besondere Betonung liegt. Auch in I, 8B, 28 liegt auf ihm ein nicht geringer Nachdruck, da er den Schluß des ersten Distichons bildet. Die preces, um die es in I, 6, 6 und I, 8A, 12 geht, sind völlig unterschiedlicher Natur. In I, 6 sind es die preces der Cynthia, auf die am Schluß des ersten Abschnittes der Elegie hinweisend Properz das Angebot des Adressaten, ihn auf einer Reise zu begleiten, ablehnt. In I, 8A sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Hier sind die preces die verzweifelten Bitten des Properz, Cynthias Abreise möge nicht vonstatten geben. Bezüglich dieser preces äußert Properz den Wunsch, kein feindlicher Wind möge sie davontragen. Von eben diesen preces aus I, 8A berichtet Properz im ersten Distichon von I, 8B triumphierend, Cynthia habe ihnen nicht standzuhalten vennocht, sondern sich durch sie umstimmen lassen. Die Pentameterenden der beiden Schlußdistichen von I, 8A weisen klare Entsprechungen zu denen der heiden Schlußdistichen von 1,88 auf I, 8A, 23-6:
1, 8B, 41-4:
nec me deflciet /lautas rogitare citatos 'Dicite, qua portu clausa puella m e a e SI?', et dieam 'Ucet Atraciis considat in ods, et lieel Hylaeis, iIIa futura m e a es t . ' igilur Musoe, neque amanli tardus Apollo, quis ego fretus oma: Cynthia rara m e a es I ! nunc mihi summa lieet contingere sidera plantis: sive dies seu nox venerit, iIIa m e a er t !
SUni
Diese Entsprechung am Schluß der beiden Elegien I, 8A und I, 88 dient dazu, den Sieg, auf den Propen in der Elegie I, 8A zuversichtlich horn, in I, 88 triumphierend herauszustellen. Das erste mea est in I, 8A ist Teil einer an Seeleute gerichteten Frage nach Cynthias Aufenthaltsort, das zweite steht am Schluß der Versicherung, sie werde die Seine sein, egal, wo sie sich befinde. In I, 88 steht die
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Die Elegien des ersten Properzbuches
Fonnulierung mea es( beide Male in einem emphatischen Vers, in dem Properz triumphierend zu verstehen gibt, daß der in I, 8A erhome Zustand tatsächlich eingetroffen ist. Entsprechungen zur Elegie I, 12 Wie Properz den Schluß der heiden Elegien I, 8A und I, 8B durch wörtliche Entsprechungen deutlich zueinander in Beziehung gesetzt hat, so auch die Anfangsdistichen der Elegien 1, 11 und I, 12. 1,12,
Ir.:
1.\1,
Quid mihi desidioe non cessasfingere crimen, quodfaciat nobis Cymhia, Roma. moram? Ir.:
Ecquid te mediis cessantem, Cynthia, Bois. qua iaeet Herculeis semita litoribus,
Diese Entsprechungen haben die Funktion, die enge Zusammengehörigkeit der beiden Elegien zu verdeutlichen. Die Elegie I, 12 weist insbesondere auch zur Elegie I, 8B auffallige Entsprechungen auf. Die strukturelle Parallelität der beiden Elegien habe ich bereits im Rah~ men der Untersuchung der Elegie I, 12 ausführlich beschrieben: Beide Elegien bestehen aus je zwei Sinnabschnitten mit einem Umfang von jeweils sechs Versen. In I, 12 folgt nach dem zweiten Abschnitt noch eine - ebenfalls sechs Verse umfassende - Coda. Wichtige Entsprechungen bestehen zwischen den Schlußdistichen der ersten sowie den Schlußdistichen der zweiten Abschnitte der beiden Elegien I, 8B und 1,12, also zwischen I, 8B, 3Jf. und I, 12, Sf. sowie zwischen I, 8B, 43f. und
1,12,13f. I, 12,
1,12,
sr.:
lIee miM eonsuetos ompfexu nll/rit ornores eymMo. nec nOSfra du lei s in aure son a , .
I, 8B, 31 f.:
i/li corns ego ef per me carissima Romo dicitur, et sine me du I c i a regna neg 0 t .
13f.:
11
1,8B, 43f.:
nun c mihi summa!kJ:1. eon/ingere sidera plontis: sive dies seu nox venerit, i/lo meo es'!
U" c primum longas soluscognoscere noc'es coeor el ipse meis auribus esse gravis.
Mit den Fonnulierungen et sille me du/eia regna negat (I, 8B, 32), bzw. nec tlostra dufcis in aure SOllar (I, 12,6) am Schluß der ersten Abschnitte der Elegien 1,88 und I, 12 enden jeweils fürs erste die Schilderungen des neuen Glückes bzw. des unglücklichen Wandels in der Liebesbeziehung des Properz. Eine ähnliche kontrastierende Funktion haben die Entsprechungen zwischen den Schlußdistichen der zweiten Abschnitte der Elegien 1,88 und I, 12; das jeweils
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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betont am Anfang des Distichons stehende "une, die FOffilen von nox (nox in I, 8B, 44; "oeles in I, 12, 13) und das gegensätzliche Begriffspaar /ieel (I, 8B, 43) - eogor (1,12,14). Hinter diesen Entsprechungen steht ein starker inhaltlicher Gegensatz, nämlich der zwischen dem Erfolg (I, 8B) und dem Mißerfolg (I, 12) der in den jeweils vorausgehenden Elegien I, 8A bzw. I, I I geäußerten Bitten an Cynthia. Schließlich besteht, wie bei den Elegien I, 8A und I, 8B, so auch im Falle von I, 11 und I, 12 eine deutliche wörtliche Entsprechung zwischen den Schlüssen der beiden Elegien, nämlich zwischen dem vorletzten Distichon von I, 11, welches das letzte Distichon vor der Schlußcoda der Elegie ist, und dem letzten Distichon von I, 12. mi neque amare aliam neque ab hac desisrerefas esl: Cynthia prima (u,., C y n , h i a finis edC H.
1, 12, 19r.:
1, 11,
25 f.:
seu lrisris veniam seil contra tactus amicis, quicquid ero, dicam . C y n th i a causa 6Ür. '
Die Aussage der beiden Distichen ist ähnlich: In den Versen I, I I, 25f. rechtfertigt Properz Cynthia gegenüber die Sorgen, die er sich ihretwegen macht, indem er beteuert, sie sei, ob er nun traurig oder fröhlich zu den Freunden komme, stets der Grund für seine jeweilige Gemütsverfassung. Die Verse I, 12, 19f. enthallen eine sehr ähnliche Beteuerung des Properz: Er werde nie von Cynthia ablassen und eine andere lieben können. Cynthia sei die erste gewesen; sie werde die letzte sein.
3. Die Elegien 6 und J4
Die Elegie I, 6 In der Elegie I, 6 antwortet Properz auf das Angebot des TuBus, ihn auf einer Expedition zu begleiten. Er gibt ihm deutlich zu verstehen, daß er sich zwar nicht davor fUrchte, ihn sogar bis in die entlegensten Gebiete zu begleiten (VV. 1-4), daß ihn jedoch die Bitten seiner puel/a zurückhielten (VV. 5f.): Nächtelang beteuere sie ihm ihre Leidenschaft und klage, daß es keine Götter gebe, wenn sie verlassen worden sei (VV. 7f.). I, 6,
7
9 10
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i/la mihi ro,is argular noclibu!I' ignes, er quer;rur nullas esse relida deos: [illa weam mihi iaw se denegar, i/la minarur quae soler iralo176 rriSlis amica viro.]
Au f diese Entsprechung macht auch Stahl (S. 19) aufmerksam.
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Die Elegien des erslen Properzbuches
his ego non horam possim durar~ querelis: ah pereat, si quis lentus Ilmare POfest!
(I,6,9f.)377
Die Verse 5·8 sind eine gelungene, in sich geschlossene Beschreibung von dem Verhalten Cynthias, welches Properz zu seiner Absage an Tullus veranlaßt. Diese Beschreibung ist jedoch um die Verse 9f. erweitert, in denen es heißt, Cynthia sage, daß sie nicht mehr die Seine sei, und drohe ihm mit dem, womit eine trjstis amica einem undankbaren Mann zu drohen pOege. In seinem Bemühen um eine dramatische Übersteigerung von Cynthias negativer Reaktion verfehlt sich der Dichter in V. 9 im Ton. Während Cynthia in den beiden Distichen zuvor noch als die verletzte Geliebte geschildert wurde, die den Properz durch Umarmung (complexae, V. 5), Bitten (preces, V. 6), bei denen sicb ihre Gesichtsfarbe ändert (mutato c%re, V. 6), Beteuerungen ihrer Liebe (argutal ig"es, V. 7) und Klagen (queritur, V. 8) umzustimmen sucht, gleicht sie in den Versen 9f. eher einer wütenden Furie. Die zweimalige Wiederholung des Prono· mens illa aus V. 7 in V. 9 hingegen ließe eine einheitliche gedankliche Linie in den Versen 7-10 erwarten. Die Verse 9f. weisen auch sprachliche Mängel auf: Den Mißklang in V. 9, meam mihi jam, hat anscheinend bereits Heinsius bemerkt, der die Begriffe iam und se in diesem Vers vertauscht. Die ungewöhnliche Ellipse eines lacere nach so/ere (V. 10) findet sich auch in [Prop.] I, 13, Im.
• Die Verse 11 f. knüpfen gedanklich an die Verse 7f. an; man vergleiche die Aufnahme von querilllr in V. 8 durch his querelis in V. 11. In den Versen 11f. erteil! Properz dem Adressaten die in der vorangegangenen Beschreibung von Cynthias Widerstand in den Versen 5-8 bereits implizierte Absage nun explizit: Er könne diesen Klagen nichl eine Stunde lang standhalten (V. 11); zugrunde gehen möge der, der halbherzig lieben könne (und, so ist zu ergänzen, sich folglich in seiner Lage anders entschieden hätte; V. 12). t,6,
11 13 15
his ego non horam possim durare querelis: ah perell(, si quis lentus amare POlest! [an mihi sit tanli doclas cognoscere Alhenas379 atque Asias veteres cernere divitial so, ul mihi deducta facial convicia puppi
Der Versanfang qllOe soleI irato isl vermutlich aus Prop. I, 16, 38 geholt; er ist sonst nicht belegt. m Die Tilgung dieser Verse verdanke ich einem Hinweis O. Zwierleins. m Die Verse 1,6, 9f. sind im Typologiekapitel in Absehn. I. A. I. b erfaßt. 179 Vgl. Prop. 3, 21, I: MagmIm iter ad doctas proficisei cogor Atheaas. lSO Der Bearbeiter hat bei der Komposition der Verse 13f. womöglich an Ov. trist. 1,2, 77f. gedacht nec pelo, quas quondam petii studiosus, Arhroas, /oppida non Asiat!, non loca l76
visa prius.
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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Cynthia eJ insanis ora notet manibus. ascutoque OPPOSilO dicol sibi deb;to vento. et nihi/ injida durius esse viral'l?} tu patru; muitas conare anteire securis et vetera abJitis iura re/er sacHs.
11,6,13-18) Die Verse 13·18 dienen zur emphatischen Übersteigerung von Cynthias zu erwartender heftiger Reaktion im Falle von Properzens Abreise und damit zur Bekräfti· gung der Absage an Tullus. Während Properz zu Beginn der Elegie seine Absage mit den Worten sed me complexae remorantur verba p/lellae (V. 5) erklärt haUe, lautet nun die Begründung jedoch völlig anders: Was die Reise bieten könne, sei Cynthias Zorn, der dafUr in Kauf genommen werden müsse, nicht wert. Dieser gedankliche Bruch zieht weitere Ungereimtheiten nach sich. So verwun· dert auch der Ton, in dem der Dichter in den Versen 13-18 seine Absage erteilt. Der Grundtenor der Verse 1·8 war entschuldigend: "Ich käme (gerne) auf deine Reise mit, Tullus. Aber (leider) halten mich die preces meiner puella zurück." In den Versen 13-18 hingegen ist der Ton weitaus bestimmter: "Oder sollte mir eine Reise nach Athen und Asien (wirklich) so viel wert sein, daß ich daflir Cynthias Zorn auf mich nähme?" Gegen den denkbaren Einwand, der Dichter gewinne eben im Verlauf der Elegie immer mehr an Mut, dem Adressaten seine Meinung unverhohlen mitzuteilen, spricht, daß Properz, wie in den Versen 1-8, so auch ab V. 19 dem Adressaten mit allem Respekt begegnet. Des weiteren fallt in den Versen 13-18, wie in den unechten Versen 9f., der im Vergleich mit den Versen 5-8 völlig andere Charakter von Cynthias Verhalten dem Dichter gegenüber auf. Die Formulierungen/aeiat cOllvicia (V. 15) und il/sanis ora notet manibus (V. 16) stehen in einem unauOösbaren Widerspruch zu Cynthias Oehender Haltung gegenüber Properz in den Versen 5-8. Davon, daß die Verse 1)·18 einen Fremdkörper in der Elegie darstellen, zeugt schließlich auch die Mangelhaftigkeit des gedanklichen Überganges von V. 18 nach V. 19. Hodge und Buttimore, die zu dieser Stelle vorsichtig anmerken: "The poem now changes direction sharply", meinen wohl den abrupten gedanklichen Wechsel, der dadurch zustande kommt, daß der mit V. 18 endende Gedankengang noch unabgeschlossen wirkt. Was die Sprache der Verse 13-18 betriffi, so ist cognoscere (V. 13) eine Kopie des noscere in V. I, das dort an der selben Versstelle steht. Einen eigenen Vers benutzt der Bearbeiter in V. 18 als Vorlage: Viro am Versschluß ist aus V. 10 geholt. Bei den Versen I, 6, 13-18 gibt es noch ein weiteres, von den sonst üblichen Interpolationsindizien verschiedenes Anzeichen ihrer nachträglichen Einfilgung. Ganz offensichtlich hat die Behandlung des Motives der Lebenswahl in der ersten Tibullelegie als Vorbild rur Prop. 1,6 gedient; man vergleiche die Entsprechungen zwischen Tib. I, I. 51 ff. und Prop. I, 6, 1I f.: 3S! Die Junktur injidus vir findct sich nur noch in Ov. epist. 12, 212 el pigel jafida cOflsuluisu. l!ID!.
Die Elegien des ersten Properzbuches
102 Tib. I, I,
51 r.,
o quanJum est aUT; pu~al poliusque smaragdi, quam ~ ob nOSlras u/la pue//a vias.
53r., 55L 57r.,
U. bel/are decet lerrQ, Messalla. marique. / ... m retinent vinctum formosae vinclo pue/lae. I ... non t.l0 /audllri euro, mea DeJia: lec:um
dum molla sim, quaeso segnis iner:rque vocer. Prop. I, 6.
11 [:
his ego non horam possim durare Querelir:
ah ~reQI. si quis fentllS amaTe POleJl!
19L 25r., 29r.,
lJLpalnt; meritas conaTe anleire securis / ... mt. sine... / hone animam alrernoe reddere aequitiaf non tl0 $um /audi. non nOIUS idoneus annis: I ...
Deutlich sichtbar ist zum einen die dichterische Selbständigkeit des Propcn bei der Anverwandlung der Vorlage, zum anderen aber auch die enge fonnale Parallelität, die durch die inkriminierten Verse 13-18 unterbrochen wird. Aber noch eine weitere Beobachtung ist von Bedeutung. Das ebenfalls aus der Tibullvorlage entlehnte Motiv der Zurückweisung von Reichtum (vgl. Tib. I, I, 41 f. und 49f. mit Prop. I, 6, 13 C.) stellt nicht nur eine Durchbrechung der ansonsten engen fonnalen Parallelität der beiden Passagen dar, sondern ist auch gedanklich gesehen ein Fremdkörper im properzischen Kontext m .
• Die Verse 19f. schließen gut an die explizite Absage an TulJus in den Versen Ilf. an. In ihnen richtet Propen, gleichsam noch einmal indirekt die Endgültigkeit seiner Absage bekräftigend, die Aufforderung an Tullus, seine ehrgeizigen Ziele einer Karriere im öfTentlichen Leben zu verwirklichenllJ . In den Versen 21 ( fügt er be· gründend hinzu, jener habe ja nie der Liebe nachgegeben (non umquam cessavit, V. 21), sondern sei stets (semper, V. 22) ganz von der Sorge um sein Vaterland erfUllt gewesen; mit anderen Wonen: Es gebe nichts, was ihn zurtlckhalten könne. 1,6,
21 23
24
ntlm (Utl non tl~tllS umqutlm ceSStlV;t tlmor;, ~ ot (lrmoto~ cura fu;t patrio~.. let tibi non umquam nOSlros puer iste labores afferat et lacrimis omnia nota meisJU .'] me sine, qu~m «mper voluil fortuna itlcer~, htlllC tlnimam exlremoe reddere IIequi!ioe.
(1,6,23f.)'" In den Versen 23( äußen der Dichter den Wunsch, Tullus möge nie, von Amor heimgesucht, seine, des Dichters, labores kennenlemen. Da sie mit et angebunden JI2 l&J
Ja' lU lI6
Die Verse 13·18 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. I elfanl. Dies ist offenbar der Grund ftlr Tullus' bevorsiehende Expedition. Der Venanfang ell;bi nOIl stamnlt aus 1. 4, 18; er ist sonst nicht belegt. Vgl. (Prop.J I, 19, 18: ClUQ tamOllRaimLs ossofuturo Ich danke O. Zwierlein filr den Hinweis auf diese Interpolation.
mns..
Das Binnengenecht der Elegien 6 - 14
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sind und in V. 23 non umquam aus V. 21 wiederholt wird, erwartet man, daß sie gedanklich auf derselben Linie liegen wie die vorhergehenden Verse. Der in ihnen geaußene Wunsch steht jedoch im Widerspruch zu dem zuversichtlichen Ton der Verse 19.22 311 . Diese Schwierigkeit bliebe selbst dann bestehen, wenn man, entgegen gesundem SprachgefUhl, afferal in V. 24 potential auffaßte. Die Fonnulierungen nOSlros labores in V. 23 und lacrimis omnia nOla meis in V. 24 gehören gedanklich schon zum nachsten Abschnitt, in dem Propen auf sich selbst zu sprechen kommt, und nehmen so dem me zu Beginn von V. 25 seine kontrastierende Schärfen!. Die Ausdrucke labores (V. 23) und lacrimae (V. 24) sind außerdem mit Properzens Selbstdarstellung in dieser Elegie nicht vereinbar. Die Wendungpller isle in V. 23 schließlich ist für eine erstmalige Erwähnung von Amor in der Elegie sehr undeutlich m . Die Verse 23f. sind interpoliert worden, um den Gegensatz zwischen TuBus und Properz zu vcrschärfen390 •
• Die Verse 25f. stehen in einem wirkungsvollen Kontrast zu den Versen 21f., die besagen, daß TuBus sich nie um die Liebe, sondern stcts um sein Vaterland ge· kümmert habe: Properz bittet nun dcn Adressaten, er möge ihn sein Leben der ne· qlli/ia widmen lassen; Fortuna habe gewollt, daß er immer damiederliege (VV. 25f.; semper in V. 25 greift semper aus V. 22 auf). Anschließend erklärt er, er wolle zu denen gehören, die gerne in einer lang andauernden Liebe zugrunde ge· hen (W. 27f.); nicht für Ruhm oder Waffen sei er geboren: den Kriegsdienst der Liebe habe das Schicksal tur ihn bestimmt (VV. 29f.). Der Anfang von V. 29, non ego, entspricht dem von V. I, wie Stahl bemerkt har"; die mit V. I beginnende Erklärung der Absage an TuBus wird also in den Versen 29f. ringkompositorisch zum Abschluß gebracht. Zu militiam in V. 30 merkt Stahl an: "He (sc. Propertius) even wrests one of Tullus' characteristic values away from his friend and paradoxically claims it for himself and his ,worthless' way of life.'<39. Für die Coda der Elegie, die Verse 31-6, weist er überzeugend dasselbe nach: In ihr versichert Properz dem Tullus, jener werde, wo immer er sich auch aufualten werde, im öffentlichen Leben Erfolg haben (VV. 31-34); wenn er dann einmal an Properz denken werde, werde er überzeugt sein, daß dieser unter einem harten Stern lebe (VV. 35f.). Stahl bemerkt hierzu: ,,As his use of the word mollis (31; to be countered, as we shall see, by duro, 36) has already suggested, the elegist may again prove capable of reversing the
Die Zuversicht kommt in diesen Versen vor allem durch non umquam in V. 21 und semper in V. 22 zum Ausdruck. In V. 23 hingegen ist gerade das aus V. 21 wiederholte non um· qUDm Ausdruck fehlender ZuversichI. 1II Vgl. dagegen die saubere Trennung in der VorbildsteIle Tib. 1, I: t~ bellare decet... (V. 53) ... /1 M~ ntinent... (V. 55). 119 Eine Ihnlieh undeutliche ersunalige Erwlhnung von Amor mit den Worten puer hic findet sich in (Prop.) 1. 7. 15 am Anfang einer lIngeren Interpolation. 190 Die Verse 23(. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. I erlaßt. JI7
)91
Stahl. S. 93.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
established standards. um So kommt er am Ende zu folgendem Ergebnis: •.ay not going, Propertius does not anxiously avoid hardships. And by going, TuBus does not necessarily undergo hardships.,.J9l
Die Elegie I. 14 Zwischen den Elegien 1,6 und I, 14 bestehen enge inhaltliche und formale Parallelen. In I, 6 erteilt Properz dem TuBus, der ihn zur Begleitung auf eine Expedition eingeladen hatte, eine Absage. Diese Absage begründet er zunächst mit dem Hinweis auf Cynthias Widerstand, danach durch eine kontrastierende Gegenüberstellung seines eigenen Lebens mit dem des Tullus. Eine ähnliche Gegenüberstellung nimmt er auch am Anfang von I, 14 vor. In dieser Elegie tritt jedoch TuBus nicht wie in I, 6 als ein im öffentlichen Leben erfolgreicher Mann in Erscheinung, oder Properz als mi/es amoris, der ein Leben in llequitia verbringt; vielmehr besteht die Gegenüberstellung zwischen Tullus als Genießer eines Lebens im Luxus und Properz als Genießer der Freuden der Liebe. Die Verse 1-8 von I, 14 sind ein KonzessivgefUge. In der Protasis malt sich Properz aus, wie TuBus, bequem am Ufer des Tiber gelagert, aus einem kostbaren Gef1iß Wein trinkt (\IV. I f.). 1,14, 1 3 4
Tu
Tibuina mollit~r unda L~bia M~n'oreo vina bibas opue (er modo tam celeres mireris currere Unt"? et modo tam tardasfunibw in ral~;] ft nemus omne satas intendat ,'ertice sil\'as, urgftur qUllntis CIIUCasUS IIrboribus; non tamen ista meo ,'tllellnt contendere amori: nescit Amor magnis udue divitiu. lic~t abi~dus
11,14,3[.)]96
In den Versen 3f. wird die zuvor begonnene Schilderung von Tullus' Leben im Luxus fortgesetzt; in ihnen ist davon die Rede, wie TuBus die vorbcigleitenden Schiffe beobachtet. Properzens Anliegen im ersten Abschnitt der Elegie ist es, die Freuden seiner Liebe über Tullus' Li=.beo im Luxus J97 zu stellen. Die Verse 3f. dienen diesem Zweck nicht. Hodge und Buuimore, denen diese Schwierigkeit offenbar nicht entgangen ist, meinen darum, das Distichon handle von der "recreation of the pleasStahl, S. 94. JtJ Stahl, S. 97. ~ Vgl. Ov. meL 3, 199 a se (am cdmm cunu miratur in ipso. mEin Ihnlicher Versschluß wie ire rara findet sich nur in [Tib.) 3, 3, 10 nudus Lethaea cogerer irt eile. Die Junktur tardas rata ist aus Ov. trisL 4, I, 8 geholt: adw~rso rardam qui trahit amne rotem; sie ist sonst nicht belegt. )96 Die Amelese stamml von O. Zwierlein. WI Vgl. die Fonnulierungen lesbja. .. vina, Mrnloreo... open (V. 2) und satas. .. silvas (V. 5). J92
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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ures of boat watching, or the pleasure of watching other people work"m. Gegen diese Auffassung spricht allerdings der unruhige Charakter der Verse, der sich mit dem ,pleasure'-Aspekt schwerlich vereinbaren läßt. Dieser Schwierigkeit gesellen sich weitere hinzu. Problematisch ist nämlich auch die Anbindung der Verse Sf. an die Verse 3f. Die bei den Distichen sind durch et... er verbunden, haben jedoch inhaltlich nichts miteinander zu tun. Sodann wundert man sich in den Versen 3f. Obcr die Betonung, die auf dem mirari sowie dem zweimaligen tam, und den Nachdruck, der auf dem künstlich hochgespielten Gegensatz zwischen celeris und lardas liegt. Sie haben keine erkennbare Funktion. Was schließlich die Sprache der Verse 3f. betriffi, so ist celeres, "speedy... an amusingly incongruous epithel for a tub"398; "curro, delto de "aviblls", ist laut Fedeli an dieser Stelle erstmalig belegt, ebenso der dichterische Gebrauch von mirari in der Bedeutung "fere i. q. cum admiratione videre"399. Eine ähnliche Interpolation wie die Verse 3f. in I, 14 sind die Verse 3f. in I, 11. Sie slehen ebenfalls in einer deskriptiven Passagc, beginnen auch mit et modo und fallen desgleichen durch eine höchst merkwürdige Verwendung des Verbs mirari
aur oo .
• Oie Verse Sf. handeln von den riesigen Bäumen, mit denen der Ort bepflanzt ist, an dem TuBus sich befindet. Sie sind die natürliche Fortsetzung der Schilderung in den Versen 1r:~OI.ln der Apodosis zu den Versen If. und Sf. erklärt Properz, Tullus' Leben im Wohlstand stelle gleichwohl keine ernsthafte Konkurrenz für seine Liebe dar: Amor kenne kein ZuIiickweichen vor großen Reichtümern (VV. 7f.). Die ersten sechs Verse von I, 14 sind im Detail denen in 1,6 nachgebildet, die ebenfalls ein Konzessivgef1lge darstellen, das aus einer vier Verse langen Protasis und einer zwei Verse umfassenden Apodosis besteht: "leh fUrchte mich nicht davor, dich sogar bis in die entlegensten Gegenden zu begleiten (VV. IA); aber mich halten die Bitten meiner puella zurück (VV. Sf.)." Der erste Abschnitt von I, 14 endet mit der Aussage, Amor kenne kein ZuIiickweichen vor großem Reichtum (V. 8). "Der Rest dieses Gedichtes", so bemerkt Mutschier richtig, "begründet diese These"402: Wenn die Geliebte eine ersehnte Nacht oder in ungetrübter Liebe einen ganzen Tag mit ihm verbringe, bedeute das fiir ihn den denkbar größten Reichtum, so beginnt Properz diese Begründung in den Versen 9-12. 1,14, 9
nam sive optalam mecum lrahil i1Ja quietem, seu jacili lotum ducil amore diem,
Hodge und Buuimore ad loe. 39'9 Fcdeli verweist aufThes. VIII 1064,42. ol(lO Die Verse 3f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. 3 erfaßt. ~1 So auch Fedeli ad loe.: "I vv. 5·6 eontinuano. si, la descrizione, ma si ricollegano, per i1 motivo e per la struttura grammalicale, ai vv. 1-2 e allempo slesso SOllolineano di nuovo la ricehezza di Tullo." ~2 Mutschler, S. 166.
J9lI
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Die Elegien des ersten Properzbuches
I)
14
tum miM PactoJi vetl;un, sub leCla liquores et J~ilur Rubris gemmQ sub 4('QIlO,.,.bll$; (turn miM cessuros spondem mea gaudia reges: qual! maneanl. dum me[ato perin YOlentl] nam quis db'i/iis ad)'f!rso gaudet Amore! flUl/tl
mi'" (m,; praemia si", Ve/lere!
11,14,l3f·1 V. 13 "wiederholt und steigen", so Mutsehler. die vorausgehende Behauptung: "Properz vergleicht sich jetzt sogar mit KOnigen.,,40) Während jedoch in den Ver· sen 11 f. die Ausdrucksweise gewählt allegorisch ist - der Wert einer intakten Lic· besbeziehung wird mit den Wassern des Pactolus und Perlen aus dem Indischen
Ozean verglichen - zeugen goudia und cesslIros ,eges in V. 13 von einem plum· pen Bemühen um Verdeutlichung. In V. 14 schließt der Dichter einen emphatisch
übersteigernden Ausruf an: Seine Freuden möchten bis zum Tod währen. Erwartungsgemäß ist die gedankliche Anbindung der Verse 15f. an V. 14 problematisch. Gesundem SprachgefUhl folgend bezieht man die rhetorische Frage in V. 15 auf das unmittelbar Vorausgehende. Dabei stößt man jedoch auf Schwierig~ keiten: "The exact logical connection suggested by the opening nam (V. 15) is not c1ear or straightforward... line 14 occupies an equivocal position in the argument. The al1Y.iety it expresses m!l.y be entirely parenthetical. Then 15 would substantiate the claims of 13, particularly cessuros... But the wonis imply the problems of a lover rather than ofa king... Line 16 reinforces these implications..... 4
Der emphatische Ausruf in V. 14 bringt ferner den gleichartigen Ausruf in V. 16 um seine Wirkung. Schließlich erweckt er den Eindruck, als ob er einen Sinnabschnitt abschließe, und läßt dadurch die Verse 15f. wie einen schlecht angebundenen Nachtrag wirken. Sprachlich flUh in V. 14 der Gebrauch von dum mit dem Indikativ Futur in der Bedeutung ,bis' auf. Für diesen Sprachgebrauch finden sich bei Fedeli nur Belege aus Plautus und Cato. Das dum in V. 14 beeinträchtigt außerdem die Wirkung des dum in V, 23. Der Bearbeiter hat bei der Komposition der Verse I3f, sowohl in der Elegie I, 14 selbst Anleihen gemacht als auch in der korrespondierenden Elegie I, 6. Mihi cessuros spondent mca gaudia reges (V. 13) scheint durch nescit Amor magnis cedere diviliis in V. 8 beeinnußt, gaudia (V. 13) durch gauder an derselben Versstelle in V. 15;fara perire volenr am Schluß von V. 14 geht auf die Formulierung fata subire volunr am Schluß des unmittelbar vor der Coda von 1,6 stehenden Verses 30 zurück 40S • ~) Mutsehler, S. 167.
.. Hodge und Bunimore, S. 164f. oIQS Auch Propen selbst hai zwischen den beiden Passagen einen Bezug hergestellt. I. 14. 11 weist EnlSprechungen zu den Versen 32 und 35 in 1,6 auf. Für eine Anleihe: des Bear·
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Das Binnengeflecht der Elegien 6 - 14
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• Der Vers 15 ist die passende Fortsetzung nach den Versen Ilf. Indem Properz in ihm die rhetorische Frage stellt, wer sich denn über Reichtümer freue, wenn Amor gegen ihn sei, bekräftigt er gleichsam ex negativo die vorausgehende Versichenmg, ein ungetrübtes Zusammensein mit der Geliebten bedeute tur ihn den denkbar größten Reichtum. In V. 16 äußert Properz den emphatischen Wunsch, keine Reichtümer besitzen zu wollen um den Preis, daß Venus gegen ihn sei. Hiermit rundet er den zweiten Abschnitt der Elegie gelungen ab. Die Verse 17-22 enthalten eine Art Hymnus aufVenus: "Venus kann die Kräfte von Helden brechen und sogar harten Herzen Schmerz bereiten (VV. 17[). Sie läßt sich von keiner Art von Reichtum abschrecken (VV. 19-21); was haben daher Seidenstoffe verschiedener Webarten tur einen Nutzen (V. 22)?" Mit diesem Hymnus auf Venus begründet Properz die Aussage der Verse 15f., daß keine Reichtümer Wert filr den besäßen, der Venus gegen sich habe. Im Schlußdistichon von I, 14 faßt Properz, gleichsam als Antwort auf die vorangehende rhetorische Frage, das Ergebnis der Elegie zusammen: Wenn ihm Venus nur gewogen sei, werde er sich nicht scheuen, Königreiche oder die Geschenke eines Alkinoos zu verachten (VV. 23f.). Damit gibt er zu verstehen, daß TuBus' Leben im Luxus in seinen Augen weniger wert ist als seine eigene glückliche Liebcsbeziehung, da alle Reichtümer bedeutungslos würden, wenn man Venus gegen sich habe.
Entsprechungen zwischen den Elegien 6 und 14 Zwischen den Elegien 1,6 und I, 14, die den Mittelteil des ersten Properzbuches rahmen, an denselben Adressaten gerichtet sind und eine ähnliche Thematik behandeln, bestehen nennenswerte Entsprechungen, die ich im folgenden aufzeigen und deren Funktion ich bestimmen werde. Die wichtigste Entsprechung besteht zwischen dem ersten Distichon von 1, 6 und dem letzten Distichon von I, 14: 1,6,
Ir.:
Non ego /lune vereor Hodriae mare noscere tecum, / ...
I, 14,
23f.:
quae mihi dum plaeata aderit, non ulla verebor / ...
Der unterschiedliche Kontext, in dem die einander entsprechenden Fonnulierungen non... vereor (1,6, I) und non... verebor (1,14,23) stehen, zeugt von dem tiefgreifenden Wandel, den die Einstellung des Properz zwischen den beiden Elegien I, 6 und 1, 14 erlebt: Hatte Properz zu Beginn von 1,6 Tullus gegenüber entschuldigend bekundet, er fUrchte sich nicht davor, ihn selbst bis in die entlegensten Gegenden zu begleiten, so gibt er am Schluß von I, 14 selbstbewußt zu verstehen, so beilers aus der korrespondierenden Elegie eines Elegienpaares vgl. z. B. die Verse [Prop.) I, 13, 19f., die sehr eng an die Verse I, 10, 9f. angelehnt sind. Die Verse I3f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. A. I. b erfaßt.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
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lange ihm Venus zugetan sei, werde er sich nicht davor scheuen, ein Leben in Reichtum (wie es TuJlus führt) zu verachten. Eine weitere Entsprechung besteht zwischen I, 6, 19, dem ersten Vers des zweiten Teils von 1,6, und dem ersten Vers von I, 14: Zu Beginn beider Verse und damit jeweils am Anfang einer kontrastierenden Gegenüberstellung der Lebensweise und -haltung des TuBus und der des Properz steht das Personalpronomen tu. Schließlich weist der Vers 1, 14, 11 auffällige Entsprechungen zu den Versen 32 und 35 in der Coda von I, 6 auf: Lydia Pacloli tingitarata liquor; , u m IiJli si qua mei v e nie t non immemor hora, 1,14,
11:
tum mihi Pacloli veniunl subtecla liquores
Mit Bedacht hat Properz Formulierungen aus der Coda von I, 6 in das mittlere Distichon des zweiten Abschnittes von 1, 14 einfließen lassen. In 1,6 stehen die For· mulierungen in einem Abschnitt, in dem Tullus' Wohlleben dem durum sidus, unter dem Properz lebt, kontrastierend gegenübergestellt wird. In I, 14 benutzt sie Properz in einem Zusammenhang, in dem er nachweist, daß ein Leben im Wohl· smnd, wie es Tullus fUhrt, mit den Freuden seiner Liebe nicht mithalten könne.
4. Gesamtdarstellung des Binnengejlechts der Elegien 6 - 14
Nachdem die Bezüge zwischen den Elegien 7, 9, 10 und 13 sowie den Elegien SA, 8B, 11 und 12 und schließlich auch zwischen den Elegien 6 und 14 des ersten Properzbuches detailliert dargestellt worden sind, kann nunmehr ein Überblick über die Gesamtkonzeption des Mittelteils der Monobiblos gegeben werden. In der ersten Elegie dieses Mittelteils, der Elegie I, 6, lehnt Properz das Ange· bot des Tullus ab, der ihn, gleichsam als Cynthias Rivale, zur Begleitung auf einer Expedition eingeladen hat. Er begründet seine Absage durch einen Vergleich der Lebensform und -haltung des Tullus mit seiner eigenen, indem er jenen als einen Mann darstellt, der im öffentlichen Leben Erfolg hat, sich selbst dagegen als je· manden, der rur die nequiIia lebl. In 1,7 stellt er einen ähnlichen Vergleich an, diesmal allerdings zwischen sich selbst und dem Epiker Ponticus. Anders als in der Elegie I, 6 befinden sich jedoch nunmehr heide in einer schwierigen Lage: Properz beschreibt sich nicht mehr als jemanden, der nur dem Drängen seiner pueUa nachgibt, sondern als ihren Sklaven; und auch dem Ponticus werden künftige Probleme vorhergesagt. In I, 8A hat sich im Vergleich zu 1,7 die schwierige Lage des Properz noch verschlimmert. Wie in I, 6 ist die Ursache rur die Schwierigkeiten eine bevorstehende Reise - nur ist jetzt nicht mehr Properz selbst, sondern Cynthia im Begriff, auf Reisen zu gehen.
Das Binnengeflecht der Elegien 6- 14
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In 1,88 kann Propen indes von einem positiven Wandel der Verhältnisse be· richten: Durch sein blandum carmen umgestimmt, hat sich Cynthia entschieden, bei ihm in Rom zu bleiben. Das Geschick des Ponticus hingegen nimmt nach der Elegie I, 7 einen ganz an· deren Verlauf als das des Properz zwischen den Elegien I, 8A und 1, 8B. Was am Schluß von I, 7 prophezeit wurde, ist in I, 9 Realität: Ponticus ist verliebt, kann jedoch seine Gefühle nicht im passenden Genre, der Elegie, ausdrücken. Faßt man die bisherigen Beobachtungen zusammen, SO ergeben sich in den Eie· gien I, 6 - 9 folgende Entwicklungslinien: In I, 6 wird der Adressat Tullus als dem Propcrz überlegen dargestellt, weil er im Gegensatz zu diesem nie etwas mit Liebe zu tun hatte. In 1,7 ist Propcrz in seinen Augen bereits zum Sklaven seiner puella geworden. Aber auch die Position des Adressaten Ponticus erscheint nicht mehr so gesichert wie die des ebenfalls nicht mit Liebesdingen befaßten TuBus, des Adres· saten von I, 6. In I, 8A befindet sich die Liebesbeziehung des Properz gemäß sei· ner Schilderung an einem Tiefpunkt, den er allerdings, wie er in I, 8B nachträglich berichtet, mithilfe seines bla"dum carme" in einen Sieg zu verwandeln vennochte. In I, 9 wird die gegenteilige Entwicklung beschrieben, die das Geschick des Ponticus, des Adressaten der Elegie I, 7, unterdessen genommen hat. Dieser befindet sich nunmehr in einem ähnlichen servitium amoris wie Properz in 1, 7. Da ihm jedoch das bla"dum carmen, das Properz schließlich aus den Schwierigkeiten her· ausgeholfen hat, nicht zu Gebote steht, prophezeit ihm Properz künftige noch grö· ßere Schwierigkeiten. Die Reihe der Elegien I, 10 - 14 ist kunstvoll auf die der Elegien I, 6 - 9 bezogen. Betrachten wir zuerst das Los des Adressaten. Allgemein gesprochen macht dieser - wenn man einmal vereinfachend den kollektiven Singular gebraucht - von I, 10 nach I, 14 eine ähnliche Entwicklung durch wie von I, 6 nach I, 9. In I, 10 geht es dem Adressaten Gallus, wie in 1,6 dem TulJus, sehr gut. In I, 14 dagegen befindet sich der Adressat TuBus, wie in I, 9 Ponticus, in einer ungünstigeren Lage als Pro· pcrz. In beiden Reihen von Elegien nimmt also das Glück des Adressaten ab: In der ersten Reihe gerät er von der vac"ilas amoris in eine Liebesbeziehung, wäh· rend er in der zweiten die umgekehne Entwicklung durchmacht. Spiegelbildlich betrachtet weisen die Elegien I, 10 und 1, 14 demnach gegen· sätzlichc Entsprechungen zu den Elegien I, 6 und I, 9 auf: In I, 10 ist Gallus, wie in I, 9 Ponticus, in eine Liebesbeziehung eingebunden, allerdings im Unterschied zu diesem in eine glückliche. TuBus ist in I, 14 wie in I, 6 vaClIlIs amore. Im Unterschied zu 1,6 wird seine vacuitas amoris in I, 14 jedoch als geringeres Glück als das Liebesglück des Propcrz dargestellt. Was das Geschick des Properz anbelangt, so ist auch hier die Entwicklung von I, I I nach I, 14 parallel zu der von 1,6 nach I, 8B: 'ach einer Verschlechterung seiner Lage von I, 6 nach I, 8A sowie von I, 11 nach I, 12 feien er in der jeweils dritten Elegie, I, 8B bzw. I, 14, einen Triumph. Bei spiegelbildlicher Betrachtung ergeben sich folgende gegensätzlichen Entsprechungen: Sowohl in 1,6 als auch in 1,14 vergleicht Propcrz sein Los als Liebender mit dem des Adressaten TuBus, der vacuw amore lebt. In I, 6 erhält Tullus, in I, 14 Properz den Vorrang vor dem an· deren. In dem Elegienpaar I, 8N8B wird davon berichtet, daß die an Cynthia ge·
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Die Elegien des erslen Propcrzbuches
richteten Bitten des Properz zum Erfolg fUhren, in dem Elegienpaar 1, 11/12 hingegen, daß sie erfolglos bleiben. Sowohl in der Reihe der Elegien 1,6 - 9 als auch in der der Elegien I, 10 - 14 isl, so läßt sich somit zusammenfassend sagen, das schwindende Glück des Adressaten mit dem letztlich zunehmenden Glück des Propen zu einem wirkungsvollen Kontrast verwoben. Neben diesen übergreifenden Entwicklungslinien verdient auch ein weiteres Motiv Beachtung, das sich wie ein TOter Faden durch die Elegien 6,8A, 11 und 14 des ersten Properzbuches zieht: Das Motiv der Konkurrenz in der Liebe. In den Elegien 1,6 und I, 8A stellt eine in Aussicht stehende Reise in die Feme eine Be· drohung rur die Liebesbeziehung zwischen Properz und Cynthia dar; in den Elegi· CD I, 11 und I, 14 hingegen lockt das Leben im Luxus. In den äußeren Elegien I, 6 und I, 14 ist Properz, in den inneren Elegien I, 8A und I, 11 Cynthia den Verlok· kungen ausgesetzt. Der "Rivale" TuBus hat weder in 1,6 noch in I, 14 Erfolg; demnach berichten diese beiden Elegien vom Triumph der Liebe. Die Komplexität des Geflechtes von Beziehungen zwischen den Elegien 1,6 - 14 ist, wie bereits durch die Darlegung der wörtlichen und sinngemäßen Entsprechun· gen zwischen den einzelnen Elegien, so nun noch einmal durch die umfassende Betrachtung desselben deutlich geworden. Je genauer man dieses komplexe Bezic· hungsgeflecht erkennt, desto klarer werden auch die Zusätze des Bearbeiters als solche sichtbar.
C. Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22 J. Die Elegien} und J5
Die Elegie I, 2 Properz beginnt die Elegie I, 2 mit einer Reihe von vorwurfsvollen rhetorischen Fragen an Cynthia, in denen er seine Mißbilligung darüber zum Ausdruck bringt, daß jene sich kosmetischer Hilfsmittel bediene und so ihre natürliche Anmut ver· nichte sowie verhindere, daß ihr Äußeres in der ihm eigenen Schönheit zur Geltung komme (VV. 1-6). I, 2,
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1
Quid iUl'al ornalO proCf!d~u, ,'ila, capillo ~ Unuu eoo Vf!SIl! mov~r~ sinus. aul quid Oronl~a cri"is ~rfund~rl! murra. uqu~ pu~gri"is v~ndu~ munl!ribus*.
ZWlCrlein tilgt die Verse 3f. AufTAUigkeiten bestehal vor allem in der sprachlichen Form sowie der WortWahl. Was die sprachliche Form anbelangt. so ist, wenn die Verse 3f. im Text bleiben, in den Versen 1-6 eine Anhäufung von sieben Infinitiven zu beobachten
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Die rahmenden Elegien 1 - 5 und 15 - 18. 22 S 7
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tS
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tJuluraeque deeus mereolo perdere cut,u, nec sinere in propriis membra ni/ere bonis? [crede mihi. non ulla tuae es, medieina figurae: n/lduS Amor401 formam non amat artificem~. aspice quos summittat humus formosa c%res. /lt veniant hederae sponte sua me/ius. sllrgat et in solis formosius arbutlls antris409 el seiat indociles currere /ympha vias. 4lO fjtora nativis praefulgem picta lapillis ll et vollicres nulla dlilcius arte canunt .] 11011 sie Leucippis succendit Custora Phoebe, Pollueem cu/tu non He/airo soror; •••
t9:
nec Phrygiumfa/so tra:eit candore marilum
[1,2,7-14)411 Properz bringt in den rhetorischen Fragen in den Versen 1-6, desgleichen auch in den mythologischen Exempla in den Versen 1Sf. nicht~, sondern verschlüsselt zum Ausdruck, was er will. Der Bearbeiter hat offenbar die Notwendigkeit gesehen, die in den Versen 1-6 implizierte Botschaft transparent zu machen. Er hat darum in den Versen 7f. hinzugefügt: "Glaube nur: Es gibt keine medicina rur dei· ne Schönheit; der nackte Amor liebt eine künstliche Schönheit nicht." Diese schlußfolgernde Aufforderung sieht nur auf den ersten Blick wie eine passende Fortsetzung nach den vorwurfsvollen rhetorischen Fragen in den Versen I ~6 aus; bei genauerer Betrachtung erweist sie sich als überflilssig und störend im Gedankengang. Überflüssig wirken die Verse 7f. deshalb, weil Properz durch die Ausdrucke naturae decus und in propriis nirere bonis in den Versen Sf. bereits deutlich macht, was er von Cynthia erwartet. Den Gedankengang stören sie, da sie im Widerspruch zum Vorhergehenden stehen. Während nämlich die Quintessenz der Verse 1-6 die Aufforderung an Cynthia ist, ihre Schönheit am besten so zu las4lJ sen, wie sie von Natur aus ist, heißt es nun in V. 7 /lon ulla tuae est medicina sowie in den Versen 2-6 die recht ungeschickt zusammengestellte und auffällig lange Serie von Bindewörtern: et... aut... -que... -qlle... nec. Was die Wortwahl betriffi, so ist das Adjektiv Oromeus (V. 3) in der Dichtung ein hapax legomenon. Im Properzcorpus nur an dieser Stelle belegt ist das Adjektiv peregrinus (V. 4). Auch bei Vergil kommt dieses Adjektiv nur ein einziges Mal vor, nämlich in dem unechten Vers [Aen.] 11,772 (zur Tilgung dieses Verses vgl. Zwierlein ad loe.). 407 Die Junktur lludus Amor/amor ist im Singular nur noch in Gv. am. I, 10, 15 belegt. 408 Vgl. Prop. 2, I, 57f. omnis humanos sanat medicina d%res: / solus amor morbi non amal artifjwn.
Als Vorlage rur V. 11 hat Gv. meL 3, 394 gedient: protegil et SJllU. ex Wo vivit in aolris. ~IO Vgl. Gv. am. 2, 11, 13f. ... conchas piClOS'lue Igpjllos / ... litoris Wo mora esl. m Vgl. Qv. ars 2, 480 arte Veflus aul/Q dulee peregit opus. m Den gedanklichen Bruch zwischen den Versen 6 und 7 hat bereits Carutti erkannt, der zwischen ihnen Verspartien aus der Elegie 2, 18 eingerugt haI. Die Athetese der Verse 7-14 stammt von O. Zwierlein. • I} Das besser bezeugte lila ist aufgrund fehlender Belege rur non u/lus in der Bedeutung "nichtig" indiskutabeL 409
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Die Elegien des ersten Properzbuches
figurae. Streng genommen bedeutet diese Aussage genau das Gegenteil von dem, was der Zusammenhang erfordert: Denn non ulla est medicina kann eigentlich nur im Sinne von .,es gibt keine Heilungsmöglichkeit" aufgefaßt werden. Ebensowenig geglückt wie die Behauptung in V. 7 ist die ihr beigefiigte Begründung in V. 8, bei der Sinn und Funktion des Begriffes nudus ein Rätsel bleiben. In den Versen 9-14 fugt der Bearbeiter eine Begrundung der von ihm eingear· heiteten schlußfolgernden Aufforderung an. Die sechs Verse enthalten jeweils Beispiele aus der Natur, die den Wert naturbelassener Schönheit bekräftigen sollen. Diese Beispiele lassen allerdings eine sorgfältige gedankliche Anbindung vennis· sen: In den Versen 10 und 11 ist das secundum comparalionis ungenau, da es hier heißt, die Natur eotwickh;: sich schöner, wenn sie sich selbst überlassen sei. V. 12 enthält zwar den Aspekt der unberührten Natur (zumindest soll dies offenbar der Sinn von indocilis sein), verbindet ihn allerdings nicht mit dem der Schönheit, Dasselbe gilt fUr V. 13, wiewohl hier einiges durch Korruption verHUscht sein mag, V. 14 knüpft gedanklich am engsten an die Verse 7f. an, weicht dafiir aber inhalt· lieh besonders weit von dem primwlI comparationis ab, daß Schönheit dann am größten ist, wenn keine Kosmetika benutzt werden. Insgesamt stellen die Verse 9-14 eine willkürliche und unstrukturierte Ansammlung von Exempla dar, die ihre Aufgabe, die Aussage der Verse 7f. zu bekräftigen und damit den Sinn der rhetorischen Fragen in den Versen 1·6 zu verdeutlichen, nur mangelhaft erftillen414 • Was die Sprache der Verse 7f. betrim, so ist die Formulierung crede mihi um· gangssprachlich. Hodge und Buuimore bezeichnen sie als ,,3 colloquial version of the verbal gesture an orator would use to introduce material which is surprising but - he insists - tme". Eine Aphaerese bzw. Synaloephe bei einem auf -oe auslautenden Wort findet sich im ersten Properzbuch nur noch in V. 17 derselben Elegie sowie in I, 3, 25 - also in zwei mit Sicherheit interpolierten Versen. Die Sprache der Exempla in den Versen 9-14 bewegt sich laut Tränkle4U "ganz im Rahmen der neoterischen Naturschilderung": Der Gebrauch von currere mit dem Akkusativ des inneren Objekts in V. 12 sei höchst selten und an dieser Stelle erstmalig in der lateinischen Literatur belegt, indocilis "in ganz neuer und einzig dastehender Bedeutung" gesetzt, nämlich "ungelernt", Formosius (V. 11) wirkt nach formoso (V. 9) flach. Die Verse 15·20, die auf die Beispiele aus der Natur folgen, enthalten ebenfalls eine Reihe von Exempla, die allerdings aus dem Mythos stammen, Ein solches Nebeneinander zweier nicht miteinander verbundener Reihen von Exempla ist bei Properz sonst nicht belegt416 • Reihen von Exempla sind bei ihm stets einhcitlieh417 .
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VgJ. Otis' Beurteilung (5. 16): "The nature similcs and the mythology are exaggeratcd to an al most comic degrec." Tränkle (I), S. 25f. Nach einem Hinweis Zwierleins ist ein solches Nebeneinander nicht miteinander verbundener Reihen von Exempla auch eine Eigenart des Dichters der pseudoovidischen Medicamina faciei femineae. Die Verse 7·14 sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 2 «faßt.
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Auf die unmutigen Fragen in den Versen 1-6 folgen passend die Verse 15ff., die eine Reihe mythologischer Exempla enthalten. Diese Beispiele von Frauen, die ohne den Gebrauch von Kosmetika Liebe bei Männem entfacht haben, werden mit einem Nachdruck aufgeführt, der dem emphatischen Charakter der Fragen in den Versen 1-6 entspricht (vgl. non sie (V. 15)... non (V. 16)... nee (V. 19». Aber auch sprachlich sind die Verse 15ff. deutlich an die Verse 1-6 angebunden: Sie in V. 15, das in V. 16 durch cu/ru und in V. 19 durch/also eandore spezifiziert wird, bezieht sich zurück auf peregrinis muneribus in V. 4 und auf merea/O cu/tu in V. 5. Auf die gleiche Weise läßt Properz auch in I, 15 eine Reihe von positiven Ge~ genbeispielen aus dem Mythos auf einen Vorwurf ähnlichen Inhaltes folgen: Dort beklagt er, daß Cynthia in einer rur ihn notvollen Lage es nicht eilig habe, ihn zu besuchen, sondern sich vielmehr in aller Ruhe ihrer Kosmetik widme, und zwar in einer Weise, die klar darauf schließen lasse, daß sie einem anderen Mann gefallen wolle (1,15,1-8). Die anschließende Serie von mythologischen Exempla wird, wie in 1,2 durch non sie, so in I, 15 durch at non sie eingeleitet. Die mythologischen Exempla von Phoebe und Helaira (VV. 15f.) sowie Hippodamia (VV. 19f.) dienen dazu, Cynlhia, die sich offenbar deshalb herausputzt, weil sie auf Männerfang ausgehen will, von der Verwendung künstlichen Schmuckes abzubringen: Die Heroinen des Mythos, so macht Properz deutlich, haben ohne Einsatz kosmetischer Hilfsmittel die Liebe von Männem zu entfachen ver~ mocht418 . Für eine unmittelbare Aufeinanderfolge der heiden Exempla spricht nicht zuletzt die Ähnlichkeit der Formulierungen non sie... sueeendit... cu/tu ('IV. 15f.) und nec... /a/so traxit candore (VV. 19f.). 1,2,
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non sie LJ!ucippis succJ!ndit Cosloro PhoJ!be, Poltuum eullu non Heloiro soror; [non. ldae el cupido quondam discordia Phoebo. Eueni patrjis filia liloribus; 1 nee Phrygium falso troxit candore marilum aveela exlernis Hippodamia rolis:
[1,2,17f.) Zwischen den heiden mythologischen Exempla in den Versen 15f. und 19f. steht ein weiteres Exemplum, das sich allerdings in mehrerlei Hinsicht von den anderen unterscheidet: Es enthält nicht nur als einziges nicht den Gedanken, daß Schönheit auch ohne Zurhilfenahme von Kosmetika das Herz eines Mannes erobern kann, sondern bringt außerdem durch den Begriff discordia in V. 17 eine negative Komponente und damit einen Mißton hinein. Das Distichon ist assoziativ aus dem vorhergehenden entwickelt worden. Darauf läßt zum einen die Ähnlichkeit von Phoebe am Schluß von V. 15 und Phoebo am Schluß von V. 17 schließen, zum anderen die Tatsache, daß Idas sowohl in den
411
In den heiden Exempla benutzt Proper.l den Mythos wieder einmal vergleichsweise frei filr seine Zwecke: Keine der genannten Frauen ist sonst unter dem an dieser Stelle hervorge~ hobenen Aspekt bekannt. Vgl. auch Gaisser, S. 383.
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Kampf mit den Dioskuren um Phoebe und Hilaira verwickelt war als auch sich um Marpessas Gunst bemühte'19. Auch sprachlich gesehen sind die heiden Verse bedenklich. Ihre syntaktische Struktur wirkt unvollendet: Das einfache non am Anfang ist karg nehen non sie... CU/lU in den Versen 15( und nee... Jalso eandore in V. 19. Ungewöhnlich ist auch, daß die lange Apposition im Hexameter ym ihrem Beziehungswortfilia im nächsten Vers steht. Schließlich wäre statt des ominativs diseordia in V. 17 eher der da(ivus ineommodi ,discordiae' angebracht 42o•
• Nachdem in den Versen 15( und 19f. in negativen Formulierungen zum Ausdruck gebracht wurde, daß die genannlen Heroinen des Mythos keine kosmetischen Hilfsmittel benulzten und trotzdem die Liebe von Männern entfachten, heißt es nun in den Versen 21 f. positiv, daß sie ohne Edelsteine eine solche Schönheit besaßen, wie sie auf den Bildern des Apelles zu finden sei. 1,2,
21
23 24
sed fades aJerat nullis obnoxia gemmis, quaJis Apelleis est color in tabu/iSo (non il/is studium fueo eonquirere amantii 2 .: iIIis ompla satisforma pudieitia.] ll non ego nune vereor ne sis tibt vilior istis: uni si qutl pltlut, culttl pud/tl Stil esl;
(1,2,23f.I'UJ
In den Versen 23f. werden die Ausfiihrungen über die Heroinen erweitert: Jene hänen sich nicht darum bemüht, mit Hilfe von Schminke Liebhaber zusammenzusuchen; ihnen sei ihrepudici(ia Schönheit genug gewesen. Die heiden Verse stehen gedanklich im Widerspruch zu den Versen 15-22: Bestand die Funktion der don aufgeruhnen Exempla aus dem Mythos entsprechend dem ihnen vorausgehenden Kontext darin, den Wert naturbclassener Schönheit hervorzuheben, so erhalten sie nun nachträglich einen neuen Sinn; Gaissers Kommentar zu den Versen 23-26 gilt zumindest fUr die Verse 23f.: "Natural beauty now becomes an outward sign of a moral characteristic."424 Den Aspekt der pudicitia, der nicht nur in den Exempla aus dem Mythos nicht angelegt ist, sondern sich mit ihnen, wie sogleich gezeigt
4.' Vgl. Gaisser, S. 383: "The laie of Marpessa is based on lhe same elements as the first ex420 421
422
4n 424
emplum; it is linked to it in a surprising and wiuy way • through the figure of Idas." Die Verse l7f. sind im Typologiekapitel in Abschn. J. A. I. e erfaßt. Die Klausel von V. 23 erinnert an die von Ov. met. 7, 459 ... vires acgu;w amieas. Sis tibi ist Wehles notwendige Korreklur des überlieferten sim tibi. Mit Recht erklärt Skutsch, der sich Wehle anschließt, daß ,,any idea that the poet might bc vilior to Cynlhia... uuerty fails to connect with what precedes and whal folIows" (0. Skutsch, Readings in Propenius, CQ 23, 1973,316-323, hier S. 316). Dies gilt vor allem fijr die gedankliche Anbindung der V. 26 und 27·)2 an v. 25, die dagegen, wie auch Skutsch andeutet, im Falle von sis tibi keinerlei Schwierigkeiten bereitet Richmond nimmt nach V. 24 eine Lücke von 16 Ve~n an. Gaisser, S. 382.
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werden soll, nicht einmal in Einklang bringen läßt, hat der eifrige Bearbeiter also in dem Bemühen eingedichtet, dem Ganzen eine moralische Wendung zu geben. Was die Frage der Kompatibilität des pudicitia-Aspektes mit den mythologischen Exempla betrifft, so hat Gaissers Frage zu den Versen 23-26, ,,00 the myths adduced by Propertius really illustrate this contention?..~24 zumindest für die Verse 23f. Berechtigung. Denn Gaisser hat zweifellos recht, wenn sie zum ersten Exemplum bemerkt: "The tale is not merely of simple feminine beauty that captivates even demi-gods, but also of multiple suitors, abduction and strife", zum zweiten: ,,Again a tale of abduction, as Propertius emphasizes" und zusammenfassend erklärt: "The meaning of the mythological exemp/a is clear: the unadomed beauty of the heroines of the past was enough to provoke abduction."m Gaissers vorsichtige Schlußfolgerung: "Propertius' princTa' interest in the elegy is to dissuade Cynthia from the use of expensive finery,,42 , läßt sich noch ausschließlicher fonnulieren: Es ist Properzens ejnzil:cs Anliegen in dieser Elegie. Wie zu erwarten ist, bereitet der gedankliche Übergang von den eingedichteten Versen 23f. zu der echten Fortsetzung in den Versen 25f. größere Schwierigkeiten. Nach der Interpolation des neuen Aspektes i//is amp/a satis forma plldicitia in V.24 entbehrt der Satz Ile sis tibi vilior istis in V. 25, der sich deutlich auf die Schönheit der Heroinen bezieht, einer vernünftigen Anbindung nach oben 427 .
• Die Verse 25f. sind eine passende Fortsetzung nach den Versen 15-22. Indem Propen sich nun wieder an Cynthia wendet, erklärt er, auf die Exempla Bezug nehmend, er fürchte nicht, daß Cynthia sich für geringer als die genannten Heroinen des Mythos halte: Eine plleJ/a sei ja cu/ta genug, wenn sie einem gefalle. Mit anderen Worten: Die Tatsache, daß sie einem, nämlich ihm, gefalle, sei genügend Beweis für ihre CU/Ulra. Nach dieser Versicherung bilden die Verse 27-32 einen guten Abschluß der Elegie. In ihnen erweitert Propen den Gedanken des vorhergehenden Distichons: ,,2umal du zusätzlich noch mit den Gaben der Musen ausgestattet bist, wirst du mir immer sehr lieb sein, vorausgesetzt, deine Verschwendung (in Sachen Kosmetik) ist dir verhaß!."
Die Elegie I, 15 Der Beginn der Elegie I, 15 gleicht dem der Elegie I, 2. Wie in I, 2, so äußert Properz auch in I, 15 Cynlhia gegenüber, daß ihm die Sorgfalt, mit der sie auf ihr Äußeres bedacht ist, mißfallt. Während jedoch in I, 2 das Hauptgewicht auf der Mißbilligung von Kosmetik schlechthin liegt, und die Elegie deshalb vornehmlich das Thema naturbelassener Schönheit behandelt, ist in I, 15 der Kontext, in dem Properz seine Mißbilligung zum Ausdruck bringt, ein anderer. 42$
426
Gaisser, S. 383ff. Gaisser, S. 385.
421 Die Verse 23f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. A. 1. cerfaßt.
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Propen beginnt die Elegie mit dem harten Vorwurf, Cynthia habe eine perfidia an den Tag gelegt, die alle seine Befilrchtungen ilbertroffen habe (VV. I f.): Ob· wohl er sich in einer notvollen Lage 428 befinde, habe sie es nicht eilig, ihn zu besuchen (VV. 3f.); vielmehr widme sie sich mit aller Sorgfalt ihrer Kosmetik (VV. Sf.), und zwar in einer Weise, die klar darauf schließen lasse, daß sie einem anderen Mann gefallen wolle (VV. 7f.). Welches Verhalten Properz stattdessen von Cyntbia erwartet, gibt er, wie in I, 2, so auch hier durch die anschließende Aufzählung von positiven Gegenbeispielen zu erkennen: In I, 15 handelt es sich hierbei um Exempla von Frauen aus dem Mythos, die den von ihnen geliebten Männem die Treue gehalten haben. Der Ton, in dem diese Beispiele gehalten sind, ist jedoch, anders als in I, 2, geprägt von einer tiefen Entrostung Ober Cynthias Verhalten. Properz will offenkundig den Gegensatz zwischen Cynthias treulosem Verhallen und der vorbildhaften Treue der mythischen Frauen besonders kraß erscheinen lassen. Als erstes Beispiel vorbildhafter Treue wird Kalypso genannt. Von ihr heißt es, sie habe nach der Abreise des Odysseus weinend am verlassenen Meer gesessen (VV. 9f.)429. In den Versen 17f., die ähnlich wie die Verse 9f. beginnen (vgl. die Hexameteranfänge al flon sie... (V. 9) und 'lee sie... (V. 17t J o), ist von der vorbildlichen Hingabe und Treue der Hypsipyle die Rede, die ängstlich im leeren Gemach stand, als die Winde Jason davontrugen. Nach den beiden Beispielen von der geduldigen Anhänglichkeit einer Kalypso und einer Hypsipyle wird in den Versen 21f. als Vorbild rur ein ganz besonderes Ausmaß von Anhänglichkeit Euadne genannt, die nicht wie Kalypso und Hypsipyle lebend an der Liebe zu einem Manne festhieh, der fortgegangen war, sondern ihm in den Tod folgte. Die drei Exempla sind somit als Klimax angeordnet. 1,IS, 9
"
at non sic [thaci digressu mota Calypso deserlis olim j1el,lerat aequoribus: [multos ilIa dies incomptis maesta eapillis .. sed erat, InlUstO muJta Jocura sa J0'" . et quamw's flumquam post haee l,Iisura. dolehat ilIa tamen. longae eOllscia laeritiae. Alphesiboea suos ulta est pro eoniugefratres.
Dic gcnauc Bcdeutung von per/da in V. 3 ist schwer zu cnniueln. Ihre Kenntnis ist allerdings rur das Verständnis der Elegie nicht unbedingt erfordcrlich, so daß ich davon absehe, die vielen geäußerten Mutmaßungen zu rcferieren. 419 Es ist anzumerken, daß der Mythos hier zum Zweck der Anpassung an den Kontext erweitert ist. In seiner ursprünglichen Fassung findet sich nichts von Kalypsos Trauer bei der Abreise des Odysseus. 4)0 Eine nahezu identische Entsprechung besteht auch zwischen den Hexamcteranfängen der beiden benachbanen Distichen 1,2, 15f. und 19f., die ebenfalls Exempla aus dem Mythos enthalten (vgl. non sie... (V. 15) und nee... (V. 19)). 4)1 Als Vorlage rur die Verse 11 f. hat offenbar Ov. met. 4, 261 gedient: sedit humo nuda nudis incompta "'J!iJJjs, Dem Distichon auffallend ähnlich sind auch die Verse Prop. 3,6, 9f. siein eam ineomptis vidistij1ere cApillis? / iIIius ex aculis mul(a eadebat aqua? Vgl. außerdem auch [Tib.] 3, 2, 1I f. ... tangas ;neompta cqq;Uoy / er j1eat anre meum maestll... Vorbild rur die zweite Hälfte von V. 12 ist schließlich Ov. fast. 6, 376 Veslaque pro Latio na
m"hg locutq sua est.
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sanguinis el cari l'incula rupit amornl .] nec sic Aesoniden rapienribus anxia l'entis Hypsipyle vacuo fonSlitil in thalamo: (Hypsipyle nullos post iflos sensit omores, ur semel Hoemonio labuü4lJ hospitio4J4 .] coniugis Euadne miseros elata per ignis occidit, Argil'ae fama pudiciliae.
Die Reihe von Vorbildern aus dem Mythos in den Versen 9f., 17f. und 21 f. ist vom Bearbeiter um mehrere Zusätze erweitert worden. Neben der Verlängerung des ersten Exemplum um die Verse [11-14] und des zweiten um die Verse [J9f.] hat er in den Versen [15f.] ein Exemplum komplett interpoliertos.
(1,15,1I-14( In den Versen 11 f. wird beschrieben, wie Kalypso viele Tage lang traurig mit ungekämmtem Haar dagesessen und vieles zum ungerechten Meer gesagt habe. Wiewohl sie Odysseus nie wieder sehen würde, so heißt es anschließend in den Versen 13f., habe sie im Gedenken an die lange (Zeit der) Freude getrauert. Der Bearbeiter hat die beiden Distichen hinzugefügt, um die in dem Exemplum in den Versen 9f. implizierte Aussage zu verdeutlichen. Diese Verdeutlichung versucht er in den Versen lI f. einerseits durch die Begriffe muliOS (V. 11) und mulla (V. 12) zu erreichen, andererseits durch die künstliche Herstellung eines Gegensatzes zwischen Kalypsos Verhalten und dem von Cynthia: incomptis capillis (V. 11) ist klar als Bezugnahme auf potes hesternos... componere crines (V. 5) gedacht. Besonders eigenartig ist in diesen Versen die in der Formulierung iniusto mulla (ocuta salo enthaltene Vorstellung! Die Verse 13f. lassen das Bemühen erkennen, die in dem Exemplum implizierte Botschaft durch Übersteigerung zu verstärken 4J6 ; inhaltlich gesehen wiederholen sie jedoch lediglich, was zuvor bereits zwischen den Zeilen zu lesen war: Daß Kalypso um den Weggang des Odysseus Leid trug4J7 . Ein gravierendes Problem der Verse 13f. ist auch ihre logische Anbindung, wie ein Vergleich mit den - von Carutti unter Vorbehalt inkriminierten - Versen 2,9, 7f. zeigt. Diese Verse sind den unsrigen formal und inhaltlich betrachtet sehr ähnlich; in ihnen geht es auch um Odysseus; allerdings wird dort nicht Kalypsos, m Vorlage fur V. 16 ist offenbar Tib. 2, 2, 18 flal'aque cotliugio v;ncuiJI. portel d.m..ar.
Vg1. Ov. met. 4, 259 tabu;t ex iIIo... Oben wurde auf die Ähnlichkeit der Verse [J I f.] mit Ov. met. 4, 261 verwiesen. Die Fonn labuit ist vor Martial nur noch in Ov. met. 14,432 und in Sen. Med 590 (tahuilllaemus) belegt. 4).4 (Prop.) 1,20, 10 ist vor Seneca der einzige weitere Beleg rur hospitio am Versschluß. 43$ Daß die Schwierigkeiten in dieser Passage schon frilher empfunden wurden, zeigen die zahlreichen getätigten Eingriffe: Pescani sondert die Verse I S[ aus; manche versetzten dieses Distichon hinter V. 20, wo auch ich einen gedanklichen Bruch annehme, einige hinter V. 22. 4J4i Vgl. el quaml'is zu Beginn von V. \3. m Whitaker, S. 107[: ..... Propcrtius is telling us not just about Calypso's dishevelled state, but also about her devotion to Odysseus. This is implied al ready by the first four Hnes of the exemplum (9-12) and then becomes quite plain in the concluding coupleI."
4l)
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sondern Penelopes Treue ihm gegenüber betont: visuTam 4lS et quamvis numquam sperarel Ulixem, / i/lilm exspeclando !acla remansit anus. Während in 2, 9, 7 die Konzessivkonjunktion quamvis paßt, ergibt sie in I, 15, 13 allen umständlichen Erklärungsversuchen 439 zum Trotz keinen Sinnuo . Was die Sprache der Verse 13f. angeht, so fällt außerdem auf, daß der quamvis-Satz durch das Fehlen eines Objektes zu visura in V. 13 unvollständig ist. Hinzu kommt, daß der Gebrauch eines Partizips in Abhängigkeit von quamvis hier erstmalig sowie danach erst wieder in Val. Max. 2, 17. 12 belegt ist441 .
11,ls,lsr.) Die Verse 15f. werden von Pescani ausgesondert. Darüber, daß sie an ihrer Stelle nicht bleiben können, herrscht weitgehend Einigkeit 442 • Durch Umstellung werden die Anstöße in ihnen allerdings nicht beseitigt: Sie passen inhaltlich nirgends in die Reihe. Das Beispiel von Alphesiboea, das sie enthalten, handelt zwar, wie die übrigen drei Beispiele. auch von der Liebe zu einem Mann; von der anhänglichen Treue der anderen drei Heroinen ist bei Alphesiboea jedoch nichts zu finden; ihre Treue äußert sich vielmehr in einer abscheulichen Tat: dem Mord an ihren Brü· dem. Der Dichter der beiden Verse nimmt somit weder Rücksicht auf die Gemeinsamkeiten und damit die Tendenz der übrigen Exempla, noch stimmt er sie sonst auf den Kontext ab44J . Was das Distichon des weiteren verdächtig macht, ist die An und Weise, in der der Pentameter auf den Hexameter bezogen ist. Ocr Pentameter hat sichtlich den Charakter eines Kommentars, dessen alleinige Funktion darin besteht, den vorausgehenden Hexameter als ein in diesen Zusammenhang passendes Exemplum aus· zuweisen 444 ! Schließlich ist auch einzuwenden, daß in den Versen ohne erkennbaren Grund der Alphesiboea-Mythos verfremdet wird 44s • Sonst dient die Variation des Mythos der Einpassung eines Exemplum in eine Reihe. Hier bewirkt sie sogar eher das Gegenteil. Den Hinweis auf ein mögliches Motiv rur die Interpolation der Verse 15f. enthalten die Ausfilhrungen von Hodge und Buttimore zu der Passage. Hodge und Buttimore bezeichnen die vier Exempla in ihrer überlieferten Anordnung als ein Ich lese mit den deteriores ,visuram' statt des besser überlieferten visura. 4J9 Richardson bemerkt in seinem Kommentar zu der Stelle: "quamvis numquam post haec visum: sc. eum. We rnight think it was, rather 'becausc' she was never to see hirn again. but qllamvis points to the difference bctween mortals and immortals. Immortals, having faced such partings repcatcdly, rnight bc expccled to accept an inevitability with calm." 440 Hodge und Buuimore ad loc.: "Wc would expect that nOI seeing hirn again would bc a reason for grieving, so quamvis, although, seerns wrong." " I Fedeli 3d loc. Dic Verse 11·14 sind im Typologiekapitcl in Abschn. I. A. I. e erfaßI. "1 Vgl. Z. B. Camps ad loc.: "This couplet is misplaeed in the MSS, for nee sie in 17 must c1early follow the long sentence beginning at non sie in 9:' ~} Fraglich ist nämlich auch, wie der Brudennord mit der Zusammenfassung der Exempla durch den Ausdruck nobilis his(oria in V. 24 in Einklang zu bringen ist . ... Hodge und Buttimore: "Line 16 irrelevantly insists that love is stronger Ihan familial ties." ~$ Fedeli: ,.Solo in Properzio e altestata, inveee, la versione della vendetta consumata da Alfesibca a danno dei fratelli:' 4Ja
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"extremely intricate and satisfying panern", bestehend aus zwei Abschnitten, von denen der erste durch non sie, der zweite durch nec sie eingeleitet werde. In heiden Abschnitten sei die mythische Frau, die als zweite (in jeweils nur einem Distichon) behandelt werde, ..more extreme in her response,,446. Ist hier vielleicht die Handschrift eines pedantisch um Ordnung und Regelmäßigkeit bemühten Bearbeiters zu erkenncn"1? 11,15,19r.)
Die Verse 19f. sind ein Zusatz von ähnlichem Charakter wie die Verse 13f. Das ihnen vorausgehende Distichon enthält in knapper Form bereits alle wesentlichen Aspekte des Mythos. Der Bearbeiler indes bemüht sich darum, die Hingabe der Hypsipyle noch einmal betont zum Ausdruck zu bringen. Indem er erklärt, daß sie nach Jasan keinen anderen Mann mehr geliebt habe, gibt er einen Ausblick auf ihre ~ Treue und geht somit deutlich über das terrillm comparationis der J.W.:. mittelbaren Reaktion auf den Weggang des Mannes hinaus. Sprachlich gesehen geben die Verse 19f. zu manchen Bedenken Anlaß: Es fällt vor allem die unpoetische Formulierung nlll/os post il/os sensir amores in V. 19 auf sowie der äußerst seltene Gebrauch von hospirium im Sinne von hospes"8 .
• In den Versen 23f. zieht Properz die Schlußfolgerung aus den drei Exempla von Kalypso, Hypsipyle und Euadne, indem er Cynthia vorhält, keines der Vorbilder aus dem Mythos habe sie zur Nachahmung bewegen können. Dieses Resümee wird bereits durch den Ausdruck/oma in V. 22, dem die Formulierung nobilis hisroria am Schluß von V. 24 entspricht, gut vorbereitet. In den heiden folgenden Distichen spannt Properz einen Bogen zurück zum Anfang der Elegie: periuria (V. 25) greift perfidia (V. 2) auf; in V. 27 wird periclo aus V. 3 wiederholt; durius im Schlußvers (V. 28) klingt an dura aus V. I an. Nach der resignierten Feststellung, daß Cynthia sich durch die Vorbilder aus dem Mythos nicht zu einer Änderung ihres Verhaltens habe bewegen lassen (VV. 23f.), fordert Properz sie nun auf, ihre falschen Liebesbeteuerungen nicht mehr zu wiederholen (VV. 25f.). In einem drohenden Ton läßt er in den Versen 27f. eine Begründung dieser Aufforderung folgen: Wenn sie in ihrer Kilhnheit mit ihren falschen Treueschwüren fortfahre, werde sie leiden - obgleich es vor allem zu seinem eigenen Leid gereiche, wenn ihr etwas Härteres zustoße. Der Schlußvers ist, um nicht ominös zu wirken, möglichst allgemein formuliert. Aber die in ihm enthalte· ne Drohung bildet das letzte Wort und hallt so wirkungsvoll nach. 1,15, 25
tlesint! ia", rt!vocart! tuis pt!riuria vt!rbis. Cynthia, t!t oblitos parct! movt!rt! dt!OSi
.... Hodge und Buttimore ad loc. Ähnlich auch Allen (1II), S. 383f. '-1 Dic Verse 15r. sind im Typologiekapitel in Abschn. J. A. I. e etfaßI. ... Vgl. Thes. VI 3. 3039. 6Off. sowie Shackleton Bailey, S. 42(. Die Verse 19f. sind im Ty· pologickapilcl in Abschn. I. A. I. c etfaßt.
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Qudax Il! n;'"i"". 1f0$/1"O dolitllrll JHriclo,
si 9"id fo"~ tibi dllrius
29
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jndd~riJl
[alta prius retro laben/ur flumina ponro"', annus el ;nverscu duxerit anle vicel'4,
quam lua sub "ostTO mutetur peclore euro: . quodcumque va /es'" . non a /'Itmo tarnen sa tarn tibi ne vi/es ist; videanlllr ocem, per quas saepe mihi credita perjidia eSf! hOl tu iurabas. si quid mentita/uisses,
.'2.
u1 tibi suppositis aciderenl manibus·m : et contra magnum ~tes hos at/QUere Solern, nec tremis s- admissae conscio nequitiae·5S ?
quis Je cogebat mullos paffen co/ares
40
etj1elum invitis ducere luminibus?
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quis ego "une pereo, similis moniturus amantil S6 non uf/is tu/um ereileTe blanditiis·".]
Die Verse 29-42 sind eine freie Weiterdichtung der Elegie. Hauptsächlich auf diese Erweiterung sind die Schwierigkeiten zurückzuführen, die der andernfalls unproblematische Übergang von V. 24 zu V. 25 bereitet459• .... Für die Klausel flumina ponto vgl. Ov. Pont. 4, 10,45 adde quod hic cJauso mUetnlur PMm;Ra Ponto; eine Ihnliehe Klausel findet sich im relevanten Zeitraum nur noch in Mani!. 2, 75 ... necjlumjna pORtMm. 4)0 Vorlage für das gesamte Distichon sind die Verse Ov. tris!. I, 8, I f. in coput a/ta sUllm ",bcatMc ab aequore relro I flumina, con.,mIs so/que recurril equis. Goold korrigiert in sinnvoller Anlehnung an diese VorbildsteIle multa prius vaslo am Beginn von V. 29 zu 0110 prius retro. Vorlage für die zweite Pentameterhälfte ist außerdem Prop. 3, 21, 12 re· mocumque pares ducik sorte J!i.ra., Die Junktur vices ducere ist sonst nicht belegt. 4SI Vorlage ist deutlich I, 13,36 elfllUltCHmtluc vota una sit ista tibi. 452 Das gesamte Distichon hat die Verse I, 8A, 17[ zum Vorbild: sed quocumque modo de me. periura. mereris. I sit GaiOlea lUae ~ viae. 4Sl Vgl. 4, 4, 22 inlerque oblitas ~il uma manus. 454 Der Versanfang nec tremis ist nur noch in 3, 22, 30 belegt: RCC (remis Ausonias. Phoebe fugate. dopes. Vgl. I, 10, 12 accipe comm;ssac munera laetiJ.iJ'u. Die Klausel conscia nequitiae erinnert an die von [Prop.] I, 15, 14 ... conseÜ,laetUiu,. 456 Fo.r V. 41 vgl. Prop. I, 16, 47 sic (10 RURe dominae vitiis ct semper "manUs. 4)1 Für die Verse 39 und 42 haben wohl die Verse Ov. rem. 349 und 353 als Vorlage gedient: l1JllJ. tarnen huic nimium praecepto credere tutum esl ... pyxidas invenies et recum miJ.IE. az1JlJ:a. Zu V. 42 vgl. auch Ov. ars I, 741 ei mjhi. non lutMm est. quod ames. laudare sg.. dali, ars 3, 495 nec... lulum rescribere... , ars 3, 767 nec... lu/um suceumbere... und Pont. 3, 5, 5 hoc aliis lulum ccedenlibus... 451 Den gedanklichen Bruch nach V. 28 hai bereits Postgate gesehen, der die Verse 29·32 nicht an dieser Stelle belassen will, sondern es für möglich hält, daß sie auf 1,18,16 fol· gen. Darilber hinaus existieren einige weitere Versuche, den Problemen in den in· kriminierten Versen beizukommen: Richmond nimmt nach V. 32 eine LOcke von zwei Versen an, Havel versetzt die Verse]Jf. hinter V. 28, Kraffert ist überzeugt, daß die Verse 39f. an der überlieferten Sielle ein Fremdkörper sind.
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Die rahmenden Elegien 1-5 und 15 - 18. 22
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In den Versen 29-31 selZt der Dichter in Form eines Adynaton, das zum Ausdruck bringen soll, seine Liebe zu Cynlhia werde sich nie ändern, die in den Versen 27f. implizierte Liebesbeteuerung an sie fort. Von einem guten gedanklichen Übergang zu diesen Versen kann keine Rede sein, wie bereits die Ausführungen von Butler und Barner deutlich machen: "Their sudden assertion of lhe poet's constancy interrupts lhe denunciation ofCynlhias perfidy." Nachdem dieser gedankliche Übergang mißlungen ist, velWUnden es nicht, daß dem Bearbeiter nach dem Vers 31, mit dem das Adynaton abschließt, der Faden weiter aus der Hand gleitet: Die Formulierung sis quodcumque voles zu Beginn von V. 32 könnte man, fur sich allein genommen, wohl noch mit dem Vorhergehenden verbinden: ,,An meiner Liebe zu dir wird sich nichts ändern - magst du sein, was du willst'''; die zweite Pentameterhälfte, non aliena tamen, hängt jedoch gedanklich in der Luft. Wollte man nun aber, um dieser Schwierigkeit auszuweichen, den Pentameter als eine gedankliche Einheit, etwa als Conclusio des Adynaton im Sinne von Gv. am. 3, 11,49 quicquid er;s, mea semper er;s auffassen, dann erhielte die erste Hälfte von V. 32 nachträglich eine andere Bedeutung, als sie in Verbindung mit dem Gedanken der Verse 29-31 besitzt. Es stellt sich aber noch ein anderes Problem: Man müßte zu non a/iena lamen in Gedanken ein er;s ergänzen. Nichts allerdings ist, sprachlich gesehen, natürlicher, als vielmehr das s;s aus der konzessiven Protasis in der ersten Pentameterhälfte in Gedanken auch in der Apodosis zu ergänzen. Ein solches s;s erfordert auch die Fonsetzung in den Versen 33f.; denn nur nach einem Appell an Cynthia, wenigstens non a/iena zu sein, ergibt die Aufforderung, ihren Augen nicht so einen geringen Wert beizumessen, einen vernünftigen Sinn. Diese Ungereimtheit und Sprunghaftigkeit des Gedankengangs an dieser Stelle läßt auf eine oberflächliche, von Assoziationen geleitete Arbeitsweise des Dichters schließen. Nach den Versen 29-32, die den Charakter eines Exkurses besitzten, knüpft der Bearbeiter gedanklich an die Verse 25f. an. Hatte dort Properz geforden, Cynthia solle die Götter furchten und deshalb ihre perjun"a (V. 25) nicht wiederholen, so ermahnt der Bearbeiter sie nun in den Versen 33f., ihre Augen, bei denen sie oft ihre perfidia (V. 34), ihre falschen Schwüre ihm gegenüber, geleistet habe, nicht fur so wertlos zu erachten. In den beiden nächsten Distichen beschreibt er dann die Einzelheiten von Cynthias falschem Schwören sowie die Entrüstung, die er darüber empfindet: In den Versen 35f. schildert er, mit welchen Worten Cynthia ihre Treueschwüre geleistet hat. Zum Inhalt dieser Verse bemerken Hodge und Buuimore zutreffend: ",Supposilis manibus' here might bc a grotesquely precise detail, her hands cupped to receive her eyeballs as they fall, even though that does not sound a Iikely form for an oath to take." In den Versen 37f. verleiht der Bearbeiter in Form einer rhetorischen Frage seiner Empörung darüber Ausdruck, daß Cynthia so zur Sonne emporblickt, als ob nichts geschehen wäre. Nicht nur sind die Verse 35-8, was ihren Inhalt bttriffi, im Wesentlichen eine Wiederholung der Verse 33f.: Der Ausruf in
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Ribbeck IAßI mil v. 25 eine neue Elegie beginnen; BUIler und Barber geben zu bedenken: ..The firsl couplet follows abruptly on V. 24, but may be defended as an explosion:'
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Die Elegien des ersten Properzbuches
diesem Distichon (VV. 33f.) ist so geartet, daß er keinerlei kommentarartige Fortsetzung gestattet. An die rhetorische Frage in den Versen 37f. fUgt der Bearbeiter in fUr ihn typi· scher Manier noch eine weitere an, um seine Empörung zu bekräftigen. Die The~ matik des falschen Schwörens verlassend will er nun plötzlich etwas ganz anderes von Cynthia wissen: Wer sie zwinge, so häufig ihren Gesichtsausdruck zu verändern und Tränen herauszupressen (VV. 39f.). Nicht nur ermangelt dieses Distichon jeglicher gedanklichen Anbindung an das vorhergehende - wenngleich eine solche Anbindung formal durch das fortgesetzte Fragen stark suggeriert wird - , es ist auch in sich widersprüchlich: cogebat (V. 39) geht von dem Bestehen eines äußeren Zwanges aus, während inviris /uminibus (V. 40) eindeutig auf durchtriebene Heuchelei gemünzt ist. Das letzte Distichon (VV. 41 f.) soll, wie meist das jeweils letzte Distichon eines längeren Zusatzes gegen oder am Schluß einer Elegie, dem Gedicht einen neuen, prägnanten Abschluß geben. Wie an den anderen entsprechenden Stellen, so knüpft es auch hier sprachlich an den Schluß des echten Textes an und hat die Form einer schlußfolgernden Aufforderung. Die Anknüpfung an das echte Schlußdistichon (VV. 27f.) erfolgt hier durch den Ausdruck monitunIs in V. 41, der das dolitura aus V. 27 aufgreift. Mit der Formel quis ego mmc pereo zu Beginn von V. 41 faßt der Bearbeiter den vorausgehenden Abschnitt oberflächlich zusammen und leitet dann aus dieser Aussage die Warnung an andere Liebende ab, es sei nicht sicher, Schmeicheleien Glauben zu schenken (VV. 41 f.). Was die Sprache der Verse 29-42 betriffi, so kommt inl'erto (V. 30) bei Properz nur an dieser Stelle vor; von Tibull und Ovid wird es gemieden. Was die Verse 35f. angeht, so bemerkt Fedeli zu hos tu iurabas: "Di iuro + accusativo senza preposizione ... il primo esempio poetico e il nostro"; die Verbindung iurare, ut bezeichnet er als "un esempio deI tutto isolato." Tutum (est) mit dem Infinitiv (V. 42) ist offenbar eine rur Ovid typische Konstruktion 460•
Entsprechungen zwischen den Elegien 2 und 15 Bci der Untersuchung der beiden Elegien 1,2 und I, 15 sind bereits mehrere Ähn~ lichkeiten sichtbar geworden. Beide Elegien sind ihrem Charakter nach Moralpredigten an Cynthia. Beide Male richtet sich Propcrzens Unwille gegen Cynthias Bemühungen, ihre Äußeres herauszuputzen. Der Kontext jedoch ist, wie sich schon herausgestellt hat, vollkommen unterschiedlich. Diese Mischung von äußerlicher Ähnlichkeit und innerer Verschiedenheit bewirkt, daß die bei den Elegien in einem kunstvollen Verhältnis zueinander stehen. Wie dieses Verhältnis im einzelnen aus~ gestaltet ist, lege ich im folgenden dar. Zu Beginn von 1, 2 kritisiert Propen, daß Cynthia - in der Absicht, anderen Männern zu gefallen, wie im weiteren Verlauf der Elegie deutlich wird - ihre Schönheit durch den Gebrauch von Kosmetika zu verbessern sucht. Zu Beginn von 460
Vgl. die Anm. zu V. 42. Die Verse 29-42 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. C. I er~ faßt, die Verse 41 f. außerdem in I. B. I.
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I, 15 klagt er daruber, daß sie trotz der notvollen Lage, in der er sich befindet, es nicht eilig habe, ihn zu besuchen, sondern sich stattdessen in aller Ruhe ihrer Kosmetik widme, ganz so, als ob sie einem neuen Liebhaber gefallen wolle. Eine nen· nenswerte wörtliche Entsprechung zwischen dem ersten Abschnitt von I, 2 (VV. 1·6) und dem von I, 15 (VV. 1·8) besteht zwischen crines in 1,2,3 und eri· nes in I, 15,5. In beiden Fällen wird der Begriff im Zusammenhang der kosmetischen Bemühungen Cynthias gebraucht. Der jeweils zweite Abschnitt beider Elegien besteht aus einer Reihe von mythologischen Exempla. Entsprechend der zuvor geäußerten Kritik nennt Properz in I, 2 Heroinen. die im Gegensatz zu Cynthia ohne Einsatz von Kosmetika die Liebe von Männern entfacht haben (VV. 15-22). In I, 15 fuhrt er, an den Vorwurf anknüpfend, daß Cynthia ihn im Stich lasse, Beispiele von Heroinen an, die im Gegensatz zu ihr den von ihnen geliebten Männern nach deren Scheiden bzw. Dahinscheiden die Treue hielten (VV. 9-22). Zwischen diesen beiden Abschnitten gibt es inhaltliche und formale Entsprechungen. Sie enthalten beide drei Exempla, auf die jeweils ein Distichon folgt, das gleichsam die Anwendung der Exempla flir Cynthia enthält. Am Anfang der beiden Abschnitte bestehen auch wörtliche Entsprechungen: 1, 2,
15f.: 19:
1, I5, 9f.: 17:
non sic Lellcippis succendi/ Cas/ora Phoebe, Polfllcem Cllllu non He/aira soror; n e c Phrygium Jalso (raxi, candore maritum 01 non sic llhaci digresSll mOfa Calypso desertis olim jleveraf aequaribus. ne c sie Aesoniden rapienfibus amio venris
Entsprechend dem verschiedenen Grundtenor der beiden Elegien haben die Reihen von Exempla bei äußerer Ähnlichkeit gleichwohl eine völlig unterschiedliche Ziel· richtung. Ich mache dicsen Unterschied deutlich, indem ich die beiden Reihen in Verbindung mit den jeweils folgenden letzten Abschnitten der Elegie betrachte: In I, 2 dienen die Exempla aus dem Mythos ausschließlich dazu, Cynthia davon zu überzeugen, daß sie ihrer Schönheit durch den Gebrauch von kosmetischen Hilfsmitteln nicht nachzuhelfen vermag. Daß dem Properz zwar sehr wohl bewußt ist, daß Cynthia solche Hilfsmittel gebraucht, weil sie auf Männerfang aus ist, be· weist seine Auswahl der Beispiele: Es handelt sich um Beispiele von Heroinen, die durch ihre natürliche Schönheit "abduction and strife,,461 vcrursacht haben. An dem Bemühen Cynthias, andere Männer flir sich zu interessieren, nimmt Properz jedoch offensichtlich keinen Anstoß. Entsprechend dem fruhen Stadium der Liebesbeziehung ist er großzügig und wertet Cynthias Bemühungen, mit Hilfe von Kosmetika das Interesse anderer Männer zu wecken, als Zcichen ihrer Unsicherheit. Daraus erklärt sich auch, daß er ihr im letzten Abschnitt der Elegie versichert, sie besitze andere Qualitäten, die sie noch weitaus mehr als ihre Schönheit in seinen Augen attraktiv machten. In I, 15 benutzt Properz die Exempla aus dem Mythos dazu, Cynthia seine Enttäuschung über ihr treuloses Verhalten zu bekunden. Die Exempla haben nicht wie 461
Gaisser, S. 383.
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in I, 2 die Funktion, Cynthia ennutigend eines besseren zu belehren, sondern bringen vieLmehr Resignation zum Ausdruck. Dies wird besonders an dem pessimistischen Ton deutlich, in dem in den Versen 23f. Cynthias Verhalten von dem vorbildlichen Verhalten der zuvor aufgefUhnen Heroinen des Mythos abgehoben wird. Die Beziehung zwischen Properz und Cynthia befindet sich mittlerweile offenkundig in einem Sladium, in dem Properz wegen bereits erlebter Enttäuschungen keine hohen Erwartungen mehr hat. Dementsprechend versucht er im Schlußabschnitt der Elegie nicht wie in dem von I, 2, Cynthia zu einer Änderung ihrer Einstellung zu bewegen, sondern äußen lediglich noch eine ,,Minimalforderung"", indem er sie bittet, wenigstens davon abzulassen, ihre falschen Schwüre zu wiederholen. Auch zwischen den Schlußabschnitten der Elegien 1, 2 und I, 15 gibt es wörtliche Entsprechungen: 1,2,
29f.:
1,15, 25f.:
unico nec des;' iucundis gralia v (! r bis, omnia quoeqlle Yenus qlloeque MjneQ/(J probat,
desine ;am revocare t/lis per;ur;o ver bis. Cyn/hia, el obU/os parce lIlovere fkJu
Ocr Begriff verbis. der am Hexameterschluß des jeweils vorletzten Distichons steht, bezeichnet in I, 2, 29 die angenehmen Worte der Cynthia, von denen Properz bezeugt, er schätze sie noch höher ais ihre Schönheit. In i, 15, 25 hingegen handelt es sich um die Worte, mit denen Cynthia ihre periuria bekräftigt; Properz bittet sie, damit aufzuhören, diese Worte zu wiederholen. Im nächsten Vers ist von jeweils verschiedenen Gottheiten die Rede: In I, 2, 30 werden Venus und Minerva als diejenigen Göttinnen genannt, die Cynthia mit Talenten ausstatten. In 1,2,26 wiederholt Properz in etwas anderen Worten die Bitte aus dem vorherigen Vers, indem er Cynthia nunmehr auffordert, die Götter, die ihre falschen Schwüre schon vergessen hätten, nicht erneut zu provozieren. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß, wie bei anderen Elegien des ersten Properzbuches, sich auch im Falle der Elegien 1,2 und I, 15 hinter den formalen und inhaltlichen Entsprechungen sowie den wörtlichen Anklängen ihr wesentlicher Unterschied verbirgt. Die Entsprechungen und Anklänge haben somit auch bei diesen beiden Elegien hauptsächlich die Funktion von Signalen ihrer gegensätzlichen Bezogenhcit.
2. Die Elegien 3 und 16
Die Elegie I, 3 Im ersten Abschnitt der Elegie I, 3 berichtet Properz davon, wie er, spät in der acht betrunken heimkommend (VV. 9f.), Cynlhia in scheinbar tiefen Schlaf versunken antriffi (VV. 7f.). Dieser tiefe Schlaf wird zu Beginn der Elegie mittels mythologischer Vergleiche genauer charakterisiert: In den Versen I f. wird Cynthi-
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as Schlaf verglichen mit dem der Ariadne zu dem Zeitpunkt, als sie, so heißt es hier in leichter Abwandlung der gängigen Fonn des Mythos 462 , bei der Abfahrt von Theseus' Schiff erschöpft am Gestade lag. in den Versen 3f. dient zum Vergleich der erste Schlaf, in den Andromeda versank, nachdem sie von den harten Felsen befreit worden war. I, 3.
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Qualis Thesea iacuit cedente carina languida desertis Cnosia litoribu$,' qualis et accubuit prima Cepheia somno, libera iam duris cotibus, Andromede; [nec minus assiduis Edonis fes$a choreis qualis in herboso concidit Apidano; 1 taUs visa rnihi moUem $pirare quietem Cynthia non certis nixu caput manibus,
Aufdie heiden Vergleiche aus dem Mythos in den Versen 1-4 folgt in den Versen 5f. ein driner. Während die ersten beiden von ganz bestimmten mythischen Frauen handeln, ist in diesem allgemein von einer thrakischen Bacchantin (vgl. Edonis) die Rede, die, erschöpft vom ständigen Tanzen, am grasbewachsenen Ufer des Apidanus niederfällt. In dem dritten Vergleich fehlt des weiteren, wie Hannon beobachtet hat, jegli· ehe Anspielung auf eine männliche Figur, die der des Theseus oder Perseus entspräche; es ist darum, wie er richlig anmerkt, "tbe Maenad, who is quite self-sufficienl in her ecstasy... an apparent anomaly in the list,>464. Der Dichter der Verse 5f. hat sich hauptsächlich an den heiden Vergleichen in den Versen 1-4 und an den nachfolgenden Versen 7f. orientiert; darum entbehrt der dritte Vergleich auch der Hintergrundigkeit, welche, wie sich im Nachhinein zeigt, die beiden Verglei· che in den Versen 1-4 besitzen. Hannon bemerkt treffend zu den Versen 1·6: ,.Ari. adne's sleep deserlis... liloribus and Andromeda's duris cotibus are ,soft' only in a metaphorical sense. But the Maenad's resting place in herboso... Apidano is, like Cynthia 's, literally 11I0//is..46S • Was die Sprache der Verse 5f. angeht, so fällt zunächst auf, daß qlla/is ungewöhnlicherweise im Pentameter, also an siebier anstatt, wie in den beiden vorigen Distichen, an erster Stelle im Satz steht. In der fonnal den Versen 1·7 sehr ähnlichen Passage Ov. am. I, 10, 1·7, die von Fedeli fur eine Imitation der Properzstelle gehalten wird, die jedoch vielmehr umgekehrt der Anlaß rur die Hinzufugung des Vgl. Catull. 64. 46J Housman yerselzt die Verse 2, 2, 9-12 hinter V. 6. ~ Harmon, S. 155f. Harmon versucht indes auf umständliche und wenig plausible Weise, diese Anomalie als besonders kunslVoll herauszustellen. 46j Hannon, S. 158. Die Inlerpretation yon Wlosok (S. 340), die den entscheidenden Aspekl des drillen Vergleichs darin sieht, daß, wie bei der Bacchanlin, SO auch bei Cynthia die "Erregung durch den Schlaf nur Oberdeckl ist und beim Erwachen wieder losbrechen kann", halte ich deshalb tur yerfehlt, weil die Erregung bei dem primum und dem secundum comparalionis jeweils völlig unterschiedlicher NaNr ist
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dritten mythologischen Vergleiches in den Versen Sr. ist, steht qualis jeweils am Hexameterbeginn; vgl. Ov. am. I, 10, 1-7: fl.#lJl& ab Eurota Phrygiis avecta eadn.is. (V. I)... qualls erot Lede... (V. 3)... fl.#lJl& Amymone... (V. 5)... lJIli:i eros... (V. 7). Neben der ungewöhnlichen Position von qualis ist eine weitere Auffalligkeil der umgangssprachliche Gebrauch von minus (V. 5) im Sinne von non 466 sowie der ungewöhnliche Gebrauch von in in der Formulierung in herboso concidit Apidano (V. 6t 67 .
• Im Anschluß an die Beispiele eines tiefen Schlafes nach vorherigem Leid (VV. 1-4) folgt die Beschreibung von Cynthias tiefem Schlaf (VV. 7f.). Erst im Verlauf der Elegie wird die volle Tragweite der beiden mythologischen Vergleiche, insbesondere die Funktion der Formulierungen desertis Iitoribus (V. 2) und libero iam duris cotibus (V. 4) als subtile Anspielungen auf Cynthias Leid in der Zeit vor dem Einschlafen deutlich 468 . Nachdem Properz davon berichtet hat, wie er die schlafende Cynthia vorfand (VV. 1-8), als er spät in der Nacht betrunken heimkam (VV. 9f.), fahrt er ab V. 11 mit der Erzählung fort: Noch nicht ganz von Sinnen, versuchte er, sich behutsam auf dem Bett abstützend, Cynthia nahezukommen (VV. I If.). Jedoch wie sehr ihn auch Amor und Libcr dazu drängten, den Arm um sie zu legen und sie zu küssen (VV. 13-16), wagte er es aus Furcht vor ilm:n wohlbekannten Wutausbrüchen nicht, ihre Ruhe zu stören (W. 17f.). Die FomlUlierung conor adire in V. 12 erzeugt eine gespannte Erwartung des Ausganges von Properzens Annäherungsversuch, die jedoch erst in V. 17 (noll tarnen ausus eram) gegeben wird. Slatt dem in den Versen 11-16 beschriebenen Drang nachzugeben, sich Cynthia körperlich zu nähern, den Arm unter sie zu legen und sie zu küssen, beschränkt Propen sich darauf, aufmerksam seinen Blick auf die Schlafende zu heften (W.19f.). 1,3,
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sed sie intentis haerebllm JIXUS oeelJis, Argus ut ignotis eornibus Inaehidos. let modo solvebam nOslra defronle eorolJas469 ponebamque luis. Cynlhia, lemporibus; et modo gaudebam lapsos formare eapjffos: nuncfurtiva cavis poma dabam manibus; omnia quae ingralo·1O largibar munera samno·'I ,
Fedeli bemerkt hierzu: "Properzio ha intenzionalmenle distinto l'esempio della baccante dalle precedenli citazioni miliche, servendosi d'una espressione propria deI sermo communis edella variatio della posizione di qllolis... .. 461 VgL Camps: ..Here in muSI (unusually) mean ,bcside (the river)'." Die Verse 5f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. 2 erfaß!. 46& S. unten. 469 Die Klausel defronle corallas slamml aus Ov. met. 8, 178, wo der in 1,3, If. berOhr1e Zusammenhang vorliegt: ... sumplam Ih (ronle coro",,-m. Eine ähnliche Klausel ist nur noch Gv. epist. 21, 167 belegt: proicit ipse sua deductas (nmle COCOnlU.. 410 Für den Versanfang vg1. den von CalUll. 76, 9 omn;a quae ;neratae... sowie den von Prop. I, 17, 4 omnjQque ineauQ. .. 466
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munera de prono saepe voluta sinti: et quoriens raro duxti suspiria motIIm, obstupui vano credulus auspicio, ne qua tibi insolitos partarent visa rimores, nelle quis inviram cogeret esse suam:] donee diversas praecurrens luna fenestras, luna moraturis sedula /uminibus, compositos /evibus radiis pate/eeil oce//os.
(1,3,21_30)473
Die Schilderung von Properzens im Ansatz steckengebliebenem Versuch, sich der schlafenden Cynlhia zu nähern (VV. 11-18), hat den Bearbeiter dazu veranlaßt, eine Passage einzufllgen, in der er dem Properz die Annäherung an Cynthia nun doch noch gelingen läßt. Indem er dabei Inhalt und Charakter der Verse 19f. vollkommen ignoriert, berichtet er, die Erzählfiktion, so Petersmann, durchbrechend 414 , wie er die Girlanden von seiner Stirn löste und sie auf Cynthias Schläfen legte (VV. 21f.) und wie er ihre Haare ordnete und ihr Fruchte hinlegte (VV. 23f.). Die Verse 25f. sind ein umständlicher Kommentar zu eben diesen Fruchten, der besagt, daß jene oft von ihrem Schoß herunterrollten. Das SprachgefUhl stößt sich an dieser Erweiterung der in sich geschlossenen Aufzählung in den Versen 21-24. Die Vcrse 27-30 knüpfen an die Schilderung in den Versen 21-24 an; es tritt allerdings ein jäher Stimmungswechsel ein: Bei jedem Seufzer der Schlafenden sei er, so berichtet der Dichter, erschrocken, in dem Glauben, daß sie von schlimmen Träumen geplagt werde, in denen sie jemand wider ihren Willen sich gefllgig mache. Die friedvolle Atmosphäre in den Versen 21-24 wird durch diese in den Versen 27-30 zum Ausdruck gebrachte Sorge nicht nur unterbrochen, sondern sogar nachträglich untergraben 475. Wlosok bezeichnet die Sprache der Verse 21-6 als "aufTallend schlicht und innig. Gleichmäßig gebaute, kurze Hauptsätze, die nie über den Vers hinausgreifen, sind in geduldiger Aufzählung aneinandergereihL. die sparsam verwendeten Stilfiguren einfach und ungekünstelt ... AfTektische Sprachelemente, wie Wortwiederholung und breite Apposition, drängen sich vor." Was sie als Kunst ansieht, halte ich fUf dichterisches Unvermögen. Wlosok erwähnt des weiteren die auffällige "rhythmische, klangliche und weitgehend auch syntaktische Gleichfömügkeit der Verse 21 und 23:
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412
47)
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Die Junktur ingratus somllllS ist nur noch in [Prop.) 3, 10,25 belegt: du/ciaque inergtps adimant convivia samoas; die Verse 3, 10,23-26 hat Heimreich getilgt. Die Klausel munera somno ist aus Ov. fast. 3, 185 geholl: in stipu/a p/acidi capiehat munera somnj. Die Klausel suspiria motu stammt aus Ov. met. 2, 753 t1 tanto penitus traxit suspjrja 11JJJ1H.. D. C. L. Struve spricht sich gegen V. 25 aus, unter Vorbehalt auch gegen V. 26. Petersmann, S. 35. Diese Sorge indes wird vom Dichter selbst durch die Fonnulierung VOM... auspicio (V. 28) wieder entkräftigl.
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et modo solvebam 1/nostra 1de fronte corollas et modo gaudebam II/apsos 1formare capi/los
(V. 21)
(V. 23)"
und weist auch auf die Parallelität der zugehörigen Pentameter 22 und 24 hin: "gleiche Verteilung von Längen und Kürzen in der ersten Vershälfte, korrespon· dierende Homoioteleuta am Ende bei der Hälften (tu;sl cav;s, tempor;busl man;· bIlS)"476. Ähnliche oder gleiche metrische Struktur zweier benachbarter Distichen ist an sich noch kein Verdachtsmoment; sie kann sich zunillig ergeben haben oder durch Ähnlichkeit im lnhalt oder in der Stimmung der beiden Distichen begünstigt werden. So hängt etwa die identische metrische Struktur der Verse 19f. und 31f., wie weiter unten ausfUhrlieher dargelegt ist, damit zusammen, daß in bei den Distichen ein und dieselbe ruhige Stimmung herrscht. Die identische metrische Struktur der Verse 21 f. und 23f. hingegen resultiert hauptsächlich daraus, daß das eine Dis· lichon als Vorlage fur das andere gedient hat. Sie iSI ein Zeichen von Interpolatorenökonomie. V. 22 ist laut Shackleton Bailey der erste Beleg fUr einen bloßen Ablativ in Ab· 477 hängigkeit von ponere . Die "direkle, namentliche Anrede Cynthias" im selben Vers, "zu der Properz in der gesamten Eleßie nur hier vorslößt", ist nach Wlosok "sichtbarstes Zeichen der erreichten Nähe'>'! s. Mir scheint das plötzliche Auftreten und ebenso plötzliche Verschwinden der direkten Anrede Cynthias vielmehr ein 479 Indiz fUr den mangelhaften Einbau der Interpolation zu sein . Zu formare in V. 23 bemerkt Lyne: "This is no usual word to describe the arranging ofhair.,,4&t> In den Versen 25f. befremdet die doppelte Apposition omn;a qllae... munera... 1 nlfmera. In diesem Distichon besteht außerdem, was den Gedankenverlauf angeht, eine ungute Spannung zwischen dem Vers 25, der das Vorhergehende abschließend zusammenfaßt, und dem Vers 26, der gleichwohl noch ein Kommentar zu mllnera aus V. 25 ist. V. 26 dient ebenso auch zur Erläuterung von ;ngrato in V.25. Dadurch aber erhält dieser Aspekt ein unangemessen starkes Gewicht. Schließlich ist auch der Charakter der Epanalepse in V. 26 ungewöhnlich. Während eine Epanalepse sonst lediglich zusätzliche Informationen liefert, wird hier in 481 ungewohnter Weise ein eigener erzählender Satz durch sie eingefUhrt . ln V. 27 nillt die ungewöhnliche Synkope dllXtt· S2 auf. Die FOffil duxti kommt sonst nur noch in Calull. 91, 9 vor. An weiteren synkopierten Verbfonnen gibt es im Properzcorpus lediglich consumpst; in [prop.} I, 3, 37 und ;mposta esl in 4,2,29 483 . Zu ausp;cium in V. 28 bemerkt Lyne: "Propertius is attribuling 10 Cynthia and her actions an obviously absurdly in.f1ated importance, and the element of self.mocking humour is c1early very near the surface." Lyne weisl auch auf die Die verschiedenen Zitate aus Wlosok, S. 344ff. m Shackleton Bailey, S. 269. m Wlosok, S. 344. 479 Weitere Stellen im ersten Properzbuch, an denen der unvennittelte Wechsel der Anrede ein Intcrpolationsindiz ist, sind die Verse [Prop.) I, 17, Sf. und 9·12. 480 Lyne (I), S. 73. 411 Ein weiteres Beispiel einer solchen Epanalepse ist [Prop.} I, IS, 19f. 411 Diese notwendige Verbesserung der überlieferten Form dweil findet sich in den deteriores. 41} Zu diesen und weiteren synkopierten Verbformen vgl. Zwierlein 1999, S. 426f. 476
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problematische Anbindung der Verse 29f. hin, indem er zu ne (V. 29) anmerkt: "The syntax thus develops along an unexpected route, and the information we awaited is unexpectedly conveyed.'..484 In der Tat fehlt ein Verb des Fürchtens, das die Konstruktion formal einleitete48s . In V. 29 ist schließlich auch das Attribut in· 50lillls, gemessen an dem dramatischen Ton der Verse 27-30, unpassend gewählt. Die Verse 21·30 stehen nicht nur in einem klaren inhaltlichen Widerspruch zu den Versen 19f. 486 ; auch die Anbindung der Verse 31fT. bereit'et Schwierigkeiten: Erstens paßt das friedvolle Bild vom vorbeiziehenden Mond, der mit seinen Strahlen sanft die Schlafende aufweckt, nicht im Anschluß an die in den Versen 27-30 beschriebene Unruhe. Zweitens wird mit dieser Unruhe ungeschickt schon der nächste Abschnitt der Elegie vorweggenommen, in dem die bis dahin herrschende Ruhe tatsächlich durchbrochen wird 487 .
• Auf die Verse 19f. folgen passend die Verse 31 f. Indem davon die Rede ist, daß Properz sich in den Anblick der Schlafenden vertieft (VV. 19f.), wird, im Bilde gesprochen, die Kamera gleichsam für einen längeren Zeitraum fixiert. Während dieses Zeitraumes ist die einzige Bewegung die des Mondes, dessen Licht, durch die Fenster hereindringend, im Zimmer umherwandert (VV. 31 f.). Die ruhige Stimmung der Verse 19f. kommt, wie Wlosok anmerkt, auch im Metrum zum Ausdruck: "Die abfallende innere Bewegung wird vom Versrhythmus aufgefangen: Der Hexameter des letzten Distichons (sc. VV. 19f.) besteht mit Ausnahme des obligatorischen Daktylos im 5. Fuß aus reinen Spondeen.'>488 Auch nach V. 30 setzt, wie ebenfalls Wlosok erkannt hat, "eine schwache, auch metrisch spürbare Retardierung"489 ein. Dies ist nicht unwichtig; denn bei genauerer Betrachtung erweist sich die metrische Struktur der Verse 19f. und 31f. hinsichtlich der Verteilung von Längen und Kürzen nicht nur als ähnlich, sondern sogar als identisch. Dies steht im Einklang mit der ähnlich ruhigen Stimmung, die in beiden Distichen herrscht, und ist somit ein weiteres wichtiges Anzeichen dafür, daß sie in der ursprünglichen Fassung der Elegie sehr gut unmittelbar nebeneinander gestanden haben können. Das im Zimmer umherwandernde Licht des Mondes (VV. 31 f.) weckt schließlich Cynthia auf, die sich aufrichtet und zu sprechen beginnt (VV. 33f.). Bis zu diesem Moment dauert die friedliche Atmosphäre der Elegie an. Was jedoch be· reits durch visa in V. 7 angedeutet wurde, bewahrheitet sich nun tatsächlich: Der traute Friede war nur Schein. Die Verse 35f. bringen nämlich eine plötzliche Wen-
4&4
48! 486
417 4U 419
Die verschiedenen Zitate aus Lyne (I), S. 73f. Hodge und Buttimore ad loc. Vgl. HamlOn's Kommentar. S. 161: ..There is linie in 21·30 to eneourage the interpretation that the lover is somehow purified of his passion in the encounter with his ,otherworldly mistress· ... Otis (S. 22) versucht abzumildern, wenn er zu den Versen 21·30 bemerkt: "only a temporary lapse from the objeclivity ofthe poem as a whole." Die Verse 21·30 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. 3 erraßt. Wlosok, S. 343. Wlosok, S. 346.
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de: Mitten in die zuvor beschriebene Ruhe 490 bricht nun ein Gewitter von Cynthias Unmut auf den ahnungslosen Properz hernieder: Endlich komme er, da eine andere ihn ausgeschlossen habe, zurück, so fragt sie ihn vorwurfsvoll (VV. 35f.). 1,3,
34
sie air in mo/lifIXa loro eubilum: 'Iandem te noMro referens ilriuria lecto allerius cJausis expulil e foribus?
37
(namqlle llbi tanga meae conswnpsti lempora noclis491 , languidus exacfis, ei mihi, sideribus?]
38
o utinam talis perducas, improbe, nocfes, me miseram quaJis semper habere iubes!
11,3,37f·1 Der Ton der rhetorischen Frage in den Versen 35f. ist vorwurfsvoll und empört. Diese Empörung will der Bearbeiter verdeutlichen, indem er Cynthia in den Versen 37f. eine weitere rhetorische Frage in den Mund legt: Wo Propen dcnn die lange Zeit ihrer Nacht zugebracht habe, er, der jetzt, da beinahe schon der Morgen anbreche, erschöpft heimkomme. Die in dieser Frage implizierte Unterstellung steht im Widerspruch zu den Versen 35f., in denen Cynthia die Vermutung geäußert hatte, eine Andere habe Properz ausgeschlossen. . .Für V. 37 hat V. 39, die eigentliche Fortsetzung von V. 36, als Vorlage gedient: Noclis am Schluß von V. 37 geht auf "oc/es in V. 39 zurück - wodurch V. 39 teilweise um seine Wirkung gebracht wird. V. 38 hingegen ist stark an V. 2 derselben Elegie angelehnt. Die metrische Struktur der beiden Verse ist sogar identisch: V.2:
v. [38]:
languida deserti.f Cnosia tiloribus laa~uidus exacw, ei mihi, sideWlIl.l'2.
Ansonsten gleicht die Sprache der Verse, wie Curran anmerkt, derjenigen der zen· tralen Abschnitte der Elegie: "Some of the language... continues the naturalness of the central sections of the poem: there are e1isions (37, 44), the syncopated verb form consllmpsli (37), and the colloquial expressions namqlle ubi (37) and ei milJj
(38).'""
• 490 491
492
49J
Vgl. die Verse 7f., 17f., 3 I f. Vorlage ftir den ProperzvcT'ii ist offenbar Tib. I, 9, 63 Wa nulla queat meNus consumere Melem. Die zwcite Vershälfte ist mit der von [Ov.] am. 2, 10.27 identisch: saepe ego las· cil'e ronsumps; kmooCQ aoctis. Die Verse 13f. und 21-28 in am. 2,10 sind von Zwierlein getilgt. Lyne (I, S. 77) verdanke ich den Hinweis auf die wönliche Entsprechung von languidus (V. 38) zu languida (V. 2). Curran, S. 205; zu der ungewöhnlichen synkopiertcn Fonn consllmpsli vg!. die Ausftihrun· gen zu duxti in [V. 27}. Die Verse 37f. sind im Typologickapitcl in Abschn. I. A. I. c cr· faßt.
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Nach dem Umschwung von der scheinbar friedvollen nächtlichen Atmosphäre in eine erbitterte Scheltrede Cynthias an Properz in den Versen 35f. gelangt die Elegie mit den anschließenden Versen 39r., in denen Cynthia dem Properz solche Nächte wünscht, wie er sie ihr durch sein treuloses Fernbleiben beschere, zu einem Ende, dessen vorwurfsvoller Ton wirkungsvoll nachhallt. 1, J,
39
o ulinam la/is pertluCIIS, improbe, noctes, me miseram qualu semfWr Irabere iubes!
41
[nam modo purpureo fallebam sramine somnum, rursus et Orpheae carmine./essa, Iyrae: interdum fevirer mecum deserta querebar exlema fangos saepe in amare"" maros495: dum me iucundis fapsam Sopor impulir aUs. ilIafuil facrimis ultima euro meis496.1
46 (1,3,41-461
Die Verse 41-46 sind eine Erläuterung der taUs noctes in V. 39. Dcr Dichter läßt Cynthia berichten, wie sie sich mit unterschiedlichen Mitteln wachhielt und wie sie von Zeit zu Zeit klagte, bis sie schließlich der Schlaf mit seinen sanften Schwingen umfing. Mitunter werden gerade diese sechs Verse herangezogen, um das Bestehen von subtilen Bezügen innerhalb der Elegie nachzuweisen. Es existieren in der Tat Anklänge an die Eingangsverse der Elegie: Somnum in V. 41 entspricht dem samno in V. 3,Jessa in V. 42 dem /essa in V. 5, deserta in V. 43 dem desertis in V. 249'7. Die Deutungen dieser Entsprechungen gleichen einander: Nach Wlosok ist Cynthia "am Schluß wieder allein. Anfang und Ende des Gedichts sind also sorgfaltig aufeinander hin komponiert"491. Laut Hering bildet "der Schlaf Cynthias Anfang und Ende des Ganzen"499. Was Zweifel an der Echtheit der Verse 41-46 aufkommen läßt, sind ihr Ton, ihre Gedankenfolge und ihre sprachliche Form. Zum einen ist, so Petcrsmann, "der aggressive Ton vollkommen verschwunden"soo. Sodann besteht die Beschreibung Es existieren zwei sehr enge Parallelen für die Junktur saepe in amore: (Prop.J I, 9, 34 ... sacoc in omou fevat und [Prop.) 3, 8, 18 ... sl,,:oe in amou natlU.; die Verse 3, 8, 13-18 hat Housman getilgt Die andere Stelle im Properzcorpus, an der die Junktur externus amor vorkommt, 2, 32, 31, hat deutlich Prioritat vor der in Frage stehenden: Tyndaris externo patriam mutavit amore. Der einzige weitere Beleg fUr diese Junktur ist Ov. episl. 17,98 quam cadat e:derno noster amoupudor, wo die Junktur ähnlich verwendet ist wie in unserem Vers. 495 Eine llhnliehe Klausel wie amore moros findet sich sonst nur noch in Prop. I, 13, 6 certus el in nulla quaeris "mou mOi'Qm. .,.. Für eine Ihnliehe Klausel gibt es nur noch zwei Belege: Ov. ars 2. 746 ... proximtl CNi'Q auae und trist. 3, 11,70 maxim, cui'Q mW. Für V. 46 insgesamt vgl. Ov. cpisl. 12,34 iJJM filit mentu prima ruina auae. .., Vgl. Petersmann, S. 35, lyne (I), S. 77. * Wlosok, S. 351 . .,. Hering (11), S. 57. lOG Petersmann, S. 36.
4901
n.
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von Cynthias Handlungen vor dem Einschlafen, wie Wlosok zu bedenken gibt. "aus einer unchronologischen Aufzählung der Tätigkeiten... die Sätze sind auffallend unregelmäßig eingeführt... <Es> wechseln hier in rascher Folge die Konjunktionen: flom modo, mrsus, interdum. Unstetigkeit und innere Unruhe der Wartenden treten so hervor... ~OI Was schließlich die sprachliche Form der Verse angeht, so ist die Wiederaufnahme von modo - modo et quotiens (VV. 21 ff.) durch nam modo - rurslls - imerdllm (W. 41 ff.), die Petersmann, ebenso wie die Entsprechung der Imperfektfonnen soll/ebam, ponebam, gaudebam (VV. 21 ff.) undfallebam, querebar (VV. 41 ff.)S02 fur eine gewollte Korrespondenz hält, ein Indiz für die gleiche Autorschaft der beiden Partien. Weitere Anzeichen flir die ökonomische Arbeitsweise des Bearbeiters bei der Komposition der Verse 41-46 sind das Adverb leviter (V. 43), das an derselben Versstelle bereits in V. [15] gebraucht ist, sowie das Partizip lapsam (V. 45), das an derselben Versstelle steht wie lapsos in V. [23]. Mit der Scheltrede der Cynthia in den Versen 35f. und 39f. gelangt die Elegie zu einem wirkungsvollen Abschluß. Die vorwurfsvolle Frage in den Versen 35f. und der erbitterte Wunsch in den Versen 39f. stehen zu dem Rest der Elegie in einem beabsichtigten krassen Gegensatz, der durch jegliche Art der Fortsetzung nicht verschärft, sondern bloß in seiner Wirkung geschmälert werden kann. Durch die Erläuterung von taUs noetes aus V. 39 in den Versen 41-46 wird der prägnante Schluß der Elegie allerdings nicht nur verwässert, sondern geradezu widerrufen. Schon die Verse 41-44 in ihrem wehleidigen Ton sind eine schlechte Entfaltung der taUs nDetes, die Cynthia dem Properz in den Versen 39f. wünscht. So bemerkt etwa Lyne zu der Passage: "At line 41, Cynthia in a change of tactics sinks to a tone of whining reproach full of self_pity"S03; Hering spricht von einer "liebenswerten Übertreibung bzw. Verallgemeinerung in den Versen 43_44"504. Das letzte Distichon (VV. 45f.) hingegen steht sogar im Widerspruch zu dem Charakter der taUs noetes in V. 39: In ihm entsteht der Eindruck, als sei in dem Augenblick, wo der Schlaf Cynthia mit seinen sanften Schwingen umfing, das vorangegangene Leid überstanden gewesen. Offensichtlich hat der Dichter in diesen Versen nicht mehr die taUs floeles aus V. 39, sondern nur noch das Bild der wartenden Cynthia vor Augen50~.
• Die Elegie 1, 3 ist, wie ich zum Abschluß darlegen will, ringkompositorisch aufgebaut. Der Nachweis dieses ringkompositorischen Aufbaus bekräftigt zusätzlich die getätigten Tilgungen. Die ersten vier Verse der Elegie handeln von Heroinen des Mythos, denen Cynthia in ihrem ruhigen Schlaf ähnlich zu sein ~; in den vier Schlußversen wird in Cynthias Scheltrede an Properz ihr ~ Gesicht offenbar.
Wlosok, S. 349. )02 Petersmann, S. 38. )0) Lyne (0, S. 76. 5001 Hering (11), S. 71. )Os Die Verse 41-46 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. C. I erfaßt. )01
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Anfangs. und Schlußvers der Elegie sind durch den Begriff qllalis miteinander verklammert S06 . Einen ersten ..inneren Ring" bilden das dritte und das drittletzte Distichon der Elegie, also die Verse 7[ und 33f. Im ersteren Distichon ist die Haltung der.s..c.hl.a.:. ~, im letzteren die der ~ Cynthia dargestellt. Eine wörtliche Ent· sprechung besteht zwischen maUem (V. 7; dies ist der filnfte Vers der Elegie) und molli (V. 34; dies ist der flinftletzte Vers der Elegie). Auch die Fonnulierungen, mit denen Properz jeweils Cynthias Haltung beschreibt, gleichen einander: Vgl. nua cap"t manibus in V. 8 mit{Lxa taro cubitum in V. 34. Die Verse 7f. und 33f., die den ersten "inneren Ring" bilden, sind ihrerseits durch wörtliche Anklänge mit einem weileren "inneren Ring" verbunden, der aus dem fiinftcn und dem ftlnftletzten Distichon besteht, also den Versen 11 f. und 19[, die den Rahmen des zentralen Abschnines der Elegie bilden: Molliter in V. 12 klingt an moUem in V. 7 an. Ocellis am Schluß von V. 19 hingegen wird durch oceUos am Schluß von V. 33 aufgegriffcn 507 ; demfuus in V. 19 entsprichtluG in V. 34 508 . Die einander entsprechenden Begriffe beziehen sich in dem jeweils äußeren Distichon aufCynthia, in dem jeweils zentraleren auf Properz.
Die Elegie I, 16 Die Elegie I, 16, ein abgewandeltes ,Paraklausithyron', hat die Fonn des klagen. den Monologes einer Tür. Die Tür beginnt ihre Klage damit, daß sie sich zunächst ihre ruhmvolle Vergangenheit vergegenwärtigt (VV. 1·4) und dieser anschließend ihre schmachvollen derl.eiligen Verhältnisse gegenüberstelh. Als erstes nennt sie nächtliche Slreitereien Betrunkener, die mit ihren unwürdigen Händen auf sie ein· schlagen (VV. Sf.). In den Versen 9f. erwähnt sie, daß sie nicht in der Lage sei, ihre Herrin vor Beschimpfungen zu schUlzen. 1,16,
5
7
8
nune ego, noelurnis potorum SOUdil r;xis, PUISiltO indignis soepe queror manibus let mihi nonYJ9 desunllUrpes pendere corollae semper et exdus; signa iacere faces. ] nec possum infamis dominae defendere voces 5lO,
Das Schlußdistichon als ganzes klingt mit den Begriffen taUs (V. 39) und qualis (V. 40) an den ersten Abschnitt der Elegie an. Dies haben auch Curran (S. 205) und Lyne (I, S. 77) festgestellt. Auch die im folgenden von mir genannten wönlichen Entsprechungen inner· halb der Elegie sind zum Teil bei Lyne (I, S. 77) aufgeführt. ~ Lyne (I, S. 75) merkt zu ocellos in V. 33 an: "Our attentions are turned not forward, but back, to the idealistic moment of line 19, when Propertius had referred to his own eyes thus." 50lI Aufdiese Entsprechung weisen Lyne (I, S. 77) und Hannon (S. 161) hin. YJ9 Ocr Versanfang el miM non ist in dem relevanten ~,eitraum sonst Dicht mehr belegt. Er ist womöglich an den Anfang des Verses Prop. 1,4, 18 et tibj non angelehnt, den der Bearbeiter auch in [Prop.) I, 6, 23 übernommen hat und der ebenfalls sonst nicht mehr belegt ist.
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nobi/is obsunis tradi/II carminibus,' 11
(nec tarnen i//a suae revocotur parcerefomae511 ,
12
turpior et saec/i vivere /uxuria.] hss inter gravius cogor deflere quere/as supp/icis 11 /ongis tristior ucubiis.
(1,16,7f·l m Den beiden Distichen, in denen Propen die Tür ihre gegenwärtige schmachvolle Lage schildern läßt (VV. Sr. und 9r.), hat der Bearbeiter jeweils noch ein Distichon angehängt, in dem er zum Zwecke der Steigerung die Not der TOr weiter ausmalt. In den Versen 7f. werden als weitere Schmach, die die Tür ertragen muß, lurpes coroflae genannt, die von ihr herabhängen, sowie Fackeln eines exclusus, die ständig vor ihr liegen. Was diese beiden Verse verdächtig macht, ist die verfrühte Anspielung auf den ausgeschlossenen Liebhaber durch exclusus in V. 8. Ganz deutlich wird jener nämlich, wie die gedankliche Zäsur vor V. 13 und die Komparative gravius in V. 13 und Iristior in V. 14 nahelegen, erst in diesen Versen eingeführt. Hinzu kommen sprachliche Auffillligkeiten: Die Junktur el... non... el ist laut Fedeli prosaisch. Zu non desunl... pendere bemerkt Fedeli: "La costruzione personale di desum + infinito e rara ed estranea alla lingoa dei I sec. a. C., dove comparc solo in Properzio." Diese Ungewöhnlichkeit wird dadurch gesteigert, daß von non a'esunt neben pendere auch der Infinitiv iacere in V. 8 abhänft. Schließlich ist semper in V. 8 nach non desunt in V. 7 eine unschöne Tautologie 13. 1I,16,lIf.)
Die Verse I1 f. enthalten eine Beschwerde darüber, daß die domina, ihren Ruf nicht schonend, ein ZOgeIlases Leben filhre. Um die Schwierigkeiten, die diese beiden Verse dem Versländnis bereiten, deutlich zu machen, seien zunächst einige Kommentare zitien. Butler und Barber bemerken zu den Versen: "The couplet is difficult and obscure, but it can be translated and made to yield fair sense." Nicht zufriedener äußern sich Hodge und Buttimore über den Verlauf des Gedankenganges: "Nec tarnen probably relates particularly to the vile verses of the previous line... Turpior al the beginning of line 12 seems roeant to attach the whole line loosely to i/la ... Line 13 is also loosely attached to what preeedes, through has inler."
Am Schluß von V. 9 ist noctes überliefert. Housman konjiziert voces. Noctes steht mit dem Inhalt der Verse llr. in einem besseren Einklang als voces; allerdings sind diese beiden Verse ebenfalls unecht. Für die Konjektur voces spricht kJar die Fonnulierung obscenis tradita carmirribus in V. 10. die eine geeignete Spezifikation von infamis voces ist. nach rroctes hingegen keinen rechten Sinn ergibt. 511 Die Junktur parcere famae findet sich nur noch in Ov. am. 3, 14, 36 si dubilas famae pararr, par« mihi. 51! Die Probleme in dieser Passage sind schon früher erkannt worden. Phillimore vcrsettt die Verse 7r. hinter V. 10, Richrnond hinter V. 12. lachmann hat die Verse Ilr. anfangs getilgt und sie dann hinter V. 48 versetzt. E. Baehrens versetzt sie hinter V. 8. m Die Verse 7r. sind im Typologiekapilel in Abschn. I. A. I. b erfaßt.
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ll5
Auch hinsichtlich ihrer sprachlichen Form geben die Verse Ilf. zu ernsten Bedenken Anlaß: Die Konstruktion nec... revocarur parcere /amae... er... vivere läßt sich nicht zufriedenstellend erklären'l.: ..Tbe double infinitive is c1umsy and the change of construction renders the line obscure. But there is no plausible remedy", bemerken Butler und Barber. Die Verse 11 f. sind ein oberflächlich angebundener, moralisierender Kommentar zu in/amis voces in V. 9. Der Bearbeiter hat sie mit dem Ziel hinzugefiigt, die Entrüstung der Tür zu steigern. Zum Ausdruck von EntrOstung dient der Komparativ turpior in V. [12], wie in V. [7] turpes. Diese Verwendung ein und desselben Begriffes in zwei so eng benachbarten Interpolationen ist wieder ein Beispiel von ..Interpolatorenökonomie""s.
• Nachdem die Tür, wie in den Versen 1-4 ihre glorreiche Vergangenheit, in ebenfalls vier Versen ihre schmachvolle derzeitige Lage dargestellt hat (VV. Sr. und 9f.), kommt sie ab V. 13 auf ein noch größeres Leid zu sprechen: Auf das Leid, welches ihr das Los des exc/usus amator beschert, von dessen Klagen sie Zeugc ist. Nach dieser eleganten Überleitung zu dem exclusus amotor in den Versen 13f. berichtet die Tür im nächsten Distichon, jener lasse ihre Pfosten mit seinen ausdrucksvollen Schmeicheleien nie zur Ruhe kommen (VV. 15f.). Ab V. 17 gibt sie die Äußerungen des e.xclusus in wörtlicher Rede wieder. Diese beginnen mit dem Vorwurf, die Tür sei sogar grausamer als ihre Herrin (V. 17), an den sich die empörte Frage anschließt, warum sie ihm gegenüber verschlossen sei und schweige (V. 18). Es folgen weitere empörte Fragen: ..Warum öffnest du dich nie und gewährst meiner Liebe Zutritt, und warum leitest du meine verstohlenen Bitten nicht weiter (VV. 19f.)? Wird meinem Schmerz kein Ende gewahrt werden und wird der schmachvolle Schlaf auf einer lauwarmen Türschwelle mein Teil sein (VV. 21f.)?'" In den Versen 23-26 macht der Liebhaber der Tür zum Vorwurf, daß sie, während die Sterne, die Mitternächte und die kalte Luft des Morgengrauens ihn schmerzten, erbarmungslos mit dem Schweigen ihrer Angeln antworte. Anschließend äußert er den wehmütigen Wunsch, seine Worte möchten durch einen Spalt in ihr an die Ohren der domina gelangen (VV. 27f.), und fügt in den Versen 29·32, die Berechtigung dieses Wunsches beteuernd, hinzu, daß seine domina, möge sie auch noch so hart sein, ihre Augen nicht werde unter Kontrolle halten können, wenn ein Wort von ihm an ihr Ohr dringe, sondern unter unfreiwilligen Tränen zu seufzen beginnen werde; nun aber liege sie im glücklichen Arm eines anderen, während seine Worte im nächtlichen Wind ungehört verhallten (VV. 33f.). Der Schluß der Elegie I, 16 ist um mehrere Zusätze erweitert. Für echt halte ich nach den Versen 33f. noch die Verse 37f., 41f. und 47f. Im Anschluß an die Verse 33f. beteuert der e.xc/usus amator, er habe niemals die Tür durch freche Worte verletzt (VV. 37f.), sondern oft Gedichte für sie verfaßt und ihre Stufen geküßt SI~ Zu einer ausführlichen Diskussion verschiedener Erklärungsversuche vgl. Fcdeli ad loe. SI'
Die Verse 11 r. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. A. I. b crfaßt.
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(VV. 41 f.), Mit diesen Worten enden seine Klagen. Es folgt das letzte Distichon, in dem die TOr abschließend nochmals zusammenfaßt, welche Dinge ihr Schmerzen bereiten (VV. 47f.). 1,16, 33 35
36
39 40 43
46
nunc ;IIC~t a/urius fdici nlxll Jauno, 111 m~1I flocturflo ~'~rba cllduflt Z~phyro. [sed tu SO/li mei tu maxima causa do/oris. \';cta meis numquam, ;anua. mUfleribus'l'.] t~ non U//Il "'~Il~ Jllesit pnu/llfltilllingull~; qua~ soln ;rato d;ur~ tllnta iDCO, . quereI'" a Iut me tom Ionga raucum pol/are solJicitas trivia pervigi/are moras.] IIt tibi sa~pe nova deduxi carm;na v~f'su, osculaqu~ innixus pressa d~di gradibus. [an/e tuos quotiens \'f!rti me. perfidaSll , po.ftis debitaque occultis vota luli maniblls!" haec Ule et si quae miseri novistis amomes, et matutinis obs/repil alilibus.) sie ~go nune dominae vitiis el semper amantis fletibus a~terna differor in\·idia.'
[t, 16, 3sr.)Sl9 ach der wehmOtigen Aussage in den Versen 33f., nun liege seine domina in den Armen eines Anderen, während seine Worte im nächtlichen Wind ungehört ver hallten, beteuert der exclusus omalar in V. 37, er habe niemals die Tür durch freche Worte verletzt. Dieser Beteuerung ist ein Distichon vorangestellt, in dem der Dichter der Tür vorwirft, sie, die einzige und größte Ursache seines Schmerzes, sei nie von seinen Gaben besiegt worden (VV. 35f.). Die Verse 35f. sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. In V. 35 erscheint die Verbindung von ma;cimo und sola ungereimt. Was mit muneribus in V. 36 gemeint ist, bleibt unklar. Zwar wirken die Verse 37f. formal wie eine Erklärung von V. 36 und somit von muneribus; inhaltlich gesehen sind sie es allerdings nicht. Der Dichter der Verse 35f. hat bei mllneribus womöglich an die CQrminQ aus V. 41 gedacht, dabei aber nicht beachtet, daß diese in einen Kontrast zupellllantia in V. 37 eingebunden sind und sich darum über die Verse 37f. hinweg gedanklich nicht mit V. 36 verbinden lassen. Schließlich bereitet auch der gedankliche Übergang von 4
Sehr auffällig ist die starke Anlehnung des Distichons an V. 25 der Elegie: tu sola humaflOS flumquam miserata dolow. Der Vers I, 16,25 erinnert an ein Distichon im zweiten Properzbuch; vgl. die Verse 2, I, 57f.: omnis humanos sanal medicina l/iJJ.ilw. I solus amor... m Vgl. [Prop.) I, 8A, 15 ul Me defuum WJCUQ ud,tur in ara; der einzige Beleg tur eine Ihnliche Klausel wie potiare querela iSI V. 123 der pseudoovidischen Nux: ... domini /1Jl.:. lienda fuerda esr. s•• Vgl. Ov. episl. 20, 115: inde fil. ut f"gcims exsistue ocrfitia templas. m Daß diese Sielle bereits frOher als problematisch empfunden wurde, zeigen verschiedene Eingriffe: Richmond versetzt die Verse 15f. hinter V. 36 und die Verse Hf. hinler V. 16. 51.
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V. 36 nach V. 37 Probleme: Das le zu Beginn von V. 37 ist nach dem zweifachen tu in V. 35 verwirrend520 .
(1,16,39f.) Die Verse 39f. enthalten einen Konsekutivsatz, der gedanklich auf höchst ungewöhnliche Weise an das vorausgehende Distichon angebunden ist. Man muß verstehen: "leh habe dich niemals mit frechen Worten beleidigt (V. 37),... so daß du ein Recht darauf hättest, zuzulassen, daß ich, heiser vom langen Klagen, kummervoll auf dem Weg wache (VV. 39f.)." Dieser Konsekutivsatz wirkt nicht nur "nachgeschoben"m, sondern bringt außerdem die inhaltlich eng zusammengehörigen Verse 37f. und 41 f. auseinander. Problematisch ist des weiteren die Erwähnung des trivium in V. 40, die sich gedanklich mit dem Aufenthalt des exc/usus vor der verschlossenen Tür (vgl. V. 22: turpis et in lepido /imine sonmus eriI?) nicht vereinbaren läßt. Es erweist sich als nützlich, zwei weitere Elegien, in denen das Paraklausithyron-Motiv variiert wird, zum Vergleich heranzuziehen: Tib. 1,2 und Ov. am. 1,6. In Tib. 1, 2 stehen Motive, die denen in den Versen 37f. und 41 f. bei Properz ähnlich sind, in unmittelbar benachbarten Distichen; vgl. Tib. I, 2, II fl: VV.IIf.: VV. 13f.:
et mofa si qua tibi duil dementia nostra, / ignoscas... te meminisse decet quoe plrlrima voce peregi / supplice...
Das Adjektiv raucus in V. 39 hat der Bearbeiter möglicherweise aus Ov. am. I, 6, 50 geholt. Er bezieht es in einer recht eigenartigen Übertreibung auf den exc/usus amalor'22. Ovid hat es sinnvollerweise als Attribut für die Tür gebraucht, indem er sie als knarrend darstelltm.
11,16,43-46)524 Die Verse 37f. und 41 f. bilden eine gedankliche Einheit: ..[ch habe dich nicht durch freche Worte verletzt (VV. 37f.), sondern ich habe oft Lieder für dich gedichtet (VV. 41 f.)." Es folgen zwei unechte Distichen, die ich getrennt voneinander untersuche. Die Verse 43f. enthalten eine weitere Beteuerung nach Art derjenigen in den Versen 41f., die sich allerdings gedanklich nicht in die Einheit einfügen läßt, welche die Verse 37f. und 41 f. bilden: Der Dichter weist in ihnen daraufhin, wie oft er sich vor der Tür gedreht und ihr debita vota gebracht habe. no Die Verse 35f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 4 erfaßt. S21 Denselben redundanten Charakter hat Obrigens auch der Konsekutivsatz in [Prop.] I, 8A, 15f., auf dessen fonna1e Ähnlichkeit mit V. 39 ich bereits in der Anmerkung zu letzterem Vers hingewiesen habe. m Zu der lihnlich mißlungenen Junktur rauci... cycni in [Verg.] Aen. 11,458 vgl. Zwierlein 1999, S. 195. Zwierlein tilgt die Verse Aen. 11,451-458. sn Die Verse 39f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 3 erfaßt. m Die Verse 45f. tilgte als erster Quo Zwierlein.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuchcs
Nicht nur lassen sich diese beiden Aussagen nicht an das Vorhergehende anbin· den - sie sind auch in sich kryptisch: Richtig merken Hodge und Buttimore zu V. 43 an: "The final couplet ofthe lover's speech is very strangc". Butler und Barber weisen die Interpretation von verli me als einer religiösen Handlung mit Recht als "ingen.ious, but too far-fetched to be probable" zurück. Bei der Komposition von V. 44 hat deutlich der vorige Pentameter, V. 42, als Vorlage gedient: V.42:
oscul8JlJH
V·I«]'
debitaJUU
impressis. occultu..
mx,,val,,-
dedi luli
gradÜl.ll..S. maniJuts.
Die Verse 45f. sind dem echten Schlußdistichon von I, 16, den Verscn 47f., nachgebildet. Sic haben ebenfalls einen summarischen Charakter: "So spricht der Licbhaber und wetteifert mit dem morgendlichcn Gesang der VögeL" Dic Verse 45f. lassen dic Verse 47f. redundant crscheinen. Bcide Distichen haben jeweils den Charakter eines Abschlusses der wörtlichen Rede des exclUSllS und zugleich der Elegie. In den Versen selbst steht der Ton, in dem die Apostrophe et si quae miseri 110vis[is amantes gehalten ist, im Widerspruch zu dem der vorausgehenden KJagen. Schließlich besteht zwischen den Begriffen amanles 3m Schluß von V. 45 und amantis am Schluß von V. 47 eine ungute Reibungm .
Entsprechungen zwischen den Elegien 3 und 16 Wie im Falle von 1,2 und I, 15, so verbirgt sich auch hinter den Entsprechungen zwischen den Elegien 1,3 und 1, 16 ihr markanter inhaltlicher Gegensatz.. In beiden Elegien wird jeweils eine unterschiedliche nächtliche Szene beschrieben. In 1,3 kommt Properz spät in der Nacht betrunken heim. Er will sich zunächst der schlafenden Cynthia nähern, verharrt dann allerdings bis zu ihrem Erwachen still an ihrem Lager. Als sie erwacht ist, wirft sie ihm sein spätes Heimkommen vor und wünscht, er möge solche Nächte erleben, wie er sie ihr stets beschere. Die Eie· gie I, 16 ist ein abgewandeltes Paraklausithyron. Sie handelt vor allem von den nächtlichen Klagen eines ausgeschlossenen Liebhabers. Bereits in den ersten Abschnitten der beiden Elegien, die jeweils acht Verse um· fassen, wird die gegenseitige Bezogenheit deutlich signalisiert. Die ersten vier Verse beider Elegien handeln von Vergangenem: In 1,3, 1-4 sind dies mythologische Vergleiche, mit denen Properz die friedvolle Ruhe der Cynthia beschreibt; in I, 16, 1-4 sind dies die Ausfilhrungen der Tür über ihre früheren ruhmreichen Zei· ten. Nennenswert ist die Entsprechung von libero am Anfang von I, 3, 4 und cop[orum am Anfang von I, 16, 4. In ihr deutet sich bereits der unterschiedliche Grundtenor der bei den Elegien an. Am Ende des sechsten Verses der beiden Elegien steht der Begriff manibus, mit dem in I, 3, 8 die Hände bezeichnet werden, auf die die schlafende Cynthia ihr su Die Verse 43(. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. 1 maßt, die Verse 45f. in I. B. 3.
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Haupt stützt, in I, 16, 8 hingegen die rohen Hände von Betrunkenen, die auf die Tür einschlagen. Auch das Motiv der Trunkenheit kommt beide Male vor: in I, 16 in negativer Weise (vgl. V. 5: lloc/urnis po/Drum saucia rixis), in 1,3 dagegen ohne jegliche negative Färbung: Die weinselige Stimmung, in der der Dichter des nachts heimkommt (vgl. V. 9: ebria cum mul/o traherem vestigia Baccho) entspricht dem relativ unbeschwerten Stadium, in dem sich die Beziehung zwischen Propen und Cynthia, anders als in I, 16, zu diesem Zeitpunkt noch befindet. Auch der Beginn der Klage der Cynthia in I, 3 weist deutliche Entsprechungen zu dem der Klage des ausgeschlossenen Liebhabers in I, 16 auf: Das jeweils erste Distichon (1, 3, 35f.; I, 16, 17f.) ist eine empörte Frage, die mit dem Begriffjoribus endet. In 1,3 kommt diese Frage aus Cynthias Mund, in I, 16 aus dem Mund des ausgeschlossenen Liebhabers. Hinter den Entsprechungen zwischen den beiden Elegien I, 3 und I, 16 verbirgt sich ihr entscheidender inhaltlicher Unterschied. Das Blan hat sich von I, 3 nach 1,16 klar gewendet: In 1,3 wird aus der Sicht des Propen die Beziehung zu Cynthia als sicher beschrieben; er kann sich einiges herausnehmen. ohne damit Cynthias Anhänglichkeit aufs Spiel zu setzen. In I, 16 ist, wie in 1,3 Cynthia, nunmehr der Liebhaber in der Position des Benachteiligten.
3. Die Elegien 4 und 5
Die Elegie I, 4 In 1,4 wendet sich Propen an Bassus, der ihn durch das Lob anderer Mädchen von Cynthia abzuwenden sucht. Er fragt den Adressaten, warum er dies tue und ihn nicht die restliche Zeit seines Lebens in dem gewohnten servitium amaris zubringen lasse (VV. 1-4). Anschließend gibt er ihm jedoch zu verstehen, daß seine Angriffe keinen Erfolg haben werden: Selbst wenn er eine Antiope oder eine Hermione oder jede andere beliebige schöne Frau aus dem Mythos vor ihm ruhme, bringe Cynthia ihren Ruhm zum Verblassen (VV. 5-8). Die Aufeinanderfolge einer Protasis, bestehend aus zwei spezifischen (W. 5f.) und einer allgemeinen Aussage (V. 7), und einer markanten Apodosis (V. 8) stellt ein wirkungsvoll in sich geschlossenes Ganzes dar. 1,4,
5
9 10
tu licet Antiopoeformom Nycteidos, et tu Sportonae referas loudibus Hermionae, • et quascumque tulit formosi temporl.s ados,. Cynthia non iIIas nomen habere sinat: {nedum, si ievibusfuerit collatafi~ris526, inferior duro iud/ce turp/s 17 eat.] haec sedforma mei pars est extrema furoris,. sunt maiora, quibus. Basse, perire iuvat:
Die Junktur levis figura ist sons! nicht belegt. m Vorbild ist Ov. am. 2, 17,2 iIIo cOllvincar ilH/icc turois ego. 526
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Die Elegien des ersten Properzbuches
(1,4,91.)
Die Verse 9-10 sind zum Zwecke einer weiteren Steigerung der Klimax in den Versen 5-8 interpoliert worden: "Wenn du Cynthia mit mittelmäßigen Schönheiten verglichest, würde sie erst recht nicht für minderwertig erklärt in Schande davongehen, selbst wenn der Schiedsrichter hart wäre." Diese Ausweitung der KJimax in den Versen 5-8 läßt zum einen unberücksichtigt, daß jene bereits abgeschlossen ist und keine Fortsetzung zuläßt. Zum anderen steht sie in einem gedanklichen Widerspruch zu den Versen 1-8: Bassus versucht, Properz durch das Lob anderer Mäd· chen von Cynt.hia abzubringen (VV. 1-4); Properz versichert ihm, er werde .s.t1.b.s.1 dann keinen Erfolg haben, wenn er mythische Schönheiten rühmte (VV. 5-8). Die· ser gelungene klimaktische Gedankengang der Verse 1·8 m wird durch die Verse 9f. untergraben. Denn man muß die Verse 5·8 losgelöst von dem, was vorausgeht, betrachten, damit sie mit den Versen 9f. einen vernünftigen Gedankengang ergeben. Aufgrund des fledum in V. 9 lassen sie sich nicht mehr steigernd im Sinne von "Du hättest s..e.lbs..L..cI keinen Erfolg, wenn..... auffassen, sondern erhalten eine neue Bedeutung: "Du hättest ~ keinen Erfolg... (VV. 5-8); erst recht nicht, wenn ... (VV. 9f.)" Die gedankliche Anbindung der Verse 11 f. ist nach den Versen 9f. ebenfalls problematisch. Haec forma in V. II läßt sich nur sehr indirekt auf die Verse 9f. beziehen. Die Verse 9f. sind auch an sich überladen. In dem Bestreben, eine größtmögliche Steigerung zu erreichen, hai der Dichter in ihnen zwei Gedanken kontaminiert: nedum si levibus fuerit collata figuris und duro iudice S29 • Der zweite Gedanke ist überhaupt abwegig, da sich Propen im Vorhergehenden lediglich auf sein eiienes, subjektives Urteil beruft5Jo .
• Die Verse Ilf. schließen sich sehr schön an die Verse 5-8 an. Nachdem Properz dort bekräftigt hat, daß Bassus ihn selbst durch das Lob herausragend schöner Frauen (vgl.formam in V. 5 undformosi temporis in V. 7) nicht irritieren könne, überbietet er in den Versen Ilf. diese Aussage, indem er versichert, Cynlhias Schönheit (vgl. forma in V. 11) sei das Geringste, was ihn an sie fessele; sie habe größere Vorzüge, die ihm noch weitaus mehr bedeutcten SJl •
Zum einen stellt tu lieet Antiopaeformam... re/eras laudibus... (VV. 5f.) eine Steigerung gegenüber tam multas lalldando... puellas (V. I) dar; zum anderen ergibt sich durch die Verallgemeinerung quaseumque in V. 7 innerhalb der Verse 5·8 noch eine zusätzliche Steigerung, welche die erstere verstärkt. 'Z9 Camps' Interpretation, daß duro "is said here rrom the loser's point orview", der sich auch Fedeli anschließt, halte ich rur wenig plausibel, da sie von einer noch komplizieneren als der hier angenommenen Gedankenkontamination ausgeht. HO Die Verse 9r. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. A. 2 erfaßI. '31 Man kann sogar so weit gehen, zu sagen, daß V. 11 nach V. 8 stehen.lIl1lß: Der Sinn von V. 8 wird durch haee/orma in V. 1I ersl richlig erhellt. 521
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1,4,
11 13
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hau sedfo,ma mei pars esl ext,ema furons; sunt mllio,a, quibus, Basse, pe,;,e ;Ul'tJt: [;ngenuus COlD, el multis decus artibus. et quae gaudia sub tadta discere \'t'Ste libetll2 .] quo magis et nostras contendis soll'e,e amo,es, hoc magis accepta fallit uterque fide.
(1,4, Br.I!..)) Die Vel!ie 13f. sind eine Erläuterung der Andeutung maiara in V. 12. In einer Aufzählung weiterer Qualitäten Cynthias nennt der Dichter als erstes ihren ingenuus color. Wie auch immer dieser Ausdruck genau zu verstehen ist - eine scharfe Abgrenzung vonJorma (V. 11), die wegen sunt maiora (V. 12) notwendig wäre, ist j nicht gcgeben ).4. Die anschließend genannten Vorzüge Cynthias bereiten nicht geringere Probleme: Nach maiora in V. 12 sind allenfalls spezifische Angaben angemessen, nicht aber eine allgemeine und darum wenig aussagekräftige wie multis decus artibus und quae gaudia sub tadta ducere veste libet. Auch im Falle der Verse 13f. ist die problematische Anbindung der folgenden Verse ein Interpolationsindiz. Das et in V. 15 suggeriert nach den Versen 13f., daß die dortige Aufzählung fortgesetzt wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sprachlich gesehen ist zumindest die Verbindung muflis decus arlibus bedenklich. Butler und Barber bezeichnen sie als "a hold descriptive ablative", Fedeli, der sich Shackleton Bailey anschließt, als "un ablative d'origine, un uso raro in dipendenza da sostantivi". Was den Inhalt der Verse 13f. betriffi. so hat sich ihr Dichter an der Partie 1,2, 27ff. orientiert. Der gedankliche Kontext dort ist dem in 1,4 ähnlich. In 1,2 versichert Properz Cynthia in den Versen vor V. 27, ihre Schönheit komme in naturbelassenem Zustand am meisten zur Geltung. Ab V. 27 zählt er dann die mullOe ortes auf, die ihm Cynthia besonders teuer machen (vgl. cum proesertim in V. 27), i.e. mehr als ihre Schönheit dies tue. Sprachlich sind die Verse 13f. zum Teil an die voraufgehende Passage angelehnt: fibet am Schluß von V. 14 ist dem iUVOI am Schluß von V. 12 sehr ähnlich, während et quae am Schluß von V. 13 stark an el lu am Schluß von V. 5 erinnert SH •
• In gelungener Anknüpfung an seine Erklärung in den Versen 11 f., er sei Cynthia nur zum geringsten Teil wegen ihrer Schönheit verfallen, folgert Properz in den Das Distichon ist deutlich an Prop. 2. 6, ) If. angelehnt: ... qui prorulit arte / turpia m.b. wa'q condita laelitia. m Richmond nimmt hinter V. 14 eine LOcke von vier Versen an. Die Verse I3f. tilgte als erster Ollo Zwierlein. ')01 Butler und Barber fassen forma im Sinne von ..,figure' nol ,beauty'" auf. Dem ImBt sich entgegenhalten, daB forma aufgrund der in V. 7 vorausgehenden Formulierung (QrmoU temporis aettu keineswegs so eng aufgefaBI werden kann. ns Die Verse I)f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. B. I erfaßt. ll2
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Versen 15f. triumphierend, daß, je mehr Bassus sich bemühe, ihre Liebe aufzulö~ sen. desto mehr jeder von ihnen heiden aufgrund des gegenseitigen Treueverspreehens sein Vorhaben vereiteleS36 • Nachdem er mit diesen Wonen den sicheren Mißerfolg des Bassus prognostiziert hat, geht er noch weiter, indem er dem Freund selbst künftige Strafe fiir seine Versuche, ihn und Cynthia zu entzweien, androht: Cynlhia werde von Bassus' Versuchen erfahren und sicb mit lauten Worten feindlich gegen ihn wenden (VV.17f.). t,4,
11
11011 '-"'PUlle. fe.res: sein hllec ;"santl puella
19 20
el ,ibi non Illci/U \'OCibus hostis ui/; [nee üb; mem post hQ« commiuet Cymhia nee te quaercr}l: erit fant; criminis iIIa mcmo,'19, J er le eir'cum omll;$ alitU irata pueflas differet: heu nul/o /imine (llrus eris!
11,4,19f.)
Während sowohl in den Versen 17f. als auch in den Versen 21 f. von Cynthias un· mittelbarer Reaktion auf Bassus' EnlZweiungsversuche die Rede ist, wird in den Versen 19f. die fernere Zukunft ins Auge gefaßt (vgl. post haec. erit iIIa memor): In ihnen heißt es, Cynthia werde de!1 Kontakt zwischen Bassus und dem Dichter unterbinden und ihn auch selbst nicht mehr aufsuchen. Diese beiden Drohungen geben zu einiger Verwunderung Anlaß: Zum einen klingt die Drohung, daß Cynthia den Kontakt zwischen Properz und Bassus unterbinden werde. recht ausgefallen, urn es gelinde auszudrücken. Des weiteren kann die Fonnulierung nec te quae· ret kaum anders als im erotischen Sinne verstanden werden; sie steht damit in einem krassen Widerspruch zu den Versen 15f., die jegliches Interesse von Cynthia an Bassus vollkommen ausschließen. Schließlich stößt man sich auch an dem Aus· druck tanti criminis, der nur im Sinne eines Erfolges von Bassus' Bemühungen gedeutet werden kann und damit in dem gleichen inakzeptablen Gegensatz zu den Versen 15f. steht wie die Verse 23fT.• die ebenfalls einen solchen Erfolg voraussetzen. Was die Sprache der Verse betrim, so stört, daß in V. 17 von der puella die Re· de ist und erst zwei Verse später der Name Cynthias rulh~o .
• Sehr gut fUgen sich an die Verse 17f., in denen Properz dem Bassus tur seine Versuche, ihn und Cynthia zu entzweien, eine Strafe androht, die Verse 21 f.; in ihnen Dem er in V. 15 kommt also ein konsekutiver ebensinn zu. m Der Versanrang nec tibi me ist aus Ov. trist. 3, 6, 4 geholt. 'li Vgl. CatulJ. S, 13 nec te requird nec rogabit invitam. ')IJ Die Klausel i/Ia memor findet sich nur noch in dem ebenfalls verdachtigen Properz\'crs 3, 12,20 ... non erit j//a "(IIIoe. Sonst steht iIld..Q memor stets am Versanfang. S<eO Vgl. dagegen 1, SB, 27·30. Oon gehl der ennuns von Cynthias Namen lediglich ein Pronomen voraus. Die Verse 19f. sind im Typologiekapitel in Abschn. J. A. 1. a. erfaßt. 'J'
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setzt Properz die in den Versen 17f. begonnene Darstellung der unmittelbaren Y.tC:. b..a.ltn Reaktion Cynthias fort: "Und sie wird dich bei allen anderen Mädchen ringsum diffamieren." Den Schluß dieses Distichons, und damit zugleich der Elegie, bildet ein mitleidsvoller Ausruf: Bassus werde, wenn das Angedrohte eintreffe, keiner Türschwelle mehr willkommen sein. Dieser Schluß steht gedanklich ganz im Einklang mit den Versen 15f.: Die Beziehung zwischen Properz und Cynthia hat sich gegen die Entzweiungsversuche behauptet; Bassus ist kläglich gescheitert. 1,4,
21 23
25
I, 5,
1
et te eircum omnis alias irata puellas differet: heu nullo Jimine carus eris! [n/lllas iIIa suis cOlllemlletflelibUJ aras, er quicumque saeer qualis ubique lapis. /lall ullo gravius temptalur eyn/Ma damno quam sibi eum raplo eessat amore deUJ S41 : . • praeelpue nosr,.,·S42 . manear sIe semper, ad ara, nee quiequam &\ i/la quod quera~) inveniam! invide S44 , tu tandem voees eompesee molestas S4 ) er sine nos eursu, quo SUnlUJ, ire pures!]
(1,4,23_5,2)5046 Die FornlUlierungen nu//as... contemnet in V. 23 und non !lllo in V. 25 lassen im Anschluß an lW//O in V. 22 die Erwähnung weiterer Maßnahmen Cynthias gegenüber Bassus nach Art der zuvor geschilderten erwarten. Ganz im Gegenteil enthalten die Verse 23-26 jedoch eine Beschreibung von Cynthias Reaktion für den Fall, daß Properz sie aufgibt. Sie haben wider Erwarten die Funktion, die Schwere der Konsequenzen von Bassus Verhalten für Cynthia als Leidtragende, und nicht mehr für ihn selbst, zu unterstreichen, und stehen somit in einem inhaltlichen Widerspruch zu dem Vorhergehenden, in dem kein Zweifel daran gelassen wird, daß Bassus mit seinen Attacken scheitern werde54'. S41
Dic Klausel arnore deus iSI aus Tib. 2, 3, 32 geholt jabula sir mavull quam sine «more dna. Sie findel sieh ansonsten nur noch in [Prop.]I, 13,22 Taenariusjaci/i pressit «more
rWH. Für dcn Versanfang hat Oy. ars 3, 770 als Vorlage gedient: praecipue oOSlcum est...; ein ähnlicher Versanfang isl sonst nur noch in der eiris, V. 99 belegt: praec;oue 0oslro... S4J Die Wendung quod querar ist noch an zwei weiteren Stellen belegt. In Oy. trist. 5, 1,37 Slehl sie am Versanfang, in Oy. episl. 14, 110 an der selben Versstelle wie in unserem Vers. S44 Mit invide beginnt [Oy.] Pont. 4,16, I (s. Zwierlein 1999, S. 38911). S4' Hat womöglich Oy. ars 1,464 eiJugiant VQces verba moJe$la tuae als Vorlage gedienl? S46 Riehmond versetzt die Verse 25f. der inkriminierten Passage hinter V. 14. )41 Enk faßt eogis in V. 2 richtig als de eonatu auf. Ihm schließen sieh auch Pasoli (S. 28) und Fedeli an. Ebenso haben Hodge und Butlimore recht mil ihrem Kommentar zu den Anfangsversen der Elegie: ,,At this stage h~'(propertius) seerns to bc making no claims for Ihc relationship." Sie merken auch zu den Versen 23-6 zutreffend an: "The... two coupleis iI.lr:. prisio~~ deseribe her (Cynthia 's) reaClions if Propcnius were to rejcx:t her." Nicht nur die Verse 1-4, sondern die Verse 5-16 sind als Darstellung der wirklichen Verhältnisse aufzufassen: Bassus' Entzweiungsversuche sind aussichtslos. Dies kommt vor allem in der zu· S41
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Was die Sprache der Verse 23-6 angeht, so wird in V. 24 auf ungewöhnliche Weise an zwei negative Aussagen eine positive durch et angeknüpft, ähnlich wie z. B. in [Prop.] I, 16, 12. Die starke Betonung, die auf der Verallgemeinerung quicumque qua/is ubique liegt, hat keinerlei ersichtliche FunktionS48 ; das gesamte Distichon wirkt übertrieben S49 • In V. 26 ist als sprachliche Auffalligkeit außerdem der Gebrauch des ReOexivpronomens anstelle des Personalpronomens zu verzeichnen. Die Verse 27f. sind ein Nachtrag zu rapto amore: "Besonders der Verlust meiner Liebe verletzt Cynthia..." Suits hält dieses Distichon rur besonders künstlerisch: "The unusual enjambement of the beginning of the last hexameter lends the words praeeipue nostri special emphasis, while the consequent beginning of thc final sentence in midline gives an almost breathless intensity to the prayer it contains."sso Bei kritischerer Betrachtung ergibt sich ein anderes Bild: Nicht nur ist das Enjambement praeeiplle nOSIr; gewagt und untypisch rur Properz; das praecipue ergibt keinen Sinn - geht es doch auch vorher um die Beziehung von Cynthia zu Properz. Auch die Fonnulierung maneal sie semper, rur die Suits die Beschreibung "breathless intensity" findet, ist problematisch, weil sie sich nur ganz allgemein mit dem im Vorhergehenden mitschwingenden Aspekt von Cynthias Treue verbinden läßt. Was die Sprache der Verse angeht, so ist der Ausdruck adoro bedenklich. Adorare wird nach Camps sonst stets mit dem Akkusativ der Person, an die das Gebet gerichtet ist, konstruiert. Die ebenfalls interpolierten Verse 1,5, 1-2 sind schon von Enk, in jüngster Zeit von Heyworth mit gutem Grund zu 1,4 gezogen wordens~,. Sie sind mit dem Ziel interpoliert worden, der Elegie einen neuen Schluß zu geben, dessen sie nach der Hinzudichtung der Verse 23-8 bedarf. Properz hat der Elegie mit der knappen Prophezeiung heu nullo /imine earus er;s (V. 22) einen verhaltenen, aber wirkungsvollen Abschluß gegeben. Der Bearbeiter hingegen zieht mit der Aufforderung an Bassus, tandem voees eompesce moles/os (I, 5, I) eine Art Schlußfolgerung aus der vorausgehenden, von ihm selbst hinzugedichteten Passage. Indem er so der Elegie eine auf Bassus zurücklaufende schärfere Wendung gibt, bemilht er sich, einen Bezug nicht nur zum echten Schlußdislichon der Elegie, sondern auch zu ihrem Anfang herzustellen S52 • Die Aufforderung an Bassus in den Versen 1,5, If. versichtlichen Aussage der Verse l5f. zum Ausdruck: quo magis... /"oe magis accepta fallit uterquefide. 548 Hodge und Buuimore: "Line 23... could be serious hyperboie, but line 24 goes beyond that possibility, with its scaUer of words designed to inc1ude every conceivable recipient of this indiscriminate weeper's tears. Quicumque makes both qua/is and ubique redundant, except to make trebly sure that no possible stone has been left dry." Auch Pasoli (S. 31), gesteht zu, daß die Verbindung qua/is ubique in der hier vorliegenden Bedeutung sonst nicht belegt iSI. Andererseits meinl er jedoch: "In abundanti quidem sermone, nihil tarnen invenias quod tollete velis; nihil enirn inane aut supervacaneum esl." 549 Fcdeli: "Cinzia... non esita 8 ri'Orrere alle fomle pio primitive di eusebeia." Hodge und Buuimore: "The extravagance ofher response moves into burlesque." ~)() Suits, S. 91. ~" Zu den Versen selbst Enk: "Hoc distichon, de quo commentatores silent, magnas interprctanti praebet difTicu[tates." m Voces mo/estas verweist zurück auf /audando puellas (V. I), ire pares auf domina cogis abjre mea (V. 2).
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ergibt jedoch, nachdem seine Niederlage schon klar prognostiziert wurde, keinerlei Sinn. Sprachlich fallt in I, 5, 1 die kolloquiale Verwendung des Personalpronomens beim Imperativ Präsens auP5J.
Die Elegie I, 5 Die Elegie I, 5 ist aus einem ähnlichen Anlaß entstanden wie 1,4. Sie ist an Gallus gerichtet, der allerdings nicht wie Bassus darum bemilht ist, Properz von Cynthia abzubringen, sondern sich selbst ihr zu nähern suchtu .(. "Wie I, 4 trägt das Gedicht 1,5 unbestritten Warnungscharakter.',m Im Unterschied zu 1,4 wird in 1,5 der genaue Anlaß der Elegie erst am Schluß deutlich. Die Elegie beginnt, wie 1,4, mit einer durch quid eingeleiteten Frage: "Was willst du, Wahnsinniger?" Diese und die anschließende Frage: ,,(Willst du) die furores meines Mädchens kennenlernen?" geben zu erkennen, daß der Adressat der Elegie sich anschickt, Cynthia näherzukommen (V. 3}55{j. Es folgen drei Verse, in denen in warnendem Ton m unheilvolle Konsequenzen dieses Vorhabens angekündigt werden (VV. 4-6). I, S,
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Quid tibi ."is, insane? meos sentirefurores? infelix, properas ullima nosse mala, el miser ignotos vestig;a feTTe per ;gn;s, eI b;bere e tota lox;ca The!u·alia. {noll est iIIa vagis similis collata 551 puellis: molliter irasci non soler S9 iIIa tibi. quod si forte tuis!J60 non es! contraria votiS)61, at tibi curarum milia quanta daM!] non tibi iam somnos, non illa relinquet ocellos; illa feros animis alligal uno ."iro5.
m Die Verse I, 4, 23 - S, 2 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. C. I erfaßt, die Verse 1,5, If. zusätzlich in I. B. 1. .s~ Pctersmann, S. 48: "Einmal also soll Properz Cynthia, das andere Mal Cynthia Properz genommen werden." m Petersmann, S. 51. 556 Zur Tilgung der Verse 1,5, If., die nach dem unechten Ex.kurs in den Versen 1,4,23-28 hinzugefilgt worden sind, um der Elegie I, 4 nach der VerwäSserung des echten Abschlusses einen neuen zu geben, vgl. meine Behandlung der Elegie I, 4 .sn Vgl. infela, ultima mala, V. 4; miser, ignotosper ignes, V. .5; toxica, V. 6. .sn Vgl. {Prop.} 1,4,9 nedum, si levibusfuerit collgl!ljiguris. Daß die Elegien 1,4 und 1,5 in einem engen Bezug zu einander stehen, ist also offenbar auch dem Bearbeiter nicht entgangen. 159 Vgl. Ov. trist. 1,9,25 nec solei jrasci neque enim moderatior alter. .s6O Vgl. {Prop.} 2, 26, 13 quod si (orte luOS vidisset Glaucus ocellos. Karl Weber hält die Verse 2, 26, 13-16, Heimreich die Verse 2, 26,13-18 filr interpoliert. S61 Vgl. [Tib.] 3, 4, 83 nec tibi crediderim votis CQnlrtlria VOI!I.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
(1,5,7-101'" Auf die warnenden Andeutungen in den Versen 3·6 folgen zwei Distichen mit weiteren Ausflihrungen über Cynthia: Die Verse 7f. enthalten Angaben über ihr Wesen: Sie sei nicht mit den losen Mädchen zu vergleichen; sie werde nicht ver· stehen, ihm sanft zu zürnen. Nach den unheilvollen Andeutungen in den Versen 3·6 stellen diese Aussagen, insbesondere die von V. 8, eine unpassende Antiklimax dar. Hinsichtlich der Gedankenfolge noch problematischer sind allerdings die Verse 9f., in denen die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, Cynthia könne dem Werben des Gallus vielleicht nicht abgeneigt sein (V. 9), werde ihm aber selbst dann viele tausend Sorgen bereiten (V. 10). Mit der letzteren Einschränkung in V. 10 bemüht sich der Bearbeiter allem Anschein nach, eine gedankliche Anbindung sowohl an die warnende Zukunftsprognose der Verse 4·8 als auch an die echte Fortsetzung in V. 1I herzustellen. Aus diesem Grund wirkt die Formulierung curarum milia quanta in V. 8 sehr künstlich und gezwungen. An sprachlichen AufThlligkeiten in den Versen 5·8 ist zunächst der ungewöhnli· ehe Pleonasmus similis collata in V. 7 zu ncnnen S6J , sichtlich eine Erweiterung des einfachen collara in [Prop.] 1,4,9. Der Begriff collata steht in 1,4,9 an derselben Versstelle wie hier. Auch der Zusammenhang, in dem er veJVolendet wird, ist ein sehr ähnlicher: nedum si levibus fl.lerit collata jiguris. Des weiteren scheint, so Fedeli, der Gebrauch von quantus (V. 8) in der Bedeutung von quot hier zum er· sten Mal sicher belegt zu sein. Bei der Komposition der vier Verse hat sich der Bearbeiter nicht zuletzt auch an den Kontext angelehnt. Er beginnt seinen Zusatz so, wie die echte Fortsetzung in V. II anHingt: mit non. Im letzten Vers seines Zusatzes hat er sich ebenfalls an V. 11 orientiert: tibi steht in V. [10] an identischer Versstelle wie in V. 11 564 •
• In den Versen 11 f., die sowohl inhaltlich als auch fonnal gesehen die passende Fortsetzung nach den warnenden Andeutungen unheilvoller Konsequenzen von Gallus' Annäherungsversuchen an Cynthia in den Versen 3·6 sind, folgt nun die Konkrelisierung dieser warnenden Andeutungen: Cynthia werde Gallus keinen ruhigen Schlaf noch das Recht auf seine Augen lassen: Sie sei in der Lage, mit ih· rem Willen Männer zu beherrschen. Nach der unheilvollen Prophezeiung in den Versen 11 f. malt Properz in den nächsten vier Versen sehr lebendig und detailliert die voraussichtlichen Folgen von GalIus' Annäherungsversuchen an Cynthia weiler aus: Er werde oft, von Cynthia verschmäht, zu Properz gelaufen kommen, vor Schluchzen außerstande, zu reden; er werde unter kummervollen Tränen zittern und die Furcht werde sein Gesicht entstellen (VV. 13-6).
562 56.l $601
Postgate versetzt hinter V. 10 unter Vorbehalt die Verse 1,9, 23r. Camps nennt als Parallele Varro, ling. 9, 28: non bos ad bovern co/lalus similis. Die Verse 7r. sind im Typologiekapitel in Absehn. 11. B. 1 erraßt, die Verse 9r. in I. A. 2.
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Die rahmenden Elegien 1-5 und 15 - 18.22
1,5,
13
17 18
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a] mea contemptus quotiens ad timina curres, cum tibi singultu fortia verba cadent et tremulus maestis orieturfletibus horror et timor informem ducet in ore notam {et quaecumque voles~s fugient tibi verba querentiWi, nec pOieris. qui sis aut ubi. nosse miser!] tum grave servitium nostrae eogere puellae discere et ac/urum quid sit abire domum;
11,5,17[·1 Die detaillierte Beschreibung der schlimmen Folgen von Gallus' Annäherungsver· suchen an Cynthia fur ihn selbst (VV. 13-16) bietet sich rur eine Fortsetzung fdrmlich an. Der Dichter der Verse 17f. hat sich jedoch nicht die Mühe gemacht, nur neue Details hinzuzufugen: In V. 17 wiederholt er das Motiv aus V. 14: Dem klagenden Gallus werden die Worte, die er sagen will, entfallen. In V. 18 schließ· lich fugt er steigernd an, Gallus werde nicht wissen können, wer und wo er sei. Neben der Motivwiederholung aus V. 14 in V. 17 gibt es weitere Anstöße in den Versen 17f.: qui sis auf ubi ist laut Fedeli "un espressione proverbiale, tipica dei linguaggio colloquiale'<S67. Auf einem ähnlich niedrigen sprachlichen Niveau be· findet sich auch der Rest des Distichons: Eine Ellipse des verbum dicendi, wie sie bei el quaecumque va/es (V. 17) vorliegt, ist laut Fedeli häufig in der Komödie zu finden. Den Dativ nachfiigio bezeichnet Fedeli als "un uso propria dellinguaggio familiare"S68.
• Nach den Versen 13·16 haben die Verse 19f. ihren natürlichen Platz: In ihnen er· klärt Properz dem Gallus, die vorausgehende Beschreibung der Symptome eines exclusus amator (VV. 13-16) zum Anlaß fur eine moralisierende Schlußfolgerung nehmend: Wenn dies alles eintrete, werde er das harte servilium unter seinem Mädchen lernen sowie, was es bedeute, als ein Ausgeschlossener nach Hause ge· hen zu müssen (VV. 19f.). Die in den Versen 19f. beginnende moralisierende Schlußfolgerung wird in den Versen 21f. fortgesetzt: Nicht nur werde Gallus lernen, was es bedeute, als Ausge· schlossener nach Hause zu gehen (V. 20); er werde sich auch nicht mehr über seine, Properzens, Blässe wundem oder fragen, weshalb er so abgemagert sei (VV. 2If.). Hier knüpft Properz an einen Gedanken an, der bereits in meae senlire fiirares in V. 3 angeklungen war. 1,5,
S6$
566
21
nec iam pallorem tOliens mirabere nO.ftrum, aut cur sim toto corpore nullus ego.
Vorbild ist I, 13, 36, der Schlußvers von I, 13: e.LilJJ.otcumque yaks. una sit ista tibi. Die Klausel verba querenti ist aus Ov. fast. 3, 507 geholt: ... audibat iamdudum yerba
querentir. ~7 Pelcrsmann (S. 50) spricht bei )61
v.
18 von "epigrammatischer Kürze". Die Verse 17f. sind im Typologiekapilel in Abschn. I. A. I. a. erfaßt.
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
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26
30
[nec tibi nobilitas poterit suceurrere amantl"'; nescil Amor priscis cedere imaginibus'70. quod si parva luae dederis vesrigia culpat!. quam cito de tanto"" nomine rumor eris!] non '/:0 tum potero so/acia fe"e rogllnti. cum mih; null. me; sit mediein. moli; sed pariler miseri soc;o cogemur amore alter;rr alterius mutua flere s;n""
(1,5,2J-jj)
Die Ausftlhrungen über die Liebesleiden des Propen in den Versen 21 f. werden erst in den Versen 27f. fortgesetzt. Die Verse 23f. gehen in eine andere Richtung. Sie enthalten einen "anerthought", durch den die Prognose künftiger Leiden des Gallus (VV. 13-20) erweitert und verdeutlicht werden soll: Dem Adressaten werde in der Liebe, so heißt es. auch seine vornehme Abstammung nichts nützen: Amor wisse alten Ahnenbildem nicht zu weichen. Die Verse 23f. verlassen jedoch nicht nur die mit den Verscn 21f. eingeschlagene gedankliche Richtung - sie brechen auch die einheitliche Struktur der Verse 19-22 von vier Aussagen in vier Versen auf, indem sie eine weitere Aussage vom Umfang eines ganzen Distichons anfUgen. Die Verse 25f. handeln, an den nobililas-Gedanken des vorigen Distichons anknüpfend, von der Gefahr, die dem guten amen des Adressaten droht. Aus der Falle der Versuche, dieses Distichon zu interpretierenm, ist der von Lyr.e m , dem sich auch Hodge und Buttimore anschließen, am ehesten mit den Worten des Distichons zu vereinbaren: Propen überlege nun, wie Cynthia reagierte, wenn Gallus bei irgendeiner cu/pa ihr gegenüber enappt würde, i.e. sie betrOge. Nachdruck liege, so Lyne, auf luae, und parva sei ebenfalls wichtig: ."But if yOll evcr show any tiny trace ofinfidelity, you will...· The point ofthe couplet is that the degradation ofGallus at the hands ofCynthia if he is unfaith.ful will happen much more quickly (lhis is the effect of qllam cito) than in 11_18.'.514 Dieser Gedanke, der assoziativ aus dem vorausgehenden Distichon entwickelt wird, läßt sich nicht mit dem Rest der Elegie vereinbaren. Wenn Gallus von der Liebe zu Cynthia ergriffen wird, ist S69 Vorlage tur die Klausel paterit succurrere amant; ist ofTenbar I, 13, 25 lma dies omnis ,nQtu;t praecurrru ama"tjs. Aueh die Klausel von [Prop.] 1,20,3, ... fortuna ocau:c.it amqntj, ist allem Anschein nach der von I, 13, 25 nachgebildet. Eine ähnliche Klausel ist sonst nicht belegt. Der zweiten Haine von V. 23 eng verwandt ist auch die von Prop. 2, 26, 33 et tabula una duos poteOt componere amqntis. Die ersle Imitation ist offenbar luv. 6, 443 una laboranti pIlcerit SU""rrtU Lunae. HO Man beachte die aufTallende Ähnlichkeit der Verse 1, 14, 7f. aaa tarnen ista meo yakant rontenduc amori: / nadl Amor magnis udcu divitiis. Die Junktur nesdl Amor ist am Versanfang sonst nicht mehr belegt. mEin Ihnlicher Versanfang ist nur in [Ov. am.) 2, 18,27 belegt: guqm cilQ dr tOIQ... Zur Tilgung von am. 2,18 vgl. Zwierlein, S. 354fT. sn FOr einen Überblick vgl. Camps ad loe. sn Lyne (11), S. 262fT. 'l' Lyne (11), S. 269.
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Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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er wohl kaum in einer Position, in der er mit dem Gedanken an eine derartige cu/pa spielen könnte (vgl. die Verse 11-22)1 Nicht nur bringen die Verse 23-6 die eng zusammengehörigen Verse 21f. und 27f. auseinander; sie lassen sich auch an sich mit den Versen 27f gedanklich nicht verbinden: Die Formulierung so/aciajerre roganti in V. 27 steht in keinem angemessenen Verhältnis zu der in den Versen 25f erwogenen Möglichkeit, daß Gallus zum Gerede werden könnte. Sie paßt vielmehr nach der Prophezeiung wirklich sch.limmen Unglückes in den Versen 13-22. V. 23 ist, wie dies bei dem ersten Vers einer interpolierten Passage oft der Fall ist, eng an V. 27, die ursprüngliche Fortsetzung nach V. 22, angelehnt: V.(23],
v.n
an:. tibi nobilitas pot~rjt succurrere amll.D1i. lUU1
ega film potero solacia ferre rogll.D1i.S1S
• Die Verse 27-30 bilden mit den Versen 19-22 eine organische Einheit: Durch die eigenen Liebesleiden werde Gallus ein Verständnis fUr die bei Properz sichtbaren Folgen von dessen Liebesleiden zu entwickeln beginnen (VV. 19-22). Er, Properz, werde dem Freund allerdings keinen Trost spenden können, da er ja selbst kein Heilmittel fUr seine Krankheit besitze; vielmehr werden sie beide, als Leidensgenossen, einer in des anderen Schoß weinen (W. 27-30). Ein deutlicher inhaltlicher Bezug besteht zwischen V. 22 und dem Ausdruck mei mali in V. 28; sprachlich gesehen spricht fUr die enge Zusammengehörigkeit der beiden Blöcke VV. 19-22 und VV. 27-30, daß das tum zu Beginn des letzteren (V. 27) das tum zu Beginn des ersteren (V.19) fortfuhrt. Im letzten Distichon zicht Properz die Schlußfolgerung aus der vorausgegangenen Zukunftsprognose, sie werden beide, als Leidensgenossen, einer in des anderen Schoß weinen (VV. 29f.): Gallus solle aufhören, zu ergründen, wozu Cynthia in der Lage sei. Er werde dies nicht ungestraft tun (VV. 3If). Hiermit ist der Gedankengang zum Ausgangspunkt zurückgekehrt (vgl. die Verse 3-6) und die Elegie abgerundet. Entsprechungen zwischen den Elegien 4 und 5 Die Elegie I, 4 hat eine besonders gleichmäßige Struktur. Sie besteht aus zwei Hälften von je acht Versen. In der ersten Elegiehälfte beschwert sich Properz bei Bassus, weil dieser versucht, ihn durch das Lob anderer Mädchen von Cynthia abzubringen (VV. 1-4), erklärt aber gleich darauf eben diese Versuche fUr vergeblich, indem er beteuert, Cynthia übertreffe selbst die Heroinen des Mythos an Schönheit (VV. 5-8). Die zweite Hälfte der Elegie besteht, ebenso wie die erste, aus zwei Abschnitten von je vier Versen: Im ersten Abschnitt versichert Properz dem Adressaten, Cynthias Schönheit sei nur der geringere Teil dessen, was ihn an sie fessele; je m
Die Verse 23f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. A. 1. a. erfaßt, die Verse 25f. in I. A. 2.
Die Elegien des ersten Properzbuches
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mehr Bassus sich bemühe, ihn und eynthia zu trennen, um so mehr werde darum das feste Band der Treue zwischen ihnen heiden sein Bemühen zunichte machen (VV. llf. 15f.). 1m zweiten Abschnitt der zweiten Elegiehälfte prophezeit Properz dem Bassus schließlich schlimme Konsequenzen seiner EnlZweiungsversuche für ihnselbSl(VV.17f. 21f.). Die Elegie I, 5 besteht aus zwei Hälften mit einem Umfang vonje zehn Versen. Oie erste Hälfte der Elegie handelt von Properzens Reaktion auf Gallus' Annähe· rungsversuche an Cynthia; ähnlich wie in 1,4 dem Bassus, so sagt Properz in 1,5 dem Gallus schlimme Konsequenzen seiner Bemühungen tur ihn selbst voraus
(VV.3-6. 11-16). In der zweiten Elegiehälfte, die mit V. 19 beginnt, gibt er dem Adressaten zu verstehen, daß und inwiefern er durch diese schlimmen Konsequenzen sein, des Propen, trauriges Schicksal besser verstehen werde (VV. 19-22. 27-32). Nicht von ungefähr sind die beiden Elegien I, 4 und I, 5 durch Entsprechungen gerade zwischen Distichen oder Versen in markanter Stellung verbunden, nämlich zwischen den beiden ersten Distichen der ersten und den jeweils ersten Versen der heiden Abschnitte der zweiten Hälfte von 1,4 auf der einen und dem ersten Distichon von I, 5, dem letzten sowie dem ersten Distichon der zweiten Hälfte dieser Elegie auf der anderen Seite. Ich drucke die einschlägigen Verse ab: 1,4,
1,5,
1-4:
Q u i d milli tom mu/tas laudanda. Baue, p u ~ //11 s mutlltum domina cogis 11 b ire m~u? q u i d me non patern vitae quodcumque sequetur "oe magis assueto ducere suvitio?
11:
"aec sed[orma
17:
non
3f.:
Q u i d I.ibi vis.
19f.:
tum gra~'l! servitium nostrae cog~r~ p u ~ /1 0 e discere et e:cclusum quid sit ab;,. e dom um:
31 f.:
quare, quid passit meo Cynthia, desine. Galle, quaerere: non impune iIIa rogalo Yenit.
m~i pars
impun~ Jeres:
est extrema J u r 0 r i s :
seiet "aec insllnu puella
insan~?
meos sentire J u r 0 res? infeli~, properas ultima nasse mola.
Es bestehen folgende Entsprechungen: I. Das erste Distichon von I, 5 klingt an das von 1,4 und die jeweils ersten Verse der heiden Abschnitte der zweiten Hälfte von 1,4 an. 2. Das erste Distichon der zweiten Hälfte von 1,5 klingt an die ersten beiden Distichen von I, 4 an. 3. Das Schlußdistichon von I, 5 klingt an den Anfangsvers des letzten Abschnittes von 1,4 an.
Die f'd.hmenden Elegien 1- 5 und 15 - 18. 22
151
Zu den Entsprechungen zwischen den Elegien I, 4 und I, 5 hat sich bereits CaimsH6 austuhrlich geäußert. Ich gebe seine Ergebnisse, so weit ich ihnen beipflichten kann, in aller Kürze wieder. Die Entsprechungen zwischen den jeweils ersten Distichen von 1, 4 und I, 5 signalisieren, daß die heiden Elegien ein Paar bilden'". Der enUiistete Auftakt mit dem Fragepronomen quid sowie der Gebrauch von Personalpronomina und -ad· jektiven unterstreichen die Emotionalität der beiden Elegieanfänge s7I. Zu den Entsprechungen zwischen den jeweils ersten Versen der beiden Abschnitte der zweiten Hälfte von 1,4 und dem ersten Distichon von 1,5 bemerkt Caims: "Tbe reproduction at an eariier stage in I, 5 of words and concepts which appeared at a later point in I, 4... creates the impression of a progression of events between the two elegies..s19 • Eine solche "progression of events" ist vor allem die Verschlechterung der Beziehung zwischen Propen und Cynthias80 : Furoris in 1,4, 11 ist eine positive Bezeichnung tur die Liebesleidenschaft des Properz; die furores in I, 5, 3 hingegen sind die der Cynthia, vor denen Properz den Adressaten warnt. In gleicher Weise ist die iflsanitas der Cynthia, die Properz dem Bassus in I, 4, 17 prophezeit, ein Beweis ihrer Loyalität ihm selbst gegenüber. In I, 5, 3 hin· gegen redet Properz den Adressaten GalJus mit insane an, weil er es wagen will, sich mit Cynthia einzulassen. Zu den Entsprechungen zwischen den beiden ersten Distichen von I, 4 und dem ersten Distichon der zweiten Hälfte von 1,5 bemerkt Caims: "Tbe picking up at a later point in 1,5 ofitems which appeared at an eariier point in 1,4... balances the converse pattern noted above and so contributes towards a sense of artistic symmetry as weil as giving the end of I, 5 the appearance of being the final summing· ·up of a situation."SlI In I, 4, 4 spricht Properz von seinem assuetum servitium, dessen ungestörte Fortdauer Bassus attackiert. In 1,5, 19 ist es das grave servitium puellae, vor dem er den Adressaten Gallus warnt. Desgleichen bezeichnet Propen mit cogis abire in 1,4, 2 die unwillkommene Störung seiner fest etablierten Beziehung zu Cynthia, während die Begriffe cogere in 1,5, 19 und abire in 1,5,20 zu der Schilderung des dem Gallus drohenden grave servitium puellae gehören. Die Entsprechung von puellas in I, 4, I und pue/lae in I, 5, 19 (seihe Versstelle) hat keine tiefere Bedeutung. Wie die zuvor genannten Entsprechungen, so ist auch die Wiederholung der Fonnulicrung non impune aus I, 4, 17 in I, 5, 32 auf kunstvolle Weise mit dem entscheidenden inhaltlichen Unterschied zwischen den heiden Elegien verwoben. In I, 4 ist die Fonnulierung nOll impuffe Teil der Androhung von Cynthias feindli· chem Verhalten gegenüber Bassus, das auf der anderen Seite ein Beweis ihrer Loyalität gegenüber Properz ist; in I, 5 gehört sie zu der Warnung vor Cynthias
Caims (111). sn Caims (111), S. 73. S7I Caims (III), S. 74. SN Caims (III), S. 78; für eine ausfilhrlichere Erörterung der Funktion der einzelnen Bezüge )'/6
"gi. S. 70ff. 510 SlI
Caims (lIJ), S. 78. Caims (lIJ), S. 79.
00045453
IS2
Die Elegien des ersten Properzbuches
feindlichem Verhalten gegenüber Gallus. Diese Warnung spricht Properz aufgrund eigener schlechter Erfahrungen aus.
4. Die Elegien 17und 18
Die Elegie I, 17
Im ersten Distichon von ), 17m berichtet Properz, daß er sich in einer einsamen Umgebung befindetm und dies als gerechte Strafe dafür ansieht, daß cr es übers Herz gebracht hat, sein Mädchen zu verlassen. In den Versen 3f. beschreibt er seine Lage genauer: Er werde den Hafen von Cassiope nicht wohlbehalten erreichen, und alle seine Gelübde verhallten ungehöJ1 (cadunt, V. 4) an dem unbarmherzigen Ufer. 1,17,
1
S
6
Er merito, quoniam potuifugisse pud/11m, nune ~go dese"as al109llor a/C:YOrlllS, 'lee mihi Cassiope sa/vo vjsura earinam omniaqul! jffgrato litore vota cadunt. (quin etiam absemi prosum tibi, Cynthia, vemi; aspice, quam saevas increpat aura millasJ.... J nullane p/acatae venjet fortuna procellae~ haecine parva meumfunus hllrena I'get?
11,17, sr.) Die Verse 5f. sind eine unvermittelte Apostrophe an Cynthia, von der zuvor nur in der dritten Person die Rede warM. Inhaltlich besagen die Verse, daß die Winde, die dem Dichter drohen, Cynthia dadurch nützen. Dieses Bild von einer Cynthia, der die Schwierigkeiten, in denen sich Properz befindet, willkommen sind, ist mit den Versen 19ff. unvereinbar, in denen Properz sich ausmalt, wie Cynthia an seinem Grab weinte, wenn er zuhause stürbe.
Der abrupte Gedichtsbeginn mil et medto scheinlohne Parallele zu sein, so daß gege· benenfalls die Möglichkeit von Texl3usfall vor I, 17, I in Bel13cht zu ziehen wäre. Vgl. jedoch weiter unten meine Ausfllhrungen zu den Entsprechungen zwischen den Elegien 17 und 18. ~ Die Frage, ob Propen sich in der Tal oder nur in seiner Vorstellung an diesem Ort befin· det, soll uns hier nicht besch.li.ftigen. weil sie im Rahmen dieser Untersuchung irrelevant ist. FOr eine detailliene ErOnerung dieser Fragestellung vgl. Solmsen (I). bes. S. 80. ~ Die saevae mina~ findet man sonst nur in Ov. rem. 664 horrebant sanis omflia verba m;n;s. Für eine Ahnlieh klingende Klausel wie aura miflas vgl. Prop. 2. 2S, 18: restat et immen"ta sustinet QHre m;nql. YS Vgl. puel/am in V. 1. Exakt dieselbe unvermittelte Apostrophe findet sich ein weileres Mal im crslen Propcrzbuch. nllmlich in 1. 3. 21·30. einem ebenfalls unechten Passus.
'-'2
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Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
153
Auch dem Ton nach passen die Verse 5f. nicht in den Kontext. Die nüchterne Feststellung, die Winde mit ihrem wilden Drohen nützten Cynthia sogar in ihrer Abwesenheit, stellt nach der verzweifelten Lagebeschreibung in den Versen 1-4 einen abrupten Stimmungswechsel dar. Auf der anderen Seite ist die emphatische Frage in V. 7, ob denn kein Ende des Sturmes kommen werde, nach der nüchternen Feststellung in den Versen 5f., daß die Winde Cynthia sogar in ihrer Abwesenheit nützten, genauso fehl am Platze. Eine Ungereimtheit innerhalb des Distichons selbst stellt die Kombination von absenti und aspice darM. Während Hodge und Buttimore der Ansicht sind, daß "by a nice irony this sense of her presence comes through a statement of her absence", scheint mir diese Ungereimtheit wie die bereits erwähnte Apostrophe ein Indiz dafllr zu sein, wie wenig sorgfältig die Verse von ihrem Dichter durchdacht worden sind. Motiviert ist die Eindichtung durch den im ersten Distichon der Elegie angedeuteten Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten, in denen sich Properz befindet, und seinem Verhalten gegenüber Cynthia (vgl. et merito zu Beginn von V. 1). Die Verse 5f.lassen das Bestreben erkennen, diesen in typisch properzischer Manier lediglich angedeuteten Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten und Cynthia deutlich zu machen 587 •
• Die erregten Fragen in den Versen 7f., ob denn kein Ende des Sturmes kommen, und ob der wenige Sand seinen, des Properz, Leichnam bedecken werde, sind die passende Reaktion auf die in den Versen 1-4 beschriebenen Schwierigkeiten, in denen er sich befindet. 1,17, 7 9
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nullane ptaeatae veniel fonuna procellae? haecine parva meumfunus harena teget? [tu tamen in 518 melius saevas converte S19 querelas: sallibi si,s'Nl poenae nox el iniqua vada. an poteris siccis meafata reposcereS 91 ocellis ossaque nulla tuo nostra lenere sinu?) apereat, quicumque ratis el vela paraviI primus el in ",ilo gurgilefecil iter!
Wenig hilfreich hier Solmsen (I, S. 78), demzufolge Cynthia in V. 5 nicht "in a literal or realistic sense of the word" präsenl sein kann, sowie Leach (S. 223): ..Here Ihe image involves a confusion of the senses. Absent or prescnt, Cynthia cannot very weil look upon such threalS." SI1 Die Verse 5f. sind im Typologiekapitel in Abschn. 1. A. 2 crfaßt SM Der Versanfang tu lamen in... isl aus Prop. I, 15,4 geholt. Er ist sonSI nicht belegt sn Vgl. Sen. Phae 408 con",~rfe lristes ominum in meNus m;nas. S90 Der einzige Beleg für einen ähnlichen Versanfang ist 4,11,81 - ein Vers, der auch sonst dem unsrigen ähnlich ist: rot abi sial noctes. quas de me. Paulle. fatiges. 591 Ähnlich isl Prop. 2, 1,71 quandocumque igilur vifam meafata reposc~nt.
516
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Die Elegien des ersten Properzbuches
11,17,9-121
Die Verse 9-12 enthahen eine unverminehe Apostrophe, ähnlich der in den Versen Sf. Überhaupt sind die beiden SteUen gedanklich eng verwandt: Die Verse 9-12 sind geradezu die Fortsetzung der Verse Sf. Die Verse 9f. enthalten in einem gleichmütigen Ton, der in einem starken Kontrast zu den aufgeregten Fragen in den vorausgehenden Versen 7f. steht, die Bitte an Cynthia, ihre heftigen Klagen zum Besseren zu wenden. Die Verse 11 f. sollen dieser Bitte zusätzliches Gewicht verleihen: Der Dichter fragt in ihnen Cynthia, ob sie es über sich brächte, mit trockenen Augen sich nach seinem Tod zu erkundigen und nie seine Knochen im Schoß zu halten - ein makabrer Gedanke, der überdies, wie der in den Versen 5f., wiederum gänzlich unvereinbar ist mit dem in den Versen 19fT. entworfenen Bild einer loyalen und hingebungsvollen Cynthia! Auch in dcn unmittelbaren Kontext sind die Verse 1l f. schlecht eingebunden: Die Kombination der mit tu tarnen eingeleiteten Bitte in V. 9 und der gleichsam rechtfertigenden Begründung in V. 10 bildet einen markanten Schluß, der ein anschließendes Wiederauffiammen der empörten Fragen nicht gestattet. Vollkommen obskur ist der gedankliche Übergang von V. 12 zu der Verwünschung des Erfinders der Schiffahrt in den Versen 13f.! Die Verse 9-12 stellen auch sprachlich nicht zufrieden: Saevas quere/os in V. 9 ist eine Kopie von saevas minas in V. 6. Die Formulierung nox el iniqua vada in V. 10 scheint ohne viel Überlegung improvisiert zu sein. Insbesondere nox ist nichtssagend und als Spezifikation des poenae im selben Vers ungeeignet. Fala ist in V. 11 in anderer Bedeutung gebraucht als in V. 19m . Warum hat der Bearbeiter die Verse 9-12 hinzugedichtet? Die Tendenz der Fragen in den Versen 7f. ist ähnlich vage wie die Aussage der Verse 1-4: Sie sind zugleich vorwurfsvoll, hoffnungsvoll, fordernd und verzweifelt. Wie der Bearbeiter mit den Versen Sf. die in den Versen 1-4 implizierte Aussage deutlicher ans Licht bringen wollte, so hat er in den Versen 9-12 den Charakter der Fragen in den Versen 7f. im Nachhinein als fordernd festlegrS9) .
• Nach der Lagebeschreibung in den Versen 1-4 und den darauf bezogenen erregten und zugleich sehnsuchtsvollen Fragen in den Versen 7f. folgt in den Versen 13f. eine Verwünschung des Erfinders der SchifTahrt. Dieser Ausbruch von Unmut setzt die Stimmungskurve der Verse 1-4 und 7f. passend fort: Er bildet den Höhepunkt und Abschluß des in V. I beginnenden Spannungsbogens und damit eine Hauptzäsur in der ElegieS9-4. m Zu fluUa in V. 12 bemerken Butler und Barber: "To take flullo - ,that amount to naught'... is extremely harsh here." !tJ Die Verse 9-12 sind im Typologiekapitel in Abschn.1. B. 2 erfaßI. ,.. So Enk ad IIx.: "Versus 13114... aplissime c1audunl priorcm elegiae partem:- Eine interessante Deutung bietet weh, S. 226f.: ..With the inletjection ah pereot... Propertius makes an abrupt change in the narralive progress of the poem... The transitional value of the dislieh lies in its conspicuous irrelevance to the situation al hand. By adopting an aphorislie fonn and tone. Propenius draws our alteniion momentarily away from the situation he bas
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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Nach der Verwünschung des Erfinders der Schiffahrt in den Versen 13f. flammen die Selbstvorwürfe, die in den beiden Eingangsdistichen der Elegie schon an· geklungen waren, erneut auf: In einer an sich selbst gerichteten Frage gibt Properz zunächst zu, daß es besser gewesen wäre, sich mit den Eigenheiten seiner domina ZU arrangieren, als sich in die jetzige Situation zu bringen (VV. 15-18). Anschließend malt er sich, hieran anknOpfend, aus, wie gut es auch gewesen wäre, zuhause zu sterben (VV. 19ff). Die Vorstellung des eigenen Begräbnisses ist als BedingungsgefUge aufgebaut: Die Protasis (VV. 19f.) handelt von den äußeren Bedingungen des Begräbnisses: Tod, Grab und Grabstein; die Apodosis (VV. 23f.) handelt von Cynthias Verhalten: wie sie an seinem Grab weint und betet, daß die Erde nicht auf ihm laste. 1,1', 19 21 22
ilfic si qua ml!um sl!pt!lissl!nt fata dolort!m, ultimus I!t pos;to staret amort! lapis, [mo meo coros donosset funere crinisY*5, mo//iter el tenera ponerel osso roso:] ;//a meum extremo c/amasset pulvere nomen, ut miM non u//o pondere terra forel.
11,17,21f.) Die Verse 21f. sind vom Bearbeiter hinzugefilgt worden, um die angenehme Vorstellung von einem Begräbnis in Rom und von Cynthias hingebungsvoller Trauer weiter auszumalen. Allerdings wird die chronologische Ordnung des vorgestellten Begräbnisses in V. 22 durchbrochen. In den Versen 19-21 ist Properz als bereits bestattet gedacht; in V. 22 dagegen ist davon die Rede, wie Cynthia seine Knochen auf weiche Rosen legt! An den Knochen ist dem Interpolator offenbar besonders gelegen - er hat sie ja bereits in V. 12 eingedichtet. Die Sprache der Verse bietet ebenfalls zu Bedenken Anlaß: "Both the imperfect subjunctive and the ablative in this construction are strange:J96 llIa meo am Hexameterbeginn hat der Bearbeiter aus dem folgenden Hexameter (V. 23) übernommen, meo fimere aus V. 8 (meumi,unus), wo der Ausdruck allerdings in einer ganz anderen Bedeutung gebraucht ist 97.
• Nach der Vision des eigenen Begräbnisses in der Heimat kehrt Properz in den beiden Schlußdistichen von I, 17 in die Realität zurück und bittet die Nereiden um ihre Gunst: Wenn Amor je ihre Wogen berührt habe, so möchten sie sich seiner erbarmen (VV. 25-28). created and from his own fearful doom. placing the responsibilily for his danger upon the !lead of Lhe mythical first voyager." m FOr die Klausel funere cn'nis vgl. Sen. Tro 99 funere O'inem. Y*6 Camps ad loc. Die Erkllrung zu ponvet bei Hodge und Bultimore iSI nicht überzeugend: JLs effcct is 10 extend this loving action indefinilely... even though in reality this would be nearly as single an action as the offering ofhair.'· m Die Verse 21f. sind im Typologiekapilcl in Abschn.1. A. I. b erfaßt.
Die Elegien des ersten Properzbuches
156
Die Elegie I, 18 Aus den ersten vier Versen der Elegie 1, 18 erfährt man, daß Properz eine einsame Gegend aufgesucht hat, um dort seinen verborgenen Schmerzen freien Lauf zu lassen. Im nächsten Distichon beginnt er dann auch, sein Leid auszudrücken, indem er fragt, an welchem Punkt er mit dem Bericht von Cynthias fastus anfangen solle (V. 5). und was die ursprüngliche Ursache für seine Tränen gewesen sei (V. 6). 1,18, 5 7
8
unde luOS pr;mu". rep6l1m, ",ea Cynthia./llstus'! quod Milr; dasfltnd;, Cynthill, principium' [qui modo felices inter numerabar amantis'", nune in ornore lUD cogor habere"4 r.Ofom fl1O ,] quid lanlu," muui'! quae te mihj crimina ,"II/ont! an notIQ trist;';"t CIIUSII puello tUlle!
(1,18,7f.)
Die Verse 7-8 sind vom Bearbeiter hinzugefügt worden, um den Grund der vorangegangenen Fragen und damit der Trauer des Properz zu erhellen. Sie stehen allerdings in zweifacher Hinsicht in einem gedanklichen Widerspruch zu den Versen Sr. Zum einen erwecke~ diese den Eindruck, daß Properz sich ein~ langwierige Leidensgeschichte ins Gedächtnis rufen und sie beklagen will; das 11Iodo in V. 7 hingegen, das hier nur die Bedeutung "eben erst" haben kann, besagt, daß Properz noch kurz zuvor glücklich war. Zum anderen steht die Aussage nunc... cogor habere nolam in V. 8 in keinem angemessenen Verhältnis zu den emphatischen Fragen in den Versen Sf. und vor allem zu der Frage quid lantum merui? in V. 9601 •
• Auf die Fragen in den Versen Sf. folgen in den Versen 9f. weitere Fragen desselben empörten Charakters: womit er etwas so Schlimmes verdient habe, welche Vergehen seinerseits Cynthias Hailung ihm gegenüber verändert hätten und ob ein neues Mädchen Grund tur ihre Traurigkeit sei. In den Versen 11 f. geht Properz auf die in V. 10 geäußerte Vennutung ein, Cynlhia sei vielleicht deshalb traurig, weil sie glaube, es gebe eine nova plIelJa in seinem Leben. Er beteuert, daß keine andere Frau seine Schwelle überschritten habe.
$91
)99
600
601
FGr die erste Halfte von V. 7 vgl. Prop. 2, 17, I t. Dieser und der nlichste Vers weisen Ähnlichkeiten zu dem gesamten Distichon fProp.) I, 18, 7r. auf; vgl. 2, 17, 11 f. pem mudo (w«m imidia... I nUll'... Vorbild tur die zweite l-llifte von V. 7 ist Ov. Pont. 4,9,35 hic ego praesenla jnw n"mUll'" amicos. Vorlage ist I, I, 8 cum lamM ad\'ersos coror babuc deos. Für die Klausel habere nOlam vgl. Ov. am. I, 7, 42 und 3, 14, 34. Die Verse 7f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 2 trraßt.
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
1,18, 9
I)
16
20
157
quid tantu", "'erui? quae le "'ihi cri",ina ",utanl? an nova lrisli/iae causa puel/a luae? sie ",ihi te re/eras, levist02 , ut non a/tera noslra li"';ne [o,,"osos intillilill/a Mdes.. (quam\'js multa tibi da/ar hic meus aspera debet, non ita sa~'O tamen venerit ira mea, ut tibi sim merita semperfuror et tua j1endo lumina deiectjs turpia sint lacrimis.) an quia paT1la damus mulalo signa colore et non ul/a meo cJamat in oreftdes? VQS eritis testes, si quos habn arbor amora, lagus d Arcadio pinus amica deo.
11,18,13-16)'" Die Verse 13·16 sind eine Erweiterung der Beteuerung des Properz in den Versen 11 f., keine andere Frau habe seine Schwelle überschritten. Obwohl sein Schmerz ihn eigentlich dazu bringen müsse, Cynthia viel Hartes anzutun, werde sein Zorn dennoch nicht so sehr aufwallen (VV. 13f.), daß er immer wütend auf sie sein werde, und daß ihre Augen (darum immer, so ist zu ergänzen,) vom Weinen entstellt sein werden (VV. 15f.). Die Versuche, diese Stelle zu erklären, gehen bei furor in V. 15 auseinander. Mehrere fassen furor in der Bedeutung ..an object to furt' auf'lM. Diese Deutung steht allerdings im Widerspruch sowohl zu den Versen I3f., in denen der Dichter sich zwar ein Recht auf Rache an Cynthia zubilligt, jedoch verspricht, sich zu mäßigen, als auch zu den Versen 15b/16, in denen Cynthia ganz offensichtlich als verletzt und gedemOtigt dargestellt wird; in V. 15a kann also keineswegs von ih· rem furor die Rede sein. Hodge und Buttimore haben also Recht, wenn sie zufuror anmerken: "This is his own rage... In the next c1ause she (Cynthia) is a weeping victim, not a righteous avenger.,,605 Ihr Argument, furor im Sinne von causafuraris "would be a near-unique usage", ist gewichtig: Die von den Kommentaren zu· gunsten einer Auffassung vonfuror im Sinne von causa/uroris angefUhrten Analogien von discordia im Sinne von causa discordiae in I, 2, 17 und ardor im Sinne von causa ardoris in I, 20, 6 besitzen kein Gewicht, da die heiden Verse unecht sind. Wie auch immer man/uror auffaßt - eine andere Schwierigkeit in V. 15 bleibt bestehen: Der Ausdruck merj(o macht den gedanklichen Zusammenhang der Verse 14 und 15 zu einem Rätsel. Bereitet das Verständnis der Verse 13-16 auch im Detail Probleme, so sind sie gleichwohl deutlich am ehesten im Sinne einer großzügigen Geste von seiten des Ich schließe mich hier der Lesart von Goold an, indem ich nach ltvis ein Komma setze und diesen Ausdruck so als Vokativ auffasse. 60) Auch Heimrtich hat die Verse 1)·16 als in ihrem Kontext problematisch empfunden. Er hat sie hinter V. 24 versetzt. Postgate hat hinter V. 16 unter Vorbehalt die Verse 29-32 der Elegie t, 15 versetzt. 601 So Butler und Barber, Camps, Fedeli. lOS Hodge und Buttimort ad loe. 6lU
00045~53
Die Elegien des ersten Properzbuches
158
Dichters aufzufassen, der zwar glaubt, ein Recht auf Rache zu haben, aber von diesem Recht keinen vollen Gebrauch zu machen verspricht. Haben sie jedoch diese Bedeutung, dann lassen sie sich unmöglich mit dem Rest der Elegie in Einklang bringen. Dort ist Propen nicht nur frei von jeglicher jrQ und jeglichem furor, sondern vielmehr sogar der gedemütigte Liebhaber in bittender Haltung; Cynthia hingegen hat mit ihrenfastus (V. 5) eine überlegene Position inne606 . Als eine weitere Schwierigkeit im Zusammenhang mit den Versen 13-16 ist die gedankliche Anbindung der Verse 17f. zu nennen. Diese beiden Verse sind nur dann verständlich, wenn die Fragen aus den Versen 9f. noch deutlich im Ohr klingen: V. 17 knüpft gedanklich an V. 10 an: Seide Verse enthalten eine mit an beginnende Frage und stellen somit zwei Seiten einer Alternative dar. Durch die Ausweitung der Beteuerung in den Versen 11 f. um .Y.i.I:r weitere Verse ist ein Nachhallen der Verse 9f. nicht mehr gegeben; die Verse 17f. entbehren somit nach den Versen 13-16 einer vernünftigen gedanklichen Anbindung607 •
• Unmittelbar auf die Verse 9-12 folgen die vier Verse 17-20, die dasselbe Muster aufweisen: Im ersten der beiden Distichen wird, ebenfalls in Form von aufgeregten Fragen, ein weiterer möglicher Grund für Cynthiasjaslus erörtert; im zweiten Distichon wird dieser mögliche Grund durch eine Beteuerung der eigenen Treue entkräftet: Properz wirft die Frage auf, ob cr zu wenig Zeichen für seine Liebe gegeben und es versäumt habe, seine Loyalität laut kundzutun (VV. 17f.), und versichert dann in Fonn einer Apostrophe an die ihn umgebenden Bäume, diese werden Zeugen seiner Treuebekundungen sein (VV. 19f.)608. Nachdem Properz in den Versen 19f. die ihn umgebenden Bäume als Zeugen seiner Treuebekundungen benannt hat, fUgt er in den Versen 21 f. einen emphatischen Ausruf an: Oft erhaUten seine Wone unter ihrem Schatten und werde Cynthias ame in ihre zarte Rinde eingeritzt! J,18,
21
23
26
Qquori~ns r~n~rQS resonQnr ,"~Q v~rlul sub umbrQs, scribirur d )'e$rns CynrlriQ corticibus! (air tua qual peperit nobis iniuria curas, quae so/um tacilis cognita sunl foribus~! amnia cansuevi timidus perJerre superbae610 iussa neque arglltoJacta dalare qlleri.]
Gram, S. 55: "The transilion in lhoughl al 13ff. is somewhat abrupt.. This hypolhetical situation reverses lhe ,,real" situation of the poem, where it is Propertius who is weeping (cf.j1endi, 6)and Cynthia who is angry (cf. trUririae, 10). How does lhe first part ofline 15 fit in wilh lhis?" 607 Die Verse 1).16 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. 2 maßt lliOI Inleressant ist hier die Anmerkung von Granl (S. 56), der einerseits bemerkt: ..The logical strocture of 17-22 is following lhal of lines 1().16", andererseits aber die von mir getilgten Verse 13-16 ausläßt, wenn er fonflhn: ,,First appealS lhe alleged reason (10"17·18), then there follows the denial of the charge (11-12" 19·22):' 609 Dieser Vers klingt ähnlich wie Tib. I, 6, 12 cardin~ rune IIIdco vertere posse (ortS. 610 Hat der Bearbeiter womöglich an den inhaltlich Ahnlichen Vers Ov. trist. 5, 11,4 qui iam CQOSufvi/ortiter ess~ mis~r gedacht? 606
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Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18.22
30
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p'o quo continui montes611 etf,igida ,upes et datu, inculto t,amile dura quies; et quodcumque meae possunt narra,e querelae, cogo, ad argutos dice,e solus avis. sed qualiscumque es, 'esonent mihi 'Cynthia' si/vae, nec desena tuo nomine sua vacent.
11, 18,23_6)611 Die Verse 23f., zu deren Beginn sinnvollerweise mit den deleriores ,ah tua quOI' gelesen werden muß 613 , bringen einen scharfen Kurswechsel im Gedankengang: ..Propertius now turns ... to bringing in counlercharges against her (Cynthia),,614: "Wie viele Sorgen hat mir deine Ungerechligkeit bereitet, Sorgen, die allein der verschwiegenen Tür bekannt sind!" Die Verse 25f. setzen den Gedanken der Verse 23f. fort. Der Dichter zeigt sich in ihnen bemüht, die in V. 24 gegebene Bekräftigung seiner eigenen Verschwiegenheit durch den Hinweis, er habe sich daran gewöhnt, alle Befehle seiner tyrannischen Gelieblen zu ertragen und ihre Taten nicht in schrillem Schmerz zu beklagen, dramatisch übersteigernd abzurunden (vgl. omlIia zu Beginn von V. 25). Die Verse 23-26 stehen in einem ähnlichen gedanklichen Mißverhältnis zum Rest der Elegie wie die Verse 13-16, nur daß hier die Abweichung in eine andere Richtung erfolgt: In der Elegie I, 18 beschreibt Propen sein demütiges Bemühen, die Ursache rur Cynthias Verstimmung herauszufinden. In einem solchen Rahmen ist weder ein gnädiges Versprechen, nicht zu hart zu reagieren (VV. 13-6), angebracht, noch eine erbitterte Anklage Cynthias61s (VV. 23-26). Auch die Art und Weise, wie der Dichter sich selbst in den Versen 23-26 darstellt, stimmt nicht mit dem Rest der Elegie überein. Vor allem steht die Formulierung consuevi timidus perferre... lIeque... queri in den Versen 25f., die den Eindruck erweckt, als habe er sich als ein guter servus amoris bereits vollständig in sein Schicksal ergeben, im Widerspruch zu der Tatsache, daß er sonst in I, 18 in einem recht verständnislosen Ton den Grund für Cynthias fastus herauszufinden sucht. Wie der gedankliche Übergang von den eingedichteten Versen 13-16 zu den Versen 17f., so bereitet auch der von den Versen 23-26 zu den Versen 27ff. besonders große Schwierigkeiten: Der Vorwurf des Properz in den Versen 27-30, er werde rur seine Treue mit den kalten Felsen, die ihn umgeben, sowie dem Schlaf 611 Conrinui monres ist eine Konjektur von Heinsius. Die überlieferte Lesart divini fontes er611
(1)
614
6U
gibt auch dann keinen Sinn, wenn man sie mit Fedeli als Vokativ auffaßt. Housman versetzt die Verse 23f. hinter V. 6. Prien hält die vorangehenden Verse 21f. filr interpoliert. Mit der besser überlieferten Lesart an lua quod wären die Verse formal die Angabe einer weiteren möglichen Ursache für Cynthias Verstimmung. Als solche ergäben sie aber keinen Sinn. Außerdem ließe sich bei der Lesart an lua quod in V. 23 der nachfolgende Vers 24 schlecht anbinden. Die Interpunktion des abgedruckten Textes entspricht der in Goolds Properzausgabe. Grant, S. 57. VgJ. insbesondere die Formulierungen tua iniuria in V. 23 und supe,bae in V. 25!
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Die Elegien des ersten Propcrzbuches
auf dem banen Weg entlohnt und müsse in der Einsamkeit den Vögeln seine Klagen vorbringen, büßt viel von seiner Wirkung dadurch ein, daß bereits vorher von der ;niuria (V. 23) und superbia (V. 25) der Cynthia die Rede ist. Oder, anders fonnulicl1: Die fassungslose Enttäuschung, mit der Propen in den Versen 27-30 beschreibt, welchen Dank er von Cynthia für seine Treue bekommt, verliert ihre Kraft, wenn bereits unmittelbar.YSUb,g: negative Anspielungen gemacht werden.
Schließlich stellt auch die Sprache der Verse 23-26 nicht zufrieden: Der häufige Wechsel der Anrede wirkt ungelenk: Die Verse 17f. sind an Cynthia gerichtet, die Verse 19-22 eine Apostrophe an die Bäume. In den Versen 23f. ist wieder Cynthia die Angeredete. Gleich im folgenden Distichon allerdings (VV. 25f.) ist in der
dritten Person von ihr die Rede. Auffilllig ist des weiteren, daß, während Propen Verbalsubstantive selten gebraucht, V. 26 gleich deren zwei enthält, nämlich iussa und/acta. Das Adjektiv argutus (V. 26) kommt bei Propen sonst nur noch einmal vor, nämlich vier Verse weiter an derselben Stelle im Vers'1'.
• Die Verse 27-30 bilden die passende Fortsetzung nach V. 22: Nachdem Propen in dem Abschnitt bis v. 22 seine Loyalität mehrfach bewiesen hat, gibt er nun, sichtlich enttäuscht, zu verstehen, daß er rur seine Treue mit den kalten Felsen, die ihn umgeben, sowie dem Schlaf auf dem harten Weg entlohnt werde und in der Einsamkeit den Vögeln seine Klagen vorbringen müsse. Hieran anschließend mildert Properz jedoch im Schlußdistichon, den Versen 31 f., die vehement zum Ausdruck gebrachte Enttäuschung wieder ein wenig ab: Wie auch immer Cynthia sich verhalte - die Wälder und Felsen mögen vom Echo ihres Namens widerhallen. Gut haben Hodge und Buttimore die ringkompositorischen Entsprechungen zwischen den Schlußversen und den vier Anfangsversen der Elegie erkannt: SoJus in V. 30 klingt an solo in V. 4 an, deserta in V. 32 an deserla in V. 1, saxa im selben Vers an saxo in V. 4 sowie l'Qcenl an vacuum in V. 2. Die Haltung gegenüber der Umgebung hat sich jedoch, wie Solmsen richtig beobachtet hat, im Vergleich zum Anfang der Elegie verändert: Die deserla saxa des letzten Verses rufen die deserta loca des ersten Verses in Erinnerung. Es steht aber außer Frage, daß Properz nun unter der Einsamkeit leidet6l7 . Entsprechungen zwischen den Elegien 17 und 18 In I, 17 befindet sich Propen gemäß seiner Schilderung in der äbe einer verlassenen, unbekannten Küste. Er erklärt, ihm geschehe dies zu Recht, da er seine puella verlassen habe. Anschließend fUhrt er sich vor Augen, wieviel besser es gewesen wäre, seine domino zu gewinnen, als in eine solche Lage zu geraten; wäre er bei ihr in Rom geblieben und, anstan in dieser verlassenen Gegend, dort gestorben, dann häne Cynthia gebührend um ihn getrauert. Den Schluß der Elegie bildet eine Anrufung der Nereiden um Beistand. 616 611
Dic Vcrse 23·26 sind im Typologickapilcl in Abschn. I. A. I. c crraßt. Solmsen (1), S. 74.
0004545"
Die rahmenden Elegien 1- Sund IS - 18.22
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In I, 18 beschreibt Properz, wie er einen einsamen Ort aufgesucht hat, um dort seinen Klagen über Cynthia freien Lauf zu lassen. Er beginnt seine Klagen mit der Frage, warum sie ihn so schlecht behandle, und spielt anschließend verschiedene denkbare Vorwürfe Cynthias ihm gegenüber durch, die er jeweils mit Hinweisen auf seine Loyalität ihr gegenüber für njchtig erklärt. Für diese Loyalität, so klagt cr, werde er nun mit der ungastlichen Einsamkeit belohnt, in der er sich befinde. Gleichwohl beendet er die Elegie mit einer Beteuerung seiner fortdauernden Treue. Folgende wichtigen Entsprechungen bestehen zwischen den beiden Elegien I, 17 und I, 18: An das erste Distichon von I, 17 klingen sowohl das erste als auch die beiden letzten Distichen von I, 18 an. 1,17.
Ir.:
1.18,
Ir.:
I, 18,
29-32:
Et merito. quon;am potu; fugisse pue/lam, nunc ego dt:SfCtas a/Ioquor alQ'Onas Haec certe deserta {oca et faciturna queremi. ef yocuum Zephyri possider aura nemus. ef quodcumque meae possunr na"ore quere/oe. cogor ad areutas meere salm avjs. sed qllaliscwnque es, resonenl mihi 'Cynrh;a' si/vae. nec deserta luO nomine saxa vacenl.
Die Entsprechung zwischen den jeweils ersten Distichen der beiden Elegien 1, 17 und I, 18 signalisiert, ganz wie die zwischen denen der Elegien I, 4 und I, 5, daß die beiden Elegien als Paar anzusehen sind6lB • Aber auch hier ist die wörtliche Entsprechung wieder auf kunstvolle Weise mit dem entscheidenden inhaltlichen Unterschied zwischen den beiden Elegien verwoben: In I, 17 befindet sich Properz in einer einsamen Gegend und bereut, daß er seine pue/la verlassen hat; in I, 18 sucht er aufgrund von Cynthias ungerechtem Verhalten ihm gegenüber freiwillig die Einsamkeit auf. Hinter der formalen Entsprechung der beiden Formulierungen desertas alJoquor afcyonas in I, 17,2 und ad argutas dicere solus aves in I, 18,32 steht derselbe inhaltliche Unterschied wie hinter der von desertas in I, 17,2 und deserta in 1,18,1: Selbstverschuldeter Einsamkeit des Properz auf der einen Seite (I, 17) steht eine freiwillig gewählte Einsamkeit des Properz auf der anderen Seite (I, 18) gegenüber.
611
Daß es, wie im Falle der Elegien 1, 4 und I, 5, so auch bei den Elegien I, 17 und I, 18 gerade die Anfangsdislichen sind, die markante Entsprechungen zu einander aufweisen. hat mich weiler oben die Aussage, es sei vor I, 17, 1 gegebenenfalls Texlausfall denkbar, unter starkem Vorbehalt formulieren lassen.
00045453
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Die Elegien des ersten Properzbuehes
5. Die Elegien I und 12
Die Elegie I, 1 Im ersten Abschnitt der Einleitungselegie des ersten Properzbuches, den Versen I, I, 1-8, berichtet Properz von der Entstehung und der Entwicklung seiner Bindung an Cynthia: Cynthia habe ihn, der zuvor von Leidenschaft unberührt gewesen sei, als erste'19 mit ihren Augen gefangengenommen (VV. I f.). Damals habe Amor seine, des Properz, hochmütigen Augen zu Boden gesenkt und die Füße auf sein Haupt gedrückt (VV. 3f.), bis er gelernt habe, anständige Mädchen zu hassen, und ohne Plan zu leben (VV. 5f.). Dieser Wahn dauere nun schon ein Jahr an, während er die Götter gegen sich habe (VV. 7f.). Die Verse 1-4 von I, I sind den ersten vier Versen eines Epigramms von Meleager (AP 12, 101, 1-4) nachgebildet, in dem der Philosoph davon berichtet, wie er dem Knaben Myiskos verfiel. Die zahlreichen wörtlichen Entsprechungen sind in Fedelis Kommentar aufgefUhrt. Fedeli betont, daß es sich nicht um eine reine und einfache Paraphrase der griechischen Vorlage handelt: "Properzio prende 10 spunto dall' imagine di Meleagro..., per riadauarla aHa propria esperienza di vita attraverso un processo di amplificazione e di approfondimento psicologico:,620 Auch Stahl weist auf Properzens Eigenständigkeit be.i der Benutzung der griechischen "Vorlage" hin: ,.from the very beginning he pursues his own train of thought, into which he incorporates only such wording from the Greek epigram as suits his purpose.,,621 Insbesondere anhand des vierten Verses bei Properz vennag er diese Eigenständigkeit gegenüber der griechischen Vorlage überzeugend vorzufilhren 621 • In den Versen 9-16 beschreibt Properz als positives mythologisches Gegenbcispiel zu seinem eigenen Geschick das des Milanion: Jener habe keine Mühen gescheut und so die saevitia der Atalante besiegt (VV. 9f.). Mit diesen Worten leitet er das Exemplum ein. In den nächsten vier Versen werden die labores (V. 9) geschildert, die Milanion auf sich genommen hat (VV. 11_14)62). Anschließend wird 619
620
6J1 6D
W
Stahl faßt prima in V. I im Sinne von primum auf, indem er cs als dem /Um in V. 3 einfach zeitlich vorgeordnet versteht. Gegen diese Auffassung spricht allerdings V. 2; in diesem Vers wird deutlich, daß prima prädikativ zu verstehen ist. Ist jedoch prima prädikativ aufzufassen, so erweisen sich die Verse 3,15, 5f. als problematisch, in denen es heißt, Lyeinna sei Properzens erste Geliebte gewesen: i/Ia rudis animos per nocles conscia primas I imbu"'. heu nulfis capta Lycinna datis. Die Elegie 3, 15 ist mOglicherweise kompleu unecht. Fedeli beruft sich in diesem Punkt aufLeo, Kl. Sehr. 11 208. Stahl, S. 27f. Vgl. Stahl, S. 32f. Der Text dieser Verse ist zweifellos konupt. Trtnkle (11, S. 168f.) hingegen zeigt sich froh darüber, daß sieh ..bei dem vielfach erOrterten modo - ~l- ~ljam ... nunmehr doch deutlich die Meinung durchzusetzen" scheint. ..daß hier der vom Dichter gewollte Wortlaut erhalten ist". Er gibt zu. "dass genau vergleichbare Stellen nicht vorliegen" sowie daß der überlieferte Wortlaut ,,hart" und "am Rande zum Anakoluth" sei. halt ihn aber gleichwohl rur
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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das Ergebnis seiner Bemühungen genannt lIelocem potuit domuisse puellam (V. 15); es folgt die allgemeine Feststellung. daß in der Liebe Bitten und gute Ta· ten viel auszurichten vennOChten (V. 16). In den Versen 17f. hebt Propen von dem Erfolg, den Milanion bei AtaJante erzielt hat, sein eigenes Mißgeschick ab: Bei ihm mache Amor, anders als 5Onst62", keine Anstalten, zu helfen. In den Versen 19-30 ruft er zwei unterschiedlicbe Personengruppen um Hilfe an, wobei er allerdings deutlich macht, daß er seine Lage filr verzweifelt hält. Als erstes wendet er sich an die, die sich auf magische Künste verstehen, und bittet sie, den Sinn seiner domina zu ändern und zu bewirken, daß sie mehr erbleiche als er selbst (VV. 19-22). 1,1,
19
23
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al ~'OS, deduclae quibus eSI/a//acia Junae el Jabor in magicis sacra piareIods, en agedum dominae mentem convertire nOSlrae, el/adte ilJa meo palleat Qre magisl [rune ego erediderim vobis el sidero et omnis . ·~'d lleere eonmm ··buso J posse Cytllloeu
(I, I, m.)
In den Versen 23f. erklärt der Dichter, unter der Bedingung, daß die zuvor geäußerte Bitte erfüllt werde. sei er bereit, an die magiscben Fähigkeiten derer, die in dieser Passage angesprochen sind, zu glauben626• Die Eindringlichkeit, mit der eben diese Bitte in den Versen 19·22 vorgebracht wurde, ist nun allerdings mit einem Mal vollkommen verschwunden. Die Verse 23f. erwecken den Eindruck, als ob nicht ein Hilferuf, sondern die provozierende Aussage ..Erbringt erst einmal den Beweis, daß ihr mit euren Zaubereien etwas tur mich ausrichten könnt'" vorausge· gangen wäre. Sowohl ihrem Ton, der eher kühl und fordernd ist, als auch ihrem Inhalt nach haben die heiden Verse mit dem zuvor fonnulierten Anliegen des Properz nichts mehr zu tun 627 • "eigentümlich lebendig, eben - properzisch:' Unter den Belegen fUr ähnliche Konstruktionen ncnnt er auch eine Stelle aus Propen, I, 3, 41 ff.; diese Verse sind jedoch unecht. U4 Vgl. nOlOS vias in V. 18. Allen (I, S. 134) merkt an: "ln the opening elegy of Propertius' book ... (the) mythological example is adduccd to prove, by contrast, the uniqueness of the poet's experience." 6n Die Handschriften bieten hier verschiedene Lesarten. Die Haupthandschrift hat Cy'halinis. Der umstrittene Begriff hängt wohl mit Kytaia in Kolchis, dem Geburtsort der Medea, zusammen. Henzbergs Konjektur Cytaeines wird im Allgemeinen akzeptiert. Hertzberg hat auch Cylinaeis i.e. Thessalieis vorgeschlagen. Beide Begriffe sind sonSI nichl belegt. Ich übernehme die Konjektur Cytinoeis, weil Cytaeines nichl nur ein hopax legomenon wäre, sondern auch eine bei Properz sonst nicht belegte griechische Genitivfonn. 616 Stahl, S. 43. Stahl drückt sich vorsichtig aus, wenn er anschließend meint, dies sei filr Properz ,.a new \lo'3Y of stating the hopelessness of his love". 611 Otis (5. 10) bezeichnel die Verse 23f. als ironisch. Hering (I, S. 111) spricht von einem "vordergründigen Zweifel des Dichters an der Wirlcsamkeit solchen Zaubers", der, so ur· !eilt er allerdings unzutreffend, "funktionell den Eindruck von der schier aussichtslosen Lage, in der er sich befindet", verstlrkt. Dieser Auffassung entsprechend wendet er sich a.
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Die Elegien des ersten Properzbuches
Die Formulierung sidera ducere in den Versen 23f. ist an dedlJclae lunae aus V. 19 angelehnt. Jedoch "this time the phrase is made much more diflicult by the insertion of ,amnes', which creates an extremely harsh zeugma. ,(De)ducere sidera' could have remained a dead metaphor without this, but ,dueere amnes' must employ the normal sense of ,dueere'... the strain on language involved... may feit 10 be excessive...628 Eine weilere sprachliche Härte besteht in der Ellipse von vos in V. 23, "for which, however, there seerns to bc 00 e10se parallel,,629. Die Eindichlung der Verse 23f. ist offenbar durch die in dem Begriff [al/acia (V. 19) implizierte Andeutung von Skepsis auf Seiten des Properz630 motiviert. Ocr Bearbeiter holt diesen Aspekt, der bei Properz lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, ungeschickt in den Vordergrund611 •
• Nach denen, die sich auf magische Künste verstehen, wendet sich Properz mit seiner Bitte um Hilfe als nächstes an seine Freunde, indem er sie auffordert, Hilfsmittel (auxi/ia) für sein krankes Herz zu suchen (VV. 25f.) I, t,
2S
27 28
aut vos, qui s~ro tapsum revocatis, amici, quaerite non sani pectoris auxilia. VOl'titer et ferrum soeVQs pa/iemur et ignis 612 , sir modo liberros qual! velir ira /oqui.] Jen~ per extremos genris etJene per undas, qua non u/la meum f~mina norit iter:
[I, I, 27f.I'"
In den Versen 27f. fUgt der Dichter Properzens Bitte an seine Freunde die Beteuerung an, er sei bereit, tapfer Eisen und wOtendes Feuer zu ertragen, wenn er nur seinem Zorn verbal freien Lauf Jassen könne. In den Versen 29f. fUhn Properz mit der Bitte an seine Freunde, ihn aus den Augen der Geliebten fonzuschaffen, offenkundig quaerire ollxilia aus V. 26 näher aus. Diese Bitte wird darum durch die Verse 27f. von ihrem inhaltlichen Bezugs0., Anm. 47 gegen Housmans Hinweis auf einen "angeblichen logischen Widerspruch" zwischen dem Hilferuf des Dichters und seinem Zweifel an der Magie, indem er folgendewenig überzeugende - Erklärung gibt: "Das Nebeneinander von Hoffnung und Verzweiflung in der Brust des Dichters läßt sich nicht mit logischen Überlegungen auf einen gemeinsamen Nenner bringen." 621 Hodge und Bunimore ad loe. 629 Shackleton Bailey, S. 5. 6)0 Vgl. z. B. Hodge und Buuimore, S. 68, Anm. 14: ,,,Fallacia' implies a deceplion, and so Proper1ius does nOI suggest thatthe witches can in fact draw down the moon." 6)1 Die Verse 23f. sind im Typologiekapitel in Abschn. I. B. 3 erfaßt. 612 Vorbild ist Ov. rcm. 229 ut corpus redimos. ferrum /lillieris Cl ienes. Vgl. auch Ov. episl. 20, 185: ut va/eant, aUae ferrum /lilliuntur ft irnes. Das Motiv vom Eisen und Feuer kommt auch in Prop. 3, 24, I1 f. vor: hoc ego non ((eco. "on ign~ eoaetus, et ipsa / naufragus Aegaeo (verafatebor) aqua. &)) Die Tilgung dieser Verse erfolgt nach einem Hinweis O. Zwierleins.
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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punkt getrennt. Sie paßt aber auch sonst nicht im Anschluß an die Versicherung in V. 27, tapfer Eisen und wütendes Feuer ertragen zu können; logischer wäre eine umgekehrte Reihenfolge. Jedoch auch eine Umstellung der beiden Distichen führte zu keinem zufriedenstelIenden Ergebnis, da eine gravierende inhaltliche Schwie· rigkeit bestehen bliebe: Die Formulienmgferrom... et ignes in V. 27 läßt sich, un· geachtet ihrer genauen Bedeutung, die offenbar schwer zu bestimmen ist6J4 , in keinem Fall mit den in den Versen 29r. aufgefiihrten auxilia vereinbarenm. An Vers 28, der auch Hodge und Bunimore Schwierigkeiten bereitet636, läßt sich ein besonders typisches Charakteristikum aufzeigen. Die Verse 27f. sind eingefUgt worden, um zu betonen, daß um jeden Preis Hilfe elWOnscht ist. Weil diesen Zweck bereits der Hexameter erfiUh, enthält der folgende Pentameter nur noch belangloses Füllmaterial. In ihm verfälscht der Bearbeiter zudem den übergeordneten Gedankengang, indem er alles Vorhergehende auf ein vergleichsweise triviales Ziel bezieht: ,,Hauptsache, ich kann meinem Zorn verbal freien Lauf lassen." Der Ton dieses Verses ist gleich dem der interpolierten Verse 23r. wiederum eher fordernd als, dem Kontext entsprechend, verzweifelt631 .
• Die Verse 29f. schließen gedanklich sehr gut an die Verse 25f. an. In ihnen führt Properz die dort geäußerte Bitte um auxilia aus, indem er die Freunde bittet, ihn aus den Augen seiner domina fOrlZuschaffen. Die enge Zusammengehörigkeit der heiden Distichen wird auch durch die Verwendung von Imperativen jeweils am Anfang der Verse 26 und 29 deutlich signalisiert. Im Schlußdistichon von I, 1 fordert Properz, an seinen Wunsch einer räumli· ehen Trennung von Cynthia (VV. 29f.) anknüpfend, diejenigen, denen Amor zu· getan ist, auf, zurückzubleiben und ihre Liebesbeziehung in trauter Zweisamkeit zu genießen (VV. 31 f.). Dieser Schluß ist sehr wirkungsvoll. Durch die adhortatio an die glücklich Liebenden ruft Properz im Leser unwillkürlich die Erinnerung an sein eigenes, zuvor geschildertes, Unglück in der Liebe wach, ~ es noch einmal eigens zu erwähnen. Das Bild, das er vorher von seinem Unglück gemalt hatte, prägt sich dadurch um so tiefer ein. Auch Hering (I) gibt zu, daß ..nur aus dem Zusammenhang heraus... die schwierigen Verse 27-28 zu verstehen" sind (S. 112, Anm. 49); er hält neben dem Wunsch in den Versen 29f., der meiner Meinung nach allerdings völlig einwandfrei ist, "das Verlangen, alle denkbaren Qualen wie ferrum und ignes zu ertragen", fiir ,,aus der Verzweiflung geboren und im Grunde genommen sinn- und zwecklos" (5. 112). es Von dem Versuch, sich durch riumliche Trennung von der Geliebten zu lösen, beriehtet Properz auch in 3, 21. Vgl. dort die Eingangsverse Magnum iter ad doclas proficisci cogor Athenas. / ut me tonga grav; soh'Ol amore via. Das Motiv ist recht gängig. Vgl. die Verse: Ov. rem. 213f., die offenbar das Anfangsdistichon von Prop. 3, 21 zum Vorbild haben, wie die wörtlichen Anklänge nahelegen: Tu lanlum. quamvis firmis reliaebere viadis. / i proeuJ. et lonras carpere perge liIu.. 6.)6 Hodge und Buttimore ad loc.: ...Line 28 is even more equivocal and obscure... He (sc. Pro~ius) seems 10 wanl 10 express anger, an emotion that has not beeil mentioned previ-
6}4
ous Iy.....
07
Die Verse 27C. sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. A. 2 erfaßt.
00045~53
166
I, I,
Die Elegien des ersten Properzbuches
31 33
3S 38
vo.s r~mll'U!t4!, q"iblls!acili d~us annuil allre. si/is el in 11110 semper lI,"or~ pilres. (in mew nOSlra YenILJ nocles uercet amaros'" et nu//o vaeuILJ tempore defi' Amor.6o'O hoc. moneo. vitate malum: sua quemque moretur euro""'. neque assuetofÖ mutet amore locum. 6Iol quod .si quis monitis tanlas adverterit auris"", heu releret quanta verba dolore6lo5 mea!)
11,1,33-8)646
Dem Bearbeiter hat, wie man im ersten Properzbuch des öfteren feststellt, ein prägnanter Elegieschluß ein solches Unbehagen bereitet, daß er einen eigenen Schluß angefilgt hat, in dem ,,alles klar wird". Ein solcher vom Bearbeiter hinzugefUgter Elegieschluß sind auch die Verse I, 1,33·38. In den Versen I, I, 33f. charakterisiert der Bearbeiter, provoziert durch Properzens Appell an diejenigen, die eine glückliche Liebesbeziehung genießen ('IV. 31 f.), ,.noch einmal seine eigene Lage ähnlich wie" Properz "in den Versen 8 und 17118,,647: "In meinem Falle setzt Venus bittere Nächte ins Werk, und nie läßt Amor mich in Ruhe", so klagt er in diesem Distichon. Anschließend mahnt er, dieses Übel zu meiden: Jeden möge seine eigene Geliebte (cura) beschöftigen, und er mög(' nicht nach einer Anderen Ausschau halten (VV. 35f.). An das Ende seines Zusatzes stellt er eine dUstere Prophezeiung, deren Schwere jedoch in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Aussage des vorausgehenden Distichons steht, auf die sie sich bezieht: Wenn jemand seine Mahnung nicht ernst nehme, werde er sich mit großem Schmerz an seine Worte erinnern (VV. 37f.).
6)1
6Jf
60'0
Der Versanfang in me ist aus V. 17 geholl Überhaupt ist die erste Hälfte von V. 33. wie ich im folgenden austuhre, der von V. 17 angeglichen. Die Junktur noctes amara.s findet sich sonst noch in Prop_ 2.17. 3f. und 4, 3, 29. Qv. epist. 12, 171 hat nocte.s amarae. Dem Vers 34 ähnlich sind folgende zwei Ovidverse: am. I, I, 26 uror. et in mt.:I(O pu/au. regnat dm..al; rem. 752 dum bene de mt.:I(O pectQU ceda' amor; vergleichbar nahe Parallelen existieren sonst nicht Die zweite Hälfte von V. 34 gleicht der von Ov. ars 1,38 ... ItmJlOU duret amor und Pont. 4, 6, 24 ... tempou crevit amor (letztere Pentamcterhälfte ist mit dem Anfang von met 4, 60 und fast. I, 195 identisch). Ansonsten finden sich rur eine ähnliche zweite Pentametemälfte im ersten Properzbuch zwei Belege; vgl. (Prop.) I, 12 .12 ... wrrportjUgit g,"orund {Prop.] I. 19.26 ... temDOu longus g,"or. Vorbild tur das gesamte Distichon ist Tib. 2, 4, 11 f. nunc et IImllrtJ dies e, noctis lImario, 11m-
bra est: lomnia nam tristi lUJPOetI!eJle maden'. 6Co1 Vgl. 1,8, I Tune igi,u, demens. nec'e mea CUNI m0etl'Mr. ..2 Assueto steht an derselben Stelle in I, 4, 4. Ml Eine ähnliche Klausel wie amare locum ist nur noch in Prop. I. 11,6 belegt. Die Verse I, 11, 5f. sind eindeutig die Vorlage von V. 36: nostn' cura subit memores a! ducere noctes? I ecquis in atrernO restat 1UIfJlU...1Jl&J? "" Die KJausel stammt aus Qv. fast. I, 179 ad primam \.IOCem ,imidas fU/l'tnÜjs gHW. 6Co' Vgl. Ov. mel 13, 2g0 me miserum. fuanto cogor meminisse dola,e. "'" Die Athetese stammt von 6011 Hering (I), S. 113.
o. Zwierlein.
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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Inhaltlich gesehen sind die Verse 33f. ein Echo der Verse 17f., in denen Properz, ebenfalls mit den Worten ln me beginnend, sein trauriges Geschick bereits von dem des Milanion abgehoben hatte. Stahl weist darauf hin, daß weitere Parallelen zwischen den Versen 17 und 33 bestehen: "Line 33 recalls the beginning ln me tardus Amor of line 17 by metrical panern (4 words of equal prosody)... and even by its contenls (Amor, 17 - Venus, 33)." Er folgert aus dieser Ähnlichkeit: "Thus distich 33/34 completes the second circle of self-definition (19-34), which, like the first (\-18), separates Propertius from other happier lovers.,,648 Diese "Regelmäßigkeit" verrät den Properzbearbeiter! Wie Vers 33 dem Vers 17, so ist Vers 34 dem Vers 32, dem echten Schlußvers der Elegie, nachgebildet: Dem semper in V. 32 entspricht nullo... tempore in V. 34, dem wohlmeinenden süls... pares entspricht defit, der Formulierung in tfllO... amore die Formulierung vacuus... Amor649 • Das gesamte Distichon (VV. 33f.) ist demnach ein gutes Beispiel für .. Interpolatorenökonomie" . Die in den Versen 35f. enthaltene Warnung ist nach den Worten von Hodge und Buuimore "obscure and hard to profit by"·MO. Die Aufforderung hoc. moneo. vüare malum, gefolgt von der Anweisung, jeder möge bei seiner Geliebten verweilen, ergäbe nur dann einen Sinn, wenn Properz zuvor dargelegt hätte, daß er selbst in diesem Punkt versagt habe. Dies ist jedoch nicht der Fall! Stahl bemerkt zu den Versen 35-38: "Were the poem about his unhappiness only, we would not desire anything more after line 34." Daß die Verse 35-38 den Charakter eines Zusatzes haben, deutet er unfreiwillig noch ein weiteres Mal an, wenn er erklärt, daß ..the final four lines give the whole poem a new twist and make all the foregoing (1-34) appear precursory.,,6S1 Was die Sprache der Verse 33-38 betriffi, so ist nostra Venus (V. 33~ schwierigm , weil es auch die zuvor erwähnten glücklich Liebenden mit umfaßt H. Vacuus defit (V. 34) ist eine seltene Form des Pleonasmus6S4 • 10 defitliegt womöglich eine Reminiszenz an deficü in V. 7 vo~s .
... Stahl, S. 44. 6f9 Stahl, S. 45. 6iQ Auch Hering (I, S. 113) warnt davor, die Mahnung der vier Schlußverse "mit rein rationalen Argumenten zu beurteilen. Wenn nämlich der Dichter", so erklll.rt er, .....durch Cynlhia erstmalig von einer Liebesleidenschaft ergriffen wurde... wäre er - streng gcnommenniehl berechtigt, die glücklich Liebenden zu mahnen, ihr Glück nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Aber welche Lehre könnte er dann geben?" "I Seide Zilate Stahl, S. 46. M2 Connor, S. 52, bezeichnet nostra Yenus als ,,paradoxical". W Hodge und Buttimore haben zwar richtig erkannt., daß ..lhe obvious contrasi underlined by the position of the words is between \lOS and in me" (5. 70, Anm. 22). Sie sind sich aber anscheinend der Ungenauigkeit., die in ihrer weiteren ErkJlrung enthalten ist, nicht bewußt: .JIOSlra generalizes this Venus to include the lovers of line 31 (\lOs), but in me distinguishcs his unhappy experience from their success". Gleich ihnen meint auch Heyworth (I, S. 396): ,JIosrra hcre refers to vos er ego". 6Sl Fedeli ad loc. ,,} So Hodge und Buuimore ad Joc. Die Verse 33-38 sind im Typologiekapitel in Abschn. 11. C. 1 erfaßt, die Verse 37r. außerdem in I. A. 2.
00045~53
168
Oie Elegien des ersten Properzbuches
Die Elegie 1. 22 I, 22 ist im ersten Properzbuch die einzige Elegie. die frei von unechten Zusätzen ist. Sie braucht deshalb nicht Gegenstand einer so eingehenden Untersuchung wie die übrigen Elegien zu sein. sondern nur insoweit behandelt zu werden. als es rur das Verständnis der Komposition des ersten Properzbuches notwendig ist. Gleich der Einleitungs· ist auch die Schlußelegie der Monobiblos an Tullus gerichtet, ebenso wie die Elegien 1.6 und I, 14, die erste und die letzte der mittleren zehn Elegien. Sie enthält nach Art eines Schlußgedichles biographische Angaben zu Properz, ist aber keine typische SphragisM6. Das erste Distichon erhellt den Anlaß der Elegie: Im Namen seiner Freundschaft zu Properz hat Tullus ihm einige Fragen zu seiner Abkunft gestellt (VV. 1f.). Diese Fragen zeugen, so Stahl, von einem recht einseitigen Interesse an Properzens fami· Iilirem Hintergrund. Den Grund hierfUr sieht Stahl darin, daß Tul1us als Mann von wichtigen politischen Verbindungen (vgl. 1. 6) und von großem Vermögen (vgl. 1,14) natürlicherweise insbesondere an solchen Details interessiert ist 6S1 • Anstan auf die Fragen des Tullus eine direkte Antwort zu geben, holt Properz weit aus: ..Falls dir Perusia. das Grab des Vaterlandes, bekannt sein sollte..." hebt er in V. 3 an. Schon die Tatsache, daß er mit einem Bedingungssatz beginnt. daneben aber auch der Inhalt desselben, zeigen. daß es ihm nicht nur um die traditions· gemäß in einer Sphragis zu liefernden Angaben zur eigenen Person geht. In V. 3 ist von den PenLSina patriae sepulcra. also den schlimmen Ereignissen des perusinischen Krieges, die Rede. desgleichen auch in den Versen 4 und 5. Nach V. 5, also genau in der Mine der Elegie, erfolgt ein unerwarteter Richtungswechsel im Gedankengang: Properz apostrophiert, ..overcome by a new intensity of emotion", wie es Hodge und Buttimore ausdrucken, in parenthetischer Form die Erde Etruriens: Insbesondere ihm bereite sie Schmerzen, da sie die zerstreuten Glieder seines Verwandten getragen und die Knochen des Unglücklichen nicht bedeckt habe (VV. 5·8). Die Verse 9f. bilden die Apodosis zu dem in V. 3 beginnenden Bedingungssatz. In ihnen erklän Properz. das nahe bei Perusia gelegene Umbrien habe ihn hervorgebracht. Das Schlußdistichon enthält somit die Antwor· ten ZU den im Anfangsdistichon refericnen Fragen. Die Elegie ist also fonnal wie inhaltlich betrachtet symmetrisch m . Die Tatsache, daß Properz in seiner Antwort auf TuBus' Fragen Perusia erwähnt, wertet Stahl als Bestätigung daftir. daß diesmal der Kontrast zwischen den beiden Freunden darin bestehe, daß ihre Familien im BOrgerkrieg entgegengesetzten politischen Paneien angehörten: ..Tullus, the counter-Propertius already in 1. I, 1. 6 and I. 14, once more helps to further the difficult process of definitio sui per negationem."M'ln der Tat sind die vier Elegien 1,6, 14 und 22 des ersten Properz· ü6 6J7
W
6j9
Vgl. etwa Hodge und Bultimore, S. 215. Stahl, S. t 00. Stahl bielel in seinem Properzbuch, S. 99fT., einige feinsinnige BeobachlUngen zur Elegie 1, 22, auf die ich mehnnals Bezug nehmen werde. Stahl, S. 107: ..The poem's fonn as read loday can be proved 10 be intentionally designed and final." Stahl, S. I02f.
Die rahmenden Elegien I - 5 und 15 - 18. 22
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buches nicht nur an einunddenselben Adressaten, nämlich TuBus, gerichtet, sondern gleichen einander in dem von Stahl aufgezeigten Sinne auch in ihrer Thematik. Was die Einleitungselegie I, I und die Schlußelegie 1,22 anbelangt, so lassen sich, anders als zwischen den Rahmenelegien des Mitteheils der Monobiblos, den Elegien 1,6 und I, 14, keine nennenswerten wönlichen Entsprechungen zwischen ihnen nachweisen. Gleichwohl besitzen sie manche Gemeinsamkeiten: "Tbe avoidance of any name (aulhor, family, birthplace) in the sphragis and the emphasis on personal experience move I. 22 e10se to the account of his (sc. Propertius') inner development given in I. I." Seide Elegien nehmen auf ein weit zurückliegendes Ereignis bezug, das anscheinend einen großen formenden Einfluß im Leben ihres Autors gehabt haben muß. So kommt Stahl, der auf diese Gemeinsamkeiten hinweist, zu folgendem Schluß: "Prologue and epilogue completc each other, giving a firm setting to the contents in between.,,660
Entsprechungen zwischen der ersten Elegie und den Elegien 17 und) 8 Die Sphragis I, 22 steht thematisch isoliert von dem Drama, das sich in I, I - 18 zwischen dcm Dichter und Cynlhia abspielt, hat aber mit der Einleitungselegie der Monobiblos den Adressaten gemein. Zwischen der ersten Elegie und den beiden thematischen Schlußgedichten I, 17 und insbesondere I, 18 hingegen bestehen enge Verbindungen. Ich drucke im folgenden die jeweils einander entsprechenden Verse ab und gebe anschließend eine Erl!uterung. I, I,
3:
tum milri constantis dei«:il lumina •faslus
1,18,
S,
unde tuos primum repetom. meo Cynthia. (avus?
Während Propen in der Einleitungselegie schildert, wie Amor seine eigenen hochmütigen Augen (lumina faslUS) zu Boden gesenkt habe, stellt er in I, 18 die Frage, an welchem Punkt er mit dem Bericht von Cynthiasfaslus beginnen solle. Auffii.llig sind des weiteren die Entsprechungen zwischen den Distichen I, I, 21 f. und ), 18, 17f., insbesondere zwischen den jeweiligen Pentametern. I, I,
2If.,
en agedum dominae mentem convertire nostrae, tl/acite iUa mfO Jl/l1kJU l1U. magis!
1,18.
17f.:
an quia parva damus mura(Q signa CQ/are tl non ul/Q mlO clamal in flUfides?
Ln I, I, 21f. biltet Propen diejenigen, die sich auf magische Künste verstehen, den Sinn seiner domina zu ändern und zu bewirken, daß sie mehr erbleiche als er selbst. In I, 18, 17f. fragt Propen, ob er zu wenig Zeichen filr seine Liebe gegeben
und es versäumt habe, seine Loyalit!t laut kundzutun. 66f
Die ve~hiedenen Zitate stammen aus Slahl, S. 125.
0004S4S3
Die Elegien des ersten Properzbuches
170
Eine weitere Entsprechung besteht zwischen den Versen I, I, 29f. und den Eie· gien I, 17 und 18: I, I,
29f.:
ferte per extremas gentis et ferte per undas. qua non u/la meumfemina nori' i/er:
In den Elegien I, 17 und 18 ist die in I, I, 29f. ins Auge gefaßte räumliche Distanz erreicht, freilich nicht im Sinne von I, 1 als remedium; vielmehr wird Properz Cynthia weiter lieben (vgl. I, 18,31 f.); dies ist Voraussetzung filr Buch 2. Wie im Falle der Elegien 1,2 und 15 sowie der Elegien 1,3 und 16, so verbirgt sich auch hinter den wörtlichen und gedanklichen Entsprechungen zwischen der Einleitungselegie und den Elegien I, 17 und 18 ihr entscheidender inhaltlicher Unterschied. Wie zwischen I, 2 und I, 15 oder zwischen I, 3 und I, 16, so hat sich auch zwischen der Einleitungselegie und den Elegien I, 17 und 18 das Blatt klar zuungunsten des Properz gewendet. In I, I berichtet er davon, wie er seinenfastu.... verlor, in I, 18 hingegen klagt er über Cynthiasfastus. In I, I wUnscht er, Cynlhia möge erbleichen, während er in I, 18 fragt, ob er selbst zu wenig durch den Wech· sei seiner Gesichtsfarbe seine Liebe kundgetan habe. Die räumliche Trennung von Cynthia schließlich, um die er als Heilmittel rur seine Liebe in der ersten Elegie in forderndem Ton bittet, ist in den Elegien I, 17 und 18 Realität, ohne daß sich je· doch der erwünschte Effekt irgend eingestellt hat.
IJI. Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (2. Teil)
An den Beginn meiner Arbeit habe ich den Nachweis der Unechtheit der Elegien I, 19 - 21 gestellt, den ich dort nach vorwiegend immanenten Kriterien gefiihrt habe. Diejenigen Argumente für die Unechtheit der betreffenden Elegien, die die Kenntnis der echten Elegien der Monobiblos und die des übergreifenden Gedankenganges voraussetzen, habe ich auf später verschoben. Nunmehr kann die Erörterung der Probleme erfolgen, die sich bei der Eingliederung von 1, 19 in den gedanklichen Aufbau des ersten Properzbuches ergeben, sowie die Untersuchung der Art der Beziehung von I, 21 zur Schlußelegie I, 22. In den Elegien 2 - 18 des ersten Propcrzbuches ist eine deutliche Entwicklungsiinie in der Beziehung zwischen Propen und Cynthia erkennbar: Die Elegien 2 - 5 handeln von einzelnen Schwierigkeiten innerhalb der Beziehung (I, 2 und 1,3) oder von Gefahren, die ihr von außen drohen (I, 4 und I, 5), spiegeln jedoch insge· samt eine vergleichsweise unkomplizierte und gesunde frühe Phase derselben wider. Diese Leichtigkeit ist im Miuelteil, den Elegien 6 - 14, nicht mehr gegeben. Die Probleme haben hier mitunter ein solches Ausmaß, daß sie sogar das Weiterbestehen der Beziehung stark gefährden. In I, 14, der letzten dieser zehn Elegien, scheint der Friede noch einmal hergestellt. Properz vergegenwärtigt sich in dieser Elegie auf der einen Seite den Wert der Beziehung, auf der anderen Seite aber auch, welche heftigen Schwierigkeiten möglich sind. Die Elegien 15 - 18 beschreiben ein spätes Stadium der Beziehung zwischen Properz und Cynthia: Herbe Enttäuschung und beginnende Resignation (I, 15), verzweifelte Versuche, an den Umständen entweder noch etwas zu ändern (I, 16) oder ihnen zu entfliehen (1, 17), zeugen davon, daß die Beziehung ihrem Ende zu· geht. In I, 18 ist die Trennung zwischen Properz und Cynthia vollzogen. Properz gibt in dieser Elegie ein Resümee der Beziehung, das heißt von seiner hingebungs· vollen Treue und von Cynthiasfastus. Die Elegie endet mit folgendem Distichon: 1,18,31f.,
sed qualiscumque es. resonent mihi 'Cynthia' si/vae. nec deserta tuo nomine saxa mcenr.
Mit diesen Worten bekundet Propen. daß er Cynthia gegenüber loyal bleiben will, aber keinerlei Erwartungen mehr an sie hat. Die Elegie I, 19 ist in dem Bemühen hinzugedicbtet worden, an dieses kunstvolle, aber vom Bearbeiter als unbefriedigend empfundene Ende ein Finale anzu.hängen, das die Verhältnisse ,,klarstellt". Die Tiefgründigkeit, die der vorläufige Abschluß
0004545~
172
Die Elegien des ersten Properzbuches
der Cynthia-Geschichte mit den Versen I, 18,31 f. erhält, kann jedoch nicht weiter gesteigert werden: Die Kombination von unendJicher Treue und Trauer, die in diesem Distichon mitschwingt, büßt vielmehr mit jedem weiteren Wort an Wirkung ein. ichtsdestoweniger läßt der Dichter der Elegie I, 19 den Properz in Gedanken an seinen Tod nochmals das Wort an Cynthia richten. Dabei dient jedoch der Todesgedanke nicht einmal, wie zu erwarten wäre, zur dramatischen Steigerung, sondern ist lediglich Bestandteil der vergleichsweise unspektakulären Erklärung des Dichters, er fürchte weder Tod noch Unterwelt, sondern allein, daß sein Begräbnis Cynthias Liebe entbehre. Der Ton, in dem diese Erklärung abgegeben wird, läßt, wie Oberhaupt der Ton der gesamten Elegie, die Resignation, die am Ende von 1, 18 deutlich spürbar ist, gänzlich vermissen66l • Daß die Cynthia-Geschichte mit I, 18 bereits abgeschlossen ist, wirkt sich vor allem auf das letzte Distichon der Elegie I, 19 aus. In ihm bemüht sich der Dichter vergeblich, durch eine gewichtige, aber mangelhaft angebundene Schlußfolgerung die fehlende Eingliederung der Elegie in den gedanklichen Aufbau des ersten Propcrzbuches zu überdecken. Die Elegie 1,21 hat, wie bereits dargelegt 662 , weder mit der das erste Properzbuch bestimmenden Cynthia-Thematik, noch überhaupt mit Properz selbst etwas zu tun, sondern weist vielmehr ausschließlich zur Schlußclegie der Monobiblos, I, 22, eine enge Verbindung auf. Diese einzige Verbindung ist dafür um SO enger. ethercut66J weist auf weitere eindeutige Parallelen hin: Dem propinquus in 1,22,7 entspricht in 1,21,7 Gal/us. Sie steht, wie in 1,22,6, so in 1,21,5. Ossa findet sich in 1,22,8 und in 1,21,9. Schließlich wird das Adjektiv Etroscus sowohl in 1,22,6, als auch im Anfangs- und im Schlußdistichon von 1,21, nämlich in den Versen 2 und 10 der Elegie, gebraucht. Die Untersuchung dieser Parallelen zwischen den beiden Elegien hilft, das Motiv rur die Interpolation von I, 21 zu erkennen. Ohne Zweifel an der Echtheit dieser Elegie zu hegen, erkJärt Stahl: .. I. 21 not only provides us wilh the name and political affiliation of the poet's deceased relative mentioned in the epilogue, but also deals with the tragic details of his death and Ihe efTect of the sad evcnt on his beloved - details directly conductive to understanding the outcry of grief thai fonns the emotional c1imax of I. 22." Mit anderen Worten: Die Elegie I, 21 enthält Infannationen, die das Verständnis der Schlußelegie erleichtern sollen 664 • Jedoch Vgl. auch Boyle (S. 898) zum Beginn der Elegie: "The poem opens in a casual. conversa· tional manner... nunc... indicates with subtlety and c1arity that the dialogue bctween Pro-penius and Cynthia has been going on for some time..:' ~ Vgl. die Untersuchung der Elegie zu Beginn dieser Arbeit, dort insbesondere das Zitat aus Stahl. S. 112. "J etherc:ut, S. 464. 66C Stahl, S. 113: .,The reader of 1. 21 gains more infonnation for understanding I. 22 than he who reads the epilogue for itself as merely representing the traditionsl sphragis." Stahl spricht im selben Zusammenhang von der "infonnation which I. 21 supplies for understanding 1. 22". Vgl. des weiteren S. 118r.: •.Definitely the reader's mind is prepared to panicipate in the outburst of grief in I. 22. 6-8. For, wben IUming to 1. 22. the reader has impressed in his mind both the sad result ... and the tragic circumstances ... of Gal!us' death." S. 120: ..1. 21 puts the politically infonned contemporary reader in a better position 661
00045450
Die unechten Elegien des ersten Properzbuches (2. Teil)
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gerade die Tatsache, daß, und die Art und Weise, wie die Elegie I, 21 zur Vorbe· reitung der Schlußelegie dient, erweist sich als verdächtig. Denn in I, 21 verläßt der Dichter, so Stahl, "the neutrality observed in the final poem and does identify the Earty his deceased relative (me;... propinqui, 22. 7) had fought against: Octavi· an" 5. Im Unterschied zu 1,22 wird Octavian in 1,21 namentlich genannt666, allerdings in einer Weise, die eindeutig eine oppositionelle Haltung zeigt667 . Die Elegie I, 22 bezeichnet Stahl zutrefTend als "in the first place... a personal, not a political poem,,668. Er gibt zu, daß sich allein auf der Grundlage von I, 22 schwer nachweisen läßt, daß diese Elegie eine politische Aussage enthäh669 . Wenn nun aber Properz so sehr bemüht ist, eine womöglich riskante eindeutige politische Stellungnahme in der Schlußelegie des ersten Buches zu venneiden, warum sollte er in der vorausgehenden Elegie den Schlüssel tUr das Verständnis der in der Schlußelegie implizierten Andeutungen mitgeben? In I, 21 nämlich "Propertius makes no attempt to conceal the identity of lhe aggressor."670 Solche eindeutigen politischen Stellungnahmen sind flir Properz nicht üblich; sie gehen auf das Konto des Bearbeiters.
to understand Propertius' intense lament in 1. 22." S. 121: "His reader may, thus wcll-prcpared, be much more eertain ahow the characler of the c10sing poem." Vgl. auch Hodge und Buttimore, S. 213: "The two poems rcad as glosses on each olher, and it is diflieult to bclieve Ihis is not intended." 665 Stahl, S. 111. 666 Stahl, S. 113. 661 Vgl. Stahl, S. 117: "We have leamed ahout Ihe family's party affiliation: anli-Octavian, pro-Republican." 668 Stahl, S. 121. 669 Stahl, S. 108. 610 Nethereut, S. 469. Nethercut (5. 466) stellt fest, daß in 1,21 Oclavian als derjenige dargestellt wird, der seine eigenen Leute verfolgt, und rugt (Anm. 7) hinzu: "This same emphasis is preserved in Propertius 11, I, 19-34." Bereits Heimreich hat die Verse 2, I, 17-38 getilgt.
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TYPOLOGIE DER EINDICHTUNGEN IM ERSTEN PROPERZBUCH
Einleitung Für eine Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch sind die Ausführungen von Tarrant, auf die ich in der Einleitung meiner Arbeit bezuggenommen habe,
eine wichtige Grundlage. Allerdings scheint es mir angesichts des Charakters dieser Eindichtungen nötig zu sein, Tarrants Typologie zu modifizieren. Der Grund darllr ist vor allem, daß Tarrant eine Klassifizierung der Interpolationen in lateinischen Dichtertexten im allgemeinen vornimmt, die nicht die Unterschiede im Charakter der Interpolationen in verschiedenen Dichtungsgattungen oder auch bei den einzelnen Dichtem berücksichtigt und daher fiif eine gattungs- oder autorenspezifisehe Typologie nur die Basis sein kann. Gleich Tarrant teile ich die Eindichtungen im ersten Properzbuch entsprechend ihrer Funktion in Kategorien ein. Wenn sich auch die meisten von ihnen klar einer dieser Kategorien zuweisen lassen, so kommen rur einige mehr als eine Kategorie in Frage. Diese Trennunschärfe besteht deshalb, weil die einzelnen Kategorien lediglich verschiedene Aspekte ein und desselben Phänomens, nämlich der Eindich· tung, beschreiben. Es versteht sich, daß bei einer einzelnen Eindichtung mehrere dieser Aspekte sichtbar werden können. Indem ich jedoch die einzelnen Kategorien ihrerseits wiederum in mehrere Typen unterteile, kann ich die mehrfache Zuordnung ein und derselben Eindjchtung fast immer vermeiden. Bei der Einteilung in Kategorien gehe ich teils von den Ausruhrungen Tarrants zu den Interpolationen aus, die er unter dem Oberbegriff der onn%/;on sammelt, vor allem aber von seinen Ausruhrungen zu denjenigen Interpolationen, die er als imila/ion oder collabora/ion bezeichnet. Bei Interpolationen der Kategorie annota/ion führt der Leser nach Tarrant die Aufgabe eines Editors oder Kommentators aus. Vor allem der zweite und der dritte Typ, den Tarrant in dieser Kategorie unterscheidet, der des Kommen/ars und der des Zilats oder der Parallele, sind filr die Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch von Bedeutung. Ein Kommentar reduziert nach Tarrant entweder eine Passage auf ihr Wesentliches, oder er liefert sonst eine rur das Verständnis einer Passage als nötig oder hilfreich empfundene Information671 • Die Bedeutung des Typs Zilat oder Parallele versteht sich von selbst. Bei Interpolationen der Kategorie imila/ion oder collabora/ion betätigt sich der Leser nach Tarrant als Ko-Autor. Solche Interpolationen sind motiviert von dem Verlangen "to prolong, to elaborate or even to surpass the text which inspires it·06n . Als verschiedene Typen dieser Kategorie von Interpolationen nennt Tarrant ..those which smooth a transition or fill an apparent ellipse in the argument or narrative;
'11 Tam.nl
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Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
those wbich extend, amrlify, cr heighten a point; and those which add emphasis cr weight (0 a conclusion" 7l, Indem ich die Wesenszüge dieser von Tarrant unterschiedenen Arten von Inter· polationen teilweise vermische, teile ich die Eindichtungen im ersten Properzbuch
nach solchen mit vorwiegend exegetischer Funktion ein und solchen. die vor allem zum Schmuck dienen. Eindichtungen mit vorwiegend exegetischer Funktion stehen zum einen inner· halb von oder nach besonders emphatischen Passagen im echten Properz. Indem sie den schon vorhandenen emphatischen Charakter der jeweiligen Passage verstärken, dienen sie zu seiner Verdeutlichung. Zum anderen können Eindichtungen dieser Kategorie auch eine erklärende Funktion haben. Sie stehen dann entweder
am Schluß eines umfangreicheren Abschnittes aus der Feder des Bearbeiters selbst und dienen zur klärenden Korrektur des Gedankenganges; oder sie finden sich in der näheren Umgebung einer Passage, in der Properz die Aussage verschlüsselt formuliert hat, und dienen dann zur Erklänmg des Gedankenganges. Das Zustandekommen von Interpolationen, die im Wesentlichen zum Schmuck dienen, hat man sich so vorzustellen, daß der Properzbearbciter im Sinne des von Tarrant beschriebenen Ko-Autors nicht so sehr ein BedUrfnis als vielmehr eine Gelegenheit für einen Zusatz geschen und genutzt hat. Auch innerhalb der Kategorie VOll Eindichtungen mit schmückender Funktion läßt sich eine weitere Unterscheidung vornehmen, und zwar zwischen solchen Eindichtungen, die einen emphalischen, und solchen, die einen dem Ton nach eher neutralen Zusatz zum echtcn Text darstellen.
rn TlllT'lUIt (11), S. 137.
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I. Exegetische Eindichtungen
A. EindichlUngen mit verdeutlichender Funktion Von den Eindichtungen im e~ten Properzbuch faUen diejenigen, die zur Verdeutlichung des emphatischen Charakte~ einer Passage hinzugefilgt worden sind, nicht nur deswegen besonders auf, weil sie innerhalb von oder im Anschluß an emphatische Passagen stehen, sondem auch, weil in ihnen bestimmte fomlale Merkmale häufig wiederkehren. So sind sie zum einen in der überwiegenden Zahl der Fälle mit et, nec oder aut angebunden. Auffällig häufig wird ein Bezug zum Vorhergehenden auch durch die Verwendung von Formen des Demonslrativpronomens ilIe hergestellt; diese Formen stehen dann meist ganz zu Beginn der Eindichtung. Überdurchschnittlich oft benutzt der Bearbeiter bei bestimmten Typen von verdeutlichenden Interpolationen den dativus ethicus mihi oder tibi, und zwar meist im ersten Versfuß derselben. In den meisten Fällen sind die Eindichtungen, die zur Verdeutlichung des emphatischen Charakters einer Passage dienen, dieser Passage in mehrfacher Hinsicht stark angeglichen; ich spreche hier von einer "Verdeutlichung durch gleichartige Fortsetzung", Die übrigen Fälle filhre ich unter dem Oberbegriff "Verdeutlichung durch andersartige Fortsetzung" auf.
I. Verdeutlichung durch gleichartige Fortsetzung
Eindichlungen, die eine Verdeutlichung durch gleichartige Fortsetzung bewirken sollen, finden sich vor allem in solchen Passagen, die aufgrund einer starken negativen oder positiven Stimmung oder eines eindringlich belehrenden Tones einen emphatischen Charakter haben. Ich habe die Einteilung dieser Eindichtungen entsprechend dem verschiedenen Charakter der Abschnitte in Properz vorgenommen, denen der Bearbeiter seinen Zusatz hinzugefilgt hat. a. Verdeutlichung emphatischer Aussagen, die die Zukunft betreffen Zumindest an vier Stellen in der Monobiblos sind warnende oder zuversichtliche Aussagen, die die Zukunfl betreffen, zum Zwecke ihrer Verdeutlichung erweitert worden. Ich gebe, wie auch im weiteren Verlauf des TypoJogiekapiteis. zunächst die entsprechenden Stellen und drucke den rur die anschließende Besprechung jeweils relevanten Texlausschnitt ab.
Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
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1,4,19[, 1,5,17L 1,5,23L 1, 8B, 45L
nee ,ibi me post haee cOI,,,,,inet... el quaecumque va/es fugiellilibi. .. nec tibi nobilitas poterie ntC mihi rivalis cer/os subducet...
In allen vier aufgefuhrten Distichen findet sich ein dativus ethicus, in den ersten drei ein tibi, im vierten ein miM. Außerdem beginnen alle entweder mit nec oder
mit el. Schließlich ist der Beginn des eingedichteten Distichons stets dem des je· weils vorausgehenden echten Verses oder Distichons angeglichen. Die Verse 1,4, 19f. sollen den warnenden Charakter der Vorhersage von Cynthias bevorstehender Feindschaft gegenüber Bassus in den Versen 17f. und 21 f. hervorheben, indem sie den negativen Prophezeiungen der umliegenden Verse weitere hinzutugen. Die Angleichung der Eindichtung an den Kontext zeigt sich auch in der Ähnlichkeit der Anfänge der Verse 18 und [19t74 : el tibi... / nee liM... Durch die Verse I, 5, 17f. und 23f. soll der warnenden Vorhersage von Gallus' bevorstehendem Liebeskummer in den jeweils vorausgehenden Versen 13-16 bzw. 19-22 ein größeres Gewicht verliehen werden. Auch in diesen Fällen werden den negativen Prophezeiungen im echten Properz einfach einige weitere angereiht. Auch hier ist die Angleichung an die jeweils vorausgehenden Distichen erheblich; man beachte die Ähnlichkeit der Anfange der Verse 15-[ 17] el... el... el... und der Verse 21 und [23] "ee... nec... An den echten Schluß von I, 8B, die Verse 43f., die eine zuversichtliche Vorhersage von Properzens bleibendem Liebesglück in den vorausgehenden Versen enthalten, hat der Bearbeiter ein Distichon mit einer weiteren solchen Vorhersage angehängt. Man beachte die Ähnlichkeit der Anfänge der Verse 43 und [45]: nunc
mihi. .. nee mihi... b. Verdeutlichung emphatischer Schilderungen bestehender Verhältnisse Nicht nur den emphatischen Charakter von warnenden oder zuversichtlichen Prophezeiungen, sondern auch den von positiven oder negativen Schilderungen bestehender Verhältnisse hat der Bearbeiter durch gleichartige Fortsetzung zu verdeutlichen gesucht. I, 14, I3f.: 1,16,7f.:
1,16,l1f., 1,6,9L 1, 8B, 33-38, 1,13,3If.: I, 17,21f.:
tum mihi cessuros spandent... / . el mihi non desunt / semper el . nec lamen j/la suae / turpior eI . iUa meam mihi iam il/a minalur. / ... il/a ve/ angusro... / el . il/Q sir /nachiis...1 iUa . il/Q meo caros... / mo//ite,. er...
Die heiden interpolierten Distichen in 1, 16 sind mit et bzw. nee angebunden. An fUnf der sieben aufgefUhrten Stellen wird durch das Pronomen iJla ein Bezug zum Vorhergehenden hergestellt. ln drei Fällen wird der dativus ethicus mihi gebraucht. 61.
Der Deutlichkeit halber selZe ich bei der Darstellung der Ähnlichkeit von Versen die Zahl des jeweils unechten Verses in eckige Klammem.
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Exegetische Eindichtungen
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In den Versen I, 14, llf. erklärt Properz mittels metaphorischer Vergleiche, welch ein großes Glück ein ungetrübtes Beisammensein mit Cynthia tur ihn 00· deutet. Die vom Bearbeiter eingedichteten Verse 13f. enthalten zur zusätzlichen Betonung des Ausmaßes dieses Glilckes einen weiteren Vergleich nach Art des vorhergehenden, gefolgt von dem Wunsch, dieses GInck möge bestehen bleiben. Die formale Angleichung des Beginns von V. [13] an den von V. 1I ist offenkundig: rum mihi... tum mihi. In I, 16, 7f. sucht der Dichter die Empörung, die in der Schilderung des Verhaltens gegenüber der Tür in den vorausgehenden Versen Sf. mitschwingt, zu ver· deutlichen, indem er zwei jeweils mit er beginnende negative Aussagen hinzutugt. In ähnlicher Weise sollen die Verse I, 16, Ilf. die Empörung, die in der Schilderung des Verhaltens der domina in den Versen 9f. zum Ausdruck kommt, noch deutlicher vor Augen fUhren. Ocr Anfang von V. [11] hat den von V. 9 zum Vor· bild: IIec... nec... Vor allem das tarnen in V. 11 dient zum Ausdruck von Empörung. Durch die Verse 1,6, 9f. soll die ablehnende Haltung Cynlhias, die bereits in den Versen 7f. beschrieben wird, deutlicher gemacht werden. Der Anfang von V. [9] ist dem von V. 7 nachgebildet iIIa mihi... iIIa meam mihi... Auffallig ist das zweifache iIIa in V. 9. Die Verse I, 8B, 33-38 sind eingefUgt worden, um die Freude, die in der Schil· derung von Cynthias Entschiedenheit für Properz in den Versen 31f. zum Ausdruck kommt, zu verdeutlichen. Der Anfang von V. [33] hat den von V. 31 zum Vorbild: illi... i1/a... Einem ähnlichen Zweck dienen auch die Verse I, 13, 31 f. Sie heben mit Nachdruck die außergewöhnliche Schönheit von Gallus' puella hervor, die bereits in den - ebenfalls unechten - Versen 29f. 675 beschrieben wird. Auch in den Versen 31 f. gebraucht der Dichter das Pronomen iIIa zweimal. Die Verse I, 17, 23f. sind eine emphatische Schilderung von Cynthias zu erwartendem hingebungsvollen Verhalten bei Properzens Bestattung. Ausnahmsweise .Y.W: dieser Schilderung sind die Verse 21 f. eingetugt worden. Sie sollen Cynthias Hingabe zusätzlich hervorheben. Gleichwohl ist der Anfang von V. [21] dem von V. 23 nachgebildet: iIIa meo... illa meu",... Auch im restlichen Properzcorpus findet sich zumindest ein Fall einer Eindichtung, die zur Verdeutlichung des emphatischen Charakters einer Schilderung im echten Properz dienen soll: vi.r tamen out...
Die Verse 3, 21, 7f. unterstreichen die Verzweiflung, die bereits in der Schilderung der SChwierigkeiten in der Beziehung mit Cynthia in den Versen 3-6 zum Ausdruck kommt. Das tarnen ist schon in [prop.] I, 16, 11 als Mittel zum Ausdruck von Entrüstung begegnet. Mitunter sind Teile ein und derselben unechten Passage mehreren Interpolalionstypcn zuzuordnen. ~ Dieses Distichon ist von Paldam und Canmi getilgt worden.
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c. Verdeutlichung der Empörung in emphatischen Ausrufen oder Fragen Auch die Empörung, die in emphatischen Ausrufen oder Fragen impliziert ist, hat der Propenbearbeiter durch gleichartige Fortsetzung zu verdeutlichen gesucht. 1,18,23-26: 1,3,37f.: I, BA, 3f.:
.
,
ah tua qual pepem .... namque ubi fonga meae... ? et ,ibi iam lanti... ?
Die Verse I, 18,23·26 dienen der Verdeutlichung der Empörung, die in den Ausruten des Propen in den Versen 21 f. mitschwingt. Der Anfang der Interpolation in V. [23) ist deutlich dem Anfang von V. 21 nachgebildet: a quotiells... a lua qual... Mit der Frage Cynthias an Properz in den Versen 1,3, 37f. sucht der Bearbeiter die Empörung, die in der gleichartigen Frage in den Versen 35f. mitschwingt, stärker herauszustellen. Er hat sie durch -que angebunden. An die Fragen des Propen an Cynthia in den Versen I, 8A, I f. schließt der Interpolator mit dem Ziel, die in ihnen zum Ausdruck gebrachte Empörung zu verdeutlichen, in den Versen 3f. eine weitere solche Frage an. Typische Merkmale eines Zusatzes sind in diesem Distichon die Anbindung durch et, der Gebrauch des dativus ethicus libi und die Angleichung des Versanfangs von V. [3] an den des vorausgehenden echten Verses 2: an tibi. .. et libi... d. Verdeutlichung von nachdrücklichen Wünschen An zwei Stellen im ersten Properzbuch hat der Bearbeiter zum Zwecke der Verdeutlichung einen nachdrücklichen Wunsch durch gleichartige Fortsetzung er· weitert. 1,8A, 13·16: 1,11.11f.:
atque ego nO/l videam... aut leneal clausam...
In den Versen 1, 8A, 9-12 verleiht Properz in vier Variationen ein und demselben Wunsch Ausdruck: daß Cynthias Abreise verhindert werden möge. Damit die Nachdrücklichkeit dieses Wunsches deutlicher wird, schließt der Bearbeiter eine weitere Variation desselben an. Die Eindichtung ist durch ein einfaches atque angebunden. Die zweite Eindichtung dieser Art steht bezeichnenderweise in der korrespondierenden Elegie I, 11, und zwar ebenfalls im ersten Abschnitt derselben. In den Versen 1, 11, 9f. äußert Propen den Wunsch, eine anderweitige Beschäftigung möge Cynthia von einem möglichen Rivalen femhalten. Der Bearbeiter fügt ein mit auf beginnendes Distichon hinzu, das die Eindringlichkeit dieses Wunsches verdeutlichen soll. e. Verdeutlichung der Funktion mythologischer Exempla An manchen der Stellen, an denen Properz zur Bekräftigung einer Aussage Exempla aus dem Mythos anführt, sucht der Bearbeiter die Funktion dieser Exempla zu verdeutlichen, indem er entweder weitere Exempla hinzufügt oder die proper-
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Exegetische Eindichtungen
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zischen erweitert. Bei den vollständig interpolierten Exempla und den Zusätzen zu echten Exempla ist der Charakter eines Kommentars besonders stark ausgeprägt Die interpolierten Exempla können als stützende Parallele gelten, während die Zu· sätze zu echten Exempla gleichsam deren Aussageabsicht hervorheben sollen. Lm ersten Properzbuch finden sich die Fälle dieser Arten von Eindichtungen in den einander korrespondierenden Elegien 2 und 15. Vollständig interpolierte Exempla in diesen Elegien sind: 1,2, 17f.: 1,15,15L
non, ldae el cupido... Alphesiboea suos...
Die beiden Exempla in den Versen 1,2, 15f. und 19f. sollen die in den Versen 1-6 implizierte Behauptung bekräftigen, daß sich natürliche Schönheit durch die Ver· wendung von Kosmetika nicht steigern läßt. Das interpolierte Exemplum in den Versen 17f. dient demselben Zweck und damit der Verdeutlichung der Funktion der beiden anderen Exempla. Es beginnt, wie das vorausgehende, mit non. Diese Angleichung ist der Grund für seine mangelhafte sprachliche Konstruktion. Das zweite der beiden Exempla (I, 15, 15f.) ist aus einem ähnlichen Grund in die Reihe von echten Exempla in den Versen 9f., 17f. und 2lf. eingefügt worden: Es vergrößert die Zahl der positiven Gegenbilder zu Cynthias in den Versen 1-8 beschriebenem treulosen Verhalten und verdeutlicht so die in ihnen enthaltene Botschaft. Folgende Zusälze zu den echten Exempla in den Elegien I, 2 und I, 15 gehen ebenfalls auf das Konto des Bearbeiters: 1,2,23f.: I, 15, 11·14: 1,15,19L
non illis studium / illis... mullos ilfa dies . Hypsipyle nulfos post ilfos...
Nach den beiden Exempla in den Versen 15f. und 19-22 von 1,2 fugt der Bear· beiter ein Distichon ein, das der mit diesen Exempla beabsichtigten Bekräftigung der Behauptung, natürliche Schönheit könne durch Kosmetika nicht verbessert werden, eine größere Deutlichkeit verleihen soll. Auch in diesem Distichon läßt sich, wie in den Versen 17f., die ein unechtes Exemplum enthalten, eine Angleichung an die echten Exempla feststellen; man vergleiche die Anfiinge der Verse 15, [17],19 und [23]: non... non... nee... non... Den Exempla in I, 15 versucht der Bearbeiter zu einer besseren Erflillung ihres Zweckes als positive Gegenbilder zu dem treulosen Verhalten Cynthias zu verhel· fen, indem er die Beschreibung von Kalypsos Treue in den Versen 9f um vier Verse (VV. 11-14) erweitert sowie diejenige von Hypsipyles Anhänglichkeit in den Versen 17r. um ein Disticbon (W. 19[). Bemerkenswert ist, daß in allen drei genannten Fällen die Anbindung an das Vorhergebende durch Fonnen des Pronomens il/e erfolgt sowie in I, 15, 19r. zu· sätzlich durch die Epanalepse des Eigennamens Hypsipyle.
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Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
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Ein Beispiel rur ein vollständig interpoliertes Exemplum aus dem zweiten Properzbuch sind die Verse 2. 28, 21 f. 2,28,21 r. 6n :
Andromede monstris...
Durch die Exempla in den Versen 17f., 19f. und 23f. von 2, 28 bekräftigt Propen die Zusicherung an Cynthia in den Versen 15f., nach den vielen Gefahren eines qualvollen Lebens werde fur sie am Ende des Tages eine angenehmere Stunde kommen. Diese Funktion der Exempla hat der Properzbearbeiter durch Einfilgung eines weiteren Exemplum zu verdeutlichen gesucht. Die fonnale Angleichung der Eindichtung an den Kontext besteht hier darin, daß der Bearbeiter, wie Properz in den drei echten Exempla, den Namen der mythischen Frau an den Anfang des Distichons gestellt hat.
2. Verdeutlichung durch andersartige Fortsetzung
Zusätze, die den emphatischen Charakter einer Passage verdeutlichen sollen, können sich in ihrer Art durchaus auch von dieser Passage unterscheiden. Beispiele hierfUr si:1d: 1,4,9f.: 1. 17,5f.:
nedum, si fevibus . quin eliam absenti .
Die Verse 1,4, 9f. sind zur Hervorhebung der Zuversicht eingedichtet worden, die in den Versen 5·8 zum Ausdruck kommt. In diesen Versen beteuert Propen, Cynthia würde in einem Vergleich die Frauen des Mythos an Schönheit übertreffen. Die hieran angehängte Eindichtung in den Versen 9f. stellt, wie ihr Beginn mit nedum, s;... anzeigt, eine Steigerung gegenüber dem Vorhergehenden dar. Die Verse I, 17, 5f. sollen die Schwierigkeit der derzeitigen Lage des Properz, die in den Versen 1-4 geschildert wird, verdeutlichen. Die Verdeutlichung soll auch in diesem Fall mittels einer Steigerung gegenüber dem Vorhergehenden (vgl. quin eliam in V. 5) erzielt werden. Eine weitere Gruppe von Eindichtungen, die sich in ihrem Charakter von der Passage unterscheiden, deren emphatischen Charakter sie verstärken sollen, bilden folgende drei Distichen: I, I, 37f.: 1,5,9f.: 1,5,25f.:
quod si quis... / hell re/erel quanlo... ! quod si/orle luis... / al tibi curarum milia quanta... ! quod si parva luae... / qUQm äto de lanto... !
In allen drei Fällen beabsichtigt der Bearbeiter, eine vorausgehende eindringliche Mahnung oder warnende Vorhersage zu verdeutlichen, indem er ein Distichon an sie anfUgt, das mit quodsi beginnt und mit einem negativ prophezeienden Ausruf 6n
Die Versc hat als erster Heimreich gctilgt, später auch Knoche.
Exegetische Eindichlungen
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endet. Die jeweils vorausgehende Mahnung oder warnende Vorhersage ist ebenfalls unecht: In I, I ist dies die Mahnung in den Versen 35f.,jeden möge nur seine eigene Geliebte beschäftigen, in 1,5 die warnende Vorhersage von Cynthias Lau· nen in den Versen 7f. sowie von künftigem UnglUck in den Versen 23f.
B. EindichlUngen mit erklärender Funktion Eine erste Gruppe von Eindichtungen mit erklärender Funktion sind schlußfol· gernde Aufforderungen im letzten Distichon eines umfangreicheren Zusatzes, der vor oder nach dem echten Schlußdistichon einer Elegie stehtm. Solche schlußfol· gcrnden Aufforderungen sollen in den meisten Fällen der Elegie einen neuen, kla· ren und markanten Abschluß geben, nachdem der echte verwässert wurde. Sodann hat der Bearbeiter Zusätze, die zur Erklänmg dienen sollen, auch an Passagen angehängt, in denen Properz in rur ihn typischer Manier die Aussage nicht unmittelbar eingängig, sondern durch emphatische Fragen verschlüsselt zum Ausdruck gebracht hat. Auch in diesen Fällen haben die Zusätze öfters die Fonn einer schlußfolgernden Aufforderung, auf die allerdings manchmal noch eine ebenfalls unechte - Begründung folgt. Nicht nur nach emphatischen Fragen, sondern auch an anderen Stellen empfand der Bearbeiter offensichtlich einen Erklärungsbedatf. Ich spreche dann von ergänzenden Anmerkungen. Eine erklärende Funktion haben schließlich auch diejenigen Eindichtungen, in denen der Bearbeiter eine im nachfolgenden Distichon implizierte Andeutung im voraus entfaltet, um den an den jeweiligen Stellen recht prägnanten Gedankengang teils zu vereinfachen, teils aber auch schmückend zu erweitern61'. I. Klärung des Gedankengangs am Ende eines längeren Zusatzes Schlußfolgernde Aufforderungen am Ende eines längeren Zusatzes sind in FOffil und Inhalt oft an das echte Schlußdistichon der jeweiligen Elegie angelehnt, in einem Fall auch an deren Anfangsdistichon. Zu ihnen zählen folgende Disti· ehen: 1.5. Ir.: 1,9,33f.: I, 13, 33f.: 1,15,41f.: 1,19,25f.:
'71 Die
invide. tu I/lndem voces compesCt!... qU/lre. si pudor est, quam primum errata filtere I . tu vero quon;Qm semel es perituf1ß amore. I Illere .. quis ego lIulle pereo ... moniturus amatllis! ... credere... qU/lr~. dum /ieet, inler nw IQt!temur...
Behandlung dieser umfangreicheren Zusatze als ganzer erfolgt im Rahmen der Erörterung schmüdcender Eindichtungen. ,.,. Interpolationen dieses Typs weisen dementsprechend Ähnlichkeiten zu solchen auf, die zum Schmuck dienen.
Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
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An den echten Schluß von 1,4, den Vers 22, hat der Bearbeiter die Verse 1,4, 23 I, 5, 2 angehängt. 1m letzten Distichon dieses Zusatzes sucht er sichtlich einen Be· zug zum ersten Distichon der Elegie herzustellen und ihr so einen neuen Abschluß zu geben: Die Anrede invide in [I, 5, I] entspricht der Anrede Basse in 1,4, I, die Fonnulierung voces... moleslas in [I, 5, I] der Fonnulierung multas... laudando pue/las in 1,4, I, die Fonnulierung sine nos... ire pares in (1, 5, 2] dem cogis abire in 1,4,2. Die Elegie 1,9 endet mit V. 26; die Verse 27-34 stammen vom Bearbeiter. Das letzte Distichon dieses Zusatzes, eine schlußfolgernde Aufforderung mit anschlie· ßender Begründung, knüpft deutlich an den Gedankengang des echten Schlußverses (V. 26) an; man vergleiche die Verse 26 und [331 in direkter Aufeinanderfolge: acrius ilIa subit, Pontice, si qua lua esl... quare, si pudor esl, quam primum errala falere. In I, 13 hat der Properzbearbeiter ym: dem echten Schlußdistichon, den Versen 35f., sechs Verse eingedichteL Das Schlußdistichon seines Zusatzes hat er gedanklich an das unmittelbar folgende, echte Schlußdistichon angepaßI; man vergleiche die Ähnlichkeit der beiden qlloniam-Sälze in den Versen [33] und 35 sowie die der Aufforderungen ulere in V. [34] und tibi... sil fe/ix... error in V. 35 bzw. una Sil iSla tibi in V. 36680. Auf den echten Schl'Jß von I, 15, die Ve!"Se 27f., felgt ein langer Zusatz. Der Schluß desselben (VV. 41 f.) ist wiederum dem echten Schluß der Elegie nachgebildet; man beachte die Ähnlichkeit der Hexameterenden .". do/itura peric/o (V. 27) und ... moniturus amanlis (V. [41)). Auch dem letzten Distichon der von ihm eingediehteten Elegie I, 19 (VV. 25f.) hat der Bearbeiter die Form einer schlußfolgernden Aufforderung gegeben, die in diesem Fall die Funktion besitzt, dem mißlungenen Gedankengang der Elegie als ganzer gewallSam einen markanten Abschluß zu geben. 2. Erklärung der Aussage von emphatischen Fragen Diejenigen Eindichtungen, die dazu dienen, die in emphatischen Fragen implizierte Aussage klarzumachen, haben öfter die Form einer emphalischen, schlußfolgernden Aufforderung mit anschließender Begründung. 1,2,7-14:
1,9,13-16: 1,17,9-12:
crede miM I ... 11 aspice quos... i quaeso el sepone I 11 quid si n01l Lu tarnen... convene I 11 an potens .
.
Der Eindichtung in den Versen 1,2,7-14 geht eine sechs Verse lange Reihe von Fragen voraus, durch die Propen Cynthia zu verstehen gibt, daß ihre Versuche, durch die Verwendung von Kosmetika ihre Schönheit zu verbessern, seiner Meinung nach sinnlos sind. Diese in den Fragen implizierte Botschaft wiederholt der 610
Streng genommen dient die schlußfolgernde Aufforderung hier nicht dazu, der Elegie einen neuen Abschluß zu geben, nachdem der echte durch die Eindichtung verw!ssen wurde; denn die Eindichtung steht ~ dem echten SchluBdistichon. Gleichwohl hat das in Frage stehende Distichon den Charakter eines SchluBdistichons. Es ist ja auch, wie erwlhnt, dem echten SchluBdistichon nachgebildet.
Exegetische Eindichlungen
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Bearbeiter in V. 7 explizit und sucht sie anschließend durch eine nebulöse AUgemeinaussage in V. 8 sowie eine Reihe teilweise recht wenig treffender Vergleiche aus der atur in den Versen 9-14 zu begründen. In den Versen 1,9, 9f. gibt Properz dem Adressaten Ponticus in Form von Fragen zu verstehen, daß ihm in seiner jetzigen Situation epische Dichtung nicht mehr von utzen sei; in den Versen Ilf. fügt cr erläuternd hinzu, in der Liebe vermöge der Vers des Mimnermus mehr als Homer; Amor verlange freundliche Lieder. Was Properz mit diesen vier Versen bewirken will, ist nach Meinung seines Bearbeiters noch nicht hinreichend klar. Deshalb fUgt er in den Versen 13f. die Aufforderung an den Adressaten hinzu, zu singen, was die pue/la hören wolle, und gibt in den Versen l5f. eine Begründung dieser Aufforderung: Material stehe ihm zur Genüge zu Gebote. In den Versen I, 17, 7f. stellt Properz die Frage, ob denn kein Ende des Sturmwindes kommen werde, und ob er selbst an diesem Gestade bestattet werde. Den in dieser Frage implizierten Wunsch, daß sich die Umstände bessern mögen, formuliert der Bearbeiter in den Versen 9f. als Aufforderung an Cynthia: in melius saevas converte quere/aso Anschließend fUgt er in den Versen Ilf. in Form einer provokativen Frage eine Begründung dieser Aufforderung an: Cynthia könne es doch wohl nicht über sich bringen, angesichts seines Todes gleichgültig zu sein. Mitunter hat eine Eindichtung, die zur Erklärung einer emphatischen Frage dienen soll, lediglich die Fonn einer Begründung dieser Frage. 1,12,11f.: 1,18,7f.:
non sum ego quifueram / quantllS... ! qui mollofeUces... / nunc .
Die Verse 1, 12, 9f. enthalten die zweifelnde Frage des Properz, ob ihn ein Gott oder ein Zauberkraut zu Fall gebracht habe. Die Verse I1 f. sind hinzugefilgt worden, um den Grund für diese Frage zu erhellen: Ihr Dichter erklärt, er sei nicht mehr der frühere; ein langer Weg verändere Mädchen. In den Versen I, 18, 5f. stellt Properz die Frage an Cynthia, wo er mit seinen Klagen Ober ihrefastus beginnen solle. Der Bearbeiter läßt ihn in den Versen 7f. eine Begründung hinzufiIgen: Eben habe er noch zu den glücklich Liebenden gezählt; nun werde er in der Liebe zu Cynthia gezwungen, ein Malzeichen zu tragen. 3. Ergänzende Anmerkung zu Vorhergehendem Mehrere Eindichtungen haben die Funktion einer ergänzenden Anmerkung zum Vorhergehenden. I, I, 23f.: 1,IO,29f.: 1,11,15[: 1,11,19[; 1,13,29[: 1,16,39f: 1,16,45f.:
tune ego crediderim... is poteritfe/ix . ut so/er amota . ;gnosees ;gitur .. nec mirum, cum sil... ut me tam /onga... naec ilIe el s; quae...
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Typologie der EindichNngen im ersten Properzbuch
Die Bitte des Properz um Hilfevon seiten derer, die sich auf magische Künste verstehen (I. I, 19-22), ist nach Auffassung des Bearbeiters offenbar ironisch. Um dies klarzumachen, fUgt er ein Distichon hinzu. in dem er kundtut, dann, wenn die Angeredeten ihm helfen, wolle er wohl an ihre magischen Fähigkeiten glauben. In den Versen I, 10, 27f. versichen Properz dem Gallus, je mehr er sich demütige und der Liebe unterwerfe, um so mehr werde er sich über Erfolg freuen. Auch dem Bearbeiter ist hierzu noch ein Gedanke gekommen: Er erklärt in den Versen 29f., derjenige werde mit einem Mädchen glücklich sein, der niemals frei und dessen Herz nie leer sei. Die Verse I, 11, 13f. beschreiben die Vorstellung, wie Cynthia sich am Strand von Baiae aufltält und den Schmeicheleien eines Anderen Gehör schenkt. Der Bearbeiter fUgt eine Anmerkung hinzu: So pflege es ja zu geschehen: Ein Mädchen, das sich selbst ilberlassen sei, denke nicht an die gemeinsamen Götter. Properz nimmt das im ersten Abschnitt von I, 11 durchscheinende Mißtrauen in den Versen 17f. teilweise zurück. indem er erklärt, Cynthias guter Ruf sei ihm durchaus bewußt; nur müsse man in der Gegend, wo sie sich aufhalte, alles befUrchten. Diese Entschuldigung für das vorherige Mißtrauen ist recht zurückhaltend fonnuliert. Der Bearbeiter fUgt darum ein Distichon an, in dem er die Entschuldigung nochmals deutlich zum Ausdruck bringt. In d=n Versen I, 13, 25-28 schildert Prope:-z den starken Einfluß, den die puel/3 des Gallus auf diesen ausübt. Da er den Grund rur diesen starken Einfluß nicht gcnau nennt, tut dies der Bearbeiter in den Versen 29f., indem er erklärt, man brauche sich nicht zu wundem; denn die puel/a sei beinahe so schön wie Leda und schöner als deren drci Kinder. In den Versen I, 16, 37f. ruft der exclusus oma/ar der TOr ins Gedächtnis, daß er sie nicht durch freche Worte verletzt habe. Was in dieser Aussage mitschwingt, bringt der Bearbeiter im folgenden Distichon explizit vor: den Vorwurf der unverdienten Unbarmherzigkeit seitens der Tür. Die wörtliche Rede des exclusus oma/or in I, 16 ist mit den Versen 43f. abgeschlossen. Daß eine solche Rede vorausgegangen ist, macht der Bearbeiter in einer Anmerkung in den Versen 45f. nochmals deutlich. 4. Erklärung von Folgendem Ocr Bearbeiter hat mitunter auch zur Erklärung von Folgendem oder zur Erleichlerung des gedanklichen Überganges einen Zusatz eingedichlct. 1,7, (15-24). 25611 :
u quoque si... 11 tu cave nosta wo...
1.10. [13-18]. 19, I. 16.135f.).)7,
non solum \'t'StroJ' didici... 11 Cynrhia me docuit... sed tu solo... 11 te non uUa...
Die Verse 1.7, 15-24 leiten zu der verhalten warnenden Vorhersage an Ponticus, /u cave... / soepe venit... in den Versen 25f. über, indem sie diese im voraus dramatisierend entfalten. 611
Ich drucke jeweils auch den Beginn der auf die Eindichlung folgenden echten FortsetzUng ab.
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Exegetische Eindichtungen
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Auf ähnliche Weise stellen die Verse 1, 10, 13-18 eine erklärende Oberleitung zu der Aussage Cynthia me docuit... in den Versen 19f. dar, indem sie diese im voraus entfalten. Die Verse 1, 16,35[. dienen zur Erleichterung des gedanklichen Überganges zu den Versen 37f., in denen nach einer Art Exkurs in den Versen 27-34 der vorwurfsvolle Ton gegenüber der Tür, in dem noch die Verse 25f. gehalten sind, wieder aufgegriffen wird. Die Eindichlung ist insbesondere den letztgenannten Versen 25f. nachgebildet.
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11. Schmückende Eindichtungen
A. Emphatische Zusätze Eine große Anzahl von Interpolationen mit exegetischer Funktion dienen, wie bereits dargelegt, zur Verdelltlichllng des emphatischen Charakters einer Passage im echten Properz. Es finden sich aber auch zahlreiche Fälle, in denen erst der Bearbeiter durch seine Eindichtung eine gewisse Emphase in den Text hineinbringt. Eindichtungen dieser Art bezeichne ich als emphatische Zusätze. Einige solcher emphatischen Zusätze weisen durchaus Ähnlichkeiten zu Eindichtungen mit verdeutlichender Funktion auf82. Ich gehe auf diese zuerst ein. I. Emphatische Zusätze ähnlich solchen mit verdeutlichender Funktion Eine Gruppe von Passagen im echten Properz, die Eindichtungen zur Verdeutlichung ihres emphatischen Charakters enthalten, sind, wie bereits dargelegt, war· nende oder zuversichtliche Aussagen, welche die Zukunft betreffen. Eine vollständig inlerpolierte warnende Vorhersage findet sich in den Versen 1,13,9-12. 1,13,9-12:
haec erit Warum... / ... // haec tibi...
Angeregt durch die düsteren Andeutungen in den Versen 7f. prophezeit der Bearbeiter dem Gallus in den Versen I, 13,9-12 eindringlich künftige Schwierigkeiten von seiten seiner pue/la. An entsprechende Eindichtungen mit verdeutlichender Funktion erinnert zum einen die Anbindung an das Vorhergehende durch eine Fonn von iUe (i/larum, V. 9), zum anderen der dativus ethicus tibi in V. 11. Der Beginn der bei den interpolierten Distichen ist auf recht sonderbare Weise dem des nächsten echten Distichons nachgebildet: !laee erit (V. [9D... haee tibi (V. [lID..· haee non sum (V. 13). Das haee ist im ersten und zweiten Fall Singular Femininum, im dritten Neutrum Plural! Auch Ausrufe und emphalische Fragen hat der Bearbeiter nicht nur zum Zwecke ihrer Verdeutlichung ergänzt, sondern gelegentlich vollständig interpoliert 1,6,13-18: I, 16. 43f.: 681
an mihi sit tanti...? ante luOS quotiens verli me... !
Dies betriffi auch formale Merkmale wie die Art und Weise der Anbindung an das Vorhergehende oder den Gebrauch des dativus e(hicus ,miM' oder tibi.
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Typologie der Eindiehrungen im ersten Properzbueh
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achdem Properz in 1,6, 1I mit dem Hinweis auf Cynthias heftigen Widerstand seine Absage an TuBus explizit formuliert und in V. 12 durch eine Verwünschung dessen, der halbherzig zu lieben imstande sei, abschließend bekräftigt hat, nimmt der Bearbeiter die Gelegenheit wahr, einen neuen Aspekt ins Spiel zu bringen: Er Ilißt den Properz seine Absage in Form einer in unwilligem Ton gehaltenen emphatischen Frage, ob die Reise es wert sei, Cynthias Widerstand dafilr in Kauf zu nehmen, erneut fonnulieren. Ein aus Eindichrungen mit verdeutlichender Funktion bekanntes Merkmal ist in V. 13 der Gebrauch des dativus ethicus mih,.(,fJ. In den Versen I, 16, 41 f. zählt der exclusus amator seine Verdienste der Tür gegenüber auf. Der Bearbeiter hat offenbar ein Bedürfnis nach mehr Eindringlichkeit empfunden und deshalb ein Distichon angeschlossen, in dem in Fonn eines emphatischen Ausrufes weitere Verdienste aufgefiihrt sind. Wie es Interpolationen gibt, die die Nachdrücklichkeit eines Wunsches verdeutlichen sollen, so findet sich auch ein vollständig interpolierter nachdrücklicher Wunsch, nämlich in den Versen 1,6, 23f. 1,6, 23f.:
et tibi non umquam... 1aJJerat...
Properzens Ausführungen über das in geregelten Bahnen verlaufende Leben des Tullus in den Versen 21 f. haben den Bearbeiter dazu inspiriert, den nachdrücklichen Wunsch anzuschließen, Tullus möge nie ein solches Unglück kennen lernen, wie es ihm selbst widerfahre. Für das interpolierte Distichon hat deutlich das vorausgehende echte als Vorbild gedient; man beachte die Ähnlichkeit der beiden Hexameteranfänge: nam lua non aelas umquam (V. 21)... el tibi non umquam (V. [23]). Ein aus Eindichtungen mit verdeutlichender Funktion bereits geläufiges Merkmal ist der dativus ethicus tibi in V. 23. Zudem ist die Interpolation, wie oft, durch ein el angebunden. Diese Verknüpfung wirkt hier ungeschickt, da dem Wunsch in den Versen 23f. nicht etwa ein anderer Wunsch vorausgeht, sondern vielmehr eine Feststellung. Ein Beispiel fUr eine vollständig interpolierte warnende Vorhersage außerhalb der Monobiblos ist das Distichon 2, 5, 15f. 2,5, 15f. 6I4 :
nec lu non... dolebis I ...
Diese Verse, in denen der Dichter sich selbst prophezeit, daß ihm nach der Tren· nung von Cynthia Schmerz bevorstehe, sind ein emphatischer Zusatz zu V. 14. In diesem Vers richtet Propen die Aufforderung an sich, eben diese Trennung von Cynthia zu vollziehen.
Hervorzuheben ist die Ähnlichkeit von V. (13) zu der Eindichtung innerhalb der Frage zu Beginn von I, 8A; vg). die Verse (Prop.) I, 8A, 3f. dtibi iam ta"ti...? ... Dieses Distichon haben bereits Damon und Helmbold filr unecht erldlrt. 6IJ
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SchmIlekende Eindichtungen
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2. Emphatische Beteuerung einer lobenswerten Eigenschaft des Properz An mehreren Stellen zeigt der Bearbeiter das Bestreben, einen lobenswerten Zug des Properz in den Vordergrund zu rücken. In solchen Eindichtungen macht sich der Bearbeiter gleichsam zum Fürsprecher des Propen. I, 1,271.: I, 8A, 21f.:
1,9,5\" 1,18,13-16: 1,19,11-18:
fortiter et ferrum saevos patiemur er ignes / ... nam me non uflae poterunt corrumpere de te I quin... non me Chaoniae vinclInt... I dicere... quamvis... I non ira saeva tamen venerit ira mea // ... ilIic. quidqllid ero, semper tua dicar imago / ...
In I, I, 25f. bittet Properz seine Freunde, sie möchten für ihn flon sani pectoris Quxilia suchen. Der Bearbeiter sah eine Gelegenheit, im Anschluß hieran im Namen des Propen die Bereitschaft zu beteuern, Eisen und wütendes Feuer tapfer als Heilmittel tur den Liebesschmerz zu ertragen. Nachdem Propen in den Versen I, 8A, 1-12 der Entrostung über die Pläne der Geliebten, ohne ihn zu verreisen, Ausdruck verliehen hat, bekundet er in den Versen 17fT. seine Ergebenheit in ihre Entscheidung in dem Wunsch einer guten Reise. Dieser Stimmungswandel des Propen hat den Bearbeiter zu der Beteuerung gleichbleibender Anhänglichkeit an Cynthia in den Versen 21 f. inspiriert. Das interpolierte Distichon ist dem folgenden echten nachgebildet, wie die Ähnlichkeit der HexameteranHinge zeigt: nam me nOll (V. [21]... IIee me (V. 23). An die Feststellung des Properz in den Versen 1,9, 1-4, daß eine Vorhersage, die er gemacht habe, eingetroffen sei, hat der Bearbeiter zwei Distichen angehängt, in deren erstem er im Namen des Propen dessen Fähigkeit betont, in Liebesdingen unfehlbare Vorhersagen zu machen. In den Versen I, 18, 11f. gibt Properz Cynthia eine Zusicherung seiner Treue. An diese hat der Bearbeiter vier Verse angefiigt, in denen er den Properz feierlich beteuern läßt, er werde bei all seinem Schmerz Cynthia gegenüber gleichwohl Nachsicht walten lassen. In der von ihm eingedichteten Elegie I, 19 knüpft der Bearbeiter an die vorausgehende Erklärung an, seine Liebe höre keinesfalls mit dem Tode auf (VV. 5f.), und beteuert in den Versen 11-18, auch in der Unterwelt werde er Cynthia stets die Treue halten. Eine Eindichtung desselben Typs findet sich in den Versen 2, 6, 41 f.: 2,6,41 f."':
nos uxor numquam, numquam seducet amica / ...
Zur Hinzufügung dieser Beteuerung gleichbleibender Anhänglichkeit an Cynthia haben den Bearbeiter die vorausgehenden Verse 37-40 inspiriert, in denen Propen zum Ausdruck bringt, er seinerseits könne Cynlhia nicht gegen ihren Willen zur Treue zwingen. Die interpolierten Verse 41 f. gleichen in ihrem Wortmaterial dem
61'
Dieses Distichon hat als erster Slruve getilgt.
Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
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Vorausgehenden; man beachte die Ähnlichkeit von V. 38 und V. (41): quae num· quam supra pes ""imjeus eat... nos uxor numquam, numquam seducel amiea.
3. Begründender Kommentar mit assoziativ angebundenem Ausruf An einigen Stellen im ersten Properzbuch besitzen emphatische Zusätze die Fonn eines Distichons, dessen Hexameter ein begründender Kommentar zu dem ist, was vorausgeht, und dessen Pentameter einen assoziativ an diesen Kommentar angebundenen empbatischen Ausruf enthält"'. 1,9,7f.: 1,9, 29f.: 1,11,29f.:
me da/ar etlacrimae... / atqlil! ulinD'" posito... ! qui non ante palet I quisquis es•... fuge blandirias! Ii/ora qUlIe fuerunr I ah peuanl Baiae.... !
In I, 9, 7 begründet der Bearbeiter die im vorherigen Distichon von ihm bean· spruchte Fähigkeit, in Liebesdingen sichere Voraussagen zu machen, mit dem Hinweis, Schmerz und Tränen hälten ihn erfahren gemacht. Im Pentameter verleiht er, assoziativ an diesen Hinweis in V. 7 anknüpfend, in einem emphatischen Ausruf dem irrealen Wunsch Ausdruck, er wäre viellieber unerfahren. Daß V. 7 nach Art eines Kommentars auf das vorhergehende Distichon bezogen ist, zeigt sich auch in der Ähnlichkeit der Hcxameteranfiinge: non me (V. [5])... me (V. [7]). Von ganz ähnlicher Machart sind die Verse 1,9, 29f. In V. 29 begründet dcr Bearbeiter die vorausgehende Warnung an Ponticus, Amor werde ihm nicht gestatten. an einer anderen TOr zu wachen, indem er erklärt, Amor sei nicht eher sichtbar, als bis seine Hand die Knochen berührt habe. In V. 30 fUgt er in Fonn eines assoziativ hieran anknOpfenden emphatischen Ausrufes eine weitere Warnung an: Ponticus möge beständige Schmeicheleien meiden. Daß V. 29 ein Kommentar ZU dem vorhergehenden Distichon ist, signalisiert das Relativpronomen qui an seinem Beginn. Das echte Schlußdistichon von I, 11 (W. 27f.) enthält die Aufforderung an Cynthia, Baiae zu verlassen (V. 27) und die Begründung, diese Gegend bringe vielen Entzweiung (V. 28). Die interpolierten Verse 29f. sind eine kommentararti· ge Fortsetzung dieser Begründung, gefolgt von einem hierauf bezogenen Ausruf, der eine empörte Verwünschung von Baiae enthält (V. 30). Merkmal des Kommentarcharakters von V. 29 ist die Epanalepse von litora aus V. 28 681 .
B. Neutrale Zusätze Neutrale Zusätze dienen, ähnlich wie emphatische, zur Ausschmückung des echten Properztextes. Im Unterschied zu den emphatischen bringen die neutralen Zusätze keine Eindringlichkeit in den Text hinein. ... Eindichcungen dieser Art haben somil zum Teil auch eine exegetische Funktion. 611 Eine solche Epanalepse Ober die Distichongrenze hinweg hai der Bearbeiler sonst noch in {Prop.J I. 1S. 19 zuwege gebracht.
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Schmückende Eindichtungen
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I. Entfaltung von Andeutungen Manchmal drückt sich Properz nicht spezifisch aus, sondern beläßt es bei einer Andeutung. So erreicht er es, die Phantasie seiner Leser anzuregen. Der lnterpolator hingegen mbit sich an solchen Stellen zu einem die Andeutung entfaltenden Zusatz berufen688 . I. 4, m, 1,5,7f.: 1,13,19·24:
ingenuus color el... non esl iIIa vagis similis... non ego comp/exus potui diducere veSlros: I...
Die Verse 1,4, 13f. sind eine Entfaltung der Andeutung sunt ma;ora, quibus, Basse. perire iuvat in V. 12. In den Versen 1,5, 7f. fUhrt der Bearbeiter aus, was mit denfurores in V. 3 sowie den übrigen negativen Andeutungen in den Versen 4-6 (inJelix und ultima... mala in V. 4, miser und ignotos... per ignis in V. 5 und toxica in V. 6) gemeint ist. Während Properz nach der Beschreibung der leidenschaftlichen Begegnung zwischen Gallus und seiner pue//a in den Versen I, 13, 15·17 innehält und in V. 18 alle weiteren Details dezent mit den Wonen et quae deinde meus celat... pudor umschreibt, will der Interpolator von einem solchen pudor nichts wissen. Er setzt darum in den Versen 19f. die Beschreibung der leidenschaftlichen Begegnung fort und fügt zur treffenderen Charakterisierung derselben in den Versen 21-24 noch zwei mythologische Vergleiche an. 2. Fortsetzung von Reihen Zu der Kategorie der neutralen Zusätze rechne ich auch solche EindiChtungen, durch die der Bearbeiter eine Reihe fortsetzt. 1,3,51., 1,10,23f.:
'lee minus assiduis... 1 qualis... neu, si quid pe/iit•... 1 neu tibi...
An die beiden mythologischen Vergleiche in den Versen 1,3, 1·4, mit denen Properz den tiefen Schlaf der Cynthia umschreibt, reiht der Interpolator mit nec einen dritten an. In ungewöhnlicher Abweichung von den beiden echten Vergleichen stellt er das den Vergleich signalisierende qua/is nicht an den Beginn des Hexameters, sondern an den des Pentameters! Die Verse I, 10, 21f. enthalten drei Ratschläge an Gallus, die besagen, welche Verhaltensweisen er gegenüber seiner pue//a zu vermeiden habe. Der Bearbeiter erweitert diese Reihe von Ratschlägen um zwei weitere in den Versen 23f. Diese Verse sind sprachlich den Versen 21f. nachgebildet; man vergleiche die Anfänge der Verse 21 und 22 tu cave ne... / neve... neve... mit denen der Verse [23] und [24] neu... 1 neu...
6U Auch Eindichlungen dieses Typs haben somit zum Teil gleichzeitig eine exegetische Funktion.
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Typologie der Eindichtungen im ersten Propen.buch
3. ,Modo' in ausmalenden Zusätzen
Eine weitere Gruppe von Zusätzen, die ich als ausmalende Enveiterungen bezeichne, fallt durch die Verwendung von modo aufl'il. I, 11, 3f.: 1,14,3[: I,
J, 21-30,
1,20,39-42:
et modo Thesproti... et modo tarn celeres... / et modo (am (ardas... et modo solvebam... / // et modo gaudebam... quae modo decerpens / ... // et modo formosis...
In den Versen I, 11, Ir. malt sich Properz Cynthias Aufenthalt in Baiae aus. Der Bearbeiter fUgt zwei Verse hinzu, in denen er eine Mutmaßung über Cynthias gegenwärtigen Zeitvertreib äußert. Die Angleichung von V. [3] an V. I ist offen~ sichtlich: ecquid te mediis cessamem ... el modo Thesproli miralllem... Der vorigen Interpolation ganz ähnlich ist diejenige nach dem Anfangsdistichon von I, 14. In den Versen I, 14, H. beschreibt Properz, wie er sich Tullus' Leben im Luxus vorstellt. Auch dem Interpolator sind noch einige Ideen hierzu gekommen, die er in den Versen 3f. ausführt. Einfallslos läßt cr sogar gleich beide Verse des Distichons mit el modo beginnen. Die Anlcnüpfung der Interpolation mit ef hat er aus V. 5, der echten Fortsetzung nach V. 2, übernommen. In den Versen 1,3,17-20 schildert Properz, wie er die s,:hlafende Cynthia aufmerksam betrachtet, ohne allerdings zu wagen, ihre Ruhe zu stören. Der Interpolator, hiermit nicht zufrieden, nimmt die Gelegenheit wahr, eine Passage einzudichten, in der er beschreibt, wie Properz mit dcr schlafenden Cynthia spielt und bei jedem ihrer Seufzer zusammenschreckt. In diesem Zusatz beginnen die ersten beiden Distichen mit ef modo. In der vom Bearbeiter verfaßten Elegie 1,20 haben die Verse 39-42 einen ähnlichen Charakter wie die soeben aufgeführten Eindichtungen. In ihnen wird geschildert, wie Hylas bald Blumen pflückt, bald sein Spiegelbild im Wasser betrachtet. Die beiden in Frage stehenden Distichen beginnen mit quae modo bzw. el modo.
C. Längere Zusätze am Anfang oder Ende einer Elegie Schmückende Eindichtungen sind des weiteren diejenigen längeren Zusätze, die nach dem echten Schluß oder vor dem echten Beginn einer Elegie stehen. Ihrer Ähnlichkeit wegen rechne ich auch die beiden Fälle von längeren Zusätzen YOI dem cchten Schlußdistichon einer Elegie dieser Gruppe von Eindichtungen hinzu 690• 619
690
Modo ist uns schon in [Prop.] I, 18,7 begegnet. Vgl. auch [Prop.] 1,3,41; die Verse [Prop.) 1,3,41-46 fUhre ich unter den unechten ElegieschlOssen auf. Modo steht in allen
aufgefllhrten Versen im ersten Versfuß. Da diese Gruppe von Eindichtungen nicht so sehr nach dem Gesichtspunkt ihrer Funktion als vielmehr nach dem ihrer Position innerhalb der jeweiligen Elegie zusammengestellt ist, kommt es teilweise zu Überschneidungen mit früheren Abschnitten des Typologiekapitels.
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Schmückende Eindichtungen
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I. Zusätze nach dem echten Ende einer Elegie Zusätze nach dem echten Ende einer Elegie sind folgende Passagen: I, 1,33-38, 1,3,41-46, 1,4,23-5,2, 1,9,27·34: 1, 15,29-42:
nam me nosrra Venus . nam modo purpureo . nullas i/la suis... quippe ubi non /icear... alra prius rerro...
Die Elegie I, I endet mit einer Aufforderung an diejenigen, die von Amor begünstigt sind, zurOckzubleiben und ihre Liebesbeziehung in trauter Zweisamkeit zu genießen (VV. 31 f.). Der Bearbeiter bat sechs Verse hinzugedichtet, in denen er im Namen des Properz zunächst erneut dessen unglückliche Lage charakterisiert, anschließend eine allgemeine Mahnung zur Treue ausspricht und diese schließlich mit einer düsteren Warnung vor sonst bevorstehendem Schmerz bekräftigt. Dieser unechte Elegieschluß hat einen emphatischen Charakter. Das Schlußdistichon der Elegie 1,3 enthält den bitteren Wunsch Cynthias, PropeTZ möchte einmal selbst solche schlimmen Nächte durchleben, wie er sie ihr beschere (VV. 39f.). Es folgen sechs Verse des Bearbeiters, in denen diese schlimmen Nächte, auf die Cynthia anspielt, detailliert ausgemalt werden. Den Abschluß der Elegie 1,4 bildet eine warnende Vorhersage zukünftiger Feindschaft Cynthias gegenüber Gallus (VV. 21f.). Der unechte Schluß in den Versen 4, 23 - 5, 2 ist, ähnlich wie des örteren Eindichtungen zur Verdeutlichung einer warnenden Vorhersage, mit Hilfe eines il/a an das Vorausgehende angebunden. In ihm beschreibt der Bearbeiter, den echten Schluß der Elegie mißverstehend, die Heftigkeit von Cynthias Reaktion auf den Verlust der Liebe des Properz. Am Schluß richtet er, an die Äußerung von Unwillen gegenüber Bassus' Entzweiungsversuchen zu Beginn von I, 4 anknüpfend, die Aufforderung an den Adressaten, ihn und Cynthia in Ruhe zu lassen. Dieser unechte Elegieschluß hat deutlich einen emphatischen Charakter. Den Schluß von I, 9 bildet die Warnung an den Adressaten Ponticus, daß die Zukunft Schwierigkeiten in seiner Liebesbeziehung bringen kann (VV. 25f.). Der andeutende Charakter dieser Verse hat den Bearbeiter zu einem Zusatz von acht Versen inspiriert, in denen diese Warnung weitläufig begründet wird. Das echte Schlußdistichon von I, 15 (VV. 27f.) enthält die Erklärung des PropeTZ, wenn Cynthia wegen ihrer falschen Treueschwüre Leid widerfahre, werde dies vor allem zu seinem eigenen Leid gereichen. Der in dieser Aussage implizierte Ausdruck von Anhänglichkeit bat den Bearbeiter zu einer Beteuerung seiner Liebe zu Cynthia sowie zu einer Beschreibung der Einzelheiten ihres falschen Schwörens inspirien. Dieser Zusatz hat einen teils emphatischen, teils neutral schmückenden Charakter.
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Typologie der Eindichtungen im ersten Properzbuch
2. Zusätze vor dem echten Schlußdistichon einer Elegie An folgenden zwei Stellen geht ein längerer Zusatz dem echlen Schlußdistichon der Elegie voraus: 1,7,15-24: I, 13,29-34,
le quoque. si cer/o . nec mirum, cum si/ .
Die Verse 1,7, 15-24 sind eine dramatisierende Entfaltung der warnenden Vorhersage an Ponticus in den Versen 25f., dem Schlußdistichon der Elegie. In I, 13 hat der Bearbeiter vor dem Schlußdistichon der Elegie (VV. 35f.), das er womöglich als recht unverminelte FortsclZung der Verse 27f. empfand, sechs Verse eingedichtet, in denen er den zuvor beschriebenen starken Einfluß begründet, den die puella des Gallus auf diesen ausübt. 3. Zusatz zu Beginn einer Elegie Recht ungewöhnlich ist der Zusalz zu Beginn der Elegie I, 13: 1,13,1-4:
tu, quod saepe solt!J...
Der unechte Auftakt der Elegie I, 13 hat offenbar die Funktion, eine gedankliche Verbindung zur vorausgehenden Elegie I, 12 herzustellen.
Schluß
Oie vorliegende Unte~uchung stellt den Versuch dar, am Beispiel der Monobiblos einen neuen Ansatz für die Auseinandersetzung mit dem bislang großenteils noch nicht zufriedenstellend erschlossenen Properztext aufzuzeigen. Das erste Properzbuch enthält offenbar zahlreiche Eindichtungen eines zweiten Autors. Diese ergeben deutlich das Profil eines poetisch ambitionierten, rhetorisch geschullen Exegeten, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Propcrztext teils zu verdeutlichen oder zu erklären, teils aber auch schmückend zu erweitern. Die Identifizierung der Eindichtungen im ersten Properzbuch gestattet nicht nur einen wertvollen Einblick in frühe Formen der kommentierenden Auseinander.;etzuog mit Texten: Es ergibt vor allem der von ihnen befreite Text ein neues Bild. Durch die Herauslösung der komplett hinzugefugten Elegien 19 - 21 sowie der Eindichtungen in den echten Elegien kommt die geniale Konzeption des ersten Properzbuches sowie der einzelnen Elegien wieder deutlich zum Vorschein. Das erste Properzbuch besitzt in seiner ursprünglichen Fonn einen Umfang von zwanzig Elegien. Diese sind nicht nur mit Absicht in einer ganz bestimmten Reihenfolge angeordnet, sondern zudem durch ein wohlUberiegtes, komplexes Genecht von Bezügen miteinander verwoben. Wie man nach der Herauslösung der Eindichtungen erkennen kann. ist der Sitz der einander entsprechenden Passagen in ihrer Elegie dabei oft mit Bedacht gewählt.
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Stellenindex
Die als unecht ausgesonderten Verse sind durch fettdruck gekennzeichnet. Die kursiv gedruckten Seitenzahlen geben an. wo diese Verse im Typologiekapitel be·
handelt werden. Zum Ovidregistcr ist anzumerken, daß die Authentizität von epist. und Ibis umstritten ist (zu den Doppelbriefen siehe M. Beck, Die Epistulae Heroi· dum XVIII und XIX des Corpus Ovidianum: echtheitskritische Untersuchungen, Paderbom 1996).
Catull. 3, 18 46 5 32 8, 13 142 62,43 38 64,212 35 65, 17f. 33 68,127 37 68, 149f. 33 68,31 90 76,9 126 91,9 128 109,4 33
Appendix Vcrgiliana
Actna 129
34
calal. 9, 50
88
Cins 99 Culex - 296 -313 - 373
143
260IT. 35 34 34
Dirne 48f.
28
92 Eur.lA 49
Eleg. in Maecen. I, 6 - 2, 21f. 27
AP 12, 101, 1-4
41,162
Ap. Rh. 1,117844 1,1178IT. 41 1,1182f. 44 1,1207 42,44 1,1207[. 44 1,1213 44 1,1216 44 1,1222 44 1,1234 44 1,1235 44
71
34 Hor.
cann. I, 12,59[. 92 -1,15,883 -1,25,13 69 -3,6,2438 episl. 2, 1,219 55 sal. 1,4,8 55 -1,5,29 63
luv. 6,443
148
Luean. 2,65 28 3,25f. 31 4,463 36
Stellenindex
206 6,373
9, 100
69 67
Manil. 2, 75
120
Ov. am. I, 1,26 66,166 -1,6,50 137 -1,7,42 156 - I, 10, 1-7 125 -1,10,15 111 -1,14,38 26 - 2, 5, 231T. 37 - 2, 9, 25 57 - 2, 10,27 130 -2,II,13f. 111 -2,16,25 79 -2,16,27 79 -2,16,28 79 -2,17,2 139 - 2,18,27 148 - 3, I 74 -3,1,3062 - 3,4, 1 88 - 3, 6, 43 69 -3,7,3235 -3,9,1079 -3,11,49 121 - 3, 11, 52 70 -3,14,34 156 - 3,14,36 134 arsl,38 31,166 - 1,464 143 -1,741 120 - I, 748 59 -2,117 77 -2,120 26 -2,480111 - 2, 572 90 -2,746 131 - 3, 10 57 - 3, 495 120 - 3, 549 63 - 3, 672 35 - 3, 767 120 - 3, 770 143
epist. I, 16 90 - 2, 6 79 - 3, 98 65 - 5, 42 79 - 5, 90 79 - 8,46 47 - 12,34 131 -12,171 166 - 12, 188 25 - 12,212 101 - 13, 137 35 - 14,83 30 -14,110 143 -15,62 28 - 15, 106 26 - 17,98 131 -20,14 88 -20,115 136 - 20, 185 164 -21,112 55 - 21,167 126 -21,226 88 fast. I, 179 166 - I, 195 166 - 2, 26 35 - 2, 308 35 -3,185 127 - 3, 469 34 - 3, 507 147 - 3, 546 26 -4,122 88 -4,42138 - 5,454 28 -6,563 - 6, 344 79 - 6, 376 116
[Ov.] haI. 19
88
Ov. Ibis 244 79 met. 2, 753 127 -3,161 88 -3,199 104 - 3, 371 44 - 3, 375 45
Stellenindex
- 3, 379 44 - 3, 393[ 44,45 -3,394111 - 3, 407 44,45 -3,413fT. 44 -3,416 45 -3,419 45 - 3,425 45 - 3, 429 44,45 - 3, 430 45 - 3, 431 45 - 3, 432 45 - 3, 434 45 - 3, 439 45 - 3, 447 45 -3,45If. 44 - 3, 463 45 - 3, 495fT. 45 - 3, 498 45 -4,60 166 - 4, 190f. 68 -4,259117 -4,261 116 -4,613 54 - 7, 459 114 -7,481[ 47 - 7, 820 62 - 8,178 126 -9,617 62 -11,63 26 -11,216 47 -13,280 166 -14,432117 - 14, 682[ 35
[Ov.J Nux 76 - 123
70
136
Ov. Ponl. I, 1,64 90 -1,2,60 35 - 2, 4, 7 27 -2,8,5670 - 3, 1,24 30 -3,5,5120 - 3, 5, 40 67
207 - 3, 5, 48 77 - 4, 6, 24 166 -4,9,35156 -4,10,45 120 -4,15,14 46 ·4,16,1143 rem.2If. 71 -213[ 165 - 229 164 -349 120 - 353 120 -664 152 -752 61,166 trist. 1,2, 77[ 100 -I,8,lf. 120 - 1,9, 25 145 -2,183 83 - 2, 498 92 -3,6,4 142 - 3, 8, 22 77 - 3, 11, 25 93 -3,11,70 131 -4,1,8 104 -5,1,37143 - 5,1,47 90 -5,5,4335 -5,9,1046 - 5, 9, 38 62 -5,11,4158
Petron. 127 vers. 5
38
Prop. I, I 162fT. 1,1,126 1,1,8156 I, I, 23f. 163[, /87 1,1,26 95 I, I, 27f. 164[, /93 1,I,33[ 30 I, 1,33-38 166[, /97 1,1,34 31 I, I, 37[ /84 1,2 110fT. 1,2,7-14 110fT., /86 1,2,15[ 116 1,2,17 157
00045~53
208 1,2, m. 36, 113f., 183 1,2,19f. 116 1,2,23f. 114f.,183 1,2,2525 1,2,27rr. 141 1,3 I 24rr. 1,3,Sf. 125f.,195 1,3,21-30 126rr., 152, /96 1,3,37 128 1,3,37f. 130,182 1,3,41 196 1,3,41-46 62, I3lf., 197 1,3,4Irr. 163 1,3,44 62 1,4 I39rr. 1,4,4 166 1,4,9 145,146 1,4,9f. 63, 139f., 184 1,4,l3f. 141,195 1,4, 18 102, 133 1,4,19f. 142,180 1,4,23-28 143iT., 197 1,5 145rr. I,S,lf. 143rr., /85, /97 I, 5, 5 35 1,5,7f. /95 1,5,7-10 145f. 1,5,9f. /84 I,S,17f. 147, /80 1,5,23f. /80 1,5,23-26 147rr. 1,5,25f. /84 1,6 99rr. 1,6, I 25 1,6,9f. 99f., /80 1,6,13-18 100rr., /9/ 1,6,23 133 1,6,23f. 56, 102f., /92 1,6,31 72 1,6,3Irr. 34 1,7 54ff. 1,7,15 103 1,7,15-24 54rr., /88, /98 1,7,23 63 .,7,23(. 50 1,8A 77rr.
Stellenindex
1,8A,1 166 I, 8A, 3f. 77f., 85, /82, 1,8A, 13-16 79f., /82 I, 8A, 15 136 1,8A,15f. 137 1,8A,17 83 1,8A,17f. 120 I, 8A, 21f. 81, /93 1,88 82rr. 1,88,27-30 142 1,88,28 61 I, 8B, 33-38 83f., /80 1,88, 37f. 85 1,88,39f. 61 1,8B,4Sf. 84f., /80 1,9 57ff. 1,9,5f. /93 1,9, 5-8 57f. 1,9,7f. /94 1,9,13 90 1,9, 13-16 58rr., /86 1,9, 14 67 1,9,23f. 69,88 1,9,27-34 61 rr., /97 1,9,29f. /94 1,9,33f. /85 1,9,34 131 1,10 63rr. 1,10,12 120 1,10,13 55 I, 10, 13-18 63rr., /88 I, 10, 23f. 65f., 195 1,IO,29f. 66, /87 1,11 85ff. 1,1I,3f. 85rr., /96 1,1 I, 5f. 166 1,11,llf. 36,88f.,/82 1,11,14 35 1,11, ISf. 88f., /87 1,11,1959 1,11, 19f. 90f., /87 1,11,26 27 1,II,29f. 91f., /94 1,12 nrr. 1,12,lIf. 93f., /87 1,12,12 166
In
Stellenindex
I, 13 67fT. 1,13, I 100 1,13,1-4 67f., 198 1,13,2 26 1,13,4 59 1,13,6 131 1,13,9-12 68f., 191 1,13,19-24 69f.,195 1,13,22 143 1,13,25 148 1,13,29f. 187 I, 13,29-34 70fT., 198 I, 13,31 29 1,13,31f. 180 1,13,33f. 185 1,13,36 120,147 1,14 104fT. 1,14,3f. 104f.,196 1,14,7f. 148 1,14,10 69 1,14,13f. 105f.,180 1,15 115fT. 1,15,4 153 1,15,11-14
183
1,15,11-16 116fT. 1,15,14 120 1,15, 15f. 50,183 1,15,19 194 1,15,19f. 116,119,128,183 1,15,23 28 1,15,29f. 92 1,15,29-42 119fT., 197 1,15,41f. 185 1,16 133fT. 1,16,7f. 133f.,180 1,16,11181 1,16,llf. 50, 133fT., 180 1,16,12 144 1,16,31 83 1,16,351. I36f., 188 1,16,38 100 1,16,39[ 136f.,187 1,16,43f. 191 1,16,43-46 136fT. 1,16,45f. 187 1,16,47 120
209 1,17 152fT. 1,17,4 126 1,17,5f. 128, I52f., 184 1,17,9-12 128, 153f., 186 1,17,20 57 1,17,2If. 155,180 1,18 156fT. 1,18,3f. 63 1,18,7 196 1,18,7f. 156,187 1,18,13-16 157f.,193 1,18,23-26 158fT., 182 1,18,24 28 1,19 24fT. I, 19, 5 56 I, 19, 6 67 1,19,11-18
193
1,19,13 71 1,19,18 102 1,19,22 26 1,19,25f. 185 1,19,26 166 1,20 32fT. 1,20,3 148 1,20,6 157 1,20,10 117 1,20,39-42
196
1,20,51 85 1,21 46fT. 1,22 168 1,22,2 33,68 2,1,2036 2, 1,45 83 2, I, 57f. 111,136 2, 1,71 153 2,2,9 71 2,5,13f. 31 2,5,15r. 192 2,6,31f. 141 2,6,4If. 193 2,6,42 68 2,8,5f. 64 2,8,7f. 61 2,9,7f. 117 2,9,9-16 32
SIelienindex
210 2, 12, 8 30 2, 13, 8 70 2,13,18 64 2, 13,47 28 2, 13,48 46 2,15,231. 32 2,15,27 57 2,15,35 63 2,17,31. 166 2,17,1If. 156 2,18,211. 61 2, 19,9 81 2, 22, 11 I. 65 2, 24, 4 63 2,25,18 152 2,25,4138 2,26,13 145 2,26,33 148 2,28,211. /84 2, 28, 491. 28 2,30,23f. 92 2,32,31 131 2, 33, 42 63 2,34,71 85
2,34,76
37
2,34,82 2,34,91
57 38
3,6,9f. 116 3,8,18 62,131 3,10,25 127 3,10,28 56 3,11,5738 3,12 32 3,12,20 142 3,12,34 34 3,13,42 65 3,14,14 35 3,14,15 86 3, 15 32 3,15,5f. 162 3,17,3f. 64 3,18,2 92 3,19,13f. 69 3,21,1 100 3,21,11. 165
3,21,71. /8/ 3,21,12 120 3,22,30 120 3, 24, 11 f. 164 4,1,36 4,2,29
4,3,4
35 128
46
4,3,29 166 4,4,22 120 4,5, 551. 13 4,7,1888 4, 8, 74 64 4, 9, I 35 4,11,81 153 Sen. Hf702 54 Med 590 117 Med 7771. 69 Med 930 69 Phae 408 153 Tro 99 155 SIal. Ach. I, 69
26
Thcocr.
13 41 13,28 42 13,28-31 42 13,28-60 41 13,29 42 13,30 42 13,32-36 42 13,34f. 42 13, 39-43 42 13,46 44 13,46f. 42 13,46-49 43 13, 53-60 43 13,64 42 13,64f. 41,43
Tib. 1,I,41f. 102 1,1,43 83 I, I, 49f. 102
Stellenindex
I, 1,510'. 101 1,1,690'. 31 1,2,110'. 137 1,4,31 28 1,6,12 158 1,8,47f. 71 1,9,63 130 2,1,1435 2,2,18 117 2, 3, 13 64 2,3,32 143 2,4,llf. 166 [Tib.] 3,2,lIf. 3,3,10 3,4,83 3, 5, 29f. 3,7, 17 3,7,27 3,7,67 3,9,2f.
116 104 145 88 55 26 85 34
Val. Fl. 5,21 25 Varro,ling.9,28 146 Verg. cel. 6, 43f. 44 - 8, 6f. 34 - 9, 13 57 - 9, 53 26 - 10,46-49 78 georg. 2, 44 34 - 3, 6 44 - 3, 433 46 Aen.I,717f. 26 -3,241 37 - 3, 243 37 - 3, 396 34 - 8, 69 38 - 8, 381 35 - 9, 400 46 -11,458 137 -11,685 27 -11,772 II1
211