Flucht ins Chaos
Der große Kampf des Kristallprinzen - gegen
einen Mann und eine Robotflotte von H. G. Francis
Atlan...
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Flucht ins Chaos
Der große Kampf des Kristallprinzen - gegen
einen Mann und eine Robotflotte von H. G. Francis
Atlan - Held von Arkon - Nr. 134
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Was bisher geschah Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht – eine Zeit also, da die in die Barbarei zu rückgefallenen Erdbewohner nichts mehr von den Sternen oder dem großen Erbe des untergegangenen Lemuria wissen. Arkon hingegen – obzwar im Krieg gegen die Maahks befindlich – steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III, ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII töten ließ, um selbst die Herr schaft übernehmen zu können. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Mann hat der Imperator von Arkon zu fürchten: Atlan, Sohn Gonozals, den rechtmä ßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der inzwischen zum Mann herangereift ist. Nach der Aktivierung seines Extrahirns hat Atlan den Kampf gegen die Macht Orbanaschols aufgenommen und strebt den Sturz des Usurpators an. Doch Atlans Möglichkeiten und Mittel sind begrenzt. Er muß sich vorerst mit einer Guerillatätigkeit zufriedengeben – dies zeigt auch sein Einsatz auf der Freihandelswelt Jacinther IV, bei dem es Atlan und seinen Gefährten darum geht, eine wichtige Persönlichkeit des Imperiums in ihre Gewalt zu bekommen. Der Kristallprinz riskiert dabei die FLUCHT INS CHAOS …
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz soll hingerichtet werden.
Kaddoko - Ein kleiner Gouverneur mit großen Ambitionen.
Freemush - Ökonom des Großen Imperiums.
Fartuloon, Eiskralle und Morvoner Sprangk - Atlans Begleiter.
Kolcho - Ein Arkonide mit gefährlichen Fähigkeiten.
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1.
Kaddoko musterte mich mit schmalen Augen. Ein eiskalter Wind strich in den Gleiterunterstand, in dem wir gelandet waren. Er brachte Regentropfen mit, die prasselnd gegen das Heck des Flugzeugs schlugen. Einige erreichten die dürren Beine des Gouverneurs, aber ihn schien das nicht zu stören. »Ihr bleibt hier, bis ihr abgeholt werdet«, befahl er. »Ich habe noch et was zu klären.« »Mir soll's recht sein«, entgegnete ich gleichmütig. Ich sah ihm nach, bis er durch das Schott verschwand. Dann ging ich zu dem Bauchauf schneider, der breit und wuchtig in der Einflugschleuse stand und auf das tobende Meer hinausblickte. Die Wellen rollten mit weißen Schaumkronen heran und brachen sich tief unter uns an den Felsen der Steilküste. »Was soll das?« fragte Fartuloon unwillig. »Was hat dieser Wicht vor?« Ich antwortete nicht, weil ich es ebensowenig wußte wie er. Natürlich hatte auch ich damit gerechnet, daß Kaddoko uns gleich mit in seinen Pa last nehmen würde. Alles sah ruhig aus. Kein Funkspruch war eingelaufen, der vor irgend etwas gewarnt hätte. Es war nichts geschehen, was in ir gendeiner Weise ungewöhnlich war. Oder doch? Wir hatten nichts be merkt. Das Schott öffnete sich. Zwei in dunkle Kombinationen gekleidete Männer mit silbern schimmernden Gürteln, Stiefeln und Armbändern ka men auf uns zu. »Wir haben den Auftrag, Sie zu beschützen«, erklärte einer von ihnen. Ich verzichtete auf die Frage, vor wem. Vermutlich hätten sie mir doch nicht geantwortet. Sie blieben neben uns stehen, starrten wie wir auf das Meer hinaus und ließen sich den Regen ins Gesicht peitschen. Mich störte nicht, daß ich dabei naß wurde. Ich liebte es, so im Regen zu stehen, zu mal ich wußte, daß ich schon bald im Trockenen sein würde und meine Kleidung wechseln konnte. Da packte Fartuloon meinen Arm. Ich blickte, ebenso wie er, nach un ten. Sieben zerlumpt gekleidete Männer kletterten mühsam über die Fel sen. Immer wieder wurden sie von Gischt übersprüht und von den Wellen zur Seite geschleudert. Sie waren aus einer Öffnung in der Steilwand ge kommen. Ich zweifelte nicht daran, daß es flüchtige Gefangene waren. Niemand sonst hätte sich wohl in eine so gefährliche Situation begeben. Entsetzt verfolgten wir, wie einer der Männer von einer haushohen Wel le erfaßt und ins Meer hinausgerissen wurde. Er verschwand sofort und tauchte nicht wieder auf. Die anderen kämpften sich weiter voran. Sie sprangen von Fels zu Fels und klammerten sich fest, wenn eine höhere
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Welle kam. Sie wurden immer wieder überspült. Jetzt wurden die beiden Wachen neben uns aufmerksam. Sie traten an die Kante heran und blickten nach unten. Fast gleichzeitig zogen sie ihre Energiestrahler und schossen noch bevor wir etwas tun konnten. Dann aber packte ich einen von ihnen an der Schulter, riß ihn herum und schleu derte ihn gegen den Gleiter. Die Waffe fiel ihm aus der Hand. Er bückte sich sofort danach. Ich stürzte mich auf ihn. Ineinander verschlungen rollten wir über den glatten Boden. »Was soll der Unsinn?« fragte ich keuchend. Er antwortete nicht, sondern versuchte, mich zu erwürgen. Mit einem entschlossenen Griff bog ich ihm die Finger auseinander. Aufschreiend fuhr er zurück. Sein Kinn bot sich mir in geradezu klassischer Weise. Ich schlug mit aller Kraft zu und traf voll. Er streckte sich seufzend aus. Fartuloon stand an dem Abbruch. Er stemmte beide Fäuste in die Hüf ten und blickte in die Tiefe. Ich trat neben ihn und sah ebenfalls hinunter. Auf den Felsen lag die zweite Wache mit ausgestreckten Armen und Bei nen. Die Wellen gingen gischtend über ihn hinweg. Er war tot. Die Maschine beschleunigte scharf und stürzte dann wie ein Stein in die Tiefe. Damit kam ich in die Schußlinie und störte die Jäger. Ich sah, daß nur noch zwei Männer lebten. Sie kauerten zwischen den Steinen und wußten nicht mehr, wohin sie flüchten sollten. Bevor ich sie noch errei chen konnte, zuckte erneut ein Energiestrahl zu ihnen hinüber. Er verwan delte einen der beiden Männer in ein Glutbündel. Wie eine lebende Fackel taumelte das Opfer in die See. Ich landete neben dem anderen Mann und schirmte ihn mit dem Gleiter gegen die erbarmungslosen Jäger ab. »Steigen Sie ein«, brüllte ich ihm durch das offene Fenster zu. Er begriff. Mit einem verzweifelten Satz warf er sich auf die Polster und krallte sich daran fest. »Schnell«, rief er mir zu. »Weg. Schnell, beeilen Sie sich doch.« Ich ließ die Maschine sanft nach oben schweben und landete wieder ne ben dem Bauchaufschneider, der mich finster anstarrte. »Sie sind ein Lump«, erklärte der Mann hinter mir. »Ich sollte Sie um bringen.« Ich drehte mich zu ihm um. »Was denn?« fragte ich ihn. »Ich habe verhindert, daß Sie getötet wur den. Ist das nicht genug? Hätte ich versuchen sollen, mit Ihnen zu flüch ten? Was glauben Sie denn, wie weit wir gekommen wären?« Er blickte starr an mir vorbei. Erstaunt sah ich ihn an. Noch niemals zuvor hatte ich einen Mann wie ihn gesehen. Seine Augen waren türkisblau ohne eine einzige weiße Stelle
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darin. Sie schienen unter einem Rauchschleier zu liegen, der ständig in Be wegung war. Dabei konnte dieser Mann nicht blind sein, denn seine Reak tionen und Bewegungen hatten mir deutlich gezeigt, daß er seine Umge bung gut wahrnehmen konnte. Er wandte mir das Gesicht zu. Jetzt glaubte ich, unter dem Türkis winzige Pupillen erkennen zu können, aber ich war mir nicht sicher. Das Gesicht war schmal und hohlwangig. Die weißen Haare hingen ihm wirr über die Stirn. Sie waren ebenso schmutzig wie das Gesicht, die Hän de oder die Kleidung. Dieser Mann schien seit Wochen schon kein Wasser mehr gehabt zu haben, um sich waschen zu können. Wachen kamen. Sie öffneten die Türen und zerrten den Mann heraus. »Was machen Sie mit ihm?« fragte ich, als ich meinen Sitz hinter dem Steuer verlassen hatte. »Er kommt wieder nach unten«, antwortete einer der Männer. »Wahrscheinlich läßt der Gouverneur ihn erschießen. Auf Fluchtversuch stand bisher immer noch der Tod.« Der Blaue blickte mich an, und seine Lippen verzogen sich. »Also nur ein kleiner Aufschub«, sagte er. »Das ist alles, was Sie er reicht haben, Sie Narr.« Sie schleppten ihn weg. »War das wirklich nötig?« fragte Fartuloon. Ich trat bis an die Kante und zeigte in die Tiefe. »Und das?« erkundigte ich mich gelassen. »War es unumgänglich, die Wache nach unten zu schleudern?« Der Bauchaufschneider kratzte sich das bärtige Kinn. »Das verstehst du nicht«, entgegnete er. »Dazu bist du noch zu jung.« Der Palast Kaddokos war weitläufig und flach. Die zahllosen, miteinander verbundenen Einzelgebäude schmiegten sich an die gewachsene Felsmau er, die einen wirksamen Schutz gegen die Weststürme bot. Fartuloon und ich kamen durch einen schmalen Gang in einen Innenhof, der durch ein transparentes Gebilde überdacht wurde. Es glich einem mit Glassit überzogenen Spinnennetz, in das transparente Wappen und Dar stellungen von Kampfszenen eingelassen worden waren. Diese Verzierun gen und der kostbare Mosaikboden bildeten den einzigen Luxus, den der Gouverneur des Kontinents KevKev sich leistete. Kaddoko schien ein geiziger Mann zu sein. Mir kam der Verdacht, daß er auf jede Investition verzichtet hatte, weil er hoffte, bald Nachfolger des von ihm ermordeten Agmon zu werden und dann dessen Palast überneh men zu können. Zwei Männer, die mit weiten, roten Hosen und engen Blusen bekleidet waren, kamen uns entgegen. Sie erklärten, daß sie den Auftrag hätten, uns unsere Unterkünfte zu zeigen.
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Der Bauchaufschneider griff dem Kleineren der beiden nach dem Kra genaufschlag und zog ihn zu sich hin. Er mußte zu ihm aufblicken, aber das schien ihn nicht zu stören. Grimmig blickte er ihn an. »Hoffentlich gibt es bald etwas zu essen«, sagte er mit tiefer Stimme. »Mir wird schon schlecht vor Hunger.« »Laß mich los, du Fettsack«, befahl der Mann. Fartuloon streckte seinen rechten Arm aus, ohne sein Opfer freizugeben. Er hielt ihn am gestreckten Arm in der Luft. Dabei war ihm keinerlei An strengung anzusehen. Die Demonstration wirkte augenblicklich. »Ich werde Ihnen etwas bringen, meine Herren«, rief die Wache äch zend. Fartuloon öffnete die Hand und ließ den Mann zu Boden fallen. Schwei gend wartete er, bis der Bedienstete Kaddokos sich wieder erhoben hatte und uns voranging. »War das klug?« fragte ich leise. »Nein – aber notwendig.« »Das wird sich zeigen.« Ich war nicht zufrieden mit der Entwicklung des Geschehens. Wir hat ten uns mit Kaddoko verbündet und ihm geholfen, seine Spuren zu verwi schen, damit niemand erfuhr, daß er der Mörder von Agmon war. Wir hat ten ihm zugesagt, ihm zu helfen, der Nachfolger von Agmon zu werden. Daher hätte er uns zuvorkommender behandeln müssen. Wir kamen nicht als irgendwelche Besucher in diesen Palast, sondern als seine Verbündete. Davon aber war nichts zu spüren. Auf unserem Weg zu den Quartieren beobachteten wir das Treiben im Innenhof. Zahlreiche Gleiter wurden be- und entladen. Händler feilschten mit den Bediensteten. Sie versuchten, Gebrauchsgüter und Waffen an den Mann zu bringen. Ich hatte den Eindruck, daß besonders die Waffen gut verkauft wurden. Vor einem Haus standen einige Mädchen herum und schäkerten mit einigen uniformierten Männern, die ich für Offiziere hielt. Keiner der Männer oder Frauen beachtete uns. Niemand schien sich über unsere Anwesenheit zu wundern. »Hier ist es«, sagte der von Fartuloon mißhandelte Arkonide. Er öffnete uns die Tür zu einem Haus, das zwischen zwei anderen Gebäuden stand. Es hatte zwei große Fenster zum Innenhof. »Ich bringe Ihnen sofort etwas zu essen und zu trinken.« Wir traten ein und ich war nicht überrascht, als ich sah, daß wirklich nur das Notwendigste vorhanden war. Der Bauchaufschneider fluchte. Er ver setzte einem der beiden Betten einen Fußtritt, gab mir einen Wink und sagte: »Wir gehen zu Kaddoko.« Ich war einverstanden. Wir konnten es uns tatsächlich nicht leisten, uns
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in die Ecke drängen zu lassen. Wenn wir unsere Pläne weiterverfolgen wollten, dann mußten wir Kaddoko rechtzeitig demonstrieren, was er von uns zu halten hatte. Zusammen mit Fartuloon verließ ich die Unterkunft, die uns angewie sen worden war. Wir durchquerten den Innenhof und betraten das größte und auffälligste Gebäude. Zwei schwerbewaffnete Männer stellten sich uns in den Weg. »Wohin?« fragte einer von ihnen knapp. Die beiden hätten Zwillings brüder sein können. Ihnen war anzusehen, daß sie einem entpersönlichen den Drill unterworfen gewesen waren. Sie waren zu lebenden Robotern umgeformt worden, die kritiklos taten, was Kaddoko ihnen befahl. »Der Gouverneur erwartet uns«, antwortete Fartuloon abweisend. »Macht Platz.« Er trat so selbstsicher auf, daß die beiden Männer zur Seite wichen. Far tuloon ging sofort an ihnen vorbei. Ich folgte ihm über einen Gang, dessen Seiten mit kartographischen Aufzeichnungen bedeckt waren. Ich glaubte, die Umrisse der verschiedenen Kontinente von Jacinther IV erkennen zu können. Fartuloon öffnete eine der drei Türen, die am Ende des Ganges lagen. Er hatte Glück, denn er wählte die richtige. Als das Schott zur Seite wich, sah ich den Gouverneur, der inmitten mehrerer seiner Mitarbeiter hockte. Hinter ihnen erhob sich die mit Instrumenten, Monitoren und Kontrollge räten bedeckte Wand eines Kommunikationszentrums. Wir vernahmen gerade noch den Rest einer Mitteilung, die einige Auf regung ausgelöst hatte. »… wiederhole ich, daß der Ökonom Freemush auf dem Nordkontinent Sebentool gelandet ist. Er plant, dort mit Nachforschungen zu beginnen. Wie es heißt, wird er von einer unerwartet starken Streitmacht begleitet. Ich erwähnte noch, daß der Ökonom …« Einer der Offiziere drehte den Ton ab, so daß wir die weiteren Worte nicht mehr verstehen konnten. Kaddoko blickte uns zornig an. »Ich habe sie nicht gerufen«, erklärte er mit schriller Stimme. Sein Mund zuckte. »Und ich verbiete mir, daß Sie hier unangemeldet eindrin gen.« Fartuloon tat, als habe er nichts gehört. Er marschierte schnaufend in den Raum. »Der Ökonom hat also einige kleine Überraschungen für uns bereit«, stellte er mit grollender Stimme fest. »Und Sie, Gouverneur, haben die Absicht, diese Tatsache vor uns zu verschweigen.« Mit wütender Gebärde schleuderte Kaddoko einige Papiere und Becher vom Tisch. Er sprang auf. »Sie scheinen vergessen zu haben, wo Sie sind, Fartuloon!«
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Mein väterlicher Freund schüttelte den Kopf. »Wir wissen sehr genau, wo wir sind, und was Sie sind, Kaddoko«, ant wortete er. Dabei ging er zu einem anderen Tisch, auf dem mehrere Scha len mit Obst und gebratenem Fleisch standen. Er schnitt sich etwas Fleisch ab und biß herzhaft davon ab. Noch bevor er den Brocken herunter schluckt hatte, weiteten sich seine Augen, und sein Gesicht rötete sich. Er spuckte den Bissen wieder aus und schüttelte sich. »Ich habe Sie für einen kultivierten Mann gehalten«, rief er, »aber ich muß meine Meinung revidieren. Wer einen solchen Koch beschäftigt, kann nur ein Barbar sein.« »Jetzt ist es aber genug«, sagte Kaddoko. Ich sah, daß seine Hände beb ten. Er war außer sich vor Wut. Das konnte auch Fartuloon nicht mehr übersehen. Er ging zu dem Gouverneur und setzte sich vor ihm in einen Sessel. »Entweder arbeiten wir zusammen, oder Sie bekommen Schwierigkei ten, Kaddoko«, sagte er. »Wählen Sie!« Der Bauchaufschneider war klein, aber der Gouverneur war noch klei ner. Als Fartuloon vor ihm saß, befanden sich beide Augenpaare in glei cher Höhe, obwohl Kaddoko stand. »Die Situation hat sich geändert«, erklärte Kaddoko. »Sie wissen es be reits. Der Ökonom ist nicht nur mit einem Raumschiff gekommen, son dern mit einer starken Deckung. Außerdem hat er sich noch nicht bei mir gemeldet. Das ist ein schlechtes Zeichen.« »Ein sehr schlechtes Zeichen«, bekräftigte Fartuloon. »Er scheint noch nicht zu wissen, daß der bedauernswerte Agmon einem Herzanfall erlegen ist.« »Das wird er sehr schnell herausfinden.« Der Gouverneur hatte sich ein wenig beruhigt. Mit sorgenvoll gekrau ster Stirn wandte er sich von meinem Freund ab und ging zwischen den Tischen auf und ab, wobei er hin und wieder den Monitorschirmen nach denkliche Blicke zuwarf. Schließlich fragte er: »Sind Sie sicher, daß alle Spuren verwischt wurden?« »Niemand wird herausfinden, daß Agmon keines natürlichen Todes ge storben ist«, behauptete Fartuloon. »Selbst mit raffinierter, kriminalisti scher Fahndungstechnik wird Freemush nicht aufdecken, daß Sie Agmon ermor …« »Halten Sieden Mund«, unterbrach Kaddoko ihn heftig. Fartuloon grinste sardonisch. Er war überzeugt davon, den Gouverneur fest in seiner Hand zu haben. Ich war mir dessen ganz und gar nicht so si cher wie er. Sorgfältig beobachtete ich Kaddoko. Er gefiel mir nicht. Wir befanden uns in seinem Palast, und wir waren inmitten seiner Männer. Hatte Fartuloon vergessen, daß wir für Kaddoko nicht nur Verbündete;
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sondern auch lästige Zeugen waren? »Regen wir uns doch nicht unnötig auf«, sagte ich, wobei ich mich be mühte, gelassen zu erscheinen. »Bis jetzt steht überhaupt nicht fest, ob Freemush mit seiner starken Streitmacht auch eingreifen wird. Warten wir erst einmal ab.« Kaddoko kam zu mir und starrte mich an, als habe er mich vorher noch nie gesehen. Ich las nur Angst in seinem schiefen Gesicht, und ich begriff. Bis vor kurzer Zeit hatte er in dem festen Glauben gelebt, Beauftragter des Großen Imperiums auf Jacinther IV zu werden. Jetzt sah plötzlich alles ganz anders aus. Seine Position war nicht mehr besser als die der anderen Gouverneure, sondern noch schlechter. Und sie wurde aussichtslos, wenn der Ökonom aufdeckte, welche Verbrechen Kaddoko begangen hatte, um das hohe Amt zu erringen. Schlagartig wurde mir klar, daß wir nicht mehr länger in diesem Palast bleiben durften. Sehr bald würde Kaddoko erkennen, daß er es sich nicht leisten konnte, uns leben zu lassen. Der Gouverneur zeigte auf die Monitore. »Er ist mit einer ganzen Flotte gekommen«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Diese Macht reicht aus, alles hinwegzufegen, was sich in diesem Sonnensystem befindet. Selbst wenn sich alle Gouverneure zusammentä ten, um gegen ihn zu kämpfen, hätten wir nicht die Spur einer Chance.« »Muß man denn mit militärischer Gewalt gegen ihn angehen?« fragte ich. Er starrte aus verkniffenen Augen zu mir auf. »Bis jetzt ist nichts geschehen«, fuhr ich fort. »Freemush hat Sie nur nicht gleich umarmt. Das ist alles. Soll er doch nachforschen, was gesche hen sein mag. Herausfinden wird er genau das, war wir wollen – vorausge setzt, wir bewahren die Ruhe und behalten die Übersicht.« Er wandte sich abrupt ab, schüttelte den Kopf und sagte verächtlich: »Ich bin völlig ruhig, und ich übersehe die Lage. Es ist lächerlich, mir zu sagen, ich hätte die Übersicht verloren.« Ich schwieg, denn ich erkannte, daß Kaddoko keinem Argument zu gänglich war. Wir mußten warten, bis er sich wieder beruhigt hatte. »Na schön«, sagte ich leichthin. »Darum geht es uns nicht. Wir sind ge kommen, um Ihnen zu sagen, daß wir auf Ihrer Seite stehen, was auch im mer geschehen mag. Dafür erwarten wir jedoch, von Informationen nicht ausgeschlossen zu werden.« »Das ist wohl das mindeste dessen, was wir verlangen können«, fügte Fartuloon polternd an. Er klatschte sich mit der offenen Hand gegen sei nen blankgewetzten Brustpanzer, gab mir mit dem Kopf einen Wink und marschierte hinaus. Ich folgte ihm. »Schnell«, drängte Fartuloon. »Wir müssen uns beeilen.«
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Wir hasteten den Gang entlang und eilten an den Wachen vorbei auf den Innenhof. Dabei sahen wir uns kurz an. Ich wußte, daß der Bauchauf schneider die Situation genauso klar und eindeutig erkannt hatte wie ich. »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es vielleicht noch bis zu einem Gleiter«, sagte er.
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2.
Wir waren noch keine zehn Schritte gegangen, als hinter uns erregte Stim men laut wurden. Fartuloon und ich begannen sofort zu laufen. Wir rann ten auf einen Gleiter zu, vor dem ein Händler stand und Waffen zu verkau fen versuchte. »He, ihr beiden!« rief er. Fartuloon schleuderte den Geschäftsmann zur Seite. An ihm vorbei sprang ich in den Gleiter und startete den Motor. Der Bauchaufschneider wurde von zwei Soldaten des Gouverneurs angefallen. Sie klammerten sich an ihn und wollten ihn festhalten. Er drehte sich zweimal um sich selbst. Die Männer verloren den Boden unter den Füßen und prallten mit einigen Wachen zusammen, die ihnen zu Hilfe kommen wollten. Schrei end ließen sie los. Fartuloon lachte dröhnend und stieg zu mir in die Kabine. Der Gleiter hob ab und raste auf die Öffnung eines Ganges zu, der ins Freie führte. In diesem Moment schoß einer der Männer Kaddokos mit einem Ener giestrahlgewehr auf uns. Der Blitz schlug in das Heck der Maschine. Mir war, als wäre ich gegen eine Wand geflogen. Wir wurden nach vorn geschleudert, während eine Explosion das Flugzeug zerriß. Nur die Pan zerplatten in unserem Rücken schützten uns. »In den Gang«, brüllte Fartuloon. Ich gab mir alle Mühe, den letzten Schwung auszunutzen, doch er reich te nicht aus, den Gleiter so weit zu bringen, daß wir den Weg blockierten konnten. Er stürzte krachend auf den Boden und rutschte noch ein kleines Stückchen weiter. Wir kletterten durch die zersplitterte Frontscheibe hin aus. Einige Energiestrahlen fauchten über uns hinweg. Die glühende Hitze trieb uns voran. Wild nach Atem ringend, rannten wir durch ein Seiten schott aus dem Gang, als wir sahen, daß einige Schüsse in die Decke ge gangen waren und die Verkleidung in flüssige Glut verwandelt hatten. Wir stürmten einen schmalen Gang entlang und überrannten dabei eini ge junge Männer, die aus ihren Arbeitsräumen gekommen waren. Sie be reuten ihre Neugierde, nachdem sie mit Fartuloon in Berührung gekom men waren. Am Ende des Ganges erreichten wir einen abwärts gepolten Antigrav schacht. Ohne zu zögern, sprangen wir hinein und ließen uns nach unten tragen, obwohl wir wußten, daß wir dort so leicht keinen Ausgang finden würden. Wir hofften jedoch, in diesem Bereich nicht so schnell entdeckt zu werden. Das war leider ein Irrtum.
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Kaum hatten wir den Schacht verlassen, als uns drei bewaffnete Männer entgegenkamen. Sie zogen ihre Energiestrahler und legten sie auf uns an. Uns blieb nichts anderes übrig. Wir schossen. Die sonnenheißen Strahlen fauchten zu den Soldaten des Gouverneurs hinüber. Fartuloon traf zweimal. Seine Gegner waren auf der Stelle tot. Ich zielte bewußt auf die Schulter meines Gegenübers und machte ihn dadurch kampfunfähig. Als ich aber seine Schreie hörte, wünschte ich, ich hätte ge handelt wie Fartuloon. Bei der bestehenden Justierung unserer Waffen wa ren selbst kleine Verletzungen bereits tödlich – sofern man dabei über haupt von »kleinen« Verletzungen sprechen konnte. Aus dem Hintergrund rückten mehrere schwere Kampfroboter heran. Wenigstens sechs Männer begleiteten sie. Wir steckten in einer Sackgasse. »Zurück«, entschied der Bauchaufschneider. Er schaltete das Antigravfeld um, und wir schwebten wieder nach oben. Niemand schien damit gerechnet zu haben, daß wir das tun würden, denn oben war es völlig still. Wir gingen langsam eine Rampe hinauf, die nach unseren Überlegun gen nach außen führen mußte. Irgendwo mußte es einen Ausgang und vielleicht sogar einen Gleiter geben, mit dem wir fliegen konnten. Jetzt erst ertönte eine Alarmschnarre, die einen nervenzermürbenden Lärm machte. Wir gerieten in einen Saal, der zum privaten Bereich des Gouverneurs zu gehören schien. Hier gab es einen bescheidenen Luxus, der jedoch we nig Geschmack verriet. Die Sitzmöbel waren mit einem blauen Stoff bezo gen, der keineswegs besonders teuer gewesen sein konnte. Nur die techni schen Geräte hatten einen Standard, der ahnen ließ, über wieviel Geld die ser Zwerg tatsächlich verfügte. Fartuloon eilte einmal quer durch den Raum, schüttelte den Kopf und kehrte zu mir zurück. »Hier kommen wir nicht weiter«, erklärte er. Dabei deutete er auf eine Tür, die in einer Nische lag. »Sie ist mit einem Sicherheitsschloß verse hen. Ich kann sie nicht schnell genug öffnen. Wahrscheinlich würde ich dabei auch einen zusätzlichen Alarm auslösen.« Wir kehrten zum Antigravschacht zurück und konnten den Roboter trupp und die Wachen gerade noch sehen, die sich auf einem anderen Gang von uns entfernten. »Es bleibt uns nicht anderes übrig«, sagte Fartuloon. »Wir müssen ih nen folgen. Nur dort geht es hinaus.« Wir kamen nur wenige Schritte weit. Dann rief uns jemand an, der sich hinter uns befand. Wir drehten uns betont langsam um, ohne die Waffen zu heben. Mit hängenden Armen standen wir vor Kaddoko und vier seiner Offiziere, die uns mit Strahlgewehren bedrohten.
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»Na also«, sagte er keifend. »Dann ist die Lage also klar. Bringt die, beiden nach unten.« Wir ergaben uns. Unter diesen Umständen noch zu kämpfen, wäre Selbstmord gewesen. Die Offiziere nahmen uns die Waffen ab. Als wir zum Antigravschacht geführt wurden, hörte ich, wie Kaddoko hämisch lachte. Ich ballte die Fäuste. Unter den gegebenen Umständen rechnete ich damit, daß Kaddoko uns hinrichten lassen würde. Ihm blieb gar keine andere Wahl. Er mußte uns töten. Dabei hätte ich alles getan, um ihm zu helfen, Freemush hereinzulegen. Der Ökonom war der für die Wirtschaft des Großen Imperiums wichtigste Mann, der zugleich als enger Vertrauter von Orbanaschol III anzusehen war. Mein Plan war es gewesen, ihn zu entführen, um damit meinem Oheim einen schweren psychologischen Schlag zu versetzen. Der Raum, in den sie uns einsperrten, war hoch, feucht und kalt. Etwa zehn Männer erkannte ich auf den ersten Blick. Später zählte ich zwölf, denn zwei lagen in einer Nische versteckt, die man von der schweren Pan zertür aus nicht einblicken konnte. Sie waren auch die einzigen von den Gefangenen, die uns nicht angstvoll entgegenblickten. »Dem Ruhelosen sei Dank«, murmelte ein ausgemergelter Mann, der dicht neben dem Eingang auf dem Boden kauerte. Es war ein junger Arko nide, der von langer, qualvoller Haft gezeichnet war. Seine roten Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Schädel trug nur noch wenige, weiße Haare. Ich ließ mich neben ihm nieder. »Warum?« fragte ich. Er sah mich aus trüben Augen an. »Warum? Was warum?« »Warum danken Sie dem Ruhelosen?« Er lächelte unmerklich. »Ich dachte, das Hinrichtungskommando käme wieder einmal. Es war heute noch nicht hier.« »Das hört sich so an, als ob es täglich käme.« Er senkte den Kopf. Seine Schultern zuckten. »Es erscheint jeden Tag einmal und holt einen oder mehrere.« Ich war erschüttert. Welche Qualen mußten diese Gefangenen ausgestanden haben. Nie wußten sie, wer herausgeholt wurde, um getötet zu werden. Keiner von ih nen wußte, wie lange er noch leben durfte. Kaddoko war ein Teufel. Plötz lich war ich froh, daß ich nicht mehr mit ihm zusammenarbeitete. Das war gut so. Nach wie vor war ich zuversichtlich. Ich war fest davon überzeugt,
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daß ich sehr bald wieder aus diesen Katakomben im Felsen unter dem Pa last herauskommen würde – aber nicht, um hingerichtet zu werden, son dern in die Freiheit. Und wenn man mich nicht holte, dann würde ich selbst gehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es auch nur ein einziges Gefängnis im Großen Imperium gab, aus dem man Wirklich nicht ausbre chen konnte. Auch in diesem feuchten Keller gedachte ich nicht lange zu bleiben. »Kaddoko läßt die Delinquenten über die Felsen in die Tiefe werfen«, erklärte der Hagere. »Sie sterben auf den Klippen und die See trägt sie hinaus. Es wimmelt von gefräßigen Meeresbewohnern vor der Küste, die dafür sorgen, daß die Spuren verschwinden.« Er packte mich am Arm. Seine Augen schienen zu glühen. »Wollen Sie von Fischen gefressen werden?« fragte er mich heiser, während ein Schauder über seinen Körper zu laufen schien. »Kaddoko macht es nicht mehr lange«, entgegnete ich zuversichtlich. »Freemush, der Ökonom Orbanaschols III, ist nach Jacinther gekommen. Er wird früher oder später kurzen Prozeß mit dem Gouverneur machen.« Er sprang auf. »Habt ihr das gehört?« schrie er und wiederholte meine Worte. Die anderen Gefangenen erhoben sich. Sie waren nicht weniger erregt als der Hagere. Sie bedrängten uns mit ihren Fragen. Immer wieder woll ten sie wissen, was geschehen war. Aber wir blieben vorsichtig. Wir be antworteten nur die Fragen, auf die wir eingehen konnten, ohne später Komplikationen von Seiten Kaddokos oder des Ökonomen befürchten zu müssen. Endlich scheinen sie genug erfahren zu haben. Sie diskutieren miteinander und beachten uns nicht mehr. Wir zogen uns zu einem Haufen getrockneter Gräser zurück und ließen uns darauf nieder. »Es sieht schlecht aus«, sagte Fartuloon leise. »Ich bin nicht so pessimistisch«, erwiderte ich. »Kaddoko muß schnell handeln. Ich bin eigentlich überrascht, daß er uns nicht gleich umgebracht hat.« »Was hast du vor?« »Ich will hier heraus.« Das wollte ich auch. Ich blickte zu der Leuchtplatte hinauf, die an der roh behauenen Felsdecke befestigt worden war. Sie spendete nur wenig Licht. Es reichte je doch aus, um erkennen zu können, daß über dem Boden faustgroße Löcher in die Wände eingelassen waren. Ich konnte mir keinen Reim daraus ma chen. Welchen Sinn konnten sie haben? Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als ich ein großes zwölfbeiniges Tier aus einem der Löcher kommen sah. Es hatte ein zottiges, feuchtes Fell, das aber nur den Körper, nicht die Beine, bedeckte. Zwischen den
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Beinpaaren sah ich rosige Schwimmhäute. Der Kopf war lang und schmal. Fingerlange Schneidezähne, die messerscharf zu sein schienen, ragten dar aus hervor. Ich zweifelte nicht daran, einen der Meeresbewohner vor mir zu haben, die von den Hingerichteten lebten. Ich wollte einen Warnschrei ausstoßen, als ich sah, wie das Tier sich an einem Gefangenen aufrichtete und ihm mit den Zähnen behutsam gegen das Knie stieß. Er beugte sich zu ihm herab und reichte ihm ein Stückchen Fleisch, von dem er gegessen hatte. Das Tier nahm es, quiekte leise und verschwand in einem der Löcher. Der Mann blickte zu mir hinüber. Er lächelte. »Keine Angst«, sagte er und unterstrich seine Worte mit einer besänfti genden Geste. »Die Recks sind unsere Freunde. Sie sehen zwar gefährlich aus, aber uns tun sie nichts.« Beruhigt lehnte ich mich an den Fels zurück. Ich hätte kaum schlafen können, wenn ich hätte befürchten müssen, von diesen Kreaturen überfal len zu werden. Der Hagere kam zu mir und kniete vor mir auf dem Boden nieder. Vol ler Spannung blickte er mich an. »Sie kommen von draußen«, sagte er. »Haben Sie beobachtet, daß eini ge Gefangene geflohen sind?« Ich zögerte mit meiner Antwort. »Ja«, sagte ich dann, aber er hörte dennoch heraus, daß etwas nicht stimmte. »Sie haben es nicht geschafft?« »Nein«, erklärte Fartuloon für mich. »Kaddokos Leute haben sie erwi scht.« »Alle?« »Nur einer hat es überlebt«, fuhr ich fort. »Es war ein Mann mit blauen Augen. Ich habe noch nie solche Augen gesehen.« »Es ist Kolcho. Er lebt also! Danke, Fremder.« Er erhob sich und kehrte zu den anderen zurück. Ich lehnte mich fest mit dem Rücken gegen die Wand und überlegte. Wasser benetzte meine Füße. Ich blickte auf den Boden und sah, daß es durch die Öffnungen hereinkam. Keiner der anderen Gefangenen achtete darauf, obwohl auch ihre Füße naß wurden. Sie schienen mit dieser Folter vertraut zu sein, denn das war es. Wenn Kaddoko so etwas zuließ, dann nur, um die Gefangenen zu quälen. Wir erhoben uns. Schweigend blieben wir stehen, bis Fartuloon es nicht mehr aushielt. »Was überlegst du dir, Atlan?« fragte er mich. »Oh, nichts weiter.« »Sag's schon«, drängte er. »Ich muß wissen, was du vorhast, damit ich dich vor Dummheiten bewahren kann.«
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»Danke«, gab ich ironisch zurück. Er lächelte. »Es gibt doch nur eine einzige Möglichkeit«, fuhr ich fort, als er nichts sagte. »Wir müssen auf das Schiff des Ökonomen.« »Moment mal«, dämpfte er meinen Eifer. »Können wir nicht einigerma ßen vernünftig vorgehen?« »Ich verstehe dich nicht.« »Oh, doch«, erwiderte er. »Du weißt sehr gut, was ich meine. Und du kennst die Methode. Immer einen Schritt vor dem anderen. Erster Schritt: Wir müssen hier herauskommen. Zweiter Schritt: Wir müssen den Palast verlassen und das Weite suchen. Dritter Schritt: Wir müssen den Ökono men und sein Schiff finden. Dazu benötigen wir einen schnellen Gleiter. Vierter Schritt: Wir müssen sein Abwehrsystem überwinden. Oder glaubst du, er läßt zwei Flüchtlinge so ohne weiteres an Bord? Hm – was willst du eigentlich da?« Er schnaufte und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, als könne er sich nicht vorstellen, daß ich mir alles schon recht genau überlegt hatte. Dabei wußte ich, wie gut er mich kannte. Er war sich völlig darüber im klaren, daß mein Plan bereits fertig war. »Das weißt du doch genau«, sagte ich zu meinem väterlichen Freund. »Nein«, behauptete er mit fester Stimme. »Hör zu«, sagte ich, wobei ich mich so ereiferte, daß ich unwillkürlich die Stimme hob, bis er mich warnte. »Freemush ist ein enger Vertrauter von Orbanaschol III. Er ist zugleich einer der mächtigsten Persönlichkei ten des Großen Imperiums. Wenn wir also meinem Oheim einen wir kungsvollen Schlag versetzen wollen, dann müssen wir bei Freemush den Hebel ansetzen. Ich werde ihn entführen.« »So etwas Ähnliches habe ich befürchtet«, erwiderte er stöhnend. »Hast du den Verstand verloren? Weißt du überhaupt, was du da ins Auge gefaßt hast?« »Natürlich.« Er schüttelte den Kopf und strich sich erregt mit der flachen Hand über den kahlen Schädel, der von herabtropfendem Wasser feucht geworden war. »Du hast keine Ahnung, das muß ich dir leider sagen. Bis jetzt hatten wir es schon einige Male mit wichtigen Persönlichkeiten des Großen Im periums zu tun, aber niemand war so einflußreich und mächtig wie Free mush. Wenn ein Mann wie er zu den Welten des Großen Imperiums fliegt, dann nur unter starkem Begleitschutz. Er …« »Er ist mit einer Streitmacht gekommen. Das wissen wir schon«, unter brach ich ihn ungeduldig. Er fluchte leise.
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»Das meine ich nicht. Auch an Bord seines Raumers werden ständig Wachen und Spezialagenten um ihn herum sein, die dafür sorgen, daß ihm nichts passiert. Freemush ist kein besonders mutiger Mann.« »Woher weißt du das?« »Ich habe meine Quellen.« Seine Stimme klang unsicher. Ich hörte es heraus, weil ich ihn so gut kannte. Vielleicht sagte er die Wahrheit, aber das glaubte ich nicht. Ich war vielmehr davon überzeugt, daß er mich nur vor einem gefährlichen Schritt zurückhalten wollte. »Fartuloon«, erklärte ich eindringlich. »Uns bleibt keine andere Wahl.« »O doch!« »Welche?« »Wir brauchen ihn nur ziehen zu lassen. Alles wäre in Ordnung.« Er blickte mich beschwörend an. Ich lächelte und nickte ihm zu. »Ich verstehe dich, und ich danke dir«, sagte ich. Er wollte mich vor ei ner Gefahr bewahren, weil er um mein Leben fürchtete. Aber mir blieb dennoch keine Wahl. Ich hatte nur eine Alternative. Und das sagte ich ihm auch: »Soll ich auf meine Ansprüche verzichten, Fartuloon? Soll ich mich damit abfinden, daß ein Mann Imperator von Arkon ist, der kein Recht hat, es zu sein? Ich bin der rechtmäßige Nachfolger von Gonozal VII. Wenn ich nicht jede sich mir bietende Gelegenheit benutze, die Macht Orbana schols zu schwächen, dann kann ich niemals Imperator von Arkon werden. Dann habe ich kein Recht darauf, Imperator des Großen Imperiums zu werden. Freemush ist eine großartige Chance, und ich muß sie nutzen.« »Das hört sich alles fabelhaft an«, entgegnete er leichthin, »aber leider stimmen die Voraussetzungen nicht. Freemush wäre eine Chance, wenn wir entsprechend armiert wären, das sind wir aber nicht. Wir sitzen in ei nem dunklen Loch und haben nasse Füße.« Ich winkte ab. Plötzlich wurde es still im Raum. Nur das Plätschern des Wassers war noch zu hören. Ich hatte nicht bemerkt, daß etwas Ungewöhnliches ge schehen war. Die anderen Gefangenen blickten ängstlich auf die Tür. Jetzt erst vernahm ich die dumpfen Schritte, die sich uns näherten. Ich konnte mir das Verhalten der Männer nicht erklären. In einer Festung wie dieser gab es zahllose Laute und Geräusche, die in keinerlei Zusammen hang mit uns standen. Weshalb reagierten sie auf diese Schritte so eigenar tig? Ich wußte es schon wenig später, als kein Zweifel mehr daran bestand, daß sich die Schritte uns näherten. Sie hallten im Gang wider. Der Boden schien unter unseren Füßen zu zittern. »Das Hinrichtungskommando«, sagte einer der Männer zu mir. Fartuloon und ich blickten uns unwillkürlich an. Wir fragten uns, eben
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so wie die anderen Gefangenen, ob man uns Holen würde. Ich ertappte mich bei der Hoffnung, daß die Wahl auf einen anderen gefallen sein mochte. Ich erschrak vor mir selbst, und ich begann, Kaddoko zu hassen. Bisher hatte ich nicht viel mehr als einen rücksichtslosen, machthungrigen und geizigen Mann in ihm gesehen. Jetzt aber zeigte er ein anderes Ge sicht. Er war ein brutaler Sadist, dem es Freude macht, andere Menschen zu quälen. Die Tür öffnete sich. Ein Roboter trat ein. Er war so groß, daß sein metallener Kopf fast die Decke berührte. Die kalt schimmernden Linsen richteten sich auf mich. Mir stockte der Atem. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht wirklich befürchtet, daß er mich zur Hinrichtung abführen könnte. Niemand glaubt daran, daß es ausgerechnet ihn trifft, wenn das Schicksal auch noch andere Möglichkeiten hat. Ich war wie gelähmt. Meine Beine fühlten sich an wie Blei. Neben mir hörte ich Fartuloon keuchen. Da drehte sich der Roboter köpf weiter, und die Linsen richteten sich auf einen anderen Mann. Ich atmete auf. Plötzlich schienen die anderen Männer im Raum in weite Ferne gerückt zu sein. Alles schien mich nichts mehr anzugehen, obwohl ich wußte, daß in diesem Moment ein anderer Mann so empfand wie ich vor wenigen Atemzügen noch. Der Roboter trat einen Schritt vor, streckte blitzschnell die Arme aus und packte zwei Männer zugleich. Bevor sie wußten, was geschah, wirbel te er sie mit unwiderstehlicher Kraft herum und schleppte sie hinaus. Kra chend schloß sich die Panzertür hinter ihnen. Wir alle starrten auf das Schott, dumpf und niedergeschlagen. Beklem mende Stille herrschte, bis endlich einer der Männer schluchzend auf die Knie sank und die Hände vor das Gesicht preßte. »Kaddoko bringe ich mit eigenen Händen um«, kündigte Fartuloon zor nig an. »Dafür hat er den tausendfachen Tod verdient.« Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand und schloß die Augen. Dabei fühlte ich mich so elend, daß ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Ich wußte, daß irgendwo über mir zwei Männer ermordet wurden, und ich konnte nichts tun. Plötzlich wußte ich auch, wie wahnwit zig meine Überlegungen gewesen waren. Es war geradezu lebensgefähr lich, in dieser Situation bereits daran zu denken, wie wir Freemush herein legen und vielleicht sogar entführen könnten. Fartuloon hatte recht – wie immer. Wenn wir mit heiler Haut hier herauskommen wollten, dann muß ten wir ganz konsequent und logisch Schritt für Schritt vorgehen. Wir durften keinen Fehler machen und mußten uns ganz auf unsere Flucht aus diesem Kerker konzentrieren. Alles andere wäre so gut wie Selbstmord ge wesen. Einer der Männer kam zu uns.
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»Verzeiht«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich muß mit jemandem re den, sonst werde ich verrückt.« Er wischte sich mit dem Handrücken über Mund und Augen. »Wenn ich wenigstens wüßte, weshalb ich hier bin«, fuhr er fort. »Ich weiß es nicht.« Er blickte uns flehend an, als warte er darauf, daß wir endlich etwas ant worteten. »Wißt ihr es?« »Vielleicht«, erwiderte Fartuloon vage. »Was machen sie mit den bei den?« »Die Roboter?« »Natürlich.« Fartuloon schob sich ein Feenre-Plättchen zwischen die Lippen. Er kaute mürrisch auf dem Pflanzenextrakt herum, der erfrischend wirkte und zugleich auch die Aufnahmefähigkeit des Blutes für Sauerstoff erhöhte. »Werden sie erschossen?« »Das wäre zu simpel für einen Mann wie Kaddoko«, erklärte der Gefan gene. »Nein – er läßt die Delinquenten mit Antigravfeldern über die Felskante drängen. Manchmal werden sie auch von Robotern heruntergesto ßen.« Er stockte. Ich sah einen Reck aus einem Loch kommen. Das Tier hielt einen Zettel zwischen den Zähnen. Es eilte auf einen der Gefangenen zu, richtete sich an ihm auf und übergab ihm das Papier. Erregt beobachtete ich, wie der Mitgefangene es entfaltete und durchlas. Er hob den Kopf und blickte sich um. »Freemush, der Ökonom, wird vermutlich sehr bald kommen«, verkün dete er. »Unser Informant ist sicher, daß es nicht länger als vier Tage dau ert, bis er hier ist. Er ist davon überzeugt, daß wir dann alle frei sein wer den.« »Falls Kaddoko uns nicht vorher umbringt, damit wir Freemush nichts verraten können«, warf einer der Männer ein. Niemand antwortete ihm, denn alle wußten, wie berechtigt seine Be fürchtungen waren. Kaddoko wollte Bevollmächtigter des Großen Imperi ums für diese Welt werden. Freemush würde dieses Amt aber kaum einem Mann anvertrauen, der es zu einer Willkürherrschaft mißbrauchen konnte. Ich durchbrach das betroffene Schweigen und ging zu dem Mann, der die Botschaft erhalten hatte. »Die Recks sind wundervolle Tiere«, sagte ich. »Kommen Sie überall hin? Auch zu den anderen Gefangenen?« »Wohin wir wollen.« »Das ist gut.« Er wußte nicht, was er von meinen Worten halten sollte.
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»Was meinst du?« »Kennst du einen Mann, dessen Augen ganz blau sind? Ich meine, es gibt kein Weiß darin! Er nennt sich Kolcho.« »Natürlich kenne ich ihn. Wir alle kennen und lieben ihn: Für ihn wird es ganz besonders schwer werden.« »Warum?« »Er hat versucht zu fliehen, weil er Freemush nicht in die Hände fallen wollte.« »Warum?« Ich stutzte. »Moment mal«, sagte ich gedehnt. »Als mein Freund und ich hier anka men, wußten wir noch nicht, daß der Ökonom Jacinther IV so bald besu chen würde. Wir rechneten zwar damit, daß er irgendwann in naher Zu kunft hier erscheinen würde, aber nicht so schnell. Obwohl wir über aus gezeichnete Kommunikationseinrichtungen verfügten, lag noch keine In formation darüber vor, daß Freemush praktisch schon da war. Und du willst behaupten, daß Kolcho zu diesem Zeitpunkt schon alles wußte? Das ist unmöglich.« Er kreuzte die Arme vor der Brust. »Kolcho hat vielleicht bessere Quellen als ihr?« fragte er und verzog seine Lippen zu einem eigenartigen Lächeln. »Du kennst ihn nicht, sonst würdest du nicht daran zweifeln.« »Gut«, lenkte ich ein. »Ich glaube dir. Kannst du dafür sorgen, daß Kol cho mir einige Fragen beantwortet?« »Natürlich. Schreibe auf, was du wissen willst.« »Er soll mir verraten, wie er aus diesem Kerker herausgekommen ist.« »Seine Flucht ist gescheitert«, erklärte er mir eindringlich, als ob ich das nicht selbst auch wüßte. »Das ist eine andere Frage«, wies ich seine Kritik zurück. »Bitte, beeile dich. Wir haben keine Zeit zu verschenken.« Er gehorchte, nahm den Zettel und brachte aus seiner Kleidung einen Schreibstift hervor. Er schrieb meine Frage auf und notierte noch einige Worte mehr. Vermutlich wollte er Kolcho über mich informieren. Ich kehrte zu Fartuloon zurück, als die Tür sich öffnete und Roboter ei ne große Schüssel mit einer dampfenden Flüssigkeit hereinbrachten. Sie stellten sie auf den Boden, obwohl das Wasser so hoch stand, daß es den Rand des Gefäßes sofort überspülte. Die Gefangenen warteten ängstlich, bis die Automaten den Raum wieder verlassen hatten. Dann stürzten sie sich hungrig auf die Schale und nahmen sie auf. Fartuloon und ich verzichteten. »Kolcho könnte ein wichtiger Verbündeter werden«, sagte er leise. »Er weiß auf jeden Fall viel über Freemush. Wir müssen uns erkundigen, wes
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halb er ihn so sehr zu fürchten hat.« Ich verfolgte, wie der Mann vor einem Loch in der Wand in die Hocke ging und einige Male mit der flachen Hand auf das Wasser schlug, bis ein Reck erschien. Er gab dem Tier den Zettel, reichte ihm ein Stückchen Fleisch aus der Schale und nannte mehrmals den Namen Kolcho. Der Reck quiekte und verschwand. Wir warteten. Fartuloon stand wie ein Fels neben mir. Das kalte Wasser schien ihm nichts auszumachen. »Hoffentlich hat der Mensch seinen Groll inzwischen vergessen«, sagte er nach geraumer Zeit. Ich mußte daran denken, wie Kolcho mich angesehen hatte, nachdem ich ihm das Leben gerettet hatte. Würde er mir jetzt helfen? Würde er abermals den Mut für einen Fluchtversuch aufbringen?
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3.
Irgendwann an diesem Tag ging die Flut zurück, und das Wasser floß aus den Zellen ab, so daß wir uns endlich wieder auf den Boden setzen oder legen konnten. Ungeduldig warteten wir auf die Antwort von Kolcho. Je länger sie aus blieb, desto mehr fürchtete ich, daß er seinen Groll nicht überwinden konnte. In der folgenden Nacht schlief ich kaum. Auch Fartuloon konnte keine Ruhe finden. Immer wieder berieten wir, wie wir aus diesem Verlies ent fliehen konnten, ohne einen Weg zu finden, der wirklich Erfolg versprach. Es genügte nicht, nur aus diesem Raum entweichen zu können. Wenn wir nicht wußten, wie die Flucht weitergehen sollte, hatten wir nur wenig Aus sicht, heil davonzukommen. Am nächsten Morgen endlich erschien ein Reck. Er brachte einen Zettel mit. Der Mann, der ihn auf den Weg geschickt hatte, nahm ihn und gab ihn mir. »Diese Schrift kenne ich nicht«, sagte ich, als ich die Notizen sah. »Es ist eine Kürzelschrift«, erklärte der andere. »Soll ich vorlesen?« Wir ließen uns auf den Boden nieder. Die anderen Gefangenen drängten sich neugierig um uns. Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir nicht so vie le Mitwisser gehabt hätten, aber ich konnte es nicht verhindern. »Kolcho schreibt, daß sie einen Wachroboter überwältigt haben und von einem Reck über einen stillgelegten Gang bei Ebbe zu einem Ausgang ge führt worden sind«, berichtete der Mann mit dem Zettel. Er hatte es schwer, die Nachricht in dem trüben Licht zu entziffern. Auch schien er die Kürzel nicht so sicher zu beherrschen, wie er vorgegeben hatte. Da we der ich noch Fartuloon jedoch etwas damit anfangen konnten, mußten wir froh sein, ihn zu haben. »Inzwischen sind die Wachen verstärkt worden«, fuhr er fort. »Wenn ein Roboter in einen Gefangenenraum geht, bleibt ein anderer versteckt draußen. Er schießt sofort, wenn sich einer von uns auf den Gang hinaus getraut.« Er blickte auf. »Offenbar hat es jemand versucht«, sagte er. »Sonst würde Kolcho nicht so etwas schreiben.« »Lies weiter«, drängte der Bauchaufschneider grob. Er konnte sich kaum noch beherrschen. Je deutlicher wurde, wie aussichtslos unsere Lage war, desto unruhiger wurde er. »Da gibt es nicht mehr viel zu lesen. Kolcho schreibt noch: Es gibt kei ne Fluchtmöglichkeiten mehr. Es wäre besser gewesen, Fremder, wenn du
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mich hättest sterben lassen, doch das konntest du nicht wissen.« Mutlos ließ er den Papierbogen sinken. »Es sieht schlecht aus«, sagte er. »Wenn Freemush nicht bald kommt, ist es zu spät für uns alle.« Ein anderer Gefangener wollte sich äußern, wurde aber von Fartuloon daran gehindert. »Still!« rief er. Jetzt hörten wir es auch. Dumpfe Schritte näherten sich uns. Die Hin richtungsroboter kamen! Mir krampfte sich das Herz zusammen. Ich wurde mir dessen bewußt, daß ich mich während der ganzen Nacht vor diesem Augenblick gefürchtet hatte. Zugleich wurde mir klar, welch entsetzliche Qualen die anderen Ge fangenen bereits durchgestanden hatten. Sie hielten sich hier schon seit vielen Tagen auf und hörten täglich einmal diese grauenvollen Schritte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Schrecken durch Gewöhnung nachließ, und daß irgend jemand nicht mehr auf diese Geräusche reagierte. Wen würde die Maschine jetzt holen? War meine Zeit schon abgelaufen? Fartuloons Hand schloß sich um meinen Arm. »Ganz ruhig«, murmelte er. »Ich bin ganz ruhig«, log ich. Er spürte, daß ich mich verkrampft hatte, aber er sagte nichts. Ich war ihm dankbar dafür. Die Tür öffnete sich. Der Roboter trat ein. Ich starrte ihn wie gebannt an. Dies war die Hölle. Grausamer konnte man Menschen nicht quälen. Je dem von uns erging es gleich. Jeder hoffte, daß nicht er, sondern ein ande rer ausgewählt werden würde. Die kalten Linsen richteten sich auf mich. »Komm«, sagte die Maschine. Irgend etwas schnürte mir die Kehle zu. Ich hatte es geahnt. Kaddoko konnte es sich nicht leisten, uns leben zu lassen, bis Freemush kam. Ich wußte, daß die anderen Gefangenen heimlich aufatmeten, weil es nicht sie, sondern mich getroffen hatte. Ich konnte es ihnen nicht übelneh men. »Nein«, sagte Fartuloon verzweifelt. »Nein, das lasse ich niemals zu.« Der Roboter trat blitzschnell auf mich zu und packte mich, bevor ich ihm ausweichen konnte. Ich verlor den Boden unter den Füßen. Wild schlug ich mit den Fäusten nach dem Metallkopf, um mich zu befreien, aber ebenso hätte ich auch versuchen können, einen Berg aus gewachse nen Felsen umzustoßen. »Nein«, schrie der Bauchaufschneider. »Ihr dürft das nicht zulassen.
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Packt ihn. Los doch.« Er stürzte sich von hinten auf den Automaten und versuchte, ihn umzu reißen. Es gelang ihm nicht. Er setzte seine unglaublichen Kräfte ein, um klammerte den Roboter von hinten, um ihn auszuheben. Aber auch jetzt blieb er erfolglos, obwohl ich ihn nach Kräften unterstützte. Der Automat stieß mit einem Arm nach hinten, traf Fartuloon am Kopf und schleuderte ihn zu Boden. Ich stemmte mich mit beiden Füßen gegen die Tür, doch die Maschine versetzte mir einen kräftigen Stoß, so daß ich ihm hohen Bogen auf den Gang hinausflog. Donnernd schloß sich die Tür hinter dem Roboter. Ich hörte, daß Fartuloon mit den Fäusten gegen das Schott hämmerte, und daß er wie ein Wahnsinniger schrie. Ich stand zwischen drei Kampfrobotern und mußte einsehen, daß jeder Widerstand sinnlos war. »Wenn du dich wehrst, werden wir dir die Arme brechen müssen«, er klärte mir einer der Roboter. Ich ließ die Arme hängen. Mit blinder Gewalt kam ich gegen diese Geg ner nicht an. Sollte sich überhaupt irgendwo und irgendwann noch eine Gelegenheit bieten, dann konnte ich sie nur nutzen, wenn ich jetzt auf sinnlosen Kampf verzichtete. »Bringt mich nach oben«, sagte ich. Einer der Automaten zeigte mir mit einem Handlungsarm die Richtung. Ich drehte mich um und ging los. Von Schritt zu Schritt steigerte sich mei ne Verzweiflung. Ich war einfach noch nicht soweit, daß ich mich mit meinem Tode abfinden konnte. Noch suchte ich mit aller Macht nach ei nem Ausweg. In einem Antigravschacht schwebte ich zwischen zwei Robotern nach oben. Auch hier ergab sich keine Chance, irgend etwas zu tun. In einem kreisrunden Vorraum kamen wir heraus. Zwei Kampfroboter standen an den beiden Ausgängen. Meine Eskorte führte mich weiter durch einen Gang bis zu einem Schott. Hier blieben sie stehen, ohne daß etwas geschah. »Was ist los?« fragte ich. »Warum geht es nicht weiter?« Sie antworteten mir nicht. Ich blickte mich um. Nichts hatte sich verän dert. Die beiden Maschinen bewachten mich. Weiter hinten standen die anderen beiden Automaten. Wohin hätte ich fliehen sollen? Als sich das Schott öffnete, fuhr ich herum. Mein Herzschlag beschleu nigte sich, obwohl mein Logiksektor Aussichtslosigkeit signalisierte. »Finde dich damit ab!« Das schmale Plateau lag vor mir. Ich befand mich direkt in der West mauer des Palastes. Von hier aus waren es nur noch fünfzig Schritte bis zum Abgrund. Ein steifer Wind wehte von Südwest. Er war feucht und kalt. In heftigen
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Böen wühlte er die See auf, die von Schaumkronen bedeckt war. Am Ho rizont erkannte ich ein Segelschiff. Es hatte schwer zu kämpfen und schien immer wieder in den Wellen zu versinken. Jedesmal aber, wenn ich glaub te, daß es untergegangen war, tauchte es wieder auf. Ein Schwarm von Sturmvögeln zog dicht über den Wellen dahin. Ihr weißes Gefieder hob sich deutlich von dem dunklen Grün ab. Dies war ein idealer Tag für eine Hinrichtung. Ich würde in wenigen Augenblicken schon in die Tiefe geschleudert werden. Die See würde mich fortschwemmen und alle Spuren beseitigen. Kaddoko konnte dem Ökonomen furchtlos gegenübertreten. Freemush würde ihm einen Mord nicht nachweisen können. Der Gesandte des Impe riums würde von niemandem erfahren, mit welchen Mitteln der Gouver neur versucht hatte, an die Macht zu kommen. Ein Stoß in den Rücken warf mich nach vorn. Es begann zu regnen. Die kalten Tropfen peitschten mir ins Gesicht. Was sollte ich tun? Sollte ich zur Kante rennen und versuchen, nach un ten zu klettern? Sie hätten mich abgeschossen wie einen tollen Bekkeran. Ich wollte aber nicht aufgeben, bis es wirklich zu spät war. Ich stand im Regen und sah mich um. Zwanzig Meter weiter hatte sich ein anderes Schott geöffnet. Zwei Männer stolperten heraus und blieben auf den Felsen stehen. Sie starrten mit leeren Augen zu mir herüber. Sie hatten sich schon aufgegeben. Das war ihnen deutlich anzusehen. Ein dumpfes Geräusch ließ mich herumfahren. Kolcho stürzte aus einem Schott links neben mir. Er war nur zehn Schritte von mir entfernt, und auch er blickte mich an. Seine Augen leuch teten wie blaue Lampen. Ich zweifelte an mir selbst. War ich schon, so weit, daß ich den Verstand verlor? »Du bist völlig klar!« stellte mein Extrahirn fest. Kolcho lächelte geradezu heiter, so als ginge ihn das alles gar nichts an. »Du siehst, mein Freund, es war recht sinnlos, mir das Leben zu retten«, sagte er. »Ich hätte es schon hinter mir gehabt, wenn du es nicht getan hät test. Du hast mich nur gequält.« Die beiden Männer zu meiner Rechten schrien auf. Ich fuhr herum. Die Schotte hinter uns hatten sich geschlossen. Nur noch ein Kampfroboter stand vor der Mauer. Neben ihm ragte der von blauen Kabelbündeln um gebene Projektionskegel eines Antigravs aus der Wand. Ich glaubte, die Druckfelder sehen zu können, die von ihm ausgingen. Sie hatten einen der beiden Männer erfaßt und trieben ihn erbarmungslos vor sich her auf die Felskante zu. Er warf sich zu Boden, versuchte sich festzukrallen oder zur Seite auszuweichen. Die Todesmaschinerie von Kaddoko war stärker. Wie ein welkes Blatt im Wind, so trieb er auf das Ende zu. Unwillkürlich blickte ich zur Mauerkrone hinauf. Dort standen Kaddo
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ko und einige Offiziere. Er grinste teuflisch zu mir herab. Der Mann wehte über die Kante hinaus und stürzte in die Tiefe. Ich hör te den Aufschlag. Mir wurde übel. Der zweite Mann hatte sich auf den Boden geworfen. Er krallte sich an einem kleinen Felssockel fest, aber das half ihm nichts. Das projizierte Antigravfeld riß ihn mit unwiderstehlicher Macht hoch und trieb ihn fort. »Halt! Aufhören«, brüllte ich. »Kaddoko! Schluß damit!« Er beachtete mich nicht, sondern blickte aus verengten Augen auf den Mann, der in den Tod geschleudert wurde. Jetzt war ich dran. Keuchend drehte ich mich um. Endlich sah ich ein, daß ich verloren war. Es gab keinen Ausweg mehr für mich. Meine Gedanken richteten sich auf Fartuloon, meinen väterlichen Freund, der für mich gesorgt hatte, seit mein Vater bei einem Jagdunfall tödlich verunglückte. Ich wußte, daß er unerträgliche Qualen erlitt. Er wäre lieber vor mir gestorben, als hilflos irgendwo da unten in einem Verlies zu stecken. Ich fürchtete, daß er den Verstand verlieren würde. Das Energiefeld packte mich. Ich wurde umgeworfen und prallte auf den schartigen Boden. Wütend sprang ich auf, weil ich nicht wie ein hilfloses Bündel behandelt werden wollte, aber die Macht des Projektors war größer. Sie schleuderte mich wieder auf den Fels. Rasend schnell rückte die Kante näher. Ich zerbiß mir die Lippen, weil ich nicht schreien wollte. Und dann ertappte ich mich dabei, daß ich meine Finger doch in den Fels krallte und mich bemühte, irgendwo Halt zu fin den. Die Instinkte spielten meinem Stolz einen Streich. Für einen kurzen Moment verharrte ich tatsächlich auf dem Fleck, doch dann rollte ich wei ter. Der Abgrund tauchte vor mir auf. Meine Beine rutschten über die Kante – als plötzlich der Druck wich. Keuchend klammerte ich mich an das Ge stein. Atemlos vor Schwäche zog ich mich hoch, bis ich flach auf dem Bauch am Abgrund lag. Es genügte Kaddoko nicht, mich zu töten. Vorher wollte er mich quä len. Er wollte mich leiden sehen. Vielleicht erwartete er, daß ich um mein Leben betteln würde. Der Regen prasselte auf meinen Rücken. Der Gouverneur und seine Of fiziere standen im Trockenen. Sie genossen das erbärmliche Schauspiel. Ich erhob mich. Nichts behinderte mich dabei. Vor Schwäche taumelte ich ein wenig. Dabei stieß ich mit der Schulter gegen ein unsichtbares Hin dernis. Ich streckte die Hand aus und berührte ein energetisches Prallfeld. Jetzt hob ich auch den linken Arm. Auch auf dieser Seite hatte sich eine Wand aus purer Energie erhoben. Als ich einige Schritte von der Felskante wegging, merkte ich, daß ich am Ende eines Korridors stand. Am anderen
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Ende befand sich der Kampfroboter, der sich mir langsam näherte. Kaddoko reichte es noch nicht. Er wollte mich von dem Automaten in die Tiefe stürzen lassen. Ich verhielt mich so, wie er es vermutlich erwar tete. In meinem ersten Schrecken versuchte ich, die Energiewand zu über winden, aber sie war viel zu hoch. »Warte«, sagte der Extrasinn. »Du kannst nichts anderes tun.« Ich folgte der Vernunft und überlegte. Fartuloon hatte mich in vielfacher Hinsicht geschult. Er hatte mich auf alle möglichen Kampfsituationen vorbereitet. Auch mit Robotern hatte ich bereits trainiert. Das konnte Kaddoko nicht wissen. Ich hatte eine kleine Chance, diesen Automaten zu besiegen, aber nur dann, wenn ich schnell und entschlossen handelte. Ich blickte mich um und stellte fest, daß ich zu weit von dem Abbruch entfernt war. Vorsichtig wich ich vor dem Roboter zurück, um Kaddoko glauben zu lassen, daß ich Angst vor ihm hatte. Die Maschine hob die beiden Handlungsarme, die mit Händen und Fin gern ausgestattet waren. Kräftemäßig war sie mir tausendfach überlegen, aber sie war nicht so schnell wie ich. Sie verfügte zwar über eine raffinier te Elektronik, die blitzschnell entscheiden und befehlen konnte, aber sie war nicht in der Lage, diese Entscheidungen ebenso schnell in Bewegung umzusetzen. Die komplizierte Mechanik minderte den Wert der Maschine. Jeder andere Delinquent hätte sich in seiner Panik dem Zugriff des Au tomaten ausgesetzt. Sobald dieser aber seine Kraft einsetzen konnte, war es zu spät. Kein Muskel konnte der atomar gespeisten Hebelmechanik ei nes solchen Roboters widerstehen. Als die Metallklauen auf mich zustießen, ließ ich mich fallen. Sie glitten über meine Schulter hinweg. Mit der linken Hand packte ich den rechten Unterarm des Automaten und warf mich mit aller Kraft nach links. Da durch drehte ich den Roboter und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Na türlich versuchte er sofort, diesen Nachteil auszugleichen. Bevor er aber seinen angehobenen rechten Fuß wieder auf den Boden bringen konnte, riß ich diesen hoch. Die Maschine kippte über den Rand und stürzte in den Abgrund. Als sie auf die Felsen prallte, schoß eine Stichflamme aus ihrem Körper. Ich drehte mich um und sank auf die Knie. Ein Splitterschauer fegte jaulend über mich hinweg. Kolcho schrie begeistert. Als ich den Kopf hob, sah ich, daß er mir zu winkte. Kaddoko aber zog seinen Energiestrahler und richtete ihn auf mich. In diesem Moment blitzte es hinter mir auf. Ein Energiestrahl zuckte über den Palast hinweg. Der Gouverneur ließ seine Waffe sinken. Er blickte erblassend zu den »Wolken« hinauf.
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Ich wandte den Kopf. Überall kamen Gleiter aus dem Regen. Wohin ich auch blickte, überall waren Flugzeuge. Sie rasten heran und landeten auf dem Plateau und auf den Dächern des Palastes. Plötzlich wimmelte es von blau uniformierten Raumsoldaten. Ich eilte auf Kolcho zu, als ein nadelfeiner Energiestrahl an mir vorbei schoß. Mit einem weiten Satz sprang ich nach vorn und rollte über den Boden. Die Prallfelder bestanden nicht mehr. Im Fallen beobachtete ich Kaddoko, der erneut auf mich zielte. Wieder schnellte ich mich weiter und entging dem Tode abermals. Ich fand hinter einem Gleiter Deckung. Kolcho kam zu mir. »Weiter«, rief er keuchend. »Der Gouverneur kommt.« Ich hörte Schreie. Eine dunkle Stimme brüllte Befehle. Mehrere Schüs se fielen. Dann tauchten Soldaten bei uns auf, die uns umzingelten. »Ihr könnt ruhig sein«, sagte einer von ihnen. »Wir haben Kaddoko ent waffnet.« Zögernd kamen wir hinter dem Gleiter hervor. Ich sah, daß im Palast noch immer gekämpft wurde. Immer wieder zuckten Energiestrahlen in den regenverhangenen Himmel und erzeugten Dampfwolken. Einige Ge bäude des Palastes brannten. Ein hoher Offizier trat auf mich zu. Er musterte mich mit schmalen Au gen. »Ich würde gern wissen, warum Kaddoko Sie hinrichten wollte«, sagte er. »Das ist nicht schwer zu erraten. Wir haben herausgefunden, daß er den Beauftragten des Großen Imperiums, den Gouverneur Fertomash Agmon, ermordet hat. Er wollte sein Nachfolger werden.« Der Offizier nickte mir zu, und ich atmete auf. Seine Reaktion verriet mir, daß er mir glaubte. Vielleicht hatte Freemush sogar schon herausge funden, was Kaddoko getan hatte. »Setzt euch in einen Gleiter und wartet, bis alles ruhig ist«, sagte er. »Aber haltet euch aus den Kämpfen heraus.« Sie entfernten sich. Kolcho und ich ließen uns in die Polster sinken. Durch das offene Fenster wehte der Regen herein. Ich schloß es. Der Blauäugige legte mir die Hand auf die Schulter. »Du hast mir einmal geholfen«, sagte er. »Willst du mir noch einmal helfen?« »Wenn ich es kann – gern.« »Freemush ist nicht gerade mein Freund«, erklärte er. »Ich verdanke ihm zwar mein Leben, aber er hat sicherlich nicht eingegriffen, weil er mich erkannt hat, sondern weil Kaddoko reif war. Ich fürchte, wenn er mich sieht, wird es ungemütlich für mich.« »Was soll ich tun?«
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»Ich werde verschwinden und dort die Felsen hinunterklettern. Ohne Hilfe bin ich dort unten verloren. Komm zu mir, sobald du kannst. Viel leicht kannst du einen Gleiter organisieren.« »In Ordnung«, stimmte ich zu. »Ich werde alles tun, was ich kann. Nur noch eine Frage: Was gibt es zwischen dir und Freemush?« »Das ist eine zu lange Geschichte«, erwiderte er. »Ich erzähle sie dir später. Ich habe auf dem Raumschiff von Freemush gedient, hatte aber keine Lust mehr, so etwas wie ein Sklave von ihm zu sein. Deshalb ver schwand ich, als sich eine Gelegenheit ergab. Freemush ist keineswegs besser als Kaddoko!« »Orbanaschol III arbeitet mit seltsamen Leuten zusammen.« Er packte mich am Kragenaufschlag und starrte mich zornig an, ließ mich aber sogleich wieder los. »Orbanaschol ist ein Ehrenmann«, sagte er heftig. »Sag nichts gegen ihn, wenn wir Freunde bleiben wollen. Er kann nichts dafür, daß Männer wie Freemush zu so hohem Einfluß gekommen sind.« »Schon gut.« Er nickte mir zu und sprang aus dem Gleiter. Hastig eilte er davon. Gern hätte ich ihm die Augen geöffnet, aber das durfte ich nicht. Kol cho war ein wichtiger Mann für mich. Er kannte das Raumschiff, mit dem der Ökonom gekommen war. Deshalb konnte ich von ihm Informationen von unschätzbarem Wert bekommen. Eine massige Gestalt tauchte vor mir auf. »Atlan!« Ich habe meinen Freund Fartuloon niemals zuvor so gesehen. Er war fassungslos vor Glück, mich lebend zu sehen. Als der Kampf um Kaddokos Palast schon entschieden zu sein schien, flackerte er unversehens wieder auf und entwickelte sich zu einer Schlacht, in der die Kampfroboter des Gouverneurs ein gewichtiges Wort mitredeten. Irgendwie hatte es einer der Offiziere Kaddokos geschafft, die Roboterkammern zu öffnen und die Maschinen zu aktivieren. Plötzlich tauchten sie überall auf und schossen auf alles, was sich bewegte. »Wir müssen weg hier«, brüllte der Bauchaufschneider. Er riß mich förmlich aus dem Gleiter heraus und hetzte mit mir an der Palastmauer entlang bis zu einer Felsengruppe, hinter der auch Kolcho verschwunden war. Wir eilten unter einige wild wuchernde Bäume und Büsche und war fen uns zu Boden. Der Palast glich einem Trümmerfeld. Überall sah ich explodierende Kampfmaschinen, die bei ihrem Ende weitere Zerstörungen anrichteten. Allmählich zeichnete sich ein Sieg der Truppen von Freemush ab. Da öffneten sich in der steil abfallenden Felswand einige verborgene Schotte. Zwanzig Gleiter aller Größenordnungen jagten nacheinander her
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aus. Fächerförmig schwärmten die Flugzeuge aus und entfernten sich schnell. »Die Bekkar verlassen das sinkende Schiff«, sagte Fartuloon. Der Ökonom hatte mit einem derartigen Ausbruchsversuch gerechnet. Unversehens senkten sich etwa einhundert Kampfgleiter und Flugpanzer aus den niedrig hängenden Wolken herab. Sie eröffneten das Sperrfeuer auf die fliehenden Maschinen. Wohin wir auch blickten, überall blitzten die Energiestrahler auf, und überall explodierten die Gleiter. Ein feuerroter Rauchvorhang senkte sich über das Meer. Danach wurde es still. Auch im Palast wurde nicht mehr gekämpft. Wir erhoben uns und kehrten langsam zu dem Gleiter zurück, in dem wir ge sessen hatten. Jetzt zeigte sich, daß unsere Entscheidung richtig gewesen war. Das Flugzeug war nur noch ein brennender Trümmerhaufen. Es hatte einen Volltreffer erhalten, den wir nicht überlebt hätten, wenn wir in ihm geblieben wären. »Wir haben noch einmal Glück gehabt«, sagte Fartuloon. »Wir sollten uns aus dem Staub machen und zu Morvoner Sprangk und Eiskralle zu rückkehren. Vielleicht ist das Schiff der Piraten noch nicht wieder gestar tet …« Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt, daß ich etwas anderes plane.« Er blickte mich kopfschüttelnd an. »Du willst versuchen, auf das Schiff des Ökonomen zu kommen?« »Genau das, Fartuloon.« »Das heißt, das Glück zu versuchen, Atlan. Sei vernünftig. Es gibt Un ternehmen, auf die man sich nicht einlassen darf. Sieh dich doch um. Free mush ist ein Mann, der hart zuschlägt, wenn es darauf ankommt. Er fackelt nicht lange, und er schont seine Feinde nicht. Deutlicher hätte man dir gar nicht demonstrieren können, mit wem du es zu tun hast.« Ich lächelte nur, als hätte ich seine Worte nicht gehört. Er schnaufte erregt. »Nein, Atlan.« »Willst du dir nicht wenigstens anhören, was ich vorhabe?« »Ich kann es mir denken. Du willst auf, das Schiff kommen, es in deine Gewalt bringen und Freemush entführen.« »Kannst du Gedanken lesen?« Ich tat, als sei ich überrascht. »Alles ist möglich«, sagte ich dann. »Fartuloon – das sind deine Worte! Und unsere Chancen sind gut, weil Freemush überhaupt nicht damit rech net, daß wir etwas Derartiges tun könnten.« Er legte mit die Hände auf die Schultern. »Sei vernünftig, Junge«, bat er mich. »Der Ökonom ist mit über sechs hundert Kampfraumschiffen gekommen. Dagegen kannst du überhaupt nichts ausrichten.«
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»Ich will nicht 600 Schiffe an mich bringen, sondern nur eines.« »Atlan«, sagte er beschwörend. »Glaubst du denn wirklich, daß die an deren Kommandanten zusehen werden, wie du mit dem Flaggschiff ver schwindest? Sie werden dich bis ans Ende der Galaxis jagen und dann doch erwischen. Du kannst ihnen nicht entkommen.« Ich gab noch immer nicht auf. »Es gibt noch eine Möglichkeit«, erklärte ich. »Der Raumer hat ganz gewiß noch kleinere Beiboote an Bord. Wir werden eine Scheinflucht in szenieren. Der Raumer des Ökonomen wird vorprogrammiert. Er soll durch die halbe Galaxis jagen. Wir aber werden mit Freemush zwischen zwei Transitionen von Bord gehen und uns mit einem Beiboot in der Nähe einer Sonne verstecken. Davon wird niemand etwas bemerken. Während die anderen Schiffe das Flaggschiff verfolgen, machen wir uns aus dem Staub.« »Glaubst du, daß die Kommandanten nicht auch auf einen solchen Ge danken kommen werden? Sie brauchen nach jeder Transition nur fünf oder zehn Raumer zurückzulassen, um diese nach einem entflohenen Beiboot suchen zu lassen. Das würde sie nicht schwächen und dir alle Chancen nehmen. Nein, Atlan. Gib deine verrückten Pläne auf. So geht das nicht.« »Willst du Freemush ungeschoren davonkommen lassen?« fragte ich enttäuscht. »Eine solche Gelegenheit bietet sich uns vielleicht nie wieder.« »Ich werde mir etwas einfallen lassen«, versprach er. »Einverstanden«, antwortete ich und reichte ihm die Hand. »Bis dahin gilt mein Plan. Ich werde nicht von ihm abrücken, bis du mir etwas bieten kannst, das besser ist.« »Ich sollte dir wie in alten Zeiten das Fell versohlen«, sagte er brum mig. »Ich entsinne mich nicht, daß so etwas je passiert ist.« »Wirklich nicht?« fragte er mit einem verdächtigen Blinzeln. »Dann wird es wirklich höchste Zeit.« Ein Soldat des Ökonomen näherte sich uns. »Ihr könnt jetzt in den Palast kommen – oder in das, was davon noch übrig ist«, sagte er. »Der Ökonom will euch alle sehen.« Der Mann, der das Wirtschaftsgeschehen im Großen Imperium lenkte, war sehr groß. Er überragte mich um wenigstens einen Kopf. Zugleich war er sehr hager. Sein Kopf war völlig kahl. Er verzichtete, wie die meisten Ar koniden, darauf, sich künstliches Haar einpflanzen zu lassen. In gelassener Haltung stand er im Innenhof des Palastes. Mehrere Offiziere und Kampfroboter schirmten ihn ab, so daß ein Attentat ausgeschlossen schien. Fartuloon und ich gesellten uns zu etwa einhundert freigelassenen Män nern und Frauen. Die meisten von ihnen waren völlig zerlumpt. Sie sahen verhungert, krank und heruntergekommen aus. Fast alle waren Arkoniden.
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»Wir sind nach Jacinther IV gekommen, um hier Ordnung zu schaffen«, begann er mit lauter, durchdringender Stimme. »Wie Sie sehen, haben wir erreicht, was wir wollten. Kaddoko ist verhaftet worden. Er wird abgeur teilt werden. Er hat Agmon ermordet, weil er hoffte, sein Nachfolger zu werden. Wir aber werden keinen der hiesigen Gouverneure als Beauftragte des Großen Imperiums einsetzen. Ich habe meinen eigenen Mann mitge bracht, der dieses Amt übernehmen wird.« Er machte eine Pause und wartete die Wirkung seiner Worte ab. Er ge noß es sichtlich, die Freigelassenen über die Ereignisse und seine Macht aufzuklären. »Von jetzt an wird hier also ein Mann herrschen, der Orbanaschol III treu ergeben ist und auf den wir uns verlassen können.« Wieder blickte er sich um. Dann hob er die Stimme und erklärte: »Sie alle sind frei und können gehen, wohin Sie wollen. Sie können sich ir gendwo auf Jacinther IV niederlassen, wo es Ihnen gefällt. Sie können aber auch an Bord meines Schiffes CAISED diesen Planeten verlassen. Ich stelle es Ihnen frei.« Die meisten der ehemaligen Gefangenen jubelten. Ich stieß Fartuloon meinen Ellenbogen in den Bauch. »Das ist es«, flüsterte ich ihm zu. »Besser hätte es gar nicht kommen können.« »Du bist verrückt«, antwortete er so leise, daß nur ich ihn verstehen konnte. »Sie können sich mit dem versorgen, was sie hier im Palast noch vorfin den«, rief Freemush. »Sie dürfen alles mitnehmen – ausgenommen Waf fen, Roboter und Fahrzeuge.« Fartuloon trat vor. »Ich habe nur einen Wunsch«, sagte er. »Ich möchte mein Skarg haben. Das ist mein persönliches Eigentum, und ich werde es niemandem überlas sen.« Er mußte erst einmal erklären, was das Skarg war, dann erteilte Free mush die Genehmigung, ihm das Breitschwert auszuhändigen. Ich erhielt meinen Energiestrahler nicht zurück, sondern bekam lediglich ein Messer. Es war nicht mehr als ein Werkzeug, aber ich konnte es gut gebrauchen. »Eine Frage noch«, sagte Fartuloon, als er das Skarg hatte. Freemush blickte ihn unwillig an. »Was gibt es denn noch?« »Wenn man auf die CAISED will, wie kommt man dahin?« »Zu Fuß«, entgegnete der Ökonom mit einem abfälligen Lächeln. »Und wo ist das Schiff?« »Auf dem Raumhafen von KevKev.«
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4.
»Wenn er wüßte, daß der Kristallprinz ihn sprechen will, würde er auf der Stelle hier erscheinen«, murmelte Fartuloon wütend. Er ging auf einen der Männer zu, die den Arbeitsraum des Ökonomen bewachten, und sagte: »Wenn wir nicht sofort vorgelassen werden, wird dir der Ökonom den Kopf abreißen.« Er gab mir einen energischen Wink. Ich ging an den Wachen vorbei, als sei ich der Befehlshaber der erstürmten Bastion. Zusammen mit dem Bauchaufschneider betrat ich den einfach eingerichteten Raum, den vor mals Kaddoko benutzt hatte. Über einen sorgfältig geschliffenen Marmor fußboden näherten wir uns dem Ökonom. Freemush blickte uns ausge sprochen unwillig entgegen. »Was gibt es?« fragte er. Die beiden Offiziere, die bei ihm standen, zogen ihre Energiestrahler. Sie schienen ein Attentat für nicht ausgeschlossen zu halten. »Edler«, sagte Fartuloon und verneigte sich so unterwürfig, daß ich fast aufgelacht hätte. »Wir haben eine Bitte.« »Ich habe keine Zeit, also wendet euch an einen meiner Offiziere.« Er wies zur Tür. Fartuloon ließ sich nicht beeindrucken. »Das habe ich bereits getan«, schwindelte er. »Sie wagten es nicht, selbst darüber zu entscheiden. Es geht um zwei Freunde von mir. Sie be finden sich auf der Insel Kortasch-Auromt. Ich weiß, daß sie diesen Plane ten eher heute als morgen verlassen wollen.« »Was geht das mich an?« »Nichts«, gab der Bauchaufschneider zu, wobei er so tat, als sei er über diese Entdeckung selbst verblüfft. Ich wunderte mich, daß Freemush ihn noch nicht hinausgeworfen hatte, aber es schien gerade die Unverfroren heit Fartuloons zu sein, die ihn daran hinderte. »Wir wollen sie holen und zur CAISED bringen. Da aber die See zwischen KevKev und der Insel liegt, benötigen wir einen Gleiter.« »Ihr bekommt keinen.« »Draußen liegen die Trümmer von einigen Gleitern herum, aus denen sich mindestens ein Flugzeug zusammenbauen läßt. Es wird nicht viel mehr als ein Wrack sein, aber für uns wird es so gut sein wie ein neues. Darum geht es mir. Gebt mir die Genehmigung, die Wracks auszuschlach ten.« »Einverstanden. Und nun verschwinde, Fettsack.« Fartuloon verneigte sich tief. »Ich danke dem edlen Herrn«, sagte er. Seine Stimme hörte sich an, als sei er ergriffen ob solcher Großzügigkeit. Ich aber wußte, daß er sich schwor, Freemush den »Fettsack« heimzuzah
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len. Er hatte ein wenig übertrieben. Der Ökonom wurde argwöhnisch. Ich sah es ihm deutlich an. Deshalb legte ich meinem Freund die Hand auf die Schulter. Er begriff sofort, drehte sich um und ging mit mir zusammen hinaus. Als wir zwischen den Trümmern der Fahrzeuge standen, grinste er mich an. »Das war wohl ein bißchen zu dick aufgetragen, wie?« fragte er. »Los – an die Arbeit«, drängte ich. Keiner der anderen Freigelassenen dachte daran, sich auf ähnliche Wei se zu versorgen. Sie hatten den Palast geplündert und alles an sich genom men, was die Männer des Ökonomen nicht schon vorher für sich selbst be ansprucht hatten. Vom Plateau aus konnte man sie davonziehen sehen. In Gruppen von vier bis zehn Mann wanderten sie in das Tiefland hinaus, wo man sie noch eine Weile beobachten konnte. Ich dachte nicht daran, mich mit geplünderten Gut zu belasten. Je weni ger ich bei mir hatte, desto besser würde ich vorankommen. So machten Fartuloon und ich uns an die Arbeit. Wir nahmen uns einen Gleiter vor, bei dem die Karrosserie noch weitgehend unbeschädigt war. Ein Energiestrahl war durch die Scheiben hindurchgeschlagen und hatte sie zerstört. Der Antrieb hatte einen Volltreffer erhalten, war jedoch nicht explodiert. Er mußte ausgebaut werden. Die gesamte Positronik aber schien noch in Ordnung zu sein. Vielleicht konnte die Maschine nicht mehr vollautoma tisch fliegen, aber das sollte uns nicht stören. Wir benötigten zwei Tage, bis der Gleiter startbereit war. So lange hatte ich Kolcho nicht warten lassen wollen. Deshalb hatte ich mich schon am ersten Tag entfernt und ihn verständigt. Er wartete nun auf mich. »Wunderbar«, rief Fartuloon, als wir abschließend sogar noch neue Glassitscheiben eingesetzt hatten. »Besser hätte es kaum gelingen können. Wir können einsteigen, Atlan, und zu unseren Freunden fliegen.« »Das könnten wir«, gab ich lächelnd zu, »aber das werden wir nicht.« Er blickte mich verblüfft an. »Sondern?« fragte er irritiert. »Nur du wirst zu Sprangk und Eiskralle fliegen, ich werde mich auf den Weg zu CAISED machen.« »Ich wußte es. Du bist total übergeschnappt«, rief er. »Du wirst an Bord der GROVEMOOS gehen mit dem Piratenschiff zur Sogmanton-Barriere zurückkehren.« »Atlan«, sagte er eindringlich. »Ich verstehe deinen Eifer, aber ich muß dir sagen, daß du zu weit gehst. Zur Taktik kann auch ein Rückzug gehö ren, wenn man erkennt, daß man die Schlacht nicht gewinnen kann. Und du kannst sie nicht gewinnen.«
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»Leb wohl, Fartuloon«, erwiderte ich und reichte ihm die Hand. »Du wirst sicherlich bald von mir hören.« Für einen Augenblick schien es, als wolle er mir die Faust unter das Kinn setzen, um mich zu betäuben und in den Gleiter zu werfen. Als er mir jedoch in die Augen blickte, sah er ein, daß er damit nichts erreichen konnte. Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Sieh dich um«, riet er mir. »Freemush ist so gut abgeschirmt, daß nie mand nahe genug an ihn herankommt, um ihn entführen zu können.« »Die GROVEMOOS wird sehr bald folgenden Funkspruch erhalten«, sagte ich, als habe ich nichts gehört. »Kristallprinz! Nur das eine Wort. Nicht mehr. Es wird deine Aufgabe sein, die Piraten dazu zu bringen, möglichst schnell zu kommen. Wenn ich dieses Wort sende, habe ich Freemush. Dann müßt ihr eher da sein, als die Freunde des Ökonomen, die mich verfolgen.« »Warum verlangst du nicht gleich, daß ich die ganze Flotte des Ökono men vernichten lasse?« »Das wäre ein wenig zuviel verlangt, findest du nicht auch?« Er stöhnte verzweifelt. Ich reichte ihm die Hand. Er versuchte, mich er neut zu halten, doch ich löste mich von ihm. »Danke, Fartuloon. Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Das macht mich zuversichtlich.« Ich nahm das Bündel Konzentratnahrung, das ich in einem anderen zer störten Gleiter gefunden hatte, und ging. Fartuloon blickte mir nach, aber ich drehte mich nicht um. Ich wollte nicht zuviel Aufsehens machen, denn ich bemerkte, daß einige Offiziere des Ökonomen auf den Mauern des Pa lastes standen und uns beobachteten. Wenig später schon startete der Bauchaufschneider. Er flog dicht an mir vorbei, winkte mir grüßend zu und bog dann ab. Die Maschine raste auf das Meer hinaus und verschwand schnell in den tief hängenden Wolken. Kolcho kam hinter einigen Felsen hervor, als er sicher war, daß man ihn vom Palast aus nicht sehen konnte. Seine Augen schimmerten so eigenar tig, daß sie mich an das Phalaym erinnerten, jene Säule, die in den Piraten nestern von Richmonds Schloß angebetet worden war, und die ich zerstört hatte. »Gehen wir«, schlug er vor. »Der Raumhafen liegt an der Ostküste. Wir können ihn kaum verfehlen, wenn wir immer genau nach Osten gehen. Wenn wir das Meer wiedersehen, dann werden wir auch die CAISED fin den. Sie ist immerhin zweihundert Meter hoch.« »Wie weit ist es?« Er zuckte nichtssagend mit der Schulter. »Wir werden einige Tage unterwegs sein.« Ich reichte ihm einige Konzentrattabletten und einen versiegelten Beutel
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mit Wasser. Er aß und trank langsam, obwohl er sicherlich sehr durstig und hungrig war. Ich beobachtete ihn verstohlen. Er sollte nicht argwöhnisch werden und sich nicht vor mir verschließen. Er war auf der CAISED gewesen und konnte mir daher Informationen geben, die ich dringend benötigte. Bis jetzt hatte ich nicht den Eindruck, daß er freiwillig damit herauskommen würde. Ich mußte sie ihm herauslocken. Deshalb ließ ich mir Zeit. Nichts wäre unklüger gewesen, als sogleich mit Fragen zu beginnen. Der Boden war weich und nachgiebig unter unseren Füßen. Dichtes Gras bedeckte ihn. Wir kamen zunächst nur langsam voran, zumal wir im mer wieder sumpfige Stellen umgehen mußten. Wie notwendig das war, bewiesen uns einige Kleidungsstücke, die auf der tückischen Oberfläche lagen. Die Spuren zeigten, daß hier wenigstens ein Mann versunken war, ohne daß andere ihm hatten helfen können. »Wenn meine Augen nicht wären, würde ich an Bord der CAISED ge hen«, sagte Kolcho plötzlich. »Ich hasse diese Welt mit ihren vielen Stür men, Gewittern und überraschenden Wetterumschlägen. Dazu kamen die politischen Verhältnisse, die alles andere als angenehm waren.« »Vielleicht können wir Kontaktlinsen besorgen.« Er schüttelte den Kopf. »Sie würden schmelzen.« Ich blickte ihn erstaunt an, aber er ging nicht weiter auf diese Frage ein, obwohl er sich denken konnte, wie sehr sie mich interessierte. Da er das Thema angesprochen hatte, fragte ich: »Warum ist es so gefährlich für dich an Bord der CAISED?« »Lassen wir das«, wich er aus. »Nehmen wir es als Tatsache. Das ge nügt.« Ich mußte seinen Wunsch, nicht über diese Frage zu sprechen, respek tieren. Er wies auf den Dschungel. »Von da an wird's unangenehm. Wir werden gut aufpassen müssen, wenn wir mit heiler Haut durchkommen wollen.« »Tiere?« fragte ich. »Nicht nur das. Einige Pflanzen sind noch angriffslustiger. Aber das hängt von uns ab.« Wir bemerkten eine Schlange, die etwa doppelt so lang war wie ein aus gewachsener Mann. Sie lag im metallisch schimmernden Gras und genoß die spärlichen Sonnenstrahlen, die die dichte Wolkendecke durchdrangen. Wir schlugen einen Bogen, um sie zu umgehen. Nach wenigen Schritten hatten wir den Waldrand erreicht. Ich drehte mich um und blickte zum Pa last Kaddokos zurück. Flammen brachen aus ihm hervor. Freemush ließ anzünden, was noch heil geblieben war. Einige Gleiter erhoben sich über ihm.
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»Das ist der Ökonom!« sagte Kolcho. »Er kann nicht anders, als bren nen und vernichten, obwohl doch seine Aufgabe der Aufbau ist. Vermut lich dreht er durch, wenn er nicht ab und zu einmal etwas zerstören kann.« Er blickte mich an und fuhr fort. »Ich hatte auch einmal einen solchen Palast. Freemush ist ähnlich mit ihm verfahren.« Danach wandte er sich um und ging in das Unterholz. Ich folgte ihm. Nach einiger Zeit blieb er unter einem schlanken Baum stehen, der mit hellroten Blüten bedeckt war. Sie wuchsen kelchförmig aus dem Stamm und den Ästen hervor. »Ich muß dich vor aggressiven Gedanken warnen«, sagte er. »Einige Pflanzen reagieren dabei. Dies ist der Wald der Freundlichkeit. Am besten ist es, heiter gestimmt hindurchzugehen, aber das werden wir wohl kaum schaffen. Es genügt, wenn wir unsere Wut und Rachegedanken unter drücken.« »Rachegedanken?« Ich lächelte, als habe ich ihn nicht richtig verstan den. »Ich denke nicht an Rache. Ich bin froh, aus dem Kerker entkommen zu sein.« Er runzelte die Stirn, und seine Augen schienen von innen heraus zu leuchten. »Oh, doch, Freund. Du planst etwas gegen Freemush, und es hat etwas mit Rache zu tun.« »Vielleicht«, erwiderte ich. »Ich würde dir sogar helfen, wenn ein Schlag gegen Freemush nicht zu gleich auch Orbanaschol III treffen würde. Der Ökonom ist ein unersetzli cher Mann für ihn.« »Und ich bin davon überzeugt, daß Freemush mit seiner Unbeherrscht heit und Unbesonnenheit Orbanaschol nur schadet. Wenn er verschwindet, kann der Imperator endlich einen besseren und fähigeren Mann als Nach folger einsetzen, ohne politische Komplikationen befürchten zu müssen.« Er schien verwirrt zu sein. Meine Behauptung war nicht mehr als ein Versuchsballon gewesen. Natürlich war nicht richtig, was ich gesagt hatte. Die politischen Zusammenhänge waren wesentlich komplizierter. Nur weil sie so subtil waren, konnte ich Orbanaschol III überhaupt mit einer Entführung treffen. Ich wollte lediglich wissen, ob Kolcho sie durchschau te, ob er die Abhängigkeit des verschiedenen politischen Komponenten voneinander kannte und Einblick in das Spiel von Intrigen, Erpressung und wirtschaftlicher Verflechtung der Interessen hatte. »Du bist nicht dumm«, entgegnete er zögernd. »Ich werde darüber nachdenken, was du gesagt hast.« Er ging weiter. Ich begann zu triumphieren. Dabei dachte ich an seine Mahnung und unterdrückte alle Emotionen, die zu aggressiv waren. Der Wald war dicht und verfilzt, so daß der Weg außerordentlich be
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schwerlich war. Immer wieder mußten wir uns förmlich durch das Unter holz schneiden, um vorwärts zu kommen. Der sumpfige Boden steckte voller Würmer und Blutsauger, die über unsere Beine herfielen. Wieder holt gerieten wir an ganze Spinnenkolonien. Dann spannten sich praktisch von jedem Ast zu dem Ast tückische und klebrige Netze. Kolcho kannte sich aus. Er warnte mich jedesmal rechtzeitig und sorgte dafür, daß wir diese tödlichen Fallen umgehen konnten. Nicht ein einziges Mal sah ich eine Spinne. Mein Begleiter verriet mir, daß sie faustgroß wa ren und in den Bäumen versteckt lebten, bis jemand die Netze berührte. Der Wald war grün. Nur freistehende Bäume und Büsche trugen Blüten und Früchte. Kolcho nahm einige Male etwas Eßbares von den Ästen ab, aber nicht alles schmeckte mir. Als es dunkelte, kletterten wir auf einen Urwaldriesen, der die anderen Bäume weit überragte. So hockten wir hoch über dem Blätterdamm und konnten bis zur fernen Küste zurückblicken. Ich schlief schnell ein. Kolcho rüttelte mich am frühen Morgen auf. »Gleiter«, rief er. »Verdammt, sie suchen mich!« Ich blickte schlaftrunken um mich und benötigte einige Zeit, bis ich be griff. Von der Küste her näherten sich uns zehn Maschinen, die breit aus geschwärmt waren. »Wie kommst du darauf, daß sie dich suchen?« fragte ich, während wir in aller Eile nach unten kletterten. Die Flugzeuge kamen so schnell näher, daß ich bereits fürchtete, es nicht mehr schaffen zu können. »Freemush wird von den anderen Gefangenen erfahren haben, daß ich in den Kerkern war«, antwortete er. Wir ließen uns förmlich von Ast zu Ast herunterfallen. Als ich zu den Gleitern hinüberblickte, merkte ich, daß man uns entdeckt hatte, denn alle Maschinen rasten direkt auf uns zu. Wir beeilten uns noch mehr. Unser Abstieg glich jetzt einem kaum noch kontrollierten Absturz. Mehr als ein mal fand ich gerade noch Halt an einem Ast. Zweimal mußte ich Kolcho abstützen, damit er nicht in die Tiefe fiel. Dann blitzte er über uns auf. Der Energiestrahl schlug in den Baum und setzte ihn in Brand. Wir aber hatten den Boden erreicht und hetzten in wil den Sätzen durch das Unterholz. Zu unserem Unglück lichtete sich der Wald, so daß die Häscher des Ökonomen immer wieder tiefen Einblick in das Gehölz erhielten. Wohin wir auch blickten, überall über uns sahen wir Gleiter. Sie jagten uns. Wir rannten durch den Dschungel, obwohl wir beide wußten, daß unse re Flucht keinen Sinn mehr hatte. Unsere Häscher feuerten in das Gehölz und entzündeten es. Ein Ring aus Feuer entstand, der uns umgab.
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Kolcho blieb stehen. Er rang wild nach Luft. Sein Gesicht war schweiß überströmt, und die Erregung trieb ihm Tränen in die Augen. »Ich will das alles nicht noch einmal erleben«, sagte er keuchend. »Bist du mein Freund?« Ich nickte. Er legte mir die Hände auf die Schultern. »Du hast einen Dolch«, sagte er. »Nimm ihn und töte mich. Ich will nicht noch einmal gefangen und gequält werden.« Ich sah mich um. Überall brannte der Wald. Über uns schwebten die Maschinen des Ökonomen. Ich konnte die Männer hinter den Scheiben er kennen. Sie beobachteten uns und warteten darauf, daß wir uns ergaben. Er schob seine Hand unter seine Bluse. »Ich will dir ein Geheimnis verraten.« »Behalte es für dich, Kolcho. Es nützt mir ebensowenig wie dir, wenn ich tot bin.« »Dich wollen sie doch nicht, Atlan. Sie wollen mich. Dich lassen sie vielleicht laufen.« »Hör zu«, sagte er beschwörend. »Ich weiß, daß es möglich ist, unsterb lich zu werden!« Er starrte mich an, als erwarte er, daß ich vor Überraschung und Erre gung zusammenbrechen werde. »Natürlich gibt es eine solche Möglichkeit«, entgegnete ich, ohne an meine Worte zu glauben. Wer sprach nicht alles von der Unsterblichkeit! Sie war der große Wunschtraum aller Arkoniden. Vielleicht war die Un sterblichkeit sogar ein Zauberwort für alle intelligenten Lebewesen in der Galaxis. Jeder wußte, daß er irgendwann sterben mußte, und niemand wollte sich damit abfinden. »Glaube mir, Atlan, ich phantasiere nicht. Es gibt ein Gerät, das die Zel len eines lebenden Körpers immer wieder regeneriert und aktiviert. Ich weiß es genau.« Ich drängte ihn weiter, weil uns das Feuer zu nahe rückte. Die Hitze trieb uns den Schweiß aus den Poren. Da hörte ich einen Schrei, der mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ein riesenhaftes Wesen mußte ihn irgendwo in unserer Nähe ausgestoßen haben. Ich wollte fliehen, wußte aber nicht, wohin ich mich wenden sollte. Unwillkürlich krallte ich meine Hand um den Arm meines Begleiters. Solange die Gleiter noch über uns waren, hatte ich immer noch Hoffnung, gerettet zu werden. Ich wollte nicht im letzten Moment von einer Bestie zerrissen werden. Kolcho schrie: »Atlan! Das ist unsere Chance!« Er zerrte mich mit sich. Zögernd folgte ich ihm. Schon nach wenigen Schritten brachen wir durch ein Gebüsch, hinter dem der Boden schräg ab
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fiel. Vor uns lag ein Loch im Boden, das übermannshoch war. Ein riesiger Echsenkopf fuhr auf uns zu, und eine mächtige, gespaltene Zunge zuckte uns entgegen. Ich starrte in einen Rachen voller messerscharfer Reißzähne. Bei dem Versuch zu fliehen, rutschte ich auf den schleimigen Pflanzen aus, die den Boden bedeckten, stürzte zu Boden und schlitterte direkt auf den geöffneten Rachen zu. Eine sechsfingerige Pranke erhob sich über mir und senkte sich blitzschnell herab. Sie umklammerte mich und hielt mich. Ich erwartete, in den gähnenden Schlund geschleudert zu werden, doch der Griff lockerte sich, und ich sank auf den Boden zurück. Über mir stand Kolcho mit gespreizten Beinen. Aus seinen Augen schienen blaue Blitze zu schießen. Er sprach auf die Riesenechse ein – und sie reagierte! Das Maul schloß sich. Die rote Zunge zuckte jedoch immer wieder dar aus hervor, und ihre Spitzen führen mir tastend über Gesicht und Brust. »Steh auf, Atlan!« Ich erhob mich. Kolcho zog mich vorsichtig zurück. Dabei sprach er Ununterbrochen auf das Tier ein. Der mächtige Kopf war mit grünen und weißen Schuppen besetzt. Die roten Augen waren doppelt so groß wie ei ne Männerhand. Das Tier hatte kurze, aber außerordentlich muskulöse Beine, so daß es uns nur wenig überragte. Jetzt kam es weiter aus dem Loch hervor. Wir wichen zurück, bis es in voller Länge vor uns stand. Es war weitaus länger, als ich erwartet hatte. Der Körper war ebenfalls grün lichweiß und mit roten Punkten bedeckt. An seiner Seite befanden sich dicke Hautfalten. Kolcho blickte nach oben. Er grinste höhnisch und winkte den Männern in den Gleitern zu. »Los jetzt«, schrie er. Die Echse hatte sich umgedreht, so daß sie mit dem Kopf zuerst in das Loch kriechen konnte. Kolcho sprang es von der Seite an, setzte seine Fü ße in die Hautfalten und klammerte sich an den handlangen Hörnern fest, die überall aus dem Rücken hervorragten. »Los doch, Atlan!« Ich sprang und klammerte mich fest. Meine Füße gerieten in die Hautfalten, wo sie erstaunlich festen Halt fanden. An den Schuppen riß ich mir die Hände auf, aber das störte mich nicht. Es gab einen fürchterlichen Ruck, so daß ich fast wieder heruntergeschleudert worden wäre. Ich krallte mich fest. Dann jagte die Echse in die Tiefe. Schlagartig wurde es dunkel. Ich blickte zurück und sah, daß die Männer des Ökonomen zu spät erkannt hatten, was geschah. Jetzt schossen sie mit ihren Energiestrahlern, aber es war zu spät. Ich schloß die Augen vor der Lichtflut, die in den Tunnel ra ste, uns aber nicht erreichte. »Halte dich gut fest«, brüllte mir Kolcho zu. »Wenn du herunterfällst,
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bist du verloren. Diese Bestie hier habe ich unter Kontrolle, aber hier un ten leben bestimmt noch zehn andere von ihnen. Sie würden dich sofort tö ten.« Hin und wieder geriet die Echse so nahe an die Tunnelwand, daß ich mich mit meinem Rücken daran rieb. Ab und zu schlug mir eine Baum wurzel in den Rücken, die aus dem Erdreich hervorragte. Aber das alles störte mich nicht. Ich preßte mich mit aller Kraft an den Echsenkörper, dessen unglaubliche Muskeln ich unter mir spürte. Einige Male erkannte ich rot fluoreszierende Echsenaugen in der Dun kelheit. Sie schienen uns hypnotisieren zu wollen. Die Luft wurde mir knapp, und der kaum noch erträgliche Raubtierge ruch reizte meine Schleimhäute. Ich würgte einige Male, weil mir übel wurde. Neben mir hörte ich Kolcho schreien. Er benutzte eine Sprache, die ich nicht kannte. Damit befehligte er das Tier. Auch glaubte ich, seine seltsa men Augen in der Dunkelheit aufleuchten sehen zu können, aber das war sicherlich ein Irrtum. Vermutlich spielten mir meine überreizten Nerven einen Streich. Endlich, als ich mich kaum noch an der Echse halten konnte, wurde es hell vor uns. Ich erkannte eine runde Öffnung vor uns. Der Dschungel um gab uns. Äste und Zweige scheuerten über ihren mächtigen Rücken und streiften uns wie lästige Insekten von ihr ab. Wir stürzten in das Unterholz. Kolcho sprang sofort wieder auf. »Komm hoch«, schrie er mir mit schriller Stimme zu. »Auf einen Baum!« Ich gehorchte ihm blind, denn er hatte mir demonstriert, wie gut er sich hier auskannte. So schnell wie möglich kletterte ich hinter ihm her auf einen Baum. Aus luftiger Höhe blickten wir herab. Unter uns jagte die Echse durch den Wald. »Sie kommt allmählich wieder zu sich. Bereits im Tunnel merkte ich, daß ich sie nicht mehr voll unter Kontrolle hatte. Sie hätte uns umge bracht, wenn sie uns unten erwischt hätte«, erklärte mein Begleiter. Sein Gesicht sah eingefallen aus. In der Augengegend hatten sich tiefe Falten gebildet. Kolcho schien innerhalb von Minuten um Jahre gealtert zu sein.
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5.
Als ich höher auf den Baum kletterte, erkannte ich, daß wir nur eine Atem pause gewonnen hatten. Die Gleiter kreisten zwar noch dort, wo der Wald brannte, einige aber schwärmten bereits aus und suchten weiter. Ein Glei ter flog direkt auf uns zu. Eilig stieg ich wieder nach unten und unterrich tete Kolcho. Er nickte nur und war keineswegs überrascht. »Mit Infrarotortung haben sie natürlich die Flucht der Echse erfaßt, aber sie haben sie nicht mit uns in Verbindung gebracht. Jetzt denken sie viel leicht schon anders.« Er blickte nach unten. Unser unheimliches Transportmittel war ver schwunden. »Der Merte hat sich beruhigt. Ich denke, er ist in seinen Bau zurückge kehrt. Komm, wir gehen weiter.« Wieder ging es durch das nahezu undurchdringliche Gestrüpp, bis wir an einen ausgetretenen Pfad gerieten, der sich tunnelartig durch das Grün schlängelte. Der Geruch, der ihm anhaftete, verriet mir sofort, daß er von den Echsen angelegt worden war. Ich mußte mich auf Kolcho verlassen. Er kannte sich auf dieser Welt am besten aus. Da er auf diesem gefährli chen Weg blieb, folgte ich ihm. Ich war überzeugt davon, daß er wußte, was er tat. Dennoch blickte ich mich immer wieder um, weil ich fürchtete, unversehens angefallen zu werden. Kolcho trieb mich immer wieder zur Eile an. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie unsere Spuren und schließlich auch uns gefunden haben«, sagte er nervös. Als ich nach oben blickte, entdeckte ich zufällig einen Gleiter, der in ei niger Entfernung an uns vorbeiflog. Kolcho rannte einige Schritte, dann fuhr er herum und winkte mir auf geregt. Ich eilte zu ihm und sah den Kuppelbau ebenfalls, der hier mitten im Dschungel lag. Er war nur mannshoch und wurde von Schlingpflanzen, Gräsern und Büschen fast, vollkommen zugedeckt. Zugleich aber vernahm ich Schritte, die den Urwaldboden erschütterten. Herumfahrend bemerkte ich eine riesenhafte Echse, die durch den Tunnel kam. Kolcho trommelte mit den Fäusten gegen die Wand der Kuppel. Ich zog ihn zurück. »Versuche, sie aufzuhalten«, rief ich. »Das kann ich nicht mehr«, entgegnete er. »Ich bin zu schwach.« Der Merte raste förmlich auf uns zu. Er schien zu ahnen, daß wir ihm noch im letzten Moment entkommen konnten, wenn das Eingangsschott der Kuppel sich öffnen sollte. In dem weit aufgerissenen Rachen blitzten die Zähne. Unwillkürlich griff ich nach meinem Messer, obwohl ich wuß
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te, daß ich damit kaum mehr als die Haut der Echse ritzen konnte. Kolcho packte mich an der Schulter. Ich spürte, daß er mich der Echse vorwerfen wollte, und ich stemmte mich gegen den Druck. Da glitt das Schott in der Kuppel zurück. Kolcho warf sich zurück und riß mich mit sich in die Öffnung. Wir stürzten eine Treppe hinunter. Hinter uns schloß sich die Wand wieder, und mit einem ungeheuerlichen Krach prallte die Echse gegen das Gebäude, ohne allerdings etwas ausrichten zu können. Kolcho half mir auf. »Schon gut«, sagte ich zu ihm, als ich merkte, daß er mir nicht in die Augen sehen konnte. »Ich hätte ebenso gehandelt wie du.« Er spürte, daß ich nicht die Wahrheit sagte. Seine Lippen zuckten. »Versuche, es zu vergessen, wenn du kannst«, bat er mich mit leiser Stimme. »Es ist schon vergessen, Kolcho.« Die Stimme eines Mannes unterbrach uns. Ich drehte mich um. Vor uns stand ein verwachsener Arkonide. Er war ebenso groß wie ich, obwohl sei ne Beine kaum länger als meine Unterschenkel waren. Sein Oberkörper schien direkt auf dem Boden zu wachsen, und seine Schultern erreichten die doppelte Breite wie meine, obwohl diese auch nicht gerade als schmal zu bezeichnen waren. Er glich einem Umweltangepaßten von einer über schweren Welt. Die Arme standen in den richtigen Proportionen zu dem Oberkörper, dadurch hingen die Hände jedoch bis fast zum Boden herab. Der Kopf dagegen war so groß wie der eines normalen Arkoniden. Das Gesicht wirkte hart und kühl. Es war bartlos. Ich glaubte auch nicht, daß dieser Mann jemals einen Bart haben konnte, denn seine Kiefer waren mit großen, roten Narben bedeckt. Das Haar war kurz geschoren und reichte nur knapp bis in den Nacken hinein. »Willkommen in meiner Merteburg«, sagte der Mann. Er schien nicht zu hören, daß die Echse, die uns verfolgt hatte, sich immer wieder gegen die Kuppel warf. »Viel später hätten Sie nicht kommen dürfen, meine Her ren.« »Sie sind Parok, der Merte-Jäger«, sagte Kolcho atemlos. »Ist das rich tig?« »Nicht ganz«, entgegnete der Verwachsene. »Mein Name ist Parok, aber ich bin kein Merte-Jäger, sondern ein Mertemelker.« Kolcho grinste. »Als ob das ein Unterschied wäre.« »Es ist ein gewaltiger Unterschied. Ich töte keine Merte, sondern ich entnehme ihren Drüsen, die sie am Unterkiefer haben, nur eine Flüssigkeit, die man auf Arkon für ein exklusives Duftwässerchen benötigt.« Er griff nach meinem Arm und zog mich mit sich. Er führte mich in einen behaglich eingerichteten Raum, in dem unter einem offenen Abzug
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ein Feuer brannte. Kolcho folgte uns. »Ich habe die Funkgespräche der Gleiter abgehört«, sagte er. »Man sucht diesen Mann mit den blauen Augen.« »Das ist der Grund dafür, daß wir durch den Dschungel fliehen«, erklär te Kolcho. »Können Sie uns helfen?« »Sie können auf gar keinen Fall hier bleiben«, entgegnete Parok. »Die Gleiter werden bald hier auftauchen, und dann wird man die Kuppel durchsuchen.« »Sie haben Infraortung«, sagte Kolcho. »Natürlich«, antwortete Parok nachdenklich. Er blickte uns abwech selnd prüfend an. »In Kaddokos Palast ist einiges passiert, wie ich anneh me. Hat man ihn ermordet?« »Nein, Freemush, der Ökonom, hat ihn verhaftet«, erwiderte ich. »Er hat alle Gefangenen freigelassen und ihnen angeboten, sie von KevKev aus mit zu anderen Planeten zu nehmen, wo es sich besser leben läßt.« Parok setzte sich. Wir ließen uns ebenfalls auf die mit herrlichen Pelzen bezogenen Stühle nieder. Der Mertemelker schob ein großes Stück Fleisch ins Feuer und schenkte uns eine rote Flüssigkeit ein, die sehr bitter schmeckte, uns aber angenehm erwärmte und erfrischte. Ich spürte schon bald nach dem ersten Schluck, wie die Müdigkeit von mir wich. »Freemush«, sagte Parok, der tat, als hätten wir Zeit in Hülle und Fülle zur Verfügung. »Das ist typisch für ihn. Die Freigelassenen müssen ver mutlich selbst sehen, wie sie zum Raumhafen kommen.« Ich nickte bestätigend. »Freemush ist ein Lump. Er weiß genau, daß nur ein kleiner Teil der Männer ankommen wird. Die meisten von ihnen werden im Urwald und auf den Hochebenen sterben. Hier wimmelt es von gefährlichen Raubtie ren und giftigen Insekten. Wer nicht entsprechend gut ausgerüstet ist, kommt nicht durch.« Er blickte mich an. »So ist das, Fremder. Der Ökonom kann sich rühmen, großherzig gewe sen zu sein. Er ist der Mann, der die Gefangenen aus dem berüchtigten Kerker Kaddokos geholt hat, und der es ihnen ermöglicht, Jacinther IV zu verlassen. Niemand wird je von den Toten sprechen, die auf dem Weg zum Raumhafen zurückbleiben. Im Großen Imperium wird man nur von positiven Taten berichten.« »Wir dürfen nicht lange hierbleiben«, warf ich mahnend ein. Er ließ sich nicht in seinen Betrachtungen stören. »Freemush ist schon immer ein Feigling gewesen. Er würde es niemals wagen, eine zu große Gruppe von Männern an Bord zu nehmen, von de nen er nicht genau weiß, ob er ihnen trauen kann. Hätte er den Mut dazu, dann hätte er sie mit seinen Gleitern zum Hafen gebracht.«
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»Das ist falsch«, erklärte Kolcho heftig. »Der Ökonom hat keinen Grund, irgend jemanden an Bord der CAISED zu fürchten. Das Schiff hat eine Sicherheitsschaltung, die dafür sorgt, daß es ständig von der Begleit flotte überwacht wird.« Atemlos hörte ich zu, was Kolcho berichtete. Ich unterbrach ihn nicht, um möglichst viele Informationen zu erhalten. Ich spürte, daß er sofort schweigen würde, wenn er merkte, daß Parok ihn mit seiner unbeabsichtigten Provokation zum Reden gebracht hatte. »Ich bin mit der CAISED geflogen. Ich weiß, wovon ich spreche. Wenn das Schiff tatsächlich von einer feindlichen Gruppe übernommen werden sollte, kann diese sich höchstens für eine Arkonstunde halten. Danach wird die Sicher heitsschaltung wirksam, die die ganze Flotte alarmiert.« »Während dieser Zeit könnte man Freemush schon ermordet haben.« »Vielleicht«, entgegnete Kolcho abweisend. Er hatte mehr gesagt, als er wollte. »Wie kommen wir weiter? Können Sie uns von hier fortbringen?« Ich hörte nicht mehr, worüber die beiden Männer sprachen. Angestrengt überlegte ich, wie ich meinen Plan, die CAISED zu entführen, verwirkli chen konnte. Ich wollte Freemush haben, um Orbanaschol III einen ent scheidenden Schlag zu versetzen. Er sollte spüren, daß der Kristallprinz lebte und nicht auf seinen Anspruch verzichtete. Er sollte wissen, daß es jemanden gab, der ihn nicht als Imperator anerkannte. Aber je mehr ich über mein Vorhaben nachgrübelte, desto aussichtsloser erschien es mir. Der Ökonom schien mit allen Möglichkeiten gerechnet zu haben. Aus dem Nebenraum ertönte ein gleichmäßiges Summen. »Sie kommen«, sagte Parok und glitt von seinem Stuhl. Sein mächtiger Oberkörper schwankte leicht, als falle es ihm schwer, das Gleichgewicht zu halten. Er winkte uns auffordernd zu, zog das Fleisch aus dem Feuer und eilte uns voran. Wir liefen durch ein Labor. In zahlreichen Gläsern sah ich verschiedene Flüssigkeiten brodeln und kochen. Offenbar bereitete der Melker hier seine Essenzen zu, die er exportierte. Parok öffnete schließlich ein kreisrundes Schott zu einer Röhre, die schräg in die Tiefe führte. »Steigt ein«, sagte er. »Mit den Füßen zuerst.« »Was ist das?« fragte Kolcho argwöhnisch. »Die Röhre führt zu einem Fluß unter dem Dschungel. Ich benutze sie, wenn ich zu den Hochebenen will, um Wild zu jagen. Sie schirmt uns völ lig gegen die Ortung ab. Beeilen Sie sich!« Ich schwang mich hinein und glitt auf Antigravfeldern nach unten. Kol cho und Parok folgten mir in die Dunkelheit. Unwillkürlich streckte ich die Arme vor, um mich abfangen zu können, falls ich auf ein Hindernis prallen sollte. Diese Vorsichtsmaßnahme war jedoch nicht nötig. Schon nach kurzer Zeit wurde es hell, und ich schwebte in eine kleine Felshöhle hinein, die von mehreren Lampen ausgeleuchtet wurde. Ein Fluß rauschte
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an mir vorbei und verschwand einige Schritte weiter wieder im Boden. Er erschien mir so reißend, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß wir dar auf weiterkommen konnten. Parok führte uns jedoch durch einen zerklüfteten Spalt einige Schritte weiter bis zu einer noch kleineren Höhle, von der aus das Wasser ruhig floß. Er deutete auf ein primitives Floß, das aus dünnen Baumstämmen zu sammengeschlagen worden war. Fingerdicke Holzstifte führten durch die Stämme hindurch und hielten sie. »Ich rate Ihnen, das Floß zu nehmen«, sagte er. »Es ist nicht mehr weit. Ich fliege immer mit der Antigravplattform, aber das können Sie sich nicht leisten. Man würde sie sofort orten.« »Wie kommen wir dann weiter?« fragte ich. »Wenn Sie die Ebene durchquert haben, stoßen Sie auf einen Fluß. Bau en Sie sich dort aus diesem Holz ein Floß. Es läßt sich sehr leicht bearbei ten.« »Der Fluß führt bis zum Raumhafen?« »Nicht direkt. Er fließt südlich davon ins Meer. Von der Mündung aus haben Sie noch einen Tag zu gehen. Das schaffen Sie leicht, denn im Osten gibt es kaum noch Gefahren.« Wir bedankten uns, sprangen auf das primitive Fahrzeug und stießen uns ab. Wir glitten in einen dunklen Felsspalt und trieben ruhig dahin, oh ne ein einziges Wort miteinander zu wechseln. Wir fragten uns, was uns draußen erwarten mochte. Ich dachte an Fartuloon. Hoffentlich befolgte er meine Worte und kehrte mit den Freunden im Piratenschiff zu Richmonds Schloß zurück. Die Hochebene verdiente ihren Namen nicht, denn sie lag tiefer als ihre Umgebung, allerdings gab es an einigen Stellen schluchtartige Einbrüche. Sie mochten Parok dazu veranlaßt haben, diesen Namen für eine Land schaft zu wählen, die flach und eintönig war. Hüfthohes Gras bedeckte sie auf weiten Strecken, und nur vereinzelt gab es Baum- und Buschinseln. Ganze Herden von äsendem Wild boten uns eine unerwartet gute Deckung gegen die Infrarotortung. Solange man uns nicht direkt in die Beobach tungsgeräte bekam, würde man uns kaum aufspüren können. Schweigend wanderten wir durch das Gras auf die nächste Bauminsel zu. Wir hofften, notfalls unter den Bäumen Schutz finden zu können. Der Weg war weitaus weniger beschwerlich, als ich angenommen hatte. Wir kamen schnell voran. Kurz bevor wir die Bäume erreichten, erschütterte eine Explosion das Land. Wir spürten, wie der Boden unter unseren Füßen bebte. »Sie haben Paroks Bau zerstört!« rief Kolcho erregt. Über dem Dschungel stand eine pilzartige Explosionswolke. Sie wuchs ständig höher. Die Druckwelle erreichte uns und fegte uns fast um. Wir
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wichen stolpernd bis zu den Bäumen aus. »Sie haben unsere Spuren bis zu dem Kuppelbau verfolgt und glaubten, wir seien immer noch dort«, vermutete mein Begleiter. »Nur so kann es gewesen sein.« Wir rannten wieder in das Gras hinaus und flohen weiter. Der Tod des Mertemelkers belastete mich. Ich fühlte mich schuld an dem Überfall, des sen Opfer er fraglos geworden war. Zugleich wuchs der Haß gegen Orba naschol in mir. Mein Oheim stützte sich auf Männer wie Freemush. Sie konnten Verbrechen wie diese verüben, ohne fürchten zu müssen, sich da für verantworten zu müssen. Ich schwor mir, alles daranzusetzen, was ich nur konnte, um meinen Plan zu verwirklichen. Ich mußte den Ökonomen entführen. »Ich werde es Freemush heimzahlen«, sagte ich. Kolcho, der mit großen Schritten neben mir herging, blickte mich an. In seinen Augen konnte ich nicht lesen, was er empfand. »Wie willst du das tun?« fragte er. »Willst du ihn umbringen?« »Keineswegs. Das wäre zu primitiv.« Er lächelte unmerklich, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß ich wirklich etwas gegen den Ökonomen unternehmen könnte. »Ich werde an Bord der CAISED gehen und versuchen, das Schiff an mich zu bringen.« »Obwohl du gehört hast, was ich erzählt habe? Es würde dir nichts nüt zen, Herr über die CAISED zu sein. Die ganze Flotte würde dich jagen und Freemush befreien.« »Ich habe eine Idee, wie man das verhindern könnte.« Ich griff nach seinem Arm. »Du hast noch eine alte Rechnung mit Freemush zu begleichen«, sagte ich. »Wie wäre es, wenn du mit mir zusammenarbeiten würdest? Komm mit an Bord.« »Das geht nicht. Meine Augen würden mich verraten.« »Wir werden uns etwas einfallen lassen. Außerdem rechnet Freemush nicht damit, daß du so etwas tun könntest, jedenfalls nicht, nachdem er dich so gejagt hat. Er glaubt bestimmt, daß du dich irgendwo auf dem Pla neten versteckst, wo er dich nicht finden kann.« »Vielleicht hast du recht. Laß mich darüber nachdenken.« Schweigend eilten wir weiter. Ständig wechselten wir unsere Gangart. Mal liefen wir, mal schritten wir langsamer voraus, um durch diese Inter valle zu einem möglichst hohen Tempo zu kommen. Immer wieder blick ten wir zurück. Ab und zu sahen wir Gleiter, doch sie näherten sich uns nicht. Die Sonne ging unter, als wir den Fluß erreichten, von dem Parok ge sprochen hatte. Er war sehr schmal und floß nicht sehr schnell dahin. Wir
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machten uns trotz der Dämmerung an die Arbeit und schnitten uns geeig nete Baumstämme aus dem Wald. Das Holz war federleicht und ließ sich zügig bearbeiten. Die Gestalt hüpfte und sprang in grotesken Bewegungen durch das Gras, so daß weder Kolcho noch ich erkennen konnten, was sich da auf uns zu bewegte. Die Sonne stand noch sehr blaß über dem Horizont, und ein bläulicher Schleier lag über der Ebene. »Komm, wir verschwinden besser«, sagte Kolcho und zeigte auf das Floß, das noch am Ufer lag. Gemeinsam schleppten wir das primitive Fahrzeug ins Wasser. Dann suchten wir einige lange Stangen zusammen, mit denen wir uns abstoßen wollten. Da erschien ein mächtiger Schatten auf der Kuppe eines nahen Hügels. Ich glaubte zunächst, einen riesigen Affen vor mir zu sehen, und Kolcho schien etwas Ähnliches anzunehmen, denn er drängte zum Auf bruch. Dann aber winkte uns die eigenartige Erscheinung zu. »Das ist Parok«, rief ich verblüfft. Nie und nimmer hatte ich geglaubt, daß er den Angriff auf seine Kuppel überlebt haben könnte. Jetzt rannte er auf uns zu. Dabei stützte er seine Fäuste auf den Boden und schwang sei nen Körper nach der Art einiger Affen zwischen den Armen weit nach vorn. Darauf ließ er sich nach vorn fallen, bis er sich wieder aufstützen konnte. So kam eine eigenartige hüpfende und schwingende Bewegung zustande. »Das Floß ist zu klein«, sagte er, als er uns erreicht hatte, ohne uns zu begrüßen. »Wir müssen noch einige Stämme anbauen, oder es geht bald mit uns unter.« Wir sahen ein, daß zu dritt zuwenig Platz auf dem Gefährt war, und machten uns erneut an die Arbeit, bis Parok zufrieden war. Dann über nahm er es, das Floß zu lenken. In schneller Fahrt ging es nach Osten. Er kauerte auf dem Heck und grinste uns vergnügt an, als wir zur Ruhe ge kommen waren. »Ihr dachtet wohl, ich sei schon hinüber, wie?« fragte er. »Es sah ganz so aus«, entgegnete ich. »Die Kerle wollten unbedingt in meine Kuppel. Sie drohten mir. Da ha be ich alles zusammengerafft, was ich noch hatte, und bin abgehauen. Mit einigem Vergnügen habe ich verfolgt, wie sie sich auf meine Kosten aus tobten.« »Es macht dir nichts aus?« fragte Kolcho. »Ich bin ein reicher Mann. Irgendwann muß man auch Schluß machen mit der Echsendressur. Ich wollte ohnehin in die Städte zurück, aber den noch gefällt es mir nicht, wie der Ökonom hier auftritt. Mann, ich werde es ihm noch zeigen.« Ich beobachtete ihn und glaubte zu erkennen, was diesen Mann zu sei
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nem seltsamen Beruf getrieben hatte. Es waren Abenteuerlust und das Vergnügen am absolut Ungewöhnlichen. Parok suchte die Gefahr. Ich war davon überzeugt, daß er im Wald geblieben wäre, wenn wir ihm nicht be gegnet wären. Er hatte sich uns angeschlossen, weil er hoffte, bei uns et was zu erleben. Der Mertemelker lenkte das Floß bis in die Mitte des Flus ses, weil wir hier die größte Geschwindigkeit erreichten. Wir beobachteten unsere Umgebung, stets darauf gefaßt, von Gleitern überrascht zu werden. Dann hätten wir kaum eine Chance gehabt, aber unsere Situation wäre auch nicht besser gewesen, wenn wir uns näher am Ufer gehalten hätten. Parok sagte, dort hätten wir mit Angriffen von allerlei Getier zu rechnen. Am späten Nachmittag des zweiten Tages näherten wir uns dem Meer. Der Fluß war zu einem breiten Strom geworden. Wir glaubten nicht mehr an eine Gefahr durch die Männer des Ökonomen, als unversehens ein Gleiter hinter uns auftauchte. Parok versuchte, so schnell wie möglich in das Sumpfgras am Ufer zu kommen, aber er schaffte es nicht. Die Besat zung der Maschine hatte uns bereits entdeckt. »Ich schwimme an Land«, schrie Kolcho, doch Parok packte ihn, bevor er sich ins Wasser werfen konnte. »Das würdest du nicht schaffen, mein Freund«, sagte er. »Hier gibt es kleine Tierchen, die einen ungeheuerlichen Appetit haben.« Hilflos blickten wir dem Gleiter entgegen, der sich tief herabsenkte und dicht über dem Wasser auf uns herabschwebte. Er kam direkt aus der un tergehenden Sonne heraus, so daß wir nur seine dunklen Umrisse erkennen konnten. »Ganz ruhig«, ermahnte uns Parok. »Noch ist nichts verloren.« In nur wenigen Schritten Entfernung glitt das Flugzeug an uns vorbei, und ich sah das bärtige Gesicht, das sich grinsend aus dem offenen Fenster herausschob. Die Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten sich auf dem kahlen Schädel. »Fartuloon!« schrie ich. Dabei sprang ich auf und trat unvorsichtig an den Rand des Floßes, das dabei gefährlich schwankte. Wenn Parok mich nicht zurückgerissen hätte, wäre es vielleicht sogar umgekippt. »Du hast dir viel Zeit gelassen«, sagte der Bauchaufschneider. »Ich su che dich schon seit Stunden.« »Die Flußfahrt ist so schön«, antwortete Kolcho ironisch. »Wir wollen gar nicht an Land gehen.« »Das würdet ihr auch gar nicht schaffen«, erklärte Fartuloon. »Die Ufer sind sumpfig und voller Gestrüpp. Steigt ein!« Mit gleicher Geschwindigkeit trieben die beiden so unterschiedlichen Fahrzeuge dahin. Fartuloon öffnete die Seitentür des Gleiters und half uns nacheinander in die Kabine. Dann ließ er die Maschine ansteigen, so daß wir uns umsehen konnten. Tatsächlich war das Flußufer so dicht bewach
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sen, daß ich keine einzige Stelle entdeckte, an der wir hätten landen kön nen. Die Strömung hätte uns ins Meer hinausgetrieben. »Ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen«, sagte ich, als ich neben ihm saß und er den Gleiter nach Norden lenkte. Er blickte mich grinsend an. »Ich kann dich doch nicht allein lassen«, erwiderte er. »Wo sind …?« »Eiskralle und Morvoner Sprangk sind am Raumhafen. Sie können es kaum erwarten, dich wiederzusehen.« Er reichte uns einige Erfrischungen, die er in der Stadt besorgt hatte. Wir bedienten uns reichlich, denn wir waren ausgehungert und durstig. Mit knappen Worten berichtete ich, was geschehen war, seit wir uns ge trennt hatten. »Und jetzt?« fragte er. Ich drehte mich zu Kolcho und Parok um, die auf den hinteren Sitzen saßen. »Ich werde an Bord der CAISED gehen und versuchen, das Schiff an mich zu bringen«, erklärte ich, wobei ich die beiden Freunde beobachtete. Sie zeigten sich nicht im mindesten überrascht. »Und ich werde dich begleiten«, sagte Parok. Er zeigte mit dem Dau men auf Kolcho. »Und Blauauge auch – oder?« Kolcho nickte. »Wenn du mir sagen kannst, wie du der Begleitflotte entkommen willst, bin ich dabei.« Ich überlegte, ob ich ihnen trauen durfte. Bei Parok hatte ich keinen Zweifel. Bei Kolcho war ich noch unsicher. Er haßte Freemush, wußte aber nicht sicher, ob er es sich leisten durfte, gegen ihn vorzugehen, da er damit gleichzeitig auch Orbanaschol III schwächte. Außerdem dachte ich daran, wie er sich verhalten hatte, als wir vor der Kuppel Paroks von dem Merte angegriffen worden waren. Er hatte mich opfern wollen, um sich selbst zu retten. Da er aber über besondere Kenntnisse betreffs der CAI SED verfügte, brauchten wir ihn. »Ich werde dir sagen, welchen Plan ich habe, wenn es soweit ist. Willst du mir vertrauen?« Er blickte mich an. Seine seltsamen Augen schienen sich mit blauen Schleiern zu überdecken. Ich glaubte erneut, ins Phalaym zu sehen, und ich fühlte, wie meine Umwelt um mich zu versinken drohte. Irgend etwas schien mir die Füße unter dem Leib wegzuziehen. Ich stemmte mich ge gen das Fremde, das mich zu übernehmen drohte. Im gleichen Moment ge wann ich die Gewalt über mich selbst zurück. Die Augen Kolchos erlo schen. Er senkte die Lider. »Ich vertraue dir«, sagte er leise.
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»Gut«, dankte ich ihm. »Wir werden also an Bord der CAISED gehen und warten, bis sie gestartet ist. Sobald sie das System verlassen hat, wer den wir zwei Gruppen bilden. Die eine stößt zur Hauptleitstelle vor und versucht, die Schiffsführung zu überwältigen.« »Dazu benötigen wir Waffen«, warf Parok ein. »Die besorgen wir uns vorher an Bord«, erwiderte Fartuloon, als sei nichts leichter als gerade das. »Wir werden uns auf Paralysewaffen beschränken«, fuhr ich fort. »Ich will kein Blutvergießen. Es genügt, wenn wir das Schiff an uns bringen. Die zweite Gruppe wird direkt zu Freemush vorstoßen und ihn überwälti gen. Er soll unser Faustpfand sein, denn niemand von seiner Begleitmann schaft kann sich noch frei entscheiden, wenn sein Leben bedroht ist.« »Es ist unmöglich, ihn in seinen Luxusräumen zu überraschen«, stellte Kolcho kopfschüttelnd fest. »Er wird so scharf bewacht, daß jeder Ein dringling sofort stirbt, sobald er versucht, den Ökonomen dort zu überwäl tigen.« »Ich habe nicht vor, ihn gerade dort anzugreifen, wo alle Chancen auf seiner Seite sind«, antwortete ich. »Er wird seine Kabinen auch einmal verlassen, und sei es nur für eine kurze Zeit. Dann schlagen wir zu.« »Wir müssen ihn herauslocken«, sagte Kolcho. »Als ich auf der CAI SED war, ist er niemals während des Fluges aus seinen Räumen gekom men.« »Er ist nie in der Zentrale gewesen?« »Nicht ein einziges Mal.« »Er weiß genau, wo er am sichersten ist«, bemerkte Parok ratlos. »Genauso habe ich ihn eingeschätzt. Er ist ein Feigling, der seinen eigenen Männern nicht über den Weg traut.« Ich blickte Kolcho an, und plötzlich wußte ich, was unser Lockmittel sein konnte, aber ich sagte es den anderen noch nicht. Ich wollte erst allein mit Fartuloon darüber sprechen. Der Raumhafen tauchte vor uns auf. Nur ein einziges Raumschiff be fand sich auf ihm. Es war die CAISED – unser Ziel. Die Stadt KevKev lag in einem Felskessel unter uns. Zum Meer hin öff nete sich eine Schlucht, die gerade breit genug war, mittlere Schiffe hin durchzulassen. Die Bevölkerung dieser Stadt schien sich sehr intensiv mit Fischfang zu befassen, denn ich sah in dem Hafen wenigstens fünfzig Schiffe liegen. Das war für eine so kleine Siedlung von sicherlich nicht mehr als dreißigtausend Arkoniden recht viel. Der anspruchslos eingerichtete Raumhafen befand sich auf dem Felspla teau auf der nördlichen Seite der Stadt, so daß wir diese überfliegen muß ten, um zur CAISED zu kommen. Fartuloon ließ den Gleiter jedoch absin ken, da sich unsere Freunde noch im Talkessel aufhielten.
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6.
Zwei Tage später war es soweit. Der Kommandant der CAISED ließ in der Stadt bekanntgeben, daß der Raumer Jacinther IV verlassen würde. In ei ner offiziellen Verlautbarung wurde mitgeteilt, daß Freemush seine Missi on als erfüllt ansah, da wieder Ruhe und Ordnung auf dem Planeten herr sche. Ein Arkonide mit dem Namen Jalanock war der neue Beauftragte des Großen Imperiums. Von ihm hieß es, er habe große wissenschaftliche Expeditionen bis tief in den sogenannten Orion-Arm der Galaxis hineinge führt, wo es noch zahlreiche, ehemals von den Lemurern beherrschte Wel ten geben sollte. Auf ihnen sollte sich, wenn man den Berichten glauben sollte, neues, vielversprechendes Leben entwickeln. Ich erinnerte mich an einige Expeditionsfilme, die von diesem Arkoniden herausgegeben wor den waren. »Wir lassen den Gleiter am besten hier«, sagte Fartuloon, als wir das Fremdenhaus verließen, in dem wir übernachtet hatten. »Es ist nicht nötig, Freemush zu provozieren.« Ich blickte ihn überrascht an und deutete dann auf die Maschine, die äu ßerlich kaum mehr als ein Wrack war. »Was soll daran so auffallend sein, daß der Ökonom sich herausgefor dert fühlen könnte?« fragte ich. Parok entgegnete: »Ich habe die Männer gesehen, die es tatsächlich ge schafft haben, heil hier anzukommen. Man könnte die Nerven verlieren bei ihrem Anblick. Sie gehören fast alle in ein Hospital. Einige sind so er schöpft, daß sie kaum noch laufen können. Nur die Aussicht auf eine ko stenlose Passage treibt sie weiter. Wenn wir dagegen mit einem Gleiter kommen und sei er noch so schäbig, bilden wir eine Sondergruppe, die auffällt. Und gerade das müssen wir vermeiden.« Kolcho verzog das Gesicht und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. »Der Fußweg ist alles anderes als gemütlich, Freunde.« »Wir gehen dennoch«, beschloß ich. Die anderen hatten nichts mehr einzuwenden. Fartuloon und ich schrit ten voraus. Kolcho und Parok folgten uns. Der Blauäugige spielte nervös mit den Glasschalen, die er sich über die Augen legen wollte. Er wollte da mit bis zum letzten Augenblick warten und sie sofort wieder abnehmen, wenn wir die Kontrollen passiert hatten. Anders war er nicht zu maskieren. Den Abschluß bildete Eiskralle, der ständig darüber klagte, daß es zu kalt für ihn war, und Morvoner Sprangk, der uns alle überragte. Wir marschierten über schmale Steige den Berg hinauf, bis zum Pla teau. Der Weg war äußerst anstrengend. Bald sahen wir, daß noch einige Männer aufstiegen. Sie sahen zerlumpt, ausgehungert und erschöpft aus.
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Ich beobachtete sie und fragte mich immer wieder, ob Freemush sich wirklich darüber klargewesen war, wen er zu sich an Bord eingeladen hat te, wo alles peinlich sauber sein würde. Unser gesamter Plan mußte schei tern, wenn er die Auswanderer im letzten Moment abweisen oder auf ein Schiff der Begleitflotte beordern würde. Kolcho tippte mich an. »Du bist mir noch eine Auskunft schuldig, Atlan«, sagte er. Ich hatte ihm noch nicht verraten, was ich wirklich plante, und wie ich die Sicherheitsschaltung der CAISED überwinden wollte. Ich zögerte, den Rat zu befolgen, den Fartuloon mir erteilt hatte. Erst als mich der Bauch aufschneider beschwörend anblickte, gab ich mir einen Ruck und griff zu einer Notlüge. Ich konnte nicht anders handeln, weil wir Kolcho brauch ten. Seine Kenntnisse konnten den Ausschlag geben. »Fartuloon hat mir mitgeteilt, daß Freunde auf unserer Fluchtroute auf uns warten werden. Wir werden Freemush ausschleusen und von ihnen aufnehmen lassen. Dann kann niemand mehr etwas gegen uns unterneh men, da wir den Ökonomen als Geisel haben.« »Woher wissen deine Freunde, wo sie auf uns warten sollen?« fragte der Blauäugige argwöhnisch. »Ich habe mehrere Treffpunkte mit ihnen vereinbart, die alle dicht bei einander liegen«, warf der Bauchaufschneider ein. Seine Stimme klang sehr überzeugend und selbstsicher. »Sie können schneller bei uns sein als die Verfolger.« Kolcho blickte mich prüfend an. Sein Gesicht entspannte sich. Er ak zeptierte den Plan. Niemand aber hätte sagen können, wie er sich entschie den hätte, wenn er auch nur geahnt hätte, was ich wirklich vorhatte. Die CAISED stand nicht mehr sehr weit von uns entfernt, als wir das Plateau erreichten. Jetzt aber kam ein noch stärkerer Wind auf. Er peitsch te uns den Regen ins Gesicht. Es wurde so dunkel, daß wir uns schließlich nur noch nach den Positionslichtern der CAISED richten konnten. Immer wieder aber zuckten die Blitze in das Meer hinab und erhellten die Szene. Ich sah zahlreiche Gestalten, die sich auf das Schiff zuschleppten, und mein Zorn gegen den Ökonomen wuchs. Es wäre eine Kleinigkeit für ihn gewesen, seine Passagiere mit einigen Gleitern einzusammeln. »Das Wetter ist günstig für mich«, sagte Kolcho. »So kann ich nahe an den Raumer herankommen, ohne die Gläser zu benutzen.« »Weshalb hält das Glas es nicht aus, wenn du es über deine Augen legst?« fragte ich. »Ich weiß es nicht.« Schweigend kämpften wir uns an das Schiff heran. Ein letzter, beson ders heftiger Regenschauer erfaßte uns, als wir an den Landestützen vor beigingen. Vor uns hatte sich eine Schlange aus etwa zehn Männern gebil
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det, die ungeduldig vor einer offenen Schleuse warteten. Zwei Offiziere standen im Trockenen und blickten gelangweilt auf die Gruppe frierender, durchnäßter Männer herab. »Freemush macht sich lauter Freunde«, murmelte Fartuloon. »Um so besser für uns«, sagte ich ebenso leise. »Sie werden sich auf un sere Seite schlagen.« Niemand wagte, gegen das Verhalten der Uniformierten zu protestieren, weil alle befürchteten, im letzten Moment zurückgewiesen zu werden. Kolcho verbarg sich hinter Sprang. Er hielt die Augen fast geschlossen. Als das langersehnte Kommando kam, drückte er sich die beiden großen Haftschalen in die Augen. Sie bedeckten den ganzen Augapfel. Er bemüh te sich, gelassen auszusehen, als er sich neben mir in die Schleuse drängte. Die Offiziere musterten uns. Es schien, als seien sie auf Kolcho auf merksam geworden, doch dann richteten sich ihre Blicke auf Fartuloon, der sie grinsend mit seinem Skarg grüßte. Sie hielten uns nicht auf. Roboter erwarteten uns und begleiteten uns bis in die Räume im unteren Teil des Schiffes, in denen wir uns während des Fluges aufhalten sollten. Sie waren notdürftig für den Transport von Passagieren hergerichtet worden. Versorgungsroboter verteilten trockene Kleider und eine erste be scheidene Mahlzeit. Kolcho entfernte die Haftschalen, die sich tatsächlich bereits verformt hatten. Er schob sie in die Hosentasche, um sie notfalls noch einmal benut zen zu können. Seine Augen tränten stark. Wir suchten uns eine Ecke in dem quadratischen Raum aus und setzten uns auf die dort ausgebreiteten Decken. Keiner von uns sprach, bis die CAISED endlich startete. »Achtung – nicht umdrehen«, sagte ich leise. Kolcho blickte mich unsicher an. »Zwei Offiziere«, erklärte ich ihm. »Sie scheinen etwas entdeckt zu ha ben.« Die beiden Männer, die überraschend hereingekommen waren, standen mit angeschlagenen Paralysestrahlern unter dem Eingangsschott und sahen sich suchend um. Auffallend lange betrachteten sie unsere Gruppe, so daß ich bereits fürchtete, daß wir ihren Verdacht erregt hätten. Doch dann gin gen sie auf einen bärtigen Arkoniden zu, der weit von uns entfernt auf dem Boden kauerte. Er tat, als ob er schlief. Erst als die Offiziere unmittelbar vor ihm standen, hob er den Kopf. Sie zerrten ihn hoch, tasteten ihn ab und zogen ihm einen Energiestrahler aus der Hose. »Wir hatten vereinbart, daß ihr ohne Waffen an Bord kommt«, sagte ei ner von ihnen scharf. »Sei froh, daß die CAISED schon gestartet ist.« Sie stießen ihn so heftig zurück, daß er zu Boden stürzte. Dann verlie
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ßen sie den Raum wieder. Ich atmete auf. Es war gut, daß wir nicht ver sucht hatten, Waffen in der Stadt zu kaufen und an Bord zu schmuggeln. Die installierten Beobachtungsgeräte hätten uns verraten. Kolcho pfiff durch die Zähne. »Mir wird unwohl«, gestand er. »Warum schlagen wir nicht schon los? Je länger wir warten, desto größer wird das Risiko. Wenn sie mich hier finden, wissen sie Bescheid.« »Wir müssen uns zunächst Waffen besorgen«, entgegnete ich. »Dabei darf uns niemand überraschen, sonst ist der ganze Plan verdorben.« »Ich habe euch nicht umsonst diese Ecke empfohlen«, sagte Kolcho. »In diesem Raum habe ich einmal eine Reparatur durchgeführt. Direkt hinter dir liegt ein Kabelschacht, Atlan. Mann kann ihn von hier aus öff nen.« Er deutete auf Eiskralle. »Dieser durchsichtige Zwerg ist klein genug. In dem Schacht ist nicht viel Platz, aber für ihn reicht es.« »Wenn du mich noch einmal Zwerg nennst, bringe ich dir das Frieren bei, Jüngling!« drohte der Chretkor. Kolcho grinste nur. »Wenn du in dem Schacht nach oben steigst, kommst du bald an eine Stelle, wo du ihn wieder verlassen kannst. Von da an kommt alles auf dich an. In den Gängen gibt es Ausrüstungsschränke, in denen Schutzanzüge und Paralysestrahler sind. Sie wurden aber alle mit einem Warnsystem versehen, das du ausschalten mußt. Das überlasse ich deiner Geschicklich keit.« »Du mußt mir schon ein wenig mehr über dieses System verraten«, for derte Eiskralle. »Freemush hat eine Bio-Elektronik einbauen lassen. Keiner von uns konnte sie überlisten, als wir sie getestet haben, aber du wirst es sicherlich schaffen. Wenn nicht – dann mußt du einen der Soldaten überwältigen und entwaffnen.« Während dieser Worte hatte er sich bereits neben mich gesetzt. Mit ei nem kleinen Messer, das Morvoner Sprangk ihm gegeben hatte, öffnete er den Schacht. Eiskralle schob sich an mir vorbei und ging hinter meinem Rücken in Deckung. Als ich sicher war, daß keiner von den anderen Ge fangenen etwas gemerkt hatte, kroch er in den Schacht und verschwand. Wir mußten warten, ohne ihm helfen zu können. In der ersten Phase meines Planes kam es ausschließlich auf den einen Mann an, der uns Waf fen besorgte. Eine andere Lösung gab es leider nicht. Mir wäre erheblich wohler gewesen, wenn wir weniger riskant hätten vorgehen können. Fartuloon lächelte beruhigend, als könne überhaupt nichts geschehen. Wir wußten, daß wir uns auf Eiskralle verlassen konnten. Er war klein und geschmeidig und konnte notfalls lautlos zuschlagen. Keiner von uns ande
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ren hätte so unauffällig wie er vorgehen können. Eine schier endlose Zeit verstrich, ohne daß sich etwas ereignete. Die anderen Passagiere hatten sich längst hingelegt. Sie schliefen vor Erschöp fung. Wie mochte es vor dem Schott aussehen? Hatte Freemush Wachen oder Wachroboter abgeordnet? Mit einigen Männern konnten wir fertig werden, mit einem oder mehreren Robotern noch nicht. Auf jeden Fall konnten wir sie nicht lautlos erledigen, und darauf kam es an. Endlich hörte ich ein leises Schnarren hinter mir. Ich wandte mich um. An einem Kabel senkte sich ein schwerer Kombistrahler im Schacht herab. Ich nahm ihn entgegen und zupfte leicht an dem Kabel, um Eiskralle zu verständigen. Wenig später kamen Paralysestrahler herab. Fartuloon be stand darauf, daß ich den Kombistrahler nahm, während er im Grunde mit seinem Skarg zufrieden gewesen wäre. Stöhnend kehrte der Chretkor zurück. Er setzte sich neben mich auf den Boden und rieb sich Arme und Knie. »Das war entsetzlich«, berichtete er. »Der Schacht führt direkt an einem Heizungselement vorbei. Ich habe an den Armen und Beinen schwere Ver brennungen erlitten.« Er streckte mir seine transparenten Arme entgegen. Ich konnte keinen Substanzverlust daran entdecken, dennoch nickte ich ihm zu. »Ich kann mitfühlen, wie schwer du hast dulden müssen«, entgegnete ich, wobei ich mir Mühe gab, ernst zu bleiben. »Wir werden es dir zu dan ken wissen.« Er überprüfte seinen Paralysestrahler und schien seinen Kummer bereits vergessen zu haben. »Konntest du auch einen Blick auf den Gang werfen?« fragte ich ihn und deutete auf das Schott. »Das war der Grund, weshalb ich so lange fort geblieben bin«, erwider te er. »Ich habe mich Umgesehen. Da draußen steht niemand.« Er richtete seine Waffe auf die schlafenden Passagiere und bestrich sie mit den lähmenden Strahlen. Keiner von ihnen bewegte sich, als er getrof fen wurde. Wir mußten uns den Rücken freihalten und uns davor sichern, daß einer der anderen Alarm schlug, wenn er entdeckte, daß wir nicht mehr hier waren. Ich erhob mich und ging zum Schott hinüber. Eiskralle folgte mir. Wie befürchtet, ließ es sich nicht von innen öffnen. »Wie hast du die Warnanlage ausgeschaltet?« fragte ich ihn. Er zeigte mir seine Krallen, und ich wußte Bescheid. »Was machen wir jetzt, Atlan?« Ein wenig ratlos blickte ich mich um. Parok, Kolcho, Fartuloon und Morvoner Sprangk kamen ebenfalls zu uns. Der Mertemelker begann da
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mit, die Wand abzutasten. Irgendwo mußte eine Schaltung verborgen sein. Wir warteten, bis er sich uns kopfschüttelnd zuwandte. »Das wird nichts«, erklärte er. »Wir könnten es mit dem Kombistrahler versuchen, aber damit würden wir bestimmt einen Alarm auslösen. Wir sollten sehen, ob uns der Kabelschacht nicht weiterführt.« Wir kehrten zu der Öffnung zurück, die wir noch nicht wieder geschlos sen hatten. Parok kniete davor nieder und drückte die Kabel vorsichtig zur Seite. »Mit einem Desintegrator wäre das kein Problem«, sagte er. »Wir könn ten die Wand durchbrechen, ohne die Kabel zu beschädigen.« »Kolcho? Hast du einen Vorschlag?« fragte ich. Der Mann mit den blauen Augen kaute nachdenklich auf den Lippen herum. Er sagte: »Das beste wäre, wenn Eiskralle das Schott von außen öffnete. Das dürfte jetzt gefahrlos sein, da die anderen paralysiert sind.« »Unmöglich«, sträubte sich der Chretkor. »Ich würde meine körperliche Existenz aufs Spiel setzen. Der Schacht führt an Heizungselementen vor bei, die mich vernichten würden, wenn ich …« Er sah unsere Mienen. »Also gut«, sagte er maulend. »Ich gehe ja schon.« Er verschwand keuchend in dem engen Schacht. Wir gingen zum Schott und warteten. Jetzt ging es schnell. Eiskralle verschenkte keine Zeit. Laut los öffnete sich das Schott vor uns. Er stand auf dem Gang und blickte mich betrübt an. »Ich muß Abschied von dir nehmen, Atlan«, sagte er, während die an deren sich an ihm vorbeischoben und den Gang entlangeilten. »Warum?« »Siehst du nicht, Kristallprinz, daß mein Körper sich auflöst? Die Wär me vernichtet mich.« Ich beachtete ihn nicht, denn ich hatte gesehen, daß Kolcho zusammen gezuckt war. Obwohl er schon mehrere Schritte von mir entfernt war, und Eiskralle nicht sehr laut gesprochen hatte, mußte er gehört haben, was die ser zu mir gesagt hatte. Er drehte sich halb um, blickte mich rätselhaft an und eilte dann zusammen mit den anderen weiter. Mir war der Schreck in die Glieder gefahren, und auch der Chretkor hatte gemerkt, welchen Fehler er gemacht hatte. »Verzeih, Atlan«, sagte er. »Ich hoffe, daß er …« »Schon gut«, unterbrach ich ihn. »So etwas darf dir nicht noch einmal passieren!« Kolcho war ein Verehrer Orbanaschols III. Sollte er Eiskralles Worte nicht als Scherz auffassen, dann konnte er sich jeden Moment gegen uns wenden. Der Chretkor und ich rannten über den Gang und schlossen zu den an
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deren auf. »Wir teilen uns«, sagte ich. »Wie abgemacht, gehen Eiskralle und Kol cho mit mir, die anderen schließen sich Fartuloon an. Wir versuchen, zu Freemush vorzustoßen. Ihr konzentriert euch auf die Hauptleitzentrale.« Wir trennten uns. Zusammen mit Kolcho und Eiskralle stieg ich in einen aufwärts gepolten Antigravschacht. Wir hatten offensichtlich eine günstige Stunde erwischt. Auf dem Schiff herrschte Ruhe. Damit hatten wir gerechnet, denn für die Männer, die nicht direkt mit der Schiffsfüh rung und der Bedienung der Maschinen zu tun hatten, trat nach dem Start eines Schiffes Leerlauf ein. Noch immer war die CAISED nicht in die erste Transition gegangen. Sie beschleunigte mit mäßigen Werten, sonst hätte sie längst zu überlicht schnellem Flug übergehen müssen. Die Luxuskabinen des Ökonomen lagen vier Decks über der Zentrale in einem besonders ruhigen Bereich des Schiffes, weitab von Antrieb und Energieversorgung. Hier stießen wir auf die ersten Wachen. Sie standen direkt vor dem Antigravschacht. Obwohl wir uns ihnen lautlos näherten, drehten sie sich blitzschnell nach uns um. Irgend etwas hatte sie gewarnt. Eiskralle und Kolcho schossen sofort mit dem Paralysestrahler auf sie. Ich sprang hinzu und fing sie auf. Vorsichtig, um keinen unnötigen Lärm zu machen, ließ ich sie auf den Boden sinken. Wir waren allein auf einem leicht gekrümmten Gang, der direkt zu den Räumen des Ökonomen führte. »Könnte es irgendwelche positronische Fallen geben?« fragte ich Kol cho. »Ich erinnere mich an nichts dergleichen.« Nach kurzer Diskussion verstauten wir die beiden betäubten Männer in einem kleinen Nebenraum, der als Archiv diente. Lautlos eilten wir da nach auf unser Ziel zu, ständig darauf gefaßt, überrascht zu werden. Als wir die letzte Abbiegung erreichten, von der aus es nur noch wenige Schritte bis zu Freemush waren, blieben wir stehen. Ich schob mich vor sichtig an der Wand entlang bis zur Ecke und lugte herum. Sofort fuhr ich wieder zurück. »Was ist los?« wisperte Eiskralle. »Da stehen fünf Offiziere und drei Kampfroboter vom neuesten Mo dell«, antwortete ich. Ratlos blickte er mich an. Damit hatten wir nicht gerechnet. Diese Kampfgruppe war zu stark für uns. Wir mußten uns etwas einfallen lassen, wie wir sie überlisten, oder wie wir von anderer Seite an den Ökonomen herankommen konnten. In dem augenblicklichen Stadium unserer Aktion konnten wir es uns nicht mehr erlauben, so lange zu warten, bis er seine Luxuskabine verließ.
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In der Hoffnung, daß sich etwas geändert haben könnte, blickte ich noch einmal zu der Wache hin. Dabei fiel mir ein unmerkliches Flimmern in der Luft auf. »Ich glaube, wir müssen umkehren«, sagte ich leise. »So geht es nicht.« Wir entfernten uns etwas weiter, um weniger stark gefährdet beratschla gen zu können. »Was ist denn los?« fragte Kolcho ungeduldig. »Der Ökonom hat sich sehr gut abgesichert«, antwortete ich. »Im Gang befindet sich ein energetisches Prallfeld. Dahinter steht die Wache. Selbst wenn wir die Offiziere paralysieren und die Roboter mit dem Kombistrah ler erledigen könnten, kämen wir nicht weiter.« »Ganz im Gegenteil«, sagte Kolcho. Seine blauen Augen erhellten sich. Er lächelte triumphierend. »Das ist meine Chance.« Er gab mir seine Waffe und eilte auf die Ecke zu, hinter der die Wache stand. Ich folgte ihm besorgt, denn ich fürchtete, er könnte uns verraten wollen. Plötzlich war ich mir überhaupt nicht mehr sicher, ob wir mit ihm noch zusammenarbeiten konnten. »Kolcho!« rief ich leise. Er winkte mir beruhigend zu und trat – bevor ich es verhindern konnte – um die Ecke herum. Wie gelähmt blieb ich stehen. Ich konnte mir nicht denken, was er allein und waffenlos gegen die Energiemauer und die Wa chen unternehmen konnte. »Dafür bringe ich ihn um«, kündigte Eiskralle an. »Verlaß dich darauf, Kristallprinz!« Wir preßten uns an die Wand und horchten. Da wir Kolchos Schritte nicht mehr hören konnten, nahm ich an, daß er vor der Energiewand ste hengeblieben war. »Laßt mich durch«, rief er laut. Jemand hustete. Ein anderer Mann lachte unterdrückt. »Was willst du?« »Das erkläre ich euch, wenn ihr mich durchgelassen habt.« »Hier kommt niemand durch.« »Ich muß den Ökonomen sprechen.« »Warum?« »Habt ihr Angst vor einem einzelnen, waffenlosen Mann?« Einer der Offiziere schrie auf, als sei er überraschend von einem Schlag in den Leib getroffen worden. Ich hielt es nicht mehr aus und blickte um die Ecke herum. Was ich sah, veranlaßte mich, offen herauszutreten. Fas sungslos beobachtete ich das Geschehen. Eiskralle stand neben mir und war nicht weniger erregt als ich. Kolchos Augen schienen blau zu glühen. Wir sahen es, obwohl er uns den Rücken zuwandte, denn von seinem Kopf ging ein blaues Lichtfeld
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aus, das den ganzen Gang erfaßte. Das Prallfeld zitterte. Nebelschleier schienen in ihm zu wallen. Dahinter befanden sich die Offiziere und die Roboter. Sie waren wie zu Stein erstarrt, und ihre Körper begannen durch sichtig zu werden. Auch sie waren blau, so wie alles im Gang. Irgend et was hatte sie mitten in der Bewegung gestoppt. Einer von ihnen hatte sei nen Arm halb erhoben, wohl um die Waffe, die er in der Hand hielt, auf Kolcho zu richten. Ein eigentümliches Knistern kroch über die Wände. Ich bemerkte blaue Funken, die aus dem Boden, aus der Decke, aus den Männern und den Ro botern zu sprühen begannen. Die Wache wurde immer transparenter. Die Einzelheiten verschwanden, bis sich schließlich auch die Konturen ver wischten und nur noch blauer Nebel den Gang erfüllte. Kolcho preßte die Hände gegen das Gesicht und stöhnte laut auf. Im gleichen Moment verschwand das Blau. Alles sah wieder aus wie sonst, nur das Energiefeld, die Roboter und die Männer waren verschwunden! »Wo sind sie?« fragte Eiskralle atemlos. »Mein Kopf«, sagte Kolcho ächzend. »Das halte ich nicht aus!« Er schlug sich mit den Fäusten gegen die Schläfen und sank auf die Knie. Sein Gesicht verzerrte sich. Ich beugte mich über ihn, um ihm zu helfen, und ich sah, daß seine Augen nunmehr fast weiß waren. Langsam entspannte sich das Gesicht. Tiefe Falten bildeten sich um seinen Mund herum. Kolcho griff nach meinem Arm und zog sich daran hoch. »Es geht schon wieder«, sagte er mühsam. »Wo sind sie geblieben?« erkundigte der Chretkor sich erneut. »Kolcho, wo sind sie?« Kolcho blickte Eiskralle an. Seine Schultern zuckten leicht. »Sie sind weg. Sie sind nicht tot. Sie sind einfach nur weg.« »Weg? Wieso weg? Wo sind sie denn?« »In einer anderen Dimension? In einem anderen Universum? Ich weiß es nicht.« Er hob abwehrend die Arme. »Spielt das jetzt eine Rolle? Wir wollen Freemush, oder wollt ihr eine wissenschaftliche Erklärung zu die sem Zeitpunkt für etwas, über das ich selbst nichts weiß?« Ich ging schweigend auf das Hauptschott zu, das zu den Räumen des Ökonomen führte. Soviel wußte ich. Kolcho hatte die Männer und die Ro boter nur verschwinden lassen können, weil das Energiefeld dagewesen war. Ohne diese zusätzliche Kraft war er hilflos. Das hatte sich ganz deut lich bei dem Angriff der Echse auf uns gezeigt. Ich legte die Hand auf die Kontaktscheibe. Das Schott glitt zur Seite. Ein Offizier stand mit dem Rücken zu mir hinter dem Schott. Er fuhr her um. »Was soll …?« fragte er, blickte in meine Waffe und brach geschockt zusammen. Eiskralle und Kolcho schleppten ihn auf den Gang hinaus und
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schlossen dann zu mir auf. Wir befanden uns in einem kleinen Vorraum, der so etwas wie eine Wachstube war. Hier gab es eine Reihe von Monitor schirmen, die jedoch nicht eingeschaltet waren. Wir hatten Glück gehabt. Unser Angriff hätte sehr leicht schon auf dem Gang scheitern können. Ich öffnete das nächste Schott und drang mit angeschlagener Waffe in eine kleine Halle ein, in der Freemush in einem Wasserbecken schwamm. Er war unbekleidet, und die beiden arkonidischen Mädchen, die bei ihm waren, ebenso. Sie kreischten laut auf, als sie uns sahen, und begriffen die Situation offensichtlich früher als der Ökonom. Dieser schwang sich über den Beckenrand und kam mit hochrotem Kopf auf uns zu. »Verschwinden Sie, aber schnell«, befahl er mit schneidend kalter Stim me. Dann erst sah er Kolcho. Er fuhr zurück. Mit bebenden Händen griff er nach einem Badetuch und hüllte sich darin. Die beiden Schönen flüchte ten in die hinteren Räume, Eiskralle eilte ihnen nach. Er paralysierte sie, um zu verhindern, daß sie Alarm schlugen. Dabei stieß er auf zwei Be dienstete, die sich auf ihn warfen, aber gegen seine Waffe machtlos waren.
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7.
»Sie glauben doch nicht wirklich, daß Sie etwas gegen mich ausrichten können«, sagte Freemush, der sich inzwischen angekleidet hatte. Kolcho beachtete er kaum hoch. Er warf ihm hin und wieder einen Blick zu, den ich nicht enträtseln konnte, aber er sprach nicht mit ihm. Er schien nicht den mindesten Zweifel daran zu haben, daß ich diese Aktion führte, ob wohl Kolcho erheblich älter war als ich. »Das wird sich zeigen«, antwortete ich gelassen. Vielleicht schauspielerte er ebenso wie ich, denn so ruhig, wie ich mich gab, war ich nicht. Fieberhaft erregt wartete ich darauf, daß Fartuloon sich melden würde. Er mußte doch längst bis zur Hauptleitzentrale gekommen sein! Ich setzte mich in einen der luxuriösen Sessel, legte den Kombistrahler griffbereit auf die Knie und beobachtete den Ökonomen. Ich erwartete, daß er auf die Vorfälle bei Kaddokos Palast zu sprechen kommen und an meine Dankbarkeit appellieren würde, aber nichts derglei chen geschah. Er schwieg beharrlich. »Willst du mir nicht endlich sagen, Kolcho, weshalb der Ökonom dein Feind ist?« fragte ich. Der Mann mit den blauen Augen schüttelte den Kopf. »Er bildet sich ein, ich hätte seine beiden Töchter auf dem Gewissen«, erklärte Freemush mit ironischem Unterton. »Das ist natürlich Unsinn.« Kolcho preßte die Lippen zusammen. Er sagte kein Wort, aber in seinen Augen las ich eine düstere Drohung. Freemush spürte, daß er sich zu weit vorgewagt hatte. »Über die Vorfälle kann man doch vernünftig miteinander reden«, sagte er. »Muß deshalb ein Überfall wie dieser inszeniert werden?« »Du solltest versuchen, die Zentrale zu erreichen«, riet Kolcho mir. »Unter den gegebenen Umständen kannst du es dir sogar erlauben, selbst hinunterzugehen. Wir haben den Ökonomen, und das ist Sicherheit genug für dich.« Ich schüttelte den Kopf. Auf gar keinen Fall würde ich Kolcho allein mit dem Gefangenen las sen. Ich akzeptierte die Erklärung des Ökonomen nicht. Der Haß zwischen den beiden Männern mußte noch ein anderes Motiv haben, sonst hätte Freemush keinen Grund gehabt, Kolcho derart zu verfolgen, wie er es ge tan hatte. Oder fürchtete er, daß Kolcho seine Karriere ruinieren könnte, weil er Dinge über ihn wußte, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren? Ich durfte den Politiker nicht aus den Augen lassen, denn dann würde Kolcho über ihn herfallen und ihn töten. Der Mann mit den unheim
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lichen Augen war mir nicht ohne Grund auf die CAISED gefolgt. Er wuß te sehr wohl, weshalb er an dieser Aktion teilnahm. Plötzlich flammte ein großer Bildwürfel an der Wand auf. Ich sah das bärtige Gesicht Fartuloons und atmete auf. Es war geschafft. Der Bauchaufschneider schnaufte. »Ein hartes Stück Arbeit«, berichtete er. »Das Schiff ist in unserer Hand. Wie ich sehe, warst auch du erfolgreich.« Freemush lächelte herablassend. Er war keineswegs erschüttert. »Das alles genügt nicht«, erklärte er. »Sie können mit diesem Schiff einfach nicht entkommen. Das Sicherheitssystem ist so ausgeklügelt, daß Sie keine Chance haben. Geben Sie auf, bevor es zu spät ist.« »Der Ökonom und ich werden in die Zentrale kommen«, kündigte ich an. »Das schaffen Sie nie«, behauptete Freemush. »Halten Sie den Mund«, fuhr ich ihn an. Dabei ging ich auf ihn zu und stieß ihm die Mündung des Kombistrahlers unter die Kinnlade. »Sollten Sie versuchen, mich zu überwältigen, oder sollte einer Ihrer Männer auf mich schießen, dann habe ich immer noch Zeit genug, abzudrücken. Und ich werde es tun.« Ein anderer Bildwürfel erhellte sich. Ich sah das kantige Gesicht eines Offiziers. Die Auszeichnungen auf seinem Uniformkragen zeigten mir, daß er ein kampferprobter Mann war. »Wer auch immer Sie sind«, sagte er mit schleppender Stimme. »Sie sollten wissen, daß ich das Schiff alarmiert habe. Die gesamte Besatzung ist auf den Beinen. Wir sind entschlossen, um den Ökonomen zu kämp fen.« »Dazu ist es zu spät.« »Das glauben Sie! Ich weiß es besser. Wir haben noch genügend Mög lichkeiten, Sie auszuschalten.« »Was auch immer Sie tun«, gab ich kühl zurück, »es wird das Leben des Ökonomen kosten.« »Verzichten Sie auf Befreiungsaktionen«, befahl Freemush. »Diese Narren haben ohnehin keine echte Chance. Wir können sie gewähren las sen.« Ich ging mit ihm zum Ausgangsschott. Kolcho öffnete es. Im Gang da vor standen etwa fünfzig Mannschaften und Offiziere. Sie waren alle be waffnet. Unter diesen Umständen wurde der nächste, unbedingt notwendige Schritt in unserem Plan zumindest erschwert. Wir mußten mit Freemush in die Hauptleitzentrale, um von einem Stützpunkt aus operieren zu können. Geteilt waren wir nicht stark genug. »Schicken Sie die Männer weg«, befahl ich.
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Dabei bemühte ich mich, so ruhig wie möglich zu erscheinen. Freemush durfte nicht merken, daß ich nicht schießen würde. Ein toter Ökonom nutzte mir überhaupt nichts. Außerdem mußte ich damit rechnen, daß man mich sofort töten würde, falls ich Freemush umbrachte. »Gehen Sie in Ihre Kabinen zurück«, sagte der Ökonom zu den Män nern im Gang. »Lassen Sie uns unbelästigt bis in die Zentrale. Und ver zichten Sie darauf, den Antrieb lahmzulegen. Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen.« Sie wichen zurück, verschwanden aber nicht ganz. Langsam ging ich mit Freemush auf den Antigravschacht zu, durch den ich nach unten zur Hauptleitzentrale kommen wollte. Kolcho und Eiskralle folgten mir. »Ganz ruhig«, flüsterte ich Freemush zu. »Es lohnt sich nicht für Sie, einen Fehler zu machen.« Er blickte starr nach vorn. Ich konnte ihm einen gewissen Respekt nicht verweigern. Dieser hochgewachsene Mann hatte sich in der Gewalt, und er war sich seiner Sache so sicher, wie ich meiner war. Seine Augen zeigten mir, daß er jetzt nicht mehr nervös zu machen war. Auf seinen schmalen Lippen schien mir sogar ein Lächeln zu liegen. Je näher wir dem Schacht kamen, desto mehr steigerte sich meine Unru he. Hatte ich auch keinen Fehler gemacht? War der Plan wirklich lücken los? Verließ Freemush sich ganz auf die Notschaltung der CAISED, mit deren Hilfe die gesamte Begleitflotte alarmiert wurde, falls nicht in be stimmten Abständen ein Hebel in der Zentrale betätigt wurde? Ich wußte genau, wie ich diese Notschaltung überlisten konnte. Durfte ich aber wirklich so sicher sein? Stimmten meine Informationen? »Sie sind richtig«, meldete sich mein Logiksektor. »Der Plan ist so gut, daß jede Gegenreaktion zu spät kommen wird.« Wir hatten den Schacht erreicht. »Vorsichtig«, mahnte ich und drängte den Vertrauten des Imperators in das abwärts gepolte Feld. Wir sanken nach unten. Wiederum schlossen sich Eiskralle und Kolcho sofort an. Unbehagen beschlich mich, als wir auf die nächste Öffnung zu glitten. Für einen kurzen Moment würde ich völlig ungedeckt sein. Wenn Free mush über besonders geschulte Männer verfügte, die blitzschnell zuschla gen konnten, hatte er eine reelle Chance. Ich blickte nach oben. »Aufpassen, Eiskralle!« rief ich. Ein dunkler Schatten schoß auf mich zu. Ein Faustschlag traf mein Handgelenk, und der Kombistrahler ruckte zur Seite. Die Mündung schlug dem Ökonomen gegen das Kinn und schleuderte seinen Kopf zurück, aber alles ging so schnell, daß ich auch dann nicht mehr hätte abdrücken kön nen, wenn ich es gewollt hätte. Eine Hand riß mich aus dem Schacht her
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aus. Ich stürzte zwischen zwei athletisch gebauten Offizieren, die mich mit gezielten Faustschlägen ausschalten wollten. Sie erwarteten, daß ich zu rückweichen würde, um in den Schacht flüchten zu können. Tatsächlich warf ich mich nach vorn, rollte mich zwischen ihnen hindurch und kam hinter ihnen sofort wieder auf die Füße. Meine Hände zuckten hoch, und ich setzte einen der gefährlichen Griffe an, die mir Fartuloon beigebracht hatte. Mit einem Aufschrei flog einer der beiden Offiziere über mich hin weg. Er stürzte in eine Gruppe von etwa sieben Männern hinein, die auf uns zustürmten und in den Kampf eingreifen wollten. An meinem zweiten Gegner vorbei sah ich, daß Kolcho und Eiskralle den Ökonomen gepackt und an der Flucht gehindert hatten. Sie rissen ihn in den Antigravschacht zurück und verschwanden mit ihm nach unten. Buchstäblich im letzten Moment griff Kolcho nach meinem Kombistrah ler, der auf dem Boden lag. Ich war allein. Jetzt kam es darauf an, so wenig Zeit wie möglich zu verschwenden. Deshalb schlug ich mit aller Kraft zu. Der Offizier konnte meinen Angriff abblocken, war jedoch machtlos gegen den Überwurf, den ich sofort da nach ansetzte. Bewußt warf ich auch ihn gegen die anderen Männer, um sie zu behindern. Dadurch verschaffte ich mir ein wenig Luft. Ich stand al lein vor dem Schacht, und genau das war es, worauf sie gewartet hatten. Plötzlich hielten sie Energiestrahler in den Händen. Mir blieb keine andere Wahl. Ich sprang mitten in die Gruppe, so daß sie nicht auf mich schießen konnten. Wütende Faustschläge trafen mich, so daß ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Dennoch konnte ich zwei von Freemushs Soldaten zugleich packen und sie zur Schachtöff nung hin reißen. Wir stürzten zu Boden. Damit hatte ich gerechnet, des halb konnte ich mich kopfüber abrollen und mich so in das Antigravfeld werfen. Ich war allein im Schacht. Entsetzlich langsam schwebte ich nach unten. Ich wartete darauf, daß einer meiner Gegner über mir erscheinen und mich mit einem Energie strahler erledigen würde. Doch als der erste Kopf oben erschien, hatte ich das nächste Deck be reits erreicht und konnte hinausspringen. Eiskralle, Kolcho und der Ökonom standen vor einer Gruppe von Offi zieren, die uns den Weg zur Hauptleitzentrale versperrten. Ich ging zu Kolcho, nahm ihm die Waffe aus der Hand und setzte sie Freemush an den Hinterkopf. »Jetzt reicht es«, sagte ich heftig atmend. »Wenn die Männer nicht ver schwunden sind und wir die Zentrale erreicht haben, sobald ich bis drei gezählt habe, sind Sie ein toter Mann.«
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Er erkannte, wie erregt ich war, und zuckte sichtbar zusammen. »Sie haben es gehört«, rief er. »Also ziehen Sie sich zurück. Schnell.« »Eins!« Die Männer wichen zögernd zurück. »Den Paralysestrahler, Kolcho!« befahl ich. Er gehorchte. Er schoß auf die Männer, von denen vier auf der Stelle bewußtlos zusammenbrachen. »Zwei!« Die anderen flüchteten. Eiskralle ging voraus und öffnete das Schott zur Zentrale. Fartuloon, Parok und Morvoner Sprangk atmeten erleichtert auf. Auch sie hatten er hebliche Schwierigkeiten gehabt. Drei Offiziere lagen paralysiert auf dem Boden. Ein vierter Mann kauerte vor einem Sessel. Er war durch einen Messerstich am Hals verletzt worden. Ich beruhigte mich erst, als das Hauptschott hinter uns zuglitt. »Kolcho und Parok, bitte bringt die vier nach draußen. Dort können sie versorgt werden.« Die beiden gehorchten meinem Befehl augenblicklich. Sie schleppten die Bewußtlosen hinaus und stützten den Verletzten, als er die Zentrale verließ. Endlich waren wir allein. Wir hatten das Schiff in der Hand. Die CAISED hatte das Sonnensystem tatsächlich noch nicht verlassen. Mit 0,5 Lichtgeschwindigkeit bewegte sie sich auf die Bahn der äußeren Pla neten zu. Auf den Ortungsschirmen waren die Reflexe der 600 Robotbegleitschif fe deutlich zu erkennen. Die Flotte bewegte sich hinter uns her. »Nun, junger Mann?« fragte Freemush herablassend. »Wie geht es denn nun weiter?« Ich lächelte in der gleichen Art wie er. »Wo ist der Signalhebel, Kolcho?« fragte ich. Bevor dieser antworten konnte, erklärte Freemush: »Darüber ist auch mein ehemaliger Chefinge nieur nicht informiert. Ich habe die Sicherheitseinrichtungen ein wenig än dern lassen, nachdem er aus meinem Dienst ausgeschieden war.« Ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken. Ich hatte nicht vermu tet, daß Kolcho eine derart hohe Funktion auf der CAISED gehabt hatte. »Nun, mein Freund? Wollen Sie noch immer nicht aufgeben?« fragte mich der Ökonom. »Keineswegs.« Ich ging zum Hauptcomputer und tippte die galaktischen Koordinaten meines Ziels ein. Freemush versuchte, mir zu folgen, aber Fartuloon stellte sich ihm in den Weg. Kolcho kam zu mir. Er legte mit die Hand auf die Schulter.
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»Wohin?« fragte er. »Wart's ab.« Plötzlich blinkte ein rotes Licht auf dem Steuerpult ab. Zahlreiche In strumentenanzeigen sanken auf Null herab. Fartuloon fluchte wie ein Arenakämpfer. »Sie haben das Transitionstriebwerk abgeschaltet«, sagte Parok, der in einem tiefen Sessel saß und eine dampfende Flüssigkeit aus einem Becher trank. Freemush verlor etwas von seiner Sicherheit. Auf den Ortungsschirmen konnte ich ablesen, daß die Robotflotte aufholte und dichter zu uns auf schloß. War es schon soweit? Ein Bildwürfel erhellte sich. Wiederum sah ich das harte Gesicht des Offiziers, der bereits einmal mit uns verhandelt hatte. »Wir haben uns entschlossen, Ihnen das Schiff nicht so ohne weiteres zu überlassen«, sagte er. »Das ist Ihre Sache«, entgegnete ich. »Sie werden die Folgen zu verant worten haben.« Er schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht nachgeben. Notfalls werden wir die Zentrale stür men.« »Sie werden tun, was ich Ihnen befohlen habe«, rief Freemush, der nicht mehr so überlegen aussah wie vorher. »Wir bedauern, aber das werden wir nicht tun. Sie können sich nicht mehr frei entscheiden. Deshalb können wir Ihre Befehle nicht mehr akzep tieren.« Freemush fluchte in ähnlicher Weise wie vorher Fartuloon. »Sie können der Begleitflotte nicht entkommen«, schrie er. »Das ist völ lig ausgeschlossen. Wenn sie das erst einmal begriffen haben, werden sie aufgeben.« »Völlig richtig«, sagte ich. »Lassen Sie es auf einen Versuch ankom men.« Ich beobachtete den Ökonomen und den Offizier, und ich sah, daß Free mush versuchte, mit den Augen Zeichen zu geben. Absichtlich wandte ich mich ab, und der Erfolg stellte sich unmittelbar darauf ein. »Gut«, erklärte der Offizier. »Die Sicherheit des Gefangenen geht vor.« Er schaltete ab. Natürlich glaubten er und Freemush, daß wir tatsächlich früher oder später aufgeben würden, wenn uns die Flotte so dicht auf den Fersen blieb, daß wir ihr nicht entkommen konnten. Morvoner Sprangk setzte sich in den Sessel des Piloten. Die Daten lie fen von der Positronik ein. Die Instrumentenanzeigen stiegen wieder auf die früheren Werte. Überall leuchteten Freizeichen auf. Die CAISED be schleunigte mit voller Kraft. Sie raste aus dem Jacinther-System heraus in
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den sternenlosen Abgrund hinein, der sich hinter dem nächsten Planeten öffnete. Die nächste Sonne war Lichtjahre weit von uns entfernt. Als klei ner Punkt leuchtete sie auf dem Panoramaschirm der Hauptleitzentrale. Sprangk leitete die erste Transition ein. Freemush saß in einem Sessel am kleinen Konferenztisch in der Zentrale. Er lächelte mir geradezu verzeihend zu, so wie Fartuloon es manchmal ge tan hatte, wenn ich gegen seinen Rat versucht hatte, meine Vorstellungen durchzusetzen und dabei gescheitert war. »Nun?« fragte er. Seine harte Stimme paßte nicht so recht zu seiner Miene. »Begreifen Sie endlich, junger Freund?« Er fühlte sich absolut sicher. Die zweite Transition lag hinter uns. Aus der Sicht des Ökonomen hatte uns auch dieser Sprung nichts eingebracht. Die Robotflotte hatte die Struk turerschütterungen geortet und war uns gefolgt. Soeben war sie in unserer Nähe aufgetaucht. Auf den Instrumententafeln leuchteten ganze Kaskaden von Warnlampen auf. Das war ein unübersehbares Zeichen dafür, daß die robotischen Verfolger Aktionen einleiteten, mit denen sie die CAISED lahmlegen wollten. Fartuloon und ich blickten uns an. In seinen Augen blitzte es triumphie rend auf. Jetzt wußten wir, daß unser Plan einzigartig war – und auch wirklich funktionierte. »Weiter!« rief ich. »Die nächste Transition!« »Das ist doch Irrsinn!« brüllte Kolcho. Er glitt aus seinem Sessel und ging auf mich zu. Vielleicht wollte er mich packen und durchschütteln. Er kam nicht mehr dazu, denn Morvoner Sprangk handelte zuverlässig. Die CAISED verschwand aus dem uns vertrauten Kontinuum. Als sie wieder materialisierte, raste sie durch das Chaos. Auf dem großen Panoramaschirm erschienen nicht die Sterne auf samtener Schwär ze, sondern graubraune, rötliche und bläuliche Wirbel umfluteten das Schiff, das von unsichtbaren Gewalten hin und her geworfen wurde. Kolcho fuhr herum und starrte fassungslos auf die Bildschirme. Der Ökonom sah jetzt ganz und gar nicht mehr selbstsicher aus. Zum ersten mal schien er zu ahnen, daß wir durchaus nicht blind in seine Robotfalle gelaufen waren, sondern daß wir sehr genau gewußt hatten, was wir taten. Lange bevor er den vollen Umfang des Geschehens erfaßte, beobachtete ich, wie die Ortungsreflexe auf den Schirmen schlagartig anwuchsen. Ich konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken, denn wir hatten einen äußerst wichtigen Teilsieg errungen. Vielleicht hatten wir sogar schon auf der ganzen Linie gewonnen. Morvoner Sprangk erhob sich und ließ die CAISED steuerlos weiterflie gen. »Wo sind wir?« fragte Freemush keuchend. »Was habt ihr getan?«
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»Wohin hast du uns gebracht?« schrie Kolcho. Er blickte mich an, und eine unheimliche Gewalt schien mich niederzudrücken. Ich stemmte mich gegen die Kraft, die von ihm ausging, während ich zugleich das ungeheu erliche Maß der Gefahr erkannte. Wiederum konnte Kolcho auf freie Ener gie zurückgreifen, mit deren Hilfe er seine Macht uferlos ausweiten konn te. Die Situation glich jener vor dem Energieschirm vor der Luxuskabine des Ökonomen. Wenn Kolcho seine Panik nicht überwand, konnte er uns alle verschwinden lassen – vielleicht sogar die CAISED zusätzlich. So ruhig, wie ich konnte, erklärte ich: »Ich habe die CAISED mitten in die Sogmanton-Barriere gelenkt.« »Dann sind wir verloren«, sagte Kolcho erblassend. »Sie sind ja wahnsinnig«, murmelte Freemush, der sich nicht vorzustel len vermochte, daß wir die Situation beherrschen konnten. »Es wäre einfa cher gewesen, wenn Sie mich gleich ermordet hätten.« »Darum ging es mir nicht«, antwortete ich ihm und ließ mich von mei nem Siegesgefühl mitreißen. Ich deutete auf die Ortungsschirme. »Sehen Sie, Ihre Flotte ist uns gefolgt. Sechshundert Robotraumschiffe modernster Bauart sind in die Sogmanton-Barriere gerast. Sie haben keine Chance mehr, ohne Hilfe von außen wieder herauszukommen.« »Jetzt verstehe ich endlich«, sagte Kolcho. Er sank in einen Sessel. Sei ne Hände verkrampften sich ineinander. Dichter Schweiß bedeckte seine Stirn, und Tränen der Erregung füllten seine Augen. »Fehler!« signalisierte mein Logiksektor. »Das war zu früh. Du mußt ihn sofort töten, sonst wird er dich umbringen.« Mein Extrahirn war völlig frei von Emotionen und dachte mit mathema tischer Exaktheit. Es kannte keine moralische Wertung aus sich selbst her aus und konnte mir daher keine fertigen Entscheidungen anbieten, nach denen ich mich blind richten konnte. Ich griff nicht nach dem Kombistrahler, und ich tat nichts, um die auf kommende Gefahr schon im Keim zu ersticken. »Du hast mich betrogen, Atlan«, fuhr Kolcho fort. Seine Augen beka men einen gefährlichen Glanz. Sie schienen von innen heraus zu leuchten. »Du hattest es gar nicht auf den Ökonomen abgesehen. Du wolltest gar nicht Freemush entführen.« »Nicht?« fragte ich. »Du irrst dich, Kolcho.« Der Versuch, ihn abzufangen, war zu schwach angelegt. Meine Worte besaßen zu wenig Nachdruck. Ich spürte es selbst. »Nein, Atlan, du wolltest die Begleitflotte. Du wolltest Orbanaschol III treffen, und du hast ihn auch getroffen, denn selbst ein Mann wir er kann nicht auf eine derartige Macht verzichten, wie unsereins auf einen Dolch.« Er kam auf mich zu. »Du weißt genau, wie du die CAISED wieder aus der Barriere heraus
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führen kannst. Für dich ist der Flug hier nicht zu Ende, sonst hättest du dich nicht freiwillig hierher gewagt.« »Du hast recht, Kolcho. Die CAISED wird die Barriere sehr bald wieder verlassen. Die Robotflotte wird hierbleiben.« Kolchos türkisblaue Augen weiteten sich. »Sobald du sie brauchst, wirst du sie dir holen, um sie gegen Orbana schol zu führen. Ist das richtig?« »Was soll das alles?« fragte Fartuloon mit scharfer Stimme. »Kolcho, beruhige dich.« »Nein, Fettsack. Ich werde nicht jemandem helfen, der gegen Orbana schol Krieg führt.« Er streckte eine Hand aus. Plötzlich entstand ein blaues Lichtfeld vor seinem Kopf. Ich erinnerte mich an die Ereignisse vor dem Prallfeld. »Tötet ihn«, rief ich. Dann flutete das blaue Licht auf mich zu.
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8.
Ich stürzte in ein blaues Nichts. Schon in der ersten Phase des Geschehens, die mit keinerlei Zeitgefühl verbunden war, entglitt ich der für mich bisher geltenden Wirklichkeit. Die CAISED verschwamm vor meinen Augen, und körperlich wechselte ich ins All hinüber. Unwillkürlich erwartete ich, in die Sogmanton-Barriere zu gelangen, aber von ihr war nichts zu sehen. Dennoch spürte ich ihre bedrohliche Nähe. Zugleich erkannte ich, daß Kolcho nicht aus dem Schiff, sondern von ihr die energetische Unterstüt zung erhielt, die er benötigte. Bevor ich mich noch orientiert hatte, glitt ich bereits in eine neue Welt. In unmittelbarer Nähe befand sich eine blaue Sonne, von der ich mit unwi derstehlicher Gewalt angezogen wurde. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen den Schweresog, ohne damit auch nur den geringsten Effekt zu er reichen. Nichts schien mich vor der Glut retten zu können, als ich mich plötzlich in der Atmosphäre eines Sauerstoffplaneten wiederfand. Ich schwebte über einem fruchtbaren, besiedelten Land und sah Raumschiffe starten und landen. Zahlreiche Transportgleiter flogen zwischen den Sied lungen hin und her. Auf dem Vorland eines Gebirges fand ein Gleiterren nen statt. Deutlich konnte ich die Maschinen sehen, die durch die vorgege benen Bahnen rasten und dabei oft bedrohlich nahe an die Zuschauermas sen herankamen. Dann blitzte es irgendwo hinter mir auf. Ich triumphierte, als ich den Energiestrahl in ein hohes Gebäude einschlagen sah, wo er so fort mehrere vernichtende Explosionen auslöste. Bevor ich noch den tieferen Sinn dieses Geschehens verstehen konnte, wurde ich erneut weitergerissen. Ich eilte durch ein dichtes Gewimmel von menschenähnlichen Wesen. Über mir leuchtete eine grünliche Sonne. Ge schrei umgab mich. Irgendwie kam mir alles vertraut und bekannt vor, so als hätte ich alles schon einmal erlebt, als wäre ich schon einmal exakt in diesem Augen blick an dieser Stelle gewesen. Ein riesenhafter Mann trat mir in den Weg und hielt mich fest. Er blickte mich aus gelblichen Augen prüfend an. Das Haar reichte ihm bis unmittelbar über die Augen. »Wo bist du gewesen?« fragte er mich. Ich erinnerte mich an seinen Namen und wollte ihn mit einem freundli chen Schlag auf die Schulter begrüßen. Meine Hand glitt durch ihn hin durch, und er verschwand. Dafür sah ich einen blauen Planeten unter mir in der Schwärze des Alls schweben. Zwei weiße Monde umkreisten ihn. Raumschiffe flogen auf die blaue Welt zu. Bevor ich noch ausmachen konnte, ob diese Raumer in freundschaftlicher oder feindlicher Absicht ka men, stürzte ich weiter und fand mich in der Zentrale eines Schiffes wie
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der, das über einem grünen Ozean schwebte. Allmählich erfaßte ich, was in mir geschah, während ich meinen Wider stand mehr und mehr aufgab. Ich wußte, daß Kolcho mich mit seinen parapsychischen Kräften aus meiner Existenzebene schleudern wollte und dafür die energetischen Ver hältnisse des Sogmanton-Barriere benutzte. Er hatte von anderen Dimen sionen gesprochen, in die er Roboter und Offiziere der CAISED abge drängt hatte. Damit hatte er keinesfalls höher dimensionierte Universen oder Kontinua gemeint, wie etwa den fünfdimensionalen Hyperraum. Es gab neben dem Universum Arkons, in dem ich lebte, noch unzählige wei tere Universen, die parallel dazu bestanden und durch zeitliche Verschie bungen voneinander getrennt waren. Das war der Eindruck, den ich erhielt. Aber ich war noch weit davon entfernt, überzeugende Beweise für die Existenz dieser Universen zu er halten, da meine Wahrnehmungen – oder das, was ich dafür hielt – sich mit den Gedanken und Erinnerungen Kolchos vermischten. Ich erlebte Szenen mit, die eine maßgebliche Rolle in seinem Leben ge spielt hatten, ich blickte in Universen, die sich nur durch Kleinigkeiten von dem Arkon-Universum unterschieden. So sah ich mehrfach die Wirbel und Strömungen der Sogmanton-Barriere, wobei jeweils andere Farben überwogen. Ich hatte keinerlei Zeitgefühl, aber ich ahnte zumindest, daß die Ereig nisse in rascher Geschwindigkeit abrollten. Vielleicht lebte ich in einer Existenzebene, in der ganz andere Zeitgesetze galten als etwa an Bord der CAISED. Das aber war nicht das Problem, das mich beschäftigte. Ich wollte nicht zu einem Wanderer zwischen den Dimensionen werden. Ich wollte mich Kolcho nicht unterwerfen. Deshalb hatte ich mich zunächst mit aller Kraft gegen ihn gewehrt, so wie es vielleicht alle getan hatten, die einen solchen Kampf mit ihm geführt hatten. Dann aber erinnerte ich mich an die besonderen Bedingungen der Sogmanton-Barriere. Weshalb hatte ich die CAISED denn hierher geführt und damit die 600 Begleitschiffe in die Falle gelockt? Ich hatte es doch nur getan, weil ich wußte, daß die Robotkommandanten und die Notbesatzungen, die viel leicht noch an Bord waren, den gleichen Fehler machen würden, den ich gemacht hatte, als ich mit meinen Freunden zum erstenmal in die Barriere geraten war. Ich hatte versucht, mich mit meinem Raumer freizukämpfen. In der Annahme, daß die kosmonautischen Gesetze auch in der Barriere gelten, hatte ich mich so verhalten, wie es sonst überall im Universum richtig gewesen wäre. In der Sogmanton-Barriere aber war es falsch, sich zu wehren. Hier war es besser, sich den Strömungen zu ergeben und sie dadurch für sich zu nutzen. Nur wer ihnen nachgab, konnte sich aus ihnen befreien.
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Als ich mir dessen bewußt wurde, gab ich den Widerstand gegen die pa rapsychischen Kräfte Kolchos sofort auf. Ich spürte, daß er mir weit über legen war. Ich konnte nur gegen ihn bestehen, wenn ich ihm auswich. Wieder wurde ich durch die Dimensionen geschleudert, wobei wie in ei nem Trickfilm immer wieder Erinnerungsfetzen aus seinem Leben vor meinem geistigen Auge erschienen. Allmählich begann ich zu ahnen, was ihn und Freemush zu Feinden gemacht hatte. Kolcho war fest davon überzeugt, daß Freemush seine beiden Töchter auf dem Gewissen hatte. Sie waren nicht mehr aufgetaucht, nachdem der Ökonom sie zu einer Festlichkeit in einem seiner zahlreichen Landhäuser auf einem Kolonialplaneten eingeladen hatte. Kolchos Nachforschungen waren vergeblich gewesen, und so hatte er sich eines Tages dazu hinreißen lassen, mit den Bordkanonen der CAISED auf eine Fabrikationsanlage zu feuern, die Freemush gehörte. Ich erfuhr nicht, wie Kolcho von Bord der CAISED und nach Jacinther IV gekommen war. Es interessierte mich auch nicht, denn mir ging es dar um, in meine Existenzebene zurückzukommen und meinen Kampf gegen Kolcho zu gewinnen. Irgendwann tauchten die Gestalten meiner Freunde vor mir auf. Sie sa hen transparent aus und schienen unwirklich zu sein. Ich sah sie als helle Schatten vor dem Bild eines roten Riesenplaneten, wie bei einer Überblen dung in einem Film. Sie wurden überdeckt von den übergroßen türkisblau en Augen Kolchos, der mich anstarrte und zu vernichten suchte. Ich machte den Fehler, mich an meine Freunde klammern zu wollen, und verlor dadurch sofort den Kontakt mit ihnen. Augenblicklich gab ich nach und ließ mich widerstandslos treiben. Wie erhofft, näherte ich mich meinen Freunden wieder. Ich tat nichts, um den Vorgang zu beschleunigen, sondern wartete einfach nur ab. Die Hauptleitzentrale der CAISED wurde wirklich. Ich sah meine Freunde in einem blauen, wallenden Licht. Vor mir stand Kolcho mit verzerrtem Gesicht. Er sah alt und erschöpft aus. Schweiß bedeckte seine Stirn. Er streckte mir die Hände entgegen, als wollte er mich mit bloßen Fingern durch die Dimensionen stoßen. Bis jetzt war alles bewegungslos gewesen, so als wäre die Zeit stehen geblieben. Das änderte sich schlagartig, als ich mein eigenes Gewicht wie der fühlte, als ich atmen konnte und die vielfältigen Geräusche in der Zen trale wahrnahm. Eiskralle sprang auf Kolcho zu. Dieser wollte dem Angriff ausweichen, reagierte aber zu spät. Die Hände berührten den Mann mit den blauen Au gen. Kolcho schrie auf. Er erstarrte zu Eis. Der Chretkor prallte gegen ihn, und der Blauäugige zersplitterte in Millionen von Kristallen.
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Unwillkürlich trat ich vor. Auch ich streckte meine Arme nach Kolcho aus und versuchte, das Verhängnis zu verhindern. Aber ich kam zu spät. Etwas Eiskaltes fiel mir in die offene Hand. Instinktiv hielt ich es fest, während ich eine blaue Perle zu Boden fallen sah. Sie zersprang zu Staub, so wie es mit dem Phalaym gewesen war. Ich öffnete meine Hand und blickte auf das, was ich aufgefangen hatte. Es war das, was von einem Augen Kolchos übriggeblieben war – ein tür kisblaues, ovales Gebilde. Es war viel kleiner als ein menschliches Auge. Ich steckte es in die Tasche, ohne viel darüber nachzudenken. Erregt bedrängten mich meine Freunde. Sie wollten wissen, was gesche hen war, und wo ich gewesen war. Fartuloon faßte sich als erster. Das war, als Freemush versuchte, aus der Hauptleitzentrale zu fliehen. Er hatte an genommen, das allgemeine Durcheinander für sich nutzen zu können. Der Bauchaufschneider sprang ihm aber so schnell hinterher, daß er ihn noch am Ausgangsschott erreichte. »So haben wir nicht gewettet, Freundchen«, rief er, packte den Ökono men und riß ihn kräftig zurück. Jetzt erinnerten sich auch Eiskralle, Morvoner Sprangk und Parok dar an, wie gefährlich unsere Lage nach wie vor war. Sie beruhigten sich, nachdem ich ihnen einen kurzen Bericht abgegeben hatte. »Du warst kaum mehr als ein schwacher, blauer Schatten«, sagte Fartu loon. »Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als du plötzlich zu rückkamst. Diesen Moment hat Eiskralle genutzt.« »Wie lange hat das alles gedauert?« fragte ich. Er machte eine unbestimmte Geste, die mir bedeuten sollte, daß er es nicht genau wußte. »Es ging sehr schnell«, erklärte er zögernd. »Bevor wir dreimal Luft ge holt hatten, war alles vorbei.« Er blickte auf das, was von Kolcho übriggeblieben war. »Schade um ihn. Ich mochte ihn irgendwie, wenngleich ich nie schlau aus ihm geworden bin. Er hätte uns sehr helfen können.« Ein Reinigungsroboter rollte heran und saugte die Überreste auf. Wie ließen es geschehen. Als die Maschine fertig war, schaltete ich sie ab. Sie war zum Sarg für Kolcho geworden. »Wir werden sie ausschleusen«, bestimmte ich. Fartuloon und Morvoner Sprangk diskutierten leise darüber, wie sie die CAISED aus dem Sog der Barriere herausführen sollten. Ich saß in einem Sessel am Besprechungstisch und blickte nachdenklich auf das ovale Ding in meiner Hand, das einmal ein Auge von Kolcho gewesen war. Nebel schleier bewegten sich unter der spiegelnd glatten Oberfläche. Ich fragte mich, ob es mir jemals gelingen würde, das Geheimnis dieser Augen zu lösen. Würden sie mir vielleicht eines Tages den Weg zu anderen Dimen
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sionen eröffnen? Ich schob das Oval in meine Tasche zurück. Irgendwann würde ich viel leicht mehr erfahren. Parok kam zu mir. »Da ist ein Offizier«, berichtete er. »Er will mit uns verhandeln.« »Laß ihn herein.« Der Mertemelker stützte sich auf seine Fauste und schwang sich herum. Er eilte zum Hauptschott und öffnete es. Aufmerksam beobachtete er den Offizier, der mit erhobenen Händen hereinkam. Es war der gleiche Mann, mit dem ich nun schon zweimal verhandelt hatte. Ich vermutete, daß er ein hochgestellter Sicherheitsbeamter war, den man zu Sonderaufgaben für Freemush abgestellt hatte. »Was führt Sie zu uns?« fragte ich ihn und erhob mich. Er verneigte sich knapp vor dem Ökonomen und nahm dann meine Ein ladung, am Tisch Platz zu nehmen, an. »Die Auseinandersetzung steht unentschieden«, sagte er. »Sie haben den Ökonomen, aber wir herrschen über das Schiff. Wenn wir wollen, können wir Sie erledigen.« »Sie irren sich«, antwortete ich. »Sie haben auf der ganzen Linie verlo ren. Nichts hat sich geändert. Sicherlich könnten Sie versuchen, uns auszu schalten, indem Sie vielleicht Giftgas einströmen lassen. Aber das würde Ihnen nichts helfen. Sie wissen genau, daß uns immer noch genügend Zeit bliebe, den Ökonomen zu töten. Und genau das wollen Sie verhindern.« »Sie haben recht«, gab er offen zu. »Nur aus diesem Grunde haben wir noch nicht zugeschlagen. Aber wie wollen Sie jetzt weiterkommen? Sie befinden sich in einer Sackgasse.« Ich deutete auf Sprangk, der die CAISED lenkte. »Finden Sie?« fragte ich. Er konnte auch von seinem Platz aus deutlich erkennen, daß die CAI SED nicht mehr steuerlos durch die Barriere trieb, sondern von unserem Freund geschickt gelenkt wurde. Immer noch wirbelten Energieschleier über die Bildschirme. Die Instrumente zeigten völlig falsche Werte an, aber wir hatten inzwischen gelernt, sie richtig zu interpretieren. »Kein Schiff ist bisher aus der Sogmanton-Barriere herausgekommen«, behauptete der Offizier. »Das ist der große Irrtum, dem auch ich vor einiger Zeit noch erlegen bin«, erwiderte ich. »Wir führen die CAISED genau dorthin, wohin wir wollen. Verlassen Sie sich darauf. Und niemand wird uns daran hindern. Natürlich könnten Ihre Männer versuchen, die Zentrale zu stürmen, aber das würde ihnen nichts nützen. Sie wissen nicht, wie man ein Schiff unter diesen Umständen führen muß. Und auch später haben sie keine vernünfti ge Chance. Vergessen Sie nicht, daß die Begleitflotte in der Barriere blei
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ben wird.« Er blickte erst mich und dann den Ökonomen an. Freemush machte eine resignierende Geste. »Wir werden bald auf einem Asteroiden landen«, kündigte ich an: »Bis dahin sollen sich Mannschaften und Offiziere in einem Hangar versam melt haben. Sie werden sämtliche Waffen zurücklassen.« »Sie glauben, daß wir uns kampflos ergeben werden?« fragte er über rascht. »Natürlich werden Sie das. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig. Überle gen Sie es sich in Ruhe, und geben Sie uns dann Bescheid, wie Sie sich entschieden haben. Uns ist jede Entscheidung recht, denn sie ändert nichts daran, daß wir die CAISED fest in der Hand haben.« Er erhob sich, grüßte militärisch und verließ die Zentrale. »Wir legen Schutzanzüge an«, sagte Fartuloon. »Ich glaube zwar nicht, daß sich noch etwas ändert, aber Vorsicht hat noch nie etwas geschadet.« Wir fanden alles, was wir benötigten, in den Ausrüstungsschränken. So gar für Eiskralle war ein Schutzanzug vorhanden, der recht gut paßte. Parok aber mußte verzichten. Er probierte mehrere Ausrüstungen aus, fand jedoch nichts, was für ihn geeignet war. Freemush war sichtlich schockiert, als die CAISED die Barriere tatsäch lich durchstieß und in den freien Raum vordrang. Bis zu diesem Zeitpunkt schien er immer noch gehofft zu haben, daß sich das Blatt zu seinen Gun sten wenden könnte. Als die CAISED aber scharf beschleunigte und die Wirbel hinter uns zurückblieben, sank er in sich zusammen. Er sprach kein Wort. Das spöttische Lächeln Fartuloons deprimierte ihn. Es dauerte nicht mehr lange, bis Richmonds Schloß auf dem Panoramaschirm erschien. Freemush richtete sich wieder auf. Erstaunt blickte er auf das seltsame Gebilde, das aus dem Asteroiden und zahllosen Raumschiffs wracks entstanden war. Ich meldete mich und ließ mich mit Sheeron verbinden. Ein wenig unmutig sah er mich an. »Wir haben ein Schiff geortet, das sich nicht anhand unserer Unterlagen identifizieren läßt«, sagte er. »Das ist schnell erklärt«, erwiderte ich. »Wir befinden uns an Bord der CAISED. Das ist das Flaggschiff des Ökonomen Freemush.« Er zuckte sichtbar zusammen, und seine Augen verengten sich. Meine Nachricht hatte ihn vollkommen überrumpelt. »Keine Sorge«, sagte ich rasch, um ihn zu beruhigen. »Uns ist keine Be gleitflotte auf den Fersen. Wir haben den Ökonomen überrumpelt und völ lig ausgespielt.« Auf den Schirmen rückte der Asteroid schnell näher. Morvoner Sprangk setzte zur Landung an.
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»Wie soll ich das verstehen?« fragte Sheeron scharf. Ich konnte ihn begreifen. Er und seine Leute lebten als Parasiten am Rande der Sogmanton-Barriere. Sie plünderten die Raumschiffe aus, die hier gestrandet waren. Und so konnten sie ein relativ sorgenfreies Leben führen. Hin und wieder flog ein Schiff nach Jacinther IV, um dort die er beuteten Waren abzusetzen. Eine direkte Gefahr bestand nicht für die Pira ten, denn bis jetzt war noch niemand im Großen Imperium auf den Gedan ken gekommen, daß die verschollenen Schiffe doch nicht so hoffnungslos verloren waren, wie es den Anschein hatte. Aus diesem Grunde brauchte Sheeron auch nicht um seine Piratenexi stenz zu bangen. Ganz anders sah es aus, wenn die Behörden des Großen Imperiums aufmerksam wurden. Zweifellos würden die Sicherheitsorgane eine Großfahndung nach dem Ökonomen auslösen. Ich war überzeugt da von, daß schon in dieser Stunde im Großen Imperium Alarm gegeben wur de. Ein so außerordentlich wichtiger Mann wie Freemush konnte nicht ent führt werden, ohne daß sich eine Meute auf seine Spur setzte. Darüber war sich auch Sheeron klar. Seine Unruhe war für mich daher sehr verständ lich. Ich erklärte ihm, mit welchem Trick wir den Ökonomen hereingelegt hatten. »Die Spur führt also direkt in die Sogmanton-Barriere«, schloß ich mei ne Ausführungen. »Niemand im Großen Imperium wird auf den Gedanken kommen, daß Freemush heil daraus hervorgekommen ist. Jeder muß an nehmen, daß es mit dem Ökonomen vorbei ist.« Die CAISED war gelandet. Ich lächelte und sagte: »Hiermit übergebe ich Ihnen, Sheeron, die CAI SED und ihre Besatzung – ausgenommen den Ökonomen.« »Atlan – die GROVEMOOS kommt«, rief Morvoner Sprangk. Ich brach die Verbindung mit Sheeron ab und wandte mich dem Freund zu. Auf einem Ortungsschirm konnte ich das Piratenschiff sehen, das von Jacinther IV zurückkehrte. Ich wußte, daß Sheeron sich sehr schnell bei der Besatzung nach den Ereignissen auf der Welt Jacinther IV erkundigen würde. Die Berichte mußten ihn besänftigen. Die Schleusen der CAISED öffneten sich. Piraten in Schutzanzügen ka men an Bord. Wir konnten auf den zahlreichen Monitorschirmen beobach ten, wie sie in die verschiedenen Sektionen vordrangen, die Besatzung ent waffneten und in den Hangars zusammentrieben. Wir warteten ab. Wir wollten die Zentrale mit Freemush erst dann verlassen, wenn keinerlei Ge fahr mehr bestand. Niemand sollte uns noch im letzten Augenblick überra schen. So atmete ich unwillkürlich auf, als sich das Hauptschott endlich öffnete
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und die Piraten in die Zentrale kamen. Neugierig starrten sie den Ökono men an. Keiner von ihnen hatte je eine so hochgestellte Persönlichkeit des Großen Imperiums gesehen. Er machte einen ziemlich kläglichen Ein druck auf sie, denn sie wandten sich schon bald wieder von ihm ab. Ich gab meinen Freunden einen Wink. Wir nahmen Freemush in die Mitte und verließen die Hauptleitzentrale. Die Tochter des Tatos von Gortavor war völlig genesen. Sie hatte alles überstanden. In ihren hellroten Augen war nichts mehr von dem schreckli chen Geschehen zu erkennen, das sie bedroht hatte. Nichts mehr erinnerte an die Metamorphose, zu der sie gezwungen worden war. Ich schloß sie in meine Arme. Farnathia flüsterte meinen Namen. »Ich möchte weg von hier«, sagte sie. »Kannst du das verstehen?« Natürlich konnte ich das. »Wir werden Richmonds Schloß noch heute verlassen«, erklärte ich. »Sheeron wird auch froh sein, wenn wir verschwinden.« Ich lächelte. »Vermutlich bringen wir viel mehr Unruhe in dieses Nest, als die Pira ten vertragen können.« Ich faßte ihre Hand und ging aus dem Krankenzimmer, das sie bewohn te. Fartuloon, Eiskralle, Morvoner Sprangk, der Ökonom und Corpkor er warteten uns. Letzterer begrüßte mich freudig. »Wir werden noch heute starten«, kündigte ich an. »Ich habe bereits mit Sheeron darüber gesprochen.« »Er wird wieder besser schlafen können, wenn wir weg sind«, sagte Fartuloon grinsend. Parok ergriff meine Hand. »Atlan«, sagte er zögernd. »Ich werde nicht mitfliegen.« »Nicht?« Erstaunt blickte ich ihn an. »Ich hatte mir vorgenommen, es Freemush heimzuzahlen, daß er meine Mertekuppel zerstört hat. Das habe ich getan. Ich habe euch geholfen, ihn zu entführen. Mehr kann ich nicht tun.« »Wir könnten einen Mann wie dich gebrauchen.« »Danke«, erwiderte er. »Das höre ich natürlich gern. Dennoch werde ich euch nicht länger begleiten. Ich werde mit dem nächsten Schiff nach Jacinther IV zurückkehren und mir von dort eine Passage zu einem ande ren Planeten besorgen, auf dem es sich gut leben läßt. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Dann wirst du stets auf meine Hilfe rechnen können.« Ich bedauerte seine Entscheidung aufrichtig. Einen Mann wie ihn hätte ich gern noch länger an meiner Seite gewußt. Aber ich mußte respektieren, daß er nicht bei uns bleiben wollte. »Wohin werden wir fliegen?« fragte Eiskralle.
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»Nach Kraumon«, entgegnete ich, blickte auf mein Chronometer und legte die Startzeit fest. »Ich habe noch eine Besprechung mit Sheeron. Bringt den Ökonomen schon an Bord, damit alles klar ist, wenn ich zu rückkomme.« ENDE
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