Ich laß dich nie mehr los Miranda Lee
Romana 1206
7/1 1998
gescannt von suzi_kay korrigiert von Spacy74
PROLOG "Ic...
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Ich laß dich nie mehr los Miranda Lee
Romana 1206
7/1 1998
gescannt von suzi_kay korrigiert von Spacy74
PROLOG "Ich verstehe dich nicht, Miles", sagte Annabel in kummervollem Ton. Stimmt, dachte Miles. Eigentlich verstand er sich selbst nicht. Die meisten Männer wären mit seinem Los mehr als zufrieden gewesen. Er schien alles zu haben. Geld. Eine angesehene Stellung in der Gesellschaft. Macht. Ganz zu schweigen von einer eleganten, schönen Verlobten. Eine echte Lady. Ihre Hochzeit hätte in vier Monaten stattfinden sollen. Im Juni. Aber nun nicht mehr. Miles hatte die Verlobung mit Annabel am vergangenen Abend in aller Freundschaft gelöst. Er hatte natürlich zugeben müssen, daß er sie nicht liebte. Das war schließlich die reine Wahrheit. Glücklicherweise waren die Einladungen noch nicht verschickt worden, obwohl sie bereits gedruckt waren. Und Annabel hatte leider schon ihr Hochzeitskleid bestellt. Er hatte angeboten, ihrer Familie alle eventuell entstehenden Kosten zu ersetzen. Außerdem hatte er Annabel gebeten, den Ring zu behalten - eine überaus großzügige Geste, wenn man bedachte, daß das Schmuckstück rund zwanzigtausend Pfund gekostet hatte.
Annabel hatte keine Einwände dagegen erhoben. Damit hatte er auch nicht gerechnet. Sie stammte aus einer aristokratischen Familie, die zwar über Herrenhäuser und Titel verfügte, aber nur über wenig Geld. Er hatte geglaubt, die Sache wäre erledigt, bis Annabel an diesem Vormittag in seinem Büro erschienen war. Sie verlangte keine weitere Entschädigung, sondern eine Erklärung. Wie es schien, war sie nicht bereit, so leicht darauf zu verzichten, Mrs. Miles MacMillan zu werden. "Hängt es damit zusammen, daß dein Vater die Leitung des Familienunternehmens Max überlassen hat?" fragte sie ungeduldig. "Willst du deshalb nach Australien, statt den Posten des Vizepräsidenten in London zu übernehmen? Ist die Behauptung, du müßtest dich um die neue Niederlassung kümmern, nur eine Ausrede, weil dein Bruder jetzt die Peitsche schwingt, wie man so schön sagt?" Miles lächelte zynisch, als er sich vom Fenster abwandte. Eine ausgesprochen treffende Formulierung, was Max betraf. Sein Bruder hatte sehr spezielle private Neigungen, doch das wußte natürlich niemand. Nach außen hin war er der perfekte englische Gentleman mit tadellosen Manieren. "Nein, so ist es keineswegs", erwiderte er. "Max kann meinetwegen gern die Firma führen. Vater hat gut daran getan, ihm den Job zu übertragen. Er ist nicht nur viel besser dafür geeignet, sondern hat es sich auch sein Leben lang gewünscht." "Und was hast du dir gewünscht, Miles?" erkundigte sie sich ironisch. "Oder wünschst du dir überhaupt nichts?" Ein Bild erschien vor seinem geistigen Auge. Eine hinreißende Frau mit schwarzem Haar und schwarzen Augen, mit milchweißer Haut und roten Lippen. Blutrot. Er sah sie durch einen überfüllten Raum auf sich zukommen: Ihr schwarzes Kleid umspielte ihre endlos langen Beine, der halb durchsichtige Stoff enthüllte ihre hinreißenden Kurven mehr, als daß er sie verbarg ...
Diese Gedanken mußten sich in seiner Miene widergespiegelt haben, denn plötzlich rang Annabel hörbar nach Luft. Die Pfirsichhaut ihrer Wangen wies hektische rote Flecken auf. "Gütiger Himmel, es ist eine andere Frau, oder?" zischte sie. "Du hast dich in irgendein Kolonistenflittchen verliebt, als du im letzten Jahr geschäftlich in Australien warst. Deshalb läßt du mich also fallen, um in die Arme einer kleinen lederhäutigen Blondine zu sinken, die vermutlich ihr ganzes Leben im Bikini am Bondi Beach verbracht hat!" Miles war von Annabels Bosheit überrascht. Und von ihrer Fähigkeit zur Eifersucht. Oder war es nur verletzter Stolz? Lady Annabel Swanson war ohne jeden Zweifel eine der schönsten Frauen, die er je getroffen hatte. Und er hatte in den dreiunddreißig Jahren seines Lebens eine Menge kennengelernt. Sie war viel schöner als ein gewisses sonderbares Geschöpf, das ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. "Nein, so ist es keineswegs", wiederholte er mit jener unnachahmlichen kühlen Selbstbeherrschung, wie sie nur teuerste englische Internate ihren Zöglingen anerzogen. "Es gibt da eine Frau... Ja. Aber ich habe mich nicht in sie verliebt. Ich bezweifle allmählich, ob ich überhaupt in der Lage bin, mich zu verlieben", fügte er aufrichtig hinzu. "Wenn ich mich verlieben könnte, meinst du nicht, daß ich mich in dich hätte verlieben müssen?" Annabel nickte geschmeichelt, und Miles fühlte sich einmal mehr wie ein Heuchler. Ihm wurde immer mehr klar, daß eine Frau wie sie niemals sein Herz gewinnen oder auch nur sein Verlangen wecken würde. Sie war viel zu snobistisch, viel zu ehrgeizig und viel zu rücksichtslos. Und was ihre Qualitäten im Bett betraf ... Für seinen Geschmack hatte sie einen viel zu starken Hang zum Duschen. Er war nie ganz das Gefühl losgeworden, daß sie es nicht abwarten konnte, seine Spuren wieder von ihrem makellos parfümierten und gepuderten Körper abzuwaschen. Eigentlich
war ihm der bloße Gedanke zuwider, sie noch einmal zu berühren. Er wollte einfach weg von hier. In die Sonne und an den Strand. Und in die Arme dieses "Flittchens". Er wollte sie natürlich nicht heiraten. Er wollte nur ihren umwerfend sinnlichen Körper erobern, ein paar Monate lang fleischlichen Genüssen frönen und weder an England noch an die Erwartungen denken, die andere Leute in ihn setzten, oder gar an dieses teuflische Familienunternehmen. Vielleicht wäre er dann nach sechs Monaten bereit, zurückzukehren und das Leben wieder aufzunehmen, das ihm seit dem Tag seiner Geburt vorgezeichnet war. Vielleicht... Wenn nicht, könnte er ein anderer werden und irgendwo anders hingehen. Er hatte genug Geld, um ewig zu verreisen. Seine Großmutter, die Mutter seiner Mutter, hatte ihn zu ihrem Alleinerben bestimmt. Die Götter mochten wissen, warum. Möglicherweise hatte sie gedacht, ihr Schwiegersohn würde seinen älteren Sohn ungerechterweise vorziehen. Möglicherweise hatte sie es getan, weil er, Miles, nach ihrem Zweig der Familie schlug und nicht nach den MacMillans. Sie war ganz entzückt gewesen, als sich zum erstenmal das Grübchen in seinem Kinn gezeigt hatte. Ihren Worten zufolge war es mit dem ihres Bruders Bart identisch, dem schwarzen Schaf der Familie, der zur See gefahren und schon als junger Mann ertrunken war. Wer wußte schon, welche Motive die alte Dame bewegt hatten? Sie war vor zwanzig Jahren gestorben. Ihr Besitz war von Treuhändern für Miles verwaltet worden, und mit dreißig war er ein wesentlich reicherer Mann gewesen, als Max es je sein würde. Wenn er wollte, konnte er sich sechs Jahre in Australien leisten. Allerdings glaubte er nicht, daß er soviel Zeit brauchen würde. Ein paar Monate im Bett dieser schwarzäugigen
australischen Hexe sollten genügen, Um ihn von den erwünschten Lustgefühlen zu kurieren, die ihn seit jener schicksalhaften Nacht vor zwölf Monaten plagten. Mittlerweile war ihm längst klargeworden, daß er ihre unverblümte Einladung hätte annehmen sollen. Dann wäre aus seinem Verlangen vielleicht nicht eine solche Besessenheit geworden. Aber damals war er bereits mit Annabel liiert gewesen und hatte vorgehabt, sie nach seiner Rückkehr nach London zu heiraten. Sein verdammtes Ehrgefühl hatte ihn daran gehindert, sich auf eine flüchtige Affäre einzulassen. Statt dessen hatte er die Flucht ergriffen, bevor die Versuchung übermächtig geworden war. Zurück in England, hatte er unverzüglich um Annabels Hand angehalten und versucht zu vergessen, wie er sich in der Nähe der Australierin gefühlt hatte. So voller Leidenschaft. So unwiderstehlich männlich! Aber es war aussichtslos. Am Ende hatte er sich damit abfinden müssen, daß er keine Lust mehr hatte, mit Annabel zu schlafen. Er wollte die glutäugige Hexe in seinem Bett haben und keine andere. "Es ist also nur Sex!" rief Annabel. Miles warf ihr einen irritierten Blick zu. "Ich sagte bereits, daß ich sie nicht liebe." "Warum, um alles in der Welt, hast du das nicht schon früher erwähnt?" Sie seufzte gelangweilt. "Ich bin kein Kind mehr, Miles. Ich weiß, wie die Männer sind, und gebe mich keinen Illusionen hin, was ihre Gelüste angeht. Ich kenne keine verheiratete Frau, die angesichts der geschmacklosen Gelüste ihres Mannes nicht gelegentlich ein Auge zudrückt. Na schön, du bist verrückt nach dieser ... Person. Ich verstehe das. Vermutlich gefällt sie dir, weil sie sich von den Frauen unterscheidet, an die du gewöhnt bist. Fahr nach Australien,
wenn es denn sein muß, und amüsier dich mit ihr. Und wenn die sechs, Monate um sind, kommst du zurück. Zu mir ..." Sie trat auf ihn zu. Das sanfte, verständnisvolle Lächeln, das ihre hübschen Lippen umspielte, paßte absolut nicht zu dem kalten Glitzern ihrer blauen Augen. Miles erschauerte fast, als sie die Hand auf seinen Arm legte. Er wich einen Schritt zurück. "So eine Frau will ich nicht, Annabel. Und auch nicht so eine Ehe. Wenn ich heirate, werde ich treu sein. Dasselbe erwarte ich von meiner Frau." "Natürlich wirst du das", zwitscherte sie. "Aber momentan bin ich noch nicht deine Frau; oder? Ich bin noch nicht einmal mehr deine Verlobte. Trotzdem bin ich bereit zu warten. Sag jetzt nichts, Liebster. Zerstör nicht all meine Träume. Laß mich auf dich warten. Wenn du mich auch dann nicht mehr heiraten willst, werde ich ohne Murren gehen. Das verspreche ich dir." Miles machte eine ungeduldige Handbewegung. "Ich will keine falschen Hoffnungen in dir wecken, Annabel." "Das weiß ich. Du bist ein sehr, sehr lieber Mann und durch und durch ein Gentleman. Jeder andere hätte diese Frau als Freundin behalten und kein Wort darüber verloren. Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich bewundere, Miles. Du bist ein Ehrenmann. Warum sonst, meinst du, würde ich dich so lieben?" Miles dachte unwillkürlich an sein nicht unbeträchtliches Bankguthaben. Er war froh gewesen, als sie gegangen war - froh, endlich wieder frei atmen zu können. Seit dem Augenblick, als sie sein Büro betreten hatte, hatte er beinahe den Atem angehalten. Endlich konnte er sich wieder dem Report widmen, den er erst an diesem Morgen von einem Privatdetektiv bekommen hatte - nur wenige Minuten vor Annabels unerwartetem Erscheinen. Er zog den Bericht aus der Schublade und setzte sich, um ihn zu studieren. Die betreffende Person hatte sich kürzlich von ihrem letzten Liebhaber getrennt, las er zu seiner großen Befriedigung. Ihren
üblichen Gepflogenheiten zufolge würde sie die Beziehung unter gar keinen Umständen wieder aufnehmen und auch einige Wochen lang keinen anderen Mann in ihr Bett lassen. Obwohl die Frau eine Verfechterin moderner Moralvorstellungen war, galt sie nicht als leichtlebig. Sie hatte selten mehr als einen Liebhaber pro Jahr und war ihm immer treu. Miles gefiel, was er las. Er würde genau im richtigen Moment in ihr Leben treten. Da sie ihm bereits signalisiert hatte, daß sie ihn mochte, dürfte es nicht allzu schwer sein, ihr nächster Liebhaber zu werden. Der bloße Gedanke daran erregte ihn. Gütiger Himmel, noch nie hatte er eine Frau so begehrt wie Miss Madeline Powers. Noch nie! "Maddie", so wurde sie von ihren Freunden genannt. Sie nannte die meisten Männer "Darling", das hatte er in jener Nacht festgestellt. Er konnte es kaum erwarten, von ihr "Darling" genannt zu werden. Er konnte förmlich hören, wie dieses Wort leise und rauh über ihre Lippen kam. Sie würde es ihm zuflüstern, während ihr weicher Mund über seinen Körper wanderte, sie würde es stöhnen, wenn sie sich miteinander vereinten, sie würde es herausschreien, wenn sie den Gipfel der Lust erreichte. Miles' Herz schlug, als wollte es zerspringen. Nie zuvor war ihm ein so sinnliches Geschöpf begegnet. Sie war all das, was Annabel nie sein würde. Auffallend und exotisch und wild. Im Bett würde sie zügellos sein, das wußte er. Leidenschaftlich und ungestüm! "Maddie", sagte er laut vor sich hin und lauschte dem Klang ihres Namens. Maddie ... Der Name beflügelte seine Phantasie in einer Weise, wie es Annabel nie gelungen war. "Maddie", wiederholte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Maddie..."
1. KAPITEL Maddie war von ihrer Reaktion auf Carolyns Baby selbst überrascht. In den einunddreißig Jahren ihres Lebens hatte sie wenig mit Babys zu tun gehabt und sie immer für lästige, laute Geschöpfe gehalten, für die eigentlich wenig sprach. Sie schrien unablässig und machten Unmengen von Schmutz - auf beiden Enden ihrer sich ständig windenden Körper. Aber von dem Augenblick an, als Carolyn ihr ihre neugeborene Tochter in die Arme gelegt hatte, war Maddie hingerissen gewesen. Als das Baby seine winzigen rosigen Fingerchen um ihren Daumen schloß, schmolz Maddies Herz dahin. Und als die klaren blauen Augen vertrauensvoll zu ihr aufblickten, war es endgültig um sie geschehen. "O je", stöhnte sie. "Ich hätte nie gedacht, daß mir das einmal passieren würde, Carolyn, aber ich glaube, ich will auch eines." Carolyn lachte leise. Sie lehnte sich in die Kissen ihres Krankenhausbetts zurück. Für eine Frau, die vor knapp vierundzwanzig Stunden entbunden hatte, fand Maddie sie viel zu hübsch. Selbst die dunklen Ränder unter den Augen taten ihrer blonden, blauäugigen Schönheit keinen Abbruch. "Nichts hindert dich daran, selbst ein Baby zu bekommen, Maddie", erwiderte sie. "Alles, was du tun mußt, ist, Spencer zu heiraten."
"Ich soll Spencer heiraten? Gütiger Himmel, das würde ich selbst meinem ärgsten Feind nicht wünschen!" Carolyn sah sie verwundert an. "Aber du hast mir doch erst im letzten Monat erzählt, daß du ganz verrückt nach ihm bist." Maddie verzog das Gesicht. "Verrückt" trifft es. Der Mann ist ein unerträglicher Snob. Wußtest du eigentlich, daß er angefangen hat, meinen Modegeschmack zu kritisieren? Findest du, daß Tante Maddie billig aussieht, Schätzchen?" fragte sie das Baby, das von den großen Silberreifen, die von Maddies Ohren baumelten, ganz fasziniert war. Carolyn gelangte zu dem Schluß, daß dies einer der Momente war, wo man besser schwieg. Sie persönlich hätte Maddie nie als "billig" bezeichnet. Als ausgeflippt vielleicht. Oder als unkonventionell. Maddie war eben eine Künstlernatur, und von Künstlern erwartete man schließlich, daß sie anders waren, oder? Andererseits wußte Carolyn, daß ein Mann, der Maddie nicht wirklich kannte und aufrichtig liebte, kaum merken würde, welch warmherziger und großzügiger, Mensch sich hinter ihrem ungewöhnlichen Äußeren verbarg. Er mußte sie fälschlicherweise für "billig" halten. Natürlich hätte es geholfen, wenn sie sich anders gekleidet hätte. Ihre Garderobe war stets ausgefallen und ihr Schmuck auffallend - vorsichtig formuliert. Carolyn wünschte, Maddie würde ein bißchen weniger Make-up und dafür etwas mehr Unterwäsche tragen... Seufzend betrachtete Carolyn das Outfit, das ihre Freundin für den Besuch im Krankenhaus gewählt hatte. Eine hautenge schwarze Lederhose mit einer dazu passenden Lederweste, die nur von einem einzigen Holzknopf zusammengehalten wurde. Jedesmal, wenn Maddie sich bewegte - oder auch nur atmete -, sah es aus, als würde der Knopf abspringen und ihre Brüste entblößen.
"Ich muß nicht heiraten, um eines dieser süßen kleinen Dinger zu bekommen." Maddies schwarze Augen funkelten herausfordernd. "Dazu braucht man nur einen geeigneten Samenspender. Er müßte natürlich alle erforderlichen Qualitäten aufweisen: Intelligenz, ein attraktives Äußeres und eine gute Erziehung. Ich will schließlich ein perfektes Geschöpf in diese häßliche Welt setzen. Es sollte schon so wie dieses Exemplar menschlicher Vollkommenheit in meinen Armen sein." Sie warf Carolyn einen verschmitzten Blick zu. "Du würdest mir Adrian nicht zufällig für ein paar Nächte ausleihen, oder? Er scheint einer jener potenten Männer zu sein, die nur die besten Gene weitervererben." Carolyn lachte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob Maddie und Adrian ein Liebespaar waren. Sie hatten sich lange Jahre sehr nahegestanden und während des Studiums sogar eine Wohnung geteilt. Anschließend waren sie Geschäftspartner geworden - Maddie sorgte für die Innenausstattung der Häuser, die Adrian entwarf. Aber trotz der Intimität ihrer Beziehung und der engen Freundschaft hatten sie behauptet, nie eine Affäre miteinander gehabt zu haben. Und Carolyn glaubte ihnen. Eine weniger selbstsichere Ehefrau hätte sich durch Maddies erotische Ausstrahlung nervös machen lassen, zumal die beiden sehr viel Zeit miteinander verbrachten. Carolyn vertraute jedoch auf die Liebe ihres Mannes - und auf Maddies Freundschaft. "Du wirst dir schon einen eigenen Samenspender suchen müssen", erwiderte sie mit gespielter Entrüstung. "Außerdem möchte ich jetzt mein Baby wiederhaben, bevor deine Verrücktheit gefährliche Formen annimmt und du zur Kidnapperin wirst." "Du glaubst, ich mache Witze, oder?" Lächelnd reichte Maddie ihr das winzige Bündel. "Ich meine, was meinen
Babywunsch betrifft, nicht Adrian. Dein Mann ist zwar ein echtes Prachtexemplar, aber nicht im mindesten mein Typ. Das war er nie." "Und was ist dein Typ, Maddie? Spencer?" "Ich fürchte, ja", gestand Maddie fröhlich. "Weiß der Himmel, ich muß eine Masochistin sein, aber ich lande immer bei diesen hochnäsigen Snobs, die mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurden und lieber sterben würden, als sich mit jemandem wie mir in der Öffentlichkeit zu zeigen." "Und warum, glaubst du, ist das so?" erkundigte Carolyn sich behutsam. "Eigentlich hätte ich gedacht, daß du solche Männer langweilig findest." "Letztlich tue ich das auch", bestätigte Maddie achselzuckend. "Besonders wenn sie anfangen, mich ändern zu wollen - oder mich verstecken möchten. Das ist für mich das Ende. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß ich dem guten Spencer den Laufpaß gegeben habe, als er mir erklärte, ich solle mich umziehen, bevor er mit mir ausgehen würde. Eine Zeitlang hat er mich stündlich angerufen, aber ich habe einfach zu Hause und im Büro die Anrufbeantworter eingeschaltet, bis er aufgegeben hat. Ich sage immer: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.'" Carolyn schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. ."Du kannst manchmal ganz schön gemein sein, Maddie. Allerdings kann ich auch nicht gerade behaupten, daß ich großes Mitleid mit Spencer habe. Er ist ein Chauvinist, wie er im Buche steht." "Warum, um alles in der Welt, hast du mir dann geraten, ihn zu heiraten?" "Das war doch nur ein Scherz. Ich weiß schließlich genau, daß du das nie tun würdest. Du wirst nie heiraten, oder?" stellte Carolyn sachlich fest. "Nein." "Weil deine Mutter soviel Pech hatte?"
"Glaubst du etwa, ich hätte einen Komplex, aus dem meine Abneigung zur Ehe und feste Bindungen herrührt? Und das alles nur, weil meine Mutter von einem verheirateten Mann geliebt wurde, der uns beide am Ende doch verlassen hat?" "Irgendwas in der Art." Lachend legte Maddie den Kopf in den Nacken. Ihre langen schwarzen Locken fielen wie eine Löwenmähne auf ihre Schultern. Sie ist wirklich eine hinreißende Frau, dachte Carolyn, und weitaus vielschichtiger, als die meisten vermuten. In gewisser Hinsicht tat ihr der arrogante Spencer fast leid. Und jeder andere Mann, der Maddie in die Fänge geriet. "Ein höchst interessanter Gedanke", fuhr Maddie amüsiert fort. "Es ist mir nie in den Sinn gekommen, aber du könntest sogar recht haben. Ich habe nie versucht, mich zu analysieren. Ich bin, wie ich bin, und zum Teufel mit jedem, der an mir etwas auszusetzen hat - wie zum Beispiel Spencer. Ich brauche keinen Heuchler, der mich letztendlich doch nur zu seinem eigenen engstirnigen Lebensstil bekehren will." "Gütiger Himmel, Maddie! Ich wußte gar nicht, daß du Männer so sehr haßt!" Verwundert schaute Maddie ihre Freundin an, "Du irrst dich", protestierte sie. "Ich bete Männer geradezu an!" "Ach ja?" "Natürlich", beharrte Maddie, mied jedoch Carolyns prüfenden Blick. "Sei nicht albern. Ich kann es nicht ertragen, keinen Mann in meinem Leben zu haben." "Warum willst du dann nicht heiraten?" Maddie lächelte spöttisch. "Weil ich Männer mag, Liebes, nicht einen einzelnen. Ich kann mir nichts Langweiligeres vorstellen, als den Rest meines Lebens mit demselben Mann zu schlafen. Eigentlich kann ich mir überhaupt nichts Langweiligeres als eine Ehe vorstellen." "Willst du etwa behaupten, mein Leben wäre langweilig?"
"Du und Adrian seid die berühmten Ausnahmen von der Regel." "Und was ist mit meiner Mutter und Julian? Sie sind beinahe unanständig glücklich." "Die beiden fallen für mich in dieselbe Kategorie." Ein versonnenes Lächeln umspielte Maddies Lippen, während sie an Carolyns noch immer wunderschöne Mutter und deren Ehemann dachte. Isabel und Julian. Zwei romantische Namen für zwei romantische Menschen. Maddie hatte sie im vergangenen Jahr kennengelernt, als Julian, ein erfolgreicher Geschäftsmann aus Sydney, beschlossen hatte, einen Altersruhesitz an der Südküste zu erwerben. Er hatte Adrian und Maddie damit beauftragt, ein Haus für seine neue Braut zu entwerfen und einzurichten. Da Julian seine Stieftochter gebeten hatte, die Arbeiten während seiner Flitterwochen zu überwachen, waren sich Maddie und Carolyn häufig begegnet und im Lauf der Zeit gute Freundinnen geworden. In diesen Wochen hatten Carolyn und Adrian sich bis über beide Ohren ineinander verliebt und kurz darauf geheiratet. Und nun, zwölf Monate später, war dieses bezaubernde Baby zur Welt gekommen. Maddie beugte sich vor und kitzelte die Kleine am Kinn. Für sie bestand nicht der geringste Zweifel mehr: Sie mußte selbst ein Baby haben! Und zwar bald, bevor die Jahre verstrichen und sie zu alt dafür war. Geld war für sie kein Problem - und die finanzielle Seite war ihrer Meinung nach der einzige Grund, der dagegen sprechen könnte, ein Kind allein aufzuziehen. Wozu brauchte ein Kind überhaupt einen Vater? Sie selbst war schließlich auch ohne Vater aufgewachsen und so normal und glücklich, wie man nur sein konnte! "Du willst doch nicht wirklich ein uneheliches Kind in die Welt setzen, oder?" fragte Carolyn besorgt.
Maddie lachte. "Wie du das sagst! Ich habe noch nie so etwas Altmodisches gehört." "Was ist altmodisch?" Adrian war, unbemerkt von den Freundinnen, ins Zimmer gekommen und ging nun ans Bett. "Hallo, meine beiden Lieblinge." Er beugte sich vor, um seine Frau und seine Tochter zu küssen. Die grenzenlose Zärtlichkeit, die sich in seinen Zügen widerspiegelte, rührte Maddie zutiefst. Sie hatte immer gewußt, daß sich hinter Adrians selbstsicherem - und manchmal sogar ein wenig überheblichem - Auftreten ein warmherziger, einfühlsamer Charakter verbarg, doch Zeugin seiner Liebesbezeugungen zu sein war etwas ganz anderes. "Also, was ist altmodisch?" Adrian richtete sich auf und warf Maddie einen fragenden Blick zu. "Deine Frau meint, ich solle erst heiraten, bevor ich ein Baby bekomme", erwiderte sie trocken. Adrian wirkte schockierter, als er es in den dreizehn Jahren ihrer Bekanntschaft je gewesen war. "Gütiger Himmel!" rief er. "Du bist schwanger?" "Nein, natürlich nicht, du Dummkopf. Aber beim Anblick deiner bezaubernden kleinen Tochter ist in mir der Mutterinstinkt erwacht. Und als ich meinen Babywunsch erwähnte, hat deine liebe Frau darauf bestanden, daß ich zuerst Spencer heiraten soll." Adrian verzog das Gesicht. "O nein, nicht ihn. Such dir lieber einen anderen. Er mag ja ein Spitzenanwalt sein, aber er ist der arroganteste Bastard, der mir je begegnet ist." "Na bitte." Maddie sah Carolyn triumphierend an. Wie auf ein Stichwort begannen beide Frauen zu lachen - und das Baby zu weinen. "Gib sie mir", bat Adrian. Er nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie im Zimmer herum. Sie verstummte augenblicklich. "Da wir gerade über arrogante Bastarde
sprechen ..." fuhr er an Maddie gewandt fort. "Du errätst nicht, wer mich heute morgen angerufen hat." "Wenn ich es sowieso nicht errate, solltest du mir die Mühe ersparen und es mir verraten." "Miles MacMillan", verkündete er, "Ihr werdet euch wahrscheinlich nicht mehr an ihn erinnern, aber er war bei Julians Hauseinweihung im letzten Jahr dabei. In der Nacht, in der wir uns verlobt haben, Carolyn. Er ist Engländer und war damals hier, um die Gründung einer australischen Niederlassung vorzubereiten. Seiner Familie gehört nämlich ein Finanzimperium. Julian hatte geschäftlich mit ihm zu tun. Offenbar plant MacMillan diesmal, mindestens sechs Monate hierzubleiben, und möchte deshalb ein Anwesen in der Nähe von Sydney kaufen. Da er die Südküste bereits kennt und sie ihm gefällt, hat er sich mit Julian in Verbindung gesetzt, der ihm von dem Objekt in Stanwell Park erzählt hat. Ihr wißt schon das Haus, dessen Besitzer bankrott gemacht hat. Wir mußten die Arbeiten daran einstellen. MacMillan will es heute nachmittag besichtigen und es kaufen, falls es ihm zusagt." "Ich erinnere mich überhaupt nicht mehr an ihn", gestand Carolyn. "Allerdings hatte ich auf Julians Party auch andere Dinge im Kopf." Sie zwinkerte ihrem Mann zu. "Raffiniertes Weib", tadelte er sie zärtlich. "Ich erinnere mich dagegen nur zu gut an ihn", erklärte Maddie so schroff, daß Adrian und Carolyn sich verwundert zu ihr umdrehten. "Nein, ich habe ihn nicht verführt", fügte sie beschwichtigend hinzu. Nicht, daß sie es nicht versucht hätte ... "Er ist kein Mann, den man so schnell vergißt", fuhr sie fort. "Sofern man nicht gerade die Augen voller Sterne hat." Der dumpfe Druck in der Magengegend strafte ihren heiteren Tonfall Lügen. Miles MacMillan ...
Adrian hatte guten Grund, ihn als arroganten Bastard zu bezeichnen, obwohl Maddie bezweifelte, daß er ein Bastard im eigentlichen Sinne des Wortes war. Im Gegensatz zu ihr. Miles MacMillan war durch und durch blaublütig. Er konnte seinen Stammbaum garantiert bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen, ohne auch nur einen einzigen Makel darauf zu entdecken. Miles MacMillan war ein unerträglicher Snob! Nichtsdestotrotz war er der umwerfendste Mann, dem Maddie je begegnet war. Groß, dunkelhaarig und attraktiv, mit einem durchtrainierten Körper, einem markanten Kinn mit einem Cary-Grant-Grübchen, stahlgrauen Augen und einem verführerisch sinnlichen Mund, der absolut nicht zu seiner beherrschten, kühlen Art paßte. Von der Sekunde an, als Maddie ihn in Julians Wohnzimmer gesehen hatte, hatte sie ihn unwiderstehlich gefunden. Er war allein gewesen, gekleidet in einen konservativen Nadelstreifenanzug, das Haar tadellos frisiert, die aristokratische Nase hoch in die Luft gereckt. Als sie in ihrem halb durchsichtigen Chiffonkleid auf ihn zugeeilt war, hatte er den Blick nicht von ihr wenden können. Das war angesichts ihrer scheinbar fehlenden Unterwäsche nur zu verständlich gewesen. Der hautfarbene Teddy, den sie unter dem Kleid getragen hatte, hatte die Illusion von Nacktheit vermittelt. Dummerweise hatte Maddie geglaubt, er würde für eine Nacht ihr gehören, zumal sie herausgefunden hatte, daß er nicht verheiratet war. Doch sie hatte sich getäuscht. O ja, er war sexuell an ihr interessiert gewesen. Sie war schon viel zu lange das Objekt männlicher Begierde, um die Anzeichen nicht richtig zu deuten. Aber obwohl er sich zu ihr hingezogen fühlte, hatte er sich in der Gewalt. Vielleicht hatte er sich nicht entschließen können, seinen guten Ruf - oder seine
Seele? - aufs Spiel zu setzen und auf die Avancen einer so schamlosen Person einzugehen. Als sie ihn rundheraus fragte, ob er auf einen Schlummertrunk mit zu ihr kommen wolle, starrte er sie an, als hätte sie ihm einen wirklich unsittlichen Antrag gemacht. Mit gesenkter Stimme wünschte er ihr höflich eine gute Nacht und entschwand. Maddie blieb verwirrt, verletzt und verärgert zurück - eine Kombination, die ihr völlig fremd war. Noch nie war ihr ein Mann entkommen, auf den sie ein Auge geworfen hatte. Und noch nie hatte ein Mann ihr das Gefühl vermittelt, billig zu sein. Miles MacMillan war dies gelungen. Da sie an Zurückweisung und Demütigung nicht gewöhnt gewesen war, hatte Maddie einige Zeit gebraucht, um diesen Zwischenfall zu verkraften. Und jetzt geriet Miles MacMillan erneut in ihre Schußlinie. Sie wußte nicht, ob sie sich über die Aussicht freuen oder sich davor fürchten sollte. Beides vermutlich. "Ist Mr. MacMillan über unsere Partnerschaft informiert, Adrian?" fragte sie kühl. "Ist ihm klar, daß er mit dir auch Miss Madeline Powers, eine überaus talentierte Innenarchitektin, engagiert?" Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was sie dem Gast aus England in jener Nacht über sich erzählt hatte. Seine sonderbare Reaktion hatte sie ein wenig aus der Fassung gebracht. Allerdings sprach sie beim ersten Treffen mit einem Mann nur selten über sich, statt dessen konzentrierte sie sich völlig auf ihn. Wahrscheinlich wußte er nichts über ihren Beruf, ganz zu schweigen von ihrer Leidenschaft, Aktbilder zu malen. Normalerweise erwähnte sie ihr Hobby erst beim zweiten Rendezvous. "Ich habe ihm noch nichts davon gesagt", räumte Adrian ein. "Aber ich glaube nicht, daß es deshalb Probleme geben wird. Reiche Männer richten ihre Häuser nicht selbst ein - es sei denn,
sie haben eine Frau oder Freundin, die sich beschäftigen will. Was in seinem Fall nicht zutrifft. Keine Frau, Verlobte oder Freundin, mit der er zusammenlebt. Ich habe mich erkundigt." "Unser hochgeschätzter Mr. MacMillan ist demnach noch ungebunden", sagte Maddie mehr zu sich selbst. "Interessant." Carolyn stöhnte auf. "Sie ist wieder auf der Jagd, Adrian. Findest du nicht, du solltest den armen Kerl warnen?" Adrian lachte. "Der ,arme Kerl' ist durchaus in der Lage, selbst auf sich aufzupassen. Wenn Maddie dumm genug ist, ihn einfangen zu wollen, sollte man eher sie warnen. Männer wie Miles verlieren wegen einer Frau nicht den Kopf. Das ist ihnen fremd. Statt Blut haben sie Eis in ihren Adern und Computerchips anstelle eines Herzens." Carolyn erschauerte. "Ich weiß nicht, was dir an solchen Typen gefällt, Maddie." "Ich auch nicht", konterte Maddie heiter. "Aber so war es schon immer, solange ich mich erinnern kann. Allerdings will ich ja keinen von ihnen heiraten. Es sind ja nur Affären - man verliebt sich, man trennt sich." "Stimmt. Kaum verlieben sie sich in dich, trennst du dich von ihnen", meinte Carolyn. "Hoffentlich bildest du dir nicht ein, du könntest MacMillan zum Vater des Babys machen, das du dir plötzlich wünschst." Maddies schwarze Augen wurden groß. Dieser Gedanke wäre ihr nie in den Sinn gekommen, doch nun, da Carolyn davon sprach ... Miles MacMillan wäre ein perfekter Kandidat! Er war nicht nur intelligent, attraktiv und guterzogen, sondern blieb außerdem bloß sechs Monate im Land. Wenn seine Verbannung in die Kolonien erst vorbei war, würde er bestimmt mit fliegenden Fahnen ins heimatliche England zurückkehren, wo er dann irgendwann eine pfirsichhäutige Lady heiraten, einen oder zwei Erben zum
Ebenbild seines eigenen steifen Charakters erziehen und im Oberhaus landen würde. Oder war es das Unterhaus? Nein, Miles gehörte zur Oberschicht - sie hingegen zur Unterschicht. Das hatte Spencer in der vergangenen Nacht mehr als deutlich gemacht. Und Spencer war gebildet, dieser widerwärtige Heuchler! "Du mußt es ihr ausreden, Adrian", flehte Carolyn mit Panik in der Stimme. "Ich sehe es ihr an. Sie wird diesen Mann verführen!" "Was Maddie privat macht, ist ihre Sache", erklärte Adrian energisch. "Und außerdem ... Glaubst du wirklich, sie würde auf mich hören, wenn ich es versuchen würde?" Carolyn seufzte. "Vermutlich nicht." Maddie schwieg zu diesem Thema, denn Adrian hatte recht. Es gab keinen Mann auf Erden, der ihr etwas ausreden konnte, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Männer, das hatte sie schon sehr früh beschlossen, würden ihr Leben nicht kontrollieren. Niemals! Was die Verführung von Miles MacMillan betraf, so gehörte diese eher ins Reich der Phantasie als in die Wirklichkeit. Er mochte zwar ein perfekter Samenspender sein, aber Maddie war nicht bereit, sich noch einmal von ihm beleidigen zu lassen. Zurückweisungen waren nicht gut für ihre Seele - oder ihre Selbstachtung. "Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen, Carolyn", sagte sie. "Ich habe kein Interesse an Miles MacMillan. Als wir uns das letzte mal begegneten, wollte er mit mir nichts zu tun haben. Und jetzt will ich nichts mit ihm zu tun haben, außer auf rein geschäftlicher Basis. Wann wird Seine Lordschaft denn erwartet, Adrian? Kommt er ins Büro, oder triffst du ihn vor Ort?" "Er kommt ins Büro." "Wann?" "Gegen zwei Uhr."
"Schaut dann bitte auch bei mir rein. Am besten klären wir gleich, ob er damit einverstanden ist, daß ich sein Haus einrichte." "Meinst du, er könnte etwas dagegen haben?" Sie zuckte mit den Schultern. "Möglich wäre es." "Das wird er nicht wagen. Du bist weit und breit die beste Innenarchitektin. Ich habe nicht die Absicht, meinen absolut einmaligen Entwurf durch eine geschmacklose Einrichtung ruinieren zu lassen. Das werde ich ihm mit allem Nachdruck klarmachen. Wenn er eines meiner Häuser will, muß er auch dich engagieren." Maddie lächelte und klimperte kokett mit den Wimpern. "Mein Held." "Ich bin nicht dein Held, das weißt du genau. Wenn es um meine Arbeit geht, bin ich durch und durch egoistisch. Dich ablehnen ..." Er schnaubte verächtlich. "Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er gegen dich nichts mehr einzuwenden haben, glaube mir."
2. KAPITEL Miles wußte nicht, wie er mit der Situation oder den daraus resultierenden Komplikationen umgehen sollte. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, daß Maddie mit ihrem Geschäftspartner liiert sein könnte. Der Privatdetektiv hatte in seinem Bericht nichts dergleichen erwähnt. Welche andere Erklärung gab es sonst für Slaters übertriebene Fürsorge für sie? Er betrachtete Adrian, der gerade zum zweitenmal betonte, daß er und Miss Powers ein unzertrennliches Team seien. "Wenn Sie ein Adrian-Slater-Haus erwerben, wird es von meiner Partnerin eingerichtet. Entscheiden Sie sich." Sein eindringlicher Tonfall verriet, daß Slater befürchtete, er, Miles, könnte den Handel ablehnen, was natürlich absurd war. Woher sollte Slater auch ahnen, daß er, Miles, nur deshalb eines seiner verdammten Häuser kaufte, weil Maddie Teil des Vertrags war? Dabei war Slater ein hervorragender Architekt - wenn auch ein bißchen unkonventionell. Bei seinem Besuch vor einem Jahr hatte Miles Julians Villa ziemlich ungewöhnlich gefunden. Die kühne Konstruktion aus Glas, Stahl und Beton klebte förmlich an einem steilen Berghang und bot einen atemberaubenden Blick auf das Tal mit der Stadt Wollongong sowie den dahinterliegenden Pazifik. Miles wußte, daß ein Adrian-Slater
Haus weder sein Bankkonto noch seine Bequemlichkeit beeinträchtigen würde. "Für mich ist das kein Problem", erklärte er kühl - eine gewaltige Untertreibung, wenn man bedachte, mit welch unerwarteter Konkurrenz er plötzlich zu kämpfen hatte. Adrian Slater war zweifellos ein gutaussehender Mann. Genau wie er, Miles, maß er ungefähr einsneunzig. Er war breitschultrig und hatte ein markantes Gesicht, braune Augen und eine auffallende Haarfarbe. Dunkelbraun mit Rot. Miles konnte sich gut vorstellen, daß Maddie diesen Mann körperlich anziehend fand - und umgekehrt. Und so, wie Slater sich aufführte ... Nun, es war ganz unverkennbar, daß Maddie mehr für ihn war als nur eine Geschäftspartnerin. Der Gedanke, daß die beiden ein Liebespaar waren, behagte Miles überhaupt nicht, zumal er wußte, daß Slater Frau und Kind hatte - was allerdings kein Hinderungsgrund für eine Affäre war. Eigentlich unterschied sich seine Meinung über männliche Moralbegriffe kaum von Annabels. Sein Vater war ein gewissenloser Schürzenjäger gewesen. Sein Bruder war ein Wüstling der übelsten Sorte. Die meisten Geschäftsleute in Miles' Bekanntenkreis unterhielten außereheliche Beziehungen. Nein, genaugenommen sogar alle! Miles verabscheute Untreue. Ehebruch mochte zwar unter gewissen Umständen verzeihlich sein, aber für Slater gab es keine Entschuldigung. Genausowenig wie für Miss Madeline Powers. Slater war mit ihrer angeblich besten Freundin verheiratet, Julians Stieftochter Carolyn, einer hübschen, liebenswerten jungen Frau, soweit Miles sich erinnerte. Wenn Maddie eine Affäre mit dem Mann ihrer besten Freundin hatte, wollte er sie nicht mehr. So einfach war das. Ganz so einfach war es natürlich nicht.
Das volle Ausmaß seiner Selbsttäuschung wurde Miles bewußt, als er Slater in Maddies Büro begleitete. Slater führte ihn an einem verwaisten Empfangsbereich vorbei - mit der gemurmelten Erklärung, daß Maddie sich weigere, eine Sekretärin zu beschäftigen - dann klopfte er flüchtig an eine Tür, bevor er sie öffnete. In dem Zimmer stand eine Frau. Sie wandte den beiden Männern den Rücken zu und schaute aus dem großen Panoramafenster. Einige Sekunden lang war Miles von der atemberaubenden Aussicht fasziniert: Über ihnen spannte sich der strahlendblaue Himmel, in der Ferne schimmerte der Ozean in allen Schattierungen von Grün bis Türkis, der blendendweiße Sandstrand trennte ihn wie ein glänzendes Band von den gepflegten Häusern und Einkaufszentren. Wollongong war eine der schönsten Küstenstädte, die Miles je gesehen hatte. Er atmete tief durch und redete sich ein, daß dieser Anblick allein die weite Reise um die halbe Welt rechtfertigte. Aber dann drehte sich die Frau um, und ihm wurde schlagartig klar, daß sie der wahre Grund für seine Anwesenheit war. Verdammt, dachte er, während er die Garderobe betrachtete, die sie heute trug. Wieder Schwarz. Und Leder. Enges, sehr enges Leder umspannte ihre langen Beine und den wohlgeformten Po wie eine zweite Haut. Das westenartige Oberteil war mehr als gewagt. Ein einziger Holzknopf hielt es über den offensichtlich nackten Brüsten zusammen. Keine großen Brüste. Aber straff und fest und rund. Das weiche Leder schmiegte sich provozierend um sie und preßte sie zusammen. Normalerweise fand Miles schwarzes Leder nicht erotisch. Das war eine von Max' Vorlieben. Aber diesmal war es anders. Oder lag es an der Frau, die das Leder trug? Die Hexe mit dem lockigen schwarzen Haar, das wie eine Mähne auf ihre Schultern fiel?
Er schluckte trocken und bemühte sich sie nicht wie ein Mann anzustarren, der in höchstem Maße erregt war. Schlagartig wurde ihm klar, daß er eigentlich vor dieser Frau davonlaufen sollte - und zwar, so schnell er konnte. Sie würde sein Leben unwiderruflich verändern, falls er sich mit ihr einließ. Er würde nie wieder derselbe sein, nie wieder sein gleichförmiges, ruhiges Dasein zu Hause aufnehmen können. Sie würde ihn in eine Welt entführen, die ihm völlig fremd war eine Welt, nach der er süchtig werden könnte, wenn er sie erst einmal kennengelernt hatte. Sie war ein ungezähmtes Geschöpf. Wild und unberechenbar. Sie würde ihn verderben, und das mußte um jeden Preis vermieden werden. Miles sah sie an und begehrte sie mehr denn je. Maddie unterdrückte ihre Nervosität, als sie sich zu ihm umwandte. Es ärgerte sie, daß ein Mann sie derart verwirren konnte. Wenn er sie jetzt wieder von oben herab betrachtete, könnte sie für nichts garantieren! "Adrian, Liebling!" Sie verzog schmollend die roten Lippen. "Du hast dich schon wieder verspätet, du Schuft. Sagtest du nicht zwei Uhr? Oh ... Hallo, Miles", fügte sie betont munter hinzu und ignorierte tapfer die Schmetterlinge, die in ihrem Bauch zu flattern begannen. "Lange nicht gesehen. Adrian erzählte mir, daß Sie ein halbes Jahr bei uns bleiben und deshalb ein Häuschen kaufen wollen. Stimmt das?" Sein Zögern irritierte sie ebenso wie seine fortwährende, leicht ablehnende Musterung ihres Äußeren. Sie nutzte das peinliche Schweigen, um ihn ihrerseits zu betrachten. Zu ihrem großen Mißfallen mußte sie feststellen, daß er noch immer der attraktivste Mann war, dem sie je begegnet war. Nun begriff sie auch, warum sie sich vorübergehend zu Spencer hingezogen gefühlt hatte. Er war eine etwas blassere Version von Miles. Jetzt, da sie dem "Original" gegenüberstand, erkannte sie die Unterschiede. Miles war größer als Spencer, schlanker und viel
eleganter. Der maßgeschneiderte hellgraue Anzug kleidete ihn hervorragend, zumal er dieselbe Farbe hatte wie seine Augen. Maddie fand seine Nase hinreißend aristokratisch, das Grübchen an seinem Kinn unwiderstehlich. Da stand er also nun - ein Ausbund an Schönheit, Intelligenz und guten Manieren. Er war fraglos die beste Wahl für den Vater ihres Kindes. Und eine echte Herausforderung. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, mißbilligte er sie nämlich noch genauso wie auf der Party im letzten Jahr. Es gab nicht das geringste Anzeichen von Verlangen. Der Blick seiner grauen Augen blieb kühl, als er sie erneut von Kopf bis Fuß musterte. Er würde viel schwerer zu verführen sein als Spencer. Aber auf einmal war sie fest entschlossen, ihn zu erobern. Nichts und niemand würde sie daran hindern. Es mochte zwar einige Zeit dauern, aber immerhin hatte sie volle sechs Monate. Sie konnte es sich also leisten, die Sache langsam zu beginnen und notfalls sogar ein bißchen diplomatischer als sonst vorzugehen. Ein weiterer Blick auf ihn bestätigte ihr, daß er das Warten wert war. Er würde einen perfekten Samenspender abgeben! Dank seiner makellosen Ahnenreihe würde er all die Qualitäten und Talente weitergeben, die sie so sehr bewunderte: sein Aussehen, seine Intelligenz, seine Stärke und seinen Stil. Überdies würde das Kind nichts von den Fehlern des Vaters erben, denn er würde ja nicht mehr dasein, wenn es zur Welt kam. Sein Nachwuchs würde weder Miles' Snobismus übernehmen noch seinen rücksichtslosen Ehrgeiz oder seine grenzenlose Arroganz. Sein Kind würde nur Liebe kennenlernen. Er oder sie würde im wahrsten Sinne des Wortes ein Kind der Liebe sein. "Ja, das stimmt", antwortete er schließlich. Seine Stimme klang so tief und kultiviert, wie Maddie es in Erinnerung gehabt
hatte. "Ich habe Adrian gerade versichert, daß mir Ihre Dienste bei der Einrichtung des Hauses durchaus willkommen sind." Ich rechne fest damit, fügte er in Gedanken hinzu, bereit, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Es war ihm ein gewisser Trost, daß er nicht derjenige war, der sich bemühen mußte. Das würde sie erledigen. Sie betrachtete ihn bereits mit den gierigen Blicken eines Kindes, das unter dem Weihnachtsbaum ein langersehntes Spielzeug entdeckte. Besaß sie denn gar keinen Stolz? Er hatte ihre Annäherungsversuche schon einmal zurückgewiesen - und zwar ziemlich brutal. Und trotzdem verriet das Funkeln in ihren Augen, daß sie bereit war, einen weiteren Angriff auf seine Tugend zu starten. Gütiger Himmel, wenn sie wüßte! "Hast du Miles schon das Haus in Stanwell Park gezeigt, Adrian?" Sie schenkte ihrem Partner-oder-was-auch-immer ein strahlendes Lächeln. "Falls nicht, würde ich das gern übernehmen. So könntest du Carolyn und das Baby heute nachmittag noch einmal besuchen." "Das wäre fabelhaft, Maddie. Sie haben doch nichts dagegen, Miles, oder?" . Dagegen? Es gab nichts, was ihm lieber gewesen wäre. Er wollte mit ihr allein sein. Egal, wo. Er wollte sie einfach. Warum, um alles in der Welt, verhielt er sich dann so reserviert? Aus reiner Gewohnheit, vermutete Miles. Und wegen seines verdammten Stolzes. Sein Stolz würde ihn noch einmal umbringen. "Wenn Miss Powers nichts dagegen hat, ihre Arbeit zu unterbrechen, um mir das Haus zu zeigen", erwiderte er höflich, "bin ich natürlich damit einverstanden. Ich möchte ihr allerdings keine Umstände machen." Maddie unterdrückte ein Seufzen und wandte den Kopf ab. Es würde nicht leicht werden, diesen überheblichen Engländer in ihr Bett zu locken. Und ihn dann ohne Verhütungsmittel zu
verführen dürfte ziemlich unmöglich sein! Insgeheim fragte sie sich, ob seine Unterwäsche wohl genauso steif war wie sein Charakter. Sie konnte nur hoffen, daß sich hinter dieser frostigen britischen Selbstbeherrschung ein echter Mann verbarg - mit echten männlichen Hormonen. Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu, als er sich unbeobachtet glaubte. Unverhohlenes Verlangen spiegelte sich in seinen Augen. Es war zwar nur ein kurzes Aufblitzen, aber es war da gewesen. Dessen war sie sich ganz sicher. Das Spiel war also dasselbe wie vor einem Jahr. Er wollte sie und wollte sie doch nicht. Es war ein Spiel, das sie schon früher gespielt hatte, mit anderen Männern seines Schlages. Allerdings hatte keiner von ihnen Miles MacMillans Standhaftigkeit gehabt. Es würde ihr ein Vergnügen sein, seine eiserne Selbstbeherrschung ins Wanken zu bringen und dafür zu sorgen, daß er sie praktisch anflehte, mit ihr schlafen zu dürfen. Bei diesem Gedanken beschleunigte sich Maddies Puls. Die Freuden, die ihr ein Männerkörper schenken konnte, waren nichts, verglichen mit dem Vergnügen, ihn ihrer weiblichen Macht zu unterwerfen. Maddie genoß Sex auf ihre Weise, aber bislang hatte sie noch keinen Höhepunkt erlebt. Sie wußte, daß sie dazu nicht fähig war. Glücklicherweise war sie im Bett eine hervorragende Schauspielerin, so daß ihre jeweiligen Partner nichts merkten. Sie lobte anschließend deren Leistungen in den höchsten Tönen, und wenn sie gingen, waren sie felsenfest davon überzeugt, daß sie sie nachhaltiger befriedigt hätten als jeder andere Mann vor ihnen. Maddie sah zu Miles hinüber. Der Triumph über ihn würde ihr mehr Freude bereiten als bei jedem anderen. Sie würde nicht nur das Spiel gewinnen, sondern auch den ersten Preis. Ein Baby Sie konnte es kaum erwarten. .
"Ich hole nur meine Schlüssel", erklärte sie liebenswürdig, "dann können wir aufbrechen." Miles klammerte sich haltsuchend an seinen Sicherheitsgurt, als der Wagen eine weitere scharfe Kurve nahm - mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Gütiger Himmel, die Frau fuhr wie eine Verrückte! Außerdem war ihr Auto eine Gefahr für die Menschheit. Ein altes schwarzes Vehikel mit einem mächtigen verchromten Kühlergrill. Ein, wie sie voller Stolz verkündet hatte, original F. J. Holden - was immer das sein mochte. Er wünschte, er hätte darauf bestanden, seinen Mietwagen zu benutzen. Der besaß wenigstens eine Klimaanlage. Allmählich wurde ihm in dem Anzug nämlich ziemlich heiß, ganz zu schweigen von dem Feuer, das in ihm brannte. Es war alles genau wie damals gewesen. Sie hatte ihn mit dem Zartgefühl einer Dampfwalze überrumpelt, und er wußte nicht, wie er mit ihr fertig werden sollte. Im sicheren England an die überaus sinnliche Miss Madeline Powers zu denken war eine Sache, dieser Frau leibhaftig gegenüberzustehen eine ganz andere. Besonders wenn dieser Leib in schwarzes Leder gehüllt war. "Läuft wie ein Traum, nicht wahr?" verkündete sie freudestrahlend, nachdem sie die nächste Kurve erfolgreich auf zwei Rädern hinter sich gebracht hatten. Die Straße, auf der sie sich befanden, folgte weitgehend der Küste. Was als gepflegte Asphaltstraße begonnen hatte, war längst in einen schmalen Weg übergegangen, der sich über den Klippen entlangschlängelte. Rechts von ihnen erhoben sich schroffe Felswände, während zu ihrer Linken der mit Sträuchern und Gestrüpp bewachsene Hang steil abfiel. Die Gegend wirkte auf Miles so wild und ungezähmt wie die Frau an seiner Seite. "Hm", erwiderte er ausweichend. "Fahre ich zu schnell für Sie?" erkundigte sie sich unschuldig. "Sagen Sie es ruhig, wenn es so ist."
Er verzichtete darauf, ihr zu erklären, daß sie für seinen Geschmack alles viel zu schnell machte. Aber vielleicht war auch sein blasses Gesicht Antwort genug, denn sie nahm den Fuß leicht vom Gaspedal. Lachend verringerte sie das Tempo. "Adrian behauptet immer, ich würde zu schnell fahren. Dabei hat gerade er keinen Grund, sich zu beklagen. Er flitzt nämlich mit seinem alten roten MG-Cabrio durch Wollongong. Möglicherweise wird er es jetzt verkaufen müssen, nachdem das Baby da ist." "Slater und Sie scheinen sich ... recht nahezustehen", begann Miles vorsichtig. "O ja, sehr sogar. Es gibt nichts, was ich für Adrian nicht tun würde." "Nichts?" wiederholte er trocken. Maddie warf ihm einen gespielt entsetzten Blick zu, dann lächelte sie wieder ihr teuflisch hinreißendes Lächeln. Himmel, die Frau war mehr als raffiniert! Sie war einfach überwältigend. "Falls Sie das meinen, was ich glaube, Mr. MacMillan, dann sollten Sie sich schämen", sagte sie. "Adrian ist ein verheirateter Mann. Und nicht nur das - seine Frau ist meine beste Freundin. Selbst wenn ich meinen Grundsatz, niemals mit einem verheirateten Mann zu schlafen, über Bord werfen sollte, könnte ich doch niemals Carolyn betrügen. Sie haben sie kennengelernt, oder?" "Flüchtig." "Dann muß Ihnen doch klar sein, daß jeder, der dieses reizende Geschöpf betrügt, mit einem Zementblock an den Füßen im Pazifik versenkt werden sollte. Außerdem ist Adrian ganz verrückt nach ihr. Er würde einer anderen Frau keinen zweiten Blick gönnen, und schon gar nicht mir." "Warum nicht?" "Weil ich nicht sein Typ bin. Das war ich nie. Wir sind gute Freunde und nicht mehr." "Und er ist nicht Ihr Typ?"
"O nein, absolut nicht." "Was ist dann Ihr Typ?" Angesichts des Blicks, den sie ihm zuwarf, war er froh, nicht am Steuer zu sitzen. Sein Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Maddie war auf sich selbst wütend, als sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zuwandte. Das nennst du geschickt, du dumme Gans? schalt sie sich im stillen. Du mußt diesen Jungen ganz vorsichtig behandeln. Aber verdammt, sie fand ihn so unwiderstehlich! Am liebsten hätte sie sein schockiertes Gesicht in beide Hände genommen und das Entsetzen von seinen Lippen und Augen geküßt. Sie wollte ihm verführerische Worte ins Ohr flüstern, die ihn vor Verlangen erbeben ließen, wollte ihm diesen umwerfend konservativen Anzug ausziehen und ihn streicheln, bis er vor Lust stöhnte. Eine sonderbare Hitze durchströmte sie bei dem Gedanken, seine Haut auf ihrer zu spüren. Himmel, wenn sie es nicht besser wüßte, könnte sie fast meinen, daß sie diesen Mann tatsächlich begehrte! Natürlich nur rein körperlich. Ungeduldig verdrängte sie diese Vorstellung. Unmöglich! Sie hatte schließlich noch nie einen Mann sexuell begehrt. Und würde es vermutlich auch nie tun. Dieses unerklärliche Prickeln mußte damit zusammenhängen, daß sie ihn als Vater für ihr Baby ausgewählt hatte. Das Wissen, daß sie ein Kind empfangen könnte, machte bereits den bloßen Gedanken, mit Miles zu schlafen, so himmlisch aufregend. "Ist es noch weit bis zum Haus?" fragte er unvermittelt. "Nein, wir sind gleich da." Miles schaute sich um, als der Wagen plötzlich von der Straße abbog und eine steile Auffahrt hinaufrollte. Der Anblick der imposanten Konstruktion aus Stahl und Glas, die sich über ihnen erhob, raubte ihm fast den Atem. Ähnlich wie Julians Heim schien es an den Felsen zu kleben. Jedes der beiden Stockwerke verfügte über einen großen
halbrunden Balkon, der einen perfekten Blick über den Ozean bot. Das schwarze Geschoß, in dem sie saßen, erklomm röhrend eine scharfe Biegung, bevor es auf der anderen Seite des Hügels auf eine große Parkfläche unter dem Gebäude zusteuerte. Miles schloß die Augen, als Maddie das Auto mit quietschenden Reifen nur wenige Zentimeter vor der halbfertigen Garagenmauer zum Stehen brachte. Ruckelnd erstarb der Motor des F. J. Holden. "Tut mir leid", sagte Maddie ohne das geringste Bedauern in der Stimme. "Ich mußte das alte Mädchen mit viel Gas über die Kuppe bringen und dann hart bremsen. Mit Ihrem Audi werden Sie derartige Probleme nicht haben." "Wenn das so ist, sollten wir das nächste mal meinen Wagen benutzen." Er rückte seine Krawatte zurecht, bevor er mit weichen Knien ausstieg. Die Krawatte brauchte eigentlich nicht zurechtgerückt zu werden. Das war nur eine leere Geste, um seinen inneren Aufruhr zu überspielen, ein vergeblicher Versuch, mit der Kleidung auch seine Gedanken zu ordnen - und sein Leben. "Wenn Sie möchten." Maddie nickte ohne große Begeisterung. Dann sprang sie aus dem Auto und strich ihre Lederhose glatt. Miles mußte unwillkürlich an Annabel und deren Leidenschaft für Limousinen denken. Sie würde niemals in einer so alten Kiste um die Kurven rasen. Oder schwarzes Leder tragen. Er wußte genau, welchen Frauentyp er bevorzugte, und wunderte sich einmal mehr über seinen offensichtlichen Mangel an Geschmack. Seine Mutter würde in Ohnmacht fallen, wenn sie ihn jetzt sehen könnte. Oder vielleicht auch nicht. Seit dem Tod seines Vaters hatte sie sich verändert. Sie war lockerer geworden - eine bessere Beschreibung fiel ihm nicht
ein. Und selbstbewußter. Sie hatte erstaunliches Verständnis für seine Entscheidung gezeigt, die Verlobung mit Annabel zu lösen und eine Weile ans andere Ende der Welt zu reisen. Insgeheim hoffte er, seine Mutter würde wieder heiraten, irgendeinen netten Gentleman, der sie aufrichtig liebte und mit Aufmerksamkeiten überhäufte. Sein Vater war ein Scheusal gewesen, und sie verdiente Besseres. Miles erschauerte bei dem Gedanken, er könnte so enden wie dieser Mann. "Stimmt was nicht?" Maddies Frage brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Sein Blick fiel auf ihren sinnlichen roten Mund. Ihre Lippen waren voll und weich, und er konnte es kaum erwarten, sie zu küssen. "Sie haben die Stirn gerunzelt", fügte sie hinzu. "Stirnrunzeln ist eine alte Tradition in meiner Familie." "Dann geben Sie's auf", schlug sie fröhlich vor. "Es steht Ihnen nicht!" Miles war verblüfft. Seit Jahren hatte es keine Frau mehr gewagt, ihn offen zu kritisieren. Bei jeder anderen hätte er mit einem frostigen Blick auf diese Dreistigkeit reagiert, doch nun umspielte statt dessen ein leichtes Lächeln seine Lippen. "In Ordnung", meinte er. Nun war es an ihr, erstaunt dreinzublicken. "Sie sehen nämlich viel besser aus, wenn Sie lächeln", erklärte sie mit ebenso entwaffnender wie charmanter Offenheit. "Finden Sie?" "Ja. Offen gestanden, Miles MacMillan, Sie sind der attraktivste Mann, der mir je begegnet ist." Sie legte den Kopf auf die Seite und musterte ihn von oben bis unten. "Ich würde Sie gern malen." "Mich malen? Sie meinen, ein Porträt?" "Sozusagen. Menschen zu malen ist meine große Leidenschaft. Ich mache das schon seit Jahren und verdiene gutes Geld damit. Sie wären ein perfektes Modell für meinen
diesjährigen Beitrag für den Whitbread-Preis. Könnte ich Sie überreden, gelegentlich für mich Modell zu sitzen?" "Whitbread-Preis", wiederholte er, während er um den Wagen lief und vor ihr stehenblieb. "Was ist das?" "Ein Kunstwettbewerb." Miles fühlte sich geschmeichelt und verlegen zugleich. Letzteres hing mit Maddies funkelnden Augen zusammen. Sie schien ihn mit ihrem Blicken förmlich auszuziehen und sich seinen nackten Körper vorzustellen. Er räusperte sich unbehaglich. Zum Glück war das Jackett seines Anzugs lang genug, um seine wachsende Erregung zu verbergen. "Sollten Sie sich nicht lieber mit einem australischen Motiv befassen?" wandte er zögernd ein. "Bloß nicht. Das Modell muß nicht bekannt sein. Eigentlich ist es sogar besser, wenn es das nicht ist. Es ist weniger peinlich." Miles schluckte trocken. "Weniger peinlich?" "Ach, habe ich das nicht erwähnt? Am WhitbreadWettbewerb können nur Aktbilder teilnehmen." "Nackt..." Er verstummte. Wie, um alles in der Welt, sollte er für sie nackt Modell stehen, wenn sein Körper vor Verlangen nach ihr außer Kontrolle geriet? "Peinlich" war nicht der richtige Ausdruck. Es würde demütigend sein! "Ich ... glaube nicht..." "Unsinn, Miles", unterbrach sie ihn, nahm seinen Arm und schob ihn zur Treppe. "Ich male keine völlig Nackten. Sie müßten sich nicht ganz ausziehen. Außerdem zeigen meine Bilder selten Gesichter. Niemand wird wissen, daß Sie es sind. Außer mir natürlich." Ihr Lächeln war in höchstem Maß erotisch. Das letzte, was Miles im Moment gebrauchen konnte, war etwas auch nur annähernd Erotisches. Ihren Arm auf seinem zu spüren war schlimm genug. Sie blieb unvermittelt stehen und schaute ihn erwartungsvoll an. "Also, was ist? Sind Sie einverstanden?"
Er betrachtete ihr hinreißendes Gesicht, die exotischen hohen Wangenknochen, die bezaubernden schwarzen Augen und den sinnlichen Mund ... Er war Wachs in ihren Händen! Lediglich sein Stolz hinderte ihn daran, dies offen zuzugeben, sein tiefverwurzelter britischer Stolz. "Mal sehen", antwortete er kühl. "Der Aufsichtsrat der MacMillan-Banken dürfte nicht begeistert sein, wenn er herausfindet, daß ich für ein Aktbild Modell gestanden habe. Ich muß darüber nachdenken. Ein Mann in meiner Position kann nicht immer das tun, wozu er Lust hat, Maddie. Er muß stets auf seinen Ruf achten."
3. KAPITEL Maddie hätte beinahe laut aufgelacht. Wie hochtrabend konnte man noch sein? In gewisser Weise wirkte es jedoch auch recht anziehend. Vor allem würde es seine Verführung noch befriedigender machen. "Ich brauche Ihre Antwort bald", erklärte sie kühl und entzog ihm ihren Arm. Ein taktischer Rückzug im richtigen Moment bewirkte mitunter Wunder. "Sonst muß ich mir ein anderes Modell suchen. Die Annahmefrist für den Whitbread-Preis läuft in ein paar Monaten ab." Miles sah seine Chancen, ihr nächster Liebhaber zu werden, schwinden. Warum hatte er nicht eingewilligt? Warum hatte er statt dessen all diesen Blödsinn von sich gegeben? "Ich werde Ihnen meine Entscheidung bei unserem nächsten Treffen mitteilen", erwiderte er, unfähig, einfach ja zu sagen. Maddie seufzte leise und warf ihr Haar zurück. Sofort galt ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit - so wie sie es erwartet hatte. Zuerst ihren leicht geöffneten Lippen und dann der Lederweste, die sich unter ihrem tiefen Atemzug spannte. Miles unterdrückte ein Stöhnen. Die Versuchung, sie in die Arme zu reißen und leidenschaftlich zu küssen, wurde schier übermächtig. Allerdings würde es nicht beim Küssen bleiben, so wie er sich momentan fühlte.
Er sah sich auf der halbfertigen Parkfläche mit dem schmutzigen Boden und den unverputzten Wänden um. In einer Ecke stand eine Schubkarre, in der anderen waren roh behauene Schieferplatten aufgeschichtet. Der bloße Gedanke, Maddie in dieser Umgebung zu lieben, erfüllte ihn mit Entsetzen - zumal die Vorstellung, sie auf dem staubigen Boden an die Mauer gelehnt zu nehmen, seine Erregung nur noch steigerte ... Obwohl sein Verlangen ungeahnte Dimensionen annahm, siegten letztendlich doch sein Stolz und seine Selbstachtung. Er war schließlich ein Gentleman und kein wildes Tier. Für einen Gentleman waren der richtige Ort und Zeitpunkt ungeheuer wichtig. Und dies war weder das eine noch das andere. "Am besten zeigen Sie mir jetzt das Haus", sagte er schroff und zupfte erneut seine Krawatte zurecht. "Die Zeit vergeht, und ich muß heute abend zum Dinner in Sydney sein." Das war eine glatte Lüge, wenn auch eine unvermeidliche. Er konnte so nicht weitermachen. Er mußte so schnell wie möglich fort von ihr und wieder zur Vernunft kommen. Er haßte es, wenn er eine Situation nicht im Griff hatte. Deshalb hatte er ja so lange gegen Maddies geradezu magische Anziehungskraft angekämpft! Selbst jetzt, nachdem er seine Bedenken insoweit über Bord geworfen hatte, daß er ihre Nähe suchte, weigerte sich sein Unterbewußtsein, sämtliche Prinzipien außer acht zu lassen. "Ein Geschäftsessen?" erkundigte sie sich beiläufig, während sie die Tür zum Treppenhaus auf schloß. "Nicht ganz." . "Können Sie es nicht absagen?" Er blickte sie stirnrunzelnd an. "Warum sollte ich?" "Da Carolyn im Krankenhaus ist, koche ich heute abend für Adrian. Der Ärmste würde sich von Hamburgern ernähren, wenn ich mich nicht um ihn kümmern würde. Ich dachte, Sie würden uns vielleicht gern Gesellschaft leisten. Wir könnten
dabei über das Haus sprechen - natürlich nur, falls Sie sich entschließen, es zu kaufen." Brennende Eifersucht flammte in Miles auf. Keine Frau nicht einmal Annabel - hatte je ein gemütliches Abendessen für ihn vorbereitet. Aber Maddie würde es für Slater tun. Verdammt, das gefiel ihm gar nicht! Sein Vorsatz, sich möglichst schnell aus dem Staub zu machen, schwand dahin. Er konnte sie schließlich nicht mit dem Burschen allein lassen. Okay, im Moment mochten sie kein Liebespaar sein, aber wer konnte schon vorhersagen, was noch alles geschah? Maddie vermißte offensichtlich einen Mann in ihrem Leben - und in ihrem Bett. Warum sonst hatte sie sich so um ihn bemüht? Miles hatte nicht vor, einen anderen Mann den Platz einnehmen zu lassen, den er für sich beanspruchte. Nur ein Narr würde an diesem Punkt den Rückzug antreten. Ihren Beteuerungen, niemals mit einem verheirateten Mann zu schlafen, schenkte er wenig Glauben. Statt dessen hegte er den bösen Verdacht, daß sie sich nur selten danach erkundigte, ob ein Mann verheiratet war oder nicht. Soweit er sich erinnerte, hatte sie damals auch nicht gefragt. Und heute war dieses Thema auch nicht berührt worden. "Ich bin eine ausgezeichnete Köchin", fügte sie hinzu. Ihr sexy Lächeln deutete an, daß sie in mancher Hinsicht "ausgezeichnet" war. Er bezweifelte das nicht im mindesten. "Sie haben mir gerade ein Angebot gemacht, das ich unmöglich ablehnen kann", erwiderte er und malte sich aus, was ihn alles erwarten mochte, wenn er erst ihr Liebhaber war. Frühstück im Bett am Morgen danach, von ihr im Evaskostüm serviert ... Lange, faule Sommernachmittage, die sie sich mit Schwimmen und Sex vertrieben ... oder mit Sex und Schwimmen ...
"Vorausgesetzt, mir gefällt das Haus", ergänzte er. Sein männliches Ego verbot es ihm, zuviel Begeisterung über ihren Vorschlag zu zeigen. Miles inspizierte das Haus nur flüchtig und wanderte rasch durch die einzelnen Räume. Es war ihm egal, wie es aussah. Er würde dazu ja sagen - genauso wie er zu der Einladung ja sagen würde und zu allem, was ihn danach erwartete. Zumindest hoffte er, daß ihn danach noch etwas erwartete und er die Zeichen nicht falsch interpretiert hatte. "Nun, gefällt Ihnen, was Sie sehen?" fragte Maddie, als sie gemeinsam auf dem oberen Balkon standen, der vom Schlafzimmer abging. Miles tat so, als würde er die Aussicht bewundern, während all seine Sinne sich auf die faszinierende Frau an seiner Seite und den betörenden Duft ihrer Haut konzentrierten. "O ja", versicherte er und drehte sich zu ihr um. Selbst im grellen Sonnenlicht war ihr Teint so makellos wie kostbares Porzellan. Ihre Augen wirkten schwärzer als schwarz, ihr Mund roter als rot... Oh, dieser Mund ... Er durfte sie nicht länger so anschauen und davon träumen, was diese Lippen alles konnten ... "Ich werde meinen Anwalt mit den notwendigen Formalitäten beauftragen", erklärte er und starrte wieder auf den Ozean hinaus. Seine Finger schlossen sich fest um das Aluminiumgeländer, das den Balkon umgab. Die hüfthohe Mauer würde später mit mächtigen Panoramascheiben gekrönt werden, die sich auf Knopfdruck öffnen und schließen ließen. "Wunderbar", rief Maddie. "Adrian wird begeistert sein. Es hat ihn tief gekränkt, daß er den Bau nicht vollenden konnte. Mir wird es einen Riesenspaß machen, alles einzurichten. Ich habe dabei doch freie Hand, oder?" Sie legte leicht ihre Hand auf seine. "Sie gehören hoffentlich nicht zu den Kunden, die mir pausenlos vorschreiben, wie ich meinen Job erledigen soll?"
Miles spürte die Berührung bis in die Zehenspitzen. Ein kurzer Blick auf ihre zarten, schmalen Finger mit den rotlackierten Nägeln trug nicht dazu bei, den Aufruhr in seinem Inneren zu beruhigen. "Ich finde, man sollte Profis nicht in ihre Arbeit reinreden", meinte er knapp. "Sie sind ein kluger Mann." Sie nickte beifällig und zog ihre Hand zurück. Es gelang Maddie nur mit Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Miles MacMillan war wirklich unbezahlbar! Er nahm das Leben und sich selbst so verdammt ernst! Und nicht nur das, er zuckte jedesmal zusammen, wenn sie ihn auch nur flüchtig berührte. Gütiger Himmel, er mußte sich mehr entspannen als jeder andere Mann, dem sie bis jetzt begegnet war! Und zwar bald! "Soll ich für Sie auch die Möbel aussuchen?" Ihre Frage zwang ihn, sie wieder anzuschauen. Sie ließ ihre langen Wimpern auf und nieder flattern und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Das Verlangen, das sofort in seinen Augen aufblitzte, zerstreute ihre letzten Zweifel. Er durfte ihr nicht wieder entwischen. Dazu war ihr der Sieg über ihn viel zu wichtig. "Die Möbel, Miles", erinnerte sie ihn, als er nichts darauf erwiderte. "Oh ... Ja, ich glaube schon." Plötzlich kam ihr der Verdacht, daß es ihm egal war. Ihn interessierte weder das Haus noch die Ausstattung oder das Mobiliar. Manche Männer waren so. Sie wollten nur ein Dach über dem Kopf und alles in bequemer Reichweite, was sie brauchten. Wie es letztendlich aussah, war ihnen völlig gleichgültig. "Normalerweise erkenne ich auf den ersten Blick, welche Einrichtung meinen Kunden gefallen könnte", begann sie vorsichtig. "Die Auswahl ihrer Garderobe verrät viel über ihren persönlichen Geschmack. Sie sind ziemlich konventionell und
förmlich gekleidet. Ich werde das bei meinen Entwürfen berücksichtigen." "Aber ich will kein konventionelles und förmliches Haus", protestierte er zu ihrer grenzenlosen Überraschung. "Oder gar konventionelle und förmliche Möbel. Nicht während ich in Australien bin. Ich will etwas anderes. Klare Linien und viel Glas - und vor allem nichts, was mich an England erinnert. Nichts Verspieltes oder Dunkles. Oder Überladenes. Ich will ein Haus, in dem ich leben kann. Ein Haus voller Licht und Luft. Ein Haus, in dem ich mich lebendig fühle." Die Begeisterung in seiner Stimme verschlug Maddie sekundenlang die Sprache. "Blau", fuhr er fort. Seine sonst so kühlen grauen Augen funkelten vor Eifer. "Ich mag Blau und Weiß. Beschaffen Sie mir einen blauen Teppich und weiße Möbel. Weiße Wände und Glastische. Und ein Bett, das groß genug ist, um darin zu versinken. Ansonsten können Sie aussuchen, was Ihnen gefällt." Amüsiert zog sie bei seiner letzten Bemerkung die Brauen hoch. "Vielen Dank, daß Sie mir nicht in meine Arbeit reingeredet haben." Sie lachte. Also war er trotz seiner steifen Haltung doch zu leidenschaftlichen Reaktionen fähig. Wie wunderbar! Nach kurzem Zögern fiel er in ihr Lachen ein, wenn auch ein wenig zaghaft. "Verzeihen Sie", bat er, "Ich wollte mich nicht so mitreißen lassen. Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist. Kaum hatte ich den Mund geöffnet, sprudelte alles nur so aus mir heraus." "Ihr Unterbewußtsein hat sich zu Wort gemeldet, Miles. Die geheimsten und ehrlichsten Wünsche der Menschen liegen in ihrem Unterbewußtsein begraben. Vielleicht sollten Sie häufiger darauf hören. Ihre Ausführungen haben mich inspiriert. Ich sehe alles schon vor meinem geistigen Auge. Es wird phantastisch! Kommen Sie, wir fahren zurück in mein Büro. Dort können Sie
dann sowohl Ihren Anwalt anrufen als auch die Verabredung zum Dinner absagen. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Versonnen betrachtete Miles ihr strahlendes Gesicht. Sie hatte recht. Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Keine Sekunde. Sie gingen durch das spätere Schlafzimmer zu der Wendeltreppe, die die beiden Stockwerke miteinander verband. "Anschließend können Sie mich beim Einkaufen begleiten", erklärte Maddie mit einem geradezu ansteckenden Enthusiasmus. Sie stieg als erste die Stufen hinunter, Miles folgte ihr. "Ich muß noch ein paar Sachen für das Dinner heute abend besorgen. Vielleicht lasse ich Sie sogar den Wein aussuchen. Mögen Sie Wein, Miles?" fragte sie, als sie unten angekommen war. "Das hängt vom Wein ab." Sie hängte sich bei ihm ein. Diesmal sträubte er sich nicht dagegen - weder körperlich noch seelisch. Sein Körper und seine Seele brannten vor Verlangen nach ihr, aber neben der Lust war inzwischen auch echte Sympathie erwacht. Es war einfach unmöglich, ein so lebhaftes und erfrischend ungekünsteltes Geschöpf nicht zu mögen. "Die australischen Weine werden Ihnen schmecken", versicherte sie. "Sie sind wirklich köstlich. Allerdings müssen Sie mit den Chardonnays vorsichtig sein, sie steigen einem mächtig zu Kopf. Andererseits würden Ihnen vielleicht ein oder zwei Flaschen davon ganz guttun. Sie wirken ein bißchen angespannt, Miles. Hat das Leben Sie in letzter Zeit nicht gut behandelt?" "Ich habe schon bessere Jahre erlebt", räumte er wahrheitsgemäß ein. "Aber das Jahr hat doch kaum begonnen! Ich finde, es war bislang himmlisch. Ich bin einen abscheulichen Mann losgeworden, und Carolyn hat ein bezauberndes Baby zur Welt gebracht. Und nun wollen Sie Adrians Sorgenkind kaufen, und ich werde es in ein Shangrila verwandeln."
"Shangrila?" "Ja, ich liebe fernöstliche Mythen, und das Dekor, das Sie beschrieben haben, paßt genau in dieses Bild. In Ihrem Unterbewußtsein hegen Sie den Wunsch, sich ein eigenes persönliches Paradies zu schaffen." "Da könnten Sie recht haben." "Dann willkommen im Paradies, Miles." Sie liebte den Klang seines Lachens. Er entspannte sich bereits. Ihre Augen leuchteten vor Zufriedenheit, als sie ihn ansah. Ich werde dich in den nächsten sechs Monaten sehr glücklich machen, Miles MacMillan, dachte sie. Und im Gegenzug wirst du mich zur Mutter machen!
4. KAPITEL Miles konnte selbst nicht glauben, wie wohl er sich fühlte. Wer hätte gedacht, daß er es tatsächlich genießen würde, in einem Supermarkt einzukaufen? Das lag natürlich an der Gesellschaft und nicht an dem Ort oder an dem, was er tat. Maddie war eine höchst unterhaltsame Person. Sie war intelligent und witzig und amüsierte ihn pausenlos mit abwegigen Kommentaren, die in seinem gesellschaftlichen Kreis zu Hause ein permanentes Stirnrunzeln zur Folge gehabt hätten. Vor ihren radikalen feministischen Ansichten war nichts und niemand sicher - besonders die Männer. Wenn man zwischen den Zeilen las, wurde überdeutlich, daß sie eine äußerst geringe Meinung vom männlichen Geschlecht hatte. Sie hatte ihren Spleen an diesem Nachmittag bereits gegenüber drei Vertretern dieser niederen Rasse zum Ausdruck gebracht. Ihr erstes Opfer war ein Autofahrer, der die Dreistigkeit - und, wie Miles fand, die Dummheit - besessen hatte, sie auf der Straße zu überholen. Dann war ein langhaariger Lümmel auf einem Skateboard an der Reihe gewesen, der im Park eine abfällige Bemerkung gemacht hatte, als sie an ihm vorbeigegangen war. Und schließlich hatte sich ihr Zorn über einem mürrischen alten Mann entladen, der ihr in
der Fleischabteilung seinen Ellbogen unsanft in die Seite gerammt hatte, um schneller bei den Sonderangeboten zu sein. "Sagen Sie, Miles", begann sie, als sie durch die Tiefkühlabteilung schlenderten. Miles schob den Einkaufswagen, während Maddie die Lebensmittel aussuchte. "Was halten Sie von meiner Garderobe?" Sofort war er auf der Hut. Er konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Keine Frau wollte die Wahrheit hören, wenn es um ihre Kleidung ging. "Phantastisch", erwiderte er. "Schwarz steht Ihnen." "Finden Sie nicht, daß ich billig aussehe?" Billig? Es hatte ihn Tausende von Pfund gekostet, hierherzufliegen, um das Privileg zu genießen, ihr die verdammten Sachen auszuziehen. Was, um alles in der Welt, war daran billig? "Natürlich nicht", versicherte er rasch. "Das ist doch lächerlich." Sie warf ihm einen mißtrauischen Seitenblick zu. "Was ist mit dem Kleid, das ich im letzten Jahr anhatte? Wie hat Ihnen dieses Outfit gefallen?" "Tut mir leid, Maddie", log er diplomatisch. "Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, außer daß es schwarz war. Es war bestimmt sehr vorteilhaft. Ich weiß nur noch, daß ich Sie wunderschön fand." Sie lachte. "Sie sind ein taktvoller Lügner, Miles. Wir beide wissen doch, daß ich überhaupt nicht schön bin. Also ... falls Sie sich mit mir verabreden würden - rein hypothetisch, versteht sich -, würden Sie dann von mir verlangen, daß ich mich umziehe, bevor wir das Haus verlassen?" "Niemals!" Ich würde höchstens von dir verlangen, daß du die Sachen für eine Weile ausziehst, bevor ich mit dir ausgehe, fügte er im stillen hinzu. Aber die Kleidung zu wechseln? Gütiger Himmel, nein! Miles mochte ihren sexy Stil und ihre unübersehbare Abneigung gegen Unterwäsche. Ihr
provozierendes Äußeres in Verbindung mit ihrer provozierenden Persönlichkeit war ja gerade das, was ihm so gut an ihr gefiel. "Welcher Idiot würde so etwas tun?" fragte er aufrichtig empört. "Ein Idiot namens Spencer." Aus dem Bericht des Privatdetektivs wußte Miles, daß dieser Spencer Maddies letzter Liebhaber gewesen war, dem sie vor knapp einem Monat den Laufpaß gegeben hatte. Anscheinend hatte der Narr versucht, sie in eine Lady zu verwandeln. Womöglich hatte er sich in sie verliebt und sie heiraten wollen. Dann war er wirklich ein Idiot. Frauen wie Maddie heiratete man nicht, sondern machte sie zur Geliebten. Miles schwor sich, nicht in dieselben Fehler zu verfallen wie der unglückliche Spencer. Er hatte nicht die Absicht, sich in diese Frau zu verlieben. Und er würde nicht versuchen, sie zu einer Lady zu formen. Gütiger Himmel, nein! Zu Hause wartete eine Lady auf ihn, zu der es ihn überhaupt nicht hinzog. Von Maddie wollte er Spaß - und soviel Sex, wie er bekommen konnte. "Das klingt wirklich nach einem Idioten", bestätigte er trocken. "Sie sind ohne ihn besser dran." Sie warf ihm über ein Paket mit gefrorenen Maiskolben hinweg ein bezauberndes Lächeln zu. "Sie sind ein Mann von überragender Intelligenz. Ich sollte Sie jetzt zu mir nach Hause bringen und Ihnen Arbeiten geben, die Ihren Verstand mehr fordern als das Herumschieben eines Einkaufswagens." Er lachte. "Ich warne Sie. In der Küche bin ich ein hoffnungsloser Fall." "Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie auf irgendeinem Gebiet hoffnungslos sind, Miles." Maddie schnurrte beinahe, als sie ihm einen koketten Seitenblick unter den langen schwarzen Wimpern hervor zuwarf. Das Blut strömte schneller und heißer als je zuvor durch seine Adern. Die Hitze, die sie mit bloßem Blickkontakt in ihm
entfachte, war unglaublich. Sein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. "Ich bin hier fertig", verkündete sie doppeldeutig. "Jetzt müssen wir nur noch in die Getränkeabteilung, dann können wir gehen." Zehn Minuten später folgte Miles in seinem komfortablen Audi ihrem schwarzen Wagen vom Parkplatz. Sie hatte ihm versprochen, nicht zu schnell zu fahren, da er sich auf den Straßen nicht auskannte. Nur einmal, als er an einer roten Ampel warten mußte, entwischte sie ihm, hielt jedoch gleich hinter der Kreuzung an, um auf ihn zu warten. Dank ihres relativ gemäßigten Tempos hatte Miles Gelegenheit, die Umgebung zu betrachten. Der Strand zu seiner Rechten war atemberaubend - lang, weiß und sauber. Er freute sich schon darauf, dort die Wochenenden zu verbringen. Da er ein ausdauernder Schwimmer war, würden ihm die hohen australischen Wellen keine Probleme bereiten. Die Brandung wirkte nicht sonderlich bedrohlich, obwohl das aus der Entfernung natürlich täuschen konnte. Wenn man erst im Wasser war, mußte man stets auf Überraschungen gefaßt sein. Erstaunlicherweise verabscheute Maddie Sonne und Sand, wie sie ihm erzählt hatte. Ihre weiße Haut wurde nicht braun, und so verbrauchte sie im Sommer Unmengen von Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor fünfzehn. Ungeachtet dessen lebte sie direkt am Strand, in einem Ort namens Thirroul, irgendwo zwischen Wollongong und Stanwell Park. Sie mußten also schon zweimal an diesem Tag daran vorbeigefahren sein, ohne daß sie ein Wort erwähnt oder Miles ein Hinweisschild entdeckt hatte. Allmählich fragte er sich, in was für einem Haus eine Innenarchitektin wohnen mochte, die für Adrian Slater arbeitete ... Kurz darauf bog Maddie rechts in eine schmale Seitenstraße ein, die direkt zum Strand führte. Eine scharfe Linkskurve
brachte sie jedoch in eine weitere enge Straße, die von kleinen und ziemlich alten Cottages gesäumt war. Verwundert beobachtete Miles, wie Maddie die Auffahrt vor dem dritten Anwesen hinauf steuerte und vor einem weißgestrichenen Holzhaus anhielt. Es lag eingebettet in gepflegte Rasenflächen und blühende Sträucher und war von einem weißen Lattenzaun umgeben. Er parkte den Wagen am Straßenrand und bemühte sich, Maddies schlichtes, aber hübsches Heim nicht mit dem efeuüberwucherten Mausoleum zu vergleichen, in dem Annabel lebte. Oder mit seinem eigenen dreistöckigen Stadthaus in London, das in etwa so warm und einladend war wie eine UBahn-Station. Und wieder wußte er, was ihm lieber war. Der Eindruck von kuscheliger Behaglichkeit verflog jedoch sofort, als Miles durch die Eingangstür trat. Du meine Güte, dachte er, während er Maddie in das geräumige Wohnzimmer folgte, das die gesamte linke Hälfte des rechteckigen Hauses einnahm. Und ausgerechnet der Besitzerin dieser "Pracht" hatte er die Ausstattung seines eigenen Heims anvertraut! Die Farben Rot und Schwarz dominierten, nur gelegentlich blitzte hier und da etwas Weiß auf. Erleichtert registrierte er, daß wenigstens die Decke weiß gestrichen war, die Wände hingegen waren schwarz, genau wie der Schieferboden. Am gegenüberliegenden Ende des Raums führte ein breiter Durchgang in den Eßbereich. Vier schwarze Lederstühle standen um einen viereckigen schwarzen Tisch, über dem eine rote, orientalisch anmutende Lampe hing. Das eigentliche Wohnzimmer wurde von einem rechteckigen roten Teppich, beherrscht, um den ein wuchtiges schwarzes Ledersofa und einige Sessel gruppiert waren. Ein niedriger schwarzer Kaffeetisch stand mitten auf dem Teppich, nur von
einer Messingfigur gekrönt, die einen Windhund darstellte. Es gab nicht einmal den sonst üblichen Aschenbecher. Miles war das egal, er rauchte nicht. Ein kleines schwarzes Fernsehgerät war unauffällig in einer Ecke plaziert, in der anderen war eine Bar mit schwarzem Holztresen aufgebaut. Dahinter hing ein Regal mit funkelnden Gläsern. Zwei hohe Leselampen aus Messing mit roten Fransenschirmen flankierten das Sofa. Kohlezeichnungen mit äußerst erotischen Aktmotiven schmückten die Wände, Alles in allem wirkte der Raum überaus dekadent und bohemehaft. Miles war zunächst schockiert - und dann hingerissen. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Er hätte sich denken können, daß Maddie nicht der Typ für weißgestrichene Lattenzäune war. "Umwerfend", lobte er. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Ich bin noch lange nicht mit der Einrichtung fertig. Sagen Sie, Miles, möchten Sie in Ihrem Haus auch so ein Zimmer haben?" "Nein. Aber das heißt nicht, daß es mir bei Ihnen nicht gefällt." Sie lachte. "Sie wollen doch nur höflich sein. Ich versichere Ihnen, daß ich die Häuser meiner Kunden nicht so dekoriere. Das ist nur für meine Augen bestimmt und für die meiner ... Gäste. Unlängst habe ich mich mit einem Mann verabredet, der behauptete, daß der Raum meine innere Wut versinnbildlicht. Haben Sie auch eine Theorie für meine Motive, ausgerechnet diese Farbkombination zu wählen, Miles?" fügte sie herausfordernd hinzu. "Ich glaube, daß Sie Schwarz und Rot mögen." Maddie schüttelte lachend den Kopf. Die großen silbernen Ohrringe tanzten unter den schwarzen Locken. "O je, für Sie gibt es wohl nur Schwarz oder Weiß." "Nun, ich könnte mir durchaus auch Grautöne vorstellen."
"Grau ist eine scheußliche Farbe. Außer wenn es um die Augen eines bestimmten Engländers geht und den perfekt sitzenden Anzug, den dieser Engländer trägt." Ihre Augen funkelten, als sie ihn betrachtete. Sie schien ihn erneut mit ihren Blicken auszuziehen. Hätte Miles nicht die Hände mit Plastiktüten aus dem Supermarkt voll gehabt, hätte er einmal mehr seine Krawatte zurechtgerückt. So jedoch mußte er sich hilflos damit abfinden, daß eine verräterische Röte seine Wangen überzog - und beinahe schmerzliches Verlangen von ihm Besitz ergriff. In den grauen Augen, die Maddie gerade gepriesen hatte, spiegelte sich purer Frust. "Wo soll ich das abstellen?" Er deutete auf die Einkaufsbeutel. "Hier entlang", erwiderte sie fröhlich und eilte voraus zur Küche, die durch weiße Saloontüren vom Flur abgeteilt wurde. Miles folgte ihr mit zusammengebissenen Zähnen. Das wirst du mir büßen, Süße, schwor er sich. Je früher, desto besser! Die kleine Küche war funktional eingerichtet. Im Gegensatz zum Wohnzimmer waren die Möbel hier schwarz und weiß und nicht schwarz und rot. Schwarze Arbeitsflächen, ein schwarzweiß gefliester Boden, weiße Regale und Kochutensilien. "Legen Sie die Tüten auf den Tisch, Miles. Danke, Sie sind ein Schatz. Und was halten Sie von meiner Küche?" Es war ihm einfach unmöglich, ihr weiter zu grollen. "Es ist eine Küche, mit der ich in meinem Haus leben könnte", räumte er widerstrebend ein. "Allerdings wäre mir Marineblau lieber als Schwarz." "Einverstanden." Lächelnd begann sie, die Lebensmittel auszupacken. "Gehen Sie ruhig in mein Atelier, und genießen Sie den Ausblick" schlug sie vor. "Es ist hinter der Tür dort. Eigentlich ist es nur eine verglaste Veranda, aber das Licht ist gut."
Das Licht war in der Tat ausgezeichnet und die Aussicht auf den Ozean atemberaubend. Gleich hinter dem Gartenzaun erstreckte sich der Strand, die Wellen brachen sich kaum zwanzig Meter vom Haus entfernt. Miles wandte sich vom Fenster ab und sah sich um. Hier wirkten die schwarzen Wände und der schwarze Boden nicht ganz so erdrückend, weil die hohen Glasscheiben den düsteren Eindruck milderten. An einer Stirnseite stand ein bettartiger Diwan mit einem roten Samtüberwurf und weißen Kissen, gegenüber war eine Staffelei aufgebaut. Auf einem Tisch daneben lagen Malutensillen. Die Leinwand auf der Staffelei war mit einem Tuch abgedeckt. Miles fragte sich, ob es wohl einen unfertigen Beitrag für den Whitbread-Wettbewerb zeigte. Vielleicht ein Bild von Spencer? Am liebsten hätte er es betrachtet, wagte jedoch nicht, so neugierig zu sein. Statt dessen blickte er wieder hinaus auf die See, die nicht mehr so einladend und friedlich aussah wie vorhin. Der Wind hatte aufgefrischt und türmte nun hohe Wellen auf, die donnernd an den Strand schlugen. "Haben Sie je das Meer gemalt?" fragte er, als er in die Küche zurückkehrte. "Ich habe es ein paarmal versucht, aber irgendwie ist es mir nie gelungen. Nein, ich bleibe besser bei dem, was ich kann und was ich mühelos verkaufen kann." "Aktbilder?" "Richtig. Dabei fällt mir ein, daß Sie mir noch nicht geantwortet haben. Werden Sie für mich Modell sitzen?" "Ich denke noch darüber nach." "In Ordnung, lassen Sie sich Zeit. Ich werde Sie nachher noch einmal fragen, bevor Sie aufbrechen. So, jetzt muß ich mich aber an die Arbeit machen. Adrian hat eine Schwäche für meinen Käsekuchen, und die Vorbereitungen dafür dauern ewig. Warum sehen Sie nicht ein bißchen fern oder so?" "Kann ich Ihnen nicht helfen?"
"Sagten Sie nicht, Sie wären in der Küche ein hoffnungsloser Fall?" neckte sie ihn. "Sagten Sie nicht, Sie könnten sich nicht vorstellen, daß ich auf irgendeinem Gebiet hoffnungslos sei?" "In Zukunft muß ich wohl besser aufpassen, was ich sage. Na schön, legen Sie Jackett und Krawatte ab, und rollen Sie die Ärmel hoch. Ich werde Ihnen erklären, was Sie tun sollen." "Fertig", verkündete Miles fünfzehn Minuten später zufrieden. So absurd es klingen mochte, er war tatsächlich stolz darauf, daß er das Gemüse geputzt hatte. Diese Arbeit erschien ihm sinnvoller als das Jonglieren mit Bilanzen oder Steuertricks. Was bedeuteten schon Wechselkurse - außer ein paar Zahlen auf dem Computerbildschirm? Wieviel nützlicher war es da, einen Topf mit eigenhändig geschälten Kartoffeln vor sich zu haben, um daraus etwas Köstliches zu kochen? "Was soll ich jetzt tun?" fragte er eifrig. Maddie warf ihm einen dieser Blicke zu, die das Blut schneller durch seine Adern strömen ließen. "Ich würde Sie ja bitten, sie zu schneiden, wenn ich jemals einen Mann getroffen hätte, der das auch nur annähernd richtig machen könnte", erwiderte sie herausfordernd. "Sie schneiden sie immer zu lang und zu dick. Ich glaube, das ist ein Phalluskomplex." "Meinen Sie nicht, daß es sich eher um einen Minderwertigkeitskomplex handeln könnte?" konterte er wehmütig. Er hatte momentan in dieser Hinsicht nicht die geringsten Komplexe. Allmählich begann er, sich an den Zustand permanenter Erregung zu gewöhnen. Vermutlich würde er es bald für völlig normal halten. Nichtsdestotrotz empfand er es als äußerst wohltuend, sich an die kalte Edelstahlspüle lehnen zu können.
"Mag sein", räumte sie ein und schob den Käsekuchen in den Ofen. "Auf Sie dürfte das allerdings nicht zutreffen. Ich bezweifle, daß Sie an Minderwertigkeitskomplexen leiden." "Jeder hat Komplexe, Maddie. Manche verbergen es nur besser als andere." Sie legte den Kopf auf die Seite. "Und welche verbergen Sie, Miles?" "Das sage ich Ihnen, wenn Sie mir Ihre verraten." Sie lachte. O ja, sie mochte diesen Mann mit jeder Minute mehr. Er war nicht halb so arrogant, wie sie zunächst geglaubt hatte, und er besaß sogar Charme - wenn er wollte. Und einen wundervoll trockenen Humor. Sie fühlte sich in seiner Nähe viel wohler als in Spencers. Im Lauf des Nachmittags war eine prickelnde Vorfreude in ihr erwacht - so etwas hatte sie bei keinem anderen Mann empfunden. Miles war ohne Frage etwas Besonderes. Ein besonderer Mann, den sie für eine besondere Aufgabe ausgewählt hatte ... Er sollte der Vater ihres Babys werden. Inzwischen hatte sie sich genau überlegt, wie sie ihn dazu bringen würde, diese besondere Aufgabe zu erfüllen, ohne daß er Verdacht schöpfte oder sie ein Risiko eingingen. Falls und wenn er ihr Liebhaber wurde - das war noch immer nicht sicher -, würde sie ihm ein paar Monate lang erlauben, für die Verhütung zu sorgen, bevor sie ihm vorschlagen wollte, sich einigen medizinischen Tests zu unterziehen. Anschließend würde sie behaupten, die Pille zu nehmen. Maddie bezweifelte, daß er etwas dagegen haben würde. Ihr war noch nie ein Mann begegnet, der nicht allzu bereitwillig die Verantwortung abgegeben hätte. Die Vorstellung, mit Miles zu schlafen, war mit einer sonderbaren Ungeduld verbunden. Normalerweise war es Maddie gleichgültig, wie lange es dauerte, einen Mann in ihr Bett zu locken. Eigentlich genoß sie es sogar, den Moment der Verführung hinauszuzögern.
Auf einmal jedoch erschien ihr der Gedanke, daß Miles sie heute abend verlassen würde, um in einem Motel zu übernachten, unerträglich. Sie wollte ihn bei sich haben, in ihrem Bett. Sie wollte, daß er sie mehr begehrte als jede andere Frau zuvor. Sie glaubte nicht, daß er sie diesmal zurückweisen würde. Wenn er sie auf Distanz halten wollte, wäre er bestimmt nicht zu ihr gekommen, sondern wäre längst wieder auf dem Weg nach Sydney. Andererseits war Miles nicht leicht zu durchschauen. Maddie war sich seiner Kapitulation längst nicht so sicher wie bei Spencer. Als sie Miles verstohlen musterte, klopfte ihr Herz unwillkürlich schneller. Adrian würde bald hiersein. Wenn sie ihr Ziel erreichen wollte, mußte sie sich beeilen. "Sie brauchen heute abend nicht in ein Motel zu gehen, Miles", sagte sie gelassener, als ihr in Wirklichkeit zumute war. "Sie können gern bei mir übernachten." Grenzenlose Erleichterung erfaßte Miles. Er hatte schon befürchtet, sie würde sich nur über ihn lustig machen. "Ich möchte Ihnen keine Umstände machen", behauptete er scheinbar zögernd. Jetzt, da Land in Sicht war, wollte er sich die Kontrolle nicht mehr aus der Hand nehmen lassen. Weder jetzt noch später im Bett - sofern er sich noch so lange beherrschen konnte. "Das ist kein Problem." Sie wandte den Blick von ihm ab und konzentrierte sich darauf, Fleisch in Scheiben zu schneiden. "Das Gästebett ist immer bezogen." Miles unterdrückte ein Lächeln. Wem wollte sie etwas vormachen? Und warum? Natürlich würde er auf ihr Spielchen eingehen, solange er letzten Endes das bekam, was er wollte. "Wenn das so ist, nehme ich die Einladung gern an", erwiderte er. "Wann erwarten Sie Slater?" Maddie hob den Kopf. "Bitte nennen Sie ihn nicht so. Sagen Sie Adrian zu ihm."
"In Ordnung. Wann erwarten Sie also Adrian?" "Keine Ahnung. Irgendwann gegen sieben. Er weiß, daß ich das Dinner immer um halb acht fertig habe, und vorher trinkt er gern noch ein Bier. Warum?" "Ich wollte nur herausfinden, ob ich noch Zeit habe, vorher zu duschen", erklärte Miles. Eine lange, kalte Dusche, fügte er im stillen hinzu und schaute auf seine Rolex. "Es ist erst kurz nach sechs. Ich habe eine Reisetasche im Auto mit ein paar Sachen zum Wechseln. Offen gestanden ist mir ziemlich warm." Das war die Untertreibung des Jahres! "Na, dann holen Sie sie", schlug sie vor. "Ich werde auch duschen und mich umziehen, sobald ich hier fertig bin." Er wandte sich zum Gehen, doch der Anblick ihres festen kleinen Pos hielt ihn zurück. Von der schwarzen Lederhose eng umspannt, wippte ihr bezauberndes Hinterteil verführerisch auf und nieder, während sie das Fleisch hackte ... Verwundert sah sie auf. "Ja?" Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Jene Lippen, die ihn den ganzen Tag schon an den Rand des Wahnsinns getrieben hatten. Einem plötzlichen Impuls folgend, küßte er sie. Er folgte einfach seinen Gefühlen, umfaßte ihr Kinn und bedeckte ihren Mund mit seinem. Miles spürte, wie Maddie sich anspannte, als er ihr Gesicht umschloß, aber sie wehrte sich nicht. War sie es, die aufstöhnte, oder kam dieser heisere Laut aus seiner Kehle? Oder waren sie es beide gewesen? Er war sich nicht sicher. Er wußte nur, daß ihre Lippen so unendlich weich und süß waren. Sie schienen mit seinen verschmelzen zu wollen und gaben unter seinen Liebkosungen bereitwillig nach. Miles ließ sich Zeit, die Geheimnisse ihres Mundes zu erkunden, und strich spielerisch mit der Zungenspitze über die samtige Haut. "Nein ..." wisperte Maddie irgendwann atemlos.
Fragend hob er den Kopf. Ihre Augen glänzten wie im Fieber, trotzdem schien sie von seinen Küssen überrumpelt zu sein und nicht zu wissen, wie sie sie verstehen sollte. "Nein?" wiederholte er rauh. "Das meinst du nicht ernst." "Nein." Er betrachtete ihr zweites Nein als Zustimmung und griff nach dem Knopf, der ihre Weste zusammenhielt. Maddie seufzte auf, als er ihr das Leder von den Schultern schob. Es glitt über ihre Arme und fiel zu Boden. Ihre Brüste waren so schön, wie er vermutet hatte. Klein, aber perfekt geformt, milchweiß mit dunklen, festen Knospen. Die rosigen Spitzen richteten sich steil auf und schienen sich nach seinen Lippen zu sehnen, doch das konnte warten. Im Moment wollte er sich damit begnügen, sie zu berühren und Maddies Reaktion zu beobachten. Er streckte die Hand aus und streichelte sie sanft und aufreizend langsam. Ihr Atem ging heftig, ihre Augen wurden groß. Sie wirkte beinahe schockiert über das, was er tat, und gleichzeitig unfähig, ihn aufzuhalten. "Miles ..." Sie stöhnte leise. "O Miles ..." Noch nie hatte jemand seinen Namen so sinnlich und voller Verlangen ausgesprochen. Ihre Stimme brachte ihn fast um den Verstand. Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die sich so schnell erregen ließ. Allmählich begriff er, was den armen Spencer bezaubert hatte. Frauen wie Maddie waren selten. Sinnlichkeit war ihr angeboren. Das, was er sich in England erhofft hatte, war endlich wahr geworden. Er war kurz davor, Maddies Liebhaber zu werden, und diese Erfahrung würde sich mit nichts vergleichen lassen, was er je mit einer anderen Frau erlebt hatte ... Das Läuten des Telefons brachte sie beide jäh in die Wirklichkeit zurück. "Laß es klingeln", flüsterte Miles. Er wollte sich jetzt nicht stören lassen. "Dusch mit mir", fügte er drängend hinzu.
Plötzlich verstummte der Apparat, und der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Maddies Stimme durchbrach die Stille und bat den Anrufer, eine kurze Nachricht nach dem Piepton zu hinterlassen. Gleich darauf ertönte das Signal. Eine junge Frau meldete sich. "Maddie, hier ist Carolyn. Ich weiß, du bist mit Kochen beschäftigt, du brauchst also nicht abzuheben. Ich möchte mich nur bei dir bedanken, daß du Adrian zu einer vernünftigen Mahlzeit verhilfst. Er ist gerade losgefahren und wird bald bei dir sein. Er brennt vor Neugier, was mit dem Haus in Stanwell Park wird. Ich in sicher, du hast gute Neuigkeiten für ihn. Leider bin ich genauso sicher, daß du dich dem attraktiven Mr. MacMillan gegenüber nicht gut benommen hast. Ruf mich morgen früh an, und erzähl mir die schmutzigen Details."
5. KAPITEL Der Anrufbeantworter schaltete sich wieder ab. Die Stille im Haus wurde lastend. Maddie begriff nicht, was mit ihr geschehen war. Ihre Gefühle und Reaktionen waren ganz anders gewesen als bei anderen Männern. Bislang war sie beim Sex zwar aktiv, aber nichtsdestotrotz unberührt geblieben. Sie hatte Leidenschaft herausgefordert, selbst daran jedoch kaum teilgehabt. Daß Miles sie so mühelos erregen konnte, war sowohl erstaunlich als auch beunruhigend. Eigentlich wollte sie auch nichts für einen Mann empfinden. Andererseits konnte sie das, was Miles in ihr geweckt hatte, nicht ignorieren. Dazu war es viel zu ... aufregend. Nie zuvor hatte sie sich so lebendig gefühlt, nie zuvor waren ihre Sinne so wach gewesen. Verstohlen blickte sie zu Miles auf und erschrak. Er betrachtete sie mit unverhohlener Wut. "Adrians Frau wollte doch hoffentlich nicht andeuten, daß du bereit warst, mit mir zu schlafen, um den Vertrag zu ergattern?" fragte er kalt. "Wie bitte?" Es dauerte einen Moment, bis Maddie die volle Tragweite seiner Worte erfaßt hatte. Schlagartig erlosch jegliches Verlangen in ihr. Was, um alles in der Welt, dachte er von ihr?
Zu ihrem Ärger kam nun noch Verlegenheit. Gütiger Himmel, sie stand tatsächlich bis zur Taille nackt vor ihm! Normalerweise waren ihr derartige Hemmungen fremd. Das war nicht weiter verwunderlich, denn ihre Mutter hatte sie als Kind jeden Sommer in ein Nudistencamp mitgenommen; Der Gedanke, daß Miles deutlich sehen konnte, welche Wirkung seine Zärtlichkeiten auf sie ausübten, behagte Maddie allerdings gar nicht. Die rosigen Knospen ihrer Brüste hatten sich vor Verlangen steil aufgerichtet. Sie hob ihre Weste auf und zog sie an. "Nein, natürlich wollte sie das nicht, Miles", erwiderte sie scharf. "Carolyn hat lediglich auf meine masochistische Schwäche für Männer wie dich angespielt." Sein Zorn wurde von Verwunderung verdrängt. "Was meinst du damit? Wieso masochistisch?" Maddie atmete tief durch. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen, sonst war alles verloren. "Miles, Liebling", begann sie mit sinnlich-rauher Stimme. Zu ihrer grenzenlosen Verwunderung bemerkte sie, daß sie sich überhaupt nicht verstellen mußte, um dieses erotische Timbre zu erreichen. "Ich habe mich immer zu eleganten, attraktiven, erfolgreichen Männer hingezogen gefühlt, die über Klasse und Stil verfügen. Warum sonst, glaubst du, habe ich mich wohl auf Carolyns Verlobungsparty im letzten Jahr an dich herangemacht? Damals gab es noch gar keinen Vertrag, oder?" Er schwieg. "Und was das Masochistische angeht ..." fuhr sie fort. "Das hängt damit zusammen, daß ich so wenig mit diesen Männern gemein habe. Die Voraussetzungen für eine Bis-daß-der-Tod euch-scheidet-Beziehung fehlen einfach. Deshalb lebe ich wahrscheinlich noch immer allein." "Willst du damit sagen, daß du heiraten würdest, wenn du den richtigen Mann treffen würdest? Einen, zu dem du dich hingezogen fühlst und mit dem du etwas gemeinsam hast?"
Maddie lachte. "Du verdrehst meine Worte, Miles-Darling. Adrian kann dir bestätigen, daß ich nicht der Typ zum Heiraten bin." "Und welcher Typ bist du dann?" "Ich glaube, die Antwort kennst du bereits. Und nun hol deine Tasche, ich zeige dir, wo das Badezimmer ist. Adrian wird gleich hier sein, und ich möchte mich vorher noch ein bißchen frisch machen." "Küß mich zuerst", verlangte er. Panik ergriff sie. Sie hatte doch gerade erst ihre Selbstbeherrschung wiedergewonnen! "Ich halte das für keine ..." Sie schrie leise auf, als er sie leidenschaftlich an sich zog und ihren Mund mit seinem verschloß. Dem drängenden Ansturm seiner Zunge konnte sie nicht lange widerstehen. Was soll's, dachte sie resigniert. Warum sollte sie es nicht genießen? Seufzend schmiegte sie sich an ihn und legte die Arme um seinen Hals. Als Miles sich nach einer kleinen Ewigkeit von ihr löste, atmeten sie beide schwer. "Du mußt Slater so schnell wie möglich loswerden", befahl er. "Und jetzt zeig mir, wo das verdammte Badezimmer ist, ehe ich auf die bevorstehende Ankunft deines Partners pfeife und jegliches Schamgefühl vergesse." Erleichtert wies Maddie ihm den Weg. Und noch erleichterter war sie, in ihr Schlafzimmer fliehen zu können, während Miles zum Auto ging. Sie war nämlich nur zu bereit gewesen, bei ihm jegliches Schamgefühl zu vergessen. Diese neue Erfahrung machte ihr fast ein wenig angst. Sie brauchte Zeit, um sich mit ihrem neuentdeckten Ich zu arrangieren. Miles hatte sie mit seinen Küssen in ein unvorstellbar sinnliches Geschöpf verwandelt, das keine Kontrolle mehr über seinen Körper hatte. Nein, so hatte sie es
sich nicht vorgestellt! Der Mann sollte die Kontrolle verlieren, nicht sie. Offenbar war mit Miles alles anders. Trotz ihrer Bedenken mußte Maddie sich eingestehen, daß das Spiel mit dem Feuer überaus verlockend war. Wie wundervoll hatte sie sich in seinen Armen gefühlt, als er sie geküßt hatte! Wie unglaublich weiblich! Sie wollte einfach nicht auf die Wonnen verzichten, die Miles ihr schenkte. Er durfte nur nie erfahren, wie neu und ungewohnt das alles für sie war. Zweifellos hielt er sie für eine leichtfertige Person, die auf eine stattliche Reihe von Liebhabern zurückblicken konnte. Sie benahm sich also genauso, wie er es von ihr erwartete. Maddie malte sich aus, wie es wohl sein würde, mit Miles zu schlafen. Sie konnte natürlich nur Vermutungen anstellen, aber allein diese Vermutungen jagten wohlige Schauer durch ihren Körper. Aufstöhnend zog sie sich aus und ging unter die Dusche, bevor ihr Blut vollends in Wallung geriet. Sie drehte den Kaltwasserhahn voll auf. Als Maddie zehn Minuten später Adrian die Tür öffnete, klang sie so unbeschwert und munter wie immer. "Hallo, Darling." Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange. "Wie geht es dem perfekten Vater einer perfekten Familie?" "Ich sterbe vor Neugier, was du mir zu berichten hast. Wenn du mir jetzt erzählst, daß diesem arroganten Idioten mein Haus nicht gefällt, platze ich!" "Hast du so wenig Vertrauen zu mir?" Sie ging voran in die Küche. "Natürlich gefällt es ihm. Und natürlich will er es kaufen. Tatsache ist, daß er von meinem Büro aus seinen Anwalt angerufen hat, der alle Formalitäten erledigt. Spätestens in zwei Tagen, also am Freitag, hast du sämtliche Unterlagen. Wie findest du das?"
"Ich finde dich phantastisch!" Adrian umarmte sie. "Das muß mit einem Bier gefeiert werden. Ich bediene mich selbst, damit du dich ums Essen kümmern kannst. Mir kommt es so vor, als hätte ich seit einer Ewigkeit keine vernünftige Mahlzeit zu mir genommen." Er öffnete den Kühlschrank und hielt verwundert inne. Stirnrunzelnd lauschte er. "Hast du das Wasser im Bad nicht abgedreht?" Maddie schluckte nervös, beschloß dann jedoch, nicht feige zu sein. Adrian war schließlich ihr Freund und hatte noch nie ihren Lebensstil verurteilt. "Miles duscht gerade." "Miles?" wiederholte Adrian verblüfft. "O Maddie ..." Er schüttelte den Kopf. "Was soll ich nur mit dir machen?" Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. "Absolut gar nichts. Miles wird das später am Abend erledigen - hoffe ich jedenfalls", fügte sie hinzu. Adrian grinste. "Ich dachte, du wärst an ihm nicht interessiert." "Oh, ich war immer an ihm interessiert, aber ich hatte stets geglaubt, er würde mich nicht mögen." "Und du hast dich geirrt." "Anscheinend. Er bleibt über Nacht." "Hm ... Du hast diese lächerliche Idee, ein Baby zu bekommen, doch wohl aufgegeben, oder?" "Das ist keine lächerliche Idee", protestierte sie. "Ich werde eine absolut göttliche Mutter sein." "Ja, aber Miles MacMillan dürfte keinen absolut göttlichen Vater abgeben." "Er wird nichts davon erfahren, Adrian. Ich will weder seine Unterstützung noch sein Geld, sondern lediglich seine fabelhaften Gene." "Mir ist dieser Mann im Grunde egal, Maddie. Ich halte ihn für einen unverbesserlichen Snob. Aber ich kann nicht billigen, daß du ihn in eine Falle lockst. So ein Verhalten paßt überhaupt nicht zu dir. Du bist zwar niemandem Rechenschaft schuldig,
doch wenn es um Sex und Männer ging, warst du immer offen und ehrlich." "So?" Das Thema wurde allmählich unangenehm." "Vielleicht kennst du mich doch nicht so gut, wie du dachtest." Adrian sah sie eindringlich an, bevor er die Bierdose öffnete. "Mag sein." "Außerdem geht es dich nichts an. Ich schlafe, mit wem ich will. Schließlich habe ich dir auch nie vorgeschrieben, wie du dein Privatleben gestalten sollst." "Unsinn! Du gibst mir pausenlos ungebetene Ratschläge." "Auf die du niemals hörst. Halt dich da raus, Adrian!" "Okay, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." " Solange du ihn nicht warnst..." konterte sie. "Keine Sorge." "Das ist auch besser so." "Carolyn hat recht. Du hast eine grausame Ader, was Männer betrifft." "Nur manche Männer, Darling. Und jetzt trink dein Bier, und hör auf, mich nervös zu machen." Adrian lachte. "Du kennst nicht mal die Bedeutung dieses Wortes." "Früher vielleicht nicht", meinte sie und beugte sich über den Käsekuchen. "Aber ich lerne es gerade." ",Masochistisch' ist ein sehr treffender Ausdruck", sagte sich Miles, als er unter der Dusche stand und das eiskalte Wasser auf ihn niederprasselte. Nach fünf Minuten dieser Selbstbestrafung hätte man meinen sollen, daß jegliches Verlangen abgekühlt sein müßte. Leider war dem nicht so. Wie es schien, würde seine Lust erst gestillt sein, wenn er mit dieser schwarzhaarigen Hexe wenigstens eine Woche das Bett geteilt hatte. Sie verkörperte wirklich alles, was er sich je erträumt hatte und noch mehr. Eine hinreißende Kombination aus sonderbar
unschuldiger Verletzlichkeit und faszinierender Offenheit. Eine Verführerin, die sich so benahm, als wäre sie die Verführte. Diese erregende Mischung hatte ihn den ganzen Nachmittag über gepeinigt. Der vor ihm liegende Abend würde die reine Hölle werden. Miles hatte nicht die geringste Ahnung, wie er ihn überstehen sollte. Mit Klasse und Stil, dachte er selbstironisch. Hatte Maddie nicht gesagt, daß sie diese Eigenschaften besonders reizten? Verdammt, wenn sie wüßte! Allmählich erwachte in ihm der Verdacht, daß sein würdevolles Auftreten und seine Selbstbeherrschung nur Fassade waren. Er war ein Heuchler. Irgendwo in diesem unerschütterlichen britischen Gentleman steckte ein anderer, der heraus wollte. Ein wilder, zügelloser Mann. Plötzlich sehnte er sich danach, die Fesseln der Gesellschaft abzustreifen und den verstaubten, versnobten Konventionen den Rücken zu kehren, die einen dazu zwangen, Dinge zu tun, die man gar nicht tun wollte, und auf das zu verzichten, was man sich wirklich wünschte. Ohne Maddie und ihr unkonventionelles Benehmen wäre er an diesem Tag gar nicht in Australien und würde sich nicht lebendiger - und frustrierter - fühlen als je zuvor. Am liebsten wäre er ein bißchen mehr wie sie gewesen, denn seine Pflichten als Gentleman erschienen ihm mittlerweile wie eine schwere Last. Aber alte Angewohnheiten ließen sich ebenso schwer ablegen wie die strengen Regeln seiner Gesellschaftsschicht, die ihm seit seiner Geburt eingeimpft worden waren. Eine dieser Regel besagte, wie man sich kleiden mußte. Miles betrachtete sich kopfschüttelnd im Badezimmerspiegel. In seinen Kreisen zu Hause würde diese Kombination als ungezwungen, ja, fast leger gelten. Marineblaue Hose, ein blauweiß gestreiftes kurzärmeliges Hemd und cremefarbene Leinenschuhe. Er wußte, daß Slater in Shorts und einem
schlichten T-Shirt kommen würde, und er, Miles, würde völlig overdressed und fehl am Platze wirken. Und was Maddie betraf ... Zweifellos würde auch sie etwas ähnlich Bequemes tragen. Der Abend war warm und schwül. Der Sturm, der sich über der See zusammenbraute, war wahrscheinlich noch Stunden von der Küste entfernt. Miles fluchte leise vor sich hin. Er haßte es, im Nachteil zu sein, sowohl im Leben als auch bei Frauen. Zum Teufel, er war Miles Henry James MacMillan! Erbe eines Vermögens. Nachfahre von Lords. Porträts zahlreicher seiner Vorfahren hingen in den berühmtesten Häusern Englands. Wie konnte er je im Nachteil sein? Er preßte die Lippen zusammen, während er sein feuchtes Haar akkurat aus der Stirn kämmte. Sorgsam strich er es über den Schläfen glatt. Sein Haar war dicht und neigte dazu, sich leicht zu wellen, wenn er nicht aufpaßte. Was natürlich nie geschah. Als er acht Jahre alt gewesen war, hatte sein Vater eine abfällige Bemerkung über sein lockiges Haar gemacht. Er hatte behauptet, es würde mädchenhaft wirken. Erst viel später hatte Miles erkannt, daß sein zunehmend kahlköpfiger werdender Vater lediglich neidisch auf das volle, gesunde Haar seines Sohnes gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt waren seine, Miles', Frisiergewohnheiten allerdings bereits geprägt gewesen. Er hatte einen ordentlichen Seitenscheitel getragen und so viel Gel benutzt, daß selbst die widerspenstigsten Strähnen es nicht wagten, aus der Fasson zu geraten. Miles warf einen zufriedenen Blick in den Spiegel. So ist es besser, Miles, sagte er sich. Voller Stolz registrierte er, daß er mit dem Haar auch seinen Körper und seine Seele gebändigt hatte. Du hast die weite Reise nicht gemacht, um dein Leben auf den Kopf stellen zu lassen. Du bist hier, um es wieder in normale Bahnen zu lenken und dich von deiner Besessenheit für diese Frau zu kurieren. Anschließend kannst du in deine Heimat
und zu deiner Familie zurückkehren und dich deiner Zukunft widmen. Du lebst hier nur eine Phantasie aus - all die wilden Träume, die du jahrelang tief in dir vergraben hast, aus Furcht, so zu enden wie dein Vater. Oder wie dein Bruder. Bevor Miles das Bad verließ, sah er sich noch einmal um. Auch hier dominierten Rot und Schwarz. Das Gästezimmer, in dem er seine Sachen untergebracht hatte, war völlig in Schwarz und Weiß gehalten. Die unterschiedlichen geometrischen Muster ließen den Raum unruhig wirken. Einen Moment lang überlegte er, wie wohl Maddies Schlafzimmer dekoriert sein mochte, dann verdrängte er diesen Gedanken schnell wieder. An Maddie in Zusammenhang mit ihrem Schlafzimmer zu denken war seinem Seelenfrieden nicht zuträglich. Er hatte sich endlich wieder in der Gewalt und durfte nichts riskieren - nicht bis Slater gegangen war und sie endlich allein waren. Und dann ... dann durfte er an Betten und Schlafzimmer denken. Dann konnte er seiner Begierde nachgeben und seiner Lust freien Lauf lassen ...
6. KAPITEL Slater trug Shorts und Maddie einen schwarzen Minirock mit einer schwarzen Spitzenbluse, bei deren Anblick Miles fast einen Herzanfall erlitt. Zuerst dachte er, sie wäre völlig nackt darunter, aber dann erkannte er, daß das, was er für bloße Haut gehalten hatte, cremefarbener Stoff war. Der Rest an ihr war ebenfalls provozierend. Nackte Beine. Nackte Füße. Das Haar zu einem wilden Pferdeschwanz zusammengefaßt. Von ihren Ohren baumelten lange rote Kristalltropfen. Die funkelnden Steine waren genauso rot wie ihre Lippen. Eine dezente, aber nichtsdestotrotz betörende Parfümwolke umgab sie. Der Duft hätte selbst einen achtzigjährigen Mönch in Versuchung geführt. Slater saß auf einem der Küchenstühle, als Miles hereinkam. Er stand auf und schüttelte Miles die Hand. "Es freut mich, daß Ihnen das Haus gefällt. Wahrscheinlich wollen Sie so schnell wie möglich einziehen, zumal Sie nur sechs Monate im Land bleiben." "Das ist richtig." "Wir können die Arbeiten in drei Wochen beenden, sofern Sie keine Änderungen der Pläne wünschen."
"Ach ja ... Sie haben sie mir heute in Ihrem Büro gezeigt. Leider habe ich sie mir vorhin nicht richtig angeschaut." Wie auch, fügte Miles im stillen hinzu, meine Gedanken waren zu sehr mit der schwarzhaarigen Sirene am anderen Ende des Flurs beschäftigt. "Ich werde sie morgen noch einmal gründlich studieren, nur für den Fall, daß Ergänzungen nötig sind. Bei dieser Gelegenheit könnte ich gleich den Vertrag mit Ihnen und Maddie unterzeichnen." "Gute Idee." Slater klang äußerst zufrieden. "Kann ich wirklich in drei Wochen einziehen?" erkundigte Miles sich skeptisch. "Bestimmt braucht Maddie mehr Zeit für die Inneneinrichtung." Maddie blickte auf. Sie bemühte sich, nicht darauf zu achten, wie umwerfend männlich Miles in der etwas lässigeren Kleidung aussah. "Ich brauche mindestens eine Woche länger", erklärte sie kühl. "Die Malerarbeiten, das Anbringen der Lampen und das Auslegen der Fußböden dürfte bis dahin erledigt sein. Außerdem werde ich dafür sorgen, daß genug Möbel und anderes Inventar vorhanden sind, um das Haus bewohnbar zu machen. Allerdings gehe ich keine Kompromisse ein, was größere Möbelstücke betrifft. Wenn das, was mir vorschwebt, nicht auf Lager ist, muß ich es bestellen. Ich bin dabei auf den guten Willen meiner Lieferanten angewiesen, die sich nicht immer an die vereinbarten Termine halten. Trotzdem bin ich überzeugt, daß in spätestens sechs Wochen die Einweihungsparty steigen kann." "Das ist noch immer erstaunlich schnell", lobte Miles. "Wenn Maddie eines nicht ist", warf Slater trocken ein, "dann langsam." Sie warf ihrem sogenannten Freund einen vernichtenden Blick zu. Immerhin besaß Adrian soviel Anstand, entschuldigend zu lächeln. "Ich tue mein Bestes, Miles", versicherte sie ernst, "aber ich werde keinen festen Einzugstermin in den Vertrag schreiben
oder mich auf eine Konventionalstrafe einlassen, falls Möbel nicht geliefert werden und mich an dieser Verzögerung keine Schuld trifft." "Das klingt fair", räumte Miles respektvoll ein. Er hatte fast vergessen, daß sie ein Profi auf ihrem Gebiet war. Maddie wußte, daß Männer damit Probleme hatten, besonders dann, wenn die Hormone einmal über den Verstand gesiegt hatten. Sie konnte nur hoffen, daß sie nicht ähnlich dumm reagieren würde, nachdem sie nun die Gefahren echten Verlangens kennengelernt hatte. Sie durfte nie vergessen, was für ein Mann Miles war. Er unterschied sich in nichts von all den anderen Männern seines Schlages, mit denen sie zusammengewesen war. Vielleicht war er sogar noch schlimmer. Als Engländer war er vermutlich noch mehr von seiner Unfehlbarkeit überzeugt als die Australier, mit denen sie sich getroffen hatte. Maddie brauchte nur sein ungewöhnlich attraktives Gesicht und seine hoheitsvolle Haltung zu betrachten, um zu wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Leider wurde sie jedesmal, wenn sie ihn anschaute, von einem höchst unwillkommenen sinnlichen Verlangen erfaßt, das ihren ganzen Körper durchströmte - einschließlich ihres Hirns. Es würde ihr schwerfallen, in seiner Nähe einen klaren Kopf zu bewahren. Trotzdem mußte sie es irgendwie schaffen. Sie war schließlich nicht dreißig Jahre alt geworden, um sich wegen eines Vertreters des anderen Geschlechts zum Narren zu machen, egal, welche Wunder er mit seinen Lippen zu vollbringen vermochte. Er würde ihre Beute sein, nicht umgekehrt. "Würdest du bitte eine Flasche Weißwein öffnen und Miles und mir ein Glas einschenken?" bat sie gelassen. "Und dann geh mit Miles ins Wohnzimmer. Seht euch die Nachrichten an oder so, damit ich in Ruhe kochen kann. Ich kann mich nicht ums Essen kümmern und mich gleichzeitig unterhalten."
"In Ordnung. Was möchtest du zuerst? Den Gewürztraminer, den Chardonnay oder den Chablis?" "Nicht den Chardonnay", warf Miles ein. "Maddie hat mir erzählt, daß er zu sehr zu Kopf steigt. Wie wäre es mit dem Chablis?" "Mir ist das gleichgültig. Ich bleibe bei meinem Bier. Der Wein ist für Maddie und Sie." "Drei Flaschen?" wunderte Miles sich stirnrunzelnd. "Nur für uns beide?" Normalerweise trank er ein oder zwei Glas zu den Mahlzeiten und hinterher vielleicht noch einen Portwein, aber mehr nicht. Er war dazu erzogen worden, beim Dinner stets nüchtern zu bleiben, zumal er meist mit Geschäftspartnern oder potentiellen Kunden verabredet war. "Warum nicht?" meinte Adrian. "Sie brauchen doch heute nicht mehr Auto zu fahren, und die Nacht ist noch jung. Und außerdem ..." Er grinste. "... verträgt Maddie eine ganze Menge." Sie seufzte vorwurfsvoll. "O vielen Dank, Adrian. Jetzt hält Miles mich bestimmt für eine Alkoholikerin." Miles hielt sie nicht für eine Alkoholikerin. Er hielt sie für hinreißend. Für geradezu atemberaubend. Er wollte kein Dinner. Er wollte auch keinen Wein. Er wollte nur sie. Statt dessen bekam er ein Glas sehr kalten, sehr trockenen Chablis. Na schön, dachte er resigniert und hob das Glas an seine ebenfalls trockenen und Maddie so fernen Lippen. Insgeheim beglückwünschte Maddie sich zu dem Menü, Das Fleisch war zwar leicht verkocht, doch unter dem geschmolzenen Käse und den Speckstreifen war das niemandem aufgefallen. Die Pommes frites waren perfekt, der grüne Salat knackig und der Käsekuchen mit Passionsfrüchten einfach köstlich. Sie war beileibe keine Meisterköchin, aber sie hatte die Erfahrung gemacht, daß Männer wie Miles zur Abwechslung
eine kräftige Mahlzeit schätzten. Sie verbrachten so viel Zeit in teuren Restaurants und auf exklusiven Dinnerpartys, wo ihnen die erlesensten Delikatessen serviert wurden, daß ihnen schlichte Hausmannskost wie eine Offenbarung erschien. Das nächste mal würde sie ihm ein schönes, saftiges Steak auf dem Holzkohlehgrill zubereiten und dazu einen ihrer berühmten Nudelsalate machen. Das schmeckte ihnen immer. Beim Kaffee bestätigte Miles Maddies Meinung. "Ich habe selten eine Mahlzeit so genossen. Kompliment, Maddie, du bist wirklich eine gute Köchin." "Maddie ist ein cleveres Mädchen", bestätigte Adrian. "Sie erreicht alles, was sie sich vorgenommen hat. Wußten Sie, daß sie nicht nur eine ausgezeichnete Innenarchitektin, sondern auch eine hervorragende Künstlerin ist? Die Zeichnungen im Wohnzimmer stammen allesamt von ihr." "Beeindruckend." Miles suchte ihren Blick. "Aber ich war bereits bei unserer ersten Begegnung von Maddie beeindruckt." Maddie war froh, daß über dem Eßtisch eine rote Lampe hing. Sie fühlte nämlich, wie sie rot wurde. Das war neu. Sie wurde nie rot. "Sie hat mich übrigens gebeten, für sie Modell zu sitzen", fuhr Miles fort, ohne den Blick von ihr zu wenden. "Was meinen Sie, Adrian? Soll ich einwilligen?" "Sie wissen, daß sie nur Akte malt, oder?" "Das hat sie erwähnt." "Ihr Bild wird dann wahrscheinlich anläßlich des WhitbreadWettbewerbs ausgestellt", warnte Adrian. "Das erwähnte sie ebenfalls. Allerdings hat sie mir zugesichert, daß man mich nicht erkennen würde." Adrian lachte. "Das hat sie ihrem letzten Modell auch versprochen. Der arme Kerl wagt sich seither nicht mehr in die Öffentlichkeit." Bei der Erinnerung daran unterdrückte Maddie ein Kichern.
Das Bild an sich war gar nicht so schlimm gewesen, aber aufgrund der Beleuchtung in der Galerie hatte eine dunklere Region des Gemäldes wie ein ganz bestimmtes Teil der Anatomie gewirkt. Bedauerlicherweise war diese Partie kaum mehr als ein winziger Fleck gewesen ... Hätte der Dummkopf nicht in seinem Freundeskreis so taktlos mit seiner sexuellen Beziehung zu ihr geprahlt und dabei schamlos übertrieben, wäre ihm diese Demütigung erspart geblieben. Maddie hatte den kleinen Skandal daher stets als Zeichen himmlischer Gerechtigkeit betrachtet. "Ich glaube, ich sollte vielleicht darauf verzichten", erklärte Miles. "Und ich glaube, daß die meisten Männer Feiglinge sind", konterte Maddie trocken. Miles zog die Brauen hoch. "Ich bin nicht wie die meisten Männer. Und ich bin kein Feigling!" "Beweise es!" "Fallen Sie nicht darauf rein, Miles", riet Adrian grinsend. "Das habe ich nicht vor. Zeig mir ein paar deiner typischen Bilder, dann werde ich mich entscheiden." "Über Adrians Bett hängt eines meiner besten Werke", erwiderte sie. Wie sie erwartet hatte, protestierte ihr Partner heftig. "O nein, das nicht. Kommt gar nicht in Frage. Das wird er nicht sehen." "Warum nicht?" erkundigte Miles sich. Adrian stand auf. "Weil es nur für mich bestimmt ist. Ich gehe jetzt, sonst spiele ich für den restlichen Abend Maddies Prügelknaben. Sie ist in der Laune dafür. Vielleicht können Sie daran etwas ändern, Miles." "Und was schlagen Sie vor?" "Nicken Sie einfach zu allem, was sie sagt, oder Ihr Haus wird nie fertig. Sie reagiert nämlich ziemlich sauer, wenn sie nicht ihren Willen bekommt. Bis morgen, Schätzchen. Gute
Nacht, Miles. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Ich hole Carolyn und das Baby morgen nachmittag aus dem Krankenhaus ab, und vorher muß ich noch aufräumen. Das Haus sieht aus, als wäre der Blitz eingeschlagen." Schweigend beobachtete Miles, wie Maddie ihren Freund oder was immer Slater für sie sein mochte - zur Tür brachte. Da er sie lachen hörte, konnte ihr Verhältnis nicht allzu ernst sein. Miles mißbilligte diese lockere Freundschaft, und zugleich beneidete er die beiden darum. Sein Verdacht bezüglich der Art ihrer Beziehung hatte durch die Erwähnung des geheimnisvollen Aktbildes über Slaters Bett neue Nahrung erhalten. Er war noch nie eifersüchtig gewesen, aber diese Frau brachte ihn dazu. Es interessierte ihn nicht, wie viele Liebhaber sie in der Vergangenheit gehabt hatte, aber in der Gegenwart wollte er sie nicht teilen, weder mit Slater noch mit irgendeinem anderen Mann. Die Intensität seiner Eifersucht machte ihn wütend. Er sprang auf und schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein, und zwar von dem gefürchteten Chardonnay. Nachdem er es in einem Zug geleert hatte, ging er hinüber in die verglaste Veranda. Sie hatten den Chablis während des Essens ausgetrunken und beim Dessert den Chardonnay geöffnet. Es war sein drittes Glas, und allmählich spürte Miles die Wirkung. Seine sonst so eiserne Selbstbeherrschung war einer gefährlichen Aggressivität gewichen. Ohne zu überlegen, eilte er zu der Staffelei in der Ecke und riß das Tuch herunter. Die Leinwand war leer. Als er sich umwandte, entdeckte er Maddie auf der Türschwelle. Sie wirkte nicht im mindesten böse, trotzdem war ihre Miene undurchdringlich. "Ich wollte eines deiner Bilder sehen", behauptete er ohne eine Spur von Reue. "Ich habe sie nicht hier", erklärte sie ruhig. "Außer denen, die im Wohnzimmer hängen, und das sind nur Skizzen, keine
richtigen Gemälde. Ich verkaufe alle Akte, sobald ich fertig bin." "Und was ist mit dem, das dein Partner über dem Bett hat?" fragte er scharf. "Hast du das auch verkauft? Oder hast du es ihm geschenkt - vielleicht für geleistete Dienste?" Ihr Lächeln machte ihn nur noch wütender. "Du hast keinen Grund, auf Adrian eifersüchtig zu sein." Langsam kam sie auf ihn zu. "Wie ich schon sagte ... Er ist nicht mein Liebhaber und war es auch nie." Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch neben die Pinsel; Dann streifte sie die Ohrringe ab und ließ sie in das Glas fallen. Miles stockte der Atem, als sie sich umwandte, ihm die Arme um den Hals legte und die Finger in sein Haar schob. "Nicht wie du, Miles", flüsterte sie, während sie zärtlich seinen Nacken massierte. "Du wirst doch mein Liebhaber, oder?" Spielerisch zupfte sie an seinen Ohrläppchen. Bislang hatte er keine Ahnung gehabt, welch erogene Zonen sich dort verbargen. "Du bist eine Hexe ..." Seine Willenskraft schwand unaufhaltsam dahin. Er war Wachs in ihren Händen. "Hm ..." wisperte sie verführerisch. Dann richtete sie sich auf und zeichnete mit der Zungenspitze die Konturen seines Mundes nach. Gütiger Himmel! Er stöhnte auf, als sie das erotische Spiel wiederholte. Tu es noch einmal, Hexe, flehte er im stillen. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, erfüllte sie sogleich seine stumme Bitte. Hilflos schloß er die Augen. Tu, was immer du willst, Hexe, aber hör nicht auf, dachte er. Plötzlich ließ sie die Zunge zwischen seine leicht geöffneten Lippen gleiten. Miles zuckte entsetzt zusammen. Was, um alles in der Welt, war los mit ihm? Noch nie zuvor hatte er einer Frau beim Liebesspiel die Führung überlassen! Noch nie! Obwohl es eigentlich einen sonderbaren Reiz auf ihn ausübte, widerstrebte es seinem männlichen Ego. Er konnte sich
schließlich unmöglich zurücklehnen und sie mit ihm machen lassen, was sie wollte. Und genau das schien sie vorzuhaben. Sie wollte keinen Liebhaber, sondern einen Sklaven. Keinen Mann, sondern eine Maus! Auf einmal begriff er, warum sie ihre Liebhaber so häufig wechselte. Sie war ihrer nach einer Weile überdrüssig. Es langweilte sie, daß die Männer ihr ständig recht gaben und sich willenlos ihren Wünschen beugten. Miles wollte nicht, daß Maddie je genug von ihm bekam. Wenn jemand in dieser Affäre dominierte, dann er! Energisch verdrängte er seine momentane Schwäche, packte Maddie mit eisernem Griff bei den Schultern und schob sie auf Armeslänge von sich. Seine grauen Augen funkelten vor Zorn und Frust. "Wofür hältst du mich?" fragte er wütend. "Für ein Spielzeug, mit dem du machen kannst, was du willst? Ich kenne die australischen Männer nicht, aber dort, wo ich herkomme, übernimmt der Mann beim Sex die Führung. Der Mann küßt als erster. Der Mann entscheidet, wo und wann und wie es passiert!" Er umfaßte ihre Handgelenke und bog ihr die Arme auf den Rücken. Mit einer Hand hielt er sie fest, mit der anderen griff er in ihren Pferdeschwanz und zwang sie sanft, den Kopf zurückzubeugen. "Nein ..." In ihrer Stimme schwang jedoch mehr Verlangen als Furcht mit. Miles war kein Narr. Er wußte, daß Maddie diese Demonstration männlicher Überlegenheit genoß. "O doch", entgegnete er triumphierend und senkte den Mund auf ihre weiße Haut. "O doch", wiederholte er rauh, bevor er ihre Kehle küßte. Voller Befriedigung spürte er das heftige Pochen ihres Pulses unter seinen Lippen. Bedächtig zog er eine Spur federleichter Küsse über ihren Hals hinauf zum Ohr. Er hauchte seinen heißen
Atem über ihre Wange, bevor er mit der Zungenspitze die zierliche Ohrmuschel erkundete. Die leisen Laute, die Maddie ausstieß, raubten ihm fast die Beherrschung. Verdammt, er war bereits jetzt ganz verrückt nach ihrem Seufzen und Stöhnen! Er wollte mehr hören, wollte, daß sie unter seinen Händen und Lippen vollends die Kontrolle über sich verlor ... Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung hob er sie auf die Arme und preßte sie fest an seine Brust. Er ließ ihr keine Chance, sich dagegen zu wehren oder zu protestieren. Aber Maddie wehrte sich weder, noch wollte sie protestieren. Statt dessen schaute sie ihn mit großen Augen an, in denen sich sowohl Verwunderung als auch Respekt spiegelten. Miles hatte sich noch nie so männlich gefühlt. Ihre plötzliche und für sie so uncharakteristische Unterwürfigkeit steigerten sein Verlangen nach ihr ins Unermeßliche. Er war wild entschlossen, dieses ungezähmte Geschöpf vollends zu unterwerfen. Flüchtig kam ihm in den Sinn, daß er womöglich betrunken sein könnte - benebelt vom Chardonnay und frustriert vor Begierde. Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, eine Frau so rücksichtslos, ja, beinahe brutal zu behandeln. Und dennoch tat er es. Ja, mehr noch, er genoß es in höchstem Maße. "Eines solltest du dir merken", sagte er, während er sie zu seinem Schlafzimmer trug. "Du wirst nur dann obenauf sein, wenn ich in deinem Bett bin und dich dorthin setze!"
7. KAPITEL Weiß. Miles lachte. Maddies Schlafzimmer war weiß. Verdammt, sie hatte wirklich Sinn für Humor! Er legte sie auf das hohe Messingbett mit der weißen Spitzendecke und begann, sich auszuziehen. Als sie ihn mit großen Augen stumm anschaute, beschlichen ihn leise Zweifel. Aber nur kurz. Sie war schließlich keine Jungfrau mehr, sondern eine erfahrene Frau von Welt. Und sie kannte die Regeln. Welches Spiel treibt sie jetzt? fragte er sich. Die mißverstandene Romantikerin? Die nervöse Braut in der Hochzeitsnacht? Oder die Unschuld vom Lande, die von dem bösen Krieger entführt worden war? Letzteres gefiel ihm am besten. Es paßte gut zu seinen eigenen Absichten. "Beweg dich nicht", befahl er, berauscht von seiner Macht. "Bleib einfach liegen. Ich werde dich ausziehen, sobald ich fertig bin." Sie blieb einfach liegen und sah ihn an. Unter normalen Umständen hätte ihr Schweigen ihn vielleicht nervös gemacht, aber momentan dachte er nur daran, sie nackt unter seinem nackten Körper zu spüren. Sie sollte unter ihrem Verlangen genauso leiden, wie er es den ganzen Tag getan hatte.
Trotzdem hatte er nicht vor, sie zu bestrafen, o nein, er wollte sie besitzen. Er würde sie mit seiner Leidenschaft überwältigen und ihre Sinnlichkeit dazu nutzen, sie seinen Wünschen zu unterwerfen. Sie sollte ein Opfer ihrer eigenen Lust werden. Miles war überzeugt, daß er ihr ungeahnte Wonnen schenken konnte, denn er war wirklich vor Verlangen verrückt nach ihr. Er würde sie lieben, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach, so unermeßlich war seine Lust. Und er würde kein Nein akzeptieren. Diesen Fehler hatten vor ihm schon zu viele Männer gemacht. Maddie mußte endlich lernen, wer der Herr im Schlafzimmer war. Von seinen Phantasien beflügelt, ging er nackt zum Bett, griff ihr unter den kurzen Rock und streifte ihr den schwarzen Seidenslip über die Hüften. Sie schnappte erschrocken nach Luft. "Ich könnte schwanger werden, du Dummkopf!" rief sie. Sie ist der Dummkopf, dachte er. Was glaubte sie denn, was er vorhatte? "Das bezweifle ich", flüsterte er rauh und kniete sich neben das Bett. Maddie wollte vor ihm zurückweichen, als er sich über sie beugte und seine Lippen ihr Ziel fanden, aber er hielt sie fest. Allmählich gab sie es auf, sich zu wehren, und stieß zögernde, wenngleich unverkennbar erregte Laute aus. Lächelnd richtete er sich nach einer Weile wieder auf. Er hatte gewonnen. Jetzt würde es keine Proteste mehr geben. Und er begann, ihr all die Zärtlichkeiten zu schenken, die Frauen sich zutiefst wünschten, aber nur selten bekamen. Ihre selbstvergessenen Reaktionen entzückten ihn. Die Art und Weise, wie sie stöhnte, sich unter ihm wand und schließlich nicht nur einmal, sondern mehrfach den Höhepunkt erreichte. Wie er vermutet hatte, war Maddie ein überaus sinnliches Geschöpf. Sie wollte immer noch mehr, während sie immer wieder leise aufschrie.
Miles war selbst erstaunt, wie leicht es ihm fiel, sich zu beherrschen und sich ganz auf ihr Vergnügen zu konzentrieren. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem er es für klüger hielt aufzuhören. Er wollte sie nicht völlig befriedigen, sondern nur auf den nächsten Schritt vorbereiten. Als er sie losließ, seufzte sie enttäuscht auf und sank zurück in die Kissen. Unersättliches Weib, dachte er stolz. Er stand auf und sah auf sie herab. Der Anblick ihres bis zur Taille hochgeschobenen Rockes genügte und erregte ihn mehr, als völlige Nacktheit es vermocht hätte. Dennoch war der Moment gekommen, sie vollends zu entkleiden. Er kniete sich neben sie aufs Bett und knöpfte ihr die Bluse auf. Sekundenlang betrachtete er ihre festen Brüste. Maddie beobachtete ihn dabei unter gesenkten Lidern, unfähig, ein Wort zu sagen oder sich zu bewegen. Miles war das egal. Ihm war ohnehin nicht nach Reden zumute. Außerdem luden ihn die steil aufgerichteten rosigen Knospen förmlich dazu ein, sie mit seinem Mund zu liebkosen, und er war nicht gewillt, diese Aufforderung länger zu ignorieren. Er half Maddie in eine halb sitzende Position, um ihr die Bluse abzustreifen, die er kurz darauf achtlos auf den Boden warf. Dann drückte er sie erneut auf die Decke. Da er fand, daß ihre Erregung bereits ein wenig abgeklungen war, widmete er sich hingebungsvoll mit seinen Lippen und Händen ihren Brüsten. Ihre anscheinend ungläubige Reaktion verblüffte ihn zunächst. Doch schon bald verrieten ihre unregelmäßigen Atemzüge wachsendes Verlangen. Seine Zärtlichkeiten wurden kühner und drängender, blieben aber nichtsdestotrotz kontrolliert, denn Miles konzentrierte sich erneut auf ihr Vergnügen, nicht auf seines. Als sie jedoch ihre Finger in sein Haar schob und seinen Kopf in wilder Ekstase festhielt, um ihn zu weiteren
Liebesbezeugungen zu ermuntern, schwanden seine guten Vorsätze dahin. Ungeduldig, ja, beinahe gierig massierte er ihre Brüste. Maddie schrie auf, während er die süße Qual erbarmungslos fortsetzte. Er drängte sich zwischen ihre Schenkel und schob sich über sie. Ein geradezu animalischer Instinkt drängte ihn, sich in ihrer Wärme zu verlieren, sie hart zu nehmen und sich ganz im Zauber des Augenblicks zu verlieren ... Beinahe wäre es zu spät gewesen. Für einen Sekundenbruchteil hing ihrer beider Zukunft in der Schwebe, aber dann kehrte die Vernunft zurück und mit ihr ein gewisser Frust. Warum mußte er immer so verdammt vernünftig sein? "Es dauert nicht lange." Er mußte seine gesamte Willenskraft aufbieten, um sich von Maddie zu lösen. Obwohl Miles an alles gedacht hatte, suchte er eine kleine Ewigkeit in den falschen Taschen, bis er schließlich die mitgebrachten Kondome fand. Er setzte sich mit dem Rücken zu ihr aufs Bett und tat mit zittrigen Fingern das, was getan werden mußte; "Miles..." "Was ist?" fragte er irritiert. Als er ihr einen Blick über die Schulter zuwarf, bemerkte er voller Erstaunen, daß sie sich bewegt hatte. Sie lag nun mit dem Kopf auf dem Kopfkissen. Außerdem hatte sie die Spange aus dem Haar entfernt, das sich in dichten schwarzen Locken auf dem makellos weißen Stoff ringelte. Sie ist wunderschön, dachte er, und ... ja, sonderbar unschuldig - trotz ihrer leicht geschwollenen Lippen und den wild glitzernden Augen. Maddie rollte sich auf die Seite und schaute ihn lächelnd an. Und dann tat sie etwas, das ihn zutiefst schockierte: Sie streckte die Arme nach ihm aus, ein Ausdruck wahrer Liebe spiegelte sich in ihren Zügen wider.
Miles stöhnte auf. Wie sollte er ihr widerstehen? Sie bot ihm mehr Glückseligkeit, als er je kennengelernt hatte. So schien es zumindest. Sehnsüchtig schmiegte er sich in ihre Arme. Ihr Mund war so süß ... Ihre Beine wie Seide, als sie sich um ihn schlangen. Und dann drang er in sie ein. Er flog. Flog hoch und höher. Flog hoch über den Wolken und der kalten, grausamen Welt in ein Land, in dem es nur die berauschende Wärme ihres weiblichen Körpers und den erregenden Klang ihrer leisen Lustschreie gab. Erst viel später, lange nachdem er wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt war, versuchte er, sich über dieses Erlebnis klarzuwerden. Er lag noch immer auf ihr. Sein Herz klopfte wie wild. Sein Kopf schwirrte. Es war mehr als nur Sex gewesen. Es war vielmehr eine geradezu überirdische Erfahrung gewesen, die ihn an die Grenzen des Seelischen und Körperlichen geführt hatte. Allmählich dämmerte ihm, daß er sie geliebt und nicht nur sein Verlangen gestillt hatte. So war es ihm jedenfalls vorgekommen. Es dauerte eine Weile, bis er die Kraft aufbrachte, sich von ihr zu rollen und sie anzuschauen. Ihre Augen waren geschlossen. Ihre Atemzüge gingen regelmäßig. Maddie schlief. Sie wird nicht von Zweifeln gequält, dachte Miles verärgert. Für sie gab es keine ungelösten Rätsel, nichts Außergewöhnliches. Plötzlich fiel ihm sein Vorsatz ein, sich nicht wie Spencer zum Narren zu machen. Sich nicht in sie zu verlieben oder zu versuchen, sie zu ändern. Zu nehmen, was sie zu bieten hatte, und nicht mehr zu erwarten. Ein paar schreckliche Sekunden lang fürchtete er, genau das getan zu haben. Sich in sie verliebt zu haben. Aber dann kehrte die Vernunft zurück und mit ihr die Logik. Hör auf, dir selbst etwas vorzumachen, Miles, sagte er sich. Das war keine Liebe, sondern Lust. Maddie hat dafür gesorgt,
daß es nach mehr aussah und sich nach mehr anfühlte. Sie ist schließlich eine Hexe, oder? Sie hat dich verzaubert und nur mit dir gespielt. Ein kaltes, zynisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er aus dem Bett kletterte und ins angrenzende Bad ging. Es würde ihr nicht gelingen, ihn noch einmal mit ihrer vielschichtigen Persönlichkeit zu täuschen - in einer Minute ein Vamp, in der nächsten eine schüchterne Jungfrau oder eine liebende Braut in der Hochzeitsnacht. Miles hatte sich endlich ein Bild von ihr gemacht. Maddie liebte es, beim Sex die Fäden in der Hand zu halten. Sie konnte es nicht ertragen, wenn ein Mann Macht über sie hatte. Heute abend hatte er sie überrumpelt, und sie hatte sich seiner überlegenen Stärke beugen müssen. Sie hatte es zwar körperlich genossen, aber intellektuell hatte sie es verabscheut! Also hatte sie sich mit der einzigen Waffe gewehrt, die ihr noch geblieben war. Sie hatte ihre Weiblichkeit eingesetzt und ihn emotional verzaubert, um ihn sich gefügig zu machen. Geschickt hatte sie seine Schwäche ausgenutzt. Die meisten Männer - die meisten Menschen - wollten geliebt werden. Dieses durchtriebene Geschöpf hatte ihn mit Sex, den sie als Liebe getarnt hatte, in die Falle gelockt. Und er hatte es zugelassen! Zum Glück war der Bann jetzt gebrochen. In Zukunft würde er ihre Taktik durchschauen und nicht wieder darauf hereinfallen. Oder er würde den Spieß umdrehen und bei ihr denselben Trick benutzen. Immerhin war sie auch nur ein Mensch, oder? Und außerdem eine Frau. Welche Frau wünschte sich nicht, geliebt zu werden? O ja, er hatte heute eine wertvolle Lektion gelernt. Wenn alles versagt, versuch es mit Zärtlichkeit. Allerdings hatte er die weite Reise nicht für eine einzige Nacht gemacht. Er wollte Maddie in den nächsten sechs Monaten an jedem Wochenende in seinem Bett haben!
Miles betätigte die Spülung der weißen Toilette, trat unter die weiß gekachelte Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Während er sich einseifte, summte er leise vor sich hin. Ja, er hatte Maddie jetzt fest im Griff. "Wissen ist Macht", lautete ein altes Sprichwort. Das war richtig. Maddie wurde vom Rauschen der Dusche geweckt. Einen Moment lang wußte sie nicht, wo sie war, doch dann kehrten die Erinnerungen zurück. Heiße Röte stieg ihr in die Wagen. "Himmel ..." Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, ob sie schockiert oder einfach zufrieden sein sollte. Miles, dachte sie seufzend. Er hatte sie einfach überwältigt und in eine andere Welt entführt, in der sie die willige Sklavin seiner Wünsche gewesen war. Sie meinte, noch immer seine Lippen auf ihrem Nacken zu spüren und dann ... Sie wagte kaum, daran zu denken. Nie zuvor hatte sie einem Mann gestattet, sie so lange zu verwöhnen. Wenn, dann höchstens kurz und mit zusammengebissenen Zähnen, während sie so getan hatte, als würde sie es genießen. Aber diesmal hatte sie nichts vortäuschen müssen. Sie hatte jeden erschreckend intimen Moment ausgekostet, berauscht von den Wonnen, die seine geschickte Zunge und erfahrenen Hände ihr geschenkt hatten, überrascht von den Wogen der Lust, die sie immer wieder durchströmt und zutiefst erschüttert hatten. Jetzt weißt du wenigstens, was ein Orgasmus ist, flüsterte eine ironische Stimme in ihrem Inneren. Maddie hatte davon gehört. Darüber gelesen. Aber jetzt hatte sie es erlebt. Das erklärte manches. Wenn sie früher gezwungenermaßen die euphorischen Schwärmereien anderer Frauen über multiple Orgasmen hatte mit anhören müssen, hatte sie kein Wort geglaubt, sondern es für Phantasien gehalten.
Jetzt verstand sie endlich, weshalb sich ihre Geschlechtsgenossinnen bestimmten Männern an den Hals warfen. Weil diese Männer etwas beherrschten, was die meisten nicht konnten: Sie konnten Frauen in den Himmel entführen. Miles gehörte zweifellos zu diesen Männern. Es handelte sich natürlich nicht um Liebe, wie so viele naive Frauen - einschließlich ihrer Mutter - fälschlicherweise glaubten. Es war Chemie oder Sex oder wie immer man es bezeichnen mochte. Erneut meldete sich die boshafte innere Stimme zu Wort: Warum lächelst du dann so verträumt? Warum bildest du dir ein, daß er sich wirklich um dich sorgt, nur weil er für den nötigen Schutz gesorgt hat? Warum glaubst du, daß er dich geliebt und nicht einfach nur Sex mit dir gehabt hat? Weil du tief in deinem Herzen trotz all deiner angeblichen Freizügigkeit eine unverbesserliche Närrin bist, deshalb! Werde endlich erwachsen. Du liebst Miles genausowenig, wie er dich liebt. Es war nichts als Lust. Pure, ungezügelte Lust. Derselbe unberechenbare Trieb, der die Menschheit seit Adam und Eva um den Verstand bringt. "Führst du Selbstgespräche, Maddie?" Sie erschrak. Unter Aufbietung all ihrer Willenskraft gelang es ihr, sich mit gelassener Miene zum Bad umzudrehen. Miles stand in der offenen Tür und trocknete sich ab. Sein Haar war noch naß, winzige Wassertropfen schimmerten in den feinen Härchen auf seiner Brust. Nackt sah er einfach umwerfend aus. So männlich. Sein schlanker Körper war wohlproportioniert, die Schultern breit, der Bauch flach und die Hüften schmal. Maddie bemühte sich, Miles als das zu betrachten, was er ursprünglich für sie gewesen war. Ein Samenspender. Aber das war gar nicht so einfach. Während sie ihn anschaute, erwachte erneut der Wunsch in ihr, sich in seine Arme zu schmiegen. Die Sehnsucht war so groß, daß kein Raum für andere Gedanken wie
Pläne, Babys oder Zukunft blieb. Nur das Hier und Jetzt zählten - und seine Zärtlichkeiten. Was ist daran so falsch? eilte ihr eine andere innere Stimme zu Hilfe. Warum sollst du es nicht genießen, während du auf deine Chance wartest? Wer weiß? Vielleicht begegnet dir nie wieder ein Mann, der für dich dasselbe tut wie Miles. Vergiß nicht, in sechs Monaten kehrt er nach England zurück. Ein sonderbares Gefühl beschlich Maddie bei den letzten beiden Argumenten. Es war eine Kombination aus Schmerz und Panik. Sofort meldete sich die Zynikerin in ihr wieder zu Wort, um gegen diesen unverzeihlichen Anfall von Schwäche anzukämpfen. Natürlich wird es andere Männer geben. Deine Mutter hat im Lauf der Jahre unzählige gefunden! Du brauchst Miles nicht - außer für die Aufgabe, die du ihm von Anfang an zugedacht hast. Betrachte den wundervollen Sex mit ihm als zusätzlichen Bonus. Hör auf, Fragen zu stellen. Hör auf, mehr daraus zu machen, als es in Wirklichkeit ist. Genieß jede Sekunde mit ihm, Maddie, aber laß ihn nicht an dich heran. Du darfst dir nie einbilden, ihn zu lieben. Er ist wie alle anderen Männer, das weißt du doch. Gib ihm den kleinen Finger, und er wird den ganzen Arm wollen. Reiß dich zusammen! Sei vorsichtig. Aufreizend langsam ließ Maddie den Blick über Miles wandern. Es verblüffte und faszinierte sie gleichermaßen, daß ein einfacher Blick von ihr eine solche Wirkung auf ihn ausübte. "Ich komme mir vor wie zu Weihnachten", flüsterte sie. "Im Februar?" konterte er trocken, während er sein Haar trockenrubbelte, ohne seine wachsende Erregung vor ihr zu verbergen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Kommst du wieder ins Bett?" Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. "Wie wäre es zuerst mit einer Tasse Kaffee?" fragte er. "Oder vielleicht einer Flasche Wein?"
"Wein?" wiederholte sie so ratlos, als hätte sie dieses Wort nie gehört. Miles lächelte triumphierend. Falls die Hexe geglaubt hatte, er würde jederzeit nach ihrer Pfeife tanzen, so hatte sie sich getäuscht. Eigentlich brauchte er diesen verdammten Wein genausowenig wie einen Zehn-Kilometer-Waldlauf. Aber er durfte sich keinesfalls die Zügel aus der Hand nehmen lassen, sonst war er verloren. Zur Hölle, kaum hatte sie den Blick ihrer funkelnden schwarzen Augen auf ihn gerichtet, da war es auch schon um seine Selbstbeherrschung geschehen gewesen! Eine höchst demütigende Erfahrung. "Na schön, dann Wein." Lächelnd schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf. Ihr schwarzes Haar endete kurz über ihren Brüsten. Er wünschte, ihre Locken wären länger. Dann hätte er nämlich nicht ständig wie hypnotisiert auf die verführerischen rosigen Knospen starren müssen. Als hätte sie seine Gedanken erraten, warf sie provozierend das Haar zurück und durchquerte das Zimmer. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Blöße zu bedecken. Beinahe neidisch beobachtete er, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sich bewegte. Es hatte ihn fast umgebracht, nackt vor ihr zu stehen und nicht auf sein wachsendes Verlangen zu achten. Das war natürlich absurd, denn ihr war es offensichtlich gleichgültig. Vermutlich war sie daran gewöhnt, daß nackte Männer in den unterschiedlichsten Stadien der Erregung durch ihr Haus liefen. Es dauerte einen Moment, bis Miles die düsteren Gedanken verdrängt hatte. Seufzend folgte er Maddie. Sie stand nackt am Küchentresen und öffnete die Weinflasche. Ihr fester kleiner Po wippte leicht, als sie den Korken herauszog. Sie zuckte leicht zusammen, als Miles unvermutet hinter sie trat und sie in die Arme schloß. Dann stöhnte sie auf, während
er behutsam ihre Brüste massierte. "Hör auf, Miles", bat sie heiser. Er wußte, daß sie es nicht ernst meinte. Die rosigen Knospen hatten sich bereits steil aufgerichtet. Dennoch gehorchte er zum Schein. Er ließ ihre Brüste los und strich statt dessen über Maddies flachen Bauch. Ihre Haut war unglaublich weich. Er liebte es, wenn sie die Muskeln unter seinen Berührungen anspannte ... Aufreizend langsam ließ er seine Hände tiefer wandern ... über ihren Po ... zwischen ihre Schenkel... "Miles ..." Sie seufzte auf, als er sich seinem Ziel näherte. "Hm?" Sie erschauerte. "Oh ..." Seine Erregung stand ihrer in nichts nach, trotzdem klang seine Stimme erstaunlich kühl. "Du hast die Flasche noch nicht aufgemacht." "Ich ... kann ... nicht", erwiderte sie heiser. "Nicht solange du so etwas mit mir tust." "Versuch es." Ihre vergeblichen Bemühungen beflügelten ihn ebenso wie ihr instinktiver Wunsch, ihm zu gehorchen. Das Gefühl der Macht war wie ein Rausch. Schließlich gab sie es auf und ließ die Arme sinken. Schwer atmend lehnte sie sich an ihn. "Miles, nicht ..." protestierte sie erschrocken, als er sich zwischen ihre Beine drängte. "Schon gut", flüsterte er ihr ins Ohr. Glücklicherweise hatte er an Verhütung gedacht, bevor er das Schlafzimmer verlassen hatte., Sonst wäre er an diesem Punkt wohl kaum fähig gewesen, das Liebesspiel zu unterbrechen. Himmel, er mußte sie haben! Und zwar hier und jetzt! Er spürte, wie sie sich kurz anspannte, um sich gleich darauf haltsuchend an ihn zu klammern. Einen Moment lang genoß Miles seinen Triumph. Er nahm ihre Hände und legte sie auf den Tresen, bevor er tief in Maddie eindrang.
So nahmen Männer in weniger zivilisierten Kulturen ihre Frauen ... Miles fand, daß diese Technik durchaus ihre Vorzüge hatte. Der Mann besaß die totale Kontrolle, die totale Macht. Es gab keinen Blickkontakt, kein zeitraubendes Vorspiel, sondern nur den Akt an sich. Nur eine rein körperliche Vereinigung, die ausschließlich dem Vergnügen diente. Mehr will ich nicht von ihr, sagte er sich verbissen, während er seinen Rhythmus beschleunigte. Mehr nicht. Niemals. Aber dann, ohne Vorwarnung, war plötzlich alles anders. Maddie begann, sich seinen Bewegungen anzupassen. Irgendwie gelang es ihr, nach hinten zu fassen und seinen Kopf zu sich herabzuziehen. "O mein Liebling", flüsterte sie heiser und streichelte zärtlich seine Wangen. "Mein Liebling ..." Miles hatte oft davon geträumt, daß sie ihn im Augenblick höchster Leidenschaft so nennen würde. Aber selbst in seinen kühnsten Phantasien hatte es nicht so wundervoll geklungen. Einmal mehr reagierte er nicht nur körperlich auf sie, sondern auch emotional. Er stöhnte auf, stieß rauhe, kehlige Laute aus, wie sie ihm noch nie über die Lippen gekommen waren. Er schämte sich dafür. Aber, verdammt, so wie sie sich unter ihm wand ... Verzweifelt schlang er die Arme um sie und preßte sie fest an sich. Er barg das Gesicht an ihrem Nacken, in dem vergeblichen Bemühen, sowohl ihre Bewegungen zu unterbinden als auch sein eigenes Stöhnen zu ersticken. Doch es war hoffnungslos, denn er war hilflos - ein hilfloses Opfer ihrer Erfahrung. Auf einmal schien sie sich noch enger um ihn zu schließen, und gleich darauf schrie er vor Ekstase laut auf. Einen flüchtigen Moment lang war ihm das peinlich - er war stets ein ruhiger und beherrschter Liebhaber gewesen, aber dann zeigten ihm Maddies leise Entzückensrufe, wie dumm das war.
Was soll's? dachte er. Wo stand geschrieben, daß ein Mann nur in absoluter Stille Sex haben durfte? Und wer sagte, daß es unmännlich wäre, einer Frau gelegentlich die aktive Rolle zu überlassen? Nein, er würde Maddie alles tun lassen, was sie wollte. Laß dich gehen, Miles, du hast es dir verdient, sagte er sich. Dreiunddreißig Jahre lang hast du dich in England den verlogenen Konventionen gebeugt und nach ehernen Regeln gelebt, die nicht deine eigenen waren. Jetzt ist es an der Zeit, damit aufzuhören. Sei dir gegenüber ehrlich, Miles. Sag, was du willst. Sei, was du willst. Schließlich bist du doch deshalb hergekommen, oder? Er küßte Maddies Hals. "Das war phantastisch, Süße", flüsterte er. "Einfach phantastisch." "Es war mir ein Vergnügen, mein Herr und Meister", versicherte sie lächelnd. "Gibt es noch etwas, das Euer Herz in dieser Nacht begehrt?" Er ging nur zu gern auf ihren scherzhaften Tonfall ein. "Ich glaube, ich bedarf nun doch ein wenig der Ruhe. Ich werde mich daher sogleich in die weiße Bettkammer zurückziehen, wo du mir in Kürze Wein und Käse servieren darfst. Mach dir nicht die Mühe, dich anzukleiden, Weib. Ich bin noch lange nicht mit dir fertig." "Euer Wunsch ist mir Befehl, Mylord." Lachend küßte er sie aufs Ohr. O ja, das war das wahre lieben! Warum hatte er so lange darauf verzichtet?
8. KAPITEL "Bist du sicher, daß du den Kinderwagen noch weiter schieben möchtest?" fragte Carolyn. "Wird es dir nicht allmählich lästig? Wir laufen schön seit einer Ewigkeit durch diese Fußgängerzone." Es war Freitag nachmittag, und Maddie hatte sich den Rest des Tages freigenommen, um Carolyn beim Kauf eines Kleides für die Taufe am kommenden Sonntag zu helfen. Sie hatten ein hübsches blaues Modell gefunden, aber noch keine dazu passenden Schuhe. Es war allerdings erst kurz nach drei. "Machst du Witze?" Maddie lächelte die Freundin an. "Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so gut amüsiert. Allerdings glaube ich, es wird allmählich Zeit für eine Tasse Kaffee. Komm mit." Sie steuerte den Kinderwagen zu einem nahegelegenen Cafe und stellte ihn neben einen Tisch. Die kleine Pamela schlummerte friedlich weiter und bestätigte damit Maddies neugewonnene Meinung, daß Babys nicht die kleinen Monster waren, für die sie sie immer gehalten hatte. Maddie betete ihr künftiges Patenkind geradezu an, und das kluge kleine Ding schien ihre Gefühle zu erwidern. Jedesmal, wenn Maddie auf Pamela aufpaßte oder sie spazierenfuhr, benahm sich die Kleine wie ein Engel. Carolyn meinte, das liege daran, daß sie von Maddies Ohrringen
fasziniert sei, doch Maddie wollte davon nichts wissen. Das süße Baby hatte einfach einen ausgezeichneten Geschmack! "Bringst du Miles wirklich zur Taufe am Sonntag mit?" fragte Carolyn, nachdem die Kellnerin die Bestellung aufgenommen hatte. "Hm ... Warum? Glaubst du, ich hätte meine Meinung geändert?" "Eure Affäre dauert nun schon einen Monat. Dies wäre das fünfte Wochenende in Folge, das ihr miteinander verbringt. Er müßte dich doch allmählich langweilen. Schließlich ist er ein noch größerer Snob als Spencer." "Ach ... eigentlich nicht", entgegnete Maddie. "Überhaupt nicht." Verblüfft betrachtete Carolyn Maddies verträumtes Gesicht. "Maddie Powers!" rief sie. "Du hast dich endlich verliebt! O ich freue mich so sehr für dich!" Maddie stutzte. Dann funkelten ihre Augen empört. "Unsinn! Ich habe mich nicht verliebt. Man verliebt sich nicht in Männer wie Miles. Er ist lediglich ein phantastischer Liebhaber, und ich kann von ihm nicht genug bekommen." Das war die reine Wahrheit. Jeden Freitagabend wartete sie ungeduldig auf seine Ankunft. Und wenn er dann endlich erschien, zog sie ihn praktisch schon im Flur aus, so groß war ihr Verlangen nach ihm. Tief in ihrem Herzen fand sie ihr Verhalten selbst unbegreiflich. Jahrelang hatte sie Männern etwas vorgemacht, ihnen Begehren vorgegaukelt und nichts dabei empfunden. Sie hatte sie verführt, weil die Macht, die sie dann über sie hatte, ihr gefallen hatte. Mit Miles war alles ganz anders. Ihn hatte sie nicht verführt. Im Gegenteil, sie war mehr als bereit, ihm alles zu geben, was er verlangte - und wo immer er es verlangte. Andererseits hatte er nichts dagegen einzuwenden, wenn sie gelegentlich den dominanten Part übernahm, wenn sie Lust dazu hatte.
Und wie es schien, hatte sie immer häufiger Lust dazu. Am letzten Wochenende hatte sie Miles am Bett festgebunden, während er schlief, und sich danach stundenlang an seinem Körper erfreut. Miles hatte jede Sekunde genossen und sogar seine seidenen Krawatten für dieses Spiel geopfert... "Was machst du, wenn er in sein Haus in Stanwell Park zieht?" fragte Carolyn. "Adrian ist mit den Arbeiten fertig." "Ich weiß. Miles ist ganz begeistert. In vierzehn Tagen ist auch mein Job getan. Ich habe alles unter Kontrolle. Also, was werde ich machen, wenn er in sein Haus zieht?" Maddie zuckte lässig mit den Schultern. "Vielleicht ziehe ich zu ihm - natürlich nur an den Wochenenden. Sonst würden wir unsere gesamte Freizeit damit vergeuden, hin- und herzufahren." "Maddie..." "Ja?" . "Du ... denkst doch nicht mehr daran, Miles zu benutzen, um ... du weißt schon ... für das, worüber wir neulich im Krankenhaus gesprochen haben. Ich möchte es nicht laut aussprechen", fügte Carolyn flüsternd hinzu. "Es könnte uns jemand hören." Maddie lachte. "Das wäre furchtbar." "Nun?" hakte Carolyn nach, als ihre Freundin nicht auf die Frage einging. Maddie wirkte sonderbar verwirrt, was überhaupt nicht zu ihr paßte. "Ich weiß nicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß ich ihn so sehr mögen würde. Er ist überhaupt nicht so, wie ich erwartet hatte ..." "Komisch, daß du das sagst. Adrian ist genau derselben Meinung. Er hat Miles im Lauf der Wochen aufrichtig schätzengelernt - das sieht ihm absolut nicht ähnlich. Normalerweise ändert er seine Meinung über andere Leute nie." "Miles ist in vielerlei Hinsicht ein Rätsel", räumte Maddie ein. "In einer Minute benimmt er sich wie ein typischer Vertreter des englischen Adels, und in der nächsten könnte er ein echter
Australier sein, der am Strand sein Dosenbier trinkt und sich ansonsten die Zeit mit Surfen vertreibt. Er ist inzwischen so braungebrannt, daß du ihn nicht mehr für einen Engländer halten würdest. Erst wenn er den Mund aufmacht, verrät er seine Herkunft. Es ist einfach unvergleichlich, wenn er mich Liebling nennt. Ich bekomme dann jedesmal eine Gänsehaut." Carolyn verdrehte die Augen. "Er nennt dich jetzt also Liebling." "Natürlich, und außerdem benutzt er ,Hexe', ,Schätzchen', ,Weib' und tausend andere, weit weniger schmeichelhafte Ausdrücke." "Aber das ist ja furchtbar!" Maddie lachte. "Das sind doch nur Kosenamen." "Für mich klingt das nicht so." "Mag sein, aber ich finde es recht lustig. Er meint es ja nicht ernst." "Hoffentlich", erwiderte Carolyn indigniert. "Sollte ich jemals hören, wie er dich in meiner Gegenwart respektlos anredet, werde ich ihm gründlich den Kopf waschen." Maddie lächelte ihre Freundin liebevoll an. Carolyn war ein Schatz, aber einen ausgeprägten Sinn für Humor besaß sie nicht. Sie hatte Adrian das Leben zur Hölle gemacht, als sie ihn fälschlicherweise, wie sieh später herausstellte - für den einstigen Liebhaber ihrer Mutter gehalten hatte. Die meisten Leute unterschätzten Carolyn. Vielleicht waren daran ihr weiches blondes Haar und die großen blauen Augen schuld. "Das würdest du wirklich tun, oder?" fragte Maddie trocken. In diesem Moment wurden die bestellten Cappuccinos serviert. Maddie war über diese Unterbrechung erleichtert. Sie hatte keine Lust, ihre Gefühle für Miles weiter zu analysieren. Da von hatte sie genug. Die Zeit, die sie mit ihm verbrachte, war zauberhaft und lustig. Wenn sie sich in ihn verliebte, würde das zweifellos den Spaß verderben, denn dann würde sie nur noch
daran denken, daß er sie irgendwann verlassen würde. Sie wollte sich nicht das Herz brechen lassen. Andererseits hatte sie ihren Plan, ein Baby von ihm zu bekommen, noch lange nicht aufgegeben. Zum Glück hatte sie noch viel Zeit. Miles würde schließlich noch eine ganze Weile bei ihr bleiben. Schweigend tranken die beiden Frauen ihren Kaffee. Carolyn setzte als erste die Tasse wieder ab. "Ach übrigens, Maddie", begann sie. "Was willst du eigentlich zur Taufe tragen? Wirst du dir etwas Neues kaufen?" Maddie lächelte. Carolyn war viel zu taktvoll, um die künftige Patentante ihres Babys rundheraus zu bitten, sich zur Taufe halbwegs dezent zu kleiden. Oder darauf hinzuweisen, daß sich vermutlich in ihrem Kleiderschrank nichts Passendes befand. Maddie beugte sich vor und tätschelte beruhigend die Hand der Freundin. "Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich am Sonntag nicht blamieren." "Das könntest du gar nicht, egal, was du anziehst. Ich dachte dabei nur an dich und daran, was Miles sagen könnte, wenn du in einem deiner ... nun ja ... etwas lässigeren Modelle auftauchst." "Wenn Miles klug ist", erwiderte Maddie trocken, "dann hält er den Mund. Allerdings habe ich nicht vor, in einem auffallenden Outfit zu erscheinen. Zufällig habe ich ein hübsches weißes Kleid, das mir eine zufriedene Kundin - die Besitzerin eines Modehauses - geschenkt hat. Ich habe nie Gelegenheit gehabt, es anzuziehen." "Das klingt nett." Carolyn atmete erleichtert auf. Sie hatte deshalb bereits Alpträume gehabt. In diesen Schreckensvisionen war Maddie in einem engen schwarzen Ledermini, durchsichtiger Bluse, schenkelhohen schwarzen Stiefeln und riesigen Ohrringen vor der Kirche aufgekreuzt. "Hat Miles je etwas zu deinen Sachen gesagt?" fragte sie neugierig.
Maddie lächelte mutwillig. "Ich habe meist nicht sehr viel an, wenn wir zusammen sind." "Du bist schockierend, weißt du das?" "Ja." Manchmal war sie über sich selbst entsetzt. "Hat Miles sich nicht beschwert? Zum Beispiel über das, was du sagst, oder die Art und Weise, wie du dich benimmst?" "Miles beklagt sich nur, wenn ich zu müde bin, um es noch einmal zu tun." "Maddie!" "Das war nur ein Scherz. Du brauchst gar nicht so entrüstet dreinzublicken. Ich kenne Adrian noch von früher. Er ist nun wirklich kein schüchterner Jüngling im Bett. Wetten, daß du schneller wieder schwanger bist, als du ahnst? Und nun laß uns das Thema wechseln. Genug vom Sex, wenden wir uns unseren Mägen zu. Ich habe Appetit auf Lasagne und Salat - und du?" "Gütiger Himmel, nein!" Carolyn stöhnte auf. "Ich habe schon genug Probleme, die zusätzlichen Pfunde loszuwerden, die ich mir in der Schwangerschaft angefuttert habe. Warum, glaubst du wohl, muß ich mir ein neues Kleid kaufen?" "Unsinn! Du siehst fabelhaft weiblich aus. Die Schwangerschaft hat wahre Wunder bei dir bewirkt. Was würde ich darum geben, deine Kurven zu haben! Ich bin doch nur Haut und Knochen." "Ach was, Maddie. Du bist schlank und dabei ausgesprochen wohlproportioniert." "Wie lieb von dir, das zu sagen, aber ich weiß, daß ich mager bin. Trotzdem scheine ich Miles so zu gefallen, und nur das zählt." Carolyn verzichtete darauf, diese Bemerkung näher zu kommentieren. Die Freundin schien gar nicht zu ahnen, welche Bedeutung sich hinter ihren Worten verbarg. Maddie mochte es noch so vehement leugnen - sie, Carolyn, wußte, daß sie verliebt war. Seit Wochen strahlte Maddie unablässig, und sogar der beißende Spott, mit dem sie sonst über Männer herzog, war
völlig verschwunden. Adrian hatte ihr, Carolyn, erzählt, daß es im Büro nur noch ein Thema gab: Miles. "Möchtest du wirklich nichts essen?" Maddie winkte die Kellnerin herbei. Carolyn seufzte sehnsüchtig. "Nun ja ... vielleicht ein kleines Sandwich..." Miles schaltete den Computermonitor aus und stand auf. Es war nach fünf, und er hatte genug. Er wollte sich auf den Weg machen. Er wollte seine Maddie. Meine Maddie, dachte er wehmütig, während er seinen Schreibtisch aufräumte. Er war ein unverbesserlicher Träumer. Maddie würde niemals einem Mann gehören. Sie war absolut unabhängig. Und außerdem wild, unberechenbar und wundervoll sinnlich. Der vergangene Monat war der schönste seines ganzen Lebens gewesen. Von Montag bis Freitag wurde er in seinem Büro von bittersüßer Vorfreude auf das kommende Wochenende beherrscht. Und dann das Wochenende selber ... Miles wußte nie, was ihn erwartete, aber es war stets aufregend und unglaublich befriedigend. Maddie besaß in erotischen Dingen eine schier unerschöpfliche Phantasie. Er könnte kaum fassen, was sie am letzten Wochenende mit ihm gemacht hatte. Bei der bloßen Erinnerung daran begann seine Haut zu prickeln. Er war verrückt nach ihr, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Ob das für die nächsten fünf Monate so bleiben würde, war eine andere Frage. Das würde er entscheiden, wenn es soweit war. Maddie lebte nur für den Augenblick, und das wollte er auch tun. Seine einzige Sorge war, daß sie seiner überdrüssig wurde, bevor die Zeit um war. Das wollte er nicht. Also hatte er Vorkehrungen getroffen, um dies zu verhindern.
Er öffnete die obere Schreibtischschublade, nahm ein schwarzes Samtetui heraus und steckte es in die Jackentasche. Lächelnd dachte er an den Inhalt des Kästchens. Er hatte gut gewählt. Alle Frauen liebten Diamanten, aber dieser war etwas Besonderes. So besonders wie die Frau, die ihn tragen würde. Allerdings hatte Miles nicht vor, ihn Maddie bereits heute zu schenken. Er wollte ihre stets überaus leidenschaftliche Begrüßung an der Tür nicht verpassen. Nein, er würde ihn ihr irgendwann am nächsten Tag geben. Er malte sich aus, wie sie sich im Bett an ihn schmiegte ... nackt - bis auf sein Geschenk. Sofort begann sein Blut zu kochen. Miles fluchte leise vor sich hin. Nicht jetzt, du Narr, schalt er sich. Vor dir liegen mindestens zwei Stunden Fahrt durch dichten Berufsverkehr, bevor du in Thirroul bist. Miles schnappte sich die Autoschlüssel und stieg in den Lift zur Tiefgarage. Fünfzig Minuten später hatte er die Stadt verlassen und war auf dem Weg - zu Maddie.
9. KAPITEL "Sitz endlich still, Miles", befahl Maddie ungeduldig. "Und hör auf, mich so anzustarren. Man kann niemanden malen, wenn der Betreffende einen nicht aus den Augen läßt." "Das ist aber verdammt schwer, wenn derjenige, der dich malt, nichts anhat", konterte Miles. Er kauerte im Lotussitz auf dem roten Samtsofa. "Würdest du dir bitte etwas anziehen?" "Kommt gar nicht in Frage", lehnte sie lachend ab. "Es war schließlich deine Idee. Du sagtest, du würdest dich nur ausziehen, wenn ich auch nackt wäre. Und nun sei ein braver Junge, und mach die Augen zu, sonst male ich sie dazu, und dann weiß jeder, wer mein Modell war." ",War' ist der richtige Ausdruck." Miles stand auf und streckte sich. Er hatte das Gefühl, die letzten vier Wochenenden ununterbrochen in dieser lächerlichen Position verbracht zu haben, und nun reichte es ihm. "Ich gebe auf. Zum Teufel mit dem Whitbread-Wettbewerb. Ich zahle dir, was immer der erste Preis wert ist." Seufzend legte Maddie den Pinsel beiseite. "Miles, Liebling", begann sie beschwichtigend, "warum kommst du nicht her und siehst dir erst einmal mein Werk an, bevor du das Handtuch wirfst?"
Miles war sich nicht sicher, ob er das überhaupt wollte. Er wußte nicht, was er erwarten sollte. Doch dann beschloß er, kein Feigling zu sein, und folgte ihrer Aufforderung. "Gütiger Himmel!" rief er verblüfft. "Das bin nicht ich!" "Das ist meine Vision von dir", verteidigte sie sich. Bei näherer Betrachtung entdeckte Miles zwischen sich und der nackten Gestalt auf der Leinwand eine entfernte Ähnlichkeit. Die Pose war zweifellos dieselbe: Der Mann auf dem Bild hatte die Beine gekreuzt und die Hände auf die Knie gelegt. Sein Rücken war kerzengerade, die Augen hatte er geschlossen, als würde er meditieren. Aber damit erschöpften sich die Gemeinsamkeiten. Der Mann auf dem Gemälde hatte wundervoll kräftige, glänzende, gebräunte Muskeln, die unwillkürlich den Eindruck erweckten, ein nicht auf dem Bild verewigtes Sklavenmädchen hätte ihn erst vor kurzem eingeölt. "So braun bin ich nicht", protestierte er. "Und auch nicht so muskulös." "O doch. Hast du in letzter Zeit einmal in den Spiegel geschaut?" Machte sie Scherze? Bildete sie sich tatsächlich ein, Männer würden nackt vor dem Spiegel posieren und sich selbst bewundern? "Und was ist mit meinem Körperhaar?" beschwerte er sich. "Das habe ich weggelassen. Es hätte den Gesamteindruck gestört. So etwas nennt man künstlerische Freiheit, Miles." "Und warum hast du mich dann mit einer Perücke gemalt?" fragte er empört. Der Mann auf dem Bild hatte langes Haar, das in dichten dunklen Wellen über seine Schultern fiel. Es wirkte überaus sexy. Miles fand es scheußlich. Es weckte schlechte Erinnerungen in ihm. "So würdest du mit langem Haar aussehen", erwiderte Maddie. "Es würde dir stehen."
"Vergiß es, Süße. Ich werde mir keinesfalls das Haar wachsen lassen." "Warum nicht?" Er schnaubte verächtlich. "Warum? Kannst du dir vorstellen, wie meine Geschäftspartner reagieren würden, wenn ich wie ein Späthippie ins Büro tänzeln würde? Man würde mich auslachen!" "Ach ja? Ich dachte, du wärst der Boß. Ich dachte, du könntest tun und lassen, was dir behagt, und sie würden dir trotzdem die Füße küssen." "In meiner Gegenwart vielleicht. Aber hinter meinem Rücken würden sie über mich herziehen." "Wen interessiert schon, was Sie hinter deinem Rücken tun? Ihre Meinung ist doch völlig unwichtig." Fassungslos schüttelte Miles den Kopf. Trotz aller Weltgewandtheit war Maddie wirklich unglaublich naiv. Genau wie die Gesellschaft hatte auch die Geschäftswelt unumstößliche Regeln. Maddie mochte hier in Australien einen Freiraum gefunden haben, in dem sie ohne Rücksicht auf die Konsequenzen leben konnte, aber in seiner Welt gab es keine Rechtfertigung für ein derart bohemehaftes Benehmen. "Du weißt ja nicht, wovon du redest", sagte er brummig. Mit funkelnden Augen reckte sie trotzig das Kinn vor. "O doch. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede. Ich kenne Männer wie dich. Ich habe gesehen, wie sie sich unter Streß gesetzt und über die lächerlichsten Kleinigkeiten aufgeregt haben, bis sie Herzattacken oder Magengeschwüre bekommen haben. Und wofür? Und für wen?" "Für Geld, du Dummkopf ", konterte er wütend. "Und für ihre Familien! Was glaubst du denn, wie weit es ein Mann in dieser Welt bringen kann, wenn er sich nicht nach den Konventionen richtet? Nicht jeder kann sich in sein Shangrila zurückziehen, Maddie, und das tun und sagen, was ihm gefällt. Jedenfalls nicht für immer. Irgendwann mußt du dich der
Realität stellen, so wie ich es jeden Montagmorgen tue. Du hast verdammtes Glück, daß Adrian dein Freund und Partner ist. Es gibt nicht viele Kollegen, die deine Art, dich zu kleiden oder zu benehmen, tolerieren würden." "Ist das so?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn kalt an. "Ja, das ist so. Und du weißt das." "Wie kann ich irgend etwas wissen, wenn ich so ein verdammter Dummkopf bin?" "Wovon, zum Teufel, redest du?" "So hast du mich genannt. Und du hast vermutlich sogar recht. Ich muß ein Dummkopf sein, wenn ich mich mit so einem arroganten Schuft wie dir einlasse." Miles schloß die Augen. Himmel, was hatte er getan? Und warum? Er hatte mit Maddie nicht streiten oder sie beleidigen wollen. Ohne die Wochenenden mit ihr würde er den Verstand verlieren! Sein "offizielles" Leben wurde ihm immer verhaßter, immer ... "Es tut mir leid", entschuldigte er sich rasch. "Ich habe es nicht so gemeint. Ich war wütend." Als er sie in die Arme schließen wollte, zögerte sie kurz, bevor sie ihn fest an sich zog. "Mir tut es auch leid. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich bin ein Dummkopf." "Nein, ich bin der Dummkopf, Maddie." Zärtlich streichelte er ihren Rücken. "Weil ich nämlich tief in meinem Herzen weiß, daß du recht hast. Ich muß mich ändern und mit meinem Leben etwas anderes anfangen. Aber was?" Er spürte, wie Maddie sich anspannte - doch warum? Hatte sie vielleicht Angst, daß er ihr plötzlich zur Last fallen könnte? Daß er ihr seine Liebe gestehen und sie bitten würde, ihn zu heiraten? Adrian hatte ihm neulich lachend erzählt, daß Maddie mit jedem Liebhaber Schluß machte, sobald sich dieser in sie verliebte. Er, Miles, hatte sich diese freundschaftliche Warnung
zu Herzen genommen. Maddie wollte von einem Mann weder Liebe noch eine feste Bindung, sondern nur Spaß und Sex. Das Problem war dabei nur, daß er auf dem besten Weg war, sich in Maddie zu verlieben. In sie und ihren Lebensstil und ihre Sicht der Dinge. Er liebte es, mit ihr zusammenzusein - nicht nur im Bett. Er liebte es, sich mit ihr zu unterhalten oder einfach mit ihr spazierenzugehen. Er liebte ihren Verstand genauso wie ihren Körper. Er liebte ihren ausgeprägten Sinn für Humor. Verdammt, er liebte sie! Nachdem er sich endlich über seine Gefühle klargeworden war, erfaßte ihn eine tiefe Ruhe, wie er sie seit Jahren nicht verspürt hatte, und eine wilde Entschlossenheit. Er würde ihr Herz und ihren Körper gewinnen. Bei seiner Werbung um sie würde er nichts unversucht lassen, und wenn er ihr dann seine Liebe gestand, würde sie ihn nicht fortschicken. Sie würde ihn heiraten. Ein Nein würde er als Antwort nicht akzeptieren. Maddie würde Mrs. Miles MacMillan werden. "Maddie ..." Er zog sie fester an sich. "Ja?" "Nichts. Ich möchte dich nur halten." "Wirklich?" Ihre Stimme klang überrascht und skeptisch zugleich. "Ja. Und mir gefällt das Bild. Ehrlich. Ich finde es fabelhaft. Du bist eine großartige Künstlerin." "Ja, ich weiß." Er schob sie auf Armeslänge von sich und sah sie vorwurfsvoll an. "Du bist ein egoistischer kleiner Teufel!" "Stimmt", bestätigte sie fröhlich. "Würdest du jetzt wieder deinen Platz einnehmen, damit ich mein Meisterwerk vollenden kann?" "Meinst du nicht, daß du eine Weile ohne mich weitermachen kannst? Die Wellen sind heute nachmittag besonders verlockend."
Maddie seufzte. "Allmählich wird mir deine Besessenheit für die australische Küste ein bißchen zuviel. Als nächstes wirst du dir vermutlich ein Surfboard kaufen." "Das wäre durchaus möglich, Maddie, Liebes." Erzog sich die Badehose an. "Aber erst, wenn ich meine Technik vervollkommnet habe." Sie lächelte. "Hinaus mit dir. Es liegt mir fern, dir diesen Machosport auszureden, aber Jammer mir nichts vor, wenn du dich ernsthaft verletzen solltest. Um diese Tageszeit sind die Wellen unberechenbar." "Ja, Mummy", erwiderte er spöttisch. "Ich verspreche, ganz vorsichtig zu sein." Sie schnitt eine Grimasse. "An dem Tag, an dem ich anfange, einen Mann zu bemuttern, werde ich einen Psychiater aufsuchen." Lachend nahm Miles sie bei den Schultern und küßte sie auf die Stirn. "Ich werde dich daran erinnern. Bis bald." Er lief durch den kleinen Garten zum Strand. Seine langen Beine trugen ihn schnell über den Sand. Noch bevor er das Wasser erreicht hatte, wandte Maddie sich wieder ihrem Bild zu. Erst zwanzig Minuten später sah sie wieder auf. Zwischen ihren Brauen bildeten sich zwei steile Falten, als sie Miles weder am Strand noch im Ozean entdecken konnte. Voller Unbehagen suchte sie mit ihren Blicken die hohen, schaumgekrönten Wellen nach ihm ab. Der Strand hinter ihrem Haus war für Schwimmer eigentlich ungeeignet. Neben der starken Strömung gab es außerdem eine tückische Sandbank, an der sich die Wellen mitunter heftig brachen. Vernünftige Badegäste bevorzugten daher die kleine Bucht am nahegelegenen Surfclub, wo zwei Fahnen sicheres Wasser signalisierten und Rettungsschwimmer bereitstanden, um jeden aus dem Meer zu holen, der in Schwierigkeiten geraten war.
Miles, als typisch egoistischer Vertreter des männlichen Geschlechts, hatte diese Möglichkeit rundheraus abgelehnt. "Ich bin ein ausgezeichneter Schwimmer", hatte er ihr erklärt, als sie ihn das erstemal vor den Gefahren außerhalb der Markierung gewarnt hatte. Er war wirklich ein guter Schwimmer. Und sein Talent fürs Wellenreiten stand außer Frage. Aber niemand war unbesiegbar, und die See konnte sehr grausam sein. Maddie verdrängte die aufsteigende Panik. Um ihre Blöße zu bedecken, schlüpfte sie hastig in ihren Morgenrock aus roter Seide und knotete den Gürtel fest um die Taille. Dann eilte sie in den Garten hinaus. Kurz vor dem Strand blieb sie stehen, da sie wußte, daß der heiße Sand ihr die Fußsohlen verbrennen würde. Vergeblich suchte sie die Wellen nach Miles' dunklem Haarschopf ab. Es war niemand im Wasser. Die Vorstellung, daß er in diesem Moment vielleicht irgendwo da draußen ertrinken könnte, war ihr unerträglich. Mit einem verzweifelten Aufschrei rannte sie über den Strand, ohne auf die Hitze zu achten. Sie schien immun zu sein gegen jeglichen Schmerz - außer dem in ihrem Herzen. "Nein!" Schluchzend sah sie sich um, bevor sie sich in die Wellen stürzte. Das Wasser war kalt, doch das war ihr gleichgültig. Sie rief Miles' Namen, während sie vorwärts watete. Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen, die Furcht legte sich wie ein eiserner Ring um ihre Brust. Gütiger Himmel, sie mußte den Mann lieben, wenn sie so empfand! Das konnte unmöglich nur Lust sein. Es mußte Liebe sein! Als ein Büschel Seetang ihre Beine streifte, bekam sie beinahe eine Herzattacke. Einen Moment lang hatte sie geglaubt, ein lebloser Körper würde an Land gespült. Tränen strömten über ihre Wangen. "O Miles", schluchzte sie. "Wo bist du, du Dummkopf?"
"Direkt hinter dir." Fassungslos wirbelte sie herum. Er stand tatsächlich an der Wasserlinie. Sein Oberkörper war noch nicht einmal naß. Und er sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren! So unrecht hatte er damit nicht. Sie mußte verrückt sein, sonst hätte sie sich nicht verliebt - und schon gar nicht in Miles! Ihre Erleichterung, ihn lebend vorzufinden, wurde rasch von heftigem Ärger über ihre eigenen Dummheit verdrängt. "Wo, zum Teufel, warst du?" Mit großen Schritten stapfte sie aus dem Wasser. "Ich dachte, du wärst verschwunden und hättest dir deinen verdammten Hals gebrochen." "Unsinn. Die Brandung war mir zu rauh. Deshalb bin ich ein bißchen über den Strand gejoggt, um wieder trocken zu werden. Ich habe nämlich vergessen, ein Handtuch mitzubringen." Maddie blieb vor ihm stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. "Er hat sein Handtuch vergessen", spottete sie bissig. "Ist dir eigentlich klar, daß du eine halbe Stunde fort warst? Ist dir nicht der Gedanke gekommen, daß ich mir Sorgen machen könnte, als du nicht nach zehn Minuten zurück warst?" Miles lächelte. "Paß auf. Du klingst schon wieder wie eine richtige Mutter." "Pah! Ich will lediglich meine Investition schützen." "Deine Investition?" wiederholte er verwundert. "Natürlich. Wo soll ich denn zu diesem Zeitpunkt noch ein neues Modell für den Whitbread-Wettbewerb finden? Außerdem", fügte sie grimmig hinzu, "habe ich mich an dein Gesicht gewöhnt. Ganz zu schweigen von anderen Teilen deiner Anatomie." Er lachte schallend. "Zum Glück. Ich dachte schon, du würdest auf deinen Vertrag für die Einrichtung meines Hauses anspielen." "Mach dich nicht lächerlich. Ich muß nicht das Haus eines Mannes ausstatten, um ihn mir als Liebhaber zu sichern."
"Das glaube ich dir gern." Er ließ den Blick anzüglich über ihren Körper gleiten. Erst jetzt merkte Maddie, daß der durchweichte Morgenrock gefährlich auseinanderklaffte. Sie wußte selbst nicht, warum sie errötete. Weit und breit war niemand am Strand zu entdecken. Der Sandstreifen lag völlig verlassen da. Plötzlich watete Miles auf sie zu und packte sie bei den Schultern. Er preßte die Lippen heiß auf ihren Mund. Dann schob er die Hände unter den dünnen Seidenmantel, um ihren festen Po zu umfassen. Seine wachsende Erregung war unverkennbar. Maddie erstarrte unter seinen aggressiven Liebkosungen. Obwohl sie sich danach sehnte, mit ihm zu schlafen, fürchtete sie sich zugleich davor. Jetzt, da sie wußte, daß sie Miles liebte, machte ihr die Beziehung auf einmal angst. Miles deutete ihr Zögern völlig falsch und hob sie auf die Arme. "Verstehe", flüsterte er rauh, während er sie aus dem Wasser und zum Haus trug. "Du möchtest beim Sex Abgeschiedenheit. Und Schutz." Schutz ... Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Wollte er ihr Herz etwa genauso schützen wie ihren Körper? Das bezweifelte sie. Sie bezweifelte überhaupt viele Dinge. Aber die Sorgen um die Zukunft verblaßten, als sie und Miles im Haus waren und einander in den Armen lagen. Die Gewißheit, Miles zu lieben, verlieh der Vereinigung eine tiefere Bedeutung. Sie war noch erregender und erfüllender. Maddie gelangte zu dem Schluß, daß die Gegenwart viel zu aufregend war, um düsteren Grübeleien nachzuhängen. Sie würde später am Abend über ihr Verhältnis nachdenken. Oder noch besser ... am nächsten Morgen.
10. KAPITEL "Du siehst umwerfend aus", stellte Maddie fest, als sie am Sonntag morgen in die Küche kam. Das war die reine Wahrheit. Miles' Anblick hatte ihr fast den Atem geraubt. Der maßgeschneiderte blaue Anzug ließ seine grauen Augen fast blau wirken. Sie hatte sich inzwischen damit abgefunden, Miles zu lieben, und beschlossen, nicht länger gegen ihre Gefühle anzukämpfen. Jedesmal, wenn er sie berührte, schmolz sie dahin. In der vergangenen Nacht hatte sie nicht genug von ihm bekommen können. Sie wollte die Zeit mit ihm genießen und hoffte inständig, daß sie genug Stärke aufbringen würde, um nicht zusammenzubrechen, wenn die Affäre in fünf Monaten endete. Miles durfte natürlich nie erfahren, wie tief ihre Gefühle für ihn waren. O nein, so dumm war sie nicht. Sie hatte oft genug erlebt, was passierte, wenn eine Frau einem Mann wie Miles sagte, daß sie ihn liebte: Sie wurde als Selbstverständlichkeit betrachtet und in vielerlei Hinsicht mißbraucht und ausgenutzt. Da Maddie nicht die Absicht hatte, sich der Gnade irgendeines Mannes auszuliefern, mußte sie unbedingt weiter lustbetonte Lässigkeit vortäuschen, wenn sie mit Miles zusammen war.
"Warum hast du dich schon so früh angezogen?" fragte sie, als sie den Wasserkessel auf den Herd stellte. "Die Taufe beginnt erst um elf." "Es ist bereits nach zehn", erinnerte er sie. "Na und? Die Kirche ist nur zehn Minuten von hier entfernt. Ich bin geduscht und geschminkt. Um zehn Uhr vierzig ziehe ich mich an, und um zehn Uhr fünfundvierzig können wir aufbrechen." "Das ist ein bißchen knapp, findest du nicht?" "Mag sein. Okay, ich ziehe mich um zehn Uhr achtunddreißig an." Miles seufzte. "Zum Glück müssen wir kein Flugzeug erwischen", murmelte er vor sich hin. "Du solltest wirklich aufhören, ständig Selbstgespräche zu führen, Liebling." Sie schenkte sich die dritte Tasse Kaffee seit dem Aufstehen ein. "Das ist das erste Anzeichen von Wahnsinn." "Vielleicht bin ich wahnsinnig." "Sind wir das nicht alle?" erwiderte sie. Es war eine wilde und manchmal sogar verrückte Nacht gewesen. Maddie hatte keine Ahnung gehabt, daß sie so ... athletisch war. Allerdings hatte sie sich nicht im entferntesten athletisch gefühlt, als sie gegen neun Uhr mit schmerzenden Muskeln erwacht war. Die Beschwerden erinnerten sie an den Morgen nach ihrem ersten - und letzten - Ritt auf einem Pferd. Maddie wußte jedoch, daß sie sich an eine andere Variante dieser Betätigung durchaus gewöhnen könnte. Sie genoß es maßlos, Miles zu betrachten, wenn er unter ihr lag und sein attraktives Gesicht seine Leidenschaft widerspiegelte, die ihrer in nichts nachzustehen schien. Aber nur schien. Ihr Mißtrauen gegenüber Männern wie Miles war erheblich. Wenn sich solche Männer mit Frauen einließen, die nicht ihren
gesellschaftlichen Kreisen entstammten, dann lebten sie nur irgendwelche sexuellen Phantasien aus, und diese Affären dauerten immer nur kurze Zeit. Keiner empfand dabei echte Liebe, obwohl sie sich mitunter einbilden mochten, verliebt zu sein. Ihre Mutter hatte in ihrer grenzenlosen Naivität stets den Liebesschwüren ihrer reichen Liebhaber geglaubt. War deren Leidenschaft dann erloschen, waren sie von der Bildfläche verschwunden und hatten eine völlig verzweifelte Frau zurückgelassen. Maddie hatte gelernt, die Trennung selbst herbeizuführen, bevor ihr ähnliches passieren konnte. Außerdem verschaffte es ihr eine tiefe innere Befriedigung, den Männern zu beweisen, daß man so nicht mit ihr umspringen konnte. Niemals! Allerdings hätte sie sich nie träumen lassen, daß sie sich eines Tages verlieben könnte, daß sie jemals einen Mann mit einer Intensität begehren könnte, die sie für die Stimme der Vernunft taub machte. Was sollte sie nur tun, wenn Miles nach England zurückkehrte? Wie sollte sie ohne ihn weiterleben? Resigniert stellte Maddie den Becher ab und verschüttete dabei etwas Kaffee. Na bitte, dachte sie selbstironisch, Liebe macht aus mir ein zitterndes Wrack. Während sie den Fleck fortwischte, beschloß sie, jeden Tag so zu nehmen, wie er kam. Es war sinnlos, sich über die Zukunft den Kopf zu zermartern. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum Carolyn ausgerechnet mich als Pamelas Patentante ausgesucht hat", sagte sie betont fröhlich. "Du wirst kaum eine gottlosere Person finden als mich. Ich bin zwar als Baby getauft worden, aber seither nicht mehr in der Kirche gewesen." "Unsinn, Maddie", entgegnete Miles energisch. "Frömmigkeit hat nichts mit Religion zu tun, sondern mit Charakterstärke und innerer Güte. Und du bist ein guter Mensch. Ich glaube, du bist eine hervorragende Patentante." Sie sah ihn skeptisch an. "Das meinst du nicht ernst."
"O doch. Wen haben sie eigentlich gebeten, als Patenonkel zu fungieren?" "Einen alten Surfkumpel von Adrian. Sein Name ist Wayne." "Ich dachte, sie hätten vielleicht Julian gefragt." "Julian ist vermutlich ein bißchen zu alt dafür. Außerdem ist er der Großvater des Babys." "Stimmt. Und was wird die Patentante heute anziehen?" Bedächtig stellte Maddie ihre Tasse beiseite. Auf diesen Moment hatte sie gewartet. Der erste gemeinsame Auftritt in der Öffentlichkeit. Die erste Gelegenheit für Miles, ihre Garderobe zu kritisieren. Gut, dachte sie, ich werde ihn nicht mehr so sehr lieben, wenn er erst anfängt, auf mir herumzuhacken. "Ist das so wichtig?" fragte sie herausfordernd. "Ja, bei diesem Anlaß ..." "Warum?" "Du weißt, warum, Maddie. Es gibt für alles den richtigen Ort und Zeitpunkt. Und eine Taufe in der Kirche - besonders wenn man die Patentante ist - ist nicht der richtige Ort für schwarzes Leder, kurze Röcke oder tiefe Dekolletes." "Ist das so?" "Ja, das ist so. Und nun hör auf, mich zu provozieren, und verrate mir, was du tragen wirst. Ich bin sicher, du hast dir etwas sehr Passendes und Elegantes ausgesucht. Und ich werde heute sehr stolz auf dich sein." Maddie konnte nichts dagegen tun. Sie schmolz wieder einmal dahin, all ihre Aufsässigkeit verflog. Wäre Miles so überheblich und herablassend wie Spencer gewesen oder verletzend wie andere Männer, die sie gekannt hatte, dann hätte sie ihn in Stücke gerissen. Statt dessen war er so clever, seine Kritik hinter geschickten Komplimenten zu verbergen. Außerdem wurde sie den Verdacht nicht los, daß er ihr schmeichelte, um später noch leichter seinen Willen zu bekommen...
"Nun ja ... Ich habe da dieses weiße Kostüm", hörte sie sich selbst in einem so liebenswürdigen Tonfall sagen, wie sie ihn seit Jahren nicht mehr benutzt hatte. Aber, verdammt, sie wollte ihm so gern gefallen! Jawohl, jetzt hatte sie es zugegeben. Er sollte nicht denken, daß sie billig aussah. Sie wollte, daß er auf sie so stolz war wie auf eine echte englische Lady. "Das klingt wundervoll, Maddie", meinte er mit einem hinreißenden Lächeln. "Ich kann es kaum erwarten, dich darin zu sehen." Sie stürmte in ihr Schlafzimmer, um das weiße Kostüm anzuziehen. Dann eilte sie zurück, um von ihm gelobt zu werden. Es war ein klassisches Kostüm mit einem geraden Rock, der knapp oberhalb der Knie endete, und einer taillierten, kurzärmeligen Jacke mit einem dezenten Ausschnitt und einer verdeckten Knopfleiste. Maddie hatte ihr Haar aufgesteckt, doch ein paar vorwitzige Locken ringelten sich um ihr Gesicht. Sie hatte sogar auf Ohrringe verzichtet, da sie nichts besaß, was zu diesem Outfit paßte. "O Maddie ..." Miles' Augen leuchteten voller Bewunderung. "Du siehst wunderhübsch aus. Ich finde, Weiß steht dir noch besser als Schwarz. In der nächsten Woche werde ich dir ein Dutzend weiße Kleider kaufen." "O nein, das wirst du nicht", entgegnete sie energisch. Sosehr sie Miles auch gefallen wollte, durfte sie ihren Prinzipien nicht untreu werden. "Es ist weder Weihnachten noch mein Geburtstag. Nur bei diesen Anlässen nehme ich Geschenke von Männern an." Miles runzelte die Stirn. "Niemals?" "Nun ja ... Aufmerksamkeiten wie Blumen oder Pralinen rechne ich da nicht mit. Ich rede von teuren Präsenten. Solche, von denen man denken könnte, es wäre eine Art Bezahlung für geleistete Dienste."
"Ach so. Bei der Kleinigkeit, die ich diese Woche für dich gekauft habe, wirst du das nicht denken. So teuer war es nicht." "Du hast mir ein Geschenk gekauft?" Maddie war gerührt. "Was ist es?" "Nur ein Paar Ohrringe. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie zu diesem Kleid passen. Als ich sie ausgesucht habe, habe ich mir vorgestellt, du würdest ... etwas anderes tragen. Warte, ich hole sie. Haben wir noch genug Zeit?" "Ein paar Minuten." Während Miles ins Schlafzimmer ging, dankte er seinem Schutzengel, daß er Maddie den Schmuck nicht schon früher gegeben hatte -sonst hätte er jetzt ein echtes Problem. Er fischte die Diamantohrringe aus der exklusiven Verpackung. Als er in die Küche zurückkehrte, hielt er sie so lässig in der Hand, als wären sie ein Zwei-Dollar-Souvenir vom Flohmarkt. Maddie schnappte hörbar nach Luft, als sie die Steine sah. "O Miles, sie sind wundervoll. Woher hast du sie? Sie wirken völlig echt." "Das fand ich auch. Es sind Zirkone", log er tapfer. Sie stutzte. "Es heißt, manchmal könne man Zirkone nicht von Diamanten unterscheiden. Jetzt begreife ich, was damit gemeint ist. Allerdings sollen sie gelegentlich recht teuer sein. Hoffentlich hast du nicht zuviel dafür bezahlt." "Nur ein paar Hunderter." "Nur ein paar Hunderter?" wiederholte sie fassungslos. "Das ist horrend! Man hat dich übers Ohr gehauen!" "Ach, das glaube ich nicht. Die Fassung ist recht hübsch. Außerdem kann ich es mir leisten." "Darum geht es nicht. Ich wette, du bist in einem deiner teuren Anzüge in einem der Schmuckläden aufgekreuzt, und der Verkäufer hat dich als leichte Beute betrachtet. Wenn ich mich nicht unsterblich in diese Ohrringe verliebt hätte, würde ich dich zwingen, sie zurückzubringen."
Miles atmete erleichtert auf. O wie liebte er diese Frau! Verglichen mit ihr, wirkte Annabel wie eine gierige Schlange. "Gefallen sie dir wirklich?" erkundigte er sich besorgt. "Ich finde sie phantastisch! Und ich werde sie heute tragen, egal, ob sie zu dem Kleid passen oder nicht." Geschickt befestigte sie sie an den Ohrläppchen. "Und ich bete dich an." Er zog Maddie an sich. Ihre Blicke trafen sich. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte Miles, kindliches Entzücken in ihren Augen zu entdecken, doch dann kehrte das gewohnte spöttische Funkeln zurück. "Ich weiß, was du anbetest, Miles MacMillan." Er lachte. "Das auch. Aber es ist mehr als nur Sex, Maddie. Magst du mich nicht auch aus anderen Gründen?" "Worauf willst du hinaus?" Verdammt, was war sie mißtrauisch! Nicht zum erstenmal fragte er sich, was hinter ihrer Abneigung gegen feste Bindungen steckte. Wenn sie sich mit einem Mann einließ, dann lediglich für kurze Zeit und auch nur auf körperlicher Ebene. Falls sich heute eine Gelegenheit dazu ergab, wollte er Adrian oder Carolyn bitten, ihm etwas über Maddies Vergangenheit zu erzählen. Sie selbst war nämlich äußerst wortkarg, wenn das Thema auf sie oder ihre Erziehung kam. Er hatte es einmal versucht, als sie erschöpft vom Liebesspiel im Bett gelegen hatten, aber sie hatte ihm zunächst nur ausweichende Antworten gegeben und ihn mit ihrem verführerischen Körper abgelenkt. Miles beugte sich vor, um sie zu küssen, doch Maddie wich vor ihm zurück. Sie wirkte ein wenig verwirrt, was eigentlich überhaupt nicht zu ihr paßte. "Dafür haben wir jetzt keine Zeit", erklärte sie schroff. "Wir müssen los." Hastig wandte sie sich ab. Verwundert blickte Miles ihr nach. Was mochte sie so verärgert haben? Nach kurzem Zögern folgte er ihr
achselzuckend. Es hatte keinen Zweck, Maddie verstehen zu wollen. Sie war viel zu vielschichtig. Er brauchte Fakten. Und die würde er bekommen. Heute.
11. KAPITEL "Ich weiß nicht was du an dir hast, Maddie", sagte Adrian nach der Taufe. "Du brauchst nur in Pamelas Sichtweite zu kommen, und schon verwandelt sie sich in einen Engel. Selbst bei mir schreit sie gelegentlich, aber wenn du da bist ... Entweder lächelt sie, oder sie schläft. Was ist dein Geheimnis?" "Es sind die Ohrringe, Adrian", erklärte Carolyn. "Sie hypnotisiert Pammie damit. Da wir gerade darüber sprechen - du trägst heute wirklich zwei Prachtstücke, Maddie. Woher hast du sie? Wenn ich es nicht besser wüßte würde ich meinen, es sind echte Diamanten." "Miles hat sie mir geschenkt." Maddie schaute lächelnd hinüber zu ihm. Er plauderte gerade mit Julian und lsabel. "Es sind jedoch keine Diamanten, sondern Zirkonen." "Bist du sicher?" fragte Carolyn stirnrunzelnd. "Mum hat nämlich Diamantohrringe, und ich hätte schwören können, daß deine genauso echt sind." "Warum sollte Miles mir Diamanten schenken und dann behaupten, es wären Zirkonen? Das ergibt doch keinen Sinn, oder, mein Liebling?" Maddie beugte sich erneut über ihr Patenkind, das selig in ihren Armen lag und keinen Muckser von sich gab. "Findet die Feier nachher bei euch oder im Haus deiner Mutter statt, Carolyn?"
"Bei Mum. Unser Haus hat sich noch nicht ganz von meinem Krankenhausaufenthalt erholt, nicht wahr, Adrian? Außerdem haben wir bei Mum mehr Platz." "Hoffentlich lästert ihr nicht gerade über mein Übergewicht", sagte lsabel selbstironisch, als sie sich zu ihnen gesellte. "Nein, über ihr Haus." "Zum Glück! Als ich mich heute morgen im Spiegel betrachtet habe, ist mir klargeworden, daß ich entweder joggen oder Diät halten muß - oder beides." "Unsinn, lsabel", protestierte Maddie. "Sie haben eine wundervolle Figur. Ich wünschte, ich hätte ein paar Kurven mehr." Carolyn stöhnte laut auf. "Hört auf, über Figurprobleme zu reden. Ich darf gar nicht daran denken! Dabei war ich vor der Schwangerschaft so zierlich." "Das warst du nie!" entgegnete Adrian. "Und der Beweis hängt über meinem Bett. Du warst schon immer ein bißchen üppig, meine Süße." Er legte liebevoll den Arm um sie. "Und nun Schluß damit. Gib mir das Baby, Maddie. Sie muß dir doch allmählich zu schwer werden. Wayne! Lisa!" rief er dem Patenonkel und dessen Freundin zu. "Wir fahren zu Julian und feiern dort. Wo ist eigentlich Julian? Und Miles?" "Sie stehen direkt hinter dir, Adrian." Maddie schaute Miles über die Schulter ihres Partners hinweg an. Er schien sie schon die ganze Zeit zu beobachten. Zu beobachten und zu warten. Aber worauf? Was sie betraf, so hatte die Nähe zu Carolyns Baby ihre verschütteten Mutterinstinkte mit Macht zurückgebracht. Der Wunsch, selbst ein Baby zu haben, war stärker denn je. Und der Drang, dieses Kind von Miles zu bekommen, war geradezu übermächtig. Vielleicht würde sie unter seiner Abreise nach England nicht so leiden, wenn er einen kleinen Teil von sich zurückließ ...
"Jetzt kenne ich endlich das Geheimnis um das Aktbild über Adrians Bett", verkündete Miles, als sie später allein im Wagen saßen. "Das Modell war Carolyn." "Ja, natürlich. Was dachtest du denn? O nein!" Maddie lachte. "Du dachtest, ich hätte Adrian gemalt!" "Um Himmels willen, achte auf die Straße!" rief Miles, als das Auto den steilen Felsen zu seiner Linken gefährlich nahe kam. "Und fahr langsamer. Ich hätte darauf bestehen müssen, daß wir meinen Wagen nehmen. Ja, ich habe gedacht, es wäre Adrian. Jedesmal, wenn ich mich in den letzten Wochen ausgezogen habe, um für dich Modell zu sitzen, habe ich mir vorgestellt, wie du ihn gemalt hast - und dabei selbst keinen Faden am Leib hattest!" "Ich mag es, wenn du eifersüchtig bist." Sie lächelte. "Du bist so wunderbar leidenschaftlich. Es ist fast schade, daß Adrian und ich nie ein Paar waren ..." "Wenn ihr nie ein Liebespaar wart, was seid ihr dann? Wo habt ihr euch getroffen? Was verbindet euch? Ist dir eigentlich klar, daß ich absolut nichts über dich weiß, außer dem, was ich mir im Lauf der Zeit zusammengereimt habe? Du sprichst nie über deine Vergangenheit." "Mir ist nicht aufgefallen, daß du eine minuziöse Beichte über die letzten dreiunddreißig Jahre deines Lebens abgelegt hättest, Miles", konterte sie trocken. "Und das ist auch besser so. Ich muß nicht die ganze Geschichte eines Mannes kennen, um gern mit ihm zusammenzusein - und umgekehrt. Ich will dich gar nicht verstehen. Ich bin nicht deine Frau." "Nein, das bist du nicht annähernd", erwiderte er frustriert. "Genau." "Verdammt, das habe ich nicht gemeint!" "Warum machst du nicht mit mir Schluß, wenn du schon einmal dabei bist? Du bist ein fabelhafter Liebhaber, aber ich will dich genausowenig heiraten wie du mich. Du brauchst also nicht so zu tun, als müßtest du dich um mich kümmern, solange
unsere Affäre dauert. Es besteht nicht die geringste Veranlassung für dieses Erzählst-du-mir-dein-Leben-erzähle ich-dir-meines-Spiel. Mein Leben ist übrigens so langweilig wie eine weiße Wand, und deines wird mich entweder neidisch machen oder, dazu bringen, dich zu verachten. Also, wenn du die Sache beenden willst, dann sag es", erklärte sie kalt. "Ich werde dich nicht zurückhalten." Miles wünschte, er hätte dieses Gespräch nie begonnen. Er spürte, daß Maddie trotz ihrer scheinbaren Gelassenheit vor Wut kochte. "Ich will nicht Schluß machen", versicherte er unglücklich. "Dann hör auf, etwas ändern zu wollen. Glaub mir, wenn du es versuchst, flippe ich aus!" "Das hat man mir erzählt." Und jetzt sah er es mit eigenen Augen. "Hat Adrian wieder mit dir geredet?" "Nein, Carolyn. Ich saß in der Kirche neben ihr." "Und du hast sie über mich ausgefragt?" "So würde ich es nicht bezeichnen." "Ich schon. Und was hast du erfahren? Daß ich verbittert und verbohrt bin, weil meine Hippiemutter sich in einen verheirateten Politiker verliebt hat und dann von ihm wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurde?" Miles zuckte unter ihrem wütenden Blick zusammen. Genau das hatte Carolyn ihm nämlich erzählt, wenngleich ein bißchen taktvoller. "Ich sehe es dir an, daß sie es dir gesagt hat. Dabei kennt die liebe Carolyn nicht einmal die halbe Wahrheit. Ich habe ihr gegenüber nie erwähnt, wie viele Politiker das Bett meiner Mutter geteilt haben, als ich noch ein Teenager war. Sie wohnt praktischerweise in der Nähe von Canberra, gerade so weit außerhalb der Stadt, daß ihre Liebhaber nicht erkannt wurden. Die meisten von ihnen waren verheiratet, und alle waren sie elende Lügner. Sie haben ihr immer gesagt, sie würden sie
lieben. Und manche haben ihr sogar die Ehe versprochen. Aber alles, was diese Schufte wollten, war Sex", fuhr sie verächtlich fort. "Hatten sie erst einmal ihr Ziel erreicht, verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen. Meine Mutter blieb jedesmal völlig verzweifelt und in Tränen aufgelöst zurück. Ich mußte dann die Scherben auf sammeln. Ich habe nie begriffen, weshalb sie diese Märchen immer wieder geglaubt hat." Miles war entsetzt - sowohl über das Bild, das Maddie ihm von ihrer Kindheit entworfen hatte, als auch über ihren begründeten Zynismus, was Männer betraf. Es würde nicht leicht sein, ihre Liebe und ihr Vertrauen zu erringen. Eigentlich war es ein fast aussichtsloses Unterfangen. "Und sie hat sich nicht geändert", schimpfte Maddie weiter. "Sie läßt sich mit schöner Regelmäßigkeit belügen und ausnutzen. Das macht mich ganz verrückt, denn im Grunde genommen ist sie ein wunderbarer Mensch. Eine herzensgute, großzügige Seele, die immer wieder auf die Nase fällt, weil sie geliebt werden will. Liebe", wiederholte sie sarkastisch. "Das, was die meisten Männer Liebe nennen, ist keine zwei Shilling wert." Lastendes Schweigen senkte sich über den Wagen. Miles wußte nicht, was er sagen sollte. Er war völlig deprimiert. Maddie jetzt zu erklären, daß er sie liebte, wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Aber Taten sagten mehr als Worte, das hatte zumindest seine Großmutter immer behauptet. Ein Mann wurde an seinen Taten gemessen! Miles beschloß, Maddie seine Liebe nicht zu gestehen, sondern sie ihr zu beweisen. Aber wie? Mit ihr zu schlafen war nicht der richtige Weg allerdings war er nicht bereit, darauf zu verzichten. Nicht nach der letzten Nacht. Die letzte Nacht war einfach traumhaft gewesen. Nie zuvor hatte er eine so entfesselte Leidenschaft erlebt.
Geschenke waren auch kein passendes Mittel. Sie würde glauben, er wolle sie bestechen oder gar kaufen. Was blieb ihm also übrig? Zeit, überlegte er, und Zärtlichkeit. "Ich habe nachgedacht, Maddie", begann er, als der Wagen die steile Auffahrt zu Julians Haus erklomm. "Ich brauche dringend eine Pause von der Firma. Seit Jahren arbeite ich achtzehn Stunden am Tag, und das sechs Tage die Woche. Deshalb habe ich beschlossen, meinen restlichen Aufenthalt in Australien als Urlaub zu nutzen. Es gibt genug gute Leute, die die Niederlassung in Sydney leiten können. Man braucht mich hier nicht. Ach, und noch etwas ... Wenn ich am nächsten Wochenende in mein neues Haus ziehe, möchte ich, daß du mit mir einziehst." Verwundert drehte sie sich zu ihm um - keine besonders kluge Entscheidung in Anbetracht der kurvenreichen Strecke. Der Wagen schlingerte über den Sandstreifen am Straßenrand. Die Reifen drehten durch, und das Heck begann, wie wild zu schlingern. Es dauerte einige haarsträubende Sekunden, bis Maddie wieder alles unter Kontrolle hatte. Erleichtert stieß Miles den Atem aus, den er vor Schreck angehalten hatte. "Gütiger Himmel, Maddie!" "Das geschieht dir ganz recht. Warum mußtest du mich auch so überraschen?" erwiderte sie trocken. "Und was deinen Vorschlag betrifft... Tut mir leid, Miles, aber ich lebe nie mit Männern zusammen." "Ich habe dich nicht gebeten, mit Männern zusammenzuleben, sondern mit mir." Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben. "Das ist dasselbe." "Ist es nicht." Er merkte, daß er sehr geschickt vorgehen mußte, wenn er Maddie überreden wollte, zu ihm zu ziehen. "Ich will weder eine feste Bindung noch irgend etwas Dauerhaftes. Du sollst auch nicht meine Haushälterin spielen. Ich bitte dich
lediglich um deine Gesellschaft. Mein Haus ist von deinem ziemlich weit weg, und wir würden ständig hin- und herfahren. In Anbetracht deiner Fahrkünste und des Zustands dieses Vehikels halte ich es für das vernünftigste, wenn wir zusammenleben würden, solange ich in Australien bin." Der Seitenblick, den sie ihm zuwarf, war schwer zu deuten. "Du würdest also nicht von mir verlangen, hinter dir aufzuräumen oder für dich zu kochen?" "Die Antwort auf deine erste Frage lautet: Niemals. Und bei der zweiten: Nur wenn du willst. Ich möchte gern selbst kochen lernen. Das ist eines meiner Ziele für die nächsten fünf Monate." "Und welche Pläne hast du noch?" Er schaute sie unschuldig an. "Ich will lernen, mich auf einem Surfbrett zu halten. Außerdem möchte ich Drachen fliegen. Letztes Wochenende habe ich ein paar Burschen an den Klippen von Stanwell Park beobachtet. Sie schienen sich blendend zu amüsieren." Entsetzen spiegelte sich in ihren Zügen wider. "Sei nicht albern, Miles. Das ist wirklich gefährlich. Noch gefährlicher als Surfen." "Ich werde vorsichtig sein und Unterricht nehmen." "Bevor die erste Lektion vorbei ist, hast du dir deinen britischen Hals gebrochen", protestierte sie. "Es ist mein Hals", erinnerte er sie. Ihre unverhohlene Sorge gefiel ihm. Vielleicht machte sie sich inzwischen doch mehr aus ihm, als sie ahnte ... "In einem Krankenhausbett bist du mir nicht von Nutzen." Der winzige Hoffnungsschimmer erlosch, grenzenlose Enttäuschung trat an seine Stelle. "Es freut mich, daß du Prioritäten setzt, wenn es um mich geht, Maddie. Einen Moment lang habe ich geglaubt, dir würde etwas an mir liegen." "Dummer Miles." Ja, dummer Miles, dachte er wütend.
"Willst du nun bei mir einziehen oder nicht?" fragte er ungeduldig. "Ja, ich glaube, das ließe sich einrichten." "Sie glaubt, es ließe sich einrichten ..." wiederholte er spöttisch. "Paß auf, daß du dich nicht verausgabst." "Keine Sorge. Da wir gerade von Verausgaben sprechen ... Was hältst du davon, wenn ich der Einfachheit halber die Pille nehmen würde? Natürlich erst, nachdem wir beide alle nötigen Tests absolviert haben." "Oh, selbstverständlich!" lautete sein bissiger Kommentar. "Ich möchte natürlich nicht, daß du ein unnötiges Risiko eingehst." "Vielen Dank, Miles, aber ich dachte dabei mehr' an dich. Männer wie du können in diesen Dingen wahre Plagegeister sein." Miles spürte, wie sein Blutdruck in gefährliche Höhen stieg, und atmete tief durch. Er wollte verdammt sein, wenn er sich von ihr ärgern ließ. "Du solltest nicht alle Männer über einen Kamm scheren, Maddie", tadelte er sie sanft. "Wir sind nicht so leicht zu durchschauen, wie du glaubst. Und wir kommen nicht alle aus einem Topf." "Das würde ich von dir auch nie vermuten, Miles. O nein! Du bist keine billige Kopie, sondern einmalig. Warum sonst hätte ich dich gebeten, für mich Modell zu stehen?" "Allmählich fürchte ich, du hast es nur getan, um mich schneller aus meinen Sachen zu bekommen." Sie lächelte verschmitzt. "Du hast mich erwischt. Und ich dachte, ich könnte ewig den Whitbread-Wettbewerb vorschützen. Kluger Miles, bist du jetzt böse auf mich?" "Böse" war nicht annähernd die richtige Beschreibung für das, was er gerade empfand. "Warum sollte ich?" konterte er, stolz auf seine Lässigkeit. "Ich habe doch alles, was ich will, oder?"
Er blickte aus dem Beifahrerfenster, um zu verhindern, daß Maddie seine wahren Gefühle erriet. Glücklicherweise verfolgte sie das Thema nicht weiter. Trotzdem war Miles erleichtert, als Julians Haus in Sicht kam. Er war sich nämlich absolut nicht sicher, ob er noch länger den Mund halten könnte. Er wollte mit ihr diskutieren und streiten, wollte ihr Vorwürfe machen, weil die schlechten Erfahrungen ihrer Mutter sie in eine kaltherzige Zynikerin verwandelt hatten, die Männer nur für "das eine" benutzte - und das alles nur, weil sie sie tieferer Gefühle für unfähig hielt. Auf andere Männer mochte das zutreffen, aber nicht auf ihn! Er hatte ihr soviel mehr zu geben als bloß Sex. Und trotzdem war das alles, was sie wollte. Na schön, dachte er bitter, dann wird sie das auch von mir bekommen. Doch er würde ihr noch etwas schenken, ob ihr das nun gefiel oder nicht. Er würde ihr seine Liebe schenken. Mit jedem Kuß, mit jeder Berührung würde er sich in ihr Unterbewußtsein schleichen und sie erobern, ohne daß sie es merkte. Er hatte schließlich nicht eine so einmalige Frau wie Maddie gefunden, um sie wegen der Rücksichtslosigkeit anderer Männer zu verlieren. Sie würde die Seine werden, in des Wortes wahrster Bedeutung. Und falls das bedeutete, daß auch er ein wenig rücksichtslos sein mußte - okay.
12. KAPITEL Nach dem Duschen schlüpfte Maddie in eine schwarze Seidenrobe und zog das Handtuch vom Kopf. Die feuchten schwarzen Locken ringelten sich wirr um ihr Gesicht. Sie fuhr mit den Fingern durch die Mähne und verließ das Bad. Im angrenzenden Schlafzimmer blieb sie einen Moment lang stehen und bewunderte das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Es war wirklich ein Jammer, daß Miles ihr nicht erlaubt hatte, das Bild beim Wettbewerb einzureichen! Es hätte gewonnen, davon war sie felsenfest überzeugt. Andererseits war es auch sehr nett, den Anblick seines wundervollen Körpers allein zu genießen. Maddie liebte es, im Bett zu liegen und ihr Werk zu betrachten. Miles beschwerte sich zwar immer noch, daß es ihm überhaupt nicht ähnlich sähe, aber ihr war aufgefallen, daß er sein Haar jetzt länger trug. Mit jedem Tag glich er dem Mann auf dem Bild mehr. Maddie warf ihm eine Kußhand zu und ging lächelnd hinauf. Draußen war es windig und ziemlich kühl, während das Innere des Hauses angenehm warm war. Die Glasschiebetüren beider Balkone waren geschlossen, und die Strahlen der Morgensonne reichten aus, um das ganze Gebäude aufzuheizen, obwohl der Winter vor der Tür stand. Maddie machte sich Kaffee und trug den Becher zum weitläufigen Wohnbereich hinüber. Dort kuschelte sie sich in
einen der großen Ledersessel vor dem Fenster. Sie saß gern hier, trank eine Kleinigkeit und betrachtete die Einrichtung. Mit der Ausstattung von Miles' Haus hatte sie sich selbst übertroffen. Es gefiel ihr so gut, daß sie sich lieber hier aufhielt als in ihrem eigenen Heim. In dieser ästhetischen Umgebung bedeutete es für sie kein Opfer, mit ihm zusammenzuleben. Genaugenommen wäre es ihr auch sonst nicht schwergefallen. Maddie sah sich um. Entgegen Miles' Wünschen hatte sie keinen blauen Teppichboden gewählt, da diese Farbe in der grellen australischen Sonne rasch ausblich. Statt dessen hatte sie sich für blaugeäderte italienische Fliesen entschieden und diese mit dicken weißen Webteppichen kombiniert. Die pfauenblaue Ledercouch fügte sich genauso harmonisch in das Gesamtbild wie die unterschiedlich hohen Glastische, die dekorativ und praktisch zugleich waren. Außerdem hatte sie hemmungslos ihrer Vorliebe für Lampen gefrönt. Sie hatte auf jegliche Deckenbeleuchtung verzichtet, dafür schufen zahlreiche Stehlampen mit blauen und weißen Schirmen warme Lichtinseln. Nachts schimmerte das Zimmer mattblau. Miles liebte diese Wirkung und sie ebenfalls. Maddie seufzte. Tatsache war, daß sie das Haus viel zu sehr liebte. Und Miles. Sie hätte sich nie träumen lassen, daß es so einfach sein würde, mit ihm zusammenzuleben. Er war so verständnisvoll und einfühlsam. Und so verdammt nett! Es war nun beinahe drei Monate her, daß sie bei ihm eingezogen war, und er bemühte sich noch immer um sie. Er brachte ihr morgens den Kaffee ans Bett. Massierte ihre Füße, wenn sie einen harten Tag hinter sich hatte. Kaufte ihr rührende Aufmerksamkeiten, wie zum Beispiel Pralinen oder kleine Blumensträuße.
Wenn sie es nicht besser gewußt hätte, hätte sie fast meinen können, er wäre in sie verliebt! Bei dem letzten Gedanken verzog Maddie das Gesicht. Sie stand auf und trug den leeren Becher in die Küche hinüber, als das Telefon läutete. Einen Anrufbeantworter gab es in diesem Haus nicht. Miles hatte es rundheraus abgelehnt, einen anzuschaffen. Er wollte, wie er sagte, nicht durch eine Maschine ans Büro erinnert werden. Maddie ging in der Küche an den Apparat. "Ja?" "Du bist schon auf?" "Ja, Miles, Liebling. Endlich." Sie zog sich einen Hocker heran und stellte den Becher auf den Küchentresen. "Zum Glück ist heute Sonnabend. Wo bist du? Hat Julian dich in die Wildnis verschleppt?" "Wahrscheinlich. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo ich gerade bin. Irgendwo im Süden. Eine wunderbare Gegend. Ich kann verstehen, daß Julian hier Land kaufen will. Er versucht mich zu einer Beteiligung zu überreden." Maddie war verblüfft. "Aber ... aber du fährst doch in zwei Monaten wieder zurück. Willst du wirklich Geld in ein Projekt auf der anderen Seite des Erdballs investieren?" "Vielleicht reise ich auch nicht nach Hause", sagte er beiläufig. Sie traute ihren Ohren kaum. Er wollte nicht nach Hause zurückkehren? Aber er mußte! Sie war schließlich schwanger! Zumindest vermutete sie das. Sie war allerdings noch nicht beim Arzt gewesen, weil sie die Augen noch eine Weile vor der Wahrheit verschließen wollte. Und nun mußte sie sich der Realität stellen. "Ich spiele mit dem Gedanken, noch ein bißchen länger zu bleiben", fügte er hinzu. Panik erfaßte sie. Falls Miles zu lange in Australien blieb, würde er womöglich von ihrem Zustand erfahren - und dann brach wahrscheinlich die Hölle los. Maddie kannte ihn gut
genug, um zu wissen, daß er absolut wütend werden konnte, wenn man ihn austrickste. Gütiger Himmel, sie hatte sich schon elend genug gefühlt, als sie ihm vorgegaukelt hatte, die Pille zu nehmen! "Oh." Die Furcht verlieh ihrer Stimme einen schroffen Unterton. "Das ist mir neu." Miles unterdrückte ein Seufzen. Er hatte gehofft, sie würde freudiger auf diese Nachricht reagieren, zumal er geglaubt hatte, in den letzten drei Monaten einige Fortschritte bei ihr gemacht zu haben. Pech gehabt, dachte er resigniert. Maddie war sofort auf der Hut und ging in die Defensive. Offenbar hatte er seine Trümpfe zu schnell ausgespielt. "Es war nur so eine Idee von mir", wiegelte er ab. "Vielleicht mache ich es auch nicht. Max hat mich übrigens gebeten, früher heimzureisen. Er sagt, ich würde in England gebraucht." Und zwar mehr als ich anscheinend hier gebraucht werde, fügte er im stillen hinzu. "Dein Bruder hat wahrscheinlich recht", erwiderte Maddie. "Außerdem wäre deine Mutter gewiß traurig, wenn du nicht wie geplant nach Hause kämst. Sie klingt in ihren Briefen immer so unglücklich." Miles bedauerte, daß er sie ihr zu lesen gegeben hatte. Es war ein verzweifelter Versuch gewesen, ihrer Beziehung eine vertraulichere Basis zu geben. Woher hätte er ahnen sollen, daß Maddie den Inhalt dieser Briefe benutzen würde, um ihn moralisch zu erpressen? Langweilte sie sich schon mit ihm? Oder hatte sie etwa gespürt, daß er sich in sie verliebt hatte? Adrian hatte ihn gewarnt, daß dies der Todesstoß für ihr Verhältnis sein würde, aber in seiner grenzenlosen Arroganz hatte er, Miles, es nicht glauben wollen. "Es ist zur Abwechslung mal ganz nett, wenn man gebraucht wird", meinte er vorsichtig.
"Ich brauche dich immer, Miles", versicherte sie mit leiser, verführerischer Stimme. "Das weißt du." Aber nur für eines, schoß es ihm boshafterweise durch den Kopf. Nein, die süße Maddie war nicht gelangweilt - zumindest nicht, was den sexuellen Teil ihrer Beziehung betraf. Ihr Liebesleben war noch befriedigender geworden, seit sie die Pille nahm. Und viel spontaner. Es gab in dem neuen Haus keinen einzigen Raum, in dem sie noch nicht miteinander geschlafen hätten. Oder eine Tageszeit, zu der sie sich nicht geliebt hätten. Ob Morgen, Mittag oder Nacht machte für sie keinen Unterschied. Maddies schier unstillbares Verlangen nach ihm bereitete Miles die größte Freude. Allerdings verwünschte er im Moment sowohl ihr Verlangen als auch das Begehren, das sie selbst dann in ihm weckte, wenn er wütend auf sie war. "Wann kommst du nach Hause?" fragte sie. "Ich vermisse dich bereits." "Keine Ahnung. Ich bin Julians Gnade hilflos ausgeliefert. Wir sind nämlich mit seinem Wagen unterwegs. Am späten Nachmittag, schätze ich." "Komm nicht zu spät." Sie schnurrte beinahe. "Ich werde dir heute abend etwas ganz Besonderes kochen. Wir öffnen eine Flasche Wein und machen uns ein paar schöne Stunden. Jetzt muß ich mich aber beeilen, mein Liebling. Ich bin gerade aus der Dusche raus und bekomme eine Gänsehaut. Bis nachher ... Ach, Miles, triff heute noch keine Entscheidungen. Denk erst darüber nach." Vor Miles' geistigem Auge erschien Maddies Bild, wie sie splitternackt dastand, ihr wundervoller Körper noch naß vom Duschen, die rosigen Knospen steil aufgerichtet... Sein Stöhnen war eine Mischung aus Frust und Ratlosigkeit. So kann es nicht weitergehen, dachte er. Ausgeschlossen. Er
fühlte sich wie eine Marionette, die von Maddie durch die pure Kraft ihrer Sinnlichkeit gelenkt und manipuliert wurde. Genug ist genug, befand er. Von heute an würden seine Regeln gelten - oder gar keine! Maddie legte den Hörer auf. Sie haßte sich dafür, daß sie Miles gegenüber den Vamp gespielt hatte. Das war ein billiger, schäbige? Trick gewesen, der kein Körnchen Wahrheit enthielt. Sie hatte Miles in dem Glauben belassen, sie wäre nackt, was nicht stimmte. Und sie hatte ihm wieder einmal erfolgreich eingeredet, sie würde ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit begehren. Was auch nicht stimmte. O ja, natürlich begehrte sie ihn, aber sie wollte den ganzen Mann, nicht nur seinen Körper. Sie hatte versucht, ihre Gefühle und damit auch ihre Beziehung unter Kontrolle zu halten, indem sie sich auf den Sex konzentriert hatte, doch das hatte nicht funktioniert. Nicht im entferntesten. Sie liebte Miles mehr denn je. Und nun war ihr ihre vermeintliche Hemmungslosigkeit zum Verhängnis geworden. Einer der Gründe, weshalb Miles seinen Aufenthalt verlängern wollte, war zweifellos der Wunsch, weiter die Wonnen zu genießen, die sie ihm schenken konnte. Kein Mann auf Erden würde freiwillig auf die erotischen Freuden verzichten, die sie Miles Tag für Tag bereitete. Aber er würde ihr nie das geben, was sie sich seit einiger Zeit erträumte. Er würde nicht auf Dauer hierbleiben und sie heiraten. Welcher vernünftige Mann würde dich auch heiraten? fragte eine boshafte innere Stimme. Ausgerechnet dich, mit deinen billigen Kleidern, deinen freizügigen Redensarten und deinen noch freizügigeren Manieren? Und Miles war vernünftig. Viel vernünftiger, als sie je vermutet hätte. Dabei hätte er aufgrund seiner Erziehung viel arroganter, selbstsüchtiger und kritischer sein müssen. Warum, zum Teufel, war er das nicht?
Maddie erschrak, als die Tränen ihr über die Wangen liefen. Sie hatte gar nicht gemerkt, daß sie weinte. Seit Jahren hatte sie keine Träne mehr vergossen, aber nun schien sie nicht mehr aufhören zu können. Aufstöhnend stützte sie die Hände auf den Küchentresen und weinte sich die Augen aus dem Kopf. "O Miles ", schluchzte sie laut. "Miles ..." Das Läuten des Telefons riß sie aus ihrem Kummer. Sekundenlang blickte sie unschlüssig den Apparat an, dann wischte sie sich energisch die Tränen fort und nahm den Hörer ab. Ihr "Hallo" klang unnatürlich munter. "Ich würde gern Miles MacMillan sprechen", erklärte eine Stimme mit Prinz-Charles-Akzent. "Hier ist Max MacMillan. Sein Bruder." Maddie unterdrückte ein Seufzen. Das war endlich mal was Neues. Miles' Bruder rief tatsächlich aus England an! Er hatte zwar einige Male geschrieben, aber nie angerufen. Sie fragte sich, was er wohl wollte. Aus Miles' spärlichen Kommentaren über den lieben Max hatte sie geschlossen, daß die Brüder einander nicht ausstehen konnten. "Tut mir leid, Miles ist nicht hier", erklärte sie eisig. "Und mit wem spreche ich?" Seine Überheblichkeit war wirklich unschlagbar. "Mein Name ist Madeline Powers", erwiderte sie so wohlakzentuiert, wie sie nur konnte. "Miss Madeline Powers." "Also, Miss Powers", näselte Max, "wieso gehen Sie im Haus meines Bruders ans Telefon, wenn er nicht da ist? Was sind Sie? Die Putzfrau? Seine Haushälterin? Oder seine Geliebte?" Maddie verzichtete auf einen weiteren Versuch, ihn zu beeindrucken. "Seine Innenarchitektin", konterte sie kühl. "Und seine Freundin. Und seine Bettgenossin. Was geht Sie das eigentlich an? Sie sind schließlich nicht der Hüter Ihres Bruders, oder?"
Als sie hörte, wie er empört den Atem einsog, lächelte sie zufrieden. Der Fehdehandschuh war geworfen, und sie hatte nicht die Absicht, klein beizugeben. Sie verachtete Männer wie Max, und das ließ sie ihn auch deutlich spüren. "Ich habe stets nur die Interessen meines Bruders im Sinn", behauptete er steif. "Wann wird Miles wieder zu Hause sein?" "Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich bin nämlich auch nicht seine Hüterin. Probieren Sie es heute abend gegen sieben noch einmal." "Nun gut. Das werde ich tun. Und vielen Dank für Ihre Hilfe. Sie waren sehr freundlich", fügte er sarkastisch hinzu, bevor er auflegte. Fröstelnd blickte Maddie sekundenlang auf den Hörer. Ihr Instinkt sagte ihr, daß sie sich gerade einen gefährlichen Feind geschaffen hatte. Aber inwiefern? Max war in England. Er konnte ihr nichts tun. Sie hängte den Hörer wieder ein und stand auf. Unwillkürlich legte sie die Hand schützend auf ihren noch flachen Bauch, während sie vorsichtig die Wendeltreppe hinunterstieg. Sogleich durchströmte sie wohlige Wärme. Sie hatte sich richtig entschieden. Egal, was passierte, Miles' Baby würde immer ihr gehören. Sie würde es lieben und umsorgen. Ein echtes Kind der Liebe. Es war fünf nach sechs. Das Essen stand im Ofen, der Tisch war mit Kerzen und Blumen geschmückt, und Maddie trug ein hinreißendes schwarzes Wollkleid mit einem tiefen Ausschnitt, langen, engen Ärmeln und einem kurzen, glockigen Rock. Wegen des etwas kühleren Wetters hatte sie schwarze Strümpfe angezogen. Dies und die hochhackigen schwarzen Pumps ließen ihre ohnehin schon langen Beine noch länger wirken. Ihr Haar hatte sie so frisiert, wie Miles es am liebsten mochte: am Hinterkopf scheinbar lässig aufgesteckt, mit ein paar vorwitzigen Locken, die sich im Nacken ringelten. Sie hatte die Ohrringe angesteckt, die er ihr geschenkt hatte, und einen
Hauch von dem Parfüm aufgelegt, das er unlängst lobend erwähnt hatte. Maddie wußte, daß sie sexy aussah. Und sie fühlte sich auch sexy. Die erste Hälfte des Tages hatte sie ihren Depressionen nachgehangen. Aber Niedergeschlagenheit war bei Maddie nie von Dauer. Sie hielt diesen Zustand für reine Zeitverschwendung. Letzten Endes hatten ihre Lebensfreude und Vernunft gesiegt. Ihr blieben noch mindestens zwei Monate in Miles' Gesellschaft, und sie würde nicht eine einzige Minute davon vergeuden, um über vergossene Milch zu weinen oder einer Zukunft nachzugrübeln, die noch gar nicht begonnen hatte. Wer weiß? Vielleicht geschah ja ein Wunder, und Miles merkte, daß er ohne sie nicht leben konnte. Zu dieser Überzeugung würde er garantiert nicht gelangen, wenn er nach Hause kam und sie schluchzend und schmollend wie ein verwöhntes Kind antraf. Sie hatte die Regeln aufgestellt, und sie würde sich auch daran halten! Und nun wartete sie ungeduldig darauf, daß er heimkehrte und ihre Bemühungen würdigte. Er hatte vor fünf Minuten von Julians Haus aus angerufen, um ihr mitzuteilen, daß sie gerade eingetroffen seien. lsabel hatte darauf bestanden, daß er zuerst eine Tasse Kaffee trank, bevor er weiterfuhr. Als Maddie ihm von dem Telefonat mit seinem Bruder berichtet hatte, hatte Miles versprochen, spätestens um sieben zu Hause zu sein. Maddie blickte erneut auf die Uhr. Erst zehn nach sechs. Sie mußte also noch fünfzig Minuten warten. Sie sah nach dem Fleisch, entkorkte die Weinflasche, schenkte sich ein Glas ein und trat dann hinaus auf den Balkon, um die Aussicht zu bewundern. Ihrer Meinung nach ließ sich nichts auf der Welt mit dem Pazifischen Ozean bei Nacht und Mondschein vergleichen. Der
Wind hatte inzwischen nachgelassen. In der ruhigen See spiegelten sich der Vollmond und der Sternenhimmel. Eine Nacht voller Romantik, dachte sie, während sie an ihrem Weinglas nippte. Eine Nacht für Liebende. Mit einem Knopfdruck ließ sie die hohen Glasscheiben ein Stück zurückgleiten und atmete tief die frische Nachtluft ein. Leider war es zu kalt, um die Fenster längere Zeit offen zu lassen. Sie wollte gerade erneut den Knopf betätigen, als sie hörte, wie ein Wagen auf die Parkfläche unter dem Haus fuhr. Miles war früh dran. Voller Freude schloß sie die Fenster und eilte hinaus, um ihn an der Wendeltreppe zu begrüßen. Als er nicht innerhalb einer Minute auftauchte, stutzte sie. Plötzlich ertönte der Summer an der Haustür. Hatte Miles seine Schlüssel vergessen? Unmöglich. Sie hingen am selben Ring wie seine Autoschlüssel. Anscheinend war es nicht Miles. Verwundert ging sie zur Gegensprechanlage und meldete sich über die hausinterne Sicherheitsanlage. "Ja, bitte?" "Hier ist Max MacMillan, Miss Powers. Ist Miles inzwischen gekommen?" Maddie erschrak. Miles' Bruder war hier? Selbst mit der Concorde konnte er nicht so schnell von England nach Australien fliegen! Es dauerte einen Moment, bis ihr die Wahrheit dämmerte. Er hatte sie am Morgen gar nicht aus England angerufen, sondern aus Sydney. Er war persönlich erschienen, um Miles zur Rückkehr zu überreden. "Nein." "Dürfte ich dann vielleicht hereinkommen und drinnen auf ihn warten?" "Ja", erwiderte sie zögernd und betätigte den automatischen Türöffner. "Gehen Sie die Stufen hinauf. Über die Wendeltreppe zu Ihrer Rechten gelangen Sie dann ins obere Stockwerk."
Während sie auf ihn wartete, leerte sie ihr Glas in einem Zug. Sie ahnte, daß sie all ihren Mut brauchen würde, bevor die Nacht vorüber war. Ihre Augen wurden groß, als der Mann, von dem sie bislang nur die Stimme kannte, vor ihr auftauchte.
13. KAPITEL Rein äußerlich hatte Max mit Miles absolut nichts gemeinsam. Er war untersetzt, mit beginnender Stirnglatze, kleinen blauen Augen, einem dünnen Schnurrbart und einem grausamen Zug um die schmalen Lippen. Nichtsdestotrotz war er makellos gekleidet und strahlte eine Selbstsicherheit aus, die man nur als arrogant bezeichnen konnte. Herablassend erwiderte er Maddies höflichen Gruß, stolzierte ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei ins Wohnzimmer und sah sich um. Maddie bemerkte bald, daß ihr mindestens genauso viele neugierige Blicke galten wie der Einrichtung oder der Aussicht. "Ich kann durchaus verstehen, daß Miles Geschmack an diesem Lebensstil gefunden hat", erklärte er endlich. "Dies ist ein erstaunlich verführerisches Heim. Und Sie sind eine erstaunlich verführerische Frau", fügte er hinzu, während er sie aus kühlen blauen Augen von Kopf bis Fuß anzüglich musterte. Maddie hoffte, daß Miles sich beeilen würde. Leider war es erst halb sieben, und Julians Haus lag gute zwanzig Minuten Fahrt entfernt. "Möchten Sie einen Drink, während Sie warten?" fragte sie kühl, ohne auf seine provozierende Bemerkung einzugehen. "Was trinken Sie gerade?" Er deutete auf ihr leeres Glas.
"Einen Hunter Valley Chardonnay. Ich bezweifle, daß Sie je davon gehört haben." "Ich werde ihn trotzdem probieren." Maddie ging zum Eßtisch hinüber, wo der Weinkühler stand. Verärgert registrierte sie, daß ihre Hände leicht zitterten, als sie ein Glas für Max und eines für sich füllte. Sie atmete tief durch, bevor sie sich wieder zu dem ungebetenen Besucher umdrehte. "Miles hat sich zu einem Liebhaber australischer Weine entwickelt." Sie reichte Max das Glas. "Und australischer Frauen, möchte ich meinen." Er betrachtete sie erneut mit gierigen Blicken, ehe er einen Schluck trank. Verwundert zog er die Brauen hoch. "Wie ich sehe, hat der liebe Junge seinen Geschmack beträchtlich verbessert. Der Wein ist ausgezeichnet, und Sie, Miss Powers, lassen Annabel absolut blutarm wirken. Hat Miles Ihnen eigentlich von Annabel erzählt?" Maddie wußte, daß er sie verletzen wollte, aber diese Genugtuung wollte sie ihm nicht verschaffen, obwohl sie vor Neugier fast platzte. Wer, um alles in der Welt, war Annabel? "Nennen Sie mich Madeline", erwiderte sie mit bewundernswerter Fassung. Dann durchquerte sie den Raum und machte es sich in ihrem Lieblingssessel bequem. Max fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ihr Rock beim Hinsetzen noch höher rutschte. Auf einmal war sie froh, ein Glas in den Händen zu halten. So hatte sie wenigstens etwas, auf das sie sich konzentrieren konnte, und mußte nicht in dieses lüsterne Gesicht blicken. Max blieb stehen. Er kostete den Vorteil aus, auf sie herabzublicken - eine Angewohnheit, die Maddie schon bei vielen kleinwüchsigen Männern beobachtet hatte. "Annabel kann Ihnen in puncto Sinnlichkeit nicht das Wasser reichen", meinte er. "Allerdings braucht eine Verlobte auch nicht sexy zu sein. Es ist sogar von Vorteil, wenn sie es nicht ist. Sex und Ehe passen nicht zusammen."
Maddie stockte der Atem. Annabel war Miles' Verlobte? Gütiger Himmel... Ihre erste Reaktion war Ungläubigkeit, aber dann dämmerte ihr die volle Tragweite von Max' Worten, und ihr blieb nichts anderes übrig, als die bittere Wahrheit zu akzeptieren. Es war ganz natürlich, daß ein reicher, attraktiver und zudem erfolgreicher Mann wie Miles jemanden hatte, der zu Hause auf ihn wartete. Sie konnte sich glücklich schätzen, daß Annabel nicht seine Frau war! Obwohl die Enttäuschung über Miles und ihr Kummer sie fast überwältigten, kämpfte Maddie tapfer gegen ihren Schmerz an. Sie durfte sich jetzt nicht gehenlassen. Nicht vor diesem Mann. Diesem Scheusal. Für Tränen hatte sie später noch Zeit. "Nicht, daß Annabel nicht schön wäre", fuhr er unbarmherzig fort. "Glauben Sie mir, jeder Mann wäre stolz, sie als Ehefrau an seiner Seite zu haben. Miles hat eine gute Wahl getroffen." "Warum erzählen Sie mir das?" Es kostete sie große Anstrengung, ihre Stimme so kühl und gelangweilt wie möglich klingen zu lassen. Mit Erfolg. Max zog spöttisch die Brauen hoch. "Wollen Sie damit andeuten, es würde Ihnen nichts ausmachen, daß Miles mit einer anderen Frau verlobt ist?" Nichts ausmachen? Am liebsten hätte sie Miles mit bloßen Händen erwürgt und anschließend in Stücke gerissen besonders seine verlogene Zunge. Aber um keinen Preis der Welt durfte sein widerwärtiger Bruder etwas von ihrer Seelenpein ahnen, "Sie haben meine Frage nicht beantwortet", konterte sie ruhig. "Ich habe Sie gefragt, warum Sie mir das erzählen. Was geht Sie das Privatleben Ihres Bruders an oder was ich dabei empfinde?" Er betrachtete sie mit einer sonderbaren Mischung aus Verachtung und Faszination. "Sie sind ziemlich abgebrüht, oder? Wenn Sie nicht daran interessiert sind, Miles zu heiraten
und das ist ganz offensichtlich -, dann müssen Sie wohl hinter seinem Geld her sein. Oder hinter anderen Vorteilen. Wie ich sehe, hat Miles Ihnen bereits einigen Schmuck gekauft. Das Gehalt einer Raumausstatterin dürfte nicht ausreichen, um solche Diamantohrringe zu bezahlen, wie Sie sie heute tragen." Er trat zu ihr und nahm einen der sacht hin und her schwingenden Anhänger in die Hand. Dabei streifte er leicht ihren Nacken. Maddie erschauerte und sah ihn mit funkelnden Augen an. Lächelnd beugte er sich vor, um die Steine zu begutachten. "Ah ja", murmelte er anerkennend. "Wenn ich mich nicht täusche, dürften sie Miles ein Vermögen gekostet haben. Und ich täusche mich nie in diesen Dingen, meine liebe Madeline. In der Vergangenheit hatte ich oft genug Anlaß, für gewisse Damen meines Bekanntenkreises Juwelen zu kaufen, Kleinigkeiten, die genauso extravagant waren wie diese hier. Ich habe einen sehr... teuren Geschmack." Maddie zuckte zusammen, als er den Ohrring losließ und mit den Fingerspitzen über ihren Hals strich. Vor Abscheu überlief sie eine Gänsehaut. "Nehmen Sie die Hände weg", befahl sie scharf und wich vor ihm zurück. Lachend trat er hinter sie. Ihr Nackenhaar sträubte sich, als er plötzlich seine Hände über ihre Schultern gleiten ließ. Er preßte seine Finger brutal in ihre Haut. "Hast du das anfangs auch zu Miles gesagt?" erkundigte er sich, während er den Druck verstärkte. "Wie viele Schmuckstücke, müßte ich dir schenken, bevor ich dich an intimeren Körperteilen als diesem berühren dürfte?" Angesichts seiner Unverfrorenheit verschlug es Maddie buchstäblich die Sprache. "Fehlen dir die Worte, Madeline?" Sein heißer Atem streifte ihr Ohr. "Oder schätzt du gerade deinen Wert ab? Wie kann ich dir meinen Vorschlag schmackhaft machen? Ich kaufe dir ein Erste-Klasse-Ticket nach London, bringe dich in einem
möblierten Apartment in Mayfair unter, richte dir ein großzügiges Bankkonto ein und kaufe dir eine komplette neue Garderobe." Das brauchte sie sich nicht bieten zu lassen. Wütend sprang sie auf und drehte sich zu ihrem Peiniger um. "Sind Sie verrückt geworden?" Ihre Stimme bebte vor Zorn. Max quittierte ihren Temperamentsausbruch mit einem zynischen Lächeln. "Verrückt? Weit gefehlt. Ach, ich verstehe ... Ich habe dir nicht genug geboten. Anscheinend bist du ehrgeiziger, als ich dachte. Na schön, ich erweitere mein Angebot um einen Luxuswagen und gelegentliche Wochenendtrips nach Paris. Oder Berlin, falls dir das lieber ist. Als Gegenleistung dafür verlange ich nur, unbegrenzten Zugriff auf deinen hinreißenden, verführerischen Körper zu erhalten. Ich bestehe gar nicht darauf, dich für mich allein zu haben. Du kannst deine Affäre mit Miles ruhig fortsetzen, wenn du möchtest - allerdings wäre es vermutlich klüger, ihm nichts von mir zu erzählen. Mein Bruder hat bedauerlicherweise ein sonderbares Ehrgefühl." Ehrgefühl.... Allmählich begann Maddies Verstand wieder zu arbeiten. Max hatte ja so recht. Miles besaß tatsächlich ein ausgeprägtes Ehrgefühl. So ehrlos und rücksichtslos, wie Max behauptet hatte, würde - und konnte - Miles niemals handeln. Maddie hätte fast vor Erleichterung aufgeschluchzt. Jetzt wußte sie mit absoluter Sicherheit, daß Miles nicht verlobt war, zumindest nicht mehr. Und was die Ohrringe betraf ... Selbst wenn es wirklich echte Diamanten waren, hatte er ihr doch gesagt, es wären Zirkonen, oder? Warum hätte er das tun sollen, wenn nicht aus einem einzigen Grund: Er hatte ihre Gefühle schonen und ihre Beziehung retten wollen, nachdem sie ihm erklärt hatte, daß sie niemals teure Geschenke von einem Mann akzeptieren würde. Miles mochte sie vielleicht nicht lieben, aber seine Gefühle gingen weit über sexuelles Verlangen hinaus. Er schätzte und
respektierte sie und hatte ihr nie den Eindruck vermittelt, er würde sie für billig halten. Im Gegensatz zu Max! Sie betrachtete das vor ihr stehende Musterexemplar männlicher Überheblichkeit. Max glaubte allen Ernstes, daß er sie kaufen könnte! Sie hatte in ihrem Leben schon viele gemeine Männer getroffen, aber er war der mit Abstand widerwärtigste Vertreter seiner Art. Daß ausgerechnet er Miles' Bruder sein sollte, war ihr unbegreiflich! "Sie widern mich an!" rief sie. "Ich würde mich nicht von Ihnen anfassen lassen, selbst wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären!" "Hört, hört! Die Frau hat Geschmack!" Beim Klang der vertrauten Stimme wirbelte Maddie herum. Der Mann, den sie liebte, kam mit großen Schritten auf sie zu. Ihr war, als würde eine Zentnerlast von ihren Schultern genommen. Aufatmend lief sie ihm entgegen und warf sich in seine Arme. Miles hielt sie fest umschlungen, während sie sich zitternd an ihn klammerte. Verwundert sah er sie an. Diese Anwandlung von Schwäche war völlig uncharakteristisch für sie. "Was, zum Teufel, willst du hier, Max?" fragte er wütend. "Und wieso ist Maddie so durcheinander?" "Er ist einfach hier aufgetaucht", flüsterte sie. "Er hat gesagt, du wärst in England mit einer Frau verlobt, und dann hat er mir Geld geboten, damit ich mit ihm nach London fliege." "So?" knurrte Miles. "Du darfst jetzt keine falschen Schlüsse ziehen, alter Junge", begann Max großspurig. "Ich habe lediglich das Terrain sondiert, wie man so schön sagt, weil ich herausfinden wollte, mit was für einer Sorte Frau du hier zusammenlebst. Schließlich kann man nicht vorsichtig genug sein. Du bist ein reicher Mann, und es gibt eine Menge skrupelloser Frauen, die nichts unversucht lassen würden, um dich in die Ehefalle zu locken.
Ich hoffe aufrichtig, daß du aufgepaßt und nicht dieser Dame die Verhütung überlassen hast." Miles lachte. "So würdest du nicht reden, wenn du meine Maddie kennen würdest. Obwohl du dich wirklich angestrengt hast, um sie kennenzulernen. Und nun verschon mich bitte mit weiteren Lügen, Max. Du hast dich nicht im mindesten geändert. Du glaubst noch immer, daß du jede Frau kaufen kannst, die dir gefällt." "Ich kann jede Frau kaufen, die mir gefällt", versicherte Max höhnisch. "Es ist alles nur eine Frage des Preises." "Du tust mir wirklich leid, wußtest du das?" Max richtete sich zu seiner vollen Größe von einsfünfundsechzig auf. "Ich tue dir leid? Das muß ein Witz sein. Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus wie ein jugendlicher Versager mit deinem langen Haar und den schäbigen Jeans. Und was diese ... Person betrifft, mit der du zusammenlebst ... Bildest du dir ernstlich ein, ich würde etwas mit ihr zu tun haben wollen? Mit so einem Geschöpf am Arm kann sich doch kein Mann in der Öffentlichkeit zeigen. Ich bin nur hier, weil Mutter und Annabel mich gebeten haben, dich wieder zur Vernunft zu bringen. Sie wollen, daß du nach Hause kommst, Miles. Und ich möchte das auch. Du hast dich lange genug ausgetobt." "Ich habe Annabel gegenüber keinerlei Verpflichtungen, das weißt du ganz genau", erwiderte Miles kalt. "Bevor ich London verließ, habe ich die Verlobung beendet." "Nur teilweise. Du hast ihr erzählt, daß du mit dieser Frau nur Sex haben wolltest. Außerdem hast du Annabel den Ring gelassen. Das ist dasselbe, als hättest du sie gebeten zu warten." Maddie wollte sich aus Miles' Armen befreien, doch er hielt sie fest. "Rede nicht solchen Unsinn, Max. Du weißt genauso wenig über meine Gefühle für Maddie wie Annabel. Ich habe ihr den Ring gelassen, weil ich das verdammte Ding nicht wiederhaben wollte - vor allem will ich sie nicht wiederhaben.
Du kannst sie ja trösten, wenn du möchtest. Ihr beide wärt ein fabelhaftes Paar. Für sie wäre es keine allzugroße Last, gelegentlich mit dir zu schlafen, und du könntest nebenbei so viele Freundinnen haben, wie du willst. Und nun verschwinde von hier! Wie ich sehe, hat Maddie mein Dinner fertig, und ich bin verdammt hungrig. Erwarte nicht, daß ich dich einlade. Offen gestanden wäre es mir am liebsten, wenn ich dich nie wiedersehen müßte!" Max war aufrichtig schockiert. Maddie meinte sogar, einen Anflug von Panik in seinen Augen entdeckt zu haben. "Heißt das, du kommst nicht zurück nach England? In die Firma? Niemals?" "Sehr richtig. Außerdem werde ich Mutter bitten, uns zu besuchen und sich das Leben in Australien ein bißchen anzuschauen. Ich habe so das Gefühl, daß es ihr hier gefallen könnte." "Aber wir brauchen dich in London, Miles." Max bettelte beinahe. "Ich ... Das Unternehmen steckt in Schwierigkeiten, und ich hatte gehofft, du würdest..." "Dir helfen? Vergiß es, Max. Du mußt endlich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Es gibt keinen Daddy mehr, der dir den Rücken stärkt, und keinen kleinen Bruder, der deine Schulden bezahlt. Leb wohl, Max. Und grüß Annabel von mir. Sie ist übrigens eine clevere Geschäftsfrau. Frag sie, was du tun sollst, und heirate sie als Gegenleistung für ihren Rat. Du könntest es schlechter treffen." Max starrte erst seinen Bruder an, dann Maddie. "Falls du dir einbildest, er würde dich heiraten", schnaubte er, "hast du dich getäuscht. Wir MacMillans heiraten keine kleinen Schlampen wie dich." Maddie spürte, wie Miles vor Wut die Muskeln anspannte. Sie fiel ihm in den Arm, als er Max einen Fausthieb versetzen wollte. "Nein, nicht! Er ist es nicht wert."
Miles dachte kurz darüber nach, dann nickte er und ließ die Hand sinken. "Du hast recht. Es lohnt die Mühe nicht." Max hatte den kurzen Wortwechsel genutzt, um zur Treppe zu fliehen. Kurz darauf raste ein Auto die Auffahrt hinunter. Maddie atmete erleichtert auf. Miles musterte sie besorgt. "Du hast Max die Geschichte über meine Verlobung doch nicht geglaubt, oder?" "Nicht eine Sekunde", log sie. "Was hat er dir noch über mich erzählt? Ich wette, nichts Gutes." "Er sagte, daß die Ohrringe echt wären", begann sie vorsichtig. "Und?" "Er deutete an, daß sie wohl eine Bezahlung für geleistete Dienste wären." "Hast du ihm geglaubt?" "Natürlich nicht. Wenn es so gewesen wäre, hättest du mir wohl kaum gesagt, daß es Zirkonen sind. Sind es Zirkonen, Miles?" Er seufzte resigniert. "Nein, es sind echte Diamanten." "Und was sind sie wert?" "Maddie, du..." "Die Wahrheit, Miles!" "Fünfunddreißigtausend Dollar." "O nein!" Erschrocken legte sie die Hände auf die Ohren. "Ich werde nie wieder wagen, sie zu tragen." "O doch, das wirst du, wenn du dich erst einmal an den Gedanken gewöhnt hast. Und wenn wir schon bei der Wahrheit sind, muß ich dir noch ein Geständnis machen." "Gütiger Himmel, und was?" "Adrian hat mich gewarnt, jemals mit dir über dieses Thema zu sprechen, aber es ist sinnlos. Ich kann nicht länger heucheln. Ich liebe dich, Maddie, und ich möchte dich heiraten."
Sie schluckte trocken. "Du liebst mich?" wisperte sie und ließ kraftlos die Arme sinken. "Und du möchtest mich heiraten?" "Ja, das will ich. Bitte, lehne nicht gleich ab. Ich werde gut zu dir sein, Maddie. Und ich werde auch nicht versuchen, dich zu ändern. Warum sollte ich auch? Ich liebe dich so, wie du bist. Ich bin nicht so wie die Männer, auf die deine Mutter hereingefallen ist. Ich bin solide und kann dir Sicherheit bieten. Und ich liebe dich so sehr, daß ich den Gedanken, ohne dich leben zu müssen, nicht ertragen kann. Also, was sagst du? Wirst du wenigstens darüber nachdenken?" "Ja", flüsterte sie. Er runzelte die Stirn. "Ja - was? Ja, du wirst darüber nachdenken?" "Nein. Ja, ich will dich heiraten." "Du willst?" "Ja." "Aber..." "Ich liebe dich, Miles." Fassungslos schüttelte er den Kopf. "Sie liebt mich ..." "Ich liebe dich schon seit einer Ewigkeit."" "Sie liebt mich schon seit einer Ewigkeit." "Aber ich habe gedacht, du würdest mich nicht lieben." "Sie hat gedacht, ich würde sie nicht lieben." "Miles, hör endlich auf, jedes meiner Worte zu wiederholen." "Wie bitte?" In ihrer Entrüstung tat Maddie das einzig Richtige, um Miles wieder zur Besinnung zu bringen. Sie küßte ihn leidenschaftlich und zog ihn mit sich herab auf den Teppich. Danach ging alles sehr schnell. Es fielen nur wenige Worte - abgesehen von ein paar leisen Flüchen. Miles war nämlich nicht daran gewöhnt, daß Maddie eine Strumpfhose trug. Mit vor Erregung zittrigen Fingern kämpfte er ungeduldig gegen das hauchdünne, aber nichtsdestotrotz äußerst hartnäckige Hindernis an.
Viel später betrachtete er verwundert Maddies gerötetes Gesicht. "Sie liebt mich", wiederholte er beinahe andächtig. "Miles..." "Hm?" "Wenn wir schon ehrlich zueinander sind, muß ich dir auch ein paar Geständnisse machen." "Welche?" Nervös überlegte sie, wie er wohl auf die Neuigkeiten reagieren würde. Sie beschloß, mit der harmlosesten zu beginnen. "Wie du weißt, hatte ich vor dir bereits einige Liebhaber." "Das ist mir klar, Maddie. Doch das ist mir egal. Ehrlich. Ich war auch nicht mehr unschuldig, als ich dich traf." "Ja, aber ich ... Du bist der erste Mann, mit dem mir Sex wirklich Spaß gemacht hat, Miles. Und du bist auch der erste, den ich je geliebt habe. Die anderen waren lediglich ... Trophäen." "Trophäen?" "Ja. Sie mußten für das büßen, was meiner Mutter angetan wurde. Mir hat es gefallen, wenn sie sich in mich verliebten, und wenn es dann soweit war, habe ich die Beziehung beendet. Ich bin zwar nicht gerade stolz auf mein Verhalten, aber ich glaube nicht, daß ich einem von ihnen weh getan habe. Ich habe mir immer nur Männer ausgesucht, die in sich selbst verliebt waren." Unverhohlener Stolz spiegelte sich in Miles' Zügen wider. "Es hat dir nie Spaß gemacht, mit einem anderen Mann zu schlafen?" "Nein, niemals." "Fabelhaft." Er lächelte zufrieden. "Und was wolltest du mir noch sagen?" Tausend Schmetterlinge flatterten in Maddies Bauch. "Erinnerst du dich an Max' Bemerkung über Verhütung?"
Miles richtete sich auf und stützte sich auf einen Ellbogen. "Worauf willst du hinaus, Maddie?" "Ich ... Also eigentlich nehme ich gar nicht die Pille. Ich habe mir zwar ein Rezept geholt, aber es nie eingelöst." Sie musterte ihn verstohlen, las aber nur Ratlosigkeit in seinen Augen. "Warum nicht?" "Ich wollte ein Baby haben", erklärte sie stockend. "Ich wollte dich nicht in eine Falle locken, Miles. Ich dachte, du würdest es nie herausfinden. Ich dachte, du würdest wie geplant nach England zurückkehren, und ich würde dich nie wiedersehen ... Ich wollte einen kleinen Teil von dir behalten, den ich lieben könnte. Ich wollte unser Kind. Bitte sei nicht böse mit mir, Liebling, aber ich glaube ... Vielleicht bin ich schon schwanger." "O Maddie." Angesichts der grenzenlosen Liebe, die aus seinem Blick sprach, füllten sich ihre Augen mit Tränen. "Das ist die tapferste, verrückteste, süßeste Geschichte, die ich je gehört habe. Bist du sicher? Wegen des Babys, meine ich." "Ziemlich sicher." Ihre Periode war noch nie drei Wochen lang überfällig gewesen, und außerdem fühlten sich ihre Brüste sonderbar fest an. "Und du bist wirklich nicht böse?" "Böse? Ich bin begeistert! Aber sollten wir dann nicht ein bißchen vorsichtiger sein? Dieses Herumwälzen auf dem Fußboden kann unmöglich gut für dich sein. Komm, ich helfe dir auf. Du mußt dich jetzt setzen. Oder dich hinlegen. Ich bringe dir das Essen, und du ruhst dich aus." "Sei nicht albern, Miles." Sie zog ihn wieder zurück auf den Teppich. "Das Baby ist noch nicht einmal so groß wie eine Erbse. Es besteht nicht die geringste Gefahr. Weder jetzt noch in den nächsten Monaten." "Das höre ich gern." "Miles, bist du sicher, daß du mich wirklich liebst? Es geht dir nicht nur um Sex?"
"Ich liebe dich. Ehrlich. Aufrichtig. Und von ganzem Herzen." Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, küßte er Maddie zärtlich. Sie seufzte verträumt. "Wie wollen wir ihn nennen?" "Ihn? Warum sollte es ein Er und keine Sie sein?" "Ich habe neulich einen Artikel gelesen, wie man das Geschlecht seines Kindes bestimmen kann. Darin hieß es, daß man einige Tage vor dem Eisprung keinen Sex haben sollte, wenn man sich eine Tochter wünscht. Die X-Chromosomen also die männlichen - sind nicht so widerstandsfähig und ausdauernd wie die Y-Chromosomen, das sind die weiblichen. Bei dieser Methode haben nämlich nur noch die YChromosomen genug Kraft, um schließlich das Ei zu befruchten, und dann wird es ein Mädchen. Hat man jedoch während des Eisprungs oder kurz danach Sex, dann gewinnen die schnelleren, aggressiveren X-Chromosomen das Rennen, und es wird ein Junge." "Wenn du das sagst, Liebes, wird es wohl stimmen. Und was schließt du daraus?" "So oft, wie wir miteinander geschlafen haben, werden wir sehr wahrscheinlich einen Jungen bekommen." "Mag sein." "Andererseits hat Carolyn eine Tochter ..." "Und das heißt?" "Adrian ist absolut verrückt nach Carolyn und umgekehrt. Sie ist unmittelbar nach der Hochzeit schwanger geworden. Glaubst du wirklich, sie haben damals Enthaltsamkeit geübt?" "Vermutlich nicht. Dann sollten wir uns lieber auch einen Mädchennamen überlegen. Was hältst du von ,Sarah'?" Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich entspannt zurück. "Oder ,Janelle'?" "Sehr hübsch. Also nennen wir sie Sarah Janelle. Und wenn es ein Sohn wird?"
"Mir hat immer der Name Scott für einen Jungen gefallen. Er ist kurz und kann nicht verniedlicht werden." "O ja. ,Scott MacMillan' klingt wunderbar. Das war doch ganz einfach, oder? Hoffentlich wird es genauso leicht, das Baby auf die Welt zu bringen. Jetzt, da ich endlich schwanger bin, bekomme ich es ein wenig mit der Angst zu tun." Miles berührte zärtlich ihre Wange. "Ich werde nicht von deiner Seite weichen, Liebling." "Ist das dein Ernst? Versprichst du es mir? Du wirst im Kreißsaal nicht ohnmächtig neben mir zusammenbrechen?" "Niemals", versicherte er. Die leise Unsicherheit, die in ihrer Stimme mitschwang, machte Maddie in seinen Augen nur noch anbetungswürdiger. Wenn es etwas gab, das ihn an dieser Frau je gestört hatte, dann war es ihr unerschütterliches Selbstvertrauen. Maddie schien sich vor nichts und niemandem zu fürchten. Es war ein gutes Gefühl, nicht nur begehrt, sondern auch gebraucht zu werden. Er nahm ihre Hand und hob sie an die Lippen. "Du kannst dich auf mich verlassen, mein Liebling. Jederzeit und überall." Sie lächelte erleichtert, und Miles hoffte, daß es ihm gelingen würde, sein kühnes Versprechen zu halten. Das Problem war nur ... Er hatte sich in Krankenhäusern noch nie besonders wohl gefühlt, und er war keineswegs sicher, wie er reagieren würde, wenn seine Maddie Schmerzen litt.
EPILOG "Maddie, du sollst während der Wehen hecheln und nicht fluchen", sagte Miles an ihrer Seite. "Das Hecheln soll es dir leichter machen." Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Warum hechelst du dann nicht während meiner nächsten Wehe? Ich fluche lieber. Es gibt nichts, was diesen schrecklichen Vorgang für mich leichter macht, aber wenn ich fluche, fühle ich mich wenigstens besser. O je, da kommt schon die nächste ..." "Sie packte seine Hand mit einer solchen Kraft, daß Miles allmählich so etwas wie Panik verspürte. Der Arzt hatte zwar versichert, daß alles in bester Ordnung sei, wenn man berücksichtigte, daß sie eine Rückenmarksnarkose abgelehnt und sich für eine natürliche Geburt entschieden hatte. Sie hatte zwar einige Injektionen mit Schmerzmitteln erhalten, aber die Medikamente schienen nicht zu helfen. "Soll ich die Schwester rufen?" fragte Miles, als Sie erneut gequält das Gesicht verzog. "Der Doktor ist gleich nebenan bei einer anderen Entbindung. Ich könnte ihn holen." "Nein ... Ja ... Nein ... Verdammt, ja! Ich will auf einmal pressen, Miles. Ich kann das Baby fühlen ... O mein Gott, es kommt!" Miles drückte verzweifelt die Klingel und schrie nach dem Arzt. Als niemand erschien, blieb ihm nichts anderes übrig, als
selbst ans Ende des Bettes zu treten und etwas zu unternehmen. Sekundenlang war er wie gelähmt, aber dann schoß das Adrenalin durch seine Adern, und er wußte instinktiv, was er zu tun hatte. "Hecheln, Maddie, und nicht so stark pressen", befahl er mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er jeden Tag Babys auf die Welt helfen. "So ist es gut ... Ganz ruhig ... Der Kopf ist schon draußen ... Und jetzt die Schultern ..." Maddie hatte zu fluchen aufgehört und hechelte gehorsam. Ehe Miles sich versah, stand er mit einem Baby in den Armen da. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen, und ein abgehetzter Arzt stürmte herein, dicht gefolgt von einer Krankenschwester. "Entschuldigen Sie", keuchte er. "Nebenan gibt es Probleme ... Steißgeburt ... Kann nicht lange bleiben ... Was für ein prächtiger Junge!" Er untersuchte Mutter und Kind. "Schwester Jones, Sie kümmern sich um alles weitere", erklärte er fünf Minuten später. "Keine Sorge, Mrs. MacMillan, es ist alles in Ordnung. Gute Arbeit, Mr. MacMillan." Er klopfte Miles anerkennend auf die Schulter und eilte wieder hinaus. Miles hatte sich noch nie so stolz und männlich gefühlt. Er hatte für Maddie durchgehalten. Und für seinen Sohn. Eine leichter Anflug von Übelkeit trübte seinen Triumph, aber er war fest entschlossen, jetzt nicht mehr ohnmächtig zu werden. Trotzdem setzte er sich vorsichtshalber auf den Stuhl neben Maddies Kopf, nahm ihre Hand und hob sie an die Lippen. "Kannst du mich hören, Liebling? Es ist ein Junge. Wir haben einen wunderschönen kleinen Sohn." Sie sah ihn an. Tränen liefen über ihre Wangen. "Das ist wundervoll", schluchzte sie. "Und du warst auch wundervoll. Einfach wundervoll." Miles wurde noch stolzer, falls das überhaupt möglich war. "Ich habe nur getan, was getan werden mußte, Maddie."
"Nein, du hast mehr getan. Viel mehr. Ich bin mit einem wundervollen Mann verheiratet." "Genug davon, sonst werde ich noch übermütig. Ah ... hier ist ja der kleine Scott. Frisch gebadet und neugierig auf seine Mummy. Darf ich ihn halten?" fragte er die Krankenschwester. "Natürlich, Sir. Achten Sie nur darauf, daß er fest in die Decke gewickelt ist." Er schloß seinen Sohn in die Arme. Der Kleine war rundum perfekt. "Hier, Liebes. Schau nur, was für ein hinreißendes Baby du zur Welt gebracht hast. Du kannst ihn nehmen, falls du nicht zu müde bist." "Dazu bin ich nicht zu müde." Maddie schmiegte ihren Sohn an sich und beugte sich über sein erstaunlich glattes und blasses Gesicht. Im Gegensatz zu anderen Neugeborenen war er überhaupt nicht rot und runzelig. "O Miles, er ist so schön. Und er hat dein Grübchen am Kinn. Siehst du?" "Ja, ich sehe." Plötzlich schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, der schon lange in seinem Unterbewußtsein geschlummert hatte. "Wollen Sie ihn nicht füttern?" schlug Schwester Jones vor. "Sie werden ihn doch stillen, oder?" "O ja." Maddie nickte. "Carolyn meint, das wäre viel praktischer als die Flasche." "Und außerdem viel besser für das Baby", bestätigte die Schwester. Sie war um die Fünfzig und noch vom alten Schlag, wie Miles vermutete. Vorsichtig half sie Maddie, sich aufzurichten, und schob ihr ein paar Kissen in den Rücken. Fasziniert beobachtete Miles, wie schnell sich sein gieriger kleiner Sohn an Maddies Brust zurechtfand. "Das haben Sie beide sehr gut gemacht", lobte die Schwester hinterher. "Und jetzt bringe ich den Kleinen auf die Säuglingsstation, Mr. MacMillan. Ist noch jemand im Wartezimmer, der sich das Baby ansehen möchte, bevor ich es
in seine Wiege lege? Sie sollten auch schlafen, Mrs. MacMillan. Es war ein langer Tag für Mutter und Kind." Miles blickte fragend zu Maddie hinüber, die ihm lächelnd auftrug, ihren Sohn zu präsentieren. Sie sei tatsächlich ein wenig müde, erklärte sie, obwohl sie bezweifelte, schlafen zu können. Sie waren allesamt im Wartezimmer versammelt und saßen in einer langen Reihe an der Wand. Maddies Mutter mit ihrem neuesten Liebhaber, der anscheinend ihr erster Ehemann werden würde. Seine Mutter, die zur Geburt ihres ersten Enkelkindes nach Australien gekommen war. Adrian und Carolyn, die im fünften Monat schwanger war. Julian und lsabel, die so anmutig und schön wie immer war. Sie alle sprangen auf, als Miles hereinkam, und sahen ihn erwartungsvoll an. Er ließ sie einige Sekunden zappeln, dann lächelte er strahlend. "Es ist ein Junge!" Alle brachen in laute Jubelrufe aus. Maddies hübsche Mutter klatschte begeistert in die Hände. Die drei Männer schüttelten Miles die Hand, während die Frauen ihn auf die Wange küßten. "Die Ultraschalluntersuchung heute morgen hat ergeben, daß ich auch einen Jungen bekomme", flüsterte Carolyn ihm zu. Während er Adrian gratulierte, unterdrückte Miles ein Lächeln. Ihm war gerade eingefallen, was Maddie über die Zeugung eines Jungen gesagt hatte. "Und wann können wir deinen Sohn bewundern?" fragte Adrian. "Hier entlang." Miles eilte voraus zur Säuglingsstation. "Die Schwester wartet, damit jeder einen Blick auf ihn werfen kann, bevor er gebadet wird." Vor der Glasscheibe entstand ein freundschaftliches Gedränge. "Er heißt Scott", verkündete Miles. "Wir werden uns später noch einen zweiten Vornamen überlegen."
"Scott ist ein niedlicher Name", sagte seine Mutter. "Und er ist ein niedliches Baby. Du kannst dich glücklich schätzen, Miles." "Siehst du, er hat Onkel Barts Grübchen?" Miles drehte sich mit einem wissenden Gesichtsausdruck zu ihr um. Ihre grauen Augen wurden groß. Nun war er sicher. Er wußte, was er schon seit langem vermutet hatte. Er war weder schockiert noch verwirrt sondern erleichtert. Sein Sohn würde keinen schwachen oder verweichlichten Charakter haben! Liebevoll nahm er die zittrigen Hände seiner Mutter in seine. "Schon gut, Mutter. Es ist alles in Ordnung. Ich verstehe es. Sag mir nur, daß er ein guter Mann war." Unfähig, ein Wort herauszubringen, nickte sie stumm. "Mehr brauche ich nicht zu wissen." Doch als alle anderen sich verabschiedet hatten und sie wieder allein waren, schnitt sie das Thema von selbst an. "Ich würde dir gern von ihm erzählen." "Das wäre schön." "Er war Tennisspieler. Ein australischer Tennisspieler kannst du dir das vorstellen?" "Gütiger Himmel!" Miles war erstaunt, aber nicht unangenehm berührt. Irgendwie paßte es. "Wir haben uns auf einer Party kennengelernt. Dein Vater war an diesem Tag besonders ekelhaft gewesen und hatte behauptet, er würde in seinen Club gehen, aber ich wußte, er war mit einem seiner Flittchen zusammen. Auf der Party kam ein junger Mann zu mir und verwickelte mich in ein Gespräch. Er war so attraktiv, so liebenswürdig und so einsam. Wir haben beide in dieser Nacht ein bißchen viel getrunken und ... Nun ja, mich trifft daran wohl die größte Schuld. Ich war älter als er und eine verheiratete Frau mit einem kleinen Kind. Es war wohl eine Form von Rebellion meinerseits. Eine andere Erklärung habe ich dafür nicht. Ich habe diesen jungen Mann genausowenig geliebt
wie er mich. Danach wurde ich von Reue und Furcht geplagt. Ich hatte Angst, dein Vater könnte es herausfinden." "Aber er war nicht mein Vater", erinnerte Miles sie. "Ja, aber das wußte ich damals noch nicht. Erst als du geboren wurdest und ich das Grübchen in deinem Kinn sah, war ich mir sicher." "Gran wußte es auch, oder? Deshalb hat sie ständig Geschichten über Onkel Bart erzählt." "Ja. Dabei hatte Bart überhaupt kein Grübchen. Sie hat William gehaßt und ihn von Anfang an durchschaut. Sie hat dir ihr Vermögen hinterlassen, weil sie wußte, daß du keinen Tropfen MacMillan-Blut in deinen Adern hast. Und natürlich, weil sie dich geliebt hat." Miles seufzte. "Du bist nicht böse auf mich?" "O Mutter." Er streichelte ihre Hände. "Wie könnte ich? Es tut mir nur leid, daß du eine so schlechte Ehe hattest." "Ich hätte ihn verlassen sollen, aber ich mußte auch an Maxwell denken. Außerdem hat dein leiblicher Vater nichts von deiner Existenz geahnt. Ich habe ihn nach dieser Nacht nie wieder gesehen." "Was ist aus ihm geworden? Kenne ich ihn? Wurde er ein berühmter Tennisspieler?" "Das Talent dazu hätte er gehabt... Leider kam er bei einem Motorradunfall ums Leben. Das ist jetzt über dreißig Jahre her. Ich habe aus den Zeitungen davon erfahren. Er hieß Jason Phillips." Miles sagte der Name nichts. Trotzdem empfand er eine gewisse Traurigkeit, weil er niemals den Mann kennenlernen würde, der ihn in einem Moment der Leidenschaft und Einsamkeit gezeugt hatte. "Es tut mir leid, mein Junge", sagte seine Mutter sanft.
Er beugte sich vor und küßte sie auf die Stirn. "Ach was. Du hast getan, was du für Max und mich für das Richtige gehalten hast." "Max wird Annabel heiraten, wußtest du das?" Miles lachte. "Er paßt zu ihr." Sie lächelte. "Du hast es mit Maddie viel besser getroffen. Sie ist zauberhaft. Wußtest du, daß sie mir ihr altes Haus angeboten hat, falls ich zurückkommen sollte und hier leben möchte? Sie will es sogar für mich neu einrichten, obwohl ich nicht finde, daß das nötig ist. Wir sind neulich dort gewesen. Es ist ein reizendes Haus, und außerdem liegt es direkt am Strand." Er lachte noch lauter. "Ich begreife nicht, was daran so komisch ist." "Wart's ab. Du hast gerade erst angefangen, meine Maddie kennenzulernen. Wollen wir mal nachschauen, ob sie noch wach ist?" "Du kannst es nicht ertragen, länger als ein paar Minuten von ihr getrennt zu sein, oder?" "Nein, ich liebe sie mehr als mein Leben." Miles war völlig überrumpelt, als seine Mutter ihn plötzlich herzlich umarmte. "Wofür war das denn?" "Dafür, daß du so bist, wie du bist, mein Junge", erwiderte sie. "Und für Maddie und Scott und alles andere. Ich war seit Jahren nicht mehr so glücklich!" Ich auch nicht, dachte Miles, als er ins Krankenzimmer spähte und seine Maddie nicht mehr schmerzgepeinigt, sondern sprühend vor guter Laune vorfand. "Da seid ihr ja." Sie saß aufrecht im Bett und trank Tee. "Ich habe sie gebeten, mir eine Flasche Chardonnay zu bringen, aber sie meinten, Alkohol wäre schlecht für meine Milch - was ich nicht eine Sekunde glaube. Scott würde dadurch bestimmt viel ruhiger schlafen. Trotzdem werde ich morgen nach Hause gehen. Sie sagen, das wäre noch viel zu früh, doch darauf pfeife
ich. Ich fühle mich fabelhaft. Du wirst mir doch eine Weile helfen, nicht wahr, Nanna?" "Nanna?" wiederholte Miles' Mutter matt. "Du willst doch nicht etwa Grandma genannt werden, Liebes? Nicht solange du so jugendlich aussiehst. Da fällt mir etwas ein ... Miles, findest du nicht, daß deine Mutter viel zu jung und lebhaft ist, um ohne einen Mann zu sein? Nicht, daß du gleich heiraten sollst, Nanna, aber nach allem, was ich gehört habe, verdienst du es, ein bißchen Spaß zu haben. Wenn du dich erst auf Dauer in Australien niedergelassen hast, werde ich dich mit ein paar netten, romantischen Junggesellen bekannt machen." Miles fiel nur ein Mittel ein, um Maddie zum Schweigen zu bringen, ehe seine Mutter in Ohnmacht fiel. Er küßte sie. Woher hätte er auch wissen können, daß seine Mutter Maddie für ein ausgesprochen kluges Mädchen hielt. Und so einfühlsam. Ein paar kleine Flirts waren genau das, was sie nach den langen Jahren der Vernachlässigung in ihrer Ehe brauchte. Sie mußte natürlich nach England fliegen, um ihre Angelegenheiten zu regeln und an Max' Hochzeit teilzunehmen, doch dann würde sie unverzüglich zurückkehren zu ihrem Sohn, ihrem Enkel, ihrer Schwiegertochter und einem neuen Leben. Eigentlich konnte sie es kaum erwarten. Maddie seufzte unter Miles' zärtlichem Kuß. Wer hätte im letzten Februar geahnt, daß sie im darauffolgenden Januar eine verheiratete Frau und Mutter sein würde. Oder daß Miles sich als der einzige Mann auf der Welt erweisen würde, dem es gelang, sie von den Vorzügen echter Zuneigung und einer festen Bindung zu überzeugen? "Alle finden Scott einfach anbetungswürdig", berichtete Miles stolz. Sie lächelte. "Wenn das so ist, kommt er ganz nach seinem Vater." "Ich liebe deine Schmeicheleien."
"Und ich liebe dich, mein Liebling. Küß mich noch einmal", flüsterte sie leidenschaftlich. "Und diesmal richtig." Miles gehorchte. Was sonst sollte er auch tun? Er war Wachs in ihren Händen. Und daran würde sich nichts ändern, solange er lebte. Na und, dachte er selbstironisch, es gibt schließlich schlimmere Schicksale.
-ENDE