Sybille Münch Integration durch wohnungspolitik?
Sybille Müncl1
Integration durch wohnungspolitik? Zum Umgang mit et...
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Sybille Münch Integration durch wohnungspolitik?
Sybille Müncl1
Integration durch wohnungspolitik? Zum Umgang mit ethnischer Segregation im europäiscl1en vergleich
I I
VS VERLAG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zug!. Dissertation an der Technischen Universität Darmstadt, 2010 D 17
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Tanja Köhler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17562-1
Danksagung
Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung einer am 26. Januar 2010 an der TU Dannstadt am Institut für Politikwissenschaft verteidigten Dissertation. Sie ist als eine von sieben Dissertationen im Rahmen eines Vorhabens der vier raumwissenschaftlichen Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft zum demographischen Wandel gefördert worden und am Leibniz-Institut für Länderkunde (ItL) in Leipzig entstanden. Aufrichtig danken möchte ich meinem Erstgutachter Hubert Heinelt für seine Hilfestellung insbesondere bei der Bearbeitung des politikwissenschaftlichen Analyserahmens. Sebastian Lentz danke ich herzlich für seine Betreuung als Zweitgutachter sowie für die vielfältige Unterstützung, die mir im Rahmen meiner Forschung am ItL zuteil geworden ist. Meine besondere Dankbarkeit gilt hier insbesondere Sabine Tzschaschel, deren inhaltlicher Rat und kontinuierliche Ermunterung einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Arbeit geleistet haben. Danken möchte ich zudem meinen zahlreichen Interviewpartnem, die mir mit ihrer Zeit und Offenheit die Bearbeitung meiner Fragestellungen überhaupt erst ermöglicht haben. Ein großes Dankeschön sei auch all denjenigen Freunden und Kollegen ausgesprochen, die mir behilflich gewesen sind, im einzelnen Bettina Bruns, Petra Makowski, Kirsten Rowedder, Christian Smigiel, Sonja Smalian und Ada von Oppen. Ein besonderes Verdienst für das Zustandekommen dieser Arbeit trägt auch Sibylle Richter-Salomons, deren Überzeugungskraft mich darin bestärkt hat, mein Interesse für das Thema in einer Dissertation weiter zu verfolgen. Für seine Zuversicht, Geduld und persönliche Unterstützung möchte ich schließlich Lorenz Riemer von Herzen danken. Gewidmet ist die Arbeit meiner Familie, insbesondere meinem Vater Alfred Münch, der mir alles ermöglicht hat.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
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1. Einleitung
15
2. Segregation und ihre Folgen - Einführung in den Forschungsstand •.• 31 2.1 Segregation: Definitionen und Messmethoden 32 2.2 Die Sozialökologie als zentrale Forschungstradition 34 2.3 Ursachen ethnischer Segregation 35 2.3.1 Makrosoziologische Erklärungen 35 2.3.2 Mikrosoziologische Erklärungen 37 2.4 Verwendung des Ghetto-Begriffs für europäische Einwandererviertel 39 2.5 Die vermeintlichen Folgen von Segregation: Die umstrittenen Nachbarschaftseffekte 40 2.5.1 Dimensionen der Nachbarschaftseffekte 43 2.5.1.1 Soziale Dimension 43 2.5.1.2 Symbolische Dimension 45 2.5.1.3 Materielle Dimension 46 2.5.1.4 Politische Dimension 47 2.5.2 Kritik an der Quartierseffektsforschung 47 2.6 Fazit 49 3. Die Konstruktion sozialer Phänomene als soziale Probleme 3.1 Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit 3.2 Die konstruktionistische Soziologie sozialer Probleme 3.3 Die zentralen Strömungen einer konstruktionistischen Problemsoziologie 3.3.1 Der reflexive Ansatz 3.3.2 Das strikte Programm 3.3.3 Verortung der vorliegenden Arbeit im kontextuellen Konstruktionismus
51 52 54 58 58 59 60
3.4 Kritik am Konstruktionismus 3.4.1 Der Relativismus-Vorwurf 3.4.2 Strukturalistische und postmoderne Kritik 3.4.3 Kann der Konstruktionismus kritisch sein?
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4. Interpretative Weiterentwicklung der Policy-Forschung 67 4.1 Entstehung, Kritik und Weiterentwicklung der Policy-Forschung 68 4.2 Die Entdeckung von Ideen in der Policy-Forschung 70 4.3 Die interpretative Wende in der Policy-Forschung 74 4.3.1 Dvora Yanows Ansatz einer interpretativen Policy-Analyse 76 4.4 Die narrative Policy-Analyse nach Deborah Stone 80 4.5 Die argumentative Wende in der Policy-Forschung 83 4.5.1 Die veränderte Rolle des Policy-Forschers 84 4.5.2 Inhaltliche Neuausrichtung 86 4.5.2.1 Die Untersuchung von Policy-Narrativen nach Kaplan 87 4.5.2.2 Die Untersuchung von "Rahmen" nach Rein/Schön 88 4.5.2.3 Policy-Diskurse nach Hajer 90 4.5.2.4 Abgrenzung der Diskurskoalitionen von den Advokaten-Koalitionen 93 4.5.3 Kritik an den Arbeiten der argumentativen Wende 96 98 4.5.4 Anknüpfungspunktefür die vorliegende Arbeit 4.6 Die Wissenspolitologie nach Nu1lmeierlRüb 98 4.7 Die soziale Konstruktion von Zielgruppen nach Schneider/Ingram 103 4.8 Potenziale und Leerstellen des gewählten Analyserahmens 107 5. Methodische Operationalisierung der Fragestellung 5.1 Besonderheiten interpretativer, ländervergleichender PolicyForschung 5.1.1 Konjunktur der Methode 5.1.2 Abstraktionsebenen des Vergleichs 5.1.3 Vergleichstrategien - von Ähnlichkeit zu Differenz 5.1.4 Besonderheiten der international vergleichenden Wohnforschung ..... ....... ..... 5.1.5 Qualitative Policy-Verg1eiche 5.1.6 Häufige Schwierigkeiten komparativer Arbeiten 5.1.7 Konsequenzenfür die vorliegende Arbeit 5.2 Diskursanalyse als empirische Methode 5.2.1 Definition und Abgrenzung 8
109 109 109 110 111 111 112 114 116 118 119
5.2.2 Forschungspraktische Umsetzung
6. Kontextualisierung der Mischungsdiskurse 6.1 Lesarten von Migration und Integration im Vergleich 6.1.1 Das dominante framing von Migration 6.1.1.1 Deutung der Migration in Deutschland 6.1.1.2 Deutung der Migration in den Niederlanden 6.1.1.3 Deutung der Migration in Großbritannien 6.1.2 Der Integrationsbegriff im niederländischen, britischen und deutschen Kontext 6.1.2.1 Historische Wurzeln 6.1.2.2 Integration - Die länderspezifische Semantik eines verbreiteten Begriffs 6.1.2.3 Pfadabhängigkeiten gesellschaftlicher Integrationskonzepte 6.1.2.4 Das "Ende des Multikulturalismus" 6.1.2.5 Fazit 6.2 Vergleich der nationalen Wohnungspolitiken 6.2.1 Wohnungspolitik als Reaktion auf gesellschaftliche Destabilisierung 6.2.2 Gemeinsame Trends 6.2.2.1 Eigentumsförderung 6.2.2.2 Deregulierung 6.2.2.3 De- und Rezentralisierung 6.2.3 Aktuelle Anbieterstrukturen 6.2.3.1 Unterschiede der Sozialwohnungen 6.2.3.2 Die schwarzen Wohnungsbauvereinigungen als britische Besonderheit 6.2.4 Vergabekriterien im sozialen Sektor 6.2.5 Aktuelle Entwicklungen 6.2.6 Fazit 6.3 Die Wohnqualität als Integrationsmaßstab 6.3.1 Deutschland und die Niederlande: Vom Wohnheim in den privaten Altbau 6.3.2 Großbritannien in den 1960er Jahren: Diskriminierung und Öffnung der Sozialwohnungen 6.3.3 Niederlande und Großbritannien: Eigentumserwerb als Notlösung 6.3.4 Deutschland: Die 1980er Jahre im Zeichen von Sanierung
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und Wohnungsnot 6.3.5 Die Niederlande der 1980er Jahre: Gradueller Zugang zu Sozialwohnungen 6.3.6 Kontinuität der schlechteren Wohnbedingungen im Großbritannien der 1980er Jahre 6.3.7 Aktuell: Ausstattung der Wohnungen 6.3.8 Obdachlosigkeit 6.3.9 Verteilung der Minderheiten auf die verschiedenen Wohnungsmarktsektoren 6.3.10 Fazit 6.4 Ausprägungen von ethnischer Segregation im Ländervergleich 6.4.1 Regionale Verteilung der Zuwanderer 6.4.2 Ausmaß der ethnischen Segregation 6.4.3 Unterschiede zwischen den Migrantengruppen 6.4.4 Aktuelle Trends 6.4.5 Fazit
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7. Konstruktion und Bearbeitung des Problems Segregation ..•.•..•.•....•.• 207 7.1 Deutungsmuster zur Entstehung von ethnischer Segregation 7.1.1 Der vermeintliche Rückzug in eigenethnische Enklaven als dominanter Diskurs 7.1.1.1 Deutschland: "Unter sich bleiben" 7.1.1.2 Großbritannien:"Very worrying drift towards self-segregation" 7.1.1.3 Niederlande: "Ethnische Segregation durch soziale Segregation" 7.1.2 Alternative Interpretationen 7.1.2.1 Deutung von Segregation als Ergebnis wohnungsund sozialpolitischer Entscheidungen 7.1.2.2 Deutung von Segregation als Folge direkter Steuerung durch die Kommune 7.1.2.3 Deutung von Segregation als Folge des Geschäftssinnes der privaten Vermieter 7.1.2.4 Deutung von Segregation als Folge von Zugangsschwierigkeiten im privaten Sektor 7.1.2.5 Deutung von Segregation als Ergebnis bewusster Segregierung durch Wohnungsanbieter 7.1.2.6 Deutung von Segregation als Folge der Benachteilung als Eigentümer 10
207 208 208 213 216 219 220 234 237 238 241 242
7.1.2.7 Deutung von Segregation als Ergebnis der Strategien der Mehrheitsgesellschaft 243 7.1.2.8 Deutung von Segregation als Folge des demographischen Wandels 248 7.1.3 Fazit 251 7.2 Deutungen zu den Folgen ethnischer Segregation 252 7.2.1 Einführung 253 7.2.2 "Gefahr durch soziale Segregation" 254 7.2.3 Segregation als Hindernis für die individuelle Integration 257 7.2.3.1 "durch erschwerten Spracherwerb" 257 7.2.3.2 "durch Behinderung der kulturellen und sozioökonomischen Integration" 260 7.2.3.3 "durch Schulsegregation" 263 7.2.4 Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt 266 7.2.4.1 "durch zu große Sichtbarkeit der Minderheiten" .. 266 7.2.4.2 "durch Konkurrenz" 268 7.2.4.3 "durch Vorurteile" 271 7.2.4.4 "durch ,Rassenunruhen" 271 7.2.4.5 "durch hohe Infrastrukturkosten" 276 7.2.5 Befürchtete Risiken für das Quartier 278 7.2.5.1 Stigmatisierung 278 7.2.5.2 Kriminalität 282 7.2.6 Alternative Deutungen 284 7.2.6.1 Folgenlosigkeit von ethnischer Segregation 284 7.2.6.2 Chancen für die individuelle Integration 286 7.2.6.3 Chancen für das Quartier 288 7.2.7 Fazit: Diffuse Ablehnung der Sichtbarkeit 290 7.3 Wohnungspolitische Reaktionen auf ethnische Segregation 291 7.3.1 Einbettung in den historischen Diskurs zu sozialer Mischung 293 7.3.2 Steuerungsversuche auf nationaler Ebene 296 7.3.2.1 Deutschland: Das Leitbild der "gesunden Mischung" 296 7.3.2.2 Großbritannien: Symbolische Auseinandersetzung seit den 1960er Jahren 300 7.3.2.3 Die Niederlande: Glaube an social engineering 312 7.3.2.4 Die Niederlande und Großbritannien: Wahlfreiheit ersetzt Bewohnerauswahl 315 7.3.2.5 Verteilung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und 11
Spätaussiedlern 7.3.2.6 Verhinderung von Segregation durch Diskriminierungsschutz 7.3.3 Durchmischungsstrategien auf kommunaler Ebene 7.3.3.1 Kommunales Handlungsfeld I: Zugang beschränken 7.3.3.2 Kommunales Handlungsfeld 11: Angebot erweitern 7.3.3.3 Kommunales Handlungsfeld III: Soziale Mischung erhöhen 7.3.4 Strategien der Wohnungsanbieter 7.3.4.1 Die deutsche Wohnungswirtschaft als zentraler Akteur 7.3.4.2 Die Haltung der britischen Wohnungsbauvereinigungen 7.3.4.3 Die Haltung der niederländischen Wohnungsbauvereinigungen 7.3.5 Kritik an den gängigen Policies 7.3.6 Fazit 7.4 Diskurspartner und Wissensquellen 7.4.1 "Mantra der Mischung" statt speaking truth to power 7.4.2 Austausch von Ideen unter wohnungspolitischen Praktikern 7.4.3 Vage storylines als Klammerfür heterogene Positionen 7.4.4 Konvergenz trotz eines geringen internationalen Austauschs 7.4.5 Fazit 7.5 Konstruktion der Zielgruppen durch Mischung 7.5.1 Migranten: Zuverlässig, aber nicht erwünscht 7.5.2 Intolerante Unterschicht und wertvolle Mittelschicht 7.5.3 Wohnungsanbieter als Frühwarnsystem und "Reparaturkolonne" 7.5.4 Fazit
319 325 335 336 355 359 373 373 382 386 388 396 399 399 409 412 414 417 420 421 424 426 428
8. Zusammenfassung und Ausblick
429
Bibliographie
443
Verzeichnis der Interviewpartner
483
12
Abkürzungsverzeichnis
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
A8 [GB]= Neue EU-Mitgliedsstaaten ABG Holding = Aktienbaugesellschaft Frankfurt Holding Wohnungsbau- und Beteiligungsgesellschaft mbH ACF = Advocacy-Koalitionsansatz AGG = Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz BBR = Bundesamt für Bauordnung und Raumforschung BGW = Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft BMBF = Bundesministerium für Bildung und Forschung BME [GB] = Black or Minority Ethnic BNP [NL] = British National Party CBL [GB] = Choice Based Lettings CDA [NL] = Christen Democratisch Appel CIC [GB]= Commission on Integration and Cohesion CIH [GB]= Chartered Institute ofHousing CLIP = Cities for local integration policies C ofE [GB] = Church ofEngland CRE [GB]= Commission for Racial Equality CU [NL] = ChristenUnie DCLG [GB]= Department ofCommunities and Local Govemment Difu = Deutsches Institut für Urbanistik EU = Europäische Union EUMC = European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia FBHO [GB] = Federation ofBlack Housing Organisations GB = Großbritannien GBG = Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH GdW = Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienuntemehmen Gewobau = Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Rüsselsheim mbH GEWOS = Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
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GLC [GB] = Greater London Council HLM = Habitation loyer modere IBA = Internationale Bauausstellung ID = Dissimilaritätsindex IdeA [GB] = Improvement and DevelopmentAgency ILS = Institutfür Landes- und Stadtentwicklungsforschung NRW InWIS = Institut:für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung IRB = Innerstädtische Raumbeobachtung LEG = Landesentwicklungsgesellschaft NRW GmbH LGA [GB] = Local Government Association LPF [NL] = Lijst Pim Fortuyn NASS [GB] = National Asylum Support Service NGO = Nichtregierungsorganisation NL = Niederlande NRW = Nordrhein-Westfalen PvdA [NL] = Partij van de Arbeid RLW = Ruhr-Lippe-Wohnen RRA [GB] = Race Relations Act RRB [GB] = Race Relations Board RVK [NL] = Regeling Rijksvoorkeurswoningen SCP [NL] = Sodal and Cultural Planning Office SED = Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SOEP = Sozioökonomisches Panel SWSG = Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft VdW Rheinland Westfalen = Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen VdW südwest = Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.Y. VEB = Volkseigener Betrieb vhw = Bundesverband :für Wohnen und Stadtentwicklung VVD [NL] = Volkspartij voor Vrijheid en Democratie VINEX [NL] = Vierte außerordentliche Note zur Raumordnung WoBauG = Wohnungsbaugesetz WWR [NL] = Wissenschaftlicher Ratfür Regierungspolitik
a
1. Einleitung
"One of the most significant developments in the social geography of major West European cities during the past few decades has been the settlement of large and diversified ethnic minority populations" halten Kestelootlvan WeeseplWhite (1997: 100) fest. Doch während die enge Verbindung von Migration und Stadt zu den Gemeinplätzen von Sozialgeographie und Soziologie gehört (FischerKrapohllWaltz 2007: 8; Häußermann/Siebel200 I :68) und viele Städte mittlerweile ihre Attraktivität fiir Zuwanderer' in Zeiten von Globalisierung und demographischem Wandel als Standortfaktor erkannt haben, ist diese scheinbar natürliche Symbiose in den meisten Staaten nicht selbstverständlich. Verbreitet ist das Deutungsmuster, die Integration der ethnischen Minderheiten sei mangelhaft, ihre räumliche Konzentration in bestimmten Stadtteilen nehme zu und wirke sich wiederum negativ auf die Integration der Bewohner aus. Problemaufriss Die Existenz von Nachbarschaften mit einem hohen Anteil Migranten2 wird weltweit in sehr unterschiedlichen Staaten als Problem wahrgenommen. So verschiedene Länder wie das weitgehend ethnisch homogene Finnland (Vilkarna 2007) und das liberale Wohlfahrtsregime des Einwanderungslandes USA teilen Versuche, durch den Abbau von ethnischer Segregation und die Herstellung einer ethnischen Mischung Integration fördern zu wollen. Maßnahmen reichen von strengen Obergrenzen und Quotierungen bis zu US-amerikanischen Mobilitätsprograrnmen (Gautreaux, Moving to Opportunity)3, die über die Vergabe von Gutscheinen an 1 2 3
Die weibliche Form sei in der folgenden Arbeit stets mitgedacht. Die Begriffe Zuwanderer und Migrant sowie Person mit Migrationshintergrund werden synonym verwendet. Durch eine Klage der Stadtteilaktivistin Dorothy Gautreaux kam es 1969 zu einem Gerichtsentscheid mit dem Verbot an die Stadt, Sozialwohnungen nur in schwarzen Innnenstadtbezirken zu bauen. Das Verteilungsprograrnm lief bis 1998 mit etwa 25.000 Teilnehmern und wurde insofern kritisiert, als ohnehin nur "gute" Mieter einen Gutschein bekamen (Atkinson 2005: 21). Moving to Opportunity wird seit 1994 in fiinf US-Städten durchgefiihrt. Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass das Sicherheitsempfinden der schwarzen Familien in ihrem neuen Wohnurnfeld zugenommen habe und es keine negativen Wirkungen auf ihre Netzwerke gegeben habe (a.a.O.: 25).
S. Münch,Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_1, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
schwarze Haushalte den Fortzug in weiße Stadtteile fördern sollen (Goetz 2007). Viele Staaten mit Einwanderung verfolgen Desegregations- und Verteilungsstrategien zur Herstellung von ethnischer und sozialer Durchmischung in den Quartieren ihrer Städte, wobei sich zu Beginn des 21. Jahrhundert im Zuge der Politisierung des Integrationsthemas ein neues Interesse an diesen zum Teil seit den 1960er Jahren diskutierten Strategien zeigt: "As questions of migrant integration have become increasingly politicised, we have seen a renewed commitment, across countries, to policy approaches believed to promote ethnic desegregation, common values, stability and national unity" (phillips 2006a: 2). Zu den europäischen Ländern mit desegregativen Wohnungspolitiken zählen Deutschland, die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Schweden, Dänemark, Finnland, Dänemark und Frankreich (Musterd 2005: 340; Ministeriet for Flygtninge, Indvandrere og Integration 2005). In der vorliegenden Arbeit soll der wohnungspolitische Umgang mit ethnischer Segregation in der Bundesrepublik (BRD), den Niederlanden (NL) und Großbritannien (GB) verglichen werden. Dabei ist zu differenzieren zwischen nationalen und kommunalen Steuerungsversuchen sowie dem Belegungsmanagement der Wohnungsunternehmen. Begründung der Fallauswahl Der Untersuchung dienen Deutschland, die Niederlande und Großbritannien4 als Vergleichsfalle. Aufgrund des qualitativen Analyserahmens handelt es sich um einen fallorientierten - im Gegensatz zum generalisierenden variablenorientierten Vergleich, der der Komplexität des Einzelfalls Rechnung trägt. GB mit seinem hohen Anteil an Wohneigentum, einem residualistischen Sozialwohnungssektor und seiner längeren Einwanderungstradition soll als besonders kontrastierender Fall fungieren. Es wird erwartet, dass die in der BRD oftmals stigmatisierende Untertöne aufweisende Problematisierung ethnisch geprägter Nachbarschaften hier aufgrund der multikultura1istischen, die diversity betonenden Tradition und des höheren Organisationsgrades der Minderheiten auf größeren Widerspruch stößt. Zugleich ist zu vermuten, dass aufgrund des hohen Anteils von Wohneigentum andere Policies greifen müssen als im Mieterland Deutschland. Zudem liefert GB insofern eine gänzlich andere Ausgangssituation, als die enge Verknüpfung von sozialer und daraus folgender ethnischer Segregation wie im 4
Im Bezug auf die Wohnungspolitik wäre es eigentlich angemessener, von ,,England" zu sprechen, da
es in diesem Politikfeld Unterschiede zu Schottland gibt (Norton 1990: 9). Ebenso erreicht Zuwanderung traditionell eher England, während Wales und Schottland einen geringen Migrantenanteil etwa dem ostdeutschen Anteil entsprechend aufweisen. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch überwiegend von Großbritannien gesprochen, da Diskurse und Policies zu Migration und Integration an diese Ebene geknüpft sind.
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deutschen Fall nicht gegeben ist: "Some ofthe most difficult estates (...) ha[ve] virtually no ethnic minority populations" (power 1998: o.S.). Die Beschäftigung mit dem britischen Fall wird auch insofern für fruchtbar gehalten, als die Debatte um Desegregation in Form der Förderung von community cohesion eine im Vergleich zu Deutschland und den Niederlanden jüngere Debatte ist - obgleich das viktorianische England als Mutterland der Idee der sozialen Mischung gilt (Sarkissian 1976: 234). Während im deutschen Fall argumentiert werden könnte, dass sich das seit den 1970er Jahren haltende Leitbild der ethnischen Mischung aufgrund von Steuerungsverlusten und vor dem Hintergrund des demographischen Wandels überholt hat, verdeutlicht der britische Fall die weiterhin gültige Aktualität derartiger Mischungskonzepte. Während es in der Vergangenheit in GB kaum Akteure gab, die die Konzentration nicht-weißer Gruppen grundsätzlich negativ einschätzten (Harrison 2005: 92), haben zunächst die Unruhen in Nordengland im Jahr 2001 und die islamistischen Anschläge in London im Sommer 2005 die Furcht vor der unterstellten "Selbst-Segregation" der Minderheiten angeheizt. Die Niederlande wurden als Vergleichsland gewählt, da sie lange Zeit in Deutschland als Vorbild für erfolgreiche Integrationspolitik galten. Hier hat der Wohlfahrtsstaat einen starken Einfluss auf die Wohnsituation, wobei der Umgang mit ethnischer Segregation eine dynamischere Entwicklung genommen hat und im Verlauf der vergangenen 30 Jahre größeren Veränderungen ausgesetzt war, als dies in der BRD der Fall gewesen ist. Die politische Bewertung von Segregation als Problem und die daraus folgenden Konzepte scheinen hier stärker als in der BRD politischen Konjunkturen unterlegen gewesen zu sein. Weitere Differenzen zwischen den drei Untersuchungsländern sind aufgrund unterschiedlicher Minderheitendefinitionen zu erwarten. Während sich in Deutschand die Mischungsstrategien offiziell auf die Gruppe der rechtlichen Ausländer beziehen, wobei hier Einschränkungen gegenüber EU-Bürgern gelten, kann eine solche staatsbürger8chaftsbezogene Zuschneidung in GB und NL nicht greifen, da viele Migranten durch die koloniale Vergangenheit und eine andere Einbürgerungskultur den Pass des Ziellandes besitzen. Zudem ist zu erwarten, dass die ethnischen Minderheiten durch ihre Stimme bei politischen Wahlen ein größeres Gewicht besitzen als dies in der BRD der Fall ist. Weitere Differenzen in den Mischungsstrategien lassen sich aufgrund weiterer gravierender Unterschiede im Wohnungssektor vermuten. So verfUgen zwar sowohl GB als auch die Niederlande über einen im Vergleich zu Deutschland deutlich größeren Sozialwohnungssektor, doch unterscheiden sich beide erheblich in denAllokationskriterien: Im universalistischenAnsatz der Niederlande wird die Bereitstellung von Wohnraum als öffentliche Verantwortung verstanden, die von gemeinnützigen Organisationen geleistet wird, während der britische Sozial17
wohnungssektor als residualistisch zu bezeichnen ist (Czischke 2007: 8). Dementsprechend dürfte es Unterschiede im Ausmaß geben, in dem die Vergabe von Sozialwohnungen als Instrument der Mischung herangezogen werden kann. Deutschland befindet sich auf dem Kontinuum zwischen einem universalistischen und einem residualistischen Ansatz etwa im Mittelfeld, da die wohnungspolitische Förderung von breiten Teilen der Bevölkerung mittlerweile durch eine Unterstützung für diejenigen abgelöst wurde, die sich nicht selbst am Markt versorgen können. Als Ausgangsthese lässt sich festhalten, dass sich die Ablehnung von ethnischer Segregation offenbar mit offiziell gänzlich unterschiedlichen Integrationskonzepten vereinbaren lässt (Multikulturalismus in NL und GB sowie ein eher assimilationistisches Verständnis in der BRD), wobei sich in den meisten Staaten Europas ein Trend hin zu einem rigideren Integrationsverständnis abzeichnet (vgl. Musterd 2005: 340). Forschungslücke Trotz der Verbreitung der Maßnahmen zur ethnischen Mischung, die im 21. Jahrhundert selbst in Ländern mit multikulturalistischer Tradition Fuß gefasst haben, sind die Mischungspolicies und die Problemdeutungen, in die sie eingebettet sind, nur in sehr geringem Maße wissenschaftlich beachtet worden. In Untersuchungen zur Entstehung und zu den Folgen von ethnischer und sozialer Segregation weist die deutsche Forschung bislang einen blinden Fleck für die spezielle Rolle der Wohnungspolitik auf (Bürkner 2002: 92). Zwar gibt es seit den 1970er Jahren verschiedene Untersuchungen zu den Verteilungsmustem von Migranten im städtischen Raum sowie den Folgen von ethnischer Segregation für die Integration von Migranten (siehe 2.5), gleichwohl impliziert die Übertragung US-amerikanischer Konzepte wie der Sozialökologie der Chicagoer Schule, die in vielen Arbeiten mitschwingt, einen marktwirtschaftlichen Wohnungssektor und somit, dass ein Zusammenspiel aus sozioökonomischen Zwängen und Diskriminierung auf der einen und persönlichen Präferenzen der Zuwanderer auf der anderen Seite Migranten in bestimmte Wohnquartiere filtere (Dangschat 1997: 623). Steuerungsversuche durch die Wohnungspolitik (national und kommunal) und das Belegungsmanagement großer institutioneller WohnungsanbieterS wurden bislang kaum untersucht (Ausnahmen bilden Planerladen 2004; 2005; ILS 2006). Insofern hat die vorliegende Arbeit auch einen in Teilen explorativen Charakter, da insbesondere die Strategien der Wohnungsanbieter wenig transparent sind. 5
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Wenn im folgenden von Wohnungsanbietem die Rede ist, sind damit nicht die privaten Kleinanbieter oder Amateurvermieter gemeint, in deren Besitz sich etwa 14 Millionen der insgesamt 23 Millionen deutschen Mietwohnungen befinden, sondern die professionell-gewerblichen Anbieter.
Trotz der seit gut drei Jahrzehnten anhaltenden Versuche, durch wohnungspolitische Eingriffe der als Problem wahrgenommenen ethnischen Segregation zu begegnen, sind diese Policies ein "in weiten Bereichen unzureichend ausgeleuchtetes Untersuchungsfeld" (Planerladen 2005a: 36). Einerseits scheint das weitgehende Desinteresse an ethnischen Mischungsversuchen durch Wissenschaft und Öffentlichkeit eine Spezifik des deutschen Falles zu sein, während sich die überwiegend niederländische, britische und schwedische Wohnforschung deutlich häufiger mit derartigen Maßnahmen auseinandersetzen. 6 Andererseits stellt Rowland Atkinson (2005: 3) in einem umfassenden Review fest, dass es weltweit ausgesprochen wenige Studien gebe, die sich explizit mit dem Thema "Mischung" befassen und weitaus mehr, die die Nachbarschaftseffekte segregierter Gebiete behandeln. Auch der Europäische Verbindungsausschuss zur Koordinierung der Sozialen Wohnungswirtschaft CECODHAS (2007: 11) kommt zu dem Ergebnis: "Overall, we found that despite the extensive information available on immigration and integration policies, it is very difficult to find explicit links between these policies and housing policies or measures - or even with a housing dimension ofthe issues dealt with." Das weitgehende Desinteresse der sozialwissenschaftlichen Forschung am Themenkomplex "Wohnen und Integration" steht im Kontrast zur Praxis, wo zu Beginn des 21. Jahrhunderts in allen hier untersuchten Ländern Vertreter von Wohnungsunternehmen in die Entwicklung von Integrationsstrategien eingebunden sind. So war der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) in einer Arbeitsgruppe des Nationalen Integrationsplans vertreten, die Vorsitzende des Dachverbandes der Amsterdamer Wohnungsbauvereinigungen ist Vorsitzende des städtischen Diversitätsbeirats und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der englischen Regulierungsbehörde für die sozialen Wohnungsbauvereinigungen (Housing Corporation) war Mitglied der Commission on Integration and Cohesion der britischen Regierung. Das im neuen Jahrtausend gewachsene Interesse am migrantischen Wohnen drückt sich auch in den Bemühungen aus, auf europäischer Ebene einen Austausch von best practice anzuregen (vgl Die Beauftragte 2005: 67).7 Ebenso wie es eine Diskrepanz zwischen den wohnungspolitischen Steuerungsversuchen und dem weitgehenden Desinteresse insbesondere der deutschen Forschung an ihnen gibt, klafft eine Lücke zwischen dem beachtlichen Output der 6 7
Als Beleg können die Teilnehmer des International Research Network on Housing, Ethnicity and Policy gelten sowie das Sonderheft der Fachzeitschrift Housing and the Built Environment vom Dezember 2009. Beispielsweise widmete sich der erste Themenblock des European Network of ewes for Local Integration Policies for Migrants (CLIP) dem Themenkomplex Wohnen (European Foundation 2007a).
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Segregations- und Quartierseffektsforschung einerseits und der mangelnden Beachtung dieser Erkenntnisse durch die wohnungspolitische Praxis. Die Einheitlichkeit der Ablehnung von ethnischer Segregation durch viele wohnungspolitische Akteure in Europa überrascht nämlich insofern, als eine akademische Bewertung der Folgen von ethnischer Segregation in sämtlichen europäischen Staaten mit Zuwanderung ausgesprochen ambivalent ausfällt. Wissenschaftlich ist es keineswegs hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls auf welche Weise das Wohnviertel die individuellen Lebenschancen seiner Bewohner beeinflusst. Dies gilt für die Wirkungen von Armut und Kriminalität, noch mehr aber für Annahmen bezüglich einer Wirkung der "ethnisch" geprägten Nachbarschaft (Söhn/Schönwälder 2007: 73; Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff2007: 9; Musterd 2005: 342; Dangschat 2007: 180). "A clear problem for those who have consistently asked for more socially diverse communities as the basis for sustainability and social equity is that this position has relied on an intuitive rather than explicit evidence-base" (Atkinson 2005: 27). Forschungsanstoß Dieses Spannungsverhältnis zwischen einer klaren Ablehnung von ethnischer Segregation durch (kommunal-) politische und wohnungswirtschaftliche Akteure aufder einen Seite und einer weitaus positiveren Einschätzung insbesondere durch Sozialwissenschaftier auf der anderen Seite hat den Impuls für die vorliegende Arbeit gegeben. Anstoß waren die Erfahrungen, die die Autorin als wissenschaftliche Referentin im BMBF-geförderten Projekt "Zuwanderer in der Stadt" gesammelt hat. Hier hatte sich gezeigt, welch große Bedeutung auf kommunalpolitischer und insbesondere wohnungswirtschaftlicher Seite den Versuchen, auf Quartiersebene eine ausgewogene ethnische Mischung herzustellen, beigemessen wird. Im Rahmen des Verbundvorhabens von Schader-Stiftung, Deutschem Städtetag, GdW - Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, dem Deutschen Institut für Urbanistik und InWIS hatte ein Expertenforum, besetzt mit Vertretern aus Kommunalverwaltungen, der Wohnungswirtschaft und Stadtforschern, ,,Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik" erarbeitet. Diese wurden in einem zweiten Schritt an acht deutsche Großstädte weitergeleitet, die sich im Vorfeld bereit erklärt hatten, auf Grundlage der Empfehlungen eigene Strategien zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Dabei erhielten überraschenderweise weniger die Empfehlungen selbst eine hohe Aufmerksamkeit, als diejenigen Ausführungen, die eigentlich vor allem die Prämisse des Projektes darlegen sollten: Der Slogan "Integration statt Segregation" sollte ausdrücken, dass die Integration von Zuwanderern trotz ihrer Konzentration in bestimmten Nachbarschaften möglich sei. Der Versuch, Integration allein durch die "gesunde Durchmischung" der 20
Wohnbevölkerung erreichen zu wollen, werde angesichts abnehmender Steuerungsmöglichkeiten scheitern. Das Verbundvorhaben war in der Konsequenz mit einer Reihe von unerwartet heftigen Reaktionen konfrontiert (detailliert in Höbel et al. 2007). Die Ausgangsüberlegung des Projektes stieß bei einigen Rezipienten auf Widerstand, da sie als Anstoß für eine gezielte Herstellung segregierter Strukturen missverstanden wurde. Doch auch von zahlreichen anderen Akteuren in den Kommunalverwaltungen und Wohnungsunternehmen des "Praxis-Netzwerks", die die Parole "Integration trotz Segregation" nicht derartig missdeuteten, wurde sie abgelehnt. Die Kritik bezog sich zum einen auf die operative und zum anderen auf die inhaltliche Ebene. Verschiedene Akteursgruppen in unterschiedlichen Städten vertraten die Position, dass Segregation nicht hingenommen werden sollte und durchaus durch Quotenregelungen bzw. Belegungssteuerung beeinflusst werden könne. 8 Insbesondere die Vertreter der Wohnungswirtschaft lehnten die positive Diskussion von Segregation mehrheitlich ab, da sie befürchteten, dass diese ihre auf ausgewogene Mischungsverhältnisse abzielende Belegungspolitik konterkariere. Gleichzeitig erkannten jedoch insbesondere die größeren, kommunalen Wohnungsunternehmen, dass sie auch mit ihrer Belegungspolitik Segregation nicht (überall) verhindern können. Neben dem Hinweis aufdie weiterhin bestehende Handhabbarkeit des Mischungsinstrumentariums wurde die Ausgangsüberlegung des Projektes jedoch auch auf inhaltlicher Ebene mit dem Hinweis kritisiert, Segregation gehe mit einer Abschottung der Quartiersbewohner einher. Der Slogan "Integration trotz Segregation" wurde als Kapitulation vor den migrationsbedingten Problemen und als Rückzug der Politik aus ihrer Verantwortung interpretiert. Die Ablehnung der Ausgangsbeobachtung hatte mancherorts grundsätzliche Folgen für den weiteren Projektverlauf. In Berlin-Mitte wurde die Umsetzung der "Empfehlungen" vor allem auch wegen ihrer Prämisse als ungeeignet abgelehnt und daher nicht weiter verfolgt. In FrankfurtJMain brach die Unternehmensfiihrung eines Zusammenschlusses von sechs Wohnungsunternehmen die Beteiligung am Projekt ab. In anderen Städten signalisierten die Vertreter der Kommunalverwaltungen zwar Zustimmung zur Aussage, dass Integration auch trotz Segregation gelingen könne und gelingen müsse, sprachen sich aber gegen eine Diskussion des Themas aus. Den Anstoß für einen Vergleich der in verschiedenen europäischen Staaten üblichen Desegregationspolitiken erhielt die Autorin durch die Reaktionen auf einen Vortrag im Rahmen der dänischen Anti-Ghetto-Initiative im Herbst 2006. 8
In der Diskussion um Belegungssteuerung wurde nach Einschätzung der Begleitforscherinnen von Difu und InWIS mehrheitlich nicht zwischen sozialer und ethnischer Segregation differenziert.
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Während die dänische Regierung ethnische Segregation als Problem ausgemacht hat, das es mit wohnungspolitischen Eingriffen - bis hin zu Abrissen und Umsiedlungen - zu beheben gelte, reagierten hier insbesondere die Vertreter der Wohnungswirtschaft verwundert über die Auskunft, in der BRD erfolge eine explizit ethnische Mischung. In Dänemark wird nämlich, wie in anderen europäischen Ländern auch, die ethnische Mischung über eine soziale Mischung operationalisiert, da Verfassung und politische Kultur eine Ungleichbehandlung der Migranten verbieten. Die vermeintliche Konvergenz der wohnungspolitischen Strategien übersieht also wichtige Unterschiede in der Problematisierung und politischen Bearbeitung von ethnischer Segregation, die in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt werden sollen (vgL Arthurson 2005: 520).
Theoretischer Zugang zum Untersuchungsgegenstand Die Beobachtung, dass es keine Einigkeit darüber gibt, ob ethnische Segregation als ein Problem zu begreifen sei oder nicht, hat die vorliegende Arbeit zu einem konstruktionistischen9 Zugang aus der Soziologie sozialer Probleme bewegt (siehe Kapitel 3). In einem solchen Verständnis handelt es sich bei sozialen Problemen, also in diesem Fall ethnische Segregation, nicht um Phänomene, die von sich aus problematisch wären. Vielmehr muss dieser Charakter erst über gesellschaftliche Definitionsprozesse aktiv hergestellt werden. Es geht in der vorliegenden Arbeit daher um die Wahrnehmung der Akteure und ihre Kausalannahmen bei der Konstruktion und politischen Bearbeitung des "Problems" Segregation (vgl. Gadinger 2003: 12). Die Erkenntnis der Konstruiertheit von sozialen Problemen zieht einen Bruch mit der Rolle der ,,klassischen" Policy-Analyse als traditioneller "Problemlösungswissenschaft" nach sich. Die Dissertation nutzt Ansätze der interpretativen PolicyAnalyse, durch die sich über die Begriffe "Ideen", "Argumente" und "Interpretationen" - also Wissen im weitesten Sinne - der Durchbruch zur Offenheit gegenüber allen Formen der Konstruktion von Wirklichkeit in der Politikwissenschaft vollzogen hat (Kapitel 4). Im Zentrum der Arbeit stehen dementsprechend die Produktion und Wirkung politisch relevanter Deutungsmuster im Umgang mit ethnischer Segregation (vgl. Lepperhoff2006: 252).
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Während in anderen Kontexten meist von Spielarten des Konstruktivismus die Rede ist, hat sich in der Problemsoziologie der BegriffKonstruktionismus eingebürgert (Schmidt 2000: 153).
Fragestellung und Abgrenzung Die vorliegende Arbeit nähert sich ihrer Themenstellung mit folgenden Forschungsfragen, die komparativ fiir Deutschland, Großbritannien und die Niederlande beantwortet werden: • Was sind die zentralen Interpretationsangebote fiir die Verursachungsmechanismen und Folgen von ethnischer Segregation? • Wie werden diese Elemente miteinander verknüpft, welche kausalen und politischen Verantwortungszuschreibungen werden vorgenommen und welche Konsequenzen fiir wohnungspolitische Praktiken werden daraus abgeleitet? • Wie sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen denjeweiligen nationalen Interpretationsrepertoires sowie im Zeitverlauf zu erklären, zum Beispiel durch kulturelle Traditionen, politische und rechtliche Gelegenheitsstrukturen und Problembetroffenheit (vgl. Keller 2004: 204)? • Welche Diskurskoalitionen (Hajer 2003) lassen sich beobachten und auf welchen Wissensquellen basiert das von ihnen "FÜTWahrgehaltene"? • Welche Zielgruppenkonstruktion (Schneider/Ingram 1993) geht mit den Deutungsund Lösungsmustern einher? Damit grenzt sich die Themenstellung ab von empirizistischen Arbeiten zum Stand der sozialräumlichen Integration, zu den Nachbarschaftseffekten ethnisch segregierter Quartiere sowie von einer Erklärung der Wohnstandortverteilung der Migranten. Im Gegensatz zu Hanhörster (1999) wird in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht, wie die wohnungspolitischen Strategien die kleinräumige Segregation der Migranten beeinflussen. Es wird also offen gelassen, ob die Maßnahmen ihr Ziel, Segregation zu vermeiden, erreicht haben. Ebenso wird eine Bewertung der jeweiligen Herangehensweise hinsichtlich ihrer integrationsfördernden Wirkung ausbleiben müssen. Gleichermaßen wird darauf verzichtet, sich dem Themenkomplex migrantisches Wohnen und Integration unter architektonisch-gestalterischen Aspekten zu nähern (zu Gestaltung und Zusammenleben siehe Brech 2005). Zudem beschränkt sich der Vergleich auf wohnungspolitische Eingriffe mit unterstellten Folgen fiir die sozialräumliche Verteilung der Minderheiten. Das ohnehin fließende Grenzen aufweisende Politikfeld Wohnen (vgl. Heinelt 2004: 46) wird hier insofern sehr weit gefasst, als auch Zuzugssperren als vor allem aufenthaltsrechtliche Maßnahmen darunter fallen, sofern sie sich dezidiert auf die Wohnstandortverteilung der Migranten beziehen. Auf die Darstellung von Versuchen, der ebenfalls problematisierten Schulsegregation entgegenzuwirken, wird hingegen ebenso verzichtet wie auf eine Analyse kompensatorischer Maßnahmen, die keinen Anspruch auf eine Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung der Nachbarschaft erheben. Stadtteilentwicklungsprogramme wie die "Soziale Stadf' oder das (sozialarbeiterische)
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Engagement von Wohnungsuntemehmen in ihren Nachbarschaften werden dementsprechend ausgeblendet. Die Autorin ist sich darüber im Klaren, dass unter dem Schlagwort "Integration" der Faktizität des Einwanderungslandes nur sehr einseitig Rechnung getragen werden kann, da die Dimensionen Chancengleichheit und Teilhabe im alltäglichen Begriffsgebrauch häufig hinter der einseitigen, einem Containermodell-Denken verhafteten Forderung zurückbleiben, die "Zuwanderer" mögen sich an die "Einheimischen" oder die "Aufnahmegesellschaft" anpassen (Hess/Moser 2009: 14). Das Konzept wird hier dennoch genutzt, um vor allem das den Diskurs dominierende Verständnis von gesellschaftlicher Inklusion abzubilden.
Auswahl der Vergleichseinheit Eine Arbeit, die den Umgang mit ethnischer Segregation in Nachbarschaften und Stadtteilen analysiert, muss die berechtigte Frage antizipieren, warum sie die Definitionsprozesse und daraus abgeleiteten Policies zwischen verschiedenen Staaten vergleicht und nicht die Strategien verschiedener Städte. Bislang gibt es nur wenige vergleichende Studien im Bereich des Wohnens oder der Wohnungspolitik, die die regionale oder die lokale Ebene miteinander vergleichen (Matznetter 2006: 4). Matznetter (2007: 2) führt dies darauf zurück, dass die vergleichende Policy-Forschung zu einer Zeit entstanden ist, in der der nationale Wohlfahrtsstaat aufder Höhe seiner Entwicklung angekommen war. Erst seit kurzem haben die starken Variationen zwischen lokalen Wohnungsmärkten und Maßnahmen, die sich selbst innerhalb zentralistischer Nationalstaaten wie Schweden und im Vereinigten Königreich zeigen, Forscher zu einem Vergleich der lokalen Ebenen bewegt. Ein Hauptargument dafiir lautet, dass sich mit dem in vielen Ländern zu beobachtenden Rückzug des Staates aus der Wohnungspolitik und der voranschreitenden Kommodifizierung des Wohnens regionale oder lokale Unterschiede stärker ausprägen und dementsprechend dezidiert regionale oder städtische Wohnungspolitik den spezifischen Problemen begegnen müsse (a.a.O.: 3). Schlagworte im Zusammenhang mit ethnischen Mischungspolitiken wie ,,Frankfurter Vertrag" oder ,,Rotterdamer Modell" verdeutlichen, dass auch in diesem konkreten Fall Städte unterschiedliche Wege gehen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen dennoch Produktion und Wirkung der nationalen Interpretationsrepertoires im Umgang mit ethnischer Segregation, da eine erste Bearbeitung des Themas deutlich gemacht hatte, dass die Unterschiede innerhalb eines Landes in der Regel weniger gravierend sind als die Unterschiede zwischen den Staaten. lO Dies gilt umso mehr fiir das in wohnungspolitischen Fragen
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Für die heterogenen Positionen der niederländischen Städte gilt dies in geringerem Maße.
zentralistischere GB. Obgleich sie auf die Mikroebene des Stadtteils bezogen sind, sind die verschiedenen Strategien zur Herstellung von sozialer Mischung nicht oder nicht ausschließlich der lokalen Ebene zuzuordnen. In allen drei Fallstudienländern gehen damit national spezifische Leitbilder einher, die etwa im deutschen Beispiel auch durch das Bundesbaugesetz oder das nationale Wohnraumfördergesetz verankert sind. So wenig die desegregativen Mischungsstrategien einem klar begrenzten Politikfeld (Integrationspolitik, Wohnungspolitik, Stadtentwicklungspolitik) zugeordnet werden können, so wenig ist auch eine Einordnung auf der kommunalen, föderalen oder bundesstaatlichen Ebene möglich, wie ein Blick auf das Fallstudienland Deutschland verdeutlicht: Einerseits ist die Regelung der Zuwanderung in der BRD eine klare Bundesaufgabe, die zugleich wesentliche Integrationsbedingungen bestimmt, zugleich sind es vor allem die großen Städte Westdeutschlands gewesen, die versucht haben, durch kommunale Konzepte die mangelnde Kohärenz bundesdeutscher Integrationspolitik aufzufangen. Einerseits zeugen der Nationale Integrationsgipfel und die vom Bundesinnenminister einberufene Islamkonferenz davon, dass das Thema Integration nun auch auf der Bundesebene Einzug gehalten hat, zugleich ist mit der Verantwortung für den Neubau von Sozialwohnungen durch das 2002 in Kraft getretene Wohnraumfördergesetz ein wichtiges Steuerungsinstrument im Umgang mit Segregation den Bundesländern übertragen worden. 11 Anmerkungen zur Untersuchungsmethode Die Arbeit beruht entsprechend dem Anspruch der interpretativen PolicyForschung auf qualitativen Methoden der Datenerhebung (Yanow 2003): ,,Politische Programmentwürfe, policyrelevante Stellungnahmen und öffentliche Äußerungen sowie die verabschiedeten Gesetzestexte und spezifizierten Verwaltungsvorschriften werden als Text, als Narrative, als Ideenskripte oder als Ausdruck von Grundüberzeugungen bzw. von handlungssteuernden 'Rahmen' und als Einsatz bzw. Ergebnis von diskursiven Praktiken zur Generierung von politischen Problemdeutungen und Verantwortungszuweisungen interpretiert" (Schneider/Janning 2006: 171).
Neben dieser Auswertung von Primärquellen wie beispielsweise von kommunalen Integrationskonzepten, Ausschussanhörungen zu Gesetzgebungsprozessen, Stellungnahmen und Auftragsarbeiten der Wohnungswirtschaft sowie insbesondere
11 Auch wenn die Finanzierung der Wohnraumförderung mittlerweile vollständig Sache der Länder ist, wird über Ausgleichszahlungen weiterhin eine finanzielle Beteiligung des Bundes bestehen. Eine Verlagerung der wohnungspolitischen Verantwortung auf die Länder und auf die kommunale Ebene wird von vielen begrüßt, um der Ausdifferenzierung der Wohnungsmärkte in Deutschland in den letzten Jahren Rechnung zu tragen (Harms 2007: 56).
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im britischen Fall von offiziellen Berichten und Handreichungen für Kommunen und Sozialwohnungsanbieter stützt sich die Arbeit aufhalbstrukturierte Interviews mit insgesamt 44 Experten und Akteuren, die im Sommer und Herbst 2008 und im Frühjahr 2009 in der BRD, GB und NL geführt wurden (siehe Liste der Interviewpartner). Insbesondere im Fall der Niederlande, wo aufgrund mangelnder Niederländischkenntnisse der Autorin überwiegend auf die Analyse von Dokumenten verzichtet werden musste, konnten durch die Interviews nicht nur Sachfragen geklärt, sondern auch Einblicke in tiefer liegende Handlungslogiken und -zusammenhänge relevanter Akteure gewonnen werden. Zur Auswertung der Daten nutzt die Arbeit die Diskursanalyse (siehe Kapitel 5.2), die antritt, "Prozesse der sozialen Konstruktion, Objektivierung, Kommunikation und Legitimation von Sinnstrukturen auf der Ebene von Institutionen, Organisationen bzw. kollektiven Akteuren zu rekonstruieren und die gesellschaftlichen Wirkungen dieser Prozesse zu analysieren" (Keller 1998: 34). Dabei unterscheidet sich die Diskursanalyse von der Inhaltsanalyse durch die spezifische perspektivische Kontextualisierung der analysierten Materialien (KellerNiehöfer 0.1.: o.S.). In der vorliegenden Arbeit sollen Diskurse als mehr oder weniger erfolgreiche Versuche verstanden werden, Sinn-Ordnungen zumindest auf Zeit zu stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung zu institutionalisieren (Keller 2004b: 7). Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kembestand an Grundaussagen, der hier als Interpretationsrepertoire bezeichnet wird, im gesellschaftlich-kulturellen Wissensvorrat verfügbar sein muss (Keller 1998: 36), dass eine Deutung also auf "wohlfahrtskulturelle Resonanz" (Lepperhoff 2006: 259) treffen muss, um diskursbestimmend werden zu können. "In der Rekonstruktion der Diskurse wird untersucht, inwieweit je unterschiedliche, reflexiv verfügbare soziokulturelle Traditionen und institutionelle Verfestigungen des gesellschaftlichen Naturbezugs die Diskurse über die Probleme prägen" (a.a.O.: 33). Anders formuliert fungiert der Diskurs als Index des kulturellen Kontextes, in den Policies eingebettet sind (Smith 1989: 108).J2
Aufbau der Arbeit Kapitel 2 widmet sich der Systematisierung des Forschungstands zur Entstehung von Segregation und ihren Folgen, die von Arbeiten zu den Quartierseffekten 12 Dabei ist es fiir den britischen Fall einfilcher, einen kohärenten Diskurs auszumachen, da die Regierung seit den "Rasssenunruhen" in Nordengland im Jahr 2001 eine Community-CohesionAgenda aufgelegt hat, die den Rahrnen fiir die Diskussion setzt und auf die die Diskursteilnehmer explizit bezugnehmen. Die Rekonstruktion eines Mischungs-Diskurses ist hingegen insbesondere im deutschen Fall deutlich schwerer, da sich hier keine kohärente Debatte abzeichnet, sondern eine Vielfalt an über Jahrzehnten lokalisierbaren Aussagen.
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untersucht werden. Das Kapitel stellt eine ländembergreifende Einführung in das wissenschaftliche framing des Themenkomplexes dar und zeigt Definitions- und Messprobleme auf. Ziel des Kapitels ist eine Unterfütterung der bereits eingangs erwähnten Ausgangsbeobachtung, dass die verbreitete Ablehnung von ethnischer Segregation, die die Grundlage für die verschiedenen Mischungspolicies legt, von empirischer Forschung stark in Zweifel gezogen wird. Ausgehend von diesem Spannungsverhältnis zwischen politischer Problematisierung und wissenschaftlichem Gegenstandpunkt wird in Kapitel 3 der sozialkonstruktivistische Zugang zum Untersuchungsgegenstand erarbeitet, der die Definition von Problemen und ihre Konstituierung in sozialen Prozessen ins Zentrum stellt. Zu diesem Zweck soll zunächst in die Grundlagen des Konstruktionismus (3.1) und eine durch ihn geprägte Soziologie sozialer Probleme (3.2) eingeführt werden. Anschließend werden die zentralen Strömungen innerhalb dieses Ansatzes (reflexives, striktes und kontextuelles Programm) kritisch diskutiert, und es erfolgt eine Verortung der vorliegenden Arbeit im kontextuellen Konstruktionismus. Das Kapitel schließt mit einer Auseinandersetzung mit den wesentlichen Kritikpunkten an den konstruktionistischen Prämissen, denen ein immanenter Relativismus und die Nichtbeachtung struktureller Problemursachen unterstellt und denen vorgehalten wird, ob eine konstruktionistische Gesellschaftskritik möglich sei. Durch den konstruktionistischen Rahmen erfolgt ein Bruch mit einem traditionellen Politikverständnis, wonach soziale Probleme Bestandteil einer gegebenen Wirklichkeit seien, auf die Policies lediglich reagierten (Schram 1993: 252). In Kapitel 4 werden daher zunächst die Entstehung und Grundlagen der traditionellen Policy-Forschung dargestellt, um deren positivistische Prämissen mit konstruktionistisch inspirierten Ansätzen der interpretativen Policy-Forschung zu kontrastieren, die sich seit den 1990er Jahren verbreitet haben. Im Anschluss sollen die Arbeiten der zentralen Autoren der verschiedenen Strömungen innerhalb des interpretativen Paradigmas vorgestellt und kritisiert sowie jeweils Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit aufgezeigt werden. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion der Potenziale und blinden Flecken des gewählten Ansatzes. In Kapitel 5 werden die zentralen Methoden der Arbeit, nämlich der qualitative Vergleich und die Diskursanalyse eingeführt sowie das mit ihnen verbundene Vorgehen erläutert. Dies soll nicht nur die Forschungspraxis transparent machen, sondern darüber hinaus eine theoretische Auseinandersetzung mit den Methoden anregen. Trotz der Verbreitung der Methode des Vergleichs erfolgt eine dezidierte Beschäftigung mit dem ländembergreifenden, fallorientierten Vergleich außerordentlich selten, denn qualitative Texte neigen dazu, den Ländervergleich zu vernachlässigen, während Ländervergleiche häufig zu einer variablenorientierten, 27
auf Generalisierbarkeit abzielenden Herangehensweise tendieren (vgl. Mangen 1999: 109). Ebenso erscheint eine Einführung der Diskursanalyse als Methode notwendig, da die deutsche Politikwissenschaft - im Gegensatz zur englischsprachigen post-positivistischen Policy-Forschung - sie bislang kaum rezipiert und reflektiert hat. Die Forschungsaufgabe für eine Arbeit, deren Prämissen im Konstruktionismus begründet sind, besteht in der Analyse von Definitionsleistungen in ihrem kulturellen und sozialstrukturellen Kontext (Schmidt 2000: 165). Dieser wird in Kapitel 6 beleuchtet. Da in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen wird, dass sowohl die Problematisierung eines Phänomens selbst, als auch die zu seiner Bearbeitung herangezogenen Policy-Instrumente kontingent sind und an bestehende Ideen erfolgreich anknüpfen müssen, werden die jeweils nationalen Deutungsmuster zu Migration (6.1.1), zum Integrationsverständnis (6.1.2) sowie die in der Wohnungspolitik (6.2) geronnenen Ideen analysiert. Da als Kontext auch die problematisierten Phänomene selbst in Betracht kommen - auch wenn der Sozialkonstruktivismus ihren Einfluss auf die Problemkonstituierung als vergleichsweise gering veranschlagt - sollen zudem die Wohnsituation der Migranten als Integrationsindikator (6.3) sowie Ausmaß und Muster der ethnischen Segregation (6.4) dargestellt werden. Kapitel 7 widmet sich der Analyse der Deutungsmuster ethnischer Segregation in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Dabei soll zunächst (7.1) verglichen werden, welche Entstehungszusammenhänge von ethnischer Segregation sich im jeweiligen nationalen Diskurs als dominant behaupten können. Es folgt ein Vergleich der Folgen, die der ethnischen Segregation in den drei untersuchten Ländern nachgesagt werden. In 7.3 werden die Policies analysiert und miteinander verglichen, die wohnungspolitische Reaktionen auf ethnische Segregation darstellen. Dabei wird differenziert zwischen nationalen und kommunalen Policies sowie den Steuerungsversuchen der Wohnungsanbieter. Zudem wird die Kritik an den verschiedenen Ansätzen dargestellt und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Policies zwischen den drei untersuchten Ländern beleuchtet. Eine interpretative Arbeit, die die Relevanz von Deutungen und Ideen für die politische Bearbeitung von Problemen unterstreicht, muss versuchen, Erklärungen anzubieten, woher die relevanten Akteure ihr Wissen beziehen. In Kapitel 7.4 soll daher der Frage nachgegangen werden, welche Ideen sich zur ethnischen Mischung behaupten können, wie die unterschiedlichen Fähigkeiten der Akteure einzuschätzen sind, ihr Wissen am "Wissensmarkt" zu platzieren und welche Diskurskoalitionen sich zum Thema ethnische Mischung aufzeigen lassen. In Kapitel 7.5 soll inAnlehnung an die sozialkonstruktivistischen Policy-Forscherinnen Schneider/Ingram (1993) untersucht werden, welche Konstruktion der Ziel-
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gruppen mit den Policies einhergeht, also welche Rollen den Zuwanderern sowie der Mehrheitgesellschaft zugewiesen werden und welche Verantwortlichkeit zur Lösung des Problems konstruiert wird. Das Schlusskapitel dient einer Gesamtschau der Ergebnisse und ihrer Rückbindung an den Analyserahmen. Dabei orientiert sich die Gliederung des Kapitels an den Forschungsfragen, die die Untersuchung angeleitet haben. Die Arbeit schließt mit einem Rückblick auf offene Fragen und Ausblick auf lohnende Gegenstände künftiger wissenschaftlicher Beschäftigung mit ethnischer Segregation und Desegregationsversuchen.
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2. Segregation und ihre Folgen - Einführung in den Forschungsstand
Menschliches Zusammenleben ging seit jeher mit einer Hierarchisierung des Raumes einher (Dangschat 1997: 619). Dementsprechend zentral für die Stadtforschung jeglichen disziplinären Hintergrundes ist die Beschäftigung mit Segregation 13, definiert als disproportionale Verteilung von Bevölkerungsgruppen über ein Gebiet. Während Friedrichs (1988: 56) die residentielle Segregation, die er als Zusammenhang zwischen sozialer und räumlicher Ungleichheit begreift, als zentrale Forschung der Stadtsoziologie bezeichnet, werfen Brown und Chung (2006: 125) die rhetorische Frage auf: "What could be more inherently geographical than segregation?" Eine politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenfeld, wie sie in der vorliegenden Arbeit stattfindet, ist ausgesprochen selten, obgleich die durch wohnungs- und stadtpolitische Entscheidungen bedingten Makrobedingungen in den meisten Arbeiten als Erklärungsfaktor herangezogen werden (vgl. Friedrichs 1988: 56). Das folgende Kapitel dient als eine länderübergreifende Einführung14 in den aktuellen Forschungsstand und wissenschaftlichen Diskurs zu ethnischer Segregation und ihren potenziellen Folgen. Hier sollen zunächst die in der internationalen Forschung anzutreffenden Erklärungen für die Entstehung von ethnischer Segregation sowie ihre Messung kritisch diskutiert werden. Dies erfolgt weitgehend losgelöst von den national spezifischen Deutungsmustern zur Entstehung von Migrantenvierteln, wie sie in Kapitel 7.1 auf Grundlage der Experteninterviews und Auswertung der Policy-Dokumente miteinander verglichen werden. Obgleich sich europäische Wissenschaftler in der Regel darüber einig sind, dass der Begriff Ghetto der Beschreibung ethnisch segregierter Nachbarschaften in europäischen Städten nicht gerecht wird (Schönwälder 2006: 21), hält sich diese Bezeichnung sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch im politischen Diskurs in allen untersuchten Ländern. Daher soll in einem zweiten Schritt erläu13 In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff neutral verwendet und nicht als Gegensatz zur Integration im Sinne der Segmentation. 14 Südeuropäische Staaten werden jedoch bislang in der Konstruktion einer "European metaphor of segregation" kaum berücksichtigt (Arbaci 2007: 403).
S. Münch,Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_2, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
tert werden, warum dieses Konzept ungeeignet ist, Segregationstendenzen in Europa zu erfassen und warum dementsprechend in der vorliegenden Arbeit auf diesen Terminus verzichtet wird. Abschließend wird in diesem Kapitel der Frage nachgegangen, welche negativen Folgen der ethnischen Segregation in der wissenschaftlichen Literatur zu den Nachbarschaftseffekten diskutiert werden. Dies erscheint notwendig, da bereits eingangs darauf hingewiesen wurde, dass die weitgehend einheitliche politische Ablehnung von ethnischer Segregation in den meisten europäischen Ländern durch empirische Forschungsergebnisse ausgesprochen wenig Rückendeckung erhält (Atkinson 2005: 27). Dabei werden an dieser Stelle die nationalspezifischen Deutungsmuster der drei Fallstudienländer noch nicht berücksichtigt, da zunächst herausgearbeitet wird, wie ambivalent die vermeintlichen Folgen von Segregation in der Forschungsliteratur bewertet werden.
2.1 Segregation: Definitionen und Messmethoden In Forschungsarbeiten wird zwischen sozialer, ethnischer oder demographischer Segregation unterschieden, wobei mit letzterem die unterschiedliche Verteilung verschiedener Altersgruppen bezeichnet wird (Erdmann 2001: 146).15 Segregation kann sowohl zwischen Stadt und Umland, zwischen Stadtteilen als auch innerhalb einer Nachbarschaft beobachtet werden (van Kempen/Özüekren 1998: 1632). Wenn relativ stark segregierte Minderheiten mehrheitlich in nur wenigen Gebieten der Stadt leben, spricht man von Konzentration (Sturm 2007: 245). Dabei müssen sich Mischung und Konzentration nicht widersprechen, wenn etwa zehn verschiedene Gruppen jeweils einen Anteil von 10% an der Bevölkerung des Stadtteils stellen, aber beispielsweise alle Chinesen in diesem Stadtteil leben (van Kempen/ Özüekren 1998: 1633). Segregationsindizes sind die klassischen, aus der nordamerikanischen Stadtsoziologie stammenden, aber nicht unumstrittenen Verfahren zur Messung von Segregation. Der Segregationsindex (IS) misst die Differenz in der räumlichen Verteilung einer Bevölkerungsgruppe im Vergleich zur Restbevölkerung, der Dissimilaritätsindex (ID) die unterschiedliche Verteilung zwischen zwei Gruppen (Domburg-De RooijlMusterd 2002: 114). Dabei beschreibt der ID-Wert 0 einen Zustand, bei dem die Zusammensetzung der Einwohner jedes Stadtteils dem der Stadt insgesamt exakt entspricht, während steigende Werte eine steigende Abwei15 Ist in einem Quartier die überlappung aller drei Dimensionen festzustellen, wird dies oftmals als Verbleib der "A-Gruppen" - Arme, Alte und Ausländer - bezeichnet.
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chung der Siedlungsmuster signalisieren. Bei einem Wert von 100 würden die beiden Vergleichsgruppen in unterschiedlichen Vierteln jeweils vollkommen getrennt von einander leben (Schönwälder/Söhn 2007: 40). Segregation wird nach dem Segregationsindex also gefasst als Prozentsatz derer, die umziehen müssten, um ein Gleichgewicht herzustellen. Der IS bezieht die gesamte Bevölkerung einer Stadt in den Vergleich ein, während mit dem ID auch zwei ausgewählte Gruppen miteinander verglichen werden können. Dementsprechend sind ID und IS deckungsgleich, wenn beispielsweise Ausländer und Deutsche mit einander verglichen werden. Aus normativer Sicht wird am Segregationsindex kritisiert, dass er eine Wertung impliziere, obwohl eine empirische Forschung im Sinne des Kritischen Rationalismus wertfrei sein müsste (Dangschat 1997: 630): "This phrasing, which can sound so neutral and merely statistical to some ears, to others carries objectionable white integrationist assumptions. Why construct an index of segregation tbat pietures the Blacks as rnoving while the Whites stay where they are? Really to achieve lower racial concentration, don 't both groups have to rnove? The definition oftbe index also suggests that the desirable goal is a proportionate rnixing of whites and people of colour through all residential areas" (Young 2000: 199).
Problematisch am Segregationsindex ist zudem auf der operativen Ebene, dass die Höhe der Indexwerte sowohl von der Größe als auch von der Anzahl der zugrunde gelegten Teilgebiete abhängt (ILS 2006: 96). Zum einen steigt der Index, je kleiner die Einheit gewählt wurde, zum anderen sind kleinräumige Daten in den meisten Staaten selten (Benenson/Omer 2002: 11; Dangschat 1997: 627). Zudem ist nicht zu erkennen, aufGrundlage welchen Ausmaßes der Konzentration einer Bevölkerungsgruppe der Durchschnittswert zustande gekommen ist (Dangschat 1997: 623). Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch der internationale Vergleich von Segregationsindizes angesichts unterschiedlicher Minderheitendefinitionen, verschiedener Größen des zugrunde liegenden Raums, unterschiedlicher Zuwanderergruppen (Gastarbeiter, Asylbewerber, high potentials, Bürger ehemaliger Kolonien) mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer (Domburg-De Rooij/Musterd 2002: 114). Ab wann ein Segregationsindex eine "hohe" Siedlungskonzentration anzeigt, kann außerdem nicht länderübergreifend oder an einem objektiven Schwellenwert festgemacht werden (Schönwälder/Söhn 2007: 41). Während Friedrichs (1995: 80) vorschlägt, einen ID bzw. IS-Wert ab 40 als hoch zu bewerten, werden dem britischen Geographen Peach (2007: 14) zufolge Werte bis 39 als niedrig, Werte zwischen 40 und 49 als moderat, von 50-59 als gemäßigt hoch, von 60 bis 69 als hoch und ab 70 als sehr hoch interpretiert.
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2.2 Die Sozialökologie als zentrale Forschungstradition Während in den USA Segregationsmuster schon seit den I 920er Jahren untersucht wurden, widmete man sich in Europa erst seit den späten 1970er Jahren diesem Thema (Özüekren/van Kempen 2003: 162). Dementsprechend bilden die Pionierarbeiten US-amerikanischer Stadtforscher bis heute die ideelle Grundlage vieler europäischer Forschungsarbeiten. Die Arbeiten der Chicagoer Schule genießen weiterhin Zuspruch in der Sozialökologie, polit-ökonomischen Geographie und Kultursoziologie (Dangschat 1997: 621). Die Chicagoer Sozio10gen 16 konzipierten die Stadt als Mosaik verschiedener Lebenswelten und entwickelten damit ein Grundmuster der Integration, dass sich auf die Formel "Integration durch Segregation" bringen lässt (Siebel 2006: 11). Park (1974: 90; 100) bediente sich Durkheims Methode der Überführung nicht beobachtbarer sozialer Tatbestände (Konstrukt) auf beobachtbare Phänome (Indikator) und begriff physische Distanz zwischen Wobnstandorten als Ausdruck sozialer Distanz. Es wurde von Park als möglich erachtet "all die Dinge, die wir normalerweise als sozial bezeichnen, schließlich in den Begriffen von Raum und Positionsveränderung (...) zu fassen und zu beschreiben" (a.a.O.: 96). Die beobachtete Äußerungsform wurde so zum Element der Erklärung erhoben, ohne dass der Zusammenhang zwischen Form und gestalterischer ,,Kraft" zuvor differenziert geklärt worden wäre (Weden 2005: 17f.). Integration begriff Park als Gewöhnungsproblem, bei dem soziale und räumliche Nähe-Distanz-Beziehungen zentral seien. So sei das Leben in der natural area17 , der Schutz der ethnic village, Voraussetzung dafür, dass sich Migranten in einer fremden Welt eingewöhnen können (Dangschat 2000: 192). Wenn innerhalb von zwei oder drei Generationen der Aufstieg gelinge, könne in ein gemischtes Gebiet gezogen werden, wobei dieser Schritt die Voraussetzung für die Assimilation sei (Park 1974: 94). Park gehörte damit im von Rassentrennung geprägten Amerika zu den innovativen Anhängern der melting-pot-Idee, die Integration durch das Verschmelzen unterschiedlicher Gedanken, Handlungsweisen und schließlich Genen erwartete (Dangschat 2007: 177). In diesem Sinne entwickelten die Sozialökologen orientiert an biologistischen Analogien den Kreislauf eines Invasions- und Sukzessionszyklus als induktives, mechanistisches Stufenmodell ohne Blick auf spezifische Bedingungen (Eichener 1988: 149). Diese race-relation16 Laut Bürkner (1987: 8) hat sich die Geographie erst recht spät mit dem Thema Immigration auseinandergesetzt und dementsprechend andere sozialwissenschaftlicher Konzepte übernommen, da der geographische Theoriefundus nicht angemessen gewesen sei. 17 Die von jeweils einer dominanten Zuwanderergruppe geprägten eities within the city oder natural areas fasste Park als Weberschen Idealtypus, den es in der Realität Chicagos nicht gebe (Dangschat 1998: 31).
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cycle-Studien beschreiben jedoch lediglich den Prozess der Eingliederung, ohne ihn wirklich erklären zu können (Alpheis 1990: 152). Zudem zweifelten bereits Parks afroamerikanische Schüler die Übertragbarkeit seines race-relation-cycle auf die Afroamerikaner an (Dangschat 1998: 41). Trotz ihres bis heute andauernden Einflusses auf die Segregationsforschung sind die Erklärungsmuster US-amerikanischer Konzepte wie der Chicagoer Schule nur sehr bedingt geeignet, das Entstehen von ethnischer Segregation im europäischen Kontext zu erklären (Welz 2002: 80). Die sozialökologischenAnsätze implizieren nämlich einen marktwirtschaftlichen Wohnungssektor und somit, dass ein Zusammenspiel aus sozioökonomischen Zwängen und Diskriminierung auf der einen und persönlichen Präferenzen der Zuwanderer auf der anderen Seite Migranten in bestimmte Wohnquartiere filtere (Dangschat 1997: 623). Zudem gehen die Chicagoer Soziologen von einem beständigen Wachstum der Stadt aus (Park 1974: 91), das in Europa nicht gegeben ist. Ferner sind die meisten europäischen Nachbarschaften insofern durch eine hohe Heterogenität der Wohnverhältnisse gekennzeichnet, als sich in ihnen eine Mischung aus Eigentums- und Mietwohnungen finden lässt. O'Loughlin (1987: 56-57) vermutet daher, dass es in den USA eher den Versuch gebe, wegen des bei weißen Amerikanern dominanten Wohneigentums im Interesse des Wertes der eigenen Immobilie das Prestige der Nachbarschaft aufrecht zu erhalten, indem das Quartier gegen den Zuzug von ethnischen Minderheiten abgeschottet wird. Im Folgenden werden aktuelle makro- und mikrosoziologische Erklärungen fiir das Entstehen von ethnischer Segregation diskutiert, wobei die spezifische Rolle der europäischen Wohlfahrtsstaaten angemessen berücksichtigt werden soll.
2.3 Ursachen ethnischer Segregation Klassische Erklärungen fiir die Ursachen und Prozesse von ethnischer Segregation bewegen sich im Spannungsfeld von choices and constraints, verweisen also auf das Zusammenspiel von Makroebene (Sozial- und Einkommensstruktur gesellschaftlicher Gruppen) und Mikroebene (Wahlmöglichkeiten) (Welz 2002: 79).
2.3.1 Makrosoziologische Erklärungen
In makrosoziologischen Erklärungen ist der Grad der Segregation abhängig vom durch die sozioökonomische Lage bedingten Grad der Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt, der Dauer des Aufenthaltes sowie dem Ausmaß der Diskri35
minierung (Domburg-De RooijlMusterd 2002: 110). Damit ist das Haushaltseinkommen nur ein Aspekt, denn auch bei gleichem finanziellen Spielraum haben Minoritäten eine geringere Chance, in Wohngebiete der Mehrheit zu ziehen. Die Zugänglichkeit der Wohngebiete ist der Miethöhe vorgeschaltet. ,,Die Diskriminierung oder die Macht der Majorität, Angehörige der Minorität aus ihren Gebieten fernzuhalten, ist eine der am häufigsten formulierten Hypothesen, um die Segregation zu erklären", konstatiert Friedrichs (1988: 58). In anderen, makrosoziologischenArbeiten dominieren Strukturwandel und Globalisierung als Erklärung fiir wachsende, sich auch im Stadtbild niederschlagende Ungleichheit. Domburg-De Rooij und Musterd (2002: 110) haben zu Recht bemängelt, dass bei diesen Erklärungsmustern die Rolle des Wohlfahrtsstaates im Allgemeinen und seine unterschiedlichen staatlichen Entwicklungen im Bereich von Wohnungs- und Sozialpolitik im Speziellen vernachlässigt würden. Die spezifischen Ausprägungen der nationalen Wohnungspolitik, der Grad der Einkommensverteilung sowie der Zugang zur Staatsangehörigkeit und zu Gütern und Dienstleistungen wie Erziehung und Gesundheitsversorgung sind zentrale Faktoren, die die Segregationsmuster prägen (Arbaci 2007: 403). In stark dekommodifizierenden Wohlfahrtsstaaten besteht empirisch ein geringerer Zusammenhang von Typ, Qualität und Ort des Wohnraums und dem Haushaltseinkommen (DomburgDe RooijlMusterd 2002: 113), während Städte in liberalen Wohlfahrtsstaaten die stärksten sozialen Segregationstendenzen aufweisen (Arbaci 2007: 410). Neben den allgemeinen wohlfahrtstaatlichen Rahmenbedingungen ist die Dekommodifizierung des Wohnens durch den sozialen Wohnungsbau zentral fiir die jeweils nationalen Ausprägungen von sozialer und damit auch ethnischer Segregation. Wesentliche Unterschiede ergeben sich allerdings aufgrund der Größe des Sozialwohnungssektors sowie zwischen unitarischen oder dualistischen Wohnungsmärkten. Im dualistisch organisierten Mietwohnungssystem wird der soziale Wohnungssektor staatlicherseits kontrolliert und residualisiert, sodass dem unregulierten privaten Sektor keine Konkurrenz droht. Dies ist der Fall in Großbritannien, Irland, Finnland, Spanien, Portugal und Griechenland. Im universalistischen Mietsystem hingegen, wie es vor allem in sozialdemokratischen oder korporatistischen Wohlfahrtsstaaten zu finden ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer sozialen Mischung höher, da der Sozialwohnungssektor prinzipiell fiir die breiten Schichten der Bevölkerung konzipiert wurde (Arbaci 2007: 416). Dabei wird von Arbaci allerdings übersehen, dass sich in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren eine Änderung in Richtung engerer Zugangskriterien zum Sozialwohnungssektor ergeben hat, auf die später (Kapitel 6.2.4) noch einzugehen sein wird. Die Größe des jeweiligen nationalen Sozialwohnungssektors ist nämlich nicht statisch zu begreifen: Während in einigen Ländern wie Belgien der Sozialwohnungsbestand 36
seit jeher gering war, wird in anderen Ländern gezielt versucht, den Anteil von höherwertigem Wohnraum - bis zum Abriss von Sozialwohnungen - zu erhöhen, um die Konzentration von Sozialwohnungen und somit die soziale Segregation zu verringern (Özüekren/van Kempen 2003: 167). Während diese segregationsbezogenen Auswirkungen der Wohnungs-(markt-) politik insgesamt in europäischen Arbeiten seit den 1990er Jahren Berücksichtigung finden, werden die Folgen konkreter Steuerungsversuche durch die Wohnungspolitik und das Belegungsmanagement großer institutioneller Wohnungsanbieter in der Regel komplett übersehen (Ausnahmen bilden Planerladen 2004; 2005; ILS 2006). Selbst in den wenigen verfügbaren Untersuchungen werden lediglich die Inhalte, nicht aber die segregationsbezogenen Folgen dieser Policies untersucht. Sicherlich ist es schwerlich möglich, aufgrund der multikausalen Ursachen von Segregation die Folgen solcher Steuerungsversuche empirisch nachzuweisen. Auch in der vorliegenden Arbeit ist dies aufgrund der konstruktionistischen Fragestellung nicht angedacht. Nichtsdestotrotz sollten derartige Rahmenbedingungen in einer europäischen Auseinandersetzung mit Segregation nicht übersehen werden (vgl. Özüekren/van Kempen 2003: 168).
2.3.2 Mikrosoziologische Erklärungen Wohnstandortentscheidungen der Mehrheitsgesellschaft Ein mikrosoziologischer Ansatz, der die Entstehung von ethnischer Segregation über die Entscheidung einzelner Haushalte der Mehrheitsgesellschaft erklärt, ist die von Schelling (1978) entwickelte tipping-point-Theorie. Die tipping-pointTheorie lässt ökonomische und soziale Einflussfaktoren unberücksichtigt und versucht, die Dynamik der Segregationsprozesse über eine statistische Analyse zu erfassen. Damit geht es ihr vor allem um den Zusammenhang von individuellem Handeln und dessen kollektiven Folgen. Unter der Annahme eines Bevölkerungsdruckes der Minderheit auf die Wohngebiete der Mehrheit nimmt Schelling an, dass der Prozess des Wandels nicht linear ist, sondern es eine Art Umschlagpunkt gebe. Die Abwanderung der Mehrheit steige steil an, wenn innerhalb eines Quartiers der Anteil der Minorität einen bestimmten Schwellenwert erreicht habe. Zum Verlassen des Wohngebietes komme es dann, wenn von einer kritischen Schwelle an die Minderheit als Gruppe wahrgenommen und kategorisiert werde, "so daß die durch unterschiedliche Verhaltenstraditionen hervorgerufenen Nachbarschaftskonflikte von Individualebene auf Gruppenniveau transferiert werden" (Kecskes/ Knäble 1988: 293). Der Zuzug werde für die Majorität ebenfalls unattraktiver, sodass freiwerdende Wohnungen fast ausschließlich von der Minderheit besetzt 37
würden. Da die Erwartungen über Entscheidungen anderer eine wichtige Rolle im individuellen Entscheidungsprozess spielen, können auf der Aggregatsebene vom Individuum unerwartete oder unerwünschte Effekte im Sinne einer self-fulfilling prophecy entstehen. Schelling geht davon aus, dass jedes Mitglied der Majorität einen individuellen tipping-out-point hat. Die zuerst Ausziehenden haben wiederum Einfluss auf das Verhalten der anderen, die dann etwas später ihren eigenen tipping point erreichen (a.a.O.: 295). Verschiedene Autoren haben auf die Probleme der Übertragbarkeit dieses USamerikanischen Ansatzes auf die europäische Situation hingewiesen: Durch die optischen Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen wie bei Schelling in den USA sei leichter zwischen Minderheit und Mehrheit zu unterscheiden als beispielsweise zwischen Ausländern und Deutschen (a.a.O.: 298). Zudem entstünden fiir Mieter - wie sie etwa in Deutschland und den Niederlanden die Mehrheit bildenkeine Vermögensnachteile durch den Zuzug unerwünschter Minderheiten, sodass ein kurzfristiges "Umkippen" des Stadtteils unwahrscheinlicher sei (Eichener 1988: 151). Da der Schwellenwert zudem von verschiedenen Faktoren wie der Wohnungsstruktur, dem Bezugsraum sowie der Minoritätengruppe abhänge, würden allgemeingültige Feststellungen erheblich erschwert (ILS 2006: 25). Dennoch wird in vielen Kommunen und Bereichen der Wohnungswirtschaft in der BRD mit derartigen Schwellenwerten gearbeitet. Auf diese soll im empirischen Teil dieser Arbeit dezidiert eingegangen werden. Wohnortpräjerenzen der Minderheit Neben den beschränkenden Rahmenbedingungen, die die Wahlmöglichkeiten am Wohnungsmarkt fiir viele Migrantenhaushalte einengen, gibt es durchaus die Entscheidung, in der Nähe von Landsleuten zu wohnen (Özüekren/van Kempen 2003: 168). Behavioralistische Erklärungen fiir die Entstehung von ethnischer Segregation ziehen explizit die Präferenzen, Wahrnehmungen und Entscheidungen der Individuen sowie ihre Reaktionen auf push- und pul/-Faktoren mit ein. Eine Untergruppe zu diesen Untersuchungen bildet der ethnisch- kulturalistische Ansatz, der davon ausgeht, dass sich Wohnbedingungen und Wohnmuster zwischen Gruppen auf Grundlage ihrer kulturellen Differenzen voneinander unterschieden. Vor allem die Präferenzen fiir Wohneigentum werden nach diesem approach kulturell erklärt (van Kempen/Özüekren 1998: 1638-1639). Ein Vergleich von Siedlungsmustem und Wohnpräferenzen zwischen verschiedenen Ländern offenbart indes die Schwächen solcher Erklärungen, da deutlich wird, in welchem Maße die Wohnbedingungen von der jeweiligen Wohnungsmarktsituation im Aufnahmeland sowie deren Wohnungspolitik abhängt. Unterschiedliche Grade der Wohneigentumsbildung sowie des Wohnens der Migranten in Sozialwohnungen zwischen
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verschiedenen Ländern, manchmal sogar zwischen den Städten eines Landes, liefern hierfür Belege. Für die Ausprägungen des Phänomens, das als freiwillige Segregation der Minderheit bezeichnet wird, finden sich in der Literatur verschiedene Bezeichnungen, denen die Abgrenzung vom negativ besetzten Begriff "Ghetto" gemein ist. Peter Marcuse (1998: 186) hat hierfür den Begriff der Enklave geprägt: "Eine Enklave ist ein Gebiet, in dem Mitglieder einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, definiert nach Ethnizität, Religion oder anderen Merkmalen, auf einem bestimmten Raum zusammenkommen, um ihre ökonomische, soziale, politische und/oder kulturelle Entwicklung zu fördern" (ebd.). Die Enklave ist damit positiv besetzt und dient dem empowerment ihrer Bewohner, während das Ghetto die Benachteiligung seiner Bewohner verstärkt (Young 2000: 203). Während in der angelsächsischen Literatur für den gleichen Sachverhalt auch die Bezeichnung congregation (Andersson 2007a: 84; van Kempen/Özüekren 1998: 1633) geläufig ist, hat sich in der BRD Heckmanns (1998) Terminus ethnische Kolonie durchgesetzt. Nach Esser (1986: 109) entstehen ethnische Kolonien nicht automatisch, sondern sind mehr oder weniger reflektiert geschaffene Sozialbeziehungen zur Bewältigung der Migrationssituation, wobei die Koloniebildung vor allem die Bleibeabsicht ihrer Mitglieder verdeutliche. Bei der Rede von "freiwilliger Segregation" wird jedoch häufig vernachlässigt, dass Segregation ein zweiseitiger Begriff ist: Es sind nicht nur die ethnischen Minderheiten segregiert, sondern vor allem die "weiße" Mittelschicht. Die freiwillige Segregation der Mehrheitsgesellschaft kann zur unfreiwilligen Segregation der Minderheit in erheblichem Maße beitragen, wenn in einem entspannten Wohnungsmarkt diejenigen, die es sich leisten können, den Stadtteil verlassen oder in einem angespannten Markt durch Gentrifizierung weniger zahlungskräftige Bewohner verdrängt werden.
2.4 Verwendung des Ghetto-Begriffs für europäische Einwandererviertel Eines der beharrlichen Merkmale des europäischen Umgangs mit ethnischer Segregation ist die geläufige, aber unangemessene Verwendung des GhettoBegriffs (O'Loughlin 1987: 53). Der Ausdruck "Ghetto" ist nicht nur historisch bedenklich, er verdeckt auch die Unterschiede zwischen Ghettos in den USA und den Strukturen europäischer Quartiere mit hohem Zuwandereranteil. Die meisten europäischen Autoren weisen daraufhin, dass ein Migrantenanteil von 20 bis 40% kein hinreichendes Merkmal für die Definition eines Ghettos darstelle (ebd.). Im angelsächsischen Raum hat sich mittlerweile eine duale Definition durchgesetzt. In der vierten Auflage des Dictionary 0/Human Geography wird das Ghetto defi39
niert als ,,[a]n extreme form of residential concentration; a cultural, religious, or ethnic group is ghettoized when (a) a high proportion ofthe group lives in a single area, and (b) when the group accounts for most of the population in that area" (Johnston et al. 2000: 312). Es ist also nicht nur ein Gebiet, das überwiegend von einer Minderheit bewohnt wird, sondern es ist auch nötig, dass ein substanzieller Anteil dieser Minderheit in dem besagten Gebiet lebt. Nach einer Definition von JohnstonIPoulsenIForrest (2006a: 320) bedeutet Ghetto, dass die Minderheit mit mindestens 60% im Stadtteil vertreten ist und zudem mehr als 30% der gesamtstädtischen Gruppe im Stadtteil lebte. Viele europäische Einwandererquartiere sind hingegen in der Zusammensetzung ihrer Bewohnerschaft multiethnisch, wobei der Anteil an Bewohnern ohne Migrationshintergrund hoch bleibt und diese Konzentrationsgebiete zudem meist relativ kleinräumig sind (Mahnig 2001: 2). Die meisten Ghetto-Definitionen beziehen den Aspekt der Unfreiwilligkeit mit ein: "Ein Ghetto ist ein Gebiet, in welchem Raum und Rasse miteinander verbunden sind, um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die von der herrschenden Gesellschaft als minderwertig angesehen und dementsprechend behandelt wird, zu definieren, zu isolieren und einzugrenzen" (Marcuse 1998: 179). Auch van Kempen/ Özüekren (1998: 1634) greifen den Aspekt der Erzwungenheit auf ,,[I]t should (...) be dear that we should not consider every area that is inhabited by an ethnically, racially or religiously defined group as a ghetto. (...) The involuntary aspect is a very important dimension." Damit impliziert der Begriff "Ghetto", dass die einmal zugezogenen Migranten nicht mehr - oder nur unter großen Schwierigkeiten - aus dem Stadtteil fortziehen können. Diese Annahme sollte nicht ohne weiteres für deutsche "Ausländerviertel" übernommen werden, gibt es doch Untersuchungen, die in deutschen Nachbarschaften eine höhere Fluktuation der ausländischen Bewohner im Vergleich zu ihren deutschen Nachbarn feststellen. Eine Untersuchung zum im Volksmund als "Ghetto" gebrandmarkten Borsigplatzviertel in Dortmund deckte beispielsweise auf, dass in einer Zeitspanne von 16 Jahren 90% der ausländischen Bewohner das Viertel wieder verlassen hatten (Caesperlein/Gliemann 2002: 7).
2.5 Die vermeintlichen Folgen von Segregation: Die umstrittenen Nachbarschaftseffekte Weitaus kontroverser als die konkurrierenden Erklärungen für die Entstehung und Persistenz von Segregation fällt die wissenschaftliche Analyse der vermeintlichen Folgen von ethnischer Segregation aus: "The idea that living in an area in which a high share of the population is disadvantaged will also have negative effects on 40
other individuals in the vicinity seems to originate from the United States but has been copied for use in the European context" (Andersson/Musterd 2005: 378). Seit Jahrzehnten wird aufbeiden Seiten des Atlantiks eine Debatte darüber geführt, ob ethnische Kolonien eine wesentliche Komponente vielfältiger Gesellschaften seien, Brücken in die Aufnahmegesellschaft darstellten und die Integration der Neuzuwandemden erleichterten, oder ob sie als eine Mobilitätsfalle und ein Symptom für gefiihrliche gesellschaftliche Spaltungen zu begreifen seien. Im sozialökologischen Modell der Assimilationstheorie wird eine inverse Beziehung zwischen Segregation und Integration unterstellt, wonach also die Assimilation umso geringer ausfällt, je größer die Segregation ist (Häußermann 2007: 234). Da in den meisten Fällen ethnische und soziale Segregation nur schwer zu trennen sind, überschneiden sich diese Überlegungen mit Debatten zu den Effekten von Armut und Arbeitslosigkeit. Insbesondere zu diesem zweiten Aspekt finden sich in der US-Literatur eine Vielzahl von Arbeiten, die unterschiedliche Facetten wie die Auswirkungen der Nachbarschaft auf Arbeitsmarktkarriere, Kriminalität, Devianz, Gesundheit, Teenager-Schwangerschaften, Bildungserfolge und soziales Kapital untersuchen (Musterd/Andersson 2006: 121). Die empirische Forschung bearbeitet dabei Fragen der Nachbarschaftseffekte mit zwei unterschiedlichen methodologischen Herangehensweisen, einerseits in Form der ethnologischen Nachbarschaftsfallstudie, bei der die Individuen im Mittelpunkt stehen, andererseits in Form statistischer Langzeitstudien (Friedrichs/GalsterlMusterd 2003: 801). Die US-Forschung hat dabei durchaus Effekte fiir sozial benachteiligte Quartiere nachgewiesen, die aber nicht so stark waren wie der Elterneinfluss, individuelle Merkmale oder makroökonomische Bedingungen (a.a.O.: 800). Zentral fiir die Forschung zu den Kontexteffekten von Migrantenquartieren ist die Annahme, dass Nachbarschaften durch die Selektivität der Kontakte die Beziehungen ihrer Bewohner organisieren. Dieses Verständnis ist eine wesentliche Prämisse fiir den Versuch, aus der räumlichen Verteilung einer ethnischen Minderheit Schlussfolgerungen über ihre soziale Integration in die Mehrheitsgesellschaft zu ziehen. Nachbarschaftseffekte können indes nur dann Geltung besitzen, wenn sich die Erfahrungsräume und Kontaktnetze der Bewohner tatsächlich auf das Quartier konzentrieren. Verschiedene Autoren bezweifeln jedoch, ob diese Annahme in Zeiten verbesserter Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten gerechtfertigt ist (Drever/Clark 2006: 3; van Santen/Seckinger 2005: 51).18 Beispielsweise ergab die Auswertung des US-General Social Survey zwischen 1974 18 Möglicherweise bestehen hier Unterschiede zwischen den Millionenstädten in den USA und London aufder einen und den eher überschaubaren Großstädten der Niederlande und Deutschlands auf der anderen Seite.
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und 1996 eine ständige Bedeutungsabnahme der nachbarschaftlichen Netze bei langsamem Anwachsen außemachbarschaftlicher Netze (Bridge 2002: 6). Andere haben daraufhingewiesen, dass es eine wachsende Zahl von ethnischen communities gebe, die nicht auf räumliche Nähe angewiesen seien (communities without propinquity) (Drever/Clark 2006: 6). Sie wenden ein, dass im Allgemeinen die Nachbarschaft keinen besonderen Einfluss auf die Reichweite und Zusammensetzung der Verkehrskreise habe. Für Kontakte sei die Status-Homogenität wichtiger als die räumliche Nähe (ILS 2006: 21). Insbesondere in Arbeiten zu ethnischer Segregation wird häufig übersehen, dass räumliche Nähe nicht mit sozialer Nähe einhergehen muss (Häußermann 2007: 234). Auch in größtenteils deutschen Nachbarschaften überwiegen nur Grußkontakte (Bürkner 1987: 233). Bürkner (1987: 238) unterstreicht, dass segregiertes Wohnen nicht mit Binnenintegration gleichzusetzen ist. Viele Einwandererquartiere in Kontinentaleuropa sind nämlich multiethnisch und ihre Bewohner haben häufig nur wenig gemein, außer ihrer Migrationserfahrung (Schönwälder 2006). In Alpheis Worten: Nicht alles, was anders ist, als man selbst, gleicht sich (Alpheis 1990: 181). Andererseits ist bekannt, dass die Netze beispielsweise von Unterschichtsangehörigen lokal stark eingegrenzt sind (ILS 2006: 21; Bridge 2002: 4). Gerade im Hinblick aufnicht berufstätige Frauen und Kinder, aber auch angesichts mangelnder Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt wird argumentiert, dass die Nachbarschaft eine wachsende Bedeutung für die Integration trage. Angenommen, es gebe in der Tat eine enge monoethnische Gemeinschaft auf Stadtteilebene, so kommen selbst in diesem Fall Untersuchungen zur gesellschaftlichen Teilhabe der Betroffenen zu widersprüchlichen Prognosen. So unterstreicht Salentin (2005: 8), dass eine Zunahme innerethnischer Beziehungen mit der Zunahme intraethnischer Beziehungen einhergehe. Personen, die sich in eigenethnischen Vereinen engagierten, wiesen eine engere Beziehung zur MehrheitsgeseIlschaft, ein größeres Interesse an der gesellschaftlichen Mitgestaltung und mehr informelle Kontakte zu Deutschen auf. Zhou (1997) kam mit Blick auf die Asiaten in den USA zu dem Schluss, dass es in den ärmeren ethnisch gemischten Gebieten zu einer Abwärtsassimilation kommen könnte, während ethnische Strukturen eine Aufwärtsorientierung bewahren helfen. Norbert Wiley (1967) hingegen fasste den Begriff der ethnischen Mobilitätsfalle in das Bild eines Baumes, wobei nur die Mehrheitsgesellschaft (der Stamm) einen wirklichen Aufstieg ermöglicht, während die Migrantengesellschaft lediglich die Zweige darstellt und damit nur eine begrenzte Aufwärtsbewegung erlaubt.
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2.5.1 Dimensionen der Nachbarschaftseffekte Die ambivalent ausfallenden Untersuchungen zu den Kontextwirkungen segregierter Nachbarschaften beziehen sich auf die sozialen, symbolischen, politischen und materiellen Effekte. Dabei wird deutlich, dass sich viele Untersuchungen vor allem auf die soziale Segregation beziehen.
2.5.1.1 Soziale Dimension Segregierten Nachbarschaften werden negative Effekte für die Sozialisierung der Bewohner nachgesagt. In der handlungstheoretischen Assimilationstheorie gehen sozial-räumliche Strukturen als Kontexteffekte in die Situationsdefinition der Akteure ein und kreieren nicht-assimilative Handlungsanreize. Diese Überlegungen werden von der Prämisse geleitet, dass räumliche Nähe mit einer hohen Binnenintegration einhergehe, wodurch eine starke soziale Kontrolle entstehe und eigenethnische Normen stärker aufgezwungen werden könnten (vgl. ILS 2006: 21). Das Leben in einer ethnisch geprägten Nachbarschaft ermögliche die Fortsetzung des Lebensstiles aus dem "Heimatland", die Abschottung oder sogar eine Radikalisierung (van Kempen/Özüekren 1998: 1634; Esser 1986: 115). Analog zur Konzentration von ethnischen Minderheiten wird auch der Konzentration von ökonomisch schwachen Personen ein negativer Effekt auf die Zukunftschancen der Quartiersbewohner zugeschrieben: Als Bestandteil einer ,,Kultur der Armut" seien in benachteiligten Nachbarschaften Verhaltensweisen funktional und daher verbreitet, die sich bei Kontakten mit der Mehrheitsgesellschaft als kontraproduktiv erweisen. Als weiterer negativer Quartierseffekt wurde von Wilson (1987) angeführt, dass Jugendlichen in Quartieren, in denen erwerbstätige Erwachsene eine Randerscheinung darstellen, ein positives Rollenvorbild für die Orientierung aufArbeit fehle. Aus einem benachteiligten Quartier werde so ein benachteiligendes Quartier. In wissenschaftlichen Untersuchungen fallen die Ergebnisse zur Arbeitsmarktbeteiligung von Migranten in ethnisch geprägten Quartieren ambivalent aus. Während es in der BRD Hinweise darauf gibt, dass traditionelle Ausländerhochburgen eine unterdurchschnittliche ausländische Armutsquote aufweisen (für Hamburg siehe Erdmann 2001: 148), kamen Musterd, Andersson, Galster und Kauppinen (2008) zu dem Befund, dass eigenethnische Enklaven die Einkommensaussichten ihre Bewohner nur dann erhöhten, wenn sie als Sprungbrett für eine Karriere im gesamtgesellschaftlichen Arbeitsmarkt genutzt würden. In ihrer methodisch anspruchsvollen Längsschnittsuntersuchung in drei schwedischen Metropolregionen fanden sie Hinweise darauf, dass Migranten von 1999 bis 2002 43
einen hohen Preis im Hinblick auf die Höhe ihres Arbeitseinkommens zahlten, wenn sie 1999 in einer Gegend gelebt hatten, in der ein substanzieller Anteil ihrer Nachbarn zur selben ethnischen Gruppe zählte. Es scheine, als hätten arbeitende Migranten unter den Nachbarn - selbst wenn sie aus einern anderen Herkunftsland kämen, einen positiven Effekt auf die Arbeitsmarktintegration der Neuzuwanderer, aber einen negativen Einfluss, wenn sie selbst arbeitslos seien (a.a.O.: 797). Ähnlich ambivalent wird auch die Rolle der ethnischen Ökonomie bewertet. Sie biete zwar eine wichtige Alternative zur Arbeitslosigkeit, könne aber zugleich den Weg in den regulären Arbeitsmarkt versperren und biete häufig nur eine prekäre Existenz, die sich durch schlechte Bezahlung und lange Arbeitszeiten auszeichne (JanßenIPolat 2005: 164). Andererseits ergab eine in FrankfurtIMain durchgeführte Befragung von Lehrern, dass Kinder von selbstständigen Migranten eher an höheren Schulformen vertreten und dort erfolgreich waren. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass sie sich tagsüber im Geschäft der Eltern aufhielten und dadurch vor Verwahrlosung bewahrt waren (Kontos 2005: 215). Andere wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit den sozialen Netzwerken im Stadtteil und gehen der Frage nach, welchen Zugang zu Ressourcen sie eröffuen. Während die Netzwerkanalyse die Rolle der Nachbarschaft schwinden sieht, betonen Untersuchungen zum Sozialkapital ihre Rolle (Bridge 2002: 18). Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass heterogene Netzwerke ein reicheres soziales Kapital darstellten (Häußermann 2007: 236). Ein sozial gemischtes Quartier gilt in diesem Verständnis als Ressource, wenn es beispielsweise um die Vermittlungen von Wohnraum oder Arbeitsmöglichkeiten geht (JanßenIPolat 2005: 132). Ein sozial benachteiligtes Quartier könne seine Bewohner zusätzlich benachteiligen, da ein niedriges soziales Kapital, dem es an Zugängen zum Arbeitsmarkt fehlt, prekäre Lebenslagen noch verfestige. Dabei wird in Ahnlehnung an Granovetter (1973) darauf hingewiesen, dass ein dichtes Netzwerk, das sozial homogenen Nachbarschaften unterstellt wird, im Hinblick auf die Verfiigbarkeit von Ressourcen ungünstig sein könne. Bei dichten Netzen kenne jeder jeden und Informationen würden daher geteilt, mit der Folge, dass Informationsquellen etwa zu verfiigbaren Stellen - auch leicht ausgeschöpft sein können (Bridge 2002: 20). Andererseits gilt, dass ein heterogenes, lockeres Netzwerk zwar einen größeren Zugang zu diversen Ressourcen bieten könne, Beziehungen zu ähnlichen Personen hingegen Verständnis und persönliche Unterstützung (Cattell 2001: 1502). Die Nähe zu Landsleuten, so die Fortfiihrung dieser Überlegung, könnte also gerade Neuzuwanderem ein Gefiihl von Vertrautheit ermöglichen. Ein ethnisch geprägtes Quartier könne also insofern positiv sein, als Identität und Selbstbewusstsein gestärkt würden (Esser 1986: 111).
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2.5.1.2 Symbolische Dimension Ein weiteres Argument gegen die Konzentration von Zuwanderern behauptet, die Konzentration von "Fremden" erhöhe ihre Sichtbarkeit und könne Distanz und Fremdenfeindlichkeit befördern (Häußermann 2007: 236; Alpheis 1990: 152; Esser 1986: 110). Hier wird deutlich, dass es also nicht um den Grad der Absonderung und Segregation geht - die Oberschicht ist weitaus stärker sozial segregiert als die ethnischen Minderheiten - sondern um die Akzeptanz der dadurch sichtbar werdenden Lebensstile (Siebel/Häußermann 2001: 75). Die Stigrnatisierung eines Stadtteils gilt dabei als Ursache und Folge des sozialen Abstiegs (Wassenberg 2004: 223). Friedrichs (1988: 58) konstatiert, dass je höher der Anteil der Minorität und das Ausmaß der Segregation seien, umso größer falle auch die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum aus. Je höher wiederum der Wettbewerb unter den verschiedenen Gruppen sei, umso stärker sei die Furcht der Mehrheit vor der Minderheit, wodurch wiederum deren Diskriminierung zunehme, was wiederum ihre Zugangsmöglichkeiten zu den Wohngebieten der Majorität verringern würde. Vorurteile seien in Wohngebieten mit mittlerer Segregation am stärksten. Die Ausländerfeindlichkeit ohne einen nennenswerten Anteil von Ausländern, die sich in den Neuen Ländern beobachten lässt, deutet jedoch darauf hin, dass eine Ablehnung der Minderheit auch ohne tatsächliche Konkurrenz möglich ist (Die Sächsische Ausländerbeauftragte 2007: 15). Auch in anderen Ländern wie GB ist eine ablehnende Haltung gegenüber Migranten insbesondere in Regionen mit geringer tatsächlicher Zuwanderung anzutreffen: "Tolerance correlates with high levels of ethnic pluralism in different parts of the country. Thus MORI19 data from 2000 showed that some 75 per cent ofthose in the north-east feit that 100 much is done to help immigrants, compared with just 39 per cent of those in London, where the proportion of ethnic minorities is much higher" (Saggar 2003: 185).
In Befragungen in ländlichen Gebieten Englands überschätzte die Mehrheitsbevölkerung ebenso wie in Ostdeutschland den Migrantenanteil ihrer Region erheblich (Thränhardt 2007: 28).
19 Ipsos MORI ist ein global agierendes Forschungsinstitut mit zahlreichen Auftragsarbeiten fiir verschiedene britische Regierungen (http://www.ipsos-mori.com).
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2.5.1.3 Materielle Dimension Die spatial-mismatch-These wird vor allem in den USA diskutiert und besagt, dass der Strukturwandel die überwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnten innerstädtischen Nachbarschaften von den Peripheriearbeitsplätzen trenne (Friedrichs/GalsterlMusterd 2003: 797). Europäische Autoren haben diesbezüglich die Unterschiede zwischen den armen Innenstädten in den USA und der armen Peripherie in Europa betont (a.a.O.: 798). Zudem wurde die Tragfähigkeit dieser These angezweifelt, da sie nicht erklären könne, warum es :für Afroamerikaner schwieriger sei als :für Hispanics oder Asiaten, in Innenstädten niedrig qualifizierte Arbeitsplätze zu finden. Verwiesen wird dabei auf die unterschiedlichen Nischen, die die verschiedenen Minderheitengruppen auf dem Arbeitsmarkt einnehmen. Wie könnten Afroamerikaner Opfer der Deindustrialisierung sein, wenn sie in Industriearbeitsplätzen ohnehin unterrepräsentiert gewesen seien (MusterdlDeurloo 2002: 490)? Ein weiteres Argument gegen die Konzentration von Migranten und Annut in bestimmten Stadtteilen lautet, dass sie zur Abwanderung detjenigen Bewohner führe, die es sich finanziell leisten können. Der Kaufkraftverlust könne durch Deinvestitionen und Gewerbeleerstand eine weitere Abwanderung und somit eine Abwärtsspirale :für das Quartier in Gang setzen. Auch :für die öffentlichen Dienste werden Nachteile unterstellt, da residentielle Segregation beispielsweise mit Schulsegregation einhergehe. Schu1en in Stadtteilen mit hohem Anteil ärmerer Zuwanderer seien überfordert, da sie nicht nur eine umfassendere Förderung gewähren müssten, aber dabei keine außerschu1ischen Ressourcen mobilisieren könnten, wie dies an Schu1en mit einem hohen Anteil von besserverdienenden Elternteilen der Fall sei (Häußermann 2007: 236). Diese Aussage mag in unterschiedlichem Maße :für verschiedene Länder gelten. Da beispielsweise in den USA Schu1en über die Kommunalsteuer finanziert werden, hat hier die soziale Lage im Quartier einen unmittelbaren Einfluss auf die Ausstattung der Schu1e. In NL hingegen erhalten Schu1en eine zusätzliche finanzielle Unterstützung :für jeden Schüler, dessen Eltern über einen geringen Bildungsstand verfugen (Böcker/Groenendijk 2004: 324). Ein neueres Argument gegen Segregation wird von Musterd (2006) diskutiert. Demnach versuchten heute viele Städte :für neue High-Tech-Industrien und Dienstleistungsunternehmen attraktiv zu sein. In diesem Bestreben sei die Idee entstanden, dass segregierte, ku1turell und sozial scWecht integrierte Städte diesen Ansprüchen nicht entsprechen (a.a.O.: 1325). Diese Überlegung scheint bislang keinen empirischen Rückhalt zu finden, da etwa in den USA der 1990er Jahre manche besonders segregierten US-Städte ein besonders großes Wachstum zeigten (a.a.O.: 1329). 46
2.5.1.4 Politische Dimension Zudem wird ein politisches Argument gegen Segregation vorgebracht: Durch erfolgreiche Mischung blieben auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen im Bewusstsein der (politischen) Eliten (Siebel/Häußermann 2001). Zudem erzeuge eine Konzentration von nicht-wahlberechtigten Zuwanderern in einem Stadtteil ein demokratisches Vakuum, das dazu führen könnte, dass das betroffene Quartier politisch nicht mehr ausreichend repräsentiert sei. In ihrem Vergleich zweier Stadtteile in Hannover (Vahrenheide-Ost und Linden-Nord) kamen die Autorinnen Janssen und Polat (2005: 166) jedoch zu dem Ergebnis, dass sich aus fehlender politischer Beteiligung keine unmittelbar benachteiligenden Effekte :für die Bewohner ergeben. Während das innerstädtische Altbauquartier Linden-Nord aufgrund der sozialen Mischung ein hohes kulturelles Kapital besitze, von dem die Migranten profitieren können, fehle dieses kulturelle Kapital zwar in VahrenheideOst. Sozialstaatliche Verantwortung und das öffentliche Interesse an der Großsiedlung führten aber dazu, dass sie nicht von der Politik vernachlässigt werde. Auch Häußermann (2006: 18) konnte keine deutlichen Unterschiede in der sichtbaren politischen Einflussnahme zwischen privilegierten und marginalisierten Stadtteilen feststellen, trotz enormer Unterschiede in der Wahlbeteiligung. Aus demokratietheoretischer Sicht hat Iris Marion Young (2000: 208) ein weiteres Argument gegen Segregation ins Feld geführt: Durch Segregation würden Strukturen von Privilegierung und Benachteiligung verstärkt und vor allem die eigene Privilegierung in den Augen der Bessergestellten durch mangelnde Vergleichsmöglichkeiten verschleiert.
2.5.2 Kritik an der Quartierseffektsforschung Unklar bleibt in den meisten Arbeiten, von welcher Maßstabsebene und in welchem Zeitraum Effektefür die Bewohner ausgehen. Roger Andersson (2007b: 1) vermutet, dass endogene Nachbarschaftseffekte bei Einflüssen aus der unmittelbaren Umgebung stärker seien. Zudem kritisiert er, dass Zeitfragen nicht genug beleuchtet würden: Wie schnell werden die vermeintlichen Effekte wirksam, :für wie lange halten sie an? Zur Beantwortung dieser Fragen wäre es zudem notwendig zu wissen, wie lange die Menschen schon in diesen Nachbarschaften leben und ob es schwer ist, aus ihnen fort zu ziehen (a.a.O.: 8). Zudem besteht eine Herausforderung im Endogenitätsproblem: "If certain individual characteristics are simultaneously the cause and effect of a person's residence in a disadvantaged area, and such endogeneity is not accounted for in the multivariate model, then the neighbourhood 47
effect is likely 10 be overestimated" (Oberwittler 2007: 9). Wenn beispielsweise eine Migrantenfamilie bewusst in einen ethnisch geprägten Stadtteil zieht, um ihre kulturelle Identität zu bewahren, kann das Ausblenden des Erziehungsstils aus der Untersuchung die vermeintlichen integrationshemmenden Effekte der Nachbarschaft überbewerten (ebd.). In der BRD haben insbesondere die Stadtsoziologen Häußermann und Siebel (2001: 74) die Mängel der Diskussion aufgezeigt: Physische Nähe erkläre nicht die Qualität sozialer Beziehungen. Es handele sich um einen Denkfehler, mit räumlichen Faktoren soziale Phänomene erklären zu wollen (Siebel 2006: 12). Insbesondere von sozialgeographischen Autoren wurde zudem das den meisten Arbeiten zugrunde liegende Raumverständnis kritisiert. In der deutschen Forschungsliteratur problematisiert insbesondere Andreas Pott (2001: 60) die Praxis, bestimmte soziale Unterscheidungsmerkmale über ihre Merkmalsträger und deren Wohnort im Stadtraum zu verorten, um dann über Analysen ihrer Verteilung zu Aussagen hinsichtlich der sozialen Situation der Bewohner zu kommen. Die Segregationsforschung, so sein Einwand, schließe an das verbreitete physikalischphilosophische Modell des substantiellen Behälterraums an, indem sich die Forscher an den administrativ vorgegebenen Ausschnitten der Erdoberfläche orientierten. In seiner konstruktivistischen Konzeption betont er, dass Räume nicht für sich genommen existierten, sondern in Abhängigkeit von sozialen Kontexten, Beobachtungsverhältnissen und Interessen sehr unterschiedlich hergestellt und reproduziert würden (a.a.O.: 59). Damit schließt er an Werlens (2005: 16) Standpunkt an, der dazu Folgendes konstatiert: "Um räumlichen Kontexten und Bezügen sozialen Handeins angemessen Rechnung tragen zu können, sind diese (...) selbst als Elemente sozialer Praxis zu begreifen und nicht als physisch-materielles Behältnis." Nach diesem Verständnis wird deutlich, dass möglicherweise die tatsächlich relevanten Räume der Untersuchten regelmäßig ignoriert werden, da alltägliche Raumbezüge nur wenig mit administrativen Grenzen zu tun haben müssen. In der Forschung finde eine "eigentümliche Verschmelzung" der behälterf'ormigen Ausschnitte und der Personen mit den ihnen zugeschriebenen sozialen Bedeutungen statt. Die Formierung sozialer Identitäten vollziehe sich indes durch die Teilhabe an ganz verschiedenen Kontexten, nicht nur über den Wohnort (Pott 2001: 63). Häußermann (2007: 235) weist zudem auf den Unterschied zwischen Kompositions- und Kontexteffekten hin. Wenn in einer Nachbarschaft viele kriminelle Jugendliche wohnen, so lasse sich die Kriminalitätsbelastung des Stadtteils aus der Zusammensetzung der Bewohner erklären, nicht aber durch zusätzliche kollektive Effekte. Während in den frühen sozialökologischen Studien Merkmale von Gebieten mit den Verhaltensmerkmalen von Kollektiven in diesen Gebieten in 48
Verbindung gebracht und daraus auf Wirkungen eines Gebietes auf das Verhalten der dort wohnenden Individuen geschlossen wurde, sei dies längst als "ökologischer Fehlschluss" erkannt worden.
2.6 Fazit Die wissenschaftliche Bewertung der Folgen von Segregation im Allgemeinen, gerade aber auch der Folgen von ethnischer Segregation fällt ausgesprochen ambivalent aus und weist zudem unterschiedliche Ergebnisse in unterschiedlichen nationalen Kontexten auf (MusterdiAndersson 2006). Dementsprechend haben verschiedene Autoren in ihren Untersuchungen von Nachbarschaftseffekten unterstrichen, dass Versuche der Segregationsbekämpfung ohne empirische Basis seien. Armutsbekämpfung solle lieber direkt angegangen werden, als auf einen "dubiosen Nachbarschaftseffekt" zu warten (OstendorflMusterdide Vos 2001: 371). ,,A clear problem for those who have consistently asked for more socially diverse communities as the basis for sustainability and social equity is that this position has relied on an intuitive rather than explicit evidence-base" (Atkinson 2005: 27). Gleiches gelte auch für die ethnische Segregation: "As can be shown through the types of policy responses in European countries (tenure mix policies, allocation policies), there is also a widespread belief that high levels of [ethnic] segregation are related to low levels ofparticipation in society, even though this belief may be challenged" (Musterd 2005: 342). Wissenschaftlich ist es also keineswegs hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls aufweIche Weise das Umfeld eines Wohnviertels die individuellen Lebenschancen seiner Bewohner beeinflusst. Dies gilt für die Wirkungen von Armut und Kriminalität, noch mehr aber für Annahmen bezüglich einer Wirkung des "ethnisch" geprägten Umfelds (Söhn/Schönwälder 2007: 73).
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3. Die Konstruktion sozialer Phänomene als soziale Probleme
Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, fiUIt die wissenschaftliche Bewertung von ethnischer Segregation äußerst ambivalent aus. Dementsprechend fällt am politischen Umgang mit ethnischer Segregation in vielen europäischen Staaten die Vehemenz auf, mit der viele politische und wohnungswirtschaftliche Akteure unterstellen, Segregation sei abträglich für die Integration der Zuwanderer und die Stabilität von Stadtteilen. Es gibt also keine Einigung darüber, ob Segregation als soziales Problem zu begreifen ist oder nicht. Diese Diskrepanz hat die vorliegende Arbeit motiviert, einen sozialkonstruktivistischen Ansatz aus der Soziologie sozialer Probleme zugrunde zu legen. In einem sozialkonstruktivistischen Verständnis handelt es sich bei sozialen Problemen, also in diesem Fall ethnischer Segregation, nicht um Phänomene, die von sich aus problematisch wären. Vielmehr muss dieser problematische Charakter erst über gesellschaftliche Definitionsprozesse aktiv hergestellt werden. Konstruktionistische Analysen sozialer Probleme bestreiten nicht den RealitätsgehalfO der so bezeichneten Phänomene, sondern unterstellen, dass unser Zugang zur realen Welt sozial vermittelt ist. Probleme sind in diesem Verständnis selbstverständlich konstruiert, aber diese Konstruktionen haben weitreichende Konsequenzen, da Policies und Strategien auf ihnen aufbauen. Obgleich die Identifizierung und Definition von Problemen durch politische Akteure in Politikprozessen eine entscheidende Rolle spielen (Heinelt 1993a: 309), wurde dieser Aspekt von der Politikwissenschaft lange Zeit weitgehend ausgeblendet: ,,[p]roblem definition remains an immature analytic construct, productive of only a modest amount of scholarship that is lacking a coherent shared framework" (Rocheford/Cobb 1993: 56). In der vorliegenden Arbeit sollen daher Lücken der politikwissenschaftlichen Debatte durch die Beiträge einer konstruktionistischen Problemsoziologie geschlossen werden. 20 Die Debatte zwischen Konstruktivisten und Realisten wird häufig dadurch verwirrt, dass der Begriff Realität auf drei verschiedene Arten verwendet wird: Realität (im Sinne von Wahrheit) gegen Falschheit; Realität im Sinne von Materialität versus Illusion und Realität (als Essenz) versus Konstruktion (Hurr 2003: 101).
S. Miinch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_3, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Zu diesem Zweck soll zunächst in die Grundlagen des Konstruktionismus und eine durch ihn geprägte Soziologie sozialer Probleme eingeführt werden. Im Anschluss erfolgt eine kritische Diskussion der zentralen Strömungen innerhalb dieses Ansatzes (reflexives, striktes und kontextuelles Programm) und eine Verortung der vorliegenden Arbeit im kontextuellen Konstruktionismus. Das Kapitel schließt mit einer Auseinandersetzung mit den zentralen Kritikpunkten an einer konstruktionistischen Problemsoziologie, namentlich dem immanenten Relativismus, der strukturalistischen Kritik sowie der Möglichkeit einer konstruktionistischen Gesellschaftskritik.
3.1 Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit Unter dem Sammelbegriff des social constructionism werden im angelsächsischen Sprachraum eine Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Perspektiven miteinander verknüpft, die sich auf unterschiedliche Weise mit der Herstellung von Wissen durch soziales Handeln befassen. Der Begriffder Konstruktion steht dabei als Metapher für den Aspekt der Tätigkeit und das "Gemacht Sein" durch Menschen, ohne diesen dabei einen entsprechenden Plan zu unterstellen (Keller 2005a: 36). Während in anderen Kontexten meist von Spielarten des Konstruktivismus die Rede ist, hat sich in der Problemsoziologie der Begriff Konstruktionismus eingebürgert (Schrnidt 2000: 153). "Construct[ion/iv]ism: Pick One ofthe Above" lautet der Titel eines Aufsatzes, der auf eine zentrale Konfliktlinie zwischen den beiden anti-realistischen Strömungen verweist. Der radikale Unterschied liegt im Verhältnis zwischen Wissen und Wirklichkeit. Während der radikale Konstruktivismus die individuellen Erfahrungen als Grundlage für die Wissenskonstruktion begreift und dafür häufig als solipsistisch kritisiert wurde, wird im wissenssoziologischen Konstruktionismus Wissen als Funktion von äußeren, sozialen Umständen betrachtet (Choe 2005: 21; 44). Werden Fragen nach dem Status menschlichen Wissens im Konstruktivismus also auf die individuelle Bewusstseinsebene verfrachtet (Knorr-Cetina 1989: 90), so ist Wissen im konstruktionistischen Verständnis nichts Individuelles, sondern etwas Soziales sui generis, das in sozialen Prozessen entsteht und sich verändert (Choe 2005: 35). Wenn in der vorliegenden Arbeit von konstruktivistischen Zugängen die Rede ist, so sind damit stets sozialkonstruktivistischelkonstruktionistische Ansätze gemeint. Die Grundlagen für eine sozialkonstruktivistische Wissenssoziologie wurden 1966 mit der "Gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit" von BergerlLuckmann gelegt. 21 Sie beschäftigen sich darin mit Prozessen der Generierung, 21 Der soziale Konstruktionismus entstand als Reaktion auf die Hegemonie positivistischer Strömungen in der angewandten Sozialforschung. Seine philosophischen Vorläufer umfassen den phäno-
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Objektivierung und Institutionalisierung von Wissen als objektive Wahrheit (Keller 2005b: Absatz 6). In ihrem Verständnis existiert kein begreifbares "an sich" der Welt ,jenseits der Bedeutungszuschreibungen, auch wenn ihre materiale Qualität uns durchaus Widerstände entgegensetzt, Deutungsprobleme bereitet und nicht jede beliebige Beschreibung gleich evident erscheinen lässt" (Keller 2005a: 40). Berger/Luckmann untersuchten, wie die Welt zwar einerseits in sozialen Praktiken von Menschen konstruiert wird, aber zugleich von diesen als objektiv, äußerlich und quasi naturgegeben wahrgenommen wird (Burr 2003: 13; KnorrCetina 1989: 87). "Man kann auch sagen, der Sozialkonstruktivismus versucht eine Klärung des ontologischen Status sozialer Realität durch Rekurs auf deren Vorgeschichte" (Knorr-Cetina 1989: 88). Da sozialkonstruktivistische Ansätze also von der Annahme ausgehen, dass "there is nothing in the world whose meaning resides in the object itself' (Loseke 2003: 18), unterstellen viele Kritiker fälscWicherweise, dass der Konstruktionismus die Existenz einer objektiven materiellen Welt negiere. Aus der lTberlegung, dass Objekte nur über ihre Kategorisierung und Definition erfasst werden könnten, wurde abgeleitet, die Konstruktion von X bedeute, dass X nicht wirklich existiere und lediglich konstruiert sei (Groenemeyer 2003: 7). Dabei lautet die Behauptung in den meisten Arbeiten nur, dass Bedeutung durch Individuen und Gruppen generiert werde. Anstatt also anzunehmen, dass Fakten gegeben sind und durch wissenschaftliche Untersuchungen "entdeckt" werden können, gelten sie dem Konstruktionismus als kontingent, umkämpft und einer Vielzahl von Interpretationen ausgesetzt (Jacobs/Kemeny/ Manzi 2004: 3). Die Debatte wird mit der Unterscheidung zwischen epistemologisch und ontologisch erhellt: ,,[A] constructionist might point out that Nottingham is a city by virtue of a text (i.e. by royal decree) and that its boundaries - where it begins and ends - are also a matter for negotiation and agreement. The argument is not, therefore, that Nottingham doesn't really exist, but that it does so as a socially constructed reality" (Burr 2003: 92f).
Übertragen auf einen konstruktionistischen Zugang zu sozialen Problemen geht es also gar nicht darum, die Existenz der objektiven Bedingung in Frage zu stellen, sondern darum, ihre soziale Bewertung als Problem in den Blick zu rücken (Albrecht 2001: 118).
menologischen Ansatz, die verstehende Soziologie Max Webers und die linguistisch orientierte Philosophie (Jacobs/K.emeny/Manzi 2004: 8).
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3.2 Die konstruktionistische Soziologie sozialer Probleme Mit dem Einfließen sozialkonstruktivistischer Überlegungen in die Soziologie sozialer Probleme ist ein Forschungsfeld entstanden, das völlig losgelöst von der Ursachen-, Verbreitungs- und Behandlungsforschung existiert. Einflüsse kamen dabei vor allem aus der Labe/ing-Tradition der Interaktionisten22 , die argumentierten, Devianz nicht als objektives Faktum zu handhaben, sondern den Fokus auf diejenigen interpretativen Vorgänge zu richten, in denen Devianz "erkannt", also ,,konstruiert" werde (Travers 2004: 21). In den mehr als 30 Jahren seit dem Erscheinen von Blumers Social Problems as Collective Behavior im Jahr 1971 hat sich in der US-amerikanischen Soziologie sozialer Probleme der soziale Konstruktivismus zur führenden theoretischen Leitperspektive entwickelt (Groenemeyer 2003: 3), wohingegen er in der BRD weiterhin eine eher nachrangige Position einnimmt (Schmidt 2000: 153). Während die Soziologie sozialer Probleme traditionell auf die Erforschung von objektiv feststellbaren Problemlagen konzentriert war, stehen seither die Definition von Problemen und ihre Konstituierung in sozialen Prozessen im Zentrum. In Abgrenzung zu den bis dato prominenten funktionalistischen und normativen Ansätzen, die soziale Probleme als Form der Fehlfunktion, Desorganisation oder Abweichung fassten (Blumer 1971: 298), kommt der Theorie sozialer Probleme nun die Aufgabe zu, das Aufkommen, die Beschaffenheit und die Fortsetzung der Definitionsleistungen zu erklären (Schmidt 2000: 155). Im funktionalistischen Verständnis hatten sich soziale Probleme aus dem Versagen von Institutionen ergeben und wenn Gesellschaftsmitglieder nicht mehr die gleichen Werte teilten (Loseke 2003: 165). Hieran kritisierten konstruktionistische Autoren, dass die Festlegung eines Standards nötig sei, um ein Phänomen als Abweichung kategorisieren zu können, und dies stets der persönlichen und nicht überprüfbaren Einschätzung des Forschers überlassen bliebe. Zudem könnten sich Dysfunktionen auf einige Institutionen negativ auswirken, aber positiv für andere sein (Spector/Kitsuse 2006: 25f). Blumer widersprach als einer der ersten dagegen, soziale Probleme in der objektiven Realität suchen zu wollen: ,,Instead, social problems have their being in a process of collective definition. This process determines whether social problems will arise, whether they become legitimated, how they are
22 Frühe konstruktionistische Arbeiten zu sozialen Problemen waren durch den symbolischen Interaktionismus und die Labeling-Theorie beeinflusst, und erst später, unter der linguistischen Wende, wuchs der Einfluss der Diskursanalyse (K.emeny 2004: 50). Der linguistic turn in den Sozialwissenschaften wird charakterisiert als a turn away from linguistics, conceived as an independently formed discipline, towards examining the mutual coordination of language and praxis (Burkitt 1999: 69).
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shaped in discussion, how they come to be addressed in official policy, and how they are reconstitute
Daraus folgt zudem, dass es nicht die Aufgabe der Sozialwissenschaftier ist, ein soziales Problem aufzudecken, sondern dies erst möglich ist, wenn ein sozialer Sachverhalt als solches von der Gesellschaft wahrgenommen wird (a.a.O.: 299). Ein Vorteil des sozialkonstruktivistischen Ansatzes besteht darin, dass nun nicht jeder Autor seine eigene Vision zugrunde legt, welche Zustände nicht toleriert werden können und worin ihre Ursachen liegen (Loseke 2003: 164). Damit ist es möglich, auf einer abstrakten Ebene soziale Probleme an sich zu analysieren und vor allem zu vergleichen. Damit wird jedoch auch die Rolle des Wissenschaftlers als Experte, der der Gesellschaft zeigen sollte, wie die Welt zu funktionieren habe, in Frage gestellt. Nach Spector/Kitsuse (2006: 77) gehen ohnehin nur Nachteile mit dem Versuch einher, die tatsächliche Existenz von Bedingungen als Basis für eine Definition eines sozialen Problems zu nehmen. Sozialwissenschaftier maßten sich damit an, in fachfremden Gebieten zu urteilen und beriefen sich dabei auf Ergebnisse anderer Disziplinen, deren Validität sie nicht beurteilen könnten. Dementsprechend geht es in der vorliegenden Arbeit also nicht darum, das Phänomen Segregation in seinen Ausprägungen zu untersuchen, sondern seine Problematisierung, die sich im wohnungspolitischen Umgang mit ihr niederschlägt. Der sozialkonstruktivistische Zugang zu sozialen Problemen betont, dass es nicht der objektive Schaden ist, der von einem Phänomen angerichtet wird, der es zu einem sozialen Problem macht, sondern die Aktivitäten von Akteuren in ihrem sozialen Kontext. Spector und Kitsuse, die 1977 eine zentrale Grundlage für eine konstruktionistische Soziologie sozialer Probleme gelegt haben, konzeptionalisieren soziale Probleme als Aktivitäten von Individuen oder Gruppen, die Behauptungen aufstellen über wahrgenommene soziale Bedingungen, die sie für unerwünscht, ungerecht oder amoralisch halten und gegen die dementsprechend etwas unternommen werden sollte. Diese Definition impliziert, dass jede Forderung zu einem sozialen Problem werden kann und richtet die Aufmerksamkeit auf den Prozess. ,,A major consequence of this definition is that a social problem is not about a social condition, but rather is the process of interaction between claimants and what they claim to be undesirable conditions" (Spector/Kitsuse 2006: xi). Die Ablehnung von als selbstverständlich erachteten Perspektiven, die ein Problem als Widerspiegelung einer zugrunde liegenden Realität begreifen, rückt die Aufmerksamkeit auf die F ak:toren, die erfiillt sein müssen, bevor ein Sachverhalt als Problem wahrgenommen wird: "These factors include the construction of narrative to tell a plausible story about a problem, the development of coalitions of support and the deployment of institutional resourees to ensure a response" (Jacobs/Kemeny/Manzi 2004: 5). 55
Der konstruktionistische Forscher interessiert sich für drei Beobachtungsfelder: die Beanstandungen (claims), die Beschwerdeführer (claims-maker) und den Prozess der politischen Auseinandersetzung (claims-making process). Daraus ergeben sich für die konstruktionistische Problemsoziologie folgende Unterfragen: • Inhalte: Was wird über das Problem ausgesagt? Wie wird das Problem versinnbildlicht? Wie ist die Rhetorik? Wie wird das Problem präsentiert, um Unterstützung zu mobilisieren? Dabei sind auf der inhaltlichen Ebene Ursache- und Folgenzuschreibungen von besonderer Bedeutung, ebenso die Zuschreibung von Verantwortung, wer für die Lösung oder Nichtbearbeitung eines Problems gefeiert oder beschuldigt wird (Hoppe 2002: 306). Die inhaltliche Ebene ist bedeutsam, da ein Problem in gänzlich unterschiedlichen Formen gefasst werden kann, beispielsweise die Lage von ökonomisch schwachen, durch Zuwanderer geprägten Innenstadtgebieten als Fälle von Kriminalitätsbelastung, Unordnung, Fragmentierung oder mangelnder Bildungsbeteiligung (vgl. Jacobs/ Kemeny/Manzi 2003: 434). Ebenso kann das überproportionale Schulversagen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund als strukturelles Problem des Bildungssystems oder als individuelles Problem der Bildungsferne der Eltern konstruiert werden (vgl. Loseke 2003: 60). • Akteure: Wer stellt die Forderungen? Wen wollen sie (angeblich) repräsentieren? Vertreten sie bestimmte Gruppen? Mit wem sind sie verbunden? Was sind ihre Interessen? Für wenig sinnvoll erachten die "Väter" der wissenssoziologischen Problemsoziologie die Frage, warnm Personen zu ihrem Handeln veranlasst werden, denn die Suche nach individuellen und sozialen Eigenschaften, die die Partizipation erklären könnten, lenke ab von der Art, wie das claimsmaking organisiert ist. Die Fragen sollten eher lauten, warnm eine Beschwerde in dieser spezifischen Form organisiert wurde und nicht, warnm Teilnehmer involviert sind. Wie wird entscheiden, an wen die Beschwerde gerichtet wird; wer ist Nutznießer des Zustandes (SpectorlKitsuse 2006: 82t)? • Prozesse: An wen richten sich die Forderungen? Gibt es Rivalen? Welche Interessen hat das Publikum und wie beeinflussen diese Interessen ihrerseits die Forderungen (Best 1989: 250t)? Loseke (2003: 28) unterstellt eine, sicherlich zutreffende, Hierarchie der Bedeutung des Publikums. In Fragen der ethnischen Segregation oder der Integration von Migranten ist dies schon allein dadurch gegeben, dass Ausländer im Fallstudienland Deutschland in der Regel über kein Wahlrecht verfügen. Interessant wäre hier festzustellen, ob sich die Prozesse der Problemkonstruktion ändern, wenn die ethnischen Minderheiten wie beispielsweise die Bürger des ehemaligen empire in GB vollwertige Staatsbürger sind oder der Umgang mit ethnischer Segregation eine andere 56
Fonn annimmt, wenn wie in NL auch Nicht-EU-Ausländer kommunales Wahlrecht genießen. Ebenso könnte man erwarten, dass Spätaussiedler als deutsche Staatsbürger möglicherweise eine andere Behandlung erfahren, ihre Integrationsprobleme anders konstruiert werden. Hingegen ist Losekes Behauptung, Wissenschaftler stünden an der Spitze der Hierarchie in Fragen des claims-making (2003: 36) im Hinblick auf Fragen der Segregation stark anzuzweifeln. Wissenschaftliche Ergebnisse, die etwa die venneintlichen Nachbarschaftseffekte ethnisch geprägter Nachbarschaften in Frage stellen, werden in der Regel von der Wohnungslobby als wirklichkeitsfremd gebrandmarkt. Wohnungsanbieter scheinen ihrer eigenen Handlungslogik zu folgen, wobei die claims von solchen Wissenschaftlern, die negative Quartierseffekte bestreiten, schon insofern leicht zu entwerten sind, als die meisten Akademiker keine Nähe zur Lebenswelt ethnisch geprägter Großwohnsiedlungen aufweisen können und ihre Argumente in den Bereich des Elfenbeintunns verwiesen werden (vgl. Interview van Kempen). Mit einer konstruktionistischen Konzeption werden zwei weitere Fragen aufgeworfen, nämlich warum ein Phänomen plötzlich zu einem Problem wird und warum andere schädliche Phänomene nicht als Problem wahrgenommen werden (Heiner 2006: 6). SpectorlKitsuse (2006: 128) widersprechen der Vennutung, ein soziales Problem müsse ein bestimmtes Ausmaß erreichen, um als solches erkannt zu werden. Dieser Eindruck wird auch dadurch bestätigt, dass die Debatten um ethnische Segregation am lebhaftesten in solchen Ländern geführt werden, wo die Ausmaße räumlicher Ungleichheiten "überraschend niedrig" sind (Musterd 2005: 340). Das Thema unterliegt also Konjunkturen, die weitgehend unabhängig von den Ausprägungen des Phänomens selbst sind. Konstruktionistische Autoren wie Jacobs, Kemeny und Manzi (2003: 434) weisen darauf hin, dass die politische Agenda oftmals ein eigenes Momentum entwickele: Was zu einem Problem gemacht werde, werde häufig dadurch bestimmt, ob gangbare Lösungsansätze vorhanden sind. Regierungseinrichtungen reagieren nicht nur auf vorhandene Probleme, auch sie können Probleme definieren und pflegen (Spector/Kitsuse 2006: 155). Nach SpectorlKitsuse (2006: 84) tragen Lösungsmöglichkeiten wesentlich zur Problemkonstruktion bei, indem sie einen Rahmen liefern, innerhalb dessen die Probleme geäußert werden können. Der Glaube, dass etwas geändert werden könne, ist somit Voraussetzung dafür, dass etwas zum Problem wird. In Bezug auf die wohnungspolitischen Versuche, Segregation zu bekämpfen, ergibt sich aus dieser sozialkonstruktivistischen Annahme die Frage, ob die in den Fallstudienländern gewählten Maßnahmen auch mit unterschiedlichen Vorstellungen einhergehen, worin die Ursache des Problems liegt. Ein Nachweis, ob tatsächlich die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten zu einer unterschiedlichen Konstruktion der 57
Problemursache führen oder nicht doch unterschiedliche Ursachenwahrnehmungen zu verschiedenen Lösungsansätzen geführt haben, ist in dieser Arbeit allerdings nicht zu führen.
3.3 Die zentralen Strömungen einer konstruktionistischen Problemsoziologie 3.3.1 Der reflexive Ansatz Die konstruktionistische Problemsoziologie hat sich seit den 1970er Jahren in drei zentrale Varianten ausdifferenziert: den reflexiven, den strikten und den kontextuellen Konstruktionismus (Schmidt 2000: 153). Diese Auffacherung hat sich als Reaktion auf die klassische Position von SpectorlKitsuse (2006) ergeben, wonach der Begriff soziales Problem nicht ein Phänomen an sich bezeichnet, sondern den Prozess der Interaktion zwischen unterschiedlichen Positionen und dem, was sie für eine unerwünschte Situation halten. Dieser Zugang wurde von den Autoren Woolgar und Pawluch (1985) des ontological gerrymanderinEf3 gescholten, worunter sie die selektive Natur des konstruktionistischen Relativismus verstanden. Die beiden Autoren wiesen damit auf die erkenntnistheoretische Inkonsequenz einiger konstruktionistischer Arbeiten hin, die sich in zweierlei Weise zeigt. Einmal findet häufig eine explizite Objektivierung statt, wenn auf der einen Seite der Konstruktionscharakter aller Elemente betont wird, aber in den Forschungsarbeiten versucht wird zu zeigen, dass die Konstruktion bestimmter Sachverhalte als soziale Probleme unabhängig von den "objektiven" Merkmalen dieses Sachverhaltes und seinen Veränderungen im Zeitverlauf erfolge. Man schneidere sich also die Realität zurecht, so der Vorwurf, denn wenn Realität fundamental konstruiert sei, könne man nicht Problemkonstruktionen mit "objektiv gegebenen Sachverhalten" konfrontieren (Albrecht 2001: 118). Eine solche Forschungspraxis bleibe hinter ihrem selbst postulierten Realitätsverständnis zurück und spreche nur dann von ,,Konstruktionen", wenn es darum geht, jene Argumente oder Institutionen in Zweifel zu ziehen, die man aus moralischen oder politischen Gründen ablehnt. Auf der anderen Seite würden die Positionen, denen man zustimmt, von dieser Behandlung ausgenommen (Travers 2004: 22). Daneben findet eine implizite Objektivierung statt, wenn der Wahrheitsgehalt der zur Analyse ausgewählten Gegenstände problematisiert wird - bei weitgehender Ausblendung dessen, dass
23 Der aus der Politikwissenschaft stammende Begriffgerrymandering bezeichnet eine dem Stimmgewinn dienende Manipulation der Grenzen von Wahlkreisen im Mehrheitswahlsystem (Johnston et al. 2000: 312).
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auch die Basisannahmen der eigenen Studie problematisierbare Definitionsleistungen sind (Schmidt 2000: 156). Als Ergebnis dieser Kritik bemühen sich reflexiv arbeitende konstruktionistische Forscher darum, die Konstruiertheit eigener Texte durch neue literarische Ausdrucksformen herauszuarbeiten, etwa durch die Verwendung einer examinierenden Zweitstimme und mit Hilfe multivokal angelegter Texte. Derartige reflexive Analysen leisten jedoch keinen Beitrag zum Verständnis der Welt, wie es traditionell angestrebt wird. Mit der reflexiven Orientierung findet vielmehr eine Verlagerung auf ein vergleichsweise irrelevantes Forschungsfeld statt (a.a.O.: l57f.).
3.3.2 Das strikte Programm
Aus der Kritik von Woolgar und Pawluch ging zudem das strong program der Autoren lbarra und Kitsuse (1993) hervor. Die Forschungsarbeit eines strikten Konstruktionisten bewegt sich ausscWießlich im spracWichen Bereich und jegliche Bezugnahme auf eine außersprachliche Realität wird explizit abgelehnt. Der Fokus liegt auf den claims, ohne ihre Genauigkeit oder ihren Wahrheitsgehalt zu bewerten. "The strict constructionist is not interested in assessing or judging the truth, accuracy, credibility, or reasonableness of what members say and do" (Kitsuse/Schneider 1989: xii). Der Ansatz wird somit auf die Beschreibung rhetorischer Strategien reduziert. lbarra und Kitsuse nahmen damit folgende Modifikationen vor, die sie als Präzisierung der klassischen Ausformulierung verstehen: Die Theorie sozialer Probleme wird konzipiert als Theorie des Problemdiskurses, wobei die akzeptierende Beschreibung von Problemdefinitionen als Forschungsleistung gilt. Die Rhetorik des Problemdiskurses ist ihnen ein vielversprechender Ausgangspunkt für eine stärker komparativ ausgerichtete Forschung, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den diskursiven Praktiken identifizieren will (Schmidt 2000: l60f). Strikte Konstruktionisten interessiert nicht, wie Problemdefinitionen durch soziohistorische Umstände produziert werden, wobei selbst diese Einschränkung problematisch ist, da sie gewissermaßen impliziert, dass also doch die "objektiven" Bedingungen die Problemdefinitionen bestimmen (Albrecht 2001: 122). Für die vorliegende Arbeit ist der Zugang des strikten Programms nicht zielführend, da ein Vergleich wohnungspolitischer Praktiken, in denen sich eine jeweils spezifische Problemdefinition niederschlägt, damit ausgeschlossen ist. Die Autorin schließt sich daher der Kritik des konstruktionistischen britischen Wohnforschers Kemeny an: 59
"Tbey [gemeint sind IbarralKitsuse, Anmerkung S.M.] ( ...) give tbe misleading impression that tbe study of social problems is mainly - or even entirely - tbe study of rhetoric and discourse, ratber tban tbe outcome of this in terms of legislation, institutional changes and otber practical results of successful claims-making tbat accomplish social problems" (Kemeny 2004: 57).
Mit ihrer Beschränkung auf die Textanalyse vernachlässigen sie zudem die zentrale Einsicht der symbolischen Interaktionisten, dass die Bedeutung von Handlungen und Sprechakten interaktiv produziert wird. Bei strategischen Interaktionen kann beispielsweise das Ausbleiben einer Antwort eine besonders vielsagende Reaktion sein (Albrecht 2001: 124). Eine generelle Schwierigkeit wird von Albrecht (2001) thematisiert: Insbesondere diskursanalytisch arbeitende Konstruktionisten unterstellen häufig, wenn auch implizit, es gäbe so etwas wie zweifelsfrei dem Problemdiskurs zuordenbare Äußerungen. Die Entscheidung des Forschers darüber, ob und aufgrund welcher Kriterien bestimmte Interaktionenffexte zu einem Diskurs gehören, ist jedoch schwer intersubjektiv nachvollziehbar. Aussagen sind schließlich nicht nur dann claims, wenn der Akteur sie als solche explizit formuliert, sondern auch dann, wenn der Adressat sie als solche deutet: "Gibt es denn Lebensäußerungen, die nicht irgendein Konstruktionist als Beteiligung an einem Problemdiskurs reklamieren könnte" (a.a.O.: 123f.)? Albrecht kritisiert damit, dass die strikten Konstruktionisten im Prinzip auf nicht näher erläuterter, metatheoretischer Grundlage Äußerungen aus der unendlichen Menge menschlicher Lebensäußerungen aufgriffen und aus ihnen quasi einen Diskurs konstruierten. Diesem würden bestimmte Äußerungen oder claims zugerechnet und dieser damit zum Problemdiskurs stilisiert. Man rekonstruiere damit Konstruktionsprozesse, die man zuvor - ohne es zu merken - (mit)konstruiert hat. Die Auswahl deIjenigen Aussagen, die zum Problemdiskurs gehören, ist auch insofern schwierig, als die Akteure selbst ihre claims häufig nicht im Vokabular eines "sozialen Problems" fassen. So ist beispielsweise der Status von Kriminalität als soziales Problem nicht Teil der Sprachspiele des Justizsystems: "It would be unsusual to find, for instance, adversaries in a criminal trial debating about whether or not 'common assault' is a 'social problem'" (Travers 2004: 24).
3.3.3 Verortung der vorliegenden Arbeit im kontextuellen Konstruktionismus Für die vorliegende Arbeit ist die dritte Strömung konstruktionistischer Problemsoziologie am fruchtbarsten, der so genannte kontextuelle Konstruktionismus, der als Alternativversion von Joe1 Best (1989) entwickelt wurde. Warum einige Phänomene problematisiert werden und andere nicht, kann nach diesem Verständnis
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nur mit Blick auf den historischen, politischen und kulturellen Kontext verstanden werden (Loseke 2003: 168). Sein Analysefokus sind die weiter oben bereits aufgeschlüsselten Definitionsleistungen, Akteure und Problematisierungsprozesse. Als Kontext kommen auch die problematisierten Phänomene selbst in Betracht, aber ihr Einfluss auf die Problemkonstituierung wird als vergleichsweise gering veranschlagt. Als kontextuell konstruktionistische Arbeit kann die vorliegende Arbeit beispielsweise durchaus darauf hinweisen, dass die Problematisierung von ethnischer Segregation vernachlässigt, dass für viele Minderheitengruppen und Städte die Segregation sogar rückläufig ist. Der kontextuelle Konstruktionismus geht nicht davon aus, dass der konstruierte Charakter objektivistischer Annahmen und Behauptungen ihrer Evaluierung entgegen stehe (Schmidt 2000: 165). Problematisch bleibt allerdings der Zusammenhang von "objektiven Bedingungen" und "gemachter" Wirklichkeit: Schon der aus der Labeling-Tradition stammende Howard S. Becker versuchte die Rolle objektiver Bedingungen zu erfassen: "Social problems are what people think they are. Hut where does that leave the role of objective conditions? (...) The question has two parts: Can people define any condition that exists as a social problem? Can people define a condition that does not exist - an illusion - as a social problem?" (zit. in SpectorlKitsuse 2006: 52)
Ein Beispiel für heute nicht mehr nachvollziehbare Problemkonstruktionen wären etwa die gesellschaftliche Furcht vor Hexen im Mittelalter oder die in der Internierung vieler japanischstämmiger Amerikaner gipfelnde Angst vor Angehörigen der Gegner-Nationen im Zweiten Weltkrieg in den USA. Von strikt arbeitenden Konstruktionisten wird jedoch am kontextuellen Konstruktivismus kritisiert, dass die Konstruktionspraktiken aus dem Blick gerieten, wenn das Augenmerk auf die Gegenüberstellung und Überprüfung von Definitionsleistungen gerichtet ist. SpectorlKitsuse sehen in der Berücksichtigung objektiver Bedingungen für die Definition eines sozialen Problems die Gefahr, dass die Problemdefinition zu einer einfachen mechanischen Reaktion auf externe Ereignisse verkommt und verzichten daher gänzlich auf eine Berücksichtigung der problematisierten Phänomene selbst. Die vorliegende Arbeit indes begreift die selektive Berücksichtigung objektiver Bedingungen als theoretisches Problem und praktische Lösung zugleich (vgl. Schmidt 2000: 167). Sie konfrontiert die den wohnungspolitischen Durchmischungsversuchen zugrunde liegenden Annahmen mit entsprechenden Forschungsergebnissen, wie es der kontextuelle Konstruktionismus für zentral hält: "When participants make claims that contradict or are inconsistent with the nature ofthe social conditions as documented by social science research (...), such claims should be called into question if not explicitly discredited" (Kitsuse/Schneider 61
1989: xi). Problematisch hieran ist jedoch, dass es schwierig ist, den kontextuellen Konstruktivismus theoretisch zu rechtfertigen: ,,[I]fwe allow analysts to compare claims and assess their truth value, what guide1ines can be used 10 judge truthfulness" (Loseke 2003: 199)? Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie in der vorliegenden Arbeit, wissenschaftliche oder offizielle statistische Quellen gleichermaßen als Konstruktionen begriffen werden. In einem interpretativen Verständnis, das Wissen als durch Kommunikation konstituierte und konfirmierte Praxis begreift, unterscheidet sich wissenschaftliches Wissen lediglich durch den Ort seiner Produktion sowie die spezifischen Regeln seiner Systematisierung und Konfirmierung in den "anarchischen Entscheidungsprozesse[n] seiner wissenschaftlichen Fachgemeinschaften" (Willke 2002: 14; ähnlich Rüb 2006: 346). Die Konstruiertheit wissenschaftlicher Ergebnisse lässt sich besonders gut am Beispiel der Messung von Segregation illustrieren: Hierfür dient, wie oben bereits dargestellt, der Segregationsindex, der das Ausmaß für die disproportionalen Verteilungen von einer Teilgruppe über alle Teilgebiete eines Gesamtgebietes bezeichnet. Selbst objektivistische Arbeiten müssen eingestehen, dass der Segregationsindex nicht eine vorhandene Wirklichkeit abbildet, sondern unterschiedliche Konstruktionen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, etwa wenn in verschiedenen Ländern unterschiedliche Minderheitendefinitionen zugrunde gelegt werden oder sich die Größen der zugrunde liegenden Subeinheiten und damit auch die Werte des Segregationsindexes unterscheiden (Domburg-De Rooij/Musterd 2002: 114). Auch ein quantitativer Wert wie der Segregationsindex bedarf einer wissenschaftlichen Interpretation. Die Feststellung, der Segregationsindex sinke in den meisten Städten, transportiert ein anderes Bild als die Erläuterung, er tue dies, weil durch steigende Migrantenzahlen auch die Zahl der Stadtteile mit hohem Ausländeranteil wächst (Die Beauftragte 2005: 121).
3.4 Kritik am Konstruktionismus Das Verdienst konstruktionistischer Arbeiten, die epistemologischen Grundlagen der eigenen Forschung kenntlich zu machen, hat den Ansatz neben der endogenen Kritik von WoolgarlPawluch (1985) zugleich aus verschiedenen exogenen Richtungen angreifbar gemacht. Im Folgenden sollen die zentralen Diskussionsfelder die Auseinandersetzung mit dem immanenten Relativismus, die strukturalistische Kritik sowie die Frage nach dem Spielraum konstruktionistischer Gesellschaftskritik - beleuchtet werden.
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3.4.1 Der Relativismus-Vorwurf
Eine zentrale Kritik am Konstruktionismus richtet sich auf dessen Verzicht auf eine Vorstellung von "objektiver" Wahrheit oder Tatsachen. 24 Wie bereits eingangs ~gestellt, trifft der Vorwurf des Relativismus jedoch auf die meisten konstruktionistischen Arbeiten zu sozialen Problemen nicht zu, da Realität in ihrem Verständnis zwar erst durch soziale Aktivität entsteht und durch Sprache vermittelt wird, aber nicht willkürlich ist. Soziale Fakten hängen nicht nur von individuellen Entscheidungen ab, sondern existieren innerhalb eines Kontextes sozialer Institutionen, Konventionen und Reaktionen. ..To tell the truth, on this account, is not to furnish an accurate picture ofwhat actually happened but to participate in a set of social conventions (...). To be objective is to play by the mIes within a given tradition of social practices (...). To do science is not to hold a mirror to nature but to participate actively in the interpretive conventions and practices of a particular culture" (Ratner 2006: Absatz 2).
Während Realisten also glauben, es gebe eine Realität, die Menschen erfassen können, gehen Konstruktionisten davon aus, sie könnten nur die von Menschen gemachte Wirklichkeit beschreiben (van OorschootJAllolio-Näcke 2006: Absatz 4). Paul Watzlawick (1986: 117) hat den Konstruktivismus denn auch als die "Untersuchung der Art und Weise, wie wir Menschen unsere eigenen Wirklichkeiten erschaffen" bezeichnet. Ein sozialkonstruktivistisches Weltbild impliziert demnach nicht per se, dass eine objektive Welt nicht existiere. Vielmehr steht die Grunderkenntnis im Mittelpunkt, dass wir die Wirklichkeit subjektiv erfinden und nicht die Realität objektiv entdecken (van OorschootJAllolio-Näcke 2006: Absatz 10). Ratners Vorwurf an konstruktionistische Autoren, niemand praktiziere den sozialen Konstruktionismus konsistent, da selbst seine Anhänger ihr Leben aufBasis der Beweise zu realen Dingen wie etwa Krankheit, Holocaust etc. führen (2006: Absatz 25t), greift insofern nicht, als es zumindest den Autoren einer konstruktionistischen Soziologie sozialer Probleme nicht ~ geht, Aussagen über den ontologischen Status von Bedingungen zu machen: "They did not intend to imply (...) that the conditions about which members are concerned do not exist or are not real" (Kitsuse/Schneider 1989: xii). 24 Problematisch daran ist, dass der Konstruktionismus den gleichen Skeptizismus auf seine eigenen Annahmen beziehen muss (Cisneros-Puebla 2007: Absatz 16)...[P]eople doing social constructionist examinations often are guilty of portraying their texts as truthful and scientific, while these texts written by social constructionists are no more truthful or scientific than the claims analyzed within them" (Loseke 2003: 196).
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3.4.2 Stnikturalistische undpostmoderne Kritik Eine weitere Dimension der Kritik ergibt sich aus der konstruktionistischen Betonung von Handlungen gegenüber Strukturen (JacobslManzi 2000: 37). Damit ergeben sich, auf der einen Seite, Konfliktpunkte zu postmodernen Autoren, die mit den Konstruktionisten zwar den Fokus auf Narrative teilen, aber die Möglichkeit leugnen, systematische makrosoziologische Erklärungen entwickeln zu können. Ihnen geht die Betonung von Handlungen nicht weit genug, denn als Dekonstruktivisten stimmen postmoderne Autoren zwar mit den Konstruktionisten darin überein, dass soziale Probleme sozial konstruiert sind, aber sie halten Prozesse der Konstruktion fiir chaotischer, lokaler und fragmentierter. Ihre Ablehnung richtet sich gegen jeglichen makrosoziologischen Fokus und Verallgemeinerungen, wobei sie den Konstruktionisten Versagen darin unterstellen, die Komplexität und Mikroebene des Konstruktionsprozesses zu erfassen (Kemeny 2004: 58±). Auf der anderen Seite kritisieren strukturalistische - insbesondere marxistische, aber auch feministische - Autoren, dass mit der Betonung der Handlung durch den Konstruktionismus Zwänge und Beschränkungen übersehen würden. Zudem gehen diese Autoren davon aus, dass es objektive Probleme gebe - nämlich auch solche, auf die nicht reagiert werde. Ganz im Gegensatz zur postmodernen Kritik halten Marxisten und Feministen dem Konstruktionismus damit vor, zu fragmentierend zu sein und soziale Probleme in partielle und episodische Ereignisse ohne Bezug zueinander herunter zu brechen. Ihr Argument lautet vereinfacht, Kapitalismus und Patriarchat funktionierten durch Hegemonie, indem sie durch die Unterstützung eines falschen Bewusstseins bestimmten, was als wichtiges soziales Problem akzeptiert werde. Die Fragmentierung, die von den postmodernen Kritikern der konstruktionistischen Problemsoziologie als essentiell fiir das Verständnis begriffen wird, wird von Marxisten und Feministen als Wirkung der Hegemonie betrachtet, die Aufmerksamkeit von der Unterdrückung durch Kapitalismus oder Patriarchat auf triviale soziale Probleme zu lenken (Kemeny 2004: 59). Die Autoren Jacobs und Manzi (2000), die zu den zentralen konstruktionistischen Autoren der englischsprachigen Wohnforschung zählen, verweisen dagegen auf Giddens' (1986) Überlegungen zur Structuration, wonach individuelle Handlungen einerseits durch weitere soziale Prozesse eingeschränkt sind, aber zugleich diese Strukturen generieren. Für die Fragestellungen der konstruktionistischen Problemsoziologie ist es insofern gleichgültig, wodurch nicht wünschenswerte Phänomene entstanden sind - ob etwa durch das postfordistische Akkumulationsregime oder den gesellschaftlichen Umgang mit Gender - denn es geht ihr darum, die abstrakten Gemeinsamkeiten quasi aller sozialen Probleme schlechthin zu beschreiben, nämlich die Prozesse der Problematisierung. 64
3.4.3 Kann der Konstruktionismus kritisch sein? Mit der marxistischen und feministischen Kritik ist schließlich auch die Frage verbunden, ob konstruktionistische Arbeiten prinzipiell Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Ordnungen üben können. Die Frage mag insofern überraschen, als konstruktionistische Autoren gerade hierin einen Vorteil ihres Ansatzes sehen: "The value ofthe analytical method associated with social constructionism comes from showing how concepts and practices are constructed, to make policy 'truths' appear less self-evident and to open up the possibility that such practices could be constructed differently with different effects" (Marston 2004: 89). Auch Travers (2004: 28) führt den Siegeszug von BergerlLuckmanns Werk darauf zurück, dass es den Eindruck erwecke, es sei möglich, etablierte Institutionen trotz ihres massiven Einflusses über das Individuum verändern zu können. "They note that 'because they are historical products of human activity, all socially constructed universes change, and the change is brought about by the concrete actions ofhuman beings'" (ebd.). Kritiker wenden jedoch ein, dass beispielsweise nur weil Obdachlosigkeit ein konstruiertes Problem sei, es dadurch nicht verschwinde oder sich die Lebensbedingungen des Betroffenen änderten (King 2004: 39). Insbesondere dem strikten konstruktionistischen Programm, das sich nur auf der sprachlichen Ebene bewegt, wird die rhetorische Frage entgegen gehalten, warum man sich um soziale Ungerechtigkeit kümmern solle, wenn menschliche Interessen nicht mehr seien als eine Bewegung im Diskurs (Somerville/Bengtsson 2002: 122). Andere Autoren kritisieren zudem, konstruktionistische Ideen würden zwar genutzt, um positivistische Kategorien in Frage zu stellen, könnten aus sich heraus jedoch keine alternativen, emanzipierenden Konzepte entwickeln (Willig 1999: 38). Manche Autoren wie Ratner (2006: Absatz 4) gehen in ihrer Ablehnung des Konstruktionismus noch weiter und werfen ihm vor, dass das Ausklammern von Wahrheitsansprüchen Dogmatismus als kollektives Glaubenssystem begünstige, da es sich Veränderungen auf der Grundlage von Beweisen widersetze. Konstruktionisten glaubten, durch die Entfernung von Wahrheitsansprüchen Menschen offener für Alternativen zu machen, stärkten sie aber, da eine Falsifizierung unmöglich werde. Wenn nämlich alle Darstellungen der Welt gleichsam zutreffend seien, gingen vertretbare Gründe für moralische Entscheidungen und politische Gefolgschaft verloren (Burr 2003: 23). "Given that an explicit aim of the social constructionist is to deconstruct the discourses which uphold iniquitous power relations and to demonstrate the way in which they obscure these, it is difficult to see how it is possible to do this without falling back upon some notion of reality or truth that the discourses are supposed to obscure" (a.a.O.: 84).
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Die vorliegende Arbeit bezieht den Standpunkt, dass der Konstruktionismus insofern die Möglichkeit der Kritik in sich birgt, als er aus der Welt, in der Behauptungen aufgestellt werden, herauszutreten vermag und fragt, wer Gewinner und Verlierer der Problemkonstruktionen sind (Cisneros-Puebla 2007: Absatz 41). Zudem beleuchtet diese Forschungsarbeit verschiedene Ursachenerklärungen für ethnische Segregation und begegnet damit der Anfechtung, dass nur erfolgreich vorgetragene claims Beachtung fänden und diejenigen, die weniger definitionsmächtig sind, unbeachtet blieben (Kujarova 2006: 3). Daher werden in der vorliegenden Arbeit nicht nur die dominanten, policy-bestimmenden Konstruktionen behandelt, sondern auch (wissenschaftliche) Gegen-Konstruktionen. Was die Beanstandung eines Verzichts auf "objektive" Wahrheiten angeht, so geht es der Autorin der vorliegenden Arbeit nicht darwn, die Existenz von ethnischer Segregation oder der vergleichsweise schlechteren sozioökonomischen Lage von Migranten anzuzweifeln. Da sich aber ihre Forschungsfragen nicht auf Ursachen, Umfang und Folgen der räumlichen Verteilung der Migrantenhaushalte im Stadtbild, sondern auf den politischen Umgang mit diesen Themen beziehen, nutzt sie den sozialen Konstruktionismus als sensibilisierendes Präkonzept.
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4. Interpretative Weiterentwicklung der PolicyForschung
Die Einordnung eines Phänomens als soziales Problem impliziert nicht nur, dass etwas falsch und verbreitet ist, sondern auch, dass auf politischer Ebene etwas dagegen getan werden kann (Loseke 2003: 18). Die Erkenntnis der Konstruiertheit von sozialen Problemen muss indes mit einem entsprechenden Bruch mit der Vorstellung einhergehen, soziale Probleme wären Bestandteil einer gegebenen Wirklichkeit, auf die Policies lediglich reagierten (Schram 1993: 252). Die bedeutet auch das Ende der Rolle der "klassischen" Policy-Analyse als traditionelle ,,Problemlösungswissenschaft". Die Arbeiten von Blumer und Berger/Luckmann mit ihrem prägenden Einfluss auf das Grundverständnis interpretativer Ansätze sind jedoch nicht kategorienreich genug, "um fruchtbare politologische Arbeiten anzuleiten" (Nullmeier 1997: 130). Sie analysieren vielmehr trotz der Betonung der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit in erster Linie den Wissenshorizont aus der Perspektive eines einzelnen Gesellschaftsmitglieds (Keller 1999: o.S.). Die sozialkonstruktivistischen Ansätze zur Soziologie sozialer Probleme hingegen, die im vorangegangenen Kapitel diskutiert wurden, sind zu einem überraschend geringen Maße von der Policy-Forschung aufgegriffen worden (Ausnahme Fischer 2003). Die Definition eines Sachverhaltes als Problem bleibt in den meisten Fällen in einer black box vor dem Agendasetting-Prozess (Stone 1989: 281). In der Policy-Forschung erfolgte eine Öffnung zur "Konstruktion von Wirklichkeit" stattdessen über ideenbezogene, interpretative Ansätze. Im Folgenden werden daher zunächst die Entstehung und Grundlagen der Policy-Forschung dargestellt, um deren Prämissen mit konstruktionistisch inspirierten Ansätzen der "wissensorientierten" Policy-Forschung zu kontrastieren, die sich seit den 1990er Jahren entwickelt haben und die in der vorliegenden Arbeit als Analyserahmen25 genutzt werden.
25 In Anlehnung an Schneider und Janning (2006: 77) wird im Hinblick auf den in dieser Arbeit gewählten sozialkonstruktivistischen Zugang eher von Analyserahmen gesprochen als von einer Theorie, da es sich nicht um ein hypothetisch-deduktives System handelt, das aus Definitionen und aus ihnen abgeleiteten Hypothesen und Gesetzesaussagen besteht.
S. Münch,Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_4, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
4.1 Entstehung, Kritik und Weiterentwicklung der Policy-Forschung
Der BegriffPolicy benennt die politischen Inhalte, die in Gesetzen, Verordnungen, Programmen und Einzelentscheidungen zum Ausdruck kommen (Schubertl Bandelow 2003: 4f.). Im engeren Sinne bezeichnet er das Handeln von Regierungen und inter- und supranationalen Organisationen mit Anspruch auf gesamtgesellschaftlich verbindliche Regelung. Im weiteren Sinne werden so aber auch die politischen Entscheidungen anderer Akteure benannt (Schmidt 2006: 261). In der deutschen Politikwissenschaft der Nachkriegsjahre war von den zentralen Policies lediglich die Außenpolitik routinemäßiger Bestandteil in Lehre und Forschung gewesen (Greven 2007: 330). Mit der Policy- oder Politikfeld-Forschung entstand dagegen eine relativ neue, interdisziplinäre Forschungsrichtung, bei der es sachlich in erster Linie um die Wirkungsweise und Wirksamkeit politischer Programme und Maßnahmen ging. Die Geburtsstunde der Policy-Forschung in den USA wird gemeinhin am Erscheinen des Buches The Policy Sciences im Jahr 1951 festgemacht (Windhoff-Heritier 1987: 10). Seine Herausgeber, Daniel Lerner und Harold Lasswell, konzipierten die Policy-Forschung als eine Problemlösungsdisziplin, die multimethodisch die Rationalisierung politischer Entscheidungsprozesse fördern und die Lebenssituation der Menschen verbessern sollte (Healy 1986: 383; deLeonIVogenbeck 2007: 4). Parallel zur Entwicklung der Policy Science in den USA vollzog sich in der Bundesrepublik die Aufnahme ihrer grundlegenden Fragestellungen als Teildisziplin in die Politikwissenschaft. Der Mainstream der Policy-Forschung beanspruchte in seinen Anfangsjahren kognitive Überlegenheit über die politische Praxis auf Basis wissenschaftlicher Logik und Konsistenz (Hoppe 1999: 12). Das Übertragen naturwissenschaftlicher Vorgehensweisen ging mit dem Glauben an Socia/ Engineering und an instrumentalistische Rationalität einher, die als beste Möglichkeit angesehen wurden, PolicyZiele zu erreichen (Healy 1986: 383). Für diese steuerungstheoretisch-instrumentelle Haltung wurde die Policy-Forschung gerade auch in der deutschen Politikwissenschaft für ihren Mangel an politischem Realismus heftig kritisiert. 26 Für die Politikwissenschaft zentrale Fragen wie die nach Macht und Legitimität, so der allgemeine Vorwurf, gerieten durch die vermeintliche Neutralität "objektiver" und praxisorientierter Policy-Forschung in den Hintergrund, politische Voreingenom-
26 Widergespiegelt etwa im von Hans-Hennann Hartwich (1985) herausgegebenen Band PolicyForschung in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Selbstverständnis und ihr Verhältnis zu den Grundfragen der Politikwissenschaf1:.
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menheit werde als technische Notwendigkeit verschleiert,27 sodass die PolicyForschung Erinnerungen an die vordemokratische Polizey-Wissenschaft des 18. Jahrhunderts wecke (Heritier 1993: 14; Greven 2007: 334). Weitere Kritikpunkte an der ursprünglichen Policy-Forschung richteten sich auf ihre steuerungstheoretischen Erklärungsmängel und methodologischen Grundlagen (Heritier 1993: 9; 19). Die ursprünglich vor allem quantitative US-amerikanische Policy-Forschung scheiterte zudem in den Augen ihrer Kritiker an den eigenen Maßstäben: Zum einen sind, anders als in den Naturwissenschaften, generelle Gesetzmäßigkeiten der Gesellschaft oder solche, auf denen politische Interventionen basieren könnten, nur schwer zu finden. Zum anderen sind politische Zielsetzungen selten ein transparentes, klar umrissenes, unkontroverses Set, das als abhängige Variable für die kausale Analyse dienen kann (Dryzek 1993: 218). Bei der Politikberatung erfolgten mit Postpositivismus und partizipatorischer Policy-Analyse eine methodologisehe und demokratietheoretische Neubesinnung als Reaktion auf den Vorwurf, ein Herrschaftsinstrument zu sein. Damit einher geht die Integration von Ideen und handlungsleitenden Orientierungen (Heritier 1993: 9; 16), wie sie auch in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehen. Die Weiterentwicklung der Policy-Forschung seit den 1990er Jahren ist letztlich aber nicht nur auf diese disziplinsinterne Kritik zurück zu führen. "Not only is neopositivist policy science seen to have failed in its effort to develop a usable body ofpredictive generalizations, it has been unable to supply effective solutions to social problems" (Fischer 1998: 1). Während für die politikwissenschaftliche Teildisziplin "Internationale Beziehungen" das Ende des Ost-West-Konfliktes insofern ein frustrierendes Schlüsselerlebnis darstellte, als es erhebliche Zweifel an der Prognosefähigkeit des Faches weckte, gab es insbesondere in den USA eine Liste von Fehlschlägen für die technokratische bzw. dezisionistische Policy-Forschung, etwa den war on poverty und die Energiekrise der 1970er Jahre. "In each case, technically sophisticated policy analysis was directly complicit in policy disaster" (Dryzek 1993: 215). Der Optimismus früher Policy-Forschung gründete sich aufdie Vorstellung, der Forscher könne nach rationalistischem Wissenschaftsverständnis Lösungen für Probleme einzelner Politikfelder bereitstellen und damit Politik "besser", weil rationaler machen. Während dieses Denkmuster (speaking truth to power) in den USA als Mythos begraben (Gadinger 2003: 12) und somit der Weg für post-positivistische Ansätze freigemacht wurde, zog die deutsche Forschung eine andere Konsequenz aus dem reformpolitischen Versagen. Hier 27 Für eine ausführliche Darstellung der deutschen und amerikanischen Kritik an der Policy-Forschung siehe Rentier 1993.
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entwickelte sich aus dem antizipierten oder beobachteten Misserfolg von Programmen - wie der Armutsbekämpfung oder den reformpolitischen Bemühungen der sozialliberalen Koalition 1969 - ein Interesse an der in einer analytischen Tradition stehenden Implementationsforschung (Mayntz 1980; 1983).28
4.2 Die Entdeckung von Ideen29 in der Policy-Forschung In der Policy-Forschung greift seit den 1990er Jahren die Erkenntnis um sich, dass die Wahrnehmung von Problemen und die Unterbreitung von Lösungsvorschlägen nicht als ein einfacher objektiver Mechanismus ablaufen. Gründe liegen in der Komplexität sowie in der Unschärfe und Subjektivität der Wahrnehmungen und Interpretationen sowie in der Veränderung der Politikinhalte durch ihre fortwährende Diskussion. Die Notwendigkeit einer Neufassung des Gegenstands der PolicyAnalyse folgte somit auch aus einem gewandelten Verständnis von politischen Entscheidungen. Frühe, steuerungstheoretische Annahmen waren noch davon ausgegangen, dass prägnante Ziele existierten, angemessene Kausaltheorien über Ursache-Wirkungszusammenhänge vorlägen sowie ausreichende rechtliche Ressourcen und Durchführungsstrukturen und dass die Unterstützung durch Interessengruppen gesichert sei (Reritier 1993: 11). Die meisten heutigen Policy-Probleme sind jedoch komplexer in dem Sinne, dass sie nicht nur in der angemessenen Lösung umstritten sind, sondern auch in ihrer Formulierung (Healy 1986: 383). Deborah Stone (2002: 11) konstatiert: Das ursprüngliche Modell ,,(...) cannot explain why sometimes policy solutions go looking for problems (...). The production model fails 10 capture what I see as the essence of policy making in political communities: the struggle over ideas." Es handelt sich beim Policy-Prozess nach neuer Auffassung nicht mehr um rationale Verläufe, in denen Wissens generiert, in
28 Solange fraglich gewesen sei, ob Regierungen "willens und flIhig sind, Programme mit refonnpolitischen Zielsetzungen zu entwickeln und konkret zu verfolgen", hätten, laut Mayntz (1980: 1-2), Spielräume bei der Wahl von Inhalten im Mittelpunkt des Forschungsinteresses gestanden. Nun wurde dagegen das Interesse darauf gerichtet, ob die wünschenswerten Intentionen auch praktisch realisiert würden, da die Programme eine positive Identifikation mit der Verwirklichung ihrer Ziele ermöglichten und ein konfonner Vollzug von den Forschern gewünscht wurde. Dieser Zugang wurde bereits 1980 von Mayntz (1980: 3) problematisiert. 29 Hinter dem Begriff "Idee" verbergen sich laut Fischer (2003: 24) verschiedene kognitive Prozesse: "Ideas can be statements of value or worth; they can specify causal relationships; they can be solutions to public problems; they can be symbols and images, which express public and private identities; and ideas can be world views and ideologies. Theorists not only differ in the extent to which they think ideas infiuence or constitute actions, they refer to different things when they ta1k about it."
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Policy-Wissen transformiert und in problemadäquate Entscheidungen überführt werden können. Stattdessen wird der Einfluss der sprachlichen Vermittlung, der milieu-, kultur- und rollenspezifischen Deutung und Verarbeitung von Informationen und der Glaubwürdigkeit und des rhetorischen Geschicks von Sprechern auf den Policy-Prozess betont (Blatter/JanninglWagernann 2006: 24). Die neueren, sozialkonstruktivistisch geprägten Ansätze werden in der deutschen Policy-Forschung gemeinhin als qualitativ-kognitiv, wissensorientiert oder interpretativ bezeichnet, vertreten jedoch unterschiedliche Vorstellungen vom Einsatz wissenschaftlicher Verfahren zur Unterstützung der interpretativen Rekonstruktionsarbeit (vgl. Schneider/Janning 2006: 169). Generell ist mit diesen Ansätzen eine Weiterentwicklung qualitativer Forschung verbunden, die sich auf die wirklichkeitskonstituierende Dimension von Ideen, Wissen, Deutungsmustern,Jrames, Interpretationen, Argumenten oder Diskursen konzentriert. Im Vordergrund stehen das Lernen einzelner oder kollektiver Akteure, der Einfluss von Überzeugungen und Ideen, die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Deutungen oder Diskurskoalitionen sowie die Entstehung und Weitergabe von Wissen. Die Arbeiten untersuchen soziale Sinnformationen, welche neben dem Kalkül rationaler Interessen und den Institutionenstrukturen eine eigene Dimension bilden und dabei je nach Konzeption eine eigene Logik und Wirksamkeit entwickeln (Schmid/Straßheim 2003: o.S.). In traditionellen Untersuchungen werden die Handlungen der politischen Akteure häufig im Sinne von Macht und Interesse diskutiert. Das Argument der ideenbezogenen Ansätze lautet nun nicht, dass es kein strategisches Handeln gebe, sondern dass die Meinungsunterschiede den Streit zu mehr machen als einem einfachen Interessenkonflikt (Hajer 2004: 272). Während Nils Bandelow (2003: 98) die Annahme einer kognitiven Wende in der Policy-Forschung für übertrieben hält und die begriffliche Vielfalt in der Tat Zweifel an einer gemeinsamen Bewegung und gemeinsamen Motivation aufkommen lässt, wird der Eindruck eines Richtungswechsels dennoch durch analoge Entwicklungen in den beiden Teildisziplinen Internationale Beziehungen und PolicyForschung untermauert (Maier et al. 2003: 7). Schmid/Straßheim (2003: o.S.) versuchen mit einer Dreiteilung Licht in die unübersichtliche Forschungslandschaft zu bringen, die zugleich verdeutlicht, dass nicht alle ideenbezogenen Arbeiten sozialkonstruktivistisch motiviert sein müssen: • An erster Stelle stehen eher deduktive, nicht konstruktivistische Arbeiten mit einem besonderen Interesse am Verhältnis von Interessen, Institutionen und Ideen, • zweitens nennen sie Theorien und Modelle des Policy-Lernens sowie • drittens jene verschiedenen Ansätze, die sich der wissenspolitologischen und interpretativen Richtung zuordnen lassen. 71
Insbesondere der erste und der dritte Ansatz unterscheiden sich darin, ob Ideen als Explanans oder als Explanandum fungieren. In der ersten Gruppe von Arbeiten werden Ideen als eine zusätzliche Kategorie von unabhängigen, Politik-Ergebnisse erklärenden Variablen betrachtet. Demnach gibt es unter bestimmten Bedingungen einen Zusammenhang zwischen Ideen als Ursache und Policies als Wirkung. Relevante Hypothesen beziehen sich auf die Filter-Funktion von Institutionen, den ideenfreundlichen Effekt von Unsicherheit sowie aufden unterstellten Unterschied im Einfluss von Ideen zwischen verschiedenen Phasen des Policy-Zyklus. Die Natur dieses Bedingungsverhältnisses ist jedoch ebenso ungeklärt wie die zum Nachweis seiner Wirksamkeit geeigneten Verfahren (Maier 2001: 54lf.). Benz (1997: 21) weist daraufhin, dass Interpretationen als Theoriebausteine das Risiko bergen, dass diese weiche Kategorie erklären soll, was messbare Faktoren nicht erklären können. Die Frage, wann Ideen einen Einfluss auf Policies haben sowie die mit dieser Fragestellung einhergehende Falsifizierungsstrategie setzen nämlich voraus, dass Ideen als erklärende Variable von anderen Einflussfaktoren unterschieden werden können. Die von Maier (2001: 543) rezensierten Arbeiten schlossen dabei von der Untersuchung einzelner Fälle auf die Gesamtheit, ohne die Voraussetzungfür eine Generalisierung zu prüfen. Doch auch in den Untersuchungen, in denen lediglich gefragt wurde, ob Ideen einen Einfluss hätten, zeigten sich methodische Schwächen, etwa wenn der Ideenbegriff verkürzt und beispielsweise nur auf bestimmte Gruppen gewendet wurde, wie etwa auf Wissenschaftler im Gegensatz zu Politikern, oder wenn nur neue, im Gegensatz zu alten, bereits institutionalisierten Ideen Betrachtung fanden. Die zweite Gruppe, die Lerntheorien, beschäftigt sich mit Fragen nach den Ursachen, Bedingungen und Effekten eines Wandels politischer Kognition von und zwischen Individuen, Organisationen oder Gruppierungen (Schmid/Straßheim 2003), wobei die Lemmetaphorik mit einem deutlich rationalistischen und affirmativen Hang eine positive Veränderung in Richtung Problemlösung impliziert (Maier et aL 2003: 14). Die in dieser Gruppe einflussreichsten Arbeiten sind mit demAdvocacy-Coalition-Ansatz nach Sabatier und Jenkins-Smith verbunden, der als Alternative zum Policy-Cycle entwickelt wurde. ,,Basic to their critique is an explicit call for empirical causal explanations ofpolicy change, capable ofbuilding the foundations of a predictive policy science" (Fischer 2003: 94). In der vorliegenden Arbeit wird nicht nur wegen ihres sozialkonstruktivistischen Zugangs nicht auf diesen Ansatz zurückgegriffen. Anders als Lepperhoff (2006: 258), die die Advocacy-Coalitions als interpretativen lemtheoretischen Ansatz bezeichnet, wird hier mit Nullmeier (1997: 111) davon ausgegangen, dass Sabatier durch sein Festhalten an einem zweistufigen Erklärungsmodell mit der Annahme exogener Variablen eher aus dem Umfeld interpretativer Arbeiten herausfällt. Fischer (2003: 94) spricht sogar von
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einem ,,rigorous call for the rejuvenation ofthe empiricist research agenda in policy studies." Vor allem soll der Ansatz an dieser Stelle aber deshalb nicht genutzt werden, weil die deutsche Situation durch eine hohe Statik und kaum durch einschneidenden Wandel gekennzeichnet zu sein scheint. Die vorliegende Arbeit ist dem dritten, sozialkonstruktivistisch geprägten Ansatz zuzuordnen. Es scheint allerdings keine Einigung darüber zu bestehen, wie diese Umorientierung aufIdeen generell und im Speziellen die in der Typologie an dritter Stelle genannte Richtung am besten zu bezeichnen sei, ob nämlich als kognitiv wie Nullmeier es nennt, als konstruktivistisch, als argumentative turn, als ideational turn oder als Wiederkehr von Bekanntem im neuen Gewand (Maier et aL 2003: 7). In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung "interpretativ" als Oberbegriff genutzt, während der argumentative turn als eine Ausprägung dieses Paradigmas verstanden wird. 30 Die Ansätze distanzieren sich von Rational-ChoiceTheorien ebenso wie von der dominierenden institutionalistischen Policy-Analyse. Der Kemgedanke besteht ftir Nullmeier (2001: 288) darin, die Wahrnehmung der Akteure und ihre Kausalannahmen bei der Konstruktion und politischen Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme zu erfassen. Die Schlüsselvokabeln seien Bedeutung, Interpretation und die politisch-diskursive Konstitution von Wirklichkeiten. Politikverläufe lassen sich in diesem Verständnis nur als Interpretationsprozesse und -kämpfe verstehen. Im Folgenden sollen mit den Autoren des interpretive turn im allgemeinen sowie des argumentative turn und der Wissenspolitologie im Speziellen die wichtigsten Zugänge zu den ideenbezogenen Ansätzen in der Policy-Forschung vorgestellt und ihre Anknüpfungspunkte ftir die vorliegende Arbeit diskutiert werden. Ergänzt werden diese Zugänge durch die Arbeiten von SchneiderIIngram, die mit ihren Publikationen zur Konstruktion von Zielgruppen einen weiteren wichtigen Baustein geliefert haben. Die Warnung, die Fischer (2003: viii) seiner Monographie Reframing Public Policy im Hinblick auf die post-positivistische PolicyForschung vorausschickt, gilt indes auch ftir die vorliegende Arbeit: "In the pages that follow the reader should not expect to find a comprehensive theory." Die Ansätze, die hier als interpretative Arbeiten zusammengefasst werden, können nur wenig "methodologische Ordnung" bieten. Doch in all ihnen stecken wichtige Bausteine im Hinblick darauf, wie die jeweiligen nationalen Deutungsmuster zur ethnischen Segregation zu interpretieren sind.
30 Dies scheint sich auch mit der Selbsteinschätzung der Autoren zu decken, deren vierte internationale Konferenz der Interpretive Policy Analysis (IPA) im Sommer 2009 in Kassel stattfand. Hier zeigte sich jedoch auch die große Bandbreite der unter diesem Dach vereinten Ansätze, unter denen poststrukturalistische Arbeiten zurzeit dominant zu sein scheinen.
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4.3 Die interpretative Wende in der Policy-Forschung
Hinter der kollektiven Identität "interpretativer" Arbeiten verbirgt sich eine Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche nach-Webersehe verstehende Arbeiten. Die drei Grundprinzipien von Blumer31 werden im Konstrukt des interpretativen Programmes mit dem Sozialkonstruktivismus Berger/Luckmanns verschmolzen (Nullmeier 1997: 105). In der Soziologie baut dieser Zugang auf der Annahme auf, soziale Realität sei nur als Wirklichkeitskonstruktion zugänglich und das, was als Realität gelte, sei sozial ausgehandelt und entstünde erst in komplexen Interaktionen als Resultat von Interpretationskämpfen. "Jede noch so verfestigte institutionelle Wirklichkeit, jede stabile Struktur, erscheint in der interpretativen Sicht als Ausdruck eines fortwährend stattfindenden Prozesses der Reproduktion von Wirklichkeitskonstruktionen in alltäglichen Interaktionen" (a.a.O.: 106). Der interpretative Approach ist im Gegensatz zur Soziologie in der deutschen Politikwissenschaft kaum etabliert (a.a.O.: 101).32 Im Mainstream positivistischer Policy-Forschung wird die interpretative Seite von Policy-Problemen ausgeblendet. Die übliche Unterscheidung zwischen sozialen Problemen auf der einen und politischen Handlungen auf der anderen Seite impliziert, dass soziale Phänomene eine "neutrale Form" unabhängig von politischer Meinung und Deliberation besäßen. Politikformulierung wird in diesem konventionellen Verständnis als Problemlösungsprozess gefasst, der Machtkämpfen und Interessenskonflikten unterliegt (Hofmann 1995: 127). Der Einfluss von Ideen auf Policy-Entscheidungen wird dabei, ganz im Gegensatz zum interpretativen Ansatz, ausgeblendet. Die verstehende oder interpretative Policy-Analyse spiegelt hingegen die theoretischen Entwicklungen in den post-positivistischen Ansätzen interpretativer (phänomenologischer oder hermeneutischer) Sozialforschung wider. Sie nimmt sich mit den Kategorien "Wissen", "Bedeutung" und "Deutungsmustern" der Ziele und 31 Diese besagen, dass Menschen Dingen gegenüber aufgrund der Bedeutung handeln, die diese Dinge fiir sie besitzen. Die Bedeutung der Dinge ist aus der sozialen Interaktion abgeleitet und diese Bedeutungen werden in einem interpretativen Prozess gehandhabt und geändert (Treibel 1997: 114). 32 Diese Feststellung Nu1lmeiers aus dem Jahr 1997 wird zusätzlich dadurch untermauert, dass seine von ihm selbst als unvollständig bezeichnete Listung von Vertretern dieser Richtung weder Dvora Yanows Arbeiten seit den frühen 1990ern noch das Standardwerk von Deborah Stone (1989) erwähnt, die von der Autorin der vorliegenden Arbeit als einschlägig fiir die interpretative Politikwissenschaft betrachtet werden, wobei es insbesondere Yanows Verdienst ist, gerade auch die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Forschungsstrang in zahlreichen Publikationen und Tagungen befördert zu haben.
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Interpretationen politischer Akteure - verstanden als soziale Konstruktionen an (Nullmeier 2001: 288). Sie widerspricht der traditionellen Policy-Analyse insofern hinsichtlich deren Annahmen über "Fakten" und "Werte", als sie anzweifelt, dass diese beiden in der Bewertung von Policies getrennt werden könnten. Die interpretative Policy-Analyse geht hingegen davon aus, dass soziale Werte und der historisch-kulturelle Kontext von Policies ihr Entstehen und ihre Implementation beeinflussen, dass "Fakten" also nicht nur theorieabhängig, sondern auch kontext-spezifisch und damit politisch sind. Dies bedeutet, dass die Policy-Analyse selbst nicht wertfrei sein kann. Interpretative Arbeiten gehen davon aus, dass es keine rohen Daten gibt, deren Bedeutungen unumstritten wären, sondern davon, dass Leben und Policy-Analyse Interpretation und die Herstellung von Sinn erfordern. Der Ansatz rückt den Fokus auf die Bedeutungen (Werte, belieft, Gefühle), die Policies für die verschiedenen Akteure haben können, und auf die Wege, wie diese Bedeutungen kommuniziert und unterschiedlich interpretiert werden (vgl. Hajer 2003: 102). Interpretation hat dabei eine doppelte Funktion, einerseits als Untersuchungsobjekt und andererseits als Untersuchungsmethode (Gadinger 2003: 15). Die Autoren setzen sich von traditionellen Ansätzen ab, die davon ausgehen, dass es notwendig und möglich sei, von einem externen Punkt objektive Bewertungen einer Policy vorzunehmen. Bei der Untersuchung von Policy-Formulierungen und ihrer Implementation werde dann auf den Widerspruch zwischen Wort und Handlung hingewiesen (Yanow 2000: 5). Viele traditionelle Politikfeld-Untersuchungen, insbesondere solche evaluierenden Charakters, kontrastierten den Richtwert einer vermeintlichen PolicyAbsicht mit den Ergebnissen (a.a.O.: 9). "So conceived, the policy-making process paralleis the cognitive steps of the rational model of decision making. Govenunent becomes a rational decision maker writ !arge - albeit not a very proficient one. Much of the political science literature in this genre is devoted 10 understanding where and how good policy gets derailed in the process of production" (Stone 2002: 11).
Der interpretive turn widerspricht der Vorstellung, dass Policy-Texte eine unzweideutige, unmissverständliche Bedeutung haben sollten und können (Yanow 2000: 6). Der interpretative Ansatz konstatiert für die Ebene der Implementation, dass die Bedeutung von Policies zwischen Entscheidungsträgern und den policy-implementierenden Akteuren nicht geteilt werden müssen. Die Bedeutung einer Policy entstehe erst im Kontext, nicht nur durch die expliziten Worte der Gesetzgebung, sondern auch durch Wissen und Werte, die die Implementierenden mitbringen sowie durch das Milieu, in dem die Umsetzung stattfindet. Gleiches wird von den Autoren auch für die handlungsleitenden Eigenschaften von Institutionen und 75
Strukturen konstatiert: Das Spektrum der Handlungsalternativen ist nicht institutionell, ökonomisch und sozialstrukturell vorgegeben, es muss erst durch die Deutungsleistungen des Akteurs selbst konstruiert werden (Nullmeier 1993: 176).33 ,,Interpretative Sozialforschung beginnt mit der Prämisse, dass Menschen keine - etwelchen kulturell etablierten Normen und Institutionen gleichsam ausgelieferten - ,(Sozial-) Strukturdeppen' sind, sondern dass ihre Handlungen und Interaktionen notwendigerweise wissensgeleitete und zugleich prinzipiell wissensgenerierende Prozesse sind, dass sie mithin eben interpretative Vorgänge seien" (Ritzier 2007: Absatz 12).
Auf die Policy-Forschung übertragen bedeutet dies: ,,[P]olitical strategies cannot be de-coded as natural responses 10 objective problem contexts, power relations or constraints on action, but rather must be seen as operationalized interpretations of these elements" (Hofmann 1995: 128). Hitzler (2007: Absatz 27) begreift das Verstehen interpretativ arbeitender Sozialwissenschaftier, das die scheinbar objektiven Gegebenheiten als objektivierte Konstrukte erfasst, als eine Variante dessen, was als Thomas- Theorem geläufig ist: "eine Pointierung darauf hin, dass eben nicht ein wie auch immer als ,objektiv' hypostasierter Sachverhalt, sondern dass das Erleben der Akteure maßgeblich sei für deren Situationsdefinition - und für die für sie daraus folgenden (Handlungs-)Konsequenzen" (ebd.).34 Von den sich auch selbst als interpretativ bezeichnenden Policy-Forschern sollen im Folgenden Dvora Yanow und Deborah Stone mit ihren Ansätzen für die Richtung stehen:
4.3.1 Dvora Yanows Ansatz einer interpretativen Policy-Analyse Die Rolle des interpretativ arbeitenden Poliey-Forschers besteht für Dvora Yanow (2000: 12) darin, "to map the 'architecture' of debate relative to the
33 Anders noch bei Healy (1986: 392): The potential contribution of more standard methods of analysis can be seen on the level of social inquiry by reference to the fact that aspects of the social environment which actors inhabit undoubtedly exert a quasi-causal influence on their behaviour, and this kind of influence can best be explained in (quasi-) nomological terms. Thus, even the motives, purposes, and values which figure so prominently in interpretive inquiry are themselves in part the product (in a quasi-causa! sense) of certain psychological, sociological, political, and religious factors in the social environment, and to the extent that this is so, their genesis and development can appropriately be explained in (quasi-) nomological terms. 34 Peter Steinberger hielt bereits 1980 fest, eine Policy habe solange keine Bedeutung bis ihr eine von einem bestimmten Akteur zugemessen werde. Die Dreiteilung nach Lowi in distributive, redistributive und regulative Politiken sei nicht absolut zu sehen, sondern als Typologie, wie Akteure diese Policies definieren (Steinberger 1980: 189).
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policy issue under investigation, by identifying the language and its entailments (understandings, actions, meanings) used by different interpretive communities in their framing ofthe issue." Damit ist die Arbeit des interpretativen PolicyForschers durch vier grundlegende methodologische Schritte gekennzeichnet (Yanow 2000: 20 f.). Der erste zentrale Schritt besteht darin, die Artefakte (Sprache, Objekte oder Handlungen) zu identifizieren, die signifikante Träger von Bedeutung im Zusammenhang mit einer bestimmten Policy seien. In einem zweiten Schritt werden die interpretativen Gemeinschaften (communities o/meaning) ausgemacht, die diese Artefakte und Bedeutungen kreieren oder interpretieren. Es gebe davon in jeder Policy-Situation mindestens drei, nämlich die Entscheidungsträger, die implementierenden Beamten sowie die betroffenen Bürger, auch wenn aus Implementationsstudien bekannt sei, dass Institutionen eine Vielzahl innerer Gemeinschaften aufweisen können. Der interpretative Forscher konzentriere sich dementsprechend nicht auf die vermeintlich eindeutige Aussage eines Policy-Dokumentes, sondern untersuche vor allem auch seine möglicherweise widersprüchliche Auslegung durch andere policy-relevante Gruppen (Yanow 2000: 9-10). Der dritte Schritt erfordere es, zentrale Diskurse zu identifizieren und die unterschiedlichen Bedeutungen der Artefakte aufzuzeigen. Der vierte Analyseschritt sieht vor, Konflikte und ihre Ursachen (affektiv, kognitiv und/oder moralisch) aufzuzeigen, die unterschiedliche Interpretationen durch unterschiedliche interpretative Gemeinschaften widerspiegeln. Anstatt nun anzunehmen, dass Policy-Probleme objektive Fakten seien, auf der Suche nach der einen korrekten Formulierung einer Lösung, könnten Aussagen wettstreitende Interpretationen eines Themas durch unterschiedliche communities 0/ meaning darstellen. Die zentrale Frage laute dann: "How is the policy issue being framed by the various parties to the debate" (a.a.O.: 11)? Als Zugang wählt Yanow die "dichte Beschreibung", die sich an der Kulturanthropologie und der Ethnographie orientiert. Als analytische Instrumente nutzt Yanow vor allem sprachliche Kategorien wie Symbole, Metaphern, Rituale und Mythen, die innerhalb des untersuchten Politikfeldes eine sprachliche Trägerfunktion von zentralen Bedeutungen der Akteure besitzen (Gadinger 2003: 16). In einer älteren Arbeit (1992: o.S.) untersucht sie die Bildung von Mythen über Organisationen oder Policies. Sie entstünden immer dort, wo es gelte, die "verbotenen Ziele"3s, also solche, über die kein öffentlicher Konsens 35 Yanow (1992) entwickelt die Figur des verboten goal in Anlehnung an Harold Garfinkels publicly unmentionable goal und benennt damit Ziele, die nicht nur nicht erwähnt werden können, sondern
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herrsche, zu verschleiern. ,,A myth is a narrative created and believed by a group ofpeople which diverts attention away from a puzzling part oftheir reality." Mythen seien soziale Konstruktionen, räumlich und zeitlich sowie in einer bestimmten Kultur verankert und keine bewussten, absichtlichen Erfindungen eines Individuums, sondern der sich entwickelnde Besitz einer Gruppe. Insbesondere im Umgang mit Migranten scheint es eine Vielzahl solcher Mythen und "verbotenen Ziele" zu geben, denn anders sind die oftmals eklatanten Diskrepanzen zwischen dominantem Diskurs und wissenschaftlichen Ergebnissen kaum zu erklären.
Kritik an interpretativen Arbeiten Die Schwierigkeit des interpretativen Ansatzes in der Policy-Forschung besteht darin, dass sich hinter dieser Bezeichnung weniger ein elaborierter Analyserahmen verbirgt, als die Arbeit verschiedener Autoren mit nicht immer einheitlichem Zugang. Vor allem Dvora Yanow hat seit Beginn der 1990er Jahren zur inhaltlichen aber auch methodologischen Auseinandersetzung mit einer interpretativen Policy-Analyse beigetragen (insbesondere im von ihr 2006 herausgegebenen Sammelband Interpretation and Method), wobei es sich bei den meisten ihrer Arbeiten eher um kürzere Aufsätze handelt, die in der Regel nicht aufeinander aufbauen. Eine weitere Schwierigkeit besteht in den unausgesprochenen Gegensätzen zur interpretativen Soziologie, die von ChrisAllen (1997) des Reduktionismus auf die Mikro-Ebene gescholten wird, während die gleichnamige Richtung in der Policy-Forschung weniger auf die Sinnkonstitution des Individuums als auf die Wissensgenerierung kollektiver Akteure abhebt, ohne diese Abgrenzung zur Nachbardisziplin jedoch ausreichend zu thematisieren. Die einschlägigen Forschungsansätze konzentrieren sich in der Regel auf die Meso- und MikroEbene, auf organisationales und individuelles Handeln mit einem bestimmten Policy-Bezug. Nu1lmeier (1997: 128) setzt sich ausführlich mit der gängigen Kritik am interpretativen Zugang am Beispiel der von Rosabeth Kanter (1972) formulierten Vorwürfe an Peter M. Halls (1972) Versuch einer symbolisch-interaktionistischer Politikanalyse auseinander. • Der Ansatz sei nur für die Analyse der Mikro-Ebene geeignet und besitze kein Sensorium für Politikabläufe im Ganzen. • Der Zugang entwickele kein kohärentes Konzept kollektiver Interessen.
zudem nicht Teil der expliziten öffentlichen Agenda sind, da kein öffentlicher Konsens sie unterstützt.
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• Die Prozessperspektive führe dazu, dass Theorie ohne Inhalt bleibe, da nicht bestimmt werden könne, wer die Akteure sind und was die Natur der Auseinandersetzung sei. • Das Ausmaß sozialen Wandels werde durch die Betonung kurzfristiger Interaktionen überbewertet. • Es fehle die Gesamtsicht auf das politische System. Daher könnten Relationen nicht identifiziert werden. • Vor allem aber würden bei der Betrachtung von Macht Gewalt und Zwang zugunsten der Manipulation von Symbolen unterschätzt: Ein Polizist, der mit seiner Waffe auf einen Black-Panther-Aktivisten ziele, "takes precedence over any other ,definition ofthe situation'" (Kanter 1972: 86). Dieser erzwungene Verzicht auf die Makro-Ebene und die Rolle von Strukturen wecke den Eindruck, Politik bestehe im Wesentlichen aus Verhandlungen zwischen einer Vielzahl konkurrierender Interessengruppen: Wer den besten Eindruck hinterlasse, habe die besten Chancen, Politik zu gestalten. Der Vorwurf eines makrotheoretischen Defizits ist laut Nullmeier (1997: 129) noch immer die am weitesten verbreitete Kritik. Die Verwendung des interpretativen Zugangs in der Forschung zu den Internationalen Beziehungen sowie in der international vergleichenden Policy-Forschung habe jedoch gezeigt, dass es keine prinzipiellen Barrieren geben muss. Andererseits fehle es auch an einer Mikropolitologie der alltäglichen Prozesse in Gremien unterhalb des Parlaments sowie an einer Rekonstruktion des im alltäglichen und professionalisierten politischen Handeln wirksamen Wissens, das über Fach- oder Policy-Wissen hinausreicht. Der Vorwurf des Kulturalismus besagt laut Nullmeier (1997: 131), dass die Zurückdrängung strukturalistischerAnsätze mit der Vernachlässigung von Ökonomie und Sozialstruktur einher gehe und den Ansatz auf eine "Kulturkritik der politischen Inszenierung" reduziere. Nullmeiers Gegenargument lautet, dass auch das natürliche Umfeld und physische Gewalt nur in ihrer sozial konstituierten Bedeutung in soziales Handeln eingehen. Nullmeier (1997: 132) gesteht ein, dass interpretative Ansätze nicht über ein klar umrissenes Handlungsmodell verfügen, obgleich sie als Gegenentwurf zu utilitaristischen Handlungskonzepten entstanden sind. In der konstruktivistischen Variante neigen interpretative Versuche zum Modell zweckrationaler Wahl von Deutungen und zu Begriffen wie Diskursstrategie. Dabei gehe es jedoch nicht darum, die Erscheinung als Fassade zu entlarven, sondern darum, die Nutzung von Kontingenzen herauszuarbeiten.
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Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit Aus den Arbeiten des interpretativen Paradigmas zieht die vorliegende Arbeit weniger ein konkretes forschungspraktisches Vorgehen als vielmehr ihre generellen, sozialkonstruktivistischen Prämissen. Der Mehrwert des Zugangs besteht darin, dass dieser Ansatz (kollektive) Akteure und die Bedeutungen ihrer Handlungen fokussiert und damit deterministische Perspektiven und mit ihnen die Sichtweise des Staates als zentraler und homogener Akteur aufgegeben wird. Handlungsspielräume werden anerkannt und bilden den Ursprung fiir die Kontingenz politischen Handelns (Lepperhoff 2006: 255). Der interpretative Zugang erfasst die Prozesshaftigkeit von Politik, da die Phasen Problemdefinition, Policy-Entscheidung und Implementation gleicherweise berücksichtigt werden. 4.4 Die narrative Poliey-Analyse nach Deborah Stone Deborah Stones Arbeiten können als Grundlage fiir verschiedene politikwissenschaftliehe Arbeiten gelten, die im weitesten Sinne dem sozialkonstruktivistischen oder interpretativen Paradigma zuzuordnen sind. "No one has better illustrated the ways in which people understand policy problems through the medium of narratives than Stone" (Fischer 2003: 169). Als wichtigste Aufgaben politischer Führung betrachtet sie die Definition eines Problems im Zusammenspiel mit weiteren politischen Kräften sowie die Überzeugung einer breiten Öffentlichkeit jenseits der direkt betroffenen Bürger und Interessengruppen, dass es sich um ein Problem handelt, das politischer Aufmerksamkeit bedarf (Stone 2006: 135). In ihrem Grundlagenwerk von 1989, Policy Paradox. The Art 0/ Political Decision Making, analysiert Stone nicht, wie Akteure die "traditionellen" Machtressourcen, wie Geld, Wählerstimmen und Posten erwerben und einsetzen, sondern wie sie Ideen nutzen, um politische Unterstützung zu sichern und Policies zu kontrollieren. Laut Deborah Stone (2006: 130) handelt es sich beim PolicyProzess um einen konstanten diskursiven Kampf um die Kategorien sozialer Klassifizierung, die Grenzen von Problemkategorien, die intersubjektive Interpretation von gemeinsamen Erfahrungen, das konzeptionelle framing von Problemen und die Definition von Ideen, die die Wege lenken, in denen Menschen gemeinsames Handlungswissen entwickeln. Framing dient vor allem dazu, komplizierte Wahrheiten zu vereinfachen oder im menschlichen Gehirn leichter bearbeitbar zu machen. Dabei geht um mehr als manipulative Rhetorik. Stone (2002) konstatiert, dass Definitionen von Policy-Problemen strategische Repräsentationen von Situationen seien, ausgestattet mit einer narrativen Struktur, um Interpretationen und Vorstellungen von Schwierigkeiten zu kontrollieren, die 80
die Adressaten unvermeidlich zu einer bestimmten Vorgehensweise bewegen. "Policy debate is dominated by the notion that to solve a problem, one must find its root cause or causes; treating the symptoms is not enough. (...) To identify a cause in the polis is to place burdens on one set of people instead of another" (Stone 2002: l88f). Policy-Probleme werden als kohärente Narrative erzählt, als "Geschichten" mit Anfang, Mitte und Ende, mit Helden, Bösewichten und unschuldigen Opfern. Stone (2006: 129) geht davon aus, dass politische Akteure eine überzeugende begründende Erzählung benötigen, um ihr Verständnis von sozialen Problemen zu transportieren. Diesen Geschichten obliegt eine Reihe von Aufgaben, um ein Problem auf die öffentliche Agenda zu setzen und die alternativen Policy-Optionen zu formen, die Politiker berücksichtigen. Diese Geschichten stellen ein Problem als Ergebnis menschlicher Handlung dar, um es nicht als Ergebnis eines Unfalles oder des Schicksals erscheinen zu lassen. Sie identifizieren bestimmte Personen, Verhaltensweisen oder Entscheidungen als Ursachen des Problems. Die Geschichten mögen richtig oder falsch sein, aber sie weisen Schuld und Verantwortung gleichermaßen zu (a.a.O.: 130). Die politischen Funktionen kausaler Geschichten bestehen darin, die Möglichkeit des menschlichen Handelns zu demonstrieren, Verantwortung zuzuweisen, bestimmte Akteure zu legitimieren und politische Allianzen zwischen all jenen zu schmieden, die in die "Opfer"Rolle fallen (Stone 1989: 295). Laut Stone (1989) gibt es dabei zwei verschiedene Erzählmotive, die im PolicyProzess besonders beliebt sind: Die "Geschichte des Niederganges" erzählt den Prozess des unaufhaltsamen Verfalls, der bevorstehende Krise. Diese Erzählungen beginnen in der Regel mit Zahlen und Fakten, um die Verschlechterung zu verdeutlichen (a.a.O.: 138). Insbesondere in der Darstellung der Entwicklung von ethnisch geprägten und marginalisierten Stadtteilen ist diese Erzählung verbreitet. Stone macht zwei Varianten dieser Geschichte aus. Die erste ist die "Geschichte des verhinderten Fortschritts" (a.a.O.: 139), die zweite Variante transportiert, Veränderung sei nur eine Illusion, eine Situation sei nicht schlechter (oder besser) geworden (a.a.O.: 142). Die "Geschichte von Kontrolle und Hilflosigkeit" hingegen unterstellt, dass Bedingungen durch menschliches Handeln verändert werden können (Hastings 1998: 200). Auch hier gibt es zwei Varianten, zum einen die Geschichte der "Verschwörung" (Stone 2002: 143), zum anderen die ein Narrativ, dass die Opfer selbst beschuldigt: ,,Just as the conspiracy story always ends with a call to the many to rise up against the few, the blame-the-victim story always ends with an exhortation to the few (the victims) to refonn their own behavior in order to avoid the problem. What all these stories of control have in common is their assertion that there is choice" (Stone 2002: 144).
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Neben diesen Erzählungen analysiert Stone (2002: 148) weitere Strategien der Problemdefinition wie die Synekdoche (ein Teil wird genutzt um das Ganze zu repräsentieren) und die Metapher, die eine Ähnlichkeit zwischen Dingen herstellt und auf eine subtilere Art eine komplette Erzählung und Handlungsempfehlung implizieren. Themenbereiche, die Vorlagen für Metaphern liefem, sind beispielsweise die Natur, wenn vom Umkippen eines Stadtteils die Rede ist, aber auch Technik im Bild der "Integrationsmaschine Stadt". Typischerweise werden soziale Probleme in hohem Maße definiert durch die Zahlen, die mit ihnen verbunden werden. Stone zeigt, dass Zahlen in gewisser Weise wie Metaphern funktionieren, denn das Zählen setzt eine Kategorisierung und damit Grenzziehung voraus (a.a.O.: 164). "To categorize in counting or 10 analogize in metaphors is 10 select one feature of something, assert a likeness on the basis of that feature, and ignore all the other features" (a.a.O.: 165). In Bezug auf die Desegregationsstrategien kommen Zahlen vor allem in Form von Quotierungen ins Spiel. Es stellt sich nicht nur die Frage, welche Obergrenze gesetzt wird, sondern auch, wie durch die Kategorisierung eine Zielgruppe geschaffen wird. Wer wird zu einer Gruppe zusammengefasst und wem wird damit eine Gemeinsamkeit unterstellt?
Kritik an Stones Ansatz Von S10nes Arbeiten fungiert insbesondere das frühe Werk Policy Paradox als eine Fundgrube für die ideenbezogene Policy-Forschung. Als Schwäche dieser Arbeit kann allerdings gelten, dass die Autorin ihre epistemologischen Grundlagen nicht expliziert und ihr Werk nicht in einen weiteren Theoriezusammenhang einordnet, obgleich ihr sozialkonstruktivistisches Verständnis deutlich durchscheint. Diese Zurückhaltung mag allerdings daran liegen, dass Stones Arbeiten in die späten 1980er Jahre hinein reichen und somit selbst erst die Grundlagen für die argumentative oder interpretative Wende gelegt haben. Während insbesondere die Arbeiten des argumentative turn sich kämpferisch gegen traditionelle Ansätze der Policy-Forschung gebärden (s.u.), findet diese Auseinandersetzung in Stones Texten weitaus subtiler statt. In den 1990er Jahren hat Stone ihren Ansatz der narrativen Policy-Analyse überwiegend in kürzeren Artikeln weiterentwickelt, aber auch hier stehen ihre eigenen Überlegungen - so anregend sie auch sind - stets losgelöst von den weiteren Debatten innerhalb der Disziplin. Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit Deborah S10ne sensibilisiert dafür, wie in der Definition eines Problems bereits die entsprechenden Lösungsmöglichkeiten angelegt sind. Zudem machen ihre Überlegungen bewusst, wie in den Erzählungen von sozialen Problemen gleich eine Zuweisung von Schuld, aber auch Verantwortung mitschwingt. Übertragen auf den 82
deutschen Fall stellt sich in Anknüpfung an Stones Ausführungen beispielsweise die Frage, warum gerade der Wohnungswirtschaft eine entscheidende Rollefür die Herstellung der erwünschten Mischung übertragen wird. Auch wenn Stone mit Narrativen, Metaphern und Symbolen stark auf die sprachliche Ebene der Konstruktion von Problemen abhebt, sind ihre praktischen Erläuterungen nicht auf die konkretistische Untersuchung eines einzelnen Textes beschränkt, sondern versuchen vielmehr, die weiteren, textunabhängigen Interpretationsrepertoires der politischen Akteure aufzudecken. Diesen Zugang wählt auch die vorliegende Arbeit. 4.5 Die argumentative Wende in der Policy-Forschung
Wie bereits die Arbeiten von Yanow und Stone sind auch die Arbeiten des argumentative turn vor allem in der US-amerikanischen Forschung präsent. Obgleich die deutsche Policy-Analyse bis heute nur in ihrer engen Verbindung mit der amerikanischen Forschung verstanden werden kann, lassen sich Divergenzen ausmachen, und dies nicht nur, weil die deutsche Forschung ihr eigenes Begriffsinstrumentarium mit Hypothesen mittlerer Reichweite entwickelt hat (Heritier 1993: 10): Die neueren, kognitionsorientierten Konzepte, die unter dem Schlagwort argumentative turn diskutiert werden, sind oft zugleich Stellungnahmen in der Selbstverständigungsdebatte der Policy Analysis in den USA und ihres Verhältnisses zur Politik (Nullmeier 1993: 177). An dieser Stelle soll dieser Auseinandersetzung dennoch ein breiter Raum zugebilligt werden, da die wissenschaftstheoretischen Grundlagen des neuen Verständnisses von Policy-Forschung am deutlichsten von den Autoren des argumentative turn konturiert worden sind. Der argumentative turn steht im Kontext der linguistischen Wende, wobei Hajer (2002: 63) als einer seiner Vertreter unterstreicht, dass die Bezeichnung argumentative turn zutreffender sei, da es nicht nur um die Worte oder Bilder im Kopf des Sprechers gehe, sondern auch um die Auseinandersetzung mit Gegenpositionen. Die unter diesem Terminus zusammengefassten Ansätze reflektieren den veränderten Status der erkenntnisphilosophischen Grundlagen von Wissenschaft, die Veränderungen, denen Politik unterworfen ist, sowie den Wandel im Verhältnis beider Sphären zueinander. Dabei ist häufig eher klar, wovon sich die Vertreter abwenden wollen, als wie die Policy-Analyse nach der vollzogenen Wende betrieben werden soll (Saretzki 2003: 393).
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4.5.1 Die veränderte Rolle des Policy-Forschers Grundsätzlich werden mit dem argumentative turn zwei neue Zielorientierungen für die Policy-Forschung angemahnt: Zum einen strebt der argumentative turn eine Neufassung der Inhalte der Policy-Forschung an, zum anderen eine Auseinandersetzung mit der Praxis der Policy-Forscher, die mit ihren Analysen und Empfehlungen selbst auf den Policy-Prozess einwirken. In dieser Hinsicht beinhaltet die zweite Zielorientierung die Reflexion über Policy-Analyse als diskursive Praxis (Blatter/JanninglWagemann 2006: 23). Der argumentative turn hat vor allem in den USA eine lebhafte Debatte angestoßen, denn hier ist die Policy-Forschung, anders als in der BRD, nicht nur Teildisziplin, sondern Profession, deren Auftragsarbeiten nicht nur von den Klienten, sondern auch von betroffenen Bürgern rezipiert werden. Die programmatischen Fragen der Herausgeber des Grundlagenwerkes der argumentativen Wende, Fischer und Forrester (1993), zielen dementsprechend zunächst auf den Analyseprozess selbst und damit auf die Rolle der Forscher: Wie kommen sie zu ihren Ergebnissen und Empfehlungen, wie konstruieren sie Probleme und Problemlösungsmöglichkeiten, wovon hängt es ab, ob ihre Argumente zur Anwendung kommen (Saretzki 2003: 397)? In den Augen der Protagonisten des argumentative turn haben die oben benannten Rückschläge der Policy-Analyse zu einer Neudefinition des Policy-Forschers geführt, dessen Aufgabe es nun sei, die politischen Prozesse der Deliberation angesichts des Wandels zum aktivierenden, "verhandelnden" Staat zu stimulieren, statt Lösungsvorschläge für die sozialen Probleme moderner Gesellschaften zu liefern. Nötig sei daher eine Neuausrichtung des Feldes darauf, was es leisten könne, nämlich die Qualität der PolicyArgumentation zu verbessern (Fischer 1998: 2). "In this way, 'speaking truth to power' may be transformed into an argumentative policy analysis which reinvigorates political prudence as 'making sense together', even in this paradoxical age of politicization of science and scientization of a post-national and postparliamentary politics" (Hoppe 1999: 29). Die Auseinandersetzung mit der Praxis der Policy-Forscher, die selbst in den Policy-Prozess einwirken, geht mit einem starken Engagement für die Inklusion von Bürgerinteressen und stärkere bürgerschaftliehe Partizipation einher.. 36 Die Auseinandersetzung mit dem disziplinären Selbstverständnis hat in der USamerikanischen Forschung in den 1990er Jahren zu einer lebhaften Kritik an der "positivistischen" Policy-Forschung geführt. Der Vorwurf von Adrienne Heritier 36 Die Neuorientierung des argumentative tum wird von manchen auch als Rückbesinnung auf die demokratischen Intentionen der Policy Sciences von LassweIl verstanden (Saretzki 2003: 392).
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(1993: 10), diese Debatten muteten wie ein verspätetes Nachhutgefecht an, da bei uns der Positivismusstreit schon 30 Jahre früher ausgetragen worden sei, ist insofern nicht ganz zutreffend, als die US-Forscher sich der Etablierung post-positivistischer Ansätze in der Wissenschaftsphilosophie bewusst sind, diese aber mit der als positivistische Bastion wahrgenommenen Policy-Analyse kontrastieren (vgl. Dryzek 1993: 217). Welche Folgen für die Policy-Forschung hat nun die Überlegung, dass deren sozialwissenschaftliehe Schlussfolgerungen Argumente seien? Eine post-positivistische Policy-Analyse konzentriert sich auf das "Fürwahrhalten" der Realität und nicht auf die Realität selbst, wobei die Forscher des argumentative turn damit ausdrücklich nicht implizieren, es gebe keine realen und unterscheidbaren Untersuchungsobjekte unabhängig von der Wahrnehmung des Forschers. Das Wissen über ein Phänomen entstehe demnach durch die diskursive Interaktion oder den dialektischen Zusammenstoß konfligierender Interpretationen (a.a.O.: Bi). Für Post-Positivisten werden die empirischen Daten also erst durch Interpretation in Wissen verwandelt. Wissen wird somit verstanden als konsensual akzeptierter, sozial und historisch geprägter Glauben und weniger als Beweis. Um sich vom Relativismus zu distanzieren versucht Fischer, ähnlich wie der kontextuell arbeitende Konstruktionist Joel Best, den Einbezug der realen Welt in die Analyse zu legitimieren. Die Umwelt schränke die Zahl plausibler Interpretationen ein: "While the possibility of multiple interpretations remains, there are thus boundaries or limits to what can count. At minimum, an interpretation that bears no plausible relationship to the object-world has to be rejected" (Fischer 1998: 20). Und an anderer Stelle führen die Herausgeber aus: "We should be more suspicious than ever ofpolicy arguments that cannot meet public tests of evidence. If we cannot distinguish policy argument from sales talk, we should consider it propaganda undeserving of the name 'analysis'" (FischerlForester 1993: 3). Jedoch bleiben die Autoren die Antwort schuldig, wie ein solches Überprüfen der Argumente an der empirischen Realität angesichts der hohen Komplexität der sozialen Welt aussehen soll. An anderer Stelle stellen sie schließlich selbst fest, dass Phänomene oder empirische Stimuli nicht linear in eine ,,richtige" Interpretation übertragen werden können. Später hat Fischer (1998: 24) die Rolle des Forschers präzisiert: "The job of the analyst is to tease out the normative conflicts lurking behind the often equally plausible interpretations ofthe same abstract goal or value" (ebd.). Die von Nullmeier (1997: 134) für das interpretative Paradigma formulierten theoretischen Schwierigkeiten werden jedoch auch von den Autoren des argumentative turn nicht überwunden: "Wie limitiert ein interpretatives Theorieprogramm den Möglichkeitsraum, wie zieht es die Grenze zwischen alternativer Interpretation und Wahngebilde, wie verhält es sich zur Behauptung, daß 85
man die Welt nur verschieden interpretieren oder über sie nur anders reden müsse, um sie zu verändern?"
4.5.2 Inhaltliche Neuausrichtung Neben der Neudefinition der Rolle des Analysten geht es dem argumentative turn aber auch um eine inhaltliche Neuausrichtung aufArgumente als Gegenstände der Policy-Analyse. Argumente stellen nämlich im neuen Verständnis nicht nur den Output der Policy-Analyse dar, sondern auch ihren Input (Saretzki 2003: 400401). Die Autoren gehen der Frage nach, welcher Anteil der narrativen Vermittlung von Policy-Problemen oder der Einbettung einzelner Programmfragen in Diskurssysteme und Diskurskoalitionen in der Politikgestaltung zukommt (Schneider/Janning 2006: 98). Eines der grundlegenden Ziele von Politik bestehe nicht nur darin, eine existierende Realität zu verändern, sondern ein gemeinsames Verständnis eines Problems zu konstruieren: ,,(P]olicy politics is itself about establishing definitions of and assigning meaning to social problems (...). Thus, the effort to exclude meaning and values from the work of the policy analyst cuts the very heart out ofpolitical inquiry" (Fischer 1998: 12). In der Policy-Forschung schlug sich die sozialkonstruktivistische Überzeugung nieder, dass politische Entscheidungen nicht nur als rationale Prozesse verstanden werden können, da die Wahrnehmung von Problemen und die Unterbreitung von Lösungsvorschlägen nicht als ein einfacher objektiver Mechanismus abläuft. Vielmehr beeinflussen Aspekte der sprachlichen Vermittlung, der rnilieu-, kultur- und rollenspezifischen Deutung und Verarbeitung von Informationen und der Glaubwürdigkeit sowie des rhetorischen Geschicks der politischen Akteure den PolicyProzess (Schneider/Janning 2006: 171). Dementsprechend liegen die Ursachen :fiir die Komplexität des politischen Prozesses in der Unschärfe und Subjektivität der Wahrnehmungen und Interpretationen der beteiligten Akteure sowie im Wandel der Politik-Inhalte durch einen kontinuierlichen Diskussionsprozess (Blatter/JanninglWagemann 2006: 22f). Bereits bei Majone (1989), auf den sich die Autoren des argumentative turn berufen, steht der Begriffdes Argumentes im Mittelpunkt seines Ansatzes, da die Überzeugungskraft von Argumenten nach seiner Meinung wichtigster Hebel im politischen Prozess sei (Gadinger 2003: 12). Hier klingt zwischen den Zeilen an, was Dryzek (1993: 229) als ein Autor des argumentative turn festhält: Man kann nicht Policies analysieren, ohne den politischen Prozess ebenfalls zu betrachten, denn der englische Begriff argument wird nicht nur als Gegenstand, sondern auch als Handlung im Sinne des Verbs to argue (diskutieren, streiten, sich auseinandersetzen) ver86
standen. Hier schlägt sich abermals der oben dargestellte Doppelcharakter von claims-making als Inhalt von Forderungen und als strategisches Handeln nieder. Majone (1989) kritisierte an der konventionellen Policy-Forschung, dass Veränderungen von Politikinhalten vor allem auf gewandelte ökonomische Bedingungen, Gruppendruck, neue Technologien und institutionelle Änderungen geschoben würden und die Rolle von Ideen, Wertvorstellungen, Argumenten und Überzeugungen vernachlässigt werde. Allerdings seien, so Majones These, Policy-Deliberation und Policy-Ideen dann am wichtigsten, wenn staatliche Entscheidungen sich auf Fragen der Effizienz erstrecken, also auf Fragen, die sich mit der Erhöhung der Wohlfahrt für die Gesamtbevölkerung beziehen. Ideen blieben gegenüber Macht und Interesse wirkungslos, wenn es um ein Nullsummen-Spiel gehe. Dass Politik mittels Ideen solange vernacWässigt worden sei, liege an der Konzentration auf redistributive Policies37 durch die Neopluralisten und NeokorporatismusTheoretiker (Majone 1993: 97). Eine solche Differenzierung nach Politikarten geht zwar über das Reflexionsniveau der Autoren des argumentative turn hinaus, doch bleibt die Frage unterbelichtet, in welchem Zusammenhang Ideen und Interessen stehen (s.u.). Unter dem Schlagwort argumentative turn werden - wie bereits erwähnt - verschiedene Ansätze zusammengefasst, deren Besonderheiten im Folgenden kurz dargestellt werden sollen:
4.5.2.1 Die Untersuchung von Policy-Narrativen nach Kaplan Die narrativ-inhaltliche Analyse bemüht sich um eine Gesamtschau der Diskussionen und versucht dabei, spezifische inhaltliche Muster aufzuzeigen. Dieses Vorgehen sucht in verbalen und schriftlichen policy-relevanten Quellen nach Geschichten, die eine typische Erzählstruktur, nämlich Anfang, Mitte und Ende aufweisen. Damit versucht die Analyse heraus zu arbeiten, wie einzelne Ereignisse zu einem synchronen Sinnganzen mit kohärenter Argumentations- bzw. Ablaufstruktur geordnet werden. Die Untersuchung deckt Legitimations- oder Rationalisierungsstrategien sowie die Begründung von Entscheidungen mit historischer Notwendigkeit und analogen Szenarien auf und stellt heraus, wie ordnende Ideen als Sinnklammem plot-bildend wirken (Schneider/Janning 2006: 173). Richard Neustadt und Emest May (1986: 274) empfehlen ,,Don't ask 'What's the problem,' ask 'What's the story?' That way you'll find out what the problem really is." 37 Zur Unterscheidung zwischen regulativer, distributiver und redistributiver Politik und Lowis These "policy determines politics" siehe Heinelt 1993a.
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Ein struktureller Zugang bewertet die Qualität eines Narrativs nach der logischen Kohärenz der Geschichte (Fischer 2003: 166). Wichtiges Kriterium für die Überprüfung des Wahrheitscharakters einer solchen Geschichte sind der Konsistenzund Vollständigkeitstest im Hinblick auf fünf narrative Kemelemente. Diese sind "agent, act, scene, agency, and purpose", also die Fragen wer, was, wo, wie und warum (Kaplan 1993: 178). Das FeWen eines dieser zentralen Elemente deutet auf Argumentationsschwächen hin. Allerdings muss eingeräumt werden, dass der Begriff der narrativen Policy-Analyse ganz verschiedene Ansätze umfasst (siehe etwa die Arbeiten von Deborah Stone). Mit der Untersuchung von policy narratives ist oftmals eine implizite oder explizite Kritik am vorherrschenden Narrativ verbunden, die sich vor allem auf die Problemdefinition und die Evaluation einer Policy bezieht (van Eeten 2007: 254). Manche Autoren versuchen, das MetaNarrativ herauszuarbeiten, "a story that can account how the conflicting policy narratives on a certain issue can all be the case at the same time." Wenn beispielsweise ein Narrativ "schwarz" laute und das konkurrierende Narrativ sei "weiß", so heiße das Meta-Narrativ "Farbigkeit" (a.a.O.: 256). Kritik an Kaplans Ansatz Kaplan (1993: 179-181) trägt selbst einen wesentlichen Vorbehalt gegen eine solche Analyse vor: Ein solcher Plot kann nur auf die Vergangenheit bezogen werden und nie für die Zukunft gelten. Ein weiterer Kritikpunkt nach Durning (1995: 105) zielt darauf ab, dass Kaplan nicht die Frage beantworte, an wen und mit welchem Motiv sich die Geschichten richten. Für die vorliegende Arbeit ist eine solche Analysetechnik nicht zielführend. Zum einen geht es um die Rekonstruktion textübergreifender Deutungsmuster und nicht um eine linguistische Analyse. Zum anderen gäbe es ohnehin, zumindest im deutschen Fall, nur sehr wenige natürliche Texte, die einer solchen Methode unterzogen werden könnten. Eine solche Technik wäre eher auf den britischen Fall übertragbar, da es hier eine Vielzahl von Kommissionspapieren gibt, die mit dieser Methode bearbeitet werden könnten.
4.5.2.2 Die Untersuchung von "Rahmen" nach Rein/Schön Während der narrative Ansatz eher analytisch ist, wollen die Autoren Rein/Schön (1991; 1993) mit ihrem Konzept der Policy frames durch Kenntnisse über Denkschemata und Grundpositionen der Akteure schlichtend bzw. rationalisierend in ideologisch aufgeladenen Kontroversen eingreifen (Schneider/Janning 2006: 176). Sie gehen der Frage nach, warum Kontroversen oftmals so langwierig und 88
relativ immun gegenüber Lösungsaltemativen sind und selten wirklich gelöst werden: ,,For the participants in them construct the problems oftheir problematic policy situations through frames in which facts, values, theories and interests are integrated. Given the multiple social realities created by conflicting frames, the participants not only disagree with one another but also disagree about the nature of their disagreements" (Rein/Schön 1991: 262).
Framing wird dabei verstanden als ein Akt der Auswahl, Organisation, Interpretation und Herstellung von Sinn in einer komplexen Realität, um Wegweiser fiir Wissen, Analyse, Überzeugung und Handlung zu liefern. Ein Rahmen ist also eine Perspektive, aus der eine amorphe, unklar definierte, problematische Situation Sinn ergibt und auf sie reagiert werden kann. Frames sind insofern problematisch, als sie zu verschiedenen Sichtweisen auf die Welt fiihren und eine Vielzahl sozialer Realitäten kreieren (Rein/Schön 1993: l46f.). Ein Sachverhalt kann gänzlich verschieden gefasst werden, durch unterschiedliche Rahmung verschieden konstruiert werden. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob Drogenabhängigkeit in einem medizinischen oder einem rechtlichen Rahmen gefasst wird (Fischer 2003: 43). Policy-Kontroversen entstehen aus konfligierendenframes, denn dasselbe Beweismaterial kann ganz unterschiedliche Policy-Positionen unterstützen. Policy frames können aufgedeckt werden durch die Geschichten, die Akteure über Situationen erzählen: "These problem-setting stories, frequently based on generative metaphors, link causal accounts of policy problems to particular proposals for action and facilitate the normative leap from 'is' to 'ought'" (Rein/Schön 1993: 148). Die Benennung (naming) eines Sachverhaltes richtet die Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente eines Problems und blendet andere aus. "The complementary process of naming and framing socially constructs the situation, defines what is problematic about it, and suggests what courses of action are appropriate to it" (a.a.O.: 153). Die Definition des zugrunde liegenden Problems bestimmt also gleichzeitig die Lösungswege. Policy-Auseinandersetzungen entstehen meist in Verbindung mit Regierungsprogrammen, die wiederum in einem bestimmten Policy-Umfeld stehen, das seinerseits Teil einer weiteren politischen und ökonomischen Situation ist, die wiederum in einer historischen Ära liegt. Es gilt daher nach Rein und Schön (1993: 154-155), vier verschiedene Kontexte zu berücksichtigen: Ein Programm kann als eigener interner Kontext fungieren, der sich im Zeitverlauf durch den Wechsel seines Personals oder seiner Klienten wandelt. Der nächste Kontext ist das Politikfeld, in dem ein Programm arbeitet. Der Makro-Kontext beinhaltet Richtungswechsel und Veränderungen der Institutionen. Diese Veränderungen auf Makro89
Ebene müssen nicht unbedingt zu einem reframing der Policy fUhren, wohl aber zu einer symbolischen Neufassung. Über globale Kontextveränderungen heißt es lakonisch, sie seien schwerer zu fassen, aber ausgesprochen wichtig.
Kritik am Zugang von Rein/Schön Die beiden Autoren greifen hiermit zwar den Aspekt der verschiedenen Kontexte auf, in denen die verschiedenen frames eingebettet sind, in der Praxis fUhrt die starke Fokussierung auf die Mikro-Ebene jedoch dazu, dass diese Kontextfaktoren, gerade auch, weil sie nicht-sprachlicher Natur sein können, außer Acht gelassen werden. Der Ansatz ist mit weiteren Problemen behaftet. Laut Rein und Schön (1993: 151-152) sindframes so sehr Teil der natürlichen, als gegeben wahrgenommenen Welt, dass es oft nicht bewusst sei, welche Rolle sie für unsere Wahrnehmung, Gedanken und Handlungen spielen. Es sei schwierig, zwischen Uneinigkeiten innerhalb eines frames und solchen über mehrere frames hinweg zu unterscheiden. Eine gängige Strategie bestehe darin, sich an einen dominanten frame und seine konventionellen Metaphern anzukoppeln, in der Hoffnung, dadurch Legitimität für eine Vorgehensweise zu erlangen, die eigentlich durch andere Intentionen motiviert ist. Zudem besteht ein zentrales Problem darin, dass der gleiche Rahmen zu verschiedenen Handlungen fUhren und, andersherum, eine politische Handlung durchaus mit verschiedenen frames konsistent sein kann. Darüber hinaus ist es schwierig, zwischen tatsächlichen und potenziellen Veränderungen der Rahmen zu unterscheiden. Ein reframing kann ohne eine Kontroverse vonstatten gehen, ebenso, wie eine Kontroverse nicht notwendigerweise zum reframing fUhren muss. Ein großer Anteil von Policy-Veränderungen stellt lediglich eine Anpassung vonframes an wechselnde Situationen dar. Das Konzept der Rahmen läuft zudem Gefahr, mit dem "Thema" (Issue) gleichgesetzt zu werden oder eine empirische Ideologieanalyse auf recht generellem Niveau einzuleiten. Das Verdienst der Autoren Rein und Schön besteht in einer klaren theoretischen Konzeption, aber sie leisten nur wenig Hilfestellung, wie die Anwendung in der konkreten Forschungspraxis aussehen könnte (Gadinger 2003: 14).
4.5.2.3 Policy-Diskurse nach Hajer Eine im engeren Sinne eigenständige "politikwissenschaftliche Diskursanalyse" hat nach Einschätzung von Frank Nullmeier (2001: 289) "vielleicht am ehesten Maarten Hajer vorgelegt". Hajer geht von den Autoren des argumentative turn am offensivsten mit der Herausforderung um, außersprachliche Elemente einzube90
ziehen, nämlich Wege zu finden, die Analyse der diskursiven Produktion von Realität mit der Analyse der sozio-politischen Praktiken zu verbinden, aus denen soziale Konstrukte entstehen und in denen Akteure involviert sind (Hajer 2002: 62). Damit grenzt er sich von einer Diskursanalyse ab, die Politikanalyse im Sinne quasi-autonomer pragmatisch-linguistischer Sprachspiele betreibt, die weitgehend unabhängig sind von den sozialen Praktiken, aus denen sie hervorgehen (Hajer 2004: 274). Zugleich ist Hajers Zugang jedoch mit einem Abgrenzungsproblem verbunden, denn nahezu alles wird bei ihm zum Diskurs (Nullmeier 2001: 303). Hajer (1993; 2002; 2003; 2004) plädiert für eine mehrstufige Vorgehensweise, die neben der Sprach- und Textanalyse auch die Akteurskonstellationen im Hinblick auf ihre Formulierung von spezifischen Diskursen analysiert. Dafür führt er das Konzept der Diskurskoalitionen ein als "a group of actors who share (...) an ensemble of ideas, concepts, and categories through which a given phenomenon is politically framed and given sodal meaning" (Fischer/Forester 1993: 8t). Hajers Diskursanalyse als Werkzeug einer de1iberativen Policy-Analyse umfasst drei Elemente (Hajer 2002: 103ff.): Der erste Schritt beinhaltet die Untersuchung der sprachlichen Ebene des PolicyDiskurses38 • Dieses Aufweisen von Bedeutungsstrukturen geht kaum über das Reflexionsniveau anderer qualitativer Ansätze in der Policy-Forschung hinaus und zielt vor allem darauf ab, Einseitigkeit in den Diskussionsbeiträgen und Programmformulierungen zu dokumentieren. Damit wird aber nicht die Position vertreten, dass Diskurse sich einfach für die Realisierung vorgegebener, objektiver Interessen der Akteure instrumentalisieren lassen. Im Gegenteil muss davon ausgegangen werden, dass Interessen erst im Diskurs durch die Zuteilung von Positionen und Erzählfliden entstehen bzw. eingenommen werden (Blatter/Janning/ Wagemann 2006: 102). In jüngeren Texten schlägt Hajer für diesen ersten Schritt drei Operationen vor: erstens die Analyse von Story Lines, Mythen und Metaphern im Diskurs, zweitens die Untersuchung des Policy-Vokabulars und drittens die Rekonstruktion von epistemischen Grundüberzeugungen. Story Lines stellen in der Policy-Debatte Verbindungen zwischen einzelnen Argumenten und Sachverhalten her und ma-
38 Hajer (2002: 63) definiert Diskurs als ein Ensemble von Ideen, Konzepten und Kategorien, durch die einem Phänomen Bedeutung gegeben wird und differenziert die Begriffe Diskussion, Diskurs und Deliberation wie folgt: ,,'[D]iscussions' are the empirical object of analysis (including the 'sites' at which the discussion takes p1ace). 'Discourse' is then a particular pattern to be found in a discussion, and hence a term reserved for something the analyst finds. 'Deliberation' thus refers to a particular quality in a discussion process, the way in which a debate is conducted. It can be elaborated using terms like openness, reciprocity and accountability, all referring to a particu1ar normative frame with which one may judge the quality of an exchange" (Hajer 2002: 64).
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chen die Verdichtung einer komplexen Problemmaterie auf einzelne Begriffe oder Leitsätze möglich. Sie verwenden dabei Metaphern, um Sachverhalte oder Kausalitätsannahmen bildlich zu verdeutlichen und im Bewusstsein der Policy-Akteure zu verankern (Schneider/Janning 2006: 181). Die Untersuchung des konkreten Policy-Vokabulars ,,refers to sets of concepts structuring a particular policy, consciously developed by policymakers" (Hajer 2003: 105). Gemeint ist die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Ansätzen und Erklärungsmodellen, die die PolicyAkteure zur Legitimation ihrer Vorschläge und Sichtweisen heranziehen. Die dritte Schicht, die epistemischen Grundüberzeugungen, betrifft demgegenüber noch grundlegendere und kaum offen zugestandene Leitbilder und Denkstrukturen, die bei der Wahrnehmung eines Problems und beim Erwägen potenzieller Problemlösungen zum Tragen kommen (Blatter/JanninglWagemann 2006: 101). Über diese sprachliche Dimension geht Hajer (1993) mit seinem zweiten Untersuchungselement, der Analyse der Formation von Diskurskoalitionen hinaus. Wandel wird bei ihm als Folge einer Veränderung in den Diskurskoalitionen interpretiert. Nach Hajer bilden Akteure aus verschiedenen sozialen Zusammenhängen eine Koalition, die versucht, eine bestimmte Definition eines Problems mit Hilfe von narrativen Darstellungen - Story Lines - gegenüber anderen Problembeschreibungen durchzusetzen: "A discourse coalition is thus the ensemble of a set of story lines, all organized around a discourse. The discourse coalition approach suggests that politics is a process in which different actors from various backgrounds form specific coalitions around specific story lines" (Hajer 1993: 47). Die Zusammensetzung einzelner Diskurskoalitionen entspricht dabei nicht immer den formalen Grenzen der Kollektivakteure (Keller 2004: 223). Diskurskoalitionen sind dann erfolgreich, wenn sie nicht nur den diskursiven Raum um ein Problem dominieren, sondern ihre Problemwahrnehmung auch im Feld institutionalisiert wird, sie also Erfolg auf der materiellen Ebene der Problembearbeitung vorweisen können (Saretzki 2003: 412). Es ist jedoch fragwürdig, wie plausibel behauptet werden kann, dass sich einige Deutungen gegenüber anderen durchsetzen. Hiermit ist ein genereller Vorbehalt gegenüber diskursanalytischen Annahmen angesprochen: Hajers erste Komponente, die die kollektive Reichweite einer spezifischen Problemdeutung benennt, also wohl als Häufigkeit operationalisiert wird, mit der Argumente benutzt werden, ist insofern problematisch, als sich Hajer doch qualitativer Verfahren bedient, die die Einschätzung dessen, welcher Diskurs dominant ist, allein der Wahrnehmung des Autors überlassen (vgl. Schwab-Trapp 2004: 179). Der dritte Untersuchungsschritt bezieht sich auf die institutionellen Praktiken. Zentral fiir die argumentative Diskursanalyse, wie Hajer sie entwickelt, ist die Forderung, sie nicht in Abgrenzung zu einer institutionellen Analyse zu verstehen. 92
Nach seiner Definition ist Diskurs kein Synonym für Diskussion; die argumentative Diskursanalyse beschränkt sich nämlich nicht auf die Analyse des Gesagten. Explizit durch Foucault inspiriert, strebt sie danach, die institutionelle Dimension des Diskurses herauszuarbeiten. Sie untersucht, wo die Dinge gesagt werden, wie spezifische Sichtweisen in einer Gesellschaft strukturiert oder eingebettet werden können, während sie zugleich die Gesellschaft selbst strukturieren (Hajer 2004: 289).
4.5.2.4 Abgrenzung der Diskurskoalitionen von den Advokaten-Koalitionen Während die Begriffiichkeiten aus Sabatiers (1993) Advocacy-Koalitionsansatz (ACF) in der deutschen Politikwissenschaft durchaus komplementär zu diskurstheoretischenAnsätzen Verwendung finden (z.B. Lepperhoff2006), ziehen Vertreter der angelsächsischen interpretativen Policy-Forschung eine scharfe Grenze zwischen ihren Arbeiten und Sabatiers Zugang, den sie als Aufruf zur Vetjüngung einer empiristischen Forschungstradition ablehnen (Fischer 2003: 94): "Although the ACF importantly emphasizes a wider range ofparticipants in policy subsystems engaged in policy debate and argumentation, its problems stem from the attempt to employ the model as the basis for a rigorous causal theory of policy change" (a.a.O.: 112). Sabatier (1993: 127) entwickelte seinen Ansatz als kritische Reaktion auf die Phasenheuristik und versucht, Politikwandel durch die Interaktion von zueinander im Wettbewerb stehenden Advokaten-Koalitionen zu erklären, die sich in ihren handlungsleitenden Orientierungen unterscheiden, "und die über längere Zeit einen durchschnittlichen Grad koordinierter Handlungen aufweisen" (ebd.). 39 Wegen der großen Variationsbreite des individuellen Verhaltens widerspricht er einer institutionellen Aufschlüsselung der politischen Akteurskonstellation. Eine AdvocacyKoalition besteht daher aus Personen in unterschiedlichen Positionen (gewählte Beamte, Vorsitzende von Interessengruppen, Wissenschaftler, Verwaltung), die
39 Sabatiers (1993: 119f.) Advocaq-Koalitionsansatz beruht dabei auf drei zentralen Annahmen: Erstens können die Rolle des policy-orientierten Lernens und der daraus resultierende PolicyWandel nur in einem längeren Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt verstanden werden. Zweitens besteht fiir Sabatier der sinnvollste Weg, Wandel zu erfassen, darin, die Interaktionen in PolicySubsystemen zu betrachten. Drittens können staatliche Maßnahmen ebenso konzeptualisiert werden wie handlungsleitende Orientierungen oder beliefsystems. Als Methoden zur Untersuchung des Inhalts von handlungsleitenden Orientierungen gelten ihm die Elitenbefagung, Panels informierter Beobachter, die Inhaltsanalyse von politischen Programmen sowie parlamentarischen Anhörungen und Publikationen von Interessenverbänden (a.a.O.: 134).
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ein spezielles beliefsystem teilen (ebd.). Diese Überzeugungen (belieft) sind hierarchisch organisiert und bestehen aus drei Kategorien: einem Kern (deep core) fundamentaler Axiome, die die allgemeine politische Philosophie eines Akteurs bestimmen, einem zweitrangigen Policy-Kern (policy core) von zentralen Kausalannahmen, um die Kernüberzeugungen in einem bestimmten Policy-Subsystem umzusetzen, sowie an dritter Stelle aus einer Vielzahl von instrumentellen Überlegungen. Während die Kernwerte nur durch ernsthafte Krisen erschüttert werden können, nimmt der Widerstand gegen Veränderungen zur letzten Ebene hin ab (a.a.O.: 133). Das Hauptargument dieses analytischen Ansatzes lautet, dass Lernen zwar ein wichtiger Aspekt des Wandels sei, da es die sekundären Aspekte eines belief systems verändern könne, dass aber Veränderungen in den Kernaspekten einer Policy vor allem extern und nicht kognitiv bedingt seien (a.a.O.: 123). Zu diesen externen Systemereignissen außerhalb der Kontrolle der Akteure des Subsystems zählt Sabatier beispielsweise Veränderungen in den sozioökonomischen Bedingungen, der öffentlichen Meinung sowie Veränderungen in der gesamtstaatlichen Regierungskoalition (a.a.O.: 125). Fischer (2003: 100f.) setzt sich ausfiihrlieh mit den Gegensätzen zwischen dem durch Hajer geprägten Begriff der Diskurskoalitionen und den Advokaten-Koalitionen nach Sabatier auseinander, wobei sich die auf den ersten Blick nahe liegende Ähnlichkeit nicht nur auf die Begrifllichkeit bezieht, sondern auch darauf, dass beide Autoren ihre Ansätze im Themenfeld Umweltpolitik angewendet haben. Laut Fischer, der eine Debatte im Rahmen des Jahrestreffens der American Political ScienceAssociation 1995 nachzeichnet, kritisiert Hajer den Advokaten-Koalitionsansatz (ACF), da er nicht erklären könne, warum und wie Policy-Wandel zustande komme. Sabatiers Versuch, empirische Hypothesen zu entwickeln, die universell anwendbar sind, wird von konstruktionistischen Forschern abgelehnt, da er den sozialen und historischen Kontext vernachlässigt, in dem die Änderungen eintreten. 40 Hajers zentraler Kritikpunkt bezieht sich auf Struktur und Funktionsweise der Advokaten-Koalitionen. Nach Sabatier (1993: 121) handelt es sich bei AdvokatenKoalitionen um eine Gruppe von Akteuren mit denselben normativen und kausalen Überzeugungen (belieft), die ihre Handlungen abstimmen, um ihre Ziele zu erreichen. Während Sabatier für den Zusammenhalt dieser Koalitionen ihre untereinander geteilten Überzeugungen betont, stehen bei Hajer die storylines im Mittelpunkt: "Instead ofbeing constructed around preconceived beliefs, policy coalitions 40 Am forschungspraktischen Vorgehen wird zudem kritisiert, dass Sabatier Unterschiede innerhalb der Umweltbewegung übersehe, beispielsweise zwischen reformistischen und radikalen Positionen (Fischer 2003: 101).
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are held together by narrative storylines that interpret events and courses of action in concrete social contexts" (Fischer 2003: I02). Damit soll nicht die Existenz von handlungsleitenden Überzeugungen abgestritten werden: "Rather, it is to argue that it is not the knowledge in belief systems per se that holds the members ofsuch coalitions together, but the 'storylines' that symbolically condense the facts and values basic to a belief system" (ebd.). Anstatt auf bestehende, fest verankerte Überzeugungen zu reagieren, sei es die Kunst des policy maldng, halbartikulierten Ängsten und Hoffnungen eine Stimme zu geben, indem sie in überzeugende Narrative zu ihren Ursachen und Lösungsmöglichkeiten verpackt werden. Es gehe weniger um Fakten, policy-bezogene Ideen und Überzeugungen als um storylines, die auf sehr allgemeinem Wissen beruhen, aber soziale Orientierung geben, indem sie Ereignisse, Verantwortlichkeiten und Lösungsmöglichkeiten in ihrer wechselseitigen Bedingtheit vereinfacht darstellen. "Thus, what people in [al ( ...) discourse coalition support is an interpretation ofthreat or crisis, not a core set offacts and values that can be teased out through content or factar analysis. Rather than a stahle core of cognitive comrnitments and beliefs, they share storylines that often tend to be vague on particu1ar points and, at times, contradictary on others" (a.a.O.: 103).
Des Weiteren unterscheiden sich interpretative Ansätze vom ACF durch ihr Verständnis der Koordination und Funktionsweise der Koalitionen. Während im ACF die Akteure ihre Handlungen abstimmen, werden für Diskursanalytiker Koalitionen durch storylines reproduziert, wobei sich die Akteure nicht unbedingt getroffen oder abgestimmt haben müssen. Dementsprechend können auch Personen mit leicht abweichenden Einstellungen zur selben Diskurs-Koalition gehören (a.a.O.: 103; 105). Des Weiteren wird von den post-positivistischen Forschern Sabatiers rationalistisches Verständnis des Policy-Lernens hinterfragt, demzufolge Lernen durch informierte Debatte in einem "relativ apolitischen Forum" erleichtert werde: "Unter solchen Voraussetzungen führen der Wunsch nach professioneller Glaubwürdigkeit und die Standards der wissenschaftlichen Debatte zu einer ernsthaften Analyse methodologischer Annahmen, der allmählichen Eliminierung der unwahrscheinlicheren Kausalannahmen und nicht haltbaren Daten und damit längerfristig zu einer größeren Konvergenz der Perspektiven über die Natur des Problems und die Konsequenzen verschiedener Policy-Alternativen" (Sabatier 1993: 140).
Aus einer sozialkonstruktivistischen Perspektive beruht diese Aussage auf einem überholten Verständnis dessen, wie Wissenschaft funktioniert. Wissenspolitologische Arbeiten widersprechen der Vorstellung, wissenschaftliche Debatten ließen sich "als Ausdruck einer rein an Geltungsfragen orientierten interessen- und 95
machtfreien Sphäre verständlich machen" (NullmeierlRüb 1993: 26). Die Gegenstände, die der ACF für eine "objektive" Debatte unter Experten vorsieht, sind ihrerseits soziale Konstruktionen. ,,Moreover, the scientific process is governed by norms and principles that are grounded in the social consensus of the various scientific communities rather than anchored to an objective reality itself" (Fischer 2003: 109). Fischer konstatiert, dass verschiedene Disziplinen durch unterschiedliche Denkweisen geprägt sind und somit die Unterstellung, dass alle Wissenschaftler automatisch zu einem vertretbaren Konsens fänden, fehlerhaft sei. Dabei verweist er auf ein generelles Problem des Lernbegriffs, denn was für die einen ein (positiv konnotiertes) Lernen sei, könne von anderen durchaus nicht als solches empfunden werden (a.a.O.: 111).
4.5.3 Kritik an den Arbeiten der argumentativen Wende Schneider und lanning (2006: 183) weisen auf die Grenzen der Diskursanalyse am Beispiel von Hajers Fallstudien zur Umweltpolitik in NL hin: Da der dominante umweltpolitische Diskurs so diffus war, konnten Regierungen mit unterschiedlicher Programmorientierung ihr Vorgehen legitimieren, dabei aber unterschiedliche Instrumente einsetzen und verschiedene Ziele verfolgen. Der Diskurs der "ökologischen Modernisierung" dominierte zwar die Diskussion in NL, ohne jedoch deutliche Spuren auf der Ebene konkreter Maßnahmen zu hinterlassen. ,,Für Dryzek zeigt sich an diesem Beispiel, dass bestimmte Diskurse von politischen Akteuren auch instrumentell genutzt werden können - was voraussetzt, dass die Interessen der betreffenden Akteure von diesen Diskursen unabhängig sind", also doch nicht erst im Diskurs entstehen (Maier 2001: 525). Hiermit verbunden ist die Frage, ob sich Diskurse also doch für die Interessen der Akteure instrumentalisieren lassen beziehungsweise wann wir es mit tatsächlichen Deutungsmustern der Akteure zu tun haben und nicht eher mit Rechtfertigungen oder der Verschleierung eigentlicher Beweggründe. Hiermit ist generell ein Kritikpunkt angesprochen, der auch für Majones Überlegungen zur Dominanz von Macht und Interesse gegenüber Ideen bei (re-)distributiven Politiken gilt: In welchem Verhältnis stehen Interessen auf der einen und artikulierte Problemwahrnehmungen, Diskurse oder allgemeiner Ideen auf der anderen Seite? Für lachtenfuchs (1993) sind Interessen abhängig von Problemdefinitionen, die ihrerseits wiederum auf Ideen in Gestalt vonframes zurückgeführt werden. Interessen ergeben sich hier also erst aus den Ideen, während sie bei Majone (1993) in einem nicht weiter definierten Spannungsverhältnis zu diesen stehen. Stehen Ideen also jenseits von Eigennutz und Partikularzielen und sind damit per 96
se etwas "Gutes"? Diese Fragen werden jedoch von den Autoren des argumentative turn weitgehend ausgeblendet, vermutlich, da sie allen Parallelen zum Trotz doch der linguistischen Wende näher stehen als den ideenbezogenen oder kognitiven Ansätzen, die hier mit Deborah Stone, Dvora Yanow und Frank Nullmeier eingeführt werden. Die Betonung von Sprache und Diskurs scheint in den Arbeiten des argumentative turn stärker zu sein. Ein weiterer Kritikpunkt ist mit epistemologischen Brüchen verbunden, die in Hajers Werk durchscheinen und wohl stellvertretend für zahlreiche diskursanalytische Zugänge sind. Hajer positioniert sich einerseits als Vertreter der interpretativen, sozialkonstruktivistischen Tradition (HajerNersteeg 2005: 176). Dementsprechend unterstreicht er, dass seine Diskursanalyse nicht verstanden werden sollte als eine Analyse, in der Akteure keine wichtige Rolle spielten. An anderen Stelle bezieht Hajer (2004: 289) jedoch seinen Zugang ausdrücklich auf Foucault und übersieht dabei die Differenzen zwischen einem eher handlungstheoretischen im Gegensatz zum poststrukturalistischen Umgang mit Aussagen und Äußerungen. Dabei bestehen aus methodologischer Sicht schwerwiegende Differenzen zwischen interpretativer Sozialforschung und der Diskursanalyse nach Foucault, die ein deutlich strukturalistisches Erbe aufweist (Kerchner 2006: 56). ,,Im Unterschied zu handlungstheoretischen Ansätzen sieht der Strukturalismus, pointiert formuliert, die gesellschaftliche Wirklichkeit als Ergebnis anonymer Mächte, als Resultat von symbolischen Ordnungen, sozialen Institutionen und materiellen Bedingungen, die unabhängig vom Subjekt bestehen, in denen der einzelne sich zwar bewegen kann, auf die er aber keinen Einfluss auszuüben vermag" (Waldschmidt 2004: 149).
Im interpretativ-hermeneutischen Paradigma dagegen wird die Wirklichkeit konstituiert durch ein Zusammenspiel von Interaktionen und Interpretationen individueller und kollektiver Akteure, die relative Autonomie entfalten können (a.a.O.: 150). Im Prinzip betreibt Hajer damit - wohl unbewusst - den gleichen Versuch, den Reiner Keller (2005a) in seiner Entwicklung einer wissenssoziologischen Diskursanalyse expliziert hat, in der er die hermeneutische Wissenssoziologie mit Foucault zu verknüpfen sucht, wobei er von einer "Übersetzung" zwischen Theoriesprachen spricht. Eine Schwierigkeit des argumentative turn insgesamt geht mit dem stark normativenAnspruch des Zugangs einher. Durnings (1995: 102) Kritik am Sammelband von FischerlForester, einige Kapitel seien zu stark getrennt von der Realität der professionellen Policy-Analyse, dürfte damit zusammenhängen, dass häufig unklar bleibt, ob die Ausgangsannahmen auf dem beruhen, was Policy-Analyse ist, oder eher auf dem, was sie sein sollte. Den Arbeiten des argumentative turn wird 97
zudem entgegengehalten, ob der politische Prozess tatsächlich nur durch Argumentation bestimmt werde und nicht vor allem auch durch Verhandeln (Saretzki 2003: 413), also einen Governance-Modus, in dem durch die Verknüpfung verschiedener Themenfelder eine Konsensfindung durch Zugeständnisse in anderen Themenbereichen herbeigeführt wird. Ein gefundener Konsens muss schließlich nichts mit der Überzeugungskraft der Argumente zu tun haben, sondern kann etwa durch Hierarchien überlagert werden (Dryzek 1993: 227).
4.5.4 Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit Trotz dieser Schwachstellen zieht die vorliegende Arbeit wichtige Anregungen aus den vorgestellten Ansätzen: Ein wichtiges Verdienst der Autoren ist die Anerkennung der Bedeutung von Sprache, die von Politikwissenschaftlem lange Zeit außer Acht gelassen wurde. Dies ist verwunderlich, da sich Politiker deren Rolle schon immer viel bewusster waren: "As politicians know only too well but social scientists too often forget, public policy is made of language. Whether in written or oral form, argument is central in all stages ofthe policy process" (Majone 1989: 1). Ein für die vorliegende Arbeit wesentlicher Gedanke wird von Hajer (2002: 63) auf den Punkt gebracht: ,,[W]hether or not a situation is perceived as a political problem depends on the narrative in which it is discussed." Der Ansatz dieses Autors geht insofern über die Konzepte seiner Ko-Autoren hinaus, als er mit seinen Diskurskoalitionen die Akteure und damit den Prozess des claims-making sowie die Rolle der Institutionen einbezieht. Zudem untersucht er Diskurse und Diskurskoalitionen nicht nur textzentriert, sondern betreibt auch eine Prozessanalyse. Dies ist insofern für die vorliegende Arbeit relevant, als die Politiken im Umgang mit ethnischer Segregation in NL sowie in Großbritannien zum Teil gravierenden Veränderungen unterworfen waren. Die Auseinandersetzung mit dem argumentative turn verdeutlicht indes auch, welche Fallstricke es in der Bearbeitung des vorliegenden Themas zu vermeiden gilt. Die vorliegende Arbeit muss den Mikro-Fokus der vorgestellten Ansätze und die Ausblendung nichtsprachlicher Elemente - trotz aller Sensibilität für die sprachliche Vermittlung von Problemwahmehmung überwinden.
4.6 Die Wissenspolitologie nach Nullmeier/Rüb Mit dem wissenspolitologischenAnsatz haben Frank Nullmeier und Friedbert Rüb (1993) den wohl bedeutendsten deutschen Beitrag zur interpretativen Policy-For98
schung geliefert. Wie schon bei den anderen interpretativen Arbeiten liegt das Potenzial ihres Zugangs in der Betonung politischen Wandels und politischer Vielfalt, aber auch der Deutungsabhängigkeit sozialer Realitäten (a.a.O.: 25; Schmid/ Straßheim 2003: o.S.). Im Zentrum wissenspolitologischer Untersuchungen steht stets der Versuch, mittels verschiedener, vor allem qualitativer Techniken den Wandel von Wissensbeständen zu rekonstruieren und dadurch den Wandel einzelner Policies zu erklären (Rüb 2006: 345). Veränderungen von Policies (Inhalten, Programmen) erscheinen der Wissenspolitologie als Veränderungen in Wissenssystemen, die von politischen Akteuren subjektiv interpretiert werden. Politische Handlungsalternativen werden dann umgesetzt, wenn sie die größte argumentativ-rhetorische Unterstützung innerhalb von Wissenssystemen mobilisieren können. Im Rahmen des wissenspolitologischen Ansatzes kann auch nach sich langsam ändernden Deutungsmustern gefragt werden sowie nach Ablagerungen sich historisch erstreckender Interpretationskämpfe, die das Wissen von Akteuren und damit politische Entscheidungen beeinflussen (Kerchner 2006: 41). Politische Entscheidungen und Wandel werden weder als Ergebnis einer Liste kausal wirkender Faktoren verstanden, noch als funktionalistisch abgeleitete Notwendigkeiten. Der wissenspolitologische Ansatz besitzt damit eine Nähe zu den bereits vorgestellten Konzepten, in denen Wissen bzw. wissensund erfahrungsbasierten Wirklichkeiten keine ontologische Wahrheitsqualität zugesprochen wird, sondern diese als Wirklichkeitskonstrukte betrachtet werden. Dazu zählt Rüb (2006: 345) die wissenssoziologische Diskursanalyse von Keller (siehe Kapitel 5.2), wissens- oder lernbasierte Ansätze in der PolicyAnalyse oder argumentative Politikkonzepte. Von verschiedenen Autoren (u.a. SchmidJStraßheim 2003) wird der wissenspolitologische Zugang daher auch in einem Atemzug mit sozialkonstruktivistischen Ansätzen genannt: "In einer allmählichen Ablösung von der konzeptionellen Bindung an die dominierenden strukturalistischen und funktionalistischen Modelle fand eine Hinwendung der Politikanalyse zu Verfahren statt, die im weitesten Sinne dem Sozialkonstruktivismus bzw. der Wissenssoziologie (...) und dem 'interpretativen Paradigma' (...) zuzuordnen sind" (Pieper 2006: 274). Diese Einschätzung wird von Friedbert Rüb (2006: 345), einem der beiden Autoren, selbst jedoch nicht geteilt: "Von diesen Konzepten unterscheidet sich die Wissenspolitologie dadurch, dass sie das ,Politische' ernster nimmt. Sie begreift Politik aLs die Form menschlichen Handelns, die in eine bestehende Macht- und damit Wirklichkeitskonstellation neue, Wirklichkeiten' einfUhrt und dadurch den Status Quo herausfordert, um ihn zu verändern und neue Machtkonstellationen zu bewirken. (...) Von den sozial-konstruktivistischen Ansätzen von Alfred Schütz, Peter L. Berger und Thomas
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Luclanann u.a. unterscheidet sich die Wissenspolitologie grundlegend, weil bei ihr Wissenskonstruktionen41 nicht in erster Linie der Sinnhaftigkeit des Handelns dienen, sondern als strategische Optionen gewählt werden können, um in einem gegebenem politischen Kräftefeld ein Maximum an Macht zu realisieren."
Bei Frank Nullmeier (1997: 114) heißt es hingegen, der wissenspolitologische Ansatz übernehme von BergerlLuckmanns Wissenssoziologie "Grundgedanken zur sozialen Wirklichkeitskonstruktion und zur Bedeutung von Institutionen." Vermutlich ist diese unterschiedliche Einschätzung auf Differenzen im Wissensbegriff zurückzuführen: Die hermeneutische Wissenssoziologie in Anschluss an BergerlLuckmann beschränkt sich auf die Untersuchung der Wissensbestände individueller Akteure in ihren alltagspraktischen, privaten oder professionellen Randlungskontexten. Für Prozesse der institutionellen und damit auch politischen Wissensproduktion hat sie keinen angemessenen Zugang entwickelt (Keller 2005a: 14). Während in der Wissenssoziologie Wissen als "die Form des Sinns, den wir mit anderen teilen", definiert wird (Ritzier 2007: Absatz 23), ist Wissen im wissenspolitologischen Verständnis zudem vor allem wählbar. Anstatl wie in traditionellerenAnsätzen (wissenschaftliches) Wissen und Politik starr gegenüber zu stellen und den instrumentellen Einsatz von Wissen zu kritisieren, versteht der wissenspolitologische Ansatz den BegriffWissen wertneutral als Deutungsmuster, mit denen Annahmen über die Wirklichkeit gemacht werden, die dann politisch handlungsleitend werden (Nullrneier 1993: 181). Die Wissenspolitologie arbeitet mit einem weit gefassten Wissensbegriff, der sowohl normativ als auch deskriptives, implizites wie explizites Wissen einbezieht und gemäß seines interpretativen Zugangs keine vorgängigen Wahrheitsansprüche an den Geltungscharakter eines Wissens jenseits des Fürwahrhaltens stellt (a.a.O.: 182). Mit Karl Mannheims Wissenssoziologie hat der wissenspolitologische Analyserahmen somit gemein, nicht wie eine Ideologienlehre auf die Entlarvung von Täuschungen gerichtet zu sein. ,,Dies bedeutet, dass sich die in analysierbaren Wissensbeständen niederschlagende ,Realität' für bare Münze genommen wird. Sie wird nicht dekonstruiert, also als ideologisch entlarvt, als falsches Bewusstsein denunziert, als Täuschung überführt, sondern als eine strategisch gewählte, machtbewusst eingesetzte und wirksame Waffe im politischen Kampf betrachtet" (Rüh 2006: 348).
41 Wissen wird verstanden als durch Kommunikation konstituierte und konfirmierte Praxis. Dem wissenschaftlichen Wissen kommt dabei keine Sonderrolle zu. Es unterscheidet sich lediglich durch die spezifischen Regeln seiner Konstruktion und Konfirmation und durch den Ort seiner Produktion (Rüb 2006: 346).
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Die Wissenspolitologie geht davon aus, dass politische Institutionen geronnenes, sedimentiertes Wissen über eine angemessene Form der Bearbeitung von spezifischen gesellschaftlichen Sachverhalten sind, die sich in einem konkreten Bestand an Regeln und Verfahren niederschlagen, an dem die gesellschaftlichen Akteure ihr Handeln strukturieren (a.a.O.: 347). Aus interpretativer Sicht gehen diese institutionellen Zwänge und Chancen jedoch nur als akteurseigene Interpretationskonstrukte in das politische Handeln ein. Handlungsleitend sind demnach nicht die tatsächlichen Machtressourcen, sondern das Wissen des Akteurs über seine Ressourcen und deren Verfügbarkeit (Nullmeier 1993: 176). Das Handeln der Akteure, ihr Kampf um die Durchsetzung ihrer Deutungen bzw. um die Formulierung von Problemdefinitionen, Verantwortlichkeiten, Handlungsstrategien steht im Mittelpunkt des wissenspolitologischen Interesses. Ihr Untersuchungsterrain bilden die politischen Arenen, in denen wissensbasierte Koalitionsbildungen und Vernetzungen stattfinden (pieper 2006: 275). Im wissenspolitologischen Vokabular wird das wählbare Wissen auf Wissensmärkten auch in diesen ökonomischen Kategorien besteht die Nähe zu Mannheim - gehandelt, auf denen verschiedene Anbieter konkurrieren (beispielsweise Parteien, Organisationen, Institutionen), die wiederum interne Wissensmärkte ausbilden. Auf diesen Wissensmärkten grenzen sich einzelne Deutungsansprüche gegeneinander ab, indem sie sich gegenseitig die Geltung absprechen, zwischen unterschiedlichen Wissensarten differenzieren und sogar Wissenshierarchien ausbilden (Schneider/Janning 2006: 99). Das Wissensangebot umfasst sowohllebensweltliches als auch wissenschaftliches und weltanschauliches Wissen, wobei diesen Angebotsformen höchst unterschiedliche Legitimität zugesprochen wird (Nullmeier/Rüb 1993: 30). AufAngebots- wie auf Nachfragerseite können sich Monopole, Oligopole und Polypole ausbilden (Nullmeier 1993:183). ,,Die Fähigkeit von Policy-Akteuren, (...) feldübergreifende Debatten zu initiieren oder sich ihnen zu verweigern, hängt von den wissensrelevanten Ressourcen der Akteure in Wissensmärkten ab und von ihrem Vennögen, die eigene Deutungshoheit zu verteidigen und den Wirkungsbereich in Wissensmärkten gegenüber Diskurseinf1üssen von außen abzuschotten" (Schneider/Janning 2006: 100).
Im Gegensatz zu anderen Formen der Diskursanalyse steht in der Politikwissenschaft weniger die Sprachproduktion als solche, sondern eher die Produktion und Wirkung von politisch relevanten Deutungsmustern innerhalb öffentlicher Debatten im Zentrum des Interesses. In diesem Verständnis werden Diskurse jedoch nicht nur geführt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und damit Zustimmung zu organisieren. Die wissenspolitologischen Arbeiten gehen über die Untersuchung strategische Kommunikation an der Schnittstelle von Politik und Medien 101
hinaus. Vielmehr interessieren die handlungsleitenden Orientierungen und Werte der politischen Akteure (Lepperhoff 2006: 252).
Kritik am Zugang von Nullmeier/Rüb Rüb (2006: 351) hat selbst auf innennethodische Schwachpunkte hingewiesen: Die Wissenspolitologie habe die Frage aus den Augen verloren, wer Nachfrager des Wissens sei: "Politik hat die Aufgabe, bei anderen Wissen herzustellen, sie also glauben zu machen, was die Politik glaubt und so Unterstützung zu generieren." Hiennit ist aber kein instrumentalistisches Verständnis von Wissen verbunden, denn in einer konsequent wissensorientierten Policy-Forschung wird die Fassung von Ideen als bloße Fassade strikt abgelehnt. Als weitere Schwachstellen des Ansatzes nennt Rüb, dass Aspekte des framing, das an einem Sachverhalt bestimmte Aspekte hervorhebt und andere ausblendet, bestimmte kausale Zusammenhänge betont und/oder mit bestimmten ethischen Fragen verbindet, unterbelichtet bliebe (ebd.). Außerdem vernachlässige die Wissenspolitologie den Gebrauch von Symbolen, die Wissen mit emotionalen und kognitiven Aspekten verbinden, Geschichten, die ein Ereignis in bestimmte Erzählstrukturen einbauen sowie den selektiven Umgang mit Zahlen und Daten - allesamt Aspekte, die in den Arbeiten von Deborah Stone reflektiert werden und hier bereits in Kapitel 4.4 eingeführt wurden. Anknüpfungspunkte fiir die vorliegende Arbeit Auch wenn der in der Monographie von Rüb/Nullmeier 1993 entwickelte wissenspolitologische Ansatz in der vorliegenden Arbeit insofern nicht konkret genutzt wird, als sie sich nicht seines ökonomischen Vokabulars bedient, verdankt die interpretative Policy-Forschung insbesondere Frank Nullmeier einige wesentliche Klärungen zentraler Begrifflichkeiten sowie die fundierte Reflexion eines wenig etablierten Zugangs. So verweist Nullmeier (2001: 292-293) darauf, dass Arbeiten, die mit dem Begriff Ideen operieren, häufig in einen Dualismus von Ideen und Interessen zurückfallen. Er spricht sich für einen weit gefassten Wissensbegriff aus, der diesen binären Schematismus aufbricht, problematisiert aber zugleich den WissensbegrifI, da dieser im Gegensatz zwischen Meinen und Glauben eingespannt sei. Wissenspolitologische Arbeiten interessiert die Rolle von sozialwissenschaftlichem Wissen bei der Konstruktion von politischen Notwendigkeiten, die als alternativlos gelten. Handelt es sich um Möglichkeiten erweiterndes Wissen, weist das sozialwissenschaftliehe Wissen auf Grenzen des Handelns hin oder zwingt es in eine notwendig einzuschlagende Richtung (a.a.O.: 295)? Für die vorliegende Arbeit ist interessant, ob sozialwissenschaftliches Wissen überhaupt Eingang in die 102
Debatten um den angemessenen Umgang mit ethnischer Segregation und die daraus folgenden Policies findet. Zentral für die asymmetrischen Chancen der Wissensproduktion ist die Fähigkeit, an individuelle oder kollektive Identitäten anzuknüpfen (Schneider/Janning 2006: 100). Mit den Arbeiten von Schneiderllngram soll dieser Aspekt im Folgenden eine eigene Würdigung erfahren.
4.7 Die soziale Konstruktion von Zielgruppen nach Schneider/Ingram Mit ihrer Arbeit zur sozialen Konstruktion von Zielpopulationen haben die Autorinnen Helen Ingram undAnne Schneider (1993; 2005) einen weiteren wichtigen Baustein zur konstruktionistischen Policy-Analyse geliefert. Für die vorliegende Arbeit bieten die Arbeiten von SchneiderIIngram eine wichtige Anregung, geht es im Umgang mit ethnischer Segregation doch in erster Linie um das Verhältnis von unterschiedlich konstruierten Gruppen der Mehrheitsgesellschaft und der Minderheiten. Die Autorinnen gehen davon aus, dass politische Akteure um eine Policy voranzutreiben eine Logik entwickeln müssen, die Problemdefinition, Zielgruppen und Policy-Design miteinander verbindet. "The rationale must explain how a particular policy design allocates benefits and burdens in a way congruent with target group images and in a way that will mitigate a particular social problem" (Sidney 2005: 118). Die soziale Konstruktion der Zielgruppen bezeichnet die kulturelle Charakterisierung oder das verbreitete Image von Personen oder Gruppen, deren Verhalten oder Wohlbefinden durch Policies beeinflusst werden. Diese Charakterisierungen sind normativ und bewertend und porträtieren Gruppen als positiv oder negativ durch symbolische Sprache, Metaphern und Geschichten. 42 In den Augen der beiden Autorinnen senden Policies eine Botschaft darüber aus, was Regierungen tun sollten, welche Bürger berechtigte Ansprüche haben und welche Art von politischer Beteiligung bei den verschiedenen Gruppen angemessen ist (Schneider/ Ingram 1993: 334). Laut Schneider und Ingram werden die Handlungen gewählter Vertreter durch zwei Beweggründe bestimmt, nämlich, das von ihnen wahrgenommene Problem zu lösen und zudem wieder gewählt zu werden.
42 Dabei sind es nicht nur Polieies allein, durch die Groppen konstruiert werden: "The role of governance in social construction is probably smaller than the combined influence of market advertisements, music, film, and other aspects ofhistorical custom and popular cu1ture. Yet, policy is the dynarnic element through which govemments anchor, legitimize, or change social constructions" (Ingram/Schneider 2005: 5).
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"Tbus, the eleetoral implieation of a poliey proposal depends partlyon the power of the target population itself (eonstrued as votes, wealth, and propensity of the group 10 rnobilize for action) but also on the extent 10 whieh others will approve or disapprove of the poliey's being direeted toward a partieular target" (a.a.O.: 335).
Für die vorliegende Arbeit ist daher nicht nur die Frage relevant, aufwen sich die Desegregationspolitiken richten - sei es auf die Mehrheitsgesellschaft oder die zugewanderte Minderheit - und wie die Minderheit konstruiert ist, sondern auch wie die nicht direkt betroffenen Gruppen auf die jeweilige Maßnahme reagieren. SchneiderIIngram (1993: 337f.) definieren dabei vier Typen von Zielgruppen, die hinsichtlich der Kategorien mächtig/machtlos und positives/negatives Image geordnet sind. Die "begünstigten Gruppen" (Advantaged) sind sowohl mächtig als auch positiv konstruiert. Ihnen gelingt es, das Agendasetting und die Konstruktion ihrer eigenen Gruppe zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Distributive Policies werden für diese Gruppe für gewöhnlich ohne Notwendigkeitsnachweis implementiert, so dass die Betroffenen sich nicht als Bittsteller wahrnehmen. Sie sind normalerweise in allen Sphären politisch aktiv, sind aber in der Lage, private Alternativen zu organisieren und ihre Unterstützung für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen für die Allgemeinheit zurückzuziehen. Müssen dieser Gruppe Lasten auferlegt werden, wird auf Selbstregulierung und positive Anreize gesetzt, die darauf bauen, dass die Gruppe freiwillig reagiert und nicht stigmatisiert wird. Die ,,Herausforderer" (Contenders), beispielsweise Lobbygruppen, sind mächtig, aber negativ konnotiert. Während bei Maßnahmen zugunsten der "begünstigten Gruppe" der funktionale Nutzen dieser Akteure für die Allgemeinheit unterstrichen wird, beispielsweise für die nationale Sicherheit oder das Wirtschaftswachstum, ist bei den "Herausforderern" hingegen zu unterscheiden, ob sie von einer Politik profitieren (in der Regel nicht vor den Augen der Öffentlichkeit) oder Lasten auferlegt bekommen, wobei letztere vor allem als Korrektor für zu viel Macht oder Gier konstruiert werden. Die dritte Gruppe, die "Abhängigen", sind politisch schwach, aber positiv besetzt. Ingram und Schneider führen als Beispiel für diese Gruppe allein erziehende Mütter an, wobei aber gerade von der Standardfamilie abweichende Lebensformen in ihrer Bewertung besonders umkämpft sein dürften. Nach Ingram und Schneider wollen Politiker im Sinne ihrer Wiederwahl mit den Interessen dieser Gruppe in Verbindung gebracht werden, aber deren geringer Einfluss macht es schwierig, ihr Ressourcen zuzuleiten. Die gegenüber dieser Gruppe vor allem anzutreffende symbolische Politik zeigt zwar große Anteilnahme, die eigentlichen Policies werden aber den unteren Regierungsebenen oder dem privaten Sektor überlassen. Distributive Policies, die sich auf diese schwache Gruppe richten, 104
funktionieren anders als diejenigen, die sich auf die mächtigen Gruppen beziehen: Die Gruppe erhält zwar Unterstützung, aber der Berechtigungsnachweis ist häufig stigmatisierend. "Deviante Gruppen" wie beispielsweise Kriminelle sind sowohl schwach als auch negativ konstruiert. Es ist für Politiker attraktiv, die Politik in strafender Weise auf diese Gruppe zurichten. "The negative social constructions make it likely that these groups will often receive burdens even when it is illogical from the perspective of policy effectiveness." Policies, von denen die "Devianten" profitieren, werden als unvermeidbar dargestellt, um konstitutionelle Rechte zu bewahren. SchneiderIIngram (1993: 335) verstehen sich nicht als strikte Konstruktivisten, denn Zielgruppen haben in ihrem Verständnis empirisch feststellbare, durch Policies kreierte Grenzen und existieren innerhalb objektiver Bedingungen, auch wenn diese einer Vielzahl unterschiedlicher Bewertungen unterliegen. Eine zentrale Aufgabe für die Analyse besteht darin zu verstehen, wie soziale Konstruktionen aus objektiven Bedingungen entstehen und wie sich beide verändern. Der Hinweis auf die Konstruiertheit impliziert also nicht, dass es keine wirklichen Differenzen zwischen den Gruppen gäbe: "The facts of group characteristics may be real, but the evaluative component that makes them positive or negative is the product of social and political processes" (Ingram/Schneider 2005: 3). In älteren Arbeiten von SchneiderIIngram blieben Aspekte der Gruppenbildung noch unterentwickelt, wie Peter deLeon (2005: 635) in einem Review kritisiert: ,,[T]he nagging question - what moves a person or a group from dependent cell to the contender cell (or the more troublesome transition from deviant to dependent or, even more problematic, retrograde movements, such as from advantaged to contender) - is not as explicitly addressed." Ebenso blieb die Frage unbeantwortet, ob externe Ereignisse für Veränderungen der Gruppendefinitionen wesentlich sind. Diese Themen werden von den Autorinnen, wenn auch nur oberflächlich, in einer jüngeren Publikation (2005) thematisiert: Einige Konstruktionen bleiben über Jahrzehnte gleich, andere ändern sich, unterliegen der Debatte und Manipulation. Schneider und Ingram gehen dabei von einer Pfadabhängigkeit aus, wonach eine Veränderung in der Konstruktion einer Gruppe mit der Zeit schwieriger werde (Ingram/Schneider 2005: 6). Es gebe aber auch dramatische externe Ereignisse, die Konstruktionen verändern können. Als Beispiel nennen die Autorinnen die Anschläge von 9/11, die in der amerikanischen Politik zu einer negativen Konstruktion der arabischen Bevölkerung und in der Folge zu einer negativen Charakterisierung nahezu aller Immigranten geführt hätten (a.a.O.: 9). Gleiches gilt mit Sicherheit für das britische Verhältnis zu Minderheiten nach den Anschlägen von London 2005. Änderungen der sozialen Kon105
struktionen können zudem durch den demographischen Wandel bedingt sein. So seien die allein erziehenden, von Transferleistungen abhängigen welfare mothers positiv konstruiert gewesen, solange es sich überwiegend um junge weiße Kriegswitwen handelte. Seit vor allem Minderheiten zu dieser Gruppe zählten, würden die betroffenen Frauen als unverantwortliche, promiske Jezebels oder parasitäre welfare queens konstruiert (a.a.O.: 16). Ebenfalls können Änderungen eintreten durch die Beeinflussung durch ökonomische, politische, soziale und moralische Akteure, die durch Koalitionsbildung ihre Definitionen durchsetzen können (a.a.O.: 10). Anknüpfungspunkte für die vorliegende Arbeit Im Gegensatz zu anderen Ansätzen führt der sozialkonstruktivistische Zugang der Autorinnen zwar zu einer Sensibilität für die sprachliche Vermittlung von Wirklichkeitskonstruktionen, gleichzeitig geht der Erkenntniswert ihrer Arbeit aber über die stärker auf die Mikro-Ebene fixierten Arbeiten - etwa des argumentative turn - hinaus. In ihrer Typologie spielt das Kriterium Macht eine wichtige Rolle ein Aspekt, der von den stärker problemlösungsorientierten älteren Formen der Policy-Forschung häufig übersehen wurde. Der Ansatz von Schneider/Ingram schärft zudem den Blick dafür, wie Probleme als Folgen menschlichen Handelns konstruiert werden: "Too often, target-group thinking generates causal stories that blame people for problems. Politics and policy shift their focus from reforming infrastructures and institutions to reforming people and their behavior" (Stone 2005: xii). Im Hinblick auf die zu untersuchenden Durchmischungsstrategien lassen sich hieraus drei Vermutungen über die zu untersuchenden Desegregationsstrategien ableiten: • Integrationsdefizite werden vermutlich auf die Handlungen von schwachen und negativ konstruierten Minderheitenhaushalten, nämlich ihre Wohnstandortentscheidung, zurückgeführt, anstatt das diskriminierende Verhalten einiger Vermieter oder die Abschottungstendenzen der Mehrheitsbevölkerung zu ahnden. • Anstatt die integrierenden Institutionen der Aufnahmegesellschaft, insbesondere das Bildungssystem offener zu gestalten, wird versucht, die räumliche Verteilung der Minderheit und damit ihre Sichtbarkeit zu verändern. Hiermit rückt die Aufmerksamkeit von der Infrastruktur abermals auf die Handlungen der Minderheitenhaushalte. • Der Ansatz erlaubt es zudem, Überlegungen zu den Folgen der Problemdefinition für die betroffene Gruppe selbst anzustellen. Die Autorin der vorliegenden Arbeit vermutet, dass in den zu untersuchenden Ländern unterschiedliche Konstruktionen der Minderheiten mit unterschiedlichen Reaktionen auf die Durchmischungsstrategien von beiden Seiten einhergehen.
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4.8 Potenziale und Leerstellen des gewählten Analyserahmens Die oben vorgestellten Ansätze der ideenbezogenen Policy-Forschung bilden den Analyserahmen der Untersuchung, sind also eher als Linse oder als Scheinwerfer aufneues, empirisches Terrain zu verstehen und nicht als erklärendes Modell oder als Theorie, aus der Hypothesen abgeleitet werden, ob und ggf. wie Ideen auf Policies einwirken. Die Prämisse lautet, dass sich Ideen in Policies niederschlagen und Policies Ideen widerspiegeln (Groenemeyer 2003: 11). Der Mehrwert des diskutierten Ansatzes besteht also nicht in einer besseren Erklärung von Politikergebnissen, wie es die ideenorientierte Komparatistik anstrebt, sondern in einem Perspektivenwechsel. Untersucht wird nicht das objektive Phänomen Segregation, sondern wie es zum Problem wurde. Die Fragestellung lautet, welche diesbezüglichen Ideen sich in den Policies niederschlagen beziehungsweise unter welchen Bedingungen sich bestimmte Ideen gegenüber anderen Ideen durchsetzen (Maier 2001: 543). Wenn in der vorliegenden Arbeit die Frage aufgeworfen wird, unter welchen Voraussetzungen sich bestimmte Deutungsmuster/Problemwahrnehmungen behaupten können, so ist hier zum einen an die Akteurskonstellationen gedacht, die sich mit ihrer Definition gegenüber anderen durchsetzen konnten. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass es weitere externe Kontextfaktoren und politikfeldspezifische Besonderheiten mit Einfluss auf die Problemlösungsstrategien gibt (vgl. Allen 1997; Heinelt 1993a). Mit Ulbert (1997: 14) wird die Überlegung geteilt, dass Ideen nicht allein sondern im Zusammenspiel mit Institutionen und Kultur als mutmaßliche Ursachen der Policy-Formulierung auftreten. Politisches Handeln wird verstanden als ein Produkt von kulturell und institutionell vermittelten Ideen. Beide Aspekte fungieren als Filter, der die Auswahl der zur Verfügung stehenden Ideen beeinflusst. Institutionen dienen als Handlungsrahmen, Kultur als ein diesen Rahmen ausfüllendes Handlungsrepertoire. Institutionen werden hier im Sinne des interpretativen Paradigmas als umstrittene, vorübergehend kristallisierte symbolische Strukturen der Ordnung verstanden, die Handlungen ermöglichen und beschränken (Keller 2005a: 9). Im Sinne des konstruktivistisch-interpretativen Zugangs wird in der vorliegenden Arbeit jedoch davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit dieser Zwänge und Ressourcen erst durch die kollektive Wahrnehmung und Anerkennung fixiert wird. "To say that the context determines the selection and performance of instruments, from this perspective is to claim that instrument and problem share the same context of meaning, or, in other words, their connection rests in the eye ofthe beholder" (Linder/Peters 1989: 48). Im Gegensatz zu objektivistischen Ansätzen wird damit ein Kontingenzraum unterstellt, den die politischen Akteure selbst füllen müssen (Nullmeier 1993: 176). 107
Die Arbeit kann also nicht eine Ursachenzuschreibung der politischen Effekte von Ideen oder Diskursen leisten, sondern muss sich auf eine Analyse inhaltlicher Kongruenz oder Nicht-Übereinstimmung zwischen den Problemwahrnehmungen und der Ausprägung einzelner Policies beschränken (vgl. Maier 2001: 525). Eine Ursachenzuschreibung wäre zum einen eher mit einem ideengeleiteten komparatistischen Ansatz und nicht mit dem konstruktivistischen Zugang einer "dichten Beschreibung" in dieser Arbeit zu vereinbaren, zum anderen kann es aus rein praktisch-methodologischen Gründen nicht um den Nachweis eines direkten Niederschlags von Problemwahrnehmung in Policies gehen: Insbesondere in den ausländischen Untersuchungsländem werden Experten- und Akteursinterviews die zentrale Methode der Datenerhebung darstellen. Da nicht nur aktuelle Strategien im Umgang mit Segregation sondern auch ältere Konzepte rekonstruiert und verglichen werden sollen, wird die Zielgruppe der heutigen Experten nicht deckungsgleich mit den Entscheidungsträgem von damals sein. Ein deduktiver Nachweis ist so nicht zu fUhren. Bei der Frage nach den IdeenlDeutungsmustern, die sich in den Policies wieder finden lassen, stellt sich zudem die Schwierigkeit, tatsächliche Ideen von politischen Rechtfertigungen, echte Lemeffekte von taktischen Manövern zu unterscheiden. Eine nur auf den ersten Blick theoretische Inkonsistenz des Ansatzes ist mit dem ihm potenziell innewohnenden Relativismus verbunden. Das Ziel besteht in einer Denaturalisierung und Erschütterung des für selbstverständlich Gehaltenen durch den Nachweis, dass es sich "nur" um eine Realitätsdeutung handelt. Weltsichten dürften also nicht durch die kontrastierende Interpretation der Autorin direkt infrage gestellt, sondern allein metatheoretisch als Deutung sichtbar und damit variierbar gemacht werden (a.a.O.: 134). Insbesondere bei den sozialkonstruktivistisch geprägten britischen Wohnforschern, die die vorliegende Arbeit inspiriert haben, und den Autoren des argumentative turn zeigt sich indes, dass sie ihren Zugang als normative Kritik an den bestehenden Verhältnissen begreifen. Der Ansatz wird gerade nicht auf eine akzeptierende Beschreibung rhetorischer Strategien reduziert. Das "Schweigegelöbnis der Postmodernisten" wie Collin Hay (2002: 246) es nennt, legen sich die Autoren der Interpretativen PolicyAnalyse ausdrücklich nicht auf. Statt Lösungsvorschläge für die sozialen Probleme moderner Gesellschaften zu liefern, gestehen die Autoren ein, dass ihre Prognosefähigkeit gering ist und sehen ihre Aufgabe darin, die politischen Prozesse der Deliberation zu stimulieren. Damit geht ein starkes Engagement für die Inklusion von Bürgerinteressen und stärkere Partizipation einher. Anstatt zu fragen, "was funktioniert", soll untersuchen werden, wie und wieso etwas zu einem Problem geworden ist und wer Gewinner und Verlierer dieser Problemkonstruktionen sind. 108
5. Methodische Operationalisierung der Fragestellung
5.1 Besonderheiten interpretativer, ländervergleichender Policy-Forschung Der Kategorie ,,Möglichkeit" kommt in sozialkonstruktivistischen Arbeiten eine zentrale Stellung zu (Nullmeier 1997:134). Daher besteht der Reiz eines länderübergreifenden Vergleichs darin zu zeigen, dass Problemdefinitionen nicht nur theoretisch kontingent sind, sondern tatsächlich in unterschiedlichen nationalen Kontexten anders konstruiert werden. Die Vorteile des Konstruktionismus liegen darin, die impliziten Annahmen im wohnungs- und integrationspolitischen Diskurs infrage zu stellen, die Sinne für Alternativen zu schärfen und genauer zu untersuchen, warum bestimmte Probleme in spezifischen kulturellen Anordnungen an Gewicht gewinnen (vgl. HaworthlManzilKemeny 2004: 18). Dennoch hat der Konstruktionismus in vergleichenden Policy-Untersuchungen bislang keinen großen Einfluss hinterlassen. Für die vorliegende Arbeit stellt sich insbesondere die Frage nach Potenzialen und Defiziten eines länderübergreifenden, fallorientierten Vergleichs, denn qualitative Texte neigen dazu, den Ländervergleich zu vernachlässigen, während viele Ländervergleiche selten auf qualitativen Methoden beruhen, sondern zu einer variablenorientierten, auf Generalisierbarkeit abzielenden Herangehensweise tendieren (Mangen 1999: 109). Während manche Autoren betonen, es gebe keine distinkten zwischenstaatlichen Methoden per se, verweisen andere auf einen durch Sprache und Kultur bedingten Partikularismus (Hantrais/ Mangen 1999: 91). Im Folgenden soll die vorliegende Arbeit hinsichtlich ihrer Abstraktionsebene und ihrer Vergleichsstrategie eingeordnet werden. Damit soll zum einen das konkrete Vorgehen transparent gemacht und zum anderen die Rolle des Vergleichs in der Wohnforschung sowie in der Policy-Forschung beleuchtet werden.
5.1.1 Korijunktur der Methode
Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass menschliches Denken ohne Vergleich letztlich nicht möglich sei (Ragin 1987: 1). Gerade in der Politikwissenschaft gilt der Vergleich seit jeher als "Königsweg" unter den Methoden. Auch im
S. Münch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_5, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Bereich der Wohn- und Stadtforschung haben die globalisierten Finanz- und Immobilienmärkte, europäische Forschungsnetzwerke und nationenübergreifende Politikdiskurse das Interesse an komparativen Arbeiten gemehrt (PloegerlLawsonl Bontje 2001: 1). Die Vergleiche dienen dem Versuch, soziale Phänomene über Grenzen hinweg zu untersuchen, Erklärungen für Ähnlichkeiten und Unterschiede zu finden und deren Folgen einzuschätzen, sei es, um Theorien zu testen, best practice herauszuarbeiten oder ein besseres Verständnis für das Funktionieren sozialer Prozesse zu entwickeln (Hantrais 1999: 93). Dabei treten insbesondere Projekte der Auftragsforschung häufig mit dem Ziel an, Lehren für die Heimat zu ziehen. Generell ist das wachsende Interesse an Ländervergleichen seit den 1970er Jahren jedoch nicht mit ebensolchen Fortschritten auf theoretischer und forschungspraktischer Ebene einhergegangen (HantraislMangen 1999: 91). Ein Defizit besteht bei vielen Arbeiten darin, dass nur insofern von einem Vergleich zu sprechen ist, als Daten für zwei oder mehrere Fälle gesammelt werden, aber nicht der Versuch unternommen wird, tatsächlich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu diskutieren. Damit handelt es sich lediglich um eine Gegenüberstellung, nicht um einen Vergleich (Pickvance 2001: 11).
5.1.2 Abstraktionsebenen des Vergleichs Schon in Ragins oben genannter Überlegung spiegelt sich die Bandbreite der verschiedenen Intensitäten des Vergleichs wider. Oxley (2001: 93-97) unterscheidet zwischen implizit vergleichenden, niedriggradigen, mittelgradigen und hochgradigen Vergleichen. Bei implizit vergleichenden Arbeiten handelt es sich um Einzelfallstudien, die Entwicklungen in nur einem Land beschreiben, die aber internationalen Wert haben können. Der niedriggradige Vergleich überlässt die Interpretationsarbeit im Wesentlichen dem Leser selbst und ist oft Ergebnis internationaler Kollaborationen, die sich darauf beschränken, die Beiträge verschiedener Länderexperten in einem Sammelband zu vereinen. Als mittelgradig bezeichnet Oxley diejenigen Arbeiten, die keinen wirklichen Vergleich vornehmen, sondern bemüht sind, aus anderen Ländern Lehren für potenzielle Policies zu ziehen. Einen systematischen Vergleich schließlich gibt es insbesondere in der vergleichenden Wohnforschung nur selten, nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeit, an vergleichbare Daten zu gelangen oder Schlussfolgerungen über ein einzelnes Phänomen in verschiedenen kulturellen und institutionellen Zusammenhängen zu ziehen. Oxley (2001: 93) bezieht diese Aussage darauf, dass in der international vergleichenden Wohnforschung nur selten Hypothesen getestet werden, da adäquate Theorien und Daten fehlten. 110
5.1.3 Vergleichstrategien - von Ähnlichkeit zu Differenz Neben der Intensität des Vergleichs differieren komparative Arbeiten auch in den Strategien ihrer Gegenstandsauswahl. Auf der einen Seite des Spektrums finden sich die von Hantrais (1999: 95) und Tilly (1984) als universalistisch bezeichneten Zugänge, die Similarität und Konvergenz betonen, oftmals um die Anwendbarkeit einer national entwickelten Theorie zu testen. Bei einem solchen Vergleich wird davon ausgegangen, dass jede Ausprägung eines Phänomens denselben Regeln folgt (a.a.O.: 82). Da Ähnlichkeiten aufAbstraktionen basieren und durch universell gültige Regeln und Gesetzmäßigkeiten erklärt werden sollen, ignorieren sie zuweilen den spezifisch nationalen Kontext, wie er von konstruktionistischen Arbeiten betont wird. In eine ähnliche Richtung geht die von Tilly (1984: 81) als umfassend (encompassing) bezeichnete Vergleichsstrategie. Sie bemüht sich um die Erklärung von Entwicklungsmustem, die in übergeordnete Strukturen eingebunden sind. Similarität und Differenz werden zurückgeführt auf ähnliche bzw. verschiedene Positionen in der allumfassenden Gesamtheit, nationale Rahmenbedingungen werden häufig als erklärende Variablen herangezogen (a.a.O.: 126). Auf der dritten Ebene befinden sich schließlich Untersuchungen mit dem Ziel des variation fmding, die versuchen, Prinzipien der Abweichungen in der Intensität eines auftretenden Phänomens oder systematische Unterschiede zwischen Fällen zu finden. Arbeiten, die diesem Muster folgen, sind oft quantitativ angelegt und versuchen, die allgemeine Beziehung zwischen zwei Variablen zu finden, um generalisierende Aussagen treffen zu können (a.a.O.: 117-119). Dabei wird die Ausprägung eines Phänomens als eine Funktion eines anderen Phänomens behandelt (a.a.O.: 92). Bei der von Tilly (1984: 81) als individualisierend und von Hantrais (1999: 95) als kulturalistisch bezeichneten Herangehensweise, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, geht es darum, die Einzigartigkeit des Falles zu erfassen. ,,[T]he point is to contrast specific instances of a given phenomenon as a means of grasping the peculiarities of each case" (Tilly 1984: 82). Tilly betont, dass das individualisierende Vorgehen also auch nach Unterschieden sucht, aber im Gegensatz zum variation jinding ein anderes Verhältnis von Beobachtung und Theorie vorliegt. Eine Theorie kann in einem individualisierenden Vorgehen nicht getestet werden (a.a.O.: 96).
5.1.4 Besonderheiten der international vergleichenden Wohnforschung Während die deutsche Wohnforschung eher ein Schattendasein fristet, gibt es im angelsächsischen Raum bei einigen Autoren die Tendenz, sie zu einer eigenen 111
Disziplin zu stilisieren. Eigenständige Ansätze der international vergleichenden Wohnforschung gibt es jedoch kaum. Die meisten approaches wurden aus der sozialwissenschaftlichen Disziplin des Forschers entwickelt, wie dies auch in der vorliegenden Arbeit mit den Ansätzen einer interpretativen Policy-Forschung erfolgt ist. Oxley unterstreicht daher: "Housing is a field of acti vity, an area ofpolicy and practice, and a complicated and multifaceted phenomenon, but it is not a discipline" (Oxley 2001: 92). Dennoch lassen sich in der international vergleichenden Wohnforschung drei Strömungen ausmachen. Besonders bis Mitte der 1980er Jahre waren Konvergenztheorien verbreitet, die einen Zusammenhang zwischen der ökonomischen Entwicklung einerseits und den öffentlichen Ausgaben fiir Wohlfahrt im Allgemeinen und der Bereitstellung von Wohnraum im Speziellen andererseits trotz parteipolitischer, institutioneller und ideologischer Unterschiede annahm (Boelhouwer/van der Heijden 1993: 373). Eine wesentliche These der wohnbezogenen Konvergenztheorie besagte, dass sozialer Wohnungsbau in westlichen Demokratien unter profitunfreundlichen Bedingungen entwickelt und unter profitfreundlichen Bedingungen zurückgefahren werde (Kemeny/Lowe 1998: 167). Das Problem der Konvergenzuntersuchungen bestand jedoch darin, dass häufig sämtliche Abweichungen als ,,Ausnahmen bestätigen die Regel" interpretiert wurden (a.a.O.: 165). Kemeny/Lowe (1998: 167) plädieren daher dafiir, ein Auge fiir Divergenz zu wahren, da sich selbst bei oberflächlichen Ähnlichkeiten in der öffentlichen Bereitstellung von Wohnraum stets erhebliche Unterschiede zwischen Staaten mit residualistischem sozialen Wohnungsbau wie in GB und einem universalistischen Massenangebot wie in Skandinavien finden lassen. Ein zweiter Ansatz, der Structure 0/ Housing Provision (SHP), verglich seit Mitte der 1970er Jahre, wie die Dominanz verschiedener sozialer Gruppen und organisierter Interessen die Art der Bereitstellung von Wohnraum beeinflussen können (Boelhouwer/van der Heijden 1993: 374). Drittens hat sich mit dem Bedeutungszuwachs der Policy-Forschung insgesamt auch in der vor allem anglophonen Wohnforschung ein policy-orientierter Ansatz als weitere Alternative durchgesetzt, wie sie auch in der vorliegenden Arbeit verfolgt wird.
5.1.5 Qualitative Policy-Vergleiche
Mit den genannten Strömungen haben sich in der Wohnforschung die Entwicklungen niedergeschlagen, die von Lodge (2007: 278) als zentrale Forschungslinien der vergleichenden Policy-Forschung insgesamt genannt werden: Konvergenztheorien und als Gegenstück dazu Ansätze, die die Prägkraft von Institutionen und 112
damit eine Pfadabhängigkeit betonen, sowie Untersuchungen, die den Einfluss von Parteien oder die Rolle organisierter Interessen analysieren. Während die vergleichende Politikwissenschaft im Sinne von eomparative polWes auf eine lange Forschungstradition zurückblickt, gilt dies fiir die vergleichende Politikfeldforschung in viel geringerem Maße (FeickiJann 1989: 5). Obgleich Schmidt (2006: 263) "zweifellos (...) Einzelfallstudien und vergleichende[n] qualitative[n] Fallstudien" als dominant unter den Arbeiten der Policy-Forschung ausmacht, ist insbesondere die vergleichende Staatstätigkeitsforschung, ein Begriff, der im Prinzip synonym verwendet wird, stark quantitativ geprägt. Zohlnhöfer (2006: 10), der im Wesentlichen im Hinblick auf die Heideiberger Schule argumentiert, macht in diesem Zweig den quantitativen Zugriff mittels multivariater Regressionsanalysen oder gepoolter Zeitreihenanalysen mit dem Aufbau eines most-similar-systems Designs als wesentlichen Zugang aus. In der Regel liegt diesen Arbeiten die allgemeine Frage zugrunde, ob sich fiir die westlichen Demokratien ein einheitliches Modell der Politikgestaltung feststellen lässt oder ob unterschiedliche sozioökonomische Kontexte, kulturelle Traditionen, Parteien- und Verbändesysteme sowie institutionelle Besonderheiten des politischen Systems zu unterschiedlichen Policies führen (Schneider/Janning 2006: 45). Diese Arbeiten vergleichen meist die Sozialausgaben oder sozialpolitischen Anstrengungen in OECD-Ländern und betrachten regulative Politiken, wie beispielsweise Fragen der Integrationspolitik im weiteren Sinne, ausgesprochen selten, nicht zuletzt wegen mangelnder Verfügbarkeit vergleichbarer Daten (Zohlnhöfer 2006: 11). Zohlnhöfer vermutet, dass die systematische Analyse regulativer Politik eine Verlagerung des methodischen Schwerpunktes hin zu einer größeren Zahl systematisch vergleichender qualitativer Studien bedeuten würde, "denn ein quantitativer Indikator, wie ihn die OECD zur Produkt- und Arbeitsmarktregulierung zur Verfügung stellt, dürfte im Bereich der regulativen Politik vorläufig noch die Ausnahme sein" (a.a.O.:15f). Der qualitative Vergleich, wie er in der vorliegenden Arbeit umgesetzt wird, legt den Schwerpunkt nicht auf abstrakte Korrelationen, sondern bemüht sich, der Komplexität der Einzelfälle gerecht zu werden, kann aber kaum zu einer Verallgemeinerung, die über die untersuchten Fälle hinausweist, herangezogen werden (vgL Schneider/Janning 2006: 47; PickelIPickel 2003: 295). Da die Literatur zu qualitativen Policy-Vergleichen nach Einschätzung der Autorin ausgesprochen dünn ausfällt, greifen die folgenden Ausführungen aufDiskussionen in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen bzw. innerhalb der vergleichenden Wohnforschung zurück.
113
5.1.6 Häufige Schwierigkeiten komparativer Arbeiten Interpretativ arbeitende Vergleiche sind mit dem Problem der Übersetzbarkeit und Übertragbarkeit konfrontiert. Wiederkehrende Fragen drehen sich um einen angemessenen kontextuellen Bezugsrahmen, den Einfluss der eigenen kulturellen Traditionen des Forschers sowie Fragen der Äquivalenz von Konzepten und Interpretationen (Hantrais 1999: 93). In einem konstruktionistischen Verständnis organisiert und formt Sprache die Erfahrungswelt des Sprechers. Es ist eine spezifische Sicht auf die Welt, sodass Übersetzung ein Vorgang ist, der sowohl linguistische als auch kulturelle Faktoren zu berücksichtigen hat (Eyraud 2001: 279). Insbesondere in legalen und quasilegalen Begriffen schlägt sich "akkumulierte Geschichte" nieder (a.a.O.: 282). Konzepte sind soziale Konstrukte und Produkte eines langen historischen Prozesses, ihre aktuelle Definition ist ein Ergebnis dieses Konstruktionsprozesses, der hieran beteiligten sich gegenüberstehenden Kräfte. Zudem werden diese Definitionen nach dem jeweiligen ökonomischen und sozialen Kontext unterschiedlich aktiviert (a.a.O.: 283). Die Forderung nach Äquivalenz hat damit eine andere Richtung als in quantitativen Arbeiten, wo es beispielsweise um die Einheitlichkeit von Befragungsbögen geht. Insbesondere konstruktionistisch angelegte Arbeiten müssen berücksichtigen, dass die Partikularität bestimmter Konzepte ihre Übersetzung insofern problematisch macht, als sich zwar ein entsprechendes Wort finden lässt, dieses jedoch in einer anderen Sprache eine völlig andere Bedeutung transportieren kann. Die kognitive, konnotationale und funktionale Bedeutung zu verstehen, kann sich als ultimative Herausforderung darstellen. Mangen (1999: l1lt) warnt vor dem Trugschluss der self-fulfilling equivalence, wenn Konzepte dazu verleiten, konsonante Definitionen aufunterschiedliche Phänomene zu übertragen. Sensibilität ist beispielsweise angebracht, da der deutsche Wohnungsmarkt am wenigsten mit anderen europäischen Staaten zu vergleichen ist (HaworthlManzilKemeny 2004: 165). Insbesondere das Konzept des Sozialen Wohnungsbaus, das in anderen Ländern eng an die Existenz gemeinnütziger Wohnungsanbieter gekoppelt ist, weicht in der BRD ab, da es hier im Rahmen öffentlicher Objektförderung und damit einhergehender Mietregulierungen definiert ist. Anders gesprochen: Social housing und sozialer Wohnungsbau können in verschiedenen nationalen Kontexten verschiedene Inhalte transportieren, Integration in einem Land eine andere vorherrschende Konnotation besitzen als in einem anderen. Mit diesen Fragen der sprachlichen Übertragbarkeit von Konzepten ist schließlich auch die Frage des konkreten Policy-Transfers und der Implementierung in unterschiedlichen kulturellen Kontexten verbunden, auch wenn dies für die vorliegende Arbeit kein zentraler Aspekt ist. Die Übertragbarkeit verschiedener Policies 114
und Strategien spielt insbesondere angesichts zunehmender EU-Harmonisierung in vielen Untersuchungen eine herausragende Rolle, zwnal viele Forschungsarbeiten direkt durch die EU finanziert werden. "However, the contextualisation and history of different member states is often ignored in the eagerness for research to be commissioned and comparability to be demonstrated" (a.a.O.: 168). Beispielsweise unterscheidet sich die britische Tradition, bestimmte Arten der Miet- oder Eigentumsverhältnisse mit bestimmten handlungsbeeinflussenden Charakteristika in Verbindung zu bringen, von ihrer Wahrnehmung in anderen Ländern (a.a.O.: 170). Die Rolle spezifisch nationaler Kontexte schlägt sich auch in der Einschätzung der Integration von Migranten nieder, wenn etwa in der BRD die Wohneigentumsbildung als Ausdruck der Integration gedeutet wird, sich aber beispielsweise in NL der 1990er Jahre ein entgegengesetzter Prozess zeigte. Hier handelte es sich beim Erwerb von Wohneigentum durch Migranten vor allem um Notkäufe von Häusern in unattraktiven Innenstadtlagen und war damit - ganz im Gegenteil zur Einschätzung in der BRD - Ausdruck ihrer Desintegration (Bolt/van Kempen 2002: 406; 414). Sowohl die Gefahr der self-fullfilling equivalence als auch die große Bedeutung des Kontextes für national spezifische Deutungsmuster haben für die vorliegende Arbeit die Notwendigkeit erhöht, einen möglichst umfassenden und intensiven Einblick in aktuelle und historische Entwicklungen und Interpretationen mit Relevanz für das Handlungsfeld zu gewinnen. Neben diesen konzeptionellen Schwierigkeiten einer qualitativen, länderübergreifenden Vergleichsstudie gibt es weitere Probleme, die mit den spezifischen Methoden der Datenerhebung in diesen Arbeiten verbunden sind. In der ländervergleichenden Forschung sind halb-strukturierte und offene Interviews als Methode der Datenerhebung besonders verbreitet, da nicht nur Daten erhoben werden sollen, sondern auch Führung und ein lokaler gatekeeper benötigt werden (Mangen 1999: 118). Um Bedeutungen aus verschiedenen kulturellen Perspektiven zu beleuchten, wird die Autorin auf Interviews mit muttersprachlichen Experten und Akteuren zurückgreifen. Insbesondere in solchen Fallstudienländern, in denen Forscher keine oder nur geringe Sprachkompetenzen besitzen, können Interviews mit Experten und/oder Akteuren zentrale Informationen liefern, wenn sich auch das Angewiesensein auf Experten und deren Einschätzung als problematisch zu erweisen vermag (a.a.O.: 110). Dabei ist zu bedenken, dass gerade auch das Interview in einer Fremdsprache linguistische Schwächen und kulturelle Inkompetenz offenbaren kann (a.a.O.: 117). Sprachschwierigkeiten können vermieden werden, indem als Fallstudien bewusst nur nordeuropäische Staaten ausgewählt werden, zu denen viele englischsprachige Veröffentlichungen existieren (a.a.O.: 112). Diesen Vorteil hat in der vorliegenden Arbeit auch die Beschäftigung mit den niederländischen Policies, da 115
dieses Land, neben Schweden und dem englischsprachigen Raum, in der Fachliteratur zu Themen des Wohnens, aber auch der Themen Migration und Integration, am stärksten vertreten ist. Dennoch entfällt für die Autorin hier die Möglichkeit der Dokumentenanalyse, wobei beim Rückgriff aus Sekundärquellen die Gefahr besteht, dass das Material schon hochgradig editiert und strukturiert wurde (a.a.0.: 118).
5.1.7 Konsequenzen./Ur die vorliegende Arbeit Die vorliegende Arbeit erhebt den Anspruch, einen systematischen, qualitativen Vergleich der Deutungsmuster und damit einhergehenden Policies im Umgang mit ethnischer Segregation vorzunehmen. Anstatt die drei Fallstudienländer nacheinander zu bearbeiten, soll an jedem Punkt ein direkter Vergleich zwischen Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien möglich sein - vomframing der jeweiligen Zuwanderungsgeschichte sowie der jeweils nationalspezifischen Definition von Integration über die angenommenen Ursachen von Segregation, ihre Folgen, zu den politisch Verantwortlichen sowie den daraus abgeleiteten Steuerungsversuchen durch die Wohnungspolitik. Aufgrund des qualitativen Analyserahmens handelt es sich hier um einen fallorientierten - im Gegensatz zum generalisierenden variablenorientierten - Vergleich, der der Komplexität des Einzelfalls Rechnung trägt. Der Vergleich muss nicht nur die Unterschiede zwischen den Ländern erfassen, sondern auch die diachronen Veränderungen der Problemwahmehmungen und Policies. Von einer vergleichenden Perspektive ist zu erwarten, dass es einerseits deutliche Ähnlichkeiten der Thematisierung und Problematisierung von Segregation zwischen einzelnen Gesellschaften gibt, andererseits aber auch durchaus markante Unterschiede. ,,[T]here are important cross-national differences in the socia! construction of the problem that (...) mix diagnoses and seeks 10 address and in the subsequent constitution of the policies. These difIerences reflect the divergence in the institutional structures (...) of [different countries], in their organisations of housing policy-making, systems of implementation, his10rical circumstances and political forces" (Arthurson 2005: 520).
Offenbar sind Gesellschaften häufig mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert, die zu ähnlichen Interpretationen und Problematisierungen Anlass geben. Auf der anderen Seite hängt es aber von den jeweiligen institutionellen, kulturellen und politischen Kontexten ab, in welcher Weise auf diese Herausforderungen reagiert wird. Diese bilden die Grundlage für die jeweils spezifischen Konstruk116
tionskulturen sozialer Probleme. In einem interpretativen Verständnis reagieren Menschen auf Grundlage ihrer Interpretation von externen Bedingungen, ihr Handeln wird also nicht quasi-kausal determiniert, sondern Rahmenbedingungen wie die politische Kultur - machen bestimmte Handlungen akzeptabel oder inakzeptabel. Ebenso ergibt ein Argumentationsmuster Sinn im Rahmen einer bestimmten politischen Kultur und ihrer dominanten Diskurse (Fischer 2003: 159). Warum manche Problemdefinitionen erfolgreicher sind als andere, erklärt sich somit nicht allein mit der Stärke der Akteure, sondern hängt auch damit zusammen, welche Ideen und Diskurse überhaupt auf wohlfahrtskulturelle Resonanz stoßen (vgl. Lepperhoff2006: 259). Dies verweist auch auf eine spezifische Pfadabhängigkeit der Thematisierung sozialer Probleme, die über unterschiedliche Formen der Institutionalisierung von Interessen, Werten und Problembearbeitungen zustande kommt. Der Vergleich zwischen den verschiedenen Durchmischungskonzepten der zu untersuchenden Staaten muss versuchen, relevante soziale und politische Kontexte aufzuzeigen, also hier im Wesentlichen politische Gelegenheitsstrukturen, andere Formen überwiegend organisierter Kontexte und kollektive Akteure sowie die Öffentlichkeit. Beispielsweise stellen die Traditionen verschiedener wohlfahrtsstaatlicher Regime jeweils sehr unterschiedliche Bedingungen für die Thematisierung staatlicher Aufgaben und daraufbezogener Ansprüche dar. Hieraus ergeben sich aber auch ganz unterschiedliche Interpretationen über individuelle Verantwortlichkeiten und die Rolle des Staates als Adressaten von claimsmaking-activities. In diesem Sinne sind wohlfahrtsstaatliche Traditionen und Institutionen nicht nur im Hinblick auf die Formulierung sozialpolitischer Forderungen relevant, sondern bilden eine jeweils spezifische kulturelle Grundlage für andere Problemdiskurse. 43 Diese Problemdiskurse sind auch immer eingebunden in umfassendere gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen, die sowohl Voraussetzung für die Konstituierung kollektiver Akteure als auch für die Art der Thematisierung darstellen (vgl. Groenemeyer 2003: l2f.). Dies impliziert keine Kausalität, sodass nach Feick/Jann (1989: 8) eher von länderspezifischen Konfigurationen gesprochen wird. Weitere Faktoren könnten die Entwicklungen von Gerechtigkeitsvorstellungen und Problemsensibilitäten sein, ebenso wie Vorstellungen von Gestaltbarkeit der Gesellschaft.
43 Die staatliche Regelungsdichte, Koordinations- oder Govemance-Mechanismen unterscheiden sich aber nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch politikfeld-spezifisch (Heinelt 1993a: 315).
117
5.2 Diskursanalyse als empirische Methode Während die oben dargestellte Öffnung der US-amerikanischen Policy-Forschung für Fonnen der Konstruktion von Wirklichkeit mit einer Etablierung des Diskursbegriffes einhergegangen ist, hat sich die Inspiration der kulturalistischen Wende in der deutschsprachigen Disziplin eher unter den Schlagworten "Wissen" und "Ideen" niedergeschlagen (Kerchner/Schneider 2006: 11; Nullmeier 2001: 286). Der inflationäre Gebrauch des Diskursbegriffes in der Alltagssprache hat nicht nur in der deutschen Politikwissenschaft, sondern auch in ihren Nachbardisziplinen zur Skepsis gegenüber sprachbasierten Verfahren beigetragen. Die Besonderheit für die Politikwissenschaft besteht indes darin, dass sich die systematische Rezeption von Diskursanalysen noch gänzlich in der Konstituierungsphase befindet. Verschiedene Gründe sind für die weitgehende Vernachlässigung dieses Analyseverfahrens verantwortlich: • Zum einen gelten die deutschen Politikwissenschaftler generell als ,,Methodenmuffel" (von Alemann!fönnesmann 1995: 18). Nullmeier konstatiert eine "hohe Abstinenz gegenüber Methodemeßexionjenseits der Wahl- und Einstellungsforschung" (Nullmeier 2001: 285). • Hinzu kommt eine geringe Vernetzung mit Disziplinen wie Sprachwissenschaft und Ethnologie, in denen sich diskursanalytische Verfahren schon länger etabliert haben (ebd.). • Nullmeier nennt ferner die geringe Rezeption der weiter oben dargestellten post-positivistischen Ansätze (ebd.). • Des Weiteren machen die Herausgeberinnen einer Einführung zur FoucaultRezeption in der Politikwissenschaft eine disziplinsspezifische Foucault-Rezeption für den Nachholbedarf verantwortlich, da dieser in der Politikwissenschaft vor allem als Machttheoretiker wahrgenommen worden sei (Kerchner/ Schneider 2006: 11). Es bleibt bei vielen Arbeiten der post-positivistischen Policy-Forschung jedoch unklar, wie die Wahrnehmung der relevanten Akteure und ihre Kausalannahmen bei der Konstruktion und politischen Bearbeitung von Problemen, also "Ideen" und "Wissen", methodisch erfasst werden sollen, wenn nicht über Diskurse. Auch wenn es strittig bleibt, ob die Diskursanalyse eine Theorie oder Methode darstellt (Kerchner 2006: 35) und Reiner Keller, auf dessen forschungspraktischenAusführungen sich die folgenden Erläuterungen im Wesentlichen beziehen, die Diskursanalyse ausdrücklich nicht als Methode, sondern als ein sehr heterogenes Forschungsprograrnm bezeichnet, soll die Diskursanalyse an dieser Stelle explizit als eine zu nutzende Methode eingeführt werden. Der sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse geht es nämlich um die "Prozesse der sozialen Konstruktion von 118
Deutungs- und Handlungsstrukturen auf der Ebene von Institutionen, Organisationen bzw. kollektiven Akteuren und um die Untersuchung der gesellschaftlichen Wirkungen dieser Prozesse" (Keller 2005a: 10). Das folgende Kapitel nimmt eine Definition des Diskursbegriffes vor, erläutert die forschungspraktische Umsetzung und grenzt sich von anderen Herangehensweise ab, die andernorts ebenfalls unter der Bezeichnung Diskursanalyse gebräuchlich sind.
5.2.1 Definition undAbgrenzung
Der Diskursbegriff ist vie1fliltig: Er bezeichnet nicht nur die Interpretation sozialer Makro-Diskurse, sondern auch die Analyse konkreten Sprachgebrauchs einschließlich linguistischer Pragmatik und ethnomethodologischer Konversationsanalyse (Keller 2005b: Absatz 1). Diskursforscher pendeln damit zwischen einer konkretistischen Untersuchung realer Kommunikationsprozesse und der von einzelnen Äußerungen abstrahierenden Analyse großer, durch die Forscher zusammengestellter Textkorpora andererseits (KellerNiehöver 2006: 104). Des Weiteren lässt sich der politische Diskurs in zwei Bereiche differenzieren: erstens in jenen der medialen Berichterstattung, des öffentlichen Diskurses (analysiert zumeist in Form einer quantitativen Massenanalyse) und zweitens in den institutionell begrenzten politischen Raum andererseits. Während ,,Diskurs" im Alltagsverständnis als thematisch bezogene öffentliche Auseinandersetzungen gefasst wird, herrscht in der Politikwissenschaft ein Konzept vor, das an der inhaltlichen Einheit des durch den Diskursbegriff Bezeichneten festhält. Nicht alles, was gesagt wird, ergibt in diesem Verständnis gleich einen Diskurs (Nu1lmeier 2001: 292). Heterogen wie der Diskursbegriff selbst sind auch die Zielsetzungen, Forschungsinteressen und -fragen sowie methodologischen Zuschnitte, die mit der Diskursanalyse verbunden sind. Den Autoren des von Rainer Keller (2004) herausgegebenen Handbuchs zur sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse ist zunächst eine konstruktivistische Ausgangsposition gemein, die den weltkonstituierenden Charakter der Sprache in diskursiven Praktiken betont; ebenso ein postpositivistisches, deskriptiv-rekonstruktives Vorgehen, "das auf klassische Erklärungen durch unabhängige Variablen verzichtet, die verschiedenen Elemente und Dimensionen des Gegenstandsbereichs als sich wechselseitig konstituierend und stabilisierend bestimmt und sich nicht zuletzt auch zur Unhintergehbarkeit von Interpretationsprozessen bekennt" (Keller et al. 2004: lOf.). In der vorliegenden Arbeit sollen Diskurse als mehr oder weniger erfolgreiche Versuche verstanden werden, Bedeutungszuschreibungen und Sinn-Ordnungen zumindest auf Zeit zu 119
stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung in einem sozialen Ensemble zu institutionalisieren (Keller 2004b: 7). Die vorliegende Arbeit grenzt sich von folgenden Herangehensweisen ab: • Es geht ihr in erster Linie nicht um den medial vermittelten Diskurs, die öffentliche Meinung oder Alltagsdiskurse zum Thema Segregation, wie sie bereits von BestiGebhardt (2001) zum Thema Ghetto-Diskurse analysiert wurden, sondern vor allem um politisch-administrative Diskurse. • Die Arbeit nimmt dementsprechend keine quantitative Massenauswertung vor, sondern beschränkt sich aufPolicy-Dokumente, Gesetzestexte, Protokolle von Anhörungen, Studien und selbst gefiihrte Interviews aus dem im weiteren Sinne wohnungspolitischen Bereich. Medienberichte - insbesondere das "Zeit"- und "Spiegel"-Archiv - werden genutzt, um segregationsbezogene Deutungsmuster in ihren historischen Kontext einordnen zu können. • Sie arbeitet nicht linguistisch-pragmatisch, sondern interessiert sich fiir die jeweiligen textübergeifenden nationalen, kontextspezifischen Interpretationsrepertoires. Es geht in der Diskursanalyse darum, auf der Ebene von Institutionen und Organisationen Prozesse nicht als singuläre Aussageereignisse, sondern als strukturierte Zusammenhänge, eben Diskurse zu analysieren (Keller 2004a: 205). Die Arbeit rekonstruiert, wie die Deutungsmuster der wohnungspolitischen Akteure als mehr oder weniger kollektiv verbindliche Deutungen institutionalisiert und damit als legitim festgeschrieben werden (vgl. Schwab-Trapp 2004: 170). Ein Deutungsmuster wird dabei verstanden als eine gesellschaftlich vorübergehend konventionalisierte Deutungsfigur, die Bedeutungselemente zu einer kohärenten, nicht unbedingt konsistenten Deutungsfigur verknüpft, die sich in konkreten sprachlichen Äußerungen manifestiert (Keller 2004a: 209). • Sie versteht die Diskursanalyse als qualitativ-interpretative politikwissenschaftliche Methode und bezieht sich dementsprechend nicht aufpost-strukturalistische Zugänge im Sinne Foucaults. • Von der Inhaltsanalyse unterscheidet sie sich durch ihre spezifische perspektivische Kontextualisierung der analysierten Materialien. Da in einem konstruktionistischen Verständnis einzelne Daten ihre Bedeutung nur in ihrem Kontext gewinnen, die Bedeutung eines Textes also nur erkannt werden kann, wenn er als Bruchstück eines gesellschaftlichen Verständigungsprozesses wahrgenommen wird (Waldschmidt 2004: 156), kann sich die vorliegende Arbeit methodologisch nicht auf eine Inhaltsanalyse beschränken. 44 Im Gegensatz zur In44 Die Diskursanalyse orientiert sich ähnlich wie die qualitative Inhaltsana1yse an einer Gesamtauswertung der im Forschungsprozess akkumulierten Daten, strebt dabei aber keine Reduzierung der
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haltsanalyse handelt es sich nicht um die Analyse von manifesten Texteigenschaften. Stattdessen versucht die Diskursanalyse rekonstruierend von einer Materialmenge auf eine latente, soziohistorisch systematische Wissenspraxis zu schließen (Diaz-Bone 2006: 76f.). • Während für manche Kritiker die Diskursanalyse eine Abkehr von normativen oder demokratietheoretischen Prinzipien darstellt (Kerchner 2006: 34), scheint der Autorin die Diskursanalyse als kritische Methode besonders geeignet zu zeigen, wie Policy-Initiativen von einer sozial-pathologisierenden Problemkonstruktion begleitet werden (vgL Hastings 2000: 137). In positivistischer Sicht sind Policy-Dokumente unproblematische, eindeutige Quellen, um PolicyProbleme zu identifizieren, Lösungen vorzuschlagen und Handlungen anzugeben. Kritische Untersuchungen zeigen jedoch, wie Sprache zur Konstruktion selektiver Darstellungen des Problems genutzt wird oder als Teil einer auf Überzeugung ausgerichteten Strategie, um den Leser von der Angemessenheit der Policy-Reaktion zu überzeugen (a.a.O.: 133). Die Diskursanalyse wird hier auch genutzt, um "Schweigen im Text" aufzudecken, den Stimmen detjenigen, die nicht repräsentiert sind, Gehör zu verschaffen (Marston 2002: 88). Keller (2005b: Abs. 4) warnt allerdings davor, dass ein Interesse an ideologischen Funktionen von Sprache nicht zu einem reduktionistischen Beweis ihrer Präsenz in bestimmten Texten fuhren sollte.
5.2.2 Forschungspraktische Umsetzung Die Diskursanalyse ist mit einer Vielzahl von Fallstricken behaftet, wobei der Bestimmung und angemessenen Eingrenzung des zu analysierenden Datenkorpus eine zentrale Rolle zukommt (Keller et al. 2004: 11). Als weitere Probleme sind die angemessenen Verfahren und die methodische Kontrolle von Datenerhebung und -analyse, der Umgang mit großen Textmengen und die Frage nach Interpretation bzw. Stellenwert der jeweiligen Ergebnisse zu nennen (KellerNiehöver 2006: 109). Jeder Autor scheint eine eigene Analytik zu erarbeiten, ohne dass Aussicht auf eine gewinnbringendere kumulative Entwicklung besteht (Nullmeier 2001: 295). Das methodische Problem der Zuordnung von Einzeldaten zu Diskursen und Datenmenge an, sondern versucht einen Gleichklang der Motive und Themen sowie ein übergeordnetes Bedeutungsschema - den Diskurs - durch Vergleich der unterschiedlichsten Textsorten und Datenträger aufzuweisen. Häufig fiihrt diese Vorgehensweise dazu, noch weitere Quellen und Informationen heranzuziehen und den Forschungsprozess auszuweiten, um die spezifische und allgemeine Logik des aufgewiesenen Diskurses zu erfilssen (Blatter/JanninglWagemann 2006: 78).
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des Schlusses vom Einzeldokument auf den Gesamtdiskurs wurde bereits oben (Kapitel 3.3.2) thematisiert (vgl. KellerNiehöfer o.J o.S.). Der größte Klärungsbedarf der Diskursanalyse besteht laut Keller jedoch in der forschungspraktischen Umsetzung. Die vorliegende Arbeit orientiert sich auf seinen für den vorliegenden Fall angepassten Ablaufplan (KellerNiehöver 2006): • Die Arbeit wählt als Analyseeinheiten schriftliches und gesprochenes Material (parlamentarische Protokolle, Gutachten, Gesetzestexte, Ankündigungen neuer Initiativen, Hintergrund-Papiere, etc. sowie eigene Experteninterviews) sowie die Analysekonzepte der interpretativen Policy-Forschung. • Kontextinformationen wurden durch eine umfangreiche Auswertung von Sekundärliteratur, durch "Helikopterinterviews" mit Personen, die einen Überblick über den Bereich besitzen (Hajer 2008: 221) sowie durch die dieser Dissertation vorangegangene Tätigkeit der Autorin im Schader-Projekt "Zuwanderer in der Stadt" gewonnen. Letzteres stellt in interpretativen Ansätzen keine Seltenheit dar: ,,Researchers in interpretive modes more commonly begin their work with what might be called informed 'hunches' or puzzles (...) and, not atypically, in some prior knowledge of the study setting" (Yanow/ Schwartz-Shea 2006: xvi). • Es folgt die vorläufige Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes, heuristisch durch Festlegung der zu untersuchenden Diskursfelder (im Fall der vorliegenden Arbeit also die politische und wissenschaftliche Arena und nicht die öffentliche) definiert. Diese Festlegung ist, wie in allen Diskursanalysen, ein Konstrukt der Autorin. Es wird damit hypothetisch unterstellt, dass sich aus den in Zeit und Raum verstreut lokalisierten Aussagen, die zur Analyse herangezogen werden, jeweils national spezifische Deutungs- und kulturell sowie institutionell eingehegte Handlungsmuster herausarbeiten lassen. Damit wird keine deterministische Wirkung von Institutionen angenommen, sondern dass kulturelle Gelegenheitsstrukturen Einfluss darauf haben, wie Akteure Realität wahrnehmen und Wissen produzieren. Der Erfolg von Deutungsmustern ist in diesem Verständnis von ihrer kulturellen Resonanz abhängig (Ullrich 2005: 150; 160). • Datenfeinanalyse und Datenverdichtung und Hypothesenbildung wechseln einander ab. Vor der Datenfeinanalyse bleibt zu klären, ob die Datenformate vergleichbar sind und inwiefern die Daten das relevante Akteurs- und Meinungsspektrum abdecken. Der Prozess der Datenfeinanalyse führt vom ersten Lesen aller Texte über die Identifikation von Schlüsseltexten zur interpretativanalytischen Rekonstruktion der Aussageninhalte. Ziel der Analyse ist die Rekonstruktion von Deutungsmustem und Argumentstrukturen (KellerNiehöver 2006: 108). Am Ende dieses Arbeitsschrittes steht die dichte Beschreibung 122
des gesamten untersuchungsrelevanten Interpretationsrepertoires der analysierten Diskurse zum wohnungspolitischen Umgang mit ethnischer Segregation. • Die letzte Phase dient der Präsentation der Ergebnisse. Die Diskursanalyse möchte zeigen, welches Wissen als wirklich behauptet wird und durch welche Deutungsschemata, Argumentationsmuster und Wertungen dies geschieht bzw. welche Ausschließungen anderer Deutungen durch den Diskurs vorgenommen werden. Es ist zudem zu klären, inwiefern die Problemkonstruktionen zum erklärenden Verständnis von konkreten Policies sowie deren Implementation und Evaluation beitragen können (a.a.O.: 109). Die wichtigste Präzisierung des Vorgehens besteht jedoch darin, dass die Arbeit keine "Diskursethnographie" (Keller 2005) betreibt, also nicht deskriptiv einen Diskursverlauf an den nächsten reiht, sondern versucht, kategoriegeleitet das jeweils nationale Interpretationsrepertoire zu analysieren. Auf eine episodische Nacherzählung, wie sie sich in vielen Diskursanalysen findet, wurde bewusst verzichtet, da auch historische Deutungen und Policies mit einbezogen werden, deren genauer Hergang nicht hätte rekonstruiert werden können. Da die Deutungsmuster und damit zusammenhängenden Policies in drei Ländern über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren idiographisch miteinander verglichen werden sollen, wäre eine solche Darstellung redundant und ermüdend. Zudem würde eine solche Darstellungsweise dazu verleiten, die drei nationalen Diskurse lediglich nebeneinanderzustellen und nicht im Hinblick auf bestimmte Kategorien (Deutungen zu Problemursachen und -folgen sowie daraus abgeleitete Policies) zu vergleichen. Der wichtigste Grund besteht allerdings darin, dass in der vorliegenden Arbeit zwar meistens die claims - also inhaltlichen Deutungsbausteine - selten aber die claims-making activities also die Prozesse und Abläufe, die zu einer Institutionalisierung von Deutungen in Policies geführt haben, verglichen werden können. Die Mischungspolicies sind nämlich eher selten als offizielle Gesetze verabschiedet worden, über die es vorher eine offene Debatte gegeben hätte, sondern überwiegend inoffizielle Absprachen und Praktiken, die weitgehend intransparent sind. Daher kann auch - anders als beispielsweise in Nullmeier und Rübs Wissenspolitiologie (1993) - nicht untersucht werden, wie sich ein Wandel in den Wissensbeständen in einem Wandel der Policies niedergeschlagen hat.
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6. Kontextualisierung der Mischungsdiskurse
6.1 Lesarten von Migration und Integration im Vergleich Da die zentrale Forschungsaufgabe sozialkonstruktionistischer Arbeiten darin besteht, Definitionsleistungen in ihrem kulturellen und sozialstrukturellen Kontext zu analysieren (Schmidt 2000: 165), wird in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass die Entstehung und vor allem die Bewertung von ethnischer Segregation nicht ohne die national spezifische Deutung von Einwanderung und die jeweils national- und zeitspezifischen Integrationskonzepte verstanden werden können. Dabei wird davon ausgegangen, dass Reaktionen auf Migration geprägt sind durch die landesspezifischen Prinzipien der sozialen Ordnung und ihr jeweiliges Selbstverständnis als Nation (Heckmann 2003b: 45). Im Folgenden sollen zunächst die Besonderheiten der jeweiligen Deutungen und Rahmenbedingungen der Einwanderungssituation im Zeitverlauf analysiert werden. Im Anschluss erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Konzepten von Integration, die sich nicht nur zwischen den untersuchten Ländern, sondern auch diachron innerhalb jedes einzelnen Landes unterscheiden. Die Frage, auf welche Arten Deutschland, die Niederlande und Großbritannien durch die Verhinderung von ethnischer Segregation die Minderheiten zu integrieren suchen, kann nur auf Grundlage eines Verständnisses dessen beantwortet werden, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Land überhaupt unter Integration verstanden wurde. Dabei zeichnet sich in den letzten Jahren eine starke Konvergenz in integrationspolitischen Fragen zwischen den ursprünglich sehr unterschiedlich aufgestellten Ländern ab.
6.1.1 Das dominante framing von Migration Während es aus deutscher Sicht relativ geläufig ist, in rnigrations- und integrationspolitischen Fragestellungen auf die Niederlande zu schauen, sind Vergleiche zwischen Deutschland und GB eher unüblich, da die Einwanderungssituation der beiden Länder als ,,zu verschieden" und damit letztlich nicht vergleichbar gilt. Doch zum einen geht es beim Vergleich nicht um Ähnlichkeiten, sondern um Ver-
S. Münch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_6, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
gleichbarkeit, und zum anderen scheinen Differenzen häufig überbewertet zu werden. Dies liegt zum einen an einem zu starken Fokus aufdie scheinbar konträren Modelle von kolonialer Zuwanderung in GB einerseits und dem deutschen Gastarbeitermodell andererseits. Das framing von Zuwanderung weist jedoch in allen drei Ländern deutliche Parallelen auf, die im Folgenden neben den Besonderheiten herausgearbeitet werden sollen.
6.1.1.1 Deutung der Migration in Deutschland Zahlen, Verteilung, Begriffe Auch wenn die offizielle Linie bis 1998 lautete, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, haben verschiedene Wellen von Zuwanderung dafür gesorgt, dass nach Angaben des Mikrozensus 2005 insgesamt 15,3 Millionen Menschen zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund (Zugewanderte und ihre Nachkommen) zählten. Hierunter stellen Ausländer mit 7,3 Millionen nur etwas weniger als die Hälfte (8,9% der Bevölkerung), die Deutschen - darunter beispielsweise Eingebürgerte und (Spät-)Aussiedler - mit 8 Millionen etwas mehr als die Hälfte (9,7%). Nach Erkenntnissen des Mikrozensus lebten davon 96% im früheren Bundesgebiet und in Berlin. Die höchsten Migrantenanteile haben Großstädte zu verzeichnen, darunter Stuttgart mit 40%, Frankfurt am Main mit 39,5% und Nümberg mit 37%. Bei den unter 5-Jährigen liegt dieser Anteil in sechs Städten bei über 60%, unter anderem in Nümberg (67%), Frankfurt (65%), Düsseldorfund Stuttgart (jeweils 64%) (Destatis 2007: O.S.).45 Obgleich der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund schon vor der Veröffentlichung dieser Zahlen leicht zu rekonstruieren war, erregten diese dennoch Aufmerksamkeit, da sie den lange aufrecht erhaltenen Mythos, Deutschland sei kein Einwanderungsland, endgültig infrage stellten. Hier tritt Stones (2002: 164) Beobachtung zutage, dass Zahlen nicht neutral sind, sondern politischen Bewertungen unterliegen und zudem eine Kategorisierung und Grenzziehung voraus45 Bei einem Vergleich der Ausländeranteile verschiedener Staaten sollten diese Zahlen nicht mit den eigentlichen Minderheitenantei1en verwechselt werden, da der Anteil der Personen mit rechtlichem Ausländerstatus stark von der Einbfugerungspraxis des jeweiligen Landes abhängt. Dennoch ist in allen in dieser Arbeit untersuchten Staaten ein Anstieg der Ausländeranteile von 1950 bis zum Jahr 2002 festzustellen. In DeutscWand wuchs der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung von 1,1 % auf 8,9%, in NL von 1,1% auf 4,3%, für Großbritannien gibt es für 1950 keine Angabe, der Anteil dürfte sich jedoch in einer ähnlichen Größenordnung von unter einem Prozent bewegen, 2002 betrug der Aus1änderanteil des Vereinigten Königreichs indes 4,5% (Geißler 2006: 234). Es ist anzunehmen, dass insbesondere der Ausländeranteil in Großbritannien aufgrund der Zuwanderung von Bürgern der EU-Beitrittsstaaten seither stark angestiegen ist (s.u.).
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setzen: Während zuvor lediglich zwischen Ausländern und Deutschen differenziert wurde, hat der Begriff "Migrationshintergrund" den Blick :für zugewanderte Minderheiten und ihre Nachkommen insgesamt geweitet und ihre Anwesenheit in der BRD zur Nonnalität erklärt. Im Gegensatz dazu hafteten dem vorher geläufigen Ausländerbegriff "zum Teil ethnozentristische, integrationshemmende Nebenbedeutungen an: Er akzentuiert das Fremde und einen minderen Rechtstatus, er betont stark das ,Nichtdazugehören', das ,Ausgrenzende'" (Geißler 2006: 233). Während der Begriff "Migrationshintergrund" einerseits ebenfalls problematisch ist, weil er dazu verleiten könnte, durch die neue Kategorisierung eine neue Trennlinie zwischen den "Einheimischen" und den "Fremden" zu ziehen, ist er andererseits zu begrüßen, da er beispielsweise auch die Spätaussiedler erfasst, die zwar deutsche Staatsbürger, aber dennoch zum Teil mit erheblichen Integrationsproblemen konfrontiert sind. Wenn die Geschichte der Migration nach Deutschland erzählt wird, werden dabei regelmäßig die Entwicklungen in Ostdeutschland übersehen, da angenommen wird, es habe dort bis zur Wiedervereinigung quasi keine Zuwanderung gegeben und seither sei die dortige Entwicklung mit dem Westen zu vergleichen, wenn auch auf deutlich geringerem quantitativen Niveau. Dabei kann ein Blick auf Ostdeutschlands Zuwanderungsgeschichte die bis heute fortbestehenden Unterschiede in Fragen von Migration und Integration erhellen, nämlich die unterschiedlichen Herkunftsländer sowie die verbreitete Ausländerfeindlichkeit. Zudem zeigen sich überraschende Parallelen zur britischen Situation, wo der Minderheitenanteil von 1 bis 2% in Regionen wie Schottland oder Wales dem Zuwandereranteil Ostdeutschlands entspricht. Neben den vergleichbaren Minderheitenanteilen ergeben sich weitere Ähnlichkeiten, da sich die Zuwanderung sowohl in Ostdeutschland als auch in den ländlichen Regionen Großbritanniens vor allem aus der Verteilung von Asylbewerbern und Flüchtlingen speist und sowohl in Ostdeutschland als auch im ländlichen Großbritannien mit Fremdenfeindlichkeit auf die ungewohnte kulturelle Vielfalt reagiert wird: ,,[B]lack people's exc1usion from rural areas is far from imagined. It admits that some rural dioceses are seen as 'no-go' areas for blacks, thereby adding the Church 10 the range of institutions which fail 10 represent adequately the black minority ethnic population of Britain" (Phillips 1998: 1699). Im Folgenden soll neben dem westdeutschenframing von Migration auch die spezifisch ostdeutsche Migrationssituation beleuchtet werden, da sie in der Auseinandersetzung mit dem Einwanderungsthema in der BRD in der Regel übersehen wird und zudem das stärkere Nebeneinander von Schrumpfung und Zuwanderung zu einer eigenen Deutung hinsichtlich ethnischer Segregation führt.
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Die "Anwerbephase": Zuwanderung au/Zeit? Die Zuwanderung in die BRD seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich in mehreren Wellen vollzogen. Die Nachkriegsjahre waren zunächst durch den kriegsbedingten Zuzug von etwa zwölf Millionen deutschen Flüchtlingen nach Westdeutschland geprägt. Als 1955 die Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften begann, wurde diese Situation von allen Beteiligten als temporär wahrgenommen: von den Arbeitgebern, den Gewerkschaften, den Entsendeländern, der deutschen Regierung, aber ebenso von den "Gastarbeitern" selbst. Das ursprünglich vorgesehene Rotationssystem blieb jedoch aus zwei Gründen wirkungslos: Zum einen hatten die Arbeitgeber kein Interesse daran, kontinuierlich neue Arbeiter anzulernen, zum anderem wurde von den Gastarbeitern selbst die Rückkehr oftmals aufgeschoben, sobald sich engere private Bindungen nach Deutschland ergaben (Heckmann 2003b: 50).46 Auch wenn die Einschätzung, die ausländischen Arbeitnehmer würden nach einiger Zeit in ihre Heimatländer zurückkehren, aus heutiger Sicht als naiv belächelt werden kann, sticht dennoch ins Auge, dass auch in den Niederlanden und Großbritannien der Mythos lange verbreitet war, die Zugewanderten aus den ehemaligen Kolonien hielten sich nur vorübergehend im ,,Mutterland" auf (vgl. Blanc 1992: 8). Doch auch die Erzählung, Zuwanderung nach Deutschland sei auf die Anwerbung von "Gastarbeitern" zurückzuführen, wird von neueren Arbeiten als standortgebundene Deutung gelesen. Der klassischen Vorstellung, Migration sei manipulierbar, wird die Vorstellung einer "Autonomie der Migration" entgegengehalten, wonach nationale Anwerbe-Policies lediglich einen Versuch darstellten, die beharrliche Mobilität unter Kontrolle zu bringen (Bojadziev 2008: 97). Die Konsolidierungsphase: RückkehrfOrderung, Begrenzung des Zuzugs, Integration Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den drei in dieser Arbeit untersuchten Ländern besteht darin, dass alle drei auf die Wirtschaftsflaute zu Beginn der 1970er Jahre mit einem Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer reagierten (Cantle 2008: 8).47 Als deutsche Besonderheit wurde die offizielle Rotationspolitik von einer Politik abgelöst, die die freiwillige Rückkehr der Gastarbeiter erleichtern sollte. Die Hilfe zur freiwilligen Rückkehr sollte neben Begrenzung des Zuzugs
46 Anfang 2004 lebten 67% der in Deutschland lebenden Spanier, 60% der Kroaten, 57% der italiener, 52% der Griechen und 46% der Türken seit mindestens 20 Jahren in der BRD (Geißler 2006: 236). 47 GB reagierte 1971 als erstes Land, gefolgt von der BRD 1973 und NL 1974 (Cantle 2008: 8).
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und der Förderung der Integration der bereits im Land Befindlichen in den kommenden Jahren zur offiziellen Leitlinie werden (Heckmann 2003b: 52; Klingeberg 1983b: 109). Der Schwerpunkt lag dabei jedoch vor allem auf Rückkehr und Begrenzung, während die ersten offiziellen Integrationsbemühungen in der von Geißler (2006: 235) so bezeichneten Konsolidierungsphase von 1973 bis 1980 ausgesprochen zaghaft ausfielen. Der Anwerbestopp und die offizielle Politik der Rückkehrförderung hatten den politisch unerwünschten Effekt, viele Ausländer dazu zu ermutigten, in der BRD zu bleiben, da die Option auf Rückkehr nach einer Ausreise ausgeschlossen war. Zudem wurde der Familiennachzug :für Ehepartner und Kinder unter 16 Jahren als einzige reguläre Möglichkeit des Zuzugs zu einer der zentralen Ursachen von Migration (Borkert/Boswick 2007: 4). Die insbesondere in dieser Zeit offensichtliche Abwehrhaltung gegenüber der die vermeintliche nationale Homogenität verändernden Einwanderung ist beispielsweise ablesbar an den EinbÜfgerungsrichtlinien von 1977, die erst 1987 geändert wurden: "Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland; sie strebt nicht an, die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen durch EinbÜfgerungen zu vermehren" (Art. 2(3) abgedruckt in KÜf~at-Ahlers 2001: 120).
Die 1980er Jahre als das" verlorene Jahrzehnt" Seit Anfang der 1980er Jahre zog Deutschland in wachsendem Maße neben den Familien der Gastarbeiter Flüchtlinge an, wodurch die Losung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, weiter konterkariert wurde. Die zarten Bemühungen um Integration zum Ende der 1970er Jahre schlugen auf Bundesebene daher schnell in Versuche einer Begrenzungspolitik um, sodass Rainer Geißler (2006: 237) :für die Jahre 1981 bis 1998 von einer "Abwehrphase" spricht. Dies erklärt sich vor allem aus den konservativen Überzeugungen der Kohl-Regierung sowie aus den wahltaktischen Überlegungen der Union: "Seit 1981 profilierte sich die CDU/ CSU gezielt als einwanderungsfeindliche Partei" (Thränhardt 2007: 25). 1983 trat das Gesetz zur Förderung der Rückkehr der ausländischen Arbeiter in Kraft, das die freiwillige Ausreise finanziell mit der Auszahlung eines Anteils der künftigen Rentenansprüche der Gastarbeiter ermutigen sollte. Ungefähr 250.000 Ausländer kehrten tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurück, womit jedoch die Erwartungen der schwarz-gelben Regierung nicht erfüllt wurden. Mit den Policies wurde indes sowohl an die hier lebenden sowie an potenzielle künftige Migranten eine klare Botschaft gerichtet: Die begrenzte Tolerierung und Aufrechterhaltung von Kontrolle von sich bereits in der BRD befindenden Ausländer sowie Skeptizismus und Abschreckung gegenüber potenziellen Migranten (Borkert/Boswick 2007: 12). Die 1980er Jahre gelten dementsprechend in inte129
grationspolitischer Sicht als "verlorenes Jahrzehnt", da sie im Zeichen der Rückkehrforderung ohne eine kohärente Integrationspolitik auf Bundesebene standen (Mahnig 1998: 54; Geißler 2006: 237).48
Die 1980er Jahre als Beginn der Anwerbung in der DDR Eine signifikante Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften in die DDR setzte erst sehr spät ein (Weiss 2007a: 1).49 Neben den ausländischen Vertragsarbeitern erhielten auch Flüchtlinge, Studenten und Auszubildende eine Aufenthaltsgenehmigung, die auf einer politisch motivierten Auswahl der Herkunftsländer beruhte. Die einzige größere Gruppe bildeten die Vertragsarbeiter aus anderen sozialistischen Staaten. Der Grund für ihre Anwerbung lag in dem massiven Arbeitskräftedefizit, das die DDR durch die anhaltende Flucht von Arbeitern in den Westen zu verzeichnen hatte (Bade/Oltmer 2004). Da es jedoch nicht im Interesse des Regimes lag, diesen Grund für die Gastarbeiteranwerbung transparent zu machen, blieben alle Regelungen der Entsendeverträge unter Verschluss. Die Integration der ausländischen Arbeitskräfte war zudem nicht vorgesehen, da jegliche Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis streng auf fünf Jahre beschränkt blieb (Der Ausländerbeauftragte Sachsen-Anhalt 2001: 4). Im Gegensatz zur BRD, wo sich seit dem Anwerbestopp von 1973 der Familienzuzug zur Hauptquelle für Migration entwickelte, war dergleichen in der DDR nicht vorgesehen (Sachverständigenrat 2004: 112). Im Fall einer Schwangerschaft hatten sich die ausländischen Vertragsarbeiterinnen zwischen einer Abtreibung und dem Verlassen der DDR zu entscheiden. Diese Strategie wurde erst kurz vor der Wiedervereinigung gelockert. Nach der neuen Regelung durften vietnamesische Frauen, um die es sich meist handelte, im Ausnahmefall ihr Kind in der DDR zur Welt bringen, aber nur wenn ihr Betrieb zugestimmt hatte (Bade/Oltmer 2004). Wegen des Mangels an Transparenz über die Abkommen mit den Entsendeländern wucherten Gerüchte über die Vertragsarbeiter, die angeblich in Valuta oder aus Solidaritätsbeiträgen der DDR-Bürger bezahlt würden. Als die Versorgungskrise zum Ende der 1980er Jahre ihren Höhepunkt erreichte, streuten die politisch
48 hnmerhin trat 1991 ein neues Ausländergesetz in Kraft, das die Regelungen von 1965 ablöste. Zwn ersten Mal hatten Ausländer, die seit 15 Jahren in der BRD lebten, das Recht auf Einbürgerung, statt wie zuvor auf das Ermessen der Ausländerbehörde angewiesen zu sein (Borkert/ Boswick 2007: 6). Diese Liberalisierung wurde von den Betroffenen selbst vor dem Hintergrund der Anti-Einwanderungsstinunung jener Zeit jedoch kaum wabrgeno=en (Michalowski 2007: 35). 49 Um den Bedarf der VEB an Arbeitskräften zu decken, schlossen Vietnam und die DDR am 11. April 1980 ein Abko=en über die Beschäftigung von Vietnamesen in den Betrieben der DDR (ntv.de, 25.3.2009).
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kontrollierten Medien Reizwörter wie "Schmuggel" und "Warenabkauf' durch Ausländer, um vom Versagen der Regierung abzulenken. Offizielles Misstrauen und Segregationspolitiken zogen das Misstrauen der ostdeutschen Bevölkerung nach sich (Poutrus/Behrends/Kuck 2000). Der Mangel an Informationen ist einer der Hauptgründe, warum viele Ostdeutsche die Anwesenheit der Vietnamesen und anderer ausländischer Arbeitnehmer als Zumutung empfanden und sie als Ausbeutung der vergleichsweise erfolgreichen Wirtschaft der DDR deuteten. Der große Skeptizismus gegenüber ausländischen Kollegen wurde noch durch einige Bestimmungen in den Entsendeabkommen zwischen Vietnam und der DDR genährt. Da vietnamesische Arbeiter nicht berechtigt waren, ihr Einkommen in ihrem Heimatland zu konvertieren, war ihnen das Recht eingeräumt worden, einige knappe Güter an ihre Familien in Vietnam zu senden. Fahrräder und Mopeds waren dabei besonders begehrt und viele DDR-Bürger, die nicht in der Lage waren, ihre eigene Nachfrage zu decken, betrachteten die vietnamesischen Käufer als illegitime Konkurrenz (Weiss 2007a: 3). Trotz aller Rhetorik über kommunistische Brüderlichkeit wurden Kontakte von DDR-Bürgern zu Ausländern misstrauisch beäugt oder sogar verboten (Thränhardt 2007: 23). Gemäß der Partei-Ideologie der SED sollten sich Bürger unterschiedlicher Herkunftsnationen stets als "diplomatische Vertreter" ihres Landes begegnen, nicht aber auf einer persönlichen, individuellen Basis. Eine binationale Partnerschaft setzte das Paar unter großen Druck, und eine Heirat zwischen Vertragsarbeitern und DDR-Bürgern wurde sowohl vom Herkunftsland als auch durch die DDR in der Regel verboten. Es wird vermutet, dass Vietnam seine Bürger finanziell erpresste, wenn diese in der DDR bleiben wollten. Poutrus, Behrends und Kuck (2000) argumentieren, dass dies zur Exklusion binationaler Paare beitrug und die Distanz der Ostdeutschen gegenüber Migranten erhöhte. Die Autoren berichten zudem, wie jegliche Erscheinung von Rassismus und Diskriminierung vom sozialistischen Regime geleugnet wurde, da nach der offiziellen Ideologie rassistische Vorurteile eine Erscheinung kapitalistischer Gesellschaften und somit das alleinige Problem "imperialistischer" Staaten, insbesondere der USA, waren. Politisierung des Themas durch Asyldebatte und Fremdenfeindlichkeit Die Jahre nach der WiedervereinigungSo standen in ganz Deutschland unter dem Eindruck steigender Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen im Zuge des Zusam-
50 Die frühen Jahre nach der Wiedervereinigung waren für die ausländischen Vertragsarbeiter in Ostdeutschland durch einen hohen Grad von Unsicherheit geprägt. Viele kehrten in ihre Heimatländer zurück, andere, insbesondere die Vietnamesen, stellten einen Asylantrag, der aber in den meisten Fällen abgelehnt wurde (Land Brandenburg 2002). Erst 1993 einigten sich Bund und
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menbruchs des Ostblocks sowie der damit verbundenen Wahrnehmung, dass das "Boot voll" sei. Das starke Ansteigen des Ausländeranteils von 4,5 Millionen im Jahr 1988 auf 6,7 Millionen im Jahr 1993 war zu mehr als einem Drittel auf diese Zuwanderung von Flüchtlingen zurückzuführen (Geißler 2006: 57). 1991/92 kam es zu Rückständen in der Antragsbearbeitung, die Helmut Kohl im Zuge einer Kampagne gegen "Scheinasylanten" von einem Staatsnotstand in Migrationsfragen sprechen ließ (Thränhardt 2007: 26). Die diffusen Ängste der Bevölkerung entluden sich in rassistischer Gewalt, die in den Brandanschlägen von Mölln und Solingen sowie dem Angriff auf das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen ihre traurigen Höhepunkte fand. Auch wenn "Ausländerfeindlichkeit" heute vor allem mit Blick auf Ostdeutschland diskutiert wird, sollte nicht übersehen werden, dass es auch im Westen rassistische Tendenzen gab (und gibt), die von den Medien angeheizt wurden. Im Dezember 1992 einigten sich CDU/CSU, FDP und SPD vor dem Hintergrund einer hysterischen öffentlichen Debatte aufden Asylkompromiss und damit auf eine Änderung des Grundgesetzes, die die Möglichkeiten, sich erfolgreich auf das Asylrecht zu berufen, durch die Einführung der Drittstaatenregelung erheblich einschränkte. Seit Ende der 1980er Jahre waren zudem wieder verstärkt Aussiedler - seit 1993 lautet die Bezeichnung Spätaussiedler - nach Deutschland gekommen, die eine Besonderheit der deutschen Migrationsgeschichte darstellen. Huttman (1991: 25) hat den Status dieser Gruppe mit jenem von ehemaligen Kolonialbürgem in GB verglichen, da sie als deutsche Staatsbürger mehr Rechte als die Gastarbeiter genießen. Zwischen 1950 and 1987 zogen etwa 1,4 Millionen Angehörige der deutschen Minderheit in Osteuropa zu, vor allem aus Polen und Rumänien. Seit 1988 bis heute sind etwa weitere drei Millionen Angehörige dieser Gruppe nach Deutschland immigriert, wobei sich seit Mitte der 1990er Jahre der Anteil der nun überwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion einreisenden Aussiedler im Verhältnis zu ihren mitreisenden - und oftmals nicht Deutsch sprechenden - Angehörigen stark verringert hat (Focus Migration 2007).51
Länder darauf, dass die Vertragsarbeiter eine Aufenthaltserlaubnis erhalten könnten, wenn sie in der Lage wären, ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern und niemals fiir eine Straftat verurteilt worden waren (Weiss 2007b: 82). 51 Während Anfang der 1990er Jahre etwa 75% der Antragsteller Deutsche und der Rest Familienmitglieder waren, haben sich die Verhältnisse jetzt umgekehrt (Savoskul2005: 70).
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Migration zur Jahrtausendwende im Spannungsjeld zwischen Neuanfang und Kontinuität Die Jahre von 1998 bis heute sind im Hinblick auf die Wahrnehmung von Migranten in der BRD durch sehr widersprüchliche Entwicklungen zu beschreiben. Auf der einen Seite ist mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht und dem Zuwanderungsgesetz die Anerkennung ausgedrückt worden, dass Deutschland ein Einwanderungsland und zudem angesichts der demographischen Entwicklung - Schrumpfung und Alterung belasten das Rentensystem - aufMigration angewiesen sei. Auf der anderen Seite haben die Furcht vor einem radikalisierten Islam in Folge der Anschläge vom 11. September und die Berichterstattung zu den Ausschreitungen in der französischen Banlieue und dem Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden dafür gesorgt, dass das interkulturelle Zusammenleben und die Integration der Zuwanderer vor allem als defizitär dargestellt werden. Die Position, Migration als Normalität anzuerkennen, musste sich im politischen Alltag immer wieder behaupten: Während einerseits das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das das bisherige Abstammungsprinzip durch Elemente des Territorialprinzips ergänzte, eine wichtige Entwicklung zu einem universalistischeren Nationalitätsverständnis darstellte (Heckmann 2003b: 45), wurde diese Interpretation andererseits nicht von allen politischen Akteuren geteilt. Die CDU nutzte den hessischen Landtagswahlkampf 1999 für eine Kampagne gegen die ursprünglich geplante Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft und nahm dahingehend auf das Gesetz Einfluss, dass sich nun in der BRD geborene Kinder von Ausländern im Alter von 18 bis 23 für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen (a.a.O.: 58). In den Niederlanden und Großbritannien dagegen ist die doppelte Staatsangehörigkeit - wie in den meisten EU-Ländern - zur Normalität geworden (Kür~at Ahlers 2001: 131). Ein ähnliches Muster ergab sich angesichts der Initiative der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000, durch die Vergabe von Green Cards hochqualifizierte Migranten als IT-Spezialisten anzuwerben (Heckmann 2003b: 53). Während die Aktion einerseits von Arbeitgebern zur Bewältigung des Fachkräftemangels begrüßt wurde, machte andererseits der ehemalige ,,zukunftsminister" Rüttgers im NRW-Wahlkampf mit der Parole ,,Kinder statt Inder" von sich Reden, womit seine Präferenz für eine Familienförderung anstelle einer Zuwanderung von ausländischen Fachkräften deutlich gemacht werden sollte. Ebenso drückte sich einerseits in der Einrichtung der unabhängigen Kommission für Zuwanderung ein breiter werdender Konsens aus, der Migration aus ökonomischen Gründen zur Notwendigkeit erklärte (Borkert/Boswick 2007: 8). Andererseits belegen die von 2001 bis 2004 anhaltenden Auseinandersetzungen um das Zuwanderungsgesetz die unterschiedlichen Interpretationen der Wünschbarkeit von Zuwanderung.
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Aktuelle Besonderheiten in Ostdeutsch/and Obgleich die rechtlichen Rahmenbedingungen fiir Ost- und Westdeutschland heute gleich sind, bleiben hinsichtlich der Migrationsmuster zahlreiche Unterschiede. Der Anteil der Zuwanderer ist immer noch deutlich geringer, die Migranten in Ostdeutschland setzen sich aus anderen Herkunftsländern zusammen, und die Bevölkerung zeigt weiterhin eine stärkere Ablehnung gegenüber ethnischen Minderheiten. Zudem unterscheiden sich die Rahmenbedingungen fiir ein interkulturelles Zusammenleben angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit, der Abwanderung der Mehrheitsbevölkerung sowie vor dem Hintergrund des Ausdünnens der sozialen Infrastruktur als Folge des demographischen Wandels (Weiss 2007a: 5). Ein wesentlicher Unterschied zwischen Ost und West liegt in den unterschiedlichen Zuwanderergruppen in beiden Landesteilen. Die Struktur der Migrantenbevölkerung im Westen ist bis heute durch den Zuzug der "Gastarbeiter" geprägt (Der Ausländerbeauftragte Sachsen-Anhalt 2001: 4). Dabei bilden Personen türkischer Abstammung die größte Gruppe mit 26% der ausländischen Bevölkerung, gefolgt von Italienern (8%) sowie Serben und Polen (jeweils 5%). In Ostdeutschland hingegen stellen die Vietnamesen mit 11 % die stärkste Gruppe unter den Ausländern, gefolgt von Russen (9%) sowie Ukrainern und Polen mit jeweils 7% (Die sächsische Ausländerbeauftragte 2008: 49). Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass nicht Familiennachzug der wesentlich Grund fiir Migration nach Ostdeutschland ist, sondern die zentral geregelte Verteilung von Asyl-Bewerbern, Flüchtlingen, Spätaussiedlern undjüdischen Kontingentflüchtlingen über alle Bundesländer. Die meisten Zuwanderer wählen also nicht bewusst Ostdeutschland, sondern werden einem bestimmten Bundesland zugewiesen, wobei die Mehrheit der Bundesländer eine weitere Verteilung in verschiedene Kreise vornimmt. Da die Verteilungsstrategie die wesentliche Quelle fiir Zuwanderung ist, leben die meisten Migranten in Ostdeutschland erst eine sehr kurze Zeit in der BRD. Vielen Ostdeutschen fehlen daher Beispiele fiir erfolgreich integrierte Migranten der zweiten und dritten Generation. Zudem wird Asyl-Bewerbern auch im Westen des Landes mit den stärksten Ressentiments begegnet, aber hier stellen sie nur einen geringen Anteil der Zuwandererpopulation dar (Thränhardt 2007: 27). In vielen Orten fehlt der Zuwanderung die positive Konnotation von Wirtschaftswachstum und gemeinsamer Arbeit, die im Westen, trotz aller Problematisierung, mit den Gastarbeitern aus den Wirtschaftswunderjahren verbunden wird. Im Gegenteil setzte die Verteilungspolitik parallel zur beispiellosen Umstrukturierung ein, die große Teile der ostdeutschen Bevölkerung fiir viele Jahre in die Arbeitslosigkeit entlassen sollte (Thränhardt 2007: 27). Vorurteile gegenüber Migranten sind in Ostdeutschland noch immer weit verbreitet und manifestieren sich in den Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien. Im 134
Jahr 2004 lag die Zahl rechtsextremistischer Übergriffe pro Einwohner in Ostdeutschland um das Dreifache höher als im Westen (Geißler 2006: 251). Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Integration als einen gegenseitigen Lernprozess zu begreifen, der auch die Mehrheitsgesellschaft mit einschließt. In dieser Hinsicht kann das BeispielOstdeutschlands eine weit verbreitete Wahrnehmung in Frage stellen, nämlich, dass das Zusammenleben leichter wäre, wenn es nur weniger Zuwanderer gäbe (Glaser 2006). Da der Ausländeranteil in den Neuen Ländern heute bei circa 2% liegt, ist es legitim, von "Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer" zu sprechen (Die sächsische Ausländerbeauftragte 2008: 15). Da es prozentual mehr Asylbewerber und Flüchtlinge unter Ostdeutschlands Migranten gibt, ist ihr Aufenthaltsstatus weitaus unsicherer als derjenige der Migranten in Westdeutschland. In Mecklenburg-Vorpommem hatten im Jahr 2002 nur 40% eine gesicherte Aufenthaltserlaubnis, auf Bundesebene galt dies für 80% aller Zuwanderer (Heinrich 2004: 280). Obgleich die Mehrzahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückkehren müssen und dementsprechend von Integrationsmaßnahmen oftmals von vornherein ausgeschlossen sind, verbringen sie häufig viele Jahre in Ostdeutschland. Sie sind jedoch in der Mehrheit vom Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt ausgeschlossen (Land Brandenburg 2002). Ein weiteres Charakteristikum unter Migranten in den Neuen Ländern ist ihre hohe Fluktuation. Dies gilt auch für die Spätaussiedler, von denen geschätzt wird, dass von den 55.000, die seit 1991 dem Land Brandenburg zugewiesen wurden, mindestens die Hälfte in ein anderes Bundesland gezogen ist (Weiss 2007a: 4). Familiennetzwerke in westlichen Bundesländern, das soziale Klima, aber vor allem die Aussichtslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen dafür, dass viele Migranten in den Westen übersiedeln, sobald ihr Aufenthaltsstatus einen Umzug ermöglicht. Ein Mangel an Strukturen, um die eigene Religion zu praktizieren, sowie ein Defizit an ethnischen Netzwerken und das diskriminierende Verhalten von Behördenmitarbeitern sind weitere Gründe für die Abwanderung (Der Ausländerbeauftragte Sachsen-Anhalt 2001: 20).
Fazit - Zuwandenmg zwischen Bedrohung und ökonomischer Notwendigkeit Deutschlands Sicht auf seine Einwanderungssituation ist dadurch geprägt, dass sein Selbstverständnis als Nation auf dem Abstammungsprinzip beruht, in dem die Inklusion von "Fremden" als die Ausnahme und nicht die Regel wahrgenommen wird. In dieser Hinsicht ist Schneiderllngrams (1993) Frage, welches Signal damit an die Gruppe der Zuwanderer gesendet wird, leicht zu beantworten. Die Staatsangehörigkeit, die in der BRD noch immer als etwas Exklusives gehandhabt wird, schafft und legitimiert Partizipationsdifferenzen (Kür~at-Ahlers 2001: 122). Der 135
Tatbestand, dass die Anwesenheit von Ausländern viele Jahre lang als nahezu illegitim angesehen wurde, hat vielen Migranten die Grundlagefür eine Identifikation mit Deutschland entzogen (Heckmann 2003b: 67). Migration wird zudem auch weiterhin als unidirektionaler Orstwechsel begriffen, der indes von einer transnationalen Realität längst eingeholt wird: Dies zeigt sich etwa darin, dass die Einbürgerung, die im deutschen Selbstverständnis häufig als gebührender Abschluss einer erfolgreich verlaufenden Integration in die deutsche Gesellschaft betrachtet wird, scheinbar überraschend als Eintrittskarte in den europäischen Arbeitsmarkt genutzt wird. Verschiedene Interviewpartner (Verweij, Lukes, Sohilait; siehe auch Perry 2008a: 6) berichten beispielsweise davon, dass insbesondere schwarzafrikanische, aber auch pakistanische Migranten die deutsche oder niederländische Staatsbürgerschaft erwerben, um sich dann in GB niederzulassen.
6.1.1.2 Deutung der Migration in den Niederlanden
Zahlen, Verteilung, Begriffe Von den 16,3 Millionen Bewohnern der Niederlande stellen nicht-westliche Migranten einen Anteil von 10%, die 1,4 Millionen westlichen Migranten entsprechen einem Anteil von 9% der Bevölkerung. ,,Ausländer" im deutschen Sinne sind hingegen lediglich 6,2%. Bereits in dieser Zustandsbeschreibung drückt sich aus, dass die Minderheitenklassifizierung in NL anders konstruiert wird als in Deutschland. Bevölkerungsstatistiken orientieren sich hier nicht an der Nationalität der Einwanderer, sondern an ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Niederländische Statistiken unterscheiden dabei zwischen allochthonen und autochthonen Personen. Das Wort "autochthon" ist dem Griechischen entnommen und bedeutet soviel wie "einheimisch", während die Wortneuschöpfung "allochthon" solche Personen bezeichnet, die entweder nicht in NL geboren worden sind oder aber mindestens ein Elternteil haben, das im Ausland geboren wurde. Hinzu kommt eine Differenzierung zwischen westlichen Allochthonen, die aus Europa (mit Ausnahme der Türkei), Nordamerika, Ozeanien, Indonesien und Japan stammen; nicht-westliche Allochthone sind Personen aus der Türkei, Afrika, Lateinamerika und den übrigen Teilen Asiens. 52 Die Türkei, Marokko, Deutschland, Belgien, England, Polen und
52 Die Kategorisierung beruht nicht auf einer geographischen Zuordnung, sondern darauf, ob Migranten aus reichen Ländern stammen oder durch ihre Herkunft aus ärmeren Staaten eventuell einer staatlichen Unterstützung bedürfen (Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998:19).
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Ex-Jugoslawien sind die am stärksten vertretenen Herkun:ftsländer der Einwanderer (Ersanlili 2007: 3). Im Jahr 2004 sank das Bevölkerungswachstum der Niederlande auf den niedrigsten Stand seit 1920. Nach einem halben Jahrhundert der Zuwanderung sind die Niederlande mit einem Netto-Wanderungsverlust von 23.000 Personen wieder zu einem Emigrationsland geworden. Angesichts der wirtschaftlichen Lage und einer weiter bestehenden Knappheit an Wohnraum geht das statistische Amt des Landes davon aus, dass die Auswanderung auch weiterhin hoch bleiben wird, während strenge Einwanderungs- und Asylrechtsbestimmungen die Zuwanderung gering halten werden (Marinelli 2005: 1). Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zum deutschen Fall: Zu einem Zeitpunkt, an dem in beiden Ländern die Aussage, dass man ein Einwanderungsland sei, nach Jahrzehnten der Leugnung nun öffentliche Verbreitung gefunden hat, hinkt diese Deutung der eigentlichen Migrationssituation schon wieder hinterher.
Selbstverständnis eines Auswanderungslandes: Zuwanderung nur au/Zeit Obwohl es auch vor dem Zweiten Weltkrieg Einwanderung in die Niederlande gab, übertraf die Zahl der Emigranten stets die Zahl der Neueinwanderer. Noch in den 1960er Jahren, als die niederländische Regierung bereits Gastarbeiter anwarb, förderte sie weiterhin die Auswanderung, da sie befürchtete, dass die zum damaligen Zeitpunkt hohen Geburtenraten später zu Arbeitslosigkeit und in dem dicht besiedelten Land zu Wohnungsknappheit führen könnten (Ersanlili 2007: 2; Doomernik 2003: 165). Dennoch entwickelten sich die Niederlande in den vergangenen 60 Jahren durch den Zuzug ehemaliger Kolonialbürger, die Anwerbung von Gastarbeitern, die Einwanderung von Asylbewerbern, aber auch den Zuzug aus anderen Industrienationen zum de-facto-Einwanderungsland. Eine wesentliche Zuwanderungsquelle stellten die (ehemaligen) Kolonien dar, wobei sich diese Zuwanderung in Schüben vollzog. Von 1946 bis 1963 reisten vor allem Indonesier ein, die als Repatriierte betrachtet wurden. Ab 1951 folgten dann weitere Zuwanderer, die die niederländische Staatsbürgerschaft besaßen, zunächst von den Molukken, später aus Surinam und von den Antillen (Mahnig 1998: 64). Ebenso wie in der BRD entschied sich die niederländische Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts eines Arbeitskräftemangels zur Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer. Da sich ein Bedarfim Vergleich zu Deutschland erst später, gegen Ende der 1950er Jahre, abzeichnete, erfolgte die Anwerbung weniger aus südeuropäischen Staaten, sondern gleich aus den entfernteren Entsendegebieten, nämlich aus der Türkei und Marokko. Wie auch in der BRD hatte der Anwerbestopp, den die Niederlande 1974 verhängten, zur Folge, dass sich viele der zu diesem Zeitpunkt in NL lebenden Migranten entschieden, in NL zu bleiben und 137
zudem ihre Familie nachzuholen. Obgleich die Wohnfläche damals knapp bemessen war und die Regierung sowie große Teile der Gesellschaft diesem Zuzug sehr skeptisch gegenüber standen, wurden zu Beginn der 1980er Jahre die Richtlinien für die Einwanderung von Gastarbeiterfamilien gelockert. Wie in der BRD ist der Familiennachzug bis heute die bedeutendste Zuwanderungsform, über die 40% aller Zuwanderer in die Niederlande kommen (Ersanlili 2007: 2).
Die 1980er Jahre: Restriktionen beim Zuzug und Gleichstellungsangebote Im Gegensatz zu Deutschland wurden in den Niederlanden nach dem Anwerbestopp 1974 keinerlei Maßnahmen zur Rückkehrförderung implementiert. Ein Regierungsvorschlag, einen Bonus an solche Gastarbeiter auszuzahlen, die freiwillig ausreisen würden, wurde vehement abgelehnt (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 6; Doomernik 2003: 165). Dennoch hielt sich auch in NL der Gedanke, kein Einwanderungsland zu sein. 53 Anders jedoch als in der BRD, wo dieses Selbstbild in eine Politisierung des Zuwanderungsthemas und eine Abwehrhaltung auf nationaler Ebene mündete, erfolgten in NL Anpassungen der Einwanderungspolitik in einem depolitisierten Kontext, der vor allem Ausdruck einer konsensorientierten politischen Kultur war. Zu dieser Zeit herrschte eine politische Einigkeit zwischen der christdemokratischen CDA, der liberalen VVD und der sozialdemokratischen PvdA darüber, dass das Thema Zuwanderung nicht instrumentalisiert werden sollte (Mahnig 1998: 66). Neben härteren Zuzugsregelungen wurden die 1980er Jahre - im Gegensatz zu Deutschland - auch für die Entwicklung einer umfassenden Integrationspolitik genutzt (s.u.). Zudem wurde bereits seit 1985 das kommunale Wahlrecht an all jene Zuwanderer vergeben, die sich seit fünf Jahren legal im Land aufhalten - ein Vorschlag, der sich in der BRD nie durchsetzen konnte (a.a.O.: 74).54 Zeitgleich wurde durch ein neues Gesetz das Erlangen der Staatsbürgerschaft für Migranten der zweiten Generation erleichtert, indem sich Kinder von Zugewanderten, die in NL geboren worden sind, nun zwischen ihrem 18. und 25. Lebensjahr entscheiden 53 Dies drückte sich auch in der Minderhedennota der Regierung aus dem Jahr 1981 aus, die zwei Ideen vertrat: Diejenigen, die bleiben wollten, sollen dies tun und würden in ihrer Integration gefördert, und diejenigen, die zurückkehren möchten, würden unterstützt. Dabei sollte die Förderung der Herkunftskultur wie etwa in Form der Finanzierung eines muttersprachlichen Unterrichts den Zuwanderern ermöglichen, in ihr Heimatland auszureisen (Doomernik 2003: 166). 54 Die Kommunalwahlen im März 2006 zeigten, dass die politische Stimme der Zuwanderer ein gewichtiger Faktor geworden ist, vor allem in den niederländischen Großstädten. In Rotterdam beispielsweise trugen die Wahlentscheidungen der Migranten entscheidend zur Abwahl der Partei des ermordeten Rechtspopulisten Fortuyn bei, indem die Zuwanderer ihre Stimmen systematisch an linke Parteien vergeben und damit die Sozialdemokraten gestärkt hatten. Dies wurde von allen Parteien zur Kenntnis genommen (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 22).
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konnten, ob sie die niederländische Staatsbürgerschaft annehmen wollen. Die dritte Generation von Einwanderern erhielt die niederländische Staatsbürgerschaft fortan bei der Geburt automatisch. Die niederländische Regierung dieser Zeit wählte bewusst vergleichsweise niedrige Anforderungen für eine Einbürgerung, da sie eine rechtliche Gleichstellung der Migranten als elementar empfand. 1992 wurde die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt, gegen die sich Deutschland bis heute sträubt. In NL führte dies zu einem Anstieg der Einbürgerungsrate, sodass heute eine Mehrzahl der Einwanderer rechtlich Niederländer sind (Ersanlili 2007: 5). Die 1990er Jahre: Vom Konsens zum Konflikt Ähnlich wie in der BRD waren die frühen 1990er Jahre durch eine Politisierung des Migrationsthemas gekennzeichnet, die u.a. durch eine hohe Ausländerarbeitslosigkeit ausgelöst wurde (Mahnig 1998: 66). Das Politikfeld Einwanderung zeigt damit einen auffälligen Trend. Während dieses Subsystem in den 1970er Jahren durch einen technokratischen Governance-Stil gekennzeichnet war, entwickelte sich in den 1990er Jahren ein politisierter Stil, der als "Neuer Realismus" oder "Hyperrealismus" bezeichnet wird und seine stärkste Ausprägung mit Beginn des neuen Jahrtausends erreichte (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 23). Nachdem Einwanderungs-Policies für eine lange Zeit ad hoc, als Reaktion auf die gerade aktuelle Zuwanderungssituation entwickelt und als "Quasi Nicht-Policies" wahrgenommen worden waren, wandelte sich dieser Politikstil noch bevor Pim Fortuyn zu Beginn des neuen Jahrtausends die politische Bühne betreten sollte (BruquetasCallejo et al. 2007: 24). Seither ist in NL explizit die Rede davon, dass Zuwanderung begrenzt werden müsse, um die "Aufnahmekapazität" der niederländischen Gesellschaft nicht zu gefährden (a.a.O.: 26). Als Ausdruck eines aktivierenden Wohlfahrtstaates, der die Kosten der NichtIntegration fürchtet, wurden seit 1998 Integrationskurse verpflichtend eingeführt, die auflokaler Ebene bereits in den frühen 1990er Jahren von einigen Kommunen angeboten worden waren. Hielten sich Migranten nicht an die Auflagen, konnten Sozialleistungen gekürzt oder ein Bußgeld verhängt werden. Die niederländischen Integrationskurse wurden wenige Jahre später zum Vorbild für die Regelungen im deutschen Zuwanderungsgesetz (Michalowski 2007: 145). In den Niederlanden ist das Programm jedoch inzwischen nicht mehr verpflichtend (Ersanlili 2007: 7). In der politischen Wahrnehmung sind seit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen nach einer Verschärfung der Zuzugsregeln die osteuropäischen Arbeitnehmer zu derjenigen Gruppe geworden, deren Zuzug aktuell problematisiert wird. Dies war zu Beginn des Jahrtausends kurzzeitig anders gewesen, als - wie zeitgleich in der BRD - darüber debattiert wurde, ob Arbeitsmigranten eine Lösung für die 139
demographischen Herausforderungen angesichts einer alternden Bevölkerung und des wachsenden Drucks auf die Rentenkassen darstellen könnten (Marinelli 2005: 2). Das politische Erbe Pirn Fortuyns Der Wandel des politischen Klimas in Folge der Terroranschläge drückte sich zudem in einer deutlichen Zunahme von fremdenfeindlichen und islamophoben Übergriffen aus. Zur selben Zeit profilierte sich auch erstmals Pim Fortuyn, der zunächst Leitfigur der Partei Leejbaar Nederland (Lebenswerte Niederlande) und später Gründer der Lijst Pirn Fortuyn (LPF) wurde. Den schon in den 1990er Jahre schärfer gewordenen Ton gegenüber Einwanderern ergänzte Fortuyn um zwei Elemente. Er vertrat den Standpunkt, dass die politische Elite des Landes die Schuld an den Integrationsdefiziten der Minderheiten trage, indem sie in der Vergangenheit die wahren Probleme hinter politisch korrekten Sprachregelungen versteckt habe. Zudem wurde seine Haltung diskursprägend, dass die Leidtragenden der Integrationsprobleme nicht die Minderheiten selbst, sondern die einheimischen niederländischen WäWer seien (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 19). Seine Karriere nahm ein plötzliches Ende, als er eine Woche vor den ParlamentswaWen im Sommer 2002 ermordet wurde. Bei den darauf folgenden Wahlen erhielt die christdemokratische Partei (CDA) die meisten Sitze, und die LPF wurde mit 17,6% der Stimmen zur zweitstärksten Kraft. Zusammen mit der VVD (Volkspartei für Freiheit und Demokratie) bildeten die CDA und die LPF eine Koalition, die zwar nur von kurzer Dauer war, aber dennoch wesentliche Änderungen im Bereich der Immigrations- und Integrationspolitik auf den Weg brachte (Ersanlili 2007: 7). Die Politisierung des Migrationsthemas, die sich bereits seit den 1990er Jahren abgezeichnet hatte, setzte sich weiterhin fort. Nach verschiedenen Fällen von Gewaltkriminalität durch allochthone Jugendliche und Vorfälle im Umfeld fundamentalistischer Moscheen erreichte die Debatte um Zuwanderung durch den Mord am Filmemacher Theo van Gogh 2004 ihren Höhepunkt. Dieser war von einem Jugendlichen marokkanischer Herkunft erstochen worden, der sich als Mitglied eines radikalen islamistischen Netzwerks erwies (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 20). In den letzten Jahren zeigt sich, dass Integrationspolitik in einem klaren Zusammenhang zur Einwanderungspolitik steht und teilweise für die Beschränkung von Zuwanderung instrumentalisiert wird (ebd.). Motiviert werden die Verschärfungen des Einwanderungsrechts nicht nur durch Bedenken über den sozialen Zusammenhalt einer heterogenen Gesellschaft, sondern auch durch die Deutung, Zuwanderer übten einen zu starken Druck auf die Ressourcen des Wohlfahrtstaates aus. Studien im Auftrag der Regierung waren zum Ergebnis gekommen, dass ehemali140
ge Gastarbeiter und ihre Nachfahren eine größere ökonomische Last für den Wohlfahrtsstaat als eine Bereicherung dargestellt hätten (Marinelli 2005: 7).
6.1.1.3 Deutung der Migration in Großbritannien
Zahlen, Verteilung, Begriffe Laut dem letzten britischen Zensus aus dem Jahr 2001 wuchs der Anteil der ethnischen Minderheiten55 von 1991 bis 2001 um 53% auf 4,6 Millionen. Somit stellen ethnische Minderheiten 7,9% der Gesamtbevölkerung des Vereinigten Königreichs. Obgleich das framing der Migranten als ethnische Minderheiten dem niederländischen Konzept näher ist als der deutschen Kategorie ,,Ausländer", besteht der Unterschied darin, dass der britische Zensus nicht auf dem Geburtsland, sondern auf einer Selbsteinschätzung der Befragten hinsichtlich ihrer Ethnizität beruht, die sich in die Kategorien weiß, asiatisch56, schwarz, chinesisch und gemischt einordnen können (Simpson 2004: 662). In GB ist zur Benennung der Migranten die Abkürzung BME geläufig, die für Black and Minority Ethnic steht. Diese Bezeichnung ist allgegenwärtig, wird jedoch beispielsweise von der Commission/or Racial Equality (eRB 2003: 5) problematisiert. 57 Zum einen wird die willkürliche Aussonderung der Schwarzen vom Oberbegriff bemängelt, zumal eigentlich die Asiaten die größere Gruppe darstellen. Außerdem werde der Begriff weder der Heterogenität der Minderheiten noch den Kindern aus binationalen Partnerschaften gerecht. Die Bezeichnung "ethnische Minderheit" ist aber ebenso problematisch, da sie häufig so verwendet wird, als sei Ethnizität etwas, das nur die Minderheiten besäßen. Obgleich GB eher als ein durch ethnische Diversität geprägtes Land wahrgenommen wird als Deutschland, zeigen sich angesichts der sehr ungleichen Verteilung deutliche Parallelen zur unterschiedlichen Präsenz ethnischer Minderheiten
55 Bis 1981 wurden nur das Geburtsland oder der elterliche Geburtsort erfragt, aber dies erwies sich als ungenau, da mittlerweile etwa die Hälfte der Minderheiten in GB geboren werden (peach 2007: 9). Um der Kontextgebundenheit von Narrativen Rechnung zu tragen, wird in den folgenden Kapiteln im britischen Fall die Kategorisierung nach Hautfarben überno=en, auch wenn sie in einem deutschen Zusammenhang fremd anmutet. 56 Die Bezeichnung asiatisch, die in einem deutschen Kontext vor allem mit ostasiatischen Nationen wie China, Japan und Korea assoziiert wird, bezeichnet in einem britischen Zusammenhang vor allem Personen mit indischem, pakistanischem oder bangladeschischem also südasiatischem Hintergrund. 57 Angesichts der gewalttätigen Konflikte zwischen karibischen und somalischen Jugendlichen (Dowe 2004: o.S.) stellt sich darüber hinaus die Frage, welche verbindende Kraft überhaupt noch hinter der Bezeichnung "schwarz" zu finden ist.
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in West- und Ostdeutschland. Die Mehrheit der Migranten lebt in England (97%), während auf Schottland 2% und 1% auf Wales entfallen (a.a.O.: 21). Auch in GB gibt es also Landesteile, in denen die Erfahrungen mit kultureller Vielfalt ebenso gering sind wie in Ostdeutschland. Wie auch in anderen Ländern wird der Minderheitenanteil häufig stark überschätzt. In einer Befragung im Jahr 2000 wurde der Anteil der ethnischen Minderheiten an der Bevölkerung im Vereinigten Königreich auf 26% geschätzt, obwohl er bei etwa 7% lag.58 Unterscheidungsmerkmale Die britische Einwanderungspolitik unterscheidet sich von denen Deutschlands und der Niederlande in dreierlei Hinsicht. Erstens gab es keine Gastarbeiteranwerbung in den Mittelmeerländern, da die Arbeitskräftenachfrage nach dem Zweiten Weltkrieg durch Iren und Commonwealth-Bürger gedeckt wurde. Neben der Zuwanderung aus den Kolonien fand indes im öffentlichen Sektor eine heute oft in Vergessenheit geratene direkte Rekrutierung (wenn auch ebenfalls aus den Commonwealth-Staaten) statt, etwa durch British Transport und das Gesundheitssystem, in dem bis heute viele Angehörige ethnischer Minderheiten arbeiten (Phillips/ Karn 1991: 64). Bis Mitte der 1960er Jahre, als der Familiennachzug einsetzte, war Zuwanderung also auch in GB ein marktorientiertes Phänomen, das von einem imperialistischen Verständnis von Staatsbürgerschaft unterstützt wurde (Hansen 2007: 1). Hiermit ist ein zweiter Unterschied zu Deutschland benannt, denn GB hielt nach dem Krieg am britischen Gewohnheitsrecht bezüglich der Eimeise und Niederlassung fest und unterschied daher nur zwischen British subjects, also Untertanen der Königin, und aliens, den Ausländern. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten lautete die Frage immer, wer die britische Staatsbürgerschaft haben sollte, um damit frei einzuwandern, und nicht, welche der bereits im Land befindlichen Ausländer eingebürgert werden sollten (Mahnig 1998: 12).59 Der Empire-Gedanke wog zu jener Zeit stärker als die Bedenken gegenüber der Einwanderung (a.a.O.: 10). Dennoch sollte nicht der Fehler begangen werden, aus dieser Tatsache eine prinzipiell anti-rassistische Grundhaltung oder eine traditionell größere Offenheit
58 Auch in Deutschland wird der Ausländeranteil in Befragungen mindestens doppelt so hoch geschätzt. 1996 vermuteten die befragten Westdeutschen, der Ausländeranteil betrage 17% (Geißler 2006: 247). 59 Der British Nationality Act von 1949 differenzierte zwischen Bürgern Großbritanniens und seiner Kolonien einerseits und Bürgern des Commonwealth andererseits, womit die Bürger der neuen unabhängigen Staaten gemeint waren. Alle genossen freie Einreise und alle Bürgerrechte. Bürger des Commonwealth konnten nach fiinf Jahren Aufenthalt durch eine einfache Erklärung die britische Staatsbürgerschaft erlangen (Mahnig 1998: 10).
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gegenüber Zuwanderung unterstellen zu wollen. Die britische Haltung war stets durch eine starke Ambivalenz gekennzeichnet, die das Commonwealth-Ideal mit der Wahrnehmung von Rückständigkeit und moralischer Minderwertigkeit der "farbigen" Untertanen verband. Die Betonung des Commonwealth selbst hatte dabei vor allem auch eine strategische Funktion. Während des Krieges war diese Einheit beschworen worden, um die Loyalität der Kolonien aufrecht zu erhalten, mit Einsetzen des Kalten Krieges sollte dieses Kollektiv unter wohlwollender britischer Führung den Verlockungen des Kommunismus etwas entgegensetzen (Smith 1989: 109-110). Ein erster Richtungswechsel in der Einwanderungspolitik erfolgte 1962 mit restriktiveren Einwanderungsregeln. 1981 erfolgte mit dem British Nationality Act dann der endgültige Bruch mit der imperialen Tradition des Landes und ihrer Staatsangehörigkeitsregelung, da der Familiennachzug erheblich erschwert wurde (Cashmorerrroyna 1990: 7). Ein dritter Unterschied des britischenframing von Zuwanderung besteht in der stärkeren Orientierung an den USA in Fragen des interkulturellen Zusammenlebens. Damit ist einerseits eine stärkere Betonung der "Rasse" verbunden sowie andererseits eine Vorreiterrolle in Anti-Diskriminierungsfragen (race relations) (Rex 1998: 124). Während Rassenkategorien in Kontinentaleuropa diskreditiert sind, ist dieser Interpretationsrahmen für britische Akteure selbstverständlich, selbst für solche, die die Konstruiertheit von Ethnizität betonen. Angesichts des Anwachsens der schwarzen und asiatischen Bevölkerung von 74.500 auf 595.100 Personen zwischen 1951 und 1966 hält Cantle (2008: 6) fest: "The ,immigration problem' was now, more evidently than ever before, a matter of ,race'." Auch der Cullingworth-Report des Jahres 1969, der Empfehlungen für den Sozialwohnungssektor erarbeitet hatte, betont, es gehe nicht um Immigranten, auch wenn dieser Begriffhäufig genutzt werde. Das wirkliche Problem für GB seien die Reaktionen auf eine andere Hautfarbe (Ministry ofHousing and Local Government 1969: 118). Dabei ist die Betonung der Rasse nicht als quasi "natürliche" Kategorisierung zu begreifen, die in GB auf die Zuwanderung aus außereuropäischen Staaten zurück zu fUhren sei60 , sondern vor allem den Besuchen einer parteiübergeifenden Kommission zu Integrationsfragen in den 1960er Jahren in den USA geschuldet (Rex 2003: 84). Es bleibt abzuwarten, wie sich das framing des interkulturellen Zusammenlebens, das bis heute als race relations gefasst wird, angesichts der gegenwärtigen Zuwanderung "weißer" Migranten aus Osteuropa entwickeln wird.
60 Dies wird Kontinentaleuropäern vor allem dann bewusst, wenn die uns geläufigere Unterscheidung in schwarz/weiß/asiatisch noch weiter differenziert und zwischen White British und White Other unterschieden wird.
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Politisierung und Folgen in den 1960er Jahren Da die traditionellen Migranten in der Regel bereits britische Staatsbürger waren, gab es eine schwarze Wählerschaft, die von den politischen Parteien berücksichtigt werden musste (Blanc 1992: 21). Nichtsdestotrotz wurden die Minderheiten auch stets als Problem wahrgenommen. Die in den Nachkriegsjahren vorherrschende paternalistisch-wohlwollende Wahrnehmung einer vermeintlichen Minderwertigkeit, die durch den Kolonialismus genährt worden war, wurde in den folgenden Jahren zunehmend durch die Befürchtung überlagert, die Anwesenheit der Minderheiten könnte durch die Konkurrenz um Wohnraum und Arbeitsplätze mit Nachteilen für die Mehrheitsgesellschaft insgesamt einhergehen (Smith 1989: 117). Nicht nur diesbezüglich gab es somit eine deutliche Parallele zur Deutung der Zuwanderung in der BRD. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der Lesart, die Zuwanderung aus den Kolonien sei nur etwas Vorübergehendes. Auch in GB glaubten zu jener Zeit die politischen Akteure, aber auch viele der Einwanderer selber, dass ihr Aufenthalt nur von begrenzter Dauer sein würde (Dahya 1974: 83; Phillips 1998: 1683). Obgleich Zuwanderung in GB eine längere Tradition besitzt als etwa in der BRD und durch das Wahlrecht für die aus dem Commonwealth Nachziehenden die Minderheiten auch ein politisches Gewicht besaßen, verlief das Zusammenleben nie konfliktfrei. Insbesondere seit den 1960er Jahren lässt sich eine Politisierung des Themas beobachten, die drei widersprüchliche Entwicklungen nach sich zog. Erstens kam es zu den bereits erwähnten Gesetzesänderungen zur Beschränkung der Zuwanderung. Zweitens wurde Mitte der 1960er Jahre eine Anti-Diskriminierungsgesetzgebung implementiert, die in den meisten anderen europäischen Staaten ihresgleichen sucht. Drittens wurde die Positionierung der Parteien zum Thema Zuwanderung zum wahlentscheidenden Merkmal. Als Labour 1964 an die Regierung kam, sahen sie sich einer Politisierung des Themas gegenüber, sodass sie am Commonwealth Immigrants Act festhielten und zudem noch eine Quote für den Zuzug dieser Gruppe festlegten. Trotz dieser Beschränkungen war GB Ende der 1960er Jahre mit einer neuen Zuwanderungswelle konfrontiert, als indische Auswanderer von kenianischen und ugandischen Diktatoren vertrieben wurden und Zuflucht in GB suchten. Da Zuwanderung zu diesem Zeitpunkt in beiden Parteien als Problem wahrgenommen wurde, versuchte Labour durch einen neuen Commonwealth Immigrants Act die Einreise zu begrenzen (Mahnig 1998: 14-15). Bereits Mitte der 1960er hatte GB jedoch auch erkannt, dass das Zusammenleben nicht mehr auf rechtliche Fragen der Einreiseregelungen beschränkt werden konnte. Als integrationspolitisches Zeichen wurde 1965 der Race Relations Act (RRA) verabschiedet, der in seiner ursprünglichen Fassung sogar eine strafrecht144
liche Verfolgung von Diskriminierung vorgesehen hatte. Mit ihm wurde das Race Relations Board (RRB) als Schlichtungsstelle eingerichtet. Unter den Minderheiten rief der RRA Enttäuschung hervor, da Arbeits- und Wohnungsmarkt unberücksichtigt blieben. 1976 folgte ein weiterer Race Relations Act, in dessen Rahmen das RRB in die neugegrundete Commission/or Racial Equality (CRB) aufging. Es fand zudem eine Ausweitung der Gesetzgebung auf indirekte Diskriminierung statt; die positive Diskriminierung, wie in den USA üblich, wurde jedoch explizit verboten (a.a.O.: 18). Parallel zu diesen Fortschritten im Bereich der interkulturellen Beziehungen setzte sich jedoch in weiten Teilen der Bevölkerung eine feindliche Haltung gegenüber Zuwanderung fort, mit der bereits die irischen Zuwanderer des 19. Jahrhunderts konfrontiert gewesen waren (a.a.O.: 33). Die Ablehnung von Zuwanderung wurde in den 1960er Jahren zur Konstante der öffentlichen Meinung (Saggar 2003: 178). In wachsendem Maße wurde das ,,zuwanderungsproblem" nicht mehr nur als eine Frage der Zuzugszahlen, sondern zunehmend im Sinne ihrer Wohnorte und Sichtbarkeit gefasst (Smith 1989: 121). Diesesframing sollte sich auch in den Wahlergebnissen der folgenden Jahre niederschlagen. Dies erfolgte erstmals 1964 durch den überraschenden Sieg des Konservativen Peter Griffiths in seinem Wahlbezirk, der mit dem Slogan in Verbindung gebracht wurde "If you want a nigger for a neighbour, vote Labour" (Cantle 2008: 37). Weitere vier Jahre später sollten sich die von vielen Briten geteilten Bedenken gegenüber Zuwanderung auch öffentlich bahnbrechen. Als das Parlament das Gesetz über die Beziehungen der Rassen (RRA) neu verhandelte, das die Diskriminierung aufgrund der Rasse bei der Vermietungfür illegal erklärte, wurde dies von Enoch Powells ,,Rivers 0/ Blood'-Rede überschattet. Powell, Mitglied in Heaths Schattenkabinett, warnte darin seine Zuhörer vor einem unbegrenzten Zuzug von Bürgen aus dem Commonwealth und plädiertefür eine Bewahrung der zuvor nie definierten britischen Identität (Mahnig 1998: 15). Powell erntete nicht nur von den extremen Rechten Zuspruch: Seine Entlassung sollte Streiks von Hafenarbeitern nach sich ziehen. Auch der unerwartete Wahlsieg der Konservativen auf nationaler Ebene im Jahr 1970 hatte damit zu tun, dass sie sich als kompromisslos in Zuwanderungsfragen profilieren konnten. Zu diesem Zeitpunkt beschrieben sich vier Fünftel der Wähler als ablehnend gegenüber weiterer Zuwanderung. Zwei Drittel hielten das Themafür eines der zwei oder drei wichtigsten Themen (Saggar 2003: l79f.). Während das Thema Zuwanderungfür die Wahlen der 1980er Jahre an Bedeutung verlor, wird der Amtsantritt von Margret Thatcher 1979 als Beginn des new racism bezeichnet, der dadurch charakterisiert war, dass die politische Rhetorik und Handlungen der konservativen Regierung transportierten, die britische Le145
bensart sei durch Außenseiter geflihrdet. Dabei wurde nicht offen auf bestimmte ethnische Gruppen rekurriert, sondern die Ablehnung in Warnungen über die Grenzen der Belastbarkeit verschleiert (Cashmore/Troyna 1990: 5). Da die Wahlstimmen der Minderheiten jedoch angesichts eines wachsenden Migrantenanteils wichtiger wurden, mussten sich auch die Tories dieser Gruppe öffnen, wenn auch in ihren Umwerbungsversuchen ein stark assimilationistisches Denken mitschwang. Beispielhaft ist ihre Plakatkampagne 1983, die einen jungen Schwarzen in Anzug zeigte und deren Überschrift las "Labour says he's black. Tories say he's British" (a.a.O.: 7). Vor dem Hintergrund des neo-konservativen Zeitgeists ist es kaum überraschend, dass sich Ähnlichkeiten zum deutschen Diskurs jener Zeit auftun. In einer Zeit, in der die schwarz-gelbe Bundesregierung die Rückkehr der Gastarbeiter zu fördern versuchte, diskutierte auch der Parteitag der Tories 1983 finanzielle und materielle Anreize für freiwillige Rückkehrer. Laut einer Befragung unter den Delegierten im Vorfeld des Parteitages hatten sich 55% für eine freiwillige Rückkehr ausgesprochen, 25% für eine rein weiße Gesellschaft und 15% für eine obligatorische Rückkehr (Smith 1989: 138).
GE im neuen Jahrtausend im Zeichen von Superdiversität und Politisierung Die aktuelle Zuwanderungssituation ist durch die wachsende "Superdiversität" (Vertovec 2006) gekennzeichnet. Sie ist zum einen auf die gestiegene Neuzuwanderung zurückzuführen sowie auf neue Quellen der Zuwanderung, etwa in Form der Arbeitsmigration aus den osteuropäischen Beitrittsländern und einem Anwachsen der Asylbewerberzahlen. Zum anderen unterliegen auch länger etablierte Minderheiten einem Wandel, da sich die Lebensgewohnheiten der Angehörigen der zweiten und dritten Generation denen der Mehrheitsgesellschaft angleichen. Im Einzelnen bestehen vor allem folgende Veränderungen, die die Rede von "Superdiversität" angemessen erscheinen lassen. Erstens haben sich die Herkunftsländer der Zuwanderer diversifiziert, so dass die traditionellen Gruppen der Inder, schwarzen Karibischstämmigen und Pakistaner mittlerweile lediglich noch die Hälfte aller Minderheiten stellen. Zweitens hat das Ausmaß der Zuwanderung in den letzten zehn Jahren - ganz im Gegensatz zu Deutschland - stark zugenommen und soll nach Schätzungen für die Hälfte des Bevölkerungswachstums bis zum Jahr 2030 verantwortlich sein. Eine besonders wichtige Quelle der Zuwanderung sind die EU-Beitrittsstaaten aus denen von 2004 bis 2008 etwa 800.000 Personen eine Tätigkeit in GB angemeldet haben. 61 Damit ist der Anteil der im Aus61 Die Regierung hatte lediglich prognostiziert, dass ab Mai 2004 jährlich etwa 15.000 Zuwanderer ins Land kommen würden. Für bulgarische und rumänische Staatsbürger wurden als Konsequenz
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land geborenen Bewohner an der Gesamtbevölkerung auf 11,1 % im Jahr 2009 gestiegen (Muß, April 2010, S. 3). Drittens erreichte der Zustrom von Asylbewerbern und Flüchtlingen einen Höhepunkt im Jahr 2002. Auch wenn die Zahlen seither rückläufig sind, hat diese Form der Zuwanderung nicht nur kurzfristig zur ethnischen Diversität beigetragen, da mehr Asylbewerber als in der BRD als Flüchtlinge anerkannt werden. Im Jahr 2006 bewarben sich zwar lediglich 23.610 Personen um Asyl in GB, da jedoch - im Gegensatz zu Deutschland, wo sich die Bewerberzahlen auf ähnlichem Niveau bewegen, allerdings weniger als 1% anerkannt werden (taz, 10.1.2007, S. 5) - knapp 30% der Antragsteller auch tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, ist das Thema Asyl weitaus präsenter als in der BRD (Migration News, Voll4, Oktober 2007).62 Viertens findet die Superdiversität ihren Ausdruck darin, dass viele der neuen Zuwanderer in Regionen und Orte ziehen, die bis dato keine oder nur wenig Erfahrungen mit Migration hatten. Dies ist zum einen auf den Zuzug von osteuropäischen Landwirtschaftsarbeitern in ländliche Gebiete zurückzuftihren sowie auf die Verteilung von Asylbewerbern über die Regionen (perry 2008a: 3). Ein weiterer Aspekt der Superdiversität schlägt sich schließlich auch in den fluiden und heterogenen Identitäten der Individuen nieder: Die Mobilität einer jungen Britin indischer Abstammung, die in Kenia geboren wurde, ist ebenso wenig mit dem in der BRD vorherrschenden Bild vom Fremden, "der heute kommt und morgen bleibt" (SimmelI908), zu vereinbaren wie die Beobachtung, dass GB einen Zustrom von niederländischen und deutschen Staatsbürgern erlebt, die sich bei genauerem Hinsehen als eingebürgerte schwarzafrikanische Flüchtlinge entpuppen (s.o.).
aus dieser Fehleinschätzung der Folgen der ersten EU-Erweiterungsrunde daher zunächst übergangsregeln erlassen, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit dieser Gruppe einschränken. Ihr Zugang ist aufetwa 20.000 Jobs für Niedrigqualifizierte in der Landwirtschaft sowie in der Fisch-, Fleischund Champignonverarbeitungsindustrie begrenzt. Bulgaren und Rumänen, die selbstständig sind, haben indes freien Zugang zum Arbeitsrnarkt (Hansen 2007: IOf.). Mit Einsetzen der Finanzkrise, die das Vereinigte Königreich mit besonderer Härte triffi, wird angenommen, dass zahlreiche Osteuropäer in ihre vergleichsweise stabileren Heimat1änder zurückgekehrt sind (Seager 2009: o.S.). Der Interviewpartner aus dem niederländischen Wohnungsbauministerium berichtet zudem, dass viele in der Baubranche tätige Polen von Großbritannien in die Niederlande weitergewandert seien (Interview Verweij). 62 Der Zuzug von Asylbewerbern, der in Deutschland insbesondere zum Anfang der 1990er Jahre einsetzte, folgte in GB verspätet. Während GB bis in die späten 1980er Jahre kein beliebtes Ziel für Asylsuchende war und dort im Jahr 1988 nur 5.700 Menschen Asyl beantragten, veränderte sich diese Situation Ende der 1990er Jahren rasant. Mit etwa 100.000 Asylsuchenden im Jahr 2002 verzeichnete GB den größten Zustrom innerhalb der OECD, noch vor den USA und Deutschland (Hansen 2007: 9).
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Wie bereits dargestellt haben Hochphasen der Zuwanderung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges regelmäßig zu einer durch die Presse angestachelten feindseligen Öffentlichkeit und einer Politisierung des Themas durch die Parteien geführt. Vor Beginn der Finanzkrise wurde die Einwanderung als Thema mit der größten gesellschaftlichen Bedeutung, noch vor Kriminalität und Terrorismus, genannt (House of Commons 2008: 5). Gegenwärtig wird die Lage jedoch dadurch verkompliziert, dass Neuzuwanderer nicht nur auf die Ressentiments der weißen Mehrheitsgesellschaft stoßen, sondern zudem einer etablierten Gruppe von ethnischen Minderheiten gegenüberstehen, die den Zuzug ebenfalls kritisch sehen. So ruft die Zuwanderung von Osteuropäern gerade auch bei karibischstämmigen Briten Widerwillen hervor, da die Gruppen zu einander in scharfer Konkurrenz um Arbeitsplätze und öffentliche Dienstleistungen, aber insbesondere auch bezahlbaren Wohnraum stehen (Saggar 2003: 184). Die Lage wird jedoch zusätzlich unübersichtlicher, da nicht nur das klassische Muster greift, nach dem etablierte Gruppen auf Außenseiter mit Ablehnung reagieren. Sue Lukes berichtet im Interview von anekdotenhaften Belegen dafür, dass gerade auch kürzlich eingewanderte osteuropäische Arbeitsmigranten nicht mit dem Leben in einer multiethnischen Gesellschaft vertraut seien. Viele afrobritische Verwaltungsmitarbeiter, denen sie in Anti-Rassismus-Schulungen begegne, berichteten vom verbreiteten Rassismus polnischer Kunden gegenüber ihrer Person. Die aktuelle Debatte fokussiert damit zum einen auf den Druck, den die Neuzuwanderer auf Infrastruktureinrichtungen ausüben. Zudem werden negative Effekte auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt befürchtet angesichts wachsender ethnischer, religiöser und kultureller Heterogenität (HickmanlCrowleylMai 2008: 12). 6.1.2 Der Integrationsbegriffim niederländischen, britischen und deutschen Kontext Die Frage, was unter "Integration" verstanden wird, kann in einem konstruktionistischen Verständnis nicht apriori beantwortet werden, sondern nur innerhalb des jeweiligen nationalen Kontextes. Die verschiedenen Interpretationen des Integrationsbegriffes reflektieren die unterschiedlichen Zuwanderungsgeschichten, politischen Diskurse zu StaatsbÜfgerschaft und Minderheiten und verschiedenen Ausgestaltungen des Wohlfahrtstaates. Obgleich es schon innerhalb eines Landes uneinheitliche Verständnisse darüber gibt, was unter Integration zu verstehen sei, zeigt der international vergleichende Blick, dass der 148
Begriff auch hier unterschiedliche Bedeutungen mit unterschiedlichen PolicyImplikationen trägt (Phillips 2007: 4). Trotz dieser Differenzen gibt es auf europäischer Ebene zahlreiche Versuche, den Austausch von best practice im Bereich des interkulturellen Zusammenlebens unter dem Stichwort "Integration" anzuregen (European Commission 2007: 9). Das folgende Kapitel verzichtet darauf, die lange Tradition von soziologischen Beiträgen zum Integrationsbegriff und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen nachzuzeichnen. Stattdessen sollen die jeweils spezifischen Konzepte im Sinne eines politisch relevantenframings in den drei Fallstudienländern verglichen werden. Wenn desegregationistische Wohnungspolitiken die Integration der Minderheiten fördern wollen, muss zunächst festgestellt werden, was unter dieser Integration zu verstehen ist und auf welcher Grundlage sie als unzureichend interpretiert wird. Dabei wird sich erweisen, dass sich in allen Ländern Integrationskonzepte nicht aus einer spezifischen, für die Integration von Zuwanderern entworfenen Politik, sondern als Fortschreibung der jeweiligen nationalstaatlichen Modelle sozialer Inklusion ergeben haben (Sackmann 200lb: 80). Zudem wird deutlich werden, wie diese Pfadabhängigkeit nationaler Integrationspolitiken durch Änderungen im Wandel des wohlfahrtstaatlichen Selbstverständnisses durchbrochen wurde.
6.1.2.1 Historische Wurzeln Fijalkowski (1991: 69) hat die Ursachen für den unterschiedlichen Umgang mit Zuwanderung und Integration in der jeweils landesspezifischen Geschichte des nation building ausgemacht. Er unterscheidet dabei zwischen solchen Nationalstaaten, die aus der revolutionären Umgestaltung bereits existierender FÜfstenstaaten hervorgegangen sind, Staaten, die sezessionistische Neugründungen darstellen und solchen, die aus Einigungsbewegungen in älteren fürstlichen Klein- und Mittelstaaten entstanden sind. Während mit Großbritannien und den Niederlanden zwei der in der Arbeit behandelten Staaten zur ersten Gruppe zu zählen sind, fällt Deutschland klar in die dritte Kategorie. Dies zeigt sich an einem bis heute anderen Nationenverständnis, wenn etwa Kriterien der Zusammengehörigkeit auf Grundlage ethnokultureller Gemeinsamkeiten, Sprache und Kulturtraditionen fußen, die in der Vergangenheit dazu dienten, die Kleinstaaterei zu überwinden (a.a.O.: 70; Heinelt 1993b: 279). So setzte ein aus Einigungsbewegungen hervorgegangener Staat wie Deutschland bis zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes unter der rot-grünen Bundesregierung auf das Abstammungsprinzip, während das offenere Nationsverständnis in den Niederlan149
den und Großbritannien mit höheren EinbÜTgerungsraten korrespondierte. Die deutsche EinbÜTgerungsquote63 lag Ende der 1990er Jahre bei 1,9%, in NL bei 7% (Geißler 2006: 238). Angesichts des Wandels im Integrationsverständnis in NL und GB in den letzten Jahren, der im Folgenden analysiert werden soll, lässt sich jedoch nur eine bedingte Pfadabhängigkeit durch die Geschichte des nation building feststellen. Daneben gibt es noch weitere historische Faktoren, die den Umgang mit Fremdheit geprägt haben. Neben den unterschiedlichen Bedingungen des state und nation building, die für Großbritannien und die Niederlande eine größere Offenheit gegenüber Zuwanderung nahe legen, ist hier die Kolonialgeschichte zu nennen, auf die von britischen Autoren (Cantle 2008: 17; Phillips 1998: 1681) - wie oben erwähntweißer Rassismus ZUTÜckgefiihrt wird. Es wäre daher naiv anzunehmen, dass die zumindest bis in die 1980er Jahre zu beobachtenden größeren Anstrengungen der Niederlande und Großbritanniens für die Gleichstellung ihrer Minderheiten einem Automatismus gleichgekommen wären.
6.1.2.2 Integration - Die länderspezifische Semantik eines verbreiteten Begriffs In Deutschland umfasst der Integrationsbegriffnach Esser (2001: 3) zwei Dimensionen. In einem makrosoziologischen Verständnis wird Integration verstanden als eine Relationierung von Elementen eines sozialen Systems. Der Fokus liegt hier nicht auf der Integration des individuellen Akteurs, sondern auf dem Prozessieren des Systems. Um diese Systemintegration zu gewährleisten, stellt sich die Frage nach der Vorraussetzung für aufeinander bezogenes Handeln oder Kommunikation. Integration ist in dieser makrosoziologischen Perspektive gegeben, wenn ein Akteur seine Position in gesellschaftlichen Funktionssystemen adäquat ausfüllt. Ein makrosoziologisches Integrationsverständnis zeigt sich etwa, wenn nicht die gesellschaftliche Teilhabe des einzelnen Migranten oder einer bestimmten Minderheit im Mittelpunkt steht, sondern etwa unterstellt wird, die Belastbarkeit des Stadtteils und einer Stadt sei angesichts einer zu hohen Zahl an Migranten gefährdet. In eine ähnliche Richtung geht der Ausdruck "Parallelgesellschaft", der ebenfalls einAuseinanderbrechen der Gesellschaft und eine mangelnde Systemintegration nahe legt. Weitaus verbreiteter in der deutschen Debatte um die Integration von Zuwanderern ist indes eine mikrosoziologische Sicht: Bei dieser vom Individuum aus den63 Die Einbürgerungsquote ist der Quotient aus der Anzahl der Einbürgerungen und der Zahl der im Land lebenden Ausländer.
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kenden Handlungstheorie geht es bei der Sozialintegration nach Esser (2001: 8f.) um den Einbezug der Akteure in den gesellschaftlichen Zusammenhang, nicht nur um das reibungslose Funktionieren des Systems. Sozialintegration umfasst in Essers Konzept vier Dimensionen: Kulturation, Platzierung, Interaktion und Identifikation. Auf der kognitiven Ebene geht es um den Erwerb der Mehrheitssprache sowie der Normenkompetenz im Aufnahmeland. Auf der strukturellen Ebene findet eine Besetzung einer bestimmten gesellschaftlichen Position, eine Angleichung an die Sozialstruktur statt, etwa hinsichtlich der Ausbildungsbeteiligung, der Einkommenshöhe etc. (platzierung). Auf der sozialen Ebene findet eine Annäherung über formelle und informelle interethnische Kontakte statt (Interaktion) und die identifikative Ebene beschreibt schließlich die Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefiihls. Untersuchungen zur Integration von Zuwanderern der zweiten Generation in acht Ländern habenjedoch gezeigt, dass die Integration in einem Bereich nicht mit der Integration in den anderen Bereichen einhergehen muss. Das Projekt deckte auf, dass es in manchen Ländern zwar bessere Ergebnisse im Bereich der Bildungsbeteiligung gab, die aber mit vergleichsweise schlechteren Ergebnissen im Bereich der Arbeitsmarktbeteiligung einhergingen. In anderen Ländern wurde eine hohe Identifikation mit dem Land des Aufenthalts bei gleichzeitig schlechtem Abschneiden im Bildungsbereich beobachtet (Cru12008). Auch wenn Esser betont, dass es sich um ein wertfreies Schema und nicht um eine politische Zielvorstellung handele, wurde zudem kritisiert, dass Integration keine einseitige Angleichung an eine ansonsten homogene Mehrheitsgesellschaft sei (Firat 2002: 9). Der Begriff ,,Assimilation" hingegen impliziert eine inhärente Stufenlogik und einen Automatismus sowie einen definierten Endzustand (Baurnann/Steffen 2002: o.S.). In Deutschland wird dieser Terminus kaum noch genutzt, da er zu sehr auf die individuelle Anpassungsleistung der Minderheiten abzielt (BadelBommes 2004: 9). Es ist aber zu vermuten, dass der Begriff "Integration" von vielen ebenfalls in eine ähnliche Richtung verwendet wird: "In politischen Verlautbarungen und in den Medien sprach und spricht noch heute der Begriff ,Integration' ausschließlich die Anpassungsleistung der Zugewanderten an und wird daher im öffentlichen Diskurs immer politisch-normativ und imperativ verwendet" (Kür~at Ahlers 2001: 118). In GB wurde dagegen 1966 mit einer Definition durch den damaligen Innenminister, Roy Jenkins, eine liberale Tradition des Integrationsverständnisses angelegt, die bis heute vielerorts aufgegriffen wird: ,,Integration is perhaps rather a loose word. I do not regard it as meaning the loss, by immigrants, of their own national characteristics and culture. I do not think that we need in this country a
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'melting-pot', which will turn everybody out into a common mould, as one of aseries of carbon copies ofsomeone's misplaced vision ofthe stereotyped Englishman" (zitiert in Cantle 2008: 93).
Andersson (2003: 7) konstatiert, dass assimilationistische Standpunkte in GB spätestens in den 1970er Jahren abgelegt worden seien, zugunsten von Integration und der Betonung von Vielfalt. Zuvor hatte die Vorstellung von Assimilation jedoch auch in GB das Regierungsdenken dominiert. Das 1962 gegründete Commonwealth Immigrants Advisory Council, das das Innenministerium beriet, setzte sich für die Vorstellung ein, dass kulturelle Unterschiede eine Barriere für die Integration darstellten (Worley 2005: 488). Mitte der 1970er Jahre war in der BRD zudem der Begriff "Eingliederung" verbreitet, der, so ein Autor des Deutschen Städtetags, vielfach im Zusammenhang mit der damals so bezeichneten "Ausländerproblematik" verwendet wurde. ,,zum Teil wird unter Eingliederung das Ziel verstanden, die Probleme der Ausländer während ihres kurzfristig verstandenen Aufenthalts nur soweit zu lösen, daß sie nicht in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt werden und keine sozialen Krisen ausgelöst werden. Das besagt, daß weder eine Assimilation noch eine Integration angestrebt wird" (Happe 1975: 607).
Heute plädieren verschiedene deutsche Autoren wie Krummacher (1998: 325) für ein neues Integrationsverständnis, gefasst als gegenseitiger Lem- und Veränderungsprozess, wobei die Durchdringung wechselseitig, aber nicht gleichgewichtig sei. Damit liegt sein Integrationsverständnis dem BegriffAkkulturation nahe, definiert als "durch Kontakte hervorgerufene wechselseitige aber nicht gleichgewichtige Veränderung von Werten, Normen, Einstellungen und Verhalten" (AnhutJ Heitmeyer 2000: 19). Eine solche Definition übersieht jedoch die Bedeutung der strukturellen Integration, wie sie etwa auch von der britischen Geographin Deborah Philipps (2006: 3) betont wird: ,,Important distinctions have been drawn (...) between structural integration, involving the growing participation of newcomers and their descendants in society's main institutions (e.g. the housing market, Labour market, health care system), and acculturation, implying the evolution of new identities and cultures."
Ein solches strukturelles Verständnis, das auf die "gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben unter Respektierung ihrer jeweiligen kulturellen Eigenart" zielt, ist heute in verschiedenen offiziellen Stellungnahmen in der BRD verankert, etwa im bereits erwähnten Verbundprojekt "Zuwanderer in der Stadt", das hierin der Definition der "Unabhängigen Kommission Zuwanderung" gefolgt ist (Schader-Stiftung et al. 2005: 10). 152
6.1.2.3 Pfadabhängigkeiten gesellschaftlicher Integrationskonzepte
Die Niederlande: Von der Versäulung zum Multikulturalismus Die Wege, auf denen ein Land nonnalerweise versucht, soziale Kohäsion und Konfliktlösung herbeizufiihren, schlägt sich auch im Umgang mit Migranten nieder (Heckmann 2003b: 45). In NL zeigt sich dies darin, dass das historische Konkordanzsystem, das aus der Bemühung um Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten, später zwischen Liberalen und Sozialisten, entstanden war, in Form des Multikulturalismus auf die Integration der Migranten übertragen wurde (Mahnig 1998: 72). Wie in der BRD gab es auch in NL bis in die 1970er Jahre keine dezidierte nationale Integrationspolitik, da man davon ausging, dass die meisten Zuwanderer - und insbesondere die Gastarbeiter - wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Ähnlich wie in der BRD wurde dieses Vakuum zum Teil von den Kommunen gefüllt, die eigene Initiativen entwickelten (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 13). Nachdem jedoch deutlich wurde, dass der Anwerbestopp den Zuzug durch nachreisende Familienangehörige noch verstärkte, reagierten die Niederlande in den 1980er Jahren mit umfangreiche Maßnahmen zur Gleichstellung im rechtlichpolitischen, sozioökonomischen und kulturellen Bereich. Auch wenn die Niederlande sich erst in den 1990er Jahren dazu bekannten, ein de-facto-Einwanderungsland zu sein, erfolgte bereits 1979 mit einem Bericht des Wissenschaftlichen Rats für Regierungspolitik (WWR) eine erste Anerkennung der Zuwanderungssituation. Dieses Dokument wurde zur Grundlage für die Integrations- und Migrationspolitik der 1980er Jahre, indem es in einem Weißbuch zur Minderheitensituation 1983 aufging (Andersson 2003: 17). Auch wenn der Begriff in NL kaum genutzt wurde, könnte man diese Phase als Multikulturalismus bezeichnen (Vasta 2007: 13). Der Multikulturalismus tritt zwar mit dem Ziel der Gleichstellung an, schaltet aber ethnische und kulturelle Gemeinschaften als Vermittlungsinstanzen zwischen Individuum und Gesellschaft (Bade/Bommes 2004: 12). Interessenkonflikte werden zwischen den politischen Eliten ausgehandelt und an die Mitglieder vermittelt. Dementsprechend werden Maßnahmen zur "kollektiven Emanzipation" durch Selbstorganisationen gefördert. Die niederländischen Regierungen haben dabei Kontakte zu sehr heterogenen Gruppen aufgenommen, die zum Teil von ihnen selbst geschaffen wurden (Mahnig 1998: 73). Während die ethnische Binnenintegration in der BRD stets mit Argwohn aufgenommen wurde, spiegelte die aktive Unterstützung der Erhaltung der Zuwandererkulturen das niederländische Prinzip der "Souveränität im eigenen Kreise" wider (Ersanlili 2007: 6). Dieses ,,niederländische Modell" stellt eine Fortsetzung des aufAusgleich beruhenden Konkordanzmodells dar, in dessen Ausgestaltung das demokratische Handeln im versäulten 153
Staat auf der Mitwirkung aller etablierten Minderheiten beruht (Michalowski 2005: 1). Anstatt in direkter Konkurrenz zueinander zu stehen, wurden Konflikte durch die jeweiligen Eliten einvernehmlich gelöst und an die Mitglieder vennittelt. Mit Einsetzen der Säkularisierung und Individualisierung spätestens seit den 1960er Jahren entwickelte sich ein neuer Begriff von Staatsbürgerschaft, der nun eine direkte Verbindung zwischen Individuum und Nationalstaat herstellte. Dennoch sollte die "Versäulung" auf die Zuwanderer in zweierlei Hinsicht Einfluss haben: Zum einen wurden die Zuwanderer nicht auf Grundlage ihrer Rassenzugehörigkeit (wie in GB) oder als Ausländer wahrgenommen, sondern als ethno-kulturelle Minderheiten. Zudem wurden politisch sensible Fragen wie Zuwanderung und Integration in einem depolitisierten Kontext diskutiert, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahren sollte. ,,Especially in the 1970s and 1980s, these issues were systematically depoliticised, accommodating conflict within relatively closed networks of policymakers, experts and ethnic elites. Issues 'too hot 10 handle' for politics were resolved through technocratic compromise, creating a socalled 'consensual style' ofusing expertise as an authoritative source 10 create political consensus, rather than creating such a consensus through open political confrontation" (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 27).
Damit entwickelte die niederländische Regierung eine zentralistische Koordinierungsstruktur, die die Kooptierung der ethnischen Eliten vorsah. Die depolitisierte Problemlösung ging mit einer Beschränkung der Debatte auf ein spezifisches Set von Akteuren einher (a.a.O.: 31). Ein zentrales Element dieses seit 1979 als "Minderheitenpolitik" bezeichneten Ansatzes war die geförderte Einrichtung von Beratungsgremien durch die ethnischen Minderheiten, die von staatlichen Organisationen und Behörden zu jeder sie betreffenden Maßnahme angehört werden sollten. Die verschiedenen Minderheitengruppen wurden zudem in der Produktion eigener Radio- und Fernsehsendungen sowie der Gründung eigener Schillen unterstützt (Michalowski 2005: 1). Für die Zeit der Minderheitenpolitik sprechen niederländische Autoren von "ethnischem Korporatismus" (Uitermark/Rossi/van Houtum 2005: 626).64
64 Von den Vertretern einer Diversitätspolitik, wie sie aktuell die Stadt Amsterdam verfolgt, werden ältere Ansätze der Minderheitenpolitik dafiir kritisiert, dass die Einbindung ethnischer Gruppen in die niederländischen Institutionen zur Herausbildung von ethnischen Eliten geführt habe, die nur vorgäben, ihre Gemeinschaft zu repräsentieren. Die Anerkennung der ethnischen Gemeinschaften habe zu einer Überbewertung der Verschiedenheit zwischen den Gemeinschaften geführt und die Heterogenität innerhalb der Gruppen in den Hintergrund treten lassen (UitermarkIRossi/van Houtum 2005: 624).
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Als Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsabhängigkeit unter den Minderheiten wurden in den 1990er Jahren Policies erlassen, die von der Förderung der kulturellen Vielfalt abrückten und der Integration aller Staatsbürger nicht zuletzt in den Arbeitsmarkt dienen sollten. Der Arbeitslosenanteil bei Marokkanern und Türken lag Ende der 1980er Jahre drei Mal so hoch wie bei den Einheimischen. Ein niederländischer Journalist prägte zu diesem Zeitpunkt den Begriff des doodknuffelen, der besagt, jemanden so stark zu umarmen, dass dieser erstickt. Damit drückte er aus, dass die Minderheiten nicht an zu wenig Integrationsangeboten des Staates zu leiden hätten, sondern unter einem alles regelnden Wohlfahrtstaat, der jegliche Eigeninitiative im Keim ersticke (Mahnig 1998: 75). In der Konsequenz rückte mit der Contourennota 1994 ein neues Integrationskonzept mit stärker republikanischem Charakter an die Stelle der Minderheitenpolitik (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 17). "It was based on the idea of 'mainstreaming' - i.e. improving the inc1usion of immigrants in mainstream services in order to move away from the ethno-specific provision popularly associated with the Ethnic Minorities Policy" (Vasta 2007: 13). Seither wurde ein stärkeres Gewicht auf das Erlernen der niederländischen Sprache und berufliche Bildung gelegt. Diese Veränderungen im Umgang mit den ethnischen Minderheiten drückten eine generelle Wende in der Wahrnehmung dessen aus, was der Wohlfahrtsstaat zu leisten habe. Während der Wohlfahrtsstaat zuvor in NL als allgemeines Sicherheitsnetz verstanden wurde, rückte nun - wie in den meisten anderen europäischen Staaten auch - die Betonung auf die Eigenverantwortlichkeit des Individuums in den Mittelpunkt (a.a.O.: 14; Bruquetas-Callejo et al. 2007: 29). Insofern stand der Umbruch in der Integrationspolitik im Zeichen einer allgemeinen Kursänderung in der nationalen Politik, die staatsbürgerliche Pflichten betonte. So wie Arbeitslosigkeit immer weniger mit fehlenden Arbeitsmöglichkeiten gerechtfertigt wurde, übertrug sich diese Betonung der Eigenverantwortung auch auf das Verständnis von Integration, deren Ausbleiben analog mit dem mangelnden Bemühen der Zuwanderer erklärt wurde (Ersanlili 2007: 7). Großbritannien: Vom indirect rule zum Multikulturalismus Auch in GB haben sich historische Strategien zur Herstellung gesellschaftlicher Kohäsion auf den Umgang mit kultureller Vielfalt niedergeschlagen. Hier hatte das zu Zeiten des Kolonialismus entwickelte Verständnis von Gesellschaft Auswirkungen auf die Konzeption der im Land lebenden Minderheiten, die bis heute stets als Mitglieder einer spezifischen community wahrgenommen werden. Dies führte auch in GB zur Entwicklung einer multikulturellen Politik. Der Nobelpreisträger Amartya Sen (2006) sieht die aktuelle Betonung der community, etwa in der
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Integrationspolitik, die den Namen community cohesion trägt, in einer historischen Kontinuität, die bis zur indirekten Herrschaft (indirect rule) der Kolonialherren zurück reicht, die ihre Macht vermittelt über örtliche und traditionelle Herrschaftsstrukturen ausübten: "There is an uncanny similarity between the problems that Britain faces today and those that British India faced (...). Gandhi was critical in particular of the oflicial view that India was a collection of religious cornrnunities. When Gandhi came 10 London for the Indian Round Table Conference (...), he found that he was assigned 10 a specific sectarian corner in the revealingly named 'Federal Structure Cornrnittee.' Gandhi resented the fact that he was being depicted primarily as a spokesman for Hindus, in particular 'caste Hindus', with the rest ofthe population being represented by delegates, chosen by the British prime minister, of each of the 'other communities'" (a.a.O.: o.S.).
Britische Sozialwissenschaftier haben am Kulturverständnis, das sich im britischen Multikulturalismus niederschlägt, kritisiert, dass communities oder Kulturen nicht in der Form existieren, wie sie vom Multikulturalismus nahe gelegt werden, nämlich als abgegrenzte, ahistorische, homogene Einheiten, ohne inneren Dissens und ohne äußere Einflüsse. Dem kulturellen Essentialismus und "kulturellen Konservatismus" setzen sie eine Theorie multipler, komplexer und fluider Identitäten entgegen (McGhee 2007: 56-57).65 Dass nicht die nationale Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit allein gruppenkonstituierend sein müssen und andere Aspekte stärker identitätsbildend sein können, betont etwa der muslimische Autor Bodi (2006a: o.S.): "Multiculturalism is also a marked1y secularising project. It sees communities through the blinkers of race or nationality and ignores minorities who define themselves in other terms, such as faith. For Muslim groups especially, funding to redress discrimination and deprivation depends on putting on a secular face." Deutschland: Kulturalismus statt Multikulturalismus Auch von deutschen Autoren wird kritisiert, dass die Überbetonung der kulturellen Unterschiede in den 1980er Jahren zum konstitutiven Element des Gesellschaftskonzeptes in der BRD geworden sei. Diese politische Auffassung der Kultur als immer geltendes, in sich abgeschlossenes und konstantes System beruht laut Kür~at-Ahlers (1993: 215) auf einer Mystifizierung aus der Geschichtsphase des nation building. Auch Ayse Cliglar (1991: 45; ähnlich 1997) hält fest, dass ein
65 McGhee (2007: 57) kritisiert jedoch die Hegemonie einer einseitigen Theorie neuer Ethnizität, die Gefahr laufe, eine neue moralische Zweiteilung zu konstruieren zwischen einer guten, neuen Ethnizität, die eine gesunde, fröWiche Hybridität zelebriert, und der scWechten, alten Ethnizität, die in pathologischer Reinheit gefangen bliebe.
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holistischer Kulturbegriff zentral für das Verständnis von Kultur in der BRD sei: "These descriptions rest on the assumption that cultures are discrete systems, and each individual should belong to one system only, i.e., the actions and beliefs are necessarily in harmony with each other" (a.a.O.: 46). Dieses kulturalistische Verständnis finde seinen Ausdruck etwa in Formulierungen für die zweite Generation, die "zwischen den Stühlen" sitze. Als zweiten zentralen Baustein führt die Autorin die enge Verbindung zwischen Ethnizität und Kultur im deutschen Verständnis an, nämlich dass jede Ethnie ihre eigene Kultur habe und diese Kultur für jedes Mitglied gelte (a.a.O.: 47). Anders als in GB hat sich der holistische deutsche Kulturbegriffjedoch nicht in multikulturalistischen Policies niedergeschlagen, auch wenn dies heute rückblickend unterstellt wird. Ende der 1980er Jahre hatte sich ein publizistischer Boom um die multikulturelle Gesellschaft entwickelt, der in der pädagogischen Arbeit wurzelte und als Gegenprogramm zum autoritär-fürsorgerischen Integrationsbegriff der Regierung entwickelt wurde. Heute wird jedoch unter dem weit verbreiteten Schlagwort "Multikulti ist tot" (Spiewak 2008) insinuiert, dieses Integrationskonzept hätte in der BRD, ähnlich wie in den Niederlanden und Großbritannien, tatsächlich jemals Wirkung gezeigt. Auch Volker Eichener (2006: 57) unterstellt, die 1980er/ 90er Jahre seien die Phase der multikulturellen Gesellschaft gewesen66 : ,,In dieser Phase gab es die Vision einer Gesellschaft, in der mehrere autonome Kulturen gleichwertig nebeneinander existieren sollten. Die Migranten sollten ihre eigene Kultur bewahren. Segregation wurde positiv bewertet, der Aufbau von Parallelgesellschaften wurde sogar politisch gezielt gefördert wie ethnic business oder auch die Pflege der Muttersprache. Jegliches Verhalten von Migranten wurde akzeptiert."
Die oben dargestellten Entwicklungen seit Beginn der Gastarbeiteranwerbung und die bis heute kontroversen Auseinandersetzungen - zuletzt im Zuge der Antidiskriminierungsgesetzgebung - lassen jedoch massiven Zweifel an dieser Interpretation aufkommen. "Auf Bundesebene hat die Diskussion [über Multikulturalismus, S.M.] keinen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der Integrationspolitik gezeitigt", hält Mahnig (1998: 56) fest. In der BRD wurde nämlich die ethnische Binnenintegration, wie sie eigentlich vom Konzept des Multikulturalismus gefördert wird, als Modemisierungslücke und als hinderlich für die Integration begriffen (Pott 2002: 51). Lediglich einige Städte wie Frankfurt am Main und Nümberg bekannten sich in den 1980er Jahren zu einer multikulturellen Politik, die etwa in 66 In seiner Dissertation aus dem Jahr 1988 (S.2) spricht er hingegen selbst davon, dass in den 1980er Jahren eine Remigrations- statt einer Integrationsförderung erfolgt sei.
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der Unterstützung von Selbstorganisationen bestand, sich aber ebenfalls vom Multikulturalismus im eigentlichen Sinne abgrenzte: "The philosophies and objectives of such 'multicultural policies' on the level of urban communities, however, are not ethnic minority formation and reproduction, but intercultural understanding and exchange" (Heckmann 2003b: 74). Auch wenn der Begriff "Multikulti" im deutschen Diskurs geläufig ist, hat er bei uns in der politischen Umsetzung stets eine andere Bedeutung getragen als in denjenigen Staaten, die den Multikulturalismus zur offiziellen Leitlinie erklärt haben. Anstatt auf eigenethnische Gruppenbildung und Gleichstellung zu bauen, wurde bei uns eher aufAkkulturation gesetzt (a.a.O.: 73; Kür~at-Ahlers 2001: 119). Das Beharren darauf, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, ist aber nicht mit einem völligen Ausbleiben von Integrationspolitik gleichzusetzen. Dies liegt vor allem daran, dass sich Kirchen, Wohlfahrtsorganisationen und Gewerkschaften des Themas annahmen. Der Staat reagierte zwar mit verstreuten Einzelrnaßnahmen, etwa der Einrichtung des Ausländerbeauftragten 1978 oder der Sprachförderung für Aussiedler, vor allem wurde das bundespolitische Vakuum aber von den Städten gefüllt (Mahnig 1998: 62; BorkertJBoswick 2007: 22). Anders als in den anderen beiden Ländern gab es in der BRD über Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein positives Bild der eigenen Integrationspolitik, noch wäre eine methodologisch und ideologisch einheitliche Herangehensweise entstanden (Michalowski 2007: 34). Eine stärkere Zentralisierung der deutschen Integrationspolitik ist erst durch das Zuwanderungsgesetz erfolgt, mit dem der Staat die Finanzierung von Sprach- und Integrationskursen übernimmt (Heckmann 2003b: 69). Diese unter Rot-Grün einsetzende Wahrnehmung des Integrationsthemas durch die Bundesregierung hat sich auch unter der Großen Koalition fortgesetzt. Dies zeigte etwa der Integrationsgipfel, der auf Einladung der Bundeskanzlerin und unter Federführung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung im Juli 2006 stattfand. Inwieweit der in verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelte "Nationale Integrationsplan" nicht nur eine symbolische Wirkung hat, bleibt abzuwarten.
6.1.2.4 Das ,,Ende des Multikulturalismus" Im neuen Jahrtausend werden die Integrationsdiskurse der verschiedenen europäischen Länder durch das vermeintliche Scheitern der Integration bestimmt. "Multikulti ist tot" lautet übereinstimmend das Urteil, selbst in Ländern wie Deutschland, wo in Frage zu ziehen ist, ob es ihnjemals gegeben hat.
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Deutschland: Ein Ende ohne Arifang Im Hinblick auf den politischen Diskurs war in der Vergangenheit auffällig, dass traditionell "hinsichtlich ethnischer Minoritäten in Staaten wie Deutschland ,Integrationsprobleme' und in Staaten wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden ,Rassismus' thematisiert werden" (Heinelt 1993b: 280). Dies zeigt sich etwa daran, dass die "Geschichte des Niederganges" (Stone 1989), wie sie heute mit der Rede vom "Tod des Multikulti" den Diskurs dominiert, in der BRD im Gegensatz zu den Niederlanden und Großbritannien bereits in den frühen 1980er angestimmt wird, als viele türkische Migranten aufgrund der für diese Gruppe erst später einsetzende Anwerbung zum Teil erst seit weniger als einern Jahrzehnt in der BRD lebten. In Deutschland führt das verbreitete essentialistische Kulturverständnis dazu, dass die "Eingliederungsproblerne" der 1980er Jahre häufig auf das "Türkenproblem" reduziert wurden (Eichener 1988: 20): ,,'Das Ausländerproblem in der Bundesrepublik', sagt der SPD-Abgeordnete Thomas Schröer, ,ist ein Türkenproblem. Dies muß deutlicher als bisher ausgesprochen werden'" ("Der Spiegel", 7.12.1981, o.S.). "Der Spiegel" klagt im selben Beitrag, dass "ein Heer der Unanpaßbaren herangewachsen" sei. Schon zu einem Zeitpunkt, zu dem die Integrationsleistungen aufgrund einer vergleichsweise kurzen Aufenthaltsdauer noch zwangsläufig gering sein müssen und von staatlicher und gesellschaftlicher Seite kaum Integrationsangebote an die vermeintlich in ihr Heimatland zurückkehrenden "Gastarbeiter" gemacht werden, werden insbesondere Muslime als fremd und nicht integrierbar konstruiert. 67 Die Niederlande: Neo-Assimilationismus statt Minderheitenpolitik In NL und GB hat sich dagegen erst in den letzten Jahren eine Entwicklung abgezeichnet, die das vermeintliche Scheitern der Integration in den Mittelpunkt stellt. In NL ist das bereits in den 1990er Jahren angedeutete Abrücken von älteren, multikulturalistischen Ansätzen im neuen Jahrtausend noch stärker forciert worden (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 3). Dabei waren die Änderungen in der Integrationspolitik nicht nur Folge eines Wandels der politischen Kultur, sondern auch zugleich Auslöser des Wandels. Für Pim Fortuyn lieferte das Integrationsthema das Vehikel fiir eine
67 Dies wird auch durch einen Gastbeitrag des SPD-Politikers und Städtetagspräsidenten, Martin Neuffer, in Der Spiegel vom 19. April 1982 deutlich: Die Integrations- und Eingliederungsbemühungen der deutschen Behörden sind beachtlich. Aber sie stoßen an Grenzen, die kaum überschreitbar sein dürften. Schon 1990 wird der Ausländeranteil in der Bundesrepublik mehr als 10 Prozent betragen. (..,) Wir sind auf dem falschen Weg. Diese Verlagerung des türkischen Bevölkerungswachstums in die Bundesrepublik ist, mit Verlaub gesagt, ein gemeingefährlicher Unfug. In den meisten Fällen besteht nur wenig Aussicht, daß die gutgemeinten Integrationsbemühungen der Bundesrepublikje dazu führen werden, daß diese Türken Deutsche werden.
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grundlegende Kritik am niederländischen politischen System und ein Symbol fiir öffentliche Unzufriedenheit mit dem elitären Konkordanzmodell (a.a.O.: 30). In deutlicher Parallele zu GB weist die niederländische Debatte starke Ähnlichkeiten zu zwischenzeitlich abgelegten Konzepten einer einseitigen Assimilation und Anpassung der Minderheiten an eine als homogen und überlegen imaginierte nationale Kultur auf (a.a.O.: 16). Die Furcht, dass die Werte der Minderheiten im Widerspruch zu jenen der Mehrheitsgesellschaft stehen könnten, richtet sich in den vergangenen Jahren insbesondere gegen den Islam, der simplifizierend mit der Unterdrückung von Frauen, Zwangsheiraten und Ehrenmorden gleichgesetzt wird. "The fear over loss of democratic values makes it easier for policy and public discourses to demand areturn to a dominant national discourse of assimilation" (a.a.O.: 19). Die Toleranz, die sich die Niederlande als nationale Eigenschaft zuschreiben, ist mittlerweile zur politischen Waffe geworden. Der Ausspruch des späteren EUKommissars Bolkestein aus dem Jahr 1991, seine Toleranz reiche nicht bis zu den Intoleranten, zeichnete eine Argumentationslinie vor, die auch Fortuyn übernahm (Michalowski 2005: 2). Wie in den anderen beiden Ländern hält sich in NL die Interpretation, die einheimische Gesellschaft sei in der Vergangenheit zu tolerant gewesen und habe nicht genügend auf Integration beharrt (Vasta 2007: 22). Zudem wird die Deutung transportiert, dass die sozialen und ökonomischen Probleme der Minderheiten gelöst würden, sobald sich diese von ihrer Kultur distanzierten und sich stärker an der niederländischen Gesellschaft orientierten (a.a.O.: 21). Damit wird eine nicht-ökonomische Lösung fiir wirtschaftliche und strukturelle Probleme suggeriert (a.aO.: 34) und zudem die Bedeutung von institutionellem Rassismus als Hindernis fiir die Integration der Migranten unterschätzt. Dass die Arbeitslosenquoten selbst fiir diejenigen Migranten höher sind, die eine höhere Ausbildung genossen haben, kann nicht mit vermeintlich kulturellen Faktoren, sondern nur mit struktureller Benachteiligung erklärt werden (a.a.O.: 30). Im Zuge des Abrückens von multikulturellen Ansätzen hat sich in NL das Bild von den deutschen Nachbarn gewandelt. Während sich die Niederlande noch in den 1990er Jahren als führendes Land in Integrationsfragen bezeichneten, wurde nun in Frage gestellt, ob Deutschland mit seinem Gastarbeiter- oder ,,Anti-Integrationsmodell" tatsächlich das Negativbeispiel sei, fiir das man es immer gehalten hatte. Die paradoxe Situation, dass die sozioökonomische Integration von Migranten in der BRD ohne eine spezielle Integrationspolitik anscheinend erfolgreicher verlaufen ist als in NL, wurde über die Migrationsforschung hinaus auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen. 68 68 In einem Land mit langer integrationspolitischer Tradition wie NL lag die Arbeitslosigkeit unter den Allochthonen vier Mal höher als unter der einheimischen Bevölkerung, während sie in der
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Im Jahr 2003 wurde mit der Blok-Kommission ein befristeter parlamentarischer Ausschuss ins Leben gerufen, der die Auswirkungen der Integrationspolitik der letzten dreißig Jahre untersuchen sollte unter der Prämisse, dass diese gescheitert sei. In seinem im Januar 2004 veröffentlichten Abschlussbericht Bruggen bouwen (Brücken bauen) kam die Kommission jedoch - wider Erwarten - zum Schluss, dass viele Zuwanderer erfolgreich integriert seien - trotz der bis dato unzureichenden Integrationspolitik (Ersanlili 2007: 8). Diese Schlussfolgerung der BlokKommission wurde von vielen als naiv abgelehnt. In der Tat haben niederländische Beobachter konstatiert, dass sich in den vergangenen Jahren eine neue Form der politischen Korrektheit entwickelt habe, die nun jegliche positiven Aussagen über den Stand der Integration und die Ergebnisse multikultureller Politik tabuisieren. Dieser Modus des Policy-Diskurses wird als Hyperrealismus bezeichnet, da der ,,realistische" Diskurs der 1990er Jahre, der eine harte Haltung in Integrationsfragen gefordert hatte, durch einen Diskurs ersetzt wurde, in dem Härte an sich zum eigentlichen Ziel wurde (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 25). Trotz des augenscheinlich drastischen Wandels in der niederländischen Integrationspolitik ist diese zugleich durch eine - wenn auch versteckte - Kontinuität und Pfadabhängigkeit gekennzeichnet, die angesichts eines oftmals aufgeladenen und aggressiven Diskurses leicht übersehen wird. Zahlreiche Policies wurden nicht verändert oder kaum: "Both ministries at the national level ( ) and local authorities continued most of their standing policies. This means that - contrary to the widespread image - many of the earlier instruments, developed over more than twenty years of integration policies, are still in place" (BruquetasCallejo et al. 2007: 22). Dies erinnert an das Vorgehen der deutschen Kommunen, die in der Vergangenheit das integrationspolitische Vakuum der Bundesregierung zu fiiHen vermochten. Damit hat in NL die Divergenz von überwiegend symbolischer Politik auf der nationalen Ebene und einem pragmatischen Vorgehen auf der lokalen Ebene zugenommen (a.a.O.: 25). Großbritannien: Konformität statt Diversität Eine parallele Entwicklung lässt sich in GB nachzeichnen: Hier stieß laut Mahnig (1998: 7) in der Vergangenheit schon der Begriff "Integration" tendenziell auf BRD bei den Ausländern nur doppelt so hoch lag.Als Grund für die wenn auch unbefriedigende aber dennoch vergleichsweise bessere Arbeitsmarktbeteiligung wurde das deutsche Lehrlings- und Ausbildungssystems ausgemacht, das jungen Migranten einen vergleichsweise leichteren Start in das Berufsleben zu ermöglichen scheint. Zudem wird darauf verwiesen, dass die Vertretung von Migranten in Gewerkschaften und Betriebsräten in Deutschland wesentlich stärker ausgebildet sei als in NL, was diese effektiver vor Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt geschützt habe (Michalowski 2005: 3).
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Ablehnung, da hier die Idee der Chancengleichheit im Zentrum der Diskussion stand. Großbritanniens Verständnis von Integration war geprägt durch sein Bekenntnis zum Multikulturalismus, der auf dem Prinzip basiert, zwischen Differenz und Gleichheit in einer inklusiven Gesellschaft zu balancieren. In Folge der Unruhen in einigen nordenglischen Städten im Jahr 2001 und verstärkt durch die Furcht vor homegrown terrorism seit den Anschlägen in London im Jahr 2005 wird nun jedoch auch hier das vermeintliche Scheitern der multikulturellen Gesellschaft diskutiert (phillips 2006a: 5; Hickman/Crowley/Mai 2008: 13). Mit dem CommunityCohesion-Diskurs, dessen Genese aufgrund seiner zentralen Problematisierung von ethnischer Segregation im Folgenden ausführlich dargestellt werden soll, ist der Multikulturalismus als bis dahin leitendes Prinzip des britischen Integrationsverständnisses abgelegt worden (Burnett 2008: 37).69 "The mainstream view at the moment is essentially an assimilationist one fuelled by fears ofviolence", hält mit John Rex (2003: 91) einer der bekanntesten britischen Migrations- und Wohnsoziologen fest. 2004 sicherte sich der schwarze Direktor der Commission for Racial Equality (CRB), Trevor Phillips, landesweite Schlagzeilen, als er erklärte, dass der Multikulturalismus "tot" sei. Mit der Prognose, GB würde sich schlafwandelnd zur Segregation nach US-amerikanischem Vorbild entwickeln, drängte er auf eine stärkere Betonung der britischen Werte und Lebensart (Hansen 2007: 5). Laut John Flint (Interview) impliziert das Narrativ vom Ende des Multikulturalismus, dass Probleme im Zusammenleben nicht etwa auf soziale Ungleichheit oder den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft zurück zu führen seien, sondern auf deren vermeintliche "zu große" Toleranz. Während aus Sicht der Autorin eher nachzuvollziehen ist, dass es in GB - im Gegensatz zu Deutschland - tatsächlich eine kurze Zeitspanne gegeben hat, in der das framing von interkulturellem Zusammenleben durch das Konzept des Multikulturalismus geprägt gewesen sein mag, wird dies von manchen britischen Sozialwissenschaftlern bezweifelt (McGhee 2005: o.S.). So halten Cashmore und Troyna (1990: 8) bereitsfür die 1980er fest: "With the ascendancy ofreactionary approaches, concepts such as integration and cultural diversity - which had previously been bandied about at politicallevels - were shelved. The favoured goal became to absorb all groups within the single, homogeneous nation." Die assimilationistischen Untertöne der ThatcherRegierung waren eine logische Konsequenz ihrer liberalen Betonung des Individuums, dem die Verantwortungfür Erfolg und Scheitern auferlegt wurde. Gruppencharakteristika wie "Rasse" wurde dementsprechend eine Rolle auf nationaler 69 Auch wenn im Konzept der Community Cohesion mit dem community-Gedanken weiterhin das Verständnis aufrechterhalten wird, dass die Integration letztlich nicht individuell, sondern über die Gruppenzugehörigkeit erfolge.
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Ebene versagt (Smith 1989: 127). Das Konzept der Assimilation war attraktiv, da es dem marlctliberalen Glauben an eine Gesellschaft aus Individuen ebenso Rechnung trug wie einem traditionell konservativen Streben nach Konformität (a.a.O.: 135). Ausschreitungen prägen die britische Wahrnehmung Die britische Wahrnehmung der Zuwanderungssituation ist seit den 1970er Jahren wiederholt durch Zusammenstöße zwischen eingewanderten Jugendlichen und der Polizei geprägt. Dabei lässt sich ein Muster erkennen, das sich bis in die heutige Zeit fortsetzt: Auf die Auseinandersetzungen folgt der von der Regierung beauftragte Bericht eines unabhängigen Gutachters, dessen Interpretation der Umstände dann in den Folgejahren den Diskurs prägt und größtenteils auch PolicyVeränderungen mit sich bringt. Die Unruhen vor 30 Jahren in Leeds und London wurden vom Ausmaß der Gewalt in den 1980er Jahren in den Stadtteilen St. Paul in Bristol, Brixton und Southall in London und Toxteth in Liverpool noch übertroffen. Obwohl an den Krawallen auch weiße Jugendliche beteiligt waren, wurden sie als race riots wahrgenommen. Der unabhängige Bericht des vom Innenminister eingesetzten Lord Scarman machte seinerzeit drei Gründefür die Unruhen aus: die soziale und ökonomische Marginalisierung der Minderheiten, den Umstand, dass die schwarzen Bewohner der Innenstädte besonders unter den schlechten Wohnbedingungen litten, sowie Spannungen zwischen Polizei und Bewohnern (Mahnig 1998: 19; Cantle 2008: 8). Als zwischen 1985 und 1987 weitere und schwerwiegendere Unruhen folgten, wurden die Auseinandersetzungen nun nicht mehr als Folge der Benachteiligung der Minderheiten gefasst, sondern als Law-and-order-Problem, das in Verbindung zu deviantem Verhalten, sozialer Marginalisierung und Kriminalität stehe (Mahnig 1998: 22). Insbesondere die Unruhen in Nordlondon 1985 wurden als sture Ablehnung der beteiligten Karibischstämmigen interpretiert, sich dem British Way 0/ Life anzupassen. Somit wurde eine Mitverantwortung der Polizei geleugnet und zugleich die Schuldfür die Unruhen den Jugendlichen zugewiesen, die in dieser Deutung durch ihre kulturell-familiäre Prägung Werte vermissen ließen, die sie von solcher Gewalt hätten abhalten können (Cashmore/ Troyna 1990: 9). Während bis zum Ende der 1980er Jahre insbesondere die Kinder schwarzer Einwanderer als Störenfriede wahrgenommen und mit den vergleichsweise besser integrierten südasiatischen Jugendlichen kontrastiert wurden, hat sich mit den gewalttätigen Protesten britischer Muslime gegen den Autor der "Satanischen Verse", Salman Rushdie, das Bild gewandelt. Die Rushdie-Affare zeigte die Südasiaten in einem neuen Licht und wies ihnen eine Rolle zu, die bis dato eigentlich 163
den schwarzen Jugendlichen vorbehalten war (a.a.O.: 10; 16). Diese negative Interpretation der südasiatischen Jugendlichen sollte sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch verstärken. Die britische Community-Cohesion-Agenda als Antwort aufkonflikthafle Heterogenität Das Konzept der community cohesion ging aus einer Mischung von Erklärungen und Policy-Empfehlungen nach den Zusammenstößen zwischen südasiatischen und weißen Jugendlichen und der Polizei hervor, wobei sich insbesondere die Problemdefinition durch den Cantle-Report (2001) als wegweisend erweisen sollte. Mit den verschiedenen Berichten (Ritchie 2001 zu Oldham, Ouseley 2001 zu Bradford und Clarke 2001 zu Burnley) wurde ein offizielles Gedächtnis der Unruhen konstituiert, auf dem spätere Policies aufbauten (BagguleylHussain 2006: 363). Während die Unruhen zunächst vom Innenminister als Fragen von law and order gefasst wurden, wurden sie in Folge der verschiedenen Berichte zu den Ausschreitungen als Ausdruck der gescheiterten Integration der Minderheiten interpretiert, wobei deren segregierter Wohnsituation eine zentrale Rolle zugeschrieben wurde. ,,Housing was recognised as a key theme within this agenda, having been blamed in the various reports into the disturbances in 2001 for contributing towards high levels ofresidential segregation in many English towns, which were assumed to lead to different populations living, working and socialising separately" (Robinson 2005: 1411).
Insbesondere in Folge des Cantle-Reports wurden vier Aspekte fokussiert: die unterstellte Selbstsegregation der Minderheiten, die Rolle des Wohnungsmarktes, diesen Prozess zu verstärken, das vermeintliche Potenzial durch Eingriffe im Bereich der Wohnungspolitik diesen Trend umzukehren und die positiven Effekte, die ethnischer Mischung unterstellt werden (ebd.). Während auf die eigentlichen segregationsbezogenen Policies und Deutungsmuster in Kapitel 7 eingegangen werden soll, ist hier zunächst festzuhalten, dass die Bedeutung des CommunityCohesion-Konzeptes darin liegt, wie seine impliziten Deutungsmuster diskursprägend geworden sind (Robinson 2007b: 568; McGhee 2005: o.Svo Während der Begriff social cohesion vor allem sozioökonomische Faktoren erfasst, rekurriert der Community-Cohesion-Begriff in seiner ursprünglichen Bedeu-
70 Von Community Cohesion ist mittlerweile auch in EU-Dokumenten die Rede (z.B. FRA 2008), wobei zu vermuten ist, dass die Karriere des Konzeptes auf europäischer Ebene ähnliche Gründe hat wie die europäische Popularität des Exklusionsbegriffs. Da die etablierten Begriffe wie integration oder Armut in den verschiedenen EU-Staaten unterschiedliche Bedeutungen transportieren, erfolgt der Rückzug auf eine Begriffsneuschöpfung, die weniger aufgeladen ist und auf die sich Länder mit unterschiedlicher Tradition einigen können (vgl. MarshlMullins 1998: 751).
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tung auf das Zusammenleben identifizierbarer Gruppen aufGrundlage von Glaube oder Ethnizität (Cantle 2008: 50). Seit den ersten Berichten zu den Ausschreitungen 2001 hat sich der Begriff jedoch weiterentwickelt, da dem ursprünglichen Cantle-Bericht weitere unabhängige Kommissionsberichte folgten. Insbesondere die von Darra Singh geleitete Commission on Integration and Cohesion, die in Folge der Bombenanschläge im Sommer 2005 eingesetzt wurde und :für die lokale Ebene Handlungsempfehlungen entwickeln sollte, hat versucht, die Definition zu erweitern. Die Regierung ist der Neudefinition der Kommission gefolgt und begreift community cohesion seither als "what must happen in all communities to enable different groups of people to get on well together" (DCLG 2008b: 10). Während die Begriffe Integration und community cohesion meist synonym verstanden werden, versteht die neue Definition Integration als wesentliche Voraussetzung :für community cohesion, wobei Integration ebenso simplifizierend verstanden wird als "what must happen 10 enable new residents and existing residents to adjust to one another" (ebd.). Neben der Problematisierung der segregierten Wohnsituation ist der CommunityCohesion-Diskurs dadurch gekennzeichnet, dass er angesichts einer zunehmenden Diversität die Schwäche der britischen, nationalen Identität unterstellt, die es im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens zu stärken gelte. Insbesondere vom damaligen Innenminister, David Blunkett, wurde dieses Deutungsmuster vertreten (McGhee 2005: 0.8.). Diese Lesart der Integrationsprobleme ist eng mit der Furcht vor religiösem Extremismus verbunden (ebd.) und hat dementsprechend in Folge der Anschläge von London 2005 und der gescheiterten Anschläge in Glasgow und London im Jahr 2007 weiteren Auftrieb gewonnen. ,,At the heart ofthis movement is adesire to instil codes ofbehaviour among citizens, and indeed would-be citizens, and redefine a sense ofnational identity", konstatiert mit Jon Bumett (2007: 354) einer der radikalsten Kritiker des aktuellen Diskurses. In der Konsequenz sei Labour laut Robinson (2005: 1417) zur assimilationistischen Rhetorik der 1960er Jahre zurückgekehrt, die von Einbürgerungstests und einem Treueschwur auf die Königinfür Neueinwanderer sowie Staatsbürgerkundefür alle Schüler flankiert wird (ebd.; Bumett 2007: 354; Hansen 2007: 9). Mit den britischen Versuchen, den staatsbürgerlichen Zusammenhalt zu fördern, zeigt sich eine deutliche Parallele zum niederländischen und deutschen Fall. Während in den Niederlanden seit 1998 Integrationskurse verpflichtend sind, wurde dieser Schritt in der BRD durch das Zuwanderungsgesetz vollzogen. Der britische Treueschwur zur Einbürgerung findet seine Entsprechung in den vieldiskutierten Einbürgerungstests, die etwa in Baden-Württemberg die Haltung zu den Werten des Grundgesetzes abfragen sollten. Auch die Ablehnung einer doppelten Staatsangehörigkeit durch die Union spiegelte die in der Bevölkerung verbreitete Sorge 165
um eine mangelnde Loyalität der Migranten gegenüber der Bundesrepublik wider; ebenso die Debatte um die Notwendigkeit einer "Leitkultur" (Michalowski 2007: 87).
Kritik am Community-Cohesion-Diskurs Kritische Autoren wie Burnett bemängeln, dass mit den neuen Ansätzen das vermeintliche Versagen der Minderheiten in den Mittelpunkt gerückt werde. Dasframing der Unruhen als Folge der vermeintlichenparallellives (Cantle 2001) habe die Provokationen durch rechtsextremistische Gruppen im Vorfeld der Ausschreitungen heruntergespielt (Burnett 2007: 353). Während in den I980er Jahren betont worden sei, dass weiße Schüler an eine inklusive Gesellschaft gewöhnt werden müssten, werde jetzt Staatsbürgerkunde :für ethnische Minderheiten diskutiert, die dies als blame the victim verstünden (Rex 2003: 96). Der Community-Cohesion-Diskurs sei eine Wiederauferstehung verzerrter Unterklassetheorien (Burnett 2007: 354) und stilisiere die Werte der Muslime zum Problem des Zusammenlebens, nicht den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft (Worley 2005: 490). Nach Ansicht der Kritiker können die Ausschreitungen nicht auf den unterstellten Mangel an Integration zurückgefiihrt werden oder auf eine Krise der nationalen Identität. Die beteiligten südasiatischen Jugendlichen ,,had the same accents and expectations as the white youths who rioted on the other side ofthe ethnic line. They scarcely needed teaching citizenship or English - they knew full well that bad policing was a violation oftheir citizenship just as was a drastic exclusion from the national job markets" (McGhee 2005: o.S.). Des Weiteren wird kritisiert, dass der dominante Diskurs die materielle Deprivation und sozioökonomische Marginalisierung der ethnischen Minderheiten ausgeblendet habe (McGhee 2007: 376). "Ultimately, the problem becomes not one of discriminatory political action, of historical exclusion in housing and employment, of calls to a decaying perception ofnationality, but one of community, citizenship and identity" (Burnett 2004: 7). Von McGhee (2007: 377) wird zudem mit Blick auf Bradford die Kriminalisierung der involvierten asiatischen Jugendlichen problematisiert, denen unverhältnismäßig hohe Gefängnisstrafen auferlegt worden seien. Burnett (2004: 6) kritisiert zudem, dass eine Verbindung zwischen dem Islam und der Kriminalität der asiatischen Jugendlichen hergestellt und ihnen die Neigung zu aggressivem, antiwestlichem Fundamentalismus unterstellt worden sei. Während die Medien die an den Unruhen beteiligten weißen Jugendlichen als Ausnahme dargestellt hätten, seien die Asiaten zu normalen Repräsentanten ihrer Gruppe stilisiert worden. Ted Cantle (2008: 59) hat sich gegen eine derartige Interpretation seines Reports verwehrt. Die Kritik unterstelle, die Schuldzuweisung an die Minderheiten sei implizit und sei deshalb nicht in der Lage, Belege aus offiziellen Stellungnahmen zu 166
zitieren. Vielmehr sei die Wertschätzung von Differenz und Diversität das Hauptziel des Community-Cohesion-Ansatzes. Von John Flint (Interview) wird außerdem eingewendet, dass der Unterstellung, der Zusammenhalt der Gesellschaft werde durch die einwanderungsbedingte Diversität und die abweichenden Werte der Muslime gefährdet, ein falsches Verständnis von historischer Homogenität zugrunde liege. In der Vergangenheit habe es Spannungen gegenüber der irischen Bevölkerung gegeben und die Kluft zwischen Katholiken und Protestanten sei bis heute - weder in Nordirland, noch in Schottland - überwunden. David Robinson (2007b: 567) schwächt die Kritik an der Community-CohesionAgenda ab und wirft die Frage auf, wie ein so vages Programm einen solchen dramatischen Wandel bewirken solle, wie er von Kritikern wie Burnett und McGhee skizziert wird: "Remember, this is a government agenda founded on a flimsy evidence base, that focuses on an ill-defined concept that can be interpreted and understood in very different ways, and which has no statutory framework to underpin its delivery and no coherent funding stream" (ebd.). In Kapitel 7.4.3 der vorliegenden Arbeit wird jedoch gezeigt werden, dass nach Hajer (1993) gerade die Vagheit von storylines die Unterstützung von ansonsten sehr heterogenen Akteuren mobilisieren kann.
6.1.2.5 Fazit Der Vergleich der Deutungen der Einwanderungsgeschichten in den drei Ländern hat Gemeinsamkeiten zutage gefördert, die bei einer schematischen Gegenüberstellung von kolonialer Einwanderung auf der einen und Gastarbeiteranwerbung auf der anderen Seite übersehen werden. Eine zentrale Parallele besteht darin, dass die Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur im Gastarbeitermodell Deutschlands, sondern auch hinsichtlich der Einwanderung aus den ehemaligen Kolonien nach GB und NL, als ein temporäres Phänomen interpretiert wurde. In beiden Ländern glaubten Policy-Maker aber auch die Einwanderer selbst häufig über viele Jahre an eine Rückkehr. Durch die Kolonialgeschichte ist zudem nicht zwangsläufig eine größere Offenheit gegenüber Minderheiten vorprogrammiert. Außerdem erfolgte auch die Zuwanderung aus dem Commonwealth nicht alleine aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses von Staatsbürgerschaft, sondern auch, um den Arbeitskräftebedarf der britischen Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg zu decken. Dementsprechend reagierten alle drei Länder auf die Wirtschaftskrise zu Beginn der 1970er Jahre mit einer Verschärfung der Einwanderungsbedingungen, die jedoch in allen Ländern 167
ihr Ziel verfehlte, da sie den Familiennachzug forcierte. Im neuen Jahrtausend lässt sich in allen drei Ländern eine wachsende Abschottung gegenüber Einwanderung beobachten, wobei GB unter Labour noch die größte Offenheit gegenüber Migration an den Tag gelegt hat. Insbesondere in den Niederlanden und Deutschland ist der wachsende Anteil von Migranten jedoch vor allem auf den demographischen Wandel im Sinne einer wachsenden Heterogenisierung zurückzuführen und nicht oder nur kaum auf eine Neuzuwanderung. Angesichts dessen, dass über viele Jahre in allen drei Ländern Einigkeit darüber herrschte, dass das jeweilige Land kein Einwanderungsland sei und auch keines werden sollte, hat sich eine Auseinandersetzung mit der Integration der Zuwanderer erst zeitversetzt vollzogen. Erst als die Einwanderung durch den Familiennachzug in den 1970er Jahren zunahm, reagierten die drei Länder, indem sie historische Inklusionskonzepte auf die Minderheiten übertrugen. Dies hatte zur Folge, dass sich die Lesarten des interkulturellen Zusammenlebens insbesondere während der 1980er Jahre erheblich voneinander unterschieden. So versuchte GB als liberaler Wohlfahrtsstaat die Integration zu fördern, indem die Minderheiten durch eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung in den Stand versetzt werden sollten, sich auf dem Markt gleichberechtigt zu behaupten. Die Vorstellung, die Minderheiten gehörten zu einer bestimmten Community, wie sie auch schon im Kolonialismus zwischen Herrschende und Untertanen geschaltet waren, fand ihren Ausdruck im Multikulturalismus. In NL war der Multikulturalismus Ausdruck des auf Konsens ausgerichteten Modells der Versäulung, das bereits vor der Einwanderung zur Befriedung eines heterogenen Staatsvolkes genutzt worden war. Deutschland schließlich erwies sich auf Ebene der Bundesregierung als nicht in der Lage, einer wachsenden Diversität Rechnung zu tragen. Diesbezüglich greift jedoch eine weitere Similarität: Die von Zuwanderung besonders betroffenen Städte scheinen in allen drei Ländern weitaus pragmatischer auf Einwanderung zu reagieren als die nationalen Regierungen. So wie die deutschen Kommunen jahrzehntelang das integrationspolitische Vakuum des Bundes füllten, setzen die Kommunen in NL heute weitgehend unbeeindruckt von der Skandalisierung des Integrationsthemas eigene Akzente. Nachdem sich die integrationspolitischenAnsätze in den 1980er Jahren auseinander entwickelt hatten, lässt sich seit Beginn des neuen Jahrtausends wieder eine verblüffende Übereinstimmung zwischen den Ländern dahingehend beobachten, dass allerorten der Multikulturalismus für tot erklärt wird. Diese Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich die Vorstellungen, wie die Migranten zu integrieren seien, analog zu einer Neudefinition der wohlfahrtstaatlichen Inklusion der Gesellschaft insgesamt gewandelt haben. New Labours Mantra der rights and responsibilities, das seine deutsche Entsprechung im rot-grünen Ideal des ,,Fördern und Fordern" 168
findet und die Eigenverantwortung des Individuums für seine sozioökonomische Teilhabe betont, hat sich auch im aktuellen niederländischen Diskurs niedergeschlagen und bedeutet auf die Zuwanderer bezogen, dass die Schuld für die wahrgenommenen Integrationsdefizite bei den Minderheiten selbst gesucht wird. Dieser Trend hat sich im Wesentlichen schon in den 1990er Jahren vollzogen, sodass Frank-Olaf Radtke bereits 1991 (35) die Frage aufwarf, wie aus Strukturfragen spätkapitalistischer Gesellschaften ein Kulturproblem der Migranten werden könne. Als weitere Gemeinsamkeit lässt sich festhalten, dass während in der Vergangenheit die als defizitär empfundene sozioökonomische Integration der Migranten problematisiert wurde, im neuen Jahrtausend die kulturellen Aspekte der Integration in den Fokus der politischen und öffentlichen Debatte geraten sind (Gijsberts 2004:27). Die Integrationsprobleme werden aktuell weniger in den traditionellen Kategorien von Mehrheit und Minderheit, Ausländer und Deutschen oder "Rassenbeziehungen" diskutiert, sondern häufig als Ausdruck der vermeintlichen Unvereinbarkeit von abendländischen und muslimischen Werten (Boume 2007: 6). Dabei wird übersehen, dass noch nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland schon die Ehe zwischen einer deutschen Protestantin und einem deutschen Katholiken, selbst in Großstädten, für Konflikte sorgte und konfessionelle Unterschiede bis heute einen Faktor der Trennung in Nordirland und Schottland darstellen. Die aktuelle Betonung der Integration und das Drängen auf größere Homogenität in allen untersuchten Ländern wird zum einen mit der Verunsicherung durch die Bedrohung durch den islamistischen Fundamentalismus erklärt, zum anderen jedoch auch mit dem gesellschaftlichen Wandel in Zeiten der Globalisierung zusammenhängen. Einerseits ist den Staaten bewusst, dass sie - schon aus eigenem wirtschaftlichen Interesse - Einwanderung nur begrenzt unterbinden können, andererseits vermag der "schlanke Staat" nur noch begrenzt für ihre Wohlfahrt zu sorgen. Er muss daher auf Erwerbsbeteiligung und damit Anpassung drängen. Zugleich zeigt sich in allen drei Staaten, dass die Notwendigkeit einer Arbeitsrnigration - gerade angesichts der Alterung der Gesellschaft - als notwendig erkannt und in Großbritannien auch forciert wird, bei gleichzeitigen Versuchen, Asylbewerber möglichst femzuhalten. Dies schlägt sich zudem in der aktuellen Begeisterung verschiedener nationaler und internationaler Akteure für das Konzept der circular migration nieder, das die Wanderungsbewegungen mobiler Arbeitskräfte zwischen Heimatland und vorübergehendem Zielland verregeln und erleichtern soll (Vertovec 2007). Es ist zu vermuten, dass die dargestellten unterschiedlichen Inhalte des Integrationsbegriffs im Zeitverlauf sowie zwischen den untersuchten Ländern Folgen für den Umgang mit ethnischer Segregation nach sich ziehen. Erwartungsgemäß 169
müssten beispielsweise die Niederlande in den 1980er Jahren, in denen die Identität der Minderheiten bewusst gefördert, wenn nicht zum Teil erst durch staatliche Unterstützung geschaffen wurde, einen räumlichen Ausdruck dieser Separierung für unproblematisch gehalten haben, während sie angesichts eines neo-assimilationistischen aktuellen Diskurses stärker auch auf die geographische Verschmelzung ihrer Minderheiten insistieren müssten. Eine stärkere Marktorientierung, wie sie sich im Politikfeld Integration niederschlägt, tritt jedoch auch im Rahmen der jeweils nationalen Wohnungspolitik zutage und dürfte staatliche Interventionen zur Beseitigung von Segregation eher unwahrscheinlicher machen. Welche Handlungsmöglichkeiten den drei Ländern im Rahmen ihrer Wohnungspolitik offen stehen und durch welche Ideen die zur Verfügung stehenden Instrumente geprägt sind, soll im folgenden Kapitel untersucht werden.
6.2 Vergleich der nationalen Wohnungspolitiken In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass nicht nur die Problematisierung eines Sachverhaltes selbst in soziale und historische Zusammenhänge eingebettet ist, sondern dass auch die Wahl der daraus abgeleiteten Lösungsstrategien durch die Interpretation der Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Im Folgenden sollen daher die allgemeinen Wohnungspolitiken und Strukturen der Wohnungsmärkte der drei untersuchten Länder verglichen werden, da angenommen wird, dass Mischungsstrategien nicht nur durch das framing von Integration und Migration, sondern auch durch die Deutungs- und Reaktionsmuster der allgemeinen Wohnungspolitik zu verstehen sind. Institutionelle Rahmenbedingungen, Prozesse und Inhalte sind zwar im zeitlichen Verlauf Veränderungen unterworfen, aber es wird davon ausgegangen, "dass einmal getroffene politische Entscheidungen zu gesellschaftlich verbindlichen Regelungen in Institutionen quasi ,eingeschlossen' werden und dadurch künftige Handlungsoptionen, aber" - vor allem"auch Problemdeutungen und von Akteuren wahrgenommene Handlungsperspektiven strukturieren" (Heinelt 2004: 35). Dabei geht es im Folgenden nicht um eine detailgenaue, chronologische Beschreibung der Wohnungspolitik im allgemeinen, sondern darum, zentrale Entwicklungen, insbesondere im Hinblick auf den öffentlichen Wohnungsbau, auf den insbesondere die durchschnittlich einkommensschwächeren ethnischen Minderheiten angewiesen sind, herauszuarbeiten. Dies erfolgt unter der Annahme, dass die Interpretationen wohnungspolitischer Entwicklungen einen Einfluss auf das Selbstverständnis der relevanten Akteure haben und somit deren Versuche der ethnischen Mischung beeinflussen. Zudem sind die Strategien im Umgang mit 170
ethnischer Segregation vor dem Hintergrund gängiger Instrumente, Akteurskonstellationen und Diskurse des Politikfeldes besser zu verstehen. Es ist zu vermuten, dass beispielsweise eine stärker marktwirtschaftlich verstandene Wohnungspolitik auch im Umgang mit ethnischer Segregation kaum auf dirigistische Maßnahmen setzt. Das Kapitel schließt mit einer Analyse der Wohnsituation der Migranten seit dem Zweiten Weltkrieg, um zu verdeutlichen, dass diese von den national- und regionalspezifischen wohnungspolitischen Rahmenbedingungen geprägt ist und kulturelle Besonderheiten der Zuwanderergruppen eher in geringem Maße ausdrückt.
6.2.1 Wohnungspolitik als Reaktion aufgesellschaftliche Destabilisierung Wesentliche Triebkraft für die Institutionalisierung der deutschen Wohnungspolitik ist sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg die Angst vor einer gesellschaftlichen Destabilisierung gewesen. Schon nach dem Ersten Weltkrieg konnte der Wohnungsbestand die Nachfrage nicht decken, sodass sich die Gemeinden des sozialen Wohnungsbaus annahmen und kommunale Wohnungsbaugesellschaften gründeten. 1930 wurde das Wohngemeinnützigkeitsgesetz als Notverordnung verabschiedet, das als Gegenleistung für die gewährte Steuerfreiheit und staatliche Subventionierung den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen Beschränkungen wie Vermögens- und Überschussbindung, Kostenmiete, Dauerwohnrecht und Belegungsbindungen auferlegte. Es sollte nach der Entnazifizierung im Wesentlichen unverändert bis 1990 fortbestehen (Bartholomäi 2004: 1920).71 Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es für die Wohnungspolitik angesichts der völligen Zerstörung von 21 % der Wohnungen in der Westzone - 14,6 Millionen Haushalten standen nur 9,4 Millionen Wohnungen zur Verfügung (HeinzlKiehle 2000: o.S.) - "das zu tun, was sie seit den Ursprüngen der Wohnungspolitik einen Krieg zuvor tun sollten: Wanderungen zu verarbeiten sowie politische und gesellschaftliche Destabilisierung zu verhindern" (Bartholomäi 2004: 22). Dieses Selbstverständnis ist bis heute prägend für weite Teile der Wohnungswirtschaft. Trotz zahlreicher Kontinuitäten stellte das Ende des Zweiten Weltkriegs dennoch eine Zäsur für die deutsche Wohnungspolitik dar. Von den drei Optionen, den Wohnungsbau über die Bauträger, über das Gebäude (Objekt-) oder über die Mieterkaufkraft (Subjektförderung) staatlich zu fördern., hat sich die junge Bundesre71 1978 waren 58% aller Sozialwohnungen im Besitz der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen (Kirchner 2007: 88).
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publik für die Objektförderung entschieden (a.a.O.: 23). Zugleich wurde ein Wohnungsbau in staatlicher Regie aus ideologischen Gründen abgelehnt und stattdessen vor allem gemeinnützigen Gesellschaften überlassen, die nach kapitalistischen Prinzipien zu arbeiten hatten (Novy 1990: 29). Der soziale Wohnungsbau der Nachkriegsära entstand damit als Versuch, einen sozialstaatlichen Gestaltungsanspruch mit privatwirtschaftlichem Unternehmertum zu verbinden (Wollmann 1983: 175). Ebenso wie in der BRD wurde auch in den Niederlanden und Großbritannien der Wohlfahrtsstaat im Politikfeld Wohnen genutzt, um gesellschaftliche Kohäsion, insbesondere nach den beiden Weltkriegen, (wieder-) herzustellen. In GB zeigten sich diese Bemühungen beispielsweise in der Homes-jor-Heroes-Kampagne nach dem Ersten Weltkrieg sowie im Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus und der Planungen für die new towns nach dem Zweiten Weltkrieg (Flint 2008: 159). Während der staatlich geförderte Wohnungsbau andernorts hauptsächlich von selbständigen Körperschaften getragen wurde, war der Wohnungsbau in GB Angelegenheit der Gemeinden selbst (Norton 1990: 14). Seit den 1980er Jahren indes haben die Wohnungsbauvereinigungen (housing associations) die Gemeinden als Bauherren und Vermieter von sozialem Wohnraum zunehmend ersetzt, während die Gemeinden einen residualistischen Sektor schrumpfender Größe und Bedeutung bedienen. Auch in NL hat eine soziale Wohnungspolitik ihre Hochphase in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt und diente auch hier der gesellschaftlichen Stabilisierung in Zeiten der kriegsbedingten Entbehrung. Der Ausbau wohnungspolitischer Eingriffe als Teil des Aufbaus des Wohlfahrtstaates vollzog sich im Tausch gegen Einschnitte für die Arbeitnehmer, denen in den 1950er Jahren auferlegt wurde, im Dienste des Wiederaufbaus der niederländischen Wirtschaft auf Lohnerhöhungen zu verzichten (Schutjens/van Kempen/van Weesep 2002: 647). Nach dem Krieg fehlten in NL etwa 250.000 Wohnungen, bis 1948 stieg der Bedarf auf 300.000 an. Dem Wunsch des privaten Sektors, Hauptverantwortung für den Neubau zu übernehmen, wurde jedoch nicht nachgekommen (Kirchner 2006: 219). Stattdessen wurde der Bau von Sozialwohnungen insbesondere den Wohnungsbauvereinigungen überlassen, wobei sich das bereits geschilderte Prinzip der Versäulung auch im Bereich der Wohnungspolitik widerspiegelte. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts übernahmen vor allem soziale Organisationen wie Kirchen und Gewerkschaften die Versorgung unterer Einkommensschichten mit Wohnraum (a.a.O.: 245). Ein Teil der neu entstandenen Sozialwohnungen befand sich zwar auch in den Händen der Kommunen, diese Anbieter durften seit 1969 jedoch nur noch dann gefördert werden, wenn die Fertigstellungsziele über die Wohnungsbauvereinigungen nicht zu erreichen waren (a.a.O.: 221). 172
6.2.2 Gemeinsame Trends 6.2.2.1 Eigentumsfdrderung Die durch Krieg und Vertreibung bedingte Regulierung des deutschen Wohnungsmarktes, die von konservativen Kreisen stets als Wohnungszwangswirtschaft diskreditiert wurde, wurde lediglich als temporärer Eingriff konzipiert (Novy 1990: 29). Die Geschichte der deutschen Wohnungspolitik ist daher von Novy (1990: 38) als "vorprogrammierte Deregulierung zugunsten der freien Kräfte des Marktes und der Eigentumsbildung" bezeichnet worden. Schon Mitte der 1950er Jahre erfolgte eine Umorientierung vom Miet- zum Eigentumsbau mit dem Ziel, durch Wohnungspolitik zugleich Vermögens- und Familienpolitik für die Mittelschichten und Sozialpolitik für die sozial Schwachen zu betreiben (a.a.O.: 32). Zudem geriet das System des sozialen Wohnungsbaus seit Mitte der 1960er Jahre in die Kritik. Ein schwerwiegender Mangel wurde vor allem in der starren Verbindung von Miete und Kosten gesehen. Da die Miete der Sozialwohnungen in starkem Maße von den Baukosten des jeweiligen Herstellungsjahres abhing, die im Laufe der Jahre stark gestiegen waren, kam es zu erheblichen Mietenverzerrungen (IWU 2005: 8). Ab 1965 wurde der Ausbau der Subjektfdrderung forciert, die als treffsicher und marktkonform galt, von Kritikern jedoch für ein Ansteigen des Mietniveaus verantwortlich gemacht wurde. Mit der 1977 in Kraft getretenen Eigentumsfdrderung im Altbau sollte in den kommenden Jahren eine Modemisierung der Innenstädte, aber damit auch gleichzeitig eine Gentrifizierung der Gründerzeitbestände einhergehen (Novy 1990: 33).72 Diese stärkere Förderung des Wohneigentums entsprach auch in GB dem Zeitgeist und wurde hier unter Thatcher noch weitaus stärker forciert als in der BRD. Der Anteil des Wohneigentums stieg in GB von 54% im Jahr 1979 auf 67% im Jahr 1990, wobei die Hälfte der Steigerung durch den Kauf der eigenen Sozialwohnung durch die Mieter (right to buy) erreicht wurde (Schmitter Heisler 1994: 209). Thatchers Wohnungspolitik war von der Ideologie der "Eigentümerdemokratie" getrieben, die die unterstellte Kultur derAbhängigkeit von Sozialleistungen zurückdrängen sollte. Privates Eigentum wurde als Grundpfeiler für Selbstverantwortung und Selbsthilfe begriffen (Norton 1990: 17). Eine Mieterprivatisierung wird heute, wenn auch in geringerem Umfang, auch in der BRD verfolgt, wobei davon ausgegangen wird, dass die vergleichsweise 72 In NL hingegen wurden im Zuge der Stadtemeuerung zahlreiche private Wohnungen angekauft, enteignet oder abgerissen und durch Sozialwohnungen ersetzt (van KempenlPriemus 2002: 241; Kirchner 2006: 227).
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niedrige Eigentümerquote im neuen Jahrtausend einen Anreiz für internationale Fonds-Gesellschaften dargestellt hat, ehemals öffentliche Bestände zu kaufen und auf einen Weiterverkauf der einzelnen Wohnungen an die Mieter zu setzen. Die Bewertung der Mieterprivatisierung ist jedoch kontrovers. Während Verbraucherschützer warnen, dass ein funktionierender Zweitmarkt noch nicht existiere (Bartholomäi 2004: 28), wird von ihren Advokaten argumentiert, dass die Mieterprivatisierung aus gesellschafts-, wirtschafts- wie auch sozialpolitischer Hinsicht eindeutig zu befürworten sei. Die Erhöhung der Wohneigentumsquote bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen gilt ihnen aus distributionspolitischer Sicht als wünschenswert. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen steigere zudem den individuellen Wohnnutzen und führe zu einer Stabilisierung der Nachbarschaft (IWU 2005: 4). Angesichts der demographischen Schrumpfung ist es jedoch fraglich, ob nicht gerade für die unteren Einkommensgruppen der Erwerb einer Wohnung, deren Weiterverkauf in der Zukunft fraglich sein kann, eine hohe Belastung darstellt. Seit Ende der 1980er Jahre konzentriert sich auch die niederländische Wohnungspolitik fast ausschließlich auf die Wohneigentumsförderung, die die Präferenzen von Haushalten mit mittlerem und gehobenem Einkommen bei der Wohnstandortwahl prägen wird. Die Politik der Eigentumsförderung erlebte Ende der 1990er Jahre mit dem umfangreichen VINEX-Neubauprogramm ihren Höhepunkt, mit dem im Umland verschiedener Städte zu 80% Eigentumswohnungen entstehen sollen (van Kempen/Priemus 2002: 240). Seit Ende der 1990er Jahre hat sich auch in NL der Gedanke durchgesetzt, die Eigentümerquote durch den Verkauf von Sozialwohnungen an ihre Mieter zu erhöhen. Da sich die niederländischen Sozialwohnungen - anders als in GB - nicht in öffentlichem Besitz, sondern in der Hand der corporaties befinden, ist ein staatliches Programm wie das britische right to buy in NL jedoch nicht denkbar.
6.2.2.2 Deregulierung Die zunehmende Förderung des Eigentums ist Ausdruck eines allgemeinen Politikwandels in den drei untersuchten Ländern, der sich insbesondere seit den 1980er Jahren als Teil der graduellen Transformation des Wohlfahrtstaates mit dem Trend zur stärkeren Marktorientierung des Wohnens abzeichnet (vgl. Czischke/Gruis 2007: 1). Zu den allgemeinen Trends in Europa gehören neben der Deregulierung die Privatisierung ehemals öffentlichen Wohnungsbesitzes sowie eine Reduktion öffentlicher Finanzierung (a.a.O.: 2). Dabei ist die unter Wohnforschem verbreitete Konvergenztheorie, wonach sozialer Wohnungsbau unter profitunfreundlichen 174
Bedingungen (z.B. nach Kriegen) ausgebaut und unter profitfreundlichen Bedingungen rückgängig gemacht werde (Kemeny/Lowe 1998: 167), nicht als Automatismus zu begreifen. Stattdessen zeigt sich in den 1980er Jahren in der BRD und GB sowie zeitversetzt in NL, wie konservative Regierungen ihre Agenda auch in der Wohnungspolitik umsetzen. Da die deutsche Wohnungspolitik in Westdeutschland, wie oben erläutert wurde, "von Anfang an auf ihre eigene Abschaffung orientiert" war, stellte die wohnungspolitische Deregulierung und Liberalisierung der 1980er Jahre keinen so starken Bruch wie in GB dar (Häußermann/Siebel1990: 235). Seit dem Regierungswechsel1982 strebte die neue Unions/FDP-Regierung eine massive Forderung der wohnungsmarktpolitischen Liberalisierung an. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgten 1986 bis 1988 als Reaktion auf einen vermeintlich ausgeglichenen Wohnungsmarkt, zunächst mit dem Rückzug des Bundes aus der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus (Holtmann/Schaefer 1996: 36). Seit dem Untergang der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat 1982 war zudem eine Debatte über die Wohngemeinnützigkeit entbrannt, die ihre Gegner für sich entschieden. Ihre Aufhebung zum Januar 1990 durch Haushalts- und Ordnungspolitiker der Union und FDP führte dazu, dass Wohnungen von nun an als Wirtschaftsund nicht länger als Sozialgut betrachtet wurden (Bartholomäi 2004: 26). Auch in GB wurde spätestens mit dem Housing Act aus dem Jahr 1988 das britische Wohnungswesen nicht mehr als Sozialleistung angesehen, sondern als ein Geschäft mit sozialen Untertönen (Spencer 1990: 78; Tomlins 1997: 185). Der Amtsantritt Thatchers stellte im Bereich der Wohnungspolitik einen Bruch der jahrzehntelangen Kompromisse zwischen Konservativen und Labour-Partei dar. Privatisierung, Deregulierung und politische Zentralisierung sollten den britischen Wohnungsmarkt grundlegend verändern (Schmitter Heisler 1994: 209). Die Reformen zielten darauf, einen Markt zu schaffen und durch Subjektforderung dafür zu sorgen, dass sich Mieter selbst am privaten Markt versorgen können (Murie 1990: 64; Norton 1990: 20). In Folge der Reformen kam es insbesondere zwischen 1986 und 1988 zu einer Explosion der Immobilienpreise und wachsender Wohnungslosigkeit (Murie 1990: 59f.). Auch die deutschen Kommunen waren zu dieser Zeit zum Teil mit langen Wartelisten von Wohnungssuchenden konfrontiert, da die Bundesregierung - ebenso wie die britische Regierung - die Notwendigkeit neuer Wohnungsbauprogramme für einkommensschwache Haushalte negierte (Kreibich 1990: 194). Wie auch die Wohnungspolitik der konservativen Regierung in GB folgte die deutsche Wohnungspolitik dem Filtering-Ansatz, dem zufolge neuer Wohnraum für die einkommensstärkere Bevölkerung Leerstandsketten auslösen sollte, die dann in der Theorie den nachziehenden ärmeren Schichten zu Gute kommen (Waldorf 1990: 640; 175
Norton 1990: 19). Das Modell unterstellte, dass die Bezieher höherer Einkommen ihre qualitativ veralteten Wohnungen freimachen würden und hierdurch ein Überangebot entstünde, das die Preise drücken und Wohnraum finanzierbar für die nächst niedrigere Einkommensschicht machte (Ipsen/Glasauer/Lasch 1986: 13). Die antizipierten Sickerprozesse bliebenjedoch weitestgehend aus, da freiwerdende Wohnungen eher von kleineren Haushalten derselben Einkommensgruppe bezogen wurden als von solchen mit niedrigerem Einkommen. Dieses ,,horizontale" Filtern führte letztlich nur zu einem größeren Wohnflächenverbrauch und nicht zu neuen Wohnungen (Kreibich 1990: 188). Dennoch wird der Filtering-Amatz aktuell von der niederländischen Regierung propagiert, die mit dem Bau von Wohnungen im mittleren und gehobenen Preissegment die Wohnungsknappheit für untere Einkommensschichten lösen will (BBR 2006: 44). Die Privatisierung des Wohnens bleibt dabei nicht auf die Eigentümerprivatisierung beschränkt, sondern umfasst zudem in den Niederlanden und Großbritannien die Übertragung von Gemeindewohnungen an private institutionelle Akteure. In GB wurden ehemals kommunale Wohnungsbestände in private gemeinnützige odernicht gemeinnützige Unternehmen überführt (Norton 1990: 18). Diese Veränderungen drückten nicht nur neue Ideen bezüglich wünschenswerter Marktstrukturen aus, sondern stellten eine in einer Reihe von erfolgreichen Reformen dar, die politische Macht der oftmals Labour-regierten lokalen Autoritäten drastisch zu beschneiden (Tomiins 1997: 179; Wollmann 2002: 497). Die Deregulierung des niederländischen Wohnungsmarktes setzte deutlich später ein als in den anderen beiden Vergleichsländern. Dies ist darauf zurück zu führen, dass die seit 1978 regierende Mitte-Rechts-Koalition - dem Zeitgeist entsprechend - zwar Ausgaben kürzen und die Wohnungsversorgung dem Markt überlassen wollte, sich jedoch angesichts eines starken Haushaltswachstums mit steigenden Wohnungsdefiziten gezwungen sah, ihre Sparpolitik aufzugeben (Kirchner 2006: 226). Ende der 1980er Jahre gehörten noch 40% der Wohnungen zum sozialen Sektor und erst ab 1989 erfolgte eine stärkere Marktorientierung (Priemus 1998: 301). Seit dem so genannten Brntering-Abkommen von 1993 ist der Sozialwohnungssektor finanziell vom Staat unabhängig.?3 Im Zuge dieses Abkommens wurden die Gelder, die der Staat den Wohnungsbauvereinigungen noch schuldete, mit den ausstehenden Krediten, die die Wohnungsbauvereinigungen dem Staat hätten zurückzahlen müssen, verrechnet und beglichen. Zu-
73 Der Staat hat sich zwar aus der Wohnungsbauförderung zurückgezogen, setzt jedoch weiterhin mit einer umfassenden Subjektförderung sozialpolitische Ziele um. 1997/98 erhielten etwa ein Drittel der Sozialwohnungsmieter Wohngeld, sodass die Bauvereinigungen indirekt auf diese Art unterstützt wurden (Kirchner 2006: 50).
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gleich wurde das Ende jeglicher staatlicher Subventionen eingeläutet, sodass die verschiedenen Wohnungsbauvereinigungen unabhängige finanzielle Strategien entwickelt haben (CECODHAS oJ.a, o.S.).
6.2.2.3 De- und Rezentralisierung Die britischen Versuche, den Einfluss des Lokalstaates auf die Wohnungspolitik zu verringern, stellen im europäischen Vergleich eine Ausnahme von der ansonsten verbreiteten Dezentralisierung der Wohnungspolitik dar (Czischke/Gruis 2007: 2). So ist etwa in der BRD im neuen Jahrtausend im Rahmen der Föderalismusreform eine Kompetenzverlagerung in der Wohnungspolitik vom Bund auf die Länder beschlossen worden, die die Notwendigkeit einer auf die sehr verschiedenen örtlichen Bedingungen ausgerichteten kommunalen Wohnungspolitik unterstreicht. Mit der Reform des Wohnraumförderungsgesetzes 2002 soll angesichts der regional und lokal sich ausdifferenzierenden Wohnungsmärkte der kommunale Handlungsspielraum erweitert und gestärkt werden (Brüh12002a: 0.S.).74 Die Niederlande wiederum nehmen eine ambivalente Position ein. Einerseits handelt es sich um ein im Vergleich zu Deutschland zentralistischeres Land, in dem die Provinzen in wohnungspolitischen Fragen keine Rolle spielen. Zugleich hat sich die Zentralregierung seit Ende der 1980er Jahre aus der Bereitstellung von sozialem Wohnraum zurückgezogen und die wohnungspolitische Agenda wird vor allem durch die Gemeinden, insbesondere die Großstädte, besetzt (BBR 2006: 42). Dennoch wurde ein Großteil der ehemals im kommunalen Besitz befindlichen Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren an die unabhängigen Wohnungsbauvereinigungen übertragen: Innerhalb des Sozialwohnungssektors befinden sich mehr als 99% der Wohnungen in den Händen der Wohnungsbauvereinigungen, der verbleibende Rest wird von den Kommunen verwaltet (Kullberg 2002: 551).
74 Eine gesetzliche Bestimmung, welche die Städte und Gemeinden dazu verpflichtet, Wohnungen zu bauen und für bestimmte Bevölkerungsschichten zur Verfügung zu stellen, gibt es in der BRD nicht. Die Städte und Gemeinden sind nach den Grundsätzen des Ordnungsrechtes lediglich verpflichtet, obdachlose Haushalte unterzubringen (Kiepe 2007: 41).
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6.2.3 Aktuelle Anbieterstrukturen 6.2.3.1 Unterschiede der Sozialwohnungen Was heute in Europa als social housing bezeichnet wird, ist durch eine große Heterogenität gekennzeichnet. Im Folgen sollen die Unterschiede zwischen den drei Ländern hinsichtlich der Größe des Sektors, seiner rechtlichen und organisatorischen Strukturen, und seines übergreifenden Policy-Rahmens (national, regional oder lokal) verglichen werden (vgl. Czischke/Gruis 2007: 7). Der deutsche Wohnungsmarkt ist durch eine gleich bleibend hohe Mieterquote von etwa 60% gekennzeichnet (GdW 2007b: 44). Der private Mietwohnungssektor (verstanden als Gegenbegriff zum Sozialwohnungssektor) nimmt in der BRD mit 48% des Gesamtwohnungsbestandes den höchsten Anteil und in den Niederlande mit 12% den niedrigsten Anteil in Europa ein (BBR 2006: 47). Charakteristischfür den deutschen Mietwohnungsmarkt ist zudem der hohe Anteil an privaten Kleinvermietern, die lediglich einige wenige Wohnungen anbieten und durch einen geringen Professionalisierungsgrad gekennzeichnet sind. In ihrem Besitz befinden sich gut 14 Millionen der mehr als 23 Millionen vermieteten Wohnungen in der BRD (GdW 2007b: 97). Für die vorliegende Arbeit stellt sich angesichts der Dominanz von privatem Streubesitz in der BRD die Frage, ob und inwiefern diese Akteure durch Policies zur Erlangung "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" erreicht werden und ob sie den gleichen Standards im Umgang mit ethnisch-kultureller Vielfalt unterliegen. Während deutsche Sozialwohnungen einen Anteil am Gesamtbestand von 7% einnehmen, mit sinkender Tendenz, sind GB mit 21 % und NL mit 35% durch einen deutlich stärkeren Sozialwohnungssektor gekennzeichnet (HaffnerlHoekstra 2006: 445). Die Größe des deutschen Sozialwohnungssektors hängt eng mit seinen von anderen Ländern abweichenden Charakteristika zusammen. Während in der BRD solche Wohnungen als Sozialwohnungen bezeichnet werden, die aufgrund einer öffentlichen Förderung einer Zugangsbeschränkung und einer Mietpreisbindung unterliegen, zählen in anderen Ländern alle Wohnungen bestimmter Anbieter, wie nicht-gewinnorientierter oder kommunaler Wohnungsunternehmen, zum sozialen Sektor (Kirchner 2006: 242). Nicht als Sozialwohnungen hingegen werden in Deutschland die Wohnungsbestände der kommunalen Wohnungsunternehmen gezählt, soweit sie keinen förderungsrechtlichen Bindungen unterliegen. 75 75 Dennoch sind die Wohnungen staatlicher und kommunaler Wohnungsuntemehmen ein wichtiger Bestandteil des Wohnungsangebotes für die einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen, unter ihnen häufig Migranten. Nach Angaben des GdW (2007b: 96) verfügten öffentliche Wohnungs-
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Diese Bindungen sind jedoch zeitlich begrenzt, sodass der Bestand in den vergangenen Jahren beständig geschrumpft ist. 76 Das Problem des Bindungsauslaufs besteht in keinem anderen Land. Während der Sozialwohnungssektor in den meisten europäischen Ländern in den 1980er Jahren schrumpfte, war dies in den Niederlanden erst ab 1998 der Fall. Obgleich der Sozialwohnungssektor in den 1990er Jahren in absoluten Zahlen weiterhin wuchs, nahm jedoch sein Anteil am Gesamtwohnungsbestand aufgrund des politisch geförderten Anstiegs des Wohneigentums ab (van Kempen/ Priemus 2002: 240-241). Aktuell gibt es in NL 500 registrierte Wohnungsbauvereinigungen oder -stiftungen (corporaties), die den größten Sozialwohnungssektor in ganz Europa verwalten. 77 Die Voraussetzung für die Anerkennung als "sozial" durch die Regierung besteht darin, dass die Vereinigungen lediglich im Wohnbereich tätig sind und ihre Priorität darin sehen, Personen mit Wohnraum zu versorgen, die sich allein nur schwer mit Wohnraum versorgen können (CECODHAS o.J.a, o.S.). In Großbritannien können Wohneigentümer, private Vermieter sowie im sozialen Sektor kommunale Behörden und non-projit-Vermieter unterschieden werden. In GB gibt es damit zwei Arten sozialer Vermieter. An erster Stelle stehen weiterhin die Gemeinden, die im Jahr 2000 etwa über 14% des Bestandes verfügten. Daneben gibt es zudem noch die Wohnungsbauvereinigungen mit weiteren ca. 6% des Gesamtwohnungsbestandes. Eigentlich müsste diese zweite Gruppe sich etwa im Bereich der Diskriminierungsbekämpfung nicht an die gleichen Vorgaben halten wie die Gemeinden, aber die zuständige Regulierungsbehörde78 ermutigt die housing associations zu Einhaltung von Standards (Haffner/Hoekstra 2006: 448).
unternehmen im Jahr 2006 über 206.000 Wohnungen, kommunale Wohnungsuntemehmen über ca. 2,4 Millionen Wohnungen. 76 Da sich der Bindungsauslaufweiter fortsetzen wird, wird die Sozialwohnungsquote im Jahr 2020 voraussichtlich noch 4% betragen (BBR 2006: 48). 77 Bei den Wohnungsbauvereinigungen handelt es sich in der Rechtsform um Vereinigungen oder Stiftungen. Bei den Vereinigungen sind die Mieter Vereinsmitglieder, die einen direkten Einfluss auf ihren Vermieter ausüben können (Kirchner 2006: 8). 78 Die 1964 gegründete Housing Corporation war bis Dezember 2008 die Körperschaft, der die staatliche Finanzierung und Regulierung des sozialen Sektors oblag (B1ackmore 1997: 191). Die Housing Corporation war verantwortlich für die Investition öffentlicher Gelder in die Wohnungsbauvereinigungen und dafür, angemessene Wohnungen und Dienstleistungen sicherzustellen (CRE 2003: 9). Thre Arbeit wird seither übernommen von der Tenant Services Authority sowie der Homes and Communities Agency.
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6.2.3.2 Die schwarzen Wohnungsbauvereinigungen als britische Besonderheit Eine einzigartige Einrichtung stellen in GB seit 1986 die von ethnischen Minderheiten für ethnische Minderheiten betriebenen Wohnungsbauvereinigungen dar (im Folgenden als BME housing associations bezeichnet) (Harrison 2005b: 80).79 Die Federation 0/ Black Housing Organisations (FBHO) als deren Dachverband definiert BME housing associations als solche, in denen 75% der Mitarbeiter nicht weiß sind (Tomiins 2000: 167). Handlungsbedarf war in den 1980er Jahren aufgrund von Antagonismen zwischen Minderheiten und housing associations entstanden, die für unfair gehalten wurden und ihrerseits nur ein geringes Interesse an ethnischen Minderheiten als Kunden zeigten (Tomiins 1997: 191). Daher wurden in Zusammenarbeit mit Kommunen und sozialen Verbänden solche Bereiche ermittelt, in denen es einen besonders hohen schwarzen Wohnraumbedarfgab, sowie zugleich größere Organisationen der Minderheiten benannt, die die Federführung übernehmen konnten. John Flint betont im Interview, dass viele der schwarzen Wohnungsbauvereinigungen, trotz anders lautender Namensgebung, eine starke Religions-Komponente hätten. Gegenwärtig gibt es etwa 65 BME housing associations (Flint 2006a: 8). Trotz ihres kleinen Bestandes haben sie eine wichtige Rolle gespielt, ethnischen Minderheiten eine Stimme am Wohnungsmarkt zu geben (CRE 2003: 31). Insbesondere ihre über das bloße Vermietungsgeschäft hinausgehende Perspektive hat die schwarzen Wohnungsbauvereinigungen zu Vorreitern des "Wohnen Plus"-Gedanken gemacht, der nach und nach bei vielen Wohnungsunternehmen in Europa Einzug hält (Housing Corporation 1998: 14). Dennoch werden BME housing associations ambivalent bewertet: "Should 'separate development' and 'insular' communities be encouraged, as perceived by sorne in respect ofBME housing associations, or should 'integration' be highlighted? Are BME housing associations viable, or a waste of tax-payers' money" (MDA 2003: 31)?
Die Bewertung, ob schwarze Wohnungsbauvereinigungen residentielle Segregation fördern, fällt unklar aus. Einerseits kann die Selbstorganisation von Wohnraum für Minderheiten ein Ausdruck des Rechtes sein, eine Minderheiten-Identität durch die Wahl des Wohnortes auszudrücken (Tomiins 1997: 192). Zudem fallen die Wahlmöglichkeiten für Wohnungssuchende innerhalb der schwarzen Wohnungsunternehmen aufgrund der kleineren Bestände geringer aus (phillips 2005: 40). Andererseits betonen verschiedene Autoren (z.B. Flint 2006a: 8; Tomiins 2000: 79 Angesichts der Versäulung der niederländischen Politik während der Minderheitenpolitik der 1980er Jahre ist es überraschend, dass ähnliche Ideen hier nicht umgesetzt wurden.
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167), dass viele schwarze Wohnungsbauvereinigungen einen hohen Anteil oder sogar eine Mehrheit weißer Mieter beherbergen. Im neuen Jahrtausend, angesichts der Debatte um community cohesion, in deren Zug die Finanzierung für eigenethnische Organisationen insgesamt in Zweifel gezogen worden ist, hat die Housing Corporation auch die Finanzierung der BME housing associations in Frage gestellt. Der Fokus der Housing Corporation hat sich in den vergangenen Jahren weg von den schwarzen Wohnungsbauvereinigungen als Beispiel einer staatlich finanzierten institutionalisierten Diversität und daraufhin verlagert, die Wohnbedürfnisse der ethnischen Minderheiten innerhalb gewöhnlicher Wohnungsbauvereinigungen zu befriedigen (Flint 2008: 169-170). Ein aktueller Trend des Jahres 2008 besteht darin, die Zusammenlegung mit Mainstream-Organisationen zu erwägen (Flint 2006a: 8). 6.2.4 Vergabekriterien im sozialen Sektor
Hinsichtlich der Vergabekriterien wird zwischen einem universalistischen und einem zielgruppenspezifischen Prinzip differenziert. Einem universalistischen Verständnis von sozialem Wohnungsbau folgen etwa die Niederlande. Die Bereitstellung von Wohnraum, ausdrücklich nicht nur für die sozial schwächsten Gruppen, wird hier als öffentliche Verantwortung interpretiert. Der soziale Sektor ist dementsprechend in NL nicht mit zugangsrechtlichen und mietpreisrechtlichen Einschränkungen verbunden (BBR 2006: 49). Die deutschen Sozialwohnungen hingegen sind durch die Belegungsbindung gekennzeichnet - die mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen dürfen also nur an solche Haushalte vermietet werden, deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreiten (IWU 2005: 7). Der zielorientierte Ansatz beschränkt den Zugang zu Sozialwohnungen, beispielsweise auf die Arbeiter oder, wie im Vereinigten Königreich, auf die schwächsten Gruppen (Czischke 2007: 9). In der BRD hat in den vergangenen Jahren eine Entwicklung von einem universalistischen zu einem stärker zielgruppenspezifischenAnsatz stattgefunden. Während nach dem 11. Wohnungsbaugesetz die Förderung noch auf die breiten Schichten der Bevölkerung gerichtet war, wurde sie nach dem unter der rot-grünen Bundesregierung erlassenen Wohnraumförderungsgesetz auf diejenigen Haushalte beschränkt, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können (BBR 2006: 48).
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6.2.5 Aktuelle Entwicklungen Die Entwicklung von der Wohnungs- zur Wohnungsmarktpolitik lässt sich in allen drei untersuchten Ländern nachweisen (vgl. Heinelt 2004: 38). Der Rückzug des Staates aus der Bereitstellung von Wohnraum sowie die Gewichtsverlagerung von der Versorgung mit Unterkünften hin zur Einkommensverteilung bei einer gleichzeitigen Verengung des Sozialwohnungssektors aufännere Schichten der Bevölkerung ist in allen Ländern zu beobachten (paris 1995: 1624). Die gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich der Wohnungspolitik der drei Vergleichsfälle sind durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet Aktuell stellt in GB und NL die Versorgung der vor allern durch Zuwanderung weiterhin wachsenden Bevölkerung mit angemessenem bezahlbaren Wohnraum eine große Herausforderung dar, da beide Länder mit einem sehr angespannten Wohnungsmarkt konfrontiert sind (Czischke 2007: 12). Zugleich finden in NL und GB weitgehende Bestandsverschiebungen statt, wobei dies in NL durch die Übertragung sozialen Wohnungsbestandes zu den corporaties erfolgt, während in GB die Übertragung von sozialem Wohnraum von den lokalen Autoritäten zu den Wohnungsbauvereinigungen fortgesetzt wird (a.aG.: 11). In Folge des englischen Housing Green Paper aus dem Juli 2007 und der Entscheidung, eine neue RegulierungsbehÖfde sowie eine neue Wohn- und Sanierungsagentur zu gründen ist es klar, dass das Politikfeld Wohnen in England eine Periode weitreichender Veränderungen durchlebt (Housing Corpomtion/ CllI 2008: 1). Ebensolche dmstischen Veränderungen, wenn auch anderer Art, haben sich auf dem deutschen Wohnungsmarkt ergeben. Bis zum Ende der 1990er Jahre wurde der deutsche Mietwohnungsmarkt von den klassischen Unternehmensfonnen wie kommunalen/staatlichen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, kirchlich getrogenen Wohnungsuntemehmen sowie von Industriekonzemen getragenen Wohnungsunternehmen geprägt. Seither hat der Eintritt von ausländischen Finanzinvestoren die Strukturen des Wohnungsmarktes einschneidend verändert. Bei diesen Gruppierungen handelt es sich um nicht börsennotierte Fondsgesellschaften, die als Sammelstellen fiir anlagesuchendes Kapital fungieren. Im Jahr 2007lag ihr Marktanteil am gesamten deutschen Mietwohnungsmarkt zwar noch deutlich unter 5%, allerdings mit stark steigender Tendenz (Lammerskitten 2007: 77-78). Während auf die mögliche Wirkung der Neustrukturierung der Anbieterstruktur aufdie ethnische Segregation erst in Kapitel 7.1 eingegangen werden sol~ lässt sich zunächst festhalten, dass durch den Eintritt der Fondsgesellschaften eine starke Bewegung auf dem deutschen Wohnungsmarkt entstanden ist 80 80 Seit dem Verkauf des kommunalen Wohnungsuntemehmens Jade in Wilhelmshaven, beispielsweise, befanden sich die Bestände im Jahr 2007 beim mittlerweile vierten Eigentümer (Lammerskitten 2007: 100).
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In NL hingegen ist die traditionelle Ausprägung des Wohnungsmarktes weniger durch Marktkräfte als durch die europäische Integration in Zweifel gezogen worden. Hier ist das aufbreite Bevölkerungsschichten ausgerichtete Sozialwohnungsmodell durch die Europäische Kommission auf Grundlage ihrer Zuständigkeit fiir Marktoperationen kritisiert worden: "The result of this process could be that nonprofit activities and for-profit business are separated from each other at least in terms of accounting and the Dutch situation might become a precedent for the impact ofthe European Commission's regulations on social housing in other countries as weIl" (Czischke/Gruis 2007: 2). Im Frühjahr 2009 gingen indes alle niederländischen Interviewpartner davon aus, dass die Kritik im Sand verlaufen sei. Hingegen könnte der Rückzug des Staates aus der Wohnungsversorgung eine Wende erfahren, wie Peter Boelhouwer (2007: 383) vermutet: ,,[T]he growing housing shortage and stagnation in the restructuring of older urban areas brought this sector back into the political spotlight." Das Image des Sektors sei ausgesprochen negativ und unterstelle zu hohe Löhne, Arroganz und eine geringe Fertigstellung (a.a.O.: 384). Nach Aussage einiger Interviewpartner (Willems, Hoogvliet) steht daher regelmäßig die Forderung im Raum, der Staat möge die Aufgaben der durch zahlreiche Skandale kompromittierten Wohnungsbauvereinigungen zumindest temporär wieder selbst übernehmen. 6.2.6 Fazit Für die Untersuchung der verschiedenen Policies im Umgang mit ethnischer Segregation legen die skizzierten Entwicklungen zwei widersprüchliche Vermutungen nahe. Die vorherrschende neoliberale Ideologie scheint in den Politikfeldem Integration und Wohnungspolitik entgegengesetzte Politikziele nach sich zu ziehen: Einerseits wurde auf der Ebene der Integrationspolitik in allen drei Ländern ein Trend zu einer stärker assimilationistischen Rhetorik diagnostiziert, die eine Ablehnung von ethnischer Segregation und dementsprechend wohnungspolitische Eingriffe zur ethnischen Mischung nahe legt. Andererseits hat die Darstellung der Wohnungspolitik die aktuelle Popularität deregulierter, marktkonformer Konzepte aufgezeigt, die vermuten lässt, dass heute im Bereich der Wohnungspolitik eher nicht auf dirigistische Maßnahmen gesetzt wird. Dabei dürften nicht nur solche Maßnahmen auf wenig Resonanz stoßen, die in desegregationistischer Absicht in den Markt eingreifen. Hinzu kommt, dass mit dem in allen drei Ländern zu beobachtenden Rückzug des Staates aus der Wohnungsversorgung eine Residualisierung des Sozialwohnungssektors einhergeht, der die soziale und damit ethnische Segregation zusätzlich verstärkt (vgl. van Kempen/Priemus 2002: 250). Für Kapi183
tel 7.3 wird daher ein starkes Spannungsverhältnis zwischen integrationspolitischern Anspruch und damit einhergehender Rhetorik auf der einen und den tatsächlichen Policies im Bereich des Wohnens andererseits erwartet. Im Folgenden soll jedoch zunächst die Wohnsituation der ethnischen Minderheiten dargestellt werden, wie sie durch die Zuwanderungssituation sowie die soeben analysierten Entwicklungen der allgemeinen Wohnungspolitik geprägt worden ist.
6.3 Die Wohnqualität als Integrationsmaßstab Die Themenkomplexe Wohnen und Zuwanderung sind seit jeher eng verwoben. Die Wohnsituation der Migranten gilt als wichtiger Indikator für den Stand ihrer strukturellen Integration. Wie Migranten wohnen, scheint heute jedoch weniger als Problem wahrgenommen zu werden als die Frage, wo sie wohnen. Damit lässt sich in der BRD seit den 1970er Jahren eine Akzentverschiebung in der öffentlichen Wahrnehmung weg von der ersten Dimension, der strukturellen Integration in den Wohnungsmarkt, hin zur Bedeutung des Quartiers beobachten (K~at Ahlers 1993: 224). Anders formuliert könnte man davon sprechen, dass zumindest im deutschen Kontext früher die Wohnsituation als Integrationsmaßstab wahrgenommen wurde, während heute die vermeintlichen Effekte des Wohnens in ethnisch geprägten Quartieren als Integrationsfaktor interpretiert werden. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch in den Niederlanden und Großbritannien ab. Insbesondere in GB wird das Thema der strukturellen Integration in den Wohnungsmarkt dennoch bis heute weitaus stärker an den Wohnstandards festgemacht, da Substandardbehausungen und Obdachlosigkeit unter Migranten hier ein weit verbreitetes Phänomen darstellen (phillips 2006a: 3). Im Folgenden soll die Wohnqualität der Minderheiten zwischen den Ländern und im Zeitverlauf miteinander verglichen werden. Dies erfolgt zum einen, um die Problematisierung von ethnischer Segregation in den weiteren Kontext des migrantischen Wohnens einbetten zu können, da beides insbesondere in GB bis heute stark diskursiv verknüpft ist. Zum anderen verdeutlicht sowohl der internationale Vergleich als auch eine Darstellung der historischen Entwicklungen, dass die Wohnsituation der Migranten weniger durch vermeintlich kulturelle Neigungen, als vor allem durch die nationalspezifische Struktur des Wohnungsmarktes, den Zeitpunkt und den Anlass der Zuwanderung sowie durch aufenthaltsrechtliche Besonderheiten zu erklären ist.
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6.3.1 Deutschland und die Niederlande: Vom Wohnheim in den privaten Altbau
Die Entwicklung der Wohnkarrieren für Zuwanderer in der BRD ist eng mit der Geschichte der Gastarbeiteranwerbung verbunden. Noch bis Mitte der 1970er Jahre erfolgte die Unterbringung vor allem kollektiv durch die Arbeitgeber und drückte aus, dass die Anwesenheit der ausländischen Arbeitnehmer als Provisorium verstanden wurde (Schi1dmeier 1975: 29). Eine repräsentative Untersuchung der Arbeitsämter in NRW zeigte noch Anfang der 1970er Jahre, dass 40% der geprüften Unterkünfte Mängel aufwiesen und bis zum Anwerbestopp 1973 zudem beträchtlich überbelegt waren. Der Bau von Unterkünften wurde zwar unter der Vorgabe gefördert, dass "eine Isolierung von der deutschen Bevölkerung vermieden" werde. Tatsächlich befand sich jedoch die Mehrheit der betrieblichen Unterkünfte direkt auf dem Werksgelände; in Nordrhein-Westfalen etwa 52% aller Wohnheime (Schildmeier 1975: 32). 1972 lebten noch 26% der männlichen und 8% der weiblichen ausländischen Arbeitnehmer in Gemeinschaftsunterkünften (a.a.O.: 33).81 In den Niederlanden muss die Wohnsituation der Migranten aus den Kolonien von der der Gastarbeiter unterschieden werden. Vor 1973 waren die Gastarbeiter auch in NL vor allem in Wohnheimen untergebracht, die durch die Arbeitsgeber bereitgestellt wurden (Kesteloot/Cortie 1998: 1848). Die Blok-Kommission (2004: o.S.), die im neuen Jahrtausend die Integrationspolitik der niederländischen Regierung evaluierte, kam zu dem Ergebnis, dass die Niederlande die Inspektion der schlechten Wohnbedingungen vernachlässigt hätten. Auch in NL führte die Familienzusammenführung nach dem Anwerbestopp zum Auszug - meist in den privaten Wohnungsbestand (Blauw 1991: 51). Die Wohnheime wurde jedoch erst Mitte der 1980er Jahre endgültig geschlossen (Blok-Kommission 2004: o.S.). Die Zuwanderer aus den Kolonien starteten ihre Wohnkarrieren hingegen unter anderen Voraussetzungen, da sie von Anfang an staatlich unterstützt wurden. Die Indonesier galten beispielsweise als leicht zu integrieren und gut ausgebildet, wurden aber angesichts der besonders akuten Wohnungsknappheit zum Zeitpunkt ihres Zuzugs in Gästehäusern versorgt (Blauw 1991: 45). Die Molukker dagegen hielten ihren Aufenthalt in NL für vorübergehend. Da auch die niederländische Regierung von einer Übergangslösung ausging, wurden sie in segregierten Hüttendörfern am Rande der Städte untergebracht, die erst in den 1980er Jahren aufgelöst wurden (a.a.O.: 47). 81 Nach der l-Prozentstichprobe von 1972 verfügten nur 26% der ausländischen Haushalte im Vergleich zu 41 % insgesamt über eine Wohnung mit Bad oder Dusche, WC in der Wohnung sowie einer Zentralheizung (Bursa 2007: 121).
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6.3.2 Großbritannien in den 1960er Jahren: Diskriminierung und Öffnung der Sozialwohnungen Da es in GE anders als in der BRD und NL keine staatlich organisierte Gastarbeiteranwerbung gab, sondern der BedarfanArbeitskräften durch Bürger ehemaliger Kolonien gedeckt wurde, haben hier Wohnheime für Zuwanderer nur eine geringe Bedeutung gespielt. Dennoch gab es sie nach Angaben von John Rex (1981: 27) vor allem in den Jahren 1963 bis 1965, bevor die Einreisebestimmungen verschärft wurden. In GB vollzog sich in den Nachkriegsjahren vielmehr das, was den Mustern der Stadtentwicklung durch Zuwanderung in der ganzen Welt entspricht: Neuzuziehende, ohne Informationen über die Funktionsweisen des Wohnungsmarktes und zudem von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert, ziehen in die ännsten Gebiete der Innenstadt. Ihre Wohnsituation ist geprägt durch Wohnungsnot, Vermieter verlangen aufgeblasene Mieten oder verweigern potenzielle Wohnungen. 1m GE jener Zeit waren abweisende Schilder mit dem Hinweis ,,No Coloureds, No lrish, No Dogs" an der Tagesordnung (phillips/Kam 1991: 67). Der Sozialwohnungssektor blieb bis in die späten 1960er Jahre für viele Angehörige ethnischer Minderheiten verschlossen (s.u.).
6.3.3 Niederlande und Großbritannien: Eigentumserwerb als Notlösung In Großbritannien und in den Niederlanden haben die Zugangsbeschränkungen für den Sozialwohnungssektor dazu geführt, dass ethnische Minderheiten in Substandard-Eigenheime gedrängt wurden. Aufgrund von Diskriminierung und katastrophalen Wohnbedingungen im privaten Sektor zogen manche ethnische Minderheiten in Großbritannien den Erwerb von billigem, heruntergekommenem Wohneigentum in den Innenstädten vor. Dabei ist umstritten, ob sich in der Entscheidung für Wohneigentum eine bestimmte kulturell bedingte Präferenz ausdrückte, wie sie beispielsweise für Pakistaner unterstellt wurde, in deren Heimatland Mieter nur ein geringes Ansehen genössen (Dahya 1974: 97). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Erwerb von Wohneigentum in gleichem Maße eine Reaktion auf strukturelle Bedingungen widerspiegelte. Da Asiaten sich vor allem außerhalb London, insbesondere in Nordengland, ansiedelten, konnten sie hier auf das größere Angebot an billigem Wohneigentum zurückgreifen (Flett 1984b: 53). Insgesamt sollte der Wohneigentumserwerb für viele jedoch langfristig gegen ihre Interessen verstoßen, da er ihnen den Zugang zum hochwertigeren Sozialwohnungsbestand versperrte, der dann in den 1980er Jahren auch noch im Rahmen der Mieterprivatisierung (right to buy) zu deutlich günstigeren Konditionen hätte gekauft werden können (Ward 1984: 4). 186
"Notkäufe" von billigem Wohneigentum lassen sich in den I970er Jahren auch in NL beobachten (Schutjens/van Kempen/van Weesep 2002: 646). Viele Gastarbeiter begannen ihre Wohnkarrieren in den heruntergekommenen Eigenheimen der Innenstädte. Insbesondere Türken und Marokkaner sahen sich gezwungen, ein Haus im alten Bestand zu kaufen, um Auflagen für den Familiennachzug zu erfüllen. Dabei zahlten manche Haushalte bis zu dreimal so viel an Krediten wie die autochthonen Niederländer für ihre Miete zahlten (Blauw 1991: 54). Im Gegensatz zu Großbritannien, wo diese Entscheidung bis heute die Wohnsituation vieler Migrantenhaushalte prägt, verbesserte sich ihre Wohnsituation jedoch durch die Öffnung der niederländischen Sozialwohnungsbestände seit Ende der I970er Jahre (Schutjens/van Kempen/van Weesep 2002: 653). Viele zogen in den 1980er/90er Jahren vom eigenen Haus in den sozialen Sektor, da sie aufgrund der Wirtschaftskrise die Kredite nicht mehr zahlen konnten oder generell die besser ausgestatteten Sozialwohnungen bevorzugten (Bolt/van Kempen 2002: 406).
6.3.4 Deutschland: Die 1980er Jahre im Zeichen von Sanierung und Wohnungsnot Die Wohnsituation der Migranten in der BRD in den 1980er Jahren war durch den Engpass in der Wohnungsversorgung einkommensschwacher Haushalte geprägt (Kreibich 1990: 184). Mitte der 1980er Jahre stand eine Mehrzahl von Wohnungsunternehmen und insbesondere Genossenschaften mit sehr wenigen Migranten unter ihren Mietern einer Minderheit städtischer Unternehmen und regionalen Untergliederungen der Neuen Heimat gegenüber, die einen seinerzeit als sehr hoch wahrgenommenen Anteil von über 15% Ausländern beherbergten. Nach Einschätzung von Laumann (1984: 64) stellten sich städtische Gesellschaften als am zugänglichsten für ausländische Mietinteressenten heraus. In Folge erster Sanierungs- und damit einhergehender Gentrifizierungswellen hatte sich für die Wohnstandorte der Migranten mittlerweile eine Verschiebung von den alten Sanierungsgebieten hin zu den unmodernisierten Schlichtwohnungen der 1950er und stigmatisierten Hochhausbereichen der späten 1960er/Anfang 1970er ergeben, die durch deutsche ,'problemfamilien" aus Obdachlosensiedlungen gekennzeichnet waren. Durch den Zustrom von ostdeutschen Übersiedlem und Aussiedlern aus Osteuropa (allein 1988 kamen 200.000 Aussiedler in die BRD) sowie die Familiengründung der geburtenstarken Jahrgänge erhöhte sich die Anspannung des Wohnungsmarktes zum Ende der 1980er Jahre noch weiter (Kreibich 1990: 189; Eichener/Schauerte/ Klein 2002: 11). "Der Spiegel" (13.2.1989,0.S.) berichtet, "Wut und Missmut" unter 187
Einheimischen seien verstärkt worden, da die Bundesregienmg 1988 beschloss, speziell für Aussiedler ein Milliarden-Wohnungsbauprogramm aufzulegen. Die Wohnsituation in der BRD blieb für ausländische Personen auch deshalb problematisch, weil sie Auswirkungen auf deren Aufenthaltserlaubnis haben konnte. Für den Erhalt oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis musste ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden. Dies wurde zur Quelle für Unsicherheit und weitere Ausbeutung, da Migranten gegen Bestechung falsche Mietverträge unterschrieben oder dazu genötigt waren, überteuerte Mieten zu zahlen (Gude 1990: 242). Die Möglichkeit, die Wohnsituation durch die Inanspruchnahme von Wohngeld zu verbessern, wurde von Ausländern kaum genutzt, da das Beziehen von Sozialhilfeleistungen zur Ausweisung führen konnte und von vielen Haushalten fälschlicherweise angenommen wurde, der Bezug von Wohngeld habe ähnliche aufenthaltsrechtliche Konsequenzen (Gude 1990: 253). Dies gilt auch für die Niederlande: Während die Migranten aus den ehemaligen Überseekolonien ihre Wohnsituation schnell durch den Bezug von Wohngeld verbesserten und sich daher die vergleichsweise hohen Mieten in Neubaugebieten leisten konnten, nahmen die ehemaligen Gastarbeiter die Subjektförderung erst seit den 1980er Jahren in Anspruch (Blok-Kommission 2004: o.S.). Bewusste sozialräumliche Ausgrenzung in der DDR In der DDR waren Policies gegenüber den seit den 1980er Jahren angeworbenen ausländischen Arbeitskräften bewusst segregierend. Prinzipiell wurden alle Vertragsarbeiter in gleichgeschlechtlichen Wohnheimen, oftmals am Rande der Stadt, untergebracht (Bade/Oltmer 2004). Nach Schichtende wurden die ausländischen Vertragsarbeiter kollektiv in ihre Wohnheime zurück gebracht, so dass die Wohnsituation als einer von vielen Gründen angesehen werden kann, warum Kontakte zwischen Ausländern und DDR-Bürgern meist ausblieben (Weiss 2007b: 75). Interessanterweise führte aber gerade diese segregierende Wohnungspolitik dazu, dass es den vietnamesischen Gastarbeitern als stärkster Herkunftsgruppe gelang, sich mit einem florierenden Handel ein zweites finanzielles Standbein zu schaffen, von dem viele auch noch nach der Wiedervereinigung profitieren konnten. Sie verwandelten ihre abgeschiedenen Wohnheime in illegale und inoffizielle Produktions- und Lagerstätten für selbstgenähte Kleidung und gehortete Elektrogeräte, wobei ihre abgeschirmte und kollektive Wohnsituation ihnen half, die staatlichen Restriktionen zu umgehen. In den Wohnheimen wurden zum Beispiel Jeans genäht, die dann von anderen Vietnamesen auf der Straße verkauft wurden. Die Staatssicherheit ignorierte diese Aktivitäten für gewöhnlich, da durch diesen illegalen Handel der sonst unbefriedigt bleibende Bedarfder DDR-Bürger in Zeiten von Versorgungsengpässen gedeckt wurde (a.a.O.: 77f.). 188
6.3.5 Die Niederlande der 1980er Jahre: Gradueller Zugang zu Sozialwohnungen Eine Zäsur für die Wohnsituation der Minderheiten in NL stellt die Öffnung des Sozialwohnungssektors im Jahr 1981 dar. Dieser Schritt war insofern von besonderer Bedeutung, als der Sozialwohnungssektor gerade in den Großstädten mit hohem Zuwandereranteil die Mehrheit der Wohnungen stellt (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 16). Zugleich räumen Autoren wie Blauw (1991: 54) ein, dass sich die Wohnbedingungen hierdurch nicht gravierend verbessert hätten. Insbesondere türkische und marokkanische Haushalte seien in diejenigen öffentlichen Bestände gezogen, die in den 1950er und 1960er Jahren errichtet worden waren, als die Wohnungsnot zum Bau von vielen aber besonders schlecht ausgestatteten Wohnungen ohne Zentralheizung oder eigenes Badezimmer veranlasst habe. Insbesondere Wohnungsbauvereinigungen hätten schlechter ausgestattete Wohnungen an Minderheiten vergeben, wobei nicht klar sei, ob dies an den Präferenzen der ehemaligen Gastarbeiter, der größeren Verfügbarkeit dieser Wohnungen oder an einer versteckten Strategie der Gemeinden oder Wohnungsbauvereinigungen gelegen habe (a.a.O.: 55). Die Entwicklung der Wohnsituation in den 1980er Jahren ist auch deshalb ambivalent zu bewerten, da einerseits die Wirtschaftskrise und damit einhergehende hohe Arbeitslosigkeit die soziale Mobilität der Migranten untergrub und ihnen der Eintritt in besser ausgestattetes Wohneigentum verwehrt blieb (Kesteloot/Cortie 1998: 1849).82 Andererseits sorgte die Stadterneuerung für die Aufwertung gerade jener älteren Stadtteile, in denen viele Zuwanderer lebten (Blok-Kommission 2004: o.S.).
6.3.6 Kontinuität der schlechteren Wohnbedingungen im Großbritannien der 1980er Jahre Während sich in den Niederlanden und Deutschland die Wohnbedingungen durch wohlfahrtstaatliche Eingriffe verbesserten, blieben im liberalen britischen Wohlfahrtsstaat wesentliche Fortschritte aus. Auch in den 1980er und frühen 1990er Jahren änderte sich an der Wohnsituation der Migranten in GB nur wenig, mit den südasiatischen Migranten in den schlimmsten Wohnbedingungen, darunter viele als unfreiwillige Besitzer von vor 1919 errichteten Häusern. Zudem lebten viele Zuwanderer in Bed-and-BreaJifast-Unterkünften, die insbesondere für Familien 82 Zwischen 1974 und 1983 stieg die Arbeitslosigkeit in NL insgesamt um 700% auf 18% (Terhorst/ van derVen 1998: 467).
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völlig ungeeignet waren (Huttman 1991b: 217). Mitte der 1980er profitierten jedoch insbesondere Westindians von der Sanierung vieler von ihnen bewohnter Slums, aus der sie mit dem Anrecht auf die Versetzung in eine neue Sozialwohnung hervorgingen (Ward 1984: 7). Doch laut dem English House Condition Survey von 1991 lebten noch immer über ein Fünftel der Pakistaner und Bangladescher in den als am schlechtesten charakterisierten Wohnbedingungen in den Innenstädten. Schwarzafrikaner lebten fiinf Mal eher als Weiße in solchen Unterkünften, in denen sie keinen Zugang zu Badezimmer oder innen gelegenem WC hatten oder sich diese Ausstattungen mit anderen teilen mussten. Dies war Folge ihrer Überrepräsentation im privaten Mietwohnungssektor (phillips 1998: 1692). Auch in GB wurde - ähnlich wie in der BRD - argumentiert, die schlechtere Wohnsituation der ethnischen Minderheiten sei durch die Wanderungsmotive zu verstehen, die in der Intention bestünden, während des Aufenthalts in GB möglichst viel Geld zu sparen und damit nach einigen Jahren ins Heimatland zurückzukehren. Es wurde unterstellt, dass die vergleichsweise schlechteren Wohnbedingungen kein Problem für die Betroffenen darstellten, da sie die modeme Ausstattung ihrer Wohnungen mit Elektrizität und ihren Anschluss an die Abwasserentsorgung zu schätzen wüssten und Privatheit für sie ohnehin unbekannt sei (Dahya 1974: 82). Flett (1984b: 55f.) wendet dagegen ein, dass Dahya über eine bestimmte Gruppe bäuerlicher Pakistaner schreibt, die sich zudem erst sehr kurz in GB aufgehalten härten. Daher könne nicht von ihnen auf alle Asiaten geschlossen werden. Zudem hätten sich die Wohnbedürfnisse denen der Mehrheitsgesellschaft angeglichen, seit die Rückkehr unter den Immigranten in GB im Laufe der Jahre immer mehr zum Mythos wurde.
6.3.7 Aktuell: Ausstattung der Wohnungen Deutschland Waren es in der BRD in den 1970er Jahren die Wohnbedingungen der Arbeitsmigranten, die ein erstes Interesse an der sozialen Lage der Minderheiten weckten (Mahnig 1998: 52), so scheint die Frage, wie die Migranten wohnen - zumindest in der BRD - heute weitaus weniger als Problem wahrgenommen zu werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die Integration der Migranten auf dem Wohnungsmarkt in den Dimensionen Wohnungsausstattung, Wohnfläche, Mietpreise und hinsichtlich der Wohnsicherheit (Eigentum) weiterhin unvollständig ist (JanßenIPolat 2005: 77). Benachteiligungen in der Wohnungsversorgung zeigen sich vor allem in der dichten Belegung von Wohnraum. Die durchschnittliche Wohnfläche ausländischer Haushalte ist mit 74 Quadratmetern deutlich geringer als diejenige von deutschen Haus190
halten mit 90 Quadratmetern. Dementsprechend leben ausländische Haushalte oftmals in Überbelegung. Die Ausstattung der Wohnungen von Deutschen undAusländem hat sich dagegen weitgehend angeglichen. Die Verringerung der Unterschiede bei den Ausstattungsmerkmalen der Wohnungen :führt der Bericht der Integrationsbeauftragten vor allem auf die Sanierung von Altbaugebieten und die verstärkte Belegung der Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus mit Zuwandererhaushalten zurück (Die Beauftragte 2005: 101 f.). Die Behauptung, dass die schlechtere Wohnungsversorgung der Migrantenhaushalte auf eine geringere Mietzahlungsbereitschaft oder gar eine Rückkehrabsicht ins Herkunftsland zurückzuführen sei, kann dabei als Mythos begraben werden: Trotz der insgesamt schlechteren Wohnversorgung zahlen ausländische Familien nämlich deutlich höhere Mieten im Vergleich zu deutschen Familien. Dieser Unterschied bei den Mietzahlungen lässt sich nicht durch die Größe der Wohnungen erklären, da Ausländer im Durchschnitt kleinere Wohnungen anmieten als deutsche Mieter und sich daher der Unterschied bei den Mietzahlungen :fiir die Quadratmetermiete erhöht (Die Beauftragte 2005: 104).83 Die schlechtere Wohnsituation kann auf eine Reihe von Gründen zurückgeführt werden, die vor allem auch mit dem rechtlichen Status der Ausländer zusammenhängen. Eine Differenz resultiert daraus, dass Ausländer im Fall eines Familiennachzugs nachweisen müssen, dass sie über genügend Wohnraum verfügen, wobei die genaue Quadratmeterzahl auf Landesebene festgelegt wird. Dabei gerät ein Ausländer leicht in eine Zwickmühle, denn um einen Berechtigungsschein :fiir eine ausreichend große Wohnung zu bekommen, müsste seine Familie bereits in der BRD leben, aber um seine Familie nach Deutschland holen zu können, muss er den Nachweis über eine ausreichend große Wohnung liefem. 84 Eine weitere Kopplung von Wohnsituation und Aufenthaltsrecht besteht darin, dass längerfristige Obdachlosigkeit zur Ausweisung führen kann (Wild 1997: 168).
83 Die durchschnittliche Kaltmiete von Haushalten mit ausländischem Haushaltsvorstand lag im Jahr 2002 bei 422 € gegenüber 407 € bei deutschen Haushalten. In Hamburg beispielsweise fiihrte die Wohnungsmarktentwicklung der 1990er Jahre dazu, dass es zu einem Anstieg der Mietbelastung (bruttokalt) im Verhältnis zum Haushaltseinko=en kam: 1993 lag sie für ausländische Haushalte bei durchschnittlich 21 % (deutsche Haushalte 19%), 1998 bei 25,3% (Deutsche 23,4%), seither ist eine Stagnation bei den Werten von 2002 (24,3% gegenüber 22,6%) festzustellen (Hallenberg 2005: 168). 84 Eine telefonische Anfrage von JanßenIPolat (2005: 78) beim Amt für Wohnungswesen der Stadt Hannover ergab, dass das Amt in Rücksprache mit dem Ordnungsamt dann einen Berechtigungsschein erteilt, wenn alle anderen Anforderungen auf Familiennachzug erfüllt sind und wenn die betreffende Person Wohnungsnotstand nachweisen kann. Durch diese prinzipiell begrüßenswerte Aushandlungspraxis steigt die Abhängigkeit der antragstellenden Ausländer von einzelnen Sachbearbeitern.
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Häufig wird angenommen, dass sich mit größerer ökonomischer und beruflicher Integration auch die Wohnverhältnisse ändern. Studien, die systematisch den Einfluss der sozialen Schicht aus dem Vergleich der Wohnsituation von Deutschen und Ausländern eliminieren, gibt es jedoch kaum. Nach einer Studie aus den 1980er Jahren, die die Wohnstandards von deutschen und türkischen Arbeitern verglich, wohnten etwa 50% der türkischen Arbeiter in einer Wohnung ohne Bad, deutsche Arbeiter dagegen zu weniger als 20% und dies unabhängig vom Verdienst (Eichener 1988: 33). "Demnach ist die Schichtzugehörigkeit von Migranten zwar eine relevante, aber keine hinreichende Erklärung für deren schlechtere Wohnbedingungen" (Janßen/Polat 2005: 79). Neben der finanziellen Situation des ausländischen Haushalts spielen die im Vergleich zu Deutschen andere Haushaltsgröße sowie eine jüngere Altersstruktur mit weniger übermäßig versorgten Alten eine Rolle für die schlechtere Wohnraumversorgung. Hinzu kommt, dass Ausländer eher in Ballungsgebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt leben (ebd.).
Großbritannien Die Überbelegung von Wohnungen stellt für ethnische Minderheiten in GB eine besondere Belastung dar, wobei Pakistaner, Bangladescher und Schwarzafrikaner besonders betroffen sind. Dies könnte an der hohen Kinderzahl dieser Gruppen liegen, aber auch am Zusammenleben in Mehrgenerationenhaushalten. Schwarzafrikaner und Bangladescher sind insbesondere im sozialen Sektor überbelegt und hier insbesondere in einigen Londoner Stadtteilen (Housing Corporation/CIH 2008: 8). Die Statistiken des Departmentfor Communities and Local Government (2006: 7) zeigen, dass auf nationaler Ebene die Überbelegungsrate bei Weißen bei 1,8% liegt, während sie für BME Haushalte 11% beträgt. Anders ausgedrückt verfügten Ende der 1990er Jahre 98% der weißen Familien über mindestens ein Zimmer pro Person im Gegensatz zu 53% der Bangladescher und 78% der pakistanischen Haushalte (Hann 1997: 157).85
85 Zugrundegelegt wird bei diesen Angaben der Bedroom Standard: A standard number of bedrooms required is calculated for each household in accordance with its age/sexlmarital status composition and the relationship of the members to one another. Aseparate bedroom is required for each married or cohabiting couple, for any other person aged 21 or over, for each pair of 000lescents aged 10 - 20 ofthe same sex, and for each pair of children under 10. Any unpaired person aged 10 - 20 is paired, if possible with a child under 10 of the same sex, or, if that is not possible, he or she is counted as requiring a separate bedroom, as is any unpaired child under 10 (Co=unities and Loca1 Government 2006: 11).
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Niederlande Die Ausstattung der Wohnungen von ethnischen Minderheiten in NL hat sich in den vergangenen Jahren weiter verbessert. Türkische und marokkanische Haushalte stehen zwar noch immer in der Quadratmeterzahl pro Bewohner zurück, haben aber von 1998 bis 2006 erhebliche Fortschritte erzielt (Dagevos/Gijsberts 2007: o.S.). So stieg die durchschnittliche Zimmerzahl pro Bewohner bei den Türken von 1,3 Zimmer 1998 auf 1,7 Zimmer im Vergleich zu den Autochthonen von 2,2 auf 2,3 (Kullberg/Vervoort/Dagevos 2009: 65). Die Wohnsituation konnte auch deshalb verbessert werden, da die Minderheitenhaushalte heute in gleichem Maße vom Wohngeld Gebrauch machen wie die autochthonen Haushalte (SCP 2009: o.S.). Der Anteil vom Haushaltseinkommen, der für Wohnen aufgewendet wird, liegt aber - wie auch in der BRD - bei den Minderheiten weiterhin höher im Vergleich zu den Autochthonen (Kullberg/Vervoort/Dagevos 2009: 69).
6.3.8 Obdachlosigkeit Weitaus stärker verbreitet als in der BRD ist die Obdachlosigkeit von Immigranten in GB. Die Caritas (2006: 51) berichtet davon, dass 14% der schwarzen Haushalte Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit gesammelt haben im Vergleich zu 4,3% der Bevölkerung insgesamt. 86 Zurückgeführt wird dieser Sachverhalt aufDiskriminierung im angespannten privaten Wohnungsbestand, größerer Armut aufgrund der höheren Arbeitslosigkeit sowie auf rassistische Gewalt, die Menschen aus ihren Wohnungen vertreibt (Hann 1997: 157). Dabei leben wohnungslose Angehörige der Minderheiten seltener auf der Straße, da sie eher bei Bekannten und Verwandten Unterschlupf finden (CRE 2003: 22). Auch für die Niederlande beklagt die europäische Caritas (2006: 46) die prekäre Wohnsituation insbesondere der illegalen Migranten. Im Jahr 2001 waren 40% der Nutzer von Nachtunterkünften für Obdachlose allein stehende Männer ohne Aufenthaltserlaubnis, darunter stammten 45% aus der Russischen Föderation und 25% aus Afrika (a.a.O.: 52).
86 Dieser Zustand hält seit Jahrzehnten an. Schon in den 1980er Jahren hatten Studien zu wohnungslosen Familien, die in Wohnheimen oder unter unzureichenden Wohnbedingungen leben, darauf hingewiesen, dass sich unter den Antragstellern unverhältnismäßig viele ethnische Minderheiten, Frauen und Alleinerziehende befanden (Murie 1990: 59). 1994 gehörten 51% der Obdachlosen in den Londoner lnnenstadtbezirken ethnischen Minderheiten an, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur 15% betrug (Rann 1997: 157).
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6.3.9 Verteilung der Minderheiten aufdie verschiedenen Wohnungsmarktsektoren Sozialwohnungen Der Zugang zum sozialen Wohnungssektor erfolgt in der BRD über den Wohnberechtigungsschein, der ebenso an EU- und Drittstaatler mit unbegrenztem Bleiberecht vergeben wird (Will 2003: 23). Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2001 zeigte, dass ausländische Haushalte im Vergleich zu deutschen deutlich häufiger in Sozialwohnungen leben, nämlich 24,8% der Jugoslawen und 18% der Türken. 87 Dies könnte durch die deutlich höhere Betroffenheit von Armut und Arbeitslosigkeit bei ausländischen Haushalten erklärt werden. Dennoch lässt sich beobachten, dass die Versorgung der ausländischen Haushalte mit Sozialwohnungen nicht problemlos vonstatten geht. Der Erhalt eines Berechtigungsscheines ist nämlich nicht mit der Zuweisung einer freien Wohnung gleichzusetzen. Im Jahr 2001 betrug die Vermittlungsquote für wohnungssuchende Nicht-Deutsche in Frankfurt/Main lediglich 20,3%, während sie bei 44% für alle anderen Haushalte lag (a.a.O.: 24). In den Niederlanden übt der Wohlfahrtsstaat einen starken Einfluss auf die Wohnsituation der Migranten aus. Da sich die Migranten in den großen Städten konzentrieren, die durch einen großen Sozialwohnungssektor gekennzeichnet sind, sind Migranten in diesem Sektor stark vertreten. Für das Land insgesamt dürfte der Anteil derjenigen Minderheiten, die in Sozialwohnungen leben, bei über 80% liegen (MusterdlDeurloo 1997: 161). Der britische Sozialwohnungssektor hat hingegen eine weitaus geringere Bedeutung für die Wohnungsversorgung der Minderheiten. Dabei sind die verschiedenen Herkunftsgruppen in GB höchst unterschiedlich auf die verschiedenen Anbieter von Wohnraum verteilt. Die traditionelle Konzentration von Asiaten in den am stärksten benachteiligten Beständen des privaten Sektors und der Karibischstämmigen und Bangladescher im schwer zu vermietenden kommunalen Bestand prägen bis heute die Wohnbedingungen dieser Gruppen (phillips 1998: 1694). Aktuell leben nur 10% der Inder und 13% der chinesischen Haushalte in Sozialwohnungen im Vergleich zu 19% der Gesamtbevölkerung. Auf der anderen Seite sind Bangladescher, Karibischstämmige und Schwarzafrikaner eher im Sozialwohnungssektor konzentriert (Housing Corporation/CIH 2008: 3).88 Aufgrund des 87 Insgesamt lebten 199822% der Ausländer in einer Sozialwohnung, 1985 waren es noch 25% gewesen (Neuhöfer 1998: 37). 88 Neben den Unterschieden zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen haben BoweslDar/Sirn (2002) auf die intraethnische Differenzierung hingewiesen, die zudem von gender-, orts- und schichtspezifischen Unterschieden überlagert werden. Regionale Unterschiede seien bedingt durch den unterschiedlichen Wohnungsbestand, historische Effekte der Stadterneuerung und un-
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angespannten Wohnungsmarktes in vielen britischen Städten wird der Themenkomplex Wohnen und Zuwanderung stets auch unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit diskutiert. Obgleich wachsende Investitionen in den Neubau von Sozialwohnungen langsam das Angebot an bezahlbarem Wohnraum erhöhen, ist der Zuwachs noch bei weitem nicht hinreichend, da die Regierung zugleich ein jährliches Wachsen der Haushaltszahlen von mehr als 1% erwartet - mehr als ein Drittel davon bedingt durch Zuwanderung (Perry 2008a: 13).
Privater Mietwohnungssektor In der BRD ist der private Sektor zwar groß, aber sehr heterogen, da Vermieter einer einzelnen Wohnung ebenso in diese Kategorie fallen wie Wohnungsunternehmen im kommunalen Besitz, deren Wohnungen keiner sozialen Bindung unterliegen. Es liegen nach Kenntnissen der Autorin keine belastbaren Daten :für die Verteilung der Minderheiten vor. In Großbritannien nutzen Neuzuwanderer im überwältigenden Maße den privaten Mietwohnungssektor, :für den es klare Hinweise gibt, dass die Diskriminierung hier größer ist als im sozialen Sektor. Chinesen, weiße Migranten und Schwarzafrikaner sind hier besonders stark vertreten (Housing Corporation/CIH 2008: 3). Die gestiegene Nachfragefür diesen Sektor ist insofern problematisch, als sie das Mietniveau hebt und dazu fUhrt, dass Vermieter die Situation insbesondere der osteuropäischen Arbeitskräfte ausnutzen. Dies erfolgt, indem sie eine gravierende Überbelegung zulassen oder Häuser im "Schichtsystem" belegen. Dieses dem frühindustriellen Schlafgängertum entsprechende Vorgehen sieht vor, dass tagsüber Schlafstellen einer Wohnung an nächtliche Schichtarbeiter vermietet werden, die keine eigene Wohnung besitzen. Dies senkt die Wohnstandards der betroffenen Bewohner und fUhrt häufig zu Konflikten, wenn alteingesessene Bewohner den Wert ihrer Immobilie bedroht sehen (perry 2008a: 13). In den Niederlanden spielt der private Sektor keine wichtige Rolle, da sein Anteil am Wohnungsbestand gering ist und in vielen Gemeinden durch die Umwandlung in Eigentumswohnungen sogar noch abgenommen hat. Dies gilt umso mehr in den Großstädten, in denen die ethnischen Minderheiten vor allem leben (Gemeente Amsterdam 2008: 1). Von den Marokkanern in Amsterdam leben nur 2% im privaten Mietsektor. Dies wird auf ihr vergleichsweise niedriges Einkommen zuterschiedliche lokale Wohnkosten (a.a.O.: 385). Hinzu kommen regional spezifische wirtschaftliche Entwicklungen, die sich in der Wohnsituation der ethnischen Minderheiten abbilden. Zu den am stärksten benachteiligten Gruppen werden beispielsweise in der Regel die Pakistaner und Bangladescher gezählt, die durch die stärksten eigenethnischen Konzentrationen und schlechtesten Wohnbedingungen gekennzeichnet und zudem in Sozialwohnungen unterrepräsentiert sind (a.a.O.: 382).
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rückgeführt sowie darauf, dass bezahlbare Sozialwohnungen in der Regel größer sind und private Mietwohnungen zudem meist über Mund-zu-Mund-Propaganda vergeben werden (a.a.O.: 4). Wohneigentum Im Vergleich zu NL und GB stellt der Erwerb von Wohneigentum durch Migranten in Deutschland einen jüngeren Trend dar. Während 1995 nur 6% der Ausländer in der BRD über Immobilien verfügten, stieg die Zahl der Eigentümer bis zum Jahr 2000 auf 17% (Hanhörster 2005: 30).89 Dabei haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass der Erwerb von Wohneigentum von vielen Migranten genutzt wird, um der vorangegangenen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu entkommen (SutterlütylWalter 2005: 193; Kapphan/König 2005). Insbesondere Immobilienbesitzer der Gastarbeitergeneration erwerben häufig ihr schon zuvor gemietetes Zechenhaus in vorwiegend türkisch geprägten Stadtteilbereichen (Hanhörster 2005: 33-34).90 Obwohl die durch den Eigentumserwerb im Stadtteil verbleibende einkommensstärkere türkische Bevölkerung aufgrund ihrer Verwurzelung wichtige soziale Impulse für den Stadtteil liefern kann, wird der zunehmende Erwerb von Wohneigentum von vielen deutschen Bewohnern kritisch gesehen und den Neueigentümern ein "expansiver Übemahmewille" unterstellt (SutterlütylWalter 2005: 182; 188).91 ,,[T]he right activity by the wrong people becomes a thing of contempt, not honour" (Cashmore/
89 Eine Ursache für den geringeren Besitz von Wohneigentum könnte darin liegen, dass Migranten vor allem in Städten wohnen, in denen der Anteil an Eigentum insgesamt niedriger ist als in ländlichen Regionen. 90 Insbesondere in den Ballungsräumen des Ruhrgebietes werden seit einigen Jahren auch Mehrfamilienhäuser, meist von türkischen Familien, erworben. Von 1998 bis 2001 in Duisburg entfielen 14% der Eigentumsübergänge aufAusländer, im stark türkisch geprägten Stadtteil Marxloh waren es sogar 34% (Hanhörster 2007: 136). Aufgrund des schlechten Zustands der Wohnungen und des Umfelds ist die Unzufriedenheit unter den Käufern von Mehrfamilienhäusern hoch: Erst haben die Türken die alten Autos von den Deutschen gekauft und hatten viel Ärger damit, jetzt kaufen sie die alten Häuser und haben noch mehr Ärger wird ein türkischer Eigentümer zitiert (a.a.O.: 139). 91 Auf Seite der Türken konnten die beiden Autoren eine Gegenstigmatisierung beobachten: Deutsche werden als dissoziale Einzelgänger wahrgenommen, geprägt durch mangelnde familiäre Solidarität und dadurch, sich auf den Sozialstaat zu verlassen (SutterlütylWalter 2005: 196). Ähnliches zeigt sich beim britischen Autor Faisal Bodi, der weiße Sozialwohnungssiedlungen charakterisiert sieht durch eine Kultur der Abhängigkeit, die von einer dysfunktionalen AlleinerzieherFamilie zur nächsten weitergegeben werde (Bodi 2006b: o.S.; Übersetzung S.M.). Insbesondere Bodis Betonung des alleinerziehenden Elternteils lässt jedoch aus den Augen, dass gerade auch bei muslimischen Haushalten die Zahl der Alleinerziehenden wächst. Eine nationale Befragung der muslimischen Mieter von Wohnungshauvereinigungen ergab, dass unter den Muslimen 18% alleinerziehend waren im Vergleich zu 14 % der Bevölkerung insgesamt (Flint 2006a: 12).
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Troyna 1990: 22). Doch nicht nur von manchen deutschen Bewohnern, auch von Kommunen und Wohnungsanbietern wird der Erwerb von Wohneigentum durch Ausländer problematisiert. So heißt es in einer Tagungsdokumentation der Wohnungswirtschaft, das Bestreben einiger Migranten, sich in "Parallelgesellschaften" zurückzuziehen, führe zu einem weiteren Problem, insbesondere wenn sich diese durch den Erwerb von Beständen und die Vermietung an Landsleute manifestierten (VdW Rheinland Westfalen 2007: 126). Worin das Problem genau besteht wird nicht benannt, da die storyline "Parallelgesellschaft" bereits verschiedene diffuse Aspekte wie Abschottung, Geflihrdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie die Unterdrückung der Frau aktiviert. Während Eigentumswohnungen bei uns praktisch ohne Bedeutung für die Wohnungsversorgung einkommensschwacher Haushalte sind (Kreibich 1990: 193), stellt sich die Situation in GB gänzlich anders dar. Hier sind Inder die Gruppe mit dem höchsten Anteil an Wohneigentümern (71 %). Wohneigentum ist ebenso üblich unter Pakistanern, während sich nur wenige Schwarzafrikaner oder Bangladescher in diesem Sektor finden (Housing Corporation/CIH 2008: 3). In der öffentlichen Wahrnehmung werden Pakistaner und Bangladescher als größte muslimische Gruppen in sozialen Fragen oftmals verallgemeinert, während ihre Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt jedoch völlig verschieden sind. Trotz ihres ähnlichen sozialen Status sind die Pakistaner mit 70% ebenso wahrscheinlich Wohneigentümer wie die weißen Briten, während die Eigentümerrate bei den Bangladeschern lediglich 44% beträgt und nahezu 50% dieser Gruppe Sozialmieter sind. Die Unterschiede verdeutlichen abermals, dass die Wohnsituation weniger durch religiöse Besonderheiten erklärt werden kann als durch die spezifische Einwanderungsgeschichte von unterschiedlichen Gruppen (a.a.O.: 7). Daneben werden in GB jedoch auch kulturell-religiöse Ursachen diskutiert, die - zumindest in der Vergangenheit - manche Zuwanderergruppen am Erwerb von Wohneigentum gehindert haben. 68% der befragten Moslems antworteten in einer Studie in Nordlondon, dass sie religiöse Gründe davon abhielten, Kredite zum Erwerb von Wohneigentum aufzunehmen. Daher bieten manche Banken in GB mittlerweile scharia-konforme Kredite an (Flint 2006a: 9). Für die überwiegend aus der Türkei stammenden Moslems in der BRD werden ähnliche Hürden nirgendwo diskutiert. In den Niederlanden liegt die Eigentümerquote, wie in der BRD, für die ethnischen Minderheiten deutlich unter der der Autochthonen. Während letztere zu 60% Wohneigentum besitzen, sind es etwas über 30% bei den Surinamern, 20% der Antillianer, 26% der Türken und lediglich 14% der Marokkaner. Dies wird auf 197
das niedrigere Haushaltseinkommen sowie darauf zurückgeführt, dass der Anteil des Wohneigentums in den Städten mit hohem Zuwandereranteil gering ist92 und für die erste Generation häufig der Erwerb von Wohneigentum im Herkunftsland Priorität genieße (SCP 2009: o.S.).
6.3.10 Fazit Der Vergleich hat gezeigt, dass die Wohnsituation in allen untersuchten Ländern geprägt ist durch die schwache sozioökonomische Position der Minderheiten, den Zeitpunkt ihrer Zuwanderung und ihre Außenseiterposition. Die strukturelle Integration im Bereich des Wohnens im Sinne einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist unvollständig. Dabei erweist sich, dass die Wohnsituation der Minderheiten immer dann öffentliche Aufmerksamkeit genießt, wenn die Wohnbedingungen - wie in GB - besonders katastrophal sind, wobei dies meist noch den Betroffenen selbst zur Last gelegt wird. In der schlechteren Wohnsituation schlägt sich in allen untersuchten Ländern Diskriminierung nieder, wobei der Ausländerstatus in der BRD eine Ungleichbehandlung sogar legalisiert hat. Wohnungsprobleme sind damit nicht nur Probleme bestimmter Schichten sondern auch ethnischer Segmentierung (Ipsen 1983: 52). Es kann davon ausgegangen werden, dass der Wohnungsmarkt sozial überformt ist und Tauschbeziehungen nicht im gleichen Maß anonym sind wie auf dem Gütermarkt (a.a.O.: 50). Hinzu kommt eine geringere Interessenvertretung als etwa auf dem Arbeitsmarkt. Vor diesem Hintergrund scheint die Unterstellung, ethnische Segregation sei durch die Wohnstandortentscheidungen der Minderheiten geprägt wenig plausibel. Welche Deutung sich zu den Ursachen von ethnischer Segregation in den drei Ländern durchgesetzt hat, soll jedoch erst in 7.1 untersucht werden. Zunächst wird im anschließenden Kapitel der Frage nachgegangen, wie die Wohnstandortverteilung der Minderheiten in den drei Ländern konkret aussieht und auf welche aktuellen Ausprägungen von ethnischer Segregation sich die Problemkonstruktionen und daraus abgeleiteten Policies beziehen.
92 Der Anteil des Wohneigentums an allen Wohneinheiten beträgt im Durchschnitt der vier großen Städte 25% und in Amsterdam lediglich 14% (Nieuwboer 2003: 16).
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6.4 Ausprägungen von ethnischer Segregation im Ländervergleich
In einem positivistischen Verständnis wäre davon auszugehen, dass verschiedene Schweregrade, aber auch verschiedenartige Ausprägungen von ethnischer Segregation zu Unterschieden in der Problematisienmg des Phänomens führen müssten. So könnte angenommen werden, dass in Ländern mit geringer Segregation dieses Phänomen weniger Aufmerksamkeit erlangt als in Ländern, wo Segregation stärker auftritt. Im Folgenden sollen Gestalt und Ausmaß von ethnischer Segregation in den drei untersuchten Ländern verglichen werden, um herauszuarbeiten, welche beobachtbaren Phänomene im jeweiligen Kontext als von der Norm abweichend und letztlich problematisch wahrgenommen werden. Dabei zeigt sich, dass sich das Ausmaß von ethnischer Segregation nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den Städten eines Landes sowie zwischen den unterschiedlichen Herkunftsgruppen innerhalb eines Landes stark unterscheidet und zum Teil gegensätzliche Entwicklungen aufweist. Zudem greift die Vorstellung zu kurz, eine starke Ausprägung von Segregation führe automatisch zu einer starken Problematisienmg. Es lässt sich beobachten, dass in allen drei Ländern ein hohes Maß von Segregation immer dann nicht als Problem gilt, wenn es bei nicht-stigmatisierten ethnischen Gruppen wie Japanern oder westlichen Migranten auftritt. Gleichzeitig kann ein geringes Maß an Segregation, wie es beispielsweise in der BRD beobachtet wird, durchaus mit einer intensiven Problematisienmg einhergehen.
6.4.1 Regionale Verteilung der Zuwanderer
Die Herausbildung von Siedlungsschwerpunkten kann nicht ohne die jeweils national spezifische Migrationsgeschichte verstanden werden und ist kein quasi natürlicher Vorgang, sondern durch die Anziehungskraft von Industrieschwerpunkten und Großstädten geprägt gewesen. In Deutschland hatten sich schon Mitte der 1970er Jahre die bis heute wichtigsten Verdichtungsräume herauskristallisiert: Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Hamburg, Stuttgart, München, Rhein-Neckar, Nümberg, Hannover, Bremen und Berlin (Reimann 1976: 132). Heute lebt knapp ein Drittel der Gesamtbevölkenmg (31,2%) aber etwa die Hälfte der ausländischen Staatsangehörigen in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern. In sechs deutschen Städten liegt der Ausländeranteil über 20%. Danmter sind mit Frankfurt/Main, Stuttgart und München drei Großstädte mit über einer halben Million Einwohnern vertreten sowie mit Ludwigshafen, Heilbronn und Offenbach drei Städte, deren Größe zwischen 100.000 und 200.000 199
Einwohnern liegt. Im Vergleich zu den Niederlanden und Großbritannien fallt auf, dass es in der BRD kein einzelnes hervorstechendes Zentrum der Ansiedlung von Migranten gibt, wie es beispielsweise in Großbritannien im Raum London der Fall ist (Schönwälder/Söhn 2007: 10-11). In Großbritannien lebt etwa die Hälfte der ethnischen Minderheiten in der Region London, wo diese 29% aller Bewohner stellen (CRE 2003: 22). Vergleicht man die großstädtische Konzentration von Einwanderern in der BRD und den Niederlanden, so erscheint die Siedlungskonzentration in der BRD abermals etwas geringer: In den Niederlanden leben nämlich etwa 13% der Gesamtbevölkerung, aber 40% der nicht-westlichen Minderheiten in den vier größten Städten (SCP 2004: 16,48). Auch in Großbritannien ist die regionale Verteilung der ethnischen Minderheiten bis heute im Wesentlichen durch die Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Die Einwanderer aus der Karibik waren überwiegend im Dienstleistungssektor wie dem Gesundheitssektor und British Rail tätig, die in der prosperierenden Londoner Region sowie in Birmingham angesiedelt waren. Im Gegensatz dazu wurden die nicht Englisch sprechenden indischen Sikhs und pakistanischen Arbeiter in der verarbeitenden Industrie der Midlands und in den nordenglischen textilproduzierenden Städten um Manchester sowie im Großraum Leeds/Bradford beschäftigt. Vergleichbar dem Ruhrgebiet in der BRD sind also auch in GB mit den nordenglischen Städten insbesondere solche Regionen durch Zuwanderung geprägt, die im Zuge des Strukturwandels mit dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit konfrontiert sind. Die Bangladescher, die vergleichsweise spät zuwanderten und ärmer waren als andere Migranten, konzentrierten sich in London (peach 2007: 11). Auch in den Niederlanden lässt sich eine regionale Konzentration der türkischen und marokkanischen "Gastarbeiter" in den älteren Industrieregionen der Textil-, Leder- und Lebensmittelverarbeitung beobachten, während die aus den Kolonien stammenden Surinamer und Antillianer von Anfang an vor allem in den vier großen Städten des Landes - Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht - anzutreffen waren (Blauw 1991: 49-50).93 Der Anteil nichtwestlicher Migranten betrug 2003 34% in Amsterdam und Rotterdam, 30% in Den Haag und 20% in Utrecht (Gijsberts 2004: 16). Regionale Konzentrationen werden durch Neuzuwanderung, die überwiegend als Familienzusammen:fiilmmg erfolgt, verstärkt (Bolt/Hooimeijer/ van Kempen 2002: 215). 93 Wie in Kapitel 2 ausgefiihrt ist ein direkter Vergleich zwischen ethnischer Segregation in der BRD und NL allerdings schwierig, da die niederländische Kategorie der nicht-westlichen Minderheit und das deutsche Konzept der Ausländer nicht identisch sind. Während der in den deutschen Statistiken verwendete Ausländer-Begriff auch westliche Nationalitäten umfasst, bezeichnet das niederländische Konzept der Minderheiten auch eingebürgerte Migranten der ersten und zweiten Generation (Schönwälder/Söhn 2007: 12).
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6.4.2 Ausmaß der ethnischen Segregation Das Ausmaß der ethnischen Segregation unterscheidet sich dahingehend, dass deutsche Städte einen niedrigen und englische Städte einen für europäische Verhältnisse hohen Segregationsindex aufweisen, wobei niederländische Städte gewöhnlich eine mittlere Position einnehmen (Musterd 2005: 335). Allerdings ist die deutsche Datenlage derartig schlecht, dass etwa der erste Bericht zum Integrationsmonitoring bewusst auf eine Darstellung verzichtet (Die Beauftragte 2009: 108).94 Um an dieser Stelle dennoch einen Vergleich zu ermöglichen, soll im Folgenden auf die Daten der innerstädtischen Raumbeobachtung (IRB)95 des Bundesamtes für Bauordnung und Raumforschung (BBR) zurückgegriffen werden, die die ethnische Segregation in 45 deutschen Großstädten erfasst. Die ethnische Segregation fällt generell für die ostdeutschen Städte der !RB höher aus. Der Segregationsindex für die elf ostdeutschen Städte, die von der innerstädtischen Raumbeobachtung erfasst werden, betrug im Durchschnitt 30,6 und rangierte zwischen 21,4 und 39,2, während der durchschnittliche Segregationsindex für die 33 berücksichtigten westdeutschen Städte bei 23,1 und damit zwischen Werten von 10,2 bis 35,1 lag (Sturm 2007: 246). Die Unterschiede ergeben sich zum einen aus dem geringeren Anteil der Migranten an der ostdeutschen Stadtbevölkerung, zum anderen aus dem höheren Anteil von Asylbewerbern unter den Zuwanderern, die in Wohnheimen untergebracht werden (Kapphan 1997: 41). Bis heute sind die Migrantenanteile in ostdeutschen Plattenbausiedlungen, selbst in ostdeutschen Städten mit signifikantem Ausländeranteil, gering (Kapphan 1997: 41). Hier zeigt sich eine überraschende Ähnlichkeit zum vermeintlich multikulturellen Großbritannien: Auch für GB ist festzuhalten, dass die am Stadtrand gelegenen Sozialwohnungssiedlungen überwiegend von der Mehrheitsge94 Für die deutsche Erfassung der Segregation bestehen folgende Hauptprobleme: Erstens werden mit der ausländischen Staatsangehörigkeit, die den Statistiken als Unterscheidungsmerkmal zugrunde liegt, nicht die Bewohner mit Migrationshintergrund erfasst. Zweitens sind bei den Städten und Gemeinden zwar relativ detaillierte Daten verfügbar, doch diese sind nicht durchweg einheitlich vor allem bezüglich der zugrunde liegenden Raumeinheiten. Zudem liegen sie nicht gebündelt für das Bundesgebiet vor. Ein weiteres Problem besteht darin, dass teilweise auf das Ausländerzentralregister zurückgegriffen wird, zum Teil aber auch auf die Bevö1kerungsfortschreibung oder Daten der Einwohnermelderegister. Zudem ist es in Deutschland nur sehr eingeschränkt möglich, Daten zusammenzustellen, die auf kleinräurniger Ebene Informationen sowohl zum Migrationshintergrund als auch zur sozialen Lage bieten, wie dies anderswo beispielsweise durch den Rückgriff aufVolkszählungsdaten möglich ist (Schönwälder/Söhn 2007: 3-6). 95 Da die !RB ausschließlich auf freiwilligen Datenlieferungen beruht, handelt es sich weder um eine Vollerhebung noch um eine Stichprobe von Städten mit hohem Ausländeranteil. Zum Teil sind die Werte nicht direkt vergleichbar, da eine unterschiedliche Bevö1kerungsanzahl pro Gebiet den Berechnungen zugrunde liegt (Schönwälder/Söhn 2007: 8).
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sellschaft bewohnt werden (Schmitter Heisler 1994: 210). Im Vergleich zu den anderen beiden Ländern ist in Großbritannien die Segregation der weißen Mehrheitsbevölkerung stärker ausgeprägt. Während ärmere Stadtteile in den Niederlanden und Deutschland meist auch einen hohen Anteil an ethnischen Minderheiten verzeichnen, sind insbesondere in Nordengland die am stärksten sozial benachteiligten Gebiete mit geringer Nachfrage ausschließlich weiß (Cameron/Field 2000: 834; Harrison 2005b: 68). Die Beobachtung, dass einige der schwierigsten Sozialwohnungssiedlungen nahezu keine ethnischen Minderheiten zu ihren Bewohnern zählen (Power 1998: o.S.), legt nahe, dass die Wahrnehmung der Ursachen und Folgen von ethnischer Segregation in GB diesem Sachverhalt Rechnung tragen müsste. Segregationsindizes wie in der BRD, die lediglich zwischen Ausländern und Einheimischen differenzieren, sind in GB ungewöhnlich, da dasframing hier entlang von ethnischer Zugehörigkeit erfolgt. Verallgemeinernd lässt sich jedoch festhalten, dass die Siedlungskonzentration in GB deutlich stärker ausfallt als in der BRD (Musterd 2005: 335). In NL liegt der Segregationsindex historisch in Den Haag96 am höchsten bei 51, gefolgt von Rotterdam (46,1), Utrecht (35) und Amsterdam (32,5) (Nieuwboer 2003: 32). Wie auch in der BRD sind die niederländischen Migrantenviertel in der Regel multiethnisch (European Foundation 2007b: 37; van Kempen 1998: o.S.).
6.4.3 Unterschiede zwischen den Migrantengruppen Der Vergleich der Segregationsindizes zwischen den Ländern übersieht, dass es innerhalb eines jeden Landes erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Zuwanderergruppen hinsichtlich ihrer Wohnstandortverteilung gibt, die nicht für alle Städte konsistent sein müssen. In Deutschland fällt die ethnische Segregation für die Gruppe der Türken am stärksten aus. Ihr Segregationsindex liegt unter den Städten des IRB-Datensatzes zwischen 19,2 (in Offenbach mit 19 Stadtteilen und 6,1 % türkischer Bevölkerung) und 55,3 (in Koblenz mit 32 Stadtteilen und 1,8% türkischer Bevölkerung) (Sturm 2007: 247). In einer telefonischen Befragung unter circa 1.000 Türkischstämmigen Personen in Nordrhein-Westfalen gab mehr als die Hälfte der Befragten (58%)
96 Atjen Verweij vom niederländischen Wohnungsbauministerium erklärt dies im Interview damit, dass die soziale Segregation in Den Haag traditionell hoch sei, weil hier seit dem 16. Jahrhundert Wohnhäuser fiir Wohlhabende auf sandigem Untergrund, Gebäude fiir ärmere Haushalte jedoch in den sumpfigen Gebieten entstanden seien.
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an, in überwiegend deutsch geprägten Gegenden zu wohnen. 16% lebten in gleichmäßig gemischten Vierteln und 20% in überwiegend von Türken bewohnten Stadtteilen. Der Zeitvergleich zu vorherigen Befragungen seit 1999 ließ keinen einheitlichen Trend zu einer stärkeren oder zu einer schwächeren residentiellen ethnischen Segregation unter den Türken in NRW erkennen (Sauer 2007: 129130). In Großbritannien verzeichnen die karibischstärnmigen Zuwanderer als erste eingewanderte Gruppe den niedrigsten Dissimilaritätsindex, während die Bangladescher, die erst deutlich später nach GB migrierten, den höchsten Wert einnehmen. Inder und Pakistaner liegen im Mittelfeld zwischen diesen beiden Polen (Peach 2007: 25). Generell folgen die karibischstämmigen Migranten in ihrer Wohnstandortwahl dem klassischen melting-pot-Modell (a.a.O.: 27). Auf Grundlage des Zensus von 2001, der erstmals Angaben von doppelter Ethnizität ermöglichte, wurde zudem festgestellt, dass Personen, die für sich eine doppelte Ethnizität angaben, weniger segregiert wohnten als solche mit einfacher Zugehörigkeit (Johnston/Poulsen/Forrest 2006b: 11). Die jüdische sowie die Sikh-Bevölkerung stellen selbst in den Stadtbezirken, in denen sie am stärksten konzentriert sind, keine Mehrheit der Bevölkerung. Der hohe Dissimilaritätsindex für diese Gruppe ist vielmehr ein Ausdruck ihrer Abwesenheit von anderen wards. Für London wurde zudem ein hohes Ausmaß an innermuslimischer Segregation beobachtet (Peach 2007: 31-32). In den Niederlanden fällt die Segregation der ehemaligen Gastarbeiter aus der Türkei und Marokko stärker aus als bei den ethnischen Minderheiten aus den ehemaligen Kolonien (Musterd 2002a: 106; Aalbers/Deurloo 2003: 204). Der Integrationsbericht der Niederlande (Bijl et al. 2005: 74) gibt an, dass beispielsweise die türkischstämmige Bevölkerung im Jahr 2003 zu 23% in Gebieten lebte, in denen Angehörige der nicht-westlichen Minderheiten insgesamt mindestens die Hälfte der Bevölkerung stellten. Weitere 48% lebten in Gebieten, wo der Anteil ihrer Gruppe zwischen 15 und 50% lag (Schönwälder/Söhn 2007: 23). Ein Vergleich zwischen sieben verschiedenen ethnischen Gruppen in Amsterdam zwischen 1994 und 2001 ergab zudem eine weitaus stärkere Segregation unter den Migranten aus Industrienationen im Vergleich zu den nicht-westlichen Migranten, die aber nicht problematisiert wird (Aalbers/Deurloo 2003: 197).
6.4.4 Aktuelle Trends
Im Zuge der Problematisierung von Integration wird in vielen europäischen Ländern unterstellt, die residentielle Segregation der Minderheiten habe zugenommen. 203
In GB wurde dies insbesondere nach den Unruhen in Nordengland und durch die Furcht vor ethnischer Segregation mit US-amerikanischem Ausmaß transportiert. In GB haben sich zahlreiche Sozialwissenschaftier in die öffentliche Diskussion darüber eingeschaltet, ob die ethnische Segregation angestiegen sei. Sie vertreten den Standpunkt, die Zunahme der asiatischen Segregation sei ein Mythos, der die Suburbanisierung vieler Minderheitenangehöriger politisch unterbewerte (Harrison 2005c: 91; Peach 2007: 25).97 Minderheiten zögen aus den segregierten Innenstädten fort, aber dennoch würden die ethnisch geprägten Nachbarschaften dadurch nicht aufgelöst, da sie durch den Zustrom von neuen Zuwanderern ihren Charakter beibehielten (Robinson 2008: 25). Ebenso lässt sich in der BRD feststellen, dass der Segregationsindex sinkt, da die Zahl der Stadtteile mit hohem Ausländeranteil wächst (Die Beauftragte 2005: 121). In seiner Sozialraumanalyse hält das ILS (2006: 7) jedoch fest, dass im Zeitverlauf der Zusammenhang von ethnischer, sozialer und demographischer Segregation stärker geworden sei. Friedrichs/Triemer (2008) kamen zum Ergebnis, dass die soziale Segregation in den meisten deutschen Städten zugenommen habe, während die ethnische Segregation sich verringert habe. In den Niederlanden lässt sich aktuell eine starke Tendenz zur Suburbanisierung der Surinamer, Türken und Marokkaner beobachten. In Amsterdam bestand die Hälfte der Haushalte, die 2003 in die Vorstädte abwanderte, aus ethnischen Minderheiten (Boltlvan Kempen/van Ham 2008: 1364). Der Suburbanisierungstrend fällt am stärkstenfür die Surinamer in Amsterdam aus und erfolgt hier vor allem mit dem Umzug in die Satellitenstadt Almere, wo der Anteil von Surinamern mit 10% bereits über ihrem Anteil in Amsterdam (9%) liegt (Dagevos/Gijsberts 2007: o.S.). Innerhalb der jeweiligen Herkunftsgruppen lässt sich wiedemm zwischen den Generationen unterscheiden, wobei beispielsweise in Amsterdam die jüngeren Familien aus ethnischen Minderheiten eher in den Vorstädten, die älteren Haushalte weiterhin eher in den innenstadtnahen Quartieren anzutreffen sind (Gijsberts 2004: 17). Die im Vergleich zu Deutschland bessere Statistik der Niederlande macht zudem deutlich, wie sehr sich Segregationsmuster im Zeitverlaufverändern und dabei zum Teil entgegengesetzte Entwicklungen zwischen Städten und zwischen Herkunftsgruppen aufweisen. Während beispielsweise die Segregation zwischen 1998 und 2008 :für Personen türkischer und marokkanischer Herkunft in Utrecht, Amsterdam, Haarlem (Türken) und Weesp (Marokkaner) zunahm, verringerte sie sich im gleichen Zeitraum in Rotterdam, Zaanstad, Alkmaar (Türken), Leidschendam-Voorburg und Leerdam (Marokkaner) (SCP 2009: o.S.). 97 Laut David Robinson (2005: 1419) gibt es heute in Bradford weniger monoethnische Gebiete als vor zehn Jahren und zudem keinerlei südasiatischen monoethnischen Nachbarschaften.
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6.4.5 Fazit Die drei untersuchten Länder sind in unterschiedlichem Maße vom Phänomen Segregation betroffen. So sind die Segregationsindizes in den meisten deutschen Städten niedriger als in den niederländischen Städten und diese wiederum niedriger als für britische Gemeinden. Ebenso gibt es innerhalb der drei Länder gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen Herkunftsnationen, die nicht durch "kulturelle Unterschiede" erklärt werden könnten. Die Herausbildung von regionalen und städtischen Siedlungsschwerpunkten kann nicht ohne die jeweils spezifische Migrationsgeschichte der einzelnen Zuwanderergruppen verstanden werden. Daneben gibt es in allen drei Ländern Regionen - Schottland und Wales, Ostdeutschland und das niederländische Friesland - in denen der Minderheitenanteil verschwindend gering ist. Die Fälle unterscheiden sich insofern, als in der BRD und den Niederlanden Nachbarschaften überwiegend multiethnisch sind (van der Laan Bouma-Doff 2007: 1005), während in englischen Städten die Konzentration einzelner ethnischer Gruppen stärker ausfällt. Eine wesentliche Differenz ergibt sich zudem aus einer unterschiedlichen Korrelation von sozialer und ethnischer Segregation, da in Nordengland die am meisten benachteiligten Siedlungen mit geringer Nachfrage weiß sind. In der BRD und den Niederlanden hingegen geht Armut in den Stadtteilen mit einem hohen Anteil Zuwanderer einher. Im kontextuellen Konstruktionismus, aus dem die vorliegende Arbeit ihre Prämissen bezieht, hat das problematisierte Phänomen selbst einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Problemkonstituierung (Schmidt 2000: 165). Dies zeigt sich auch im Umgang mit ethnischer Segregation, da die Intensität der Problematisierung weitgehend unabhängig vom Ausmaß der Segregation zu sein scheint.
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7. Konstruktion und Bearbeitung des Problems Segregation
Das folgende Kapitel tritt an, kategoriengeleitet die jeweils nationalen Interpretationsrepertoires zu ethnischer Segregation zu rekonstruieren und miteinander zu vergleichen. Die Darstellungsweise orientiert sich also nicht daran, Diskursverläufe nachzuzeichnen, sondern nimmt eine inhaltliche Strukturierung vor: Autoren wie Deborah Stone (1989) und Reiner Keller (2005) halten fest, dass die Konstruktion eines Problems die diskursive Behandlung verschiedener Aspekte durch die Protagonisten erfordert. Die Gliederung des Kapitels ist daher dem entlehnt, was Keller (2005: 244) als "Phänomenstruktur" (oder ,,Problemdimensionen") bezeichnet. Im Einzelnen handelt es sich um die Benennung von Deutungen zu kausalen Zusammenhängen (Ursache-Folgen), ihre Institutionalisierung (Mischungs-Policies) sowie die damit verbundenen Subjektpositionen (Diskurskoaltionen und Zielgruppen).
7.1 Deutungsmuster zur Entstehung von ethnischer Segregation In einem konstruktionistischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass soziale Probleme nicht einfach aus den Fakten einer Situation erwachsen, sondern das Ergebnis von Interpretation und sozialer Definition sind (Rocheford/Cobb 1993: 57). Wenn die Problemdefinition einen Prozess darstellt, in dem Wissen organisiert und ihm Bedeutung beigemessen wird, kommt der Konstruktion von Kausalität durch causal stories eine zentrale Rolle zu (Stone 1989: 281). Im Folgenden werden daher zunächst die jeweils landesspezifischen Interpretationen der Ursachen analysiert und verglichen, die für die Entstehung des ,,Problems" ethnische Segregation verantwortlich gemacht wurden und werden. In einem positivistischen Verständnis müsste sich die Zuschreibung der Ursachen von ethnischer Segregation zwischen den untersuchten Staaten unterscheiden. So wären in einem Land wie Deutschland, das vor allem durch ein eher geringes Maß an Segregation sowie überwiegend multiethnische Stadtteile gekennzeichnet ist, andere causal stories zu erwarten als etwa in einem Land wie GB,
S. Münch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_7, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
dessen Nachbarschaften sehr viel stärker durch einzelne Minderheiten geprägt sind. Die folgende Analyse kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass sowohl in GB als auch in der BRD die Interpretation vorherrscht, die Segregation der Minderheiten sei Ausdruck ihres freiwilligen Rückzugs in ethnisch geprägte Nachbarschaften. Indem die Separierung auf die Wohnstandortentscheidung der Minderheiten zurückgeführt wird, wird nicht nur die Mehrheitsgesellschaft, sondern vor allem auch die Politik von einer Verantwortung entlastet. Wenn Segregation als Ergebnis menschlichen Handelns interpretiert wird, lässt sich diese Problemursache scheinbar leichter beheben als wenn eingestanden würde, dass Segregation vor allem strukturelle Ursachen hat (vgl. Stone 2006): "Erst dann, wenn Problemlagen oder Themenfelder als durch menschliches Handeln konstituiert oder beeinflußbar konstruiert werden, kann es zur Auseinandersetzung um die Möglichkeit und Art des Handelns kommen" (Keller 1998: 39). Die Auseinandersetzung mit alternativen Erklärungsmustem, die im Anschluss an die Darstellung der dominanten Diskurse erfolgt, soll verdeutlichen, dass die Wohnungspolitiken in allen drei Staaten, die sich seit den 1970er Jahren die Herstellung von ethnischer und sozialer Mischung auf die Falmen geschrieben hatten, zugleich durch die Heterogenität ihrer Zielsetzungen Segregation erst erzeugt haben. Dabei zeichnet sich in allen drei untersuchten Ländern sowohl im Sozialwohnungssektor als auch im privaten Wohnungssektor dasselbe Muster ab: Gibt es eine große Nachfrage nach Wohnraum, werden Migranten als Mieter gemieden und in weniger attraktive Quartiere gedrängt, gibt es Leerstände in weniger populären Beständen, werden Migranten als Manövriermasse genutzt, um eine Vermietung sicherzustellen.
7.1.1 Der vermeintliche Rückzug in eigenethnische Enklaven als dominanter Diskurs 7.1.1.1 Deutschland: "Unter sich bleiben" "In der Diskussion über die Wohnsegregation der heutigen Zuwanderer herrscht offensichtlich eine öffentliche Amnesie - wie in allen anderen Migrationsthemen auch - vor", hält K~at-Ahlers 1993 (S. 218) fest. Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn nach wie vor ist die deutsche Debatte um ethnische Segregation vom Tenor bestimmt, Migranten zögen sich bewusst in eigenethnische Nachbarschaften zurück (BMFJJ 2000: 13). Auch im Nationalen Integrationsplan (Bundesregierung 2007: 112) sowie beispielsweise im Hamburger Handlungskonzept Integration (Freie und Hansestadt Hamburg 2006: 33) wird ethnische Segregation 208
auf ein Zusammenspiel aus freiwilligem Rückzug und geringerer Mietzahlungsfahigkeit reduziert. Der "populäre Mythos der freiwilligen Segregation" (KÜ!1'atAhlers 1993: 221) lässt sich bis in die frühen 1970er Jahre zurückverfolgen. So berichtete "Der Spiegel" bereits 1973 (30.7.1973, S. 24) unter der für seine Berichterstattung zur ,,Ausländerfrage" symptomatischen Überschrift ,,Die Türken kommen - rette sich, wer kann" vom "Andrang vom Bosporus" mit Begriffen wie "Invasion", "Krise" und "hektisch zunehmender Konzentration"; "Wie zwangsläufig kapseln sich ganze Nationalblöcke in der Fremde ab" (ebd.).98 Noch 34 Jahre später, im Winter 2007, unterstrich Thomas Dilger, Geschäftsführer der Nassauischen Heimstätte, in einem breit rezipierten Vortrag, sein Wohnungsuntemehmen setze künftig aufmonoethnische "Mi1ieu-" und "Themenhäuser" und begleite damit einen quasi natürlichen Prozess der Entmischung, da Menschen ohnehin lieber mit Angehörigen des eigenen "Ku1turkreises"99 zusammenlebten (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.11.2007). Auch in den geführten Experteninterviews wird die freiwillige Segregation, das Grundbedürfnis, die "Nähe seinesgleichen" zu suchen, wiederholt thematisiert (Interviews Kulenkampff; Ridinger; Rips). Dabei wird j edoch übersehen, dass von den ausländischen Wohnungssuchenden zwar häufig die Nähe zu Freunden und Familie gewünscht wird, dies aber nicht einer bewussten Entscheidung gegen die Nachbarschaft zu Deutschen gleichkommen muss (vgl. Gottwa1d 2005: 20; Kabis 1999: 2; Nauck 1986: 60). Verschiedene Autoren (Eichener 1988: 307; Strohmeier 2006: 18) haben zudem festgehalten, dass die vermeintlich segregativen Wohnwünsche oftmals lediglich eine Beschränkung auf einen realistisch erscheinenden Wohnungsbestand darstellen. Diskriminierende Praktiken der Vermieter wirkten bei den wohnungssuchenden Migranten im Sinne einer self-fulfilling prophecy, so dass bestimmte Angebote gar nicht erst nachgefragt würden. Ein weiteres Erklärungsmuster, das ebenfalls eine freiwillige Segregation, wenn auch aus anderen Motiven, unterstellt, führt Konzentrationen von Migranten im Stadtraum auf die geringere Mietzahlungsbereitschaft bzw. das geringere Interesse am Thema Wohnen zurück. Dieses framing, das einerseits Segregation auf soziale 98 Dabei entgeht den Redakteuren, dass eigentlich bereits in der überschrift die whiteflight als Hauptursache für ethnische Segregation angelegt ist. 99 Auffiillig war, dass in sämtlichen Medienberichten die Begriffe Ethnie, Nationalität, Milieu und eben auch der längst als überholt geltende Kulturkreis-Begriff kritiklos und synonym verwendet wurden. Beispielhaft dafür die Fonnulierung in der "taz" vom 21. November 2007: "Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat überlegungen einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft einkassiert, ihre Mieter nach Ethnien zu sortieren. ,Eine Vermietung von Wohnungen getrennt nach Nationalitäten ist der völlig falsche Weg und stellt eine Kapitulation vor zweifellos vorhandenen Problemen bei der Integration dar', erklärte der CDU-Politiker. Die Konsequenz könne deshalb nicht sein, ,Milieuhäuser homogener Kulturkreise zu schaffen'."
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Ungleichheit zurückführt, dabei aber gleichzeitig den Migranten eine Verantwortung für ihre Wohnsituation zuweist, war insbesondere in den I970er/80er Jahren verbreitet, als noch an die Rückkehr der "Gastarbeiter" in ihre Heimatländer geglaubt wurde. So heißt es im Bericht des ersten Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Kühn, aus dem Jahr 1979: "Unverkennbar besteht bei vielen ausländischen Mietern ein Trend zu ,billigen' Wohnungen, wobei andererseits offenbar vielfach auch die Unklarheit über Dauer und Möglichkeiten des Aufenthalts eine Rolle spielt" (a.a.O.: 47). Diese Deutung wurde als ,,Mythos der selbst auferlegten Deprivation" bezeichnet (Huttman 1991: 23), also eine klassische Form des blame the victim. Soziale Segregation wird in dieser Deutung zwar als Ursache für ethnische Segregation erkannt, jedoch abermals auf eine gewissermaßen freiwillige Entscheidung der Minderheiten zu preisgünstigem Wohnraum heruntergebrochen. Da die ausländischen Haushalte tendenziell eher höhere Mieten zahlen (siehe 6.3), scheint diese Begründung zu kurz zu greifen. Ein anderes Narrativ, das auf eine freiwillige Segregation rekurriert, hebt darauf ab, dass Migration häufig Kettenmigration darstellt (vgl. Conradi 1979; Kapphan 1997: 40). Seit den 1970er Jahren wurde beobachtet, dass der erste Umzug innerhalb Deutschlands, der Fortzug aus dem Wohnheim, häufig in segregiertere Gebiete erfolgte, da die Wohnstandortsuche durch informelle Informationskanäle betrieben wurde (O'Loughlin 1987: 55). Die Netzwerkpersonen, die zu einer neuen Wohnung verhelfen, befänden sich ihrerseits im unteren Wohnungsmarktsegment und verfügten daher auch meist nur über Informationen über freie Wohnungen minderer Qualität, so dass die Mundpropaganda zu einer Fortsetzung von ethnischer Segregation führe (Janßen/Polat 2005: 80). Die bis heute weit verbreitete Annahme der "freiwilligen Segregation" wird als selbstverständlich betrachtet, obgleich alle der Autorin bekannten empirischen Untersuchungen für Deutschland in eine völlig andere Richtung weisen. In seiner jüngsten Studie zu Migrantenmilieus betonte etwa das Institut Sinus Sociovision, dass "die große Mehrheit der Migranten" an einem gemischten Umfeld interessiert sei (Loibl 2008: 38). Diese Ergebnisse zum Wunsch nach ethnisch gemischtem Wohnen auf Seiten der Migrantenhaushalte werden von zahlreichen repräsentativen Studien seit den 1970er Jahren vorweggenommen, wonach nur eine kleine Minderheit - am wenigsten die Türken - nur unter Personen des eigenen Herkunftslandes leben wollten (Eichener 2006: 57): Eine Befragung zu Beginn der 1970er Jahre in Frankfurt/Main unter 2.003 ausländischen Personen ergab folgendes Bild: 5% antworteten, die Wohnung solle in einer "Ausländersied1ung", fernab von deutschen Wohnvierteln liegen, 6% präferierten eine ,,Ausländersiedlung" in der Nähe zu einer deutschen Siedlung. Ein Wohnviertel mit Deutschen, aber ein Haus mit Landsleuten zogen 21 % vor, ein Wohnviertel mit Deutschen und ein 210
gemischtes Haus wünschten sich 37%. 21 % wollten sogar ausschließlich ein deutsches Haus in einem deutschen Wohnviertel bewohnen, 9% antworteten nicht (Reimann 1976: 145).100 In einer repräsentativen Untersuchung von 1985 waren 2/3 der Ausländer die Nationalität ihrer Nachbarn gleichgültig. Der Anteil derer, die bevorzugt mit Ausländern wohnen wollten, erreichte nicht einmal 10%. In der gleichen Untersuchung war allerdings der Rückgang derjenigen markant, die bevorzugt mit Deutschen zusammenleben wollten. Er sank von 31,6% auf23%.101 Dies wird als Reaktion aufKränkungen durch Deutsche interpretiert (Kür~at-Ahlers 1993: 221). Wild (1997: 166) zitiert eine Untersuchung des Berliner Senats, laut der nur 14% von 3.000 befragten Türken in einem Wohnviertel leben wollten, in dem die Türken die Mehrzahl bilden. Ein Drittel zog ein mehrheitlich deutsches Viertel vor, etwas mehr als die Hälfte ein ausgewogenes Nebeneinander. In einer jüngeren Umfrage in Wuppertal-Ostersbaum, einem Stadtteil mit hohem Zuwandereranteil, gaben nur 6% der interviewten Türken die Nähe zu Landsleuten als Grund für ihren Zuzug ins Quartier an, 23% hatten anderswo keine Wohnung gefunden (HanhörsterlMölder 2000: 377). Eine Umfrage in Esslingen im Rahmen des "Stadt 2030"-Projektes ergab ebenfalls, dass nur 66% der deutschen Bewohner, aber 81 % der ausländischen Bewohner die Aussage ablehnten "Ich finde es gut, wenn Ausländer und Deutsche in getrennten Wohngebieten leben" (Jessen et al. 2002: o.S.). Während einerseits insbesondere die Wahrnehmung der Vermieter dadurch geprägt zu sein scheint, die Migranten wünschten das Zusammenleben mit Landsleuten (Eichener 1988: 306), wird andererseits von manchen Wohnungsanbietern diesem Eindruck widersprochen, da es ab einem bestimmten, nicht näher spezifizierten Anteil von Zuwanderern in einer Nachbarschaft nicht nur schwieriger werde, freiwerdende Wohnungen an deutsche Wohnungssuchende zu vermieten, sondern auch die Zuzugsbereitschaft ausländischer Wohnungssuchender sinke (Planerladen 2006: 11). Selbst in der insgesamt sehr pessimistischen Veröffentlichung "Überforderte Nachbarschaften" des Bundesverbandes deutscher Woh-
100 Während die Studie bis heute als früher Beleg dafür herangezogen wird, dass die Ausländer in der Mehrheit die Nähe zu deutschen Nachbarn suchten so auch der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung in seinem Gutachten (Kühn 1979: 47; ebenso Schildmeier 1975: 45) interpretierte ,,Der Spiegel" die Untersuchung in eine andere Richtung (30.7.1973, S. 24): "Jeder dritte ihrer Interviewpartner mochte es mit dem Wohoen unter Deutschen gar nicht weiter probieren und wählte statt dessen bewußt die Abkapselung im Quartier - Geborgenheit bei vertrauter Umgebung, ungebrochenen Gewohnheiten, mit Ko y Yumurtasi, dem Schafshoden-Schmaus, und Suren vom Imam - im hessischen Allendorf sogar in einer Betriebs-Moschee" (ebd.). 101 Kür~t-Ahlers gibt nicht explizit an, auf welches Jahr sich die Referenzgröße bezieht, da sie sich aber zuvor auf die Repräsentativbefragungen von 1980 und 1985 beruft, ist zu vermuten, dass es auch an dieser Stelle um diese beiden Jahre geht.
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nungs- und Immobilienunternehmen (GdW) heißt es: "Trotz aller Konflikte wünschen die meisten Ausländer und erst recht die Aussiedler keine Trennung von den einheimischen Deutschen" (1998: 73). Die Feststellung, dass Segregation am Stadtrand, wo Bewohnerstrukturen durch die Belegungsrechte von Sozialwohnungen geprägt sind, im Gegensatz zu den innenstadtnahen Gebieten höher ist (20 im Vergleich zu 14%), deutet ebenfalls daraufhin, dass ethnische Segregation nur in sehr geringem Maße durch die Entscheidungen ausländischer Haushalte entsteht (Böltken/Gatzweiler 2002: 399). Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung, Migranten blieben lieber "unter sich" auf der einen und den Ergebnissen der Befragungen auf der anderen Seite, wird von Herbert Folda vom Münchner Stadtplanungsreferat damit erklärt, dass sich insbesondere neu zuziehende Migranten in Bereichen niederließen, in denen bereits andere Landsleute leben, diese Quartiere aber nach längerem Aufenthalt in der BRD und erfolgreicher Integration wieder verlassen würden. Ähnliche Eindrücke geben auch zwei weitere Interviewpartner wieder. So berichtet Roswitha Sinz (Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen) aus ihrer Erfahrung in einem Kölner Sanierungsgebiet in den 1980er Jahren, dass aufstiegsorientierte türkische Familien ganz bewusst in eine "deutsche" Nachbarschaft versetzt werden wollten, insbesondere um die Bildungschancen ihrer Kinder zu erhöhen. Der interviewte Geschäftsfiihrer eines Frankfurter Wohnungsunternehmens betont, dass sich Migranten oft deshalb an einem hohen Ausländeranteil störten, da sie um die Stigmatisierung solcher Gebiete wüssten. Auch die Sinus-Milieu-Studie folgert, der bewusste Umzug in ein weniger segregiertes Gebiet diene einerseits einer besseren Integration, aber auch dazu, diese Leistung zu demonstrieren (Rohland 2007: 228). Der Eindruck, dass ethnische Segregation häufig unfreiwillig erfolgt, wird nicht zuletzt dadurch untermauert, dass in deutschen Städten Stadtteile mit hohem Zuwandereranteil in aller Regel multiethnisch sind. 102 Die Bewohner haben meist nur wenig gemein, abgesehen von ihrem schwachen sozialen Status. Auch der sechste Familienbericht der Bundesregierung konstatiert, Quartiere seien dementsprechend ethnisch weitaus heterogener, als dies fiir viele Einheimische den Anschein habe (BMFFJ 2000: 13). Die Konzentration von Migranten in bestimmten Stadtteilen scheint also nur in sehr geringem Maße von den Entscheidungen der Zuwandererhaushalte geprägt
l02 Eher untypisch sind Stadtviertel, in denen eine einzige Migrantengruppe dominiert. Eine jüngere Untersuchung von 1.810 Gebietseinheiten in 33 (west-)deutschen Städten des IRB-Datensatzes hat gezeigt, dass es nur sehr wenige Stadtviertel gibt, in denen die Angehörigen einer bestimmten Nationalität auch nur 10% der Bevölkerung stellen (Schönwälder 2006: 22).
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zu sein (vgl. Bürkner 1987: 231). So stellt der Stuttgarter Integrationsbeauftragte mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt seiner Stadt fest: "Selbst wenn Migranten landsmannschaftlich unter sich wohnen wollten, hätten sie gar nicht die Möglichkeit dazu" (taz, 21.11.2007). Dennoch wird auch in Stuttgart mit einer Obergrenze für ausländische Haushalte bei der Wohnungsvergabe im sozialen Sektor gearbeitet, die eigentlich nur konsistent wäre, wenn es darum ginge, die freiwillige "Ballung" ausländischer Haushalte zu verhindern. Für den deutschen Fall insgesamt lässt sich festhalten, dass die Deutung eines freiwilligen Rückzugs der Migranten nicht nur verbal den Diskurs dominiert, sondern zudem durch Begrenzungsmaßnahmen (Quotierungen, Zuzugssperren) institutionalisiert wird, die unter 7.3 analysiert werden.
7.1.1.2 Großbritannien: " Very worrying drifl towards self-segregation" Wie auch in der BRD dominiert in GB im 21. Jahrhundert die Deutung den Diskurs, ethnische Segregation sei auf den Rückzug der ethnischen Minderheiten in Enklaven zurück zu führen. Im Zuge der Aufarbeitung der Unruhen in Bradford, Oldham und Burnley im Jahr 2001 ist in Großbritannien eine Debatte darüber entbrannt, ob der freiwillige Rückzug der Minderheiten tatsächlich der Hauptgrund für ethnische Segregation sei. Diese Selbstsegregation wurde vor allem von denjenigen Berichten herausgestellt, die in Folge der Unruhen von 2001 im Auftrag der Regierung erarbeitet worden sind. 103 "The causal story ofthe community cohesion agenda identifies the disturbances of2001 as being roote
Der Bericht von Lord Ouseley zu Bradford, der eigentlich schon vor den Unruhen in Auftrag gegeben worden war, jedoch erst zeitgleich mit den anderen StädteReports erschien, gab das Narrativ eines "very worrying drift towards self-segregation" vor, das den sich anschließenden Community-Cohesion-Diskurs prägen sollte (Ouseley 2001: Vorwort; Harrison 2005c: 85). Grundlegend für die sich 103 In Folge der Unruhen entstanden folgende Berichte: Ritchie (2001) zu Oldham, Ouseley (2001) zu Bradford und Clarke (2001) zu Burnley, der Cantle-Report (2001) als Überblick zum interkulturellen Zusanunenleben in ganz England sowie der Denham-Report (Horne Office 2001) als Reaktion des Innenministeriums zu allen drei Städten.
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anschließende Debatte sollte Ouseleys Formulierung werden, verschiedene ethnische Gruppen zögen sich in wachsendem Maße von einander in comfort zones zurück, die aus Personen "wie sie selbst" bestünden (Ouseley 2001: 16). Beide Aspekte dieser Aussage, nämlich dass Segregation zunehme und außerdem freiwillig sei, werden von verschiedenen Autoren infrage gestellt (s.u.). In der Konstruktion der Problemursache fällt auf, dass die Berichte nicht verheimlichen, dass es eine Vielzahl von strukturellen Ursachen gibt, die die ethnische Segregation fördern. So erwähnt der Ritchie-Report (2001) zu Oldham zwar die Furcht der Minderheiten vor rassistischen Übergriffen in rein weißen Nachbarschaften und vor allem den Fortzug der weißen Bevölkerung (white flight), der einsetze, sobald einige südasiatische Familien in ein bis dahin weißes Gebiet zögen. Trotz dieser Differenziertheit sind die Berichte jedoch sehr selektiv darin, welche Problemursache sie besonders hervorheben, und dies ist in allen Fällen eine Betonung des freiwilligen Rückzugs der Minderheiten. Im Fettdruck heißt es einleitend: ,,As we comment repeatedly in this report, the segregate
Zentral an Ritchies Analyse ist die Art, wie der Bericht das Problem als Frage der freiwilligen Segregation konstruiert und nicht als Folge von sozialer Exklusion. Das Gutachten argumentiert, dass es Präferenzen sowohl innerhalb der pakistanischen und bangladeschischen Gemeinschaften sowie unter weißen Engländern gebe, "to live with their own kind". Segregation werde zudem verstärkt durch das Heiratsverhalten der südasiatischen Minderheiten, die es vorzögen, sich ihre Ehepartner in ihren Heimatländern zu suchen (a.a.O.: 9-10). Der Denham-Report des Innenministeriums zu den Ausschreitungen spricht ebenfalls von einer Reihe von Gründen, "why people may choose to be dose to others like themselves" (Horne Office 2001: 12). Dazu zählt er das Bedürfnis nach informeller Unterstützung, die Nähe zu ethnischen Geschäften und Gotteshäusern. Für einige ethnische Gruppen, wie die Pakistaner und Bangladescher, mutmaßt er, dass schlechte Englischkenntnisse zu einem Rückzug in ethnische Enklaven führen könnten. Im Gutachten wird festgehalten, dass prinzipiell nichts Falsches darin liege, wenn Menschen ihre Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt in Richtung ethnischer Konzentration auslegten: "It is something which successive groups of immigrants have done for centuries" (ebd.). Damit wird zwar nicht die ausschließlich negative Bewertung der anderen Berichte zu den Folgen von ethnischer Segregation geteilt, jedoch abermals der freiwillige Rückzug der Minderheiten für 214
die Existenz von ethnischer Segregation verantwortlich gemacht. Dieses Motiv wird auch im Cantle-Report (2001: 28) wieder aufgegriffen. Das framing von ethnischer Segregation als Ausdruck freier Entscheidungen der Minderheitenhaushalte ist in GB auf heftige Kritik gestoßen. Die Lesart von selbstgewählter ethnischer Segregation habe abgelenkt von einer zunehmenden Einkommenspolarisierung und einer wachsenden sozialen Segregation, die sich etwa in einem Rückzug der Reichen in gated communities ausdrücke (Flint! Robinson 2008: 2). Selbst der zweite Cantle-Report (2006: o.S.) hält fest, dass es angesichts der Beobachtung, dass es sich bei den von den Minderheiten "bevorzugten" Nachbarschaften genau umjene mit den schlechtesten Wohnbedingungen handele, nur schwer vorstellbar sei, dass die Wohnorte eine Folge freier Entscheidungen seien. Während in der BRD wissenschaftliche Untersuchungen sehr eindeutig in die Richtung weisen, dass die Konzentration ethnischer Minderheiten nicht deren Präferenzen ausdrückt, ist das Bild in GB jedoch weitaus gemischter. Debbie Phillips (2005: 44) zitiert Umfragen, in denen ein Teil der Bangladescher und Pakistaner durchaus in ihrer eigenen community leben wollten. Hierbei handelte es sich jedoch überwiegend um Angehörige der ersten Generation von Migranten. Dies könnte daran liegen, dass es in Großbritannien tatsächlich eher monoethnische Nachbarschaften gibt, die von einer Gruppe geprägt sind, während Nachbarschaften in Deutschland überwiegend multiethnisch sind. Einen Gegenstandpunkt zum dominanten Diskurs nehmen vor allem wissenschaftliche Arbeiten ein. Untersuchungen zu den Wohnbedürfnissen südasiatischer junger Frauen kamen im Widerspruch zur Unterstellung der self-segregation zu dem Ergebnis, dass diese das Leben in Clustern ablehnten und es vorzogen, in ethnisch gemischten Nachbarschaften zu wohnen (perry 2008b: 164). Diese Diskrepanz könnte damit erklärt werden, dass es Unterschiede in den Wohnortpräferenzen zwischen den Generationen gibt, wobei junge Menschen, so John Perry (CIH) im Interview, überwiegend bereit seien, aus den ethnischen Clustern fortzuziehen. Dies sei ein Grund, Mischung zu propagieren, nämlich Chancen zu ermöglichen. Insbesondere Angehörige der zweiten und dritten Generation zögen es vor, der sozialen Kontrolle der ethnischen Enklaven zu entkommen. Doch auch für die Südasiaten im Allgemeinen kam Simpson (2004: 674) zu dem Ergebnis, dass es in allen ethnischen und religiösen Gruppen ein großes Interesse an residentieller Mischung gebe. Auch eine gemeinsame Untersuchung der Housing Corporation und des Chartered Institute 0/Housing 104 (2008: 11) hält fest, dass eine wachsende Zahl von in GB geborenen Minderheitenangehörigen aus traditionellen Clustern 104 Das Chartered Institute oJHousing (CIH) ist der Berufsverband deJjenigen, die im öffentlichen und privaten Sektor zum Thema Wohnen arbeiten.
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fortziehen wolle, um zum einen ihre Wohnstandards zu verbessern und zum anderen den Zugang zu besseren Schulen für ihre Kinder zu erschließen. Wohnforscher John Flint (Interview) weist jedoch auf ein methodologisches Problem solcher Befragungen hin, das darin bestehe, dass Personen in vorauseilendem Gehorsam häufig das antworteten, was sie für sozial erwünscht hielten. Dies zeigten auch die Erfahrungen in Nordirland, wo viele eine Präferenz für gemischtes Wohnen ausdrückten, dies aber in ihren tatsächlichen Wohnstandortentscheidungen nicht umsetzten. Mittlerweile scheint der britische Diskurs zu den Ursachen von ethnischer Segregation auch diejenigen Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die auf andere Ursachen als die Selbstsegregation der Minderheiten abheben. Der interviewte Mitarbeiter des für community cohesion zuständigen Ministeriums, David Anderson, zeichnet ebenfalls ein differenzierteres Bild für die Ursachen von ethnischer Segregation, das strukturelle Erklärungsmuster mit einbezieht. Insbesondere in den von den Unruhen betroffenen nordenglischen Städten könne man beobachten, wie die Südasiaten in den 1960er Jahren in die billigsten Wohnungsbestände in der Nähe ihrer Arbeitsstätten gezogen seien. Durch die Kettenmigration und den Familiennachzug hätten sich die Siedlungsmuster verstärkt. Der Traum, einmal in besseren Verhältnissen zu leben, sei jedoch durch die Rezession der 1970er Jahre und die Schließung der meisten Fabriken begraben worden und die ethnischen Minderheiten seien in den ärmsten Gebieten "steckengeblieben".
7.1.1.3 Niederlande: "Ethnische Segregation durch soziale Segregation" Im Vergleich zu Deutschland und Großbritannien fällt auf, dass in den Niederlanden deutlich weniger der freiwillige Rückzug der Migranten als Ursache für die Entstehung von ethnischer Segregation angeführt wird. Die geringere Unterstellung einer freiwilligen Segregation könnte darauf zurückgeführt werden, dass das Wohnstandortverhalten der Minderheiten in der Vergangenheit durch eine hohe Mobilität gekennzeichnet war. Bis heute haben sich die Siedlungsmuster stark verändert, etwa durch den fast vollständigen Fortzug aus dem billigen privaten und Wohneigentumssektor in die Sozialwohnungen, wo heute die Mehrheit der Zuwanderer lebt, oder durch die deutlichen Suburbanisierungstendenzen, wie sie oben beschrieben wurden. Möglicherweise handelt es sich, wie der Stadtgeograph van Kempen im Interview vermutet, auch um einen Effekt der traditionellen political correctness, der es verbiete, die Minderheiten für ihre noch immer etwas schlechteren Wohnbedingungen verantwortlich zu machen. Die Unterschiede könnten zudem auch auf einen stärkeren Glauben an die Gestaltbarkeit von Ge216
sellschaft zurückzuführen sein: Ein handlungswilliger Wohlfahrtstaat wie der niederländische könnte weniger auf die Individualisierung der Problemursachen angewiesen sein und stärkere Ambitionen haben, strukturelle Gründe zu beseitigen. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Konstruktionen von Problemursachen bereits spezifische Lösungsansätze implizieren, bietet die Betonung von sozialer Segregation zudem eine Legitimation, mit Policies genau an diesem Punkt anzusetzen. Die Politik der Mischung von Wohnformen, wie sie in NL populär ist, muss dann als treffsichere Maßnahme gegen soziale und damit ethnische Segregation erscheinen. Laut Nieuwboer (2003: 42) wird ethnische Segregation in NL häufig für eine Erscheinung der sozialen Segregation gehalten. Dabei wird auf die auch nach dem wirtschaftlichen Aufschwung von 2002 anhaltende geringere Arbeitsmarktbeteiligung der Minderheiten verwiesen. Die aktuellen Policies implizieren, dass die Konzentration der Minderheiten im Sozialwohnungsbestand sowie wiederum dessen Konzentration in bestimmten Stadtteilen ethnische Segregation verursache. So heißt es im Brief des damaligen Wohnungsbauministers Winsemius an das Parlament, die Hauptursache für die Konzentration der Migranten liege im Wohnungsbestand, wobei die Minderheiten aufgrund ihres geringeren Einkommens im bezahlbaren Wohnraum überrepräsentiert seien (VROM 2006: o.S.). Indes haben Autoren wie Ronald van Kempen (1998: o.S.) hervorgehoben, dass die Einkommenssegregation angesichts des großen niederländischen Sozialwohnungssektors, der auch gehobenen Einkommensschichten offen steht, eher gering ausfalle. Der Vorstellung einer sozial bedingten ethnischen Segregation widerspricht auch eine Studie des Sodal en cultureel planbureau (SCP) der niederländischen Regierung, die zu dem Ergebnis kommt, die Kombination aus einer Konzentration von günstigen Mietwohnungen in bestimmten Nachbarschaften mit den niedrigeren Einkommen der Minderheiten könne nur knapp die Hälfte der Unterschiede zu den Siedlungsmustern der Autochthonen erklären. Insbesondere bei den Türkischstämmigen spiele dieser Aspekt eine noch geringere Rolle. Lediglich in der Frühphase der Zuwanderung hätten diese Faktoren eine Bedeutung für die Wohnstandortentscheidungen der Minderheitenhaushalte besessen (SCP 2009: o.S.). Dabei greift die stadtökologische Tradition, die von einem engen Zusammenhang zwischen Segregation und niedrigem sozialen Status ausgeht, zu kurz. Für Aalbers und Deurloo (2003: 206) sind ethnische Konzentrationen auch insofern sozial bedingt, als sich privilegierte ethnische Gruppen wie westliche Allochthone und surinamesische Mittelschichtshaushalte vor allem im privaten und Wohneigentumssektor befänden und daher ein hohes Maß an ethnischer Segregation auf217
wiesen. Zugleich fUhren sie die für die Türken und Marokkaner insgesamt stärkere Segregation jedoch auch darauf zurück, dass die Surinamer bereit seien, einen höheren Anteil ihres Einkommens für das Wohnen aufzubringen, während Türken und Marokkaner höhere Mieten mieden und daher überwiegend in Vorkriegsbeständen oder in Gebäuden aus den frühen Nachkriegsjahren lebten. Blauw (1991: 52) hingegen fUhrt die im Vergleich zu Marokkanern und Türken geringere Segregation bei den Surinamern auf die offizielle Politik von 1975 bis 1979 zurück, für die Surinamer und Antillianer 5% der Wohnungen in geförderten Neubauten zu reservieren (siehe 7.3). Zugleich verweist er darauf, dass die Surinamer weniger konzentriert lebten, da sie bei der Wohnungssuche weniger auf die Hilfe von Freunden und Verwandten zurückgriffen (Blauw 1991: 52). lOS Dennoch gibt es auch in NL Stimmen, die die Existenz von Migrantenvierteln auf die Wohnstandortentscheidungen der Migranten zurückfUhren. Das SCP (2009: o.S.) schließt aus den teilweise entgegengesetzten Entwicklungen von Segregation zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen, dass Enklavenbildung, also die bewusste Wohnortwahl, eine Rolle spiele. Dabei betont die Studie zugleich, dass dies auf den Wunsch nach Nähe zu Familie und Freunden zurückzufUhren sei und nicht auf eine abstrakte Präferenz für ein "Unter sich Bleiben". Boukje Dingemans von der Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung de Alliantie berichtet im Interview, dass die Wohnwünsche der ethnischen Mittelklasse denen der Autochthonen insofern ähnelten, als Stadtteile mit einem hohen Anteil von nicht-westlichen Migranten von ihnen abgelehnt würden. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen einer Studie des SCP, wonach alle Gruppen - selbst die ethnischen Minderheiten selbst - einen hohen Anteil ethnischer Minderheiten in der Nachbarschaft bemängelten. Generell hätten Bewohner "schwarzer" Nachbarschaften weniger Kontakte zu ihren Nachbarn und die Fluktuation sei größer (Dagevos/Gijsberts 2007: o.S.). Zu denselben Ergebnissen kommen auch andere 105 Eventuell ist jedoch der Eindruck, Segregation werde in NL weniger auf die Entscheidungen der Minderheiten zurückgefllhrt, OOschlicherweise dadurch entstanden, dass aufgrund der nicht vorhandenen Niederländischkenntnisse der Autorin andere Quellen ausgewertet wurden als in den anderen beiden untersuchten Ländern: Auch in Deutschland und Großbritannien 0011 die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Ursachen von ethnischer Segregation weitaus facettenreicher aus, während sich in den Medien sowie Teilen der Politik und Wohnungswirtschaft eine stärkere Politisierung des Zuwanderungsthemas und Schuldzuweisung an die Adresse der Zuwanderer abzeichnet. Diese Primärquellen in Form von Policy-Dokumenten und Handreichungen blieben der vorliegenden Arbeit für die Niederlande überwiegend verschlossen. Zudem könnte der Eindruck einer sehr differenzierten und fundierteren Auseinandersetzung mit dem Thema von Seiten der wohnungspolitischen Akteure dadurch bedingt sein, dass ein großer Teil der interviewten Praktiker Sozialwissenschaftier waren (u.a. Verweij, Dignum, van de Veer, Hoogvliet), während unter den deutschen Interviewpartnern andere berufliche Hintergründe wie Juristen (Kulenkampff, Rips, Ridinger) dominierten.
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unabhängige sowie regierungsfinanzierte Untersuchungen (Aalbers 2002: o.S.; Interviews Kullberg; Sohilait). Eine Analyse der Bevölkerungsentwicklung von Marokkanern und Türken in Amsterdam zwischen 1994 und 2004 bestätigt diesen Eindruck ebenfalls: ,,In general no indications were found that one of these groups is consciously strengthening the ethnic identity of the residential areas they live in. Although the existing Moroccan clusters did appear to have become somewhat more Moroccan, the Moroccans themselves experienced a negative migration balance in those areas. Turkish clusters became even less Turkish and there was also a negative migration balance arnong Turks" (Musterd/de Vos 2007: 333).
Dennoch konstatieren einige Interviewpartner, dass die Wohnstandortentscheidungen der Minderheiten durchaus eine Rolle für die Entstehung von Segregation spielten. Eine interviewte Mitarbeiterin einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung berichtet, dass Zuwandererhaushalte laut einer unternehmensinternen Untersuchung in der Regel nach der Sanierung ihres Stadtteils in diesen zurückkehrten, während autochthone Haushalte ihren Dringlichkeitsstatus nutzten, eine Wohnung in einem populäreren Stadtteil zu finden (Interview van Gils). Auch Jeroen van de Veer vom Amsterdamer Dachverband der Wohnungsbauvereinigungen schildert diese Erfahrungen. Während insbesondere höher gebildete autochthone Haushalte einen Überblick über die gesamte Region hätten, sei der Radius vieler Migranten bei der Wohnungssuche deutlich geringer. Einige Wohnungsbauvereinigungen reagierten darauf, indem sie für von Abrissprogrammen betroffene Haushalte Exkursionen in andere Stadtteile und Neubaugebiete unternähmen, um die Wohnungssuchenden zu ermutigen, sich eine Wohnung außerhalb bekannter Nachbarschaften zu suchen. 106 7.1.2 Alternative Interpretationen
Obgleich sich das Deutungsmuster der freiwilligen Segregation insbesondere in der BRD und GB seit den 1970er Jahren bis heute hält, hat es stets alternative Deutungen gegeben, die häufig nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung, nicht aber den öffentlichen Diskurs zu prägen vermögen. Dabei scheinen alternative Erklärungsansätze immer dann verbreitet zu sein, wenn beispiels-
106 Die Beobachtung, die auch in Deutschland kolportiert wird, Migranten seien in ihrer Wohnungssuche auf einige wenige, ihnen bekannte Nachbarschaften beschränkt, ist insofern überraschend, als der Migrant eigentlich per definitionem als Inbegriff der räumlichen Mobilität gelten müsste.
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weise durch Wohnungsknappheit das Thema Wohnen eine generelle Politisierung erfährt und sich dementsprechend ein größeres Akteursspektrum auch öffentlich mit dem Thema Wohnen auseinandersetzt. Für Deutschland gilt diese Beobachtung insbesondere für die 1980er Jahre, als deutlich wurde, dass politische Entscheidungen Segregation bedingten und diejenigen, die im Dunstkreis von Mietervereinen und Sanierungsprojekten standen, betonten, dass die Wohnstandortverteilung sich nur zu einem kleinen Teil aus dem Verhalten der Ausländer selbst erklären lasse. Während das Thema Wohnen im Allgemeinen und mit ihm alternative Erklärungsansätze für Segregation in der BRD weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind, scheinen die vorgefundenen Bedingungen von Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik in GB und NL deutlich stärker als "Problemursache" wahrgenommen zu werden. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass auf angespannten Wohnungsmärkten deren Zwänge viel deutlicher zutage treten und es zudem in den traditionell multikulturalistischen Ländern eine größere Sensibilität für Benachteiligungen gibt. Neben Deutungen zu strukturellen Ursachen von ethnischer Segregation werden im folgenden Abschnitt Interpretationen zu externen Faktoren und zum Verhalten der Mehrheitsgesellschaft verglichen.
7.1.2.1 Deutung von Segregation als Ergebnis wohnungs- und sozialpolitischer Entscheidungen ERD: Gentrifizierung und Fehibeleger In den westdeutschen Ballungsgebieten der 1980er Jahren war die Frage des Wohnens von Migrantenhaushalten eng mit der Knappheit von Wohnraum verbunden. Dies wurde von vielen kritischen Autoren auf die mit der Sanierung einhergehende Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen zurückgeführt. Diese seien in den Innenstadtgebieten "in die Zange zwischen kommunal- und stadtentwicklungspolitischer Interessen" geraten, da das untere Mietpreissegment stark abgebaut worden sei (Naroska 1988: 259-260). Die Eigentumsförderung im Altbau seit 1977 habe für eine Modernisierung der Innenstädte und Gentrifizierung der Gründerzeitbestände gesorgt (Novy 1990: 33). Die Versorgungsengpässe wurden in damaliger Wahrnehmung noch durch die so genannten Fehibeleger verschärft, also solche Haushalte, die aufgrund ihres Einkommens eigentlich kein Anrecht auf eine geförderte Wohnung gehabt hätten. Nach einer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung seien 1977 etwa 40% der Sozialwohnungen fehlbelegt gewesen ("Der
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Spiegel", 12.1.1981).107 Nachdem in den 1980er Jahren die Fehlbe1eger für die Verknappung von bezahlbarem Wohnraum und somit für die Verdrängung von Ausländern und sozial schwachen Familien in die segregierten Gebiete des privaten Wohnungsmarktes verantwortlich gemacht wurden, hatten insbesondere in den frühen 1990er Jahren viele Bundesländer von der bereits 1981 geschaffenen Regelung Gebrauch gemacht, eine Fehlbelegungsabgabe festzulegen. Hierbei handelte es sich um eine Ausgleichszahlung, die diejenigen Bewohner von Sozialwohnungen zu entrichten hatten, denen durch ein gestiegenes Haushaltseinkommen eigentlich keine Sozialwohnung mehr zugestanden hätte. Vor dem Hintergrund einer wachsenden sozialen Polarisierung und Problemen wie Vandalismus und (gefühlter) Kriminalitätsbelastung in den Großwohnsiedlungen der 1990 Jahre wandelte sich jedoch die Einschätzung der einst kritisierten Fehlbeleger. Während das Thema der Fehlbelegungen noch in den 1980er Jahren teils als Argument gegen den Sozialwohnungsbau per se, teils nur als Erklärung für die Verdrängung der Migranten in den privaten Wohnungsmarkt angeführt wurde, sollte sich die Bewertung der Fehibeleger fundamental verändern. Insbesondere die Wohnungsanbieter fürchteten, die Fehlbelegungsabgabe könne zu einem Fortzug der sozial stabilen Bewohner einer Siedlung führen, da diese durch die Ausgleichszahlung einen Anreiz hätten, sich in anderen Stadtteilen zu nahezu gleichen Marktpreisen mit attraktiverem Wohnraum zu versorgen. Insbesondere in den Kommunen Nordrhein-Westfalens (NRW) wurden die möglichen segregationsverstärkenden Effekte der Fehlbelegungsabgabe diskutiert, mit der Folge, dass die Ausgleichszahlung in vielen Bundesländern zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder abgeschafft wurde (ILS 2006: 127).108 Auch in GB hat es eine ähnliche Verschiebung im Diskurs gegeben. Während die Mittelschichtsangehörigen unter den Sozialwohnungsmietern in den 1960er Jahren als Problem konstruiert und als "Kletten"109 diffamiert wurden, deren Mie107 Diese mangelnde Zielgenauigkeit der WobnraU1I1f1>rderung ist laut Häußermann/Siebel (1990: 228f.) vor allem im linken politischen Spektrum kritisiert worden, während von konservativer Seite dem sozialen Wohnungsbau angelastet wurde, er verringere Investitionsanreize und verhindere damit die Ausdehnung der Wohnungsproduktion. 108 Die Debatte um die möglichen Folgen der Ausgleichsabgabe war nach Einschätzung des ILS (2006: 127-128) allerdings vor allem von - wenn auch durchaus plausiblen - Mutmaßungen geprägt. Die seinerzeit SPD-gefiihrte Landesregierung NRW vertrat dabei den Standpunkt, dass eine segregationsfördernde Wirkung der Ausgleichsabgabe empirisch nicht nachgewiesen sei. Sie verwies auf eine Erhebung der Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes NRW, wonach die Fluktuation der Mieter in den fehlbelegten Wohnungen sogar geringer als im Gesarntbestand der öffentlieh geförderten Wohnungen sei. Dagegen habe es aus den Kommunen Hinweise gegeben, dass die Abgabe insbesondere bei entspannten Wohnungsmärkten segregationsfördernd wirken könne, da sie den Fortzug einkommensstärkerer Haushalte begünstige. 109 Iimpets, Engl. = Napfschnecke oder auch Klette
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ten sich an Marktpreisen orientieren müssten, wurde ihre Anwesenheit in den zunehmend marginalisierten Beständen ein Jahrzehnt später begrüßt (Jacobs/Kemeny/ Manzi 2002: 312). BRD: Verkauföffentlicher Wohnungsuntemehmen Die Wohnungspolitik in Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Hintergrund der Vorstellung institutionalisiert, dass die Wohnung nicht vorrangig Wirtschafts-, sondern in erster Linie Sozialgut sei (Heinelt 2004: 36). In den vergangenen Jahren hat sich diesbezüglich eine deutliche Akzentverschiebung ergeben, die von verschiedenen Akteuren als kritisch für die soziale und damit indirekt ethnische Segregation gewertet wird. Der Deutsche Mieterbund und das ,,zuwanderer in der Stadt"-Projekt der Schader-Stiftung wiesen in diesem Kontext auf die potenziell segregationsfördemden Folgen der Privatisierung ehemals öffentlicher Wohnungsunternehmen hin. In den vergangenen Jahren sind nach Schätzungen etwa 800.000 Wohnungen an internationale Finanzinvestoren verkauft worden (Mieterbund 2006: o.S. ).110 Nach Auskunft kommunaler Akteure verfolgten die Investoren zwei entgegengesetzte Vermietungsstrategien, die jedoch beide die soziale und damit ethnische Segregation verstärken können. Entweder neigen sie in Vermieterrnärkten zu cherry-picking, sind also stark selektiv in der Auswahl ihrer Mieter oder sorgen durch den Weiterverkauf der Wohnungen an die Mieter für eine Verdrängung der weniger zahlungskräftigen Bewohner in andere Bestände. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes betont im Interview, dass die Privatisierung nach Ergebnissen einer Studie vor allem deshalb segregationsfördernd sei, da die neuen Besitzer auf angespannten Märkten die Migranten als Zielgruppe mieden. Für die Maximierung der Rendite seien Migrantenhaushalte eher hinderlich, weil sie häufig einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand produzierten. In entspannten Wohnungsmärkten oder solchen mit geringer Nachfrage berichten wohnungspolitische Akteure hingegen davon, dass die Finanzinvestoren gerade um sozial schwächere Haushalte wie Transferleistungsempfänger werben, da sie hier staatlich gesicherte Mieteinnahmen erwarten können (vgl. ILS 2006: 136; Planerladen 2004: 26). Überspitzt formuliert könnte die Privatisierung von Wohnungsuntemehmen somit zum neuen "Motor der Segregation" werden, da privatisierte Unternehmen aufVollvermietung setzen, die gerade in den weniger attrakti-
110 Verschiedene kommunale Akteure berichteten anlässlich einer Fachtagung des Instituts flir Städtebau und Wohnungswesen im November 2006 in FrankfurtlMain, dass sich viele der neuen Eigentümer aus der Zusammenarbeit in Fragen der Stadtentwicklung zurückgezogen hätten (Mitschrift der Autorin).
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ven 1970er-Jahre-Siedlungen nahezu ausschließlich über die Vermietung an Arbeitslosengeld-II-Empfanger zu erreichen ist. Auch der interviewte Geschäftsführer eines Frankfurter Wohnungsunternehmens, Junker, geht von einer segregationsverstärkenden Wirkung der Privatisierung aus, da die neuen Eigentümer bei der Vermietung keine vorsichtige Auswahl im Sinne sozial sensibler Bewohnerstrukturen praktizierten. Wie später zu zeigen sein wird, zeichnet sich jedoch hiermit ein Muster ab, das auch im öffentlich geförderten Mietsektor zutage getreten ist. Hinter der Kritik an den vermeintlich segregationsfördemden Belegungspolitiken der neuen wohnungspolitischen Akteure steht häufig die Abwehrstrategie solcher Unternehmen, die selbst den eigenen Verkauf fürchten müssen, während in der Regel die wohnungswirtschaftlichen Verbände beschwichtigen, da die neuen Eigentümer zu ihren Mitgliedern zählen. BRD: Folgen der Hartz-Reformen Die Hartz-IV-Gesetzgebung wird von vielen als folgenschwer für die Wohnstandortentscheidung einkommensschwacher Haushalte eingeschätzt. Der Präsident des Deutschen Mieterbundes sieht darin eine weitere, aktuelle Ursache von sozialer und damit auch ethnischer Segregation. Da die Unterkunftskosten nur noch in den Angemessenheitsgrenzen übernommen würden, müssten die betroffenen HartzIV-Empfanger in preisgünstigere Wohnungen ziehen, sodass es in preiswerten Wohnungsbeständen zu einer Konzentration einkommensschwacher Haushalte komme (Interview Rips). Der interviewte Mitarbeiter des Münchener Stadtplanungsreferats, Folda, bezweifelt hingegen, dass es in München angesichts der angespannten Wohnungsmarktlage segregationsverstärkende Umzugsketten geben könne. Der interviewte Vorstand eines Bremer Wohnungsunternehmens sieht zwar eine potenzielle Gefahr, dass es zu Konzentrationen in Hartz-IV-fähigen Beständen kommen könne, stellt aber fest, dass es gegenwärtig in Bremen eine Abschwächung der Entwicklung gegeben habe, da die Stadt erkannt habe, dass das Ingangsetzen von Umzugsketten mit politischen und finanziellen Kosten verbunden sei. Von kommunaler Seite würde daher der Versuch unternommen, sein Unternehmen zu einer Senkung der Mietkosten zu bewegen, was allerdings nur in Gebieten mit hohen Leerständen erfolge. GB: Struktur des Wohnungsangebotes und Wohnungsnot Vor allem in Großbritannien wird ethnische Segregation traditionell als Ursache der Strukturen des Wohnungsmarktes gedeutet, der durch einen hohen Anteil an Wohneigentum, Wohnungsknappheit und einen residualisierten kommunalen So-
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zialwohnungsbestand gekennzeichnet ist. Eine Ursache, weswegen selbst solche Minderheitenhaushalte in den durch privaten Wohnungsbestand geprägten Innenstädten zurückbleiben, die gern in eine Sozialwohnung ziehen würden, liegt darin, dass die Sozialwohnungsgrößen häufig nicht den Bedürfnissen von größeren Familien mit vielen Kindern entsprechen: "What happens is you leave the people in very poar quality overcrowded conditions, sirnply because as a social housing provider you cannot put thern into better quality housing where they would be less overcrowded but still overcrowded by OUT standards, and so they just stay there. That's a real problem" (Interview Cheesman).
Auch wenn Minderheiten den Zugang zum Sozialwohnungssektor gefunden haben, ergeben sich Konzentrationen bestimmter Gruppen durch die Struktur des Angebotes. Dies liegt etwa daran, dass Minderheiten, insbesondere schwarze Karibischstämmige, häufig in den Beständen der housing associations anzutreffen sind. Deren Immobilien sind jedoch geographisch noch ungleichmäßiger verteilt als die kommunalen Bestände und befinden sich vor allem in der Londoner Innenstadt sowie in größeren Städten und kaum in ländlichen Gebieten oder in Kleinstädten. Dieser Trend wird noch dadurch verstärkt, dass ethnische Minderheiten das Wohnungsangebot der BME housing associations nutzen, das noch stärker auf wenige Standorte konzentriert ist (Phillips 2005: 40). Da es bis zum Ende der I990er Jahre keine zentralen Interessentenregister gab, erfolgte die Wohnungssuche direkt bei den Wohnungsbauvereinigungen selbst, die meist entweder in der Innenstadt oder in den Vororten ihre Bestände haben, sodass ein Umzug von der Innenstadt in den Vorort nicht innerhalb derselben Wohnungsbauvereinigung möglich war (PhillipslKarn 1991: 76). Britische Wissenschaftler wie David Robinson (Interview) haben zudem betont, dass die Konzentration von ethnischen Minderheiten in bestimmten Nachbarschaften dadurch gefördert werde, dass sie überdurchschnittlich häufig obdachlos sind (siehe 6.3.8). Dies sei vor allem der Fall bei Asylbewerbern, die nach der Bewilligung ihres Asylgesuchs genau 28 Tage Zeit hätten, sich eine Wohnung zu suchen und aus der bis dahin bereitgestellten Wohnung auszuziehen. Eine Mehrzahl melde sich daraufhin bei der Gemeinde als obdachlos, was zur Folge habe, dass sie - wie Obdachlose generell- genau eine Wohnung angeboten bekämen, die sie nicht ablehnen dürften. So entstünden Cluster in besonders unpopulären Kommunalwohnungsbeständen (vgl. Pawson/Kintrea 2002: 657; MacEwen 1991: 232). NL: Segregation durch Stadterneuerung Der Bericht der Blok-Kommission (2004: o.S.), die vom niederländischen Parlament zur Evaluierung bisheriger Integrationspolitiken eingesetzt worden war,
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kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die wachsende Zahl von Migrantenvierteln in den großen Städten in den 1990er Jahren aufwohnungspolitische Entscheidungen zurück zu führen sei. Im Einzelnen nennt das Gutachten die Übertragung der Sozialwohnungen an die Wohnungsbauvereinigungen, die steigenden Mietpreise sowie die Versuche, höhere Einkommensschichten zum Fortzug aus den Sozialwohnungen zu bewegen. Der Stadtumbau sowie der geringe Anteil von Sozialwohnungen in den so genannten VINEX-Siedlungen hätten ein Weiteres dazu beigetragen. Beispielsweise in Arnsterdam führte die Stadterneuerung der 1970er und 1980er Jahre zu einer Verdrängung der größeren Migrantenhaushalte, da Vorkriegsbestände der Innenstadt auf Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen verkleinert wurden. Hier hat sich eine Verschiebung von Siedlungskonzentrationen an die städtische Peripherie vollzogen. In Rotterdam hingegen wurden relativ große Wohnungen während der Sanierung der Innenstadt bewahrt, sodass türkische und marokkanische Haushalte bis heute überwiegend in diesen traditionell durch einen hohen Zuwandereranteil gekennzeichneten Gebieten anzutreffen sind (van Kempen 1998: o.S.). Hinzu kommt, dass der niederländische Wohnungsmarkt - insbesondere in den Großstädten - stark angespannt ist. Die durchschnittliche Wartezeit auf eine Sozialwohnung in Amsterdam beträgt zwölf Jahre (Interview Slot). "The resulting queues implied that newcomers had to cope with whatever they could get while waiting 10 be served" (van Kempen/van Weesep 1997: 192). Aktuell sind die Wohnungsmärkte der Großstädte durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet, da die Stadtentwicklungpolitik mit dem Abriss von zehntausenden von Wohnungen einhergeht. Diese Maßnahmen sollen zwar die soziale Mischung und damit letztlich auch die ethnische Mischung in den betroffenen Gebieten erhöhen, könnten aber Segregation einfach nur verpflanzen: Da alle Bewohner einer abzureißenden Siedlung einen Vorrangstatus für die Sozialwohnungsberechtigung erhalten, Wohnraum aber weiterhin knapp ist, kommt es vor, dass ehemalige Nachbarschaften einfach in ein noch freies Neubaugebiet verlagert werden, wie Irene Willems vom Utrechter Stadterneuerungsprogramm schildert. Dies werde von den betroffenen Haushalten kritisiert, die sich ein sozial und ethnisch gemischtes Umfeld wünschten und den Auszug aus besonders stigmatisierten Stadtteilen als einen Neuanfang begreifen wollten (Interview).
Diskriminierung im Sozialwohnungssektor Der Sozialwohnungssektor hat in allen drei Ländern insbesondere in den Anfangsjahren der Zuwanderung insofern zur Segregation beigetragen, als die Migranten zunächst rechtlich, später de facto keinen gleichberechtigten Zugang hatten und dementsprechend in den privaten Mietwohnungssektor gedrängt wurden. 225
In Deutschland wurden bis in die 1980er Jahre Zugangsschwierigkeiten der Ausländer im öffentlich geförderten Sektor dokumentiert. Obwohl im Jahr 1972 davon ausgegangen werden konnte, dass mindestens die Hälfte aller ausländischen Familien und fast alle allein stehenden ausländischen Frauen von ihrer Einkommenshöhe her Anspruch auf eine Sozialwohnung gehabt hätten (Schildmeier 1975: 28), bewohnten tatsächlich nur 1% der Ausländer eine solche. Weitere 8% lebten in Werkswohnungen (a.a.O.: 36f.). Überwiegend fanden ausländische Haushalte also auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Bleibe, wenn auch mit deutlich schlechteren Standards als bei den deutschen Mietern. Zwar bestand rechtlich ein gleichberechtigter Zugang zu Sozialwohnungen, aber noch 1983 spricht die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John von einer "faktisch vorhandenen Zugangssperre" zu Wohnungsteilmärkten wie dem sozialen Mietwohnungsbau (Der Senator für Gesundheit, Soziales und Familie/Ausländerbeauftragter 1983: 49). Dies greift auch Bendix Klingeberg (1983a: 212) von der Bürgerinitiative ausländischer Arbeitnehmer Wilhelmsburg auf: ,,Die sogenannte Vergabesperre (von Sozialwohnungen an Ausländer) in Hamburg ist eine bewußt unjustiziabel gehaltene, sorgf1!ltig ausgeklügelte Maßnahme staatlicher Ausländerfeindlichkeit, die effektiver und billiger aLs Zuzugssperren ist. Sie dient lediglich dazu, die deutsche Bevö1kerung zu beruhigen und leistet dem Rassismus Vorschub. (...) Da die Vergabesperre nur öffentlich verfügbaren Wohnraum erfaßt, treibt sie die Mieten für noch verfligbaren privaten Wohnraum hoch."
Zwischen 1978 und 1980 stellten bundesweit 31 % der türkischen Arbeitsmigranten einen Antrag auf eine Sozialwohnung, aber insbesondere kinderreiche Familien hatten mit langen Wartezeiten zu rechnen. De jure hatten Gastarbeiterfamilien zwar einen Anspruch auf die Zuteilung einer Sozialwohnung, aber de facto erhielten sie eine solche meist erst dann, wenn das zuständige Amt schon mehrfach vergeblich versucht hatte, diese Sozialwohnung an eine deutsche Familie zu vergeben (Bursa 2007: 121; Gude 1990: 253). Winter von Gregory (1983: 266) untersuchte Anfang der 1980er Jahre zwei Vermittlungsmodelle im öffentlich geförderten Wohnungsbau: das private Modell, in dem sich die Wohnberechtigten direkt an das Wohnungsunternehmen wenden, und das gemischte Modell, in dem das städtische Wohnungsamt den Wohnungsunternehmen zentral drei Bewerber zur Auswahl weiterleitet. Dabei bezeichnet Winter von Gregory es als frappierend, wie schnell sich die Sachbearbeiter ein Urteil über die Bewerber zutrauten. Über einige Personengruppen gebe es ausgeprägte Alltagstheorien, die von den Sachbearbeitern, häufig mit Schlüsselerlebnissen illustriert, immer wieder vorgetragen würden. Insbesondere Türken waren nach Aussage der befragten Sachbearbeiter nicht gern gesehene Mieter, "weil sie 226
gleich Etagenbetten fiir ihre Landsleute aufstellen". Auch EchterIBrühl kamen 1984 (S. 91) zu dem Ergebnis, die Wohnungsunternehmen fiirchteten durch die Aufnahme von Ausländern ein Absinken der Sozialstruktur und damit ein "Umkippen" des Wohnquartiers. Im Gegensatz dazu kam Winter von Gregory (1983: 276) bei den städtischen Wohnungsämtern zu dem Ergebnis, dass hier nicht so sehr eine Selektierung nach "Erträglichkeit" im Vordergrund stehe, sondern die Feststellung der Bedürftigkeit. Indes berichten EchterlBrühl (1984: 91) davon, dass die kommunalen Wohnungsämter auf die Interessen der Vermieter Rücksicht nahmen, obgleich diese dennoch über eine zu hohe Zuteilung durch das Wohnungsamt klagten. "I cannot, after all, propose three foreign families 10 an individual owner so as to force him to take one" wird auch von Blanc (1992: lOf.) ein Abteilungsleiter zitiert. Wird eine Sozialwohnung frei, über die die Kommune ein Belegungsrecht ausüben kann, berichten EchterlBrühl (1984: 91) in einer Studie des Deutschen Instituts fiir Urbanistik, "so wird dies von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen dem Wohnungsamt häufig mit dem sog. KA-Vermerk = Kein Ausländer weitergemeldet, d.h. die Kommune wird gebeten, keine Ausländer als Mieter vorzuschlagen." Das Motiv fiir die Kommune, sich an diese Vorgaben zu halten, ist laut Waldorf (1990: 639) die Befiirchtung, die Wohnungsunternehmen würden die Wohnungszuteilung sonst selbst wieder übernehmen wollen. Die meisten hielten sich deshalb z.B. bei Ausländerfamilien an die Forderung der Wohnungsunternehmen, diese möglichst nicht zu konzentrieren. Andererseits zeigte ein Zahlenvergleich aus Bielefeld, dass dort im gemischten Modell mehr als dreimal so viele Ausländer eine Wohnung erhielten wie im privaten Modell, dass also Behörden aufgeschlossener sind und die Forderung der Wohnungsunternehmen nicht unbesehen akzeptieren. Noch in den 1990er Jahren waren Migranten insofern im Sozialwohnungssektor benachteiligt, als sie mit längeren Wartezeiten konfrontiert waren, sowohl wenn sie sich ans Wohnungsamt wandten, als auch wenn sie sich bei den Wohnungsunternehmen direkt bemühten, wie eine Studie des InWIS aus dem Jahr 1996 in Dortmund verdeutlichte. Südeuropäische Familien mit vielen Kindern mussten hier besonders lang auf eine Wohnung warten. Ausländische Haushalte mit fünf oder mehr Mitgliedern warteten im Schnitt 40 Monate auf eine neue Wohnung, bei deutschen Familien dieser Größe waren es lediglich 24 Monate (Behrendt et al. 1996: 100). Diese Faktoren werden jedoch in der deutschen Debatte nicht in Zusammenhang mit ethnischer Segregation gebracht und werden generell nicht öffentlich diskutiert. In Großbritannien ist die diskriminierende und damit oftmals segregationsverstärkende Rolle der Sozialwohnungsvergabe bis heute ein aktuelles Thema, das 227
durch zahlreiche Untersuchungen belegt ist. Während der ersten Zuwanderungswellen nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkte der Sozialwohnungssektor die Konzentration der Zuwanderer in den ärmsten privaten Beständen sowie im Substandard-Eigenheim, da die Kommunalwohnungen Migranten prinzipiell nicht offen standen (Phillips 1998: 1682; Smith 1989: 103). Auch nach seiner offiziellen Öffnung blieb der Sozialwohnungssektor :für lange Zeit den ethnischen Minderheiten de facto verschlossen, da nur diejenigen Zugangsrechte besaßen, die seit mindestens fünf Jahren in der Gemeinde gemeldet waren (phillips/Kam 1991: 67).111 Später wurden Migranten dadurch indirekt ausgeschlossen, dass Wohnungsvergabeprogramme den Söhnen und Töchtem der bereits ansässigen Familien Vorrechte bei der Vergabe von freiwerdenden Wohnungen einräumten oder die Gemeinden ein System einsetzten, wonach die Vermietung nur an durch Vormieter empfohlene Personen erfolgte (Hann 1997: 158). Als ethnische Minderheiten in den folgenden Jahren den Zugang zum sozialen Wohnungsbestand erlangten, wurden dennoch immer wieder Fälle von Diskriminierung aufgedeckt. Diese Benachteiligungen durch verschiedene Gemeinden, die ihren Ermessenspielraum zuungunsten der Minderheiten ausreizten, sind heute weitreichend dokumentiert. Sie bestanden zum einen darin, dass den schwarzen Haushalten scWechtere Unterkünfte vermittelt wurden und sie zudem in solche Bestände gelenkt wurden, die die weißen Haushalte bereits verlassen hatten (MacEwen 1991: 230). Die Zugangsbeschränkungen im sozialen Sektor und die Diskriminierung im privaten Sektor spielten somit bei der Herausbildung der ethnischen Segregation eine komplementäre Rolle. Insbesondere im Umgang mit der ersten Generation der Zuwanderer taten sich die Wohnungsämter schwer, ihre Vorstellungen eines Haushaltes und seiner Bedürftigkeit auf die Minderheiten zu übertragen. Angesichts von Mehrfamilienhaushalten oder reinen Männerwohngemeinschaften - insbesondere bei den pakistanischenArbeitsmigranten - sei die Wohnungsvergabe an einer strikten Interpretation dessen gescheitert, was ein Haushalt sei (Flett 1984b: 53). Eine Arbeitsgruppe von Wohnungsamtsleitem räumte 1976 ein, dass manche Familien möglicherweise von vornherein als Problem angesehen würden, etwa wenn es viele Kinder gebe oder die Mutter alleinerziehend sei - beides Eigenschaften, die überproportional auf ethnische Minderheiten zutreffen (Working Party 1976: 31).
111 Asiaten blieben im kommunalen Wohnungsbestand deutlich unterrepräsentiert. In einer Stichprobe von 1974 nutzten nur 4% dieser Gruppe diese Bestände, im Vergleich zu 26% der Migranten von den Westindischen Inseln und 32% der Gesarntbevölkerung. Im National Dwe//ing anti Household Survey des Jahres 1977/78 hatten sich die Anteile auf 10% der Asiaten, 45% der Wes/indians und 30% der Weißen erhöht (Flett 1984b: 52).
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Kommunikationsschwierigkeiten bei Hausbesuchen in der alten Wohnung könnten möglicherweise zu weiteren Vorbehalten:führen (a.a.O.: 11). Auch Hazel Flett (1984b: 70) berichtet von Konflikten, die etwa dadurch entstünden, dass Minderheitenhaushalte nicht verstünden, dass sie ihre Sozialwohnung nicht untervermieten oder an Verwandte vergeben dürften, während sie sich vorübergehend im Heimatland aufhielten. Auf Seiten der Gemeinden habe es Angst und Vorbehalte gegeben, dass die Sozialwohnungen als Wohnheime missbraucht werden könnten, dass sie überbelegt würden und sich ihre Bewohner nicht an die Hausordnung hielten. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Rolle des individuellen, für Vermietungen zuständigen Sachbearbeiters so gut wie nie thematisiert wird, gibt es in GB eine Vielzahl von Untersuchungen zur zugangsbeschränkenden Rolle dieser gatekeeper (für eine Diskussion des Forschungsstandes siehe Tomiins 1997). Dabei wurde argumentiert, dass gatekeeper den Zugang zu Wohnraum bestimmten und somit für Ungleichheit verantwortlich seien. Personen handelten nach eigenen impliziten Werten, die möglicherweise rassistisch seien (a.a.O.: 180). Dies gehe einher mit einer patemalistischen Zuteilung, welche Gegend zu jemandem passe (a.a.O.: 183). ,,In some districts during some periods ofthe last forty years (...) administrators allocating public housing units acted on their ideas about which sort ofpeople belonged in which sort ofunits, and sometimes would claim that the existing resident did not want to live near Blacks when they allocated units to Blacks in other, often inferior, units" (Young 2000: 204).
Dabei haben sich selbst scheinbar objektive Punktesysteme für die Vergabe von Sozialwohnungen als wenig transparent erwiesen. Obwohl also die direkte Lenkung von Minderheiten in ethnisch geprägte Quartiere illegal ist, berichtet das Chartered Institute 0/Housing (2003: 9) von anekdotenhaften Belegen dafür, dass Wohnungsamtsmitarbeiter ethnische Minderheiten aus manchmal wohlgemeinten, manchmal dubiosen Motiven von weißen Gegenden "weglenkten". Neben diesen Begründungen von Benachteiligung, die auf das Verhalten des individuellen Sachbearbeiters abzielen, wurde in GB herausgestellt, dass auch Organisationen selbst Rassismus transportierten und das Fehlverhalten des einzelnen Mitarbeiters oft durch eine mangelnde institutionelle Sensibilität gedeckt werde (Tomiins 1997: 182). So könnten sich scheinbar objektive Auswahlmechanismen negativ für die Minderheiten erweisen, etwa wenn das Wohnungsamt Wohnungen auf Grundlage eines Punktesystems vergebe, das Wartedauer belohne und große Familien benachteilige. Anderswo seien Wohnungssuchende nicht hinreichend darüber informiert worden, dass sie zwei Wohnungen, die ihnen vom Wohnungsamt angeboten werden, ablehnen dürften (MacEwen 1991: 231). 229
Während direkte Diskriminierung im öffentlichen Wohnungssektor heute durch den Race Relations Act eine absolute Ausnahme darstellt, wurde in den Interviews wiederholt darauf verwiesen, dass ethnische Minderheiten bei der Sozialwohnungsvergabe indirekt benachteiligt sein könnten: ,,Particular mainstream white led providers were missing out, for all the reasons that people for many years have identified in terms of access issues - how they are marketed, how people are supported to engage with and apply for acco=odation, the kinds and ways in which applicants are prioritised, where the stock is located, and the nature of the stock, and all those kinds of issues seemed to be limiting the likelihood of minority ethnic people applying and being successful in the application process" (Interview Robinson).
Eine solche Sensibilität für gleichberechtigte Zugangschancen sucht in der BRD ihresgleichen. Es ist zu vermuten, dass der Ausländerstatus eine Ungleichbehandlung weniger anstößig macht, als eine Benachteiligung prinzipiell gleichberechtigter Staatsbürger. Auch in den Niederlanden haben die Zugangsbeschränkungen im Sozialwohnungssektor in den ersten Jahren der Zuwanderung zu einer Konzentration der Minderheiten im minderwertigen privaten Mietwohnungssektor sowie im Substandard-Eigenheim beigetragen. Auch als die Sozialwohnungsbestände für ethnische Minderheiten geöffnet wurden, blieben die Migranten ausgeschlossen. Arbeitslose mussten mindestens fünf Jahre in einer Gemeinde gelebt haben, um sich für deren Sozialwohnungen registrieren zu können. Alleinreisende Migranten waren zudem von der Registrierung ausgenommen, solange ihre Familien noch nicht in NL lebten (Blauw 1991: 59). Wie in der BRD zur selben Zeit durften die ausländischen Gastarbeiter jedoch ihre Familie paradoxerweise nur dann nachziehen lassen, wenn sie eine gesicherte und angemessene Wohnung nachweisen konnten (Bolt/van Kempen 2002: 405; van Hoorn/van Ginkel1986: 191). Kommunale Zuzugsbeschränkungen auf Grundlage der Ethnizität waren Mitte der 1970er Jahre verboten worden. Eine Vielzahl von Studien förderte jedoch zutage, dass die Wohnungsbauvereinigungen in den 1970er und 1980er Jahren inoffiziell den Zugang der Migranten zu einigen Beständen behinderten (Blauw 1991; Interviews Kullberg; Musterd). Dabei ist auffällig, dass vor allem die Gastarbeiter und weniger die ehemaligen Kolonialbürger betroffen waren: ,,11 is a poorly kept secret that housing administrators are hesitant to allocate houses to Mediterraneans in the 'better' parts of their properties" vermerkten van Hoom und van Ginkel (1986: 192).112 112 1982 zog ein türkischer Wohnungssuchender in einer Kleinstadt erfolgreich gegen eine Wohnungsbauvereinigung vor Gericht, die in einem Zeitraum von fünf Jahren genau einer Migrantenfamilie eine Wohnung vermittelt hatte (K.ullberg 2002: 557).
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In den 1980er Jahren kam eine Befragung des damaligen Branchenverbandes der Wohnungsbauvereinigungen, Nationale Woningraad, zu dem Ergebnis, dass 35% seiner Mitgliedsunternehmen Nationalität zum Auswahlkriterium für die Wohnungsvergabe machten. Zuständige Minister hätten dies zwar kritisiert, aber keine rechtlichen Schritte unternommen (Aalbers 2002: o.S.). Es ist zu vennuten, dass eine Ungleichbehandlung der Minderheiten mit niederländischer Staatsbürgerschaft stärker als diskriminierend geahndet worden wäre, während eine Ungleichbehandlung auf Grundlage der Nationalität, wie sie bis heute in der BRD bei der Wohnungsvergabe gängig ist, in der Vergangenheit auch in NL aufwohlfahrtskulturelle Resonanz stieß. Allerdings schildern die drei Interviewpartner einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung, dass ihnen auch Aussagen von Surinamem bekannt seien, die in den 1980er Jahren Probleme gehabt hätten, in bestimmten "weißen" Nachbarschaften eine Wohnung zu bekommen. Zudem wurde die Komplexität des niederländischen Wohnungsmarktes von den Interviewpartnem als Grund für die Schwierigkeiten einiger Minderheiten ausgemacht, sich nichtsegregiert einen Wohnort zu suchen. Insbesondere in den 1980er Jahren, konstatiert Adriaan Hoogvliet, hätte die durch die "Versäulung" bedingte Zerfaserung der Wohnungsanbieter eine Hürde für ethnische Minderheiten dargestellt. Eine Untersuchung des niederländischen Wohnungsbauministeriums 1993 zeigte, dass die Vermietungsergebnisse für Minderheiten in solchen Kommunen schlechter ausfielen, in denen Wohnungsbauvereinigungen ein größeres Maß an Handlungsspielräumen genossen im Vergleich zu solchen Städten, in denen die Gemeinde einen stärkeren Einfluss bei der Wohnungsvergabe ausübte (Kullberg 2002: 557). Dieses Ergebnis deckt sich mit den bereits zitierten Erkenntnissen aus den 1980er Jahren in der BRD. Durch die Standardisierung der Wohnungsvergabe in den 1990er Jahren ist der Handlungsspielraum der Wohnungsbauvereinigungen stark reglementiert und eingeschränkt worden. Dennoch geht das Duteh Monitoring Center on Racism and Xenophobia davon aus, dass die Vergabekriterien für Sozialwohnungen weiterhin Ungleichheiten zwischen Autochthonen und Allochthonen zementierten. Hierzu zählten die Wohndauer, das Alter sowie die Wartezeit (Nieuwboer 2003: 40). Der negative Effekt des Kriteriums der Aufenthaltsdauer sei auch von einer Studie zu Konzentration und Segregation der Anti-Diskriminierungshotline in Den Haag nachgewiesen worden. Da die durchschnittliche Wohndauer der Minderheiten lediglich halb so lang sei wie die der Mehrheitsgesellschaft, könne dies das Fortbestehen ethnisch geprägter Quartiere erklären. "Length of residence is the most important requirement for gaining access to the better houses in the better districts, which is why the length of residence criterion results in discrimination based on ethnicity" (Nieuwboer 2003: 41). 231
Benachteiligt sind die Migranten aber nicht nur durch eine kürzere Wartezeit, sondern auch dadurch, dass sie durch beengte Wohnverhältnisse keine Wahl haben, lange auf eine bessere Wohnung zu warten. Wenn sie sich unter Zeitdruck jedoch für die erste angebotene Wohnung entscheiden, wird ihre Quali:fizierungszeit wieder auf null zurückgesetzt und sie verbleiben in den weniger attraktiven Beständen (Aalbers/Deurloo 2003: 200). In den Fokusgruppen-Interviews des SCP (2009: o.S.) äußerte jedoch keiner der Teilnehmer Diskriminierungserfahrungen im sozialen Sektor oder konnte Entsprechendes aus seinem Umfeld berichten. Schrumpfung und Residualisierung des Sozialwohnungssektors Eine Verengung der Zugangsrechte zu sozialem Wohnraum auf die einkommensschwächsten Teile der Gesellschaft wird vor allem von Stadtforschern in allen drei Ländern als gefährlicher Beitrag zur Marginalisierung dieser Bestände abgelehnt und als potenzielle Ursache für wachsende soziale Segregation kritisiert (Häußermann 2005). Die Begrtindungszusammenhänge fallen dabei jedoch für Deutschland und die Niederlande anders aus als für Großbritannien. Während in der BRD und NL durch die Schrumpfung und Residualisierung des Sozialwohnungssektors eine Konzentration der sozial schwachen ethnischen Minderheiten in den verbleibenden Beständen gefürchtet wird, entpuppt sich der englische Sozialwohnungssektor gerade deshalb als segregationsfördernd, weil ethnische Minderheiten hier unterrepräsentiert sind. In Deutschland stellt sich seit den späten 1980er Jahren die Verringerung des sozialen Wohnungsbestandes als Ursache für soziale und damit ethnische Segregation dar. Da der Neubau preiswerter Sozialwohnungen ebenso dramatisch gesunken war wie die Fertigstellung freifinanzierter Mietwohnungen durch private Bauherren, und sich der Bund 1986 aus dem sozialen Mietwohnungsbau zurückgezogen hatte, warnte Klaus Novy 1990 (S. 30), in Großbritannien und der Bundesrepublik drohe erstmals ein großer Bestand an sozialem Wohnraum zum Armenhaussektor zusammenzuschrumpfen. Dies hat sich seit dem Wohnraumfördergesetz 2002, das erstmals als Zielgruppe nicht mehr "die breiten Schichten der Bevölkerung" benennt, sondern diejenigen "Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind" weiter verstärkt. Insbesondere im Projekt "Zuwanderer in der Stadt" wurde argumentiert, dass sich die soziale und damit ethnische Segregation durch das Auslaufen der Be1egungsbindungen in Zukunft verstärken werde. Steuerungsoptionen gingen verloren, da der Bestand sozialgebundenen Wohnraums fortlaufend schrumpft. Damit sinke die Bedeutung des kommunalen Be1egungsrechtes als Instrument zur räumlichen "Verteilung" von Sozialwohnungsberechtigten in den
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Wohnquartieren dramatisch. "Im Jahre 1980 gab es in der Bundesrepublik etwa 4 Millionen Sozialwohnungen und 1 Million Arbeitslose, im Jahr 2005 gibt es nur noch 1 Million Sozialwohnungen, aber mehr als 4 Millionen Arbeitslose" (Häußermann 2005: o.S.). Da sich zudem die verbleibenden Sozialwohnungen in bestimmten, neueren Beständen konzentrieren, könnte die soziale und damit auch ethnische Segregation zunehmen (Münch 2007: 49). In Großbritannien fällt die Stigmatisierung und Residualisierung des kommunalen Sozialwohnungssektors weitaus dramatischer aus. Nach den beiden Weltkriegen war der englische kommunale Sozialwohnungsbau zunächst für die arbeitenden Massen und nicht für einkommensschwache Haushalte interpretiert worden (WinterlWinter von Gregory 1983: 56). In den kommenden Jahrzehnten sollte sich jedoch sowohl der soziale Status der Council-Bewohner als auch die Wahrnehmung der Siedlungen grundlegend ändern; Bereits seit den 1970er Jahren galt der Council-Sektor nur noch als Sektor der letzten Wahl (Jacobs/Kemeny/Manzi 2002: 313). Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Zusammenhang zwischen ethnischer und sozialer Segregation deutlicher ist, bedeutet die Residualisierung des englischen Sozialwohnungssektors gerade nicht die Konzentration der ethnischen Minderheiten in den verbleibenden Beständen. Heute ist der soziale Wohnungsbestand trotz seiner vergleichsweise besseren Standards gegenüber dem privaten Sektor zu einem Ausmaß stigmatisiert, dass es insbesondere ethnische Minderheiten vorziehen, in überbelegten Substandardwohnungen des privaten Sektors und damit in den segregierten Innenstadtbereichen zu verharren (Interview Beider). In den Niederlanden wurde der Sozialwohnungssektor nie als Segment betrachtet, das nur unteren Einkommensschichten vorbehalten wäre, mit der Konsequenz, dass Nachbarscha:ften mit hohem Sozialwohnungsanteil traditionell sozial gemischt waren. Ähnlich wie in der BRD wurde jedoch in einem Memorandum des Wohnungsbauministeriums aus dem Jahr 1989 die Bekämpfung der Fehlbelegung zu einem wesentlichen Ziel erhoben. Obgleich der niederländische Sozialwohnungssektor traditionell keine Einkommensbeschränkungen kannte, wurde genau diese Offenheit aus finanziellen Gründen kritisiert, da viele Haushalte mit höherem Einkommen in vergleichsweise günstigen Sozialwohnungen lebten (van Kempen/Priemus 2002: 242). Seit den 1990er Jahren hat sich die Bewohnerzusammensetzung in Folge wohnungspolitischer Eingriffe dahingehend verändert, dass der Anteil unterer Einkommensempfänger zugenommen hat, da Haushalte mit höherem Einkommen in Wohneigentum gezogen sind. Hier zeigt sich, dass das wohnungspolitische Ideal einer Erhöhung des Wohneigentums in Konkurrenz zum Ideal steht, sozial gemischte Nachbarschaften zu entwickeln oder zu erhalten (a.a.O.: 237). Da sich die Konzentration unterer Einkommensschichten und insbesondere Migranten in den Sozialwohnungen erhöht hat, wird nun versucht, Sozi233
alwohnungssiedlungen durch das Einstreuen von Wohneigentum "aufzulockern", um auf diese Art eine soziale Mischung wieder herzustellen (siehe 7.3.3.3).
7.1.2.2 Deutung von Segregation als Folge direkter Steuerung durch die Kommune Neben der Interpretation, Segregation sei durch wohnungspolitische Rahmenbedingungen indirekt geprägt, wird auch argumentiert, dass sie in einigen Fällen auf konkrete Belegungsentscheidungen von Seiten der Kommunen oder kommunalen Wohnungsunternehmen zurückzuführen sei.
ERD: Ausländer als "Sanierungszigeuner" und "Manövriermasse" Insbesondere in den 1980er Jahren kritisierten viele Autoren, die im Umfeld von Bewohnerinitiativen und Selbsthilfeorganisationen standen, die kommunale Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik dafür, zur ethnischen, unfreiwilligen Segregation beizutragen. Aus verschiedenen westdeutschen Großstädten wurde bekannt, wie Ausländer als "Restmieter" zu einer wohnungspolitisch "disponiblen Manövermasse" degradiert wurden (Wurtinger 1983: 61). 1983 wurden 67% der ausländischen Sanierungsverdrängten erneut in Altbauten in Sanierungserwartungsgebieten versetzt gegenüber 12% der Deutschen (Eichener 1988: 165). Cihan Arin, Architekt und in den 1980er Jahren im Bereich Stadterneuerung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Berlin-Kreuzberg tätig, führt die Segregation der Ausländer in erster Linie auf das vorherrschende Bild zurück, die "Gastarbeiter" würden ohnehin in ihre Heimatländer zurückkehren (Interview). Dies wird auch in einem Bericht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin (1995: 28) eingestanden. Da durch das Kreuzberger Altbaugebiet eine Trasse der geplanten Stadtautobahn führen sollte, habe die städtische Gewerbesiedlungsgesellschaft GSG große unsanierte Gebiete aufgekauft. Diese sei von der Stadt angewiesen worden, in den Sanierungsgebieten, in denen große Umbau- und Umstrukturierungs- und Umnutzungstendenzen bevorstanden, "dieses provisorische Volk provisorisch dort unterzubringen" (Interview Arin). In diesen vor einer umfassenden Sanierung stehenden Stadtteilen fanden die ausländischen Haushalte als Zwischennutzer billigen Wohnraum und bescherten den Wohnungsbaugesellschaften enorme Gewinne. Die Vermieter waren eigentlich bis zur Genehmigung des Leerstandes für die Instandhaltung der Wohnungen verantwortlich, verzichteten jedoch in den meisten Fällen auf weitere Investitionen in den von Gastarbeitern bewohnten Wohnungen. Die Investitionen in die Be234
wirtschaftung der Häuser lagen folglich weit unterhalb der Mieteinnahmen (Mochow 2006: 12).113 Neben ihrer Funktion als "Manövriennasse" im sanierungsfalligen Altbau kam den Migranten nach Einschätzung einiger Autoren in den 1980er Jahren auch die Aufgabe zu, die Vermietung in unpopulären Hochhaussiedlungen zu gewährleisten. Die für die Rendite lebenswichtige Belegung der städtebaulichen und wohnungspolitischen Fehlplanungen in Form von Großwohnsiedlungen, prangert Klingeberg (1983a: 213) an, wäre ohne Ausländer nicht sichergestellt gewesen. Diese seien in die nach kurzer Zeit von den deutschen Mietern freigewordenen Großwohnsiedlungen dirigiert worden, indem sie zur Sicherung des Familiennachzugs und der Aufenthaltserlaubnis auf den Nachweis "angemessenen Wohnraums" angewiesen gewesen seien. Naroska (1988) sieht ebenfalls eine wichtige Rolle der Wohnbelegungs- und -zuteilungsstrategie der großen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und der kommunalen Wohnungsvergabestellen für die Entstehung von segregierten Quartieren. So habe die Ausländerquote bei Erstbezug im Hamburger Stadtteil Steilshoop in den Einzugsjahren zwischen 1970-72 bei 4% gelegen und sei dann für die Spätbezugskohorte zwischen 1982 und 1984 auf 27% gestiegen. In Hamburg-Mfimmelmannsberg seien unter den Erstbeziehern von 1970 bis 1972 5,4% Ausländer gewesen, während der Anteil für die Spätbezieher zwischen 1982 und 198434,8% betragen habe (Naroska 1988: 261262).114 Der interviewte Chefredakteur von "Die Wohnungswirtschaft" räumt ebenfalls ein, dass die Wohnungsmarktakteure aus Renditeerwägungen in den 1980er Jahren das Ideal einer gemischten Bewohnerstruktur vernachlässigt hätten. Bei den Wohnungsunternehmen wiederum besteht aktuell die Tendenz, sich von der Verantwortung für das Entstehen von ethnischer Segregation loszusagen und die Ursache dafür bei den politischen Entscheidungsträgern zu suchen, die dem Ideal der multikulturellen Gesellschaft aufgesessen gewesen seien; "Die sozialräumliche Segregation wurde von den Anhängern des Konzepts der ,multikulturellen Gesellschaft' sogar bewusst gefördert - als Basis für die Entwicklung ethnisch geprägter sozialer Milieus" (VdW Rheinland Westfalen 2007: 8; ähnlich
113 Arin (Interview) erinnert daran, dass damals auch der Begriff Sanierungszigeuner für die ausländische Bevölkerung geläufig war. Damit wurde an die Trockenbewohner der wilhelminischen Bauten erinnert, die in den sehr hastig errichteten Gebäuden lebten, bis diese nach bis zu einem Jahr getrocknet waren. 114 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass mit dem Anwerbestopp 1973 der Familiennachzug forciert wurde, der Ausländeranteil an der Bevölkerung insgesamt stieg und viele ehemalige Gastarbeiter nun Wohnraum suchten. Dass ihr Anteil an den Bewohnern der Großwohnsiedlungen sich also gerade zwischen den frlihen 1970er Jahren und den frlihen 1980er Jahren vervielfacht hat, ist daher wenig überraschend.
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Eichener 2006: 58; Interview Neuhöfer). Auf welcher politischen Ebene und in welcher räumlichen Einheit sich tatsächlich eine solche Haltung politisch wirksam niedergeschlagen haben soll, bleibt jedoch wie bereits unter 6.1.2.4 dargestellt, unklar. Generell sind sich Kommunen und Wohnungsanbieter nicht darin einig, wer von ihnen für die Entstehung von Segregation verantwortlich sei. In einer Studie der Wohnungswirtschaft heißt es dazu "Überfordert sind aber auch die Kommunen, die durch ihre auf einen kleinen Bestand begrenzte Belegungspolitik die Problemfälle in den Quartieren konzentrieren und damit einen Teil der Schwierigkeiten im Zusammenleben der Menschen dadurch selber hervorrufen oder verschärfen" (GdW 1998: 4). Aufkommunaler Seite werdenjedoch teilweise auch die Wohnungsunternehmen selbst für die Situation verantwortlich gemacht: ,,[W]aren es nicht weite Teile der Wohnungswirtschaft, die in den vergangenen Jahrzehnten ein recht gedankenloses und gleichgültiges Vermietungsmanagement an den Tag gelegt haben und damit erst das Eintreten integrationshemmender Zusammensetzung der Mieterschaften zumindest begünstigt haben", fragt der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Buschkowsky (2007: o.S.), in einem Zeitungskommentar. In diesem Fall besteht also keine Einigkeit darüber, wer die Entstehung von Segregation verursacht habe, aber darüber, dass ethnische Segregation für Probleme im Zusammenleben und die Integration der Minderheiten verantwortlich zu machen sei.
NL: Surinamer in Bijlmermeer Auch in den Niederlanden zeigte sich Ende der 1970er Jahre, dass ethnische Segregation zwar zum Teil als Problem wahrgenommen wurde (beispielsweise in Rotterdam), in anderen Städten jedoch Zuwanderer genutzt wurden, um Leerstände zu füllen. Als Paradebeispiel für diesen Sachverhalt gilt etwa die Konzentration von surinamischen Haushalten im Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer (Huttman 1991b: 229). Die Surinamer waren zu einem Zeitpunkt in die Niederlande eingewandert, als die riesige Hochhaussiedlung bereits mit Leerständen und Stigmatisierung zu kämpfen hatte. 1985 stand ein Viertel der Wohnungen in Bijlmermeer leer (van Helsum 2007: 32). Die Wohnungsbauvereinigungen standen damit vor der Wahl, diese Leerstände zu akzeptieren oder solche Haushalte zu versorgen, die eigentlich gegen das Vergabekriterium verstießen, wonach eine Sozialwohnungsberechtigung erst nach einigen Jahren Aufenthalt in Amsterdam bestand (Blauw 1991: 51). GB: Sozialer Sektor wiederholt Schicksal des privaten Sektors Auch in Großbritannien wurde beobachtet, dass ethnische Minderheiten gezielt in bestimmte Bestände gelenkt wurden. Für die West Indians im kommunalen Woh236
nungsbestand wurde beispielsweise in den 1980er Jahren festgestellt, dass die Wohnungsvergabe nicht nur zu ihrer Konzentration, sondern dazu noch zu ihrer Konzentration in den unpopulärsten Beständen geführt hatte, die von weißen Haushalten verlassen worden waren (Peach/Shah 1980: 340). Auch andere ethnische Gruppen wurden in die bei der Mehrheitsgesellschaft unbeliebten Innenstadtbestände gelenkt (Huttman 1991: 36; Blanc 1992: 20). Eine formelle Untersuchung der Wohnungsvergabepraktiken in Oldham durch die eRB zu Beginn der 1990er Jahre kam zu dem Ergebnis, dass in einer Sozialwohnungssiedlung die Mehrheit der Bewohner Südasiaten waren, während es nahezu keine Südasiaten in einer anderen gab. Dieses Muster wiederholte sich in weiteren Nachbarschaften. Da dieses Phänomen nicht durch andere Faktoren als die Gruppenzugehörigkeit erklärt werden konnte, schlussfolgerte die Commission for Racial Equality (2006: 20), dass die Gemeinde die Südasiaten direkt diskriminiert habe, indem diese von den anderen Bewerbern systematisch getrennt worden seien. MacEwen (1991) macht eine Reihe von Gründen für die benachteiligende Behandlung der ethnischen Minderheiten aus: Um Leerstände auf den angespannten Wohnungsmärkten zu vermeiden, könnten manche Sachbearbeiter dazu neigen, schwarze Wohnungsbewerber in solche ethnisch geprägten Quartiere zu lenken, in die weiße Wohnungssuchende nicht ziehen wollten. "Allocations officers may act on precedents set by a number of minority families accepting offers on certain estates. In the future he knows he can fill a vacancy on these estates by offering it to a black family, not realising that he is restricting choice", konstatiert in den 1970er Jahren ein Bericht von Wohnungsamtsleitern (Working Party 1976: 31).
7.1.2.3 Deutung von Segregation als Folge des Geschäftssinnes der privaten Vermieter Im privaten Mietwohnungssektor zeichnet sich derselbe Mechanismus ab, wie im Sozialwohnungssektor. Gibt es ausreichend andere Mietinteressenten, werden Migranten als Kunden eher gemieden, aber immer dann als Mieter begrüßt, wenn eine Vermietung ohne sie nicht sichergestellt wäre. BRD: Ausländer als lukrative Restnutzer Insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren unterstrichen viele Autoren (z.B. Reimann 1976; Brocke 1983; Eichener 1988), dass ethnisch segregierte Nachbarschaften nur aus dem Zusammenspiel von Zugangsbeschränkungen für Migrantenhaushalte im Sozialwohnungssektor und Profitstreben von Wohnungsanbietern
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im privaten Sektor zu erklären seien. Insbesondere Eigentümer von Wohnungen, die in Cityerweiterungs- und Sanierungsgebieten lagen, vermieteten mit Vorliebe an ausländische Haushalte, verlangten dabei eine überhöhte Miete und spekulierten - mit Erfolg - darauf, dass ihre unterlassene Instandhaltung und die verbreitete Überbelegung der Wohnungen zum beschleunigten Verfall der Häuser führen würden. Ausländer erschienen ihnen als lukrative Rest- und Zwischennutzer, die die Abschöpfung von Wertsteigerungen beim Grundstücksverkauf nach erteilter Abrissgenehmigung oder öffentliche Sanierungszuschüssen in greifbare Nähe rückten (Eichener 1988: 143). Im Frankfurter Westend wurde beispielsweise an Ausländer vermietet, damit die Stadt wegen der Verslumung doch noch den Abriss erlaubte (Reimann 1976: 139). Ein solches Narrativ, wonach Segregation durch Geschäftemacher im privaten Sektor bedingt sei, scheint es im niederländischen und britischen Diskurs eher nicht zu geben. Dies könnte daran liegen, dass der private Sektor in NL eine geringe Rolle spielt und es insbesondere in Großbritannien selbstverständlicher sein müsste, an Migranten zu vermieten.
7.1.2.4 Deutung von Segregation als Folge von Zugangsschwierigkeiten im privaten Sektor
BRD: Vom geschlachteten Hammel aufdem Balkon Insbesondere Autoren mit eigenem Migrationshintergrund wie K~t-Ahlers (1993: 222) betonen, dass ethnische Segregation das Ergebnis der Ablehnung seitens deutscher Vermieter sei, die entweder auf den sozialen Druck ihrer deutschen Mieter reagieren, Konflikte in der Hausgemeinschaft befiirchten oder ökonomische Nachteile, weil Deutsche fortziehen könnten und damit der Verlust von sozialem Prestige und Mietertrag einhergehe. Insbesondere in den 1970er Jahren, als Migranten die Gastarbeiterunterkünfte verließen und in den Wohnungsmarkt eintraten, war ihre Diskriminierung allgegenwärtig, da Vermieter ein "von hiesigen Normen abweichendes Verhalten" erwarteten, in dessen Folge sie mit Wertminderung und Verwaltungsarbeit zu rechnen hätten (Schildmeier 1975: 26). In einem Bericht des GEWOS-Institut fiir Stadt-, Regional- und Wohnforschung (Schildmeier 1975) wird Verständnis fiir dieses Vorgehen der Vermieter vorgebracht: ,,Die Vorbehalte deutscher Vermieter und Mitbewohner sind insofern gerechtfertigt, als bezüglich der Wohngewohnheiten anfangs Unterschiede bestehen können, die leicht zu Reibereien, auch zum schnelleren Verwohnen der Wohnung führen" (a.a.O.: 27). In den 1970er Jahren war es bei den Vermietern üblich, fiir ausländische Wohnungsinteressenten einen Mietpreis mit Aufschlag zu vereinbaren. Dies wurde
u.v.
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sogar teilweise durch die Rechtssprechung legitimiert. Reiner Wild (1997) vom Berliner Mieterverein zitiert das LG Mannheim (6 KLS3/74, in WM 77,77 und 147): "Bei der Vermietung an Gastarbeiter können die damit im Einzelfall verbundenen erhöhten Aufwendungen und Risiken des Vermieters durch angemessene Zuschläge zu den sonst üblichen Mietentgelten berücksichtigt werden." Zugleich wurde aber auch verboten, die Zwangslage oder Unerfahrenheit durch Mietwucher auszunutzen. Die neuere entscheidende Rechtssprechung verneint Ausländerzuschläge (OLG Stuttgart 8REMiet5/81) (Wild 1997: 167). Vor 30 Jahren indes war Diskriminierung von Ausländern am Wohnungsmarkt auch dann von der Rechtssprechung gedeckt, wenn sich daraus Nachteile für deutsche Mieter ergaben. "Ein von einem Mieter als Nachfolgemieter vorgeschlagener Ausländer kann vom Vermieter als nicht genehm abgelehnt werden" (LG Frankfurt 2/11 S64/69 in WM 70,115 zitiert in Wild 1997: 168). Mittlerweile darf die Herkunft nicht mehr als Ablehnungsgrund gelten, auch wenn Vermieter weiterhin über Spielräume verfugen, wenn sie mit der Ablehnung eines ausländischen Bewerbers die Herstellung "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" unterstellen (s.u.). Die Furcht vor einem abweichenden Wohnverhalten, das insbesondere innerhalb der Wohnungswirtschaft mit wiederkehrenden Anekdoten wie dem "geschlachteten Hammel auf dem Balkon" illustriert wird (siehe Gude 1990: 246; ebenso Interview mit Schumann), haben Autoren als irrational-projektive Stigmatisierungsvorgänge entlarvt. Sie betonen, dass es keine schlüssigen Nachweise eines abweichenden Wohnverhaltens gebe. "Es gibt vielmehr ausreichend Hinweise, daß von vielen Mietern und Verwaltern die bloße Existenz der Ausländer als Belästigung empfunden wird" (Gude 1990: 246). Dies zeigt sich auch in einer von Kür~at-Ahlers (1993: 223) zitierten Befragung, wonach 10% der Befragten, die überhaupt keine ausländischen Nachbarn hatten, dennoch angaben, sich durch türkische Nachbarn gestört zu fiihlen. Ralf Schumann von der OTG in Bremen hält im Interview fest, dass der ausländische Kunde noch immer bei vielen Wohnungsanbietem "Verlegenheitskunde" sei. Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung hält in ihrem Integrationskonzept 2002 (S. 54) fest, dass Migranten aufgrund von Diskriminierung nur ein begrenztes Wohnungsangebot zur Verfiigung stehe. Ebenso wird im Lokalen Integrationsplan Hannovers eine mangelnde Wahlfreiheit durch Diskriminierung als Hauptursache für die Ungleichverteilung der Migranten über das Stadtgebiet ausgemacht (Landeshauptstadt Hannover 2008: 70). Dass ethnische Segregation das Resultat von Diskriminierung auf Seiten einiger Vermieter sei, wird auch vom GdW (1998: 23) eingestanden, dessen Gebaren im Zuge der Antidiskriminierungsgesetzgebung nahelegte, Diskriminierung gebe es am deutschen Wohnungsmarkt prinzipiell nicht. Daten, die von Antidiskriminierungsbüros in Köln, Han239
nover, München und Berlin gesammelt wurden, wiesen die Diskriminierung am Wohnungsmarkt hinter der Diskriminierung am Arbeitsmarkt als zweithäufigste Art der Diskriminierung aus (FRA 2007: 82). Diskriminierung bleibt im deutschen Kontext jedoch ein nur wenig erforschtes Feld und ein generelles gesellschaftliches Tabu. Indes stellte eine Testing-Studie des Dortmunder Planerladens fest, dass eine fiktive wohnungssuchende Testperson mit türkischem Namen bei Online-Bewerbungen für Wohnungen deutlich seltener eine Antwort des Vermieters bekam als ein deutscher Absender mit gleich lautendem Anschreiben. Die fiktive deutsche Person erhielt in 68% der Bewerbungen eine Antwort, die fiktive türkische Person jedoch nur in 41 %. Betrachtet man ausschließlich die beantworteten Bewerbungen, so meldeten sich 2% der Vermieter ausschließlich auf die türkische Bewerbung, 42% hingegen reagierten ausschließlich auf die Bewerbung mit deutschem Namen (Die Beauftragte 2007: 154).115 GB: Verdrängung in Substandardwohnungen Aktuelle Segregationsmuster sind bis heute auch geprägt durch die Diskriminierung am privaten Wohnungsmarkt, der viele Migranten seit den 1950er/60er in die ärmsten und unattraktivsten Bestände gedrängt hat (O'Loughlin 1987: 61). "Poverty and hostility forced the immigrants into poor private rental accommodation and the worst of the owner-occupied housing in the declining inner cities" (Phillips 1998: 1682). Während die Wohneigentumsbildung gegenwärtig angesichts gestiegener Preise für Neuzuwanderer in der Regel keine Option darstellt, findet sich ihre Konzentration im heruntergekommenen privaten Wohnungsbestand auch unter den heutigen Zuwanderern aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten. NL: Diskriminierung im privaten Sektor von eher geringer Bedeutung Da der private Wohnungssektor in NL für die Wohnungsversorgung in den großen Städten und insbesondere für sozial schwächere Haushalte nur eine geringe Rolle spielt, dürfte Diskriminierung in diesem Bereich nur schwache Auswirkungen auf die ethnische Segregation haben. Dennoch kommt der Integrationsbericht des SCP
115 In einer Studie von KowalskilKreffilVelte (2006) zu Diskriminierung am Wohnungsmarkt wurden 203 Personen, die einen Mieter oder Nachmieter suchten, und von denen 19% selbst ausländische Eltern hatten, per E-Mail befragt. Im Ergebnis wurden alle untersuchten Nationalitäten negativer beurteilt als die Referenzgruppe Deutsch. Am negativsten wurden Russen eingeschätzt, gefolgt von Türken, Kenianern, Indem, Griechen und Italienern. Am wenigsten negativ wurden die Japaner beurteilt. Die Effekte der ethnischen Herkunft wirkten dabei stärker benachteiligend als diejenigen des sozialen Status bezogen auf Einkommen und Beruf. Je schlechter die Sprachkenntnisse des fiktiven Bewerberpaars waren, desto stärker wurden sie abgelehnt (KowalskilKreffilVelte 2006: 20).
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zu dem Schluss, Diskriminierung sei ein wichtiger Faktor: ,,A sizeable proportion ofthe indigenous population tend 10 give priority to their own group on the housing market, and ethnic minorities relatively often feel that there is discrimination in the Netherlands, despite the fact that they are not much confronted with it personally" (Dagevos/Gijsberts 2007: o.S.). Jeroen Slot vom Amsterdamer Statistikamt berichtet von verschiedenen lokalen und nationalen Befragungen, die zu dem Ergebnis kamen, dass sich manche Gruppen häufiger diskriminiert fühlten als andere, wobei insbesondere Türken und Marokkaner Diskriminierung beklagten. Vor allem zwischen 2002 und 2004, als das Land mit den politischen Morden an Fortuyn und van Gogh konfrontiert war, seien häufiger Fälle von Diskriminierung festgestellt worden (Interview Slot).
7.1.2.5 Deutung von Segregation als Ergebnis bewusster Segregierung durch Wohnungsanbieter In Deutschland wird vor allem in den Kemstädten und Ballungsgebieten Nordrhein-Westfalens von verschiedenen Stadtplanern die Vermietungspraxis, speziell im Werkwohnungsbau, als Ursache der ethnischen Segregation ausgemacht. Heike Hanhörster (2007: 133) hält :für die Stadtteile Dinslaken-Lohberg und Duisburg-Marxloh fest, dass die Vergabepraxis der Wohnungsgesellschaft Rhein-Lippe bzw. Thyssen Krupp eine kleinräumige Segregation deutlich verstärkt habe, so dass der Anteil der türkischen Bevölkerung deutlich höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt liege und in einzelnen Baublöcken und Straßenzügen, insbesondere in Marxloh, sogar ein Migrantenanteil von weit über 80% zu finden sei (a.a.O.: 135). Waltz (2007: 45) schließt sich dieser Einschätzung an, da im Rahmen von Interviews zu einer vergleichenden Städtestudie an der Universität Bielefeld deutlich wurde, dass Thyssen "bewusst die verschiedenen ,Ethnien' in getrennten Wohnquartieren untergebracht hat, die ,Ghettos' also geschaffen wurden: hier die ,echten Türken', dort die Kurden, dort die Jugoslawen etc. Segregation ist dort also strukturell geschaffen worden." Ähnliches wird auch vom Dortmunder Mieterverein beobachtet: "Auffällig ist zum Beispiel, daß es Gesellschaften gibt, die in bestimmten Stadtteilen faktisch keine Migrant/innen haben, dann aber in der Nordstadt wieder an Migrant/innen vermieten" (Planerladen 1999: 37). Ebenso ergab eine Telefonbefragung bei Wohnungsuntemehmen im VdW Rheinland Westfalen durch den Planerladen (2006: 12), dass es stark stigmatisierte Bestände gebe, in die niemand einziehen wolle und wertvolle Bestandsbereiche, die vorm "Überlaufen" durch Migranten geschützt würden. Bei den Aussiedlern ist beispielsweise in einigen Städten in 241
Nordrhein-Westfalen ein hohes Maß an Segregation festzustellen, da hier in peripheren Lagen eigene Siedlungen für diese Gruppe gebaut wurden (ILS 2006: 111). Auch in den Niederlanden sind Migranten zum Teil bewusst nach Herkunftsgruppen getrennt untergebracht worden, insbesondere in den Zeiten der Gastarbeiteranwerbung. Eine Werft richtete beispielsweise das Camp Atatürk im Amsterdamer Norden für ihre türkischen Arbeiter ein (Kesteloot/Cortie 1998: 1848).
7.1.2.6 Deutung von Segregation als Folge der Benachteilung als Eigentümer Die durch Wohneigentum geprägte Struktur des englischen Wohnungsmarktes beeinflusst ethnische Segregation in anderer Form als dies auf den durch Mietverhältnisse charakterisierten deutschen und niederländischen Wohnungsmärkten der Fall ist. So sorgt die Tatsache, dass insbesondere südasiatische Migranten vor Jahrzehnten billiges Wohneigentum erworben haben, dafür, dass sie an den Stadtteil und damit an die ethnischen Enklaven gebunden sind. Zudem haben verschiedene Untersuchungen die Benachteiligung für Migranten durch diskriminierende Praktiken bei der Hypothekenvergabe aufgedeckt (Rex 1981: 25). Viele Banken erkannten zwar seit Ende der 1980er Jahre ethnische Minderheiten als Kundenpotenzial, diese inklusiven Strategien entpuppten sich jedoch als hochgradig selektiv und hingen vom wahrgenommenen Risiko ab, das mit der jeweiligen Gruppe verbunden wurde. "Research in Bedford indicated that while Asian clients were valued for their reliability and thrift, Black Caribbeans were treated, as in the past, with suspicion" (phillips 1998: 1695). Es wird vermutet, dass das redlining, wonach eine Bank beschließt, für den Wohnungserwerb in bestimmten, durch eine ideelle rote Linie abgegrenzten Nachbarschaften keine Kredite zu vergeben, seit den 1980er Jahren weniger auftritt, es jedoch weiterhin Unterschiede hinsichtlich der Kreditkonditionen geben könnte (Phillips 2005: 32). Neben Benachteiligungen bei der Kreditvergabe wird im britischen Kontext auch die diskriminierende Praxis der Immobilienmakler betont. Die Wohnstandorte der Hausbesitzer sind nämlich auch insofern durch Diskriminierung geprägt, als manche Makler die Kaufinteressenten in bereits ethnisch geprägte Stadtteile lenken (phillips 2005: 31; Robinson 2005: 1420; Rann 1997: 157). Trotz einer umfassenden Antidiskriminierungsgesetzgebung werden immer wieder Fälle bekannt, in denen sich Makler weigern, Detailangaben gegenüber asiatischen Kaufinteressenten zu machen und lediglich über Häuser in schlechtem Zustand informieren (Hann 1997: 157). Die white flight, die durch diese Strategie in vorauseilendem Gehorsam gemindert werden soll, wird in anderen Fällen, etwa beim so genannten blockbusting sogar bewusst von Maklern provoziert. Bei dieser vor allem aus den 242
USA bekannten Vorgehensweise verbreiten Immobilienmakler willentlich das Gerücht, der Wert einer Immobilie habe durch den Zuzug von Minderheiten in der Nachbarschaft verloren, um so die Bewohner zum Auszug zu bewegen und durch den Weiterverkauf zu einem höheren Preis an einen Migrantenhaushalt Gewinn zu machen (Cantle 2008: 84). Obgleich auch in den Niederlanden in der Vergangenheit der Erwerb von billigem Wohneigentum eine Notlösung für einige Minderheiten auf dem angespannten Wohnungsmarkt darstellte, wird die Benachteiligung als Eigentümer hier im Gegensatz zu GB nicht als Ursache für Segregation thematisiert. Dies könnte verschiedene Ursachen haben: Zum einen ist die Wohneigentumsbildung im untersten Preissegment bei einigen ethnischen Gruppen nicht von langer Dauer gewesen, da insbesondere den Marokkanern in den 1990er Jahren der Umzug in eine Sozialwohnung gelang (siehe 6.3.3). Dies ist auf dem durch einen residualisierten und schrumpfenden Sozialwohnungssektor gekennzeichneten britischen Wohnungsmarkt insbesondere den südasiatischen Zuwanderern verwehrt geblieben. Zum anderen findet in NL ohnehin nur in sehr geringem Maße eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung statt. Eine der wenigen Arbeiten, die sich aktuell mit Ungleichbehandlung im niederländischen Wohneigentumssektor beschäftigt, hat Aalbers (2002: o.S.) vorgelegt. Er berichtet vom so genannten Rotterdamer Hypotheken-Skandal aus dem Jahr 1999, als bekannt wurde, dass Banken verschiedene Nachbarschaften in der Hafenstadt von der Hypothekenvergabe ausgenommen und in anderen Quartieren Hypotheken nur zu deutlich schlechteren Konditionen - hohe Zinsen, hohe Anzahlungen, kurze Laufzeiten - vergeben hatten. Dieses redlining betraf ausnahmslos ethnisch geprägte Nachbarschaften im stigmatisierten Süden der Stadt. Banken leugneten eine solche Praxis und Belege für redlining wurden als Einzelfälle abgetan. Dennoch ließ sich, laut Aalbers, feststellen, dass innerhalb weniger Monate nach Bekanntwerden der Vorgehensweise die Ablehnung von Hypotheken auf Grundlage der Nachbarschaft zur Ausnahme wurde. Eine Analyse des Rotterdamer Wohnungsmarktes aus dem Jahr 2001 habe keine Belege für eine derartige Strategie gefunden.
7.1.2.7 Deutung von Segregation als Ergebnis der Strategien der Mehrheitsgesellschaft Wohnortwahl der Mehrheit Während in GB und NL der Fortzug weißer Mittelschichtshaushalte ins Umland als Ursache von ethnischer Segregation diskutiert wird, trägt dagegen das deutsche framing der white flight dazu bei, diese als Reaktion auf die Konzentration von 243
Migranten zu fassen. Dabei wird übersehen, dass das Wohnstandortverhalten der deutschen Haushalte häufig erst ennöglicht hat, dass Migranten in bestimmten Stadtteilen "nachrücken" konnten. Symptomatisch für die Interpretation des Fortzugs "deutscher" Haushalte als Reaktion auf den Zuzug ausländischer Haushalte ist die für die bundesrepublikanische Wohnungspolitik typische Suche nach Schwellenwerten oder tipping points, ab denen der Auszug etablierter Bewohner drohe. Die Werte sind jedoch eher nonnative Faustfonneln, als dass deutlich würde, auf welchen empirischen Untersuchungen sie beruhen. Eine vom Regierenden Bürgenneister West-Berlins (1980a: 42) herausgegebene Studie geht davon aus, dass der Prozess der Sukzession bei einem Ausländeranteil von 5-10% eintrete. In einem "Spiegel"-Artikel von 1973 wird eine gänzlich andere Zahl zitiert. Der Kreuzberger Ausländerbeirat habe ennittelt, dass "bei einem Ausländeranteil von 30% im Haus die Lawine abgeht" (,,Der Spiegel", 30.7.1973, S. 24). Volker Eichener (2006: 63), dessen Arbeiten insbesondere von der Wohnungswirtschaft rezipiert werden, definiert den Anteil von Zuwanderern, ab dem ein deutscher Haushalt nicht mehr zuziehen wolle, mit 15%. Die Schwelle, ab der ein deutscher Haushalt sich zum Fortzug entscheide, liege bei 25 bis 30%. Wie diese Schwellenwerte ermittelt wurden, bleibt unklar. Die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte, Barbara John, führt im Interview aus, dass die Ursache für die Umzugsentscheidung häufig nicht nur auf den hohen Ausländeranteil im Quartier, sondern vor allem auch auf die schlechteren Wohnbedingungen zurück zu führen sei. Die interviewte Referentin des Städtetags sieht die Bedeutung der Wohnstandortentscheidungen für die Entstehung von ethnischer Segregation vor allem auf entspannten Märkten. Hier erfolge die ,,Abstimmung mit den Füßen", wenn bestimmte etablierte deutsche, aber auch Migrantenhaushalte aus diesen Stadtteilen wegzögen. An der britischen Literatur zu den Ursachen von ethnischer Segregation fallt auf, dass die Existenz von whiteflight als gegeben vorausgesetzt wird, aber dennoch kaum untersucht worden ist. Dies wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Problematisierung von ethnischer Segregation in Folge der Unruhen von 2001 kritisiert: "Not enough has been said about White flight into the outer estates as also ethno-cultural in character - deliberately escaping Asian ethnic contamination and wanting to preserve White Englishness" (Amin 2002: 6). Das deutsche Interesse daran, ab welchem Schwellenwert der Fortzug der einheimischen Bevölkerung drohe, scheint in GB nicht geteilt zu werden. So spricht zwar Ted Cantle (2008: 80) davon, dass es einen solchen Punkt gebe, ab dem eine "Abwärtsspirale" einsetze, die zu einem monokulturellen Gebiet führe. Wo diese jedoch liegen soll, ist nach Kenntnisstand der Autorin in Großbritannien nie untersucht worden. 244
Auch in den Niederlanden ist nach Aussage des Social en cultureelplanbureau die Stadtflucht der Autochthonen zu beobachten, mit dem Ergebnis, dass sich der Anteil der Minderheiten in jenen Stadtteilen erhöhen werde, in denen er jetzt bereits hoch sei (Gijsberts 2004: 17). Ergebnisse der US-amerikanischen Forschung, wonach die Neigung zu homogenen Nachbarschaften besonders stark bei weißen Haushalten ausgeprägt sei, deckten sich auch mit den Resultaten von Boltlvan Kempen/van Ham (2008: 1359) :für die Niederlande. Sie fanden, dass weiße Niederländer in Stadtteilen mit hohem Zuwandereranteil eher fortzögen als die Minderheitenangehörigen. Nach Angaben des SCP ziehe es die Hälfte der niederländischen Bevölkerung vor, keine Migranten als Nachbarn zu haben (Dagevos/ Gijsberts 2007: o.S.). Dass der Fortzug der Autochthonen nicht zwangsläufig mit einem hohen Zuwandereranteil im Quartier begründet werden kann, zeigt sich jedoch auch daran, dass in Gebieten wie dem Amsterdamer Bijlmermeer der Exodus der Einheimischen noch vor dem Zuzug der Migranten erfolgte. Auch eine Befragung von Mik kam 1991 (S. 191) zu diesem Ergebnis: ,,[M]igration of Dutch inhabitants to other districts seems to be more a consequence ofbad housing conditions than ofhigh levels ofminority concentration." Dass der Fortzug etablierter Mittelschichtshaushalte in NL als Problem an sich sowie als Ursache :für soziale und damit ethnische Segregation gedeutet wird, zeigt sich daran, dass die Bereitstellung von Wohneigentum in bislang durch Sozialwohnungen charakterisierten Quartieren zum zentralen Ansatzpunkt niederländischer Durchmischungsstrategien geworden ist. Eine vergleichende Untersuchung zur Entstehung von ethnischer Segregation durch das Wohnverhalten der Mehrheit liefern Semyonov, Glikman und Krysan (2007). Die Arbeit basiert auf den Daten von 20 Staaten, die im Jahr 2003 durch das European Social Survey erhoben worden sind. Ihre Auswertungen zeigten, dass in den meisten europäischen Staaten nur sehr wenige der Befragten nach eigenen Angaben in Stadtteilen mit einigen oder vielen ethnischen Minderheiten lebten und eine substanzielle Zahl eine solche Gegend als ideale Nachbarschaft bezeichneten, in der es keine oder kaum ethnische Minderheiten gab. Dabei waren die Präferenzenfür den Wohnort sowohl durch individuelle als auch landesspezifische Eigenschaften beeinflusst. Auf der individuellen Ebene waren die Präferenzen :für ethnisch homogene Nachbarschaften unter den sozioökonomisch schwächeren sowie den konservativen Teilen der Bevölkerung stärker ausgeprägt. Der Ländervergleich hingegen demonstrierte, dass die Präferenz :für Nachbarschaften ohne Angehörige von ethnischen Minderheiten mit der relativen Größe der nicht-europäischen Bevölkerungsgruppen zunahm und mit ökonomischem Wohlstand abnahm (a.a.O.: 434). Ohne signifikanten Einfluss auf die Nachbarschaftspräferenzen blieb hingegen der 245
Anteil der muslimischen Minderheit (a.a.O.: 447). Deutschland gehörte in der Untersuchung zu den Ländern mit dem niedrigsten Anteil an Personen, die ethnisch homogene Nachbarschaften ohne Minderheiten bevorzugten. 23,3% der Befragten Deutschen gaben an, in Nachbarschaften ohne Minderheiten leben zu wollen, im zweiten Fall der vorliegenden Arbeit, dem Vereinigten Königreich waren es 25,5% und in den Niederlanden 32,2% (a.a.O.: 442). Blockadestrategien gegen den Zuzug von Minderheiten Für die schwedische Debatte zu ethnischer Segregation hält Roger Andersson (2007a) fest, der Diskurs habe sich von einer kulturalistischen Tradition ("Segregation ist selbstgewählt") über ein strukturalistisches Verständnis (Segregation als Folge sozioökonomischer Benachteiligung) zu einer "post-kolonialistischen" Interpretation gewandelt. Letztere Position richtet den Blick nicht nur auf den Fortzug der einheimischen Bevölkerung oder deren Vermeidung migrantisch geprägter Nachbarschaften, sondern auf aktive Blockade-Strategien, mit denen Migranten aus bestimmten Quartieren ferngehalten werden sollen (a.a.O.: 74). Während diese Deutung in GB allgegenwärtig ist, stellt sie einen blinden Fleck in der deutschen Auseinandersetzung mit ethnischer Segregation dar. Während in der BRD die Feststellung, dass Einheimische durch rassistisches Verhalten die Wohnortwahl der Migranten begrenzen könnten, überwiegend auf regionaler Ebene diskutiert wird, nämlich unter der Fragestellung, ob die Neuen Länder eine No-go-area :fiir ethnische Minderheiten darstellten, ist in GB die Furcht der ethnischen Minderheiten vor rassistischen Übergriffen in weißen Nachbarschaften wiederholt als stärkste Kraft der Segregation beschrieben worden (Simpson 2004: 675; Phillips/Karn 1991: 79). Vor dem Hintergrund, dass dieser Faktor kaum in NL und noch weniger :fiir Deutschland1l6 im Hinblick auf die Nachbarschaftswahl der Minderheiten Erwähnung findet, ist die immer wieder von Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern unterstrichene Zentralität der Angst in einem britischen Kontext besorgniserregend (Phillips/Simpson/Ahmed 2008: 82). Dass die Furcht vor Übergriffen als Ursachenerklärung :fiir ethnische Segregation sogar in der sonst durch Schuldzuweisungen in Richtung der Minderheiten geprägten Community-Cohesion-Debatte weiter Bestand hat, spricht daftir, dass es sich hier um eine gravierende Besonderheit des britischen Falls handelt. Da es in den Niederlanden und Deutschland - im Gegensatz zu Großbritannien - kaum Sozialwohnungssiedlungen gibt, in denen nicht auch ein 116 Allerdings beschreibt Eichener (1988: 141), dass im Werkwohnungsbau die Belegung von Wohnungen mit Ausländerhaushalten zum Teil zu Protest der Bewohner und Sanktionen gegen den Vermieter gefllhrt habe.
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hoher Anteil Migranten lebt, ist zu vermuten, dass die ,,Angst vor Übergriffen" eine reale britische Besonderheit und nicht nur eine größere Sensibilität für Benachteiligung seitens der britischen Forscher und Praktiker widerspiegelt. Die Beobachtung, dass insbesondere manche Sozialwohnungssiedlungen No-goareas für ethnische Minderheiten darstellen, wurde bereits Ende der 1960er Jahre von einem Bericht des britischen Wohnungsbauministeriums festgehalten, der ausführt, dass manche Lokalverwaltungen es bewusst vermieden, Minderheiten in bestimmten Siedlungen unterzubringen (Ministry of Housing and Local Govemment 1969: 125). Eine Untersuchung der Commissionfor Racial Equality aus dem Jahr 1979 zur konzentrierten Wohnsituation der Bangladescher im Londoner Osten spricht von einer "Gemeinschaft im Belagerungszustand", der ein Fortzug in andere Gebiete durch das feindliche Umfeld unmöglich gemacht werde (zit. in PhillipslKam 1991: 80). Cameron und Field (2000: 835) kommen in einer Untersuchung zur bangladeschischen Community in Newcastle ebenfalls zu dem Ergebnis, dass leerstehende Wohnungen aus Angst vor Diskriminierung nicht von Minderheiten nachgefragt würden. Nach Einschätzung der Commission for Racial Equality (2003: 29) sind Einschüchterungen am Stadtrand verbreitet: "Generally, such victimisation occurs in outlying areas where ethnic minority families are isolated and removed from familiar networks. These areas are predominantly, although not exc1usively, local authority estates". In den Leitlinien zur Vergabe von kommunalen Sozialwohnungen der britischen Regierung findet sich sogar eine Ausnahmeregel, wonach kommunale Wohnungsämter Wohnungssuchende vorziehen dürfen, die in ihrer gegenwärtigen Wohnsituation rassistischer Gewalt oder deren Androhung ausgesetzt sind (ODPM 2002: 22). Mietverträge im Sozialwohnungssektor enthalten mittlerweile Klauseln, um die rassistische Belästigung durch Bewohner ahnden zu können (Danish Ministry of Integration Affairs 2003: 38). Dennoch kommt Deborah Phillips (2006a: 17) anhand von qualitativen Interviews zu dem Ergebnis, dass der zentrale Hinderungsgrund, der junge Südasiaten in nordenglischen Städten vom Umzug in weniger segregierte Gebiete abhielte, die Angst vor Rassismus und Isolation in den weißen Siedlungen sei. Dabei würden Mittelschichts-Vororte als weniger furchteinflößend wahrgenommen, als die Sozialwohnungssiedlungen am Stadtrand. ll7 Im Vergleich zu GB, wo die Furcht vor rassistischen Übergriffen als Hauptursache dafür gewertet wird, warnm ethnische Minderheiten den Umzug in überwie117 Dabei zeigt sich in Zeiten der Superdiversität, dass südasiatische Haushalte nicht nur Bedenken gegenüber dem Zuzug in weiße Gebiete hegen, sondern zudem Bedrohungen durch karibischstämmige Nachbarn befürchten (phillips 2005: 39).
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gend weiße Sozialwohnungsbestände scheuen, fällt die Gewichtung dieses Grundes für ethnische Segregation in den Niederlanden deutlich schwächer aus. Dennoch gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass sich bestimmte Nachbarscha:ften erfolgreich gegen den Zuzug von Minderheiten wehren. Adriaan Hoogvliet, Interviewpartner von einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung, erinnert sich an gewalttätige Ausschreitungen vor knapp 20 Jahren in Tilburg: ,,[I]t was a kind of war because one immigrant family dared to move in and I think they lived there for 3 or 4 months and then they had to go out because all white people around them were intimidating them with actions, violence." Doch auch für das 21. Jahrhundert schildert Nieuwboer (2003: 7), dass einige Nachbarschaften nicht nur mit Unterschriftenlisten gegen den Zuzug von Migranten in ihr Quartier protestieren: "Reports have also come in of ethnic minority residents being hounded out ofthe neighbourhood and forced 10 move. Sometimes the neighbours become violent: bricks are thrown through windows, small fires are started and car tyres punctured." Die Interviewpartner stimmen darin überein, dass es Fälle von xenophobem Verhalten anlässlich des Zuzugs von Minderheiten in bis dato rein weiße Nachbarschaften gebe, dass es sich aber um Ausnahmen in einigen wenigen Gebieten handele. Überwiegend seien Nachbarschaften in den großen Städten ethnisch gemischt. Daher werden die genannten Vorfälle vor allem als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit erfasst, aber nur selten mit der Wohnstandortwahl der Minderheiten in Verbindung gebracht, wie dies in GB allgegenwärtig geschieht. Aktuell scheint es nach Einschätzung der Interviewpartner weniger handfeste Auseinandersetzungen als vielmehr ein gewisses Unbehagen auf Seiten der Minderheiten zu geben, in bestimmte bisher rein weiße und sozial schwächere Nachbarschaften zu ziehen (Interview Dingemans). Jeanet Kullberg vom SCP schildert die Ergebnisse von zahlreichen Tiefeninterviews zu den Wohnwünschen ethnischer Minderheiten, die ihre Bedenken zum Ausdruck brachten, als einziger Migrant in einer rein "niederländischen" Nachbarschaft zu leben. Selbst integrierte Migranten berichteten von einem subtilen Gefühl des Nicht-Willkommen-Seins. Im Gegensatz zu GB würden die Autochthonen keine Scheiben einwerfen, aber sie vermittelten den neuzuziehenden Minderheiten ein Gefühl des "Eingefrorenwerdens" (Interview).
7.1.2.8 Deutung von Segregation als Folge des demographischen Wandels Von britischen Wissenschaftlern ist der nach 200 I von offizieller Seite und den Medien transportierten Unterstellung, Segregation sei das Ergebnis von Wohn248
standortentscheidungen der Minderheiten und nehme zudem zu, vehement widersprochen worden. Die Kritik am offiziellenframing führte dabei vor allem auch demographische Gründe ins Spiel, die besagten, segregierte Gebiete seien lediglich durch abweichende Familienbildungsmuster gewachsen, und Fortzug sei an der Tagesordnung (JohnstonIPoulsenIForrest 2006b: 14). Ein statischer Blick auf die ethnisch segregierten Nachbarschaften sei also nicht zielfiihrend, da er unterstelle, einmal zugezogene Bewohner blieben in diesen Quartieren. Der Fortbestand von ethnischen Clustern besage also nicht, dass auch deren Bewohner dieselben seien. In der Argumentation der meisten wissenschaftlichen Arbeiten wird herausgestellt, dass der Anteil der Minderheiten an den Gebieten mit der höchsten Konzentration von Migranten wachse, da ihr Bevölkerungsanteil generell in allen Gegenden, ob mit hohem oder niedrigen Minderheitenanteil, zunehme. Dies wird auf die im Vergleich zur weißen Bevölkerung höheren Geburtenzahlen zurückgeführt. Peach (2007) unterscheidet dabei vier Elemente der demographischen Entwicklung, die sich zwischen Mehrheit und Minderheiten unterschieden und damit ethnische Segregation verstärkten: Zuwanderung in die bereits ethnisch geprägten Gebiete, eine ungleiche natürliche Bevölkerungszunahme sowie verschiedene Mortalitäts- und Familienbildungsmuster. Diese Aspekte hätten unterschiedliche Ausprägungen für weiße Briten respektive ethnische Minderheiten. Hinsichtlich der Netto-Zuwanderung hätten sich ethnische Minderheiten in der Vergangenheit vor allem in solchen schrumpfenden Innenstadtgebieten angesiedelt, die bereits Einwohner verloren hatten. Die Zuwanderer hätten sich als replacement population in solchen Gegenden und Wohnungsbeständen niedergelassen, die die weiße Bevölkerung bereits in den 1950er und 1960er Jahren - also noch vor der Ankunft der Minderheiten - verlassen habe. Aktuelle Untersuchungen hätten gezeigt, dass Innenstadtbereiche Einwohner - sowohl weiße als auch Angehörige der Minderheiten - verlören. Während die ethnischen Minderheiten nun den Weg der Suburbanisierung 1l8 beschritten, wie er von den weißen Briten bereits vor Jahren eingeschlagen worden sei, gebe es auf Seite der Weißen jedoch einen Widerwillen, sich in Nachbarschaften mit hohem Minderheitenanteil niederzulassen. Die aus den Innenstädten fortziehenden Minderheitenhaushalte würden also nicht durch weiße Haushalte ersetzt (a.a.O.: 24). Dieser Trend werde durch eine unterschiedliche Mortalität von weißen und schwarzen Haushalten verstärkt. Die wenigen, noch in den Innenstädten verbleibenden weißen Bewohner seien durchschnittlich älter und wiesen dementspre118 Insbesondere der Teil der Hindus unter den Indem ist bekannt fiir seinen hohen Suburbanisierungsgrad. 82% der hinduistischen Londoner Inder leben im Londoner Umland (Peach 2007: 24).
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chend eine höhere Sterblichkeit gegenüber der durchschnittlich jüngeren Migrantenbevölkerung auf. Die höhere Mortalität der weißen Bewohner verstärke also den Anteil der Minderheiten, selbst wenn deren Bewohnerzahl gleich bliebe. Es sei also wahrscheinlich, dass der Anstieg des Minderheitenanteils in ohnehin ethnisch geprägten Nachbarscha:ften auch ohne die bewussten Handlungen der Minderheiten zustande komme (ebd.). Hinzu kommt, dass eine durchschnittlich jüngere Bevölkerung nicht nur eine geringere Mortalität, sondern auch eine höhere Fertilität besitze. "The White population in the core areas is ageing while the minority population is young. The combined effect ofWhite mortality and minority natural increase produces the increased minority concentrations without the intervention of the supposed White 'flight'" (Simpson/Gavalas/Finney 2008: 180). Darüber hinaus sorgen kulturelle Erwartungen unter Südasiaten dafür, dass in jungen Jahren geheiratet wird und es - vor allem unter Pakistanern und Bangladeschern - einen hohen Druck auf die jungen Eheleute gibt, in der Nähe ihrer Elternhäuser zu bleiben. Umso bemerkenswerter ist es, dass das Ausmaß der ethnischen Segregation, wie sie mit dem ID gemessen wird, sogar abgenommen hat (Peach 2007: 24; für Bradford siehe Simpson 2004: 669): "The reasons seem clear. The minority population is not withdrawing into heartland ghettos. With upward mobility and new family formation, minorities are spreading out and mixing, albeit at different rates for different groups" (Peach 2007: 24). Eine statische Betrachtung von ethnischer Segregation übersieht, dass Haushalte in gemischtere Nachbarschaften ziehen, auch wenn die Segregationsgebiete selbst bestehen bleiben (Phillips/ Simpson/Ahmed 2008: 85). Die vermeintlich wachsende Segregation der Südasiaten wird von Simpson (2004: 668), der zu ähnlichen Ergebnissen kommt, dementsprechend als "Mythos" bezeichnet. Das Ausmaß der südasiatischen Segregation wurde jedoch im Community-Cohesion-Diskurs von Seite der LabourRegierung als "Geschichte des Niederganges" (Stone 2002) konstruiert, die insofern attraktiv ist, als sie eine Notwendigkeit zum politischen Handeln impliziert. Auch in den Niederlanden wird argumentiert, ethnische Segregation sei durch Familiennachzug und Familienbildung bedingt (Blok-Kommission 2004: o.S.). Dies wurde insbesondere für Türken und Marokkaner beobachtet, deren Anteil in den durch ihre Gruppe geprägten Quartieren von 1994 bis 2004 hierdurch anstieg (Musterd/Ostendorf2007: 47). Auch Kesteloot/Cortie (1998: 1848) konstatieren für den Zeitraum 1981 bis 1995, dass die Haushaltsgröße der Türken und Marokkaner entgegen dem niederländischen Trend zugenommen habe durch Familiennachzug und eine weiterhin höhere Fertilität der Migranten. Dementsprechend seien die ethnischen Minderheiten auf große bezahlbare Woh250
nungen angewiesen gewesen, die in einzelnen Stadtteilen konzentriert gewesen seien. 119 Dieser Trend könne dadurch verstärkt werden, dass die älteren autochthonen Bewohner stürben oder in Seniorenheime umzögen. Die freiwerdenden Wohnungen würden häufig von Neuzuwanderern übernommen (Gijsberts 2004: 17). Im Gegensatz zu den Niederlanden und Großbritannien werden demographische Gründe in der BRD für die Erklärung von ethnischer Segregation fast vollständig vernachlässigt. Dies mag eine Reihe von Gründen haben: Zum einen ist die Datenlage zu demographischen Trends in der BRD ausgesprochen wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass in der BRD die Demographieforschung stark auf die ostdeutschen Bundesländer konzentriert ist und Fragen des interkulturellen Zusammenlebens davon losgelöst eher im Rahmen der Migrationsforschung bearbeitet werden. Lediglich im Rahmen des ,,zuwanderer in der Stadt"-Projektes wurde argumentiert, dass in einigen in den 1970er Jahren erbauten Großwohnsiedlungen wie beispielsweise der Nordweststadt in Frankfurt! Main zu beobachten sei, wie die "Pioniere", also die Erstbezieher von einst, gemeinsam altem und ihre freiwerdenden, familienfreundlichen Wohnungen vor allem von Migrantenhaushalten nachgefragt werden.
7.1.3 Fazit Im Einklang mit der verbreiteten Deutung im 21. Jahrhundert, Migranten verweigerten die Integration, überwiegt auch im Hinblick auf ihre Wohnstandortwahl die Zuschreibung, die Ursachen für ethnische Segregation seien auf die individuellen Entscheidungen der Migrantenhaushalte zurück zu fiihren. Für die Mischungspolicies, die unter 7.3 analysiert werden sollen, wäre es daher zu erwarten, dass es in der BRD und im Rahmen der britischen Community-Cohesion-Agenda vor allem Versuche geben müsste, die freiwillige Segregation der ethnischen Minderheiten zu verhindern. Dem britischen Handlungsspielraum sind jedoch durch eine starke Antidiskriminierungsgesetzgebung enge Grenzen gesetzt. Trotz der Persistenz der Annahme, die Zuwanderer zögen es vor, "unter ihresgleichen" zu wohnen, hat es in der BRD auch immer wieder Akteure gegeben, die die Komplexität der Entstehungsmechanismen und insbesondere die strukturellen Ursachen von ethnischer Segregation unterstrichen haben. Dabei lässt sich festhalten, dass die stärkere Politisierung des Themas Wohnen insbesondere in den 119 1986 hatte 1% aller als sozialwohnungssuchend registrierten Haushalte mehr als sechs Hausha1tsmitglieder. Diese Haushaltsgröße fand sich jedoch bei 12% der Türken und 44% aller registrierten Marokkaner (van Hoornlvan Ginke11986: 192)
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1980er Jahren auch mit einer kritischeren, stärker auf Diskriminierung und wohnungspolitische Fehlplanungen abhebenden Interpretation der Verursachungsmechanismen von ethnischer Segregation einhergegangen ist. Ähnlich scheint es bis heute in den Niederlanden und Großbritannien zu sein, wo sich mehr Akteure mit verschiedenen disziplinären und beruflichen Hintergründen mit dem Thema auseinandersetzen und den dominanten Diskurs herausfordern.
7.2 Deutungen zu den Folgen ethnischer Segregation In der Konstruktion eines sozialen Problems kommt der Formulierung der Folgen eines Phänomens eine zentrale Rolle zu. Erst indem erfasst und kommuniziert wird, welche negativen Konsequenzen ein Sachverhalt nach sich zieht, wird ein neutraler Tatbestand zu einem gesellschaftlichen Problem, das einer politischen Bearbeitung bedarf. In allen drei untersuchten Ländern wird der ethnischen Segregation unterstellt, sie stehe in einem negativen Wechselverhältnis zur Integration der ethnischen Minderheiten (MusterdlOstendorf 2007: 45). Da Integration nicht nur im Sinne einer Eingliederung des Individuums verstanden wird, sondern auch im Sinne einer Systemintegration (Integration in die Gesellschaft versus Prozessieren der Gesellschaft), werden gegen die ethnische Segregation zwei Meta-Narrative vorgebracht. So wird zum einen auf der Mikro-Ebene argumentiert, die ethnische Segregation sei nicht im Interesse des Zuwanderers, da sie seine individuelle Integration erschwere. Zum anderen wird der ethnischen Segregation aus einer MakroPerspektive unterstellt, sie gefährde den Zusammenhalt der Gesellschaft insgesamt oder wenigstens die Stabilität des Quartiers (vgl. Häußermann/Oswald 1997). Die Problematisierung von ethnischer Segregation überlappt zudem mit den Folgen, die der sozialen Segregation unterstellt werden. Im Folgenden wird die Argumentation zu den Folgen von sozialer Segregation nachgezeichnet. Im Anschluss werden zunächst die individuellen und dann die kollektiven Folgen dargestellt, die die Akteure ethnischer Segregation zuschreiben. Das Kapitel schließt mit den Standpunkten derjenigen, die ethnisch geprägten Quartieren positive oder zumindest keine negativen Effekte unterstellen. Während Kapitel 2 dazu diente, auf abstrakter Ebene den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu Nachbarschaftseffekten darzustellen, sollen im Folgenden die länderspezifischen Diskurse zu den negativen Folgen des Problems Segregation verglichen werden. Dabei zeigt sich, dass in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden Segregation zum Teil aus unterschiedlichen Gründen für ein Problem gehalten wird, und je nach Land und Zeitpunkt entweder das Versagen der 252
individuellen Integration oder die Gefährdung der gesellschaftlichen Integration stärker in den Vordergrund gerückt wird. Ferner zeigen sich Unterschiede, wie konsensflihig die Problematisierung von Segregation überhaupt ist. Zudem verdeutlicht die Diskursanalyse, dass die storyline "Segregation behindert Integration" durch die Heterogenität des Integrationsbegriffs von Akteuren mit sehr unterschiedlicher Motivation bemüht werden kann. Dabei geht die Sorge um eine Benachteiligung der Migranten mit einer Stigmatisierung des vermeintlich abweichenden migrantischen Wohnverhaltens und einer Problematisierung von Zuwanderung einher. Die Debatte um die Sozialverträglichkeit ethnischer Konzentrationen im Stadtteil fungiert zu bestimmten Zeitpunkten in bestimmten Konstellationen als Stellvertreter der Frage, wie viel Zuwanderung und Heterogenität überhaupt vertretbar sei.
7.2.1 EinjUhrung In allen drei untersuchten Fällen wird seit etwa Ende der 1960er Jahre die Konzentration von ethnischen Minderheiten in bestimmten Stadtteilen als Problem wahrgenommen, das einer politischen Lösung bedarf. Mit der Politisierung des Integrationsthemas hat auch die Beschäftigung mit ethnischer Segregation zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen neuen Anstoß erhalten (phillips 2006a: 2). Obgleich Großbritannien im Vergleich zu Deutschland in Fragen des interkulturellen Zusammenlebens stärker an den USA orientiert ist, ist die Perzeption der Arbeiten der Chicagoer Schille und damit eine Problematisierung aller nicht-weißen Konzentrationen in der britischen Forschung nicht verbreitet (Harrison 2005c: 92). In der Praxis hat die ethnische Segregation jedoch seit den 1950er Jahren stärker als andere Formen der Segregation Aufmerksamkeit erregt, die in den Medien sensationalisiert wurde (Atkinson 2000: 218). Für konservative Politiker galt ethnische Segregation als Sinnbild für die Notwendigkeit stärkerer Einwanderungsbeschränkungen, für Labour als ein Symbol sozialer Ungleichheit und Diskriminierung (Phillips/Karn 1991: 63). Gegenwärtig werden in Großbritannien im Vergleich zu den anderen beiden Ländern stärker die negativen Folgen der ethnischen Segregation für den Zusammenhalt der Gesellschaft diskutiert als nachteilige Effekte für den individuellen Bewohner. Dies drückt sich nicht zu1etzt darin aus, dass im aktuellen Diskurs die Rede von community cohesion und nicht so sehr von "Integration" ist. In den Niederlanden hält sich ein Interesse an ethnischer Segregation seit den 1970er Jahren. "From the beginning, housing segregation was considered a social problem, that is, as a phenomenon that engenders negative consequences for the 253
population groups involved" (Mik 1991: 179). Im Gegensatz zu GB ist es für die Niederlande jedoch schwieriger, einen zentralen Diskurs zu den gefürchteten Folgen von ethnischer Segregation zu identifizieren. Deutlich heterogener fallen hier die Bewertungen aus, zumal sich eine starke Diskrepanz zwischen dem nationalen und den lokalen Diskursen einerseits sowie vor allem auch zwischen den großen Städten andererseits feststellen lässt. Während Rotterdam ein Vorreiter der Skandalisierung des Migrationsthemas insgesamt gewesen ist, hält sich unter den interviewten wohnungspolitischen Akteuren in Amsterdam weiterhin eine größere Offenheit gegenüber kultureller Vielfalt sowie ethnischer Segregation. Laut Aalbers und Deurloo (2003: 197) hält sich bis heute in weiten Teilen der Öffentlichkeit sowie unter Politikern der Eindruck, die residentielle Segregation und Konzentration ethnischer Gruppen sei nicht wünschenswert oder sogar gefährlich. Während noch bis in die 1990er Jahre vor dem Hintergrund eines depolitisierten Integrationsdiskurses ethnische Segregation eher indirekt thematisiert wurde, wird diese im neuen Jahrtausend - zumindest auf nationaler Ebene - deutlich offener problematisiert (Musterd/de Vos 2007: 334). Nach Aussage des Utrechter Stadtgeographen Gideon Bolt (Interview) lässt sich beobachten, dass ethnische Segregation auch auf lokaler Ebene zunehmend als ein Problem wahrgenommen wird. Bolt hatte die Fünf-Jahres-Pläne der 31 größten Kommunen untersucht, die diese im Rahmen der "Großstadtpolitik" vorlegen müssen. Von diesen Gemeinden hätten 29 Segregation oder einen Mangel an "Balance" der Bevölkerung als zentrales Problem angegeben, wobei häufig unklar geblieben sei, was genau darunter verstanden werde. "It was often left in the open. In many cases after they were more accurate, they talked about segregation of weaker groups, of low income groups and nine ofthem explicitly stated that ethnic segregation was a problem to be solved." In den entsprechenden Plänen, die für den vorangegangenen FünfJahres-Zeitraum erarbeitet worden waren, hätten nur vier oder fünf ethnische Segregation als Problem erwähnt. Dieser Trend schlage sich auch in den Memoranden des nationalen Wohnungsbauministeriums nieder.
7.2.2 " Gefahr durch soziale Segregation" Die Diskurse zu den negativen Folgen von ethnischer Segregation sind in allen drei Ländern eng verschränkt mit Bedenken, die sich eher gegen soziale Segregation richten. Die deutsche Debatte um ethnische Segregation gewann nach Aussage des Berichtes der Beauftragten der Bundesregierung für Integration (2005: 109) in den 1990er Jahren nicht so sehr wegen der Zunahme der ethnischen Konzentration an 254
Bedeutung. Vielmehr hätten eine steigende Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen sozialen Probleme in den traditionellen Quartieren der Arbeiterschicht zugenommen und den Blick auf diese Quartiere gelenkt. Die unterstellten Folgen von ethnischer Segregation benennen dementsprechend häufig eher die vermuteten Konsequenzen von sozialer Segregation, wobei im deutschen Fall weniger negative Effekte auf die individuellen Bewohner als eher negative Effekte fiir den Zusammenhalt im Quartier gefiirchtet werden. Für die Quartiere der neuen städtischen Unterschichten wird die Erosion traditioneller informeller Solidarpotenziale in Familie und Nachbarschaft durch die Verstetigung von Arbeitslosigkeit, Bildungsarmut und materieller Not erwartet (Strohmeier 2006: 17). Insbesondere fiir Großwohnsiedlungen, die ursprünglich als Schlafstätten fiir die traditionelle Kleinfamilie gebaut wurden, ergibt sich nach diesem Narrativ ein Problem fiir das Zusammenleben, da sie nicht dafiir ausgelegt seien, dass ein großer Teil der Bewohner hier seinen Alltag verbringe. Die Konflikte in diesen Nachbarscha:ften werden jedoch häufig mit ihren hohen Zuwandereranteilen in Verbindung gebracht, obwohl deren Zuzug nichts mit dem sozialen Abstieg der alteingesessenen Bewohner zu tun hat. Verbreitet ist dabei die Deutung, wie etwa vom Deutschen Städtetag (2007b: 34) und dem Hamburger Integrationskonzept (Freie und Hansestadt Hamburg 2006: 33) vertreten, ethnische Konzentrationen seien deshalb problematisch, da sie in sozial benachteiligten Quartieren aufträten, deren einheimische Bewohner "am wenigsten in der Lage" seien, Toleranz und Integrationsfähigkeit aufzubringen. In Großbritannien nimmt die Problematisierung von sozialer Segregation eine andere Form an, da hier ethnische und soziale Segregation zu einem geringeren Maße überlappen als in der BRD. Die verarmten weißen Siedlungen stellen sich häufig aus stadtpolitischer Sicht als die schwierigsten hinsichtlich sozialer Exklusion und individueller Isolation dar. Der Diskurs zu den armen weißen Sozialwohnungsmietern und der Diskurs zu den vermeintlich schlecht integrierten segregierten Minderheiten weisen jedoch insofern eine Parallele auf, als ihnen eine pathologisierende Sichtweise auf die beiden Bewohnergruppen gemein ist. Dabei knüpfen die aktuellen Befiirchtungen, in ethnisch segregierten Gebieten könnten Gemeinschaften Werte pflegen, die im Widerspruch zu jenen der Allgemeinheit stünden, an eine Problematisierung an, die früher gegenüber Armut generell galt. Mitglieder der Unterschicht seien durch eine Distanz zu gesellschaftlichen Normen, Werten und Verhaltensweisen gekennzeichnet. Damit wird moralisches Versagen und kulturelle Verschiedenheit zur Ursache von Armut erhoben (Wassenberg 2004: 227). So sieht Atkinson (2000: 217) die Ursprünge britischer Stadtpolitik im Jahr 1968 im dominanten Glauben, Armut sei auf einige wenige "Nester" beschränkt, in denen Personen wohnten, die die Gelegenheiten und Chancen des 255
Arbeitsmarktes nicht genutzt hätten. In den 1990er Jahren rückte der Fokus stärker auf die peripheren Sozialwohnungssiedlungen, wo soziale Exklusion mit der Existenz des Sozialwohnungsbaus und abermals mit dem Wertesystem der Bewohner erklärt wurde (Cameron/Field 2000: 829). Auf die stigmatisierenden Folgen von ethnischer Segregation übertragen lässt sich festhalten, dass auch hier die Segmentation als ein Versagen der Minderheit interpretiert wird, anstatt auf die strukturellen Bedingungen, das Zusammenspiel des globalen Wandels mit nationalen Arbeitsmarkt-, Wohnungs- und anderen Politiken abzuheben (Hastings 2004: 239). Während ethnische Segregation in den Niederlanden weniger vehement problematisiert wird als in der BRD, wird die soziale Segregation hier sehr stark als Problem wahrgenommen. Insbesondere in der Gemeinde Amsterdam ist die Lesart dominant, das größte Problem des Wohnungsmarktes bestehe darin, dass ein Mangel an gehobenem Wohnraum Mittelklassehaushalte in das Umland vertrieben habe, die als peacemaker für den Stadtteil begriffen werden (van Helsum 2007: 45). Im Gegensatz zum Konzept der deutschen ,,Parallelgesellschaft" oder den englischen parallel lives ist die niederländische Perzeption von Segregation vom Begriff der dual society geprägt, einer durch soziale Exklusion gekennzeichneten Gesellschaft (Interview Musterd). Die starke Problematisierung von sozialer Segregation in den Niederlanden könnte eine Reihe von Ursachen besitzen. Zum einen besteht ein enger Zusammenhang zwischen sozialer und ethnischer Segregation, sodass ethnische Segregation implizit problematisiert werden kann, ohne an einer noch immer in einigen Teilen der Gesellschaft verbreiteten politischen Korrektheit anzuecken. Außerdem könnte in einem toleranten Umfeld wie Amsterdam tatsächlich die soziale Segregation als größeres Problem wahrgenommen werden, da der Stadt mit der Abwanderung einkommensstärkerer Haushalte ins Umland Steuerzahler verloren gehen. Neben diesen Problemen für die Gemeinde werden jedoch auch negative Sozialisationseffekte für die Bewohner in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit gefürchtet, obgleich die Existenz derartiger Nachbarschaftseffekte in verschiedenen wissenschaftlichen Studien angezweifelt worden ist (Interview Kullberg). Zudem sind Maßnahmen zur Herstellung einer explizit ethnischen Mischung in der Vergangenheit für verfassungswidrig erklärt worden, sodass eine Problematisierung von sozialer Segregation als Stellvertreter fungieren muss. Der Utrechter Stadtgeograph Ronald van Kempen bestätigt im Interview, dass eine explizite Auseinandersetzung mit ethnischer Segregation in offiziellen Stellungnahmen und Memoranden in der Tat selten sei: "But then in more informal settings, during a dinner, after having some drinks, and if you go on a field trip with people from the municipality and a corporation, they almost only talk about the problem of ethnic segregation."
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7.2.3 Segregation als Hindernis für die individuelle Integration ... 7.2.3.1 ... "durch erschwerten Spracherwerb" Zentral für die deutsche Problematisierung von Segregation ist die Befürchtung, in einem von Ausländern geprägten Stadtteil fehlten aufgrund ausbleibender Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft Anreize zum Erwerb der deutschen Sprache, was wiederum die sozioökonomische Integration erschweren könne. So äußert der Präsident des Mieterbundes: ,,Ich meine, dass es eine riesige Rolle spielt bei dem ganzen Integrationsprojekt, wie weit es gelingt, die Migranten zur deutschen Sprache zu führen und damit auch zur Teilhabe am dentschen Bildungssystem und Kultursystem. Und da könnte ich mir vorstellen, dass das in durchmischteren Strukturen doch noch leichter gelingt als in diesen homogenen, geschlossenen Strukturen."
Obgleich, wie die ehemalige Berliner Integrationsbeauftragte John anmerkt, es nicht per se zu den zentralen Interessen eines Wohnungsunternehmens gehört, dass seine Mieter die deutsche Sprache beherrschen, wird die Frage eines ausreichenden Spracherwerbs in ethnisch segregierten Quartieren gerade auch von der Wohnungswirtschaft immer wieder problematisiert: "Menschen mit Migrationshintergrund haben nur dann die Möglichkeit, in einer Gesellschaft Fuß zu fassen, wenn sie nicht alle Alltagsgeschäfte mit ihrer Muttersprache abwickeln können", konstatiert der Regionalverband VdW südwest (2007: 2). Dies kann zum einen am Selbstverständnis der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen liegen, wonach es seit dem Ersten Weltkrieg ihre Aufgabe gewesen sei, durch die Reduzierung von sozialen Spannungen gesellschaftlich stabilisierend zu wirken. Möglicherweise wird durch bessere Verständigungsmöglichkeiten auch eine bessere Kommunikation unter den Mietern verschiedener Herkunft und somit eine Verringerung des Vermittlungs- und Mediationsaufwandes für das Wohnungsunternehmen erhofft (vgl. Neuhöfer 1998: 42). So wurde von Willi Hoppenstedt, Vorstand des kommunalen Hamburger Wohnungsuntemehmens SAGA-GWG, im Rahmen des Projektes "Zuwanderer in der Stadt" betont, dass Stadtteile dann unproblematisch seien, wenn trotz eines hohen Ausländeranteils keine Gruppe die Mehrheit bilde. 120 Somit sei eine Verständigung auf Deutsch als lingua franca notwendig. Die Bedeutung des Spracherwerbs wird auch deshalb von den Wohnungsunternehmen hervorgehoben, da sie die Kommunikation unter ihren Mietern gewährleistet wissen wollen. Dies wird auch von einem sachsen-anhaltinischen Woh120 Auch in GB werden vom eantle-Bericht (2001: 60) vor allem monoethnisch geprägte Nachbarschaften problematisiert.
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nungsuntemehmen als Rechtfertigung vorgebracht, warum es einer Irakerin eine Wohnung verweigert hatte. Nachdem sich der Ausländerbeauftragte der Landesregierung des Falles angenommen hatte, erhielt er vom Wohnungsunternehmen folgendes Schreiben: ,,Die Praxis zeigt jedoch, dass eine Integration nur von Erfolg gekrönt sein kann, wenn ausländische Mitb1lrger fähig sind, regelmäßige Rechtsgeschäfte, Behördenwege und zwischenmenschliche Beziehungen des täglichen Lebens zu bewältigen. Des weiteren wünschen wir uns, dass sich flir beide Parteien, Altrnieter und Mieterzugang, das Wohnklirna im Haus als angenehm entwickelt, und dazu gehört auch, dass gewisse Kommunikationsschwierigkeiten überbrückt werden müssen. Aus diesem Grund verfährt unsere Gesellschaft in diesen Fällen nach dem Prinzip des billigen Ennessens, d.h. dass bei Vorhandensein ausreichender Sprachkenntnisse einer Versorgung mit Wohnraum nichts entgegensteht, wenn davon auszugehen ist, dass die o.g. Fähigkeiten von dem Antragsteller beherrscht und umgesetzt werden können" (Der Ausländerbeauftragte SachsenAnhalt 2001: 32 f.).
Auf jeden Fall verdeutlicht dieses Beispiel die geringe Sensibilität für Diskriminierung einerseits, durch die das deutsche Fallbeispiel gekennzeichnet ist, sowie den an Anmaßung grenzenden Ermessensspielraum der Wohnungswirtschaft gegenüber Migranten andererseits. 121 In Großbritannien ist die Problematisierung eines vermeintlich unzureichenden Spracherwerbs neueren Datums und stärker als assimilationistisch umstritten als in der BRD (vgl. BumettlWhyte 2004: o.S.). Mit einer Verschiebung des Fokus von den von karibischstämmigen und Englisch sprechenden Kolonialbürgern bewohnten Nachbarschaften auf die Wohnorte der Pakistaner und Bangladescher im neuen Jahrtausend und im Zuge einer Suche nach Britishness ist die Fähigkeit Englisch zu sprechen von der Labour-Regierung zur wichtigen Voraussetzung für die Integration erhoben worden (Boume 2007: 4). Auch in den Niederlanden, wo zu Zeiten der Minderheitenpolitik in den 1980er Jahren die Muttersprachen der Migranten gefördert wurden, wird mittlerweile ethnisch geprägten Nachbarschaften ein negativer Effekt auf den Spracherwerb zugeschrieben, wie eine Studie des Sociaal en Cultureel Planbureau der niederländischen Regierung festhält (SCP 2009: 0.8.): ,,Large concentrations of ethnic minorities are definitely seen as a problem, especially by residents with children, particularly ifthe concentrations are accompanied by benefit dependency and other social problems. These problems come out strongly in the socialisation and language skills of
121 Die mit den Grundrechten kaum zu vereinbarende Überlegung, eine Wohnung nur bei angemessenen Sprachkenntnissen zu vermieten, ist jedoch kein deutscher Einzelfall. In Belgien sieht ein im Jahr 2007 noch nicht implementiertes Gesetzesvorhaben in Flandern vor, dass diejenigen Migranten, die eine Sozialwohnung beziehen wollen, zunächst Flärnischkenntnisse nachweisen müssen (de Decker 2007: o.S.).
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children, if there are no or too few indigenous Dutch people, preferably from the middle c1asses, living in the neighbourhood and attending the same schooL Children are especially vulnerable because their social networks are more focused on the neighbourhood; adults can find compensation in their work."
Zentral für die niederländische Interpretation von ethnischer Segregation ist die Deutung, Segregation unterbinde Kontakte zwischen Mehrheit und Minderheit. 122 In einem gemeinsamen Brief an das Unterhaus vom Januar 2003 unterstrichen der Minister für Wohnen, Raumplanung und Umwelt sowie der Minister für Integration, dass das Beherrschen der niederländischen Sprache eine Mindestanforderung sei, wobei ethnische Minderheiten eher geneigt seien, Sprachkenntnisse zu erwerben, wenn die Notwendigkeit dazu durch ethnisch gemischte Nachbarschaften bestehe (Nieuwboer 2003: 62). Dieses Deutungsmuster findet sich auch in Stellungnahmen des niederländischen Parlamentes, das vor einer mangelnden Orientierung an der niederländischen Gesellschaft, verminderten Sprachkenntnissen und schlechteren Entwicklungschancen für die Kinder warnt: "There are reasons to believe that living in multiethnic 123 neighbourhoods harnpers integration. In many multiethnic neighbourhoods an ethnic infrastructure has come into existence, which makes the orientation towards Dutch society, the use of the Dutch language and the establishment of contacts with indigenous Dutch to a great extent redundant. ( ... ) The question of ethnic concentration can no longer be ignored in integration policy" (übersetzt in van der Laan Bouma-Doff 2007: 997-998).
In einer Untersuchung verglichen die Autoren des SCP die Kontakte zwischen Mehrheit und Minderheiten, deren Sprachkenntnisse sowie die Einstellungen der Gruppen zu einander (GijsbertslDagevos 2007: 806). Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass der Kontakt der Niederländer zu den Minderheiten abnahm, wenn mehr als die Hälfte der Bewohner Mitglieder nicht-westlicher Minderheiten waren. Den tipping point benennen Gijsberts und Dagevos (2007: 819) mit 50% nicht-westlichen Minderheiten. Die Korrelation zwischen Kontakthäufigkeit und Sprachkenntnissen sei stark und etwa vergleichbar mit der Korrelation von Bildungsstand und Sprachkenntnissen. Die Autoren räumen jedoch selbst ein, dass hiermit nichts über eine Kausalität gesagt sei, da sich Sprachkenntnisse durch regelmäßige Kontakte verbessern könnten, zugleich aber bestehende gute Sprach-
122 Dagevos und Gijsberts (2007: o.S.) halten fest, dass es in schwarzen Nachbarschaften nicht nur weniger Kontakte zwischen den Gruppen, sondern generell weniger Kontakte unter den Bewohnern gebe und die Fluktuation in den Gebieten daher höher sei. 123 Der Ausdruck multiethnisch wird in den niederländischen Dokumenten anders verwendet als in der vorliegenden Arbeit. Während der Begriff hier die Heterogenität der Herkunftsnationen bezeichnet, meint das niederländische Konzept Stadtteile mit hohem Minderheitenanteil.
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kenntnisse die Kontaktaufnahme erleichterten (a.a.O.: 822). Die Ergebnisse stehen im Gegensatz zu Mik (1991: 191), der - ähnlich wie Alpheis (1990) für Deutschland - zu dem Ergebnis kam, dass es keine enge Verbindung zwischen Segregation und niederländischen Sprachkenntnissen gebe. Die Fähigkeit, niederländisch zu sprechen, erwies sich für alle Segregationsniveaus als niedrig und lag bei 43% in gering segregierten und 35% in stark segregierten Gebieten.
7.2.3.2 ... "durch Behinderung der kulturellen und sozioökonomischen Integration" Neben der Sorge um unzureichenden Spracherwerb werden segregierte Gebiete auch deshalb von verschiedenen Akteuren abgelehnt, da befürchtet wird, ein in der Mehrheitsgesellschaft übliches Verhalten könne nicht wahrgenommen und erlernt werden. In Deutschland ist idealtypisch zu unterscheiden zwischen der Position der Wohnungsanbieter einerseits und der Haltung der Kommunen andererseits. Hinter der Forderung nach Integration durch ein ethnisch gemischtes Wohnquartier verbirgt sich bei vielen Wohnungsanbietem der Wunsch nach einer ,,zivilisierung" des als andersartig wahrgenommenen ausländischen Wohnverhaltens, 124 während bei politischen Verantwortungsträgern eher suggeriert wird, durch Kontakte zu deutschen Nachbarn werde eine soziokulturelle und damit sozioökonomische Integration erleichtert (Spiegel 2001: 78). Die Position der Wohnungswirtschaft wird insbesondere von Volker Eichener (1988) wiedergegeben. Im Standpunkt der Wohnungswirtschaft geht das Postulat, Segregation verhindere die individuelle, soziokulturelle Integration, mit der Sorge einher, ethnische Segregation könne vor allem den Status des Quartiers verschlechtern. Eichener zufolge hat segregiertes Wohnen eine "retardierende Wirkung" auf die Integration der Zuwanderer, da die Mehrheitsbevölkerung ab einer "gewissen Höhe" ihre Verhaltensnormen nicht mehr durchsetzen könne und das ausländische Wohnverhalten Standard werde (a.a.O.: 182; 185). Beim integrierten Wohnen, welches das Zusammenwohnen in einem Haus bedeuten müsse, hätten Ausländer die Chance, die üblichen Verhaltensnormen kennen zu lernen und "sie durch Imitation zu erlernen" (a.a.O.: 211). Durch das Zusammenleben wird den Migranten bei Mischung und Kontakten die iibernahme von Verhaltensweisen
124 Beispielhaft hierfiir ist das VIdeo ,,Mein Nachbar ist Deutscher", das in den 1990er Jahren von der Nassauischen Heimstätte an ihre ausländischen Mieter vergeben worden war. Darauf erklärte die Wohnungsgesellschaft den Migranten unter ihren Mietern, was in einem deutschen Haus wichtig sei: Ruhe, Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit (taz, 21.11.2007).
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unterstellt. Dies wird von Bürkner (1987: 226) als ethnozentrische Voreingenommenheit kritisiert, die impliziere, es erfolge bei den Migranten eine Anpassung ,,nach oben". Wissenschaftliche Untersuchungen der vergangenen zwanzig Jahre kamen zu dem Ergebnis, dass es für deutsche Nachbarschaften keinen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an ethnischer Segregation und der Integration ihrer Bewohner gebe. Alpheis (1990: 172) untersuchte, welche Gegebenheiten der ethnischen Struktur die interethnischen Kontakte bestimmen und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Kenntnis der ethnischen Struktur des Wohngebietes bei der ersten und zweiten Generation der Türken maximal 4 bis 5% der Varianzen der sozialen Assimilation erklären könne. ,,Das ist schon so wenig, dass von einer Bedeutungslosigkeit der ethnischen Struktur des Wohngebietes für die soziale Assimilation von Türken gesprochen werden kann." Ebenso fand Drever (2004) in ihrer Analyse von Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP), dass Bewohner von ethnisch geprägten Nachbarschaften nicht stärker kulturell isoliert von der Mehrheitsgesellschaft seien als Minderheiten mit Wohnsitz in gemischten Vierteln. Auch Pott (2001: 67) konnte mit seiner Arbeit zu Aufsteigern aus ethnisch geprägten Stadtteilen zeigen, dass individuelle Faktoren wie Schulbildung, Aufenthaltsdauer etc. wesentlicher waren als die ethnische Komposition der Nachbarschaft. Auch die Integration in den Arbeitsmarkt muss nicht durch das Leben in ethnisch geprägten Quartieren behindert werden. Es gibt durchaus Stadtteile mit hohem Migrantenanteil, in denen die Erwerbsbeteiligung der Ausländer deutlich höher ist als die der Deutschen. Beispielsweise haben traditionelle Ausländerhochburgen wie die Hamburger Stadtteile Veddel und Wilhelmsburg eine unterdurchschnittliche ausländische Armutsquote (Erdmann 2001: 148). In den Niederlanden ist die "Einseitigkeit" der Bevölkerung zum Schlüsselbegriff der Problemdeutung geworden und wird nicht mehr nur als Frage der sozialen, sondern vor allem der ethnischen "Balance" gefasst. So heißt es in einer Publikation der Regierungsagentur SCP: "Neighbourhoods with a one-sided population profile are regarded as increasing the risk of ghetto formation" (Gijsberts 2004: 18). Wenda van der Laan Bouma-DofI (2007: 1000) hat dieses Deutungsmuster als Isolationsthese bezeichnet: Als Konsequenz beschränkter Kontakte zu Niederländern konservierten Zuwanderer ihre Herkunftssprache und Kultur, was wiederum negative Auswirkungen auf Bildungserfolge und Arbeitsmarktbeteiligung nach sich ziehe. Während also einerseits eine mangelnde kulturelle Anpassung vor allem der muslimischen Zuwanderer - gefürchtet wird, gilt die Sorge andererseits vor allem einer ausbleibenden sozioökonomischen Integration. Dieses Deutungsmuster findet sich auch im Bericht der Blok-Kommission (2004: o.S.): 261
,,It is not unthinkable that decreased socio-cultural integration (and, more specifically, reduction of informal contacts between native Dutch people and migrants) will Iead to decreased socioeconomic integration as a consequence. Research in this field has shown that socio-cultural integration plays a role in socioeconomic integration, especially for less well-educated migrants of the first generation."
Ein wesentliches Interesse der niederländischen Wissenschaftler gilt daher der Frage, ob Kontakte zwischen Autochthonen und Allochthonen tatsächlich durch die Quartierszusammensetzung und den Grad der Segregation beeinflusst sind. Van der Laan Bouma-Doff (2007: 1001) testete die Isolationsthese für die vier größten Zuwanderergruppen - Türken, Marokkaner, Surinamer und Antillianer auf Grundlage der nationalen Erhebung ,,social Position and Use of Public Utilities by Migrants 2002"125 sowie Bevölkerungsstatistiken. Obgleich sie der Skandalisierung von ethnischer Segregation sehr kritisch gegenüber steht, wie sie im selben Artikel deutlich macht, kam sie zu dem Ergebnis, dass es eine klar negative Beziehung gebe zwischen Segregation und der Existenz von "ethnischen Brücken" (a.a.O.: 1008). Die Wahrscheinlichkeit, Freizeitkontakte zu autochthonen Niederländern zu unterhalten, sei größer, je mehr Niederländer es in der Nachbarschaft gebe, wobei sie einen Anteil von 60% Niederländern als Schwellenwert benennt: "Of all variables, only the effects of a professionalluniversity degree and good language skills are stronger than the effect of segregation" (a.a.O.: 10 I0).126 Musterd und Ostendorf (2007: 56) haben hingegen daraufhingewiesen, dass die Annahme, Bewohner von ethnisch segregierten Nachbarschaften hätten mehr Kontakte zu Angehörigen ihrer eigenen Herkunftsgruppe, insofern aufwackeligen Füßen stehe, als die meisten Migrantenviertel durch eine Vielfalt an Herkunftsgruppen gekennzeichnet seien. Selbst wenn es in weniger segregierten Quartieren eventuell mehr Kontakte zu anderen Nationalitäten gäbe, sei nicht bekannt, welche Effekte dies nach sich zöge. Zudem muss die Kontaktdichte nicht mit der Integration in den Arbeitsmarkt zusammenhängen. So schlussfolgern Gijsberts und Dagevos (2008: o.S.): "In contrast to the United States, for example, Dutch research reveals virtually no correlation between living in 'concentration neighbourhoods' and factors such as the Labour market position of ethnic minorities."
125 Die Daten wurden 2002 in persönlichen Interviews mit jeweils 1.000 Personen jeder ethnischen Gruppe sowie einem Survey unter 3.000 Autochthonen gesammelt (GijsbertslDagevos 2007: 811). 126 Dass das Ergebnis, wonach die Nachbarschaft ein Hindernis für die Aufnahme von interethnischen Kontakten darstellen könne, im Gegensatz zu Forschungsergebnissen für Deutschland (Drever 2004) steht, erklärt van der Laan Bouma-Doff (2007: 1009-1010) damit, dass sie eine stärkere ethnische Konzentrationen untersucht habe als Drever, die vergleichsweise geringe Ausländeranteile für ihre Definition zugrunde gelegt habe.
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7.2.3.3 ... "durch Schulsegregation" In allen drei Ländern ist die Segregation der Schulen eine gefürchtete Konsequenz der ethnischen Segregation. In Deutschland ist der Zusammenhang von residentieller Segregation und Schulsegregation durch bindende Schuleinzugsbezirke für Grundschulkinder stärker als in den anderen beiden Ländern. Während heute vor allem argumentiert wird, dass der Spracherwerb der ausländischen Kinder durch Klassen mit hohem Zuwandereranteil gefährdet sei, schien vielen Akteuren vor 30 Jahren bereits ein Wandel der Mehrheitsverhältnisse ein Dom im Auge zu sein. In einem Gastbeitrag für "Der Spiegel" vom 19. April 1982 fiihrt der SPD-Kommunalexperte Martin Neuffer aus: ,,[D]ie gutgemeinte Integrationspolitik der Bundesrepublik [fiibrt] zu oft untragbaren Belastungen für deutsche Kinder und Lehrer in den Schu1en. Die Herausbildung von Wohnungsscbwerpunkten der Ausländer fiibrt zur Verdrängung eingesessener deutscher Bevölkerung aus ihren Stadtteilen. Hochrechnungen des Frankfurter Schulentwicklungsplans besagen, daß der Ausländeranteil an den Frankfurter Hauptschu1en bis zum Jahr 1990 auf durchschnittlich 70% steigen wird. Schon beute gibt es Schulklassen, in denen nur noch jedes zehnte Kind Deutsch als Muttersprache spricht."
Anfang der 1980er Jahre gilt also allein schon die Beschulung der Ausländerkinder in normalen Regelklassen als großzügiges Integrationsangebot, und die Sorge scheint vor allem den Lemchancen der deutschen Kinder angesichts einer Vielzahl ausländischer Klassenkameraden zu gelten. Auch heute werden zum Teil negative Auswirkungen für deutsche Schüler antizipiert. Offiziell wirdjedoch überwiegend Sorge um den Spracherwerb der Migrantenkinder in segregierten Nachbarschaften geäußert. So erläutert Barbara John (Interview), dass der normalerweise ungesteuert verlaufende Spracherwerb durch Schulsegregation eben nicht mehr selbstverständlich erfolge, sondern didaktisiert werden müsse und dementsprechend schwerer zu vermitteln sei. In der Wohnungswirtschaft drückt die Ablehnung von residentieller Segregation zur Verhinderung von Schulsegregation aber auch die Angst vor einer hohen Fluktuation der sozial stabilen Familien aus, von denen angenommen wird, dass sie häufig dann den migrantisch geprägten Stadtteil verließen, wenn die Einschulung des ersten Kindes bevorstehe (Interview Ridinger; VdW südwest 2005b: 1). Dass eine als schlecht wahrgenommene Schulsituation zum Fortzug führen könne, wird auch vom nationalen Integrationsplan festgehalten (Bundesregierung 2007: 116). Auch in Großbritannien wird ethnische Segregation seit den 1960er Jahren als Problem interpretiert, da eine Segregation der Wohnorte auch eine Segregation der Schulen nach sich zieht. Ab einem Drittel zugewanderter Schüler seien Schulen 263
überlastet und es drohe zudem ihre Stigmatisierung, heißt es in einem offiziellen Bericht aus dieser Zeit (Ministry ofHousing and Local Government 1969: 132). Im Zuge der Erklärungen zu den Unruhen 2001 wurde auch die Schulsegregation problematisiert. So kritisiert der Cantle-Bericht (2001: 16), sein Team habe Schulen gefunden, in denen Schüler zu nahezu 100% einer Ethnie angehört hätten. Hiermit scheinen nicht pauschal Minderheiten gemeint zu sein, denn der Report fährt fort, die Aufnahmekriterien einiger von der Church 0/Eng/and (C 0/ E) betriebenen Schulen zu hinterfragen. So sei man beispielsweise auf eine christliche Schule in Mitten einer von Pakistanern geprägten Nachbarschaft gestoßen, die nur solche Schüler aufnahm, die durch einen Brief des örtlichen Pfarrers nachweisen konnten, dass ihre Eltern regelmäßige Kirchgänger seien. 127 Obwohl Eltern in GB mittlerweile nicht mehr an Schuleinzugsbezirke gebunden sind, berichten zahllose Anekdoten vom Umzug der Eltern, da besonders renommierte und damit überfüllte Schulen meist lokal ansässige Familien bevorzugen. Entsprechend steigen die Immobilienpreise in den Einzugsgebieten guter Schulen (Cantle 2008: 83). Diese Rückzugstendenzen der Mehrheitsgesellschaft sowie der Befund, dass ein hoher Migrantenanteil unter der Wohnbevölkerung durch die höhere Fertilität der Minderheiten mit einem noch höheren Minderheitenanteil an der Schulbevölkerung einhergeht, sorgen dafür, dass die Schulsegregation stärker ist als die residentielle Segregation (Burgess/Wilson/ Lupton 2005: 1027). Für besonders starke Auseinandersetzungen sorgt in GB jedoch die Entwicklung von muslimischen Schulen, von denen mittlerweile sieben als staatliche Schulen mit religiöser Ausrichtung gefördert werden. Vor dem Hintergrund, dass christliche Schulen seit den 1930er Jahren eine oftmals bedenklich selektive Aufnahmepolitik verfolgen, wird von Harrison (2005c: 87) kritisiert, dass die Konzentration von Minderheiten zur Gefährdung der Gemeinschaft erhoben werde, während der Rückzug der weißen Ober- und Mittelschicht als selbstverständlich gelte. Gleichermaßen erfolgt in den Niederlanden eine intensive Auseinandersetzung mit Schulsegregation. Sämtliche Interviewpartner - selbst solche, die eine auf ethnische Mischung abzielende Wohnungspolitik ablehnten - räumten ein, dass derartige Überlegungen im Schulkontext durchaus populär seien (z.B. Musterd, Hoogvliet, Dingemans). Da mehr als die Hälfte der Unter-14Jährigen 127 Obgleich bekannt ist, dass die Auswahlmechanismen vieler Konfessionsschulen fiir eine hohe soziale Selektivität sorgen, gibt es auch Ausnahmen. In einem Artikel in der "Times" vom Januar 2009 wird im krassen Kontrast zu Cantles Beobachtungen von mehr als einem Dutzend anglikanischen Schulen berichtet, die mittlerweile mehr als 80% muslimische Schüler unterrichten. Fünf davon hätten 99% muslimische Schüler, zwei sogar ausschließlich Schüler aus muslimischen Familien (Norfolk 2009: o.S.).
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in den Großstädten einer nicht-westlichen ethnischen Minderheit angehören, haben sich so genannte schwarze 128 Schulen zur Normalität entwickelt (Gijsberts 2004: 18). Dabei könnte der Zusammenhang von residentieller Segregation und Schulsegregation in NL eigentlich geringer ausfallen als beispielsweise in der BRD, da Artikel 23 der niederländischen Verfassung das Recht auf freie Schulwahl einräumt. Eltern sind also nicht an Schuleinzugsbezirke gebunden, präferieren aber häufig eine räumliche Nähe von Schule und Wohnort. Dennoch ziehen viele autochthone Eltern vor, ihr Kind in eine "weißere" Schule zu schicken, und auch eine wachsende Zahl von Migranteneltern bevorzugt eine gemischte Schule für ihre Kinder (Nieuwboer 2003: 43). Eine wichtige Rolle spielen dabei konfessionelle Schulen, denn die Wahlfreiheit bei der Schulwahl ist ein Relikt der Versäulung der niederländischen Gesellschaft. Obgleich die Debatte um Schulsegregation höchst emotional geführt wird (Interview Slot), haben wissenschaftliche Untersuchungen in Zweifel gezogen, ob der Besuch von "schwarzen Schulen" tatsächlich für die schlechtere Bildungsbeteiligung der allochthonen Schüler verantwortlich gemacht werden könne. Autoren wie Trappenburg (2003: 298) und Doomernik (2003: 176) unterstreichen, dass Schulen eine zusätzliche finanzielle Förderung für Schüler aus bildungsfernen, zerrütteten oder Migrantenhaushalten erhielten und somit kleinere Klassen besäßen. Auch Gijsberts (2004: 19) kommt zu dem Ergebnis, dass es keinen beziehungsweise nur einen schwachen Zusammenhang zwischen Schulsegregation und Schulleistungen gebe. Dennoch räumt der stellvertretende Leiter des Amsterdamer Statistikamts, Slot, ein, dass allochthone Schüler häufiger auf schlechteren Schulen zu finden seien. Es sei schwierig zu belegen, aber es könne trotz der zusätzlichen Finanzierung Anzeichen für eine schlechtere Qualität wie beispielsweise eine geringere Berufserfahrung der Lehrer geben. Dabei unterstreicht er, dass eher die Schulqualität und nicht die Zusammensetzung der Schülerschaft ein Problem darstellen könnte (Interview). Neben der Problematisierung von Schulleistungen wird aber auch im Schulkontext die Rolle der interethnischen Kontakte thematisiert. Eine hohe Konzentration von ethnischen Minderheiten auf einer Schule könne Kontakte zu einheimischen Kindern unterbinden und somit den späteren gesellschaftlichen Zusammen-
128 Während die Bevölkerungszusammensetzung - anders als in GB - eigentlich nicht als Frage der "Rassenbeziehungen" gefasst wird, ist für die Bezeichnung von ethnisch geprägten Schulen und Stadtteilen das Adjektiv "schwarz" geläufig, womit alle nicht-westlichen Minderheiten benannt werden.
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halt schwächen (Gijsberts 2004: 19; Interview SlotI29). Eine Entsprechung der britischen Debatte, ob nicht gerade auch Kinder der Mehrheitsgesellschaft an das Leben in einer heterogenen, multikulturellen Gesellschaft herangeführt werden müssten, anstatt in Konfessionsschulen davon abgeschottet zu werden, scheint sich im niederländischen Diskurs nicht zu finden.
7.2.4 Risikenfür den gesellschaftlichen Zusammenhalt ... Neben den Hindernissen für die Integration des einzelnen Migranten werden der ethnischen Segregation auch negative Effekte auf den Zusammenhalt der Gesellschaft unterstellt.
7.2.4.1 ... "durch zu große Sichtbarkeit der Minderheiten" In Deutschland wird einerseits als Folge von Segregation ein Ausbleiben von Kontakten befürchtet, andererseits scheint zugleich ein Zuviel an Berührungspunkten zu Spannungen zu führen. Ein weit verbreitetes Argument, das in diesem Zusammenhang gegen ethnische Segregation ins Feld geführt wird, lautet, Segregation führe zu einer höheren Sichtbarkeit der Minderheiten und erwecke damit die Ablehnung durch die ansässige Mehrheitsgesellschaft, wodurch wiederum die Integration - verstanden als beiderseitige Annäherung - behindert werde (Eichener 1988: 193). Durch ethnische Segregation werde eine vermeintliche Verdrängungsgefahr für die Einheimischen deutlich (Kür~at-Ahlers 1993: 226) und Fremdenfeindlichkeit verstärkt. Diese Interpretation wird beispielsweise vom sozialdemokratischen Düsseldorfer Arbeitsminister Friedhelm Farthmann in einem Artikel in "Der Spiegel" vom 7. Dezember 1981 zitiert. Politiker wie ihm seien ,,nicht der ausländische Bevölkerungsteil, sondern die Ausländerfeindlichkeit zuwider", weshalb sie den ,,Haß erzeugenden Zustrom stoppen wollen, weil sie fürchten, daß es ,bald hier zugeht wie zwischen Niederländern und Südmolukkern.'" Laut einer Berliner Sanierungsevaluation sei die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung zum Zusammenleben am stärksten gewesen, wenn man mit einer (54% uneingeschränkt dafür) oder zwei (57% uneingeschränkt dafür) ausländi-
129 Jeroen Slot verweist im Interview auf die uneindeutigen Forschungsergebnisse, die einerseits für gezielte Mischungsversuche an Schulen sprächen, in anderen Fällen jedoch aufdeckten, dass es auch an gemischten Schulen wenig Kontakte zwischen den Schülern innerhalb einer Klasse geben könne.
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schen Familien im gleichen Haus zusammen lebe. Darüber hinaus sei die Integrationsbereitschaft bei besonders vielen oder gar keinen ausländischen Familien im eigenen Haus abgefallen (Eichener 1988: 217). Besonders günstige Eingliederungsbedingungen macht Eichener (1988: 252) relativ willkürlich bei einem Anteil von elf bis 15% ausländischen Familien an der gesamten Bewohnerschaft einer Straße fest. Eine solche Zusammensetzung erhöhe die Kontaktaufnahme, Konfliktvermeidung und führe zu stabilen Nachbarschaften. Einen sprunghaften Anstieg von Störungswahrnehmung und Kontaktabnahme setzt Eichener bei einem Ausländeranteil von 16 bis 20% ausländischen Familien an. Die interministerielle ,,Arbeitsgruppe Ausländerintegration" in Bayern spricht 1999 einen weiteren Schwellenwert aus, der ebenso wenig hergeleitet oder begründet wird. Hier heißt es: "Besondere Bedeutung kommt einem sozialgerechten und integrationsfördernden Wohnen von Ausländerinnen und Ausländern zu, das in der Regel bei einem Anteil ausländischer Haushalte in Sozialwohnungsgebäuden und -anlagen von mehr als 25% in Frage gestellt wäre" (a.a.O.: 212). Bei diesen Schwellenwerten stellt sich indes nicht nur die Frage ihres Zustandekommens, sondern vor allem die Frage, ob die Kategorien AusländerlDeutscher angemessen sind, um die Wahrnehmung von Fremdheit in der Nachbarschaft zu erfassen. Es ist stark anzunehmen, dass Ressentiments nicht von der Nationalität abhängen, sondern von anderen Merkmalen, sodass beispielsweise Aussiedler und eingebürgerte Migranten ebenso aufAblehnung stoßen wie Migranten mit ausländischem Pass. Auch in Großbritannien ist die Problematisierung von Segregation ein Ausdruck der Verunsicherung darüber, ob Heterogenität und Diversität generell den gesellschaftlichen Zusammenhalt eines Landes untergraben. Dies drückt sich etwa in den Versuchen der britischen Regierung aus, im Rahmen der Community-CohesionAgenda den Zusammenhalt der Staatsnation zu stärken. Die Commission on Integration and Cohesion (2007: 29) kam jedoch auf Grundlage des Citizenship Survey des Jahres 2005 zu dem Ergebnis, dass es keinen negativen Zusammenhang zwischen dem Anteil an Minderheitenhaushalten in einer Gegend und der Wahrnehmung von Zusammenhalt oder Respekt für ethnische Differenzen gebe. Wie in Ostdeutschland treten in den vergangenen Jahren jedoch auch in GB vor allem in solchen Regionen Probleme des Zusammenlebens auf, die gerade nicht mit einer starken Zuwanderung konfrontiert sind (FlintIRobinson 2008: 3): ,,[R]ecent support for the far right BNP in Britain has come from white areas with very small BME communities and they have marle headway in various small towns and rural areas" (Cantle 2008: 90). Während gemeinhin ein hoher Ausländeranteil mit großen Integrationsschwierigkeiten und einer Zunahme der ablehnenden Einstellung der Mehrheitsngesellschaft gleichgesetzt wird, zeigen sowohl Ostdeutschland als auch das ländliche GB, dass Toleranz mit großer ethnischer 267
Vielfalt zunimmt: "Thus MaRI data from 2000 showed that some 75 per cent of those in the north-east felt that too much is done to help immigrants, compared with just 39 per cent of those in London, where the proportion of ethnic minorities is much higher" (Saggar 2003: 185). Dies zeigt, dass die jeweiligen sozialen und ökonomischen Verhältnisse vor Ort sowie die unterschiedlichen Mentalitäten der Mehrheitsbevölkerung bedeutsamer sind als die Größe der jeweiligen Zuwandererbevölkerung (vgl. Zuwanderungsrat 2004: 23). In den Niederlanden wird ebenso gefürchtet, Stadtteile mit einem hohen Zuwandereranteil riefen hohe Wahlergebnisse für rechtsextreme Parteien hervor (Aalbers/Deurloo 2003: 201). Doch auch hier gilt, dass viele Anhänger rechtsextremer Parteien gerade nicht aus Stadtteilen mit hohem Zuwandereranteil stammen (Interviewvan de Veer). Auch GerMik (1983: 81; 1991: 190) kam zu dem Ergebnis, dass Vorurteile gegenüber Minderheiten nicht in den am stärksten segregierten Gebieten am höchsten seien.
7.2.4.2 ... "durch Konkurrenz" Mit der höheren Sichtbarkeit der Minderheiten durch Segregation hängt auch die Deutung zusammen, Segregation könne Konkurrenzverhältnisse zwischen Migranten und Einheimischen verstärken. Die Effekte von Segregation ergeben sich dabei nicht automatisch, sondern sind in starkem Maße durch politische Entscheidungen mit Verteilungswirkungen - oftmals in anderen Politikfeldem - geprägt (vgl. Kesteloot/van Weesep/White 1997: 101). In Großbritannien ist die Verteilung von wohlfahrtsstaatlichen Ressourcen zur Hauptarena für interethnische Konflikte geworden, wobei sich insbesondere die Vergabe von subventioniertem Wohnraum als sozialer Sprengstoff herausgestellt hat (Hudson et al. 2007: 33). In Befragungen fühlten sich wider Erwarten vor allem die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert. Im offiziellen Citizenship Survey des Zeitraums 2007-2008 empfanden 24% der weißen Befragten eine Benachteiligung gegen ihre Gruppe durch Wohnungsämter oder Vergabestellen von Wohnungsbauvereinigungen im Vergleich zu 15% im Jahr 2001 und lediglich 13% bei den befragten Minderheiten-Angehörigen (Flint 2008: 167). In einer Umfrage aus dem Jahr 2007 äußerten 56% der britischen Erwachsenen, dass einige Gruppen ungerechterweise bevorzugt würden. Zu den meistgenannten Gruppen zählten Asylbewerber, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten (House of Commons 2008: 17). Dies hat weniger etwas mit ethnischer Segregation als mit dem Druck von Zuwanderung auf den Wohnungsmarkt allgemein zu tun, fließt jedoch in die Bewertung der Migrantenviertel ein. 268
Obwohl Neuzuwanderer aus den EU-Beitrittsländem kaum den sozialen Sektor nutzen - bedingt durch Zugangsbeschränkungen, geringe Kenntnissen über eigene Rechte sowie durch den Sachverhalt, dass die meisten kinderlos sind und daher im Fall von Obdachlosigkeit seltener in Sozialwohnungen untergebracht werden - ist die Sozialwohnungsvergabe an Migranten zum Politikum geworden (ebd.). Jedoch machten Migranten aus den Beitrittsländem im Berichtszeitraum 2006/2007 weniger als 1% der neuen Vergaben aus (Housing Corporation/Crn 2008: 8). Der falsche Eindruck, dass Neuzuwanderer bei der Vergabe von Wohnungen bevorzugt werden, wird darauf zurück geführt, dass sich manche an Osteuropäer vergebene Wohnungen des privaten Sektors in ehemaligen Sozialwohnungsbeständen befinden, die über das right to buy privatisiert wurden. So entsteht der Eindruck, Osteuropäer hätten sich in der Vergabe von Sozialwohnungen "vorgedrängelt" (Perry 2008a: 13). Hier zeigt sich, dass nicht nur die Ursachen von ethnischer Segregation, sondern auch deren mögliche Folgen durch politisches Handeln geprägt sind. Auch das Communities and Local Government Committee des britischen Unterhauses hält implizit fest, dass Spannungen nicht zwangsläufig, sondern durch politisch beeinflussbare Rahmenbedingungen entstehen: "Tensions between groups caused by issues of access to housing are undoubtedly exacerbated by the acute shortage ofsocial and affordable housing in England. The waiting list for social housings has risen by alrnost 60 per cent since 1996, whilst the social housing stock has reduced by more than 10 per cent since 1996" (House ofCommons 2008: 18).
Anstatt anzuerkennen, dass die politisch gewünschte Schrumpfung des Sozialwohnungssektors zu diesen Engpässen führt, wurde die Wahrnehmung eines Konkurrenzverhältnisses zwischen den ethnischen Gruppen durch einige Kabinettsmitglieder zusätzlich angeheizt. So sorgte die Industrieministerin Margaret Hodge 2007 fiir Aufsehen, als sie in einem Zeitungsbeitrag die Vergabe von Sozialwohnungen auf Grundlage von Bedürftigkeit hinterfragte und stattdessen anregte, Zugangsrechte an die Aufenthaltsdauer oder die Nationalität zu koppeln (Interview Flint). 130 ,,Here there is a c1ear narrative about 'entitlement', that is who
130 Die überlegungen von Margaret Hodge gingen vor allem in die Richtung, einen Ansturm von osteuropäischen Zuwanderern auf die Sozialwohnungsbestände zu unterstellen. Dabei unterschlug sie, dass osteuropäische Arbeitsmigranten ohnehin erst nach zwölf Monaten Beschäftigung beim selben Arbeitgeber zugangsberechtigt sind. Staatsangehörige der EU-Beitrittsstaaten, die sich nicht beim Innenministerium registrieren lassen, sind ebenso vom Zugang zu Sozialwohnungen ausgeschlossen, wie solche, die noch keine Arbeit gefunden haben und solche, die arbeitslos werden, bevor sie kontinuierlich für zwölf Monate gearbeitet haben (Robinson 2007: 103; Interview Phillips). Im Zeitraum 2006/07 erfolgten von den landesweiten 191.185 Neuvermietungen im
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should be entitled 10 receive resources from the State and on what basis" (Hudson et al. 2007: 36). Auf Resonanz stieß dieser Diskurs nicht nur deshalb, weil er an Ressentiments gegenüber Zuwanderern anknüpfen konnte, sondern auch deshalb, weil es sich beim sozialen Wohnungsbau schon immer um denjenigen Teil des Wohlfahrtstaates handelte, dessen Zugang oder Exklusion ganz besonders durch Entscheidungen über Charakter, Benehmen und Umstände der Antragsteller bestimmt war (Flint 2008: 168). Räumlich sichtbare Teilungen zwischen weißen und schwarzen Gemeinschaften - so ein aktuelles britisches Narrativ - könnten Rivalitäten und Spannungen zwischen den Gruppen auch deshalb erhöhen, da unterschiedliche Ausstattungen und Maßnahmen für den Stadtteil sofort als eine Ungleichbehandlung der jeweiligen Gruppe erscheinen können. In GB zeigt sich dies beispielsweise bei Stadtteilentwicklungsmaßnahmen, die bei ausgeprägter Segregation von der einen Gruppe stets als Bevorzugung der jeweils anderen ausgelegt werden können (CIH 2007c: 14): "One ofthe key findings showed how regeneration and renewal programmes have increased tensions between these communities because ofperceived favouritism, whilst at the same time labelling these communities as 'the problem"', stellt die Lobbyorganisation der Sozialwohnungsvermieter fest (NHF 2004: 2). Anstatt zu überdenken, inwieweit diese stadrteilbezogenen Strategien in der Lage sind, soziale Probleme zu lösen, wenn sie doch Konkurrenzverhältnisse begründen, werden nicht die populären area based initiatives in Frage gestellt, sondern die ethnische Segregation als Problem konstruiert. Selbst in den Niederlanden, deren nationales Selbstbild dadurch bestimmt ist, seit jeher tolerant und freundlich gegenüber Fremden und Andersdenkenden zu sein, hat die Konkurrenz um knappe Ressourcen in der Vergangenheit zu heftigen Konflikten geführt. Die Selbstwahmehmung wurde in den 1960er Jahren jäh durch Ausschreitungen in Rorterdam gestört, als Einheimische türkische Wohnheime attackierten. Ähnlich wie in GB, wo das Zusammenleben bis heute durch einen angespannten Wohnungsmarkt geprägt ist, ging es auch in Rotterdam um eine vermeintlich inakzeptable Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt (Blauw 1991: 43). Noch in den 1980er Jahren heißt es: "Conflicts arise or threaten to occur between immigrants and the original Rotterdam population. The allocation of a scarce existing fund of cheap housing is a particular problem" (Mik 1983: 75). Auch in Deutschland ließ sich in Zeiten von Wohraumknappheit eine Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt beobachten. Der Wahlerfolg der Republikaner bei den bayerischen Kommunalwahlen 1990, bei denen die rechtsextreme Partei auf Sozialwohnungssektor weniger als 5% an Ausländer und weniger als I% an Zuwanderer aus den EU-Beitrittsländem (a.a.O.: lOS).
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7,3% der Stimmen gekommen war, hing eng damit zusammen, dass sie die Wohnungsknappheit und die Vergabe von Sozialwohnungen an Aussiedler als herausragendes Thema im Wahlkampf besetzt hatte. Den Ausländern wurde damit, so hält Gude (1990: 242) fest, eine Sozialleistung geneidet, die sie gar nicht erhalten hatten, denn insbesondere türkische Staatsangehörige waren im Sozialwohnungsbau auch weiterhin deutlich unterrepräsentiert.
7.2.4.3 ... "durch Vorurteile" Ein geläufiges deutsches Motiv besagt, durch eine Separierung der Lebenswelten blieben Kontakte aus, die in einem gemischten Wohnumfeld zu Toleranz und Verständnis führen könnten (Leuninger 1979; o.S.). Der Verlust von Kontakten zwischen verschiedenen Gruppen der Stadtgesellschaft und damit von gesellschaftlichem Zusammenhalt wird auch vom interviewten Mitarbeiter des Münchner Stadtplanungsreferats als Grund angeführt, warum die Landeshauptstadt auf eine Mischung der Bewohner setze. Es gelte, in der Stadtentwicklung Kohäsion und Schnittstellen zu schaffen, da das "Auseinanderdriften der Gesellschaft" als eines der zentralen Probleme der Stadtentwicklung angesehen werde. Dieses Motiv wird beispielsweise auch in den Berliner und Hamburger Integrationskonzepten aufgegriffen (Der Beauftragte für Integration und Migration in Berlin 2007: 47; Freie und Hansestadt Hamburg 2006: 34). Damit wird eine einseitige Schuldzuweisung an die Migranten, die anderswo verbreitet ist, vermieden und der Integrationsbegriff als etwas gefasst, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Auch in der niederländischen Wahrnehmung sollen interethnische Kontakte in der Nachbarschaft Vorurteile abbauen helfen. Die Kontakthypothese, wonach Kontakte zu einem größeren Verständnis für andere Gruppen führen, ist in NL fest verankert (Gijsberts 2004: 37; Gijsberts/Dagevos 2007: 825). Andererseits hat auch in niederländischen Nachbarschaften der Zuzug von Migranten gewalttätige Gegenwehr hervorgerufen. Die historischen Versuche in NL, Migranten über das Stadtgebiet zu streuen (siehe 7.3), sind von Autoren wie Blauw (1991) und van Kempen/van Weesep (1997) auf diese gewalttätigen Reaktionen auf den Zuzug von Minderheiten zurückgeführt worden.
7.2.4.4 ... "durch ,Rassenunruhen'" Die britische Problematisierung von Integration stellt weniger die Integrationsleistungen der Individuen in Frage, sondern drückt stärker als in den anderen Ländern 271
die Sorge um eine mangelnde gesellschaftliche Kohäsion aus. Die britische Wahrnehmung des multikulturellen Zusammenlebens ist stark von den so genannten Rassenunruhen geprägt, die das Land immer wieder erschüttert haben. Hinter der Furcht vor "amerikanischen Verhältnissen" in britischen Städten verbarg sich die Sorge vor Desorganisation, Kriminalität und Unruhen, die aus den "Ghettos" erwachsen könnten (Ministry of Housing and Local Government 1969: 131; Flett 1984c: 81; Rex 1981: 32). In der politischen Auseinandersetzung mit den Unruhen, die sich in den 1970er und 1980er Jahren dann tatsächlich zutrugen, wurde als Ursache der Ausschreitungen eher weniger auf die ethnische Konzentration rekurriert, sondern stattdessen vor allem auf die sozioökonomische Marginalisierung der Minderheiten abgehoben (Mahnig 1998: 19). Dies sollte sich mit den Berichten infolge der Ausschreitungen in Nordengland im Jahr 2001 dramatisch ändern. Im offiziellen Diskurs wurde der Lesart gefolgt, die der Ouseley-Report (2001: 6) vorgegeben hatte. Anstelle einer Entwicklung zu selbstbewussten, ethnisch gemischten Stadtteilen, wo Menschen respektvoll und tolerant miteinander umgingen, könne man in Bradford die Verhärtung von Intoleranz durch mangelnde Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen beobachten. Der Ritchie-Report (2001: 16) zu Oldham hatte ebenfalls die ethnische Segregation in den Mittelpunkt seiner Analyse gestellt: "It has been claimed that Oldham is the most segregated town in England. We have not tried to measure it, but it is clear that the degree of segregation is intense." Für den Bericht ist diese wenig fundierte Aussage symptomatisch, wobei insbesondere die Unterstellung, die residentielle Segregation nehme zu, von Seiten der empirischen Forschung kritisiert worden ist (siehe 6.4.4). Der Cantle-Report (2001) folgte dieser Interpretation, die die räumlichen Distanzen zwischen den Gruppen als Hindernis für soziale Kontakte und als Auslöser von Vorurteilen und letztlich Gewalt interpretierte. Der Mangel an Kontakten sei ein Boden, auf dem sich Vorurteile in Ängste verwandeln könnten, die von Extremisten angeheizt würden (Cantle 2001: 28). Ein besonderes Problem ergebe sich in solchen Gebieten, in denen eine einzige ethnische Gruppe konzentriert lebe (a.a.O.: 60). Mit der Rede von den parallellives wurde in GB seither ein Bild populär, dass in der BRD als "Parallelgesellschaft" verbreitet ist. Im Gegensatz zu Deutschland, wo dieses Konzept vor allem den freiwilligen Rückzug der Minderheiten impliziert, hat Cantle (2008: 59) als Urheber der britischen BegrifIsschöpfung immer wieder darauf verwiesen, dass dieser Terminus als beidseitige Abgesondertheit zu verstehen sei, es also gerade auch um den Mangel der Kontakte der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Minderheiten gehe. Auffällig an der Konstruktion des Problems ist zudem, dass der Clarke-Report (2001) zu Bumley zwar auch von einem Trend zur Segregation sprach, als Ursache 272
für die Unruhen jedoch kriminelle Aktivitäten, die Provokation durch rassistische Gruppen und eine Verstärkung dieser Effekte durch Armut ausmachte. Dies wurde jedoch im offiziellen Diskurs unterschlagen, wenn es etwa in der Reaktion des Innenministeriums heißt: "Cantle, Clarke, Ritchie and Ouseley have all identified segregation, along raciallines, as a growing problem, and a significant contributory factor to the disturbances" (Horne Office 2001: Vorwort von John Denham). Ebenso verschwiegen wurde, dass die Gemeinde Oldham selbst mit einer 187-seitigenAntwort auf den Ritchie-Report reagiert hatte, in der sie den Fokus des Berichtes auf ethnische Segregation ablehnte und die ökonomische Benachteiligung als Ursache der Unruhen herausstellte (Bagguley/Hussain 2006: 351). Während in den ersten Jahren nach den Unruhen ethnische Segregation zu einem Problem, letztlich mit Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung, erhoben wurde, ist dieser klare Zusammenhang mittlerweile auch von offizieller Seite hinterfragt worden. Die Commission on Integration anti Cohesion, die temporär als Beratergremium nach den Anschlägen von London 2005 einberufen worden war, folgte zwar in wesentlichen Punkten dem Community-Cohesion-Diskurs der Vorjahre, brach aber insofern mit ihm, als sie die Problematisierung von ethnischer Segregation als beschränkte Sichtweise entlarvte. Der Leiter der Kommission, Darra Singh, konstatierte inAnspielung auf die Rede von Trevor Philipps: "Excessive coverage about residential segregation for example serves to spread a view that the whole of England is spatially segregated. It overstates and oversimplifies the problem and leaves us 'sleepwalking into simplicity'" (Commission on Integration and Cohesion 2007: 3). Von Seiten der Wissenschaft wurde zudem kritisiert, dass die Betonung der freiwilligen ethnischen Segregation als Ursache für die Unruhen mit einer Schuldzuweisung an die Adresse der Südasiaten einhergehe. Die Lesart der Unruhen als Folge der "parallelen Leben" spiele beispielsweise die rechtsextremistischen Aktivitäten herunter (Burnett 2007: 353). ,,[A] political discourse that focuses on the 'problems' associated with black minority ethnic segregation, as opposed to white, serves to racialise this agenda" (Phillips/Simpson/Ahmed 2008: 86). Die CommunityCohesion-Agenda betrachte die Segregation der Weißen als weitgehend unproblematisch, da diese die Prinzipien der britishness teilten (Robinson 2005: 1419). Der Vorstellung, Segregation sei dysfunktional, liege zudem eine romantisierende und verklärende Sicht auf die Dorfgemeinschaft zugrunde, wo alle Menschen am selben Ort leben, arbeiten und interagieren (Bagguley/Hussain 2006: 354). Obgleich es in der BRD nicht zu vergleichbaren Unruhen wie in GB gekommen ist, ist auch hier die Unterstellung verbreitet, durch ethnische Segregation könne es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen. Diese könnten sich entweder zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten zutragen oder unter verschie273
denen Herkunftsgruppen, die politische Konflikte aus ihren Heimatländern nach Deutschland importieren könnten. In einem 1983 von der Berliner Ausländerbeauftragten veröffentlichten Bericht heißt es, es gelte "Segregation zu verhindern, die sich bis zu Konflikten zwischen Bevölkerungsgruppen zuspitzen könnte" (Der Senator fiir Gesundheit, Soziales und Familie/Ausländerbeauftragter 1983: 50). In dieses Deutungsmuster reiht sich auch die aktuelle Interpretation ein, die Ausschreitungen in den banlieues seien ein Ausdruck des "Kampfes der Kulturen" auf lokaler Ebene, der sich aus der Konzentration der überwiegend muslimischen Wohnbevölkerung quasi zwangsläufig ergeben habe. Dieser Interpretation ist es in der deutschen Wohnungswirtschaft gelungen, sich als dominantes Wissen zu behaupten, das als selbstverständlich wahr gilt oder mehrheitlich als wahr akzeptiert wird (Bürkner/Gelinsky/Helms 1998: 318). Der Rekurs auf das Schreckgespinst der banlieue, der nahezu alle Stellungnahmen der wohnungswirtschaftlichen Verbände zur Notwendigkeit der Herstellung "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" durchzieht (z.B. GdW 2008: o.S.; GdW 2007a: o.S.; GdW 2004a: o.S.; Interview Ridinger), untermauert zudem den Standpunkt der interpretativen Policy-Forschung, dass Diskurskoalitionen durch storylines zusammengehalten werden und nicht durch fundiertes Wissen und die strategische Abstimmung von Handlungen, wie sie im Advokaten-Koalitions-Ansatz vorgesehen sind. Die Deutung, in segregierten Nachbarschaften bildeten sich Werte aus, die der Integration der Bewohner im Wege stünden, zeigt sich in allen drei Ländern insbesondere in Bezug auf die muslimischen Zuwanderer und dementsprechend insbesondere im neuen Jahrtausend. Während einerseits insbesondere von den Vermietern fiir die Nachbarschaften soziale Kohäsion und enge nachbarschaftliehe Netzwerke gewünscht werden, um eine Stabilität und vor allem auch soziale Kontrolle durch die Bewohner zu gewährleisten, werden enge Bindungen unter den migrantischen Bewohnern andererseits häufig als Problem wahrgenommen. In Deutschland ist die Furcht vor einer Indoktrination in ethnisch geprägten Nachbarschaften bereits in den frühen 1980er Jahren angelegt und zeigt sich an einer Aussage des bereits zitierten Städtetagspräsidenten Martin Neuffer ("Der Spiegel", 19.4.1982): "Die jetzt schon klar erkennbare Konzentration in den türkischen Wohnbereichen wird sich fortsetzen. Dort finden die türkischen Familien ein soziales Umfeld vor, das sie zu keinen besonderen Integrationsbemühungen zwingt, wahrscheinlich im Gegenteil in dieser Hinsicht entmutigt und hemmt." Diese geläufige Interpretation verengt die Frage der Segregation zumeist auf die Gruppe der türkischstämmigen Migranten. Während die soziale Kontrolle in ethnisch homogenen Siedlungen von manchen Wohnungsanbietem positiv bewertet wird, da es ilmen eher um Stabilität fiir die Nachbarschaft und weniger um die Inte274
gration des Individuums geht, wird von anderen Akteuren ein zu viel an sozialer Kontrolle durch die muslimischen Bewohner homogener Nachbarschaften gefUrchtet. So äußert der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Rips, er fUrchte, dass in ethnisch geschlossenen Quartieren insbesondere unter den türkischstämmigen Migranten ein großer Druck auf die Mädchen ausgeübt werden könne (Interview). Dieses Bild wird auch von Volker Eichener (2006: 61) gezeichnet, der festhält, es gebe in Nordrhein-Westfalen Ghettos, also Stadtquartiere, "wo eine hohe Ausländerkonzentration mit mangelnden Bildungschancen und traditionell konservativer Indoktrination" einhergehe. Der Begriff "Ghetto" scheint nach seiner Definition also nur die Konzentration türkischer oder allgemein muslimischer Familien zu bezeichnen, denn er präzisiert sein Szenario wie folgt: Ab 800 bis 1.000 Haushalten - unklar bleibt seine Bezugsgröße - entwickele sich eine "kulturspezifische Infrastruktur, die Moschee wird zum sozialen Zentrum, der Imam zur Schlüsselfigur" (a.a.O.: 63). Auch im nationalen Integrationsplan heißt es: "Sofern Abschottungstendenzen gegenüber der Aufnahmegesellschaft bestehen, die die Entwicklung von Parallelstrukturen mit einer Verfestigung von Verhaltensweisen aus den Herkunftsländem - etwa im Hinblick auf die Rolle von Frauen und Mädchen - zur Folge haben und so die Integration erschweren, sind sie abzulehnen" (Bundesregierung 2007: 113).
Ob nachbarschaftliche Nähe tatsächlich die Intensität der Kontakte bestimmt, ist von wissenschaftlicher Seite indes hinterfragt worden. Insbesondere im deutschen Fall handele es sich um ein ethnozentristisches Missverständnis, wenn von der Sichtbarkeit der Minderheiten darauf geschlossen werde, diese hätten untereinander enge Beziehungen (Nauck 2002). Auch Friedrichs (1990: 311f.) kommt zu dem Schluss, dass unter den Angehörigen der Minderheit weder intensive Interaktion noch soziale Kontrolle entstehe und Kontakte außerhalb des Quartiers von größerer Bedeutung seien als bisher angenommen. Der Diskurs um die gefUrchtete Indoktrination ist mit der Interpretation verbunden, Stadtteile mit hohem Zuwandereranteil seien der Ausdruck eines Rückzugs vor allem der muslimischen Migranten in ihre ,,Parallelgesellschaft". Dieser Begriff genießt - gerade auch in den Medien und bei Politikern verschiedener Couleur - besondere Popularität (etwa in den Grundsatzprogrammen von SPD 2007: 38 und CDU 2007: 95). Problematisch ist dies insofern, als das Konzept asymmetrisch auf muslimische Zuwanderer bezogen und diesen dabei ,,Integrationsunwilligkeit" unterstellt wird. Mechanismen der Ausgrenzung von Migranten durch die Mehrheitsgesellschaft bleiben unberücksichtigt (vgl. Schiffauer 2005: 21). Das Konzept "Parallelgesellschaft" impliziert zudem eine Dopplung der Institutionen der Mehrheitsgesellschaft, wobei die Binnenintegration der Zuwanderer, etwa ihre Selbstorganisation in ethnischen Vereinen, ihrer Integration in die Mehrheitsge275
sellschaft im Wege stehe. Verschiedene empirische Untersuchungen haben aber für Deutschland gezeigt, dass die Sorgen um Rückzugstendenzen - zumindest in der zweiten Generation - nicht bestätigt werden (zum Forschungsstand Salentin 2005: 8). Zuwanderervereine beispielsweise haben eher eine Komplementärfunk:tion (vgl. Halm/Sauer 2004: 551). Wer sich im Migrantenverein engagiert, ist auch im "deutschen" Verein Mitglied, wer viele Freunde der eigenen Herkunftsgruppe hat, nennt auch viele deutsche Freunde sein eigen. Eine Konkurrenz zwischen Binnen- und Außenkontakten lässt sich nicht feststellen. Nach Untersuchungen am Zentrum für Türkeistudien in Essen sind noch am ehesten ältere Gastarbeiter, Heiratsmigranten und Zuwanderer mit erst kurzer Aufenthaltsdauer gefährdet, in eigenethnischen Bezügen zu verharren (a.a.O.: 547).131
7.2.4.5 ... "durch hohe Infrastrukturkosten" Insbesondere in älteren deutschen Dokumenten sowie im aktuellen britischen Diskurs dient die Diskussion der Probleme der ethnischen Segregation vor allem dazu, Bedenken gegenüber einer Zuwanderung insgesamt zu artikulieren. Der Selbstdarstellung der deutschen Politik folgend, sind es Anfang der 1970er Jahre zwei Problemlagen, die zur Abkehr von der bis dahin verfolgten Anwerbung ausländischer Arbeiter führten. Neben der durch die Ölkrise veränderten Situation auf dem Arbeitsmarkt sind es vor allem die ansteigenden sozialen und infrastrukturellen Folgekosten, die sich insbesondere in den durch Zuwanderung geprägten Stadtteilen niederschlagen. Die "Massierung von Ausländern in den Verdichtungsgebieten" wird in einem Artikel in "Der Städtetag" im Jahr 1975 zum ,,Kernproblem der gesamten Ausländerbeschäftigung" erklärt (Happe 1975: 606). Während in den Jahrzehnten davor die Ausländerbeschäftigung unverkennbare volkswirtschaftliche Vorteile gebracht hatte, da die "Gastarbeiter" öffentliche Einrichtungen in verhältnismäßig geringem Maße nutzten, obgleich sie Steuern und Sozialabgaben zahlten, trat Ende der 1960er eine Änderung ein. Innerhalb von vier Jahren verdoppelte sich die Zahl der ausländischen Beschäftigten und mit steigender Aufenthaltsdauer nahm der Familiennachzug zu. Angesichts dieser Entwicklung prägte seit dem Frühjahr 1973 der Grundsatz der Anpassung der Ausländerbeschäftigung an die "Aufnahmefähigkeit der sozialen Infrastruktur" die Stellungnahmen und Beschlüsse von Bund und Kommunen (EwerslLenz 1977: 197): 131 Das einzige Merkmal, das auf einen Rückzug in die Zuwandererkultur hinweist, ist nach dieser Untersuchung die Zunahme der Religiosität in der türkischen communily seit 2001 (Halm/Sauer 2004: 548).
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,,Eine zu starke Konzentration ausländischer Arbeitnehmer in den industriellen Ballungsgebieten flihrt vor allem zu infrastrukturellen, aber auch zu allgemeinstrukturellen Unzuträglichkeiten. Die an sich schon angespannte Infrastruktur wird zusätzlich belastet. Typische Mangelsituationen, die schon fiir die deutsche Bevölkerung bestehen, verschärfen sich (z.B. Wohnungsfehlbedarf, Nahverkehrsprobleme, unzureichendes Platzangebot und Ausstattung in Kindergärten, Schillen, Krankenhäusem)" (Rappe 1975: 606).
Einige Kommunen verwiesen zwar darauf, dass die Belastung der Infrastruktur nicht durch Ausländer hervorgerufen, sondern nur sichtbarer werde (ebd.). Dennoch schlug sich die Wahrnehmung einer Überlastung der Infrastruktur als Folge der Konzentration von Zuwanderern Mitte der 1970er Jahre in einer Zuzugssperre nieder, auf die in 7.3.2 eingegangen werden solL Auch wenn die Zuzugssperre nach weniger als zwei Jahren wieder aufgehoben wurde, hielt sich die "Belastung der Infrastruktur" bis in die 1980er Jahre als ein wesentliches Argument gegen die ethnische Segregation. In Großbritannien erfolgt eine Problernatisierung von ethnischer Segregation angesichts einer zu starken Belastung der Infrastruktur bis heute (Hickman/ CrowleylMai 2008: 12). Während aktuell in der BRD vor allem die Folgen der demographischen Schrumpfung für die technische und soziale Infrastruktur im Mittelpunkt des Interesses stehen, stellt in GB gerade das plötzliche Anwachsen der Bevölkerung öffentliche Dienstleistungen vor Schwierigkeiten. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zur deutschen Problematisierung der Infrastrukturbelastung durch Migranten, die aber spätestens in den 1990er Jahren zum Erliegen gekommen ist. Dies liegt zum einen an der Entspannung des deutschen Wohnungsmarktes sowie daran, dass die aktuelle Zuwanderung nach Deutschland eher geringe Ausmaße annimmt. Umfragen in GB zeigten, dass die größten Schwierigkeiten in der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, bei Schulen sowie im Gesundheitsbereich zutage traten. Im Schulbereich lag dies an den durch den nicht antizipierten Zuzug der osteuropäischen Arbeitsmigranten bedingten plötzlich ansteigenden Schülerzahlen auf der einen und deren Sprachproblemen auf der anderen Seite. Im Gesundheitsbereich wurden die gestiegenen Fallzahlen etwa bei Hausärzten genannt (Hickman/Crowley/Mai 2008: 14). "These pressures are currently left unfunded by Govemment, because resource allocations are being made on the basis of flawed population data" (House ofCommons 2008: 3). Dabei stellen sich diese Herausforderungen nicht nur durch den starken Zuzug von Neuzuwanderem, sondern vor allem dadurch, dass aktuelle Migrationsströme Gebiete in England erreichen, die bis dahin nicht als klassische Zuwanderungshochburgen galten beziehungsweise keinerlei Erfahrungen mit Migration haben. "The govemment sponsored Commission for Integration and Cohesion (2007), for 277
example, has suggested that some of the most significant cohesion challenges in the future are likely 10 emerge in the small 10wn and rural areas that many migrant workers have been drawn to by opportunities in the agriculture and food processing industries" (Robinson 2007a: 101). Dabei ist der Zuzug in die ländlichen Regionen nicht nur automatisch durch das Arbeitsplatzangebot bedingt. In einer Veröffentlichung der Local Government Association (2008: 6) wird konstatiert, manche Gemeindeverwaltungen hätten bewusst um Zuwanderer geworben, um ein Ungleichgewicht in der örtlichen Bevölkerung und den Arbeitskräfteprofilen auszugleichen und somit örtliche Betriebe bei der Vergabe von schwer zu besetzenden Stellen zu unterstützen. Im Gegensatz zu Großbritannien und Deutschland scheint es in den Niederlanden die Interpretation, ethnische Segregation fiihre zu einer Infrastrukturbelastung, zu keinem Zeitpunkt gegeben zu haben. Es wäre zu vermuten, dass die Selbstwahrnehmung des niederländischen Wohlfahrtstaates stärker als in den beiden Vergleichsländem durch den Gedanken der ,,Machbarkeit" geprägt ist (vgL Mayer 2007: 566).
7.2.5 Befürchtete Risikenfür das Quartier 7.2.5.1 Stigmatisierung Ein anderes Narrativ, das insbesondere in der Ablehnung vieler Vermieter gegenüber ethnischer Segregation mitschwingt, besagt, von ethnischer Segregation gingen negative Effekte für das Quartier aus. Durch die Konzentration von sichtbaren Minderheiten fühlten sich die eingesessenen Mieter gestört, die Fluktuation wachse mit der Folge eines weiteren Anstiegs des Zuwandereranteils und einer sozialen Destabilisierung, da bestehende Solidar- und Kontrollmechanismen zerbrechen. In Deutschland fürchten insbesondere die Wohnungsanbieter eine Abwertung des Quartiers durch steigende Migrantenanteile, die mit dem Fortzug etablierter Mieter einhergeht. Eichener (1988: 129) hat folgende Konfliktpotenziale ausgemacht: Durch einen wachsenden Migrantenanteil gehe die Vertrautheit der Nachbarschaft optisch verloren. Das affektbetonte Verhalten der Zuwanderer stoße auf Unverständnis der alteingesessenen Bewohner, ebenso ergeben sich Störungen durch überbelegte Wohnungen. Ebenso hält der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienuntemehmen zehn Jahre später fest: ..Überfordert sind viele einheimische Bewohner, denen im Zusammenleben mit Ausländern und Aussiedlern zu viel an Integrationsleistung und Konfiiktbewältigung abverlangt wird. Sie fühlen
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sich immer häufiger als "Fremde im eigenen Land." Wer in einer demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft Integration von Ausländern und Aussiedlern will, muß stets darauf achten, daß die Inländer - also die Deutschen - in diesen Wohnquartieren nicht in die Minderheit geraten" (GdW 1998: 4).
Laut Strohmeiers (2006: 34) Experteninterviews mit etwa 60 Befragten seien Entwicklungen insbesondere in solchen Quartieren problematisch, in denen einerseits die deutsche Bevölkerung eine Minderheit darstellt, aber andererseits auch viele verschiedene Ethnien auf engem Raum zusammenleben. In solchen Nachbarschaften gebe es häufig Konflikte, die "oft aus kulturellen oder religiösen Differenzen im Zusammenhang mit Armut entstehen." Streng genommen richtet sich diese Argumentation nicht so sehr gegen die ethnische Segregation, sondern widerspricht der Kontakthypothese, da gerade das Nebeneinander vieler verschiedener Gruppierungen problematisiert wird. Dabei beziehen Vertreter der Wohnungswirtschaft diametral entgegengesetzte Positionen. Manche argumentieren, das Zusammenleben funktioniere gerade in solchen Stadtteilen mit hohem Zuwandereranteil, in denen eine Vielzahl verschiedener Herkunftsnationen zusammenlebe. So äußert sich Schumann zu der zu seinem Wohnungsunternehmen gehörenden Großwohnsiedlung Osterholz-Tenever in Bremen: "Weil da keine ethnische Gruppe die Oberhand hat, funktioniert das so ganz gut, die sind gut aufgeteilt. Es gibt nicht eine, wo man sagen kann, ,Wir werden da so untergebuttert von irgendeiner Gruppe'." In der GdW-Veröffentlichung "Überforderte Nachbarschaften" wird hingegen gerade das Nebeneinander von vielen verschiedenen Herkunftsnationen als Problem wahrgenommen und diesbezüglich lobend die Arbeit von Kölner Sozialarbeitern hervorgehoben: "Sie wissen, in welchen Häusern schon so viele Nationalitäten unter einem Dach leben, daß ein weiterer Zuzug von Ausländern anderer Nationalität nur zu noch höheren Schwierigkeiten führen muß" (GdW 1998: 72). An anderer Stelle wird präzisiert: "Gibt es mehr als sechs oder gar zehn kaum Deutsch sprechende Nachbarn, dann ist selbst die gutwilligste Nachbarin überfordert. Die Vielfalt der Nationalitäten und der Herkunftsländer ist in verschiedenen Siedlungen einfach nicht zu verkraften" (a.a.O.: 127). Schumann hingegen macht deutlich, dass Konflikte im Zusammenleben nicht mit dem Anteil der Zuwanderer zusammenhängen und losgelöst von ihrer quantitativen Präsenz sind: "Das ist eher dort, wo vereinzelt Ausländer wohnen, dass das schwieriger ist. Also die einzige türkische Familie dort im Haus mit Deutschen. Das ist schwierig." Das Wiesbadener Integrationskonzept hält zudem fest, dass sich hinter den vermeintlichen ethnischen Konflikten vor allem Zwistigkeiten zwischen den Generationen ausdrückten (Landeshauptstadt Wiesbaden 2004: 20). 279
Eine weitere Widersprüchlichkeit im Standpunkt der Wohnungswirtschaft besteht darin, dass häufig betont wird, dass in vielen Quartieren die Migranten die sozial stabileren Bewohner darstellen, diese dann aber von den selben Akteuren oder in derselben Veröffentlichung dennoch als problematisch beschrieben werden. So heißt es in der GdW-Studie "Überforderte Nachbarscha:ften": ,,In zahlreichen Siedlungen sind die Ausländer die wirtschaftlich stärksten Gruppen. Unter den einheimischen Deutschen findet sich ein höherer Anteil von Sozialhilfeempflingern, Drogenabhängigen, Trinkern, alleinerziehenden Frauen mit Kindern, die von Sozialhilfe leben, oder auch psychisch Kranken" (GdW 1998: 48).
Diese Einschätzung wird an verschiedenen Stellen der Studie wiederholt. Nichtsdestotrotz wird in derselben Veröffentlichung durchgehend ein zu hoher Zuwandereranteil im Quartier problematisiert. 132 Neben expliziten Stellungnahmen schlägt sich dies auch zwischen den Zeilen nieder, wenn unter der Überschrift "Überfremdete Hochhäuser" eigentlich eine Abhandlung über unpersönliche Architektur folgt (GdW 1998: 70). Eine ähnliche Ambivalenz zieht sich auch durch die von der Autorin der vorliegenden Arbeit mit Vertretern der Wohnungswirtschaft geführten Interviews. So hält Schumann einerseits fest, dass die ausländischen Familien häufig die unproblematischsten darstellten, während deviantes Verhalten und Alkoholismus eher bei den Deutschen anzutreffen seien. Wenig später schildert er jedoch ein Wohnverhalten, das bei den deutschen Bewohnern aufAblehnung stoße. Dass das Zusammenleben in Häusern mit hohem Migrantenanteil häufig konflikthaft verläuft, wird ebenso vom Vertreter des Berliner Mietervereines illustriert. Neben der Müllentsorgung und -trennung sei der Wasserverbrauch ein weiterer Streitpunkt, wenn dieser nicht pro Haushalt abgerechnet würde. 133 Durch diese Konflikte fürchten die Wohnungsanbieter Vermietungsprobleme und letztlich die Stigrnatisierung ihrer Bestände (Interview Junker). Die Furcht vor stärkerer Fluktuation in einem Quartier mit hohem Zuwandereranteil, die insbesondere viele Wohnungsanbieter umtreibt, spiegelt sich auch in einer von der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft BGW in Auftrag gegebenen 132 In den Worten der GdW-Studie ..überforderte Nachbarschaften" sind die meisten auftretenden Belastungen ..Folgen der Belegung durch eine zu heterogene Bewohnerschaft sowie der zu großen Bandbreite unterschiedlicher Lebensstile unter städtebaulich oft widrigen Bedingungen" (GdW 1998: 24). 133 In GB werden ähnliche Konflikte, insbesondere im Zusammenleben mit Neuzuwanderern geschildert: [O]oe ofthe things we found that the indigenous population do not like is basically the different lifestyles. If you put the wrong thing in the wrong bin, it stays outside, stays on the street, just builds up around it. (...) And then, from that, we do horne visits to new arrivals to try and say, look, this is what you put in the bin, please put some curtains up, please cut the grass, please don't drive that car without a licence" (Hickman/Crowley/Mai 2008: 99).
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Studie wider. Für elf Gebiete mit 2.565 Haushalten wurde eine Fragebogen-Studie durchgeführt (Rücklauf 48,8%), die die Zusammensetzung der Hausgemeinschaft aufWohnzufriedenheit, Umzugswünsche und soziale Kontakte als Indikatoren fiir integrative Prozesse untersuchen sollte (Steins et al. 2003: 108). Dabei stieg der Anteil derjenigen, die möglichst schnell ausziehen wollten, mit sinkendem Anteil deutscher Haushalte, von 6,2% Auszugswilligen bei nur Deutschen im Haus auf 25%, wenn weniger als die Hälfte der Hausbewohner Deutsche waren. Bei den befragten türkischen Bewohnern nahm der Anteil derjenigen, die möglichst lange im Haus wohnen bleiben wollten, mit sinkendem Anteil deutscher Nachbarn ebenfalls ab von 68% auf 16,7%, gleichzeitig stieg der Anteil derjenigen, die möglichst schnell ausziehen wollten, von 16% auf 41,7% erheblich an - im übrigen ein weiteres Indiz gegen die Annahme einer freiwilligen Segregation. EchterlBrühl halten bereits 1984 fest, dass die soziale Bewertung der Migranten durch die Wohnungsunternehmen stark von der Bewertung durch andere Mieter geprägt sei. Gude (1990: 246) kommt zudem zum Schluss, dass von vielen Mietern und Verwaltern bereits "die bloße Existenz der Ausländer als Belästigung empfunden wird." Dieser Eindruck wird auch durch die GdW-Studie ,;Überforderte Nachbarschaften" bestätigt: "In einem gereizten Klima bietet oft schon das Kopftuch oder die Russenjacke Anlaß zu kritischen Bemerkungen und Aggressionen" (GdW 1998: 124). So kritisiert die Publikation einerseits eine "erschreckende Intoleranz", die Andersartigkeit als Provokation empfinde (ebd.). Zugleich schließt sie sich jedoch der Deutung an: "Die Vielfalt der Nationalitäten und der Herkunftsländer ist in verschiedenen Siedlungen einfach nicht zu verkraften. Eine Belegungspolitik, die Einheimische in einem derartigen Ausmaß überfordert, ist einfach unverantwortlich" (a.a.O.: 127). Da es den Wohnungsunternehmen primär um die Vermietung ihrer Wohnungen gehen muss, kann die Ablehnung der Einwanderer durch die Mehrheitsgesellschaft leicht zum wesentlichen Maßstab werden, wobei es unwesentlich ist, ob die "Überforderung" der deutschen Bewohner ihre Wurzeln tatsächlich in einer schlechten Integration der Zuwanderer hat, oder möglicherweise gerade durch gut integrierte, wirtschaftlich erfolgreichere Migranten angestoßen wird. Hieraus erklärt sich auch das Interesse der Wohnungswirtschaft an den tipping points als den Schwellenwerten, bei deren Erreichen sich die Fluktuation erhöhe. Lässt man sich auf die Annahme ein, der Fortzug der einheimischen Bewohner werde ab einem bestimmten Ausländeranteil quasi zwangsläufig ausgelöst, so ist es gleichgültig, ob der individuelle Ausländer gut oder schlecht integriert ist. Auch in Großbritannien stellt sich aus stadtpolitischer Sicht das Problem, dass die Konzentration ethnischer Minderheiten in den schlechtesten Beständen der Städte zu einer Stigmatisierung der Gebiete beiträgt. Ähnlich wie in der BRD, wo 281
die katastrophalen Wohnbedingungen im Altbau in den 1970er Jahren oftmals nicht den geschäftstüchtigen Vermietern, sondern den Zuwanderern selbst angelastet wurden, sorgen die Wohnbedingungen der Neuzuwanderer oft nicht für Mitleid, sondern verstärken Ressentiments. Dies wird insbesondere durch den angespannten privaten Wohnungssektor gefördert, in dem Überbelegung und Schlafgängertum keine Seltenheit darstellen. Durch eine hohe Bevölkerungsfluktuation bei gleichzeitig hohem Zuwandereranteil steigt das Unsicherheitsgefühl der etablierten Bewohner, da Nachbarn oftmals nicht mehr bekannt sind (Hickman/CrowleylMai 2008: 98). ,,[T]he report into the disturbances in the Lozells area ofBirmingham in 2005 found that changing populations, perceived levels of refugees and asylum seekers and the fluidity ofprivate tenancies undermined the building of community relationships and neighbourhood loyalty" (Flint 2008: 166). In den Niederlanden werden die Folgen von ethnischer Segregation ebenso vor allem als eine Frage der mangelnden "Bewohnbarkeit" der Quartiere diskutiert. Unter diesem niederländischen Schlüsselbegriff wird verstanden, dass die betroffenen Nachbarschaften durch eine hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Nachbarschaftskonflikte weniger "lebenswert" seien als andere (Interview Verweij; Willerns). Dabei wird nicht unterstellt, diese Probleme seien durch ethnische Segregation bedingt, da aber Migranten von Arbeitslosigkeit etc. überproportional betroffen sind und sich ethnische und soziale Segregation überlappen, ist die Wahrnehmung der stigmatisierten Quartiere eng mit ihren Bewohnern verknüpft. Insbesondere die Großwohnsiedlungen, die zurzeit rigoros abgerissen und umgestaltet werden, leiden unter diesem schlechten Image (Wassenberg 2006: 191).
7.2.5.2 Kriminalität Seit den 1970er Jahren geht die Ablehnung von ethnischer Segregation in der BRD mit der Befürchtung einher, von Ausländervierteln könnte eine besonders hohe Kriminalität ausgehen. Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete, Peter Conradi, führt in einem Gastbeitrag in "Die Zeit" vom November 1979 aus, dass "bei einem Versagen in der Ausländerfrage unsere großen Städte Ähnliches erleben könnten wie die Großstädte an der amerikanische Ostküste" (Conradi 1979: o.S.). In den 1970er Jahren wurde insbesondere der Rekurs aufUS-amerikanische Schwarzenghettos genutzt, um ohne größere Erläuterungen das Bild eines von Zerfall, Kriminalität und Rechtlosigkeit zersetzten Ausländerviertels zu zeichnen. So zitiert "Der Spiegel" vom 21. März 1977 einen "Welt"-Artikel aus 282
dem Jahr 1973, in dem die Zeitung mit Blick auf durch Ausländer geprägte Stadtteile die Frage aufgeworfen hatte, ob dort "bald Zustände wie in Harlem" zu erwarten seien. Doch auch "Der Spiegel" selbst hatte bereits 1973 (30.7.1973, S. 24) prognostiziert, durch die Entstehung von Ghettos auf deutschem Boden entstünden "Städteverfall, Kriminalität und soziale Verelendung wie in Harlem". Auch Hans-Jochen Vogel, seinerzeit Bundeswohnungsbauminister, wird aus seiner Amtszeit als Oberbürgermeister von München im selben "Spiegel"-Artikel mit den Worten zitiert, dass es "kleine Harlems auch schon bei uns" gäbe - ein Bild, das im genannten Artikel gleich fünf Mal bemüht wird. 134 Bis heute wird insbesondere in den Medien das Bild aufrechterhalten, ethnische Segregation erleichtere, illegale Aktionen zu verbergen. Straftaten würden seltener angezeigt, sondern eher selbst sanktioniert. "Vom Kaffeehausmilieu mit illegalem Glücksspiel, Prostitution, Drogenhandel und islamischer Kapitalanlage durch Vermögensholdings mit Briefkastenadresse war schon die Rede" heißt es völlig unvermittelt in einem dokumentierten Vortrag von Volker Eichener (2006: 63). Auch für "Der Spiegel" bleibt im neuen Jahrtausend das durch Ausländer geprägte Wohnviertel die zu Stein gewordene Abschottung der Minderheiten und der ideale Nährboden für Kriminalität. So kritisiert ein Artikel im März 2002, die "ethnischen Inseln" auf der "Rückseite der Republik" beherbergten Personen, die "in Deutschland leben, ohne jemals in diesem Land angekommen zu sein" ("Der Spiegel", 4.3.2002, S. 44). Dabei wird nicht nur unterstellt, dass die ärmeren Stadtteile unter einer hohen Kriminalitätsbelastung litten - was nicht zwangsläufig der Fall sein muss - sondern auch, dass die Migranten direkt dafür verantwortlich seien. Auch Günther Beckstein skizziert in seiner Funktion als bayerischer Innenminister ein ähnliches Szenario anlässlich der Landesversammlung des Bayerischen Gemeindetags im Oktober 2006: ,,Die demographische Entwicklung hat (...) weit reichende Konsequenzen für die Wohnungs- und Städtebaupolitik. (...) In einzelnen Stadtzentren und Wohnquartieren kann es neben der Überalte-
134 Neben der Furcht vor ..sozialen Krankheiten" wird im selben polemischen Spiegel-Beitrag jedoch auch die Furcht vor medizinischen Krankheiten geweckt: ..Im Verruf, auch ohne Gespür für sonstige Umweltsignale zu sein, machen die Leute von Marmara-Meer und Kurdengrenze nur schleppend Prestigegewinn schon wegen deutschorientalischem Dissens in Hygienefragen. Während Türken daran Anstoß nehmen, daß sie der vom Koran auferlegten Reinigungspflicht nicht nachkommen können, weil deutsche Klosetts nicht mit den zu Hause üblichen Schnabelkannen ausgestattet sind, halten Deutsche die zivilisatorische Überlegenheit des Klopapiers dafür. So gab etwa die Hamburger Gesundheitsbehörde, ernsthaft zu überlegen, wie solche Gastarbeiter (Moslems) ganz von Tätigkeiten ferngehalten werden können, bei denen sie unmittelbar Lebensmittel gefilhrden" (,,Der Spiegel", 30.7.1973, S. 24).
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rung zur Konzentration ausländischer Bevölkerungsgruppen kommen. Staat und Kommunen werden alles daran setzen müssen, um Ghettos zu vermeiden und sozial stabile Bewohnerstrukturen zu gewährleisten. Andernfalls sind Verwahrlosung und Kriminalität die Folge" (Beckstein 2006: 0.5.).
Oberwittier (2007: 39) kommt in seiner Studie zu den Effekten ethnisch segregierter Stadtteile auf die Kriminalität von ausländischen Jugendlichen hingegen zu dem Ergebnis, dass der Wohnort keinen Einfluss auf das Verhalten ausübe. Auch in den Niederlanden ist die Wahrnehmung der Migrantenviertel eng mit der bei jugendlichen Migranten - insbesondere Marokkanern und Antillianern höheren Kriminalitätsrate verbunden (Ersanili 2007: 8). Eine Befragung des SCP bestätigt diesen Eindruck. Danach fürchtete eine große Mehrheit der Autochthonen, dass sich innerhalb von 15 Jahren Ghettos und no-go-areas wie in den Vereinigten Staaten entwickeln könnten, wobei der Migrantenanteil eine wichtige Rolle spiele (Gijsberts 2004: 18). Ähnlich wie in einer entsprechenden deutschen Studie (FriedrichslBlasius 2001) ergab jedoch eine Untersuchung in zwei ethnisch gemischten Nachbarschaften in NL, dass deviantes Verhalten bei den ethnischen Minderheiten auf eine stärkere Ablehnung stieß als bei den Autochthonen (BoltJ van Kempen/van Harn 2008: 1368). 7.2.6 Alternative Deutungen
7.2.6.1 Folgenlosigkeit von ethnischer Segregation Den Standpunkt, dass ethnische Segregation keine negativen Effekte nach sich ziehe, vertreten in allen drei Ländern vor allem Wissenschaftler, wobei es insbesondere in den Niederlanden und Großbritannien auch Praktiker in Wohnungswirtschaft und Kommunen gibt, die die negativen Folgen infrage stellen oder den vermeintlichen Folgen von ethnischer Segregation dezidiert die positiven Effekte einer Cluster-Bildung gegenüber stellen. "Problematisierung übersieht Durchlässigkeit" In allen drei Ländern hoben Interviewpartner hervor, dass Migrantenviertel gezeigt hätten, dass sie offen seien und mit längerer Aufenthaltsdauer im Aufnahmeland auch wieder verlassen würden (Interview John). Kees Dignum vom Amsterdamer Wohnungsamt konstatiert, seine Stadt besitze eine lange Tradition, ethnische Segregation nicht problematisch zu finden. Sowohl bei den Surinamern als auch bei den Türken und Marokkanern lasse sich eine Mobilität am Wohnungsmarkt beobachten, die er als Indiz dafür wertet, dass alle Gruppen in der Lage
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seien, ihre Wohnsituation zu verbessern. Dies könne durchaus damit einhergehen, dass sich neue Konzentrationsgebiete herausbildeten, aber es gebe keine Nachbarschaften, in denen Migranten "stecken blieben". John Flint unterstreicht zudem für den britischen Fall, dass eine Segregation der Wohnstandorte nicht mit einer Segregation in anderen Lebensbereichen einhergehen müsse: "If people are integrating and mixing in other areas of the city, and they are not disadvantaged by where they stay, what's wrong about concentrations of ethnic populations or ofreligious populations?" Cantle selbst hat in einer späteren Publikation (2008: 77) eingeräumt, dass manche Gegenden, die als segregiert beschrieben werden, viel durchlässiger seien, etwa durch die Mobilität der Bewohner, in anderen Stadtteilen zu arbeiten und in wieder anderen ihre Religion zu praktizieren. " Problematisierung übersieht Heterogenität" Andere Kritiker der dominanten Problematisierung von ethnischer Segregation betonen, dass bei der Unterstellung von negativen Folgen die Heterogenität der Bewohner übersehen werde. Nachbarschaften, die als monoethnisch und "asiatisch" wahrgenommen würden, seien de facto häufig ethnisch gemischt (Crn 2007b: 14). In GB scheint es also wie in der BRD die Neigung zu geben, vor allem zwischen einem britischen "wir" und einem fremden "die Anderen" zu unterscheiden und dabei die Heterogenität "der Anderen" zu übersehen. Zudem ist das in Großbritannien verbreitete framing von ethnischer Segregation als "religiöse Segregation" hinterfragt worden, da dadurch die Vielfalt innerhalb des muslimischen Glaubens übersehen werde. Die Problematisierung der Segregation der südasiatischen Communities, so verschiedene Interviewpartner (z.B. Lukes, Harrison, Phillips), sei ein Ausdruck der aktuellen Islamophobie. Um das Interesse an "muslimischer Integration" als ressentimentgeladen zu entlarven, verweist etwa Sue Lukes - selbst eine praktizierende Jüdin - darauf, dass die stärkere Konzentration orthodoxer Juden in GB nicht als Problem wahrgenommen werde. 135 In die gleiche Richtung argumentiert Harrison (2005c: 92), der die Frage aufwirft, welches Entsetzen wohl offizielle Versuche auslösen würden, die räumliche Abgrenzung jüdischer Haushalte und daraus abgeleitet das Ausmaß und die Natur ihrer "interkulturellen Kontakte" messen zu wollen.
135 Dieses Argument ist auch von anderen Autoren vorgetragen worden. So betonen Phillips, Simpson und Ahmed (2008: 87), dass das Ausmaß der Segregation für Juden in GB höher sei als das der Muslime.
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"Problematisierung fehlt empirische Grundlage" Wie auch in Deutschland und Großbritannien ist die Grundlage für wohnungspolitische Mischungsstrategien von niederländischen Forschern - vom interviewten Referenten des Wohnungsbauministeriums ironisch als "Ungläubige" bezeichnet - in Frage gestellt worden: "It is agreed that it is unclear whether the motivation behind the current European policy response, which is aimed at increasing (social and) ethnic mix through urban regeneration and is expecting positive effects on integration, has a strong enough foundation" (Musterd/de Vos 2007: 335). Insbesondere Sako Musterd (2003: 635) hat argumentiert, dass der Zusammenhang zwischen Segregation und Integration schwach sei, da etwa in Amsterdam ähnlich segregierte Gruppen hinsichtlich ihrer Integration unterschiedlich abschnitten. Ein vergleichbares Ausmaß von Segregation bei Türken, Marokkanern und Surinamern spiegele nicht ein gleiches Maß von Integration wider. Aalbers und Deurloo (2003: 197) weisen ebenfalls daraufhin, dass das Ausmaß ethnischer Segregation nichts über den sozioökonomischen Erfolg der Bewohner und dieser wiederum nichts über deren soziale Integration aussage, da die verschiedenen Facetten von Integration nicht parallel verliefen. Dies gilt nicht nur für westliche Zuwanderer, sondern zeigt sich auch bei einigen nicht-westlichen Allochthonen. Bislang sind Stadtteile mit hohem Anteil nicht-westlicher Zuwanderer in der Regel ärmer, aber es bilden sich beispielsweise in Amsterdam Bezirke heraus, wo mehr als die Hälfte der Bewohner einer Minderheit angehört und der sozioökonomische Status dennoch dem Amsterdamer Durchschnitt entspricht. Ebenso gibt es Postleitzahlen-Gebiete, in denen zwischen einem Viertel und der Hälfte der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat und das Wohlstandsniveau über dem Durchschnitt liegt (SCP 2009: o.S.). Die Kritik an der Unterstellung, Segregation behindere die Integration der Zuwanderer, übersieht jedoch, dass es den wohnungspolitischen Akteuren häufig weniger um die Integration des Einzelnen als vielmehr um das Image des Quartiers oder die Frage geht, wie viel Zuwanderung für die Gesellschaft überhaupt verträglich sei.
7.2.6.2 Chancen für die individuelle Integration Stärker als in der BRD gibt es insbesondere in GB Stimmen, die die positiven Effekte von freiwilliger Segregation unterstreichen und die Frage bejahen, ob Minderheiten ihre Identität durch ihren Wohnort ausdrücken dürfen. Noch ein Jahr bevor die Community-Cohesion-Debatte zu einer Problematisierung von ethnischer Segregation führen sollte, hält Richard Tomiins (2000: 163) fest: "Current 286
perceptions of ethnicity highlight the benefits for minority ethnic communities of choosing ethnic residential segregation, and formulating a self-defined ethnic housing policy." Auch in der BRD wird vereinzelt auf die Unterstützungsfunktion von ethnischen Kolonien hingewiesen. So leben Ausländer zwar in der BRD in solchen Gebieten konzentriert, in denen auch viele arme Deutsche wohnen. In den innenstadtnahen Ausländervierteln sind sie jedoch im geringeren Maße von Arbeitslosigkeit betroffen (Schönwälder/Söhn 2007: 25). Für die am Stadtrand gelegenen Großwohnsiedlungen gilt dies in der Regel nicht, doch hier sollte die Abhängigkeit von Transferleistungen nicht automatisch mit mangelnder sozialer Integration gleichgesetzt werden. So waren in Dortmund-Hörde im Jahr 2000 zwar 16,4% der Ausländer im Vergleich zu 12,9% der Deutschen von Sozialhilfe abhängig, aber ausländische Kinder besuchten eher eine weiterführende Schule als ihre deutschen Altersgenossen: 24% der ausländischen Kinder im Vergleich zu 15% der deutschen Kinder der Sekundarstufe gingen auf ein Gymnasium (Haarmann 2000: 113). Die Position, dass ethnische Segregation nicht per se abzulehnen sei, wurde vor allem im Rahmen des "Zuwanderer in der Stadt"-Projektes vertreten. In den "Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik" heißt es, soziale und familiale Netze böten materielle und immaterielle Hilfen für neu Zugewanderte und seien insbesondere für solche Migranten wichtig, die noch nicht mit den Systemen von Arbeitsmarkt, Sozialstaat und Zivilgesellschaft im Aufnahmeland vertraut seien (Schader-Stiftung et al. 2005: 20).136 Obgleich diese Aussagen teils aufheftige Ablehnung stießen, lässt sich beobachten, dass einige am Projekt beteiligte Akteure, wie beispielsweise die Landeshauptstadt Hannover (2008: 70) oder der Deutsche Städtetag (2007a: 3) diese Deutung beibehalten haben. Ebenso hält das Berliner Integrationskonzept fest, ethnisch geprägte Nachbarschaften könnten die Integration erleichtern (Der Beauftragte für Integration und Migration in Berlin 2007: 47). Selbst im städtebaulichen Bericht der Bundesregierung von 2004 wird festgestellt: "Eine durchlässige ethnisch-kulturelle Milieubildung im Stadtquartier [kann] durchaus positive Wirkungen haben, wenn sie zur Anerkennung der Verschiedenheit bei gleichzeitiger Vermeidung von Ausgrenzung fiihrt" (BMVBW 2004: III). 136 Auch wenn sich das Projekt nicht für die Förderung von ethnischer Segregation ausgesprochen hat, sondern lediglich konstatierte, dass sie letztlich nicht zu verhindern sei, ähneln seine Empfehlungen denen, die der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, bereits 1979 (o.S.) formulierte: "Warum aber sollte es nicht möglich sein, auch bei uns ethnische Wohnbezirke zu haben, die keine Gettos sind? Das spanische, italienische, griechische oder türkische Viertel erleichtert dem Neuankömmling den Anfang, erlaubt die Bewahrung der eigenen Sprache und Kultur, mildert die Entfremdung und scham Identität."
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In Großbritannien ist weiterhin die Interpretation verbreitet, ethnische Cluster erfüllten wichtige Unterstützungsfunktionen für ihre Bewohner (Interview Cantle, Andersson). "It is evident that clustering still performs an important function in the lives ofthe minority ethnic groups in Britain today, with thriving ethnic centres providing a territorial base for the maintenance of a distinctive way of life and political organisation" (Phillips 1998: 1698). Sogar im Zwischenbericht der Commission on Integration and Cohesion (2006: 20), dem assimilationistische Züge zugeschrieben werden, heißt es: "The assumption underlying the term segregation, for example, seems to be that minority ethnic communities are a problem when they cluster 1ogether. We need 10 be bold about questioning such assertions, and brave in busting such myths." Die größere Akzeptanz von ethnischer Segregation in GB könnte auf die Verbreitung eines multikulturalistischen Gesellschaftskonzeptes zurückgeführt werden, aber auch ganz praktische Gründe haben. Eine Erklärung, warum selbst von solchen politischen Entscheidungsträgem, die Segregation eher skeptisch sehen, die Unterstützungsleistungen der Communities hervorgehoben werden, könnte möglicherweise mit dem liberalen Wohlfahrtstaat zusammenhängen, der stärker auf Selbsthilfe angewiesen ist. So wurde in einer Arbeit von Cameron und Field (2000: 836) etwa die Isolation weißer, arbeitsloser Sozialwohnungsbewohner mit der aufEthnizität beruhenden Gemeinschaftlichkeit der Bangladescher verglichen. Diese Gemeinschaftlichkeit eröffne den Bangladeschem Arbeit in einer schlechtbezahlten Nische, nämlich im Restaurantbereich und habe sie damit zugleich vor einem Arbeitsplatzverlust durch Deindustrialisierung bewahrt.
7.2.6.3 Chancen für das Quartier Chancen für Quartiere, die aus einem hohen Zuwandereranteil erwachsen, scheinen in der BRD vor allem in schrumpfenden Städten wahrgenommen zu werden, wie die offizielle Bewertung des durch Einwanderung geprägten Leipziger Osten verdeutlicht. Im Jahr 2000 standen in Leipzig 20% der Wohnungen leer (Grabbert 2008b: 117), 2004 in Folge des kontinuierlichen Abrisses und ,,Rückbaus" lag die Leerstandsquote noch immer bei 16% (Grabbert 2008a: 45). Unkoordinierte Investitionen und eine fragmentierte Eigentümerstruktur haben ein Nebeneinander von sanierten und unsanierten bzw. verfallenen Gebäuden hervorgebracht (Grabbert 2008b: 118). Bezirke wie Neustadt-Neuschönefe1d (16% Ausländer), Volkmarsdorf (14%) and Reudnitz-Thonberg (7%), die die höchsten Ausländeranteile der Stadt aufweisen, sind durch die sozioökonomischen Probleme ihrer Bewohner, Leerstand und Verfall geprägt (GugschlKäsebergIHaase 2006: 32). Der Leipziger 288
Osten hatte 2005 nicht nur eine Leerstandsquote von 35%, sondern auch den höchsten Anteil von Transferleistungsempfangern der Stadt (Gugutschkow/Kaufmann 2005: 26). Der aktuelle Bevölkerungszuwachs im Leipziger Osten kann dem Zuzug von Migranten in den Stadtteil zugeschrieben werden. Ihr Anteil an der Bevölkerung wuchs von 5,5% im Jahr 1998 auf 16% im Jahr 2005 (Stadt Leipzig 2006: 46). Dementsprechend ist die offizielle Wahrnehmung der Migranten in dieser durch Bevölkerungsrückgang gekennzeichneten Nachbarschaft sehr viel positiver als dies in Städten West-Deutschlands mit ausgeglichenem Wohnungsmarkt der Fall ist, wo bis heute ein hoher Ausländeranteil als Problemindikator wahrgenommen wird. Die Kommune argumentiert sogar, dass der fehlende Mittelstand in den Projektgebieten durch Zuzüge von Migranten ausgeglichen und damit ein Beitrag zur besseren sozialen Durchmischung geleistet werden könne (Stadt Leipzig 2006: 51). In West-Deutschland hingegen wird eine bessere soziale Mischung oftmals dadurch operationalisiert, den Anteil von Ausländern im Gebiet möglichst gering zu halten. Im Gegensatz dazu wird in offiziellen Dokumenten in Leipzig das Potenzial der Zuwanderer für eine schrumpfende Region betont. Dementsprechend wird die hohe Bereitschaft zur Unternehmensgründung bei Migranten als ein positiver Wert für benachteiligte Stadtteile wahrgenommen (Gugutschkow, 0.1; o.S.). Indes scheint ein Teil der Mehrheitsgesellschaft im Leipziger Osten die positive Einschätzung der neu zuziehenden Ausländer nicht zu teilen. In einer Umfrage in Leipzig-Volkmarsdorf antworteten 25%, dass der "belastend hohe Ausländeranteil" des Gebietes auffällig sei, weit vor dem negativen sozialen Umfeld, Drogen und Leerstand (Gugutschkow/Kaufmann 2005: 25). Darauf, dass Integration, ethnische Mischung und soziale Kohäsion beziehungsweise Stabilität nicht das Gleiche sein müssen, wird auch in anderen deutschen Städten hingewiesen. Von Peter Strohmeier (2006: 34) wurden in sechs Fallstudienstädten jeweils etwa zehn Experteninterviews geführt. Dabei berichteten seine Interviewpartner, dass ethnisch homogene Quartiere mit hohem Ausländeranteil kaum Konflikte unter den Bewohnern oder soziale Probleme aufwiesen. Dies galt beispielsweise für eine Reihe von (ehemaligen) Bergarbeitersiedlungen im Ruhrgebiet, deren Bewohner oft aus nur einem oder zwei türkischen Dörfern stammen. Hier sprachen die Experten von einer geringen Fluktuation, einem hohen Maß an sozialer Kontrolle und nachbarschaftlicher und familiärer Solidarität. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Strukturwandels im Ruhrgebiet seien die Familien und sozialen Netzwerke hier ein sozial stabilisierender Faktor gewesen. Ebenso konstatiert Strohmeier, dass aus der Sicht der befragten Vertreter der Wohnungswirtschaft eine solche Form der ethnischen Konzentration unter bestimmten Umständen Vorteile aufweise und sich solche homogenen Hausgemeinschaften teilweise 289
als unproblematischer für die Unternehmen darstellten, "da sich das Zusammenleben aufgrund ähnlicher Verhaltensweisen oder Tagesrhythmen relativ konfliktann gestaltet und eine geringe Fluktuation in diesen Beständen festzustellen ist." Auch in Großbritannien wird auf die positiven Aspekte ethnisch geprägter Quartiere hingewiesen. In einem Beitrag zur Singh-Kommission kritisierte das Chartered Institute 0/ Housing (2007b) die Verteufelung von ethnischer Segregation und verwies auf erfolgreiche Cluster von Minderheitengemeinschaften, etwa in Leicester. Das crn übte auch insofern Kritik an der Unterstellung, die residentielle Segregation der Minderheiten sei ein Ausdruck ihrer Intoleranz, als ethnisch geprägte Quartiere sowohl von offizieller Seite als auch von Seiten wohnungssuchender anerkannter Asylbewerber als diejenigen Nachbarschaften identifiziert würden, die am ehesten Neuankömmlinge akzeptierten. 137 Zudem habe die Neigung von Neuzuwanderern, in bestimmte Gebiete zu ziehen, häufig zu einer Belebung dieser ansonsten von Leerstand bedrohten Viertel geführt (Crn 2007b: 14).
7.2.7 Fazit: Diffuse Ablehnung der Sichtbarkeit Trotz des Versuches, auf den vorangegangenen Seiten Begründungszusammenhänge für die Problematisierung von ethnischer Segregation zu abstrahieren, bleibt der Eindruck bestehen, dass häufig weniger konkrete Gründe zur Ablehnung von hohen Ausländeranteilen fuhren, sondern eher eine diffuse Wahrnehmung der ethnischen Minderheiten als Problem an sich. Auch wenn der Widerstand gegen ethnische Segregation häufig innerhalb des frames Integration diskutiert wird, zeigt eine Analyse der Diskurse, dass die Frage der Integration meist hinter der Frage zurücksteht, wie viel Zuwanderung im Quartier überhaupt "erträglich" sei. In Anlehnung an Dvora Yanows (1992) Bild der verboten goals, also derjenigen Standpunkte, die zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext nicht geäußert werden können, scheint die Problematisierung von ethnischer Segregation häufig ein Substitut zu sein, das die eigentlich dahinterstehende Frage, wie viel Heterogenität generell geduldet wird, verschleiern soll. Im Bezug auf die ,,Ausländerviertel" ist es legitim und stößt es aufwohlfahrtstaatliche Resonanz, die Ausländer als Problem zu bezeichnen, ohne dabei sofort den Vorwurf der Xenophobie auf sich zu ziehen. 137 Aktuelle Meimmgsumfragen fördern jedoch eine nahezu gleiche Abneigung der etablierten Minderheiten gegenüber neuer Zuwanderung zutage, wie sie auch unter Weißen anzutreffen ist (Cantle 2008: 74).
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Auch wenn ethnische Segregation unter dem Schlagwort Integration diskutiert wird, geht es häufig weniger um die individuelle Integration als vielmehr darum, einheimische Mittelschichtshaushalte als Steuerzahler und Mieter im Quartier zu halten. Im Gegenteil werden Integrationsleistungen der Migranten von einheimischen Bewohnern oftmals als Bedrohung und Verdrängung empfunden (Hanhörster 2001: 329). Dementsprechend wenig hat die Deutung der Konsequenzen von ethnischer Segregation mit der Forschung zu den Nachbarschaftseffekten zu tun, die in Kapitel 2 dargestellt wurde. Während gewöhnlich Legitimitätshierarchien zwischen alltäglichem Erfahrungswissen, Dienst- und Expertenwissen angenommen werden, ist ,,[e]ine Hochschätzung wissenschaftlichen Wissens" in diesem Themenbereich eher weniger vorhanden, wie in 7.4 noch zu zeigen sein wird (vgl. dazu auch Nullmeier/Rüb 1993: 30). Dabei scheinen Wissenschaftler und Praktiker häufig an einander vorbeizureden, wenn von wissenschaftlicher Seite kritisiert wird, eine verteilt wohnende Migrantenbevölkerung sei möglicherweise genauso gut oder schlecht integriert wie eine segregiert lebende. Während nämlich die Forschung zu den Quartierseffekten vor allem die Wirkung des segregierten Stadtteils auf das Individuum untersucht, geht es in den drei untersuchten nationalen Diskursen vor allem auch um die gesellschaftliche Integration im Sinne eines Zusammenhaltes und die negativen Auswirkungen für die Gesellschaft oder den Stadtteil. Die Problematisierung von Segregation erfolgt daher mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen. Die Konstruktion der Folgen ethnischer Segregation als zentrales Element des Problems, das zu politischen Handlungen nötigt, unterliegt zudem Konjunkturen, wobei sich nicht nur die unterstellten Folgen verändern, sondern auch die Frage, wessen Segregation ein Problem darstellt. Die Akzentverschiebung zu einem frarning, das vor allem auch das Zusammenleben mit Muslimen in Europa thematisiert, lässt sich auch in einem Wandel der bemühten Metaphern verdeutlichen. Während bis in die 1980er Jahre das Schreckensbild Harlern ein bestimmtes Ensemble von Vorstellungen und Aspekten aktualisierte, wird heute die Furcht vor den französischen banlieues aktiviert, um daraus die Notwendigkeit einer Verhinderung von ethnischer Segregation abzuleiten (Interviews Ridinger, Junker).
7.3 Wohnungspolitische Reaktionen auf ethnische Segregation In allen drei untersuchten Fällen wird seit etwa Ende der 1960er Jahre mit verschiedenen Policies versucht, ethnische Segregation zu vermeiden, wobei die Kontinuität und Intensität der Maßnahmen zwischen den untersuchten Ländern unterschiedlich ausfällt. Angeleitet durch den interpretativen Analyserahmen der 291
vorliegenden Arbeit gilt das Interesse im folgenden Kapitel nicht nur den Maßnahmen selbst, sondern auch der Frage, wer sich zum Thema positioniert und wer mit der Lösung des Problems beauftragt wird. Im Folgenden sollen die Mischungspolicies in den drei untersuchten Ländern miteinander verglichen werden. 138 Dabei sind ausformulierte Gesetze und Normen, die von der Verwaltung umzusetzen sind, nur eine Möglichkeit der Steuerung (Mayntz 1980: 5). So werden Maßnahmen auf nationaler und lokaler Ebene ebenso analysiert wie die Belegungsstrategien der professionellen Vermieter. Die Gliederung sieht vor, zunächst die nationalen Positionen und Maßnahmen miteinander zu vergleichen und dann die kommunalen Ansätze zu untersuchen. Diese werden wiederum in solche Policies differenziert, die entweder mit Zugangsbeschränkungen für Minderheiten arbeiten oder den Minderheiten gerade ein weiteres Wohnungsangebot eröffnen wollen. In eine dritte Kategorie kommunaler Strategien fallen solche desegregationistischen Maßnahmen, die die ethnische Mischung nur indirekt über eine soziale Mischung herzustellen zu versuchen. Separat von den kommunalen Maßnahmen sollen die Ansätze der institutionellen Wohnungsanbieter aufgegriffen werden. Diese Gliederung stellt sich insofern als problematisch dar, als die Trennlinien zwischen den Ebenen weniger eindeutig verlaufen als vielleicht zu erwarten wäre. So ist die hier vorgenommene Differenzierung zwischen den kommunalen Strategien und den Strategien der Wohnungsanbieter etwas unpräzise, wenn es beispielsweise um die kommunalen Wohnungsuntemehmen geht oder es - wie in Frankfurt oder den niederländischen Großstädten in den 1980er Jahren - Absprachen zwischen Kommunen und Vermietern gibt. Die Strategien der Wohnungsanbieter zwischen den drei Ländern zu vergleichen gestaltet sich auch insofern als suboptimal, als die deutsche Wohnungswirtschaft einen deutlich stärkeren und vor allem unabhängigeren Akteur darstellt als der stark regulierte britische Sozialwohnungssektor.
138 Da die Versuche, ethnische Segregation im Schulbereich zu unterbinden, den Rahmen der vorliegendenArbeit sprengen würden, sei hier aufMusterdlOstendorflBreebaart (1998: 38) zur Diskussion um die Einfuhrung von Schuleinzugsbezirken in den Niederlanden, ILS 2006: 160 zu Verteilungsprojekten in niederländischen Gemeinden sowie auf die britische Debatte in den 1960er Jahren (Andersson 2003: 7; Mahnig 1998: 21) verwiesen.
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7.3.1 Einbettung in den historischen Diskurs zu sozialer Mischung
So wie die Integration der Migranten in den drei untersuchten Ländern an historische Inklusionskonzepte anknüpfen konnte, die lange vor dem Zuzug ethnischer Minderheiten entstanden waren, schließt auch die Idee der ethnischen Mischung an historische Vorläufer an, bei denen es um den Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts von Klassengegensätzen ging. Die Forderung nach einer ausgewogenen Mischung - zunächst in sozialer, nicht ethnischer Hinsicht - entwickelte sich in GB in der Mitte des 19. Jahrhunderts und fand schnell Einzug in den niederländischen und deutschen Städtebau. Lewis Mumford, dessen Schrift The Culture 0/ Cities als "Bibel" der britischen Stadtplaner gilt, legte hierin die Grundlage der Planungsideologie, dass Stadtplanung verantwortlich für die physische Basis eines besseren städtischen Gemeinschaftslebens sei (Sarkissian 1976: 237). Die Wurzeln der sozialen Mischung von Nachbarschaften sind laut Sarkissian (1976) auf zwei verschiedene Strömungen viktorianischen Denkens zurück zu führen. Beim ersten Zweig handelte es sich um eine romantische und konservative Idealisierung der prä-industriellen Dorfgemeinschaft als Merrie England. Die zweite, utilitaristische Strömung war bemüht, der für die überfüllten neuen industriellen Städte typischen Segregation ein lebenswerteres Konzept gegenüber zu stellen (a.a.O.: 234). Auch das Ideal der Garden Cities trug zur Verbreitung dieser Idee bei. Obgleich die Gartenstadt auf Mikroebene nach Klasse und Einkommen segregiert war, sollte sie im Ganzen einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden (a.a.O.: 235). In GB war bereits im frühen 19. Jahrhundert eine Idee verbreitet, die im Laufe der etwas später einsetzenden Industrialisierung auch in Deutschland und den Niederlanden Einzug halten sollte, nämlich die Vorstellung, dass das Vorbild der Mittel- und Oberschicht einen erhebenden Effekt auf die Armen habe. Die angelsächsische Strömung der Gartenstadtbewegung hat sich in Deutschland nicht zuletzt in der frühen Heimstättenbewegung niedergeschlagen (Bartholomäi 2004: 16). Ebenso entstanden in NL, insbesondere in den 1920er Jahren, sogenannte Tuindorpen (Gartenstädte), in denen das Leben in im Grünen gelegenen Eigenheimen einen bürgerlichen Charakter prägen sollte (van Helsum 2007: 10).139 In diese Richtung gingen auch die Vorstellun139 Der Utrechter Stadtgeograph Gideon Holt sieht jedoch einen zentralen Unterschied zwischen den Tuindorpen und dem heutigen Mischungsgedanken: Während heutige Versuche des social engineering darauf abzielten, die soziale Kohäsion zu erhöhen, sei der enge Zusammenhalt in den Arbeitervierteln damals gerade als Problem wahrgenommen worden: ,,People were too much connected to street life and devoted not enough attention to their own fumily. So you see the example ofneighbourhoods built in the 1920s in which the house is completely oriented not to the
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gen der englischen Sozialreformerin und frühen Förderin des sozialen Wohnungsbaus, Octavia Hill, die Selbsthilfe, Selbstachtung und soziale Kontrolle als zentrale Elemente ihrer Mischung begriff, in der es erst in der Zukunft um Kontakte zwischen arm und reich ging. Zunächst einmal sollten Kontakte zwischen den Gebildeten und jenen hergestellt werden, die noch "emporgehoben" werden müssten (Sarkissian 1976: 236). In Deutschland wurde das staatspolitische Ziel des kleinteiligen Durcheinanderwohnens schon 1862 von James Hobrecht für Berlin in expliziter Abgrenzung zu England formuliert. Während in englischen Städten die verschiedenen Bevölkerungsschichten nach Stadtteilen getrennt lebten, sollten die deutschen Mietskasernen durch die Staffelung der Mietpreise nach Etage und Hinterhaus eine feinkörnige Mischung ermöglichen (Harlander 2000: 109): ..Wer möchte nun bezweifeln, dass die reservierte Lage der je wohlhabenderen Klassen und Häuser Annehmlichkeiten genug bieten, aber - wer kann auch sein Auge der Tatsache verschließen, dass die ärmere Klasse vieler Wohltaten verlustig geht, die ein Durcheinanderwohnen gewährt. Nicht ,Abschließung', sondern ,Durchdringung' scheint mir aus sittlichen und staatlichen Rücksichten das Gebotene zu sein" (Hobrecht zitiert in Harlander 2000: 110).
Der "veredelnde Einfluss der höheren Stände" impliziert also auch Erziehung und Kontrolle, "eine Ambiguität, die das staatlich formulierte ,Durchmischungsziel' auch späterhin nie ganz verloren hat" (a.a.O.: 110). In den 1930er Jahren gewann in England die Idee einer balanced community, die eine Bevölkerung beherbergen sollte, die hinsichtlich Alter, Klassenzugehörigkeit und Einkommen gemischt sein sollte, weiter an Bedeutung und wurde zum zentralen Ziel im Planungsprozess der British New Towns (SarkissianlForsyth/ Heine 1990: 1). Parallel entwickelte sich in der Weimarer Republik jedoch auch eine genossenschaftliche und gemeinwirtschaftliche Kultur der Wohnungsversorgung, die aber nicht auf eine feinkörnige soziale Mischung, sondern sozial homogene Siedlungen setzte, die die Integration der unteren Schichten nicht durch Unterwerfung, sondern durch Stärke und demonstratives Selbstbewusstsein fördern sollte (Harlander 2000: 110). Auch in GB wurde die Idee der sozialen Mischung kritisiert, "as an ineffectual liberal alternative to social change, as an attack on working-class values, and as an attack on working-class solidarity" (Sarkissian 1976: 242). Nach dem Zweiten Weltkrieg indes schien in der BRD mit Blick auf die Tradition der europäischen Stadt der Begriff der"'durchmischten, sozial ausgewogenen Bevölkerungsstruktur' über Jahrzehnte hinweg selbstverständliches, kaum je hinterfragtes Gemeingut" (Harlander 2000: 110). street but to the garden. The idea was that people have to spend more time in the garden with their families and spend 1ess time like in working class areas, chatting all day on the street" (Interview).
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Auch in Großbritannien konnte sich die Idee der sozialen Mischung nach dem Zweiten Weltkrieg behaupten. Laut Sarkissian (1976: 239) drückte die Popularität sozialer Mischungskonzepte die Sehnsucht nach der Gemeinschaftlichkeit und das FeWen von sozialen Grenzen aus, durch das die Kriegsjahre gekennzeichnet gewesen waren. In den 1960er Jahren waren es die Arbeiten des US-amerikanischen Soziologen Herbert J. Gans (1961), die die Debatte um soziale Mischung sowohl in GB als auch in der BRD am stärksten beeinflussten. In Reaktion auf verschiedene Versuche, durch räumliche Nähe gesellschaftliche Nähe herzustellen, riet dieser zu Homogenität auf Blockebene und Heterogenität auf Quartiersebene, auch wenn er die positiven Auswirkungen einer solch grobkörnigen Mischung nicht beweisen konnte (Spiege12005: 15). Die Blockebene galt ihm als zentrale soziale Arena, in der Gemeinsamkeiten zentral sein sollten, damit Kontakte entstünden, die über das Grüßen hinaus gingen (Gans 1961: 176). Die Forderung nach der Herstellung einer Heterogenität auf Quartiersebene hängt dagegen zum Teil mit der Notwendigkeit zusammen, in ärmeren Nachbarschaften eine belastbare Steuerbasis zu gewährleisten, die die Finanzierung der Schulen in solchen Systemen sicherstellen kann, in denen, wie in den USA, lokale Steuern Bildungseinrichtungen finanzieren (Sarkissian/Forsyth/Heine 1990: 12). Versuche des sodal engineering in Form einer Beeinflussung der Zusammensetzung der Quartiersbevölkerung sind also in allen drei Ländern gut hundert Jahre älter als Bemühungen, eine "ausgewogene" und "sozial stabile" Zusammensetzung von einheimischer und zugewanderter Bevölkerung herzustellen. Daher stoßen Versuche der ethnischen Mischung in allen drei Ländern aufwohlfahrtskulturelle Resonanz. Andererseits wird das Konzept der sozialen Mischung jedoch bereits seit Jahrzehnten in Frage gestellt, etwa was die Herstellbarkeit der residentiellen Mischung angeht, vor allem aber, was die vermeintliche Erhöhung von positiven Kontakten zwischen Nachbarn unterschiedlicher sozialer Herkunft betrifft. Hinsichtlich der historischen Planungsstrategien zur Herstellung von sozialer Mischung fällt zudem ins Auge, das die Mischungskonzepte in den drei untersuchten Ländern zeitlich parallel aber vor allem unter großer Bezugnahme aufeinander entstanden sind. Angesichts der konstruktionistisch motivierten Fragestellung in dieser Arbeit, wie Probleme beziehungsweise Wissen als wahr konstruiert werden, soll unter 7.4 herausgearbeitet werden, ob es auch heute eine ebensolche Orientierung an Ansätzen anderer Länder gibt.
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7.3.2 Steuerungsversuche au/nationaler Ebene 7.3.2.1 Deutschland: Das Leitbild der "gesunden Mischung" Das Ideal der ethnischen Mischung lässt sich in der BRD bis in die Mitte der 1970er Jahre zurückverfolgen. Bereits 1979 hielt der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung fest: "Die integrativen Hilfestellungen, die im Wohnbereich möglich sind, müssen sich (...) vorrangig auf das Ziel konzentrieren, den Ghettobildungen entgegenzuwirken, und zu gemischtnationalen Wohnbereichen innerhalb der deutschen Bevölkerung beizutragen" (Kühn 1979: 47). In Deutschland zieht sich das Leitbild der ethnischen Mischung auf nationaler Ebene durch verschiedene Gesetze und Policy-Dokumente, bleibt aber stets ein unbestimmter Rechtsbegriff (Bartelheimer 1998a: o.S.). Insbesondere die Reform des Wohnungsbaurechtes im Januar 2002 zielte auf diese städtebauliche Wunschvorstellung ab, da angenommen wird, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt durch demographische Entwicklungen sowie soziale und räumliche Segregationserscheinungen gefährdet sei (Brühl 2002a: o.S.). Seither fordern das Baugesetzbuch (§l, Abs. 6) sowie das Wohnraumförderungsgesetz (§6) die "Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen" bei der Bauleitplanung respektive der Förderung von Wohnungen ein. l4Q Letzteres ist insofern von Bedeutung, als die Durchmischung der Quartiersbevölkerung auch durch die Verteilung von Sozialwohnungsberechtigten erfolgen soll. Auch im Nationalen Integrationsplan aus dem Jahr 2007 ist das Motiv der ethnischen Mischung in der Formulierung "Leitbild für die Stadtteil- und Quartiersentwicklung bleibt die Schaffung und Sicherung sozial und ethnisch gemischter Quartiere" (Bundesregierung 2007: 112) wieder aufgenommen worden. Mit diesem Passus wurde insbesondere der Position der Wohnungswirtschaft Rechnung getragen, die in der zuständigen Arbeitsgruppe durch den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) vertreten war. Im daran anschließenden, das zuvor gesagte einschränkenden Satz folgt die Formulierung des Integrationsplans jedoch dem Projekt ,,zuwanderer in der Stadt", dessen Projektleiter ebenfalls zur Arbeitsgruppe gehörte: "In der Realität der Städte und Gemeinden gibt es allerdings auch sozialräumliche Segregation, die sich vielerorts nur begrenzt beeinflussen und verändern lassen wird; insoweit muss ,Integration trotz Segregation' erfolgen" (ebd.). 140 Es ist zu vermuten, dass die Festschreibung gemischter Belegungsstrukturen als wichtigstes wohnungspolitisches Ziel auf den Einfluss der Wohnungswirtschaft zurück zu führen ist, da dies eine Forderung des GdW seit Ende der 1990er Jahre gewesen ist (vgl. de Bruyn 1998: 2).
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Die Bund-Länder-Vereinbarung von 1975 Eine frühe deutsche Maßnahme, die Städte mit hohem Zuwandereranteil "entlasten" sollte, kann nicht nur als Mischungsversuch, sondern vor allem als Bemühen um eine Beschränkung des Familiennachzugs gewertet werden. 1975 wurde in innerbürokratischen Aushandlungsprozessen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbart, dass Städte und Landkreise, deren Ausländeranteil mit 12% doppelt so hoch lagen wie der Bundesdurchschnitt, zu "überlasteten Siedlungsgebieten" erklärt wurden (Köppe 2002: 28). Dies erfolgte auf Grundlage von §7 Abs. 3 des Ausländergesetzes, das die Aufenthaltserlaubnis an Bedingungen knüpfen kann, wenn diese zur Wahrung öffentlicher Interessen geboten sind (Der Regierende Bürgermeister 1978: 68). Die Umsetzung erfolgte, indem in die Aufenthaltsgenehmigung oder in die Arbeitserlaubnis ein Sperrvermerk gestempelt wurde ("DieZeit", 11.4.1975, S. 46). Im Januar 1977 hatten mehr als 55 westdeutsche Städte eine solche Sperre verhängt, darunter Berlin, FrankfurtJMain, Hannover, München und Köln (Leitner 1987: 80; vgl. "Die Zeit", 11.4.1975, S. 46). Die Zuzugssperren wurden in zwei Kategorien erlassen. Die so genannten "Musszonen" sollten überall dort bestehen, wo der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung bei mindestens 12% lag. "Kannzonen", in denen der Ausländeranteil von sechs bis 12% betrug, konnten ebenfalls gesperrt werden, "sofern die Infrastruktur überlastet ist und die Aufsichtsbehörde dem Ersuchen der Gemeinde oder Region zustimmt." Von dieser "Kann"-Bestimmung haben Städte wie Fürth (Ausländeranteil: 11,4%), Nümberg (11 %) und Augsburg (10,6%) Gebrauch gemacht ("Die Zeit", 11.4.1975, S. 46). Begründet wurden die Regelungen laut Köppe (2002: 29) unter anderem damit, dass die Belastung der sozialen Infrastruktur (Wohnraum, Kindergarten, Schule, soziale Dienste etc.) beträchtlich gestiegen sei. Dies hätte sich allerdings bereits seit der starken Zunahme der Ausländerbeschäftigung in den 1960er Jahren abgezeichnet. Staatlicherseits seien jedoch diesbezüglich kaum Initiativen ergriffen worden und erforderliche Mittel habe man eingespart. Vermutlich hatten die politisch Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt noch eher an eine Rückkehr der Gastarbeiter in ihre Heimatländer geglaubt als Mitte der 1970er Jahre. Unter der Überlastung der Infrastruktur wurden - anders als heute - jedoch nicht die Anforderungen etwa an Schulen verstanden, sich auf eine heterogene Schülerschaft einzustellen. Es ging nicht um eine qualitative, sondern eine quantitative Überlastung der Einrichtungen, deren ,,Aufnahmefähigkeit" als erschöpft galt (Ewers/ Lenz 1977: 201). Dies ist insofern überraschend, als bereits Mitte der 1970er Jahre für die deutsche Bevölkerung ein deutlicher Rückgang der Geburtenrate - und damit theoretisch eine Entlastung der familienspezifischen Infrastruktur - konstatiert wurde (,,Der Spiegel", 24. 3.1975, S. 38). Die Kommunen als am direktesten 297
betroffene Instanzen wollten seinerzeit den Auslastungsgrad mit konkreten Maßstäben gemessen sehen und dabei die Indikatoren "Wohnungsversorgung", "Versorgung mit Kindertagesstätten" und "Schulische Versorgung" zugrunde legen. Da darüber jedoch in der zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt werden konnte, wurde stattdessen zum Kriterium "Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung" gegriffen, von dem automatisch auf eine Überlastung der sozialen Infrastruktur geschlossen wurde (EwerslLenz 1977: 202). Leitner (1987: 80) kritisiert die Zuzugsbeschränkungen dahingehend, dass die räumliche Verteilung der Ausländer zum Problem erhoben werde, das es durch Politik zu lösen gelte, anstatt an der Beseitigung von sozialer und ökonomischer Ungleichheit und Diskriminierung zu arbeiten. Obgleich die Kritik für sich genommen richtig ist, scheint ihre Zielrichtung dennoch nicht ganz zutreffend zu sein. Soweit es sich angesichts der kaum vorhandenen Materialien rekonstruieren lässt, galt es mit diesen Maßnahmen nämlich nicht, die Lebenssituation oder Integrationschancen der betroffenen Ausländer zu verbessern, wie dies bei heutigen Mischungsversuchen häufig impliziert wird. Stattdessen galt die Sorge der Verantwortlichen in erster Linie der Infrastruktur und nicht der Integration der ethnischen Minderheiten. Zudem hält bereits "Die Zeit" vom 11. April 1975 (S. 46) fest, die Zuzugssperre sei der zweite Schritt nach dem Anwerbestopp vom November 1973, "mit dem Zustrom von Ausländem fertig zu werden". Leitner (1987: 81) führt den Misserfolg der Policy und ihre Befristetheit auf den illegalen Zuzug in die Gebiete zurück sowie darauf, dass die Maßnahme seitens der Arbeitgeber auf Ablehnung stieß. Während die Zuzugsbeschränkungen auch ausländische Arbeitnehmer betrafen, wollten Untemehmerverbände die Zuzugssperre auf nachziehende Familienangehörige beschränkt wissen. Da es zudem zahlreiche Ausnahmen gab, konnten gerade die Arbeitgeber dazu beitragen, die administrativen Vorgaben zu umgehen (Köppe 2002: 29). AufDruck der Arbeitgeber habe es, so Leitner (1987: 81), beispielsweise in Stuttgart und Offenbach mit Ausländeranteilen von 16 respektive 19% keine Zuzugssperre gegeben. Zudem galten Ausnahmeregelungen für Branchen mit hohem Arbeitskräftebedarf, die die Effektivität der Regionalsteuerung in Frage stellten (EwerslLenz 1977: 202). Außerdem wurde auf Bundesebene keine einheitliche Lösung gefunden, weil über die politische und rechtliche Umsetzung Uneinigkeit bestand (Köppe 2002: 29). Zudem galt die Zuzugssperre nicht für alle Nationalitäten, nämlich nicht für Staatsangehörige der EWG-Länder. 1976 wurden Türken von der Regelung ausgenommen, die länger als fünf Jahre in der BRD gearbeitet hatten; weitere Ausnahmen galten für Spanier und Griechen. Angesichts der zahlreichen Ausnahmen - weniger als die Hälfte der zuzugswilligen Ausländer fielen überhaupt unter die Bestimmungen - standen die Regelungen in keinem Verhältnis mehr zum 298
Verwaltungsaufwand, sodass sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz im April 1977 entschloss, die Zuzugsregelung aufzuheben (Köppe 2002: 28; Leitner 1987: 81). Rückblickend fällt auf, in welchem geringen Maße die Zuzugsbeschränkungen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Lediglich ein ,,zeit"-Artike1 (11.4.1975) widmet sich überhaupt der Maßnahme; in ,,Der Spiegel" scheint sich kein eigenständiger Artikel mit der Zuzugssperre zu befassen. Im Vergleich zur 15-jährigen Zuzugssperre in drei Berliner Bezirken (s.u.), die zu ihrer Zeit in zahlreichen Berichten und Stellungnahmen Erwähnung findet (s.u.) und bis heute unter Stadtforschern und kommunalen Akteuren bekannt ist, konnten für die Bund-Länder-Absprache keine Evaluierungsversuche gefunden werden. Sämtliche von der Autorin der vorliegenden Arbeit zu diesem Thema befragte Experten vermochten sich nicht an diese Po1icy zu erinnern - trotz ihrer zum Teil jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Themenbereich. Überraschenderweise ist die Zuzugssperre hingegen in der Arbeit von niederländischen Forschern aufgegriffen worden. In ihrer Untersuchung der Frankfurter Integrationspolitik halten Musterd/Ostendorf/Breebaart (1998: 69-81) fest, dass die Stadt mit einem Ausländeranteil von seinerzeit 17,1% ebenfalls eine Zuzugssperre verhängt hatte: "Although our informants in Frankfurt could weIl recall the existence of the legislation in the seventies, they consider the actua1 effect minimal. According to reports, the abolition ofthe measure after a 1egaljudgment at the end of 1977 was not regretted" (ebd.). Dies deckt sich mit einer Bewertung des Städtetags aus dem Jahr 1976, auf den sich Ewers/ Lenz (1977: 203) beziehen. Je fragwürdiger die Entlastung der Infrastruktur geworden sei, desto offensichtlicher sei die arbeitsmarktpolitische Intention der Zuzugssperre in den Mittelpunkt gerückt. Es macht den Eindruck, dass die Zuzugsbeschränkungen kaum für Auseinandersetzungen gesorgt haben, zumal es auf Seiten der Ausländer keinerlei Interessenvertretung gab, die sich gegen die Maßnahmen hätte positionieren können. Bezeichnenderweise wurde die Zuzugssperre wegen des bürokratischen Aufwandes abgeschafft und nicht, weil die Maßnahme als diskriminierend erkannt worden wäre. Interessant ist zudem die ökonomisch begründete Ablehnung der Policy durch die Arbeitgeber, denn in den frühen 1970er Jahren war es zunächst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gewesen, die ihre Besorgnis geäußert hatte, dass sich eine "neue Unterklasse" in den deutschen "Ausländerghettos" entwickele (Drever 2004: 1425). Zudem ist bemerkenswert, wie eng noch Mitte der 1970er Jahre die Gleichsetzung von Ausländern mit Gastarbeitern war, die es nahe legte, dass das Bundesarbeitsministerium die Verantwortung für die Maßnahme trug. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Zuzugsbeschränkungen, anders als in Berlin, weniger die Aufgabe hatten, eine "ausgeglichene 299
Mischung" zwischen Deutschen und Ausländern herzustellen, als den Zuzug von Ausländern generell zu minimieren.
7.3.2.2 Großbritannien: Symbolische Auseinandersetzung seit den 1960er Jahren Ebenso wie in der BRD, wo die Interviewpartner aus den Verbänden konstatieren, sich erst seit wenigen Jahren mit dem Thema ethnische Mischung auseinanderzusetzen, obgleich sich diesbezügliche Policies mehr als 30 Jahre zurückverfolgen lassen, wird in GB der Eindruck erweckt, die Problematisierung von ethnischer Segregation sei ein jüngeres Phänomen, das erst im Zuge der Community-CohesionDebatte entstanden sei. So hielt die Commissionfor Rilcial Equality (CRE) 2001 fest, dass im Vergleich zu Diskriminierung, rassistischer Belästigung und Einwanderungskontrollen das Thema ethnische Segregation in der Vergangenheit nur wenig Aufmerksamkeit erhalten habe (Horne Office 2001: 12). Dies ist insofern inkorrekt, als es auch in GB bereits seit mehr als 30 Jahren Versuche gegeben hat, über wohnungspolitische Eingriffe der als Problem wahrgenommenen ethnischen Segregation Herr zu werden. Dabei sind die Deutung von ethnischer Segregation und daraus abgeleitete Policies in GB als Einheitsstaat mit einer großen Machtkonzentration bei der Zentralregierung erwartungsgemäß stärker auf nationaler Ebene angesiedelt, als dies im föderalistischen Deutschland der Fall ist (vgl. Norton 1990: 11). Die 1960er/l970er Jahre standen in GB unter dem Einfluss von drei nationalen Berichten, die sich zur Segregation der ethnischen Minderheiten im Wohnbereich positioniert hatten: dem Colour-and-Citizenship-Report des Institute of Race Relations, dem Cullingworth-Report aus dem Jahr 1969 und dem Bericht des Sonderausschusses zu Einwanderung und ethnischen Beziehungen des britischen Unterhauses. Alle drei hatten die gleichmäßigere städtische Verteilung der ethnischen Minderheiten zur Herstellung einer besseren Wohnversorgung, Erleichterung der Integration und zur Entlastung der sozialen Infrastruktur empfohlen (PhillipslKam 1991: 84). Die Idee der Verteilung der Minderheiten genoss zu dieser Zeit prinzipiell große Akzeptanz (HendersonlKam 1987: 128). Dies fand zur selben Zeit auch in Versuchen zu einer desegregationistischen Schulpolitik seinen Ausdruck. Nach Einschätzung von HendersonlKam (1987: 129) habe die Debatte Ende der 1960er Jahre dazu geneigt, anzunehmen, dass ein Abbau der Segregation zwangsläufig zu einer besseren sozialen Integration führen würde, wobei sowohl die möglichen negativen Folgen der Verteilung auf die Minderheiten sowie die Schwierigkeiten der Implementation einer solchen Verteilungsstrategie unter300
schätzt worden seien. Im Vergleich zu Deutschland erscheinen die britischen Stellungnahmen jener Zeit jedoch weitaus differenzierter, sowohl was die Erreichbarkeit als auch die WÜDSchbarkeit von Desegregationsmaßnahmen anbelangt. Der Cullingworth-Report des Wohnungsbauministeriums 1969 1969 wurde der nach seinem Autor benannte Cullingworth-Report u.a. vom Wohnungsbauministerium in Auftrag gegeben (Community Relations Commission 1974: 12). Als zentrales Problem für die Vergabe von Sozialwohnungen warf er folgende Frage auf: "Should they attempt to disperse coloured families?'41 If they do so, could they be accused of discrimination under the Race Relations Act? On the other hand (10 quote one of our witnesses) what weight is attached to the view that 'immigrants are happier housed together in colonies so that they can pursue their own way of life without causing a nuisance or annoyance 10 the indigenous population who wish to continue leading their way oflife'" (Ministry ofHousing and Local Government 1969: 116).
Dabei gestehen die Autoren des Berichtes ein, sich angesichts mangelnder Informationen bei der Bewertung schwer zu tun, ob die Minderheiten verteilt werden sollten (a.a.O.: 117). In einer Anhörung vor dem parlamentarischen Sonderausschuss für Zuwanderung fasste Cullingworth die Haltung zusammen, die wohl auch für aktuelle britische Policies gilt: Man fühle, dass Mischung das Richtige sei, aber sie müsse freiwillig erfolgen. Sein Assistent nennt als zentralen Grund für die Verteilung, dass die Mehrheitsgesellschaft ungern "zu viele farbige Menschen zusammen sehe" (Select Committee on Race Relations and Immigration 1971: 20). Neben einer Problematisierung von ethnischer Segregation betont der Cullingworth-Report jedoch stets auch die positiven Aspekte von ethnischen Clustern (Ministry ofHousing and Local Govemment 1969: 131). Eine erzwungene Verteilung wird generell abgelehnt, da sie Menschen als Dinge behandele und kulturelle und soziale Bindungen zerstöre (a.a.O.: 135). Eine erzwungene Verteilung müsste eine Obergrenze definieren und entsprechend Wohnungssuchende ablehnen. Während dieses social engineering in der BRD selbstverständlich erscheint, steht einer solchen Policy der starke Individualismus der britischen politischen Kultur entgegen: "The criterion of full, informed, individual choice comes first" (Ministry of Housing and Local Govemment 1969: 136). 141 Die Bezeichnung coloured people wird - vergleichbar mit dem deutschen Ausdruck "Neger" heute als rassistisch wahrgenommen und ist dementsprechend ungebräuchlich. Die Anekdote der Autorin, sie habe in ihrem Fremdsprachenunterricht diesen Ausdruck als die politisch korrekte Bezeichnung gelemt, sorgte für Erstaunen und Erheiterung bei britischen Kommunalbeamten, die im Tätigkeitsfeld Rilce Relations tätig sind.
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Das britische Innenministerium stimmte den Empfehlungen des Berichts prinzipiell zu, betonte jedoch, dass die Vermeidung von ethnischer Segregation nicht nur auf das Politikfeld Wohnen beschränkt bleiben dürfe (Select Committee on Race Relations and Immigration 1971: 20). In Folge des Cullingworth-Berichts übernahmen zwar einige Gemeinden das Ideal einer Verteilung, angesichts fehlender Leitlinien und Vorgaben blieb es jedoch bei einer vagen und eher allgemeinen Zielvorstellung im Gegensatz zu konkreten Maßnahmen (Smith 1989: 98). Die Empfehlungen eines Parlamentsausschusses 1971 Der Frage der Verteilung von Migranten ging auch der Sonderausschuss Race Relations and Immigration142 des britischen Unterhauses im Jahr 1971 nach. Während der Cullingworth-Report auf Sozialwohnungen beschränkt war, erhob der Ausschuss den Anspruch, das Thema auch für den privaten Mietwohnungsbestand und den Wohneigentumssektor zu behandeln. Tatsächlich erfolgte aber auch hier eine Konzentration auf den kommunalen Sozialwohnungssektor. Die meisten Behörden verfolgten - intentional oder zufällig - eine Strategie der graduellen Verteilung von Minderheiten über ihre Bestände, die im Einklang mit den sozialen und finanziellen Bedürfnissen der Migranten sei. Vom Ausschuss wurde dieses Vorgehen für richtig gehalten und eine Fortsetzung sowie eine Übertragung auf andere Städte empfohlen (Select Committee on Race Relations and Immigration 1971: 26). Die Grundlagen, auf denen die lokalen Wohnungsämter eine Desegregation der Minderheiten verfolgen, erscheinen jedoch wenig informiert und vor allem durch Vorurteile unterfüttert. So stellt eine angehörte Vertreterin aus Birmingham lakonisch fest, eine Konzentration von Personen in einer Gegend sei schlecht und lehnt es ab wenn "farbige Immigranten eine Gegend ganz für sich haben wollten". Ein anderer Vertreter sieht Gefahren für Gesundheit und Bildung durch die Konzentration (a.a.O.: 21), ohne den kausalen Zusammenhang zu belegen. Dabei liegt nahe, dass negative Entwicklungen - wenn es sie denn gibt - lediglich durch die Konzentration in den am meisten heruntergekommenen Beständen, nicht aber durch die ethnische Konzentration selbst bedingt sind.
142 Das Select Committee on Race Relations and Immigration war im November 1968 eingesetzt worden, um Policies in Hinblick auf das Antidiskriminierungsgesetz (Race Relations Act) desselben Jahres sowie die Arbeit des Race Relations Board und der Community Relations Commission (Community Relations Commission 1974: 9) zu überprüfen.
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Die ebenfalls vom Sonderausschuss angehörte Community Relations Commission 143 hielt die Verteilung der Minderheiten prinzipiell für richtig, aber nur auf freiwilliger Basis. Zugleich kritisierte sie, dass die Betonung der Verteilung als zentrales Policy-Ziel übersehe, dass die Möglichkeit einer Verteilung auf freiwilliger Grundlage noch immer nicht gegeben sei (a.a.O.: 23). Abschließend erkannte der Sonderausschuss an, dass die Ablehnung von Konzentrationen "farbiger Immigranten" weit verbreitet, aber eine negative Grundlage für die Entwicklung von Mischungsstrategien sei. Der Wunsch nach einer größeren ethnischen Mischung werde jedoch häufig durch die Zuwanderer selbst ausgedrückt. Durch eine solche Mischung würden ökonomische, soziale und bildungsbezogene Bedürfnisse besser erfüllt, und ein stärkerer Kontakt zwischen Mehrheit und Minderheiten baue Vorurteile ab (a.a.O.: 25). Im Gegensatz zum deutschen Diskurs und darauf aufbauenden Policies wird in GB zu dieser Zeit also eingestanden, dass der Wunsch nach einer Verteilung der Migrantenhaushalte aus dem Ansinnen herrührt, die Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft durch eine geringere Sichtbarkeit der Minderheiten zu verringern. Anders als in der BRD, wo schon in den 1970er Jahren unterstellt wird, die Integration scheitere am Unwillen der Migranten, wird durch das britische Vorgehen impliziert, dass Integration ein wechselseitiger Prozess sei, bei dem es vor allem um die Aufnahmebereitschaft und Integrationswilligkeit der Mehrheitsgesellschaft geht. Dennoch sticht ins Auge, dass die ethnische Mischung stets unter dem Schlagwort "Verteilung" (dispersal) gefasst wird, womit ausschließlich eine Verteilung der Minderheiten, nie die Verteilung der Mehrheit gemeint ist. Auch in GB sind zu dieser Zeit also die Migranten die Manövriermasse aufdem Wohnungsmarkt, während die Wohnstandortwahl der Mehrheitsgesellschaft unberührt bleibt. Der Parlamentausschuss empfahl, dass das Department 01the Environment den Effekt und Wert von Verteilungs-Policies prüfen möge. Dabei waren die Meinungen des Ausschusses jedoch geteilt, zumal unklar geblieben war, was unter Verteilung eigentlich zu verstehen sei (Community Relations Commission 1974: 11). Die Empfehlung des Ausschusses, Hürden für eine ethnische Mischung - die immer auf Freiwilligkeit beruhen solle - müssten aufgehoben werden, waren vom Department 01 the Environment nicht vollständig mitgetragen worden. Obgleich das Department grundsätzlich die Wahlfreiheit auf dem Wohnungsmarkt unterstützte, wurde den Lokalbehörden die Aufgabe zugeschrieben, ihre eigenen Policy-Entscheidungen zur Verteilung zu treffen. Auf nationaler Ebene wurde dementsprechend nicht geprüft, welche Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen 143 Die Community Relations Commission war 1968 durch den Race Relations Act gegründet worden und ging 1976 mit dem Race Relations Board in der Commissionfor Racial Equality auf.
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eine solche Verteilungsstrategie haben könne (a.a.O.: 39). Zu diesem Zeitpunkt lagen die Prioritäten der Zentralregierung weniger auf einer ethnischen Mischung, sondern auf einer Verbesserung der Lebensbedingungen in den segregierten Gebieten (MacEwen 1991: 326). Drei Jahre nach den Anhörungen des Sonderausschusses hatte die britische Regierung noch immer keine Stellung zum Ausschussbericht bezogen (Community Relations Commission 1974: 9; 14). In einer Untersuchung der Community Relations Commission wurde zu diesem Zeitpunkt überprüft, wie die britische Regierung und die Städte auf die Empfehlungen des Ausschusses reagiert hatten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Ausschuss zwar einen Einfluss auf die Meinung insbesondere der lokalen Behörden gehabt habe, aber seine Empfehlungen keine direkten Auswirkungen nach sich gezogen hätten, da der Bericht nur von sieben von insgesamt 22 Wohnungsamtsleitern gelesen worden sei. Im Vergleich habe der Cullingworth-Report eine größere Wirkung entfaltet, da er von den Lokalregierungen stärker rezipiert worden sei (a.a.O.: 12). Empfehlungen einer Arbeitsgruppe von Wohnungsamtsleitern 1976 Welchen zentralen Platz das Thema Segregation dennoch auf der Agenda jener Zeit einnahm, wird dadurch verdeutlicht, dass im Jahr 1976 abermals eine Stellungnahme zum Wohnen in Nachbarschaften mit hohem Minderheitenanteil erschien, die von einer Arbeitsgruppe von Direktoren kommunaler Wohnungsämter als Empfehlung für lokale und nationale Regierungen verfasst wurde (Working Party 1976: 5). Da viele Minderheiten zu dieser Zeit aus ihren Substandard-Unterkünften in die kommunalen Sozialwohnungen zogen und in manchen Gebieten bereits die Hälfte aller Neuvermietungen stellten, hielten es die Mitglieder der Arbeitsgruppe für notwendig, nach der anzustrebenden Balance in den Sozialwohnungsbeständen zu fragen (a.a.O.: 29). Die Arbeitsgruppe problematisierte, dass einerseits davon ausgegangen werde, dass nur durch eine geographische Verschmelzung mit der Mehrheitsgesellschaft Integration erzielt werden könne, gleichzeitig aber wenig Möglichkeiten existierten, eine solche Verteilung im privaten Mietwohnungssektor zu erreichen. Zudem sei ein hoher Anteil der ethnischen Minderheiten Wohneigentümer, die seit dem Rückgang von groß angelegten Slumsanierungsmaßnahmen am wenigsten durch wohnungspolitische Maßnahmen zu erreichen seien. Darüber hinaus sei jeder Versuch, eine Verteilung um der Verteilung Willen zu erzielen, moralisch und politisch "widerwärtig". Ethnisch segregierte Nachbarschaften böten Unterstützungsleistungen und die Entscheidung über den Wohnstandort müsse stets bei den Haushalten liegen. Die Strategie der Verteilung laufe Gefahr, die schwarzen Familien zu isolieren, sei unpopulär bei den Minderheiten und nicht im Einklang mit 304
dem Race Relations Act (a.a.O.: 33). Zudem müssten Leerstände schnell gefüllt werden, sodass eine langwierige Mieterauswahl problematisch sei (a.a.O.: 34). Abschließend hält die Arbeitsgruppe fest: "Any sort of quota system is likely 10 be illegal. Local authorities would be acting unlawfully if they reserved certain accommodation either for black or for white families" (a.a.O.: 35). Kaum Policies trotz reger Debatte Trotz dieser zahlreichen Handlungsempfehlungen blieben konkrete Vorgaben von Seiten der britischen Regierung aus. In der Hochphase des staatlichen Interventionismus wurde das "Problem" Segregation zwar genutzt, um Einwanderungsbeschränkungen zu rechtfertige, die nur eine minimale Wirkung auf die Wohnstandortverteilung hatten. Auf wohnungspolitische Interventionen wurde jedoch verzichtet. Stattdessen wurde das Thema 1975 in die Hände der Gemeinden gelegt, nachdem deren Handlungsspielraum bereits erheblich eingeengt worden war (Smith 1989: 126). In den 1980er und 1990er Jahren scheint die Fragestellung auf nationaler Ebene in den Hintergrund gerückt zu sein (vgl. Henderson/K.arn 1987: 129). Dies könnte auf die marktbezogene Politik der konservativen Regierung zurück zu führen sein. Dennoch scheint sich das Ideal der ethnischen Mischung auch zu dieser Zeit gehalten zu haben, wie Debbie Phillips (1998: 1698) festhält: "There is an implicit assumption in much of the British literature on minority ethnic segregation that spatial deconcentration and dispersal is a worthy goal and sign of minority ethnic group progress." Konkrete Maßnahmen lassen sich für diesen Zeitraum indes nicht finden. Susan Smith (1989: 133) macht hierfür die Unruhen der frühen 1980er Jahre verantwortlich, die die Schwarzen mehr und mehr als "inneren Feind" erscheinen ließen, der lieber nicht noch weiter verteilt werden solle: ,,Now that segregation represents more than a problem of services and resources, now that it has gained eurreney as a symbolie tbreat to tbe moral fabrie of soeiety, dispersal no longer seems viahle as a means of diluting tbe effects ofblack settlement (on tbe contrary, in a context where tbe 'immigrant' population is growing most by natural inerease, dispersal tbreatens to extend tbe boundaries ofblaek Britain)" (a.a.O.: 135).
Wohnungspolitische Konsequenzen der Community-Cohesion-Agenda In zahlreichen Policy-Dokumenten sind seit den Unruhen in Nordengland im Sommer 2001 Empfehlungen zum wohnungspolitischen Umgang mit ethnischer Segregation ausgesprochen worden. Dabei ist das Thema seit 2001 verschiedenen Veränderungen unterlegen. Dieser Wandel ist an einer wechselnden institutionellen Verantwortlichkeit für community cohesion sowie an einem Abrücken vom
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Themenbereich Wohnen zu erkennen. "The precise status of housing within community cohesion strategies remained uncertain" (Flint 2006a: 6). Der so genannte Cantle-Report, der Ende 2001 vorgelegt wurde, lieferte einen Überblick über den Zustand der "Rassenbeziehungen", indem das Team sowohl solche Städte besucht hatte, die von den Unruhen betroffen gewesen waren, als auch solche, die keinerlei Spannungen aufwiesen. Der Cantle-Report identifizierte die residentielle Segregation als zentrale Ursache für die Unruhen und sprach 67 Empfehlungen aus. "Housing was recognised as a key theme within this agenda, having been blamed in the various reports into the disturbances in 2001 for contributing towards high levels of residential segregation in many English towns, which were assumed to lead to different populations living, working and socialising separately" (Robinson 2005: 1411). Der Cantle-Report (2001: 42-43) kritisierte, dass die Auswirkungen von Wohnungspolitik auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt bis dahin vernachlässigt worden seien. Dabei sei die Wohnungspolitik eine starke Determinante für die Gestalt von Nachbarschaften und habe profunde Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen verschiedenen ,,Rassen und Kulturen". Der Bericht habe keine Belege dafür gefunden, dass die Auswirkungen von neuen Bauvorhaben in Bezug auf interkulturelles Zusammenleben geprüft worden wären. Im Gegenteil schienen einige neue Siedlungen die Wohnstandortmuster zu verstärken und vergäben damit die Chance, Schuleinzugsbereiche zu ändern oder das Zusammenleben zu verbessern. Die Empfehlung des Cantle-Reports lautete daher, Wohnungsvergabestellen müssten dringend ihre Vergabepraktiken und Neubauprojekte dahingehend verbessern, dass mehr Kontakte zwischen verschiedenen communities begründet und Spannungen abgebaut würden. Auch die drei weiteren Reports, die sich mit den von Unruhen betroffenen Städten befassten, rückten die Kritik an der ethnischen Segregation in den Mittelpunkt ihrer Analysen. Dabei problematisierte insbesondere der Ritchie-Report (2001: 10) zu Oldham die segregierte Wohnsituation vor Ort. Für die Belegung von Sozialwohnungen stellte der Bericht fest, dass die Mischung von südasiatischen und weißen Familien in der Vergangenheit an der rassistischen Schikanierung der zuzugswilligen asiatischen Familien gescheitert sei. Daher wird empfohlen, weiße oder asiatische Haushalte in Clustern in solchen Beständen unterzubringen, in denen sie sich sonst aus Furcht vor Isolation oder Belästigungen nicht angesiedelt hätten (a.a.O.: 20). Da der Wohnungsmarkt in Oldham insbesondere durch Wohneigentum geprägt ist, empfiehlt der Bericht ein gezieltes Programm zum Abriss von mindestens 300 heruntergekommenen Häusern und die Errichtung von ethnisch gemischten Bauvorhaben von privatem und sozialem Wohnungsbestand. 306
Die diesbezüglichen Empfehlungen werden von den Autoren selbst als einige der wichtigsten des Berichtes bezeichnet (a.a.O.: 16). "We recommend that the strategy ensures that rented houses are allocated to people from different ethnic backgrounds, with appropriate housing management to support this, and also that the marketing of homes for sale should be targeted at people from different ethnic groups" (a.a.O.: 19). Selbst in diesen frühen Berichten, die die ethnische Segregation als Ursache der beobachteten Probleme sehen, ist offensichtlich, dass die Lösungsvorschläge den Aspekt der Freiwilligkeit implizieren und nicht bestimmte Höchstgrenzen für Minderheiten ansetzen, wie dies im deutschen Diskurs der Fall ist. Ein solches Vorgehen scheint schon deshalb ausgeschlossen zu sein, da die Trennungslinie in GB vor allem entlang der Hautfarbe und nicht der Staatsangehörigkeit verläuft, die in der BRD eine Ungleichbehandlung auf Grundlage nationaler Herkunft möglich und operationalisierbar macht. In GB ist dementsprechend die Sensibilität für Rassismus viel stärker ausgeprägt, da sich unterschiedliche Rechte für ansonsten gleichwertige Staatsbürger nicht aus einer anderen ethnischen Zugehörigkeit legitimieren lassen. Die britische Regierung reagierte auf die insgesamt vier Berichte zu den Unruhen mit einer Stellungnahme einer ministeriellen Gruppe unter dem Abgeordneten John Denham. Der Denham-Report folgte den vorangegangenen Berichten prinzipiell in der Einschätzung, dass Segregation ein wachsendes Problem und ein wesentlicher Grund für die Ausschreitungen gewesen sei (Home Office 2001: Vorwort von John Denham). Obgleich die freiwillige selftegregation der Minderheiten problematisiert wurde, folgerte die britische Regierung in Kontinuität zu älteren Standpunkten, dass die unfreiwillige Segregation überwunden werden müsse. Daher müsse die Regierung Policies entwickeln, die die Wahlmöglichkeiten erhöhen und die Konzentration von Minderheiten im schlechtesten Wohnungsbestand aufgrund von Furcht oder Diskriminierung aufheben (a.a.O.: 22). Der Gedanke der Wahlfreiheit wurde im Jahr 2002 in den Vermietungsleitlinien für kommunale Wohnungsämter erneut aufgegriffen (ODPM 2002: 19). Weiter heißt es in den Leitlinien wenig konkret, dass Wohnungsvergabestellen sicherstellen mögen, dass ihre Belegungs- und Vermietungsstrategien die Bevölkerungszusammensetzung widerspiegelten und community cohesion förderten. Dabei sollten sie gewährleisten, dass bei der Planung künftiger Vermietungsstrategien die Standpunkte derjenigen Gruppen berücksichtigt würden, die gegenwärtig in den Sozialwohnungsbeständen unterrepräsentiert seien. Wenn nötig sollten Wohnungsämter die Kenntnisse über und den Zugang zu Sozialwohnungen bei Minderheiten-Haushalten erhöhen. Der beste Weg seien Belegungsstrategien, die offen und transparent seien und den Bewerbern eine aktivere Rolle in der Wahl ihrer Wohnung geben (a.a.O.: 25). 307
Ab etwa 2003 zeigte sich, dass die ohnehin vagen Bemühungen um wohnungspolitische Desegregationsmaßnahmen weiter an Bedeutung verloren. 2003 richtete das Innenministerium ein ,,Pfadfinder-Programm" ein, in dessen Rahmen die besten Wege zur Herstellung von community cohesion erprobt werden sollten. Das Thema Wohnen wurde jedoch überraschenderweise nicht aufgegriffen (CIH 2004a: o.S.). Auch im Papier Strength in Diversity der britischen Regierung vom Mai 2004 blieben konkrete wohnungspolitische Ansätze zur Vermeidung von Segregation aus. Es heißt lediglich, Gemeinden müssten demonstrieren, dass Wohnungsbauvereinigungen zur community cohesion beitrügen (a.a.O.: 4). Der im selben Jahr erschienene zweite Cantle-Report im Auftrag des Innenministeriums blieb bezüglich der Vermeidung von ethnischer Segregation ähnlich unpräzise, obgleich sich eine seiner zwölf Arbeitsgruppen speziell dem Aspekt Wohnen zugewendet hatte. Der zweite Cantle-Report empfiehlt, dass Policies entwickelt werden mögen, die sicherstellen, dass die Wahl einer ethnisch gemischten Nachbarschaft wünschenswert und erreichbar werde. Diese Maßnahmen sind jedoch eher kompensatorisch und weniger wohnungspolitischer Natur: "Ibis might include making schools appeal more to different sections of the community; that BME households apply for housing in white areas and that they feel safe and supported in that choice; that white households feel secure in their present area and resist 'white flight' 10 monocultural neighbourhoods; that new developments such as the 'Sustainable Communities' are genuinely attractive 10 all- and many more" (Cande 2004: 17).
Wie dies im Einzelnen erfolgen solle, bleibt ungenannt, die Autoren betonten jedoch, dass es durch eine Mischung aus strukturellen und einstellungsbezogenen Maßnahmen um die Ausweitung von WahImöglichkeiten gehe (ebd.). Um den Zusammenhalt im Sozialwohnungssektor zu fördern, müssten Hemmnisse für die Kohäsion durch Wohnungspolitik beseitigt werden und gleichzeitig Anreize für communities geschaffen werden, nicht-segregiert zusammen zu leben (a.a.O.: 38). Im Auftrag des genannten Praktiker-Gremiums um Ted Cantle hatte das Chartered Institute 0/Housing (CIH) ein Jahr zuvor ein Policy-Briefing mit dem Titel "Offering Communities Real Choice" zu Vermietungen erstellt. Daten, die für das Paper gesammelt worden seien, hätten nach Einschätzung des CIH (2003: 9) nahe gelegt, dass es unwahrscheinlich ist, dass Vermietungsstrategien für sich genommen etablierte Segregationsmuster aufbrechen. Ein strategisches Engagement vorausgesetzt könnten sie jedoch Teil eines weiteren Prozesses der Unterstützung darstellen, aus dem ethnisch gemischte Nachbarschaften entstehen könnten. Ein solches Bekenntnis müsste Sicherheitsfragen klären, und mit Schulen, Polizei und Vermietern zusammen arbeiten. Theoretisch könnten Belegungsstrategien bewusst versuchen, durch social engineering eine größere Mischung herzustellen, etwa 308
indem Bewerbern aufgrund von Herkunft ein Vorrang eingeräumt werde oder der Zugang zu solchen Nachbarschaften verwehrt werde, die bereits mono-kulturell seien. Diese Option sei jedoch kontrovers und eine strenge Umsetzung dieser Art von Maßnahme wäre diskriminierend. Stattdessen könnten - entsprechende Unterstützung vorausgesetzt - Nachbarschaften mit "Brückenfunktion" in neuen Bauvorhaben errichtet werden oder Minderheiten-Haushalte darin unterstützt werden, in Clustern in bis dahin weißen Siedlungen Fuß zu fassen. Auch der kommunale Spitzenverband Local Government Association (LGA) veröffentlichte 2004 einen Leitfaden zum Community-Cohesion-Ansatz. Darin wird die Überwindung von Segregation als zentrales Handlungsfeld benannt. Die Empfehlungen ähneln insofern sehr stark denen des CIH-Papiers, als die Identifizierung von Nachbarschaften mit "Brückenfunktion" sowie die Ansiedlung von Minderheiten in Kleingruppen empfohlen wird. Hiermit wird impliziert, dass Integration und ethnische Mischung vor allem auch an der Haltung der Mehrheitsgesellschaft scheitern. Vermietungspolicies im Sozialwohnungssektor werden zudem als nicht hinreichend für die Herstellung von gesellschaftlichem Zusammenhalt erkannt, da die meisten Personen nicht in diesem Sektor lebten (LGA 2004: 51). Mit den Terroranschlägen in London im Sommer 2005 rückte der Fokus der britischen Regierung stärker auf das Thema Extremismus unter den britischen Muslimen und deutlich weg von der Beschäftigung mit ethnischer Segregation, wie sie nach den Unruhen im Jahr 2001 im Mittelpunkt gestanden hatte. In Folge wurde von der britischen Regierung die Commission on Integration and Cohesion (CIC) als unabhängiges Beratergremium unter der Leitung von Darm Singh eingerichtet. Bereits in ihrem Interimsstatement machte die CIC (2007: 119) deutlich, dass der Fokus auf residentielle Segregation nicht zielführend sei und sie nur in einigen Städten eine wichtige Rolle spiele. Dennoch wird auch im Abschlussbericht der CIC an der Kontakthypothese festgehalten, der zufolge Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen zu einem Abbau von Vorurteilen führen könne (a.a.O.: 112). Es wird festgehalten, dass Wohnungspolitik das Potenzial habe, zu Kohäsion und Integration beizutragen, indem durch größere Wahlfreiheit eine erzwungene Segregation abgebaut werde und zudem durch eine ausreichende Deckung der Nachfrage Verteilungskonflikte zwischen Etablierten und Neuzuziehenden vermieden würden. Alle öffentlichen Ämter, die mit der Finanzierung von Sozialwohnungen und Stadtteilentwicklungsprojekten befasst seien, sollten gewährleisten, dass die Auswirkungen ihrer Policies auf Integration und Kohäsion überprüft würden. Gleiches gelte für die Anbieter von bezahlbarem Wohnraum. Lokale Wohnungsämter sollten offenlegen, inwieweit sie bei der Vergabe von Wohnungen zwischen Bedürfnis und Wahlmöglichkeit abwägen und in welchem Verhältnis diese Entscheidungen zu Integration und Kohäsion stehen. Die Finanzierung ein309
zelner Gruppen sollte nicht gefördert werden, in Ausnahmefällen müsse der Wohnungsanbieter nachweisen, wie seine auf eine einzelne Gruppe gerichteten Policies das Zusammenleben begünstigen (a.a.O.: 124). 144 In einer Eingabe :für die Commission on Integration and Cohesion hatte das Chartered Institute ofHousing (CIH) aufgerufen, realistische Zielefür das Erreichen von gesellschaftlicher Kohäsion zugrundezulegen, die anerkennen, dass die meisten Personen in Nachbarschaften unter ihresgleichen wohnen wollten: "There is a danger that policy focuses solelyon creating more ethnically-mixed areas, whereas it might be better 10 try to break down concentrations ofpoverty and poor housing" (CIH 2007a: o.S.). Woher diese implizite Kritik rührt ist nicht nachzuvollziehen, da die Kommission bereits in ihrem Interims-Statement von der bis dahin vorherrschenden Beschäftigung mit ethnischer Segregation abgerückt war. Zum Zeitpunkt der Experteninterviews im Winter 2008 war die Haltung der britischen Regierung zum Beitrag des Wohnens zur Erlangung eines gesellschaftlichen Zusammenhalts ausgesprochen widersprüchlich. Neben einem Abrücken von der Problematisierung von ethnischer Segregation durch die CIC hat sich auf nationaler Ebene zudem eine neue institutionelle Verantwortlichkeit ergeben, die die Veränderung des framing von interkulturellen Konflikten abbildet. Während community cohesion als ein Politikfeld begann, das in Folge der Unruhen als Frage der öffentlichen Ordnung gefasst und dementsprechend beim Innenministerium angesiedelt wurde, wechselte die Zuständigkeit im Jahr 2006 zum neugegründeten Department for Communities and Local Government (DCLG).145 Das nach 2001 schrittweise Abrücken von einer Problematisierung der ethnischen Segregation scheint sich auch im DCLG niederzuschlagen. Vom DCLG (2008a: 26) wird unterstrichen, dass die ethnische Vielfalt einer Gegend in einem
144 Die Forderung der CIC, nicht nur im Wohnbereich sondern auch bei Vereinen von der öffentlichen Förderung von Einzelgruppen abzurücken, hat besonders hohe Wogen geschlagen (McGhee 2007: 59). Da die Regierung ein halbes Jahr wartete bis sie sich zu den Empfehlungen positionierte, ging in diesem Vakuum unter, dass sich die Regierung schließlich selbst von dieser Forderung distanzierte (Perry 2008b: 168; Tornlins Interview). Gleichzeitig wird durch diese Haltung in besonderem Maße das gegenwärtige Abrücken vom Multikulturalismus deutlich, da trotz der tendenziell ablehnenden Haltung der Regierung weiterhin die gesellschaftlich akzeptierte Forderung im Raum steht, von Minderheiten geführte Organisationen mögen in Mainstream-Organisationen aufgehen. 145 Im Februar 2008 positionierte sich das DCLG mit einem neuen nationalen RahnJenwerk zur Community Cohesion. Das Bekenntnis der Zeutralregierung hat sich in einem neuen public service agreement (PSA) niedergeschlagen, mit dem die Absichten und Zielsetzungen von Regierungsabteilungen über drei Jahre definiert werden. Kohäsion wird demnach gemessen anhand dreier nationaler Indikatoren: der Anteil von Personen, die glauben, dass Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen in ihrer Nachbarschaft gut miteinander auskommen, der Anteil von Personen, die denken, dass sie zu ihrer Nachbarschaft gehören sowie der Anteil von Personen, der bedeutende Interaktionen mit Personen anderer Hintergründe hat (DCLG 2008a: IOf.).
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positiven Zusammenhang zu einem hohen Maß an Kohäsion stehe. Gleichzeitig wird explizit festgehalten, dass Armut, Wohnsituation und Bildung zwar den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinflussen, dass dies jedoch keine Felder seien, an denen das DCLG Kohäsions-Policies ansetzen würde (a.a.O.: 37). Dies ist insofern überraschend, als dieselbe Institution noch in ihrer Stellungnahme zu den Empfehlungen der CIC wenige Monate zuvor das Politikfeld Wohnen dezidiert hervorhob. Hier seien gute Fortschritte darin gemacht worden, den Gedanken der community cohesion zu etablieren (DCLG 2008b: 16). Dabei gehe es im zentralen Handlungsfeld Wohnen sowohl um Sanierungsprogramme als auch darum, wie Vermietungsstrategien zur Kohäsion beitragen könnten (a.a.O.: 20). Zu diesem Zweck werden die Kommunalbehörden aufgefordert, für Transparenz bei der Vergabe ihrer Wohnungen zu sorgen und die Wahlmöglichkeiten für Wohnungssuchende zu erhöhen (a.a.O.: 50). Obgleich die Propagierung von ethnischer Mischung im Zuge des CommunityCohesion-Diskurses unter britischen Stadt- und Migrationsforschern auf starke Kritik gestoßen ist, fällt aus deutscher Sicht auf, wie wenig konkret die tatsächlichen wohnungspolitischen Reaktionen auf die als schädlich interpretierte ethnische Segregation gewesen sind. Angesichts der Lesart der Konflikte im Jahr 2001, den Rückzug der ethnischen Minderheiten für ihre eigenen Integrationsdefizite und ein schlechtes Miteinander verantwortlich zu machen, sind die Empfehlungen bis heute nicht nur ausgesprochen vage, sondern implizieren zudem eine gänzlich andere Ursache für ethnische Segregation. In aktuellen Policy-Statements wird durchweg eine Ausweitung der Wahlmöglichkeiten im Sozialwohnungssektor propagiert, womit eingestanden wird, dass ethnische Segregation eben nicht durch die Entscheidungen der Minderheitenhaushalte, sondern gerade durch einen Mangel an Optionen bedingt wird. Obgleich also schon die Empfehlungen zur Herstellung einer ethnischen Mischung im Vergleich zu deutschen Strategien viel weniger rigide ausfallen, erfolgt die Umsetzung des Ideals von gemischten Nachbarschaften zudem nur wenig konsistent. David Cheesman als ehemaliger Mitarbeiter der Housing Corporation führt den Eindruck, dass es sich überwiegend um Rhetorik handele, im Interview darauf zurück, dass Steuerungsversuche ohnehin am angespannten Wohnungsmarkt scheiterten. Auch Ted Cantle, Autor des Cantle-Reports, hält im Interview fest, dass es kaum konkrete wohnungspolitische Änderungen im Zuge der Community-CohesionAgenda gegeben habe. Es habe einige Versuche der sozialen Mischung gegeben, die manchmal mit ethnischer Mischung gleichgesetzt werde. Es gebe jedoch einen Konsens gegen jede Art erzwungener Mischung. Bezüglich der Vergabe von Sozialwohnungen seien keine dezidiert desegregationistischen Policies eingeführt worden. Anstelle konkreter Versuche des social engineering setzten viele Gemein311
den darauf, beispielsweise durch Poster- und Bildungskampagnen ein Bewusstsein zu schaffen, das Diversität in der Nachbarschaft wertschätzt. Während Cantle davon ausgeht, dass es mehr konkrete Interventionen geben müsse, seien diese bewusstseinsbildenden Maßnahmen jedoch zu begrüßen, da auf Mischung abzielende Policies sonst ohnehin von den Bewohnern konterkariert würden. Ebenso bestätigt der Interviewpartner David Anderson, zuständig fiir die Implementation der Kohäsions-Politiken im DCLG, den Eindruck, dass wohnungspolitische Eingriffe fiir die britische Regierung nachrangig seien. Das sei darauf zurückzuführen, dass lediglich im Bereich der Sozialwohnungen Veränderungen herbeigeführt werden könnten, während weder die Kaufentscheidungen von Wohneigentümern noch die Vergabepraktiken im privaten Sektor beeinflusst werden könnten. Da Eingriffe im Wohnbereich zu komplex und langfristig seien, setze man weniger auf ethnische Mischung in der Nachbarschaft als auf die Förderung von Interaktionen in anderen Bereichen. Größere Handlungsmöglichkeiten sehe man im Bereich der Stadterneuerung, wenn durch die Gestaltung des öffentlichen Raumes oder die Neuplatzierung von sozialer Infrastruktur Anreize zur gemeinsamen Nutzung geschaffen würden. Dabei sehe man durchaus Vorteile in einer stadträumlichen Konzentration fiir Angehörige ethnischer Gruppen selbst, wenn dies bedeute, dass sich daraus eine kritische Masse fiir die Bereitstellung ethnischer Infrastruktur ergebe.
7.3.2.3 Die Niederlande: Glaube an social engineering Obgleich der wohnungspolitische Umgang mit ethnischer Segregation auch in NL als aktuelles Phänomen wahrgenommen wird, lassen sich historische Präzedenzfalle finden, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen. Seinerzeit ging es darum, zum einen die Konzentration der neuzuziehenden Bürger der ehemaligen Kolonien zu verhindern und ihnen zum anderen überhaupt einen Zugang zum angespannten niederländischen Wohnungsmarkt zu eröffnen. So wurden indonesische Niederländer in den 1950er Jahren zunächst vorübergehend in Auffangzentren beherbergt, bevor eine Mindestquote von 5% im sozialen Wohnungsbau fiir sie reserviert wurde (Mahnig 1998: 68). Ähnlich wurde auch bei den späteren Einwanderungswellen aus Surinam vorgegangen. Erste Konflikte hatten sich bereits zu Beginn der 1970er Jahre abgezeichnet, als aus den Kolonien nicht mehr nur Mittelschichtshaushalte, sondern vor allem Unterschichtsfamilien einwanderten. Nachdem lokale Versuche, den Zuzug von Surinamem und Antillianem zu beschränken, gescheitert waren (s.u.), wurden auch fiir diese beiden Gruppen ab 1975 5% der Sozialwohnungen reserviert, um 312
ihre Koloniebildung zu verhindern (a.a.O.: 71). Diese so genannte RVK-Regelung (Regeling Rijksvoorkeurswoningen) galt bis Mitte der 1980er Jahre, fand aber seit Beginn der 1980er Jahre nur noch wenig Verwendung. 1981 waren etwa 21.000 Personen durch diese Regelung verteilt worden (Andersson 2003: 21). Da die vier größten Städte (Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht) von der Regelung ausgenommen waren, wurden Surinamer und Antillianer in andere Regionen des Landes verteilt (GijsbertslDagevos 2008: o.S.). Die vom niederländischen Parlament eingesetzte Blok-Kommission kam in ihrem Bericht 2004 jedoch zu dem Ergebnis, dass die Verteilung keinen Langzeiteffekt gehabt habe, da viele Surinamer in die großen Städte weitergewandert seien. Dennoch verdeutlicht die Maßnahme, dass die Niederlande - wie zu erwarten - das Instrumentarium des Wohlfahrtsstaates deutlich stärker als in GB nutzten, um die strukturelle Integration ehemaliger Kolonialbürger anzustoßen. Im Gegensatz zu Großbritannien, wo die Migranten aus den Kolonien in den privaten und Wohneigentumssektor gedrängt wurden, wurde ihnen in den Niederlanden mit dem Ziel einer besseren Verteilung der Weg in den sozialen Sektor geebnet und damit ihre Wohnsituation bis heute geprägt. Während sich der in den 1970er Jahren dominante Glauben an die Gestaltbarkeit von Gesellschaft vor allem im kommunalen Umgang mit ethnischer Segregation niederschlug und die 1980er Jahre auf nationaler Ebene durch den Abbau von staatlichen Leistungen und durch Marktorientierung gekennzeichnet waren (Mayer 2007: 566), fand die Problematisierung von ethnischer Segregation vor dem Hintergrund einer Politisierung des Zuwanderungsthemas insgesamt erst in den 1990er Jahren aufdie nationale Agenda zurück. Noch 1991 hielt Mik (S. 182) fest, dass der Minderheitenbericht der Regierung aus dem Jahr 1989 aus nationaler Sicht keine Verteilungspolitik vorsehe. Das Klima wandelte sich jedoch seit Beginn der 1990er Jahre, wobei insbesondere Fritz Bolkestein als Führer der marktliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) :für die Herstellung von ethnischer Mischung eintrat (Musterd/OstendorflBreebaart 1998: 32). In diese Zeit fiel mit dem Rückzug vom Multikulturalismus auch der Übergang von Integrationspolitiken zu Stadtteilentwicklungspolitiken, da Maßnahmen jetzt als stadtteilbezogene Politiken im Gegensatz zu gruppenbezogenen Politiken gefasst wurden (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 18).146 Einen Wendepunkt stellt der Regierungsbericht Contourennota aus dem Jahr 1993 dar, der die so genannten Konzentrationsgebiete als Problem ausmachte (Uitermark 2003: 540). Der Umgang mit Segregation wird seit 1995 durch die so genannte Großstadtpolitik (Gro146 Institutionell schlug sich dies 1998 mit der Einrichtung des Ministers fiir Stadtpolitik und Integration innerhalb des Inneruninisteriums nieder (Bruquetas-Ca1lejo et al. 2007: 18).
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testedenbeleid) geprägt. Diese sieht vor, über die Ausdifferenzierung des Wohnungsangebotes "unausgeglichene" Bevölkerungszusammensetzungen aufzulösen (s.u.). Während der Amtszeit des ersten Balkenende-Kabinetts verstärkte sich die Aufmerksamkeit auf ethnisch segregierte Stadtteile. Im Juni 2002 konstatierte die niederländische Regierung explizit, dass die Entwicklung homogener ethnischer Nachbarschaften durch die Entwicklung von gemischten Nachbarschaften - verstanden als eine Mischung der Wohnformen (tenure mix, s.u.) - verhindert werden müsse (Musterd/Ostendorf2007: 44). Dazu hält die vom niederländischen Parlament eingesetzte Blok-Kommission (2004: o.S.) fest: ,,[E]xplicit efforts would be made to decrease the concentration ofsocio-economically disadvantaged migrants within the neighbourhood population. The second Balkenende cabinet continued to focus on stimulating proportional distribution of disadvantaged migrant groups and thus at countering the expansion of concentration areas, but the minister underlined that allocation of housing would not take p1ace solelyon the grounds of ethnic origin or nationality."
In einem gemeinsamen Brief an das Unterhaus vom Januar 2003 sprachen sich der Minister für Wohnen, Raumplanung und Umwelt sowie der Minister für äußere Angelegenheiten und Integration gegen sozialräumliche Segregation aus. "They want 10 discourage the growth of districts with onesided populations by offering a more varied supply of dwellings and by following a policy that creates more opportunities to find a place in the housing market for people seeking accommodation" (Nieuwboer 2003: 26). Der gewachsenen Bedeutung der wohnungspolitischen Aspekte der Integration wurde 2007 mit der Einrichtung eines Ministers für Wohnen, Communities und Integration innerhalb des Wohnungsbauministeriums Rechnung getragen. Zentral ist dabei ein Aktionsprogramm in 40 Stadtteilen, die laut Internetdarstellung des Ministeriums danach ausgewählt worden seien, die ernsthaftesten Probleme hinsichtlich Wohnen, Bildung, Integration und Sicherheit aufzuweisen (VROM o.J.: o.S.). Policies richten sich damit nicht direkt auf ethnische Minderheiten, da dies mit der politischen Kultur und dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung kollidieren würde, doch fungiert der Migrantenanteil weiterhin als Indikator für verschiedene Problemlagen im Stadtteil (Interview Verweij; van Helsum 2007: 30). Obgleich Policies zur Herstellung einer explizit ethnischen Mischung nach Aussage aller Interviewpartner gegenwärtig undenkbar scheinen, wird die sozialräumliche Konzentration der Migranten noch immer von einigen auf der nationalen Ebene agierenden Akteuren propagiert. Dazu zählen die Sozialistische Partei sowie die VVD. Es ist zu vermuten, dass die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien bei der Wahl zum Europa-Parlament 2009 einen Anreiz darstellen, sich zu 314
Integrationsfragen auch weiterhin ,,hyperrealistisch" (s.o.) zu positionieren. Forderungen nach einer obligatorischen Durchmischung wurden jedoch auch von marokkanischen und tunesischen Verbänden geäußert, die die mangelnden Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen als Hindernis für eine bessere Integration beklagten (Nieuwboer 2003: 36). In ihrer im Auftrag des Justizministeriums erstellten Studie zu Interventionen, die die Konzentration ethnischer Minderheiten verhindern sollen, äußern sich Gijsberts und Dagevos (2008: o.S.) skeptisch. Gegenwärtig sei unklar, wer die Zielgruppen seien, ob ethnische Konzentration als Problem betrachtet werde oder die Konzentration von Armut. Zudem kritisieren sie, dass die eigentlichen Policies nicht explizit die Herstellung einer ethnischen Mischung benennen: "Does this mean that the problem is regarded as having been solved if there is more income differentiation and if black middle-class neighbourhoods arise?" Eine Bewertung existierender Policies sei ferner dadurch erschwert, dass es nahezu keinerlei Evaluierungen gebe. Vor allem aber unterstreichen sie, dass ein Zusammenspiel aus sehr unterschiedlichen Mechanismen zu ethnischer Segregation führe und die Vielfalt der Segregationsursachen es unwahrscheinlich mache, dass eine spezielle Maßnahme Segregation beseitigen könne. Dies wird in der BRD und GB zumeist übersehen. Die Kritik deckt sich mit der Beobachtung von Deborah Stone (2006: 130), dass es zur Bearbeitung von Problemen kausale Geschichten geben müsse, um Probleme als Ergebnis menschlichen Handelns darzustellen. Indem die Heterogenität der Problemursachen anerkannt wird, entpuppt es sich als schwieriger, ein angemessenes Policy-Instrument zu benennen. In NL steht auf nationaler Ebene also die dezidierte Problematisierung von ethnischer Segregation durch einige Politiker in keinem Verhältnis zu den deutlich subtileren Policies, die ausschließlich auf die Herstellung einer sozialen Mischung abzielen. Die Vorgaben der niederländischen Regierung sind zudem insofern wenig relevant, als die eigentlichen wohnungspolitischen Entscheidungen zum Umgang mit ethnischer Segregation von den Städten getroffen werden. Dabei kommt dem Wohnungsbauministerium vor allem die Aufgabe zu, die Städte in ihren Entscheidungen mit Wissen zu versorgen (Interview Verweij).
7.3.2.4 Die Niederlande und Großbritannien: Wahlfreiheit ersetzt Bewohnerauswahl Während der private Wohnungsmarkt den Konsumenten einräumt, aus dem bestehenden Angebot auszuwählen oder Wohnungen abzulehnen, wurde in der Vergangenheit in NL und GB von Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgem die häufig einschränkende Art der Sozialwohnungsvergabe kritisiert, insbesondere 315
solche Verfahren, die wenig oder keine Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Stadtteils einräumten oder strikt auf der Politik beruhten, Suchenden nur eine einzige Wohnung anzubieten (PawsonlKintrea 2002: 657). Vor dem Hintergrund, dass das Entstehen von ethnischer Segregation auch als Folge von Zwängen und beschränkten Wahlmöglichkeiten der Minderheiten verstanden wird, und sich zugleich eine "Vermarktlichung" des sozialen Sektors vollzieht, wird insbesondere in GB die Ausweitung der Wahlfreiheit für die Vermeidung von Segregation propagiert. Nachdem verschiedene Untersuchungen die Dehnbarkeit einer Bedarfsmessung und damit einhergehende Diskriminierungspotenziale aufgezeigt haben, sind in GB Forderungen nach Fairness und einer quasi-objektiven Messung von Bedürftigkeit getreten, die versuchen, den Entscheidungsspielraum von Mitarbeitern im Vermietungsgeschäft zu minimieren (a.a.O.: 648). Während in der BRD die Vergabe von Sozialwohnungen genutzt wird, um die Bevölkerungszusammensetzung zu beeinflussen, hat sich in GB und NL seit 1990 eine Änderung in Richtung größerer Wahlfreiheit für die Wohnungssuchenden ergeben. Das so genannte Delfter Modell, benannt nach der niederländischen Stadt, in der es seinen Ursprung hat, wird mittlerweile in mehr als 80% aller niederländischen Kommunen implementiert, seit den späten 1990er Jahren hat es auch in GB unter dem Begriffchoice based lettings (CBL) Einzug gehalten. In NL ist es als Woningnet bekannt. In Großbritannien sieht dieses Modell, das bis 2010 von allen Gemeinden eingeführt werden soll, vor, dass sich Wohnungssuchende aus mehreren Angeboten in Zeitungen oder Internet selbst eine Sozialwohnung aussuchen können (a.a.O.: 443).147 Die verschiedenen Systeme, die diesbezüglich in britischen Kommunen implementiert wurden, basieren auf unterschiedlichen "Währungen" in Form von Punktesystemen, Wartezeiten oder Bedürftigkeit, um Wohnungssuchende zu klassifizieren (van HamlManley 2009: 4). Während in der BRD also gerade auf die sozial sensible Bewohnerauswahl durch die Mitarbeiter der Wohnungsuntemehmen gesetzt wird, soll das CBL die Handlungsspielräume der Sachbearbeiter einschränken und damit potenzielle Diskriminierung durch objektive und transparente Kriterien ersetzen (Interview Rao). Während Quotierungen, die eine Beschränkung für ethnische Minderheiten bedeuten würden, ohnehin als illegal gelten (CIH 2003: 8), versucht die britische
147 hn Detail sieht das niederländische Modell vor, dass Wohnungsbauvereinigungen darin kooperieren, ein kommunales beziehungsweise regionales Medium zu schaffen, in dem alle freien Wohnungen angeboten und die jeweiligen Zugangsvoraussetzungen wie Haushaltsgröße oder einkommen bekannt gemacht werden. Nach Vergabe der Wohnung veröffentlicht dasselbe Medium die Bewerberzahlen und die Kriterien, die zur Auswahl des Mieters geführt haben (Ku1lberg 2002: 551).
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Regierung mit ihren aktuellen Maßnahmen also vor allem darauf zu reagieren, dass die Wahlmöglichkeiten von Minderheiten am Wohnungsmarkt beschränkt sein könnten (Cantle 2008: 218). Im Widerspruch dazu, dass der freiwillige Rückzug der Minderheiten zur Ursache der Unruhen im Jahr 2001 erhoben wurde, setzen aktuelle Policies im Rahmen der CBL darauf, solchen Gruppen den Zugang zum sozialen Wohnungsbau zu öffnen, die bis dato unterrepräsentiert waren. Angesichts dessen, dass im Zuge des Community-Cohesion-Diskurses als Ursache für das Problem Segregation gerade die Entscheidungen von Haushalten ausgemacht wurden und das CBL-System völlig losgelöst von Fragen der ethnischen Segregation noch vor der Debatte um community cohesion ins Leben gerufen wurde, ist es nur konsequent, dass es von einem Sonderausschuss des Parlamentes hinterfragt wurden: "The Committee recommends that the ODPM148, in conjunction with other relevant departments and the local authorities, should review the present policies on 'choice based letting'. The objective should be 10 create strategies to mitigate or reverse the tendency for freedom of choice to lead to greater segregation" (House ofCommons Select Committee 2004: o.S.). Mit dieser Kritik konnte sich der Ausschuss jedoch nicht durchsetzen, da sich die Einschätzung behaupten konnte, eine wichtige Voraussetzung für community cohesion sei, dass Bewohner fühlten, sie seien freiwillig in einer Nachbarschaft und nicht, weil sie keine anderen Alternativen gehabt hätten (Robinson 2003: 6). Während das zuständige Department 0/ Communities and Local Government zu der Einschätzung gelangt ist, dass die choice based lettings zu einer stärkeren Verteilung von ethnischen Minderheiten geführt hätten (Housing Corporation 2007a: 11), ist diese Bewertung von wissenschaftlichen Untersuchungen hinterfragt worden (van HamlManley 2009: 2). Dabei heben die Autoren nicht darauf ab, dass die ethnischen Minderheiten - Wahlmöglichkeiten vorausgesetzt - tatsächlich vorzögen, unter "ihresgleichen" zu bleiben. Stattdessen haben sie auf einige Schwächen dieses Vermietungsmodells verwiesen, die dazu führen könnten, dass die Erwartungen bezüglich einer stärkeren ethnischen Mischung enttäuscht würden. Die Bedürfnisse nach Wohnraum seien unter Migranten häufig dringlicher als bei der Mehrheitsgesellschaft und ihr Wissen über andere Optionen meist begrenzt. Wahlmöglichkeiten seien auch weiterhin ungleich verteilt und könnten ethnische Konzentrationen daher verstärken (Robinson 2003: 6; van HamIManley 2009: 11). Sue Lukes berichtet von einer unter Aktivisten verbreiteten Einschätzung, dass die Umsetzung der CBL bislang feWerhaft sei. Berichte aus der somalischen com-
148 Das ODPM ist das seinerzeit zuständige Office olthe Deputy Prime Minister.
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munity zeigten, dass diese Gruppe trotz ihrer extremen Wohnungsnot es nicht auf die oberen Ränge der Wartelisten schaffe. Es gebe daher die Vermutung, dass insbesondere solche Migranten, die sich erst kurze Zeit im Land befinden und nur über eine geringe Vernetzung verfUgten, die Formulare falsch ausfüllten. Außerdem gebe es Berichte, dass die Formulare von den Sachbearbeitern aufgrund hoher Arbeitsbelastung nicht richtig in Punkte übertragen würden. Während in GB kein Widerstand von Seiten der Wohnungsbauvereinigungen gegen das Vergabesystem dokumentiert ist, zögerten einige niederländische Wohnungsbauvereinigungen zunächst, dieses Modell einzuführen. "As the open allocation procedure would not allow officer discretion, some housing officers feared accumulation of problems as a result of uncontrolled enrolment of tenants, especially in 'vulnerable neighbourhoods'" (Kullberg 2002: 558). Dies könnte an einem traditionell stärkeren Glauben an social engineering in NL liegen, einer geringeren Sensibilität für Diskriminierung im Vergleich zu GB (s.u.) sowie daran, dass die niederländischen Wohnungsbauvereinigungen finanziell und politisch unabhängiger und mächtiger sind als ihre britischen Pendants. Trotz ihrer Bedenken, künftig kaum noch Einfluss auf die Bewohnerzusammensetzung ausüben zu können, seien die Wohnungsanbieter laut Jeanet Kullberg (Interview) jedoch überzeugt worden, da sie erkannt hätten, dass es auch trotz ihrer jahrzehntelangen Vergabepraxis zu Problemen im Zusammenleben gekommen sei. Zudem sei das alte Vergabesystem sehr arbeitsaufwändig gewesen, da die Wünsche und Bedürfnisse aller Wohnungssuchenden hätten registriert werden müssen, obwohl sich diese im Verlauf der zum Teil langen Wartezeiten veränderten. Aktuell kommt Widerstand gegen Woningnet nach Aussage der Interviewpartner (Kullberg; Hoogvliet) weniger von den Wohnungsbauvereinigungen, als von einigen Gemeinden im Einzugsbereich der Großstädte. Hier fürchte man den Zuzug aus den Großstädten und damit eine Verschlechterung des Wohnungsangebotes für die "eigenen Leute". Daher hätten einige Kommunen Sonderregelungen eingeführt, wonach bestimmte Wohnungen für diejenigen reserviert bleiben, die bereits im Ort leben. Dies steht laut dem Interviewpartner der Amsterdamse Federatie van Woningscorporaties, Jeroen van de Veer, zwar im Widerspruch zur nationalen Gesetzgebung, doch würden Regeln in NL prinzipiell nicht so streng umgesetzt, wie dies in der BRD der Fall sei. Eine weitere Einschränkung für die desegregativen Potenziale von Woningnet gilt insofern, als laut einer Umfrage Ende der 1990er Jahre einige größere Städte eine Ausnahmeregelung in ihre Vereinbarungen mit den Wohnungsbauvereinigungen aufgenommen haben, wonach "empfindliche" Nachbarschaften von der Wohnungsvergabe über diese Modell ausgenommen werden können. "Within these neighbourhoods different allocation procedures and criteria will be allowed if the
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housing officers think that is necessary in order to create more sustainable communities or rather to reduce severe management problems" (Kullberg 2002: 575). Gideon Bolt (Interview) berichtet beispielsweise von einigen Gebäuden im Utrechter Stadtteil Overvrecht, die außerhalb des Systems an solche Haushalte vergeben würden, deren "Lebensstil" die Nachbarschaft stabilisieren und aufwerten könnte. Da große Wohnungen mit fünf oder mehr Zimmern in Amsterdarn extrem rar sind, werden auch diese häufig außerhalb des Delfter Systems an große Familien - die meisten von ihnen mit Migrationshintergrund - weitergegeben (Kullberg 2002: 566). Dennoch wird das "Anzeigenmodell" für die Transparenz der Vergabeverfahren geschätzt (Nieuwboer 2003: 5). Es wird davon ausgegangen, dass Diskriminierung im Sozialwohnungssektor durch die Regelungen nahezu ausgeschlossen wurde und dies eine große Verbesserung gegenüber den 1980er Jahren darstellt, "when selective 'parachuting in' ofmembers of ethnic minority groups, often with good intentions such as the creation ofa 'stable housing climate', led to discrimination" (SCP 2009: o.S.). Dennoch hat das Programm - im Gegensatz zu ersten Erkenntnissen in GB - nicht zu einer Verringerung der ethnischen Segregation beigetragen. Diese unterschiedlichen Ergebnisse werden auch in NL selbst wahrgenommen. "In contrast to the Netherlands, the model in the UK has been found to have a desegregating efIect. ODe explanation for this could be the higher level of support built into the UK system for vulnerable tenants, who receive assistance in looking for a horne in (white) suburbs" (Gijsberts/Dagevos 2008). In einem Vergleich der Vermittlungsergebnisse für marokkanische Wohnungssuchende in zwei niederländischen Gemeinden, wovon lediglich eine das Anzeigenmodell implementiert hatte, fanden van Kempen und Idamir (2003: 266) ebenfalls keine Unterschiede hinsichtlich der räumlichen Konzentration dieser Gruppe.
7.3.2.5 Verteilung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Spätaussiedlern Auf nationaler Ebene haben alle drei Länder Policies implementiert, die die Verteilung der neu ins Land kommenden Asylbewerber und Flüchtlinge zum Ziel haben. Während diese Maßnahmen in Deutschland vor allem dem Lastenausgleich zwischen den Bundesländern und Kreisen dienen sollen l49 , wird in der britischen Literatur darüber hinaus die Integration der Asylbewerber als explizites Anliegen 149 Dass die Verteilung nicht die Integration fördern soll, macht auch die bayerische Verordnung zur DurchfUhrung des Asylverfahrensgesetzes (§7) deutlich: Die Verteilung und die Zuweisung solle die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.
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der Verteilungsversuche genannt (EdinlFredriksson/Aslund 2004: 134). Auch in NL geht es bei den Verteilungsstrategien um einen Lastenausgleich und vor allem um die Entlastung der großstädtischen Wohnungsmärkte und nach Aussagen des zuständigen Ministeriums explizit nicht um die Förderung der Integration (Andersson 2003: 25). Zur Entlastung des Wohnungsmarktes werden in Großbritannien Asylbewerber in solchen Gegenden außerhalb von London und dem Südosten des Landes angesiedelt, die einen entspannten Wohnungsmarkt aufweisen (Phillips 2006b: 543). In GB ist das aktuelle Verteilungsprogramm, das Ende der 1990er Jahre eingesetzt wurde, auf eine bis dahin im Ländervergleich einzigartige Konzentration der Asylbewerber auf die Region London zurückzuführen, die Schätzungen aus dem Jahr 1997 zufolge 85% aller britischen Flüchtlinge und Asylbewerber beheimatete (Andersson 2003: 5). GB hat indes schon früher Erfahrungen mit der Verteilung von Flüchtlingen gesammelt, etwa angesichts der Zuwanderung der indischstämmigen UgandaFlüchtlinge oder der Flüchtlinge aus Vietnam. Für die Nachbarschaften mit hohem Minderheitenanteil wurden in den frühen 1970er Jahren Kriminalität und die Verbreitung von Krankheiten gefürchtet, sodass ostafrikanisch-indische Flüchtlinge von solchen Städten ferngehalten werden sollten, deren Innenstadtbereiche einen hohen Zuwandereranteil aufwiesen. Das Vorgehen zu jener Zeit verdeutlicht das Bemühen der Regierung, möglichst wenig zum Wohl der Zuwanderer beizutragen, da dies von der Mehrheitsgesellschaft als Bevorzugung der Südasiaten hätte gedeutet werden können (phillipslKam 1991: 81-82). Die Stadt Leicester, mit einem schon seinerzeit hohen Minderheitenanteil, versuchte - ohne Erfolg - auf eigene Initiative den Zuzug der Uganda-Flüchtlinge zu verhindern. Die Stadtverwaltung schaltete eine Anzeige in einer ugandischen Zeitung, die den Flüchtlingen riet "In the interest of yourself and those of your family (...) you should not come to Leicester" (zitiert in PhillipslKam 1991: 82). Die vietnamesischen Flüchtlinge in GB boten sich laut Andersson (2003: 9) in besonderem Maße an, zur Grundlage des am weitesten gehenden Experiments des spatial engineering zu werden, da es sich um akute Flüchtlinge handelte, die keine Englischkenntnisse aufwiesen und zudem auf keine existierende Community im Gastland zurückgreifen konnten. Daher empfahl das Innenministerium seinerzeit, die Vietnamesen in kleinen, unzusammenhängenden Clustern von vier bis zehn Familien pro Ortschaft über alle Teile des Vereinigten Königreichs zu verteilen. Auch in NL können aktuelle Policies zur Verteilung von Asylbewerbern und Flüchtlingen auf historische Erfahrungen zurückgreifen. In den 1950er Jahren wurden etwa Molukker in über das Land verteilten Lagern untergebracht, bis ein Regierungsbericht darauf hinwies, dass ihr Aufenthalt von längerer Dauer sein 320
würde. In den 1960er Jahren erfolgte daraufhin eine Politik der ,,konzentrierten Verteilung" auf etwa 70 speziell für diese Gruppe reservierte neue Wohnviertel, meist am Rande der Städte (Mahnig 1998: 69). Diese Policy stellte einen Kompromiss zwischen dem Wunsch der Regierung dar, die Molukker zu verteilen und der Präferenz dieser Zuwanderer, in der Gruppe zusammenzubleiben (Andersson 2003: 20). Heute erfolgt die Verteilung von Asylsuchenden in NL in zweierlei Hinsicht. So lange der Asylantrag bearbeitet wird, sind die Asylbewerber in speziellen Asylbewerberheimen untergebracht, die über das ganze Land verteilt sind (Ersanlili 2007: 10). Als niederländische Besonderheit gilt zudem, dass Kommunen verpflichtet sind, einen bestimmten Anteil an Sozialwohnungen für anerkannte Flüchtlinge bereitzuhalten (Edin/Fredriksson/Aslund 2004: 134). Diese Regelung aus den frühen 1990er Jahren, mit der Druck auf Gemeinden und Wohnungsbauvereinigungen ausgeübt werden sollte, macht die Niederlande laut Roger Andersson (2003: 24) zum einzigen westeuropäischen Land mit bindenden Zielvorgaben für die Wohnungsversorgung anerkannter Flüchtlinge. 150 Schätzungen zufolge leben etwa zwei Drittel der Flüchtlinge außerhalb der großen städtischen Ballungsgebiete. Dennoch bewegt sie die Suche nach Arbeit oder nach Nähe zu Landsleuten dazu, früher oder später in städtische Regionen zu ziehen (Ersanlili 2007: 10). Kritik an der regionalen Verteilung Während in der BRD und NL die Verteilung der Asylbewerber über die Regionen aktuell nahezu keine öffentliche Aufmerksamkeit erhält, hat die britische Policy zur Verteilung der Asylbewerber nach 1998 eine gewaltige Reaktion unter Wissenschaftlern und in den Massenmedien ausgelöst. Dies wurde flankiert durch eine nachhaltige Kampagne verschiedener NGOs sowie einer kritischen Prüfung durch den britischen Rechnungshof. Ihre drei zentralen Kritikpunkte sollen im Folgenden an Beispielen aus den drei Fallstudienländern illustriert werden. Erstens problematisierten britische NGOs, dass bei der Verteilung lediglich das Vorhandensein von Wohnraum berücksichtigt werde, während andere Integrationsfaktoren außer Acht gelassen würden (Andersson 2003: 14). Die Verteilung der Asylbewerber ist, gemessen an der eigenen Zielsetzung, Integration fördern zu
150 Konkret werden die Flüchtlinge in die standardisierte Vergabe von Sozialwohnungen über das Woningnet einbezogen, indem ihnen eine virtuelle Wartezeit von acht Jahren zugeschrieben wird. Dies ist auf dem Amsterdamer Wohnungsmarkt jedoch nicht genug, um eine Wohnung in einer populären Nachbarschaft zu beko=en, sodass sich die Flüchtlinge in bestimmten Stadtteilen konzentrieren (Interview Dingemans).
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wollen, insofern als problematisch zu bewerten, als die betroffenen Zuwanderer in GB dort angesiedelt werden, wo es zwar freie Sozialwohnungen aber eine hohe Arbeitslosigkeit gibt (Caritas 2006: 49). Ein ländembergreifender Vergleich kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass - im Gegensatz zum Mischungspostulat eine Zunahme der ethnischen Konzentration die Arbeitsmarktbeteiligung von gering qualifizierten Flüchtlingen erhöhe. Die Arbeitsmarktchancen wären schlechter gewesen, wenn die Migranten nicht aus den ihnen zugewiesenen Kommunen fortgezogen wären (Edin/Fredriksson/Aslund 2004: 135). Ebenso kam eine Untersuchung des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu den Auswirkungen der Verteilungspolitik für Spätaussiedler zu dem Ergebnis, dass Personen, die über ihren Wohnort frei entscheiden konnten, eher eine Arbeitsstelle fanden als diejenigen, die in eine bestimmte Region gelenkt wurden (lIaugiSauer 2007: 127). Ein zweiter Kritikpunkt, der in der britischen Debatte um die Asylbewerberverteilung aufgeworfen wurde, stellte die Frage, ob die Maßnahmen keine unangemessene Härte für die betroffenen Individuen darstellten (Andersson 2003: 14). Beispielsweise waren in Brandenburg im Januar 2006 68,5% der Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge in Wohnheimen untergebracht, einige davon in städtischen Zentren, andere in abgelegenen Gebieten ohne jegliche Infrastruktur (Hamdali 2007: 132). Segregation, die in GB und NL durch die Verteilungspolieies verhindert werden soll, wird hier sogar verstärkt. Dabei muss eingeräumt werden, dass Benachteiligungen nicht per se das Ergebnis von Segregation sind. In ländlichen Regionen würde eine weitere Verteilung den Unterhalt einer effektiven Unterstützungsstruktur für die Migranten noch weiter erschweren (Weiss 2007a: 4). Um einer Isolierung vorzubeugen, werden Asylbewerber in GB daher in Zusammenballungen mit anderen Flüchtlingen aus demselben Herkunftsland über die Regionen verteilt (Caritas 2006: 49). Nach Aussage von Sue Lukes (Interview) sind diese Cluster jedoch häufig nicht besonders groß: "They were toldalthough there were challenges, successful ones - that ifyou were being dispersed to an area and you are observant in a particular religion, as long as there is at least one other person who practices that faith in the area, we'll regard it as a suitable dispersal" Die oftmals abgelegene Unterbringung in der BRD erschwert die Kontaktaufnahme zur Mehrheitsbevölkerung, führt zu Exklusion und Stigmatisierung (Land Brandenburg 2002: o.S.). Dabei wäre die Vermittlung gewöhnlicher Wohnungen sogar günstiger als die Unterbringung in Wohnheimen. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt verabschiedete daher 1998 ein neues Gesetz, das die Unterbringung in Wohnungen oder kleineren Wohnheimen fördern soll, aber die genaue Implementation schwankt zwischen den Kreisen (Der Ausländerbeauftragte Sachsen-Anhalt 2001: 18). 322
In den Niederlanden ist die Verteilung der anerkannten Flüchtlinge weniger umstritten, da es sich lediglich um ein Wohnungsangebot für anerkannte Flüchtlinge handelt, das auch ausgeschlagen werden kann. Laut Jeanet Kullberg (Interview) finden etwa 40% der Berechtigten selbst eine Wohnung an einem Wohnort ihrer Wahl. Weitaus problematischer sei die Tatsache, dass angesichts des angespannten niederländischen Wohnungsmarktes selbst anerkannte Flüchtlinge zum Teil jahrelang in den Sammelunterkünften ausharren müssen. Ein dritter Kritikpunkt, der in der britischen Debatte vorgebracht wird, hinterfragt zudem, ob die Verteilung der Asylbewerber angemessen bewerkstelligt werde (Andersson 2003: 14). Dabei zeigt sich sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien, wie Fehler in der Unterbringung der verteilten Flüchtlinge Konflikte im Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft auslösen können. Das Vorgehen in Ostdeutschland zu Beginn der 1990er Jahre ist ein Beispiel dafür, dass die unvorbereitete Verteilung von "Fremden" in einer Region ohne vorherige Erfahrungen mit Zuwanderung die Integration der Migranten zusätzlich erschweren kann. Durch den Zusammenbruch der sozialistischen Regime und den damit zusammenhängenden Zustrom von Flüchtlingen waren Auffanglager bald überfüllt, sodass neu ankommende Zuwanderer oftmals an stigmatisierten Orten untergebracht wurden (Schwier 2002a). Vor dem Hintergrund der sinkenden Zahlen von Asylbewerbern hat die sächsische Integrationsbeauftragte gefordert, die besonders abseits gelegenen Unterkünfte des Freistaates zu schließen (LVZ, 17.3.2008).151 Angesichts der Hintergründe für die Einführung der Verteilung von Asylbewerbern in Deutschland ist jedoch zu fürchten, dass eine menschenwürdigere Unterbringung politisch nicht gewünscht ist. Tobias Pieper (2004: 3) zitiert den Ausspruch des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Lothar Späth, gegenüber dem Schwäbischen Tagblatt vom Mai 1982, die Zahl der Asylbewerber sei erst gesunken als "die Buschtrommeln signalisiert haben - geht nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager". Konflikte lassen sich auch für die anfängliche Steuerung der Unterbringung von Asylsuchenden in GB berichten, wobei die Spannungen zwischen Mehrheit und Minderheiten sich hier nicht durch die stigmatisierende Unterbringung in Heimen ergibt, sondern durch die Konkurrenz um öffentlich geförderten Wohnraum. In Glasgow, beispielsweise, wurden Neuankömmlinge in Sozialwohnungen unterge-
151 Stattdessen entstehen aber bis heute beispielsweise in Leipzig neue "Unterklinfte in Systembauweise", von Kritikern als "Container" bezeichnet. Nach Aussage des Sozialamtes der Stadt Leipzig gibt der Freistaat Sachsen dabei vor, dass jedem Bewohner lediglich sechs Quadratmeter Wohnraum zustehen. Betroffen sind vor allem alleinreisende Asylbewerber, während Familien zum Teil dezentral in einem Wohngebiet in GrUnau unterkommen (LVZ, 17.6.2009).
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bracht, die zuvor ein Jahrzehnt dem Verfall preisgegeben worden waren und nun auf einem Niveau in Stand gesetzt wurden, das die Wohnbedingungen der anderen Mieter bei weitem übertraf. Die alteingesessenen Bewohner der Siedlung wurden nicht offiziell über den bevorstehenden Einzug der Asylbewerber informiert, die stattdessen im Schutze der Dunkelheit antransportiert wurden. Die Anfeindungen und Spannungen gipfelten in der Ermordung eines Asylsuchenden und der Forderung der Bewohner nach einer öffentlichen Debatte über die Zustände in diesen Siedlungen (Hickman/Crowley/Mai 2008: 93). Mittlerweile wird vom zuständigen National Asylum Support Service (NASS) und den beteiligten lokalen Verantwortlichen für die Unterbringung anerkannt, dass Verteilungsstrategien vermieden werden sollten, die Integrationsprobleme verschärfen, indem Asylbewerber beispielsweise in sozial benachteiligten Gebieten untergebracht werden. Die Local Government Association (LGA 2004: 53) hält zudem fest, dass die Gemeinden sicherstellen sollten, dass aufnehmende Nachbarschaften zugleich Vorteile in Form von neuen Infrastruktureinrichtungen davontragen, um den Eindruck zu vermeiden, dass nur Asylbewerber öffentliche Hilfe erhielten. Den Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft wurde in GB bereits früher Rechnung getragen, als bosnische Flüchtlinge lediglich in solchen Gegenden angesiedelt wurden, deren Bewohner als tolerant und aufnahmewillig galten (Andersson 2003: 10). Während die Beeinflussung der Wohnstandortwahl der Migranten, wie sie in der BRD mit Quotierungen und Zuzugssperren geläufig ist, in GB und NL mit subtileren Mitteln erfolgen muss, scheint die Verteilung von Asylbewerbern in allen drei Staaten auf gesellschaftliche Akzeptanz zu stoßen. Andersson (2003: 8) erklärt dies damit, dass bei dieser Gruppe die politischen Kosten nur sehr gering seien, ihre Grundrechte zu beschneiden. Diese Erklärung erscheint einleuchtend, da die obligatorische Verteilung von ehemaligen Kolonialbürgern, die über das jeweilige Wahlrecht verfügen, sicher auf größeren politischen Widerstand stoßen würde. Andererseits wird in der BRD mit den Spätaussiedlern bis heute gerade diejenige Gruppe einer Verteilung über die Bundesländer unterworfen, die als deutsche Staatsbürger politisch die meisten Rechte genießt. Während in GB zahlreiche Lobbygruppen gerade auch schwachen Gruppen wie den Asylbewerbern eine Stimme verleihen, wird die Verteilung von Asylbewerbern und Aussiedlern in der BRD überwiegend nicht problematisiert, auch nicht von den betroffenen Aussiedlern selbst, die immerhin ein Wählerpotenzial darstellen. Dirigistische Eingriffe scheinen weder von der Mehrheitsgesellschaft noch von den Betroffenen selbst kritisch wahrgenommen zu werden.
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7.3.2.6 Verhinderung von Segregation durch Diskriminierungsschutz Da ethnische Segregation, wie oben dargestellt, in allen drei Ländern auch auf Diskriminierung am Wohnungsmarkt zurückzuführen ist, könnte ein Ansatzpunkt zur Vermeidung von ethnischer Segregation in einem angemessenen Diskriminierungsschutz bestehen. Um für Chancengleichheit zu sorgen, verfügen die Niederlande und Großbritannien seit langem über Antidiskriminierungsgesetze. Für Deutschland kommt die European Union Agency for Fundamental Rights (2005: 19) zu dem Ergebnis, dass ein wichtiges Merkmal der Praxis darin bestehe, die positive Wirkung von interkulturellen Kontakten in der Nachbarschaft zu unterstreichen, statt Minderheiten mit den Rechten auszustatten, sich gegen Benachteiligungen zur Wehr zu setzen. Deutschland: Begrenzte Gleichbehandlung wider Willen Bezeichnenderweise wurde in Deutschland nicht nur die Umsetzung der EURichtlinien zur Diskriminierungsbekämpfung lange Zeit verschleppt, sondern im schließlich verabschiedeten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Druck der Wohnungswirtschaft eine Ausnahmeklausel eingefügt, die eine Ungleichbehandlung aufgrund der Nationalität weiterhin ermöglicht. In Paragraf 19 des AGG wird Kommunen und Wohnungsanbietem auch weiterhin die Herstellung einer die Wahlfreiheit einschränkenden ethnischen und sozialen Mischung in ihren Wohnungsbeständen ermöglicht: "Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig" (§ 19 Absatz 3 AGG).152 Die Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Ausnahmeregelung folgt der Kontaktthese: ,,Die europäische Stadt setzt auf Integration und schafft damit die Voraussetzungen flir ein Zusammenleben der Kulturen ohne wechselseitige Ausgrenzung. Je stärker der soziale Zusa=enhalt, desto weniger ko=t es zu Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft oder aus anderen im Gesetz genannten Gründen" (Deutscher Bundestag 2006: 42).
152 Als Beleg flir das geringe Interesse der Politik am Diskriminierungsschutz führt Wüst (2007: o.S.) den schleppenden Aufbau der Antidiskriminierungsstelle des Bundes an, zu deren Aufgabe auch die Öffentlichkeitsarbeit zählt. Erst ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes habe die Antidiskriminierungsstelle überhaupt eine Leiterin bekommen und ein gutes Jahr später sei auf der Website der Antidiskriminierungsstelle noch i=er folgender Text zu lesen gewesen: ,,In Kürze finden Sie hier ausführliche Infonnationen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes."
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Der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehrnen (GdW), Lutz Freitag, bezeichnete die Ausnahmeregelung als wichtigen Durchbruch, da die Wohnungswirtschaft mit § 19 Abs. 3 AGG nicht mehr dem "Generalverdacht Diskriminierung" unterliege, "wenn sie in ihrer Belegungspolitik in den Quartieren nach bestimmten interkulturellen Entwicklungszielen vorgeht" (VdW südwest 2007: 147). Für diese Regelung habe sich der Verband, so die Aussage in einer Pressemeldung des GdW (2006a: o.S.), mehr als drei Jahre lang eingesetzt. Die jetzt wirksame Ausnahrneregelung sei ein großer Erfolg :für die Wohnungsunternehrnen, die Bürger und die gesamte Gesellschaft. Neben dem GdW hatte sich insbesondere der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) :für eine Ausnahmeregelung positioniert. In einer Presseerklärung hatte er argumentiert, das von der Bundesregierung geplante Antidiskriminierungsgesetz bewirke in der Wohnungswirtschaft das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber beabsichtigte: es diskriminiere ethnisch-kulturelle Minderheiten und gefährde die Stabilität von Stadtteilen und Quartieren. Abgewiesene Mieter könnten sich auf der Grundlage des künftigen Gesetzes ein Wohnrecht einklagen. Dies könne dazu führen, dass sich in bestimmten Quartieren Ghettos bilden. Sozial stabile Siedlungsstrukturen, wie sie das Baugesetzbuch, die soziale Wohnraumförderung oder das Programm "Soziale Stadt" fordern, seien damit gefährdet (VdW südwest 2005a: 1). Mit dieser charakteristischen Argumentation wurde nicht nur die theoretische Möglichkeit der Diskriminierung durch einzelne Mitarbeiter der Wohnungsuntemehrnen oder Einzelvermieter kategorisch geleugnet, sondern zugleich unterstellt, eine größere Wahlmöglichkeit der Zuwanderer führe zwangsläufig zu sozialräumlicher Konzentration und "Ghettobildung". In diesem paternalistischen Verständnis geht es darum, die Zuwanderer gewissermaßen vor ihren eigenen Entscheidungen zu schützen und ihnen damit die Integration zu ermöglichen. Paradox erscheint die Stellungnahme des Deutschen Mieterbundes (2005: I) zur Anhörung des Gesetzes: Die Existenz ghettoähnlicher Migrantenviertel, "in denen sich regelrechte Parallelgesellschaften entwickelt haben" widerspreche nicht nur den Vorstellungen der Stadtplaner, sondern auch und insbesondere den Wünschen der Menschen mit Migrationshintergrund, die mehrheitlich in einer Nachbarschaft mit deutschen Haushalten leben möchten. Zum einen stellt sich die Frage, welche Wirkung bisherige Mischungsversuche aus der Zeit vor dem AGG gehabt haben, wenn sich dennoch ,,Migrantenviertel" gebildet haben. Zum anderen scheinen Problemursache und durch die Ausnahrneregelung nahegelegte Problemlösung nicht übereinzustimmen. Wenn ethnische Segregation gerade nicht dem Wunsch der Zuwanderer entspricht, muss sie doch gerade durch Zwänge entstanden sein, die durch einen umfassenden Diskriminierungsschutz gemildert werden könnten. 326
Während der Überarbeitung der ursprünglichen Fassung des seinerzeit noch Antidiskriminierungsgesetz genannten Regelwerks ist es der Wohnungswirtschaft gelungen, ihre Lesart des Problems Segregation im Diskurs dominant werden zu lassen und damit den Schutz ihrer Klientel als Dienst am gesellschaftlichen Zusammenhalt zu konstruieren - eine Interpretation, die während der Anhörungen zum AGG auf nahezu keinerlei diskursiven Widerstand gestoßen ist. Dies wurde dadurch erleichtert, dass im Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung, in den Worten des SPD-Abgeordneten Spanier, "sozusagen die positive Diskriminierung im Sinne einer ausgewogenen Belegung" bereits angelegt ist (Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 114). Ähnlich argumentiert Hinz (2007: 28) auf dem Mietgerichtstag. Wenn durch das Wohnraumfördergesetz schon die Länder bei der Wohnraumförderung "die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse" zu berücksichtigen haben, könne die Umsetzung dieser Vorgaben keine Diskriminierung bedeuten. Die Interpretation, bei der Vermeidung von ethnischer Segregation handele es sich gewissermaßen um eine positive Diskriminierung, ist jedoch dann kritisch zu sehen, wenn solche antisegregierenden Maßnahmen in der Verweigerung der Vermietung an ausländische Haushalte kulminieren, um gewissermaßen eine Mindestquote deutscher Mieter zu erhalten. So hält Dagmar Schiek, Inhaberin des Jean Monnet Chair in European Law an der University 0/Leeds, fest, dass als mögliche Rechtfertigung im Rahmen der EU-Richtlinie positive Maßnahmen darauf gerichtet sein müssten, Benachteiligungen zu überwinden. "Ob dies bei einem Ausschluss benachteiligter Personengruppen vom Zugang zu geförderten Wohnungen gegeben ist, erscheint mir doch sehr zweifelhaft" (Schiek 2004: 9).153 Ein Handbuch zum AGG hält fest: "Abwehrquoten bewirken eine unmittlebare Benachteiligung, der keine Vorteile gegenüberstehen, und sind daher nach der Richtlinie verboten" (Däubler/Bertzbach 2008: 624). Das Wortprotokoll zur öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend offenbart eine Interessenkoalition zwischen der schwarz153 Diese Einschätzung teilt auch Hinz anlässlich eines Vortrags im Rahmen des Mietgerichtstags: "Teilweise ist versucht worden, die Regelung in § 19 Abs. 3 AGG als positive Maßnahme i. S. des § 5 AGG zu betrachten; eine solche ist in den Richtlinien ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art. 5 RL 2000/43/EG, Art. 6 RL 2004/113/EG). Doch setzt eine positive Maßnahme die gezielte Förderung einer bestimmten Gruppe voraus, durch welche - gleichsam als Kehrseite der Medaille - andere Gruppen benachteiligt werden können. Als Beispiel ist die Vermietung an eine bestimmte Ethnie zu nennen, um deren Benachteiligung am Wohnungsmarkt auszugleichen (z.B. Vermietung von Wohnraum an Sinti und Roma). Hingegen zielt § 19 Abs. 3 AGG gerade auf eine Durchmischung der Bewohnerschaft ab, so der Rekurs auf die positive Maßnahme nicht weiterhelfen dürfte" (Hinz 2007: 27).
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gelben Opposition und den Vertretern der Wohnungswirtschaft. Sie kommt darin zum Ausdruck, dass die Abgeordneten bereits mit ihren Fragen die wohlbekannten Standpunkte der Wohnungswirtschaft antizipieren, nämlich dass Vermietungen kein Massengeschäft seien und "die Gefahr einer erneuten Ghettobildung" drohe (Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 61). Indem ein gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung als "unsensible Regulierung" mit gewaltigem bürokratischem Aufwand abgetan wird (a.a.O.: 116), wird der Wahrung der Vertragsfreiheit der Wohnungsanbieter ein größerer Spielraum eingeräumt als der Eröffnung von Wahlmöglichkeiten für die Zuwandererhaushalte, deren Verteilung über die Wohnungsbestände nicht als bürokratisch, sondern als sensible, verantwortungsvolle Einzelentscheidung der Kundenbetreuung interpretiert wird (a.a. 0.: 58). Sollte es zu dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz kommen, warnte der GdW-Präsident die Ausschussmitglieder, würde es erhebliche Schwierigkeiten bereiten, ,,künftig noch eine solche ausgewogene Bewohnerinnen-lBewohnerstruktur in den Quartieren zu gewährleisten, denn eine Entscheidung kann und muss im Einzelfall auch einmal bedeuten, dass eine Bürgerin/ein Bürger mit einer bestimmten ethnischen Herkunft eine bestimmte Wohnung nicht bekommen kann, weil dies im nachbarschaftlichen Kontext einfach nicht zu verantworten ist. Und zwar liegt dies dann sowohl in ihrem oder seinem Interesse als auch im Interesse der Nachbarschaft" (a.a.O.: 90).
Wie Hinz (2007: 21) unterstreicht, ist diese von der Wohnungswirtschaft immer wieder vorgetragene Sichtweise jedoch als problematisch zu bewerten, wenn der Vermieter die Haltung der übrigen Hausbewohner zum Auswahlkriterium für Neuvermietungen erhoben hat: "Zu bedenken ist, dass der Gesetzeszweck des AGG gerade darin liegt, ausländerfeindlichen Grundstimmungen, wie sie von den Mitbewohnern an den Tag gelegt werden, entgegenzuwirken. Dann aber erscheint es problematisch, wenn diese im Ergebnis doch zur Durchsetzung gelangen." Im Oktober 2007 eröffnete die EU-Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaften Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und kritisierte dabei vor allem Bestimmungen zu Vermietungen (Frankfurter Rundschau, 29.11.2007; Wüst 2007: o.S.). Im Aufforderungsschreiben der EU wird kritisiert, dass nicht klar sei, welche Ausnahmen das AGG aufgrund der Ausnahmeregelung erlaube: ,,[W]eder ist klar, was mit ,stabilen Bewohnerstrukturen' noch was mit ,ausgewogenen Siedlungsstrukturen' gemeint ist. Es wird nicht deutlich, ob damit beispielsweise ein bestimmter Proporz zwischen verschiedenen Ethnien erreicht werden soll, ob ein bestimmter Zustand stabilisiert werden soll und ob es eine Definition für ein ausgewogenes kulturelles Mischungsverhältnis gibt. Diese Begriffe sind unbestimmt und sie können von den Siedlungsgesellschaften und ande-
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ren Vennietem daher in einem dem Sinn der Richt1inie zuwiderlaufenden Sinn interpretiert werden" (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007: 2).
Die Ankündigung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik erhielt kaum öffentliche Aufmerksamkeit, lediglich der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) reagierte mit Kritik und brachte dabei genau jene Argumente für Durchmischungsversuche vor, die die Wohnungswirtschaft bereits im Vorfeld der Anhörungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz fast drei Jahre zuvor ins Feld geführt hatte: "Eine Änderung der Belegungspraxis würde die sozialen Spannungen in den Quartieren und Siedlungen erheblich verstärken und sich im schlimmsten Fall- wie in Frankreich, wo eine soziale und ethnische Durchmischung der Banlieues nicht erreicht worden ist - in offenen Auseinandersetzungen entladen können" (FAZ, 7.12.2007).154 Auch in Reaktion auf eine tendenziell negative Bewertung deutscher Integrationsleistungen durch eine vergleichende Studie des British Council155 und der Migration Policy Group (2007) wurde vom GdW-Präsidenten Freitag gebetsmühlenartig wiederholt, "das deutsche Modell des Wohnens habe in den letzten Jahren zu hoher Wohnqualität und bezahlbaren Mieten geführt - auch und gerade flir Menschen mit Migrationshintergrund. Die soziale und ethnische Segregation in den deutschen Städten und Quartieren sei geringer und der soziale Frieden sicherer als in den meisten anderen Ländern dieser Welt. Ausschreitungen, wie sie sich immer wieder in den Banlieues französischer Großstädte ereigneten, seien in Deutschland wegen der sozial-räumlichen Integration der Zuwanderer und des sozial engagierten Quartiersmanagements der Wohnungsunternehmen gegenwärtig nicht zu beflirchten" (GdW 2008: o.S.; nabezu gleichlautend in VdW Rhein1and Westfalen 2007: 170).
Von den für die vorliegende Arbeit interviewten Vertretern der Wohnungswirtschaft war nahezu niemand gewillt, die von der EU-Kommission aufgeworfenen Fragen zur Präzisierung "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" zu beantworten. Einheitlich verwiesen die interviewten Vertreter der Wohnungswirtschaft darauf, dass die Ausnahmeregelung bislang keinen Widerspruch der betroffenen Migranten heraufbeschworen habe und deuteten den Brief der Kommission beziehungs154 Nahezu wortgleich argumentierte die Vereinigung der Haus- und GrundstückseigentUmer Haus & Grund bereits in ihrer Stellungnahme zum Antidiskriminierungsgesetz: "Gerade durch eine gezielte Vermietung, die nach diesem Gesetzesentwurf unmöglich wird, konnte in Deutschland bisher die Bildung von Ghettos vermieden werden. Verglichen mit Frankreich, wo eine gelenkte Wohnungspolitik unbekannt ist, zeigen sich die Vorteile dieser Politik: In Frankreich existieren an der Peripherie von Großstädten Siedlungen mit Parallelgesellschaften, in denen die französische Rechtsordnung wenig gilt" (Haus & Grund 2005: 2). Unterschlagen wird dabei, dass es in Frankreich sehr wohl diesbezügliche Steuerungsversuche gegeben hat (l'unsta112003) ISS Hierbei handelte es sich um den Migrant Integration Policy Index, der die Integrationsbemühungen in den 25-EU-Mitgliedsstaaten vergleicht.
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weise das "ganze AGG für eine gesetzliche Regelung vom grünen Tisch bar jeder Realitätskenntnis" (Interview Junker). Die Ausnahmeregelung verdeutlicht das Spannungsverhältnis zwischen einem weit reichenden Diskriminierungsschutz und dem übergeordneten Ziel eines friedvollen Zusammenlebens verschiedener Kulturen. Wenn letzteres Vorraussetzung für ein diskriminierungsfreies Klima wäre, so ließe sich im Hinblick auf diese Zielsetzung eine Differenzierung bei der Wohnungsvergabe begründen (Hinz 2007: 28). Die Ausnahmeklausel im Antidiskriminierungsgesetz ist jedoch insofern problematisch, als die unpräzise Terminologie dem Kundenbetreuer einen großen Handlungsspielraum einräumt. Bei den wenigsten Unternehmen liegt wohl ein schlüssiges Konzept zum Belegungsmanagement vor. Konkrete Belegungsrichtlinien und Auswahlkriterien bleiben meist intransparent. Während die Wohnungsunternehmen dieses Vorgehen als besonders sensibel und verantwortungsbewusst bewerten, wird dabei übersehen, dass Beschäftigte von Wohnungsuntemehmen letztlich auch nur Menschen mit möglichen Vorurteilen gegen bestimmte Gruppen sind, die zudem noch dem Druck durch etablierte Bewohner ausgesetzt sein können. Zudem ist an der Ausnahmeregelung zu bemängeln, dass sie sozial stabile Bewohnerstrukturen durch eine weithin gleichmäßige Verteilung aller sozialen, wirtschaftlichen, demographischen, ethnischen und kulturellen Gruppen forcieren will (vgl. RudolflMahlmann 2007). Dabei wird übersehen, dass Konflikte gerade auch im engen Zusammenleben entstehen können. Dass es auch der Wohnungswirtschaft nicht grundsätzlich um Mischung als Selbstzweck, sondern vor allem um den Erhalt ihrer Handlungsspielräume geht, verdeutlicht eine Aussage in der GdW-Dokumentation zum AGG: ..Wohnungsgenossenschaften mit einer oft eigenen soziokulturellen Prägung und einer starken Mitgliederbindung muss es auch weiterhin erlaubt bleiben, diese Prägung durch Ablehnungen von Bewerbern fIlr ihre Wohnungen aufrecht zu erhalten, ohne dass dadurch eine Benachteiligung abgewiesener Personen im Sinne des AGG angenommen werden muss" (GdW 2006b: 17).
Eine solche Form der "Parallelgesellschaft" wird also geduldet, solange sie aus deutschen Senioren besteht. In der Antidiskriminierungsgesetzgebung anderer europäischer Staaten kommt dem Zugang zu und der Versorgung mit Wohnraum eine besondere Bedeutung zu (Schiek 2004: 7). Im britischen und niederländischen Recht herrscht insoweit Einigkeit, dass die Begrenzung des Ausländeranteils nach oben durch "weiche" Maßnahmen erfolgen muss und nicht in der ausdrücklichen Bevorzugung autochthoner Mietparteien kulminieren darf. "Bevorzugungen bisher benachteiligter Mietparteien dürften demgegenüber erlaubt sein, sofern sie auf einer grundsätzlich 330
abgewogenen Politik beruhen, die die Chancen allochthoner156 Mietparteien nicht übermäßig beeinträchtigt und sie vor allem nicht schematisch vom Zugang ausschließt" (a.a.O.: 9). Die endlose Debatte um das AGG und die damit einhergehende Verzögerung der Umsetzung der EU-Richtlinien unterstreicht die geringe Sensibilität, die zentrale Akteure in der BRD für Diskriminierung aufbringen. Die mit einem Diskrirninierungsschutz "einhergehenden zivilisatorischen Standards sind in anderen Gesellschaften der westlichen Hemisphäre längst üblich, ohne dass dies zum Zusammenbruch des Wohnraummarktes - der nicht überall ein Mietwohnungsmarkt ist - geführt hat" (ebd.).
Großbritanniens umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung Das Vereinigte Königreich verfügt dagegen über ein komplexes und umfassendes rechtliches und regulatives System, um mit kultureller Heterogenität und Rassismus umzugehen. Der Sozialwohnungssektor unterliegt strengen Richtlinien und einer Bewertung der diesbezüglichen Performanz, sodass offen diskriminierendes Verhalten überaus selten iSt. 157 Wesentliche Einschränkungen gelten allerdings im privaten Mietwohnungssektor, in dem Daten über normengerechtes Verhalten rar und Regelungen weniger entwickelt sind (EUMC 2005: 25). Während es im Zuge der aktuellen Community-Cohesion-Debatte vor allem darnm geht, die Wahlmöglichkeiten für Minderheiten zu erweitern, wird die Antidiskriminierungsgesetzgebung selten explizit als Instrument angeführt, um unfreiwillige ethnische Segregation zu bekämpfen. Im Gegenteil wurden Stellungnahmen der zuständigen Antidiskriminierungsstelle der britischen Regierung in der Vergangenheit dazu genutzt, solche Strategien zu unterbinden, die - wie dies in der BRD gängig ist - Mischungspolitiken über die Köpfe der Betroffenen hinweg ermöglicht härten. So wurde beispielsweise 1975 die Stadt Birrningham für die erzwungene Verteilung schwarzer Haushalte im sozialen Wohnungsbestand verurteilt (s.u.). Das stärkere Engagement in GB für Gleichberechtigung und Diskriminierungsschutz könnte am unterschiedlichenframing der Migranten - einmal als ,,rassische" Minderheit, einmal als "Ausländer" - liegen.
156 hn Originalzitat steht "autochtoner Mietparteien", was aber keinen Sinn ergibt. 157 Mit dem RRAaus dem Jahr 1976 wurde den Wohnungsanbietem die Pflicht übertragen, Diskriminierung zu beseitigen und Chancengleichheit zu gewährleisten (Blackaby/Chahal 2000: 3). Seit der letzten überarbeitung des RRA im Jahr 2000 wurde diese Verpflichtung auf alle öffentlichen Einrichtungen (die Polizei, die Universitäten, den staatlichen Gesundheitsdienst) sowie auf diejenigen privaten Einrichtungen ausgeweitet, die öffentliche Funktionen ausführen (Hansen 2007: 7; European Foundation 2007b: 35). Ko=unale Wohnungsämter müssen damit direkt für Rassengleichheit sorgen, während die Wohnungsbauvereinigungen als non-profit-Organisationen nicht unter den RRA fallen (CRE 2003: 15).
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In den 1980er Jahren wurde von der Commissionfor Racial Equality vor allem die Vergabe kommunaler Sozialwohnungen sowie die Durchführung von Aufwertungsmaßnahmen überwacht, die zu einer unproportionalen Vertreibung von Minderheiten hätten fuhren können. Zudem ging sie gegen die ,,length ofresidence"Klausel vor, derzufolge das Anrecht auf eine kommunale Sozialwohnung erst mit einer Mindestwohndauer in der Gemeinde erworben werden konnte - zum Nachteil neu zuziehender Minderheiten. Nach den "Rassenunruhen" von 1981 und dem daraufhin veröffentlichten Scarman-Report fanden Racism Awareness Trainings für lokale Wohnungsämter Verbreitung, die dafür kritisiert wurden, dass Informationen über die Kultur der Minderheiten allein noch nicht zu einer Änderung der Dominanzverhältnisse fuhre (Blanc 1992: 11-12). Die im Jahr 2006 überarbeiteten Verfahrensregeln der Commission for Racial Equality im Bereich Wohnen haben nicht die Kraft eines Gesetzes, können aber vor Gericht vorgebracht werden (Blackaby/Chaha1 2000: 5). In ihrer aktuellen Fassung tragen sie den Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt - der gewachsenen Rolle der Wohnungsbauvereinigungen und privaten Wohnungsanbieter - sowie der größeren Vielfalt der Zuwanderungsbevölkerung Rechnung (CRB 2006: 9). Als Konzession an den aktuellen Diskurs wird festgehalten: "Segregation, mainly in urban areas where one ethnic group predominates over others, continues to pose problems for social integration in parts ofthe country" (a.a.O.: 10). Die Leitlinien spiegeln die Spannung im aktuellen britischen Zeitgeist wider, einerseits "Rassengleichheit" herstellen, aber andererseits Segregation - durchaus verstanden im Sinne von Kongregation - vermeiden zu wollen. Als Gute-PraxisEmpfehlung wird festgehalten, Wohnungsanbieter sollten sicherstellen, dass ihre Policies nicht zu Segregation führten (a.a.O.: 51). Ein Wohnungsanbieter, der nicht eingreife, um ethnische Segregation gegen den Willen der Betroffenen aufzulösen, macht sich jedoch nicht der direkten Diskriminierung schuldig (a.a.O.: 19). Wenn allerdings freiwillige Segregation negative Konsequenzen für das Zusammenleben habe, etwa in Form von rassistischen Feindseligkeiten, die Mieter aus einer ethnischen Gruppe davon abhalten, in eine bestimmte Gegend zu ziehen, sollten Wohnungsämter überdenken, ob es Möglichkeiten gebe, von ihrer Verpflichtung für racial equality abzurücken (a.a.O.: 20). Insbesondere die Fälle von indirekter Diskriminierung, die in den britischen Leitlinien der CRB thematisiert werden, sind in der BRD gängige Praxis und werden nicht als Problem wahrgenommen. Als indirekte Diskriminierung gilt in GB etwa, wenn eine Wohnungsgenossenschaft, deren Mitglieder überwiegend einer Gruppe angehören, Informationen über freiwerdende Wohnungen über Mundzumundpropaganda verbreitet, sodass Mitglieder einer anderen ethnischen Gruppe wahrscheinlich nicht davon erfahren (a.a.O.: 21). Ebenso wird von den CRB332
Leitlinien problematisiert, wenn Wohnungsbauvereinigungen den Kindern von Mietern Prioritäten in der Vergabe von Wohnungen einräumen. Wenn das rassische Profil der Mieter nicht jenes der Wohnungssuchenden im Einzugsbereich der Wohnungsbauvereinigung widerspiegele, könnte eine solche Policy potenzielle Mieter aus unterrepräsentierten Gruppen benachteiligen und damit einer indirekten Diskriminierung gleichkommen (a.a.O.: 36).158 Die Wirkung der Diskriminierungsgesetzgebung auf die ethnische Segregation besteht also einerseits im Versuch, unfreiwillige Segregation zu vermeiden, hat aber zugleich insofern Auswirkungen auf die Wohnstandortverteilung, als sie eine unfreiwillige Verteilung der Minderheiten - etwa durch Quoten oder Zuzugssperren - unterbindet. Diskriminienmgsschutz in den Niederlanden: Verjassungsgrundsatz und Selbstbild Auf einem Kontinuum zwischen einem ausgeprägten Diskriminierungsschutz wie in GB und einer nur halbherzigen Umsetzung wie in der BRD nehmen die Niederlande eine mittlere Position ein. Einerseits ist der Gleichheitsgrundsatz bereits in der Verfassung des Landes verankert, andererseits sind die institutionellen Vorkehrungen zu seiner Einhaltung weitaus schwächer gestaltet als in Großbritannien. Vasta (2006: 19) spricht aus einer britischen Perspektive von der Weigerung der meisten niederländischenPolicy-Maker und Forscher, die Existenz von Rassismus anzuerkennen, obgleich die Selbstverständlichkeit ethnischer und rassischer Hierarchien durch die Kolonialgeschichte tief verankert sei: ,,[I]fracism is recognised at all, it is seen as a problem of individual error, not as an institutional problem" (a.a.O.: 24). Im Gegensatz zu Großbritannien, wo die Idee der Diskriminierungsbekämpfung nicht zuletzt durch die umfassenden Vollmachten der Equality and Human Rights Commission bzw. ihres Vorläufers fest verankert ist, vermochte 158 Richard Tomlins kritisiert im Interview, dass die Housing Corporation als öffentliche Regulierungs- und Finanzierungsaufsicht über die Sozialwohnungen erst verspätet und nur zaghaft ihrer Pflicht nachgekonunen sei, ihre Policies im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit dem Ziel der Rassengleichheit zu prüfen: In einem Report für das britische Innenministerium habe er die Zurückhaltung der Housing Corpora/ion gegenüber Verträglichkeitsprüfungen angemerkt, woraufhin diese die Veröffentlichung seines Berichtes abgelehnt habe. In einer anderen Untersuchung für die Housing Corpora/ion habe er eine Abnahme von Vermietungen an schwarze Haushalte festgestellt, die er sich selbst nicht habe erklären können. Er sei dann darauf gestoßen, dass die Housing Corpora/ion Bauvorhaben vor allem in solchen Gegenden finanziert hatte, die eine überwiegend weiße Bewohnerschaft hätten. Diese Schlussfolgerung hätte die Housing Corpora/ion nicht hinnehmen wollen, sodass sie die Daten gründlich überprüft habe. ,,[A]nd actually once they finally agreed that the data was right, then the conclusion was couched in so many expressions such as 'this could be' rather than 'this is', 'it may be', and 'this requires further investigation', and all that sort of stuff."
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kaum ein niederländischer Interviewpartner zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Gideon Bolt (Interview) führt dies auf das niederländische Selbstverständnis als tolerante Nation zurück: ,,1 think the Dutch think ofthemselves that we are less inclined to discrirninate which is of course not the case. Hut I think we do a lousy job in fighting discrirnination, you can also see discrirnination in the Labour rnarket. There is arnpie evidence that especially Moroccans are discrirninated but we still have a couple ofrninisters who say 'There is no discrirnination in the Netherlands'."
Systematische Berichte über die Vermietung an ethnische Minderheiten sind nicht Bestandteil obligatorischer Erfolgsmessgrößen der Wohnungsbauvereinigungen und das Wohnungsbaugesetz aus dem Jahr 1993 füllt diese Lücke ebenfalls nicht (Kullberg 2002: 557). Andererseits gibt es auch positive Entwicklungen. In den 1980er Jahren wurden alle Gesetze dahingehend überprüft, ob sie diskriminierende Elemente auf Grundlage von Nationalität, Rasse und Religion enthielten und entsprechend verändert (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 15). Nach Aussage von Blauw (1991: 57) habe die Regierung in dieser Zeit die Wohnungsbauvereinigungen überwacht, ob diese nicht eigene Mitglieder - viele Vereinigungen gehörten zu Gewerkschaften oder religiösen Institutionen - bevorzugten, sondern eine "angemessene" Zahl ihrer Wohnungen auch an Minderheiten vergäben. Die Interviewpartner waren sich jedoch darin einig, dass Diskriminierung im Sozialwohnungssektor erst mit der Einrichtung von Woningnet behoben worden sei. 1994 wurde das Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet, das von der Gleichbehandlungskommission (Commissie Gelijke Behandeling), einer halb-richterlichen Körperschaft, überwacht wird. Die Hauptaufgabe der Kommission besteht darin, private Beschwerden zu untersuchen (Nieuwboer 2003: 20). Nach Einschätzung von Gideon Bolt (Interview) besitzt die Kommission jedoch nur wenig Macht. Jeder könne sie anrufen, wenn er sich diskriminiert fühle, doch die Entscheidungen der Kommission seien nicht bindend und könnten ignoriert werden. Einige Interviewpartner (Sohilait; Verweij) verweisen jedoch auf eine Reihe von einflussreichen Quasi-NGOs, die sich des Themas annehmen. Die niederländische Antidiskriminierungsgesetzgebung ist insofern relevant für die Existenz von ethnischer Segregation, als Mischungspolicies, die explizit auf eine ethnische Mischung abheben, für unzuverlässig erklärt wurden (s.u.). Steuerungsversuche zielen daher ausschließlich auf eine soziale Mischung. Verschiedene Gerichtsurteile haben sich gegen eine unfreiwillige Mischung von Allochthonen und Autochthonen ausgesprochen. Diese Urteile richteten sich sowohl gegen Maßnahmen der Gemeinde (z.B. Rotterdam) als auch gegen Versuche von Wohnungsbauvereinigungen. Es geht dabei nicht darum, dem Täter seine Diskriminierungsabsicht nachzuweisen. Vielmehr ist bedeutend, ob seine Hand334
lungen oder deren Ausbleiben Diskriminierung zur Folge hatten oder haben könnten (Nieuwboer 2003: 49-50).
7.3.3 Durchmischungsstrategien aufkommunaler Ebene
In allen drei untersuchten Ländern spielen die Kommunen eine im Vergleich zur nationalen Ebene wichtigere Rolle darin, das Leitbild der "ausgewogenen Mischung" mit Inhalt zu füllen. Laut Claus-Peter Echter vom Deutschen Institut fiir Urbanistik bestehen die zentralen Handlungsfelder städtischer Wohnungspolitik heute darin, die Abwanderung insbesondere junger Familien mit Kindern aus den Kemstädten zu bremsen159 und sozial gemischte Belegungsstrukturen zu erhalten. Die soziale Stabilisierung von Wohnquartieren und die Förderung von Nachbarschaftlichkeit seien daher wichtige Aufgaben zur Stärkung des Wohnstandortes Stadt (MASQT 2000: 57; ebenso EchterlHintzsche 2000: 7). Wann eine Bewohnerstruktur "ausgewogen" ist, wie von Baugesetzbuch und Wohnraumfördergesetz gefordert, wird von den deutschen Kommunen daher weiterhin sozial höchst selektiv interpretiert. Die Abschottung deutscher Familien oder Besserverdienender in eigenen Wohnvierteln wird in der Regel nicht als Bruch mit dem Ideal der sozialen und ethnischen Mischung verstanden. Bis heute versucht der überwiegende Teil der Kommunen in der BRD, durch den Einsatz verschiedener Instrumente die ethnische Segregation zu kontrollieren (Hanhörster 1999: 98; Sackmann 2001 a: 18; Waltz 2007: 47). In den Integrationskonzepten verschiedener deutscher Städte findet sich dementsprechend eine Problematisierung der ethnischen Segregation, wobei die konkrete Umsetzung des Mischungsideals und die zu wählenden Instrumente meist unbenannt bleiben. So unterstreicht beispielsweise das Integrationskonzept fiir den Kreis Offenbach (2003: 19), dass "die soziale und ethnische Mischung der Einwohner angestrebt und strukturell gefördert werden [soll]. Diesbezüglich sollte der hohe Anteil der Migrantenbevölkerung in bestimmten Stadtteilen mit weniger Lebens- und Wohnkomfort und ausgeprägten sozialen Problemen vermindert werden." Auch im Integrationskonzept der Stadt Erfurt (2006: 15) heißt es, die Stadt müsse darauf hinarbeiten, dass die räumliche Segregation von Zuwanderern nicht zu deren Ausschluss aus der Gesellschaft fiihre. Gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen der Stadt sind dabei im Rahmen vorhandener Möglichkeiten entsprechende Maßnahmen einzuleiten." Der Hannoveraner Integrations-
159 Hinter dieser Formulierung verbergen sich deutsche Familien.
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plan hingegen hinterfragt das bisherige Leitbild einer ethnisch und sozial feingliederigen Mischung. Wenig konkret heißt es hier: "Für eine auf Integration ausgerichtete Wohnungsbelegung sind neue Balancen zwischen Stützung migrantischer Milieus und Vermeidung von Segregation herzustellen. Balancen lassen sich nur situativ aus den jeweiligen Gegebenheiten entwickeln" (Landeshauptstadt Hannover 2008: 71). Der Deutsche Städtetag erklärte es bereits 1974 zur Aufgabe der Gemeinden, "Ghettos" aufzulösen oder zu verhindern, "ausländisches Leben" in allen Wohngebieten zu ermöglichen und Wohnungen in alle Wohngebiete einzustreuen sowie Bauarten, -formen und Siedlungsstrukturen für vielfältige Kontakte und ungestörtes Nebeneinander zu nutzen (Alpheis 1990: 149). Im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Position, als er sich für die "Dekonzentration" stark machte, hat der Deutsche Städtetag mittlerweile seine Haltung geändert. Im Einklang mit den Positionen des BMBF-finanzierten Projektes "Zuwanderer in der Stadt", an dem er sich beteiligte, stellt er nun in Veröffentlichungen die Umsetzbarkeit des Idealbilds sozial und ethnisch gemischter Quartiere in Frage, wobei ihm die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände hierin gefolgt ist (Bundesvereinigung 2006: 5; Deutscher Städtetag 2007a: 3). Stattdessen gelte es, die Integration trotz der residentiellen Segregation zu fördern.
7.3.3.1 Kommunales Handlungsfeld I: Zugang beschränken Zugangsbeschränkungen speziell für Migranten sind in allen drei Ländern insbesondere in den 1970er Jahren verbreitet gewesen und aktuell in GB und NL unüblich, da hier vor allem auf eine Ausweitung der Wahlmöglichkeiten gegen eine unfreiwillige Segregation gesetzt wird.
7.3.3 .1.1 Aktuelle und historische Begrenzungsversuche in Deutschland Die Berliner Zuzugssperre Im Vorgriff auf die Planungen der Bundesregierung, Ausländern den Zuzug und die Aufenthaltsgenehmigungen für Gebiete zu verweigern, in denen der ausländische Bevölkerungsanteil bereits 12% und mehr betrug, verhängte West-Berlin im November 1974 eine Zuzugssperre für drei innenstadtnahe Bezirke ("Der Spiegel", 4.11.1974, S. 66), die erst 1990 aufgehoben wurde. Die Zuwanderung von "Gastarbeitern" hatte in Berlin erst 1968 und somit wesentlich später als in den westlichen Bundesländern eingesetzt. 1960 hatte der
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Ausländeranteil West-Berlins noch lediglich 1% betragen, 1967 nur 2,2% (Kapphan 2000: 138). In Folge der Anwerbung hatte die Anzahl der ausländischen Bürger in der Stadt stark zugenommen und 1973 entsprach ihre Zahl bereits einem Anteil von 8,6% an der Bevölkerung (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin 1995: 9). Die überwiegend türkischstämmigen160 Arbeiter siedelten sich vor allem in den Bezirken Kreuzberg, Tiergarten und Wedding an, sodass der Ausländeranteil hier 1975 bei weit über 15% lag. 46,4% aller ausländischen Bewohner West-Berlins wohnten zu diesem Zeitpunkt in diesen drei Bezirken (Der Regierende Bürgermeister 1978: 66). Da die städtischen Wohnungsgesellschaften mit ihrer Belegungspolitik in den Berliner Sanierungsgebieten auf der einen Seite diese Konzentration maßgeblich verursacht haben (s.o.), hält es der Berliner Architekt Ahin (Interview) für umso absurder, dass "auf der anderen Seite das Erscheinungsbild von ethnischen Bevölkerungen im Stadtbild offenbar die damalige sozialautoritäre Politik (...) dermaßen gestört hat (...)." Anstatt die Vermietungsstrategien zur Verantwortung zu ziehen, reagierte die Berliner Stadtpolitik bereits frühzeitig auf die seinerzeit als "Ballung" bezeichnete Konzentration ausländischer Bewohner. Erklärt wurde die Konzentration der Ausländer in den innerstädtischenAltbaubeständen nämlich mit den Wohnstandortentscheidungen der Migranten. Nur 3 - 4% der Ausländer seien, so ein Bericht des Bürgermeisters, bereit, in eine ihnen angebotene Wohnung des sozialen Wohnungsbaus zu ziehen, über 90% suchten nach bezahlbarem Wohnraum, wobei Wohnstandards eine untergeordnete Rolle spielten (Der Regierende Bürgermeister 1972: 28). Als Folge der Konzentration galt - gemäß dem Zeitgeist - der Aufrechterhaltung der sozialen Infrastruktur eine besondere Sorge. Schon 1972 hieß es in einem vom damaligen SPD-Bürgermeister veröffentlichten Bericht: "Um den bei ungehindertem Fortschreiten der Ballung drohenden Zusammenbruch der Infrastruktur dieser Stadtteile und der damit verbundenen Gefährdung der ausländischen und der deutschen Bevölkerung sowie der allgemeinen Sicherheit vorzubeugen, ist eine Minderung der Ballung, zumindest aber ein begrenzter Zuzugsstopp, unbedingt erforderlich" (a.a.O.: 28). Die "Entkolonisierung in dem einen und eine gleichgewichtige Ansiedlung" in anderen Stadtbezirken wurde auch vom "Spiegel" (4.11.1974, S. 66) vonnöten gehalten, da "die Infrastruktur in ausländerstar-
160 Da durch den Zustrom nach Westdeutschland seit 1955 das Arbeitkräfteangebot einiger Entsendeländer wie Italien, Spanien und Griechenland weitgehend ausgeschöpft war, konzentrierte sich die Anwerbung in West-Berlin vor allem auf türkische und jugoslawische Arbeitnehmer (Mochow 2006: 9).
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ken Sanierungsgebieten wie in Kreuzberg (...) kaum noch für ein Minimum an öffentlicher Dienstleistung" ausreiche. Als weitere negative Folge der "Ballung" wurde aber schon seinerzeit das Verharren in nationaler Isolierung benannt, das mit Ghettotendenzen und einer Radikalisierungsgefahr gleichgesetzt wurde. Zudem fördere die Ballung die Vorurteile der Deutschen (Der Regierende Bürgermeister 1972: Anlage 20). Während heute vor allem mit kompensatorischen Maßnahmen versucht wird, die möglichen negativen Effekte von ethnischer Segregation abzumildern, sprach sich der Bericht an gleicher Stelle dezidiert gegen eine stärkere Förderung der Ballungsgebiete aus, da dies Ausländer noch mehr zum Ansiedeln ermuntern könnte (ebd.). Schneiderllngrams (1993: 335) These, dass Policies, die eine bestimmte Zielgruppe betreffen, nicht nur von deren politischem Einfluss abhängen, sondern auch davon, wie die restliche Bevölkerung auf diese Maßnahmen reagiert, zeigt sich etwa in der Aussage des erwähnten Dokumentes, dass ein eigenes Wohnungsbauprogramm für Ausländer nicht nur im Gegensatz zum Integrationsmodell stünde, sondern vor allem politisch nicht durchsetzbar wäre (Der Regierende Bürgermeister 1972: 29). Da die Zielgruppe der Ausländer, die von solchen Maßnahmen betroffen wären, per definitionem nicht wahlberechtigt ist, fällt auch ihre Stimme nicht ins Gewicht. Der Bericht plädiert für eine gezielte Werbung, um Zuwanderer zur Anmietung von Wohnraum in anderen Gegenden zu motivieren und zugleich die Bereitschaft der Deutschen, insbesondere der Vermieter, zur Aufnahme zu erhöhen (a.a.O.: 31). Während für die "Entballung" der Zuwanderer für diese Zielgruppe auf dirigistische Maßnahmen gesetzt wird, soll also bei der positiv konstruierten Gruppe der Vermieter lediglich aufVerständniswerbung und Freiwilligkeit gesetzt werden, statt - wie es ebenfalls denkbar wäre - Diskriminierung zu ahnden. Die Überlegungen des Berichtes mündeten in eine vom Berliner Senat verhängte Zuzugssperre, die Ausländern die Ansiedlung in den Bezirken Kreuzberg, Tiergarten und Wedding untersagte. Die Zuzugssperre wurde mittels Stempeleintrag im Reisepass vermerkt und stellte eine mit der Aufenthaltserlaubnis verbundene Auflage für Gastarbeiter und nachreisende Familienmitglieder dar (Der Regierende Bürgermeister 1978: 68).161 Sie alle mussten zunächst den Nachweis einer "ange161 Von der Zuzugssperre ausgenommen waren EG-Bfirger sowie Ausländer mit einem besonderen aufenthaltsrechdichen Status, der beispielsweise durch Ehe mit einem Deutschen begründet sein konnte, sowie Personen, deren Aufenthaltsberechtigung vor Inkrafttreten der Zuzugssperre erteilt worden war. Seit 1977 galten zudem Ausnahmen fiir Ehegatten aus verschiedenen Sperrbezirken, die einen gemeinsamen Hausstand gründen wollten. Von dieser Zusammenftihrung innerhalb der drei Bezirke abgesehen, weigerte sich der Senat Farnilienzusarnntenftihrungen zu genehmigen, da es sich hierbei um den Hauptzuzugsgrund handelte (Der Regierende Bürgermeister 1978: 67).
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messenen Wohnung" in einem der übrigen Bezirke erbringen. Der Senat seinerseits, berichtet "Der Spiegel" (4.11.1974, S. 66), wollte "sich bemühen", pro Jahr 2.000 neue "Ausländerwohnungen" außerhalb der Ballungsräume bereitzustellen. Aus heutiger Sicht ist nicht nachzuvollziehen, ob es hierbei um den Ankauf von Belegungsbindungen ging oder vielleicht doch ein eigenes Wohnungsbauprogramm angedacht war - das 1972 noch für undurchsetzbar gehalten wurde und das wohl auch niemals Gestalt angenommen hat - oder ob damit die Werbung bei den Vermietern für mehr Aufgeschlossenheit gegenüber ausländischen Wohnungssuchenden gemeint war. Anders als die Bund-Länder-Absprache, die heute weitgehend unbekannt ist und auch kaum in offiziellen Berichten aufgegriffen wurde, ist die Berliner Zuzugssperre in verschiedenen Folgeberichten kommentiert und evaluiert worden. So hält der offizielle Bericht zur Lage der Ausländer in Berlin aus dem Jahr 1978 fest: "Die Entscheidung, den Zuzug zu einem im Sperrbezirk lebenden Ehegatten oder Elternteil nicht zu gestatten, ist von den betroffenen Ausländern oftmals subjektiv zu Recht - als unbillige Härte empfunden worden" (Der Regierende Bürgermeister 1978: 68). Der Behördenakt drängte viele Gastarbeiterfamilien in die Grauzone der Legalität, da nachziehende Kinder üblicherweise in anderen Wohnungen angemeldet waren, aber bei den Eltern lebten. Zugleich konnte es zu aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten kommen, wenn zu viele Personen in einer Wohnung angemeldet waren (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Berlin 1995: 28). Ein Verstoß gegen die Zuzugssperre konnte laut Cihan Arin (Interview) nicht nur aufenthaltsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern hatte vor allem eine psychologische Komponente, da die Betroffenen aufgrund ihres Wohnortes kriminalisiert wurden. Vereinzelt kam es zu stillschweigenden Ausnahmen durch Bezirksämter. Zudem wurde die Zuzugssperre vom Berliner Verwaltungsgericht mit Hinweis auf das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes in einigen Fällen für rechtswidrig erklärt (Der Regierende Bürgermeister von Berlin 1978: 68). Im selben Bericht aus dem Jahr 1978 wird festgehalten, dass die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes von anderen Kommunen aufmerksam verfolgt wurden, da Städte wie Hamburg, Köln und München ihr Interesse an der Übernahme der Berliner Strategie geäußert hätten (a.a.O.: 69). Bis 1977 ging der Ausländeranteil in den drei Sperrbezirken an der Gesamtzahl der Ausländer West-Berlins von 46,3% auf 38% zurück. Da jedoch gleichzeitig die deutsche Bevölkerung in den Gebieten abnahm, veränderten sich die Ausländeranteile letztlich kaum (Der Regierende Bürgermeister 1978: 66-67). Mit Blick auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seit weniger als drei Jahren bestehende Zuzugssperre wird festgestellt, dass eine bessere Verteilung erreicht wurde und 339
eine weitere Belastung der sozialen Infrastruktur vermieden werden konnte (a.a.O.: 67). Nichtsdestotrotz wird festgehalten, dass der Senat sich im Klaren darüber sei, dass eine gleichmäßige Streuung weder erreichbar noch unbedingt wünschenswert für die Integration sei. Er werde deshalb prüfen, ob durch gezielte Maßnahmen kleinräumige Ballung hergestellt werden könne, um zum einen die Infrastruktur zu entlasten und zum anderen Kontakte zu Landsleuten zu ermöglichen (a.a.O.: 107). Es ist auf den ersten Blick schwer nachzuvollziehen, wie es einerseits das erklärte Ziel der Zuzugssperre war, durch eine bessere Verteilung der ausländischen Haushalte eine Entlastung der Infrastruktur zu gewährleisten und nun plötzlich der zu prüfenden kleinräumigen Ballung eine ähnliche Funktion zugeschrieben wird. Möglicherweise gingen die Überlegungen in die gleiche Richtung, wie sie zur selben Zeit in Frankfurt diskutiert wurden. Hier hatte der Oberbürgermeister Walter Wallmann eine Diskussion angestoßen, unterschiedliche Nationen würden besser in bestimmten Vierteln konzentriert, statt - wie es in Frankfurt der Fall ist - "bunt gemischt" in allen Stadtteilen zu sein. Nach heftiger Kritik hatte Wallmann seine Position in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk (HR, 23.1.1979) präzisiert. Er wolle keine Ghettos schaffen, sondern in Erwägung ziehen, dass mono-nationale Konzentrationen die schulische Betreuung von ausländischen Kindern erleichtern könnten, da muttersprachlicher Unterricht in homogenen Klassen leichter angeboten werden könne. Es könne dabei nichts auf dem Wege einer Anordnung geschehen, sondern er wolle bei ausländischen Familien für diese Idee werben. Bereits 1980 fällt die Bewertung der Verteilungsstrategien deutlich negativer aus. Die von der Freien Planungsgruppe Berlin im Auftrag des Regierenden Bürgermeisters 1980 vorgelegte Analyse betont, dass Entlastungsmaßnahmen für Ballungsgebiete mit Wohnungsangeboten für Ausländer in anderen Gebieten einhergehen müssten (Der Regierende Bürgermeister von Berlin 1980a: 2). Die Autoren betonen, dass nicht die geringen Wohnansprüche, sondern die Abdrängung durch Diskriminierung für die Konzentration der ausländischen Haushalte verantwortlich sei, des weiteren der Fortzug der Deutschen und die Umsetzung ausländischer Haushalte als Restmieter und Manövriermasse (a.a.O.: l2f.). In einer Befragung gaben 21 % der Ausländer die Sanierung ihrer bisherigen Wohnung als Umzugsgrund an, und ein Drittel hatten ihre Wohnung "als einzige angeboten" bekommen (a.a.O.: 133f.). Die Studie kommt zu dem Fazit, dass "keine restriktiven staatlichen Maßnahmen, wie Zuzugssperre und ähnliche die Ausländer diskriminierende Verbote helfen die Problematik [zu] lösen, sondern Entlastungs- und Verbesserungsmaßnahmen am Wohnungsmarkt und im Infrastruktursektor, die zumindest diejenigen 340
ausländischen Haushalte, die freiwillig das 'Ghetto' verlassen wollen, die Chance eröffnen, dies auch realisieren zu können" (Der Regierende Bürgermeister von Berlin 1980a: 135). Obgleich die Berliner Wohnungspolitik auf diesen harschen Befund insofern reagierte, als sie Versuche unternahm, weitere Wohnungsbestände für die Migranten zu öffnen, ist es doch bezeichnend, dass noch weitere zehn Jahre an der Zuzugssperre festgehalten werden sollte. Auffiillig ist, wie lange an den dirigistischen Maßnahmen festgehalten wurde, obgleich schon nach wenigen Jahren offizielle Berichte vorlagen, die die Zweckmäßigkeit der Zuzugssperre in Frage stellten und unterstrichen, dass die Ursachen für die Konzentration der Migranten vor allem auch im Verhalten der Mehrheitsgesellschaft sowie der Vermieter begründet seien. Dementsprechend verwundert die hohe Kontinuität der Maßnahme, die vielleicht auch als eine Konzession an die durch Überfremdungsängste dominierten 1970er und 1980er Jahre verstanden werden kann. Zugleich drückt sich in der Berliner Mischungsstrategie jedoch auch ein Lernprozess aus, da die Zuzugssperre, die vor allem bei einer monokausalen Erklärung von Segregation durch die Wohnstandortentscheidungen der Migranten eine logisch anschließende Policy darstellt, nach wenigen Jahren durch Maßnahmen zur Öffnung des Wohnungsbestandes flankiert wurde, die die ablehnende Haltung von Vermietern und Mehrheitsgesellschaft als Ursache für Segregation erkannten. Im Vergleich zum heutigen Umgang mit ethnischer Segregation in der BRD ist die Berliner Zuzugssperre durch einen hohen Grad der Formalisierung und Intensität der Maßnahme geprägt (vgL FeickiJann 1989), die ihre rechtliche Legitimität aus dem Ausländer-Status der Zielgruppe bezieht. So war es möglich, dass die Regelung, anders als heute, nicht nur auf die Verteilung von Sozialwohnungsberechtigten oder die Unterbringung in Wohnungen der öffentlichen Hand beschränkt blieb, sondern als aufenthaltsrechtliche Maßnahme auch den privaten Mietwohnsektor erfasste. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass an den Maßnahmen seinerzeit kaum Kritik geäußert wurde. Lediglich das Deutsche Institut für Urbanistik scheint sich wiederholt gegen die Strategie ausgesprochen zu haben, denn in zwei "Spiegel"-Artikeln (vom 4.11.1974 sowie vom 28.1.1980) wird der Difu-Mitarbeiter Peter Rothammer zitiert, der den Bezirks-Bann als Versuch, "soziale Probleme mit räumlichen Maßnahmen zu lösen", kritisiert und fürchtet, die Vermieter könnten in Folge den Mietzins in den Neubezirken erhöhen. Die ehemalige Ausländerbeauftragte Berlins, Barbara John, vermutet im Interview, dass es auch deshalb kaum organisierte Kritik an der Zuzugssperre gab, da sich die meisten Migrantenverbände erst in den 1980er Jahren konstituierten.
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Quotierungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau Zuzugssperren wie in Berlin wurden seit den 1970er Jahren vielerorts in Deutschland diskutiert, da sie aber rechtlich nicht haltbar und praktisch nicht durchführbar waren, beschränkten sich die meisten Kommunen auf die Vergabepraxis öffentlich geförderter Träger des Wohnungsbaus (Alpheis 1990: 150). Mit der Wohnungspolitik fällt nämlich ein wesentliches Handlungsfeld im Hinblick auf die Integration von Zuwanderern in den Aufgabenbereich der Kommunen, wenn schon Fragen der Aufenthaltserlaubnis und demokratischen Teilhabe im Wesentlichen anderswo geregelt sind (Tharun 1997: 138 f.). Bis heute wird das Konzept der Mischung in vielen deutschen Kommunen durch die Festlegung von Obergrenzen (Quoten) implementiert, bis zu denen Bewerber aus besonders benachteiligten Gruppen bei der Belegung freier Wohnungen der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft berücksichtigt werden. Der bereits zitierte Bericht zur Ausländerintegration einer interministeriellen Arbeitsgruppe in Bayern hält einen Anteil von 25% als Obergrenze fest (Interministerielle Arbeitsgruppe 1999: 212). Der soziale Wohnungsbau orientiert sich häufig ungefähr am Ausländeranteil der Gesamtstadt, wobei dies weder theoretisch noch empirisch begründet ist (Alpheis 1990: 150). In den meisten Großstädten, vermutet der Pressesprecher der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Bernd Knopf, gebe es heimliche Obergrenzen bei der Vergabe von Sozialwohnungen: "Sie werden nicht offen benannt, weil eine Einschränkung, die nur auf Herkunft beruht, ein Diskriminierungstatbestand wäre" (zit. in Jordanova-Duda 2003: o.S.). Für ihre Untersuchung in Hannover halten Janßen/Polat (2005: 90) beispielsweise fest, dass das Amt für Wohnungswesen in Stadtteilen wie LindenSüd keine weiteren Zuzüge ausländischer Antragsteller auf einen Berechtigungsschein vermittele, um den Anteil der ausländischen Bewohnerschaft zu senken. Während auch Sackmann (2001 a: 18) konstatiert, bis heute dominiere die Strategie der Festsetzung von Ausländerhöchstquoten für Bürger aus Nicht-EU-Staaten, konnte die für die vorliegende Arbeit interviewte Städtetagsreferentin diesen Eindruck nicht bestätigen. Sie vermute, dass das Thema Belegungsquote bei den Städten auf dem Rückzug sei. Davon ausgenommen seien allerdings die Wohnungsunternehmen, die möglicherweise unabhängig von den Kommunen eigene Höchstwerte für ihre Bestände festlegen (siehe 7.3.4). Franlifurter Vertrag Das bekannteste Beispiel für eine Kooperation von Kommune und Wohnungsunternehmen, die Segregation verhindern soll, stellt der Frankfurter Vertrag aus dem
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Jahr 1974 dar. 162 Als "sozialverträgliche Belegung" gilt demnach eine Quote von 30% Ausländern, 15% Sozialhilfebeziehern und 10% Aussiedlern sowie 25% anderen Bewerbern aus dem umgebenden Stadtteil (Bartelheimer 1998: 10). Haushalte, in denen ein Ehepartner die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und Bewerber, die seit mehr als 15 Jahren in der BRD leben, werden nach Angaben der European Foundation (2007a: 18) von der Regelung ausgenommen. Nachdem in der ursprünglichen Fassung die Wohnungsunternehmen dem kommunalen Wohnungsamt das Recht übertragen hatten, freiwerdende Wohnungen nach Dringlichkeitskriterien zu vergeben, können die Wohnungsunternehmen seit 1996 :für Wohnungen, deren Fördermittel getilgt sind, ihre Mieter wieder frei wählen, wobei sie die freiwillige Selbstverpflichtung eingingen, diese Wohnungen "vordringlich" an Sozialwohnungsberechtigte zu vergeben (Bartelheimer 1998b: 10). Die Schwelle von 30% Ausländern, die im Vertrag festgehalten ist, rechtfertigt der interviewte Geschäftsführer der ABG Holding mit der Notwendigkeit, dass sich in allen Wohnungsbeständen der Frankfurter Bevölkerungsdurchschnitt widerspiegeln solle. Dies habe dann im Einzelfall durchaus zur Folge, dass einem Wohnungsbewerber eine Wohnung in einem bestimmten Quartier nicht vermittelt würde. Die Belegung erfolge jedoch nicht "vom grünen Tisch", sondern die Mitarbeiter vor Ort würden sehr feinfühlig entscheiden, damit vor allem monoethnische Quartiere verhindert würden. Was diese Mitarbeiter :für diese Aufgabe qualifiziert und wie sichergestellt wird, dass sie nicht diskriminieren, wird in der BRD jedoch im Gegensatz zu NL und GB, wo man versucht, die gatekeeper-Funktion der Sachbearbeiter durch bürokratische Regeln aufzuheben, nicht thematisiert. Frankfurt mit seinem Neubau "Galluspark" wird gewöhnlich angeführt, um zu verdeutlichen, dass Quotenfür Ausländer dann obsolet sind, wenn sich Deutsche weigern, in bestimmte Wohnblöcke zu ziehen. Um Leerstände zu vermeiden, sah sich die Stadt Frankfurt in diesem Fall zur Vermietung an Aussiedler gezwungen (Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998: 83; Bartelheimer 1998b: 10). Zudem wird am Frankfurter Vorgehen bemängelt, dass die Herstellung einer ethnischen Mischung übersehe, dass in den Bezirken, die besonders hohe Anteile nichtdeutscher Wohnbevölkerung aufweisen, nicht etwa die Ausländer überdurchschnittlich häufig Sozialhilfe beziehen. Zudem befinde sich von den Sozialhilfebeziehern, die von der städtischen Politik in gefährlicher Konzentration im Sozialwohnungsbestand vermutet werden, immerhin die Hälfte in solchen 162 Bereits an der Bund-Länder-Zuzugssperre Mitte der 1970er Jahre hatte sich Frankfurt mit einem Ausländeranteil von 17,1% im Jahr 1977 beteiligt (Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998: 70).
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Bezirken, die im statistischen Sinne sozial durchmischt sind (Bartelheimer 1998b: 11 ).163
Stuttgarts "Lex Türkei" Während der Frankfurter Vertrag einen vergleichsweise hohen Bekanntheitsgrad besitzt und auch in der wissenschaftlichen Literatur zur Wohnungspolitik regelmäßig erwähnt wird, erfiihrt die Stuttgarter Quotierung relativ wenig Aufmerksamkeit. Hier sieht die Belegungspolitik der städtischen Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) vor, dass 80% der Mieter eines Wohnblocks EU-Bürger sein sollen, maxlinal 20% der Mieter dürfen aus Drittländem stammen. Damit soll ethnische Segregation verhindert und soziale Durchmischung gefördert werden (European Foundation 2007a: 17). Laut Lüken-Klaßen (2007: 30) werde die Quotenregelung inoffiziell Lex Türkei genannt, da sich hinter den Drittstaatlem überwiegend Personen aus der Türkei verbergen. Die Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig aufgrund der Mieterstruktur des Unternehmens, denn 50% der Mietvertragspartner und damit etwa 60 bis 70% der Mieter sind Ausländer (a.a.O.: 24). Auch vom Oberbürgermeister Schuster (CDU), der einerseits die Chancen der Internationalität hervorhebt, Stuttgart als "Einwanderungsstadt" definiert und von der Notwendigkeit einer "Willkommenskultur" spricht (taz, 24.5.2007), wird immer wieder betont, dass monoethnische Viertel und Nachbarschaften vermieden und geschlossene Wohnanlagen verboten werden sollen (Lüken-Klaßen 2007: 26). In einem Interview mit der "taz" (24.5.2007) unterstreicht er zwar, dass ihn der Pass nicht interessiere, lediglich die Potenziale, die ein Mensch mit sich bringe. Dennoch scheinen auch in Stuttgart nicht für alle die gleichen Rechte zu gelten, denn die Vermittlung einer Wohnung durch das Amt für Wohnen und Liegenschaften setzt voraus, dass der Bewerber seit mindestens drei Jahren in Stuttgart wohnt oder arbeitet (Lüken-Klaßen 2007: 18). In GB würde dies als indirekte Diskriminierung gelten (vgL Blanc 1992: 11). Dortmund: Quote stößt auf Widerspruch Dortmund ist das einzige Beispiel für eine auf Quoten basierende Zuzugssteuerung einer deutschen Kommune, die auf öffentlichen Druck aufgehoben wurde. Im Frühjahr 1997 wurde hier für die Nordstadt mit einem damaligen Ausländeranteil von 17% eine Obergrenze von 20% verhängt, die für sozial gebundene Wohnungen galt. Sie eröffnete zudem nur Migranten aus der Nordstadt einen 163 Auch für Stuttgart berichtet Lüken-Klaßen (2007: 21), dass die Sozialhilfedichte der Ausländer lediglich am Stadtrand überdurchschnittlich hoch sei, nicht jedoch in der ethnisch geprägten Innenstadt.
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Zugang und entsprach damit praktisch einem ,,zuzugsstopp" im belegungsgebundenen Wohnungsbau (Planerladen 1999: 35). Zudem wurde im Juli 1999 bekannt, dass sich die Kommune über die Bewilligung individueller Transferleistungen bemühte, ihre Versuche zur Belegungssteuerung auch auf die nichtbelegungsgebundenen privaten Wohnungsbestände auszuweiten (Kabis 1999: 3). Die Entscheidung der SPD-Ratsfraktion für die Quote stand unter dem Eindruck des "Berichtes zur sozialen Lage in Dortmund", in dem das Süd-Nord-Gefälle der Stadt offengelegt worden war. 1996 wurde in einer Vorlage an die Ratsausschüsse für Umwelt, Stadtentwicklung, Wohnen und Soziales gefordert, dass bei der Wohnungsbelegung in den einzelnen Stadtteilen darauf zu achten sei, dass "einseitige Bevölkerungs- und Sozialstrukturen nicht entstehen. Dabei sollen sich die gesamtstädtischen Bevölkerungs- und Sozialstrukturen nach Möglichkeit auch in den einzelnen Stadtteilen wiederfinden" (Planerladen 1999: 80-81). Während in anderen Städten die Belegungssteuerung kaum öffentlich diskutiert wird und sich auch Migrantenorganisationen nicht diesem Thema zu widmen scheinen, erfolgte in Dortmund eine Mobilisierung der Anwohner durch den Planerladen, einen "Verein zur Förderung demokratischer Stadtplanung und stadtteilbezogener Gemeinwesenarbeit". Auf seine Initiative wurde die Quotierung unter Einbindung von Migrantengruppen debattiert, wobei die Migranten die Regelung fast durchweg als Stigmatisierung und einseitige Schuldzuweisung wahrnahmen (Staubach 2005b: 20). Seit Frühjahr 1999 findet die Quote auf Druck der in der Nordstadt engagierten Vereine erklärtermaßen keine Anwendung mehr (planerladen 1999: 35). Als einen entscheidenden Grund für die Abschaffung der Quote begreift der Vorstand des Planerladens, Rainer Staubach, die Kritik von unten auf der Ebene des Nachbarschaftsforums. Indem der Planerladen die Belegungsquote auf zahlreichen Veranstaltungen skandalisierend thematisiert und zudem EU-rechtlich gegen eine solche Quote argumentiert habe, hätte es Kritik von Seiten des Landes gegeben, aber auch Vertreter der Stadt hätten sich von ihrer vorherigen Position zurückgezogen. Zudem seien sich schon zuvor einige wohnungspolitische Akteure bewusst gewesen, dass eine Belegungsquote im öffentlich geförderten Bestand für die Nordstadt nur von begrenzter Reichweite sei, da hier 80% des Wohnungsbestandes eine atomisierte Eigentümerstruktur aufweisen (Interview Staubach).
7.3.3 .1.2 Historische Begrenzungsversuche in Großbritannien Auch in britischen Kommunen lassen sich Policies der ethnischen Mischung über kommunale Begrenzungsversuche nachweisen, die jedoch überwiegend in die 345
1970er Jahre zurückreichen, dann jedoch durch ein stärkeres Durchgreifen der nationalen Antidiskriminierungsstelle eingedämmt wurden. "There are undoubtedly authorities that operated (and probably still operate) ad hoc dispersal practices in the sense that allocations officers offered, or failed to offer, particular properties 10 black applicants on the basis of how rnany other black people were already in an area. Such practices have been illegal since 1968, but informal routine actions of this type have been quite comrnon, especially in the 1970s before local authorities took notice in any serious way of the implications ofthe Race Relations Acts",
halten die Autorinnen Phillips und Kam noch 1991 fest (S. 82). 1974 unternahm die Community Relations Commission, die 1968 durch den RRA geschaffen worden war und 1976 mit dem Race Relations Board zur Commission for Racial Equality (CRE) verschmelzen sollte, eine Befragung von 51 Kommunalregierungen zu deren auf ethnische Minderheiten gerichteten Verteilungsstrategien. Dabei antworteten 22 Gemeinden, sie würden eine solche Verteilungspolitik betreiben, allerdings mit dem Einverständnis derjenigen, die umgesetzt wurden. Zwölfdieser Gemeinden arbeiteten mit einer Verteilungs-Policy, die auf statistischen Grundlagen beruhte. Andere betrieben die ethnische Mischung auf einer Ad-hoc-Basis, die Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzte, welche Toleranzschwellen bei den weißen Haushalten existierten. Wie diese Schwellenwerte zustande gekommen seien, kritisiert die Community Relations Commission (1974: 42), sei jedoch nicht einsichtig: ,,For example, one authority believed dispersal 10 be 'comrnon sense' and bad found the ratio of one black farnily to five white to be in their opinion an optimum one in new housing developments. However, this local authority operated dispersal in conjunction with need and individual choice and no atternpt had been made to deliberately undermine the mutual support provided by concentration."
Die für die vorliegende Arbeit befragten Experten zeigten sich überwiegend optimistisch, dass die Handlungsoptionen für eine unfreiwillige Verteilung von Minderheiten heute durch die Antidiskriminierungsgesetzgebung nahezu ausgeschlossen seien. Zudem sei ein großer Teil der ehemals kommunalen Sozialwohnungen von housing associations übernommen worden, die nicht nur im Vorfeld ihre Vergabekategorien transparent machen mussten, sondern zudem auch keine ideologischen Altlasten in dieser Hinsicht hätten (Interview Harrison). Lediglich Preth Rao von der Equality and Human Rights Commission l64 hält es für möglich, dass
164 Hierbei handelt es sich um die Nachfolgeorganisation der Commissionfor Racial Equa/ity.
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über bestimmte Kriterien bei der Wohnungsvergabe Minderheiten indirekt aus bestimmten Beständen gelenkt würden. So sei es in GB beispielsweise üblich, die Zahl der Kinder in einer Nachbarschaft des sozialen Wohnungsbaus zu reduzieren. 16S Einerseits sei zwar die Kinderzahl häufig ausschlaggebend für die Berechtigung zu sozialem Wohnraum, gleichzeitig seien aber viele Schulen im Einzugsbereich von Sozialsiedlungen überlastet. Mit Verweis auf die Belastungen für die soziale Infrastruktur würden Wohnungen dann ausschließlich an Alleinstehende vergeben. Da die Familiengrößen der ethnischen Minderheiten weiterhin über denen der weißen Engländer liegen, könnte eine solche Strategie sie besonders treffen und ihnen den Zugang zu bestimmten Siedlungen verwähren (Interview Rao). Zuzugssperre Birmingham 1969 So wie für Deutschland die Berliner Zuzugssperre ist für GB die Zuzugsbeschränkung der Stadt Birmingham zum bekanntesten Versuch geworden, die Anteile ethnischer Minderheiten zu senken. Anders als in Berlin, wo die Zuzugssperre an aufenthaltsrechtliche Vorgaben gebunden und dementsprechend auf den gesamten Wohnungsbestand in bestimmten Stadtteilen bezogen war, ist in Birmingham lediglich die Vergabe von kommunalem Wohnraum von den Bestimmungen erfasst worden, dafür allerdings im gesamten Stadtgebiet (PhillipslKarn 1991: 82). Zwei Drittel des öffentlichen Wohnungsbestandes befanden sich in Birmingham Ende der 1960er Jahre in den Vororten, in die die schwarzen Familie ziehen sollten. Schwarze Haushalte hingegen bevorzugten die Innenstadtgebiete und damit solche Gegenden, in denen es eigentlich nur sehr wenig öffentlichen Bestand gab (Flett 1984a: 23). Positiv gesehen habe die Stadt die Konzentration der Schwarzen in den Slumbeständen verringern und ihnen ermöglichen wollen, in den Genuss der höheren Wohnstandards der Vororte zu kommen. Offizielle Dokumente widersprechen laut Flett (1984a: 24) jedoch einer solch positiven Deutung: "The 1968 General Purposes Committee report on immigration, which prepared the way for dispersal policy, dwelt primarily on the need 10 spread the burden that fell on the Corporation's social services in the main areas of black settlement" (ebd.). Die Entscheidungsträger hatten also vor allem das Wohlergehen der Stadt beziehungs165 In den Leitlinien aus dem seinerzeit zuständigen Amt des stellvertretenden Premienninisters (ODPM 2002: 24) heißt es zu den sogenannten Loca/ Lettings Po/icies, in deren Rahmen Kommunalverwaltungen bestimmte Präferenzkategorien für die Vergabe aufstellen dürfen: ,,[T]he child to adult ratio could be lowered on an estate where there is high child density or, conversely, young single people could be integrated into an estate via this route." Die Verantwortlichen müssten allerdings sicherstellen, dass hierdurch keine direkte oder indirekte Diskriminierung von ethnischen Minderheiten erfolge.
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weise vor allem die Interessen der Verwaltung im Auge, nicht jedoch die Verbesserung der Wohnsituation der Minderheiten (phillips/Karn 1991: 82). Flankierend wurde jedoch auch in Birmingham unterstellt, die Integration der Minderheiten werde durch eine dünne Verteilung unter der Mehrheitsbevölkerung erleichtert. "The fear was racial conflict, the solution integration, the means dispersal" (Flett 1984c: 88). Die Entstehungsgeschichte der Policy verdeutlicht indes stärker als im Berliner Fall, dass insbesondere die Ablehnung der weißen Haushalte gegenüber vielen Schwarzen in der Nachbarschaft Anlass :für das kommunalpolitische Handeln war. In Birmingham hatten im Jahr 1969 neun weiße Bewohner eines Blocks mit zwölf Wohnungen einen Mietstreik angedroht, wenn eine freigewordene Wohnung an eine schwarze Familie vergeben worden wäre. Die Petition der weißen Bewohner wurde zwar vom kommunalen Wohnungsamt abgelehnt, bot jedoch den Anlass, eine ähnliche Situation künftig verhindern zu wollen. Die neue Policy, die auf eine Verteilung der schwarzen Haushalte abzielte, wurde zwar niemals offiziell angekündigt, doch bestritt das Wohnungsamt nicht, dass es mit einer Obergrenze :für die Vergabe seiner Sozialwohnungen operierte. Das konkrete Vorgehen des Wohnungsamtes bestand darin, dass in jedem Wohnblock, in jeder Straße oder Siedlung nicht mehr als eine von sechs Immobilien an einen schwarzen Haushalt vergeben werden konnte. Die fünf Gebäude zu jeder Seite des von Schwarzen bewohnten Hauses bliebenfür weiße Haushalte reserviert. Somit hätte keine schwarze Familie einen anderen schwarzen Haushalt als Nachbarn haben können. Da sich dies aufgrund von ungleichzeitig freiwerdenden Wohnungen nicht durchsetzen ließ, wurde die Vorgabe zunächst zur Obergrenze in der Siedlung. Schwarze Wohnungssuchende, die auf der Warteliste des Wohnungsamtes eigentlich ganz oben standen, bekamen entweder keine Unterkunft oder nur in solchen Beständen, die nicht ihren Präferenzen entsprachen. 1975 kam es zu einer Beschwerde an das RRB, die verdeutlicht, wie schwer es :für schwarze Haushalte gewesen wäre, ihre Benachteiligung nachzuweisen. Eine weiße Irin hatte eine Wohnung zugewiesen bekommen, die intern als "nicht farbig" ausgegeben war. Erst bei der Schlüsselübergabe wurde festgestellt, dass ihr Mann Jamaikaner war, sodass die Wohnung nicht vergeben wurde und sie eine Beschwerde beim RRB einlegte. "Even then Birmingham argued that the dispersal policy itself was not discriminatory because it was aimed at fostering integration and was therefore in accordance with the spirit of the 1968 Race Relations Act" (Phillips/Karn 1991: 83-84). Diese Argumentation erinnert stark an die aktuelle Haltung deutscher Wohnungsanbieter, die ihre Zugangsbeschränkungen nicht als Diskriminierung sondern als Integrationsförderung interpretieren. Die Zuzugsbeschränkungen wurden formal aber widerwillig im Oktober 1975 aufgehoben (a.a.O.: 84). Hierzu hatte jedoch nicht nur die Verurteilung durch das 348
Race Relations Board beigetragen, wie Harrison (2005c: 88) kritisch bemerkt. Vielmehr habe die Überlegung eine Rolle gespielt, dass man schwarzen Haushalten den Zugang zu besseren Wohnungen hätte öffnen müssen, um die Verteilungsstrategie tatsächlich umzusetzen. Auch Huttman (1991b: 232) konstatiert, dass vor allem der Widerstand der "weißen Nachbarschaften" gegen diese Policy gearbeitet habe. Auch Smith (1989: 100) hält fest, dass trotz des expliziten Ziels einer Verteilung der Minderheiten deren Präferenzen in Richtung einer stärkeren Mischung häufig übergangen wurden. Die Wünsche von schwarzen Haushalten, die in eine weiße Siedlung ziehen wollten, seien weniger berücksichtigt worden als diejenigen von weißen Familien mit denselben Präferenzen. Die Erfahrungen in Birmingham führten 1975 zu einem speziellen Memorandum des Race Relations Board, das ein Vorgehen wie das in Birmingham für illegal erklärte. Das RRB (1975: 42) hielt fest, dass es ungesetzlich sei, die Präferenzen eines Wohnungssuchenden aufgrund der Hautfarbe, Rasse oder Herkunft des Bewerbers zu missachten. Britische Autoren halten die Zuzugssperre für ein Produkt ihrer Zeit, das heute nicht mehr denkbar wäre. Ironischerweise habe gerade ihre stadträumliche Konzentration den Minderheiten auf kommunaler Ebene politischen Einfluss beschert, sodass Gemeinden heute eher auf Versuche der freiwilligen Verteilung im Sinne von Chancengleichheit setzten (PhillipslKarn 1991: 85; MacEwen 1991: 94).
7.3.3.1.3 Aktuelle und historische Begrenzungsversuche in den Niederlanden Neben der überwiegend symbolischen Auseinandersetzung auf nationaler Ebene sind es auch in den Niederlanden vor allem die großen Städte gewesen, die sich zur Konzentration von ethnischen Minderheiten positioniert haben. Ähnlich wie in der BRD lässt sich insbesondere in den 1970er Jahren eine starke Problemwahrnehmung gekoppelt mit einem starken Glauben an die Gestaltbarkeit der Gesellschaft beobachten: "In the first half of the seventies dispersal of migrants to more peripheral (somewhat suburban) distriets was the dominant force in municipal housing policy" (Mik 1991: 183).
Zuzugssperre Rotterdam 1972 Den bekanntesten niederländischen Versuch, über Quotierungen den Zuzug von Türken, Marokkanern, Surinamern und Antillianern zu verringern, stellt die Vorgabe der Stadt Rotterdam aus dem Jahr 1972 dar, wonach diese Zuwanderer aus solchen Gegenden femgehalten werden sollten, in denen sie bereits 5% der Bewohner stellten. Sobald die Obergrenze erreicht war, war es den Wohnungsbau349
vereinigungen untersagt, Wohnungen in einer solchen Nachbarschaft an Allochthone zu vergeben (Andersson 2003: 21; Mik 1991: 183). Uitennark, Rossi und van Houtum (2005: 626) gehen davon aus, dass die Stadt mit der Maßnahme soziale Unruhen, ausgelöst durch xenophobe Reaktionen der Einheimischen, verhindern wollte (ebenso Interview Bolt). Die Zielgruppe dieser Policy ist insofern bemerkenswert, als es sich nicht nur um ,,Ausländer" handelte, sondern mit den Zuwanderern aus den ehemaligen Kolonien auch um niederländische Staatsangehörige. Die Rotterdamer Zuzugssperre wurde 1974 durch den Staatsrat (Raadvan State) aufgehoben, doch Rotterdam hielt an der Idee einer ethnischen Mischung weiterhin fest. Zu diesem Zweck wurde 1979 die Policy der ,,kollektiven Dekonzentration" implementiert, die eine Verteilung der Minderheiten über die gesamte Stadt vorsah. Die Maßnahme bestand darin, den Anteil bestimmter Migrantengruppen in den alten, innerstädtischen Nachbarschaften abzusenken und die Zuwanderer in peripherere Wohngebiete zu lenken, in denen qualitativ besserer Wohnraum vorhanden war. Dabei sollte die Unterbringung der gewählten Gruppen (Türken, Marokkaner und Surinamer) in Clustern erfolgen, wobei jedem der acht gewählten Peripheriebezirke eine bestimmte Gruppe zugeteilt wurde (Mik 1983: 85). Dies sollte den Minderheiten ermöglichen, in ihren sozialen Netzwerken zu bleiben und Unterrichtsvorkehrungen leichter auf den Bedarf der jeweiligen Herkunftsgruppe abstimmen zu können. Flankiert wurde das Programm durch einen Informationsplan, um Migranten und Bewohner gleichermaßen auf die Umzugsbewegungen vorzubereiten (Slijkerman 1983: 140-141). Da die neue Maßnahme auf Freiwilligkeit beruhte, wurde sie nicht von der Zentralregierung verboten (Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998: 37), führte aber zu heftigen Diskussionen und zur Klage einer Gruppierung von Migrantenvereinen gegen die Gemeinde. In Folge wurde die Maßnahme 1983 in einem Protokoll zwischen der Stadt und den Vereinen aufgehoben (Mik 1991: 183). Die multikulturelle Politik der Niederlande hat politische Entscheidungsträger somit zwar nicht vor den Ideen desegregationistischer Policies gefeit, aber im Gegensatz zu Deutschland starke migrantische Interessenvereinigungen entstehen lassen, die sich gegen derartige Maßnahmen durchzusetzen vermochten.
Amsterdam Während im neuen Jahrtausend Amsterdam weiterhin das Ideal einer toleranten, multikulturellen Gesellschaft verkörpert und in Integrationsfragen eine völlig andere Richtung einschlägt als Rotterdam, gab es in den 1970er Jahren auch hier rigide Maßnahmen, die die ethnische Segregation verhindern sollten. 1974 hatte der Stadtrat vorgeschlagen, dass es eine Verteilungspolitik zur Integration der Minderheiten und zur Verhinderung von Ghettos geben sollte. In Folge schwerer Kritik 350
wurde dieses Prinzip 1978 jedoch vollständig aufgegeben: "Plans for c10sing some districts to immigrants from Surinam and the Mediterranean countries, and limiting the number of members from these groups in other districts to one family per apartment building, were rejected by the municipality council (Mik 1991: 183). Während offiziell keine Unterscheidung zwischen autochthonen und allochthonen Bewohnern gemacht wurde, wurde 1979 bekannt, dass es Absprachen mit Wohnungsbauvereinigungen zu Obergrenzen für Minderheiten in bestimmten Stadtteilen gegeben hatte. Auf Druck des Stadtrates wurde die offizielle Vergabepolitik geändert (van Hoornlvan Ginkel 1986: 189) und Steuerungsversuche bestanden lediglich auf inoffizieller Ebene und von Seiten einiger Wohnungsbauvereinigungen weiter. Aktuell setzt die Stadt auf eine soziale Mischung durch eine Mischung der Wohnformen, um sozialer - und damit nur implizit ethnischer - Segregation zu begegnen (s.u.).
Utrecht Die Gemeinde Utrecht war in den 1970er Jahren mit Protesten von einheimischen Anwohnern gegen den Zuzug von Migranten konfrontiert (van Hoornlvan Ginke1 1986: 189) und reagierte darauf mit dem Versuch, die Wohnstandorte der ethnischen Minderheiten über die Stadt zu streuen (Bovenkerk 1986: 7). Auch hier vollzog sich in den 1980er Jahren eine Änderung dahingehend, dass die Sperrung von Bezirken abgelehnt und stattdessen auf die Aufwertung aller Stadtteile gesetzt wurde, was der Benachteiligung von armen zugewanderten und einheimischen Haushalten gleichermaßen entgegenwirken sollte (Mik 1991: 184). Mik (1991) führt dies auf Forschungsergebnisse zurück, die sich gegen eine verpflichtende Mischung aussprachen, sowie auf den gewachsenen Einfluss von Migrantenvereinen. Versuche, Migranten gleichmäßiger über die Stadtteile zu verteilen, bestandenjedoch vielerorts weiterhin fort, wenn auch inoffiziell, da das nationale Wohnungsbauministerium derartige Policies für diskriminierend und illegal erklärt hatte (Blauw 1991: 59). Das Rotterdam wet als Präzedenzfall im neuen Jahrtausend Während die aktuelle Amsterdamer Wohnungspolitik darauf setzt, die Wahlmöglichkeiten für alle Gruppen zu erweitern, und ethnische Segregation nicht per se als Problem wahrnimmt, hat Rotterdam im neuen Millennium abermals einen Versuch unternommen, den Anteil von Minderheiten und "Problemfamilien" in bestimmten Stadtteilen zu reduzieren. Nachdem Versuche von Zugangsbeschränkungen auf der Basis ethnischer Zugehörigkeit in den 1970er Jahren für verfassungswidrig erklärt worden waren, setzt die Gemeinde Rotterdam nun auf Maßnahmen, die den Zuzug von "Chancenarmen" - so der aktuell in NL geläufige 351
Ausdruck - in bestimmte Stadtteile mindern sollen. In der Testphase der Policy zwischen Oktober 2004 und April 2005 umfasste das Rotterdamer Experiment 19 Straßen in drei Bezirken Rotterdams, in denen einkommensschwache Haushalte aus Wohnungen des sozialen und des privaten Sektors ferngehalten wurden, wenn ihr Haushaltseinkommen unter 120% des monatlichen Mindesteinkommens lag (van der Laan Bouma-Doff 2007: 999).166 Verschiedene niederländische Autoren (UitermarklDuyvendak 2005: 21; Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff2007: 5) haben überzeugend argumentiert, dass es der Stadt sehr wohl um eine Beschränkung des Zuzugs von Migranten ging, da die Policy bezugnahm auf eine demographische Berechnung des kommunalen Statistikamtes, das ein starkes Anwachsen des Migrantenanteils bis hin zu einer Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse in einigen Stadtteilen prognostiziert hatte 167 Der Begriff "ethnische Minderheiten" wurde in der offiziellen Regelung jedoch fallengelassen und durch "Benachteiligte" ersetzt (van der Laan Bouma-Doff2007: 999). Das Entstehen der Rotterdamer Policy ist nicht als Abfolge einer sachlichen Problemwahrnehmung und quasi-objektiver Problemlösung zu verstehen, sondern war vor allem auch der parteipolitischen Konstellation in der Stadt geschuldet. Rotterdam ist die einzige Stadt, in der Pim Fortuyn zur Wahl stand und seine Partei Leejbar Rotterdam (LR) mit 35% der Stimmen in die Regierung einzog (UitermarklDuyvendak 2005: 4). Die LR hatte bereits im August 2003 eine Obergrenze für den Anteil der Migranten in der Gesamtstadt gefordert. Laut einer Befragung eines Marktforschungsinstitutes hatten 61% der Rotterdamer dieser Forderung zugestimmt (a.a.O.: 3). Vermutlich ist im politischen Erfolg der LR, der sich zur selben Zeit auch auf nationaler Ebene fortsetzen sollte, eine Ursache dafür zu sehen, dass auch die nun oppositionelle Partei der Arbeit nach einer härteren Gangart verlangte, sodass die Diskussion nicht von Vertretern von Leejbaar Rotterdam dominiert wurde, sondern vom sozialdemokratischen Beigeordneten einer Bezirksversammlung (Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff2007: 13). Von den für die vorliegende Arbeit interviewten Experten werden weitere Gründe dafür angeführt, warum Rotterdam zu diesem drastischen Eingriff kam. Einige 166 Der Rotterdamer Stadtrat, bestehend aus Christdemokraten, der liberalen VVD und der populistischen Leejbar Rotterdam bemühte sich zudem um eine Ausnahme, die es der Gemeinde erlauben würde, vorübergehend keine Asylbewerber aufnehmen zu müssen. Als Begründung flihrte der damalige Bürgermeister an, die Pläne sollten sicherstellen, dass die Stadt in Balance bliebe (UitermarklDuyvendak 2005: 3). 167 Dabei haben Bolt, van K.empen und van Harn (2008: 1367) betont, dass das Ausmaß der Segregation sogar abgenommen habe. Da aber der Anteil der Migranten an der Bevölkerung zugenommen habe, sei diese Gruppe sichtbarer geworden. Insbesondere in den Nachbarschaften aus den 1950er und 1960er Jahren vollzog sich ein Generationswechsel, der mit einem Anstieg des Minderheitenanteils einherging (Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff 2007: 12).
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Interviewpartner (Musterd; van Amersfoort; Gils; Willems) verweisen auf die Unterschiede in der politischen Kultur zwischen den Städten, wobei Amsterdam seit jeher kosmopolitischer und toleranter gewesen und auch Utrecht weniger "direkt" als Rotterdam sei. Eine weitere Erklärung für die lokalen Besonderheiten im Umgang mit ethnischer Segregation verweist auf die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur von Amsterdam und Rotterdam. Rotterdam weise durch seinen Hafen vor allem Arbeitsplätze für manuelle und ungelernte Tätigkeiten auf und habe daher andere Bewohner, deren Arbeitsplätze zudem stark von Konjunkturschwankungen betroffen seien (Interviews van Amersfoort; Dignum). ,,Rotterdam has a problem of gaining people with a higher income and the few people gaining that higher income they abandon the city very quicki)'" (Interview Dignum). Die hierdurch entstehende soziale Segregation werde durch den entspannten Wohnungsmarkt verstärkt, während in Amsterdam viele wohlhabende Haushalte weiterhin in Sozialwohnungen lebten (Interview Hoogvliet). Laut einer Evaluierung der Testphase der Rotterdamer Regelungen durch das städtische Statistikamt sank der Anteil der zuziehenden benachteiligten Haushalte. Während zuvor 79% aller Sozialwohnungen in den Gebieten an Haushalte mit niedrigem Einkommen vermietet waren, sank der Anteil während des Experiments auf 37%. Diese Abnahme ist jedoch in absoluten Zahlen lediglich auf neun Haushalte zurückzuführen. Im privaten Mietwohnungssektor wurden 60 von 377 Bewerbungen abgelehnt. Neben der Verringerung des Zuzugs von ärmeren Haushalten begrüßten vom Statistikamt interviewte Schlüsselpersonen einen positiven Effekt auf die Sozialstruktur, der zu einer Verringerung von Problemen geführt habe (Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff2007: 16). Nach dieser für erfolgreich erachteten Testphase trat das Rotterdam-Gesetz (Rotterdam wet) zum Januar 2006 in Kraft, auf dessen Grundlage nun alle niederländischen Gemeinden den Zuzug von außerhalb der Kommune in problematische Nachbarschaften beschränken könnten. Während sich in den 1970er Jahren die nationale Regierung gegen Rotterdams Desegregations-Policies stellte, hält sie Rotterdam nun für ein besonders gelungenes Beispiel, um aufinnerstädtische Probleme zu reagieren (van der Laan Bouma-Doff 2007: 998-999). Der niederländische Premierminister und der Innenminister unterstützten die kontroverse Haltung Rotterdams, während der Migrationsminister an den Vorschlägen kritisierte, dass es nicht möglich sei, nur integrierten Migranten den Zuzug zu gestatten oder anerkannten Flüchtlingen den Zuzug zu verwehren. Während die Christdemokraten und die sozial-liberale Democraten 66 (D66) positiv auf die Pläne reagierten, wurden sie von der SP, Groenlinks sowie der oppositionellen Arbeitspartei PvdA kritisiert (Uitermark/Duyvendak 2005: 3).
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Die Wohnungsbauministerin Dekker gab ihr Einverständnis, dass Anforderungen an künftige Mieter in vier Nachbarschaften im Süden Rotterdams und in zwölf Brennpunkten in einem Zeitraum von vier Jahren gestellt werden dürfen (van der Laan Bouma-Doff2007: 1000). Betroffen sind etwa 3.400 Wohneinheiten, wobei die Auswahl auf Grundlage des Anteils nicht-westlicher Migranten und der Zuzugsrate nicht-westlicher Migranten erfolgt. Hier zeigt sich erneut das niederländische Paradox: Mischungsversuche dürfen sich nicht dezidiert auf ethnische Minderheiten beziehen, es ist aber legitim, den Minderheitenanteil als Problemindikator heranzuziehen. Abgesehen von der Ausweitung des Geltungsbereiches unterscheidet sich das Rotterdam-Gesetz auch insofern vom Experiment, als der Grund für die Ablehnung nicht mehr in der Höhe, sondern der Art des Einkommens (Gehalt, Pension, Studienkredit) liegt. Das Gesetz schließt somit Haushalte aus, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Zudem gilt das Gesetz im Gegensatz zum Experiment nur für diejenigen, die von außerhalb Rotterdarns zuziehen möchten (van der Laan Bouma-Doff2007: 999). Das Rotterdam-Gesetz wird von anderen Kommunen bislang kaum genutzt. Lediglich die Gemeinde Culemborg hat für den Zuzug in einen ihrer Stadtteile ebenfalls ein Mindesteinkommen vorausgesetzt, wobei es auch hier in erster Linie darum geht, den Zuzug ethnischer Minderheiten zu bremsen (GijsbertslDagevos 2008: o.S.). Die Niederländische Gleichbehandlungskommission riet den Wohnungsbauvereinigungen, die diese Policy umzusetzen haben, davon ab, da die Maßnahme im Widerspruch zur niederländischen Anti-Diskriminierungsgesetzgebung stehe (da Fonseca FeitosalWissmann 2006: 22). Die Gemeinde entschied sich jedoch, das Urteil zu ignorieren. Der Beigeordnete Marco Pastors widersprach dem Urteil, da der Ansatz versuche, den Armen einen Platz zu geben, an dem sie Chancen hätten (van der Laan Bouma-Doff2007: 998). Dennoch drückt sich im Gesetz ein fundamentaler Wandel wohlfahrtsstaatlichen Selbstverständnisses aus, wenn nicht mehr Chancen für soziale Mobilität geschaffen, sondern Arbeitslose von bestimmten Nachbarschaften ausgeschlossen werden (Bolt/van Kempen/van Harn 2008: 1367). Wenda van der Laan Bouma-DofI (2007: 1014) kritisiert das Gesetz für seine stigmatisierenden Eigenschaften, wenn Nachbarschaften nach ihrem Minderheitenanteil ausgesucht würden. ,,'Disadvantaged' cannot be equated by 'causing trouble', but in fact the influx regulation is doing that" (Ouwehand/van der Laan Bouma-Doff2007: 28). Zudem kritisiert sie, dass durch die Zugangsbeschränkungen diejenigen in ihren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt würden, deren Handlungsspielräume auf dem Wohnungsmarkt ohnehin gering seien (van der Laan Bouma-Doff2007: 1014). Die Autoren des nationalen SCP kommen zu dem Ergebnis, das Rotterdam wet scheine nur wenige Effekte nach sich zu ziehen. ,,Although widely discussed, the 354
scope ofthis law is in reality not extensive. Large-scale changes in the ethnic mix of the target neighbourhoods are therefore unlikely" (Gijsberts/Dagevos 2008: o.S.).
7.3.3.2 Kommunales Handlungsfeld 11: Angebot erweitern Seit Ende der 1970er Jahre wurde erkannt, dass zur Bekämpfung der ethnischen Konzentration vor allem auch die Zugangsbedingungen zum Wohnungsmarkt für ausländische Haushalte verbessert werden müssten. Diese kommunalen Versuche, unfreiwillige Segregation durch die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten abzubauen, sollen im Folgenden analysiert werden. Öffnung Sozialwohnungen In Großbritannien wurde die Vergabe von Sozialwohnungen - zumindest theoretisch - stets auch dafür genutzt, um ethnischen Minderheiten neue Stadtteile zu erschließen und durch eine Ausweitung des Wohnungsangebotes zu einer Dekonzentration der Communities beizutragen. Mitte der 1980er Jahre wurde beispielsweise im Londoner Bezirk Tower Hamlets in den Beständen des Greater London Council ein experimentelles Programm gestartet mit dem Ziel, die Wahlmöglichkeiten für Bangladescher zu erhöhen, indem diesen Wohnungen in bis dahin weißen Nachbarschaften zugewiesen wurden. Dies sollte Kontakte zur Mehrheit herstellen in der Hoffnung, dass eine einzelne Familie hier und da keinen Unmut bei den weißen Bewohnern erzeugen würde, zitiert O'Loughlin (1987: 53) einenArtikel im Economist vom 2. Februar 1985. Debbie Phillips (1998: 1694) bewertet die Maßnahme insofern als erfolgreich, als dadurch den bangladeschischen Bewerbern der Zugang zu Beständen mit besserer Wohnqualität geöffnet werden konnte. Die Ablehnung von Wohnungen in weißen Nachbarschaften durch einige Bangladescher einerseits und die Ablehnung von Gebäuden in bangladeschischen Nachbarschaften durch weiße Wohnungssuchende andererseits habe jedoch prinzipiell Segregationsmuster konserviert. Im Interview hält die Geographin fest, dass der seinerzeit sehr progressive Bezirk mit den besten Intentionen gehandelt habe, es jedoch an Unterstützungsstrukturen gemangelt habe, sodass sich schließlich einige rassistisch schikanierte bangladeschische Familien zur Rückkehr in ihre ethnisch geprägten Gebiete entschlossen hätten. Minimum für Sozialwohnungen In Deutschland bestand ein wesentlicher Vorstoß, das Wohnungsangebot für ausländische Haushalte zu verbessern, darin, einen Mindestanteil ausländischer Mie355
ter für öffentlich geförderten Wohnraum festzulegen. In Deutschland erfolgte dies in West-Berlin zu Beginn der 1980er Jahre. Die städtischen und gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften wurden angewiesen, ein Minimum von 10% ihrer Wohnungen an Migranten zu vermieten (Mochow 2006: 17). Zwei Jahre später wurde die Forderung auf 15% erhöht, aber nicht hinreichend kontrolliert. Die Mindestquote wurde mit der Forderung verbunden, nicht nur auf den gesamten Wohnungsbestand, sondern für jede einzelne Wohnanlage berechnet zu werden. Die angekündigte jährliche Erfolgskontrolle blieb jedoch aus, denn letztlich fehlte "eine Kontrollmöglichkeit und der politische Wille, diese Politik auch durchzusetzen" (Kapphan 2001: 93). Daher blieb die Wohnungsversorgung in öffentlich subventionierten Wohnungen lange Zeit unterdurchschnittlich (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 1995: 27). Noch im Jahr 1987 waren nur 7% aller Sozialwohnungen in West-Berlin durch ausländische oder binationale Haushalte belegt (Kemper 1998: 1773). Cihan Arin (1991: 208) vermutet, dass die meisten Unternehmen die Zehn-Prozent-Regelung jedoch nicht als Mindestanforderung, sondern als Obergrenze auslegten. Von den Wohnungsbaugesellschaften wurden - im Gegenteil - teilweise Quartiere für Deutsche reserviert (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 1995: 26). Dennoch sind Mindestquoten bis heute geläufig, etwa im Kooperationsvertrag zwischen der Stadt Mannheim und der GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft zur Versorgung von Wohnberechtigten. Hier wird festgelegt, dass mindestens 68% (Globalquote) der jährlich freiwerdenden Wohnungen an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden sollen, davon sind mindestens 37% an ausländische Haushalte zu vergeben (Stadt Mannheim 2004: 65). In den Niederlanden gibt es aktuell keine Vorgaben eines Mindestanteils von ethnischen Minderheiten in Sozialwohnungen, wie er zu Zeiten der surinamischen und antillianischen Einwanderung existierte. Eine solche Reservierung ist zwar von Zeit zu Zeit im Gespräch, findet aber vor dem Hintergrund von Woningnet keine Anwendung (Nieuwboer 2003: 38). Gideon Bolt (Interview) sieht hierin eine Inkonsistenz, da einerseits die Konzentration von Migranten für problematisch gehalten wird, aber andererseits keine Anstrengungen unternommen werden, den Anteil von Minderheiten in überwiegend weißen Nachbarschaften zu erhöhen. In Großbritannien arbeitet die Regulierungsbehörde des Sozialwohnungssektors seit 1998 mit einer Zielgröße von 14% für Minderheiten. Obgleich die Housing Corporation diesbezüglich Vermietungen kontrollierte, wurde die Mindestquote in den meisten Jahren nicht eingehalten. Zudem wurde kritisiert, dass es keine Hinweise auf eine lokale Zielgröße gegeben hätte, sodass selbst das Einhalten dieser Mindestvorgabe auf nationaler Ebene nicht mit einem angemessenen Zugang der Minderheiten hätte gleichgesetzt werden können (MDA 2003: 35). 356
Zudem wird bemängelt, dass unklar sei, wie diese Mindestvorgabe entstanden sei: "From what we can determine a number of officers feIt that from looking at lettings overall, and taking account of national patterns and the considerable amount ofresearch on unmet needs funded by the Housing Corporation, a figure of 14% was a reasonable and achievable one" (a.a.O.: 37). Verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften sei jedoch unklar geblieben, wie eine solche Zielgröße gerechtfertigt werden könne, zumal eine nationale Vorgabe örtliche Besonderheiten übersehe. Insbesondere kleinere Wohnungsbaugesellschaften und solche mit Wohnungen in ländlichen Gebieten meldeten Bedenken an (a.a.O.: 38). Vor dem Hintergrund des aktuellen britischen Narrativs, dass Integration durch ethnische Segregation behindert werde, die daher durch wohnungspolitische Eingriffe zu vermeiden sei, überrascht, dass die Mindestquote in keinem aktuellen Policy-Dokument der Zentralregierung Erwähnung findet. Dies könnte als ein weiteres Indiz dafür gedeutet werden, dass die aktionistische Rhetorik der Regierung sich immer dann nicht in konkreten Maßnahmen niederschlägt, wenn dadurch Marktmechanismen außer Kraft gesetzt würden. Neubaufür Minderheiten Da in Deutschland und Großbritannien der vermeintliche Druck der Migranten auf die Infrastruktur problematisiert wurde, könnte eine Möglichkeit, ethnisch zu mischen, darin bestehen, das Wohnungsangebot durch Neubau zu vergrößern. In Deutschland erfolgte der Neubau für Migranten jedoch eher zögerlich. Seit den frühen 1970er Jahren tauchten ausländische Arbeitnehmer in den Wohnungsbauförderprogrammen der Länder auf (Schildmeier 1975: 70). Nach Paragraph 28 des 11. Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) konnten Bundesländer einen Prozentsatz für Sozialwohnungen für bestimmte Personenkreise bereitstellen. Hessen, BadenWürttemberg, Nordrheinwestfalen und Niedersachsen machten Anfang der 1970er Jahre hiervon für Ausländer Gebrauch. Auch die Gemeinden konnten dies im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus fördern (a.a.O.: 72). Neubauprogramme speziell für Ausländer wurden jedoch für problematisch gehalten, da sie zwar die Wohnversorgung verbessern könnten, allerdings zu weiteren Konzentrationsprozessen führen würden (a.a.O.: 93). In Großbritannien erfolgt der Neubau für die Minderheiten seit den 1980er Jahren durch die Förderung der schwarzen Wohnungsbauvereinigungen (s.o.). Derzeit lässt sich allerdings ein Bedeutungsverlust dieser housing associations beobachten. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass sich die meist kleinen Unternehmen nicht zur aktuellen Community-Cohesion-Debatte positioniert haben und auch ihr Dachverband sich zu aktuellen Themen in Schweigen hüllt. Während John Flint (Interview) konstatiert, dass schwarze Wohnungsbauvereinigungen im 357
Zuge der Community-Cohesion-Debatte weniger in die Kritik geraten seien, als Schulen, die von einer Religionsgemeinschaft getragen werden, sieht Harris Beider (Interview), der selbst Vorsitzender des Dachverbandes schwarzer Wohnungsbauvereinigungen gewesen ist, den Bedeutungsverlust der schwarzen Wohnungsbauvereinigungen in engem Zusammenhang mit den strukturellen Veränderungen in Form einer veränderten Zuwanderungssituation einerseits und der Debatte um community cohesion andererseits. Im Zeitalter der superdiversity habe die Kategorie "Rasse" :für das framing von Zuwanderung und Zusammenleben an Bedeutung verloren. Als Wohnungsunternehmen, die sich vor allem auf die Versorgung der afro-karibischen und südasiatischen Bevölkerung spezialisiert hätten, sei es ihnen bislang nicht gelungen, sich unter diesen neuen Rahmenbedingungen zu positionieren. Im Rahmen des Community-Cohesion-Diskurses sei zudem die Aufmerksamkeit stärker auf solche Organisationen gerückt worden, denen es gelinge, verschiedene communities zu bedienen.
Angebotserweiterung durch Information Da Segregation durch das Zusammenspiel von Struktur des Wohnungsangebotes einerseits und Entscheidungen von Haushalten andererseits entsteht, bemühen sich Kommunen, nicht nur das Wohnungsangebot zu verändern, sondern auch das Verhalten der Bürger zu beeinflussen (Andersson 2006: 797). In Deutschland hat die Stadt Münster im Rahmen eines INTERREG-Projektes ein umfangreiches Beratungsprogramm :für Spätaussiedler aufgelegt, das diese Gruppe dazu bewegen soll, in nicht-segregierte Nachbarschaften zu ziehen und sich auf der Grundlage ihrer Interessen und Hobbys in örtliche Vereinsstrukturen einzugliedern. Etwa 90% zogen daraufhin in gemischte Quartiere (Planerladen 2005b: 29). Nach Angaben der Stadt ist die Aufnahme von Erwerbsarbeit im Bereich der Projektgruppe doppelt so erfolgreich wie in der Begleitgruppe (Bertelsmann Stiftung 2007). Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine typische Maßnahme, denn Policies gegen Segregation setzen in der BRD, anders als in GB und NL, in der Regel nicht auf Freiwilligkeit. In Großbritannien ist die Furcht vor rassistischen Übergriffen als zentraler Grund :für die Persistenz von ethnischer Segregation ermittelt worden (siehe 7.1.2.7). Informations- und Unterstützungsfunktionen richten sich daher an beide Seiten, sowohl an die etablierten weißen communities als auch an die zuziehenden Minderheiten. Wird eine Gruppe von Zuwandererhaushalten in einem bis dato weißen Gebiet angesiedelt, übernehmen es Wohnungsanbieter und Gemeinde, sie mit der Infrastruktur vor Ort vertraut zu machen, sie den neuen Nachbarn vorzustellen und die weißen Nachbarn über die Gründefür den Zuzug zu informieren. Die Stadt Rochdale in Nordwestengland wird gemeinhin als Best-Practice-Bei358
spiel angeführt, da hier einige Migrantenfamilien zum Unzug in eine bis dahin weiße Nachbarschaft bewegt werden konnten, nachdem ihnen Sicherheitsmaßnahmen, wie ein Notrufsystem, zugesichert worden seien (CIH 2003: 11).168 Derartig aufwändige Maßnahmen werden nicht nur deshalb unternommen, um Segregation zu vermeiden, sondern insbesondere, um ethnischen Minderheiten aus besonders prekären Wohnverhältnissen in den Substandard-Wohnungen des privaten Sektors die Bestände des vergleichsweise besser ausgestatteten sozialen Wohnungsbaus zu öffnen. Dass dabei rassistische Übergriffe eine derartig große Bedrohung darstellen, stellt die Außenwahrnehmung von GB als multikulturelles und offenes Land stark in Frage und verdeutlicht zudem, wie schwer es ist, einmal verfestigte Segregationsmuster aufzubrechen.
7.3.3.3 Kommunales Handlungsfeld III: Soziale Mischung erhöhen Die in der BRD üblichen Quotierungen auf Grundlage der Nationalität mögen für wohnungspolitische Akteure im europäischen Ausland überraschend wirken. Überwiegend wird in unseren Nachbarstaaten die ethnische Mischung über eine soziale Mischung operationalisiert, da in diesen Staaten die politische Kultur oder die Verfassung eine gesonderte Behandlung aufgrund von Herkunft oder Nationalität verbieten. Die Schichtzugehörigkeit dient hier - wie auch bei einigen deutschen Maßnahmen - als Stellvertretergröße für die ethnische Zugehörigkeit, da Migranten in der Regel ärmer sind als die Mehrheitsbevölkerung. Versuche, über die soziale Mischung eine ethnische Mischung herzustellen, verschwimmen dabei mit jahrzehntealten Bestrebungen, die der sozialen Mischung an sich eine positive Wirkung zuschreiben. Mischung durch Aufwertung In Deutschland wirbt auch der Deutsche Städtetag (2007b: 34) mittlerweile dafür, durch Aufwertung und Entstigmatisierung die soziale und ethnische Mischung zu fördern. Versuche, die soziale und damit auch die ethnische Mischung durch städtebauliche Attraktivität aller Stadtteile zu fördern, sind nicht zuletzt seit dem Programm Soziale Stadt verbreitet. Bei den Zielbestimmungen im nationalen Integrationsplan stehen sie an erster Stelle:
168 John Perry, Mitarbeiter des Chartered Institute 01 Housing, erläutert im Interview, dass solche Notrufsysteme hinsichtlich ihrer technischen Umsetzung denen für alte und ans Haus gefesselte Personen ähnelten, die per Knopfdruck Hilfe anfordern könnten.
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,,Benachteiligte Quartiere mit Defiziten im baulichen Bestand und in der infrastrukturellen Ausstattung müssen durch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Wohn- und Wohnumfeldbedingungen stabilisiert und attraktiver gemacht werden, auch um sozioökonomisch besser gestellte Bewohner im Quartier zu halten und Bürger aus anderen Stadtteilen zum Umzug in das Quartier zu motivieren" (Bundesregierung 2007: 113).
Die städtebauliche Aufwertung armer Stadtteile berücksichtigt, dass Segregation auch auf die Wohnstandortentscheidungen der Mehrheitsgesellschaft zurückzuführen ist. Ein Vorteil für Kommunen und Wohnungsanbieter, auf dieses Instrument zur Abmilderung von sozialer und damit ethnischer Segregation zurück zu greifen, besteht darin, dass es zwar nicht besonders präzise ist, zugleich aber eine hohe öffentliche Sichtbarkeit besitzt und vermutlich nahezu keine Opposition befürchtet werden muss, es sei denn die Aufwertung geht wie in NL mit dem Abriss von Wohnungen einher (vgl. Howlett/Ramesh 1993: 254). Großbritanniens traditionelle Antwort auf die Konzentration von armen Familien in Häusern schlechter Qualität ist die Slumsanierungen gewesen. Diese wurde insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren eingesetzt (Spencer 1990: 68). Während MacEwen (1991: 180) konstatiert, die Slumbeseitigungen hätten vor allem den schwarzen Ghettos gegolten, hat Smith (1989) überzeugend argumentiert, dass die Mehrheit detjenigen, deren alte Häuser abgerissen wurden und die daraufhin mit kommunalem Wohnraum versorgt wurden, weiße Familien waren. Dadurch sei ethnische Segregation verstärkt worden, da von der Slumsanierung betroffene schwarze Haushalte in heruntergekommene private Wohnungsbestände verdrängt wurden. Dies habe daran gelegen, dass sich viele Gemeinden geweigert hätten, Untermieter umzusetzen, worunter besonders viele Minderheitenangehörige fielen. Zudem hätten viele schwarze Eigentümer Häuser nicht direkt in den zentralen Slums erworben und selbst diejenigen, die in den slum-clearance-Gebieten wohnten, seien unterdurchschnittlich häufig in Kommunalwohnungen vermittelt worden. Südasiaten in Manchester seien bis zu 40% seltener umgesiedelt worden als weiße Briten (a.a.O.: 54). Wäre die Slumsanierung im gleichen Tempo fortgeschritten, hätten die Gemeinden später auch die schwarzen Haushalte umsiedeln müssen, doch gegen Ende der 1960er Jahre setzte sich aus finanziellen Gründen die Stadterneuerung gegenüber dem Abriss durch. Der Anfrage eines Parlamentariers, ob das abrupte Ende der Abrisse mit dem Unwillen der Gemeinden zu tun habe, Schwarze umzusiedeln, sei zwar seinerzeit widersprochen worden, spätere Forschung habe jedoch ergeben, dass zumindest ein Fünkchen Wahrheit in dieser Unterstellung gelegen habe (a.a.O.: 55).
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Verdrängung durch Modernisierung Während aktuell in Deutschland der Nationale Integrationsplan festhält, die Aufwertung von Quartieren als Desegregationsstrategie dürfe nicht zu sozialer Verdrängung führen (Bundesregierung 2007: 113), wurden und werden Modernisierungsmaßnahmen von einigen Kommunen und Wohnungsanbietern ganz bewusst eingesetzt, um die Sozialstruktur von Nachbarschaften hin zu zahlungskräftigeren Haushalten und damit weniger Migranten zu beeinflussen. So berichtete "Der Spiegel" 1978 (13.11.1978, S. 246) über ein behördenintemes "Denkmodell" in Hamburg, das die ,,Anhebung des Mietniveaus durch Modemisierung" als Mittel zum "Absenken" des Ausländeranteils im Stadtteil St. Georg preise. Auch fiir andere Städte stellte Holzner 1982 (S. 66) ein entsprechendes Vorgehen fest. Gelenkte Gentrifizierung Eine Maßnahme, die eine Beeinflussung der Wohnstandortentscheidungen der Mehrheitsgesellschaft vorsieht, ist der Versuch einer "geplanten Gentrifizierung". Im Hamburger Stadtteil Veddel mit einem Ausländeranteil um die 60% bemühen sich beispielsweise die Stadt und das kommunale Wohnungsunternehmen SAGA, durch Mietzuschüsse Studenten zum Zuzug zu bewegen. Seit seinem Beginn im Sommer 2004 hat das Projekt etwa 340 Studierende angezogen. Das Programm, das sich auch um die Ansiedlung von lokalem Gewerbe bemüht, will hiermit das Image des innenstadtnahen Stadtteils aufwerten, da Vorurteile zu Segregation führen und Segregation zu weiteren Vorurteilen und einem schlechten Image des Stadtteils beiträgt. Während der Zuzug der Studenten mit einem Absinken des Ausländeranteils einhergegangen ist und die Veddel von der Hamburger Baubehörde bereits als "In-Viertel" gepriesen wird, hat das Projekt zugleich fiir Unmut bei den ursprünglichen Bewohnern geführt. Es wurde bekannt, dass die Studenten mit subventionierten Mieten angelockt werden, während die SAGA! GWG vielen alten Mietern die Mieten um 15% erhöhte. Auch von den Studierenden selbst wird das Projekt ambivalent bewertet: "Es muss doch komisch sein fiir die alten Mieter hier, wenn man Studenten schickt, um ihnen zu zeigen, wie man richtig lebt", äußert sich eine Bewohnerin in "Der Spiegel" (Kleinhubbert 2008: o.S.). Interessanterweise übernimmt sie damit die Deutung - wenn sie diese auch kritisiert - die Mischung solle die individuellen Aufstiegschancen der Bewohner erhöhen. Dabei scheint es bei dieser Maßnahme in erster Linie um die Attraktivität und damit letztlich die Vermietbarkeit des Stadtteils zu gehen. Auch in den Niederlanden gibt es Versuche, Studenten als "Quasi-Gentrifizierer" fiir Stadtteile mit hoher Armutsquote und hohem Minderheitenanteil zu gewinnen. In Amsterdam bemüht sich das Wohnungsamt, Studierende fiir die am Stadtrand gelegenen Nachkriegssiedlungen anzuwerben (Interview Dignum). Andernorts
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hat es in den Niederlanden Experimente gegeben, durch Abriss, Renovierung und Neubau neue Bewohner anzuziehen: "The people who were most readily accepted for this accommodation were people assumed to be capable of forming relationships easily with ethnic minorities: teachers, social workers, police officers" (Donzelot et al. 2006: 8). Die Ergebnisse seien jedoch enttäuschend gewesen, da es zu keiner Verbesserung der Indikatoren für Bildungs- und Arbeitsmarktbeteiligung gekommen sei. Die einzige Verbesserung sei im Bereich der öffentlichen Sicherheit festgestellt worden, wobei dies eher einem Rückzug der Gruppen als einer aktiven sozialen Mischung geschuldet sei (ebd.). Freistellung von Fehlbelegungsabgabe Obgleich in Deutschland noch in den 1980er Jahren die Belegung von Sozialwohnungen mit Mittelschichtshaushalten - den so genannten Fehlbelegern - als Problem wahrgenommen wurde, wurde schon damals die Konzentration von Sozialwohnungen in bestimmten Nachbarschaften als Ursache für soziale und ethnische Segregation ausgemacht. In Berlin wurde bereits zu dieser Zeit diskutiert, in "Ausländerballungsgebieten" die Sozialwohnungen für deutsche Wohnungssuchende aus der Bindung völlig herauszunehmen, so dass die Wohnungen einkommensunabhängig vermietet werden können (Arin/Gude/Wurtinger 1987: 22). Insbesondere die Wohnungswirtschaft hat die Fehlbelegungsabgabe problematisiert: "Obwohl die Fehlbelegung aus der Sicht der meisten untersuchten Siedlungen ein Segen ist und ein Zeichen für gemischte Belegungsstrukturen, führt die Fehlbelegungsabgabe zu einer Vertreibungsabgabe überall dort, wo die Marktmieten im freifinanzierten Wohnungsbau in der Zwischenzeit deutlich niedriger sind und in diesen Quartieren sich die Problemfltlle nicht häufen" (GdW 1998: 4).
Während einerseits durch das Wohnraumfordergesetz aus dem Jahr 2002 die "breiten Schichten der Bevölkerung" ausdrücklich nicht mehr Zielgruppe wohnungspolitischer Förderung sind, haben verschiedene Bundesländer Versuche unternommen, zur Herstellung "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" ihre Sozialwohnungsbestände weiterhin nicht nur für "Problemgruppen" offen zu halten. Schon Ende der 1990er Jahre verzichtete Berlin in den Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe. Hierdurch wurde eine deutliche Verringerung der abwandernden Mieterschaft erreicht. Seit September 2002 verzichtete der Senat vollständig auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe (Der Regierende Bürgermeister 2002: o.S.). Auch die bayerische interministerielle ,,Arbeitsgruppe Ausländerintegration" (1999: 212) empfiehlt zur "Sicherstellung sozial ausgewogener Belegungsstrukturen", durch die Freistellung öffentlich geforderter Wohnungen von den Belegungsbindungen "ungünstige Belegungsstruk362
turen" aufzulockern. Auch die Durchführungsverordnung zum Wohnungsbindungsgesetz biete eine geeignete Rechtsgrundlage, indem zugelassen wird, zur Vermeidung einseitiger Belegungsstrukturen bei der Sozialwohnungsvergabe von der Rangfolge der Dringlichkeit abzuweichen. Bis zum Jahr 2008 ist die Fehlbelegungsabgabe außer in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in allen westdeutschen Bundesländern abgeschafft worden. Kaufvon Belegungsrechten Um zu verhindern, dass sich Sozialwohnungen nur in bestimmten Siedlungen befinden und sich hieraus eine soziale und damit ethnische Segregation ergibt, bemühen sich einige Kommunen, Belegrechte in anderen Nachbarschaften hinzu zu kaufen (GdW 1998: 44). Die Streuung von Sozialwohnungen erfolgt dabei sowohl durch den Ankauf von Belegrechten im privaten Bestand - die Stadt bietet Eigentümern in diesem Fall Geld, damit diese ihre Wohnungen vom Amt als Sozialwohnung vermieten lassen - als auch durch den Belegungstausch, wenn Wohnungsunternehmen die Möglichkeit gegeben wird, den subventionierten Neubau frei zu vermieten, solange sie der Kommune das Recht einräumen, eine Wohnung im Bestand zu belegen (EchterlBrühl1984: 48). Segregation durch Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum im gesamten Stadtgebiet entgegen zu wirken, wird auch vom Städtetag (2007b: 37) empfohlen. Die Ergebnisse sind jedoch seit Jahrzehnten wenig ermutigend. Echter und Brühl untersuchten 1984 die kommunale Belegungspolitik in 13 Groß- und Mittelstädten. Schon damals wurde der Erwerb von Belegungsrechten im privaten Bestand genutzt, wobei es aber dennoch nur bei einzelnen Förderf'ällen blieb. Sie hielten die Strategie seinerzeitfür wenig erfolgreich, weil die Marktlage die Vermietung schlecht ausgestatteter Wohnungen auch am freien Markt zu beachtlichen Preisen ermöglichte (EchterlBrühl 1984: 37-38). Diese Erfahrung machen Kommunen bis heute, sodass der Ankauf von Belegrechten nur schleppend vorangeht (ILS 2006: 129; Neuhaus 2004: 26).169 Mischung der Wohnungsarten (tenure mix) Desegregationsmaßnahmen, die sich auf die Struktur des Wohnungsbestandes konzentrieren, stellen eine besonders indirekte und verbreitete Strategie dar. Sol-
169 Da beispielsweise in FrankfurtlMain etwa 7.600 Haushalte auf die Vermittlung einer Sozialwohnung warten, jährlich jedoch nur rund 2.500 Haushalte vermittelt werden können, hat sich das städtische Wohnungsamt zum Ankauf von Belegrechten entschieden. Zwischen Juni 2007 und April 2008 konnten jedoch nur 59 Wohnungen gewonnen werden, davon fiinf von privaten Vermietern, alle anderen von der städtischen ABG Frankfurt Holding (Ochs 2008: o.S.).
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che Policies finden sich vor allem in Großbritannien und den Niederlanden, die eine ethnische Mischung durch die Mischung des Wohnungsbestandes herzustellen versuchen, etwa durch die Auflockerung von Sozialwohnungsbeständen durch Wohneigentum. Das Wohnverhältnis (privater oder sozialer Sektor oder Wohneigentum) fungiert als Stellvertreter für den sozialen Status, der wiedemm als Stellvertreter für die ethnische Zugehörigkeit steht. Auch in deutschen Kommunen wird die ethnische Mischung teilweise über die Mischung der Wohnungsarten angestrebt (European Foundation 2007a: 19). Mit der Mischung der Wohnungsarten werden zwei widersprüchliche Ziele verfolgt. Entweder verspricht man sich davon, mit neu zuziehenden Wohnungseigentümern erfolgreiche Rollenvorbilder in den Stadtteil zu holen und dessen Stigmatisierung zu bekämpfen (Kleinhans 2004: 370; MASQT 2000: 41). Evaluierungen solcher Bemühungen haben allerdings gezeigt, dass soziale Distanzen zwischen Mietern und Wohneigentümern häufig groß bleiben, auch wenn physische Nähe gegeben ist (Veldboer et a12001).170 Oder es wird versucht, mit diesen Maßnahmen die Fluktuation besonders gering zu halten und den Bewohnern einen Aufstieg innerhalb des Stadtteils zu ermöglichen (Sarkissian et al. 1990). Dies soll den Zusammenhalt der Nachbarschaft stärken, da angenommen wird, dass eine hohe Fluktuation soziale Netzwerke schwäche (Schader-Stiftung et al. 2005). Auch der Verwaltungsentwurf des Hannoveraner Integrationsplans fordert, ansässige "leistungsstarke Haushalte" im Stadtteil zu halten und den Zuzug "weiterer leistungsstarker Haushalte" zu fördern. "Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Haushalten mit Migrationshintergrund zu, die einen sozialen Aufstieg geschafft haben. Ihr Verbleib in der räumlichen Nähe im Quartier kann nach außen einer Stigmatisierung entgegenwirken und nach innen eine Vorbildfunktion übernehmen" (Landeshauptstadt Hannover 2008: 68). Diese Erwartung wird häufig mit der Wohneigentumsförderung verknüpft. Vor allem wird durch die Wohneigentumsförderung eine Stabilisierung des Stadtteils durch eine höhere Wohnzufriedenheit, geringere Fluktuation und größere soziale Kontrolle angestrebt. "Wer Wohneigentum bildet, achtet in aller Regel auch auf soziale Stabilität und Sicherheit seines Wohnumfeldes. Das beugt Gefährdungen im sozialen Gefüge von Wohnquartieren vor", formuliert Beckstein (2006: o.S.)
170 So berichtet beispielsweise Waltz (2007: 46) von einem Projekt der !BA Emscher Park, in dessen Rahmen im Gelsenkirchener Stadtteil SchÜllgelberg mit etwa 70% türkischstämmiger Bewohner ein völlig neues Viertel für deutsche Mittelständler hineingebaut wurde. Heute seien die "NeuSchüngelberger" vor allem deutsch-russischer Herkunft und beide Bevölkerungsgruppen schotteten sich gegeneinander ab.
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als bayerischer Innenminister. Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster berichtet davon, dass seine Stadt versuche, "per Mieterprivatisierung Verhaltensmuster zu ändern: Wir verkaufen etwa einer türkischen Familie eine Wohnung, die sie bisher gemietet hatte. Wenn türkische Migranten Wohneigentum haben, sind die strikter als die Schwaben - das hat natürlich einen ordnenden Effekt auf das gesamte Umfeld" (taz, 24.5.2007). Hieran fällt auf, dass einerseits die unterstellte hohe soziale Kontrolle insbesondere in Migrantenfamilien als Argument für die Zerschlagung der gefürchteten "Parallelgesellschaften" angeführt wird, sie aber sogar gewünscht wird, wenn es um die Stabilisierung des Quartiers geht. In Deutschland setzt besonders die Stadt München auf die Herstellung ausgewogener Bewohnerstrukturen durch eine Mischung des Wohnungsangebots. Im Integrationskonzept der Stadt wird gleich an vorderster Stelle festgehalten, dass "im Sinne einer sozial integrierten europäischen Stadt" am Grundsatz der sozialräumlichen Mischung festgehalten werde (Stelle für interkulturelle Arbeit 2008: 12). Ein wesentlicher Ansatz besteht darin, über die Bauleitplanung die Streuung der verschiedenen Eigentumsformen sowie von geförderten Wohnungen und solchen des freien Wohnungsmarktes und damit die soziale Mischung der Bevölkerung zu erzielen. 171 Mit dem Konzept der "sozialgerechten Bodennutzung" werden alle Investoren verpflichtet, einen Teil ihrer Wohnungen als Sozialwohnungen zu bauen, gerade auch in Neubausiedlungen, die für das gehobene Eigenheim geplant wurden (MASQT 2000: 34). Bereits bei der Entwicklung von neuen Siedlungsgebieten wird demnach nach Aussage von Interviewpartner Herbert Folda, Bereichsleiter für soziale Grundsatzfragen im Stadtplanungsreferat der bayerischen Landeshauptstadt, von einem Mischungsverhältnis von 50 zu 50 oder 70 zu 30 frei finanzierten zu öffentlich geförderten Wohnungen ausgegangen. 172 Im Bestand versuche man durch Nachverdichtung die Zusammensetzung der Quartiersbevölkerung positiv zu beeinflussen. 171 München gehörte zu jenen Städten, die sich besonders ausdrücklich gegen die Prämisse des Projektes ,,zuwanderer in der Stadt" aussprachen, wonach Integration trotz Segregation möglich sei. Insbesondere der Hauptabteilungsleiter im Planungsreferat, Reiß-Schmidt, bezog Position gegen den Rat, ethnische Segregation zuzulassen. Er hielt einen Paradigmenwechsel für ein"unkalkulierbares Risiko nicht nur für die Integration, sondern für die Lebensform Stadt insgesamt" (Reiß-Schmidt 2005: o.S.). Hier handelte es sich wohl überwiegend um ein Missverständnis, da das Projekt nicht die Förderung von ethnischer Segregation empfohlen hatte, sondern vielmehr zum Einsatz "weicher" Steuerungsmaßnahmen - wie sie von München ohnehin eingesetzt werden - im Gegensatz zu den weiterhin verbreiteten Quotierungen riet. 172 Laut Folda muss dabei weiter zwischen der allgemeinen öffentlichen Förderung und dem München-Modell differenziert werden. Letzteres sieht eine Förderung für jene Haushalte vor, die oberhalb der Sozialwohnungsberechtigung leben, sich aber dennoch nicht auf dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt im frei finanzierten Bereich angemessen versorgen könnten. Zu diesen Zielgruppen zählt er vor allem Familien und ausländische Bürger.
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Im Gegensatz zu den anderen hier vorgestellten Maßnahmen in deutschen Kommunen, die sich oftmals auf die Zuwanderer oder auf sozial benachteiligte Stadtteile beschränken, ist der Münchner Mischung zugute zu halten, dass mit dem Konzept der "Stadt im Gleichgewicht" die Gesamtstadt und die Gesamtbevölkerung im Blick behalten werden. Nach Auskunft der interviewten Mitarbeiter des Stadtplanungsreferats gibt es in München keine Maßnahmen, wie etwa in Münster oder Frankfurt, die lediglich auf die ethnischen Minderheiten zugeschnitten seien. Dementsprechend differenzierter als in vielen anderen Städten fällt die Wahrnehmung der Heterogenität der Migrantenbevölkerung und der Ursachen von ethnischer Segregation aus. Auf diskriminierende Zuzugssperren wird zugunsten von "weichen Steuerungsmaßnahmen", die auf die Qualität des Städtebaus Einfluss nehmen, verzichtet. Tenure mix in Großbritannien Während Goodchild und Cole noch 2001 (S. HO) festhalten, es gebe in den britischen Policies der sozialen Mischung keinen Bezug auf eine ethnische oder "rassische" Balance, da dies im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz stehe, lässt sich beobachten, wie soziale Mischung im Rahmen des Community-CohesionDiskurses in wachsendem Maße als Stellvertreter fiir ethnische Mischung gedacht wird. Seither erfreuen sich auch Strategien der Mischung der Wohnformen neuer Beliebtheit. Problematisch daran ist jedoch, dass das Pachtverhältnis zwar - bedingt - eine Näherungsgröße fiir die Schichtzugehörigkeit der Bewohner liefert, in GB jedoch nicht als Stellvertretergröße fiir ethnische Minderheiten fungieren kann (Robinson 2005: 1422). Anders als in der BRD, wo die Wohneigentumsraten von Migranten weiterhin sehr gering sind, sind in Großbritannien manche ethnischen Gruppen stärker im Wohneigentum vertreten als die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft (s.o.). Auch weisen nicht alle Sozialwohnungsbestände einen hohen Anteil ethnischer Minderheiten auf. Im Gegenteil sind manche der ärmsten Gemeinde-Bestände ausschließlich weiß (Blackaby/Chaha12000: 61). Dessen ungeachtet empfiehlt die Commission on Integration and Cohesion (2007: 123): "Cohesive and integrated communities are more easily achieved where there is a mix of housing types and tenures, and where people are able to move between tenure types and between sizes of home as they move through life and face different personal demands." Obgleich tenure mix heute zur professionellen Orthodoxie von Stadtentwicklern und Planem zählt, sind die Maßnahmen in der Regel insofern einseitig, als nicht versucht wird, durch Wohneigentum gekennzeichnete Nachbarschaften durch Mietwohnungen zu ergänzen. Vorgaben sind zudem wenig konkret, etwa im Vergleich zu Frankreich, wo das loi d'orientation sur la ville von 1991 einen Minimumanteil von 20% Sozialwohnungen in allen 366
Kommunen mit mehr als 3.500 Bewohnern vorschreibt. "In fact it is hard 10 set goals because, despite its widespread currency in UK policy, the term 'mixed tenure' has rarely been defined and remains vague" (Tunstal12003: 155). Es bleibt daher unklar, trotz der großen Verbreitung des Konzeptes, wie es definiert und implementiert wird und was seine zu erwartenden Effekte sind (JosephiChaskin/ Webber 2007: 373). Dies gilt umso mehr, seit die Strategien nicht nur der sozialen Mischung, sondern im Rahmen des Community-Cohesion-Diskurses implizit auch der ethnischen Mischung dienen sollen.
Britische Begründungen für tenure mix und ihre Kritik In GB, dessen aktueller wohnungspolitischer Diskurs stark vom Konzept des Sozialkapitals geprägt ist, wird die positive Bedeutung von sozialer Mischung auf die sozialen Netzwerke der schwächer gestellten Bewohner betont. Durch die Wohneigentümer in ihrer Nachbarschaft eröffneten sich ihnen Ressourcen und Informationen über Stellenangebote (JosephiChaskin/Webber 2007: 373; Allen et a1 2005: 6). Die dahinter stehende Prämisse besagt, dass räumliche Nähe zum Aufbau von sozialen Beziehungen führe, doch verschiedentlich wurde darauf verwiesen, dass geographische Nähe aus Menschen noch keine Nachbarn machezumindest nicht im sozialen Sinne des Wortes (JosephiChaskin/Webber 2007: 381). Eine britische Untersuchung zu gemischten Beständen verdeutlichte zudem, dass Mieter und Wohneigentümer in unterschiedlichen sozialen Welten lebten, wodurch die Gelegenheiten für soziale Kontakte beschränkt blieben. Da sich Nachbarschaftskontakte eher bei wahrgenommener Homogenität einstellen (Goodchild/Cole 2001: 115) und in verschiedenen Untersuchungen von gemischten Beständen generell wenig Interaktion zwischen Mietern und Eigentümern beobachtet werden konnte (Kleinhans 2004: 377), gibt es bislang kaum Hinweise darauf, dass es tatsächlich in gemischten Beständen zu einer Vermittlung von Arbeitsplätzen kommt (JosephiChaskin/Webber 2007: 395; Allen et al. 2005: 8). In GB wird wie in der BRD davon ausgegangen, dass gemischte Bestände die soziale Kontrolle erhöhten und damit Kriminalität verringerten (JosephiChaskin/ Webber 2007: 373). Während die Mischung von Wohnformen also als eine Stellvertretergröße für eine soziale Mischung gilt, vermuten Tunstall und Fen10n (2006: 21), dass das Einkommen selbst als ein Stellvertreter für die Charakteristika und Einstellungen von Haushalten fungiere. ,,[T]enure mixing is seen as a way to break up housing-based collectivities with deviant norms" (KearnslMason 2007: 663). Diese Vorstellungen zu erhöhter sozialer Kontrolle sind eng mit dem Bild verbunden, Wohneigentümer könnten als Rollenvorbilder fungieren (Joseph/ ChaskinlWebber 2007: 373). Derartige Vorbildeffekte sind jedoch schwer zu erforschen und zudem herablassend und beleidigend (Kleinhans 2004: 381). Dies 367
gilt umso mehr, als hier Vorstellungen von einer "Kultur der Armut" im aktuellen Diskurs mit Schuldzuweisungen an die Adresse der ethnischen Minderheiten verschwimmen, deren abweichenden Werte für ihre mangelnde Integration verantwortlich gemacht werden, wodurch ihre strukturelle Benachteiligung übersehen wird (vgl. JosephiChaskin/Webber 2007: 388). Andere Befürworter von tenure mix betonen schließlich, dass sich die sozial besser gestellten Wohneigentürner eher für eine Aufwertung der sozialen Infrastruktur einsetzen, da sie keine schlechten Schulen oder eine Vernachlässigung des Wohnumfeldes duldeten (JosephiChaskin/Webber 2007: 393). Aus den meisten Policy-Dokumenten geht jedoch weder hervor, was genau sich hinter den Begriffen tenure mix und der Rede von mixed communities verbirgt, noch inwiefern sie zu einer besseren Integration der Minderheiten beitragen. "The policy literature on mixed communities frequently describes them as being more 'sustainable'. In this context, it often seems that 'sustainable' is being used merely as a grander-sounding synonym for 'good'" (TunstalllFenton 2006: 21). Trotz der durch den Community-Cohesion-Diskurs noch einmal gestiegenen Popularität des tenure-mix-Konzeptes kommen die meisten wissenschaftlichen Arbeiten zum Ergebnis, dass Behauptungen, die zur Unterstützung der gemischten Wohnformen angeführt werden, vermutlich übertrieben seien. Es gebe wenig oder keine Hinweise darauf, dass gemischte Nachbarschaften das Sozialkapital ihrer Bewohner erhöhten (siehe 7.4.1) oder den Ruf einer Nachbarschaft positiv beeinflussten. Die von Allen et al. (2005: 4) befragten Bewohner einer gemischten Nachbarschaft waren jedoch mit ihrer Wohnsituation zufrieden und es gab keine Vorurteile über die Bewohner der jeweils anderen Wohnform. Zusammenfassend hält Atkinson (2005: 27) fest, dass eine Befürwortung von Mischung nicht evidenzbasiert sei, sondern auf nicht hinterfragbare Einschätzungen des "gesunden Menschenverstandes" beruhte. Angesichts der begrenzten Belege für die positiven Auswirkungen von tenure mix bezeichnet Rebecca Tunstall (2003: 157) das Konzept als Euphemismus für eine Nicht-Strategie beziehungsweise für die Privatisierung von ehemals öffentlichem Wohnungsbestand. Auch Harris Beider (Interview) sieht vor allem wirtschaftliche Erwägungen als Grundlage für das gewachsene Interesse an tenure mix. Er führt dies auf die gewachsene Bedeutung der Wohnungsbauvereinigungen zurück, die für ihre Existenz stärker auf die Vermietbarkeit ihrer Bestände angewiesen seien, als dies früher für den kommunalen Wohnungsbestand gegolten habe. Ihr Streben nach Balance und Nachhaltigkeit könnte, so John Flint (2006b: 183), jedoch dazu führen, dass sie sich problematischere Haushalte vom Leib halten. Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zu NL, wo das gewachsene Interesse am tenure mix nicht ausschließlich auf eine Problematisierung von Segregation zurück zu führen ist, sondern vor allem von einem Sozial368
wohnungssektor gewünscht wird, der wegen seiner finanziellen Unabhängigkeit von staatlichen Zuschüssen auf eine Querfinanzierung angewiesen ist (s.u.). Überhaupt hat der tenure mix, der insbesondere in den 1980er Jahren in Form des Verkaufs von Sozialwohnungen an die Bewohner (right to buy) umgesetzt wurde, langfristig zu Konflikten im interkulturellen Zusammenleben geführt. Viele ehemalige Sozialwohnungen, die von ihren Bewohnern gekauft wurden, werden heute von geschäftstüchtigen Eigentümern an Flüchtlinge und Neuzuwanderer vermietet, sodass der Eindruck erweckt wird, diese würden bei der Vergabe von Sozialwohnungen bevorzugt. Dass die Wohnungen hingegen mittlerweile zum privaten Wohnungsmarkt gehören, ist durch die einheitliche Bauweise häufig nicht zu erkennen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es heute oftmals lukrativ ist, Wohneigentum zu erwerben, um dieses dann an die Gemeinde zur Vergabe an Sozialwohnungsberechtigte zurückzuvermieten (Hudson et a12007: 35).
Umstrukturierung des Wohnungsangebotes in den Niederlanden Obwohl der Begriff Segregation in vielen niederländischen Policy-Dokumenten erwähnt wird und der Anteil ethnischer Minderheiten im Stadtteil ein Kriterium ist, dass die "Großstadtpolitik" prägt, existiert aktuell aus verfassungsrechtlichen Gründen keine direkte Maßnahme, um ethnische Segregation zu verringern. Einkommensdesegregation ist daher das Mittel der Wahl, um eine ethnische Mischung zu bewirken (European Foundation 2007a: 13). In einem Brief an das Parlament rühmte sich Wohnungsbauminister Winsemius, durch die Politik der Differenzierung des Wohnungsbestandes könnten - durch eine ausgeglichene Mischung von Einkommen und damit der ethnischen Gruppen - die Kontakte zwischen Einwanderern und Einheimischen gefördert werden (VROM 2006: o.S.). Dabei ist diese unterstellte Verbindung auch in NL durch das Entstehen einer ethnischen Mittelschicht bruchig. Diese zeigt generell ein großes Interesse am Wohneigentumserwerb in sanierten Nachbarschaften oder am Kauf von ehemaligen Sozialwohnungen (Gijsberts/Dagevos 2008: o.S.; Interview van de Veer). Dies liegt daran, dass das Preisniveau in den Nachbarschaften mit gemischtem Wohnungsbestand niedriger ausfällt als in solchen Gegenden, in denen Wohneigentum dominiert. So wurden etwa 50% aller neuen Eigentumswohnungen in "gemischten Nachbarschaften" in Den Haag von Haushalten der ethnischen Mittelschicht erworben (Danish Ministry of Integration Affairs 2003: 35). Auch wenn die Erleichterung des Zugangs zu Wohneigentum für Migranten prinzipiell begrüßt wird, können derartige Maßnahmen daher auch zu Konflikten fUhren. Die Konzentration von Bewohnern nicht-niederländischer Herkunft wurde beispielsweise in zwei Den Haager Nachbarschaften durch die "Auflockerung" von Sozialwohnungsbeständen durch Wohneigentum noch erhöht. Im Kaapstraat-Projekt kauften sich zu 90% 369
surinamesische bzw. türkische Eigentümer ein. Da die Kontakte der Neueigentümer zu den alteingesessenen Bewohnern gering sind, beklagen diese, dass das Gemeinschaftsgefühl verloren gegangen sei (Bartelheimer 1998b: 13). Die gegenwärtige Obsession der niederländischen Wohnungspolitik mit dem Ziel der sozialen Mischung, die über die Mischung der Bauformen erreicht werden soll, ist jüngeren Ursprungs. Während in den 1960er und 1970er Jahren die innerstädtischen Wohnungsbestände aus dem 19. Jahrhundert als die problematischsten galten, wurden seit den frühen 1990er Jahren die aus den frühen Nachkriegsjahren stammenden Sozialwohnungsbestände als schwierigste Stadtteile wahrgenommen. Als Folge von Stadterneuerungsprojekten und in einigen Fällen Gentrifizierung schienen sich einige ältere Innenstadtnachbarschaften zum Vorteil entwickelt zu haben, während viele Nachkriegsbestände zu den wichtigsten Konzentrationsgebieten für Haushalte mit niedrigem Einkommen - darunter viele ehemalige Gastarbeiter und ihre Nachkommen - wurden. Vor diesem Hintergrund wurde die Umstrukturierung des Sozialwohnungsbestandes zum zentralen Element der Stadterneuerung. Dabei hat sich in NL eine parallele Deutungsverschiebung ergeben wie in den anderen beiden untersuchten Ländern. Während der niederländische Sozialwohnungssektor traditionell dadurch charakterisiert war, dass auch Haushalte mit mittlerem und gehobenem Einkommen zu seinen Mietern gehörten, wurde dies Anfang der 1990er Jahre vom nationalen Wohnungsbauminister problematisiert und einkommensstärkere Haushalte sollten ermutigt werden, die Sozialwohnungen frei zu machen. Nachdem das Thema dann einige Jahre keine Rolle gespielt hatte, kehrte es plötzlich in einem Memorandum des Wohnungsbauministeriums auf die Agenda zurück, allerdings mit geänderten Vorzeichen, da nun die Konzentration und nicht die Mischung für ein Problem gehalten wurde. Auf welcher Grundlage diese Bewertung erfolge, erläutert Ronald van Kempen (Interview), sei jedoch unklar geblieben: ,,Is there more concentration now then there was in 1989? As far as I know, nobody could prove that. So the situation in the 1980s was exact1y the same as the situation in the 199Os. Hut there was suddenly this idea, that there was too much concentration of low income households in socia! rented dweLiings. And that this is detrimental for those people living there."
Als Lösung sei eine radikale Umgestaltung des Wohnungsbestandes angestoßen worden, indem teurere Gebäude für die Bezieher höherer Einkommen in solchen Nachbarschaften geschaffen werden sollen, die bisher durch einen hohen Anteil an bezahlbarem Wohnraum gekennzeichnet waren. Da es auf den angespannten großstädtischen Wohnungsmärkten kaum freie Wohneinheiten gebe, müsse die Umgestaltung mit Abriss, Aufwertung oder Verkauf der Mietwohnungen einhergehen 370
(van KempenlPriemus 2002: 245).173 "It is dear that the Cabinet gradually wants 10 decrease the share of social rented housing in the total housing stock of the Netherlands" (van KempenlPriemus 2002: 238). Andererseits gibt es Vorgaben für Neubaugebiete wie VINEX, dass diese einen Mindestanteil von 30% Sozialwohnungen aufweisen müssen. Eine Kooperation in der Haaglanden Region sieht zudem vor, dass in Umlandgemeinden mehr Sozialwohnungen gebaut und existierende Sozialwohnungen nicht abgerissen oder verkauft werden, sodass die peripher gelegenen Kommunen mehr und Den Haag weniger einkommensschwache Haushalte aufuehmen. Gijsberts und Dagevos (2008: o.S.) halten die Maßnahme zwar für begrüßenswert, wenn auch ausgesprochen langwierig. Nach Aussage der für das Utrechter Stadtentwicklungsprogramm Verantwortlichen soll die Veränderung des Wohnungsbestandes einerseits Mittelschichtshaushalten eine Verbesserung ihrer Wohnsituation durch Eigentumserwerb ermöglichen und zugleich einkommensstärkere Haushalte für alle Stadtteile anziehen. Auf einem Kontinuum zwischen den drastischen Desegregationsmaßnahmen Rotterdams und dem unaufgeregten Umgang mit Segregation in Amsterdam scheint Utrecht eine mittlere Position einzunehmen. Zwar werden die Rotterdamer Policies von der Interviewpartnerin der Gemeinde Utrecht als stigmatisierend abgelehnt, doch gesteht sie ein, dass ethnische Konzentration in Utrecht durchaus als Problem wahrgenommen werde. Angehörige ethnischer Minderheiten selbst kritisierten es, wenn in ihrer Nachbarschaft überwiegend andere Migranten lebten (siehe auch Interview Ku1lberg) und trügen oftmals den Wunsch an die Gemeinde heran, diesbezüglich Regelungen zu schaffen. Da es jedoch keine rechtliche Möglichkeit gebe, hier direkt anzusetzen, versuche die Kommune durch die physische Transformation des Wohnungsbestandes eine soziale und damit auch ethnische Mischung und damit eine "stärkere Bevölkerung" und lebenswerte Nachbarschaften zu schaffen. 174 Ziel der Amsterdamer Wohnungspolitik ist es nach Aussage der Interviewpartner, allen Haushalten den Zugang zu Wohnraum in allen Nachbarschaften einzuräumen, anstatt - wie in Rotterdam - Haushalte mit niedrigem Einkommen auszuschließen. Leitbild ist die "ungeteilte Stadt". Dabei machen die Amsterdamer Interviewpartner deutlich, dass die Policy nicht so sehr einem Glauben an die positiven individuellen Effekte von sozialer und ethnischer Mischung geschuldet ist, 173 Weniger typisch ist das Vorgehen im Amsterdamer Disktrikt Bos en Lommer, wo die Einkommensobergrenze fiir günstigeren Wohnraum aufgehoben wurde, um Wohnungssuchende mit höherem Einkommen anzuziehen. Nach Einschätzung von Gijsberts/Dagevos (2008: 0.8.) sind die Auswirkungen auf die soziale Segregation gering. 174 Ellen van Beckhoven, Beraterin in der Abteilung Wohnen der Gemeinde Utrecht, gibt jedoch in einer Email an die Autorin an, dass eine Gruppe Sinti über die Stadt verteilt worden sei, um deren Integration zu fördern.
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sondern vor allem einem Wandel der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Die Einkommensstruktur der Stadt habe sich in den I990er Jahren dahingehend verändert, dass Gemeinde und Wohnungsanbieter von einer gestiegenen Nachfrage nach Wohneigentum ausgehen könnten, während es eher ein zu großes Angebot an Sozialwohnungen gebe (Interviews Dignum; van de Veer). "So that process is happening, hut in Amsterdam I think mainly from a housing market and choice perspective, not so much from a perspective of, let's say, 'it is good if all ethnic groups live together', Or something like that. Butjust like in the Bijlmermeer, we see there is a demand for more quality housing: why shouldn't we answer to that dernand" (Interview van de Veer)?
In Amsterdam geht es der Diskurskoalition aus Gemeinde und Wohnungsanbietern also vor allem darum, dass sozial mobile Haushalte in der Stadt verbleiben, anstatt in die Umlandgemeinden abzuwandern (van de Veer/Schuiling 2005: 177). Zu einem Zeitpunkt, an dem die Städte ihre sozioökonomische Entwicklung durch die Charakteristika ihrer eigenen Bewohner gefährdet sehen, befinden sie sich in einer Konkurrenzsituation mit den neu entstehenden VINEXStandorten, die sich ebenfalls um den Zuzug der für sie attraktivsten Bewohner bemühen (da Fonseca FeitosalWissmann 2006: 23). Uitermark (2003: 533) hat daher argumentiert, dass die soziale Mischung der Bewohner für die Gemeinden nur ein Ziel der Diversifizierung des Wohnungsbestandes sei und es vor allem darum gehe, die Steuerbasis der Stadt zu erhöhen oder zu erhalten. Hierfür spricht auch das Eingeständnis des interviewten Amsterdamer Wohnungsamtsmitarbeiters Dignum, die soziale Segregation innerhalb der Stadt habe durch die aktuellen Maßnahmen sogar zugenommen. Die wohnungspolitischen Prioritäten werden für Uitermark (2003: 541-542) zudem vor dem Hintergrund eines veränderten Govemance-Modus verständlich, bei dem der Staat auf die Kooperation mit Akteuren auf verschiedenen administrativen und geographischen Ebenen angewiesen sei. Damit spricht er einen Faktor an, der auch in Bezug auf den britischen Fall plausibel erscheint. Das Misstrauen der Bewohner der marginalisierten Stadtteile untereinander schlage sich in Misstrauen gegenüber Politikern und der Regierung nieder. Ebenso erhofften sich andere Akteure wie Wohnungsanbieter und Polizei durch ein anderes Bevölkerungsprofil ein leichteres Management der Nachbarschaften (siehe auch da Fonseca FeitosalWissmann 2006: 23). Auch auf Seiten der niederländischen Wohnungsanbieter geht es nicht primär um soziale, geschweige denn ethnische Mischung, sondern darum, wohlhabendere Bevölkerungsschichten als Mieter zu gewinnen. Da der Sektor seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr auf staatlicher Unterstützung basiert, erläutert der Vertreter der Amsterdamse Federatie van Woningscorporaties, seien die Unternehmen darauf
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angewiesen, durch Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen in gehobenen Preisklassen ihre Ausgaben fiir den sozialen Wohnungsbestand querzufinanzieren. "Sometimes people say that housing associations have become too much like project developers. But they need that money to invest in the social side. And a social rented dwelling has a loss of about 60.000 Euros (...). And that is a!so one part ofthe explanation ofthe mix because you can cross-subsidise from market to socia! rent. Ifyou look at this mixing it is far more housing market explained than it has to do with socia! cohesion and these kind of explanations."
Die von einem deutschen Wissenschaftler geäußerte Kritik an der niederländischen Stadtentwicklungspolitik, es sei nicht erkennbar, "welche konkreten Probleme der Bewohner mit den sozialstrukturellen Zielen des Stadtumbaus gelöst werden" sollten (Bartelheimer 1998b: 14), ist insofern nicht angemessen.
7.3.4 Strategien der Wohnungsanbieter Mit der Verlagerung ehemals öffentlicher Aufgaben aufneue Akteure, wie sie in GB durch die gewachsene Rolle der housing associations und in NL durch die finanzielle Unabhängigkeit der corporaties in den I990er Jahren vollzogen wurde, lässt sich in den Wohnungspolitiken der drei untersuchten Länder der viel zitierte Übergang von govemment zu govemance beobachten, der es notwenig macht, die Analyse der Mischungspolicies auf die Anbieter von Wohnraum auszuweiten (vgl. Uitermark 2003: 535). Dabei zeigt der Vergleich, dass die Struktur des Wohnungsmarktes die Positionierung der Akteure prägt, die wiederum die Art der wohnungspolitischen Strategien beeinflussen. Während die deutsche Wohnungswirtschaft als der zentrale Akteur im Segregationsdiskurs gelten kann, sind die britischen housing associations über ihre Regulierungsbehörde deutlich stärker an nationale Policies gebunden, gegen die sie sich öffentlich nicht aussprechen können. Die niederländischen corporaties nehmen eine mittlere Position ein, da sie einerseits finanzstark und politisch einflussreich sind, aber andererseits durch die Einführung der choice based lettings sowie eine weiterhin verbreitetepolitical correctness keine direkten Schritte in Richtung etlmische Mischung unternehmen.
7.3.4.1 Die deutsche Wohnungswirtschaft als zentraler Akteur ,,[Z]u den Hauptproblernen der Wohnungswirtschaft gehört die Segregation von Ausländern im Wohnbereich" halten EichenerlSchauertelKlein (2002: 94) in einer Auftragsarbeit fiir den VdW Rheinland Westfalen fest. In Deutschland sind es 373
daher vor allem die Wohnungsunternehmen, die die Verteilung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu lenken versuchen. Diese Belegungspraktiken müssen nicht den Zielvorstellungen der Kommunen widersprechen, sind aber deutlich intransparenter und kaum untersucht. Der relativ große Ermessensspielraum der Wohnungswirtschaft in Fragen des Belegungsmanagements ist auf das Selbstverständnis der Wohnungsunternehmen zurückzuführen, wonach es seit dem Ersten Weltkrieg ihre Aufgabe gewesen sei, durch die Reduzierung von sozialen Spannungen gesellschaftlich stabilisierend zu wirken. Verbreitung und Vorgehen Die deutsche Wohnungswirtschaft dominiert nicht nur mit ihren Deutungen den Diskurs um ethnische Mischung, sondern ist auch als zentraler Akteur des spatia/ engineering zu begreifen, während Positionen anderer Akteure häufig eher symbolischen Charakter haben (z.B. nationaler Integrationsplan). Nach Aussage aller deutschen Interviewpartner aus dem Verbandsbereich finde eine Auseinandersetzung mit den Themen Integration und Segregation erst seit Anfang des neuen Jahrtausends statt. Diese Aussage überrascht in ihrer Einheitlichkeit, da sich die Versuche, durch gesteuerte Belegungspolitik eine "gesunde Mischung" der Bevölkerung im Quartier herzustellen, bis in die frühen 1980er Jahre zurückverfolgen lassen. Dass aus früheren Jahren keine offiziellen Stellungnahmen der Wohnungswirtschaft zum Thema zu finden sind, lässt vermuten, dass das Vorgehen bis dahin noch stärker als heute einem pragmatischen Improvisieren der einzelnen Wohnungsunternehmen entsprach. Erste Empfehlungen zu einer integrationsfördernden Belegungspolitik finden sich in einer Veröffentlichung von Schildmeier (1975: 115), die in einem Fachverlag der Wohnungswirtschaft erschienen ist. Für die Belegung von Sozialwohnungen wird hier geraten, "den Anteil der eingewiesenen Problemgruppenangehörigen nicht so hoch werden zu lassen, daß durch einen plötzlichen ,Erdrutsch' die bisherige Bewohnerschaft aus den Wohnungen drängt." Es wird zwar eingeräumt, dass es schwierig sei, hierfür genaue Zahlenwerte anzugeben, schreckt aber dennoch nicht davor zurück, sehr konkrete Empfehlungen auszusprechen, deren Grundlage im Unklaren bleibt: ,,Man wird die Obergrenze flir den Anteil der Problemgruppenangehörigen mit Sicherheit unter 20% halten müssen, bei ausländischen Arbeitnehmern vermutlich um die 10 bis höchstens 15% der Gesamtbevölkerung des betreffenden Gebietes. Im Zweifelsfall kann als Faustregel gelten: Bei 10% Ausländeranteil an der Bevölkerung jede 10. freiwerdende Wohnung an einen Ausländer. Die Verteilung sollte nach Möglichkeit auch kleinräumig eingehalten werden; d.h., daß in einem Mehrfamilienhaus möglichst nur ein bis zwei ausländische Familien untergebracht werden" (a.a.O.: 115-116).
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Für neue Sozialwohnungen wiederum wird eine feinkörnige Streuung für angebracht gehalten: "Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbewohnerschaft eines Stadtviertels kann etwas höher angesetzt werden als bei älteren Sozialsiedlungen, sofern aufgrund der benachbarten Bausubstanz und der Sozialstruktur ein ,Umkippen' der Sozialstruktur nicht zu befürchten ist" (a.a.O.: 116). Neubauprojekten von privaten Trägem wird hingegen angeraten, dass der einzelne Baukomplex möglichst unter zwölf, maximal aber 24 Wohnungen für Ausländer umfassen solle (a.a.O.: 117). Eine erste Untersuchung zu Verbreitungsgrad und Umsetzung derartiger Quotierungen ist von Laurnann (1984) im Rahmen einer Befragung unter gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in der Region Mittlerer Neckar erfolgt. Seinerzeit wurde fast ausnahmslos von den Geschäftsführern betont, dass eine gestreute Unterbringung der ausländischen Haushalte erfolgen sollte, dies aber in der konkreten Belegungspraxis kaum durchzuhalten sei (a.a.O.: 63-64). Obgleich viele Geschäftsführer nur zu groben Schätzungen des Ausländeranteils in ihren Beständen in der Lage waren, vermochten sie, "ein wie auch immer geartetes Belegungsoder Vorschlagsrecht durch ein städtisches Wohnungsamt mit dessen unzureichender Kenntnis über die Sozialstruktur einzelner Wohngebiete abzulehnen".175 Die "Ghettogrenze", stellte Laumann (1984: 65) fest, sei völlig willkürlich und beginne in manchen Unternehmen bereits bei einem Ausländeranteil von 10%. Motiviert seien die Wohnungsunternehmen durch die Angst vor dem Auszug der deutschen Familien, die lediglich eine türkische Farnilie in einem Achtparteienhaus duldeten (a.a.O.: 66). In einer Untersuchung zur kommunalen Belegungspolitik in 13 Groß- und Mittelstädten aus demselben Jahr wird ebenfalls die Furcht vor dem Fortzug der deutschen Bewohner als Motivation für eine den Zuzug von Migranten beschränkende Belegungspolitik genannt: ..Von den WohnungSlUlternehmen wird in großer Übereinstimmung die Grenze bei der Belegung eines 6- bis 8-Parteienhauses mit ein oder zwei Ausländerhaushalten angegeben. Jenseits dieser Grenze ziehe der deutsche Mieter im Hause aus, und der Nachzug von weiteren Ausländern sei unvermeidlich. Als Grenze des Ausländeranteils im Wohnquartier werden 15% angegeben, im Einzelfall bis zu 30%" (Echter/BrühlI984: 96-97).
175 Dies gilt vermutlich für viele Unternehmen bis heute. So hält das ILS (2006: 102) in seiner Sozialraumanalyse für NRW fest: ..Die Infonnationsgrund1agen der WU über Mieterstrukturen in den eigenen Beständen sind sehr uneinheitlich. In vielen Fällen kennt die Wohnungswirtschaft gesamtstädtische Segregationsanalysen nicht und fragt sie auch nicht nach, obwohl dies unter strategischen Gesichtspunkten wertvoll sein könnte."
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Während es in den früheren Ansätzen der Wohnungsanbieter sehr offen um die Furcht vor einer whiteflight geht, erfolgt seit der wohl einflussreichsten Arbeit von Volker Eichener aus dem Jahr 1988 das framing einer angemessenen Belegung unter dem Schlagwort Integration. Auf Eichner (1988: 252) wird auch die Faustformel von "nur 15% ausländische Haushalte pro Gebäude" zurückgefiihrt, die lange Zeit in den deutschen Wohnungsunternehmen einflussreich gewesen sein soll (planerladen 2005b: 27). Kritisch bei der Belegung sei die Vermeidung von Segregation, indem der Anteil ausländischer Familien zwischen 11% und 15% liegen solle, was einem Bevölkerungsanteil von 14 bis 21 %, also einer ausländischen Familie im Vier- bis Sechsfamilienhaus oder zwei Familien pro Achtfamilienhaus entspreche (Eichener 1988: 252). In jedem einzelnen Haus dürfe der ,,kritische Ausländeranteil" nicht überschritten werden, da Segregation immer im einzelnen Haus beginne und sich dann sukzessive auf Nachbarhäuser, Straßenabschnitte und Wohngebiete ausdehne (a.a.O.: 308). Heute räumt Eichener (2006: 64) ein, "dass starre Quoten nicht ausreichen" und plädiert für eine "sozial sensible Belegungspraxis". Eine Faustformel von 15% nütze wenig, wenn schon der Ausländeranteil für die Gesamtstadt darüber liege (Eichener/Schauerte/Klein 2002: 97). Dennoch hat er - und mit ihm viele Vertreter der Wohnungswirtschaft - sich nicht von der Idee verabschiedet, die Dynamik in Nachbarschaften an so genannten tippingpoints festzumachen. So definiert er den Anteil von Zuwanderern, ab dem ein deutscher Haushalt nicht mehr zuziehen wolle, mit 15%. Die Schwelle, ab der ein deutscher Haushalt sich zum Fortzug entscheide, liege bei 25 bis 30% (Eichener 2006: 63). Es wird vermutet, dass die Faustformel nur deswegen so lange verbreitet war, weil die Verantwortlichen in der deutschen Wohnungswirtschaft nicht wussten, wie sie sonst mit dem Thema umgehen sollten (planerladen 2005b: 27). In einer Tagungsdokumentation aus dem Jahr 2000 (MASQT 2000: 26) erläutert Eichener, der Hintergedanke für seine Faustformel sei gewesen, die "von den Mittelschichten beanspruchten Wohnungsbestände auch für Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten, diskriminierter Gruppen zu öffnen" (ebd.). Diese Aussage anlässlich eines Workshops des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums verblüfft, da Eicheners Schwellenwert in der Regel als Obergrenze und nicht als anzustrebendes Minimum gedeutet wurde. 176 176 Dass Eichener selbst nur wenig von solchen Mindestquoten hält, macht er dann auch im Rahmen einer Tagung der Wohnungswirtschaft mehr als deutlich: "In der Wissenschaft wird bekanntlich gern über Quoten, über Quotierung, diskutiert. Sie kennen das: Gender Mainstreaming (Frauenquote), und jetzt eben auch Cu/ture Mainstreaming (Ausländerquote). Eine Kollegin von der Uni Essen-Duisburg ist dafiir, Ausländerquoten einzufiihren. Ich hingegen halte von solchen Quoten nichts, weil sie teilweise das Gegenteil von dem bewirken, was sie sollen. Sie kennen die berühm-
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Bis heute sind Versuche des spatial engineering bei den Wohnungsanbietern gängig. Bei einer schriftlichen Unternehmensbefragung aus dem Jahr 1999 von 480 Unternehmen des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen e.V. (Rücklaufquote von 45,6%) und rund 50 Unternehmen des Landesverbandes Freier Wohnungsunternehmen Bayern e.V., von denen allerdings nur vier Unternehmen berücksichtigt werden konnten, gaben drei Viertel an, "Einfluss auf die Zusammensetzung der Nachbarschaften" zu nehmen (SchauerteIEichener 1999: 11).177 Die einzige aktuelle Untersuchung über die Belegungsstrategien großer Wohnungsanbieter stellt die (teil-)standardisierte schriftliche Befragung der 480 im VdW Rheinland Westfalen organisierten Wohnungsuntemehmen durch den Dortmunder Planerladen dar, die von Juli bis Oktober 2004 durchgeführt wurde. Bei einer Rücklaufquote von 17,5% kamen Rückmeldungen vor allem von größeren Unternehmen (Planerladen 2005a: 9). Dabei zeigte sich zum einen, dass die erwünschte soziale Mischung häufig als ethnische Mischung operationalisiert wird (a.a.O.: 24), während in den anderen in der vorliegenden Arbeit untersuchten Ländern vor allem umgekehrt verfahren wird und die soziale Mischung die ethnische Mischung gewährleisten soll. Die Befragung förderte zutage, dass die Leitbilder der Belegung häufig nicht explizit formuliert bzw. offen gelegt würden und das Vorgehen eher als ,,Durchwursteln" zu bezeichnen sei (ebd.). Bei der telefonischen Nachfrage zu ihren Belegungspraktiken bei 32 Wohnungsunternehmen im Nachgang zur schriftlichen Befragung gaben die Wohnungsunternehmen an, Schwellenwerte könnten nicht quantifiziert werden, aber ab einem bestimmten Punkt könne weder an deutsche noch an ausländische Haushalte vermietet werden (planerladen 2006: 11). Unklar sei insbesondere geblieben, ob die bei den Interviews mehrfach erwähnten Schwellenwerte eher als ein Resultat der meinungsbildenden Veröffentlichungen und Transferveranstaltungen im Bereich der Wohnungswirtschaft zu sehen seien, oder "ob sie tatsächlich ein in Faustformeln geronnenes Erfahrungswissen darstellen." Auffällig sei zudem gewesen, dass auf Seiten der
te Quotenfrau, und dann haben wir den Quotenmigranten. Zu welchen Quoten zwingt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz? Frauenquote, Migrantenquote, Seniorenquote...? Dann können Sie am Ende nur noch eine 60-jährige türkischstämmige Buchhalterin einstellen" (VdW Rheinland Westfalen 2007: 52). 177 Wie sehr das Ideal einer gemischten Belegung in DeutscWand verankert ist, zeigt sich darin, dass sogar bei einem multikulturellen Wohnprojekt wie ,,Habitat" in Hannover mit Quotierungen gearbeitet wird. Hier hatten Diskussionen im Projektbeirat und bei ersten Mieterversammlungen während des Baus die Einschätzung entstehen lassen, "dass eine Vorgabe fIir die Mischung der Mieterinnen und Mieter nach ihrer ethnischen Herkunft wünschenswert seien und dass ein Verhältnis von 1/3 Migrantinnen und Migranten sowie 2/3 Deutschen geeignet sei". Gerade auch die Migrantenvertreter hätten wegen des Integrationswunsches in eine deutsch geprägte Umgebung gegen einen höheren Migrantenanteil votiert (Hansen 2005: 51).
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Wohnungsanbieter eine große Unsicherheit bestehe, aber dennoch keine Überprüfung des eigenen Vorgehens stattfinde (a.a.O.: 17). Der Eindruck der Unsicherheit wurde in der vorliegenden Arbeit durch die Interviewpartner bestätigt (siehe auch Mersmann 2005: 186). Viele Unternehmen suchten "nach dem richtigen Weg" (Interview Lieberknecht). Barbara John spricht von einem dauernden inneren Aushandeln: "Wen wollen wir eigentlich aufnehmen, um einerseits die Wohnungen zu vermieten, aber andererseits die Nachbarschaft aufrechtzuerhalten, und das Quartier attraktiv zu halten?" Die Heterogenität der Positionen spiegelt sich auch in der Haltung der wohnungswirtschaftlichen Verbände wider. Obgleich der GdW zu den stärksten Verfechtern des Mischungsideals zählt, hat sich der Spitzenverband von festen Zahlenvorgaben schon länger distanziert. In der Studie "Überforderte Nachbarschaften" wird dazu festgehalten, es ließe sich nicht genau bestimmen, wann in einer Siedlung eine Überforderung der Bewohner durch eine zu große Vielfalt der Lebensstile, der Alltagsgewohnheiten und der Sprachen eintrete. "Eine kritische Schwelle ist in jedem Fall dann überschritten, wenn die einheimischen Deutschen im Erscheinungsbild der Siedlung in den Schulen, auf den Spielplätzen und vor den Einkaufszentren zur Minderheit werden (,Fremde im eigenen Land')" (GdW 1998: 123; ähnlich Neuhöfer 1998: 42). Während das interviewte Mitglied der GdW-Geschäftsführung in der Vergangenheit kursierende Zahlenspiele wie "wenn mehr als drei Bewohner in einem Acht-Parteien-Mietshaus Ausländer sind, dann kippt das um" für zu rigide hält, spricht der Verbandsdirektor des Regionalverbandes VdW südwest im Interview davon, dass Schwellen- und Orientierungswerte bei den Wohnungsunternehmen bis heute "relativ weit verbreitet" seien: ,,Das Hauptspektrum, wenn es in solche Orientierungsprozentsätze hineingeht, bewegt sich irgendwo zwischen 15 und 30%." Die Frage nach der richtigen Belegung sei in seinem Verband im Rahmen eines Arbeitskreises diskutiert worden, wobei die Antwort aus der Praxis gewesen sei, dass man sich zwar nach einer gewissen Grundorientierung ausrichten sollte, aber trotzdem immer im individuellen Fall entscheiden müsse (Interview Ridinger). Im VdW Rheinland Westfalen dagegen werden Quotierungen als unwirtschaftlich und angesichts des demographischen Wandels obsolet abgelehnt (Interview Sinz). Gründe für die Haltung der Wohnungswirtschaft Wohnungswirtschaftliche Belegungsstrategien befinden sich in einem offensichtlichen Spannungsfeld, da Migranten einerseits eine immer wichtigere Kundengruppe darstellen, andererseits aber auch die häufig ablehnenden Reaktionen der anderen Mieter berücksichtigt werden müssen (ILS 2005: 59). Obgleich es den Wohnungsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse vor allem um die
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Stabilisierung des Quartiers geht, und die Policies als Maßnahme gegen den Fortzug der "einheimischen" Haushalte zu verstehen sind, suggeriert das Schlagwort "Integration", die ethnische Mischung diene der "Eingliederung" der Migranten. Dass es vor allem darum geht, die Integrationsbereitschaft von Seiten der Mehrheitsgesellschaft aufrecht zu erhalten, wird meist unterschlagen. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass in der Wohnungswirtschaft - im Einklang mit der Meinung in der deutschen Gesellschaft im allgemeinen - viele Akteure tatsächlich davon überzeugt sind, dass Integration nur durch Kontakte in einer gemischten Nachbarschaft möglich sei (vgl. VdW Rheinland Westfalen 2007: 2) und sich zahlreiche Wohnungsunternehmen in sozialen Projekten engagieren, ist zugleich zu vermuten, dass das Hauptanliegen der Wohnungswirtschaft nicht in der Integration im abstrakten Sinne besteht, sondern darin, durch nachbarschaftlichen Zusammenhalt eine Stabilität und damit Vermietbarkeit der eigenen Bestände zu gewährleisten. Für die Wohnungsunternehmen stellt sich insofern die Frage der Integration, als deren Gelingen unmittelbar im betriebswirtschaftlichen Ergebnis ablesbar ist (Dangschat 2007: 179). Der Planerladen (2005a: 37) wirft daher die Frage auf, ob die Belegungspolitik häufig als Reflex auf die Erwartungshaltung der deutschen Bewohner zu verstehen sei. Von den Genossenschaften wird in der BRD angenommen, dass sie am stärksten an den Interessen ihrer deutschen Bestandsmitglieder orientiert seien (Planerladen 2006: 15). Dabei sind die Genossenschaften in besonderer Weise vom demographischen Wandel betroffen, da der Anteil der über 65-Jährigen an der gesamten Mitgliedergruppe in den alten Ländern bereits bei 32% liegt und damit schon heute höher ist als der Wert, der :für die Bevölkerung der Bundesrepublik insgesamt erst ab 2015 erwartet wird (VdW südwest 2006: 1). "Um den drohenden Leerstand zu venneiden, wird es auch flir die Wohnungsgenossenschaften zu einer strategischen Notwendigkeit, sich dieser Klientel gezielter und stärker zu öffnen. Aktuell überwiegt aber bisher oftmals, insbesondere in den kleinen und mittleren Wohnungsgenossenschaften, die Skepsis gegenüber Mitgliedern, die fremden Kulturen entstammen und deren Verhalten dementsprechend oftmals unbekannt und schlicht nicht verständlich erscheint. Damit verbunden ist die Angst, angestammte Mitglieder durch ein Absinken der Wohnqualität zu verschrecken oder ganz zu verlieren",
diagnostiziert ein von einem Regionalverband herausgegebener Ratgeberfür Genossenschaften (a.a.O.: 2). Unter der i.Tberschrift ,,Die ,richtige' ethnische Mischung in den Häusern" wird zwar die Notwendigkeit einer ausgewogenen Bewohnerstrulctur gepriesen, um zu einer Verbesserung der Integration sowie zur Verhinderung von "Ghettobildung" und "einer Parallelgesellschaft in den Wohnvierteln" beizutragen. Zugleich wird jedoch betont, dass es nicht die eine richtige Zusammensetzung gebe, die mathematisch exakt zu berechnen wäre (a.a.O.: 14). 379
Auch wenn es vor allem die Wohnungswirtschaft ist, die sich in der BRD immer wieder öffentlich für das Ideal der Mischung ausspricht, ist ihre Haltung nicht losgelöst von den Kommunen zu sehen. Roswitha Sinz vom Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen berichtet von Wohnungsunternehmen, die von den Kommunen Vorgaben für die Belegung bekommen. Dies sei ganz massiv im Bauträgergeschäft der Fall. Beispielsweise würde den Unternehmen in Aufsichtsratssitzungen von Kommunalpolitikern vorgehalten, "sie müssten bitte nicht mehr als 20% oder 22% oder 25%" an Ausländer vergeben. Meistens würden dabei die Durchschnittswerte der Kommune zugrunde gelegt. Abrücken vom Leitbild der Mischung Zugegebenermaßen wird nicht überall auf Mischung gesetzt. Zum einen gelten räumliche Einschränkungen, etwa in solchen Regionen, die von Bevölkerungsschrumpfung betroffen sind. Generell scheint die Herstellung von ethnischer Mischung, die sich die deutsche Wohnungswirtschaft - wenn man den Verlautbarungen ihrer Verbände Glauben schenken mag - auf die Fahnen geschrieben hat, für ostdeutsche Wohnungsanbieter keine Rolle zu spielen. Eine Untemehmensbefragung von Becker (1998: 96) ergab nahezu keinerlei Engagement der ostdeutschen Wohnungsanbieter in dieser Frage. Die Vermietung ihrer Bestände ist für die betriebswirtschaftlich denkende Wohnungswirtschaft am Ende wichtiger als die Herstellung eines städtebaulichen Ideals. Von Grabbert (2008b: 129) wird aus einem Dokument des lokalen Leipziger Wohnungsuntemehmens aus dem Jahr 2006 zitiert, das eine Trennung von deutschen und ausländischen Bewohnern suggeriert: "Bereits bei der Auswahl der Wohnungen achten wir darauf, dass die angestammten Bewohner nicht übermäßig durch Menschen aus anderen Kulturkreisen, durch deren gelebte Mentalitäten, überfordert werden und sich somit Spannungen entwickeln können." Doch auch bei den ostdeutschen Kommunen lässt sich beobachten, dass ethnische Segregation in der Regel nicht als Problem konstruiert wird und die Vergabe von Wohnungen durch andere Erfordernisse bestimmt wird als die Herstellung einer ethnischen Mischung. Während in einer westdeutschen Stadt wie Münster die Konzentration von Aussiedlern in bestimmten Beständen als Problem wahrgenommen wird, das einer politischen Lösung bedarf, werden in ostdeutschen Regionen die zugewiesenen Aussiedler genutzt, um Leerstände in besonders unattraktiven Wohnungsbeständen zu füllen. Dies führt beispielsweise in Brandenburg zu einer Konzentration von Spätaussiedlern in solchen Plattenbausiedlungen, aus denen die mobileren Teile der deutschen Bevölkerung bereits fortgezogen sind (Bautz 2007: 64f). Während Diskussionen zur replacement migration zur Abfederung der demographischen Schrumpfung häufig vage bleiben, werden in Ostdeutschland somit konkrete 380
Versuche unternommen, Aussiedler in bestimmten Gegenden zu binden, um so den Erhalt der ansonsten unausgelasteten Infrastruktur zu sichern (Staubach/Veith 1997: 172). Doch nicht nur durch Schrumpfung und Wohnungsleerstände wird ein Festhalten an Belegungsquoten konterkariert. Auch in Zeiten von Wohnungsnot sind solche Strategien obsolet, wie sich Gesine Kort-Weiher vom Städtetag erinnert: "Ich kann meine Dringlichkeitsfälle nicht auf der Straße sitzen lassen, nur weil sie jetzt gerade mit der Quotierung nicht zusammenpassen" (Interview). Eine weitere Einschränkung für das Mischungsideal ergibt sich durch den Unterschied zwischen sozialer Stabilität und Integration, auch wenn beide Begriffe häufig synonym Verwendung finden. Einige Vermieter bevorzugen teilweise ethnisch homogene Häuser und betrachten eher ein Übermaß an Mischung, nämlich das Zusammenleben einer großen Zahl verschiedener Minderheiten als problematisch (ILS 2006: 110; Zimmer-HegmannlMeyer 2004: 13). Vertreterinnen der Ruhr-Lippe-Wohnen (RLW) führen eine Siedlung mit einem neunzigprozentigen Migrantenanteil an, wo die Vermietbarkeit durch "eine intakte türkische Gemeinschaft" gesichert sei (Planerladen 1999: 36). Von manchen Unternehmen wird daher die ethnische Segregation bewusst zugelassen. Die Mischung wird zwar für das ganze Quartier als wünschenswert erachtet, bezogen aufdie Hausgemeinschaft allerdings eher problematisch bewertet (ILS 2006: 138; Planerladen 2004: 27). Auch in der Unternehmensbefragung durch den Planerladen (2005a: 31) wurde festgestellt, dass kleinräumig ethnisch homogene Nachbarschaften von vielen Wohnungsunternehmen zugelassen werden, wenn auch keiner der befragten Unternehmen ausschließlich ethnisch homogen vermietete. In anderen Unternehmen lässt sich ein Abrücken vom Mischungsprinzip beobachten, wenn die Migranten ein wichtiges Kundenpotential darstellen und von ihnen das konzentrierte Zusammenleben gewünscht wird (VdW Rheinland Westfalen 2007: 82). Auch die Geschäftsführerin der PAREA berichtet, dass ihr Unternehmen auf die speziellen Wünsche ihrer russlanddeutschen Mieter eingehe und Zuzüge von Verwandten fördere. Wichtig seien kurze Wege für gegenseitige Besuche, wobei eine Dominanz von anderen Migrantengruppen von den Aussiedlern abgelehnt werde (Semeria 2005: 26). Ein weiteres Abrücken vom Ideal der Mischung zeigt sich darin, dass sich in ganz Europa der Umgang mit ethnischer Segregation unterscheidet, je nachdem welche Minderheiten betroffen sind. Während die meisten wohnungspolitischen Integrationsansätze auf Verteilung setzen, wird die Gruppe der Roma beispielsweise in Großbritannien und Deutschland in der Regel nicht in gemischten Beständen untergebracht (Phillips 2006: 9). Ganz unverblümt benennt es die GdWStudie "Überforderte Nachbarschaften": ,,Bestimmte Mieter können zusammen in 381
einem Hause wohnen (z.B. betreute Alkoholiker, aggressive ethnische Gruppen oder Gruppen mit deutlich vom Durchschnitt abweichenden Lebensgewohnheiten - z.B. Albaner mit hoher Streitbereitschaft, Sinti oder mediterrane Bewohner, deren Kinder bis nachts draußen spielen)" (GdW 1998: 73). Es ist im deutschen Fall allerdings nicht eindeutig festzustellen, inwieweit das segregierte Wohnen dem eigenen Wunsch dieser Minderheit entspricht. In Bayern beispielsweise lehnten Roma und Sinti segregiertes Wohnen ab und wurden daraufhin in Kooperation mit der Kommune verteilt (Will 2003: 19). Im Kieler Einwandererstadtteil Gaarden hingegen baut eine Genossenschaft ein Wohnprojekt für 13 Sinti-Familien, das vom Landesverband der Sinti damit begründet wird, dass das traditionelle Zusammenleben in Familienverbänden zu Störungen in Nachbarschaften führen könne ("taz", 24.5.2007, S. 22). Da weniger die Mischung an sich, sondern "sozial stabile Bewohnerstrukturen" das Ziel sind, wird eine Mischung in Einzelfällen vermieden, wenn Konflikte zwischen den verschiedenen ausländischen Bewohnern erwartet werden. Dabei werden beispielsweise der "Konflikt der Balkanvölker" und die potenziellen Spannungen zwischen Türken und Kurden genannt (Bartholornäi 2001: 2). Ulrich Bimberg vom Spar- und Bauverein Solingen berichtet zudem von Bemühungen seines Unternehmens in den 1970er Jahren, Griechen und Türken nicht zusammen in einem Haus unterzubringen (VdW Rheinland Westfalen 2007: 76). Thomas Dilger von der Nassausischen Heimstätte hatte in seinem viel kritisierten Vortrag die Spannungen zwischen Spätaussiedlem und Ausländern als einen Grund genannt, warum sein Unternehmen künftig nicht mehr auf Mischung im Wohnhaus setze: "In unseren Quartieren erklären die russisch sprechenden, in Russland geborenen Deutschen den hessisch sprechenden, in der BRD geborenen Türken, wem eigentlich dieses Land gehört und wer hier zu bestimmen hat" (zitiert in Rüssmann 2007: o.S.).
7.3.4.2 Die Haltung der britischen Wohnungsbauvereinigungen Im Folgenden soll analysiert werden, in welcher Form sich die britischen Anbieter von sozialem Wohnraum in die Auseinandersetzung um ethnische Mischung einbringen. Im Vergleich zu Deutschland, wo die Wohnungswirtschaft weitestgehend ihre Lesart von ethnischer Mischung durchsetzen kann, sind die Wohnungsbauvereinigungen in GB ein weitaus schwächerer Akteur. Dies liegt vor allem an der abweichenden Struktur des Wohnungsmarktes, mit einem hohen Anteil von Wohneigentümem, die nicht als kollektiver Akteur auftreten. Gleiches gilt für die privaten Vermieter, die häufig nur über Streubesitz verfügen und sich - in deutli382
cher Parallele zum deutschen Fall- kaum zu gesellschaftlich relevanten Themen positionieren. Dementsprechend bleiben die Anbieter von Sozialwohnungen mit einem Anteil von einem Fünftel am Gesamtwohnungsbestand die wesentlichen Ansprechpartner für nationale Wohnungspolitik. Da die Sozialwohnungssiedlungen der Kommunen seit den I980er Jahren die meisten sozialen Probleme - Langzeitarbeitslosigkeit, Vandalismus, etc. - aufweisen, wurden soziale Vermieter als diejenigen Institutionen konstruiert, die mit der Lösung der in ihren Beständen angetroffenen Probleme beauftragt werden. Die britische Regierung greift im Rahmen der Community-Cohesion-Debatte im sozialen Wohnungsbau ein, weil sie im Gegensatz zu anderen Wohnformen die Möglichkeit dazu hat (Flint 2006b: 176). Dabei ist in GB nicht nur das Akteursspektrum stark beschränkt. Auch der Handlungsspielraum für die Sozialwohnungsanbieter ist stark eingeschränkt, da sie von der Housing Corporation 178 reguliert werden, die als Behörde Vorgaben der Zentralregierung mit Inhalt füllt, ihnen aber nicht öffentlich widersprechen kann. Die Optionen der Wohnungsanbieter sind auch dadurch beschränkt, dass sie über die Housing Corporation eng an den Race Relations Act gebunden sind (Housing Corporation 2007b: 3). Eine Ungleichbehandlung von Wohnungssuchenden auf Grundlage der Herkunft, wie dies in der BRD möglich ist, ist dadurch im britischen Kontext ausgeschlossen. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass die gemeinnützigen Wohnungsbauvereinigungen erst durch die Deregulierung der 1980er Jahre als völlig neuer Akteur entstanden sind. Dementsprechend kurz ist ihre Auseinandersetzung mit ethnischer Segregation - anders als in Deutschland, wo die großen Wohnungsunternehmen auf eine größere Kontinuität zurückblicken und sich dementsprechend von Anfang an zum Thema positioniert haben. Da einige ethnische Minderheiten vor allem im privaten Wohnungssektor vertreten sind und hier die stärksten Fälle von Diskriminierung aufgetreten sind, ist die Fokussierung der britischen Regierung auf die Anbieter von Sozialwohnungen für die Durchsetzung ihrer neuen, integrativen Policies kritisiert worden. Nach Einschätzung von John Flint (2006b: 180) sind die Anbieter von sozialem Wohnraum selbst gespalten darüber, wie viel sie leisten sollten und inwiefern sie für ihre neuen Tätigkeiten ausgestattet sind, zumal ihre Handlungsmöglichkeiten durch eine fortschreitende Residualisierung ihrer Bestände und den wachsenden Anteil von Wohneigentum konterkariert werden.
178 Die Housing Corporation stellte ihre Arbeit zum Dezember 2008 ein. Ihre Aufgaben werden nun von der Homes and Communities Agency übemo=en, die sich zur Community-Cohesion-Agenda bislang nicht geäußert hat.
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Aktuelle Positionen zur community cohesion In ihrer Community-Cohesion-Strategie aus dem Jahr 2007 zeigte die Housing Corporation auf, wie sie künftig das Zusammenleben fördern wolle und reagierte damit auf die Empfehlungen der Commission on Integration and Cohesion, an der ihr Vorsitzender mitgewirkt hatte. In Bezug auf die Bekämpfung von ethnischer Segregation wird hier festgehalten, die Vermieter müssten sicherstellen, dass Ihre Vermietungsstrategien die Ziele Kohäsion und Integration angemessen berücksichtigten (Housing Corporation 2007a: 4-5). Es sei von grundlegender Bedeutung, dass Vermietungs- oder Belegungsvereinbarungen die Notwendigkeit in Betracht ziehen, gemischte communities zu unterstützen und die Konzentration von Armut zu vermeiden (a.a.O.: 6). Auch im Sozialwohnungssektor bleiben die Folgen des Community-CohesionKonzeptes für die tatsächlichen Policies also ausgesprochen unkonkret (CIH 2004b: 4). David Robinson (2005: 1423) hat daher argumentiert, die Sozialwohnungsanbieter, die von der britischen Regierung als zentrale Akteure zu Herstellung von "gemischten Gemeinschaften" ausgemacht wurden, seien möglicherweise keine wirklichen Verbündeten für diese Zielsetzung. Während die CommunityCohesion-Agenda auf Mobilität setze und starke homogene Gemeinschaften aus Furcht vor einer weiteren Isolierung ablehne, präferierten viele Wohnungsanbieter - im Gegenteil- einen engen Zusammenhalt aufNachbarschaftsebene: ,,In effect, the sustainable communities that housing managers are striving to nurture - characterised as internally cohesive and possessing a sense of solidarity and mutual support and cooperation - are the very communities problematised by the community cohesion agenda. Hence the comments of a chief executive of a BME-lead housing association (00)' who reflects that his most sustainable and easy to manage estates are mono-cultural" (ebd.).
Auch wenn Robinson im Interview betont, dass es sicherlich nur wenige gebe, die eine solche Meinung explizit vertreten würden, zeigt sich hier eine deutliche Parallele zur Haltung einiger deutscher Wohnungsanbieter, die vom Ideal der Mischung, zumindest aufHausebene abgerückt sind. Viele Wohnungsanbieter, so Robinson, schreckten vor dem Aufwand zurück, der mit den oben dargestellten Programmen zur Einführung neuer Minderheiten in bis dahin weißen Nachbarschaften verbunden seien. Policies der schwarzen Wohnungsbauvereinigungen Mitte der 1980er bis in die frühen 1990er Jahre lag das Hauptaugenmerk der Housing Corporation auf der Entwicklung der schwarzen Wohnungsbaugesellschaften, mit einer Betonung der weiterhin unbefriedigten Bedürfnisse der ethnischen Minderheiten. "While this was innovative and important, the emphasis on 384
this area meant that less work was carried out in respect of 'mainstream' housing associations and equality issues", kritisiert eine von der Housing Corporation in Auftrag gegebene Evaluierung (MDA 2003: 9). In der Konsequenz betrachteten viele Mainstream- Wohnungsbauvereinigungen das Thema Migranten am Wohnungsmarkt als irrelevant für ihre eigene Arbeit und als ein Thema, das den spezialisierten Wohnungsbaugesellschaften überlassen werden könne (a.a.O.: 10). Vor dem Hintergrund, dass die Housing Corporation eine überproportionale Zahl von Berichten zur speziellen Rolle der BME housing associations in Auftrag gegeben habe, konstatiert dieselbe Evaluierung, dies könne ein Indiz für interne Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wünschbarkeit einer solchen Initiative darstellen (a.a.O.: 31). Angesichts der Problematisierung der "parallelen Leben" in Folge der Unruhen 2001 und ihres allgemeinen Bedeutungsverlusts haben einige schwarze Wohnungsbaugesellschaften versucht, sich als Vorreiter guter Nachbarschaftlichkeit und als zentrale Akteure im Interesse des Zusammenlebens zu positionieren. Während die nationalen Policies bezüglich der Vermietung im Sinne einer ethnischen Mischung ausgesprochen vage bleiben, propagiert beispielsweise die größte schwarze Wohnungsbauvereinigung der West-Midlands, Ashram, explizit eine bessere ethnische Mischung. Die Strategie bestehe darin, die Vermietungen an Minderheiten in Gegenden mit bereits hohem Minderheitenanteil zu reduzieren und durch städtebauliche Maßnahmen Nachbarschaften zu entwickeln, "where polarised groups can live together in the future" (Bains 2007: 2). Ashram geht sogar noch weiter und liefert konkrete Vorgaben, an denen es künftig seine Vermietungspraxis ausrichten wolle: "Whilst the majority ofAshram tenants are of South Asian origin reflecting local demographics, the organisation is committed to ensuring that its housing stock is occupied by all sections of the population to promote Community Cohesion. Even though around three quarters of Ashram's tenants are from black and minority ethnic (BME) communities, and 51 % are from Muslim communities, the organisation has increased lettings targets 10 non-BME groups from 25 10 33% to enhance community balance and to ensure the retention of a multi-ethnic and multi-faith 10cal population" (Bains 2007: 5).
Auch die Evaluierung der Housing Corporation kommt zum Ergebnis, dass die schwarzen Wohnungsanbieter das Konzept community cohesion für wichtig hielten und eine wichtige Rolle spielten, um verschiedene communities zusammenzubringen und schwarzen Gemeinschaften zur Integration zu verhelfen, indem diese in Nachbarschaften zögen, in die sie normalerweise nicht ziehen würden (MDA 2003: 33). Vor dem Hintergrund, dass die meisten schwarzen Wohnungsbauvereinigungen als Selbsthilfeorganisationen mit emanzipatorischem Anspruch entstanden sind, überrascht eine solche Formulierung, die nahe legt, ihre Integration sei nicht ausreichend und dies liege an ihren Wohnstandortentscheidungen. Ange385
sichts der Abschottung der weißen Sozialwohnungsbestände stellt sich zudem die Frage, wieso die Minderheiten umziehen sollten und ob nicht genauso gut die gebürtigen Engländer selbst dazu bewegt werden müssten, mit ihrer Wohnstandortwahl am Leitbild der gemischten communities mitzuwirken.
7.3.4.3 Die Haltung der niederländischen Wohnungsbauvereinigungen In NL waren es wie in der BRD insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren nicht nur die Gemeinden, die die Idee einer ethnischen Mischung vertraten, sondern auch die Wohnungsbauvereinigungen und ihre regionalen und nationalen Dachverbände (Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998: 37). Inoffizielle Quoten fiir unterschiedliche Gruppen waren laut Young (2000: 220) in den 1980er Jahren in der Praxis der Wohnungsvergabe weit verbreitet. Auch in Amsterdam, wo die Wohnungsbauvereinigungen heute - wie auch die Gemeinde - ethnische Segregation offiziell nicht als Problem wahrnehmen, verfolgten einige in der Vergangenheit eine Policy, wonach nur eine bestimmte Anzahl von Wohnungen pro Eingang an Migranten vergeben werden durfte (Andersson 2003: 21). Jeanet Kullberg (Interview) vom SCP vermutet, dass die Wohnungsbauvereinigungen dabei durch Ideen über nachhaltige Siedlungen sowie vor allem durch den Druck der autochthonen Bewohner geleitet wurden, die sich gegen einen Zuzug von Minderheiten verwehrt hätten. Dieser Eindruck wird auch von einem anderen Interviewpartner bestätigt: "Sometimes it was just discrimination of the housing association itself. They wanted to keep some parts of their housing stock white because it was better for the property value etc." (Interview Bolt). Die interviewten Vertreter einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung erläutern, dass es früher vielerorts lediglich schriftliche Wartelisten gegeben habe und die Wohnungsbauvereinigungen die Wohnungen auf Grundlage intransparenter Kriterien oder Prozentvorgaben vergeben hätten (Interview Dingernans). Es sei aber sehr implizit und verschleiert gewesen und ältere Kollegen wollten sich heute nicht mehr dazu äußern. Im Gegensatz zu Deutschland, wo zu jener Zeit auch offizielle Veröffentlichungen mit tipping points operierten, halten die niederländischen Interviewpartner einen solch offenen Umgang fiir die 1970er/80er Jahre vor dem Hintergrund einer Kultur der politischen Korrektheit fiir undenkbar (Interviews Dingernans; van Gils; Hoogvliet). Obgleich eine explizit ethnische Mischungspolitik im Widerspruch zur Verfassung stand und vom nationalen Wohnungsbauministerium abgelehnt wurde, spielte der ethnische Hintergrund der Wohnungssuchenden eine Rolle in den Versuchen der Wohnungsbauvereinigungen, eine "ausgewogene Bewohnerschaft" herzustel386
len (Nieuwboer 2003: 23; Interview Kullberg). 1989 billigte einer der damals zwei existierenden Dachverbände der Wohnungsbauvereinigungen eine Unterscheidung zwischen "schwer unterzubringenden" Wohnungssuchenden und anderen. Die "schwer Unterzubringenden" wurden weiter differenziert in solche, die als ,,kollektiv" und solche, die als "individuell schwer zu vermitteln" galten, wobei letztere durch Zahlungsverzögerungen und/oder Vandalismus aufgefallen waren. Die ,,kollektiv schwer Unterzubringenden" wiederum waren solche, die durch Vorurteile oder andere negative Reaktionen anderer Bewohner betroffen waren, meist ohne dies durch das eigene Verhalten provoziert zu haben. In diese Kategorie fielen vor allem Migranten. Beide Kategorien sollten "mit Vorsicht" untergebracht werden, um negative Nachbarschaftseffekte zu vermeiden (Kullberg 2002: 558). Noch Anfang der 1990er Jahre ergab eine Untersuchung des niederländischen Wohnungsbauministeriums, dass die Vermittlungsergebnisse für ethnische Minderheiten in solchen Gemeinden schlechter waren, in denen die Wohnungsbauvereinigungen in der Vergabe ihrer Wohnungen unabhängiger waren, im Vergleich zu Städten, in denen die Gemeindeverwaltung eine stärkere Kontrolle über den Vermietungsprozess ausübte (a.a.O.: 557). Aktuell positioniert sich der nationale Dachverband der Wohnungsbauvereinigungen, Aedes, nicht mehr zum Thema ethnische Mischung. Eine Interviewanfrage der Autorin wurde freundlich mit dem Hinweis darauf abgelehnt, der Verband besitze kein Wissen zu diesem Thema. Die Ursachen hierfür sind vielfliltig. Zum einen ist der aktuelle Dachverband erst zu einem Zeitpunkt entstanden, als mit der Einführung von Woningnet Steuerungsmöglichkeiten der Wohnungsanbieter begrenzt wurden (Interview Slot). Zudem scheint der Verband ohnehin keine wichtige Rolle zu spielen, da er zum Zeitpunkt der Untersuchung im Frühjahr 2009 mit Skandalen und personellen Veränderungen konfrontiert war (Interview Kullberg). Seit Einführung der standardisierten Wohnungsvergabe durch Woningnet scheinen sich die meisten Wohnungsbauvereinigungen von der Idee verabschiedet zu haben, die Zusammensetzung der Mieterschaft in ethnischer Hinsicht beeinflussen zu wollen. Im Hinblick auf die soziale Ausdifferenzierung und soziale Mischung der Kunden durch die Erweiterung des Portfolios um Eigentumswohnungen und höherpreisige Mietwohnungen stellen die Wohnungsbauvereinigungenjedoch den zentralen Akteur dar. Wie auch zwischen den Gemeinden gravierende Unterschiede in den Ansätzen und Zielsetzungen einer sozialen Mischung bestehen, scheinen auch die lokalen Wohnungsanbieter dem jeweiligen Leitmotiv der Stadt zu folgen. So heißt es in einem Dokument der Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung, de Alliantie (2006: 3), das Unternehmen stehe einer ,,Bevölkerungspolitik" skeptisch gegenüber, da soziale Fragen wie "Chancenarmut", fehlende soziale Kohäsion und Integration nicht dadurch gelöst werden könnten, dass unterschiedliche Hausarten angeboten 387
würden. Ein Wohngebiet könne zwar durchaus hinsichtlich Kultur, Ethnizität und Lebensstil "einseitig" sein. Die Wohnungsbauvereinigung wolle jedoch vorsichtig mit diesem Thema umgehen, da die einer kulturellen Mischungspolitik zugrundeliegenden Ziele häufig unklar und die Möglichkeiten der Beeinflussung gering seien. ,,Es ist zu einfach zu denken, dass eine kulturell gemischte Bewohnerschaft zu einer attraktiven Nachbarschaft, geschweige denn zu Integration führt. Auf der anderen Seite können wir sehen, dass bestimmte gemischte Nachbarschaften (...) sehr begehrt sind" (de Alliantie 2006: 5, Übersetzung der Autorin). Trotz dieser abwägenden Haltung besteht bei einigen Wohnungsbauvereinigungen der Anspruch fort, die Nachbarschaften dahingehend zu beeinflussen, dass Lebensstile nicht konfligieren. Die interviewten Mitarbeiter einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung erläutern, dass es trotz der standardisierten Vergabeverfahren Möglichkeiten für die corporaties gebe, die Bewohnerzusammensetzung zu steuern. Dies könne etwa über die Preisgestaltung erfolgen, wenn für bestimmte Wohnungen eine Einkommensobergrenze festgelegt würde. Eine weitere, inoffizielle Steuerungsoption bestehe darin, die Mietkosten geringfiigig für eine bestimmte, zu vermietende Wohnung anzuheben, sodass die Bezieher von Wohngeld im vornherein ausgeschlossen würden. De Alliantie würde andererseits versuchen, Wohnungen auf einem Preisniveau zu halten, das Wohngeldempfängern offen stehe. Anderswo würden Wohnungen als für Kinder ungeeignet ausgegeben, um ein gehobeneres Klientel anzuziehen (Interview Dingemans). Eine wichtige Rolle spielten dabei die Mitarbeiter vor Ort, die ein gutes Gespür für die Stimmung in den Nachbarschaften hätten. Dabei werde die Ethnizität der Mieter jedoch in ihrem Unternehmen nicht erhoben, auch wenn dies manchmal wünschenswert wäre, zumal der Migrantenanteil zugrundegelegt werde, um ein Problemgebiet zu definieren (Interviews Dingemans; Hoogvliet).
7.3.5 Kritik an den gängigen Policies Mangelnde empirische Basis In allen untersuchten Ländern wird vor allem von wissenschaftlicher Seite bezweifelt, ob die Integration durch die oben dargestellten Mischungsversuche erleichtert werde. Auch der Report der European Union Agency for Fundamental Rights (2005: 3) vermochte kaum Hinweise daraufzu finden, dass eine erzwungene residentielle Mischung ein angemessener Weg zur sozialen Integration sei. Ebenso halten Phillips, Simpson und Ahmed (2008: 84) fest: "The justification for a policy approach that focuses on 'breaking down' segregation is, we would argue, rather shaky." Zudem haben Sozialwissenschaftler unterstrichen, dass es eine Illu388
sion sei zu glauben, dass die materiellen und ökonomischen Probleme der Migranten sowie ihre soziale Isolation und Deprivation dadurch aufzuheben sei, dass man sie über das Stadtgebiet verteilt (Wurtinger 1983: 67). Auch Dangschat hält fest, dass die Vorstellung, man könnte über die gleichmäßige Verteilung in der Stadt die Chancen auf Integration erhöhen, naiv sei, da "die Barrieren, in die Integrationsmärkte einzusteigen, viel vielfältiger sind, als in einem Quartier zu wohnen" (zit. in MASQT 2000: 28). Autoren wie SiebeVHäußermann (2001) und Andersson/ Musterd (2005: 378-379) haben betont, dass Integrationsprobleme auch bei einer besseren Verteilung nicht abnähmen, sondern nur weniger augenfällig würden. Die Mischungsversuche böten politischen Akteuren eine Möglichkeit, Handlungen zu demonstrieren, auch wenn die Ursachen für Integrationsprobleme anderswo liegen. Dabei würden indes die Nachbarschaftsfaktoren überbewertet und strukturelle Faktoren, die integrationserschwerend sind, würden übersehen. In ihrer Überblicksarbeit zu niederländischen Policies, die aufethnische Mischung abzielen, kommen die beiden Autoren der Regierungsbehörde SCP zu dem Ergebnis, dass nur sehr wenig bekannt sei über die Effektivität der Interventionen. Zum einen gebe es nur in sehr geringem Maße Evaluierungen und wo solche Untersuchungen durchgeführt worden seien, seien sie zum einen kaum in der Lage, sich gegenüber methodologischer Kritik zu behaupten und zum anderen meist lediglich auf das sozioökonomische Profil der Nachbarschaften bezogen (Gijsberts/ Dagevos 2008: o.S.). Auch Musterd (2002b: 139) fordert: "Policies aimed at improving opportunities also require a more thorough testing of the basic assumptions that underpin them." Versuche, über eine wohnungspolitische Steuerung der Bevölkerungszusammensetzung die Integration der Minderheiten zu fördern, wurden in NL nicht nur hinsichtlich ihres diskriminierenden Charakters, sondern vor allem auch hinsichtlich ihrer Prämissen kritisiert: "Integration cannot be enhanced simply by manipulating spatial concentrations. (...) From the analysis, it is clear that integration cannot be expected to improve, because it shows no relation with the level ofsegregation" (Mik 1983: 84-85). Da sich offizielle Mischungsstrategien vor allem auf die Herstellung von sozialer Mischung beziehen, sind im niederländischen Diskurs vor allem diese Ansätze von wissenschaftlicher Seite kritisiert worden. Es könne bezweifelt werden, ob Armutskonzentrationen in Europa negative Folgen hätten (Musterd 2002b: 140). Zudem prüften die Verantwortlichen nicht ausreichend, ob die Umgestaltung ehemaliger Sozialwohnungsbestände nicht zu einer Vertreibung und SchlechtersteIlung der ursprünglichen Bewohner führe (Gijsberts/Dagevos 2008: o.S.). Zudem führe ein gemischtes Wohnen nicht automatisch zu sozialer Interaktion, und individuelle Probleme der Bewohner würden nicht durch den Bau von Eigentumswohnungen in der Nachbarschaft gelöst (de Alliantie 2006:3). 389
Bemerkenswerterweise übernehmen damit selbst Kritiker das Metanarrativ "Integration", obgleich es bei den Mischungspolicies meist weniger wn die individuelle Sozialintegration der Migranten als vielmehr wn den gesellschaftlichen Zusammenhalt oder auch nur die Vermietbarkeit einer Nachbarschaft geht. Vor dem Hintergrund, dass einige niederländische Wohnungsbauvereinigungen sehr offensiv eingestehen, dass es in ihrer Belegungspolitik vor allem wn andere Ziele als die individuelle Integration durch Mischung gehe, hat Uitermark (2003: 546) die Konzentration der Wissenschaft auf die Untersuchung individueller Nachbarschaftseffekte kritisiert. Um das Zustandekommen von Policies zu erklären, greife es zu kurz, nur die Interessen der Bewohner zu untersuchen. Die wohnungspolitischen Akteure in NL gehen sehr unterschiedlich mit der Kritik an den Mischungspolicies wn. Der interviewte Mitarbeiter des Amsterdamer Wohnungsamtes, Kees Dignwn, kolportiert, seine Kollegen in der Gemeinde Utrecht reagierten häufig verärgert auf die Kritik der Utrechter Stadtgeographen Ronald van Kempen und Gideon Bolt an den städtischen Mischungsversuchen (Interview Dignwn). Der Amsterdamer Umgang mit wissenschaftlicher Kritik sowohl auf Seiten der Wohnungsbauvereinigungen als auch der Gemeinde - ist hingegen weitaus offensiver. "Natürlich wird einem Arbeitslosen nicht zu einem Arbeitsplatz verholfen, indem in seiner Straße eine Eigentumswohnung gebaut wird, aber jeder wünscht sich ein angenehmes Wohnen und dabei spielt das Image der Nachbarschaft eine furchtbar wichtige Rolle", heißt es in einer Stellungnahme der Wohnungsbauvereinigung de Alliantie (2006: 7; Übersetzung der Autorin). Auch Kees Dignwn hält die Kritik an der mangelnden integrativen Wirkung der städtischen Wohnungsbaupolitik :für unpassend, da die Ansprüche an die gesellschaftliche Wirkung der Policies nicht so hoch seien, wie durch die Kritiker unterstellt: ,,In Amsterdam this information about integration and segregation is not very hot as I told yoll, so when people from the universities find out that urban renewal has not mueh effect on integration or living quality, now we are not very mueh eoneerned beeause we think that we are improving the housing quality and this is the main purpose of our poliey" (Interview Dignum).
In deutlicher Parallele zum deutschen Fall wird von Goodchild und eole (2001: 104) kritisiert, dass die Sprache von Politik und Praxis bezüglich "sozialer Ausgewogenheit" zu vage :für eine genauere Untersuchung sei, aber möglicherweise gerade hierin ihre Attraktivität bestehe. Die Aussage, wohnungspolitische Akteure fänden es in der Regel einfacher, Probleme eines "Ungleichgewichts" zu bestimmen anstatt die Vorteile einer "Balance" zu benennen (a.a.O.: 112), lässt sich auf den deutschen Fall übertragen, in dem keiner der Interviewpartner in der Lage war, das von ihm propagierte Ideal der "sozialen Stabilität" näher zu definieren. 390
Willkürlichkeit der Quoten Eine weitere Kritik an starren Mischungsversuchen bezieht sich auf die Operationalisierung in Form von Obergrenzen und Quoten. So ist die früher in der BRD weit verbreitete Schwelle von 15% obsolet, wenn aufgrund des demographischen Wandels der Ausländeranteil der Gesamtstadt darüber liegt. Mit einer heterogenen Zuwandererbevölkerung und einem wachsenden Anteil von Personen mit Migrationshintergrund offenbaren die vermeintlichen Schwellenwerte ihre wackelige Basis. Auch der deutsche Zuwanderungsrat (2004: 24) hält treffend fest: "Bei der Bestimmung von Aufnahme- und Integrationskapazitäten (...) führt die Suche nach einfachen Formeln und Fixgrößen in die Irre: So wie Migranten sich nicht in "die Gesellschaft" integrieren, hat auch "die Gesellschaft" keine starren Integrationskapazitäten." Quotierungen, die zwar auf dem Rückzug sind, aber immer noch Verwendung finden, suggerieren lediglich Wissenschaftlichkeit und Berechenbarkeit. Sie übersehen, dass die Bereitschaft zum Zusammenleben nicht von der Höhe des Migrantenantei1s abhängt, wie die Fälle von "Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer" in den ländlichen Regionen aller drei untersuchten Länder dramatisch belegen. Versuche, die Veränderung der Quartierseigenschaften als Möglichkeit der Bearbeitung sozialer Probleme zu sehen (Bürkner/GelinskylHelms 1998: 324), werden zudem von Stadtforschern kritisiert, die auf negative Erfahrungen des sodal engineering in der Vergangenheit hinweisen (AnderssonlMusterd 2005: 384). Auf der operativen Ebene wird die Umsetzbarkeit von Steuerungsversuchen angezweifelt, da durch die Verteilung von Neuzuwanderern und durch ein Belegungsmanagement unter Umständen neue Konzentrationen verhindert werden könnten, aber nicht bereits bestehende wieder aufgelöst (Kapphan 2005: 11). Es sei zudem ein Irrglaube, mit dem Fokus auf segregierte Stadtteile Segregation verringern zu wollen: "One ofthe main problems concerning policies aiming to reduce segregation is that anti-segregation policies would actually need to address the structural features of the entire city in order to reduce segregation efficiently. It is not possible to solve segregation problems if the focus is only on segregated areas since it is in fact a structural phenomenon" (European Foundation 2007a: 13).
Wenn davon ausgegangen wird, dass mit einer Policy nicht nur die Lösung eines Problems sondern zugleich seine Ursache transportiert wird, wird mit den in der BRD dominierenden Maßnahmen die vermeintliche Selbstsegregation der Minderheiten überbewertet. Die Notwendigkeit eines Politikwechsels wird verdrängt, da die räumliche Konzentration der Ausländer als Folge ungünstiger individueller Wohnortwahl verharmlost wird (Bartelheimer 1998a: o.S.).
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Mangelnde Kraft der Kategorie "Ausländer" Mit der Kritik an den Quotierungen geht der berechtigte Zweifel einher, ob die Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern, auf der diese Schwellenwerte beruhen, heute noch bedeutsam ist. Hinter dem Status Ausländer können sich sehr unterschiedliche Personengruppen verbergen und einen Migranten der Elitenzuwanderung ebenso erfassen wie jemanden, der vor Armut in der Dritten Welt geflüchtet ist. Zudem kann ein Ausländer bereits seit Jahrzehnten in der BRD leben, während ein Deutscher einen Migrationshintergrund besitzen und sich - etwa im Falle der Spätaussiedler - erst vergleichsweise kurz in der Bundesrepublik authalten kann. Der Versuch, die Stabilität oder Instabilität einer Nachbarschaft an ihrem Ausländeranteil festzumachen, ist auch insofern fragwürdig, als Nationalität oder ethnischer Hintergrund keine verlässlichen Wegweiser zur Identität oder zum Verhältnis zur restlichen Gesellschaft darstellen. Außerdem ist nicht jeder Stadtteil mit hohem Ausländeranteil instabil. Von vielen Stadtteilakteuren wird sogar die soziale Stabilisierung benachteiligter Quartiere durch Bewohner mit Migrationshintergrund und ihre vergleichsweise stabilen, kompensatorisch wirksamen Familien- und Netzwerkstrukturen hervorgehoben (Staubach 2005a: 210). In solchen Fällen, in denen die segregationsbezogene Problemdefinition auf einer einfachen Dichotomie von Ausländer und Nicht-Ausländer beruht, wird meist die Heterogenität der Bewohner übersehen (European Foundation 2007a: 19). Mischungsstrategien tragen dann dazu bei, "dass soziale Normalität in städtischen Wohnquartieren zunehmend in kulturellen Begriffen definiert wird und als eine Angelegenheit ,ungefiihrlicher' Bevölkerungszusammensetzungen begriffen wird" (Bürkner 2002: 92). Durch die Betonung der kulturellen Differenz werden soziale Differenzen übersehen (a.a.O.: 106). Dabei verläuft die Konfliktlinie weniger entlang der ethnischen Zugehörigkeit als vielmehr entlang der sozialen Milieus, auch der Generationen, wie Barbara John in einem Zeitungsinterview betont (Immobilien-Zeitung, 26.7.2007). Vom Planerladen (2005a: 31) wird darauf hingewiesen, dass ein "Ursache-Wirkungszusammenhang von Migrantenanteil einerseits und sozialen Konfliktsituationen in einzelnen Häusern andererseits nicht zu belegen ist." Auch die Stadtsoziologin Erika Spiegel (2001: 76) wirft die Frage auf, ob ein Quartier, in dem schon lang ansässige türkische Familien die Mehrheit bilden, nur deshalb als instabil zu bezeichnen sei, weil es für deutsche Mieter an Attraktivität verloren habe. Spielraum zur Diskriminierung durch Sachbearbeiter Eine weitere Schwierigkeit der Mischungsversuche in der BRD geht mit der Notwendigkeit einer großen Einschätzungs- und Urteilsfähigkeit der Unternehmen hinsichtlich einer ausgewogenen sozialen Zusammensetzung einher (EchterIBrühl 392
1984: 83). Gerade wenn der Diskriminierungsschutz zugunsten der Herstellung "sozial ausgewogener Bewohnerstrukturen" eingeschränkt wird, wäre es nötig, Belegungsverfahren konkret nachvollziehbar und transparent zu machen (vgl. Planerladen 2005a: 31). Obgleich von ihnen die "sozial sensible" Einzelfallentscheidung gepriesen wird, thematisieren insbesondere Vertreter der Wohnungswirtschaft zu keinem Zeitpunkt, wer diese Entscheidung konkret trifft und wie diese Person auf ihre Aufgabe vorbereitet wird, geschweige denn, inwieweit Sorge getragen wird, dass diese Einzelperson nicht diskriminierend handelt. Zudem führen die Quotierungsauflagen laut JanßenIPolat (2005: 95) dazu, dass Sachbearbeiter ihren persönlichen Eindruck lediglich zu Lasten der Mietbewerber geltend machen können. Eine Missachtung der Quotierung falle auf, während sie eine zusätzliche, persönliche Diskriminierung von Bewerbern durchaus zulasse. Dies steht im krassen Gegensatz zu den jüngeren Entwicklungen in NL und GB, wo versucht wird über choice based lettings die Handlungsspielräume des individuellen Sachbearbeiters stark einzuschränken. EU-rechtliche Bedenken Vom Planerladen (2005: 27) ist zudem angezweifelt worden, ob eine Quotierung mit EU-Recht zu vereinbaren ist, das die Freizügigkeit für alle EU-Bürger festschreibt. Zudem argumentiert der Planerladen, dass türkische Staatsbürger nach einem Urteil des europäischen Gerichtshofs als angehörige eines Assoziationsstaates gleichgestellt sein müssten. Keiner der Interviewten vermochte hierzu jedoch eine Aussage zu treffen. Paternalismus Von verschiedenen Autoren ist eine fundamentale Kritik an solchen Mischungsversuchen geübt worden, die nicht auf dem Aspekt der Freiwilligkeit beruhen. So wirft Erika Spiegel (2001: 75) die Frage auf, mit welchem Recht Menschen zu Instrumenten sozial- und wohnungspolitischer Programme werden, auf die sie selbst nur begrenzten Einfluss haben. Während beim Wohnungstausch zwischen älteren Mietern und Familien mit Kindern stets klar ist, dass dies nur auf Grundlage von Freiwilligkeit, nach angemessener Beratung und häufig mit einem materiellen Anreiz erfolgt, wird das Belegungsmanagement für Migranten in der BRD nach dem top-down-Prinzip entschieden (Planerladen 2005: 36). Die niederländische Autorin Trappenburg (2003: 300) karikiert den Paternalismus der Strategien, indem sie den zugrunde liegenden Gedanken ausformuliert: ,,Look members ofthe Turkish (Moroccan) minority group (...), you cannot all choose 10 live in area x of city A, surrounded by your fellow Arabs. That would not be fair 10 the original residents
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of area x. They have put up with quite a lot ofyou a1ready, and we think the residents of area y in city B have bad a relatively easy time so far. Why don't you apply fOT housing in B, preferably in area y" (ebd.).
Auch der 6. Familienbericht der Bundesregierung beanstandet, mit den Quotierungen würden Ausländer "wie Schadstoffe behandelt, für die Obergrenzen festzulegen sind" (BMFFJ 2000: 164). Von Bürkner (1987:226) wird zudem die Vorstellung kritisiert, nur deutsche Mittelschichtshaushalte könnten den Migranten als Vorbild dienen - eine Vorstellung, die sich etwa auch im Integrationskonzept des Kreises Offenbach (2003: 19) findet. Hier wird in sozial segregierten Nachbarscha:ften das Aufeinandertreffen von sozial Schwachen mit ähnlichen Problemen und geringerer sozialer Anerkennung gefürchtet, "die für Migranten keine positive Orientierung und Vorbilder repräsentieren." Hier wird abermals die Problematik des Integrationsbegriffs deutlich, da er zum einen implizit als einseitige Anpassungsleistung gefasst wird und zudem eine Annäherung der Migranten an deutsche Mittelschichtshaushalte, nicht aber an Haushalte der Unterschicht gewünscht wird. Soziale Selektivität des Mischungsideals Problematisch am Leitbild der "gesunden Mischung" ist zudem, dass in der Regel nicht alle Bevölkerungsgruppen dieser Forderung ausgesetzt sind und der Rückzug deutscher Mittelschichtshaushalte in soziale und ethnisch homogene Nachbarschaften nicht als Integrationsverweigerung interpretiert wird (Spiegel 2005: 6). Wie die interviewte Vertreterin des Städtetags unterstreicht, liegt dies natürlich zum einen daran, dass die Grundstückspreise in einem Villenvorort zu hoch sind, um den Bau von Sozialwohnungen zu ermöglichen. Außerdem fügt sie hinzu, dass die Anwohner gegen eine solche Entwicklung sicherlich in Opposition gehen würden. So wahrscheinlich wie dies ist, unterminiert diese Vermutung das dominante Narrativ, dass es vor allem die armen und "sozial schwachen" Teile der Bevölkerung seien, die mit den "Zumutungen" der Fremdheit (SiebellHäußermann 2001: 74) am wenigsten umgehen könnten (ähnlich Deutscher Städtetag 2007b: 34).179 Beschränkung aufden vergleichsweise kleinen Sozialwohnungssektor Auf operativer Ebene ist an den Durchmischungsversuchen zudem zu kritisieren, dass sie in Großbritannien und Deutschland ohnehin nur beschränkt erfolgreich sind, da sie heute vor allem auf die Vergabe öffentlich geforderter Wohnungen beschränkt bleiben. ,,Ein quartiersbezogenes soziales Belegungsmanagement ist 179 Inwieweit Policies mit einer Zielgruppenkonstruktion (ScbneiderlIngram 1993) nicht nur der Minderheiten, sondern auch derAufnahmegesellschaft einhergehen, wird unter 7.5 analysiert.
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im Wohnungsbestand privater Eigentümer aufgrund der hohen Zahl von Eigentümern mit vielfach divergierenden Interessen nicht möglich" (ILS NRW: 11). Die Steuerungsflihigkeit nimmt zudem ab, da der Bestand sozialgebundenen Wohnraums fortlaufend schrumpft und die Bedeutung des kommunalen Belegungsrechtes als Instrument zur räumlichen "Verteilung" von Sozialwohnungsberechtigten dementsprechend abnimmt. Dies wird beispielsweise auch in der Magistratsvorlage zur Umsetzung des Nationalen Integrationsplans in Darmstadt vertreten, der eine Notwendigkeit konstatiert, "die städtischen Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich einer weiteren ethnischen Konzentration insbesondere in den Stadtteilen mit höheren sozialen Risiken zu überprüfen." Zugleich räumt er ein, dass "durch die Schrumpfung des kommunalen Wohnungsbestands die Steuerungsmöglichkeiten in diesem Bereich mit der Zeit immer geringer geworden" seien (Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt 2009: 22). Künstliche Verengung des Wohnungsangebots Volker Eichener, einer der bekanntesten Verfechter der etlmischen Mischung, hält bereits 1988 fest, dass die Dispersion der Migrantenhaushalte mit dem Ziel der quantitativen Wohnungsversorgung in Konflikt gerate (Eichener 1988: 305). Auch die European Union Agencyfor Fundamental Rights (2005: 94) kritisiert die Tendenz, Quoten anstelle der sozialen und kulturellen Bedürfnisse eines Zuwandererhaushalts im Auge zu haben. Ebenso berichtet der Planerladen (2004: 19) fiir Frankfurt, dass auf diesem angespannten Wohnungsmarkt große Wohnungen aufgrund der Quotierungen leer stünden (ähnlich bei Musterd/Ostendorf/Breebaart 1998: 189). Auch Bartelheimer (1998b: 12) geht fiir Frankfurt von einer Benachteiligung der durch die Quotenregelung erfassten Haushalte aus. So seien nichtdeutsche Bewerber mit einer Vermittlungsquote von 24,5% 1995 deutlich seltener erfolgreich gewesen als deutsche Wohnungssuchende (39,9%). 70,7% aller ausländischen Großfamilien hätten länger als zwei Jahre auf eine Wohnung warten müssen, unter den deutschen Haushalten gleicher Größe nur 29,7%. Ironischerweise wird durch die Marktverengung die Konzentration der Migranten in ihnen zugänglichen Beständen noch gefördert. Auch fiir Dortmund wird an anderer Stelle von Quotierungen in Neubauten gesprochen, die nach Aussage eines LEG-Vertreters "genau ins Gegenteil umgeschlagen [seien], da das Interesse von deutschen Bewerbern gar nicht vorhanden war, so daß nachher wieder 80% ausländische Mieter und nur 20% deutsche eingezogen sind." Um die Quotierung dennoch umzusetzen, seien zum Teil Leerstände hingenommen worden (Planerladen 1999: 39; fiir Genossenschaften im Allgemeinen siehe Mersmann 2005: 191). Aus Stuttgart wird ebenfalls berichtet, dass die Vergabe von Sozialwohnungen an Migrantenfamilien zum Teil verzögert worden sei, da aufgrund der Quotenre-
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gelungen keine passende Wohnung vermittelt werden konnte. In diesen Fällen wurden die Haushalte auf der Warteliste so lange übergangen, bis ihnen eine Wohnung in einem Häuserblock mit einem niedrigeren Anteil an Drittstaatlern zugewiesen werden konnte. Solche Exklusion ist möglich, obwohl eigentlich ein gleichberechtigter Anspruch auf die Versorgung mit sozialem Wohnraum für Ausländer besteht (European Foundation 2007a: 25). Zudem wurde in der Vergangenheit von verschiedenen deutschen Kommunen bekannt, dass an private Vermieter appelliert wurde, ihre Bestände nicht mehr an Migranten zu vermieten (für Duisburg siehe Hanhörster 1999: 104; für Hamburg siehe Klingeberg 1983a: 213). In einem niederländischen oder britischen Kontext wäre ein solch offen diskriminierendes Vorgehen undenkbar.
7.3.6 Fazit Der Vergleich der Desegregationsstrategien zwischen den drei Ländern hat einige Gegensätze zutage gefördert. "The instruments that appear natural in one nation to address its policy problems may not appear natural in another" (LinderlPeters 1989: 49). Trotz der Problematisierung von ethnischer Segregation in allen drei untersuchten Ländern wäre eine Steuerung, die explizit mit Zugangsbeschränkungen für Migranten arbeitet, in GB und NL illegal. In NL wird der Minderheitenanteil einer Nachbarschaft zwar als Problemindikator herangezogen, was in GB aktuell unüblich ist, aber die eigentlichen Desegregationsmaßnahmen sind "farbenblind". LinderlPeters (1989: 50) konstatieren, Länder mit einer eher dirigistischen Tradition könnten eher starke Eingriffe durch Policies gutheißen. Die Unterschiede zwischen den deutschen und britischen Mischungsversuchen dürften dementsprechend nicht allein auf eine unterschiedliche Sensibilität für Diskriminierung zurückzuführen sein, sondern ebenso darauf, dass GB als Heimat des politischen Individualismus und des wirtschaftlichen Liberalismus gelten kann (vgl. Norton 1990: 11). Der Aspekt der Wahlfreiheit - beispielsweise propagiert durch die Verbreitung der choice based lettings - zieht sich selbst durch solche kontroversen Policy-Dokumente, die die ethnische Segregation als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt betrachten. Die deutschen Maßnahmen hingegen zeichnen sich durch eine hohe Kontinuität bei geringer Formalisierung aus, wobei der Belegungspolitik der Wohnungsunternehmen das wohl größte Steuerungspotenzial zukommt. Dieses steht im Gegensatz zu den anderen beiden Ländern, wo die diesbezüglichen Handlungsspieträume der Wohnungsanbieter seit den 1990er Jahren stark beschnitten worden sind. Insofern kann das deutsche Leitbild der Mischung auch als Nicht-Policy gelten, da die 396
wesentlichen Verteilungswirkungen eher nicht durch offizielle Maßnahmen, sondern durch Steuerungsversuche privater Akteure bedingt sind. Bezüglich der sozialkonstruktionistischen Prämisse, dass die Lösung eines politischen Problems stets eine bestimmte Problemursache impliziert, lässt sich für den deutschen Fall festhalten, dass hier durch Quotierungen und Zuzugssperren die für zentral befundene freiwillige Segregation bekämpft wird, während die unfreiwillige - etwa durch Diskriminierung entstandene - ethnische Segregation durchaus zugelassen wird. In den Niederlanden und Großbritannien wird freiwillige Segregation hingegen als Problem wahrgenommen, aber dennoch zugelassen. Ein zentraler Unterschied besteht damit darin, dass die Mischungspolicies nicht immer konsequent an den jeweils nationalen Problemdiskurs anschließen. In GB lässt sich beispielsweise beobachten, wie die freiwillige Segregation im Zuge der Community-Cohesion-Debatte kritisiert wurde, in den eigentlichen Maßnahmendie zudem sehr vage bleiben - dann aber auf eine Ausweitung der Wahlfreiheit abgehoben wird, die bereits vor der Problematisierung von Segregation propagiert wurde. Es scheint, als entwickelten einige Konzepte eine Pfadabhängigkeit und würden dann argumentativ auf die neuen Herausforderungen umgedeutet. Vor dem Hintergrund eines mittlerweile weitgehend depolitisierten Politikfeldes Wohnen in der BRD handelt es sich bei den Mischungsversuchen trotz der Intensität der Eingriffe um ein Thema, das kaum öffentliches Interesse genießt und auch von der Wissenschaft weitgehend ignoriert wird. Im Vergleich dazu haben die relativ subtilen Mischungsversuche in GB und NL weitaus stärkere Reaktionen hervorgerufen - nicht zuletzt bei den Betroffenen. Neben ähnlichen Kritikpunkten wie in der BRD wird in GB noch stärker eine Verteilung der Minderheiten als Angriff auf deren Gemeinschaft gedeutet (Tomiins 2000: 165). Diese Haltung wird vor allem auch von Autoren mit eigenem Migrationshintergrund gegenüber älteren Eingriffen vertreten: "Our white liberal 'friends' ofthe time knew of course what was best for us; they knew that it was in our best interest to be dispersed; that our aggregation was synonymous with ghettoization; that as black people we will obviously be flattered to be placed among white people rather than having to live in communities in which the majority ofpeople are black. They knew our needs better than we ourselves did. Gur 'friends' and enemies were at one in ignoring alternative views" (James 1993: 261).
Ein weiterer fundamentaler Unterschied besteht dementsprechend dahingehend, dass Strategien einer erzwungenen Mischung in NL und GB durch den Druck der Zivilgesellschaft abgesetzt wurden oder von offizieller Seite als diskiminierend abgelehnt wurden, während in Deutschland selbst rigide Zuzugssperren lediglich aufgrund ihres großen bürokratischen Aufwandes eingestellt wurden. 397
Neben diesen Differenzen lassen sich aus dem Vergleich der deutschen, britischen und niederländischen Strategien im Umgang mit ethnischer Segregation folgende Gemeinsamkeiten ableiten. Zum einen weist die Problematisierung von ethnischer Segregation eine hohe Kontinuität auf, die sich bis in die 1960er/1970er Jahre zurückverfolgen lässt. Dennoch ist in allen drei Ländern der Eindruck entstanden, das Thema sei erst seit Anbeginn des neuen Jahrtausends auf der Tagesordnung. Insbesondere die Interviewpartner aus der Praxis konstatierten, dass sich ihre jeweilige Institution erst seit maximal zehn Jahren mit dem Thema auseinandersetze. Diese Wahrnehmung hängt eng damit zusammen, dass das Thema Segregation als "Geschichte des Niederganges" (Stone 1989) gefasst und damit transportiert wird, dass das Ausmaß des Problemes sich verschlimmert habe. Zudem müsste sonst eingestanden werden, dass die Praktiken in der Vergangenheit ihre Zielsetzung nicht erreicht haben. In allen drei Ländern sind die Problematisierung von ethnisch geprägten Quartieren und die daraus abgeleiteten Maßnahmen zudem weitgehend unabhängig von der Größe des Minderheitenanteils gewesen. In der BRD und NL wurde schon in den 1970er Jahren die damals so genannte Ballung in einigen Stadtvierteln gefürchtet, auch wenn zu diesem Zeitpunkt der Ausländeranteil ausgesprochen gering war. Allerdings hatte der Anwerbestopp nicht zur erwarteten Heimkehr der Zuwanderer geführt, sodass sich die "Einwanderungsländer wider Willen" gezwungen sahen, zu handeln. Auch in GB unterlag die Auseinandersetzung mit ethnischer Segregation Konjunkturen, die weitgehend unabhängig vom Ausmaß "des Problems" waren. Trotz der einheitlichen Policy-Richtung in den meisten europäischen Ländern wurden Grundlagen weder theoretisch noch empirisch überprüft und sind seit Jahren kontrovers (Galster 2007: 20). Ferner scheinen in allen untersuchten Ländern die Vorzüge von Mischung für die Gesellschaft und die Nachbarschaft im Speziellen hervorgehoben zu werden, anstatt die positiven Einflüsse auf das Individuum. Hierin besteht ein Bruch mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema, die sich in Form der Untersuchungen zu den Nachbarschaftseffekten vor allem mit den Auswirkungen von ethnischer und sozialer Segregation auf die einzelnen Bewohner benachteiligter Gebiete befassen. Die überwiegend von Wissenschaftlern geäußerte Kritik an der Unterstellung, das Aufbrechen von Segregationsmustern könne die Integration erleichtern, übersieht, dass die Mischungspolicies unter dem Metanarrativ Integration sehr heterogene Zielsetzungen verfolgen. Während die Wissenschaftler - in der Tradition der Quartierseffektforschung - auf die individuellen Folgen von Segregation konzentriert sind, geht es bei den Mischungsstrategien ebenso darum, Stadtteile lebens398
werteT und damit vermietbar zu machen sowie die Steuerbasis für Kommunen durch die Herstellung von Attraktivität für Mittelschichtshaushalte sicherzustellen und den Wohnstandort in Konkurrenz zu anderen Städten zu behaupten. Dementsprechend schwer lassen sich die Maßnahmen evaluieren. Die vage storyline zu Integration und Kohäsion in allen drei Ländern, die auf common sense und nicht auf empirischer Forschung beruht, verbindet dabei diejenigen Befürworter, die tatsächlich an negative Nachbarschaftseffekte glauben und diejenigen, die mit den Mischungspolicies andere Ziele verfolgen. Als zentrale Gemeinsamkeit und Fazit lässt sich zudem festhalten, dass in allen drei Ländern die diskutierten Versuche, eine Mischung von Mehrheit und Minderheiten herzustellen, durch andere wohnungspolitische Strategien konterkariert wurden. Zu nennen wären hier etwa die Verschärfung von Versorgungsproblemen durch die Deregulierung des deutschen und britischen Wohnungsmarktes in den 1980er Jahren sowie die Residualisierung des Sozialwohnungssektors in beiden Staaten. Dementsprechend ist die Stärke der Diskussion um angemessene Mischungsversuche weitgehend unabhängig von der eigentlichen Handlungsfähigkeil, ein solches Ideal überhaupt umzusetzen (vgl. StaubachlVeith 1997: 172). ,,[I]t must be kept in mind that in many countries the rhetoric of achieving integration through housing policies is greater than the reality" (EUMC 2005:89).
7.4 Diskurspartner und Wissensquellen Wenn Policies in einem wissenspolitologischen Verständnis als sedimentiertes Wissen gelten (vgl. Rüb 2006: 347), stellt sich die Frage, woher die relevanten Akteure ihr Wissen beziehen. Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei geht es darum aufzuzeigen, welche Ideen zu ethnischer Mischung sich behaupten können, welche Akteure es schaffen, ihre Expertise am "Wissensmarkt" zu platzieren und ob sich Diskurskoalitionen nachweisen lassen, die gemeinsam versuchen, eine bestimmte Deutung eines Problems durchzusetzen.
7.4.1 " Mantra der Mischung" statt speaking truth to power Auffällig ist die Einheitlichkeit in allen drei untersuchten Ländern, mit der von wissenschaftlicher Seite die Problematisierung von ethnischer Segregation und vor allem die Herstellung einer ethnischen und sozialen Mischung in Frage gestellt werden. Die technokratische Vorstellung, wissenschaftliche Erkenntnis könnte Politik anleiten und zu einer rationalen Problemlösung verhelfen (speaking 399
truth to power), scheint sich in allen drei Ländern nicht zu erfiUlen. Während es sich insgesamt als schwierig entpuppt, Diskurskoalitionen aufzudecken, besteht eine Gemeinsamkeit der drei Länder darin, dass der Gegendiskurs zu einer Politik der Mischung von Wissenschaftlern - überwiegend Geographen und Soziologengetragen wird. Deutschland Verschiedenfach ist auf die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis in Fragen der Segregation verwiesen worden (z.B. Eichener 1988: 330; Planerladen 2005: 19). Insbesondere die Belegungssteuerung der Wohnungsunternehmen bezüglich der ethnischen Zusammensetzung der Mieterschaft scheint fast ausschließlich auf den Erfahrungswerten des einzelnen Unternehmens zu beruhen und kaum an wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema rückgekoppelt zu sein. Wissenschaftliche Positionen zum Thema ethnische Segregation werden dabei nicht nur nicht rezipiert, sondern in der Regel auch als wirklichkeitsfern abgetan. Vorgehensweisen basieren auf dem common sense des jeweiligen Unternehmens. "Während streckenweise ohne entsprechende wissenschaftliche Absicherung, ohne Verwissenschaftlichung, kein Konflikt erfolgreich ausgetragen werden kann (...), behauptet sich in anderen Zusammenhängen Alltagserfahrung als konkurrenzlos geltendes Wissen" (NullmeierlRüb 1993: 30). Die Deutungsmuster der Wohnungsanbieter können ihren eigenen Monopolcharakter behaupten und werden nur selten in Frage gestellt. Ein großer Einfluss auf die Positionierung der Wohnungsunternehmen wird den Veröffentlichungen der Wohnungswirtschaft selbst unterstellt. Zu diesen selbstreferenziellen Veröffentlichungen werden in der Regel die Arbeiten des heutigen geschäftsführenden wissenschaftlichen Direktors des InWIS180, Volker Eichener, gezählt, dem zugeschrieben wird, mit seiner Dissertation aus dem Jahr 1988 die in der Wohnungswirtschaft lange Zeit gängige Faustformel von ,,höchstens 15% Ausländer pro Haus" geprägt zu haben (Planerladen 2005: 27). In den geführten Interviews wurde seine direkte Bedeutung für die Strategieentwicklung der Wohnungswirtschaft jedoch unterschiedlich eingeschätzt, wenn auch deutlich wurde, dass sein Name den Interviewpartnern durchweg bekannt war. Nach Einschätzung von Roswitha Sinz (Interview) vom VdW Rheinland Westfalen sind Quoten schon früher verbreitet gewesen. Eichener ist jedoch der einzige Wissenschaftler, der sich derart konstant zu diesem Thema geäußert hat. Zudem ist es ihm gelungen, seine Argumentation und Handlungsempfehlungen zu monopolisieren, da seinen Ausfiihrungen eine quasi "wissenschaftliche Autorität" anhängt 180 Die InWIS GmbH ist ein gemeinnütziges Forschungs- und Wissenschaftsinstitut im Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Bochurn.
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und seine Deutungsmuster bei vielen Vertretern der Wohnungswirtschaft auf große Resonanz stoßen. Die Auseinandersetzung mit seinen Empfehlungen musste nämlich nicht die eigene Haltung in Frage stellen, sondern bestätigte, was in großen Teilen der Wohnungswirtschaft ohnehin schon für "wahr" gehalten wurde. Während wissenschaftliche Arbeiten, die die negative Folgewirkungen von ethnischer Segregation gering einschätzen, als weltfremd gebrandmarkt werden, passen die stets sehr praxisbezogenen, wenn auch wissenschaftlich angreifbaren Aussagen ins Weltbild und fließen daher in den Spezialdiskurs der Wohnungswirtschaft ein. Während der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen eher als klassische Interessenvertretung fungiert und sich über Pressemitteilungen sowie Verlautbarungen zu Gesetzgebungsverfahren hinaus inhaltlich kaum mit dem Thema Segregation auseinanderzusetzen scheint, ist es insbesondere der vhw - Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung, der sich in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Tagungen und Veröffentlichungen im Rahmen seines Verbandsmagazins sowie durch die von ihm mit beauftragte SinusStudie dem Gegenstand zugewendet hat. Er bietet somit auch wissenschaftlichen Arbeiten ein Forum, das insbesondere auch von wohnungswirtschaftlichen und -politischen Akteuren wahrgenommen wird. Dabei verschafft er vor allem auch solchen Standpunkten Gehör, die Steuerungsversuche hinsichtlich ethnischer Mischung eher kritisch bewerten. Großbritannien Während in der BRD eine starke Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis bezüglich der Bewertung von ethnischer Segregation festzustellen ist und wissenschaftliche Erkenntnisse anscheinend kaum rezipiert werden, schreibt sich die britische Politik auf die Fahnen, evidenzbasiert zu sein. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich aber auch hier Antagonismen in der wissenschaftlichen Bewertung von Segregation und ihrer Problematisierung durch viele Praktiker, die denen in der BRD recht ähnlich sind. Laut Parsons (2007: 537) ist eine analytische Herangehensweise an öffentliche Probleme schon immer kennzeichnend für britische Politik gewesen. Einen Bedeutungszuwachs gewann die Betonung der Evidenzbasiertheit unter New Labour, die ihre Policies damit einerseits vom Thatcherismus, andererseits aber auch vom Kollektivismus alter Labour-Regierungen abzugrenzen versuchte (Goodchild/ Cole 2001: 109). David Robinson vom in Sheffield, dem wohl relevantesten Institut der wohnungspolitischen Auftragsforschung in Großbritannien, konstatiert jedoch nach elf Jahren Labour-Regierung ein Abrücken vom Ideal der Evidenzbasiertheit. In Labours erster Amtszeit sei die Regierung sehr bereitwillig gewesen, 401
Policy-Analysen in Auftrag zu geben, da die Konzepte, die darin kritisiert wurden, nicht ihre eigenen, sondern die Policies der abgewählten Konservativen gewesen seien. Die Vorstellung einer evidenzbasierten Politik habe den Zweck gehabt, sich als Partei zu konstruieren, die sich von linken Ideologien zugunsten von faktenbasiertem Policy-Wissen abgewendet habe. Im Laufe der Zeit sei jedoch zu beobachten gewesen, dass Labour viel vorsichtiger geworden sei, Arbeiten zu beauftragen oder zu veröffentlichen, die sowohl ihre Diagnose des Problems Segregation als auch dessen Lösungsansätze herausfordern könnten (siehe auch Interview Harrison). In der Konsequenz zeichnet Robinson damit ein Bild, das dem fiir Deutschland festgestellten Umgang mit ethnischer und sozialer Segregation stark ähnelt: ,,1 !hink the reality was that they were driven by an ideology like every other government is being driven by an ideology. (...) There is so litde evidence to justify the idea of ,cultures ofworklessness'. Hut that nation is driving virtually all of the governments' responses (00 .). Similar of "community cohesion", notions around segregation; but actually, ifyou look at the academic literature, it is challenging the notion that segregation is driven by the actions and aspirations of particular households, i.e. it is not self-segregation; it is driven by structural forces rather and inequalities within the housing rnarkets. I !hink there is more and more of a gap ernerging between academic discourse and policy discourse in the UK, as time goes on" (Interview Robinson).
Der Anspruch, Policies auf Grundlage von wissenschaftlichen Ergebnissen abzustützen, findet sich indes auch bei der Regulierungsbehörde fiir den Sozialwohnungssektor. Im Gegensatz zu den wohnungswirtschaftlichen Verbänden in der BRD, die unabhängige wissenschaftliche Forschung kaum zu rezipieren scheinen und ihre Argumentation überwiegend an den "gesunden Menschenverstand" und das Erfahrungswissen der Unternehmen anlehnen, hat die Housing Corporation eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen bei unabhängigen Wissenschaftlern verschiedener, meist universitärer Institute in Auftrag gegeben. Dabei wird darauf wert gelegt, dass die Berichte fiir Personen außerhalb des Wissenschaftsbereichs und damit insbesondere fiir die im Wohnungssektor Tätigen zugänglich sind (Housing Corporation/CIH 2008: 1). Eine Evaluierung dieser Bemühungen auf Ebene der Anbieter von Wohnraum kam jedoch zu ähnlichen Ergebnissen wie sie auch fiir Deutschland nahe liegen, nämlich dass viele Wohnungsbauvereinigungen zu sehr in ihr Alltagsgeschäft eingebunden seien, als dass sie das Material tatsächlich lesen könnten (MDA 2003: 2). Die Evaluierung folgerte zudem, dass die Regulierungsbehörde sogar zu viele Informationen bereitstelle, wodurch sich die Wohnungsanbieter häufig überfordert fühlten (a.a.O.: 46). Trotz der Selbstwahrnehmung der mittlerweile abgewählten Labour-Regierung, evidenzbasierte Politik zu betreiben, sind die Ergebnisse dem deutschen Vorgehen 402
also sehr ähnlich: ,,[A]n apparent lack of data does not appear to be a concern when it comes to asserting the storylines of community cohesion" (Robinson 2008: 24). Dennoch ist aufflillig, dass in GB deutlich mehr wissenschaftliche Autoren als in der BRD Stellung beziehen und auch von den Praktikern wahrgenommen werden. Dies liegt vermutlich daran, dass es in GB überwiegend Universitätsinstitute sind, die Forschungsaufträge für die verschiedenen Ministerien übernehmen, deren Mitarbeiter aber bemüht sind, ihre Unabhängigkeit zu bewahren: ,,[I]t is this kind of strange relationship where you say, well, ok, this is what the government is interested in, what can we get as good out of this. But then I go and write an academic piece which kind of challenges the whole kind of logic and artifice of it", beschreibt David Robinson im Interview das verbreitete Vorgehen. Dementsprechend findet man häufig Policy-Handreichungen von Wissenschaftlern, die in ihren eigenen Forschungsarbeiten dann dieselben Policies deutlich stärker kritisieren (siehe etwa Tunstall2003; TunstalllFenton 2006). Zudem ist auffli1lig, dass unter den Wissenschaftlern eine viel stärkere Bezugnahme aufeinander erfolgt. Auch Ted Cantle, der mit seinen Berichten für die britische Regierung die Interpretation der Unruhen von 2001 vorgegeben hat, reagiert in seinen Veröffentlichungen zur community cohesion auf die Aussagen seiner Kritiker, die er zu widerlegen versucht. Dies mag an einer gewissen persönlichen Eitelkeit liegen, aber auch am Anspruch, sich fundiert mit dem Thema auseinanderzusetzen. So wie er versuchen sich auch andere Autoren am Wissensmarkt zu positionieren, da die Community-Cohesion-Agenda zu einer lukrativen Einkommensquelle für Policy-Berater geworden ist. Die stärkere Rezeption von wissenschaftlichen Arbeiten in GB zeigt sich zudem daran, dass hier in offiziellen Quellen deutlich stärker auf einige wissenschaftliche Konzepte Bezug genommen wird. Diese sollen im Folgenden kurz beleuchtet werden. Die Nutzung kommunitaristischer Ideen ist ein Beispiel für das, was von McGhee (2007: 380) als Labours Neigung bezeichnet wird, sich wie in einem Supermarkt hochgradig selektiv an wissenschaftlichen Theorien zu bedienen und wie bei einem Schaufenstereinbruch eilig und willkürlich einige Konzepte und Theorien zu greifen. Nachdem Thatcher das Konzept der Gemeinschaft verleugnet hatte, positionierte sich auch New Labour neu und schüttelte die Idee des Kollektivismus ab zugunsten eines neuen Gemeinschaftsbegriffs, der durch staatsbürgerliche Werte und soziale Verantwortlichkeit geprägt ist (Cantle 2008: 51). Eine Ursache für die Popularität des Community-Begriffs besteht für David Robinson darin, dass er für linke und rechte Politiker attraktiv sei:
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,,For the right it is: the welfare state and big government undercuts the ability of communities and people 10 work together, to solve their own problems and take responsibility (that's the key word: responsibility) for themselves. And from the left it is kind of [criticising] the overt individualism of 'there is no such thing as society' 181 that has forgotten that actually people are grounded in a pIace where they have communal relationships, and those are important, and those should be nurtured" (Interview).
Angesichts dessen, dass der Begriff der Gemeinschaft so zentral ist, wird er allerdings kaum präzisiert (Robinson 2008: 30). Einerseits wird das Konzept oftmals im Sinne einer "ethnischen Gemeinschaft" verwendet, andererseits sind die Grenzen der Community häufig durch Bezirks- oder Stadtteilgrenzen definiert (Bagguley/ Hussain 2006: 355). Die Betonung der Community verschwimmt im aktuellen britischen Integrationsdiskurs mit der Kontakthypothese sowie vor allem Putnams Verständnis von Sozialkapital (Robinson 2005: 1423; McGhee 2007: 50; KeamslMason 2007: 667). Putnams Ideen sind wiederholt und explizit in britischen Policy-Dokumenten aufgegriffen worden mit einer Betonung auf der Notwendigkeit von "briickenbildendem" (bridging) im Gegensatz zu aufKräften der inneren Bindung beruhendem (bonding) Sozialkapital (Commission on Integration and Cohesion 2007: 111; LGA 2004: 52; ClH 2003: 2). Während alle Initiativen, die Verbindungen zwischen Personen unterschiedlichen Hintergrunds herstellen, sinnbildlich fiir die neue Betonung auf Kohäsion sind, wird das bonding sodal capital verdächtigt, die Abschottung von ethnischen Gruppen zu fördem. 182 So ist auch das Abrücken der britischen Regierung von der Förderung ethnischer Gruppen hin zu einer ethnisch gemischten Bereitstellung sozialer Dienstleistungen zu verstehen (Hickman/CrowleylMai 2008: 13). Diese Haltung ist dafiir kritisiert worden, dass sie das soziale Kapital der ethnischen Minderheiten und deren auf die eigene Gemeinschaft bezogenes Engagement plötzlich zum Problem erhebe (Bagguley/Hussain 2006: 355). Die Betonung des brückenbildenden Sozialkapitals entspricht der Ablehnung der "parallelen Leben", wie sie durch den Cantle-Report konstruiert wurden (Perry 2008a: 11). In diesem Verständnis kommen Gemeinschaften "voran" durch breitere Netzwerke, anstatt durch solidarische, emotionale und materielle Unterstützung nur ,,zurecht zu kommen". Die Mischung der Wohnungsarten gilt als ein Beispiel fiir die Versuche der britischen Regierung, durch eine Erhöhung des So-
181 Ausspruch von Margret Thatcher. 182 Etwas abgeschwächt heißt es dagegen in der Stellungnahme der Commission on Integration anti Cohesion (2007: Ill): ,,Both forms ofsocial capital benefit a oommunity and its mernbers, but only bridging capital is about people from different groups getting on (key 10 our measure of 00hesion) although we have found that bonding capital can give people the confidence they need in order 10 bridge."
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zialkapitals die Umstände armer Gemeinschaften zu verbessern (KearnslMason 2007: 667). Von britischen Autoren ist angesichts der starken Putnam-Rezeption durch die britische Regierung vor allem kritisiert worden, das dessen letzte Veröffentlichung (Putnam 2007) von den Massenmedien diskutiert worden sei, wie kaum eine andere wissenschaftliche Untersuchung zuvor. Darin konstatiert Putnam, dass umso weniger Bürger zur Wahl gingen, sich umso weniger ehrenamtlich engagierten und vor allem ein umso geringeres Vertrauen gegenüber ihren Nachbarn hätten, je größer die ethnische Diversität in einer Gemeinschaft sei. Von britischen Autoren ist infrage gestellt worden, inwieweit diese in den USA gemachten Beobachtungen auf den britischen Fall übertragbar seien. Untersuchungen in GB hätten gezeigt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht durch ein hohes Maß an ethnischer Heterogenität gemindert werde (perry 2008a: 12; Hickman/Crowley/ Mai 2008: 13). Sämtliche Interviewpartner kritisierten zudem die starke Rezeption der urbanunderclass-Theorien, 183 die insbesondere in den 1990er Jahren die Stadtentwicklungspolitik der konservativen Regierung geprägt habe. Der Begriff der "Unterklasse" hatte in den 1980er Jahren in den USA Popularität erlangt und erklärte, insbesondere in den Arbeiten von Charles Murray (1990), das abweichende Verhalten der Innenstadtbevölkerung zur Ursache und zum definierenden Merkmal ihrer Armut. Mit dem devianten Verhalten in Form von Drogenkonsum, Gewalt und außerehelichen Geburten gehe eine Abhängigkeit vom Wohlfahrtstaat einher, der damit in Murrays Konzeption eine Mitschuld an den Lebensverhältnissen trägt (Lister 1996: 3-4). Aktuell wird von britischen Autoren eine Wandlung des Fokus der underclass-Theorie weg von den sozial benachteiligten weißen Council-Bewohnern hin zu den muslimischen communities beobachtet (Burnett 2007: 354). Ein Unterschied bestehe lediglich im unterstellten aktiven Rückzug bestimmter ethnischer und religiöser Gruppen im Gegensatz zur passiveren sozialräumlichen Isolierung, die den aktuellen Community-Cohesion-Diskurse von älteren Unterklasse-Theorien abhebe (Flint 2009). Niederlande Während in der BRD der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik im Feld der Integration vor allem über persönliche Kontakte erfolgt, ist die Verbindung in NL seit etwa 30 Jahren deutlich stärker institutionalisiert (Penninx/Scholten 2009: 183 Das Konzept wurde unter anderem von William Julius Wilson (1987) entwickelt, der sich später jedoch von der Verwendung des Begriffs distanzierte, da seine Betonung von strukturellen Ursachen für Armut in der Rezeption häufig übersehen wurden (Lister 1996: 3).
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3).184 Das Verhältnis von wissenschaftlichem Wissen und Integrationspolitik im weitesten Sinne ist in NL traditionell durch die "Versäulung" im Konkordanzsystem bestimmt gewesen. Wie bereits dargestellt wurden die Themen Migration und Integration bis in die 1990er Jahre bewusst depolitisiert. Die wachsende Heterogenität des niederländischen Staatsvolkes wurde stattdessen als (pseudo-) wissenschaftliches oder administratives Problem gefasst (penninx 2005: 39). Für diese Zeit spricht Peter Scholten (2007: 260) von einer "technokratischen Symbiose" von Wissenschaft und Politik, die ihren Ausdruck beispielsweise im Einfluss des Berichts des Wissenschaftlichen Rats für Regierungspolitik fand, der die Grundlage für die multikulturalistische "Minderheitenpolitik" legen sollte. "This was based, on the one hand, on a sense of social engagement and a strong policyorientation amongst researchers. Because of their specific involvement with the position of minorities, researchers, amongst others, became important advocates of a Minorities Policy in this period" (a.a.O.: 261). Charakterisiert war diese Epoche durch einen positivistischen Glauben an die Lösbarkeit politischer Probleme auf Grundlage fundierten Wissens. Mit der Skandalisierung von Einwanderung und Integration in den 1990er Jahren gerieten nicht nur die vermeintlich integrationsunwilligen Minderheiten, sondern auch ihre vermeintlichen politischen Verbündeten unter Beschuss (Uitermarkl Duyvendak 2005: 14). Insbesondere im neuen Jahrtausend, als sich der Politikstil scheinbar endgültig von einer konsensorientierten Konfliktlösung hin zum Primat von Parteipolitik und Konfrontation verändert hatte, wurde die Rolle der Experten in diesem Politikfeld scharf in Zweifel gezogen. "Thus, from a belief in the scientific frarning of this problem, there was a trend of increasing cynicism toward scientific problem frarning and a strongly politicised approach to problem framing" (Scholten 2007: 265). Die technokratische Ausgestaltung des Wissenschaft-Politik-Nexus, die das Feld in früheren Jahren gekennzeichnet hatte, wurde nun als undemokratisch abgetan. "As a consequence, the consensual style ofusing expertise in policymaking and implementation was now replaced by a more selective 'pick-and-choose' strategy aiming at scientific expertise" (Bruquetas-Callejo et al. 2007: 30). Die für die vorliegende Arbeit interviewten niederländischen Segregationsforscher (van Kempen; Bolt; Musterd) äußerten sich allesamt skeptisch, was den Einfluss ihrer Forschungsergebnisse auf die Politikgestaltung aufnationaler Ebene
184 Allerdings halten Penninx/Scholten (2009: 3) fest, dass die deutsche Wissenschafts-Policy-Beziehung in Integrationsfragen im 21. Jahrhundert durch die Etablierung einer Forschungseinheit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stärker institutionalisiert worden sei.
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hinsichtlich ethnischer und sozialer Mischung angeht. 185 Forschungsergebnisse würden nur genutzt, wenn sie die bereits eingeschlagene Politik unterstützten. Erkenntnisse, die die Politik der Mischung infrage stellten, würden abgewiesen oder umgedeutet. Forschungsergebnisse, insbesondere von unabhängigen Universitätsinstituten, würden eher als Behinderung und nicht als Hilfe empfunden. Auch Penninx/Scholten (2009: 1) halten fest, unter Forschern mache sich eine Desillusionierung bezüglich des Einflusses ihrer Forschungsergebnisse breit, da es schwieriger werde, unwillkommene Botschaften abzuliefern. Dies steht im krassen Widerspruch zu einem Konferenz-Paper einer Mitarbeiterin des niederländischen Wohnungsbauministeriums, die "Wissen" angesichts von Deregulierung und abnehmenden Subventionen für ein immer wichtiger werdendes PolicyInstrument hält: ,,'Persuasion by speech' (i.e. promoting policy) and knowledge are becoming more important instruments for the national government in reaching its policy goals" (van Schie 2006: 4-5). Doch auch der Interviewpartner Ronald van Kempen kommt zu einer negativen Einschätzung der Wirkung von Forschungsergebnissen auf nationale und kommunale Policy-Maker. Auf eine gemeinsam mit Gideon Bolt veröffentlichte Monographie zum Stadtumbau hätten viele Akteure nahezu beleidigt reagiert und eine weitere Zusammenarbeit abgelehnt. Diese heftigen Reaktionen hätten häufig damit zu tun, dass die Forschungsergebnisse in den Medien verkürzt wiedergegeben würden und Praktiker die eigentlichen Forschungsarbeiten selbst nicht wahrnähmen. Ronald van Kempen und Gideon Bolt sprechen daher vom "Mantra der Mischung": "It is something you don't really need to think about. This whole idea of mixing is a kind of belief, like areligion. We are kind of atheists saying 'there is no god' and of course this does not have any effect on the belief' (Interview Bolt). Hier tritt deutlich eine der Grundüberlegungen der ideenbezogenenAnsätze der Policy-Forschung zutage, wonach Meinungsunterschiede den politischen Streit zu mehr machen als einem einfachen Interessenkonflikt (Hajer 2004: 272). Dies schlägt sich darin nieder, dass der interviewte Berater des niederländischen Wohnungsbauministeriums ebenfalls auf eine religiöse Metaphorik zurückgreift, indem er diejenigen Segregationsforscher, die die Mischungsstrategien kritisieren, scherzhaft als "Ungläubige" bezeichnet. Der Utrechter Stadtgeograph 185 Nach Aussage der Amsterdamer Interviewpartner Dignum und Musterd findet in Amsterdam hingegen auf Gemeindeebene ein reger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu den Politik:feldern Wohnen und Integration statt. Dies schlägt sich beispielsweise auch darin nieder, dass die Gemeinde Amsterdam 2004 einen interkulturellen Beirat eingesetzt hat, dem sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler angehören. Er ersetzte ein Gremium, in dem getreu älterer multikulturalistischer Ansätze ausschließlich Repräsentanten der ethnischen Minderheiten vertreten waren (van Helsum 2007: 44).
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Gideon Bolt ist sich seinerseits sicher, dass viele wohnungspolitische Akteure tatsächlich an die positiven Effekte ihrer Policies glaubten: "So I don't believe in any conspiracy idea that everybody is lying and has a hidden agenda. I think most people really believe in these policies" (Interview Bolt). Ein religiöses Motiv wird auch von Loretta Lees (2008: 2450) aufgegriffen, die das Ideal der sozialen Mischung als "unhinterfragtes Evangelium" des britischen und niederländischen Policy-Diskurses bezeichnet. Dennoch ist zu vermuten, dass zum Teil auch materielle Interessen einer stärkeren Perzeption von Forschungsergebnissen entgegenstehen. Jeroen Slot, stellvertretender Direktor des Amsterdamer Statistikamtes, sieht dies bei den Absprachen zwischen Kommune und Wohnungsbauvereinigungen bezüglich der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum gegeben: "This is very much politics. And now that these former public Housing Corporation are private (...) it is all about where can we make money. So this is what the deals are about and then it is not necessarily all kind of scientific or even statistical input that makes much of a difference." Trotz der Zweifel der interviewten Wissenschaftler ist bei der Autorin der Eindruck entstanden, dass Forschungsergebnisse auf Seiten der niederländischen Praktiker sehr wohl wahrgenommen werden. Insbesondere die Amsterdamer Interviewpartner thematisierten die Auseinandersetzungen zwischen Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern bezüglich einer auf soziale Mischung setzenden Stadtentwicklungspolitik: ,,Almost all seientists say that this is a bad poliey, beeause they say you don't help the individual by demolishing his house beeause he doesn't get a job by it. There is not more soeial eohesion beeause the rieh people and the poor people they don't mix really. And ethnie groups also don't mix. There is what they ea11 waterbed effeets so ifyou work in one neighbourhood they go to another neighbourhood" (Interview van de Veer).
Anstatt jedoch - wie es in der BRD der Fall zu sein scheint - die Forschungsergebnisse auf die Distanz der Forscher zur Situation "vor Ort" zurückzuführen und damit abzuwerten, reagieren zumindest die wohnungspolitischen Akteure in Amsterdam sehr offensiv auf die Kritik. Einvernehmlich verwiesen sie darauf, dass mit ihren wohnungspolitischen Mischungsversuchen keine Zielsetzung für eine bessere sozioökonomische Integration des Individuums verbunden sei, sondern es lediglich um die Aufwertung der Stadtteile für alle dort lebenden Bewohner gehe (siehe auch de Alliantie 2008): ,,[M]aybe we shouldn't think that we ean inerease social eohesion. Maybe that was also too naive to think that everyone nicely is having a mix and drinking coffee with each other. No, but we
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didn't expeet it, we never expected itl So you have the critieism of the soeia! seientists that say 'there is not more socia! cohesion' and the policy-makers saying 'Hut that was never OUf aim!' Although the seientists are right that some poliey-makers da have that as an aim" (Interview van de Veer).
Hiennit ist eine zentrale Einsicht der vorliegenden Arbeit verbunden, nämlich dass das vage Leitmotiv einer "gesunden Mischung" eine ebenso vage storyline bietet, unter der sich letztlich Akteure mit einer sehr heterogenen Agenda zu einer Diskurskoalition zusammenschließen. Das ,,Mantra der Mischung" (Bolt; van Kempen) verbindet dabei solche Akteure, die den neoliberalen Rückzug vom sozialen Wohnen aus Profitgründen zu einem Akt der Integrationspolitik machen, indem Gentrifizierung als positiv konnotierte Mischung verkauft wird, und solche Akteure, die von einer positiven Wirkung gemischter Nachbarschaften ehrlich überzeugt sind. 7.4.2 Austausch von Ideen unter wohnungspolitischen Praktikern
Angesichts der eher geringen Perzeption von empirischer Forschung bei einem im jeweiligen Land relativ einheitlichen Mischungsdiskurs ist zu vermuten, dass die wohnungspolitischen Akteure ihr Wissen zum Umgang mit ethnischer Segregation durch den Austausch mit anderen Praktikern gewinnen. Deutschland In der Tat lässt sich in Deutschland beobachten, dass einige Regionalverbände der deutschen Wohnungswirtschaft versuchen, sich gezielt des Themas anzunehmen und durch ihre Positionen die Deutungsmuster und damit zusammenhängenden Praktiken ihrer Mitgliedsuntemehmen zu beeinflussen. So begreift Verbandsdirektor Ridinger die Versuche des VdW südwest, über Projektarbeit Unterstützung für die Mitgliedsunternehmen zu Integrationsthemen zu leisten, als Ausdruck der allgemeinen Bemühungen des Verbandes, als Ideengeber zu fungieren. Insgesamt sieht er weniger einen Austausch aufnationaler Ebene zur Integration durch Wohnungspolitik, als eher eine "schon fast regionale Basisarbeit". Deutlich wird jedoch auch, dass das Engagement in diesem Bereich überwiegend von Einzelpersonen im Verband abhängt und sich zudem ein Nord-Süd-Gefälle abzeichnet. Roswitha Sinz vom VdW Rheinland Westfalen berichtet, dass die Beschäftigung mit dem Aspekt Integration über die Auseinandersetzung mit den Folgen des demographischen Wandels mit dem Amtsantritt des neuen Verbandsdirektors Schneider im Jahr 200 I erfolgte. Ihr Verband habe in den darauf folgenden Jahren die Mischung "beerdigt". Der VdW Rheinland Westfalen nutze seine regelmäßig stattfindenden Foren, um eine Richtung vorzugeben, um dann mit Folgeveranstaltungen nachzu-
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haken, damit die neue Linie auch operativ wird. Das bedeute nicht, dass sich die Unternehmen des Verbandes immer seinem Standpunkt anschließen, aber gesellschaftspolitische Fragestellungen würden sehr offen diskutiert. Während die regionalen Verbände der Rhein-Main-Neckar- und Ruhrschiene sich regelmäßig zum Thema positionieren, erfolgt - zumindest von außen betrachtet - in den anderen Verbänden anscheinend kaum eine aktive Auseinandersetzung. 186 Dies könnte auf verschiedene Ursachen hindeuten. Zum einen könnte die stärkere Präsenz des Themas in den südlicheren Wohnungsverbänden den größeren Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung in diesen klassischen Einwanderungsregionen des Landes abbilden. Dementsprechend könnte hier der wahrgenommene Handlungsbedarf größer sein als in solchen Bundesländern, die weniger stark von Zuwanderung geprägt sind. Eine zweite Erklärung könnte darin bestehen, dass die Verbände eine unterschiedliche Strategie der Außendarstellung verfolgen, ihre Beschäftigung also möglicherweise nicht nach außen dringt. Auf Seiten der Kommunen, dem zweiten zentralen Akteur der deutschen Mischungsstrategien, scheint ein regerer Austausch zum Thema stattzufinden. Zum einen wird die Auseinandersetzung über den Deutschen Städtetag angestoßen. Darüber hinaus berichtet Anna Lange von der Landeshauptstadt München, dass über Eurocities 187 seit vielen Jahren ein reger Austausch zu Integrationsthemen stattfinde und es darüber hinaus in strategischen Fragen der Stadtentwicklung enge Kontakte zu einzelnen europäischen Großstädten gebe. Großbritannien Während im deutschen Fall der Umgang mit ethnischer Segregation - zumindest auf Seiten der Wohnungsanbieter - nach Aussage der Interviewpartner kaum Grundlage eines Austauschs unter den Praktikern ist, scheinen die britischen Reaktionen stark durch den zentralistischen Charakter des Landes geprägt zu sein. Der Eindruck einer regen Auseinandersetzung zu Wohnfragen wird auch von Ted Cantle im Interview geteilt: ,,[T]here's quite a lot ofinteraction, I think, in the UK. There's interaction through constant seminars, conferences, learning events, organized largely by tbe professional body, or by tbe National Federation of Housing Associations. And tbe housing conferences each year are huge, very weil supported, Housing Ministers, Prime-Ministers turn up tbere, so tbere's a lot of emphasis on professionallearning and sharing and development".
186 Allerdings veranstaltete der VNW - Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen im Mai 2004 einen Workshop zum Beitrag des Wohnens für die Integration von Migranten. 187 Eurocities ist ein Netzwerk aus 130 europäischen Stätden"to share knowledge and ideas, to exchange experiences, to analyse common problems and develop innovative solutions, through a wide range ofForums, Working Groups, Projects, activities and events" (http://www.eurocities.eu).
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Wie bereits erläutert, sind die Anbieter von sozialem Wohnraum über ihre Regulierungsbehörde nicht nur stärker in ihrer Autonomie eingeschränkt, sondern können auch stärker auf deren Leitlinien zurückgreifen. Dies gilt auch für die Gemeinden, die in GB eine geringere Unabhängigkeit genießen als dies in der BRD der Fall ist. Da der Umgang mit ethnischer Segregation in GB im Rahmen der Community-Cohesion-Agenda erfolgt, für die von der Zentralregierung Gelder bereitgestellt werden, wird hier ein Austausch von best practice unter den Kommunen direkt durch die Regierung angestoßen. Daneben übernimmt die Local Government Association (LGA), ähnlich dem deutschen Städtetag, weitere Anstrengungen, den Städten Gute-Praxis-Beispiele an die Hand zu geben. Während die LGA als Interessenvertretung der Gemeinden gegenüber der britischen Regierung fungiert, hat sie nach innen, für ihre Mitglieder, die Improvement and Development Agency (IDeA) ins Leben gerufen, die als unabhängige Institution Expertenwissen zu aktuellen Themen für die Lokalregierungen bereitstellt. Bezeichnenderweise wird diese Agentur ebenfalls von Ted Cantle geleitet. Daneben ist Cantle der Vorsitzende des Institutefor Community Cohesion (ICoCo) in Coventry, das 2005 gegründet wurde. Das ICoCo hat ein PraktikerTreffen institutionalisiert, in dessen Rahmen sich Vertreter der lokalen Verwaltungen austauschen. Niederlande Im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant bezieht der nationale Dachverband der Wohnungsbauvereinigungen, Aedes, zur Frage der Segregation keine Position. Von den interviewten Mitarbeitern einer Amsterdamer Wohnungsbauvereinigung wird zudem darauf hingewiesen, dass Aedes eine zu große Zahl sehr heterogener Wohnungsbauvereinigungen vertrete, die je nach Tätigkeitsort und Größe sehr unterschiedlich agierten (Interviews Hoogvliet; van Gils). Deutlich stärker positioniert sich der Amsterdamer Dachverband zu sozialen Fragen. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Vorsitzende des kommunalen Amsterdamer Diversitätsbeirats gleichzeitig Vorsitzende des Amsterdamer Dachverbandes der Wohnungsbauvereinigungen ist. Einige besonders engagierte Wohnungsbauvereinigungen haben die Plattform Corpovenista ins Leben gerufen, über die ein Ideenaustausch zu Fragen der Stadtentwicklung erfolgt. Auf Seite der Gemeinden nannten die Interviewpartner das NICIS Institut, das den Austausch und die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen anregt.
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7.4.3 Vage storylines als Klammer für heterogene Positionen Die Dehnbarkeit des Mischungsideals und die Vagheit der zugrunde liegenden Leitbilder erlauben, dass sich Akteure dieser storylines bedienen, die teilweise sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Dementsprechend schwer ist es, Diskurskoalitionen aufzuzeigen, zwnal die Koalitionen über Institutionengrenzen hinweg verlaufen. Deutschland Konzepte wie "sozial stabile Bewohnerstrukturen" sind dermaßen unpräzise, dass ihre Befürworter durchaus divergierende Vorstellungen über das Erreichen dieser Zielsetzung besitzen können. Einerseits bildeten der Mieterbund und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienuntemehmen (GdW) im Rahmen der Anhörungen zum AGG insofern eine Diskurskoalition, als sie die Bedeutung der Forderung nach sozial ausgewogenen Bewohnerstrukturen, die durch das Wohnraumfördergesetz vorgegeben sind, unterstrichen (Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 116). Andererseits hatte die schriftliche Stellungnahme des Mieterbundes zum Antidiskriminierungsgesetz mit expliziter Bezugnahme auf niederländische und britische Steuerungsversuche auf "weiche" Maßnahmen zur Herstellung einer ausgewogenen Mischung abgehoben. Auch der Präsident des Mieterbundes, Rips, stellt klar: ,,[W]ir hätten uns auch gewünscht, dass zum Beispiel im Wohnungsbereich diese Aufweichungen nicht so stattgefunden hätten, wie sie dann im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gekommen sind (...). Hier zeigt sich, dass der politische Druck der anbietenden Wohnungswirtschaft sehr groß ist." Eine weitere Schwierigkeit, Diskurskoalitionen aufzuzeigen, ergibt sich dadurch, dass es auch innerhalb der deutschen Wohnungswirtschaft sehr unterschiedliche Positionen zur ethnischen Mischung gibt und sich die Haltung einer Institution im Zeitverlaufstark ändern kann. Einen Bruch scheint es beispielsweise in der Position des GdW gegeben zu haben, der mit dem personellen Wechsel von einem Verbandspräsidenten zum nächsten einhergegangen zu sein scheint. 188 Vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Arbeit unabweichlichen Insistierens des GdW auf das Leitbild einer gesunden Mischung, überrascht die Äußerung des damaligen GdW-Präsidenten Steinert 1999 (o.S.) im Rahmen des Kongresses zur Publikation "liberforderte Nachbarschaften":
188 Gegen diese Vennutung spricht, dass laut Roswitha Sinz die Positionen des GdW als Verband der Verbände generell aus einer Übereinkunft aller Regionalverbände herrühren: ,,Das macht nicht ein GdW-Referat oder ein GdW-Präsident alleine. Bei diesen Themen ist immer eine Abstimmung und ein Bild der im GdW vertretenen Regionalverbände Grundlage."
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"Wir dürfen auch die gemischten Belegungsstrukturen nicht zum alleinigen Dogma machen. Wenn endlich offen anerkannt würde, was eigentlich jeder weiß, daß wir nämlich seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland sind, dann müssen wir auch dafür offen sein, ethnisch homogene Belegungsstrukturen zu akzeptieren, und zwar mehr als bisher."
Im Gegensatz dazu hält eine neuere Presserneldung des GdW (2007a: o.S.) fest: "Unverändertes Ziel der Wohnungsuntemehmen sind die sozial und ethnisch gemischte Belegung und funktionierende Nachbarschaften in den Wohnquartieren." Großbritannien Auch in GB zeigt sich, dass das Ideal der community cohesion - insbesondere da es sich hier um eine sprachliche und konzeptionelle Neuschöpfung handelt - dermaßen vage ist, dass sich mittlerweile selbst einstige Kritiker unter diesem begrifflichen Dach zusammenfinden. 2007 kommt Harris Beider, ehemaliger Direktor der Federation 0/Black Housing Organisations in einem Abstract für eine Konferenz noch zu einem vernichtenden Urteil über die Regierungsagenda: "Community cohesion neither provides a basis to explore housing and integration nor provides the solutions to sustainable neighbourhoods" (Beider 2007: o.S.). Mittlerweile fungiert er als akademischer Direktor des Institute/or Community Cohesion (ICoCo). Auf diesen Widerspruch angesprochen erläutert er: "Wbat r will say about community cohesion is tbat when it was introduced it was very much seen as a top down measure from government, and r think tbat was problematic. There was too mucb emphasise around bringing people togetber. (...) [W]hat we are trying to do at rcoCo is to reconfigure or re-brand community cohesion as a positive concept" (Interview Beider).
Diskurskoalitionen sind auch bei den britischen Institutionen nur schwer aufzuzeigen, da die nach außen vertretene Position nicht der eigentlichen Überzeugung entsprechen muss. Beispielsweise ist die Regulierungsbehörde für die sozialen Wohnungsbauvereinigungen, die sich regelmäßig zu Fragen der Community-CohesionAgenda positioniert, an die Haltung der Regierung gebunden und vennag keinen offiziellen Gegendiskurs anzustoßen. Hinter den Kulissen versuchten jedoch die Vertreter der Regulierungsbehörde auf die politisch Verantwortlichen einzuwirken, wie der langjährige Mitarbeiter der Housing Corporation, Cheesman, im Interview erläutert. Zudem schildert er als ein gängiges Vorgehen, dass Vertreter der Regulierungsbehörde inoffiziell die Kontakte zur Lobby-Organisation der Wohnungsbauvereinigungen nutzten, damit diese wiederum Druck auf die Regierung ausübe. Niederlande Auch in NL ist es kaum möglich, Diskurskoalitionen aufzuzeigen, da Befürworter der Mischung eine sehr unterschiedliche Zielsetzung verfolgen. Während einige 413
Wohnungsbauvereinigungen sehr offensiv betonen, sie versprächen sich von einer Mischung der Bauformen keine bessere Integration der ethnischen Minderheiten, sondern verfolgten mit der Differenzierung des Wohnungsbestandes vor allem betriebswirtschaftliche und wohnungspolitische Ambitionen, wird in Dokumenten des Wohnungsbauministeriums eine integrationspolitische Zielsetzung mit den Maßnahmen verbunden.
7.4.4 Konvergenz trotz eines geringen internationalen Austauschs
Eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass auch auf europäischer Ebene kaum ein ernsthafter Austausch unter den Praktikern zum Thema zu erfolgen scheint, obgleich die Versuche, durch die Zusammensetzung der Bewohnerschaft den Zusammenhalt der Gesellschaft positiv zu beeinflussen - wie gezeigt wurde - in vielen europäischen Ländern von hoher Bedeutung sind. Deutschland Eine Hürde für den Austausch könnte darin bestehen, dass der große Handlungsspielraum der deutschen Wohnungswirtschaft in Fragen der Belegungssteuerung in den anderen beiden Ländern keine Entsprechung findet. Trotz der Existenz von CECODHAS, dem Europäischen Verbindungsausschuss zur Koordinierung der Sozialen Wohnungswirtschaft, gestaltet sich der Austausch auf europäischer Ebene schwierig. Manfred Neuhöfer, Chefredakteur von "Die Wohnungswirtschaft", führt dies zum einen auf die Sprachbarriere zurück, da viele Dokumente auf europäischer Ebene lediglich in englischer oder französischer Sprache verfügbar sind. Zudem sei das Führungspersonal der Wohnungsuntemehmen natürlich vor allem mit der Leitung ihres Unternehmens beschäftigt. Ein weiteres Hindernis, das dem Austausch über die Grenzen hinweg zu Integrationsthemen im Weg steht, scheint in einer gewissen Selbstsicherheit deutscher Wohnungsunternehmen begründet zu sein, die laut Manfred Neuhöfer manchmal "genervt" darauf reagierten, Projekte aus dem europäischen Ausland vorgeführt zu bekommen, da sie sich auf die eigenen Erfolge beriefen: "Warum soll ich mir denn von irgendeinem französischen HLM-Unternehmer189 erklären lassen, was die für tolle Geschichten gemacht haben, und bei denen brennen die Autos in ihren Vorstädten." Als weitere Hürde, die einem Austausch der deutschen Wohnungsuntemehmen über CECODHAS oder generell mit europäischen Wohnungsunternehmen im 189 Die Abkürzung HLM steht für Habitation Wohnungsbaus.
414
a loyer modere,
die französische Form des sozialen
Weg steht, führt der Interviewpartner Neuhöfer die unterschiedliche Struktur von deutschen und den meisten anderen europäischen Wohnungsanbietern an. Bei CECODHAS seien überwiegend Verbände und Unternehmen organisiert, die nach dem Prinzip strukturiert sind, das der deutschen Wohngemeinnützigkeit bis 1990 entsprochen hat. Diese Unternehmensbereiche seien nicht dem normalen Wettbewerb, sondern durch intensive staatliche Förderung einer Reihe staatlicher Bindungen unterworfen und somit einem sehr engen Geschäftszweck verhaftet. Aufgrund dieser grundlegenden Verschiedenheit der Unternehmensziele könnten bestimmte Strategien im Umgang mit der Integration von Migranten nicht übertragen werden, da es etwas anderes sei, ob ein Unternehmen mit staatlicher Förderung gezwungen sei, eine bestimmte Politik zu verfolgen oder sich ein institutioneller Wohnungsanbieter aufgrund seines unternehmerischen Kalküls mit seinen Beständen am Markt behaupten müsse. Auch der Geschäftsführer eines Frankfurter Wohnungsunternehmens, Junker, beschreibt die Auseinandersetzung der Wohnungswirtschaft mit dem Thema Segregation und Integration als wenig bis überhaupt nicht vernetzt. Im Prinzip gebe es nicht nur Unterschiede zwischen den Städten, sondern auch zwischen den einzelnen Gesellschaften. Andererseits berichtet der interviewte Vertreter des GdW von Exkursionen und Stadtteilbegehungen, die vom Arbeitskreis Gesellschaft und Quartier der Arbeitsgemeinschaft großer Wohnungsunternehmen, durchgeführt werden, die sich teilweise auch mit Integrationsfragen beschäftigen. Ebenso erzählt die interviewte Referentin des VdW Rheinland-Westfalen von einem sehr regen Austausch, zumindest in ihrem Regionalverband, mit Repräsentanten aus dem europäischen Ausland über einen verbandsinternen europäischen Tisch. Zudem habe ihr Verband zusammen mit dem VdW südwest einen ,,Arbeitskreis Europa" installiert und auch die Arbeit von CECODHAS werde sehr genau verfolgt. Darüber hinaus erfolge zurzeit eine Beteiligung an einem internationalen Projekt, das sich mit der Integration älterer Migranten auseinandersetze. Anscheinend ist der europäische Austausch, wenn er denn erfolgt, stark vom Engagement einzelner abhängig. Der Austausch mit dem Ausland scheint jedoch vor allem dann angestrebt zu werden, um sich gerade nicht über best practice auszutauschen, sondern um bereits bestehende Einschätzungen zu untermauern beziehungsweise symbolisch und öffentlichkeitswirksam darzustellen. So berichten zwei Interviewpartner von einem Besuch des VdW südwest in den französischen Vorstädten: "Das war sehr ernüchternd. Und auf der anderen Seite auch erhellend. Um eben darzulegen, so wie es die Franzosen in der banlieue machen, sollte und dürfte man das um Gottes Willen nicht machen." Dass es auch in Frankreich Bemühungen zur Herstellung einer Mischung gibt und gab wird hierbei ebenso übersehen wie die Vielfalt der Konfliktursachen in den Vororten. 415
Großbritannien Angesichts der deutlichen Parallelen zwischen den drei untersuchten Ländern hinsichtlich ihrer Problematisierung von Heterogenität und Segregation, die sich auch in der Rede von Parallelgesellschaften in der BRD und parallel lives in GB niederschlägt, entsteht der Eindruck, dass ein reger Austausch zwischen den Staaten bestehe: ,,All the suggested new policies and programmes - the emphasis on a set of core values, the insistence on English language proficiency, an oath of allegiance (...) - have their roots in other European countries' programmes and politics. We are importing the worst of European race relations instead of exporting the best" (Bourne 2007: 4).
Im Gegensatz dazu steht die Aussage der meisten britischen Interviewpartner, es gebe diesbezüglich nur wenige Kontakte und Anregungen aus dem europäischen Ausland, deutlich sei vielmehr die Orientierung an den USA. Auch Ted Cantle konstatiert im Interview, dass es in diesem Feld nur wenig Austausch gegeben habe, sieht aber einen Trend zu mehr Kooperationen; "The history of race in the UK has been very different from the history in Germany and from France and from other areas. Hut now, I think there are opportunities, probably ironically, I think, but the whole issue ofthe prevent-extremism-agenda, the so called Muslim issue, has meant!hat there has been more excbange about that, and maybe a recognition that perhaps we are not so different as we once thought."
Angesichts der assimilationistischen Wende britischer Politik unterstreicht Rex (2003: 91), dass es in zunehmendem Maße einen positiven Rekurs auf das französische Integrationsmodell gebe. Dieser Eindruck wird dadurch bestärkt, dass die einzige ausländische Fallstudie, die von der Commission on Integration and Cohesion in Auftrag gegeben wurde, Frankreich behandelt. In wohnungspolitischer Hinsicht dient die französische banlieue hingegen - wie in der BRD - als Negativbeispiel. In deutlicher Parallele zum deutschen Fall berichtet Perry vom Chartered Institute 0/ Housing, dass die Ereignisse in den französischen Vorstädten von den britischen Sozialwohnungsanbietern mit einer gewissen Herablassung beobachtet worden seien: ,,[S]ociallandlords in England would say: we wouldn't allow that to happen." Verschiedene Interviewpartner (Flint; Cheesman; Harrison) betonen jedoch, dass Entwicklungen in den Niederlanden wahrgenommen würden und es eine Neigung gebe, sich niederländische Konzepte anzueignen. Dies zeige sich beispielsweise an der Einführung der choice based lettings, die nach ihrer Herkunft auch als Delfter Modell bezeichnet werden. Diese Bezugnahme der politischen Entscheidungsträger auf niederländische Entwicklungen wird vermutlich dadurch 416
befördert, dass auch auf Seiten der Wissenschaft niederländische Wohn- und Stadtforscher sich deutlich stärker als deutsche auf europäischem Parkett bewegen und neben Briten und Skandinaviern die Autoren und Herausgeber englischsprachiger Fachzeitschriften stellen. Niederlande Auch die niederländischen Interviewpartner aus den Gemeindeverwaltungen und der Wohnungswirtschaft betonen, dass es kaum einen Austausch mit anderen europäischen Praktikern gebe (Interviews Van de Veer; Willems). Allerdings wird auch von niederländischer Seite der rege Kontakt zu GB bestätigt (Interviews van de Veer; Bolt; Verweij). Angesichts der Vielfalt der Zielsetzungen, die mit Versuchen der ethnischen Mischung einhergehen, der Heterogenität der Positionen und des kontroversen Charakters derartiger Steuerungsversuche ist es andererseits nur wenig überraschend, dass ein Austausch - insbesondere über Grenzen hinweg - eher die Ausnahme bleibt. Ein Austausch über Integrationspolitiken ist sicher einfacher, wenn es um einfache sozialarbeiterische Projektbeispiele geht - wie etwa das aus NL stammende Förderprogramm für Kleinkinder Opstapje, das auch in deutschen Kommunen verbreitet ist - als wenn es um tiefgreifende Policies geht, die in die Bevölkerungszusammensetzung eingreifen und politisch ausgehandelt werden müssen. Ironischerweise ist auch das Konzept der "europäischen Stadt", auf das sich deutsche Akteure berufen (Deutscher Bundestag 2006: 42; Stelle für interkulturelle Arbeit 2008: 12) ein sehr deutsches Konzept, das in den anderen untersuchten Ländern für den Diskurs über eine angemessene Mischung der Quartiersbevölkerung keine Bedeutung trägt.
7.4.5 Fazit
In NullmeierlRübs (1993: 30) Konzeption einer Wissenspolitologie ist der Marktanteil eines politisch relevanten Wissens zentral. Dabei sind die Chancen der Wissensproduktion, -verbreitung und -kommunikation durch Bürokratien und Verbände asymmetrisch verteilt. Für Deutschland lässt sich festhalten, dass es der Wohnungswirtschaft gelungen ist, das engere Themenfeld weitgehend zu monopolisieren. Dies beruht, wie gezeigt werden konnte, häufig nicht auf einer besonders informierten inhaltlichen Auseinandersetzung, sondern vor allem darauf, dass es auf dem deutschen "Wissensmarkt" kaum Akteure gibt, die sich zum Leitbild der Mischung auch öffentlich positionieren. Dies zeigt sich etwa an der von der 417
Wohnungswirtschaft durchgesetzten Ausnahmeklausel im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie an der Tatsache, dass sich zum Vertragsverletzungsverfahren der EU anlässlich dieser Ausnahmeregelung lediglich der GdW zu Wort meldete. Obwohl zur selben Zeit das Thema aufgrund der Äußerungen eines Vorstandes der Nassauischen Heimstätte, man wolle künftig nicht mehr auf Mischung setzen, in den Medien eine ungewöhnlich hohe Aufmerksamkeit genoss, stellte kein einziges Medienerzeugnis einen Zusammenhang zwischen der Debatte um "monoethnische Themenhäuser" und der Kritik der Kommission an den Ausnahmeregelungen her. Hintergrund dafür scheint zu sein, dass aufgrund der geringeren Politisierung dieses Politikfeldes in der BRD und angesichts der generellen politischen Schwäche der Migrantenorganisationen kaum belastbares Wissen außerhalb der Wohnungswirtschaft zum Thema Wohnen im Allgemeinen besteht. Hier gelingt es insbesondere dem GdW, ein Vakuum zu flUlen und seine Wissensprodukte erfolgreich anzubieten (vgl. Nullmeier/Rüb 1993: 31). Die Stärke der deutschen Wohnungswirtschaft, insbesondere während der Anhörungen zum AGG, ist auf die Schwäche des Gegendiskurses zurück zu führen. Bei den zur Anhörung geladenen Befürwortern einer Antidiskriminierungsgesetzgebung, namentlich den Vertretern des Landeszentrums für Zuwanderung und des Netzwerks der Antidiskriminierungsbüros in NRW, handelte es sich um Generalisten, deren Kenntnisse des Politikfeldes Wohnen nur wenig kundig schienen, und die sich dementsprechend nicht gegen die Verbandsvertreter behaupten konnten. Ihre Kritik an diskriminierenden Praktiken der Wohnungswirtschaft beschränkte sich auf anekdotische Fälle (Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 114), die unpräzise bleiben und entsprechend vom politisch geschulten Vertreter des GdW als ideologisch motiviert abgetan werden (a.a.O.: 116). Auch vom Vertreter des Mieterbundes vor dem Ausschuss war keine Kritik an der Position der Wohnungswirtschaft zu erwarten, zum einen aufgrund einer inhaltlichen Übereinstimmung hinsichtlich der Wertschätzung gemischter Bewohnerstrukturen, zum anderen aber auch aufgrund mangelnden Wissens in diesem Bereich, wie der Repräsentant des Mieterbundes selbst vor dem Ausschuss einräumt: "Leider muss ich hier in diesem Kreise zugestehen, dass wir als Deutscher Mieterbund nicht mit konkreten Erfahrungen im Bereich der Variante ,Begründung des Mietverhältnisses' aufwarten können, weil die Mieter eigentlich immer erst als Mieter, also Vertragspartner, zu uns kommen und dort eben die Diskriminierungsfälle anders gelöst werden" (a.a.O.: 115). Im Zusammenhang mit der Anhörung zumAGG sticht zudem die mangelnde Professionalität der anwesenden Migrantenvertreter ins Auge. Während der Anhörung gibt die Ausschussvorsitzende überraschend bekannt, dass sich mit dem Vertreter der Türkischen Gemeinde in der BRD und dem Repräsentanten der Föderation der Aleviten-Gemeinden in der 418
BRD gleich beide eingeladenen Migrantenselbstorganisationen entschuldigen lassen, "weil sie gehen mussten" (a.a.O.: 104). Das auffällige am deutschen Diskurs zu ethnischer Mischung ist zudem das Schweigen der Zivilgesellschaft. Abgesehen vom Dortmunder Planerladen (s.o.), der sich zu Diskriminierung im Wohnbereich im Allgemeinen und zu Zuzugssperren im Speziellen seit Ende der 1990er Jahre immer wieder positioniert hat, gab es in der BRD lange Zeit keinen ernsthaften Gegendiskurs zu Mischungsversuchen, die über Obergrenzen umgesetzt werden. Keiner der Interviewpartner vermochte - abgesehen vom Projekt ,,zuwanderer in der Stadt" - einen kollektiven Akteur zu benennen, der sich außerhalb des Dunstkreises der Wohnungswirtschaft mit dem Gegenstand auseinandergesetzt hätte. Die deutschen Mietervereine haben in der Vergangenheit überwiegend keine Stellung bezogen, da sie, argumentiert Rainer Wild (1997: 166) vom Berliner Mieterverein, in der BRD eher mittelschichtsorientiert seien und an der Vertretung von Ausländern generell kaum Interesse gezeigt hätten. Im Gegensatz dazu konstatierten sowohl die britischen als auch die niederländischen Interviewpartner, dass sich Migrantenvertreter in die Debatte einschalteten, wobei es sich jedoch überwiegend um kleinere Verbände zu handeln scheint, die auch in der Presse kaum Beachtung finden (Interview Perry). Van Helsum (2007: 29) hält :für die Niederlande fest, dass Migrantenverbände nicht zum Politikfeld Wohnen organisiert seien. Nach Eindruck der Autorin scheinen die Migrantenorganisationen auch in diesen beiden Ländern zum Thema Mischung eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Hingegen sind Angehörige ethnischer Minderheiten deutlich stärker als in der BRD in Führungspositionen der Mainstream-Institutionen wir Regierungsbehörden und Beratergremien vertreten. Zugleich ist das Leitbild der Mischung dermaßen diffus, dass es als storyline zum Zusammenhalt ganz heterogener Akteure beitragen kann, ohne dass diese damit dasselbe meinen. In den Interviews wurde zudem deutlich, dass selbst Akteure, die sich in der Regelfür "ausgewogene Bewohnerstrukturen" aussprechen, den Quotierungen kritisch gegenüber stehen können (Interviews Rips; Sinz). Die Grenzen von Hajers Diskursanalyse, auf die Schneider und Janning (2006: 183) verweisen, lassen sich damit auch :für die vorliegende Arbeit aufzeigen: Da der dominante Diskurs sehr unpräzise ist, kann er sehr unterschiedliche Vorgehensweisen legitimieren. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Deutungsmarkt zur ethnischen Mischung von den Lobby-Organisationen der Wohnungswirtschaft dominiert wird, ist die britische Auseinandersetzung durch eine größere Heterogenität und eine größere Zahl der Wissensanbieter gekennzeichnet. Dennoch zeigt sich auch hier, dass der Begriff der mixed community - ähnlich wie in der BRD die "soziale Ausgewogen419
heit" - dermaßen vage ist, dass sich Akteure seiner bedienen, die völlig unterschiedliche Ansichten darüber vertreten, wie er zu ruHen sei. Diskurskoalitionen aufzuzeigen stellt sich in GB zudem als ausgesprochen schwierig heraus, da einige Wissenschaftler in ihren akademischen Arbeiten die Community-Cohesion-Agenda der Regierung kritisieren, durch die Strukturen der britischen Universitäten dann jedoch darauf angewiesen sind, im Rahmen der Auftragsforschung Policy-Empfehlungen zu erarbeiten, die dem Narrativ der Regierungsagenda zu folgen haben. Andere Wissenschaftler, die der CommunityCohesion-Policy der Regierung kritisch gegenüber standen, sind kooptiert worden, da der Bedarf der Zentralregierung und lokaler Verwaltungen nach externer Beratung im Themenfeld Integration eine lukrative Einkommensquelle darstellt. Obgleich sich die in GB und NL interviewten Wissenschaftler pessimistisch zu ihrem Einfluss auf die Politikgestaltung äußerten, ist dennoch auffällig, dass im Vergleich zur BRD sozialwissenschaftliche Arbeiten deutlich stärker rezipiert werden und auch in Publikationen auf die Kritik der Wissenschaftler eingegangen wird. Dass die Berücksichtigung wissenschaftlichen Wissens auch hier höchst selektiv erfolgt, stellt die Vorstellung eines speaking truth to power stark in Frage und unterstreicht die Prämisse der vorliegenden Arbeit, dass die Problematisierung eines sozialen Phänomens und seine politische Bearbeitung in hohem Maße kontingent sind. Die Frage, woher Akteure ihre Ideen beziehen, ist auch insofern schwer zu beantworten, als diejenigen mit dem größten Output zum Thema ethnische Segregation nicht auch diejenigen mit der größten Wirkung sein müssen. Dies zeigt sich beispielsweise bei den Regionalverbänden der Wohnungswirtschaft, die die Öffentlichkeitsarbeit mit sehr unterschiedlicher Intensität betreiben, sowie in GB am Dachverband der sozialen Wohnungsbauvereinigungen, der nach Aussage der Interviewpartner seinen Einfluss eher im Hintergrund geltend macht.
7.5 Konstruktion der Zielgruppen durch Mischung Laut SchneiderIIngram (1993; 2005) transportieren Policies im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Diskurs nicht nur eine bestimmte Sicht auf ein zu lösendes Problem, sondern tragen darüber hinaus zur Konstruktion der Zielgruppen der Policies bei. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Rollen Zuwanderern, der ,,Aufnahmegesellschaft" und den Wohnungsanbietern als zentralem Akteur durch wohnungspolitische Maßnahmen einerseits und diesbezügliche Stellungnahmen andererseits zugewiesen werden.
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7.5.1 Migranten: Zuverlässig, aber nicht erwünscht
Die Konstruktion der Zielgruppe der Migranten durch die deutsche Wohnungswirtschaft oolt besonders widersprüchlich aus. Dies überrascht insofern, als eigentlich auf dem Markt eine größere Gleichberechtigung herrschen müsste als im politischen Raum, wo viele Migranten durch ihren Ausländerstatus weniger Rechte genießen als die deutschen Staatsbürger. Dennoch ist das Eigeninteresse von vielen Wohnungsunternehmen und Kommunen kaum an Migranten als Kunden ausgerichtet (Planerladen 2004: 26). Der Eindruck, dass insbesondere viele Wohnungsanbieter den Ausländeranteil noch immer als Problemindikator nutzen, den es durch Quotierungen zu senken gelte, überrascht, weil die Mehrheit der Wohnungsunternehmen mit ausländischen und ausdrücklich mit türkischen Mietern gute Erfahrungen gemacht haben. Betont wird etwa, dass die Migranten pünktliche Zahler seien, die von sich aus keine Konflikte beginnen (Laumann 1984: 67; Planerladen 2005a: 21; GdW 1998: 23). Insbesondere die GdW-Studie "Überforderte Nachbarschaften"19o macht die Diskrepanz zwischen Problematisierung der Migranten bei gleichzeitiger Anerkennung ihrer Integrationsleistungen deutlich. Die Studie stellt wiederholt fest, dass "die länger in der Bundesrepublik lebenden Ausländer (...) vielfach die ökonomisch aktivsten und stärksten Gruppen" seien (GdW 1998: 105). "In zahlreichen Siedlungen sind die Ausländer die wirtschaftlich stärksten Gruppen. Unter den einheimischen Deutschen findet sich ein höherer Anteil von Sozialhilfeempfängern, Drogenabhängigen, Trinkern, alleinerziehenden Frauen mit Kindern, die von Sozialhilfe leben, oder auch psychisch Kranken" (GdW 1998: 48). Die Quote der Ausländer sei immer schwerer zu interpretieren, weil ein wachsender Teil der Ausländer über eine dauernde Aufenthaltsberechtigung, über gute Sprachkenntnisse und feste Arbeitsbeziehungen verfüge (a.a.O.: 87). Dennoch wird der Ausländeranteil im selben Dokument immer wieder zum zentralen Problem erhoben, wenn es etwa heißt: "Die Erfahrungen oder einfache Logik zeigen; In kleinen Häusern kann die Zahl der unterschiedlichen Nationalitäten niemals so erschreckende Werte erreichen wie in großen Häusern" (a.a.O.: 50).
190 Die Studie ist ein reicher Fundus an Stereotypen und Vorurteilen gegenüber ausländischen, aber auch verarmten deutschen Großsiedlungsmietern, die mit einem Abgesang auf das Versagen des Wohlfabrtstaates einhergeht. Dabei verschwimmt häufig die Haltung der Autoren mit den von ihnen interviewten Bewohnern, sodass nicht deutlich wird, ob die zum Teil extrem herablassenden Aussagen ("Den asozialen Sozialhilfeempflingem ist es egal, ob die Nebenkosten steigen", S. 82) lediglich die Stinmtung vor Ort abbilden oder eine angemessene Analyse der Realität darstellen sollen.
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Opfer aus eigener Verantwortung Angesichts der Aufweichung des Diskriminierungsschutzes im Bereich des Wohnens wird in Deutschland das Bild transportiert, es gelte nicht, Minderheiten vor Diskriminierung zu schützen, sondern vor ihren eigenen Wohnstandortentscheidungen. Ob Migranten Opfer von Diskriminierung werden, wird von der Wohnungswirtschaft widersprüchlich beantwortet. Einerseits wurde die Möglichkeit, es könne auf dem Wohnungsmarkt Diskriminierung geben, von den Verbänden der Wohnungswirtschaft im Zuge der Beratungen zum Antidiskriminierungsgesetz vehement bestritten. Der Präsident des GdW reagierte in der Ausschussanhörung ungehalten auf die Berichte von Benachteiligung und unterstellte, die vorgetragenen Fälle kämen einer ideologischen Argumentation und einer "Diskriminierung" seiner Person gleich (Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005: 116). Zugleich wird in älteren Dokumenten vom GdW eingestanden, dass es Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gebe. Es wird festgehalten, dass die Zahl der ausländischen Sozialwohnungsmieter hoch bleiben werde, da sie "bei knappem Angebot trotz einer ausreichenden Zahlungsbereitschaft keine angemessene Wohnung finden, weil sie mit Diskriminierungen zu rechnen haben" (GdW 1998: 23). Die "Chancen der Minderheiten, Wohnungen in normalen Nachbarschaften zu bekommen, haben abgenommen" und sie lebten "immer häufiger in reinen Randgruppengebäuden" (a.a.O.: 31). Gleichzeitig gibt es in den Veröffentlichungen die Tendenz, die mangelnde Anpassungsleistung der Migranten für die von ihnen erfahrene Diskriminierung verantwortlich zu machen. Volker Eichener (1988: 155) konstatiert, je höher die soziale und kognitive Assimilation, desto weniger würden sie diskriminiert. Auch in der Studie "Überforderte Nachbarschaften" wird dieses Motiv aufgegriffen. Hier heißt es, bei den "älteren" Ausländern gebe es unterschiedliche Integrationsgrade, aber auch Schwierigkeiten: "Sie verstehen nicht, daß ihre strenge Erziehung, die es Mädchen untersagte, selbständig unter die Leute zu gehen, die Unsicherheit und Ängstlichkeit gefördert hat, beijedem Vorstellungsgespräch zur Ablehnung führen muß" (GdW 1998: 110). Paradoxerweise wird dann jedoch auf der folgenden Seite wieder die Position der Migranten bezogen, in der mitfühlenden Aussage, schon Jugendliche wüssten, dass selbst wenn sie perfekt Deutsch sprechen, sie in einem fremden eher abweisenden Land leben (a.a.O.: 111). In GB lässt sich zudem ein weiteres Phänomen beobachten, das in der Vergangenheit auch in Deutschland aufgetreten ist: Die teilweise katastrophalen Wohnverhältnisse der Minderheiten - die sich in Deutschland deutlich zum positiven entwickelt haben - werden nicht den ausbeuterischen Praktiken der privaten Vermieter angelastet, sondern tragen zur Stigmatisierung der eigentlichen Opfer bei: "The issue of overcrowding was commonly experienced by Somali residents (...).
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Ironically, such levels of overcrowding sometimes fed into negative racial stereotypes among long-standing (mainly white British) residents about the 'social standards' among newly arrived communities" (Hudson et al. 2007: 35).
Gerissene, selbstbewusste Materialisten Ein weiteres gängiges Narrativ schreibt den Migranten orientalische Gerissenheit und Selbstbewusstsein zu, die zur Folge hätten, dass sich Zuwanderer gegenüber deutschen Behörden durchsetzen könnten. Dieses Motiv wird in der GdW-Studie "Überforderte Nachbarschaften" wiederholt aufgegriffen: "Vor allem den Einheimischen erscheinen die Sozialämter als Orte der Inquisition und der Erniedrigung. Robuster und unbekümmerter gehen demgegenüber viele Ausländer vor. Für sie sind die Leistungsanträge offensichtlich ein großer Teppichhandel, den man mit Zähigkeit und Cleverness bis zur Erschöpfung der ,Schalterbeamten' fIlhrt" (a.a.O.: 37).
An anderer Stelle heißt es: ,,Die Ämter sind ihnen gegenüber offensichtlich viel zu nachgiebig. Dabei spielt eine Rolle, daß die Ablehnung von Forderungen von vielen Ausländern als Einladung interpretiert wird, nun erst recht mit einem zähen Teppichhandel zu beginnen. Behörden und Repräsentanten der Wohnungsunternehmen scheinen diesen zähen Verhandlungstechniken nicht annähernd gewachsen zu sein" (a.a.O.: 125).
Auch im Interview mit dem Bremer GEWOBA-Vorstand Schumann wird die Konstruktion der Migranten als gewitzt aufgegriffen, auch wenn der Interviewpartner dies durchaus wohlwollend schildert: "Da muss man ein bisschen autpassen, da sind einige Familienverbünde, die sind eben halt anders unterwegs. Einen schon mal über den Tisch zu ziehen, ist für die nichts Schlimmes. Man muss das auch nicht als schlimm empfinden, man muss dann eben sagen, ich stehe eben ein bisschen früher auf als Ihr." Dieses Motiv hat auch in GB Tradition, wobei es sich heute nicht mehr so sehr gegen ethnische Minderheiten im allgemeinen richtet, sondern vor allem gegen die neuzugezogenen Flüchtlinge und osteuropäischen Arbeitsmigranten. So heißt es in einer Studie zum britischen Sozialwohnungssektor der I 970er Jahre, es werde stets verallgemeinernd von "den Pakistanern" gesprochen, so als seien alle Südasiaten gleich: ,,'Pakistanis' are thought 10 have poor housekeeping standards, to overcrowd houses, to be dishonest and exploitative. (...) Hence staff expect them to be dirty and overcrowded, expect them to deceive the department and therefore are vastly suspicious themselves" (Flett 1984b: 72). Die Aussage des interviewten GEWOBA-Vorstandes zur Notwendigkeit des "früher Aufstehens" findet sich fast wörtlich in einem Zitat einer Sachbearbeiterin für britische Kom423
munalwohnungen aus den 1970er Jahren: "With these types ofpeople we have to be as clever as themselves" (a.a.O.: 74). Angesichts einer fest verankerten Antidiskriminierungsgesetzgebung sowie der Tatsache, dass viele Personen aus den ehemaligen Kolonien mittlerweile in der britischen Gesellschaft etabliert sind, würden sich solche Formulierung von offizieller Seite heute nicht mehr finden lassen. Selbstverständlich werden zwar auch heute Vorurteile und negative Gruppenkonstruktionen transportiert, dies erfolgt jedoch meist eher zwischen den Zeilen. So hat Worley (2005: 487) argumentiert, die derzeit allgegenwärtige Rede von Communities erlaube, einen Diskurs zu führen, in dem "die Gemeinschaften" - politisch korrekt - nicht benannt werden müssten, obgleich eindeutig sei, wer gemeint ist. Diese verbale Zurückhaltung gegenüber den ethnischen Minderheiten - schließlich stellen sie als vollwertige Staatsbürger ein wichtiges Wählerpotenzial dar findet sich gegenüber den jüngsten Zuwanderern allerdings nicht. Die Deutung, die Neuzuwanderer beherrschten raffiniert die Klaviatur des Wohlfahrtstaates, wird nicht nur von den etablierten Weißen, sondern sogar von den alteingesessenen ethnischen Minderheiten sowie einigen Politikern vertreten (Commission on Integration and Cohesion 2007: 99). Diese Mythen, mit denen wohl jede Außenseitergruppe konfrontiert ist, sind von wissenschaftlicher Seite entzaubert worden. So ergab eine Auswertung sämtlicher Neuvermietungen im Sozialwohnungssektor im Zeitraum 2006/2007 durch David Robinson (2007: 107), dass die ohnehin weniger als ein Prozent der Neuvermietungen ausmachenden osteuropäischen Haushalte, die in eine Sozialwohnung gezogen waren, deutlich eher als die anderen Neumieter mindestens ein sozialversicherungspflichtig beschäftigtes Haushaltsmitglied hatten und deutlich seltener Transferleistungen erhielten als die anderen.
7.5.2 Intolerante Unterschicht und wertvolle Mjttelschicht
Durch die Diskurse und Policies wird nicht nur die Rolle der ethnischen Minderheiten konstruiert, sondern es erfolgt auch eine Zuschreibung von Verhaltensweisen an die Mehrheitsgesellschaft. Dabei wird in der BRD durch das Ideal einer sozialen Mischung ausgedrückt, arme und arbeitslose deutsche Nachbarn seien "weder emotional noch intellektuell auf das Zusammenleben mit Minderheiten vorbereitet" (GdW 1998: 41). In Großbritannien wird noch stärker als im deutschen Diskurs eine pathologisierende Sicht auf die verarmten, weißen Sozialwohnungsmieter eingenommen und mit einer Betonung der Werte weißer Mittelschichtshaushalte kontrastiert: ,,[C]ohesion should not just be about minority 424
groups - it needs 10 engage with the majority and recognise that within that majority there will be groups which need to be addressed, in particular white working dass people are often discussed in this context", heißt es beispielsweise in einer Veröffentlichung des Departmentfor Communities and Local Government (2008: 37). Mit der Abwertung der armen Mehrheitshaushalte ist in allen drei untersuchten Ländern eine positive Konstruktion weißer Mittelschichtshaushalte verbunden, die sich beispielsweise im Ausspruch des damaligen GdW-Präsidenten Steinert (1999: o.S.) ausdrückt, der von Bewohnern redet, die "durch ihre pure Anwesenheit wertvolle und unverzichtbare Sozialarbeit leisten". Dass Mittelschichtsangehörige eine größere Integrationsbereitschaft gegenüber den Migranten an den Tag legten, wird zudem durch Policies der "gesteuerten Gentrifizierung" transportiert. Wie bereits erwähnt ist es jedoch zweifelhaft, ob wohlhabende Haushalte generell ein intensiveres Zusammenleben mit ethnischen Minderheiten akzeptieren würden (AnderssonlMusterd 2005: 385). Flint (2006b: 179) stellt die Interpretation infrage, wonach Mittelschichtshaushalte eher zum interkulturellen Zusammenleben bereit seien. 191 Er verweist darauf, dass diese Haushalte lediglich andere, gesellschaftlich akzeptiertere Ressourcen hätten, um sich gegen den Zuzug von Minderheiten zu wehren. Dabei benennt er den Rückzug in gated communities einerseits sowie Bürgerbewegungen gegen geplante Asylbewerberaufnahmelager andererseits. Daher kritisiert Flint im Interview die Verengung des Diskurses zu ethnischer Mischung auf die ärmeren Schichten - sowohl der Minderheiten als auch der Mehrheiten. Der Fokus auf den Rassismus der weißen Sozialwohnungsmieter, der gegenwärtig in GB allgegenwärtig sei, erfülle die Funktion, Rassismus als eine Nischenerscheinung darzustellen und davon abzulenken, dass er ein Charaktersitikum der gesamten Gesellschaft darstelle. Eine Problematisierung einkommensschwacher einheimischer Haushalte findet sich in NL seltener. Dies könnte an einer geringeren Perzeption der insbesondere in GB verbreiteten urban-underclass-Theorie liegen sowie daran, dass es in den vergleichsweise egalitären Niederlanden eine etwas geringere Neigung gibt, Armut mit dem abweichenden Wertesystem der Betroffenen zu erklären. Dennoch ist auch in NL die Deutung gebräuchlich, Konflikte im Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen seien darauf zurück zu führen, dass gerade denjenigen einheimischen Gruppen die größte Toleranz abverlangt werde, die eine solche In-
191 Allerdings ist zu vennuten, dass es einige Arten von Konflikten nicht geben würde. Der britische Fall zeigt, dass Rangordnungskonflikte sowie Verteilungs- oder Ressourcenkonflikte (Dangschat 2000: 198) wahrscheinlicher sind, wenn politische Entscheidungen zu einer Verknappung von sozialer Infrastruktur geführt haben, auf die arme Haushalte eher zurückgreifen.
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tegrationsfähigkeit durch ihre schlechtere Bildung und ihren schwächeren sozialen Status nicht aufbringen könnten. Auch in NL ist die Vorstellung einer höheren Toleranz auf Seiten der weißen Mittelschicht im Umgang mit ethnischen Minderheiten in Frage gestellt worden. Deren Widerstand wachse stark an, sobald sie mit den Minderheiten direkt konfrontiert seien. Dies habe sich etwa angesichts der vehementen Proteste gegen die diskutierte Einführung bindender Schuleinzugsbezirke in Amsterdam gezeigt (Gijsberts 2004: 36). Dennoch wird auch in NL mit aktuellen Policies die weiße Mittelschicht als diejenige Gruppe konstruiert, die nicht nur finanziell, sondern vor allem "moralisch" in benachteiligten Stadtteilen gebraucht werde. Im Vokabular von Schneider/ Ingram (1993) sind die Mittelschichtshaushalte die "begünstigte" Gruppe, also mächtig und positiv konnotiert. Ohne sich explizit auf Schneider/Ingram zu beziehen, machen niederländische Autoren deutlich, dass der positiv konstruierten Mittelschicht Vorteile eingeräumt werden, während bei den weniger positiv konstruierten Gruppen im Zuge des neoliberalen Umbaus des Wohlfahrtstaates eingespart wird: Die Subventionierung von hochpreisigem neuen Wohneigentum in marginalisierten Stadtteilen (in Rotterdam erhalte jeder Käufer 25.000 Euro) werde kaum hinterfragt, während die Förderung armer Haushalte und bezahlbaren Wohnraums immer stärker eingeschränkt werde (da Fonseca FeitosalWissmann 2006: 23).
7.5.3 Wohnungsanbieter als Frühwarnsystem und "Reparaturkolonne" In allen drei verglichenen Ländern lässt sich beobachten, dass ursprünglich öffentliche Aufgaben in wachsendem Maße von institutionellen Anbietern von Wohnraum - den Wohnungsunternehmen, corporaties und housing associations - erfüllt werden. Dabei geht es nicht nur um die Versorgung mit Sozialwohnungen, die in der BRD seit dem Zweiten Weltkrieg in GB und NL aber erst seit den 1990er Jahren von privatwirtschaftlichenAkteuren bereitgestellt werden, sondern vor allem auch um soziale Maßnahmen, die weit über das ursprüngliche Vermietungsgeschäft hinausgehen. In allen drei Ländern werden die (ehemals) gemeinnützigen Anbieter von Wohnraum als Akteure mit großem Gespür für die Entwicklungen im Stadtteil konstruiert und ihnen im Zuge der Entstaatlichung von Wohlfahrt weitreichende Aufgaben übertragen. In der BRD ist die in einer gemeinnützigen Tradition stehende Wohnungswirtschaft Schlüsselakteur im wohnungspolitischen Diskurs um angemessene Mischungsverhältnisse. Sie ist am erfolgreichsten darin, eigene "Wissensprodukte erfolgreich anzubieten" (vgl. Nullmeier/Rüb 1993: 31), wobei die Nachfrager des 426
Wissens überwiegend aus den eigenen Reihen kommen. In unzähligen Tagungsbeiträgen und Veröffentlichungen werden bestimmte Narrative wiederholt, die die Versicherung der eigenen Kompetenz bei gleichzeitiger Kritik an "der Politik" transportieren. Thr Selbstverständnis ist davon geprägt, auf Krisen als erstes zu reagieren. Kaum jemand bekomme soziale Entwicklungen so frühzeitig zu spüren wie die Wohnungsunternehmen, konstatiert der damalige GdW-Präsident Steinert (1999: o.S.), der die Wohnungswirtschaft als "eine Art gesellschaftliches Frühwarnsystem" bezeichnet (wortgleich Schneider 2005: 10). Charakteristisch sind dabei technische Begriffe wie "Stoßdämpfer" (Steinert 1999) und "Reparaturbetrieb" (ähnlich Bartholornäi 2001), die ein weiteres gängiges Motiv aufgreifen: Da sich soziale Konflikte, die durch verschiedene gesellschaftliche Wandlungsprozesse bedingt seien, vor allem in den Quartieren der Wohnungsunternehmen abbilden, bestehe die Gefahr, dass ..die Wohnungswirtschaft und die Unternehmen von einer undifferenziert argumentierenden Öffentlichkeit, Publizistik und Politik den ,Schwarzen Peter' fiir als negativ empfundene Entwicklungen zugeschoben bekommt, ohne daß die Ursache in den Wohnquartieren liegt oder im Grundsatz bewältigt werden könnte" (GdW 1998: 4).
Dieses Bild, die Wohnungsuntemehmen seien mit Problemen gesamtgesellschaftlichen Ursprungs konfrontiert, die anderswo ihre Ursache haben, aber in den Sozialsiedlungen besonders sichtbar würden (Neuhöfer 1998: 36), ist in Selbstdarstellungen allgegenwärtig. Trotz dieses Selbstbildes haben auch die wohnungswirtschaftlichen Verbände das Thema Integration erst seit wenigen Jahren aufgegriffen, wie die Interviewpartner bestätigen. Die Positionierung der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft kann daher auch als Selbstversicherung einer Branche gewertet werden, die sich durch Privatisierung und den Eintritt neuer Akteure in den Wohnungsmarkt bedroht sieht. In Großbritannien zeigt sich eine ähnliche Konstruktion. Da die Sozialwohnungssiedlungen seit den 1980er Jahren die meisten sozialen Probleme - Langzeitarbeitslosigkeit, Vandalismus, etc. - aufweisen, wurden soziale Vermieter als diejenigen Institutionen konstruiert, die mit der Lösung der in ihren Beständen angetroffenen Probleme beauftragt werden (Flint 2006b: 176). Die Positionierung der Wohnungsanbieter zur Community-Cohesion-Debatte erfolgt vor dem Hintergrund eines Trends hin zu einem erweiterten Verständnis dessen, was die Aufgaben eines Wohnungsanbieters sein sollen. Diese Entwicklung zum "Wohnen Plus" lässt sich in den meisten europäischen Wohlfahrtstaaten beobachten. In GB wird die Ausrichtung auf ein weiteres Tätigkeitsfeld, das neben dem eigentlichen Verrnietungsgeschäft auf soziale Dienstleistungen abhebt, von der britischen Regierung gefördert. Nach Aussage von Richard Tomlins (Interview) wurden beispiels427
weise die Anbieter von sozialem Wohnungsbau unter der Wohnungsbauministerin Caroline Flint dazu angehalten, ihre Mieter bei der Arbeitssuche zu unterstützen. Ebenso sind die Wohnungsbauvereinigungen in NL zentrale Akteure der Stadtteilentwicklung. Trotz dieser Gemeinsamkeit zwischen den drei Ländern sind in NL und GB den Wohnungsbauvereinigungen deutliche Grenzen gesetzt, was die Beeinflussung der ethnischen Bevölkerungszusammensetzung angeht. 7.5.4 Fazit Die Versuche, ethnischer Segregation mit wohnungspolitischen Eingriffen zu begegnen, gehen - wie nicht anders zu erwarten - mit einer Problematisierung der ethnischen Minderheiten, aber auch der armen Haushalte der Mehrheitsgesellschaft einher. Dies dürfte darauf zurück. zu führen sein, dass es in der Tat die sozial schwächeren Haushalte sind, die Nachbarschaften und öffentliche Räume mit den Minderheiten teilen, während sich die weißen Mittelschichtshaushalte durch Suburbanisierung dem Zusammenleben entziehen. Konflikte treten dementsprechend tatsächlich eher zwischen den ethnischen Minderheiten und einkommensschwächeren Haushalten auf, da es mehr Berührungspunkte gibt und der Widerstand von Mittelschichtsfamilien - etwa gegen Asylbewerberunterkünfte in der Nachbarschaft - solche Formen annimmt, die nicht als Ablehnung von ethnischer Heterogenität gedeutet werden, sondern lediglich als Sorge um den Verkehrswert der eigenen Immobilie. Daneben werden Mittelschichtshaushalte aber auch deshalb als wertvoll konstruiert, da sich die Problematisierung von ethnischer Segregation mit einer Problematisierung von sozialer Segregation überschneidet. Durchmischungsversuche, die mit der Ausweitung des Wohnungsangebots für Mittelschichtshaushalte einhergehen - etwa durch "gelenkte Gentrifizierung" oder das Einstreuen von Eigentumswohnungen - stoßen auf wohlfahrtskulturelle Resonanz, da sie an ein seit der Industrialisierung verbreitetes Mischungsideal anknüpfen können. Die Konstruktion der Wohnungsanbieter als demjenigen Akteur mit dem besten Gespür für die Entwicklungen vor Ort wird hingegen vor allem von den Wohnungsanbietern selbst betrieben, da sie in Deutschland oftmals eine Privatisierung oder - beispielsweise in den Niederlanden - die Einschränkung ihres Handlungsspielraums durch die Politik fürchten müssen.
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8. Zusammenfassung und Ausblick
Zentrale Interpretationsangebote für Verursachung und Folgen von ethnischer Segregation In der interpretativen Policy-Analyse von Deborah Stone (2006: 130) erfolgt die Problemkonstruktion über Erzählungen, die ein Problem als Ergebnis menschlicher Handlung porträtieren und damit zugleich Schuld und Verantwortung zuweisen. Obgleich die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit theoriegeleitet aber gemäß dem qualitativen Zugang der Arbeit ergebnisoffen bearbeitet wurden, lässt sich in allen drei untersuchten Ländern die Tendenz feststellen, individualisierende und kulturalistische Erklärungen zur Begründung des migrantischen Wohnverhaltens heranzuziehen und dabei strukturelle Ursachen auszublenden. Eine schlechtere Wohnqualität wird dabei ebenso auf die vermeintlich niedrigeren Ansprüche der Migranten zurückgeführt, wie die ethnische Konzentration in bestimmten Stadtteilen auf die migrantische Wohnortwahl. Vor allem im deutschen und britischen Diskurs dominiert die Interpretation, die Segregation der Minderheiten sei Ausdruck eines freiwilligen Rückzugs. Dadurch, dass Separierung mit der Wohnstandortentscheidung der Minderheiten begründet wird, wird nicht nur die Mehrheitsgesellschaft, sondern vor allem auch die Politik von einer Verantwortung für die Herausbildung von ethnisch geprägten Quartieren entlastet. Zudem lässt sich diese Problemursache scheinbar leichter beheben, wenn Segregation als Ergebnis menschlichen Handelns interpretiert wird, als wenn eingestanden würde, dass Segregation vor allem strukturelle Ursachen hat. Obgleich sich die Wohnungspolitik in allen drei untersuchten Ländern die Vermeidung von ethnischer Segregation seit Jahrzehnten auf die Fahnen geschrieben hat, hat sie doch durch die Heterogenität ihrer Zielsetzungen erst zum Entstehen von sozialer und ethnischer Segregation beigetragen (siehe Kapitel 7.1). Insbesondere in der BRD und GB lässt sich damit eine Individualisierung von @ ! x % * Minderheiten in ihre stadträumlich manifestierten „Parallelgesellschaften“, auch ihre unterstellte Verweigerung, sich sozioökonomisch und vor allem soziokulturell in die „Aufnahmegesellschaft“ einzugliedern, wird auf die abweichenden
S. Münch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4_8, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Werte dieser Gruppe zurückgeführt. Dabei hat die Analyse der Gegendiskurse offenbart, dass die venneintlich zwangsläufig aus der ethnischen Segregation erwachsenen Folgen zum einen keinen wissenschaftlichen Rückhalt haben. Zum anderen können sie ebenfalls als Ergebnis politischer Entscheidungen begriffen werden und nicht als quasi-natürlicher Clash 0/ Civilizations. Insbesondere in historischer Perspektive sowie im Ländervergleich zeigt sich, dass die Stabilität im Quartier und der gesellschaftliche Zusammenhalt weit weniger durch ethnische Segregation bedroht ist, als durch Konkurrenzverhältnisse, die beispielsweise durch die Verknappung an bezahlbarem Wohnraum und sozialer Infrastruktur sowie durch politische Instrumentalisierung angefacht werden (Kapitel 7.1.2). In NL hingegen wird trotz aller Skandalisierung des interkulturellen Zusammenlebens im 21. Jahrhundert die Ursache von ethnischer Segregation eher selten in einem freiwilligen Rückzug der Minderheiten gesehen. Das Konzept der deutschen "Parallelgesellschaft" oder der britischenparallellives, die eine handlungstheoretische Erklärung von Segregation transportieren, findet in NL keine Entsprechung. Hier ist die Deutung dominant, dass die soziale Segregation die Hauptursache für ethnisch geprägte Quartiere darstelle, wobei wiederum die Struktur des Wohnungsbestandes - die Konzentration von Sozialwohnungen in bestimmten Gebieten - als Grund für soziale Segregation ausgemacht wird. In der Deutung der Folgen von ethnischer Segregation lässt sich wiederum eine größere Übereinstimmung zwischen niederländischen und deutschen interpretationen feststellen. Während in den beiden Ländern offiziell vor allem negative Konsequenzen für die individuelle Integration der Migranten gefürchtet werden, sieht GB vor dem Hintergrund von "Rassenunruhen", homegrown terrorism und den Separationsbestrebungen der Schotten, Waliser und Nord-Iren die gesellschaftlichen Bindungskräfte durch Segregation zusätzlich bedroht. Symptomatisch für diese Betonung der Gefährdung der Systemintegration ist die Begriffsneuschöpfung community cohesion, die im aktuellen Diskurs weitestgehend synonym für "Integration" genutzt wird. Eine Analyse der zentralen Interpretationsangebote der Folgen von ethnischer Segregation stellt sich insofern als schwierig dar, als beispielsweise in der BRD negative Folgen für die Integration konstatiert werden, sich hinter diesemframing jedoch sehr unterschiedliche Befürchtungen verbergen. Das Schlagwort "integration" wird nämlich sowohl von solchen Problemkonstruktionen bemüht, die transportieren, ein benachteiligtes Quartier könne für die individuellen Bewohner zum benachteiligenden Quartier werden, als auch von solchen, die zwar von "integration" sprechen, aber vor allem um die Stabilität und Vermietbarkeit der Nachbarschaft fürchten. 430
Zusammenfassend lässt sich für alle drei untersuchten Länder festhalten, dass die Problematisierung von ethnischer Segregation als "Geschichte des Niederganges" (Stone 2002) konstruiert wird, indem impliziert wird, ethnische Segregation habe zugenommen. Während dieses Narrativ für alle drei untersuchten Länder in Frage gestellt werden kann (vgl. Harrison 2005c: 91; Musterd/Ostendorf2007), ist eine solche Erzählung dennoch attraktiv, wenn damit eine Notwendigkeit zum politischen Handeln transportiert werden kann.
Verknüpfung der Deutungsmuster und Konsequenzen f"tir wohnungspolitische Praktiken
Autoren wie LinderlPeters (1989) und Deborah Stone (2006), die sich für die subjektive Interpretation der Akteure bei der Wahl von Policies und Instrumenten interessieren, haben betont, wie in der Definition eines Problems - der Konstruktion seiner Ursachen und Folgen - bereits die Lösungsmöglichkeiten zu seiner Bearbeitung angelegt sind (Stone 2006: 129). "Once the issue of definition is resolved, the choice of policy instruments becomes a relatively straightforward matter of matching tool to task" (LinderlPeters 1989: 48). Dabei hat der Vergleich in der vorliegenden Arbeit gezeigt, dass die Verknüpfung von Problemkonstruktion und daraus abgeleiteten wohnungspolitischen Eingriffen nicht in allen drei Ländern konsistent erfolgt. Eine Linearität von Problemdefinition zur Wahl der Policies lässt sich noch am ehesten in der BRD beobachten. Wenn sich das Deutungsmuster behaupten kann, dass ethnische Segregation auf die Entscheidungen der Minderheiten zurück zu führen sei, aber gleichzeitig nicht toleriert werden könne, da sie die Integration behindere und damit den Sozialstaat belaste, sind Zuzugbegrenzungen konsequent. Wenn es also diskursiv gelingt, die Bewohner für ihre eigene Situation und die ihrer Nachbarschaft verantwortlich zu machen - wie dies beispielsweise auch in Rotterdam der Fall ist - können damit vergleichsweise autoritäre Politiken gerechtfertigt werden (UitermarklDuyvendak 2005: 6). Anstatt die ethnischen Minderheiten vor Diskriminierung und Benachteiligung zu schützen und ihnen neue Wahlmöglichkeiten am Wohnungsmarkt zu eröffnen, wird gerade ihre Wahl zur Problemursache erhoben und ihre Optionen - in ihrem eigenen Interesse und dem der Gesellschaft - weiter begrenzt. "Politics and policy shift their focus from reforming infrastructures and institutions to reforming people and their behaviour" (Stone 2005: xii). Dabei handelt es sich bei den deutschen Mischungsversuchen heute eher selten um transparente und offene Regelsetzungen durch die Kommunen, sondern zum überwiegenden Teil um die Belegungspolitik der Wohnungsunter431
nehmen, denen im Interesse "sozial stabiler Bewohnerstrukturen" weitgehend freie Hand gegeben wird. Im Vergleich dazu weist die Wahl der Policies vor allem in GB einen stärkeren Bruch mit dem eigentlichen Problematisierungsdiskurs auf. Hier wird zwar im aktuellen Diskurs die "Selbstsegregation" insbesondere der südasiatischen Minderheiten zur Problemursache erhoben und der Segregation der Minderheiten negative Folgen für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die "britischen" Wertvorstellungen zugeschrieben, allerdings wird dies nicht mit wohnungspolitischen Zugangsbeschränkungen beantwortet. Dabei zeigt sich zum einen, wie die Wahl von Policies nicht nur durch die Interpretation der aktuellen Problemlage geprägt ist, sondern einmal getroffene Entscheidungen eine Pfadabhängigkeit vorgeben, die eine künftige Instrumentenwahl einschränken. Trotz der hitzigen Debatte nach 200 I darüber, dass GB "in die Segregation schlafwandele" (Trevor Philipps), verbietet die seit 40 Jahren institutionalisierte Antidiskriminierungsgesetzgebung eine Ungleichbehandlung der ethnischen Minderheiten, wie sie etwa durch Quotierungen und Zuzugsbeschränkungen begründet würde. Dennoch überraschen die wohnungspolitischen Reaktionen auf die CommunityCohesion-Agenda in zweierlei Hinsicht. Zum einen bleiben die wohnungspolitischen Steuerungsversuche ausgesprochen vage, obwohl die Wohnsituation zur Hauptursache der Unruhen von 2001 erhoben worden war. Zum anderen propagierte Labour die schon vor den Unruhen angestoßene Ausweitung der Wahlmöglichkeiten im Sozialwohnungssektor (choice-based lettings) als Instrument zur Abmilderung von Segregation. Dies stellt insofern einen logischen Bruch dar, als, erstens, gerade die existierenden Wahlmöglichkeiten Segregation bedingt haben sollen und, zweitens, dem Sozialwohnungssektor damit die zentrale Aufgabe zur Desegregation zugeschrieben wird, obwohl seine Residualisierung und Schrumpfung in Kontinuität zu den Thatcher-Jahren politisch gewünscht ist. Anscheinend sind es also nicht nur institutionalisierte Policies wie die Antidiskriminierungsgesetzgebung, die eine Eigendynamik annehmen, sondern auch dominante Ideen wie die Vermarktlichung des öffentlich geforderten Wohnungssektors, die die Wahl der Lösungsansätze in enge Bahnen lenken. Der Rückzug des Staates aus der Daseinsvorsorge zwingt ihn vor dem Hintergrund von Globalisierung und demographischem Wandel einerseits, auf eine stärkere vor allem auch sozioökonomische Integration seiner Minderheiten zu drängen, andererseits schlägt sich eine liberale Marktorientierung auch im Politikfeld Wohnen nieder, wodurch staatliche Interventionen in diesem Bereich unwahrscheinlich werden. Die Heftigkeit der Debatte um ethnische Segregation steht daher - wie in den meisten anderen Ländern auch - in keinem Verhältnis zur eigentlichen Steuerungsfähigkeit, dieses Problem zu lösen. 432
Eine weitere Erklärung für den scheinbaren Bruch in der causal story (Stone 1989) von der Problemursache zu den Lösungsangeboten könnte darin bestehen, dass eine demokratische Regierung eben keinen Masterplan besitzt, mit dem sie ein kohärentes Narrativ von den Problemursachen über deren Folgen hin zu deren Lösung ersinnt und diskursiv durchsetzt, sondern dass sich Ideen argumentativ entwickeln und verändern. Während die ursprüngliche Lesart der Unruhen von den offiziellen Berichten, insbesondere durch Ted Cantle, vorgegeben wurde, hat sich in den Folgejahren auch von offizieller Seite eine Vielzahl von Akteuren in die Debatte eingeschaltet und die Deutung des Problems wesentlich mitgestaltet. Diese Beobachtung deckt sich mit den interpretativen Prämissen der vorliegenden Arbeit, wonach Diskurse durch Handlungen geprägt und nicht durch anonyme Mächte quasi vorbestimmt sind (Waldschmidt 2004: 149). Die Niederlande nehmen eine mittlere Position ein, was die Konsistenz von Problemkonstruktion und daraus abgeleiteter Problemlösung betrifft. Einerseits lässt sich auch in NL beobachten, dass eine auf Ausgleich beruhende politische Kultur sowie ein im Vergleich zu Deutschland konsequenterer Diskriminierungsschutz der Herstellung einer ethnischen Mischung enge Grenzen setzen. So wird der Anteil der Migranten in einem Stadtteil zwar als Problemindikator gedeutet und ethnische Segregation auf kommunaler und nationaler Ebene als Problem gewertet, zugleich müssen die auf eine Mischung abzielenden Policies jedoch "farbenblind" sein. Ethnische Mischung wird über eine Herstellung von sozialer Mischung operationalisiert, wobei angesichts der Entwicklung einer ethnischen Mittelschicht diese Verbindung brüchig ist (Kapitel 7.3.3.3). Andererseits ist in NL die Verbindung zwischen dem zur wesentlichen Problemursache erhobenen Tatbestand - ethnische Segregation sei ein Ausdruck der sozialen Segregation, die wiederum durch die Struktur des Wohnungsbestandes determiniert sei - und den Lösungsversuchen - eine fundamentale Umgestaltung der Angebotsstruktur - in sich konsistenter als in GB.
Erklärungsversuche für Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Interpretationsrepertoires Es gehört zu den Grundannahmen des kontextuellen Konstruktionismus, aus dem die vorliegende Arbeit ihre epistemologischen Prämissen bezieht, dass die Problematisierung eines Sachverhaltes nicht ohne ihren Kontext verstanden werden kann. Als Kontext kommt dabei auch das problematisierte Phänomen selbst in Betracht, aber sein Einfluss auf die Problemkonstruktion wird als vergleichsweise gering veranschlagt (Schmidt 2000: 165). Dies hat sich auch in der Konstituierung 433
des Problems ethnischer Segregation gezeigt, da sich die Intensität der Debatte um die negativen Folgen von Segregation als weitgehend losgelöst vom Ausmaß der Segregation erwiesen hat. Dementsprechend wird die Einschätzung des niederländischen Geographen, Sako Musterd, geteilt: "I have the impression that the debates are most lively in countries and cities that show surprisingly low levels of spatial inequalities" (Musterd 2005: 340). Der Vergleich der drei nationalen Problematisierungsdiskurse hat sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zutage gefördert, die nicht durch eine ungleiche ,,Problembetroffenheit" erklärt werden können. Als wesentliche Gemeinsamkeit lässt sich festhalten, dass Segregation überwiegend auf die Entscheidung der Migranten zurückgeführt und davon ausgegangen wird, es könne eine Mischung hergestellt werden und diese nutze der Integration (Kontakthypothese). Die drastischsten Policies, die in allen drei Ländern in den 1970er Jahren implementiert wurden, fanden sich zudem in der Regel auf kommunaler und nicht auf nationaler Ebene.
Gemeinsamkeiten durch Ressentiments Die in allen drei Ländern anzutreffende Problematisierung von ethnischer Segregation mag überraschen, da insbesondere GB und die Bundesrepublik in Fragen der Migration und des interkulturellen Zusammenlebens als sehr gegensätzlich wahrgenommen werden. Ein genauer Vergleich hat jedoch gezeigt, dass dieser Annahme häufig eine Überbewertung der scheinbar völlig gegensätzlichen Modelle von kolonialer Zuwanderung einerseits und dem deutschen Gastarbeitermodell andererseits zugrundeliegt. Eine zentrale Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Zuwanderung nicht nur im Gastarbeitermodell Deutschlands, sondern auch hinsichtlich der Migration aus den ehemaligen Kolonien sowohl von politischer Seite als auch von den Migranten selbst als ein temporäres Phänomen interpretiert wurde. Die Zuwanderer aus den Kolonien verfügten als Staatsbürger zwar über stärkere Rechte als die Ausländer in der BRD, sprachen aber nicht automatisch Englisch. Durch die Kolonialgeschichte ist zudem nicht zwangsläufig eine größere Offenheit gegenüber Minderheiten vorprogrammiert, sondern sie hat durch ihre patemalistische Wahrnehmung der vermeintlich minderwertigen schwarzen Kolonialbevölkerung auch die Grundlagen für Rassismus gelegt. Auch die koloniale Zuwanderung erfolgte zudem nicht allein aufgrund eines anderen Verständnisses von Staatsbürgerschaft, sondem seit jeher auch, um den Arbeitskräftebedarf zu decken (Kapitel 6.1). Gemeinsame Trends: Strukturwandel und neoliberaler Umbau des Wohlfahrtstaates In diesem framing, das Migranten vor allem nach ihrem Nutzen für den Wirtschaftsstandort bewertet (Butterwegge 2007), liegt auch ein weiterer Grund dafür, 434
dass Migranten und die von ihnen bewohnten Viertel in allen drei untersuchten Ländern als Problem wahrgenommen werden. Die Problematisierung von Segregation erfolgt in allen Ländern vor dem Hintergrund zweier zentraler Trends. Zum einen sehen sich Deutschland, die Niederlande und GB mit einem Strukturwandel konfrontiert, der die Integrationskraft des Arbeitsmarktes erheblich geschwächt hat. Dadurch wird nicht nur die sozioökonomische Integration der Migranten erschwert, sondern es entfallt auch der Arbeitsplatz als wesentlicher Schauplatz interethnischer Kontakte (Amin 2002: 5). Die "Gastarbeiter" von einst werden aufgrund einer durchschnittlich höheren Arbeitslosigkeit insbesondere im niederländischen Diskurs als Belastung für die "Aufnahmegesellschaft" gedeutet (Mahnig 1998: 66; Ersanlili 2007: 4). Hier greift nun der zweite gemeinsame Trend in Fonn eines dominanten neoliberalen Diskurses, der die Eigenverantwortung des Individuums für seine sozioökonomische Teilhabe betont und dafür sorgt, dass die Schuld für die wahrgenommenen Integrationsdefizite bei den Minderheiten selbst gesucht wird. "There (...) seems to be an increasingly cautious attitude towards pluralist models of integration in many European countries. The attention now tends to be focused on speeding up assimilation and integration" (Musterd 2005: 340). Dies geht einher mit einem Umbau des Wohlfahrtstaates, der weniger auf einen redistributiven Ausgleich sozialer Benachteiligung setzt, sondern darauf, den Anpassungsdruck auf seine Bürger zu erhöhen. Dabei wird die eigenethnische Gemeinschaft als Hindernis auf dem Weg der Integration gewertet, der Multikulturalismus für tot erklärt und auch auf eine räumliche Verschmelzung der ethnischen Minderheiten drängt (Kapitel 6.1.2).
Globale Schockereignisse als Katalysator der Problemdiskurse Zugleich zeichnet sich in allen drei Ländern ab, dass in zunehmendem Maße eine kulturelle Integration als Voraussetzung für die sozioökonomische Integration interpretiert wird (Vasta 2006: 9). Daneben erweist sich, dass die Problematisierung des interkulturellen Zusammenlebens und der Wohnstandortverteilung der Minderheiten zu Beginn des 21. Jahrhunderts in allen drei Ländern durch externe Ereignisse - die islamistischen Attentate in den USA 2001, der Mord an Theo van Gogh, die Unruhen in der Banlieue, die Terroranschläge in London 2005 - angefacht wurde, die dazu führen, dass Konfliktlinien vor allem zwischen den "Kulturen" und Religionen wahrgenommen werden. Indem die Heterogenisierung der Gesellschaften häufig als Bedrohung für die venneintlich exzeptionellen Werte der jeweiligen Gesellschaft gedeutet wird, gelten die Wohnorte der Migranten nicht mehr nur als Hürde für die individuelle Integration ihrer Bewohner, sondern in wachsendem Maße als Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt, der in 435
Zeiten einer superdiversity in auseinanderdriftende Parallelgesellschaften zu zerfallen scheint.
Unterschiedliche Kultur des Zusammenlebens In einem konstruktionistischen Verständnis sind Problemdiskurse eingebettet in umfassendere gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen, die länderspezifische Voraussetzungen für die Konstituierung kollektiver Akteure sowie für die Art der Thematisierung darstellen (vgl. Groenemeyer 2003: 12f.). Demenstprechend weisen die Konstruktion des Problems Segregation und die eingeleiteten Lösungsversuche, wie unter 7.3 dargestellt, Unterschiede zwischen den Ländern auf, wobei eine wesentliche Differenz darin besteht, dass eine ethnische Mischung, die über Zugangsbegrenzungen für Minderheiten implementiert wird, in GB und NL nicht nur durch eine Antidiskriminierungsgesetzgebung verboten, sondern letztlich auch ,,nicht vorstellbar" ist. Die Beobachtung, dass es beispielsweise in NL eher unüblich ist, die Migranten für ihre Wohnsituation und -segregation verantwortlich zu machen, hat sicherlich nicht nur damit zu tun, dass die politische Kultur ein blame the victim unwahrscheinlicher macht, sondern auch damit, dass die multikulturalistische Politik der Vergangenheit zur Herausbildung aktiv partizipierender Migrantenverbände geführt hat, die sich gegen eine solche Lesart verwehren würden (vgl. Interview van Kempen). Das politische Klima legt damit nicht nur indirekt die Grundlagen dafür, was auf welche Art und Weise für wahr gehalten wird, sondern prägt zugleich die Akteure und ihre Fähigkeit, sich mit ihren claims im Diskurs zu behaupten. Im Politikfeld Wohnen sind es auch in NL und GB weniger eigenethnische Organisationen, die sich zu Wort melden. Stattdessen sind Personen mit Migrationshintergrund hier vor allem in den relevanten Mainstream-Institutionen repräsentiert. Trotz der multikulturalistischen Vergangenheit haben sich in diesem Politikfeld kaum parallele Unterstützungsstrukturen ausgebildet, sondern die gesamtgesellschaftlichen Institutionen tragen der Diversität Rechnung. Die Organisation der Beziehungen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen sei es in Gestalt einer multikulturalistischen oder einer eher assimilationistischen Agenda - wiederum knüpft in allen drei Vergleichsländern an traditionelle Inklusionskonzepte an. Einerseits lässt sich so eine gewisse Pfadabhängigkeit beobachten - beispielsweise in NL von der gesellschaftlichen Versäulung über den Multikulturalismus hin zu einer Wohnungspolitik, die zur Beseitigung der für problematisch gehaltenen Segregation nicht auf Policies zurückgreifen kann, die die Minderheiten explizit benachteiligen würde. Zugleich scheint ein Staatsbürgerschaftverständnis wie in NL und GB, das zur Folge hat, dass die meisten Migranten den Pass des Aufnahmelandes besitzen, die Grundlage für eine größere Sensi436
bilität für Diskriminierungstatbestände zu legen. Eine Ungleichbehandlung von Mehrheit und Minderheiten - wie sie beispielsweise gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen an den Tag gelegt wird - erscheint in allen drei Ländern als legitim, wenn sie sich auf ausländische Staatsbürger bezieht, während eine Ungleichbehandlung aufgrund ethnischer Merkmale nicht nur an rechtliche Grenzen sondern auch auf moralisches Unbehagen stößt. Andererseits ist das framing des interkulturellen Zusammenlebens nicht statisch, da es aus sehr unterschiedlichen Quellen gespeist wird. Selbst in Zeiten der niederländischen Minderheitenpolitik, die die Bewahrung der Kulturen des Herkunftslandes tolerierte und ausdrücklich förderte, wäre die Gründung von "schwarzen" Wohnungsbauvereinigungen, wie sie in GB bis heute üblich sind, undenkbar gewesen, obgleich die historische Versäulung der Gesellschaft eine separate Bereitstellung von sozialer Infrastruktur für die traditionellen, einheimischen Minderheitengruppen vorsah (Kapitel 6.1.2.3). Unterschiedlicher Glauben an social engineering und Organisation des Wohnungsmarktes Nicht nur die unterschiedlichen staatlichen Inklusionskonzepte bilden unterschiedliche Grundlagen für die jeweils national spezifischen Problemdiskurse, auch liefern die Traditionen verschiedener wohlfahrtsstaatlicher Regime jeweils sehr unterschiedliche Grundlagen für die Thematisierung staatlicher Aufgaben (vgl. Groenemeyer 2003: 12f.). Im Vergleich der drei Länder hat sich erwartungsgemäß herausgestellt, dass der Gestaltungsanspruch des britischen Staates in Bezug auf die Abmilderung von ethnischer Segregation relativ gering ist. Die Intensität der Debatte im Zuge der Community-Cohesion-Agenda, die Konstruktion des Problems als durch die Minderheiten verursacht und der paradoxerweise auf eine größere Wahlfreiheit setzende Lösungsansatz in Form einer Propagierung der choice-based-Iettings ist sicherlich auch daraufZUTÜck zu führen, dass der liberale britische Wohlfahrtsstaat auf die Selbstregulierung des Marktes setzt und nicht auf einen staatlichen Steuerungsanspruch. Im Gegensatz dazu legen die Niederlande einen deutlich größeren Steuerungsoptimismus an den Tag, der zwar auch durch eine Ausweitung der Wahlmöglichkeiten flankiert wird, aber vor allem auf eine radikale Umgestaltung des Wohnungsbestandes setzt. Erleichtert wird dies durch einen sozialen Wohnungssektor, der in NL durch wirtschaftlich potente Wohnungsbauvereinigungen gekennzeichnet ist, an deren Handlungsvermögen der residualisierte britische Sozialwohnungssektor mitnichten heranreicht. In der BRD hat die Struktur des Wohnungsmarktes insofern Einfluss auf den Umgang mit ethnischer Segregation, als eine unabhängige und einflussreiche Wohnungswirtschaft den Diskurs dominiert. 437
Unterschiede durch verschiedene politische Konstellationen Insbesondere die Differenzen zwischen den niederländischen Städten im Umgang mit ethnischer Segregation verdeutlichen, dass die Problematisierung eines Phänomens und seine politische Bearbeitung in hohem Maße durch den Prozess der politischen Auseinandersetzung (politics) geprägt sind. In Rotterdam ist die Entscheidung für eine Zuzugssperre für Haushalte ohne Einkommen nicht etwa deshalb gefallen, weil hier die ethnische Segregation zugenommen hätte - sie hat im Gegenteil sogar abgenommen - sondern weil sich die Parteien gezwungen sahen, auf den kommunalen Wahlerfolg des Populisten Pim Fortuyn zu reagieren. Dieser hatte zur Folge, dass auch die in die Opposition gedrängte PvdA sich für eine härtere Gangart aussprach und schließlich die Zuzugssperre in einem Modellprojekt institutionalisiert wurde (Uitermark/Duyvendak 2005: 4). In Deutschland, wo die Desegregationsversuche aktuell vor allem in Form eines einzelfallbezogenen Belegungsmanagements der Wohnungsunternehmen bestehen, ist ein solcher Einfluss des politischen Prozesses deutlich weniger nachzuweisen, zumal das Thema Mischung - von vereinzelten Forderungen in kommunalen Wahlkämpfen nach Zuzugssperren abgesehen - überwiegend nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird.
Diskurskoalitionen und Wissensquellen Mit einer Diskursanalyse lässt sich laut Kerchner/Schneider (2006: 10) aufdecken, auf welches Wissen politische Akteure zurückgreifen. Diese Frage, woher die Akteure das von ihnen FÜTWahrgehaltene beziehen, sollte in der vorliegenden Arbeit mit Hajers (1993) Ansatz der Diskurskoalitionen flankiert werden. Die Benennung von Koalitionen, die versuchen, eine bestimmte Problemkonstruktion mit Hilfe von storylines gegenüber anderen Problembeschreibungen durchzusetzen, entpuppte sich in der vorliegenden Arbeit als schwierig. Zum einen ist die storyline zur Notwendigkeit sozial ausgewogener Bewohnerstrukturen, beispielsweise in der BRD, derart vage, dass sich verschiedene Akteure ihrer bedienen, die damit aber eine sehr unterschiedliche Zielsetzung verfolgen. Gegen soziale Stabilität kann niemand ernsthaft etwas vorbringen, allerdings unterscheiden sich die propagierten Strategien - Öffnung von Beständen für Migranten oder Zuzugsbeschränkungen - erheblich. Zudem verlaufen Diskurskoalitionen nicht entlang von Institutionengrenzen, sodass eigentlich eine Zuordnung auf individueller Akteursebene erfolgen müsste, was aber für die Beantwortung der Forschungsfragen nicht für sinnvoll gehalten wurde. In der vorliegenden Arbeit ging es nicht um den Wissenshorizont einzelner Akteure, sondern um die national spe438
zifischen Deutungsmuster. Ferner unterliegen die Standpunkte einiger Institutionen einem Wandel, der durch personelle Veränderungen bedingt sein kann. Insbesondere in GB sind die vermeintlichen Diskurskoalitionen zeitlich sehr fluide, da einstige vehemente Kritiker der Community-Cohesion-Agenda mittlerweile kooptiert wurden und versuchen, dem Community-Cohesion-Diskurs eine neue Wende zu geben. Die Benennung von Diskurskoalitionen wird zudem, beispielsweise in GB, dadurch konterkariert, dass etwa eine Regulierungsbehörde für den Sozialwohnungssektor nach außen der Regierung in der Lesart eines Problems und seiner Lösungsversuche folgen muss, die Mitarbeiter aber hinter den Kulissen versuchen, die Position der Regierung zu verändern. Die in der vorliegenden Arbeit aufgetretenen Schwierigkeiten bezüglich der Aufdeckung von Diskurs-Koalitionen wurden bereits in einem anderen Politikfeld von Schneider und Janning (2006: 183) aufgezeigt. In den Fallstudien zur Umweltpolitik sei der dominante Diskurs dermaßen konfus gewesen, dass sich dahinter völlig unterschiedliche Zielsetzungen verbergen konnten. Auf sehr abstrakter Ebene lässt sich festhalten, dass sich Sozialwissenschaftier in allen drei Ländern in der Regel außerhalb der dominanten Diskurskoalition befinden, da sie einer Problematisierung von ethnischer Segregation überwiegend kritisch gegenüber stehen. Hiermit lässt sich auch die Frage beantworten, woher die relevanten Akteure ihr Wissen beziehen, denn um wissenschaftliches Wissen handelt es sich überwiegend nicht. Damit hat sich das klassische Selbstverständnis der Policy-Analyse, wie es auch auftheoretischer Ebene vom post-positivistischen Zugang der vorliegenden Arbeit in Frage gestellt wurde, auch im Empirieteil als inadäquat erwiesen, da sich in keinem Land ein speaking truth to power beobachten ließ. Die Politisierung des Zuwanderungsthemas steht einer technokratischen Übertragung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Policies im Wege. Während die Interviewpartner aus der Wissenschaft bemängeln, dass ihre Kritik nicht gehört werde, halten die Praxisakteure die Forschungsergebnisse, die die negativen Folgen von ethnischer Segregation anzweifeln, für unangemessen und bar jeder Kenntnis der Lage vor Ort. Dabei hat sich gezeigt, dass wissenschaftliche Untersuchungen in der Tradition der Forschung zu den Nachbarschaftseffekten (Kapitel 2) insofern als Kritik an den Mischungspolicies unangemessen sind, als die individuelle Integration nur ein denkbares Ziel ist. Wie Uitermark (2003: 533) schlüssig für die niederländische Umstrukturierung des Wohnungsbestandes argumentiert, geht es ebenso darum, Vermietung und Management einer Nachbarschaft zu gewährleisten und die Abwanderung von Steuerzahlern in die Umlandgemeinden zu verhindern. Während diese sehr heterogene Zielsetzung in NL von den Wohnungsbauvereinigungen sehr offensiv thematisiert wird, wenn diese eingestehen, dass ihre Mischungsver439
suche vor allem auf eine bessere "Lebbarkeit" der Nachbarschaften abzielen, scheint dies anderswo häufig übersehen zu werden. Die wissenschaftliche Kritik, durch Mischung werde die individuelle Integration der Migranten nicht beschleunigt, lässt zudem außer Augen, dass das Konzept "Integration" neben der individuellen Sozialintegration auch im Sinne eines Zusammenhalts der Gesellschaft verstanden werden kann. Die Frage danach, woher Akteure ihr Wissen beziehen, stößt auch insofern in der forschungspraktischen Umsetzung an ihre Grenzen, als diejenigen Institutionen, die den Diskurs dominieren, anderes Wissen besitzen können als diejenigen, die mit ihren Handlungen prägend sind. Dies ist in der BRD der Fall, wo die Steuerungsversuche nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruhen, sondern auf der Einzelfallentscheidung der Wohnungsanbieter. Ein Mitarbeiter eines Wohnungsverbandes wird über anderes Wissen verfugen als ein Sachbearbeiter im Vermietungsgeschäft. Hier wäre eine stärkere ethnographische Forschung wünschenswert. Außerdem ist die Frage nach den Wissensquellen insofern problematisch, als die storylines, die den Rahmen für die Problematisierungsdiskurse setzen, auf sehr allgemeinem Wissen beruhen und Verantwortlichkeiten und Lösungsmöglichkeiten vielfach stark vereinfacht darstellen (Fischer 2003: 102).
Welche "Zielgruppenkonstruktion" (Schneider/Ingram) geht mit den Deutungsmustern einher?
In Anlehnung an Helen Ingram und Anne Schneider (1993; 2005) wurde in der vorliegenden Arbeit untersucht, mit welcher Zielgruppenkonstruktion Problemdefinition und Policy-Design einhergehen (siehe Kapitel 7.5). Dabei wurde herausgearbeitet, dass die Problematisierung von ethnischer Segregation nicht nur mit einer negativen Zuschreibung in Richtung der ethnischen Minderheiten einhergeht, sondern dass sie dieses Schicksal mit den einheimischen Unterschichtsfamilien teilen. Insbesondere in GB kann die Befürchtung, in den ethnisch segregierten Nachbarschaften würden Werte geteilt, die im Kontrast zu den Werten der weißen Mittelschicht stehen, an ältere Problemkonstruktionen anknüpfen, die die weißen Sozialwohnungsbewohner pathologisierten. Auch wenn die Rezeption von urban-underclass-Theorien a la Murray (1990) in NL deutlich schwächer ausgefallen ist, hat hier ein ähnliches Deutungsmuster Verbreitung gefunden: ,,[B]oth anti-social farnilies from the 'lowest social dasses' and ethnic minorities are seen by the rest of society as people with a lifestyle that deviates from that of the middle dass ideal type, as people who do not adequately conform to the dominant norms of normal society behaviour, as backward people with a lifestyle of an earlier pre-industrial period" (Vasta 2006: 25).
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Mit der Zielgruppenkonstruktion der einheimischen Unterschicht geht zudem die Unterstellung einher, Fremdenfeindlichkeit sei ein Randgruppenphänomen und nicht tief in der Gesellschaft verankert. Verbreitet ist in allen drei Ländern die Interpretation, mit den ärmeren Einheimischen teilten gerade die Teile der Mehrheitsgesellschaft mit den Migranten ihre Nachbarschaft, die zum interkulturellen Zusammenleben eigentlich am wenigsten in der Lage seien. Dabei wird übersehen, dass die als Integrationsgarant konstruierte Mittelschicht weitaus konsequenter darin ist, sich über Fortzug und Schulwahl von den ethnischen Minderheiten abzugrenzen. Mit der positiven Konstruktion der Mittelschicht geht im Zuge des tenure mix eine Wohnungspolitik einher, die die Kritik an Gentrifizierung verwischt, indem ein moralistischer Diskurs sie als Hilfe zur Integration wendet (Lees 2008: 2452). Auf das Paradox, dass ethnische Minderheiten durch die Problematisierung von ethnischer Segregation als Problemindikator und Problemgruppe ausgemacht werden und dann dennoch verteilt werden sollen, haben britische und niederländische Forscher hingewiesen: "So we identify people as a problem, but we try to integrate them. And you know, that cannot work, that's just quite stupid", argumentiert Harris Beider im Interview. Ähnlich bemerken Uitermark und Duyvendak (2005: 22), dass es seltsam sei, dass eine Regierung, die so sehr auf Spannung zwischen den Gruppen abhebe, dennoch auf ethnische Mischung setze.
Forschungsdesiderata Während in der vorliegenden Arbeit die Deutungsmuster der wohnungspolitischen Akteure in Bezug auf ethnische Segregation analysiert worden sind, bleiben Fragen nach der Wahrnehmung von residentieller Segregation durch einheimische Bewohner einerseits und Zuwanderer andererseits weiterhin vernachlässigt. Sowohl Untersuchungen zu den subjektiven Wohnwünschen, als auch zu den wahrgenommenen negativen Folgen bleiben - insbesondere im deutschen Fall- Stückwerk. Auch die Rolle von Diskriminierung am Wohnungsmarkt scheint bislang unangemessen ausgeleuchtet zu sein. Der relativ geringen Zahl an einzelnen Untersuchungen steht die Tatsache gegenüber, dass jede einzelne Person mit Migrationshintergrund, der die Autorin privat von ihrem Untersuchungsgegenstand "Migranten am Wohnungsmarkt" erzählte, unaufgefordert von persönlichen Erfahrungen mit Benachteiligung bei der Wohnungssuche berichtete. Eine Forschungslücke besteht außerdem hinsichtlich einer Reihe von Fragen, die Sarkissian, Forsyth und Heine (1990: 10) bereits für die soziale Mischung aufgeworfen haben, die aber auch für ethnische Mischung gelten können. Unklar bleibt, in welchem Maße Bewohner Mischung tolerieren und ob sie tatsächlich 441
von einem heterogenen Umfeld profitieren. Auch die Prämisse, dass interethnische Kontakte zwischen den Bewohnern durch Mischung zunehmen, müsste empirisch unterfüttert werden. Während es in NL und GB eine deutlich aktivere Wohnforschung gibt, bleiben derartige Untersuchungen in Deutschland weiterhin Mangelware. Mit dem Voranschreiten des demographischen Wandels und einer weiteren Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse von Personen mit und ohne Migrationshintergrund müsste sich für die Zukunft für die Migranten eine wachsende Kundenmacht und damit einhergehende Definitionsmacht ergeben (Planerladen 2006: 17). Da sich gerade auch die ethnischen Minderheiten selbst in allen drei Ländern für ein Zusammenleben in gemischten Quartieren aussprechen, dürfte das Leitbild der Mischung weiterhin Bestand haben. Es wäre jedoch zu vermuten und wünschenswert, dass dies auch in Deutschland künftig stärker durch eine Öffnung von Wohnungsbeständen erfolgte und nicht länger durch Obergrenzen, die stigmatisierend sind und Wahlfreiheit einschränken.
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Verzeichnis der Interviewpartner
Interviewpartner Deutschland Dr. Cihan Arln, ARIN+PARTNERArchitekturtStadtplanung, Berlin, 2. Juni 2008 Berbert Folda, Landeshauptstadt München, Abteilung Bevölkerung und Wirtschaft, Bereichsleiter "Soziale Grundsatzfragen, Infrastruktur und Perspektive München, München, 23. Juni 2008 Prof. Barbara John, ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Berlin, 15. Mai 2008 Frank Junker, Geschäftsfiihrer der ABG Frankfurt Holding, Frankfurt, I. August 2008 Gesine Kort-Weiher, Hauptreferentin im Dezernat Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr, Referat Wohnungswesen, Deutscher Städ.tetag, Köln, 29. Mai 2008 Chrlstoph Kulenkampff (StaSekr. a.D.), Geschäftsfiihrender Partner ,,JKW Integrity Services", ehemaliger Gf. Vorstand der Schader-Stiftung, Mitarbeit am Nationalen Integrationsplan, Frankfurt, 13. Mai 2008 Anna Lange, Referat filr Stadtplanung und Bauordnung, Landeshauptstadt München, 23. Juni 2008 Dr. Chrlstian Lieberknecht, Mitglied der Geschäftsfiihrung GdW Bundesverband dentscher Wohnungs- und lmmobilienUDternehmen, Berlin, 2. Mai 2008 Manfred Neuhöfer, Geschäftsfiihrer Hammonia-Verlag, Chefredakteur "DW - Die Wohnungswirtschaft", Hamburg, 26. Mai 2008 Dr. Rudolf Ridinger, Verbandsdirektor VdW südwest - Verband der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, Frankfurt, 30. Mai 2008 Dr. Franz-Georg Rips, Präsident Deutscher Mieterbund, Berlin, 2. Juni 2008
Ralf Schumann, Gf. Vorstand der OsterholzTenever-Grundstücksgesellschaft (GEWOBA), Bremen, 13. Juni 2008 Roswitha Sinz, Abteilungsleiterin Wohnungspolitik, Verband der Wohnungswirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen, Düsseldorf, 20. Juni 2008 Prof. Dr. Reiner Staubach, Vorstand "Planerladen", Dortmund, 10. Juni 2008 Anja Treichel, Geschäftsfiihrerin der RegionalsteIle Leipzig des Verbands binationaler Ehen und Partnerschaften (iat), Leipzig, 5. Juni 2008 Reiner Wild, Stellvertretender Hauptgeschäftsfiihrer des Berliner Mietervereins, Berlin, 26. Mai 2008
Interviewpartner Großbritannien David Anderson, Integration and Cohesion implementation; Cohesion and Faitbs Division, Departrnent of Communities and Local Govemment (DCW), London, 24. November 2008 Prof. Harrls Beider, Academic Director des Institute ofCommunity Cohesion, ehemaliger Executive Director der Federation ofBiack Housing Organisations, London, 26. November 2008 Prof. Ted Cantle, Executive Chair des Institute of Community Cohesion, Associate Director der IdeA -Improvement and Development Agency, Autor des "Cantle-Reports", London, 24. November 2008 Prof. David Cheesman, 1990 - 2006 Abteilungsleiter Policy, Research and Statistics der Housing Corporation, aktuell Visiting Professor an der Sheffield Hallam Universität, Telefon-Interview am 12. Dezember 2008 Prof. John Flint, Profesor ofHousing and Urban Govemance am Centre for Regional
S. Miinch, Integration durch Wohnungspolitik?, DOI 10.1007/978-3-531-92571-4, © VS Verlag flir Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Economic and Social Research, Sheffield Hallam University, IS. November 200S Prof. Maleolm Harrison, Professor of Housing and Social Policy an der University ofLeeds, 19. November 200S Dr. Karen Jochelson, Director of Research der Equality and Human Rights Commission, London, 24. November 200S Sue Lukes, freiberufliche Trainerin und Untemehmensberaterin im Bereich Wohnen und Zuwanderung, London, 26. November 200S John Perry, Policy-Advisor des Chartered Institute ofHousing, Coventry, TelefonInterview am 13. November 200S Dr. Deborah Phillips, Reader in Ethnic and Racial Studies an der University ofLeeds, 19. November200S Preth Rao, Policy Manager der Equality and Human Rights Commission, London, 24. November 200S Prof. David Robinson, Professor ofHousing and Public Policy am Centre for Regional Economic and Social Research, Sheffield Hallam University, IS. November 200S Prof. Richard TomIins, Director of Cohesia Ud und Visiting Professor ofRace and Diversity, Coventry University, Mitglied der Practitioner Group "Housing" des Community Cohesion Panel, 26. November 200S
Interviewpartner Niederlande Prof. Hans van Amersfoort, emeritierter Professor für Kultur- und Bevölkerungsgeographie am lMES - Institute for Migration and Ethnic Studies, Amsterdam, 21. April 2009 Dr. Gideon Bolt, Urban and Regional Research Centre Utrecht (URU), Utrecht, 24. April 2009 Hester Booi, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Dienst Onderzoek en Statistiek (städtisches Statistikamt), Amsterdam, 21. April 2009 Dr. Kees Dignum, Politikberater und Projektleiter beim Wohnungsamt der Stadt Amsterdam, Am~erdam,20.ApriI2009
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Boukje Dingernans, Politikberaterin der Wohnungsbauvereinigung de Alliantie, Am~erdam,23.ApriI2009
Annemarie van Gils, Managerin für Strategie, Innovation und Marktforschung der Wohnungsbauvereinigung de Alliantie, Am~erdam,23.ApriI2009
Dr. Adriaan Hoogvliet, Manager Markt & Strategie der Wohnungsbauvereinigung de Alliantie, Amsterdam, 23. April 2009 Dr. Jeanet Kullberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Regierungsbehörde SCP - Social en cultureel planbureau, Den Haag, 22. April 2009 Prof. Dr. Sako Musterd, Professor für Sozialgeographie an der Universität von Amsterdam, Amsterdam, 23. April 2009 Dr. Jeroen Slot, Stellvertretender Direktor des Dienst Onderzoek en Statistiek (städtisches Statistikamt), Amsterdam, 21. April 2009 Rein Sohilait, Programme Manager Liveability bei der NGO "Forum" - Instituut voor Multiculturele Ontwikkeling, Utrecht, 20. April 2009 Dr. Ellen van Beckhoven, Abteilung Wohnen, Gemeinde Utrecht, Auskunft per Email vom 29. April 2009 Prof. Dr. Ronald van Kempen, Urban and Regional research centre Utrecht, Utrecht, 24. April 2009 Jeroen van de Veer, Politikberater der Amsterdamse Federatie van Woningscorporaties (AFWC), Amsterdam, 23. April 2009 Arjen Verweij, wissenschaftlicher Berater und Programmleiter Nachbarschaften und Integration beim niederländischen Wohnungsbauministerium VROM, Directorate General for Housing, Communities and Integration, Den Haag, 22. April 2009 Irene WiDems, Prograrnm-Managerin für Stadtemeuerung Utrecht VernieuwtJ Krachtwijken bei der Gemeinde Utrecht, Utrecht, 24. April 2009