Diana E. Krause Macht und Vertrauen in Innovationsprozessen
GABLER RESEARCH
Diana E. Krause
Macht und Vertrauen in...
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Diana E. Krause Macht und Vertrauen in Innovationsprozessen
GABLER RESEARCH
Diana E. Krause
Macht und Vertrauen in Innovationsprozessen Ein empirischer Beitrag zu einer Theorie der Führung 2. Auflage Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Diether Gebert
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2004 2., durchgesehene und korrigierte Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2444-5
Geleitwort Die Generierung und Implementation von Verfahrensinnovationen stellt ein gerade auch in der Organisations- und Führungspraxis zentrales Problem dar. Um mit diesem Problem besser umgehen zu können, geht es in dieser Arbeit zum einen um die Entwicklung eines Modells, das die Generierung und Implementation von Verfahrensinnovationen aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht erklären soll. Zum anderen geht es aber auch um die Überprüfung dieses Modells im Rahmen einer quantitativen branchenübergreifenden Felduntersuchung. Im Rahmen einer vergleichsweise aufwendigen Erhebung wurden in der Hauptuntersuchung N = 399 Befragte (Führungskräfte aus verschiedenen Unternehmen und Branchen) untersucht, die u. a. das Führungsverhalten ihres unmittelbaren Vorgesetzten zu beschreiben hatten. Eine wichtige Voraussetzung innovationsförderlicher Verhaltensweisen (u. a. der Ideengenerierung) liegt in der von der Verfasserin so bezeichneten Innovationsgeneigtheit. Dieses Konstrukt umfasst einerseits kognitive Einschätzungen der Situation, die sich vor allem auf die in der Literatur etablierten Kategorien der Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit der Situation beziehen. Dieser Denkansatz wird von der Verfasserin zusätzlich in ErwartungsWert-theoretischer Sicht interpretiert, womit die kognitiven Prozesse bereits systematisch mit motivationalen Prozessen verzahnt sind. Für die Innovationsgeneigtheit sind zugleich aber auch spezifische emotionale Prozesse konstitutiv. Die kognitiven Prozesse stehen mit (auf der Basis des Circumplex-Modells der Emotionen unterschiedenen) emotionalen Prozessen (z. B. der Freude oder des Ärgers) in einer Wechselwirkung. In der zusätzlichen Berücksichtigung emotionaler Prozesse liegt innerhalb der gegenwärtigen Innovationsforschung ein fruchtbarer Ansatz, der sich dann auch empirisch bestätigt: Es zeigt sich, dass das innovationsförderliche Verhalten in der Tat nicht nur eine Funktion spezifischer emotionaler Prozesse ist. Durch die Einführung des Konstrukts der Innovationsgeneigtheit wird damit eine theoretisch wichtige Erklärungsausdifferenzierung vorgenommen, die gerade durch ihre Theorieorientierung einer besser gelingenden Praxis zuarbeiten kann. Ein weiterer fruchtbarer Akzent dieser Arbeit liegt daran, dass die Kategorie Führung nicht in der vergleichsweise unergiebigen Kategorien bisheriger Führungsstilunterscheidungen abgearbeitet wird. Führung wird vielmehr einerseits durch Machtausübung bzw. Einflussnahme und andererseits durch Misstrauen bzw. Vertrauen gekennzeichnet. Auch diese auf der Basis einer intensiven Literaturrecherche sehr differenziert ausgearbeiteten Kategorien erweisen sich in der späteren empirischen Untersuchung als vorhersagekräftig. Führung durch Machteinsatz bzw. Führung durch Misstrauen beeinträchtigen die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig und bedingen die Freisetzung innovationshinderlicher Verhaltensweisen, nämlich Flucht, V
intrapsychische Anpassung (Resignation) und Widerstand. Das Gegenmodell einer Führung durch Einfluss, die von einer gleichgerichteten Interessenlage des Vorgesetzten und des Mitarbeiters ausgeht, wirkt dabei nicht primär über eine Vorbildfunktion des Führenden, wie die umfangreiche derzeitige Charisma-Forschung vielleicht vermuten lassen könnte. Identifikationsprozesse mit den Vorgesetztenintentionen werden vielmehr primär durch die Gewährung von Freiheitsgraden und durch eine vernünftige Informationspolitik und ein dadurch zum Ausdruck gebrachtes Vertrauen gegenüber dem Geführten gefördert. Unabhängig von diesen bereits auf der theoretischen Ebene zu weiteren Überlegungen anregenden Befunden hat die Analyse eine Reihe von praktisch-relevanten Ergebnissen ergeben. So zeigt sich z. B., dass die in Aussichtsstellung extrinsischer Anreize (z. B. von Beförderungen bei
einem
intentionskonformen
Verhalten
gegenüber
dem
Vorgesetzten)
mit
der
Implementationsgüte unkorreliert ist. Mit der Strategie des Versprechens extrinsischer Anreize läuft durchaus nicht parallel, dass sich die geführten Führungskräfte gleichsam durch eine verlockende Zukunft euphorisiert fühlen. Dass die Ausübung von Bestrafungsmacht negative Emotionen vermittelt, sich mit Misstrauen verbindet usw., ist unmittelbar einsichtig. Dass sich aber das Versprechen von Belohnungen eben nicht spiegelbildlich mit positiven Gefühlen verbindet und mit dem Innovationserfolg tendenziell unkorreliert ist, ist ein bemerkenswerter Befund. Er kann nicht genug unterstrichen werden, da die gegenwärtige Personalpraxis nicht weniger, sondern mehr von der Bedeutsamkeit extrinsischer Anreize überzeugt zu sein scheint, was aber im innovationsbezogenen Kontext ein Irrtum sein könnte. Der Vorgang des Lockens wie auch der Vorgang des Drohens erweist sich nicht nur für die Ideengenerierung, sondern ausdrücklich auch für die Ideenimplementation eher als Hindernis denn als Vorteil. Neben einer Vielzahl theoretisch interessanter und praktisch relevanter Ergebnisse sein die vorliegende Schrift dem Leser auch deswegen empfohlen, weil sie theoretisch auf sehr anspruchsvollem Niveau agiert und sich durch Souveränität und Sorgfalt auszeichnet. Die Arbeit transzendiert die üblichen Dissertationen insofern, als die Verfasserin auf der theoretischen Ebene, aber auch auf der empirischen Ebene in skrupulöser Weise äußerst sorgfältig und sich selbst hinterfragend vorgeht und um genaue Begründungen selbst dort bemüht ist, wo der Leser dies nicht unmittelbar verlangt. Hier zeigt sich ein wissenschaftliches Ethos, das heute angesichts vieler Blendeeffekte in Dissertationen absolut nicht mehr selbstverständlich ist. Darüber hinaus ist die Souveränität und Sorgfalt auch in der quantitativen Verarbeitung der Daten hervorzuheben. Die Verfasserin geht methodisch in vorbildlicher Form gründlich und zugleich selbstkritisch vor und operiert auf einem Niveau, das für unsere amerikanischen TopJournale kennzeichnend ist. Zudem überzeugt der Aussagegehalt der empirischen Befunde umso mehr, also diese Befunde in differenzierter Form theoretisch begründet wurden und es der Ver-
VI
fasserin gelang, die Messungen der verschiedenen Konstrukte reliabel sowie konstrukt- und kriterienvalide zu erfassen. Ich wünsche dieser Arbeit einen breiten Leserkreis, da sie die verhaltenswissenschaftlich orientierte Innovationsforschung bereichert und eine Fülle für die weitere Führungsforschung und –praxis relevanter Befunde bereitstellt.
Diether Gebert
VII
Vorwort Die vorliegende zweite Auflage dieser Monographie basiert auf meiner Dissertationsschrift an der Technischen Universität Berlin. Während der Doktorarbeit habe ich in vielfältiger Weise Unterstützung erfahren: Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Diether Gebert, der nicht nur die nötigen Freiräume zum wissenschaftlichen Arbeiten zur Verfügung gestellt, sondern auch durch seine intellektuelle Stimulierung in allen Phasen des der Doktorarbeit zu deren Gelingen beigetragen. Die intensiven Diskussionen mit ihm als liberalem Gesprächspartner trugen wesentlich zur Präzisierung der Argumentation und Fundierung des theoretischen Modells der Arbeit bei. Überdies halfen mir diese Diskussionen dabei, den Streichungen einzelner Textpassagen nicht allzu lange „nachzutrauern“. Außerdem möchte ich ihm an dieser Stelle herzlich dafür danken, dass er mich nicht nur im Rahmen der Doktorarbeit, sondern auch in anderen Forschungsprojekten stets konstruktiv unterstützt hat. Dabei war es insbesondere die Kombination aus Inspiration und Kritik, die mir aus manchen „gedanklichen Einbahnstraßen“ heraushalf und mich dazu veranlasste, bisher unberücksichtigte Gesichtspunkte einzubeziehen. Ferner danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Gemünden sowohl für seine wertvollen Hinweise, die wichtige Weichenstellungen für das Konstrukt der Innovationsgeneigtheit legten als auch für seine emotionale Unterstützung, die mich u. a. veranlasste, nach 4-jähriger Tätigkeit in Nordamerika wieder nach Europa zurück zu kehren. Mein Dank gebührt zudem Fr. Mag. Katharina Jeschke für ihre große Sorgfalt bei der Neuformatierung und Durchsicht des Texts und die Überarbeitung der zahlreichen Abbildungen für die 2. Auflage des Buchs. Nicht zuletzt gilt mein Dank den insgesamt über 450 Führungskräften für die Teilnahme am Pretest und an der Hauptuntersuchung, die es mir ermöglichte, die Erkenntnisse dieser Arbeit auf eine breite empirische Basis zu stellen. Ganz besonderer Dank gilt Dr. rer. oec. Reiner Piske und Dipl.-Psych. Undine Gawronski für ihre Bereitschaft, die gesamte Monographie trotz des heißen Sommers Korrektur zu lesen. Die daraus erwachsenen Diskussionen haben wesentlich zur besseren Lesbarkeit des Textes beigetragen. Außerdem danke ich herzlich dem Gabler-Verlag, insbesondere Frau Schöller, für die erneute überaus kooperative Zusammenarbeit und die Ermöglichung einer schnellen Drucklegung der Neuauflage.
Prof. Dr. Diana E. Krause
IX
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlegung..............................................................................................................................................................
1
1.1 Einführung in den Problemgegenstand und Zielsetzung der Untersuchung......................................................
5
1.2 Entwicklung eines konzeptionellen Bezugsrahmens der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen..............................................................................................................................................................
7
1.2.1
Führung in Organisationen als Gegenstandsbreich................................................................................
8
1.2.2
Situatives Führungsverständnis als Ausgangpunkt................................................................................
10
1.2.3
Spezifizierung einer zielorientierten Führung im Innovationskotext....................................................
12
1.3 Vorgehensweise der Untersuchung.....................................................................................................................
18
2 Entwicklung des theoretischen Modells...................................................................................................................
20
2.1 Die Führungssituation: Innovationsaufgaben in Organisationen....................................................................
22
2.1.1
Arten und Ziele von Innovatinen...........................................................................................................
22
2.1.2
Attribute von Innovationsaufgben.........................................................................................................
26
2.1.2.1
Innovationsgrad....................................................................................................................
26
2.1.2.2
Unsicherheit.........................................................................................................................
32
2.1.2.3
Komplexität..........................................................................................................................
34
2.1.2.4
Konfliktgehalt......................................................................................................................
38
2.2 Der Führungserfolg: Der Erfolg von Verfahrensinnovationen..........................................................................
43
2.3 Die geführten Führungskräfte: Verhaltensweisen, Emotionen und Situationswahrnehmungen im Innovationsprozess.............................................................................................................................................. 2.3.1
45
2.3.1.1
Das Innovationsverhalten: Ideengenerierung/-prüfung und Implementirung.....................
45
2.3.1.2
Die innovationshinderlichen Verhaltensweisen: Flucht, intrapsychische Anpassung und
2.3.1.3
Konflikte und Widerstand als Barrieren der Implementierung............................................
66
Emotionen der geführten Führungskräfte..............................................................................................
70
Widerstand...........................................................................................................................
2.3.2
2.3.3
2.3.4
45
Innovationsbezogene Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte................................................
61
2.3.2.1
Die Struktur der Emotionen.................................................................................................
71
2.3.2.2
Konsequenzen der Emotionen für die innovationsbezogenen Verhaltensweisen...............
74
Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte.....................................................................
78
2.3.3.1
Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig...............................................
80
2.3.3.2
Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig.....................................................
83
Situationswahrnehmungen, Motivation und Emotionen........................................................................
89
2.4 Das Führungsverhalten: Führung durch Einfluss und Macht und Führung durch Vertrauen und Misstrauen im Innovationsprozess......................................................................................................................................... 2.4.1
Einfluss und Macht als Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess............................ 2.4.1.1
96 97
Merkmale und Konstruktunterscheidung von Einfluss und Macht.....................................
100
2.4.1.2
Klassifikationen der Einfluss- und Machtgrundlagen..........................................................
107
2.4.1.3
Herleitung und Beschreibung relevanter Einfluss- und Machtgrundlagen im Innovationsprozess............................................................................................................................
XI
119
2.4.2
Vertrauen und Misstrauen als Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess…………
131
2.4.2.1
Merkmale und Konstruktunterscheidung von Vertrauen und Misstrauen...........................
134
2.4.2.2
Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen.........................................................................
146
2.4.2.3
Herleitung und Beschreibung relevanter Vertrauns- und Misstrauensgrundlagen im Innovationsprozess...............................................................................................................
2.4.3
Zum Zusammenhang zwischen Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen als Qualitäten des Füh-
2.4.4
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Erlebens- und Verhaltensweisen der geführ-
rungsverhaltens......................................................................................................................................
ten Führungskräfte und des Innovationserfolgs……………………………………………………...
2.4.5
150
156
161
2.4.4.1
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Situationswahrnehmungen...........
162
2.4.4.2
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Emotionen………………………
169
2.4.4.3
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung des Innovationsverhaltens...................
172
2.4.4.4
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der innovationshinderlichen Verhaltensweisen............................................................................................................................
178
2.4.4.5
Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung des Innovationserfolgs.........................
180
Konflikte als Bedingung der Qualitäten des Führungsverhaltens..........................................................
2.5 Zusammenfassende Beschreibung des entwickelten Modells..........................................................................
182 184
3 Methode......................................................................................................................................................................
192
3.1 Konzeption des Untersuchungsdesigns...............................................................................................................
193
3.1.1
Untersuchungsart und Untersuchungsmethode.....................................................................................
193
3.1.2
Datenerhebungsmethode........................................................................................................................
195
3.1.3
Messzeitpunkt........................................................................................................................................
196
3.2 Anforderungen an das Messinstrument...............................................................................................................
19
3.2.1
Spezifität................................................................................................................................................
198
3.2.2
Messperspektive.....................................................................................................................................
200
3.2.3
Psychometrische Qualität......................................................................................................................
201
3.3 Durchführung.......................................................................................................................................................
205
3.3.1
Pretest.....................................................................................................................................................
206
3.3.2
Hauptuntersuchung................................................................................................................................
208
3.4 Messung der Konstrukte......................................................................................................................................
210
3.4.1
Messung ausgewählter Attribute von Verfahrensinnovationen.............................................................
210
3.4.1.1
Messung des Innovationsgrades...........................................................................................
210
3.4.1.2
Messung der Unsicherheit....................................................................................................
211
3.4.1.3
Messung der Konflikte.........................................................................................................
212
3.4.2
Messung des Innovationserfolgs............................................................................................................
213
3.4.3
Messung der innovationsbezogenen Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten
214
Führungskräfte.......................................................................................................................................
3.4.4
3.4.3.1
Messung des Innovationsverhaltens.....................................................................................
3.4.3.2
Messung der innovationshinderlichen Verhaltensweisen....................................................
215
3.4.3.3
Messung der Emotionen.......................................................................................................
216
3.4.3.4
Messung der Situationswahrnehmungen..............................................................................
217
Messung der Qualitäten des Führungsverhaltens...................................................................................
218
XII
214
3.4.4.1
Messung der Führung durch Einfluss und Macht................................................................
3.4.4.2
Messung der Führung durch Vertrauen und Misstrauen......................................................
219 226
3.5 Stichprobe der Hauptuntersuchung......................................................................................................................
232
3.5.1
Soziodemographische Merkmale der befragten Führungskräfte...........................................................
232
3.5.2
Berufliche Merkmale der befragten Führungskräfte..............................................................................
232
3.5.3
Verteilung der Führungskräfte auf Branchen und Größe der Organisationen……………….………
3.6 Probleme des Untersuchungsdesigns...................................................................................................................
234 234
4 Ergebnisse...................................................................................................................................................................
237
4.1 Art und Attribute der untersuchten Verfahrensinnovationen...........................................................................
238
4.1.1
Kategoriensystem für die untersuchten Verfahrensinnovationen..........................................................
239
4.1.2
Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf den Innovationsgrad...............................
240
4.1.3
Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf die Unsicherheit......................................
242
4.1.4
Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf die Konflikte...........................................
244
4.2 Innovationserfolg, innovationsbezogene Erlebens- und Verhaltensweisen und Konflikte.................................
245
4.2.1
Wirkungen innovationsbezogener Verhaltensweisen auf den Innovationserfolg..................................
245
4.2.2
Wirkungen der Konflikte und des Widerstands auf die Implementierung............................................
250
4.2.3
Wirkungen der Emotionen auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen………….……………
257
4.2.4
Wirkungen der Situationswahrnehmungen auf die Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen...................................................................................................................................
263
4.3 Zusammenhänge der Qualitäten des Führungsverhaltens...................................................................................
269
4.3.1
Zusammenhänge der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen..............................
270
4.3.2
Zusammenhänge der Einfluss- und Machtgrundlagen..........................................................................
276
4.3.3
Zusammenhänge der Einfluss- und Machtgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen.....................................................................................................................................................
280
4.4 Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationsbezogenen Erlebens- und Verhaltensweisen und den Innovationserfolg......................................................................................................
282
4.4.1
283
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Situationswahrnehmungen...................... 4.4.1.1
Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die
4.4.1.2
Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen..............................
286
4.4.1.3
Wirkungen der Machtgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen.................................
290
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Emotionen................................................
294
Situationswahrnehmungen...................................................................................................
4.4.2
283
4.4.2.1
Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die
4.4.2.2
Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die Emotionen.......................................................
297
4.4.2.3
Wirkungen der Machtgrundlagen auf die Emotionen..........................................................
299
Emotionen…………………………………………………………………..……………
XIII
294
4.4.3
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf das Innovationsverhalten.............. Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf
4.4.3.2
Wirkungen der Einflussgrundlagen auf das Innovationsverhalten.....................
306
4.4.3.3
Wirkungen der Machtgrundlagen auf das Innovationsverhalten........................
311
das Innovationsverhalten.....................................................................................
4.4.4
4.4.4.1
Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf
4.4.4.2
Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die innovationshinderlichen
4.4.4.3
Wirkungen der Machtgrundlagen auf die innovationshinderlichen
die innovationshinderlichen Verhaltensweisen...................................................
Verhaltensweisen................................................................................................
Verhaltensweisen................................................................................................
4.5
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf den Innovationserfolg….………
6
315
315
317
319 321
4.4.5.1
Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf den Innovationserfolg..........................................................................................
321
4.4.5.2
Wirkungen der Einflussgrundlagen auf den Innovationserfolg..........................
323
4.4.5.3
Wirkungen der Machtgrundlagen auf den Innovationserfolg.............................
325
Zum Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens in Innovationsprozessen: Ist-Zustand..........................
326
4.5.1
Einsatz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen..............................
327
4.5.2
Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen.........................................................................
328
4.5.3
Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens............
330
4.5.3.1
Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Führung durch Einfluss, Macht,
4.5.3.2
Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Einflussgrundlagen....................
333
4.5.3.3
Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Machtgrundlagen.......................
336
Vertrauen und Misstrauen...................................................................................
5
302
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen..................................................................................................................
4.4.5
302
4.4.3.1
330
Implikationen.......................................................................................................................................................
339
5.1
Forschungstheoretische Implikationen......................................................................................................
340
5.2
Forschungsmethodische Implikationen.....................................................................................................
351
5.3
Praktische Implikationen...........................................................................................................................
353
Zusammenfassung...............................................................................................................................................
358
Anmerkungen......................................................................................................................................................
363
Literatur...............................................................................................................................................................
391
Anhang: Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI) ................................................
415
XIV
Abbildungsverzeichnis Abb. 1
Modell der Situationstheorien der Führung (nach Neuberger, 2002, S. 52)...........................................
11
Abb. 2
Modell der zielorientierten Führung (nach Gebert & Ulrich, 1991, zitiert aus Gebert, 2002, S. 81).....
13
Abb. 3
Konzeptioneller Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen.........
17
Abb. 4
Konfliktarten und Widerstand als Barrieren der Implementierung…....................................................
69
Abb. 5
Das Circumplex-Modell der Emotionen (nach Schallberger & Pfister, 2001, S. 180)...........................
73
Abb. 6
Funktion der positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte für ausgewählte innovationsbezogene Verhaltensweisen.................................................................................................
Abb. 7
77
Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte als Bedingung ihrer innovationsbezogenen Verhaltensweisen (erweiterte Darstellung in Anlehnung an Gebert, 2002, S. 87).................................
79
Abb. 8
Die motivationale Entsprechung der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte...........
90
Abb. 9
Positive und negative Emotionen der geführten Führungskräfte als Resultat der Kombination ihrer Situationswahrnehmungen......................................................................................................................
Abb. 10
94
Die ungeklärte Relation zwischen Einfluss und Macht und ihrer jeweiligen Tiefenstruktur innerhalb der Dimension Führung..........................................................................................................................
99
Abb. 11
Merkmale der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht..................................................
105
Abb. 12
Die ungeklärte Relation zwischen Vertrauen und Misstrauen und ihrer Tiefendimension innerhalb der Dimension Führung .........................................................................................................................
133
Abb. 13
Merkmale der Führung durch Vertrauen................................................................................................
140
Abb. 14
Zweidimensionalität von Vertrauen und Misstrauen (nach Lewicki, McAllister und Bies, 1998, p. 445).........................................................................................................................................................
144
Abb. 15
Führung als Determinante der Situationswahrnehmungen....................................................................
163
Abb. 16
Führung als Determinante der Emotionen..............................................................................................
170 174
Abb. 17
Führung als Determinante der Komponenten des Innovationsverhaltens.............................................
Abb. 18
Führung als Determinante der innovationshinderlichen Verhaltensweisen............................................
179
Abb. 19
Führung als Determinante des Innovationserfolgs.................................................................................
181
Abb. 20
Modell der Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen von geführten Führungskräften und des Innovationserfolgs..............................................................................................................................................
186
Abb. 21
Intensitätsgrad, Erstmaligkeitsgrad und Implikationsgrad der Arten der Verfahrensinnovationen........
241
Abb. 22
Unsicherheit der Arten der Verfahrensinnovationen..............................................................................
244
Abb. 23
Grad der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte und der Verteilungskonflikte der Arten der Verfahrensinnovationen................................................................................................................................
Abb. 24
244
Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten und indirekten Effekten der Konfliktarten und des Widerstands als Determinanten der Implementierung...............................................
XV
254
Abb. 25
Führung durch Vertrauen als Funktion der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht….
275
Abb. 26
Führung durch Misstrauen als Funktion der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht...
275
Abb. 27
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie als Funktion der Beurteilungs- und Bewertungskon-
Abb. 28
Einsatz (im-)materieller Bestrafung/Drohung als Funktion der Beurteilungs-, Bewertungs- und
flikte sowie Verteilungskonflikte...........................................................................................................
Verteilungskonflikte................................................................................................................................
XVI
336
338
Tabellenverzeichnis Tab. 1
Innovationsarten und Innovationsziele (nach Thom, 2001, S. 323).......................................................
Tab. 2
Übersicht zu unterschiedlichen Konzeptionen und Dimensionen des Innovationsgrades in Untersu-
24
chungen ab 1990 (nach Brockhoff & Zanger, 1993, S. 837–839 und Hauschildt & Schlaak, 2001, S.
Tab. 3
165).........................................................................................................................................................
30
Übersicht über die wichtigsten Komplexitätskonzeptionen...................................................................
35
Tab. 4
Übersicht zu den wichtigsten Klassifikationen interpersonaler Konflikte.............................................
39
Tab. 5
Exemplarische Übersicht zu vier Phasenmodellen des Innovationsprozesses.......................................
48
Tab. 6
Zusammenstellung der Klassifikationen der Grundlagen von Einfluss und Macht (erweiterte nach
Tab. 7
Anpassungsgüte der Modelle zur Struktur der Machtgrundlagen im Orchesterkontext (nach Krause
Sandner, 1992, S. 27 f.)...........................................................................................................................
109
et al., 2002, S. 130).................................................................................................................................
114
Tab. 8
Einsatz der Machtgrundlagen in verschiedenen Kontexten....................................................................
116
Tab. 9
Notwendigkeit der Überwachung des B durch A beim Einsatz der Grundlagen von Einfluss und
Tab. 10
Innovationskontextspezifisch ausgewählte und adaptierte Grundlagen der einflussbasierten Führung
Macht (modifizierte Darstellung nach Raven, 1992, p. 219)...............................................................
121
und der machtbasierten Führung.............................................................................................................
123
Tab. 11
Zusammenstellung der Klassifikationen der Grundlagen von Vertrauen...............................................
147
Tab. 12
Innovationskontextspezifisch ausgewählte Grundlagen der Führung durch Vertrauen und ihre Entsprechung zu Vertrauensgrundlagen anderer Klassifikationen...............................................................
151
Tab. 13
Strategien der Stichprobengewinnung und realisierte Anzahl pro Strategie..........................................
208
Tab. 14
Messung des Innovationsgrades der Verfahrensinnovationen................................................................
211 211
Tab. 15
Messung der Unsicherheit der Verfahrensinnovationen.........................................................................
Tab. 16
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Konflikte...................................................................
212
Tab. 17
Operationalisierung des Innovationserfolgs............................................................................................
214
Tab. 18
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten des Innovationsverhaltens...............................................
214
Tab. 19
Faktorstruktur und Reliabilitäten innovationshinderlicher Verhaltensweisen........................................
215
Tab. 20
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Emotionen.................................................................
217
Tab. 21
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Situationswahrnehmungen........................................
218
Tab. 22
Vergleich deduktiv entwickelter Fragebogeninventare zur Messung der Macht- und Einflussgrundlagen........................................................................................................................................................
220
Tab. 23
Eigenwerte und Varianzerklärung der Faktoren der Einflussgrundlagen...............................................
223
Tab. 24
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Einflussgrundlagen...................................................
224
Tab. 25
Eigenwerte und Varianzerklärung der Faktoren der Machtgrundlagen..................................................
225
Tab. 26
Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Machtgrundlagen......................................................
226
Tab. 27
Vergleich der wichtigsten Fragebögen zur Messung von Vertrauen......................................................
227
Tab. 28
Faktorstruktur und Reliabilitäten der Führung durch Vertrauen und Misstrauen...................................
230
Tab. 29
Soziodemographische Merkmale der befragten Führungskräfte............................................................
232
Tab. 30
Berufliche Merkmale der befragten Führungskräfte...............................................................................
233
Tab. 31
Branchen und Größe der Organisationen................................................................................................
234
Tab. 32
Arten untersuchter Verfahrensinnovationen...........................................................................................
239
Tab. 33
Mittelwerte und Standardabweichungen für den Innovationsgrad aller untersuchten Verfahrensinnovationen...................................................................................................................................................
XVII
240
Tab. 34
Häufigkeiten der Arten der Verfahrensinnovationen mit niedrigem, mittlerem und hohem Innovati-
Tab. 35
Mittelwerte und Standardabweichungen für die Unsicherheit aller untersuchten Verfahrensinnovati-
Tab. 36
Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs mit der Ideengenerierung/-prüfung, Implementie-
Tab. 37
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die
Tab. 38
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch
Tab. 39
Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Konfliktarten, des Widerstands und der
Tab. 40
Anpassungsgüte des Strukturgleichungsmodells mit direkten und indirekten Effekten der Konflikt-
onsgrad...................................................................................................................................................
onen........................................................................................................................................................
rung, intrapsychischen Anpassung und Flucht.......................................................................................
Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung.............. …………………………………………...
intrapsychische Anpassung und Flucht...................................................................................................
Implementierung.....................................................................................................................................
arten und des Widerstands als Determinanten der Implementierung..................................................... Tab. 41
Ausmaß der Verminderung der aufgeklärten Varianz in der Kriteriumsvariable „Implementierung“
Tab. 42
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelation der Emotionen, des Innovationsverhaltens
Tab. 43
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung
Tab. 44
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Implementierung durch die
Tab. 45
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der intrapsychischen Anpassung
Tab. 46
Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage von Flucht durch die positiven
Tab. 47
Ergebnisse der einfaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) des in Quartile gestuften
bei Elimination der Prädiktoren.......................................................... ………………………………...
und innovationshinderlicher Verhaltensweisen.....................................................................................
durch die positiven und negativen Emotionen.......................................................................................
positiven und negativen Emotionen........................................................................................................
durch die positiven und negativen Emotionen........................................................................................
und negativen Emotionen........................................................................................................................
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261
262
262
Faktors „Grad wahrgenommener VF bei gleichzeitig hoher wahrgenommener VB“ auf die Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen........................................................................
266
Tab. 48
Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen........................................................................................
268
Tab. 49
Korrelationen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen.....................................
271
Tab. 50
Mittelwerte und Standardabweichungen der Führung durch Vertrauen und der Führung durch
Tab. 51
Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Füh-
Misstrauen in Abhängigkeit von der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht...............
273
rung durch Einfluss und der Führung durch Macht auf die Führung durch Vertrauen und die Führung durch Misstrauen............................................................................................................................
274
Tab. 52
Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Einflussgrundlagen...........................
277
Tab. 53
Korrelationen der Einflussgrundlagen mit den Machtgrundlagen..........................................................
279
Tab. 54
Korrelationen der Einflussgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen ……………
280
Tab. 55
Korrelationen der Machtgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen……………...
282
Tab. 56
Bivariate Korrelationen der Situationswahrnehmungen und der Qualitäten des Führungsverhaltens...
284
Tab. 57
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit durch die Qualitäten des Führungsverhaltens.................................................................
XVIII
285
Tab. 58
Bivariate Korrelationen Situationswahrnehmungen und der Einflussgrundlagen.................................
Tab. 59
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und
287
-fähigkeit durch die Einflussgrundlagen..................................................................................................
289
Tab. 60
Korrelationen der Situationswahrnehmungen und der Machtgrundlagen..............................................
291
Tab. 61
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit durch die Machtgrundlagen.............................................................................................
292
Tab. 62
Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Qualitäten des Führungsverhaltens............................
295
Tab. 63
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Qualitäten des Führungsverhaltens...................................................................................................
296
Tab. 64
Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Einflussgrundlagen.....................................................
297
Tab. 65
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Einflussgrundlagen..................................................................................................................
298
Tab. 66
Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Machtgrundlagen........................................................
300
Tab. 67
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Machtgrundlagen..............................................................................................................................
301
Tab. 68
Bivariate Korrelationen des Innovationsverhaltens und der Qualitäten des Führungsverhaltens………
303
Tab. 69
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung durch die Qualitäten des Führungsverhaltens......................................................................
305
Tab. 70
Bivariate Korrelationen des Innovationsverhaltens und der Einflussgrundlagen...................................
307
Tab. 71
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Imple-
Tab. 72
Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage der Implementierung durch Verteilungskonflikte
Tab. 73
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Imple-
Tab. 74
Bivariate Korrelationen der innovationshinderlichen Verhaltensweisen und der Qualitäten des
Tab. 75
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht durch die Qualitäten des Führungsverhaltens.........................................................................................
317
Tab. 76
Bivariate Korrelationen der innovationshinderlichen Verhaltensweisen und der Einflussgrundlagen..
318
Tab. 77
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht
Tab. 78
Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht
Tab. 79
Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs und der Qualitäten des
Tab. 80
Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die Qualitäten des Führungsverhaltens.................................................................................................................................
323
Tab. 81
Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs und der Einflussgrundlagen........................................
324
Tab. 82
Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die
Tab. 83
Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die
mentierung durch die Einflussgrundlagen..............................................................................................
und ausgewählte Einflussgrundlagen......................................................................................................
mentierung durch die Machtgrundlagen.................................................................................................
Führungsverhaltens.................................................................................................................................
durch die Einflussgrundlagen.................................................................................................................
durch die Machtgrundlagen....................................................................................................................
Führungsverhaltens.................................................................................................................................
Einflussgrundlagen..................................................................................................................................
Machtgrundlagen....................................................................................................................................
XIX
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Tab. 84
Mittelwerte, Standardabweichungen und Rangplatz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen
Tab. 85
Mittelwerte, Standardabweichungen und Rangplatz des Einsatzes der Einflussgrundlagen in
Tab. 86
Mittelwerte und Standardabweichungen der Qualitäten des Führungsverhaltens in Abhängigkeit von
Tab. 87
Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Kon-
Tab. 88
Mittelwerte und Standardabweichungen der Einflussgrundlagen in Abhängigkeit
Tab. 89
Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Kon-
Tab. 90
Mittelwerte und Standardabweichungen der Machtgrundlagen in Abhängigkeit
Tab. 91
Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Kon-
Tab. 92
Zusammenfassung der Korrelationen zwischen der kognitiv-emotionalen Innovationsgeneigtheit und
Tab. 93
Zusammenfassung der Korrelationen zwischen Belohnung durch
Tab. 94
Zusammenfassung der Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Innovationskonstrukte durch die Einflussgrundlagen............................................................................................................................
346
Tab. 95
Korrelationen der Führung durch Vertrauen mit einzelnen Emotionen..................................................
350
und Misstrauen in Innovationsprozessen................................................................................................
Innovationsprozessen..............................................................................................................................
der Konfliktart und -intensität.................................................................................................................
fliktarten auf die Qualitäten des Führungsverhaltens.............................................................................
von der Konfliktart und -intensität.....................................................................................……………
fliktarten auf die Führung durch Einflussgrundlagen............................................................................
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von der Konfliktart und -intensität.....................................................................................……………… 337
fliktarten auf die Machtgrundlagen.........................................................................................................
den innovationsbezogenen Verhaltensweisen........................................................................................
extrinsische Anreize und zentralen Innovationskonstrukten...................................................................
XX
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341
343
Kapitel 1
GRUNDLEGUNG
Kaum ein Phänomen ist in Wissenschaft und Managementpraxis mit so eindeutig positiven Assoziationen verbunden wie das Innovationsphänomen. Fortschritt, Wachstum, Verbesserung, organisationales Lernen und organisationaler Wandel sind wohl nur einige Stichworte, die im semantischen Bereich des Wortfeldes betrieblicher Innovation liegen. Insbesondere ist die assoziierte Verknüpfung von Innovation mit Wandel zwar naheliegend, da jede betriebliche Innovation organisationalen Wandel impliziert (Pennings, 1997, p. 524), indem sie den Status quo in der Organisation und/oder ihrer Umwelt verändert. Allerdings ist diese Verknüpfung keineswegs trivialer Natur: Innovation kann ein Mittel sein, um organisationalen Wandel wahrscheinlich werden zu lassen, gleichwohl aber auch eine Reaktion auf den Wandel der organisationalen Umweltanforderungen oder eine präventive Maßnahme zur Beeinflussung der relevanten Umweltbedingungen einer Organisation (Damanpour, 1991, p. 556). Als Mittel des Wandels ist Innovation ein Katalysator für eine positive wirtschaftliche Entwicklung, indem sie den Wirtschaftsablauf belebt und ihm zusätzliche Dynamik verleiht (Brockhoff, 1996). Als Reaktion auf den Wandel der Umwelt ist Innovation das Resultat der gestiegenen Wettbewerbsintensität – also der hyperkompetetiven Umwelt (Ilinitch, D’Aveni und Lewin, 1996, p. 211). Vielerorts werden in diesem Zusammenhang die Globalisierung der Märkte, der rasante Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologie, die verkürzten Produktlebenszyklen, die extreme Vermehrung des verfügbaren Wissens etc. diskutiert. Als präventive Maßnahme zur Beeinflussung der organisationalen Umwelt versucht eine Organisation durch Innovation zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, um nicht ex post-Anpassungen herbeiführen zu müssen, sondern ex ante einen Fit zwischen internen und antizipierten externen Bedingungen herzustellen. Innovation als Teilprozess des organisationalen Wandels1 (Pennings, 1997, p. 526) dient also der verbesserten Anpassung der Organisation an ihre Umwelt (Benner & Tushman, 2002, p. 676; Kraatz & Zajac, 2001, p. 634; March & Olsen, 1988, S. 375; Scott & Bruce, 1994, p. 580). (Alle Fußnoten sind im Kapitel Anmerkungen aufgeführt). Damit ist Innovation bedeutsam für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung der Überlebensfähigkeit einer Organisa1
tion (Gemünden, Kaluza und Pleschak, 1992, S. 35; Wolfe, 1994, p. 405). Aus diesem Grund werden Strategien zum Innovationsmanagement entwickelt, mit deren Hilfe die Organisation die hinlänglich dokumentierte Diskontinuität und Komplexität der Umweltgegebenheiten auf ein zumindest teilweise überschaubares Maß zu reduzieren versuchen kann, um ihnen auf diese Weise wirksam zu begegnen. Entsprechend boomt nach wie vor der Markt an Praxiskonzepten zum Innovationsmanagement (z. B. Allesch & Brodde, 1986; Drucker, 1986; Herzhoff, 1991; Little, 1988; Ruf, 1995), denn wer der Organisation glaubt dazu verhelfen zu können, „Innovation zu managen“, findet seitens der Organisation „offene Ohren“. Allerdings sind die meisten dieser Empfehlungen dadurch gekennzeichnet, dass ihre empirische Evaluation gegenüber der ständigen Neukonzeption sogenannter „Erfolgsfaktoren des Innovationsmanagements“ nicht nur zu wünschen übrig lässt, sondern häufig gänzlich darauf verzichtet wird. Letztlich wohnt wohl vielen dieser Konzepte zum Management von Innovation die Illusion der generellen „Manage“barkeit organisationaler Prozesse inne, die sich nicht zuletzt aus der Illusion der Linearität, der Illusion der Vorhersagbarkeit und der Illusion der Kontrollierbarkeit (King & Anderson, 1995, pp. 124–127) organisationalen Handelns speist. Vernachlässigt wird dabei der Tatbestand, dass mit jeder Innovation stets Lernprozesse verbunden sind, womit die assoziative Verknüpfung zwischen Innovation und organisationalem Lernen2 angesprochen sein soll. Die Verbindung von Innovation und organisationalem Lernen hängt u. a. damit zusammen, dass sich Innovation auf die antizipierte Zukunft bezieht, die nur begrenzt als Extrapolation der Gegenwart berechenbar, planbar und eben „manage“-bar ist. Deshalb sind mit einer Innovation häufig unvorhersehbare Konsequenzen verbunden (Damanpour, 1990, p. 128). Aufgrund dieser begrenzten Planbarkeit (Kern, 1996, S. 7) ist Innovation gebunden an Experiment, mentales Probehandeln und Versuch und Irrtum. Ein Innovationsprozess kann dabei im Sinne eines „Muddling through“ (Lindblom, 1980) beschrieben werden. Im Lernprozess verändert die Organisation ihre Wissensstrukturen durch die Aufnahme von Informationen sowie deren Verarbeitung, Interpretation und Speicherung, so dass die geteilten Annahmen über Input, Output und die Wirkungszusammenhänge organisationalen Handelns verbessert werden, wodurch die Organisation in der Innensicht ihre organisationalen Prozesse und Standards perfektionisiert (Single-loop-learning), in der Außensicht sich besser an die Umweltbedingungen anpasst (Double-loop-learning) und schließlich den Lernprozess selbst reflektiert (Deuterolearning) (Argyris & Schön, 1978). Innovation ist dieser Argumentation zufolge zentral für organisationales Lernen und organisationalen Wandel, was wohl ein Grund für das starke Interesse vieler Forscher am Thema betrieblicher Innovation ist. Nun stellt jedoch die Innovationsforschung keineswegs eine in sich
2
homogene Forschungsrichtung dar. Vielmehr lassen sich drei Hauptrichtungen der Innovationsforschung (Wolfe, 1994, p. 407) verfolgen:
–
die Forschung zur Diffusion von Innovationen,
–
die Innovationsprozessforschung und
–
die Forschung zur organisationalen Innovativität.
Die erste Hauptrichtung – die Forschung zur Diffusion von Innovationen – untersucht Bedingungen, welche für die Übernahme bzw. Verbreitung einer Innovation durch potenzielle
Adopter
(Übernehmer) relevant sind. Hierzu zählen Merkmale der Adopter, das soziale Netzwerk des Adopters, Merkmale der Innovation, Umweltbedingungen und die Art, in der die Innovation kommuniziert und für sie geworben wird (Pyka, 1999; Rogers, 1983). Als abhängige Variablen werden hier das Muster, die Reichweite und die Geschwindigkeit der Diffusion betrachtet.3 Die zweite Hauptrichtung – die Forschung zum Innovationsprozess – richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Natur des Innovationsprozesses selbst und analysiert die Existenz und Sequenz einzelner Innovationsphasen. Die dritte Hauptrichtung – die Forschung zur organisationalen Innovativität – untersucht Bedingungen der Innovationsfähigkeit von Organisationen. Die vorliegende Untersuchung ist zwischen der zweiten und dritten Forschungsrichtung angesiedelt: Sie analysiert ausgewählte Bedingungen der Innovativität und erweitert zugleich die Erkenntnisse der Innovationsprozessforschung. Fragt man nach Bedingungen der Innovativität, so bieten sich unterschiedliche Aggregationsebenen an, nämlich die Ebene des Individuums, die Ebene der Gruppe und die Ebene der Organisation (Anderson & King, 1993, p. 7; King, 1990, p. 15; King & Anderson, 1995, p. 5; Slappendel, 1996, p. 108; West & Farr, 1989, p. 15). Auf der Ebene des Individuums wurden als Bedingungen der Innovativität bislang personbezogene Merkmale untersucht wie Kreativität, Motive (z. B. Amabile, 1988; Van de Ven & Delbecq, 1971) und Werte (z. B. Hage & Dewar, 1973). Auf der Gruppenebene wurden als Prädiktoren der Innovativität bisher Kommunikationsund Kooperationsprozesse (z. B. Brodbeck, 1994; Greiling, 1998; Kieser, 1991; Maas, 1990; Monge, Cozzens und Contractor, 1992; Payne, 1990; Scholl, 1990, 1996), bereichsinterne und bereichsübergreifende Teamarbeit, Teamzusammensetzung, Teamentwicklung, Teamklima und Teamführung (z. B. Anderson & West, 1998; Bantel & Jackson, 1989; Brodbeck & Maier, 2001; Burpitt & Bigoness, 1997; Gemünden & Hoegl, 2001; Lovelace, Shapiro und Weingart, 2001; Manz, Barstein, Hostager und Shapiro, 1989; Pitcher & Smith, 2001; West & Wallace, 1991) und der Umgang mit Widerständen (z. B. Böhnisch, 1979; Hauschildt, 1999; Staudt, 1986) fokussiert. 3
Auf der Ebene der Organisation wurden als Determinanten der Innovativität bislang die Organisationsgröße und Merkmale der Organisationsstruktur (z. B. Aiken & Hage, 1971; Burns & Stalker, 1961; Damanpour, 1996; deCanio, Dibble und Amir-Atefi, 2000; Gebert, 1979b; Greiling, 1998; Hage & Dewar, 1973; Hannan & Freeman, 1977; Maas, 1990; Tushman, 1977b; Whitley, 2000; Zaltman, Duncan und Holbek, 1973), Merkmale der Organisationskultur (z. B. Detert, Schroeder und Mauriel, 2000; Gray, 2001; Gussmann, 1988; Kieser, 1986; Morgan, 1986), organisationale Ressourcen (z. B. Dewar & Dutton, 1986; Kraatz & Zajac, 2001) und extra-organisationale Bedingungen wie interorganisationale Kooperationen (z. B. Althen, 1996; Gemünden & Heydebreck, 1994; Ring & Van de Ven, 1992; Van Waarden, 2001) und kulturelle Besonderheiten verschiedener Nationen (z. B. Albach, 1994) untersucht. Trotz dieser unendlichen literarischen Weiten und der Vielzahl substanzieller empirischer Studien bleibt das Verständnis der Innovativität in Organisationen relativ unausgereift: Die Ergebnisse der bisherigen Innovationsforschung fallen äußerst inkonsistent4 aus (vgl. Damanpour, 1988; Downs & Mohr, 1976; Fiol, 1996; Hauschildt, 1993; Rogers, 1983; Slappendel, 1996; Wolfe, 1994) und sind durch ein niedriges Erklärungsniveau gekennzeichnet (Pettigrew, Woodman und Cameron, 2001, p. 697; West & Farr, 1989, p. 22). Wolfe (1994) fasst dies pointiert wie folgt zusammen: ‘The most consistent theme found in the organizational innovation literature is that its research results have been inconsistent’ (p. 405, Hervorh. i. Orig.). Ohne die Gründe für dieses Defizit hier im Einzelnen auflisten und diskutieren zu wollen (vgl. Fiol, 1996, pp. 1012–1013; Wolfe, 1994, pp. 414–424), soll für das bislang niedrige Erklärungsniveau in der bisherigen Innovationsforschung eine Barriere verantwortlich gemacht werden, die einer Wissensakkumulation entgegensteht: Die Mehrzahl der Forschungsarbeiten zum Thema Innovation zeichnet sich dadurch aus, nur innerhalb einer Disziplin und zumeist auch nur innerhalb einer theoretischen Schule verankert zu sein und konsequent darauf verzichtet zu haben, die verfügbaren Erkenntnisse einer Nachbardisziplin bzw. verwandten theoretischen Schule zu berücksichtigen. So ist es z. B. für die Betriebswirtschaftslehre als Forschungsdisziplin häufig typisch, dass sie das Wissen der Psychologie als Forschungsdisziplin nur in Ausnahmefällen zur Erforschung von Innovation einbezieht, genau wie umgekehrt die Psychologie nur gelegentlich das Wissen der Betriebswirtschaftslehre zur Erforschung von Innovation aufgreift. Auch die Erkenntnisse der einzelnen Teilgebiete der Betriebswirtschaftslehre und der Psychologie werden nur selten zu integrieren versucht. Genau dies könnte aber hilfreich sein, um Erkenntnislücken zu reduzieren. Schon vor nahezu zwei Jahrzehnten fordert deshalb einer der am Minnesota Innovation Research Program maßgeblich Beteiligten betriebswirtschaftlich orientierte Innovationsforscher dazu auf, psychologisches Wissen zur Kenntnis zu nehmen: ‘Much of the folklore and applied 4
literature on the management of innovation has ignored the research by cognitive psychologists and social-psychologists [...]. As a consequence one often gets the impression that [...] innovators have superhuman creative heuristics or abilities to ‘walk on water’ [...]’ (Van de Ven, 1986, p. 594). Genau an diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an: Das Thema Innovation wird aus einer psychologischen Perspektive heraus untersucht, wobei Erkenntnisse verschiedener anderer Forschungsdisziplinen einbezogen werden (s. Kapitel 1.1). Im Hinblick auf die Bedingungen der Innovativität werden in dieser Arbeit individuelle und führungsbezogene Determinanten der Innovativität untersucht. Alle anderen genannten Einflussfaktoren auf die Innovativität blendet diese Untersuchung aus.
1.1
Einführung in den Problemgegenstand und Zielsetzung der Untersuchung
Fragt man nach individuellen Bedingungen der Innovativität, so stößt man auf reichhaltige Literatur zu Bedingungen wie Kreativität, Motive, Werte. Dagegen ist die individuelle Innovationsgeneigtheit, also kognitiv-emotionale Prozesse als Bedingung der Innovativität, bislang selten untersucht worden. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass gerade die Kognitionen und Emotionen der Individuen bei einer Innovation von untergeordneter Bedeutung sind. Ganz im Gegenteil: Da Verhalten stets von kognitiv-emotionalen Prozessen abhängt (Lazarus, 1991, 1999), ist auch innovationsbezogenes Verhalten von der Art der Kognitionen und Emotionen der Organisationsmitglieder bestimmt. Mit der vorliegenden Arbeit wird somit einer der ersten Beiträge vorgelegt, in denen die Wirkungen von spezifischen Kognitionen und Emotionen als Auslöser innovationsbezogener Verhaltensweisen theoretisch und empirisch untersucht werden. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet die Untersuchung der führungsbezogenen Bedingungen der kognitiv-emotionalen und verhaltensbezogenen Prozesse von Organisationsmitgliedern bei einer Innovation. Nun hat das Thema Führung allerdings schon häufig als Determinante der Innovativität Beachtung gefunden. Untersuchungen belegen übereinstimmend eine positive Beziehung zwischen Führung und Innovativität (z. B. Amabile, Conti, Coon, Lazenby und Herron, 1996; Burpitt & Bigoness, 1997; Keller, 1992; Manz et al., 1989; Oldham & Cummings, 1996; Scott & Bruce, 1998; Tierney, Farmer und Graen, 1999), wobei sowohl Führung als auch Innovativität von Studie zu Studie unterschiedlich definiert und gemessen worden sind. In dem bereits erwähnten Minnesota Innovation Research Program, in dem eine Vielzahl von Determinanten der Innovativität durch ein Längsschnittdesign erfasst wurde, war Führung die einzige Variable, die stets positiv mit diversen Innovativitätsindikatoren korrelierte (Manz et al., 1989, p. 614). Die Art der Führung im Innovationsprozess war maßgeblich für den 5
Erfolg von Innovationen verantwortlich, da sie verschiedene Output-Variablen fördert, wie die Kreativität der Geführten, die Klarheit von Verantwortlichkeiten, die Klarheit des Feedbacks, die Aufgabenakzentuierung, die Betonung der sozialen Beziehungen und die Vertrauenswürdigkeit der Geführten (Manz et al., 1989, p. 617). Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutsamkeit von Führung im Innovationsprozess. Nun könnte man meinen, dass aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse zu führungsbezogenen Determinanten der Innovativität, eine weitere Untersuchung hierzu entbehrlich sei. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Denn in bisherigen Studien zum Einfluss von Führung auf die Innovativität wurden zumeist einzelne Führungsaspekte aus dem, was Führung ausmacht (s. Kapitel 1.2), herausgegriffen (z. B. Anreizsysteme, zweidimensional-konzipierter Führungsstil) und deren Beziehung zum zumeist recht willkürlich bestimmten Führungserfolg untersucht. Dagegen wurde kaum Mühe darauf verwandt, eine Theorie bzw. ein Modell der Führung im Innovationsprozess zu entwickeln, welches die Erkenntnisse der aktuellen Führungsforschung berücksichtigt und zudem einer empirischen Überprüfung zugänglich ist. Demzufolge haben die bisherigen Erkenntnisse in diesem Feld eine vergleichsweise geringe Aussage- und Vorhersagekraft. Zur exemplarischen Verdeutlichung dieser Kritik soll das Hauptproblem von einem bisherigen Ansatz zur Thematik Führung und Innovation benannt werden, den Resultaten zum innovationsförderlichen Führungsstil. Übereinstimmend wird in der Forschung zum innovationsförderlichen Führungsstil in einer Vielzahl von Arbeiten immer wieder belegt, dass ein partizipativer Führungsstil, der den Geführten Freiheitsgrade gewährt, zur Stimulierung kreativer, innovativer Leistungen gegenüber einem autoritären Führungsstil vorzuziehen ist (z. B. Amabile et al., 1996; Burpitt & Bigoness, 1997; Farr & Ford, 1990; Greenberg, 1994; Manz et al., 1989; Mumford, Scott, Gaddis und Strange, 2002). Allerdings wird durch derartige Konzeptionen die Situation, in der sich der Führungsprozess vollzieht, vernachlässigt. Eine ähnliche Auffassung vertreten King und Anderson (1995): ‘It is notable that the thinking of innovation researchers about leadership has lagged behind development in this field. For instance, the innovation literature was still dominated by the idea that there is one best style of leadership long after contingency approaches had become the norm in leadership research’ (p. 97). So konnten beispielsweise Boerner und Krause (2002) durch Rekurs auf einen kontingenztheoretischen Führungsansatz empirisch zeigen, dass es zur Förderung kreativer Leistungen im Orchester gerade nicht auf einen partizipativen Führungsstil ankommt, sondern sich in diesem Kontext eine direktive Führung als erfolgsfunktional erweist. In einer Folgeuntersuchung (Krause, Boerner, Lanwehr und Nachtigall, 2002) zeigt das Ergebnis einer linearen Strukturmodellierung, dass das direktive Führungsverhalten im Orchesterkontext insbesondere dann erfolgswirksam ist, wenn der Führende zusätzlich die Geführten durch den Einsatz be6
stimmter Machtformen überzeugt. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass ein partizipativer Führungsstil keine generelle Überlegenheit beanspruchen kann, so dass die generelle, von der Situation abstrahierende Empfehlung dieses Führungsmusters irreführend ist. Ferner ist die Konzeption des Führungsverhaltens in bisherigen Studien zum Einfluss von Führung auf die Innovativität insofern als fragwürdig angesehen, als häufig zwei-dimensionale Konzeptionen des Führungsverhaltens verwandt wurden, die sich jedoch als wenig hilfreich zur Untersuchung der differenziellen Beziehungen zwischen dem Führungsverhalten und bestimmten innovationsbedeutsamen abhängigen Variablen erweisen. Diese Beispiele sollen genügen, um auf Schwachstellen der bisherigen Forschung zu führungsbezogenen Bedingungen der Innovativität aufmerksam zu machen, womit zur Zielsetzung dieser Untersuchung übergeleitet ist. Das Ziel dieser Arbeit besteht erstens in der Entwicklung eines Modells, dass den Führungserfolg im Innovationskontext durch kognitiv-emotionale und verhaltensbezogene Prozesse der Geführten sowie das Verhalten des Führenden unter Berücksichtigung ausgewählter Aspekte der Führungssituation erklärt. Dieses Modell wird auf der Integration von Forschungserkenntnissen aus verschiedenen Forschungsdisziplinen basieren, nämlich der Psychologie, der organisationsbezogenen Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie. Innerhalb der verschiedenen Bereiche der Psychologie werden in dieser Arbeit Theorien und Befunde aus der Personal- und Organisationspsychologie, der Kognitions- und Emotionspsychologie, der Sozialpsychologie und der Persönlichkeitspsychologie berücksichtigt. Als Vorstufe der Modellentwicklung dient ein konzeptioneller Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen, der im nachfolgenden Kapitel hergeleitet wird. Die Erklärungskraft des Modells soll zweitens in einer quantitativen Felduntersuchung branchenübergreifend empirisch überprüft werden.
1.2
Entwicklung eines konzeptionellen Bezugsrahmens der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen
Ziel dieses Kapitels ist es, einen konzeptionellen Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs zu entwickeln, der als Grundlage der Modellentwicklung in dieser Arbeit dienen kann. Die Ableitung des Bezugsrahmens erfolgt in drei Teilschritten: Im ersten Teilschritt wird das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Führung präzisiert, in dem der Gegenstandsbereich auf die Führung im engeren Sinne eingegrenzt wird. Im zweiten Teilschritt wird begründet, dass diese Arbeit in der Tradition der Situationstheorien der Führung steht. Im dritten Teilschritt werden die Argumente verdichtet und für den Innovationskontext spezifiziert. 7
1.2.1 Führung in Organisationen als Gegenstandsbereich
Wie die meisten sozialwissenschaftlichen Begriffe wird auch der Begriff „Führung“ je nach Forschungstradition des jeweiligen Autors höchst unterschiedlich verstanden, so dass eine Definition von Führung, die deren wesentlichen Merkmale beschreibt und zugleich von verschiedenen Autoren geteilt wird, bislang noch aussteht (Gebert, 2002a, S. 20). Dennoch ist in der Führungsforschung eine Konvergenz zumindest dahingehend zu beobachten, dass häufig zwischen Leadership (Führung im engeren Sinne) und Management (Führung im weiteren Sinne) unterschieden wird (Bass, 1990, pp. 18–19; Bennis & Nanus, 1985, p. 21; Kotter, 1990, pp. 3–8; Mintzberg, 1973; Neuberger, 2002, S. 48–50; Northhouse, 2001, pp. 8–13; Yukl, 2002, pp. 5–6). Führung und Management sind demnach nicht äquivalent. Über die Art der Differenzierung zwischen Führung und Management werden allerdings kontroverse Standpunkte vertreten. Als extremste Position kann die Sichtweise gelten, dass Führung und Management nicht von ein und derselben Person wahrgenommen werden können, weil Führungskräfte und Manager sich in inkompatibler Weise in ihren Werten und Persönlichkeitsstrukturen unterscheiden würden (Bennis & Nanus, 1985). Dieser Argumentation zufolge initiieren Führungskräfte Flexibilität, Innovation und Adaptation, während ihre sicherheitsorientierten Pendants – die Manager – Stabilität, Ordnung und Effizienz gewährleisten. Yukl (1999) kritisiert diese Extremposition, weil sie der Kategorie „Management“ langfristige Ineffektivität unterstellt: ‘According to these theorists, ‘leaders’ are oriented toward change and long-term effectiveness, whereas ‘managers’ are oriented toward stability and short-term efficiency’(p. 35). Neben der starken Stereotypisierung ist dieser Unterscheidungsansatz außerdem aufgrund der impliziten Annahme einer unmittelbaren Beziehung zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen der Akteure und den Ergebnissen des Führungs- bzw. Managementprozesses sowie der mangelnden empirischen Evidenz zu kritisieren. Eine weniger extreme Sichtweise konzipiert Führung und Management zwar auf der Prozessebene als disjunkt, vertritt aber nicht die Annahme der inkompatiblen Werte- und Persönlichkeitstypen (Kotter, 1990; Mintzberg, 1973). Die Prozesse, in denen sich Führung von Management abhebt, werden wiederum unterschiedlich gesehen. In einem Vergleich zwischen Führungs- und Managementprozessen beschreibt beispielsweise Kotter (1990, pp. 3–8) Führung als einen Prozess, der durch Ziel- und Visionsvermittlung, Kommunikation und Motivierung der Geführten gekennzeichnet ist, welcher dem organisationalen Wandel dient. Im Kontrast hierzu wird der Managementprozess durch Planung (Ressourcenallokation), Budgetierung und Controlling charakterisiert, welcher der Gewährleistung von Sicherheit und Konsistenz für die Organisa-
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tion dient. Auch diese Position unterstellt, dass die Unterscheidung zwischen Führung und Management trennscharf ist. Diese Annahme ist jedoch aufgrund der Rückkopplungen zwischen beiden Ebenen (von Rosenstiel, 2001, S. 319; Yukl, 2002, p. 5) nicht aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus ist es gerade heute für Führungskräfte in höchstem Maße kennzeichnend, dass sie Stabilität und Kontinuität, gleichzeitig aber auch organisationalen Wandel und Flexibilität sicherstellen müssen (Denison, Hooijberg und Quinn, 1995; Gebert, Boerner und Lanwehr, 2001; Kamoche & Pina e Cunha, 2001; Shamir, 1999). Vor diesem Hintergrund erscheinen die dichotomen Beschreibungen von Führung und Management wie sie im Rahmen der vermeintlich inkompatiblen Werte- und Persönlichkeitsstrukturen von Führungskräften und Managern und im Rahmen der Prozess- und Ergebnisunterschiede zwischen Führung und Management vorgenommen werden, als wenig überzeugend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es zwischen Führung und Management einen Überschneidungsbereich gibt (Bass, 1990, p. 19; Neuberger, 2002, S. 50; Yukl, 2002, p. 5). Mit Leadership (Führung im engeren Sinne) ist nachfolgend stärker die unmittelbare Interaktion zwischen Führendem und Geführten gemeint, während mit Management (Führung im weiteren Sinne) stärker Aspekte der Unternehmensführung, also traditioneller Managementprozesse zur Steuerung der Organisation als System (von Rosenstiel, 2001, S. 319) angesprochen werden. In dieser Arbeit wird der Gegenstandsbereich auf die Führung im engeren Sinne (Leadership) eingegrenzt, wodurch Prozesse der direkten Personalführung in Organisationen fokussiert werden. Durch diese Schwerpunktsetzung ist all jenes, was in der Literatur mitunter ebenfalls als „Führung“ betitelt wird, aber Management meint, nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Dazu zählen alle Aspekte der Unternehmensführung (vgl. Frese, 1998), die auch als indirekte Steuerung5 bezeichnet wird, wie etwa die Gestaltung der Organisationsstruktur und -kultur, die strategische Ausrichtung der Gesamtorganisation, die abteilungs- und bereichsübergreifende Koordination aber auch die Gestaltung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in Form betrieblicher Interessensvertretungen. Beschreibt man Führung – wie in dieser Arbeit – demgegenüber als Interaktion zwischen Führendem und Geführten, so wird der zugleich prozessuale und dynamische Charakter von Führung deutlich. Gleichwohl wirft auch diese Forschungsperspektive die Frage auf, wie sich der Interaktionsprozess zwischen den Akteuren konkret gestaltet. Da Interaktion einen wechselseitigen Ablauf von verbalen und nonverbalen Mitteilungen zwischen Akteuren (Watzlawick, Beavin und Jackson, 1993, S. 50 ff.) umfasst, kann Führung auf der theoretischen Ebene konsequenterweise nur als reziproker Prozess konzipiert werden. Dieser Interaktionsprozess wird hier theoretisch auf der Ebene der Führer-Geführten-Dyade untersucht (vgl. Kapitel 1.2.3). Demnach vollzieht sich Führung zwischen dem Führenden und dem Geführten im Sinne einer Sequenz, 9
wobei das Verhalten des Führenden und des Geführten sich in wechselseitiger Weise beeinflussen (Graen & Uhl-Bien, 1995). Durch wechselseitige Lernprozesse verändert sich in der unmittelbaren Interaktion zwischen dem Führendem und dem Geführtem sowohl das Führungsverhalten als auch das Geführtenverhalten (Gebert, 2002a, S. 25). Damit ist der rekursive Charakter von Führung angesprochen. Das Verhalten des Führenden verändert sich gewissermaßen durch die Reaktion des Geführten – und umgekehrt. Wenn eine Führungskraft dem Geführten beispielsweise die zur Innovation notwendigen Freiheitsgrade gewährt und der Geführte daraufhin sein Engagement und seinen Leistungseinsatz erhöht, wird die Führungskraft in der Folge vermehrt Freiheitsgrade gewähren, weil diese Verhaltensweise positive Führungsergebnisse mit sich brachte. Alle Verhaltensweisen, die zu negativen Führungsresultaten führen, wird die Führungskraft demgegenüber reduzieren. Wenn der Geführte umgekehrt z. B. Fundamentalkritik an bisherigen Unternehmenspraktiken übt oder die Art des Führungsverhaltens seines Chefs selbst in Frage stellt und die Führungskraft daraufhin Sanktionen folgen lässt, wird der Geführte zukünftig Kritik unterlassen, da diese Verhaltensweise für ihn mit negativen Konsequenzen verbunden war. Beide Interaktionspartner sind diesem Verständnis nach sowohl proaktiv als auch reaktiv. Infolgedessen wird Führung hier nicht unidirektional, als einseitig vom Führenden ausgehende Handlung6 verstanden, sondern als wechselseitiger Interaktionsprozess (Bass, 1990, p. 19; Neuberger, 2002, S. 47) in der Führer-GeführtenDyade, wobei in dieser Relation eine Asymmetrie zugunsten des Führenden besteht (Neuberger, 2002, S. 37; von Rosenstiel, 2001, S. 320). 1.2.2 Situatives Führungsverständnis als Ausgangspunkt Darüber hinaus wird das hier zugrundeliegende Führungsverständnis insofern präzisiert, als diese Arbeit in der Tradition der Situationstheorien der Führung steht.7 Nun stellen jedoch die Situationstheorien der Führung durchaus keine einheitliche Führungsschule dar. Gemeinsam argumentieren sie allerdings, dass es den “One best style” der Führung nicht gibt. Die Prämisse aller Situationstheorien der Führung lautet entsprechend, dass der Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten8 einerseits und dem Führungserfolg9 andererseits durch Einflüsse der konkreten Situation10 moderiert wird (Gebert, 2002a, S. 62). Ein und dasselbe Führungsverhalten kann demnach in Abhängigkeit von Merkmalen der Situation funktionale oder aber dysfunktionale Konsequenzen haben. Diese Annahmen spiegeln sich auch in den empirischen Resultaten von Manz et al. (1989) wider: Im Rahmen des Minnesota Innovation Research Program untersuchten die Autoren längsschnittlich den Einfluss unterschiedlicher Führungsverhaltensweisen auf den Erfolg von sieben Innovationen. Es zeigte sich, dass der Zusammen10
hang zwischen verschiedenen Führungsverhaltensweisen und dem Erfolg der Innovationen in Abhängigkeit von der Innovationsart und der Phase des Innovationsprozesses variiert. Die Annahmen der Situationstheorien der Führung sind in Abbildung 1 veranschaulicht.
Situation (Merkmale)
Führungsverhalten
Führungserfolg
Abbildung 1. Modell der Situationstheorien der Führung (nach Neuberger, 2002, S. 52) Die Führungsverhaltensweisen dienen dabei dem übergeordneten Ziel der Koordination der verschiedenen Handlungen bzw. der Organisationsmitglieder innerhalb der arbeitsteiligen Organisation zur Erreichung bestimmter Ziele der Organisation (Bass, 1990; Neuberger, 2002; Scholl, 1995a; von Rosenstiel, 2001) – wie beispielsweise der Erhöhung der Innovativität. Diese Koordinationsleistung erreicht Führung durch die Beeinflussung der Einstellungen und/oder der Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder (Bass, 1990, p. 13; Cartwright, 1965; Gebert, 2002a, S. 21; Katz & Kahn, 1978, p. 528; Neuberger, 2002, S. 41; Northhouse, 2001, p. 3; von Rosenstiel, 2001, S. 318; Weibler, 2001, S. 29; Wunderer & Grunwald, 1980, S. 62; Yukl, 2002, pp. 3– 4). Insofern stimmen die meisten Führungsforscher darin überein, eine konzeptionelle Verbindung zwischen Führung und Einfluss anzuerkennen. Die Meinungen, ob und inwieweit Führung auch mit Macht zusammenhängt, differieren dagegen, denn Machtausübung erfolgt häufig gegen den Willen des Machtbetroffenen (Weber, 1980). Nach Gordon (2002, p. 158) stellt der Überschneidungsbereich zwischen Führung und Macht eine problematische Zone in der Literatur dar. Denn die Art dieser Überschneidung ist trotz der vielfältigen Literatur zu jedem Konstrukt bis heute weitgehend ungeklärt. Außerdem wird die Frage kontrovers diskutiert, inwieweit Führung an eine vertrauensvolle Beziehung zu den Geführten gebunden ist. Die Bedeutsamkeit von Vertrauen im Führungsprozess wird in transaktionalen Führungstheorien (Brower, Schoorman und Tan, 2000; Graen & Uhl-Bien, 1995) und transformationalen Führungstheorien (z. B. Avolio, Bass und Jung, 1999; Bass & Avolio, 1993; Conger & Kanungo, 1998; Steyrer, 2000) betont und spiegelt sich auch in der Dimension Consideration (vgl. Anmerkung 8) als Führungsfacette wider.
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In der vorliegenden Untersuchung wird abweichend von der traditionellen Führungsforschung das Führungsverhalten nicht über Consideration und Initiating structure (Fleishman, 1953; 1973) beschrieben, weil diese Kategorien den Führungserfolg nur unzureichend vorhersagen können. Vielmehr wird das Führungsverhalten hier einerseits durch Einflussnahme und Machtausübung und andererseits durch Vertrauens- und Misstrauenshandeln beschrieben. Es wird argumentiert, dass diese Qualitäten des Führungsverhaltens den Führungserfolg in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Für eine wissenschaftlich fundierte Analyse von Führung ist es deshalb unabdingbar, Merkmale der Situation mit einzubeziehen. In der vorliegenden Untersuchung werden ausgewählte Merkmale der Situation berücksichtigt, nämlich Merkmale der Aufgabe und Merkmale der Geführten. Zu den situativen Merkmalen der Aufgabe zählen der Innovationsgrad, die Unsicherheit, die Komplexität und der Konfliktgehalt. Im Rahmen der Merkmale der Geführten werden ihre Situationswahrnehmungen, Emotionen und Verhaltensweisen betrachtet. 1.2.3 Spezifizierung einer zielorientierten Führung im Innovationskontext Bei dem Versuch das hier zugrundeliegende Verständnis von Führung zu beschreiben, wurden bereits einige Problemfelder der Führungsforschung diskutiert. Insbesondere wurde deutlich, dass eine Theorie der Führung (im engeren Sinne) sich nicht auf das wie auch immer konzeptualisierte Verhalten des Führenden beschränken sollte, sondern die Interaktion zwischen dem Führenden und den Geführten einzubeziehen hat. Da Führung als rekursiver Prozess aufgefasst wird, ist es notwendig, neben dem Führungsverhalten auch das Verhalten der Geführten zu spezifizieren. Ferner sollte eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Führung auch den Führungserfolg präzisieren. Darüber hinaus wurde dargelegt, dass eine Führungstheorie Merkmale der Situation, in der sich der Führungsprozess vollzieht, zu berücksichtigen hat. Ein Führungsmodell, welches von einem entsprechendem Grundverständnis getragen ist, ist das Modell der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1990, 1991). Da dieses Modell das Fundament des konzeptionellen Bezugsrahmens der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen in dieser Arbeit bildet, wird es nachstehend kurz dargestellt. Die Vor- und Nachteile des Modells werden erörtert und in Bezug auf den Innovationskontext differenziert und spezifiziert. Die Kernaussage des Modells der zielorientierten Führung lautet, dass ein spezifischer Führungserfolg eine Funktion des spezifischen Geführtenverhaltens ist, welches wiederum durch ein spezifisches Führungsverhalten bedingt ist (Gebert & Ulrich, 1990, S. 17 ff.). Kennzeichnend
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ist dabei die „umgekehrte“ Reihenfolge der Forschungsfragen (s. Abbildung 2), bei der die Konzeption des Führungsverhaltens den Abschluss der Fragenkette bildet.
3.
Reihenfolge der Fragen: 2.
1.
Situative Bedingungen
Führungsverhalten
Geführtenverhalten
Führungserfolg
Abbildung 2. Modell der zielorientierten Führung (nach Gebert und Ulrich, 1991, zit. aus Gebert, 2002a, S. 81) Gebert und Ulrich (1991, zit. nach Gebert & Rosenstiel, 2002, S. 213; Hervorh. i. Orig.) schlagen folgende Reihenfolge und -inhalte der Fragen vor:
–
„Welches ist das jeweilige Ziel [...], zu dem der Mitarbeiter einen Beitrag leisten soll?
–
Angesichts welcher Erfahrungen bzw. welcher theoretischer Vorstellungen ist welches Geführtenverhalten unter Berücksichtigung welcher situativer Randbedingungen wichtig, um dem jeweiligen Ziel näher zu kommen?
–
Die Art des vermutlich wichtigen Geführtenverhaltens erfordert bei Vorliegen welcher Erfahrungen bzw. welcher theoretischen Vorstellungen angesichts welcher situativen Randbedingungen [...], welches Führungsverhalten?“
Diese vom Führungserfolg ausgehende Fragenabfolge wird auch im Rahmen der LeaderMember-Exchange Theorie (Graen & Uhl-Bien, 1995, p. 223) vertreten. Die Vorteile einer derart vom spezifisch zu erklärenden Führungserfolg ausgehenden Analyse liegen erstens in der Möglichkeit, die differenziellen Effekte ein und desselben Führungsverhaltens in Bezug auf unterschiedliche Verhaltensweisen der Geführten (Gebert, 2002a, S. 80) und im Hinblick auf verschiedene Führungserfolgskriterien empirisch auszuweisen (Gebert & Rosenstiel, 2002, S. 215). Denn unterschiedliche Führungserfolgskriterien (z. B. Steigerung der Innovativität, Reduzierung des Absentismus, Erhöhung der organisationalen Bindung etc.) sind miteinander häufig nur schwach interkorreliert (Moser & Schuler, 1999). Deshalb hängen sie vermutlich von unterschiedlichen Führungsverhaltensweisen ab (Gebert, 2002a, S. 81). Durch das zielkriterienspezifische Vorgehen ist demnach zweitens zu erwarten, dass sich die inkonsistenten Befunde in Bezug auf die interessierenden Führungserfolgskriterien in der 13
bisherigen Führungsforschung reduzieren lassen. Durch die theoriegeleitete, systematische Auswahl zielkriterienspezifischer Führungsverhaltensweisen sind drittens größere Varianzanteile der jeweils betrachteten Führungserfolgskriterien aufklärbar als bei einer unspezifischen Bestimmung und Messung des Führungsverhaltens (Gebert, 2002a, S. 84). So gelang es Gebert und Ulrich (1991, S. 756) knapp die Hälfte (49%) der Erfolgsvarianz durch spezifische Führungsaspekte zu erklären; eine Varianzerklärung die angesichts vergleichbarer Untersuchungen (Geyer & Steyrer, 1994) mit unspezifischen Messungen des Führungsverhaltens als sehr hoch zu bewerten ist. Viertens ist die zielkriterienspezifische Untersuchung des Führungsverhaltens hilfreich, um pauschalisierende Vorschläge für die Führungspraxis durch die Berücksichtigung der konkreten Führungssituation zu vermeiden (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 217). So kann beispielsweise die generalisierende, von der Situation abstrahierende praktische Empfehlung eines delegativen Führungsprinzips bei ihrer Umsetzung dann contraproduktive erfolgsbezogene Effekte freisetzen, wenn die Kontingenzvariable der aufgabenbezogenen Reife des Geführten niedrig ist (Hersey, Blanchard und Dewey, 1996). In der Konsequenz der Modellannahmen negieren Gebert und Ulrich (1991, S. 750) allerdings die traditionelle Vorstellung, dass es ganz bestimmte Grunddimensionen des Führungsverhaltens gäbe. Vielmehr solle die substanzielle Bestimmung des Führungsverhaltens nicht ex ante, sondern erst ex post erfolgen und in Abhängigkeit vom spezifischen Untersuchungskontext variabel gestaltet werden. Genau hier setzt die nomothetisch orientierte Kritik (Geyer & Steyrer, 1994, S. 972) an dem Modell an, die betont, dass die auf diesem Wege ermittelten Forschungserkenntnisse nicht mehr verallgemeinerungsfähig sind und das so bestimmte Führungsverhalten den Untersuchungsgegenstand „Führung“ verfehle. Aus diesem Grund hat Gebert (2002) die Modellannahmen inzwischen dahingehend relativiert, als die ex post-Bestimmung des Führungsverhaltens nicht die „alleinige Strategie“ (S. 84), sondern eine komplementäre Forschungsstrategie darstellen kann. Denn der Nachweis differenziell gültiger Effekte für einen spezifischen Kontext durch die ex post-Bestimmung des Führungsverhaltens ist mit dem Nachteil der geringeren Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse aus verschiedenen Kontexten zu bezahlen. Im Hinblick auf die Selektion relevanter Führungsverhaltensweisen im Innovationskontext wird in der vorliegenden Untersuchung insofern ein Balance-Akt gewagt, als einerseits der Unerlässlichkeit der Erfolgsspezifität der Führungsverhaltensweisen Rechnung getragen wird, andererseits aber auch die in der jeweiligen Forschungstradition etablierten und empirisch verifizierten Annahmen berücksichtigt werden. Anstelle des Verhaltens der Geführten wird im Folgenden vom Verhalten der geführten Führungskräfte gesprochen. Denn berücksichtigt man die organisationale Hierarchie, dann sind fast alle Führenden ihrerseits gleichzeitig auch Geführte (Neuberger, 2002, S. 38 f.). Diese Un14
tersuchung begreift somit das mittlere Management als geführte Führungskräfte, während ihre nächsthöheren formalen Vorgesetzten als Führungskräfte bezeichnet werden. Bevor die hier interessierenden Qualitäten des Führungsverhaltens dargestellt werden, sollen zunächst der Führungserfolg und das hierfür relevante Verhalten der geführten Führungskräfte im Innovationskontext beschrieben werden. Überträgt man das Modell der zielorientierten Führung auf den Innovationskontext, so ist es sinnvoll, den Führungserfolg anhand des Innovationserfolgs zu charakterisieren. Gemäß dem Modell der zielorientierten Führung ist der Innovationserfolg durch das Verhalten der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess bedingt. Zur Spezifizierung des Verhaltens der geführten Führungskräfte für den hier interessierenden Kontext wird ein Modell herangezogen, das eine Anwendung der kognitiven Stress-Coping-Theorie von Lazarus (1966, 1991, 1993) auf den Innovationsprozess darstellt (Gebert, 1987). Dieses Modell wird theoriegeleitet weiterentwickelt. Es unterscheidet zwischen bestimmten Formen des Innovationsverhaltens und Mustern innovationshinderlicher Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess. Dabei wird angenommen, dass das Innovationsverhalten der geführten Führungskräfte funktionale Effekte für den Innovationserfolg hat, während die innovationshinderlichen Verhaltensweisen dysfunktionale Wirkungen auf die zentrale abhängige Variable haben. Da den Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte kognitiv-emotionale Prozesse vorgelagert sind, werden bestimmte Situationswahrnehmungen und Emotionen der geführten Führungskräfte in den Innovationsprozess einbezogen. Diese Berücksichtigung der kognitiv-emotionalen Ebene stellt eine Differenzierung des Modells der zielorientierten Führung dar. Ferner wird gemäß den Modellen von Lazarus (1991, 1993) und Gebert (1987) davon ausgegangen, dass die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte sich zum einen unmittelbar auf ihr Innovationsverhalten bzw. innovationshinderliches Verhalten auswirken. Zum anderen dürften die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte außerdem einen mittelbaren Einfluss auf ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen haben, indem die Situationswahrnehmungen sich auf das emotionale Befinden auswirken, welches wiederum die innovationsbezogenen Verhaltensweisen beeinflusst. Das Führungsverhalten wird einerseits durch Einflussnahme und Machtausübung beschrieben, denn diese Formen der sozialen Einwirkung sind bei Innovationen besonders relevant (Bradshaw, 1998; Frost & Egri, 1991; Scholl, 1999; Windeler, 1992). Diese abstrakten Kategorien werden im Verlauf der Modellbildung aufgebrochen. Dabei wird noch auszuführen sein (s. Kapitel 2.4.1), wodurch sich Machtausübung von Einflussnahme unterscheidet und durch welche konkreten Verhaltensweisen Führung durch Macht und Führung durch Einfluss erfolgt.
15
Da sich in Zeiten zunehmender Dezentralisierung von Unternehmen aufgrund flacherer Hierarchien und zunehmender Selbstregulation der Mitarbeiter größere Handlungsspielräume für die Organisationsmitglieder, gleichzeitig aber geringere Kontrollmöglichkeiten ergeben (Cialdini, 1997; Pfeffer, 1992), kann eine macht- und einflussbasierte Führung zur Sicherstellung der Innovativität allerdings nicht hinreichend sein. Zusätzlich stellt Vertrauen eine notwendige Bedingung dar, um Innovativität zu sichern (Bachmann, 2001; Bhide & Stevenson, 1992; Fukuyama, 1995; Handy, 1995; Krause, 2002b; McAllister, 1995; Powell, 1996). Aus diesem Grund wird das Führungsverhalten hier andererseits durch Vertrauenshandeln beschrieben. Zusätzlich zur Führung durch Vertrauen wird das Führungsverhalten anhand der Führung durch Misstrauen charakterisiert. Der Grund für die Unterscheidung zwischen der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen besteht in der Annahme namhafter Vertrauenstheoretiker, dass in einer interpersonalen Beziehung Vertrauen und Misstrauen gleichzeitig stark ausgeprägt sein können (Lewicki, McAllister und Bies, 1998). Insofern ist Misstrauen nicht als das bloße Gegenteil von Vertrauen zu begreifen, sondern als funktionales Äquivalent (Luhmann, 1989). Darüber hinaus werden Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Qualitäten des Führungsverhaltens angenommen, die in Kapitel 2.4.3 genauer erläutert werden. Dabei dürfte die Enge der Beziehungen zwischen Führung durch Einfluss und Vertrauen sowie zwischen Führung durch Macht und Misstrauen besonders stark sein. Es wird postuliert, dass Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen differenzielle Effekte auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen haben. Demnach tragen die Qualitäten des Führungsverhaltens über die kognitivemotionalen und verhaltensbezogenen Prozesse der geführten Führungskräfte zum (Miss-) Erfolg der Innovation bei. Ferner wird ein unmittelbarer Zusammenhang der Qualitäten des Führungsverhaltens mit dem Innovationserfolg angenommen. Diese Annahme steht im Einklang mit situativen Führungstheorien (von Rosenstiel, 2001, S. 328). Abbildung 3 stellt den Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen zusammenfassend dar.
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Kognitiv-emotionale und verhalQualitäten des Führungs- tensbezogene Prozesse der geführverhaltens ten Führungskräfte
Führungskontext: Innovationsaufgaben in Organisationen Führungserfolg Innovationsverhalten Situationswahrnehmungen
Innovationserfolg
Emotionen innovationshinderliche Verhaltensweisen
Führung durch Macht
Führung durch Einfluss
Führung durch Misstrauen
Führung durch Vertrauen
Abbildung 3. Konzeptioneller Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen Dieser konzeptionelle Bezugsrahmen verdeutlicht zugleich die Besonderheiten der vorliegenden Arbeit: –
Es werden das Zusammenspiel differenzierter innovationsbezogener Verhaltensweisen, kognitiver Prozesse (kognitive Seite der Innovationsgeneigtheit) und emotionaler Prozesse (emotionale Seite der Innovationsgeneigtheit) von geführten Führungskräften sowie die unterschiedlichen Wirkungen der Verhaltensweisen auf den Innovationserfolg kontextspezifisch theoretisch und empirisch untersucht. Dabei ist zu bedenken, dass die handlungsleitenden Effekte kognitiv-emotionaler Prozesse der Beteiligten im Innovationsgeschehen bislang weitgehend vernachlässigt worden sind.
–
Die innovationsbezogenen Verhaltensweisen, Emotionen und Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte sowie der Innovationserfolg werden in einem neuen Erklärungszusammenhang diskutiert – der Qualität und Quantität der übergeordneten Führungsverhaltensweisen Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen.
–
Dazu wird die Führungs- mit der Machtforschung und die Führungs- mit der Vertrauensforschung verknüpft. Außerdem wird die Macht- mit der Vertrauensforschung verbunden. Innerhalb der Führungsforschung stellt die Beschreibung des Führungsverhaltens durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen eine Neuerung dar, weil diese Konstrukte bislang lediglich getrennt voneinander untersucht wurden. In dieser Arbeit erfolgt dagegen eine theoretische und empirische Integration dieser bisher isoliert diskutierten Zusammenhänge. 17
–
In der empirischen Untersuchung werden die Qualitäten des Führungsverhaltens auf zwei Abstraktionsniveaus gemeinsam erhoben, um die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren bezüglich des Innovationserfolgs, der innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte, ihrer Emotionen und Situationswahrnehmungen zu untersuchen. Auch darin unterscheidet sich diese Studie von allen einschlägigen Vorgängerstudien, in denen die Effekte von Macht und Vertrauen auf die Innovativität zwar isoliert, aber weder in ihrer Verbindung zueinander noch in Kombination mit den beiden anderen Größen untersucht worden sind.
1.3
Vorgehensweise der Untersuchung
Damit wird zum theoretischen und methodischen Vorgehen in dieser Untersuchung übergeleitet. Die Gliederung der Kapitelabfolge im theoretischen Teil (Kapitel 2) bildet die Fragereihenfolge im Modell der zielorientierten Führung (s. Kapitel 1.2.3). Aus diesem Grund erfolgt die theoretische Untersuchung in vier Schritten (Kapitel 2). Auf der Basis der Spezifika der Führungssituation werden „rückwärts“ vom Führungserfolg ausgehend die Zusammenhänge zwischen den innovationsbezogenen Verhaltensweisen, Emotionen und Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte diskutiert und die Qualitäten des Führungsverhaltens als Determinanten der kognitiv-emotionalen und verhaltenbezogenen Prozesse der geführten Führungskräfte und des Innovationserfolgs betrachtet. Im ersten Schritt (Kapitel 2.1) wird die Führungssituation fokussiert und Arten, Ziele und Attribute von Innovationsaufgaben beschrieben. Im zweiten Schritt (Kapitel 2.2) wird der Führungserfolg untersucht, indem der Innovationserfolg genauer gekennzeichnet wird. Im dritten Schritt (Kapitel 2.3) stehen die Zusammenhänge der innovationsbezogenen Verhaltensweisen (Innovationsverhalten und innovationshinderliche Verhaltensweisen), der Emotionen und der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte im Mittelpunkt. Im vierten Schritt (Kapitel 2.4) wird untersucht, welche führungsbezogenen Bedingungen in welcher Weise die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg beeinflussen. Schließlich werden die Ausführungen des theoretischen Teils in einem Modell verdichtet, das die Forschungshypothesen zusammenfassend abbildet (Kapitel 2.5). Die Erklärungskraft des Modells wird in einer quantitativen empirischen Untersuchung im Feld organisations- und branchenübergreifend überprüft. Die empirische Untersuchung (N = 399 geführte Führungskräfte) schließt alle Aspekte des zu entwickelnden Modells ein: Den Führungserfolg, die verhaltensbezogenen und kognitiv-emotionalen Prozesse der geführten Füh18
rungskräfte, die Qualitäten des Führungsverhaltens des nächsthöheren Vorgesetzten sowie ausgewählte Situationsvariablen der Aufgabe. Das Kapitel 3 stellt das Untersuchungsdesign vor und schildert die Methode, mit der das entwickelte Modell einer empirischen Überprüfung zugänglich gemacht wurde. In der vorliegenden Untersuchung wurde für alle Untersuchungskonstrukte ein neues Messinstrument entwickelt: das Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI). Dessen Skalen einschließlich der faktoriellen Validitäten und Reliabilitäten werden ebenfalls im Kapitel 3 dargestellt. Im Anschluss daran werden die empirischen Ergebnisse der Untersuchung referiert und interpretiert (Kapitel 4). Dabei werden die hier untersuchten Innovationsprojekte charakterisiert, in dem ein Kategoriensystem für organisationale Verfahrensinnovationen entwickelt wird und die Innovationsprojekte anhand ihrer Attribute gekennzeichnet werden. Daran schließt sich die Darstellung und Interpretation der empirischen Überprüfung des entwickelten Modells an. Schließlich mündet die Ergebnispräsentation in die Ableitung forschungstheoretischer, forschungsmethodischer und praktischer Schlussfolgerungen (Kapitel 5). Eine Zusammenfassung bildet den Abschluss dieser Arbeit (Kapitel 6).
19
Kapitel 2
ENTWICKLUNG DES THEORETISCHEN MODELLS
Gemäß dem theoretischen Bezugsrahmen wird in diesem Kapitel zunächst die Führungssituation – also situative Merkmale der Aufgabe – konkretisiert. Nachdem im Kapitel 2.1 die Arten und Ziele von Innovationen generell beschrieben werden und begründet wird, das in dieser Untersuchung Verfahrensinnovationen den Analysegegenstand bilden, werden die situativen Merkmale der Aufgabe durch eine vergleichende Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstands beschrieben und für die vorliegende Untersuchung spezifiziert. In Anlehnung an das Modell der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1990) stehen anschließend der Führungserfolg, die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und die Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess im Mittelpunkt. Dabei wird die Konzeption des Innovationserfolgs für die vorliegende Untersuchung vorgestellt (Kapitel 2.2). Daran schließt sich im Kapitel 2.3 die Betrachtung der Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess an. Im Kapitel 2.3.1 wird basierend auf einer kritischen Betrachtung bisheriger Phasenschemata des Innovationsprozesses eine zweidimensionale Konzeption des Innovationsverhaltens vorgeschlagen, mit den Komponenten Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung. Beide Komponenten des Innovationsverhaltens werden durch die Integration bisheriger Forschungsresultate substanziell beschrieben und personbezogene Bedingungen dieser Komponenten des Innovationsverhaltens diskutiert. Ferner wird der Transformationsprozess zwischen der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung einer differenzierten Analyse unterzogen, indem bestimmte Konfliktarten und Widerstand als weitere Determinanten der Implementierung von Innovationen präzisiert werden. Neben Widerstand werden zwei andere Facetten innovationshinderlicher Verhaltensweisen angenommen: Flucht und intrapsychische Anpassung. An die Untersuchung dieser innovationsbezogenen komplementären Verhaltensweisen, also des Innovationsverhaltens einerseits (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und der innovationshinderlichen Verhaltensweisen andererseits (Flucht, intrapsychische Anpassung, Widerstand) schließt sich die Analyse der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess an (Kapitel 2.3.2). Dies ist insofern von besonderer Relevanz, als die Emotionen von 20
Führungskräften in der bisherigen betriebswirtschaftlichen Organisations- und Managementforschung lange vernachlässigt worden sind und deshalb kaum Wissen zur Struktur und den Effekten von Emotionen von Führungskräften vorliegt. Aus der Betrachtung verschiedener struktureller Emotionstheorien wird, basierend auf dem Circumplex-Modell (nach Schallberger & Pfister, 2001), die Struktur der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess abgeleitet, deren verhaltensbezogene Konsequenzen im Innovationsprozess erarbeitet werden. Daran schließt sich die Beschreibung der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte (Kapitel 2.3.3) als Auslöser ihrer Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen an. Diese Argumentation wird auf einer kognitiven Stress-Coping-Theorie beruhen (Lazarus, 1966, 1991, 1993), die von Gebert (1987) auf den Innovationskontext übertragen wurde. Neben der Herleitung und Beschreibung der Komponenten der Situationswahrnehmungen werden personbezogene Bedingungen der Situationswahrnehmungen aufgezeigt und Konsequenzen der Situationswahrnehmungen für die Emotionen, die Komponenten des Innovationsverhaltens und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen beschrieben. Dies schließt ein, dass die Beziehungen zwischen den Situationswahrnehmungen, der Motivation und den Emotionen der geführten Führungskräfte für den Innovationskontext erarbeitet werden. Im Kapitel 2.4 bildet das Führungsverhalten den Analyseschwerpunkt. Zum einen wird das Führungsverhalten des formal nächsthöheren Vorgesetzten der geführten Führungskraft durch Einfluss und Macht beschrieben, zum anderen durch Vertrauen und Misstrauen. Die Kernaussage dieses Kapitel wird lauten, dass diese Qualitäten des Führungsverhaltens in differenzieller Weise die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg beeinflussen. Diese Kernaussage wird auf zwei Abstraktionsniveaus elaboriert, nämlich auf der Ebene der abstrakten Kategorien Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen einerseits und der jeweiligen Tiefenstruktur von Einfluss und Macht und der Tiefenstruktur von Vertrauen und Misstrauen andererseits. Aufgrund dieser zweifachen Abstraktion ist eine Betrachtung der Führungsverhaltensweisen Einfluss und Macht sowie Vertrauen und Misstrauen erforderlich, bevor die Wirkbeziehungen zwischen diesen Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg dargelegt werden können. Deshalb widmet sich das Kapitel 2.4.1 der Führung durch Einfluss und Führung durch Macht, welche anhand ihrer gemeinsamen Merkmale konkretisiert und anhand situativer Kriterien sowie ihrer Effekte auf den Betroffenen voneinander abgegrenzt werden. Ferner wird die Tiefenstruktur von Einfluss und Macht im Innovationsprozess beleuchtet, und vor dem Hintergrund einer vergleichenden Analyse und Kritik an bisherigen Klassifikationen personaler Einfluss- und Machtgrundlagen eine innovationskontextspezifische Typologie 21
der Einfluss- und Machtgrundlagen entwickelt. Analog zu diesem Vorgehen, wird für die korrespondierenden Facetten der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen aufgezeigt (Kapitel 2.4.2), durch welche Merkmale sie charakterisierbar sind und wodurch sie sich unterscheiden. Es werden bisherige Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen vergleichend diskutiert und innovationsrelevante Grundlagen von Vertrauen erarbeitet. Darüber hinaus werden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Führungsverhaltensweisen untersucht (Kapitel 2.4.3). Die Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die kognitiv-emotionalen und verhaltensbezogenen Prozesse der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg werden anschließend auf beiden Abstraktionsniveaus begründet (Kapitel 2.4.4). Zudem wird die Wirkung verschiedener Konfliktarten auf den Einsatz der Facetten des Führungsverhaltens (Kapitel 2.4.5) untersucht. Auch diese Analyse erfolgt wiederum auf beiden Abstraktionsniveaus. Den Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit bildet die zusammenfassende Beschreibung des entwickelten Modells (Kapitel 2.5).
2.1
Die Führungssituation: Innovationsaufgaben in Organisationen
In diesem Kapitel wird nach der Erläuterung der Arten und Ziele von Innovationen sowie der präzisen Begriffsdefinition von „Innovation“ zunächst begründet, dass in dieser Arbeit Verfahrensinnovationen im Mittelpunkt stehen. Gemäß dem konzeptionellen Bezugsrahmen der Führung und des Führungserfolgs in Innovationsprozessen werden anschließend situative Merkmale präzisiert, anhand derer Innovationsaufgaben gekennzeichnet werden können: Innovationsgrad, Unsicherheit, Komplexität und Konfliktgehalt. Pro Attribut von Neuerungen wird der aktuelle Forschungsstand zur Merkmalsbeschreibung aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund werden Kriterien generiert, die das hier zu Grunde liegende Verständnis der Merkmale von Innovationen deutlich machen. Ferner wird die Bedeutung ausgewählter situativer Merkmale der Aufgabe für den empirischen Teil der Arbeit skizziert.
2.1.1 Arten und Ziele von Innovationen Der Innovationsbegriff wird sehr heterogen gebraucht und oft als Modewort missbraucht. Deshalb gilt es, diesen Begriff für die vorliegende Untersuchung zu konkretisieren. Die präzise Begriffsdefinition ist dabei nicht von bloßer akademischer Relevanz, sondern auch von praktischem 22
Interesse: Schließlich entscheidet die Einordnung eines Problems als Innovationsaufgabe durch die Führungskraft – im Gegensatz zu einer Routineaufgabe – darüber, wie diese Aufgabe in der Folge behandelt wird. Der Begriff Innovation ist von dem lateinischen Begriff „Innovatio“ abgeleitet (Perlitz & Löbler, 1985, S. 425), der sowohl Erneuerung als auch Veränderung bedeutet. Diese Doppelbedeutung verweist bereits auf das Spannungsfeld, das mit dem Hervorbringen von Neuerungen verbunden ist. Als Erster hat wohl Schumpeter (1912, S. 100 f.) auf die Bedeutung von Innovation für die wirtschaftliche Entwicklung hingewiesen, der die „Durchsetzung neuer Kombinationen“ als wesentlichste Aufgabe schöpferischer, unternehmerischer Aktivität ansieht. Sein historischer Innovationsbegriff beinhaltet fünf Varianten: Die Herstellung eines neuen Produktangebots bzw. einer neuen Qualität eines bestehenden Produktangebots, die Einführung einer neuen Produktionsmethode, die Erschließung neuer Absatzmärkte, die Erschließung neuer Bezugsquellen und die Neuorganisation der Unternehmung.11 Zur Untersuchung der kognitiv-emotionalen Prozesse und des Innovationsverhaltens der geführten Führungskräfte in Abhängigkeit vom Führungsverhalten des nächsthöheren Vorgesetzten muss man sich konsequenterweise gegen die in dieser Definition liegende Vielfalt des Innovationsbegriffs entscheiden, da ansonsten die Bestimmung der individuellen und führungsbezogenen Bedingungen innovativen Verhaltens sowie deren Konsequenzen für den Innovationserfolg keineswegs möglich wäre. In der Innovationsforschung liegen inzwischen eine Reihe unterschiedlicher Typologien von Innovation vor. So differenziert z. B. Damanpour (1991, pp. 560–561) zwischen technischen und administrativen Innovationen, weil mit ihnen unterschiedliche Entscheidungsprozesse verbunden sind. Technische Innovationen betreffen Produkte, Dienstleistungen und den technologischen Produktionsprozess. Administrative Innovationen beinhalten Veränderungen in der Organisationsstruktur (z. B. durch Fusionen & Akquisitionen) und der administrativen Prozesse. Heute wird der Innovationsbegriff sowohl für das Substrat bzw. Ergebnis einer Neuerung (objektbezogen) als auch für den Neuerungsprozess selbst (prozessbezogen) gebraucht. In Organisationen werden – je nach dem Ergebnis der Innovation – drei unterschiedliche Innovationsarten unterschieden: Produktinnovationen, Verfahrensinnovationen und Sozialinnovationen. Bei einer Produktinnovation liegt eine Erneuerung des Sachziels einer Organisation vor, indem Art, Menge und/oder Zeitpunkt der am Markt abzusetzenden Produkte verändert werden (Corsten, 1989, S. 3). Dies schließt materielle und immaterielle Produkte, wie bspw. Dienstleistungen, ein. Von einer Verfahrensinnovation (synonym Prozessinnovation) wird dann gesprochen, wenn der Prozess der Leistungserstellung erneuert wird (Thom, 2001, S. 322). Unter Sozialinnovationen versteht man Veränderungen im organisatorischen bzw. personalen Bereich von Organisationen (Marr, 1993, Sp. 1797), die einzelne Mitarbeiter oder deren Beziehungen betreffen. Mit diesen 23
Innovationen verfolgen Organisationen unterschiedliche organisationale Ziele (Tabelle 1).12 In der vorliegenden Untersuchung wird lediglich zwischen Produkt- und Verfahrensinnovationen differenziert, während Sozialinnovationen den Verfahrensinnovationen zugerechnet werden. Tabelle 1. Innovationsarten und Innovationsziele (nach Thom, 2001, S. 323) Innovationsarten
Innovationsziele –
Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit sichern
–
Ertragskraft/Gewinn verbessern
Erneuerung in den absatzfähigen
–
Marktanteil verbessern (Neukunden gewinnen)
(marktbezogenen) Leistungen von
–
Kundenstamm halten
Unternehmen
–
Prestige/Image erhöhen
–
Unternehmenswert steigern
–
Unabhängigkeit erhalten
–
neue Arbeitsplätze schaffen
Verfahrensinnovation
–
Produktivität steigern
(Prozessinnovation)
–
Gewinnmöglichkeiten verbessern
Erneuerung in den Leistungs-
–
Rohstoff und Energie einsparen
erstellungsprozessen innerhalb des
–
Sicherheit erhöhen (vom Unfallschutz bis zur Arbeits-
–
Umweltschäden vermeiden
–
Attraktivität am externen und internen Arbeitsmarkt erhöhen
Produktinnovation
platzsicherheit)
Unternehmens
Sozialinnovation
–
Neuerungen im Humanbereich von Unternehmen (z. B. neue Salär-, Ar-
–
beitszeit- und Personalentwicklungssysteme)
Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenswerten und -zielen vergrößern Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt und externen Bildungseinrichtungen reduzieren
–
soziale Verantwortung übernehmen
Das primäre Ziel einer Produktinnovation besteht in der Steigerung der organisationalen Effizienz, während das primäre Ziel einer Verfahrensinnovation in der Steigerung der organisationalen Effektivität besteht.13 Vergegenwärtigt man sich die genannten Definition von Schumpeter, der die „Durchsetzung neuer Kombinationen“ als das Wesensmerkmal von Innovationen begreift, lassen sich Produkt- und Verfahrensinnovationen klar voneinander abgrenzen. Während Produktinnovationen14 in einem bestimmten Markt durchzusetzen sind, müssen Verfahrensinnovationen in der Regel „nur“ intraorganisational umgesetzt werden. Produktinnovationen „entbehren [...] der bürokratischen Machtmittel, mit denen die Durchsetzung unternehmensintern erzwungen werden kann“ (Hauschildt, 1997, S. 11). Aus diesem Grund sind Produktinnovationen für die empirische Analyse in dieser Arbeit nicht von Bedeutung. Ferner sind folgende Gründe für die Fokussierung von Verfahrensinnovationen in dieser Arbeit relevant:
24
–
Bei Produktinnovationen werden Konflikte seltener vermutet als bei Verfahrensinnovationen. Deshalb ist auch die Bedeutsamkeit des Führungshandelns (vgl. Kapitel 2.4) bei Verfahrensinnovationen höher als bei Produktinnovationen. Konflikte und deren Folgen sind bei Verfahrensinnovationen stärker ausgeprägt als bei Produktinnovationen, weil hier im Unterschied zu Produktinnovationen die Anwender in derselben Organisation tätig sind wie die Betreiber der Innovation und z. B. bei Machtausübung unmittelbar und direkt intervenieren können.
–
Verfahrensinnovationen dürften gegenüber Produktinnovationen einen stärker politischen Charakter haben, denn (1) die Betroffenheit und Anzahl der Beteiligten ist bei Verfahrensinnovationen wesentlich unmittelbarer und größer als bei Produktinnovationen, (2) Verfahrensinnovationen in bestimmten Teilbereichen der Organisation werden primär von hierarchisch übergeordneten Stellen initiiert und beeinflussen die Arbeitsabläufe der „untergeordneten“ Stellen unmittelbar und (3) das Ergebnis einer Verfahrensinnovation ist noch schwieriger zu beurteilen als das einer Produktinnovation.
–
Der Erfolg von Produktinnovationen bemisst sich u. a. über wirtschaftlichen Erfolg (Deckungsbeitragsrechnung, Produktlebenszyklen), der jedoch von der jeweiligen Unternehmensleitung ungern nach außen kommuniziert wird und deshalb für die Untersuchung nicht zugänglich wäre.
–
Verschiedene Produktinnovationen sind inhaltlich kaum vergleichbar. So ist es unmittelbar plausibel, dass beispielsweise die Entwicklung eines neuen Medikamentes nach gesundheitsrechtlichen Bestimmungen in der Pharmabranche an andere Prozesse geknüpft ist als die Entwicklung eines neuen Armaturenbretts nach ergonomischen Gesichtspunkten in der Automobilbranche. Demgegenüber dürften Verfahrensinnovationen inhaltlich stärker miteinander vergleichbar sein (s. Kapitel 4.1).
In der Praxis dürfte allerdings eine strikte Trennung von Produkt- und Verfahrensinnovationen schwer fallen, denn die Einführung neuer Produkte kann die Einführung neuer Verfahren – und umgekehrt – bedingen. Produkt- und Verfahrensinnovationen sind demnach interdependent miteinander verknüpft. Darüber hinaus kann die Umsetzung neuer Verfahren Änderungen im Humanbereich erfordern und deshalb Sozialinnovationen auslösen. Häufig wird in diesem Zusammenhang die Hypothese vom „Organizational lag“ (vgl. Anderson & King, 1993, p. 3) vertreten, wonach personelle und organisatorische Innovationen erst mit einer gewissen Verzögerung den Verfahrensinnovationen folgen. Diese zeitliche Verzögerung kann dadurch erklärt werden, dass Verfahrensinnovationen sich besser als Sozialinnovationen begründen lassen, weil erstere in direkter Beziehung zum Gewinn der Organisation stehen, während die Konsequenzen von Sozialinnovationen erstens weniger eindeutig und zweitens nur mittelbar bestimmbar sind. Umgekehrt können 25
auch Sozialinnovationen – wie etwa durch den Wertewandel bedingte Veränderungen im intraorganisationalen Werte- und Normensystem – Verfahrens- oder Produktinnovationen auslösen (Töpfer, 1984, S. 393). Die Innovationsarten beeinflussen sich demnach wechselseitig (Gemünden et al., 1992, S. 38; Kupsch, Marr und Picot, 1991, Sp. 1077). Wie jede Systematisierung stellt somit auch die Klassifikation von Innovationen in Produkt-, Verfahrens- und Sozialinnovationen eine Vereinfachung der Realität dar. Im Hinblick auf die Führungssituation wird nun gefragt, durch welche Merkmale betriebliche Innovationen charakterisierbar sind und sich damit von Routineprozessen unterscheiden. Wie bereits anhand der Situationstheorien der Führung begründet wurde (vgl. Kapitel 1.2.2), werden ausgewählte situative Merkmale der innovativen Aufgabe diskutiert. 2.1.2 Attribute von Innovationsaufgaben Um Innovationsaufgaben von Routineaufgaben in Organisationen abzuheben, ist es sinnvoll, folgende situativen Merkmale der Aufgabe heranzuziehen: (1) Innovationsgrad, (2) Unsicherheit, (3) Komplexität und (4) Konfliktgehalt. Diese Merkmale werden als die dominanten Merkmale von Innovationen angesehen (Hauschildt, 1993; Marr, 1993; Thom, 2001). In der bisherigen Forschung wurden diese Attribute von Innovationen allenfalls benannt; eine systematische Beschreibung dieser Attribute auf der Grundlage der Integration von betriebswirtschaftlichen, soziologischen und psychologischen Forschungserkenntnissen steht allerdings noch aus. Im Folgenden werden deshalb diese Attribute von Innovationsaufgaben auf der Basis einer integrativen Betrachtung des aktuellen Forschungsstandes der genannten Disziplinen präzisiert.
2.1.2.1 Innovationsgrad Das grundlegende Merkmal einer Innovation ist ihre Neuheit (Novität). Innovationen können jedoch mehr oder weniger stark von bisherigen Praktiken abweichen (Cardinal, 2001, p. 19), weshalb eine bloße objektbezogene Bestimmung von Innovationen nicht hinreichend ist. Für die Konkretisierung dessen, was das Prädikat „innovativ“ rechtfertigt, ist eine Aussage über „den graduellen Unterschied gegenüber dem bisherigen Zustand“ (Hauschildt, 1997, S. 11) notwendig. Dieser Sachverhalt der Intensität einer Innovation wird häufig unter den Begriffen „Innovationsgrad“, „Neuigkeitsgrad“, „Innovationsgehalt“, „Innovationsabstand“, „Neuigkeitsaspekt“ oder „Neuartigkeit“ diskutiert. Gemeint ist der innovative Gehalt von Problemlösungen, der mit der Stärke der qualitativen Unterschiede der Problemlösungen gegenüber den vorangegangenen Problemlösungen steigt. Häufig wird der Innovationsgrad dichotomisiert und nur oberflächlich
26
zwischen Major- und Minor-Innovationen differenziert. Mit Majorinnovationen (Basisinnovationen) werden besonders radikale Abweichungen von bisher Bekanntem bezeichnet, welche in der Praxis jedoch relativ selten vorkommen (Benner & Tushman, 2002, p. 678). Gegenüber dieser Simplifizierung ist die differenziertere Innovationstypologie von Hauschildt und Schlaak (2001) angemessener, die auf der Grundlage der Ergebnisse einer Clusteranalyse fünf Typen von Innovationen unterscheidet: inkrementale Innovationen, radikale Innovationen, durchschnittliche Innovationen (synergistische Diversifikation), kombinierte Produkt-/Prozessinnovation mit mittlerem Innovationsgrad (technologische Diversifikation) und technische Diskontinuität. Die Beurteilung der Abweichung eines Objektes gegenüber dem Status quo ist dabei immer gebunden an das Subjekt, das diese Beurteilung vornimmt. Die Sensibilität des Subjekts, die mitunter auch marginalen Abweichungen im Vergleich zum bisherigen Vorgehen zu erkennen und damit eine innovative Aufgabe im Gegensatz zu einer Routineaufgabe als solche zu identifizieren, ist gemeint, wenn Hauschildt (1986) vom sogenannten „Innovationsbewusstsein“ des Entscheidungsträgers spricht. Dieser Aspekt der Subjektivität einer Innovation (vgl. Hauschildt, 1997) bedingt, dass unterschiedliche Personen (z. B. Experte, Führungskraft, Konkurrent oder Anwender) den Innovationsgrad ein und derselben Problemlösung höchst unterschiedlich bewerten. Bei der Einschätzung des Innovationsgrads bleibt deshalb stets die Frage zu klären, für wen die Innovation eine neue Problemlösung darstellt (Biehl, 1981, S. 29). Entscheidend ist hierbei die individuelle Wahrnehmung der qualitativen Abweichung, da sie die anschließende Beurteilung bestimmt. Der Innovationsbegriff bleibt dabei oftmals auf die erstmalige Anwendung des entdeckten Problemlösepotenzials beschränkt. Jene Unternehmen, welche die Neuerung nachträglich übernehmen, werden als Imitatoren oder Adopter (Übernehmer) bezeichnet. Adopter sind Systeme (Personen, Organisationen), für die bestimmte Problemlösungen noch neuartig sind und für die sich eine Übernahme aus wirtschaftlicher Perspektive lohnt (O’Neill, Pouder und Buchholtz, 1998). Die Anzahl der Adopter bestimmt die Diffusion einer Produktinnovation (Ausmaß und Geschwindigkeit) auf dem Markt (vgl. Kessler & Chakrabarti, 1996)15 bzw. die Verbreitung einer Verfahrensinnovation innerhalb der Organisation, womit der Kontext einer Innovation angesprochen ist. Durch die Akzeptanz und Verbreitung wird die Innovation in ihre relevante Umwelt eingebettet. Für soziologisch orientierte Innovationsforscher ist die Wahrnehmung der Neuheit durch Individuen das konstitutive Innovationscharakteristikum. ‘An innovation is an idea, practice or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption. It matters little, so far as human behavior is concerned, whether or not an idea is ‘objectively’ new. [...]. The perceived units of the idea for the individual determines his or her reaction to it. If the idea seems new to 27
the individual, it is an innovation’ (Rogers, 1983, p. 11). Die Verwendung dieses subjektiven Innovationsbegriffs weist einen Vorteil, gleichfalls jedoch einen gravierenden Nachteil auf. Nachteilig ist die erschwerte Operationalisierung des Innovationsgrads, die mit der subjektgebundenen Definition einhergeht. Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass auch die Übernahme von bekannten Produkten und Prozessen durch Adopter oder Imitatoren als Innovation bezeichnet wird. In ökonomischen Betrachtungsweisen wird der Innovationsverlauf demgegenüber als prozessuale Abfolge von Invention, Innovation und Diffusion aufgefasst (z. B. Kimberly & Evisko, 1981; Pyka, 1999). Damit sei auf den wichtigen Unterschied zwischen Invention und Innovation verwiesen. Eine Invention ist lediglich die gedankliche Konzipierung einer Neuerung bzw. das „Auffinden eines wirtschaftlichen Novums, einer Nutzungs-Chance“ (Witte, 1973, S. 2), während erst im Falle der Umsetzung der neuen Idee eine Innovation vorliegt (Thom, 1980, S. 24). Häufig wird der Begriff Invention daher mit dem Begriff Erfindung gleichgesetzt. Grundsätzlich werden bei der Beurteilung des Innovationsgrades und der Wahl des Bezugspunktes fünf Positionen (vgl. Hauschildt, 1997, S. 16 ff.) vertreten: (1) die globale Novität, d. h. die Innovation stellt eine solche Problemlösung dar, für die es weder in einer Organisation, noch im Weltmarkt, noch in der Geschichte der Menschheit Vorgänger gibt, (2) die volkswirtschaftliche Novität, d. h. die Problemlösung wurde in dieser Form noch nie in einer Volkswirtschaft eingesetzt (nationalökonomische Perspektive), (3) die branchenspezifische Novität, d. h. die Problemlösung wird innerhalb einer Branche bzw. technologisch und absatzwirtschaftlich vergleichbaren Gruppen von Organisationen erstmalig genutzt (industrieökonomische Perspektive), (4) die organisationsspezifische Novität, d. h. die betrachtete Organisation setzt diese Problemlösung erstmalig ein bzw. nimmt sie neu in ihr Leistungsprogramm auf (betriebswirtschaftliche Perspektive) und (5) die individuumsspezifische Novität, d. h. ein Individuum wendet die Problemlösung erstmalig an (individualistische Perspektive). Für die Beurteilung einer Problemlösung als neu, soll hier der Neuigkeitsaspekt für die jeweilige Organisation gelten.16 So meint z. B. Witte (1973): „Für die Unternehmung ist eine Innovation dann zu konstatieren, wenn sie eine [...] Neuerung erstmalig nutzt, unabhängig davon, ob andere Unternehmungen den Schritt vor ihr getan haben oder nicht“ (S. 3). Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass ein imitierendes oder adoptierendes Unternehmen prinzipiell dieselben Phasen des Innovationsprozesses bewältigen muss, wie bei der Neuentwicklung einer Problemlösung (Kieser, 1972, S. 9). Auch wenn die Problemlösung bereits von einer anderen Unternehmung auf dem Markt angeboten wird, stehen dem imitierenden Unternehmen nur unzureichend Wissen und Erfahrung zur Handhabung der Innovation zur Verfügung, weshalb Durchsetzungs- und Implementierungsprobleme auftreten. Ferner sind die Grenzen zwischen Innovation 28
und Imitation vor allem dann fließend, wenn das neue Wissen einer Organisation nicht von einer Konkurrenzorganisation, sondern aus anderen Zusammenhängen generiert wurde (Kupsch et al., 1991, Sp. 1073; Marr, 1993, Sp. 1797). Deshalb wird hier nicht die Anforderung einer generellen Neuheit an die Innovation gestellt, sondern das Postulat der Neuartigkeit für die jeweilige Organisation (organisationsspezifische Novität) vertreten. Angesichts der Bedeutung, welche die Imitation und sukzessive Verbesserung bestehender Innovationsideen hat, die sich oftmals gezielt an Kundenbedürfnissen orientieren (‘Nuts and bolts’-Innovationen, vgl. Marquis, 1982, p. 43), erscheint diese Perspektive als gerechtfertigt. Außerdem sind wirklich revolutionäre Innovationen äußerst selten. Häufig werden sie aber basierend auf vorhandenem Wissen, durch Kombination geläufiger Erkenntnisse und durch Analogiebildung zu Bekanntem (Mumford et al., 2002, p. 708) produziert. Innovationsforscher, die diese gezielten Veränderungen von Bekanntem ignorieren, sind mit einer Vielzahl von Abgrenzungsproblemen konfrontiert (vgl. Bollinger & Greif, 1983, S. 397), wie beispielsweise der Frage, ab welchem Innovationsgrad im konkreten Innovationsfall in einer Organisation eine eigenständige Innovation vorliegt. So verdienstvoll Anstrengungen um die Objektivierung der Erstmaligkeit einer Problemlösung auch sein mögen, so sind sie doch für wissenschaftliche Zwecke wenig operational. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit kein Unterschied zwischen einer für eine Organisation neuen Imitation und einer marktbezogenen Innovation gemacht, weil der subjektive Wissens- und Erfahrungsstand für die jeweils betrachtete Organisation handlungsleitend ist, unabhängig davon, welches Wissen außerhalb der Organisation verfügbar ist. Als Innovation werden in dieser Untersuchung insofern all jene Handlungsergebnisse definiert, die intentional herbeigeführt werden und wahrgenommene Neuerungen innerhalb der Organisation bewirken.17 Diese Definition von Innovation impliziert Konsequenzen für die Beurteilung des Innovationsgrades: Nicht mehr ein beliebiges Individuum wird zur Beurteilung des Innovationsgrades herangezogen, sondern Führungskräfte, da sie zur Initiierung von und Ressourcenfreisetzung für Innovationen legitimiert sind. Zur konkreteren Beschreibung des Innovationsgrades von Neuerungen wurde in der bisherigen empirischen Innovationsforschung versucht, die Dimensionalität des Innovationsgrades näher zu beleuchten. Die nachfolgende Übersicht (s. Tabelle 2) veranschaulicht bisherige Konzeptualisierungen und empirisch verifizierte Dimensionen des Innovationsgrades18.
29
Tabelle 2. Übersicht zu unterschiedlichen Konzeptionen und Dimensionen des Innovationsgrades in Untersuchungen ab 1990 (nach Brockhoff und Zanger, 1993, S. 837–839 sowie Hauschildt und Schlaak, 2001, S. 165, modifizierte Darstellung) Autor(en)
Anzahl der
Art der Dimensionen
Dimensionen Tebbe (1990)
1
Aufgabe
Kleinschmidt & Cooper (1991)
5
Technologie, Technik, Markt, Produktion, Absatz
Dwyer & Mellor (1991)
1
Aufgabe
McDonough III/Barczak (1992)
1
Technik
Kotzbauer (1992)
2
Technik, Produktion
Schewe (1992)
4
Technik, Markt, Produktion, Absatz
Schmalen & Pechtl (1992)
8
Technik, Produkt, Markt, Kompetenz, Verhalten,
Cooper & Kleinschmidt (1993)
6
Aufgabe, Technologie, Markt, Produktion, Absatz,
Brockhoff & Zanger (1993)
3
Komplexität, Systemintegrierbarkeit, zeitlicher
Wissen, Produktposition, Kontext Wissen Wettbewerbsvorsprung Griffin (1993)
2
Kirchmann (1994)
1
Aufgabe, Produktion Aufgabe
Parry & Song (1994)
7
Technologie, Technik, Markt, Produktion, Absatz,
Lee & Na (1994)
3
Technologie, Produktion, Kapital
Wissen, Kapital Kotabe & Swan (1995)
1
Aufgabe
Atuahene-Gima (1995)
4
Technologie, Markt, Produktion, Absatz
Olson, Walker und Rueckert (1995)
4
Aufgabe, Technik, Produktion, Absatz
Green, Gavin und Aiman-Smith (1995)
4
Technologie, Prozess, Absatz, Kapital
Firth & Narayanan (1996)
2
Technologie, Markt
Mishra, Kim und Lee (1996)
7
Technologie, Technik, Markt, Produktion, Absatz,
Zirger (1997)
2
Technik, Markt
Hauschildt (1997)
2
Technik, Markt
Souder & Song (1998)
1
Markt
Wissen, Kapital
Anmerkung. Chronologische Darstellung.
Es wird deutlich, dass die Dimensionalität des Konstrukts „Innovationsgrad“ bislang weitgehend ungeklärt ist. Zur Beschreibung des Innovationsgrades werden zwischen einer und acht Dimensionen herangezogen, wobei diese Dimensionen zumeist faktoren- und/oder clusteranalytisch gewonnen worden sind. Inhaltlich beziehen sich die in Tabelle 2 aufgelisteten Konkretisierungen des Innovationsgrades größtenteils auf Produktinnovationen. Der Innovationsgrad dieser Produktinnovationen wird vorwiegend anhand der relativen Veränderungen der Technologie, der 30
Technik, des Absatzes, des Produktionsprozesses und des Kapitalbedarfs präzisiert. Allen Konzeptionen ist somit gemeinsam, dass sie einer Problemlösung dann einen hohen Innovationsgrad bescheinigen, wenn sie sich in technischen und/oder absatzwirtschaftlichen Aspekten deutlich von Bisherigem unterscheidet. In dem Versuch dieses einseitige Verständnis des Innovationsgrades zu überwinden, konzipieren Hauschildt und Schlaak (2001) den Innovationsgrad von Produktinnovationen anhand folgender vier Bereiche: Aufgabe (Markt, Technologie, Technik), Ressourcen (Wissen, Arbeit, Kapital), Prozesse (Beschaffung, Produktion, Absatz) und Struktur (Strategie, Organisation, Kultur). Der Vorteil dieser Konzeption liegt in der Differenzierung des Konstruktes „Innovationsgrad“. Empirisch zeigt eine explorative Faktorenanalyse an einer Stichprobe von N = 117 Produktinnovationen (Bewerber um den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft 1996) allerdings, dass dem Innovationsgrad sieben Dimensionen zu Grunde liegen: Veränderungen in der Produkttechnologie, im Absatzmarkt, in der Beschaffung, dem Produktionsprozess, der formalen Organisation, der informalen Organisation und dem Kapitalbedarf.19 Es ist offensichtlich, dass sich die bisher erörterten Dimensionen des Innovationsgrades nicht problemlos auf Verfahrensinnovationen übertragen lassen. So kann der Innovationsgrad von Verfahrensinnovationen naturgemäß nicht anhand ihrer Diffusion am Markt oder anhand des Absatzes bestimmt werden. In Analogie zu den Dimensionen „Markt“ und „Absatz“ für Produktinnovationen
bezieht
die
vorliegende
Untersuchung
den
Innovationsgrad
von
Verfahreninnovation auf die konkrete Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.). Der Innovationsgrad wird als eindimensionales Konstrukt verstanden, das mehrere Kriterien einschließt. In Übereinstimmung mit Hauschildt und Schlaak (2001) wird davon ausgegangen, dass die Bestimmung des Innovationsgrads auch die formale und informelle Organisation zu berücksichtigen hat. Vor diesem Hintergrund wird der Innovationsgrad in der vorliegenden Untersuchung inhaltlich durch drei Kriterien beschrieben: den Intensitätsgrad, den Erstmaligkeitsgrad und den Implikationsgrad. Der Intensitätsgrad einer Verfahrensinnovation spiegelt den Unterschied zwischen dem angestrebten neuen Verfahren und den bislang praktizierten Verfahren in der jeweiligen Arbeitseinheit wider und bezieht sich insofern auf die relative Veränderung des Verfahrens selbst. Bei dieser Einschätzung bildet das bisherige Verfahren in der Arbeitseinheit den Ankerpunkt. Mit dem Erstmaligkeitsgrad ist die Frage angesprochen, inwieweit die jeweilige Arbeitseinheit im Vergleich zu anderen Arbeitseinheiten in der Organisation das Verfahren zum ersten Mal entwickelte und/oder einsetzt. Der Implikationsgrad bezieht sich auf die Reichweite der Verfahrensinnovation in der jeweiligen Arbeitseinheit und meint das Ausmaß, in dem durch die Verfahrensinnovation das bestehende Macht-, Kontroll- und Kompetenzgefüge verändert wird. 31
Insofern ist der Implikationsgrad gleichzeitig Ausdruck der formalen und informellen organisatorischen Konsequenzen der implementierten Verfahrensinnovation. Es wird angenommen, dass der Innovationsgrad einer Verfahrensinnovation umso höher ist, je stärker die drei Kriterien ausgeprägt sind, also je höher der Intensitäts-, Erstmaligkeits- und der Implikationsgrad der Verfahrensinnovation ist.
2.1.2.2 Unsicherheit In direktem Zusammenhang mit dem Innovationsgrad steht ein weiteres Attribut von Neuerungen, ihre Unsicherheit (Cardinal, 2001; Pettigrew, 1972). Aus Unsicherheit können Risiken resultieren (Mumford et al., 2002, p. 709), die bei einer Innovation erheblich sind (Brockhoff, Chakrabarti, Hauschildt und Pearson, 1996, p. 27.9). Ein Vergleich der Risiken von Produkt- und Verfahrensinnovationen in Industrieunternehmen zeigte (vgl. Perlitz & Löbler, 1985, S. 424– 450), dass die Risiken bei Produktinnovationen erheblich höher sind als bei Verfahrensinnovationen, weshalb letztere eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen und dem Entscheider ein geringeres Maß an Risikobereitschaft abverlangen. Ein Risiko besteht z. B. in der Höhe des Schadens bei einem Fehlschlag der Innovationsaktivitäten. Die Quantifizierung der Schadenshöhe stößt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, da zwar Investitionen in die Innovation ermittelt werden können, mittel- und langfristige immaterielle Kosten (z. B. Imageverlust, Vertrauensverlust, Opportunitätskosten) aber wesentlich schwerer festzustellen sind. Die Unsicherheit bzw. das innovationsimmanente Risiko von Verfahrensinnovationen steigt vermutlich mit zunehmendem Intensitätsgrad, zunehmendem Erstmaligkeitsgrad der Neuerung für die jeweilige Arbeitseinheit und zunehmendem Implikationsgrad. Dieser Zusammenhang zwischen den Kriterien des Innovationsgrades und der Unsicherheit kann wie folgt erklärt werden: Bedingt durch die organisations- bzw. abteilungsspezifische Novität mangelt es den Organisationsmitgliedern zur Handhabung der innovativen Problemlösung an Wissen und Erfahrungen. Wissen und Erfahrung können lediglich für den formalen Innovationsprozess beschafft werden, da dieser stets ähnlich abläuft (Thom, 1980, S. 27). Die inhaltliche Unterschiedlichkeit von Verfahrensinnovationen führt jedoch dazu, dass es einer spezifischen Arbeitseinheit keinesfalls möglich ist, das verfügbare Wissen einer anderen Arbeitseinheit deckungsgleich auf ihr spezielles Innovationsproblem zu transferieren. Insofern ist eine Innovationsaufgabe unweigerlich mit Unsicherheit verbunden (Wittmann, 1959), die sich a priori nicht ausschalten lässt. Die Unsicherheit einer Innovationsaufgabe besteht in mehrfacher Hinsicht. Brockhoff et al. (1996, p. 27.10) schlagen vor, die Unsicherheit einer Innovation auf die angestrebten Zwecke – also die Nutzbarkeit von Produktinnovationen am Markt und die Nutzbarkeit von Verfahrens32
innovationen in der Organisation – und die Mittel zu ihrer Erreichung zu beziehen. Die Kombination der beiden bipolar gestuften Dimensionen „Unsicherheit der Zwecke“ und „Unsicherheit der Mittel“ ergibt eine Vier-Felder-Matrix (‘Uncertainty map’), in die sich eine Innovation einordnen lässt und aus der unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zur Handhabung der Innovationsaufgabe erwachsen. Am schwierigsten sind demnach Innovationen zu handhaben, bei denen sowohl die Unsicherheit der Zwecke als auch die Unsicherheit der Mittel hoch ausgeprägt ist, weshalb diese Innovationen am häufigsten scheitern. Innovationen mit niedriger Unsicherheit über Zwecke und Mittel sind dagegen vergleichsweise einfach zu handhaben. Schließlich weisen Innovationen, bei denen die Unsicherheit bezüglich der Zwecke niedrig, die Unsicherheit bezüglich der Mittel aber hoch ist einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf, genau wie Innovationen, bei denen beide Unsicherheitsfacetten in umgekehrter Richtung miteinander verknüpft sind. Kritisch ist an dieser ‘Uncertainty map’ vor allem zweierlei anzumerken: Da die Einschätzung der Unsicherheit der Zwecke und Mittel bei einer konkreten Innovation von zumeist extrem heterogenen Erwartungen und antizipierten Konsequenzen der Beteiligten abhängt, bleibt erstens fraglich, inwieweit verschiedene Beteiligte in ihrer Beurteilung der Unsicherheitsfaktoren zu einem übereinstimmenden Urteil gelangen werden. So ist es vorstellbar, dass die Innovationsbefürworter beide Unsicherheitsfaktoren unterschätzen, während die Opponenten diese Unsicherheitskriterien überschätzen. Bei mangelnder Übereinstimmung dieser Beurteilung zwischen den Beteiligten sind die Unsicherheitsfacetten jedoch aufgrund der herabgesetzten unmittelbaren Handlungsfähigkeit weitaus schwieriger reduzierbar als bei Übereinstimmung. Darüber hinaus gehen die Autoren implizit von der Annahme aus, dass man die einer Innovation inhärenten Unsicherheiten gemäß dem Paradigma der Planbarkeit von Innovationen (vgl. Staudt, 2000) insofern gänzlich reduzieren könne, als nur eine Spezifizierung der angestrebten Zwecke und der hierzu notwendigen Mittel erforderlich sei, um hoch unsicherheitsbehaftete Neuerungen in niedrig unsicherheitsbehaftete Neuerungen zu überführen. Diese Annahme ist zweitens aus Gründen der lediglich schätzungsbasierten Bildung von Erwartungswerten über die Zwecke und der grundsätzlich nur partiellen Planbarkeit von Innovationen bedenklich. So orientiert sich zum einen die Bildung von Erwartungswerten über die Nutzbarkeit von Produktinnovationen am Markt an Wirtschaftlichkeitsberechnungen und die Nutzbarkeit von Verfahrensinnovationen an Berechnungen, die intraorganisationale Kosten-Nutzen-Erwägungen beinhalten. Auch diese Berechnungen operieren aber mit Schätzungen über die Nachfrage und den Absatz der Produktinnovation bzw. die Verwertbarkeit der Verfahrensinnovation innerhalb der Organisation, weshalb die gebildeten Erwartungswerte ihrerseits unsicherheitsbehaftet sind. Zum anderen sind Innovationen generell nur partiell planbar. Diese Tatsache ergibt sich dadurch, dass sich Unsicherheiten nicht gänzlich eindämmen lassen, da die Fähigkeit des Men33
schen mit Komplexität umzugehen (Dörner, 1989) begrenzt ist. Sehen sich Führungskräfte mit komplexen Problemen konfrontiert – und Innovationen sind komplexe Probleme (vgl. Kapitel 2.1.2.3) – neigen sie vielmehr zu typischen Fehlern, wie beispielsweise dazu, die Langzeitwirkungen von Entscheidungen nicht hinreichend zu berücksichtigen. Als Konsequenz der begrenzten Fähigkeit des Umgangs mit Komplexität ergibt sich, dass das Wissen der Akteure über Konsequenzen der Innovation stets fragmentarisch und Maßnahmen zur Unsicherheitsreduktion20 zwangsläufig irrtumsbehaftet sind. Obgleich Brockhoff et al. (1996) zwar keine derartigen Maßnahmen generieren, muss man sich generell die Frage stellen, ob ein solches Vorhaben in Anbetracht der begrenzten Komplexitätshandhabung überhaupt möglich ist. Denn dies würde voraussetzen, dass die Akteure alle möglichen Zwecke der Neuerung kennen bzw. zu bestimmen in der Lage sind und rational entscheiden könnten, durch welche Maßnahme X sie den gewünschten Zweck Y erreichen. Vor diesem Hintergrund wird die ‘Uncertainty map’ hier modifiziert und die Dimension „Unsicherheit der Zwecke“ durch das Kriterium „Unsicherheit des Ergebnisses“ der Verfahrensinnovation ersetzt. Die Dimension „Unsicherheit der Mittel“ wird spezifiziert und durch die Unsicherheit bezüglich der erforderlichen Zeit (Corsten, 1989, S. 3), die Unsicherheit der notwendigen Kenntnisse bzw. des erforderlichen Wissenserwerbs (Kupsch et al., 1991, S. 1079 f.) und die Unsicherheit im Hinblick auf die anfallenden Kosten (Corsten, 1989, S. 3) beschrieben. Der Unsicherheitsgrad einer Verfahrensinnovation insgesamt wird also durch vier Kriterien gekennzeichnet: Unsicherheit des Ergebnisses, Unsicherheit der zeitlichen Dauer, Unsicherheit des Ausmaßes der erforderlichen Kenntnisse und Unsicherheit der anfallenden Kosten. Je stärker diese vier Kriterien bei einer konkreten Verfahrensinnovation ausgeprägt sind, umso stärker ist sie mit Unsicherheit behaftet.
2.1.2.3 Komplexität Innovationsaufgaben unterscheiden sich auch aufgrund ihrer höheren Komplexität von Routineaufgaben (Frost & Egri, 1991, p. 243; Gemünden et al., 1992, S. 39; Van de Ven, 1986, p. 591). Dabei steigt mit zunehmender Komplexität der Neuerung auch ihre Unsicherheit (Thom, 2001, S. 322).21 Der Komplexitätsbegriff wird in der Literatur zum einen als Aufgabenmerkmal (Dörner, 1989), zum anderen zur Charakterisierung von Systemen (Luhmann, 1980) oder deren Umwelt (Duncan, 1972) verwendet. Diese drei Bedeutungen von Komplexität stehen zueinander wie folgt in Beziehung: Die Komplexität der Umwelt eines Systems vermittelt sich über organisationsinterne Komplexitätsquellen in die Aufgabenkomplexität (Gebert, 1978, S. 69 f.). In dieser Arbeit wird der Komplexitätsbegriff prozessual aufgabenbezogen gebraucht. Zur Kennzeichnung 34
von Komplexität werden unterschiedliche Kriterien benutzt, die sich auch in ihrer Benennung unterscheiden. Tabelle 3 stellt die wichtigsten Komplexitätskonzeptionen zusammenfassend dar und verdeutlicht zugleich ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Tabelle 3. Übersicht über die wichtigsten Komplexitätskonzeptionen Autor(en) Duncan (1972) Schlicksupp (1977) Hauschildt (1977)
Anzahl der Kriterien Art der Kriterien 2 Anzahl der Elemente, Verschiedenartigkeit 3 Anzahl der Elemente, Verschiedenartigkeit, Verknüpfung 4 Unklarheit der Problemstruktur, Ungewissheit der Erwartungen, Unüberschaubarkeit der Problemkomponenten, Konfliktgehalt Gebert (1978) 3 Anzahl der Elemente, Verschiedenartigkeit, Dynamik Kirsch (1978) 4 Anzahl der Elemente, Verschiedenartigkeit, Dynamik, Verknüpfung Luhmann (1980) 3 Anzahl der Elemente, Verschiedenartigkeit der Relationen zwischen den Elementen, Anzahl der Relationen zwischen den Elementen Wood, Mento und Locke 4 Komponentenkomplexität, Verschiedenartigkeit, (1987) dynamische Komplexität, koordinative Komplexität Picot, Reichwald und 2 Anzahl der Elemente, Verknüpfung Nippa (1988) Dörner (1989) 7 Komplexität im engeren Sinne, Verschiedenartigkeit, (Eigen) Dynamik, Vernetztheit, Non-Linerarität, Intransparenz, vage Ziele Bronner (1992) 5 Komplexität im engeren Sinne (= Anzahl der Elemente) und Komplexität im weiteren Sinne (= Verschiedenartigkeit, Dynamik, Verknüpfung, Intransparenz) Frese (1998) 2 Anzahl der Elemente, Verknüpfung Anmerkung. Chronologische Darstellung.
Es ist offenkundig, dass die Mehrzahl dieser Konzeptionen Komplexität über die Anzahl und Verschiedenartigkeit der Elemente bestimmt. Diese beiden Merkmale sind jedoch uneindeutig, weshalb sie einer exakten Messung unzugänglich sind (Gebert, 1978, S. 21 f.). Außerdem vernachlässigen zweidimensionale Komplexitätskonzeptionen wichtige Indikatoren, die ein Innovationsproblem erst zu einem komplexen Problem machen, wie z. B. die Bedeutung dynamischer Veränderungsprozesse und non-linearer Entwicklungen der Problemkomponenten. Zur exakten Bestimmung der Komplexität von Innovationsaufgaben erscheint deshalb die elaborierte Komplexitätskonzeption von Dörner (1989, S. 58 ff. und 156 ff.) angemessen. Diese Komplexitätskriterien werden nachfolgend für betriebliche Innovationsaufgaben konkretisiert, indem innovationsbezogene Indikatoren pro Komplexitätsmerkmal generiert werden. Anhand dieser Indikatoren wird gezeigt, dass bei einer innovativen Aufgabe alle Komplexitätskriterien vorliegen können. Eine Innovationsaufgabe ist demnach komplex, wenn die Anzahl und Verschiedenartigkeit der zu berücksichtigenden Elemente hoch ist, sie eine (Eigen-) Dynamik aufweist, die zu berücksichtigenden Elemente vernetzt und intransparent sind. Außerdem können bei einer Innovationsaufgabe Non-Linearität und vage Ziele vorliegen. Die Tatsache, dass bei einer Innovationsaufgabe eine Vielzahl von Elementen einzukalkulieren sind, die untereinander einen geringen Ähnlich35
keitsgrad aufweisen, zeigt sich darin, dass Innovationsaufgaben meist sehr heterogene Problemaspekte einschließen, wie z. B. finanzielle, zeitliche, qualitative, personelle, soziale, technische und rechtliche Aspekte. Die personelle Komponente von Innovationsaufgaben ist dabei besonders hervorzuheben, weil im Innovationsprozess zumeist eine Vielzahl von Personen (Experten, Führungskräfte, Entscheider und Mitarbeiter) involviert und/oder betroffen ist (Van de Ven, 1986, p. 597), die ihrerseits heterogene Merkmale aufweisen. Ruft man sich eine konkrete betriebliche Verfahrensinnovation in Erinnerung, wie beispielsweise die Einführung neuer Software, so wird unmittelbar plausibel, dass diese Neuerung finanzielle, zeitliche, qualitative, personelle, technische und rechtliche Aspekte betrifft. Zudem findet eine aktuelle betriebliche Innovation nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist eingebettet in simultan ablaufende andere Innovationsprozesse sowie Routineprozesse, wodurch die Anzahl und Verschiedenartigkeit der Problemkomponenten zusätzlich steigt. Das Kriterium (Eigen-) Dynamik meint, dass sich die Elemente ohne Zutun des Akteurs verändern. Eine Innovationsaufgabe ist insofern dynamisch, als sich im Zeitverlauf Veränderungen z. B. in der Finanzlage, der Technik, des Rechts ergeben können. Vernetztheit bezieht sich demgegenüber darauf, dass zwischen den Elementen interdependente Verknüpfungen bestehen, so dass sich Veränderungen eines Elements direkt oder indirekt auf andere Elemente auswirken können. Wenn eine Abteilung neue Software einführt, so sind die zu beachtenden Problemkomponenten selbstverständlich nicht unabhängig, sondern stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Kurz-, mittel- und langfristige (auch ungeplante) positive und negative Sekundäreffekte können entstehen. So können sich technische Veränderungen z. B. positiv auf die Qualität auswirken, Kosten reduzieren und gleichzeitig dazu verhelfen, Zeit zu sparen. Dies kann mittelbis langfristig Veränderungen im personellen Bereich erfordern und beispielsweise die Neueinstellungen von Experten zur Folge haben. Diese personellen Veränderungen hängen ihrerseits von arbeitsrechtlichen Bestimmungen ab. Neben diesen wechselseitigen Verknüpfungen der Elemente ist die Non-Linearität von Innovationsaufgaben zu bedenken. Unter Non-Linearität versteht man, dass sich ein Trend nicht monoton fortsetzt. Innovationsaufgaben sind nun keineswegs als lineare Abfolge verschiedener Teilhandlungen zu verstehen: Die in einem Innovationsprojekt durchzuführenden Einzelaktivitäten verlaufen keineswegs in chronologischer Reihenfolge (vgl. Goldberg & Kirschenbaum, 1988). Vielmehr sind im Innovationsverlauf parallele und sequentielle Aktivitäten sowie Rückkopplungen und Überschneidungen typisch (Hauschildt, 1997). Das Kriterium Intransparenz besagt, dass weder einzelne Elemente noch die Wechselwirkungen zwischen ihnen unmittelbar beobachtbar sind. Innovationsaufgaben sind demzufolge dann intransparent, wenn einzelne Problemaspekte und/oder die Art der Beziehung zwischen den 36
Problemaspekten nicht unmittelbar einsichtig sind. So kann die Führungskraft möglicherweise nicht direkt abschätzen, dass z. B. bei der Einführung der neuen Software zugleich personelle und rechtliche Aspekte zu beachten sind oder es ist ihr nicht hinreichend bekannt, in welcher Weise diese Aspekte zusammenhängen. Mit vagen Zielen ist der Umstand gemeint, dass der angestrebte Zustand nur teilweise bekannt ist, Subziele gelegentlich im Widerspruch zueinander stehen und keine eindeutigen Kriterien vorliegen, anhand derer der Grad der Zielerreichung gemessen werden kann. Bei Innovationsaufgaben sind die angestrebten Ziele zumeist unklar, mehrdeutig und teilweise gänzlich unbekannt (Hauschildt, 1977), denn das Wissen über die angestrebte Problemlösung ist zu Beginn des Innovationsprozesses stets unvollständig. Häufig ist es für Innovationsaufgaben typisch, dass zwei und/oder mehrere Ziele partiell inkompatibel sind, so dass sie zueinander im Zielkonflikt (Gemünden, 1995, S. 253) stehen. So sind z. B. die drei simultan zu verfolgenden Ziele der Erhöhung der Qualität der Problemlösung bei gleichzeitiger Reduktion der Personalkosten und des Zeitbedarfs teilweise konfliktäre Ziele.22 Zudem sind bei einer Innovationsaufgabe intersubjektiv klare und verbindliche Zielerreichungskriterien nicht a priori gegeben, sondern erst im Innovationsverlauf zu entwickeln (Hauschildt & Gemünden, 1980, S. 433). Erst während des Innovationsprozesses verdichtet sich valides Wissen darüber, welche Ziele im Innovationsprozess zu entwickeln sind, weshalb sich sowohl die Ziele als auch die Zielerreichungskriterien im Zeitverlauf verändern. Darüber hinaus werden Innovationsziele und die Kriterien zur Evaluation der Zielerreichung aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen häufig nur von einem Teil der Betroffenen geteilt. Neben den für Innovationsaufgaben spezifizierten Merkmalen der Komplexität ist zwischen „objektiver“ und subjektiv wahrgenommener Komplexität zu unterscheiden. Maßgeblich für eine Innovation ist nicht die „objektive“ Komplexität, sondern der subjektiv wahrgenommene Komplexitätsgrad. Akteure können die Komplexität der Innovationsaufgabe dabei sowohl überals auch unterschätzen, wobei die Unterschätzung in Form einer Komplexitätsleugnung (Kirsch, 1978, S. 160) häufiger stattfindet.
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2.1.2.4 Konfliktgehalt Mit steigender Komplexität, steigendem Innovationsgrad und steigender Unsicherheit der Verfahrensinnovationen wachsen vermutlich die Schwierigkeiten im Innovationsprozess, wodurch der Konfliktgehalt steigt (Thom, 2001, S. 322). In Abhängigkeit von der Komplexität, vom Innovationsgrad und der Unsicherheit werden Verfahrensinnovationen mehr oder minder starke intraorganisationale Änderungsprozesse erfordern. Je größer jedoch der durch eine Innovation ausgelöste organisationale Wandel ist, umso mehr verändert sich das bestehende Ressourcengefüge. Mit einer Innovation sind insofern zwangsläufig Konflikte verbunden: Jede Innovation löst einen Wettstreit zwischen Traditionellem und Neuem aus, wobei die Organisationsmitglieder sowohl an das Traditionelle als auch an das Neue unterschiedliche Erwartungen und Zielvorstellungen knüpfen und sich zudem in ihren Sichtweisen, Meinungen und Interessen im Hinblick auf das Traditionelle und das Neue unterscheiden. Grundsätzlich besteht im Innovationsprozess deshalb ein Antagonismus zwischen der Beibehaltung von gewohnten Problemlösungen und dem Streben nach ihrer Veränderung. Deshalb sind Konflikte23 ein charakteristisches Attribut von betrieblichen Innovationsaufgaben.24 Konflikte werden von verschiedenen Autoren unterschiedlich klassifiziert (s. Tabelle 4), wobei diesen Klassifikationsvorschlägen drei Kriterien (vgl. Glasl, 1992, S. 47 ff., Regnet, 2001) zu Grunde liegen: (1) Was ist der Gegenstand des Konflikts?, (2) In welcher Form tritt der Konflikt in Erscheinung? und (3) Welche Eigenschaften sind für die Konfliktparteien charakteristisch? Im Folgenden werden ausgewählte Klassifikationen von Konflikten nach ihrem Gegenstand und ihrer Erscheinungsform diskutiert. Auf die Erörterung der Klassifikationen nach den Eigenschaften der Konfliktparteien wird verzichtet, da diese Klassifikationen für den empirischen Teil der Arbeit nicht von Bedeutung sind. Der Vergleich der Klassifikationen nach Konfliktgegenstand lässt Rüttinger’s (1977) Unterscheidung in Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte in Bezug auf die Innovationsproblematik als besonders nützlich erscheinen, da die drei Arten des Konflikts auf spezifische Ursachen zurückgeführt und daraus entsprechende Maßnahmen zum Umgang mit ihnen abgeleitet werden können. Daher bildet diese Klassifikation die Grundlage für die empirische Untersuchung der Effekte der Konfliktarten und -intensität in dieser Arbeit.
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Tabelle 4. Übersicht zu den wichtigsten Klassifikationen interpersonaler Konflikte Autor(en) Dahrendorf (1959) Pondy (1967)
Klassifikation nach Konfliktgegenstand
strategische und Issue-Konflikte
Krüger (1972)
Aubert (1972) Esser (1972) Rapoport (1974) Deutsch (1976) Euler (1977) Kirsch (1977) Rüttinger (1977)
Interessenkonflikte und Wertkonflikte echte und unechte Konflikte
Klassifikation nach Erscheinungsform des Konflikts latente und manifeste Konflikte latente, gefühlte, wahrgenommene und manifeste Konflikte, Konfliktnachwirkungen sachlich-intellektuelle, sozio-emotionale und wertmäßig-kulturelle Konfliktdimension latentes Konflikt-potenzial und manifestes Konfliktverhalten Spiele, Kämpfe und Debatten
betriebliche und industrielle Arbeitskonflikte Wertkonflikte und Überzeugungskonflikte Beurteilungskonflikte, Bewertungskonflikte und Verteilungskonflikte
latente und manifeste Konflikte
latente und manifeste Konflikte
Bieder (1988)
individuelle Fähigkeiten soziale Erfahrungen Handlungskompetenz Einflussmöglichkeiten
Glasl (1992)
Rüttinger & Sauer (2000)
symmetrische und asymmetrische Konflikte
Leistungsmotivation, Machtstreben, kognitive Strukturiertheit, Ambiguitätstoleranz, Vertrauen
Berkel (1984)
Grüne (1999)
Verhandlungskonflikte Bürokratiekonflikte Systemkonflikte
latente und manifeste Konflikte
Kurtz (1983)
Jehn (1995)
Klassifikation nach Eigenschaften der Konfliktparteien
heiße und kalte Konflikte, formgebundene und formlose Konflikte Sachkonflikte und Beziehungskonflikte Bewertungs-, Verteilungs-, Kommunikations- und Rollenkonflikten Verteilungskonflikte, Beurteilungskonflikte, Bewertungskonflikte und Beziehungskonflikte
Anmerkung. Chronologische Darstellung.
Bei einem Beurteilungskonflikt haben die Konfliktparteien das gleiche Ziel, verfolgen aber unterschiedliche Wege zum Ziel. Die Kontrahenten bewerten die Konsequenzen der Handlung gleich, sie beurteilen aber die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens aufgrund unterschiedlicher 39
Erfahrungen, Informationsquellen und/oder Informationsverarbeitungsprozesse unterschiedlich. Eine Führungskraft befindet sich z. B. dann in einem Beurteilungskonflikt mit ihrem Vorgesetzten, wenn beide derselben Meinung sind in Bezug auf den Nutzen der Neueinführung eines neuen Controllingsystems, sie aber divergierender Meinung sind über die hierzu erforderliche Budgetverteilung, die Verteilung der Arbeitspakete und/oder die Prioritätenfestlegung. Bei einem Bewertungskonflikt verfolgen die Konfliktparteien gegensätzliche Ziele, weil sie den Konsequenzen der verfolgten Handlungspläne aufgrund unterschiedlicher Werte, Normen und/oder
Rollenanforderungen
einen
unterschiedlichen
Wert
beimessen.
Die
Auftretenswahrscheinlichkeit der Handlungskonsequenzen wird bei einem Bewertungskonflikt von den Kontrahenten gleich beurteilt. Ein Bewertungskonflikt zwischen einer Führungskraft und ihrem nächsthöheren Vorgesetzten liegt vor, wenn beide Akteure das durch die Verfahrensinnovation angestrebte Ergebnis in widersprüchlicher Weise bewerten, mit anderen Worten die Beteiligten mit der Nutzung der Verfahrensinnovation einen unterschiedlichen Wert verbinden. Bei einem Verteilungskonflikt treten in der Bewertung und Beurteilung eines Ereignisses keine Divergenzen auf, aber die Konfliktparteien können das Ereignis (z. B. Beförderung) nicht simultan realisieren, da es aufgrund knapper Ressourcen nicht auf beide gleichzeitig verteilt werden kann (Gebert & von Rosenstiel, 2002; Regnet, 2001; Rüttinger & Sauer, 2000). Bei einem Verteilungskonflikt liegt stets ein Nullsummenspiel vor, d. h. die Gewinne der einen Konfliktpartei sind so groß wie die Verluste der anderen Konfliktpartei, so dass sich die Gewinne und Verluste insgesamt zu Null addieren. Verfahrensinnovationen sind in der Regel mit sehr intensiven Verteilungskonflikten verbunden (Frost & Egri, 1991, p. 243), da mit der Implementierung der Neuerung oft eine Umverteilung des bestehenden intraorganisationalen Ressourcengefüges einhergeht (Ganter, 1986; Glynn, 1996; Pettigrew, 1972). Eine Führungskraft steht dann im Verteilungskonflikt mit ihrem Vorgesetzten, wenn die Innovation z. B. eine Umverteilung der Entscheidungskompetenzen bedingt.25 Fraglich bleibt, ob sich Rüttinger’s Konfliktarten auch im Innovationsprozess in ihrer „reinen Form“ finden lassen. Denkbar wäre, dass sich Beurteilungskonflikte im Hintergrund von Bewertungskonflikten ereignen (oder umgekehrt) oder dass simultan Verteilungskonflikte bestehen (Gebert & von Rosenstiel, 2002). Eine eindeutige Diagnose der drei Konfliktarten im Innovationsprozess anhand dieser Klassifikation kann demzufolge Schwierigkeiten bereiten (vgl. Kapitel 3.4.1.3). Hinsichtlich der Erscheinungsformen des Konflikts werden häufig latente von manifesten Konflikten abgegrenzt (Berkel, 1984; Dahrendorf, 1959; Deutsch, 1976; Esser, 1972; Pondy, 1967; Rüttinger, 1977). Ein latenter Konflikt liegt vor, wenn den Konfliktparteien ihre Gegnerschaft noch nicht bewusst ist oder wenn sie sich über die Gegensätze in ihren Zielen und Hand40
lungsplänen zwar bewusst sind, aber dies nicht zu feindseligem Erleben oder Verhalten führt.26 Eine Führungskraft befindet sich bei einer Verfahrensinnovation dann in einem latenten Konflikt mit ihrem Vorgesetzten, wenn es z. B. bei der Einführung einer Balanced score card als Zielvereinbarungssystem zuweilen Reibungen und Spannungen zwischen ihnen gibt, die jedoch von beiden nicht wahrgenommen werden. Manifest ist der Konflikt hingegen, wenn er sich im beobachtbaren Konfliktverhalten zeigt.27 Bei Verfahrensinnovationen werden Konflikte nicht latent bleiben, sondern aufgrund der Umverteilung von Ressourcen manifest werden. Zwischen der Führungskraft und ihrem Vorgesetzten kommt es bei einem manifesten Konflikt zu offenem Konfliktverhalten, welches mit zunehmender Konfliktintensität immer aggressivere Formen (Glasl, 1992) annimmt. Mit der Frage des Übergangs eines latenten in einen manifesten Konflikt beschäftigen sich insbesondere Esser (1972) und Pondy (1967). Esser (1972, S. 192 ff.) geht davon aus, dass nicht jedes latente Konfliktpotenzial auch zu manifestem Konfliktverhalten führt und dass sich das Konfliktpotenzial im Prozess der Transformation in Konfliktverhalten verändern kann. Entscheidend für die Überführung von Konfliktpotenzial in Konfliktverhalten ist die kritische interindividuell variierende Randschwelle, die überschritten wird, wenn dem Individuum das latente Konfliktpotenzial bewusst wird und es eine starke persönliche Betroffenheit erlebt, die seine Konflikttoleranz übersteigt. Sofern das Individuum Abwehrmechanismen aktiviert, kann die Randschwelle zwar überschritten sein, aber das Konfliktpotenzial findet dann keine Manifestation im Verhalten, sondern „versickert“.28 Eine ähnliche Auffassung vertritt Pondy (1967), der den Verlauf eines Konflikts anhand einer mehrere Phasen durchlaufenden Konfliktepisode analysiert. Er konstatiert, dass Konflikte nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern dass ein aktueller Konflikt häufig aus den Konfliktnachwirkungen einer vergangenen Konfliktepisode hervorgeht. Wesentlich an seinem Modell ist die Einbeziehung der Zeitperspektive: Konflikte werden in ihrem prozesshaften Verlauf betrachtet. Solange der Konflikt den Beteiligten nicht bewusst ist, wird er im Stadium I des Konfliktverlaufs als latenter Konflikt bezeichnet. Unter bestimmten Randbedingungen kann der bislang latente Konflikt in Stadium II übergehen, in welchem er nun von den Beteiligten wahrgenommen und/oder gefühlt wird. Entscheidend ist die wechselseitige Beeinflussung wahrgenommener und gefühlter Konflikte.29 Ob ein Konflikt Stadium III erreicht und damit manifest wird, hängt – diesem Modell zufolge – von Unterdrückungs- und Abwehrmechanismen sowie Spannungen innerhalb und außerhalb der Organisation ab. Der Verlauf des manifesten Konfliktes wird von strategischen Erwägungen der Beteiligten beeinflusst (wie z. B. der Überzeugung, dass neue Fakten die Sachlage entscheidend ändern werden) sowie der Verfügbarkeit von Konflikthandhabungsmechanismen. Wesentlich ist, dass der in Stadium III offen oder verdeckt ausgetragene Konflikt zu keiner „endgültigen Lösung“, 41
sondern zu Konfliktnachwirkungen führt. Diese Konfliktnachwirkungen können ihrerseits den Boden für neue Konflikte und damit die nächstfolgende Konfliktepisode bereiten, weshalb es sich durchgesetzt hat von „Konfliktmanagement“ anstatt von „Konfliktlösung“ zu sprechen.30 Der empirische Teil dieser Arbeit intendiert, manifeste Konflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem Vorgesetzten bei Verfahrensinnovationen zu erfassen. Dabei wird das subjektive Erleben der Beteiligten fokussiert, nicht aber die „objektiven“ Gegebenheiten. Es wird davon ausgegangen, dass sich wahrgenommene Interessengegensätze im Verhalten der Personen zeigen, welches in Abhängigkeit von der erlebten Konfliktintensität variiert. Dabei werden Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte gemessen, da zu erwarten ist, dass diese Konfliktarten unterschiedliche Effekte haben. Die Konfliktart und -intensität wird in der empirischen Untersuchung in dreifacher Hinsicht von Bedeutung sein: Es wird erstens geprüft werden, inwieweit die untersuchten Verfahrensinnovationen im Hinblick auf die Konfliktart und -intensität miteinander vergleichbar sind (vgl. Kapitel 4.1). Zweitens wird angenommen, dass die Art und Intensität der Konflikte als eine situative, innovationsspezifische Bedingung ausgewählte Komponenten der innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte beeinflussen (vgl. Kapitel 2.3.1.3). Drittens wird argumentiert werden, dass die Konfliktart und -intensität zwischen der Führungskraft und ihrem nächsthöheren Vorgesetzten den Einsatz der verschiedenen Qualitäten des Führungsverhaltens des Vorgesetzten beeinflusst (vgl. Kapitel 2.4.5). Nachdem die Führungssituation anhand ausgewählter Attribute von Verfahrensinnovationen näher gekennzeichnet worden ist, geht das nächste Kapitel gemäß dem Modell der zielorientierten Führung auf die Eigenheiten des Führungserfolgs im Innovationsprozess ein und kennzeichnet daher den Innovationserfolg.
42
2.2
Der Führungserfolg: Der Erfolg von Verfahrensinnovationen
Die Bestimmung des Innovationserfolgs ist nicht unproblematisch: Zum einem existieren keine einheitlichen Kriterien zur Beschreibung des Konstrukts. Zum anderen würden auch bei Vorgabe einheitlicher Kriterien verschiedene Beurteiler in Abhängigkeit ihrer Interessen, Erfahrungen, Anspruchsniveaus, organisationalen Hintergründe etc. den Erfolg einer Verfahrensinnovation unterschiedlich beurteilen. Die Heterogenität und die damit verbundene Problembehaftetheit der Bestimmung und Messung des Innovationserfolgs in der bisherigen Forschung veranschaulicht Hauschildt (1991b), der 35 großzahlig anlegte Untersuchungen miteinander vergleicht. Das Ergebnis dieser kritischen Analyse führt zu dem betrübenden Schluss, dass sich bislang keine einheitliche Beschreibung und Messkonvention des Innovationserfolgs etabliert hat (Hauschildt, 1991b, S. 451). Damit ist die Vergleichbarkeit der unübersehbaren Fülle der Befunde verschiedener Untersuchungen zu Faktoren, die den Innovationserfolg beeinflussen, erheblich erschwert. Die Probleme, welche die empirische Innovationsforschung bislang nicht zu beseitigen vermochte, beziehen sich auf den Bereich, die Kriterien, den Beurteilungszeitpunkt, die Referenzgrößen bei der Beurteilung und das Beurteilungssubjekt (Hauschildt, 1991b, S. 466).31 Diese Probleme, die mit der Konzeption des Innovationserfolgs verbunden sind, wurden in der vorliegenden Untersuchung wie folgt gehandhabt: Hier bildet die Mikroebene den Bereich zur Beurteilung des Innovationserfolgs. Damit wird der Erfolg von einzelnen Innovationsprojekten in der Organisation untersucht. Es geht nicht um die Beurteilung ganzer Projektserien. Die Subjekte der Beurteilung des Innovationserfolgs sind in dieser Untersuchung organisationsinterne Führungskräfte, die zusammen mit ihren Unterstellten von der Innovation betroffen sind. Aufgrund dessen, dass die Befragten gleichzeitig Betroffene und in ihrer Rolle als Führungskraft bzw. Mitglied des Lenkungsausschusses oder der Projektleitung Mitverantwortliche für die Innovation sind, lassen sich Differenzen in der Beurteilung weitgehend reduzieren. Die potenziell möglichen Referenzgrößen (z. B. Zeitvergleich, Unternehmensvergleich) werden durch die Vorgabe inhaltlicher Beurteilungskriterien auf eine standardisierte Auswahl eingeschränkt und können demzufolge von den Führungskräften nicht beliebig festgelegt werden. In Bezug auf die Kriterien zur Bestimmung des Innovationserfolgs sind hier solche Kriterien erforderlich, die eine Vergleichbarkeit des Erfolgs einzelner Verfahrensinnovationen aus verschiedenen Branchen und Unternehmensbereichen ermöglichen, der inhaltlichen Unterschiedlichkeit der Verfahrensinnovationen gerecht werden und die zu einem gemeinsamen Zeitpunkt messbar sind. Zudem sollten diese Kriterien sowohl direkte als auch indirekte Effekte der Verfahrensinnovation berücksichtigen. In der vorliegenden Untersuchung werden drei Maßstäbe zur Bestimmung des Innovationserfolgs herangezogen: Ökonomische Kriterien, individuelle/soziale 43
Kriterien und indirekte positive und/oder negative Effekte. Die ökonomischen Kriterien orientieren sich am Ziel der jeweiligen Arbeitseinheit und beziehen sich auf die Steigerung der Effektivität und Effizienz der Arbeitseinheit, in der die Verfahrensinnovation durchgeführt wurde. Nach Hauschildt (1993, S. 300 ff.) ist eine Innovation ökonomisch dann erfolgreich, wenn ein festgelegter Mindestgewinn resultiert. Der Gewinn ergibt sich als Saldo aus monetär bewertetem Input und Output. Insofern bezeichnet das hier zu Grunde gelegte Beurteilungskriterium der Effektivitätssteigerung durch die Verfahrensinnovation das Ausmaß, in welchem der angestrebte Output erreicht wird. Zusätzlich wird die Effizienz – also das Verhältnis zwischen Input und Output – als ökonomisches Kriterium zur Beurteilung des Ergebnisses der Verfah-rensinnovation herangezogen. Eine Verfahrensinnovation steigert dann die Effizienz einer Arbeitseinheit, wenn der Output steigt im Verhältnis zum investierten Input. Die individuellen/sozialen Kriterien werden durch positive und negative Erwartungen der Führungskräfte im Zusammenhang mit der jeweiligen Verfahrensinnovation abgebildet, den anfänglichen Hoffnungen bzw. Befürchtungen der Führungskräfte. Denn es ist zu bedenken, dass Innovationserfolgsbeurteilungen nach Abschluss eines Innovationsprozesses maßgeblich von den Erwartungen zu Beginn des Innovationsprozesses beeinflusst werden: Je positiver die anfänglichen Erwartungen ausfallen, umso erfolgreicher dürfte die Innovation beurteilt werden. Anfänglich positive Erwartungen werden die Ergebnisbeurteilung positiv beeinflussen, umgekehrt können anfänglich negative Erwartungen sich im Ergebnis in Negativbeurteilungen manifestieren.32 Die indirekten positiven oder negativen Effekte der Verfahrensinnovationen werden durch ungeplante Sekundäreffekte abgebildet, wie etwa Lernzuwachs oder erhöhte Kontrolle durch das Management. Durch diese Konzeption des Innovationserfolgs wird den von Hauschildt (1991b) geschilderten Problemen in der bisherigen Bestimmung des Innovationserfolgs weitgehend Rechnung getragen.
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2.3
Die geführten Führungskräfte: Verhaltensweisen, Emotionen und Situationswahrnehmungen im Innovationsprozess
Nachdem das Konstrukt „Innovationserfolg“ präzisiert worden ist, wird gemäß dem spezifizierten Modell der zielorientierten Führung (s. Kapitel 1.2.3) nun für den Innovationskontext gefragt, welche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte unter Bezugnahme auf welche theoretischen Erklärungsmuster einen positiven Beitrag zum Erfolg von Verfahrensinnovationen leisten und welche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte einen negativen Beitrag zum Erfolg von Verfahrensinnovationen leisten. 2.3.1
Innovationsbezogene Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte
Eine zentrale Annahme der nachfolgenden Argumentationen lautet, dass die Förderung des Innovationserfolgs – als Zielkriterium des Führungserfolgs – bestimmte innovationsbezogene Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte voraussetzt. Wie im konzeptionellen Bezugsrahmen dargestellt (s. Kapitel 1.2.3) wird in Bezug auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zwischen Innovationsverhalten einerseits und innovationshinderlichen Verhaltensweisen andererseits differenziert. Insofern wird im Folgenden begründet, inwiefern bestimmte Komponenten des Innovationsverhaltens der geführten Führungskräfte den Innovationserfolg fördern und bestimmte innovationshinderliche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte den Innovationserfolg reduzieren. Vorab werden alle innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte hergeleitet und inhaltlich beschrieben.
2.3.1.1 Das Innovationsverhalten: Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung Das Innovationsverhalten wird hier als gelerntes Verhalten der geführten Führungskräfte verstanden. Diese Sicht ist nicht unumstritten (vgl. Dooley & Van de Ven, 1999). In der Literatur werden in diesem Zusammenhang im Wesentlichen drei Positionen vertreten: Eine Position besagt, dass es sich beim Innovationsverhalten um ein periodisches, zyklisches und geplantes Verhaltensmuster in Form von ‘Trial-and-error-learning’ handelt (z. B. Glynn, 1996), bei dem das Hervorbringen einer Innovation aus positiven bzw. negativen Verhaltenskonsequenzen resultiert. Die zweite Position fasst Innovation in Anlehnung an Evolutionstheorien des Innovationsprozesses als das Resultat einer „blinden“ Variation auf (z. B. Staw, 1990). Die dritte Position besagt, dass das Innovationsverhalten das Resultat von vollständig zufälligen und vollkommen unvorhersehbaren Ereignissen und deshalb das Ergebnis eines chaotischen Prozesses ist (Cheng & Van 45
de Ven, 1996). Da jedoch die Auftretenswahrscheinlichkeit jedes Verhaltens u. a. von den resultierenden Verhaltenskonsequenzen abhängt, muss auch für Innovationsverhalten gelten, dass es durch die positiven oder negativen Verhaltensresultate bedingt ist. Aus diesem Grund wird hier angenommen, dass das Innovationsverhalten durch Lernprozesse vermittelt wird. Um Innovationen in ihrem Ablauf transparenter zu machen, wurden verschiedene Phasenmodelle entwickelt, auf deren Grundlage in der Regel Anregungen zur personellen und/oder organisatorischen Gestaltung von Innovationsprozessen gegeben werden. Inzwischen existieren mehr als 100 verschiedene Phasenmodelle des Innovationsprozesses (Guldin, 2001, S. 292). Diese Phasenmodelle unterscheiden sich in Bezug auf die Innovationsarten, deren Prozess sie betrachten, in der Anzahl und Bezeichnung der Phasen sowie der damit einhergehende Phasenabgrenzung. Nun sollen die unterschiedlichen Phasenmodelle hier weder enzyklopädisch aufgelistet werden33, noch soll ihnen ein weiteres hinzugefügt werden. Grundlage dieser Entscheidung ist die Annahme, dass derartige Phasenkonzeptionen stets eine Reduktion der Komplexität des Innovationsprozesses (s. Kapitel 2.1.2.3) darstellen, da sie sich nicht auf den realen Problem- und Entscheidungsverlauf in Organisationen beziehen (Hauschildt, 1997, S. 349 ff.). Vielmehr sollen die hier zu Grunde liegenden relevanten innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte hergeleitet werden. Dazu werden zunächst fünf ausgewählte Innovationsprozessmodelle exemplarisch dargestellt. Nach der Kritik an diesen Modellen wird begründet, welche Komponenten des Innovationsverhaltens in der vorliegenden Untersuchung unterschieden werden. Dies ist insofern bedeutsam, als die mangelnde Benennung der Komponenten des Innovationsverhaltens in der bisherigen Innovationsforschung (Wolfe, 1994, p. 414) ein Grund für die immer wieder berichteten inkonsistenten Befunde ist. (1) Herleitung der Komponenten des Innovationsverhaltens Gemeinsam ist den Phasenmodellen zur Beschreibung des Innovationsprozesses (s. Tabelle 5), dass sie eine lineare Entwicklung des Problemlösungsprozesses konstatieren, in denen nachgeschaltete Phasen von vorangegangen Phasen abhängig sein sollen und beim Übergang in die jeweils nächste Phase die vorausgegangene Phase als abgeschlossen gilt. Der Innovationsprozess beginne – diesen Modellen zufolge – mit der Ideengenerierung (King & Anderson, 1995, p. 11; Thom, 1980, 2001) bzw. mit dem Wissen/der Bewusstheit (Meyer & Goes, 1988) bzw. der Initiierung (Angle & Van de Ven, 1989; Cooper & Zmud, 1990) bzw. mit dem Impuls (Staudt & Auffermann, 1996). Dies ist als problematisch anzusehen, da ein Innovationsprozess gerade nicht mit der „zündenden Idee“ oder der „Initiative“ beginnt, sondern diese Prozesse ihrerseits von kognitiv-emotionalen Prozessen abhängen (s. Kapitel 2.3.2 und 2.3.3). Diese für die spätere 46
Ideengenerierung bzw. Initiative so wichtigen kognitiv-emotionalen Bedingungen werden jedoch in fast allen Innovationsprozessmodellen entscheidend vernachlässigt. King (1990) fasst dies wie folgt zusammen: ‘Bias towards the initiation is the dominant trend in the literature’ (p. 46). Phasenmodelle postulieren außerdem, dass die Innovation nach dem Durchlaufen bestimmter weiterer Phasen schließlich implementiert und anschließend in die tägliche Routine überführt wird. Darüber hinaus implizieren Phasenmodelle, dass bestimmte Aktivitäten in jedem Innovationsprozess vorkommen (Existenzbehauptung), dass diese Aktivitäten mehrfach auftreten, weshalb sie zu Bündeln zusammengefasst werden können (Bündelungsbehauptung) und dass es eine bestimmte, günstige Reihenfolge dieser Aktivitäten (Reihenfolgebehauptung) gibt (Hauschildt, 1997). In Anbetracht des realen Ablaufs von Innovationen in Organisationen sind diese Annahmen nur eingeschränkt aufrechtzuerhalten.
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Tabelle 5. Exemplarische Übersicht zu fünf Phasenmodellen des Innovationsprozesses Autor(en) Thom (1980)
Anzahl und Art der Phasen (1) Ideengenerierung a) Suchfeldbestimmung, b) Ideenfindung, c) Ideenvorschlag (2) Ideenakzeptierung a) Prüfung der Ideen, b) Erstellung von Realisationsplänen, c) Entscheidung für einen zu realisierenden Plan (3) Ideenrealisierung a) Konkrete Verwirklichung der neuen Ideen, b) Absatz der neuen Ideen an Adressaten, c) Akzeptanzkontrolle Meyer & Goes (1988) (1) Wissen/Bewusstheit (2) Evaluation/Auswahl (3) Adoption (4) Implementierung (5) Expansion Angle & Van de Ven (1989) (1) Initiierung a) Reifeprozess, b) Schock, c) Pläne (2) Entwicklungsperiode a) Fruchtbarkeit, b) fluide Beteiligung, c) Übergänge, d) Rückkopplungen, e) Kriterienveränderung, f) Beteiligung von Investoren und Top-Management, g) Beziehungen zu anderen Personen, Entwicklung der Infrastruktur, h) Kopplung alt und neu (3) Implementierung a) Adoption, b) Anschlussaufbau, c) Zuteilung Cooper & Zmud (1990) (1) Initiierung (2) Adoption (3) Implementierung (4) Akzeptanz (5) Überführung in Routine (6) Nutzung des gesamten Potenzials Staudt & Auffermann (1996) (1) Impuls (2) Ideenfindung a) Suche, b) Bewertung, c) Auswahl (3) Konkretisierung a) Angewandte Forschung, b) Entwicklung, c) Konstruktion, d) Prototypenbau, e) Versuch (4) Umsetzung a) Produktions- und Absatzvorbereitung, b) Personal- und Organisationsentwicklung, c) Erschließung neuer Beschaffungsquellen, Absatzmärkte, Distributionskanäle (5) Durchsetzung a) Markteinführung neuer Produkte, neuer Services, b) Implementierung neuer Arbeitsabläufe, c) Änderung von Organisationsstrukturen (6) Routine
Vor allem die Existenzbehauptung wurde häufig empirisch untersucht (z. B. Köhler & Tebbe, 1985; Mintzberg, Raisinghani und Théorét, 1976; Nutt, 1984; Pelz, 1983; Petersen, 1988). In keiner dieser Untersuchungen konnten einzelne, abgrenzbare Phasen im Innovationsprozess empirisch eindeutig belegt werden, obwohl unterschiedliche Phasenmodelle herangezogen, unterschiedliche Messinstrumente eingesetzt, unterschiedliche Entscheidungsbefugte betrachtet und unterschiedliche Zeitperspektiven gewählt wurden. Auch die Reihenfolgebehauptung, also die Annahme einer chronologischen, sequenziellen Abfolge der Innovationsphasen ist nicht aufrechtzuerhalten (Brockhoff, 1996, S. 32 f.; Hauschildt, 1997, S. 349 ff.; King, 1990, p. 45; Van de Ven, 1986, p. 599), denn sie wird der 48
Komplexität von Innovationsprozessen (s. Kapitel 2.1.2.3) nicht gerecht. Empirisch gilt vielmehr, dass sich die einzelnen Aktivitäten über den gesamten Innovationsprozess erstrecken, also parallel zueinander verlaufen und zwischen den einzelnen Aktivitäten Überschneidungen bestehen (King, 1990). Der Innovationsprozess entwickelt sich dabei non-linear und ist durch Feedbackschleifen und Iterationen gekennzeichnet (Guldin, 2001, S. 292). Insofern müssen die Innovationsbeteiligten im Verlaufe des Prozesses immer wieder in vorangegangene „Phasen“ eintreten, also über den gesamten Innovationsprozess hinweg Informationen einholen, Ideen generieren, Vorschläge diskutieren, Alternativen erarbeiten und bewerten, Entscheidungen treffen etc. (Witte, 1998). Aufgrund der eingeschränkten Aussagefähigkeit von Phasenmodellen ist es im Hinblick auf das Ziel dieser Untersuchung nicht sinnvoll, eine Unterteilung des Innovationsprozesses in eine Vielzahl ohnehin nicht trennscharfer Phasen vorzunehmen. Zur Erleichterung der Diskussion über führungsbezogene Maßnahmen zur Förderung von Innovation erscheint es günstiger, die Analyse des substantiellen Geschehens im Innovationsprozess auf zwei Komponenten zu reduzieren: die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung (Krause, 2004a). Diese vereinfachende zweigliedrige Konzeption des Innovationsprozesses kann einen Beitrag zu einem systematischen Innovationsmanagement leisten, weshalb sie von zahlreichen Autoren unterstützt wird (Damanpour, 1996, p. 69; Gaitanides & Wicher, 1986, S. 385; Gebert, 1979a, S. 283; Glynn, 1996, p. 1095 ff.; Janssen, 2000, p. 288; Mumford et al., 2002; Tierney et al., 1999, p. 595; Van de Ven, 1986, p. 591; Weldon, 2000, p. 248; West, 1990; Zaltman et al., 1973). Allerdings betrachten die meisten bisherigen empirischen Untersuchungen diese Variablen getrennt voneinander (Axtell, Holman, Unsworth, Wall, Waterson und Harrington, 2000, p. 268) und untersuchen entweder die Ideengenerierung/-prüfung – verstanden als Kreativität – (Amabile et al., 1996; Madjar, Oldham und Pratt, 2002; Scott & Bruce, 1998), seltener allerdings die Implementierung (Damanpour, 1991). Hier werden demgegenüber beide Komponenten des Innovationsverhaltens untersucht. Für die empirische Untersuchung wird zudem ein Modell mit mehr als zwei Komponenten aufgrund der geringen Abgrenzbarkeit als nicht praktikabel eingeschätzt. Der wesentlichste Vorteil des hier gewählten Komponentenansatzes besteht aber darin, dass er gegenüber den Phasenmodellen der Parallelität sowie wechselseitigen Abhängigkeit der Verhaltensweisen im Innovationsprozess Rechnung trägt. Während die zeitliche Abfolge der beiden Komponenten des Innovationsverhaltens hier nicht untersucht wird, findet die Frage der Abgrenzbarkeit der Ideengenerierung/-prüfung von der Implementierung explizite Berücksichtigung (s. Kapitel 3.4.3.1). Im Folgenden wird erläutert, welche Prozesse die Ideengenerierung/prüfung und die Implementierung einschließen, von welchen personbezogenen Faktoren sie je-
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weils abhängen und mit welchen Barrieren die Implementierung einer Verfahrensinnovation in welcher Weise verbunden ist. (2) Ideengenerierung/-prüfung Die Ideengenerierung/-prüfung ist an Kreativität gebunden (Amabile, 1988, p. 125; Gebert, 1979b, S. 317; Staw, 1990, p. 287). Kreativität wird in der Literatur als Merkmal eines Prozesses, einer Person oder des Produktes des Problemlöseprozesses verstanden (Amabile, 1988, p. 125; Bollinger & Greif, 1983, S. 400; Brown, 1989, p. 3; Ford, 1996, p. 1114; King & Anderson, 1995, p. 12; Oldham & Cummings, 1996, p. 608; Weinert, 1990, S. 21; Woodman, Sawyer und Griffin, 1993, p. 294). An dieser Stelle ist es nicht sinnvoll, sämtliche Theorien und Modelle der bisherigen Kreativitätsforschung zu referieren.34 Vielmehr wird jeweils ein Modell pro Betrachtungsweise (Prozess, Person, Produkt) exemplarisch ausgewählt, um auf der Basis dieser Vorstellungen von individueller Kreativität35 das hier zu Grunde liegende Verständnis der Ideengenerierung/-prüfung zu verdeutlichen und deren personbezogene Einflussfaktoren zu erläutern. Fasst man Kreativität als Merkmal eines Prozesses auf, so werden im Rahmen dieses Problemlöseprozesses zumeist vier Stufen des Denkens unterschieden, an dessen Ende die kreative Idee steht. Nach Wallas (1926), der sein Kreativitätsmodell auf Selbstberichte kreativer Künstler (z. B. Tschaikowski) und Wissenschaftler (z. B. Helmholtz) stützt, ist die erste Stufe dieses Problemlöseprozesses – die Stufe der Präparation – durch eine langwierige Periode intensiver Anstrengung und vergeblicher Suche nach einer potenziellen Problemlösung gekennzeichnet, die mitunter unterbrochen oder gar aufgegeben werden muss. In der zweiten Stufe – der Inkubation – bleibe das Problem „unterhalb des Bewusstseins“ weiterhin aktiv, so dass es auf diese Weise einer Lösung zugeführt werde. Nach erfolgreichem Abschluss der Inkubation erfolge in der dritten Stufe – der Illumination – eine plötzliche Einsicht in die Lösung des Problems („AhaErlebnis“, „Heureka-Moment“), die sich mit der Gewissheit über die Richtigkeit der Problemlösung verbindet. Die Illumination stellt sich nach Wallas nicht etwa plötzlich nach tagelangem „Brühten“ über dem Problem am Schreibtisch ein, sondern eher in Situationen, die scheinbar in keinem Zusammenhang mit der Bearbeitung des Problems stehen, wie etwa morgens im Bett, beim Zähneputzen (Weinert, 1990, S. 27), oder wie es für den Nobelpreisträger John Nash typisch war – beim Small talk auf einer Party. Die Illumination münde anschließend in die Stufe der Verifikation, in der die durch Einsicht gewonnene Lösung überprüft und ausgeführt wird. Ob und inwieweit sich diese mehrstufige Problemlösesicht auf die Ideengenerierung/-prüfung der geführten Führungskraft im Innovationsprozess übertragen lässt, muss zweifelsohne hinterfragt werden: Denn implizit geht Wallas davon aus, dass (1) die Fähigkeit zu derartigen kreativen 50
Problemlöseprozessen wenigen Genies vorbehalten bleibt, (2) sich kreatives Denken fundamental von logisch-analytischem Denken unterscheidet und (3) dass es für ein Problem genau eine richtige Lösung gibt. Diese Annahmen sind vor dem Hintergrund der modernen Kreativitätsforschung (vgl. Amabile, 1998; Mumford et al., 2002; Staw, 1990) nur eingeschränkt aufrechtzuerhalten. Insbesondere gilt für innovative Problemstellungen, dass zu ihrer Lösung mehr als eine Idee angemessen sein kann und es „die“ eine richtige Lösung nicht gibt. Neben der Konzeption von Kreativität als Merkmal des Problemlöseprozesses kommt der Sichtweise von Kreativität als Merkmal einer Person (Trait-approach) Bedeutung zu, wie sie insbesondere durch Guilford (1950), dem Begründer der psychometrischen Kreativitätsforschung, geprägt wurde. Guilford fasst Kreativität als Variante der allgemeinen Intelligenz36 auf, wobei die Denkprozesse, die für Kreativität maßgeblich sind, im divergenten Denken bestehen. Ausgangspunkt für diese Annahme ist Guilford’s Unterscheidung zwischen zwei Arten von Problemen: Solche Probleme, für die es aufgrund der klaren Problemsituation genau eine Lösung gibt, und solche Probleme, die aufgrund der vagen, unscharfen Problemsituation verschiedene Lösungsmöglichkeiten zulassen, welche sich jedoch in Wert und Nutzen unterscheiden. Sieht sich jemand mit ersterem Problemtyp konfrontiert, so erfordert dies die Fähigkeit zum konvergenten Denken, während zweiterer Problemtyp (z. B. Innovationsaufgaben) die Fähigkeit zum divergenten Denken notwendig macht. Diese Fähigkeit zum divergenten Denken, also zum kreativen Denken, setzt sich nach Guilford aus vier Facetten zusammen: Flüssigkeit (Menge produzierter Ideen37), Flexibilität (Leichtigkeit beim Wechseln von Ordnungen, zur Verwendung anderer Bezugssysteme, zur Generierung verschiedener, vielfältiger Ideen), Originalität (Neuheit und Seltenheit der Ideen) und Elaboration (Detailliertheit produzierter Ideen). In der heutigen Kreativitätsforschung besteht Einigkeit dahingehend, Kreativität nicht als stabile Disposition einer Person (Guildford, 1950) oder als Merkmal eines Prozesses (Wallas, 1926) zu betrachten, sondern als Merkmal des Produkts des Problemlöseprozesses zu verstehen (Amabile, 1988, p. 126; Woodman et al., 1993, p. 293). Dieses Produkt bzw. Ergebnis des Problemlöseprozesses (die Idee) beinhaltet zwei Charakteristika: Neuheit und Nutzbarkeit. Kreativität kann somit definiert werden als ‘...the production of novel and useful ideas by an individual’ (Amabile, 1988, p. 126). Auf der Grundlage dieser Definition entwickelt Amabile ein Modell individueller Kreativität, das weitreichende Anerkennung fand, weil es neben den kognitiven Prozessen des Problemlösens die individuums- und umweltbezogenen Determinanten individueller Kreativität spezifiziert. Um das hier zu Grunde liegende Verständnis der Ideengenerierung/prüfung zu beschreiben, soll der individuelle Kreativitätsprozess nach Amabile (1988) skizziert werden, während auf individuumsbezogene Determinanten der Kreativität weiter unten eingegangen wird. 51
Die Produktion individueller Kreativität umfasst nach Amabile (1988, pp. 138–141) eine fünfstufige Sequenz des Problemlöseprozesses: (1) Problempräsentation, (2) Vorbereitung, (3) Ideengenerierung, (4) Ideenvalidierung und (5) Ergebnis (Idee). Im Vergleich zum älteren Modell von Wallas (1926) wird der Problemlöseprozess von Amabile detaillierter beschrieben und unterscheidet sich darüber hinaus durch die Anzahl und Bezeichnung der einzelnen Problemlöseschritte. Im ersten Schritt wird der Kreativitätsprozess dadurch initiiert, dass sich das Problem präsentiert, was durch personinterne oder personexterne Stimuli ausgelöst werden kann (Problempräsentation). Zieht das Problem hinreichend Aufmerksamkeit der Person auf sich, so bildet oder reaktiviert die Person im zweiten Schritt (Vorbereitung) Informationen und Reaktionsmuster, die für dieses Problem relevant sind. Dies kann aufgabenrelevantes Wissen oder Algorithmen einschließen, die für die Bearbeitung des Problems nützlich sind. Für den nächsten Schritt, die Ideengenerierung kommt es nach Amabile insbesondere auf die Breite bzw. den Umfang des verfügbaren Wissens an. Dieser Schritt, die Ideengenerierung, determiniert die Neuheit der Idee und ist dadurch gekennzeichnet, dass eine oder mehrere Ideen durch Suchprozesse im Gedächtnis oder der Umwelt zur Problemlösung produziert werden. Im vierten Schritt, der Ideenvalidierung, testet die Person schließlich ihre Idee(n) im Hinblick auf Genauigkeit und Angemessenheit zur potenziellen Problemlösung, was in den fünften Schritt, das Ergebnis des Problemlöseprozesses mündet. Kennzeichnend für diesen Schritt ist die individuelle Entscheidung über die Auswahl der getesteten Ideen. Im Ergebnis kann sich die Idee als Erfolg erweisen, wenn sie eine komplette Zielerreichung darstellt, so dass der Problemlöseprozess dann abgeschlossen ist. Die Idee kann sich aber auch als Fehler herauskristallisieren, wenn sie keine grundsätzliche Möglichkeit zur Problemlösung darstellt, so dass auch in diesem Fall der Problemlöseprozess beendet wird. Ferner gibt es zwischen diesen beiden Extremen – den erfolgreichen und fehlerhaften Ideen – eine Mischform, welche die Person veranlasst, zum ersten Schritt der Problemlösesequenz erneut zurückzukehren und den Prozess von vorn zu durchlaufen. Dieses Modell kann als Grundlage zur Beschreibung der Ideengenerierung/-prüfung durch die geführte Führungskraft im Innovationsprozess dienen. Allerdings mit zwei Einschränkungen: Amabile konzipiert den ersten Schritt des Kreativitätsprozesses, die Problempräsentation, als abstrakte Stufe, die durch personinterne oder -externe Quellen verursacht wird. Hier wird dagegen angenommen, dass die Initiierung des Problemlöseprozesses zwar durch externe Stimuli hervorgerufen werden kann, jedoch stets auch an personinterne Stimuli gebunden ist. Diese personinternen Stimuli beziehen sich auf kognitive Prozesse (vgl. Kapitel 2.3.3) und auf emotionale Prozesse (vgl. Kapitel 2.3.2) der Person. Diese kognitiv-emotionalen Prozesse werden hier als die Auslöser des individuellen Problemlöseprozesses angesehen, welche jedoch von Amabile nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Außerdem wird hier davon ausgegangen, dass sich die 52
einzelnen Schritte realiter nicht – wie auf der Analyseebene – voneinander abgrenzen lassen, sondern sich in dem übergeordneten Konstrukt „Ideengenerierung/-prüfung“ zusammenfassen lassen. Überträgt man diese Modellvorstellungen zur Kreativität im Allgemeinen auf das Konstrukt der Ideengenerierung/-prüfung im Innovationsprozess, so lässt sich Folgendes festhalten: Die Ideengenerierung/-prüfung durch die geführte Führungskraft umfasst Prozesse der Suchfeldbestimmung (Problemformulierung und Problemanalyse), denn Innovationsprobleme sind per se vage und unscharf definiert. Ferner schließt die Ideengenerierung/-prüfung die Ideenfindung (Ideenneukombination durch Abruf relevanter Informationen, Ideenentwicklung, mentale Probehandlung) ein (Krause, 2004a). Während der Ideenfindung entsteht die neue Idee dadurch, dass bereits bekannte Problemelemente und vorhandene Informationen und Kenntnisse in einer neuen Art und Weise von der geführten Führungskraft kombiniert werden (Amabile et al., 1996; Gebert, 1979b, S. 284; Glynn, 1996, p. 1084; Martindale, 1989, p. 212; Mumford et al., 2002, p. 708; Tierney et al., 1999, p. 593; Tierney & Farmer, 2002, p. 1138; Van de Ven, 1986, p. 591). Dies geschieht häufig durch Analogiebildung zu Bekanntem. Entscheidend ist hierbei aber, dass die Person möglichst verschiedenartige und entlegenere Informationen aufnimmt und neu kombiniert. D. h. die Seltenheit und Originalität der generierten Ideen wird davon bestimmt, inwieweit es der geführten Führungskraft gelingt, entlegene Informationen aus dem kognitiven System in neuer Art und Weise zu kombinieren, so dass sie Ähnlichkeiten zwischen bislang isoliert im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Informationen wahrnimmt. Nachdem die geführte Führungskraft mehrere der generierten Ideen in einem individuellen Entscheidungsprozess auf ihre Angemessenheit geprüft hat, resultiert der Ideenvorschlag (Krause, 2004a). Bevor die geführte Führungskraft ihre produzierte(n) Idee(n) einer entscheidungsbefugten Instanz vorschlägt, überprüft sie ihre Idee(n) in einem individuellen Prozess auf ihre Adäquatheit. Dieses individuelle Testen der generierten Idee(n) wurde vorstehend als Verifikation (Wallas, 1926) bzw. als Ideenvalidierung (Amabile, 1988) bezeichnet. Dabei muss die geführte Führungskraft entscheiden, welche von verschiedenen, konkurrierenden Ideen sie zur Behebung des Problems als die nützlichste Idee ansieht. Auch dieser Subschritt des Problemlöseprozesses ist in der bisherigen Kreativitätsliteratur unzureichend behandelt worden (Staw, 1990, p. 290). Wovon macht also die geführte Führungskraft ihre Entscheidung über die Angemessenheit verschiedener, konkurrierender Ideen zur Problembehebung abhängig? Wie lange wird die geführte Führungskraft den Problemraum nach einer Problemlösung absuchen? Für welche Idee wird sie sich entscheiden? Um diese Fragen vorläufig beantworten zu können, erscheint das Konzept der begrenzten Rationalität (‘Bounded rationality’) des Menschen (Simon, 1991) geeignet, das sich auf den in53
dividuellen Entscheidungsprozess bezieht. Das Konzept der begrenzten Rationalität des Menschen meint seine eingeschränkte Fähigkeit, objektiv rationale Entscheidungen treffen zu können. Demnach handelt ein Mensch zwar intentional rational; nicht jedoch objektiv rational. Aufgrund kognitiver Grenzen der Informationsaufnahme und -verarbeitung gelingt es ihm nicht, alle relevanten Informationen und Alternativen in seiner Entscheidung zu berücksichtigen, wodurch er lediglich befriedigende anstelle von optimalen Entscheidungen trifft. Nach dem Konzept des ‘Satisfying’ bricht er vielmehr den Suchprozess nach besseren Alternativen bzw. Ideen ab, sobald er die erste brauchbare Alternative zur Problemlösung gefunden hat, die seinem individuellen Anspruchsniveau genügt. Insofern dürfte das Anspruchsniveau der geführten Führungskraft maßgeblich für die Qualität der hervorgebrachten Ideen sein. Die geführte Führungskraft wird demzufolge so lange den Problemraum nach einer Idee zur Behebung des Problems absuchen, bis sie eine Idee generiert hat, die ihrem jeweiligen Anspruchsniveau genügt und bei der individuellen Entscheidung zwischen verschiedenen Ideen, die Auswahl der weiter zu verfolgenden Idee ebenfalls am Anspruchsniveau orientieren. Auf der Handlungsebene zeigen sich diese Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung (Suchfeldbestimmung, Ideenfindung, Ideenvorschlag) darin, dass die geführte Führungskraft experimentierfreudig ist und insofern Risiken eingeht, das Problem immer wieder aus unterschiedlichen Blickwinkeln, Perspektiven und unter der Verwendung divergierender kognitiver Bezugssysteme betrachtet, mit anderen Personen einzelne Problemkomponenten diskutiert und Zeit und Kraft investiert, um eine bessere Variante herauszufinden (Krause, 2004b). Die geführte Führungskraft muss darüber hinaus ihre Idee einer entscheidungsbefugten Instanz – beispielsweise ihrem Chef – mitteilen (Mumford, Scott, Gaddis und Strange, 2002; Wolfe, 1994), um die nötige Ressourcenfreigabe für das Innovationsprojekt zu erhalten. Die Ideengenerierung/-prüfung schließt also die individuelle Auswahl der generierten Ideen ein. Dabei wird die Idee in technischer, ökonomischer und/oder sozialer Hinsicht auf ihre Nutzbarkeit, Qualität, Praktikabilität und/oder Effizienz hin geprüft, um in der späteren Implementierung eine kollektive Entscheidung für oder gegen die generierte Idee zu treffen. In der Literatur werden vielfältige Variablen diskutiert, welche die individuelle Kreativität beeinflussen. Dabei wird in der Regel zwischen personbezogenen, gruppenbezogenen und organisationalen Einflussfaktoren unterschieden.38 Für die vorliegende Arbeit sind – wie schon deutlich wurde – lediglich personbezogenen Merkmale relevant. Verschiedene Untersuchungen belegen für folgende personbezogene Faktoren Zusammenhänge zur individuellen Kreativität: intrinsische Motivation, Wissen, kreative Fähigkeiten, Selbstvertrauen (Self-confidence), Autonomiebedürfnis, Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz, Intuition, Neugier- und Explorationsverhalten, Bereitschaft zur Risikoübernahme, Urteilsunabhängigkeit, Dominanz, Offenheit für Erfahrungen, 54
Extraversion, breites Interessenspektrum, geringe Ängstlichkeit, internale Kontrollüberzeugung (Locus of control), hohe Selbstwirksamkeitserwartung (Self-efficacy), Fähigkeit zur Empathie und Perspektivenübernahme sowie Merkmale des kognitiven Stils wie Feldunabhängigkeit39, kognitive Komplexität und kognitive Sensibilität40 (vgl. Agrell & Gustafson, 1996; Amabile, Hill, Hennessey und Tighe, 1994; Axtell et al., 2000, p. 269; Ford, 1996, pp. 118–1125; Guldin, 2001, S. 295; King & Anderson, 1995, pp. 48–60; Martindale, 1989, pp. 213–214; Mumford & Gustafson, 1988, pp. 32–34; Mumford et al., 2002, pp. 710–711; Oldham & Cummings, 1996, pp. 608–609; Taggar, 2002, pp. 316–317; Tierney & Farmer, 2002, pp. 1138–1139). Amabile (1988, pp. 130–134) unterscheidet in ihrem Modell der individuellen Kreativität drei übergeordnete Komponenten, die notwendig und hinreichend für kreative Leistungen sind: bereichsrelevante Fähigkeiten (Domain-relevant skills), kreativitätsrelevante Fähigkeiten (Creativity-relevant skills) und die Aufgabenmotivation (Task motivation).41 Zu bereichsrelevanten Fähigkeiten zählen aufgabenbezogenes Wissen, technische Fähigkeiten und Talent zum Umgang mit der Problemlöseaufgabe. Innerhalb kreativitätsrelevanter Fähigkeiten wird der kognitive Stil einer Person genannt, neue Perspektiven einnehmen zu können, ferner die Fähigkeit zur Anwendung von Heuristiken zur Problemexploration und der Arbeitsstil der Person, der kreativitätsbezogen durch Ausdauer und Energie gekennzeichnet sein sollte.42 Diese kreativitätsrelevanten Fähigkeiten hängen nach Amabile (1988, p. 132) von Merkmalen ab, wie Unabhängigkeitsbestreben, Selbstdisziplin, Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, Frustrationstoleranz, Vermeidung von Konformität im Denken und die Unabhängigkeit des Individuums von sozialen Belohnungen. Neben diesen Fähigkeiten ist für die individuelle Kreativität insbesondere die Aufgabenmotivation bedeutsam. ‘No amount of skill in the domain or in methods of creative thinking can compensate for a lack of appropriate motivation to perform an activity. But, to some extent, a high degree of proper motivation can make up for a deficiency of domain-relevant skills or creativity-relevant skills. Task motivation makes the difference between what an individual can do and what one will do’ (Amabile, 1988, p. 133, Hervorheb. i. Orig.). Eine Aufgabe kann dabei als intrinsisch oder extrinsisch motivierend erlebt werden. Als intrinsisch motivierend wird eine Aufgabe dann erlebt, wenn sie nicht aufgrund erwarteter Konsequenzen, sondern um ihrer selbst willen vollzogen wird (Gebert, 2002a, S. 92). Als extrinsisch motivierend wird die Aufgabe hingegen dann erlebt, wenn sie aufgrund erwarteter Belohnungen (wie z. B. Anerkennung, beruflicher Erfolg, Aufstieg, Prestige) ausgeführt wird. Diese zwei Faktoren der Motivation konnten Amabile et al. (1994, p. 956) auch empirisch durch explorative und konfirmatorische Faktorenanalysen 1. Ordnung an diversen Stichproben (klassische Arbeitnehmer, Künstler, Studenten) bestätigen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass intrinsische und extrinsische Motivation die Pole einer bipolaren Dimension bilden, sondern dass intrinsische und 55
extrinsische Motivation zwei Dimensionen darstellen, die bei einer Person jeweils in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt sein können. Beide Motivationsarten können sich kreativitätsförderlich auswirken, wobei die funktionale Wirkung der intrinsischen Motivation im Vergleich zur extrinsischen Motivation deutlich höher ist (Amabile et al., 1994, p. 961). Für die vorliegende Arbeit sind von den genannten personbezogenen Einflussfaktoren der Kreativität im Hinblick auf die Ideengenerierung/-prüfung ausgewählte Faktoren von Interesse, da angenommen wird, dass diese ausgewählten Faktoren zusätzlich zu den noch zu präzisierenden kognitiv-emotionalen Prozessen (vgl. Kapitel 2.3.2 und 2.3.3) die Ideengenerierung/-prüfung auf besondere Weise beeinflussen. Die ausgewählten personbezogenen Einflussfaktoren der Ideengenerierung/-prüfung werden hier theoretisch, nicht aber empirisch untersucht. Ihnen kommt allerdings insofern Bedeutung zu, als angenommen wird, dass die Qualitäten des Führungsverhaltens (s. Kapitel 2.4.4.1) die Ideengenerierung/-prüfung u. a. deshalb beeinflussen, weil sie auf diese personbezogenen Einflussgrößen der Ideengenerierung/-prüfung jeweils spezifische Effekte haben. Nachfolgend wird die Art der Beziehung zwischen der Ideengenerierung/prüfung der geführten Führungskraft und folgenden Faktoren erörtert:
–
intrinsische Motivation,
–
aufgabenspezifische/s Wissen und Fähigkeiten.
Für die Ideengenerierung/-prüfung erweist sich also erstens eine intrinsische Motivation als förderlich (Amabile, 1988). In einer Interviewstudie zeigten Amabile und Gryskiewicz (1987) an einer Stichprobe von N = 120 Wissenschaftlern im Bereich der Forschung und Entwicklung, dass die intrinsische Motivation die bedeutsamste Determinante der Kreativität ist im Vergleich zu zahlreichen anderen Einflussfaktoren. Tierney et al. (1999) belegen in einer jüngeren quantitativen Untersuchung an einer Stichprobe von N = 191 Mitarbeitern aus dem Forschung- und Entwicklungsbereich u. a., dass die intrinsische Motivation dieser Mitarbeiter mit ihrer Kreativität in einem positiven Zusammenhang in Höhe von r = .28 steht, wobei die Kreativität durch drei verschiedene Messinstrumente erhoben wurde (standardisierter Fragebogen, Vorgesetztenurteile und Forschungsberichte) und Drittvariablen wie z. B. die Funktion im Unternehmen und Hierarchieebene kontrolliert wurden. Amabile et al. (1994, p. 957) konnten als Teilfacetten der intrinsischen Motivation durch Faktorenanalysen 2. Ordnung das Gefordert-Sein (Challenge) und positive Emotionalität (Enjoyment) voneinander abgrenzen.43 Gefordert-Sein meint den Grad, in dem die Person Prozesse der Strukturierung und Lösung des neuartigen, komplexen Problems als stimulierend empfindet. Positive Emotionalität meint den Grad, in dem sich die Person während der Auseinander56
setzung mit dem neuartigen, komplexen Problem wohlfühlt (Amabile, 1993, p. 190). Der positive Zusammenhang zwischen dieser so verstandenen intrinsischen Motivation und der Ideengenerierung/-prüfung lässt sich wie folgt erklären: Durch das Erleben des Gefordert-Seins und der positiven Emotionalität während der Auseinandersetzung mit der innovativen Aufgabe, steigt die Intensität, mit der sich die geführte Führungskraft mit der Problemformulierung und -analyse, der Ideenfindung, und der Ideenneukombination beschäftigt. Nach Amabile (1988, p. 133) steht die intrinsische Motivation dabei in funktionalem Zusammenhang mit solchen Denkprozessen, die vorstehend als divergentes Denken (Guilford, 1950) bezeichnet wurden. Daher wird eine geführte Führungskraft mit hoher intrinsischer Motivation mehr Ideen zur Problemlösung produzieren. Es wird ihr leichter fallen etablierte Bezugssysteme zur Problemelaboration zu wechseln, so dass sie das Problem „anders“ im Sinne einer höheren Durchdringung kognitiv repräsentiert hat und detaillierte Ideen produziert. Außerdem wird sie eher von gängigen Lösungsschemata abweichen, so dass sie vielfältige, originelle und andersartige Alternativen mit Seltenheitswert entwickelt als eine geführte Führungskraft mit geringer intrinsischer Motivation. Die intrinsische Motivation wirkt sich also über die Erhöhung der aufgabenbezogenen Aufmerksamkeit und Veränderung der beschriebenen der Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung auf die Steigerung der Ideengenerierung/-prüfung aus.44 Zum Zweiten ist das aufgabenspezifische Wissen bzw. sind die aufgabenspezifischen Fähigkeiten der geführten Führungskraft für die Ideengenerierung/-prüfung relevant. Dieses Postulat lässt sich nicht nur aus der Komponententheorie der Kreativität (Amabile, 1988) ableiten – wie schon erwähnt, zählen Wissen und Fähigkeiten dort zu den bereichsrelevanten Fähigkeiten. ‘Domain-relevant skills constitute the individual’s ‘raw materials’ for creative productivity’ (Amabile, 1988, p. 131). Vielmehr wird dieser Zusammenhang auch durch jüngste empirische Resultate im Rahmen der Forschung zum Umgang mit komplexen Problemen gestützt, die zeigen, dass der Bearbeitungserfolg von unterschiedlichsten Problemlöseaufgaben wesentlich auch vom aufgabenspezifischen Wissen abhängt (Kersting, 2001).45 Mit Zunahme des aufgabenspezifischen Wissens der geführten Führungskraft – verstanden als deklaratives Wissen (z. B. über Sachverhalte, Vorgänge, Personen, Objekte) und prozedurales Wissen (z. B. Heuristiken, Abstrahieren, Speichern, Wiedererkennen) wird die Ideengenerierung/-prüfung gefördert. Dies erklärt sich zum einen daraus, dass es der geführten Führungskraft bei umfangreichen deklarativen Wissensbeständen eher gelingt, Lösungen für das spezifische Problem zu generieren. Denn die Wahrscheinlichkeit für das Auffinden einer neuen Idee steigt mit Zunahme der im Langzeitgedächtnis bereits repräsentierten Wissensstrukturen dadurch, dass (1) das gegebene Problem besser analysiert werden kann und (2) die Verknüpfung zwischen den vorhandenen Wissensstrukturen leichter fällt als bei wenig verfügbarem aufgabenspezifischen 57
Wissen. Zum anderen kann die geführte Führungskraft bei umfangreichen prozeduralen Wissensbeständen eher geeignete Heuristiken zur Problemlösung anwenden, d. h. die Wahrscheinlichkeit für die Anwendung geeigneter Such- und Finderegeln zur Bewältigung der neuartigen, komplexen Aufgabe steigt, wodurch der ‘Trial-and-error’-Prozess effizienter wird (vgl. Kluwe, 1995). Diese Sicht stimmt überein mit der Vorstellung zum Einfluss des Wissens auf die Ideengenerierung/-prüfung von Amabile (1988), die diesen Zusammenhang allerdings wie folgt spezifiziert: ‘the individual’s complete set of response possibilities from which the new response is to be synthesized and information against which the new response is to be judged. This component can be viewed as the set of cognitive pathways for solving a given problem or doing a given task. Some of the pathways may be large or small. The larger the set, the more numerous the alternatives available for producing something new, for developing a new combination of steps’ (p. 130). Nachdem das Verständnis der ersten Komponente des Innovationsverhaltens der geführten Führungskraft – der Ideengenerierung/-prüfung – beschrieben und die Art des Einflusses der intrinsischen Motivation und des aufgabenspezifischen Wissens auf die Ideengenerierung/prüfung begründet wurde, widmen sich die nachfolgenden Ausführungen der zweiten Komponente des Innovationsverhaltens – der Implementierung und ihren Einflussfaktoren. (3) Implementierung Im Gegensatz zum vorrangig individuellen Prozess der Ideengenerierung/-prüfung muss man im Hinblick auf den kollektiven Prozess der Implementierung festhalten, dass bislang kaum empirisch gesichertes Wissen zur intraorganisationalen Implementierung von Verfahrensinnovationen vorliegt (Axtell et al., 2000; Lewis & Seibold, 1993; Marr & Kötting, 1992). Speziell die personbezogenen und sozialen Einflussfaktoren der Implementierung sind bislang selten in quantitativer Weise untersucht worden. Für diese Komponente des Innovationsverhaltens liegen in der Literatur dagegen lediglich Fallstudien vor (Klein & Speer Sorra, 1996, p. 1056), welche die Implementierung einzelner Innovationen am Einzelfall beschreiben. In der vorliegenden Arbeit werden dagegen beide Komponenten des Innovationsverhaltens quantitativ empirisch untersucht. Die Implementierung umfasst die Einführung des neuen Verfahrens und seine Nutzung durch die Abteilung oder Projektgruppe (Klein & Speer Sorra, 1996, p. 1055; Marr & Kötting, 1992, Sp. 828), so dass sie nachfolgend in die tägliche Routine (Wolfe, 1994, p. 411) überführt wird. Ziel ist es, die Neuerung möglichst vollständig durchzusetzen. Die Implementierung kann über die Konsistenz und die Qualität der Nutzung der Innovation (Klein & Speer Sorra, 1996, p. 1055) durch die Beteiligten beschrieben werden. Implementierungsbezogen kommt es darauf an, 58
eine zeitliche Priorisierung und Selektion der generierten Ideen vorzunehmen (Albers & Eggers, 1991, S. 62; Gebert, 2002a, S. 193) und daher die generierten Ideen kollektiv auf ihre potenzielle Brauchbarkeit (Mumford et al., 2002) hin einzustufen. Dies geschieht im Prozess der Transformation von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung (Krause, 2004a), welcher Konfliktgehalt aufweist und differenziert im übernächsten Kapitel (2.3.1.3) betrachtet wird. Vernachlässigt man den wichtigen sozialen Selektionsprozess von Ideen (Auswahl brauchbarer Ideen) als Bestandteil des Implementierungsverhaltens, so kann dies zur Hürde werden: Denn mit zunehmender Anzahl generierter Ideen steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den hervorgebrachten Ideen zumindest einige brauchbare Ideen befinden. Gleichzeitig steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass die hervorgebrachten Ideen (1) unbrauchbar sind oder (2) an Radikalität zunehmen (dysfunktionale Intensität) oder (3) untereinander inhaltlich und/oder zeitlich inkompatibel sind (Gebert et al., 2001). Aus diesen Gründen müssen eindeutige Selektionskriterien für die Brauchbarkeit der Ideen entwickelt und eingehalten werden. Fällt dieser Prozess zugunsten einer Idee aus, so wird diese Idee nachfolgend umgesetzt. Mit anderen Worten, die Implementierung schließt die Auswahl und Durchsetzung einer brauchbaren und kompatiblen Verfahrensinnovation aus der Fülle möglicher und miteinander konkurrierender Neuerungen ein. Damit kann das Ausmaß der Implementierung (Implementierungsgrad) zum einen bestimmt werden über den Grad, in dem die Verfahrensinnovation gemäß ihrem Sinn bzw. ihrem Potenzial tatsächlich genutzt wird (‘fidelity between intended use and actual use’) und zum anderen über den Grad, in dem sich die Neuerung in den verschiedenen Bereichen der Organisation in ähnlicher Form verbreitet (‘uniformity across users in the organization’) (Lewis & Seibold, 1993, p. 323). Ersteres Kriterium bezeichnet Gebert (2002, S. 194) als Tiefendimension, zweites Kriterium als Reichweitendimension der Implementierung. Hier wird die Implementierung „enger“ gefasst und auf den Arbeitsbereich (Projektgruppe oder Abteilung) bezogen, in dem die jeweils geführte Führungskraft Verantwortung trägt (Tiefendimension). Implementierungsverhalten zeigt die geführte Führungskraft dann, wenn sie im Ergebnis des Innovationsprozesses die Verfahrensinnovation selbst nutzt und die Neuerung potenzial- und sinngemäß in ihrem Verantwortungsbereich umsetzt. Dies schließt ein, dass die geführte Führungskraft die gefällten Beschlüsse und Entscheidungen im Ergebnis des Innovationsprozesses verwirklicht. Natürlich bleibt die so verstandene Implementierung nicht auf die Tiefendimension beschränkt. Indirekt bezieht das so definierte Implementierungsverhalten auch die Reichweitendimension ein, weil umgesetzte Verfahrensinnovationen in einer Arbeitseinheit auf andere Arbeitseinheiten „ausstrahlen“ können (Krause, 2004b).
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In der vorliegenden Untersuchung wird die Ideengenerierung/-prüfung als eine personbezogene Determinante der Implementierung betrachtet. Ferner ist davon auszugehen, dass sich durch die Implementierung der Neuerung zugleich die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine neue Wissensbasis über die Innovation zu gewinnen, weshalb hier eine positive Rückkopplung von der Implementierung auf die Ideengenerierung/-prüfung postuliert wird (vgl. Krause, 2004a).46 Zudem dürften kognitiv-emotionale Prozesse der geführten Führungskraft die Implementierung der Neuerung beeinflussen (s. Kapitel 2.3.3 und 2.3.4). Neben der Ideengenerierung/-prüfung und den noch zu präzisierenden kognitiv-emotionalen Einflussfaktoren hängt die Implementierung der Verfahrensinnovation nach Comelli und von Rosenstiel (2001, S. 4) von personbezogenen Faktoren ab, wie
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der Überzeugung der geführten Führungskraft, dass die Verfahrensinnovation sinnvoll ist (Motivation),
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der Fähigkeit und dem Wissen der geführten Führungskraft, die Neuerung gemäß ihrem Sinn zu nutzen (Qualifikation),47
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der Überzeugung der geführten Führungskraft, dass die Neuerung erwünscht ist (soziales Dürfen bzw. Sollen).48
Zu berücksichtigen sind darüber hinaus soziale Determinanten der Implementierung, wie sie häufig im Zusammenhang mit Widerstand und Konflikten (Hauschildt, 1999; Klein & Speer Sorra, 1996) diskutiert werden. Auf diese zusätzlichen implementierungsrelevanten Bedingungen wird detailliert im Kapitel 2.3.1.3 Bezug genommen. Aus den bisherigen Ausführungen zu den Komponenten des Innovationsverhaltens lässt sich im Hinblick auf den Innovationserfolg folgendes Argument ableiten: Zeigt die geführte Führungskraft Innovationsverhalten, indem sie Ideen generiert, prüft und implementiert, so steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die ökonomischen Zielkriterien der Arbeitseinheit (Effektivität und Effizienz) gefördert werden, gleichzeitig die Innovation aber auch für die individuellen/sozialen Kriterien förderlich ist und sich mit diesen Verhaltenskomponenten positive Sekundäreffekte (z. B. Wissenszuwachs, Lernzuwachs) verbinden. Demzufolge lauten die ersten Hypothesen zum Einfluss der Komponenten des Innovationsverhaltens auf den Innovationserfolg wie folgt: Hypothese 1a: Der Innovationserfolg ist sowohl eine positive Funktion der Verhaltensweise Ideengenerierung/-prüfung als auch der Implementierung.
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Im konzeptionellen Bezugsrahmen wurde bereits deutlich, dass es im Repertoire der innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte nicht nur innovationserfolgsförderliche Verhaltensweisen gibt, sondern hiervon Verhaltensweisen abgegrenzt werden können, die innovationshinderlichen Charakter haben. Demnach wurde zwischen Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und innovationshinderlichen Verhaltensweisen unterschieden. Letztere werden nachfolgend betrachtet.
2.3.1.2 Die innovationshinderlichen Verhaltensweisen: Flucht, intrapsychische Anpassung und Widerstand Die Präzisierung der innovationshinderlichen Verhaltensweisen beruht auf der handlungspsychologischen Stress-Coping-Theorie von Lazarus (1966) und ihren Weiterentwicklungen (Lazarus, 1991, 1993). Diese Theorie hat Gebert (1987) auf den Innovationskontext übertragen. Aus Gründen der Systematik wird diese Anwendung der Stress-Theorie auf den hier interessierenden Kontext erst im übernächsten Kapitel beschrieben. An dieser Stelle wird zunächst gefragt, welche innovationshinderlichen Verhaltensweisen warum für den Innovationserfolg dysfunktional sind. Als innovationshinderliche Verhaltensweisen werden Flucht, intrapsychische Anpassung und Widerstand definiert. Diese Verhaltensweisen werden nachfolgend skizziert, auf ihre kognitivemotionalen Bedingungen wird dagegen ausführlich in den Kapitel 2.3.2 und 2.3.3 einzugehen sein. (1) Flucht Flucht zeigt die geführte Führungskraft dann, wenn sie die betriebliche Situation, in der sie sich befindet, nicht durch aktives Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung und/oder Implementierung verbessert, sondern sich der Situation zu entziehen sucht. Dazu kann die geführte Führungskraft unterschiedliche Formen des objektiven Vermeidungsverhaltens anwenden: Beispielsweise kann sie die Arbeitseinheit (Projektgruppe oder Abteilung) verlassen, indem sie eine Kündigung einleitet oder um Versetzung aus ihrer derzeitigen Arbeitseinheit bittet (Krause, 2004b). Durch die Kündigung bzw. das Versetzungsgesuch vermeidet die Führungskraft dann die Innovation. Jedoch stellen Kündigung und Versetzungsbemühungen zumeist eher Extremformen des objektiven Vermeidungsverhaltens dar, die aufgrund struktureller, ökonomischer und/oder sozialer Gegebenheiten vermutlich seltener als Verhaltensalternative gewählt werden im Vergleich zu subtileren Formen des objektiven Vermeidungsverhaltens. Subtilere Formen der objektiven Flucht bestehen in der Möglichkeit, dass sich die geführte Führungskraft 61
nicht mit der Innovationsaufgabe auseinandersetzt, sich weitestgehend anderen Routineaufgaben widmet oder das Thema Innovation gänzlich ad acta legt. Auch durch diese subtileren Formen der Flucht vermeidet die geführte Führungskraft objektiv die innovative Situation. (2) intrapsychische Anpassung Subjektive Formen der Flucht werden als intrapsychische Anpassung bezeichnet (Gebert, 1987, S. 645). Intrapsychische Anpassung wird immer dann in Gang gesetzt, wenn die geführte Führungskraft keine Möglichkeit zum aktiven Innovationshandeln (Ideengenerierung/-prüfung und/oder Implementierung) oder zur Flucht sieht. Intrapsychische Anpassungsprozesse sind Verhaltensstile des Individuums zum Umgang mit Situationen, die an eine Veränderung der Aufmerksamkeit des Individuums gebunden sind (Lazarus, 1966). Die Aufmerksamkeit bezüglich der Situation, in der sich das Individuum befindet, kann dabei variieren zwischen den Polen Vigilanz (verstärkte Beschäftigung mit bestimmten Komponenten der Situation) und Vermeidung (reduzierte Beschäftigung mit bestimmten Komponenten der Situation) (Lazarus, 1966). Die an die Veränderung der Aufmerksamkeit gebundene Informationsaufnahme und -verarbeitung vollzieht sich im Falle der intrapsychischen Anpassung in einer defensiven Art und Weise, so dass die resultierende Einschätzung der Situation unrealistisch ist. Umgangssprachlich ausgedrückt würde man meinen, dass die geführte Führungskraft resigniert (im Sinne von „Man kann ja sowieso nichts ändern“ oder „Eigentlich ist ja alles in bester Ordnung“). Zentral für intrapsychische Anpassung sind Abwehrmechanismen (Lazarus, 1966, 1991), wie z. B. Verdrängung (ins Unbewusste), Verleugnung (nicht wahrhaben wollen), Rationalisierung (Umdeutung in akzeptables Verhalten durch Intellektualisierung oder Bagatellisierung) oder Reaktionsbildung (Verkehrung ins Gegenteil) (vgl. Freud, 1982). Die geführte Führungskraft kann sich beispielsweise einreden, dass die Situation in anderen Arbeitseinheiten (z. B. Projektgruppen, Abteilungen) auch nicht besser ist als die Situation in der eigenen Arbeitseinheit, sie kann sich mit den Dingen abfinden, sich weismachen, dass eine Innovation wenig sinnvoll ist, weil die bisherige Weise der Problembewältigung „eigentlich“ angemessen war oder sie kann die Dinge beschönigen, so dass sie diese schließlich in einem gänzlich neuen subjektiv veränderten Licht sieht (Krause, 2004a). Auch Verhaltensweisen, die in der Literatur unter dem Stichwort „innere Kündigung“ diskutiert werden (z. B. Krystek, Becherer und Deichelmann, 1995), sind der intrapsychischen Anpassung zuzurechnen. Die mit Frustration einhergehende innere Kündigung (Gebert, 2002a, S. 118) ist häufig begleitet von einer Lageorientierung (Kuhl, 1999), so dass die geführte Führungskraft ihre Aufmerksamkeit auf frühere Situationen und damit auf die Vergangenheit richtet 62
und stets zögernd, zweifelnd und unentschlossen in einem lähmenden Wartezustand verweilt. Das Resultat all dieser Formen der intrapsychischen Anpassung ist, dass die geführte Führungskraft subjektiv die innovative Situation vermeidet. Das dysfunktionale objektive und subjektive Vermeidungsverhalten – interpretiert als gelerntes Verhalten – ist durch Rekurs auf die Zwei-faktorielle Lerntheorie von Mowrer (1960) durch einen doppelten Konditionierungsprozess erklärbar: In einer ersten Phase erfuhr die geführte Führungskraft aufgrund eines bestimmten kritischen Verhaltens ungewöhnlich negative Konsequenzen in einer bestimmten Situation, weshalb sie durch klassische Konditionierung tendenziell mit Angst reagiert und diese Angst auf andere Situationen generalisiert. Zur Angstreduktion wird die geführte Führungskraft in der Folge das Vermeidungsverhalten zeigen, welches in einer zweiten Phase durch negative Verstärkung (Angstabbau) instrumentell konditioniert wurde. Durch das Vermeidungsverhalten umgeht die geführte Führungskraft die Explizierung der Probleme und macht gleichzeitig eine stellvertretende korrigierende Erfahrung (Gebert, 1981, S. 184) unmöglich, dass das kritische Verhalten in anderen Situationen und/oder anderen Bedingungen keine negativen Konsequenzen nach sich zieht. Prinzipiell sind damit die innovationshinderlichen Vermeidungsstrategien auch wieder verlernbar, indem eine korrigierende Erfahrung ermöglicht wird. Im Hinblick auf den Innovationserfolg ist davon auszugehen, dass die Aktivierung des subjektiven oder objektiven Vermeidungsverhaltens der geführten Führungskraft nicht zum Erfolg der Verfahrensinnovation beiträgt. Das Ziel der Arbeitseinheit wird durch intrapsychische Anpassung oder Flucht nicht gefördert, da weder deren Effektivität, noch deren Effizienz, noch deren Lernzuwachs etc. durch intrapsychische Anpassung und Flucht unterstützt werden. Ganz im Gegenteil ist unmittelbar plausibel, dass intrapsychische Anpassung und Flucht eine Blockade für diese Zielkriterien darstellen. Daraus folgen die nächsten Hypothesen: Hypothese 1b: Der Innovationserfolg ist sowohl eine negative Funktion der Verhaltensweise intrapsychische Anpassung als auch der Flucht. (3) Widerstand Innovationen aktivieren Widerstand, da mit ihnen oftmals eine Umverteilung von Ressourcen verbunden ist (Frost & Egri, 1991; Glynn, 1996). Ferner ist es ein Wesensmerkmal von Neuerungen, dass zunächst eine Minorität – nicht aber die Majorität – die Durchsetzung bzw. Nutzung der Innovation befürwortet.49 Hauschildt (1999, S. 7) stellt in einer breit angelegten quantitativen Untersuchung von N = 154 Innovationsprojekten aus 151 Unternehmen in 37% der Fälle 63
Widerstand fest. Der Widerstand gegen die Innovation stützt sich in diesen Projekten auf technische Argumente (27%), marktspezifische Argumente (29%), finanz- und erfolgswirtschaftliche Argumente (22%), rechtliche Argumente (12%) und diffuse Argumente ohne spezifische Stoßrichtung (10%) (Hauschildt, 1999, S. 8). Herkömmlicherweise wird Widerstand als einseitig negativ beurteilt. Dies ist allerdings nicht immer zutreffend: Faktorenanalytisch konnte Hauschildt (1999, S. 9) zwei verschiedene Varianten des Widerstands unterscheiden – den destruktiven und den konstruktiven Widerstand. Der destruktive Widerstand (= destruktive Opposition) blockiert oder verzögert die Innovation dadurch, dass er verdeckt gegen die Innovation operiert und zur Minderung der Effizienz beiträgt, wenn beispielsweise Kosten- und Zeitziele nicht eingehalten werden. Der konstruktive Widerstand (konstruktive Opposition) zielt demgegenüber auf die Veränderung der Neuerung ab, da er offen operiert (Hauschildt, 1999, S. 9 f.), zur Argumentation auffordert und in der Regel durch gute Argumente überzeugt (Folkerts & Hauschildt, 2002, S. 18). Deshalb werden durch diese Form des Widerstands Verbesserungen am ursprünglichen Vorgehen wahrscheinlich. Diese Sicht der durchaus produktiven Wirkung von Widerstand teilt auch Bradshaw (1998, pp. 135– 136), da sie Widerstand als eine Strategie des Wandels auffasst. Contraintuitiv besteht in der erwähnten Untersuchung allerdings keine positive Beziehung zwischen konstruktivem Widerstand und dem Innovationserfolg (Hauschildt, 1999, S. 11). In der vorliegenden Untersuchung steht die destruktive Form des Widerstands im Mittelpunkt der Betrachtung, so dass hier Fälle verdeckter Opposition untersucht werden. Verdeckten Widerstand zeigt die geführte Führungskraft dann, wenn sie beispielsweise heimlich Netzwerke und Koalitionen gegen die Verfahrensinnovation schmiedet und hierdurch die Implementierung der Innovation zu verhindern sucht. Einen anderen Ausdruck findet verdeckter Widerstand der geführten Führungskraft darin, dass sie die Innovation gegenüber den Mitarbeitern in ihrem Verantwortungsbereich nur halbherzig vertritt, so dass deren innovationsbezogenes Engagement und Interesse sinken. Ferner kann die geführte Führungskraft verdeckten Widerstand durch „Dienst nach Vorschrift“ betreiben – mit entsprechenden Konsequenzen für die Innovation. Um diesen destruktiven Widerstand abzubauen, können sich sogenannte Promotoren als hilfreich erweisen (Hauschildt, 2001, S. 332). Promotoren sind Personen, die neben ihrer Tätigkeit zur Bewältigung des Alltags große Mengen an Energie in die aktive und intensive Förderung des Innovationsprozesses investieren und sich besonders für den Erfolg dieses Prozesses einsetzen.50 Im Rahmen des Promotorenmodells (vgl. Gemünden, 1998; Gemünden & Walter, 1995; Hauschildt, 2001; Hauschildt & Chakrabarti, 1988; Witte, 1973) werden verschiedene Promotorenarten diskutiert – wie der Fachpromotor (Witte, 1998), der Machtpromotor (Witte, 1998), der Prozesspromotor (Hauschildt & Chakrabarti, 1988) und der Beziehungspromotor (Gemünden & 64
Walter, 1995). Fachpromotoren können den Innovationsprozess positiv unterstützen, weil sie hauptsächlich objektspezifisches Fachwissen (Witte, 1998, S. 17) zur Überwindung von Widerstand aufgrund von Fähigkeitsbarrieren nutzen. Machtpromotoren unterstützen eine Innovation auf der Basis ihres hierarchischen Potenzials und über die Freisetzung von verfügbaren Ressourcen für das Innovationsprojekt (Hauschildt, 1991a, S. 171; Witte, 1973, S. 17; 1998, S. 16). Sie reduzieren insbesondere Widerstand aufgrund von Willensbarrieren (Hauschildt, 2001, S. 332). Prozesspromotoren fördern den Innovationsprozess (Hauschildt & Chakrabarti, 1988), indem sie die Beziehungen zwischen Fach- und Machtpromotoren koordinieren und Widerstand aufgrund des Nicht-Dürfens weitestgehend reduzieren. (Hauschildt, 2001, S. 332). Hauschildt und Chakrabarti (1988, S. 383) führen die innovationsunterstützende Wirkung von Prozesspromotoren vor allem auf ihre Organisationskenntnis zurück. Im Zeitalter flacher Hierarchien wird außerdem eine neue Rolle im Innovationsprozess erforderlich, ein Beziehungspromotor (Gemünden & Walter, 1995). Sein Beitrag zur Förderung der Innovation und Überwindung des destruktiven Widerstands basiert maßgeblich auf seiner Kenntnis von Netzwerkpartnern. Im Gegensatz zum Fachpromotor und zum Prozesspromotor ist der Beziehungspromotor also Experte für Netzwerkarbeit. Die innovationsfunktionale Wirkung des Beziehungspromotors beruht ferner auf Kooperationserfahrung, sozialer Kompetenz, Empathie und diplomatischem Verhandlungsgeschick (Gemünden & Walter, 1998, S. 123), die es ihm ermöglichen, Barrieren der Zusammenarbeit abzubauen und Konflikte zwischen den Innovationsbeteiligten konstruktiv zu handhaben. Zwei Fragen, die schon häufig in der Forschung zum Promotorenmodell Beachtung fanden, sind die Frage nach der Existenz der Promotoren und die Frage nach der Arbeitsteilung zwischen den Promotoren im Innovationsprozess. Die empirische Befundlage fällt zu beiden Fragen vergleichsweise heterogen aus: In einer inzwischen klassischen Untersuchung von N = 233 Verfahrensinnovationen stellt Witte (1973, S. 38) in 42 % der Fälle nur einen Promotor fest, während in 21% der Fälle keine Promotoren auftraten. In 37 % der Fälle waren verschiedene Promotoren am Innovationsprozess beteiligt. Ca. 25 Jahre später kommt Scholl (1999) bei der Untersuchung von 34 Produkt- und Verfahrensinnovationen in N = 16 Organisationen zu dem Ergebnis, dass in 64% der Innovationsfälle ein Promotor, in weiteren 20% der Innovationsfälle dagegen kein Promotor vorhanden ist. Auch Gemünden und Walter (1995) belegen in 53% der untersuchten N = 94 Technologietransferprojekte die Existenz eines Promotors – des Beziehungspromotors, der allerdings nur in 5% der Fälle als eigenständige Rolle identifizierbar ist. In einer weiteren Untersuchung identifizieren Markham, Green und Basu (1991) in 5% der Fälle keinen Promotor, in 11 % der Fälle einen Promotor und in 84% der Fälle verschiedene Promotorenstrukturen. 65
Im Hinblick auf die Arbeitsteilung der Promotoren im Innovationsprozess wurde festgestellt, dass eine Gespann-Struktur typisch ist zwischen einem Machtpromotor und einem Fachpromotor (Witte, 1973). Kirchmann (1994) belegte an einer Stichprobe von N = 133 Kooperationen zwischen Herstellern und Anwendern mittelständischer Maschinen- und Anlagebauunternehmen, dass es häufig keinen einzigen Promotor gibt, etwa gleich häufig ein Gespann aus Macht- und Fachpromotor vorhanden ist und wiederum etwa gleich häufig ein Dreier-Gespann aus Fach-, Macht- und Prozesspromotor typisch ist.51 In einer jüngeren Untersuchung zeigten Folkerts und Hauschildt (2002) u. a., dass die Zuordnung einer Promotorenrolle zu einer ganz bestimmten Person im Innovationsprozess eher die Ausnahme darstellt. In der Regel sind Rollenkombinationen typisch, wie z. B. die Kombination von Prozess- und Fachpromotor. Einzig und allein die Rolle des Machtpromotors ist häufiger einer Einzelperson zuzuordnen (Rollenexklusivität) im Vergleich zu den anderen Promotorenrollen, d. h. ein Machtpromotor übernimmt in der Regel keine weiteren Rollen. Hauschildt und Chakrabarti (1988) sowie Gemünden (1981) belegen allerdings die Effizienz der Arbeitsteilung im Innovationsprozess. Die Befunde zur Effizienz der Promotoren weisen jedoch in unterschiedliche Richtungen52 (vgl. die Übersichtsarbeiten von Hauschildt & Chakrabarti (1988), Hauschildt & Kirchmann (1998) oder Hauschildt (1991a)). Wie auch immer, zusammenfassend ist festzuhalten, dass Promotoren zur Reduktion des destruktiven Widerstands im Innovationsprozess beitragen können. Die Wirkung dieses Widerstands wird im folgenden Kapitel präzisiert, indem die Relation zwischen verdecktem Widerstand und der Implementierung untersucht wird. Vorab werden jedoch Konfliktarten als Bedingungen des Widerstands betrachtet. Das Ergebnis dieser Analyse manifestiert sich in einem Modell der Konfliktarten und des Widerstands als Barrieren der Implementierung, das als Submodell im empirischen Teil dieser Arbeit durch eine Lineare Strukturgleichungsanalyse überprüft wird. Zunächst gilt es allerdings, den Transformationsprozess von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung in Form einer Hypothese zu konkretisieren (vgl. Kap. 2.3.1.3).
2.3.1.3 Konflikte und Widerstand als Barrieren der Implementierung Der Übergang von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung der Innovation beinhaltet eine Veränderung der bestehenden intraorganisationalen Kontrollstruktur (Frost & Egri, 1991; Glynn, 1996; Pettigrew, 1972), weil die Umsetzung der Innovation eine Intervention in die bestehende Machtkonstellation darstellt und daher eine politische Dimension (Gebert, 2002a, S. 192 ff.) aufweist.53 Deshalb birgt dieser Übergang ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial (Frost & Egri, 1991; Glynn, 1996; Lewis & Seibold, 1993). Aufgrund dessen, dass jeder Akteur 66
versuchen wird, seine bisherige Machtposition zu sichern, wird das latente Konfliktpotenzial bei der Transformation der Ideengenerierung/-prüfung zur Implementierung manifest werden. Allein durch die Generierung und Prüfung von Ideen während des Innovationsprozesses ist demzufolge ihre Umsetzung nicht hinreichend sichergestellt. Dennoch dürfte ein positiver Zusammenhang zwischen der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung bestehen. Allerdings dürfte dieser Zusammenhang vom Betrag her nicht sehr hoch ausgeprägt sein. Diese Überlegungen lassen sich in folgender Hypothese zusammenfassen: Hypothese 2a: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Ideengenerierung/prüfung und der Implementierung der Verfahrensinnovation. Die Frage, in welcher Weise Konflikte und Widerstand im Prozess der Transformation von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung eine Rolle spielen, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Dies liegt u. a. daran, dass diese Prozesse bisher zumeist nur durch Fallstudien, nicht aber durch quantitative Feldstudien untersucht worden sind. Hier wird angenommen, dass Konflikte und Widerstand nicht primär die Ideengenerierung/-prüfung, sondern die Implementierung der Verfahrensinnovation beeinflussen. Denn während die Ideengenerierung/-prüfung vorrangig an individuelle Bedingungen des Initiators gebunden ist (s. Kapitel 2.3.1.1), wird die Implementierung zusätzlich durch Gruppen- und/oder Organisationsmerkmale bestimmt (Axtell et al., 2000; Klein & Speer Sorra, 1996). Konflikte und Widerstand werden also als Prädiktoren der Implementierung vermutet – neben der Ideengenerierung/-prüfung und kognitiv-emotionalen Prozessen (s. Kapitel 2.3.2 und 2.3.3). Die Untersuchung der Wirkungen von Konflikten und Widerstand auf die Implementierung ist besonders relevant, da bislang vergleichsweise wenige empirisch fundierte Forschungsresultate im Hinblick auf die Implementierung von Verfahrensinnovationen vorliegen (Axtell et al., 2000; Klein & Speer Sorra, 1996; Lewis & Seibold, 1993; Marr & Kötting, 1992). Ferner ist zu berücksichtigen, dass bislang keine Analyse zu den relativen und differenziellen direkten und indirekten Einflüssen konkreter Konfliktarten und des Widerstands auf die Implementierung existiert. In anderen Untersuchungen wird häufig nicht zwischen verschiedenen Konfliktarten als Determinanten von Widerstand und der Implementierung unterschieden und lediglich die Annahme gemacht, dass Konflikte im Allgemeinen eine Bedingung für Widerstand sind (Hauschildt, 1999, S. 3), welcher sich im destruktiven Fall innovationshinderlich auswirkt (Hauschildt, 1999, S. 11). Die vorliegende Untersuchung beschreitet demnach auch in diesem Aspekt Neuland. Wie schon ausgeführt wurde, bezieht sich diese Studie im Hinblick auf verschiedene Klassifikationen der Konfliktarten (vgl. Kapitel 2.1.2.4) auf die Unterscheidung zwischen Beur67
teilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikten (Rüttinger, 1977). Beurteilungskonflikte wurden als Konflikte über die Wege zum Ziel definiert; Bewertungskonflikte wurden als Zielkonflikte definiert; Verteilungskonflikte wurden als Konflikte über die Zuteilung knapper Ressourcen definiert, welche im Null-Summen-Spiel resultieren (vgl. Kapitel 2.1.2.4). Im Einklang mit Gebert und von Rosenstiel (2002) wurde argumentiert, dass sich Beurteilungskonflikte im Hintergrund von Bewertungskonflikten abspielen können (und umgekehrt), weshalb eine eindeutige Diagnose dieser beiden Konflikttypen speziell im Innovationsprozess Schwierigkeiten bereiten dürfte, da sie sich eventuell nicht in ihrer „reinen Form“ finden lassen. Deshalb werden diese beiden Konfliktarten für die weitere Untersuchung zusammengefasst. An der zusammenfassenden Analyse von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten im Hinblick auf die Implementierung könnte man aus der Denkrichtung der Diversity-Forschung heraus Folgendes einwenden: Empirisch wurde in diesem Teilgebiet der Organisationspsychologie dokumentiert, dass Beurteilungskonflikte (Sachkonflikte) den Implementierungsprozess positiv unterstützen (Jehn & Mannix, 2001), weil die Projektbeteiligten – bedingt durch ihre unterschiedlichen Informationsquellen – intensivere Diskussionen über die Art der Implementierung führen und deshalb konstruktive Effekte von Konflikten (vgl. Scholl, 1992) freisetzen. Bewertungskonflikte (Zielkonflikte) beeinflussen die Implementierung hingegen negativ (Jehn & Mannix, 2001), weil sie insbesondere aus divergierenden Normen und Werten der Akteure (Rüttinger, 1977) resultieren und negative Konfliktfolgen freisetzen. Diesem möglichen Einwand steht allerdings die Tatsache der wechselseitigen Verstärkung von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten (Pelled, 1996) gegenüber, so dass hierdurch die Zusammenfassung von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten als legitimiert erscheint. Eine weitere zentrale Annahme dieser Untersuchung lautet, dass sich Beurteilungs- und Bewertungskonflikte einerseits und Verteilungskonflikte andererseits zwischen der geführten Führungskraft und ihrem direkten Vorgesetzten in ihrer Wirkung auf die Implementierung der Verfahrensinnovation unterscheiden. Verteilungskonflikte, führen dazu, dass aufgrund der Interessenheterogenität bezüglich der Ressourcenverteilung (Scholl, 1995b) die Genauigkeit und Offenheit in der Kommunikation abnehmen (Gebert, 2002a), während die verdeckte Interessendurchsetzung (Neuberger, 1995b) zunimmt. Dieser Tatbestand kann für Beurteilungs- und Bewertungskonflikte nicht gleichermaßen vorausgesetzt werden. Denn Beurteilungskonflikte (Sachkonflikte) und Bewertungskonflikte (Zielkonflikte) sind durch Informationsaustausch zwischen den Konfliktparteien handhabbar. Deshalb ist davon auszugehen, dass Beurteilungs- und Bewertungskonflikte besser verhandelbar sind als Verteilungskonflikte (Ressourcenkonflikte), für die demgegenüber das Konsenspotenzial geringer sein dürfte als bei Beurteilungs- und Bewertungskonflikten. Insofern wird angenommen, dass die Effekte von Verteilungskonflikten 68
zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten contraproduktiver für die Implementierung der Verfahrensinnovation sind als die Effekte von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten zwischen diesen Konfliktparteien. Ferner wird angenommen, dass die zunehmende Intensität sowohl von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten als auch von Verteilungskonflikten zu erhöhtem verdeckten Widerstand gegen die Verfahrensinnovation führt, der die Implementierung der Neuerung blockiert, weil der Eingriff in das bestehende Machtgefüge von den Projektbeteiligten als Bedrohung erlebt wird. Generell gilt, dass im Einzelfall der Implementierungsgrad vom Ausmaß des Widerstands gegen die Innovation (Hauschildt, 1999) abhängig ist: Verdeckter Widerstand erschwert die Implementierung einer Verfahrensinnovation und geht mit geringer Akzeptanz seitens der Betroffenen einher.54 Diese Annahmen spiegeln sich im Modell der Konfliktarten und des Widerstands als Barrieren der Implementierung wider (s. Abbildung 4) und finden Ausdruck in den Hypothesen 2b und 2c.
Beurteilungsund Bewertungskonflikte Widerstand
Implementierung
Verteilungskonflikte
Abbildung 4. Konfliktarten und Widerstand als Barrieren der Implementierung Hypothese 2b: Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten sind für die Implementierung dysfunktionaler als Beurteilungsund Bewertungskonflikte zwischen ihnen. Hypothese 2c: Sowohl Bewertungs- und Beurteilungskonflikte als auch Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten wirken sich positiv auf (2c-1) Widerstand der geführten Führungskraft im Innovationsprozess aus, der seinerseits (2c-2) dysfunktionale Effekte für die Implementierung der Verfahrensinnovation hat. Nachdem in diesem Kapitel sowohl das Innovationsverhalten – Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung
–
als
auch
die
innovationshinderlichen
Verhaltensweisen
(Flucht,
intrapsychische Anpassung, Widerstand) der geführten Führungskraft präzisiert wurden und im69
plementierungsrelevante Einflüsse der Konfliktarten und des Widerstands in Form eines Submodells und in Form von Hypothesen abgeleitet wurden, widmet sich das nächste Kapitel der Bereitschaft der geführten Führungskraft, Neuerungen hervorzubringen. Diese Bereitschaft Neuerungen hervorzubringen, wird als Innovationsgeneigtheit definiert. Die Innovationsgeneigtheit ist als ein Konstrukt zu begreifen, dass kognitive und emotionale Prozesse einschließt. Diese Prozesse beeinflussen sich in spezifischer Weise (s. Kapitel 2.3.4). Eine getrennte Explikation dieser Prozesse wird lediglich aus analytischen Zwecken vorgenommen, wobei das nächste Kapitel mit den Emotionen der geführten Führungskräfte beginnt und das daran anschließende Kapitel die kognitiven Prozesse (die Situationswahrnehmungen) der geführten Führungskräfte fokussiert. 2.3.2 Emotionen der geführten Führungskräfte Das Thema der Emotionen wurde in der betriebswirtschaftlichen Organisations- und Managementforschung lange vernachlässigt (Domagalski, 1999, p. 833; Eiselin & Sichler, 2001, S. 56; Madjar et al., 2002; Nippa, 2001, S. 215). Der Grund hierfür liegt darin, dass sich betriebswirtschaftlich orientierte Organisationsforscher häufig mit rationalen Entscheidungsmodellen beschäftigen
und
entsprechend
dem
Menschenbild
des
nutzenmaximierenden
„Homo
oeconomicus“55 Emotionen nicht selten als unerwünschte, irrationale Nebenprodukte abqualifizieren. Lange vertrat man deshalb auch im Zuge der Maschinen-Metapher der Organisation (Morgan, 1986) die Ansicht, dass Emotionen in Organisationen geradezu störende Relikte darstellen würden. Emotionen seien für das organisationale Handeln abträglich, nicht zuletzt deshalb, weil durch Emotionen u. a. das Denken Gefahr laufe, durch die vermeintliche Irrationalität der Emotionen unterbunden zu werden – so das globale Credo vieler ökonomisch-rational orientierter Managementforscher. Erst in jüngster Zeit findet das Emotionsthema auch in der Organisationsforschung zunehmende Beachtung, weil man inzwischen anerkennt, dass Emotionen – neben den Kognitionen der Organisationsmitglieder – für das effiziente organisationale Handeln von entscheidender Bedeutung sind (Ashforth & Humphrey, 1995; Domagalski, 1999; Schallberger & Pfister, 2001; Staw, Sutton und Pelled, 1994; Weiss & Cropanzano, 1996). Die unerlässliche Bedeutung der Emotionen für organisationales Handeln spiegelt sich heute wider in der Vielzahl der Arbeiten zu Themen wie etwa charismatische Führung (z. B. Bass & Avolio, 1993), organisationale Bindung (z. B. Moser, 1996), Mobbing (z. B. Zapf, 1999), Qualitäten der Arbeitszufriedenheit (Wegge & Neuhaus, 2002) oder dem Konzept der Emotionsarbeit (Hochschild, 1990). Häufig wird im Zusammenhang mit diesen Themen untersucht, in welcher Weise Führungskräfte die Emotionen der ihnen unterstellten Mitarbeiter – z. B. deren Selbstkonzept und ihre Identität – beeinflussen. 70
Nach wie vor zu wenig beachtet bleibt erstaunlicherweise der wichtige Aspekt, dass Führungskräfte auch selbst Emotionen erleben. Diese Vernachlässigung ist dadurch erklärbar, dass die Erforschung der Emotionen von Führungskräften grundsätzlich nicht unproblematisch ist: Denn Führungskräfte werden angesichts des zunehmenden Zeit-, Kosten- und Qualitätsdrucks (Gebert, 2002a) nach innen wie auch nach außen – also auch gegenüber der Forschung – das „Bild“ des vermeintlich rational handelnden Managers aufrechterhalten wollen. Zu einem Manager, der sein Handeln zu legitimieren hat, passen schlecht Emotionen, insbesondere solche wie Ärger, Wut oder Furcht. Die Führungskraft wird versuchen, derartige Emotionen zu kontrollieren, so dass sie diese Emotionen zwar weiterhin erlebt, aber nicht mehr im Ausdruck zeigt oder im Falle des konstruktiven Umgangs mit ihren Emotionen, verschiedene Techniken (vgl. Hochschild, 1990, S. 51; Rastetter, 2001, S. 114–118) anwendet, um ihre Emotionen zu regulieren.56 Nichtsdestotrotz resultiert aus der stiefmütterlichen Behandlung der Emotionen von Führungskräften in der Forschung folgendes theoretische Vakuum: Es liegt kaum empirisch fundiertes Wissen über (1) die Struktur der Emotionen von Führungskräften und (2) die Effekte der Emotionen von Führungskräften auf ihr eigenes Verhalten in Organisationen vor. Beide bislang wenig untersuchten Aspekte werden in dieser Arbeit behandelt. Ein zentrales Problem der Emotionsforschung betrifft nun generell die Frage nach der Struktur der menschlichen Emotionen. Mit anderen Worten ist damit das Problem angesprochen, ob und wie sich Emotionen ordnen lassen. Da diese Frage für die Klassifikation der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess ausschlaggebend ist, wird sie im Folgenden durch Rekurs auf strukturelle Emotionstheorien untersucht. Nachdem die für diese Untersuchung gewählte Struktur der Emotionen begründet wird, explizieren die weiteren Ausführungen, in welcher Weise die Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess ihr Innovationsverhalten – Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung – und zwei Komponenten ihres innovationshinderliches Verhaltens – Flucht und intrapsychische Anpassung – beeinflussen.
2.3.2.1 Die Struktur der Emotionen Betrachtet man den Innovationsprozess unter der Perspektive der Emotionen der geführten Führungskräfte, dann mag man an Emotionen denken wie etwa Begeisterung, Mut, Neugier, Freude, Glück, Überraschung aber auch an Bedrohung, Ärger, Wut, Zorn, Neid oder Angst.57 Untersuchungen ergeben Uneinigkeit darüber, auf wie viele Basisdimensionen man die Vielfalt der menschlichen Emotionen zurückführen kann.58 Während einige Untersuchungen eine zweidimensionale Orientierung menschlicher Emotionen nachweisen (Schallberger & Pfister, 2001; Staw, Sutton und Pelled, 1994; Traxel, 1983; Watson & Tellegen, 1985; Wegge & Neuhaus, 71
2002), gelangen andere Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass den menschlichen Emotionen die drei Basisdimensionen Valenz bzw. Evaluation (angenehm – unangenehm), Potenz (stark – schwach) und Aktivierung bzw. Erregung (erregend – beruhigend) zu Grunde liegen (Osgood, Suci und Tannenbaum, 1957, Plutchick, 1991, Wundt, 1904).59 Wenngleich diese dreidimensionale Struktur der Emotionen langanhaltend Befürworter fand, hat es sich heute durchgesetzt, von einer zweidimensionalen Struktur der Emotionen auszugehen (Schmidt-Atzert, 2000, S. 39). Grundlage dieser Orientierung in der Emotionsforschung sind Untersuchungen zu gemischten Strukturmodellen, in denen festgestellt wurde, dass sich Emotionen in einem zweidimensionalen Raum nicht zufällig, sondern kreisförmig um einen neutralen Mittelpunkt verteilen (vgl. Schallberger & Pfister, 2001, S. 180). Es können positive von negativen Emotionen unterschieden werden; neutrale Emotionen hingegen existieren nicht, weshalb die Mitte des Kreises frei bleibt. Die beiden Grunddimensionen der Emotionen Valenz und Aktivierung können in einem Circumplex-Modell abgebildet werden (s. Abbildung 5). Die Pole der Dimensionen Valenz sind positive Valenz vs. negative Valenz bzw. angenehm – unangenehm, die Pole der Dimension Aktivierung sind hohe Aktivierung vs. niedrige Aktivierung bzw. Erregung – Beruhigung. Diese beiden Dimensionen werden mehr oder minder als orthogonal zueinander angesehen (vgl. Schallberger & Pfister, 2001). Das bedeutet, dass eine Person sich angenehm fühlen kann, dabei aber in unterschiedlichem Ausmaß erregt sein kann – von sehr starker Erregung bis hin zu völliger Ruhe. Gleichfalls kann sich eine Person sehr unangenehm fühlen, was ebenfalls mit unterschiedlichen Erregungsgraden einhergehen kann. Betrachtet man die beiden Dimensionen Valenz und Aktivierung integriert, dann ergeben sich die um 45 Grad rotierten Achsen der positiven und negativen Aktivierung, die wiederum als bipolare Dimensionen konzipiert sind (Tellegen, Watson und Clark, 1999, zit. nach Schallberger & Pfister, 2001).
72
Non-Flow
Flow
z. B. gestresst, nervös, verärgert, ängstlich
z. B. begeistert, tatkräftig, euphorisch
Aktivierung
negative Aktivierung
positive Aktivierung
z. B. unglücklich, unzufrieden, traurig
Valenz
z. B. gelangweilt, energielos
z. B. glücklich, zufrieden, fröhlich
z. B. entspannt, ruhig, gelassen
Abbildung 5. Das Circumplex-Modell der Emotionen (modifiziert nach Schallberger und Pfister, 2001, S. 180) Die Dimension positive Aktivierung, ursprünglich als „positive Affekte“ bezeichnet (Watson & Tellegen, 1985), bezieht sich auf positive Emotionen, die mit hoher Aktivierung verbunden sind. Den Gegenpol dieser Dimension bilden negative Emotionen, die mit geringer Aktiviertheit einhergehen. Die Dimension negative Aktivierung, ursprünglich als „negative Affekte“ benannt (Watson & Tellegen, 1985), bezieht sich auf negative Emotionen, die mit hoher Aktivierung verbunden sind. Deren Pendant sind positive Emotionen, die von geringer Aktivierung gekennzeichnet sind. Der Zustand aus positiver Emotionalität und hoher Aktivierung wird auch als FlowErleben bezeichnet (Schallberger & Pfister, 2001, S. 177). Flow ist gekennzeichnet durch ein selbstvergessenes Verschmelzen der Person mit ihrer Tätigkeit, bei der sie sich im Hinblick auf ihre Fähigkeiten weder überfordert (Stress, Angst als Ergebnis) noch unterfordert (Langeweile als Ergebnis) fühlt und durch ihren Schaffensrausch alles um sich herum vergisst (Csikszentmihalyi, 1997), so dass die Tätigkeit als intrinsisch motivierend (s. Kapitel 2.3.1.1) erlebt wird. Aus der Kombination negativer Valenz und hoher Aktivierung resultieren hingegen z. B. Stress, Nervosität, Ärger und Angst. Diese Emotionen liegen in einem sogenannten NonFlow-Quadranten. In einer jüngsten Studie zeigten Schallberger und Pfister (2001), dass Personen in ihrer Arbeit häufiger Flow erleben als in ihrer Freizeit, die hingegen häufiger als die Arbeit durch das Erleben von Langeweile und Energielosigkeit gekennzeichnet ist. Die Arbeit und 73
nicht die Freizeit wird demnach von Personen vorrangig als Quelle positiver Aktivierung erlebt. Dies verdeutlicht einmal mehr, weshalb die Untersuchung der Emotionen von Personen im organisationalen Kontext von unerlässlicher Bedeutung ist. In der vorliegenden Untersuchung bildet das Circumplex-Modell die Grundlage für die Klassifikation der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess. Allerdings werden in Anlehnung an die ursprüngliche Begriffsverwendung von Watson und Tellegen (1985) die Bezeichnungen positive und negative Emotionen verwandt. Empirisch ist belegt, dass im Arbeitskontext im Vergleich zum Freizeitkontext die Emotionen der oberen beiden Quadranten des Circumplex-Modells von größerer Relevanz sind als die Emotionen der unteren beiden Quadranten (Schallberger & Pfister, 2001). Deshalb nimmt die vorliegende Untersuchung auf diese Emotionen Bezug. Die positiven Emotionen in dieser Untersuchung reflektieren demnach Emotionen des rechten oberen Quadranten des Circumplex-Modells, während die negativen Emotionen in dieser Untersuchung solche Emotionen abbilden, die im oberen linken Quadranten des Circumplex-Modells liegen.
2.3.2.2 Konsequenzen der Emotionen für die innovationsbezogenen Verhaltensweisen Emotionen haben verhaltensorganisierende und -regulierende Funktion (Dörner & Stäudel, 1990, S. 326). Denn Emotionen geben Auskunft über die momentane Person-Situation-Interaktion und signalisieren, ob und inwieweit diese verändert werden sollte (Lazarus, 1991). Emotionen bereiten demzufolge die Auswahl konkreter Verhaltensweisen vor (Lazarus, 1991), da sie darüber informieren, ob und inwieweit eine Annäherung an die verfolgten Ziele einer Person realisiert wurde. Nach dem hedonischen Prinzip (Maximierung angenehmer Emotionen/Minimierung unangenehmer Emotionen) gilt generell, dass eine Person in Abhängigkeit von der Valenz des emotionalen Zustandes Appetenzverhalten (Annäherungsverhalten) oder Vermeidungsverhalten zeigt. Positive Emotionen führen hiernach zum Annäherungsverhalten, da eine Person bestrebt ist, diese positive Emotionalität aufrechtzuerhalten bzw. zu maximieren. Aus negativen Emotionen resultiert dagegen Vermeidungsverhalten (objektive oder subjektive Flucht, s. Kapitel 2.3.1.2), da eine Person ihre negative Emotionalität möglichst zu minimieren trachtet (vgl. Higgins, 1997). Eine weitere zentrale Annahme dieser Arbeit lautet, dass die positiven und negativen Emotionen – zusätzlich zu den Kognitionen – der geführten Führungskräfte eigenständige Prädiktoren zur Vorhersage ihres innovationsbezogenen Verhaltens sind. Diese Annahme steht im Einklang mit der ‘Affective-Events’-Theorie (Weiss & Cropanzano, 1996), die u. a. besagt, dass bestimmte Verhaltensweisen (z. B. Erhöhung oder Verminderung des Leistungseinsatzes) das 74
unmittelbare Resultat von Emotionserlebnissen während der Arbeit sind. Auch im Zusammenhang mit der Theorie des geplanten Verhaltens60 (Ajzen, 1991) wurde die eigenständige Vorhersagekraft der Emotionen – zusätzlich zu den Kognitionen – von Menschen empirisch belegt: Ursprünglich geht diese Theorie davon aus, dass Emotionen keinerlei eigenständige, von den Kognitionen unabhängige Wirksamkeit für die Bildung einer Handlungsabsicht haben. In einer Reihe jüngerer Untersuchungen haben Van der Pligt, Zeelenberg, Van Dijk, deVries und Richard (1998) allerdings bestätigt, dass die zusätzliche Berücksichtigung der Emotionen innerhalb der Theorie des geplanten Handelns zu einer signifikant höheren Varianzerklärung und damit zu einer besseren Vorhersage der Verhaltensintention einer Person führt als nur die alleinige Berücksichtigung der Kognitionen. Dabei gilt natürlich, dass die Verhaltensintention61 (Handlungsabsicht) das Verhalten einer Person bestimmt.62 Auch nach Kuhl (1999) hängt die Qualität der Handlungssteuerung u. a. davon ab, ob eine Person momentan positive oder negative Emotionen erlebt. Positive Emotionen fördern nach Kuhl die Umsetzung selbstintendierten Verhaltens, durch negative Emotionen sollen hingegen Verhaltensweisen gefördert werden, welche die Person als „fremdgesteuert“ erlebt. Die Effekte von positiven Emotionen im organisationalen Kontext belegten Staw, Sutton und Pelled (1994, pp. 62–63) in einer Längsschnittstudie an einer Stichprobe von N = 272 Arbeitnehmern: Das Erleben und Ausdrücken positiver Emotionen verbessert die Beurteilung durch den nächsthöheren Vorgesetzten, führt zu besserer Bezahlung und verbessert die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen. Zu bedenken ist, dass die geführte Führungskraft im Innovationsprozess positive und negative Emotionen erleben kann (Krause, 2004). Diese Annahme wird in ähnlicher Form schon von Watson und Tellegen (1985) vertreten; allerdings beziehen die Autoren das Erleben positiver und negativer Emotionen auf den aktuellen Zustand einer Person, nicht wie hier auf den Prozess. Positive und negative Emotionen schließen sich im zeitlichen Verlauf der Innovation nicht aus, sondern können im Innovationsprozess sequenziell auftreten. In welcher Weise sich positive und negative Emotionen speziell auf die Komponenten des Innovationsverhaltens und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen auswirken, ist bislang nicht geklärt. Amabile (1996) konstatiert: ‘The effects of mood on creativity remain unclair’ (p. 239). Erste empirische Hinweise zu dieser Problematik bietet die Untersuchung von Martin und Stoner (1996). In einem experimentellen Setting prüften die Autoren den Zusammenhang zwischen Emotionen und der Ideengenerierung/-prüfung (Kreativität). Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigten, dass sich positive Emotionen förderlich auf die Kreativität auswirken, weil Personen in positiver Stimmung optimistischer sind und ihren Fähigkeiten stärker vertrauen und daher mehr Ideen generieren als Personen in negativer Stimmung. 75
Hier wird davon ausgegangen, dass die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte einen je eigenständigen unabhängigen Erklärungswert für die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte haben. In Analogie zur ZweiFaktorentheorie der Arbeitszufriedenheit (Herzberg, Mausner und Snyderman, 1959) lautet dabei eine weitere Annahme, dass die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte sich in ihrer Wirkung auf ihr Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und ausgewählte innovationshinderliche Verhaltensweisen (intrapsychische Anpassung und Flucht) unterscheiden. Herzberg et al. (1959) differenzieren zwischen sogenannten Satisfiers (Motivatoren/Zufriedenmacher) und Dissatisfiers (Hygienefaktoren/Unzufriedenmacher). Satisfiers treten gehäuft im Zusammenhang mit positiven Emotionen auf und beziehen sich inhaltlich auf z. B. Leistungseinsatz, Anerkennung, interessanten Arbeitsinhalt, Verantwortungsübernahme. Dissatisfiers treten gehäuft im Zusammenhang mit negativen Emotionen auf und beziehen sich inhaltlich auf die Unternehmenspolitik, die Art und Weise der Personalführung, die Beziehung zu Vorgesetzten und Kollegen, das Gehalt und äußere Arbeitsbedingungen. Entgegen der alltagspsychologischen eindimensionalen Konzeption von Arbeitszufriedenheit besteht das Interessante der Zwei-Faktorentheorie der Arbeitszufriedenheit darin, dass man von zwei weitgehend unabhängigen Dimensionen der Arbeitszufriedenheit ausgehen kann: (1) NichtZufriedenheit vs. Zufriedenheit und (2) Unzufriedenheit vs. Nicht-Unzufriedenheit. Der Grad der Nicht-Zufriedenheit vs. Zufriedenheit wird der Theorie zufolge von den Satisfiers bestimmt, während der Grad der Unzufriedenheit vs. Nicht-Unzufriedenheit von den Dissatisfiers abhängt. Überträgt man die 2-Faktorentheorie der Arbeitszufriedenheit auf die Frage, in welcher Form die positiven und negativen Emotionen die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess beeinflussen, dann ergibt sich zum einen, dass das Ausmaß des Erlebens positiver und negativer Emotionen in differenzieller Weise einerseits das Innovationsverhalten und andererseits die ausgewählten innovationshinderlichen Verhaltensweisen beeinflusst (s. Abbildung 6). Die Art der Kombination der erlebten positiven Emotionen und negativen Emotionen ist entscheidend für die Auswahl der Verhaltensweisen (Krause, 2004). Die Kombination des Erlebens starker positiver Emotionen (Flow-Quadrant) und schwacher negativer Emotionen (NonFlow-Quadrant) führt dazu, dass die geführte Führungskraft Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung zeigt. Die Kombination des Erlebens schwacher positiver Emotionen und starker negativer Emotionen führt hingegen dazu, dass die geführte Führungskraft intrapsychische Anpassung oder Flucht zeigt – als Facetten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen. Diese kombinierte Emotionalität der geführten Führungskräfte wird hier als emotionale Komponente der Innovationsgeneigtheit aufgefasst. 76
Positive Emotionen
Negative Emotionen
z. B. Begeisterung Mut Herauforderung Neugier Freude
z. B. Sorge Belastung Ärger Angst Furcht
Positive Emotionen
Negative Emotionen
z. B. Begeisterung Mut Herausforderung Neugier Freude
z. B. Sorge Belastung Ärger Angst Furcht
Ideengenerierung/-prüfung
Implementierung
intrapsychische Anpassung
Flucht
Abbildung 6. Funktion der positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte für ausgewählte innovationsbezogene Verhaltensweisen Anmerkung zur Abbildung 6. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurde in dieser Abbildung auf die Darstellung der zusätzlichen Einflussfaktoren der Implementierung (vgl. Kapitel 2.3.1.3) verzichtet.
Entsprechend dieser Argumentation werden folgende Hypothesen zum Einfluss der Emotionen auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft formuliert: Hypothese 3a-1: Die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung sind jeweils eine Funktion der positiven und negativen Emotionen: Mit Zunahme der Intensität positiver Emotionen steigen Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung, während sie mit Zunahme der Intensität negativer Emotionen sinken. Hypothese 3a-2: Zusätzlich zu den positiven Emotionen erklären die negativen Emotionen (in umgekehrter Richtung) bedeutsame Varianzanteile der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung. Hypothese 3b-1: Intrapsychische Anpassung und Flucht sind jeweils eine Funktion der positiven und negativen Emotionen: Mit Zunahme der Intensität positiver Emotionen sinken Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht, während sie mit Zunahme der Intensität negativer Emotionen steigen.
77
Hypothese 3b-2: Zusätzlich zu den positiven Emotionen erklären die negativen Emotionen (in umgekehrter Richtung) bedeutsame Varianzanteile der intrapsychischen Anpassung und Flucht. 2.3.3 Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte Nicht nur Emotionen, sondern auch Kognitionen bilden den Auslöser für Handlungen (Dörner & Stäudel, 1990; Lazarus, 1999; Weiss & Cropanzano, 1996). „Handlungen werden vom Abbild der Realität, in der man sich jeweils bewegt, beeinflusst und das Abbild der Realität ist Produkt eines kognitiven Prozesses“ (Dörner & Stäudel, 1990, S. 295). Kognitionen haben zusätzlich zur handlungsleitenden und handlungssteuernden auch handlungsrechtfertigende Funktion (Festinger, 1957). Kognitionen und Emotionen sind dabei stets untrennbar miteinander verknüpft (Ashforth & Humphrey, 1995; Gebert, 1980; Lazarus, 1991, 1999; Mandl & Reiserer, 2000) – ein Aspekt, auf den noch zurückzukommen sein wird (s. Kapitel 2.3.4). Die zentrale Annahme, die nachfolgend begründet wird, lautet, dass zum einen die Emotionen und zum anderen die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte eine Funktion ihrer Situationswahrnehmungen sind. Diese Annahme ist abgeleitet aus der kognitiven Stress-Coping-Theorie von Lazarus (1966), die nach ihren Ursprüngen in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts vielfach erweitert wurde (Lazarus, 1991, 1993; Lazarus & Folkman, 1984) und weitreichende Beachtung und Würdigung gefunden hat. Diese Theorie besagt zusammenfassend, dass eine Handlung das Resultat der Person-Situation-Interaktion ist, wobei die Person-Situation-Interaktion davon abhängt, wie die Person ihre derzeitige Situation bewertet. Entscheidend sind hierbei drei Bewertungsprozesse, die als Primary appraisal, Secondary appraisal und Reappraisal bezeichnet werden. Im Primary appraisal schätzt die Person die Situation in Bezug auf verschiedene Dimensionen63 ein (z. B. Aversivität), im Secondary appraisal bewertet sie, in wie weit ihr Ressourcen zur Bewältigung der Situation zur Verfügung stehen, was schließlich in ein Reappraisal, also eine spezifische Neubewertung der Situation mündet. Diese Theorie hat Gebert (1987, S. 941 ff.) auf Innovationsprozesse angewandt, was die Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen zur kognitiven Facette der Innovationsgeneigtheit bildet (s. Abbildung 7). Diese Übertragung der Stresstheorie auf den hier interessierenden Kontext wird im Folgenden dargestellt. Zusätzlich wird diese Übertragung durch folgende Aspekte erweitert: (1) Wie im Kapitel 2.3.2 ausgeführt, finden nicht nur Kognitionen, sondern auch Emotionen explizite Berücksichtigung. (2) Die von Gebert (2002, S. 87) als Konsequenz der Bewertungsprozesse resultierende „innovationsbezogene Initiative“ wird durch die Spezifizierung des Innovations78
verhaltens – Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung – ersetzt (vgl. Kapitel 2.3.1.1). (3) Es wird angenommen, dass die Implementierung durch das Ausmaß von Beurteilungs- und Bewertungs- sowie Verteilungskonflikten sowie Widerstand beeinflusst wird (s. Kapitel 2.3.1.3). Anspruchsniveausteigerung Primary appraisal
Secondary appraisal
Aversivität? Herausforderung?
ja
Situationskontrolle?
Situation Ist die Situation veränderungsbedürftig?
Ist die Situation veränderungsfähig?
ja Ideengenerierung/prüfung ja
Reappraisal: AnspruchsNiveausenkung
Implementierung nein intrapsychische Anpassung
Flucht
Abbildung 7. Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte als Bedingung ihrer innovationsbezogenen Verhaltensweisen (erweiterte Darstellung nach Gebert, 2002a, S. 87) Anmerkung zur Abbildung 7. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurde in dieser Abbildung auf die Darstellung der zusätzlichen Einflussfaktoren der Implementierung (vgl. Kapitel 2.3.1.3) verzichtet.
Diesem Modell zufolge hängt das innovationsbezogene Verhalten der geführten Führungskraft davon ab, wie sie ihre Situation einschätzt (Gebert, 1987, S. 942). Die entscheidende Bedingung für innovationsbezogenes Verhalten ist, dass die geführte Führungskraft die Situation als veränderungsbedürftig (Primary appraisal) und gleichzeitig als veränderungsfähig (Secondary appraisal) einschätzt. Diese Bewertungsprozesse stellen den entscheidenden Schnittpunkt für die Übersetzung der Situationswahrnehmungen – also der kognitiven Komponente der Innovationsgeneigtheit – in konkretes Verhalten dar.
79
ja
2.3.3.1 Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig In einem ersten Bewertungsprozess schätzt die geführte Führungskraft die Situation in Bezug auf ihre Veränderungsbedürftigkeit ein. Einen Veränderungsbedarf kogniziert die geführte Führungskraft dann, wenn sie eine Divergenz zwischen einem Soll-Zustand und einem Ist-Zustand in der betrieblichen Praxis wahrnimmt (Gebert, 1987, S. 942). Der Auslöser des innovationsbezogenen Handelns liegt demzufolge in der Beurteilung der geführten Führungskraft, dass die betriebliche Situation (z. B. die bisherige Weise der Problembewältigung) nicht mit ihren Erwartungen übereinstimmt (Ist-Zustand < Soll-Zustand). Die individuellen Erwartungen der geführten Führungskraft repräsentieren den Soll-Zustand der Situation und hängen vom individuellen Anspruchsniveau (Lewin, Dembo, Festinger und Snedden, 1944) der geführten Führungskraft ab, welches eine dynamische Größe ist. Die entscheidende Voraussetzung für die Wahrnehmung einer Soll-Ist-Diskrepanz besteht darin, dass die Höhe der Abweichung zwischen Soll-Ist ein solches Ausmaß erreichen muss, dass sie die Aufmerksamkeit der geführten Führungskraft auf sich zieht. Bei nur marginalen Abweichungen zwischen dem bestehenden betrieblichen Ist-Zustand und dem erwarteten Soll-Zustand ist demgegenüber damit zu rechnen, dass die Wahrnehmungsschwelle der geführten Führungskraft nicht überschritten und deshalb ein Verharren im Ist-Zustand wahrscheinlich wird. Bleibt hingegen die betriebliche Situation hinter den Erwartungen der geführten Führungskraft zurück, so dass die Wahrnehmungsschwelle überschritten wird, und somit für die geführte Führungskraft ein Veränderungsbedarf vorliegt, so kann sie diese Situation u. a. als Bedrohung (Aversivität) oder als Herausforderung erleben (Lazarus, 1966; Lazarus & Folkman, 1984). Die Höhe der wahrgenommenen Divergenz zwischen dem Soll-Zustand und dem erwartungsnonkonformen Ist-Zustand ist die Determinante für das Ausmaß der beurteilten Veränderungsbedürftigkeit der Situation und den Grad, in dem ein Bedarf an innovativen Verhaltensweisen wahrgenommen wird (Gebert, 2002a, S. 88). Wenn die geführte Führungskraft die betriebliche Situation hingegen nicht als veränderungsbedürftig einschätzt, bleibt Innovationsverhalten aus. Der Grad der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit kann von einer Reihe personbezogener Faktoren abhängen. Zu denken ist etwa an individuelle Erfahrungen, Einstellungen, Überzeugungen, Motive oder Ziele (Lazarus & Folkman, 1984). Hier sollen im Hinblick auf personbezogene Faktoren, welche den Grad der eingeschätzten Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation beeinflussen, ausgewählte Faktoren diskutiert werden, nämlich: –
das Anspruchsniveau,
–
die Motivinhalte und
–
die intrinsische Motivation. 80
Diese personbezogenen Einflussfaktoren der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit werden hier theoretisch, nicht aber empirisch untersucht. Ihnen kommt allerdings erhebliche Bedeutung zu, da angenommen wird, dass die Art des Führungsverhaltens (s. Kapitel 2.4.4.1) zur Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig beiträgt, indem sie die personbezogenen Einflussgrößen der Veränderungsbedürftigkeit auf eine spezifische Weise beeinflusst. Bevor deshalb die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig beschrieben wird, werden zunächst die Zusammenhänge zwischen den ausgewählten personbezogenen Faktoren und der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation erläutert. Damit die geführte Führungskraft die betriebliche Ist-Situation als veränderungsbedürftig kogniziert, ist es notwendig, dass sie bereit ist, das bisherige Vorgehen bzw. die bisherige Situation überhaupt in Frage zu stellen, was impliziert, dass das Anspruchsniveau der geführten Führungskraft an die Soll-Situation zunächst einmal angehoben werden muss (Gebert, 2002a, S. 168). Dieser Prozess der Anspruchsniveauanhebung kann sich schwierig gestalten, wenn die geführte Führungskraft für Mängel der Ist-Situation desensibilisiert ist. Dieser Prozess der zeitlichen Adaptation (Lazarus, 1991) an suboptimale Bedingungen, Vorgehensweisen, Problemlösungen etc. stellt eine Barriere (Van de Ven, 1986) für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig dar, weil Defizite der Ist-Situation von der geführten Führungskraft dann nicht mehr erkannt werden (wollen). In engem Zusammenhang zu diesem Adaptationsprozess stehen weitere Hindernisse für die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit. Gebert (2002, S. 169–173) diskutiert neben der Adaptation folgende Barrieren: Vergangener, kontinuierlicher Erfolg wirkt sich hinderlich auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig aus, weil hierdurch die Neigung steigt, bisherige Vorgehensweisen und Lösungsschemata analog in der Zukunft anzuwenden und kritische Informationen nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen („Erfolg macht zufrieden und blind für Alternativen“) (vgl. Ford, 1996, p. 1116). Ferner haben Menschen neben der Tendenz etwas zu verändern immer auch die Tendenz die Dinge so zu belassen, wie sie sind. Aus dieser „Macht der Gewohnheit im Denken und Handeln“ resultiert, dass die geführte Führungskraft die IstSituation nicht mehr im Hinblick auf Defizite prüft und bisherige Verhaltensmuster beibehält, so dass sich die Gewohnheitsbildung hinderlich auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig auswirkt.64 Zusammenfassend kann ein zu niedriges Anspruchsniveau z. B. aufgrund von Adaptation oder Gewohnheitsbildung dafür verantwortlich sein, dass die Wahrnehmungsschwelle der geführten Führungskraft nicht überschritten wird, und sie die Situation daher nicht als veränderungsbedürftig einstuft. Neben dem Anspruchsniveau dürften die Motivinhalte der geführten Führungskraft das Ausmaß der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation beeinflus81
sen.65 Auch Lazarus (1966) spricht den Motivinhalten einer Person einen entscheidenden Einflussfaktor für das Primary appraisal zu66, denn die Motive bestimmen, in welchem Ausmaß jemand eine Situation z. B. als Herausforderung oder Bedrohung empfindet. Der Zusammenhang zwischen den Motivinhalten einer Person und der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation soll unter Bezugnahme auf das Leistungsmotiv67 (McClelland, 1985) beschrieben werden: Ist bei der geführten Führungskraft das Leistungsmotiv stark ausgeprägt, und zeigt sie daher eine hohe Involviertheit in der Aufgabe, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Soll-Ist-Diskrepanzen in der betrieblichen Realität als Herausforderung interpretiert, da durch den resultierenden Leistungseinsatz und die anschließende Leistungsbewertung dieses Motiv Befriedigung erlangt. Eine solche Führungskraft, die Leistung mit Hoffnung auf Erfolg assoziiert, wird die Situationen eher als veränderungsbedürftig einschätzen, weil sie in dieser Situation das Leistungsmotiv befriedigen kann. Für eine andere Führungskraft kann dieselbe Situation unter Umständen gleichbedeutend mit der Möglichkeit des Versagens sein (Furcht vor Misserfolg) und somit mit der Verletzung des Leistungsmotivs einhergehen, wodurch sie eine solche Situation als Bedrohung einschätzen würde. Um diese aversive Situation zu vermeiden, wird sie in der Ist-Situation weniger Veränderungsbedarf erkennen. Zusätzlich zum Anspruchsniveau und den Motivinhalten hängt der Grad der beurteilten Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation vom Ausmaß der intrinsischen Motivation der geführten Führungskraft ab (Gebert, 2002a, S. 90). Wie schon im Zusammenhang mit der Ideengenerierung/-prüfung deutlich wurde, wird die Tätigkeit dann nicht aufgrund erwarteter Konsequenzen ausgeübt, sondern um ihrer selbst willen, wobei sich intrinsisch Motivierte bei innovativen Aufgaben gefordert fühlen (Amabile et al., 1994). Bei hoher intrinsischer Motivation wird die geführte Führungskraft aufgrund der Verinnerlichung ihrer Tätigkeit Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-Zustand eher erkennen und diese als Herausforderung (Gebert, 2002a, S. 92) interpretieren als bei geringer intrinsischer Motivation. Demzufolge ist sie intrinsisch motiviert, Innovationen zur Veränderung der als veränderungsbedürftig erkannten Ist-Situation zu initiieren. Beurteilt die geführte Führungskraft die betriebliche Situation nun als veränderungsbedürftig, dann nimmt sie einen zweiten Bewertungsprozess vor (Secondary appraisal) – die Einschätzung der Veränderungsfähigkeit der Situation.
82
2.3.3.2 Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig Während sich die Einschätzung im Primary appraisal auf die Bewertung der gegenwärtigen Situation bezieht, dient das Secondary appraisal68 der Analyse von Copingstrategien, also der Ressourcen (Lazarus, 1966, 1991, 1993) zur Bewältigung der u. a. als bedrohlich oder herausfordernd eingeschätzten betrieblichen Situation.69 Die geführte Führungskraft beurteilt die betriebliche Situation im Secondary appraisal im Hinblick auf ihre Kontrollierbarkeit. Für diese Einschätzung des Grades der Kontrollierbarkeit der Situation sind zwei Erwägungen (Gebert, 1987, S. 944) der geführten Führungskraft ausschlaggebend: Die geführte Führungskraft beurteilt zum einen, ob ihr selbst ausreichend Ressourcen (z. B. Handlungsvollmachten, Entscheidungskompetenzen, Autonomie, Zeit, Budget, Mitarbeiter, Qualifikation, Wissen usw.) zur Bewältigung der Situation zur Verfügung stehen (Problembewältigung aus eigenen Kräften). Sofern die geführte Führungskraft ihre eigenen Ressourcen als nicht hinreichend zur Situationsveränderung wahrnimmt, schätzt sie zum anderen ein, inwieweit es aussichtsreich ist, Ressourcen zur Soll-IstReduktion aus anderen Quellen, z. B. durch den nächsthöheren formalen Vorgesetzten, zu beschaffen (Problembewältigung durch die Aktualisierung von Ressourcen anderer). Für diese Bewertung ist die Einschätzung der Beziehung der geführten Führungskraft zu solchen Personen bedeutsam, die über die Verteilung der Ressourcen entscheiden. In Abhängigkeit von der antizipierten Unterstützung durch ressourcenzuordnende Personen wird demzufolge dieser Bewertungsprozess nicht unerheblich beeinflusst. Der Grad, in dem die geführte Führungskraft meint, entweder selbst über Ressourcen zur Bewältigung der betrieblichen Situation zu verfügen oder aber diese Ressourcen beschaffen zu können, bestimmt das Ausmaß, in dem sich die geführte Führungskraft Situationskontrolle zuschreibt (Gebert, 2002a, S. 88). Der Grad der Situationskontrolle der geführten Führungskraft bestimmt, inwieweit die geführte Führungskraft die betriebliche Situation als veränderungsfähig wahrnimmt. Nimmt die geführte Führungskraft hinreichend Situationskontrolle wahr – im Falle des positiven Ausgangs des Secondary appraisal – dann wird aktives innovatives Verhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung unmittelbar wahrscheinlich, ansonsten nicht. Zu bedenken ist dabei die positive Rückkopplung (Gebert, 2002a, S. 89) vom Secondary appraisal zum Primary appraisal: Mit der Zunahme der wahrgenommenen Situationskontrolle, also der erlebten Veränderungsfähigkeit der Situation, steigt das Anspruchsniveau der geführten Führungskraft in Bezug auf die betriebliche Situation, so dass der Soll-Zustand angehoben, der Ist-Zustand hingegen abgesenkt wird (Gebert, 2002a, S. 89). Die Anhebung des Soll-Zustandes resultiert daraus, dass die geführte Führungskraft bei hoher erlebter Veränderungsfähigkeit der Situation qualitativ bessere Alternativen eher wahrnimmt, indem sie soziale Vergleichsprozesse 83
(Festinger, 1954) vornimmt, etwa mit anderen Arbeitseinheiten oder mit anderen betrieblichen Situationen. Mit der Absenkung des Ist-Zustandes aufgrund der in hohem Ausmaß als veränderungsfähig bewerten Situation erhöht sich zugleich das Kritikpotenzial (Gebert, 2002a, S. 89), da Situationsmerkmale der betrieblichen Praxis immer weniger als zwangsläufig hingenommen und als unveränderbare Tatbestände beurteilt werden. Dieses Kritikpotenzial manifestiert sich dabei nicht nur in „kleinkarierter Expertenkritik, sondern auch in sogenannter Fundamentalkritik“ (Gebert, 1987, S. 945), bei der nach Etzioni (1975) auch grundlegende Strategien und Ziele des Unternehmens hinterfragt werden. Diese Anspruchniveauanhebung der geführten Führungskraft spiegelt sich dabei emotional in konstruktiver Unzufriedenheit wider. Dies wird in den Befunden von George und Zhou (2002) deutlich, die in einer Felduntersuchung Organisationsmitglieder unterschiedlicher Aufgabengebiete und hierarchischer Ebenen untersuchten. Den Ergebnissen zufolge stimulieren negative Emotionen die Kreativität der Organisationsmitglieder, während positive Emotionen die Kreativität reduzieren. Diese contraintuitiven Ergebnisse können dadurch erklärt werden, dass negative Emotionen das kritische Potenzial der Organisationsmitglieder erhöhen, so dass sie die Situation stark als veränderungsbedürftig erleben und deshalb Ideen zur Abänderung der Situation produzieren. Durch positive Emotionen hingegen wird die Situation positiv evaluiert, so dass die Organisationsmitglieder nicht motiviert sind, an diesem positiven Status quo Verbesserungen durch entsprechende Ideen herbeizuführen (George & Zhou, 2002, p. 687). Aus der Beschreibung der Wechselwirkung zwischen den Situationswahrnehmungen folgt die nächste Hypothese: Hypothese 4: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der bewerteten Veränderungsfähigkeit der Situation und der bewerteten Veränderungsbedürftigkeit der Situation. Sofern die geführte Führungskraft im Rahmen des Primary appraisal in der betrieblichen Situation Veränderungsbedarf sieht, das Secondary appraisal aber negativ ausfällt – sie sich also weder selbst hinreichende Situationskontrolle zuschreibt, noch die Situationskontrolle über Dritte glaubt herstellen zu können – dann resultiert bei aktivem Verhalten Flucht (s. Kapitel 2.3.1.2). Ist der geführten Führungskraft in dieser Konstellation hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit, aber geringer wahrgenommener Situationskontrolle ein Fluchtverhalten z. B. aus strukturellen, ökonomischen oder sozialen Gründen nicht möglich, dann zeigt sie ein passives resignatives Verhalten: intrapsychische Anpassung (s. Kapitel 2.3.1.2). Kennzeichnend für intrapsychische Anpassung – also Resignation – ist, dass die geführte Führungskraft ihr Anspruchsniveau reduziert (Gebert, 1987, S. 946).70 84
Zur Absenkung des Anspruchsniveaus kann die geführte Führungskraft entweder den betrieblichen Ist-Zustand durch Beschönigung anheben und/oder den Soll-Zustand senken (Gebert, 2002a, S. 88). Diese Prozesse werden als Neubewertung (Reappraisal) der Situation bezeichnet (Lazarus, 1966, 1991, 1993). Durch die subjektiv vorgenommene Beschönigung des IstZustandes und/oder die Reduktion des Soll-Zustandes hat die geführte Führungskraft im Resultat die bedrohliche oder herausfordernde Situation für sich bewältigt. Die ursprünglich als bedrohlich oder herausfordernd eingeschätzte betriebliche Situation verliert den Charakter der Bedrohlichkeit bzw. Herausforderung aus der subjektiven Wahrnehmung der geführten Führungskraft heraus, weil die Soll-Ist-Diskrepanz „eingeschmolzen“ wird und im Zuge des Reappraisals nicht mehr als veränderungsbedürftig interpretiert wird (Gebert, 1987, S. 946). Die Folge dessen ist, dass die geführte Führungskraft nun kein aktives Innovationshandeln mehr zeigt, also Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung nicht mehr zu erwarten sind. Deshalb ist die Wahrnehmung der Situation als unkontrollierbar eine Hürde für innovatives Verhalten dar. Zusätzlich gilt, dass die Erfahrung der Unkontrollierbarkeit auf andere betriebliche Situationen generalisiert werden kann (Gebert, 2002a, S. 88), also auch auf solche Situationen, in denen die geführte Führungskraft Situationskontrolle durch die Aktualisierung eigener oder fremder Ressourcen herstellen könnte, obgleich sie meint, dass dies nicht möglich wäre.71 Die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation hängt nach Gebert (2002, S. 90 und S. 109–117) personbezogen außerdem ab von
–
der Selbstwirksamkeitserwartung (Self-efficacy),
–
der internalen Kontrollüberzeugung (Locus of control)
–
der internalen Kausalattribution von Erfolgen.
Zusätzlich soll hier –
dem Selbstwertgefühl (Self-esteem) als weiterem personbezogenen Faktor der eingeschätzten Veränderungsfähigkeit der Situation Beachtung geschenkt werden.
Diese Einflüsse der ausgewählten personbezogenen Faktoren auf die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der betrieblichen Situation werden nachfolgend geschildert. Analog zu den anderen innovationsbezogenen Konstrukten sind die ausgewählten Einflussfaktoren der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit in dieser Arbeit von theoretischem, nicht aber von empirischen Interesse. Der Grund für die Diskussion dieser Einflussfaktoren besteht darin, dass angenommen wird, dass die Qualitäten des Führungsverhaltens (s. Kapitel 2.4) differenziell die wahrgenom-
85
mene Veränderungsfähigkeit beeinflussen, in dem sie Effekte auf die personbezogenen Bedingungen der Veränderungsfähigkeit haben. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1997) der geführten Führungskraft – verstanden als Glaube der geführten Führungskraft, dass sie die Handlung professionell durchführt – fördert die Wahrnehmung der Veränderungsfähigkeit der Situation (also die Situationskontrolle). Denn mit zunehmender Selbstwirksamkeitserwartung gewinnt die geführte Führungskraft Mut und Zuversicht zur qualifizierten Durchführung innovativen Verhaltens. Die Leistung einer Person ist also nicht nur von den Fähigkeiten der Person abhängig, sondern vom Glauben der Person an ihre Fähigkeiten (Bandura, 1997). Daher wird eine geführte Führungskraft mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung sich eher Situationskontrolle zuschreiben als eine geführte Führungskraft mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung (Gebert, 2002a, S. 112). In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung interessant, in der positive Korrelationen zwischen der Selbstwirksamkeitserwartung von Personen und der eingeschätzten Kontrollierbarkeit der Situation belegt wurden, wobei die zunehmende Selbstwirksamkeitserwartung außerdem in positivem Zusammenhang mit innovativem Verhalten und in negativem Zusammenhang mit wahrgenommener Hilflosigkeit steht (Ashforth & Saks, 2000, p. 322). Personen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung engagieren sich stärker in neuen, unerwarteten und mehrdeutigen Situationen, zeigen zudem stärkeres Interesse und höhere Involviertheit bei ihren Aktivitäten, entwickeln mehr neue Wege zur Zielerreichung und behandeln die auftretenden Probleme in aktiverer Weise als Personen mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung (Ashforth & Saks, 2000, pp. 314–321). Neben der Selbstwirksamkeitserwartung ist die internale Kontrollüberzeugung (Locus of control) der geführten Führungskraft für die Einschätzung der Veränderungsfähigkeit der Situation ausschlaggebend. Rotter (1982) stellt zwei Arten von Kontrollüberzeugungen einer Person einander gegenüber: Bei einer internalen Kontrollüberzeugung meint die Person, dass das erwünschte Handlungsergebnis von der Professionalität ihrer Handlungsdurchführung abhängt, also von ihr selbst kontrolliert wird (z. B. durch Fähigkeiten, Anstrengung). Bei einer externalen Kontrollüberzeugung glaubt die Person hingegen, dass das Handlungsergebnis von anderen, außerhalb der Person liegenden Faktoren kontrolliert wird (z. B. dem Schicksal, den Umständen) und sie es insofern nicht selbst steuern kann. Eine geführte Führungskraft mit einer internalen Kontrollüberzeugung ist also davon überzeugt, dass das Ergebnis des Innovationsverhaltens von ihr selbst und nicht von unkontrollierbaren personexternen Variablen abhängt, wie z. B. den Umständen, Glück, Schicksal, Gott oder dem Zufall. Daher wird sie die Situation eher als veränderungsfähig einschätzen als eine Führungskraft mit externaler Kontrollüberzeugung.
86
Bei Vorliegen einer internalen Kontrollüberzeugung wird eine internale Kausalattribution (Weiner, 1972) wahrscheinlich, die ebenfalls die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig unterstützt. Denn veränderungsbezogen kommt es nicht nur auf den Locus of control an, vielmehr ist gleichzeitig die Kausalattribution entscheidend, also die Frage, wie sich jemand den Erfolg oder den Misserfolg seiner Handlungen ursächlich erklärt (Ursachenzuschreibung). Neben der Dimension der Kontrollierbarkeit (internal vs. external) ist für die Art der Kausalattribution die Dimension der zeitlichen Stabilität (stabil vs. variabel) von Bedeutung (Weiner, 1972). Sowohl Erfolg als auch Misserfolg können demzufolge zum einen internal oder external und zum anderen durch stabile oder variable Ursachen erklärt werden.72 Ein Beispiel soll dies für den Innovationskontext verdeutlichen: Führt jemand den Erfolg oder den Misserfolg seines Innovationsverhaltens auf seine Anstrengung (Krafteinsatz) zurück, dann handelt es sich um eine internale, aber variable Kausalattribution, da Anstrengung ein personabhängiger Faktor ist, der jedoch zeitlich variiert. Für die Einschätzung der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation sind insbesondere die unterschiedlichen Konsequenzen der Art der Kausalattribution relevant, denn diese Konsequenzen beeinflussen die Häufigkeit und Intensität (Ausdauer) innovationsbezogener Verhaltensweisen (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 76). Diese Konsequenzen der Art der Kausalattribution von Erfolg bzw. Misserfolg bestehen in emotionaler Hinsicht in Gefühlen von Stolz oder Scham und in kognitiver Hinsicht in der Beeinflussung der Erfolgserwartung zukünftiger Handlungen (Weiner, 1972). Stolz resultiert bei einem Erfolg dann, wenn der Erfolg auf internale Faktoren attribuiert wird. Außerdem gilt: Je stärker die Ursachen, auf die man das Handlungsergebnis zurückführt stabil sind (z. B. Begabung, Aufgabenschwierigkeit), umso eher hält man es für wahrscheinlich, in der Zukunft Aufgaben ähnlicher Art bewältigen zu können (Erfolgserwartung). Umgekehrt wird die Erfolgserwartung für zukünftige Aufgaben kaum steigen, wenn man die Ursachen des Erfolgs oder Misserfolgs in variablen Faktoren sieht (z. B. Glück, Zufall). Demzufolge dürfte sich in Bezug auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig ein solcher Attributionsstil der geführten Führungskraft als begünstigend erweisen, der den Erfolg des Innovationsverhaltens auf internale und stabile Ursachen zurückführt. Zusätzlich zur Selbstwirksamkeitserwartung, der Kontrollüberzeugung und der Art der Kausalattribution dürfte das Selbstwertgefühl (Self-esteem) der geführten Führungskraft den Grad der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation beeinflussen. Während mit der Selbstwirksamkeitserwartung in der Regel eher kognitive Selbstkonzeptaspekte angesprochen sind, beinhaltet das Selbstwertgefühl eher emotionale Selbstkonzeptaspekte.73 Mit einem positiven Selbstwertgefühl ist das Erleben einer Person gemeint, dass sie selbst Träger eines bestimmten Wertes ist (Higgins, 1989). Ein negatives Selbstwertgefühl ist dagegen mit Minderwertig87
keitsgefühlen verbunden (Epstein, 1993). Hat die geführte Führungskraft ein positives Selbstwertgefühl infolge ihrer Erfahrungen entwickelt, wird sie die Situation eher als veränderungsfähig einschätzen und sich dementsprechend Situationskontrolle zuschreiben als eine andere geführte Führungskraft mit einem niedrigen Selbstwertgefühl. Der Grund hierfür besteht darin, dass der positive Selbstwert der geführten Führungskraft emotional über die Vermittlung von Mut, Optimismus, Begeisterung, etc. die Einschätzung der Kontrollierbarkeit der als herausfordernd eingeschätzten Innovationsaufgabe fördert. Zu bedenken ist dabei, dass Menschen mit einem positiven Selbstwertgefühl das Bestreben haben, ihr Selbstwertgefühl als eine Quelle ihrer Identität zu steigern (Higgins, 1989). Daher wird die Wahrnehmung der Veränderungsfähigkeit der Situation zur Quelle von Erfahrung für die geführte Führungskraft, so dass diese Erfahrung auf das positive Selbstwertgefühl zurückwirkt und dieses stabilisiert. Umgekehrt ist eine Person mit einem negativen Selbstwertgefühl bestrebt, diesen Bestandteil ihres Selbstkonzeptes zu bestätigen, weshalb sie die Unkontrollierbarkeit der Situation als Beleg für ihre Wertlosigkeit interpretiert. Auf diese Weise wirkt die mangelnde Situationskontrolle im Sinne einer ‘Selffulfilling prophecy’ (Merton, 1957) auf das negative Selbstwertgefühl zurück, welches deshalb auch sehr änderungsresistent (Epstein, 1993, S. 18–20) ist. Zusammenfassend wurde argumentiert, dass die Kombination der Situationswahrnehmungen – die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig – der entscheidende kognitive Auslöser innovationsbezogener Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte ist. Diese Situationswahrnehmungen hängen ihrerseits von verschiedenen personbezogenen Faktoren ab: Die Wahrnehmung der Veränderungsbedürftigkeit der Situation wird beeinflusst vom Anspruchsniveau, den Motivinhalten und der intrinsischen Motivation der geführten Führungskraft. Die Wahrnehmung der Veränderungsfähigkeit wird hauptsächlich beeinflusst von der Selbstwirksamkeitserwartung, der internalen Kontrollüberzeugung, dem internalen, stabilen Attributionsstil und dem Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft. Bevor nun die Hypothesen zum Einfluss der Kombination der Situationswahrnehmungen auf die Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte generiert werden können, werden im Folgenden die Beziehungen zwischen den Situationswahrnehmungen, der Motivation aus prozessorientierter Sicht und den Emotionen erarbeitet.
88
2.3.4 Situationswahrnehmungen, Motivation und Emotionen Das nun zu begründende Kernargument lautet, dass die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte nicht nur von den beschriebenen kognitiven Prozessen der Wahrnehmung der betrieblichen Situation abhängen, sondern in spezifischer Weise mit motivationalen und emotionalen Prozessen zusammenhängen. Damit sind zwei Problemfelder angesprochen: Das eine Problem betrifft die Relation zwischen den Situationswahrnehmungen und der Motivation (Prozess), das andere Problem betrifft die Relation zwischen den Situationswahrnehmungen und den Emotionen. Letzteres Problem wird häufig unter dem Stichwort „Kognitions-EmotionsDebatte“ diskutiert (vgl. Dörner & Stäudel, 1990; Lazarus, 1999; Zajonc, 1980; Zajonc, Murphy und Inglehart, 1989). Nahezu alle modernen wissenschaftlichen Kognitions-, Emotions- und Motivationstheorien gehen davon aus, dass Kognition, Motivation und Emotion keine getrennten Prozesse darstellen, sondern miteinander verwoben sind (vgl. Dörner & Stäudel, 1990, S. 294 ff.; Lazarus, 1999; Mandl & Reiserer, 2000, S. 100 ff.).74 Über die Art und Weise der Verknüpfung dieser Konstrukte werden in der bisherigen Forschung allerdings kontroverse Standpunkte vertreten. Da die Art dieser Relationen für die Modellbildung in dieser Arbeit relevant ist, wird zunächst die hier zu Grunde gelegte Verbindung zwischen den Situationswahrnehmungen und der Motivation (Prozess) beschrieben. Anschließend wird basierend auf den kontroversen Standpunkten zur Beziehung zwischen Kognition und Emotion begründet, welchem Standpunkt hier gefolgt wird. (1) Situationswahrnehmungen und Motivation (Prozess) Für die Handlungsauswahl und Handlungsinitiierung, d. h. die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft ist neben der Kognition, die Motivation der geführten Führungskraft ausschlaggebend. Zur Bestimmung der Art der Beziehung zwischen den Situationswahrnehmungen und der Motivation ist es hilfreich, die Erwartungs-Wert-Theorie (Vroom, 1964) heranzuziehen.75 Nach dieser Theorie ist die Motivation (Effort, Leistungseinsatz) eine Funktion der Summe aller Produkte aus dem Wert einer Handlung (Valence), der Erwartung (Expectancy), dass diese Handlung zu vielen gewünschten Ergebnissen erster Ordnung führt (E1, z. B. Qualitätssteigerung) und der Instrumentalität (Instrumentality), d. h. der Erwartung, dass die Ergebnisse erster Ordnung eng verbunden sind mit weiteren Ergebnissen zweiter Ordnung (E2, z. B. Erhöhung des Handlungsspielraums, Anerkennung). Das Auftreten der Ideengenerierung/-prüfung erklärt sich motivationspsychologisch dann daraus, dass die geführte Führungs-
89
kraft dieser innovativen Verhaltensweise einen positiven Wert, also einen Nutzen, zuschreibt und dass sie die Eintretenswahrscheinlichkeit dieses Wertes bzw. des Nutzens für hoch hält. Wenn
man
also
die
„Outputvariablen“
Ideengenerierung/-prüfung,
Flucht
und
intrapsychische Anpassung nicht wie vorstehend aus kognitiver Perspektive betrachtet (s. Kapitel 2.3.3), sondern ihr Entstehen aus Erwartungs-Wert-theoretischer Perspektive analysiert, dann ergibt sich Folgendes: Die geführte Führungskraft wird diejenige innovationsbezogene Verhaltensweise auswählen, für die das Produkt aus Wert und Eintretenswahrscheinlichkeit des Wertes aus ihrer Sicht maximal ist. Insofern liegt der Auswahl zwischen den Verhaltensweisen Ideengenerierung/-prüfung, Flucht und intrapsychische Anpassung eine motivationale Regulation zu Grunde. Unter Bezugnahme auf die Erwartungs-Wert-Theorie kann die Beziehung zwischen den Situationswahrnehmungen und der Motivation (s. Abbildung 8) nun folgendermaßen bestimmt
Motivationale Perspektive
Kognitive Perspektive
werden. Primary appraisal
Secondary appraisal
Aversivität? Herausforderung?
Situationskontrolle?
Ist die Situation veränderungsbedürftig?
ja
ja
Ideengenerierung/prüfung
Ist die Situation veränderungsfähig?
Expectancy Valence z. B. Nutzen
E1 Instrumentality E2
Effort: Ideengenerierung/-prüfung
Abbildung 8. Die motivationale Entsprechung der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte Anmerkung zur Abbildung 8. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurde in dieser Abbildung auf die Darstellung der alternativen innovationshinderlichen Verhaltensweisen (Flucht, intrapsychische Anpassung) sowie die Zusammenhänge zwischen Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung und deren Einflussfaktoren verzichtet.
Nimmt die geführte Führungskraft im Primary appraisal die betriebliche Situation als veränderungsbedürftig wahr (Ist-Zustand < Soll-Zustand), dann steigt der antizipierte Nutzen, den sie mit der Ideengenerierung/-prüfung verbindet (positiver Wert der innovativen Verhaltensweise). 90
Wenn die geführte Führungskraft im Secondary appraisal die betriebliche Situation als veränderungsfähig einschätzt, also entweder sich selbst hinreichend Situationskontrolle zuschreibt oder die Situationskontrolle über Dritte für herstellbar hält, dann steigen die Ergebnis- und Instrumentalitätserwartungen in Bezug auf die Ideengenerierung/-prüfung an. Insofern ist die Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation (kognitiv) durch den Wert (motivational) repräsentiert. Die Veränderungsfähigkeit der Situation (kognitiv) entspricht den Erwartungen der geführten Führungskraft im Hinblick auf die Eintretenswahrscheinlichkeit des Wertes (motivational). Die Betrachtung der Situationswahrnehmungen im Sinne von Lazarus (1966, 1991, 1993) und die Betrachtung der korrespondierenden Motivation im Sinne von Vroom (1964) sind demzufolge zwei Perspektiven auf dieselben Phänomene. Entscheidend für die Hypothesenbildung ist außerdem die Annahme von Vroom (1964), dass der Wert und die Erwartungen multiplikativ miteinander verbunden sind. Das bedeutet, dass sowohl ein positiver Wert als auch die Eintretenswahrscheinlichkeit des Wertes hoch sein müssen, damit Motivation resultiert. Wenn dagegen eine Komponente gleich Null ist, kommt keine Motivation (Leistungseinsatz) zustande. Dies hat Konsequenzen für die theoretische Verknüpfung der Veränderungsbedürftigkeit mit der Veränderungsfähigkeit in dieser Arbeit: Erst durch die Kombination beider Situationswahrnehmungen resultiert Ideengenerierung/-prüfung, d. h. die geführte Führungskraft muss die Situation als veränderungsbedürftig und veränderungsfähig einschätzen (vgl. Gebert, 2002a, S. 89). (2) Situationswahrnehmungen und Emotionen Im Zusammenhang mit der Kognitions-Emotions-Debatte (vgl. Dörner & Stäudel, 1990; Lazarus, 1999; Zajonc, 1980), lautet die nun zu entscheidende Problematik, ob Kognitionen – also die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte – eine Voraussetzung für ihre Emotionen sind oder ob Emotionen die Voraussetzung für ihre Kognitionen sind („Henne-Ei“Problem). In der Literatur finden sich in Bezug auf diese bis in die Antike zurückverfolgbare Debatte insbesondere zwei Positionen: Die eine Position besagt, dass eine Emotion zeitlich der Kognition vorgelagert sein kann (Vorrang der Emotion), also auch ohne die Beteiligung kognitiver Prozesse zustande kommt (Zajonc, 1980). Die contradiktorische Position besagt, dass eine Emotion die Folge vorangegangener Kognitionen ist (Vorrang der Kognition), also Emotionen stets postkognitiv auftreten (Lazarus, 1991, 1993, 1999). ‘As an effect or dependent variable, emotion is the result of appraisals of the significance of what has happened for personal wellbeing. It is always a response to cognitive activity, which generates meaning regardless of how this meaning is achieved. I have taken the strongest position possible, and the most controversial, 91
on the causal role of cognition in emotion, namely, that it is both a necessary and sufficient condition’ (Lazarus, 1991, p. 353). Zur Verdeutlichung dieser Sichtweise bezieht sich Richard Lazarus (1991, p. 352) auf Aristoteles, der meint, dass das menschlichen Denken bestimmt, wie Menschen fühlen. Letztlich beruhen diese zwei gegenteiligen Positionen auf einer unterschiedlichen terminologischen Verwendung der Begriffe Kognition und Emotion (Dörner & Stäudel, 1990, S. 297 f.; Mandl & Reisener, 2000, S. 103). Während Zajonc (1980) den Begriff Kognition für die bewusste Informationsverarbeitung eines Individuums reserviert, fasst Lazarus (1991, 1993) den Kognitionsbegriff breiter und meint damit sowohl bewusste als auch unbewusste Prozesse der Wahrnehmung und Bewertung. Auch der Emotionsbegriff wird von beiden Autoren unterschiedlich verwandt. Zajonc (1980) meint mit Emotion eher Affekt, also die Empfindung eines relativ stabilen emotionalen Zustandes (Emotion im engeren Sinne). Lazarus hingegen fasst Emotion als Prozess auf, der durch Situationswahrnehmungen eingeleitet wird und von physiologischen Prozessen begleitet ist (Emotion im weiteren Sinne). In der vorliegenden Arbeit wird im Hinblick auf die Kognitions-Emotions-Debatte der Position von Lazarus gefolgt und deshalb die Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess als Ergebnis ihrer Wahrnehmungen der betrieblichen Situation interpretiert. Diese Sichtweise ist unter Ausblendung der genannten divergierenden Begriffsverwendungen insofern vereinbar mit der Position von Zajonc, als er inzwischen ausdrücklich darauf verweist, dass komplexe Emotionen, wie z. B. Stolz, nur auf der Basis von kognitiven Prozessen erlebt werden können (Zajonc, Murphy und Inglehart, 1989). Hier wird also davon ausgegangen, dass die kognitiven Prozesse der Wahrnehmung der betrieblichen Situation die Auswahl von Verhaltensweisen aus einem Repertoire möglicher Verhaltensweisen bestimmen und den Emotionen als Resultat der Kognitionen in diesem Prozess eine bedeutsame integrierende und regulierende Funktion (vgl. Dörner & Stäudel, 1990, S. 299) zukommt.76 Während die Kognitionen von Personen dabei wahrnehmungs- und selbstkonzeptbedingten Verzerrungen unterliegen, sind Emotionen unmittelbarer vorhanden und weniger leicht kontrollierbar als Kognitionen. Fasst man Emotionen als postkognitive Phänomene auf, so stellt sich eine nächste Frage, nämlich die nach der Struktur der Emotionen nach den vorangegangenen Kognitionen. Auch für diese Frage finden sich bei Lazarus Ansatzpunkte zu ihrer Beantwortung. In älteren Schriften begreift Lazarus (1966) Emotionen lediglich als Prozesse, die als Folge der vorausgegangen Bewertungsprozesse den konkreten Verhaltensweisen zugeordnet werden können: Aufgrund der im Secondary appraisal als gering eingeschätzten Ressourcen zur Bewältigung einer im Primary appraisal z. B. als bedrohlich eingeschätzten Situation stellt Furcht das emotionale Korrelat des
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Fluchtverhaltens dar, während Angst das emotionale Korrelat der intrapsychischen Anpassung ist.77 Diese Sichtweise hat Lazarus (1991, 1993) in jüngeren Schriften insofern erweitert und modifiziert, als er nicht nur Emotionsprozesse, sondern auch die Struktur der Emotionen anhand einer kategorialen Emotionsbetrachtung einbezieht. Der zentrale Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Annahme, dass sich kategorial 15 verschiedene Emotionen unterscheiden lassen, neun negative Emotionen (Ärger, Angst, Furcht, Schuld, Scham, Trauer, Neid, Eifersucht, Ekel), vier positive Emotionen (Glück, Stolz, Zufriedenheit, Liebe) sowie Hoffnung und Mitgefühl (Lazarus, 1993, p. 12). Jede dieser spezifischen Emotionen sei jeweils das Ergebnis spezifischer Bewertungsmuster. Der Emotionsprozess verlaufe für jede der 15 strukturell unterscheidbaren Emotionen in ganz verschiedener Art und Weise, weil jede Emotion eine spezifische emotionale Bedeutung aufweise, welche die Person in ihrer Interaktion mit der Situation individuell konstruiert. Dargestellt werden diese Bedeutungen in dem Konzept der sogenannten relationalen Kernthemen (Core relational themes), zu deren Bestimmung Lazarus (1991, 1993) die ursprünglichen Dimensionen des Primary und Secondary appraisal erweitert und spezifiziert: Im Rahmen des Primary appraisal werden Situationsbewertungen in Bezug auf Zielrelevanz, Zielstimmigkeit und Art der Ich-Beteiligung genannt. Im Rahmen des Secondary appraisal werden Situationsbewertungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit, des Copingpotenzials und der Zukunftserwartung unterschieden. Durch die Kombination dieser sechs Dimensionen ergebe sich für jede Emotion ein spezielles Muster der Bewertung, welches sich im relationalen Kernthema manifestiert. Kritisch ist an diesem Konzept anzumerken, dass die Basisannahme der kategorialen Unterscheidbarkeit von 15 Emotionen zu bezweifeln ist. Lazarus schreibt selbst (1993, p. 12), dass er „glaubt“, dass 15 Emotionen differenzierbar sind. Betrachtet man die Ergebnisse von empirischen Untersuchungen zur kategorialen Unterscheidbarkeit von Emotionen, dann muss man dem Glauben von Lazarus anzweifeln. In keiner dieser Untersuchungen lassen sich 15 Emotionen klar voneinander abgrenzen. Vielmehr zeigen Faktoren- und Clusteranalysen in verschiedenen Untersuchungen zwischen sechs und 10 kategoriale Differenzierungen der Emotionen (vgl. Schmidt-Atzert, 2000, S. 36–39). Wie viele Emotionskategorien tatsächlich unterschieden werden können, ist also nach wie vor offen. Vor diesem Hintergrund wird dem Kategorienkonzept und dem Konzept der relationalen Kernthemen in der vorliegenden Untersuchung nicht gefolgt. Demgegenüber wird auf der Basis des Circumplex-Modells (s. Kapitel 2.3.2.1) die dimensionale Struktur der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Es wird also nicht die Prämisse aufgestellt, dass jede spezifische Emotion an jeweils andersartig zu kombinierende Bewertungsprozesse gebunden ist, sondern, dass sich positive von negativen Emotionen strukturell unterscheiden. Diese positiven und 93
negativen Emotionen sind das Resultat der zweifach zeitlich vorgelagerten Bewertungsprozesse, Primary und Secondary appraisal. Entscheidenden Prädiktorwert für das Erleben positiver oder negativer Emotionen kommt dabei dem Secondary appraisal, also der eingeschätzten Veränderungsfähigkeit der betrieblichen Situation wie folgt zu: Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation (Ist-Zustand < Soll-Zustand) und hoher Kontrollierbarkeit der Situation (Veränderungsfähigkeit) resultieren positive Emotionen der geführten Führungskraft wie etwa Begeisterung, Mut, Herausforderung, Neugier, Freude. Diese positiven Emotionen sind durch eine positive Valenz und hohe Aktiviertheit im Circumplex-Modell definiert (vgl. Abbildung 5) und liegen deshalb im sogenannten Flow-Quadranten. Bei hoher eingeschätzter Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation aber niedriger Situationskontrolle (Veränderungsfähigkeit) erlebt die geführte Führungskraft hingegen negative Emotionen wie z. B. Sorge, Belastung, Angst oder Furcht, welche aufgrund der spezifischen Valenz und Aktivierung (s. Abbildung 5) nicht im Flow-Quadranten liegen. Diese Annahmen sind in Abbildung 9 dargestellt.
Primary appraisal
Positive Emotionen z. B. Begeisterung Mut Herausforderung Neugier Freude
Veränderungsbedürftigkeit hoch Secondary appraisal Veränderungsfähigkeit hoch
Negative Emotionen
Primary appraisal
z. B. Sorge Belastung Ärger Angst Furcht
Veränderungsbedürftigkeit hoch Secondary appraisal Veränderungsfähigkeit niedrig
Abbildung 9. Positive und negative Emotionen der geführten Führungskräfte als Resultat der Kombination ihrer Situationswahrnehmungen Zusammenfassend wird hier postuliert, dass bei Vorliegen einer als veränderungsbedürftig eingestuften Situation das Ausmaß erlebter Situationskontrolle (Veränderungsfähigkeit) der entscheidende Prädiktor für das Erleben positiver oder negativer Emotionen ist. Das „Henne-Ei“Problem der Kognitionen und Emotionen wird mit Blick auf die Position von Lazarus (1991, 94
1993, 1999) zugunsten der Kognitionen entschieden: Emotionen werden als das Resultat der kognitiven Prozesse angesehen. Aus den Argumentationen des Kapitels 2.3.3 können nun die emotions- und verhaltenssteuernden Hypothesen der kombinierten Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess wie folgt abgeleitet werden: Hypothese 5a: Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation wirkt sich die zunehmende wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf (5a-1) die positiven Emotionen und (5a-2) das Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung aus. Hypothese 5b: Umgekehrt wirkt sich bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation die abnehmende wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf (5b-1) die negativen Emotionen und (5a-2) die innovationshinderlichen Verhaltenweisen in Form von Flucht und intrapsychischer Anpassung aus. Zum einen ist damit die Kombination beider Situationswahrnehmungen für das Erleben der Emotionen und die nachfolgenden innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zentral, zum anderen ist das Ausmaß der Veränderungsfähigkeit, also der eingeschätzten Situationskontrolle für die positiven und negativen Emotionen sowie die innovationsbezogenen Verhaltensweisen bedeutsam. Zusammenfassend wurde im Kapitel 2.3 die Art der Beziehungen zwischen den innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft – einerseits Innovationsverhalten verstanden als Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung und andererseits innovationshinderliche Verhaltensweisen verstanden als Flucht, intrapsychische Anpassung und Widerstand – ihren Emotionen (positive und negative Emotionen) und ihren Situationswahrnehmungen (Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig) untersucht. Nachfolgend steht das Führungsverhalten des nächsthöheren formalen Vorgesetzten der geführten Führungskraft im Zentrum der Betrachtung.
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2.4
Das Führungsverhalten: Führung durch Einfluss und Macht und Führung durch Vertrauen und Misstrauen im Innovationsprozess
Wie bereits der konzeptionelle Bezugsrahmen verdeutlichte (vgl. Kapitel 1.2.3), wird das Führungsverhalten in der vorliegenden Untersuchung einerseits durch Einfluss und Macht, andererseits durch Vertrauen und Misstrauen beschrieben. Die zentrale Argumentation dieses Kapitels lautet, dass die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie der Innovationserfolg durch die Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen differenziell vorhersagbar sind: Während die Wahrnehmung der geführten Führungskräfte der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, ihr Innovationsverhalten (Ideengenerierung/prüfung und Implementierung) sowie der Innovationserfolg durch spezifische Führungsfacetten gefördert werden, werden die negativen Emotionen und ausgewählte innovationshinderliche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte (intrapsychische Anpassung und Flucht) durch spezifische andere Führungsfacetten reduziert. Diese Argumentation wird systematisch auf zwei verschiedenen Abstraktionsniveaus hergeleitet. Das übergeordnete erste Abstraktionsniveau betrifft die grundlegenden Konstrukte sozialer Interaktion: Einfluss und Macht sowie Vertrauen und Misstrauen. Das zweite Abstraktionsniveau betrifft die Tiefenstruktur – also die Grundlagen – von Einfluss und Macht einerseits und Vertrauen und Misstrauen andererseits. Bevor diese zentrale Argumentationsfigur in Form von Hypothesen modelliert werden kann, müssen folgende Fragenkomplexe (Kapitel 2.4.1) besprochen werden: (1) Welche Merkmale sind für Einfluss und Macht kennzeichnend, wie entwickeln sich Einfluss und Macht und wodurch unterscheiden sich diese fundamentalen Interaktionskategorien. (2) Inwieweit sind bisherige Klassifikationen von Einfluss- und Machtgrundlagen zur Klärung der Tiefenstruktur von Einfluss und Macht im Innovationsprozess geeignet? (3) Welche Einfluss- und Machtgrundlagen wirken sich in welcher Weise auf innovationsrelevante Konstrukte aus? Analog werden diese Fragenkomplexe für die Führung durch Vertrauen und Misstrauen behandelt (Kapitel 2.4.2): (1) Welche Merkmale sind für Vertrauen kennzeichnend, wie entwickeln sich Vertrauen und Misstrauen und wodurch unterscheiden sich Vertrauen und Misstrauen als fundamentale Interaktionskategorien voneinander. (2) Inwieweit sind bisherige Klassifikationen von Vertrauensgrundlagen zur Klärung der Tiefenstruktur von Vertrauen und Misstrauen im Innovationsprozess geeignet? (3) In welcher Weise wirken sich Vertrauen und Misstrauen auf innovationsrelevante Konstrukte aus? Die Bearbeitung dieser Fragenkomplexe schließt die Analyse der Beziehungen zwischen Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen ein 96
(Kapitel 2.4.3). Im Kapitel 2.4.4 erfolgt die Analyse der Effekte der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Innovationskonstrukte. Dabei wird pro Innovationskonstrukt untersucht werden, wie sich erstens Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenwirken auf die Situationswahrnehmungen (Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig), Emotionen (positive und negative Emotionen), das Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung, Implementierung) und ausgewählte innovationshinderliche Verhaltensweisen (intrapsychische Anpassung, Flucht) der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg auswirken (Abstraktionsebene I: fundamentale Interaktionskategorien). Zweitens wird analysiert werden, mit welchen Effekten sich zum einen innovationskontextspezifizierte Einflussgrundlagen der Führung (z. B. Expertenwissen) und zum anderen spezifizierte Machtgrundlagen der Führung (z. B. materielle Belohnung) auf die genannten Innovationskonstrukte auswirken (Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht). Ferner werden Konflikte als Determinante der Qualitäten des Führungsverhaltens angenommen und daher – ebenfalls auf beiden Abstraktionsniveaus – die Konsequenzen von Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikten auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess untersucht (Kapitel 2.4.4). Schließlich wird zum Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit das hier entwickelte Modell zusammenfassend beschrieben (Kapitel 2.5). 2.4.1 Einfluss und Macht als Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess Wie schon erwähnt, ist die Einflussnahme des formalen Vorgesetzten (A) gegenüber der ihm unterstellten Führungskraft (B) in der vorliegenden Untersuchung als eine Facette des Führungsverhaltens definiert. Der Grund für die Beschreibung des Führungsverhaltens als Einflussnahme besteht darin, dass Führung dem Ziel der Handlungskoordination der Organisationsmitglieder innerhalb der arbeitsteiligen Organisation dient, um bestimmte organisationale Ziele zu erreichen (Bass, 1990). Diese Koordinationsleistung erreicht Führung durch die Beeinflussung der Einstellungen und/oder der Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder (Bass, 1990, p. 13; Gebert, 2002a, S. 21; Katz & Kahn, 1978, p. 528; Manz et al., 1989, p. 614; Mumford et al., 2002, p. 719; Neuberger, 2002, S. 41; Northhouse, 2001, p. 3; von Rosenstiel, 2001, S. 318; Weibler, 2001, S. 29; Wunderer & Grunwald, 1980, S. 62; Yukl, 2002, pp. 3–4). Insofern besteht eine Konvergenz in der bisherigen Führungsforschung darin, eine Verbindung zwischen Führung und Einfluss anzunehmen. Ferner wird in der vorliegenden Untersuchung das Führungsverhalten als Machtausübung beschrieben. Diese Sichtweise der konzeptionellen Verbindung zwischen Führung und Macht wird von vielen Autoren geteilt (z. B. Barbuto, 2000; Fairholm, 1993; French & Snyder; Hinkin 97
& Schriesheim, 1994; Hollander, 1995; Kipnis & Cosentino, 1969; Liman-Adizes, Raven und Fontane, 1978; Pfeffer, 1992; von Rosenstiel, 1999; Yukl, 2002). Denn: ‘Power is the essence of leadership […]. It is a personal power relationship between one leader and one follower reinterated in a series of one-to-one relationships. These power relationships are constituent parts of organizational (and all) life’ (Fairholm, 1993, p. 18). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Art der Verbindung zwischen Führung und Macht bislang noch immer ungeklärt ist (Gordon, 2002, p. 158), obgleich sowohl zu dem Konstrukt „Führung“ als auch zu dem Konstrukt „Macht“ vielfältige Literatur aus verschiedenen Forschungsdisziplinen (vgl. Hardy & Leiba-O’Sullivan, 1998, pp. 452–462; Sandner, 1992, S. 4 ff.) – insbesondere der Psychologie, der organisationsbezogenen Betriebswirtschaftslehre, der Soziologie und der Politologie vorliegt. Deshalb wird die Art der Korrespondenz zwischen Führung und Macht in der Literatur kontrovers diskutiert. Gordon (2002) kritisiert in diesem Zusammenhang ‘the leadership literature in general […] have ignored the relationship between leadership and power at a deep structure level’ (p. 159). Eine solche Analyse erscheint aber notwendig, denn sowohl für die Führungsforschung als auch für die Machtforschung ist charakteristisch, dass sie in viele Einzeltheorien zersplittet ist.78 Deshalb sind einzelne empirische Resultate widersprüchlich (vgl. Podsakoff & Schriesheim, 1985) und zumeist fehlt eine theoretische Integration dieser Resultate. „Das Machtkonzept scheint geeignet, einige der in der Führungs-Forschung voneinander isolierten, vernachlässigten oder „vergessenen“ Variablen zusammenfassend ins Blickfeld zu rücken“ (Neuberger, 1980, S. 152) und somit zu einer Integration bislang isoliert diskutierter Phänomene der sozialen Interaktion in Organisationen beizutragen. In dieser Untersuchung wird demzufolge das Führungsverhalten des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft als Einflussnahme und Machtausübung angesehen. Der Vorteil einer einfluss- und machtbezogenen Konzeption von Führung besteht u. a. darin, dass nicht nur die Perspektive des Führenden, sondern auch die Perspektive der Geführten beachtet wird. Eine Ursache für das theoretische Vakuum der konzeptionellen Verwandtschaft von Führung und Macht liegt darin, dass die grundlegenden Phänomene sozialer Interaktion wie Einfluss und Macht von verschiedenen Autoren in äußerst heterogener Weise behandelt werden. Dabei ist unklar, (1) was Einflussnahme substanziell von Machtausübung unterscheidet und (2) durch welche Tiefenstruktur sich Führung durch Einfluss und Führung durch Macht auszeichnet (s. Abbildung 10).
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Führung Einfluss Tiefenstruktur
?
Macht Tiefenstruktur
Abbildung 10. Die ungeklärte Relation zwischen Einfluss und Macht und ihrer jeweiligen Tiefenstruktur innerhalb der Dimension Führung Deshalb muss eine Analyse, welche Führung als Einflussnahme und Machtausübung begreift, konsequenterweise zunächst die Gemeinsamkeiten von Einfluss und Macht herausarbeiten, anschließend basierend auf einem sinnvollen theoretischen Kriterium eine Unterscheidung zwischen Einflussnahme und Machtausübung herbeiführen und schließlich die Tiefenstruktur der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht aufklären. Die Differenzierung zwischen Einfluss und Macht ist notwendig, da sich Einflussnahme von Machtausübung qualitativ unterscheidet, was dazu führt, dass die Effekte von Einflussnahme und Machtausübung auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte jeweils andere sind. Die weitere Analyse erfolgt daher in drei Teilschritten. Im ersten Teilschritt werden die Gemeinsamkeiten von Einfluss und Macht anhand ihrer Merkmale herausgearbeitet. Ferner wird gezeigt, worin sich Führung durch Einfluss von Führung durch Macht unterscheidet. Der zweite Teilschritt widmet sich der Tiefenstruktur von Einfluss und Macht – also ihren Grundlagen – und postuliert vor dem Hintergrund eines Vergleichs und einer kritischen Analyse bisheriger Klassifikationen von Einfluss- und Machtgrundlagen die Notwendigkeit der kontextspezifischen Differenzierung der Einfluss- und Machtgrundlagen für den Innovationsprozess. Im dritten Teilschritt wird der Kontextspezifität Rechnung getragen, indem begründet wird, dass eine Führung durch Einfluss (synonym einflussbasierte Führung) im Innovationskontext auf anderen Grundlagen beruht als eine Führung durch Macht (synonym machtbasierte Führung) und insofern die Tiefenstruktur von Einfluss gegenüber der Tiefenstruktur von Macht abzugrenzen ist. Anschließend wird eine innovationskontextspezifische Typologie der Grundlagen der einflussbasierten Führung und der Grundlagen der machtbasierten Führung entwickelt und die Merkmale dieser Grundlagen beschrieben.
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2.4.1.1 Merkmale und Konstruktunterscheidung von Einfluss und Macht Obgleich eine Differenzierung zwischen Einfluss und Macht sinnvoll und notwendig ist (vgl. Barry & Watson, 1996, pp. 272–273), werden diese Begriffe von vielen Autoren (z. B. Argyle, 1990; Cartwright, 1959; Ganter, 1986; Giddens, 1997; Kelman, 1974; Pfeffer, 1992) synonym gebraucht. So definiert z. B. Argyle (1990): „Unter Macht wird hier das Vermögen verstanden, auf das Verhalten anderer Einfluss zu nehmen“ (S. 248). Auch Giddens (1997) nimmt in der Strukturationstheorie79 keine strikte Trennung von Einfluss und Macht vor. Macht konzipiert er vielmehr als einen Handlungsaspekt, was heißt, dass Machtprozesse Bestandteil jeder Interaktion seien, da man sonst nicht mehr von Handeln sprechen könnte. Für Giddens ist demzufolge jedes Handeln mit Machtausübung verbunden: „In der Lage zu sein, ‚anders zu handeln’, bedeutet, fähig zu sein, in die Welt einzugreifen bzw. einen solchen Eingriff zu unterlassen mit der Folge, einen spezifischen Prozess oder Zustand zu beeinflussen. Ein Handelnder zu sein, setzt mithin die Fähigkeit voraus, eine Reihe von Kausalkräften (...) zu entfalten, einschließlich derjenigen, die der Beeinflussung der von anderen entfalteten Kräften dienen. Handeln hängt von der Fähigkeit des Individuums ab, einen ‚Unterschied herzustellen’ zu einem vorher existierenden Zustand oder Ereignisablauf, d. h. irgendeine Form von Macht auszuüben“ (Giddens, 1997, S. 65 f.). Solch breite Begriffsfassungen von Macht sind jedoch für die Unterscheidung der Phänomene Einfluss und Macht contraproduktiv, da dann jedes Verhalten als Einflussnahme bzw. Machtausübung zu betrachten wäre (Scholl, 1991, S. 18). Der Begriff Macht würde überflüssig, da er im Begriff Handlung inkludiert wäre. Erste Hinweise für die Konstruktunterscheidung zwischen Einfluss und Macht finden sich in der in fast allen Texten zum Machtthema zitierten Definition von Weber (1980): „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (S. 28).80 Streicht man das Wörtchen „auch“ in dieser Definition (Scholl, 1991, S. 20), dann ergibt sich, dass Einflussnahme des Vorgesetzten (A) auf die geführte Führungskraft (B) eine Handlung ist, die im Einklang mit den Interessen der geführten Führungskraft steht und deshalb keinen Interessengegensatz bzw. Konflikt zwischen A und B voraussetzt, während Machtausübung des Vorgesetzten (A) auf die geführte Führungskraft (B) eine Handlung ist, die im Widerspruch zu den Interessen der geführten Führungskraft (B) steht und daher an einen Interessengegensatz bzw. an einen Konflikt zwischen A und B gebunden ist. Machtausübung ruft daher ‘Resistance’ (French & Raven, 1959) bzw. Gegenmacht hervor. Allerdings wird dieser Abgrenzung von Einfluss und Macht in der vorliegenden Untersuchung nicht vollends gefolgt. Der Grund hierfür liegt in dem diffusen Begriff der „Interessen“ 100
(Leflaive, 1996, p. 31). In konkreten Interaktionssituationen ist es kaum möglich, dass der Vorgesetzte (A) die Interessen des Unterstellten (B) vollständig kennt bzw. zu identifizieren in der Lage ist, denn dies würde voraussetzen, dass der Vorgesetzte sich stets durch Perspektivenübernahme in die Sicht des B eindenkt, bevor er (A) handelt und auch solche Interessen des B zur Kenntnis nimmt, die B möglicherweise selbst nicht benennen kann. Denn es „ist zu unterscheiden zwischen subjektiven Interessen, die man auf Nachfrage berichtet bekommt, und objektiven Interessen, die vielleicht der handelnden Person selbst vorborgen geblieben sein können“ (Neuberger, 1995a, S. 34, Hervorh. i. Orig.). Ferner sind Interessen dynamisch – sie verändern sich also im Zeitverlauf – und setzen sich aus multiplen Elementen (Subinteressen) zusammen (Leflaive, 1996, p. 31), so dass auch Fälle vorstellbar sind, in denen jemand gegensätzliche Interessen verfolgt. Im Gegensatz zum Begriff der „Interessen“ ist es demnach angemessener, von den aktuellen Handlungsintentionen eines Akteurs zu sprechen. Auf diesen Punkt wird noch zurückgekommen. (1)
Merkmale der Führung durch Einfluss und Macht
Mit Blick auf die Weber’sche Machtdefinition81, welche bedeutsame Charakteristika der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht vereint, lassen sich verschiedene Richtungen in der Machtforschung verfolgen. Macht wird von Weber gesehen als „Chance“, was impliziert, dass Macht ein Potenzial darstellt, welches nicht unbedingt genutzt werden muss. Vielmehr sei die bloße Nutzungsmöglichkeit gleichzusetzen mit Macht. Daraus entwickelte sich innerhalb der Machtforschung der Vorschlag, Macht als Fähigkeit (z. B. Cartwright, 1959; Etzioni, 1975; Fairholm, 1993; Hinkin und Schriesheim, 1994; Thibaut & Kelley, 1959) bzw. Macht als Eigenschaft einer Person zu begreifen. Faktoren, die jemanden zur Macht prädestinieren, sind – diesem Ansatz zufolge – z. B. sein Charisma (Weber, 1980), dass es ihm ermöglicht, in den Besitz dieser Chance zur Willensdurchsetzung zu gelangen. Da Charisma sich u. a. auch als individuelle Qualität des Akteurs verstehen lässt, erscheint es innerhalb dieses theoretischen Rahmens schlüssig, sich bei der Erforschung von Einfluss und Macht auf die Fähigkeiten des A zu konzentrieren. Allerdings ist dieser Ansatz insofern problematisch, als Person B als austauschbarer Platzhalter angesehen wird. Betrachtet man Einfluss und Macht als Fähigkeit bzw. Eigenschaft, so ergibt sich die Frage, zu welchem Grad Einfluss und Macht als stabile Faktoren betrachtet werden können, die Akteur A besitzt, wie z. B. ein Fahrrad. Es ist offensichtlich, dass ein derartiger Besitz erst dann zur Einflussnahme oder Machtausübung relevant wird, wenn eine andere Person (B) das Fahrrad benötigt, um z. B. einen Ausflug zu unternehmen. Gleichzeitig verdeutlicht dieses Beispiel, dass 101
Einfluss und Macht keineswegs von überdauernder Stabilität sind, denn B kann seinerseits ein Fahrrad erwerben. Damit hängen Einfluss und Macht des A nicht nur von seinen verfügbaren Ressourcen ab, sondern von der Nachfrage dieser Ressourcen durch Person B und B’s Möglichkeit, die nachgefragten Ressourcen von alternativen Interaktionspartnern zu beschaffen (Thibaut & Kelley, 1959). Person B kann die knappen Ressourcen ebenfalls mobilisieren, Fähigkeiten oder Besitz erwerben.82 Einfluss und Macht sind also immer das Resultat einer zweiseitigen Beziehung zwischen A und B – ein Aspekt der häufig unter dem Stichwort der Relationalität von Einfluss- und Machtbeziehungen diskutiert wird (z. B. Fairholm, 1993, p. 7; Hardy & Leiba-O’Sullivan, 1998, pp. 462–463; Neuberger, 1980, S. 154–157; Remer, 1992, Sp. 1271; Sandner, 1992, S. 92 ff.) und sich ebenfalls aus der Machtdefinition Weber’s ableiten lässt („innerhalb einer sozialen Beziehung“). Akteur B muss also in die Beziehung zu A einwilligen und bestimmte Ressourcen, über die A verfügt, nachfragen. Die Abhängigkeit der Einflussnahme und Machtausübung von der Nachfragesituation verdeutlicht, dass Einfluss- und Machtbeziehungen stets einer Dynamik unterliegen. Macht ist somit kein Attribut eines Akteurs, sondern die Eigenschaft einer sozialen Beziehung (Emerson, 1962; Etzioni, 1975; Hardy & Leiba-O’Sullivan, 1998; Mintzberg, 1983; Neuberger, 1980).83 Die geführte Führungskraft übernimmt in ihrer Beziehung zum Vorgesetzten keine passive, sondern eine aktive Rolle, denn auch B hat Handlungsfreiräume. Damit wird „Macht erst durch den Akt der Akzeptierung durch den Unterlegenen real“ (Neuberger, 1980, S. 154). Erst wenn B die Relation mit A eingeht, kann A Einfluss oder Macht ausüben. Dabei werden in der Interaktion die spezifischen Bedingungen des Ressourcenaustausches zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft ausgehandelt. Demzufolge gilt, dass auch B über Alternativen verfügt und die Möglichkeit hat, aktiv Gegenmacht aufzubauen, weil auch er über Ressourcen verfügt, die der Vorgesetzte nachfragt (z. B. sich unentbehrlich macht, indem er Spezialkenntnisse ansammelt). Grundsätzlich beruhen Einfluss- und Machtbeziehungen also immer auf Gegenseitigkeit – ein Aspekt, den Giddens (1997) als ‘Dialectic of control’ bezeichnet. In der Regel ist die Einfluss- oder Machtbeziehung zwischen A und B aber unausgewogen (Friedberg, 1980), denn häufig besteht in der A-B-Dyade ein Machtgefälle. Damit kommen spezifische Bedingungen der Über- und Unterordnung (Dominanz/Submission) ins Spiel.84 Gleichzeitig verdeutlicht das Konzept der Relationalität von Einfluss- und Machtbeziehungen, dass derartige Beziehungen stets intransitiv (Friedberg, 1992, S. 41 f.) sind. D. h. sofern A Macht oder Einfluss gegenüber B ausübt und B Macht oder Einfluss gegenüber C ausübt, ist daraus nicht abzuleiten, dass A auch gegenüber C Macht oder Einfluss ausüben kann.
102
In diesem Zusammenhang ist auf eine weitere Differenzierung in der Machtforschung einzugehen, die ebenfalls auf die Definition von Weber (1980) zurückgeht. Sie betrifft die Frage der Potenzialität, also die Unterscheidung zwischen potenzieller und aktualisierter Macht (Cartwright, 1959; Collins & Raven, 1969; Etzioni, 1975; Raven, 1992). Mit potenzieller Macht wird das Verhältnis aller A zur Verfügung stehenden Ressourcen im Vergleich zu allen verfügbaren Ressourcen von B bezeichnet. Aktualisierte Macht betrifft demgegenüber alle von A in einer konkreten Situation eingesetzten Ressourcen im Verhältnis zu den von B eingesetzten Ressourcen (vgl. Sandner, 1992, S. 84–89; Schneider, 1978, S. 6–10). Nun kann man fragen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die verfügbaren Ressourcen in einer aktuellen Situation tatsächlich eingesetzt werden. Da die Mobilisierung von Ressourcen Kosten mit sich bringen, z. B. in Form der Überwindung von Widerstand, wird jeder der Beteiligten versuchen, möglichst wenig Ressourcen in einer konkreten Situation einzusetzen. Mit anderen Worten: Jeder Akteur kalkuliert, ob und inwieweit er den jeweils anderen zur Einstellungsund/oder Verhaltensänderung veranlassen kann, ohne hierbei jedoch allzu hohe Kosten auf sich nehmen zu müssen. Dabei gilt, dass A umso eher Macht einsetzen wird, je ungleicher die Verteilung der Machtgrundlagen zwischen A und B ist (Kipnis, 1976). Ferner gilt, dass mit Zunahme des Machtpotenzials einer Person auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese Person ihr Potenzial in für B restriktiver Weise nutzt (Scholl, 1999, p. 115). Der Grund hierfür liegt darin, dass Macht korrumpiert (Kipnis, 1976; Snyder & Kiviniemi, 2001). Cartwright (1959) sowie Collins und Raven (1969) ersetzen den Begriff der aktualisierten Macht durch den Begriff Einfluss und verstehen Einfluss als die Nutzung von Machtpotenzialen. Macht definieren sie demgegenüber als das Potenzial zur Einflussnahme. Diese Unterscheidung wird in der vorliegenden Untersuchung nicht zu Grunde gelegt. Von Führung durch Einfluss und Führung durch Macht soll demgegenüber nur dann gesprochen werden, wenn der Vorgesetzte seine potenziellen Ressourcen in einer konkreten Situation gegenüber der geführten Führungskraft auch einsetzt. Im Hinblick auf den Einsatz von Ressourcen zur Einflussnahme oder Machtausübung und vor dem Hintergrund des Relationalitätskonzepts ist auf ein weiteres Merkmal von der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht hinzuweisen: die Abhängigkeit (Fairholm, 1993, p. 11–13; Hardy & Leiba-O’Sullivan, 1998, p. 462). Sowohl einflussbasierte Führung als auch machtbasierte Führung ist an Abhängigkeit gebunden. Nach Emerson (1962, p. 32) ist die Abhängigkeit des B von A zum einen direkt proportional den motivationalen Investitionen des B in Ziele, die A vermittelt, und zum anderen umgekehrt proportional der Verfügbarkeit dieser Ziele außerhalb der Beziehung zu A. Je abhängiger B von A ist, umso größer ist der Einfluss oder die Macht des A über B. 103
Dieses Konzept der Abhängigkeit findet sich in ähnlicher Form schon bei den Austauschtheoretikern Thibaut und Kelley (1959). Hiernach nimmt B einen Kosten-Nutzen-Vergleich vor, wobei er dann die Beziehung mit A eingeht, wenn er gemessen an seinem individuellen Anspruchsniveau (‘Comparison level’) einen hohen materiellen und/oder immateriellen Nutzen zu vergleichsweise geringen materiellen und/oder immateriellen Kosten aus der Beziehung mit A erwartet. Gleichzeitig schätzt B ein, ob und inwieweit er diesen Nutzen von alternativen Personen zu welchen Kosten (‘Comparison level for alternatives’) erhalten kann, wobei die Verfügbarkeit und Relevanz dieser Alternativen von B gewissermaßen in Rechnung gestellt werden. Die Abhängigkeit des B von A ist demzufolge umso höher, je weniger Alternativen aus B’s Sicht verfügbar und relevant sind, den von A antizipierten Nutzen zu gleichen oder geringeren Kosten von anderen Bezugspersonen zu erhalten. Umgekehrt gilt: Je mehr Alternativen B hat, die nachgefragten Güter aus einer anderen Beziehung zu bekommen, desto niedriger ist die Überlegenheit des A und damit sein Einfluss und seine Macht. Weiterhin geht es bei der Präzisierung der Begriffe Führung durch Einfluss und Führung durch Macht um die Frage, ob unter Einfluss und Macht lediglich solche Verhaltensweisen verstanden werden sollen, die der Vorgesetzte absichtlich ausführt oder ob auch jenes der Einflussnahme und Machtausübung zuzurechnen ist, was als unbeabsichtigte Nebenfolge der Handlung auftritt – also die Frage der Intentionalität von Einfluss und Macht (vgl. Cartwright, 1965, p. 11; Fairholm, 1993, pp. 8–9). Auch diese Debatte in der Machtforschung ging aus der Definition von Weber (1980) hervor, denn Weber hebt explizit die Durchsetzung des „...eigenen Willens...“ des Akteurs A hervor und betont damit, dass Einflussnahme und Machtausübung als intentionales Handeln verstanden werden müssen. Konzipiert man die Begriffe Einfluss und Macht als handlungstheoretische Konstrukte, so stellt das Kriterium der Absicht kein Problem dar, denn Handeln ist als absichtliches Tun oder Unterlassen definiert (vgl. Dörner & Stäudel, 1990). Die Bindung von Einfluss und Macht an das Kriterium der Intentionalität wirft allerdings neue Fragen auf. So ist es vorstellbar, dass einem Projektleiter von seinem Vorgesetzten während des Innovationsprozesses gekündigt wird, und er nachfolgend arbeitslos ist – was zweifelsfrei eine intendierte Machtausübung darstellt. Für den resultierenden Zustand der Arbeitslosigkeit ist es dabei wenig von Belang, warum er entstanden ist. Möglicherweise hat dem Vorgesetzten die Krawatte des Projektleiters nicht mehr gefallen. Der Zustand der Arbeitslosigkeit des Projektleiters kann aber auch der völlig unbeabsichtigte Sekundäreffekt einer Fusion zweier Unternehmen sein. Haben nun aber intendierte und nicht-intendierte Handlungskonsequenzen denselben Effekt, dann bleibt zu fragen, ob nicht auch die nicht-intendierten Handlungskonsequenzen in die Begriffe Einfluss und Macht aufzunehmen sind. Folgt man dieser Argumentation, dann würde 104
jedoch auch z. B. dem Erfinder einer neuen Maschine Einfluss und Macht zugesprochen, wenn dessen Erfindung die Konsequenz hätte, dass dadurch Arbeitsplätze abgebaut werden – was der Erfinder wohl kaum beabsichtigt haben dürfte. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es nicht sinnvoll ist, die unbeabsichtigten Handlungsfolgen zum Definitionsmerkmal für einflussbasierte und machtbasierte Führung zu erheben, da Einfluss und Macht dann so weit gefasst würden, dass jegliches Handeln unter diese Kategorien fällt. Demgegenüber ist es zweckmäßiger, Einfluss und Macht auf solche Handlungen so beschränken, die intentional herbeigeführt werden. Damit stellt das Kriterium der Absicht ein wesentliches Merkmal sowohl der Führung durch Einfluss als auch der Führung durch Macht dar. Die konstitutiven Merkmale der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht stellt zusammenfassend Abbildung 12 dar. Neben diesen Merkmalen unterscheidet sich Führung durch Einfluss aber auch von einer Führung durch Macht, was nachfolgend diskutiert wird.
Verfügen über und Nachfrage von Ressourcen
Relationalität
Merkmale der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht
Abhängigkeit
Intentionalität
Abbildung 11. Merkmale der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht (2)
Unterscheidung der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht
Ein Unterscheidungskriterium zwischen Einfluss und Macht wird häufig in dem Konfliktkriterium gesehen (Hardy & Leiba-O’Sullivan, 1998, p. 453; Sandner, 1992, S. 74–77; Schneider, 1978, S. 10–15). Auch dieses Kriterium ist bereits in der Definition von Weber implizit enthalten, denn Machtausübung kann nach Weber (1980) „auch gegen Widerstreben“ der geführten Führungskraft erfolgen. Dieser Teilsatz in der Weber’schen Definition löste in der Machtforschung die heftige Diskussion um das Problem aus, ob Macht stets einen Interessengegensatz, also einen Konflikt zwischen A und B (vgl. Kapitel 2.4.1.1) voraussetzt oder nicht. Weber geht davon aus, dass für das Vorhandensein von Macht nicht notwendigerweise ein Interessengegensatz bzw. ein Konflikt zwischen den Beteiligten vorliegen muss, was durch das Wort „auch“ 105
deutlich wird. Sowohl freiwillige als auch unfreiwillige Einwilligung durch die unterlegene Person kann demnach Macht bewirken. Aus dieser Konzeption entwickelte sich zum einen die konfliktorientierte Machtforschung (z. B. Cartwright, 1965; Dahl, 1957; French & Raven, 1959; Pfeffer, 1992; Raven, 1992), die einen manifesten Konflikt (vgl. Kapitel 2.1.2.4) als Bedingung für Prozesse der Macht annimmt, weil A sonst keinen Grund zur Machtausübung hätte. Contradiktorisch wird zum anderen in der non-konfliktorientierten Machtforschung (z. B. Etzioni, 1975; Mintzberg, 1983) postuliert, dass Machtausübung nicht notwendigerweise einen Konflikt zwischen den Akteuren voraussetzt. In dem Versuch, Licht in diese Thematik der Konfliktgebundenheit der Macht zu bringen, erscheint die Macht-Einfluss-Differenzierung von Scholl (1999, pp. 103–104) plausibel: Macht (synonym: Restrictive control) wird von ihm als ein Prozess beschrieben, der im Widerspruch zu den Interessen des B erfolgt und insofern an einen Konflikt zwischen A und B gebunden ist. Einfluss (synonym: Promotive control) wird dagegen als Prozess beschrieben, der im Einklang mit den Interessen des B erfolgt und deshalb keinen Konflikt zwischen A und B impliziert. Vorstehend wurde bereits angesprochen, dass der Begriff der „Interessen“ missverständlich und unpräzise ist, weshalb er hier durch den Begriff „aktuelle Handlungsintentionen“ ersetzt wird. Übereinstimmend mit Scholl (1991) und Buschmeier (1995) wird hier davon ausgegangen, dass Führung durch Macht stets einen Konflikt voraussetzt, also an die Unvereinbarkeit der aktuellen Handlungsintentionen zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft gebunden ist. Führung durch Einfluss impliziert hingegen, dass kein Konflikt zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft vorliegt, also die aktuellen Handlungsintentionen der Beteiligten im Falle von Einfluss kompatibel sind. Hilfreich zur Unterscheidung von Einfluss und Macht und demnach der Gedanke der unterschiedlich starken Restriktivität (Scholl, 1999) der Einflussnahme bzw. Machtausübung. Diesem Konzept zufolge unterscheiden sich bestimmte Formen der Machtausübung und Einflussnahme im Grad, in dem durch ihre Anwendung der Handlungs- und Entscheidungsfreiraum des B eingeschränkt wird (Buschmeier, 1995; Scholl, 1999). Machtausübung hat demnach stark restriktiven Charakter, während Einflussnahme wenig restriktiv ist. Eine ähnliche Unterscheidung zwischen Einfluss und Macht findet sich in dem Konzept der Autonomie bei Abell (1977, pp. 5– 18). Der Betroffene B ist nach Abell dann autonom, wenn er mehrere mögliche Handlungsalternativen und mehrere Mittel zur Zielerreichung wahrnimmt und kritisch die Wahl bestimmter Mittel und Ziele bewerten kann. Einfluss ist nach diesem Autonomiekonzept als Prozess zu verstehen, bei dem die Autonomie des B aufrechterhalten oder erhöht wird, weil A einen positiven mentalen Veränderungsprozess bei B in Gang setzt und B für seine eigenen aktuellen Handlungsintentionen sensibilisiert. Macht ist diesem Ansatz zufolge als Prozess zu beschreiben, bei 106
dem die Autonomie des Betroffenen (B) eingeschränkt wird, weil A die Präferenzen, Einstellungen, Gefühle und/oder das Wissen des B durch entsprechende Sanktionsmittel verändert und somit B’s Wahrnehmung des Spektrums an Handlungsalternativen sowie die Mittel zur Zielerreichung einschränkt oder die Bewertung seiner Ziele und Mittel verändert. Zusammenfassend wurde in diesem Kapitel vor dem Hintergrund der gemeinsamen Merkmale von Einfluss und Macht (Verfügen über und Nachfrage von Ressourcen, Relationalität, Intentionalität, Abhängigkeit) diskutiert, dass Einflussnahme von Machtausübung durch das Kriterium der Handlung im Einklang oder im Widerspruch mit den aktuellen Intentionen des B abzugrenzen ist. Demnach können die Begriffe Führung durch Einfluss und Führung durch Macht nun für die vorliegende Untersuchung wie folgt definiert werden: Führung durch Einfluss (synonym einflussbasierte Führung) wird in Anlehnung an Raven (1990) definiert ‘as a change in the belief, attitude, or behavior of a person (the target of influence) which results from the action, or presence of another person (the influencing agent)’ (p. 495), die im Einklang mit den aktuellen Handlungsintentionen des B erfolgt. Führung durch Macht wird definiert als Änderung der Überzeugungen, Einstellungen und/oder Verhaltensweisen des B, die aus der Handlung und/oder Anwesenheit des Vorgesetzten A resultiert und im Gegensatz zu den aktuellen Handlungsintentionen des B steht. Nachfolgend wird gefragt, welche Ressourcen bzw. Grundlagen es sind, derer sich der Vorgesetzte zur Einflussnahme oder Machtausübung gegenüber der geführten Führungskraft bedienen kann. Diese vergleichende und zugleich kritische Analyse mündet in die Ableitung innovationskontextspezifischer Einfluss- und Machtgrundlagen und führt zu der Frage, welche Art der Einstellungs- und/oder Verhaltenänderung bei B durch einflussbasierte Führung und durch machtbasierte Führung hervorgerufen wird.
2.4.1.2 Klassifikationen der Einfluss- und Machtgrundlagen Nimmt der Vorgesetzte (A) gegenüber der geführten Führungskraft (B) Einfluss oder übt er gegenüber B Macht aus, so kann er hierbei verschiedene Ressourcen bzw. Grundlagen einsetzen (Krause & Klöhn, 2002), die in der Literatur unterschiedlich klassifiziert werden (s. Tabelle 6). Angesprochen sind damit die Tiefenstrukturen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht. Wie unschwer zu ersehen ist, unterscheiden sich diese Klassifikationen der personalen Einfluss- und Machtgrundlagen (bzw. Machtquellen, Machtbasen oder Machtressourcen) u. a. in der Anzahl, Bezeichnung und Abgrenzung der Grundlagen. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass prinzipiell alle Grundlagen sowohl zur Einflussnahme als auch zur Machtausübung geeignet sind (Scholl, 1991). 107
Im Rahmen der personalen Machtgrundlagen85 ist auf die nunmehr klassische Typologie von French und Raven (1959) sowie ihre Erweiterung (Raven, 1965) zu verweisen, die auf feldtheoretischen Annahmen (Cartwright, 1959) beruht. In dieser Typologie werden sechs Machtgrundlagen unterschieden: Belohnung, Bestrafung86, Legitimation, Identifikation, Expertenwissen und Information. Besondere Beachtung verdient indes die aktuellere, spezifizierte Typologie der Einfluss- und Machtgrundlagen nach Raven (1992) sowie Raven, Schwarzwald und Koslowsky (1998, p. 314), in der auf der theoretischen Ebene 11 Machtgrundlagen unterschieden werden.
108
utilitaristische
Belohnung
Belohnung
Patchen (1974)
Galbraith (1987)
Mulder et al. (1986)
Lattmann (1982)
Wunderer & Grunwald (1980)
Schneider (1978)
Krüger (1976)
Bestrafung
Bestrafung
Bestrafung
koerzive
Zwang
Bestrafung
phys. Gewalt
Bestrafung
Bestrafung
Belohnung
Bestrafung
Sanktionen
Belohnung
Belohnung und Zwang
Belohnung
Sanktionen
Ressourcenkontrolle
Belohnung
Thamhain & Gemmil (1974)
utilitaristische
Lehmann (1969)
Belohnung
Bestrafung
Belohnung und
Anreiz
Tedeschi & Lindskold (1976)
koerzive
Mittelkontrolle
Gamson (1968)
Marwell & Schmitt (1967)
Cartwright (1965)
Raven (1965)
Kelman (1961; 1974)
Etzioni (1961)
Identifikation
Identifikation
Identifikation
Identifikation
Attraktivität
Anerkennung
Freundschaft
(normative)
Attraktivität
Identifikation
Information
Information
Information
Expertenwissen
Konditionierung
Offenheit
Sachkenntnis
Sachkenntnis
Sachkenntnis
Information
Sachkenntnis
Sachkenntnis
Expertenwissen
Wissen
(Überredung)
Sachkenntnis
Information
Sachkenntnis
Sachkenntnis
(symbolische ) Attraktivität
Sachkenntnis
Sachkenntnis
Identifikation
Belohnung
French & Raven (1959)
Bestrafung
Machtgrundlagen
Simon (1957)
Anerkennung
Belohnung und Bestrafung
Autor(en)
Idee
le
situative Kontrol-
Eingebundenheit
prozessuale
Herausforderung
Überredung
ökologische
symbolische
Fortsetzung auf nächster Seite
Rechtmäßigkeit
Legitimation
Legitimation
Status
Legitimation
Legitimation
normative
Legitimation
Autorität
Legitimation
Legitimation
Legitimation
Tabelle 6. Zusammenstellung der Klassifikationen der Grundlagen von Einfluss und Macht (erweiterte Darstellung nach Sandner, 1992, S. 27–28)
Bestrafung)
Belohnung und Bestrafung
Expertise
Information
Glaubwürdigkeit
Expertenwissen und Identifikation
Information
(Expertenwissen und Information)
Koalitionen
sation
soziale Organi-
Zuständigkeit
Positionsmacht
antwortung
der sozialen Ver-
norm, c) Norm
Reziprozitäts-
keitsnorm, b)
a) Gerechtig-
Legitimation d.
Positionsmacht
Netzwerkmacht
Legitimation
Positionsmacht
Identifikation, Charisma)
personale Macht (Expertenwissen, Überzeugungsfähigkeit,
Expertenmacht
Referenzmacht (persönliche Macht)
Identifikation
Identifikation/Charisma
Netzwerkressourcen
Netzwerkmacht
Legitimation
Anmerkungen. Die terminologische Spaltengleichheit bedeutet nicht immer eine vollständige inhaltliche Gleichheit. Die Spaltengleichheit weist aber zumindest auf eine hohe inhaltliche Ähnlichkeit der Grundlagen zwischen verschiedenen Autoren hin. Chronologische Darstellung.
immaterielle und materielle
Nachtigall (2002)
Sanktionsmacht
fung)
(Belohnung und
(Belohnung
Sanktionen
und Bestra-
immaterielle
materielle
Sanktionen
Sanktionsmacht
Bestrafung
Krause, Boerner, Lanwehr und
Blickle, Wittmann und Röck (2002)
Raven et al. (1998)
(1997)
Pikal, Diebold und Flemming,
Blickle Hepperle, Hoeschele, Klein,
Belohnung
Fachkompetenz
Fairholm (1993)
Persönlichkeit
Belohnung
Gierschner (1991)
Bestrafung
Wissen
Expertenmacht
Fähigkeiten
Positionsmacht (Legitimation, Belohnung, Bestrafung, Information)
Sanktionsmacht
Ressourcenkontrolle
Yukl & Falbe (1991)
Ansari (1990)
Mintzberg (1983)
Fortsetzung Tabelle 6
Diese 11 Machtgrundlagen sind: (1) immaterielle Belohnung: beruht auf der Gewährung immaterieller Güter, wie z. B. Lob, Anerkennung, emotionale Unterstützung. (2) materielle Belohnung: beruht auf der Gewährung materieller Güter, wie z. B. Gehaltserhöhung, positive Personalbeurteilung, Beförderung, Firmenwagen, die in der Summe extrinsischen Anreizwert für B haben. (3) immaterielle Bestrafung: beruht auf dem Entzug immaterieller Güter z. B. durch Diffamierung, Bloßstellung des B vor Dritten, B ignorieren oder kritisieren. (4) materielle Bestrafung: beruht auf dem Entzug materieller Güter, wie z. B. Gehaltskürzung, negative Beeinflussung der Karrieremöglichkeiten des B, Entlassung, negative Personalbeurteilung, Zuweisung unbeliebter Arbeiten. (5) Legalität: als Sonderform der Macht durch Legitimation (Raven et al., 1998, p. 310), gründet sich auf B’s Akzeptanz der Position des A innerhalb der Organisationsstruktur (Positionsmacht). Legalität des A findet dann statt, wenn sich B allein aufgrund seiner Rolle verpflichtet fühlt, den Vorstellungen des A zu entsprechen. Diese Form der Einwirkung wurde von Cialdini (1997) als „Autoritätsdruck“ bezeichnet und spielt eine besondere Rolle in den Gehorsamsexperimenten von Milgram (1974). (6) Legitimation durch die Reziprozitätsnorm: gründet sich auf B’s Überzeugung, dass es A rechtmäßig zusteht, von ihm etwas zu verlangen oder an ihn bestimmte Ansprüche zu stellen, und dass er seinerseits diesen Erwartungen nachzukommen hat. Diese Erwartungen und Ansprüche basieren auf der Reziprozitätsnorm (Tit for Tat, vgl. Andersson & Pearson, 1999; Gouldner, 1984; Sheldon, 1999), die B internalisiert hat. (7) Legitimation durch die Gerechtigkeitsnorm: gründet sich auf B’s Internalisierung der Gerechtigkeitsnorm. Nach Adams (1963) stuft eine Person eine Situation dann als gerecht ein, wenn das Verhältnis des Input und Output des A dem Verhältnis des Input und Output des B in dieser Situation entspricht. Eine Verschiebung dieser Entsprechung zu Lasten des A oder auch zu Lasten des B wird dagegen von B als ungerecht bzw. unfair empfunden. (8) Legitimation durch die Norm der sozialen Verantwortung: gründet sich auf B’s Internalisierung der Norm der sozialen Verantwortung (Berkowitz, 1972), die besagt, dass man „Schwächeren“ Hilfe zuteil werden lässt. Wirkt A auf B ein, indem er an diese Norm des B appelliert, dann kann dieses Verhalten auch als ‘Power of the powerless’ bezeichnet werden. (9) Identifikation: gründet sich auf den Wunsch des B, sich der Person A in Erlebens- oder Handlungsweisen anzugleichen. Hervorzuheben ist, dass die Identifikation weder A noch B bewusst sein muss. 111
(10) Expertenwissen: beruht auf überlegenem Wissen und/oder überlegenen Fähigkeiten des A. Dabei handelt es sich nicht nur um tatsächlich vorhandene/s Wissen bzw. Fähigkeiten des A, sondern auch Wissen bzw. Fähigkeiten, die B dem A zuschreibt. (11) Information: gründet sich auf Informationen, die A an B weitergibt. French und Raven (1959, p. 163) subsumieren in ihrer Erstfassung die Machtgrundlage Information noch unter der Grundlage Expertenwissen. Raven (1965, p. 372) führt Information als eigenständige Grundlage ein. Der Unterschied zum Expertenwissen wird darin gesehen (Raven & Rubin, 1983, p. 442; Raven, 1992, p. 219), dass Einfluss bzw. Macht durch Information von A, dem Informationsübermittler, unabhängig ist, während Expertenwissen an A gebunden ist. Auch diese Typologie der Einfluss- und Machtgrundlagen ist in mehrerer Hinsicht kritisch zu betrachten. Eine Kritik bezieht sich auf die Inkonsistenz in der perspektivischen Konzeption (vgl. Sandner, 1992, S. 22). Während einige Grundlagen ihren Ausgangspunkt bei A haben (z. B. Belohnung, Bestrafung); haben andere Grundlagen ihren Ausgangspunkt bei B (Identifikation, alle Grundlagen der Legitimation), d. h. innerhalb der Typologie wird die Perspektive der Betrachtung gewechselt. Der Hauptkritikpunkt betrifft allerdings die bislang immer noch ungeklärte Frage der Abgrenzbarkeit einzelner Einfluss- und Machtgrundlagen (vgl. Sandner, 1992, S. 23 ff.).87 Beispielsweise ist es umstritten, inwieweit Belohnung und Bestrafung überhaupt separierbar sind. So ist es im Einzelfall schwer entscheidbar, ob eine Belohnung oder eine Bestrafung vorliegt (Raven et al., 1998, p. 315). Das Zurückhalten einer Belohnung könnte bereits eine Bestrafungsmaßnahme bedeuten; umgekehrt kann das Zurückziehen einer Bestrafung eine Belohnungsmaßnahme darstellen (vgl. Krause et al., 2002, S. 130–131). Ebenfalls wird die Frage kontrovers diskutiert, inwieweit Expertenwissen und Information substanziell trennscharfe Grundlagen der Einflussnahme oder Machtausübung darstellen (vgl. Krause & Boerner, 2001; Krause et al., 2002). Die mangelnde Abgrenzbarkeit und insofern die Überdifferenzierung der Einfluss- und Machtgrundlagen-Typologie (Raven, 1992; Raven et al., 1998) kommt auch empirisch zum Ausdruck. Denn empirisch konnten Raven et al. (1998, pp. 313–321) die 11 Einfluss- und Machtgrundlagen nicht reproduzieren. Faktorenanalysen zeigten vielmehr sieben SurfaceFaktoren (immaterielle Belohnung/immaterielle Bestrafung, materielle Belohnung/materielle Bestrafung, Legitimation durch die Gerechtigkeits- und Reziprozitätsnorm, Legalität, Expertenwissen/Information, Identifikation und Legitimation durch die Norm der sozialen Verantwortung) und zwei Source-Faktoren (harte und weiche Machtgrundlagen).
112
Im Hinblick auf die Grundlagen Belohnung und Bestrafung ist interessant, dass nicht vier Faktoren extrahierbar sind – wie Raven et al. (1998) theoretisch annehmen – sondern lediglich zwei Faktoren empirisch bestätigt werden können. Das entscheidende Differenzierungskriterium der Grundlagen Belohnung und Bestrafung könnte demzufolge die Dimension materiell vs. immateriell darstellen, denn auf einem Faktor laden alle Items der immateriellen Belohnung und Bestrafung, während auf einem anderen Faktor alle Items der materiellen Belohnung und Bestrafung laden. Außerdem sind in der empirischen Überprüfung die Grundlagen Expertenwissen und Information nicht trennbar. Auch zwischen Legitimation durch die Gerechtigkeitsnorm und Legitimation durch die Reziprozitätsnorm sind empirisch keine Unterschiede festzustellen. Ein weiterer Kritikpunkt an der oben dargestellten Einfluss- und MachtgrundlagenTypologie gründet sich auf die Annahme, dass in unterschiedlichen Untersuchungskontexten die Anzahl empirisch nachweisbarer Einfluss- und Machtgrundlagen variieren. Aus diesem Grund haben Krause et al. (2002) u. a. die Anzahl der Einfluss- und Machtgrundlagen im Orchesterkontext mit Hilfe konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft. Im Orchesterkontext besteht Grund zur Annahme, dass die Anzahl der Machtgrundlagen von der Klassifikation nach Raven (1992) bzw. Raven et al. (1998) abweicht. Um die Struktur der im Orchester eingesetzten Machtgrundlagen zu überprüfen, wurden sukzessive Modelltests gerechnet. Im ersten Schritt wurde das Sechs-Faktorenmodell der Machtgrundlagen im Sinne von Raven (1965) und das GeneralFaktormodell der Machtgrundlagen im Orchester getestet, bei dem sämtliche Varianz auf einen einzigen Faktor zurückgeführt wird. Im zweiten Schritt wurde ein Fünf-Faktorenmodell der Machtgrundlagen des Dirigenten getestet, weil die Machtgrundlagen immaterielle und materielle Belohnung und Bestrafung verwandte Kategorien sind und deshalb zusammengefasst werden können. Das Fünf-Faktorenmodell der Machtgrundlagen im Orchester wurde entsprechend durch die Machtgrundlagen immaterielle und materielle Belohnung/Bestrafung, Positionsmacht, Identifikation, Expertenwissen und Information repräsentiert. Entsprechend der empirischen Faktorstruktur (Source-Factors) von Raven et al. (1998) wurde im dritten Schritt ein ZweiFaktorenmodell getestet, das zwischen harten Machtgrundlagen und weichen Machtgrundlagen unterscheidet. Im vierten Schritt wurde ein Vier-Faktorenmodell der Machtgrundlagen im Orchester überprüft, weil neben der inhaltlich-substanziellen Verwandtschaft von immaterieller und materieller Belohnung und Bestrafung im Orchester eine enge Verknüpfung der Machtgrundlagen Expertenwissen und Identifikation angenommen werden kann.88 Der enge Zusammenhang von Expertenwissen und Identifikation im Orchester lässt sich dadurch erklären, dass Orchestermusiker in ihrer Ausbildung primär auf eine Solistenkarriere vorbereitet werden. Sie verstehen sich deshalb als professionell und identifizieren sich daher mit einem ebenfalls professionellen Dirigenten, dem sie hohe Expertenmacht zuschreiben. Die Wahrnehmung von Expertenwissen 113
führt daher zu einer größeren Attraktivität des Dirigenten und begünstigt somit parallele Identifikationsmacht. Das Vier-Faktorenmodel wird dementsprechend durch die Machtgrundlagen immaterielle und materielle Belohnung/Bestrafung, Positionsmacht, Identifikation und Expertenwissen/Information repräsentiert. Tabelle 7. Anpassungsgüte der Modelle zur Struktur der Machtgrundlagen im Orchesterkontext (nach Krause, Boerner, Lanwehr und Nachtigall, 2002, S. 130) Kennwerte Modell
df
F2
p
119
977.13
< .0001
.76
.69
117
951.95
< .0001
.79
.73
109
699.40
< .0001
.86
.81
42
202.89
< .0001
.95
.83
80
177.60
< .05
.95
.91
GFI
AGFI
RMSEAb
a
General-Faktormodell der Machtgrundlagen Sechs-Faktorenmodell
.14
der Machtgrundlagen Fünf-Faktorenmodell
Vier-Faktorenmodell
.12
.09 .07
der Machtgrundlagen
.14
.11 .10
der Machtgrundlagen
.15
.13 .12
der Machtgrundlagen Zwei-Faktorenmodell
.14
.10
.05 .04
.06
Anmerkungen. AGFI: Adjusted Goodness of Fit Index. F 2: Chi-Quadrat-Wert. GFI: Goodness of Fit Index. df: Freiheitsgrade. RMSEA: Root-Mean-Square Error of Approximation. p: Wahrscheinlichkeit. a Bei der Testung aller Modelle wurden jeweils korrelierte Faktoren angenommen. b Unterhalb der Punktschätzung des RMSEA ist jeweils das Konfidenzintervall angegeben.
Wie Tabelle 7 zeigt, sind das Sechs-Faktorenmodell, das G-Faktormodell, das FünfFaktorenmodell und das Zwei-Faktorenmodell der Machtgrundlagen im Orchester unter Berücksichtigung aller Indikatoren der Anpassungsgüte unbefriedigend, weshalb diese Modelle verworfen werden konnten. Demgegenüber wies das Vier-Faktorenmodell der Machtgrundlagen im Orchester unter Berücksichtigung aller Indikatoren der Modellanpassung eine akzeptable Anpassungsgüte auf. Obwohl theoretisch sechs (Raven, 1965) bzw. 11 Machtgrundlagen (Raven, 1992; Raven et al., 1998) unterscheidbar sind, lassen sich im Orchester damit empirisch vier Machtgrundlagen nachweisen: Expertenwissen/Identifikation, immaterielle und materielle Belohnung/Bestrafung, Legalität (Positionsmacht) und Informationsmacht. Dies weist nochmals auf die Variabilität der Anzahl unterscheidbarer Einfluss- und Machtgrundlagen in Abhängigkeit vom Untersuchungskontext hin. Ein weiterer Hauptkritikpunkt an der vorgestellten Einfluss- und MachtgrundlagenTypologie von Raven (1992) und Raven et al. (1998) bezieht sich auf die theoretische Kernfrage der Selektionskriterien gerade dieser und nicht anderer Einfluss- und Machtgrundlagen (Gebert
114
& von Rosenstiel, 2002, S. 180; Sandner, 1992, S. 25). Dieses Kriterienproblem löst Raven bis heute nicht (vgl. Raven, 1999). Die Auswahl der Einfluss- und Machtgrundlagen sollte sich an dem spezifischen Untersuchungskontext orientieren, denn in Abhängigkeit vom Kontext sind spezifische und jeweils andere Machtgrundlagen bedeutsam. Bereits Dahl (1957) weist implizit auf die Notwendigkeit der Entwicklung kontextspezifischer Typologien der Einfluss- und Machtgrundlagen hin. Zudem zeigt die bisherige Machtforschung, dass die Machtgrundlagen in verschiedenen Untersuchungsfeldern in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt werden (s. Tabelle 8). Während z. B. im Krankenhaus die Machtgrundlagen Information, Legalität, Expertenwissen und Legitimation durch soziale Verantwortung die wichtigsten Machtgrundlagen darstellen (Raven et al., 1998), werden Schüler von ihren Lehrern hauptsächlich durch immaterielle und materielle Belohnung und Bestrafung beeinflusst (Koslowsky & Schwarzwald, 1993, p. 139). Im Orchester wird Legalität (Positionsmacht) am stärksten eingesetzt gefolgt von Information (Krause et al., 2002). In Unternehmen werden dagegen die Machtgrundlagen Expertenwissen und Identifikation am häufigsten eingesetzt (Frost & Stahelski, 1988; Yukl & Falbe, 1991; Yukl, Kim und Falbe, 1996). Vor diesem Hintergrund ist für die vorliegende Untersuchung eine solche Einfluss- und Machtgrundlagen-Typologie erforderlich, die erstens auf den Innovationskontext „zugeschnitten“ ist, zweitens die Grundlagen von Einflussnahme und Machtausübung disjunkt abbildet und drittens die vorgestellte Differenzierung zwischen einflussbasierter Führung und machtbasierter Führung berücksichtigt. Ferner ist zu bedenken, dass die Grundlagen von Einfluss und Macht selten isoliert eingesetzt werden (vgl. Bachmann & Lane, 1997; Barry & Watson, 1996; Hinkin & Schriesheim, 1989; Kipnis, 1990; Manz et al., 1989; Witte, 1993; Yukl, 2002), sondern vielmehr in Kombination miteinander. Daher ist es schwierig, Prozesse der Einflussnahme und Machtausübung auf das Wirken einer einzigen Grundlage zurückzuführen. Die Art der kombiniert eingesetzten Einfluss- und Machtgrundlagen ist insbesondere im Innovationskontext bislang ungeklärt. Generell liegen zu der Problematik des kombinierten Einfluss- und Machtgrundlageneinsatzes jedoch Befunde vor: Koslowsky und Schwarzwald (1993, pp. 138–139) zeigen, dass die Grundlagen Belohnung, Bestrafung und Expertenwissen häufiger einzeln eingesetzt werden, während Legitimation häufiger im Zusammenhang mit Information und Identifikation Anwendung finden. Dabei variiert der Einsatz kombinierter Machtgrundlagen situations- und statusabhängig.89
115
Orchester Krause, Boerner, Lanwehr und Nachtigall (2002) Unternehmen Blickle et al. (1997)
Schule Koslowsky & Schwarzwald (1993)
Krankenhaus Raven, Schwarzwald und Koslowsky (1998)
Kontext/Studie
M SD RP
M SD RP
N = 201 Berufstätige unipolare 5-fach gestufte Antwortskala Beeinflussung gegenüber Unterstellten
M SD RP
M SD RP
M SD RP
N = 436 Orchestermusiker unipolare 7-fach gestufte Antwortskala
Beeinflussung des Lehrers durch den Schüler
N = 89 bipolare 5-fach gestufte Antwortskala Beeinflussung des Schülers durch den Lehrer
N = 101 Mitarbeiter des Gesundheitswesens unipolare 7-fach gestufte Antwortskala
Stichprobe/ Stufung der Antwortskala 3.21 1.51 10
-.99 .56 4
.16 .81 1
2.1 1.2 j 3
2.14 1,28 4
3.86 1.35 6 3.22 1.50 9
-.46 .94 3
.14 1.23 2
3.37 1.22 8
4.89 1.37 1
5.01 1.22 2
2.6 1.1 2k
.10 .93 1
-.52 1.00 4
3.62 1.46 7 2.84 1.24 11 4.55 1.18 4
3.31 1.50 3
-
-
-
4.01 1.26 5
-
3.83 1.76 2
-
-
5.53 1.35 1
Fortsetzung auf nächster Seite
3.2 1.4 1
-.23 .98 2
.07 .84 3
4.71 1.23 3
Machtgrundlage und Rangfolge ihres Einsatzes in verschiedenen Kontextena Legitimation ExperBelohnung Bestrafung Identi- Informatenfikation tion immb matc immd mate Posf Rezig Gerh soVi wissen
Tabelle 8. Einsatz der Machtgrundlagen in verschiedenen Kontexten
N = 464 Führungskräfte/Mitarbeiter unipolare 5-fach gestufte Antwortskala Beeinflussung der Unterstellten durch Vorgesetzte
Yukl & Falbe (1991)
M SD RP
M SD RP
M SD RP M SD RP
M SD RP
n RP
2.2 .9 4.5
3.2 1.1 5
2.4 1.0 4 7.1 2.8 4
2.4 1.2 4
52 6
1.8 .8 6
3.4 1.3 4
5.2 1.8 5
-
54 5 274 1
2.2 .9 4.5
4.4 .8 1
3.2 .8 2 7.3 2.8 3
2.9 .8 3
138 4
3.3 .9 2
3.5 1.0 3
2.6 .7 3 12.7 2.4 1
3.0 .8 1.5
167 3
4.0 .8 1
3.8 1.1 2
3.3 .8 1 10.9 2.2 2
3.0 .7 1.5
47 7
2.9 .8 3
3.1 .8 6
-
-
174 2
Anmerkungen. M = Mittelwert. N = Gesamtstichprobenumfang. n = Teilstichprobenumfang. SD = Standardabweichung. RP = Rangplatz. a Die Rangfolgen wurden jeweils anhand der, in den Studien berichteten Mittelwerte bzw. Häufigkeiten erstellt. b immaterielle Belohnung. c materielle Belohnung. d immaterielle Bestrafung. e materielle Bestrafung. f Positionsmacht. g Legitimation durch Reziprozität. h Legitimation durch Gerechtigkeit. i Legitimation durch soziale Verantwortung. j In der Originalstudie als Sanktionsmacht bezeichnet. k In der Originalstudie als Netzwerkmacht bezeichnet. l Aufgrund abweichender Machtgrundlagenklassifikationen konnte die in der Originalstudie berücksichtige Machtgrundlage ‘Ecological control’ (n = 69) in dieser Darstellung nicht abgebildet werden. m Aufgrund abweichender Machtgrundlagenklassifikationen konnten die in dieser Studie berücksichtigten Machtgrundlagen ‘Persuasive’, ‘Charisma’, ‘Essential’ und ‘Enjoyable’ nicht in diese Übersicht aufgenommen werden.
Beeinflussung der Kollegen
N = 122 Vorgesetzte 13-fach gestuftes Ranking
Beeinflussender
N = 502 Berufstätige Qualitative Analyse von N = 975 Macht-und EinflussSituationen l N = 195 Führungskräfte/Mitarbeiter unipolare 3-fach gestufte Antwortskala Zielperson
Frost & Stahelski (1988)
Yukl, Kim und Falbe (1996) m
Buschmeier (1995)
Des Weiteren gibt es Hinweise dafür, dass Legitimation gewissermaßen qualifizierend auf andere Einfluss- und Machtgrundlagen wirkt. Durch eine Meta-Analyse ist belegt (Carson, Carson und Roe, 1993, p. 1156), dass Legitimation positiv mit wahrgenommenen Belohnungen und Bestrafungen, Expertenwissen und Identifikation zusammenhängt. Belohnungen gehen ihrerseits sowohl wahrgenommenem Expertenwissen als auch der Identifikation voraus. Mit anderen Worten: Die einstellungs- und verhaltensbezogenen Effekte von Belohnung und Bestrafung für B sind nachhaltiger, wenn ihr Einsatz von B als legitimiert beurteilt wird. Wahrgenommene Legitimation führt darüber hinaus zur Zuschreibung von Expertenwissen und zu Identifikation. Interessant ist ferner die strukturgleichungsanalytisch belegte Beziehung (Carson et al., 1993, p. 1152) zwischen Belohnung und Bestrafung: Die Entziehung von Belohnung (z. B. Zurückhalten von Lob und Anerkennung) wird von B zwar als Bestrafung wahrgenommen. Die Entfernung von Bestrafung (z. B. Ausmerzen unangenehmer Arbeitsbedingungen) wird von B hingegen nicht als Belohnung wahrgenommen.90 Zusammenfassend wurde in diesem Kapitel nach der vergleichenden Beschreibung verschiedener Klassifikationen der Einfluss- und Machtgrundlagen argumentiert, dass die Einflussund Machtgrundlagen-Typologie von Raven (1992) und Raven et al. (1998) modifikationsbedürftig ist, insbesondere weil die Anzahl unterscheidbarer Grundlagen unklar ist, und keine klaren Kriterien für die Auswahl der Einfluss- und Machtgrundlagen vorliegen. Es wurde vorgeschlagen, die 11-fache Einfluss- und Machtgrundlagen-Typologie kontextspezifisch zu adaptieren, weil die Grundlagen in Abhängigkeit vom Untersuchungskontext von unterschiedlicher Relevanz sind. Vor dem Hintergrund dieser Argumentationsfigur wird nachfolgend erstens basierend auf theoretischen Überlegungen differenziert, welche Grundlagen zur einflussbasierten Führung und welche Grundlagen zur machtbasierten Führung im Innovationsprozess relevant sind. Zweitens werden aus der Einfluss- und Machtgrundlagen-Typologie von Raven (1992) und Raven et al. (1998) bestimmte Einfluss- und Machtgrundlagen ausgewählt, deren Analyse für die hier betrachteten abhängigen Variablen der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft sowie den Innovationserfolg besonders bedeutsam erscheint (kontextspezifische Relevanz als Selektionskriterium). Drittens werden die Einfluss- und Machtgrundlagen innovationskontextspezifisch adaptiert und die Grundlage „immaterielle Belohnung“ für diesen Kontext differenziert.
118
2.4.1.3 Herleitung und Beschreibung relevanter Einfluss- und Machtgrundlagen im Innovationsprozess Wie im Kapitel 2.4.1.1 begründet wurde, wird in der vorliegenden Untersuchung Führung durch Einfluss von Führung durch Macht dadurch unterschieden, dass Einflussnahme in Übereinstimmung mit den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft erfolgt, während Machtausübung im Widerspruch zu den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft steht. Deshalb wird sich die Art der resultierenden Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung des B bei einer Führung durch Macht und bei einer Führung durch Einfluss unterscheiden. Aus der Tradition der Konformitätsforschung heraus, lässt sich ableiten, dass die resultierende Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung des B in Form von Compliance (äußere Folgsamkeit), Identification (innere Einwilligung) oder Internalization (innere Verinnerlichung) in Erscheinung treten kann (Kelman, 1961, pp. 62–71). Im Falle von Compliance akzeptiert B das Verhalten des A, weil B direkt oder indirekt positive Ressourcen des A erlangen und negative Ressourcen des A zu vermeiden sucht. Da die individuellen Wertvorstellungen des B jedoch nicht oder nur teilweise mit den Wertvorstellungen des A übereinstimmen, d. h. die Einstellungs- und/oder Verhaltenänderung unabhängig vom persönlichen Glauben des B ist, verhält sich B lediglich äußerlich im Sinne der Intentionen des A – und zwar aus externalen instrumentellen Gründen. Da keine innere Überzeugung des B vorliegt, muss die erzielte Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung des B stets durch A kontrolliert werden. Ferner erlischt sie gänzlich, sofern A abwesend ist. Identification ist demgegenüber dadurch zu beschreiben, dass die erzielte Einstellungsund/oder Verhaltensänderung des B darauf beruht, dass sich B mit den Werten des A identifiziert. Für diesen Prozess ist die Beziehung zwischen A und B aus B’s Sicht ausschlaggebend, denn diese Beziehung ist Teil seines Selbstbildes. Akzeptiert B das Verhalten des A aus Gründen der Identification, dann erfordert dies keine Kontrolle des B durch A, weil B innerlich in die sein Selbstbild stabilisierende Beziehung zu A einwilligt. Insofern zeigt B auch dann Folgeverhalten, wenn A abwesend ist. Identification unterscheidet sich damit von Compliance dadurch, dass B bei Identification zu dem Zeitpunkt, an dem er die spezifischen Einstellungen und/oder das Verhalten des A annimmt, von der Sinnhaftigkeit eben dieser spezifischen Einstellungen und/oder Verhaltensweisen überzeugt ist – bei Compliance nicht. Die Einstellungen und/oder Verhaltensweisen des B bleiben bei Identification jedoch auch auf eine externale Quelle bezogen – nämlich die Person A – und sind nicht im individuellen Wertesystem des B verankert. Den höchsten Akzeptanzgrad des Verhaltens des A zeigt B im Falle von Internalization, denn Internalization ist dadurch gekennzeichnet, dass die individuellen Wertvorstellungen des B 119
vollständig mit den generellen Werten von A übereinstimmen, was für B mit intrinsischer Befriedigung verbunden ist. Verhält sich B entsprechend den Intentionen des A, weil er die Normen und Werte des A internalisiert hat, dann erfordert dies keine Kontrolle des B durch A; die Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung des B ist auch dann stabil, wenn A abwesend ist. Diese unterschiedlichen Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung der geführten Führungskraft werden wie folgt durch Einfluss und Macht des Vorgesetzten ausgelöst: Machtausübung des Vorgesetzten wird eine Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung im Sinne von Compliance bei der geführten Führungskraft verursachen. Einflussnahme des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft wird hingegen entweder Identification oder Internalization bei der geführten Führungskraft hervorrufen.91 Demzufolge lautet die zentrale Annahme, die nachfolgend begründet wird, dass bestimmte Grundlagen zur Einflussnahme eingesetzt werden, während andere Grundlagen zur Machtausübung eingesetzt werden. In theoretischer Hinsicht finden sich für diese Differenzierung bereits bei Kelman (1974, p. 144) erste Hinweise, denn er postuliert, dass je nach verfügbarer Einfluss- und Machtgrundlage des A unterschiedliche Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung bei B erreicht werden. Nach Kelman (1961, p. 67) führt der Einsatz von Belohnung und Bestrafung zu Compliance. Im Gegensatz dazu beruht die Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung in Form derIdentification auf der Attraktivität des A aus B’s Sicht. Eine Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung in Form der Internalisierung beruhe dagegen auf Expertenwissen, Glaubwürdigkeit und Legitimation. Eine theoretische Verknüpfung zwischen Einflussprozessen der Führungskraft und der resultierenden Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung der Geführten sieht auch Barbuto (2000), der jedoch bestimmte Einfluss- und Machtgrundlagen des Führenden lediglich als intervenierende Variablen konzipiert, welche die Beziehung zwischen auslösenden Taktiken der Einflussnahme des Führenden und den resultierenden Prozessen der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung des Geführten (Compliance und Non-Compliance) moderieren.92 Barbuto zufolge steigt die Compliance der Geführten mit zunehmendem Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen des Führenden, wobei er die 5-fache Machtgrundlagentypologie von French und Raven (1959) zu Grunde legt. Unabhängig von der Art der eingesetzten Grundlage führe der Einsatz jeglicher Grundlage zu erhöhter Compliance. Diese Annahmen erscheinen aus zwei Gründen fragwürdig: Zum einen ist es wenig hilfreich lediglich zwischen Compliance und Non-Compliance zu differenzieren. Zum anderen kann man nicht davon ausgehen, dass mit zunehmendem Einsatz aller Grundlagen Compliance wahrscheinlich wird, denn die Steigerung von Compliance erfolgt lediglich durch den Einsatz von Belohnung und Bestrafung (Cartwright, 1965; Kelman, 1961, 1974). Deshalb ist es für die vor120
liegende Untersuchung angemessener, die Kelman’sche Differenzierung für die Art der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung der geführten Führungskraft zu Grunde zu legen. Obgleich aus Kelman’s Konzeption eine Korrespondenz zwischen den Formen der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung und den verfügbaren Einfluss- und Machtgrundlagen offenkundig wird, liegt bislang keine Konzeption vor, welche die Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung mit der 11-fachen Einfluss- und Machtgrundlagen-Typologie von Raven et al. (1998) in Verbindung bringt. Dieses theoretische Defizit wird im Folgenden durch Rekurs auf das Konzept der Überwachung (Raven, 1992, p. 218) und die daraus resultierenden Kosten der Einflussnahme bzw. Machtausübung für A behoben. Wie Tabelle 9 veranschaulicht, ist die Notwendigkeit der Überwachung des B durch A bei den Grundlagen (im-) materielle Belohnung und Bestrafung gegeben, während bei allen Formen legitimierter Einwirkung (inklusive Positionsmacht), Identifikation, Expertenwissen und Information keine Notwendigkeit der Überwachung des B durch A besteht (Raven, 1992, pp. 219– 220). Sowohl beim Einsatz immaterieller als auch materieller Belohnung und Bestrafung muss A demnach stets kontrollieren, ob und inwieweit B tatsächlich Folge leistet, was für A Überwachungskosten impliziert. Im Gegensatz dazu erfordert der Einsatz von Legalität, allen Formen der Legitimation, Identifikation, Expertenwissen und Information keine Kontrolle des B durch A, weshalb für A keine Kosten zur Überwachung des B entstehen. Tabelle 9. Notwendigkeit der Überwachung des B durch A beim Einsatz der Grundlagen von Einfluss und Macht (modifizierte und zusammenfassende Darstellung nach Raven, 1992, p. 219) Surface Factors
Wichtigkeit der
immaterielle Belohnung/immaterielle Bestrafung
wichtig
materielle Belohnung/materielle Bestrafung
wichtig
Legitimation durch die Gerechtigkeit- und Reziprozitätsnorm
unwichtig
Überwachung
Legalität (Positionsmacht)
unwichtig
Legitimation durch soziale Verantwortung
unwichtig
Expertenwissen/Information
unwichtig
Identifikation
unwichtig
Dies hat Konsequenzen für die theoretische Verbindung der Grundlagen mit den hervorgerufenen Prozessen der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung bei B: Es wird davon ausgegangen, dass alle Formen der Belohnung und Bestrafung zu Compliance führen und daher Machtausübung sind, während jene Grundlagen, die keine Überwachung erfordern Einflussnahme darstellen. Damit wird deutlich, dass das Kriterium der Überwachung gut zur Differenzierung der Einfluss- und Machtgrundlagen geeignet ist. Machtbasierte Führung realisiert sich also in 121
Belohnung und Bestrafung. Einflussbasierte Führung konkretisiert sich demgegenüber in Legitimation durch die Gerechtigkeit- und Reziprozitätsnorm, Legalität (Positionsmacht), Legitimation durch soziale Verantwortung, Expertenwissen/Information und Identifikation. Nachdem die Grundlagen für die einflussbasierte Führung – also die Realisierungsformen der Führung durch Einfluss – und die Grundlagen der machtbasierten Führung – also die Realisierungsformen der Führung durch Macht – präzisiert worden sind, wird nachfolgend gefragt, welche Grundlagen im Innovationsprozess besonders relevant sind. Aus der 11-fachen Einflussund Macht-Typologie werden jene Grundlagen ausgewählt und differenziert, die für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg bedeutsam erscheinen. Im Hinblick auf die Grundlagen einflussbasierter Führung wird davon ausgegangen, dass im Innovationskontext insbesondere die Grundlagen Identifikation und Expertenwissen/Information relevant sind. Aufgrund der vorstehend bereits diskutierten Problematik, dass in bisherigen Klassifikationen der Einflussgrundlagen die Perspektive gewechselt wird, wird die Betrachtungsperspektive hier vereinheitlicht und deshalb nicht mehr von Identifikation des B mit A, sondern von persönlicher Ausstrahlung des A gesprochen. Neben persönlicher Ausstrahlung und Expertenwissen/Information erscheint die Grundlage „immaterielle Belohnung“ innovationsbedeutsam. Allerdings wird diese inhaltsleere Kategorie „immaterielle Belohnung“ hier aufgebrochen und innovationskontextspezifisch differenziert. Innovationsbezogen scheinen drei Facetten der Kategorie „immaterielle Belohnung“ bedeutsam zu sein: „Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie“, „innovationsbezogene Unterstützung“ und „Verzicht auf Manipulation“. Diese drei Facetten der einflussbasierten Führung wirken für die geführte Führungskraft (B) auf immaterielle Weise belohnend. Diese Facetten der immateriellen Belohnung wurden ausgewählt, weil belegt ist, dass Delegation, Partizipation und innovationsbezogene Unterstützung (Axtell et al., 2000; Mumford et al., 2002) und die Art der Entscheidungsfindung (Witte, 1973) im Innovationsprozess eine besondere Rolle spielen. Das Gemeinsame aller hier ausgewählten Komponenten der einflussbasierten Führung besteht darin, dass die resultierende Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung der geführten Führungskraft im internalisierten Sinne wirkt. Demgegenüber werden die einflussbasierten Grundlagen Legalität (Positionsmacht) und Legitimation durch die Gerechtigkeit- und Reziprozitätsnorm sowie Legitimation durch die Norm der sozialen Verantwortung von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Anlass zu diesem Ausschluss geben die empirischen Resultate von Krause (2002a), in denen u. a. belegt wurde, dass der Erklärungswert von Legalität und allen Formen der Legitimation für zentrale Innovationskonstrukte geringer ist als der Erklärungswert anderer Facetten der einflussbasierten Füh122
rung. Die geringe Relevanz von Legalität (Positionsmacht) und Formen legitimierter Einflussnahme ist im Innovationskontext dadurch zu erklären, dass sich die Führungskraft zur Steigerung der Kreativität und Innovativität der geführten Führungskraft eben nicht auf ihre Position oder internalisierte Normen berufen kann. Positionsmacht und Legitimationsfacetten stellen im Innovationsprozess eher „Vehikel“ (Mumford et al., 2002, p. 712) dar, welche nicht zur Stimulierung innovativer Leistungen geeignet sind. Demnach sind Legalität und alle Legitimationsgrundlagen im Innovationskontext von untergeordneter Bedeutung. In Bezug auf machtbasierte Grundlagen der Führung im Innovationsprozess wird in der vorliegenden Untersuchung der (im-) materiellen Bestrafung aber auch der materiellen Belohnung ein zentraler Stellenwert zuerkannt. Das Gemeinsame des Einsatzes dieser Grundlagen im Innovationsprozess besteht in der hervorgerufenen Compliance bei der geführten Führungskraft. Die Grundlagen der materiellen Bestrafung und Belohnung stehen dabei mit einer spezifischen Rolle im Innovationsprozess in enger Verbindung, wie sie im Rahmen des Promotorenmodells (vgl. Gemünden, 1998; Hauschildt, 2001; Witte, 1973) diskutiert wird – dem sogenannten Machtpromotor (vgl. Kapitel 2.3.1.3). Insofern spiegelt sich die Rolle des Machtpromotors in der vorliegenden Untersuchung in den Facetten der machtbasierten Führung wider.93 Tabelle 10 stellt die innovationskontextspezifisch selektierten und differenzierten Grundlagen der einflussbasierten Führung und der machtbasierten Führung für diese Untersuchung zusammenfassend dar. Diese ausgewählten und präzisierten Grundlagen der Führung werden anschließend für den Innovationskontext beschrieben. Tabelle 10. Innovationskontextspezifisch ausgewählte und adaptierte Grundlagen der einflussbasierten Führung und der machtbasierten Führung Grundlagen der Führung durch Einfluss
Grundlagen der Führung durch Macht
Persönliche Ausstrahlung
Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell)
Expertenwissen/Information
Belohnung durch extrinsische Anreize
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation Anmerkung. Mit Grundlagen der Führung durch Einfluss sind Realisierungsformen der einflussbasierten Führung gemeint. Mit Grundlagen der Führung durch Macht sind Realisierungsformen der machtbasierten Führung gemeint.
123
(1) Grundlagen der Führung durch Einfluss Einflussbasierte Führung durch persönliche Ausstrahlung findet dann statt, wenn der Vorgesetzte als positive Identifikationsperson dient (Raven, 1992, p. 221), d. h. als Person von der geführten Führungskraft im Innovationsprozess z. B. als besonders überzeugend, inspirierend, einfühlend, charmant, sympathisch oder attraktiv wahrgenommen wird und sich die geführte Führungskraft ihm deshalb angleichen möchte. Die geführte Führungskraft möchte also der positiven Identifikationsfigur in Einstellungen und/oder Verhaltensweisen ähnlich sein. Davon zu unterscheiden ist die negative Identifikation (Collins & Raven, 1969, p. 175; Raven, 1992, p. 221), bei der der Vorgesetzte z. B. als unsympathisch erlebt wird. Negative Identifikation bewirkt, dass sich die geführte Führungskraft entsprechend anders (nicht notwendigerweise gegenteilig) verhält, als das von ihr abgelehnte Vorbild. Führt ein Vorgesetzter auf der Basis von positiver persönlicher Ausstrahlung wird die geführte Führungskraft die Normen und Werte ihres Vorgesetzten internalisieren. Je stärker die persönliche Ausstrahlung ist, umso größer ist der Einfluss des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft. Einfluss durch Identifikation kann sich im Zuge der wiederholten Erfahrung der geführten Führungskraft einstellen, dass der Vorgesetzte Belohnungen verschiedenster Art vermittelt. Zu bedenken ist, dass später keine Belohnungen mehr nötig sind, denn die Nähe zum Vorgesetzten – also zur positiven Identifikationsfigur – als solche hat gratifikatorische Wirkung.94 Einflussbasierte Führung durch persönliche Ausstrahlung ist im Zusammenhang mit der transformationalen Führung95 zu interpretieren: Durch transformationale Führung – verstanden als Charisma, inspirierende Vision und intellektuelle Stimulierung (Avolio et al., 1999) – wird sich B mit dem Führenden identifizieren, weil der charismatisch, visionär und stimulierend Führende als positives Modell von der geführten Führungskraft wahrgenommen wird, was ihre Neigung stärkt, stellvertretend von ihm zu lernen (Bandura, 1997). Gebert (2002) spricht in diesem Zusammenhang von einer doppelten Identifikation: Die geführte Führungskraft identifiziert sich nicht nur mit dem transformational Führenden, sondern auch stärker mit dem Inhalt ihrer eigenen Tätigkeit, da sie sich durch deren Vollzug an die vom transformational Führenden propagierte und von ihm selbst internalisierte Vision anzunähern glaubt. Im Innovationskontext machten Howell und Higgins (1990, p. 251) in ihrer Studie über Champions der Innovation auf folgendes aufmerksam: ‘[Champions] inspire and enthuse others with their vision of the potential of an innovation, to persist in promoting their vision despite strong opposition, to show extraordinary confidence in themselves and their mission, and to gain the commitment of others to support the innovation’.96 Einflussbasierte Führung durch Expertenwissen beruht auf Wissen oder Fähigkeiten des Vorgesetzten bezüglich welcher er dem Expertenwissen der geführten Führungskraft überlegen 124
ist. Die geführte Führungskraft schätzt die Überlegenheit des Wissens bzw. der Fähigkeiten des A ein, indem B diese mit seinem eigenen Wissen bzw. Fähigkeiten oder aber einem externen Standard vergleicht (French & Raven, 1959, p. 163). Der Vorgesetzte ist der geführten Führungskraft im Innovationsprozess insofern fachlich überlegen, als er die Gesamtprozesse und hierfür notwendigen Aktivitäten in der Regel besser kennt als die geführte Führungskraft, die zumeist „nur“ Experte in ihrem eigenen Bereich ist. Ein Vorgesetzter führt im Innovationsprozess auf der Grundlage von Expertenwissen, wenn er der geführten Führungskraft fachliche Anregungen gibt, seine Kompetenz oder seine nützlichen Erfahrungen einsetzt. Dies kann auch Wissen über das Netzwerk und soziale Kompetenz (Mumford, 2002, p. 718) einschließen. Hauptsächlich wird sich Einfluss durch Expertenwissen auf solche Bereiche erstrecken, in denen dem Vorgesetzten von der geführten Führungskraft sachliche Überlegenheit zugeschrieben wird. Aufgrund von Halo-Effekten kann dem Vorgesetzten allerdings auch in solchen Bereichen Expertenwissen zugeschrieben werden, in denen er über nur geringes oder kein Expertenwissen verfügt – die Attribution von Expertise strahlt dann auf andere Bereiche aus. So ist es vorstellbar, dass dem Vorgesetzten Expertentum z. B. in wirtschaftlichen Innovationsfragen zugeschrieben wird, und diese Kompetenzzuschreibung sich auch z. B. auf Fragen der physischen und/oder psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz erstreckt. Im Gegensatz zu positivem Expertenwissen kann es im Falle negativen Expertenwissens (Collins & Raven, 1969, p. 177; Raven, 1992, p. 221) zu einem Bumerang-Effekt kommen: Sofern die geführte Führungskraft den Eindruck hat, dass ihr Vorgesetzter sein Expertenwissen selektiv zu seinen eigenen Gunsten weitergibt, führt dies nicht nur zur Ablehnung des Vorgesetzten, sondern auch zur Ablehnung seiner Vorschläge.97 Einflussbasierte Führung auf der Grundlage von Information findet im Innovationsprozess statt, wenn der Vorgesetzte innovationsrelevante Informationen an die geführte Führungskraft weitergibt.98 Dies schließt ein, dass der Vorgesetzte auch Probleme, die mit der Innovation verbunden sind, ohne Einschränkungen mitteilt. Dies ist notwendig, weil „unter den Teppich gekehrte Probleme“ zumeist wiederkehren (Windeler, 1992, S. 110). Der theoretische Unterschied zwischen Expertenwissen und Information liegt nach Raven (1965) in Folgendem: Beim Einsatz von Information kann die geführte Führungskraft die Adäquatheit und Relevanz dieser Informationen überprüfen und nachvollziehen, was ihr aufgrund ihres unterlegenen Wissens im Falle des Einflusses durch Expertenwissen nicht möglich ist. Wie bereits gezeigt wurde, lässt sich diese Unterscheidung empirisch nicht aufrechterhalten: Raven et al. (1998) extrahieren bei der Analyse der Surface-Faktoren einen Faktor, der sowohl Expertenwissen als auch Information einschließt. Deshalb werden diese beiden Grundlagen der einflussbasierten Führung auch hier zusammengefasst. Die Untrennbarkeit von Expertenwissen und Information wird dadurch erklär125
bar, dass Experten in der Regel durch den Einsatz von Informationen ihren Expertenstatus unter Beweis stellen. Auch die Einflussgrundlagen Expertenwissen und Information korrespondieren im Innovationsprozess mit bestimmten Promotorenrollen, wie dem Fachpromotor (Witte, 1998), dem Prozesspromotor (Hauschildt & Chakrabarti, 1988) und dem Beziehungspromotor (Gemünden & Walter, 1995). Denn diese Promotoren setzen vorrangig Expertenwissen und Information zur Einflussnahme ein – natürlich neben anderen Einflussgrundlagen.99 Einflussbasierte Führung durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie findet im Innovationsprozess dann statt, wenn der Vorgesetzte – im Sinne einer partizipativen Führung – der geführten Führungskraft Mitsprachemöglichkeiten einräumt und – im Sinne einer delegativen Führung – die zur Innovation nötigen Freiräume und Entscheidungskompetenzen gewährt. In der Literatur besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass ein partizipativer Führungsstil zur Stimulierung kreativer, innovativer Leistungen und für die Implementierung von Innovationen erfolgsfunktional ist (z. B. Amabile et al., 1996; Anderson & King, 1991, 1993; Axtell et al., 2000; Basu & Green, 1997; Farr & Ford, 1990; Filius, 1985; Greenberg, 1994; Manz et al., 1989; Mumford et al., 2002; Nickel & Krems, 1998). Partizipation trägt maßgeblich zum Erfolg von Projekten bei (Lechler & Gemünden, 1998, S. 444). Ferner ist die innovationsunterstützende Funktion einer delegativen Führung belegt (Axtell et al., 2000; Mumford et al., 2002; Wolfe, 1994). Als Sekundäreffekt kann sich durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie im zeitlichen Verlauf eine Attraktivitätssteigerung des immateriell belohnenden Vorgesetzten ergeben, so dass die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie parallelen Einfluss durch persönliche Ausstrahlung unterstützt. Mit einflussbasierter Führung durch innovationsbezogene Unterstützung ist nicht nur Unterstützung generell100, sondern spezifische Unterstützung gemeint: Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung sind definitionsgemäß fehlerbehaftet, denn Neues zu probieren geht immer einher mit einem gewissen Risiko des Scheiterns. Man kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob etwas Neues tatsächlich erfolgreich sein wird, denn jede Innovation ist per se mit Unsicherheit in Bezug auf die erforderliche Zeit, die anfallenden Kosten, den notwendigen Wissenserwerb und das Ergebnis verbunden (s. Kapitel 2.1.2.2 und 4.1.3). Dies verlangt dem Vorgesetzten Fehlertoleranz ab (Gebert, 2002a; Gebert & Boerner, 1999a; Mumford et al., 2002) sowie das Vermögen, die geführte Führungskraft auch dann für ihre innovationsbezogene Arbeit anzuerkennen und zu loben, wenn diese nicht beim ersten Versuch gelingt. Einfluss durch innovationsbezogene Unterstützung wird daher als Toleranz gegenüber Fehlern, Anerkennung und Lob für innovationsbezogene Aktivitäten sowie Kompromissbereitschaft definiert. Auch für diese Facette der einflussbasierten Führung (‘Support for innovation’) wurden positive Zusammenhänge zu zentralen Innovationskonstrukten – der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung – bestätigt 126
(Amabile et al., 1996; Axtell et al., 2000; Basu & Green, 1997; Brodbeck & Maier, 2001; Madjar et al., 2002; Oldham & Cummings, 1996; Scott & Bruce, 1994; West, 1990; Zhou & George, 2001). Einflussbasierte Führung durch Verzicht auf Manipulation wird definiert als transparentes Verhalten des Vorgesetzten und damit als das Gegenteil mikropolitisch gefärbter oder manipulativer Interessendurchsetzung (vgl. Küpper & Ortmann, 1992; Neuberger, 1995b) im Innovationsprozess. Bei Verfahrensinnovationen stehen zwangsläufig bestehende Machtverhältnisse innerhalb der Organisation auf dem Spiel (Frost & Egri, 1991; Pettigrew, 1972). Die gelegentlich kompromissartig ausgehandelten und stabilisierten Interessenlagen (Crozier & Friedberg, 1993; Friedberg, 1986) der Beteiligten werden im Innovationsprozess hinterfragt und neu ausgehandelt, weshalb der Art und Weise der herbeigeführten Entscheidungen im Innovationsprozess (Pettigrew, 1972; Witte, 1998) besondere Bedeutung zukommt. Sofern – im Sinne der gegenteiligen Denkfigur – der Vorgesetzte seine Intentionen im Innovationsprozess nicht mehr in transparenter Weise durchsetzt, sondern z. B. Informationen im Entscheidungsfindungsprozess aus taktischen Gründen filtert (vgl. Pettigrew, 1972) oder günstige Gelegenheiten nutzt, um vorbereitete Pläne zu eigenen Gunsten durchzusetzen (vgl. Krause, 2002b), lässt sich dies als Mikropolitik oder Manipulation deuten. Das wesentliche Merkmal einer manipulativen Interessendurchsetzung besteht darin, dass dem Manipulierten die bestehende Einflussrelation zunächst nicht bewusst ist und seine Situationsinterpretationen und/oder die Wahrnehmung seiner Handlungsalternativen durch den verdeckten Machteinsatz des Manipulierenden verändert werden (Krause, 2002b). Dies führt schließlich zur Abnahme der Innovativität aufgrund der Negativierung der Emotionen und Beziehungen, was jedoch vom Manipulierenden nicht mit hinreichender Klarheit wahrgenommen wird (Krause, 2002b). Empirisch konnten demgegenüber positive Zusammenhänge zwischen dem Verzicht auf Manipulation – verstanden als Offenheit des Vorgesetzten im Innovationsprozess – und der Ideengenerierung/-prüfung – verstanden als Kreativität – von Mitarbeitern festgestellt werden (Morrison & Phelps, 1999; Mulder, de Jong, Koppelar und Verhage, 1986; Nickel & Krems, 1998). Dabei ist zusätzlich anzunehmen, dass der Verzicht auf Manipulation im zeitlichen Verlauf der Innovation die Attraktivität des Vorgesetzten aus der Sicht der geführten Führungskraft erhöht.
127
(2) Grundlagen der Führung durch Macht Machtbasierte Führung durch Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) findet im Innovationsprozess dann statt, wenn der Vorgesetzte (A) die geführte Führungskraft (B) in eine von B als negativ wahrgenommene Situation versetzt. Die Bestrafung kann in der Vermittlung negativer materieller und/oder immaterieller Güter, aber auch im Fernhalten positiver materieller und/oder immaterieller Güter bestehen. Generell ist dabei zwischen Bestrafung und Drohung101 zu unterscheiden: Während bei einer Drohung die Strafe „nur“ angekündigt wird, wird bei Bestrafung die angekündigte Strafmaßnahme tatsächlich realisiert. Drohung meint also die Mitteilung einer Handlungserwartung an die geführte Führungskraft, mit der simultan für den Fall ihrer Nichterfüllung eine Bestrafung angekündigt wird. Zeigt die geführte Führungskraft Compliance bei einer Drohung, so gewinnt der Vorgesetzte hierdurch einen Vorteil, denn er erhält von der geführten Führungskraft etwas, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erbringen (keine Reziprozität). Jedoch sollen Bestrafung und Drohung hier zusammengefasst werden. Führung durch materielle Bestrafung/Drohung findet im Innovationsprozess dann statt, wenn der Vorgesetze für die Nichtumsetzung seiner Vorstellungen der geführten Führungskraft materielle Sanktionen (z. B. Gehaltskürzungen, ungünstige Personalbeurteilung, Entlassung, Entzug von Privilegien) ankündigt und/oder realisiert oder auch für Zuwiderhandlungen ein Exempel statuiert. Auch die negative Beeinflussung der zukünftigen Karrieremöglichkeiten der geführten Führungskraft sind der materiellen Bestrafung zuzurechnen. Ein Vorgesetzter führt im Innovationsprozess durch immaterielle Bestrafung/Drohung, wenn er z. B. gegenüber der geführten Führungskraft Druck ausübt oder die geführte Führungskraft einschüchtert, z. B. durch unablässige Wiederholung seines Standpunktes. Subtilere Formen der immateriellen Bestrafung/Drohung bestehen darin, dass der Vorgesetze die geführte Führungskraft vor ihren Kollegen bloßstellt, sie kritisiert, diffamiert oder ignoriert. Auch das Entziehen von Kontaktmöglichkeiten, sozialen Netzwerken oder von Anerkennung und emotionaler Unterstützung (Social support) sind Formen der immateriellen Bestrafung der geführten Führungskraft durch ihren Vorgesetzten. Im zeitlichen Verlauf sinkt die Attraktivität des immateriell oder materiell bestrafenden Vorgesetzten (Raven & Rubin, 1983, p. 411), so dass machtbasierte Führung durch Bestrafung/Drohung zu einer Abnahme der Identifikation der geführten Führungskraft mit ihrem Vorgesetzten führt.102 Machtbasierte Führung durch Belohnung durch extrinsische Anreize (materielle Belohnung) ist von den einflussbasierten Führungsfacetten der immateriellen Belohnung (Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation) abzugrenzen. Im Unterschied zu diesen Formen der einflussbasierten Führung handelt es sich bei Macht durch materielle Belohnung darum, dass der Vorgesetzte die geführte Füh128
rungskraft durch monetäre Anreize in eine Situation versetzt, die von der geführten Führungskraft positiv beurteilt wird. Materielle Belohnung wirkt dabei als extrinsische Motivationsquelle. Als extrinsisch werden solche Anreize bezeichnet, die als Mittel zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung dienen (Frey & Osterloh, 1997, S. 308). Belohnungsmacht durch extrinsische Anreize übt ein Vorgesetzter aus, wenn er der geführten Führungskraft z. B. Lohnerhöhungen zusagt, materielle Privilegien zusichert oder aber Prämien und Nebenverdienste in Aussicht stellt. Dabei kann die Vergabe materieller Belohnungen die Basis für Einfluss durch Identifikation darstellen (Carson et al., 1993, p. 1151). In der Innovationsforschung wird diese Form der Machtausübung häufig unter den Stichworten „materielle Anreize“ (Gerpott & Domsch, 1991; Thom, 2001) oder ‘Pay for performance’ (Frey & Osterloh, 2000) diskutiert. Speziell für den Innovationskontext besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass extrinsische Anreize die Innovativiät verbessern (Becker, 1991, S. 573 ff.; Brockhoff, 1996; Gerpott & Domsch, 1991, S. 1011). Dabei wird unterstellt, dass die Innovativität bei einer engen Kopplung des Belohnungssystems an Innovationen steigt. Zu materiellen Anreizen zählen alle monetären Leistungen, welche die geführte Führungskraft zu höherer Leistung motivieren sollen (Thom, 2001, S. 331–332), wie Entlohnung, Erfolgsbeteiligungen, der Anteil leistungsabhängiger Gehaltskomponenten, Prämien, Sozialleistungen oder Kapitalbeteiligung am Unternehmen in Form von Aktienoptionen.103 Zu fragen ist, welche Effekte materielle Anreize auf die geführte Führungskraft tatsächlich haben. Unterschiedliche Studien differieren sowohl in der Richtung (positive oder negative Wirkung) als auch in der Höhe der empirisch belegten Effekte materieller Belohnungen auf verschiedene abhängige Variablen. Häufig wird eine leistungs- und zufriedenheitssteigernde Wirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize belegt (z. B. Becker, 1991; Ivancevich & Donnelly, 1970). Im Hinblick auf ‘Pay for performance’-Systeme konnte an vier sehr heterogenen Stichproben mit insgesamt N = 182 Organisationsmitgliedern ein positiver Zusammenhang zwischen dem leistungsabhängigen Gehalt als extrinsischer Belohnungsquelle und der Leistung gezeigt werden (Stajkovic & Luthans, 2001). Auch für Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen aus der Produktion ist ein positiver Einfluss monetärer Anreize auf die Innovationstätigkeit der Produktionsmitarbeiter – gemessen an der Quote eingereichter Verbesserungsvorschläge bestätigt (Nickel & Krems, 1998). Einen weiteren Anhaltspunkt zur Wirkung materieller Belohnung liefert die Meta-Analyse von Carson et al. (1993), in die 11 Einzelstudien eingingen. Zwischen materieller Belohnung und verschiedenen Zufriedenheitskriterien besteht eine mittlere gewichtete Korrelation in Höhe von nur r = .04. Die mittlere gewichtete Korrelation zwischen materieller Belohnung und der Leistung war nur in sehr schwachem Ausmaß positiv in Höhe von r = .17 (Carson et al., 1993, p. 1163). Indes gelangen andere Untersuchungen zu negativen Zusammenhängen zwischen materiellen Belohnungen 129
und diversen Kriteriumsvariablen (z. B. Amabile, 1998; Bachman, Smith und Slesinger, 1966; Busch, 1980; Thamhain & Gemmil, 1974; Wieland, 1969).104 Insbesondere Amabile (1998) bezweifelt die Funktionalität monetärer Anreize zur Stimulierung kreativer Leistungen. Ob und in welcher Weise sich der Einsatz materieller Belohnung generell und speziell im Innovationskontext auswirkt, muss vor dem Hintergrund dieser widersprüchlichen Resultate also offen bleiben. Im Zusammenhang mit der Widersprüchlichkeit der Befunde zur Wirkung extrinsischer Belohnungen wird in der Literatur (wieder) die Frage diskutiert, welche Effekte extrinsische Anreize auf die intrinsische Motivation haben. Ein gängiges Erklärungsmuster für die negative Beziehung zwischen extrinsischen Anreizen und der Leistung lautet, dass die Vergabe extrinsischer Anreize an eine Abnahme der intrinsischen Motivation gebunden sein kann, wodurch die Leistung sinkt (Forsyth, 1990; p. 194; Frey & Osterloh, 1997, S. 307; Osterloh & Frey, 2000, p. 538). Frey und Osterloh (2002, S. 26–29) sprechen von einem Verdrängungs- bzw. Korrumpierungseffekt: Gemeint ist, dass eine bislang intrinsisch motiviert ausgeführte Tätigkeit dadurch untergraben wird, dass man hierfür materiell belohnt wird.105 Die Sichtweise der Reduktion der intrinsischen Motivation durch extrinsische Anreize106 ist keineswegs neu. Sie ist auf die Theorie der kognitiven Bewertung von Deci (1972) zurückführbar, die jedoch die Zusammenhänge zwischen beiden Motivationsarten nicht allgemein als negativ annimmt. Vielmehr wird dieser Zusammenhang durch eine dritte Variable – die Bewertung der extrinsischen Motivationsquelle – moderiert. Nach dieser Theorie, die in zahlreichen Experimenten Bestätigung fand, ist also nicht die Vergabe der extrinsischen Belohnung als solche ausschlaggebend für die intrinsische Motivation. Maßgeblich ist indes, in welcher Weise die extrinsische Belohnung interpretiert wird. Der Theorie zufolge beinhaltet jede extrinsische Belohnung zwei Aspekte: einen kontrollierenden Aspekt und einen informierenden Aspekt. Der Effekt der extrinsischen Belohnung auf die intrinsische Motivation hängt dabei vom wahrgenommenen Locus of control (internal vs. external) ab. Der kontrollierende Aspekt der extrinsischen Belohnung korrespondiert mit der Wahrnehmung externaler Verhaltenskontrolle – also mit Fremdbestimmung. Der informierende Aspekt der extrinsischen Belohnung geht mit internaler Kontrolle einher – also mit Selbstbestimmung. Je nachdem, welcher dieser beiden Aspekte dominiert, hat die extrinsische Belohnung deutlich andere Effekte auf die intrinsische Motivation. Wird die extrinsische Belohnung als externale Kontrolle und daher als Fremdsteuerung bewertet, dann reduziert die extrinsische Belohnung die intrinsische Motivation (Dominanz des Kontrollaspektes). Überwiegt dagegen der informierende Aspekt der extrinsischen Belohnung, indem die extrinsische Belohnung als Bestätigung der internalen Kontrollüberzeugung, also der Selbststeuerung, interpretiert wird, dann hat die extrinsische Belohnung positive Effekte auf die intrinsische Motivation. Diese Zusammenhänge erhalten auch durch eine Meta-Analyse empirische 130
Evidenz (Deci, Koestner und Ryan, 1999).107 Es kann also keineswegs davon die Rede sein, dass Belohnung durch extrinsische Anreize unter allen Randbedingungen negative Effekte auf die intrinsische Motivation hat. Vielmehr können extrinsische Anreize sowohl positive als auch negative Effekte auf die intrinsische Motivation auslösen. Dieses Argument wird im Zusammenhang mit der Hypothesenbildung im Hinblick auf die relative Wirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize und Bestrafung auf die Innovationskonstrukte wieder aufgegriffen werden. Nachdem die Varianten der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht innovationskontextspezifisch präzisiert worden sind, widmet sich das folgende Kapitel zwei weiteren Führungskonstrukten, der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen. 2.4.2 Vertrauen und Misstrauen als Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess Neben der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht wird das Führungsverhalten des formalen Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft in der vorliegenden Untersuchung durch Vertrauen und Misstrauen beschrieben. Wie bereits im Kapitel 1.2.3 ausgeführt wurde, ist eine einfluss- und machtbasierte Führung zur Sicherung der Innovativität nicht hinreichend, was eine parallele Führung durch Vertrauen (synonym: vertrauensbasierte Führung) im Innovationsprozess erfordert. Auf die Grenzen einer machtbasierten Führung im Zeitalter des organisationalen Wandels verweist auch Gordon (2002): ‘The context of change in today’s organizations highlights the shifting limits to power in organizations’ (p. 163). Die Bedeutung von Vertrauen innerhalb der Kategorie „Führung“ wird von vielen Autoren betont (z. B. Bierhoff, 1995, Sp. 2148; Brockner, Siegel, Daly, Tyler und Martin, 1997, p. 558; Dirks & Ferrin, 2002, p. 611; Fairholm, 1994, p. 102; McAllister, 1995, p. 24; Neubauer, 1997, S. 105; Petermann, Neubauer und Grünheidt, 1992, p. 209; Shaw, 1997, p. 105; Whitener, Brodt, Korsgaard und Werner, 1998, p. 513) – allerdings in sehr heterogener Weise. Vertrauen ist eine Schlüsselgröße in verschiedenen Führungstheorien, wie transformationalen Führungstheorien (z. B. Podsakoff, MacKenzie, Moorman und Fetter, 1990), der Leader-Member-Exchange-Theorie (z. B. Brower et al., 2000; Cunningham & MacGregor, 2000; Schriesheim, Castro und Cogliser, 1999) und der traditionellen Ohio-Führungstheorie (Fleishman, 1953, 1973), wo sich Vertrauen in der Dimension Consideration widerspiegelt. Wesentlich ist, dass ‘...managers can have considerable impact on building trust. managers‘ actions and behaviors provide the foundation for trust and ...it is actually management’s responsibility to take the first step and initiate trusting relationships’ (Whitener et al., 1998, p. 514).
131
Neben Vertrauen wird das Führungsverhalten hier durch Misstrauen beschrieben, denn Misstrauen ist nicht als Gegenteil von Vertrauen zu begreifen (Luhmann, 1989), wie dies möglicherweise aus alltagstheoretischer Sicht angenommen werden könnte. Ähnlich wie die Konstrukte Einfluss und Macht werden auch die Kategorien Vertrauen und Misstrauen von verschiedenen Forschungsdisziplinen untersucht. Zu denken ist insbesondere an die Psychologie108, die Soziologie109 und die organisationsbezogenen Betriebswirtschaftslehre110. Wie zu erwarten ist, haben sich demzufolge sehr unterschiedliche Zugänge auch zu diesen Phänomenen sozialer Interaktion entwickelt. Analog zur Forschung zu Einfluss und Macht ist demzufolge auch die Vertrauensforschung in verschiedene theoretische Schulen111 zersplittet. Übereinstimmung besteht in der Vertrauensforschung dahingehend, dass Vertrauen als funktional für die Innovativität (Gebert, 2002a, S. 131; Krause, 2002a; Steinle, Ahlers und Gradtke, 2000, S. 208) und den organisationalen Wandel (Bleicher, 1995, S. 390; Daley, 1991, p. 101) und damit für die Existenz von (modernen) Organisationen angesehen wird.112 Diese Funktionalität einer vertrauensbasierten Führung beruht auf den spezifischen Effekten von Vertrauen. Im Vergleich zu einer Führung durch Macht, ist Führung durch Vertrauen nicht nur positiver konnotiert. Die positiven Effekte einer vertrauensbasierten Führung sind in einer Vielzahl empirischer Arbeiten dokumentiert, weshalb Vertrauen nicht selten als „soziales Kapital“ (Coleman, 1991) angesehen wird. In diesem Zusammenhang ist auf eine Meta-Analyse hinzuweisen, in die N = 106 unabhängige Stichproben aus N = 93 Einzelstudien eingingen, wodurch die Effekte von Vertrauen an einer Stichprobe von N = 27 103 Individuen nachgewiesen werden konnten. Dirks und Ferrin (2002, p. 618) belegen meta-analytisch bedeutsame positive Zusammenhänge zwischen der Führung durch Vertrauen und verschiedenen abhängigen Variablen, wie Arbeitsleistung, übervertragliches Engagement (Organizational citizenship behavior), organisationale Bindung, Arbeitszufriedenheit, Glaubwürdigkeit von Informationen, Akzeptanz von Entscheidungen, Zufriedenheit mit der Führungskraft und Qualität der Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Geführtem. Darüber hinaus steht Führung durch Vertrauen in einem stark negativen Zusammenhang mit der Fluktuationsabsicht.113 Neben diesen Effekten werden in der Literatur auch andere positive Wirkungen von Vertrauen diskutiert: Vertrauen verbessert die Qualität von Problemlösungen (Zand, 1972) und die Qualität der Kommunikation (Roberts & O’Reilly, 1974), trägt zur Verbesserung der Kooperation bei (Axelrod, 1980; Bierhoff & Müller, 1993; Deutsch, 1969; Dirks, 1999; Dodgson, 1993; Gambetta, 1988; Jones & George, 1998; McAllister, 1995), hilft Krisen zu bewältigen (Mishra, 1996), erhöht die Motivation (Jeffries & Reed, 2000), reduziert durch den Wegfall von Kontrollprozessen die Transaktionskosten (Creed & Miles, 1996; Cummings & Bromiley, 1996; Fetchenhauer & Van der Vegt, 2001; Gulati, 1995; Ripperger, 1998; 132
Zaheer, McEvily und Perrone, 1998), bewirkt den Erfolg von Startups (Bhide & Stevenson, 1992), reduziert die Eskalation von Konflikten (Gemünden & Lechler, 1999), ermöglicht eine konstruktive Konflikthandhabung (Sinetar, 1988; Zaheer et al., 1998), erhöht den Befriedigungsgehalt der Arbeit (Müller, 1999) und steigert das Performing bei der Neubildung von Arbeitsgruppen (Meyerson, Weick und Kramer, 1996).114 Trotz der vielfältigen Literatur zum Konstrukt Vertrauen in den genannten Forschungsdisziplinen weist die bisherige Vertrauensforschung erhebliche Probleme auf. Diese Probleme beziehen sich auf (1) die Definition von Vertrauen, (2) die ungeklärte Beziehung zwischen Vertrauen und Risiko, (3) die Frage, ob Vertrauen eine Erwartung oder eine Handlung darstellt, (4) die Frage, in welcher Art sich Vertrauen und Misstrauen innerhalb der Dimension Führung widerspiegeln, da bislang weitgehend ungeklärt ist, in welcher Weise Vertrauen und Misstrauen verknüpft sind, (5) welche und wie viele Vertrauensgrundlagen unterscheidbar sind (Tiefenstruktur von Vertrauen) und welche Grundlagen für Misstrauen typisch sind (Tiefenstruktur von Misstrauen). Die Problemfelder (4) und (5) illustriert Abbildung 12.115
Führung Vertrauen Tiefenstruktur
?
Misstrauen Tiefenstruktur
Abbildung 12. Die ungeklärte Relation zwischen Vertrauen und Misstrauen und ihrer Tiefendimension innerhalb der Dimension Führung Diese offenen Fragen in der Vertrauensforschung werden in diesem Kapitel durch die Integration der Erkenntnisse der genannten Forschungsdisziplinen für die vorliegende Untersuchung präzisiert. Diese Präzisierung ist notwendig, da ansonsten die Effekte der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen weder einzeln noch in Relation zur Führung durch Einfluss und zur Führung durch Macht auf die zentralen Innovationskonstrukte erklärbar wären. Analog zu den beschriebenen einfluss- und machtbasierten Führungsfacetten (vgl. Kapitel 2.4.1.3) werden deshalb die Konstrukte Vertrauen und Misstrauen in diesem Kapitel zunächst charakterisiert und basierend auf den Erkenntnissen der bisherigen Vertrauensforschung voneinander abgegrenzt. 133
Die nachfolgende Analyse erfolgt wiederum in drei Teilschritten: Im ersten Schritt werden Merkmale von Vertrauen beschrieben, wobei in diesem Schritt gleichzeitig die vorstehend genannten Problemfelder (1) bis (3) der bisherigen Vertrauensforschung einer vorläufigen Klärung zugeführt werden. Ferner wird in diesem Schritt eine Differenzierung zwischen Vertrauen und Misstrauen vorgenommen und insofern die Frage (4) diskutiert, in welcher Weise sich Vertrauen und Misstrauen in der Beziehung zwischen der geführten Führungskraft und dem formalen Vorgesetzten widerspiegeln können. Der zweite Schritt widmet sich der Tiefenstruktur von Vertrauen und der Tiefenstruktur von Misstrauen (Frage 5). Es wird zu klären sein, welche Grundlagen für Vertrauen charakteristisch sind. Dazu wird ein kritischer Vergleich bisheriger Klassifikationen von Vertrauensgrundlagen angestellt, der in die Frage mündet, welche Vertrauensgrundlagen im Innovationsprozess Relevanz haben. Analog zu den beschriebenen Einfluss- und Machtgrundlagen der Führung wird auch für die Führung durch Vertrauen eine innovationskontextspezifische Typologie der Vertrauensgrundlagen vorgeschlagen. Diese Analyse mündet in den dritten Schritt, in welchem die innovationsrelevanten Grundlagen von Vertrauen und von Misstrauen in der Führer-Geführten-Dyade beschrieben werden.
2.4.2.1 Merkmale und Konstruktunterscheidung von Vertrauen und Misstrauen In dieser Untersuchung wird Vertrauen als dyadisches Vertrauen konzipiert, das zwei spezifische Interaktionspartner einschließt: den Vertrauensgeber, der durch den Vorgesetzten (A) repräsentiert wird und den Vertrauensnehmer, der durch die geführte Führungskraft (B) repräsentiert wird. Damit liegt der Fokus dieser Untersuchung auf interpersonalem spezifischen Vertrauen in Organisationen. Diese beziehungsorientierte Differenzierung ist wichtig, da in der bisherigen Vertrauensforschung Vertrauen häufig nicht als spezifisches Vertrauen in eine konkrete andere Person, sondern als generalisiertes Vertrauen in unspezifische andere Personen aufgefasst wird (Amelang, Gold und Külbel, 1984; Krampen, Viebig und Walter, 1982; Omodei & McLennan, 2000; Rotter, 1971; Scott, 1981).116 Darüber hinaus ist eine weitere Eingrenzung vorzunehmen, die mit der Frage zusammenhängt, ob Vertrauen ein kognitives und/oder emotionales Phänomen ist. Im Zusammenhang mit dieser Frage, werden verschiedene Arten von Vertrauen unterschieden. Rousseau, Sitkin, Burt und Camerer (1998, pp. 398–401) entwickeln ein Modell, das zwischen drei Vertrauensarten unterscheidet: Vertrauen kann kalkulierender Art, relationaler Art oder institutioneller Art sein.117 In der vorliegenden Untersuchung wird kalkulierendes und relationales Vertrauen betrachtet, nicht aber institutionelles Vertrauen.118 Während einige Autoren (McAllister, 1995; Rousseau et al., 1998) nun eine klare Unterscheidung zwischen kalkulierendem Vertrauen (sy134
nonym: kognitionsbasiertes Vertrauen) und relationalem Vertrauen (synonym: emotionsbasiertes Vertrauen) vornehmen, gehen andere Autoren (z. B. Dirks & Ferrin, 2002, p. 616; Zaheer et al., 1998) davon aus, dass diese beiden Arten des Vertrauens selten in ihrer „reinen Form“ vorliegen, sondern vielmehr in Kombination miteinander. Dieser letzteren Konzeption wird in der vorliegenden Untersuchung gefolgt. Insofern geht diese Untersuchung davon aus, dass Vertrauen sowohl aufgrund rationaler Entscheidungsprozesse als auch aufgrund einer positiven Emotionalität in Bezug auf die andere Person hervorgerufen werden kann, denn neben rationalen Überlegungen ist für die Wahl von Vertrauen vor allem die emotionale Komponente bedeutsam (Kipnis, 1996; Luhmann, 1989; Wicks, Berman und Jones, 1999). Nachdem die Art des Vertrauens für diese Untersuchung konkretisiert worden sind, befassen sich die nachfolgenden Ausführungen mit den Problemfeldern (1) bis (5) der bisherigen Vertrauensforschung, wobei mit dem Problem (1), der Definition von Vertrauen, begonnen wird. (1) Merkmale der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Aus entscheidungstheoretischer Tradition heraus lässt sich Vertrauen mit Deutsch (1962) wie folgt definieren: „Vertrauen heißt, gegenüber einer Person, die nicht der eigenen Kontrolle unterliegt, seine eigene Verwundbarkeit zu steigern, wobei die entstehenden Kosten im Falle der Ausnutzung der Verwundbarkeit größer sind als der gewonnene Nutzen im Falle der NichtAusnutzung der Verwundbarkeit“ (p. 303, in deutscher Übersetzung). Im organisationalen Kontext ist dabei beispielsweise an folgende Situation zu denken: Wenn ein Vorgesetzter eine vierwöchige Hochzeitsreise plant und er aufgrund seiner Abwesenheit der geführten Führungskraft informelle Informationen zum Stand eines Projektes, Kontakte zu Geschäftspartnern etc. zukommen lässt, damit die geführte Führungskraft ihn in diesen Wochen angemessen vertreten kann, so ist dies als Vertrauen zu interpretieren. Deutsch zufolge ist der Begriff Vertrauen ausschließlich auf solche Situationen anzuwenden, in denen der Schaden, den der Vertrauensgeber bei einem Vertrauensmissbrauch durch den Vertrauensnehmer erleidet – z. B. das die geführte Führungskraft in der Woche der Abwesenheit ihres Chefs kündigt, sich selbständig macht und alle Geschäftskontakte und Informationen in ihr eigenes Unternehmen mitnimmt – deutlich den Nutzen – z. B. der Vertretung – übersteigt, wenn sich der Vertrauensnehmer gemäß der impliziten Vertrauenserwartung des Vertrauensgebers verhält. Nach Deutsch trifft der Vorgesetzte, wenn er vertraut, also immer eine Entscheidung, die sich wie folgt veranschaulichen lässt: Sofern die subjektive Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer positiven Konsequenz (positive Valenz) größer ist als die subjektive Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer negativen Konsequenz (negative Valenz), dann vertraut der Vorgesetzte aus 135
Zuversicht (Deutsch, 1962, p. 303). Diese entscheidungstheoretisch fundierte Sicht von Vertrauen wurde in einer Reihe von Experimenten untersucht, die allerdings nicht unkritisiert geblieben sind. Denn es bleibt zu berücksichtigen, dass Deutsch genau wie andere Anhänger der Spieltheorie (z. B. Axelrod, 1980; Lindskold, 1978; Tedeschi, Hiester und Gahagan, 1969) Vertrauen mit kooperativem Verhalten gleichsetzt.119 Hervorzuheben bleibt dennoch ein erstes entscheidendes Merkmal von Vertrauen, das von den meisten Vertrauenstheoretikern (Bigley & Pearce, 1998, pp. 406–408; Butler, 1991, p. 659; Gambetta, 1988; Hosmer, 1995; Jones & George, 1998; Krell, 1988, S. 35; Meyerson et al., 1996, p. 170; Mishra, 1996; Neubauer, 1999, S. 92; Ripperger 1998, S. 45; Rousseau et al., 1998, p. 395; Shaw, 1997, p. 22) geteilt wird: Der Vertrauensgeber muss bereit sein, sich verwundbar zu machen (‘Willingness to be vulnerable’), wobei diese Bereitschaft durch Kontrollverzicht gekennzeichnet ist. Diese Bereitschaft zur Erhöhung der eigenen Verwundbarkeit impliziert, dass der Vorgesetzte der geführten Führungskraft einen Vertrauensvorschuss gewährt, wodurch er eine riskante Vorleistung (Luhmann, 1989) erbringt, denn der Vertrauensvorschuss kann vom Vertrauensnehmer ausgenutzt werden. Für Coleman (1982) ist der Vertrauensvorschuss stets einseitig, denn er konzipiert Vertrauen als „einseitigen Transfer von Kontrolle und Ressourcen oder Handlungen und Ergebnisse[n]“ (S. 302). Diese Sicht von Vertrauen als unilateraler Tausch bleibt jedoch zu bezweifeln.120 Vertrauen sollte vielmehr als bilateraler sozialer Tauschprozess verstanden werden, weil sich für den Vertrauensgeber mit der Erbringung seines Vertrauensvorschusses in der Regel die Erwartung der Reziprozität verbindet. Er erwartet also ein positives Verhalten des Vertrauensnehmers z. B. in Form eines Vertrauensbeweises (Konzept der Erwartungsreziprozität von Vorleistung und Gegenleistung). Diese Konzeption von Vertrauen als bilateralem Prozess findet sich in verschiedenen Vertrauenskonzeptionen (Dasgupta, 1988; Gambetta, 1988; Lane, 1998; Lewis & Weigert, 1985; Luhmann, 1989; Mayer, Davis und Schoorman, 1995; Zündorf, 1986), welche häufig ein weiteres essentielles Merkmal von Vertrauen nennen: die positive zukunftsbezogene Erwartungshaltung. Diese positive Erwartung des Vertrauensgebers ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vertrauensnehmer in der Zukunft das Vertrauen nicht ausnutzen wird (Bhattacharya, Devinney und Pillutla, 1998; p. 461; Das & Teng, 1998, p. 492; Elangovan & Shapiro, 1998; Lane, 1998, p. 3; Lewicki et al., 1998, p. 439; Rousseau et al., 1998, p. 395). Der Vorgesetzte antizipiert also entsprechend seiner positiven Erwartungshaltung ein spezifisches, seinem Vertrauensvorschuss gemäßes Verhalten der geführten Führungskraft.121 Damit wird auch ein drittes Merkmal von Vertrauen deutlich: Vertrauen ist an Interdependenz zwischen dem Vertrauensgeber und dem Vertrauensnehmer gebunden. Denn Erwartungen über die Vertrauenswürdigkeit einer anderen Person sind nur dann von Bedeutung, wenn die Konsequenzen der eigenen Handlungen von den 136
Handlungen des anderen Akteurs abhängig sind (Lane, 1998, p. 3). Außerhalb einer sozialen Beziehung besteht hingegen kein Bedarf an Vertrauen (Büssing & Broome, 1999, S. 123; Lewicki & Bunker, 1996, p. 116; Lewis & Weigert, 1985, p. 969; Mayer et al., 1995, p. 710; Wieselquist, Rusbult, Foster und Agnew, 1999, p. 942; Zündorf, 1986, S. 42). Insofern geht Führung durch Vertrauen auch immer mit Abhängigkeit einher – ein Merkmal, das bereits im Zusammenhang mit der Führung durch Einfluss und Macht erläutert wurde. Dabei ist davon auszugehen, dass mit zunehmendem Ausmaß der Erhöhung der Verwundbarkeit, also mit zunehmendem Vertrauensvorschuss durch den Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft, die Abhängigkeit des Vorgesetzten von der geführten Führungskraft steigt. Umgekehrt gilt: Je stärker die geführte Führungskraft dem Konzept der Erwartungsreziprozität entspricht, also ihrerseits vertrauensvolle Gegenleistungen auf einen Vertrauensvorschuss folgen lässt, umso höher ist die Abhängigkeit der geführten Führungskraft von ihrem Vorgesetzten. Genau wie Führung durch Einfluss und Macht ist also auch Führung durch Vertrauen durch wechselseitige Abhängigkeit (‘Mutual dependence’) gekennzeichnet. Führung durch Vertrauen ist mit Risiko verbunden. Obgleich diese Annahme von fast allen Vertrauenstheorien geteilt wird (z. B. Bierhoff, 1995; Coleman, 1991; Deutsch, 1962; Lane, 1998; Lewicki & Bunker, 1996; Lewis & Weigert, 1985; Luhmann, 1989; Ring & Van de Ven, 1992; Rousseau et al., 1998; Shaw, 1997; Sydow, 1996; Williamson, 1993; Zucker, 1986), ist die Art der Relation zwischen Vertrauen und Risiko bislang wenig erforscht (Ripperger, 1998, S. 91).122 Damit ist das Problemfeld (2) der bisherigen Vertrauensforschung angesprochen, also die Beziehung zwischen Vertrauen und Risiko. In psychologischen Vertrauenstheorien wird das Risiko in der potenziellen Ausnutzung der Verwundbarkeit des Vertrauensgebers durch den Vertrauensnehmer gesehen (Deutsch, 1962; 1976; Gambetta, 1988; Grunwald, 1995; Zand, 1972). Die geführte Führungskraft kann also eine solche Alternative wählen, die für den Vorgesetzten mit negativen Konsequenzen verbunden sein wird. Der Vorgesetzte hat schließlich keine Gewissheit darüber, ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form sein Vertrauen durch die geführte Führungskraft erwidert wird. In ökonomischen Vertrauenstheorien (Ripperger, 1998; Williamson, 1993) wird das Risiko, dass Vertrauen inhärent ist, darin gesehen, dass der Vertrauensgeber der Möglichkeit opportunistischen Verhaltens durch den Vertrauensnehmers ausgesetzt ist, wodurch für den Vertrauensgeber ebenfalls ein Schaden entstehen kann. Das Risiko steigt dabei mit der Wahrscheinlichkeit und Höhe des möglichen Schadens (Ripperger, 1998, S. 90). Soziologische Vertrauenstheorien (z. B. Granovetter, 1985; Luhmann, 1989) fokussieren hingegen eher die Bedingungen, die den Grad des möglichen Opportunismus bestimmen. Risiko wird in dieser Denkrichtung als Eigenschaft sozialer Beziehungen angesehen, welches durch Zeit- und Informationsprobleme (Luhmann, 137
1989) bedingt ist. Da die Reaktion (z. B. Gegenleistung) auf eine Aktion (z. B. Vertrauensvorschuss) zumeist zeitversetzt erfolgt, entsteht ein Informationsproblem über die potenziellen Reaktionen des Gegenübers. Zudem kann der Handelnde die Informationsflut, der er ausgesetzt ist, nicht vollständig verarbeiten. Dieses Zeit- und Informationsproblem erfordert das Eingehen eines Risikos seitens des Handelnden, weshalb Vertrauen stets ein Wagnis darstellt. Das Wagnis besteht darin, dass der Handelnde die Erfahrungen aus früheren Interaktionen auch in zukünftigen Interaktionen erwartet. Daher stellt Vertrauen eine Kombination aus Wissen und Nicht-Wissen dar: Das verfügbare Wissen123 des Vorgesetzten über das tatsächliche zukünftige Verhalten der geführten Führungskraft ist stets unvollständig, d. h. der Vorgesetzte ist einem Informationsleck ausgesetzt. Würde der Vorgesetzte über vollständiges Wissen im Hinblick auf das zukünftige Verhalten der geführten Führungskraft verfügen, bestünde für ihn kein Grund zu vertrauen (Büssing & Broome, 1999, S. 123; Lewis & Weigert, 1985, p. 968; McAllister, 1995, p. 26). Aufgrund dieses Wissensdefizits geht der Vorgesetzte durch den Vertrauensvorschuss also immer ein Risiko ein.124 Vertrauen bietet die Möglichkeit, in sozialen Beziehungen mit Risiko handlungsfähig zu sein. Aufgrund der Absorption des Risikos durch Vertrauen besteht eine wesentliche Funktion von Vertrauen darin, soziale Komplexität zu reduzieren (Luhmann, 1989). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Vertrauen mit einer positiven zukunftsbezogenen Erwartung korrespondiert. Damit sei an das Problemfeld (3) in der bisherigen Vertrauensforschung angeknüpft, also die Frage, ob Vertrauen eine Erwartung oder eine Handlung darstellt. Bevor diese Frage für die vorliegende Untersuchung präzisiert wird, soll beschrieben werden, worauf sich die positive Erwartung des Vertrauensgebers im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Vertrauensnehmers stützen kann. Verschiedene Vertrauenstheorien divergieren in ihren Annahmen, auf welche Ursachen eine derartige Erwartung zurückzuführen ist, weshalb sie die Entstehung von Vertrauen in höchst unterschiedlicher Weise modellieren.125 Neben ökonomischen und soziologischen Erklärungsversuchen126 zur Entstehung von Vertrauen kommt vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit dieser Erklärungen auf den hier interessierenden Kontext vor allem den psychologischen Theorien Bedeutung zu. Innerhalb der psychologischen Vertrauensforschung wird Vertrauen entweder als im individuellen Lernprozess erworbene, generalisierte Erwartungshaltung konzipiert und als relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal betrachtet (Rotter, 1967) oder als Resultat frühkindlicher Erfahrungen („Urvertrauen“) mit entscheidenden Bezugspersonen angesehen (Erickson, 1965) oder basierend auf dem Erwartungs-mal-Wert-Prinzip als risikoreiche Entscheidung konzipiert (Deutsch, 1976) oder durch reziproke positive Verstärkung zwischen zwei Interaktionspartnern erklärt, bei der im Sinne einer Vertrauensspirale Vertrauen wiederum Vertrauen erzeugt (Zand, 1972) oder als Attribution positiver Eigenschaften in den anderen aufgefasst (Kelley, 1972) oder 138
in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus beschrieben (Jones & George, 1998), wonach sich die Erwartung vor allem aus der Kommunikation in Form von Gesten und Symbolen einstellt oder durch kulturelle Einflüsse zu erklären versucht wird (Doney, Cannon und Mullen, 1998). Wieder anders wird Vertrauen als kognitive Dissonanzreduktion beschrieben (Festinger, 1957), bei der der Akteur die Unverträglichkeit der beiden Kognitionen „Ich vertraue ihm“ und „Ich gehe ein Risiko ein“ durch die Aufwertung des Interaktionspartners („Er ist vertrauenswürdig“) subjektiv einschmilzt und somit wieder konsonante kognitive Relationen herstellt.127 Für die vorliegende Untersuchung wird die Bildung einer positiven Erwartung durch eine Kombination der Theorien von Deutsch (1976) und Zand (1972) zu erklären versucht: Der Vorgesetzte entwickelt durch Lernprozesse eine positive Erwartungshaltung in Bezug auf das Verhalten der geführten Führungskraft. Dabei sind seine Erfahrungen ausschlaggebend, wobei es sich um seine eigenen Erfahrungen oder aber um stellvertretende Erfahrungen (Bandura, 1997) handeln kann. Sofern die Lernprozesse mit positiven Erfahrungen verbunden sind, bewirken diese positiven Erfahrungen Vertrauen. Die Erfahrungen sind sowohl an kognitive Prozesse des Kosten-Nutzen-Vergleichs als auch an emotionale Prozesse der Beziehungsqualität zur geführten Führungskraft gebunden. Die lernbasierten Erfahrungen führen im positiven Falle zu einer positiven Erwartung des Vorgesetzten in Bezug auf das Verhalten der geführten Führungskraft, wobei diese Erwartung das zukünftige Verhalten des Vorgesetzten bestimmt (Ajzen, 1991). Damit sei an die vorstehende Frage der Natur von Vertrauen als Erwartung oder Handlung erinnert. Fast alle bisherigen empirisch fundierten Vertrauenstheorien begreifen Vertrauen als subjektive Erwartung des Vertrauensgebers (Dirks & Ferrin, 2002, p. 616). Von dieser Konzeption wird hier aus folgendem Grund abgewichen: Würde man Vertrauen lediglich als Erwartung konzipieren, dann würde ein konstitutives Merkmal von Vertrauen nicht hinreichend berücksichtigt, nämlich das Risiko. Der Vertrauensgeber geht schließlich erst dann ein Risiko ein, wenn er sich vertrauensvoll verhält, d. h. die konkrete Handlungsalternative auch wählt (Deutsch, 1969). Eben diese Vertrauenshandlung manifestiert sich in der riskanten Vorleistung (Ripperger, 1998, S. 92), also dem Vertrauensvorschuss. Eine ähnliche Sichtweise von Vertrauen als beobachtbarem Verhalten vertreten Mayer et al. (1995), indem sie ausführen: ‘There is no risk taken in the willingness to be vulnerable (i.e., to trust), but risk is inherent in the behavioral manifestation of the willingness to be vulnerable. One does not need to risk anything in order to trust; however, one must take a risk in order to engage in trusting action’ (p. 724, Hervorh. i. Orig.). Zusammenfassend ist Führung durch Vertrauen eine Handlung des Vorgesetzten, die seine eigene Verwundbarkeit gegenüber der geführten Führungskraft erhöht, wobei er durch seinen Vertrauensvorschuss das Risiko eingeht, dass die geführte Führungskraft diese riskante Vorleistung ausnutzt und ihm daher schadet. Führung durch Vertrauen ist stets an Interdependenz 139
gebunden, wodurch die Akteure wechselseitig voneinander abhängig sind. Ferner setzt Führung durch Vertrauen eine positive Erwartung des Vorgesetzten im Hinblick auf das Verhalten der geführten Führungskraft voraus, die sich im konkreten Vertrauenshandeln des Vorgesetzten zeigt. Diese Merkmale einer vertrauensbasierten Führung sind in Abbildung 13 dargestellt.
Bereitschaft zur Erhöhung der eigenen Verwundbarkeit
Interdependenz/ wechselseitige Abhängigkeit
Merkmale der Führung durch Vertrauen
positive Erwartung, die sich im Vertrauenshandeln zeigt
Abbildung 13. Merkmale der Führung durch Vertrauen In Abgrenzung zur Führung durch Vertrauen kann Misstrauen als mangelnde Zuversicht in andere definiert werden, was in die Überzeugung mündet, dass sich die andere Person nicht in wohlwollender Weise, sondern in feindseliger Weise verhalten wird (Kramer, 1999, p. 587). Anders als eine Führung durch Vertrauen bestehen die Merkmale einer misstrauensbasierten Führung darin, dass keine Bereitschaft des Vorgesetzten zur Erhöhung seiner Verwundbarkeit vorliegt, weshalb auch kein Vertrauensvorschuss erfolgt. Vielmehr agiert der Vorgesetzte im Falle einer misstrauensbasierten Führung mit Selbstschutzmechanismen, also defensiven und ab-sichernden Verhaltensweisen (Fairholm, 1994, p. 102; Krause, 2002b). Sein Verhalten ist dann durch Skepsis, Zynismus und/oder Vorsichtsmaßnahmen (Lewicki et al., 1998) gegen opportu-nistisches Verhalten der geführten Führungskraft geprägt. Aufgrund dieser Vorsichtsmaßnahmen besteht auch nur ein geringes Risiko, dass die geführte Führungskraft dem Vorgesetzten einen Schaden zufügen kann, ihm also Kosten auferlegen kann.128 Genau wie eine vertrauensbasierte Führung ist auch eine misstrauensbasierte durch eine Erwartung des Vorgesetzten charakterisiert, die zu entsprechendem misstrauischen Verhalten führt. Diese Erwartung ist allerdings im Falle einer Führung durch Misstrauen durch eine zugespitzte Negativerwartung (Lewicki et al., 1998; Luhmann, 1989) zu beschreiben, welche sich über wechselseitige Verstärkungsprozesse (Zand, 1972) permanent bestätigt und somit misstrauensbasiertes Führungsverhalten stark änderungsresistent macht. Auch eine Führung durch Misstrauen ist durch Abhängigkeit in der FührerGeführten-Dyade gekennzeichnet: Als Folge des Misstrauenshandelns des Vorgesetzten wird sich die geführte Führungskraft weniger an die Beziehung gebunden fühlen und ihrerseits solche Aktivitäten initiieren, die ihr Kontrolle über den Vorgesetzten ermöglichen, wodurch die Miss140
trauensspirale (Zand, 1972) in Gang gesetzt wird. Eine misstrauensbasierte Führung initiiert und stabilisiert Misstrauen, denn Misstrauen des Vorgesetzten verstärkt die Neigung der geführten Führungskraft ebenfalls zu misstrauen. Entsprechend der Negativerwartung aktiviert auch die geführte Führungskraft zukünftig eher Negativstrategien, also solche Verhaltensweisen, die von Misstrauen gekennzeichnet sind. So wird sie ihrerseits versuchen, z. B. mit erhöhter Skepsis und Selbstschutzmechanismen zu agieren. Über diesen Circulus vitiosus stabilisiert sich dann wechselseitig zunehmendes Misstrauen in der Führer-Geführten-Dyade, da jeder Akteur durch die Wahrnehmung des Verhaltens seines Interaktionspartners in seiner Negativerwartung bestätigt wird. Wird Misstrauen auf diesem Wege verifiziert, so stabilisiert sich die Misstrauenserwartung für die Zukunft. Die Negativerwartung kann auch auf andere als den ursprünglichen Interaktionspartner generalisiert werden. Diese Generalisierung entsteht durch die Akkumulation der Negativerfahrungen in ähnlichen Situationen über die Zeit. Der über klassische Konditionierung vermittelte Generalisierungsprozess kann also ein sukzessives Ansteigen des Misstrauens in der gesamten Arbeitseinheit bewirken. Nachdem die Merkmale der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen beschrieben worden sind, widmen sich die nachfolgenden Ausführungen der Beziehungsstruktur von Vertrauen und Misstrauen, also dem Problemfeld (4) in der bisherigen Vertrauensforschung. Dabei wird aufgezeigt werden, dass sich eine vertrauensbasierte Führung fundamental von einer misstrauensbasierten Führung unterscheidet und worin diese Unterschiede bestehen. (2) Unterscheidung der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen Die bisherigen Ausführungen könnten zu dem normativen Schluss verleiten, dass innerhalb der Führer-Geführten-Dyade Vertrauen die Regel, Misstrauen hingegen die Ausnahme sein solle. Diese Argumentation, dass also Vertrauen generell „gut“ und Misstrauen generell „schlecht“ sei, wird auch heute noch von manchen Autoren vertreten (z. B. Boon & Holmes, 1991, pp. 209– 210; Oswald, 1994, S. 123). Dies steht allerdings im Widerspruch zu jüngeren Forschungserkenntnissen, die zum einen auf die Grenzen von Vertrauen aufmerksam machen (vgl. Bachmann, 2001; Barnes, 1981; Barber, 1983; Gebert, 1995; Hawthorn, 1988; Kern, 1998; Kramer, 1999; Krystek & Zumbrock, 1993; McAllister, 1995; Shaw, 1997) und zum anderen die durchaus positiven Effekte von Misstrauen (vgl. Krystek, 1995; Lewicki et al., 1998; Shaw, 1997) darlegen. Im Hinblick auf den ersten Aspekt – die Grenzen einer Führung durch Vertrauen – muss konstatiert werden, dass ein Übermaß an Vertrauen negative Sekundäreffekte freisetzen kann, die sich z. B. in innovationsbedrohlicher Einstellungs- und/oder Verhaltenskonformität oder im Groupthink äußern können (Krause, 2002a). Ferner ist auf die Gefahr „blinden Vertrauens“ 141
(Deutsch, 1976, S. 132; Gambetta, 1988, p. 218) hinzuweisen: Der Vorgesetzte vertraut hierbei der geführten Führungskraft, wobei dieses Vertrauen durch die geführte Führungskraft mit großer Wahrscheinlichkeit ausgenutzt wird. Durch „blindes Vertrauen“ steigen für den Vorgesetzten einerseits die immateriellen Beziehungskosten an. Andererseits bewirkt „blindes Vertrauen“ aber auch ein „Zuviel an Vertrauen“ langfristig organisationale Ineffektivität (Jeffries & Reed, 2000; Kern, 1998). Beispielsweise steigen dann die Transaktionskosten an (Zaheer et al., 1998) und Transaktionen mit alternativen, aber vertrauenswürdigen Interaktionspartnern werden immer seltener, weil man auf Altbekanntes eingeschworen ist (Kern, 1996, S. 10).129 Demnach scheint es ein optimales Niveau an Vertrauen zu geben (Wicks et al., 1999), während zu niedriges und zu hohes Vertrauen contraproduktiv sein kann. In Bezug auf den zweiten Aspekt – die potenziellen Chancen einer Führung durch Misstrauen – bleibt festzuhalten, dass gesundes Misstrauen im Gegensatz zu „paranoidem Misstrauen“ (Kramer, 1994) unter Umständen angebracht und berechtigt sein kann: Zu denken ist etwa an für Innovationen typische Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft (vgl. Kapitel 2.1.2.4). In diesen Situationen besteht die positive Funktion von Misstrauen darin, rechtzeitig Schutzmaßnahmen einleiten zu können (Lewicki et al., 1998, p. 444). Insofern ist die traditionelle Verhaltensmaxime der generellen und ausnahmslosen Überlegenheit von Vertrauen im Vergleich zu Misstrauen entsprechend zu relativieren (Luhmann, 2000, S. 206; Neuberger, 1997, S. 242). Vergegenwärtigt man sich diese möglichen Effekte eines Übermaßes an Vertrauen aber auch eines zu geringen Misstrauens, so bleibt zu fragen, wie sich die Beziehungsstruktur zwischen Vertrauen und Misstrauen darstellt. Ältere Überlegungen (z. B. Bierhoff & Buck, 1984; Rotter, 1967) zu dieser Frage postulierten ein eindimensionales Kontinuum, wobei Vertrauen und Misstrauen gewissermaßen die Endpunkte dieses Kontinuums darstellen. Diesen Annahmen zufolge ginge hohes Vertrauen mit geringem Misstrauen einher (und umgekehrt). Jedoch würde sich ein gesondertes Nachdenken über Misstrauen „kaum lohnen, wenn es sich dabei nur um fehlendes Vertrauen handelte“ (Luhmann, 1989, S. 78). Jüngere Überlegungen gehen indes davon aus, dass die Annahme der eindimensionalen Struktur der Konstrukte Vertrauen und Misstrauen unangemessen ist, weshalb heute für eine Konstruktunterscheidung zwischen Vertrauen und Misstrauen auf zwei unabhängigen, aber sich beeinflussenden Dimensionen plädiert wird (Gambetta, 1988; Lewicki et al., 1998; Luhmann, 1989; 2000; Sitkin & Roth, 1993). Ausgangspunkt für diese These bildet die Argumentation von Luhmann (1989), dass Misstrauen nicht als das bloße Gegenteil von Vertrauen zu begreifen ist, sondern als funktionales Äquivalent: „Selbstverständlich ist Vertrauen niemals der einzige Mechanismus der Reduktion von Komplexität; der Bedarf für Vertrauen hängt ab von der Verfügbarkeit bzw. Nicht-Verfügbarkeit funktionaler Äquivalente“ (Luhmann, 2000, S. 209). Diese äquivalente Funktion von Vertrauen und 142
Misstrauen besteht demnach in der Komplexitätsreduktion, so dass die Akteure im Resultat ihres Vertrauens bzw. Misstrauens ihre Handlungsfähigkeit aufrechterhalten bzw. steigern. In der Elaboration dieser These konzipieren Lewicki et al. (1998) Vertrauen und Misstrauen als separate Konstrukte auf zwei Dimensionen (s. Abbildung 14), womit die Gleichsetzung von hohem Vertrauen mit geringem Misstrauen (und umgekehrt) als überholt gelten kann. Im Einklang mit Luhmann’s Argumentation gehen Lewicki et al. (1998) davon aus, dass Vertrauen und Misstrauen innerhalb einer sozialen Beziehung koexistieren. Diese Annahme der Koexistenz wird deutlicher, wenn man sich die Unterschiede zwischen den inhaltlichen Verankerungen der Konstrukte Vertrauen und Misstrauen vor Augen führt. Für die Misstrauensdimensionen sind solche Erlebensweisen typisch, die durch Furcht, Skepsis, Zynismus, Vorsicht, Obacht und Wachsamkeit beschreibbar sind. Diese Erlebensweisen sind im Falle von großem Misstrauen stark ausgeprägt, während sie im Falle von geringem Misstrauen nicht oder nur schwach vorhanden. Für die Vertrauensdimension sind demgegenüber solche Erlebensweisen charakteristisch, die sich u. a. durch Hoffnung, Glaube und Zuversicht auszeichnen, welche im Falle von großem Vertrauen stark ausgeprägt, im Falle von geringem Vertrauen hingegen kaum vorhanden sind.
143
großes Vertrauen charakterisiert durch - Hoffnung - Glaube - Zuversicht - Zusicherung - Initiative
hohe Übereinstimmung
vertraue, aber kontrolliere
wechselseitiger Einfluss wird gefördert
Beziehungen sind stark segmentiert Gelegenheiten werden wahrgenommen, aber die damit verbundenen Risiken und Verletzlichkeiten werden fortwährend überwacht
Chancen werden wahrgenommen neue Initiativen
2 1 geringes Vertrauen
Gelegenheitsbekanntschaften
charakterisiert durch - fehlende Hoffnung - fehlender Glaube - fehlende Zuversicht - Passivität - Zögerlichkeit
beschränkter, wechselseitiger Einfluss begrenzter distanzierter Austausch professionelle Höflichkeit
4 3 unerwünschte Eventualitäten werden erwartet und befürchtet böse Absichten werden unterstellt wechselseitiger Einfluss wird gemanagt Angriff ist die beste Verteidigung Paranoia
geringes Misstrauen
großes Misstrauen
charakterisiert durch - fehlende Furcht - Abwesenheit von Skepsis, - Abwesenheit von Zynismus - wenig Überwachung - keine Wachsamkeit
charakterisiert durch - Furcht - Skepsis - Zynismus - Vorsicht und Obacht - Wachsamkeit
Abbildung 14. Zweidimensionalität von Vertrauen und Misstrauen (nach Lewicki, McAllister und Bies, 1998, p. 4 Durch die Kombination dieser beiden bipolar gestuften Dimensionen ergeben sich vier prototypische Beziehungsmuster (Lewicki et al., 1998, pp. 446–447). Im Feld 1 (s. Abbildung 14), also bei geringem Vertrauen und geringem Misstrauen, neigt der Akteur zu Gelegenheitsbekanntschaften, die durch wenig Intimität gekennzeichnet sind und auf eine simple Kommunikation hinauslaufen, wie etwa distanzierten Meinungsaustausch oder professionelle Höflichkeit. Im Feld 2, also bei großem Vertrauen und geringem Misstrauen, sind die Beziehungen des Individuums durch eine hohe kognitive und emotionale Übereinstimmung gekennzeichnet, welche durch häufige positive Erfahrungen mit der anderen Person in der Interaktion entstanden ist. Diese Erfahrungen kreieren soziales Kapital (Coleman, 1991), so dass der Akteur zu neuen Initiativen neigt. Im Feld 3, also bei geringem Vertrauen und großem Misstrauen, verhält sich der Akteur aufgrund seiner akkumulierten negativen Erfahrungen defensiv, er unterstellt der anderen Person
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böswillige Absichten, meint, dass Angriff die beste Verteidigung ist, rechnet ständig damit, enttäuscht zu werden, was schließlich zu paranoidem Verhalten führen kann. Typisch sind für diese Kombination darüber hinaus Sarkasmus, Zynismus und dysfunktionale Attributionen im Hinblick auf die Motive der anderen Person. Im Feld 4, der interessantesten Kombination aus großem Vertrauen und gleichzeitig großem Misstrauen, sind zwei ambivalente Erlebensweisen des Akteurs parallel stark ausgeprägt: Innerhalb einer sozialen Beziehung koexistieren Hoffnung, Glaube und Zuversicht einerseits und Furcht, Skepsis und Zynismus andererseits. Der Akteur hat also mit ein und derselben Person sowohl viele positive Erfahrungen im Laufe der Interaktion gemacht als auch viele negative Erfahrungen, so dass „begrenzte Abhängigkeiten“ etwa nach dem Prinzip „Vertraue, aber kontrolliere“ angestrebt werden. Diese Kombination aus gleichzeitig hohen Vertrauens- und Misstrauensgraden entspricht dem kalkulierenden Vertrauen (s. Kapitel 2.4.2.1). Diese Konzeption von Vertrauen und Misstrauen auf zwei Dimensionen erweitert Luhmann’s Annahme der Koexistenz von Vertrauen und Misstrauen in einem nicht unbedeutenden Aspekt: Luhmann koppelt das gleichzeitige Vorhandensein von Vertrauen und Misstrauen an einen bestimmten Bereich der Interaktion bzw. an bestimmte Situationen, wenn er meint: „Man kann einem anderen in Dingen der Liebe, nicht aber in Sachen des Geldes, in seinem Wissen, aber nicht in seiner Geschicklichkeit, in seinem moralischen Wollen, aber nicht in seiner Fähigkeit zu objektiver Berichterstattung, in seinem Geschmack, aber nicht in seiner Verschwiegenheit vertrauen“ (Luhmann, 2000, S. 213). Diese Bereichs- bzw. Situationsspezifik wird im beschriebenen zweidimensionalen Modell von Vertrauen und Misstrauen (s. Abbildung 14) insofern überwunden, als Lewicki et al. (1998) gerade nicht von dieser Platitüde ausgehen, dass man jemandem in einem bestimmten Bereich vertraut und einem anderen Bereich misstraut oder jemandem in einer bestimmten Situation vertraut und in einer anderen Situation misstraut. Vielmehr besteht die Koexistenz von Vertrauen und Misstrauen gerade darin, dass sie sich nicht auf bestimmte Bereiche erstreckt oder Situationen bezieht, sondern darin, dass innerhalb einer sozialen Beziehung hohe Grade an Hoffnung, Glaube, Zuversicht in demselben Bereich bzw. in derselben Situation mit gleichzeitig hohen Graden an Skepsis, Zynismus, Vorsicht, Obacht und Wachsamkeit parallel vorhanden sind. Diese Kombination aus großem Vertrauen und gleichzeitig großem Misstrauen ist nach Lewicki et al. (1998, p. 447) für die Zusammenarbeit in Organisationen förderlich, da Kooperationspotenziale in diesem Fall weder unterschätzt noch überschätzt werden. Diese Sicht, dass es für das Funktionieren von Organisationen notwendig ist, nicht nur großes Vertrauen, sondern auch großes Misstrauen zu zeigen, teilen auch andere Autoren (z. B. Kern, 1996, S. 9; Krell, 1988, S. 45; Wicks et al., 1999, p. 101).
145
Für die vorliegende Untersuchung wird das zweidimensionale Modell von Vertrauen und Misstrauen zu Grunde gelegt. Dabei wird faktorenanalytisch zu prüfen sein, ob Führung durch Vertrauen und Führung durch Misstrauen auch empirisch als zwei Facetten des Verhaltens des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft separierbar sind (s. Kapitel 3.4.4.2). Damit sei zum Problemfeld (5) in der bisherigen Vertrauensforschung übergeleitet, also der Frage nach der Tiefenstruktur der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen. Entsprechend der zu Grunde gelegten Konzeption von Vertrauen und Misstrauen, wird gefragt, durch welche Verhaltensweisen der Vorgesetzte gegenüber der geführten Führungskraft Vertrauen aufbauen kann (Tiefenstruktur von Vertrauen). Der Vergleich bisheriger Klassifikationen von Vertrauensgrundlagen führt zur Erarbeitung einer neuen Typologie der Grundlagen interpersonalen Vertrauens und schließt die Diskussion der Tiefenstruktur der Führung durch Misstrauen an.
2.4.2.2 Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen Zeigt der Vorgesetzte (A) gegenüber der geführten Führungskraft (B) ein vertrauensvolles Verhalten, so kann er dabei verschiedene Vertrauensgrundlagen (Bases of trust) einsetzen, die in der Vertrauensliteratur unterschiedlich klassifiziert werden (s. Tabelle 11). Wie deutlich wird, differieren bisherige Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen in der Anzahl, Bezeichnung und der damit einhergehenden Abgrenzung der Vertrauensgrundlagen. Dabei soll zunächst davon ausgegangen werden, dass ein Vorgesetzter prinzipiell all diese Vertrauensgrundlagen im Innovationsprozess gegenüber der geführten Führungskraft zum Vertrauensaufbau einsetzen kann.
146
Sako (1992) Ring & Van de Ven (1992) Sitkin & Roth (1993) Fairholm (1994) Currall & Judge (1995) Mayer, Davis und Schoorman (1995)
Frost, Stimpson und Maughan (1978) Cook & Wall (1980) Larzelere & Huston (1980) Lieberman (1981) Butler & Cantrell (1984) Rempel, Holmes und Zanna (1985) Buck & Bierhoff (1986) Hart, Capps, Cangemi und Caillouet (1986) Good (1988) Dasgupta (1988) Butler (1991)
Autor(en) Hovland, Janis und Kelley (1953) Strickland (1958) Deutsch (1960) Solomon (1960) Giffin (1967) Kee & Knox (1970) Jennings (1971) Farris, Senner und Butterfield (1973) Jones, James und Bruni (1975) Rosen & Jerdee (1977) Gabarro (1978) Lindskold (1978)
Erwartung des Vertrauensgebers über zukünftiges Verhalten des anderen Intention glaubwürdige Versprechen Vermeidung von Bestrafungen Intention Verfüg- Konsistenz Diskre- Fairness Integrität Loyalität EmpErfüllen Offenheit barkeit tion fänglichk von Vereit sprechen Kompetenz Wohlwollen Wohlwollen Moralische Integrität Fähigkeit Wertkongruenz Vorhersagbarkeit Konsistenz Kooperation Kongruenz Hilfestellung Kommunikation informelle Übereinkunft Überwachung Aufgabenkoordination Fähigkeit Wohlwollen Integrität
Fähigkeit Fähigkeit Kompetenz
Vertrauensgrundlagen Abwesenheit der Motivation zum Lügen Wohlwollen Fähigkeit Intention zur Vertrauensproduktion Wohlwollen Expertise Verlässlichkeit Reputation Dynamik Attraktivität Intentionen Kompetenz Motive Vorhersagbarkeit Loyalität Verfügbarkeit Zugänglichkeit Gruppennormen Art der Gefühle Experimentierfreudigkeit mit neuen Verhaltensweisen Offenheit Fähigkeit Verhaltensweisen, die für die individuelle Bedürfnisbefriedigung relevant sind Kompetenz Gruppenziele Verlässlichkeit wohlwollende Intention Verlässlichkeit Abwesenheit von Echtheit und Ehrlichkeit Manipulation Altruismus Abhängigkeit des Vertrauenden Fähigkeit vertrauenswürdige Intentionen Wohlwollen Ehrlichkeit Kompetenz Integrität Kompetenz Konsistenz Loyalität Integrität Offenheit Vorhersagbarkeit Zuverlässigkeit Treue Verlässlichkeit Vertrauenswürdigkeit Werte Autonomie & Feedback Offenheit/Selbstkongruenz Expertise
Tabelle 11. Zusammenstellung der Klassifikationen der Grundlagen von Vertrauen
Kompetenz
Kompetenz Fähigkeit
Wohlwollen
Wohlwollen Wohlwollen Wohlwollen Vertrauenswürdigkeit Vorhersagbarkeit
Konsistenz Integrität
Fairness Ehrlichkeit
Offenheit & Ehrlichkeit
Kompetenz Zuverlässigkeit Mitgefühl (Fürsorge) Offenheit Einhaltung von Verbindlichkeiten Vermeidung übermäßiger eigener Vorteile ehrliche Verhandlungsführung Kompetenz Konsistenz/Fairness Loyalität Integrität Offenheit Wohlwollen Vorhersagbarkeit Wohlwollen Integrität Kommunikation Demonstration von VerhaltensTeilen und DelegaVerhaltenintegrität Betroffenheit konsistenz tion von Kontrolle bei geringer Abhängigkeit: bei starker Abhängigkeit: bei geringer Unabhängigkeit: bei starker Unabhängigkeit: Diskretion, Zuverlässigkeit, Integrität, Besorgtheit, Wohl- Vorhersagbarkeit, Konsistenz Voraussicht, Intuition, EmpaKompetenz wollen thie Zuverlässigkeit Vorhersagbarkeit Fairness Kompetenz Wohlwollen Vorhersagbarkeit Ehrlichkeit
Anmerkungen. Die Spaltengleichheit bedeutet nicht immer inhaltliche Gleichheit. Chronologische Darstellung.
Zaheer, McEvily und Perrone (1998) McKnight, Cummings und Chervany (1998) Neubauer (1999) Brower, Schoorman und Tan (2000) Cunningham & MacGregor (2000) Glaeser, Laibon, Scheinkman und Soutter (2000) Das & Teng (2001)
Sheppard & Sherman (1998)
Mishra (1996) Cummings & Bromiley (1996) Clark & Payne (1997) Hardy, Phillips und Lawrence (1998) Elangovan & Shapiro (1998) Whitener et al. (1998)
Wie der Vergleich bisheriger Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen zeigt, nennen manche Klassifikationen lediglich eine Vertrauensgrundlage, wie etwa Wohlwollen (Solomon, 1960; Strickland, 1958), andere Differenzierungen reichen hingegen bis hin zu 10 Vertrauensgrundlagen, wie Verfügbarkeit, Kompetenz, Konsistenz, Diskretion, Fairness, Integrität, Loyalität, Empfänglichkeit, Erfüllen von Versprechen und Offenheit (Butler, 1991).130 Dabei sind die elabierten Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen von Butler (1991) und Sheppard und Sherman (1998) aus drei Gründen zu kritisieren: Das Hauptproblem dieser Klassifikationen besteht darin, dass sie keine trennscharfen Vertrauensgrundlagen abbilden.131 Die inhaltlichen Überschneidungen der Vertrauensgrundlagen sind ein Grund dafür, dass es für die vorliegende Untersuchung nicht sinnvoll ist, zehn Vertrauensgrundlagen anzunehmen, sondern die Anzahl der Vertrauensgrundlagen auf eine überschaubare und disjunkte Menge zu begrenzen. Diese Sichtweise der Zusammenfassung einzelner Vertrauensgrundlagen zu einigen wenigen übergeordneten Kategorien findet häufig Unterstützung (Mayer et al., 1995, p. 723; Neubauer, 1999, S. 94). Ein zweiter Kritikpunkt an den vorgestellten Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen betrifft das Problem der mangelnden Kontextbezogenheit. Analog zur Führung durch Einfluss und Führung durch Macht (s. Kapitel 2.4.1.2) dürfte auch für die Führung durch Vertrauen gelten, dass unterschiedliche Vertrauensgrundlagen in unterschiedlichen Untersuchungskontexten von unterschiedlicher Bedeutung sind. So erscheint es unmittelbar plausibel, dass z. B. in Organisationen andere Vertrauensgrundlagen relevant sein können als z. B. im familiären Bereich. Diese Frage der kontextabhängig variierenden Relevanz des Einsatzes der Vertrauensgrundlagen ist bislang jedoch nicht untersucht worden. Insofern bleibt bei allen in Tabelle 11 zusammengestellten Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen unklar, weshalb gerade diese und nicht andere Vertrauensgrundlagen ausgewählt wurden – womit ähnlich wie schon im Zusammenhang mit der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht erwähnt, erneut das Thema geeigneter Selektionskriterien bei der Entwicklung von Klassifikationen angesprochen ist. Auch diese Problematik der vorgestellten Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen ist ein Grund dafür, warum zur Untersuchung der Führung durch Vertrauen im Innovationskontext (!) nicht auf bisherige Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen im 1:1-Verhältnis zurückgegriffen werden konnte. Ferner ist auf eine dritte Kritik an bisherigen Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen einzugehen, die einmal mehr die Notwenigkeit der Entwicklung einer geeigneten Typologie der Vertrauensgrundlagen unterstreicht: Im Vertrauenshandeln setzt ein Vorgesetzter nicht nur eine Vertrauensgrundlage isoliert von anderen Vertrauensgrundlagen ein, sondern kombiniert mehrere Vertrauensgrundlagen miteinander (Krause, 2002a). Generell und speziell im Innovationskontext liegen bisher jedoch keine Befunde zu diesem Problem des kombinierten Einsatzes der Vertrauensgrundlagen vor. 149
Diese kritische Betrachtung der Angemessenheit bisheriger Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen für den Innovationskontext führt zu dem Schluss, dass diese Klassifikationen aufgrund ihrer mangelnden Trennschärfe, der mangelnden Kontextspezifität und der mangelnden Berücksichtigung des kombinierten Einsatzes von Vertrauensgrundlagen nicht hinreichend für die vorliegende Untersuchung geeignet sind. Dies führt zur Notwendigkeit, eine angemessene Typologie der Vertrauensgrundlagen zu entwickeln. Diese Typologie wird nachfolgend hergeleitet. Außerdem werden die hier auf der theoretischen Ebene separierten Vertrauensgrundlagen beschrieben (Tiefenstruktur von Vertrauen). Da bereits deutlich wurde, dass Führung durch Vertrauen und Führung durch Misstrauen zweidimensionale Konstrukte darstellen, ist nicht davon auszugehen, dass geringe Ausprägungen der Grundlagen der Führung durch Vertrauen gleichsam den Grundlagen der Führung durch Misstrauen entsprechen. Deshalb wird nach der Entwicklung der Typologie der Vertrauensgrundlagen für die Führung durch Misstrauen gefragt, welche Grundlagen für diese Interaktionsfacette typisch sind (Tiefenstruktur von Misstrauen).
2.4.2.3 Herleitung und Beschreibung relevanter Vertrauens- und Misstrauensgrundlagen im Innovationsprozess Eine Typologie der Vertrauensgrundlagen im Innovationsprozess hat zwei übergeordnete Voraussetzungen zu erfüllen: Die zu entwickelnde Typologie muss zum einen die vorstehend beschriebenen Probleme bisheriger Klassifikationen der Vertrauensgrundlagen handhaben und insofern disjunkte Grundlagen von Vertrauen abbilden, die kontextspezifisch adaptiert sind und die kombiniert einsetzbar sind. Zum anderen müssen die in der zu entwickelnden Typologie zusammengestellten Vertrauensgrundlagen disjunkt sein zu jeder hier untersuchten Einflussgrundlage der Führung und jeder Machtgrundlage der Führung (s. Kapitel 2.4.1.3). Einen ersten Anhaltspunkt für eine solche Typologie der Vertrauensgrundlagen bieten Mayer et al. (1995, p. 723) durch den Vorschlag drei übergeordnete Grundlagen von Vertrauen anzunehmen – Fähigkeit, Wohlwollen, Integrität – welche inhaltlich die von Butler (1991) verifizierten Vertrauensgrundlagen wie folgt abbilden: Fähigkeit beinhaltet die Grundlage Kompetenz. Wohlwollen spiegelt die Grundlagen Loyalität, Offenheit, Empfänglichkeit und Verfügbarkeit wider. Integrität schließt die Grundlagen Konsistenz, Diskretion, Fairness, Integrität und Erfüllen von Versprechen ein. Zwar erscheint dieser Vorschlag auf den ersten Blick angemessen, auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass die drei Vertrauensgrundlagen Fähigkeit, Wohlwollen und Integrität nicht hinreichend trennscharf bezüglich der Einflussgrundlagen der Führung sind (s. Kapitel 2.4.1.3). Erstens besteht eine Überlappung zwischen Fähigkeit (bzw. Kompetenz) und der Einflussgrundlage Expertenwissen/Information. Da Expertenwissen/Information aber eher 150
eine Einflussgrundlage als eine Vertrauensgrundlage darstellt, wird Fähigkeit (bzw. Kompetenz) von der weiteren Analyse im Zusammenhang mit der Führung durch Vertrauen eliminiert. Zweitens ist davon auszugehen, dass Verfügbarkeit keine Vertrauensgrundlage im eigentlichen Sinne darstellt. Denn ein Handeln, welches auf bloßer Verfügbarkeit beruht, weist ebenfalls nicht die Merkmale einer Führung durch Vertrauen auf. Aus diesem Grund wird auch die Grundlage Verfügbarkeit von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Drittens besteht eine Überlappung zwischen Offenheit als Vertrauensgrundlage und der Einflussgrundlage „Verzicht auf Manipulation“ (in entgegengesetzter Richtung), weshalb Offenheit ebenfalls negativ selektiert wird. Vor dem Hintergrund dieser Selektion entfallen Kompetenz, Verfügbarkeit und Offenheit als Vertrauensgrundlagen in dieser Untersuchung. Es wird vorgeschlagen zwischen drei Vertrauensgrundlagen zu unterscheiden, die der Vorgesetzte gegenüber der geführten Führungskraft im Innovationsprozess einsetzen kann: Wohlwollen, Konsistenz und Integrität. Diese Typologie der Grundlagen einer vertrauensbasierten Führung und ihre inhaltliche Entsprechung zu Vertrauensgrundlagen aus anderen Klassifikationen (s. Tabelle 11) sind in Tabelle 12 zusammengefasst.132 Tabelle 12. Innovationskontextspezifisch ausgewählte Grundlagen der Führung durch Vertrauen und ihre Entsprechung zu Vertrauensgrundlagen anderer Klassifikationen Grundlagen der Führung durch Vertrauen Wohlwollen
Konsistenz
Integrität
Inhaltliche Entsprechung zu Hilfestellung (Fairholm, 1994), Mitgefühl (Fürsorge) (Mishra, 1996), Betroffenheit (Whitener et al., 1998), Loyalität (Butler, 1991; Clark & Payne, 1997), Fairness (Butler, 1991; Clark & Payne, 1997) Verlässlichkeit (Buck & Bierhoff, 1986; Gabarro, 1978; Giffin, 1967), Zuverlässigkeit (Mishra, 1996; Rempel, Holmes und Zanna, 1985), Vorhersagbarkeit (McKnight et al., 1998), Erfüllen von Versprechen (Butler, 1991), glaubwürdige Versprechen (Dasgupta, 1988) Einhalten von Verbindlichkeiten (Cummings & Bromiley, 1996) Ehrlichkeit (Glaeser et al., 2000; Larzelere & Huston, 1980; McKnight et al., 1998; Neubauer, 1999) Diskretion (Butler, 1991), Kongruenz (Fairholm, 1994) Selbstkongruenz (Hart et al., 1986) Wertkongruenz (Sitkin & Roth, 1993), moralische Integrität (Ring & Van de Ven, 1992), Verhaltensintegrität (Whitener et al., 1998)
151
(1) Grundlagen der Führung durch Vertrauen Vertrauensbasierte Führung durch Wohlwollen zeigt der Vorgesetzte im Innovationsprozess dann, wenn er der geführten Führungskraft Gutes tun will (vgl. Mayer et al., 1995, p. 718; Neubauer, 1999, S. 95). Dies kann sich darin ausdrücken, dass der Vorgesetzte der geführten Führungskraft persönliche Hilfestellungen (Fairholm, 1994) zuteil werden lässt oder dass der Vorgesetzte eine persönliche Betroffenheit (Whitener et al., 1998) bzw. ein Mitgefühl (Mishra, 1996) für die Belange der geführten Führungskraft zeigt. Auch die gezielte Förderung der geführten Führungskraft im Rahmen einer Mentor-Protegé-Beziehung (vgl. Blickle, 2000) ist dem wohlwollenden Verhalten des Vorgesetzten zuzurechnen. Häufig wird im Zusammenhang mit wohlwollendem Verhalten die Loyalität des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft betont (Butler & Cantrell, 1984; Mayer et al., 1995; Neubauer, 1991).133 Der Vorgesetzte verhält sich loyal gegenüber der geführten Führungskraft, wenn er bei Problemen oder in schwierigen Situationen zu der geführten Führungskraft steht und ihr auch dann (gegenüber Dritten) „den Rücken stärkt“. Ferner ist das Führungsverhalten des Vorgesetzten dann durch Wohlwollen gekennzeichnet, wenn der Vorgesetzte gegenüber der geführten Führungskraft Fairness walten lässt. Fairness ist im Zusammenhang mit wahrgenommener Gerechtigkeit zu interpretieren. Nach der EquityTheorie (Adams, 1963) schätzt die geführte Führungskraft das Verhalten des Vorgesetzten dann als gerecht, also fair ein, wenn aus ihrer Sicht das Verhältnis zwischen ihrem eigenen Input (z. B. Energie, Zeit, Erfahrung, Wissen) und Output (z. B. Lohn, Anerkennung) dem Verhältnis zwischen Input und Output einer anderen geführten Führungskraft (relevante Vergleichsperson) entspricht. Damit ist jedoch erst ein Aspekt von Fairness präzisiert, den Brockner und Siegel (1996) als Ergebnisgerechtigkeit (wahrgenommene Fairness des Ergebnisses) bezeichnen. Von der Ergebnisgerechtigkeit ist ein weiterer Aspekt der Fairness zu unterscheiden, der sich auf die prozedurale Gerechtigkeit (Bierhoff, 1992; Brockner & Siegel, 1996; Culnan & Armstrong, 1999; Müller, 1998; Naumann & Bennet, 2000; Van den Bos & Miedema, 2000), also die wahrgenommene Fairness eines Verfahrens (Verfahrensgerechtigkeit), bezieht. Prozedurale Gerechtigkeit realisiert der Vorgesetzte dann, wenn er das Prinzip „Willkür“ durch ethisch legitimierte Regeln ersetzt, so dass die geführte Führungskraft dann das Verfahren als solches als fair beurteilt.134 Interessant ist dabei die relative Bedeutung beider Formen der Fairness: Selbst dann, wenn die Ergebnisgerechtigkeit als vergleichsweise niedrig beurteilt wird, gleichzeitig aber die Verfahrensfairness als hoch eingeschätzt wird, spiegelt sich diese Kombination aus Ergebnisund Verfahrensfairness in einem positiven Erleben der Betroffenen wider (Brockner & Siegel, 1996, p. 392).135 Dieser Interaktionseffekt zwischen Ergebnis- und Verfahrensfairness verweist 152
auf die relativ stärkere Bedeutung der Verfahrensfairness im Vergleich zur Ergebnisfairness: Ungünstige Ergebnisse können durch faire Verfahren kompensiert werden. Mit vertrauensbasierter Führung durch Konsistenz sind gegenüber der vertrauensbasierten Führung durch Wohlwollen solche Verhaltensweisen des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft angesprochen, die sich mit den Begriffen Verlässlichkeit (Buck & Bierhoff, 1986; Gabarro, 1978; Giffin, 1967), Zuverlässigkeit (Mishra, 1996; Rempel et al., 1985), Vorhersagbarkeit (McKnight et al., 1998), Erfüllen von Versprechen (Butler, 1991), glaubwürdige Versprechen (Dasgupta, 1988) und Einhalten von Verbindlichkeiten (Cummings & Bromiley, 1996) umreißen lassen. Gemeint sind demnach solche Verhaltensweisen des Vorgesetzten, durch die er sein Verhalten für die geführte Führungskraft vorhersagbar macht, so dass die geführte Führungskraft aufgrund der Unsicherheitsreduktion Verlässlichkeitserwartungen stabilisieren kann. Konsistenz im Verhalten schließt situative und zeitliche Stabilität (bzw. Beständigkeit) ein. Situative Konsistenz beinhaltet die Beständigkeit im Verhalten des Vorgesetzten in verschiedenen Situationen. Situativ inkonsistent würde sich der Vorgesetzte dann verhalten, wenn er sich in Situation P für das Projekt X und in Situation Q für das Projekt Y engagiert. Zeitliche Konsistenz bezieht sich auf die Stabilität des Verhaltens des Vorgesetzten im Zeitverlauf, also die Vermeidung von Verhaltensweisen, wie „heute Hü und morgen Hott“ (Krause & Klöhn, 2002). Zeitliche Verhaltenskonsistenz ist beispielsweise dann gegeben, wenn der Vorgesetzte dauerhaft das Innovationsprojekt X vertritt. Ferner bezieht sich vertrauensbasierte Führung durch Konsistenz darauf, dass der Vorgesetzte zu seinem Wort steht, also seine geäußerten Intentionen, Zusagen und Versprechen auch in die Tat umsetzt. Vertrauensbasierte Führung durch Integrität wird mitunter auch als moralische Integrität (Mayer et al., 1995; Ring & Van de Ven, 1992) oder Verhaltensintegrität (Whitener et al., 1998) bezeichnet. In der hier zu Grunde gelegten Bedeutung schließt Integrität drei Aspekte ein: Ehrlichkeit (Glaeser et al., 2000; Larzelere & Huston, 1980; McKnight et al., 1998; Neubauer, 1999), Diskretion (Butler, 1991) und Kongruenz (Fairholm, 1994). Unter Ehrlichkeit wird die Bereitschaft des Vorgesetzten verstanden, Auskünfte gemäß ihrem Wahrheitsgehalt und ohne Einschränkungen an die geführte Führungskraft weiterzugeben (Neubauer, 1999, S. 95). Diskretion ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte sensible und/oder informelle Informationen verschwiegen behandelt und insofern nicht an Dritte weitergibt (Dasgupta, 1988; Gabarro, 1978). Kongruenz kann verschiedene Aspekte beinhalten, die zuweilen auch als Selbstkongruenz (Hart et al., 1986), Wertkongruenz (Sitkin & Roth, 1993) oder Verhaltenskongruenz (Whitener et al., 1998, p. 516) bezeichnet werden. Der Vorgesetzte verhält sich kongruent, wenn er seinen Prinzipien treu bleibt, d. h. wenn seine inneren Einstellungen mit seinem äußeren Handeln übereinstimmen. Dies kann sich in der Übereinstimmung zwischen Reden und Handeln zeigen (Neu153
bauer, 1999, S. 95; Whitener et al., 1998, p. 515), aber auch in der Übereinstimmung zwischen Moralvorstellungen bzw. persönlichen Wertorientierungen und dem Verhalten des Vorgesetzten. Umgekehrt deutet ein Verhalten, das durch Double-bind136 bzw. Mixed-messages (vgl. Watzlawick et al., 1993) gekennzeichnet ist, auf inkongruentes Verhalten hin. Sofern der Vorgesetzte diese Grundlagen der Führung durch Vertrauen – Wohlwollen, Konsistenz und Integrität – gegenüber der geführten Führungskraft im Innovationsprozess einsetzt, steigert er damit das in ihn gesetzte Vertrauen. (2) Grundlagen der Führung durch Misstrauen Führung durch Misstrauen ist als gelerntes Verhalten des Vorgesetzten zu interpretieren. Seinen negativen Erfahrungen (Lewicki et al., 1998; Luhmann, 1989) entsprechend erwartet der Vorgesetzte von der geführten Führungskraft feindselige Verhaltensweisen. Er rechnet ständig damit, von der geführten Führungskraft enttäuscht, verraten oder übervorteilt zu werden und unterstellt der geführten Führungskraft böswillige Motive. Sein defensives Verhalten gegenüber der geführten Führungskraft ist von Furcht, Skepsis und Zynismus getragen. Im Hinblick auf die Tiefenstruktur eines so definierten Misstrauens bleibt zu fragen, auf welchen Grundlagen Misstrauen im Führungsverhalten basiert (Bases of mistrust). Omodei & McLennan (2000, p. 282) nennen als Grundlagen interpersonalen Misstrauens die Erfahrungen eines Individuums, dass von relevanten Bezugspersonen Bestrafungen zu erwarten sind und dass diese relevanten Bezugspersonen unzuverlässig sind. Diese Grundlagen scheinen jedoch nicht erschöpfend das hier zu Grunde liegende Verständnis einer misstrauensbasierten Führung abzubilden. Entsprechend der zweidimensionalen Konzeption von Vertrauen und Misstrauen (vgl. Abbildung 15) ist nicht davon auszugehen, dass Führung durch Misstrauen dadurch erfolgt, dass die Vertrauensgrundlagen Wohlwollen, Konsistenz und Integrität lediglich schwach ausgeprägt sind. Vielmehr ändert sich im Falle einer misstrauensbasierten Führung die Qualität des Führungsverhaltens in fundamentaler Weise (Neubauer, 1999) im Vergleich zu einer vertrauensbasierten Führung. Deshalb bleibt zu diskutieren, inwieweit ein Vertrauensbruch eine Grundlage der Führung durch Misstrauen ist. Diesbezüglich ist anzunehmen, dass ein Organisationsmitglied dann einen Vertrauensbruch erlebt, (1) wenn es einen materiellen oder ideellen Schaden erleidet, weil es sich auf eine andere Person (z. B. den Vorgesetzten, Kollegen oder Unterstellte) verlassen hatte, (2) wenn die andere Person ursächlich für diesen Schaden verantwortlich zu machen ist und insofern der Schaden absichtlich herbeigeführt worden ist, (3) wenn sich das Opfer als Ziel der schädigen und absichtlichen Handlung erlebt (Personalisierung) und (4) wenn durch die andere Person keine adäquate Wiedergutmachung für den entstandenen Schaden erfolgt (Morris & 154
Moberg, 1994). Diese vier Bedingungen sind notwendig und hinreichend, um im organisationalen Kontext von einem Vertrauensbruch zu sprechen. Allerdings wird deutlich, dass auch ein Vertrauensbruch nicht identisch ist mit einer Führung durch Misstrauen, denn bei einem Vertrauensbruch, der sich zumeist auf bestimmte Bereiche bezieht oder bestimmte Situationen erstreckt, ist das Vertrauen durch entsprechende Maßnahmen wieder reparierbar. In der Literatur werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, um zerstörtes Vertrauen zu reparieren (vgl. Lewicki & Bunker, 1996, pp. 129–173; Shaw, 1997, pp. 181–188) und damit die Beziehung zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft auf der Dimension „Vertrauen“ von geringem Vertrauen nach dem erlittenen Vertrauensbruch zu großem Vertrauen (vgl. Lewicki et al., 1998) zu überführen. Derartige Maßnahmen zur Wiederherstellung von Vertrauen nach einem erlebten Vertrauensbruch erfüllen ihre Funktion allerdings nur dann, wenn sie sowohl auf der kognitiven als auch auf der emotionalen Ebene ansetzen und beide Interaktionspartner mit einbeziehen (Lewicki & Bunker, 1996, pp. 128–129). Wie schon deutlich wurde, ist Misstrauen jedoch durch eine andere Interaktionsqualität gekennzeichnet als niedriges Vertrauen (vgl. Kapitel 2.4.2.1). Deshalb dürften die Grundlagen einer Führung durch Misstrauen andere sein als Handlungsweisen, die zu einem Vertrauensbruch führen. Beispielsweise kann sich die geführte Führungskraft von ihrem Vorgesetzten unfair behandelt fühlen, was zweifelsohne ihr Vertrauen in den Vorgesetzten reduziert; ob sie daraufhin dem Vorgesetzten Misstrauen entgegenbringt, ist indes zweifelhaft. In Bezug auf die Frage, welche Grundlagen interpersonalen Misstrauens unterscheidbar sind, nennt Deutsch (1976) die Verletzung zentraler Erwartungen und wahrgenommene Wertinkongruenzen zwischen den Interaktionspartnern. Auch Sitkin und Roth (1993, p. 371) erachten Wertinkongruenzen als zentral für misstrauensbasiertes Handeln, wobei auch sie davon ausgehen, dass prinzipiell zwischen der Beeinträchtigung von Vertrauen und dem Entstehen von Misstrauen zu unterscheiden ist. Wert(in-)kongruenzen sind dabei wie folgt bedeutsam: Enttäuschte Erwartungen, die sich nicht auf zentrale Werte beziehen, ergeben eine bereichs- bzw. situationsspezifische Reduktion des Vertrauens. Im Gegensatz dazu werden Verletzungen von Erwartungen, die für die Person von
zentralem
Wert
sind
(Wert-Erwartungen),
als
Ausdruck
generalisierter
Nicht-
Übereinstimmung wahrgenommen, die innerhalb der sozialen Beziehung zukünftig zu Misstrauen führen. Vereinfacht ausgedrückt: Hat die geführte Führungskraft die Überzeugung, dass sie mit dem Vorgesetzten grundsätzlich die gleichen Werthaltungen bzw. Wertorientierungen teilt, dann können bereichs- bzw. situationsspezifische Verletzungen von Erwartungen das Vertrauen zwar beeinträchtigen, grundsätzlich bleibt Vertrauen in der Beziehung aber bestehen – wenn auch in geringerem Ausmaß. Hat die geführte Führungskraft hingegen die Überzeugung, dass ihre eigenen Wertorientierungen bzw. Werthaltungen inkompatibel sind zu den Werthaltungen 155
bzw. Wertorientierungen des Vorgesetzten, dann führt die Verletzung bereichsspezifischer Erwartungen zu erhöhtem Misstrauen in der interpersonalen Beziehung.137 Neben dieser Form des Misstrauens ist auf sogenanntes „paranoides Misstrauen“ (Kramer, 1994, p. 199) in Organisationen hinzuweisen. Die Ergebnisse der Untersuchungen von Roderick Kramer zu dieser Form des Misstrauens legen nahe, dass es in Organisationen nicht nur kognitives Misstrauen gibt, dessen Grundlage in der Verletzung zentraler Erwartungen aufgrund von Wertinkongruenzen liegt, sondern hiervon „irrationales Misstrauen“ (Deutsch, 1976) abgrenzbar ist, bei dem ein Organisationsmitglied ein Misstrauensklima wahrnimmt, ohne dass dies tatsächlich vorhanden sein muss.138 In der vorliegenden Untersuchung steht kognitiv-emotionales Misstrauen im Zentrum der Betrachtung.139 Als Grundlage der Führung durch Misstrauen wird die Verletzung zentraler Erwartungen aufgrund von Nicht-Übereinstimmung in kognitiver und/oder emotionaler Hinsicht zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft angesehen. Dies führt zu der bereits angesprochenen zugespitzten Negativerwartung (Luhmann, 1989) und hat als Korrelate Furcht, Skepsis, Zynismus, Obacht und Wachsamkeit (Lewicki et al., 1998) zur Folge. Dabei wurde Führung durch Misstrauen als funktionales Äquivalent (Luhmann, 1989) zur Führung durch Vertrauen begriffen, weil sie im Grunde dasselbe leistet wie Führung durch Vertrauen, nämlich Unsicherheit zu reduzieren und daher Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Allerdings wird die Art und Weise der Unsicherheitsreduktion und Gewährleistung der Handlungsfähigkeit durch Vertrauen und Misstrauen im Innovationsprozess als unterschiedlich betrachtet. Bevor dies näher ausgeführt wird – also die postulierten innovationsbezogenen Wirkungen der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen in Relation zur Führung durch Einfluss und zur Führung durch Macht – müssen vorab die abstrakten Zusammenhänge zwischen diesen Führungsfacetten beleuchtet werden. 2.4.3 Zum Zusammenhang zwischen Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen als Qualitäten des Führungsverhaltens Die Zusammenhangsanalyse zwischen Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen als substanziell verschiedene, fundamentale Interaktionskategorien wurde in der bisherigen Forschung stark vernachlässigt, u. a. weil häufig nicht zwischen Einfluss und Macht differenziert wird140, und weil die zweidimensionale Konzeption von Vertrauen und Misstrauen (Lewicki et al., 1998) nicht hinreichend berücksichtigt wird. Deshalb wurde bislang lediglich die Beziehung zwischen Macht bzw. Kontrolle und Vertrauen untersucht (vgl. Bachmann, 2001; Bachmann & Lane, 1997; Das & Teng, 1998, 2001; Giddens, 1997; Grey & Garsten, 2001; Hardy et al., 1998; 156
Knights, Noble, Vurdubakis und Willmott, 2001; Luhmann, 1989; Maguire, Phillips und Hardy, 2001; Reed, 2001; Shapiro, 1987) – und auch dies in sehr heterogener Weise. Obwohl vielfältige theoretische Zugänge zur Beziehung zwischen Macht bzw. Kontrolle und Vertrauen vorliegen141, ist die Forschung auch heute noch weit davon entfernt, diese Beziehung klar und schlüssig beschreiben zu können (Das & Teng, 1998, p. 495). Exemplarisch sollen nachfolgend zwei Sichtweisen zur Beziehung zwischen Macht und Vertrauen vorgestellt werden, um im Anschluss daran die hier angenommenen Relationen zwischen (1) Macht und Vertrauen, (2) Macht und Misstrauen, (3) Einfluss und Vertrauen und (4) Einfluss und Misstrauen in Form von Forschungshypothesen zu präzisieren. Diese Betrachtung ist an dieser Stelle notwendig, weil die Führungsfacetten kombiniert eingesetzt werden (Yukl, 2002), so dass die Effekte der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die zentralen Innovationskonstrukte nur dann angemessen modelliert werden können, wenn vorab die Beziehungsstruktur zwischen den Führungskonstrukten spezifiziert ist. In Bezug auf die Relation zwischen Macht und Vertrauen besagt eine theoretische Perspektive, dass Vertrauen letztlich nur ein weiterer Kontrollmechanismus neben anderen Kontrollmechanismen in Organisationen (z.B. Regeln) ist (z.B. Bradach & Eccles, 1989). In diesem Zusammenhang ist auf die Untersuchung von Hardy et al. (1998) hinzuweisen: Das Management machte die Arbeiternehmer glauben, dass sie vertrauen können und benutzte diese Strategie zur Durchsetzung verdeckter Intentionen, also solchen, die für die Arbeitnehmer nicht unmittelbar durchschaubar waren. In diesem Sinne kann also Macht eingesetzt werden, in dem sie hinter der Fassade des Vertrauens verborgen und Vertrauen insofern instrumentalisiert wird. Eine andere Perspektive zur Beziehung zwischen Macht und Vertrauen – die funktionalistische Theorie – besagt, dass Macht ein Mechanismus ist, der in seiner funktionalen Wirkungsweise ähnlich strukturiert ist wie der Vertrauensmechanismus, so dass beide letztlich dasselbe leisten. Demnach ist Macht ein „funktionales Äquivalent“ (Bachmann & Lane, 1997; Luhmann, 1989) für Vertrauen. Dieser Sichtweise zufolge kann Macht ein Substitut für Vertrauen darstellen, denn beide Mechanismen sind alternative Medien der Kommunikation. Sowohl durch Macht als auch durch Vertrauen wird Ungewissheit absorbiert (Bachmann, 2001, p. 341) und soziale Komplexität reduziert (Luhmann, 1989) – zwar in unterschiedlicher Weise, aber mit demselben Ergebnis für das soziale System: Macht und Vertrauen koordinieren soziale Interaktionen, weil Akteure verlässliche Erwartungen über ihre wechselseitigen, zukünftigen Handlungen in risikobehafteten Situationen bilden können. Damit erfüllen Macht und Vertrauen die Funktion der Handlungskoordination (Bachmann, 2001; Bachmann & Lane, 1997; Das & Teng, 1998; Hardy et al., 1998; Luhmann, 1989; Zündorf, 1986) innerhalb eines sozialen Systems – wie etwa einer Organisation. „Genauso wie 157
im Falle von Vertrauen wird im Falle der Macht die Unzahl der Möglichkeiten, die in Bezug auf zukünftiges Handeln des jeweiligen Gegenübers grundsätzlich denkbar wären, auf eine beschränkte Anzahl wahrscheinlicher Handlungsmöglichkeiten verringert“ (Bachmann & Lane, 1997, S. 90). Diese theoretische Perspektive vollends einzunehmen ist allerdings nur dann hilfreich, wenn man die Konstrukte Macht und Vertrauen auf einer kollektiven Systemebene beschreibt (Reed, 2001, p. 205). Für die hier zu untersuchende Führer-Geführten-Dyade bietet sich die funktionalistische Sicht indes nicht an, denn unklar bleibt, wann der Vorgesetzte zu Macht und wann zu Vertrauen als Strategie der Handlungskoordination gegenüber der geführten Führungskraft neigen wird und welche Effekte dies auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte hat. Obwohl prinzipiell davon auszugehen ist, dass beide Mechanismen, also Macht und Vertrauen innerhalb einer sozialen Beziehung kombiniert werden können (Bachmann & Lane, 1997, S. 91 f.; Gondek, Heisig und Littek, 1992, S. 51. f.; Zündorf, 1986, S. 48 ff.), um eine reibungslose Koordination innerhalb einer Organisation zu ermöglichen, ist dennoch ein Mechanismus innerhalb der Führer-Geführten-Dyade zumeist dominant. Diese Frage, ob Macht oder Vertrauen im Innovationsprozess dominiert, ist abhängig von den antizipierten Kosten der Machtausübung bzw. des Vertrauenshandelns durch den Vorgesetzten. Schließlich bringen beide Führungsfacetten Kosten für den Vorgesetzten mit sich, die bei Machtausübung z. B. in der Gegenmacht der geführten Führungskraft und bei Vertrauenshandeln im Risiko der Ausnutzung der Verwundbarkeit bestehen. Die Wahl der dominierenden Facette als Möglichkeit der Handlungskoordination wird jedoch im funktionalistischen Paradigma nicht hinreichend präzisiert. Außerdem bleibt unklar, in welcher Weise sich ausgeübte Macht auf das Vertrauenshandeln in der spezifischen Beziehung auswirkt. Denn Macht kann nicht nur Vertrauen ersetzen, also ein Substitut für Vertrauen darstellen, sondern Machtausübung kann auch andere Effekte auf Vertrauen haben. So konstatiert Giddens (1997), dass Macht als Vertrauensverstärker fungieren kann. Denn aus strukturationstheoretischer Sicht stellen Macht und Vertrauen solche Ressourcen dar, die Handlungsmöglichkeiten erweitern. Auch diese Sicht wird hier nicht geteilt. Auf der Basis des hier zu Grunde gelegten Verständnisses von Machtausübung (s. Kapitel 2.4.1), wird angenommen, dass Machtausübung das parallele Vertrauenshandeln des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft nicht verstärkt, sondern hemmt – eine Sichtweise, die in ähnlicher Form auch von Das und Teng (1998) vertreten wird: ‘When it is possible to fully trust a partner, there is no need to control its behavior’ (p. 495).142 Ein Vorgesetzter, der zur Handlungskoordination auf Macht zurückgreift, indem er der geführten Führungskraft Belohnungen durch extrinsische Anreize zukommen lässt oder materielle und/oder immaterielle Bestrafung/Drohung einsetzt, tut dies schließlich, weil er den alternativen Mechanismus zur Handlungskoordination – also Vertrauen – als nicht effektiv und/oder effizient genug ansieht. Demzu158
folge wäre in diesem Fall Machtausübung gegenüber Vertrauenshandeln innerhalb der FührerGeführten-Dyade der dominierende Mechanismus zur Koordination der Erwartungen und Handlungen. Umgekehrt gilt, dass ein Vorgesetzter dann Vertrauenshandeln gegenüber der geführten Führungskraft zeigen wird, wenn ihm der alternative Koordinationsmechanismus der Machtausübung als ineffektiv und/oder ineffizient erscheint. Hiernach wäre Vertrauen die dominierende Facette im Führungsverhalten gegenüber der Machtausübung. Diese Argumentation steht im Einklang mit den empirischen Befunden von McAllister (1995, pp. 43–48), der durch lineare Strukturgleichungsmodelle u. a. belegte, dass mit Zunahme des Vertrauens innerhalb einer Führungsbeziehung die kontrollierenden Verhaltensweisen von Vorgesetzten abnehmen. Außerdem konnte umgekehrt empirisch belegt werden (Tenbrunsel & Messick, 1999), dass machtbasierte Führung (Einsatz von Sanktionen) in negativem Zusammenhang mit vertrauensvollem Verhalten (verstanden als Kooperation) steht. Auch in der sozialpsychologischen Theorie der Entstehung von Vertrauen durch wechselseitige Verstärkungsprozesse (Zand, 1972, p. 231) wird argumentiert, dass großes Vertrauen mit geringer Kontrolle korrespondiert. Insofern kann man berechtigterweise annehmen, dass Vertrauenshandeln und Machtausübung in einem negativen Zusammenhang stehen. Neben der Relation zwischen Macht und Vertrauen, ist die Beziehung zwischen Macht und Misstrauen zu präzisieren. Im Hinblick auf diese Beziehung wird in der Literatur der Standpunkt vertreten, dass Sanktionen (= machtbasierte Führung durch Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize) nicht nur vertrauensvolles Verhalten reduzieren, sondern gleichzeitig die Erwartung der geführten Führungskraft im Hinblick auf das Misstrauenshandeln des Vorgesetzten beeinflussen (Cialdini, 1997; Das & Teng, 2001; Gondek et al., 1992; Pfeffer, 1992; Raven & Kruglanski, 1970; Steinle et al., 2000; Tenbrunsel & Messick, 1999). Sanktionen, also der Einsatz materieller und/oder immaterieller Bestrafung/Drohung und materieller Belohnung, verstärken die Erwartung der geführten Führungskraft, dass die Führung durch Misstrauen gekennzeichnet sein wird und reduzieren die Erwartung der geführten Führungskraft, dass die Führung parallel zum sanktionsbasiertem Muster durch Vertrauenshandeln erfolgen wird. Sanktionen haben stets contraproduktive Effekte, denn Sanktionen in Form einer machtbasierten Führung signalisieren der geführten Führungskraft Misstrauen (Cialdini, 1997; Pfeffer, 1992; Raven & Kruglanski, 1970; Tenbrunsel & Messick, 1999). Wie bereits erläutert wurde (s. Kapitel 2.4.1.1.), besteht das Gemeinsame von Bestrafung/Drohung und materieller Belohnung u. a. darin, dass sie Überwachung erfordern. Insofern kommunizieren Bestrafung/Drohung und materielle Belohnung der geführten Führungskraft, dass die Verantwortung für die eigenen Handlungen nicht bei der geführten Führungskraft selbst liegen, sondern aus dem Überwachungssystem resultieren (Pfeffer, 1992). Genau diese für Dro159
hung/Bestrafung und materielle Belohnung konstitutive Überwachung erklärt, warum diese Führungsmuster als Zeichen des Misstrauens von der geführten Führungskraft erlebt werden: Wegen des Überwachungscharakters der Führung durch Macht interpretiert die geführte Führungskraft diese Form der Handlungskoordination als Kontrollinstrument des höheren Managements (Fremdbestimmung) und nicht als Maßnahme zum Zwecke der Selbstbestimmung (vgl. Deci, 1972). Aus diesem Grund wird ein positiver Zusammenhang zwischen Macht und Misstrauen angenommen. Mit anderen Zusammenhängen ist dagegen im Falle einer einflussbasierten Führung zu rechnen. Führung durch Einfluss führt zu Identification oder Internalization als Formen der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung bei der geführten Führungskraft, weil Einflussnahme keine Überwachung der geführten Führungskraft durch den Vorgesetzten erfordert (vgl. Kapitel 2.4.1.1). Dabei beruht Führung durch Einfluss auf anderen Grundlagen als eine Führung durch Macht: Einflussnahme findet im Innovationsprozess statt durch persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation (vgl. Kapitel 2.4.1.3). Sofern der Vorgesetzte diese Facetten der einflussbasierten Führung im Innovationsprozess gegenüber der geführten Führungskraft aktualisiert, dürfte dies in positivem Zusammenhang stehen zu einer Führung durch Vertrauen. Denn durch diese Handlungen der einflussbasierten Führung leistet der Vorgesetzte gegenüber der geführten Führungskraft einen Vertrauensvorschuss. Durch einflussbasierte Führung erhöht der Vorgesetzte seine Verwundbarkeit und seine Abhängigkeit von der geführten Führungskraft, geht das Risiko opportunistischen Verhaltens seitens der geführten Führungskraft ein, und hat in der Regel gleichzeitig die Erwartung, dass die geführte Führungskraft den Vertrauensvorschuss nicht ausnutzen wird. Insofern signalisiert Führung durch Einfluss der geführten Führungskraft gleichzeitig großes Vertrauen. Diese Annahme der Korrespondenz zwischen Einfluss und Vertrauen wird durch das Modell der Vertrauensspirale (Zand, 1972, p. 231) gestützt: Die Intention einer Person, einer anderen Person zu vertrauen, führt zu vertrauensvollem Verhalten der anderen Person gegenüber und fördert den gleichzeitigen Einfluss. Anders dürfte sich die Relation zwischen Einfluss und Misstrauen darstellen: Es wird angenommen, dass einflussbasierte Führung in negativem Zusammenhang zur Führung durch Misstrauen steht, weil durch einflussbasierte Führung die zentralen Erwartungen der geführten Führungskraft durch den Vorgesetzten nicht verletzt werden, sondern einflussbasierte Führung in Übereinstimmung mit den Erwartungen bzw. aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft erfolgt und insofern bei Führung durch Einfluss keine Wertinkongruenz zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft vorliegt. Die Ausführungen des Kapitels
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2.4.3 lassen sich in folgenden Hypothesen zum Zusammenhang zwischen den Führungsqualitäten verdichten:
Hypothese 6a: Führung durch Einfluss korrespondiert (6a-1) positiv mit Führung durch Vertrauen aber (6a-2) negativ mit Führung durch Misstrauen. (Zusammenhangshypothese) Hypothese 6b: Führung durch Macht korrespondiert (6b-1) negativ mit Führung durch Vertrauen aber (6b-2) positiv mit Führung durch Misstrauen.(Zusammenhangshypothese) Hypothese 6c: Führung durch Macht (6c-1) zerstört Führung durch Vertrauen und fördert Führung durch Misstrauen, während Führung durch Einfluss (6c-2) Führung durch Vertrauen aufrechterhält bzw. stabilisiert und Führung durch Misstrauen hemmt. (richtungsbezogene Hypothese)
2.4.4 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und des Innovationserfolgs Im Folgenden wird untersucht, welche Relevanz der Einsatz der Führungsverhaltensweisen für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg hat. Diese Analyse erfolgt auf zwei Abstraktionsniveaus: Zunächst wird jeweils begründet, welche Auswirkungen der Einsatz von Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskraft hat (Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien). Die zentrale Annahme lautet dabei, dass die Situationswahrnehmungen (Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig), Emotionen (positive und negative Emotionen) und innovationsbezogenen Verhaltensweisen (Innovationsverhalten und innovationshinderliche Verhaltensweisen) der geführten Führungskräfte sowie der Innovationserfolg durch Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen differenziell vorhersagbar sind: Während die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, das Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und der Innovationserfolg durch einfluss- und vertrauensbasierte Führung gefördert werden, werden die negativen Emotionen und innovationshinderlichen Verhaltensweisen (intrapsychische Anpassung und Flucht) hierdurch reduziert. Umgekehrt wird argumentiert, dass die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, das Innovationsverhalten und der Innovati-
161
onserfolg durch macht- und misstrauensbasierte Führung gehemmt und die negativen Emotionen sowie die innovationshinderlichen Verhaltensweisen hierdurch verstärkt werden. Anschließend wird auf der Ebene der Einfluss- und Machtgrundlagen argumentiert und für jedes innovationsbezogene Konstrukt begründet, welche Effekte der Einsatz der ausgewählten und innovationskontextspezifisch adaptierten Grundlagen der einflussbasierten Führung und der machtbasierten Führung für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg hat (Abstraktionsebene der Einfluss- und Machtgrundlagen).143 Auch auf diesem Abstraktionsniveau lautet die zentrale Argumentation, dass die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und der Innovationserfolg differenziell durch die Einflussgrundlagen der Führung und durch die Machtgrundlagen der Führung vorhersagbar sind: Während die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, das Innovationsverhalten und der Innovationserfolg durch die Grundlagen der einflussbasierten Führung gefördert werden, werden die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte durch die Grundlagen der einflussbasierte Führung reduziert. Außerdem werden die Grundlagen der machtbasierten Führung ebenfalls spezifisch auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen, innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg wirken. Gemäß den theoretischen Abhängigkeitsstrukturen zwischen den Konstrukten beginnen die nachfolgenden Ausführungen mit der Beschreibung der Effekte der Führungsfacetten auf die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte, woran sich die Beschreibung der Wirkung der Führungskonstrukte auf die Emotionen, das Innovationsverhalten, die innovationshinderlichen Verhaltensweisen und den Innovationserfolg anschließen. Anlass für diese differenzierte Analyse ist die Annahme, dass die Begründungsstrukturen in Abhängigkeit von der betrachteten abhängigen Variable variieren.
2.4.4.1 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Situationswahrnehmungen Im Kapitel 2.3.3 wurde dargestellt, dass bestimmte Situationswahrnehmungen der geführten Führungskraft – also die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig (Primary appraisal) und die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsfähig (Secondary appraisal) – die entscheidenden kognitiven Auslöser von innovativem Verhalten sind. Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig wurde definiert als Wahrnehmung einer Soll-Ist-Differenz zwischen der betrieblichen Realität und der Erwartung der geführten Führungskraft an die betriebliche Realität (Ist-Zustand < Soll-Zustand). Die Wahrnehmung 162
der Situation als veränderungsbedürftig ist abhängig von personbezogenen Faktoren, wie dem Anspruchsniveau (Lewin et al., 1944), den Motivinhalten (insbesondere einer durch Hoffnungauf-Erfolg gekennzeichneten Leistungsmotivation (McClelland, 1985) und der intrinsischen Motivation (Amabile et al., 1994) der geführten Führungskraft (vgl. Kapitel 2.3.3.1). Demgegenüber wurde die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsfähig als eingeschätzte Situationskontrolle der geführten Führungskraft definiert, d. h. inwieweit sie meint, die veränderungsbedürftige betriebliche Situation durch eigene oder fremde Ressourcen kontrollieren zu können. Auch die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig ist von personbezogenen Variablen abhängig, wie der Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1997), der internalen Kontrollüberzeugung (Rotter, 1982), der internalen Kausalattribution von Erfolgen (Weiner, 1972) und dem Selbstwertgefühl (vgl. Kapitel 2.3.3.2). Diese Situationswahrnehmungen der geführten Führungskraft werden durch die Art des Führungsverhaltens ihres Vorgesetzten beeinflusst (s.
Abstraktionsebene I: Fundamentale Interaktionskategorien
Abbildung 15).
Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen
Primary appraisal Aversivität? Herausforderung? Ist die Situation veränderungsbedürftig?
Situationskontrol-
Ist die Situation veränderungsfähig? –
Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht
Secondary appraisal
Einflussgrundlagen der Führung - Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
– Machtgrundlagen der Führung - Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
Abbildung 15. Führung als Determinante der Situationswahrnehmungen
163
Für die Abstraktionsebene I, also die fundamentalen Interaktionskategorien, lässt sich die Art dieser Zusammenhänge wie folgt präzisieren: Hypothese 7a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang zur (7a-1) Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und zur (7a-2) die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang zur (7a-3) Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und zur (7a-4) Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig stehen. Die Begründung der in den Einzelhypothesen 7a-1 bis 7a-4 postulierten Zusammenhänge liegt auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien in spezifischen Merkmalen der Führungskonstrukte und ihren Effekten auf die personbezogenen Determinanten der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit und der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit. Führung durch Einfluss erfordert keine Überwachung der geführten Führungskraft durch den Vorgesetzten, weshalb einflussbasierte Führung in Internalization oder Identification als Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung (Kelman, 1974) seitens der geführten Führungskraft resultiert. Durch diese Internalisierung wird sich die geführte Führungskraft stärker mit dem Inhalt ihrer Tätigkeit bzw. mit der betrieblichen Situation auseinandersetzen und daher die betrieblichen Probleme zu ihren eigenen Problemen machen als dies z. B. im Falle von Compliance zu erwarten ist (Krause, 2004a). Führung durch Einfluss hebt das Anspruchsniveau der geführten Führungskraft an die betriebliche Situation an, hat Auswirkungen auf Motivinhalte, indem sie eine von Hoffnung-auf-Erfolg gekennzeichnete Leistungsmotivation wahrscheinlich werden lässt und erhöht zudem die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft, sich mit der bisherigen Weise der Problembewältigung kritisch auseinander zu setzen und Mängel des Ist-Zustandes nicht als unumstößlich hinzunehmen. Aus diesen Gründen dürfte Führung durch Einfluss die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation durch die geführte Führungskraft katalysieren. Darüber hinaus dürfte Führung durch Einfluss die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der betrieblichen Situation durch die geführte Führungskraft steigern: Dadurch, dass bei Führung durch Einfluss Überwachung entfällt, werden die Selbstwirksamkeitserwartung und die internale Kontrollüberzeugung der geführten Führungskraft gestärkt, die Situation kontrollieren zu können. Als Folge der Führung durch Einfluss wird sich die geführte Führungskraft daher Situationskontrolle zuschreiben.
164
Ähnlich positive Beziehungen werden für die Führung durch Vertrauen und beiden Komponenten der Situationswahrnehmungen angenommen: Indem der Vorgesetzte durch Vertrauen führt, also seine Verwundbarkeit durch einen entsprechenden Vertrauensvorschuss erhöht und damit seine Abhängigkeit von der geführten Führungskraft steigert, eine positive Erwartung im Hinblick auf das zukünftige Handeln der geführten Führungskraft hat und sich dies in vertrauensvollem Führungsverhalten widerspiegelt, was durch Wohlwollen, Konsistenz und Integrität gekennzeichnet ist (vgl. Kapitel 2.4.2.3), vermittelt er der geführten Führungskraft Zuversicht, sich mit der bisherigen Weise der Problembearbeitung in der betrieblichen Situation überhaupt kritisch auseinandersetzen zu können. Ferner erhöht Führung durch Vertrauen die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die geführte Führungskraft Abweichungen zwischen ihren Erwartungen und der bisherigen Weise der Problembewältigung nicht als Bedrohung interpretiert, sondern als Herausforderung (Gebert & Boerner, 1999a, S. 138), wobei Führung durch Vertrauen gleichzeitig die intrinsische Motivation zur Reduktion der Soll-Ist-Diskrepanz fördert. Deshalb wird mit zunehmender Führung durch Vertrauen die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation durch die geführte Führungskraft steigen. Ferner dürfte sich Führung durch Vertrauen auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig positiv auswirken. Dies ist zum einen dadurch zu erklären, dass es für die Wahrnehmung einer Situation als veränderungsfähig auf die Überzeugung der geführten Führungskraft ankommt, dass Mängel in der betrieblichen Realität sanktionsfrei von unten nach oben in der Hierarchie kommuniziert werden können, d. h. es muss prinzipiell eine Aufwärtskommunikation von (auch fundamentalen) Problemen möglich sein (vgl. Gebert, 2002a, S. 178 ff.). Dies wird eher dann gegeben sein, wenn der Vorgesetzte gegenüber der geführten Führungskraft großes Vertrauen einsetzt als wenn er wenig Vertrauenshandeln zeigt. Zum anderen dürfte sich Führung durch Vertrauen positiv auswirken auf die Selbstwirksamkeitserwartung, die internale Kontrollüberzeugung, die internale Kausalattribution von Erfolgen und insbesondere das Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft, wodurch die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig steigt. Während die Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung, der internalen Kontrollüberzeugung und der internalen Kausalattribution durch vertrauensbasierte Führung auf kognitivem Wege die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation beeinflusst, steigert das positive Selbstwertgefühl auf emotionalem Wege die wahrgenommene Situationskontrolle: Vertrauensbasierte Führung trägt zur Erhöhung des Selbstwertgefühls der geführten Führungskraft bei, denn bei einer vertrauensbasierten Führung hat der Vorgesetzte eine positive Erwartung im Hinblick auf das zukünftige Verhalten der geführten Führungskraft, die sich in seinem wohlwollenden, konsistenten und integrem Verhalten manifestiert, wodurch der geführten Führungskraft emotional Mut und Optimismus vermittelt werden, dass sie Situationskontrolle haben wird. 165
Sowohl für Führung durch Macht als auch für Führung durch Misstrauen werden negative Zusammenhänge zu beiden Situationswahrnehmungen der geführten Führungskraft angenommen. Machtbasierte Führung ist an Überwachung gebunden (Raven, 1992, pp. 219–221) und führt daher lediglich zu Compliance (Kelman, 1974) als Prozess der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung. Dies erklärt, dass hierdurch weder das Anspruchsniveau, noch eine durch Hoffnung-auf-Erfolg gekennzeichnete Leistungsmotivation, noch die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft gesteigert werden. Bei Machtausübung des Vorgesetzten sinkt die Bereitschaft der geführten Führungskraft, gewohnte Denkmuster und Positionen in Frage zu stellen (Filius, 1985, S. 229). Außerdem ist dokumentiert, dass Machtausübung die Fähigkeit verringert, Situationen differenziert zu analysieren. Durch Machtausübung wird vielmehr das Denken behindert, weil kognitive Verarbeitungsmöglichkeiten eingeengt werden (Scholl, 1999, p. 105). Dies erklärt, dass Führung durch Macht und die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig negativ gekoppelt sein dürften. Auch die Wahrnehmung der bisherigen Weise der Problembewältigung als veränderungsfähig wird durch machtbasierte Führung nicht erhöht, sondern reduziert. Machtausübung beeinflusst sowohl die Selbstwirksamkeitserwartung als auch das Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft in negative Richtung (Deci & Ryan, 1987), weshalb die geführte Führungskraft sich mit zunehmender Machtausübung durch ihren Vorgesetzten geringere Situationskontrolle zuschreibt. Auch eine Führung durch Misstrauen wird die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskraft verringern. Bei einer Führung durch Misstrauen hat der Vorgesetzte eine Negativerwartung in Bezug auf die zukünftigen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft, weshalb sein Verhalten durch Skepsis, Furcht, Vorsicht, Obacht, Wachsamkeit und Zynismus (Lewicki et al., 1998) gekennzeichnet ist und er in grundsätzlichen Werten nicht mit der geführten Führungskraft übereinstimmt (Sitkin & Roth, 1993). Diese Verhaltensweisen des Vorgesetzten führen zu einer sich selbst verstärkenden Spirale (Zand, 1972), so dass auch die geführte Führungskraft misstrauisches Handeln zeigen wird. Dieses Führungsmuster dürfte in negativem Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig stehen, weil nicht eine durch Hoffnung-auf-Erfolg gekennzeichnete Leistungsmotivation der geführten Führungskraft wahrscheinlich wird, sondern eine Furcht-vor-Misserfolg (McClelland, 1985) orientierte Strategie zu erwarten ist und die geführte Führungskraft deshalb im Sinne einer Lageorientierung (Kuhl, 1999) im suboptimalen Ist-Zustand verweilt anstatt zu beginnen, über Veränderungsmöglichkeiten nachzudenken. Auch die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig wird durch misstrauensbasierte Führung gehemmt, weil eine valide Aufwärtskommunikation (Gebert, 2002a) der Mängel in der betrieblichen Situation dann unwahrscheinlich ist. Ferner dürfte misstrauensbasierte Führung die Selbstwirksamkeitserwartung reduzieren, eine externale Kontroll166
überzeugung und eine externale Kausalattribution von Erfolgen fördern und das Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft zum negativen Pol verschieben. Deshalb wird sich die geführte Führungskraft mit zunehmender Führung durch Misstrauen geringere Situationskontrolle zuschreiben. Neben diesen Effekten der Führungsfacetten auf der höchsten Abstraktionsebene – den fundamentalen Interaktionskategorien – wurde in Abbildung 16 angenommen, dass die Grundlagen der Führung durch Einfluss und die Grundlagen der Führung durch Macht die Situationswahrnehmungen spezifisch determinieren: Für die Einflussgrundlagen der Führung lässt sich im Hinblick auf die Situationswahrnehmungen die Hypothese 7b generieren: Hypothese 7b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (7b-1) der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und (7b-2) der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig. Eine positive persönliche Ausstrahlung des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft wird die Wahrnehmung der geführten Führungskraft der Situation als veränderungsbedürftig steigern, weil durch die Identifikation der geführten Führungskraft mit ihrem Vorgesetzten die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft gefördert wird. Eine positive persönliche Ausstrahlung dürfte zudem die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig durch die Aktualisierung der Ressourcen anderer erhöhen, weil der Vorgesetzte als positives Modell (Bandura, 1997) erlebt wird und daher die geführte Führungskraft davon überzeugt ist, dass ihr Vorgesetzter seine Ressourcen zur Unterstützung des Innovationsverhaltens einsetzen wird. Der Einsatz von Expertenwissen/Information des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft im Innovationsprozess wird funktionale Effekte für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig haben: Die Annahme einer positiven Beziehung zwischen aktualisiertem Expertenwissen/Information und der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig erklärt sich daraus, dass sich die geführte Führungskraft dann gefordert fühlen wird, so dass durch die Anhebung ihres Anspruchsniveaus neue Alternativen zur Problembewältigung für sie überhaupt denkbar werden. Zudem wird ihr der Nutzen der Innovation durch eingesetztes Expertenwissen/Information vergegenwärtigt, so dass zusätzlich die intrinsische Motivation zur Soll-Ist-Reduktion gestärkt wird. Außerdem unterstützt Expertenwissen und Information im Sinne eines positiven Feedbacks die Selbstwirksamkeitserwartung der geführten Führungskraft in Bezug auf die positive Diskrepanz zwischen dem Soll- und IstZustand (Gebert, 2002a), so dass dadurch die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig positiv beeinflusst wird. 167
Führung durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie fördert die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig, weil hierdurch die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft erhöht wird (Gebert, 2002a), Merkmale der betrieblichen Ist-Situation kritisch zu reflektieren. Die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie trägt zudem zur Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig bei, da die Selbstwirksamkeitserwartung und internale Kontrollüberzeugung der geführten Führungskraft gesteigert werden, eine Problembewältigung aus eigenen Kräften herbeiführen zu können. Da bei diesem Führungsmuster die geführte Führungskraft auch die Verantwortung für das Ergebnis des Innovationsverhaltens trägt, wird die Veränderungsfähigkeit der Situation zusätzlich durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit der internalen Kausalattribution des Erfolges gefördert. Zudem wird durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die Überzeugung der geführten Führungskraft gestärkt, dass ihr Vorgesetzter gegebenenfalls Ressourcen zur Problembehebung mobilisiert und daher eine Problembewältigung wahrscheinlich ist. Außerdem wird sich die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie positiv auf das Selbstwertgefühl auswirken, da sich die geführte Führungskraft durch die Verantwortungsübertragung und die Delegation neuer Rechte sowie das partizipative Moment der Einräumung von Mitsprachemöglichkeiten aufwerten kann. Einflussbasierte Führung durch innovationsbezogene Unterstützung wird die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit fördern, weil durch Anerkennung und Lob die Wahrnehmung positiver Soll-Ist-Differenzen immateriell belohnt wird. Außerdem fördert innovationsbezogene Unterstützung aufgrund der hierdurch angehobenen Selbstwirksamkeitserwartung und internalen Kontrollüberzeugung die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig durch eigenes Tun. Der Verzicht auf Manipulation wird sich für die Veränderungsbedürftigkeit als günstig erweisen, denn Mängel der betrieblichen Ist-Situation werden bei diesem Führungsmuster nicht beschönigt, sondern realistisch dargestellt, so dass die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft steigt, Optionen zur Abänderung dieses Zustandes zu entwickeln. Die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit wird durch Verzicht auf Manipulation insofern unterstützt, als eine validere Zwei-Wege-Kommunikation wahrscheinlich wird als bei manipulativer Interessendurchsetzung, und die geführte Führungskraft daher weiß, dass ihr fremde Ressourcen zur Problembehebung bereitgestellt werden. Auf der Abstraktionsebene II lautet die Hypothese zum Zusammenhang der eingesetzten Machtgrundlagen der Führung und den Situationswahrnehmungen der geführten Führungskraft wie folgt: Hypothese 7c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) hemmt (7c-1) die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und (7c-2) 168
die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Wie bereits im Kapitel 2.4.1.3 verdeutlicht wurde, ist die Wirkung von Bestrafung/Drohung auf verschiedene abhängige Variablen (z.B. Arbeitszufriedenheit, Leistung) eindeutig negativ; während die Wirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize umstritten diskutiert wird, da sowohl positive als auch negative Effekte materieller Belohnung im organisa-tionalen Kontext empirisch dokumentiert sind. Aus diesem Grund wird die Hypothese zu den Effekten der im Innovationskontext relevanten Machtgrundlagen relativ formuliert. Der negativere Effekt von eingesetzter materieller und/oder immaterieller Bestrafung/Drohung auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der Situation im Vergleich zu Belohnung durch extrinsische Anreize erklärt sich dadurch, dass sowohl materielle Bestrafung/Drohung (Sanktionen z. B. durch Gehaltskürzungen, Entzug von Privilegien, schlechte Personalbeurteilung, Entlassung bei Zuwiderhandeln) als auch immaterielle Bestrafung/Drohung (z. B. Druck machen, B ignorieren, kritisieren, vor Dritten bloßstellen, B einschüchtern, für Zuwiderhandlungen von B ein Exempel statuieren) dazu führt, dass die geführte Führungskraft keine intrinsische Motivation mehr zeigen wird (Krause & Klöhn, 2002), sich kritisch mit der betrieblichen Ist-Situation auseinander zu setzen. Dieser Effekt kann für Belohnung durch extrinsische Anreize nicht mit derselben Stärke angenommen werden kann, weil die Wirkung der extrinsischen Anreize auf die intrinsische Motivation in Abhängigkeit von der Bewertung der Anreizquelle variiert und daher positiv oder negativ sein kann (vgl. Kapitel 2.4.1.3). Die angenommene negativere Wirkung von materieller und immaterieller Bestrafung/Drohung auf die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation im Vergleich zur Belohnung durch extrinsische Anreize ist darin begründet, dass Bestrafung/Drohung die Selbstwirksamkeitserwartung der geführten Führungskraft stärker als materielle Belohnung reduzieren dürfte und das Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft stärker negativieren wird als Belohnung durch extrinsische Anreize, so dass die geführte Führungskraft im Resultat meint, nicht hinreichend über Situationskontrolle zu verfügen. 2.4.4.2 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Emotionen Nicht nur die Kognitionen der geführten Führungskraft werden durch die Art des Führungsverhaltens des Vorgesetzten beeinflusst, sondern auch die Emotionen. In der vorliegenden Untersuchung wurde in Anlehnung an das Circumplex-Modell eine zweidimensionale Struktur der Emotionen von Führungskräften im Innovationsprozess angenommen (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Die Wir-
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kungen der Führungsqualitäten auf die positiven und negativen Emotionen der geführten Füh-
Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht
Abstraktionsebene I: Fundamentale Interaktionskategorien
rungskräfte sind für beide Abstraktionsebenen in Abbildung 16 veranschaulicht.
Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen
Positive Emotionen
Negative Emotionen
z. B. Begeisterung Mut Herausforderung Neugier Freude
z. B. Sorge Belastung Ärger Angst Furcht
+
–
–
Einflussgrundlagen der Führung
+
Machtgrundlagen der Führung
- Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
- Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
Abbildung 16. Führung als Determinante der Emotionen
Auf der Abstraktionsebene I, der Ebene der fundamentalen Interaktionskategorien, lautet die Hypothese zu den Zusammenhängen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen und den Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess folgendermaßen: Hypothese 8a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (8a-1) den positiven Emotionen und in einem negativen Zusammenhang mit (8a-2) den negativen Emotionen, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (8a-3) den positiven Emotionen und in einem positiven Zusammenhang mit den (8a-4) negativen Emotionen stehen.
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Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen dürften die positiven Emotionen der geführten Führungskraft steigern, weil diese Führungsfacetten auf der Dimension „Valenz“ im Circumplex-Modell eine positive emotionale Bewertung und auf der Dimension „Aktivierung“ eine starke emotionale Aktivierung wahrscheinlich werden lassen, so dass die geführte Führungskraft als emotionales Pendant ihrer intrinsischen Motivation Flow (Csikszentmihalyi, 1997) erlebt. Gleichzeitig dürften einfluss- und vertrauensbasierte Führung die negativen Emotionen der geführten Führungskraft hemmen, weil in der Prozessbetrachtung eine negative emotionale Bewertung und eine negative Aktivierung der geführten Führungskraft aufgrund dieser Führungsfacetten nicht anzunehmen sind. Für Machtausübung ist dagegen empirisch belegt, dass sie negative Emotionen verstärkt (Buschmeier, 1995; Krause 2002b) Insbesondere dann, wenn Machtausübung als Kontrolle interpretiert wird, führt dies zu starken negativen Emotionen des Drucks und der Spannung und zu reduzierten positiven Emotionen (Deci & Ryan, 1987). Dies ist durch die negative Bewertung dieses Führungsverhaltens auf der Valenz-Dimension und durch die starke negative Aktivierung (Krause, 2002b; Scholl, 1996) der geführten Führungskraft bei Machtausübung des Vorgesetzten zu erklären. Analog dürfte sich die Konstellation im Falle der Führung durch Misstrauen darstellen. Ferner werden Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen gleichzeitig die positiven Emotionen der geführten Führungskraft im Innovationsprozess blockieren, weil nicht zu erwarten ist, dass die geführte Führungskraft diese Qualitäten des Führungsverhaltens positiv einschätzt. In Bezug auf die Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Grundlagen der Führung durch Macht folgen die nächsten emotionsbezogenen Hypothesen: Hypothese 8b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (8b-1) den positiven Emotionen, aber jeweils ein negativer Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (8b-2) den negativen Emotionen. Hypothese
8c:
Der
Einsatz
der
Machtgrundlage
Bestrafung/Drohung
(materi-
ell/immateriell) hemmt (8c-1) die positiven Emotionen stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize und fördert (8c-2) die negativen Emotionen stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohung durch extrinsische Anreize. Die Begründung für die Hypothesen 8b-1 und 8b-2 liegt darin, dass persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovations-
171
bezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation auf der Dimension „Valenz“ an eine positive emotionale Bewertung durch die geführte Führungskraft gekoppelt sein werden und auf der Dimension „Aktivierung“ mit starker Aktivierung einhergehen werden. Im Hinblick auf den Prozess der Innovation ist nicht anzunehmen, dass der Einsatz der Grundlagen der einflussbasierten Führung im Laufe der Zeit mit negativer Valenz und starker Aktivierung korrespondiert. Die Begründung für die Hypothesen 8c-1 und 8c-2 ist, dass immaterielle und materielle Bestrafung/Drohung aufgrund der höheren Restriktivität (Scholl, 1999) mit stärkerer negativer Valenz und höherer Aktivierung einhergehen werden als Belohnung durch extrinsische Anreize, so dass die negativen Emotionen der geführten Führungskraft bei Bestrafung/Drohung ausgeprägter sein werden als bei Belohnung durch extrinsische Anreize. Ferner werden die positiven Emotionen vermutlich durch Bestrafung/Drohung stärker reduziert als durch Belohnung durch extrinsische Anreize, weil durch den Einsatz ersterer Machtgrundlage die hohe Aktivierung mit geringeren Ausprägungen der positiven Valenz verknüpft sein wird als beim Einsatz materieller Belohnungsmacht. 2.4.4.3 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung des Innovationsverhaltens Im Kapitel 2.3.1.1 wurden zwei Komponenten des Innovationsverhaltens postuliert: die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung. Die Ideengenerierung/-prüfung beinhaltet verschiedene Prozesse der Suchfeldbestimmung, der Ideenfindung und den resultierenden Ideenvorschlag und hängt von personbezogenen Faktoren ab, wie der intrinsischen Motivation und dem aufgabenspezifischen Wissen bzw. den Fähigkeiten der geführten Führungskraft. Die Implementierung wurde hingegen als Einführung und Nutzung des neuen Verfahrens verstanden, die personbezogen von der Überzeugung der geführten Führungskraft abhängt, dass die Innovation sinnvoll ist (Motivation), der Fähigkeit und dem Wissen, die Neuerung sinngemäß zu nutzen (Qualifikation) und der Überzeugung, dass die Neuerung erwünscht ist (soziales Dürfen). Im Hinblick auf das so definierte Innovationsverhalten wird im Zusammenhang mit Phasenkonzeptionen des Innovationsprozesses (vgl. Tabelle 5) häufig auf das sogenannte „organisatorische Dilemma“ aufmerksam gemacht, das darin bestehe, dass für beide Komponenten des Innovationsverhaltens unterschiedliche Führungsprinzipien144 günstig seien (Corsten, 1989, S. 28; Damanpour, 1991, p. 562; Gaitanides & Wicher, 1986, S. 385 ff., Marr, 1993, S. 1802 f.; Thom, 1980, S. 305 ff.). Während für die Ideengenerierung/-prüfung eine gewisse schöpferische Unstrukturiertheit, ein Höchstmaß an Freiraum sowie ein hoher Partizipationsgrad vorteilhaft seien, sollen während der Implementierung eine exakte Planung und eine straffe Organisation erfolgsversprechend sein. Die organisatorische Gestaltung würde – dieser Argumentation fol172
gend – mit fortschreitendem Innovationsprozess zunehmend strukturierter.145 Diese Zusammenhänge werden als Weiterentwicklung der bekannten Unterscheidung zwischen einer organischen und mechanistischen Struktur (Burns & Stalker, 1961) in der ‘Loose-Tight’-Hypothese (Shepard, 1967, S. 470) beschrieben. Dieser Hypothese zufolge habe die Führungskraft während des Innovationsprozesses einen Wechsel im Organisationsgrad zu realisieren von ‘Loose’ während der Ideengenerierung/-prüfung zu ‘Tight’ während der Implementierung. Einen Beleg für diese Hypothese konnte Sapolsky (1967, S. 509) erbringen, indem er die Abläufe von drei Innovationen mittels Interview nachzeichnete. Fragt man im Einklang mit der ‘Loose-Tight’-These nach der (Dys-) Funktionalität der Qualitäten des Führungsverhaltens in Bezug auf die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung, dann würde man meinen, dass während der Ideengenerierung/-prüfung Führung durch Einfluss und Vertrauen im Vergleich zu den anderen Führungsqualitäten erfolgsversprechend sind, während für die Implementierung insbesondere Machteinsatz funktional wirke. Dieser Argumentation wird hier allerdings nicht gefolgt. Denn in maßgeblichen quantitativen Untersuchungen wurden die erwarteten Zusammenhänge der Loose-Tight-Argumentation nicht bestätigt: „Das Loose-Tight-Konzept wird selten praktiziert, und wo es praktiziert wird, ist es nicht erfolgreich“ (Albers & Eggers, 1991, S. 44). Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung von N = 70 Industrieunternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen (Albers & Eggers, 1991), in der festgestellt wurde, dass die Mehrzahl der Unternehmen keinen Wechsel im Organisationsgrad von ‘Loose’ während der Ideengenerierung/-prüfung zu ‘Tight’ während der Implementierung vollzieht.146 Außerdem hatte der Wechsel im Organisationsgrad bei den wenigen Unternehmen, die während ihrer Innovationsaktivitäten nach der ‘Loose-Tight’-Empfehlung vorgehen, negative Effekte auf den Umsatz und den Gewinn der Unternehmen hat. Daraus kann man folgern, dass ein „organisatorisches Dilemma“ im Hinblick auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess nicht in dem Maße existiert, wie man nach der ‘LooseTight’-These meinen könnte. Abbildung 17 verdeutlicht die hier erwarteten Zusammenhänge zwischen den Qualitäten des Führungsverhaltens und den Komponenten des Innovationsverhaltens für beide Abstraktionsebenen.
173
Abstraktionsebene I: Fundamentale Interaktionskategorien
Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen
Ideengenerierung/-prüfung
Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht
+
Implementierung
–
Einflussgrundlagen der Führung - Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
+
–
Machtgrundlagen der Führung - Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
Abbildung 17. Führung als Determinante der Komponenten des Innovationsverhaltens Diese Zusammenhänge lassen sich auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien durch die Hypothese 9a präzisieren. Hypothese 9a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (9a-1) der Ideengenerierung/-prüfung und (9a-2) der Implementierung, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (9a-3) der Ideengenerierung/-prüfung und (9a-4) der Implementierung stehen. Dadurch, dass sowohl Führung durch Einfluss als auch Führung durch Vertrauen die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft steigern werden, wird erklärlich, dass diese beiden Führungsfacetten funktional auf die Ideengenerierung/-prüfung wirken dürften. Die geführte Führungskraft wird mit zunehmender einfluss- und vertrauensbasierter Führung ihres Vorgesetzten intrinsisch motiviert sein, Prozesse der Suchfeldbestimmung (Problemformulierung und Problemanalyse) und Ideenfindung (Ideenneukombination durch Abruf relevanter Informationen, Ideenentwicklung, mentale Probehandlung) einzuleiten. Diese Argumentation steht im Einklang 174
mit empirischen Resultaten: Oldham und Cummings (1996) zeigten u. a., dass ein nichtkontrollierendes Führungsverhalten, welches hier als einflussbasierte Führung bezeichnet wird, in positivem Zusammenhang zur Ideengenerierung steht, die über die Anzahl entwickelter Patente, die Anzahl produzierter Ideen und ein Vorgesetztenrating gemessen wurde. In der Tradition der Leader-Member-Exchange-Theorie (vgl. Kapitel 1.2.2) wurde auch für vertrauensbasierte Führung eine positive Korrelation mit der Ideengenerierung empirisch dokumentiert: Mitarbeiter, die ihre Beziehung zu ihrem Vorgesetzten als ‘High-quality’-Dyaden beschreiben (charakterisiert durch Vertrauen, Unterstützung und Autonomie) generieren eher Ideen im Vergleich zu Mitarbeitern, die ihre Beziehung zu ihrem Vorgesetzten als ‘Low-quality’-Dyaden kennzeichnen (Scott & Bruce, 1994). Insbesondere für Mitarbeiter aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung gilt, dass mit zunehmendem Vertrauen die Ideengenerierung kontinuierlich steigt (Scott & Bruce, 1998). Ferner werden hier jeweils positive Zusammenhänge zwischen einflussund vertrauensbasierter Führung und der Implementierung erwartet. Denn durch diese Facetten des Führungsverhaltens dürften die Überzeugungen der geführten Führungskraft gestärkt werden, dass die Innovation sinnvoll ist (Motivation) und dass die Innovation erwünscht ist (soziales Dürfen). Dagegen wird angenommen, dass Führung durch Macht dysfunktionale Effekte hat sowohl für die Ideengenerierung/-prüfung als auch auf die Implementierung. Der vermutete negative Zusammenhang zwischen Machtausübung und der Ideengenerierung/-prüfung ist darin begründet, dass aufgrund der für Machtausübung konstitutiven Überwachung (bzw. Kontrolle) und daraus resultierender Compliance nicht zu erwarten ist, dass die geführte Führungskraft Engagement im Sinne der Ideengenerierung/-prüfung zeigt. Diese Annahme wird durch empirische Befunde unterstützt, die zeigen, dass Machtausübung durch eingesetzte Sanktionen vom Betroffenen als Kontrolle durch das Management interpretiert werden, was u. a. zu reduzierter kognitiver Flexibilität und reduzierter Kreativität des Betroffenen führt (Deci & Ryan, 1987). Der Grund für die postulierte negative Beziehung zwischen Machtausübung und der Implementierung besteht darin, dass Machtausübung nicht die innere Überzeugung der geführten Führungskraft bezüglich (1) der Sinnhaftigkeit und (2) sozialen Erwünschtheit der Innovation unterstützt, sondern lediglich zu äußerer Willfähigkeit führt. Diese Sichtweise, dass Machtausübung auch für die Implementierung von Innovationen contraproduktiv ist, wird zwar umstritten diskutiert, aber auch von anderen Autoren vertreten (Filius, 1985, S. 229; Frost & Egri, 1991, p. 243; Windeler, 1992). Empirisch ist belegt, dass das Innovationsverhalten niedriger ist, wenn Sanktionen zum Einsatz kommen als wenn keine Sanktionen zum Einsatz kommen (Tenbrunsel & Messick, 1999, p. 692). Auch eine Untersuchung von Softwareprojekten verweist auf die dysfunktionalen Effekte der Macht im Innovationsprozess: Anhand von Fallbeispielen bei konkreten 175
Verfahrensinnovationen einer Versicherung wurde u. a. gezeigt, dass Macht den Implementierungsprozess der Innovation behindert (Windeler, 1992).147 Zu bedenken ist dabei, dass der Effekt der Machtausübung auf die Implementierung in Abhängigkeit von der Art der eingesetzten Machtgrundlage variieren könnte (Marr & Kötting, 1992, Sp. 830) – ein Aspekt, auf den im Rahmen der Diskussion auf der Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung durch Macht eingegangen wird. Ferner wird angenommen, dass Führung durch Misstrauen die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung blockiert. Der negative Effekt dieses Führungsmusters auf die Ideengenerierung/-prüfung ist darin begründet, dass misstrauensbasierte Führung den kognitiven Freiraum der geführten Führungskraft einschränken dürfte. Deshalb nimmt vermutlich bei einer misstrauensbasierten Führung die Wahrscheinlichkeit ab, dass die geführte Führungskraft experimentierfreudig ist, dass sie Risiken eingeht oder dass sie das Problem durch die Verwendung divergierender kognitiver Bezugssysteme betrachtet. Währenddessen ist der Grund für den angenommenen negativen Zusammenhang zwischen der Führung durch Misstrauen und der Implementierung darin zu suchen, dass Misstrauen weder die Motivation oder die Qualifikation der geführten Führungskraft im Hinblick auf die Implementierung erhöht noch eine situative Ermöglichung der Implementierung durch dieses Führungsverhalten zu erwarten ist. Neben der Begründung der führungsbezogenen Hypothesen in Bezug auf die Komponenten des Innovationsverhaltens auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien ist auf der Abstraktionsebene der Einflussgrundlagen der Führung folgende verhaltenssteuernde Hypothese relevant: Hypothese 9b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (9b-1) der Ideengenerierung/-prüfung und (9b-2) der Implementierung. Diese Einzelhypothesen lassen sich wie folgt begründen: Durch positive persönliche Ausstrahlung wird die Ideengenerierung/-prüfung gefördert, da die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft bei hoher Identifikation mit einem positiven Modell – dem Vorgesetzten – steigt. Auch die Implementierung wird durch positive persönliche Ausstrahlung unterstützt, weil die geführte Führungskraft durch das Lernen am Modell (Bandura, 1997) die Implementierung der Neuerung als sinnvoll und wertvoll betrachten wird (Motivation). Durch den Einsatz von Expertenwissen/Information vermittelt der Vorgesetzte der geführten Führungskraft neues Wissen, was für die Ideengenerierung/-prüfung einen positiven Beitrag leistet (Mumford et al., 2002, pp. 712–714), in dem das aufgabenspezifische Wissen steigt. Auch die Implementierung wird durch 176
Expertenwissen/Information gefördert, da das Wissen der geführten Führungskraft über die Potenziale und den Sinn der Innovation erhöht wird (Qualifikation). Die innovations-unterstützende Wirkung von Wissen und Fähigkeiten des Vorgesetzten für das Erbringen kreativer Leistungen von Teammitgliedern ist auch empirisch bestätigt (Tierney et al., 1999). Ferner wird die Ideengenerierung/-prüfung durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie positiv beeinflusst (Axtell et al., 2000), weil einerseits die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft angehoben wird und andererseits der für die Ideengenerierung/-prüfung notwendige Freiraum zum Experimentieren, zur Ideensuche, zur Neukombination verschiedenartiger Informationen und zur mentalen Probehandlung geschaffen wird. Auch die Implementierung wird durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie unterstützt, wie empirisch belegt ist (Axtell et al., 2000).148 Der Grund für diesen Zusammenhang besteht darin, dass diese Einflussgrundlage die Überzeugung der geführten Führungskraft, dass die Innovation erwünscht ist (soziales Dürfen), stärkt. Ebenso wird die Einflussgrundlage innovationsbezogene Unterstützung funktionale Wirkungen auf die Komponenten des Innovationsverhaltens haben: Empirisch sind bedeutsame positive Zusammenhänge zwischen ‘Support for innovation’ und der Ideengenerierung sowie der Implementierung bestätigt (Axtell et al., 2000).149 Auch Amabile et al. (1996) sowie Oldham und Cummings (1996) zeigen, dass ‘Support for creativity’ eine der maßgeblichen Bedingungen kreativer, innovativer Leistungen ist. Innovationsbezogene Unterstützung fördert die Ideengenerierung/-prüfung, weil durch den immateriell belohnenden Charakter des Einsatzes dieser Einflussgrundlage kreative Potenziale der geführten Führungskraft freigesetzt werden. Der funktionale Effekt innovationsbezogener Unterstützung auf die Implementierung ist durch die Erhöhung der Akzeptanz der Innovation und die Verdeutlichung der Erwünschtheit der Neuerung (soziales Dürfen) zu erklären. Durch Verzicht auf Manipulation werden die Komponenten des Innovationsverhaltens ebenfalls positiv beeinflusst, weil auch diese Grundlage der Einflussnahme einen Motivationsschub seitens der geführten Führungskraft zur Umsetzung der Neuerung freisetzen dürfte. Neben den Zusammenhängen zwischen den Einflussgrundlagen und den Komponenten des Innovationsverhaltens wird auf der zweiten Abstraktionsebene folgende relativ formulierte Hypothese zu den Beziehungen zwischen den Machtgrundlagen und den Komponenten des Innovationsverhaltens aufgestellt: Hypothese
9c:
Der
Einsatz
der
Machtgrundlage
Bestrafung/Drohung
(materi-
ell/immateriell) hemmt (9c-1) die Ideengenerierung/-prüfung und (9c-2) die Implementierung stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. 177
Diese Hypothese verdeutlicht, dass die Art der im Innovationsprozess eingesetzten Machtgrundlage entscheidend ist für den Effekt auf die Komponenten des Innovationsverhaltens. Da Bestrafung/Drohung die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft reduzieren (Forsyth, 1990, p. 194), ist ein negativer Zusammenhang dieser Machtgrundlage mit der Ideengenerierung/-prüfung anzunehmen. Dieser Zusammenhang dürfte deutlich negativer ausgeprägt sein als der Zusammenhang zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und der Ideengenerierung/prüfung, da materielle Belohung sowohl funktionale als auch dysfunktionale Effekte für die Ideengenerierung/-prüfung haben kann (vgl. Kapitel 2.4.1.3). Auch im Hinblick auf die Implementierung dürfte sich der Einsatz von Bestrafung/Drohung als negativer erweisen als der Einsatz von Belohnung durch extrinsische Anreize, denn durch letztgenannte Machtgrundlage ist zumindest denkbar, dass die Überzeugung der geführten Führungskraft gestärkt wird, dass die Neuerung erwünscht ist und sie deshalb Implementierungsverhalten zeigt. 2.4.4.4 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der innovationshinderlichen Verhaltenweisen Neben den Effekten des Führungsverhaltens auf die Komponenten des Innovationsverhaltens werden auf beiden Abstraktionsniveaus Wirkungen der Führungsqualitäten auf Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht angenommen (s. Abbildung 18). Intrapsychische Anpassung (Resignation) wurde definiert als subjektive Form des Vermeidungsverhaltens der geführten Führungskraft, bei der die geführte Führungskraft entweder den Ist-Zustand anhebt oder den Soll-Zustand herabsetzt (vgl. Kapitel 2.3.3 und 2.3.1.2). Fluchtverhaltensweisen meinen demgegenüber objektive Formen des Vermeidungsverhaltens, wie etwa Kündigung, Versetzungsgesuch stellen oder Vermeidung der Innovation durch hauptsächliche Beschäftigung mit Routineaufgaben. Da einfluss- und vertrauensbasierte Führung als Prophylaxe der intrapsychischen Anpassung und Flucht aufgrund der angehobenen Situationskontrolle dienen kann und macht- und misstrauensbasierte Führung diese Komponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen aufgrund der herabgesetzten Situationskontrolle vermutlich verstärkt, wird auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien folgende Hypothese formuliert: Hypothese 10a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (10a-1) der intrapsychischen Anpassung und (10a-2) der Flucht, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem
178
positiven Zusammenhang mit (10a-3) der intrapsychischen Anpassung und (10a-4) der
Abstraktionsebene I: Fundamentale Interaktionskategorien
Flucht stehen.
Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen
Intrapsychische Anpassung
Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht
+ Einflussgrundlagen der Führung - Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
Flucht +
Machtgrundlagen der Führung - Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
Abbildung 18. Führung als Determinante der innovationshinderlichen Verhaltensweisen Darüber hinaus werden auf der Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht folgende Hypothesen für die innovationshinderlichen Verhaltensweisen generiert: Hypothese 10b: Es besteht jeweils ein negativer Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (10b-1) intrapsychischer Anpassung und (10b-2) Flucht. Hypothese 10c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) fördert (10c-1) intrapsychische Anpassung und (10c-2) Flucht stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Die angenommenen positiven Zusammenhänge der aktualisierten Einflussgrundlagen der Führung und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen sind wie folgt zu begründen: Durch positive persönliche Ausstrahlung dürften intrapsychische Anpassung und Flucht reduziert wer-
179
den, weil der Vorgesetzte durch seine positive Modellfunktion (Bandura, 1997) diesen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft vorbeugt. Demgegenüber sind die jeweils negativen Zusammenhänge zwischen Expertenwissen/Information, der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie und innovationsbezogene Unterstützung einerseits und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht andererseits dadurch zu begründen, dass der Einsatz dieser Einflussgrundlagen zur Steigerung der erlebten Herausforderung und zur Erhöhung der Situationskontrolle seitens der geführten Führungskraft beiträgt, womit Prozesse der Resignation oder der objektiven Situationsvermeidung unwahrscheinlich werden. Ferner dürften diese innovationshinderlichen Verhaltensweisen durch Verzicht auf Manipulation reduziert werden, weil die geführte Führungskraft durch das transparente Vorgehen des Vorgesetzten im Innovationsprozess mit geringerer Wahrscheinlichkeit zur subjektiven oder objektiven Flucht neigt als bei gegenteiligem manipulativen Verhalten des Vorgesetzten. Für die eingesetzten Machtgrundlagen der Führung wird angenommen, dass die Machtgrundlage Bestrafung/Drohung die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft stärker fördert als Belohnung durch extrinsische Anreize, weil Bestrafung/Drohung die erlebte Situationskontrolle der geführten Führungskraft stärker herabsetzt als materielle Belohnung und damit Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht bei Bestrafung/Drohung wahrscheinlicher werden als bei materieller Belohnung. 2.4.4.5 Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung des Innovationserfolgs Neben den beschriebenen Effekten der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte wird angenommen, dass die Qualitäten des Führungsverhaltens den (Miss-) Erfolg der Innovation auf beiden Abstraktionsebenen beeinflussen (s. Abbildung 19). Zur Bestimmung des Innovationserfolgs wurden drei Kriterien vorgegeben: ökonomische Kriterien (z. B. Effektivität und Effizienz der Arbeitseinheit), individuelle/soziale Kriterien (z. B. anfängliche Hoffnungen bzw. Befürchtungen) und positive und/oder negative Sekundäreffekte (z. B. Lernzuwachs) (vgl. Kapitel 2.2.2). Die innovationserfolgsbezogene Hypothese der eingesetzten Führungsqualitäten lautet für die Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien: Hypothese 11a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (11a-1) dem Innovationserfolg, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (11a-2) dem Innovationserfolg stehen. 180
Abstraktionsebene I: Fundamentale Interaktionskategorien
Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen
Abstraktionsebene II: Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht
Innovationserfolg
Einflussgrundlagen der Führung - Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
Machtgrundlagen der Führung - Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
Abbildung 19. Führung als Determinante des Innovationserfolgs Diese Hypothese wird durch die differenziellen Effekte der Führungsqualitäten auf die Komponenten des Innovationsverhaltens und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte erklärlich. Die Qualitäten des Führungsverhaltens tragen vermittelt über die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zum Erfolg oder aber zum Misserfolg der Neuerung bei: Da einfluss- und vertrauensbasierte Führung das Innovationsverhalten steigern – welches positiv zu den innovationserfolgsbezogenen Zielkriterien beitragen wird – und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen hemmen – welche negativ zu den innovationserfolgsbezogenen Zielkriterien beitragen werden – wird verständlich, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen den Innovationserfolg katalysieren dürften. Umgekehrt gilt, dass macht- und misstrauensbasierte Führung das Innovationsverhalten blockieren und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen steigern, so dass Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen ebenfalls vermittelt über die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zum Innovationserfolg bzw. -misserfolg beitragen. Im Vergleich zu einer Führung durch Macht dürfte sich eine vertrauensbasierte Führung auf den Innovationserfolg funktionaler auswirken (Manz et al., 1989), denn: ‘It is trust more than power [...] that really makes an organization function effectively’ (Fairholm, 1994, p. 102). Im Hinblick auf die relative Funktionalität einer Führung durch Macht im Vergleich zu einer Führung durch Einfluss dürf-
181
te sich einflussbasierte Führung im Innovationsprozess innovationserfolgsförderlicher erweisen. Dies ist ableitbar aus den empirischen Resultaten von Scholl (1999), der durch lineare Strukturgleichungsmodelle für N = 42 Innovationsprojekte aus insgesamt 16 Unternehmen zeigte, dass Machtausübung den Misserfolg einer Innovation vorprogrammiert, während Einflussnahme den Innovationserfolg unterstützt.150 Aufgrund dessen wird für die Grundlagen der Führung durch Einfluss folgende innovationserfolgsrelevante Hypothese aufgestellt: Hypothese 11b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und dem Innovationserfolg. Die Begründung für diese Zusammenhänge liegt wiederum in den Effekten der aktualisierten Einflussgrundlagen auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte: Da alle Einflussgrundlagen das Innovationsverhalten fördern und die innovationshinderlichen Verhaltenweisen reduzieren dürften, tragen die Einflussgrundlagen vermittelt über die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zum Ergebnis des Innovationsprojektes positiv bei. Dabei ist auf den vermutlich positiven Effekt der Einflussgrundlage „Information“ auf den Innovationserfolg insbesondere vor dem Hintergrund aufmerksam zu machen, als Lechler und Gemünden (1998, S. 444) durch eine lineare Strukturgleichungsmodellierung diesen positiven Pfad empirisch belegen konnten. Neben der Innovationserfolgsrelevanz der Einflussgrundlagen wird für die Machtgrundlagen die Hypothese 11c generiert. Hypothese 11c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) hemmt den Innovationserfolg stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Die Begründung dieser Hypothese liegt in der relativ stärkeren Reduzierung des Innovationsverhaltens und relativ stärkeren Steigerung der innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte durch den Einsatz von Bestrafung/Drohung durch den Vorgesetzten im Vergleich zum Einsatz von Belohnung durch extrinsische Anreize. 2.4.5 Konflikte als Bedingung der Qualitäten des Führungsverhaltens Neben den Effekten der Führungsqualitäten auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg wird angenommen, dass Konflikte zwischen dem 182
Vorgesetzten und der geführten Führungskraft die Art des Einsatzes der Führungsverhaltensweisen bedingen. Im Hinblick auf die Konfliktart ist dabei auf der theoretischen Ebene zwischen Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikten (Rüttinger, 1977) zu unterscheiden, die bereits definiert worden sind (s. Kapitel 2.1.2.4). Für die weitere Hypothesenbildung zur Wirkung der Konflikte auf die Qualitäten des Führungsverhaltens ist die erarbeitete Macht-Einfluss-Unterscheidung (s. Kapitel 2.4.1) bedeutsam. Es wurde bereits deutlich, dass Führung durch Einfluss in Überreinstimmung mit den aktuellen Intentionen der geführten Führungskraft erfolgt, während Führung durch Macht gegen die aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft gerichtet ist. Außerdem unterscheiden sich diese Führungsfacetten in der resultierenden Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung (vgl. Kelman, 1974), die bei Einflussnahme in Internalization oder Identification besteht, während sie bei Machtausübung in Compliance besteht. Einflussnahme erfolgt zudem durch andere Grundlagen als Machtausübung (s. Kapitel 2.4.1.3). Die zentrale Annahme lautet nun, dass besonders intensive manifeste Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft eher eine Führung durch Macht begünstigen (machtaffine Situation). Damit dürfte der Einsatz der Machtgrundlagen der Führung mit zunehmender Konfliktintensität steigen. Dagegen begünstigen manifeste Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte zwischen beiden Interaktionspartnern von vergleichsweise geringer Intensität eher eine Führung durch Einfluss (einflussaffine Situation). Demzufolge dürfte der Einsatz der Einflussgrundlagen der Führung mit abnehmender Konfliktintensität steigen. Außerdem wird angenommen, dass mit zunehmender Intensität der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte eine Führung durch Misstrauen begünstigt wird (misstrauensaffine Situation), weil ein hoher Grad an inkompatiblen aktuellen Intentionen zwischen den Beteiligten die Tendenz des Vorgesetzten zu einer negativen Erwartungshaltung im Hinblick auf das zukünftige Handeln der geführten Führungskraft verstärkt und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Verhalten des Vorgesetzten durch Furcht, Skepsis, Wachsamkeit etc. gekennzeichnet ist. Darüber hinaus wird mit abnehmender Intensität der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft eine Führung durch Vertrauen begünstigt (vertrauensaffine Situation), weil in dieser Situation die Bereitschaft des Vorgesetzten zur Erhöhung seiner Verwundbarkeit gefördert wird, und sich der Vorgesetzte entsprechend seiner positiven Erwartungshaltung in Bezug auf das zukünftige Verhalten der geführten Führungskraft mit großer Wahrscheinlichkeit wohlwollend, konsistent und integer verhalten wird. Aus dieser Argumentation lassen sich folgende Hypothesen zum Einfluss der Beur183
teilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte auf die Qualitäten des Führungsverhaltens für beide Abstraktionsebenen ableiten: Hypothese 12a: Die zunehmende Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte wirkt sich positiv auf (12a-1) die Führung durch Macht und (12a-2) die Führung durch Misstrauen aber negativ auf (12a-3) die Führung durch Einfluss und (12a-4) die Führung durch Vertrauen aus. Hypothese 12b: Die zunehmende Intensität der (12b-1) Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie (12b-2) der Verteilungskonflikte wirkt sich negativ auf den Einsatz aller hier untersuchten Einflussgrundlagen aus. Hypothese 12c: Die zunehmende Intensität der (12c-1) Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der (12c-2) Verteilungskonflikte wirkt sich positiv auf den Einsatz der hier untersuchten Machtgrundlagen aus. Nachdem unterschiedliche Grade der Intensität von Beurteilungs-, Bewertungs-, und Verteilungskonflikten als Determinante der Qualitäten des Führungsverhaltens beschrieben wurden, widmen sich die abschließenden Ausführungen des Theorieteils der zusammenfassenden Beschreibung des hier entwickelten Führungsmodells.
2.5
Zusammenfassende Beschreibung des entwickelten Modells
Die theoretischen Ausführung lassen sich im Modell der Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie des Innovationserfolgs verdichten (s. Abbildung 20). Aufgrund des situativen Führungsverständnisses wurde das Modell der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1991) ausgewählt und für den Innovationskontext spezifiziert, so dass nach der Präzisierung situativer Attribute von Innovationsaufgaben (Innovationsgrad, Unsicherheit, Komplexität, Konflikte151) vom Führungserfolg ausgehend in „umgekehrter“ Reihenfolge gefragt wird, welche Verhaltensweisen von geführten Führungskräften für den Innovationserfolg funktional bzw. dysfunktional sind und welche Qualitäten des Führungsverhaltens die erfolgs(dys-)funktionalen Verhaltensweisen von geführten Führungskräfte in welcher Weise beeinflussen. Der Innovationserfolg wird anhand von wahrgenommenen ökonomischen Kriterien (z. B. Steigerung der Effektivität und Effizienz der Arbeitseinheit), individuellen/sozialen Kriterien (z. B. anfängliche Hoffnungen und Befürchtungen) und indirekten positiven und negativen Sekundäreffekten (z. B. Lernzuwachs) beschrieben. Mit Blick auf den so definierten Innovati184
onserfolg werden innovationsbezogene Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte differenziert: Innovationsverhalten und innovationshinderliche Verhaltensweisen. Nach einem Vergleich bisheriger Konzeptionen des Innovationsverhaltens und der damit einhergehenden Kritik an Phasenmodellen des Innovationsprozesses (s. Kapitel 2.3.1) wird das substanzielle Geschehen im Innovationsprozess auf zwei Komponenten reduziert: die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung. In Anlehnung an das Kreativitätsmodell von Amabile (1988) wird die Ideengenerierung/ prüfung beschrieben als ein Prozess, der die Suchfeldbestimmung (Problemformulierung und Problemanalyse), die Ideenfindung (Ideenneukombination durch Abruf relevanter Informationen und Kombination verschiedenartiger und entlegener Informationen, Ideenentwicklung, mentale Probehandlung), das individuelle Testen der generierten Idee (Verifikation) und den resultierenden Ideenvorschlag (Ideenmitteilung) einschließt. Auf der Handlungsebene zeigt sich dies darin, dass die geführte Führungskraft experimentierfreudig ist und Risiken eingeht, dass sie das Problem unter Verwendung divergierender kognitiver Bezugssysteme aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, dass sie Zeit und Kraft investiert, um bessere Varianten herauszufinden und dass sie die Idee einer entscheidungsbefugten Instanz mitteilt. Gegenüber der Ideengenerierung/-prüfung beinhaltet die Implementierung solche Verhaltensweisen der geführten Führungskraft, die sich auf die potenzial- und sinngemäße Umsetzung und Nutzung der Neuerung im jeweiligen Arbeitsbereich beziehen. Bezüglich dieser Komponenten des Innovationsverhaltens lautet eine Hypothese, dass der Innovationserfolg eine positive Funktion der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung ist (H 1a). Beide Komponenten des Innovationsverhaltens dürften in einem positiven Zusammenhang stehen (H 2a). Neben den funktionalen Effekten der Komponenten des Innovationsverhaltens für den Innovationserfolg, werden dysfunktionale Effekte innovationshinderlicher Verhaltensweisen auf den Innovationserfolg postuliert. In Anlehnung an die Stress-Coping-Theorie von Lazarus (1966, 1991, 1993) und deren innovationskontextspezifischer Adaptierung (Gebert, 1987) werden als Formen innovationshinderlicher Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung und Flucht unterschieden.
185
kognitiv-emotionale und verhaltensbezogene Prozesse der geführten Führungskräfte
Veränderungsbedürftigkeit + Veränderungsfähigkeit
H5b-1
H5a-1
- Wohlwollen - Konsistenz - Integrität
Führung durch Vertrauen
- Persönliche Ausstrahlung - Expertenwissen/Information - Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie - Innovationsbezogene Unterstützung - Verzicht auf Manipulation
Führung durch Einfluss
H7a-c
Veränderungsbedürftigkeit + Veränderungsfähigkeit
Situationswahrnehmungen
H4
Situationswahrnehmungen
H6a-c
Flucht H10a-c
intrapsychische Anpassung
innovationshinderliche Verhaltensweisen
H9a-c
H2a Implementierung
Ideengenerierung/-prüfung
Innovationsverhalten
Führung durch Macht
H3b
H3a
- Verletzung zentraler Erwartungen aufgrund von Nicht-Übereinstimmung
Führung durch Misstrauen
- Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) - Belohnung durch extrinsische Anreize
H12a-c
H8a-c
negative Emotionen
positive Emotionen
Emotionen
H5b-2
negative Emotionen
positive Emotionen
Emotionen
H5a-2
H1b
H2b
H2c-2
H2b
H11a-c
Innovationserfolg
H1a
Verteilungskonflikte
H2c-1
Widerstand
H2c-1
Beurteilungs- und Bewertungskonflikte
Abbildung 20. Modell der Qualitäten des Führungsverhaltens als Bedingung der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen von geführten Führungskräften und des Innovationserfolgs
Qualitäten des Führungsverhaltens
Intrapsychische Anpassung (Resignation) stellt eine subjektive Form der Vermeidung der Situation dar, bei der die geführte Führungskraft ihr Anspruchsniveau entweder durch Soll-WertSenkung oder durch Ist-Wert-Anhebung reduziert, so dass sie sich mit den Dingen abfindet oder die Dinge beschönigt. Flucht ist demgegenüber eine objektive Form des Vermeidungsverhaltens, bei der die geführte Führungskraft entweder z. B. durch Kündigung die Situation verlässt oder aber sich durch subtile Facetten des Fluchtverhaltens (z. B. sich Routineaufgaben widmen) der Situation entzieht. Der Innovationserfolg dürfte dabei eine negative Funktion der intrapsychischen Anpassung und der Flucht sein (H 1b). Neben intrapsychischer Anpassung und Flucht wird eine dritte Facette innovationshinderlicher Verhaltensweisen angenommen: Widerstand. Prinzipiell ist zwischen destruktivem Widerstand (verdeckte Opposition) und konstruktivem Widerstand (offene Opposition) zu unterscheiden (Hauschildt, 1999), wobei hier die verdeckte Form des Widerstands im Mittelpunkt steht. Die geführte Führungskraft zeigt im Innovationsprozess dann verdeckten Widerstand, wenn sie heimlich Netzwerke und Koalitionen gegen die Innovation schmiedet, die Umsetzung der Neuerung zu verhindern versucht, die Innovation nur halbherzig gegenüber den Mitarbeitern in ihrem Verantwortungsbereich vertritt oder durch „Dienst nach Vorschrift“ die Innovation blockiert. Es wird angenommen, dass der verdeckte Widerstand die Implementierung der Innovation behindert, wobei der Widerstand seinerseits von Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikten zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft differenziell abhängen dürfte (H 2c). Ferner dürften diese Konfliktarten unmittelbare Effekte auf die Implementierung der Innovation haben, wobei die Effekte von Verteilungskonflikten implementierungsbezogen contraproduktiver sein dürften als die Effekte von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten (H 2 b). Neben diesen Effekten wird angenommen, dass den innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte kognitiv-emotionale Prozesse vorgelagert sind. Diese Untersuchung kognitiv-emotionaler Prozesse als Auslöser von innovationsbezogenen Verhaltensweisen hat Erstmaligkeitscharakter und stellt zudem eine Differenzierung des Modells der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1991) dar, weil nicht nur die Verhaltensweisen der Geführten, sondern auch deren Emotionen und Kognitionen explizite Berücksichtigung finden. Bei der Betrachtung des Innovationsprozesses unter der Perspektive der Emotionen wird im Einlang mit dem Circumplex-Modell (vgl. Schallberger & Pfister, 2001) eine zweidimensionale Struktur der Emotionen von geführten Führungskräften im Innovationsprozess angenommen. Die geführte Führungskraft kann im zeitlichen Verlauf der Innovation positive Emotionen (wie etwa z. B. Begeisterung, Mut, Herausforderung, Neugier, Freude) und negative Emotionen (wie etwa z.B. Sorge, Belastung, Ärger, Angst, Furcht) erleben. Vor dem Hintergrund der 187
‘Affective-Events’-Theorie (Weiss & Cropanzano, 1996) werden Emotionen – neben den Kognitionen – als eigenständige Bedingungen der innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte anerkannt. Diese Bedingungen werden in Anlehnung an die ZweiFaktorentheorie der Arbeitszufriedenheit (Herzberg et al., 1959) derart präzisiert, als die Art der Kombination positiver und negativer Emotionen für die Art der resultierenden innovationsbezogenen Verhaltensweise relevant ist: Während das Erleben starker positiver Emotionen und schwacher negativer Emotionen Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung begünstigen dürfte (H 3a), wird das Erleben schwacher positiver Emotionen und starker negativer Emotionen die Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung und Flucht fördern (H 3b). Neben den Emotionen kommt den Kognitionen der geführten Führungskräfte ein unmittelbarer Einfluss auf ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen sowie ihre Emotionen zu. Aus der Übertragung der Stress-Coping-Theorie (Lazarus, 1966, 1991, 1993) auf den Innovationskontext (Gebert, 1987) wird abgeleitet, dass die Art der innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft von ihren Situationswahrnehmungen abhängt: der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig (Primary appraisal) und der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig (Secondary appraisal). Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig ist dann gegeben, wenn die geführte Führungskraft eine Divergenz zwischen einem Soll-Zustand und einem Ist-Zustand in der betrieblichen Realität wahrnimmt, was sie u. a. als Bedrohung aber auch als Herausforderung interpretieren kann. Die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig dient der Analyse von Copingstrategien zur Bewältigung der Situation, d.h. die geführte Führungskraft bewertet die betriebliche Situation in Bezug auf ihre Kontrollierbarkeit. Für diese Bewertung ist zum einen maßgeblich, inwieweit sich die geführte Führungskraft selbst ausreichend Ressourcen (z. B. Handlungsvollmachten, Entscheidungskompetenzen, Autonomie, Zeit, Budget, Mitarbeiter, Qualifikation, Wissen) zuschreibt, um der Situation durch aktives Innovationshandeln zu begegnen (Problembewältigung aus eigenen Kräften). Zum anderen ist entscheidend, inwieweit die geführte Führungskraft Ressourcen zur Problembewältigung aus anderen Quellen, z. B. den Vorgesetzten, für beschaffbar hält (Problembewältigung durch die Aktualisierung von Ressourcen anderer). Der Grad der resultierenden Situationskontrolle bestimmt das Ausmaß der erlebten Veränderungsfähigkeit der Situation. Je stärker die geführte Führungskraft die Situation als veränderungsfähig einschätzt, umso eher wird sie die Situation auch als veränderungsbedürftig beurteilen (H 4). Diese positive Rückkopplung der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation erklärt sich dadurch, dass die geführte Führungskraft mit Zunahme erlebter Situationskontrolle ihr Anspruchsniveau erhöht und daher den Soll-Zustand anhebt, so 188
dass sie qualitativ bessere Alternativen überhaupt wahrnimmt, und den Ist-Zustand absenkt, da sich das Kritikpotenzial erhöht und Vorgehensweisen in der betriebliche Praxis immer weniger als zwangsläufig erachtet werden. Für die emotions- und verhaltenssteuernden Effekte der Situationswahrnehmungen ist die Kombination der eingeschätzten Veränderungsbedürftigkeit und der beurteilten Veränderungsfähigkeit bedeutsam: Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation dürfte sich die zunehmende wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf die positiven Emotionen und das Innovationsverhalten der geführten Führungskraft in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung auswirken (H 5a). Umgekehrt dürfte sich bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation die abnehmende Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung und Flucht auswirken (H 5b). Im Hinblick auf die kontrovers diskutierte Beziehung zwischen Kognitionen und Emotionen (vgl. Lazarus, 1999; Zajonc, 1980) wird hier die Position vertreten, dass Emotionen das Ergebnis der Situationswahrnehmungen sind. Das Modell nimmt darüber hinaus an, dass die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte durch die Qualitäten des Führungsverhaltens des nächsthöheren formalen Vorgesetzten differenziell vorhersagbar sind. Das Führungsverhalten wird dabei – abweichend von traditionellen Konzeptionen – nicht etwa über Consideration und Initiating structure (Fleischman, 1973) beschrieben, sondern über Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen. Auch diese Verbindung der Führungs- mit der Machtforschung, der Führungs- mit der Vertrauensforschung und der Machtforschung mit der Vertrauensforschung wird im vorliegenden Modell erstmals vorgenommen. Führung durch Einfluss und Führung durch Macht weisen gemeinsame Merkmale auf, denn beide Führungsfacetten sind als intentionales Handeln an das Verfügen über und die Nachfrage von Ressourcen gebunden, wodurch Relationalität und wechselseitige Abhängigkeit für die Führer-Geführten-Dyade konstitutiv sind. Gleichzeitig unterscheiden sich Führung durch Einfluss und Führung durch Macht darin, dass Einflussnahme im Einklang mit den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft erfolgt, Machtausübung aber im Widerspruch zu den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft steht. Außerdem divergieren die resultierenden Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung (Kelman, 1961), die bei Einflussnahme in Internalization und Identification, bei Machtausübung aber in Compliance bestehen. Schließlich beruht Einflussnahme auf anderen Grundlagen beruht als Machtausübung. Damit ist die Tiefenstruktur der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht angesprochen, die vor dem Hintergrund einer kritischen Reflexion bisheriger Klassifikationen von Ein189
fluss- und Machtgrundlagen anhand der Wichtigkeit der Überwachung (Raven, 1992) für den Innovationskontext spezifiziert wurde. Es wurde eine innovationskontextspezifische Typologie der Grundlagen der Führung durch Einfluss (Überwachung unwichtig) und der Grundlagen der Führung durch Macht (Überwachung wichtig) entwickelt. Dabei wurden die Grundlagen von Einfluss und Macht aus bisherigen Klassifikationen im Hinblick auf die Relevanz im Innovationsprozess selektiert und adaptiert. Führung durch Einfluss realisiert sich durch persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation. Formen der complianceinduzierenden Führung durch Macht sind dagegen Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) und Belohnung durch extrinsische Anreize. Hiervon zu unterscheiden ist Führung durch Vertrauen, welche die Bereitschaft des Vorgesetzten zur Erhöhung seiner Verwundbarkeit durch einen entsprechenden Vertrauensvorschuss einschließt und an eine positive Erwartungshaltung sowie an Abhängigkeit gekoppelt ist. Der Vorgesetzte geht dabei das Risiko opportunistischen Verhaltens seitens der geführten Führungskraft ein. Führung durch Vertrauen zeigt sich im Verhalten des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft, dass durch Wohlwollen, Konsistenz und Integrität gekennzeichnet ist. Diese Grundlagen der Führung durch Vertrauen (Tiefenstruktur von Vertrauen) wurden durch einen Vergleich bisheriger Klassifikationen von Vertrauensgrundlagen hergeleitet und hier auf eine überschaubare Anzahl reduziert. Da innerhalb einer Beziehung sowohl großes Vertrauen als auch großes Misstrauen koexistieren können und insofern Vertrauen und Misstrauen auf zwei Dimensionen anzusiedeln sind (Lewicki et al., 1998) wird neben der Führung durch Vertrauen eine Führung durch Misstrauen unterschieden. Führung durch Misstrauen ist durch eine zugespitzte Negativerwartung des Vorgesetzten zu beschreiben, die sich in seinem misstrauensorientierten Verhalten widerspiegelt, dass durch Furcht, Skepsis, Wachsamkeit, Selbstschutzmechanismen und Vorsichtsmaßnahmen geprägt ist. Die Grundlagen der Führung durch Misstrauen (Tiefenstruktur) bestehen in der Verletzung zentraler Erwartungen aufgrund von NichtÜbereinstimmung bzw. Wertinkongruenz zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft (Sitkin & Roth, 1993). Im Modell wird angenommen, dass die übergeordneten Führungsverhaltensweisen – also Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen – als fundamentale Interaktionskategorien in spezifischer Relation zueinander stehen: Während Führung durch Einfluss in einem positiven Zusammenhang mit der Führung durch Vertrauen aber in einem negativen Zusammenhang mit der Führung durch Misstrauen stehen dürfte, wird Führung durch Macht vermutlich negativ mit Führung durch Vertrauen aber positiv mit Führung durch Misstrauen korrespondieren (H 6a-c).
190
Darüber hinaus dürften die Qualitäten des Führungsverhaltens die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg differenziell beeinflussen. Diese Denkfigur wird auf zwei Abstraktionsebenen modelliert, der Ebene der fundamentalen Interaktionskategorien und der Ebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und Macht. Auf der Ebene der fundamentalen Interaktionskategorien wird argumentiert, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, die Komponenten des Innovationsverhaltens (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) erhöhen, während diese Führungsfacetten
die
negativen
Emotionen
und
innovationshinderlichen
Verhaltensweisen
der
intrapsychischen Anpassung und Flucht reduzieren. Umgekehrt dürfte für Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen gelten, dass sie zur Verminderung der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit, der positiven Emotionen, des Innovationsverhaltens und des Innovationserfolgs beitragen, während die negativen Emotionen sowie intrapsychische Anpassung und Flucht durch diese Führungsfacetten verstärkt werden (H 7a, 8a, 9a, 10a, 11a). Auf der Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht werden für alle hier untersuchten Einflussgrundlagen positive Zusammenhänge zu den Situationswahrnehmungen, positiven Emotionen und den Komponenten des Innovationsverhaltens der geführten Führungskräfte sowie zum Innovationserfolg und negative Zusammenhänge zu den negativen Emotionen und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung und Flucht postuliert (H 7b, 8b, 9b, 10b, 11b). Für die Machtgrundlagen der Führung werden dagegen relative Zusammenhänge zu den innovationsbezogenen Konstrukten formuliert: Demnach dürfte Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig, die positiven Emotionen, die Komponenten des Innovationsverhaltens und den Innovationserfolg stärker hemmen als Belohnung durch materielle Anreize. Außerdem wird Bestrafung/Drohung die negativen Emotionen sowie intrapsychische Anpassung und Flucht stärker fördern als dies für Belohnung durch extrinsische Anreize anzunehmen ist (H 7c, 8c, 9c, 10c, 11c). Als weitere modellkonstitutive Variablen werden Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft betrachtet: Mit Zunahme der Intensität dieser Konflikte dürfte Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen begünstigt werden, während die abnehmende Intensität dieser Konflikte zu Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen führt (H 12a). Bezogen auf die Grundlagen der Führung heißt dies, dass sich die erhöhte Intensität der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte negativ auf den Einsatz der untersuchten Einflussgrundlagen der Führung (H 12b), aber positiv auf den Einsatz der Machtgrundlagen (H 12c) auswirken wird. 191
Kapitel 3
METHODE
Wissenschaftstheoretisch basiert die vorliegende Untersuchung auf den Annahmen des kritischen Rationalismus (Popper, 1989) insofern, als theoretische Argumente in Hypothesen transformiert wurden, die empirisch eine vorläufige Verifikation oder Falsifikation erlauben. Deshalb hat diese Untersuchung explanativen, d. h. hypothesenprüfenden Charakter. Zusätzlich werden manche Fragestellungen explorativ untersucht. Ein grundlegendes Forschungsproblem besteht nun in der Verbindung der theoretischen mit der empirischen Forschungsebene. Bevor dargestellt wird, wie jene Verknüpfung in dieser Untersuchung vorgenommen wurde, wird zunächst die Konzeption der Untersuchung vorgestellt sowie ihre Stärken und Schwächen im Hinblick auf die externe und interne Validität erörtert. Die Entwicklung des Fragebogeninventars war mit speziellen Anforderungen verbunden, die sich auf die Spezifität der Messung, die Messperspektive und die psychometrische Qualität der Messung beziehen. Neben der Diskussion der forschungsmethodischen Probleme, die diese Anforderungen implizieren, wird jeweils begründet, wie diese Anforderungen in der vorliegenden Untersuchung realisiert worden sind. Die empirische Untersuchung besteht aus einem Pretest und einer Hauptuntersuchung. Sowohl im Pretest (N = 63 befragte Führungskräfte) als auch in der Hauptuntersuchung (N = 399 befragte Führungskräfte) waren die Untersuchungseinheiten ausschließlich Führungskräfte der deutschen Wirtschaft, weil sie im Vergleich zu Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung zur Initiierung von Innovationsprozessen legitimiert sind. In beiden Teiluntersuchungen wurden Innovationsprozesse im Sinne von Critical incidents erhoben: Die befragten Führungskräfte wurden gebeten sich an eine Verfahrensinnovation in ihrer Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.) zu erinnern und anschließend Fragen darüber zu beantworten, wie sie als Führungskräfte von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten während des Innovationsprozesses geführt worden sind und welche Erlebens- und Verhaltensweisen sie selbst während des Innovationsprozesses hatten. Schließlich beantwortete jede Führungskraft Fragen zu den Merkmalen der Neuerung und dem Innovationsergebnis. Nachdem die Durchführung und die Ergebnisse des Pretests zusammenfassend vorgestellt werden, wird die Durchführung der Hauptuntersuchung geschildert.
192
Den Mittelpunkt des Kapitels bildet die vorgenommene Verknüpfung der theoretischen Ebene mit der Beobachtungsebene. Zur Verknüpfung dieser Ebenen müssen die theoretischen Konstrukte in korrespondierende Forschungsoperationen transformiert, d. h. operationalisiert werden. Dazu wurden ausgehend von operationalen Definitionen der Konstrukte und einer Messkonzeption zunächst Indikatoren generiert, welche anschließend in die Itemebene übersetzt wurden. Definitionen und damit auch Operationalisierungen sind prinzipiell nicht als richtig oder falsch zu beurteilen, sondern sie sind im Hinblick auf den Forschungsgegenstand als mehr oder weniger
angemessen
zu
bezeichnen.
Die
Zweckmäßigkeit
von
Indikatoren
und
Operationalisierungen und damit die Qualität der Messung wird durch entsprechende Gütekriterien beurteilt, wie sie im Rahmen der klassischen Testtheorie diskutiert werden. Pro Konstrukt werden daher die Reliabilitäten und Validitäten bestimmt. Nach der dargestellten Messung der Konstrukte wird die Stichprobe der Hauptuntersuchung beschrieben. Die Stichprobenbeschreibung bezieht sich auf die soziodemographischen und beruflichen Merkmale der befragten Führungskräfte und ihre Verteilung auf die Branchen und Größe der Organisationen. Die Diskussion von möglichen Problemfeldern des Untersuchungsdesigns und deren Überprüfung bildet den Abschluss dieses Kapitels.
3.1
Konzeption des Untersuchungsdesigns
Bei jeder sozialwissenschaftlichen Untersuchung stellt sich die Ausgangsfrage, durch welche Art der Untersuchung man dem Untersuchungsgegenstand am besten gerecht werden kann. Die Wahl der Untersuchungsmethode ist dabei nicht beliebig, sondern sie sollte der wissenschaftlichen Fragestellung Rechnung tragen. Verschiedene Methoden liefern unterschiedliche Wirklichkeitsausschnitte, die je nach Forschungsproblem bessere oder schlechtere vorläufige Antworten bieten. Aufgrund dessen wird nachfolgend eine ausführliche Diskussion zur Art und Methode dieser Untersuchung angestellt. 3.1.1 Untersuchungsart und Untersuchungsmethode Basierend auf der Unterscheidung zwischen Labor- und Feldforschung einerseits sowie experimenteller vs. quasiexperimenteller Forschung andererseits, kann sozialwissenschaftliche Forschung in vier Untersuchungsarten eingeteilt werden: experimentelle Laboruntersuchung, quasiexperimentelle Laboruntersuchung, experimentelle Felduntersuchung und quasiexperimentelle Felduntersuchung (Bortz & Döring, 1995, S. 53 ff.).152 Felduntersuchungen finden in der natürli193
chen Umgebung der zu untersuchenden Individuen statt, während Laborforschungen in einem speziell für die Untersuchungszwecke künstlich geschaffenen Milieu, eben dem Labor, durchgeführt werden. Der Vorteil der Feldforschung wird häufig in einer größeren externen Validität153 gesehen, während der Laborforschung aufgrund der besseren Kontrolle von Störfaktoren zumeist eine höhere interne Validität zugesprochen wird. Bezogen auf das hier entwickelte Modell wurde die erste Frage nach der geeigneten Forschungsumgebung – Labor oder Feld –, eindeutig zugunsten des Feldes entschieden. Denn die Absicht der empirischen Studie war es, die tatsächlichen Situationswahrnehmungen, Emotionen und Verhaltensweisen von Führungskräften und die Art des Führungsverhaltens des nächsthöheren Vorgesetzten während konkreter Innovationsprozesse zu untersuchen. Diese Prozesse in ihrer Komplexität im Labor zu reproduzieren, scheint kaum möglich zu sein. Darüber hinaus ist es in höchstem Maße unwahrscheinlich, dass die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie das Führungshandeln ihrer Vorgesetzten, das während einer z. B. 1-stündigen Laboruntersuchung induziert wird, irgendeine Ähnlichkeit haben mit Interaktionen von Führungskräften während einer realen Verfahrensinnovation. Die innovationsbezogenen und interaktionsbezogenen Qualitäten sind in hohem Maße vom Organisationskontext abhängig, so dass eine Übertragbarkeit von Laborbefunden auf den organisationalen Kontext kaum möglich erscheint. Bedingt durch die hohe Realitätsnähe ist demnach die Felduntersuchung der Laboruntersuchung im Hinblick auf diesen Untersuchungsgegenstand überlegen. Mit der zweiten Frage der geeigneten Forschungsstrategie ist die Unterscheidung in experimentelle und quasiexperimentelle Forschung angesprochen. Im klassischen Experiment erfolgt eine systematische Manipulation der Untersuchungsbedingungen, wobei Störvariablen durch entsprechende Kontrolltechniken reduziert werden können.154 Auf diese Weise wird die Variation der abhängigen Variable(n) ursächlich auf die experimentelle Variation zurückgeführt. Während bei Experimenten die Untersuchungseinheiten per Zufall in Gruppen eingeteilt werden, wird bei quasiexperimentellen Untersuchungen dagegen mit natürlich vorkommenden Gruppen gearbeitet, d. h. die Stufen der unabhängigen Variable(n) werden durch Auswahl bestimmter Untersuchungseinheiten realisiert (Bortz & Döring, 1995, S. 54). Experimente gehen daher in der Regel mit einer höheren internen Validität als Quasiexperimente einher. Die Frage, ob die vorliegende Untersuchung als experimentelle oder quasiexperimentelle Untersuchung angelegt werden sollte, ist für die hier zu untersuchende Fragestellung besonders relevant, da die unabhängigen Variablen prinzipiell künstlich variiert werden können, gleichzeitig aber auch natürlich variiert angetroffen werden. Die experimentelle Felduntersuchung stellt eine solche Kombination der vier Untersuchungsvarianten dar, die allen drei anderen Kombinationen zur Prüfung von Hypothesen bezüg194
lich der internen und externen Validität überlegen ist (ebenda, S. 57). So funktional ein experimentelles Design im Feld zur Hypothesenprüfung zunächst erscheint, so wenig praktikabel ist es im Rahmen dieser Untersuchung. Durch ein experimentelles Design im Feld ergäbe sich außerdem kein zusätzlicher Erklärungsgewinn in Bezug auf das vorgestellte Modell. Ferner könnte eine experimentelle Variation bestenfalls für einen inhaltlich äußerst begrenzten, zeitlich extrem verkürzten Teilbereich der Innovations- und Interaktionsprozesse vorgenommen werden, die gravierend von realen Innovationsprozessen abweichen würde, wodurch zwar intern gültige Effekte nachweisbar wären; diese Effekte bei realen Verfahrensinnovationen in Organisationen unter Umständen gänzlich ausbleiben können. Davon abgesehen würde eine experimentelle Bedingungsmanipulation während realer Innovationsprozesse vermutlich an pragmatischen Gründen des Feldes scheitern: Bedingt durch die (mikro-) politische Brisanz dieser Prozesse würde einem solchen Vorhaben wohl keine Führungskraft zustimmen. In vielen Bereichen stellt das strenge Experiment demnach eine Fiktion dar, die den Forschungsprozess manchmal sogar eher behindert als fördert (Campbell & Stanley, 1963). Aus den genannten Vor- und Nachteilen einzelner Kombinationen der Forschungsvarianten wurde für diese Untersuchung als geeignete Forschungsumgebung das Feld und als geeignete Forschungsstrategie ein quasiexperimenteller Ansatz gewählt. 3.1.2 Datenerhebungsmethode In einer quasiexperimentellen Felduntersuchung können unterschiedliche Formen der Datenerhebung
angewandt
werden.
Hauptsächlich
werden
Längsschnitts-
und
Querschnittsuntersuchungen benutzt, wobei die Befragung in mündlicher und/oder schriftlicher Form erfolgen kann. Für die zu untersuchende Fragestellung wäre methodisch eine Längsschnittstudie optimal, wodurch die Situationswahrnehmungen, Emotionen und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie das Führungshandeln ihrer Vorgesetzten vom Beginn bis zum Abschluss von Innovationsprozessen verfolgt würden. Durch den Vergleich der Messwerte der verschiedenen Messzeitpunkte an der gleichen Population wäre feststellbar, ob und in welcher Weise sich die Untersuchungsvariablen im zeitlichen Verlauf verändert haben, wodurch Prädiktionen der abhängigen Variablen durch die unabhängigen Variablen prospektiv möglich sind. So zufriedenstellend eine derartige Methodik gewesen wäre, so wenig praktikabel ist sie angesichts der zur Verfügung stehenden ökonomischen und zeitlichen Ressourcen: Innovationsprozesse erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre. Eine methodisch sauber durchgeführte Längsschnittstudie müsste zudem bei einer Vielzahl beginnender Innovationsprojekte zu einem ge-
195
meinsamen
Zeitpunkt
starten.
Aus
pragmatischen
Gründen
wurde
deshalb
eine
Querschnittsuntersuchung durchgeführt. Diese Querschnittsuntersuchung wurde in Form einer schriftlichen Befragung realisiert. Den Nachteilen der Fragebogenmethodik im Vergleich zum Interview (vgl. Lamnek, 1995) stehen die erheblich überwiegenden Vorteile für diese Untersuchung gegenüber: Durch die hohe Standardisierung dieses Fragebogens (gleiche Frageformulierung und -reihenfolge für alle Befragten) ist eine hohe Durchführungsobjektivität und eine hohe Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet. Da deutschlandweit Führungskräfte befragt werden sollten, konnte durch die gewählte Fragebogenmethodik die Ressourceneffizienz im Hinblick auf Kosten und Zeit gesichert werden. Das Nicht-Vorhandensein einer befragenden Person während der Datenerhebung erhöht zudem die Glaubwürdigkeit in die zugesicherte Anonymität, die insbesondere für die „heiklen“ Fragen (z. B. zur intrapsychischen Anpassung) unverzichtbar ist. Darüber hinaus ist die Vermeidung des Interviewerbias155 gerade bei diesem sensiblen Untersuchungsthema von wesentlichem Vorteil. Bei der schriftlichen Befragung hatten die befragten Führungskräfte ferner die Möglichkeit, den Zeitpunkt für die Beantwortung des Fragebogens selbst zu wählen, wodurch sie sich besser auf das Thema konzentrieren und genauere Antworten abgeben können als bei der Durchführung von Interviews, wo in der Regel ein Druck zum sofortigem Antworten besteht. Schließlich sprach der explanative Charakter der Untersuchung für den Einsatz des Fragebogen: Im Unterschied zum Interview, das zunächst die Erhebung deskriptiver, qualitativer Daten ermöglicht156, können durch quantitative Daten die Hypothesen statistisch geprüft werden. 3.1.3 Messzeitpunkt Diese Untersuchung schließt sich der Mehrzahl der empirischen Untersuchungen in der Innovationsforschung an und untersucht daher alle Konstrukte aus retrospektiver Perspektive. Die Befragung fand also nach Abschluss des Innovationsprozesses statt und zwar unabhängig davon, ob das Verfahren im Unternehmen implementiert wurde oder nicht. Dabei muss berücksichtigt werden, dass retrospektive Untersuchungen eine Reihe an Artefakten aufweisen können, die je nach Untersuchungsgegenstand mehr oder minder bedeutsam sind. Für die Beurteilung einer Aussage über frühere Ereignisse sind drei Ebenen der Aussagenverifikation entscheidend: Die Realbeschaffenheit des reproduzierten Erlebnisses, das bewertete Erlebnis gegenüber dem reproduzierten Ereignis zum Zeitpunkt seines Stattfindens und das bewertete Erlebnis gegenüber dem reproduzierten Ereignis zum Zeitpunkt seiner Reproduktion. Durch die retrospektive Befragung der Führungskräfte sind demzufolge die früheren und aktuellen Bewertungen der Verfahrensinnovation, der eigenen Erlebens- und Verhaltensweisen sowie des Führungsverhaltens des Vorgesetz196
ten durch die Befragten in Rechnung zu stellen. Die nachfolgend genannten Beispiele für retrospektive Verzerrungen sollen die Problematik für diese Untersuchung verdeutlichen:
–
selektiver Abruf von Innovationsereignissen aus dem Langzeitgedächtnis und selektive Erinnerung an das Innovationsereignis
–
Beschönigung negativer Ereignisse während des Innovationsprozesses oder des Innovationsergebnisses aufgrund kognitiver Dissonanzreduktion (Festinger, 1957). So könnte z. B. das Innovationsergebnis im Nachhinein (Langzeitperspektive) als Erfolg beurteilt werden, obwohl es kurzfristig als Misserfolg gesehen wurde. Dies ist natürlich auch umgekehrt vorstellbar, so dass kurzfristig Erfolgreiches langfristig als Misserfolg beurteilt wird157
– Umdeutung des Innovationsprozesses durch später eingetretene ungeplante Sekundäreffekte: z. B. könnte der Innovationsprozess a posteriori kognitiv umstrukturiert werden, indem von später eingetretenen Konsequenzen – wie etwa organisatorischen Veränderungen, Zusatzaufgaben – fälschlicherweise auf den Anfangszustand und/oder den Innovationsverlauf geschlossen wird –
spätere Anpassung der eigenen Meinung an Gruppennormen und/oder an die Meinung anderer Personen
Diese vermuteten Prozesse haben Konsequenzen für die Interpretation der Untersuchungsergebnisse, denn die veränderten Bewertungen des Innovationsprozesses durch die Befragten zum Zeitpunkt seines Stattfindens und zum Zeitpunkt seiner Reproduktion können nicht ausgeglichen werden. Da angenommen werden kann, dass das Ausmaß retrospektiver Verzerrungen steigt, je länger der Innovationsprozess zurückliegt, wurden die Befragten gebeten, sich an eine solche Verfahrensinnovation zu erinnern, die erst vor kurzem stattfand. Durch dieses Vorgehen kann zumindest einer extremen Verzerrung im Nachhinein (Hindsight-bias) vorgebeugt werden. Ein vollständiger Ausgleich der Verzerrungstendenzen ist indes weder möglich noch notwendig: Denn die subjektive „Realität“ der geführten Führungskräfte bestimmt ihr Verhalten während des aktuellen Innovationsprozesses und in zukünftigen Innovationsprozessen unabhängig von einer sogenannten „objektiven“ Wirklichkeit. Da jede geführte Führungskraft erfahrungsabhängig ihre eigene Wirklichkeit konstruiert (von Glasersfeld, 1992), ist das Erklären individueller Erlebens- und Verhaltensweisen des Innovationsprozesses bedeutsam, für die die individuelle Konstruktion der Wirklichkeit maßgebend ist.
197
3.2 Anforderungen an das Messinstrument Für alle Untersuchungskonstrukte wurden in dieser Arbeit neue Messkonzeptionen entwickelt, die in der vorliegenden Form erstmalig eingesetzt wurden. Um die Akzeptanz des neuen Berliner Inventars zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI, s. Anhang) bei den befragten Führungskräften zu gewährleisten, wurde neben der zeitökonomischen Einsetzbarkeit auf eine maximale Verständlichkeit durch klare Fragenformulierung Wert gelegt. Das gesamte Inventar hatte verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen, die sich auf die Spezifität, die Messperspektive und die psychometrische Qualität der Messung beziehen. Die nachfolgende Diskussion veranschaulicht nicht nur forschungsmethodische Probleme, die diese Anforderungen implizieren, sondern schildert gleichzeitig, wie diese Anforderungen realisiert worden sind. 3.2.1
Spezifität
Mit Spezifität ist in diesem Zusammenhang zweierlei gemeint: die Kontextspezifität und die Innovationsfallspezifität. Der Aspekt der Kontextspezifität bezieht sich u. a. auf die Frage, ob es bei der Messung des Führungsverhaltens forschungsmethodisch günstiger ist, psychometrisch bereits validierte generelle Fragebögen einzusetzen oder aber neue kontextspezifische Skalen zu konstruieren. Der Einsatz genereller Fragebögen führt zwar zur höheren Vergleichbarkeit verschiedener Untersuchungen zum Thema Führung; die so gemessenen Führungskonstrukte wären jedoch nicht innerhalb des hier entwickelten Modells verankert. In Bezug auf das theoretische Modell, das die unabhängigen Variablen Führung durch Einfluss und Macht sowie Führung durch Vertrauen und Misstrauen in spezifischer Weise mit den abhängigen innovationsbezogenen Variablen verknüpft, ist die Konstruktvalidität einer generellen Messung damit eher eingeschränkt (vgl. Gebert, 2002a, S. 79–80). Implizit geht diese Argumentation davon aus, dass die Erklärung der abhängigen Variablen durch die unterschiedlichen Führungsfacetten an spezifische, jeweils andersartige Begründungsstrukturen gebunden ist. Der Einsatz spezifischer neu entwickelter Skalen erweist sich daher als vorteilig, weil die Operationalisierungen der Konstrukte genauer auf das spezifische theoretische Modell – die zu erklärenden Innovationskonstrukte – zugeschnitten werden können. Da bei einer solchen Operationalisierung sowohl die unabhängigen als auch die abhängigen Variablen innerhalb des Modells eingebettet sind, steigt die Konstruktvalidität der Messung. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Untersuchung eine kontextspezifische Messung gewählt. Deshalb wurden weder generelle Fragebögen zur Messung der Führung durch Einfluss und Macht eingesetzt – wie etwa das Interpersonal Power Inventory (Raven et al., 1998); noch wurden generelle 198
Fragebögen zur Messung der Führung durch Vertrauen und Misstrauen verwendet – wie etwa das Interpersonal Mistrust-Trust-Measure (Omodei & McLennan, 2000). Vielmehr wurde jede der im Modell explizierten Führungsfacetten durch kontextgebundene Items operationalisiert. Eine Untersuchung im Orchesterkontext (Krause et al., 2002) unterstützt die Annahme, dass der Einsatz kontextspezifischer Operationalisierungen mit einem höheren Erklärungswert für die im jeweils betrachteten Kontext relevanten abhängigen Variablen einhergeht: Durch eine lineare Strukturmodellierung der kontextspezifisch gemessenen Machtgrundlagen eines Dirigenten als Determinanten des Führungserfolgs im Orchester ließen sich in dieser Untersuchung 72% der Varianz der abhängigen Variable – der künstlerischen Qualität – erklären, was eine enorme Varianzerklärung darstellt. Demgegenüber konnten (Raven et al., 1998) durch den Einsatz kontextunspezifischer Operationalisierungen der Machtgrundlagen im Krankenhaus wesentlich geringere Varianzanteile des Führungserfolgs – gemessen über die Arbeitszufriedenheit der Geführten – erklären. Mit der Innovationsfallspezifität ist die Frage angesprochen, ob organisationale Innovationsprozesse generell, also unabhängig von einem konkreten Innovationsfall oder aber innovationsfallspezifisch untersucht werden sollten. Bei der ersten Strategie würden sich die Antworten der Probanden auf die aufsummierten Innovationsfälle in der jeweiligen Organisation beziehen. Dem Befragten würde bei diesem Vorgehen ein integriertes Urteil abverlangt, in dem unspezifiziert bliebe, über welche Situationen und Zeiträume er seine Angaben zu aggregieren habe. Dieses Vorgehen hat den entscheidenden Nachteil, dass die spezifischen Erlebens- und Verhaltensweisen der Befragten während eines konkreten Innovationsprozesses durch die individuelle Summation systematisch verdeckt würden, weil eine derart gestaltete aggregierte Erfragung der Innovationsprozesse das Produkt einer kognitiven Nivellierung der wahrgenommenen Vielfalt organisationaler Innovationsprozesse darstellt. Deshalb wurde das alternative innovationsfallspezifische Vorgehen im Sinne von Critical incidents (Flanagan, 1954) gewählt, bei dem jede Führungskraft eine konkrete Verfahrensinnovation aus ihrer Organisation erinnerte und die Beantwortung der Fragen auf diesen Innovationsfall bezog. Dieses Vorgehen hat im Vergleich zur Summationsmethode den Vorteil der höheren Validität, wodurch genauere Schlussfolgerungen über das zukünftige Innovationserleben und -verhalten von Führungskräften ableitbar sind.
199
3.2.2
Messperspektive
Ein weiteres methodisches Problem, welches im Zusammenhang mit der Messung des Führungsverhaltens in dieser Untersuchung diskutiert werden soll, betrifft die Perspektive der Messung. Dabei ist es prinzipiell denkbar, das Führungsverhalten aus der Perspektive des Vorgesetzten A (Selbstbeschreibung) oder aus der Perspektive der geführten Führungskraft B (Fremdbeschreibung) zu untersuchen (Gebert, 2002a). Beide komplementäre Methoden sind mit speziellem Antwortverhalten verbunden. Jeder Versuch einer „objektiven“ Erfassung des Führungsverhaltens stößt damit grundsätzlich an Grenzen (Neuberger, 2002, S. 418 ff.; Staehle, 1999, S. 330). Wird die Art der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen aus der Sicht des Vorgesetzten A erfragt, so sind selbstbildbestätigende und selbstwerterhaltende Antworttendenzen wahrscheinlich: Da eine Führung durch Macht und Misstrauen vermutlich inkompatibel mit dem Selbstbild des Vorgesetzten A ist, wird er eher angeben, durch Einfluss und Vertrauen geführt zu haben. Je idealisierter das Selbstbild des Vorgesetzten ist, umso wahrscheinlicher wird diese Form des Antwortverhaltens ausgeprägt sein. Befragt man umgekehrt die geführte Führungskraft B zum Führungsverhalten ihres Vorgesetzten, so wird es für B – ebenfalls aufgrund selbstkonzeptbedingter Gesichtspunkte – eher legitim sein, z. B. durch Expertenwissen/Information beeinflusst worden zu sein als beispielsweise den Entzug von Privilegien (Bestrafung). Auch bei der Fremdbeschreibung des Führungsverhaltens sind also Antworttendenzen in Rechnung zu stellen, wie z. B. Halo-Effekte, die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit oder die Aktivierung impliziter Persönlichkeitstheorien (vgl. Schettgen, 1991, S. 61 ff.). Ein gängiger Kritikpunkt an der Messung des Führungsverhaltens durch die Geführten besteht demnach darin, dass die Geführten keine Verhaltensbeschreibungen über ihre Vorgesetzten, sondern kognitivkonstruierende Verhaltensbewertungen abgeben (Allerbeck, 1977, S. 185 f.), die schemageleitet sind und selektiven und inferenziellen Charakter haben. Dennoch wird diese Messperspektive auch heute in vielen Untersuchungen zu Grunde gelegt (z. B. Barbuto, 2000).158 Im Hinblick auf die Wahl zwischen der Perspektive des Vorgesetzten A oder der Perspektive der geführten Führungskraft B liegt nun die Annahme nahe, dass durch die Entscheidung für die eine oder die andere Messperspektive differierende Ergebnisse in Bezug auf die Art des Führungsverhaltens zu erwarten wären. Bei einem Vergleich der Selbstbeschreibungen des Vorgesetzten A mit den Fremdbeschreibungen der Geführten B müssten sich – dieser Annahme folgend – unterschiedliche faktorielle Strukturen im Hinblick auf das Führungsverhalten ergeben. Ein solcher Vergleich wurde im Forschungsbereich der Macht- und Einflusstaktiken von Blickle et al. (1997, S. 49 f.) unternommen: Es zeigte sich, dass sich aus der Perspektive des Vorgesetz200
ten A (Selbstbeschreibung) die gleichen Faktorstrukturen ergeben wie aus der Perspektive der Geführten B (Fremdbeschreibung). Dieser Befund lässt die Schlussfolgerung zu, dass man durch die Messung des Führungsverhaltens aus der Perspektive der Geführten B berechtigterweise davon ausgehen kann, das tatsächliche Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten zu erfassen. Vor diesem Hintergrund steht die vorliegende Untersuchung in der Tradition der klassischen Führungsforschung, in der das Führungsverhalten zumeist aus der Sicht der Geführten gemessen wurde (Neuberger, 2002, S. 390 ff.). In dieser Untersuchung wurden deshalb geführte Führungskräfte darüber befragt, wie sie ihrerseits von ihrem Vorgesetzten während eines Innovationsprozesses geführt worden sind (Fremdbeschreibung).159 3.2.3 Psychometrische Qualität Der Fokus dieser Untersuchung ist auf nicht direkt beobachtbare Konstrukte, sogenannte latente Variablen, gerichtet. Zur Bildung geeigneter Indikatoren für diese latenten Variablen werden entsprechende Skalierungsverfahren herangezogen. Aufgrund dessen sind den im Kapitel 3.4 diskutierten Operationalisierungen hier grundlegende Gesichtspunkte zur Anforderung an die psychometrische Qualität der Messung vorangestellt. Dabei wird jeweils begründet, wie die psychometrische Qualität in dieser Untersuchung geprüft und realisiert wurde. Da in der sozialwissenschaftlichen Forschung verschiedene Messansätze nebeneinander existieren160, gilt es bei jeder quantitativen Untersuchung eine Entscheidung darüber zu treffen, auf der Grundlage welcher Messtheorie die Konstrukte operationalisiert werden sollen. In dieser Untersuchung wird den Axiomen der klassischen Testtheorie gefolgt (vgl. Allen & Yen, 1979, p. 56 ff.). Auf der Basis dieser Axiome wurden verschiedene Gütekriterien entwickelt, wobei für die Beurteilung der Qualität der Messung insbesondere die Objektivität, die Reliabilität (Zuverlässigkeit) und die Validität (Gültigkeit) herangezogen werden. Die Durchführungsobjektivität wurde in dieser Untersuchung durch einen hohen Standardisierungsgrad des Inventars gewährleistet: Mit Ausnahme der Eingangsfragen zur Erhebung der Art der Verfahrensinnovation wurden ausschließlich geschlossene Fragen gestellt. Die Reliabilität beschreibt den Genauigkeitsgrad, mit dem ein bestimmtes Konstrukt gemessen werden kann; sie lässt sich über das Verhältnis der Varianz der wahren Werte zur Varianz der beobachteten Werte (Gesamtvarianz) bestimmen (Bortz & Döring, 1995, S. 181). Die Reliabilität ist demzufolge umso höher, je weniger die Messung durch zufällige Fehler beeinträchtigt ist. Um zunächst hoch fehlerbehaftete Items von der Untersuchung auszuschließen, wurde im Pretest (vgl. Kapitel 3.3.1) eine Itemanalyse durchgeführt. Im Rahmen dieser Itemanalyse wurden zwei Koeffizienten berechnet, von denen die Reliabilität einer Skala beein201
flusst wird: die Trennschärfe und die Itemschwierigkeit. Der Trennschärfekoeffizient drückt den Zusammenhang zwischen den Antworten auf die einzelnen Items und dem Gesamtskalenwert aus. Die Trennschärfe wird über die Produkt-Moment-Korrelation von Item und Skalenwert der übrigen Items bestimmt. Je höher diese Korrelation ausfällt, desto mehr trägt das Item zur Reliabilität der Skala bei. Konventionen entsprechend, sollte der Trennschärfekoeffizient mindestens bei .30 liegen (Lienert & Raatz, 1998, S. 115), weshalb nach der Pretestauswertung alle Items unterhalb dieser kritischen Grenze eliminiert wurden. Die Itemschwierigkeit beschreibt den Anteil der Befragten, die das entsprechende Item lösen konnten. Items, die von fast allen Personen gelöst werden, sind – umgangsprachlich formuliert – zu leicht; umgekehrt sind Items, die von fast niemandem gelöst werden, zu schwer. Zu leichte oder zu schwere Items unterscheiden die Befragten aber nur unzureichend, weshalb sie von der Analyse ausgeschlossen werden sollten. Gängigen Empfehlungen folgend, akzeptiert man Items mit Schwierigkeitsindices zwischen .20 und .80 (Lienert & Raatz, 1998, S. 115). Da bei der Messung einiger Konstrukte, z. B. der Führung durch Vertrauen mit überwiegend positiven Antworten zu rechnen ist, umgekehrt aber bei anderen Konstrukten überwiegend negative Antworten zu erwarten sind (z. B. intrapsychische Anpassung) wurde die untere Grenze der Itemschwierigkeit im Pretest auf .15 und die obere Grenze auf .85 festgelegt. Dadurch konnte vermieden werden, dass die Skalen zu wenige Items enthalten. Zur Berechnung der Reliabilität einer Skala gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wobei in dieser Untersuchung nur solche Methoden161 in Frage kamen, die für einmalige Messungen geeignet sind: Split-Half-Verfahren und Verfahren zur Bestimmung der internen Konsistenz der Skala. In dieser Untersuchung wurde die Reliabilität anhand der internen Konsistenz der Skala nach Cronbach über den Koeffizienten Alpha bestimmt, weil diese Methode den Split-HalfVerfahren überlegen ist. Denn bei Split-Half-Verfahren sind beliebig viele Testhalbierungen möglich (Carmines & Zeller, 1979, p. 43 ff.). Cronbach’s Alpha ist als Generalisierung aller möglichen Testhalbierungen interpretierbar: Jedes Item einer Skala wird dabei als eigenständiger Test aufgefasst, der von der Tendenz her das Gleiche misst, wie die Gesamtskala. Cronbach’s Alpha kann zwischen 0 und 1 liegen, wobei von einer guten Reliabilität im Allgemeinen ab einem Wert von .80 gesprochen wird (Bortz & Döring, 1995, S. 184). Nach McAllister (1995, p. 36) sind allerdings schon Skalen mit Reliabilitäten von .60 ausreichend. Die Berechnung der Reliabilität durch Cronbach’s Alpha ist an eine Forderung im Hinblick auf die Itemanzahl geknüpft: Pro Konstrukt müssen Multiitemmessungen vorliegen. Werden dagegen Einzelitemmessungen verwendet, so ist es unmöglich, die internen Konsistenzen anzugeben,
wodurch
der
Messfehler
nicht
ausweisbar
ist.
Damit
scheitern
sämtliche
Einzelitemmessungen letztlich an der mangelnden Reliabilität der Daten. Ferner geht man bei 202
der Nutzung von Einzelitems davon aus, dass das jeweilige Item die beste Operationalisierung des Konstrukts darstellt, dass das zu messende Konstrukt simplex, d. h. faktoriell einfach sei und dass alle Probanden das Item in der gleichen Art und Weise interpretieren. Diese Annahmen können für die hier untersuchten Konstrukte nicht vorausgesetzt werden. Einzelitemmessungen weisen außerdem zumeist eine niedrige Inhaltsvalidität auf. Aus diesen Gründen wurde für jedes Konstrukt mehrere Items umfassende Messmodelle (Fragebatterien) entwickelt und damit der Forderung der Multiitemmessungen entsprochen. Ein weiteres Problem, was sich im Zusammenhang mit der Reliabilität der Skalen stellt, betrifft die Art der Frageanordnung pro Skala. Obwohl einige Autoren eine geblockte Darbietung der Items pro Skala bevorzugen, sprechen vielfältige Argumente gegen diese Strategie: Bei einer geblockten Itemdarbietung – wie dies z. B. im Fragebogen zur Messung von Vertrauen von Butler (1991) der Fall ist – werden die zumeist hohen Reliabilitäten pro Skala dadurch erzeugt, dass Differenzierungen zwischen den Items auf künstlichem Wege induziert werden. Wenn also – wie im Condition of Trust Inventory (Butler, 1991) – nicht unterschiedliche Facetten ein und desselben Konstrukts, sondern durch redundante Itemformulierungen lediglich dieselbe Facette des Konstrukts in den Items abgebildet wird, und diese Items zusätzlich noch geblockt dargeboten werden, verwundern die hierdurch erzeugten hohen Reliabilitäten der Skalen nicht. Hinzu kommt, dass die Probanden bei einer geblockten Itemdarbietung aufgrund des Wiederholungseffekts die Fragen mit geringerer Aufmerksamkeit beantworten als bei einer gestreuten Itemdarbietung pro Skala. Um in dieser Untersuchung eine methodisch einwandfreie Fragenreihenfolge pro Skala zu gewährleisten, die das Risiko systematischer Antworttendenzen reduziert, wurden die Items zur Messung des Führungsverhaltens pro Skala gestreut dargeboten. Die Methode der gestreuten Itemdarbietung hat außerdem den Vorteil, dass der Ermüdung der Befragten durch Wiederholungen vorgebeugt wird. Die Abfolge der Items pro Führungsskala wurde im Fragebogen durch Zufallsreihenfolgen realisiert, um verzerrenden Reihenfolgeeffekten (z. B. Primacy- und Recency-Effekte) präventiv zu begegnen. Neben der Reliabilität kommt im Hinblick auf die Qualität der Messung der Validität Bedeutung zu. Die Validität kennzeichnet das Ausmaß, in dem eine Messung tatsächlich das misst, was sie messen soll (Lienert & Raatz, 1998, S. 220). Nach dem Attenuation Paradox ist dabei die partielle Inkompatibilität von Reliabilität und Validität zu berücksichtigen: Die Erhöhung der Reliabilität, hat die Verringerung der Validität zur Folge. Denn die Reliabilität der Skala steigt mit Zunahme der Homogenität der Items, während die Validität mit Zunahme der Heterogenität der Items steigt. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Messung, die valide erfolgt, auch reliabel ist; umgekehrt aber kann eine Messung zwar reliabel erfolgen, ohne gleichzeitig auch valide zu sein.162 203
In dieser Untersuchung wurde der Schwerpunkt auf die Inhalts- und Konstruktvalidität gelegt. Auf die Prüfung der Kriteriumsvalidität wurde dagegen verzichtet, weil neben der Problematik der inhaltlichen Bestimmung geeigneter, valider Kriterien die Aussagefähigkeit auf die konkurrente
Validierung
eingeschränkt
gewesen
wäre.
Die
Inhaltsvalidität
(bzw.
Contentvalidität) beschreibt, inwieweit die Items repräsentativ und vollständig den semantischen Bereich eines Konstrukts abbilden (Bortz & Döring, 1995, S. 185). Inhaltliche Validität kann für diese Untersuchung aufgrund der Expertenurteile und den durchgeführten Pretest (vgl. Kapitel 3.3.1) vorausgesetzt werden. Zur Konstruktvalidierung wurden in dieser Untersuchung zunächst Hypothesen über den Zusammenhang des betreffenden Konstruktes mit anderen Variablen aufgestellt, welche anschließend faktorenanalytisch geprüft wurden. Die Konstruktvalidität ist davon abhängig, inwieweit diese Hypothesen Gültigkeit beanspruchen können und das Konstrukt insofern in ein nomologisches Netzwerk eingebunden ist (Lienert & Raatz, 1998, S. 227). Sowohl im Pretest als auch in der Hauptuntersuchung wurden zur dimensionalen Prüfung der Konstrukte (vgl. Kapitel 3.4) stets Hauptkomponentenanalysen gerechnet. Bei jeder Hauptkomponentenanalyse wurden nach dem Kaiser-Kriterium nur solche Faktoren extrahiert, deren Eigenwerte > 1 waren und die nach dem Cattell-Kriterium (Scree-Test) vor dem „Knick“ lagen. Zur Interpretation der Ergebnisse einer Hauptkomponentenanalyse ist es notwendig, die Faktorladungsmatrix zu rotieren. Im Pretest und in der Hauptuntersuchung wurde vorrangig die orthogonale Varimax-Rotation eingesetzt, die die Faktoren im Vektorraum so rotiert, dass jeweils der erste Faktor den größten Varianzanteil erklärt und alle weiteren Faktoren dann so rotiert werden, dass sie von der Restvarianz (die durch den ersten Faktor nicht erklärt wird) sukzessive maximale Varianzanteile erklären (Cattell, 1966). Der Vorteil der Varimaxlösung besteht gegenüber anderen Rotationsverfahren (z. B. oblique) darin, dass die Interpretation der Faktoren erleichtert ist (Bortz, 1999, S. 511 ff.). Pro Faktorenanalyse wurde die Frage, zu welchem Faktor sich die Items zuordnen lassen nach folgender Empfehlung (Lienert & Raatz, 1998, S. 227) entschieden: Die Items mussten hinreichend hoch auf demselben Faktor und geringe Nebenladungen auf anderen Faktoren aufweisen. Bei der Mehrzahl der Faktorenanalysen (vgl. Kapitel 3.4) war die Zuordnung der Items zu den Faktoren eindeutig. Wenn Nebenladungen auf anderen Faktoren auftraten, wurden diese nach Bortz (1999, S. 511 ff.) in der Regel bis zu .30 zugelassen. Da sich die Itemanzahl pro Skala im Pretest nach Ausschluss aller Items mit Nebenladungen > .30 für manche Skalen zu stark reduziert hätte, wurde zusätzlich das Fürntratt-Kriterium berücksichtigt, wonach für varimaxrotierte Faktorlösungen all jene Items in der Untersuchung verbleiben, deren quadrierte Faktorladung geteilt durch die quadrierte Kommunalität des Items > .50 ist. In Ausnahmefällen wurde das Fürntratt-Kriterium auch in der Hauptuntersuchung angewendet. 204
3.3
Durchführung
Die Untersuchung besteht aus zwei Teiluntersuchungen: einem Pretest mit N = 63 Befragten und einer Hauptuntersuchung mit N = 399 Befragten, die deutschlandweit mit Führungskräften aus verschiedenen Unternehmen und verschiedener Branchen durchgeführt wurden. Sowohl im Pretest als auch in der Hauptuntersuchung wurden konkrete Innovationsfälle im Sinne von Critical incidents erhoben. Jede Führungskraft erinnerte sich im Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI) an eine Verfahrensinnovation in ihrer Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.), in der sie als Führungskraft geführt wurde, von der sie und ihre Mitarbeiter/innen betroffen waren und bei der sie gegenüber ihrem Vorgesetzten Mitsprachemöglichkeiten bei der konkreten Ausgestaltung der Verfahrensinnovation in ihrem Verantwortungsbereich hatte. Die Instruktion lautete: „In dieser Studie wird untersucht, welche Art und Weise der Führung für Verfahrensinnovationen förderlich bzw. hinderlich ist [...]. Dabei interessiert uns, wie Sie als Führungskraft in innovativen Prozessen geführt worden sind. [...] Von einer Verfahrensinnovation wird immer dann gesprochen, wenn der Prozess der Leistungserstellung erneuert wird. [...] Verfahrensinnovationen beziehen sich auf die unternehmensinterne Entwicklung und Implementierung neuer Verfahren. Es kommt uns nicht darauf an, ob bereits eine andere Abteilung, eine andere Projektgruppe oder ein anderes Unternehmen diese Verfahrensinnovation nutzt. Wesentlich ist nur, ob das Verfahren für Ihre Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.) neu war. Denken Sie bitte bei der Beantwortung der Fragen an eine näher zurückliegende Verfahrensinnovation in Ihrer Arbeitseinheit, die Sie oder auch eine andere Person initiierte. Die Verfahrensinnovation, an die Sie sich erinnern, kann im Ergebnis ein Erfolg oder ein Misserfolg gewesen sein [...].“ (vollständiger Wortlaut s. Anhang). An diese Instruktion schlossen sich im BIFI zunächst zwei offene Fragen an, in denen jede geführte Führungskraft die von ihr erinnerte Verfahrensinnovation durch eine genaue Situationsschilderung qualitativ beschrieb („Um welche Verfahrensinnovation handelte es sich? Was wurde geändert?“). Danach wurde im Fragebogen ein mehrstufiges Vorgehen gewählt: Zur genauen Kennzeichnung der Verfahrensinnovationen beantwortete jede geführte Führungskraft eine Fragenbatterie zu ausgewählten Attributen der Innovation (Innovationsgrad, Unsicherheit, Konfliktarten). Anschließend beantwortete jede Führungskraft Fragebatterien darüber, wie sie als Führungskraft von ihrem Vorgesetzten während des Innovationsprozesses geführt worden ist. Daran schlossen sich die Skalen zu den Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft während dieser Innovation an. Im abschließenden Teil des Fragebogens wurde das Innovationsergebnis beurteilt, also inwieweit die Verfahrensinnovation im Ergebnis als Erfolg bzw. als Misserfolg zu bewerten ist. Bei der Untersu205
chungsdurchführung und -auswertung wurde in beiden Teiluntersuchungen die Anonymität gesichert. Nachfolgend werden zunächst Ziel, Durchführung, Stichprobe und wesentliche Ergebnisse des Pretests zusammenfassend dargestellt und anschließend die Durchführung der Hauptuntersuchung geschildert. 3.3.1 Pretest Da entsprechend der vorstehenden Ausführungen in der vorliegenden Untersuchung nicht auf bereits bewährte Messinstrumente zurückgegriffen werden konnte, war eine umfangreiche Voruntersuchung notwendig, um die Gütekriterien der einzelnen Skalen des Berliner Inventars zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI) zu prüfen und das Messinstrument für die Hauptuntersuchung entsprechend der Forderung nach permanenter Verbesserung operationaler Indikatoren (Lakatos, 1974) durch entsprechende Itemselektionen zu verfeinern. Der Pretest galt dem Ziel, die im Kapitel 3.2.4 diskutierten Kriterien an das Messinstrument und dessen Praktikabilität zu überprüfen. Insgesamt konnten N = 63 Führungskräfte aus verschiedenen For- und Non-ProfitOrganisationen für den Pretest durch folgende vier Strategien gewonnen werden: (1) Direktakquise von Führungskräften auf dem Flughafen Berlin-Tegel, (2) Nutzung privater Kontakte zu Führungskräften sowie derer Kontakte (Schneeballsystem), (3) Internetwerbung auf der Lehrstuhlhomepage und (4) Weiterverteilung der Fragebogen durch Personalleiter verschiedener Unternehmen. Gemessen an der Rücklaufquote pro Strategie hat sich im Pretest die „Flughafenstrategie“ am effektivsten erwiesen. Ferner trug diese Strategie dazu bei, die Repräsentativität und Zufälligkeit zu erhöhen, in das Untersuchungssample zu gelangen. Für einen Teil der Pretesterhebung auf dem Berliner Flughafen Tegel wurden studentische Hilfskräfte eingesetzt, die vorher über das Ziel und den Gegenstand der Untersuchung aufgeklärt und mit denen Einleitungssätze zur Direktansprache der Führungskräfte geübt wurden. Alle Probanden erhielten den Fragebogen mit einem frankierten Rückantwortbogen. Von den 323 angesprochenen Personen, sandten 63 Führungskräfte den Fragebogen an die Technische Universität Berlin zurück. Insgesamt betrug die Rücklaufquote im Pretest demnach 20%. Um die zugesicherte Anonymität zu gewährleisten, war es nicht möglich, diese Rücklaufquote durch telefonische oder schriftliche Erinnerung oder sonstige Maßnahmen zu erhöhen. 85% der Pretestteilnehmer bekundeten in einem separaten Schreiben bzw. bei der Direktakquise im Face-to-Face-Kontakt Interesse an den Ergebnissen der Untersuchung. Deshalb wurde – unabhängig von den verfolgten methodischen Zielsetzungen des Pretests – eine deskriptive Datenauswertung vorgenommen und deren Ergebnisse in einem Bericht an die Pretestteilnehmer versandt. 206
Die Preteststichprobe setzte sich aus überwiegend männlichen Führungskräften (87%) im Alter zwischen 25 und 63 Jahren zusammen, wobei ca. die Hälfte (52%) für 11 bis mehr als 150 Mitarbeiter Führungsverantwortung hatte. Die Mehrzahl der Befragten war im Innovationsprozess als Projektleiter (48%) involviert, andere dagegen als Mitglieder der Steuerungsgruppe bzw. des Lenkungsausschusses (39%) oder als Projektgruppenmitglied (10%). Es handelt sich um eine sehr berufserfahrene Gruppe: 38% der Befragten waren bereits seit mehr als 10 Jahren in dem Unternehmen beschäftigt, während 62% zwischen einem und 9,5 Jahren der jeweiligen Organisation angehörten. Die Pretestteilnehmer waren sehr heterogen im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich (25% Marketing & Vertrieb, 24% Personal & Organisation, 21% kaufmännische Verwaltung, 14% Technischer Support, 10% Produktion, 6% Forschung & Entwicklung), die Funktion im Unternehmen (17% Geschäftsführer, 29% Bereichsleiter, 14% Hauptabteilungsleiter, 16% Abteilungsleiter, 23% Gruppenleiter) und die Ausbildungsrichtung (48% Wirtschaftswissenschaftler, 30% Techniker/Ingenieure, 11% Naturwissenschaftler, 6% Juristen und 5% Geistesund Sozialwissenschaftler). Ca. die Hälfte der Befragten (49%) stammte aus Unternehmen, die mehr als 2000 Beschäftigte hatten. Die Unternehmen gehörten zu folgenden Branchen: Banken & Versicherungen (19%), Telekommunikation/EDV (16%), Baugewerbe (16%), Kfz- und Maschinenbau (11%), Ernährung (8%), Medien (6%), Chemie (5%), Handel (5%), Elektronik (3%) und 11% sonstige Branchen. Um den Umfang dieser Arbeit nicht unnötig überzustrapazieren, soll hier auf die detaillierte Darstellung der Itemschwierigkeiten, Trennschärfekoeffizienten, Faktorstrukturen und Reliabilitätskoeffizienten der Pretestdaten verzichtet werden. (Die detaillierten Ergebnisse der Pretestanalyse können jedoch auf Wunsch mitgeteilt werden.) Die wesentlichsten Ergebnisse des Pretests lassen sich wie folgt zusammenfassen:
–
Auf der Grundlage der durchgeführten Itemanalysen wurden pro Skala Itemselektionen vorgenommen, so dass in der Hauptuntersuchung eine ökonomischere, verkürzte Fragebogenversion eingesetzt werden konnte. Zur Itemselektion wurde die Methode der Kennwert-Selektion aufgrund der Trennschärfekoeffizienten und Validität durchgeführt. Während die Itemanzahl im Pretest N = 209 betrug, reduzierte sich die Itemanzahl auf der Basis der Itemanalysen in der Hauptuntersuchung auf N = 169.
–
Ferner wurden die Reliabilitäten der Skalen geprüft (Cronbach’s Alpha). Mit vereinzelten Ausnahmen wiesen alle Skalen im Pretest Reliabilitäten zwischen .74 und .94 auf. Diese Ergebnisse sprechen für eine ausreichende Güte des Messinstruments.
–
Die faktorielle Struktur der Konstrukte konnte mit Ausnahme einzelner Subkonstrukte zur Führung durch Vertrauen bestätigt werden. 207
–
Für einzelne Skalen zur Messung der Führung durch Einfluss und Macht wurden neue Items im Fragebogen ergänzt.
–
Der gesamte Fragebogen inklusive des Begleitschreibens wurde sprachlich verbessert.
3.3.2
Hauptuntersuchung
Analog zum Vorgehen im Pretest wurden ausschließlich Führungskräfte des mittleren und höheren Managements (N = 399) mit dem Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI) befragt, denn in der Regel werden Verfahrensinnovationen von hierarchisch übergeordneten Stellen initiiert und anschließend nach unten durchgesetzt. Diese Führungskräfte wurden durch die in Tabelle 13 dargestellten Akquisestrategien in vier Erhebungswellen rekrutiert. Die Vielzahl der gewählten Strategien der Stichprobengewinnung gewährleistete, dass Führungskräfte aus unterschiedlichen Organisationen und Branchen deutschlandweit gewonnen werden konnten. Die Untersuchungsteilnehmer wurden in schriftlicher oder mündlicher Form persönlich angesprochen, ob sie an einer Untersuchung zum Thema „Führung in Innovationsprozessen“ teilnehmen wollten. Tabelle 13. Strategien der Stichprobengewinnung und realisierte Anzahl pro Strategie Strategien der Stichprobengewinnung
Anzahl
Postalischer Versand an Führungskräfte des Hoppenstedt (2000)a
32 %
Direktansprache auf den Flughäfen Berlin-Tegel und Köln/Bonn
25 %
Direktansprache durch Diplomanden und Tutoren
18 %
Direktansprache auf Messen und Kongressen
12 %
Direktansprache durch Personalleiter verschiedener Unternehmen
5%
Direktansprache in Führungskräftetrainings
4%
abrufbarer HTML-programmierter Fragebogen im Internet
3%
Hinweis auf der Lehrstuhl-Homepage
1%
Anmerkungen. Die Prozentangaben beziehen sich auf einen Stichprobenumfang von N = 399. a In diesem Katalog sind ca. 55.700 Manager mit Funktion im Unternehmen und Adresse verzeichnet.
208
Dabei wurde das Ziel verfolgt, die Befragten über die Intentionen der Untersuchung zu informieren, um somit die negativen Effekte eines „Blind-Haltens“ der Probanden zu reduzieren. Diese negativen Effekte bestehen darin, dass die Befragten im Falle eines „Blind-Haltens“ Vermutungen über Sinn und Ziele der Untersuchung anstellen werden; jene Spekulationen aber selten mit den tatsächlichen Untersuchungszielen übereinstimmen, was zu verzerrtem Antwortverhalten führen kann. Da viele Konstrukte in dieser Untersuchung (z. B. Konflikte, Macht, Widerstand) in Unternehmen negativ konnotiert sind, wurde den Befragten mitgeteilt, dass es darum geht, welche Art und Weise der Führung bei der unternehmensinternen Entwicklung und Implementierung von Neuerungen in den Prozessen der Leistungserstellung förderlich bzw. hinderlich ist. Der Fragebogen (s. Anhang) und das Begleitschreiben wurden entweder gemeinsam mit einem frankierten Rückumschlag direkt an die Führungskräfte nach einem kurzen Gespräch über Gegenstand und Ziel der Untersuchung verteilt oder per Post oder in digitalisierter Form per Email versandt. Außerdem konnte der Fragebogen als HTML-Version im Internet abgerufen werden (http://klaros.psychologie.hu-berlin.de/führung/ fb_Fl.asp). Um den Nachteil der geringeren Flexibilität der Fragebogenmethodik gegenüber dem Interview zu kompensieren, wurde im Fragebogen eine Telefonnummer angegeben unter der Verständnisfragen und Rückfragen bei der Beantwortung des Fragebogens geklärt werden konnten. Ca. 3% der Befragten machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Fragebogen wurden per Post in einem verschlossenen Kuvert ohne Angabe des Absenders an die Technische Universität Berlin zurückgesandt. Nach Auskunft der Probanden dauerte die Beantwortung des Fragebogens zwischen 45 und 90 Minuten. Die Teilnahme an der Untersuchung erfolgte freiwillig und unentgeltlich. Als Gegenleistung für die Beantwortung des Fragebogens wurden die Untersuchungsteilnehmer – sofern Interesse daran bestand – in aggregierter und anonymisierter Form über deskriptive Ergebnisse der Untersuchung informiert. Das Interesse an den Ergebnissen konnten die Untersuchungsteilnehmer in einem separaten Schreiben mit Angabe der Adresse bekunden. Über alle Akquisestrategien gemittelt, betrug die Rücklaufquote in der Hauptuntersuchung 24% und entspricht damit den für diese Art von Untersuchungen üblichen Rücklaufquoten. Bedenkt man zusätzlich den Umfang des Fragebogens und die anonymitätsbedingt begrenzten Möglichkeiten zur Erhöhung des Rücklaufs, so ist diese Quote als überraschend hoch zu bewerten.
209
3.4
Messung der Konstrukte
In der nachfolgenden Diskussion der Messung der Konstrukte im BIFI wird zunächst die Erfassung der Merkmale der Innovationen und des Innovationserfolgs vorgestellt; gefolgt von der Messung der innovationsbezogenen Verhaltensweisen (Innovationsverhalten und innovationshinderliche Verhaltensweisen), den Emotionen und den Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte. Daran schließt sich die Erörterung der Messung der dyadischen Interaktion der befragten Führungsperson mit ihrem nächsthöheren Vorgesetzten an: die Führung durch Einfluss und Macht und die Führung durch Vertrauen und Misstrauen. Alle Konstrukte wurden in dieser Untersuchung auf der Grundlage der Likert-Skalierung konstruiert. Um eine hohe Variabilität der Antworten zu gewährleisten, waren alle Antwortskalen 7-fach gestuft. 3.4.1 Messung ausgewählter Attribute von Verfahrensinnovationen
Verfahrensinnovationen lassen sich anhand ihres Innovationsgrades, ihrer Unsicherheit und Komplexität sowie ihrer Konfliktart und -intensität charakterisieren (vgl. Kapitel 2.1.2). Nachfolgend werden die kriterienspezifischen Operationalisierungen des Innovationsgrades und der Unsicherheit vorgestellt und anschließend die Faktorenlösung der innovationsinhärenten Konflikte beschrieben. Auf die Messung der Komplexität der Verfahrensinnovationen wurde in dieser Untersuchung verzichtet, da die Komplexität der Neuerung in der Unsicherheit indirekt abgebildet wird (Thom, 2001, S. 322) und die Komplexitätserfassung nach Dörner (1989) mit Multiitemmessungen pro Skala den Fragebogenumfang erheblich erhöht und damit die Kapazität der befragten Führungskräfte unnötig strapaziert hätte. 3.4.1.1 Messung des Innovationsgrades Der Innovationsgrad ist ein Ausdruck der Neuartigkeit der Verfahrensinnovation in der jeweiligen Organisation. Entsprechend der theoretischen Konzeption (vgl. Kapitel 2.1.2.1) wurde der Innovationsgrad hier abweichend von anderen Beschreibungen (vgl. Tabelle 2) durch den Intensitätsgrad, den Erstmaligkeitsgrad und den Implikationsgrad beschrieben. Die Reliabilität der Skala fällt befriedigend aus (s. Tabelle 14).
210
Tabelle 14. Messung des Innovationsgrades der Verfahrensinnovationen Itemformulierung Das angestrebte neue Verfahren unterschied sich sehr von den damals in meinem Unternehmen praktizierten, alten Verfahren. (Intensitätsgrad) Meine Arbeitseinheit war die erste, die diese Neuerung in meinem Unternehmen entwickelte und/oder einsetzte. (Erstmaligkeitsgrad) Durch diese Neuerung wurde das damals bestehende Macht-, Kontroll- und Kompetenzgefüge stark verändert. (Implikationsgrad) Reliabilität Cronbach’s Į = .60 Anmerkung. Die Antwortskala war 7-fach gestuft (1 = stimmt gar nicht, 7 = stimmt völlig).
Da der Innovationsgrad in dieser Untersuchung nur eine untergeordnete Rolle spielt und keine Hypothese zum Innovationsgrad geprüft werden soll, kann die ermittelte Reliabilität der Skala in Kauf genommen werden. Für nachfolgende Untersuchungen sollte die Reliabilität dieser Messung jedoch gesteigert werden, indem z. B. die Itemanzahl pro Kriterium erhöht wird. 3.4.1.2
Messung der Unsicherheit
Die Unsicherheit der Verfahrensinnovationen wurde kriterienspezifisch über den Erfolg, die zeitliche Dauer, das Ausmaß des erforderlichen Wissenserwerbs und die anfallenden Kosten operationalisiert (s. Tabelle 15). Die Items zur Messung der Unsicherheit bilden angesichts der Reliabilität von Cronbach’s Į = .69 eine relativ befriedigende Skala. Da auch die Unsicherheit lediglich als aufgabenbezogene Variable aufgenommen wurde, hat die nur befriedigende Reliabilität dieser Skala keinen verfälschenden Einfluss auf die Untersuchungsergebnisse. Tabelle 15. Messung der Unsicherheit der Verfahrensinnovationen Itemformulierung Der Erfolg der Neuerung war zu Beginn sehr ungewiss. Die zeitliche Dauer der Neuerung war zu Beginn sehr ungewiss. Das Ausmaß, in dem man sich neue Kenntnisse aneignen musste, war zu Beginn sehr ungewiss. Die anfallenden Kosten der Neuerung waren in der Planungs- und/oder Implementierungsphase sehr ungewiss. Reliabilität Cronbach’s Į = .69 Anmerkung. Die Antwortskala war 7-fach gestuft (1 = stimmt gar nicht, 7 = stimmt völlig).
211
3.4.1.3 Messung der Konflikte Die Operationalisierung der innovationsinhärenten Konflikte orientierte sich an der Klassifikation von Rüttinger (1977), der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte unterscheidet (vgl. Kapitel 2.1.2.4). Tabelle 16 gibt die Instruktion, Itemformulierungen, Faktorstruktur und Reliabilitäten der Skalen wieder. Es lassen sich lediglich zwei Faktoren mit Eigenwerten > 1 aus dem Datenmaterial extrahieren, die gemeinsam 74% Varianz aufklären und auch durch den Scree-Test bestätigt werden. Der erste Faktor repräsentiert wahrgenommene Beurteilungs- und Bewertungskonflikte, der zweite Faktor spiegelt wahrgenommene Verteilungskonflikte während der Verfahrensinnovation wider. Beide Skalen weisen mit Į = .78 und Į = .76 befriedigende Reliabilitäten auf. Tabelle 16. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Konflikte Skala und Reliabilität (Cronbach’s Į) Faktor 1: Beurteilungsund Bewertungskonflikte
Instruktion/Itemformulierung Bei dieser Verfahrensinnovation gab es zwischen mir und meinem Chef unterschiedliche Auffassungen über... ...die Budgetverteilung, bei an sich gleicher Zielsetzung. (Beurteilungskonflikt)
Faktorladungen Faktor1 Faktor2 .85
.13
...die Verteilung der Arbeitspakete, bei an sich gleicher Zielsetzung. (Beurteilungskonflikt)
.84
.14
Į = .78
...die Zielsetzung an sich (z. B. das angestrebte Ergebnis). (Bewertungskonflikt)
.75
.25
Faktor 2: Verteilungskonflikte
Zu Beginn des Innovationsprozesses hatte ich die Vermutung, dass es sich bei dieser Neuerung um etwas handelte, das im Ergebnis für mich und meinen Chef gleichermaßen von Vorteil war. (Positivsummenspiel recodiert)
.10
.91
.27
.85
Į = .76 Zu Beginn des Innovationsprozesses hatte ich die Vermutung, dass es sich bei dieser Neuerung um etwas handelte, das im Ergebnis für meinen Chef mehr von Vorteil war als für mich. (Nullsummenspiel) Eigenwert des Faktors % erklärter Varianz
2.62
1.08
52.31
21.67
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax.
Obwohl es vor dem Hintergrund der theoretischen Klassifikation (Rüttinger, 1977) wünschenswert gewesen wäre, Beurteilungs- von Bewertungskonflikten zu trennen, war dies in der vorliegenden Untersuchung nicht möglich. Es zeigt sich vielmehr, dass die befragten Führungskräfte nicht zwischen diesen Konfliktarten differenzieren. Empirisch ist lediglich die Unterscheidung zwischen Beurteilungs- und Bewertungskonflikten einerseits und Verteilungskonflikten andererseits aufrechtzuerhalten. Dies steht jedoch insofern im Einklang mit der theoretischen Argumentation (vgl. Kapitel 2.1.2.4) als es wahrscheinlich ist, dass die mangelnde empirische Trennbar212
keit zwischen Beurteilungs- und Bewertungskonflikten darauf zurückführbar ist, dass sich im Innovationsprozess Beurteilungskonflikte im Hintergrund von Bewertungskonflikten abspielen – und umgekehrt (Gebert & von Rosenstiel, 2002).163 3.4.2 Messung des Innovationserfolgs Die Probleme, die mit der Bestimmung und Messung des Innovationserfolgs verbunden sind, wurden bereits in der Anmerkung 31 diskutiert. Diese Probleme beziehen sich auf den Evaluationsbereich, die Evaluationskriterien, den Evaluationszeitpunkt, die Referenzgrößen der Messung, das Evaluationssubjekt (Hauschildt, 1991b, S. 466 ff.). Die Festlegung des Messzeitpunkts wurde für alle Konstrukte im Kapitel 3.2 begründet: In dieser Untersuchung wurde der Evaluationszeitpunkt „nach“ abgeschlossenen Verfahrensinnovationen festgelegt. Im Kapitel 2.2 wurde erläutert, dass als Bereich der Innovationserfolgsmessung in dieser Untersuchung die Mikroebene gewählt wurde und damit das einzelne Innovationsprojekt fokussiert wird. Als Referenzgrößen der Messung des Innovationserfolgs wird hier gegenüber einem Zeitvergleich oder Unternehmensvergleich der Vergleich mit einem a priori definierten Ziel – also der Steigerung der Effektivität und Effizienz der Arbeitseinheit – gewählt. Als Evaluationssubjekt wurden Führungskräfte herangezogen, die sowohl Betroffene als auch Mitverantwortliche für die Innovation sind. Außerdem wurden inhaltliche Kriterien zur Messung des Innovationserfolgs vorgegeben. In dieser Untersuchung wurde eine gestufte Erfolgsmessung realisiert: Für die Messung des Erfolgs der Verfahrensinnovationen wurden drei Maßstäbe vorgegeben: Ökonomische Kriterien (Effektivität und Effizienz der Arbeitseinheit), individuelle/soziale Kriterien (anfängliche Hoffnungen und Befürchtungen) und indirekte positive und/oder negative Effekte (unvorhergesehene Nebenergebnisse). Ferner wurde ein Item zur Messung des gesamten Innovationserfolgs (‘Overall success’) aufgenommen, welches die Bündelung der direkten und indirekten Effekte innovationsfallspezifisch erfasst. Dieses kriterienspezifische Vorgehen ermöglichte eine sehr reliable Messung des Innovationserfolgs (s. Tabelle 17). Auf der Basis des hohen Reliabilitätskoeffizienten dieser Messung wurden die Items für die weitere statistische Analyse zu einem Summenwert „Innovationserfolg“ zusammengefasst.
213
Tabelle 17. Operationalisierung des Innovationserfolgs Instruktion/Itemformulierung Ihre Bewertungen der Verfahrensinnovation nach Abschluss des Prozesses. Wie beurteilen Sie die Verfahrensinnovation... ...insgesamt ...gemessen an der Effektivität und Effizienz meiner Arbeitseinheit ...gemessen an den unvorhergesehenen Nebenergebnissen ...gemessen an meinen anfänglichen Hoffnungen bzw. Befürchtungen Reliabilität Cronbach’s Į = .91 Anmerkung. Die Antwortskala war 7-fach gestuft (1= misslungen, 7 = gelungen).
3.4.3
Messung der innovationsbezogenen Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte
3.4.3.1 Messung des Innovationsverhaltens
Im Hinblick auf das substanzielle Innovationsverhalten wurden zwei voneinander unterscheidbare Komponenten postuliert: die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung. Die Ergebnisse der Faktorenanalyse bestätigen die Annahme der Zweidimensionalität des Innovationsverhaltens (s. Tabelle 18). Tabelle 18. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten des Innovationsverhaltens Instruktion/ Itemformulierung: Wie haben Sie sich während Faktorladungen des Innovationsprozesses verhalten? Faktor 1 Faktor 2 Während des Innovationsprozesses habe ich Zeit und Kraft .11 .82 Faktor 1: investiert, um bessere Varianten herauszufinden. Ideengenerierung Während des Innovationsprozesses war ich bereit, auch ein.07 .74 /-prüfung mal ein Risiko einzugehen. Während des Innovationsprozesses habe ich mit anderen (z. .16 .73 Į = .78 B. Experten) über das Problem diskutiert, um Neues zu entwickeln. Während des Innovationsprozesses habe ich keine Mühe ge.09 .67 scheut, meinen Chef anzusprechen, um Lösungen zu finden. Während des Innovationsprozesses war ich experimentier.23 .65 freudig. Faktor 2: Im Ergebnis des Innovationsprozesses habe ich die Neuerung .14 .88 Implementierung selbst genutzt. Skala/Reliabilität (Cronbach’s Į)
Į = .81
Im Ergebnis des Innovationsprozesses habe ich die Projektidee in meinem Arbeitsbereich umgesetzt. Im Ergebnis des Innovationsprozesses habe ich die gefällten Beschlüsse/Entscheidungen voll und ganz verwirklicht.
Eigenwert des Faktors
.17
.86
.12
.77
3.32
1.58
% erklärter Varianz 41.55 Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax.
19.80
214
Es lassen sich zwei Faktoren mit Eigenwerten > 1 extrahieren, die in der Summe 61 % Varianz erklären. Diese zweidimensionale Struktur bestätigt ebenfalls der Scree-Plot. Der erste Faktor ist als „Ideengenerierung/-prüfung“ interpretierbar. Auf diesem Faktor laden die Items hoch, welche die investierte Zeit und Kraft zur Problembehebung, Problemelaboration, Experimentierfreudigkeit und Risikobereitschaft der Führungskraft zum Ausdruck bringen, um neue Lösungen herauszufinden. Im zweiten Faktor, der klar vom ersten abgrenzbar als „Implementierung“ zu deuten ist, laden hingegen jene Items hoch, welche die Nutzung und Umsetzung der innovationsbezogenen Entscheidungen ausdrücken. Beide Skalen weisen mit Į = .78 und Į = .81 gute Reliabilitäten auf. 3.4.3.2 Messung der innovationshinderlichen Verhaltensweisen Neben dem Innovationsverhalten war intendiert, drei Facetten innovationshinderlicher Verhaltensweisen zu messen. Dazu wurde ein 12-Item-Pool entwickelt, wobei jede Facette der innovationshinderlichen Verhaltensweisen durch vier Items repräsentiert war. Das Ergebnis der Faktorenanalyse zeigt drei Faktoren mit Eigenwerten > 1 (s. Tabelle 19), eine Anzahl, die auch der Scree-Test widerspiegelt. Tabelle 19. Faktorstruktur und Reliabilitäten innovationshinderlicher Verhaltensweisen Skala und Reliabilität Faktor 1: intrapsychische Anpassung Į = .80 Faktor 2: Widerstand Į = .81
Faktor 3: Flucht Į = .71
Instruktion/Itemformulierung Im Ergebnis des Innovationsprozesses habe ich... ...mir gesagt, dass es woanders (in anderen Abteilungen, Firmen etc.) auch nicht besser wäre. ...mich schließlich mit den Dingen abgefunden. ...erkannt, dass die alte Weise der Problembewältigung eigentlich O.K. war. ...die Dinge beschönigt, so dass ich sie dann in einem besseren Licht gesehen habe. ...heimlich Netzwerke und Koalitionen gegen die Innovation geschmiedet. ...versucht, die Innovation zu Fall zu bringen. ...die Neuerung meinen Mitarbeitern gegenüber bewusst nur halbherzig vertreten. ...eine Art „Dienst nach Vorschrift“ angedroht, falls mein Chef bei seinen Forderungen bliebe. ...es vermieden, mich weiter mit einer potenziellen Problemlösung auseinander zu setzen. ...die Kündigung überlegt und/oder eingeleitet. ...das Thema Innovation ein für allemal ad acta gelegt. ...mich vorwiegend anderen Aufgaben gewidmet.
Eigenwert des Faktors % erklärter Varianz
Faktorladungen Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 .05 .20 .82 .73
.17
.23
.72
.27
.07
.65
.13
.40
.14
.84
.16
.17
.80
.20
.30
.74
.15
-.01
.62
.49
.34
.18
.71
.01
.34
.69
.38 .28
.13 .13
.63 .62
5.07 42.24
1.54 12.82
1.01 7.84
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax.
215
Der erste Faktor wird durch Items abgebildet, die eine Soll-Wert-Senkung oder eine Ist-WertAnhebung ausdrücken und lässt sich demzufolge eindeutig als „intrapsychische Anpassung“ (Į = .80) der Führungskraft interpretieren. Den zweiten Faktor bilden Items wie „schmieden von Netzwerken gegen die Innovation“, „versuchen, die Innovation zu Fall zu bringen“, „die Neuerung den Mitarbeitern gegenüber nur halbherzig vertreten“ und „Dienst nach Vorschrift ankündigen...“. Demzufolge drückt der zweite Faktor „Widerstand“ (Į = .81) gegen die Innovation aus. Der dritte Faktor wird durch vier Items repräsentiert, die das Vermeidungsverhalten der Führungskraft im Hinblick auf die Neuerung zum Ausdruck bringen, er wird daher als „Flucht“ (Į = .71) bezeichnet. In dieser Faktorlösung weisen drei Items Doppelladungen > .30 auf, die aber nach dem Fürntratt-Kriterium (vgl. Kapitel 3.2.4) nicht negativ selektiert werden müssen. Alle drei Faktoren erklären zusammen 63 % der Varianz. Die ermittelte Faktorstruktur bestätigt die Unterscheidung von drei Komponenten innovationshinderlicher Verhaltensweisen. 3.4.3.3 Messung der Emotionen
Wie im theoretischen Teil dargestellt, wird die Frage der Dimensionalität der Emotionen kontrovers diskutiert. Insbesondere ist es umstritten, ob der Vielfalt der menschlichen Emotionen zwei Dimensionen (Schallberger & Pfister, 2001; Traxel, 1983; Watson & Tellegen, 1985) oder drei Dimensionen (Osgood et al. 1957; Plutchick, 1991; Wundt, 1904) zu Grunde liegen. In dieser Untersuchung wurde basierend auf dem Circumplex-Modell eine zweidimensionale Struktur der Emotionen von Führungskräften während eines Innovationsprozesses angenommen (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Diese Annahme wurde ebenfalls faktorenanalytisch geprüft. Sowohl nach dem KaisersGuttman-Kriterium als auch dem Scree-Test ließen sich zwei Faktoren identifizieren, die zusammen 60 % der Varianz erklären und sich als „positive Emotionen“ und „negative Emotionen“ interpretieren lassen (s. Tabelle 20). Der Faktor „positive Emotionen“ (Cronbach’s Į = .88) wird durch die Items (ich fühlte mich...) motiviert, begeistert, ermutigt, herausgefordert, ausgezeichnet und neugierig repräsentiert. Der Faktor „negative Emotionen“ (Cronbach’s Į = .68) wird durch die Items (ich fühlte mich...) besorgt, belastet, verängstigt und ausgenutzt abgebildet. Die Items motiviert und ausgezeichnet weisen mit umgekehrtem Vorzeichen eine Doppelladung > .30 auf dem zweiten Faktor auf; diese ist jedoch nach dem Fürntratt-Kriterium (vgl. Kapitel 3.2.4) unbedenklich, weshalb diese Items nicht negativ selektiert wurden. Die gewonnene Faktorstruktur bestätigt, dass sich die Emotionen von Führungskräften während des Innovationsprozesses auf zwei Dimensionen reduzieren lassen.
216
Tabelle 20. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Emotionen Faktorladungen Instruktion/Itemformulierung Faktor 1 Faktor 2 Während des Innovationsprozesses fühlte ich mich... -.31 .82 ...motiviert. Faktor 1: -.19 .81 ...begeistert. positive Emotionen -.23 .79 ...ermutigt. .04 .76 Į= .88 ...herausgefordert. -.44 .71 ...ausgezeichnet. .01 .68 ...neugierig. Faktor 2: -.08 .74 ...besorgt. negative Emotio-.01 .71 ...belastet. nen -.18 .70 ...verängstigt. -.25 .67 Į= .68 ...ausgenutzt. Eigenwert des Faktors 4.37 1.63 16.26 % erklärter Varianz 43.74 Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax. Skala/Reliabilität (Cronbach’s Į)
3.4.3.4 Messung der Situationswahrnehmungen
Im Modell wurde die Annahme gemacht, dass die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit und die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation zwei voneinander unterscheidbare Faktoren sind. Zur Überprüfung dieser Annahme wurde die Faktorstruktur der Items zur Messung der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit und der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation mittels einer Hauptkomponentenanalyse und anschließender Varimaxrotation analysiert, deren Ergebnisse Tabelle 21 wiedergibt. Das Ergebnis der Faktorenanalyse spricht klar für die Unterscheidung zwischen der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig (Primary appraisal) und der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig (Secondary appraisal) und bestätigt damit die Konstruktionsansicht des zu Grunde liegenden Itempools. Es lassen sich zwei Faktoren mit Eigenwerten > 1 aus dem Datenmaterial extrahieren, die als „wahrgenommene Veränderungsfähigkeit“ und „wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit“ interpretierbar sind und gemeinsam 68 % der Varianz aufklären.164 Auch die Ergebnisse des Scree-Plots bestätigen die zweidimensionale Struktur der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte. Im ersten Faktor „wahrgenommene Veränderungsfähigkeit“ laden die Items hoch, die sich auf die Beschaffbarkeit der Ressourcen durch den unmittelbaren Vorgesetzten der Führungskraft oder auf die Problembehebungsmöglichkeiten der geführten Führungskraft aus eigenen Kräften beziehen. Im zweiten Faktor laden die Items hoch, welche den Nutzen der Neuerung, also die eingeschätzte Soll-Ist-Diskrepanz der Situation ausdrücken. Die Reliabilitätskoeffizienten (Cronbach’s Į) betragen für den ersten Faktor Į = .87, für den zweiten Faktor Į = .60 und erweisen sich damit für den ersten Faktor als gut, für den
217
zweiten Faktor als befriedigend. Auf der Basis dieser Reliabilitäten wurden die jeweiligen Items pro Konstrukt zu zwei Summenwerten zusammengefasst „wahrgenommene Veränderungsfähigkeit“ und „wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit“. (Da nach allen noch darzustellenden Faktorenanalysen die Items pro Faktor zu einem Summenwert zusammengefasst wurden, wird dies im nachfolgenden Text nicht mehr wiederholt berichtet.) Tabelle 21. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Situationswahrnehmungen Skala/Reliabilität (Cronbach’s Į) Faktor 1: wahrgenommene Veränderungsfähigkeit Į = .87
Faktor 2: wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit Į = .60
Itemformulierung
Faktorladungen Faktor 1 Faktor 2
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung wusste ich genau, dass mein Chef seine Ressourcena in meinem Sinne einsetzen würde. Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung wusste ich, dass mein Chef sich dafür einsetzen wird, dass für mich Ressourcena zur Problembehebung mobilisiert werden. Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung war ich mir sicher, dass mein Chef mir den Rücken freihält. Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung verfügte ich über die notwendigen Ressourcena, um die Probleme zu lösen. In Bezug auf die inhaltlichen Problemstellungen, die mit dieser Neuerung verbunden waren, hielt ich manches für verbesserungsbedürftig. Anfangs bezweifelte ich sehr stark den Sinn dieser Neuerung. (recodiert)
Eigenwert des Faktors % erklärter Varianz
.87
.01
.86
.21
.85
.10
.77
.16
-.05
.88
-.29
.60
3.05
1.06
50.86
17.63
Anmerkungen: Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax. a vollständige Itemformulierung lautete: Ressourcen (Informationen, Zeit, Geld, Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen etc.).
3.4.4 Messung der Qualitäten des Führungsverhaltens Im Kapitel 3.2 wurden bereits Probleme der Messung des Führungsverhaltens insgesamt diskutiert. Es wurde begründet, dass die Weise der Führung aus der Perspektive der geführten Führungskraft gemessen wurde, und die Analyse dabei innovationskontextspezifisch auf dem individuellen Niveau erfolgt. Von den theoretisch denkbaren Konstellationen der Führung in Abhängigkeit von der Hierarchiestufe werden demzufolge solche Konstellationen erfragt, die von „oben nach unten“ verliefen. Bevor nachfolgend die Messung der Führung durch Einfluss und Macht (Kapitel 3.4.4.1) und die Messung der Führung durch Vertrauen und Misstrauen (Kapitel 3.4.4.2) in dieser Untersuchung dargestellt werden, sollen methodische Forschungsprobleme der bisherigen Einfluss- und Machtmessung und der bisherigen Vertrauens- und Misstrauensmes-
218
sung erörtert werden. Dabei wird jeweils aufgezeigt, wie mit diesen Forschungsproblemen in dieser Untersuchung umgegangen wurde. 3.4.4.1 Messung der Führung durch Einfluss und Macht Inventare zur Erfassung der Führung durch Macht und Einfluss im Innovationskontext liegen bislang nicht vor, weshalb für diesen Kontext neue Skalen konstruiert wurden. Die vorliegende Messung steht dabei in der Tradition deduktiv entwickelter Inventare zur Messung der Machtund Einflussgrundlagen in Organisationen. Im Gegensatz zu diesen Inventaren liegen eine Reihe induktiv entwickelter Inventare zur Messung der Macht- und Einflusstaktiken in Organisationen vor (Blickle, 1995; Kipnis & Schmidt, 1982; Yukl & Tracy, 1992).165 Da in der vorliegenden Untersuchung Machtgrundlagen als Oberkategorien von Machttaktiken aufgefasst werden, erscheinen diese induktiven Verfahren hier jedoch nicht angemessen. Die wichtigsten Inventare zur Messung der Macht- und Einflussgrundlagen stellt Tabelle 22 vergleichend dar. Diesen Inventaren liegt jeweils ein Bezugssystem der Macht- und Einflussgrundlagen zu Grunde, in das der Geführte die Wichtigkeit der Macht- und Einflussgrundlagen für die Einwilligung in die Intentionen seines Vorgesetzten durch die Angabe von Bedeutsamkeitsrankings oder -ratings einordnet. Mit diesem Vorgehen sind jedoch methodische Problemfelder verbunden, die sich auf die Art des vorgegebenen Bezugsrahmens und das damit verbundene Ausmaß der Aktualisierung der Macht- und Einflussgrundlagen beziehen, und das Abstraktionsniveau des Bezugssystems sowie das Antwortformat betreffen. Da die dargestellten Inventare auf unterschiedlichen Klassifikationen der Machtgrundlagen basieren, unterscheiden sie sich u. a. in der Anzahl der gemessenen Machtgrundlagen. Im Hinblick auf die Art des vorgegebenen Bezugsrahmens zeigt Tabelle 22 außerdem, dass die meisten Operationalisierungen der Macht- und Einflussgrundlagen sich auf die fünffache Typologie von French und Raven (1959) beziehen.166 Obwohl diese Operationalisierungen vorgeben, dieselben Einfluss- und Machtgrundlagen, also Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Expertenwissen und Identifikation zu messen, konnten Littlepage, van Hein, Cohen und Janiec (1993) in einem Vergleich der Skalen von Frost und Stahelski (1988) und Hinkin und Schriesheim (1989) nur schwache Korrelationen zwischen ihnen feststellen. Insofern ist davon auszugehen, dass verschiedene Inventare, die denselben Bezugsrahmen zu Grunde legen, mit ein und derselben Grundlage dennoch Unterschiedliches messen.
219
Tabelle 22. Vergleich deduktiv entwickelter Fragebogeninventare zur Messung der Macht- und Einflussgrundlagen Autor(en)
Art des Bezugsrahmens/ Anzahl der Grundlagen
Bachman, Smith und Slesinger (1966) Student (1968) Thamhain & Gemmil (1974) Martin & Hunt (1980) Rahim (1986) Frost & Stahelski (1988) Hinkin & Schriesheim (1989) Ansari (1990) Schriesheim, Hinkin und Podsakoff (1991) Yukl & Falbe (1991) Gierschner (1991) Koslowsky & Schwarzwald (1993) Blickle et al. (1997) Raven, Schwarzwald und Koslowsky (1998)
5a 5a 6b 5a 5a 5a 5a 3c 5a
Abstraktionsniveau des Bezugsrahmens
Antwortformat
Einzelitemmessung
Ranking
Einzelitemmessung Ranking Einzelitemmessung Ranking Einzelitemmessung Rating Einzelitemmessung Ranking Multiitemmessung Rating Multiitemmessung Rating Einzelitemmessung Rating Einzel- und Multiitemmessung Ranking und Rating Multiitemmessung Rating Einzelitemmessung Rating Einzelitemmessung Rating
2d 8e 6f 3c 7g
Multiitemmessung Multiitemmessung
Rating Rating
Anmerkungen. Chronologisch orientierte Darstellung. Art der jeweils gemessenen Machtgrundlagen: a Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Expertenwissen und Identifikation. b Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Expertenwissen, Freundschaft und Herausforderung. c Expertenmacht, Sanktionsmacht, Netzwerkmacht. d Positionsmacht (Legitimation, Belohnung, Bestrafung, Information) und Personale Macht (Expertenwissen, Überzeugungsfähigkeit, Identifikation, Charisma). e Positionsmacht, organisatorische Zuständigkeit, Koalitionen, Bestrafung, Belohnung, Fachkompetenz, Information, Persönlichkeit. f Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Information, Expertenwissen, Identifikation. g Materielle Sanktionen (materielle Bestrafung und materielle Belohnung), immaterielle Sanktionen (immaterielle Bestrafung und Belohnung), Glaubwürdigkeit (Expertenwissen und Information), Legitimation durch Gerechtigkeits- und Reziprozitätsnorm, Identifikation, Positionsmacht, Legitimation durch soziale Verantwortung.
Operationalisierungen der erweiterten und differenzierten Konzeptualisierung der Einfluss- und Machtgrundlagen durch Raven (1992) liegen bisher lediglich von Raven et al. (1998) vor. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, unter Berücksichtigung der Einfluss-MachtDifferenzierung diese erweiterte Typologie (vgl. Kapitel 2.4.1.1) auf den Innovationskontext zu beziehen und in diesem Kontext bedeutsame Macht- und Einflussgrundlagen valide und reliabel abzubilden. U. a. aus diesem Grund wurde auf die Verwendung einer ins Deutsche übersetzten Version des Interpersonal Power Inventory (IPI) von Raven et al. (1998) verzichtet. Eng mit der Art des vorgegebenen Bezugsrahmens ist ein weiteres Forschungsproblem verbunden, dass sich auf das Ausmaß der Aktualisierung der Einfluss- und Machtgrundlagen bezieht. Mit Ausnahme der Operationalisierungen von Ansari (1990) und Blickle et al. (1997) wird in allen anderen Inventaren (s. Tabelle 22) lediglich die Wichtigkeit einzelner, potenzieller Einfluss- und Machtgrundlagen der Führungskraft gemessen – unabhängig davon, ob die Führungskraft diese Grundlagen in einer konkreten Situation auch einsetzt. Im Unterschied zu diesen Messungen wird in der vorliegenden Untersuchung das Ausmaß erfasst, in dem die Einfluss- und Machtgrundlagen von dem Vorgesetzten (A) gegenüber der befragten Führungskraft (B) während des Innovations-
220
prozesses tatsächlich eingesetzt wurden. Denn für die Untersuchung der abhängigen Variablen ist es völlig unerheblich, welche Einfluss- und Machtgrundlagen einem Vorgesetzten zugeschrieben werden oder ihm potenziell zur Verfügung stehen: Erst durch den Einsatz der Einflussund Machtgrundlage/n im Innovationsprozess werden die Effekte des Führungsverhaltens auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen, innovationsbezogenen Verhaltensweisen und den Innovationserfolg nachvollziehbar. In Bezug auf das Abstraktionsniveau des vorgegebenen Bezugsrahmens besteht nun eine Möglichkeit der Messung darin, jede Macht- und Einflussgrundlage durch ein abstrakt formuliertes Einzelitem (!) zu präsentieren. In einer Vielzahl bisheriger Studien wurde dieses Vorgehen gewählt (s. Tabelle 22). Neben der Reliabilitätsproblematik bei Einzelitemmessungen (vgl. Kapitel 3.2.4) impliziert diese Methode zusätzliche Probleme: Eine Einzelitemmessung unterstellt, dass alle Befragten den in abstrakter Form vorgegebenen Einfluss- und Machtgrundlagen inhaltlich die gleiche Bedeutung zuweisen und alle Nuancen ihres Einsatzes in ihrer Komplexität berücksichtigen (vgl. Schriesheim, Hinkin und Podsakoff, 1991, p. 107). Dies ist eine Vereinfachung, die so nicht zutreffend ist. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der abstrakt präsentierten Einfluss- und Machtgrundlage/n interindividuell stark variiert. Podsakoff und Schriesheim (1985, p. 401) stellen in ihrer Kritik an gängigen Operationalisierungen der Macht- und Einflussgrundlagen fest: ‘...all of these scales use very narrow operationalizations of theoretically broad concepts, and several items on some of the scales seem to imply extraneous content or be unnecessarily vague and open to different interpretations by different respondents’. Insofern muss die Inhaltsvalidität der auf Einzelitems basierenden Messungen der Einfluss- und Machtgrundlagen bezweifelt werden. In dieser Untersuchung wurden daher die abstrakten Einfluss- und Machtgrundlagen „aufgebrochen“ und jeweils durch mehrere, kontextgebundene Items operationalisiert. Im Hinblick auf das verwendete Antwortformat zeigt Tabelle 22, dass zur Erforschung der Macht- und Einflussgrundlagen sowohl Rangordnungs- als auch Ratingverfahren eingesetzt werden, wobei Rangordnungsverfahren lange Zeit dominierten. Auch heute finden Rangordnungsverfahren noch viele Fürsprecher, obwohl sich die Rangordnungsmethode – bezogen auf die Test-Retest-Reliabilitäten – gegenüber der Ratingmethode mit Einzelitemmessungen geringfügig, gegenüber der Ratingmethode mit Multiitemmessung als deutlich unterlegen erwiesen hat (Schriesheim et al., 1991, S. 108). In der vorliegenden Untersuchung wurden Ratingverfahren benutzt, was gegenüber der Rangordnungsmethode von Vorteil ist. So kann die faktisch bestehende Varianz ohne „gewaltsame Beschneidungen“ zur Geltung kommen. Die mit der Rangordnungsmethodik – als Spezialfall des Paarvergleichs – verbundene Ipsativierung der Daten würde dagegen zu linearen Abhängigkeiten im Set der zu beurteilenden Machtgrundlagen führen, wo221
durch die statistische Analyse der zu Grunde liegenden linearen Strukturen problematisch würde (Carson et al., 1993, p. 1155; Dunlap & Cornwell, 1994; Schriesheim et al., 1991, p. 107). Bei der Bearbeitung langer Itemlisten wäre außerdem nicht eindeutig feststellbar, ob die Probanden sich wirklich auf das gesamte Set der Einfluss-Macht-Items konzentrieren oder ob sie nur bestimmte Items fokussieren und die anderen im Vergleich zu diesen anordnen. Der mit der Rangordnungsmethode verbundene Zwang zur positiven Reihung würde zudem die Interpretation von als unwichtig beurteilten Einfluss- und Machtgrundlagen erschweren. In der vorliegenden Untersuchung wurde entsprechend der theoretischen Unterscheidung zwischen Einfluss und Macht (vgl. Kapitel 2.4.1) innovationskontextspezifische Einfluss- und Machtgrundlagen operationalisiert. Es wurde die Annahme gemacht, dass Einflussnahme auf anderen Grundlagen beruht als Machtausübung, was empirisch gut belegt ist (Buschmeier, 1995). Eine Strukturanalyse der differenzierten Konzeption der Einfluss- und Machtgrundlagen (Raven, 1992) zeigte, dass den Einfluss- und Machtgrundlagen zwei Source-Faktoren zu Grunde liegen (Raven et al., 1998), die als Macht (harte Grundlagen) und Einfluss (weiche Grundlagen) interpretierbar sind. Die Operationalisierung der Einfluss- und Machtgrundlagen orientierte sich an der erweiterten Typologie von Raven (1992) und Raven et al. (1998), wobei dieser Bezugsrahmen theoriegeleitet im Hinblick auf die Innovationsbedeutsamkeit einzelner Einfluss- und Machtgrundlagen differenziert und selektiert wurde (vgl. Kapitel 2.4.1.3). Bei der Operationalisierung ergab sich der Konflikt testdiagnostisch einerseits hohe Reliabilitäten pro Skala zu erzielen und inhaltlich andererseits möglichst heterogene Aspekte pro Macht- und Einflussgrundlage abzubilden. Dieser Konflikt wurde zugunsten der hohen Variabilität der Items pro Einfluss- und Machtgrundlage entschieden. Im Fragebogen (s. Anhang) wurde vor der Darbietung des Itempools zur Messung der Einfluss- und Machtgrundlagen folgende Instruktion dargeboten: „Kennzeichnen Sie bitte, in welchem Ausmaß Ihr Chef die folgenden Führungsstrategien während des Innovationsprozesses einsetzte, um Sie zu veranlassen, die Dinge nach seiner Vorstellung zu realisieren.“ Nachfolgend werden die Ergebnisse der Strukturanalyse der Einflussgrundlagen und im Anschluss daran die Ergebnisse der Strukturanalyse der Machtgrundlagen dargestellt. Die Items zur Messung der Führung durch den Einsatz von Einflussgrundlagen wurden mittels Hauptkomponentenanalyse und anschließender Varimaxrotation auf ihre faktorielle Struktur untersucht. Das Ergebnis der Faktorlösung bestätigt die angenommene Unterscheidung zwischen fünf verschiedenen Facetten der Einflussgrundlagen: Es lassen sich fünf Faktoren mit Eigenwerten > 1 extrahieren, die gemeinsam 60 % der Varianz erklären (s. Tabelle 23) und auch durch den Scree-Test Bestätigung finden.
222
Tabelle 23. Eigenwerte und Varianzerklärung der Faktoren der Einflussgrundlagen Faktor
Eigenwert
Faktor 1: Persönliche Ausstrahlung Faktor 2: Expertenwissen/Information Faktor 3: Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Faktor 4: Innovationsbezogene Unterstützung Faktor 5: Verzicht auf Manipulation
4.59 2.49 1.51 1.28 1.02
% erklärter Varianz 25.50 13.82 8.39 7.09 5.65
Anmerkungen. Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation. Es sind die Eigenwerte und erklärten Varianzanteile vor der Faktorrotation dargestellt. Der erste Faktor beschreibt eindeutig die Facette persönliche Ausstrahlung (s. Tabelle 24). Der zweite Faktor wird durch die Items zur Messung von Expertenwissen und Information abgebildet. Dies stimmt überein mit den Ergebnissen von Raven et al. (1998), die bei der Analyse der Surface-Faktoren ebenfalls einen zweiten varianzmaximierenden Faktor extrahieren konnten, der als Expertenwissen und Information interpretierbar ist. Damit bestätigt sich die Annahme, dass Expertenwissen und Information im Innovationsprozess keine separierbaren Einflussgrundlagen darstellen. Dieser Befund ist dadurch erklärbar, dass Experten in der Regel durch den Einsatz von Informationen ihren Expertenstatus unter Beweis stellen. Außerdem wird deutlich, dass sich die theoretische, innovationsspezifische Differenzierung von immaterieller Belohnung in drei Facetten bestätigen lässt: Der dritte Faktor wird durch die Items der Einflussgrundlage „Freiheitsgrade und Autonomie“ gebildet; während der vierte Faktor die Facette „innovationsbezogene Unterstützung“ beschreibt. Der fünfte Faktor lässt sich als „Verzicht auf Manipulation“ interpretieren; er meint das Gegenteil mikropolitischer Manöver, also dass jemand „mit offenen Karten spielt“. Die ersten drei Faktoren weisen mit Cronbach’s Į zwischen .85 und .81 gute Reliabilitäten auf; die varianzschwächeren Faktoren zeigen nur befriedigende Reliabilitäten.
223
Tabelle 24. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Einflussgrundlagen Skala und Reliabilität (Cronbach’s Į) Faktor 1: Persönliche Ausstrahlung Į = .85 Faktor 2:
Instruktion/ Itemformulierung Während des Innovationsprozesses hat mein Chef... ...mich durch seine Vorbildwirkung beeinflusst. ...mich durch seine Persönlichkeit überzeugt. ...mich inspiriert. ...mich durch seine sympathische Ausstrahlung beeinflusst.
...die Dinge seinen Fähigkeiten und Fachkenntnissen entsprechend exzellent abgewickelt. ...nützliche Erfahrungen eingesetzt, um die ExpertenAufgaben, die unsere Neuerung betrafen, zu wissen/ erfüllen. ...die anstehenden Aufgaben kompetent erledigt. Information ...mir alle wichtigen Informationen zur Verfügung gestellt. Į = .81 ...mir fachliche Anregungen gegeben. ...mir (...)a viele Mitsprachemöglichkeiten Faktor 3: eingeräumt. Gewährung von Freiheitsgraden ...mir Autonomie, Freiheitsgrade und Entscheidungskompetenzen gewährt. und Autonomie …mich vor vollendete Tatsachen gestellt. (–) Į = .82 …mir gegenüber Toleranz gezeigt, wenn ich Faktor 4: einmal einen Fehler gemacht hatte. Innovationsbe...mich anerkannt und für meine Arbeit auch zogene Untermal gelobt. stützung ...mir gelegentlich einen Kompromiss Į = .65 angeboten. …günstige Gelegenheiten (z. B. meine AbwesenFaktor 5: heit) genutzt, um vorbereitete Pläne durchzuVerzicht auf setzen. (–) Manipulation ...Neuerungen in kleinen, unmerklichen Į = .53 Schritten, ohne zu fragen, eingeführt.(–) ...versucht, Entscheidungen hinauszuzögern, bis es zu spät war. (–)
F1
Faktorladungen F2 F3 F4
F5
.82 .78 .77
.15 .18 .23
-.05 .07 .00
.06 .31 -.06
.12 .12 -.15
.70
.07
.01
.22
-.08
.15
.73
.15
.06
.15
.33
.72
.09
.09
-.06
.28 -.02
.68 .65
.05 .15
.30 .27
.06 .13
.46 .00
.50 .07
-.19 .83
-.01 .19
-.04 .07
.05
.05
.81
.08
-.07
-.09 .13
.15 .06
.72 .18
-.03 .80
.32 -.02
.15
.22
.15
.66
.05
.08
.32
-.13
.49
-.17
-.01
-.15
.11
.10
.78
-.05
.09
.22
-.07
.63
.05
.26
-.14
-.09
.63
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax. Die Items, hinter denen (-) steht, wurden recodiert. F = Faktor. a (...) vollständige Itemformulierung: „bei der Ausgestaltung dieser Neuerung in meinem Verantwortungsbereich“.
Um die Struktur der im Innovationsprozess eingesetzten Machtgrundlagen zu überprüfen, wurde eine Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit anschließender Varimaxrotation) berechnet, die zur Extraktion von 2 Faktoren mit Eigenwerten > 1 und zur Aufklärung von 55 % der Varianz führte (s. Tabelle 25). Auch der Scree-Test bestätigte diese Anzahl. Auf den ersten Faktor entfallen die Items der Machtgrundlage materielle und immaterielle Bestrafung/Drohung; der zweite Faktor wird durch die Items der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize repräsentiert. Das Ergebnis der Faktorenanalyse zeigt, dass die zweidimensionale Struktur der theoretisch angenommenen Machtgrundlagen im Innovationskontext bestätigt werden kann.
224
Tabelle 25. Eigenwerte und Varianzerklärung der Faktoren der Machtgrundlagen Faktor Faktor 1: Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Faktor 2: Belohnung durch extrinsische Anreize
Eigenwert 4.55 2.06
% erklärter Varianz 37.88 17.14
Anmerkungen. Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation. Es sind die Eigenwerte und erklärten Varianzanteile vor der Faktorrotation dargestellt. An der Faktorenlösung ist ein Phänomen interessant, die mit der Konstruktionsabsicht des Itempools übereinstimmt. In der Surface-Faktorlösung von Raven et al. (1998) luden die Items zur Messung immaterieller Belohnung und immaterieller Bestrafung auf einem Faktor, während auf einem anderen Faktor die Items zur Messung materieller Belohnung und materieller Bestrafung luden. In der Studie von Raven et al. (1998) differenzierten die Befragten demzufolge nicht zwischen Belohnung und Bestrafung, sondern zwischen immateriellen und materiellen Formen dieser Machtgrundlagen. Demgegenüber zeigt die vorliegende Hauptkomponentenanalyse, dass die befragten Führungskräfte in dieser Untersuchung Formen der Bestrafung und Belohnung voneinander unterscheiden. Analog zur Faktorlösung von Raven et al. (1998) wurde davon ausgegangen, dass Führungskräfte nicht zwischen materiellen und immateriellen Formen der Bestrafung differenzieren; eine Annahme, die aufgrund der Faktorstruktur bestätigt werden kann. Diese zwei Faktoren waren Ausgangspunkt für die Skalenbildung. Unterzieht man die zwei Skalen einer Konsistenzanalyse, so zeigt sich, dass beide Skalen gute Reliabilitäten erzielen (s. Tabelle 26). Insofern ist die Neukonstruktion der kontextspezifischen Skalen zur Führung durch den Einsatz von Machtgrundlagen offensichtlich gelungen. Die faktoriellen Strukturen und die erzielten Reliabilitäten der Einflussgrundlagen und der Machtgrundlagen sind umso überraschender, wenn man bedenkt, dass die Items pro Grundlage im Fragebogen gestreut dargeboten worden sind.
225
Tabelle 26. Faktorstruktur und Reliabilitätskoeffizienten der Machtgrundlagen Skala und Reliabilität (Cronbach’s Į) Faktor 1: Bestrafung/ Drohung (materiell und immateriell) Į = .86
Instruktion/ Itemformulierung Während des Innovationsprozesses hat mein Chef... ...mir (...)a Sanktionen (z. B. Gehaltskürzungen) angekündigt. ...seinen Standpunkt unablässig mit Nachdruck wiederholt, so dass ich eingeschüchtert wurde. ...gegen meine Interessen gehandelt.
Faktorladungen F1 F2 .03 .81 .75
.04
.72
-.06
...mir angekündigt, dass er mir (...)a Privilegien entzieht. ...mir (...)a eine ungünstige Personalbeurteilung angekündigt. ...mich ignoriert, sein freundliches Benehmen eingestellt. ...mir implizit mit Entlassung gedroht, falls ich nicht einwillige.
.71
.21
.70 .70 .66
.07 -.06 .02
...mir gegenüber Druck ausgeübt.
.62 .61
.01 .32
.01
.84
.10
.82
.02
.79
...für die Nichtbefolgung seiner Vorstellungen ein Exempel statuiert. Faktor 2: ...mir (...)b Lohnerhöhungen zugesagt. Belohnung ...mir (...)b Privilegien zugesichert. durch extrinsische Anreize ...mir (...)b Prämien/Nebenverdienste in Aussicht gestellt. Į = .75
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax. Abkürzung F = Faktor. Vollständige Itemformulierung lauteten: a (...) „für die Nichtumsetzung seiner Vorschläge“. b (...) „für die Umsetzung seiner Vorstellungen“. c (...) „(Abteilung, Projektgruppe etc.)“.
3.4.4.2 Messung der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Analog zur Messung der Führung durch Macht und Einfluss werden nachfolgend zunächst Probleme der Operationalisierung und Messung von Vertrauen exemplarisch anhand bisheriger Fragebogeninventare skizziert und anschließend die Messung der Führung durch Vertrauen und Misstrauen in dieser Untersuchung vorgestellt. Der Vergleich der wichtigsten Instrumente zur Messung von Vertrauen (s. Tabelle 27) macht deutlich, dass sich die verschiedenen Inventare im Hinblick auf die Art, die Dimensionalität und die Ebene der Vertrauensmessung unterscheiden. In Bezug auf die Art des Vertrauens wird entweder generalisiertes oder spezifisches Vertrauen gemessen. 167 In der aktuellen Vertrauensforschung wird zunehmend auf die größere Relevanz von situativem Vertrauen in spezifische andere Personen im Gegensatz zu globalem Vertrauen in generalisierte andere Personen verwiesen, was in entsprechenden Messkonzeptionen von spezifischem Vertrauen umgesetzt wird. Lediglich Krampen et al. (1982) und Amelang et al. (1984) bilden hier eine Ausnahme, da sie in Anlehnung an Rotter (1971) Vertrauen als eine generalisierte Erwartungshaltung konzipieren und sich in der Operationalisierung an die Interpersonal Trust Scale anlehnen. In der vorliegenden Untersuchung wurde jedoch spezifisches Vertrauen erfasst, da dies für organisationale Ergebnisse bedeutsamer ist als generalisiertes Vertrauen (vgl. Kapitel 2.4.2.1).
226
Tabelle 27. Vergleich der wichtigsten Fragebögen zur Messung von Vertrauen Autor(en)/ Messinstrument
Art
Dimensionalität
Rotter (1967) generalisiert Interpersonal Trust Scale (ITS) Kee & Knox (1970) spezifisch Larzelere & Huston (1980) spezifisch DyadicTrust Scale Scott (1981) generalisiert Measures of Trust Johnson-George & Swap (1982) spezifisch Specific Interpersonal Trust Scales Krampen, Viebig und Walter (1982), SVgeneralisiert Skala zur Erfassung sozialen Vertrauens Amelang, Gold und Külbel (1984) generalisiert adaptierte deutschsprachige ITS Bierhoff & Buck (1984) spezifisch Vertrauensskala Hoy & Kupersmith (1985) spezifisch Trust Scales Rempel, Holmes und Zanna (1985) spezifisch Trust Scale Buck & Bierhoff (1986) spezifisch Hart, Capps, Cangemi und Caillouet spezifisch (1986) Organizational Trust Instrument Butler (1991) spezifisch Conditions of Trust Inventory (CTI) Currall & Judge (1995), Organizaspezifisch tional Boundary Role Persons Trust Couch, Adams und Jones (1996) generalisiert und spezifisch Cummings & Bromiley (1996) spezifisch Organizational Trust Inventory (OTI) Nyhan & Marlowe (1997) spezifisch Organizational Trust Inventory Büssing & Broome (1999)
Ebene
der Vertrauensmessung
spezifisch
Omodei & McLennan (2000), Interpersonal Mistrust-Trust Measure generalisiert (IMTM) Anmerkung. Chronologisch orientierte Darstellung.
eindimensional
interpersonal
zweidimensional
interpersonal
zweidimensional
interpersonal
eindimensional
intraorganisational
dreidimensional
interpersonal
dreidimensional
interpersonal
mehrdimensional
interpersonal
eindimensional
interpersonal
mehrdimensional
interpersonal
dreidimensional
interpersonal
zweidimensional
interpersonal
dreidimensional
intraorganisational
zehndimensional
interpersonal
vierdimensional
interorganisational
dreidimensional dreidimensional zweidimensional zweidimensional eindimensional
interpersonal intra- und interorganisational interpersonal und intraorganisational interpersonal und intraorganisational interpersonal
Im Hinblick auf die Dimensionalität der Vertrauensmessung verdeutlicht Tabelle 27, dass die Binnenstruktur der Kategorie „Vertrauen“ bisher weitgehend ungeklärt ist. Während ein Drittel der dargestellten Messungen Vertrauen als eindimensionales Konstrukt bestätigten, weisen zwei Drittel dieser Untersuchungen Vertrauen als mehrdimensionales Konstrukt aus. Die Mehrdimensionalität reicht dabei von zwei-, drei-, vier-, fünf- bis hin zu zehndimensionalen Messungen von Vertrauen (s. Tabelle 27). Von einer einheitlichen dimensionalen Beschreibung des Vertrauenskonstrukts ist die Vertrauensforschung insofern weit entfernt. Der Fragebogenklassiker, die ‘Interpersonal Trust Scale’ (Rotter, 1967) wurde in zahlreichen Replikationsstudien faktorenanalytisch auf seine Dimensionalität geprüft. Entgegen der eindimensionalen Operationalisierung Rotters (1967) belegen alle empirischen Befunde, dass die ‘Interpersonal Trust Scale’ (ITS) kein 227
eindimensionales Instrument darstellt (Amelang et al., 1984, S. 205; Chun & Campbell, 1974, S. 1062 ff.; Corazzini, 1977, S. 78 f.; Kaplan, 1973, S. 13; Wright & Tedeschi, 1975). Vielmehr lässt sich die so gemessene Binnenstruktur von Vertrauen durch drei bis vier Dimensionen beschreiben. Um die Mehrdimensionalität des Vertrauenskontrukts valide abzubilden, wurden aufbauend auf der ITS, weitere Fragebogeninventare entwickelt, die sich zumeist auf den klinischen oder entwicklungspsychologisch Kontext168 beziehen. Instrumente im organisationalen Kontext sind dagegen relativ selten. Dies verwundert nicht, denn die Vertrauensforschung ist innerhalb des organisationalen Kontextes eine relativ junge Forschungsdisziplin. Eine essenzielle Frage, die sich im Zusammenhang mit der Dimensionalität des Vertrauenskonstrukts stellt, betrifft die Relation zwischen Vertrauen und Misstrauen (vgl. Kapitel 2.4.2.1). In den meisten einschlägigen Messungen (s. Tabelle 27) besteht ein methodisches Defizit darin, dass die Messung von Misstrauen mit niedrigen Werten auf der/den Vertrauensskala(en) gleichgesetzt wird. Diese Form der Misstrauensmessung widerspricht jedoch der Annahme, dass Vertrauen und Misstrauen innerhalb einer sozialen Beziehung gleichzeitig stark ausgeprägt sein können (Lewicki et al., 1998) und insofern Misstrauen nicht als das Gegenteil von Vertrauen zu begreifen ist, sondern als funktionales Äquivalent (Luhmann, 1989). Da die Führung durch Vertrauen und Misstrauen in der vorliegenden Untersuchung zweidimensional konzipiert war (vgl. Kapitel 2.4.2.1), wurde Führung durch Vertrauen und Führung durch Misstrauen entsprechend durch zwei separate Skalen erfasst. Auch in Bezug auf die Ebene der Vertrauensmessung zeigt Tabelle 27 die Heterogenität bisheriger Fragebogeninventare. Das Konstrukt wird – je nach operationaler Definition des Autors – auf der interpersonalen Ebene oder aber auf dem intraorganisationalen oder interorganisationalen Aggregationsniveau oder wieder anders auf mehreren Ebenen simultan gemessen. Interessant ist z. B. an der ITS, dass trotz der Einschränkung Rotters (1967) auf interpersonales Vertrauen sich in mehreren Untersuchungen ein erster varianzmaximierender Faktor extrahieren ließ, der sich auf das Vertrauen gegenüber Institutionen bezieht (Amelang et al., 1984; Chun & Campbell, 1974; Kaplan, 1973; Wright & Tedeschi, 1975). Wenngleich die Unterscheidung zwischen interpersonalem und institutionellem Vertrauen in der aktuellen Vertrauensforschung weitgehend etabliert ist (Büssing & Broome, 1999; Nyhan & Marlowe, 1997), war jener Übergang für Rotter (1981) noch fließend: „Das Vertrauen in Menschen wird in Vertrauen auch gegenüber Institutionen umgesetzt“ (S. 25). Wie bereits im Kapitel 2.4.2 erläutert, wurde auch die Führung durch Vertrauen und Misstrauen in dieser Untersuchung auf der interpersonalen Ebene gemessen, denn es interessierte das Vertrauen bzw. Misstrauen zwischen der befragten Führungskraft (B) und ihrem Vorgesetzten (A) aus der Perspektive des B. Dabei erfolgte die Messung der Führung durch Vertrauen und 228
Misstrauen nicht etwa im Sinne einer Erwartung bzw. Einstellung, sondern – analog zur Führung durch Macht und Einfluss – im Sinne des tatsächlichen Vertrauens- und Misstrauenshandelns des Vorgesetzten (A) gegenüber der geführten Führungskraft (B) aus der Wahrnehmung des B. Die Konstruktion der Skala „Führung durch Vertrauen“ wurde auf der Basis ausgewählter Vertrauensgrundlagen durchgeführt. In der Literatur herrscht bislang Uneinigkeit darüber, welche und wie viele Grundlagen interpersonalen Vertrauens existieren (s. Kapitel 2.4.2.2). Um ein möglichst heterogenes Set der Vertrauensgrundlagen zu generieren, wurden bei der Entwicklung der Items zur Messung von Vertrauen die Vertrauensgrundlagen nach einer kritischen, vergleichenden Analyse bisheriger Klassifikationen adaptiert. In einem ersten Schritt wurde dabei auf die empirisch bestätigten zehn Vertrauensgrundlagen nach Butler (1991) rekurriert, welche in einem zweiten Schritt theoriegeleitet selektiert wurden (vgl. Kapitel 2.4.2.3). Dieser Selektionsprozess war erforderlich, weil einerseits zwischen den Vertrauensgrundlagen Trennschärfe gefordert wurde und andererseits jede Vertrauensgrundlage disjunkt sein sollte zu jeder gemessenen Einflussgrundlage und zu jeder Machtgrundlage. Der Itempool zur Messung der Führung durch Vertrauen orientierte sich an der im Kapitel 2.4.2.3 beschriebenen Typologie zum Vertrauenshandeln in Innovationsprozessen. Er wurde durch Items repräsentiert, die ein Führungshandeln durch Wohlwollen, Konsistenz und Integrität abbilden (vgl. Kapitel 2.4.2.3). Um eine hohe Variabilität im Antwortverhalten zu erzielen, wurden die Items der Vertrauensskala extrem formuliert durch Begriffe wie „immer“, „stets“, „ständig“ etc... (s. Tabelle 28). Die Skala „Führung durch Misstrauen“ wurde durch Items abgebildet, die das Preisgeben von Informationen an Dritte ausdrücken, das Ausnutzen von Schwierigkeiten im Projektverlauf gegen den Innovator, die zeitübergreifende Inkonsistenz des Standpunktes während der Innovation und Manipulationsversuche, die sich darin ausdrücken können, dass der Befragte den Eindruck hat, von seinem unmittelbaren Vorgesetzten „übers Ohr gehauen“ zu werden.
229
Tabelle 28. Faktorstruktur und Reliabilitäten der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Skala und Reliabilität
Faktor 1: Führung durch Vertrauen Į = .97
Faktor 2: Führung durch Misstrauen Į = .82
Instruktion/ Itemformulierung Während des Innovationsprozesses... ...hat mein Chef stets so gehandelt, wie es mit mir abgesprochen war. ...hörte mein Chef mir in Gesprächen immer genau zu. ...verhielt sich mein Chef mir gegenüber in einer verlässlichen Art und Weise. ...war mein Chef jederzeit bereit, auch meine Argumente zu verstehen. ...gab es zwischen mir und meinem Chef immer eine vertrauensvolle Basis. ...war mein Chef mir gegenüber ständig loyal. ...wusste ich immer, dass mein Chef zuverlässig ist, weil er gemachte Zusagen und Abmachungen einhielt. ...stand mein Chef immer zu seinem Wort. ...herrschte bei den Treffen zwischen mir und meinem Chef ständig eine offene Gesprächsatmosphäre. ...hat mein Chef mir auch Probleme der Neuerung ohne Einschränkungen mitgeteilt. ...behandelte mein Chef mich immer fair. ...war mein Chef meinen Ideen und Vorschlägen gegenüber stets aufgeschlossen. ...konnte ich mich immer darauf verlassen, dass mein Chef vertrauenswürdig ist. ...sagte mein Chef mir in Bezug auf die Machbarkeit der Innovation unverblümt die Wahrheit. ...traf mein Chef mit mir immer gerechte Abmachungen/Übereinkünfte. ...hatte ich nie den Eindruck, dass mein Chef sich mir gegenüber verstellt. ...verhielt sich mein Chef mir gegenüber ehrlich und aufrichtig. ...hat mein Chef nichts getan, was mich vor anderen schlecht dastehen ließ. ...vertraute mir mein Chef von Anfang an vorbehaltlos. ...ging mein Chef bei der Verteilung von zusätzlichen Aufgaben, die unsere Neuerung betrafen, gerecht vor. ...hat mein Chef Informationen, die ihm vertraulich zu Ohren kamen, diskret behandelt. ...hat mein Chef Vertrauliches häufig Dritten preisgegeben. ...hat mein Chef Schwierigkeiten, die im Laufe des Projektes auftraten, gegen mich ausgenutzt. ...wechselte mein Chef häufig seinen Standpunkt. ...behielt ich meinen Chef kritisch im Auge, da ich immer damit rechnete, von ihm „übers Ohr gehauen“ zu werden.
Faktorladungen F1 F2 .01 .88 .14 .87 .05 .87 .86 .84
.05 -.11
.81 .81
-.11 -.09
.80 .80
-.12 -.08
.80
.15
.80 .76
-.14 -.03
.76
-.22
.72
.13
.72 .71
-.15 .10
.68 .65
-.30 -.09
.64 .58
-.13 -.14
.57
-.17
.04 -.11
.88 .78
-.22 -.33
.59 .53
Eigenwert des Faktors
14.95
1.23
% erklärter Varianz
59.81
4.91
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: oblique. Abkürzung F = Faktor.
Durch die Strukturanalyse beider Itempools ließen sich mittels einer Hauptkomponenten-analyse zwei Faktoren mit Eigenwerten > 1 extrahieren (s. Tabelle 28), die in der Summe 65 % der Varianz erklären. Entsprechend der Tradition in der Vertrauensforschung wurden die Faktoren – analog zur Faktorenanalyse von Butler (1991, p. 653) – oblique rotiert. Der obliquen Rotations230
methode lag die Annahme zu Grunde, dass Vertrauen und Misstrauen keine orthogonalen Faktoren darstellen, sondern sich beeinflussen (Lewicki et al., 1998). Diese Annahme der Abhängigkeit von Vertrauen und Misstrauen kann durch eine signifikante Faktorinterkorrelation bestätigt werden. Insofern war die schiefwinklige Rotation der Faktoren angemessen. Die Skala „Führung durch Vertrauen“ weist mit einem Koeffizienten von Cronbach’s Į = .97 eine sehr gute Reliabilität auf. Auch die Skala „Führung durch Misstrauen“ (Į = .82) hat eine gute Reliabilität. Das Ergebnis der Faktorenanalyse bestätigt die zweidimensionale Struktur der Führung durch Vertrauen und Misstrauen; beide Skalenkonstruktionen sind offensichtlich gelungen. Um potenzielle Vertrauensgrundlagen der Skala „Führung durch Vertrauen“ zu identifizieren, wurden zusätzlich Faktorenanalysen 2. Ordnung berechnet. Für diese Subskalenidentifikation wurden konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt, wobei die hier entwickelte Typologie der Vertrauensgrundlagen sowie verschiedene andere Klassifikationen (vgl. Kapitel 2.4.2.2) die theoretische Grundlage dieser Überprüfung bildeten. Bei den sukzessiven konfirmatorischen Modelltestungen wurde jeweils eine Korrelationsmatrix als Ausgangsmatrix benutzt. Die Varianzen der latenten Variablen wurden fixiert. Alle Ladungen und Residuen wurden frei geschätzt. Da Vertrauensgrundlagen miteinander zusammenhängen (Butler, 1991), wurde zur konfirmatorischen Überprüfung im Messmodell jeweils die Annahme gemacht, dass die Faktoren miteinander korreliert sind. Außerdem wurden einzelne Korrelationen der Residuen zugelassen. Die Ergebnisse dieser konfirmatorischen Faktorenanalysen zeigten, dass sich keine der theoretisch angenommenen Vertrauensgrundlagenstruktur in hinreichend hohen Fit-Indizes der Modelle widerspiegelte. Da es sich hierbei um Sekundärergebnisse handelt, werden die Fit-Indices sowie die Faktorladungen der konfirmatorischen Modelltestungen nicht gesondert aufgeführt. Obwohl also theoretisch unterschiedliche Arten und Anzahlen der Vertrauensgrundlagen unterscheidbar sind, konnten empirisch in dieser Stichprobe keine Subskalen der Skala „Führung durch Vertrauen“ bestätigt werden. Die befragten Führungskräfte differenzieren demzufolge nicht zwischen unterschiedlichen Vertrauensfacetten. Dieses Ergebnis stützt die Annahme, dass der Vertrauensentscheidung eines Akteurs ein Generalfaktor (G-Faktor) zu Grunde liegt, der immerhin knapp 60 % der Varianz bindet.169 Dieser G-Faktor lässt sich dadurch erklären, dass die vorgegebenen Grundlagen interpersonalen Vertrauens wie Wohlwollen, Konsistenz und Integrität stark voneinander abhängig sind. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Grundlagen, auf denen Vertrauen beruht, austauschbar zu sein scheinen und Vertrauen eine „aus dem Bauch“ heraus getroffene, stark emotional bedingte Entscheidung ist. Im Gegensatz zu McAllister (1995), der zwischen kognitionsbasiertem und emotionsbasiertem Vertrauen unterscheidet und kognitionsbasiertes Vertrauen als Voraussetzung für emotionsbasiertes Vertrauen
231
ansieht, dürfte die Vertrauenshandlung also stärker als bislang angenommen ganzheitlicher Natur sein.
3.5
Stichprobe der Hauptuntersuchung
3.5.1
Soziodemographische Merkmale der befragten Führungskräfte
An der Hauptuntersuchung nahmen N = 399 Führungskräfte im Alter zwischen 22 und 64 Jahren aus verschiedenen Organisationen der deutschen Wirtschaft teil. Entsprechend der Relation zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen (vgl. Neuberger, 2002) waren die meisten Führungskräfte männlich. Tabelle 29 zeigt die soziodemographischen Merkmale der befragten Führungskräfte im Überblick. Tabelle 29. Soziodemographische Merkmale der befragten Führungskräfte Merkmal Alter Geschlecht Ausbildungsrichtung
Merkmalsausprägung
Anzahl
zwischen 22 und 64 Jahre, Median = 39.50, SD = 9.74 männlich 82 % weiblich 18 % Kaufmann/Wirtschaftswissenschaftler 50 % Techniker/Ingenieure 24 % Naturwissenschaftler 8% Rechtswissenschaftler 7% Sozialwissenschaftler 6% Geisteswissenschaftler 3% keine Angabe 2%
Anmerkung. Die Prozentangaben beziehen sich auf einen Stichprobenumfang von N = 399. 3.5.2
Berufliche Merkmale der befragten Führungskräfte
Um die Generalisierbarkeit der gewonnenen Ergebnisse zu erhöhen, galt es, ein breites Spektrum von Führungskräften zu gewinnen. Einen Eindruck über die Heterogenität der Führungskräfte, die für diese Untersuchung gewonnen werden konnten, vermittelt Tabelle 30, in der die beruflichen Merkmale der befragten Führungskräfte zusammengefasst abgebildet sind. In der Stichprobe sind Führungskräfte aus unterschiedlichsten hierarchischen Ebenen – vom Gruppenleiter bis hin zum Vorstand – vertreten, die in der Regel über eine längere Berufserfahrung verfügten. Der Grad der Führungsverantwortung schwankt dabei sehr stark, wobei ca. die Hälfte der Befragten (43 %) für 11 bis mehr als 150 Mitarbeiter unmittelbare Führungs232
verantwortung hatte. In Bezug auf die Funktion im Innovationsprojekt war knapp die Hälfte der Befragten als Projektleiter (44 %) tätig; knapp ein Drittel (25 %) nahm Aufgaben innerhalb der Steuerungsgruppe bzw. im Lenkungsausschuss wahr. Auch im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich zeigt sich eine breite Streuung der befragten Führungskräfte (s. Tabelle 30). Demzufolge ist nicht davon auszugehen, dass sich die hier befragten Führungskräfte grundsätzlich von anderen Führungskräften unterscheiden. Tabelle 30. Berufliche Merkmale der befragten Führungskräfte Merkmal Position im Unternehmen
Merkmalsausprägung Vorstandsvorsitzender Vorstand Geschäftsführer Bereichsleiter Hauptabteilungsleiter Abteilungsleiter Gruppenleiter
Anzahl – 5% 16 % 23 % 12 % 23 % 21 %
Dauer der Betriebszugehörigkeit
bis 1 Jahr bis 2 Jahre bis 5 Jahre bis 10 Jahre > 10 Jahre
6% 12 % 29 % 20 % 33 %
Grad der Führungsverantwortung (gemessen an der Anzahl direkt unterstellter Mitarbeiter)
1 – 10 direkt unterstellte Mitarbeiter 11 – 30 direkt unterstellte Mitarbeiter 31 – 70 direkt unterstellte Mitarbeiter 71–150 direkt unterstellte Mitarbeiter > 150 direkt unterstellte Mitarbeiter
57 % 22 % 10 % 4% 7%
Funktion im Innovationsprojekt
Projektleiter Mitglied der Steuerungsgruppe/ des Lenkungsausschusses Projektgruppenmitglied Projektleitungsassistenz
44 % 25 % 23 % 8%
Marketing & Vertrieb Kaufmännische Verwaltung Personal & Organisation Produktion Forschung & Entwicklung Technischer Support Sonstiges
27 % 22 % 21 % 9% 7% 6% 8%
Tätigkeitsbereich
Anmerkung. Die Prozentangaben beziehen sich auf einen Stichprobenumfang von N = 399.
233
3.5.3
Verteilung der Führungskräfte auf Branchen und Größe der Organisationen
In Bezug auf die Verteilung der Führungskräfte auf einzelne Branchen und die Organisationsgröße konnte eine breite Streuung erreicht werden (s. Tabelle 31). Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die auf der Basis dieser Stichprobe gewonnenen Ergebnisse, Geltung für verschiedene Branchen und verschieden große Organisationen haben. Tabelle 31. Branchen und Größe der Organisationen Merkmal Branche
Merkmalsausprägung Banken/Versicherungen Telekommunikation/EDV/Medien Dienstleistung Baugewerbe Maschinen- und Fahrzeugbau Handel Chemie Elektronik/Energie Ernährung Sonstige
Organisationsgröße (anhand der Mitarbeiterzahl des Unternehmens, nicht des Konzerns)
bis 100 Mitarbeiter bis 500 Mitarbeiter bis 1.000 Mitarbeiter bis 5.000 Mitarbeiter > 5.000 Mitarbeiter
Anzahl 19 % 18 % 16 % 8% 8% 8% 5% 5% 2% 11 % 24 % 25 % 17 % 15 % 19 %
Anmerkung. Die Prozentangaben beziehen sich auf einen Stichprobenumfang von N = 399.
3.6
Probleme des Untersuchungsdesigns
Durch die Wahl der Untersuchungsmethode ergeben sich viele Vorteile, aber – wie bei allen Felduntersuchungen – auch Probleme. Ein Problem wurde bereits im Kapitel 3.1.3 angesprochen und bezieht sich die retrospektive Messung der Konstrukte, wodurch der Hindsight bias (Hoffrage, Hertwig und Gigerenzer, 2000) auftreten kann. Auf dieses Problem wird im Kapitel 5 zurückzukommen sein. Ein weiteres Problem könnten Selektionseffekte der Befragten darstellen (Response bias), wodurch verzerrte Stichproben verursacht werden.170 In dieser Untersuchung könnten demzufolge eher Führungskräfte vertreten sein, die gegenüber Forschungsvorhaben aufgeschlossen und ferner bereit sind, Informationen über ihre eigenen Erlebens- und Verhaltensweisen sowie das Führungsverhalten ihres Vorgesetzten während einer Verfahrensinnovation an organisations-
234
externe Personen weiterzugeben und damit öffentlich zu machen. Deshalb wurde die Möglichkeit des Response bias überprüft. Merkmale zur Überprüfung waren die Branche der Organisationen und die Organisationsgröße. Wenn die befragten Führungskräfte in dieser Stichprobe aus Organisationen stammen würden, die sich in systematischer Weise im Hinblick auf diese Kriterien unterscheiden im Vergleich zu den Branchen und der Organisationsgröße von Organisationen der deutschen Wirtschaft insgesamt, spräche dies für das Vorliegen des Response bias. Die Analyse zeigte, dass die hier untersuchten Führungskräfte aus Organisationen stammen, die keineswegs in systematischer Weise von Organisationen der deutschen Wirtschaft abweichen. Die Heterogenität der befragten Führungskräfte in dieser Untersuchung, die deutschlandweit aus verschiedenen Branchen und Organisationen rekrutiert wurden (vgl. Kapitel 3.5), und die sich nicht in systematischer Weise von anderen Führungskräften unterscheiden gewährleistet, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung Gültigkeit haben für Führungskräfte unterschiedlicher hierarchischer Ebenen, Tätigkeitsbereiche, Branchen und unterschiedlich großer Organisationen. Ein weiteres Problem der Untersuchungsmethode wird in der Literatur u. a. als ‘Perceptpercept-problem’, ‘Common method bias’ bzw. ‘Single subject response consistency bias’ (McDonald, 1999) diskutiert. Da sowohl die unabhängigen Variablen als auch die abhängigen Variablen von denselben Befragten eingeschätzt wurden und somit sämtliche Informationen aus einer einzigen Datenquelle stammen, könnte die Höhe der ermittelten Zusammenhänge aufgrund der gemeinsamen Methodenvarianz im Prinzip auch auf einer Überschätzung der PrädiktorKriteriums-Zusammenhänge beruhen. Aus diesem Grund wurde die Struktur aller Items dieser Untersuchung getestet. Dazu wurden konfirmatorische Faktorenanalysen mit MaximumLikelihood Extraktion durchgeführt, wobei die Fit-Indices des Generalfaktormodells mit denen des Subfaktorenmodells verglichen wurden. Wenn das General-Faktormodell durch den Modelltest bestätigt werden könnte, wäre dies ein Indikator für das Vorliegen des Common method bias.171 Wie die konfirmatorische Modellierung zeigt, besteht kein Grund zur Annahme eines Generalfaktors. Das Generalfaktormodell fällt unter Berücksichtigung aller Indikatoren der Anpassungsgüte unbefriedigend (AGFI = .51, GFI = .56, RMSEA = .14, F2 = 6738.21, p < .0001), weshalb dieses Modell eindeutig verworfen werden kann. Demgegenüber weist das Subfaktorenmodell unter Berücksichtigung aller Indikatoren der Modellanpassung eine akzeptable Anpassungsgüte auf (AGFI = .91, GFI = .93, RMSEA = .04, F2 = 6385.78, p < .0001). Vor diesem Hintergrund entfällt auch die naheliegende Strategie der Auspartialisierung des Generalfaktors zur Kontrolle des Common method bias. Dennoch wäre es für zukünftige Untersuchungen von Vorteil, manche der abhängigen Variablen (z. B. Implementierung, Innovationserfolg) durch verschiedene Personengruppen (z. B. Mitglied der Steuerungsgruppe bzw. des Lenkungsausschusses, Projektleiter, Innovationsbeteiligte, Innovationsnutzer) einstufen zu lassen. In dieser 235
Untersuchung war die simultane Befragung mehrerer Personen (-gruppen) nicht möglich, da dieses Vorgehen die Rücklaufquote in einer untersuchungsbedrohenden Weise gefährdet hätte.
236
Kapitel 4
ERGEBNISSE
Im Rahmen der Modellbildung wurde ein Hypothesennetz generiert, das in diesem Teil auf seine Gültigkeit überprüft wird. Außerdem werden die Ergebnisse der Prüfung von explorativen Fragestellungen dargestellt. Die Überprüfung erfolgte bei den Varianz-, Korrelations- und Regressionsanalysen mit dem Programm SPSS und dem linearen Strukturgleichungsmodell mit dem Programm Statistica. Die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse sind entsprechend der theoretischen Abhängigkeitsbeziehungen der Konstrukte gegliedert und demzufolge in fünf Ergebnisblöcke unterteilt. Da die Merkmale der Verfahrensinnovationen entscheidende Moderatorvariablen für die postulierten Zusammenhänge in dieser Untersuchung darstellen könnten, wird im Kapitel 4.1 zunächst ein Kategoriensystem für die unterschiedlichen Arten intraorganisationaler Verfahrensinnovationen entwickelt und diese Verfahrensinnovationen anhand ihrer Unsicherheit, des Innovationsgrades und des Konfliktgehalts beschrieben. Pro Merkmal wird jeweils inferenzstatistisch geprüft, ob sich die Arten der Verfahrensinnovationen bedeutsam voneinander unterscheiden. Gemäß dem entwickelten theoretischen Modell (vgl. Kapitel 2) stehen im Kapitel 4.2 der Führungserfolg – also der Innovationserfolg – und die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte im Mittelpunkt. Die Ergebnisse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die komplementären Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte, also ihres Innovationsverhaltens einerseits – Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung – und ihrer innovationshinderlichen Verhaltensweisen andererseits – intrapsychische Anpassung und Flucht – werden vorgestellt. Schließlich wird eine Komponente des Innovationsverhaltens – die Implementierung – einer differenziellen Analyse unterzogen, indem in einem linearen Strukturgleichungsmodell (LISREL) die direkten und indirekten Wirkungen der Konfliktarten und des Widerstands auf die Implementierung spezifiziert werden. Daran schließen sich die Ergebnisse der Effekte der Emotionen auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte an. Den Abschluss des Kapitels 4.2 bilden nach den Modellen von Lazarus (1966, 1991, 1993) und Gebert (1987) die Ergebnisse zur Wirkung der Kombination der Situationswahrnehmungen der
237
geführten Führungskräfte auf ihre Emotionen, ihr Innovationsverhalten und ihre innovationshinderlichen Verhaltensweisen. Bevor die Ergebnisse zu den Effekten der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg fokussiert werden, steht die Zusammenhangsanalyse der Qualitäten des Führungsverhaltens im Kapitel 4.3 im Zentrum der Betrachtung. Dabei wird zum einen auf einem aggregierten Niveau die Korrespondenz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen und zum anderen auf dem Skalenniveau die Korrespondenz der Macht- und Einflussgrundlagen sowie ihre Effekte auf die Führung durch Vertrauen und Misstrauen dokumentiert. Den Schwerpunkt des Ergebnisteils bilden die Befunde der Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen sowie der eingesetzten Einfluss- und Machtgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen, das Innovationsverhalten und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg (Kapitel 4.4). Diese Analyse erfolgt pro abhängiger Variable sowohl korrelationsanalytisch als auch regressionsanalytisch. Der Grund für diese detaillierte Analyse besteht darin, dass korrelationsanalytisch lediglich die bivariaten Zusammenhänge zwischen zwei Variablen betrachtet werden können, während regressionsanalytisch die Einflüsse mehrerer unabhängiger Variablen in ihrem Zusammenwirken auf die jeweils betrachtete abhängige Variable ausweisbar sind. Aufgrund der praktischen Bedeutsamkeit und Brisanz der Implementierung von Verfahrensinnovationen in Organisationen wird in diesem Kapitel außerdem das relative Gewicht der Intensität von Verteilungskonflikten im Innovationsprozess und ausgewählten Führungsfacetten untersucht. Im Kapitel 4.5 wird anschließend analysiert, in welchem Ausmaß die Qualitäten des Führungsverhaltens in Innovationsprozessen eingesetzt werden und welche Wirkungen die Konfliktart und intensität auf den Einsatz der Führungsfacetten haben.
4.1 Art und Attribute der untersuchten Verfahrensinnovationen In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Verfahrensinnovationsarten, die in dieser Untersuchung vertreten sind, anhand geeigneter Kategorien und Subkategorien klassifiziert. Verfahrensinnovationen lassen sich insbesondere anhand ihres Innovationsgrades, ihrer Unsicherheit und anhand der auftretenden Konflikte kennzeichnen (s. Kapitel 2.1.2).172 Daher werden die einzelnen Arten der Verfahrensinnovationen bezüglich dieser Merkmale beschrieben und miteinander verglichen. Ausgangspunkt für diesen Vergleich war die Überlegung, dass die Projektarten
238
im Hinblick auf diese Attribute von Innovationsaufgaben miteinander vergleichbar sein sollten, um sie nachfolgend einer gemeinsamen Analyse zu unterziehen. 4.1.1 Kategoriensystem für die untersuchten Verfahrensinnovationen Da zum Zeitpunkt des Abfassens dieser Arbeit keine Klassifikation bekannt war, welche die unterschiedlichen Arten intraorganisationaler Verfahrensinnovationen durch disjunkte Kategorien hinreichend gut abzubilden vermag, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein neues Kategoriensystem entwickelt (s. Tabelle 32).173 Zur Entwicklung dieses Kategoriensystems wurde eine qualitative Analyse der N = 399 Projekte durchgeführt, wobei u. a. der hauptsächliche Bereich, in dem die Neuerung stattfand, berücksichtigt wurde. Wie Tabelle 32 veranschaulicht, sind im Wesentlichen fünf Arten von Verfahrensinnovationen in dieser Untersuchung vertreten. Tabelle 32. Arten untersuchter Verfahrensinnovationen Arten der Verfahrensinnovationen
Subkategorie/Beispiel Einführung/Nutzung...
software- und netzbezogene Verfahrensinnovationen
neue Software (z. B. SAP-R3, PPS, Computersimulationssoftware, andere Projektplanungssoftware) (31 %) neue Netzdienste (z. B. E-Commerce, Intranet, Internet, Multimedia-Anwendungen) (10 %) neue Marketingstrategie (z. B. neue Kundensegmente, neue Kundenberatungen)
marketingbezogene Verfahrensinnovationen personalbezogene Verfahrensinnovationen
neues Personalbeurteilungs- und/oder Personalentwicklungssystem (z. B. 360º-Feedback, leistungsbezogenes Entgeltsystem, neue Trainings) (7 %) neues Zielvereinbarungssystem (z. B. Balanced Score Card, Management by Objectives) (4 %) neue Arbeitszeitregelung (z. B. flexible Arbeitszeiten mit HomeWorking Anteilen) (3 %) neues Personalauswahlverfahren (2 %) neues Controllingsystem, Controllingkennzahlen, Finanz- und Budgetplanung
controllingbezogene Verfahrensinnovationen neues Fertigungsverfahren, Modulmontage, Erhöhung des produktionsbezogene Vorfertigungsgrades Verfahrensinnovationen sonstige Verfahrensinnovationen Anmerkung. Die Prozentangaben beziehen sich auf N = 399 Verfahrensinnovationen.
Anzahl 41 %
17 %
16 %
10 % 5% 11 %
Pro Kategorie sind zusätzlich die Subkategorien bzw. Beispiele der untersuchten Verfahrensinnovationen angegeben. Mit großem Abstand sind am häufigsten software- und netzbezogene Verfahreninnovationen (41%) in dieser Stichprobe vertreten. Am zweithäufigsten erinnerten die befragten Führungskräfte marketingbezogene (17%) und am dritthäufigsten personal-bezogene Verfahrensinnovationen (16%). Mit geringeren Häufigkeiten sind in dieser Stichprobe dagegen 239
controllingbezogene (10%) und produktionsbezogene Verfahrensinnovationen (5%) vertreten. Alle Verfahrensinnovationen, die mehrdeutig oder gar nicht von den Führungskräften beschrieben worden sind und deshalb nicht eindeutig zugeordnet werden konnten, wurden in die Kategorie „sonstige Verfahrensinnovationen“ eingeordnet. 4.1.2 Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf den Innovationsgrad Der Innovationsgrad der Verfahrensinnovation – also der graduelle Abstand zum vorherigen Zustand (Hauschildt, 1997, S. 11) – wurde durch drei Kriterien beschrieben: den Intensitätsgrad, den Erstmaligkeitsgrad und den Implikationsgrad (vgl. Kapitel 2.1.2.1). Tabelle 33 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser Kriterien für die untersuchten Verfahrensinnovationen insgesamt. Tabelle 33. Mittelwerte und Standardabweichungen für den Innovationsgrad aller untersuchten Verfahrensinnovationen #
Kriterien des Innovationsgrades der Verfahrensinnovationen Intensitätsgrad
M 5.68
SD 1.39
Erstmaligkeitsgrad
4.67
2.45
Implikationsgrad
3.98
1.99
Anmerkungen. Aufgrund fehlender Werte beträgt N = 394. Die Antwortskala war 7-fach gestuft.
Vergleicht man die Mittelwerte dieser Kriterien miteinander, so wird deutlich, dass der Intensitätsgrad der Neuerungen am stärksten ausgeprägt ist. Aus der Sicht der befragten Führungskräfte weichen demnach die hier untersuchten Verfahrensinnovationen stark von den bisher in der jeweiligen Organisation praktizierten Verfahren ab. Der Erstmaligkeitsgrad ist am zweitstärksten kennzeichnend für die Verfahrensinnovationen. Die hohe Standardabweichung
(SD = 2.45)
des Erstmaligkeitsgrads macht darauf aufmerksam, dass manche Arbeitseinheiten die Verfahrensinnovation erstmalig entwickelten und/oder einsetzten, während in anderen Abteilungen lediglich Adaptationen bestehender Verfahren vorgenommen wurden. Im Vergleich zum Intensitäts- und Erstmaligkeitsgrad wird der Implikationsgrad der Neuerungen – also das Ausmaß, in dem durch die Neuerung das bestehende Macht-, Kontroll- und Kompetenzgefüge stark verändert wurde – geringer eingeschätzt. Neben dieser summativen Betrachtung der Kriterien des Innovationsgrades ist die Frage interessant, wie diese Kriterien bei den jeweiligen Innovationsarten ausgeprägt sind. Abbildung 21 veranschaulicht deshalb die Ausprägungen des Intensitäts-, Erstmaligkeits- und Implikations-
240
grads in Abhängigkeit von der Art der Verfahrensinnovationen. (Auf die Darstellung der Kategorie „sonstige Verfahrensinnovationen“ in dieser Abbildung wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.) Legt man die Sicht der Befragten zu Grunde, so verdeutlichen die Mittelwerte, dass alle Arten der Verfahrensinnovationen in Bezug auf den Intensitätsgrad und den Implikationsgrad als sehr ähnlich eingeschätzt werden. Im Hinblick auf den Erstmaligkeitsgrad zeigt sich, dass die Führungskräfte die software- und netzbezogenen, marketingbezogenen, personalbezogenen und controllingbezogenen Verfahrensinnovationen homogen beurteilen, während sie den Erstmaligkeitsgrad produktionsbezogener Verfahrensinnovationen im Vergleich zu den anderen Neuerungen am höchsten einschätzen.
5,8
Softw are und netzw erkbezogene V. Marketingbezogene V. Personalbezogene V. Controllingbezogene V. Produktionsbezogene V.
5.89
5.80 5.77 5.76 5.63 5.41
5
4.71 4.60 4.57 4.50 4.23
4,2
3.95 3.82 3.70 3.70 3,4 1
Intensitätsgrad
2
Erstmaligkeitsgrad
3
Implikationsgrad
Abbildung 21. Intensitätsgrad, Erstmaligkeitsgrad und Implikationsgrad der Arten der Verfahrensinnovationen (anhand der Mittelwerte, V. = Verfahrensinnovationen) Zur Bestimmung des Innovationsgrades wurden die Kriterien Intensitäts-, Erstmaligkeits- und Implikationsgrad zusammengefasst, und die resultierende Variable „Innovationsgrad“ in Terzile gesplittet. Nach diesem Terzilsplit wurde die Anzahl der Verfahrensinnovationen mit niedrigem, mittlerem und hohem Innovationsgrad ermittelt, die in Tabelle 34 über alle Fälle summiert und in Abhängigkeit von der Art der Verfahrensinnovation veranschaulicht ist. Insgesamt betrachtet weisen aus der Sicht der befragten Führungskräfte knapp die Hälfte (47%) der Verfahrensinnovationen einen niedrigen Innovationsgrad auf. Circa einem Viertel (28%) der Verfahrensinnovationen wird ein mittlerer und einem weiteren Viertel ein hoher Innovationsgrad (25%) zuerkannt.
241
Tabelle 34. Häufigkeiten der Arten der Verfahrensinnovationen mit niedrigem, mittlerem und hohen Innovationsgrad Ausprägung des Innovationsgrades Arten der Verfahrensinnovationen
niedrig
mittel
hoch
software- und netzbezogene Verfahrensinnovationen
20 %
10 %
11 %
marketingbezogene Verfahrensinnovationen
8%
5%
4%
personalbezogene Verfahrensinnovationen
8%
6%
4%
controllingbezogene Verfahrensinnovationen
5%
3%
2%
produktionsbezogene Verfahrensinnovationen
2%
1%
2%
sonstige Verfahrensinnovationen
4%
3%
2%
Gesamt
47 %
28 %
25 %
Anmerkungen. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 394. Die Bestimmung der drei Stufen des Innovationsgrades erfolgte durch Terzilbildung der Variable „Innovationsgrad“ (niedrig < 4.99, mittel < 5.00 bis 5.74, hoch > 5.75). Die Antwortskala war 7-fach gestuft.
Neben dieser generellen Betrachtung des Innovationsgrades ist die Frage interessant, ob der Innovationsgrad pro Art der Verfahrensinnovation unterschiedlich eingeschätzt wurde. Schon die deskriptive Analyse (s. Tabelle 34) lässt erkennen, dass alle Arten der Verfahrens-innovationen bezüglich der Ausprägung der drei Stufen des Innovationsgrades (niedrig, mittel, hoch) vergleichbar sind. Die inferenzstatistische Prüfung bestätigt diesen Eindruck: Es wurde geprüft, ob sich die Arten der Verfahrensinnovationen in Bezug auf den Innovationsgrad voneinander unterscheiden, wozu die ursprünglich intervallskalierten Daten verwendet wurden. Eine einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) zeigt, dass zwischen den Gruppen keine signifikante Unterschiede in Bezug auf den Innovationsgrad bestehen (F (5, 393) = 1.12, p > .05). (Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weichen bei der ANOVA die Nennerfreiheitsgrade vom Stichprobenumfang ab und betragen df = 393. Da es sich um 5 Gruppen plus 1 Gruppe (sonstige Verfahrensinnovationen) handelt, betragen die Zählerfreiheitsgrade df = 5.) Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass ein unterschiedlich hoher Innovationsgrad der Verfahrensinnovationen verfälschend auf die Untersuchungsergebnisse Einfluss nimmt. Vielmehr sind die Arten der Verfahrensinnovationen bezüglich ihres Innovationsgrades miteinander vergleichbar, was die zusammenfassende Analyse aller in dieser Untersuchung vertretenen Neuerungen rechtfertigt. 4.1.3
Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf die Unsicherheit
Die Unsicherheit – also das innovationsimmanente Risiko – der Verfahrensinnovationen wurde kriterienspezifisch erfasst (s. Kapitel 2.1.2.2). Die Mittelwerte und Standardabweichungen der 242
Kriterien der Unsicherheit für alle untersuchten Verfahrensinnovationen zeigt Tabelle 35. Dabei wird deutlich, dass die Neuerungen aus der Sicht der befragten Führungskräfte – insgesamt gesehen – in mittlerem Ausmaß unsicherheitsbehaftet waren. Tabelle 35. Mittelwerte und Standardabweichungen für die Unsicherheit aller untersuchten Verfahrensinnovationen Unsicherheit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf...
M
SD
...Erfolg
4.25
1.87
...zeitliche Dauer
3.81
1.98
...erforderlichen Wissenserwerb
3.79
1.91
...Kosten
3.42
1.87
Unsicherheit gesamt
3.82
1.37
Anmerkungen. Die Analyse bezieht sich auf N = 399 Fälle. Die Antwortskala war 7-fach gestuft.
Dies Ausmaß, in dem die fünf Arten der Verfahrensinnovationen als unsicher im Hinblick auf den Erfolg, die zeitliche Dauer, den erforderlichen Wissenserwerb und die Kosten sowie die Unsicherheit insgesamt eingeschätzt wurden, ist in Abbildung 22 dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde die Kategorie „sonstige Verfahrensinnovationen“ nicht in diese Darstellung aufgenommen. Zur vergleichenden Analyse der Verfahrensinnovationen wurden die Items zur Messung der Unsicherheit zur Skala „Unsicherheit“ additiv zusammengefasst. Eine einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten der Verfahrensinnovationen im Hinblick auf ihre Unsicherheit (F
(5, 393)
=
1.73, p > .05). (Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weichen bei dieser ANOVA die Nennerfreiheitsgrade vom Stichprobenumfang ab und betragen df = 393. Da es sich um 5 Gruppen plus 1 Gruppe (sonstige Verfahrensinnovationen) handelt, betragen die Zählerfreiheitsgrade df = 5.) Daraus folgt, dass die hier untersuchten Arten der Verfahrensinnovationen auch bezüglich ihrer Unsicherheit miteinander vergleichbar sind. Dieser Befund legitimiert somit im Hinblick auf das Merkmal „Unsicherheit“ die zusammenfassende Analyse aller in dieser Untersuchung vertretenen Projekte.
243
4,9
4.71 4.47
4,4
4.40
4.19
4.16
4.00
3.66
3.89 3.87
3.98
3.87
3,9
Softw are und netzw erkbezogene V. Marketingbezogene V. Personalbezogene V. Controllingbezogene V. Produktionsbezogene V.
3.83
3.85 3.55
3.61 3,4
3.44
3.59 3.47
3.45
3.53
3.45 3.16
2.98
3.12 3.08
2,9
Unsicherheit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf... Erfolg
zeitliche Dauer
erforderlichen Wissenserwerb
Kosten
Unsicherheit gesamt
Abbildung 22. Unsicherheit der Arten der Verfahrensinnovationen (anhand der Mittelwerte, V. = Verfahrensinnovation) 4.1.4 Vergleichbarkeit der Verfahrensinnovationen in Bezug auf die Konflikte Als weiteres Merkmal der Verfahrensinnovationen wurde die Ausprägung der Konfliktart und -intensität (s. Kapitel 2.1.2.4) analysiert. Die befragten Führungskräfte gaben für Beurteilungsund Bewertungskonflikte (M = 2.84, SD = 1.52) sowie für Verteilungskonflikte (M = 2.70, SD = 1.77) an, dass die Verfahrensinnovationen – insgesamt gesehen – in mittlerem Ausmaß konfliktintensiv waren. Die Ergebnisse der deskriptiven Analyse der Konfliktart und -intensität in Abhängigkeit von der Art der Verfahrensinnovation veranschaulicht Abbildung 23.
Konfliktintensität
3.03 2.73
2.67
2.48 2.58
2.60
2.73
2.97 2.86
software- und netzbezogene V. marketingbezogene V. personalbezogene V.
2.26
controllingbezogene V. produktionsbezogene V. Anmerkung zur Abbildung 25. Es sind die Mittelwerte dargestellt. Die Skala war 7-fach gestuft (1= stimmt gar nicht, 7= stimmt völlig.
Beurteilungs- und
Verteilungskonflikt
V. = Verfahrensinnovation).
Abbildung 23. Grad der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte und der Verteilungskonflikte der Arten der Verfahrensinnovationen 244
Eine einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) zeigt, dass sich die untersuchten Arten der Verfahrensinnovationen in Bezug auf den Grad der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte 392)
(F (5,
= 3.56, p < .05) signifikant voneinander unterscheiden. Da der Post-Hoc Test nach Scheffé
aber lediglich die Unterschiede zwischen drei von 15 Subgruppenvergleichen als signifikant auswies, ist nicht davon auszugehen, dass sich dieser Effekt bedeutsam auf die zu überprüfenden Zusammenhänge in dieser Untersuchung auswirkt.174 Eine weitere einfaktorielle Varianzanalyse demonstriert außerdem, dass zwischen den Gruppen keine bedeutsamen Unterschiede bezüglich der Verteilungskonflikte bestehen (F (5, 368) = 1.85, p > .05).175 Aus diesem Grund sind die untersuchten Arten der Verfahrensinnovationen auch im Hinblick auf ihre Konfliktintensität weitgehend miteinander vergleichbar. Die varianzanalytischen Prüfungen ergaben insgesamt, dass die in dieser Untersuchung vertretenen Arten der Innovationsprojekte bezüglich der Merkmale Unsicherheit, Innovationsgrad und Konfliktintensität miteinander vergleichbar sind, wodurch die zusammenfassende Analyse der Projekte gerechtfertigt ist.
4.2 Innovationserfolg, innovationsbezogene Erlebens- und Verhaltensweisen und Konflikte Im Anschluss wird empirisch untersucht, welche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte den Innovationserfolg in welchem Ausmaß fördern bzw. hemmen. Daran schließt sich die differenzielle Analyse ausgewählter zusätzlicher Prädiktoren für die Implementierung einer Verfahrensinnovation mit Hilfe einer linearen Strukturmodellierung an. Dies führt die schließlich zur Frage, inwieweit die Intensität der Emotionen der geführten Führungskräfte ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen bedingen. Neben den Emotionen werden ferner die Effekte der Kombination der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte auf ihre Emotionalität, ihr Innovationsverhalten und ihre innovationshinderlichen Verhaltensweisen überprüft. 4.2.1
Wirkungen innovationsbezogener Verhaltensweisen auf den Innovationserfolg
Nach dem Modell der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1990) wurde angenommen, dass für den Führungserfolg – also den Erfolg einer Verfahrensinnovation – bestimmte Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte funktional sind, während andere Verhaltensweisen dysfunktional sind. Es wurde zwischen Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und innovationshinderlichen Verhaltensweisen (Flucht und intrapsychische Anpassung) unterschieden, wobei diese innovationsbezogenen Verhaltensweisen komplementäre 245
Wirkungen im Hinblick auf den Innovationserfolg haben dürften: Während die ökonomischen Zielkriterien der Arbeitseinheit (z. B. Effektivität, Effizienz), die individuellen/sozialen Kriterien (z. B. anfängliche Hoffungen und Befürchtungen) und die unvorhergesehenen Sekundäreffekte (z. B. Lernzuwachs) durch die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung gefördert werden dürften, werden diese Kriterien des Innovationserfolgs durch intrapsychische Anpassung und Flucht blockiert. Entsprechend wurden die Hypothesen zum Einfluss der Komponenten des Innovationsverhaltens und der innovationshinderlichen Verhaltensweisen auf den Innovationserfolg wie folgt formuliert: Hypothese 1a: Der Innovationserfolg ist sowohl eine positive Funktion der Verhaltensweise Ideengenerierung/-prüfung als auch der Implementierung. Hypothese 1b: Der Innovationserfolg ist sowohl eine negative Funktion der Verhaltensweise intrapsychische Anpassung als auch der Flucht. Um zunächst Aufschluss über die postulierten Zusammenhänge der innovationsbezogenen Verhaltensweisen mit dem Innovationserfolg zu erhalten, wurden die bivariaten Korrelationen zwischen den Variablen berechnet, die in Tabelle 36 dargestellt sind. Die betrachteten innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sind bedeutsam mit dem Innovationserfolg verbunden: Es besteht eine signifikante – vom Betrag her mittlere – positive Korrelation zwischen der Ideengenerierung/-prüfung und dem Innovationserfolg sowie eine signifikante – vom Betrag her hohe – positive Korrelation zwischen der Implementierung und dem Innovationserfolg. Tabelle 36. Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs mit der Ideengenerierung/-prüfung, Implementierung, intrapsychischen Anpassung und Flucht Variable Innovationserfolg
M
SD
Ideengenerierung/-prüfung
Implementierung
intrapsychische Anpassung
Flucht
5.23
1.33
.31***
.60***
-.56***
-.49***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 387 und N = 393. Die Antwortskalen waren 7-fach gestuft. ***p < .001.
Dabei verweist die Höhe des Zusammenhangs zwischen der Implementierung und dem Innovationserfolg (r = .60, p < .001, N = 390) darauf, dass die Implementierung und der Innovationserfolg zwar verbunden, aber eben nicht identisch sind. Dieser Befund widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass der Erfolg einer Verfahrensinnovation mit ihrem Diffusionsgrad innerhalb der Organisation gleichzusetzen ist. Insofern sind Messungen, die den Innovationser-
246
folg anhand der intraorganisationalen Umsetzung der Neuerung vornehmen, grundsätzlich problematisch. Außerdem korrelieren Flucht und intrapsychische Anpassung jeweils in hohem Ausmaß signifikant negativ mit dem Innovationserfolg. Dies deutet bereits an, dass die postulierten Zusammenhänge der Hypothesen 1a und 1b von der Richtung her zutreffen. Um differenzierte Aussagen über die Bedingtheit des Innovationserfolgs durch die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte treffen zu können, wurden neben den bivariaten Korrelationsanalysen entsprechend der Annahme der Komplementarität des Innovationsverhaltens und der innovationshinderlichen Verhaltensweisen zwei hierarchische Regressionsanalysen berechnet, wobei der Innovationserfolg jeweils die Kriteriumsvariable darstellte. Bei der ersten hierarchischen Regressionsanalyse wurde geprüft, ob allein die Implementierung für den Innovationserfolg maßgeblich ist oder ob trotz der substanziellen Korrelation von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung (vgl. Kapitel 4.2.2.) die zusätzliche Berücksichtigung der Ideengenerierung/-prüfung einen inkrementellen Varianzbeitrag zur Vorhersage des Innovationserfolgs leistet. Im ersten Regressionsschritt wurde die Implementierung als Prädiktor des Innovationserfolgs angenommen, im zweiten Regressionsschritt wurde die Ideengenerierung/-prüfung hinzugefügt. Der Zuwachs an Varianzaufklärung in der Kriteriumsvariable „Innovationserfolg“ durch den zweiten Regressionsschritt stellt die kritische Prüfgröße für die Modellannahme dar, dass der Innovationserfolg durch die Implementierung und die Ideengenerierung/-prüfung prädiktiert werden kann. Das Ergebnis der ersten hierarchischen Regressionsanalyse ist in Tabelle 37 abgebildet. Tabelle 37. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung Kriteriumsvariable Innovationserfolg Prädiktoren R2 R 1. Regressionsschritt Implementierung 2. Regressionsschritt Implementierung Ideengenerierung/prüfung
F
df
.60
.35
213.02***
1, 388
.61
.37
112.75***
2, 387
¨R2
ß .60***
.01 .55*** .13**
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2 = Anstieg in R2. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 390. **p < .01, ***p < .001.
Nachdem beide Prädiktoren in das Regressionsmodell aufgenommen worden waren, betrug der multiple Korrelationskoeffizient R = .61. Nach dem ersten Regressionsschritt, unter Berücksichtigung der Implementierung, betrug R = .60. Der Vergleich des zweiten mit dem ersten Regressionsmodell zeigt, dass die Berücksichtigung der Ideengenerierung/-prüfung als zusätzlicher Prä247
diktor des Innovationserfolgs neben der Implementierung mit einem signifikanten Zuwachs in R2 verbunden ist (¨F (1, 387) = 8.42, p < .01). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Zuwachs in Höhe von 1% zwar signifikant, aber laut Cohen (1992) vergleichsweise gering ausfällt. Das Ergebnis dieses Modellvergleichs bestätigt die Hypothese 1a, dass der Innovationserfolg durch beide Komponenten des Innovationsverhaltens der geführten Führungskräfte in positiver Richtung vorhersagbar ist. Die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung erklären gemeinsam 37% der Varianz des Innovationserfolgs, was als bedeutsame Varianzerklärung gewertet werden kann. Die Höhe der ß-Gewichte der beiden Prädiktoren (s. Tabelle 37) verdeutlicht, dass der Innovationserfolg maßgeblich durch die Implementierung gefördert wird, während die Ideengenerierung/-prüfung zwar signifikant positiv zum Innovationserfolg beiträgt, aber im Vergleich zur Implementierung von untergeordneter Bedeutung ist. Bei der zweiten hierarchischen Regressionsanalyse wurde analog zum obigen Vorgehen für die innovationshinderlichen Verhaltensweisen geprüft, ob allein die intrapsychische Anpassung den Innovationserfolg negativ prädiktiert oder ob trotz der bedeutsamen Korrelation von intrapsychischer Anpassung und Flucht (r = .55, p < .001, N = 390) die zusätzliche Berücksichtigung von Flucht mit einer bedeutsamen Varianzerklärung des Innovationserfolgs verbunden ist. Im ersten Regressionsschritt fand die intrapsychische Anpassung Eingang in den Regressionsansatz; im zweiten Regressionsschritt wurde zusätzlich Flucht in das Modell aufgenommen. Wiederum gilt der Zuwachs an Varianzaufklärung in der Kriteriumsvariable „Innovationserfolg“ durch den zweiten Regressionsschritt als kritische Prüfgröße für die Hypothese, dass der Innovationserfolg durch intrapsychische Anpassung und Flucht vorhergesagt werden kann. Tabelle 38 stellt zusammenfassend das Ergebnis der zweiten hierarchischen Regressionsanalyse dar. Nachdem sowohl intrapsychische Anpassung als auch Flucht in das Regressionsmodell integriert worden sind, betrug der multiple Korrelationskoeffizient R = .60, während er nach dem ersten Regressionsschritt, unter alleiniger Berücksichtigung der intrapsychischen Anpassung lediglich R = .56 betrug. Vergleicht man das zweite mit dem ersten Regressionsmodell, so wird deutlich, dass durch die Aufnahme von Flucht in die Regressionsgleichung eine statistisch bedeutsame Steigerung in R2 erzielt werden konnte (¨F
(1, 384)
= 26.49, p < .001). Der Modellver-
gleich bestätigt die Hypothese 1b, dass der Innovationserfolg durch beide Komponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte in negativer Richtung vorhersagbar ist, und dass zusätzlich zur intrapsychischen Anpassung auch durch das Fluchtverhalten der geführten Führungskraft der Innovationserfolg gehemmt wird.
248
Tabelle 38. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch intrapsychische Anpassung und Flucht Kriteriumsvariable Innovationserfolg Prädiktoren R2 R 1. Regressionsschritt .56 .31 intrapsychische Anpassung 2. Regressionsschritt .60 .36 intrapsychische Anpassung Flucht
F 173.85***
df 1, 385
¨R2
ß -.56***
105.92***
2, 384
.04 -.42*** -.25***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2 = Anstieg in R2. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 387. ***p < .001.
Im Vergleich zur ersten hierarchischen Regressionsanalyse fällt der Zuwachs in R2 durch die Berücksichtigung von Flucht in der zweiten Regression in Höhe von 4% deutlich höher aus. Nach Cohen (1992) ist eine zusätzliche Varianzerklärung ab 4% durch die Hinzunahme eines weiteren Prädiktors als hoch zu bewerten. Insgesamt erklären die intrapsychische Anpassung und Flucht 36% der Varianz des Innovationserfolgs, was für eine beträchtliche Varianzerklärung spricht. Die Höhe der ß-Gewichte der Prädiktoren (s. Tabelle 38) macht darauf aufmerksam, dass der Misserfolg der Innovation stärker durch intrapsychische Anpassung als durch Fluchtverhalten der geführten Führungskräfte herbeigeführt wird. Insgesamt betrachtet verweisen die Vorzeichen der ß-Gewichte in beiden Regressionsanalysen (s. Tabelle 37 und 38) darauf, dass der Innovationserfolg durch die Ideengenerierung/prüfung und Implementierung positiv prädiktiert wird, während er durch intrapsychische Anpassung und Flucht jeweils negativ vorhergesagt werden kann. Als Resümee kann deshalb festgehalten werden, dass intrapsychische Anpassung und Flucht – in entgegengesetzter Richtung – zur Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung einen maßgeblichen Beitrag zur Vorhersage des Innovationserfolgs liefern. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Modellannahme der Komplementarität des Innovationsverhaltens und der innovationshinderlichen Verhaltensweisen Geltung beanspruchen kann, was auch durch die etwa gleiche Höhe der R2 in beiden Regressionsanalysen zum Ausdruck kommt. Da durch die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte bedeutsame Varianzanteile des Innovationserfolgs gebunden werden konnten, scheint es gelungen zu sein, einen innovations(-miss)erfolgsrelevanten Ausschnitt der Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte identifiziert zu haben. Diese Befundlage impliziert unmittelbar Konsequenzen für das praktische Innovationsmanagement in Organisationen. Fokussiert man die Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte, so ist es zur Sicherstellung des Innovationserfolgs nicht hinreichend, Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung zu fördern. Vielmehr müssen Prozesse der 249
intrapsychischen Anpassung und Flucht verringert werden. Da intrapsychische Anpassung im Vergleich zum Fluchtverhalten dysfunktionalere Effekte für den Innovationserfolg hat, gilt es insbesondere, Beschönigungen der Ist-Situation bzw. Herabsetzungen der Soll-Situation (Gebert, 2002a) vorzubeugen. Ferner wurde deutlich, dass der Ideengenerierung/-prüfung im Vergleich zur Implementierung eine geringere Funktionalität für den Innovationserfolg zukommt. Deshalb ist es erforderlich, insbesondere das Implementierungsverhalten zu unterstützen. Da jedoch der Implementierungsprozess einer Neuerung besonders störanfällig sein kann (Anderson & King, 1993), wird er im folgenden Kapitel einer detaillierteren Analyse unterzogen. 4.2.2 Wirkungen der Konflikte und des Widerstands auf die Implementierung Wie gezeigt wurde, trägt im Vergleich zur Ideengenerierung/-prüfung vor allem das Implementierungsverhalten positiv zum Innovationserfolg bei. Nachfolgend werden weitere Prädiktoren der Implementierung der Verfahrensinnovation untersucht. Das Ziel besteht dabei darin, differenzielle implementierungsrelevante Effekte zu prüfen. Dies ist vor allem deshalb erforderlich, weil im Hinblick auf die Implementierung von Neuerungen bislang vergleichsweise wenige empirisch fundierte Forschungsbefunde vorliegen (Axtell et al., 2000). In Bezug auf die Verbindung der Komponenten des Innovationsverhaltens wurde die Hypothese 2a dabei wie folgt formuliert: Hypothese 2a: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Ideengenerierung/ -prüfung und der Implementierung der Verfahrensinnovation. Die Korrelation zwischen der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung beträgt r = .34, p < .001, N = 393. Dies entspricht einer Varianzerklärung von etwa 12 %. Die Hypothese 2a kann somit empirisch bestätigt werden. Der Betrag der Korrelation fällt in dieser Untersuchung damit etwas niedriger aus als in anderen Untersuchungen: So fanden beispielsweise Axtell et al. (2000, p. 273) einen positiven Zusammenhang zwischen der Generierung von Ideen und ihrer Umsetzung in Höhe von r = .54, p < .001, N = 147. Die Höhe der Varianzerklärung in der Variable „Implementierung“ in der vorliegenden Untersuchung – aber auch in anderen Arbeiten – verweist also darauf, dass viele der generierten und auf ihre Tauglichkeit geprüften Ideen im Alltag zu versanden scheinen. Der Grund hierfür besteht darin, dass der Prozess der Transformation von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung durch Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte (Rüttinger, 1977), aber auch Widerstand gegen die Innovation gekennzeichnet ist. Es wurde angenommen, dass die Intensität dieser Konflikte und des Wider-
250
stands gegen eine Neuerung nicht die Ideengenerierung/-prüfung, sondern die Implementierung beeinflussen. Nun lassen sich auf der theoretischen Ebene zwar Beurteilungskonflikte – die als Sachkonflikte interpretierbar sind – von Bewertungskonflikten – die als Zielkonflikte interpretierbar sind – klar abgrenzen (Jehn & Mannix, 2001). Empirisch zeigte die Hauptkomponentenanalyse in dieser Untersuchung jedoch, dass diese beiden Konfliktarten nicht separierbar sind (s. Kapitel 3.4.1.3). Vermutlich spiegelt sich in diesem Ergebnis die häufig auftretende wechselseitige Verstärkung von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten (Gebert, 2004; Pelled, 1996) wider, so dass – wie schon theoretisch vermutet wurde – diese beiden Formen des Konflikts sich im Innovationsgeschehen nicht in ihrer „reinen Form“ diagnostizieren lassen. Im Rahmen der Modellbildung wurde argumentiert, dass sich Beurteilungs- und Bewertungskonflikte einerseits und Verteilungskonflikte andererseits zwischen der geführten Führungskraft und ihrem Vorgesetzten in ihrer Wirkung auf die Implementierung der Verfahrensinnovation unterscheiden: Da bei Verteilungskonflikten die ungenaue und verdeckte Kommunikation zunimmt (Gebert, 2002a; Neuberger, 1995b), dürften sie für die Implementierung hinderlicher sein als Beurteilungs- und Bewertungskonflikte. Außerdem wurde postuliert, dass mit zunehmender Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte wie auch der Verteilungskonflikte der Widerstand gegen die Verfahrensinnovation steigt, der aufgrund seiner destruktiven, verdeckten Form (Hauschildt, 1999) die Implementierung hemmt. Demnach wurden folgende Hypothesen generiert: Hypothese 2b: Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbarem Vorgesetzten sind für die Implementierung dysfunktionaler als Beurteilungsund Bewertungskonflikte zwischen ihnen. Hypothese 2c: Sowohl Beurteilungs- und Bewertungskonflikte als auch Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten wirken sich positiv auf (2c-1) Widerstand der geführten Führungskraft im Innovationsprozess aus, der (2c-2) seinerseits dysfunktionale Effekte für die Implementierung der Verfahrensinnovation hat. Zur Überprüfung dieser Effekte wurden die theoretischen Annahmen der Hypothesen 2b und 2c in ein lineares Strukturgleichungsmodell mit direkten und indirekten Effekten überführt. Bevor die Ergebnisse dieser linearen Strukturmodellierung dargestellt werden, sind in Tabelle 39 vorerst die Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Variablen abgebildet.
251
Tabelle 39. Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Konfliktarten, des Widerstands und der Implementierung Variable
M
SD
N
1
2
3
1 Beurteilungs- und Bewertungskonflikte 2 Verteilungskonflikte
2.84
1.52
398
–
2.70
1.77
374
.41***
–
3 Widerstand
1.33
.73
368
.31***
.37***
–
4 Implementierung
5.79
1.20
395
-.25***
-.35***
-.42***
4
–
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Die Skalen waren 7-fach gestuft. Schwankungen in der Stichprobengröße entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. ***p < .001.
Es zeigen sich bedeutsame mittlere positive Zusammenhänge zwischen Beurteilungs- und Bewertungskonflikten sowie Verteilungskonflikten, Beurteilungs- und Bewertungskonflikten und Widerstand sowie Verteilungskonflikten und Widerstand. Je stärker demzufolge die Konfliktarten im Innovationsprozess ausgeprägt sind, umso intensiver wird verdeckter Widerstand gegen die Verfahrensinnovation geleistet. Darüber hinaus sind sowohl Beurteilungs- und Bewertungskonflikte als auch Verteilungskonflikte in mittlerem Ausmaß signifikant negativ mit der Implementierung verbunden. Auch Widerstand hängt signifikant negativ mit der Implementierung der Verfahrensinnovation zusammen. Zur linearen Strukturgleichungsmodellierung wurde die empirische Korrelationsmatrix mit der vom Modell implizierten Korrelationsmatrix verglichen. Alle Modellparameter wurden iterativ durch die Maximum-Likelihood-Methode geschätzt. Der Vorteil der Anwendung der linearen Strukturmodellierung besteht neben der Möglichkeit der Überprüfung der direkten und indirekten Effekte darin, dass durch die Trennung von Mess- und Strukturmodell der Anteil der messfehlerbereinigten Varianzerklärung ermittelbar ist. Bei der linearen Strukturmodellierung wurde eine Korrelationsmatrix als Ausgangsmatrix benutzt, die Varianzen der latenten Variablen wurden fixiert, alle Ladungen und Residuen wurden frei geschätzt. Ferner wurden im Messmodell korrelierte Faktoren und einzelne korrelierte Residuen angenommen. Sowohl die manifesten als auch die latenten Variablen wurden durch beobachtete Variablen spezifiziert. Im Hinblick auf die Modellanpassung lassen sich verschiedene Kennwerte unterscheiden (s. Kaplan, 2000). Der F2-Wert liefert als inferenzstatistischer Kennwert zwar einen Hinweis auf die Modellpassung, indem er den Grad der Abweichung zwischen den Daten und dem Modell beschreibt, er ist jedoch sensibel gegenüber der Stichprobengröße. Aus diesem Grund haben sich ca. 50 zusätzliche Fit-Indizes durchgesetzt, wobei der Goodness of Fit Index (GFI), der Adjusted Goodness of Fit Index (AGFI) und der Root-Mean-Square Error of Approximation (RMSEA) zu den gebräuchlichsten gehören. Der GFI beschreibt, inwiefern ein Modell die Daten besser be252
schreibt als das saturierte Modell. Der AGFI gibt an, inwiefern ein Modell in Abhängigkeit von seinen Freiheitsgraden die Daten besser beschreibt als das saturierte Modell. Sowohl der GFI als auch der AGFI können Werte zwischen 0 (kein Fit) und 1 (perfekter Fit) annehmen, sie sollten bei einer guten Modellanpassung mindestens .90 betragen. Der RMSEA – der die Größe der Fehlervariablen zu den Freiheitsgraden eines Modells ins Verhältnis setzt – sollte bei einer guten Modellanpassung kleiner als oder gleich .05 sein. Wie Tabelle 40 veranschaulicht, weist das Modell mit direkten und indirekten Effekten unter Berücksichtigung des F2- Wertes, des GFI, des AGFI und des RMSEA eine gute Anpassung auf. Die von diesem Modell implizierte Korrelationsmatrix entspricht demnach gut der empirischen Korrelationsmatrix. Demzufolge zeigen die Ergebnisse eine Bestätigung des Modells mit direkten und indirekten Effekten der Konfliktarten und des Widerstands auf die Implementierung der Verfahrensinnovation. Tabelle 40. Anpassungsgüte des Strukturgleichungsmodells mit direkten und indirekten Effekten der Konfliktarten und des Widerstand als Determinanten der Implementierung Modell mit direkten und indirekten Effekten
df
F2
p
39
73.73
< .05
GFI
AGFI
RMSEAa
.97
.94
.04 .03 .06
Anmerkungen. AGFI = Adjusted Goodness of Fit Index. df = Freiheitsgrade. F2 = Chi-Quadrat-Wert. GFI = Goodness of Fit Index. RMSEA = Root-Mean-Square Error of Approximation. p = Wahrscheinlichkeit. a Unterhalb der Punktschätzung des RMSEA ist das Konfidenzintervall angegeben.
Das Pfaddiagramm mit den Parameterschätzungen für das Struktur- und das Messmodell der Beurteilungs-/Bewertungskonflikte und Verteilungskonflikte sowie des Widerstands als Determinanten der Implementierung ist in Abbildung 24 dargestellt. Wie Abbildung 24 veranschaulicht, sind alle direkten und indirekten Pfade signifikant. Es wird deutlich, dass die Konfliktarten auf zwei direkten Pfaden das Ausmaß der Implementierung der Verfahrensinnovation unmittelbar und auf zwei indirekten Pfaden über den Widerstand mittelbar beeinflussen.
253
.67
.83
.77
BK1
BK2
BK3
.57
.48
.41
Beurteilungs-/ Bewertungskonflikte
.20
.18 .75
.00
W1
.00
W2
.01
W3
.01
W4
.99 .99 .98 .97
Widerstand
-.16
Implementierung
.99 .84 .79
IMP1
.00
IMP2
.30
IMP3
.38
.82 .22
-.59
Verteilungskonflikte
.67
.57
VK1
VK2
.56
.68
Abbildung 24. Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten und indirekten Effekten der Konfliktarten und des Widerstands als Determinanten der Implementierung Anmerkungen zur Abbildung 24. Die Abbildung zeigt die vollstandardisierte Lösung. Kreise repräsentieren latente Variablen. Gestrichelte Pfeile auf die latenten endogenen Variablen repräsentieren die Residualvariablen. Pfeile mit Linien repräsentieren Pfade. Signifikante Pfade auf dem Niveau p < .01 fett und kursiv. Signifikante Pfade auf dem Niveau p < .001 fett. Für die manifesten exogenen und endogenen Variablen wurden Abkürzungen verwendet, deren vollständiger Wortlaut im Kapitel 3.4 abgedruckt ist.
Dabei unterscheiden sich die Konfliktarten in ihrer direkten Wirkung auf die Implementierung: Während die latente exogene Variable „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ einen direkten positiven Effekt auf die latente endogene Variable „Implementierung“ hat, hat die latente exogene Variable „Verteilungskonflikte“ einen sehr starken negativen Effekt auf die latente endogene 254
Variable „Implementierung“. Die unterschiedliche Richtung und Höhe dieser direkten Pfade der Konfliktarten auf die Implementierung sprechen für die Bestätigung der Hypothese 2b. Gegenüber der bivariaten Korrelation zwischen Beurteilungs-/Bewertungskonflikten und der Implementierung (s. Tabelle 39), hat der Pfadkoeffizient des direkten Effekts der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte auf die Implementierung ein positives Vorzeichen (ß = .18). Methodisch argumentiert ist dies dadurch bedingt, dass ins Strukturmodell der Gesamtzusammenhang aller direkten und indirekten Effekte eingeht. Inhaltlich argumentiert kommt das positive Vorzeichen der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte dadurch zustande, dass sich in diesem Faktor zwei theoretisch unterschiedliche Konflikttypen (s. Rüttinger, 1977) widerspiegeln, die sich jedoch in der vorliegenden Untersuchung empirisch nicht trennen ließen. Da in der vorliegenden Untersuchung im Faktor „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ (s. Kapitel 3.4.1.3) die Items zur Messung der Beurteilungskonflikte die höchsten Faktorladungen aufwiesen und das Item zur Messung der Bewertungskonflikte eine geringere Faktorladung hatte, wird erklärlich, dass dieser Faktor eher Beurteilungskonflikte als Bewertungskonflikte repräsentiert. Beurteilungskonflikte können klärenden Charakter haben. Deshalb ist der Gesamteffekt dieses Faktors auf dem direkten Pfad zur Implementierung positiv. (Zusätzlich wurde ein weiteres lineares Strukturmodell berechnet, in das alle drei Konfliktarten separat in die Modellierung der direkten und indirekten Effekte auf die abhängigen Variablen aufgenommen wurden. Allerdings weist dieses zusätzliche lineare Strukturmodell, das also zwischen Beurteilungs- und Bewertungskonflikten trennt, keine gute Modellpassung auf, was dafür spricht, Beurteilungs- und Bewertungskonflikte zusammengefasst als Determinante der Implementierung und des Widerstands anzunehmen.) Das vorstehende Strukturmodell (s. Abbildung 24) zeigt darüber hinaus zwei bedeutsame Pfade zwischen den Konfliktarten und dem Widerstand, der sich seinerseits signifikant negativ auf die Implementierung auswirkt: Sowohl die latente exogene Variable „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ als auch die latente exogene Variable „Verteilungskonflikte“ hat einen bedeutsamen mittleren positiven Effekt auf die latente endogene Variable „Widerstand“. Auf der Basis dieser Pfadkoeffizienten können die Hypothesen 2c-1 und 2c-2 empirisch bestätigt werden. Entgegen dem „klassischen Implementierungsdenken“ macht die Höhe des Pfadkoeffizienten des direkten Effektes zwischen der latenten Variable „Widerstand“ und der latenten endogenen Variable „Implementierung“ deutlich (ß = -.16), dass der Widerstand gegen die Neuerung einen vergleichsweise geringen Negativeffekt auf die Implementierung hat und demzufolge keine „Implementierungskatastrophe“ darstellt. Im relativen Geflecht hat Widerstand also einen vergleichsweise geringen negativen Effekt, während die Wahrnehmung von Verteilungskonflikten einen sehr starken Negativeffekt auf die Implementierung hat. 255
Während das zunehmende Ausmaß der wahrgenommenen Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem Vorgesetzten sehr starke Negativeffekte für die Implementierung der Verfahrensinnovation hat, zeigt sich für Beurteilungs- und Bewertungskonflikte ein differenziertes Bild: Auf dem direkten Pfad wirken sie sich positiv auf die Implementierung aus, während sie die Implementierung auf dem indirekten Pfad über den Widerstand negativ beeinflussen. Vergleicht man die Höhe der Pfadkoeffizienten im Strukturmodell, so wird deutlich, dass das Ausmaß der Verteilungskonflikte (mit negativem Vorzeichen) der unmittelbar bedeutsamste Prädiktor der Implementierung im Vergleich zu jedem anderen hier untersuchten Prädiktor ist. Mit Zunahme der wahrgenommenen Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem Chef sinkt somit sehr stark die Wahrscheinlichkeit, dass die Neuerung potenzial- und sinngemäß implementiert wird. Demgegenüber hat der Dissens z. B. über die Verteilung der Arbeitspakete (Beurteilungskonflikt) unmittelbar konstruktive Wirkungen auf die Implementierung. Dieser Dissens wirkt sich nur mittelbar durch die Zunahme des Widerstands leicht contraproduktiv auf die Implementierung aus. Die in diesem Strukturmodell untersuchten latenten Variablen „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“, „Verteilungskonflikte“ und „Widerstand“ erklären insgesamt 39.69 % der Varianz der latenten endogenen Variable „Implementierung“, was als bedeutsame Varianzaufklärung gewertet werden kann. Um den Datenfehler pro Konstrukt zu kontrollieren, wurde der erklärte Varianzanteil nach Holling (1993, S. 293) berechnet, so dass die Pfadkoeffizienten erst quadriert wurden, nachdem sie vorher auf ihre unterschiedliche Reliabilität hin relativiert worden sind. Zur Berechnung der Effektstärken der einzelnen Prädiktoren wurde die Varianzerklärung mit und ohne den entsprechenden Pfad im Kriterium verglichen (ebenda). Tabelle 41 gibt einen Überblick über die Verminderung der erklärten Varianz in der Kriteriumsvariable „Implementierung“ ohne den betreffenden Prädiktor. Dabei erweisen sich „Verteilungskonflikte“ als derjenige Prädiktor mit der größten Effektstärke. Tabelle 41. Ausmaß der Verminderung der aufgeklärten Varianz in der Kriteriumsvariable „Implementierung“ bei Elimination der Prädiktoren Prädiktoren Beurteilungs-/Bewertungskonflikte Verteilungskonflikte Beurteilungs-/Bewertungskonflikte über Widerstand Verteilungskonflikte über Widerstand
Ausmaß der verminderten Varianzerklärung im Kriterium „Implementierung“ 1% 20 % 0% 0%
Aus den Befunden dieser linearen Strukturmodellierung ist folgende Konsequenzen für das praktische Innovationsmanagement abzuleiten, die partiell den bisherigen Vorschlägen zur Unterstützung des Implementierungsverhaltens zuwiderläuft: Bisher versuchte man, die
256
Implementierung einer Neuerung dadurch zu fördern, dass man Widerstände z. B. durch frühzeitige und umfassende Information der Belegschaft weitgehend abzubauen versuchte (Gagné, Koestner und Zuckerman, 2000; Marr & Kötting, 1992). Wie die Resultate zeigen, ist Widerstand allerdings nicht der negativste Prädiktor der Implementierung. Durch die Fokussierung des Widerstands wird die wesentlich stärkere Relevanz der Verteilungskonflikte für die Implementierung vernachlässigt. Vor diesem Hintergrund ist für die Unterstützung der Implementierung einer Verfahrensinnovation eine Schwerpunktverlagerung zu empfehlen, die zukünftig stärker als bisher die Wahrnehmung der geführten Führungskräfte beeinflusst, dass es sich bei dieser Verfahrensinnovation um einen Verteilungskonflikt handelt, bei dem sie in der Summe genau das “verliert”, was ihr Vorgesetzter “gewinnt” (Nullsummenspiel). Denn Verteilungskonflikte haben im Vergleich zu allen anderen hier untersuchten Prädiktoren die dysfunktionalsten Effekte für die Implementierung. Sofern die geführte Führungskraft der Neuerung einen einseitigen Nutzen für ihren Vorgesetzten zuschreibt, ist der Misserfolg der Implementierung fast vorprogrammiert. Insofern ist es unerlässlich, a priori die Bewertung der geführten Führungskraft dahingehend glaubwürdig zu beeinflussen, dass die Neuerung gleichermaßen für sie als auch für ihren Vorgesetzten von Vorteil sein wird (Positivsummenspiel). Diese Interpretation durch die geführte Führungskraft setzt allerdings die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen voraus, auf die im Kapitel 5 eingegangen wird. 4.2.3 Wirkungen der Emotionen auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen Im theoretischen Modell wurde durch Bezugnahme auf das Modell von Lazarus (1966, 1991, 1993) und dessen innovationsspezifische Adaptierung (Gebert, 1987) angenommen, dass den innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte kognitiv-emotionale Prozesse vorgelagert sind. Nachfolgend werden deshalb die Ergebnisse dargestellt, die sich auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte als Determinanten ihrer innovationsbezogenen Verhaltensweisen beziehen. Neben den Kognitionen (kognitive Seite der Innovationsgeneigtheit) wurden die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte als Prädiktoren ihrer innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte angenommen (emotionale Seite der Innovationsgeneigtheit), weil Emotionen unmittelbar verhaltensrelevant sind (Weiss & Cropanzano, 1996). Bislang sind die Effekte von Emotionen auf das Innovationsverhalten und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen allerdings ungeklärt (Amabile, 1996). Aus der Tradition der Zwei-Faktorentheorie der Arbeitszufriedenheit (Herzberg et al., 1959) heraus wurde vorgeschlagen, die Art der Kombination des Erlebens positiver 257
und negativer Emotionen als entscheidende Bedingung für die Komponenten des Innovationsverhaltens und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen wie folgt anzusehen: Hypothese 3a-1: Die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung sind jeweils eine Funktion der positiven und negativen Emotionen: Mit Zunahme der Intensität positiver Emotionen steigen Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung, während sie mit Zunahme der Intensität negativer Emotionen sinken. Hypothese 3a-2: Zusätzlich zu den positiven Emotionen erklären die negativen Emotionen (in umgekehrter Richtung) bedeutsame Varianzanteile der Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung. Hypothese 3b-1: Intrapsychische Anpassung und Flucht sind jeweils eine Funktion der positiven und negativen Emotionen: Mit Zunahme der Intensität positiver Emotionen sinken Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht, während sie mit Zunahme der Intensität negativer Emotionen steigen. Hypothese 3b-2: Zusätzlich zu den positiven Emotionen erklären die negativen Emotionen (in umgekehrter Richtung) bedeutsame Varianzanteile der intrapsychischen Anpassung und Flucht. Die Überprüfung dieser Hypothesen erfolgte durch vier hierarchische Regressionsanalysen. Bevor deren Ergebnisse geschildert werden, gibt Tabelle 42 zunächst die bivariaten Korrelationen zwischen den Emotionen und den innovationsbezogenen Verhaltensweisen wieder. Die korrelationsanalytischen Ergebnisse bestätigen folgende signifikante Zusammenhänge zwischen den Variablen: Je intensivere positive Emotionen eine geführte Führungskraft während einer Verfahrensinnovation erlebt, desto stärker ist ihr Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/prüfung und Implementierung und desto schwächer ist ihr innovationshinderliches Verhalten der intrapsychischen Anpassung und Flucht. Umgekehrt gilt, dass mit Zunahme der Intensität negativer Emotionen die Tendenz zur intrapsychischen Anpassung und Flucht zunimmt aber die Implementierung abnimmt. Die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte korrelieren dabei signifikant negativ miteinander (r = –.40, p. < .001, N = 395). Dieses Ergebnis findet sich in vergleichbarer Höhe auch in der Untersuchung von George und Zhou (2002, p. 693), die ebenfalls einen negativen Zusammenhang zwischen positiven und negativen Emotionen von r = –.33, p <.01, N = 67 fanden.
258
Tabelle 42. Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelation der Emotionen, des Innovationsverhaltens und innovationshinderlicher Verhaltensweisen Variable
M
SD
N
1
2
3
4
5
1 positive Emotionen
5.14
1.25
395
–
2 Ideengenerierung/-prüfung
5.46
1.08
393
.52***
–
3 Implementierung
5.79
1.20
395
.50***
.34***
4 negative Emotionen
2.81
1.19
395
-.40***
-.08
-.33***
–
5 intrapsychische Anpassung
2.28
1.41
390
-.55***
-.32***
-.36***
.55***
–
6 Flucht
1.10
.66
396
-.47***
-.23***
-.43***
.45***
.55***
–
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen in der Stichprobengröße entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. ***p < .001.
Neben diesen Zusammenhangsmaßen wurden hierarchische Regressionsanalysen berechnet, bei denen in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Schritten zunächst nur die positiven Emotionen und anschließend die positiven und die negativen Emotionen Eingang in die Regressionsgleichung fanden. Bei jeder Regressionsanalyse wurde geprüft, ob allein die positiven Emotionen bedeutsam für die Ideengenerierung/-prüfung, Implementierung, intrapsychische Anpassung und Flucht sind oder ob die zusätzliche Berücksichtigung der negativen Emotionen weitere Varianzanteile zur Vorhersage der innovationsbezogenen Verhaltensweisen klärt. Die kritische Prüfgröße ist hierfür in allen nachfolgenden Regressionsanalysen der Zuwachs der Varianzerklärung in der jeweils betrachteten Kriteriumsvariable im zweiten Regressionsschritt. Tabelle 43 stellt das Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung durch die positiven und negativen Emotionen dar. Nachdem beide Prädiktoren in den Regressionsansatz aufgenommen worden waren, betrug der multiple Korrelationskoeffizient R = .55. Der Vergleich des zweiten mit dem ersten Regressionsschritt zeigt, dass die Hinzunahme der negativen Emotionen als zusätzlicher Prädiktor der Ideengenerierung/-prüfung neben den positiven Emotionen mit einem signifikanten Anstieg in R2 verbunden ist (s. Tabelle 43). Dieser Zuwachs ist zwar statistisch bedeutsam, fällt jedoch laut Cohen (1992) in Höhe von 2% vergleichsweise niedrig aus. Betrachtet man die standardisierten Regressionskoeffizienten ß im zweiten Regressionsschritt, so zeigt sich, dass mit zunehmender Intensität der positiven Emotionen die Ideengenerierung/-prüfung deutlich ansteigt, während sie mit zunehmender Intensität der negativen Emotionen sinkt.
259
Tabelle 43. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung durch die positiven und negativen Emotionen Kriteriumsvariable Ideengenerierung/-prüfung Prädiktoren R2 F R 1. Regressionsschritt .53 .28 154.62*** positive Emotionen 2. Regressionsschritt .55 .30 85.37*** positive Emotionen negative Emotionen
df 1, 391
¨R2
¨F a
2, 390
.02
11.84**
ß .53*** .60*** -.16**
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2= Anstieg in R2. ¨F = Anstieg in F. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 393. a Beim Vergleich der Regressionsmodelle beträgt df 1 = 1, df 2 = 390. **p < .01, ***p < .001.
Der Betrag der signifikanten ß-Gewichte macht außerdem darauf aufmerksam, dass die positiven Emotionen stärker als die negativen Emotionen auf die Ideengenerierung/-prüfung wirken. Das Ergebnis eines positiven Zusammenhangs zwischen der Ideengenerierung/-prüfung und den positiven Emotionen steht dabei im Einklang mit den experimentellen Befunden von Martin und Stoner (1996). Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sprechen jedoch eindeutig für die Annahme eines förderlichen Effekts der positiven Emotionen für die Ideengenerierung/-prüfung und eines blockierenden Effekts der negativen Emotionen für die Ideengenerierung/-prüfung. Analog zur Ideengenerierung/-prüfung wurden in der nachfolgenden hierarchischen Regressionsanalyse die positiven und negativen Emotionen als Prädiktoren der Implementierung berechnet (s. Tabelle 44). Wiederum belegen die signifikanten ß-Koeffizienten im zweiten Regressionsschritt, dass die Implementierung mit zunehmenden positiven Emotionen steigt und mit zunehmenden negativen Emotionen sinkt. Vom Betrag her wirken die positiven Emotionen stärker als die negativen Emotionen auf die Implementierung. Der Vergleich des zweiten mit dem ersten Regressionsschritt macht deutlich, dass die negativen Emotionen, werden sie nachfolgend zu den positiven Emotionen in die Regressionsgleichung eingeführt, eine zusätzliche signifikante Varianzaufklärung der Implementierung leisten, allerdings nur in Höhe von 2%. In Anbetracht dieser Ergebnisse können die Hypothesen 3a-1 und 3a-2 empirisch bestätigt werden: Sowohl die Ideengenerierung/-prüfung als auch die Implementierung sind durch positive und negative Emotionen vorhersagbar, wobei beide Komponenten des Innovationsverhaltens insbesondere durch die Zunahme der Intensität positiver Emotionen steigen, aber durch die Zunahme der Intensität negativer Emotionen sinken.
260
Tabelle 44. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der Implementierung durch die positiven und negativen Emotionen Kriteriumsvariable Implementierung Prädiktoren R2 R 1. Regressionsschritt .50 .25 positive Emotionen 2. Regressionsschritt .52 .27 positive Emotionen negative Emotionen
F 129.05***
df 1, 392
¨R2
¨F a
71.62***
2, 391
.02
10.93**
ß .50*** .44*** -.16**
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2 = Anstieg in R2. ¨F = Anstieg in F. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 394. a Beim Vergleich der Regressionsmodelle beträgt df 1 = 1, df 2 = 391. **p < .01,***p < .001.
Die Prüfung der Hypothese 3b erfolgt analog zum zuvor beschriebenen Hypothesentest. In Tabelle 45 sind die Ergebnisse der hierarchischen Regressionsanalyse für die positiven und negativen Emotionen als Prädiktoren der intrapsychischen Anpassung dargestellt. Anhand der Vorzeichen der signifikanten ß-Gewichte wird deutlich, dass intrapsychische Anpassung durch positive Emotionen negativ, durch negative Emotionen hingegen positiv vorhergesagt werden kann. Der Modellvergleich des zweiten mit dem ersten Regressionsschritt ergibt einen signifikanten Zuwachs in R2 durch die Berücksichtigung der negativen Emotionen als zusätzlichen Prädiktor der intrapsychischen Anpassung neben den positiven Emotionen. Im Gegensatz zu beiden Komponenten des Innovationsverhaltens ist der Zuwachs in Höhe von 13% durch die zusätzliche Berücksichtigung der negativen Emotionen im zweiten Regressionsschritt als sehr hoch zu bewerten, was für die Handlungsebene bedeutsame Konsequenzen impliziert. Die Ergebnisse der hierarchischen Regressionsanalyse für die positiven und negativen Emotionen als Prädiktoren des Fluchtverhaltens sind in Tabelle 46 abgebildet. Der Vergleich des zweiten mit dem ersten Regressionsschritt ergibt auch im Hinblick auf die Kriteriumsvariable „Flucht“, dass die negativen Emotionen eine signifikante inkrementelle Varianzaufklärung leisten. Dabei ist der Zuwachs der Varianzerklärung durch die Berücksichtigung des zweiten Prädiktors in Höhe von 8% wiederum als sehr hoch zu beurteilen. Die signifikanten standardisierten Regressionskoeffizienten verdeutlichen, dass das Fluchtverhalten mit Zunahme der positiven Emotionen sinkt, aber mit Zunahme der negativen Emotionen steigt.
261
Tabelle 45. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage der intrapsychischen Anpassung durch die positiven und negativen Emotionen Kriteriumsvariable intrapsychische Anpassung Prädiktoren R2 F R 1. Regressionsschritt .55 .30 165.29*** positive Emotionen 2. Regressionsschritt .65 .43 144.08*** positive Emotionen negative Emotionen
df 1, 387
¨R2
¨F a
2, 386
.13
86.40***
ß -.55*** -.39*** .38***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2 = Anstieg in R2. ¨F = Anstieg in F. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 389. a Beim Vergleich der Regressionsmodelle beträgt df 1 = 1, df 2 = 386. ***p < .001.
Aufgrund dieser Ergebnisse können demzufolge auch die Hypothesen 3b-1 und 3b-2 empirisch bestätigt werden: Durch die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte lassen sich intrapsychische Anpassung und Flucht vorhersagen, wobei mit zunehmenden positiven Emotionen die Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung und Flucht sinken, aber mit zunehmenden negativen Emotionen steigen. Tabelle 46. Ergebnis der hierarchischen Regressionsanalyse zur Vorhersage von Flucht durch die positiven und negativen Emotionen Kriteriumsvariable Flucht Prädiktoren R 1. Regressionsschritt .47 positive Emotionen 2. Regressionsschritt .55 positive Emotionen negative Emotionen
R2 .22
F 112.50***
df 1, 393
¨R2
¨F a
.31
86.35***
2, 392
.08
47.03***
ß -.47*** -.35*** .32***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. ¨R2 = Anstieg in R2. ¨F = Anstieg in F. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 395. a Beim Vergleich der Regressionsmodelle beträgt df 1 = 1, df 2 = 392 . ***p < .001.
Diese Ergebnisse erhärten die Annahme der handlungsleitenden Effekte der Emotionen in Innovationsprozessen in den prognostizierten komplementären Richtungen. Die positiven und negativen Emotionen konnten folgende Varianzanteile (R2) in den Kriteriumsvariablen erklären: 30% der Varianz der Ideengenerierung/-prüfung, 27% der Varianz der Implementierung, 43% der Varianz der intrapsychischen Anpassung und 31% der Varianz des Fluchtverhaltens. Pro abhängiger Variable kann dies als bedeutsame Varianzaufklärung gewertet werden. Vergleicht man die Modellgüte der vier vorgestellten Regressionsmodelle anhand dieser erklärten Varianzanteile, so zeigt sich, dass die positiven und negativen Emotionen den stärksten Einfluss auf die intrapsychische Anpassung haben. 262
Sowohl das Innovationsverhalten – Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung – als auch die innovationshinderlichen Verhaltensweisen – intrapsychische Anpassung und Flucht– sind also gut durch die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte prädiktierbar. Dies ist umso wichtiger, als bereits gezeigt wurde (Kapitel 4.2.1), dass der Innovationserfolg einerseits durch die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung positiv und andererseits durch intrapsychische Anpassung und Flucht negativ bedingt ist. Demnach tragen die Emotionen indirekt über ihren Einfluss auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte zum Innovationserfolg bei. Handlungspragmatisch implizieren die Befunde, dass es im Innovationsprozess nicht nur darauf ankommt, die positiven Emotionen der geführten Führungskräfte zu unterstützen, sondern parallel ihre negativen Emotionen abzufangen. Da die Effekte der zusätzlichen Berücksichtigung der negativen Emotionen neben den positiven Emotionen am größten für die innovationshinderlichen Verhaltensweisen sind, ist diese Strategie insbesondere für die Reduzierung der intrapsychischen Anpassung und des Fluchtverhaltens unentbehrlich. 4.2.4
Wirkungen der Situationswahrnehmungen auf die Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen
Es wurde deutlich, dass die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte maßgeblich ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen vorhersagen. Im Rahmen der Modellbildung wurden neben den Emotionen auch für die Kognitionen – also die Situationswahrnehmungen – der geführten Führungskräfte verhaltenssteuerende Wirkungen angenommen (Dörner & Stäudel, 1990). In Anlehnung an die Position von Lazarus (1999) wurden Emotionen als postkognitive Phänomene konzipiert (vgl. Kapitel 2.3.4) und argumentiert, dass die Art der Kombination der Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig für die resultierende Emotionalität maßgeblich ist. Bevor diese Modellannahmen geprüft werden, soll zunächst die Rückkopplung der Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsfähig auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig betrachtet werden: Da mit Zunahme der erlebten Situationskontrolle der geführten Führungskraft ihr Anspruchsniveau an die betriebliche Situation steigt, sie also aufgrund der Soll-Wert-Anhebung qualitativ bessere Alternativen eher wahrnimmt und aufgrund der Ist-Wert-Absenkung in erhöhtem Ausmaß den Ist-Zustand kritisch reflektiert, wurde die Beziehung zwischen beiden Situationswahrnehmungen folgendermaßen präzisiert:
263
Hypothese 4: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der bewerteten Veränderungsfähigkeit der Situation und der bewerteten Veränderungsbedürftigkeit der Situation. Diese Hypothese wurde korrelationsanalytisch überprüft. Das Ergebnis dieses Tests zeigt eine signifikante positive Korrelation zwischen der Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig (r = .29, p <. 001, N = 391), weshalb die Hypothese 4 Bestätigung findet. Dieser Befund stimmt mit den Modellannahmen von Lazarus (1991, 1993) überein. Insofern konnte hier erstmals gezeigt werden, dass auch im Innovationskontext die kognitiven Prozesse des Primary appraisal und des Secondary appraisal miteinander in positivem Zusammenhang stehen. Dabei kann der positive Zusammenhang zwischen beiden Situationswahrnehmungen zusätzlich mit der unterschiedlichen Höhe des Anspruchsniveaus (Lewin et al., 1944) der geführten Führungskraft erklärt werden: Hat die Führungskraft einen vergleichsweise hohen Anspruch an die Soll-Situation, erkennt sie vermutlich eher Mängel gegenüber der bisherigen Weise der Problembewältigung (Ist-Wert) und ist demzufolge auch stärker motiviert, das Delta zwischen der Soll- und der Ist-Situation durch die Aktualisierung von Ressourcen (z. B. Informationen, Zeit, Geld, Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen) zur Problembehebung zu reduzieren. Aus diesem Grund wirkt die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation nicht nur im Sinne einer positiven Rückkopplungsschleife auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit zurück; im Sinne einer interdependenten Beziehung wird dieser Interpretation zufolge mit zunehmender erlebter Veränderungsbedürftigkeit auch die Veränderungsfähigkeit der Situation steigen. Nachfolgend wird betrachtet, wie sich die Kombinationen der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte auf ihre Emotionalität und innovationsbezogenen Verhaltensweisen auswirken. Es wurde argumentiert, dass das Ausmaß, in dem die geführte Führungskraft die als veränderungsbedürftig eingestufte Situation für kontrollierbar hält, die entscheidende Determinante dafür ist, ob sie entweder positive Emotionen erlebt und sich innovativ verhält, also die Situation durch Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung zu verbessern sucht oder aber negative Emotionen erlebt und innovationshinderliche Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht zeigt. Entsprechend lauten die Hypothesen 5a und 5b wie folgt: Hypothese 5a: Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation wirkt sich die zunehmende wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf (5a-1) die positiven Emotionen und (5a-2) das Innovationsverhalten in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung aus.
264
Hypothese 5b: Umgekehrt wirkt sich bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation die abnehmende wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation positiv auf (5b-1) die negativen Emotionen und (5a-2) die innovationshinderlichen Verhaltenweisen in Form von intrapsychischer Anpassung und Flucht aus. Um die Effekte der Kombination der Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte auf die Kriteriumsvariablen zu überprüfen, wurde zunächst durch Mittelwertsplit der Skala „Grad wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit“ die Anzahl der Personen ermittelt, welche die Situation als hoch bzw. niedrig veränderungsbedürftig einstuften. Für diese Teilstichprobe der Personen (n = 237) mit hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation wurde die Skala „Grad wahrgenommener Veränderungsfähigkeit der Situation“ in Quartile gestuft, so dass folgende vier Kombinationen der Situationswahrnehmungen resultieren: Veränderungsbedürftigkeit hoch/ Veränderungsfähigkeit sehr niedrig (n = 57), Veränderungsbedürftigkeit hoch/ Veränderungsfähigkeit niedrig (n = 60), Veränderungsbedürftigkeit hoch/ Veränderungsfähigkeit hoch (n = 64) und schließlich Veränderungsbedürftigkeit hoch/ Veränderungsfähigkeit sehr hoch (n = 56). Mit einer einfaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) wurden die Effekte des Faktors „Grad wahrgenommener Veränderungsfähigkeit (VF) bei gleichzeitig hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit (VB)“, also der vier Kombinationen der Situationswahrnehmungen, auf die positiven Emotionen, die Ideengenerierung/-prüfung, die Implementierung, die negativen Emotionen, die intrapsychische Anpassung und das Fluchtverhalten geprüft, deren Ergebnisse in Tabelle 47 dargestellt sind. Da die Varianzen homogen verteilt sind, ist davon auszugehen, dass die geringfügig unterschiedlichen Zellenbesetzungen zu keiner Verzerrung der Ergebnisse führen. Das Ergebnis der MANOVA zeigt signifikante Haupteffekte des Faktors „Grad wahrgenommener Veränderungsfähigkeit bei gleichzeitig hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit“ in den erwarteten Richtungen sowohl auf die positiven Emotionen, die Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung als auch auf die negativen Emotionen, die intrapsychische Anpassung und Flucht.
265
Tabelle 47. Ergebnisse der einfaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) des in Quartile gestuften Faktors „Grad wahrgenommener VF bei gleichzeitig hoher wahrgenommener VB“ auf die Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen Quartile des Faktors „Grad wahrgenommener Veränderungsfähigkeit bei gleichzeitig hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit“ a Haupteffekte auf
VBb hoch/
VB hoch/
VB hoch/
VB hoch/
die Kriteriums-
VFc sehr
VF niedrig
VF hoch
VF sehr hoch
Eta2
16.57***
.18
4.98**
.06
11.64***
.13
11.60***
.13
11.83***
.13
18.92***
.20
niedrig
variablen... positive
M
5.06
5.38
5.76
6.05
Emotionen
SD
.95
.84
.74
.68
n
57
60
64
56
Ideengenerie-
M
5.44
5.34
5.90
5.87
rung/-prüfung
SD
1.02
1.13
.87
1.00
n
57
60
64
56
Implementierung M
5.53
5.89
6.26
6.45
1.18
.89
.67
.84
SD n
57
60
64
56
negative
M
3.24
2.70
2.53
2.09
Emotionen
SD
1.19
1.04
.97
.97
n
57
60
64
56
intrapsychische
M
2.48
1.99
1.57
1.48
Anpassung
SD
1.21
1.02
.83
.97
n
57
60
64
56
M
1.43
.95
.85
.77
SD
.94
.38
.25
.06
n
57
60
64
56
Flucht
F (3, 233)
2
Anmerkungen. Die Antwortskalen waren 7-fach gestuft. Eta = Effektstärke. a Die Gruppengröße und -zusammensetzung entstand nach Mittelwertsplit der Skala „wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit“ in hoch vs. niedrig und anschließender Quartilbildung der Skala „wahrgenommene Veränderungsfähigkeit“. Die MANOVA basiert auf einer Teilstichprobe der Führungskräfte (n = 237), die die Situation als hoch veränderungsbedürftig einschätzten. b VB = wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der Situation, c VF = wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation. **p < .01, ***p < .001.
Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation intensivieren sich mit zunehmender wahrgenommener Veränderungsfähigkeit der Situation die positiven Emotionen. Außerdem steigen bei hoher eingeschätzter Veränderungsbedürftigkeit mit der Zunahme der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung kontinuierlich an. Der gegenteilige Effekt ist für die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen zu verzeichnen: Bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit der Situation intensivieren sich mit abnehmender wahrgenommener Verän-
266
derungsfähigkeit der Situation die negativen Emotionen. Ferner steigen bei hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit mit der Abnahme der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation die Tendenzen zur intrapsychischen Anpassung und Flucht fortwährend an. Im Rahmen dieser Analyse ist auf die Höhe der Effektstärken (Eta2) hinzuweisen, die üblicherweise als Anteil der Gesamtvariation der abhängigen Variablen interpretiert werden, der durch die Variation der unabhängigen Variable erklärt wird. Die Effektstärken dokumentieren, dass der Faktor „Grad wahrgenommener Veränderungsfähigkeit bei gleichzeitig hoher wahrgenommener Veränderungsbedürftigkeit“ jeweils eine beträchtliche Varianz der abhängigen Variablen binden konnte. Vergleicht man den relativen Erklärungswert des Faktors in den abhängigen Variablen anhand der Effektstärken, so wird ersichtlich, dass der Effekt für Flucht am größten und für die positiven Emotionen am zweitgrößten ist. Für die Implementierung, die negativen Emotionen und intrapsychische Anpassung konnten gleich starke Effekte durch den Faktor erzielt werden. Die Befunde der MANOVA sprechen für die Bestätigung der Hypothesen 5a-1, 5a-2 und 5b-1, 5b-2, dass bei einer als hoch kognizierten Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation (hohe Soll-Ist-Differenz) sowohl die Emotionen als auch das innovationsbezogene Verhalten entscheidend vom Grad der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation abhängen. Wenn eine Person im Primary appraisal die Situation zwar als stark veränderungsbedürftig einschätzt, im Rahmen des Secondary appraisal aber meint, dass sie keine hinreichende Situationskontrolle hat und diese Situationskontrolle auch nicht über andere (z. B. den Vorgesetzten) herstellen zu können glaubt (Gebert, 1987), so intensivieren sich mit Zunahme des Grades an erlebter Unkontrollierbarkeit der Situation die negativen Emotionen der Person. Auf der Verhaltensebene hat diese Konstellation den Effekt, dass sich die Person der Situation mit zunehmendem Grad der erlebten Unkontrollierbarkeit entweder durch Flucht oder aber durch intrapsychische Anpassung zu entziehen sucht und damit unterschiedliche Formen des Vermeidungsverhaltens aktiviert. Diese Ergebnisse stimmen überein mit den Befunden von Seligman (1995), in denen durch Tierexperimente belegt wurde, dass die Erfahrung einer unkontrollierbaren Situation zur gelernten Hilflosigkeit führt. Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen die Modellannahme, dass es für eine innovationsbegünstigende emotionale Ausgangslage und innovationsfunktionales Verhalten von geführten Führungskräften unabdingbar ist, dass sie die Situation parallel zum Veränderungsbedarf als kontrollierbar einschätzen. Zusätzlich zu den emotions- und verhaltenssteuernden Hypothesen der Situationswahrnehmungen wurden die Zusammenhänge der isoliert betrachteten Situationswahrnehmungen mit den Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen untersucht (s. Tabelle 48). Erwartungsgemäß zeigt sich, dass sowohl die Veränderungsbedürftigkeit als auch die Veränderungsfä267
higkeit der Situation jeweils signifikant positiv mit den positiven Emotionen, der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung korrelieren, aber jeweils signifikant negativ mit den negativen Emotionen und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen zusammenhängen. Außerdem ist auf die Höhe der Mittelwerte der Situationswahrnehmungen hinzuweisen (s. Tabelle 48). Es gilt, dass die geführten Führungskräfte die Situation in signifikant stärkeren Maß als veränderungsbedürftig einschätzen im Vergleich zur beurteilten Veränderungsfähigkeit der Situation (T = 6.61, p < .001, N = 387). Dieser Unterschied verweist darauf, dass im Hinblick auf die Bewertung der Situation als veränderungsfähig Maßnahmen zu ergreifen sind, damit die veränderungsbedürftige Situation auch als veränderungsfähig angesehen wird. Tabelle 48. Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen Variable
392
Veränderungsbedürftigkeit –
Veränderungsfähigkeit –
1.53
391
.29***
–
5.14
1.25
395
.58***
.50***
Ideengenerierung /-prüfung
5.46
1.08
393
.31***
.25***
Implementierung
5.79
1.20
395
.34***
.42***
negative Emotionen
2.81
1.19
395
-.28***
-.44***
intrapsychische Anpassung
2.28
1.41
390
-.45***
-.46***
Flucht
1.10
.66
396
-.29***
-.48***
M
SD
N
Veränderungsbedürftigkeit
5.41
1.39
Veränderungsfähigkeit
4.82
positive Emotionen
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen in der Stichprobengröße entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. ***p < .001.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass den emotions- und handlungsleitenden Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte ein besonders wichtiger Erklärungswert im Innovationsprozess zukommt. Wie bereits dokumentiert wurde (Kapitel 4.2.1), wirken sich die Komponenten des Innovationsverhaltens positiv auf den Innovationserfolg aus, die innovationshinderlichen Verhaltensweisen hingegen negativ. Auch die kognitiven Prozesse der geführten Führungskraft tragen vermittelt über die Emotionen und die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte indirekt zum Innovationsergebnis bei. Genau diese kognitivemotionalen Aspekte wurden in der bisherigen Innovationsforschung jedoch weitgehend vernachlässigt. Die hier erstmals empirisch belegte Bedeutsamkeit der Kognitionen und Emotionen für die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte lässt die Schluss-
268
folgerung zu, dass die Forschung zu innovativen Prozessen in Organisationen um die dem Handeln vorgelagerten kognitiv-emotionalen Prozesse zu ergänzen ist (vgl. Kapitel 5).
4.3
Zusammenhänge der Qualitäten des Führungsverhaltens
Eine weitere zentrale Modellannahme lautete, dass die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie der Innovationserfolg durch die Qualitäten des Führungsverhaltens ihres Vorgesetzten differenziell beeinflussbar sind. Bevor deshalb im Kapitel 4.4 die Ergebnisse zur Wirkung der Qualitäten der Führung auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen sowie den Innovationserfolg für beide Abstraktionsebenen dargestellt werden, werden in diesem Kapitel die Zusammenhänge der führungsbezogenen Determinanten der erfolgsrelevanten Konstrukte analysiert. Diese Zusammenhangsanalyse der einzelnen Führungsverhaltensweisen ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen wurde angenommen, dass Führung im Innovationsprozess selten durch eine isolierte Führungsfacette erfolgt (Hinkin & Schriesheim, 1989; Kipnis, 1990; Yukl, 2002), vielmehr werden verschiedene Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess in Kombination miteinander eingesetzt. Die Art dieser Korrespondenz einzelner Führungsverhaltensweisen im Innovationsprozess ist in der bisherigen Forschung jedoch weitgehend ungeklärt. Zum anderen ist die substanzielle Interdependenz einzelner Führungsfacetten für die in den nachfolgenden Kapiteln zu berichtenden Ergebnisse der Regressionsanalysen relevant, da die Überschneidung der Prädiktoren – also der unabhängigen Variablen der Qualitäten des Führungsverhaltens – auch konzeptionell ihren Gesamteinfluss auf die jeweils betrachteten abhängigen Variablen bestimmt. Die Analyse der Korrespondenz einzelner Führungsfacetten im Innovationsprozess erfolgt auf zwei Abstraktionsniveaus: Auf dem höchsten Abstraktionsniveau wird die Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenhang untersucht (s. Kapitel 4.3.1). Dazu wurden gemäß eines additiv kompensatorischen Modellansatzes die Skalen der eingesetzten Einflussgrundlagen zur Variable „Führung durch Einfluss“ und die Skalen der eingesetzten Machtgrundlagen zur Variable „Führung durch Macht“ aggregiert. Die anschließende Detailanalyse fokussiert im Abstraktionsgrad die Ebene der eingesetzten Einfluss- und Machtgrundlagen, also das Skalenniveau (s. Kapitel 4.3.2). Schließlich werden beide Abstraktionsebenen miteinander verbunden, in dem die Beziehungen einzelner Einfluss- und Machtgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen untersucht wird (s. Kapitel 4.3.3). 269
4.3.1 Zusammenhänge der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen Im Hinblick auf die Zusammenhänge der Führungsqualitäten wurde auf dem höchsten Abstraktionsniveau argumentiert, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen positiv miteinander zusammenhängen, da im Falle von Einflussnahme seitens des Vorgesetzten keine Überwachung der geführten Führungskraft erfolgt und aktualisierter Einfluss einen Vertrauensvorschuss des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft darstellt. Gleichzeitig wird Führung durch Einfluss in negativem Zusammenhang zur Führung durch Misstrauen stehen, weil bei Einflussnahme des Vorgesetzten keine Verletzung zentraler Wert-Erwartungen aufgrund erlebter Wertinkongruenz besteht. Ferner dürfte Führung durch Macht negativ mit Führung durch Vertrauen, aber positiv mit Führung durch Misstrauen verbunden sein, denn Machtausübung des Vorgesetzten ist an Überwachung – also Kontrolle – der geführten Führungskraft gebunden und reduziert daher nicht nur die Erwartung der geführten Führungskraft, dass parallel zum sanktionsbasierten Führungsmuster Vertrauenshandeln stattfindet, sondern signalisiert der geführten Führungskraft gleichzeitig Misstrauen (Cialdini, 1997; Pfeffer, 1992; Raven & Kruglanski, 1970). Aus diesen Gründen wurden folgende Hypothesen formuliert:
Hypothese 6a: Führung durch Einfluss korrespondiert (6a-1) positiv mit Führung durch Vertrauen aber (6a-2) negativ mit Führung durch Misstrauen. (Zusammenhangshypothese) Hypothese 6b: Führung durch Macht korrespondiert (6b-1) negativ mit Führung durch Vertrauen aber (6b-2) positiv mit Führung durch Misstrauen. (Zusammenhangshypothese)
Die Überprüfung der Hypothesen 6a und 6b erfolgte durch bivariate Korrelationen nach Pearson. Die Korrelationskoeffizienten sind in Tabelle 49 dargestellt. Führung durch Einfluss hängt in den erwarteten Richtungen signifikant mit der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen zusammen. Auch die Beziehungen zwischen der Führung durch Macht und der Führung durch Vertrauen sowie Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen sind statistisch bedeutsam. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse finden die Hypothesen 6a und 6b empirische Unterstützung: Je stärker die Führung im Innovationsprozess auf der Basis von Einflussnahme erfolgt, desto stärker ist auch die Führung durch Vertrauen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen des Modells der Vertrauensspirale (Zand, 1972), wonach Vertrauenshandeln parallele Einflussnahme fördert. Gleichzeitig gilt, dass mit Zunahme der Führung durch Einfluss eine misstrauensbasierte Führung abnimmt. Die Enge dieses negativen Zusammenhangs verdeut270
licht, dass ein Vorgesetzter, der im Innovationsprozess durch Einfluss führt, kaum simultan zu misstrauensbasiertem Führungsverhalten neigt. Tabelle 49. Korrelationen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen Qualitäten des Führungsverhaltens Führung durch Einfluss
Führung durch Einfluss
Führung durch Macht
Führung durch Vertrauen
Führung durch Misstrauen
–
Führung durch Macht
-.33***
–
Führung durch Vertrauen
.77***
-.39***
–
Führung durch Misstrauen
-.59***
.40***
-.74***
–
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 366 und N = 382. ***p < .001.
Darüber hinaus dokumentieren die Ergebnisse, dass mit Zunahme der Führung durch Macht zum einen eine Abnahme der Führung durch Vertrauen verbunden ist. Dieser Befund stimmt mit den Resultaten aus anderen Untersuchungen (Das & Teng, 1998; McAllister, 1995; Tenbrunsel & Messick, 1999; Zand, 1972) überein, die eine negative Beziehung zwischen Machtausübung – verstanden als Kontrolle oder als Einsatz von Sanktionen – und parallelem Vertrauen empirisch belegen konnten. Zum anderen geht die Zunahme der Führung durch Macht mit einer erhöhten Führung durch Misstrauen einher. Dieses Ergebnis ist keineswegs über-raschend, denn die mit der Machtausübung verbundene Überwachung ist als Zeichen des Misstrauens zu deuten: Die geführte Führungskraft interpretiert die Machtausübung ihres Vorgesetzten als Kontrollinstrument und nicht als Mittel zur Selbstbestimmung (Deci, 1972). Auch die Untersuchung von Tenbrunsel und Messick (1999) dokumentiert die contraproduktiven Effekte der Macht durch die Zunahme des Misstrauens in interpersonalen Beziehungen. Neben der Signifikanz der hier berichteten Befunde ist auf die Höhe der Zusammenhänge zwischen den Führungsfacetten aufmerksam zu machen: Während Führung durch Macht nur 15% der Varianz der Führung durch Vertrauen erklärt, erklärt Führung durch Einfluss mehr als die Hälfte der Varianz (59%) der vertrauensbasierten Führung. Aufgrund dieser Varianzerklärungsunterschiede wurde zusätzlich geprüft, ob der Unterschied in der Höhe der Korrelationen zwischen Führung durch Einfluss und Vertrauen und Führung durch Macht und Vertrauen statistisch bedeutsam ausfällt. Dazu wurden die Korrelationen einer z-Tranformation nach Fisher unterzogen und die Korrelationsdifferenz auf Signifikanz geprüft. Es zeigt sich, dass diese Korrelationsdifferenz statistisch bedeutsam ist (z = -25.95, p < .001). Außerdem gilt: Führung durch
271
Macht erklärt lediglich 16% der Varianz der Führung durch Misstrauen, während Führung durch Einfluss 35% der Varianz der Führung durch Misstrauen erklärt. Auch diese Korrelationsdifferenz fällt signifikant aus (z = 20.21, p < .001). Insgesamt unterstützen die Befunde also die Modellannahme, dass Einflussnahme mehr Vertrauenshandeln impliziert als Machtausübung. Interessant ist außerdem, dass Führung durch Einfluss mit Führung durch Macht in mittlerem Ausmaß bedeutsam negativ zusammenhängt (r = -.33, p < .001, N = 377). Je mehr einflussbasierte Führung im Innovationsprozess stattfindet, umso weniger Macht wird demzufolge ausgeübt. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu gängigen Konzeptionen (Northouse, 2001, p. 6; Raven, 1990, p. 495; Yukl, 2002, p. 142), in denen Macht als Potenzial, die Nutzung des Machtpotenzials hingegen als Einfluss verstanden wird. Da in dieser Untersuchung nicht dieser Konzeption gefolgt wurde, sondern in Anlehnung an die empirische Faktorenlösung von Raven et al. (1998) Macht von Einfluss durch die Aktualisierung unterschiedlicher Grundlagen abgegrenzt wurde (s. Kapitel 2.4.1.3), wird dieses Ergebnis nachvollziehbar. Zusätzlich zu den Hypothesen 6a und 6b wurden durch die Überprüfung der Hypothese 6c die Effekte der Machtausübung vs. Einflussnahme sowie deren Interaktion auf den Grad des Vertrauens- und Misstrauenshandelns durch eine zweifaktorielle multivariate Varianzanalyse (MANOVA) überprüft. Im Gegensatz zu den Hypothesen 6a und 6b wurde die Hypothese 6c richtungsbezogen und daher spezifischer formuliert:
Hypothese 6c: Führung durch Macht (6c-1) zerstört Führung durch Vertrauen und fördert Führung durch Misstrauen, während Führung durch Einfluss (6c-2) Führung durch Vertrauen aufrechterhält bzw. stabilisiert und Führung durch Misstrauen hemmt. (richtungsbezogene Hypothese)
Um die Effekte der macht- und einflussbezogenen Führung und deren Interaktion auf die Kriteriumsvariablen „Führung durch Vertrauen“ und „Führung durch Misstrauen“ zu testen, wurden die aggregierten Skalen „Führung durch Einfluss“ und „Führung durch Macht“ jeweils anhand des Mittelwerts dichotomisiert. In der anschließenden MANOVA bildete die „Führung durch Einfluss“ den ersten Faktor und die „Führung durch Macht“ den zweiten Faktor. In der Varianzanalyse ist aufgrund der Varianzhomogenität nicht davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Stichprobenumfänge in den Zellen zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. Tabelle 50 veranschaulicht anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen der Kriteriumsvariablen, dass mit zunehmender Führung durch Macht die Führung durch Vertrauen abnimmt, aber die Führung durch Misstrauen kontinuierlich steigt. Umgekehrt steigt mit zuneh272
mender Führung durch Einfluss das Vertrauenshandeln an, während das Misstrauenshandeln mit zunehmender Einflussnahme sinkt. Tabelle 50. Mittelwerte und Standardabweichungen der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen in Abhängigkeit von der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht schwach Führung durch Macht a Kriteriumsvariablen Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
schwach
M SD n M SD n
4.94 1.25 77 2.10 1.07 77
stark
3.90 1.22 83 3.26 1.35 83
gesamt
4.40 1.34 160 2.70 1.35 160
Führung durch Einfluss a stark Führung durch Macht
gesamt Führung durch Macht
schwach
stark
gesamt
schwach
stark
gesamt
6.16 .67 146 1.51 .85 146
5.90 .67 56 1.42 .41 56
6.09 .68 202 1.49 .75 202
5.74 1.08 223 1.72 .97 223
4.71 1.42 139 2.51 1.40 139
5.34 1.32 362 2.02 1.22 362
Anmerkungen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. Aufgrund fehlender Werte beträgt N = 362. a Die Gruppengröße und -zusammensetzung entstand durch Dichotomisierung der aggregierten Skalen „Führung durch Einfluss“ und „Führung durch Macht“ in schwach vs. stark (Mittelwertsplit).
Das Ergebnis der MANOVA demonstriert, dass sowohl der Haupteffekt des Faktors „Führung durch Einfluss“ als auch der Haupteffekt des Faktors „Führung durch Macht“ in den prognostizierten Richtungen für die vertrauensbasierte Führung und für die misstrauensbasierte Führung signifikant ist (s. Tabelle 51). Demzufolge kann auch die Hypothese 6c bestätigt werden.
273
Tabelle 51. Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht auf die Führung durch Vertrauen und die Führung durch Misstrauen Effekte auf die Kriteriumsvariablen... Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
1. Haupteffekt des Faktors 2. Haupteffekt des Faktors „Führung durch Einfluss“ „Führung durch Macht“
Interaktionseffekt beider Faktoren
F (1, 361) 224.70***
Eta2 .39
F (1, 361) 36.49***
Eta2 .09
F (1, 361) 13.18***
Eta2 .04
121.17***
.25
23.00***
.06
32.19***
.08
Anmerkungen. Eta2 = Effektstärke, die das Verhältnis der Quadratsummen zwischen den Gruppen zur Gesamtquadratsumme repräsentiert. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 362. ***p < .001.
Die Effektstärken (Eta2) veranschaulichen, dass durch die Variation der Faktoren „Führung durch Einfluss“ und „Führung durch Macht“ jeweils beachtliche Varianzanteile der Kriteriumsvariablen erklärt werden konnten. Der Vergleich des relativen Erklärungswerts der Faktoren macht deutlich, dass der Faktor „Führung durch Einfluss“ sehr starke Effekte für die Führung durch Vertrauen und die Führung durch Misstrauen hat. Gegenüber den bivariaten Zusammenhängen enthüllt die MANOVA, dass neben den beiden Haupteffekten außerdem zwei signifikante Interaktionseffekte zwischen der Führung durch Macht und der Führung durch Einfluss im Hinblick auf die Kriteriumsvariablen „Führung durch Vertrauen“ und „Führung durch Misstrauen“ bestehen. Dabei handelt es sich jeweils um ordinale Interaktionseffekte, d. h. dass die Graphen in den Interaktionsdiagrammen gleichsinnig verlaufen (in Bezug auf Vertrauen beide aufsteigend, in Bezug auf Misstrauen beide abfallend).176 Zusätzlich zu dem ersten und zweiten Haupteffekt gilt demzufolge: Bei starker Führung durch Einfluss ist das Vertrauen dann besonders hoch, wenn zugleich die Führung durch Macht schwach ausgeprägt ist. Auch bei schwacher Führung durch Einfluss ist das Vertrauen höher bei gleichzeitig schwacher Führung durch Macht als bei paralleler starker Führung durch Macht. (s. Abbildung 25). Außerdem gilt: Bei schwacher Führung durch Einfluss ist das Misstrauen dann besonders hoch, wenn zugleich die Führung durch Macht stark ausgeprägt ist (s. Abbildung 26).
274
6
Führung durch Misstrauen
Führung durch Vertrauen
Führung durch Macht schwach
5,5 5 4,5 4 3,5
Führung durch Macht stark schwach
3,5
3
Führung durch Macht stark
2,5
2
Führung durch Macht schwach
1,5
1
stark
schwach
Führung durch Einfluss
stark
Führung durch Einfluss
Abbildung 26. Führung durch Misstrauen als Funktion der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht
Abbildung 25. Führung durch Vertrauen als Funktion der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht
Diese Interaktionseffekte führen zu folgender Schlussfolgerung: Sollte im Innovationsprozess Führung durch Macht notwendig erscheinen, dann gilt es die negativen Effekte der machtbasierten Führung durch parallele einflussbasierte Führung abzupuffern, und hierdurch ein Gegengewicht zu den contraproduktiven Effekten der machtbasierten Führung aufzubauen. Denn bei gleichzeitiger Führung durch Einfluss ist der resultierende Vertrauensverlust bzw. Misstrauenszuwachs bei der geführten Führungskraft dann vergleichsweise gering. Gelingt es dem Vorgesetzten also beim Machteinsatz eine Balance in seinem Führungsverhalten (Krause & Klöhn, 2002) herzustellen, das simultan durch Einfluss gekennzeichnet ist, werden die Negativeffekte der Machtausübung zumindest abgemildert. Die Realisierung dieser Balance ist natürlich nicht einfach, denn beide Führungsfacetten – also Führung durch Macht und Führung durch Einfluss – sind negativ miteinander korreliert. Deshalb weist diese Folgerung starke Bezüge zum Dilemmamanagement in Organisationen (Gebert et al., 2001) generell auf, denn Führung durch Einfluss ist eher der offenen Organisation zuzuordnen, während Führung durch Macht eher der geschlossenen Organisation zuzurechnen ist. Ähnlich wie das Erfordernis der Abpufferung der negativen Effekte der Machtausübung durch parallelen Einfluss im Führungsverhalten, gilt es auf der Ebene der Organisation das Dilemma der gleichzeitigen Nachfrage der Vorteile der offenen Organisation (z. B. Flexibilität, Individualität, Freiheit, Lernfähigkeit) und der Vorteile der geschlossenen Organisation (z. B. Stabilität, Sicherheit, Orientierung, Sinn) zu entschärfen.
275
4.3.2
Zusammenhänge der Einfluss- und Machtgrundlagen
Neben den Zusammenhängen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen ist die Analyse der Zusammenhänge auf der Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht relevant. Diese Diskussion der Korrespondenz der Führungsverhaltensweisen auf der Grundlagenebene erfolgt in zwei Teilschritten: Im ersten Schritt werden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und im Anschluss daran die Zusammenhänge zwischen den Machtgrundlagen untersucht. Im zweiten Schritt wird die Relation zwischen den Einfluss- und Machtgrundlagen im Innovationsprozess analysiert. Wie Tabelle 52 zeigt, sind alle Interkorrelationen zwischen den eingesetzten Einflussgrundlagen signifikant und positiv. Ausgewählte Zusammenhänge zwischen einzelnen Einflussgrundlagen werden nachfolgend interpretiert. Die bedeutsame – vom Betrag her hohe – positive Korrelation zwischen persönlicher Ausstrahlung und Expertenwissen/Information kann wie folgt erklärt werden: Die befragten Führungskräfte sind aufgrund ihrer beruflichen Laufbahn als Experten in ihrem Funktionsbereich einzuschätzen. Sie verstehen sich als Spezialisten und identifizieren sich daher mit einem ebenfalls professionellen Vorgesetzten, dem sie hohes Expertenwissen zuschreiben. Die Wahrnehmung eingesetzten Expertenwissens bzw. weitergegebener Information führt daher zu einer größeren Attraktivität des Vorgesetzten und begünstigt somit seinen parallelen Einfluss auf der Grundlage von persönlicher Ausstrahlung. Diese Annahme, dass Expertenwissen zu positiver persönlicher Ausstrahlung führt, ist auch meta-analytisch gut belegt (Carson et al., 1993, p. 1152).
276
Tabelle 52. Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Einflussgrundlagen Einflussgrundlagen
M
SD
1
2
3
4
1 Persönliche Ausstrahlung
3.80
1.12
–
2 Expertenwissen/Information
5.20
1.64
.65***
3 Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
4.56
1.34
.27*** .38***
4 Innovationsbezogene Unterstützung
5.93
1.14
.52*** .60*** .42***
5 Verzicht auf Manipulation
3.80
1.12
.20*** .34*** .38*** .17**
5
– – – –
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Die Skalen waren 7-fach gestuft. Aufgrund fehlender Werte schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 388 und N = 392. **p < .01, ***p < .001.
Die signifikanten positiven Zusammenhänge zwischen persönlicher Ausstrahlung und der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, der innovationsbezogenen Unterstützung und dem Verzicht auf Manipulation lassen sich folgendermaßen erklären: Konzeptionell stellen die letztgenannten drei Einflussgrundlagen unterschiedliche Facetten der immateriellen Belohnung dar. Durch Strukturgleichungsmodelle ist belegt, dass der Einsatz von Belohnungen zu erhöhter Identifikation führt (Carson et al., 1993, p. 1152). Aufgrund des Belohnungscharakters dieser drei Einflussgrundlagen identifizieren sich die geführten Führungskräfte demzufolge insbesondere mit einem solchen Vorgesetzten, der ihnen im Sinne des delegativen Führungsprinzips (Wunderer, 2000) während des Innovationsprozesses Freiheitsgrade und Autonomie gewährt. Ferner steigt die persönliche Ausstrahlung, weil der Vorgesetzte Innovationen an sich als etwas Positives wertschätzt und dies auch zum Ausdruck bringt, gelegentlich auftretende Fehler toleriert und in Entscheidungsprozessen „mit offenen Karten spielt“. Die bedeutsamen positiven Korrelationen zwischen Expertenwissen/Information und der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogener Unterstützung und dem Verzicht auf Manipulation können in Anlehnung an die kontingenztheoretische Führungsforschung wie folgt interpretiert werden: Diese situativen Führungstheorien gehen davon aus, dass es für den Führungserfolg auf einen Fit zwischen der Situation und dem Führungsverhalten ankommt (vgl. Kapitel 1.2.2). Zur Situation zählt bei einer Innovation beispielsweise Unsicherheit. Ein Fit zwischen dieser Situationsvariable und dem Führungsverhalten besteht im Innovationsprozess dann, wenn die der geführten Führungskraft gewährten Freiheitsgrade den zur Innovation notwendigen Freiheitsgraden entsprechen (Gebert, 2002a). Eine Führungskraft, die nun über hohes Expertenwissen bzw. Informationen verfügt, wird die Situation wahrscheinlich zutreffender einschätzen als eine Führungskraft mit wenig Expertenwissen bzw. Informationen und sich in der Folge mit größerer Wahrscheinlichkeit entsprechend diesem Wissen verhalten. Demzufolge nimmt ein Experte auch dadurch Einfluss, dass er der geführten Führungskraft die notwendi277
gen Freiheitsgrade und die erforderliche Autonomie gewährt, ihm gegenüber den Wert von Innovationen z. B. durch Fehlertoleranz bekundet und in Entscheidungsprozessen auf den Einsatz manipulativer Taktiken verzichtet. Daher kann ein Vorgesetzter mit hohem Expertenwissen/Information den erforderlichen Fit zwischen der unsicheren Situation und seinem Verhalten besser herstellen als ein Vorgesetzter mit wenig Expertenwissen/Information. Neben den Zusammenhängen der einzelnen Einflussgrundlagen interessieren nun die Zusammenhänge zwischen den Machtgrundlagen. Die Korrelationsanalyse verdeutlicht, dass Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) zwar bedeutsam positiv, aber vom Betrag her niedrig, mit Belohnung durch extrinsische Anreize korreliert (r = .13, p < .05, N = 390). Dies ist überraschend, weil Bestrafungsmacht von Belohnungsmacht generell schwer zu unterscheiden ist. Im Einzelfall ist es kaum entscheidbar, ob eine Belohnung oder eine Bestrafung vorliegt (Raven et al., 1998, p. 315), denn das Zurückhalten einer Belohnung könnte bereits eine Bestrafungsmaßnahme bedeuten; umgekehrt kann das Zurückziehen einer Bestrafung eine Belohnungsmaßnahme darstellen (Sandner, 1992, S. 22 ff.). Der Befund der niedrigen Korrelation zwischen Belohnungs- und Bestrafungsmacht läuft allerdings parallel zu den Ergebnissen der linearen Strukturmodellierung von Carson et. al. (1993), die einen schwachen Effekt von Belohnungs- auf Bestrafungsmacht nur in Höhe von ß = .17 belegen konnten. Umgekehrt blieb der Effekt von Bestrafungs- auf Belohnungsmacht allerdings aus. Insofern scheint der Entzug von Belohnung zwar als Bestrafung wahrgenommen zu werden, das Zurückhalten von Bestrafungen stellt dagegen aber keine Belohnung dar. Vermutlich korrelieren aus diesem Grund die beiden Machtgrundlagen in dieser Untersuchung vergleichsweise niedrig. Die Frage der Korrespondenz der einzelnen Machtgrundlagen mit den einzelnen Einflussgrundlagen im Innovationsprozess, wurde ebenfalls korrelativ untersucht (Tabelle 53). Wie sich zeigt, hängt der Einsatz von Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) mit allen eingesetzten Einflussgrundlagen in mittlerem bis hohem Ausmaß signifikant negativ zusammen. Je mehr ein Vorgesetzter also Macht durch Bestrafung/Drohung im Innovationsprozess ausübt, desto geringer ist die Identifikation der geführten Führungskraft mit ihm, weil die Attraktivität des Vorgesetzten durch den Einsatz von Bestrafungen sinkt (Raven & Rubin, 1983, p. 411). Mit zunehmender Bestrafungsmacht, geht außerdem ein geringerer Einfluss durch Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation einher. Der Einsatz von Bestrafung/Drohung (materiell/ immateriell) hat somit stets Negativeffekte, da die Wahrscheinlichkeit für den parallelen Einsatz der Einflussgrundlagen der Führung reduziert wird.
278
Tabelle 53. Korrelationen der Einflussgrundlagen mit den Machtgrundlagen Machtgrundlagen Einflussgrundlagen Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) -.34*** -.43*** -.62*** -.48*** -.52***
Belohnung durch extrinsische Anreize .20*** .07 -.02 .11* -.15**
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen im Stichprobenumfang zwischen N = 385 und N = 390 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. *p < .05, **p < .01, ***p < .001.
Im Hinblick auf die Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize deutet sich bereits hier eine Ambivalenz an, die nachfolgend noch deutlicher wird: Zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und einzelnen Einflussgrundlagen der Führung bestehen Nullkorrelationen, negative Korrelationen und positive Korrelationen. Auf diese Besonderheit wird noch zurückzukommen sein. Interessant ist außerdem, dass mit zunehmendem Machteinsatz – unabhängig von der Machtform – in geringerem Ausmaß auf Manipulation verzichtet wird: Zwischen beiden eingesetzten Machtgrundlagen und dem Verzicht auf Manipulation bestehen signifikant negative Korrelationen, wobei dieser Zusammenhang aber zur Bestrafung/Drohung wesentlich stärker besteht als zur Belohnung durch extrinsische Anreize. Diese Ergebnisse lassen sich als Hinweis darauf interpretieren, dass der Einsatz der Machtgrundlagen Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize mit erhöhter Mikropolitik (vgl. Küpper & Ortmann, 1988; Neuberger, 1995b; Ortmann, Windeler, Becker und Schulz, 1990) einhergeht. Aus der Sicht der geführten Führungskraft realisiert ihr Vorgesetzter mit dem verstärkten Einsatz dieser Machtgrundlagen seine Intentionen im Innovationsprozess nicht mehr in transparenter Weise, sondern verdeckt, indem er beispielsweise günstige Gelegenheiten nutzt, um vorbereitete Pläne durchzusetzen. Insofern hängt der Einsatz dieser Machtgrundlagen positiv mit Manipulation in Organisationen zusammen, die jedoch nachweislich innovationshemmende Konsequenzen hat (Krause, 2002b). Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass eingesetzte Bestrafung/Drohung im Vergleich zu Belohnung durch extrinsische Anreize jeweils einen negativeren Zusammenhang zu jeder hier untersuchten Einflussgrundlage aufweist. Während aber die Richtung des Zusammenhangs für Bestrafung/Drohung eindeutig ist, zeigt sich für Belohnung durch extrinsische Anreize ein differenzierteres Bild: Von der Richtung her bestehen teils positive, teils negative Zusammenhänge; teils sind die Zusammenhänge nicht signifikant. Diese Befunde sind keineswegs erwartungsnonkonform, denn auch in anderen Untersuchungen wurden sowohl positive Effekte (Becker, 1991; Ivancevich & Donnelly, 1970; Stajkovic & Luthans, 2001) als auch negative Effekte (Amabile, 1998; Bachman et al., 1966; Busch, 1980; Thamhain & Gemmil, 1974; Wieland, 279
1969) von materieller Belohnung auf verschiedene Kriteriumsvariablen empirisch belegt. Insgesamt lassen die Ergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass Führung durch Macht nicht per se mit geringerer Führung durch Einfluss einhergeht, sondern die eingesetzte Quelle der Macht für die parallele Einflussnahme des Vorgesetzten entscheidend ist. 4.3.3 Zusammenhänge der Einfluss- und Machtgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Untersucht man die Zusammenhänge der einzelnen Einflussgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen einerseits und der Führung durch Misstrauen andererseits, dann stellt sich heraus, dass alle hier untersuchten Einflussgrundlagen signifikant positiv mit der Führung durch Vertrauen, aber signifikant negativ mit der Führung durch Misstrauen verbunden sind (s. Tabelle 54). Tabelle 54. Korrelationen der Einflussgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Einflussgrundlagen
Führung durch Vertrauen .50***
Persönliche Ausstrahlung
Führung durch Misstrauen -.40***
Expertenwissen/Information
.72***
-.53***
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
.54***
-.43***
Innovationsbezogene Unterstützung
.59***
-.39***
Verzicht auf Manipulation
.43***
-.44***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen im Stichprobenumfang zwischen N = 372 und N = 387 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. ***p < .001.
Vom Betrag her sind alle Korrelationen mittel bis hoch ausgeprägt. Dies deutet an, dass persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation parallele Führung durch Vertrauen fördert und parallele Führung durch Misstrauen reduziert. Der Einsatz der Einflussgrundlagen kann als Vertrauensvorschuss bzw. als riskante Vorleistung (Luhmann, 1989) des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft interpretiert werden, denn der Vorgesetzte erhöht hierdurch seine Abhängigkeit (Lane, 1998) und verzichtet durch den Wegfall von Überwachung auf Kontrolle. Dies erklärt, dass mit Zunahme der aktualisierten Einflussgrundlagen die Führung durch Vertrauen steigt, so dass sich der Vorgesetzte dann mit höherer Wahrscheinlichkeit gegenüber der geführten Führungskraft wohlwollend, konsistent und integer (vgl. Kapitel 2.4.2.2) verhalten wird. Dieses vertrauensvolle Führungsverhalten wird von der geführten Führungskraft wahrgenommen und verstärkt ihre Tendenz im Sinne des Konzepts der Erwartungsreziprozität von Vor280
leistung und Gegenleistung (Gambetta, 1988) ebenfalls vertrauensvolles Verhalten gegenüber dem Vorgesetzten zu zeigen. Im Sinne der Vertrauensspirale (Zand, 1972) steigt durch die wechselseitigen Bestätigungen der Vertrauenserwartung somit das Niveau des Vertrauens in der Führer-Geführten-Dyade an. Wie aus Tabelle 54 außerdem ersichtlich wird, unterscheiden sich die einzelnen Einflussgrundlagen in ihrem Betrag, mit dem sie mit der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen zusammenhängen. Der Einsatz von Expertenwissen/Information ist stärker positiv mit der Führung durch Vertrauen und stärker negativ mit der Führung durch Misstrauen verbunden als jede andere hier untersuchte Einflussgrundlage: Expertenwissen/Information erklärt 52% der Varianz der Führung durch Vertrauen, während die anderen Einflussgrundlagen lediglich zwischen 18% und 35% Varianz der Führung durch Vertrauen aufklären. Ferner gilt, dass der Einsatz von Expertenwissen/Information 28% der Varianz der misstrauensbasierten Führung erklärt, während die anderen hier untersuchten Einflussgrundlagen deutlich geringere Varianzanteile (zwischen 15% und 19%) dieser Führungsfacette erklären. Vergleicht man somit die Einflussgrundlagen anhand ihrer relativen Bedeutsamkeit für vertrauens- und misstrauensbasiertes Führungshandeln, so kommt Expertenwissen/Information eine herausragende Stellung zu. Ferner sind die Zusammenhänge zwischen den eingesetzten Machtgrundlagen und der Führung durch Vertrauen sowie der Führung durch Misstrauen interessant, die in Tabelle 55 abgebildet sind. Für Belohnung durch extrinsische Anreize sind weder signifikante Beziehungen zur Führung durch Vertrauen noch zur Führung durch Misstrauen zu verzeichnen. Diese NullKorrelation wird erklärlich, wenn man davon ausgeht, dass sich die positiven und negativen Effekte extrinsischer Belohnung (Deci, 1972; Deci et al., 1999) wechselseitig neutralisieren und deshalb der Gesamtzusammenhang jeweils gleich Null ist.
281
Tabelle 55. Korrelationen der Machtgrundlagen mit der Führung durch Vertrauen und Misstrauen Machtgrundlagen Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell)
Führung durch Vertrauen -.63***
Belohnung durch extrinsische Anreize
Führung durch Misstrauen .64***
-.04
.04
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen im Stichprobenumfang zwischen N = 374 und N = 383 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. ***p < .001.
Wie sich herausstellt, ist der Einsatz von Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) signifikant negativ – und vom Betrag her sehr stark – mit der Führung durch Vertrauen und signifikant positiv – vom Betrag her ebenfalls sehr stark – mit der Führung durch Misstrauen verbunden. Diese Ergebnisse sind – wie im Theorieteil ausführlich erläutert – dadurch zu erklären, dass die machtunterlegene geführte Führungskraft den Einsatz (im-)materieller Bestrafung/Drohung als Verletzung ihrer zentralen Wert-Erwartungen (Sitkin & Roth, 1993, p. 371) erlebt.
4.4 Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationsbezogenen Erlebens- und Verhaltensweisen und den Innovationserfolg Wie schon empirisch bestätigt werden konnte, wirken sich die Situationswahrnehmungen und Emotionen der geführten Führungskräfte auf ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen aus (vgl. Kapitel 4.2.3 und 4.2.4), welche wiederum das Ausmaß des Erfolgs bzw. Misserfolgs der Verfahrensinnovation differenziell bestimmen (vgl. Kapitel 4.2.1). Die Situationswahrnehmungen und Emotionen beeinflussen demzufolge indirekt über ihren Beitrag zum Innovationsverhalten bzw. den innovationshinderlichen Verhaltensweisen den Innovationserfolg. Anschließend wird empirisch untersucht, welche Qualitäten des Führungsverhaltens für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg förderlich bzw. hinderlich sind. Diese Analyse erfolgt analog zum vorherigen Kapitel auf zwei Abstraktionsniveaus: Pro abhängiger Variable wird in einem ersten Schritt auf dem höchsten Abstraktionsniveau die Wirkung der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen korrelations- und regressionsanalytisch untersucht. Die Modellannahme lautete dabei, dass die Situationswahrnehmungen, Emotionen, innovationsbezogenen Verhaltensweisen und der Innovationserfolg durch die Qualität des Führungsverhaltens differenziell vorhersagbar sind.
282
Im zweiten Schritt erfolgt eine detaillierte Analyse der Effekte der eingesetzten Einflussgrundlagen und der eingesetzten Machtgrundlagen auf die jeweils betrachtete innovationsbezogene Variable wiederum durch Korrelations- und Regressionsanalysen. Im Grad der Abstraktion bezieht sich der zweite Analyseschritt also auf die Ebene der Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Grundlagen der Führung durch Macht. 4.4.1
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Situationswahrnehmungen
4.4.1.1 Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die Situationswahrnehmungen Im Rahmen der Modellbildung wurde ausführlich begründet, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen funktionale Effekte auf die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig (Primary appraisal) freisetzen, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen dysfunktionale Effekte auf diese Situationswahrnehmung haben dürften. Außerdem wurden funktionale Effekte der Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen, aber dysfunktionale Effekte der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen für die Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsfähig (Secondary appraisal) angenommen. Entsprechend wurde folgende Hypothese formuliert: Hypothese 7a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang zur (7a-1) Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und zur (7a-2) Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang zur (7a-3) Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und zur (7a-4) Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig stehen. Die Überprüfung dieser Hypothese erfolgte durch bivariate Korrelationen nach Pearson. Tabelle 56 stellt die entsprechenden Korrelationen zusammenfassend dar. Zwei multiple Regressionsanalysen schließen sich an. Die Regressionsanalyse stellt ein sehr konservatives Prüfverfahren dar, da sämtliche Kollinearitäten zwischen den Prädiktoren auspartialisiert werden, obwohl eine Überschneidung der Prädiktoren möglicherweise auch ihren Gesamteinfluss auf die jeweils betrachtete abhängige Variable bestimmt (Bortz, 1999). Aus diesem Grund wurden hier – wie auch in den nachfolgenden Kapiteln – zunächst progressiv die bivariaten Korrelationen berechnet.
283
Tabelle 56. Bivariate Korrelationen der Situationswahrnehmungen und der Qualitäten des Führungsverhaltens Situationswahrnehmungen Führungsverhalten
Veränderungsbedürftigkeit
Führung durch Einfluss Führung durch Macht Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
.31*** -.10* .19*** -.15**
Veränderungsfähigkeit .74*** -.26*** .77*** -.56***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Schwankungen im Stichprobenumfang zwischen N = 374 und N = 387 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. *p < .05, ** p < .01, ***p < .001.
Sowohl die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und der Führung durch Einfluss, der Führung durch Macht, der Führung durch Vertrauen und der Führung durch Misstrauen als auch die Korrelationen zwischen der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig und allen einzelnen Führungsqualitäten sind hypothesenkonform signifikant. Beide Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte hängen demzufolge bedeutsam positiv mit der Führung durch Einfluss und der Führung durch Vertrauen zusammen, was die Bestätigung der Subhypothesen 7a-1 und 7a-2 erlaubt. Zudem sind beide Situationswahrnehmungen signifikant negativ mit der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen verbunden, wodurch die Subhypothesen 7a-3 und 7a-4 empirisch bestätigt werden können. Die Betrachtung der Einzelzusammenhänge verdeutlicht, dass jede Führungsfacette für sich genommen wesentlich größere Varianzanteile der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig (zwischen 6% und 60%) im Vergleich zur Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig (zwischen 1% und 10%) erklärt. Demzufolge ist das Secondary appraisal durch die hier erhobenen Qualitäten des Führungsverhaltens stärker steuerbar als das Primary appraisal. Wie die Ergebnisse dokumentieren, konnte in dieser Untersuchung erstmalig empirisch belegt werden, dass die Situationswahrnehmungen von geführten Führungskräften in Innovationsprozessen entscheidend von der Qualität der Führung beeinflusst werden. Zusätzlich zu den bivariaten Zusammenhängen wurden zwei multiple Regressionsanalysen gerechnet, denn neben den separaten Zusammenhangsanalysen interessierte auch das Zusammenspiel der Qualitäten des Führungsverhaltens in Bezug auf die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte. Die Ergebnisse illustriert Tabelle 57. Beide Gesamteffekte der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenwirken auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig sind signifikant. Die integrierte Betrachtung der Führungsqualitäten als Determinanten des Primary appraisal zeigt, dass Führung durch Einfluss im Vergleich zu allen anderen Führungsqualitäten
284
der entscheidende Prädiktor für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig ist. Für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig zeigen die standardisierten Regressionskoeffizienten (ß), dass es vor allem Führung durch Vertrauen und Führung durch Einfluss sind, die diese Situationswahrnehmung der geführten Führungskräfte unterstützen. Relativ betrachtet hat die vertrauensbasierte Führung einen stärkeren Effekt auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig im Vergleich zur einflussbasierten Führung. Die Einflüsse der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig sind dagegen in der integrierten Betrachtung aufgrund der Interkorrelationen der Prädiktoren fast Null und statistisch nicht bedeutsam. Tabelle 57. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit durch die Qualitäten des Führungsverhaltens Kriteriumsvariable Veränderungsbedürftigkeit Prädiktoren ß Führung durch Einfluss .44*** Führung durch Macht -.04 Führung durch Vertrauen .15 Führung durch Misstrauen .04 Modellkennwerte R = .34, R2 = .11, N = 361 F (4, 356) = 11.40***
Veränderungsfähigkeit ß .38*** .05 .56*** .08 R = .81, R2 = .66, N = 360 F (4, 355) = 169.06***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weicht der Stichprobenumfang vom Gesamtstichprobenumfang ab. ***p < .001.
Dabei gilt, dass Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenwirken 11% der Varianz der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und 66% der Varianz der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig zu erklären vermögen. Die Führungsqualitäten insgesamt binden also einen vergleichsweise kleinen Teil der Varianz der eingeschätzten Soll-Ist-Diskrepanz, aber einen sehr hohen Varianzanteil des kognizierten Grades der Situationskontrolle der geführten Führungskräfte. Relativ betrachtet, hat für die eingeschätzte Situationskontrolle die Führung durch Vertrauen den stärksten Prädiktorwert, was u. a. daran liegen wird, dass bei einer vertrauensbasierten Führung eine valide hierarchieübergreifende Problemkommunikation stattfindet. Interessant ist dabei, dass Führung durch Vertrauen zwar der entscheidende Transmissionsriemen der beurteilten Veränderungsfähigkeit der Situation ist, Führung durch Vertrauen aber die beurteilte Veränderungsbedürftigkeit der Situation – in der relativen Betrachtung – kaum steigert. Dieser Unterschied kann wie folgt erklärt werden: Die bewertete Veränderungsfähigkeit der Situation liegt im Vergleich zur eingeschätzten Veränderungsbedürftigkeit der Situation näher an der Handlung der
285
geführten Führungskraft, so dass unmittelbar persönliche Implikationen ins Spiel kommen. Aus diesem Grund ist die Einschätzung der Situation als veränderungsfähig besonders vertrauenssensibel. Außerdem ist interessant, dass Führung durch Vertrauen die beurteilte Veränderungsfähigkeit der Situation stärker fördert als Führung durch Einfluss. Dies kann dadurch erklärt werden, dass Führung durch Vertrauen gewissermaßen das basale Fundament der eingeschätzten Situationskontrolle der geführten Führungskraft bildet, während Führung durch Einfluss hierfür vielmehr eine Frage der „Werkzeuge“ ist (z. B. Expertenwissen, Delegation) und somit für die beurteilte Veränderungsfähigkeit von sekundärer Bedeutung ist. Für die Führung im Innovationsprozess sind aus diesen Ergebnissen folgende Konsequenzen abzuleiten: Will ein Vorgesetzter die Situationswahrnehmungen seiner Unterstellten im Sinne der Freisetzung von innovativen Verhaltensweisen stimulieren, so erweist es sich als hilfreich, zur Unterstützung der ersten zentralen Weichenstellung – dass also die Situation als veränderungsbedürftig erkannt wird – Einfluss einzusetzen. Zur Förderung der zweiten zentralen Weichenstellung für innovative Verhaltensweisen – dass also die Situation auch als veränderungsfähig beurteilt wird – ist es günstig, wenn ein Vorgesetzter vor allem durch Vertrauen führt. 4.4.1.2 Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen Wie ersichtlich wurde, unterstützt Führung durch Einfluss die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig. Auch für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig konnten positive Effekte der einflussbasierten Führung empirisch belegt werden. Im Anschluss werden deshalb nun die Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen detailliert betrachtet. Diesbezüglich wurde folgende Hypothese aufgestellt: Hypothese 7b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (7b-1) der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und (7b-2) der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig. Die Überprüfung dieser Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen der Führung und der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig einerseits sowie der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig andererseits ergibt, dass alle Korrelationen zwischen den einzelnen Situationswahrnehmungen und den einzelnen Einflussgrundlagen vom Zufall abweichen (s. Tabelle 58).
286
Tabelle 58. Bivariate Korrelationen der Situationswahrnehmungen und der Einflussgrundlagen Situationswahrnehmungen Einflussgrundlagen Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
Veränderungsbedürftigkeit
Veränderungsfähigkeit
.14** .24*** .40*** .20*** .19***
.46*** .67*** .59*** .57*** .38***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 385 und N = 389. **p < .01, ***p < .001.
Dabei hängt der Einsatz aller Einflussgrundlagen der Führung im Innovationsprozess positiv mit der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig durch die geführte Führungskraft zusammen, weshalb die Subhypothese 7b-1 empirisch bestätigt werden kann. Darüber hinaus sind alle Einflussgrundlagen mit der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig positiv verbunden, wodurch auch die Subhypothese 7b-2 empirische Evidenz erfährt. Vom Betrag her sind die Zusammenhänge der Einflussgrundlagen mit der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der Situation als niedrig bis mittel, für die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit hingegen als hoch zu bewerten. Drei Zusammenhänge zwischen den Einflussgrundlagen und der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation sind besonders stark ausgeprägt, weshalb darauf besondere Aufmerksamkeit zu richten ist: Expertenwissen/Information erklärt in der Einzelbetrachtung 45% der Varianz der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation durch die geführte Führungskraft. Dies wird den Grund haben, dass Expertenwissen/Information zur Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung der geführten Führungskraft beiträgt, weshalb sie sich dann Situationskontrolle zuschreibt. Ferner ist interessant, dass die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie – einzeln betrachtet – 35% der Varianz der beurteilten Veränderungsfähigkeit der Situation erklärt. Diese hohe Varianzerklärung ist dadurch plausibel, dass durch die Kombination der partizipativen und delegativen Führung innerhalb dieser Einflussgrundlage die internale Kontrollüberzeugung, die internale Kausalattribution und das Selbstwertgefühl der geführten Führungskraft gesteigert werden, so dass sie Gewissheit darüber erlangt, die Abweichung zwischen dem betrieblichen Soll-Zustand und dem Ist-Zustand durch eigene oder fremde Ressourcen handhaben zu können. Außerdem ist auf den hohen Varianzerklärungsanteil von innovationsbezogener Unterstützung an der eingeschätzten Veränderungsfähigkeit hinzuweisen, der 32% beträgt. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Vorgesetzte durch seine Fehlertoleranz und seine Anerkennung innovationsbezogener Aktivitäten den Wert von Innovation gegenüber der geführ-
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ten Führungskraft symbolisiert. Hierdurch wird die Selbstwirksamkeitserwartung und internale Kontrollüberzeugung der geführten Führungskraft gesteigert, dass sie Situationskontrolle hat. Zur vertiefenden Analyse der Beziehungen zwischen den Einflussgrundlagen und denSituationswahrnehmungen wurden wiederum zwei multiple Regressionsanalysen berechnet, in denen zum einen die Wirkungen von persönlicher Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation in ihrem Zusammenwirken auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und zum anderen auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig geprüft wurden. Es stellt sich heraus, dass sowohl das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit als auch das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit signifikant ist (s. Tabelle 59). Abweichend von den bivariaten Analysen, zeigen die regressionsanalytischen Ergebnisse, dass insbesondere die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig steigert, während die anderen Einflussgrundlagen in der integrierten Betrachtung aufgrund der Prädiktoreninterkorrelationen nicht mehr signifikant werden. Der Grund für die hohe Relevanz der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie für die eingeschätzte Veränderungsbedürftigkeit besteht im delegativen Moment dieser Einflussgrundlage: Durch die konsequente Delegation von komplexen Aufgaben (vgl. Wunderer, 2000), aber auch den notwendigen Entscheidungskompetenzen und Rechten zur Bewältigung dieser Aufgaben (Gebert, 2002a, S. 174), steigert der Vorgesetzte die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft die Ist-Situation kritisch zu beleuchten, vermittelt Mut und Zuversicht, dass die konstruktive Auseinandersetzung mit der bisherigen Weise der Problembewältigung erwünscht ist. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die geführte Führungskraft eine Diskrepanz zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung bewertet.
288
Tabelle 59. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit durch die Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation Modellkennwerte
Veränderungsbedürftigkeit ß .02 .12 .34*** -.02 .00 R = .38, R2 = .15, AIC = .48, N = 378 F (5, 372) = 12.86***
Veränderungsfähigkeit ß .00 .43*** .30*** .18*** .08* R = .77, R2 = .59, AIC = -.05, N = 376 F (5, 370) = 105.86***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen.
*p < .05, ***p < .001. Neben der relativen Bedeutsamkeit der Einflussgrundlagen für die beurteilte Veränderungsbedürftigkeit der Situation ist das relative Gewicht der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation maßgeblich. Es verweist darauf, dass der Einsatz von Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, die innovationsbezogene Unterstützung und der Verzicht auf Manipulation diese Wahrnehmungskomponente fördert. Insofern unterstützen die Regressionskoeffizienten dieser vier Einflussgrundlagen die korrelationsanalytischen Ergebnisse. Gegenüber den berichteten bivariaten Korrelationen verfehlt die persönliche Ausstrahlung in der Regression das Signifikanzniveau. Dieser Unterschied kann durch die Interkorrelationen der Prädiktoren erklärt werden: Persönliche Ausstrahlung interkorreliert mit allen anderen Einflussgrundlagen, insbesondere aber mit Expertenwissen/Information, weshalb die persönliche Ausstrahlung in der Regressionsanalyse keinen zusätzlichen Informationsbeitrag mehr zur Erklärung der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig liefert. Vielmehr ist aufgrund der Interkorrelation der Einflussgrundlagen davon auszugehen, dass die Information von persönlicher Ausstrahlung schon in den ßGewichten der anderen Prädiktoren enthalten ist. Insgesamt erklären die Einflussgrundlagen gemeinsam 15% der Varianz der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der Situation und 59% der Varianz der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation. Diese Unterschiede in der Höhe der Varianzaufklärung verdeutlichen analog zum hohen Abstraktionsniveau, dass der Einsatz der Einflussgrundlagen insbesondere für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig bedeutsam ist. Betrachtet man die Effekte der eingesetzten Einflussgrundlagen in ihrem Zusammenwirken auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig, dann zeigt sich die dominante
289
Relevanz der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie gegenüber jeder anderen Einflussgrundlage. Untersucht man die gemeinsamen Effekte der Einflussgrundlagen auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig, so verdeutlicht die unterschiedliche Höhe der standardisierten
Regressionskoeffizienten,
dass
Einflussnahme
durch
Expertenwis-
sen/Information die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig am stärksten steigert und die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie den zweitstärksten Positiveffekt für die Situationswahrnehmung im Vergleich zu jeder anderen hier untersuchten Einflussgrundlage hat. Daraus folgt für das praktische Innovationsmanagement in Organisationen innerhalb des Führungsverhaltens bestimmte Einflussgrundlagen stärker einzusetzen als andere: Zur Förderung der Veränderungsbedürftigkeit der betrieblichen Situation ist insbesondere ein solches Führungsverhalten zu empfehlen, dass dem Betroffenen die zur Innovation notwendigen Freiheitsgrade gewährt und autonomes Handeln ermöglicht. Zur Unterstützung der Veränderungsfähigkeit sind vor allem Einfluss durch Expertenwissen/Information und die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie funktional einzuschätzen. 4.4.1.3 Wirkungen der Machtgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen Wie schon auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien deutlich wurde, hängt Führung durch Macht mit beiden Situationswahrnehmungen negativ zusammen. Insofern interessieren nun die Effekte der einzelnen Machtgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte. Da zu erwarten ist, dass Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) im Vergleich zu Belohnung durch extrinsische Anreize die intrinsische Motivation der geführten Führungskraft zur kritisch-konstruktiven Reflexion des betrieblichen IstZustandes stärker herabsetzt und durch die stärkere Herabsetzung der Selbstwirksamkeitserwartung und des Selbstwertgefühls der geführten Führungskraft stärker als Belohnung durch extrinsische Anreize zur Reduktion der Situationskontrolle beiträgt, wurde folgende Hypothese formuliert: Hypothese
7c:
Der
Einsatz
der
Machtgrundlage
Bestrafung/Drohung
(materi-
ell/immateriell) hemmt (7c-1) die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig und (7c-2) die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Die Ergebnisse der Analyse dieser Zusammenhänge zwischen den einzelnen Machtgrundlagen und den Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte sind in Tabelle 60 aufgeführt. 290
Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) ist sowohl mit der Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig als auch mit der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig signifikant negativ verbunden, während die Zusammenhänge zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und beiden Situationswahrnehmungen gleich Null sind. Diese Korrelationen deuten bereits an, dass sich Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) sowohl auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsbedürftig als auch auf die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig contraproduktiver auswirkt als Belohnung durch extrinsische Anreize. Tabelle 60. Korrelationen der Situationswahrnehmungen und der Machtgrundlagen Situationswahrnehmungen Machtgrundlagen Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize
Veränderungsbedürftigkeit -.27*** .07
Veränderungsfähigkeit -.50*** .04
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 386 und N = 389. ***p < .001.
Um das relative Gewicht der eingesetzten Machtgrundlagen auf die Situationswahrnehmungen zu überprüfen, wurden wiederum zwei multiple Regressionsanalysen berechnet (s. Tabelle 61). Insgesamt sind beide Regressionsmodelle der Machtgrundlagen als Prädiktoren der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit signifikant. Die regressionsanalytischen Befunde widersprechen allerdings den Korrelationen: Betrachtet man die gemeinsamen Effekte von Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize auf die Situationswahrnehmungen, so wird deutlich, dass der Einsatz immaterieller und materieller Bestrafung/Drohung dysfunktional auf beide Situationswahrnehmungen wirkt, während Belohnung durch extrinsische Anreize einen bedeutsamen positiven Effekt auf beide Wahrnehmungskomponenten hat. Damit hat Bestrafung/Drohung eindeutig negativere Auswirkungen auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit als Belohnung durch extrinsische Anreize, was für die Bestätigung der Subhypothese 7c-1 spricht. Auch für die Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig kann der contraproduktivere Effekt von Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) im Vergleich zur Belohnung durch extrinsische Anreize (Subhypothese 7c-2) empirisch untermauert werden. Insgesamt konnten 8% der Varianz der Veränderungsbedürftigkeit und 26% der Varianz der Veränderungsfähigkeit der Situation durch die integrierte Betrachtung der eingesetzten Machtgrundlagen des Vorgesetzten gebunden werden, was für eine relativ geringe Varianzaufklärung spricht.
291
Tabelle 61. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Veränderungsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit durch die Machtgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize Modellkennwerte
Veränderungsbedürftigkeit ß -.28*** .10* R = .29, R2 = .08, AIC = .57, N = 387 F (2, 384) = 17.03***
Veränderungsfähigkeit ß -.52*** .10* R = .51, R2 = .26 AIC = .54, N = 384 F (2, 381) = 67.87***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weicht der Stichprobenumfang in diesen Analysen jeweils vom Gesamtstichprobenumfang ab. *p < .05, ***p < .001.
Die unterschiedliche Höhe der Regressionskoeffizienten verdeutlicht sowohl für die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit als auch für die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation, dass der Negativeffekt von Bestrafung/Drohung stark ist, der Positiveffekt von Belohnung durch extrinsische Anreize aber vergleichsweise gering ausfällt. Diese Resultate sind für die Machtgrundlage Bestrafung/Drohung keineswegs überraschend: Durch andere Untersuchungen (Burke & Wilcox, 1971; Busch, 1980; Carson et al., 1993; Deci, 1972; Hinkin & Schriesheim, 1989; Schriesheim et al., 1991; Thamhain & Gemmil, 1974) ist für diverse abhängige Variablen belegt, dass der Einsatz von Bestrafung/Drohung stets mit negativen Effekten verbunden ist, was sich beispielsweise in reduziertem Engagement, verminderter Motivation und Leistung, der Abnahme der Arbeitszufriedenheit und organisationalen Bindung widerspiegelt. Insofern stehen die in der vorliegenden Untersuchung erstmals bestätigten Negativeffekte von Bestrafung/Drohung für die Situationswahrnehmungen von geführten Führungskräften im Innovationsprozess im Einklang mit den bisherigen Erkenntnissen der Machtforschung, die allerdings andere Kriteriumsvariablen fokussierte. Die unterschiedliche Richtung der Regressionskoeffizienten beider Machtgrundlagen in der vorliegenden Untersuchung gibt Anlass zu der Folgerung, dass Machtausübung im Hinblick auf die Kognitionen der geführten Führungskräfte nicht grundsätzlich Negativeffekte hat, sondern die eingesetzte Machtgrundlage für den Effekt entscheidend ist, denn Belohnung durch extrinsische Anreize wirkt jeweils positiv auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Situation – wenn auch nur in schwachem Ausmaß. Dies ist im Zusammenhang mit bisherigen Untersuchungen zu interpretieren, in denen die Befundlage zu den Effekten von materieller Belohnung auf verschiedene Kriteriumsvariablen sowohl von der Richtung als auch vom Betrag her vergleichsweise heterogen dokumentiert wird (vgl. Amabile, 1998; Bachman et al., 1966; Becker, 1991; Busch, 1980; Ivancevich & Donnelly, 1970; Thamhain & Gemmil, 1974; Wieland, 1969). Die generelle Unentscheidbarkeit der Frage, ob materielle Belohnung positive 292
oder negative Wirkungen entfaltet, kann anhand der vorliegenden Ergebnisse zumindest für die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte dahingehend beantwortet werden, dass Belohnung durch extrinsische Anreize mit leicht positiven Effekten verbunden ist. Da auf dem Abstraktionsniveau der Grundlagen der Führung durch Macht und der Grundlagen der Führung durch Einfluss pro abhängiger Variable stets zwei Regressionsanalysen berechnet wurden, in die unterschiedliche Prädiktoren eingehen – zum einen die Regression der fünf Einflussgrundlagen auf die jeweilige Kriteriumsvariable und zum anderen die Regression der zwei Machtgrundlagen auf die jeweilige Kriteriumsvariable – ist es sinnvoll, den Fit dieser Regressionsmodelle zusätzlich zum R2 miteinander zu vergleichen.177 Ein zusätzlicher Modellvergleich ist nützlich, weil R2 gegenüber der Anzahl der Prädiktoren sensibel ist. Um deshalb zusätzliche Hinweise zur Güte der Regressionsmodelle im Vergleich zueinander zu erhalten, wurde neben dem Anteil der erklärten Varianz (R2) in den jeweils betrachteten Kriteriumsvariablen, pro Modell das Akaike Information Criterion (AIC)178 berechnet. Dabei gilt: Je kleiner der relative Wert des AIC, desto besser ist die Modellgüte, weil mehr Varianz pro Prädiktor in dem jeweiligen Kriterium erklärt wird, wobei die so bestimmte Modellgüte um die Anzahl der Prädiktoren bereinigt ist. Während der Gütevergleich des Regressionsmodells zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit durch die Einflussgrundlagen (AIC = .48) mit dem Regressionsmodell zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit durch die Machtgrundlagen (AIC = .57) nur leicht zugunsten des Modells der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit ausfällt, ergibt der Vergleich des Regressionsmodells zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit durch die Einflussgrundlagen (AIC = -.05) mit dem Modell zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit durch die Machtgrundlagen (AIC = .54) eindeutig einen besseren Fit des ersten Regressionsmodells. Daraus folgt, dass die Einflussgrundlagen beide Situationswahrnehmungen besser vorhersagen als die Machtgrundlagen.
293
4.4.2
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Emotionen
4.4.2.1 Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die Emotionen Betrachtet man den Innovationsprozess unter der Perspektive der Emotionen der geführten Führungskräfte, so wurde bereits deutlich, dass mit Zunahme der positiven Emotionen und Abnahme der negativen Emotionen das Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) steigt, während mit Zunahme der negativen Emotionen und Abnahme der positiven Emotionen die innovationshinderlichen Verhaltensweisen (intrapsychische Anpassung und Flucht) zunehmen (vgl. Kapitel 4.2.3). Die Emotionen der geführten Führungskräfte sind demnach entscheidende Determinanten ihrer innovationsbezogenen Verhaltensweisen. Es wurde argumentiert, dass die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte durch die Qualitäten des Führungsverhaltens beeinflussbar sind. Dabei lautete die zentrale Annahme, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die positiven Emotionen der geführten Führungskräfte verstärken, da diese Führungsfacetten Flow (Csikszentmihalyi, 1997) wahrscheinlich werden lassen. Gleichzeitig werden die negativen Emotionen durch diese Führungsfacetten reduziert, da eine negative Valenz bei gleichzeitiger hoher Aktivierung durch Einfluss und Vertrauen abnehmen dürfte. Für Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen wurden hingegen hemmende Effekte für die positiven Emotionen, aber verstärkende Effekte für die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte postuliert – was mit den Resultaten anderer empirischer Untersuchungen im Einklang steht (Buschmeier, 1995; Deci & Ryan, 1987; Krause, 2002b; Scholl, 1996). Daher wurde für die Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien folgende emotionsbezogene Hypothese generiert: Hypothese 8a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (8a-1) den positiven Emotionen und in einem negativen Zusammenhang mit (8a-2) den negativen Emotionen, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (8a-3) den positiven Emotionen und in einem positiven Zusammenhang mit (8a-4) den negativen Emotionen stehen. Zur Hypothesenprüfung wurden die Zusammenhänge der Einzelvariablen berechnet (s. Tabelle 62). Diese Analyse verweist darauf, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen bedeutsam positiv, Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen hingegen bedeutsam 294
negativ mit den positiven Emotionen korrelieren. Die signifikante Korrelationsdifferenz (z = 2.17, p < .05) der Fisher z- standardisierten Korrelationen zwischen der Führung durch Einfluss und den positiven Emotionen sowie zwischen der Führung durch Vertrauen und den positiven Emotionen deutet an, dass eine einflussbasierte Führung für die positiven Emotionen funktionaler ist als eine vertrauensbasierte Führung. Umgekehrt gilt für die negativen Emotionen, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen signifikant negativ mit den negativen Emotionen korrelieren. Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen weisen hingegen bedeutsam positive Zusammenhänge mit den negativen Emotionen auf. Machtausübung und Misstrauen führen demzufolge zu negativen Emotionen wie z. B. Angst und Besorgnis, während sich gleichzeitig durch Machteinsatz und Misstrauen geringere positive Emotionen wie z. B. Freude, Begeisterung, Mut und Neugier feststellen lassen. Aufgrund dieser Ergebnisse lassen sich alle richtungsbezogenen Einzelzusammenhänge der Subhypothesen 8a-1 bis 8a-4 empirisch bestätigen. Tabelle 62. Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Qualitäten des Führungsverhaltens Emotionen
positive Emotionen
negative Emotionen
.53*** -.14** .44*** -.31***
-.45*** .36*** -.45*** .43***
Führungsverhalten Führung durch Einfluss Führung durch Macht Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 377 und N = 395. **p < .01, ***p < .001.
Um weitere Informationen über das Zusammenwirken der Führungsqualitäten auf die positiven und negativen Emotionen der geführten Führungskräfte zu erhalten, wurden alle vier Führungsfacetten als Prädiktoren in zwei multiple Regressionsanalysen eingeführt. Beide Regressionsmodelle sind signifikant (s. Tabelle 63). Diese regressionsanalytischen integrierten Betrachtungen erklären etwa gleich starke Varianzanteile der positiven Emotionen (29%) und der negativen Emotionen (28%) der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess. Im Vergleich zur beträchtlichen Varianzerklärung der Wahrnehmung der Situation als veränderungsfähig durch die vier Führungsfacetten in Höhe von 66% vermögen die Qualitäten des Führungsverhaltens die Emotionen der geführten Führungskräfte daher in geringerem Ausmaß aufzuklären.
295
Tabelle 63. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Qualitäten des Führungsverhaltens positive Emotionen Kriteriumsvariable Prädiktoren ß Führung durch Einfluss .50*** Führung durch Macht .04 Führung durch Vertrauen .13 Führung durch Misstrauen .07 Modellkennwerte R = .54, R2 = .29, N = 361 F (4, 356) = 35.95***
negative Emotionen ß -.24** .20*** -.06 .16*** R = .53, R2 = .28, N = 361 F (4, 356) = 34.09***
Anmerkungen. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weicht der Stichprobenumfang jeweils vom Gesamtstichprobenumfang ab. **p < .01, ***p < .001.
Die
regressionsanalytischen
Ergebnisse
zeigen
für
die
positiven
Emotionen
als
Kriteriumsvariable gegenüber den bivariaten Korrelationen, dass insbesondere Führung durch Einfluss begünstigend auf die positiven Emotionen wirkt, während die Regressionskoeffizienten der Führung durch Vertrauen, der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen in der integrierten Betrachtung mit den anderen Prädiktoren nicht mehr signifikant werden. Diese Abweichung gegenüber den Korrelationen liegt vermutlich an der Interkorrelation der Prädiktoren. Demzufolge gilt, dass Führung durch Einfluss einen relativ stärkeren Effekt auf die positiven Emotionen hat als die anderen drei Führungsqualitäten. Für die negativen Emotionen zeigt die Regressionsanalyse bedeutsame positive Effekte der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen und eine negative Wirkung der Führung durch Einfluss. Der Vergleich der Regressionskoeffizienten im Verhältnis zueinander offenbart, dass Führung durch Einfluss den stärksten negativen Effekt und Führung durch Macht den stärksten positiven Effekt auf die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte hat. Vergleicht man den Prädiktorwert der vier Qualitäten des Führungsverhaltens, so lassen sich die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess – in negativer Richtung – insbesondere durch die einflussbasierte Führung vorhersagen. Gleichzeitig erweist sich eine machtbasierte und eine misstrauensbasierte Führung im Innovationsprozess als nicht ungefährlich, weil die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte – wie z. B. Angst und Besorgnis – durch diese Führungsfacetten zunehmen.
296
4.4.2.2 Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die Emotionen Da eine einflussbasierte Führung in komplementärer Weise die positiven Emotionen stützt, aber die negativen Emotionen abmildert, kann man nach den differenziellen Effekten der Einflussgrundlagen auf die Emotionen der geführten Führungskräfte fragen. Diesbezüglich wurde angenommen, dass alle Einflussgrundlagen der Führung mit positiver Valenz und Aktivierung einhergehen und im zeitlichen Verlauf der Innovation auch keine negative Valenz und Aktivierung durch den Einsatz der Einflussgrundlagen der Führung zu erwarten ist. Deshalb lautete die Hypothese zu den Zusammenhängen der Einflussgrundlagen und den Emotionen wie folgt: Hypothese 8b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (8b-1) den positiven Emotionen, aber jeweils ein negativer Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (8b-2) den negativen Emotionen. Die Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und den positiven Emotionen sowie den einzelnen Einflussgrundlagen und den negativen Emotionen sind in Tabelle 64 abgebildet. Alle Beziehungen erweisen sich als signifikant. Tabelle 64. Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Einflussgrundlagen Emotionen Einflussgrundlagen Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
positive Emotionen
negative Emotionen
.35*** .46*** .49*** .41*** .24***
-.23*** -.39*** -.39*** -.28*** -.36***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang in diesen Analysen zwischen N = 387 und N = 395. ***p < .001.
Während persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation von der Richtung her positiv mit positiven Emotionen im Innovationsprozess verbunden ist, bestehen bedeutsame negative Zusammenhänge zwischen allen einzelnen Einflussgrundlagen und den negativen Emotionen. Diese Ergebnisse bestätigen die in den Hypothesen 8b-1 und 8b-2 postulierten komplementären Effekte der Einflussgrundlagen der Führung auf die positiven und negativen Emotionen.
297
Analysiert man die relativen Effekte der eingesetzten Einflussgrundlagen auf die positiven Emotionen, so zeigt das insgesamt signifikante Regressionsmodell (s. Tabelle 65), dass vor allem der Einsatz von Expertenwissen/Information und die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die positiven Emotionen fördern, während die Effekte von persönlicher Ausstrahlung, innovationsbezogener Unterstützung und Verzicht auf Manipulation regressionsanalytisch aufgrund der Prädiktoreninterkorrelationen nicht mehr signifikant werden. Der Vergleich der ßGewichte im Hinblick auf die positiven Emotionen ergibt eine deutliche Überlegenheit der Wirkung der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie in Relation zu den standardisierten Regressionskoeffizienten der anderen Einflussgrundlagen. Tabelle 65. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable positive Emotionen Prädiktoren ß Persönliche Ausstrahlung .07 Expertenwissen/Information .23*** Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie .32*** Innovationsbezogene Unterstützung .09 Verzicht auf Manipulation -.01 Modellkennwerte R = .56, R2 = .31 AIC = .07, N = 378 F (5, 372) = 33.30***
negative Emotionen ß .04 -.24** -.21*** -.04 -.21*** R = .50 R2 = .25 AIC = .09, N = 387 F (5, 372) = 24.69***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstehen durch fehlende Werte in den Variablen. **p < .01, ***p < .001.
Auch das Regressionsmodell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der negativen Emotionen fällt statistisch bedeutsam aus. Die Regressionsanalyse der Einflussgrundlagen auf die negativen Emotionen deckt gegenüber den bivariaten Korrelationen auf, dass vor allem Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation in negativer Richtung die negativen Emotionen vorhersagen, während die Wirkung von persönlicher Ausstrahlung und innovationsbezogener Unterstützung in der integrierten Betrachtung mit den anderen Einflussgrundlagen nicht mehr statistisch bedeutsam ausfällt. Die Höhe der signifikanten standardisierten Regressionskoeffizienten deutet an, dass der mangelnde Einsatz von Expertenwissen/Information durch den Vorgesetzten die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte am Besten vorhersagt. Die Höhe der Varianzerklärung der positiven Emotionen durch die Einflussgrundlagen in ihrem Zusammenwirken beträgt 31%, während die Höhe der Varianzerklärung der negativen Emotionen durch die Einflussgrundlagen insgesamt 25% beträgt. Die Güte beider Regressionsmodelle ist deshalb als hoch zu bewerten.
298
Zusammenfassend verdeutlichen die relativen Gewichte der Einflussgrundlagen auf die Emotionen, dass Einflussnahme durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die positiven Emotionen stärker fördert als jede andere hier untersuchte Einflussgrundlage. Dieses Ergebnis ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie positive Effekte auf die eingeschätzte Situationskontrolle der geführten Führungskraft hat (s. Kapitel 4.4.1.2). Dadurch wird verständlich, dass diese Einflussgrundlage auch die positiven Emotionen der geführten Führungskräfte am stärksten fördert. Für die Negativierung der Emotionen der geführten Führungskräfte im Innovationsprozess hat hingegen der Mangel an Expertenwissen/Information den stärksten Vorhersagewert im Vergleich zu jeder anderen eingesetzten Einflussgrundlage. 4.4.2.3 Wirkungen der Machtgrundlagen auf die Emotionen Wie schon belegt wurde (s. Kapitel 4.4.2.1), hemmt Machtausübung im Innovationsprozess die positiven Emotionen und intensiviert die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte. Deshalb werden nun die detaillierten Effekte der Machtgrundlagen auf die Emotionen untersucht. Es wurde folgende Hypothese generiert: Hypothese
8c:
Der
Einsatz
der
Machtgrundlage
Bestrafung/Drohung
(materi-
ell/immateriell) hemmt (8c-1) die positiven Emotionen stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize und fördert (8c-2) die negativen Emotionen stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohung durch extrinsische Anreize. Tabelle 66 präsentiert die Korrelationen der Machtgrundlagen mit den positiven Emotionen einerseits und mit den negativen Emotionen andererseits. Es wird deutlich, dass Machtausübung durch (im-)materielle Bestrafung/Drohung die positiven Emotionen in mittlerem Ausmaß bedeutsam hemmt. Ferner gilt, dass (im-)materielle Bestrafung/Drohung die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte in hohem Maße fördert. Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen (z. B. Buschmeier, 1995; Krause, 2002b; Scholl, 1996) überein, in denen für verschiedene Untersuchungskontexte (z. B. privater Bereich, Arbeit in Organisationen) und verschiedene Interaktionsrichtungen (z.B. von oben nach unten in der organisationalen Hierarchie oder zwischen hierarchisch Gleichgestellten) konsistent gezeigt wurde, dass Bestrafung/Drohung beim Machtbetroffenen zu verstärkten negativen Emotionen führt, wie z. B. Ärger, Furcht, Wut oder Zorn.
299
Demgegenüber zeigt sich eine signifikant positive – vom Betrag her niedrige – Korrelation zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und den positiven Emotionen, aber eine NullKorrelation zwischen Belohnung und den negativen Emotionen der geführten Führungskräfte. Analog zur positiven Wirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize auf die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation (Kapitel 4.4.1.3) zeigt sich also, dass durch extrinsische Anreize die positiven Emotionen der geführten Führungskräfte gefördert werden – wenn auch „nur“ in vergleichsweise schwachem Ausmaß. Interessant ist der Betrag dieser Korrelation, denn er stimmt in etwa mit dem meta-analytisch ermittelten Betrag zwischen Belohnung und Leistung in Höhe von r = .17 (Carson et al., 1993, p. 1163) überein. Tabelle 66. Bivariate Korrelationen der Emotionen und der Machtgrundlagen Emotionen Machtgrundlagen
positive Emotionen
Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize
-.34*** .12*
negative Emotionen .48*** .07
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang in diesen Analysen zwischen N = 388 und N = 389. *p < .05, ***p < .001.
Zusätzlich zu den Korrelationen wurden die Machtgrundlagen in zwei separate Regressionsgleichungen mit den positiven Emotionen zum einen und den negativen Emotionen zum anderen als Kriteriumsvariable aufgenommen. Wie sich herausstellt, sind beide Modellansätze signifikant (s. Tabelle 67). Die Analyse der gemeinsamen Wirkung der eingesetzten Machtgrundlagen auf die positiven Emotionen und die negativen Emotionen macht wiederum deutlich, dass die positiven Emotionen durch den Einsatz (im-)materieller Bestrafung/Drohung negativ vorhersagbar sind, durch Belohnung durch extrinsische Anreize aber in positiver Richtung vorhergesagt werden können. Dieses Ergebnis widerspricht der Annahme von Frey und Osterloh (1997), dass man durch die Vergabe von extrinsischen Belohnungen Gefahr läuft, die intrinsische Motivation der Betroffenen zu untergraben (Verdrängungs- bzw. Korrumpierungseffekt). Denn positive Emotionen, die im sogenannten Flow-Quadranten des Circumplex-Modells liegen (vgl. Kapitel 2.3.2.1) und daher hohe Grade an intrinsischer Motivation der geführten Führungskräfte reflektieren, werden gerade nicht durch extrinsische Belohnungen reduziert, sondern tendenziell unterstützt.
300
Tabelle 67. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der positiven und negativen Emotionen durch die Machtgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize Modellkennwerte
positive Emotionen ß -.35*** .11* R = .36, R2 = .13, AIC = .29, N = 387 F (2, 384) = 27.61***
negative Emotionen ß .47*** .06 R = .48, R2 = .23 AIC = .08, N = 387 F (2, 384) = 57.53***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen weicht der Stichprobenumfang vom Gesamtstichprobenumfang ab. *p < .05, ***p < .001.
Die Betrachtung des integrierten Effekts der eingesetzten Machtgrundlagen auf die negativen Emotionen zeigt übereinstimmend mit den Korrelationen eine signifikante starke und positive Wirkung von Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell). Belohnung durch extrinsische Anreize hat dagegen keinen signifikanten Effekt auf die negativen Emotionen. In der Summe wird durch die im Innovationsprozess eingesetzten Machtgrundlagen erheblich mehr Varianz der negativen Emotionen (23%) als der positiven Emotionen (13%) aufgeklärt. Insgesamt sprechen die Ergebnisse für die Beibehaltung der Hypothese 8c: Bestrafung/Drohung hat weitaus negativere emotionale Effekte als Belohnung durch extrinsische Anreize. Dies lässt sich als Hinweis darauf interpretieren, dass die geführte Führungskraft den Einsatz von (im-)materieller Bestrafung/Drohung im Innovationsprozess wesentlich stärker als Fremdsteuerung (Deci, 1972) und Maßnahme der Verhaltenskontrolle erlebt als den Einsatz von Belohnung durch extrinsische Anreize. Analog zum bisherigen Vorgehen wurde die Güte der Regressionsmodelle zusätzlich zum 2
R anhand des AIC beurteilt. Ziel war es wieder festzustellen, ob auf der Ebene der Grundlagen von Einfluss und Macht, die Einflussgrundlagen oder die Machtgrundlagen einen besseren Modell-Fit pro betrachteter abhängiger Variable aufweisen. Während der Gütevergleich des Regressionsmodells zur Vorhersage der positiven Emotionen durch die Einflussgrundlagen (AIC = .07) mit dem Regressionsmodell zur Vorhersage der positiven Emotionen durch die Machtgrundlagen (AIC = .29) eindeutig zugunsten des Modells der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der positiven Emotionen ausfällt, ergibt der Vergleich des Regressionsmodells zur Vorhersage der negativen Emotionen durch die Einflussgrundlagen (AIC = .09) mit dem Modell zur Vorhersage der negativen Emotionen durch die Machtgrundlagen (AIC = .08) einen leicht besseren Fit des zweiten Modells. Daraus folgt, dass die Einflussgrundlagen die positiven Emotionen besser erklären als die Machtgrundlagen, umgekehrt aber die Machtgrundlagen die negativen Emotionen besser prädiktieren als die Einflussgrundlagen der Führung.
301
4.4.3
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf das Innovationsverhalten
4.4.3.1 Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf das Innovationsverhalten Neben den Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Situationswahrnehmungen (s. Kapitel 4.4.1) und die Emotionen (s. Kapitel 4.4.2) wurden im theoretischen Modell Effekte des Führungsverhaltens auf die Komponenten des Innovationsverhaltens der geführten Führungskräfte angenommen. Es wurde folgende Hypothese formuliert: Hypothese 9a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (9a-1) der Ideengenerierung/-prüfung und (9a-2) der Implementierung, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (9a-3) der Ideengenerierung und (9a-4) der Implementierung stehen. Die empirische Hypothesenprüfung erfolgte wiederum durch Korrelationsanalysen. Tabelle 68 zeigt die einzelnen Zusammenhänge zwischen den vier Führungsfacetten und der Ideengenerierung/-prüfung einerseits sowie der Implementierung andererseits. Wie sich herausstellt, korrelieren sowohl Führung durch Einfluss als auch Führung durch Vertrauen signifikant positiv mit der Ideengenerierung/-prüfung, was die Bestätigung der Subhypothese 9a-1 erlaubt. Außerdem bestehen signifikant positive Zusammenhänge zwischen der Führung durch Einfluss und der Implementierung sowie der Führung durch Vertrauen und der Implementierung, weshalb auch die Subhypothese 9a-2 empirisch bestätigt werden kann. Dagegen bestehen keine Zusammenhänge zwischen der Führung durch Macht und der Ideengenerierung/-prüfung sowie zwischen der Führung durch Misstrauen und der Ideengenerierung/-prüfung. Insofern muss die Subhypothese 9a-3 verworfen werden. Besonders interessant sind die signifikanten Zusammenhänge zwischen der Führung durch Macht und der Implementierung sowie zwischen der Führung durch Misstrauen und der Implementierung, die wie erwartet jeweils negativ ausfallen. Daher erfährt die Subhypothese 9a-4 empirische Evidenz.
302
Tabelle 68. Bivariate Korrelationen des Innovationsverhaltens und der Qualitäten des Führungsverhaltens Innovationsverhalten Führungsverhalten
Ideengenerierung/ -prüfung
Führung durch Einfluss Führung durch Macht Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
.24*** -.08 .19*** .03
Implementierung .40*** -.20*** .43*** -.30***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang in diesen Analysen zwischen N = 385 und N = 395. ***p < .001.
Insbesondere ist auf den negativen Zusammenhang zwischen der machtbasierten Führung und der Implementierung aufmerksam zu machen, denn dieser Zusammenhang wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während einige Autoren analog zu dem hier berichteten Befund einen negativen Effekt von Machtausübung auf die Implementierung annehmen (Filius, 1985; Frost & Egri, 1991) und auch empirisch belegen (Tenbrunsel & Messick, 1999; Windeler, 1992), kommen andere Autoren (z. B. Brockhoff, 1996) zu dem Schluss, dass durch Machtausübung die Implementierung unterstützt wird. Dieser positive Effekt wird in der Regel dadurch erklärt, dass Projekten Ressourcen zugeordnet werden müssen, was über Machteinsatz möglich wird. Diese Erklärung verweist auf Unterschiede in der Verwendung des Machtbegriffs: Während Brockhoff (1996) den Begriff der Macht vorwiegend strukturell verwendet, wurde der Machtbegriff in der vorliegenden Untersuchung personal definiert und durch Belohnung und Bestrafung präzisiert (s. Kapitel 2.4.1.). Dieses divergierende Begriffsverständnis ist eine mögliche Erklärung für die gegensätzlichen Resultate von Machtausübung auf die Implementierung in verschiedenen Untersuchungen. Allerdings ist eine weitere Erklärung plausibel: In der vorliegenden Untersuchung wurde bereits gezeigt, dass Führung durch Macht die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte fördert (s. Kapitel 4.4.2.3). Durch diese Intensivierung der negativen Emotionen wird auch der Befund verständlich, dass die Implementierung nicht durch Macht gestützt wird, denn negative Emotionen reduzieren das Implementierungsverhalten der geführten Führungskraft (s. Kapitel 4.2.3). Neben diesen Ergebnissen ist auf die unterschiedlichen Beträge der Korrelationen hinzuweisen: Bei der Betrachtung des Betrages der Korrelationen ist besonders augenfällig (s. Tabelle 68), dass Führung durch Einfluss nur 6% der Varianz der Ideengenerierung/-prüfung aufklärt, dagegen aber 16% der Varianz der Implementierung erklärt. Außerdem geht aus Tabelle 68 hervor, dass Führung durch Vertrauen nur 4% der Varianz der Ideengenerierung/-prüfung, aber 18% der Varianz der Implementierung bindet. Die unterschiedlich starke Wirkung dieser Führungsfacetten auf die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung ist vor dem Hintergrund der
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sogenannten ‘Loose-tight’-Hypothese (Shepard, 1967, S. 470) von besonderer Bedeutung. Sie besagt, dass für die Ideengenerierung/-prüfung im Sinne von Burns und Stalker (1961) hauptsächlich organische Organisationsstrukturen, für die Implementierung hingegen hauptsächlich mechanistische Organisationsstrukturen förderlich seien. Folgt man dieser Hypothese, so hätte man im Innovationsprozess einen Übergang von ‘Loose’ während der Ideengenerierung/-prüfung zu ‘Tight’ während der Implementierung zu vollziehen (vgl. Kapitel 2.4.4.3). Würde diese Hypothese zutreffen, dann müssten Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen für die Ideengenerierung/-prüfung funktionaler sein als für die Implementierung. Um aus den hier berichteten Ergebnissen zusätzlich Erkenntnisse im Hinblick auf die Gültigkeit der ‘Loose-tight’-Hypothese zu gewinnen, wurden die vorstehend genannte Korrelationen Fisher-z transformiert und beide Korrelationsdifferenzen auf Signifikanz geprüft. Es zeigt sich, dass die Korrelationsdifferenz zwischen Führung durch Einfluss und der Ideengenerierung/prüfung und Führung durch Einfluss und der Implementierung signifikant ist (z = -3.29, p < .01). Auch die Korrelationsdifferenz zwischen Führung durch Vertrauen und der Ideengenerierung/prüfung und Führung durch Vertrauen und der Implementierung fällt nach dieser Prüfung signifikant aus (z = -4.92, p < .001). Diese signifikanten Unterschiede zwischen den ausgewählten Führungsfacetten und den Komponenten des Innovationsverhaltens belegen, dass sowohl Führung durch Einfluss als auch Führung durch Vertrauen für die Implementierung der Verfahrensinnovation funktionaler sind als für die Ideengenerierung/-prüfung. Diese Ergebnisse legen nahe, die ‘Loose-tight’-Hypothese zu falsifizieren. Demnach besteht kein Grund zur Annahme, dass man in der Führung einen Wechsel von organischen Strukturen während der Ideengenerierung/prüfung hin zu mechanistischen Strukturen während der Implementierung zu vollziehen habe – im Gegenteil. Die Ergebnisse zeigen, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen für beide Komponenten des Innovationsverhaltens förderlich sind, für die Implementierung aber eine weitaus stärkere Funktionalität haben als für die Ideengenerierung/-prüfung. Insofern scheinen Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die notwendige Orientierung – d. h. Klarheit in Grundsatzfragen – sicherzustellen, so dass Konflikte zwischen den Beteiligten abgebaut werden und schließlich die Rate umgesetzter Neuerungen steigt (Gebert et al., 2001). Zusätzlich zu den einzelnen Zusammenhängen zwischen den Führungsfacetten und den Komponenten des Innovationsverhaltens wurde analysiert, in welcher Weise Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenwirken die Ideengenerierung/ prüfung und die Implementierung beeinflussen. Dazu wurden zwei multiple Regressionsanalysen gerechnet. Es zeigt sich, dass sowohl das Regressionsmodell der vier Führungsqualitäten als Prädiktoren der Ideengenerierung/-prüfung als auch das Regressionsmodell der vier Führungsqualitäten als Prädiktoren der Implementierung signifikant ist (s. Tabelle 69). 304
Tabelle 69. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung durch die Qualitäten des Führungsverhaltens Kriteriumsvariable Ideengenerierung/-prüfung Prädiktoren ß Führung durch Einfluss .32*** Führung durch Macht -.04 Führung durch Vertrauen .19* Führung durch Misstrauen -.39*** Modellkennwerte R = .36, R2 = .13, N = 359 F (4, 354) = 13.31***
Implementierung ß .16* -.05 .33*** .05 R = .45, R2 = .20, N = 361 F (4, 356) = 22.01***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. *p < .05, ***p < .001.
Die vier Führungsqualitäten erklären gemeinsam 13% der Varianz der Ideengenerierung/
-
prüfung und 20% der Varianz der Implementierung. Durch die Regression der Führungsfacetten auf die Ideengenerierung/-prüfung wird deutlich, dass Führung durch Misstrauen am stärksten signifikant negativ die Ideengenerierung/-prüfung prädiktiert und Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen jeweils einen signifikanten mittleren positiven Effekt auf die Ideengenerierung/-prüfung haben. Demzufolge zeigt sich auch in der unterschiedlichen Höhe der standardisierten Regressionskoeffizienten, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen für die Ideengenerierung/-prüfung förderlicher sind als Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen. Die Regression der Führungsqualitäten auf die Implementierung verdeutlicht für Führung durch Einfluss und die Führung durch Vertrauen bedeutsame mittlere positive Effekte, während diese Wirkungen für die Führung durch Macht und die Führung durch Misstrauen in der gemeinsamen Betrachtung mit den anderen Führungsfacetten nicht mehr statistisch bedeutsam sind. Insofern wird auch regressionsanalytisch klar, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen für die Implementierung einer Verfahrensinnovation erfolgsförderlicher sind als eine macht- oder misstrauensbasierte Führung. Die Regressionsanalyse des Zusammenwirkens der vier Qualitäten der Führung offenbart darüber hinaus, dass Führung durch Vertrauen den stärksten positiven Vorhersagewert für die Implementierung im Vergleich zu den anderen Führungsqualitäten hat. Für die Implementierung einer Verfahrensinnovation führen diese Ergebnisse zu der Schlussfolgerung, dass zur Unterstützung der Implementierung eine Führung durch Vertrauen realisiert werden sollte.
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4.4.3.2 Wirkungen der Einflussgrundlagen auf das Innovationsverhalten Nachdem die positive Wirkung der Führung durch Einfluss auf die Komponenten des Innovationsverhaltens schon deutlich wurde, werden nun die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und der Ideengenerierung/-prüfung sowie der Implementierung empirisch untersucht. Diesbezüglich lautete die Hypothese zu den Zusammenhängen zwischen den Einflussgrundlagen und den Komponenten des Innovationsverhaltens folgendermaßen: Hypothese 9b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (9b-1) der Ideengenerierung/-prüfung und (9b-2) der Implementierung. Auch diese Hypothese wurde korrelativ überprüft. Tabelle 70 gibt eine Übersicht der bivariaten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und der Ideengenerierung/-prüfung sowie der Implementierung. Es wird deutlich, dass persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie innovationsbezogene Unterstützung jeweils signifikant positiv mit der Ideengenerierung/-prüfung zusammenhängen. Allerdings zeigt sich für Verzicht auf Manipulation kein signifikanter Zusammenhang mit der Ideengenerierung/-prüfung. Deshalb kann die Subhypothese 9a-1 für die ersten vier Einflussgrundlagen beibehalten werden, für die fünfte Einflussgrundlage – Verzicht auf Manipulation – muss die Subhypothese 9a-1 allerdings abgelehnt werden. Darüber hinaus ist ersichtlich (s. Tabelle 70), dass alle Einflussgrundlagen der Führung in mittlerem Ausmaß signifikant positiv mit der Implementierung der Verfahrensinnovation korrelieren. Durch diese Ergebnisse kann die Subhypothese 9b-2 empirisch erhärtet werden. Vergleicht man den Betrag der einzelnen Korrelationen miteinander, so wird besonders augenfällig, dass die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie im Vergleich zu allen anderen Einflussgrundlagen am stärksten sowohl mit der Ideengenerierung/-prüfung (12% Varianzerklärung) als auch mit der Implementierung (14% Varianzerklärung) zusammenhängt.
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Tabelle 70. Bivariate Korrelationen des Innovationsverhaltens und der Einflussgrundlagen Innovationsverhalten Einflussgrundlagen
Ideengenerierung/ -prüfung
Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
.08* .16** .35*** .28*** .02
Implementierung .20*** .32*** .38*** .22*** .33***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 387 und N = 395. *p < .05, **p < .01, ***p < .001.
Deshalb soll nun zusätzlich das relative Gewicht der Einflussgrundlagen auf die Komponenten des Innovationsverhaltens untersucht werden. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zu den Effekten der eingesetzten Einflussgrundlagen in ihrem Zusammenwirken auf die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung sind in Tabelle 71 abgebildet. Es ist ersichtlich, dass sowohl das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der Ideengenerierung/-prüfung als auch das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der Implementierung signifikant ist, und die Einflussgrundlagen gemeinsam jeweils beachtliche Varianzanteile der Ideengenerierung/prüfung (15%) und der Implementierung (21%) aufklären. Tabelle 71 veranschaulicht außerdem, dass die regressionsanalytischen Ergebnisse sowohl für die Kriteriumsvariable Ideengenerierung/-prüfung als auch die Implementierung von den Korrelationen abweichen. Die unterschiedliche Höhe der ß-Gewichte spricht dafür, dass Einflussnahme durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die Ideengenerierung/prüfung am stärksten fördert und Einflussnahme durch innovationsbezogene Unterstützung die Ideengenerierung/-prüfung am zweitstärksten fördert im Vergleich zu jeder anderen hier untersuchten Einflussgrundlage. Ferner zeigt sich ein signifikant positiver Effekt von Verzicht auf Manipulation auf die Ideengenerierung/-prüfung. Persönliche Ausstrahlung und Expertenwissen/Information verfehlen dagegen in dieser Regressionsanalyse das Signifikanzniveau. Dies ist durch die Kollinearitäten der Prädiktoren bedingt, so dass die persönliche Ausstrahlung und Expertenwissen/Information in der integrierten Betrachtung mit den anderen Einflussgrundlagen keine zusätzliche Information mehr zur Erklärung der Ideengenerierung/-prüfung beitragen.
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Tabelle 71. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung durch die Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation Modellkennwerte
Ideengenerierung/prüfung ß -.08 .01 .31*** .19** .13* R = .38, R2 = .15, AIC = -.01, N = 376 F (5, 370) = 12.59***
Implementierung ß .02 .17* .26*** -.04 .19*** R = .45, R2 = .21, AIC = .14, N = 378 F (5, 372) = 19.23***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient, R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen. *p < .05, **p < .01, ***p < .001.
Für Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung ist es erforderlich, dass der Einzelne sich kreativ verhält. In Anlehnung an das Kreativitätsmodell von Amabile (1988) wurde die Ideengenerierung/-prüfung als ein Prozess beschrieben, der die Suchfeldbestimmung (Problemformulierung und Problemanalyse), die Ideenfindung (Ideenneukombination durch Abruf relevanter Informationen und Kombination verschiedenartiger und entlegener Informationen, Ideenentwicklung, mentale Probehandlung), das individuelle Testen der generierten Idee in Bezug auf ihre Tauglichkeit zur Problemreduktion und den Ideenvorschlag umfasst. Diese Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung sind definitionsgemäß fehlerbehaftet: Neues zu probieren geht mit Unsicherheit im Hinblick auf die erforderliche Zeit, die anfallenden Kosten und das Ergebnis des Prozesses einher (vgl. Kapitel 4.1.3). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass es zur Förderung der Ideengenerierung/-prüfung im Sinne des delegativen Führungsprinzips (Wunderer, 2000) nicht nur auf die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie ankommt, sondern gleichzeitig der Wert von Innovationen an sich symbolisiert werden muss, indem beispielsweise gelegentlich auftretende Fehler toleriert werden (Gebert, 1987; Krause & Klöhn, 2002). Im Hinblick auf die Implementierung präzisieren die standardisierten Regressionskoeffizienten gegenüber den bivariaten Zusammenhängen, dass die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie den stärksten Prädiktorwert hat und Verzicht auf Manipulation den zweitstärksten Vorhersagewert besitzt im Vergleich zu jeder anderen untersuchten Einflussgrundlage. Auch Expertenwissen/Information hat regressionsanalytisch einen signifikant positiven Effekt auf die Implementierung – wenn auch nur in schwächerem Ausmaß. Persönliche Ausstrahlung und innovationsbezogene Unterstützung liefern in dieser Regressionsanalyse keinen Informationsgewinn, so dass die Regressionskoeffizienten dieser Einflussgrundlagen nicht bedeutsam ausfallen.
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Analog zu den korrelativen Zusammenhängen ist demnach die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie nicht nur am funktionalsten für die Ideengenerierung/-prüfung, sondern auch für die Implementierung der Verfahrensinnovation. Werden der geführten Führungskraft im Sinne des delegativen Führungsprinzips (Wunderer, 2000) konsequent Freiräume und die erforderlichen Rechte, Ressourcen und Entscheidungskompetenzen im Innovationsprozess übertragen, so erhöht sich hierdurch die Handlungsverantwortung (Gebert, 2002a, S. 174) der geführten Führungskraft, wodurch sie motiviert ist, die Neuerung in ihrem Verantwortungsbereich auch umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist ferner auf die Bedeutung einer transparenten Führung hinzuweisen, die sich hier in der Einflussgrundlage „Verzicht auf Manipulation“ widerspiegelt und als das Gegenteil des sogenannten ‘Organization transformation’-Ansatzes („Bombenwurf“) interpretierbar ist: Während organisationaler Wandel durch die Top-down-initiierte Bombenwurfstrategie aufgrund mangelnder Transparenz, der einseitigen Berücksichtigung von Effizienzund Rationalisierungsvorteilen und der radikalen Veränderungsintensität intraorganisational häufig irreversible Schäden hervorruft (Gebert, 2002b), wird im Gegensatz hierzu durch Verzicht auf Manipulation die Implementierung und damit der organisationale Wandel gefördert. Diese Form der Gestaltung findet ihren Ausdruck zumeist in der Strategie des ‘Organization development’ (Gebert, 2002b), in der insbesondere das partizipative, transparente Vorgehen und damit das Teilhaben am Prozess die Implementierung der Verfahrensinnovation wirksam unterstützen. Dieses partizipative Element in der Führung wird hier in der Einflussgrundlage „Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie“ reflektiert (vgl. Kapitel 2.4.1.3 und 3.4.4.1), die auch das delegative Element der Führung beinhaltet. Wie im Kapitel 4.2.2 bereits in einem linearen Strukturgleichungsmodell gezeigt wurde, stellen Verteilungskonflikte zwischen der geführten Führungskraft und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten die größte Hürde für den Implementierungsprozess dar. Der standardisierte Pfadkoeffizient zwischen wahrgenommenen Verteilungskonflikten und der Implementierung beträgt ß = -.59. Aus diesem Grund wird nachfolgend in Bezug auf die Implementierung zusätzlich das relative Gewicht von der anfänglichen Zuschreibung von Verteilungskonflikten und ausgewählten Einflussgrundlagen explorativ untersucht. Ausgangspunkt für diese Prüfung bildete die Frage, ob das starke negative Gewicht der wahrgenommenen Verteilungskonflikte auf die Implementierung durch die simultane Berücksichtung der positiven Einflüsse ausgewählter Einflussgrundlagen auf die Implementierung kompensiert werden kann. Dazu wurde eine multiple Regressionsanalyse berechnet (s. Tabelle 72), wobei im Hinblick auf die Einflussgrundlagen nur die erfolgversprechendsten Kandidaten in das Regressionsmodell neben den Verteilungskonflikten einbezogen wurden. 309
Tabelle 72. Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage der Implementierung durch Verteilungskonflikte und ausgewählte Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable Implementierung Prädiktoren ß Verteilungskonflikte -.14** Expertenwissen/Information .15** Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie .19** Verzicht auf Manipulation .18** R = .48, R2 = .23, N = 358, F (4, 353) = 26.33*** Modellkennwerte Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstehen durch fehlende Werte in den Variablen. **p < .01, ***p < .001.
Wie deutlich wird, ist das Regressionsmodell insgesamt signifikant. Durch die gleichzeitige Berücksichtigung von wahrgenommenen Verteilungskonflikten, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation können 23% der Varianz der Kriteriumsvariable „Implementierung“ erklärt werden. Ferner erfährt die Annahme der zumindest partiellen Kompensation des Negativeffekts der Verteilungskonflikte durch ausgewählte Einflussgrundlagen aufgrund des relativen Erklärungswerts empirische Fundierung: Im Vergleich zum Strukturmodell (s. Kapitel 4.2.2) sinkt die negative Wirkung der Verteilungskonflikte auf die Implementierung (ß = -.59) durch die parallele Berücksichtigung ausgewählter Einflussgrundlagen erheblich ab (ß = -.14). Im Vergleich zur Regression aller Einflussgrundlagen auf die Implementierung (s. Tabelle 71) bleiben die signifikant positiven Effekte von Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation aber erhalten. Lediglich der Betrag dieser ß-Gewichte sinkt wegen der Hinzunahme der Verteilungskonflikte geringfügig. Diese Ergebnisse erlauben die Folgerung, dass die ausgewählten Einflussgrundlagen nicht nur aufgrund der Freisetzung der positiven Effekte des delegativen Führungsprinzips und der Freisetzung der positiven Effekte einer transparenten Führung die Implementierung unterstützen. Gleichzeitig fördern Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation die Implementierung dadurch, dass sie die negativen Wirkungen der wahrgenommenen Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft im Innovationsprozess abmildern. Stellt man sich eine Zeitachse vor, so wirkt Führung durch Einfluss in zweifacher Hinsicht: Führung durch Einfluss reduziert die Wahrnehmung von Verteilungskonflikten von vornherein (r = –.40, p < .001, N = 355). Außerdem kann Führung durch Einfluss die Beziehung zwischen der Wahrnehmung von Verteilungskonflikten und dem Ergebnis dieser Situation moderieren, indem sie die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die geführte Führungskraft die Situation als Positivsummenspiel interpretiert. Für die
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Praxis, die derzeit aufgrund der erhöhten Ressourcenknappheit mit verschärften Verteilungskonflikten umzugehen hat, folgt daraus, dass die negativen Wirkungen der Verteilungskonflikte durch spezifische einflussbasierte Führung kompensierbar sind: Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation. 4.4.3.3 Wirkungen der Machtgrundlagen auf das Innovationsverhalten Im Gegensatz zu diesen implementierungsfunktionalen Effekten einer einflussbasierten Führung wurde im Kapitel 4.4.3.1 bereits korrelationstheoretisch deutlich, dass Führung durch Macht und die Implementierung in einem signifikant negativen Zusammenhang stehen. Nachfolgend wird daher für das Abstraktionsniveau der Grundlagen der Führung durch Macht empirisch untersucht, in welcher Weise die Machtgrundlagen mit den Komponenten des Innovationsverhaltens korrespondieren. Dabei wurde Hypothese erarbeitet: Hypothese 9c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (mate riell/ immateriell) hemmt (9c-1) die Ideengenerierung/-prüfung und (9c-2) die Implementierung stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Analysiert man die Zusammenhänge der Machtgrundlagen mit der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung zeigt sich Folgendes: Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) hängt bedeutsam negativ sowohl mit der Ideengenerierung/-prüfung (r = -.12, p < .05, N = 386) als auch mit der Implementierung (r = -.34, p < .05, N = 388) zusammen. Der negative Zusammenhang zwischen (im-)materieller Bestrafung/Drohung und Implementierung kann dabei in zweierlei Hinsicht interpretiert werden: So ist es zum einen vorstellbar, dass die geführte Führungskraft deshalb weniger Implementierungsverhalten zeigt, weil ihr Chef sie während des Innovationsprozesses bestraft bzw. ihr droht. Prinzipiell ist es aber auch denkbar, dass der Chef deshalb verstärkt Bestrafungen bzw. Drohungen einsetzt, weil seine Mitarbeiter zu wenig implementieren. Zudem zeigt die Korrelationsanalyse, dass weder zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und der Ideengenerierung/-prüfung (r = -.02, p > .05, N = 387) noch zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und der Implementierung (r = -.01, p > .05, N = 389) signifikante Zusammenhänge bestehen.179 Wiederum erfolgte die Analyse der gemeinsamen Wirkung der Machtgrundlagen auf die Komponenten des Innovationsverhaltens durch zwei multiple Regressionsanalysen. Wie Tabelle 73 dokumentiert, erweisen sich beide Regressionsmodelle insgesamt als statistisch bedeutsam. 311
Die standardisierten Regressionskoeffizienten bestätigen für beide Kriteriumsvariablen die korrelativ bestimmten Einzelzusammenhänge: Die Machtgrundlagen (im-)materielle Bestrafung/ Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize haben in ihrem Zusammenwirken einen kleinen Effekt auf die Ideengenerierung/-prüfung (2% Varianzaufklärung), wobei Bestrafung/Drohung negativ auf die Ideengenerierung/-prüfung wirkt, Belohnung durch extrinsische Anreize hierfür aber bedeutungslos ist. Betrachtet man die standardisierten Regressionskoeffizienten für die Kriteriumsvariable „Implementierung“, so erweist sich (im-)materielle Bestrafung/Drohung wiederum als bedeutsam negativ, während der Effekt von Belohnung durch extrinsische Anreize auch hier ausbleibt. In der Summe erklären die eingesetzten Machtgrundlagen 12% der Varianz der Implementierung. Da die relative Wirkung der Machtgrundlagen auf die Komponenten des Innovationsverhaltens hypothesenkonform zutrifft, erfahren auch die Subhypothesen 9c-1 und 9c-2 vorläufige empirische Bestätigung. Tabelle 73. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung durch die Machtgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize Modellkennwerte
Ideengenerierung/prüfung ß -.12* .00 R = .12, R2 = .02, AIC = .14, N = 385 F (2, 382) = 2.85*
Implementierung ß -.34*** .04 R = .34, R2 = .12 AIC = .23, N = 387 F (2, 384) = 25.38***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstehen durch fehlende Werte in den Variablen. *p < .05, ***p < .001.
Da auf der Ebene der Macht- und Einflussgrundlagen auch hier pro abhängiger Variable jeweils zwei Regressionen berechnet wurden, in die unterschiedliche Prädiktoren eingingen, wurde analog zum bisherigen Vorgehen die Modellgüte zusätzlich zum R2 anhand der Akaike-Kriterien miteinander verglichen. Diese Modellvergleiche zeigen, dass die Modelle der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der Komponenten des Innovationsverhaltens sowohl im Hinblick auf die Ideengenerierung/-prüfung (AIC = -.01) als auch in Bezug auf die Implementierung (AIC = .14) den Modellen der Machtgrundlagen als Prädiktoren der Ideengenerierung/-prüfung (AIC = .14) und Implementierung (AIC = .23) überlegen sind. An den Ergebnissen zur Wirkung der Machtgrundlagen auf das Innovationsverhalten sind insgesamt gesehen zwei Phänomene interessant: Zum einen ist die Wirkung von (im-)materieller Bestrafung/Drohung auf die Komponenten des Innovationsverhalten konsistent negativ. Dies ist im Zusammenhang mit den vorstehend berichteten Befunden (s. Kapitel 4.4.1.3 und 4.4.2.3) zu 312
interpretieren: Es wurde bereits gezeigt, dass (im-)materielle Bestrafung/Drohung zu geringer Situationskontrolle und zu negativen Emotionen führt. Hierdurch wird nun auch verständlich, dass diese Machtgrundlage negative Effekte für das Innovationsverhalten hat. Außerdem ist davon auszugehen, dass Machtausübung Reaktanz (Brehm, 1966) erzeugt und daher nicht die Wahrscheinlichkeit zur Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung steigt, sondern das Gegenteil dieser Verhaltensmuster wahrscheinlich wird. Diese Argumentation wird unterstützt durch die signifikant positive Korrelation zwischen Führung durch Macht und Widerstand (r = .19, p < .01, N = 324) durch die geführte Führungskraft. Insofern empfiehlt es sich, auf den Einsatz von (im-) materieller Bestrafung/Drohung im Innovationsprozess zu verzichten. Diese Empfehlung leitet sich nicht nur aus der empirisch dokumentierten Reduktion der Situationskontrolle und der Erhöhung der negativen Emotionen durch den Einsatz von Bestrafung/Drohung ab, sondern auch durch die Abnahme der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung und die Zunahme von Widerstand aufgrund von Bestrafung/Drohung. Contraintuitiv belegen die Ergebnisse zum anderen konsistent, dass Belohnung durch extrinsische Anreize weder die Ideengenerierung/-prüfung noch die Implementierung unterstützt. Auch dies widerspricht nicht nur gängigen Argumenten einer leistungssteigernden Wirkung extrinsischer Anreize (Frey, 2000, S. 76), sondern auch anderen empirischen Resultaten, in denen positive leistungsbezogene Wirkungen extrinsischer Anreize (Gerpott & Domsch, 1991, Sp. 1008) feststellbar waren. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung ist die ausbleibende Wirkung von materieller Belohnung aber auch in anderen Untersuchungskontexten – z. B. Fusionen und Akquisitionen – empirisch belegt (Piske, 2004). Eine naheliegende Erklärung dieser contraintuitiven Befunde wäre nach Frey und Osterloh (2000) nun, dass die erhoffte Unterstützung der Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung durch extrinsische Anreize deshalb ausbleibt, weil durch deren Vergabe die intrinsische Motivation der geführten Führungskräfte abnehmen würde. Diesem Erklärungsmuster wird hier nur zum Teil gefolgt. Denn man kann argumentieren, dass nicht die Vergabe extrinsischer Belohnungen als solche die intrinsische Motivation gefährdet, sondern ihre Effekte in Abhängigkeit von der Bewertung der extrinsischen Anreize durch die geführte Führungskraft variieren (Deci, 1972). Interpretiert die Führungskraft die extrinsischen Anreize als die eigene Leistungsfähigkeit bestätigende Information, dann steigern extrinsische Anreize die intrinsische Motivation. Schreibt die geführte Führungskraft hingegen der Vergabe extrinsischer Anreize Kontrollversuche durch das höhere Management zu und erlebt sich daher als fremdbestimmt, dann sinkt hierdurch die intrinsische Motivation. Belohnung durch extrinsische Anreize hat demzufolge positive und negative motivationale Effekte (Deci et al., 1999) – je nachdem, wie die geführte Führungskraft die Belohnungsquelle interpretiert (vgl. Ka313
pitel 2.4.1.3). Für den Innovationskontext ist bislang jedoch ungeklärt, ob und wie sich die positiven und negativen motivationalen Sekundäreffekte extrinsischer Anreize wechselseitig neutralisieren. Die ausbleibenden Effekte von Belohnung durch extrinsische Anreize auf die Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung sind dem Deci-Effekt zufolge darauf zurückführbar, dass extrinsische Anreize auch im Innovationsprozess an eine wechselseitige Neutralisation der positiven und negativen Motivationswirkungen gekoppelt zu sein scheinen. Neben dieser Erklärung für die ausbleibende Wirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize auf die Komponenten des Innovationsverhaltens erscheint eine weitere Erklärung schlüssig, die zwischen dem Prozess der Belohnung und dem Ergebnis der Belohnung differenziert: Der Prozess der Belohnung kann von der geführten Führungskraft als negativ erlebt werden, da zunächst einstellungskonträre Einstellungen und Verhaltensweisen von ihr erwartet werden. Der Prozess der Belohnung kann demzufolge kognitive Dissonanz (Festinger, 1957) bei der geführten Führungskraft auslösen, was zweifelsfrei gegen die aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft gerichtet ist und von ihr demnach negativ bewertet werden wird. Im Ergebnis dieses Prozesses wird die geführte Führungskraft jedoch für ihre Einstellungsänderung (Anpassung der eigenen Meinung an die Intentionen ihres Vorgesetzten) und konformes Verhalten belohnt, wodurch die kognitive Dissonanz reduziert wird. Das Ergebnis – also die materielle Belohnung – steht dabei im Einklang mit den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft, weshalb dieses Ergebnis positiv von der geführten Führungskraft bewertet werden dürfte. Demnach erklärt sich die ausbleibende Gesamtwirkung von Belohnung durch extrinsische Anreize auf die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung auch durch diese beschriebenen komplementären Effekte: Da der Prozess der Belohnung negativ, das Ergebnis dieses Prozesses aber positiv von der geführten Führungskraft bewertet wird, balancieren sich diese Wirkungen der materiellen Belohnung gegenseitig aus, so dass der Gesamteffekt der Belohnung auf die Komponenten des Innovationsverhaltens Null ist. Zusammenfassend werfen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung damit neue Perspektiven für die Debatte über die Vergabe extrinsischer Anreize und für die Frage der Implementierung von Innovationen auf, die im Kapitel 5 detaillierter diskutiert werden.
314
4.4.4
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen
4.4.4.1 Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen Im theoretischen Modell wurden Effekte der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und der Flucht angenommen. Es wurde argumentiert, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen durch die Erhöhung der Situationskontrolle der geführten Führungskraft auch zur Reduktion der intrapsychischen Anpassung und der Flucht beitragen. Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen dürften dagegen durch die Herabsetzung der Situationskontrolle die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft verstärken. Deshalb lautete die Hypothese zum Einfluss der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien wie folgt: Hypothese 10a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (10a-1) der intrapsychischen Anpassung und (10a-2) der Flucht, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (10a-3) der intrapsychischen Anpassung und (10a-4) der Flucht stehen. Die bivariaten Zusammenhänge zwischen den Qualitäten des Führungsverhaltens und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen – intrapsychische Anpassung und Flucht – sind in Tabelle 74 abgebildet. Es wird deutlich, dass alle Beziehungen in den erwarteten Richtungen signifikant sind: Mit Zunahme einer einflussbasierten Führung sinkt intrapsychische Anpassung. Je stärker Führung durch Vertrauen erfolgt, desto geringer ist die intrapsychische Anpassung der geführten Führungskraft. Auf der Basis dieser Ergebnisse kann die Subhypothese 10a-1 empirisch bestätigt werden. Dagegen steigt intrapsychische Anpassung zum einen mit der Zunahme der Führung durch Macht und zum anderen mit der Zunahme der Führung durch Misstrauen, weshalb auch die Subhypothese 10a-3 verifiziert werden kann. Analoge Zusammenhänge bestehen für das Fluchtverhalten: Je stärker Führung durch Einfluss erfolgt, umso geringer ist Fluchtverhalten. Auch mit der Zunahme einer Führung durch Vertrauen geht ein geringes Fluchtverhalten einher. Deshalb erfährt auch die Subhypothese 10a-2 empirische Evidenz. Sowohl für Führung durch Macht als auch für Führung durch Misstrauen gilt umgekehrt, dass das Fluchtverhalten mit der 315
Zunahme dieser Führungsfacetten zunimmt, weshalb auch die Subhypothese 10a-4 empirisch erhärtet werden kann. Tabelle 74. Bivariate Korrelationen der innovationshinderlichen Verhaltensweisen und der Qualitäten des Führungsverhaltens innovationshinderliches Verhalten Führungsverhalten Führung durch Einfluss Führung durch Macht Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
intrapsychische Anpassung
Flucht
-.47*** .21*** -.45*** .39***
-.53*** .39*** -.55*** .54***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 382 und N = 396. ***p < .001.
Zusätzlich wurden wiederum zwei multiple Regressionsanalysen berechnet. Dabei wurden die gemeinsamen Effekte der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen einerseits auf intrapsychische Anpassung und andererseits auf Flucht untersucht. Die Ergebnisse dieser Regressionsanalysen (s. Tabelle 75) belegen, dass sowohl das Modell der vier Führungsqualitäten als Prädiktoren der intrapsychischen Anpassung als auch das Modell der vier Führungsqualitäten als Prädiktoren von Flucht signifikant ist. Beide Modelle weisen eine hohe Modellgüte auf, wobei Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen zusammen 24% der Varianz der intrapsychischen Anpassung und 39% der Varianz des Fluchtverhaltens erklären. Gegenüber den bivariaten Zusammenhangsanalysen offenbaren die standardisierten Regressionskoeffizienten in beiden integrierten Betrachtungen der Wirkungen der vier Führungsqualitäten, dass Führung durch Einfluss mit negativem Vorzeichen der bedeutsamste Prädiktor sowohl für intrapsychische Anpassung als auch für Flucht im Vergleich zu den anderen Führungsqualitäten ist. Die Koeffizienten der vier Führungsqualitäten konkretisieren für intrapsychische Anpassung, dass für diese Form des innovationshinderlichen Verhaltens Führung durch Einfluss und Führung durch Macht den stärksten Vorhersagewert haben: Während Führung durch Einfluss die intrapsychische Anpassung bedeutsam hemmt, wird intrapsychische Anpassung durch Führung durch Macht bedeutsam gefördert. Für das Fluchtverhalten gilt: Führung durch Einfluss reduziert bedeutsam das Fluchtverhalten der geführten Führungskraft, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen das Fluchtverhalten bedeutsam verstärken. Führung durch Vertrauen wirkt sich in der Regressionsanalyse nicht mehr signifikant auf Flucht aus, weil die Information der Führung durch Vertrauen vermutlich schon in den anderen Prädiktoren enthalten ist.
316
Tabelle 75. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht durch die Qualitäten des Führungsverhaltens Kriteriumsvariable intrapsychische Anpassung Prädiktoren ß Führung durch Einfluss -.29*** Führung durch Macht .09* Führung durch Vertrauen -.13 Führung durch Misstrauen .06 Modellkennwerte R = .49, R2 = .24, N = 356 F (4, 351) = 27.90***
Flucht ß -.27*** .17*** -.09 .24*** R = .62, R2 = .39, N = 362 F (4, 357) = 56.87***
Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen. *p < .05, ***p < .001.
Die Ergebnisse beider Regressionsanalysen demonstrieren, dass Führung durch Macht für beide Komponenten des innovationshinderlichen Verhaltens – insbesondere aber für Flucht –
positi-
ve Wirkungen hat. Dies ist dadurch erklärbar, dass Machtausübung im Innovationsprozess zu höherer Hilflosigkeit (Seligman, 1995) in Form von Vermeidungsverhalten führt als die anderen drei Facetten des Führungsverhaltens. Diese erlebte Hilflosigkeit der geführten Führungskraft stellt jedoch nicht nur eine Gefahr für den aktuellen Innovationsprozess, sondern auch für zukünftige Innovationsprozesse dar, weil die geführte Führungskraft die Hilflosigkeitserfahrung auf andere zukünftige Situationen generalisieren kann. Außerdem ist zu bedenken, dass intrapsychische Anpassung und Flucht den Innovationserfolg in negativer Richtung vorhersagen – was bereits im Kapitel 4.2.1 empirisch belegt worden ist. Deshalb ist es sinnvoll, dass der Vorgesetzte diesen Prozessen der intrapsychischen Anpassung und Flucht wirksam vorbeugt, indem er insbesondere ein solches Führungsverhalten zeigt, dass durch Einflussnahme gekennzeichnet ist. 4.4.4.2 Wirkungen der Einflussgrundlagen auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen Betrachtet man die Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens demzufolge in Relation zueinander, so erweist sich Führung durch Einfluss als besonders wirksam, um intrapsychische Anpassung und Flucht zu reduzieren. Deshalb stehen nun die speziellen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und den innovationshinderlichen Verhaltensweisen im Zentrum der Betrachtung. Es wurde folgende Hypothese formuliert: Hypothese 10b: Es besteht jeweils ein negativer Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und (10b-1) intrapsychischer Anpassung und (10b-2) Flucht. 317
Die globale Wirkung von Einflussnahme auf Flucht und intrapsychische Anpassung wird in Tabelle 76 nun um die differenzierte Analyse der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrundlagen und den Komponenten des innovationshinderlichen Verhaltens ergänzt. Es wird deutlich, dass alle fünf Einflussgrundlagen der Führung sowohl mit Flucht als auch mit intrapsychischer Anpassung in signifikant negativer Beziehung stehen, wodurch die Hypothese 10b empirisch bestätigt werden kann. Der Betrag der einzelnen Zusammenhänge variiert sehr stark mit Varianzerklärungen zwischen 4% und 28%. Tabelle 76. Bivariate Korrelationen der innovationshinderlichen Verhaltensweisen und der Einflussgrundlagen innovationshinderliches Verhalten Einflussgrundlagen Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
intrapsychische Anpassung
Flucht
-.20*** -.38*** -.53*** -.26*** -.37***
-.29*** -.45*** -.50*** -.29*** -.45***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 382 und N = 393. ***p < .001.
Analysiert man das relative Gewicht der Wirkungen von persönlicher Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogener Unterstützung und Verzicht auf Manipulation auf intrapsychische Anpassung und Flucht (s. Tabelle 77), so werden sowohl das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der intrapsychischen Anpassung als auch das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren von Flucht signifikant. Dabei vermögen die Einflussgrundlagen in ihrem Zusammenwirken etwa gleich starke Varianzanteile der intrapsychischen Anpassung (32%) und des Fluchtverhaltens (36%) aufzuklären.
318
Tabelle 77. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht durch die Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation Modellkennwerte
intrapsychische Anpassung ß .06 -.24*** -.40*** .05 -.14** R = .56, R2 = .32, AIC = .29, N = 373, F (5, 367) = 33.69***
Flucht ß .00 -.29*** -.30*** .06 -.24*** R = .60, R2 = .36, AIC = -1.31, N = 379, F (5, 373) = 42.77***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. **p < .01, ***p < .001.
Außerdem wird ersichtlich, dass im Vergleich zu den Korrelationen der Einflussgrundlagen mit den Komponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen, in den Regressionen der fünf Einflussgrundlagen auf intrapsychische Anpassung und auf Flucht nur noch drei Einflussgrundlagen statistisch bedeutsam sind: Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie sowie Verzicht auf Manipulation. Persönliche Ausstrahlung und innovationsbezogene Unterstützung werden aufgrund der Interkorrelationen mit den anderen Einflussgrundlagen regressionsanalytisch im Vergleich zu den Korrelationen nicht mehr signifikant. Relativ betrachtet, führt also insbesondere der Mangel an Freiheitsgraden und Autonomie zu innovationshinderlichem Verhalten in Form von intrapsychischer Anpassung und Flucht. Diese Ergebnisse sind im Zusammenhang mit den berichteten Befunden im Kapitel 4.4.1.2 zu betrachten, wo belegt wurde, dass vor allem mit der abnehmenden Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie auch die wahrgenommene Situationskontrolle der geführten Führungskraft abnimmt. Deshalb verdeutlichen die Ergebnisse hier einmal mehr, dass ein Vorgesetzter im Innovationsprozess der geführten Führungskraft insbesondere Freiheitsgrade, Autonomie und Entscheidungskompetenzen einräumen sollte, denn dadurch trägt er nicht nur zur Steigerung der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation durch die geführte Führungskraft bei, sondern beugt gleichzeitig der Resignation und der Flucht vor. 4.4.4.3 Wirkungen der Machtgrundlagen auf die innovationshinderlichen Verhaltensweisen Nachdem im Kapitel 4.4.4.1 bereits die dysfunktionalen Effekte von Machtausübung in Form erhöhter Flucht und erhöhter intrapsychischer Anpassung generell untersucht worden sind, sollen nun die detaillierten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Machtgrundlagen und den Kom319
ponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen analysiert werden. Es wurde angenommen, dass (im-)materielle Bestrafung/Drohung aufgrund der stärkeren Reduktion der Situationskontrolle Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht stärker fördert als Belohnung durch extrinsische Anreize, weshalb folgende Hypothese abgeleitet wurde: Hypothese 10c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) fördert (10c-1) intrapsychische Anpassung und (10c-2) Flucht stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Die Korrelationsanalysen veranschaulichen, dass der Einsatz (im-)materieller Bestrafung/Drohung
in
mittlerem
Ausmaß
in
signifikant
positivem
Zusammenhang
mit
intrapsychischer Anpassung (r = .39, p < .001, N = 383) einerseits und Flucht (r = .54, p < .001, N = 389) andererseits steht. Belohnung durch extrinsische Anreize ist nicht mit intrapsychischer Anpassung (r = .06, p > .05, N = 384) verbunden. Es zeigt sich aber ein schwach positiver Zusammenhang zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und dem Fluchtverhalten der geführten Führungskraft (r = .11, p < .05, N = 390).180 Wiederum wurden mittels zweier multipler Regressionsanalysen die gemeinsamen Effekte von Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize auf beide Komponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen überprüft (s. Tabelle 78). Das Modell der Machtgrundlagen als Prädiktoren von intrapsychischer Anpassung ist signifikant; beide Machtgrundlagen erklären 15% der Varianz der intrapsychischen Anpassung. Auch das Regressionsmodell der Machtgrundlagen als Prädiktoren des Fluchtverhaltens fällt statistisch bedeutsam aus, wobei Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize größere Varianzanteile des Fluchtverhaltens (29%) im Vergleich zur intrapsychischen Anpassung erklären. Die Richtung und Höhe der ß-Gewichte unterstützt weitgehend das Bild der Korrelationen: Bestrafung/Drohung wirkt sich auch in der integrierten Analyse signifikant positiv auf intrapsychische Anpassung aus, während Belohnung durch extrinsische Anreize das Signifikanzniveau nicht erreicht. Gleiches gilt für beide Prädiktoren in Bezug auf die Kriteriumsvariable „Flucht“. Relativ gesehen hat Bestrafung/Drohung sowohl in Bezug auf intrapsychische Anpassung als auch auf Flucht förderlichere Effekte als Belohnung durch extrinsische Anreize, weshalb die Hypothese 10c beibehalten werden kann.
320
Tabelle 78. Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Vorhersage von intrapsychischer Anpassung und Flucht durch die Machtgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize Modellkennwerte
intrapsychische Anpassung ß .39*** .02 R = .39, R2 = .15 AIC = .51, N = 382 F (2, 379) = 33.69***
Flucht ß .53*** .05 R = .54, R2 = .29, AIC = -1.19, N = 388 F (2, 385) = 78.15***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen. ***p < .001.
Zusätzlich zum erklärten Varianzanteil wurde anhand des Akaike-Kriteriums auch für die innovationshinderlichen Verhaltensweisen geprüft, ob die Modelle der Einflussgrundlagen oder die Modelle der Machtgrundlagen eine bessere Modellgüte aufweisen. Der Vergleich des Modells der Einflussgrundlagen als Prädiktoren der intrapsychischen Anpassung (AIC = .29) mit dem Modell der Machtgrundlagen als Prädiktoren der intrapsychischen Anpassung (AIC = .51) in Bezug auf ihren Fit fällt eindeutig zugunsten des ersten Modells aus. Auch der Vergleich des Modells der Einflussgrundlagen als Prädiktoren von Flucht (AIC = -1.31) mit dem Modell der Machtgrundlagen als Prädiktoren von Flucht (AIC = -1.19) zeigt einen besseren Modell-Fit der Einflussgrundlagen als Determinanten des Fluchtverhaltens. Dies macht noch einmal auf die besondere Bedeutung der Einflussgrundlagen im Innovationsprozess aufmerksam. Deshalb sollten zur Reduktion der intrapsychischen Anpassung und des Fluchtverhaltens Einflussgrundlagen eingesetzt werden. Setzt dagegen ein Vorgesetzter im Innovationsprozess gegenüber der geführten Führungskraft immaterielle oder materielle Bestrafung/Drohung ein, so wird hierdurch das contraproduktive subjektive oder objektive Vermeidungsverhalten der geführten Führungskraft sehr wahrscheinlich. 4.4.5
Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf den Innovationserfolg
4.4.5.1 Wirkungen der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen auf den Innovationserfolg Eine weitere Modellannahme lautete, dass die Qualitäten des Führungsverhaltens über die differenziellen Effekte auf die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte den Innovationserfolg beeinflussen. Da Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung fördern (s. Kapitel 4.4.3.1), dürften die321
se Führungsqualitäten auch positiv zum Innovationserfolg beitragen und somit die Erfüllung der ökonomischen und individuellen/sozialen Kriterien sowie die ungeplanten Sekundäreffekte (z. B. Lernzuwachs) der Arbeitseinheit unterstützen. Dagegen dürften Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen zum Misserfolg der Innovation beitragen, denn durch diese Führungsqualitäten werden intrapsychische Anpassung und Flucht gefördert (s. Kapitel 4.4.4.1). Demnach lautete die innovationserfolgsbezogene Hypothese folgendermaßen: Hypothese 11a: Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen stehen jeweils in einem positiven Zusammenhang mit (11a-1) dem Innovationserfolg, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils in einem negativen Zusammenhang mit (11a-2) dem Innovationserfolg stehen. Zur Hypothesenprüfung wurden wiederum die bivariaten Zusammenhänge der einzelnen Führungsqualitäten und des Innovationserfolgs berechnet (s. Tabelle 79). Hypothesenkonform zeigen sich für Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen signifikant positive Zusammenhänge zum Innovationserfolg, die von ihrem Betrag her ein mittleres Ausmaß annehmen. Dagegen weisen Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen jeweils eine signifikant negative Beziehung zum Innovationserfolg auf. Vor dem Hintergrund dieser Korrelationen kann die Hypothese 11a empirisch bestätigt werden. In der Einzelbetrachtung erklärt Führung durch Einfluss damit 23% der Varianz des Innovationserfolgs, während Führung durch Macht 3% der Varianz des Innovationsmisserfolgs aufklärt. Diese Ergebnisse stimmen mit den Befunden von Scholl (1999) überein, der durch lineare Strukturgleichungsmodelle ebenfalls zeigte, dass Einflussnahme zum Erfolg von Innovationsprojekten beiträgt, während Machtausübung zum Misserfolg von Innovationen führt. Tabelle 79. Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs und der Qualitäten des Führungsverhaltens Variable
Führung durch Einfluss
Führung durch Macht
Führung durch Vertrauen
Führung durch Misstrauen
.48*** -.19*** .42*** -.29*** Innovationserfolg Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 375 und N = 385. ***p < .001.
322
Analog zum bisherigen Vorgehen wurde zusätzlich regressionsanalytisch die integrierte Wirkung der Qualitäten des Führungsverhaltens auf den Innovationserfolg überprüft. Deshalb wurden die vier Führungsfacetten als Prädiktoren des Innovationserfolgs in ein multiples lineares Regressionsmodell eingeführt, das insgesamt signifikant ist (s. Tabelle 80). Die Qualitäten des Führungsverhaltens erklären gemeinsam 24% der Varianz des Innovationserfolgs. Tabelle 80. Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die Qualitäten des Führungsverhalten Kriteriumsvariable Innovationserfolg Prädiktoren ß Führung durch Einfluss .38*** Führung durch Macht -.03 Führung durch Vertrauen .18* Führung durch Misstrauen .08 R = .49, R2 = .24, N = 360, F (4, 355) = 28.26*** Modellkennwerte Anmerkungen. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. *p < .05, ***p < .001.
Betrachtet man die ß-Gewichte, so wird abweichend von den korrelationsanalytischen Befunden deutlich, dass in der Regression aufgrund der Prädiktoreninterkorrelationen nur noch Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen signifikant ausfallen. Der Betrag der
ß-
Gewichte verweist auf die relativ stärkere positive Wirkung der Führung durch Einfluss auf den Innovationserfolg im Vergleich zur Führung durch Vertrauen. Aus diesem regressionsanalytischen Ergebnis lässt sich folgern, dass die negativen Effekte der Führung durch Macht und der Führung durch Misstrauen auf den Innovationserfolg kompensiert werden können, wenn im Innovationsprozess zugleich eine Führung durch Einfluss und eine Führung durch Vertrauen erfolgt. 4.4.5.2 Wirkungen der Einflussgrundlagen auf den Innovationserfolg Da sich im Hinblick auf den Innovationserfolg Führung durch Einfluss als der bedeutsamste Prädiktor herausgestellt hat, werden nun die Effekte der eingesetzten Einflussgrundlagen separat und in ihrem Zusammenwirken auf den Innovationserfolg untersucht. Es wurde davon ausgegangen, dass alle Einflussgrundlagen zum Erfolg der Innovation beitragen, weil alle Einflussgrundlagen das Innovationsverhalten der geführten Führungskräfte fördern (s. Kapitel 4.4.3.2) und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte vermindern (s. Kapitel 4.4.4.2). Deshalb lautete die Hypothese:
323
Hypothese 11b: Es besteht jeweils ein positiver Zusammenhang zwischen allen hier untersuchten Einflussgrundlagen der Führung und dem Innovationserfolg. Auch diese Hypothese wurde durch Korrelationen getestet. Für die Einzelzusammenhänge gilt, dass jede Einflussgrundlage in mittlerem Ausmaß signifikant positiv mit dem Innovations-erfolg verbunden ist (s. Tabelle 81). Insofern kann von der Gültigkeit der Hypothese 11b ausgegangen werden. Die Einflussgrundlagen erklären in der Einzelbetrachtung zwischen 5% und 24% der Varianz des Innovationserfolgs, wobei die Einflussgrundlage „Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie“ die meiste Varianz des Erfolgs der Verfahrensinnovationen bindet. Die zweitstärkste Varianzerklärung leistet Expertenwissen/Information. Dieses Ergebnis unterstützt die Erfolgsrelevanz von Information im Innovationsprozess, die auch von Gemünden und Lechler (1998, S. 444) empirisch belegt worden ist. Tabelle 81. Bivariate Korrelationen des Innovationserfolgs und der Einflussgrundlagen Innovationserfolg
Einflussgrundlagen Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/Information Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Innovationsbezogene Unterstützung Verzicht auf Manipulation
.22*** .43*** .49*** .30*** .32***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen schwankt der Stichprobenumfang zwischen N = 385 und N = 390. ***p < .001.
Nimmt man die Einflussgrundlagen als Prädiktoren in ein lineares Regressionsmodell mit dem Innovationserfolg als abhängiger Variable auf (s. Tabelle 82), lassen sich auf dieser Basis differenzierte Effekte des gemeinsamen Einsatzes der Einflussgrundlagen auf den Innovations-erfolg ausweisen: In Relation zu den anderen Einflussgrundlagen sind insbesondere Expertenwissen/Information und die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie die entscheidenden Katalysatoren des Innovationserfolgs (s. ß-Gewichte). Auch der Verzicht auf Manipulation trägt signifikant, aber vom Ausmaß her nur schwach zum Erfolg einer Verfahrensinnovation bei. Gemeinsam erklärt der Einsatz der Einflussgrundlagen im Innovationsprozess 31% der Varianz des Innovationserfolgs, was auf die Innovationserfolgsrelevanz der Einflussgrundlagen verweist.
324
Tabelle 82. Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die Einflussgrundlagen Kriteriumsvariable Innovationserfolg Prädiktoren ß Persönliche Ausstrahlung -.10 Expertenwissen/Information .35*** Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie .35*** Innovationsbezogene Unterstützung -.03 Verzicht auf Manipulation .10* R = .56, R2 = .31, AIC = .21, N = 377, F (5, 371) = 33.52*** Modellkennwerte Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß = standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen. *p < .05, ***p < .001.
4.4.5.3 Wirkungen der Machtgrundlagen auf den Innovationserfolg Wie schon deutlich wurde, hängt Machtausübung im Innovationsprozess negativ mit dem Erfolg der Neuerung zusammen. Insofern interessiert nun die Frage, ob die Machtgrundlagen möglicherweise unterschiedliche Effekte auf den Innovationserfolg haben. Dabei wurde angenommen, dass Bestrafung/Drohung contraproduktivere Effekte für den Innovationserfolg hat als Belohnung durch extrinsische Anreize, denn Bestrafung/Drohung reduziert das Innovationsverhalten (s. Kapitel 4.4.3.3) und steigert die innovationshinderlichen Verhaltensweisen (s. Kapitel 4.4.4.3) der geführten Führungskraft stärker als Belohnung durch extrinsische Anreize. Entsprechend wurde die Hypothese zur relativen Wirkung der Machtgrundlagen auf den Innovationserfolg formuliert: Hypothese 11c: Der Einsatz der Machtgrundlage Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) hemmt den Innovationserfolg stärker als der Einsatz der Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize. Die Korrelationskoeffizienten sprechen eindeutig für diese Differenzierung: Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) hängt in mittlerem Maße signifikant negativ mit dem Innovationserfolg zusammen (r = -.34, p < .001, N = 386), während Belohnung durch extrinsische Anreize keinerlei Beziehung zum Innovationserfolg aufweist (r = .00, p > .05, N = 387). Demnach kann die Hypothese 11c beibehalten werden. Dieses Bild wird durch die Regressionsanalyse der Machtgrundlagen als Prädiktoren des Innovationserfolgs (s. Tabelle 83) unterstützt: In der Analyse der gemeinsamen Effekte der Machtgrundlagen auf den Erfolg einer Verfahrensinnovation trägt lediglich Bestrafung/Drohung bedeutsam negativ zum Innovationserfolg bei. Der Effekt von Be-
325
lohnung durch extrinsische Anreize bleibt dagegen aus. Beide Machtgrundlagen erklären zusammen 11% der Innovationserfolgsvarianz. Tabelle 83. Ergebnisse der Regressionsanalyse zur Vorhersage des Innovationserfolgs durch die Machtgrundlagen Kriteriumsvariable Prädiktoren Bestrafung/Drohung (materiell und immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize Modellkennwerte
Innovationserfolg ß -.34*** .04 R = .34, R2 = .11, AIC = .45, N = 385, F (2, 382) = 24.56***
Anmerkungen. AIC = Akaike Information Criterion. ß= standardisierter Regressionskoeffizient. R = multipler Korrelationskoeffizient. R2 = Anteil erklärter Varianz. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden aufgrund fehlender Werte in den Variablen. ***p < .001.
Zwar wurde anhand der erklärten Varianzanteile schon deutlich, dass die Einflussgrundlagen für den Innovationserfolg bedeutsamer sind als die Machtgrundlagen. Da aber das R2 gegenüber der Anzahl der Prädiktoren im Regressionsmodell sensibel ist, wurde auch hier ein Vergleich der Modellgüte anhand des Akaike-Kriteriums vorgenommen. Dieser Vergleich unterstreicht, dass das Modell der Einflussgrundlagen als Prädiktoren des Innovationserfolgs (AIC = .21) im Vergleich zum Modell der Machtgrundlagen als Prädiktoren des Innovationserfolgs (AIC = .45) eine bessere Modellgüte hat. Folglich sind die Einflussgrundlagen besser zur Vorhersage des Innovationserfolgs geeignet als die Machtgrundlagen.
4.5
Zum Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens: Ist-Zustand
Nachdem nun die Wirkungen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg empirisch belegt worden sind, stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß die Qualitäten des Führungsverhaltens im Innovationsprozess überhaupt eingesetzt werden. In der bisherigen Forschung ist diese Frage weitgehend ungeklärt. Außerdem liegt wenig empirisch gesichertes Wissen darüber vor, welche Rolle die Konfliktart und -intensität in Bezug auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens spielen. Nachfolgend wird deshalb erstens der Einsatz der verschiedenen Qualitäten des Führungsverhaltens auf beiden Abstraktionsniveaus beschrieben. Diese Deskription des Ist-Zustandes ist insbesondere für die Ableitung von Handlungsbedarf für die betriebliche Realität notwendig. Zur Beschreibung des Ist-Zustandes wurden pro Analyse die Mittelwerte der Skalen in Rangplätze
326
transformiert. Die deskriptive Darstellung beginnt auf dem höchsten Abstraktionsniveau, also mit dem Ausmaß der eingesetzten Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen. Für diese Analyse wurden die einzelnen Skalen der Einflussgrundlagen sowie die einzelnen Skalen der Machtgrundlagen aggregiert. In der anschließenden Feinanalyse wird der Einsatz der Führungsfacetten auf dem Abstraktionsniveau der Einflussgrundlagen und der Machtgrundlagen untersucht. Zweitens werden die Ergebnisse der Hypothesenprüfungen bezüglich der Wirkungen der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens dargestellt, was ebenfalls auf beiden Abstraktionsebenen geschieht. 4.5.1 Einsatz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen Wie aus Tabelle 84 hervorgeht, erfolgt Führung in Innovationsprozessen am stärksten durch Vertrauen (Rangplatz 1), gefolgt von der Führung durch Einfluss (Rangplatz 2). Deutlich schwächer wird dagegen durch Misstrauen (Rangplatz 3) und Macht (Rangplatz 4) geführt. Bei dieser Rangordnung (und den nachfolgenden Rangordnungen) ist davon auszugehen, dass die Unterschiede zwischen den Variablen nicht auf unterschiedlichen Aufgabenschwierigkeiten, sondern auf der unterschiedlichen Anwendung der Führungsfacetten im Innovationsprozess basieren. Dennoch ist ein sozial erwünschtes Antwortverhalten der befragten Führungskräfte nicht auszuschließen, so dass der Einsatz der Führung durch Macht und der Einsatz der Führung durch Misstrauen hier unterschätzt werden könnte. Der Einsatz der Führung durch Vertrauen und der Einsatz der Führung durch Einfluss könnte dagegen überschätzt werden. Demzufolge wird in der betrieblichen Realität Führung stärker durch Macht und Misstrauen aber schwächer durch Vertrauen und Einfluss erfolgen, als dies hier gezeigt werden kann. Tabelle 84. Mittelwerte, Standardabweichungen und Rangplatz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in Innovationsprozessen Qualitäten des Führungsverhaltens
N
M
SD
Rangplatz
Führung durch Einfluss
379
4.60
.96
2
Führung durch Macht
390
1.66
.76
4
Führung durch Vertrauen
378
5.34
1.31
1
Führung durch Misstrauen
389
2.01
1.22
3
Anmerkungen. Die Antwortskalen waren 7-fach gestuft. Schwankungen im Stichprobenumfang entstanden durch fehlende Werte in den Variablen.
An der Rangordnung fällt ein Phänomen besonders auf: Obwohl Führung in Innovationsprozessen am ehesten durch Vertrauen erfolgt, wird die Funktionalität der Führung durch Vertrauen – 327
bei gleichzeitiger Berücksichtigung der anderen Führungsfacetten – durch die Führung durch Einfluss übertroffen. Denn Führung durch Einfluss erweist sich gegenüber der Führung durch Vertrauen im Hinblick auf die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit der Situation, die Förderung positiver Emotionen, die Verminderung negativer Emotionen, die Erhöhung der Ideengenerierung/-prüfung, die Reduktion von intrapsychischer Anpassung und Flucht sowie die Erhöhung des Innovationserfolgs als überlegen (s. Regressionsanalysen auf dem Abstraktionsniveau der fundamentalen Interaktionskategorien Kapitel 4.4). In Bezug auf diese innovationsbezogenen Konstrukte ist also nicht Führung durch Vertrauen am wirksamsten, sondern Führung durch Einfluss. Führung durch Einfluss wird jedoch aus der Sicht der befragten Führungskräfte etwas weniger im Innovationsprozess eingesetzt als Führung durch Vertrauen. Damit ergibt sich eine Diskrepanz zwischen dem real am stärksten eingesetzten Führungsverhalten des Vorgesetzten und der relativen Wirksamkeit dieses Führungsverhaltens. Für die Führung im Innovationsprozess kommt es deshalb wesentlich darauf an, parallel zur Führung durch Vertrauen eine Führung durch Einfluss zu realisieren. Nur dann ist gewährleistet, dass alle innovationsbedeutsamen Konstrukte gleichermaßen durch das Führungsverhalten in funktionale Bahnen gelenkt werden. 4.5.2 Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen Die Detailanalyse des Einsatzes der Einflussgrundlagen und der Machtgrundlagen erfolgte jeweils auf der Skalenebene. Die Mittelwerte der Skalen (s. Tabelle 85) zeigen überraschenderweise folgende Rangfolge des Einsatzes der Einflussgrundlagen in Innovationsprozessen: Verzicht auf Manipulation (Rangplatz 1), Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie (Rangplatz 2), innovationsbezogene Unterstützung (Rangplatz 3), Expertenwissen/Information (Rangplatz 4) und persönliche Ausstrahlung (Rangplatz 5).
328
Tabelle 85. Mittelwerte, Standardabweichungen und Rangplatz des Einsatzes der Einflussgrundlagen in Innovationsprozessen Einflussgrundlagen
M
N
SD
Rangplatz 5
Persönliche Ausstrahlung
392
3.44
1.55
Expertenwissen/Information
388
3.80
1.12
4
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
392
5.20
1.64
2
Innovationsbezogene Unterstützung
396
4.56
1.34
3
Verzicht auf Manipulation
392
5.93
1.14
1
Anmerkungen. Die Skalen waren 7-fach gestuft. Schwankungen in der Stichprobengröße entstehen durch fehlende Werte in den Variablen.
Um zu prüfen, ob diese Unterschiede signifikant sind, wurde eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung und einfachen Kontrasten mit Verzicht auf Manipulation als Referenzkategorie berechnet. Diese Varianzanalyse zeigt einen bedeutenden Effekt von Verzicht auf Manipulation im Vergleich zu persönlicher Ausstrahlung (F sen/Information (F
(1, 378)
(1, 378)
= 775.27, p < .001), zu Expertenwis-
= 1017.81, p < .001), zur Gewährung von Freiheitsgraden und Auto-
nomie (F(1, 378) = 75.50, p < .001) und zur innovationsbezogenen Unterstützung 378)
= 278.60, p < .001).
181
(F (1,
Diese Ergebnisse verweisen darauf, dass der Verzicht auf Manipula-
tion signifikant häufiger realisiert wird im Vergleich zum Einsatz jeder anderen Einflussgrundlage. Erwartungsgemäß werden die Machtgrundlagen im Vergleich zu den Einflussgrundlagen in Innovationsprozessen in geringerem Ausmaß eingesetzt. Belohnung durch extrinsische Anreize (M = 1.68, SD = 1.14, N = 392) wird dabei in leicht stärkerem Ausmaß eingesetzt als (im-)materielle Bestrafung/Drohung (M = 1.64, SD = .87, N = 391). Die hier ermittelte Rangfolge des Einsatzes der Einflussgrundlagen in Innovationsprozessen ist aus zwei Gründen überraschend. Zum einen zeigten die Ergebnisse, dass der Einsatz von Expertenwissen/Information auf fast alle innovationsbezogenen Konstrukte positiv wirkt. Der vergleichsweise niedrige Mittelwert des Einsatzes von Expertenwissen/Information (M = 3.80, N = 388) zeigt jedoch, dass aus der Sicht der befragten Führungskräfte viele Vorgesetzte diese positiven Wirkungen des Einsatzes von Expertenwissen/Information nicht hinreichend ausschöpfen. Stattdessen wird intensiver auf den Einsatz von Manipulation verzichtet, wobei der Verzicht auf Manipulation nur gelegentlich positive Wirkungen auf die Innovationskonstrukte hat. Vor diesem Hintergrund ist für die Praxis eine Schwerpunktverlagerung zu empfehlen: Vorgesetzte sollten intensiver als bisher durch Expertenwissen und Information führen. Zum anderen ist die hier ermittelte Rangfolge insofern überraschend, als in anderen Untersuchungen im Unternehmenskontext die Grundlagen Expertenwissen und Identifikation häufig vordere Rangplätze einnehmen (Blickle et al., 1997; Frost & Stahelski, 1988; Yukl & Falbe, 329
1991; Yukl, Kim & Falbe, 1996). Vergleicht man darüber hinaus den hier ermittelten Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen im Innovationskontext mit Untersuchungen in anderen Kontexten (s. Tabelle 8), so stellt sich heraus, dass die Einfluss- und Machtgrundlagen in verschiedenen Untersuchungsfeldern in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt werden. Während beispielsweise im Krankenhaus die Einflussgrundlage Information den wichtigsten Grund für Compliance der Mitarbeiter des Gesundheitswesens darstellt (Raven et al., 1998), werden Schüler durch ihre Lehrer hauptsächlich durch die Machtgrundlagen immaterielle und materielle Belohnung und Bestrafung beeinflusst (Koslowsky & Schwarzwald, 1993). Für den Orchesterkontext gilt, dass Orchestermusiker von ihrem Dirigenten hauptsächlich dadurch beeinflusst werden, dass sie sich aufgrund ihrer Rolle als Musiker verpflichtet fühlen, den Intentionen des Dirigenten zu entsprechen (Krause et al., 2002). Eine Erklärung für den unterschiedlichen Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen in Abhängigkeit vom Untersuchungskontext steht jedoch bislang noch aus. Auf einen Ansatz zur möglichen Erklärung dieser Unterschiede wird im Kapitel 5 zurückzukommen sein. 4.5.3
Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Qualitäten des Führungsverhaltens
Im theoretischen Modell wurde angenommen, dass der Einsatz der Führungsqualitäten in Abhängigkeit von den Konflikten zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft variiert. Daher werden zum Abschluss des Kapitels 4 die Ergebnisse der Überprüfung der Hypothesen zu den Effekten der Konfliktart und -intensität auf den Einsatz der Führungsverhaltensweisen dargestellt. Wie in den bisherigen Analysen erfolgt die Darstellung wiederum auf beiden Abstraktionsebenen. 4.5.3.1 Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen In der Herleitung des theoretischen Modells wurden im Rahmen der Konfliktgebundenheit der Führungsqualitäten (s. Kapitel 2.4.5) vier Konstellationen unterschieden: Die machtaffine Situation und die misstrauensaffine Situation, die jeweils durch eine hohe Intensität der Beurteilungsund Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte gekennzeichnet sind sowie die einflussaffine Situation und die vertrauensaffine Situation, die jeweils mit geringer Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft einhergehen. Demnach wurde folgende Hypothese formuliert:
330
Hypothese 12a: Die zunehmende Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte wirkt sich positiv auf (12a-1) die Führung durch Macht und (12a-2) die Führung durch Misstrauen aber negativ auf (12a-3) die Führung durch Einfluss und (12a-4) die Führung durch Vertrauen aus. Zur Überprüfung dieser Effekte wurden die Skalen „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ und „Verteilungskonflikte“ durch Mittelwertsplit dichotomisiert und das Ausmaß der Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen für die Situationen miteinander verglichen, in denen Beurteilungs- und Bewertungskonflikte und Verteilungskonflikte schwach bzw. stark ausgeprägt waren. Tabelle 86 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen der Führungsqualitäten in Abhängigkeit von der Konfliktarten und -intensität sowie der Interaktion der Konfliktarten. Der Mittelwertsvergleich lässt erkennen, dass die Unterschiede im Führungshandeln sowohl in Abhängigkeit von der Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte als auch in Abhängigkeit von der Intensität der Verteilungskonflikte für alle Führungsfacetten in den prognostizierten Richtungen bestehen. Mittels einer zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) wurden die Haupteffekte und deren Wechselwirkung auf die vier Führungsqualitäten geprüft. Der erste Haupteffekt ist die Intensität der „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ (schwach vs. stark), der zweite Haupteffekt ist die Intensität der Verteilungskonflikte (schwach vs. stark). Die Ergebnisse dieser MANOVA verdeutlichen, dass sowohl die Hauptwirkung des ersten Faktors „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ auf alle vier Führungsqualitäten, als auch die Hauptwirkung des zweiten Faktors „Verteilungskonflikte“ auf alle vier Führungsqualitäten signifikant ist.
331
Tabelle 86. Mittelwerte und Standardabweichungen der Qualitäten des Führungsverhaltens in Abhängigkeit von der Konfliktart und -intensität Beurteilungs- und Bewertungskonflikte a schwach stark gesamt Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte
Qualitäten der Führung Führung durch Einfluss Führung durch Macht Führung durch Vertrauen Führung durch Misstrauen
M SD n M SD n M SD n M SD n
schwach
stark
4.99 .78 133 1.45 .62 133 5.85 1.06 133 1.66 1.00 133
4.86 .89 44 1.60 .65 44 5.43 1.18 44 2.05 1.18 44
gesamt schwach
4.92 .82 177 1.48 .63 177 5.75 1.10 177 1.76 1.06 177
4.54 .90 73 1.63 .69 73 5.14 1.29 73 2.03 1.06 73
stark
gesamt
schwach
stark
gesamt
3.87 .97 89 2.07 .87 89 4.58 1.44 89 2.64 1.47 89
4.17 .99 162 1.87 .83 162 4.83 1.40 162 2.36 1.33 162
4.83 .85 206 1.51 .65 206 5.60 1.19 206 1.79 1.03 206
4.14 1.02 133 1.90 .84 133 4.86 1.41 133 2.44 1.41 133
4.56 .98 339 1.67 .75 339 5.31 1.33 339 2.05 1.24 339
Anmerkungen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. Aufgrund fehlender Werte beträgt N = 339. a Die Gruppengröße und -zusammensetzung entstand nach Mittelwertsplit der Variablen „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ und „Verteilungskonflikte“ in schwach vs. stark.
Es besteht keine signifikante Interaktion zwischen den Faktoren (s. Tabelle 87). Damit erfahren die Subhypothesen 12a-1 bis 12a-4 empirische Fundierung: Die Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte und die Intensität der Verteilungskonflikte beeinflusst die Qualität des Führungshandelns. Bei hoher Konfliktintensität im Innovationsprozess wird in signifikant stärkerem Ausmaß als bei geringer Konfliktintensität Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen eingesetzt, während umgekehrt bei geringer Konfliktintensität im Vergleich zu hoher Konfliktintensität in signifikant stärkerem Ausmaß Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen realisiert wird. Die Effektstärken (Eta2 ) lassen erkennen, dass sowohl die Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte als auch die Intensität der Verteilungskonflikte am stärksten die Unterschiede in der Führung durch Einfluss erklären im Vergleich zu den anderen Führungsqualitäten. Aus den Ergebnissen folgt unmittelbar, dass man die Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte im Innovationsprozess steuern muss. Da hohe Grade der Konfliktintensität Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen begünstigen, welche sich contraproduktiv auf die innovationsbezogenen Konstrukte auswirken, gilt es solche Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Eskalation von Konflikten (Glasl, 1992) vorbeugen. Derartige Maßnahmen sollten die Kognitionen und die Emotionen der Konfliktparteien (Pondy, 1967) einbeziehen, aber auch die strukturellen Randbedingungen innerhalb der Organisation berücksichtigen.
332
Tabelle 87. Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Konfliktarten auf die Qualitäten des Führungsverhaltens Effekte auf die Kriteriumsvariablen...
1. Haupteffekt des Faktors „Beurteilungs/Bewertungskonflikte“ F (1, 338 ) Eta2 38.29*** .10
2. Haupteffekt des Faktors „Verteilungskonflikte“
Interaktionseffekt beider Faktoren
F (1, 338 ) F (1, 338) Eta2 Eta2 22.48*** .06 3.01 .01 Führung durch Einfluss 16.43*** .05 11.16** .03 3.56 .01 Führung durch Macht 28.87*** .08 11.54** .03 .22 .00 Führung durch Vertrauen 11.98** .03 13.02** .04 .59 .00 Führung durch Misstrauen Anmerkungen. Eta2 = Effektstärke, die das Verhältnis der Quadratsummen zwischen den Gruppen zur Gesamtquadratsumme repräsentiert. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 339. **p < .01, ***p < .001.
4.5.3.2 Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Einflussgrundlagen Wie ersichtlich wurde, haben die Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie Verteilungskonflikte die stärksten Effekte auf die Führung durch Einfluss im Vergleich zu den anderen Qualitäten des Führungsverhaltens. Für die Einflussgrundlagen wurde nun folgende Hypothese angenommen: Hypothese 12b: Die zunehmende Intensität (12b-1) der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie (12b-2) der Verteilungskonflikte wirkt sich negativ auf den Einsatz aller hier untersuchten Einflussgrundlagen aus. Zur Analyse dieser Effekte wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen auf der Ebene der Einflussgrundlagen berechnet (s. Tabelle 88). Betrachtet man die Mittelwertsunterschiede auf dieser Skalenebene, so zeigt sich, dass bei schwach ausgeprägten Beurteilungs- und Bewertungskonflikten zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft stärker auf der Basis von persönlicher Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogener Unterstützung und dem Verzicht auf Manipulation geführt wird als bei stark ausgeprägten Beurteilungs- und Bewertungskonflikten. Außerdem werden alle fünf Einflussgrundlagen mit abnehmender Intensität der Verteilungskonflikte (schwach vs. stark) stärker im Innovationsprozess aktualisiert.
333
Tabelle 88. Mittelwerte und Standardabweichungen der Einflussgrundlagen in Abhängigkeit von der Konfliktart und -intensität Beurteilungs- und Bewertungskonflikte a schwach stark gesamt Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte Einflussgrundlagen
schwach
stark
gesamt
schwach
stark
gesamt
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
M SD n M SD n M SD n
3.76 1.59 141 4.18 1.02 141 5.82 1.30 141
3.71 1.36 49 3.94 1.06 49 5.35 1.39 49
3.75 1.53 190 4.12 1.03 190 5.70 1.34 190
3.35 1.65 75 3.67 1.08 75 5.27 1.45 75
2.81 1.39 90 3.14 1.11 90 4.13 1.75 90
Innovationsbezogene Unterstützung
M SD n
4.86 1.28 141
4.60 1.45 49
4.79 1.32 190
4.52 1.29 75
Verzicht auf Manipulation
M SD n
6.38 .86 141
6.15 .90 49
6.32 .87 190
5.79 1.00 75
Persönliche Ausstrahlung Expertenwissen/ Information
schwach
stark
gesamt
3.05 1.53 165 3.38 1.12 165 4.65 1.71 165
3.61 1.61 216 4.00 1.07 216 5.63 1.38 216
3.13 1.44 139 3.42 1.15 139 4.56 1.73 139
3.42 1.56 355 3.78 1.14 355 5.21 1.61 355
4.06 1.27 90
4.27 1.30 165
4.74 1.29 216
4.25 1.35 139
4.55 1.33 355
5.23 1.37 90
5.48 1.24 165
6.17 .95 216
5.55 1.30 139
5.93 1.14 355
Anmerkungen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. Aufgrund fehlender Werte beträgt N = 355. a Die Gruppengröße und -zusammensetzung entstand nach Mittelwertsplit der Variablen „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ und „Verteilungskonflikte“ in schwach vs. stark.
Die Überprüfung der Bedeutsamkeit dieser Effekte erfolgte analog zum höheren Abstraktionsniveau durch eine zweifaktorielle multivariate Varianzanalyse (MANOVA), wobei nun auf Ebene der Einflussgrundlagen die Haupteffekte der Konfliktarten und ihre Interaktion geprüft wurden. Die Ergebnisse dieser Analyse bestätigen die erwarteten Unterschiede im Einsatz aller Einflussgrundlagen in der erwarteten Richtung sowohl für den ersten Faktor – die Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte – als auch für den zweiten Faktor – die Intensität der Verteilungskonflikte. Der erste Haupteffekt des Faktors „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ ist für alle fünf Kriteriumsvariablen signifikant. Der zweite Haupteffekt des Faktors „Verteilungskonflikte“ ist ebenfalls signifikant für die abhängigen Variablen „persönliche Ausstrahlung“, „Expertenwissen/Information“, „innovationsbezogene Unterstützung“ und „Verzicht auf Manipulation“. Für die Variable „Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie“ zeigt sich der Effekt der Intensität der Verteilungskonflikte nur auf dem Testniveau von 10% (s. Tabelle 89). Demnach können die Subhypothesen 12b-1 und 12b-2 empirisch verifiziert werden. Der Vergleich der Effektstärken (Eta2) verdeutlicht, dass der Faktor „Beurteilungs- und Bewertungskonflikte“ den größten Varianzanteil der Einflussgrundlage „Verzicht auf Manipulation“ erklärt im Vergleich zu jeder anderen Einflussgrundlage. Der Faktor „Verteilungskonflikte“ hat dagegen den
334
stärksten Effekt auf die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie im Vergleich zu den anderen Einflussgrundlagen. Tabelle 89. Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Konfliktarten auf die Führung durch Einflussgrundlagen 1. Haupteffekt des Faktors 2. Haupteffekt des Faktors „Beurteilungs„Verteilungskonflikte“ /Bewertungskonflikte“ Effekte auf die F (1, 354) F (1, 354) Eta2 Eta2 Kriteriumsvariablen.. . 14.35*** .04 2.78** .01 Persönliche Ausstrahlung 28.61*** .08 10.38* .03 Expertenwissen/Information .06 28.17*** .07 23.18+ Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie .02 5.80* .02 8.81** Innovationsbezogene Unterstützung 40.17*** .10 11.06* .03 Verzicht auf Manipulation
Interaktionseffekt beider Faktoren F (1, 354)
Eta2
2.02
.01
1.47
.00
4.11*
.01
.41
.00
2.03
.01
Anmerkungen. Eta2 = Effektstärke, die das Verhältnis der Quadratsummen zwischen den Gruppen zur Gesamtquadratsumme repräsentiert. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 355. + p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001.
Die Varianzanalyse zeigt außerdem einen signifikanten Interaktionseffekt der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie der Verteilungskonflikte für die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie (s. Abbildung 27). Dabei handelt es sich um eine ordinale Interaktion. Neben dem ersten und zweiten Haupteffekt gilt demzufolge: Bei hoher Intensität der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sinkt die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie dann, wenn zugleich die Intensität der Verteilungskonflikte hoch ist. Beide Konfliktarten verstärken sich im Innovationsprozess also hinsichtlich der Abnahme der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie. Dabei ist daran zu erinnern, dass gerade die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie positive Konsequenzen hat für die Situationswahrnehmungen, die positiven Emotionen und die Komponenten des Innovationsverhaltens der geführten Führungskraft sowie den Innovationserfolg und deutlich reduzierend auf die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der geführten Führungskraft wirkt. Deshalb ist gerade der Einsatz dieser Einflussgrundlage im Innovationsprozess besonders wichtig. Insofern ist für das Konfliktmanagement im Innovationsprozess zu folgern, dass der wechselseitigen Beeinflusssung der Konfliktarten im Hinblick auf die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie Rechnung getragen werden muss. Es sind vorbeugende Maßnahmen dafür zu ergreifen, dass Beurteilungs- und Bewertungskonflikte zu hohe Intensitätsgrade erreichen, wobei
335
gleichzeitig der zunehmenden Intensität von Verteilungskonflikten – etwa durch die Strategie Legitimität qua Verfahren (Rawls, 1992) – präventiv begegnet werden muss. Nur durch diese kombinierte Vorbeugung der zunehmenden Konfliktintensität bleibt die innovationsförderliche Wirkung der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie erhalten.
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
6
Verteilungskonflikte schwach
5,5
5
4,5
Verteilungskonflikte stark
4
3,5
3
stark schwach Beurteilungs- und Bewertungskonflikte
Abbildung 27. Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie als Funktion der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte 4.5.3.3 Wirkungen der Konflikte auf den Einsatz der Machtgrundlagen Neben der Wirkung der Konfliktarten auf den Einsatz der Einflussgrundlagen wurden folgende Effekte der Konflikte auf die Machtgrundlagen im Innovationsprozess in Form einer Hypothese formuliert: Hypothese 12c: Die zunehmende Intensität (12c-1) der Beurteilungs- und Bewertungskonflikte sowie (12c-2) der Verteilungskonflikte wirkt sich positiv auf den Einsatz der hier untersuchten Machtgrundlagen aus. Diese Effekte wurden analog zum Vorgehen im Kapitel 4.5.3.2 untersucht. Die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser Analyse sind in Tabelle 90 abgebildet. Der Mittelwertsvergleich verdeutlicht, dass die erwarteten Unterschiede im Einsatz der Machtgrundlagen der Richtung nach bestehen.
336
Tabelle 90. Mittelwerte und Standardabweichungen der Machtgrundlagen in Abhängigkeit von der Konfliktart und -intensität Beurteilungs- und Bewertungskonflikte a schwach stark gesamt Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte Verteilungskonflikte Machtgrundlagen
schwach
stark
gesamt
schwach
stark
gesamt
M SD n
1.34 .57 147
1.53 .76 50
1.39 .62 197
1.60 .71 76
2.27 1.17 93
M Belohnung SD durch extrinsische Anreize n
1.56 1.07 147
1.67 1.07 50
1.59 1.07 197
1.64 1.04 76
1.88 1.30 93
Bestrafung/ Drohung (materiell/ immateriell)
schwach
stark
gesamt
1.96 1.04 169
1.43 .63 223
2.01 1.10 143
1.66 .89 366
1.77 1.30 169
1.59 1.06 223
1.81 1.22 143
1.67 1.13 336
Anmerkungen. Die Antwortskala war 7-fach gestuft. Aufgrund fehlender Werte beträgt N = 366. a Die Gruppengröße und -zusammensetzung entstand nach Mittelwertsplit der Variablen „Beurteilungs/Bewertungskonflikte“ und „Verteilungskonflikte“ in schwach vs. stark.
Um zu überprüfen, ob die Haupteffekte der Beurteilungs-/Bewertungskonflikte und Verteilungskonflikte in Bezug auf die eingesetzten Machtgrundlagen im Innovationsprozess signifikant sind und ob es statistisch bedeutsame Interaktionseffekte gibt, wurde wiederum eine zweifaktorielle multivariate Varianzanalyse (MANOVA) gerechnet (s. Tabelle 91). Im Hinblick auf die im Innovationsprozess eingesetzten Formen der (im-)materiellen Bestrafung/Drohung zeigen sich signifikante Haupteffekte des ersten und zweiten Faktors. Der Vergleich der Effektstärken verdeutlicht, dass Beurteilungs-/Bewertungskonflikte größere Varianzanteile von Bestrafung/ Drohung als Verteilungskonflikte binden. Betrachtet man hingegen die Kriteriumsvariable „Belohnung durch extrinsische Anreize“, so wird deutlich, dass weder ein Effekt der Konfliktarten noch der Interaktionseffekt signifikant sind. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass sich die Intensität der Konfliktarten auf den Einsatz materieller Belohnung durch extrinsische Anreize im Innovationsprozess auswirkt. Deshalb kann die Hypothese 12c zwar für Bestrafung/Drohung bestätigt werden, für Belohnung durch extrinsische Anreize muss sie hingegen abgelehnt werden. Neben den Haupteffekten der Faktoren auf Bestrafung/Drohung ist der Interaktionseffekt beider Faktoren bezüglich des Einsatzes von Bestrafung/Drohung signifikant.182
337
Tabelle 91. Ergebnisse der zweifaktoriellen multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für die Effekte der Konfliktarten auf die Machtgrundlagen 1. Haupteffekt des Faktors „Beurteilungs-/ Bewertungskonflikte“ F (1, 365) Eta2 29.27*** .08
Effekte auf die Kriteriumsvariablen... Bestrafung/Drohung (materiell/immateriell) Belohnung durch extrinsische Anreize
1.30
.00
2. Haupteffekt des Faktors „Verteilungskonflikte“ F (1,365 ) Eta2 21.73*** .06 1.96
.01
Interaktionseffekt beider Faktoren F (1, 365) 7.13**
Eta2 .02
.26
.00
Anmerkungen. Eta2 = Effektstärke, die das Verhältnis der Quadratsummen zwischen den Gruppen zur Gesamtquadratsumme repräsentiert. Aufgrund fehlender Werte in den Variablen beträgt N = 366. **p < .01, ***p < .001.
Neben dem ersten und zweiten Haupteffekt ist insofern die Wechselwirkung beider Konfliktarten bedeutsam: So steigt der Einsatz von (im-)materieller Bestrafung/Drohung dann, wenn bei starken Beurteilungs- und Bewertungskonflikten gleichzeitig Verteilungskonflikte stark ausgeprägt sind (s. Abbildung 28). Beide Faktoren verstärken sich demzufolge auch in Bezug auf die Zunahme unterschiedlicher Formen der Bestrafung/Drohung. Deshalb ist es erforderlich, parallel zur Reduktion der Intensität von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten die Intensität der Verteilungskonflikte im Innovationsmanagement zu mindern.
immaterielle/ materielle Bestrafung/ Drohung
3
2,5
Verteilungskonflikte n stark
2 Verteilungskonflikte schwach 1,5
1 stark
schwach
Beurteilungs- und Bewertungskonflikte
Abbildung 28. Einsatz (im-)materieller Bestrafung/Drohung als Funktion der Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte
338
Kapitel 5
IMPLIKATIONEN
In der vorliegenden Untersuchung wurden erstmalig kognitiv-emotionale Prozesse als Bedingungen für innovationsbezogene Verhaltensweisen (Innovationsverhalten und innovationshinderliche Verhaltensweisen) von geführten Führungskräften theoretisch und empirisch untersucht. Es wurde u. a. empirisch dokumentiert, dass es zur Förderung positiver Emotionen und innovationserfolgsbegünstigender Verhaltensweisen der Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung bedeutsam ist, dass die geführte Führungskraft die Situation parallel zum Veränderungsbedarf als kontrollierbar einschätzt. Auch die Reduktion negativer Emotionen und innovationsmisserfolgsbegünstigender Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht ist bei Vorliegen einer veränderungsbedürftigen Situation an die wahrgenommene Situationskontrolle der Führungskraft gebunden. Ferner wurden erstmalig Führung durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen in ihrem Zusammenwirken als Prädiktoren der Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen von geführten Führungskräften sowie des Innovationserfolgs analysiert. Außerdem wurden ebenfalls erstmalig die relativen Effekte innovationskontextspezifisch adaptierter Einflussgrundlagen der Führung und Machtgrundlagen der Führung für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen von geführten Führungskräften sowie den Innovationserfolg untersucht. Diese Studie unterscheidet sich damit (1) von der bisherigen Führungsforschung, (2) von der bisherigen Machtforschung, (3) von der bisherigen Vertrauensforschung und (4) von der bisherigen Innovationsforschung. Abweichend von der traditionellen Führungsforschung (vgl. Yukl, 2002) wurde hier die Führungsforschung zum einen mit der Einfluss- und Machtforschung und zum anderen mit der Vertrauensforschung verknüpft und daher das Führungsverhalten nicht über Consideration und Initiating structure (Fleishman, 1973) beschrieben, sondern über Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen. Ferner wurden Einflussnahme und Machtausübung für den Innovationskontext präzisiert, in dem das Führungsverhalten im Innovationsprozess über die Art der eingesetzten Einfluss- und Machtgrundlagen des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft beschrieben wurde. Die Einfluss- und Machtforschung wurde hier insofern erweitert, als auf der Basis 339
ausgewählter und für den Innovationskontext präzisierter Einfluss- und Machtgrundlagen die differenzielle Funktionalität derselben für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sowie den Innovationserfolg empirisch dokumentiert wurde. Die bisherige Vertrauensforschung wurde dadurch erweitert, dass spezifische Vertrauensgrundlagen im Innovationsprozess betrachtet und überprüft worden sind. Außerdem wurde die zweidimensionale Konzeption von Vertrauen und Misstrauen (Lewicki et al., 1998) berücksichtigt und empirisch für den Innovationskontext bestätigt. Die bisherige Innovationsforschung wurde hier dahingehend erweitert, als die dem Handeln vorgelagerten kognitiv-emotionalen Bedingungen innovationsbezogenen Verhaltens berücksichtigt wurden. Ferner wurde eine Typologie für unterschiedliche Arten von Verfahrensinnovationen entwickelt, wobei diese Arten der Verfahrensinnovationen anhand ausgewählter Merkmale – Innovationsgrad, Unsicherheit und Konflikte – beschrieben worden sind. Obgleich diese Untersuchung die beschriebenen Neuerungen realisiert, ist sie neben ihren Vorteilen auch mit Problemen behaftet, die bereits im Kapitel 3.6 diskutiert worden sind. Trotz dieser Probleme impliziert die vorliegende Untersuchung forschungstheoretische, forschungsmethodische und praktische Konsequenzen, die nachfolgend abgeleitet werden.
5.1
Forschungstheoretische Implikationen
(1)
Implikationen für die Innovationsforschung
In der bisherigen Innovationsprozessforschung und der Forschung zu Bedingungen organisationaler Innovativität (vgl. Wolfe, 1994, p. 407) wurden die kognitiv-emotionalen Determinanten innovationsbezogenen Verhaltens stark vernachlässigt. Allerdings kommt den Situationswahrnehmungen (kognitive Seite der Innovationsgeneigtheit) und Emotionen (emotionale Seite der Innovationsgeneigtheit) der geführten Führungskräfte nachweislich ein wichtiger Erklärungswert für ihre innovationsbezogenen Verhaltensweisen zu (s. Tabelle 92). Aufgrund dieser Bedeutsamkeit des Konstrukts „Innovationsgeneigtheit“ für die Komponenten des Innovationsverhaltens und die Komponenten der innovationshinderlichen Verhaltensweisen ist es auf der theoretischen Ebene unerlässlich, diese dem Handeln vorgelagerten kognitiv-emotionalen Bedingungen in Phasenmodelle zum Innovationsprozess zu integrieren. Die Forschung zu Bedingungen organisationaler Innovativität sollte also nicht nur Merkmale fokussieren wie etwa Organisationsstruktur, Organisationskultur oder Kommunikations- und Kooperationsprozesse (vgl. Kapitel 1), sondern auch die innovationsbedeutsamen Kognitionen 340
und Emotionen der Beteiligten im Innovationsprozess untersuchen. Auf diese Weise kann man langfristig zu ergiebigeren Modellvorstellungen über die Auslöser von Innovationen gelangen. Tabelle 92. Zusammenfassung der Korrelationen zwischen der kognitiv-emotionalen Innovationsgeneigtheit und den innovationsbezogenen Verhaltensweisen Kognitiv-emotionale Innovationsgeneigtheit
Ideengenerierung/-prüfung
Implementierung
intrapsychische Anpassung
Flucht
Veränderungsbedürftigkeit
.31***
.34***
-.45***
-.29***
Veränderungsfähigkeit
.25***
.42***
-.46***
-.48***
.52***
.50***
-.55***
-.47***
-.33***
.55***
.45***
Situationswahrnehmungen (kognitive Innovationsgeneigtheit)
Emotionen (emotionale Innovationsgeneigtheit) positive Emotionen negative Emotionen
-.08
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. ***p < .001.
Darüber hinaus wurden faktorenanalytisch zwei Komponenten des Innovationsverhaltens bestätigt: die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung. Vor diesem Hintergrund wäre es für die zukünftige Innovationsprozessforschung günstig, diese Zweidimensionalität des Innovationsverhaltens auch in theoretischen Neukonzeptionen zu beachten. Die Überwindung überdifferenzierter Modelle des Innovationsprozesses (s. Kapitel 2.3.1.1) könnte hilfreich sein, um theoretisch fundiertere Maßnahmen zum Innovationsmanagement in Organisationen abzuleiten. Dabei gilt es insbesondere, dem Übergang von der Ideengenerierung/-prüfung hin zur Implementierung der Innovation verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Wie in dieser Untersuchung durch ein lineares Strukturgleichungsmodell belegt wurde (s. Kapitel 4.2.2), wirkt sich Widerstand nur leicht negativ auf die Implementierung von Verfahrensinnovationen aus und stellt daher keine „Implementierungskatastrophe“ dar. Dieser Befund widerspricht traditionellen Auffassungen der maßgeblichen Destruktivität des Widerstands im Innovationsprozess. Im Hinblick auf die Implementierung von Verfahrensinnovationen ist daher ein Umdenken zu empfehlen. Wesentlich contraproduktivere Effekte als Widerstand haben wahrgenommene Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft. Verteilungskonflikte erweisen sich auch im Vergleich zur Wirkung von Beurteilungs- und Bewertungskonflikten als implementierungshemmender. Deshalb ist eine Schwerpunktverlagerung notwendig, die stärker als bislang Verteilungskonflikte fokussiert. Diese Empfehlung impliziert auch für die Maßnahmenebene Konsequenzen, die im Kapitel 5.3 erläutert werden. Bezüglich der Implementierung wurde außerdem deutlich (s. Kapitel 4.4.3.2), dass ein Vorgesetzter die negative Wirkung von Verteilungskonflikten im Innovationsprozess dann mil341
dern kann, wenn er durch Expertenwissen/Information führt, der geführten Führungskraft Freiheitsgrade und Autonomie gewährt und auf Manipulation verzichtet. Diese Einflussgrundlagen der Führung steigern die Implementierung also nicht nur aufgrund der Freisetzung positiver Wirkungen eines delegativen Führungsprinzips und positiver Wirkungen einer transparenten Führung, sondern auch aufgrund ihrer zumindest partiellen Kompensation der Negativwirkungen von Verteilungskonflikten. Die Implementierung kann demnach durch eine einflussbasierte Führung, aber auch durch eine vertrauensbasierte Führung unterstützt werden. Dagegen reduziert insbesondere Führung durch Macht die Implementierung einer Verfahrensinnovation. Diese negative Korrelation zwischen Machtausübung und der Implementierung steht im Gegensatz zu den Resultaten anderer Untersuchungen (z. B. Brockhoff, 1996). Sie wird jedoch dadurch erklärbar, dass Führung durch Macht auch die negativen Emotionen der geführten Führungskräfte intensiviert, weshalb die Implementierungswahrscheinlichkeit sinkt. Außerdem erhöht Führung durch Macht den Widerstand der geführten Führungskraft da Machtausübung reaktanzerzeugend (Brehm, 1966) ist. Ferner ist die negative Korrelation zwischen Führung durch Macht und der Implementierung im Zusammenhang mit der Falsifikation der ‘Loose-tight’-Hypothese (Shepard, 1967, p. 470) zu interpretieren: Die vorliegenden Ergebnisse geben keinen Anlass, dieser Hypothese zu folgen, denn wie gezeigt wurde (vgl. Kapitel 4.4.3.1), sind Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen sowohl für die Ideengenerierung/-prüfung als auch für die Implementierung förderlich, während Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen für beide Komponenten des Innovationsverhaltens hinderlich sind. Außerdem wurde bestätigt, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen für die Implementierung funktionaler sind als für die Ideengenerierung/-prüfung. Zusammenfassend werfen diese Ergebnisse also ein neues Licht auf die Frage der Implementierung von Innovationen, die durch Bestrafung/Drohung nicht gefördert, sondern gehemmt wird. Für die Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize zeigen die Ergebnisse hingegen konsistent Null-Korrelationen (s. Tabelle 93) zu den innovationsbezogenen Variablen – von zwei Ausnahmen einmal abgesehen. Hinter diesen Null-Korrelationen verbirgt sich vermutlich ein ambivalenter Effekt, denn Belohnung durch extrinsische Anreize kann sowohl Negativeffekte als auch Positiveffekte freisetzen (vgl. Deci, 1972; Deci et al., 1999 und Kapitel 2.4.1.3).
342
Tabelle 93. Zusammenfassung der Korrelationen zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und zentralen Innovationskonstrukten Variable Situationswahrnehmungen (kognitive Innovationsgeneigtheit) Veränderungsbedürftigkeit Veränderungsfähigkeit Emotionen (emotionale Innovationsgeneigtheit) positive Emotionen negative Emotionen Innovationsverhalten Ideengenerierung/-prüfung Implementierung innovationshinderliche Verhaltensweisen intrapsychische Anpassung Flucht Innovationserfolg
Belohnung durch extrinsische Anreize .07 .04 .12* .07 -.02 -.01 .06 .11* .00
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung. *p < .05.
Ein negativer Effekt der Belohnung durch extrinsische Anreize liegt in der Bewertung des Prozesses der Belohnung durch die geführte Führungskraft: Da der Vorgesetzte von der geführten Führungskraft einstellungskonträre Einstellungen und Verhaltensweisen erwartet, erzeugt der Prozess der Belohnung bei der geführten Führungskraft kognitive Dissonanz (Festinger, 1957). Dieser Prozess erfolgt im Widerspruch zu den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft und wird von ihr deshalb negativ bewertet. Im Ergebnis dieses Prozesses wird die geführte Führungskraft jedoch für ihre Einstellungsänderung und nachfolgende Konformität materiell belohnt, wodurch sie die kognitive Dissonanz reduzieren kann. Das Ergebnis des Belohnungsprozesses steht also im Einklang mit den aktuellen Handlungsintentionen der geführten Führungskraft, weshalb es von ihr positiv bewertet wird. Die Null-Korrelationen zwischen Belohnung durch extrinsische Anreize und den zentralen Innovationskonstrukten (s. Tabelle 93) ist demzufolge durch die wechselseitige Neutralisierung der positiven und negativen Bewertung der Belohnung erklärlich. Die empirisch belegten Null-Korrelationen von Belohnung durch extrinsische Anreize mit der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der Situation, der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation, den negativen Emotionen, der Ideengenerierung/-prüfung, der Implementierung, der intrapsychischen Anpassung und dem Innovationserfolg lassen die bislang angenommene Bedeutsamkeit von extrinsischen Anreizen (Becker, 1991; Brockhoff, 1996; Gerpott & Domsch, 1991, Thom, 2001) und ‘Pay-for-Performance’-Systemen (Frey & Osterloh, 2000) im Innovationskontext fraglich erscheinen. Die vorliegenden Befunde implizieren indes, die Frage der Wirkung materieller Anreize auf die Innovativität neu zu überdenken.
343
(2)
Implikationen für die Führungsforschung
Das Führungsverhalten des Vorgesetzten gegenüber der geführten Führungskraft wurde in der vorliegenden Untersuchung auf zwei Abstraktionsebenen beschrieben. Auf der Abstraktionsebene der fundamentalen Interaktionskategorien wurde das Führungsverhalten durch Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen konzeptualisiert. Diese abstrakten Kategorien wurden nachfolgend durch die Analyse der jeweiligen Tiefenstruktur dieser Führungsfacetten auf der Abstraktionsebene der Grundlagen der Führung „aufgebrochen“. Dieses Vorgehen erwies sich aus zwei Gründen als besonders angemessen: Zum einen wurde die traditionelle Führungsforschung (vgl. Yukl, 2002) erweitert, indem das Führungsverhalten hier nicht durch zweidimensionale Konzeptionen des Führungsstils – wie etwa Consideration und Initiating structure (Fleishman, 1973) oder Leistungs- und Mitarbeiterorientierung (Blake & Mouton, 1964) – beschrieben worden ist. Denn wie verschiedene Untersuchungen zeigen, haben zweidimensionale Führungsstilkonzeptionen nur eine eingeschränkte Aussage- und Vorhersagekraft in Bezug auf die jeweils betrachteten Erfolgskriterien (vgl. Anmerkung 8). Zum anderen wurde das Führungsverhalten hier situativ relativiert, weil die Reihenfolge der Forschungsfragen gemäß dem Modell der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1991) „umgekehrt“ wurde. Daher wurde zunächst der Führungserfolg im Innovationsprozess anhand des Innovationserfolgs spezifiziert. Anschließend wurden für diesen situativen Kontext solche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte präzisiert, die für den Innovationserfolg förderlich sind – die Komponenten des Innovationsverhaltens – und solche Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte, die dem Innovationserfolg abträglich sind – die innovationshinderlichen Verhaltensweisen. Außerdem wurde das Modell der zielorientierten Führung hier erweitert, in dem die Emotionen und die Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte explizite Beachtung fanden. Schließlich wurde als Abschluss der Fragenkette des Modells der zielorientierten Führung das Führungsverhalten differenziert, in dem auf zwei Abstraktionsebenen begründet wurde, welches Führungsverhalten aus welchem Grund für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte förderlich bzw. hinderlich ist. Wie die Ergebnisse dokumentieren, trug diese Präzisierung des Führungsverhaltens für den betrachteten Kontext dazu bei, dass in der vorliegenden Untersuchung bedeutsame Varianzanteile der jeweiligen abhängigen Variablen durch diese spezifischen Führungsverhaltensweisen erklärt werden konnten. Daher könnte es für die zukünftige Führungsforschung hilfreich sein, die 344
Bestimmung des relevanten Führungsverhaltens stärker als bisher in Abhängigkeit von dem jeweiligen Untersuchungskontext und den zu erklärenden Erfolgsvariablen vorzunehmen. Zwei weitere Konsequenzen der Ergebnisse dieser Untersuchung für die Führungsforschung leiten sich aus der speziellen Wirkung der Einflussgrundlagen der Führung ab. Wenngleich die Einflussgrundlage persönliche Ausstrahlung korrelationsanalytisch stets signifikant mit den jeweiligen abhängigen Variablen verbunden ist, ist der Einfluss von persönlicher Ausstrahlung auf die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg in den relativen Betrachtungen mit den anderen Einflussgrundlagen der Führung durchweg nicht bedeutsam (s. Tabelle 94). Dies lässt sich als Hinweis darauf interpretieren, dass – im Gegensatz zur gegenwärtigen Diskussion der Funktionalität der transformationalen Führung – die Bedeutung der transformationalen Führung im Innovationskontext möglicherweise geringer ist als bislang auf der theoretischen Ebene angenommen. Durch transformationale Führung – verstanden als Charisma, inspirierende Vision und intellektuelle Stimulierung (Avolio et al., 1999) – wird sich die geführte Führungskraft mit dem Vorgesetzten identifizieren, weil der charismatisch, visionär und stimulierend Führende als positives Modell mit hoher persönlicher Ausstrahlung von der geführten Führungskraft wahrgenommen wird. Gegenüber der persönlichen Ausstrahlung erweist sich aber die Führung durch die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie in Bezug auf die kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Prozesse der geführten Führungskräfte als bedeutsamerer Einflussfaktor (s. Tabelle 94). Insofern kann es für die transformationale Führungsforschung zukünftig günstig sein, neben den Facetten der transformationalen Führung auch andere innovationsbedeutsame Führungsverhaltensweisen theoretisch zu integrieren, um deren relative Einflüsse auf innovationsbedeutsame Konstrukte neu zu überdenken und empirisch zu überprüfen. Dies erscheint insbesondere auch deshalb notwendig, weil empirisch belegt ist, dass die Bedeutsamkeit der transformationalen Führung situationsabhängig variiert (Keller, 1992) und insofern nicht von einer generellen Funktionalität der transformationalen Führung ausgegangen werden kann.
345
.00
Innovationsbezogene Unterstützung
Verzicht auf Manipulation
.17* .26*** -.04 .19***
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
Innovationsbezogene Unterstützung
Verzicht auf Manipulation
* p < .05. ** p < .01. *** p < .001.
Anmerkung. ß = standardisierter Regressionskoeffizient.
.02
Expertenwissen/Information
ß
Implementierung
Persönliche Ausstrahlung
Prädiktoren
-.02
Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie
Kriteriumsvariablen
.12 .34***
Expertenwissen/Information
-.14**
.05
-.40***
-.24***
.06
ß
Anpassung
intrapsychische
.08*
.18***
.30***
.43***
.00
ß
.02
fähigkeit
ß
Veränderungs-
bedürftigkeit
Veränderungs-
Persönliche Ausstrahlung
Prädiktoren
Kriteriumsvariablen
-.24***
.06
-.30***
-.29***
.00
ß
Flucht
-.01
.09
.32***
.23***
.07
ß
Emotionen
Positive
.13*
.19**
.31***
.01
-.08
.10*
-.03
.35***
.35***
-.10
ß
ß
rung/-prüfung
Ideengenerie-
Innovationserfolg
-.21***
-.04
-.21***
-.24***
.04
ß
Emotionen
Negative
Tabelle 94. Zusammenfassung der Regressionskoeffizienten zur Vorhersage der Innovationskonstrukte durch die Einflussgrundlagen
Außerdem dokumentieren die Ergebnisse der Effekte der Einflussgrundlagen der Führung in ihrem Zusammenwirken auf die abhängigen Variablen fast durchgängig (s. Tabelle 94), dass sich insbesondere der Einsatz von Expertenwissen/Information und die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie förderlich auf Situationswahrnehmungen, die positiven Emotionen, das Innovationsverhalten und den Innovationserfolg auswirken, während diese Einflussfacetten stets negative Effekte für die negativen Emotionen sowie intrapsychische Anpassung und Flucht haben. Nun ist allerdings die positive Wirkung der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie keineswegs neu oder überraschend, denn die innovationsförderliche Wirkung eines delegativ-partizipativen Führungsstils ist bereits hinreichend empirisch dokumentiert (z.B. Axtell et al., 2000; Anderson & King, 1993; Manz et al., 1989). Allerdings wird hier die Erklärungsbasis für die Funktionalität eines delegativpartizipativen Führungsstils erweitert: Innovationsbezogen kommt es nicht nur darauf an, dass der geführten Führungskraft Freiheitsgrade delegiert werden und dass sie an Entscheidungsprozessen partizipieren kann, sondern dass ihr parallel Expertise und Fachwissen vermittelt werden. Der Einsatz dieser simultanen Führungsfacette im Innovationsprozess gewährleistet, dass die geführte Führungskraft eine Balance zwischen den gegensätzlichen Anforderungen der Flexibilität und gleichzeitigen Stabilität (Denison et al., 1995; Gebert et al., 2001) herstellen kann, indem sie durch die Vermittlung der Expertise ihres Vorgesetzten während des Innovationsprozesses eine Orientierung erhält. Deshalb kann es für die delegative Führungsforschung (z. B. Wunderer, 2000) hilfreich sein, die Wirkung paralleler Führung durch Expertenwissen genauer als bisher zu untersuchen. (3)
Implikationen für die Machtforschung
In der vorliegenden Untersuchung wurden erstmalig die differenziellen Effekte der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht im Innovationskontext überprüft. Dabei zeigten sich gegensätzliche Wirkungen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht für die abhängigen Variablen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, in der zukünftigen Machtforschung eine Trennung zwischen Einfluss und Macht vorzunehmen. Dabei sollte nicht der Annahme gefolgt werden, dass Einfluss als ein Potenzial zur Durchsetzung der aktuellen Handlungsintentionen und Macht als die Nutzung dieses Potenzials zu verstehen ist (Cartwright, 1959; Collins & Raven, 1969). Vielmehr sollte Einflussnahme von Machtausübung dadurch unterschieden werden, dass Einflussnahme im Einklang mit den aktuellen Handlungsintentio-
347
nen des Betroffenen stattfindet, während Machtausübung den aktuellen Handlungsintentionen des Machtbetroffenen widerspricht. Außerdem sollte in der zukünftigen Machtforschung die Tiefenstruktur von Einfluss und Macht stärker als bisher berücksichtigt werden, weil Einflussnahme auf anderen Grundlagen beruht als Machtausübung. In der vorliegenden Untersuchung wurden faktorenanalytisch fünf Einflussgrundlagen der Führung im Innovationsprozess empirisch belegt: Persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation. Ferner wurden zwei Machtgrundlagen
der
Führung
empirisch
verifiziert:
Bestrafung/Drohung
(materi-
ell/immateriell) und Belohnung durch extrinsische Anreize. Darüber hinaus wurde eine spezifische Rangfolge des Einsatzes der Einflussgrundlagen und der Machtgrundlagen im Innovationsprozess ermittelt (s. Kapitel 4.5.2). Vergleicht man diese Rangfolge mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen (Blickle et al, 1997; Frost & Stahelski, 1988; Yukl et al., 1996; Yukl & Falbe, 1991), dann zeigt sich, dass diese Grundlagen der Führung in verschiedenen Untersuchungskontexten in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt werden (s. Tabelle 9). Den variierenden Einsatz der Einfluss- und Machtgrundlagen in Abhängigkeit vom Untersuchungsfeld vermag die bisherige Macht- und Einflussforschung allerdings nicht zu erklären. Zur Erklärung dieser Unterschiede könnte es sinnvoll sein, in Analogie zur kontingenztheoretischen Führungsforschung die Art des Einsatzes der Einflussund Machtgrundlagen ebenfalls situationsspezifisch zu differenzieren. So ist beispielsweise im Innovationskontext die Kombination von Expertenwissen und Information bedeutsam – eine Kombination, die in anderen Untersuchungsfeldern nicht in demselben Ausmaß besteht (vgl. Buschmeier, 1995; Krause et al., 2002; Raven et al., 1998; Yukl & Falbe, 1991). Außerdem lassen sich im Innovationskontext drei Facetten der immateriellen Belohnung empirisch als bedeutsam belegen (Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation), was ebenfalls für andere Untersuchungskontexte nicht typisch sein muss. In forschungstheoretischer Hinsicht ergibt sich daraus, dass die Machtforschung dem jeweiligen Untersuchungskontext zukünftig mehr Beachtung schenken sollte. Ferner ist zu bedenken, dass in der bisherigen Machtforschung eine Vielzahl von Klassifikationen der Machtgrundlagen entwickelt worden sind (s. Tabelle 6). Diese Klassifikationen sind jedoch nicht unumstritten, weil sie sich häufig durch Überdifferenzierung und damit einhergehender mangelnder Abgrenzbarkeit einzelner Grundlagen auszeichnen (vgl. Kapitel 2.4.1.2) und häufig auf die Analyse der Beziehungen dieser Grundlagen zu relevanten abhän-
348
gigen Variablen verzichtet wird. Deshalb ist es sinnvoll, wenn die Machtforschung zukünftig nicht nur an der Entwicklung und Überprüfung von Klassifikationen der Grundlagen arbeitet, sondern gleichzeitig die Wirkungen dieser Grundlagen auf die im jeweiligen Untersuchungskontext relevanten abhängigen Variablen untersucht. (4)
Implikationen für die Vertrauensforschung
In der vorliegenden Untersuchung wurde außerdem die Beziehung zwischen Vertrauen und Macht untersucht und bestätigt, dass Machtausübung paralleles Vertrauenshandeln hemmt.183 Darüber hinaus wurde hier die Koexistenz von Vertrauen und Misstrauen innerhalb einer sozialen Beziehung (Lewicki et al., 1998) berücksichtigt und gezeigt, das Vertrauen und Misstrauen zwei unterschiedliche Faktoren darstellen. Für zukünftige Untersuchungen wäre es daher von Vorteil, zum einen den Zusammenhang zwischen Vertrauen und Macht und zum anderen den Zusammenhang zwischen Vertrauen und Misstrauen ebenfalls empirisch zu analysieren. Möglicherweise lassen sich auf diese Weise die hier bestätigten Beziehungen auch für andere Untersuchungsfelder replizieren. Dies ist umso wichtiger, als insbesondere die Relation zwischen Vertrauen und Macht (bzw. Vertrauen und Kontrolle) in psychologischen, soziologischen und ökonomischen Theorien kontrovers diskutiert wird (vgl. Kapitel 2.4.3). Eine ebenfalls strittige Diskussion in der Vertrauensforschung ist die Frage, auf welchen und wie vielen Grundlagen Vertrauen beruht. Die kritische Reflexion bisheriger Vertrauensgrundlagen (s. Tabelle 13 im Kapitel 2.4.2.2) führte auf der theoretischen Ebene zur Generierung von drei Vertrauensgrundlagen im Innovationsprozess: Wohlwollen, Konsistenz und
Integrität.
Die
empirische
Überprüfung
der
Struktur
von
Vertrauen
durch
konfirmatorische Faktorenanalysen zeigte allerdings, dass im Innovationsprozess keineswegs drei Grundlagen von Vertrauen unterschieden werden können. Auch die empirische Überprüfung anderer Klassifikationen (s. Tabelle 11) ergab jeweils keine hinreichende Anpassungsgüte der Modelle. Vielmehr wurde empirisch belegt, dass für die Skala „Führung durch Vertrauen“ keine Subskalen identifizierbar sind. Dieser Befund stützt die Annahme, dass der Vertrauensentscheidung eines Akteurs ein Generalfaktor (G-Faktor) zu Grunde liegt. Dieses Ergebnis ist im Zusammenhang mit der Messung der Arbeitszufriedenheit in Organisationen (Neuberger, 1976) zu interpretieren, wo sich ebenfalls häufig keine Subskalen der Arbeitszufriedenheit extrahieren lassen, sondern ein G-Faktor. Zurückkommend auf die Führung durch Vertrauen, deutet das Ergebnis darauf hin, dass die einzelnen Grundlagen interpersonalen Vertrauens
349
austauschbar zu sein scheinen und Vertrauen eine „aus dem Bauch heraus“ getroffen, stark emotional bedingte Entscheidung ist. Für diese Interpretation sprechen auch die Befunde, dass Führung durch Vertrauen mit einzelnen Emotionen in signifikant mittleren bis hohen Zusammenhängen steht (s. Tabelle 95). Führung durch Vertrauen fördert positive Emotionen der geführten Führungskräfte, insbesondere das Erleben von Motiviertheit und Mut. Außerdem reduziert Führung durch Vertrauen negative Emotionen der geführten Führungskräfte, insbesondere die Gefühle ausgenutzt und verängstigt zu sein. Tabelle 95. Korrelationen der Führung durch Vertrauen mit einzelnen Emotionen Einzelne Emotionen Während des Innovationsprozesses fühlte ich mich... ...motiviert.
Führung durch Vertrauen .50***
...begeistert.
.33***
...ermutigt.
.40***
...herausgefordert.
.29***
...ausgezeichnet.
.39*** .15**
...neugierig.
-.29***
...besorgt. ...belastet.
-.17**
...verängstigt.
-.37***
...ausgenutzt.
-.58***
Anmerkungen. Korrelationen nach Pearson. Zweiseitige Testung.
**p < .01.*** p < .001. Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Untersuchungen nicht nur einzelne Klassifikationen von Vertrauensgrundlagen aufstellen, sondern die Angemessenheit dieser Klassifikationen auch empirisch überprüfen. Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen kognitionsbasiertem und emotionsbasiertem Vertrauen (McAllister, 1995) lässt der Befund der NichtSeparierbarkeit von Vertrauensaspekten und insofern der stark emotional bedingten Vertrauenshandlung die Schlussfolgerung zu, dass die Vertrauensforschung im Gegensatz zur bisherigen Schwerpunktsetzung auf kognitionsbasiertes Vertrauen (vgl. Dirks & Ferrin, 2001) stärker als bislang das emotionsbasierte Vertrauen untersuchen sollte.
350
5.2 Forschungsmethodische Implikationen (1)
Implikationen für die Wahl der Untersuchungsmethode
Methodisch wurde in der vorliegenden Arbeit eine Querschnittsuntersuchung anhand realer Innovationsfälle in Organisationen gewählt, die durch die Critical incident technique (Flanagan, 1954) erhoben wurden. Ein Problem, das dabei auftrat, betrifft den Zeitpunkt der Messung (s. Kapitel 3.6). Diese Untersuchung schloss sich der Mehrzahl der empirischen Untersuchungen in der Innovationsforschung an und untersuchte daher alle Konstrukte aus retrospektiver Perspektive, wodurch der Hindsight-bias (vgl. Hoffrage et al., 2000) auftreten kann. Aus diesem Grund wäre für zukünftige Untersuchungen ein Längsschnittdesign hilfreich. Allerdings müssten diese Längsschnittstudien methodisch so angelegt sein, dass sie zu einem solchen Zeitpunkt starten, an dem verschiedene Organisationsmitglieder aus unterschiedlichen Organisationen bei unterschiedlichen Innovationsprojekten zunächst Veränderungsbedarf (Soll-Ist-Diskrepanz) erkennen, um schließlich den weiteren Verlauf der Innovationen von diesem Zeitpunkt an systematisch verfolgen zu können. Im Hinblick auf die Analyseebene wurde in der vorliegenden Untersuchung die Ebene des Individuums gewählt. Allerdings ist zu bedenken, dass z. B. für die Komponenten des Innova-tionsverhaltens zusätzlich Gruppeneffekte eine Rolle spielen können. So könnte beispielsweise ein stimulierendes Klima innerhalb der Arbeitsgruppe zu einem hohen Grad an individueller Ideengenerierung/-prüfung beitragen. Die Analyse dieser Gruppeneffekte mit Hilfe von Mehrebenenansätzen – wie etwa der Hierarchischen Linearen Modellierung (Bliese, Halverson und Schriesheim, 2002) – stellt daher eine Herausforderung für zukünftige Untersuchungen dar. Hierdurch könnten die Effekte der unabhängigen Variablen der Qualitäten des Führungsverhaltens auf die jeweiligen abhängigen Variablen zusätzlich zur Individualebene gleichzeitig auf der Gruppenebene ausgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Untersuchungen von betrieblichen Innovationsprozessen die Mehrebenenansätze stärker als bislang anwenden (vgl. Piske, 2004). (2)
Implikationen für die Wahl der Messinstrumente und der Messperspektive
Forschungsmethodisch unterstützen die Ergebnisse der Untersuchung die Annahme, dass der Einsatz kontextspezifischer Operationalisierungen der Qualitäten des Führungsverhaltens sowie der Einfluss- und Machtgrundlagen mit einem höheren Erklärungswert für die im jeweils
351
betrachteten Kontext relevanten abhängigen Variablen einhergeht. Durch die Regressionsanalysen ließen sich bis zu 66% der Varianz der abhängigen Variablen durch die kontextspezifisch operationalisierten Qualitäten des Führungsverhaltens aufklären, was als vergleichsweise hoch zu bewerten ist. Dies spricht für die Notwendigkeit eines methodischen Umdenkens: Es sollten mehr als bisher kontextspezifische Operationalisierungen des Führungsverhaltens sowie der Einflussund Machtgrundlagen entwickelt werden, die auf die jeweilige Organisationsart (z. B. Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Betriebe, Gefängnisse, Kirchen etc.) abgestimmt sind. Der Einsatz kontextspezifischer Operationalisierungen wäre zum einen von Vorteil, weil sich manche Inkonsistenzen in der bisherigen Führungsforschung (Neuberger, 2002) und der bisherigen Einfluss- und Machtforschung (vgl. Podsakoff & Schriesheim, 1985) reduzieren ließen. Zum anderen ließen sich aus handlungspragmatischer Sicht fundiertere Aussagen über den Führungserfolg in Abhängigkeit von der Organisationsart ableiten als bei einer kontextunspezifischen Messung. Eine weitere forschungsmethodische Implikation dieser Untersuchung bezieht sich auf die Messperspektive. In der vorliegenden Untersuchung wurde zur Messung der Konstrukte die Pers-pektive der geführten Führungskraft (B) gewählt. Diese Messperspektive weist verschiedene Vorteile auf (vgl. Kapitel 3.2.2) und stimmt mit der Mehrzahl empirischer Arbeiten in der klassischen Führungsforschung überein. Zusätzlich zu dieser Perspektive könnte für nachfolgende Untersuchungen folgendes Vorgehen geeignet sein: Man könnte die geführte Führungskraft (B) zum Führungsverhalten ihres Vorgesetzten (A) (Fremdbeschreibung des B über A) und ihren eigenen Erlebens- und Verhaltensweisen während des Innovationsprozesses (Selbstbeschreibung des B) befragen. Zusätzlich könnte man den Vorgesetzten (A) dann über sein Führungsverhalten B gegenüber während des Innovationsprozesses befragen (Selbstbeschreibung des A) und über seine Sicht der Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskraft im Innovationsprozess (Fremdbeschreibung des A über B). Neben dieser Erhebung der jeweiligen Selbst- und Fremdbeschreibungen könnte man im Forschungsdesign eine dritte Perspektive integrieren: die jeweils vermutete Fremdbeschreibung. Hierzu würde man die geführte Führungskraft bitten, sich zusätzlich in die Perspektive des Vorgesetzten hineinzuversetzen und aus dieser vermuteten Sicht anzugeben, wie A im Innova-tionsprozess geführt hat. Um die umgekehrte Perspektivenübernahme würde man darüber hinaus den Vorgesetzten bitten. Ein derartiges Forschungsdesign ließe einen Vergleich der jeweils drei Messperspektiven (Selbstbeschreibung, Fremdbeschreibung, vermutete Fremdbeschreibung) für die geführte Führungskraft und ihren Vorgesetzten innerhalb dersel-
352
ben Führer-Geführten-Dyade zu. Deshalb könnte dieser Vergleich wertvolle Hinweise über das Führungsverhalten und die Erlebens- und Verhaltensweisen im Innovationsprozess bieten.
5.3
Praktische Implikationen
(1) Implikationen für das praktische Innovationsmanagement Praktisch gilt es im Innovationsprozess zu bedenken, dass die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung zwei separierbare Komponenten des Innovationsverhaltens darstellen und insofern auch gesonderter Maßnahmen bedürfen. Mit anderen Worten: Es ist notwendig nicht nur die Ideengenerierung/-prüfung zu fördern, sondern separat auch die Implementierung der Innovation zu unterstützen. Im Hinblick auf die Implementierung sollte dabei nicht dem Abbau von Widerständen Priorität eingeräumt werden, denn Widerstand ist nicht die entscheidende „Implementierungshürde“. Eine wesentlich stärkere Barriere für die Implementierung ist die Zuschreibung der geführten Führungskraft, dass mit der Verfahrensinnovation Verteilungskonflikte einhergehen. Deshalb sollten Verteilungskonflikte im Innovationsprozess abgebaut werden. Zur Reduktion von Verteilungskonflikten kann man dabei auf zwei Ebenen ansetzen: der objektiven Ebene und der Wahrnehmungsebene. Objektiv geht es darum, ein Positivsummenspiel, also eine kooperative Situation zu schaffen (Win-win-Strategie s. Pruitt & Rubin, 1986). Dies kann über Ergebnisinterdependenz realisiert werden, d. h. die geführte Führungskraft wird dann am Erfolg der Innovation beteiligt. Ferner ist ein gemeinsames Ziel zu installieren, welches nicht nur der Vorgesetzte, sondern auch die geführte Führungskraft zu realisieren beabsichtigt. Darüber hinaus sollte die Wahrnehmung der geführten Führungskraft beeinflusst werden. Denn entscheidend ist nicht nur, ob eine kooperative Situation, in der beide Parteien gewinnen, vorliegt. Bedeutsam ist, in welcher Weise die geführte Führungskraft diese Situation interpretiert (Alper, Tjosvold und Law, 2000). Dabei ist zu vermeiden, dass objektiv kooperative Situationen von der geführten Führungskraft fälschlicherweise als kompetetive Situationen (Verteilungskonflikte) gedeutet werden. Will man die Innovation erfolgreich implementieren, so ist es deshalb bereits zu Beginn des Innovationsprozesses notwendig, die Wahrnehmung der geführten Führungskraft dahingehend glaubwürdig zu beeinflussen, dass die Innovation gleichermaßen für sie als auch für ihren Vorgesetzten von Vorteil sein wird. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn a priori
353
geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Um zur Schaffung derartiger Rahmenbedingungen beizutragen, kann sich beispielsweise die Strategie „Legitimität qua Verfahren“ (Rawls, 1992) als nützlich erweisen, denn der „Verlierer“ des Verteilungskonflikts wird seinen Verliererstatus eher dann akzeptieren, wenn er dem Verfahren der Entscheidungsfindung als solches Legitimität zuschreibt (vgl. Gebert, 2004). Bei dieser Strategie der Konflikthandhabung werden Regeln und Kriterien, nach denen die knappen Ressourcen verteilt werden, gemeinsam erarbeitet und für jeden transparent gemacht. Dabei dürfen diese Regeln nicht nur bloße „Lippenbekenntnisse“ darstellen, sondern müssen im organisationalen Alltag auch konsequent und konsistent über verschiedene Personen und Situationen hinweg eingehalten werden. Durch diese Vorgehensweise der Regelerarbeitung und Regeleinhaltung steigt die wahrgenommene prozedurale Gerechtigkeit (vgl. Brockner & Siegel, 1996), was sich positiv auf die Wahrnehmung der geführten Führungskraft auswirkt, dass die Verfahrensinnovation ein Positivsummenspiel für sie und ihren Vorgesetzten darstellt. Deshalb ermöglicht diese Strategie eine korrigierende Erfahrung (Gebert, 1981) seitens der geführten Führungskraft. (2) Implikationen für die Führungspraxis im Innovationsprozess Handlungspragmatisch folgt aus den Befunden außerdem, dass die Erhöhung des Innovationserfolgs komplementärer Strategien bedarf: die Förderung des Innovationsverhaltens in Form von Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung einerseits und die Reduktion der innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht andererseits. Die Förderung des Innovationsverhaltens und die Reduktion der innovationshinderlichen Verhaltensweisen setzt zunächst die Förderung der Wahrnehmung der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und veränderungsfähig voraus. Dazu muss der Vorgesetzte wissen, ob und in welchem Ausmaß seine Mitarbeiter die betriebliche Realität als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig ansehen. Nur durch diese Kenntnis der Situationswahrnehmungen der Mitarbeiter kann der Vorgesetzte ableiten, inwiefern er Handlungsbedarf hat. Ferner gilt es eine innovationsbegünstigende emotionale Ausgangslage der Innovationsbeteiligten herzustellen, die nicht nur auf die Intensivierung positiver Emotionen abzielt, sondern simultan negative Emotionen reduziert. Denn positive und negative Emotionen spielen im Innovationsprozess eine entscheidende Rolle. Deshalb sollte der Vorgesetzte während
354
des Projektes eine angenehme Atmosphäre herstellen, so dass die Mitarbeiter das Klima als herausfordernd und ermutigend, nicht aber als belastend und angsterzeugend einstufen. Aus den Ergebnissen wird außerdem unmittelbar offensichtlich, dass die Art des Führungsverhaltens entscheidend ist für die Situationswahrnehmungen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der Mitarbeiter sowie den Innovationserfolg. Durch Korrelationsanalysen zeigte sich, dass insbesondere Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen geeignet sind, um die Wahrnehmung der Veränderungsbedürftigkeit und der Veränderungsfähigkeit der betrieblichen Situation zu stützen, die positiven Emotionen zu fördern, Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung wahrscheinlich werden zu lassen und den Innovationserfolg zu steigern. Gleichzeitig hemmen Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht. Demgegenüber sind Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen contraproduktiv im Innovationsprozess: Korrelativ wurde demonstriert, dass Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen die wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit und die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation reduzieren und zudem die positiven Emotionen, die Implementierung und den Innovationserfolg hemmen. Ferner fördern Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht. Betrachtet man die relative Funktionalität der verschiedenen Arten des Führungsverhaltens, so erweist sich Führung durch Einfluss fast konsistent als die innovationsförderlichste Führungsfacette. Im Hinblick auf verschiedene Einflussgrundlagen der Führung sind korrelationsanalytisch folgende Führungsverhaltensweisen im Innovationsprozess erfolgsversprechend: persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und Verzicht auf Manipulation. Der Vergleich der relativen Funktionalität dieser Einflussgrundlagen verdeutlicht für das praktische Innovationsmanagement in Organisationen, dass es zur Förderung von Innovationen günstig ist, im Führungsprozess Freiräume zu schaffen und Orientierung durch Expertenwissen und Information zu vermitteln. D. h. ein Vorgesetzter sollte seinen Mitarbeitern konsequent Aufgaben und Handlungsvollmachten delegieren und durch Expertenwissen und Information die Orientierung der Mitarbeiter sicherstellen. Würde man im Innovationsprozess gemäß dieser Empfehlung führen, könnten hierdurch einerseits die handlungssteuernden Situationswahrnehmungen und positiven Emotionen unterstützt und das Innovationsverhalten gesteigert
355
werden; gleichzeitig ließen sich andererseits die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und Flucht reduzieren. Da für die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der Mitarbeiter insbesondere die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit der Situation entscheidend ist, sollte diese Wahrnehmung besonders gefördert werden. Dazu ist neben der Gewährung von Freiheitsgraden und dem eingesetzten Expertenwissen des Vorgesetzten das Gefühl der Mitarbeiter wichtig, das sie ihm vertrauen können. Daher sollte der Vorgesetzte eine emotionale Grundlage in der Beziehung zu seinen Mitarbeitern schaffen, die durch Vertrauen gekennzeichnet ist. Dies kann er erreichen, wenn er Vertrauensvorschüsse gewährt und sich wohlwollend, konsistent und integer verhält. Bezüglich der Machtgrundlagen der Führung belegen die Ergebnisse, dass materielle und immaterielle Bestrafung/Drohung die Wahrnehmungen der betrieblichen Situation als veränderungsbedürftig und als veränderungsfähig hemmt, die positiven Emotionen blockiert, die Ideengenerierung/-prüfung und die Implementierung reduziert und den Innovationserfolg unwahrscheinlich werden lässt. Dagegen werden die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen der intrapsychischen Anpassung und der Flucht durch Bestrafung/Drohung gefördert. Insofern ist es günstig, auf den Einsatz dieser Machtgrundlage zu verzichten. Für die Machtgrundlage Belohnung durch extrinsische Anreize zeigen die Ergebnisse fast durchgängig Null-Korrelationen mit den relevanten abhängigen Variablen (s. Tabelle 93), so dass die häufig postulierte positive Wirkung materieller Anreize im Innovationsprozess fraglich erscheint, weil hierdurch ambivalente Effekte erzeugt werden (vgl. Kapitel 5.1.). (3) Implikationen für eine innovationsförderliche Personalauswahl und Personalentwicklung Zur Unterstützung eines innovationsförderlichen Führungsverhaltens kann es außerdem hilfreich sein, parallele personalpolitische Maßnahmen zu implementieren, z. B. durch eine entsprechende innovationsförderliche Personalauswahl und Personalentwicklung. Dazu ist es etwa im Rahmen der Assessment-Center-Anwendung (Krause, Meyer zu Kniendorf und Gebert, 2001a; Krause & Gebert, 2003a) innovationsbezogen empfehlenswert, die derzeit am häufigsten beobachteten Anforderungsdimensionen zu modifizieren. Am häufigsten werden heute in Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Anforderungsdimensionen Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Durchsetzungsstärke erfasst (Krause et al., 2001b). Fraglich bleibt dabei, inwieweit dieses Standard-Repertoire der Anforderungsdimensionen auch der Anforderungswirklichkeit entspricht, angesichts der Tatsache,
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dass Führungskräfte Innovativität sicherstellen müssen. Möglicherweise sind daher veränderte Anforderungsprofile notwendig, die stärker als bisher innovationsrelevante Konstrukte abbilden. Da Führungskräfte zur Förderung von Innovationen zum glaubwürdigen Delegieren von Aufgaben und Handlungsvollmachten und zum Vertrauensvorschuss befähigt sein müssen, könnten Anforderungen bedeutsam sein, wie etwa Delegationsfähigkeit, positives Selbstwertgefühl, intrinsische Motivation, hohe Selbstwirksamkeitserwartung oder eine internale Kontrollüberzeugung. Führungskräfte mit diesen innovationsbedeutsamen Fähigkeiten auszuwählen und in Personalentwicklungsprogrammen zu trainieren, wird eine Herausforderung der Zukunft sein. Trainings im Rahmen einer innovationsförderlichen Personalentwicklung sollten dabei spezifische Innovationsfälle z. B. in Form von Fallstudien, Rollenspielen oder interaktiven Übungen demonstrieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass Personalentwicklungsinstrumente in der Regel in umfassende Organisationsentwicklungsprogramme (vgl. Gebert, 2002b) eingebettet sind. Organisationsentwicklung kann als langfristiger, organisationsweiter Veränderungsprozess beschrieben werden, der basierend auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen unter Einbeziehung eines Change agent einen Wandel der Organisation durch erfahrungsgeleitetes Lernen ermöglicht (Staehle, 1999). Im Hinblick auf die Förderung der Innovativität kann es unterstützend erfolgversprechend sein, neuartige Interventionsformen zur Organisationsentwicklung einzusetzen, wie etwa das Unternehmenstheater (Krause & Piske, 2001). Denn das Unternehmenstheater ist besonders geeignet, um verkrustete Einstellungen und Verhaltensweisen „aufzubrechen“ und eine veränderungsbezogene Motivation der Organisationsmitglieder freizusetzen.
357
Kapitel 6
ZUSAMMENFASSUNG
Innovationen sind bedeutsam für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung der Überlebensfähigkeit von Organisationen. Fragt man nach Bedingungen der Innovativität, so stößt man auf reichhaltige Literatur zu Einflussfaktoren wie etwa Persönlichkeitseigenschaften und Motive, Teamzusammensetzung und -koordination, Umgang mit Widerständen sowie Merkmalen der Organisationsstruktur und der Organisationskultur. Die handlungsleitenden Effekte kognitiv-emotionaler Prozesse der Beteiligten im Innovationsgeschehen wurden bislang jedoch vernachlässigt. Deshalb wird in diesem Beitrag ein Modell entwickelt, dass den Führungserfolg im Innovationskontext durch kognitiv-emotionale Prozesse von geführten Führungskräften und das Führungsverhalten des nächsthöheren formalen Vorgesetzten erklärt. Dieses Modell basiert auf der Integration von Forschungserkenntnissen der Psychologie, der Soziologie und der organisationsbezogenen Betriebswirtschaftslehre. In diesem Beitrag stehen Verfahrensinnovationen – also Neuerungen in den Prozessen der Leistungserstellung – im Mittelpunkt. In der Tradition der situativen Führungstheorien werden auf der Basis des Modells der zielorientierten Führung (Gebert & Ulrich, 1991) ausgewählte Merkmale der Führungssituation bei innovativen Aufgaben präzisiert (z. B. Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte) und der Führungserfolg anhand des Innovationserfolgs charakterisiert. Das in diesem Beitrag entwickelte Modell beschreibt den Innovationserfolg als positive Funktion von zwei Komponenten des Innovationsverhaltens (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und als negative Funktion von zwei Komponenten innovationshinderlicher Verhaltensweisen (intrapsychische Anpassung und Flucht) von geführten Führungskräften auf der Individuumsebene. Da bislang wenig empirisch gesichertes Wissen zur Implementierung von Verfahrensinnovationen vorliegt, wird dieser Komponente des Innovationsverhaltens besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird argumentiert, dass Beurteilungs-, Bewertungs- und Verteilungskonflikte zum einen direkte Effekte auf die Implementierung haben und zum anderen
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indirekt über Widerstand auf die Implementierung wirken, wobei Widerstand wiederum einen direkten Effekt auf die Implementierung hat. Die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sind ihrerseits vom Erleben bestimmter Emotionen abhängig (emotionale Seite der Innovationsgeneigtheit). Vor dem Hintergrund des Circumplex-Modells (Schallberger & Pfister, 2001) wird eine zwei-dimensionale Struktur der Emotionen (positive und negative Emotionen) von geführten Führungskräften im Innovationsprozess angenommen. In Anlehnung an die ZweiFaktorentheorie der Arbeitszufriedenheit (Herzberg et al., 1959) wird die Art der Kombination des Erlebens positiver und negativer Emotionen im Verlaufe der Innovation für die verhaltensbezogenen Effekte als relevant erachtet: Das Erleben starker positiver und schwacher negativer Emotionen begünstigt Prozesse der Ideengenerierung/-prüfung und der Implementierung, während das Erleben schwacher positiver Emotionen und starker negativer Emotionen Prozesse der intrapsychischen Anpassung und Flucht wahrscheinlich werden lässt. Die Emotionen und die innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte sind außerdem durch spezifische kognitive Prozesse bedingt (kognitive Seite der Innovationsgeneigtheit). Zur Explizierung dieser Effekte wird die Stress-Coping-Theorie (Lazarus, 1966, 1991, 1993) auf den Innovationskontext angewandt (Gebert, 1987) und theoriegeleitet erweitert: Es wird angenommen, dass positive und negative Emotionen, Innovationsverhalten (Ideengenerierung/-prüfung und Implementierung) und innovationshinderliche Verhaltensweisen (Flucht und intrapsychische Anpassung) von kombinierten Situationswahrnehmungen der geführten Führungskräfte abhängen: der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der Situation (Primary appraisal) und der wahrgenommenen Veränderungsfähigkeit der Situation (Secondary appraisal), wobei die wahrgenommene Veränderungsfähigkeit (Situationskontrolle) der betrieblichen Situation besonders bedeutsam ist. Neben dem Zusammenspiel der Kognitionen, Emotionen und innovationsbezogenen Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte beschreibt das Modell die Wirkungen der Art des Führungsverhaltens des Vorgesetzten auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskräfte und den Innovationserfolg. Die Effekte des Führungsverhaltens werden auf zwei Abstraktionsebenen bestimmt: der Ebene der fundamentalen Interaktionskategorien Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen und der Ebene innovationskontextspezifisch präzisierter
Einflussgrundlagen
der
Führung
(persönliche
Ausstrahlung,
Expertenwis-
sen/Information, Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung, Verzicht auf Manipulation) und Machtgrundlagen der Führung (materielle und immaterielle Bestrafung/Drohung und Belohnung durch extrinsische Anreize). Außerdem
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werden die Beziehungen zwischen den einzelnen Führungsfacetten auf beiden Abstraktionsebenen untersucht. Auf der Ebene der fundamentalen Interaktionskategorien wird argumentiert, dass Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen die Situationswahrnehmungen, die positiven Emotionen, die Komponenten des Innovationsverhaltens und den Innovationserfolg steigern, aber die negativen Emotionen und innovationshinderlichen Verhaltensweisen hemmen. Umgekehrt gilt für Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen, dass diese Führungsfacetten die Situationswahrnehmungen, die positiven Emotionen, die Komponenten des Innovationsverhaltens und den Innovationserfolg reduzieren, während sie die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen fördern. Auch auf der Ebene der Einflussgrundlagen der Führung werden differenzielle Effekte angenommen: Während die Situationswahrnehmungen, die positiven Emotionen, das Innovationsverhalten und der Innovationserfolg jeweils positiv mit persönlicher Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, der Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogener Unterstützung und dem Verzicht auf Manipulation verbunden sind, stehen die negativen Emotionen und die innovationshinderlichen Verhaltensweisen jeweils in negativem Zusammenhang mit diesen Einflussgrundlagen. Für die Machtgrundlagen der Führung wird angenommen, dass materielle und immaterielle Bestrafung/Drohung negativere Effekte auf die Erlebens- und Verhaltensweisen der geführten Führungskraft und den Innovationserfolg hat als Belohnung durch extrinsische Anreize. Außerdem werden Beurteilungs-/Bewertungskonflikte und Verteilungskonflikte zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft die Art des Führungsverhaltens des Vorgesetzten beeinflussen, wobei sich die zunehmende Intensität dieser Konflikte positiv auf Führung durch Macht und Führung durch Misstrauen, aber negativ auf Führung durch Einfluss und Führung durch Vertrauen auswirkt. Analog wird für die Ebene der Grundlagen argumentiert, dass die zunehmende Intensität dieser Konflikte negativ auf den Einsatz aller Einflussgrundlagen, aber positiv auf den Einsatz der Machtgrundlagen der Führung wirkt. Zur empirischen Überprüfung der Modellannahmen wurden für alle Konstrukte dieser Untersuchung neue Skalen entwickelt (Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen), die in der vorliegenden Form erstmals eingesetzt wurden. In getrennten Felduntersuchungen ließen sich alle Konstruktunterscheidungen durch Faktorenanalysen weitestgehend bestätigen. Die Erklärungskraft des Modells wurde an einer Stichprobe von N = 399 geführten Führungskräften aus verschiedenen deutschen Organisationen unterschiedlicher Größe und Branche überprüft. Die Überprüfung der Modellannahmen erfolgte durch Varianzanalysen, Korrelationsanalysen, (hierarchische) Regressionsanalysen und einer linearen Strukturglei-
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chungsmodellierung. Diese Analysen bestätigen die zentralen Modellannahmen. Aus dieser Befundlage wurden forschungs-theoretische Konsequenzen für die Innovationsforschung, die Führungsforschung, die Machtforschung und die Vertrauensforschung abgeleitet. Außerdem wurden forschungsmethodische und praktische Implikationen aufgezeigt.
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Anmerkungen 1
Für einen Überblick zu Theorien des organisationalen Wandels vgl. Van de Ven und Poole (1995).
2
Überblicksarbeiten zu Theorien und empirischen Resultaten zum organisationalen Lernen bieten Fiol und Lykes (1985), Huber (1991), Kluge und Schilling (2000) sowie Shrivastava (1983). 3 Im Hinblick auf Innovationszeit und -kosten sind die Ergebnisse einer quantitativen und qualitativ abgesicherten Untersuchung (Albach, de Pay und Rojas, 1991) zur Innovationstätigkeit großer deutscher Unternehmen (N = 300) im internationalen Vergleich interessant, die zeigt, dass deutsche Unternehmen längere Innovationszeiten und höhere Innovationskosten aufweisen als ihre japanischen und amerikanischen Konkurrenten. Fraglich ist, ob sich Deutschland diese Zeit- und Kostennachteile tatsächlich leisten kann, wenn es im internationalen Wettbewerb erfolgreich bleiben bzw. sein will. 4 In Anbetracht der Inkonsistenz der empirischen Resultate in der bisherigen Innovationsforschung führt Damanpour (1991) eine Meta-Analyse durch, in die er 23 empirische Untersuchungen zu Determinanten und Moderatorvariablen der Innovativität bzw. Adoption auf der organisationalen Ebene aufnimmt (strukturelle, prozessuale, ressourcenbasierte und kulturelle Variablen). Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse zeigen im Hinblick auf die Determinanten der Organisationsstruktur u.a., dass sich zunehmende Spezialisierung (r = .39), Funktionsdifferenzierung (r = .34) und Professionalisierung (r = .17) positiv auswirken, aber zunehmende Formalisierung (r = -.02) und Zentralisierung (r = -.16) negative Konsequenzen haben. Diese Befunde stehen im Einklang mit der klassischen Theorie von Burns und Stalker (1961), nach der organische Organisationsstrukturen sich im Hinblick auf die Innovativität gegenüber mechanistischen Organisationsstrukturen als überlegen erweisen. 5 Indirekte Steuerung meint das Ersetzen von Leadership durch entsprechende Führungssubstitute (Kerr & Jermier, 1978), die ähnliche Effekte wie Leadership haben. 6 Generell wird zwischen Verhalten und Handlung differenziert, weil jede Handlung zwar Verhalten ist, nicht aber jedes Verhalten eine Handlung darstellt (Dörner & Stäudel, 1990, S. 303). Der Unterschied wird zumeist in der Zielgerichtetheit einer Handlung im Gegensatz zum Verhalten gesehen. In der vorliegenden Arbeit werden beide Begriffe allerdings synonym verwandt. 7 Die situativen Führungstheorien wie beispielsweise die Kontingenztheorie der Führung (Fiedler, 1967), das normative Entscheidungsmodell der Führung (Jago, 1995; Vroom & Jago, 1991; Vroom & Yetton, 1973), die Theorie delegativer Führung (Hersey, Blanchard und Dewey, 1996), die Theorie der Führungssubstitute (Kerr & Jermier, 1978), die kognitive Ressourcen-Theorie (Fiedler & Garcia, 1987) oder die 3-D-Theorie der Führung (Reddin, 1977) entwickelten sich aus der Kritik an Eigenschaftstheorien der Führung (z. B. Stogdill, 1974) und Theorien des Führungsverhaltens bzw. der Führungsstile (z. B. Blake & Mouton, 1964; Fleishman, 1953, 1973; Fleishman, Mumford, Zaccaro, Levin, Korotkin und Hein, 1991; Katz & Kahn, 1978; Lewin, Lippitt und White, 1939; Likert 1961; Luthans, 1995; McGregor, 1966; Mintzberg, 1973; Yukl, 2002). Daneben sind neue Führungstheorien und sonstige Führungstheorien zu unterscheiden (Gordon, 2002, p. 154). Zu den neuen Führungstheorien zählen transaktionale Führungstheorien, die aus den Arbeiten von Hollander (1964) und der Arbeitsgruppe um Graen entstanden sind (z.B. Leader-Member-Exchange (LMX) Theorie, Vertical Dyad Linkade (VDL) Theorie, Dual-Attachment (DA) Modell); transformationale Führungstheorien (z. B. Avolio et al., 1999; Bass, 1999; Bass & Avolio, 1993; Conger & Kanungo, 1998; deVries, Roe und Taillieu, 2002; Ehrhart & Klein, 2001; Geyer & Steyrer, 1998; Shamir, 1999; Steyrer, 2000;) und kulturbasierte Führungstheorien (Bryman, 1996). Empirisch konnte gezeigt werden, dass sowohl transaktionale Führung – verstanden als LMX – (Basu & Green, 1997; Scott & Bruce, 1998; Tierney, Farmer und Graen, 1999) als auch transformationale Führung (Keller, 1992) mit innovativem Verhalten von Organisationsmitgliedern in positivem Zusammenhang stehen. Innerhalb der sonstigen Führungstheorien sind Attributionstheorien der Führung (Calder, 1977; Green & Mitchel, 1979), Lerntheorien der Führung (Luthans, 1995), Weg-Ziel-Theorie der Führung (Evans, 1970; House, 1996), Theorie der Teamführung (Duarte & Snyder, 1999; Katzenbach & Smith, 1993), Theorie der Selbstführung (Kirkman & Rosen, 1999) und die Theorie der verteilenden Führung (Senge, 1999) zu unterscheiden. Diese skizzierte Theorienvielfalt macht bereits die Schwierigkeit deutlich, das Phänomen Führung substanziell zu beschreiben. Die verschiedenen Führungstheorien sollen hier nicht erneut dargestellt werden. Überblicksarbeiten finden sich bei Bass (1990, pp. 59–706), Forsyth (1990, pp. 211–248), Gebert und von Rosenstiel (2002, S. 185– 239), House und Aditya (1997, pp. 410–462), Neuberger (2002, S. 142–679), Northhouse (2001, pp. 15–214), von Rosenstiel (1995, S. 337–347; 1999, S. 412–428, 2001, S. 327–336), Schettgen (1991, S. 81–304), Wunderer (2000, S. 24–70) und Yukl (2002, pp. 49–340). Vielmehr das dieser Untersuchung zugrundeliegende situative Führungsverständnis begründet, indem die Gemeinsamkeiten und wesentlichsten Kritikpunkte der histori-
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schen Vorläufer – der Eigenschaftstheorien und der Theorien des Führungsverhaltens – herausgearbeitet werden. Allen Eigenschaftstheorien der Führung ist gemeinsam, dass sie anhand von persönlichkeitsbezogenen Konstrukten (z. B. Intelligenz, Dominanz, Überzeugungsfähigkeit) Führende von Geführten sowie „gute“ von „schlechten“ Führungskräften zu differenzieren versuchen. Diese historisch ältesten personalistischen Führungstheorien gewinnen heute im Zusammenhang mit den „Big-Five“-Persönlichkeitsmerkmalen (Judge, Higgins, Thoresen und Barrick, 1999) und der vergleichsweise hohen prädiktiven Validität der Intelligenz für den Berufserfolg (Schmidt & Hunter, 1998, p. 265) wieder zunehmend an Beachtung. (Die fünf fundamentalen Persönlichkeitsmerkmale sind Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen (Costa & McCrae, 1989).). Der Grund hierfür liegt in der praktischen Bedeutsamkeit dieser Konstrukte für die berufliche Eignungsdiagnostik insbesondere im Rahmen der unterschiedlichen AssessmentCenter-Verfahren (vgl. Krause & Gebert, 2003a; Krause, Meyer zu Kniendorf und Gebert, 2001a, 2001b) im Rahmen der internen und externen Personalauswahl und Personalentwicklung (vgl. Krause & Gebert, 2003b). Gelingt es eignungsdiagnostisch relevante und differenzierende Konstrukte zu ermitteln, so kann hierdurch der Führungserfolg nicht unwesentlich beeinflusst werden. Kritisch wurden die personzentrierten Führungstheorien vor allem wegen ihrer Monokausalität betrachtet: Unter Ausblendung des Führungsverhaltens und des jeweiligen Führungskontextes wird ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diversen personbezogenen Merkmalen und dem Führungserfolg unterstellt (von Rosenstiel, 2001). Theorien des Führungsverhaltens bzw. der Führungsstile richten deshalb ihre Aufmerksamkeit nicht auf person-bezogene Merkmale, sondern auf das beobachtbare Verhalten des Führenden, welches als situationsübergreifend verstanden wird. Sie differenzieren Führungskräfte danach, welche Verhaltensweisen für sie unabhängig von der konkreten Führungssituation typisch sind. Entsprechend bezieht sich die Kritik an diesen Theorien insbesondere auf die Vernachlässigung der Situationscharakteristika und die mangelnde Spezifität und Homogenität der Führungsverhaltensweisen (vgl. Neuberger, 2002). In den situativen Führungstheorien finden im Gegensatz zu den Eigenschaftstheorien der Führung und den Theorien des Führungsverhaltens unterschiedliche Merkmale der Situation, in der sich der Führungsprozess vollzieht, explizite Berücksichtigung. 8 Das Führungsverhalten wird inhaltlich in der Literatur höchst unterschiedlich beschrieben. Diese Heterogenität kommt in der Vielzahl der Klassifikationen und Taxonomien des Führungsverhaltens zum Ausdruck. (Übersichts-arbeiten zu verschiedenen Klassifikationen des Führungsverhaltens bieten Bass (1990, p. 34), Fleishman et al. (1991, p. 247–252) und Yukl (2002, p. 62).). In einem Review über sämtliche publizierten Taxonomien des Führungsverhaltens bzw. der Funktionen von Führung im Zeitraum zwischen 1940 und 1986 gelangen Fleishman et al. (1991) zu einer eindrucksvollen Sammlung von insgesamt 65 verschiedenen Klassifikationen. Im Einzelnen differenzieren diese Klassifikationen zwischen zwei und 23 Dimensionen des Führungsverhaltens. Eine Unterscheidung von 23 Führungsverhaltensweisen, wie sie Van Fleet und Yukl (1986) vornehmen, ist allerdings problematisch, weil diese Verhaltensweisen aufgrund des geringen Abstraktionsniveaus nicht disjunkt sind und durch Faktorenanalysen bzw. konfirmatorische Modelltests wohl kaum Bestätigung finden. Vielversprechender erwiesen sich demgegenüber zunächst zweidimensionale Konzeptionen des Führungsverhaltens. Historisch kommt dabei der Unterscheidung zwischen einem autoritären und einem partizipativen bzw. demokratischen Führungsstil (Lewin, Lippitt und White, 1939) Bedeutung zu, weil auf dieser Unterscheidung die gesamte empirische Führungsstilforschung beruht. Heute wird demgegenüber oftmals die Differenzierung zwischen sachrationalen und sozio-emotionalen Führungsaktivitäten (Yukl, 2002, p. 50) verwendet. Eine ähnliche zweidimensionale Konzeption des Führungsverhaltens schlagen Blake & Mouton (1964) in ihrem berühmten Verhaltensgitter (Managerial grid) vor, in dem sie zwei unabhängige Orientierungen der Führungskraft auf einer jeweils 9-fach gestuften Skala annehmen: Concern for people (Mitarbeiterorientierung) und Concern for production (Leistungsorientierung). Die Kombination dieser Orientierungen ergibt fünf Verhaltensstile der Führungskraft: 9/1 hohe Leistungsorientierung/geringe Mitarbeiterorientierung, 1/1 geringe Leistungsorientierung/geringe Mitarbeiterorientierung, 1/9 geringe Leistungsorientierung/hohe Mitarbeiterorientierung, 5/5 mittlere Leistungsorientierung/mittlere Mitarbeiterorientierung, 9/9 hohe Leistungsorientierung/hohe Mitarbeiterorientierung. Blake & Mouton nutzten dieses Verhaltensgitter insbesondere für kommerzielle Zwecke, indem sie in entsprechenden Führungskräftetrainings die Überlegenheit des 9/9-Stils für den Führungserfolg propagierten und in ihrem Seminarangebot zum Konfliktmanagement dieses Verhaltensgitter gleichsam auf Konfliktfälle transferierten. Die beiden Dimensionen des Führungsverhaltens lassen sich auf die zwei Grunddimensionen Consideration (Beziehungsorientierung) und Initiating structure (Aufgabenorientierung) der Ohio-Führungsschule (Fleishman, 1953, 1973) zurückführen. (Basierend auf den Studien an der Ohio State University wurden zur Messung der Dimensionen Consideration und Initiating structure bisher zwei Fragebogen entwickelt: der Leader-BehaviorDescription Questionnaire (LBDQ) von Hemphill und Coons (1957) und dessen Modifikationen der LBDQ-XII durch Stogdill (1964) sowie der Supervisory Behavior Description Questionnaire (SBDQ) für den industriellen Bereich. Eine deutsche Version des SBDQ liegt mit dem Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung (FVVB) durch Fittkau-Garthe und Fittkau (1971) vor. Eine ausführliche Darstellung und kritische Analyse dieser Messinstrumente findet sich bei Allerbeck (1977), Nachreiner (1978), Neuberger (2002, S. 397–410) und Schettgen (1991, S. 50–80).). Die Inhalte dieser Führungsverhaltensweisen fasst Neuberger (2002, S. 401) folgendermaßen zusammen: Consideration meint Wärme, Vertrauen, Freundlichkeit, Achtung, Ermöglichung
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zweiseitiger Kommunikation und Mitsprache. Zu Initiating structure zählen aufgabenbezogene Organisation, Strukturierung, Aktivierung, Energetisierung und Kontrolle. Diese zweidimensionale Klassifikation des Führungsverhaltens entspricht der Unterscheidung zweier Funktionen (von Rosenstiel, 2001, S. 332) von Führung, der Lokomotions- und der Kohäsionsfunktion. Die Lokomotionsfunktion bezieht sich auf die sachrationalen Aufgaben der Führung und dient der Zielerreichung der Arbeitsgruppe. Die Kohäsionsfunktion bezieht sich auf die sozio-emotionalen Aufgaben von Führung und stützt den Gruppenzusammenhalt. (Neben den beiden OhioDimensionen konnten Ekvall und Arvonen (1994) empirisch eine dritte Facette des Führungsverhaltens belegen, die sie als „Change-orientierte“ Verhaltensweisen interpretieren. In ihrer Untersuchung von 3857 Führungskräften und Managern aus 13 Ländern zeigte eine Faktoranalyse (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation) drei Faktoren des Führungsverhaltens: Aufgabenorientierte, mitarbeiterorientierte und Change-orientierte Verhaltensweisen. Die Extraktion der innovationsbedeutsamen Change-orientierten Verhaltensweisen führen die Autoren auf die erhöhte turbulente Umwelt der Organisation zurück. Allerdings sei einschränkend darauf aufmerksam gemacht, dass die Operationalisierung der Autoren für den dritten Faktor – die Change-orientierten Verhaltensweisen – (z. B. „...offeriert neue Ideen“, „gibt Anregungen und Pläne für die Zukunft“) auch als ein Ausdruck transformationaler Führungsverhaltensweisen interpretiert werden könnten. Die Extraktion des dritten Faktors wäre dieser Interpretation zufolge nicht auf die turbulente Umwelt, sondern auf die Krisenzeit zurückzuführen, wonach neben mitarbeiterorientierten Verhaltenweisen eben transformationale Führung (z. B. Visionsvermittlung) stärker nachgefragt wird als in wirtschaftlich stabileren Zeiten.) Nun zeigten Untersuchungen (z. B. Allerbeck, 1977; Bass, 1990; Fleishman, 1973; Kerr, Schriesheim, Murphy und Stogdill, 1974; Neuberger, 1976; Schriesheim & Kerr, 1977; Stogdill, 1974; Yukl, 1971), dass auch die zweidimensionalen Konzeptionen des Führungsverhaltens zur Prognose des Führungserfolgs unbefriedigend sind: Zum einen variiert die Höhe der ermittelten Zusammenhänge dieser Führungsverhaltensweisen und verschiedenen Führungserfolgskriterien (s. unten) in Abhängigkeit von der jeweiligen Untersuchung mit denselben Erfolgskriterien erheblich. Zum anderen sind die berichteten Zusammenhänge extrem uneinheitlich innerhalb derselben Untersuchung in Bezug auf verschiedene Führungserfolgskriterien. Als Gründe hierfür werden die mangelnde methodische Qualität der Skalen Consideration und Initiating structure (Kerr et al., 1974; Schettgen, 1991; Schriesheim & Kerr, 1977) ins Feld geführt sowie die Unterschiedlichkeit der verglichenen Stichproben und die Vielfalt der verwendeten Führungserfolgsmaße inklusive ihrer studienabhängig jeweils andersartigen Operationalisierung (Neuberger, 2002, S. 427). Grundsätzlichere Kritik richtet sich aber auf den Umstand, dass die Ohio-Dimensionen nicht unabhängig voneinander, sondern positiv miteinander korreliert (Allerbeck, 1977) und in sich nicht homogen (Nachreiner, 1978; Stogdill, 1974) sind. Vertreter der Michigan-Führungsschule (Cartwright & Zander, 1960; Katz & Kahn, 1978; Likert, 1961) argumentieren kontrastierend zu den Annahmen der Ohio-Führungsschule, dass sich eine gleichzeitige Mitarbeiterorientierung und Leistungsorientierung der Führungskraft ausschließen würden. Dem Michigan-Argument folgend bilden Mitarbeiterorientierung und Leistungsorientierung vielmehr die Extremausprägungen auf einem Kontinuum möglicher Verhaltensweisen. Allerdings liefern die oben genannten Studien keine empirische Evidenz für diese eindimensionale Konzeption. Demgegenüber zeigen diese Untersuchungen, dass Führungskräfte gleichzeitig mitarbeiter- und leistungsorientiert führen können. Außerdem ist es umstritten, inwieweit Consideration und Initiating structure als abstrakte Kategorien inhaltlich Vergleichbares abbilden. Diese Vergleichbarkeit ist zu bezweifeln, weil sowohl in der Dimension Consideration als auch in der Dimension Initiating structure substanziell inhaltlich unterschiedliche Teilfacetten des Führungsverhaltens zusammengefasst werden, die sich in ihrer Wirkrichtung auf verschiedene abhängige Variablen (z. B. Leistung oder Motivation) unterscheiden (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 195). Deshalb wird empfohlen, zu den diesen Etiketten zu Grunde liegenden Führungsverhaltensweisen zurückzukehren und diese Führungsverhaltensweisen dann kriterienspezifisch sowie theorieorientiert neu auszuwählen, um längerfristig zu prognostisch ergiebigeren Klassifikationen des Führungsverhaltens zu kommen als bisher“ (Gebert, 1989). Partiell im Einklang mit dieser Empfehlung steht die Taxonomie der Führungsfunktionen von Yukl (2002, p. 64), in der 14 Führungsverhaltensweisen unterschieden werden. Diese Führungsfunktionen sind (1) Planen und organisieren, (2) Problemlösen, (3) Rollen und Ziele klären, (4) Informieren, (5) Kontrollieren, (6) Motivieren und Inspirieren, (7) Konsultieren, (8) Delegieren, (9) Unterstützen, (10) Personal entwickeln und Mentorenschaft übernehmen, (11) Konflikte managen und Teams entwickeln, (12) Netzwerke bilden, (13) Anerkennen und (14) Belohnen. Diese Taxonomie genügt zwar weitestgehend dem Anspruch der Vollständigkeit, die Überprüfung der kriterienspezifischen Wirkung dieser Verhaltensweisen steht allerdings noch aus. 9 Auch die Beschreibung des Führungserfolgs bereitete in der bisherigen Führungsforschung sowohl in konzeptioneller als auch in methodischer Hinsicht erhebliche Schwierigkeiten. Untersuchungen zum Führungserfolg, wie die qualitative Inhaltsanalyse der derzeit am häufigsten verwendeten Maße des Führungserfolgs von Rauch und Wolfram (2002), in der die Referenten das Führungsverhalten schlichtweg dem Führungserfolg zurechnen, sind gemäß den Annahmen der situativen Führungstheorien grundsätzlich in Frage zu stellen. Im Gegensatz zu dieser Konzeption sollte eine Abgrenzung erfolgen zwischen dem Führungsverhalten, das den Prozess von Führung betont und dem Führungserfolg, der das Ergebnis dieses Prozesses darstellt. In der Führungsliteratur finden sich nun ca. 1500 Führungserfolgskriterien (Neuberger, 2002, S. 434; von Rosenstiel, 2001, S. 337). (Der Grund für den mangelnden Konsens auch in Bezug auf die Variable „Führungserfolg“
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besteht insbesondere in den bereits skizzierten konkurrierenden Führungstheorien, welche die Wirkungen des Führungsverhaltens in Abhängigkeit von der theoretischen Schule und den Interessen des Forschers auf unterschiedliche Variablen vermuten.) Diese Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Kriterien ist ein Grund dafür, dass die Ergebnisse der bisherigen Führungsforschung widersprüchlich und inkonsistent ausfallen. Am häufigsten wurden bislang die Variablen Arbeitszufriedenheit, Absentismus, Fluktuation und Arbeitsleistung (Leistungseinsatz und Leistungsergebnis) zur Kennzeichnung des Führungserfolgs herangezogen (Staw, 1984, pp. 630–652). Diese mitunter auch als “weiche” Faktoren bezeichneten Kriterien stellen allerdings nur eine Facette des Führungserfolgs dar. In einer elaborierten Zusammenstellung von Erfolgsindikatoren gelangt Witte (1995, Sp. 266) zu drei Oberkategorien des Führungserfolgs: die generelle ökonomische Effizienz, die Leistungsprozesseffizienz und die Personeffizienz. Die Aggregation dieser drei Effizienzarten stellt gewissermaßen die Gesamteffizienz von Führung dar. Zur generellen ökonomischen Effizienz zählen beispielsweise Gewinn, Umsatz und Produktivität. Im Hinblick auf die Leistungsprozesseffizienz unterscheidet Witte materielle Leistungsprozesse (z. B. Planabweichungen, Ausschuss, Arbeitsunfälle) und immaterielle Leistungsprozesse (z. B. Innovationsbereitschaft, Problemlösungszeit und -genauigkeit). Die Unterscheidung materieller und immaterieller Formen der Leistungsprozesseffizienz droht allerdings ihre Brauchbarkeit zu verlieren, wenn man bedenkt, dass immaterielle Leistungsprozesse sich mittel- bis langfristig in materiellen Prozessen widerspiegeln (und umgekehrt). In Bezug auf die Personeffizienz spielen insbesondere Kriterien wie etwa Initiative, Leistungsmotivation, Verantwortungsübernahme, Kündigungen, Zufriedenheit und Gruppenkohäsion eine Rolle. Derartige Systematisierungen können natürlich aufgrund der Vielfalt der Führungserfolgskriterien niemals vollständig sein. Implizit geht diese Klassifikation davon aus, dass es notwendig ist, den Führungserfolg durch mehrere Kriterien gleichzeitig zu beschreiben. Die Berücksichtigung eines Bündels von Führungserfolgsindikatoren fordert auch Neuberger (2002, S. 435), weil die Festlegung auf nur einen Indikator zwangsläufig mit der Vernachlässigung anderer Indikatoren einhergeht. Wenngleich diese Empfehlung theoretisch zunächst sinnvoll erscheint, erweist sie sich bei detaillierter Betrachtung als wenig hilfreich. Da verschiedene Erfolgsindikatoren miteinander häufig nur schwach oder gar negativ korreliert sind (Moser & Schuler, 1999), ist es wenig sinnvoll den Führungserfolg über mehrere Kriterien zu bestimmen. In dem Versuch den Führungserfolg durch ein Kriterienbündel zu erfassen, hat beispielsweise Kehr (2000, S. 64 ff. und S. 202 f.) die Indikatoren Leistung, Zufriedenheit sowie aufgabenbezogene und interpersonale Kohäsion herangezogen. Es zeigt sich, dass die Leistung lediglich schwach mit der Zufriedenheit korreliert und zwischen der Leistung und beiden Kohäsionsmaßen keinerlei Zusammenhänge bestehen. Um dem Problem der geringen Interkorrelationen diverser Führungserfolgskriterien wirkungsvoll zu begegnen, wurden Bemühungen angestellt, einen Erfolgsindex aus einzelnen Subkriterien des Führungserfolgs zu bilden (Yukl, 2002, p. 9). Bei einer IndixBildung ist man jedoch mit allerlei neuen forschungsmethodischen Hürden konfrontiert. So stellt sich z. B. das Problem der Gewichtung der einzelnen Kriterien, also etwa der Produktivität, Arbeitszufriedenheit und Innovationsbereitschaft. Da diese Kriterien wohl nicht mit demselben Gewicht in die Variable “Führungserfolg” eingehen dürften, ist ein additiv kompensatorischer Modellansatz zur Aggregatbildung hier nicht angemessen. Da aber keine theoretisch fundierten Annahmen darüber bestehen, in welcher Form diese Variablen zu verknüpfen sind, obliegt deren Verknüpfung zumeist dem Kalkül des Forschers. Folgt man der Empfehlung einer Kombination mehrerer Führungserfolgs-kriterien, kann man somit systematisch einen Irrweg beschreiten. Als Konsequenz dessen, soll der Führungserfolg in der vorliegenden Untersuchung durch eine Variable bestimmt werden (vgl. Kapitel 2.2). Es werden aber auch solche Variablen einbezogen, die Witte (1995) mit den Begriffen “Initiative” oder “Innovationsbereitschaft” umschreibt. Denn ‘[...] in situations where markets are rapidly changing or competition is fierce, such that innovation in these environments may become the organizations most important outcome variable’ (Staw, 1984, p. 656). Diese Variablen, also z. B. Initiative oder Innovationsbereitschaft – hier als kognitiv-emotionale Prozesse bezeichnet – werden in der vorliegenden Untersuchung aber nicht dem Führungserfolg zugerechnet, sondern als Intermediäre verstanden, die indirekt den Führungserfolg beeinflussen. Die Qualitäten des Führungsverhaltens wirken sich dabei einereits auf diese Intermediäre, andererseits aber auch auf den Führungserfolg aus. Laut der Prämisse der Situationstheorien der Führung kann ein und dasselbe Führungsverhalten in Abhängigkeit von der konkreten Situation zu Erfolg oder aber zu Misserfolg führen. 10 Wie für das Führungsverhalten und den Führungserfolg gilt auch für die Spezifizierung des situativen Kontextes, dass verschiedene Situationstheorien der Führung diese keineswegs in ein und derselben Weise, sondern in äußerst unterschiedlicher Weise vornehmen. Dabei werden die Situationstheorien der Führung insbesondere aufgrund der mangelnden Benennung von Kriterien zur Auswahl der einbezogenen situativen Faktoren betrachtet, also hinsichtlich der mangelnden theoretischen Fundierung kritisiert (Neuberger, 2002, S. 523; Schreyögg, 1995, Sp. 1003). Ferner wird den Situationstheorien der Führung ein Individualismus, Empirismus, Objektivismus, Determinismus und Rationalismus vorgeworfen (Neuberger, 2002, S. 523–532). Fraglich bleibt allerdings, inwieweit diese Kritikpunkte tatsächlich für jede Situationstheorie der Führung Geltung beanspruchen können. Da bislang keine theoriegeleitete Taxonomie der Merkmale der Situation vorliegt (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 206), werden auch hier bestimmte Merkmale der Situation ausgewählt, um den Untersuchungsgegenstand zu präzisieren und die Variabilität der Beziehung zwischen den Qualitäten des Führungsver-
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haltens und den abhängigen Variablen zu begründen. Bisher dachte man zur Beschreibung der Situationsmerkmale an Merkmale der Aufgabenstruktur, Merkmale der Geführten, Merkmale der Gruppe (Gebert & Rosenstiel, 2002, S. 206) und Merkmale der Organisation (Bass, 1990, p. 579; Yukl, 2002, p. 218). Übersichtsarbeiten zu den verschiedenen situativen Merkmalen von Führung bieten Bass (1990, pp. 563–594), Neuberger (2002, S. 497–544) und Yukl (2002, pp. 208–230). Zu den Merkmalen der Aufgabenstruktur zählen die Art der zu bearbeitenden Aufgabe (Kehr, 2000), die Aufgabenkomplexität (Gresov, 1989; Lawrence & Lorsch, 1967; Lorsch & Morse, 1974; Oldham & Cummings, 1996), der Strukturiertheitsgrad der Aufgaben (Jago, 1995; Kerr & Jermier, 1978; Vroom & Jago, 1991; Vroom & Yetton, 1973), die Aufgabenklarheit, die Alternativenanzahl zur Aufgabenbearbeitung und die Anzahl korrekter Lösungen einer Aufgabe (Fiedler, 1967; Reddin, 1977), das Ausmaß, in dem die Aufgabe Feedback über das erreichte Leistungsergebnis liefert (Kerr & Jermier, 1978), die Qualität verschiedener Lösungen der Aufgabe und der Zeitaufwand (Jago, 1995; Vroom & Jago, 1991; Vroom & Yetton, 1973) sowie die Technologieart (Reddin, 1977; Van Fleet & Yukl, 1986). (Daneben nennt Fiedler (1967) die Positionsmacht des Führenden sowie seine Beziehung zu den Geführten.) Im Rahmen der Merkmale der Geführten werden vor allem die Motivationsart und der Qualifikationsgrad, d. h. die Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrungen der Geführten (Amabile, 1988; Boerner & Krause, 2001; Boerner, Krause und Gebert, 2001; Kerr & Jermier, 1978; Reddin, 1977) diskutiert. Die Motivation und Qualifikation der Geführten werden auch in dem Konzept des Reifegrads der Geführten (Hersey, Blanchard und Dewey, 1996) berücksichtigt, das jedoch zusätzlich zur Motivation und Qualifikation die Bereitschaft der Geführten zur Verantwortungsübernahme und ihr Selbstkonzept, also das Ausmaß ihrer Selbstsicherheit und Selbstachtung einschließt. Ferner werden die Bedürfnisse der Geführten als zentral erachtet sowie ihre Bereitschaft, eine bestimmte Person in der Rolle des Führenden zu akzeptieren, also die Legitimation von Führung (Kehr, 2000; Tyler, 1997). Weitere Merkmale der Geführten sind ihr Akzeptanzgrad autokratisch getroffener Entscheidungen und das Ausmaß, in dem ihre Ziele mit den organisationalen Zielen übereinstimmen (Jago, 1995; Vroom & Jago, 1991; Vroom & Yetton, 1973). Als Merkmale der Gruppe kommen insbesondere der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Gruppe (Pfeffer & Salancik, 1975), der Gruppenkohäsion (Hackman, 1976; Kerr & Jermier, 1978), dem Vertrauensgrad zwischen den Gruppenmitgliedern (Jarvenpaa & Leidner, 1999), den sozialen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern (Tyler, 1997) und der Konfliktintensität (Jago, 1995; Vroom & Jago, 1991; Vroom & Yetton, 1973) Relevanz zu. Zu den Merkmalen der Organisation gehören die Organisationsgröße (Erez & Rim, 1982), der Zentralisations- und Formalisierungsgrad (Pugh, Hickson, Hinings und Turner, 1968), die Komplexität (Tushman, 1977a), die Leitungsspanne (Kipnis & Cosentino, 1969), das Organisationsklima und die Organisationskultur (Schein, 1985). Neben den intraorganisationalen Merkmalen werden außerdem Merkmale der Umwelt der Organisation genannt, wie stabile vs. turbulente Umwelt (Lawrence & Lorsch, 1967) und ökonomische, politische, soziale und rechtliche Merkmale (Bass, 1990, pp. 567–572). Zu berücksichtigen ist, dass Merkmale der Situation auch in Führungstheorien beachtet werden, die nicht den situativen Führungstheorien zuzurechnen sind, wie Attributionstheorien der Führung (Calder, 1977; Green & Mitchel, 1979), Lerntheorien der Führung (Luthans, 1995), die Weg-Ziel-Theorie der Führung (Evans, 1970; House, 1996) und transformationalen Führungstheorien (Avolio et al., 1999; Bass & Avolio, 1993; Conger & Kanungo, 1998; Steyrer, 2000). 11 Obwohl der Ansatz von Schumpeter für die moderne Innovationsforschung grundlegend ist, erscheinen einige seiner Thesen basierend auf dem heutigen Kenntnisstand fragwürdig. In den ersten und älteren Schriften postuliert er, dass Innovationen exogener Natur seien, also von außerhalb der Organisation kämen. Diese würden von dynamischen, risikobereiten Unternehmern aufgegriffen, die entsprechende Investitionen tätigten, um die Neuerungen am Markt durchzusetzen. Die Ausgrenzung des Unternehmers sowie der Organisation vom Innovationsprozess ist jedoch nicht haltbar. 12
Zum Vergleich verschiedener Typologien von Innovationen vgl. Anderson und King (1993, p. 4).
13 Effizienz meint die Relation zwischen Input und Output. Die Effizienz steigt also mit der Zunahme des Output im Verhältnis zum investierten Input. Effektivität meint demgegenüber den Grad der Erreichung eines bestimmten Ziels. Häufig werden beide Begriffe allerdings synonym gebraucht wie beispielsweise bei Scholl (1995a, S. 439 ff.). 14 Innovation kann dabei das Ergebnis zweier grundsätzlicher Innovationsstrategien sein. Sie kann zum einen von der Nachfrage stimuliert („Market pull“ bzw. „Demand pull“) oder vom Angebot angestoßen („Technology push“) werden. Wie empirische Studien zeigen (Geschka, 1989, S. 60), sind jene Produktinnovationen erfolgreicher, die von der Nachfrage stimuliert werden im Vergleich zu solchen, die durch neue Technologien angeregt werden. 15 Während man unter Adoption die erstmalige Akzeptierung (Übernahme oder Anwendung der neuen Problemlösung) bei einer Zielgruppe versteht, wird unter Diffusion die allgemeine Verbreitung der neuen Problemlösung bei einer Zielgruppe im Zeitablauf verstanden.
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16 Viele Innovationsforscher teilen diese Sichtweise der Neuheit für die jeweilige Organisation (z. B. Albers & Eggers, 1991, S. 44; Brockhoff & Zanger, 1993, S. 844; Damanpour, 1991, p. 556; Gierschner, 1991, S. 28; Hauschildt, 1997, S. 19; Kieser, 1972; Marr, 1993; Pennings, 1997, p. 526; Thom, 1980, S. 24 f.; Witte, 1973, S. 3). 17
Einen Überblick zu verschiedenen Definitionen von Innovation bietet Hauschildt (1997, S. 4–6).
18 In diese Darstellung wurden lediglich die aktuellen Beschreibungen und Messungen des Innovationsgrades ab 1990 aufgenommen. 19 Die konfirmatorische Überprüfung des Modells zeigt – entgegen den Behauptungen der Autoren – indes keine hinreichende Modellgüte, denn der fundamentale Kennwert für die Modellpassung beträgt lediglich AGFI = .75. Um von einer Modellpassung sprechen zu können, wäre aber mindestens ein AGFI von .90 erforderlich gewesen (vgl. Kapitel 4.2.2). Die Aussage der Autoren, dass mit diesen Faktoren „unbedenklich weitergearbeitet werden“ kann (Hauschildt & Schlaak, 2001, S. 169), muss insofern bezweifelt werden. 20 Detaillierte Aussagen zur Ungewissheitsreduktion im Innovationsprozess finden sich z. B. bei Hauschildt (1977). 21 Empirisch ist dokumentiert, dass die Komplexität von Innovationsaufgaben und ihr Innovationsgrad unabhängig voneinander sind (Brockhoff & Zanger, 1993). 22 Die Realisierung hoher Qualität, reduzierter Kosten in immer kürzerer Zeit wird mitunter auch unter dem Stichwort Zielplural diskutiert (vgl. Gebert, 2002a). 23
Hier werden interpersonale Konflikte fokussiert, nicht aber intrapersonale Konflikte.
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Obwohl Führungskräfte mit zunehmendem Fortgang des Innovationsprozesses mit intensiveren Konflikten konfrontiert sind, wird die Existenz von Konflikten in vielen Organisationen ignoriert oder verleugnet (Müller, 1988, S. 168). Grundsätzlich sind Konflikte in Organisationen aber unvermeidlich, weil die Organisationsmitglieder „nicht mehr einzeln ihre Ressourcen [...] für bestimmte Ziele einsetzen, sondern sie zusammenlegen und einer einheitlichen Disposition unterstellen [...]“ (Scholl, 1995a, S. 410). Bezüglich des Einsatzes und der Verteilung der Ressourcen besteht allerdings kein Konsens zwischen den Beteiligten, sondern Interessenheterogenität (Scholl, 1995a, S. 434). Dies mag darin begründet sein, dass Konflikten oftmals lediglich negative Konsequenzen zugesprochen werden. Die Konsequenzen von Konflikten variieren jedoch in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit geeigneter Konflikthandhabungsstrategien (vgl. Glasl, 1992; Thomas, 1976) und können deshalb negativ (z. B. Verschlechterung des Arbeitsklimas, der Kooperation und der Arbeitszufriedenheit) aber auch positiv sein (z. B. Zunahme der Perspektivenheterogenität und hierdurch erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Ideengenerierung). Aufgrund der positiven Konfliktfolgen besteht das Ziel eines funktionalen Innovationsmanagements nicht darin, die Auftretenswahrscheinlichkeit von Konflikten zu reduzieren (Gebert & Rosenstiel, 2002, S. 164), sondern sie in konstruktive Bahnen zu lenken. Ein interpersonaler Konflikt liegt vor, wenn zwei oder mehr Beteiligte divergierende Interessen verfolgen (Pruitt & Rubin, 1986, p. 4), so dass ihre verfolgten Handlungspläne inkompatibel sind (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 159). Als Ursachen für das Entstehen unverträglicher Handlungspläne und damit für das Entstehen von Konflikten werden situative und personbezogene Faktoren diskutiert. Zu den situativen Faktoren gehören die Knappheit der Ressourcen (Gebert & von Rosenstiel, 2002, S. 159) und die durch strukturelle Gegebenheiten in Organisationen bedingte Zielheterogenität (Berkel, 1987, S. 153 ff.; Euler, 1977, S. 213 ff.). Zu personspezifischen Konfliktursachen zählen grundsätzliche Unterschiede in den Erwartungen, Erfahrungen, Bedürfnissen, Interessen, Einstellungen, Werten und Normen der Organisationsmitglieder (Esser, 1972, S. 66 ff. und S. 146; Oechsler, 1992, Sp. 1131; Regnet, 2001; Rüttinger, 1990, S. 565), ihre Frustrationstoleranz (Thomas, 1976, p. 895; Esser, 1972, S. 212) sowie weitere Personmerkmale, wie z. B. Leistungsmotivation, Machtstreben, kognitive Strukturiertheit, Ambiguitätstoleranz, Misstrauen (Kurtz, 1983), Aggressivität und Neurotizismus (Esser, 1972; Krüger, 1972). Ob Interessendivergenzen bestehen oder nicht, ist abhängig vom Anspruchsniveau (Lewin et al., 1944) der Konfliktparteien. Ein Konflikt liegt nur dann vor, wenn die Befriedigung des eigenen Anspruchsniveaus als unvereinbar mit der Befriedigung des Anspruchsniveaus der Gegenpartei wahrgenommen wird. Je größer diese Inkompatibilität der Befriedigung beider Anspruchsniveaus, desto größer ist auch der Interessenunterschied (Pruitt & Rubin, 1986, S. 10). 25 Nach Rüttinger (1977) sind Verteilungskonflikte schwer lösbar, da die nachgefragten Ressourcen nicht beliebig vermehrbar sind. Beurteilungskonflikte lassen sich demgegenüber durch Versachlichung der Argumentation und Informationsaustausch zwischen den Beteiligten beilegen, wodurch die Handlungsfähigkeit der Akteure gewahrt bleibt.
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26 In diesem Zusammenhang kann man fragen, wie ein latenter Konflikt, verstanden als „nicht erkannter oder unbewusster Konflikt“ (Deutsch, 1976, S. 51), empirisch überprüft werden kann. Da latente Konflikte im subjektiven Erleben und Verhalten der Konfliktparteien nicht präsentiert sind, entziehen sie sich einer Operationalisierung durch die Beteiligten selbst. Eine Möglichkeit, um latente Konflikte dennoch zu messen, bestünde in der Einbeziehung einer dritten Partei (z. B. des gemeinsamen Vorgesetzten der Konfliktkontrahenten). 27 Deutsch (1976) weist darauf hin, dass ein manifester Konflikt oft nur vorübergehend gelöst werden kann, solange der latente Konflikt nicht behandelt wird oder solange manifeste Konflikte nicht von latenten Konflikten separiert werden. Daher können manifeste Konflikte in einer Situation zu latenten Konflikten in einer anderen Situation führen (Raven & Kruglanski, 1970, p. 71). 28 Neben Abwehrmechanismen sind auch Konfliktumleitungen (Oechsler, 1992, S.1139) für den Verlauf von Konflikten typisch, die sich in Form von Inhaltsverschiebung, Adressatenverschiebung sowie Inhalts- und Adressatenverschiebung äußern können (Euler, 1977, S. 306 ff.). Der Inhaltverschiebung entsprechen bei Esser (1972, S. 254 ff.) die Transformation sachlicher Streitpunkte in personbezogene Auseinandersetzungen, und umgekehrt sowie und die Umformulierung eines Sachproblems. Der Adressatenverschiebung entspricht bei Esser (1972, S. 254 f.) die Transformation eines Streits zwischen bestimmten Personen oder Gruppen in einen Konflikt mit anderen Personen oder Gruppen. Diese Formen der Verschiebung des Konfliktes auf einen „Nebenkriegsschauplatz“ sind auch für Innovationen kennzeichnend, wenn dem „Innovator ... eigensüchtige Imitation, Verdrängung eines schwächeren Konkurrenten, freche Übernahme fremder Gedanken...u. ä.“ (Hauschildt, 1997, S. 129) unterstellt werden. 29 Konflikte, die von den Konfliktparteien wahrgenommen werden, können – müssen aber nicht – zu emotionaler Aufladung führen. Sofern Konflikte mit starker emotionaler Beteiligung einhergehen (z. B. Wut, Ärger, Zorn), kann dies die Wahrnehmung der Konflikte durch die Konfliktparteien beeinflussen, so dass nicht nur der Konfliktgegenstand, sondern auch die Gegenpartei verzerrt wahrgenommen werden. 30 Dieses Prozessmodell wird dahingehend kritisiert, als die Unterscheidung zwischen wahrgenommenen und gefühlten Konflikten nicht sinnvoll sei, da damit eine Trennung von Kognition und Emotion impliziert sei (Regnet, 2001). Dieser Einwand ist jedoch nicht haltbar, da Pondy gerade die Interdependenz wahrgenommener und gefühlter Konflikte und somit von Kognition und Emotion betont (Pondy, 1967, p. 302). Glasl (1992, S. 186) kritisiert das Modell, weil es keine qualitative Unterscheidung verschiedener Grade der Konfliktintensität der Beteiligten ermöglicht. Glasl (1992) setzt sich darüber hinaus mit der Dynamik der Eskalation von Konflikten, unterschiedlichen Intensitätsstufen sowie phasenspezifisch angemessenen Interventionsmöglichkeiten auseinander. 31 Die Frage nach dem geeigneten Bereich für die Innovationserfolgsbeurteilung bezieht sich auf die Ebene der Konzeption. Zumeist wird zwischen der Mikro- und der Makroebene differenziert (Hauschildt, 1991b, S. 466). Innovationserfolgskennzahlen und -indices auf der Mikroebene beziehen sich auf das einzelne Innovationsprojekt und beinhalten damit den Erfolg des gesamten Innovationsprozesses. Auf der Makroebene wird der Innovationserfolg hingegen durch Aggregation mehrerer Projekte auf der Unternehmens-, Branchen oder Landesebene konzipiert. Die Mehrzahl bisheriger Untersuchungen ist auf der Makroebene angesiedelt; zumeist wird die Innovativität der gesamten Organisation als abhängige Variable betrachtet (z. B. Althen, 1996; Herzhoff, 1991). Allerdings ist für das praktische Innovationsmanagement in Organisationen die Innovationserfolgsbeurteilung auf der Mikroebene von wesentlich größerer Bedeutung als die Beurteilung auf der Makroebene (Griffin & Page, 1993, p. 303); erstere wird jedoch relativ selten vorgenommen. Dieser Kritikpunkt wird hier zu berücksichtigen sein. Ein weiteres Problem der Innovationserfolgsbeurteilung betrifft die Kriterien, anhand derer der Erfolg der Neuerung beurteilt werden soll. In der Mehrzahl empirischer Untersuchungen werden technische, ökonomische und individuelle sowie soziale Kriterien verwendet (Hauschildt, 1991b, S. 466 ff.). Daraus generiert Hauschildt (1991b) ein Modell der Eigenschaften des Innovationserfolgs, wonach sich der Gesamterfolg einer Innovation aus technischen, ökonomischen und sonstigen Effekten zusammensetzt. Zu den technischen Effekten zählt er direkte aber auch indirekte Effekte, wie beispielsweise Lernerfolge, die Bildung von Erfahrungswerten und Know-how und die Schwachstellenerkenntnis. Insofern können auch fehlgeschlagene Innovationen einen positiven Nutzenbeitrag leisten. Auch die ökonomischen Effekte unterteilt er in direkte Effekte (z. B. Umsatz, Rentabilität durch den Return on Investment, Deckungsbeiträge, Kosten, Subventionen, Wachstum im Vergleich zur Konkurrenz) und indirekte Effekte (Umsatzverringerung der Konkurrenz, Kostenerhöhung der Konkurrenz, „Umwegrentabilität“). Den sonstigen Effekten rechnet er systembezogene Effekte (Umwelteffekte, soziale Effekte, Autonomieeffekte) und individuelle Effekte (wissenschaftliche Anerkennung, Selbstverwirklichung) zu. Allerdings sind die Messprobleme der technischen, ökonomischen und sonstigen Effekte einzelner Innovationen sowie ihrer Vergleichbarkeit erheblich. Beispielsweise impliziert die einseitige Fokussierung ökonomischer Kriterien (z. B. bei Albach, de Pay und Rojas (1991); Albers & Eggers (1991); Perlitz & Löbler
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(1985)) das Problem, die Innovationen schon deshalb für erfolgreich zu halten, weil sie sich am Markt bewährt haben bzw. in der jeweiligen Organisation umgesetzt wurden. Letztlich wird damit nur eine marginale Aussage über den Erfolg, den die einzelne Neuerung der Organisation brachte, getroffen. Zu bedenken ist, dass die nicht monetären Effekte bei Verfahrensinnovationen noch eine weitaus größere Bedeutung haben als bei Produktinnovationen. Innovationsforscher, die den Erfolg von Verfahrensinnovationen allein anhand der intraorganisationalen Implementierung des Verfahrens bestimmen, laufen zudem Gefahr, dem Vorwurf der Variablenkonfundierung anheim zu fallen. Bei Verfahrensinnovationen kann nun „naturgemäß der ökonomische Erfolg nicht anhand von Umsatzveränderungen bestimmt werden. Der Erfolg besteht hier z. B. in einem Rationalisierungsgewinn. Auch diese Kostensenkung ist oftmals nicht eindeutig zu ermitteln“ (Hauschildt, 1997, S. 394). Aus diesem Grund können in der vorliegenden Untersuchung keine betriebswirtschaftlichen Verfahren zur Bestimmung des Erfolgs der Verfahrensinnovation angewandt werden. Dennoch werden hier ökonomische Effekte der Verfahrensinnovation zur Bestimmung des Erfolgs der Verfahrensinnovation herangezogen und darüber hinaus individuelle und soziale Effekte berücksichtigt. Die Bewertung des Innovationserfolgs erfolgt stets durch einen Vergleich des erreichten Zustandes mit einer Referenzgröße. Je nach individuell gewähltem Referenzzustand wird die Innovationserfolgsbeurteilung variieren. Prinzipiell kann der Beurteiler als Vergleichsgröße andere Innovationen, das angestrebte Ziel oder bestimmte Zustände, z. B. frühere Zeitpunkte (Zeitvergleich), Zustände in anderen Unternehmen (Unternehmensvergleich) oder fiktive Zustände wählen (Hauschildt, 1997, S. 397). Diese Referenzgrößen implizieren jedoch Verzerrungen, welche die Validität und Reliabilität einer Innovationserfolgsmessung beeinträchtigen können. Führt der Beurteiler beispielsweise einen Zeitvergleich durch, indem er den erreichten Zustand mit einem früheren Zustand vergleicht, könnte die Innovation von ihm schon deshalb das Prädikat „erfolgreich“ erhalten, weil im Sinne eines Abwärtsvergleichs (Festinger, 1954) für ihn beliebig viele andere Konstellationen denkbar sind, die im Zweifel noch schlechter wären als der erreichte Zustand. Schließlich wurden in die Innovation Ressourcen (Anstrengungen, Zeit, Geld etc.) investiert, deren Einsatz ex post nicht gern als Misserfolg ausgewiesen wird. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Referenzgrößen erscheint der Vergleich des Innovationserfolgs mit einem vorher definierten Ziel angemessen zu sein (Hauschildt, 1991b, S. 470). Eine detaillierte Konzeption des Innovationserfolgs sollte also an der Zielsetzung der Organisation bzw. ihrer Mitglieder ansetzen und fragen, in welchem Ausmaß die Neuerung einen positiven Beitrag zu den angestrebten Zielen leistet. Nun ist weder in Organisationen generell noch bei Verfahrensinnovationen speziell von einer Homogenität der Ziele auszugehen. Außerdem muss man berücksichtigen, dass sich vielfältige und veränderbare Ziele in wechselseitiger Weise beeinflussen (Gemünden, 1995, S. 253). Eine Konzeption des Erfolgs von Verfahrensinnovationen kann diese Zielheterogenität der Beteiligten nur in Grenzen berücksichtigen. Dies ergibt sich daraus, dass bei einer betrieblichen Verfahrensinnovation eine Vielzahl von Personen mit divergierenden Zielen involviert ist, wodurch allein schon die inhaltliche Benennung der verschiedenen Ziele dieser Personen Schwierigkeiten bereiten dürfte. Thom (1980, S. 65 ff.) löst das Problem der individuellen Zielbestimmung dadurch, dass er von spezifischen Zielen pro Innovationsphase ausgeht und vorschlägt eine prozessbezogene Beurteilung der Effizienz spezieller Innovationsphasen vorzunehmen, indem einzelnen Phasen im Innovationsprozess unterschiedliche Ziele zuordnet werden sollen, deren Erreichungsgrad als Effizienzindikator gemessen werden soll. Diesem Vorschlag wird hier aus drei Gründen nicht gefolgt: Zum einen ist es umstritten, dass im Innovationsprozess tatsächlich einzelne Phasen klar voneinander separierbar sind (vgl. Kapitel 2.3.1.1). Zum anderen wäre eine zugleich kriterienbezogene und phasenspezifische Konzeption des Innovationserfolgs pro Kriterium impraktikabel ist, weil hierdurch das Differenzierungsvermögen der Beurteiler überfordert wäre. Ferner gilt insbesondere für die Anfangsphasen eines Innovationsprozesses, dass die hier gängigerweise operationalisierten Ziele (z. B. Zahl und Art der Einfälle, Entwürfe und Lösungsvorschläge) in Frage zu stellen sind (Hauschildt, 1991a). Vielmehr wird in der vorliegenden Untersuchung ein Kompromiss insofern gewählt, als die Ziele der jeweiligen Arbeitseinheit – also die Effektivitäts- und Effizienzverbesserung – in die Konzeption des Innovationserfolgs einfließen. Ein letztes Problem der Bestimmung des Innovationserfolgs betrifft das Subjekt, welches zur Beurteilung herangezogen wird, also die Frage wer bestimmen sollte, ob das neue Verfahren ein (Miss-) Erfolg war. In bisherigen Untersuchungen wurden in diesem Zusammenhang drei Strategien verfolgt: Die Beurteilung des Innovationsergebnisses durch Insider (z. B. Spezialisten, Betroffene, Nicht-Betroffene), durch externe Experten oder einer Kombination aus Insidern und externen Experten (Hauschildt, 1991b, S. 470 f.). Bei der Bewertung des Innovationserfolgs durch organisationsinterne Personen ist zu bedenken, dass die von der Innovation Betroffenen den Innovationserfolg anders beurteilen werden als NichtBetroffene, da die Innovation für letztere keine persönlichen Konsequenzen hat. Verfahrensinnovationen, die z. B. vom Vorstand bzw. der Geschäftsleitung als erfolgreich eingeschätzt werden, können von den Betroffenen unter Umständen als Misserfolg deklariert werden. Sowohl die Beurteilung des Innovationserfolgs durch interne als auch durch externe Personen ist an die Subjektivität des Individuums gebunden. Aufgrund der Subjektivität von Erfolgsbeurteilungen durch Einzelpersonen wird häufig versucht, den Erfolg durch mehrere, unabhängige Personen beurteilen zu lassen, in der Hoffnung, in Form entsprechend hoher Übereinstimmungsindizes eine fehlerfreiere Messung zu realisieren. Dieses Vorgehen wählten z. B. Rubenstein, Chakrabarti, O’Keefe, Souder und Young (1976). Sie konzipierten den Innovationserfolg auf der Projektebene und zogen zu seiner Bestimmung technische und ökonomische Kriterien heran. In Einzelinterviews beurteilten pro Projekt sowohl Betroffene als auch externe Personen den Erfolg der Neuerungen anhand dieser Kriterien. Zwar wird durch eine solche 370
Methode die Subjektivität des Urteils pro Person einschätzbar. Entscheidend ist aber, dass auch das so gemittelte Urteil über den Erfolg einzelner Projekte nicht frei von der Subjektivität jeglicher Beurteilung ist und durch ein solches Vorgehen einige Messfehler möglicherweise erst produziert werden. Wenn z. B. pro Projekt drei Beurteiler herangezogen werden (Mitglied aus der Geschäftsführung, Betroffener, externer Experte) steigt als Resultat der kombinierten Beurteilerquelle die Heterogenität der Innovationserfolgsbeurteilung pro Projekt, die sich in entsprechend niedrigen Interraterreliabilitäten manifestieren würde. Demnach hat auch diese Methode ihre Grenzen. 32 Diese Denkfigur spiegelt sich in den Daten von Gierschner (1991, S. 259) wider: Ein Gruppenvergleich zeigt, dass bei gelungenen Innovation die Erfolgswahrscheinlichkeit der Neuerung schon während der Planung positiver eingeschätzt wurde und diese Neuerung mit mehr positiven Erwartungen verknüpft wurde als im Falle von misslungenen Neuerungen. 33 Überblicksarbeiten zu verschiedenen Phasenmodellen des Innovationsprozesses liegen vor von King (1990), Schroeder, Van de Ven, Scudder und Polley (1989), Staudt und Auffermann (1996) sowie Wolfe (1994). 34 Übersichtsarbeiten zu psychologischen Kreativitätstheorien und Methoden zur Messung von Kreativität bieten Bollinger und Greif (1983, S. 400–433), Brown (1989, pp. 4–28), Facaoaru (1985, S. 4–96), Ford (1996, pp. 1114–1135), Greiling (1998, S. 108–115), King (1990, pp. 22–26), King und Anderson (1995, pp. 11–65), Marr (1973, S. 69–100); Martindale (1989, pp. 212–227), Staw (1990, pp. 288–305) sowie Weinert (1990, S. 26–44). 35 Von individueller Kreativität wird organisationale Kreativität abgegrenzt, die sich nach Woodman, Sawyer und Griffin (1993, p. 309) aus kreativem individuellen und sozialem Verhalten und der kreativen organisationalen Situation speist. 36 Die Frage, ob und inwieweit Intelligenz für Kreativität maßgeblich ist, wurde in einer Vielzahl von Untersuchungen behandelt, die nicht ohne Einfluss auf die Anlage-Umwelt-Debatte geblieben sind. Diese Untersuchungen kommen zu sehr inkonsistenten Befunden: Während in einigen Studien keine Zusammenhänge zwischen Intelligenz und Kreativität bzw. Problemlöseerfolg gefunden wurden (vollständige Unabhängigkeit), belegten andere Untersuchungen sehr enge positive Beziehungen zwischen Intelligenz und verschiedenen Kreativitätsmaßen, wieder andere Untersuchungen stellten schwache Zusammenhänge zwischen Intelligenz und Kreativität fest. Inzwischen ist es anerkannt, dass es für Kreativität bzw. Problemlösen auch auf die Intelligenz einer Person ankommt (vgl. Kersting, 2001). Ferner scheint sich zu dieser Frage die Antwort etabliert zu haben, dass die Enge der Beziehung zwischen Intelligenz und Kreativität mit steigendem Intelligenzquotienten (IQ) abnimmt (Bollinger & Greif, 1983, S. 404–407; Ford, 1996, p. 1124; King & Anderson, 1995, p. 54; Martindale, 1989, pp. 212–213). Demnach verhindert zwar ein niedriger IQ kreative Leistungen. Ein hoher IQ ist aber noch lange kein Garant für Kreativität. 37 Hinzuweisen ist auf den Befund, dass die Quantität produzierter Ideen mit der Qualität der Ideen in einem bedeutsamen positiven Zusammenhang steht (vgl. Weinert, 1990, S. 30). 38 Zu kreativitätsförderlichen bzw. -hinderlichen Einflussfaktoren auf der Ebene der Gruppe und der Organisation vgl. die Arbeiten von Amabile et al. (1996, pp. 1159–1172), Agrell und Gustafson (1996, pp. 323–335), King und Anderson (1995, pp. 66–114), Mumford und Gustafson (1988), Oldham und Cummings (1996, pp. 610–614), West (1990, pp. 310–326), Woodman et al. (1993, pp. 302–309). 39 Mit Feldunabhängigkeit ist Folgendes gemeint: „Die Fähigkeit sich von Einbettungszusammenhängen zu lösen und Einzelreize unabhängig vom Umfeld des Reizes analysieren zu können“ (Guldin, 2001, S. 295). 40 Mitunter werden auch Alter, Geschlecht und Bildung im Zusammenhang mit personbezogenen Einflussfaktoren der Kreativität erwähnt (vgl. die Übersichtsarbeiten von King und Anderson (1995, p. 49), Martindale (1989, pp. 220–222), Mumford und Gustafson (1988) und Weinert (1990, S. 37–40). 41 Dieses Komponentenmodell wurde in einer jüngsten Untersuchung nicht nur für die individuelle Ebene, sondern durch Anwendung einer Mehrebenenanalyse auch für die Gruppenebene bestätigt (Taggar, 2002). 42 Zur Förderung dieser kreativitätsrelevanten Fähigkeiten werden in der Literatur diverse Kreativitätstechniken und -trainings vorgeschlagen, deren Validität aber bis heute nicht hinreichend geklärt ist. Zu den bekanntesten Methoden gehört das Brainstorming und dessen spezifische Varianten (anonymes Brainstorming, SoloBrainstorming, imaginäres Brainstorming, didaktisches Brainstorming, Methode 66, destruktiv-konstruktives Brainstorming, Brainwriting). Beim Brainstorming ist Kritik strengstens untersagt, Quantität der Ideen geht vor
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deren Qualität, freies Assoziieren und das sogenannte „Trittbrettfahren“, also das Aufspringen auf die Ideen anderer ist erwünscht. Andere Techniken zur Kreativitätssteigerung sind die morphologische Analyse (Morphologische Box), Synektik, oder die Meta-Plan-Technik (vgl. Bollinger & Greif, 1983; Geschka & Laudel, 1991, S. 58–60; Heyde, Laudel, Pleschak und Sabisch, 1991, S. 161–200). In der Unternehmenspraxis kommt außerdem dem betrieblichen Vorschlagswesen, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, Kaizen und dem Total Quality Management im Zusammenhang mit der Ideengenerierung/-prüfung Relevanz zu (vgl. Frey, Brodbeck und Schulz-Hardt, 1999, S. 123–139). 43 Auch für die extrinsische Motivation lassen sich zwei Faktoren empirisch bestätigen, die als Outward und Compensation gedeutet werden (Amabile et al., 1994, p. 957). 44 Nach Amabile (1988, 1998) ist daher intrinsische Motivation förderlich für komplexe, neuartige Probleme (z. B. Innovationsaufgaben), während extrinsische Motivation sich vor allem günstig bei wenig komplexen Problemen auswirkt (z. B. Routineprozesse). 45 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass Kreativität bzw. Problemlösen natürlich neben dem Wissen auch ein Mindestmaß an Intelligenz voraussetzt (vgl. Kersting, 2001). Glynn (1996) diskutiert in diesem Zusammenhang die innovationsbezogenen Unterschiede individueller und organisationaler Intelligenz. 46
Diesen Rückkopplungsprozess bezeichnen Lewis und Seibold (1993, p. 323) als „Reinvention“.
47
Ferner konnten Axtell et al. (2000) u. a. belegen, dass die Implementierung mit zunehmender Selbstwirksamkeitserwartung (r = .29) der Projektbeteiligten steigt. 48 Neben diesen personbezogenen Einflussfaktoren nennen Comelli und von Rosenstiel (2001) als weiteren Einflussfaktor der Implementierung die „situative Ermöglichung“ und meinen damit, ob und inwieweit die äußeren Rahmenbedingungen (z. B. Informationstechnologie, Organisationsstruktur) implementierungsförderlich gestaltet sind. 49 Als Ursachen für Widerstand kommen eine Reihe personbezogener aber auch sozialer Faktoren in Frage. Staudt (1990, S. 81 ff.) unterscheidet qualifikatorisch bedingte Innovationswiderstände, sozial bedingte Innovationswiderstände und regelungsbedingte Innovationswiderstände. Umfassende Zusammenstellungen insbesondere zu personbezogenen Ursachen von Widerstand bieten Böhnisch (1979, S. 25–108) und Hauschildt (1997, S. 135–145). 50 Interessant ist in diesem Zusammenhang der häufig zu beobachtende Effekt, dass aus ursprünglichen Opponenten im zeitlichen Verlauf der Innovation Promotoren werden – der sogenannte Saulus-Paulus-Effekt (Folkerts & Hauschildt, 2002, S. 18). 51 Zudem zeigte er, dass das Dreier-Gespann im Vergleich zum Zweier-Gespann und zum Einzelpromotor mit höheren Innovationsgraden und höheren technischen und wirtschaftlichen Erfolgskennzahlen verbunden ist. 52 Während die Existenz von Promotoren empirisch klar belegt ist, ist bisher noch ungeklärt (1) welche Motive Personen dazu veranlassen, die Promotorenrolle zu übernehmen, (2) inwieweit es vorstellbar ist, dass die Rollen im zeitlichen Verlauf der Innovation zwischen verschiedenen Personen wechseln und (3) welche Konsequenzen gescheiterte Innovationen auf die in der Organisation verbleibenden Promotoren haben (Hauschildt, 2001, S. 335). Erste Hinweise zur zweiten Frage gibt die qualitative Analyse von Folkerts und Hauschildt (2002, S. 18), in der in Form von 10 Fallstudien u. a. gezeigt wurde, dass sich die Ausübung der Promotorenrollen im zeitlichen Innovationsverlauf stark ändert: Allerdings bestehen diese Veränderungen nicht in einem Rollenwechsel (z. B. vom Machtpromotor zum Fachpromotor), sondern in einer Rollenausweitung (Beibehaltung der zuvor ausgeübten Rolle bei Übernahme einer neuen Rolle) oder einer Rollenaufgabe. Gründe für die Rollenaufgabe sehen die Autoren zum einen in resignativen Prozessen (s. Kapitel 2.3.1.2) der Personen oder aber im Ausbleiben von Widerstand durch entsprechende Opponenten. 53 Fallstudien zur organisatorischen Veränderung durch Machtausübung bei Innovationen in verschiedenen Unternehmensbereichen finden sich bei Frost und Egri (1991) und Ganter (1986). 54 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur häufig Partizipation (Coch & French, 1948) empfohlen: Durch rechtzeitige, kontinuierliche und authentische Partizipation der Betroffenen kann man versuchen, ihren Widerstand zu reduzieren.
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55 Dem aus der neoklassischen Ökonomie stammenden Menschenbild des „Homo oeconomicus“ liegen im Wesentlichen drei Annahmen zu Grunde: (1) Jeder Akteur strebt nach Maximierung seines Nutzens, (2) Jeder Akteur vollzieht logische und lineare Entscheidungsprozesse, (3) Jeder Akteur verfügt zu jedem Zeitpunkt über umfassende Information in Bezug auf die Entscheidungsalternativen und das zu Grunde liegende Problem (vgl. Nippa, 2001, S. 217 ff. sowie die dort angegebene Literatur). 56 Je nachdem, welche Strategien zur Emotionsregulation eingesetzt werden, unterscheidet Hochschild (1990, S. 51) zwischen solche Strategien, bei denen Gefühle lediglich nach außen dargestellt werden, ohne dass man innerlich beteiligt ist (Surface acting) und solchen Strategien, bei denen die eigenen Gefühle nach sozialen Konventionen manipuliert werden (Deep structure). Hinweise zu Bedingungen und Konsequenzen von ‘Surface acting’ und ‘Deep structure’ finden sich im Beitrag von Grandey (2003). 57 In der Literatur wird häufig zwischen Emotionen (Emotions), Empfindungen (Affects) und Stimmungen (Moods) unterschieden. Emotionen grenzen sich von Empfindungen dadurch ab, dass mit Emotionen im Gegensatz zu Empfindungen notwendigerweise kognitive Prozesse verbunden sind (Mandl & Reiserer, 2000, S. 103). Der Unterschied zwischen Emotionen und Stimmungen wird darin gesehen, dass sich Emotionen auf ein bestimmtes Objekt beziehen, Stimmungen aber nicht (z. B. „in guter Stimmung sein“ vs. „sich über das Weihnachtsgeschenk freuen“). Im Allgemeinen zählen zu Emotionen all jene Phänomene, die eine Gefühlskomponente, eine Ausdruckskomponente, eine motivationale, eine neurophysiologische und eine kognitive Komponente aufweisen (Scherer, 1990, S. 8–16). Diese weitgefasste Begriffsdefinition von Emotion impliziert, dass Menschen vielfältige Emotionen erleben können. Die Vielfalt möglicher menschlicher Emotionen kommt drastisch in einer umfangreichen Zusammenstellung von Emotionsbegriffen (Averill, 1975, zit. nach Schmidt-Atzert, 2000, S. 33) zum Ausdruck, in der insgesamt 717 Begriffe festgestellt wurden. Diese Fülle benennbarer Emotionen veranlasste die Emotionsforschung, bestimmte Dimensionen zur Einordnung der Emotionen ausfindig zu machen. Zur Reduktion der Vielfalt verschiedener Emotionen geht man von der Annahme aus, dass sich verschiedene Emotionen im Hinblick auf ihre Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit unterscheiden. 58 Methodisch wurden diese emotionalen Basisdimensionen zumeist durch Faktorenanalysen, seltener durch Clusteranalysen oder Multidimensionale Skalierungsverfahren bestimmt. 59 Diese drei Dimensionen der Emotionen werden von verschiedenen Autoren nicht immer mit diesen Begriffen benannt. So bezeichnet bspw. Wundt (1904) seine durch Introspektion ermittelten Basisdimensionen als Lust – Unlust, Erregung – Beruhigung und Spannung – Lösung. 60 Die Theorie des geplanten Handelns besagt zusammenfassend, dass Einstellungen, subjektive Normen und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle unmittelbar zur Bildung einer Verhaltensintention führen, welche wiederum unmittelbar das Verhalten determiniert. Ferner werden Wechselwirkungen zwischen Einstellungen, subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle angenommen. In aktuellen Fassungen der Theorie wird darüber hinaus ein unmittelbarer Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das Verhalten postuliert (vgl. Ajzen, 1991). 61 Der Zusammenhang zwischen Emotionen und der Verhaltensintention im organisationalen Kontext kommt in einer Untersuchung von Van Katwyk, Fox, Spector und Kelloway (2000) zum Ausdruck: Emotionserlebnisse hängen signifikant mit der Fluktuationsabsicht zusammen (r = .60), welche nach der Theorie des geplanten Handelns (Ajzen, 1991) das tatsächliche Fluktuationsverhalten der Organisationsmitglieder nachhaltig beeinflusst. Das Fluktuationsverhalten ist dabei im Zusammenhang mit der objektiven Flucht (s. Kapitel 2.3.1.2) zu interpretieren. 62 Diese These wird auch von anderen Handlungstheoretikern geteilt, wie beispielsweise Dörner und Stäudel (1990), welche die Handlungsabsicht als zentral für zielgerichtetes Handeln ansehen. 63 Ursprünglich nahm Lazarus (1966) an, dass sich das Primary appraisal lediglich auf die Dimension Aversivität beziehen würde. Diese Annahme haben Lazarus & Folkman (1984) erweitert, in dem sie das Primary appraisal auf den Dimensionen Aversivität, Herausforderung und Verlust/Schaden konzipieren. 64 Zusätzlich sind gruppendynamische Prozesse in Rechnung zu stellen, die das Ausmaß der wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit der Situation beeinflussen können. Gebert (2002, S. 171) nennt Prozesse der Homogenisierung der Sichtweisen verschiedener Personen der Arbeitseinheit und interpersonale Kommunikations- und Gruppenprozesse, die dazu führen, dass der Einzelne die Ist-Situation nicht als veränderungsbedürftig einschätzt. Dies dürfte speziell dann der Fall sein, wenn in der Arbeitseinheit ein hoher (impliziter und/oder expliziter) Konformitätsdruck (Janis, 1971) gegenüber vom Gruppenkonsens abweichenden Meinungen herrscht, den einmal ausgehandelten Konsens im Sinne der Stabilisierung des Ist-Zustandes nicht zu stören und der Ein-
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zelne bei konsens-nonkonformer Meinung mit Sanktionen zu rechnen hat. Um Sanktionen (z. B. Ablehnung) zu vermeiden und Belohnungen (z. B. Wertschätzung, Anerkennung) durch die Arbeitsgruppe zu maximieren, wird der Einzelne seine Meinung an die Majoritätsmeinung anpassen (Asch, 1956), wodurch er dann im Zuge der Gruppendynamik die von ihm ursprünglich einmal als veränderungsbedürftig eingeschätzte Situation nicht mehr als veränderungsbedürftig ansieht. 65
Zu verschiedenen Inhaltstheorien der Motivation vgl. Gebert und von Rosenstiel (2002, S. 46–57).
66 Die Motivinhalte spielen nicht nur im Rahmen des Primary appraisals, sondern auch im Rahmen des Secondary appraisals eine zentrale Rolle (Lazarus, 1966, 1993). Denn im Hinblick auf das Secondary appraisal bestimmen die Motive einer Person die Auswahl ihrer Verhaltensweisen. Hier werden die Motivinhalte jedoch als zentraler Einflussfaktor für die Veränderungsbedürftigkeit angesehen. Auf die Explikation der Motivinhalte als Einflussfaktor der Veränderungsfähigkeit (s. Kapitel 2.3.3.2) wird dagegen verzichtet. 67
Neben dem Leistungsmotiv unterscheidet McClelland (1985) das Machtmotiv und das Affiliationsmotiv.
68
Häufig wird im Zusammenhang mit der Stress-Coping-Theorie von Lazarus behauptet, dass das Secondary appraisal notwendigerweise nach dem Primary appraisal erfolgt. Dies ist jedoch ein Missverständnis, denn Lazarus spricht in keiner seiner Publikationen (1991, 1993, 1999) davon, dass das Secondary appraisal dem Primary appraisal zeitlich nachgeschaltet ist, selbst wenn die Begriffsverwendung dies möglicherweise suggerieren sollte. Vielmehr macht er unzweideutig verständlich, dass das Secondary appraisal auch vor oder gleichzeitig mit dem Primary appraisal erfolgen kann. Aufgrund der missverständnisinduzierenden Begriffsverwendung schlägt Schwarzer (1993, S. 19) vor, die Bezeichnungen von Lazarus zu ersetzen durch die Begriffe Event appraisal (Ereigniseinschätzung) und Resource appraisal (Ressourceneinschätzung). 69 Diesbezüglich unterscheidet Lazarus (1993, p. 6) heute zwischen problemzentriertem und emotionszentriertem Coping. 70 Im Zusammenhang mit den Qualitäten der Arbeitszufriedenheit (Bruggemann, 1976) können Prozesse der intrapsychischen Anpassung zu resignativer Arbeitszufriedenheit (Pseudozufriedenheit) führen (Gebert, 1980, S. 168). D. h. die Personen berichten zwar, zufrieden zu sein. Dieses Zufriedenheitsurteil resultiert jedoch aus der Senkung des Soll-Zustandes oder Anhebung des Ist-Zustandes. 71 Prozesse der Generalisierung von als unkontrollierbar erlebten Situationen hat auch Seligman (1995) im Rahmen seiner Experimente zur gelernten Hilflosigkeit demonstriert. Diese gelernte Hilflosigkeit ist häufig auch bei Organisationsmitgliedern anzutreffen, die länger einer unkontrollierbaren Situation ausgesetzt waren. Die Unkontrollierbarkeit einer Situation wird konditioniert und irrtümlicherweise auf andere Situationen generalisiert – mit entsprechenden Konsequenzen für das innovationsbezogene Verhalten. 72 Aus diesen zwei Dimensionen leitet Weiner (1972) ein Vier-Felder-Schema ab, in das vier Arten der Kausal-attribution von Erfolg und Misserfolg abgetragen sind. Nach diesem Schema sind in Bezug auf die Dimension der Kontrollierbarkeit Begabung und Anstrengung internale Ursachen, während Aufgabenschwierigkeit und Glück externe Ursachen der Handlung darstellen. Im Hinblick auf die Stabilitätsdimension stellen Begabung und Aufgabenschwierigkeit stabile Ursachen dar, Anstrengung und Glück sind dagegen variable Ursachen des Handelns. 73 Das Selbstkonzept einer Person schließt sowohl kognitiv als auch emotional ein Real-Ich („So bin ich“), ein Potenzial-Ich („So könnte ich sein“) und ein Ideal-Ich („So möchte ich sein“) ein (Higgins, 1989). Nach der Theorie des Symbolischen Interaktionismus (Mead, 1995) entwickelt sich das Selbstkonzept einer Person durch Erfahrungen in der sozialen Interaktion und manifestiert sich in einem sogenannten „I“ (Selbstbild - Was glaube ich selbst, wer ich bin?“) und einem „Me“ (vermutetes Fremdbild – Was glaube ich, was andere denken, wer ich bin.“), wobei das „Me“ dadurch geformt wird, dass man aus den verbalen und nonverbalen Verhaltensweisen (z. B. auch Gesten, Symbole) anderer Personen einem selbst gegenüber erschließt, wie diese einen sehen („Lookingglas“). 74
Die separierte Diskussion dieser Konstrukte erfolgt auch hier lediglich aus analytischen Gründen.
75
Zu Theorien der Motivation vgl. die Überblicksarbeit von Gebert und von Rosenstiel (2002, S. 43–67).
76
Eine ähnliche Rolle kommt den Emotionen in der Theorie des geplanten Handelns (Ajzen, 1991) zu, in der Emotionen als Folge von kognitiven Bewertungen u. a. im Hinblick auf die Konsequenzen potenzieller Verhaltensweisen aufgefasst werden. 374
77
Der Verhaltensweise Angriff ordnet Lazarus (1966) das emotionale Korrelat Ärger zu.
78 Innerhalb der Machtforschung entwickelten sich verschiedene Theorien, wie bspw. die Austauschtheorie (Emerson, 1962; Thibaut & Kelley, 1959), Feldtheorie (Cartwright, 1959; French & Raven, 1959; Raven, 1992), Motivationstheorie (Kipnis, 1976; McClelland, 1985), Macht-Distanz-Theorie (Mulder, 1960), Theorien der Mikropolitik (Bosetzky, 1992; Küpper & Ortmann, 1992; Porter, Allen & Angle, 1981), Bürokratietheorie (Crozier & Friedberg, 1993), Verhandlungstheorie (Abell, 1977; Bacharach & Lawler, 1981), Kontingenztheorie (Pfeffer, 1992; Pfeffer & Salancik, 1978; Hickson, Hinings, Lee, Schneck und Pennings, 1971; Mintzberg, 1983), Systemtheorie (Luhmann, 1989) u.v.a.m. 79 Der Grundgedanke der Strukturationstheorie ist, dass sich Akteure in ihrem Handeln auf gegebene Strukturen beziehen und durch den geteilten Bezug der Akteure auf Strukturen, diese erst existent werden. Dies meint Giddens (1997, S. 352 ff.) mit Dualität von Struktur im Sinne eines rekursiven Konstitutionszusammenhangs. Strukturen sind zum einen Vorraussetzung für Handeln und werden durch Handeln erzeugt. Es geht also um die (Re-) Produktion von Strukturen durch Handeln und umgekehrt. Giddens (1997, S. 77 ff.) unterscheidet drei Interaktionsdimensionen (Handlungsdimensionen): Kommunikation, Machtausübung und Sanktionierung. Darüber hinaus werden drei Strukturdimensionen differenziert: Signifikation, Herrschaft und Legitimation. 80 Allerdings hält Weber den Machtbegriff für „soziologisch amorph“ (ebenda, S. 28) und legt daher stärkeres Gewicht auf den Begriff der Herrschaft. „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“ (ebd., S. 28). Herrschaft, von Weber verstanden als institutionalisierte Machtausübung, meint demnach eine soziale Ordnung, die auf dem Glauben der Beherrschten an die Legitimität der Herrschaft beruht. Herrschaft kann somit als Sonderform der Macht angesehen werden, da im Falle von Herrschaft die unterlegenen Personen die Machtverteilung freiwillig anerkennen (Remer, 1992, Sp. 1272). Die Legitimationsgründe der Herrschaft können dreierlei Art sein, woraus Weber drei reine Typen legitimer Herrschaft ableitet. So beruht charismatische Herrschaft auf dem Glauben der Beherrschten an die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Herrschenden. Traditionelle Herrschaft legitimiert sich durch die Zustimmung zu überlieferten Vorstellungen über die Machtverteilung. Legale Herrschaft beruht auf anerkannten formalen Regeln, Normen und Verfahren sowie person-unabhängigen Ordnungen (Weber, 1980, S. 122 ff.), die bestimmten Personen das Recht geben, anderen Personen Befehle zu erteilen. Diese Unterscheidung kann als eine der ersten Machtgrundlagentypologien angesehen werden. 81 Gegenüber dieser Machtdefinition ist auf die Definition von Zelger (1975, S. 31) zu verweisen, da sie zu den komplexesten und formalisiertesten Machtdefinitionen gehört. „Die Person x (Machthaber) hat über die Person y (den Beherrschten) Macht in Bezug auf die Handlungen, Entscheidungen oder Meinungen z (Machtbereich), die y mit der Wahrscheinlichkeit p ausführt (Machtfülle), wenn x die Mittel q anwendet (Machtmittel), wobei für x die Kosten r entstehen (Machtkosten) und x s Reserven zur Verfügung hat (Machtgrundlage).“ Die wesentlichsten Charakteristika der Definition Webers sind auch hier enthalten. Jedoch fordert Zelger außerdem Angaben dazu, über welche und wie viele Personen Macht ausgeübt wird (Machtumfang), worauf sich die Machtausübung erstreckt (Machtbereich), mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zur erfolgreichen Anwendung (Machtfülle) kommt, welche Techniken (Machtmittel) und welche Machtgrundlagen dabei eingesetzt werden und wie groß der Aufwand (Machtkosten) ist, den der Machtausübende betreiben muss, um seine Ziele zu erreichen. Somit ist für Zelger (1975) jede Aussage über Macht an sieben Definitionsmerkmale gebunden. An anderer Stelle fordert er sogar Angaben zu 17 Merkmalen (Zelger, 1972, S. 53 ff.). Sofern zu einem Element seines siebenstelligen Terms keine Angabe existiert, ist die Machtbeziehung zwischen den Akteuren nicht vollständig definiert. Trotz seiner Differenziertheit berücksichtigt Zelger andere denkbare Kriterien nicht, wie z. B. die Dauer der Machtausübung. Ebenso lässt seine Definition Aussagen über das (Nicht-) Vorliegen eines Konflikts zwischen den Beteiligten vermissen (vgl. Neuberger, Conradi und Maier, 1985, S. 186 f.; Witte, 1993, S. 127 f.). Einen Überblick zu verschiedenen anderen Definitionen von Macht bietet Neuberger (1995b). 82 Deshalb ist auch die häufig verwandte Sprachwendung „Macht haben“ oder „Präsident Bush hat Macht“ im Sinne eines Dinges, was man besitzen kann, sprachlicher Nonsens. Einfluss und Macht können Akteure nicht haben, ihnen können lediglich Ressourcen (bzw. Güter oder Grundlagen) zur Einflussnahme und Machtausübung zur Verfügung stehen, die für einen anderen Akteur relevant sind. 83 Dies formuliert Friedberg (1980) prägnant: „Auf jemand anderen einwirken, bedeutet nämlich immer, mit diesem anderen in Beziehung zu treten. (...) Allein in einer solchen Beziehung kann eine Person A ihre Macht gegenüber einer Person B umsetzen“ (S. 125). 84 Mulder (1960, p. 245) diskutiert diesbezüglich die dem Individuum innewohnende Tendenz, die Machtdistanz nach oben in der Hierarchie zu reduzieren, die um so stärker ist, je geringer die Entfernung zu den machthö-
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heren Personen ist. Demgegenüber versuchen machtüberlegene Akteure die Machtdistanz nach unten zur Stabilisierung ihrer eigenen Macht zu vergrößern, und zwar um so stärker, je größer die Entfernung zu den machtunterlegenen Akteuren ist. 85 Neben den personalen Grundlagen von Einfluss und Macht werden strukturelle Grundlagen unterschieden, denn Macht ist nicht nur personal, sondern häufig auch strukturell bedingt (Crozier & Friedberg, 1993; Filius, 1985; Friedberg, 1986; Hickson et al., 1971; Hinings et al., 1974; Krüger, 1977; Mintzberg, 1983; Pfeffer, 1992; Pfeffer & Salancik, 1974, 1978; Scott-Morgan & Little, 1994). Strukturelle Betrachtungsweisen sehen die Ursache der Entstehung von Macht in organisationsstrukturellen Gegebenheiten in der arbeitsteiligen Organisation. Die Position Einzelner ermöglicht die Kontrolle von Ressourcen (Pfeffer, 1992, S. 81), welche knapp und für das Überleben der Organisation wichtig sind. So verstehen die strategischen Organisationsanalytiker Crozier und Friedberg (1993, S. 43 ff.) unter Macht die Kontrolle relevanter Unsicherheitszonen der Organisationen. Über Macht verfügt demnach, wer Unsicherheit kontrolliert, d. h. die Fähigkeit hat, eigenes Verhalten möglichst unvorhersehbar und das Verhalten anderer Personen möglichst vorhersehbar zu machen. Macht wird – in dieser Konzeption – als gegenseitige, aber unausgewogene Austauschbeziehung zwischen Akteuren definiert, die wechselseitige Erwartungen erfüllen müssen, um über Machtquellen in strukturierten Organisationsfeldern zu verfügen. Crozier und Friedberg (1993) diskutieren vier Machtquellen, die zentrale Unsicherheitszonen für die Organisation darstellen: (1) schwer ersetzbare Fähigkeiten, Spezialisierungen, Sachwissen für das Funktionieren der Organisation, (2) Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung der Beziehungen zwischen der Organisation und ihrer Umwelt bzw. Umweltsegmenten, (3) Art der intraorganisationalen Informations- und Kommunikationsflüsse, (4) Regeln, Vorschriften und Verfahren. Die Macht eines Akteurs hängt nach dieser Machtkonzeption davon ab, welche Relevanz die von ihm kontrollierte Unsicherheitszone für die Handlungsfähigkeit anderer Akteure besitzt. In den strategischen Kontingenztheorien nach Hickson et al. (1971), Hinings et al. (1974) und Pfeffer (1992) ist demgegenüber die ungleiche Machtverteilung zwischen organisatorischen Abteilungen Gegenstand der Analyse. Die Macht einzelner Abteilungen innerhalb der Gesamtorganisation leitet sich dadurch ab, für die Organisation strategisch bedeutende Probleme bzw. Situationen zu bewältigen. Dabei determiniert die Umwelt der Organisation deren interne Machtverteilung entscheidend mit (Pfeffer & Salancik, 1978). Abteilungen, die Unsicherheit über zukünftige Ereignisse maximal beseitigen bzw. sie berechenbar machen und dabei ihre Unersetzlichkeit aufrechterhalten, verfügen über Macht. Macht wird aus dieser Perspektive als Versuch verstanden, Unsicherheiten (Kontingenzen) zu bewältigen und knappe Ressourcen zu kontrollieren (Pfeffer, 1992; Pfeffer & Salancik, 1974). Pfeffer (1992) unterscheidet folgende Machtgrundlagen: (1) Kontrolle kritischer Ressourcen, (2) Umgang mit Unsicherheit, (3) Unersetzbarkeit (z. B. durch Informationsmonopolisierung), (4) Beeinflussung von Entscheidungsprozessen, (5) Herstellung von Konsens in Gruppen (z. B. durch Koalitionen oder externe Experten). Strukturelle Grundlagen von Macht und Einfluss werden allerdings von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Damit liegt der Fokus dieser Untersuchung auf den personalen Grundlagen der Führung durch Einfluss und der Führung durch Macht. 86 Eine Sonderform der Bestrafung ist Macht durch Zwang (Etzioni, 1961; Scholl, 1991). Während bei Bestrafung B’s Handlungsalternativen „nur“ eingeschränkt werden, werden sie bei Zwang durch die Anwendung physischer Zwangsmittel (Etzioni, 1961, p. 5) auf Null reduziert. Etzioni (1967, S. 100 ff.) nimmt die unterschiedliche Anwendung der Machtgrundlagen zum Ansatzpunkt seiner Klassifikation von Organisationen. Beruht die Machtausübung auf Zwang, resultiert entfremdetes Verhalten der Organisationsmitglieder. Der entsprechende Organisationstyp wird als Zwangsorganisation (z. B. Gefängnisse) bezeichnet. Wird Belohnung eingesetzt, resultiert berechnendes Verhalten der Organisationsmitglieder in der utilitaristischen Organisation (z. B. Unternehmungen). Ein weiterer Organisationstyp ist die normative Organisation (z. B. Kirchen), in der zu Grunde liegende Normen das moralische Verhalten der Mitglieder bestimmen. 87 Während Sandner (1992) an der klassischen French und Raven-Typologie vorwiegend inhaltliche Gesichtspunkte kritisiert, befassen sich Podsakoff und Schriesheim (1985) in ihrer Kritik und Reanalyse vorwiegend mit Mess- und Operationalisierungsproblemen (vgl. Kapitel 3.4.4.1). 88 Bei den sukzessiven konfirmatorischen Modelltestungen wurde jeweils eine Korrelationsmatrix als Ausgangsmatrix benutzt. Die Varianzen der latenten Variablen wurden fixiert. Alle Ladungen und Residuen wurden frei geschätzt. Da Machtgrundlagen selten einzeln, sondern in der Regel in Kombination miteinander eingesetzt werden (Sandner, 1992), wurde zur konfirmatorischen Überprüfung im Messmodell jeweils die Annahme gemacht, dass die Faktoren miteinander korreliert sind. Außerdem wurden einzelne Korrelationen der Residuen zugelassen. 89 Allerdings ist die Methodenwahl in dieser Studie zu kritisieren. Die Autoren gaben den Probanden fiktive Situationen vor und haben damit ein potenzielles Einfluss- und Machtverhalten gemessen. Fraglich bleibt, inwieweit sich Verhalten in hypothetischen Situationen mit Verhalten in Realsituationen deckt. Mit ähnlichen fiktiven Szenarien operieren Litman-Adizes, Raven und Fontane (1978) zur Untersuchung der Effekte der fünf Machtgrundlagen nach French und Raven (1959) auf die Akzeptanz der Verhaltensänderung, die Notwendigkeit
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der Überwachung, die interpersonelle affektiv- und kompetenzbasierte Sympathieeinschätzung des Führenden aus der Sicht des Geführten und die attribuierte Compliance. Die Autoren stellen differenzielle Effekte der fünf Grundlagen auf diese Variablen fest, die jedoch angesichts der Methodenwahl kritisch zu betrachten sind. 90 Neben der Diskussion der deduktiv gewonnenen Einfluss- und Machtgrundlagen, sei auf die alternative Forschungsrichtung der induktiv gewonnenen Einfluss- und Machttaktiken verwiesen. Eng verknüpft mit den Einfluss- und Machttaktiken ist der Begriff Mikropolitik (vgl. Becker & Ortmann, 1994; Bosetzky, 1992; Burns, 1961; Küpper & Ortmann, 1986, 1992; Neuberger, 1995b, 1996; Ortmann, Windeler, Becker und Schulz, 1990; Sandner, 1992), denn Mikropolitik geht oftmals einher mit dem Einsatz von Einfluss- und Machttaktiken. Der Begründer des Begriffs ‘Micropolitics’ Burns (1961, p. 257) betont, dass Organisationsmitglieder innerhalb einer Organisationen gleichzeitig in Kooperation und Konflikt miteinander stehen, woraus mikropolitische Aktivitäten aufgrund struktureller Gegebenheiten erwachsen. Interessenunterschiede sind in Organisationen somit strukturell verankert und können in Form von Mikropolitik, also „organisationaler Innenpolitik“ ausgetragen werden (Küpper & Ortmann, 1986, S. 591 ff.). Die Silbe „Mikro“ hebt politisches Handeln in Organisationen von politischem Handeln auf staatlicher Ebene ab (Ortmann, 1992, S. 21). Im Gegensatz zu Burns (1961) und Küpper und Ortmann (1986; 1990), die organisationsstrukturelle Ursachen von Mikropolitik hervorheben, sieht Bosetzky (1992) die Ursache mikropolitischer Verhaltensweisen in der machiavellistischen Persönlichkeitsstruktur einzelner Organisationsmitglieder. Machtgewinnung, Machtpotenzierung und Machtabsicherung bilden den Schwerpunkt ihres mikropolitischen Verhaltens (Bosetzky, 1992, S. 32). Diese negativ konnotierte Sichtweise von Mikropolitik, findet sich auch in der Definition von Mintzberg (1983, S. 172), in der vor allem das Illegitime als Charakteristikum von Mikropolitik herausgestellt wird: „(Mikro-) Politik bezieht sich auf Person- oder Gruppenverhalten, das informal, scheinbar auf den eigenen Bereich beschränkt, typischerweise entzweiend und vor allem im technischen Sinn illegitim ist - gedeckt weder durch formale Autorität oder akzeptierte Ideologie, noch durch nachgewiesenes Expertentum (obwohl sie all diese in Anspruch nehmen kann“ (zit. nach Neuberger, 1995b, S. 264 f.). Demgegenüber meint Neuberger (1995b, S. 261) mit Mikropolitik: „das Arsenal jener alltäglichen ‚kleinen’ (Mikro-!) Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen.“ Das Ziel der Austragung von Konflikten ist es, entsprechend den persönlichen Interessen an Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu gewinnen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen nach eigenen Vorstellungen und Vorteilen zu disponieren. Dabei geht es insbesondere um mikropolitische Techniken der Informationskontrolle (z. B. Informationen zurückhalten oder filtrieren), Kontrolle von Verfahren, Regeln und Normen (z. B. Etablierung geeigneter Bewertungskriterien), Beziehungspflege (z. B. Netzwerkbildung), Selbstdarstellung (z. B. sich mit Statussymbolen ausstatten), situativer Kontrolle (z. B. Dienst nach Vorschrift), Handlungsdruck erzeugen (z. B. Termine setzen) oder Chancen nutzen, Timing (z. B. den richtigen Zeitpunkt abwarten können) (Neuberger, 1995b, S. 269 ff.). Da Neuberger keine stringente Trennung von Einfluss und Macht vornimmt, ist für ihn jedes Verhalten als solches mikropolitischer Natur. Dies sowie Neubergers (1995b) postulierte „Allgegenwart“ von Macht und Mikropolitik erscheinen vor dem Hintergrund der in Kapitel 2.4.1.1 vorgenommenen Macht-Einfluss-Differenzierung fragwürdig. Die Gleichsetzung von Mikropolitik mit Machtausübung z. B. bei Pfeffer (1992) und Neuberger (1995a; 1995b) ist problematisch, „denn für wissenschaftliche Zwecke wäre ein eigener Begriff ‚politische Prozesse’ dann entbehrlich“ (Scholl, 1992, Sp. 1994). Mikropolitik ist dabei nicht einseitig als negativ anzusehen, denn empirisch ist belegt, dass Mikropolitik neben dysfunktionalen Effekten – wie z. B. die Abnahme der Arbeitszufriedenheit (Gandz & Murray, 1980, p. 247), die Abnahme der Kooperation, des wechselseitigen Verstehens, der Effektivität von Führung (Kacmar et al., 1999, p. 394) – auch funktionale Effekte für die Organisation haben kann –wie z. B. Beschleunigung des organisationalen Wandels durch Innovation, Erhöhung von Wachstum und der Überlebensfähigkeit der Organisation (Madison et al. 1980, p. 92). Diese Unterscheidung ist relevant, da in der vorliegenden Untersuchung Einfluss- und Machtgrundlagen als Oberkategorien von Einfluss- und Machttaktiken aufgefasst werden. Bisherige Untersuchungen stellten eine Vielzahl intraorganisationaler Einfluss- und Machttaktiken zusammen, wobei die Klassifikation der Taktiken von Autor zu Autor jeweils differiert (z. B. Blickle 1995, 1996; Blickle & Gönner, 1999; Buss, Gomes, Higgins und Lauterbach, 1987; Dosier, Case und Keys, 1988; DuBrin, 1991; Dulebohn & Ferrin, 1999; Fairholm, 1993; Falbo & Peplau, 1980; Kipnis, Schmidt und Wilkinson, 1980; Krause, 2002b; Savard & Rogers, 1992; Schilit & Locke, 1982; Schriesheim & Hinkin, 1990; Yukl & Falbe, 1990). (Überblicksartikel zum Forschungsstand im Bereich der Einfluss- und Machttaktiken bis Mitte der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts liegen von Barry und Watson (1996, pp. 280–285) sowie Neuberger (1995b, S. 107–167) vor. Die Autoren der einzelnen Studien bezeichnen je nach inhaltlicher Schwerpunktsetzung die Taktiken als Machttaktiken, Einflusstaktiken, Manipulationstaktiken oder mikropolitische Taktiken.) Von besonderer Relevanz sind die Resultate zu den Einfluss- und Machttaktiken der Arbeitsgruppe um Kipnis (Kipnis, 1990; Kipnis, Schmidt und Wilkinson, 1980; Schmidt & Kipnis, 1984) und der Arbeitsgruppe um Gary Yukl (Yukl et al., 1996; Yukl & Falbe, 1990; Yukl, Falbe und Youn, 1993; Yukl & Fu, 2000; Yukl, Kim und Chavez, 1999; Yukl & Tracey, 1992). Kipnis, Schmidt und Wilkinson (1980, p. 445) belegen empirisch acht Einfluss- und Machttaktiken: Durchsetzen, Einschmeicheln, rationales Überzeugen, Sanktionen, Aushandeln, höhere Instanzen einschalten, Blockieren und Koalitionen schmieden. In einer Studie konnten Erez, Rim und Keider (1986), die den Kipnis Fragebogen (POIS) bei Vorgesetzten und Untergebenen des mittleren Managements einsetzten, zusätzlich einen neunten Faktor identifizieren, der von den Autoren als „passives Blockie377
ren“ bzw. als Ignorieren bezeichnet wurde. Die übrigen acht Faktoren waren mit denen von Kipnis et al. (1980) identisch. Eine Folgestudie (Schmidt & Kipnis, 1984) erbrachte sechs Taktiken (Durchsetzen, Einschmeicheln, rationales Überzeugen, Aushandeln, höhere Instanzen einschalten, Koalitionen schmieden). Kipnis und Schmidt (1985) teilten die Taktiken ein in harte Taktiken (z. B. Druck machen, höhere Instanzen einschalten, Manipulation, Koalitionen bilden); weiche Taktiken (z. B. emotionale Appelle, Beraten) und rationale Taktiken (z. B. Begründen, Austausch), was sie jedoch nicht empirisch prüften. Neuere Ergebnisse zur Unterscheidung zwischen harten und weichen Taktiken liegen vor von Van Knippenberg und Steemsma (2003, pp. 56–63). Wunderer und Weibler (1992) kritisierten das Inventar von Kipnis et al. (1980) wegen dessen Überdifferenziertheit. Alternativ dazu schlugen sie ein Zwei-Faktoren-Modell intraorganisationaler Einflussstrategien vor, was sie mit Hilfe der sechs Skalen aus dem Kipnis-Inventar mit einer explorativen Faktorenanalyse prüften. Den ersten Faktor im Zwei-Faktoren-Modell bilden direktiv-machtpolitische Einflusstaktiken, wie Drohung mit Sanktionen, Einschalten höherer Instanzen und Bestimmtheit/Durchsetzung, während Begründen, Aushandeln und freundliche Techniken den zweiten Faktor, die diskursiv-kooperativen Einflusstaktiken bilden. Wunderer und Weibler (1992) postulieren Orthogonalität der beiden Faktoren und konnten anhand ihrer Daten das Zwei-FaktorenModell bestätigen. Jedoch ist kritisch anzumerken, dass die Stichprobe (69 Probanden) grenzwertig klein war. Blickle (1997) überprüfte das Zwei-Faktoren-Modell von Wunderer und Weibler (1992) mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse. Er konnte ein Drei-Faktorenmodell unter Annahme der Nicht-Orthogonalität der Faktoren nachweisen. Den ersten Faktor bildeten die Taktiken „Bestimmtheit“, „Sanktionen“ und „Einschalten höherer Instanzen“. Den zweiten Faktor bildeten die Taktiken „Freundlichkeit“ und „Aushandeln“. „Begründen“ bildete den dritten Faktor. Alle drei Faktoren korrelierten schwach untereinander (Blickle, 1997, S. 31 f.). Die Annahme von Wunderer und Weibler (1992), sämtliche Taktiken ließen sich auf zwei Grunddimensionen abbilden, kann damit nicht bestätigt werden, da sie eine zu starke Komplexitätsreduktion darstellt. Somit wurde belegt (Blickle, 1997), dass die Unterscheidung von Kipnis in harte, weiche und rationale Taktiken als grundsätzlich angemessen gelten kann. Blickle (1995) entwickelte ein Inventar zur Erfassung von vier intraorganisationalen Einflusstaktiken, was er mehrfach empirisch prüfte (Blickle, 1997). Interessante Befunde erhielt er sowohl zu personalen als auch situativen Bedingungen für den Einsatz der vier Taktiken „rationales Überzeugen“, „Einschmeicheln“, „Druck machen“ und „übergeordnete Instanzen einschalten“. Der Einsatz unterschiedlicher Taktiken hängt ab von Persönlichkeitsmerkmalen, wie dem Machtmotiv, Leistungsmotiv, Aggressionsmotiv, der Tendenz zur Konfliktvermeidung sowie verfügbaren Machtgrundlagen. Vermutete Moderatorvariablen wie der verfügbare Handlungsspielraum der Beteiligten und machiavellistische Persönlichkeitseigenschaften konnten nicht bestätigt werden (Blickle et al., 1997). Howell und Higgins (1990) nutzten eine Version des Kipnis-Inventars, um die eingesetzten Einflusstaktiken von Champions (bzw. Promotoren) und Non-Champions bei N = 56 Innovationsprozessen zu untersuchen. Es zeigte sich, dass Champions im Vergleich zu Non-Champions eine größere Vielfalt von Taktiken zur Durchsetzung ihrer aktuellen Intentionen einsetzen. Zudem waren einige Taktiken besonders geeignet, um zwischen Champions und Non-Champions zu differenzieren, nämlich Koalitionen schmieden, rationales Überzeugen, höhere Instanzen einschalten und Durchsetzen. Im deutschsprachigen Raum wurden die Befunde von Kipnis durch die Arbeitsgruppe um Gerhard Blickle geprüft: An verschiedenen Stichproben konnte Blickle im deutschsprachigen Raum vier Einfluss- und Machttaktiken durch konfirmatorische Modelltests nachweisen: rationale Einflussnahme, Einschmeicheln, Druck machen und übergeordnete Instanzen einschalten (Blickle et al., 1997; Blickle & Hepperle, 1999, S. 30). Yukl und seine Kollegen erweiterten die Typologie der Einfluss- und Machttaktiken von Kipnis und untersuchen den Einsatz, die Effekte und die Determinanten von neun Einfluss- und Machttaktiken: rationales Überzeugen, Appelle an Werte und Normen, Beratung, Einschmeicheln, persönliche Appelle an Emotionen und Loyalität, Austausch im Sinne der Reziprozität, Koalitionsbildung, Druck machen und Legitimationstaktiken durch Autorität, organisationale Traditionen oder organisationale Rollen (Yukl et al., 1993; Yukl & Falbe, 1990; Yukl & Tracey, 1992). Yukl und seine Kollegen untersuchten darüber hinaus hierarchiebezogene Unterschiede (abwärts, aufwärts, gleichrangig) bei der Wahl von Einfluss- und Machttaktiken (Yukl & Tracey, 1992; Yukl et al., 1993), die Relation zwischen dem Einsatz von Taktiken und Interaktionszielen (Yukl, Guinan und Scottolano, 1995), die Frage, in welcher Art der Einsatz von Einfluss- und Machttaktiken in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Einflussund Machtgrundlagen variiert (Yukl & Falbe, 1991), die Beziehungen zwischen Faktoren, die das Ergebnis der Einflussnahme bestimmen (Yukl et al., 1996), ob und welche Kombinationen von Einfluss- und Machttaktiken eingesetzt werden und wie effektiv diese sind (Falbe & Yukl, 1992; Yukl, et al., 1993) und kulturelle Unterschiede in der wahrgenommenen Effektivität des Einsatzes von Einfluss- und Machttaktiken, um organisationalen Wandel zu initiieren bzw. zu blockieren (Yukl, Fu und McDonald, 2003). Im Zusammenhang mit der Frage, welche Einfluss- und Machttaktiken in Organisationen am häufigsten eingesetzt werden, sind die Befunde von Krause (2002a) interessant. Durch Selbst- und Fremdbeschreibungen des Einflussverhaltens gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen nach vorangegangenem Expertenrating verschiedener Einfluss- und Machttaktiken wurde ermittelt, dass die in Organisationen am häufigsten angewandten Taktiken die Folgenden sind: durch geschicktes Argumentieren die Person B unterschwellig in eine bestimmte Richtung lenken, verdeckte Netzwerke oder Koalitionen bilden, vorgeben, den anderen selbst entscheiden zu lassen und dafür sorgen, dass das herauskommt, was A beabsichtigte und vorgeben, Vertrauen aufzubauen und bei Arbeiten Unterstützung zu gewähren. Mit geringeren Häufigkeiten werden dagegen Taktiken eingesetzt, wie „Informationen zurückhalten, 378
filtrieren, verfälschen, täuschen“, „Auswirkungen eigener Absichten verschleiern, über Chancen und Gefahren nicht rechtzeitig informieren“, „bestehende Regeln im eigenen Sinn auslegen, Mehrdeutigkeit nutzen“, „durch freundliche Atmosphäre in eine positive Stimmung versetzen“, „sich schwach und hilflos geben, das Helfersyndrom herausfordern“, „ignorieren, schweigen, freundliches Benehmen einstellen“, „sich in Verhandlungen vorbereitete Zugeständnisse abhandeln lassen“ und „vorgeben, dem anderen verschiedene Vorteile zu verschaffen“ (vgl. Krause, 2002a). Da Einfluss- und Machtgrundlagen als abstraktere Kategorien all diese Einfluss- und Machttaktiken einschließen, liegt der Analyseschwerpunkt hier auf den Grundlagen der Einflussnahme bzw. Machtausübung. Auf der theoretischen Ebene wird dabei der Annahme gefolgt, dass sich alle Einfluss- und Machttaktiken auf Grundlagen der Einflussnahme und Machtausübung zurückführen lassen (Blickle, Wittmann und Röck, 2002; Cartwright, 1959; Etzioni, 1961; French & Raven, 1959; Raven, 1992). Empirisch ist diese Annahme belegt: So zeigte Buschmeier (1995, S. 162) durch qualitative Analysen von berichteten Einfluss- und Machtfällen anhand einer Stichprobe von N = 502 Organisationsmitgliedern, dass beispielsweise durch den Einsatz der Taktik „Argumente darlegen“ die Grundlagen Information und Expertenwissen aktualisiert werden, während z. B. die Taktik „Anweisungen erteilen“ auf die Grundlage Legalität zurückführbar ist. Zur vollständigen Übersicht der Korrespondenz zwischen Einfluss- und Machttaktiken und deren Grundlagen vgl. Buschmeier (1995, S. 162). 91 Eine Verbindung zwischen Führung und der Art der hervorgerufenen Einstellungs- und/oder Verhaltensänderung der Geführten im Innovationsprozess sehen auch Manz et al. (1989). Anders als hier postulieren die Autoren allerdings drei Arten von Führung: rhetorische Führung, transaktionale Führung und partizipative Führung. Rhetorische Führung solle zu Identification führen, transaktionale Führung solle Compliance auslösen und partizipative Führung mit Internalization einhergehen. Die Begründung für die Zuordnung der Prozesse der Einstellungs- und/oder Verhaltensänderungen zu diesen Formen des Führungsverhaltens bleibt jedoch unklar. 92 Weitere intervenierende Variablen zwischen Einflusstaktiken und der resultierenden Compliance vs. NonCompliance sieht Barbuto (2000) in der Motivation des Geführten (intrinsisch, instrumentell, selbstkonzeptexternal, selbstkonzept-internal und Zielinternalisierung) und der Art der Resistance-Zone (Präferenzzone, Indifferenzzone, legitime Zone, Einflusszone, Non-Einflusszone). 93 An dieser Stelle sei erwähnt, dass bislang keine systematische empirische Untersuchung zu der Frage der Korrespondenz einzelner Promotoren im Innovationsprozess und ihren eingesetzten Einfluss- und Machtgrundlagen auf der Basis der 11-fachen Typologie der Einfluss- und Machtgrundlagen (Raven, 1992) vorliegt. Theoretische Überlegungen hierzu finden sich bei Gemünden und Walter (1995, S. 973 ff.) und Hauschildt und Chakrabarti (1988, S. 383). 94 Empirisch ist dokumentiert, dass Identifikation jeweils in positiver Beziehung steht zur Hervorbringung neuer Ideen und der Qualität der Problemlösung (Student, 1968), der Zufriedenheit (Bachman et al., 1966; Burke & Wilcox, 1971; Busch, 1980; Hinkin & Schriesheim, 1989), der Leistung (Bachman et al., 1966; Student, 1968), der Rollenklarheit (Busch, 1980; Wieland, 1969), der organisationalen Bindung (Hinkin & Schriesheim, 1989) und dem Organisationsklima (Burke & Wilcox, 1971) sowie der Effizienz (Ivancevich & Donnelly, 1970), aber jeweils eine negative Beziehung zu Rollenkonflikten (Schriesheim, Hinkin und Podsakoff, 1991) und Absentismus und Fluktuationsneigung (Busch, 1980; Ivancevich & Donnelly, 1970; Student, 1968) aufweist. Einflussbasierte Führung durch Identifikation dürfte im Zusammenhang mit der organisationalen Identifikation der geführten Führungskraft stehen. Diesbezüglich zeigten Van Knippenberg und Van Schie (2000, p. 143) an zwei Arbeitnehmerstichproben (N = 76 und N = 162) u. a. signifikante positive Beziehungen zwischen der Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrer Organisation und ihrer Arbeitsmotivation sowie ihrer arbeitsbezogenen Beteiligung. Auch die Befunde einer Meta-Analyse bestätigen die funktionalen Effekte von Identifikation: Die gemittelten und gewichteten Korrelationen aus elf Einzelstudien ergeben positive Zusammenhänge zwischen Identifikation und der Zufriedenheit mit Führung(r = .39), der Arbeitszufriedenheit (r = .11) und der Leistung (r = .10) (Carson et al., 1993, pp. 1162–1163). 95 Als Teil der transformationalen Führung wird der charismatischen Führung (Bass & Avolio, 1993, p. 67) insbesondere in der jüngeren Forschung (wieder) zunehmend Beachtung geschenkt (vgl. Avolio et al., 1999; Boerner & Krause, 2002; Geyer & Steyrer, 1998; Steyrer, 2000). 96 Als Ergebnis der transformationalen Führung ist sowohl durch Einzelstudien als auch durch MetaAnalysen hinreichend dokumentiert, dass der Leistungseinsatz (z. B. auch ‘Extra-role-behavior’) der Geführten aufgrund der beschriebenen Identifikationsprozesse sehr stark ansteigt (Fuller et al., 1996; Geyer & Steyrer, 1998; Podsakoff, MacKenzie, Moorman und Fetter, 1990; Yammarino, Sprangler und Dubinski, 1998), weshalb der transformationalen Führung leistungsbezogen häufig eine Funktionalität zugesprochen wird (Yukl, 1999). Transformationale Führung erhöht darüber hinaus die für Innovationen bedeutsame Motivation (Alban-Metcalfe & Alimo-Metcalfe, 2000) und organisationale Bindung (deVries et al., 2002; Popper, Mayseless und Castelnovo,
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2000), sie erhöht die Zufriedenheit mit der Arbeit und/oder der Art und Weise der Führung (Alban-Metcalfe & Alimo-Metcalfe, 2000; deVries et al., 1999; Fuller et al., 1996; Yammarino et al., 1998), verringert die Fluktuationswahrscheinlichkeit und reduziert Stress (Alban-Metcalfe & Alimo-Metcalfe, 2000; deVries et al., 2002) und Rollenkonflikte (deVries et al., 2002). Ebenfalls sind positive Beziehungen zwischen verschiedenen Facetten der transformationalen Führung und der Effektivität bzw. organisationalen Zielerreichung belegt (Geyer & Steyrer, 1998; Waldman, Ramirez, House und Puranam, 2001). Die positive Wirkung der transformationalen Führung auf diese zentralen abhängigen Variablen lässt sich bedürfnistheoretisch dadurch erklären, dass der transformational Führende durch die Vermittlung einer Vision dem Bedürfnis nach Sinnfindung entspricht, durch die gruppenbedingte wechselseitige Bestätigung dieser Vision die Bedürfnisse nach sozialer Identität (Tajfel, 1981) bzw. Zugehörigkeit (Maslow, 1943) stützt und durch die Verstärkung des Selbstkonzepts des Geführten (Shamir, House und Arthur, 1993) das Bedürfnis nach Selbstentfaltung (Klages, 1985) positiv beeinflusst. 97 In verschiedenen Untersuchungen sind stets positive Beziehungen belegt worden zwischen Expertenwissen und relevanten Kriteriumsvariablen, wie der Zufriedenheit (Bachman et al., 1966; Burke & Wilcox, 1971; Busch, 1980; Hinkin & Schriesheim, 1989; Schriesheim et al., 1991), Leistung (Bachman et al., 1966), Rollenklarheit (Busch, 1980; Schriesheim et al., 1991, p. 112; Wieland, 1969;), der organisationalen Bindung (Hinkin & Schriesheim, 1989; Schriesheim et al., 1991) und dem Organisationsklima (Burke & Wilcox, 1971), aber jeweils eine negative Beziehung zu Rollenkonflikten (Schriesheim et al., 1991, p. 112) sowie Absentismus und Fluktuationsneigung (Busch, 1980; Ivancevich & Donnelly, 1970; Student, 1968). Allerdings variiert die Höhe der berichteten Zusammenhänge pro abhängiger Variable zwischen den Untersuchungen erheblich. Eine MetaAnalyse (Carson et al., 1993, pp. 1162–1163) der Befunde verschiedener Einzelstudien zeigt anhand der gemittelten und gewichteten Korrelationen, dass Expertenwissen deutlich positive Beziehungen zur Zufriedenheit mit der Führung (r = .47), der Arbeitszufriedenheit (r = .21) und der Leistung aufweist (r = .28). 98 Im Zusammenhang mit der Einflussgrundlage Information sind ferner Phänomene interessant, die in der Literatur unter dem Stichwort Informationspathologien diskutiert werden. Hinweise hierzu speziell für Innovationsprozesse finden sich bei Scholl (1990). 99 Beispielsweise setzt die Koordinationsleistung des Prozesspromotors Expertenwissen und Information voraus, weshalb auch für den Prozesspromotor angenommen wird, dass Expertenwissen/Information dessen maßgeblichste Einflussgrundlagen darstellen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei explizit darauf verwiesen, dass Expertenwissen und Information selbstverständlich nicht die einzigen Einflussgrundlagen des Fachpromotors, des Prozesspromotors und des Beziehungspromotors darstellen. Vielmehr können alle Promotoren auch andere Einflussgrundlagen nutzen. Gemünden und Walter (1995) nennen beispielsweise für den Beziehungspromotor eine weitere Quelle seines Einflusses: Charisma. Demnach kann für den Beziehungspromotor neben Expertenwissen und Information auch die Einflussgrundlage Identifikation charakteristisch sein. Ferner ist davon auszugehen, dass Fachpromotor, Prozesspromotor und Beziehungspromotor neben Expertenwissen/Information auch auf die Einflussgrundlagen Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung und/oder Verzicht auf Manipulation zurückgreifen. 100 Meta-analytische Ergebnisse zu den Bedingungen und Effekten genereller Unterstützung finden sich bei Rhoades und Eisenberger (2002, pp. 704–711). 101 Ausgangspunkt für diese Unterscheidung sind die Begriffe ‘Coercion’, ‘Punishment’ und ‘Threat’. Bei den meisten Autoren schließt der Begriff Bestrafung auch die Inhalte der Drohung mit ein. Diesem Begriffsverständnis wird hier gefolgt. Demgegenüber wird hier die Auffassung vertreten, dass Bestrafung auch Zwang einschließt, denn Zwang bedeutet den Ausschluss aller Handlungsalternativen für B (Etzioni, 1961). In Innovationsprozessen ist nicht davon auszugehen, dass Zwang zum Einsatz kommt, denn die geführte Führungskraft hat immer auch die Möglichkeit anders zu handeln. Ihre Handlungsalternativen können durch den Vorgesetzten also nicht gänzlich auf Null reduziert werden. 102 Im Vergleich zu anderen Grundlagen ist die Wirkung des Einsatzes von Bestrafung/Drohung empirisch übereinstimmend negativ belegt worden: In verschiedenen Studien ließen sich stets signifikant negative Korrelationen zwischen ausgeübter Bestrafung/Drohung und der Motivation von Unterstellten und ihrer Zufriedenheit (Burke & Wilcox, 1971; Busch, 1980; Deci, 1972; Hinkin & Schriesheim, 1989; Schriesheim et al., 1991), dem gezeigten personbezogenen Einsatz für ein Projekt (Thamhain & Gemmil, 1974, p. 221), der Rollenklarheit (Busch, 1980; Wieland, 1968), der organisationalen Bindung (Hinkin & Schriesheim, 1989) und dem organisationalen Klima (Burke & Wilcox, 1971) belegen. Auch eine Meta-Analyse (Carson et al., 1993) bestätigt diese negativen Zusammenhänge: Die mittlere gewichtete Korrelation zwischen Bestrafung/Drohung und diversen Zufriedenheitsindizes beträgt zwischen r = -.17 und r = -.30. Der meta-analytisch belegte Zusammenhang zwischen Bestrafung/Drohung und der Leistung ist in Höhe von r = - .04 dagegen nur leicht negativ.
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103 Bei ‘Pay for performance’ wird die Entlohnung speziell an die individuelle Leistung der geführten Führungskraft angepasst, so dass der resultierende Lohn variabel ist. 104 Thamhain und Gemmil (1974, p. 221) fanden an einer Stichprobe von N = 22 Projektmanagern und N = 66 Projektmitarbeitern, dass materielle Belohnungen (Salary) zu verschiedenen Effektivitätsmaßen in einem negativen Zusammenhang stehen. Auch in anderen Untersuchungen wurden negative Beziehungen zwischen materieller Belohnung und den Kriterien Leistung und Zufriedenheit (Bachman et al. 1966; Busch, 1980; Thamhain & Gemmil, 1974) sowie der Rollenklarheit (Wieland, 1969) festgestellt. 105 Frey und Osterloh (1997, S. 310–312) diskutieren fünf Gründe dieses Verdrängungseffekts: (1) die verminderte Selbstbestimmung, (2) die Verletzung des impliziten Vertrages der Reziprozität, (3) die Verletzung der Fairness-Regel, (4) Reaktanz und (5) den Spillover-Effekt, d. h. dass Belohnungen in einem Bereich sich auf die Freiwilligkeit der Leistung in einem anderen Bereich auswirken. 106 Dabei ist ferner darauf hinzuweisen, dass Frey und Osterloh (1997) nicht davon ausgehen, dass intrinsische und extrinsische Motivatoren unabhängig voneinander wirken (Additions-Theorem, s. Kapitel 2.3.1.1), sondern das extrinsische und intrinsische Motivation miteinander in negativer Wechselwirkung stehen (Interaktions-Theorem). 107 Eine andere Meta-Analyse (Wiersma, 1992), in die 20 Einzelstudien eingingen, verweist allerdings darauf, dass sich die Deci-Befunde nur dann replizieren lassen, wenn man auch in der Operationalisierung der intrinsischen Motivation den Empfehlungen von Deci folgt. Darüber hinaus sind insbesondere Merkmale der Aufgabe zu berücksichtigen, welche die Effekte der extrinsischen Anreize auf die intrinsische Motivation moderieren. 108 Innerhalb der psychologischen Vertrauensforschung entwickelten sich verschiedene Theorien, die der Persönlichkeitspsychologie (Rotter, 1967), der Entwicklungspsychologie (Erickson, 1965) und der Sozialpsychologie (z. B. Deutsch, 1976; Festinger, 1957; Kelley, 1972; Zand, 1972) zuzuordnen sind. Weitreichende Anerkennung haben bis heute insbesondere sozialpsychologische Vertrauenstheorien, wie die Erwartungs-mal-WertTheorie (Deutsch, 1976), die Theorie der reziproken Verstärkung (Zand, 1972), die Attributionstheorie (Kelley, 1972), die Dissonanztheorie (Festinger, 1957) oder die Theorie des Symbolischen Interaktionsmus (Jones & George, 1998). 109 Soziologische Theorien verstehen Vertrauen entweder als das Ergebnis eines subjektiv-rationalen Kalküls (Coleman, 1991) oder richten den Fokus auf gesellschaftliche Normen und Zwänge (Parsons, 1951) oder auf allgemeine Bedingungen zwischen Menschen (Granovetter, 1985) oder zwischen Institutionen (Zucker, 1986). In dieser Disziplin fanden darüber hinaus insbesondere strukturationstheoretische Überlegungen (Giddens, 1997) und systemtheoretische Vorstellungen von Vertrauen (Luhmann, 1989) Beachtung. 110 Auch innerhalb der Betriebswirtschaftlehre kristallisierten sich verschiedene Zugänge zum Vertrauensphänomen heraus, wie die Transaktionskostentheorie (vgl. Ripperger, 1998; Williamson, 1993). Die Grundprämisse dieser Theorie besagt, dass sich hierarchische Methoden der Koordination dann gegen marktliche Koordinationsmechanismen durchsetzen, wenn die Transaktionskosten der Hierarchie (Personal- und Verwaltungskosten) unter den Kosten des Marktmechanismus liegen (Suchkosten, Informationskosten, Vertragskosten) – und umgekehrt. 111 Überblicksarbeiten zu Theorien von Vertrauen liegen vor z. B. von Albach (1980), Andaleeb (1992), Bigley & Pearce (1998); Hosmer (1995), Koller (1997), Kramer (1999), Krampen (1997), Krystek und Zumbrock (1993), Lane (1998), Neubauer (1999), Platzköster (1990), Walgenbach (2000). Für einen Überblick zu den Effekten von Vertrauen in Organisationen vgl. Dirks und Ferrin (2001). 112 Im Zusammenhang mit modernen Organisationsformen wird Vertrauen als essentiell erachtet für die Existenz von virtuellen Organisationen (Ahuja & Charley, 1999; Handy, 1995; Jarvenpaa & Leidner, 1999) und Netzwerkorganisationen (Snow, Miles und Coleman jr., 1992; Sydow, 1995). 113 Vergleicht man die meta-analytisch gewonnenen Korrelationen anhand ihres Betrages, so kann man festhalten, dass Führung durch Vertrauen die stärksten positiven Effekte hat auf die Zufriedenheit mit der Führungskraft (r = .73), die Qualität der Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Geführtem (r = .69), die Arbeitszufriedenheit (r = .51) und die organisationale Bindung (r = .49).
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114 Diese Effekte von Vertrauen sind wohl ein Grund dafür, dass häufig eine Vertrauensorganisation (Bleicher, 1986; Grunwald, 1995; Krell, 1988; Stahl, 1996; Sydow, 1996; Walgenbach, 2000) im Gegensatz zu einer Misstrauensorganisation gefordert wird. Eine Vertrauensorganisation zeichnet sich nach Bleicher (1986, S. 40 ff.) durch folgende Merkmale aus: (1) hohe soziale Verpflichtung des Unternehmens für die Mitarbeiter, (2) Entscheidungen durch Konsensbildung, (3) Organisationskultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit, durch die formale Regeln ersetzt werden, (4) Netz informaler Kommunikationsbeziehungen, (5) Produktivität durch Mitarbeit anstatt „Überkontrolle“ und (6) „Organisation ad personam“ anstatt „Organisation ad rem“. Zu kritischen Reflexionen im Hinblick auf die Realisierbarkeit der Vertrauensorganisation und ihre Grenzen vgl. die Beiträge von Gebert (1995) und Kieser (1997). Zu verweisen ist außerdem auf Gründe, warum eine Vertrauensorganisation derzeit so populär ist. Walgenbach (2000, S. 715–718) diskutiert drei Gründe: (1) Durch Vertrauen ist Kontrolle weitgehend internalisiert (Selbstdisziplinierung), so dass sich eine Fremdkontrolle (Fremddisziplinierung) erübrigt, (2) das Konzept der Vertrauensorganisation ist Ergebnis einer ungenauen Analyse und (3) die Popularität der Vertrauensorganisation ist politisch motiviert, um bestehende Machtunterschiede schönzufärben. 115 Nach Mayer, Davis und Schoorman (1995, p. 709) bestehen darüber hinaus vier weitere Probleme in der Vertrauensforschung: die Frage, ob Vertrauen eine generalisierte oder eine spezifische Interaktionsfacette ist, die unzureichende Berücksichtigung konkreter Interaktionspartner, die Unspezifität und Heterogenität der Analyseebenen und die Frage, ob Vertrauen kognitiv oder emotional bedingt ist. 116 Empirische Befunde indizieren jedoch (Diskroll, 1978; Fisher, 1980; Heberlein & Black, 1976; Scott, 1980), dass nur spezifische, nicht aber globale Vertrauenskomponenten organisationale Ergebnisse beeinflussen. Mayer et al. (1995) kritisieren außerdem an Konzeptionen, die Vertrauen als generalisiertes Konstrukt verstehen: ‘Even though such approaches help provide a general sense of the contributions involved in trust, they do not clarify the relationship between two specific individuals and the reasons why a trustor would trust a trustee. Further, the failure to clearly specify the trustor and the trustee encourages the tendency to change referents and even levels of analysis, which obfuscates the nature of the trust relationship’ (p. 711). Mit dieser Auffassung von Vertrauen als interpersonales, spezifisches Phänomen sind bereits die einige Problemfelder der bisherigen Vertrauensforschung für die vorliegende Untersuchung spezifiziert: Die Frage, ob Vertrauen eine generalisierte oder spezifische Interaktionsfacette meint, wird eindeutig zugunsten des spezifischen Vertrauens entschieden. Dadurch wird auch die Vernachlässigung konkreter Interaktionspartner, hier dadurch behoben, dass Vertrauen auf die konkrete Führer-Geführten-Dyade bezogen wird. Ferner ist die Eingrenzung auf interpersonales Vertrauen bedeutsam, wodurch das Problemfeld der unspezifischen und unterschiedlichen Analyseebenen von Vertrauen behoben wird. Bislang untersuchte man Vertrauen auf verschiedenen Analyseebenen, wie der intrapersonalen Ebene (Selbstvertrauen), der interpersonalen Ebene (Vertrauen zwischen zwei Interaktionspartnern), der intraorganisationalen Ebene (Vertrauen innerhalb der Organisation), der interorganisationalen Ebene (Vertrauen zwischen Organisationen) oder der gesellschaftlichen Ebene (Vertrauen innerhalb einer Gesellschaft). In der vorliegenden Untersuchung wird die interpersonale Analyseebene gewählt, weil innovationsbezogen die spezifische Beziehung zwischen dem Vorgesetzten und der geführten Führungskraft bedeutsam ist. 117 Kalkulierendes Vertrauen liegt vor, wenn der Vertrauensgeber aufgrund kognitiver Erwägungen ein positives Verhalten des Vertrauensnehmers erwartet (Rational-choice-Paradigma). Der Vertrauensgeber vertraut dem Vertrauensnehmer, weil der mögliche Schaden bei einem Vertrauensmissbrauch für den Vertrauensnehmer größer ist als der Nutzen (Kosten-Nutzen-Kalkül), der daraus resultiert, dass der Vertrauensnehmer das Vertrauen nicht ausnutzt (Rousseau et al., 1998, p. 399). Diese Art des Vertrauens wird von McAllister (1995, pp. 25–29) als kognitions-basiertes Vertrauen bezeichnet. McAllister (1995, pp. 25–29) differenziert lediglich zwei Arten von Vertrauen: kognitionsbasiertes Vertrauen (Cognition-based trust) und emotionsbasiertes Vertrauen (Affectbased trust), die er auch durch konfirmatorische Modelltests empirisch belegen konnte. Diese Unterscheidung von zwei Arten des Vertrauens findet sich auch in anderen Konzeptionen (z. B. Jeffries & Reed, 2000, p. 876). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass in 94% der von Dirks und Ferrin (2002, p. 619) meta-analytisch untersuchten 93 Einzelstudien zu Bedingungen und Konsequenzen der Führung durch Vertrauen kognitionsbasiertes Vertrauen gemessen wird. Kognitionsbasiertes Vertrauen gründet sich auf die Überzeugung des Vertrauensgebers, dass der Vertrauensnehmer z. B. zuverlässig, integer, ehrlich und fair ist. Dem Vertrauensgeber stehen im Falle von kognitionsbasiertem Vertrauen also „gute Gründen“ bzw. Informationen (McAllister, 1995) darüber zur Verfügung, dass der Interaktionspartner vertrauenswürdig ist. Zudem können Reputation oder Zertifikate dem Vertrauensgeber die Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmers signalisieren (Rousseau et al., 1998, p. 399). Aufgrund dieser Wissensbestände fällt der Vertrauensgeber aus rationalen Gründen eine Entscheidung zum Vertrauen. Relationales Vertrauen resultiert demgegenüber aus der Beziehung zwischen dem Vertrauensgeber und dem Vertrauensnehmer, die durch positive Emotionen gekennzeichnet ist. Bei dieser Form des Vertrauens ist die Interaktion zwischen dem Vertrauensgeber und dem Vertrauensnehmer entscheidend, so dass der Vertrauensgeber auf seine wiederholte Erfahrung vertraut, dass der Vertrauensnehmer vertrauenswürdig ist (Rousseau et al., 1998, pp. 399–400). Diese Form des Vertrauens bezeichnet McAllister (1995) als emotionsbasiertes Vertrauen. Emotionsbasiertes Vertrauen ist neben dem Erleben einer positiven Beziehung zum Interaktionspartner an
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eine funktionale Attribution des Vertrauensgebers in Bezug auf die Motive des Vertrauensnehmers gebunden. ‘People make emotional investments in trust relationships, express genuine care and concern for the welfare of partners, believe in the intrinsic virtue of such relationships, and believe that these sentiments are reciprocated’ (McAllister, 1995, p. 26). Institutionelles Vertrauen (synonym: Systemvertrauen vgl. Giddens, 1990; Luhmann, 1989; Zucker, 1986) geht über die konkrete Austauschbeziehung zwischen zwei Interaktionspartnern hinaus (vgl. ‘Disembedding’, Giddens, 1990, S. 34) und ist entweder auf der organisationalen oder auf der gesellschaftlichen Ebene verankert. Bei dieser Vertrauensart stützt sich das Vertrauen des Vertrauensgebers auf formelle oder informelle Regeln, Verträge und Absprachen, eine spezifische Rechtsordnung oder eine vertrauensbildende Organisationskultur. Andere Autoren unterscheiden demgegenüber zwischen kalkulierendem Vertrauen, wissensbasiertem Vertrauen und identifikationsbasiertem Vertrauen (Lewicki & Bunker, 1996; Shapiro, Sheppard und Cheraskin, 1992). 118 Im Hinblick auf die kontrovers diskutierte Frage in der bisherigen Vertrauensforschung, ob Vertrauen kognitiver oder emotionaler Natur ist, bleibt hervorzuheben, dass sich kalkulierendes und relationales Vertrauen nach Rousseau et al. (1998, p. 401) im zeitlichen Verlauf der Interaktion wie folgt entwickeln: Zunächst haben Akteure kalkulierendes Vertrauen (synonym: kognitionsbasiertes Vertrauen), welches im Laufe der Zeit abnimmt, während das relationale Vertrauen (synonym: emotionsbasiertes Vertrauen) im Zeitverlauf zunimmt. Institutionelles Vertrauen bleibt im zeitlichen Verlauf dagegen unverändert (Rousseau et al., 1998). Diese Sicht wird weitgehend von McAllister (1995, p. 48) geteilt, der darüber hinaus durch lineare Strukturgleichungsmodelle belegt, dass kognitionsbasiertes Vertrauen die entscheidende Voraussetzung für emotionsbasiertes Vertrauen darstellt. 119 Durch Bedingungsvariationen in experimentellen ‘Mixed-motive-games’ wird in dieser theoretischen Tradition versucht, die Qualität und Quantität kooperativen Verhaltens zu bestimmen, welches mit vertrauensvollem Verhalten gleichgesetzt wird. Am bekanntesten wurde das sogenannte Gefangenendilemma-Spiel (Prisoners-dilemma-game), bei dem das Entscheidungsverhalten von zwei Individuen untersucht wird. Ausgangspunkt bildet hierbei das Positiv- und das Nullsummenspiel. Während beim Positivsummenspiel beide Spielpartner gewinnen oder zumindest das gleiche Ergebnis davontragen, gibt es in der Nullsummenspielsituation stets einen Gewinner und einen Verlierer. Im Gefangenendilemma befinden sich nun beide Spieler in folgendem Konflikt: Die Spieler sind zwei tatverdächtige Personen, die sich in Einzelhaft befinden, weil sie eines gemeinsamen Verbrechens verdächtigt werden. Da keine Beweise zur Überführung der Tatverdächtigen vorliegen, verhandelt der Staatsanwalt einzeln mit jedem. Beide Gefangenen haben zwei Entscheidungsmöglichkeiten: Tat gestehen oder leugnen, wobei das Ergebnis immer von der Entscheidung des anderen Gefangenen abhängt. Die resultierenden vier Konsequenzen der Kombinationen beider Entscheidungen lassen sich in sogenannten Payoff-Matrizen abbilden: Sofern keiner der Gefangenen die Tat gesteht, werden beide zu einer niedrigen Strafe verurteilt. Sofern im zweiten Falle beide Gefangenen gestehen, werden sie beide zu einer hohen Strafe verurteilt. Sofern einer der Gefangenen gesteht und der andere leugnet, geht der Geständige frei aus, der andere bekommt hingegen die Höchststrafe. Ein Dilemma entsteht in derartigen Situationen, weil keiner der Spieler gewinnt, wenn beide versuchen, den höchsten Ertrag zu erzielen. Die aufgrund dieser experimentellen Situation gefundenen Ergebnisse belegen, dass für kooperatives Verhalten Beobachtungslernen, Verstärkung, die Interaktionsdauer sowie Formen der wechselseitigen Abhängigkeit relevant sind. Die Kritik (vgl. Kee & Knox, 1970; Manz, 1980; Petermann, 1996) an derartigen Überprüfungen von Vertrauen bezieht sich im Wesentlichen auf folgende zwei Aspekte: Die Übertragbarkeit der Befunde aus der künstlichen Experimentalsituation auf Entscheidungen im (Berufs-) Alltag bleibt aus mehreren Gründen zu bezweifeln: Die Gefangenendilemma-Situation impliziert lediglich Entscheidungen zwischen den zwei Alternativen: Kooperatives vs. kompetetives Verhalten. In realen Entscheidungsprozessen gibt es jedoch in der Regel eine Reihe von Entscheidungsmöglichkeiten, die nicht auf ein Für oder Wider reduzierbar sind. Die Künstlichkeit des Konflikts, den die Akteure im Gefangenendilemma lösen, führt deshalb dazu, dass bestenfalls abstrakte Konflikte gehandhabt werden, von denen die Probanden innerlich unberührt bleiben. Dieses unberührt bleiben wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass in den Experimenten triviale Belohnungen vergeben werden, die sich auf die Motivation und Bedeutungseinschätzung des Experiments durch die Probanden negativ auswirken. Ferner sind im Alltag die geltenden sozialen Normen und die Konsequenzen einer Entscheidung zu berücksichtigen, was in der experimentellen Spielsituation nicht in realistischer Weise induziert werden kann. Insofern bleibt die Validität der Vertrauensmessung aus der experimentellen Spielsituation zu bezweifeln. Aus dem Ausmaß des beobachteten kooperativen Verhaltens eines Individuums auf dessen Vertrauensbereitschaft zu schließen, ist außerdem eine unzulässige Vereinfachung. Schließlich kann die Entscheidung zu Wettbewerb mit dem Spielpartner durch ganz andere Gründe, z. B. dispositional durch eine hohe Ausprägung des Machtmotivs (McClelland, 1985) verursacht sein oder durch das Motiv, den Gewinnabstand zum Partner möglichst zu maximieren und eben nicht durch mangelndes Vertrauen. Die Mehrdeutigkeit der Interpretation der Befunde ist zudem vor allem bei solchen Experimentalsituationen erhöht, in denen eine Entscheidung in eine Folge von Entscheidungen eingebettet ist. Hier hängt die aktuelle Entscheidung sowohl von vorangegangenen als auch von nachfolgenden Entscheidungen ab. Die aktuelle Entscheidung zu
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kompetetivem Verhalten kann daher Vergeltung für nicht erwiderte eigene Kooperationsangebote oder einfach Verärgerung oder Rache ausdrücken. 120 Zur kritischen Reflexion der soziologischen Theorie des Vertrauens von Coleman vgl. Junge (1998, S. 26–63). 121 Durch die Verbindung dieser beiden Merkmale von Vertrauen gelangen Rousseau et al. (1998) zu folgender Definition von Vertrauen: ‘Trust is a psychological state comprising the intention to accept vulnerability based upon positive expectations of the intentions or behavior of another’ (p. 395). 122 Dies bringen Mayer et al. (1998) wie folgt zum Ausdruck: ‘It is unclear whether risk is an antecedent to trust, is trust or is an outcome of trust’ (p. 711). 123 Nach Burt und Knez (1996) sind für die Vermittlung von vertrauensrelevantem Wissen in Organisationen Drittparteien entscheidend, die dem Vertrauensgeber durch Klatsch und Tratsch (‘Gossip’) diffuse vertrauensrelevante Informationen über den Vertrauensnehmer zukommen lassen. Die Autoren prüfen ihre These in einer High-Technologie-Organisation und zeigen, dass Klatsch und Tratsch insofern für die Vertrauensentwicklung konstitutiv sind, als hierdurch verlässliches ‘Second-hand’-Wissen für den Vertrauensgeber erzeugt wird. 124 Vertrauen ist nach Luhmann (1989) dabei stets ungerechtfertigt, selbst wenn der Handelnde natürlich Legitimationen für sein Vertrauen suchen und so auch finden wird. 125 Diese Unterschiede beruhen nach Lane (1998, p. 4) auf den Grundannahmen, die in den verschiedenen Disziplinen und theoretischen Schulen über menschliches Verhalten und soziale Interaktion gemacht werden. Diese Annahmen beziehen sich beispielsweise auf die Frage, ob der Mensch als rationaler Egoist angesehen wird oder ob seine sozialen Interaktionen eher von Moralvorstellungen oder kulturellen Regeln geleitet werden. 126 Innerhalb der soziologischen Vertrauensforschung wird die Erwartung des Vertrauensgebers im Rahmen des Rational-choice-Paradigmas als das Ergebnis eines subjektiv-rationalen Kalküls konzipiert (Coleman, 1991) oder im Rahmen des funktionalistischen Ansatzes durch die „Überziehung von Informationen“ erklärt (Luhmann, 1989), d. h. der Übertragung und Generalisierung früherer Erfahrungen auf die Zukunft oder durch allgemeine Bedingungen zwischen Menschen (Granovetter, 1985) oder zwischen Institutionen (Zucker, 1986). 127 Im Zusammenhang mit der Entstehung von Vertrauen sehen sich Organisationen heute häufig mit der paradoxen Situation konfrontiert, dass Organisationsmitglieder, die sich bisher nicht kannten ad hoc auf einer vertrauensvollen Basis zusammenarbeiten müssen. D. h. Vertrauen muss vorhanden sein, ohne dass den Organisationsmitgliedern Zeit gegeben wird, dieses Vertrauen zu entwickeln (McKnight et al., 1998, p. 473). Dieses Vertrauen, das keine Belastungsproben zu bestehen hatte, ist temporärer Natur und anfällig, schnell zu zerbröckeln, weshalb es als „Swift trust“ bezeichnet wird (Jarvenpaa & Leidner, 1999, p. 794; Meyerson et al., 1996, p. 166). Im Rahmen der Frage, wie sich ‘Swift trust’ zwischen Organisationsmitgliedern entwickelt, ohne dass sie hierfür entsprechende Zeit haben, werden vor allem zwei Mechanismen diskutiert: Soziale Kategorisierungen und Handeln, als ob Vertrauen vorläge (Jarvenpaa & Leidner, 1999, p. 807). 128 Harvey (1983, zit. nach Fairholm, 1994, p. 139) nennt folgende Symptome, an denen man Misstrauen diagnostizieren kann: Mehrdeutigkeit, Vorsicht, Betrug, Schutz, begrenzte Nutzung der Kommunikationskanäle, Heimlichkeit, Gerüchte, Verborgenheit, feindseliger Humor und Emotionsarmut. 129 Die Frage, ob es neben der Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen Vertrauen und der Reduktion von Transaktionskosten (z. B. Ripperger, 1998) vorstellbar ist, dass die Transaktionskosten ab einem gewissen Niveau des Vertrauens wieder ansteigen, haben Zaheer et al. (1998) untersucht. Die Autoren weisen einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen dem Grad an interpersonalem und interorganisationalem Vertrauen und der Reduktion von Transaktionskosten nach (Zaheer et al., 1998, p. 155). Dies kann als empirischer Beleg für die auch von Kern (1998) angeführte Argumentation interpretiert werden, dass sich sowohl „zu wenig“ als auch „zu viel“ Vertrauen für organisationale Innovationen abträglich auswirkt. 130 Diese zehnfache Typologie der Vertrauensgrundlagen ist insbesondere vor dem Hintergrund des methodischen Vorgehens von Butler (1991, pp. 647–652) interessant. Zur Identifikation von relevanten Vertrauensgrundlagen im organisationalen Kontext führt er zunächst mit N = 84 Führungskräften halb-strukturierte Interviews durch, in denen jede Führungskraft dazu aufgefordert wurde (1) personale Merkmale von zwei spezifischen anderen Personen zu beschreiben, einer, der sie vertraut und einer, der sie misstraut, (2) kritische Ereignisse zu benennen, die für die Entwicklung von Vertrauen typisch sind und (3) kritische Ereignisse zu benennen, die für die Zerstörung von Vertrauen typisch sind. Die anschließende qualitative Inhaltsanalyse durch drei unab-
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hängige Rater führte zur Identifikation von 280 Ereignissen, die mit Vertrauen korrespondierten und 174 Ereignissen, die mit Misstrauen einhergingen. Diese Ereignisse wurden schließlich zu 10 Grundlagen des interpersonalen Vertrauens zusammengefasst, was die Basis für die nachfolgende Konstruktion des ‘Condition of Trust Inventory’ (CTI) und die quantitative Überprüfung der Unterscheidbarkeit dieser Vertrauensgrundlagen bildete. Die quantitative Analyse anhand von N = 380 Personen erbrachte durch eine konfirmatorische Faktorenanalyse neun unterscheidbare Vertrauensgrundlagen (da die Grundlagen Fairness und Loyalität auf einen Faktor zusammenfielen), die gute Konstruktvaliditäten aufweisen. Zu einer ähnlich elaborierten Klassifikation der Vertrauensgrundlagen gelangen Sheppard und Sherman (1998, pp. 427–430), wobei das Besondere dieser Klassifikation darin besteht, dass die Art der Beziehung zwischen den Interaktionspartnern berücksichtigt wird. Die Autoren unterscheiden Beziehungen im Hinblick auf die Art der Abhängigkeit, wobei Abhängigkeit zweidimensional konzipiert ist: (1) geringe vs. starke Abhängigkeit und (2) geringe vs. starke Unabhängigkeit. Für jede der über diese vier Formen beschreibbaren Beziehungsmuster seien unterschiedliche Vertrauensgrundlagen relevant. Für Beziehungen, die durch geringe Abhängigkeit gekennzeichnet sind, würde Vertrauen auf Diskretion, Zuverlässigkeit und Kompetenz beruhen. In Beziehungen, die durch starke Abhängigkeit gekennzeichnet sind, basiere Vertrauen hingegen auf Integrität, Besorgtheit und Wohlwollen. In Beziehungen mit geringer Unabhängigkeit müsse sich eine Person dagegen durch Vorhersagbarkeit und Konsistenz auszeichnen, um Vertrauen zu erzeugen. In Beziehungen, für die starke Unabhängigkeit kennzeichnend ist, seien die Grundlagen Voraussicht, Intuition und Empathie entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. Wenngleich dieses Modell eine Weiterentwicklung der Vertrauensforschung insofern darstellt, als die Beziehungsqualität als Bedingung für die Relevanz einzelner Vertrauensgrundlagen erachtet wird, bleibt dieses Modell jedoch zu kritisieren, da die Zuordnung der Vertrauensgrundlagen zu den Beziehungsformen willkürlich erscheint. Ferner steht die empirische Überprüfung dieses Modells noch aus. 131 Vielmehr sind inhaltliche Überschneidungen zwischen einzelnen Vertrauensgrundlagen typisch: Beispielsweise ist unklar, was die Grundlagen Konsistenz, Erfüllen von Versprechen und Vorhersagbarkeit voneinander unterscheidet, denn wenn ein Vorgesetzter seine Versprechen einhält und dies in konsistenter Weise tut, dann führen diese Verhaltensweisen zu Vorhersagbarkeit. Außerdem bleibt unklar, wodurch Fairness substanziell von Loyalität abgrenzbar ist. Diese mangelnde Abgrenzbarkeit spiegelt sich auch empirisch wider, denn diese beiden Grundlagen interpersonalen Vertrauens lassen sich in konfirmatorischen Modelltests nicht trennen (Butler, 1991, p. 653). Noch stärkere inhaltliche Überlappungen sind für die Vertrauensgrundlagen Offenheit und Empfänglichkeit charakteristisch, denn Offenheit zeigt sich u. a. gerade darin, anderen Personen gegenüber aufgeschlossen, also für deren Belange empfänglich zu sein. Auch die Vertrauensgrundlagen Integrität, Kongruenz und Diskretion sind nicht als disjunkt anzusehen. Mengentheoretisch ausgedrückt, kann Integrität vielmehr als Oberkategorie der Grundlagen Kongruenz und Diskretion aufgefasst werden. 132 Die von dieser Untersuchung ausgeschlossenen Grundlagen aus anderen Klassifikationen wurden nicht berücksichtigt. 133 Auch in der umgekehrten Interaktionsrichtung ist die Loyalität des Mitarbeiters gegenüber der Führungskraft ein wesentlicher Faktor interpersonalen Vertrauens. Neubauer (1991) zeigte beispielsweise, dass Vorgesetzte in Krisensituationen die Loyalität des Mitarbeiters für wesentlicher erachten als dessen Fachkompetenz. 134 Dabei ist es hilfreich, (1) wenn diese Regeln zusammen mit den Betroffenen erarbeitet werden, (2) wenn sie für jedermann transparent sind und (3) wenn die Regeln nicht nur bloße „Lippenbekenntnisse“ darstellen, sondern wenn diese Regeln auch konsequent eingehalten werden. Diese Determinanten der wahrgenommenen prozeduralen Gerechtigkeit werden insbesondere im Rahmen des Konzepts „Legitimität qua Verfahren“ (Rawls, 1992) diskutiert. 135 Sofern jedoch die Ergebnisfairness niedrig ist und gleichzeitig auch die Verfahrensfairness gering ist, führt diese Kombination zu deutlich geringerem positiven Erleben bei den Betroffenen – gemessen an der Akzeptanz von Entscheidungen und dem Vertrauen in das Management (Brockner & Siegel, 1996, p. 392). 136 Ein Double-bind (Doppelbindung innerhalb einer Nachricht) liegt vor, wenn sich verbales und nonverbales Verhalten widersprechen. 137 Je nach der Bewertung des Betroffenen hat die Reduktion von Vertrauen und die Erhöhung von Misstrauen dabei andere Konsequenzen: Erlebt jemand eine bereichs- bzw. situationsspezifische Verminderung des Vertrauens, so reagiert er mit erhöhter Kontrolle; erlebt jemand hingegen die Erhöhung von Misstrauen innerhalb einer sozialen Beziehung so reagiert er mit wachsender sozialer Distanz und einer Zunahme solcher Kommunikationsprozesse, die unpersönliche Aspekte der Beziehung betreffen (Sitkin & Roth, 1993). 138 Kramer (1994) zeigte folgende Zusammenhänge, die mit paranoidem Misstrauen parallel laufen: In Situationen unter hoher Ungewissheit und hoher sozialer Abhängigkeit neigen Individuen dazu, über die Motive und
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Intentionen der anderen Organisationsmitglieder verstärkt nachzudenken und gleichzeitig von der Richtigkeit des eigenen Urteils stärker überzeugt zu sein als in Situationen mit geringer Ungewissheit und geringer sozialer Abhängigkeit. Diese Zusammenhänge erklärt er durch Rekurs auf Heuristiken im Denken, nach denen u. a. äußere Gegebenheiten an diejenigen inneren Kognitionen angepasst werden, die am schnellsten und leichtesten aus dem Gedächtnis abrufbar sind (Verfügbarkeitsheuristik), etwa nach dem Motto: „Weil ich so viel über organisationales Misstrauen nachdenke, muss es schließlich vorhanden sein“. Ferner nehmen sich Menschen, die sich paranoid misstrauisch verhalten, häufiger als Zielperson der vermeintlich böswilligen Intentionen von anderen Personen wahr als dies tatsächlich der Fall ist, so dass ihre dysfunktionalen Attributionen (‘Sinister attribution error’) zusätzlich ihren Eindruck der Gerechtfertigtheit des paranoiden Misstrauens stützen (‘Self fulfilling prophecy’). 139 Interessant sind diesbezüglich die Befunde von Walgenbach (2001), der zeigte, dass durch Maßnahmen, mit denen intendiert war, Vertrauen aufzubauen, letztlich Misstrauen erzeugt wurde. Diese Maßnahmen bezogen sich auf die Zertifizierung von Produkten (ISO 9000), die aber als Kontrollinstrument wahrgenommen wurden und deshalb nicht Vertrauen, sondern eben Misstrauen induzierten. 140 Eine Ausnahme bildet die soziologische Konzeption von Zündorf (1986), der klar zwischen Einfluss, Macht und Vertrauen unterscheidet; der jedoch in der Luhmann’schen Tradition meint, dass der gemeinsame Nenner dieser drei Konstrukte in ihrer Substituierbarkeit besteht. Außerdem legt Zündorf Definitionen der Konstrukte Einfluss, Macht und Vertrauen zu Grunde, die mit der Konzeption in der vorliegenden Untersuchung nicht im Einklang stehen. Er begrenzt den Begriff „Macht“ auf Positionsmacht, weil er von Machtausübung nur dann spricht, wenn sie auf autoritären Weisungen beruht. Den Begriff „Einfluss“ koppelt er an argumentative Überzeugung – eine Eingrenzung, die umstritten ist, weil sie lediglich die Einflussgrundlage Expertenwissen/Information abbildet. Vertrauen definiert er in Anlehnung an Coleman (1991) als einseitiges Übertragen von Kontrolle und Ressourcen an das Gegenüber, was ebenfalls eine Vereinfachung insofern ist, als Vertrauen an Reziprozität zwischen den Akteuren gebunden ist. 141 Reed (2001, pp. 203–213) unterscheidet fünf theoretische Schulen, innerhalb derer die Beziehung zwischen Macht und Vertrauen untersucht wird: (1) die Neo-funktionalistische Theorie, (2) die Strukturationstheorie, (3) die Neue Institutionentheorie, (4) die Labour Prozess-Debatte und (5) die NeoFoucauldianische Perspektive. 142 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Das & Teng (1998) annehmen, dass die Beziehung zwischen Vertrauen und Macht bzw. Kontrolle in Abhängigkeit von der Art der Kontrolle variiert. Sie unterscheiden (2001, p. 257) zwischen Verhaltenskontrolle, Ergebniskontrolle und sozialer Kontrolle und vermuten, dass Verhaltenskontrolle und Ergebniskontrolle Vertrauen reduzieren, während soziale Kontrolle Vertrauen erhöhen soll. Diese Frage des Zusammenspiels zwischen Vertrauen und bestimmten Formen der Kontrolle wurde noch elaborierter von Maguire, Phillips & Hardy (2001, p. 303) in einem Modell konkretisiert, welches postuliert, dass unterschiedliche Formen des Vertrauens mit unterschiedlichen Formen der Kontrolle zusammenhängen: Diesem Modell zufolge hängt kalkulierendes Vertrauen eng mit Bestrafung zusammen, während identifikationsbasiertes Vertrauen eng mit normativer Kontrolle (vgl. Etzioni, 1961) korrespondiert. Lediglich wissensbasiertes Vertrauen ginge mit keiner Form der Kontrolle einher. 143 Auf die Untersuchung der Wirkung einzelner Grundlagen der Führung durch Vertrauen und Misstrauen wird dagegen verzichtet (s. dazu Kapitel 3.4.4.2). 144 Der Betrachtungsschwerpunkt liegt im Zusammenhang mit dem „organisatorischen Dilemma“ nicht wie hier auf der Führung im engeren Sinne, sondern auf der Gestaltung der Organisationsstrukturen. 145 Dies solle sich in höheren Zentralisierungs-, Formalisierungs- und Standardisierungsgraden während der Implementierung ausdrücken. 146 Der Wechsel im Organisationsgrad wurde über 16 Gestaltungsvariablen operationalisiert (vgl. Albers & Eggers, 1991), wie z. B. dem zunehmenden Einfluss und der zunehmenden zeitlichen Inanspruchnahme der Geschäftsleitung bei Entscheidungen, der zunehmenden Regel- und Methodenorientierung durch die Anwendung standardisierter Verfahren und den immer kürzer werdenden Abstände zwischen den Projekttreffen, der zunehmenden Involviertheit verschiedener Funktionsbereiche und unterschiedlicher hierarchischer Ebenen und der abnehmende spontanen Kommunikation. 147 Windeler (1992) zufolge erklärt sich die negative Wirkung von Macht im Innovationsprozess allerdings durch die mikropolitische Nutzung struktureller Machtpotenziale.
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148 Allerdings haben die Autoren der genannten Studie (Axtell et al., 2000) die Gewährung von Freiheitsgraden und Autonomie nicht wie hier als Kombination von delegativen und partizipativen Elementen operationalisiert, sondern ausschließlich durch ‘Participation’ gemessen. 149 Dabei ist zu bedenken, dass der Anteil der Umsetzung bereits generierter Ideen bei hohem ‘Support’ höher als bei geringem ‘Support’ (Axtell et al., 2000) ist. 150 In dieser Untersuchung wurden zudem indirekte Effekte der Machtausübung und Einflussnahme berücksichtigt, die als Informationspathologien (z. B. Nichtweitergabe von relevanten Informationen, politikbasierte Kommunikationsdefizite) bezeichnet werden. Machtausübung führt zur Zunahme an Informationspathologien, die ihrerseits den Innovationserfolg reduzieren. Einflussnahme führt hingegen zur Abnahme von Innovationspathologien, wodurch der Innovationserfolg erhöht wird (vgl. Scholl, 1999). 151 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung dieser situativen Merkmale in Abbildung 22 verzichtet. 152 In dieser Klassifikation nach Bortz und Döring (1995) werden ex post facto Untersuchungen, korrelative Untersuchungen und vorexperimentelle Untersuchungen den Quasiexperimenten zugerechnet. Im Unterschied dazu klassifiziert Sarris (1992) sozialwissenschaftliche Untersuchungsdesigns in strenges Experiment, QuasiExperiment, ex post facto Untersuchung, korrelative Untersuchung und vorexperimentelle Untersuchung. Ferner können in der sozialwissenschaftlichen Forschung unterschiedliche Forschungsformen unterschieden werden, wie z. B. Aktionsforschung, Einzelfallstudien, Panel-Untersuchungen, Meta-Analysen, Längs- und Querschnittsuntersuchungen, Simulationen. 153 Externe Validität liegt vor, wenn die an einer Stichprobe ausgewiesenen Befunde auf andere Personen, Situationen oder Zeitpunkte generalisierbar sind. Interne Validität liegt vor, wenn die Variation in der abhängigen Variable(n) tatsächlich durch das Treatment verursacht wurde (Bortz & Döring, 1995, S. 53). Die interne Validität der Ergebnisse kann jedoch durch verschiedene Störfaktoren (z. B. Zeiteinflüsse, Auswahlverzerrungen, Mess-effekte etc.) gefährdet werden. 154 Störfaktoren (vgl. Campbell & Stanley, 1963) können durch eine Reihe methodischer Kontrolltechniken, wie z. B. Randomisierung, Parallelisierung, Elimination, Konstanthaltung oder statistisch mit Hilfe von Kovarianz-analysen minimiert werden. In der Artefaktforschung wurde gezeigt, dass auch Experimente keine Garantie für intern valide Ergebnisse bieten, da manche Störvariablen (z. B. Versuchsleitereffekte) gerade durch die experimentelle Situation induziert werden. 155 Der Interviewerbias besteht darin, dass persönliche Merkmale des Befragenden wie äußere Erscheinung, Alter, Status, Auftretensweise, Persönlichkeitsmerkmale sowie die Art seiner Gesprächsführung den Befragten in seinem Antwortverhalten beeinflussen (Fowler & Mangione, 1990), weil der Befragte aufgrund sozialer Vergleichs-prozesse (Festinger, 1954) Ähnlichkeits- und Distanzgrade zwischen sich und dem Befragenden festlegt, was Konsequenzen hat für die Ehrlichkeit, Anzahl, Genauigkeit und Länge seines Antwortverhaltens. 156 Es besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, die Inhalte von Interviews statistisch auszuwerten, z. B. durch die quantitativ orientierte Inhaltsanalyse nach Mayring (1995). Jedoch ist diese Möglichkeit u. a. daran gebunden, dass das Interviewmaterial durch unabhängige Rater codiert wird, d. h. also solchen Personen, welche die Hypothesen nicht kennen. 157 Die Relativität zeitlicher Aussagen zeigt sich z. B. auch in der heutigen Kritik des Bestsellers von Peters und Waterman (1982). In dem Band „In Search of Excellence“ werden Erfolgsfaktoren amerikanischer Spitzenunternehmen generiert. Heute, ca. 20 Jahre nach dem Erscheinen der Monographie, haben viele jener Unternehmen jedoch erhebliche Schwierigkeiten. 158 Um derlei Antworttendenzen zu reduzieren, könnte die Art des Führungsverhaltens schließlich durch fortlaufende oder stichprobenartige Beobachtung der Führungskraft A durch Dritte erfolgen (Neuberger, 2002, S. 453). Auch diese Methode hat jedoch Schwächen, denn „die beobachtende Person, die der Führungskraft wie ein „Schatten“ folgt, [kann] störend wirken oder künstliches Verhalten provozieren und als Uneingeweihte oft Bedeutung und Zusammenhang der Ereignisse nicht zutreffend einschätzen, so dass ihre Eintragungen verzerrt sind“ (Neuberger, 2002, S. 453). Insofern beeinträchtigt eine auf Verhaltensbeobachtung basierende Messung des Führungsverhaltens die Validität der Ergebnisse. 159 Legt man für die Messung des Führungsverhaltens die Sicht der geführten Führungskräfte zu Grunde, so erfordert diese Messperspektive eine theoriegeleitete Entscheidung über die Analyseebene (Gebert, 2002a, S. 52; Schriesheim, Castro und Cogliser, 1999, p. 78; Yukl, 1999, p. 38), auf der man die Beziehungen zwischen den
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unabhängigen Variablen des Führungsverhaltens und den abhängigen innovationsbezogenen Variablen untersuchen will. Da sich im Rahmen dieser Problematik bislang keine allgemein anerkannte Lehrmeinung etabliert hat, sollen methodische Probleme, die mit der Festlegung der Analyseebene zusammenhängen, nachfolgend diskutiert werden. Yammarino (1996, pp. 192–197) unterscheidet drei mögliche Analyseebenen: die Gruppenebene, die dyadische Ebene und die Kombination verschiedener Ebenen. Die Mehrzahl empirischer Studien benutzt zur Analyse der Beziehungen zwischen dem Führungsverhalten und verschiedenen abhängigen Variablen aggregierte Daten in Form von Gruppenscores. Die einzelnen individuellen Beschreibungen des Führungsverhaltens (Individualscores) aller Unterstellten pro Führungskraft werden dabei addiert und anschließend durch die Anzahl der Unterstellten dividiert. Der so ermittelte Gruppenscore wird dann mit verschiedenen abhängigen Variablen korreliert. Diese Analyse auf der Gruppenebene dominierte bislang in der empirischen Führungsforschung (Neuberger, 2002, S. 420 ff.). Ein solcher Forschungsansatz geht von der Annahme aus, dass die Intergruppenvarianz – also die Unterschiede im Führungsverhalten zwischen den Gruppen – deutlich größer ist als die Intragruppenvarianz – also die Unterschiede im Führungsverhalten innerhalb einer Gruppe (Nachreiner, 1978). Wie eine quasiexperimentelle Studie zeigt (Blickle et al., 1997, S. 51), kann diese Prämisse gelegentlich zutreffen: In einer Gruppe beschrieben 30 Mitarbeiter eines medizinischen Labors das Führungsverhalten des Laborinhabers. In der Vergleichsgruppe beschrieben 30 weitere Personen, die alle jeweils einen anderen unmittelbaren Vorgesetzten hatten, dessen Führungsverhalten. Eine Varianz-Analyse zeigte, dass die Varianz der Fremdbeschreibungen der ersten Gruppe deutlich kleiner war als die Varianz der Fremdbeschreibungen des Führungsverhaltens verschiedener Führungskräfte. Andere Re- und Sekundäranalysen (Allerbeck, 1977; Nachreiner, 1978) falsifizierten jedoch die obige Annahme: Die Varianz des Führungsverhaltens innerhalb einer Gruppe kann erheblich größer sein, als die Varianz des Führungsverhaltens zwischen verschiedenen Gruppen. Ein Grund für die geringe Übereinstimmung der Beschreibungen des Führungsverhaltens zwischen verschiedenen Mitarbeitern derselben Führungskraft ist auf unterschiedliches Verhalten der Führungskraft gegenüber den verschiedenen Mitarbeitern derselben Gruppe zurückzuführen (Schriesheim et al., 1999, S. 78). Denn die Art, wie die Führungskraft verschiedene Mitarbeiter derselben Arbeitsgruppe führt, ist von der Beziehungsqualität zwischen der Führungskraft und dem jeweiligen Mitarbeiter abhängig (Yammarino, 1996, p. 194), die sich in der Regel– über verschiedene Mitarbeiter derselben Arbeitsgruppe betrachtet – unterschiedlich gestaltet. Es ist unmittelbar plausibel, dass eine Führungskraft den Mitarbeiter X, zu dem sie die Beziehung als angenehm erlebt, anders führt als den Mitarbeiter Y desselben Teams, zu dem sie die Beziehung als aversiv erlebt. Die Mitarbeiter X und Y werden demzufolge das Führungsverhalten ihres Chefs auch unterschiedlich beschreiben. Folgt man dieser Argumentation, so weist die Analyse auf der Gruppenebene jedoch mehrere forschungsmethodische Probleme auf: Durch die Mittelwertsbildung werden die untersuchungsrelevanten Einzelbeziehungen in der FührenderGeführten-Dyade geradewegs ausgeblendet. Da durch die Mittelwertsbildung die tatsächlich bestehende interindividuelle systematische Varianz im Führungsverhalten fälschlicherweise als Fehlervarianz interpretiert wird (Schettgen, 1991, S. 59), sinkt die Validität der Messung. Die ausgewiesenen Korrelationen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen auf der Basis der Gruppenmittelwerte werden demnach häufig überschätzt, weil die Intragruppenvarianzen durch die Aggregation verschwinden. Die auf der Gruppenebene ermittelten Befunde zwischen der Variable „Führung“ und den abhängigen Variablen sind darüber hinaus mehrdeutig, da sich die Aussagen z. B. über die abhängige Variable „Arbeitszufriedenheit“ stets auf die gemittelte individuelle Arbeitszufriedenheit beziehen. In Bezug auf die Führung durch Einfluss und Macht kritisieren Podsakoff und Schriesheim (1985, p. 403) außerdem: ‘in general, no attempts have been made in these studies to determine the independent contribution of each power base on subordinate criterion variables’. Angesichts dieser methodischen Grenzen der Analyse des Führungsverhaltens auf der Gruppenebene erscheint es für diese Untersuchung angemessener, das dyadenspezifische Führungsverhalten aus der Sicht der jeweils unterstellten Führungskraft beschreiben zu lassen. Damit werden die Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen des Führungsverhaltens und den abhängigen Variablen in dieser Untersuchung auf der individuellen Ebene analysiert. Die Entscheidung für die individuelle Analyseebene hat den Vorteil, dass sich die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht auf generelle, situationsunabhängige Aussagen über „die Führung“ beziehen, sondern auf die dyadenspezifische Führung durch Einfluss und Macht und Vertrauen und Misstrauen, wie sie individuell von der geführten Führungskraft wahrgenommen wird. Prinzipiell würde die Kombination verschiedener Analyseebenen miteinander eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung des Führungsverhaltens darstellen (Yammarino, 1996, p. 196). Der Grundgedanke dieser sogenannten Mehrebenenansätze – wie der Hierarchischen Linearen Modellierung (HLM) – besteht darin, dass man die Daten zwar auf der individuellen Ebene erhebt, anschließend aber sowohl auf der individuellen als auch auf einer höheren Abstraktionsebene (z. B. Gruppe, Bereich, Organisation, Branche, Land) auswertet. Durch dieses Vorgehen lassen sich die Effekte den unabhängigen Variablen des Führungsverhaltens auf die abhängigen Variablen nicht nur auf der Individualebene sondern gleichzeitig auf der Gruppen-, Organisations-, Branchen- oder Landesebene ausweisen. Eine Voraussetzung für die Anwendung der HLM ist dabei, dass die abhängigen Variablen auf dem niedrigsten Abstraktionsniveau und die unabhängigen Variablen auf dem gleichen oder höheren Abstraktionsniveau gemessen worden sind (Bliese, Halverson und Schriesheim, 2002; Klein & Kozlowski, 2000). Obwohl die Mehrebenenansätze einige Plausibilität beanspruchen können, werden diese Verfahren in der Personal- und Organisationsforschung bislang sehr selten eingesetzt. Auch in dieser Arbeit wird die Mehr-ebenenanalyse nicht gewählt. Grundlage dieser Entscheidung bilden 388
folgende Argumente: Als Datenaggregationsniveau würde sich in dieser Untersuchung lediglich die Branche der Befragten anbieten. Es war aber nicht intendiert, individuelle Effekte mit Brancheneffekten zu vergleichen. Durch die Aggregation der Daten auf eine dyadenübergreifende Ebene würde die Intragruppenvarianz im Führungsverhalten systematisch verschleiert. Da aufgrund des variierenden Führungsverhaltens pro Mitarbeiter gerade die Dyadenspezifität untersuchungsrelevant war, wurde die individuelle Analyseebene gewählt. 160 Neben der klassischen Testtheorie wird häufig den probabilistischen Testtheorien gefolgt. Gemeinsam ist allen probabilistischen Testtheorien (z. B. Rasch-Skalierung, Guttman-Skalierung), dass unter Berücksichtigung der Itemschwierigkeit jeweils der wahrscheinlichste Fähigkeitswert einer Person ermittelt wird, der das Antwortverhalten hervorgerufen hat (vgl. Bortz & Döring, 1995, S. 191 ff.). 161 Neben diesen Methoden der Reliabilitätsbestimmung unterscheidet man die Retest-Reliabilität, bei der nach einer gewissen Zeit nochmals eine Messung vorgenommen wird und anschließend die Messwerte des Zeitpunkts 1 und 2 korreliert werden. Das Hauptproblem besteht hier neben dem großen Aufwand der zweifachen Messung darin, dass die Retest-Reliabilität von Lern- und Erinnerungseffekten sowie Merkmalsfluktuationen beeinflusst wird. Bei einer anderen Methode – der Paralleltest-Reliabilität – werden zwei Parallelformen des Fragebogen einer Stichprobe dargeboten und die Korrelation dieser parallelen Messungen dann als Schätzer der Reliabilität verwendet (Lienert & Raatz, 1998, S. 180 ff.). In der Praxis besteht die Hauptschwierigkeit allerdings darin, parallele Tests zu konstruieren. 162 Üblicherweise unterscheidet man Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität (konvergente und diskriminante Validität) und Kriteriumsvalidität (prädiktive und konkurrente Validität) (Bortz & Döring, 1995, S. 185). 163 Eine ähnliche dimensionale Struktur der Konfliktarten wie in der vorliegenden Untersuchung fand Grüne (1999, S. 220 ff.). Sie hat auf der theoretischen Ebene zwischen Bewertungs-, Verteilungs-, Kommunikationsund Rollenkonflikten unterschieden. Durch eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation konnte sie drei Faktoren extrahieren, wobei Verteilungskonflikte den ersten Faktor bildeten, der zweite Faktor durch Bewertungskonflikte repräsentiert war und der dritte Faktor durch Rollenkonflikte. Die Kategorie „Kommunikationskonflikte“ ließ sich empirisch nicht eindeutig zuordnen, da diese Items sowohl auf dem ersten als auch auf dem zweiten Faktor Ladungen auswiesen. 164 Hier wie im nachfolgenden Text und in den Tabellen wird jeweils die Varianzerklärung der Faktoren angegeben, die vor der Faktorrotation errechnet wurde. 165 Besondere Aufmerksamkeit wurde dem POIS (Profiles of Organizational Influences der Arbeitsgruppe um Kipnis) und dem IBQ (Influence Behavior Questionnaire der Arbeitsgruppe um Yukl) geschenkt. Eine ausführliche Kritik des POIS und des IBQ hinsichtlich der Testgütekritierien findet sich bei Engelhart (1994a, S. 8– 21) und (1994b, S. 160–178). Die Dimensionalität des POIS wurde außerdem von Blickle (1997) sowie Littlepage, Van Hein, Cohen und Janiec (1993) konfirmatorisch und von Wunderer und Weibler (1992) explorativ geprüft. 166 Eine ausführliche Zusammenfassung und detaillierte Kritik von 18 Feldstudien aus den 60iger und 70iger Jahren, deren Operationalisierungen auf der French & Raven-Typologie (1959) basieren, geben Podsakoff und Schriesheim (1985, p. 394), weshalb diese Studien hier nicht wiederholt werden sollen. 167 Traditionell wird Vertrauen auf dreierlei Weise gemessen, zum einen wie hier per Fragebogen, zum zweiten durch Experimente (z. B. Axelrod, 1980; Deutsch, 1962) und zum dritten per Interview (z. B. Gabarro, 1978). 168
Einen Überblick zu Vertrauensskalen in diesen Kontexten findet sich bei Petermann (1985).
169
Zu analogen Befunden kam Neuberger (1976) im Bereich der Arbeitszufriedenheitsmessung mit dem Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB): Bei dem Versuch unterschiedliche Facetten der Arbeitszufriedenheit eines Mitarbeiters (z. B. Geld, Vorgesetzter, Arbeitsinhalt) aus dem Datenmaterial zu extrahieren, zeigte sich lediglich ein Faktor mit einem entsprechenden Eigenwert > 1, der mehr als die Hälfte der Gesamtvarianz der Arbeitszufriedenheit erklärt und deshalb als Generalfaktor der Arbeitszufriedenheit angesehen wird. 170 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das diskutierte Problem der Selbstselektion der Befragten jedoch wegen genereller Restriktionen des Feldzugangs kein Spezifikum dieser Untersuchung darstellt.
389
171 Bei den konfirmatorischen Modelltestungen wurde jeweils eine Korrelationsmatrix als Ausgangsmatrix benutzt. Die Varianzen der latenten Variablen wurden fixiert. Alle Ladungen und Residuen wurden frei geschätzt. 172 Wie bereits erwähnt, wurde auf die Messung der Komplexität von Verfahrensinnovationen verzichtet, da dieses Attribut bereits in der Unsicherheit der Verfahrensinnovation indirekt abgebildet ist. 173 Einen Ansatz zur Systematisierung von Verfahrensinnovationen nimmt Keller (1997, S. 26–29) vor. Er versucht vier übergeordnete Kriterien zur Systematisierung heranzuziehen: Art der Systemveränderung, Umfang der Systemveränderung, Zeit und Innovationszweck. Allerdings wird dieser Vorschlag hier als nicht hinreichend zur Klassifikation verschiedener Arten von Verfahrensinnovationen angesehen. 174 Signifikant unterscheidet sich lediglich die Kategorie „sonstige Verfahrensinnovationen“ von den Kategorien software- und netzbezogene, marketingbezogene und controllingbezogene Verfahrensinnovationen. 175 (Aufgrund fehlender Werte in den Variablen betragen die Nennerfreiheitsgrade in der ANOVA für Beurteilungs-/Bewertungskonflikte FG = 392 und Verteilungskonflikte df = 368. Da es sich um 5 Gruppen plus 1 Gruppe (sonstige Verfahrensinnovationen) handelt, betragen die Zählerfreiheitsgrade jeweils df =5.) 176 Die Frage, welche Art der Interaktion vorliegt, ist entscheidend für die Interpretation der signifikanten Haupteffekte: Nur im Falle ordinaler Interaktionseffekte sind die signifikanten Haupteffekte global interpretierbar, während sie bei disordinalen und hybriden Interaktionseffekten nicht global interpretiert werden können (Bortz & Döring, 1995, S. 499 f.). 177 Zur Überprüfung des Fits der Regressionsmodelle im Vergleich zueinander ist die Dillon-Formel hier nicht angemessen, da sie nur für solche Fragestellungen geeignet ist, in denen gezeigt werden soll, dass bei gleichen Prädiktoren in zwei Regressionsmodellen die Hinzunahme eines weiteres Prädiktors bzw. mehrerer weiterer Prädiktoren die Modellgüte bedeutsam verbessert. 178 Vereinfacht gesagt, drückt das AIC die logarithmierte Residuenquadratsumme im Verhältnis zum Stichprobenumfang aus, wobei die Anzahl der Modellparameter und die Konstante berücksichtigt werden. 179 Abweichungen im Stichprobenumfang in den berichteten Korrelationen entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. 180 Abweichungen im Stichprobenumfang in den berichteten Korrelationen entstanden durch fehlende Werte in den Variablen. 181 Aufgrund fehlender Werte in den Variablen betragen die Nennerfreiheitsgrade in dieser Varianzanalyse FG = 378. 182
Dabei handelt es sich um eine ordinale Interaktion.
183 Selbstverständlich wurde die Beziehung zwischen allen vier Führungsqualitäten – also Einfluss, Macht, Vertrauen und Misstrauen untersucht (s. Kapitel 2.4.3 und 4.3). Da die Relationen zwischen Macht und Vertrauen sowie Vertrauen und Misstrauen aber besonders interessant sind, soll an dieser Stelle lediglich auf diese Beziehungen Bezug genommen werden.
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Technische Universität Berlin, Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen & Führungslehre
TU Berlin Wil-B-2-3 Wilmersdorferstr. 148 D-10585 Berlin
FAKULTÄT VIII WIRTSCHAFT UND MANAGEMENT Institut für Betriebswirtschaftslehre Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen, Führungslehre
Dipl.-Psych. Diana E. Krause Tel. 030/314 22 574 Fax. 030/314 21 787
Berliner Inventar zur Führung in Innovationsprozessen (BIFI)
-Verfahrensinnovationen-
Dipl.- Psych. Diana E. Krause
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Technische Universität Berlin, Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen & Führungslehre
Sehr geehrte Führungskraft, sehr geehrter Projektleiter, vielen Dank für Ihr Interesse an der Untersuchung „Führung in Innovationsprozessen“ des Lehrstuhls für Organisation, Personalwesen & Führungslehre der Technischen Universität zu Berlin. Ziel der Untersuchung:
In dieser Studie wird untersucht, welche Art und Weise der Führung für Verfahrensinnovationen förderlich bzw. hinderlich ist. Dabei interessiert uns, wie Sie als Führungskraft in innovativen Prozessen geführt worden sind. Denn gerade das mittlere und höhere Management ist für Verfahrensinnovationen von entscheidender Bedeutung.
Unser Anliegen an Sie:
Hierfür sind wir auf Ihre Erfahrungen in Innovationsprozessen angewiesen. Deshalb möchten wir Sie bitten, uns zu dem Prozess einer von Ihnen persönlich erlebten Verfahrensinnovation in Ihrer Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.) einige Fragen zu beantworten. Nur durch Ihre Mitarbeit an diesem Projekt können wir eine repräsentative Stichprobe gewinnen, auf deren Basis wir gesicherte Schlüsse ziehen können.
Wichtig:
Was verstehen wir unter einer Verfahrensinnovation?
In dieser Studie stehen Verfahrensinnovation im Vordergrund, wie z. B. x x x x x
die Einführung neuer Software, Nutzung neuer Netzdienste (z. B. E-Commerce, Intranet, Internet, Multimedia-Anwendungen), neues Verfahren zur Personalauswahl, neues Personalbeurteilungssystem, neue Arbeitszeitregelung oder neues Entlohnungssystem, neue Kennzahlen im Rahmen des Controlling, neue Marketingstrategie, neue Prämienkalkulation bei Versicherungsunternehmen.
Von einer Verfahrensinnovation wird immer dann gesprochen, wenn der Prozess der Leistungserstellung erneuert wird. Deshalb ist umgangssprachlich auch der Begriff Prozessinnovation gebräuchlich. Verfahrensinnovationen beziehen sich auf die unternehmensinterne Entwicklung und Implementierung neuer Verfahren. Es kommt uns nicht darauf an, ob bereits eine andere Abteilung, eine andere Projektgruppe oder ein anderes Unternehmen diese Verfahrensinnovation nutzt. Wesentlich ist nur, ob das Verfahren für Ihre Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.) neu war.
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Technische Universität Berlin, Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen & Führungslehre
Denken Sie bitte bei der Beantwortung der Fragen an eine nicht allzu lang zurückliegende Verfahrensinnovation in Ihrer Arbeitseinheit, die Sie oder auch eine andere Person initiierte. Die Verfahrensinnovation, an die Sie sich erinnern, kann im Ergebnis ein Erfolg oder ein Misserfolg gewesen sein. Aufbau des Fragebogens:
Im ersten Teil des Fragebogens geht es um Fragen zur näheren Kennzeichnung der Verfahrensinnovation. Im zweiten Fragebogenteil möchten wir wissen, wie Sie als Führungskraft während des Innovationsprozesses geführt wurden und im dritten Teil geht es um Ihre Reaktionen auf diese Art der Führung. Abschließend folgen noch einige Fragen zu Ihrer Person.
Vertraulichkeit:
Ihre Angaben werden strikt vertraulich behandelt, anonym und nur unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgewertet. Die Ergebnisse werden in einer Weise veröffentlicht, die keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen oder Unternehmen zulassen. Für die Auswertung der Fragebögen gemäß den aktuellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen verbürgen wir uns.
Gegenleistung für Ihre Als Gegenleistung für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Studie Teilnahme: teilen wir Ihnen gerne die Ergebnisse der Untersuchung in aggregierter und anonymisierter Form mit. Sofern Sie Interesse an diesen Ergebnissen haben, schicken Sie uns bitte eine Postkarte oder rufen Sie uns an. Rückfragen & Kontakt:
Wir haben uns bemüht, die Fragen klar und deutlich zu formulieren. Falls dennoch Unklarheiten bestehen sollten, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte senden Sie (sofern keine anderen Absprachen bestehen) den ausgefüllten Fragebogen im beiliegenden Rückumschlag an uns zurück.
Wichtig:
Hinweise zur Beantwortung des Fragebogens:
Für die Auswertung des Fragebogens ist es entscheidend, dass Sie bei der Beantwortung der Fragen immer an dieselbe Verfahrensinnovation denken. Bitte überlegen Sie daher jetzt, auf welche Verfahrensinnovation Sie alle folgenden Fragen beziehen wollen. Kennzeichnen Sie bitte in den folgenden Aussagen durch Ankreuzen das Feld, das dem Grad Ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu der jeweiligen Frage am ehesten entspricht (s. Bsp.): 1
2
3
4
5
6
7
Gelegentliche Wiederholungen von Fragen sind aus methodischen Gründen so beabsichtigt.
Bitte beantworten Sie jede Frage!
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Technische Universität Berlin, Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen & Führungslehre
Bitte erinnern Sie sich jetzt genauer an eine näher zurückliegende Verfahrensinnovation in Ihrer Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.), und beantworten Sie dazu die folgenden Fragen. 1. Um welche Verfahrensinnovation handelte es sich? Was wurde geändert?------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------2. Wer hat diese Neuerung überwiegend angeregt? ich selbst mein/e Chef(in)1 andere Unternehmensangehörige
Externe
3. Diese Verfahrensinnovation betraf nur: meine Arbeitseinheit
auch andere Abteilungen
das gesamte Unternehmen
Bitte schätzen Sie die Verfahrensinnovation anhand der folgenden Aussagen ein. stimmt
gar nicht 1
A – Merkmale der Verfahrensinnovation 1. 2. 3.
3
4
5
6
stimmt völlig 7
2
3
4
5
6
stimmt völlig 7
4
5
6
stimmt völlig 7
Das angestrebte neue Verfahren unterschied sich sehr von den damals in meinem Unternehmen praktizierten, alten Verfahren. Meine Arbeitseinheit war die erste, die diese Neuerung in meinem Unternehmen entwickelte und/oder einsetzte. Durch diese Neuerung wurde das damals bestehende Macht-, Kontroll- und Kompetenzgefüge stark verändert.
4.
Der Erfolg der Neuerung war zu Beginn sehr ungewiss.
5.
Die zeitliche Dauer der Neuerung war zu Beginn sehr ungewiss.
6.
Das Ausmaß, in dem man sich neue Kenntnisse aneignen musste, war zu Beginn sehr ungewiss. Die anfallenden Kosten der Neuerung waren in der Planungsund /oder Implementierungsphase sehr ungewiss.
7.
2
B – Häufig sind die Vorteile von einer Neuerung ungleich verteilt. Zu Beginn des Innovationsprozesses hatte ich die Vermutung, dass es sich bei dieser Neuerung um etwas handelte, das im Ergebnis...
stimmt
gar nicht 1
1. ...für meinen Chef mehr von Vorteil war als für mich. 2. ...für mich und meinen Chef gleichermaßen von Vorteil war. C – Oft gibt es bei Innovationsprozessen unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen über Art, Ablauf, Methode oder Ziel der Neuerung. stimmt
Bei dieser Verfahrensinnovation gab es zwischen mir und meinem gar nicht Chef unterschiedliche Auffassungen über... 1
2
3
1. ...die Zielsetzung an sich (z. B. das angestrebte Ergebnis). 2. ...die Budgetverteilung, bei an sich gleicher Zielsetzung. 3. ...die Verteilung der Arbeitspakete, bei an sich gleicher Zielsetzung.
1 Zur Erleichterung der Beantwortung der Fragen wird in diesem Fragebogen den Konventionen gefolgt, so dass stets die männliche Form zur Bezeichnung beider Geschlechter verwandt wird.
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D –Kennzeichnen Sie bitte, in welchem Ausmaß Ihr Chef die folgenden Führungsstrategien während des Innovationsprozesses einsetzte, um Sie zu veranlassen, die Dinge nach seiner Vorstellung zu erledigen. stimmt
gar nicht 1
Während des Innovationsprozesses hat mein Chef... 1. 2.
...mich durch eine kooperative Atmosphäre in positive Stimmung versetzt. ...betont, daß wir derselben Arbeitseinheit (Abteilung, Projektgruppe etc.) angehören und deshalb einer Meinung sein sollten.
3.
...mir fachliche Anregungen gegeben.
4.
...mich vor vollendete Tatsachen gestellt.
5.
...mir Autonomie, Freiheitsgrade und Entscheidungskompetenzen gewährt. ...mir für die Umsetzung seiner Vorstellungen Prämien/ Nebenverdienste in Aussicht stellt.
6. 7.
...mir kraft seiner hierarchischen Position Arbeitsaufträge gegeben.
8.
...mich in Frustrationsphasen motiviert.
9.
...mir seine Argumente klar und verständlich dargelegt.
10. ...mir gelegentlich einen Kompromiss angeboten. 11. ...mir gegenüber Hilfestellung bei komplizierten Themen geleistet. 12. ...mir gegenüber Druck ausgeübt. 13. ...mich durch seine sympathische Ausstrahlung beeinflusst. 14. ...darauf verwiesen, wie die Aufgaben und Prozesse von anderen Abteilungen/Firmen gehandhabt werden. 15. ...mir für die Nichtumsetzung seiner Vorschläge Sanktionen (z. B. Gehaltskürzung etc.) angekündigt. 16. ...mich inspiriert. 17. ...mich ignoriert, sein freundliches Benehmen eingestellt. 18. ...mir gegenüber Toleranz gezeigt, wenn ich einmal einen Fehler gemacht hatte. 19. ...Neuerungen in kleinen, unmerklichen Schritten, ohne zu fragen, eingeführt. 20. ...das zeitliche, personelle und finanzielle Budget vorgegeben und dessen Einhaltung kontrolliert. 21. ...mich anerkannt und für meine Arbeit auch mal gelobt. 22. ...seinen Standpunkt unablässig mit Nachdruck wiederholt, so dass ich eingeschüchtert wurde. 23. ...mich durch sein fachliches Können und seine Erfahrungen überzeugt. 24. ...mich an einen früheren Gefallen erinnert, und die Realisierung seiner Vorstellungen als Gegenleistung eingefordert. 25. ...versucht, Entscheidungen hinauszuzögern, bis es zu spät war. 26. ...mir an einem Beispiel seine Sichtweise erklärt. 27. ...mir für die Nichtumsetzung der Vorschläge eine ungünstige Personalbeurteilung angekündigt.
4
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stimmt völlig 7
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Bitte denken Sie immer an denselben Innovationsprozess! stimmt gar nicht 1
Während des Innovationsprozesses hat mein Chef...
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4
5
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4
5
6
stimmt völlig 7
28. ...mich durch seine Persönlichkeit überzeugt. 29. ...mir angekündigt, dass ein Nachgeben meiner Karriere/meinem Image förderlich sein werde. 30. ...Termine gesetzt, bis zu denen die Aufgaben zu erledigen waren. 31. ...günstige Gelegenheiten (z. B. meine Abwesenheit) genutzt, um vorbereitete Pläne durchzusetzen. 32. ...mir deutlich gemacht, dass sich seine Sichtweise in der Vergangenheit bewährt hat. 33. ...mich darauf hingewiesen, dass ich aufgrund meiner Rolle hier verpflichtet bin, mich nach seinen Vorstellungen zu richten. 34. ...mir alle wichtigen Informationen zur Verfügung gestellt. 35. ...mir implizit mit Entlassung gedroht, falls ich nicht einwillige. 36. ...mich daran erinnert, dass er sich in dieser Angelegenheit auf mich verlässt. 37. Ziele gesetzt und ihre Erreichung überprüft. 38. ...mir für die Umsetzung seiner Vorstellungen Lohnerhöhungen zugesagt. 39. ...sich bereit erklärt, beim nächsten Mal meinen Vorstellungen zu entsprechen, falls ich dieses Mal einwillige. 40. ...mich durch seine Vorbildwirkung beeinflusst. 41. ...für die Nichtbefolgung seiner Vorstellungen ein Exempel statuiert. 42. ...sich auf Vorschriften berufen, die sein Anliegen unterstützten. 43. ...mir die Hintergründe der Situation genau erklärt. 44. ...mir für die Umsetzung seiner Vorstellungen Privilegien zugesichert. 45. ...von mir einen Ausgleich für weniger gute Leistungen in der Vergangenheit gefordert. 46. ...mich beeinflusst, weil ich mich mit ihm identifiziere und mich deshalb in meiner Sichtweise an ihm orientiere. 47. ...mir angekündigt, dass er mir bei Nichtumsetzung seiner Vorstellungen Privilegien entzieht. 48. ...mir bei der Ausgestaltung dieser Neuerung in meinem Verantwortungsbereich viele Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt. 49. ...gegen meine Interessen gehandelt.
E – Wenn Sie sich den gesamten Prozess noch einmal vor Augen führen: Anfangs bezweifelte ich sehr stark den Sinn dieser Neuerung. Bei dieser Innovation hat mich mein Chef zu Dingen bewegt, die ich freiwillig nicht getan hätte. Mein Chef verfolgte Ziele, die mit meinen Zielen während des gesamten Innovationsprozesses voll und ganz übereinstimmten.
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stimmt gar nicht 1
stimmt
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F – In Innovationsprozessen ist man mehr oder minder aufeinander angewiesen. 1. 2. 3. 4.
stimmt gar nicht 1
stimmt
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In dieser Angelegenheit war ich stark auf die Unterstützung meines Chefs angewiesen. In der dieser Sache war mein Chef für mich in fachlicher Hinsicht unentbehrlich. In dieser Angelegenheit war mein Chef stark auf meine Unterstützung angewiesen. In dieser Sache war ich für meinen Chef in fachlicher Hinsicht unentbehrlich.
G – Uns interessieren jetzt die speziellen Führungsweisen Ihres Chefs während dieser Verfahrensinnovation. stimmt gar nicht 1
Während des Innovationsprozesses ... 1.
...mein Chef die anstehenden Aufgaben kompetent erledigt.
2.
...verhielt sich mein Chef mir gegenüber in einer verlässlichen Art und Weise.
3.
...hat mein Chef Informationen, die ihm vertraulich zu Ohren kamen, diskret behandelt.
4.
...ging mein Chef bei der Verteilung von zusätzlichen Aufgaben, die unsere Neuerung betrafen, gerecht vor.
5.
...sagte mein Chef mir in Bezug auf die Machbarkeit der Innovation unverblümt die Wahrheit.
6.
...war mein Chef mir gegenüber ständig loyal.
7.
...herrschte bei den Treffen zwischen mir und meinem Chef ständig eine offene Gesprächsatmosphäre.
8.
...konnte ich mich immer darauf verlassen, dass mein Chef vertrauenswürdig ist.
9.
...wusste ich immer, dass mein Chef zuverlässig ist, weil er gemachte Zusagen und Abmachungen einhielt.
10. ...war mein Chef meinen Ideen und Vorschlägen gegenüber stets aufgeschlossen. 11. ...war ich meinem Chef gegenüber vorsichtig, weil ich nie genau wusste, inwieweit ich ihm glauben konnte. 12. ...war mein Chef erreichbar, wenn es dringende Angelegenheiten zu besprechen gab. 13. ...hat mein Chef die Dinge seinen Fähigkeiten und Fachkenntnissen entsprechend exzellent abgewickelt. 14. ...wechselte mein Chef häufig seinen Standpunkt. 15. ...behandelte mein Chef sensible Informationen, die ich ihm anvertraut habe, vertraulich. 16. ...behandelte mein Chef mich immer fair. 17. ...verhielt sich mein Chef mir gegenüber immer ehrlich und aufrichtig. 18. ...hat mein Chef Schwierigkeiten, die im Laufe des Projekts auftraten, gegen mich ausgenutzt. 19. ...vertraute mir mein Chef von Anfang an vorbehaltlos. 20. ...stand mein Chef immer zu seinem Wort. 21. ...hörte mein Chef mir in Gesprächen immer genau zu. 22. ...gab es zwischen mir und meinem Chef immer eine vertrauensvolle Basis. 23. ...behielt ich meinen Chef kritisch im Auge, da ich immer damit rechnete, von ihm „übers Ohr gehauen“ zu werden.
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Technische Universität Berlin, Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen & Führungslehre stimmt
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ährend des Innovationsprozesses ...
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24. ...konnte ich meinen Chef finden, wenn ich mit ihm über die Neuerung reden wollte. 25. ...hat mein Chef nützliche Erfahrungen eingesetzt, um die Aufgaben, die unsere Neuerung betrafen, zu erfüllen. 26. ...hat mein Chef dauerhaft die Innovationsidee vertreten. 27. ...hat mein Chef Vertrauliches häufig Dritten preisgegeben. 28. ...traf mein Chef mit mir immer gerechte Abmachungen/Übereinkünfte. 29. ...hatte ich nie den Eindruck, dass mein Chef sich mir gegenüber verstellt. 30. ...hat mein Chef nichts getan, was mich vor anderen schlecht dastehen ließ. 31. ...hat mein Chef mir auch Probleme der Neuerung ohne Einschränkungen mitgeteilt. 32. ...hat mein Chef stets so gehandelt, wie es mit mir abgesprochen war. 33. ...war mein Chef jederzeit bereit, auch meine Argumente zu verstehen.
H – Wie haben Sie die Situation während des konkreten Verlaufs des Innovationsprozesses eingeschätzt? In bezog auf die inhaltlichen Problemstellungen, die mit dieser Neuerung verbunden waren,... 1.
...hielt ich manches für veränderungsbedürftig.
2.
...stimmte die bisherige Weise der Problembewältigung nur zu einem geringen Teil mit meinen Erwartungen überein.
3.
...hätte man vieles viel besser machen können.
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I– Welche Absichten hatten Sie während des Innovationsprozesses? In bezog auf die inhaltlichen Problemstellungen, die mit dieser Neuerung verbunden waren, hatte ich die feste Absicht,... 1.
...Hindernisse auszuräumen.
2.
...meine Mitarbeiter von der Neuerung zu überzeugen.
3.
...die Ideen umzusetzen.
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J – Wie haben Sie die Situation bei der konkreten Maßnahmengestaltung/Umsetzung der Verfahrensinnovation in Ihrem Verantwortungsbereich eingeschätzt. stimm t gar nicht 1
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung... 1.
...verfügte ich über die notwendigen Ressourcen (Informationen, Zeit, Geld, Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen etc.), um wichtige Weichen für die Neuerung zu stellen.
2.
...verfügte ich über die notwendigen Ressourcen (Informationen, Zeit, Geld, Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen etc.), um die Probleme zu lösen.
3.
...wusste ich genau, dass mein Chef seine Ressourcen (z. B. Informationen, Zeit, Geld, Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen) in meinem Sinne einsetzen würde.
4.
...war ich mir sicher, dass mein Chef mir den Rücken freihält.
5.
...wusste ich, dass mein Chef woanders für meine Ideen wirbt.
6.
...wusste ich, dass mein Chef sich dafür einsetzen wird, dass für mich Ressourcen zur Problembehebung mobilisiert werden.
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Bitte denken Sie immer an denselben Innovationsprozess! K – Mit einer Verfahrensinnovation verbindet man auch Erwartungen für sich selbst. 1.
Von dieser Neuerung habe ich mir einen Nutzen (z. B. Arbeitserleichterung, Anerkennung von Kollegen) versprochen.
2.
Die Chancen, dass meine Erwartungen eintreten, hielt ich während des Innovationsprozesses für hoch.
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L – Der Innovationsprozess hat Sie sicher auch emotional berührt. 1.
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Insgesamt waren meine Gefühle während des Innovationsprozesses sehr positiv. stimmt
Während des Innovationsprozesses fühlte ich mich ... 1.
...herausgefordert.
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...motiviert.
3.
...besorgt.
4.
...begeistert.
5.
...verängstigt.
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...ausgenutzt.
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...belastet.
8.
...neugierig.
9.
...ermutigt.
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10. ...ausgezeichnet.
M – Wie haben Sie sich während des Innovationsprozesses verhalten. stimmt
gar nicht 1
Während des Innovationsprozesses... 1.
...war ich experimentierfreudig.
2.
...habe ich mit anderen (z. B. Experten) über das Problem diskutiert, um Neues zu entwickeln.
3.
...war ich bereit, auch einmal ein Risiko einzugehen.
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...habe ich Zeit und Kraft investiert, um bessere Varianten herauszufinden.
5.
...habe ich keine Mühe gescheut, meinen Chef anzusprechen, um Lösungen zu finden.
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N - Was haben Sie im Rahmen dieser Verfahrensinnovation im Ergebnis getan? stimmt gar nicht 1
Im Ergebnis des Innovationsprozesses habe ich ... 1.
...versucht, die Innovation zu Fall zu bringen.
2.
...die Neuerung meinen Mitarbeitern gegenüber bewusst nur halbherzig vertreten.
3.
...heimlich Netzwerke und Koalitionen gegen die Innovation geschmiedet.
4.
...eine Art „Dienst nach Vorschrift“ angedroht, falls mein Chef bei seinen Forderungen bliebe.
5.
...die gefällten Beschlüsse/Entscheidungen voll und ganz verwirklicht.
6.
...die Neuerung selbst genutzt.
7.
...die Projektidee in meinem Arbeitsbereich umgesetzt.
8.
...mich schließlich mit den Dingen abgefunden.
9.
...mir gesagt, dass es woanders (in anderen Abteilungen, Firmen etc.) auch nicht besser wäre.
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10. ...die Dinge beschönigt, so dass ich sie dann in einem besseren Licht gesehen habe. 11. ...erkannt, dass die alte Weise der Problembewältigung eigentlich O.K. war. 12. ...mich vorwiegend anderen Aufgaben gewidmet. 13. ... das Thema Innovation ein für allemal ad acta gelegt. 14. ... die Kündigung überlegt und/oder eingeleitet. 15. ...es vermieden, mich weiter mit einer potentiellen Problemlösung auseinanderzusetzen. gar keine 1
O – Reaktionen Ihrer Mitarbeiter/innen
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1. In welchem Ausmaß gab es seitens Ihrer Mitarbeiter/innen in Ihrem Verantwortungsbereich Widerstände gegen die Verfahrensinnovation?
P – Ihre Bewertungen der Verfahrensinnovation nach Abschluss des Prozesses misslungen 1
Wie beurteilen Sie die Verfahrensinnovation ... 1. insgesamt 2. gemessen an meinen dominanten Zielen 3. gemessen an den dominanten Zielen meines Chefs 4. gemessen am Lernzuwachs/ den gesammelten Erfahrungen 5. gemessen an meinen anfänglichen Hoffnungen bzw. Befürchtungen 6. gemessen an den unvorhergesehenen Nebenergebnissen 7. gemessen an der Effektivität und Effizienz meiner Arbeitseinheit
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Q – Bitte geben Sie uns abschließend noch einige Informationen zu Ihrer Person: 1. Ihr Alter:
Ihre Person 2. Ihr Geschlecht
weiblich
männlich
3. Welche Rolle hatten Sie bei diesem Innovationsprojekt? Mitglied der Steuerungsgruppe/ des Lenkungsausschuss
Projektleiter
Projektleitungsassistenz
Projektgruppenmitglied
andere Rolle, und zwar: ...
4. In welchem Bereich fand die Verfahrensinnovation, an die Sie dachten statt? Produktion
EDV/Multimedia/ E-Commerce /IT
Personal & Organisation
Forschung & Entwicklung
Marketing/ Vertrieb
Controlling
sonstiger Bereich, und zwar: ...
5. Ihre Ausbildungsrichtung Techniker/ Ingenieur
Kaufmann/Wirtschaftswissenschaftler
Naturwissenschaftler
Sozialwissenschaftler
Jurist
Geisteswissenschaftler
andere Ausbildungsrichtung, und zwar: ...
6. Ihr Tätigkeitsbereich Produktion
Kaufmännische Verwaltung
Personal & Organisation
Forschung & Entwicklung
Marketing/ Vertrieb
Technischer Support (z. B. EDV, Handwerker,...)
sonstiger Tätigkeitsbereich, und zwar: ...
7. In welcher Branche sind Sie beschäftigt? EDV
Chemie
Ernährung
Handel
Banken/Versicherungen Telekommunikation
Elektronik Medien
Baugewerbe Maschinenbau, KfZ-bau
andere Branche, und zwar: ...
8. Seit wie vielen Jahren sind Sie in diesem Unternehmen beschäftigt? bis 1 Jahr
bis 2 Jahre
bis 5 Jahre
bis 10 Jahre
über 10 Jahre
9. Wieviel Mitarbeiter hat das Unternehmen (nicht Konzern), in dem Sie arbeiten? bis 100
bis 500
bis 1000
bis 5000
über 5000
10. Welche Funktion haben Sie in Ihrem Unternehmen? Vorstand
Geschäftsführer
Bereichsleiter
Hauptabteilungsleiter
Abteilungsleiter
Gruppenleiter
11. Für wie viele Mitarbeiter sind Sie selbst direkt verantwortlich? keine
1 - 10
11 - 30
31 - 70
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! 42
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mehr als 150