Thomas Johann (Hrsg.) Mitarbeiter erfolgreich führen
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Mitarbeiter erfolgreich führen Psychologi...
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Thomas Johann (Hrsg.) Mitarbeiter erfolgreich führen
Thomas Johann (Hrsg.)
Mitarbeiter erfolgreich führen Psychologische Grundlagen und praktische Beispiele
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Ulrike Lörcher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2991-4
Ich widme dieses Buch meinem Vater Volker Johann, der als Bürgermeister und zuvor als büroleitender Beamter mehr als 25 Jahre als Führungskraft im öffentlichen Dienst ein Vorbild an Moral, Transparenz, Integrität und Engagement war.
Geleitwort von Prof. Dr. Utho Creusen Erfolgreich ist die Führungskraft, die menschliches Verhalten versteht und entsprechend handelt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Führungskräfte in der Regel über gute Fach- und Branchenkenntnisse verfügen, Ihnen der Umgang mit Ihren Mitarbeitern aber oft schwer fällt. Schon seit vielen Jahren vertrete ich die Meinung, dass Führungskräfte starke Defizite im Bereich der Psychologie haben. Dieses Buch liefert einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich dies ändert. Ich empfehle allen Führungskräften, sich einen Grundstock an psychologischen Kenntnissen anzueignen.
Prof. Dr. Utho Creusen Inhaber Positive Leadership, Honorarprofessor an der Katholischen Universität EichstättIngolstadt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Gesellschafter Alpha tecc, Member of the Board Dixons Retail plc und Mvideo
Vorwort des Herausgebers Andere Menschen zu verstehen ist die Voraussetzung, um erfolgreich zu führen. Denn Führungskräfte mit Kenntnissen im Bereich der Psychologie, verstehen sich, ihre Mitarbeiter und ihr gesamtes Umfeld besser. Dadurch werden sie effektiver, erfolgreicher, gelassener und souveräner im Berufsleben. Aus dieser Motivation heraus habe ich dieses Buch herausgegeben. Es richtet sich an aktuelle und zukünftige Führungskräfte. Wer andere Menschen verstehen will, hat bessere Möglichkeiten, als sich nur auf Hörensagen oder Klischees zu verlassen. Es gibt eine Forschungsrichtung, die sich mit dem wissenschaftlichen Studium der Art und Weise beschäftigt, wie Wahrnehmungen, Emotionen und das Verhalten durch andere Personen beeinflusst werden. Dies ist die Sozialpsychologie und entsprechende Kenntnisse erleichtern den Umgang mit sich und anderen Menschen. Dieses Buch vermittelt die wichtigsten sozialpsychologischen Grundlagen auf eine leichtverständliche Art und Weise mit vielen Beispielen aus der Praxis. Es besteht aus insgesamt elf Kapiteln: Kapitel 1 beschäftigt sich mit sozialer Wahrnehmung. Darunter versteht man die Art und Weise, in welcher wir über uns selbst und unsere soziale Umwelt nachdenken. Führungskräfte lernen, wie soziale Informationen ausgewählt, interpretiert, abgespeichert und abgerufen werden, um Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen. Mittels der Kenntnis dieser Mechanismen verhindern Führungskräfte Fehlentscheidungen. In Kapitel 2 werden Führungskräften Handlungsempfehlungen für das korrekte Senden und Deuten nonverbaler Signale gegeben. Denken Sie über Ihren ersten Eindruck nach! Möchte Ihr Gegenüber überhaupt das ausdrücken, was bei Ihnen ankommt? Werden Sie sich der Bedeutung der Persönlichkeit bewusst! Führungskräfte können dadurch ihre persönlichen Stärken und Schwächen und die ihrer Mitarbeiter erkennen und versuchen, die Stärken auszubauen. In Kapitel 3 wird das Selbstkonzept erläutert. Das Selbst eines Menschen erfüllt wichtige Funktionen. Gleichwohl treten kulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Für Führungskräfte ist ein solches Verständnis wichtig für den „richtigen“ Umgang mit anderen Menschen. Sie können die in diesem Kapitel beschriebenen Erkenntnisse auch gezielt für ein Impressionen-Management nutzen, damit andere sie so sehen, wie sie gerne gesehen werden möchten. Führungskräfte haben oft das Bedürfnis ein stabiles und positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Sie wollen sich selbst als rational handelnd, moralisch, integer und intelligent ansehen. Sollten sie dennoch mit Aspekten ihres Verhaltens konfrontiert werden, die nicht ihrem positiven Selbstbild entsprechen, werden sie unweigerlich eine sogenannte kognitive Dissonanz – also Unbehagen – empfinden. Kapitel 4 erklärt Führungskräften, wie sie diese, meist unbewusst auftretende Dissonanz reduzieren und welche Rolle Dissonanzreduktion bei Entscheidungen, die Führungskräfte täglich treffen müssen, spielt. Zudem zeigt das
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Vorwort des Herausgebers
Kapitel auf, wie Dissonanzreduktion zur Verhaltensänderung bei Führungskräften beiträgt sowie wie diese von Führungskräften genutzt werden kann, um das Verhalten anderer zu beeinflussen. In Kapitel 5 geht es um die Beeinflussung von Einstellungen und wie diese mit der Art und dem Ursprung jener Einstellungen zusammenhängt. Es soll Führungskräften eine Hilfestellung bei der Mitarbeitermotivation bieten und gleichzeitig einige Tipps vermitteln, wie ihre Werbung effektiver und überzeugender gestaltet werden kann. Des Weiteren wird eine Möglichkeit dargestellt, sich selbst vor solchen Beeinflussungsversuchen zu schützen. Kapitel 6 beantwortet die Frage, wie eigenes und fremdes Verhalten beeinflusst wird. Jeden Tag beeinflusst man andere, bestimmte Dinge zu tun. Aber ebenso wird man jeden Tag selbst beeinflusst. Eine Beeinflussung kann sowohl durch Gehorsam als auch durch Konformität erzeugt werden. So möchte der Mensch insbesondere wissen, was richtig ist. Darüber hinaus möchte er auch von anderen akzeptiert werden. Führungskräfte sollten die grundlegenden Mechanismen kennen, um sie für sich zu nutzen, beziehungsweise zu erkennen, wann ihr Verhalten beeinflusst wird oder beeinflusst werden soll. Kapitel 7 beschäftigt sich mit in Gruppen auftretenden Einflüssen und betrachtet eventuelle Gefahren in Gruppenprozessen. Führungskräfte lernen in diesem Kapitel, Gruppen unter bestem Nutzungspotenzial zu führen und zu begleiten. Es werden Wege zur optimalen Aufgabenverteilung und Teamführung aufgezeigt. Außerdem wird auf verschiedene, bei der Führungskraft liegende Verantwortungen und Kompetenzen eingegangen. In Kapitel 8 wird erläutert, warum und in welchen Situationen Menschen hilfsbreit sind. Es werden Tipps gegeben, wie eine Führungskraft die Hilfsbereitschaft bei sich und seinen Mitarbeitern steigern kann. Das ist insbesondere wichtig für ein gutes Arbeitsklima und effektives Arbeiten. Ein Unternehmen mit hilfsbereiten Führungskräften und Mitarbeitern erzielt ein besseres Arbeitsergebnis und fördert den guten Umgang untereinander. Kapitel 9 informiert den Leser zunächst über einige Grundlagen von Aggressionen – wie entstehen sie, wodurch werden sie beeinflusst. Darüber hinaus sollen Führungskräfte jedoch ermutigt werden, Aggressionen für sich zu nutzen. Aggressionen können in positive Energien umgewandelt werden und dabei helfen, das Unternehmen nach vorne zu bringen und Höchstleistungen zu erzielen. Dass Vorurteile gefährlich sein können, ist vielen bekannt. Doch wie reagiert man als Führungskraft angemessen auf dieses soziale Phänomen? In Kapitel 10 stellen wir Führungskräften zunächst die Entstehung von Vorurteilen sowie die Aspekte des sozialen Lebens, die Vorurteile aufwerfen, dar. Abschließend erhalten Sie Informationen, welche Maßnahmen sie treffen können, um Vorurteile zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren sowie vorurteilsfreie Entscheidungen zu treffen. Zu den Fragen, die für Führungskräfte in der Anwendung besonders relevant sind, gehören die Förderung eines nachhaltigen Lebensstils, die erfolgreiche Vermittlung sozialer Normen, die Steigerung des eigenen Glückempfindens und der Umgang mit Stress. Dabei
Vorwort des Herausgebers
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ist Sozialpsychologie grundsätzlich eine angewandte Forschungsrichtung, die Erkenntnisse durch Experimente überprüft. All diese Aspekte werden in Kapitel 11 aufgezeigt. Als Herausgeber dieses Buches war ich auf die Hilfe und Unterstützung vieler Menschen angewiesen:
႑ Zu aller erst möchte ich allen Autoren meinen herzlichen Dank aussprechen. Mir hat die Zusammenarbeit mit Euch viel Freude bereitet! Danke Anna-Merete Stoldt, Stefan Constantin Benzino, Kristina Ahrens, Julia Anne Glas, Nadine Hömpler, Kathrin Renner, Franziska Pickert, Nicole Lippoldt, Svenja Katzer, Jasmin Herfurth, Berit Josten, Iris Kahnert und Mareike Temmen. Diese Autoren haben mit Ihrem Fachwissen und Ihrem Engagement dieses Werk erst möglich gemacht.
႑ Ebenfalls gebührt mein Dank Herrn Holger Buchholz, der nicht nur als Autor, sondern auch als versierter und besonnener Ratgeber während der Konzeptionsphase sowie als Unterstützer bei der formalen Erstellung des Manuskriptes mitgewirkt hat.
႑ Auch danke ich Herrn Benjamin Zimmermann für seine Autorentätigkeit und für die Erstellung etlicher essentieller Grafiken.
႑ Dieses Buch wäre des Weiteren nicht in der vorliegenden Form zustande gekommen ohne die Unterstützung der Fachhochschule Westküste. Hier danke ich dem Fachbereich Betriebswirtschaftslehre und namentlich dem Prodekan Herrn Prof. Dr. Stefano Di Pietro. Ich wünsche Ihnen nun viel Freude beim Lesen dieses spannenden Buches und der Anwendung der Erkenntnisse in der Praxis, Ihr Thomas Johann
Wie beurteilen wir unsere Umwelt?
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort von Prof. Dr. Utho Creusen .......................................................................................... 7 Vorwort des Herausgebers .............................................................................................................. 9 1
Soziale Wahrnehmung I Wie beurteilen wir unsere Umwelt?............................................................................ 15
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Soziale Wahrnehmung II Wie verstehen wir andere Menschen? ........................................................................ 25
3
Selbstkonzept Was denken wir über uns selbst? ................................................................................ 39
4
Unvereinbare Wahrnehmungen Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen? ................................................. 51
5
Einstellungen und Einstellungsänderungen Wie werden Gedanken und Gefühle beeinflusst? ..................................................... 63
6
Konformität Wie lässt sich Verhalten beeinflussen? ....................................................................... 71
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Gruppenprozesse Welche Einflüsse treten in Gruppen auf? ................................................................... 83
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Prosoziales Verhalten Warum sind wir hilfsbereit?......................................................................................... 97
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg Wie können auftretende Aggressionen im Job positiv genutzt werden? ............. 109
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Vorurteile Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden? ....................... 119
11
Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen? ......................................... 129
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... 141 Stichwortverzeichnis..................................................................................................................... 159
Wie beurteilen wir unsere Umwelt?
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Soziale Wahrnehmung I Wie beurteilen wir unsere Umwelt?
Thomas Johann, Holger Buchholz Sicher kennen Sie dies: Sie nehmen an einem Meeting oder einer Verhandlung teil und betrachten die – für Sie bisher unbekannten – anderen Teilnehmer. Recht schnell bilden Sie sich Urteile und Meinungen sowie Einschätzungen über diese Menschen. Sie denken beispielsweise: „Herr A. ist ein Erbsenzähler“, „Herr B. ist arrogant und reserviert“, „Frau C. ist äußerst attraktiv, intelligent und sympathisch“ oder „Frau D. ist sehr sympathisch und umgänglich“. Doch wie kommen Sie zu diesen Einschätzungen? Und sind diese richtig oder falsch? Für Menschen und speziell für Führungskräfte ist es meist besonders wichtig, Situationen spontan zu beurteilen und darauf aufbauend Entscheidungen zu treffen. Doch wie beurteilen wir Menschen unsere Umwelt? Soziale Wahrnehmung – oder Kognition wie Psychologen sagen – bezeichnet die Art und Weise, in welcher wir über uns selbst und unsere soziale Umwelt nachdenken. Es geht darum
႑ soziale Informationen auszuwählen, ႑ zu interpretieren, ႑ abzuspeichern und ႑ abzurufen, ႑ um Urteile zu fällen und ႑ Entscheidungen zu treffen.1 Es gibt zwei unterschiedliche Formen sozialer Wahrnehmung: Im ersten Fall denken wir schnell und automatisch – sozusagen auf Autopilot.2 Im zweiten Fall handelt es sich um das kontrollierte Denken. Beginnen wir mit dem ersten Fall, dem Denken auf Autopilot. Automatisches Denken läuft
႑ unbewusst, ႑ nicht zielgerichtet, 1 2
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Shah, 2003; Smith / De Coster, 1999.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Soziale Wahrnehmung I
႑ unwillkürlich und ႑ mühelos ab.3 Wie wir nachher noch sehen werden, ist speziell die Mühelosigkeit ausschlaggebend dafür, dass wir vorwiegend auf Autopilot denken. Bei diesem automatischen Denken verwenden wir sehr häufig Schemata. Das sind mentale Strukturen, mit denen wir unser Wissen über die Welt ordnen. Diese beeinflussen natürlich teilweise sehr stark die Informationen, die wir wahrnehmen, über die wir nachdenken und die wir abspeichern.4 Dies klingt zunächst kompliziert, ist es aber nicht. Umgangssprachlich kennt dies jeder als „Denken in Schubladen“. Bestimmten Eindrücken wird eine Bedeutung zugeordnet, indem ein Schema aktiviert beziehungsweise eine bestimmte Schublade geöffnet wird. Sicherlich kennen Sie das Wort Stereotyp (in Kapitel 10 vertiefen wir dieses Thema weiter). Wenn Sie an einen japanischen Touristen in Deutschland denken, dann sehen Sie vielleicht vor Ihrem geistigen Auge einen Asiaten, der mit einer Kamera unzählige Fotos macht. Sie haben sich eines speziellen Schemas, eines Stereotyps bedient. Ein anderes Beispiel können wir am eigenen Leib erfahren, wenn wir uns als Deutscher im Ausland bewerben. Das Gegenüber wird uns sofort als zuverlässig, ordentlich, pünktlich, diszipliniert und fleißig einstufen, wenn ihm bewusst wird, dass wir aus Deutschland kommen. Diese Einstufung ist unabhängig von der Person. Zuerst wollen wir die Frage beantworten: Warum gibt es überhaupt Schemata? Ohne Schemata wäre vieles, was uns im Leben begegnet, unerklärlich und verwirrend.5 Stellen Sie sich vor, wir müssten jede Situation immer wieder neu bewerten und durchdenken. Wir wären permanent überfordert, unsicher und ängstlich. Soziale Interaktionen würden kaum zustande kommen. Mit Hilfe von Schemata reduzieren wir die große Komplexität unserer Umwelt soweit, dass wir handeln können und zwar ohne große Verzögerung. Hinzu kommt auch noch, dass wir Menschen ohne diese Mechanismen wahrscheinlich schon längst ausgestorben wären. Ohne gewisse mentale Vorgänge wie Schemata hätten wir beispielsweise vor vielen tausend Jahren nicht schnell und effektiv erkennen können, ob es sich um einen Feind oder Freund handelt. Insofern unterliegt menschliches Verhalten auch sehr häufig evolutionären Einflüssen. Doch lassen Sie uns wieder zu unserem Thema, den Schemata zurückkommen: Denken Sie an eine wichtige Präsentation vor potentiellen Geschäftspartnern. Sie schauen in die Runde und denken sofort: Der Mann, der an der Stirnseite sitzt, ist der Chef. Sie begrüßen ihn zuerst. Hier greifen Sie auf ein Schema zurück und haben höchstwahrscheinlich recht.
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Vgl. Bargh / Ferguson, 2000. Vgl. Janicik / Larrick, 2005. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Ebenfalls sagt Ihnen Ihr Schema, wie Sie sich angemessen in einer solchen Präsentation zu verhalten haben. Diese Schemata haben Ihnen also geholfen, Wissenslücken rechtzeitig automatisch zu schließen und die Situation zu bewältigen. Die Art und Weise wie Sie Ihre Umwelt beurteilen, hängt auch maßgeblich davon ab, wie zugänglich manche Schemata sind. Stellen Sie sich vor, wir wären Kollegen. Wir fahren zu einem Meeting mit einem potentiellen Investor, den Sie nicht kennen. Auf dem Weg dorthin erzählen wir Ihnen von diesem Investor. Je nachdem, ob wir ihn positiv oder negativ beschreiben, werden Sie diesen dann auch so wahrnehmen. Psychologen würden sagen, dass die entsprechenden Schemata durch unsere Unterhaltung zugänglich gemacht wurden. Schemata beeinflussen also Ihre Wahrnehmung. Doch wie ist menschliche Wahrnehmung? Hierzu möchten wir Sie zu einem psychologischen Experiment einladen! Bitte schauen Sie sich doch einmal in dem Raum, in dem Sie gerade sind, um und zählen alle roten Gegenstände! Wie viele haben Sie gezählt? Wenn wir Sie jetzt bitten würden, ohne den Blick von diesem Buch zu heben und sich erneut umzuschauen, die Anzahl der blauen oder grünen Gegenstände zu benennen, dann würde Ihnen dies kaum möglich oder unmöglich sein. Warum? Weil wir Sie mit unserer Frage fokussiert haben. Menschliche Wahrnehmung ist
႑ selektiv, ႑ subjektiv und ႑ inferent.6 Selektiv bedeutet, dass Sie immer nur einen kleinen Ausschnitt Ihrer Umwelt bewusst wahrnehmen. Der Rest wird unterbewusst wahrgenommen und meist nach circa einer Sekunde wieder vergessen. Subjektiv bedeutet, dass jeder Mensch ganz unterschiedliche Modalitäten seiner Umwelt wahrnimmt. Betreten zwei Menschen einen neuen Raum, nimmt jeder diesen etwas anders wahr. Inferent bedeutet, dass Sie von einem Merkmal auf andere schließen. Ist ein Mensch in Ihren Augen attraktiv, so denken Sie automatisch, dass dieser auch sympathisch und intelligent ist, ohne dass Sie dies wissen können und ohne dass ein Zusammenhang besteht. Mehr zur Inferenz finden Sie in Kapitel 2. Schemata beeinflussen alle drei Aspekte der Wahrnehmung. Eng mit dem Denken auf Autopilot verbunden und für Führungskräfte sowie Mitarbeiter äußerst wichtig, ist auch noch die selbsterfüllende Prophezeiung (siehe Abbildung 1.1). Diese funktioniert wie folgt: Eine Person (A) hat über eine andere Person (B) Erwartungen, beispielsweise bezüglich des Verhaltens. Diese Erwartungen beeinflussen das Verhalten von A maßgeblich. Daraufhin reagiert B mit einem erwarteten – oder man könnte auch sagen provozierten oder hervorgerufenen – Verhalten. Dadurch wird die ursprüngliche Annahme von A bestätigt. Eine selbsterfüllende Prophezeiung ist eingetreten. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Zusammenhänge:
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Vgl. Zimbardo / Gerrig, 2008.
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Abbildung 1.1
Soziale Wahrnehmung I
Die selbsterfüllende Prophezeiung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson / Wilson / Akert (2008), S. 67
Selbsterfüllende Prophezeiungen können starke Auswirkungen haben. Je nachdem wie Ihre Erwartungen beispielsweise bezüglich der Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter sind, werden sich diese höchstwahrscheinlich erfüllen. Ihre Erwartungen als Führungskraft haben also einen maßgeblichen Einfluss auf Ihre Mitarbeiter. Insofern sollten Sie sehr selbstaufmerksam sein und sich regelmäßig fragen, ob Sie eventuell zu sehr auf Autopilot denken! Trotz der Existenz der selbsterfüllenden Prophezeiung ist es nicht so, dass wir wie ein Grashalm im Wind sind. Mit dem Wissen, das wir Ihnen in diesem Buch vermitteln, können Sie sich ändern. In einem ersten Schritt machen wir Sie mit solchen Konzepten vertraut. In einem zweiten Schritt können Sie sich bewusst und gezielt überprüfen, inwiefern solche Sachverhalte auf Sie zutreffen. Und in einem dritten Schritt können Sie sich dafür entscheiden, Ihr Verhalten zu verändern.
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Beispielsweise können Sie in einem Vorstellungsgespräch mit einem Bewerber versuchen, nicht auf Autopilot zu denken. Seien Sie nicht abgelenkt, da dies das Denken auf Autopilot fördert. Seien Sie geistig wach und gezielt unvoreingenommen! Besonders interessant beim Denken auf Autopilot ist auch der Beharrlichkeitseffekt (Psychologen sprechen von Perseveranzeffekt). Damit meinen wir den Umstand, dass Überzeugungen über sich selbst und über die soziale Welt fortbestehen, selbst wenn die Grundlagen für diese Annahmen widerlegt worden sind.7 Besonders Anwälte machen sich diesen Effekt zunutze. Wenn Schöffen und Richter in einer Verhandlung falsche oder unzulässige Beweise vorgelegt bekommen, können sie diese nicht vollständig ignorieren. Das ist mit dem menschlichen Gehirn nicht möglich! Vielmehr dauern die Überzeugungen der Schöffen und Richter an. Auch Schemata können weiterbestehen, selbst wenn Sie sich als unwahr und haltlos erwiesen haben. Abschließend möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass Schemata höchst individuell sind und kulturellen Unterschieden unterliegen. Auch die Erziehung spielt eine wichtige Rolle. Schemata brauchen wir also, um die große Menge und Komplexität an Informationen, die tagtäglich auf uns hereinströmen, automatisch zu verarbeiten. Ein anderes Verfahren, das uns hilft, Entscheidungen zu treffen, sind Urteilsheuristiken. Darunter versteht man eine Abkürzung, mit deren Hilfe man schnell ein Urteil finden kann.8 Stellen Sie sich vor, dass Sie kürzlich einen Mitarbeiter bei einer sozialen Veranstaltung bemerkten, wie er sich nicht zwischen zwei angebotenen Getränken entscheiden konnte. Dieses Verhalten nahmen Sie deutlich wahr, weil er schon die zweite Person war, die sich nicht entscheiden konnte. Wenn es nun kurze Zeit später darum geht, die Entscheidungsfreudigkeit dieses Mitarbeiters zu beurteilen, werden Sie dazu tendieren, diese als eher negativ einzustufen. Eben weil es Ihnen leichtfiel, eine unterstützende Information für diese Beurteilung aus Ihrem Gedächtnis abzurufen. Das bekannteste Experiment aus diesem Bereich stammt von Schwarz und seinen Kollegen aus dem Jahre 1991. Die Forscher forderten Probanden auf, sechs Situationen zu nennen, in denen sie sich durchgesetzt hatten. Danach sollten sie selbst – auf einer 10er-Skala – einschätzen, wie durchsetzungsfähig sie sind. Im Durchschnitt haben sie sich für deutlich durchsetzungsfähiger gehalten, als Probanden, die man aufgefordert hatte, zwölf Situationen zu nennen. Einfach weil es uns Menschen leichter fällt, sich sechs anstatt zwölf Beispiele für eine bestimmte Eigenschaft in das Gedächtnis zu rufen, tendieren wir dann dazu, uns diese Eigenschaft zuzuschreiben.
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Soziale Wahrnehmung I
Abbildung 1.2
Verfügbarkeit und Durchsetzungsvermögen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schwarz und Kollegen (1991)
Auch bei Fremdbeurteilung beobachten wir diesen Effekt. Einer der Autoren macht gerne in einer Vorlesung folgendes Experiment: Die Studenten werden in zwei Gruppen aufgeteilt. In der einen Gruppe sollen sich die Studenten ihren Partner vorstellen und sechs Beispiele für positive Eigenschaften dieser Person notieren, in der anderen Gruppe werden zwölf Beispiele gefordert. Danach sollen sie ihren Partner bewerten. Die Studenten, die sich sechs Beispiele notierten, bewerten ihren Partner in der Regel deutlich positiver. Auch wenn sich der Einfluss des unbewussten Denkens auf Autopilot nicht immer als Schemata oder Urteilsheuristik kategorisieren lässt, ist seine Wirkung erheblich, wie folgendes Beispiel noch einmal verdeutlichen soll.9 Probanden stellte man für einen kurzen Zeitraum umfangreiche, positive und negative Informationen über vier Wohnungen zur Verfügung. Das erste Drittel der Probanden sollte danach sofort eine Auswahl für eine Wohnung treffen. Das zweite Drittel sollte eine Auswahl nach dreiminütigem bewusstem
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Vgl. Dijksterhuis, 2004.
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Nachdenken treffen. Das letzte Drittel sollte eine Auswahl treffen, nachdem sie drei Minuten lang eine ablenkende Aufgabe bewältigen mussten. Die Wahrscheinlichkeit, die optimale Entscheidung für die Wohnung mit den meisten positiven und den wenigsten negativen Merkmalen zu treffen, war in der dritten Gruppe am größten. Dies zeigt, dass wir Menschen auch durch unterbewusste Denkprozesse gute Entscheidungen treffen können. Das können wir als ermutigendes Beispiel dafür nehmen, dass es möglich ist, die beste Entscheidung zu treffen, auch wenn es uns nicht möglich war, alle Informationen in der verfügbaren Zeit vollständig zu durchdenken. Abbildung 1.3
Der Einfluss des unbewussten Denkens
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dijksterhuis (2004)
Natürlich und glücklicherweise denken wir nicht nur auf Autopilot. Wenn wir es wollen, können wir kontrolliert denken, also bewusst und zielgerichtet. Diese Art von Denken erfordert allerdings mentale Energie. Wir nutzen es zum Beispiel bei negativen Erfahrungen, die knapp ausfielen: „Hätte ich mehr geübt, hätte ich die entscheidenden zwei Punkte mehr erreicht, um die Prüfung zum Steuerberater zu bestehen.“ Kontrolliertes Denken ist also für uns notwendig, um aus negativen Erfahrungen zu lernen. Problematisch wird es
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Soziale Wahrnehmung I
allerdings unter anderem dann, wenn man es übertreibt und nicht mehr mit dem Waswäre-wenn-Denken aufhört.10 Gerade als Führungskraft, die Entscheidungen treffen muss, ist es natürlich wichtig, aus Fehlern zu lernen, ohne es zu übertreiben. Mentale Energie müssen wir auch aufwenden, wenn wir versuchen, nicht an etwas zu denken, sogenannte Gedankenunterdrückung. Ein Teil von uns sucht dabei stets nach Hinweisen, dass ein bestimmter, unerwünschter Gedanke aufkommt. Dann lenken wir uns selbst ab, indem ein anderer Teil von uns unsere Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema richtet. Wenn Ihr Kollege starke Ähnlichkeit mit Otto Waalkes hat, wird es geistige Anstrengung erfordern, keine Ostfriesenwitze zu machen. Leider versagt der Teil von uns, der die Aufmerksamkeit ablenken soll, gerne dann, wenn man müde oder nicht bei der Sache ist. Die Gedankenunterdrückung kann allerdings auch ernstere Folgen haben, als einen unpassenden Scherz zu machen. Insbesondere wenn wir versuchen, Gedanken über persönliche, wichtige Themen oder Probleme zu unterdrücken, wurde beispielsweise von messbaren negativen Folgen für die Immunabwehr11 oder von psychischer Belastung12 berichtet. In Kapitel 11 vertiefen wir dieses Thema weiter. Eine wichtige Funktion des kontrollierten Denkens ist die Überprüfung des automatischen Denkens. Wie wir oben gesehen haben, erlaubt uns unser Autopilot mit Hilfe verschiedener Mechanismen, uns in den unterschiedlichsten Situationen zurechtzufinden. Aber wir müssen gelegentlich doch mentale Energie aufwenden, insbesondere dann, wenn es sich um völlig unbekannte Situationen handelt oder wenn es darum geht, Fehlleistungen zu korrigieren. Es stellt sich die Frage, wie wir unsere Leistungen in diesen kontrollierten Denkprozessen verbessern, da wir oftmals dazu neigen, unsere Leistungen zu überschätzen. 13 Eine wichtige Methode, die jeder von uns im Alltag anwenden kann, ist die Angewohnheit, auch den entgegengesetzten Standpunkt anzunehmen. Das heißt natürlich nicht, dass man, nachdem man zu einem Entschluss gekommen ist, genau das Gegenteil tun soll. Aber wenn man über ein Problem nachdenkt, kann es hilfreich sein zu überprüfen, ob ein anderer Standpunkt als der eigene sinnvoll ist.14 Wenn Sie genügend Zeit haben, beispielswiese bei der Mitarbeiterbeurteilung, sollten Sie versuchen, eine differenzierte und bewusste Einschätzung zu treffen.
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Vgl. Ward / Lyubomirsky / Sousa / Nolen-Hoeksema, 2003. Vgl. Petrie, Booth & Pennebaker, 1998. Vgl. Major / Gramzow, 1999. Vgl. Metcalfe, 1998. Vgl. Mussweiler / Strack / Pfeiffer, 2000.
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Take-Away-Message
Soziale Wahrnehmung bezeichnet die Art und Weise, in welcher wir über uns selbst und unsere soziale Umwelt nachdenken. Es geht also darum, soziale Informationen auszuwählen, zu interpretieren, abzuspeichern und abzurufen, um Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen. Es gibt zwei unterschiedliche Formen sozialer Wahrnehmung: Im ersten Fall denken wir schnell und automatisch – sozusagen auf Autopilot. Im zweiten Fall handelt es sich um das kontrollierte Denken. Beim Denken auf Autopilot verwenden wir Schemata und Urteilsheuristiken. Schemata brauchen wir, um die große Menge und Komplexität an Informationen, die tagtäglich auf uns hereinströmen, automatisch zu verarbeiten. Hierzu zählen auch Stereotype, selbsterfüllende Prophezeiungen und unbewusstes Denken. Ein anderes Verfahren, das uns hilft, Entscheidungen zu treffen, sind Urteilsheuristiken. Darunter versteht man eine Abkürzung, mit deren Hilfe man schnell ein Urteil fällen kann. Anfangs stellten wir folgende Fragen: Wie kommen wir zu Einschätzungen? Und sind diese richtig oder falsch? Wie wir in diesem Kapitel gesehen haben, können wir die Frage nicht eindeutig beantworten. Gleichwohl können wir feststellen, dass es notwendig ist, auf Autopilot zu denken. Natürlich und glücklicherweise denken wir nicht nur auf Autopilot. Wenn wir es wollen, können wir kontrolliert Denken, also bewusst und zielgerichtet. Diese Art von Denken erfordert mentale Energie und Anstrengung, ist aber notwendig, um aus negativen Erfahrungen zu lernen. Eine wichtige Funktion des kontrollierten Denkens ist die Überprüfung des automatischen Denkens.
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Soziale Wahrnehmung II Wie verstehen wir andere Menschen?
Stefan Constantin Benzino, Anna-Merete Stoldt Wenn wir anderen Menschen begegnen, beispielsweise bei einem Geschäftsmeeting mit neuen Kunden, wissen wir in der Regel nichts oder nur wenig über unseren Gegenüber. Wir können nur wissen, was wir sehen und hören. Gleichwohl ist uns allen bewusst, dass man nicht ausschließlich nach dem Äußeren urteilen sollte. Dennoch sind diese Informationen, die für uns leicht erhältlich sind, von großer Bedeutung und entscheidend für den ersten Eindruck. Attraktivität beispielsweise ist die einfachste Art, einen Menschen zu beurteilen.15 Stellen Sie sich vor, Sie sollen ein Gespräch mit einem potentiellen neuen Kunden halten. Sie haben diese Person noch nie in Ihrem Leben gesehen. Sie kennen den Klang der Stimme von Telefongesprächen und Terminabsprachen, aber das ist auch alles. Die Person betritt nun zu vereinbarter Zeit Ihr Büro und stellt sich Ihnen vor. Die Körperhaltung, der Gesichtsausdruck, der Tonfall, die Körperbewegung, sowie Gestik und Blicke, sind die meistgenutzten Signale nonverbaler Kommunikation.16 Sie bilden sich innerhalb von Sekunden einen ersten Eindruck über Ihr Gegenüber und haben sie oder ihn bereits beurteilt. Der erste Eindruck lässt sich nur schwer revidieren. Nonverbale Kommunikation umfasst also die Ausdrucksformen des menschlichen Körpers und die Art und Weise, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentiert. Hierzu zählt auch die Kleidung.17 Normalerweise stimmen Worte und Körpersprache überein, sie können jedoch auch manchmal auseinander gehen. Beispiele dafür sind Sarkasmus oder Ironie. Überlegen Sie sich doch einmal, wie Sie „Das haben Sie ganz wunderbar gemacht“ ironisch ausdrücken würden. Einerseits können Sie den Tonfall der Stimme variieren, anderseits können Sie den Kopf nach hinten legen und dabei mit den Augen rollen. Ebenso ist es möglich, bestimmte Dinge gänzlich ohne Worte auszudrücken. Der berühmte hochgestreckte Mittelfinger, in Fußballkreisen auch „Effenberg“ genannt, drückt unmissverständlich Verachtung für eine Person aus, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Es gibt viele solcher Zeichen, die es ermöglichen, bewusst oder unbewusst Botschaften ohne Worte zu vermitteln. 18 Jeder ist in der Lage die sieben Hauptformen emotionalen Ausdrucks zweifelsfrei zu en- und zu dekodieren, das heißt sie zu verschlüsseln und zu verstehen: Wut, Überraschung, Freude, Trauer, Abscheu, Geringschätzung und Furcht.19 Was bedeutet das nun für Sie als Führungskraft? In
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Vgl. Hatfield / Sprecher, 1986. Vgl. Henley, 1977; Knapp / Hall, 2006. Vgl. Kolarova, 2007. Vgl. Ekman, 1965. Vgl. Ekman / Friesen 1969.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Soziale Wahrnehmung II
einem Gespräch kann es hilfreich sein, nicht nur auf die Worte des Anderen zu achten, sondern die Aufmerksamkeit auch auf Mimik, Körpersprache usw. zu richten. Was passiert, wenn Worte gewechselt werden, aber jeder zusätzliche nonverbale Hinweis fehlt? Stellen Sie sich vor, Sie erhalten die Aufgabe, ein neues Marketingkonzept zu entwickeln. Sie zermartern sich den Kopf und häufen Überstunden an, um diese Aufgabe zu bewältigen, weil Sie das Konzept in zwei Tagen abgeben müssen. An einem bestimmten Punkt kommen Sie nicht weiter. Sie beschließen, dem Chef eine E-Mail zu schreiben, in der Hoffnung, dass er schnell antworten wird. Zum Ende der Mail fügen Sie einen kleinen Scherz ein, in dem Sie sagen, dass Sie bis zur letzten Minute gewartet hätten, die Arbeit fertig zu stellen. Am nächsten Tag erhalten Sie eine Antwort-E-Mail vom Chef, in der er Ihnen mitteilt, dass er es unverschämt findet, so lange mit der Arbeit zu warten und dass jetzt die Zeit viel zu knapp sei. Nun stellt sich die Frage, was hier passiert ist? Der Chef hat aufgrund der fehlenden nonverbalen Hinweise nicht verstanden, dass Sie nur einen Scherz gemacht haben.20 Was bedeutet das nun für Sie? Beschränkt man sich nur auf die Kommunikation via E-Mail oder Brief, läuft man Gefahr missverstanden zu werden. Sie meinen in einer E-Mail vielleicht das Richtige, haben aber keine Gewissheit, dass der Empfänger die Mail auch richtig versteht. In der Wahrnehmung von nonverbalen Signalen gibt es außerdem geschlechtsspezifische Unterschiede. Darüber, ob Frauen oder Männer diese Signale besser wahrnehmen können, gibt es eine Vielzahl von Studien, die aussagen, dass Frauen sowohl im enkodieren, als auch im dekodieren besser abschneiden.21 Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Frauen sollen nonverbale Signale besser interpretieren können, wenn es sich um die Wahrheit handelt, die vom Gegenüber ausgedrückt wird. Männer hingegen sollen besser sein, Lügen zu entdecken.22 Zusammenfassend können wir sagen, dass wir durch nonverbales Verhalten viel über die Persönlichkeit eines Menschen in Erfahrung bringen können. Dies sind viele kleine Teile, die sich, wie bei einem Puzzle, nach und nach zu einem Gesamtbild desjenigen Menschen formen, den wir vor uns haben. Warum verhält sich eine Person so, wie sie sich verhält? Es gibt zwei Möglichkeiten, mit denen wir versuchen, das Verhalten von anderen Menschen zu erklären. Steigen wir zum besseren Verständnis mit einem Beispiel ein. Sie beobachten, wie ein Arbeitskollege seine Sekretärin anbrüllt. Nun fangen Sie an, sich zu fragen, warum der Kollege dies getan hat. Die erste Schlussfolgerung könnte sein, dass die Reaktion des Kollegen auf seine Persönlichkeit, Stimmung, Haltung oder Charakter zurückzuführen ist. Sie vermuten also, dass in der Person innewohnende Ursachen der Grund für sein Verhalten sind. Dies nennt man internale Attribution. Sie könnten annehmen, dass er leicht zu reizen ist, cholerisch veranlagt sei oder einfach schlechte Laune hat. Die Alternative hierzu ist die externale
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Vgl. Kruger et al., 2005. Vgl. Hall, 1979, 1984; Rosenthal / De Paulo, 1979. Vgl. De Paulo et al., 1993; Rosenthal / De Paulo 1979.
Wie verstehen wir andere Menschen?
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Attribution. Das ist die Zuordnung externer Ursachen für das Verhalten von Menschen. Hier gehen Sie davon aus, dass nicht der Charakter oder die Einstellung, sondern die Situation der Grund für das Verhalten des Kollegen ist.23 Nehmen wir an, die Ehefrau Ihres Kollegen hat diesem am Morgen mitgeteilt, dass sie die Scheidung möchte. Dies könnte der Grund sein, weswegen er möglicherweise im Affekt gebrüllt hat. Der Eindruck des Kollegen kann je nach Art der Attribution unterschiedlich ausfallen. Nehmen wir bei dem Kollegen eine internale Attribution vor, könnten wir schnell einen negativen Eindruck von ihm bekommen. Andersherum erfahren wir bei einer externalen Attribution nicht viel über den Kollegen, da wir den Fokus auf die Situation gelegt haben, in der er sich befindet. Und bei einer bevorstehenden Scheidung würde wahrscheinlich fast jeder so handeln. Wir haben zwar die Möglichkeit, auf beide Arten der Attribution zurückzugreifen, jedoch nutzen wir ganz automatisch zuerst die internale Attribution. Wir neigen dazu unsere Wahrnehmung auf den Menschen zu fixieren, denn die Situation ist schwerer zu erkennen und wird daher leicht übersehen.24 Wenn wir uns einen Eindruck von einer Person machen wollen, empfangen wir in der Regel mehr als nur eine Information.25 Kelleys Kovariationsprinzip besagt, dass ein Mensch ganz logisch drei Informationen analysiert, um entweder zu einer internen oder externen Attribution zu kommen. Welche Informationen das sind, wird unten genannt. Versuchen wir das in einem Beispiel zu verdeutlichen. Sie sitzen mit Ihren Kollegen bei einem Geschäftsessen. Als die Rechnung kommt und jeder bezahlt, gibt einer Ihrer Kollegen mehr Trinkgeld als Sie und die anderen. Sie suchen jetzt nach Gründen für dieses Verhalten. Um herauszufinden, warum Ihr Kollege mehr Trinkgeld gegeben hat, benötigen wir folgende Informationen: Gibt Ihr Kollege häufiger ein höheres Trinkgeld? Dies nennt sich Konsistenz des Verhaltens. Die Frage ist, ob das Verhalten des Kollegen in ähnlichen Situationen über verschiedene Zeitpunkte hinweg auftritt und nicht etwa nur eine Ausnahme war. Geben auch andere Personen im Restaurant höhere Trinkgelder? Dies wird als Konsens bezeichnet. Hier fragt man sich, inwiefern auch andere Personen in der gleichen Situation ebenso reagieren wie Ihr Kollege. Gibt Ihr Kollege nur in bestimmten Situationen ein höheres Trinkgeld? Psychologen bezeichnen das als Distinktheit. Hier stellt sich die Frage, ob das Verhalten eine Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis ist.
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25
Vgl. Heider, 1958. Vgl. Bargh, 1994; Fletcher et al., 1990; Gilbert, 1998b; Jones, 1979, 1990; Jones / Davis, 1965; Miller, 1998. Psychologen nennen dies den fundamentalen Attributionsfehler. Vgl. Kelley 1967, 1973.
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Soziale Wahrnehmung II
Wenn man sich diese Fragen stellt, kommt man zu folgendem Ergebnis: Wenn Ihr Kollege häufig ein hohes Trinkgeld spendiert, gleichwohl andere Personen dies nicht tun, liegt der Grund für das Verhalten in der Person Ihres Kollegen. Wenn Ihr Kollege allerdings nur in diesem Restaurant ein hohes Trinkgeld gibt und andere dies ebenfalls tun, so ist das Restaurant der Grund für dieses Verhalten. Vielleicht liegt es am guten Service oder am leckeren Essen. Wenn wir allerdings nicht die Möglichkeit haben jede Frage mit vorhandenen Informationen zu beantworten, so stellen wir Vermutungen an und schlussfolgern. 26 Da dem Handelnden, in diesem Fall Ihrem Kollegen, mehr Informationen zur Verfügung stehen, als Ihnen als Beobachter, gibt es einen Unterschied zwischen Akteur und Beobachter, im Fachjargon als Akteur-Beobachter-Divergenz bezeichnet. Mehrere Studien bestätigten, dass Attributionen häufig so gemacht werden, wie Kelleys Modell es zeigt.27 Die Akteur-Beobachter-Divergenz bezeichnet den Unterschied in der Analyse des Verhaltens zwischen Akteur und Beobachter. Während der Beobachter dazu neigt das Verhalten einer anderen Person auf seinen Charakter oder seine Persönlichkeit zurück zu führen, neigt der Akteur dazu sein Verhalten extern, also mit der Situation zu erklären. 28 Schauen wir uns unseren Kollegen, der seine Sekretärin anbrüllt noch einmal an. Wir hatten gesagt, dass wir aufgrund der internalen Attribution dazu kommen, dass er sie anbrüllt, weil er ein Fiesling ist. Denkt er aber selbst über sein Verhalten nach, begründet er es damit, dass sich seine Frau von ihm scheiden lassen will und er beruflich unter enormem Druck steht. Also begründet er sein Verhalten mit der Situation, in der er sich momentan befindet. Grund für dieses Verhalten ist die sogenannte perzeptuelle Salienz, die „scheinbare Wichtigkeit von Informationen, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Betrachters stehen“.29 Hierauf kommen wir später noch einmal zurück. Kommen wir noch einmal auf das Marketingkonzept zurück. Sie reichen die Arbeit bei Ihrem Chef ein und das Feedback ist durchweg positiv. Den Erfolg werden Sie wohl mit Ihren eigenen Fähigkeiten begründen. Wir Menschen neigen dazu, Erfolge uns selbst zuzuschreiben, also eine internale Attribution vorzunehmen. Bei einem negativen Feedback versuchen wir hingegen Fehlschläge auf äußere Einflüsse zurück zu führen, die sich unserer Kontrolle entziehen. Wir nehmen also eine externale Attribution vor.
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Vgl. Fiedler et al., 1999; Kelley, 1973. Vgl. Förstling, 1989b, 1998; Hewstone / Jaspers, 1987; Hilton et al., 1995; Orvis et al., 1975; White, 2002. Vgl. Jones / Nisbett, 1972; Hansen et al., 2000; Nisbett et al., 1973; Robins et al., 1996; Watson, 1982. Vgl. Aronson, Wilson / Akert, 2008, S. 109.
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Wie lässt sich diese Abweichung des normalen Akteur-Beobachter-Verhaltens erklären? Wenn wir uns in unserem Selbstwertgefühl bedroht sehen, nehmen wir oft selbstwertdienliche Attributionen vor. Das heißt, dass wir die Tendenz haben, Erfolge durch internale Attributionen für uns selbst in Anspruch zu nehmen, um unser Selbstwertgefühl zu schützen. Bei Fehlschlägen, geben wir allerdings der Situation, in der wir uns befinden, oder anderen Personen die Schuld.30 Dieses Verhalten kann man nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch sehr gut bei der Teamarbeit beobachten. Nehmen wir an, eine Firma nimmt an einer großen Ausschreibung teil. Es wird ein Team zusammengestellt, welches alle notwendigen Dinge ausarbeitet, um den Auftrag zu erhalten. Erhält die Firma den Auftrag, wird der Erfolg mit der herausragenden Leistung des Teams oder einzelner Teammitglieder begründet.31 Erhält die Firma den Auftrag nicht, so begründet das Team die Niederlage nicht damit, dass es vielleicht nicht hart genug gearbeitet hat, sondern sagt, es sei Pech gewesen oder die Teams der anderen Firmen hätten mehr leisten können, weil sie beispielsweise einen größeren Etat hatten. Warum nehmen wir selbstwertdienliche Attributionen vor? Wir wollen von anderen Menschen bewundert und respektiert werden. Erleiden wir eine Niederlage und begründen sie mit externen Faktoren, so schützen wir unser Selbstwertgefühl und kaschieren somit unsere Niederlage. Dieses Verhalten wird im Sprachgebrauch auch „sich herausreden“ genannt.32 Das bedeutet für Sie als Führungskraft, dass die Ursache für ein Verhalten oder eine Situation nicht immer beim Anderen zu finden ist, sondern man selbst vielleicht dazu beigetragen hat. Jeder sollte deshalb auch einmal auf sich selbst gucken und sich fragen, inwieweit die Ursache bei sich oder bei dem Gegenüber liegt. Wir verändern Attributionen aber auch, um Bedrohungen des Selbstwertgefühls zu entfliehen. Deutlich wird dies zum Beispiel bei Unfällen oder Tragödien. Solche Ereignisse können uns verstören, selbst wenn sie nicht uns zustoßen, sondern Fremden. Wir denken, dass ein schwerer Autounfall oder eine andere Tragödie auch uns zustoßen kann. Wir versuchen diese Gedanken zu ignorieren und zu verdrängen. Dies ist die sogenannte Defensivattribution. Dabei sagen wir uns, dass schlechte Dinge nur schlechten Menschen passieren oder Menschen, die dumme Fehler machen. Uns selbst kann so etwas daher nicht passieren, weil wir uns sagen, dass wir nicht dumm und leichtsinnig, sondern klug und vorsichtig sind.33 Dieses Verhalten der Defensivattribution kann allerdings tragische Folgen haben. Wir könnten uns fragen, ob die Opfer zu ihrem Unglück beigetragen haben.34 Forscher bezeichnen dieses Verhalten als „blaming the victim“ (die Schuld beim Opfer suchen).35
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Vgl. Carver et al., 1980; McAllister, 1996; Miller / Ross, 1975; Pronin et al., 2002; Robins / Beer, 2001. Vgl. Lau / Russel, 1980. Vgl. Greenberg et al., 1982; Tetlock, 1981; Weary / Akin, 1981. Vgl. Hafer, 2000; Hafer / Bègue, 2005; Lipkus et al., 1996. Vgl. Walster, 1966. Vgl. Lerner / Miller, 1978.
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Wie im ersten Kapitel dieses Buches schon angedeutet, bilden wir Menschen Schemata, um soziale Interaktionen zu ermöglichen, wenn wir uns in Situationen unsicher sind. Ein Schema liefert uns zusätzliche Informationen, um zum Beispiel unser Bild über einen Menschen zu vervollständigen, über den wir nur wenig wissen. Wir nutzen Schemata, um ein besseres Verständnis eines beobachteten Menschen auf Grundlage von einigen Ausgangspunkten zu erlangen und können so ohne viel zeitlichen Aufwand einen Eindruck von ihm gewinnen. Daher nennt man ein Schema auch eine mentale Abkürzung. Wenn wir jetzt aufgrund einer Charaktereigenschaft auf eine andere schließen, weil sie für unser Verständnis zusammengehören, wird diese Art von Schema eine implizite Persönlichkeitstheorie genannt.36 Demnach gehen wir zum Beispiel davon aus, dass eine Person, die bei einem Meeting zusammengekauert auf dem Stuhl sitzt und nichts zur Diskussion beiträgt, sehr wahrscheinlich ein stiller Mensch ist, der sich nicht traut, seine Meinung zu äußern, geschweige denn diese durchzusetzen. Auch wenn diese Schemata häufig zutreffen, können sie ebenso in die Irre führen. Für Sie als Führungskraft bedeutet das, dass Sie versuchen sollten, diese Schemata ein Stück weit zu hinterfragen. Ist der neue Mitarbeiter wirklich ein Schürzenjäger, nur weil er gut aussieht, charmant zu den Kolleginnen ist und keinen Ehering trägt? Oder ist die neue Mitarbeiterin tatsächlich besonders intelligent und wird neue hilfreiche Ideen mit ins Projekt bringen, weil sie so gut aussieht, nett lächelt und ein schickes, edles Kostüm trägt? Was in Ihrem Unternehmen auch eine Rolle spielen kann, ist die Tatsache, dass Kultur und Sprache unsere Vorstellung von anderen Menschen beeinflussen. Hoffman und seine Kollegen haben 1986 eine Studie durchgeführt, deren Resultate dies bestätigten. In dieser Studie wurde Menschen, die sowohl Englisch, als auch Chinesisch sprechen eine Geschichte über Menschen einmal auf Englisch und einmal auf Chinesisch vorgelegt. Lasen die Personen die englische Geschichte, waren sie der Meinung dort würde ein typisch westlicher Persönlichkeitstyp, der Künstlertyp beschrieben. Lasen sie hingegen die chinesische Geschichte, hatten sie den Eindruck, dort würde die typisch chinesische shi-gúPersönlichkeit beschrieben werden. Dies ist jemand, der seiner Familie ergeben, etwas reserviert, sozial und weltgewandt ist.
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Vgl. Asch, 1946; Schneider, 1973; Sedikides / Anderson, 1994; Werth / Förster, 2002.
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durchschnittliche Anzahl neuer schematischer Züge
Abbildung 2.1
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Beeinflussung unserer Vorstellungen von anderen Menschen durch Kultur und Sprach
1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0
der shi-gú Typ der Künstlertyp
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008)
Kennen Sie die Situation, dass Sie in der Stadt von jemandem angerempelt werden, der sich nicht entschuldigt und einfach weiter geht? Haben Sie in der Situation auch schon einmal gedacht, dass der Rempler ein unhöflicher, rücksichtsloser Mensch ist? Dann haben Sie angenommen, dass das Verhalten des Remplers seine Persönlichkeit widerspiegelt. Diese Tendenz wird als Korrespondenzverzerrung bezeichnet.37 1967 haben Jones und Miller in einer Studie herausgefunden, dass diese fälschliche Annahme sogar getroffen wird, wenn das Verhalten offensichtlich situationsbedingt ist. In dieser Studie wurde Studierenden ein Essay vorgelegt, in dem sich entweder positiv oder negativ zu Fidel Castros Rolle in Kuba geäußert wurde. Die Studenten mussten beurteilen, welche Einstellung die Verfasser der unterschiedlichen Essays zu dem Thema haben. Hierbei wurde ihnen einmal erzählt, die Verfasser hätten ihren Standpunkt frei wählen können,
37
Vgl. Fiske / Taylor, 1991; Gilbert, 1998b; Gilbert / Jones, 1986; Gilbert / Malone, 1995; Jones, 1979, 1990.
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je nach ihrer eigenen Meinung. Ein anderes Mal wurde den Studenten erzählt, die Verfasser hätten einen bestimmten Standpunkt zugewiesen bekommen, unabhängig von ihrer eigenen Meinung. Trotz dieses Hinweises glaubten die Studenten, dass das Geschriebene über Castro die eigene Meinung des Verfassers sei. Übertragen wir den oben geschilderten Sachverhalt doch einmal auf eine Situation in Ihrem Unternehmen: Die junge, ehemals fröhliche Dame am Empfang ist nach ihrer Babypause in Ihren Augen zu einem unhöflichen Menschen mit schlechter Laune mutiert, der die Kunden teils barsch abfertigt. Das mag auf den ersten Blick die einfachste Erklärung sein, entspricht aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Wahrheit. Versuchen Sie doch nun einmal kurz, sich in ihre Lage zu versetzen. Bedenken Sie, dass sie zu Hause ein kleines Kind hat, welches ihr wahrscheinlich nachts den Schlaf und am Tage nach der Arbeit den letzten Nerv raubt, sie also müde und gestresst ist. Das könnte sie daran hindern, die vorherige Leichtigkeit und Fröhlichkeit am Arbeitsplatz zu zeigen. Ein Grund für die Korrespondenzverzerrung ist, dass wir auf die Menschen achten und die Bedeutung der Situation ignorieren, weil wir sie nicht sehen. Sie scheint nicht wichtig zu sein. Wir glauben also, dass allein die Menschen ihr Verhalten „verursachen“.38 Die „scheinbare Wichtigkeit von Informationen, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Betrachters stehen“39 nennt man in Fachkreisen perzeptuelle Salienz. Man kann diese Wichtigkeit auch manipulieren, indem man zum Beispiel den Blickwinkel auf die Situation verändert. Dies wurde in einer Studie von Shelley Taylor und Susan Fiske 1975 bestätigt. In dieser Studie wurde ein Kennenlern-Gespräch zwischen zwei Studierenden gespielt, welches von sechs Versuchsteilnehmern bewertet wurde.
38 39
Vgl. Aronson, Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson, Wilson / Akert, 2008, S. 109.
Wie verstehen wir andere Menschen?
Abbildung 2.2
33
Versuchsaufbau einer Studie zur Manipulation der perzeptuellen Salienz
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008)
Die Versuchsteilnehmer sollten den Anteil der zwei Studenten am Gespräch beurteilen. Das Resultat war, dass laut ihrer Wahrnehmung immer der Student den größeren Redeanteil hatte, den sie besser sehen konnten.
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Soziale Wahrnehmung II
Bewertung der Bedeutung der Darsteller
Abbildung 2.3
Ergebnisse einer Studie zur Manipulation der perzeptuellen Salienz
25 20 15 10 5 0 Probanden gegenüber gegenüber Darsteller A gegenüber Darsteller B Darsteller A und B Darsteller A
Darsteller B
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008)
Normalerweise passen wir unseren ersten, automatisch gewonnen Eindruck durch weitere Informationen an, die wir zum Beispiel durch das Nachdenken über eine Situation erhalten. Es kann aber durchaus vorkommen, dass für eben diese Anpassung keine Zeit bleibt und Entscheidungen kurzfristig gefällt werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit eines Beurteilungsfehlers ist dann groß. Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie bemerken einen Konflikt zwischen zwei Ihrer Mitarbeiter. Vielleicht ist der Konflikt zwischen ihnen dadurch entstanden, dass sie eine unterschiedliche Sichtweise auf einen Sachverhalt hatten und nicht darüber nachgedacht haben, wie der Gegenüber das sieht. Wenn Sie also in Besprechungen sind, machen Sie Ihrem Gegenüber Ihre Sicht der Dinge klar. Nur so kann man Missverständnisse vermeiden. Denken Sie auch mal darüber nach, ob Ihr Geschäftspartner genug Informationen hat, um etwas überhaupt richtig beurteilen zu können. Dabei gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und dem Verhalten. Man darf die Situation, in der sich jemand befindet, nicht vernachlässigen, wenn man über das Verhalten nachdenkt. Dieser Zusammenhang ist darin begründet, dass wir Menschen unterschiedliche Bedürfnisse und damit zusammenhängende Motive haben, die unser Verhalten und zum Beispiel auch unseren beruflichen Weg beeinflussen.40
40
Vgl. von der Linde / Steinweg, 2010.
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Zum besseren Verständnis der Persönlichkeit kann man sich verschiedener Persönlichkeitsmodelle bedienen. Eins davon ist das Anfang der 1990er von Lewis Goldberg entwickelte Modell der „Big Five“-Faktorenstruktur, welches die fünf grundlegenden Dimensionen der Persönlichkeit beschreibt. 41 Diese fünf grundlegenden Dimensionen der Persönlichkeit sind die negative Emotionalität, die Extraversion, die Offenheit für Erfahrungen, die Anpassung bzw. Verträglichkeit und die Gewissenhaftigkeit. Abbildung 2.4
Die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit
N Negative Emotionalität E Extraversion O Offenheit für Erfahrungen, Kreativität, (geistige) Beweglichkeit, Neugier A Anpassung, Kooperation, Konformität, Verträglichkeit C Conscientiousness, Gewissenhaftigkeit
versus Belastbarkeit versus Introversion versus Konservativismus, Beharrlichkeit, Tradition, Unbeweglichkeit
versus (kompetitive) Konkurrenz, Reaktivität, Antagonismus versus Nachlässigkeit, Lockerheit Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fehr (2010)
Negative Emotionalität beschreibt die Widerstandsfähigkeit gegen Reize, bevor wir von Gefühlen beeindruckt werden. „Belastbare Menschen benötigen stärkere Reize und eine größere Anzahl, um aus dem Lot gebracht zu werden, sensible Menschen sind recht empfindlich für Reize“42. Jemand, der sehr sensibel und dementsprechend nicht so belastbar ist, wird also nicht unbedingt der Richtige sein, um die Teamleitung zu übernehmen, weil er in Stresssituationen wahrscheinlich schnell den Überblick verliert. Extrovertierte Menschen reden gerne, sind gesellig und tendenziell selbstsicherer als introvertierte Menschen, die eher zurückhaltend, schweigsam und konzentriert sind. 43 Für bestimmte Berufe, wie beispielsweise Vertriebsmitarbeiter im Außendienst, ist diese Dimension sehr wichtig. Ein introvertierter Mensch ist hingegen wahrscheinlich besser in der
41 42 43
Vgl. Fehr, 2010. Vgl. Fehr 2010, S. 117. Vgl. von der Linde / Steinweg, 2010.
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Soziale Wahrnehmung II
Forschung aufgehoben. Achten Sie also bei der Auswahl Ihres Vertriebsmitarbeiters darauf, dass dieser möglichst nicht introvertiert ist, er würde wahrscheinlich weniger Erfolg bei seiner Arbeit haben, als jemand, der extrovertiert ist. Die Dimension Offenheit für Erfahrungen bezieht sich auf Kreativität, geistige Beweglichkeit, Neugier und intellektuellen Ehrgeiz.44 Mitarbeiter mit einer niedrigen Ausprägung in dieser Dimension sind eher konventionell und konservativ, sie halten häufig an alt bewährten Abläufen fest und scheuen Neuerungen.45 Eine hohe Ausprägung in dieser Dimension ist zum Beispiel für Unternehmer und Unternehmensberater von Vorteil. Eine hohe Ausprägung der Anpassung bzw. Verträglichkeit bedeutet, dass ein Mensch anderen entgegenkommt, Konflikte vermeidet, anderen vertraut und hilfsbereit ist. Ihm ist der Gegenüber wichtiger, als er selbst. Geeignete Berufe für jemanden mit einer hohen Anpassung beziehungsweise Verträglichkeit wären zum Beispiel im Dienstleistungsbereich, wo es darauf ankommt, dass der Kunde zufrieden gestellt wird. Demgegenüber steht derjenige, der eher misstrauisch und egoistisch ist und wenig kooperativ erscheint. Einen solchen Mitarbeiter sollten Sie vielleicht in Bereichen einsetzen, in denen er weniger Kundenkontakt hat. Als letzte Hauptdimension ist die Gewissenhaftigkeit zu nennen. Wer sehr gewissenhaft ist, fühlt sich seinen Aufgaben und Zielen verpflichtet, blendet unwichtige Dinge aus und geht beispielsweise sehr diszipliniert, sorgfältig und überlegt an seine Arbeit heran. 46 Weniger gewissenhafte Mitarbeiter sind häufig auch nicht sehr widerstandsfähig gegen Reize. Sie lassen sich leichter ablenken, machen eher Fehler und hinken ihren Kollegen in Sachen Sorgfalt deutlich hinterher. Aufgaben wie die Buchhaltung sollten Sie folglich keinem Mitarbeiter anvertrauen, der sehr unstet ist, immer mehrere Aufgaben auf einmal erledigen möchte und sich leicht durch andere Dinge ablenken lässt. Denn wenn die Buchhaltung fehlerhaft ist, können Steuererklärung und Jahresabschluss kostspielig werden, da der Steuerberater erst einmal die Buchhaltung korrigieren muss.
44 45 46
Vgl. Fehr 2010. Vgl. von der Linde / Steinweg, 2010. Vgl. Fehr, 2010.
Wie verstehen wir andere Menschen?
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Take-Away-Message
Denken Sie über Ihren ersten Eindruck nach. Möchte Ihr Gegenüber überhaupt das ausdrücken, was bei Ihnen ankommt? Oder interpretieren Sie sein Verhalten oder seine Worte vielleicht falsch? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die zuerst getroffene Interpretation des Verhaltens nicht die richtige ist. Nehmen Sie sich Zeit für einen zweiten Eindruck und korrigieren Sie unter Umständen Ihre vorher getroffene Meinung über eine Person oder eine Situation. Achten Sie darauf, in welchen Umständen Ihnen jemand gegenübertritt, beziehungsweise in welcher Situation sich diese Person befindet. Beachten Sie, dass es immer Unterschiede in der Betrachtung einer Situation gibt und dass dadurch entstandene Missverständnisse zu Konflikten führen können. Außerdem sollten Sie Ihren Mitarbeitern bei Misserfolgen nicht das Gefühl geben, sie müssten ihr Selbstwertgefühl verteidigen, um ungerechte Schuldzuweisungen zu vermeiden. Vielleicht führen Sie mit Ihren Mitarbeitern mal einen Persönlichkeitstest durch, wenn diese dem zustimmen. So können Sie ihr Handeln in manchen Situationen wahrscheinlich besser verstehen. Sie können Stellen erfolgreicher besetzen, stimmigere Teams bilden und die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter steigern, da diese nun nicht mehr entgegen ihrer persönlichen Fähigkeiten eingesetzt sind. Persönlichkeitstests dienen auch zur Selbstreflexion. Werden Sie sich Ihrer Stärken und Schwächen bewusst und versuchen Sie Ihre Stärken zu stärken.
Was denken wir über uns selbst?
3
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Selbstkonzept Was denken wir über uns selbst?
Kristina Ahrens Auf welche Art und Weise treffen Sie Entscheidungen? Sind Sie eher der spontane Typ Mensch, der sich häufig nach seinem Bauchgefühl richtet oder begründen Sie Ihre Entscheidungen mit Hilfe von Pro- und Contra-Listen? Wie können Sie begründen, dass die eine oder andere Methode zu einem guten Ergebnis führt? Allgemeiner kann man auch fragen, was das Wesen des Selbst ist und wie Menschen dieses Selbst entdecken.47 Natürlich kann dieses Kapitel Ihnen keine absolut vollständige Antwort auf die anfänglich aufgeworfenen Fragen geben. Es hält jedoch einige Interessante Erkenntnisse bereit, die erklären, wie Sie exaktes Wissen über Ihre Person erhalten können und wie Sie zu der Person geworden sind, die Sie heute sind. Bereits im 19. Jahrhundert stellte William James (1842-1920), der Begründer der amerikanischen Psychologie folgendes fest: Unser Selbst besteht zum Einen aus unseren Gedanken und Vorstellungen, zum Anderen verarbeiten wir aber auch aktiv Drittinformationen (Informationen aus unserer Umwelt), die uns zu dem machen oder erkennen lassen, was wir sind. In der Sozialpsychologie wird heute zwischen zwei Aspekten des Selbst unterschieden: dem Selbstkonzept und der Selbstaufmerksamkeit. Das Selbstkonzept beschreibt dabei unser Wissen darüber, wer wir sind und die Selbstaufmerksamkeit das Nachdenken über uns selbst.48 Im Folgenden möchte ich Sie zunächst mit dem Selbstkonzept vertraut machen, also mit dem Inhalt unseres Selbst, der Wahrnehmung unserer Gedanken, Überzeugungen und Persönlichkeitseigenschaften. Lewis und Ramsay (2004) haben untersucht, ab wann sich beim Menschen ein Ich-Gefühl entwickelt und herausgefunden, dass bereits ab etwa dem zweiten Lebensjahr ein erkennendes Selbst beim Menschen einsetzt, wobei das Selbstkonzept mit zunehmendem Alter immer komplexer wird. Bitten Sie beispielsweise Ihre Kinder darum, die Frage: Wer bin ich? zu beantworten, so werden Sie häufig Angaben zu leicht beobachtbaren Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Aussehen erhalten. Die Antwort meiner Cousine (10 Jahre) auf diese Frage lautete: „Ich bin 10 Jahre alt, habe blonde, lockige Haare und blaue Augen und einen kleinen Bruder“. Stel-
47 48
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Selbstkonzept
len Sie diese Frage jedoch einem Erwachsenen, so treten anstatt der körperlichen Merkmale zunehmend psychische Merkmale und auch die Frage, wie uns andere Menschen wahrnehmen in den Vordergrund. Die Antwort einer Studentin auf die gleiche Frage soll dies verdeutlichen: „Ich bin 22 Jahre alt, weiblich, strebsam, ehrgeizig und intelligent. Ich spiele gerne Volleyball und male. Ich bin kreativ und teamorientiert. Meine Freunde sagen, ich bin manchmal zu zurückhaltend und könnte mehr aus mir herausgehen“. Aber wie kommt es, dass die Selbstdefinition von Erwachsenen oftmals so komplex ist? Forscher haben diesbezüglich herausgefunden, dass das Selbstkonzept aus drei Komponenten besteht:
႑ aus einer strukturierenden, ႑ einer ausführenden und ႑ einer emotionalen Funktion.49 Die strukturierende Funktion fungiert dabei als Schema, welches beeinflusst, was wir wahrnehmen und erinnern. Sie hilft uns, sich an Informationen über uns selbst und unsere soziale Umwelt zu erinnern und diese zu interpretieren. Die ausführende Funktion hingegen dient dazu, das Verhalten zu regulieren und unsere Handlungen in Hinblick auf unsere Zukunft zu planen. Die emotionale Funktion wiederum bestimmt, wie wir uns fühlen und dient zur Steuerung unserer emotionalen Reaktionen. Da das Selbst kein statischer Zustand ist, sondern sich im Laufe unseres Lebens durch eine Vielzahl von Informationen, Erlebnissen und Erfahrungen immer weiterentwickelt, kommt es dazu, dass es mit zunehmendem Alter immer komplexer wird. Je nach Geschlecht und Kultur gibt es dabei deutliche Unterschiede hinsichtlich der Definition des Selbst. Frauen beispielsweise scheinen sich öfter über zwischenmenschliche Beziehungen und Probleme auszutauschen als Männer. Nun liegt dies nicht daran, dass Frauen die neugierigen und mitteilsamen und Männer die wortkargeren Mitglieder der Gesellschaft sind. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei Frauen die relationale Interdependenz (also die wechselseitige Abhängigkeit) stärker ausgebildet ist, was eine Konzentration auf enge Beziehungskreise, beispielsweise Familie oder Freunde, zur Folge hat. Für Männer ist die Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe wie Sportteams oder Businessclubs hingegen wichtiger, was in Fachkreisen auch als kollektive Interdependenz bezeichnet wird.50
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Vgl. Baumeister, 1998; Graziano et al. 1997; Leary / Tangney, 2003. Vgl. Brewe / Gardener 1996, Gabriel / Gardener 1999.
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Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede können durch einen sehr simplen Versuch dargelegt werden: Werden Frauen und Männer beispielsweise während eines Vorstellungsgespräches gebeten, ein positives oder negatives emotionales Ereignis aus ihrem Leben zu nennen, so werden Sie feststellen, dass viele Frauen eher dazu tendieren, private Ereignisse wie ihre Hochzeit oder den Tod eines nahen Verwandten wiederzugeben. Männer hingegen werden häufiger von der Aufnahme in eine Verbindung oder einem verlorenen Fußballspiel berichten, das in Zusammenhang mit einer Mitgliedschaft in einer größeren Gruppe stand.51 Diese Erkenntnis ist insofern für Sie von Bedeutung, als aus der weiblichen Dominanz der relationalen Interdependenz abgeleitet werden kann, dass Frauen deutlich häufiger ihre Aufmerksamkeit auch auf soziale Beziehungen und Interaktion im Betrieb richten und deutlich häufiger gewillt sind zu kooperieren. Daher darf man davon ausgehen, dass eher in gemischten als in testosteron-dominierten Teams eine ausgeglichene Arbeitsatmosphäre herrscht. Neben geschlechtsspezifischen Unterschieden lassen sich aber auch kulturelle Unterschiede erkennen. So existiert in westlichen Ländern häufig eine unabhängige (independente) Sichtweise des Selbst. Menschen aus Europa und den USA sehen sich daher eher als eigenständiges, einzigartiges und unabhängiges Individuum und definieren sich auf der Grundlage eigener Gefühle und Gedanken. Dies spiegelt sich in dem häufig gegebenen Ratschlag „Es ist wichtig gegen den Strom zu schwimmen.“ oder Frank Sinatras berühmte Worte „I did it my way“ aus einem seiner Songs wider. Im Gegensatz dazu sehen sich Menschen aus asiatischen oder nicht-westlichen Kulturkreisen eher als Teil eines großen Ganzen und definieren sich auf der Basis zwischenmenschlicher Beziehungen. Diese (interdependente) Sichtweise betont die Verbundenheit der Menschen untereinander und ihre Abhängigkeit voneinander. Einzigartigkeit und Individualismus treten in den Hintergrund, wie folgendes japanisches Sprichwort verdeutlicht: „Der Nagel, der heraussteht, muss wieder eingeschlagen werden.“. Gerade, wenn Sie als Führungskraft in einem inter- oder multinational agierenden Unternehmen tätig sind oder ein Team führen, in dem verschiedene Kulturen miteinander arbeiten, ist dieser Unterschied von großer Bedeutung. So habe ich mich beispielsweise während meines Studiums lange Zeit gefragt, warum mein thailändischer Kommilitone immer still, zurückhaltend und konform erschien und nicht in der Lage oder Willens war, seine eigene Meinung nach westlichem Verständnis klar und deutlich zu äußern. Erst nach mehreren Wochen und auf meine unnachgiebigen Nachfragen erklärte er, dass es in seiner Kultur a) nicht üblich und b) teilweise sogar als unhöflich empfunden wird, konträre Meinungen zu äußern (siehe japanisches Sprichwort). Wenn Sie also von Ihrem chinesischen oder indischen Computerspezialisten (um ein Stereotyp zu bedienen) erwarten, einen eigenen, von Ihren Vorgaben oder Denkstrukturen abweichenden, Lösungsvorschlag zu einem Problem zu äußern, könnte das unter Umständen für Sie problematisch werden und Ihren Mitarbeiter in einen Konflikt stürzen. Um dieser unangenehmen Situation entgegenzuwirken, ha-
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Vgl. Gabriel / Gardner, 1999
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Selbstkonzept
ben große Konzerne mittlerweile eine interne Kommunikationspolitik definiert, in der sie die wichtigsten Regeln und Umgangsformen schriftlich festhalten. Denn auch wenn Ihnen die Unterschiede – so wie mir im Studium – auf den ersten Blick verborgen bleiben, sind sie manchmal so fundamental, dass es Menschen mit einer independenten Sichtweise häufig schwer fällt, Menschen mit einer interdependenten Sichtweise zu verstehen und andersherum. Nachdem ich das Selbstkonzept kurz erläutert habe, komme ich nun zum zweiten Aspekt des Selbst: dem Konzept der Selbstaufmerksamkeit oder vereinfacht gesagt: dem Akt des Über-sich-selbst-Nachdenkens. Im Folgenden werden wir uns also damit befassen, wie der Mensch versucht, exaktes Wissen über sich selbst zu erlangen. Wahrscheinlich werden Sie sich nun denken, dass das ein simpler Prozess ist und zu sich sagen: „Herrje, man setzt sich hin, grübelt ein wenig über sich, sein Verhalten und den Sinn des Lebens nach und schon weiß man, wer man ist und wie man tickt.“ In Wahrheit jedoch ist dies nur einer von vier möglichen Wegen, denn in der Sozialpsychologie werden folgende grundlegende Arten, wie wir uns selbst kennenlernen, unterschieden:
႑ Introspektion, ႑ Beobachtung unseres eigenen Verhaltens, ႑ soziale Interaktion, was den Vergleich mit anderen Menschen einschließt und ႑ Selbst-Schemata. Aufgrund der Komplexität des Modells des Selbst-Schematas beschränken wir uns im Folgenden jedoch nur auf die ersten drei Möglichkeiten. Als Introspektion wird der Prozess des Nach-innen-Schauens bezeichnet, bei dem die eigenen Gedanken, Gefühle und Motive untersucht werden. Verschiedene Versuche52 haben dabei gezeigt, dass Menschen recht wenig Zeit mit dem Nachdenken über sich selbst verbringen. Nur manchmal, wenn irgendetwas in unserer Umgebung, wie beispielsweise ein Spiegel oder eine Videokamera uns anhält, unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst zu richten, schenken wir uns gezielte Aufmerksamkeit. Denken sie in dem Zusammenhang beispielsweise an die Videoaufnahmen von der Hochzeit eines befreundeten Ehepaars. Als Sie bemerkten, dass Sie im Fokus der Kamera standen, haben Sie sich da bewusst oder unbewusst Gedanken über sich oder beispielsweise Ihr Aussehen gemacht, vielleicht eine aufrechte Haltung eingenommen, ein freundliches Lächeln aufgesetzt oder daran gedacht, den Bauch einzuziehen? In Situationen, wie sie eben beschrieben wurde, tendieren Menschen dazu, sich ihrer selbst kurz bewusst zu werden. Sie treten als objektive, beurteilende Beobachter des eigenen Verhaltens auf. Dabei erfolgt die Beurteilung des eigenen momentanen Verhaltens oftmals aufgrund eines Vergleichs mit inneren Normen und Werten.
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Vgl. Csikszentmihalyi / Figurski, 1982.
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Dies lässt sich auch auf die Berufswelt übertragen. Wenn Sie als Führungskraft eine für Sie unangenehme Entscheidung treffen müssen und nicht sicher sind, wie Sie sich entscheiden sollen, stellen Sie sich doch kurz vor einen Spiegel. Formulieren Sie Ihren Entschluss und beobachten Sie sich währenddessen. Sobald Sie das Gefühl haben, den eigenen Anblick im Spiegel nicht ertragen zu können, sollten Sie Ihre Entscheidung vielleicht noch einmal kritisch überdenken. Wenn Sie Ihre Entscheidung so ändern oder anpassen, dass sie den selbst gestellten Normen und Werten entspricht, werden Sie sich beim Anblick im Spiegel wieder deutlich wohler fühlen. Doch auch wenn wir uns und unser Verhalten den ganzen Tag mit Hilfe eines riesigen Spiegels beobachten würden, so fänden wir häufig keine eindeutige Erklärung dafür, warum wir auf bestimmte Weise empfinden (im letzten Experiment gut oder schlecht vor dem Spiegel). Mit Hilfe der Introspektion werden wir also nicht unbedingt die wahren Ursachen für unser Verhalten oder unsere Gefühle entdecken können, denn viele mentale Prozesse liegen einfach außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung.53 Trotzdem sind wir häufig nach kurzem Nachdenken oder reflektieren davon überzeugt, eine passende Erklärung gefunden zu haben.54 An dieser Stelle muss ich Sie allerdings enttäuschen, denn diese Erklärungen sind regelmäßig Kausaltheorien, die uns nur auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Nehmen wir in dem Zusammenhang an, Sie hätten eine Sekretärin, die schon seit weit mehr als 20 Jahren für Sie arbeitet und die Sie sehr schätzen, obwohl Sie vielleicht manchmal ein wenig verschroben und eigensinnig ist. Wenn ich Sie jetzt darum bitten würde aufzuschreiben, warum Sie Ihre Sekretärin mögen, werden sie wahrscheinlich auflisten, dass sie schnell und gewissenhaft arbeitet, Ihre Termine gut koordiniert und immer an alles denkt. Diese Gründe mögen zwar alle zutreffen, doch wahrscheinlich gibt es tieferliegende Gründe, wie die viel zitierte „Chemie“ zwischen zwei Menschen, die sich nicht so einfach verbalisieren oder rational erfassen lässt. Vielleicht stellen Sie aber auch beim Aufschreiben fest, dass es weitaus weniger gute Gründe als bislang gedacht, gibt, warum Sie sie mögen, ändern kurzfristig Ihre Einstellung zu ihr und fangen an zu zweifeln: „Hm, eigentlich ist sie doch sehr verschroben und manchmal auch nicht allzu freundlich… .“ Lassen Sie sich von dem Beispiel nun aber nicht aus der Ruhe bringen oder allzu sehr verunsichern. Es ist äußerst schwierig, die Ursachen von Gefühlen zu kennen, und je länger man darüber nachdenkt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich selbst verunsichert und die falschen Rückschlüsse zieht.55 Nur durch die Introspektion werden wir also nicht dabei weiterkommen, etwas über uns und unsere Einstellungen herauszufinden. Daher wenden wir uns nun einer anderen Quelle, der Beobachtung unseres eigenen Verhaltens, zu.
53 54 55
Vgl. Wilson, 2002. Vgl. Nisbett / Ross, 1980; Wilson, 2002. Vgl. Ross / Olson, 1981; Gold / Ryckmann, 2003.
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Selbstkonzept
Ein interessanter Ansatz hierbei ist die Zwei-Faktoren-Theorie der Emotionen. Nach dieser sind zwei Schritte nötig, um emotionale Zustände verstehen zu können. Im ersten Schritt müssen wir eine physiologische Erregung (Angst, Aufregung, Erregung, etc.) wahrnehmen und in einem zweiten dann nach einer logischen Erklärung dafür suchen. 56 Um unsere physischen Zustände erklären zu können, suchen wir nach schnell verfügbaren Informationen oder Hinweisen in unserer Umgebung, die die Erregung erklären könnten. Spüren Sie beispielsweise, dass Ihnen der Schweiß kurz vor einer wichtigen Präsentation den Rücken herunterläuft und ihr Herz schneller pocht, so werden Sie diesen Zustand (Nervosität oder gar Angst) sehr wahrscheinlich auf den bevorstehenden Vortrag und nicht auf die attraktive junge Dame neben Ihnen oder den eventuell verdorbenen Fisch, den Sie zum Mittag gegessen haben, zurückführen.57 Wie eben beschrieben, gäbe es aber mehrere plausible Gründe für Ihren Erregungszustand und alle böten eine logische Erklärung für den Schweißausbruch. Welcher nun der Richtige ist, ist jedoch schwer zu sagen. In der Fachliteratur wird in dem Zusammenhang häufig von Fehlattribution gesprochen – also vermeintlich logische und plausibel erscheinende Gründe werden einem Zustand zugeschrieben, wenngleich sie tatsächlich falsch sind.58 Manchmal tritt der Erregungszustand (Wut, Angst, Ärger) aber auch erst nach Bekanntwerden des Grundes auf.59 Dabei zeigen verschiedene Versuche, dass die Reaktionen auf ein Ereignis unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob das Ereignis für Sie positiv oder negativ ist. Zudem wird Ihre Reaktion auch durch die Erklärung der Ursachen des Ereignisses beeinflusst. Lassen Sie mich diese Theorie anhand eines einfachen Beispiels verdeutlichen und versetzen Sie sich bitte in folgende Situation: Seit dem Studium träumen Sie davon, in einer leitenden Position für ein Dax-30-Unternehmen zu arbeiten. Nun erzählt Ihnen Ihr ehemaliger Studienkollege eines Tages, dass er – der große, tolle Hecht – es geschafft hat (das Ereignis ist da, die Erregung folgt kurze Zeit später). Sie reagieren mit Neid und sind verärgert, wenngleich Sie ihm das natürlich nicht mitteilen werden und Sie können sich über den großen Erfolg Ihres Freundes natürlich nicht freuen. Sein Erfolg wird von Ihnen negativ beurteilt und eventuell sogar als Bedrohung interpretiert. Wenn Sie nun allerdings niemals für einen Großkonzern hätten arbeiten wollen und Ihren Traumjob bereits in einem kleinen Familienunternehmen gefunden haben, so werden Sie sich sicherlich mit ihm freuen und gratulieren.60 Ihre Reaktion auf seine Nachricht wird auch davon abhängen, wie Sie sich den Erfolg des Freundes erklären. Sind Sie beispielsweise der Meinung, dass Sie maßgeblich zu seinem Erfolg beigetragen haben, da er es ohne Ihre stete Hilfe und die nächtlichen Klausurvorbereitungen niemals durch das Hauptstudium oder das Examen geschafft hätte, so werden Sie sicherlich nicht nur auf ihn sondern auch auf sich stolz sein – und sich damit gänzlich anders fühlen, als wenn Sie selbst eine vergleichbare Position angestrebt hätten.
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Vgl. Schachter, 1964. Vgl. Schachter / Singer, 1962. Vgl. Ross / Olson, 1981; Zillmann, 1978. Vgl. Russel / Barrett, 1999; Scherer et al., 2006. Vgl. Tesser, 1988.
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Sollte er es auch ohne Ihre Hilfe geschafft haben, verspüren Sie eventuell auch Bewunderung – immer vorausgesetzt, sie interpretieren seinen Erfolg nicht als Bedrohung. Eine weitere Möglichkeit, zu einer Definition unseres Selbst zu gelangen, ist der Vergleich mit anderen Menschen (in Fachkreisen auch als „soziale Interaktion“ oder „Theorie des sozialen Vergleichs“ bekannt) oder die Beobachtung dieser. Nehmen wir an, eine langjährige Arbeitskollegin hat vor Kurzem ein Kind zur Welt gebracht und im Büro wird nun für ein Geschenk gesammelt. Jeder, der sich beteiligen möchte, darf einen Geldbetrag in eine kleine Dose werfen. Sie beschließen, 10 Euro beizusteuern und halten sich für sehr großzügig und kollegial. Aber stimmt das? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, könnten Sie sich nun mit Ihren Kollegen vergleichen. Auf Nachfrage erzählt Ihnen Herr Meier, dass er fünf Euro eingeworfen hat und Sie werden sich vielleicht über Ihre Großzügigkeit freuen. Stellen Sie nun jedoch fest, dass Frau Schulze 25 Euro zu dem Geschenk beisteuert, so wird sich Ihr anfängliches Gefühl schnell relativieren. Indem wir uns mit anderen Menschen vergleichen, versuchen wir, etwas über unsere eigenen Einstellungen und Fähigkeiten in Erfahrung zu bringen.61 Aber wann und mit wem vergleichen wir uns? Vor allem, wenn kein objektiver Maßstab existiert oder wenn wir uns in einem bestimmten Bereich hinsichtlich unseres eigenen Verhaltens nicht sicher sind, nehmen wir Vergleiche mit unseren Mitmenschen vor.62 Auf die Frage, mit wem wir uns vergleichen, hält die Forschung folgende Antwort bereit: Im ersten Moment vergleichen wir uns ganz automatisch mit irgendjemandem aus dem näheren Umfeld. Erst danach halten wir inne und überlegen, wie angemessen der Vergleich tatsächlich war. Dabei stellen wir unter Umständen fest, dass nicht jeder Vergleich sehr informativ ist.63 Wenn Sie sich nun vorstellen, Sie und einige Mitarbeiter hätten ihre erste Stunde im Umgang mit der neuen Bürosoftware, werden Sie sich sicher fragen, wie es um Ihre PCFertigkeiten bestellt ist und ob Sie die neuen Anwendungen verstehen werden. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, kommen Sie auf den Gedanken, sich mit den anderen Teilnehmern zu vergleichen. Doch wen werden Sie wählen? Würden Sie sich nun eher mit dem studierten Informatiker, der Empfangssekretärin, der Führungskraft einer anderen Abteilung mit dem gleichen beruflichen Hintergrund oder der Praktikantin vergleichen? Es wäre nicht überraschend, wenn Ihre Wahl nach kurzer Überlegung auf die andere Führungskraft fallen würde. Ein Vergleich mit ihr wäre wahrscheinlich am aufschlussreichsten, denn wenn diese gut mitkäme, würden Sie annehmen, es auch schaffen.64 Wenn Sie allerdings wissen möchten, welches der für Sie höchstmöglich zu erreichende Stand ist, müssten Sie sich wohl mit dem Informatiker vergleichen. Bei diesem aufwärts gerichteten Vergleich wollen Sie wissen, wer der „Beste der Besten“ ist. Dieser Vergleich ist
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Vgl. Wood / Wilson, 2003. Vgl. Suls / Miller, 1977. Vgl. Gilbert et al., 1995; Mussweiler et al., 2004. Vgl. Miller, 1982.
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Selbstkonzept
sehr löblich und lässt andere schlussfolgern, dass Sie sowohl ehrgeizig als auch zielgerichtet sind und karrieretechnisch sehr wahrscheinlich hoch hinaus wollen. Um Ihr Ego zu stärken, könnten Sie sich aber auch mit der Praktikantin, also abwärts gerichtet, vergleichen, die Ihnen in der ersten Stunde vollkommen überfordert erscheint. Sie vergleichen sich hier also mit Menschen, die in bestimmten Bereichen nicht so gut sind wie sie selbst. Wenn Sie diesen Gedanken zu Beginn Ihrer Überlegungen hatten, müssen Sie nun kein schlechtes Gewissen haben, denn es ist eine das Selbst schützende und stärkende Strategie.65 Eine weitere Möglichkeit sich besser zu fühlen, ist der Vergleich früherer und derzeitiger Leistungen. Auch dieser Vergleich ist in gewisser Weise abwärts gerichtet, wobei als Referenzpunkt keine andere Person, sondern Ihr „früheres Selbst“ herangezogen wird. Anstatt also ständig über die Dinge nachzudenken, die Sie noch nicht erreicht haben, schauen Sie bitte einmal zurück und überlegen Sie, was Sie in den letzten zehn Jahren bereits gemeistert haben. Versuchen Sie spontan fünf Dinge zu nennen, die Sie vor zehn Jahren noch nicht konnten oder sich nicht zugetraut hätten. In aller Regel werden Sie dann merken, dass sich Ihre Stimmung schlagartig ändert und ein positives Gefühl aufkommt. Zusammenfassend lässt sich für Sie als Führungsperson sagen, dass Ihre Ziele die Art der Vergleiche (aufwärts oder abwärts) beeinflussen. Möchten Sie eine exakte Bewertung Ihrer derzeitigen Fähigkeiten, so sollten Sie sich mit jemandem vergleichen, der Ihnen ähnlich ist. Streben Sie jedoch nach mehr und wollen Sie sich nicht nur auf Ihren Lorbeeren ausruhen, sollten Sie einen aufwärts gerichteten Vergleich vornehmen. Und wenn Sie Ihr Selbst kurzfristig stärken möchten, so vergleichen Sie sich mit Menschen, von denen Sie wissen, dass sie nicht so gut sind, wie Sie selbst oder mit Ihrem „früheren Ich“. Wie wir gerade gesehen haben, können uns andere Menschen manchmal als Maßstab zur Bewertung unserer eigenen Fähigkeiten dienen. Sie sind aber häufig nicht nur Referenzpunkt, sondern maßgebliche Beeinflusser des eigenen Verhaltens. Um mehr über sich zu erfahren, sollten Sie also auch überlegen, wie und ob Sie durch andere beeinflusst werden. Warum zum Beispiel vertreten Freunde erstaunlicherweise in der Regel dieselben Weltansichten? Wahrscheinlich verwundert es Sie nicht, dass Freunde einander in ihrem Denken beeinflussen, da sie häufig viel Zeit miteinander verbringen und sich aufgrund von Gemeinsamkeiten automatisch zueinander hingezogen fühlen.66 Überraschender hingegen ist die Tatsache, dass diese unterbewusste soziale Anpassung sogar stattfinden kann, wenn Sie jemandem das erste Mal begegnen. Verschiedene Versuche67 haben gezeigt, dass wir Menschen dazu neigen, automatisch die Ansichten von Menschen abzulehnen, wenn wir sie nicht mögen und Ansichten von Menschen, die wir mögen, anzunehmen. Wenn beispielsweise die neue und sympathisch wirkende Kollegin aus der Buchhaltung einen Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsabläufe machen würde, werden Sie eher gewillt sein, sich
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Vgl. Aspinnwall / Taylor, 1993; Walton / Cohen, 2003 Vgl. Newcomb, 1961. Vgl. Sinclair / Lowery / Hardin / Colangelo, 2005.
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diesen anzuhören und eventuell umzusetzen, als wenn der neue, unattraktive Kollege, der Sie nie grüßt, auf Sie zukäme. Ganz automatisch werden Sie dem unfreundlich wirkenden Kollegen weniger Beachtung schenken und seinen Vorschlag eher ablehnen. Wie Sie anhand der Ausführungen gesehen haben, können Sie sich nicht immer auf Ihr intuitives „Bauchgefühl“ verlassen. Zu langes Nachdenken über Ihr Verhalten, Ihre Gefühle oder Gründe für eine bestimmte Entscheidung ist jedoch auch nicht immer von Erfolg gekrönt. Sowohl Ihr „Bauchgefühl“ als auch eine rationale Denkweise führen nicht zwangsläufig zu einem „richtigen“ Ergebnis, weil die wahren Ursachen oftmals verborgen bleiben. Obwohl viele mentale Prozesse außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung liegen, hoffe ich, dass Ihnen das Kapitel dennoch den einen oder anderen Denkanstoß gegeben hat und Sie mehr über sich und Ihr Verhalten oder das Verhalten der Menschen in Ihrer Umgebung erfahren haben. Gerade die kulturellen Unterschiede bei der Definition des Selbst lassen sich häufig schon in Alltagssituationen feststellen. EXKURS Gerade im Arbeitsalltag sind wir häufig darauf angewiesen, unser Verhalten zu regulieren und unsere Emotionen zu kontrollieren. Das ist oftmals aber einfacher gesagt als getan und mit Sicherheit haben Sie sich schon in einer Situation wiedergefunden, in der Ihnen die Hutschnur geplatzt oder der Geduldsfaden gerissen ist. Wenn dies der Fall ist, versuchen Sie sich doch bitte kurz an diese Situation und die äußeren Umstände zu erinnern. Hatten Sie zu dem Zeitpunkt vielleicht besonders viel zu tun? Denn vor allem wenn Sie unter Stress stehen und angespannt sind, besteht die Möglichkeit, dass Sie die Beherrschung verlieren. Das mag für Sie jetzt auf den ersten Blick keine neue Erkenntnis sein, aber der tatsächliche Grund für den Verlust der Kontrolle wird durch die Situation alleine nur unzureichend erklärt. Anhand verschiedener Versuche68 wurde ein faszinierendes Modell der Selbstkontrolle entwickelt. Dieses stellt die These auf, dass es sich bei der Selbstkontrolle um eine begrenzte Ressource handelt. Dabei verhält sich diese ähnlich wie ein Muskel, der bei häufigem Gebrauch müde wird, sich in Ruhezeiten jedoch regeneriert. Die Energiemenge, die wir für die Selbstkontrolle aufwenden können, ist demnach begrenzt. Wenn Sie nun Ihre ganze Energie für die Vorbereitung einer Präsentation, Projektakquise, Vorbereitung eines wichtigen Geschäftstermins oder Ähnlichem aufwenden, so ist automatisch die Energiemenge, die Ihnen für die Bewältigung einer anderen Aufgabe zur Verfügung steht, eingeschränkt. Belegt wurde die These durch eine Reihe von Studien. Dabei wurden Probanden in einem Versuch69 in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen mussten vor der Bewältigung einer Aufgabe in einem vorangehenden Versuch – der in keinem Zusammenhang mit dem ei-
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Vgl. Baumeister / Hetherington, 1996; Vohs et al., 2005; Schmeichel / Baumeister, 2004. Vgl. Muraven et al. 1998.
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Selbstkonzept
gentlichen Versuch stand – Selbstkontrolle üben und wurden gebeten, nicht an einen weißen Bären zu denken. (Das mag auf den ersten Blick recht einfach sein, aber versuchen Sie nun doch bitte selber, die nächsten fünf Minuten nicht daran zu denken und sie werden feststellen, dass es Ihnen nur mit Mühe gelingen wird.) Die restlichen Probanden wurden ohne diese Anweisung direkt in den Hauptversuch geschickt, der darin bestand, während eines lustigen Films das Lachen und jegliche sonstigen Emotionen zu unterdrücken. Ein Vergleich der Testresultate zeigte anschließend, dass die Probanden, die kurz vorher schon den Gedanken an den Eisbären unterdrücken mussten, deutlich weniger Selbstkontrolle während des Films ausüben konnten. Das Resultat bei ihnen war lautes Gelächter. Aber was bedeutet diese Erkenntnis für Sie als Führungskraft? Natürlich könnten wir Ihnen nun raten, Stress zu vermeiden und zu versuchen, sich auf nicht mehr als eine oder zwei Sachen gleichzeitig zu konzentrieren. In der Realität ist dies jedoch kaum realisierbar und so bleibt uns nur zu sagen: Versuchen Sie ruhig zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Und wenn Ihnen doch einmal der Geduldsfaden reißen sollte, atmen Sie kurz tief durch, denken Sie an den weißen Eisbären und lassen Sie sich gesagt sein, dass es eine ganz natürliche Reaktion ist.
Was denken wir über uns selbst?
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Take-Away-Message
In der Psychologie wird heute zwischen zwei Aspekten des Selbst unterschieden: dem Selbstkonzept und der Selbstaufmerksamkeit. Das Selbstkonzept beschreibt unser Wissen darüber, wer wir sind und die Selbstaufmerksamkeit den Prozess des über uns selbst Nachdenkens. Es gibt sowohl kulturelle als auch geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Definition des Selbst. So haben Menschen aus westlichen Ländern eine eher independente Definition des Selbst, asiatische Kulturkreise eine eher interdependente. Bei Frauen dominiert häufig die relationale Interdependenz, bei Männern hingegen die kollektive. Um exaktes Wissen über die eigene Person zu erhalten, gibt es vier verschiedene Wege, sich selbst kennen zu lernen und zu hinterfragen: Die Introspektion, die Beobachtung des eigenen Verhaltens, die soziale Interaktion und das SelbstSchemata. Da viele mentale Prozesse außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung liegen, ist das kritische Hinterfragen unserer Entscheidungen und Verhaltensweisen manchmal sehr sinnvoll. Zu langes Nachgrübeln bringt jedoch häufig keinen Erfolg.
Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen?
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Unvereinbare Wahrnehmungen Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen?
Julia Anne Glas Viele von uns waren wahrscheinlich schon einmal in der folgenden Situation: Sie kommen gerade von einem Vorstellungsgespräch. Das Gespräch ist sehr gut gelaufen und Sie denken: „Der Personalchef hat mir genau die richtigen Fragen gestellt. Ich habe tolle Antworten gegeben. Der Job ist mir so gut wie sicher.“ Sie gehen nach Hause und erzählen Ihren Verwandten, Freunden und Bekannten von der guten Nachricht. Leider erhalten Sie einige Tage später eine Absage – ein anderer Bewerber hatte einfach die passenderen Qualifikationen. Enttäuscht und mit einem etwas unangenehmen Gefühl versuchen Sie Ihr Missgeschick zu erklären: „Eigentlich wollte ich den Job nicht. Die Kollegen haben einfach nicht zu mir gepasst“, „Der Job war sowieso nicht der Richtige. Das Fachgebiet hat mich doch noch nie interessiert“ oder „Die Stadt hat mir nicht gefallen. Dort möchte ich auf keinen Fall leben“. Aber warum müssen Sie sich dafür überhaupt rechtfertigen? Menschen und insbesondere Führungskräfte haben oft das Bedürfnis ein stabiles und positives Selbstbild aufrechtzuerhalten und wollen sich selbst als rational handelnd, moralisch integer und intelligent ansehen. Aus diesem Grund versuchen sie Dinge, die nicht ihrem Selbstverständnis entsprechen, von sich abzuwenden, da dies sonst unweigerlich zu großem Unbehagen führt.70 Kognitive Dissonanz – wie Psychologen dieses Empfinden nennen – wurde ursprünglich als Unbehagen definiert, das durch zwei oder mehrere gegensätzliche Wahrnehmungen erzeugt wird.71 Die in diesem Buch angewandte Definition beschreibt kognitive Dissonanz als eine unangenehme psychische Spannung, die immer dann entsteht, wenn Menschen mit Aspekten ihres Verhaltens konfrontiert werden, die nicht ihrem positiven Selbstbild entsprechen. Dieses Missverhältnis zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlichem Handeln führt dazu, dass Menschen versuchen ihr empfundenes Unbehagen, also die Dissonanz, zu reduzieren.72 Vier Möglichkeiten sind uns dafür bekannt:
႑ Verhaltensänderung, ႑ Kognitionsänderung (also Wahrnehmungsänderung), ႑ Kognitionserweiterung (also Wahrnehmungserweiterung) und ႑ Selbstbestätigung.73 70 71 72 73
Vgl. Aronson, 1969, 1992, 1998; Wicklund / Brehm, 1998. Vgl. Brehm / Cohen, 1962; Festinger, 1957; Festinger / Aronson, 1960. Vgl. Aronson, 1968, 1969, 1992, 1998; Greenwald / Ronis, 1978. Vgl. Steele, 1998; Aronson / Cohen / Nail, 1999; Aronson / Wilson / Akert, 2008.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Unvereinbare Wahrnehmungen
Die ersten drei Möglichkeiten werden nachfolgend am gern zitierten Beispiel des Rauchens erklärt. Abbildung 4.1 zeigt die verschiedenen Wege auf. Abbildung 4.1
Reduzierung kognitiver Dissonanzen am Beispiel des Rauchens
Quelle: Eigene Darstellung in Anlegung an Aronson, Wilson, Akert (2008), S. 164
Viele Raucher erleben Dissonanz, da sie wissen, dass Rauchen das Risiko erhöht, an Krebs zu erkranken, Gefäßerkrankungen zu bekommen oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Das Verhalten von Rauchern steht demnach im Gegensatz zu ihrem Wunsch, gesund zu bleiben. Raucher können nun auf drei verschiedene Weisen ihr Unbehagen vermindern. Sie können das Rauchen aufgeben, damit ihr Verhalten mit der dissonanten Kognition übereinstimmt. Sie können die dissonante Kognition ändern, indem sie sich einreden, dass Rauchen gar nicht so ungesund ist. „Alle meine Freunde rauchen, also kann es gar nicht schlimm sein“ oder „Es ist gar nicht bewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen Krebs und Rauchen gibt. Außerdem werden die meisten Giftstoffe durch den Filter herausgefiltert.“ Raucher können aber auch Kognitionen hinzufügen, um damit ihr Verhalten zu
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rechtfertigen. „Raucher haben bekanntlich mehr soziale Kontakte und aus diesem Grund ist Rauchen in Ordnung und wird gesellschaftlich akzeptiert.“74 Für einen Nichtraucher erscheinen diese „Ausreden“ wahrscheinlich absurd. Am Beispiel des Rauchens lässt sich aber erkennen, dass Menschen, die kognitive Dissonanz empfinden, häufig nicht die Wirklichkeit sehen und mit einfallsreichen Argumenten versuchen ihr Unbehagen zu verringern.75 Eine vierte Möglichkeit zur Dissonanzreduktion ist die Stärkung des Selbstbildes, indem wir unsere persönlichen Stärken herstellen. Dieser Prozess wird auch Selbstbestätigung genannt. Beim Erleben eines Misserfolges wie zum Beispiel dem Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung, hilft es oft, sich vor Augen zu führen, was man besonders gut kann. „Ich bin zwar durch die Prüfung gefallen, dafür spreche ich aber drei Fremdsprachen fließen, und das kann nicht jeder.“76 Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass die Reduzierung der Dissonanz meist instinktiv, also unbewusst abläuft und somit wesentlich effektiver ist.77 Dissonanzreduktion spielt eine wichtige Rolle bei Entscheidungen. Sie bekommen beispielsweise zwei lukrative Jobangebote. Beide haben Vor- und Nachteile, aber im Großen und Ganzen sind Sie indifferent in Ihrer Entscheidung und könnten sich vorstellen beide Jobs auszuüben. Bei dem einen Job bekommen Sie etwas mehr Gehalt, bei dem anderen wird Ihnen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Der eine Job beinhaltet längere Arbeitszeiten, der andere kürzere, dafür müssen Sie aber auch teilweise am Wochenende arbeiten. Der eine Job fördert Ihre Fachkenntnisse, der andere bietet Ihnen die Möglichkeit, Neues dazu zu lernen. Nach sorgfältigem Abwägen der Argumente und ausführlichen Gesprächen mit Ihrer Familie und Freunden entscheiden Sie sich für die Stelle mit dem höheren Gehalt. Was aber hat das mit Dissonanzreduktion zu tun? Nun gut, Sie werden sich unweigerlich fragen, ob Ihre Entscheidung auch die Richtige war. In der Psychologie wird dies auch Nachentscheidungsdissonanz genannt, also die Dissonanz, die Sie gegenüber den negativen Aspekten des gewählten und gegenüber den positiven Aspekten des abgelehnten Stellenangebots empfinden.78 Denn die Ihnen gebotenen Wahlmöglichkeiten hatten sowohl negative als auch positive Eigenschaften. Um Ihre Entscheidung nicht zu bereuen, müssen Sie jetzt Ihre Dissonanz reduzieren. Meist geschieht dies, indem wir die negativen Eigenschaften des abgelehnten Jobs und die positiven Eigenschaften des angenommen Jobs hervorheben. Genau dieses Phänomen wurde bereits von Jack Brehm (1956) in einem Experiment untersucht. Er ließ Frauen verschiedene Haushaltsgeräte nach Attraktivität bewerten. Als Dank für die Testteilnahme durften die Frauen eines der Geräte behalten. Allerdings mussten sie sich zwischen zwei Geräten, die sie als gleichwertig eingestuft hatten, entscheiden. Nach 20
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson, 1997; Croyle / Jemmott, 1990; Goleman, 1982; Kasarjian / Cohen, 1965. Vgl. Steele, 1998; Aronson / Cohen / Nail, 1999. Vgl. Gilbert et al., 1988. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Minuten wurden die Geräte von den Frauen erneut bewertet. Das Gerät, das die Frauen zuvor geschenkt bekamen, wurde beim zweiten Mal von ihnen als attraktiver bewertet. Das andere Gerät hingegen wurde von ihnen sogar herabgestuft. Die Frauen reduzierten ihre Dissonanz, indem sie ihre Wahrnehmung gegenüber den beiden Geräten veränderten. Darüber hinaus sollte hier erwähnt werden, dass die Stärke der Dissonanz von der Wichtigkeit und der Dauerhaftigkeit der Entscheidung abhängt. Die Frage, welches Jobangebot man annimmt, ist sicherlich wichtiger als die Entscheidung, welchen Stabmixer man kauft. Die Höhe der Dissonanz wird hier aber auch von der Unwiderruflichkeit der Entscheidung beeinflusst.79 Sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben bzw. der Stabmixer bezahlt ist, erhöht sich die Dissonanz. Beim Stabmixer wird die Erhöhung allerdings geringer sein, da man ihn immer noch umtauschen kann. Einen Arbeitsplatz gleich nach Einstellung wieder zu kündigen, erfordert hier schon etwas mehr Mut. Diese Entscheidung ist somit endgültiger. Was aber geschieht bei Entscheidungen, die unter moralischen Gesichtspunkten zu sehen sind? Sind das Essen einer übriggebliebenen Frikadelle, das Mitnehmen von Maultaschen oder das Einlösen eines Pfand-Bons Kavaliersdelikte oder doch Diebstahl? Wie sieht es mit einem eingesteckten Kugelschreiber aus? Sollte man an seinem Geburtstag krank machen, obwohl der Chef einem nicht freigegeben hat und man ihn damit belügen würde? Dies sind zwar nur kleine Beispiele, aber dennoch können wir davon ausgehen, dass die betreffenden Personen bei diesen Taten Dissonanz empfanden, wenn vielleicht auch nur geringe. Bei wesentlich bedeutenderen Entscheidungen können diese moralischen Konflikte entweder unser eigenes positives Selbstbild empfindlich stören oder dazu führen, dass wir uns moralischer bzw. unmoralischer verhalten. Stellen Sie sich vor, Sie leiten die Bilanzbuchhaltung einer kleinen Firma. Das letzte Jahr ist aufgrund der Finanzkrise, rückläufigen Auftragszahlen und steigenden Rohstoffpreisen nicht sehr gut gelaufen und Ihre Firma wird wahrscheinlich einen großen Verlust am Ende des Jahres verbuchen. Da kommt Ihr Chef zu Ihnen und sagt: „Herr M., drehen Sie einfach ein bisschen an den Zahlen, damit unser Jahresabschluss nicht ganz so schlecht aussieht. Da lässt sich doch bestimmt noch etwas machen. Wenn nicht, dann suche ich mir jemand anders für Ihre Position.“ Was würden Sie jetzt tun? Einerseits wissen Sie, dass das Fälschen von Bilanzen unmoralisch und strafbar ist, anderseits wollen Sie Ihren Job nicht riskieren, schließlich haben Sie eine Familie zu ernähren. Egal wie Ihre Entscheidung aussieht, Sie werden dabei Dissonanz empfinden. Sollten Sie der Bitte Ihres Chefs entsprechen, ist Ihr unmoralisches Verhalten dissonant zu Ihrer moralischen Überzeugung. Entscheiden Sie sich dagegen, ist Ihr moralisches Verhalten dissonant zu Ihrer Angst den Job zu verlieren. Nehmen wir einmal an, Sie entscheiden sich für Ihren Chef. Um Ihre Dissonanz zu reduzieren müssen Sie sich jetzt einreden, dass Bilanzfälschung gar nicht so schlimm ist. Die Gefahr, dass Sie oder die Firma erwischt werden, ist schließlich ohnehin gering. Sollte der Betrug wirklich nicht erkannt werden, wird wahrscheinlich auch Ihre Hemmschwelle für das ‚nächste Mal‘ geringer sein. Sie verändern also Ihre Kognition und verhalten sich somit
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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in Zukunft noch unmoralischer. Wenn Sie sich allerdings gegen den Vorschlag Ihres Chefs entscheiden, können Sie ihre Dissonanz nur verringern, indem Sie sich glaubhaft machen, dass Ihr Chef die Kündigungsdrohung gar nicht ernst gemeint hat. Sollte er Sie wirklich nicht entlassen, werden Sie sich in einer ähnlichen Situation wahrscheinlich genauso entscheiden und wieder moralisch handeln.80 Ein weiterer interessanter Aspekt bei der Dissonanzreduktion ist die Rechtfertigung unserer Anstrengungen, also die Angewohnheit der Menschen hart erarbeitete Dinge positiver zu bewerten. Kommen wir noch einmal auf das Beispiel des Vorstellungsgesprächs zurück, indem Sie sich in folgende Situation hineinversetzen. Sie haben sich auf eine Stelle beworben, die Sie sehr gerne bekommen würden. Nach einem ersten Gespräch mit dem Personalchef werden Sie zu einem Assessment Center eingeladen, in dem Sie einige schwierige Aufgaben bewältigen müssen. Nach ein paar Tagen erhalten Sie die Nachricht, dass Sie den Job erhalten und Sie freuen sich, dass sich Ihre Anstrengungen und Bemühungen gelohnt haben. Leider stellen Sie nach einigen Wochen in der neuen Firma fest, dass die Stelle überhaupt nicht Ihren Vorstellungen entspricht. Die Kollegen sind langweilig, die Ihnen übertragenen Aufgaben unterfordern Sie und das Betriebsklima in Ihrer Abteilung ist schon seit einiger Zeit auf dem Nullpunkt. Wie würden Sie sich jetzt verhalten? Würden Sie sich anders verhalten, wenn Sie den Job einfach so bekommen hätten und nicht ein schwieriges Auswahlverfahren bestehen hätten müssen? Eine ähnliche Situation wurde bereits 1959 von Elliot Aronson und Judson Mills in einem klassischen Experiment untersucht. Die beiden versuchten einen Zusammenhang zwischen Anstrengung und Dissonanzreduktion zu finden. In diesem Experiment sollten sich Studenten regelmäßig zu einer freiwilligen Diskussionsrunde über die Psychologie der Sexualität treffen. Um in die Gruppe aufgenommen zu werden, unterzogen sich die Studenten einer freiwilligen Aufnahmeprüfung, wobei ein Drittel der Studenten schwierige Aufnahmebedingungen zu erfüllen hatte, ein Drittel leichte und ein Drittel ohne Aufnahmeprüfung zugelassen wurde. Danach konnten sich die Bewerber eine laufende Diskussion der Gruppe, der sie angehören wollten, anhören. Sie wussten allerdings nicht, dass das Gespräch vorher auf Tonband aufgenommen wurde und absichtlich sehr langweilig und inhaltslos gestaltet war. Anschließend mussten die Studenten das Gespräch bewerten. Abbildung 4.2 stellt die Ergebnisse dar.
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Abbildung 4.2
Unvereinbare Wahrnehmungen
Rechtfertigung von Anstrengung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson und Mills (1959)
Die Teilnehmer, die keine Aufnahmeprüfung bestehen mussten, bewerteten das Gespräch überwiegend als langweilige Zeitverschwendung und bereuten Ihre Teilnahme sogar. Da sie keinerlei Anstrengung unternehmen mussten, um in die Gruppe aufgenommen zu werden, hatten sie auch kein Problem damit, das Gespräch so zu bewerten, wie es in Wirklichkeit war. Die Studenten, die sich allerdings schwierigen Aufnahmebedingungen stellen mussten, bewerteten das Gespräch wesentlich positiver und interessanter. Sie mussten sich selbst einreden, dass die Diskussion gar nicht so belanglos war oder zumindest einige interessante Gesichtspunkte enthielt. Auf diese Weise gelang es ihnen ihre Enttäuschung über die Gruppe und somit auch ihre Dissonanz zu verringern. Die Ergebnisse dieses Experiments können wir jetzt auf unser Beispiel mit der langweiligen Arbeitsstelle anwenden. Da Sie, um diese Stelle zu bekommen, ein schwieriges Assessment Center durchlaufen mussten, werden Sie jetzt wahrscheinlich versuchen diese Anstrengung zu rechtfertigen. Sie werden sich einreden, dass der Job gar nicht so schlimm und langweilig ist. Vielleicht haben Sie ja noch Aufstiegschancen in der Firma oder können das Team auf irgendeine andere Weise motivieren. Hätten Sie hingegen den Job nur durch ein einfaches Vorstellungsgespräch bekommen, würden Sie womöglich darüber nachdenken, zu kündigen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse bestätigen auch, warum Vorstellungsgesprä-
Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen?
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che, Einstellungstests, Assessment Center und andere Einstellungskriterien nicht zu einfach gestaltet werden sollten. Denn je mehr Anstrengung Bewerber aufbringen müssen, um einen Job zu bekommen, desto mehr werden sie ihren Arbeitsplatz schätzen und sich gegenüber der Firma loyal verhalten. Wie in den vorherigen Abschnitten beschrieben, versuchen Menschen ihre Dissonanz zu verringern, indem sie versuchen ihr Verhalten zu rechtfertigen. Psychologen unterscheiden dabei zwei verschiedene Arten der Rechtfertigung – die externe Rechtfertigung und die interne Rechtfertigung. Dissonanzreduktion durch externe Rechtfertigung findet außerhalb des Individuums statt, das heißt Menschen versuchen ihr Verhalten durch externe Motive oder Erklärungen zu rechtfertigen. Versuchen Menschen hingegen ihre Dissonanz durch interne Rechtfertigung zu verringern, dann beinhaltet dies eine Änderung ihrer eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen.81 Nehmen wir einmal an, ein sehr guter Kollege und Freund von Ihnen wurde gebeten zum 75. Betriebsjubiläum eine kleine Rede über die Geschichte der Firma zu halten. Er bittet Sie die Rede vorher zu lesen und ihm Ihre Meinung darüber mitzuteilen. Jedoch präsentiert Ihnen Ihr Kollege eine Woche später eine unverständliche, langatmige und mit sinnlosen Zitaten gespickte Ansammlung von Jahreszahlen und Details über 75 Jahre Firmengeschichte. Was würden Sie in dieser Situation tun? Eigentlich wollen Sie Ihren Kollegen und Freund nicht anlügen, aber wenn Sie Ihm Ihre ehrliche Meinung sagen, wird er vermutlich beleidigt oder sogar verärgert sein, schließlich hat er eine Woche Zeit und Arbeit in die Ausarbeitung seiner Rede gesteckt. Sie beschließen also Ihrem Kollegen nicht die Wahrheit zu sagen und loben ihn stattdessen für sein ‚Meisterwerk‘. Bei dieser kleinen Notlüge empfinden Sie wahrscheinlich nicht sehr große Dissonanz, aber dennoch dient sie dazu, Ihr Verhalten extern zu rechtfertigen, denn gute Freunde soll man schließlich nicht verletzen. Sollte Ihr Kollege aber wirklich an Ihrer ehrlichen Meinung über die Rede interessiert sein, da er diese vor der ganzen Belegschaft vortragen muss und sich keinesfalls blamieren möchte, dann werden Sie kaum eine externe Rechtfertigung finden, Ihren Kollegen zu belügen. Sollten Sie sich dennoch entscheiden, ihm die Wahrheit vorzuenthalten, werden Sie größere Dissonanz empfinden. Diese kann dann nur noch durch interne Rechtfertigung, also die Änderung Ihrer Kognition oder Ihres Verhaltens, verringert werden. Sie denken: „Vielleicht beinhaltet die Rede doch ein paar gute Absätze und ist interessanter, als es der erste Eindruck erwarten ließ.“ Da sich Ihre Einstellung innerhalb kurzer Zeit an Ihre Aussage anpassen wird, werden Sie bald tatsächlich glauben, dass dies eine sehr gute Rede ist. Psychologen nennen dieses Verhaltensmuster einstellungskonträre Argumentation. Eines der bekanntesten Experimente auf diesem Gebiet wurde von Leon Festinger und J. Merrill Carlsmith (1959) durchgeführt. Sie ließen Studenten eine Stunde lang eintönige und langweilige Arbeiten ausführen. Danach wurde den Studenten erklärt, dass bei der Studie herausgefunden werden sollte, ob Menschen höhere Leistungen erbringen, wenn ihnen vorher mitgeteilt wurde, dass es sich bei der ihnen übertragenen Arbeit um eine interessante Aufgabe handelt. Zudem wurde ihnen gesagt, dass sie der Kontrollgruppe angehörten,
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Unvereinbare Wahrnehmungen
also der Gruppe, die nicht wusste, dass es sich um eine interessante Aufgabe handelte. In einem nächsten Schritt mussten die Studenten dann eine weitere, allerdings in den Versuch eingeweihte Teilnehmerin davon überzeugen, dass die auszuführende Aufgabe interessant sei. Mit dieser einstellungskonträren Aussage wurde bei den Studenten Dissonanz hervorgerufen, denn sie wussten schließlich, dass die Arbeit öde und eintönig war und sie die Teilnehmerin damit belügen würden. Was aber hat dies nun mit interner und externer Rechtfertigung zu tun? Nun, die eine Hälfte der Studenten bekam für die Lüge 20 Dollar, die andere Hälfte nur 1 Dollar angeboten. Danach wurden beide Gruppe befragt, wie ihnen denn die Aufgabe gefallen hätte. Die 20-Dollar-Gruppe bewertete die Aufgabe wahrheitsgemäß als öde und langweilig. Sie hatten zwar die Teilnehmerin belogen, allerdings wurde ihnen durch die hohe Belohnung genug externe Rechtfertigung für diese Lüge geboten. Sie waren somit der Ansicht richtig gehandelt zu haben. Die 1-Dollar-Gruppe hingegen bewertete die Aufgabe wesentlich positiver. Die geringe Belohnung bot ihnen nicht genug externe Rechtfertigung, um ihre Lüge zu begründen und Sie mussten sich einreden, dass die Arbeit spannend und anregend war. Sie mussten somit versuchen für ihr Verhalten eine interne Rechtfertigung zu finden, indem sie ihre Meinung über die Aufgabe änderten. Die Wirkung der internen und externen Rechtfertigung ist ein bedeutender Aspekt bei der Androhung von Strafen. Sie sind beispielsweise Abteilungsleiter in einem Unternehmen und beobachten jetzt schon zum wiederholten Male, wie einer Ihrer Angestellten private Emails schreibt und über Facebook mit seinen Freunden chattet. Da Sie in Ihrer Abteilung Regeln aufgestellt haben, die die private Nutzung des Internets verbieten, müssen Sie sich jetzt im Vorfeld entscheiden, was Sie mit Ihrem Angestellten tun werden. Es bieten sich Ihnen hier verschiedene Möglichkeiten. Sie können ihn darum bitten, private Dinge zu unterlassen oder ihm androhen, die Internetzeit auf seine Mittagspause anzurechnen. Sie könnten ihm aber auch mit einer Abmahnung oder sogar fristlosen Kündigung drohen. Bei welcher Strafe denken Sie, wird ihr Angestellter die privaten Konversationen dauerhaft unterlassen? Bei der milden oder bei der harten Strafe? Zur Beantwortung dieser Frage, hilft ein Experiment, das von Elliot Aronson und J. Merrill Carlsmith (1963) in einem Kindergarten durchgeführt wurde. Jedes Kind musste in diesem Versuch Spielzeuge nach Beliebtheit bewerten. Das Lieblingsspielzeug, d.h. das Spielzeug, das von den Kindern am besten bewertet wurde, erklärte der Versuchsleiter zum verbotenen Spielzeug. Anschließend wurden die Kinder in zwei Gruppen eingeteilt. Die Kinder in der einen Gruppe bekamen eine milde, die Kinder in der anderen Gruppe eine harte Strafe angedroht, sollten sie es wagen, das verbotene Spielzeug zu nehmen. Der Versuchsleiter verließ den Raum und ließ die Kinder einige Zeit allein. Zuerst spielten einige Kinder noch mit dem verbotenen Spielzeug, dann aber verloren sie das Interesse daran und wandten sich lieber den anderen Spielzeugen zu. Nach einiger Zeit mussten die Kinder die Spielzeuge erneut bewerten. Die Kinder, die eine harte Strafe angedroht bekamen, bewerteten das verbotene Spielzeug immer noch als das beliebteste. Die Kinder, die eine milde Strafe angedroht bekamen, bewerten das Spielzeug als uninteressant und langweilig. Was war passiert? Beide Gruppen empfanden kognitive Dissonanz, jedoch versuchten sie auf unterschiedliche Weise diese zu reduzieren. Die erste Gruppe hatte eine ausreichende externe Rechtfertigung das Spielzeug nicht zu nehmen, nämlich die harte Strafe. Sie hatte folglich
Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen?
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keinen Grund es schlechter zu bewerten. Bei der zweiten Gruppe hingegen reichte die milde Strafe nicht aus, das Verhalten extern zu rechtfertigen. Sie musste sich eine interne Rechtfertigung suchen, um das Spielzeug nicht zu benutzen. Sie überredeten sich also selbst, dass das Spielzeug nicht interessant für sie sei und bewerteten es deshalb schlechter als vorher. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob diese Selbstüberredung nur vorübergehend ist oder eine dauerhafte Wirkung erzielt werden kann. Um dies herauszufinden wiederholte Jonathan Freedman (1965) das Experiment. Einige Wochen danach schickte er eine Mitarbeiterin in den Kindergarten, um einige schriftliche Test mit den Kindern durchzuführen. Während die Kinder auf die Auswertung der Tests warteten, durfte sie wieder mit den Spielzeugen spielen. Die meisten Kinder, denen einige Wochen vorher eine harte Strafe angedroht wurde, spielten mit dem verbotenen Spielzeug. Die Kinder hingegen, die eine milde Strafe angedroht bekamen, zeigten keinerlei Interesse daran. Durch die unzureichende Bestrafung mussten sie sich einreden, dass das Spielzeug uninteressant ist. Sie änderten damit dauerhaft ihre Einstellung zu dem Spielzeug. Denken Sie noch einmal an das Beispiel mit dem Angestellten, der private Nachrichten während seiner Arbeitszeit verschickte. Die Antwort auf unsere Frage, ob eine harte oder eine milde Strafe ihn davon abhält, ist wahrscheinlich klar. Die milde Strafe wird wesentlich effektiver sein, da er sich eine interne Rechtfertigung suchen und sich selbst davon überzeugen muss, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist. Sie bot ihm folglich nur eine unzureichende externe Rechtfertigung, um seine Dissonanz ausreichend zu reduzieren. Abbildung 4.3
Die Wirkung der internen und externen Rechtfertigung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008)
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Unvereinbare Wahrnehmungen
Abbildung 4.3 veranschaulicht den Zusammenhang von Belohnung bzw. Bestrafung und Rechtfertigung. In den vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, dass eine große Belohnung oder eine harte Strafe eine vorübergehende Änderung unseres Verhaltens verursacht, da wir es extern rechtfertigen können. Eine kleine Belohnung oder eine milde Strafe führt hingegen zu einer dauerhaften Änderung unseres Verhaltens, da wir es nur intern rechtfertigen können und so eine Einstellungsänderung bewirkt wird.
Warum müssen wir unser Verhalten rechtfertigen?
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Take-Away-Message
Dinge, die nicht unserem Selbstverständnis entsprechen, lösen bei uns kognitive Dissonanz aus. Diese kann auf vier verschiedene Weisen reduziert werden - durch Verhaltensänderung, Kognitionsänderung, Kognitionserweiterung oder Stärkung des Selbstbildes. Nachentscheidungsdissonanz wird verringert, in dem wir die positiven Eigenschaften der gewählten Alternative und die negativen Eigenschaften der abgelehnten Alternative herausstellen. Dissonanz kann bei moralischen Entscheidungen zur Kognitions-, also Wahrnehmungsänderung führen, die uns dann moralischer oder unmoralischer handeln lässt. Dinge, die wir uns hart erarbeitet haben, schätzen wir mehr als Dinge, die wir sehr leicht erreicht haben, da wir durch Rechtfertigung von – manchmal sogar sinnlosen – Anstrengungen unsere Dissonanz reduzieren. In der Sozialpsychologie werden zwei verschiedene Arten der Rechtfertigung unterschieden – die interne und die externe Rechtfertigung. Die interne Rechtfertigung einer Aussage, die nicht mit unserer Überzeugung übereinstimmt, führt dazu, dass sich unsere Einstellung der einstellungskonträren Aussage angleicht. Große Belohnungen oder harte Strafen bewirken eine vorübergehende Änderung unseres Verhaltens, da wir es extern rechtfertigen können. Kleine Belohnungen oder milde Strafen bewirken eine langfristige Änderung unseres Verhaltens, da wir es nur intern rechtfertigen können.
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Einstellungen und Einstellungsänderungen Wie werden Gedanken und Gefühle beeinflusst?
Nadine Hömpler Welche Firma hätte es nicht gerne, dass all ihre Mitarbeiter die Firmenphilosophie verinnerlichen und bestenfalls für sich selbst übernehmen? Und für welche Firma geht es nicht darum, potenzielle Kunden zu überzeugen? Um dies zu erreichen, müssen Sie als Führungskraft wissen, wie man Gedanken und Gefühle, sprich Einstellungen, langfristig beeinflussen kann. Einstellungen helfen uns, unsere Umwelt mit all ihren Lebewesen, Gegenständen und Ideen in verschiedensten Situationen zu beurteilen. Sie üben hier vor allem eine Wissensfunktion aus.82 Bereits bestehende Einstellungen machen es uns so leichter, unsere Umwelt zu bewerten. Durch sie müssen wir Gegenstände und Lebewesen nicht jedes Mal neu analysieren. Wir wissen, wie wir uns ihnen gegenüber zu verhalten haben. Doch woher kommen Einstellungen? Es ist wichtig zu wissen, ob die Einstellung der zu beeinflussenden Personen hauptsächlich auf relevanten Fakten, sogenannte kognitiv basierte Einstellung oder auf Emotionen und Wertvorstellungen, sogenannte affektiv basierte Einstellung, beruht. Sind wir uns nicht genau über unsere Einstellung zu etwas im Klaren, was häufig bei Geschmacksfragen der Fall ist („Magst du Mandarinen?“), versuchen wir unsere Einstellung aus Erinnerungen an unser bisheriges Verhalten zu bilden (verhaltensbasierte Einstellung).83 Bereits im Säuglingsalter werden Einstellungen und daraus resultierende Verhaltensmuster für das ganze Leben geprägt. Eltern können über die klassische Konditionierung, d.h. wie verhalte ich mich als Elternteil, wenn ich zum Beispiel gerade die Wäsche gemacht habe und nach Waschmittel rieche, die Gefühle, die Waschmittelgeruch später bei meinem Kind auslöst, langfristig und frühzeitig beeinflussen. Auch Bestrafung und Belohnung sind Mittel, mit denen man affektiv basierte Einstellungen lenken und zunächst häufig freiwilliges Verhalten fördern oder hemmen kann.
82 83
Vgl. Smith / Bruner / White, 1956. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Einstellungen und Einstellungsänderungen
So kann zum Beispiel die spätere Einstellung des Kindes zu einfachen Hausarbeiten, wie Abwaschen oder den Müll hinunterbringen, durch positive oder negative Verstärkung der Eltern im Kindesalter beeinflusst werden. Wir sprechen dann von operanter Konditionierung. Haben mich meine Eltern gelobt oder sogar mit einem Stück Schokolade belohnt, wenn ich den Abwasch gemacht habe, werde ich dies öfter tun und auch im späteren Leben eher ein ordnungsliebender Mensch sein. Wir selbst haben nicht über jede Einstellung das gleiche Maß an Kontrolle. Dies kann sogar Einstellungen gegenüber dem gleichen Einstellungsobjekt betreffen. Auf einige können wir bewusst zugreifen und sie explizit benennen, andere sind willkürlich und unkontrollierbar. Ein beliebtes Beispiel der Sozialpsychologie hierfür ist die Einstellung gegenüber Menschen anderer Hautfarbe. So kann man sich zum Beispiel sehr für die Gleichstellung von Menschen jeglicher Hautfarbe einsetzen und dennoch könnte die Anwesenheit eines AfroAmerikaners unbewusst und ungewollt negative Gefühle in einem hervorrufen. Dies liegt daran, dass wir diese unterbewussten Einstellungen, die vor allem durch unser soziales Umfeld sowie Ereignisse in der Kindheit geprägt werden, nicht kontrollieren können. Auch wenn die Erforschung solcher unbewussten Einstellungen noch ganz am Anfang steht, gibt es schon einige Methoden, die versuchen eben diese zu messen. Weitestgehend anerkannt ist der Implicit Association Test (IAT).84 Hier geht es unter anderem darum, verschiedene Bilder und Begriffe Kategorien zuzuordnen. Die Möglichkeit diesen Test selbst einmal alleine oder mit Ihren Mitarbeitern durchzuführen, haben Sie auf folgender Interseite: https://implicit.harvard.edu/implicit. Jedoch werden wir uns im Folgenden des Kapitels hauptsächlich mit den expliziten Einstellungen und ihrer Beeinflussung beschäftigen. Wie können wir nun die Einstellungen unserer Mitmenschen langfristig beeinflussen und ändern? Wie bringen Sie also Mitarbeiter dazu, die Firmenphilosophie zu verinnerlichen? Zunächst einmal stehen Einstellungen unter großem sozialem Einfluss, das heißt, dass wir uns oft durch das Handeln oder Reden anderer beeinflussen lassen. Näheres hierzu erfahren Sie in Kapitel 6. Ein Weg auch jene Mitarbeiter, die Ihrer Firmenphilosophie von sich aus kritisch gegenüberstehen, dazu zubringen sie dennoch zu übernehmen, ist die einstellungskonträre Argumentation, welche bereits kurz in Kapitel 4 angeschnitten wurden. Im Folgenden soll dieses Konzept noch einmal erläutert werden. Nehmen wir an, Ihr neuester Mitarbeiter setzt sich in seiner Freizeit für den Umweltschutz ein. Ihre Firma stellt allerdings Sportwagen her und der Verbrauch ist eindeutig den Fahrleistungen untergeordnet. Er wird seine Arbeit zwar erledigen, Sie müssen aber damit rechnen, dass er sich in seinem sozialen Umfeld negativ über Ihre Firma und deren Philo-
84
Vgl. Greenwald und Kollegen, 1998; Nosek und Kollegen, 2005.
Wie werden Gedanken und Gefühle beeinflusst?
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sophie äußert. Selbst wenn er dies nicht tun sollte, wird er die Firma nach außen kaum überzeugend vertreten. Eine Möglichkeit die Einstellung dieses Mitarbeiters zu ändern ist die Folgende: Lassen Sie den entsprechenden Mitarbeiter einfach eine Rede halten, in der die Firmenphilosophie mit ihren Vorzügen dargestellt wird. Er wird, ebenfalls in Kapitel 4 genauer erläutert, kognitive Dissonanzen empfinden, da sein Gesagtes nicht mit seiner bisherigen Einstellung übereinstimmt. Solange Sie Ihrem Mitarbeiter keine externe Rechtfertigung bieten, er zum Beispiel nicht das Gefühl hat, mit einer Sanktion rechnen zu müssen, falls er die Rede nicht korrekt oder gar nicht hält, wird er versuchen die Dissonanzen anderweitig zu kompensieren. Er wird beginnen zu glauben, was er in seiner Rede angepriesen hat und daraus für sich funktionierende Schlüsse ziehen: „Schnelle Autos sind tatsächlich besser.“ Dementsprechend wird er seine Einstellung der Firmenphilosophie angleichen. Auch im Erfolgsfall können Sie mit oben genannten Dissonanztechniken nur die Einstellungen einzelner Menschen ändern. Wenn Sie potenzielle Kunden überzeugen wollen, sprechen Sie jedoch immer eine große Gruppe an. Wie verfahren Sie also bei einer Werbekampagne? Ein Mittel, die Einstellungen einer großen Gruppe zu ändern, finden Sie in der sogenannten persuasiven Kommunikation. Sie dient dazu, die angesprochene Zielgruppe von einer bestimmten Meinung zu einem Thema oder auch einem Produkt zu überzeugen. Da stellt sich auch schon die nächste Frage: Wann ist meine Kommunikation, in Ihrem Fall die Werbekampagne, überzeugend? Eine zentrale Hilfestellung geben Ihnen hier Carl Hovland und Kollegen (1953), welche in zahlreichen Studien einen Ansatz zur Effektivität von persuasiver Kommunikation entwickelt haben. Dieser Ansatz wurde nach der Universität der Forscher benannt und ist gemeinhin als Yale-Ansatz der Einstellungsänderung (Yale Attitude Change Approach) bekannt. Unter anderem sind folgende Aspekte in der Kommunikation wichtig: Die Quelle, also wer etwas sagt:
႑ Quellen sollten vom Publikum als glaubwürdig wahrgenommen werden.85 ႑ Quellen sollten vom Publikum als attraktiv wahrgenommen werden.86 Die Art der Kommunikation, also was gesagt wird:
႑ Aussagen sollten nicht allzu offensichtlich auf Meinungsänderung abzielen. 87 ႑ Aussagen sollten positive und ein paar negative Informationen enthalten.88 85 86 87 88
Vgl. Hovland, C. I. / Weiss, W., 1951; Jain, S. P. / Posavac, S. S., 2000. Vgl. Eagly, A. H. / Chaiken, S. 1975. Vgl. Petty, R. E. / Cacioppo, J. T., 1986. Vgl. Crowley, A. E. / Hoyer, W. D., 1994.
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Einstellungen und Einstellungsänderungen
႑ Falls zwei Sprecher direkt aufeinander folgen, ist es besser, als Erster zu sprechen. Das wird auch Primacy-Effect genannt. Falls es zwischen den Sprechern eine Pause gibt, ist es besser, als zweiter zu sprechen. Das wird auch Recency-Effect genannt.89 Der Adressat der Kommunikation, also wem etwas gesagt wird:
႑ Ein abgelenkter Adressat ist leichter zu überzeugen.90 ႑ Weniger intelligente Menschen sind leichter zu überzeugen.91 ႑ Heranwachsende und junge Erwachsene sind leichter zu überzeugen.92 Wie erfolgreich Ihre Werbekampagne ist, hängt also davon ab, „wer was zu wem sagt“. Zunächst sollten Sie festlegen, an wen Ihre Werbekampagne gerichtet werden soll, also Ihre Zielgruppe definieren. Um bei dem Beispiel des Sportwagenherstellers zu bleiben, nehmen wir mal an, dass Ihre Kunden hauptsächlich männlich und zwischen 30 und 55 sind. Wichtig ist hier noch zu wissen, dass abgelenktes Publikum oft leichter zu überzeugen ist, als nicht abgelenktes. Sie müssen nun dementsprechend Ihre Quelle, sprich die Person, die Ihre Werbebotschaft vermitteln soll, auswählen. Hier hätte die Wahl einer jungen, attraktiven Frau gleich zwei Vorteile. Einerseits wird die Aufmerksamkeit des Kunden in einer gewissen Weise vom eigentlichen Produkt abgelenkt, Sie haben es also mit einem abgelenkten Publikum zu tun. Andererseits spielen Sie hier mit der Attraktivität des Sprechers. Attraktive Sprecher sind an sich schon überzeugender als weniger attraktive und eine junge Frau würde dem Kunden implizieren, dass er durch den Kauf eines Sportwagens auch seine eigene Attraktivität erhöht. Nun müssen Sie nur noch die Botschaft an sich formen. Sie sollten darauf achten, dass Ihre Werbung nicht als zu aggressiver Beeinflussungsversuch aufgefasst wird. Außerdem sollten Sie in Ihrer Botschaft sowohl Pro-, als auch Kontra-Argumente anführen und durch Ihre Pro-Argumente die Gegenseite widerlegen. Führen Sie zum Beispiel den hohen Kraftstoffverbrauch von Sportwagen an sich an und entkräften dieses Gegenargument durch Ihre neueste Technologie, die den Verbrauch erheblich senkt. Die große Menge an Optionen, die uns der Yale-Ansatz liefert, kann jedoch auch Probleme aufwerfen. Man könnte das Gefühl bekommen, zu viele Informationen zu haben und es wird schwer zu entscheiden, welche am wichtigsten sind. „Versuche ich meine Kunden durch eine attraktive, junge Frau zu überzeugen oder konzentriere ich mich lieber auf technische Fakten?“ Sie können sicher sein, dass Sie nicht der Erste sind, der sich diese Fragen stellt. Auch Petty und Cacioppo (1986) haben sich gefragt, wann oberflächliche Faktoren wie Aussehen und
89 90 91 92
Vgl. Haugtvedt, C. P. / Wegener, D. T., 1994. Vgl. Festinger, L. / Maccoby, N., 1964. Vgl. Rhodes, N. / Wood, W., 1992. Vgl. Krosnick, J. A. / Alwin, D. F., 1989.
Wie werden Gedanken und Gefühle beeinflusst?
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wann inhaltliche Faktoren wie technische Daten überzeugend auf das Publikum wirken und daraus das sogenannte Elaborations-Wahrscheinlichkeits-Modell der Überzeugung entwickelt. Dieses Modell beschreibt zwei Wege der Einstellungsänderung durch persuasive Kommunikation. Der erste Weg verfolgt die sogenannte zentrale Route zur Überzeugung. Hier geht man zunächst davon aus, dass die angesprochene Gruppe motiviert ist, über die vermittelten Fakten nachzudenken und sie zu verarbeiten. Diese Motivation kann zum Beispiel aus einer persönlichen Relevanz des Themas herrühren. In unserem Sportwagen-Beispiel könnte so eine Relevanz gegeben sein, wenn der Kunde gerne Sportwagen fährt, einen extrem hohen Kraftstoffverbrauch jedoch negativ bewertet. Er wird technischen Daten, wie Verbrauch und andere Nebenkosten, höhere Aufmerksamkeit schenken und sich durch die logische Darstellung dieser Fakten in Ihrer Werbung überzeugen lassen. Aber Sie wollen natürlich auch das zahlungskräftige Klientel ansprechen, also die Kunden, die weniger auf technische Details achten und für die Geld keine dominierende Rolle zu spielen scheint. Diese Kunden können Sie über die periphere Route zur Überzeugung erreichen. Wenn eine Kunde einer langen Argumentationskette aufgrund fehlender Motivation nicht folgt, versuchen Sie durch die Attraktivität des Sprechers oder durch eine kurze, knappe Aussage zu überzeugen. Die Erscheinung und vor allem die Glaubwürdigkeit des Sprechers ist auch dann von großer Bedeutung, wenn Ihre Kunden über wenig Fachwissen verfügen, in unserem Beispiel also keinerlei Autokenntnisse aufweisen. Ein anderes Beispiel, bei dem die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Sprecher eine große Rolle spielen, ist der Bereich der Medizin. Kaum jemand hinterfragt bei einem Arzt die Diagnose. Hierfür fehlt uns schlicht und einfach das medizinische Fachwissen. Wir vertrauen darauf, was der Arzt sagt. Er ist in diesem Fall der Experte. Man kann also die allgemeine Regel aufstellen, dass das Publikum bei geringer persönlicher Relevanz und/oder bei fehlendem Fachwissen eher auf oberflächliche Merkmale achtet oder ganz einfach dem Experten vertraut. Mit steigender persönlicher Relevanz steigt auch die Motivation langen Argumentationsketten zu folgen. Diese Motivation kann aber auch einen anderen Ursprung haben. Einige Menschen haben Spaß an anstrengenden, kognitiven Tätigkeiten, wie zum Beispiel dem Lösen schwerer Mathematikaufgaben. Man spricht hier von einem Persönlichkeitsmerkmal, dem Kognitionsbedürfnis („need for cognition“).93
93
Vgl. Cacioppo und Kollegen, 1996.
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Einstellungen und Einstellungsänderungen
Je höher das Kognitionsbedürfnis eines Menschen, desto eher ist er bereit logischen, aber auch komplizierten Argumentationsketten, sprich der zentralen Route zur Überzeugung, zu folgen. Neben der Information, welcher Route zur Überzeugung Menschen mit hohem Kognitionsbedürfnis folgen, kann dieses Persönlichkeitsmerkmal Ihnen als Führungskraft einen noch viel relevanteren Nutzen liefern. Soll Herr Meier Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung (F&E) werden und den Motor für Ihren neuesten Sportwagen entwickeln oder doch lieber Frau Kruse? Solche Probleme im Mitarbeiter-Placement können Sie über das Kognitionsbedürfnis lösen. Lassen Sie Herrn Meier und Frau Kruse einmal folgenden Test machen: http://www.liberalarts.wabash.edu/ncs/. Hat laut Test Frau Kruse ein höheres Kognitionsbedürfnis, ist Sie vielleicht geeigneter für den Posten des Abteilungsleiter F&E. Sie hat Spaß am tüfteln und entwickeln und wird Ihre Arbeit dementsprechend gut und schnell erledigen. Doch nun noch einmal zurück zu Ihrer Werbekampange. Selbst die motiviertesten Kunden werden und können keinen Sportwagen bei Ihnen kaufen, solange sie nicht auf Ihre Werbung aufmerksam geworden sind. Eine Möglichkeit Aufmerksamkeit zu erregen, ist der Weg über die Emotionen des Kunden. Eine sehr starke Emotion ist die Furcht. Die Ängste in einem Menschen zu wecken und so zu versuchen seine Einstellung zu ändern, wird als furchterregende Kommunikation bezeichnet. Eine Form der Furcht, an die Sie als Sportwagenhersteller appellieren könnten, ist die Furcht vor sozialer Ablehnung. Wer keinen Ihrer Sportwagen fährt, wird in der Gesellschaft nicht anerkannt. Sie können furchterregende Kommunikation auch außerhalb der Werbung in Ihrem Unternehmen anwenden. Nehmen wir an, ein Mitarbeiter erledigt seine Arbeit nicht so gewissenhaft wie zunächst erwartet. Hier könnten Sie versuchen durch das Androhen von Sanktionen seine Leistung (kurzfristig) zu steigern. Allerdings sollten Sie hier Vorsicht walten lassen. Achten Sie darauf, dass Sie keine zu intensive Furcht auslösen, denn dann nehmen Menschen eine Defensivhaltung ein und beginnen die bestehende Gefahr zu leugnen. Des Weiteren kann furchterregende Kommunikation sowohl in der Werbung, als auch zur Mitarbeitermotivation, nur funktionieren, wenn Sie gleichzeitig einen Weg liefern, der Gefahr zu entgehen. Der Sportwagenkauf liefert soziale Anerkennung und der Mitarbeiter kann aus eigener Kraft einer Sanktion entgehen, indem er bessere Leistung bringt. Andere Emotionen, an die in der Werbung häufig appelliert wird, sind Aufregung, Mitgefühl und Humor. Treffen Werbekampagnen allerdings auf kognitiv basierte Einstellungen, funktioniert die Werbung nicht über Emotionen. Auch hier gilt es, das Thema der Werbung oder Ihr Produkt für den Kunden persönlich relevant zu machen. Wie Sie bereits gesehen haben, dient die persönliche Relevanz als Motivator, sich mit den Inhalten einer Botschaft, in diesem Fall der Werbebotschaft, auseinanderzusetzen. Es ist hier essenziell, das eigene Produkt als besten und einzigen Lösungsweg darzustellen. Ihr neuester Sportwagen ist der einzige, der schnell ist und trotzdem die Umwelt schont.
Wie werden Gedanken und Gefühle beeinflusst?
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Eine der beängstigendsten und berüchtigtsten Werbeformen sind sogenannte subliminale (unterschwellige) Botschaften. Diese Botschaften in Form von Bildern oder Worten werden gerade so lange eingeblendet, dass wir als Mensch sie zwar nicht bewusst wahrnehmen, aber dennoch durch sie beeinflusst werden sollen. Es gibt jedoch keinerlei Belege dafür, dass wir tatsächlich durch solche Werbebotschaften in unserer Kaufentscheidung beeinflusst werden. Lediglich unter kontrollierten Verhältnissen in Laborstudien konnten entsprechende Wirkungen festgestellt werden.94 Bis jetzt habe ich Ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, Mitarbeiter und Kunden zu motivieren und zu beeinflussen. Doch wie steht es mit Ihnen selbst? Sie können sicher sein, dass auch andere Führungskräfte, Ihre Verhandlungspartner, diese Techniken kennen und anwenden werden. Wie können Sie sich also gegen solche Beeinflussungsversuche schützen? Einer der einfachsten Wege ist die Einstellungsimpfung. Hierbei geht es darum, sich im Voraus bereits mit möglichen Gegenargumenten auseinanderzusetzen. Die neueste Verhandlung mit Ihrem jahrelangen Reifenlieferanten steht an. Setzen Sie sich vorher hin und gehen mögliche Argumente Ihres Lieferanten, die für einen höheren Preis pro Reifensatz sprechen, durch. Dadurch, dass Sie sich bereits mit den einzelnen Argumenten beschäftigt haben, sind Sie im späteren Verhandlungsgespräch weniger anfällig gegenüber der geballten Ladung an Argumenten. Sie sind sicherer, da Sie weniger überrascht, besser vorbereitet sind. Das sogenannte Product Placement versucht eben diese Technik zu umgehen. Hier ist es der Kunde, der sich des Versuchs seine Einstellung zu ändern nicht bewusst ist. Er hat somit keine Chance, sich vorher mit dem Thema auseinanderzusetzen. Man ist im Allgemeinen resistenter gegen einen Beeinflussungsversuch, wenn man ihn vorher enttarnt hat oder vorgewarnt wurde. Wenn Sie andere vor Beeinflussung durch einen Dritten schützen wollen, sollten Sie selbst darauf achten, nicht zu starke Botschaften auszusenden. Wenn Sie zum Beispiel Ihre Mitarbeiter vor äußerer Beeinflussung durch Konkurrenten schützen wollen, sprechen Sie keine zu kategorischen Verbote aus. Verbieten Sie Ihren Mitarbeitern strengstens den Besuch der Homepage zur Mitarbeiter-Akquise der Konkurrenz, kann es nach der Reaktanztheorie95 zur entgegengesetzten Reaktion kommen. Ihre Mitarbeiter fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt und das Verbotene wird umso interessanter, je ausdrücklicher es verboten wird. Bei der Beeinflussung von Einstellungen ist also in jeglicher Situation neben den in diesem Kapitel erläuterten Techniken Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnis gefragt.
94 95
Vgl. Dijksterhuis et al., 2005. Vgl. Brehm, 1966.
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Einstellungen und Einstellungsänderungen
Take-Away-Message
Wichtig ist zunächst der Ursprung der Einstellung: kognitiv, affektiv oder verhaltensbasiert. Alle drei verschiedenen Ursprünge erfordern unterschiedliche Methoden zur Beeinflussung. Neben klassischer und operanter Konditionierung ist die persuasive Kommunikation, richtig angewendet, ein wirksames Mittel zur Einstellungsänderung. Entscheidend ist hier, wer was zu wem sagt. Eine wichtige Hilfestellung liefert hierbei der Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung. Unterschiedliche Menschen gehen unterschiedliche Wege der Einstellungsänderung. Auf der einen Seite haben wir die zentrale Route zur Überzeugung und auf der anderen Seite die periphere Route. Welche Route eingeschlagen wird, hängt von der Motivation durch persönliche Relevanz oder dem Kognitionsbedürfnis ab, langen Argumentationsketten zu folgen In der Werbung wird mit Emotionen verschiedenster Art gespielt. Außerdem rückt die notwendige persönliche Relevanz des Produktes immer mehr in den Vordergrund, wenn die Werbebotschaft auf kognitiv basierte Einstellungen trifft. Durch Einstellungsimpfung, bei der Sie sich im Voraus mit kleineren, einzelnen Dosen an Gegenargumenten auseinandersetzen, können Sie sich selbst vor Beeinflussungsversuchen schützen.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
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Konformität Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
Thomas Johann Bestimmt kennen Sie dies als Führungskraft und als Mensch: Jeden Tag beeinflusst man andere, bestimmte Dinge zu tun. Aber ebenso wird man jeden Tag selbst beeinflusst. Beides kann bewusst oder unbewusst ablaufen. Beeinflussung beginnt damit, dass man andere zur Mitarbeit an einem Projekt auffordert, geht über das Ausführen einer Dienstanweisung des eigenen Vorgesetzten und endet im privaten Bereich damit, dass man seine Tochter bittet, den Müll zur Mülltonne zu tragen. Ebenso denkbar wären das Leisten von Überstunden oder der sonntägliche Besuch bei den Schwiegereltern. Speziell hier stellt sich auch die Frage nach der Freiwilligkeit. Insofern ergibt sich die Frage für dieses Kapitel von selbst: Wodurch wird Verhalten beeinflusst? Wie Sie gerade gelesen haben, ist die Spannbreite an Verhaltensbeeinflussung sehr groß: Sie reicht von Gehorsam bis Konformität. Oder anders formuliert: Eine Beeinflussung kann sowohl durch Gehorsam als auch durch Konformität erzeugt werden. Als Führungskraft sollten Sie die grundlegenden Mechanismen kennen, um sie für sich zu nutzen, beziehungsweise zu erkennen, wann Ihr Verhalten beeinflusst wird oder beeinflusst werden soll. Wie bereits in den letzten Kapiteln festgestellt, werden wir auch in diesem Kapitel sehen, dass es starke kulturelle Unterschiede gibt. So gilt die deutsche Kultur als eine individualistische, während beispielsweise die japanische Kultur eher als kollektivistisch einzuschätzen ist.96 Dies hat Einfluss darauf, wie Verhalten beeinflusst wird und auf Sie als Führungskraft. Doch lassen Sie uns mit der Konformität beginnen. Diesen Begriff kennen Sie wahrscheinlich aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Darunter verstehen Psychologen die Änderung des Verhaltens aufgrund des realen oder – und das ist viel erstaunlicher – vermeintlichen Einflusses anderer.97 Dabei unterscheiden wir zwischen zwei Begriffen, die zunächst kompliziert klingen, dann aber einleuchtend und leicht verständlich sind: Informationaler sozialer Einfluss ist der Einfluss anderer Menschen – indem wir sie als Informationsquelle nutzen – der uns dazu bringt, uns ihnen anzupassen. Wir passen uns an, da wir glauben, dass die Interpretation der anderen (beispielsweise in einer mehrdeutigen Situation) zutreffender ist als unsere eigene und uns helfen wird, angemessen zu handeln.98
96 97 98
Vgl. Hofstede, 1986; Kim / Markus, 1999. Vgl. Kiesler / Kiesler, 1969. Vgl. Cialdini, 2000; Cialdini / Goldstein, 2004.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Konformität
Normativer sozialer Einfluss ist der Einfluss anderer Menschen, der uns zu konformem Verhalten verleitet, um von ihnen gemocht und auch akzeptiert zu werden. Wir passen unser Verhalten der Gruppe an, ohne selbst davon überzeugt zu sein, um beispielsweise nicht dumm zu wirken. Es kommt zu einer sogenannten öffentlichen Übereinstimmung. Dabei sind wir nicht davon überzeugt, dass die Gruppe recht hat. Es kommt also gerade nicht zu einer privaten Akzeptanz.99 Diese zwei Begriffe sind die Grundlage des Verstehens von Verhaltensbeeinflussung. Wir beginnen nun mit dem ersten Fall – der Beeinflussung durch Informationen: Andere Menschen nach ihrer Meinung zu fragen oder ihr Handeln zu beobachten, hilft uns eine Situation zu erklären oder zu verstehen.100 Handeln wir daraufhin so wie alle anderen, dann verhalten wir uns konform. Diese Konformität ist nicht als ein persönliches Einknicken oder gar Schwäche zu sehen. Vielmehr haben wir Informationen gewonnen und uns dann entsprechend verhalten. Diese Anpassung beruht auf unserer Einschätzung, dass die anderen die Situation besser beurteilt haben. Gerade Führungskräfte nutzen eine solche Beeinflussung durch Informationen regelmäßig. Eines der bekanntesten Experimente in diesem Bereich stammt von Muzafer Sherif aus dem Jahre 1936. Dabei geht es darum, alleine in einem dunklen Raum sitzend, einen Lichtpunkt in viereinhalb Meter Entfernung zu beobachten und die Bewegung einzuschätzen. Einige Probanden in dem Versuch glaubten, es seien nur wenige Zentimeter, andere glaubten, es seien mehr als zwanzig Zentimeter, die der Lichtpunkt wanderte. Interessanterweise bewegte sich der Lichtpunkt aber überhaupt nicht. Gleichwohl nehmen Menschen in einem dunklen Raum einen hellen Lichtpunkt, ohne dass es Bezugsgrößen oder Orientierungspunkte gibt, als wandernd wahr. Schauen Sie in einer dunklen Nacht doch einmal zum Sternenhimmel hoch, dann werden Sie diesen Effekt feststellen. Dies nennen Psychologen den autokinetischen Effekt. Sie werden sich jetzt sicher fragen, was dies mit der Beeinflussung von Verhalten zu tun hat. Die Erklärung liegt im zweiten Teil des Experiments, welcher einige Tage später durchgeführt wurde. Hier wiederholten die Probanden das Lichtpunktexperiment – nun aber gemeinsam mit zwei anderen Versuchsteilnehmern im selben Raum, die zuvor selbst das Experiment durchlaufen haben. Nun äußerten die Teilnehmer ihre Einschätzungen laut bezüglich der Distanz, die der Lichtpunkt wanderte. Die Frage, die Sherif beantworten wollte, lautete: Wie verhalten sich die Probanden, wenn sie von den anderen Versuchsteilnehmern deren Meinung hören? Denn diese weicht höchstwahrscheinlich von der eigenen ab. Daraus ergibt sich die Fragestellung: Lassen sich die Versuchsteilnehmer beeinflussen? Die Antwort lautet: Ja! Nach mehreren Versuchsdurchgängen kam die Gruppe zur gleichen Einschätzung. Die Teilnehmer verhielten sich konform. Die einzelnen Teilnehmer vertrauten auf die Einschätzung der Gruppe, die somit als Informationsquelle diente. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die Zusammenhänge:
99 100
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Kelley, 1955; Thomas, 1928.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
Abbildung 6.1
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Gruppeneinschätzungen bei Sherifs (1936) autokinetischen Experiment
Schätzung der Bewegung (Inches, 1 Inch = 2,54 Zentimeter)
9 8 7 6 Proband 1
5
Proband 2
4
Proband 3
3 2 1 0 Allein
1
2
3
Versuchsphase gemeinsam mit anderen Gruppenmitgliedern
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008), S. 234
Ein solcher informationaler sozialer Einfluss kann nun sowohl zu einer privaten Akzeptanz führen als auch zu einer öffentlichen Anpassung. Wichtig im Zusammenhang mit dem Experiment von Sherif ist nun noch eine weitere Variable, nämlich die Frage, wie wichtig es den Probanden ist, eine Aufgabe exakt zu erfüllen.101 Haben unsere Urteile, Einschätzungen und Entscheidungen Konsequenzen, sind wir motiviert und wollen es richtig machen. Bezogen auf die Konformität bedeutet dies, dass je wichtiger die Urteile, Einschätzungen und Entscheidungen für uns sind, desto mehr verlassen wir uns auf die Hilfe anderer – der informationale soziale Einfluss steigt folglich. Dies bedeutet zugleich, dass Sie als Führungskraft eine besondere moralische Verantwortung aufgrund Ihres Einflusses haben. Denn in wichtigen Situationen werden sich Ihre Mitarbeiter auf Sie verlassen.
101
Vgl. Levine et al., 2000.
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Konformität
Doch wann ist informationale Konformität gefährlich? Speziell wenn es um die eigene Sicherheit geht, orientiert man sich am Verhalten anderer, was beispielsweise zu Massenhysterien führen kann. So beobachten wir zwar das Verhalten anderer, dieses ist aber auch falsch oder basiert auf fehlerhaften Informationen. Gerade in Menschenmengen kann es zu einer Ansteckung kommen, wenn sich Emotionen und Verhaltensweisen schnell verbreiten.102 Aktuell und in sehr tragischer Weise trat dies bei der Love Parade 2010 auf. In die Kategorie Massenhysterien fallen auch sogenannte psychogene Massenerkrankungen.103 Dabei treten physische Symptome bei einer Gruppe von Menschen ohne erkennbaren (physischen) Grund auf. Auch Massenmedien können ein solches Phänomen begünstigen oder im positiven Falle natürlich auch verhindern. Ein Beispiel für eine psychogene Massenerkrankung erlebte einmal einer meiner Autorenkollegen während eines Vortrags in einer Firma. Dieser fand in einem frisch renovierten Raum statt. Nach circa einer Stunde berichteten die ersten Mitarbeiter von Kopfschmerzen und Schwindel. Sie waren der Meinung, dass Ausdünstungen aus dem neuen Fußboden ursächlich waren. Nach und nach bemerkten immer mehr Teilnehmer die gleichen Symptome bei sich. Schließlich musste die Veranstaltung abgebrochen werden. Noch am selben Tag wurden von Spezialisten Tests durchgeführt. Es konnten keine erhöhten Werte an beispielsweise Lösungsmitteldämpfen gemessen werden. Für Sie als Führungskraft ist nun die folgende Frage besonders elementar: Wann hat informationaler sozialer Einfluss ein konformes Verhalten zur Folge? Hier lassen sich insgesamt drei Variablen ermitteln:
႑ Wenn die Situation mehrdeutig ist. Hier gilt: Je unsicherer Menschen sind, desto mehr werden sie sich auf andere verlassen.104
႑ Wenn es sich um eine krisenhafte Situation handelt.105 Aufgrund einer Krise fehlt uns meistens die Zeit zu reflektieren. Deshalb passen wir unser Verhalten dem der anderen an. Das ist auch ein Grund, warum Führung meist in Krisen sichtbar wird.
႑ Wenn jemand als Experte gilt,106 verwenden wir sein Verhalten als Informationsquelle. Wenn Sie also andere Menschen beeinflussen wollen, dann steigen Ihre Erfolgsaussichten, wenn die anderen in einer mehrdeutigen, eventuell sogar krisenhaften Situation sind und Sie als Experte akzeptieren. Gerade der letzte Punkt ist sehr wichtig. Dabei geht es nur bedingt darum, dass andere Sie als Fachmann in einem bestimmten Gebiet akzeptieren. Vielmehr gibt es Menschen, die durch ihr Auftreten und ihre (charismatische) Ausstrahlung anderen das Gefühl vermitteln, ein „Lebensexperte“ zu sein, also allgemein im Leben das Richtige zu tun und dieses gut zu meistern. Wenn Sie ein solcher Mensch sind, haben
102 103 104 105 106
Vgl. Gump / Kulik, 1997. Vgl. Bartholomew / Wessely, 2002. Vgl. Walther et al., 2002. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Cialdini / Trost, 1998.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
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Sie einen maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten anderer Menschen, den Sie verantwortlich nutzen sollten. Gerade Menschen in Führungspositionen aus Wirtschaft, Politik und Medien fallen in diese gerade geschilderte Kategorie. Solche Menschen werden nicht nur in Fachfragen um Rat gebeten, sondern meist auch beispielsweise in privaten Angelegenheiten, da die Befrager oder Hilfesuchenden meinen, dass ein solcher Mensch allgemein ein Experte ist. Wir wissen von vielen Politikern, die Hilfeersuchen aus ganz unterschiedlichen Bereichen erhalten und sich oft selbst darüber wundern, welche Fragen ihnen gestellt werden. Um die Diskussion zum informationalen sozialen Einfluss abzuschließen, möchte ich Ihnen nun noch kurz aufzeigen, wie man diesem widerstehen kann, denn sich auf andere zu verlassen, kann sowohl eine sehr gute Idee sein, als auch – wie wir gesehen haben – zu einer Katastrophe führen:
႑ Zuerst können Sie sich fragen, ob andere Menschen in der Situation tatsächlich mehr wissen als Sie, weil es sich unter Umständen um Experten handelt.
႑ Zweitens sollten Sie sich fragen ob die Reaktionen, Emotionen und Handlungen der anderen Menschen sinnvoll sind. Speziell hier kommt man mit dem gesunden Menschenverstand ein erhebliches Stück weiter. Stellen Sie sich doch einmal ein Meeting vor, welches Sie leiten. Es wird ein Thema kontrovers diskutiert. Der Mitarbeiter Herr A. leistet gegen Ende der Diskussion seinen ersten Beitrag. Dieser hinterlässt besonderen Eindruck, da Herr A. mit sehr fester und ruhiger Stimme sowie dominanter Körpersprache kommuniziert hat. Dies führte dazu, dass andere Teilnehmer sich seiner Meinung anschließen und für seinen Vorschlag stimmen. Sie sollten sich nun fragen, ob Herr A. tatsächlich ein Experte ist, denn hier übt er informationalen sozialen Einfluss aus! Zweitens sollten Sie sich fragen, ob die Unterstützung durch die anderen Mitarbeiter sinnvoll ist! Prüfen Sie den Diskussionsbeitrag, den Wissenshorizont von Herrn A. sowie die Reaktionen der anderen Mitarbeiter nicht so systematisch, könnten Sie den Fehler begehen, sich einfach der Masse anzuschließen und unreflektiert eine Fehlentscheidung zu treffen. Kommen wir nun zum zweiten Fall, dem normativen sozialen Einfluss. Zur Erinnerung: Hierunter versteht man das Bedürfnis, akzeptiert zu werden. Dabei passen wir uns an die sozialen Normen einer Gruppe, also deren impliziten und expliziten Regeln bezüglich Verhaltensweisen, Werten und/oder Überzeugungen, an.107 Jeder kennt dies aus dem beruflichen und privaten Bereich: Gruppenmitglieder, die sich konform verhalten, werden gemocht und akzeptiert, während Mitglieder, die sich nicht konform verhalten, als schwierig und als Abweichler gelten. Letzteres führt oft zu Verspottung, Bestrafung oder Ausstoß. 108 In Kapitel 7 finden Sie hierzu auch einige Ausführungen.
107 108
Vgl. Miller / Prentice, 1996. Vgl. James / Oslon, 2000.
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Konformität
Betrachten wir eine Projektgruppe mit 5 Mitarbeitern, die intensiv an einer Lösung arbeitet. Das Teammitglied Herr M. hat seiner Familie versprochen, heute um 17.00 Uhr nach Hause zu kommen. Beim Mittagessen in der Firma bespricht sich das Team, wie lange es heute arbeiten will. Sofort sprechen sich alle anderen vier dafür aus, heute bis 21.00 Uhr zu arbeiten. Auch Herr M. traut sich jetzt nicht mehr zu widersprechen und bleibt entsprechend lange im Büro. Normativer sozialer Einfluss war hier am Werke. Wäre Herr M. um fünf Uhr gegangen, hätte er es eventuell riskiert, nicht mehr so sehr akzeptiert oder gemocht zu werden, so dass es unter Umständen sogar zu einem Ausstoß aus der Gruppe hätte kommen können. Solch ein Ausstoß ist für uns Menschen sehr schlimm, da wir soziale Wesen sind. Soziale Interaktionen machen uns glücklich und stabilisieren die Psyche.109 In Kapitel 11 wird dieses weiter vertieft. Dieses Bedürfnis nach sozialen Interaktionen ist sodann auch schon das Motiv, warum sich Menschen aufgrund von normativem sozialen Einfluss konform verhalten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dies meist zwar zu einer öffentlichen Übereinstimmung, aber zu keiner privaten Akzeptanz führt. Anders formuliert, übt man Handlungen aus, um gemocht zu werden und nicht, weil man glaubt, dass es so richtig wäre. Dies hat speziell für Führungskräfte umfassende Konsequenzen, die wir gleich noch diskutieren werden. Doch kann normativer sozialer Einfluss auch zu maßgeblichen Fehlern führen? Die Antwort auf diese Frage fand Solomon Asch 1951 und 1956 heraus. Im Gegensatz zu Sherif schuf er eine eindeutige Versuchssituation. Die Probanden mussten sagen, welche Vergleichslinie dieselbe Länge hat wie die Standardlinie (siehe Abbildung 6.2). Wie Sie sofort erkennen, ist die eindeutig richtige Lösung: Vergleichslinie Nummer zwei. Asch hat nun sechs seiner Helfer und jeweils immer nur einen Probanden in einen Raum gesetzt. Alle sechs Helfer antworteten absichtlich falsch. Die Forschungsfrage lautete nun: Wie verhält sich der Proband?
109
Vgl. Baumeister / Leary, 1995.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
Abbildung 6.2
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Die Beurteilungsaufgabe in Aschs (1951 und 1956) Linienstudien
Quelle: Eigene Darstellung
Erstaunlicherweise verhielten sich 76% der Probanden bei mindestens einem von insgesamt zwölf Versuchsdurchgängen konform, antworteten also bewusst falsch, um nach wie vor von der Gruppe gemocht zu werden und nicht negativ oder abweichend aufzufallen. Das hätte selbst Asch nicht erwartet, zumal die Probanden die Helfer nicht kannten, es also keine gefestigte Gruppe war. Ebenfalls hätte ein nichtkonformes Verhalten zu keiner Bestrafung geführt. Neuere Untersuchungen mittels der funktionellen MagnetresonanzTomographie (fMRI) belegen, dass bei von der Gruppe abweichenden Antworten die Amygdala, das Emotionszentrum des Gehirns aktiviert wird und negative Emotionen entstehen.110 Und eben diese wollen wir Menschen vermeiden. (Weitere Ausführungen zu den Einflüssen, die in Gruppen auftreten, finden Sie in Kapitel 7.) Für Führungskräfte bedeutet dies, dass beispielsweise Mitarbeiter in Projektgruppen zuerst alleine an einer Lösung arbeiten sollten. Erst in einem zweiten Schritt sollte die Gruppe
110
Vgl. Berns et al., 2005.
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Konformität
zusammenkommen und die Ergebnisse in einer Atmosphäre des Respekts und der Offenheit besprechen. Gerade eine Methode wie das Brainstorming kann Teammitglieder ermuntern – da es nun ja sozial akzeptiert ist – auch ungewöhnliche Ideen oder Meinungen zu artikulieren. Sie als Führungskraft sollten sich also immer die Frage stellen, ob beispielsweise in Ihrer Abteilung oder Projektgruppe normativer sozialer Einfluss die Arbeitsergebnisse negativ beeinflusst oder gar zu Fehl- oder Schlechtleistungen führt. Auch bei normativem sozialen Einfluss müssen wir uns die Frage stellen, was passiert, wenn die Antwort wichtig ist. Hier gilt: Selbst wenn die Gruppe offensichtlich Unrecht hat, da die richtige Antwort leicht ersichtlich ist und starke Anreize vorliegen die richtige Antwort zu geben, riskieren manche Menschen keine soziale Missbilligung und dies sogar dann, wenn es sich um Fremde handelt.111 Widersetzt man sich normativem sozialen Einfluss, hat dies Folgen. Erst wird die entsprechende Gruppe durch Gespräche herausfinden wollen, warum sich ein Gruppenmitglied abweichend verhält, um es zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.112 Sollte dies nicht gelingen, kommt es zu negativen Äußerungen und im Endeffekt zum Ausschluss.113 Ein solcher Sachverhalt lässt sich gerade an Schulen in teilweise emotional grausamer Weise beobachten. Kinder werden aufgrund einer Nichtkonformität aus Gruppen ausgeschlossen. Sie werden zu Außenseitern und isolieren sich weiter. Speziell Lehrer und Schüler sollten meines Erachtens in diesen Themen geschult und dafür sensibilisiert werden. Ein Eingreifen ist meist dringlich und sinnvoll. Im Alltag lassen sich diverse Bereiche identifizieren, wo normativer sozialer Einfluss wirksam wird. Beispiele wären: die aktuelle Mode, Schönheitsideale, Ernährungsgewohnheiten und der Musikgeschmack. Hier richten wir Menschen uns gerne nach anderen, um zu einer Gruppe zugehörig zu sein. Auch hier wollen wir nun die Frage stellen, wann sich Menschen besonders stark normativem sozialen Einfluss beugen. Insgesamt sind laut der Social-Impact-Theorie114 vier Variablen ausschlaggebend:
႑ Je wichtiger uns die Gruppe ist, desto konformer verhalten wir uns. ႑ Je näher (räumlich und zeitlich) uns die Gruppe ist, desto konformer verhalten wir uns. ႑ Wenn die Gruppengröße drei oder mehr beträgt, verhalten wir uns konform. ႑ Je kollektivistischer die Kultur eingestellt ist, desto konformer verhalten wir uns. Normativem sozialen Einfluss kann man widerstehen, indem man sich zuerst einmal klar macht, dass ein solcher existiert. Zweitens müssen Sie handeln. Dies habe ich gerade anhand des Schulbeispiels versucht aufzuzeigen. Denn wenn Sie ein Lehrer sind, der in sol-
111 112 113 114
Vgl. Hornsey et al., 2003. Vgl. Garfinkle, 1967. Vgl. Hornsey et al., 2006. Vgl. Latané, 1981.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
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chen Dingen geschult ist, würden Sie dieses ausgrenzende Verhalten besser wahrnehmen. Daraufhin könnten Sie ein Gespräch mit den Schülern führen, so dass diese ihr Verhalten noch einmal überdenken. Dies könnte zur Folge haben, dass der entsprechende Schüler wieder in die Gruppe integriert wird. Abschließend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass auch der Einzelne einen Einfluss auf die Gruppe haben kann. Man nennt dies dann den Minderheiteneinfluss.115 Dabei muss die von der Mehrheit abweichende Meinung über einen längeren Zeitraum vertreten werden und die Mitglieder der Minderheit müssen sich einig sein. Minderheiten überzeugen dabei meistens durch Informationen, also Sachargumente. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass Sie sehr aufmerksam überprüfen sollten, welches Klima in Ihrer Abteilung herrscht. Meist macht es Sinn, auch Minderheitenmeinungen anzuhören und die Argumente gezielt abzuwägen. Den Effekt des Minderheiteneinflusses konnten wir sehr schön bei den Anfängen zur aktuellen Klimaerwärmungsdebatte sehen. Anfangs vertraten nur wenige Experten die These, dass CO2-Ausstoß zur Klimaerwärmung führt. Durch Studien und somit wissenschaftliche Ergebnisse überzeugten sie dann aber immer mehr. Gleichzeitig blieben sie ihrer Argumentation treu. Aktuell scheint sich ein neuer Minderheiteneinfluss auszubreiten. So gibt es Wissenschaftler, die die Klimaerwärmung auf die externen Einflüsse, wie die Anzahl der Sonnenflecken, die Wolkenbildung und natürliche Schwankungen zurückführen. Sie sind gerade nicht der Meinung, dass ein Zusammenhang zu den CO2-Emissionen der Menschheit besteht. Aus sozialpsychologischer Perspektive ist es nun interessant zu sehen, ob sich diese momentane Minderheitenmeinung durchsetzen kann. Zusammenfassend können wir feststellen, dass Mehrheiten oft öffentliche Zustimmung durch normativen sozialen Einfluss erhalten, während Minderheiten durch informationalen sozialen Einfluss private Akzeptanz erzielen.116
115 116
Vgl. Moscovici, 1994. Vgl. De Dreu / De Vries, 2001.
80
Abbildung 6.3
Konformität
Der Einfluss von Mehrheiten auf Minderheiten
Quelle: Eigene Darstellung
Ein letzter Teilaspekt der Konformität oder eine Antwort auf unsere in der Überschrift gestellte Frage, wie sich Verhalten beeinflussen lässt, lautet Gehorsam gegenüber Autoritäten. Gehorsam ist zuerst einmal nichts Negatives und in vielen Fällen notwendig. Denn würde jeder tun was er wollte, bräche das Chaos aus. Die berühmtesten Experimente aus diesem Bereich stammen von Stanley Milgram (1963, 1974, 1976). In aller Kürze formuliert, geht es darum, dass einem Probanden Anweisungen gegeben werden, mit einem Experiment fortzufahren, bei dem einem Helfer (vermeintlich, da die Kabel – für den Probanden nicht sichtbar – nicht mit dem Helfer verbunden waren, dieser aber Äußerungen des Schmerzes vorspielte) Elektroschocks für fehlerhafte Erinnerungen von Wortpaaren gegeben werden sollen. Dabei wurde untersucht, ob der Proband die Stromstöße erhöht und somit gehorcht oder ob er das Experiment vorzeitig abbricht. Die Ergebnisse sind schockierend. Die höchste Schockstärke betrug im Durchschnitt 360 Volt und 62,5% der Probanden erteilten sogar den Maximalschock von 450 Volt.
Wie lässt sich Verhalten beeinflussen?
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Wie lässt sich dieser Ausgang des Experiments erklären? Erstens haben die Probanden durch die Anweisungen des Experimentleiters einen hohen normativen sozialen Einfluss verspürt. Sie wollten also nicht von der vermeintlichen Verhaltensnorm abweichen, um gemocht und akzeptiert zu werden. Zweitens herrschte ein hoher informativer sozialer Einfluss. Die Probanden orientierten sich an den Anweisungen des Leiters, da sie sich in einer verwirrenden, mehrdeutigen, schwierigen und ungewohnten Situation befanden. Auch dieses Experiment ist ein Plädoyer dafür, als Führungskraft verantwortungsvoll zu handeln. Ihr Einfluss auf andere Menschen ist vermutlich größer, als Sie es sich selber vorstellen können. Natürlich haben sich Probanden in dem Versuch von Milgram um den Helfer Sorgen gemacht. Ein hohes Tempo bei der Ausführung des Experimentes verhinderte allerdings, dass die Probanden ihr Verhalten in der konkreten Situation überdenken konnten. Darüber hinaus mussten die Probanden die Stromstärke der Elektroschocks immer nur leicht erhöhen. Dies führte zu einer Selbstrechtfertigung. Die Probanden dachten: „Wenn der vorherige Elektroschock gerechtfertigt war, dann wird der leicht höhere auch gerechtfertigt sein.“ Abschließend gaben die Probanden einen Teil ihrer persönlichen Verantwortung an den Versuchsleiter ab, da dieser ja im Endeffekt Anweisungen gab fortzufahren. Das Phänomen der Verantwortungsabgabe lässt sich speziell in Führungszusammenhängen häufig beobachten.
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Konformität
Take-Away-Message
Prinzipiell wird Verhalten durch Konformität beeinflusst. Dabei unterscheiden wir zwischen informationalem sozialen Einfluss und normativem sozialen Einfluss. Im ersten Fall nutzen wir andere Menschen als Informationsquelle. Wir passen uns an, da wir glauben, dass die Interpretation der anderen (beispielsweise in einer mehrdeutigen Situation) zutreffender ist als unsere eigene und uns helfen wird, angemessen zu handeln. Im zweiten Fall passen wir uns an, um von anderen Menschen gemocht und auch akzeptiert zu werden. Für Führungskräfte bedeutet dies erstens, dass Expertenmeinungen starken Einfluss auf andere Menschen haben. Durch sozialen Druck in Gruppen kann es zweitens im schlimmsten Fall zu Fehlentscheidungen kommen. Auch beeinflussen Minderheiten Gruppen. Diese überzeugen durch Argumente und Beharrlichkeit bezüglich ihres Standpunktes. Gehorsam kann unter gewissen Umständen auch einen starken Einfluss ausüben. Wir Menschen gehorchen Autoritäten. Dies kann sowohl positiv als auch negativ sein.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
7
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Gruppenprozesse Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
Franziska Pickert, Kathrin Renner Vielleicht ist Ihnen das ja auch schon einmal passiert: Sie sind auf dem Weg zu Ihrem Gleis am Berliner Hauptbahnhof. Die Feiertage stehen an und Unmengen von Menschen sind unterwegs. Ständig werden Sie angesprochen, ob Sie nicht auch nach Hamburg fahren wollen. Anfangs fällt es Ihnen schwer, einzuordnen, warum es diesen vornehmlich jungen Menschen so wichtig scheint, mit Ihnen nach Hamburg zu fahren. Sie vermuten sofort einen Vorteil der Fragenden und kaum haben Sie diesen Gedanken wieder verworfen, ereilt Sie beim Blick auf das Werbeschild die traurige Wahrheit: „Mit dem Gruppenticket bis zu 5 Personen günstiger Reisen.“ – Leider doch nur eine Zweckgemeinschaft. Doch bei Gruppenbildungen muss es nicht immer um eine bestimmte Zielsetzung gehen. Was es für andere Gründe geben kann und welche Einflüsse zudem in Gruppen auftreten, schauen wir uns in diesem Kapitel genauer an. Dazu muss zunächst einmal geklärt werden, wann wir generell von Gruppen sprechen: Gruppen sind Zusammenschlüsse von mindestens zwei oder mehr Personen, die miteinander interagieren und interdependent sind, das heißt, dass ihre Ziele und Bedürfnisse die Gruppenmitglieder wechselseitig beeinflussen.117 Jedes Individuum der Gruppe beeinflusst also andere Mitglieder und wird wiederum von ihnen beeinflusst. Nach dieser Definition finden wir uns schnell in vielen Gruppen wieder. Denken Sie nur an die allwöchentlichen Lerngruppen aus Ihrer Studienzeit, Ihre Fußballmannschaft, Ihr Bauch-Beine-Po-Kurs und sogar Ihre eigene Familie kann als Gruppe betrachtet werden. Beziehungen zu anderen Menschen aufzunehmen und konstante soziale Kontakte zu haben, erfüllt zahlreiche menschliche Grundbedürfnisse. Demnach ist davon auszugehen, dass das Bedürfnis Gruppen anzugehören, angeboren ist.118 Mit dem Thema soziale Kontakte setzt sich Kapitel 11 weiterführend auseinander. Neben dem Bedürfnis selbst, bietet es Vorteile, Gruppen anzugehören. Wie bereits im vorangegangen Kapitel erwähnt, dienen uns andere Menschen als Informationsquelle und geben uns somit Sicherheit. Auch formen Gruppen gewisse Erwartungen an das eigene Verhalten und das Verhalten anderer Gruppenmitglieder, sowohl untereinander (implizit) als auch außerhalb der Gruppe (explizit).
117 118
Vgl. Cartwright / Zander, 1968. Vgl. Gardner et al., 2000.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Gruppenprozesse
Man spricht dabei von sozialen Normen. Diese Normen sind jedoch auch von der eigenen Rolle in der Gruppe abhängig. Die gruppeninternen Positionen werden in der Sozialpsychologie als soziale Rollen bezeichnet. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Meeting mit Ihren Abteilungsleitern. Natürlich erwarten Sie, dass alle Teilnehmer pünktlich erscheinen, nicht zu leger gekleidet und Themen entsprechend vorbereitet sind. Ebenso gehen die Abteilungsleiter davon aus, dass Sie als Chef das Meeting leiten, die dargelegten Meinungen zumindest zur Kenntnis nehmen und Sie eine zu verantwortende Entscheidung treffen, die die Anliegen Ihrer Mitarbeiter berücksichtigt. Sie befinden sich in diesem Moment in einer Gruppensituation, in der Sie Erwartungen an Ihre Abteilungsleiter als Gruppenmitglieder haben, diese aber genau so Erwartungen an Sie als Führungskraft stellen. Damit entsprechen sie verschiedenen Rollen, in denen bestimmtes, akzeptables Verhalten genormt wurde. Trotzdem gibt es gewisse Werte, die für alle Gruppenmitglieder gelten. In einem Meeting sind das Diskussionsregeln; zum Beispiel, dass niemand unterbrochen wird, Meinungen frei geäußert werden dürfen oder dass das Meeting ungestört verlaufen kann – also keine polyphone Version von „Eye of the Tiger“ von einem vibrierend dumpfen Ton begleitet plötzlich den Raum erfüllt. Den wohl bekanntesten Versuch zu sozialen Rollen führten Philip Zimbardo und seine Mitarbeiter 1973 in Stanford durch. In den Kellerräumen der Stanford University bauten sie ein Gefängnis nach und bezahlten Studenten dafür, zwei Wochen lang, via Zufallsprinzip verteilte Rollen, Gefangene und Wärter zu spielen. Die Probanden befanden sich also mit vollem Bewusstsein in einem Rollenspiel. Beide Fraktionen erhielten eine ihrer Rolle entsprechende Ausstattung. So bekamen die Wärter beispielsweise militärgrüne Uniformen, Trillerpfeifen und einen Polizeischlagstock. Die Gefangenen hingegen bekamen einen dünnen Kittel mit Identifikationsnummer, loses Schuhwerk, eine Kette mit Schloss um ihren Knöchel und als Kopfbedeckung einen abgeschnittenen Nylonstrumpf. Es sollte geprüft werden, ob sich die Probanden ihrer Rolle entsprechend verhalten würden – eben wie Gefangene und Wärter in der Realität. Tatsächlich schlüpften die Studenten eins zu eins in die ihnen zugeteilten Rollen und das sogar schneller als von dem Forscherteam erwartet. Der Versuch musste bereits nach sechs Tagen abgebrochen werden, da viele Wärter ausfallend wurden und die Gefangenen zunehmend verbal schikanierten und demütigten. Die Studenten in der Rolle der Häftlinge wurden zusehends passiv, hilflos und introvertiert. Einige von ihnen waren sogar verängstigt und depressiv, sodass sie vom Forscherteam vorzeitig aus dem Experiment entlassen werden mussten.119 An diesem Experiment sieht man deutlich, wie groß der Einfluss sozialer Normen und Rollen sein kann. Erinnern Sie sich auch an das Gehorsamsexperiment von Milgram, das in Kapitel 6 dargelegt wurde.
119
Vgl. Zimbardo / Gerrig, 1999.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
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Wie weit solche Einflüsse reichen, haben wir nicht zuletzt in den letzten Jahren im Zuge der Emanzipation miterleben können. Verschiedene Gesellschaften haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich Frauen und Männer zu verhalten haben. So hatten Frauen in Tunesien lange keine freie Berufswahl und mussten der Tätigkeit der Ehefrau und Mutter nachgehen. Zudem bestand lediglich die Möglichkeit als Feldarbeiterin oder Hausangestellte beruflich aktiv zu werden. Durch die westlichen Einflüsse auf die tunesische Gesellschaft und Entwicklung der juristischen Gegebenheiten, können Frauen in Tunesien heute auch andere Berufe wählen. Dieser Rollenwandel ist zwar präsent, wurde aber nicht in der Gesellschaft angenommen. So wird den Frauen zu Hause nach wie vor die Rolle der Ehefrau und Mutter zugewiesen, obwohl sie vielleicht auch in einem Vollzeitberuf tätig sind. Das erzeugt sowohl hohen Gesellschafts-, als auch Selbstdruck auf die tunesischen Frauen, da sie das Gefühl haben, allen Anforderungen gleichzeitig gerecht werden zu müssen. Es werden also auch die eigene Wahrnehmung und das Befinden durch Normen und Rollen beeinflusst.120 Dazu führten Wissenschaftlicher aus den USA eine historische Studie durch, in der Frauen zwischen 1931 und 1993 ihr Selbstwertgefühl bewerten sollten. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden Arbeiterinnen gebraucht, da die Männer im Krieg waren. Viele Frauen machten einen College Abschluss und wurden berufstätig. Ihr Selbstwertgefühl fiel dementsprechend positiv aus. Nach der Rückkehr der Männer, wurden Frauen in der Arbeitswelt nicht mehr gebraucht, dafür aber als Hausfrau und Mutter. In der Zeit von 1950 bis 1968 sank das Selbstwertgefühl der Frauen wieder. Als sich in den 1990er Jahren die Frauenbewegung in den USA durchzusetzen begann, stieg auch wieder das Selbstwertgefühl der befragten Frauen. Das Selbstwertgefühl der Frauen verhielt sich also proportional zur gebotenen Unabhängigkeit und zum gebotenen Freiraum. Doch neben den sozialen Normen und Rollen beeinflusst auch die Gruppenkohäsion das Verhalten des Einzelnen. Mitunter mag dieser Begriff aus Teilbereichen der Chemie oder Physik bereits bekannt erscheinen. So wie dort Kohäsion als das Zusammenhängen von Atomen und Molekülen innerhalb eines Stoffes definiert wird, entspricht die Gruppenkohäsion allen Aspekten einer Gruppe, die sie zusammenhalten und die Harmonie in der Gruppe fördern. Dabei wird zwischen zwei Motivationen zur Gruppenbildung unterschieden. Zum einen bilden sich Gruppen aus einer sozialen Motivation heraus, zum Beispiel die Kartenspieltruppe vom Mittwochabend oder eine Gruppe von eng befreundeten Kollegen, mit denen Sie ohne Gedanken an die Arbeit ein Feierabendgetränk Ihrer Wahl genießen gehen. Hier ist es umso angenehmer, je stärker die Kohäsion ist. Gruppenmitglieder verbleiben damit länger in der jeweiligen Gruppe und nehmen an gemeinsamen Aktivitäten teil. Zudem wird versucht, gleichgesinnte Mitglieder zu finden.
120
Vgl. Moser / Weithmann, 1999.
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Gruppenprozesse
In einigen Firmen werden bei Problemen in Teams sogenannte Gruppenbildungsseminare durchgeführt, um die Gruppenkohäsion der Mitarbeiter zu stärken. In diesen Seminaren müssen die Teilnehmer beispielsweise ein Floß bauen oder an einer steilen Wand hinaufklettern. Im Gegensatz dazu gibt es natürlich auch Gruppen, die sich primär auf Grund einer Zielsetzung zusammengefunden haben. Dies sind zum Beispiel Militäreinheiten oder Mitarbeiter, die in einem Team eine Problemlösung zu einer bestimmten Thematik erarbeiten sollen. Wenn Ihre Mitarbeiter dabei gut abschneiden, steigt die Gruppenkohäsion. Umgekehrt ist es ebenso zutreffend, dass die Gruppe bei hoher Kohäsion gute Leistungen erbringt und zwar genau dann, wenn enge Kooperation zwischen den Gruppenmitgliedern notwendig ist.121 Doch manchmal verhindert Kohäsion auch gute Leistungen. Dies ist der Fall, wenn die guten Beziehungen zu den Gruppenmitgliedern im Vordergrund stehen, statt der Lösung eines Problems. Vielleicht können Sie sich selbst an eine Situation erinnern, in der auch Sie so gehandelt haben. Oftmals ist uns die gute Beziehung zu jemandem wichtiger, als ihm wahrheitsgemäß zu offenbaren, wie unangebracht Sie sein Benehmen auf der Firmenfeier neulich fanden.122 Aber beeinflussen Gruppen auch unsere eigenen Leistungen? Und wenn ja, wie? Werden wir durch Gruppen leistungsstärker oder ruhen wir uns unterbewusst auf dem TollEinAndererMachts-Gedanken aus? Um diese Fragen zu beantworten, begeben wir uns in die faszinierende Welt der Tiere. Robert Zajonc und seine Mitarbeiter (1969) untersuchten an Hand von Kakerlaken, inwieweit die bloße Anwesenheit anderer die Leistung des Einzelnen beeinflusst. Dazu bauten die Forscher eine Art Labyrinth, an dessen Startpunkt eine Lichtquelle befestigt war. Kakerlaken haben den natürlichen Drang, vor dem Licht wegzulaufen. So ist es für die Kakerlake in dieser Situation das Ziel, in die abgedunkelte Zielkammer zu flüchten. Dabei wurde die Zeit gestoppt, die das flüchtende Insekt vom Start bis zum Ziel benötigte. Zuerst führte das Team um Zajonc den Versuch nur mit einer Probandenkakerlake durch und stoppte die Zeit. Anschließend wiederholten sie den Versuch mit derselben Kakerlake, nur diesmal gab es Artgenossen als Zuschauer. Die Zuschauer befanden sich in Glasschalen am Rande der Laufstrecken des Labyrinths. Dabei war zu beobachten, dass die Kakerlake im Falle mit den Artgenossen auf den Zuschauerrängen schneller das Ziel erreichte als noch im ersten Versuch. Die Kakerlake lief also schneller von der Lichtquelle in die abgedunkelte Kammer als andere Kakerlaken anwesend waren. Man muss jedoch zugeben, es ist für dieses Insekt ein Leichtes, vor dem Licht in die Dunkelheit zu fliehen. Doch wie sieht es aus, wenn die Aufgabe schwieriger wird? Wie wirkt sich dann die Anwesenheit anderer aus?
121 122
Vgl. Mullen / Cooper, 1994. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
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Auch diese Variable haben die Forscher bedacht. Sie konstruierten den Versuch mit der Kakerlake noch einmal, aber dieses Mal war die Laufstrecke komplizierter gestaltet. Während das kleine Tier im ersten Versuch nur geradeaus von A nach B laufen musste, um die abgedunkelter Kammer zu erreichen, musste es im zweiten Versuch um eine Ecke laufen. Wieder wurden zwei Zeiten gestoppt, einmal mit und einmal ohne Publikum aus den eigenen Reihen der Kakerlake. Das Ergebnis fiel, Sie ahnen es, genau umgekehrt aus. Hier gestaltete sich die Zeit ohne die Zuschauerkakerlaken besser als die mit. Halten wir also fest:
႑ Ist die zu lösende Aufgabe einfach, verbessert die Anwesenheit anderer unsere Leistung.
႑ Ist die zu lösende Aufgabe schwierig, beeinträchtigt die Anwesenheit anderer unsere Leistung. Inzwischen ist dieser Sachverhalt durch weitere Versuche an anderen Tieren und auch dem Menschen erwiesen worden.123 Beim Menschen bezeichnet man diese Tendenz auch als soziale Erleichterung, sofern die eigene Leistung messbar ist. Denn ist die eigene Leistung nicht mehr messbar, neigen wir dazu, uns zu entspannen und sind weniger motiviert, Höchstleistungen zu erbringen. Nehmen wir zum Beispiel das Klatschen nach einer Theateraufführung. Niemand könnte sagen, wie laut Sie Beifall spenden oder ob Sie überhaupt applaudieren. Sie verschmelzen einfach mit der Masse und es ist naheliegend, dass Sie nicht versuchen, der Lauteste unter den Zuschauern zu sein. Den ersten Versuch zu dieser Thematik unternahm Max Ringelmann in den 1880er Jahren. Er betrachtete eine Gruppe beim Tauziehen, was eine ähnlich leichte Aufgabe ist wie das Klatschen und stellte fest, dass die Einzelleistungen beim gemeinsamen Ziehen geringer waren – als hätten die Probanden alleine an dem Tau gezogen.124 Betrachten wir komplexe Aufgaben, wie zum Beispiel eine schwierige Mathematikaufgabe, hilft uns Entspannung. Hier wurde nachgewiesen, dass die Einzelleistungen gesteigert werden.125 Diese Tendenz des Menschen, in Gegenwart anderer bei einfachen Aufgaben schlechter und bei schwierigen Aufgaben besser abzuschneiden, wenn die eigene Leistung nicht messbar ist, bezeichnen Psychologen als soziales Faulenzen. Die folgende Grafik verdeutlicht noch einmal die Variablen und Prozesse der sozialen Erleichterung und des sozialen Faulenzens.
123 124 125
Vgl. zum Beispiel Bond / Titus, 1983. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Jackson / Williams, 1985.
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Abbildung 7.1
Gruppenprozesse
Soziale Erleichterung und soziales Faulenzen
Quelle: Eigene Darstellung
In Anlehnung an die vorangegangene Abbildung lässt sich nochmals zusammenfassen: Einfache Aufgabe
Schwierige Aufgabe
Einzelleistung messbar
Leistungssteigerung Einzelnen
Einzelleistung nicht messbar
Leistungsabfall des Einzelnen
des
Leistungsabfall des Einzelnen Leistungssteigerung Einzelnen
des
Da Sie in der Realität kaum die Möglichkeit haben, die Leistungen des Einzelnen in einer Abteilung nachzuvollziehen, ist die Zeile der nicht messbaren Einzelleistungen von erhöhter Relevanz. Demnach wäre es sinnvoll, schwierige Aufgaben in Gegenwart anderer Mitarbeiter lösen zu lassen und einfache Aufgaben alleine.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
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Nun haben wir bisher die Gruppensituation in Bezug auf zu erbringende Leistungen und das Erfüllen von Aufgaben betrachtet. Ein weiteres Phänomen, das in Gruppen auftritt, ist die sogenannte Deindividuation des Einzelnen. Dieser Begriff beschreibt das Untergehen in der Menge und die daraus resultierenden Verhaltensänderungen. Denn fällt man in der Gruppe erst einmal nicht mehr auf, kommt es zu einer Enthemmung von Handlungen und ein Mensch tut Dinge, die er sich als Einzelner niemals (zu-)getraut hätte. Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied eines gut eingespielten Marketing Teams. Es wird ein neuer Angestellter für die Produktentwicklung eingestellt, der sich von Anfang an sehr bemüht und qualitativ hochwertige und bedeutende Ideen beisteuert. Er findet bei seinen Vorgesetzten schnell Anerkennung auf Grund seiner motivierenden und vorantreibenden Leistungen. Ihren gleichgestellten Kollegen missfällt es allerdings, dass sich solch ein Neuling in ihren Augen viel zu schnell in der Führungsebene beliebt macht und sie fangen an, ihn zu mobben. Ihre Kollegen verstellen die Stuhlhöhe, verstecken wichtige Unterlagen oder setzen gar gemeine Gerüchte in die Welt, um dem „Neuen“ zu schaden. In der Mittagspause wird ein Witz über die Frisur des Angestellten gemacht, Sie lachen mit. Würden Sie sich gegen diese Gruppen stellen und als Einzelner zu dem Neuling halten? Wie schon in vorherigen Abschnitten erklärt, liegt es eher nicht in der Natur des Menschen, aufzufallen und aus einer Menge negativ herauszustechen. Sie als Mitarbeiter, der als Einzelner dem neuen Angestellten nichts zu Leide tun würde, hält sich jedoch an die Handlungen der Gruppe und schließt sich diesen an. Es kann nicht nachgewiesen werden, wer an welchen Streichen beteiligt war. Dieses Beispiel illustriert, dass Deindividuation das Verantwortungsgefühl beim Einzelnen mindert und ihn zu Untaten verleitet, weil er als Individuum nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann. In der heutigen Zeit treten solche Attacken häufig in Internetforen auf, in denen einen die Anonymität vor der Verantwortung des Gesagten schützt. In jeglichen Fällen dieser Art liegt aber auch ein Stück weit Verantwortung bei der Führungskraft, solche Auseinandersetzungen in der Gruppe frühzeitig zu erkennen und als Schlichter zu fungieren. Jedoch muss nicht jede Art der Deindividuation zu negativem Verhalten führen. Je nach Normen und Situationen der Gruppe können diese sich auch positiv auf den Einzelnen auswirken. Auf einer Betriebsweihnachtsfeier, wo alle etwas Alkohol trinken und ausgelassen tanzen, lässt man sich sicher auch als Nicht-Tänzer irgendwann mitreißen. Wie das Beispiel zeigt, haben Gruppen starke Einflüsse auf das individuelle Verhalten, welches sich auch in der Entscheidungsfindung oder dem Lösen von Problemen widerspiegelt. Zumeist ist es von Vorteil, sich in der Gruppe zu beraten und gemeinsam Ideen, etwa zur neuesten Werbekampagne, auszutauschen, da einzelne Ansichten durch persönliche Eindrücke und Urteilsverzerrungen beeinflusst werden. Gruppenentscheidungen können also zum Erfolg führen. Aber ist das immer so? Arbeiten mehrere Köpfe automatisch immer besser als ein Einzelner? Die Beantwortung liegt in der Art der Aufgabe. Viele Beispiele aus der Politik haben bereits gezeigt, wozu Gruppenentscheidungen führen können. Wahrscheinlich haben Sie aber auch von der Explosion der Raumfähre Challenger im Jahre
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Gruppenprozesse
1989 gehört. Es gibt Vermutungen, dass eine Reihe von Fehlentscheidungen, die in der Gruppe getroffen wurden, zu dieser Katastrophe führten.126 Die Schwierigkeit in Diskussionen besteht darin, das kompetenteste Mitglied der Gruppe zu finden, welches dann wiederum den Mut haben muss, andere von seinem Standpunkt zu überzeugen. Wie oft saßen Sie schon in einem Meeting und mussten zusehen, wie die Gruppe immer weiter vom richtigen Ufer wegtrieb, weil sie sich auf das vermeintliche Fachwissen eines Besserwissers stützten, der eventuell nicht einmal Fakten zu bieten hatte? Dieses Geschehen nennt man Prozessverlust und meint interaktive Handlungen innerhalb der Gruppe, die das Problemlösungsverhalten beeinträchtigen.127 Prozessverluste können durch Kommunikationsbarrieren hervorgerufen werden. Versuche haben gezeigt, dass Menschen dazu neigen, nur über Informationen zu diskutieren, die allen bekannt sind. Dass Informationen, über die aber nur ein oder zwei Mitglieder aus der Gruppe Bescheid wissen, ebenso oder eventuell gar mehr von Bedeutung sind, um die richtige Entscheidung zu treffen, missachten die meisten. Eine Studie von Stewart und Tasser im Jahre 1985 hat gezeigt, dass die Probanden Informationen, über die sie nur allein verfügen, nicht mit dem Rest der Gruppe teilen. Dies führt oftmals dazu, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, da nicht alle notwendigen Informationen berücksichtigt wurden. Die folgende Darstellung soll den ungefähren Anteil der geteilten Informationen innerhalb einer Gruppe zeigen:
126 127
Vgl. Esser / Lindoerfer, 1989. Vgl. Steiner, 1972.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
Abbildung 7.2
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Geteilte und ungeteilte Informationen
Quelle: Eigene Darstellung
Die Kreise stehen für die einzelnen Mitglieder einer Gruppe, die alle unterschiedliche Informationen über Personen besitzen, von denen eine zum Projektleiter gewählt werden soll. Man erkennt einige Überschneidungen des Wissens. Klar ist allerdings auch, dass keiner der Anwesenden alle Eigenschaften der Kandidaten beurteilen kann. Die ausgefüllte Fläche in der Mitte der Darstellung zeigt die Informationen über die alle verfügen. Versuche von Stasser und Titus (1985) haben belegt, dass Menschen vorrangig über eben diese kleine Fläche diskutieren und wertvolle Informationen, die vielleicht nur wenigen zuteil sind,
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Gruppenprozesse
außer Acht lassen. Dadurch können die angesprochenen Fehlentscheidungen zustande kommen. Ein weiterhin unproduktives und sehr gefährliches Verhalten ist das Gruppendenken. Irvin Janis definierte 1972 diese Theorie über Entscheidungsprozesse als vollständige Übereinstimmung der Einzelmeinungen, bei der der Erhalt der Harmonie in der Gruppe wichtiger ist als die realistische Betrachtung der Tatsachen. Ein wichtiger Bezug ist hierbei die bereits erläuterte Gruppenkohäsion, also der Drang, innerhalb der Gruppe konform zu sein. Oftmals treten solche Prozesse auf, wenn die Gruppe von anders lautenden Meinungen isoliert ist und einem direkten Leiter untersteht. Dieser bringt zudem detaillierte Vorstellungen von dem Ergebnis hervor und lässt die Gruppe unter Zeitdruck arbeiten, weil beispielsweise der Abgabetermin für die neueste Berichterstattung über das Wirtschaftswachstum bis morgen 12 Uhr auf dem Tisch liegen muss. Der folgende Dialog zeigt, wie schnell Gruppendenken entstehen kann: Abteilungsleiter: „Nächste Woche muss uns jemand auf der Messe vertreten. Wie wäre es mit Frau M.?” Herr L.: „Auf jeden Fall nicht Herr S., denn den brauche ich dringend hier in der Ausarbeitung der Prospekte.” Herr S. (denkt: „Na toll. Immer fährt Frau M. zu Veranstaltungen, obwohl ich auch gerne wollte.“): “Dann unterstütze ich Sie natürlich hier, Herr L.” Abteilungsleiter: „Frau R., wären Sie einverstanden, wenn wir Frau M. auswählen?” Frau R. (denkt: „Mir ist doch egal wer fährt. Aber nicht Frau M. Die kritisiert alles was ich sage.“): „Ja, sicher.” Abteilungsleiter: „Und Sie, Herr B.?” Herr B. (hält Frau P. für geeignet, auf die Messe zu gehen): „Ja, ok.“ Projektleiter: „Es ist also einstimmig – Frau M. wird uns auf der Messe vertreten.” Einzelne Mitglieder äußern ihre Bedenken aus Zeitgründen nicht. Wie nun mehrfach angesprochen, ist es einfacher sich einer Mehrheit anzuschließen, als diese vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Brainstorming hilft in manchen Projektentscheidungen, Prozessverluste zu minimieren und stattdessen zu Prozessgewinnen zu führen.128 Aber auch als Führungskraft haben Sie Einfluss darauf, dass Ihr Team zu realitätsbezogenen Ergebnissen kommt, ohne tagelang in Gruppendiskussionen zu versinken oder gar im Streit auseinander zugehen. Das Beachten der folgenden Punkte kann Ihnen helfen, Gruppendenken zu mindern:
128
Vgl. Steiner, 1972.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
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Unparteiisch bleiben
Übernehmen Sie keine direkte Rolle, bleiben Sie möglichst neutral
Fremdmeinungen einholen
Fragen Sie einen Kollegen, der nicht an der Gruppenentscheidung beteiligt ist, nach seiner Meinung. Er ist vollkommen unbeeinflusst.
Untergruppen bilden
Lassen Sie erst kleine Gruppen über das Thema diskutieren, um verschiedene Lösungsansätze zu erzielen. Erst dann lassen Sie die gesamte Gruppe diskutieren.
Namenlos abstimmen
Lassen Sie Ihre Mitarbeiter anonym abstimmen und ihre Meinungen äußern. So verhindern Sie, dass Einzelne aus Furcht die Meinung der Mehrheit vertreten ohne dahinter zustehen. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson / Wilson / Akert, 2008.
Ein Extrem des Gruppendenkens ist die Gruppenpolarisierung, was bedeutet, dass Gruppen dazu neigen, extremere Entscheidungen zu treffen, als ein Einzelner. Mal angenommen, jedes Individuum einer Gruppe hat eine ähnliche Meinung zur Lösung eines Problems in der Firma, ist sich aber zu unsicher, diese zu äußern. Wenn sich herausstellt, dass die Meinung der Mehrheit in die gleiche Richtung geht, fällt es ihnen als Gruppe leichter, diese Entscheidung zu treffen. Die ursprünglichen Neigungen des Einzelnen werden in der Gruppe verstärkt. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Sie brauchen sich das obige Gespräch nur etwas extremer vorstellen. Im Personalrat sind Sie gezwungen, über Einsparungen zu diskutieren. Sie sind fünf Personen in der Gruppe, alle denken ähnlich: Es bleibt wohl keine andere Möglichkeit, als Herrn M. zu entlassen. Obwohl er ein gewissenhafter Mitarbeiter ist und das Betriebsklima stimmt, kommen Sie in der Gruppe nach einigem Gedankenaustausch schnell zu der Entscheidung, sogar gleich zwei Stellen zu räumen und durch kostengünstigere Arbeitskräfte, wie Auszubildende, zu ersetzen. Hätten Sie diese Entscheidung alleine treffen müssen, wären Sie sicher nicht annähernd zu diesem Entschluss gekommen. Da aber Ihre ähnlich gesinnten
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Gruppenprozesse
Meinungen Zustimmung in der Gruppe erhalten haben, wurde sie schnell als ideale Lösung gesehen. Die Auswirkungen der Gruppenpolarisierung müssen nicht immer von schlechter Natur sein, jedoch fallen diese am meisten auf. Hat die Mehrheit der Individuen eine risikoreiche Meinung, wird die Entscheidung in genau diese Richtung laufen. Hat die Mehrheit der Individuen jedoch eine sehr vorsichtige Meinung, wird die Entscheidung in diese Richtung laufen. Versuchen Sie daher genügend Mut aufzubringen, in der Gruppe auch Ihre Meinung zu äußern, sei sie noch so verschieden von den anderen. Natürlich kann dies zu einem Konflikt zwischen Ihnen und Ihren Kollegen oder Mitarbeitern führen. In solchen Fällen müssen beide Parteien eine Lösung finden, die für jeden akzeptabel ist. Da keine Lösung vom Himmel fällt, müssen Sie kommunizieren, auch wenn Sie Ihren Mitarbeiter als noch so stur empfinden. Versuche haben gezeigt, dass verbale Kommunikation das Vertrauen fördert und somit die Konfliktsituation entschärft.129 Vielen ist nicht klar, dass aus einem Konflikt nicht unbedingt eine Partei als Sieger und die andere als Verlierer hervorgehen muss. Eine integrative Lösung ist zumeist viel angenehmer und fördert zudem noch den Umgang mit Ihren Kollegen. Das heißt, dass durch Verhandlungen in einem Konfliktgespräch eine Lösung gefunden werden muss, die die Interessen beider Parteien berücksichtigt. Dafür müssen die Meinungsgegner jedoch herausfinden, welche Punkte ihnen am wichtigsten sind und je nach Situation Kompromisse eingehen. Verhandeln bedeutet Angebote und Gegenangebote zu machen. Das schafft Vertrauen. Vergessen Sie nie, dass es auch sein kann, dass Sie in einem Punkt ähnliche Ansichten haben wie Ihr Kollege und nicht nur auf die Aspekte eingehen, die der jeweils andere auf keinen Fall in Betracht zieht. Lösungen finden bedeutet, dass beide Seiten zufrieden sind, nicht dass einer über alles entscheidet und ohne Verhandlungen über andere Meinungen aus der Situation flieht. Die Rolle der Frau in der Führungsposition soll an dieser Stelle nicht außer Acht gelassen werden. Frauen haben es bekanntlich nicht leicht, in ihrer Führungsrolle anerkannt und respektiert zu werden, besonders vom anderen Geschlecht. Frauen können es in ihrem Handeln und ihrem Stil zu führen niemandem recht machen. Führen sie zu emotional, werden sie als zu weich und inkonsequent bezeichnet. Sind sie strikt und lassen niemanden an sich heran, wirken sie schnell arrogant und zu männlich – eben nicht ihrem Geschlecht entsprechend.130 Welche Art von Führung am besten zu Ihnen passt, müssen Sie ganz für sich selbst entscheiden. Bleiben Sie Ihrem Charakter treu, nur dann sind Sie in Ihrer Rolle überzeugend.
129 130
Vgl. Deutsch, 1990. Vgl. Eagly / Carli, 2003.
Welche Einflüsse treten in Gruppen auf?
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Take-Away-Message
Gruppen bestehen aus zwei oder mehr Personen, die miteinander interagieren und deren Ziele und Bedürfnisse wechselseitig beeinflusst werden. Sie weisen Soziale Normen auf, deren Einhaltung und Erfüllung erwartet wird und definieren exakte soziale Rollen, die Verhaltensmuster prägen. Die Gruppenkohäsion sorgt (über kongruente Aspekte) für den Zusammenhalt in der Gruppe. Die Anwesenheit anderer beeinflusst die Leistung des Einzelnen. Die Phänomene bezeichnet man je nach Ausprägung unter verschiedenen Variablen als soziale Erleichterung und als soziales Faulenzen. Als Variablen gelten der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe und ob die Leistung des Einzelnen messbar ist. Bei der messbaren Einzelleistung lässt sich bei einfachen Aufgaben eine Leistungssteigerung und bei schwierigen Aufgaben ein Leistungsabfall des Einzelnen verzeichnen (= Soziale Erleichterung). Bei nicht messbaren Einzelleistungen jedoch erfolgt bei einfachen Aufgaben ein Leistungsabfall und bei schwierigen Aufgaben eine Leistungssteigerung des Einzelnen (=Soziales Faulenzen). Bei Entscheidungsprozessen in Gruppen tritt oft Gruppendenken auf. Bedingungen dafür sind: - Die Gruppe ist hoch kohäsiv (Meinungsbild entsprechend der Gruppe, um dazu zugehören) - Gruppenisolation (Es gelangen keine anderen Standpunkte in die Gruppe) - Leiter ist parteiisch (Führungskraft leitet Diskussion und äußert klare Ergebniswünsche) - Stress und Zeitdruck Dazugehörige Symptome sind: - Illusion der Unverwundbarkeit (Als Gruppe sind wir stark und haben recht) - Anpassungsdruck (Einzelne äußern eigene Meinung nicht, um nicht aufzufallen) - Illusion der Einstimmigkeit (Mitglieder, die bekannt für Kontraargumente sind, werden nicht angesprochen) Außerdem werden fehlerhafte Entscheidungsprozesse durch mangelhafte Informationsanalyse, fehlende Entwicklung eines Krisenplans und unvollständige Sichtung von Alternativen begünstigt. Zudem besteht die Gefahr der Gruppenpolarisierung, in der die Entscheidung in eine vorhersehbare Richtung driftet, da Einzelmeinungen binnen der Gruppe ähnlich sind. Alternativen werden auch hier nicht/kaum betrachtet.
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Prosoziales Verhalten Warum sind wir hilfsbereit?
Nicole Lippoldt, Svenja Katzer Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum Sie als Führungskraft hilfsbereit sein sollten bzw. warum es wichtig sein könnte, hilfsbereite Mitarbeiter im Unternehmen zu beschäftigen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum wir hilfsbereit sind. Anschauliche Beispiele werden die Hintergründe und Theorien zu dieser Frage beleuchten. Doch woher stammt eigentlich hilfsbereites Verhalten? Warum helfen Menschen anderen Menschen oder warum helfen manche Menschen häufiger als andere? Ein Ansatz zum Ursprung ist die Evolutionspsychologie. Nach Darwin (1859) werden mit großer Wahrscheinlichkeit nur solche Gene weitervererbt, die förderlich für das Überleben oder für die Reproduktion von Nachkommen sind. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie ein Gen, das die Hilfsbereitschaft fördert, weitergegeben wird, wenn dieses sich negativ auf die Überlebenschancen auswirkt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen an einem kalten, sonnigen Wintertag an einem See spazieren. Auf einmal hören Sie Hilferufe, die irgendwo aus dem See zu stammen scheinen. Nach kurzer Zeit können Sie tatsächlich ausmachen, dass die Hilferufe von einer Person stammen, die in den vermeintlich gefrorenen See gefallen ist. Was tun Sie jetzt? Nach der ursprünglichen Theorie von Darwin dürften Sie eigentlich nicht helfen, da die Hilfe nicht unbedingt förderlich für Ihr Überleben ist. Sie könnten sich selbst schaden bei dem Versuch, die Person herauszuziehen, selbst in den See fallen oder sich dabei verletzen. Wie kann jetzt also davon ausgegangen werden, dass Hilfsbereitschaft durch Gene weitergegeben wird? Jetzt stellen Sie sich einmal vor, es ist Ihre Schwester oder Ihr Bruder, der dort um Hilfe ruft. Würde dies nicht Ihre Hilfsbereitschaft erhöhen? So kamen Forscher zu der Idee, dass wir auch das Überleben von Blutsverwandten schützen wollen, da diese den unseren ähnliche Gene weitergeben. Eine Beobachtung hierzu stammt aus dem Tierreich. So ließ Greenberg (1979) gezüchtete Bienen in der Nähe eines von Wächterbienen bewachten Bienenstockes los. Er hatte die Bienen so gezüchtet, dass diese in unterschiedlichem Verwandtschaftsgrad zu den Wächterbienen standen. Manche waren Geschwister, andere nur Cousins und wieder andere waren nur sehr entfernt verwandt mit den Wächterbienen. Diese können den Verwandtschaftsgrad durch den Geruch der Eindringlinge feststellen. Tatsächlich konnte Greenberg beobachten, dass die nahen Verwandten der Wächterbienen eher in den Stock gelassen wurden als andere Bienen. Im Einklang dazu führte Sime (1983) Gespräche mit einigen Überlebenden eines Brandes in einer Ferienhaussiedlung im Jahre 1973. Dabei stellte sich heraus, dass diese verstärkt Familienmitglieder gesucht und gerettet
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Prosoziales Verhalten
haben, bevor sie das brennende Haus verließen. Das Überleben der Freunde und Bekannten spielte intuitiv eine geringere Rolle. Ein weiterer Ansatz zu der Erklärung, dass hilfsbereites Verhalten über die Gene weitergegeben wird, ist die sogenannte Reziprozitätsnorm. Diese besagt, dass wir eher bereit sind einem anderen zu helfen, wenn sich dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir im Gegenzug von dieser Person in Zukunft auch Hilfe bekommen. Diese Forschungsrichtung bezieht sich auf die Vergangenheit der Menschheit, als diese noch in Höhlen lebten und folgt der Grundannahme, dass Zusammenarbeit und Hilfeleistung notwendige Begleiterscheinungen der Evolution sind. Es wird davon ausgegangen, dass eine Gruppe – bestehend aus selbstsüchtigen Individuen – evolutionäre Nachteile gehabt hätte. Eine Gruppe hingegen, in der die Individuen sich gegenseitig helfen und kooperieren, hätte höhere Überlebenschancen gehabt. Dabei spielt der Gedanke: „Wenn ich dir jetzt helfe, dann bekomme ich auch Hilfe von dir, wenn ich sie brauche“ eine große Rolle.131 Bezogen auf das Beispiel mit der in den See gefallenen Person wäre Folgendes denkbar: Sie stellen fest, dass diese Person Ihr Chef ist. Spielt dann bei der gegebenen Hilfeleistung nicht doch der Gedanke mit, dass Sie wahrscheinlich in naher Zukunft von der Lebensrettung profitieren? Vielleicht werden Sie bevorzugt behandelt oder die Entscheidung bei der nächsten Beförderung könnte auf Sie fallen. Eine dritte Möglichkeit, hilfsbereites Verhalten mit Hilfe der Evolutionstheorie zu erklären, ist das Lernen sozialer Normen. Menschen haben nach Simon (1990) die größten Überlebenschancen, wenn sie sich an die Normen in ihrer Gesellschaft halten. Schon seit Jahrhunderten lernen und lehren Kulturen, wie sie am besten überleben, zum Beispiel welche Pflanzen sie essen können oder wie man sich an große Tiere heranpirscht, um sie zu erlegen. Menschen, die solche Regeln lernen, werden eher überleben, als jene, die diese nicht kennen. Auch Hilfsbereitschaft ist eine solche Norm und wird in den meisten zivilisierten Kulturen geschätzt und als wertvoll angesehen. Doch nicht nur die Gene haben einen Einfluss auf hilfsbereites Verhalten. Der Mensch neigt dazu, Kosten und Nutzen seiner möglichen Taten abzuwägen. So fragt er sich häufig vor einer Entscheidung, wie viel er investieren muss und wie viel dann für ihn dabei herausspringt. Sie als Führungskraft kennen diesen Gedankengang bestimmt. In der Wirtschaft wird angestrebt, die Gewinne zu maximieren. Die sogenannte „Theorie des Sozialen Austausches“ beruht auf ähnlichen Überlegungen. Es wird in den meisten Fällen vielleicht nicht unbedingt Buch geführt über die Belohnungen und Kosten einer sozialen Beziehung, doch es wird versucht, die sozialen Kosten möglichst gering zu halten und die sozialen Belohnungen zu erhöhen.132 Diese Belohnungen können zum Beispiel auch Anerkennung von anderen oder ein gesteigertes Selbstwertgefühl sein. Ebenso zeigen Forschungsergebnisse, dass wir teilweise mit dem Wunsch einer Erregungsmilderung helfen, die wir bei dem Anblick leidender Menschen verspüren.133 Die Kosten auf der anderen Seite können zu
131 132 133
Vgl. Aronson / Wilson/ Akert, 2004. Vgl. Lawler / Thye, 1999. Vgl. Dovidio 1984.
Warum sind wir hilfsbereit?
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abnehmender Hilfsbereitschaft führen. Bei der Überlegung, ob Hilfe geleistet wird oder nicht, können Gedanken an mögliche Gefahren, Schmerzen oder der Zeitanspruch aufgegriffen werden. Grundlegend wird davon ausgegangen, dass der Mensch nur hilft, wenn er bei der Abwägung zwischen Kosten und Belohnungen zu dem Schluss kommt, dass die Belohnungen überwiegen.134 Vielleicht standen Sie auch schon einmal vor dem Problem des nun folgenden Beispiels: Ein Mitarbeiter wendet sich mit der Bitte an Sie, er müsse ein halbes Jahr freigestellt werden oder ansonsten kündigen, beispielsweise weil er so stark überarbeitet ist, dass er nach Vorhersage seines Arztes bald einen Burn-Out haben wird. Als erstes werden Sie überlegen, wie gut der Mitarbeiter ist, ob Sie langfristig auf ihn verzichten könnten oder nicht. Kommen Sie zu dem Schluss, dass der Mitarbeiter eigentlich bleiben sollte, so werden Sie anfangen, zwischen den Belohnungen und den Kosten abzuwägen, die durch den Arbeitsausfall entstehen. Sie erstellen sozusagen eine Pro- und Contraliste. Belohnungen dabei können sein, dass die gute Arbeitskraft bald wieder im Betrieb sein wird, dass der Mitarbeiter durch die behobenen Probleme vielleicht noch besser arbeitet und sehr loyal sein wird oder der Gedanke, dass Sie jemandem helfen können. Vielleicht steigt auch die Anerkennung der anderen Mitarbeiter Ihnen gegenüber, da Sie so einfühlsam und hilfsbereit sind. Auf der anderen Seite stehen allerdings auch die Kosten, die berücksichtigt werden müssen. Sie müssen Zeit, Mühe und Kosten investieren, um einen geeigneten Ersatz zu finden, obwohl Sie sich nicht sicher sein können, ob der Mitarbeiter auch wirklich in einem halben Jahr zurück kommt. Nun müssen Sie eine Entscheidung treffen. Sind die Belohnungen höher als die Kosten, so werden Sie dem Mitarbeiter die gewünschte Auszeit gewähren. Überwiegen aber die Kosten Ihrer Meinung nach, dann werden Sie dem Mitarbeiter wohl mitteilen, dass er kündigen muss. Eine dazu gegensätzliche Theorie stützt sich auf den Altruismus, also das Bedürfnis, einem anderen Menschen nur um des Helfens Willen zu helfen, auch wenn dabei Nachteile für den Helfer entstehen. Altruistisches Verhalten wird besonders dann auftreten, wenn wir uns in einen Menschen einfühlen können, uns somit in seine Lage versetzen und seine Emotionen nachempfinden können: also Empathie gegenüber dem anderen fühlen.135 Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit dem Mitarbeiter, der eine Auszeit braucht. Vielleicht waren Sie auch schon einmal in einer ähnlichen Lage oder Sie können sich zumindest sehr gut vorstellen, wie es Ihrem Mitarbeiter geht. Sie können praktisch seine Emotionen nachfühlen, wie er morgens nicht aus dem Bett kommt, freudlos zur Arbeit geht und auch seine Aufgaben ihm über den Kopf wachsen. Nach diesem Erklärungsansatz werden Sie Ihrem Mitarbeiter helfen, ihm also die Auszeit gewähren, weil Sie Empathie für ihn verspüren, auch wenn die Belohnungen nicht höher als die Kosten sind. Sie betrachten also nicht mehr Ihre Gewinne, sondern möchten nur die Not Ihres Mitarbeiters lindern. Aber wie kann ein solches Motiv bei einer Hilfeleistung erkannt werden? Dazu haben Batson und seine Mitarbeiter (1991) eine Reihe von Experimenten durchgeführt, die zeigen,
134 135
Vgl. Dovidio et al., 1991. Vgl. Batson, 1991.
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Prosoziales Verhalten
ob ein Mensch wirklich rein altruistisch handelt oder doch in seinem eigenen Interesse, zum Beispiel um Anerkennung zu bekommen oder seine eigene Erregung/Betroffenheit zu mildern. In der Studie wurden Psychologiestudenten im ersten Semester gebeten, Bänder eines neuen Programmes mit dem Thema Nachrichten aus der persönlichen Ecke für die universitätseigene Radiostation anzuhören. Ihnen wurde gesagt, es seien viele Pilotbänder vorhanden und jedes Band werde nur von einer Person angehört. Tatsächlich hörte aber jeder Student das gleiche Band, auf dem ein Interview mit einer Studentin namens Carol Marcy ist. Carol erzählt, dass Sie einen schweren Autounfall gehabt hatte, nun im Rollstuhl säße und Schwierigkeiten habe, den Stoff des Semesters aufzuholen. Besonders der Psychologiekurs, den alle Teilnehmer der Studie besuchen, läge ihr sehr am Herzen und sie müsse diesen aufgeben, wenn sich nicht ein Student bereit erklären würde, ihr zu helfen. Nachdem die Studenten das Band gehört haben, wird ihnen eine Nachricht ausgehändigt. Auf dem Umschlag steht: „An den Studenten, der das Carol Marcy-Pilotband anhört“. Darin befindet sich eine Nachricht von ihrem Psychologieprofessor mit der Frage, ob der jeweilige Student bereit wäre, Carol zu helfen. Ebenso ist eine Notiz von Carol beigefügt, auf der sie fragt, ob der Student sich mit ihr treffen und ihr seine Vorlesungsaufzeichnungen geben würde. Zusätzlich wurden die Teilnehmer in verschiedene Gruppen eingeteilt. Den Mitgliedern der einen Gruppe wurde gesagt, sie sollen hohe Empathie gegenüber Carol empfinden, sich also in ihre Lage hineinversetzen und sich vorstellen, wie es ihr im Moment mit den gesamten Umständen gehe. Die Mitglieder der anderen Gruppe sollten objektiv bleiben und nicht an Carols Gefühle denken. Die gewünschte Reaktion war, dass die Teilnehmer mit der Bedingung „hohe Empathie“ mehr Sympathie für Carol fühlen sollten als die objektiv bleibende Gruppe, was auch in der Studie von den Teilnehmern bestätigt wurde. Des Weiteren wurde eine Kostenbedingung eingeführt. Einigen Studenten wurde gesagt, Carol wäre ab nächster Woche wieder in ihrem Kurs. Das war die „hohe Kosten“-Bedingung, da sie Carol nun jede Woche sehen würden auch wenn sie ihr die Hilfe verweigerten. Den anderen Studenten wurde gesagt, dass Carol zu Hause lernen würde. Sie würden Carol also nicht begegnen und sich somit auch nicht ständig schuldig fühlen müssen.
Warum sind wir hilfsbereit?
Abbildung 8.1
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Rein altruistisches Verhalten versus eigene Interessens
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008), S. 412
Wie in der Abb. 8.1 zu erkennen ist, haben die Teilnehmer mit der „hohen Empathie“Bedingung zu einem Großteil zugestimmt, Carol zu helfen – unabhängig davon, ob sie sie im Unterricht sehen würden. Diejenigen aber, die geringe Empathie fühlen, also objektiv bleiben sollten, wurden stark davon gelenkt, ob sie Carol ständig begegnen würden oder nicht. Sie wollten also hauptsächlich helfen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen und damit ihr Schuldgefühl zu mindern. Die Ergebnisse einer Studie von Toi und Batson (1982) zeigen, dass Menschen aus rein altruistischen Gründen helfen, wenn sie dem Leidenden gegenüber Empathie empfinden. Wenn sie dieses Gefühl aber nicht hegen, dann neigen sie dazu, die Kosten und Belohnungen abzuwägen. Die Theorie des sozialen Austausches wird also angewandt. Doch auch in der beruflichen Welt ist ein solches Beispiel denkbar. Stellen Sie sich vor, die Sekretärin wird in das Archiv geschickt mit der Bitte, mehrere Ordner für den Chef zu besorgen. Vor dem Büro eines Angestellten fallen ihr die gestapelten Unterlagen auf den Boden. Der Mitarbeiter bemerkt es und stellt sich in diesem Moment vielleicht vor, was die
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Prosoziales Verhalten
Sekretärin denkt: „Ach, mein Gott, ich bin auch immer so unsortiert. Wieso passiert mir das immer? Und wie bekomme ich jetzt die ganzen Unterlagen wieder geordnet zum Chef?“ Wenn er diesen Gedankengang mitfühlt, dann wird er helfen, auch wenn er gerade sehr viel zu tun und eigentlich keine Zeit hat. Die Empathie, die er für die Sekretärin fühlt, wirkt stärker als die für ihn entstehenden Kosten. Verspürt er diese Empathie nicht, so wird er abwägen, ob ihm eine Hilfeleistung zu Gute kommt. Eventuell bekommt er Anerkennung von den anderen Mitarbeitern, die das Geschehen beobachtet haben oder die Sekretärin erzählt dem Chef, wie hilfsbereit doch der Mitarbeiter ist. Wenn ihm diese Belohnungen wichtiger erscheinen als die investierte Zeit (Kosten), wird er auch helfen, andernfalls gibt er wohl vor, das Geschehene nicht mitbekommen zu haben. Wir haben bereits erklärt, warum wir anderen Menschen helfen. Aber was beeinflusst uns die Entscheidung zu treffen, dem hilfsbedürftigen Menschen nicht zu helfen? Wie bereits erläutert, dürfen die Kosten der Hilfeleistung nicht den Nutzen daraus übersteigen. Es gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der uns davon abhält, unseren Mitmenschen in schwierigen Situationen oder Notfällen beizustehen. Diese Theorie nennt sich Zuschauer-Effekt.136 Der Zuschauer-Effekt ist ein Phänomen, das am besten an einem Beispiel erklärt wird. Stellen Sie sich vor, Sie und zehn Kollegen, die Sie nicht näher kennen, laufen den Flur entlang. Plötzlich stolpert jemand und stürzt. Was würden Sie tun? Rein logisch betrachtet müsste bei der hohen Anzahl an Zuschauern die Wahrscheinlichkeit steigen, dass jemand dem Kollegen hilft. Aber Studien haben gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Je mehr Menschen die Situation wahrnehmen, desto geringer ist die Chance, dass der hilfesuchenden Person tatsächlich geholfen wird.137 Die folgende Grafik zeigt eines dieser Experimente. Bei diesem waren die Probanden über eine Telefonkonferenz miteinander im Gespräch, als plötzlich einer der Teilnehmer einen epileptischen Anfall hatte. Er rief mehrmals laut um Hilfe, schnappte nach Luft und sagte dann nichts mehr. In Wirklichkeit war in der Studie nur ein echter Teilnehmer am Telefon. Die anderen Stimmen, einschließlich der mit dem Anfall, waren Aufzeichnungen. Es sollte getestet werden, wie der Proband reagiert. Ob er versuchen würde, dem Opfer des Anfalls zu helfen, indem er den Aufenthaltsort herausfand oder dem Versuchsleiter Bescheid sagte oder ob er, wie die aufgenommenen Stimmen, nichts unternehmen würde. Bei diesem Experiment zeigte sich, dass die Anzahl der Zuschauer die Hilfeleistung stark beeinflusst. Wenn die Probanden dachten, dass sie die einzigen Zuhörer wären, halfen alle und das meistens sofort oder innerhalb weniger Minuten. Wenn noch eine weitere Person Zeuge der Notsituation geworden ist, sanken die Bereitschaft zu helfen und die Reaktionszeit. Bei vier weiteren Zuschauern war beides sogar noch geringer. Das verdeutlicht die Grafik 8.2.
136 137
Vgl. Latané / Darley, 1970. Vgl. Latané / Darley, 1968.
Warum sind wir hilfsbereit?
Abbildung 8.2
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Der Zuschauereffekt
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008), S. 423
Warum ist das so? Die Sozialpsychologen Latané und Darley (1970) haben den Weg zu der Entscheidung, ob wir helfen, ausführlich dargestellt. Bei diesem Diagramm wird deutlich, warum wir als Zuschauer nicht helfen, wenn viele Menschen ebenfalls den Unfall sehen. Zur Veranschaulichung gehen wir die Schritte anhand eines Beispiels durch. Nehmen wir an, Sie sind in der Firmenkantine zum Mittagessen. Es ist gerade 12:30 Uhr und viele weitere Kollegen sind ebenfalls bei Tisch. Es sind schon viele Tische besetzt und Sie müssen länger nach einem freien Platz suchen. Da fällt Ihnen ein Mann auf, der halb vom Stuhl gerutscht – wie schlafend – am Tisch sitzt. Seine Mahlzeit ist noch nicht aufgegessen. Was Sie nicht wissen: Der Mann ist Diabetiker und hat einen Zuckerschock erlitten. Sie sehen den Mann und dabei findet die erste Überlegung zur Entscheidungsfindung statt. Sie bemerken ihn und denken darüber nach, ob der Mann vielleicht Hilfe benötigt. Es gibt Situationen, die zweifelsfrei als Notfall eingestuft werden. Manchmal ist es aber wie im Beispiel nicht so eindeutig. Besonders Menschen, die in Eile oder von anderen Dingen wie einem Telefonat abgelenkt sind, bemerken oft die Notsituation gar nicht.
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Prosoziales Verhalten
Da Sie nicht in Eile oder abgelenkt sind, schauen Sie den Mann noch ein zweites Mal an. Dabei müssen Sie die Situation als Notfall interpretieren. Hier kommt der Zuschauer-Effekt ins Spiel. Latané und Darley haben 1970 ebenfalls in Experimenten nachgewiesen, dass wir Menschen in Notfällen erst einmal für einige Sekunden vor Schreck erstarren. Wenn wir uns dann umsehen und keiner auf die Notsituation reagiert, entsteht der Gedanke, dass alles in Ordnung ist. In unserem Experiment sind die meisten Mitarbeiter in Eile oder im Gespräch mit Kollegen (1. Überlegung führt zum negativen Ergebnis). Deshalb wird die Situation des Mannes von kaum jemandem bemerkt, wodurch wir ebenfalls unterbewusst die Situation als normal ansehen. Das ist eine Erklärung, warum bei einer hohen Anzahl an Zuschauern die Wahrscheinlichkeit, dass geholfen wird, sinkt. Wir sind uns selbst nicht sicher, ob wir in dieser Situation helfen sollen und orientieren uns an anderen Personen. Wenn wir die anderen Zuschauer beobachten und diese nicht auf den Notfall reagieren, sondern gelassen weitergehen, wird die Situation nicht als Notfall interpretiert. Sie aber haben nun die Situation des Mannes als Notfall gedeutet und stellen sich die nächste Frage: Bin ich derjenige, der helfen soll? Da spielt ebenfalls die Anzahl an Zuschauern eine Rolle. Wie in der Grafik 8.2 zum Zuschauereffekt zu sehen ist, fühlen wir uns eher verantwortlich zu helfen, wenn nur wir den Notfall bemerken. Wenn weitere Personen anwesend sind, fühlen wir uns weniger in der Verantwortung. Es sind ja noch weitere Personen zugegen, die ebenfalls helfen könnten. Es kommt zu einer sogenannten Verantwortungsdiffusion. Das bedeutet, dass die Verantwortung nicht klar verteilt ist. Somit fühlt sich keiner in der Situation zuständig, etwas zu unternehmen. Das ist auch für Führungskräfte eine wichtige Information. Wenn die Aufgaben nicht klar verteilt sind und nicht jeder weiß, was von ihm erwartet wird, werden bestimmte, meist unangenehme Aufgaben nicht erledigt. Es fühlt sich niemand dafür verantwortlich. Sie fühlen sich aber verantwortlich für den Mann, haben auch vorher alle Fragen positiv beantwortet und sind bereit zu helfen. Da zeigt sich eine weitere Schwierigkeit. In einem Notfall, der auf ein gesundheitliches Gebrechen wie einen Zuckerschock zurück zu führen ist, sind wir oft nicht in der Lage zu helfen. Uns fehlt das Wissen, was zu tun ist. Die notwendige Hilfeleistung kann nicht erbracht werden, weil uns die Kompetenz dafür fehlt. Sie besitzen das nötige Wissen, dem hilfsbedürftigen Mann zur Seite zu stehen. Das Wählen der Notrufnummer für einen Arzt ist ebenso eine Art sein Wissen einzusetzen, wie einen Kollegen zu rufen, der sich in erster Hilfe auskennt. Trotzdem gibt es noch einen weiteren Aspekt, der Sie davon abhalten kann. Am Anfang des Kapitels ist bereits erwähnt worden, dass die Kosten für die Hilfeleistung nicht höher sein dürfen als der Nutzen, den wir daraus ziehen. Das ist der letzte Schritt, den Sie gehen müssen, bevor Sie Hilfe leisten. Wenn Sie um Ihr Leben fürchten oder Ihnen die Situation zu peinlich erscheint, werden Sie trotz der vielen Vorüberlegungen nicht eingreifen. Wenn sich beispielsweise der Notfall plötzlich als Scherz herausstellt, fühlen Sie sich peinlich berührt, weil Sie einen Kollegen geholt oder den Arzt angerufen haben. Die persönlichen Kosten für die Hilfe sind höher als der Nutzen daraus.
Warum sind wir hilfsbereit?
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Wenn Sie als Zuschauer eine dieser Überlegungen nicht positiv beantworten, werden Sie nicht in die Situation eingreifen und nicht helfen. Die Grafik fasst die beschriebenen Schritte noch einmal übersichtlich zusammen. Abbildung 8.3
Ablaufdiagramm für die Entscheidung eines Zuschauers, Hilfe zu leisten
1.
2.
Ereignis bemerken
Ereignis als Notfall interpretieren
Abgelenkt, in Eile (Ereignis wird nicht bemerkt) Pluralistische Ignoranz (Ereignis wird als Nicht-Notfall aufgefasst)
3.
4.
Angemessene Verantwortung Hilfeleistung kennen übernehmen
Diffusion der Verantwortung (es wird keine persönliche Verantwortung übernommen)
5. Anwendungsentscheidung
Einschreiten und Hilfe anbieten
Mangel an Wissen, an Kompetenz es kann keine angemessene Hilfe geleistet werden
Gefahr für einen selbst; rechtliche Bedenken; Peinlichkeit (Kosten zu hoch)
Keine Intervention / keine Hilfeleistung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Aronson, Wilson, Akert (2008), S. 424
Um die Wahrscheinlichkeit zu steigern, dass Menschen in Notfällen oder allgemein im täglichen Leben Hilfe leisten, geben wir Ihnen einige Tipps mit auf den Weg, wie Hilfsbereitschaft gesteigert werden kann. Vorher wollen wir Sie aber auch auf einen besonderen Umstand aufmerksam machen, der mit Hilfsbereitschaft einhergeht. Es gibt Situationen, in denen manche Menschen gar keine Hilfe haben wollen. Stellen Sie sich vor, Sie haben im Unternehmen ein neues Rechenprogramm eingeführt. Jetzt sitzen Sie schon seit einer Stunde davor und versuchen eine simple Rechnung durchzuführen. Da kommt ein Kollege herein und sieht Ihre missliche Lage. Er schaut auf Ihren Bildschirm und sagt: „Na da müssen Sie aber noch ein bisschen üben. Ich zeige Ihnen mal, wie man das richtig macht.“ Vielleicht fühlen Sie sich erleichtert, weil Sie jetzt weiter arbeiten können, aber höchstwahrscheinlich wird Ihnen der abwertende Unterton in der Aussage aufgefallen sein und Sie
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Prosoziales Verhalten
sind eher erbost über Ihren Kollegen als dankbar. Es entsteht dabei das Gefühl, von der anderen Person abhängig und selbst zu dumm für das Programm zu sein. Da sich niemand gerne so fühlt, ist es möglich, dass Personen lieber alleine das Problem lösen möchten auch wenn dabei die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Aufgabe zeitgerecht erledigt wird.138 Aber das ist eher auf die Art und Weise, wie die Hilfe angeboten wird zurückzuführen, als auf die Tatsache, dass Hilfe angeboten wurde. Dass Hilfsbereitschaft ein wichtiger Aspekt in unserem heutigen Leben ist, wurde in diesem Kapitel klar dargestellt. Um in der Gesellschaft zu überleben, müssen die sozialen Normen befolgt werden. Dazu gehört auch die sogenannte „Goldene Regel“. Diese ist in viele Religionen in ähnlicher Weise zu finden und besagt, dass man andere so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte. Daher ist die Steigerung der Hilfsbereitschaft eine Maßnahme zur Verbesserung des Umgangs miteinander. Das ist insbesondere in der Arbeitswelt wichtig, weil das Unternehmen nur im Team funktionieren kann. Wenn Sie Ihrem Kollegen Hilfe anbieten, ist es wichtig, dies nicht in einem herablassenden Tonfall oder mit verletzenden Worten zu tun. Im obigen Beispiel wären dies beispielsweise folgende Worte: „Mit dem Programm habe ich heute Morgen auch schon Probleme gehabt. Wollen wir zusammen nach einer Lösung suchen.“ Mit diesen Sätzen wird sich Ihr Kollege nicht dumm vorkommen, da Sie auch das Programm nicht einfach sofort bedienen konnten. Ebenfalls ist das Anbieten einer gemeinsamen Lösungssuche, auch wenn Sie die Lösung schon kennen, eine freundlichere Art Hilfe anzubieten. Wenn Ihr Kollege trotzdem keine Hilfe möchte, ist das eher auf seinen Ehrgeiz als auf Ihre Formulierung zurück zu führen. Zurück zu den Tipps zur Steigerung der Hilfsbereitschaft. Ein von Arthur Beaman und Mitarbeitern (1978) durchgeführtes Experiment zur Frage, ob das Wissen über den Zuschauer-Effekt diesen verhindern kann, zeigt ermutigende Ergebnisse. In diesem Versuch hörten Studenten nach dem Zufallsprinzip entweder eine Vorlesung zum Zuschauer-Effekt oder eine Vorlesung zu einem beliebigen anderen Thema an. Danach wurden alle beteiligten Studenten zu einer Soziologie-Studie eingeladen, ohne dass sie den Zusammenhang zu den Vorlesungen kannten. In dieser Studie sahen sie einen Mann, der auf dem Bürgersteig lag. Sie wussten nicht, ob der Mann Hilfe brauchte, ob er zusammengebrochen und vielleicht verletzt war oder nur jemand, der es nach einer durchfeierten Nacht nicht mehr nach Hause geschafft hatte. Wie Sie bereits wissen, sehen wir Menschen uns in einer mehrdeutigen Situation um und schauen, was die anderen Zuschauer machen. An der Studie nahm auch ein Mitarbeiter teil, der sich bewusst ruhig gab, als wäre nichts passiert. Demnach war es nur natürlich anzunehmen, dass sich der Mann am Boden nicht in Gefahr befindet und keine Hilfe braucht. Das sahen auch viele der Teilnehmer der Studie so, wenn sie eine beliebige Vorlesung besucht hatten. Nur 25% boten dem Mann ihre Hilfe an. Bei den Personen, die die Vorlesung zum Zuschauer-Effekt gehört hatten, fiel die Anzahl der Helfer mit 43% größer aus. Das zeigt, dass das Wissen über das Phänomen des Zuschauer-Effektes bereits eine Verbesserung der Hilfsbereitschaft bewirkt. Ein Seminar mit verschiedenen
138
Vgl. Nadler, 1991; Nadler / Fisher, 1986; Schneider / Major / Luhtanen / Crocker, 1996.
Warum sind wir hilfsbereit?
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praktischen Elementen zum Thema Zuschauer-Effekt wäre also eine Möglichkeit, die Hilfsbereitschaft Ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Eine weitere Option ist die Förderung von sozialen Tätigkeiten. Das wäre beispielsweise die Arbeit in einer Suppenküche oder in einem Verein als Vorstandsmitglied. Das verbessert nicht nur Ihr soziales Verhalten, sondern auch Ihre Führungsqualitäten. Dazu sollten die Mitarbeiter aber nicht gezwungen werden. Es ist vorteilhafter, wenn sie das Gefühl haben, dass sie diesen Tätigkeiten freiwillig nachgehen, denn sonst kann sich die Motivation schnell ins Gegenteil umkehren. Das bedeutet, dass Menschen, die das Gefühl haben zu sozialen Aktivitäten durch externe Einflüsse bewegt zu werden, diese nicht weiterführen, wenn der externe Druck nachlässt,139 wohingegen persönlich motivierte soziale Aktivitäten langfristig andauern.
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Vgl. Batson / Coke / Jasnoski / Hansen, 1978; Kunda / Schwarz, 1983; Stukas / Snyder / Clary, 1999.
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Prosoziales Verhalten
Take-Away-Message
Die Frage dieses Kapitels „Warum sind wir hilfsbereit?“ wurde zusammenfassend folgendermaßen beantwortet: Es gibt drei Möglichkeiten die Hilfsbereitschaft anhand der Evolutionspsychologie zu erklären: - die Verwandtenselektion, nach der wir Verwandten eher helfen als fremden Personen, - die Reziprozitätsnorm, nach der wir helfen, wenn wir später auch Hilfe erwarten können - und das Lernen sozialer Normen. Auch die Theorie des sozialen Austausches, in der zwischen Belohnungen und Kosten abgewägt wird, begründet die Hilfsbereitschaft der Menschen. Nach dem Zuschauereffekt gilt: Je weniger Personen eine Situation / einen Notfall bemerken, desto eher wird jemand helfen. Allerdings bewirkt das Wissen über dieses Phänomen eine Erhöhung der Hilfsbereitschaft. Es ist demnach ratsam, seine Mitarbeiter darüber aufzuklären. Es müssen fünf Schritte durchlaufen werden, damit in einem Notfall tatsächlich eine Hilfeleistung erbracht wird. Anhand der Beispiele wird deutlich, wie wichtig es ist, hilfsbereite Mitarbeiter zu beschäftigen und auch als Führungskraft selbst Hilfsbereitschaft zu zeigen.
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg Wie können auftretende Aggressionen im Job positiv genutzt werden?
Jasmin Herfurth, Benjamin Zimmermann Es ist ein sonniger Tag Ende Juni. Das Thermometer zeigt schon früh morgens um 10 Uhr deutlich über 20 Grad an. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit. Heute steht wieder einmal das Quartalsmeeting mit den Abteilungsleitern an. Das Budget der einzelnen Abteilungen muss neu verhandelt und vergeben werden. Die Klimaanlage funktioniert schon seit Wochen nicht und Sie erwarten eine hitzige Diskussion in einem beengten und stickigen Raum. Sie wissen bereits jetzt, dass Sie es nicht allen Recht machen können und befürchten wieder zahlreiche emotionsgeladene Diskussionen. Doch sind Ihre Bedenken begründet, oder gibt es nicht vielleicht eine Möglichkeit, diese aggressive Stimmung positiv für Ihr Unternehmen zu nutzen? Aber der Reihe nach: Zunächst sollten wir uns fragen, was Aggressionen überhaupt sind und wodurch sie entstehen. Was die Wenigsten wissen: Der Begriff „Aggression“ kommt vom lateinischen Wort aggredi, was so viel bedeutet wie „darauf zu gehen“ oder “herangehen“. In unserem täglichen Leben verbinden wir Aggressionen leicht mit negativen Empfindungen, wie Frustration oder Gewalt. Aber wie wäre es, mit diesem Gedanken einmal aufzuräumen und uns der eigentlichen Bedeutung des „Herangehens“ auf positive Art und Weise zu nähern? Aggressionen müssen nicht notwendigerweise in Gewalt münden, sondern können, richtig eingesetzt, vielmehr dabei helfen, den nötigen Biss zu zeigen, um positive Ergebnisse zu erzielen, Energien zu entwickeln und Großes zu schaffen. Dazu möchten wir Sie in diesem Kapitel ermutigen. In der Sozialpsychologie wird oft davon gesprochen, dass aggressives Handeln eine beabsichtigte Verhaltensweise ist, mit deren Hilfe anderen körperlicher oder seelischer Schmerz zugefügt werden soll. Maßgeblich ist bei einer aggressiven Handlung allerdings nicht die tatsächliche Auswirkung, sondern lediglich der Wille, jemandem Schmerzen oder generell einen Schaden zuzufügen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für physischen, sondern ebenso für psychischen Schmerz wie Mobbing, Bossing, oder Ähnliches. Bossing leitet sich von dem bereits bekannten Begriff des Mobbings ab. Hierunter versteht man allerdings das Schikanieren der Mitarbeiter durch die Führungskraft (sogenanntes „Mobbing von oben“). Ein Beispiel hierzu: Ein Mitarbeiter lässt versehentlich einen schweren Ordner auf Ihren Fuß fallen. Selbst wenn Ihr Fuß tatsächlich getroffen wurde, ist dies keine aggressive Handlung. Lässt dieser Mitarbeiter den Ordner jedoch auf Ihren Fuß fallen, weil er Sie verletzen möchte, dann ist diese Handlung sehr wohl aggressiv, auch wenn Ihr Fuß gar nicht getroffen wurde.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg
Zu unterscheiden ist weiterhin zwischen feindseliger und instrumenteller Aggression.140 Bei der feindseligen Aggression steht im Vordergrund, einem anderen Schmerz zuzufügen. Dies wird durch starke Gefühle wie Ärger, Wut oder auch Angst ausgelöst. Im Gegensatz dazu steht die instrumentelle Aggression. Hierbei geht es nicht in erster Linie darum, jemandem Schmerz zuzufügen. Vielmehr hat man die Absicht, ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Dabei kann es vorkommen, dass Mitmenschen verletzt werden oder „auf der Strecke bleiben“. Dies wird jedoch billigend in Kauf genommen. Kommen wir auf unsere kleine Geschichte vom Anfang zurück. Sie sind im Meeting angekommen. Herr Müller, Abteilungsleiter Marketing, berichtet Ihnen, dass Herr Schmidt, Abteilungsleiter Vertrieb, leider verhindert sei. In Wahrheit hatte Herr Müller Herrn Schmidt jedoch am Tag zuvor mitgeteilt, dass das Meeting verschoben wird. Dies tat er, da er selbst der Meinung ist, dass seine Abteilung für das Unternehmen am wichtigsten sei. Aus früheren Meetings weiß Herr Müller, dass Herr Schmidt bei der Verteilung des Budgets sein hartnäckigster Konkurrent ist. Durch diese Intrige wollte er die Konkurrenzsituation zu seinen Gunsten verändern. Herr Schmidt hat somit keine Chance, seine Argumente für eine Budgeterhöhung seiner Abteilung vorzutragen. Hierbei handelt es sich um instrumentelle Aggression, da Herr Müller (vermeintlich) nur das Beste für das Unternehmen will. Dabei nimmt er auch gerne in Kauf, dass die Abteilung Vertrieb zu kurz kommt. Feindselige Aggression hingegen wäre es, wenn Herr Müller diese Lüge erzählt hätte, weil er bereits seit längerem einen heimlichen Groll gegen Herrn Schmidt hegt und ihn persönlich nicht leiden kann. In unserem Beispiel handelt es sich „nur“ um eine Lüge, die Herrn Schmidt erzählt wurde. Jedoch muss man bei der feindseligen Aggression sehr vorsichtig sein, da diese auch sehr leicht in kriminelle Handlungen übergehen kann. Wissenschaftler141 gehen der Frage nach, ob Aggressionen angeboren oder erlernt sind. Hier kann man sagen, dass beides zutrifft. Es gibt Babies, die schon kurz nach der Geburt sehr aktiv sind und vermehrt aggressive Züge an den Tag legen. Sie schreien viel, werfen mit Bauklötzen oder ziehen der Puppe an den Haaren, anstatt mit ihr zu spielen. Ob diese Kinder aber später auf der Karriereleiter ganz nach oben klettern oder sich ihre Aggressivität in kriminelle Energien wandelt, kann sehr stark von der Erziehung und dem sozialen Umfeld des Kindes abhängen. Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage ist somit schwer zu geben. Sicher ist jedoch, dass Kinder vor allem durch das Abgucken von Verhaltensweisen ihres Umfeldes lernen. Seien es nun reale Personen wie ihre Eltern und Klassenkameraden oder aber Filme und Videospiele. Sie alle haben einen enormen Einfluss auf das Verhalten und die Entwicklung des Kindes. Es wurde ebenfalls nachgewiesen, dass Hormone einen erheblichen Einfluss auf das Aggressionsverhalten von Menschen haben. So werden Aggressionen einerseits durch das Hormon Serotonin gehemmt und andererseits durch Testosteron gefördert. Zu geringe Werte an Serotonin im Gehirn können folglich dazu führen, dass Impulse, die zu Aggressi-
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Vgl. Berkowitz, 1993. Vgl. u. a. Baron / Richardson, 1994; Berkowitz, 1993; Geen, 1998; Freud, 1930.
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onen führen, weniger gehemmt werden. Weiterhin wurde in einem Versuch nachgewiesen, dass Tiere durch die Injektion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron aggressiver wurden.142 Zwar können solche Versuche nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen werden, dennoch lassen viele Untersuchungen darauf schließen, dass es beim Menschen analog verläuft. Beispielsweise wiesen Banks und Dabbs 1996 nach, dass Studenten niedrigere Testosteron-Werte aufweisen als kriminelle Jugendliche. Auch andere Forscher kamen im Rahmen ihrer Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Es scheint also tatsächlich eine Verbindung zwischen Aggressionen und Testosteron zu geben. Daraus könnte man schließen, dass Männer aggressiver sein müssten, da Testosteron bei Männern in der Regel in größeren Mengen vorhanden ist als bei Frauen. Zumindest körperliche Aggressionen betreffend, scheint dies auch zutreffend zu sein. Deaux und La France (1998) beobachteten Kinder beim Spielen und stellten dabei fest, dass die Jungen ihre Spielkameraden sehr viel öfter schubsten oder drängelten, als die Mädchen es taten. Dennoch sind natürlich auch Mädchen und Frauen aggressiv, sie zeigen es jedoch eher weniger offensichtlich. Frauen neigen dazu, körperlichen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Sie lästern lieber über die anderen oder treiben sonstige „Psychospielchen“.143 Man kann also sagen, dass Männer in der Tat aggressiver sind als Frauen. Dies gilt allerdings nur in Alltagssituationen, in denen keine direkte Provokation erfolgt. Werden sie direkt provoziert, reagieren Frauen fast genauso aggressiv wie Männer.144 Dennoch gibt es einen weiteren Unterschied zwischen Männern und Frauen: Wenn Frauen aggressiv gehandelt haben, quälen sie sich hinterher häufiger mit Schuldgefühlen als Männer.145 Nach der Theorie von Buss und Duntley (2006) ist Aggressivität bei Männern unter Evolutionsgesichtspunkten vor allem auf folgende Gründe zurückzuführen: Sie versuchen erstens, dominanter zu sein als andere Männer. Dadurch wollen sie Frauen auf sich aufmerksam machen, da sie davon ausgehen, dass Frauen sich für den Mann entscheiden, der ihnen die größte Sicherheit bieten kann. Als zweiter Grund wird die Eifersucht genannt, wie auch schon Wilson und seine Kollegen (1982) sowie Schützwohl (2004) feststellten. Aggression in Form von Eifersucht soll dafür sorgen, dass die Frau treu bleibt und sich andere Männer von ihr fern halten. Wir haben nun also herausgefunden, dass in jedem von uns Aggressionspotential steckt, das durch die Erziehung beeinflusst werden kann und auch Hormone einen erheblichen Einfluss auf aggressives Verhalten haben. Doch welche weiteren Faktoren gibt es, die Aggressionen auslösen, beziehungsweise verstärken können? Wie wir bereits eingangs in der Geschichte herauslesen konnten, gibt es einige Einflüsse, die die Aggressionsentwicklung begünstigen können. Dazu gehören enge Räumlichkeiten, hohe Temperaturen und Stress. Aber auch übermäßiger Alkoholkonsum kann das Aggressionsverhalten fördern.
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Vgl. Moyer, 1983. Vgl. Coie et al., 1999; Dodge / Schwartz, 1997; McFayden-Ketchum et al., 1996. Vgl. Bettencourt / Miller, 1996. Vgl. Eagly / Steffen, 1986.
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg
Beginnen wir mit dem Alkohol als Ursache für aggressive Handlungen. Während jeder von uns aggressiv werden kann, so haben wir auch alle im Laufe der Zeit gewisse Hemmschwellen aufgebaut, um diese Aggressionen zurückhalten zu können. Diese Hemmschwellen mögen bei dem einen oder anderen höher oder niedriger sein, sind aber dennoch vorhanden. Alkoholkonsum sorgt dafür, dass unsere Hemmschwellen abgebaut werden und wir uns nicht so achtsam verhalten wie normalerweise.146 Zusätzlich nehmen wir nicht mehr alles genau wahr, was um uns herum passiert. Gewisse Feinheiten von Gesprächen oder Handlungen werden, wenn wir angetrunken oder betrunken sind, von unserem Gehirn nicht mehr verarbeitet.147 So kann es dazu kommen, dass wir in einem Gespräch die subtile Ironie einer Aussage nicht mehr heraushören und uns persönlich angegriffen fühlen. Im nüchternen Zustand hätten wir über die gleiche Aussage wahrscheinlich gelacht. Im betrunkenen Zustand allerdings kann dies möglicherweise zu einer heftigen Auseinandersetzung führen. Zusätzlich haben Forscher herausgefunden, dass Betrunkene auch zu gewalttätigeren Reaktionen bereit sind als Menschen, die nüchtern sind. 148 Zusammenfassend kann man also sagen, dass Alkohol nicht nur die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Handlungen oder Aussagen als Provokation aufgefasst werden, sondern auch die Gewaltbereitschaft steigert. Neben Alkohol kann auch Unbehagen zu einer Senkung der Aggressions-Hemmschwelle führen. Dieses Unbehagen kann wiederum verschiedene Ursachen haben. Durch Untersuchungen wurde beispielsweise bestätigt, dass starke Kälte149 oder auch Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit und Luftverschmutzung150 Auswirkungen auf aggressives Verhalten haben. Abbildung 9.1 zeigt die Auswertung einer Analyse der Temperaturen und Ausschreitungen in 79 US-Amerikanischen Städten zwischen 1967 und 1971.151 Sie sagt aus, dass die Wahrscheinlichkeit von Ausschreitungen stark anstieg, je höher die Temperatur an diesem Tag war. Um diese Theorie zu stützen, wurde unter anderem von Griffith und Veitch (1971) ein Versuch unter Laborbedingungen durchgeführt. In diesem Versuch mussten Studenten einen Test bearbeiten und eine fremde Person beurteilen und bewerten. Jedoch saß die eine Hälfte der Studenten in einem Raum mit normaler Raumtemperatur, während die andere Hälfte in einem Raum saß, in dem die Temperatur ca. 32 C betrug. Die Studenten, die in dem heißen Raum saßen, fühlten sich hinterher aggressiver und hatten auch die fremde Person negativer bewertet. Gerade in einer Arbeitsatmosphäre wie im Büro sollte also dafür Sorge getragen werden, dass die Raumtemperatur eine gewisse Grenze nicht überschreitet. Empfohlen wird für Büroräume eine Temperatur von etwa 21 bis 22 C. Im Sommer sollte die Grenze von 26 C nicht überschritten werden.152 Scheinbar banale Dinge wie eine funktionierende Klimaanlage können demzufolge eine erhebliche Auswirkung auf das Wohlbehagen, das Verhalten und das Arbeitsklima haben.
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Vgl. MacDonald et al., 1996. Vgl. Bushman, 1993, 1997; Bushman / Cooper, 1990 Vgl. Bushman, 1993; Lipsey et al., 1997; Taylor / Leonard, 1983. Vgl. Berkowitz, 1983. Vgl. Stoff / Cairns, 1997. Vgl. Carlsmith / Anderson, 1979. Vgl. Arbeitsstätten-Richtlinie 6/1.3.
Wie können auftretende Aggressionen im Job positiv genutzt werden?
Abbildung 9.1
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Aggression und Umgebungstemperatur
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Carlsmith, Anderson (1979)
Zwei weitere Aggressions-Quellen, die gerade vielen Berufstätigen sehr bekannt sein dürften, sind Stress und Frustration. Viele kennen sicher das Gefühl, eine wichtige Arbeit (und wir sprechen hier von einer wirklich fiesen und unangenehmen Arbeit) wochenlang vor sich hergeschoben zu haben. Getreu dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn; was ich heute nicht schaffe, schaffe ich morgen. Aber nun ist es soweit. Der Kalender zeigt es ganz genau: Noch drei Tage bis zur Abgabe und noch keine einzige Zeile geschrieben. Es wird eng. Rein zufällig taucht auch hier das Wort der Enge auf. Wie bereits anfangs erwähnt, führt Enge zu einem räumlichen Unbehagen und dies kann eine Aggressivität erzeugen. Gerade in solchen Situationen neigen die meisten Menschen dazu, leicht reizbar zu sein oder etwas falsch zu verstehen bzw. zu deuten. Hier müssen wir aufpassen, dass diese durch den Stress angestaute Reizbarkeit oder Aggression nicht an unserem Umfeld ausgelassen wird. Um dem entgegenzuwirken, sollte es daher unser Ziel sein, diesen Stress nicht aggressiv nach außen zu tragen, sondern ihn stattdessen positiv zu nutzen.
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg
Manch einer ist dieser Situation gewachsen. Das sind diejenigen, die jederzeit behaupten: „Ich kann nur unter Stress arbeiten.“ Sie wandeln diesen Stress und die damit verbundene Aggression in positive Energie um und erreichen so die bestmöglichen Ergebnisse. Richtig dosiert kann Stress also zu Höchstleistungen führen, man darf sich nur nicht von ihm „unterkriegen“ lassen. Ihr Ziel als Führungskraft sollte es sein, jeden Ihrer Mitarbeiter dazu zu bringen, auch in Stresssituationen die besten Ergebnisse zu erzielen. Stress entsteht auch durch Konflikte. Sie müssen als Führungskraft bereit sein, Konflikte anzunehmen, auszutragen oder sie sogar hervorzurufen. Was im ersten Moment absurd klingen mag, hat einen einfachen Hintergrund. Konfliktbereitschaft steht im Gegensatz zum Harmoniebedürfnis. Natürlich ist es schön, wenn in einer Firma alle zufrieden und glücklich sind, aber bringt es die Firma auch nach vorne? Wer ständig zufrieden ist, steht still. Daher ist es wichtig, seine Mitarbeiter hin und wieder wach zu rütteln. Dieses erreicht man, wenn man sie auch mal Stresssituationen aussetzt. Durch den Stress werden ungeahnte Kräfte freigesetzt und es ist ein großes Glückgefühl, wenn man die gestellte Herausforderung erfolgreich gemeistert hat. Dieser positive Stress wird „Eustress“ genannt, weitere Ausführungen hierzu erhalten Sie in Kapitel 11. Ein gutes Beispiel hierfür ist der frühere Fußball-Nationaltorhüter Oliver Kahn. Der deutsche Schlussmann und Kapitän vom FC Bayern München fiel des Öfteren negativ durch aggressive Ausraster und Aussagen auf. Doch gerade durch dieses aggressive und energische Auftreten schaffte er es immer wieder, seine Mitspieler neu zu motivieren und nach vorne zu treiben, um Erfolg zu haben. Nicht umsonst gilt er als der beste Torhüter seiner Zeit und wurde dreimal zum Welttorhüter des Jahres gewählt. Es handelt sich hierbei aber um einen schmalen Grat, den man als Führungskraft beschreitet. Zu viel Stress kann auch ins Negative kippen und dies kann dann zu „Burn-Out“ und anderen Pathologien führen. Denn zu viel Konfliktbereitschaft kann zu unkontrollierbaren Aggressionen und damit zu Streit bzw. Dauerstreit führen. Frustration, also die Verhinderung, ein gewünschtes Ziel zu erreichen, wird als einer der Hauptauslöser für Aggressionen genannt. Dollard und seine Kollegen (1939) stellten dazu eine Theorie auf, die sogenannte „Frustrations-Aggressions-Hypothese“. Nach dieser Hypothese steigert Frustration die Wahrscheinlichkeit, dass Aggressionen entstehen. Dies heißt keineswegs, dass auf Frustration immer Aggression folgt, jedoch ist dies sehr häufig der Fall. Ausschlaggebend ist hier zusätzlich, wie überraschend die Frustration eintritt,153 wie nahe man seinem Ziel schon gekommen ist 154 und wie stark man selbst in der Lage ist, etwas an der Situation zu ändern. Kehren wir noch einmal zu unserer Geschichte vom Anfang zurück und wandeln sie ein wenig ab. Angenommen Herr Müller hätte bereits einige Wochen vor dem Meeting mit Ihnen über seine Pläne und seinen Budgetbedarf gesprochen. Ihnen gefielen die Ideen von
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Vgl. Kulik / Brown, 1979. Vgl. Harris, 1974.
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Herrn Müller und Sie sicherten ihm zu, Ihr Bestes zu geben, damit er sein benötigtes Budget erhält. Kurz vor dem Meeting erfahren Sie nun, dass das gesamte Budget gekürzt wurde und auch die anderen Abteilungsleiter haben sich einiges einfallen lassen und warten mit kreativen Vorschlägen auf, um „ihr“ Budget zu erhalten. Nun ist es Ihnen nicht möglich, Herrn Müller sein erwünschtes Budget zuzuteilen. Natürlich hatten Sie Herrn Müller noch nicht zugesichert, dass er sein Budget erhalten würde. Dennoch war er fest davon ausgegangen und sah sich schon kurz davor, seine Ideen umzusetzen. Darum ist dieser nun sehr frustriert, denn nicht nur die Budgetkürzung kommt für ihn überraschend, sondern er selbst kann auch nichts daran ändern. Anders hätte die Situation ausgesehen, wenn Herr Müller zwar mit der Hoffnung, aber nicht mit der festen Erwartung, ein bestimmtes Budget zu erhalten, in das Meeting gegangen wäre. Sicherlich wäre er auch enttäuscht gewesen, dass es nicht geklappt hätte und er nun mit einem geringeren Budget als geplant auskommen müsste. Aber er hätte nicht von vornherein hohe Erwartungen gehabt, die dann enttäuscht wurden. Solch frustrierende Situationen können leicht dazu führen, dass Aggressionen auftreten. Sie als Führungskraft sollten idealerweise in der Lage sein, aufkommende Frustrationszustände zu antizipieren und wenn möglich, zu vermeiden. Sicher ist dies nicht leicht, doch wenn Sie als Führungskraft es schaffen, den durch die Frustration aufkommenden Stress in positiven Stress umzuwandeln, kann dies zu sehr guten Ergebnissen führen. Zurück zu unserer Geschichte. Das Meeting hat begonnen. Alle Abteilungsleiter diskutieren wild und energisch. Jeder versucht bei Ihnen den überzeugendsten Eindruck zu hinterlassen. Auch Herr Müller hat sich gut vorbereitet und mit der Gewissheit, dass ihm Herr Schmidt nicht in die Quere kommen kann, tritt er siegessicher ans Flipchart. Doch zu früh gefreut. Sie sind eine faire Führungskraft und haben natürlich längst nach Herrn Schmidt rufen lassen. Dieser steht nun in der Tür, setzt sich auf den Platz neben Herrn Müller und entschuldigt sich, dass er zu spät sei. Es würde ihm nie in den Sinn kommen Herrn Müller zu verpetzen. Wie stünde er sonst da? Herr Müller beginnt mit seinem Vortrag, nun schon etwas nervöser und um Souveränität bemüht. In ihm brodelt es, die Aggressionen melden sich zurück. Er hat es wieder nicht geschafft, Herrn Schmidt auszustechen. Nun gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und mit guten Argumenten zu überzeugen. Herr Schmidt ist jedoch mit seinen Gedanken ganz woanders. Warum hat ihm Herr Müller bloß ein falsches Datum genannt? Hierbei können wir von Mobbing sprechen. Mobbing ist eine explizit negative Aggression.155 Diese gilt es für Sie als Führungskraft in Ihrer Firma schnell zu erkennen und zu verbannen. Leider ist diese Art von Aggression weit verbreitet und sehr schwer nachzuweisen. Das Ziel eines Mobbers ist es, Macht zu erlangen, besser vor dem Chef da zu stehen und in bessere Positionen versetzt zu werden. Dabei ist es ihm auch egal, ob er mit unfairen Mit-
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Vgl. Weidner, 2005.
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teln kämpft. Es geht ihm nicht darum, durch gute Arbeit zu überzeugen, sondern er tut dies auf dem umgekehrten Weg. Er lässt andere schlecht aussehen, um selbst effektiver zu wirken. Seinen Gegenspieler zu verunsichern, zu verängstigen und ihn dauerhaft zu verletzen, ist die Aufgabe, die er sich gestellt hat. Damit schadet er jedoch nicht nur der von ihm gemobbten Person, sondern dem ganzen Unternehmen. Mobbing ist Psychoterror und entfaltet seine zerstörerische Wirkung erst durch die ständige Wiederholung.156 Nach gut drei Stunden ist das Meeting zu Ende. Mit überzeugenden Argumenten und energischer Durchsetzungskraft hat es Herr Müller tatsächlich geschafft, den größten Anteil des Budgets zu erhalten. Ob dies nun alles mit rechten Dingen zu ging, sei mal dahin gestellt; es handelt sich lediglich um ein Beispiel. Herr Schmidt hatte keine Chance, etwas auszurichten, da er vollkommen unvorbereitet in das Meeting kam. Er könnte seine ganze Wut an Herrn Müller auslassen und damit (vermeintlich) seine innerlichen Spannungen abbauen. Wahrscheinlich würde er sich danach zeitweilig besser fühlen. Als fairer Verlierer und gutmütiger Mensch schluckt er jedoch seinen Frust herunter und gratuliert Herrn Müller. Aber ist dies so ratsam? Ist es nicht ratsamer, den Frust heraus zu lassen, bevor sich dieser immer mehr anstaut und uns irgendwann vor zu viel Wut „der Kragen platzt“? Hierbei geht es um den Begriff der Katharsis.157 Freud vertrat eine Art „Hydrauliktheorie“ des Aggressionstriebes. Dabei geht es darum, Aggressionen direkt beim ersten Auftreten durch kontrollierten Abbau zu beseitigen. Durch brüllen, schreien, das Werfen einer Flasche gegen eine Wand, soll man seine Wut zum Ausdruck bringen, sodass sich diese gar nicht erst zu etwas Unkontrollierbarem aufbauen kann. Jemand, der seine Wut, Enttäuschung und Trauer stetig herunter schluckt und in sich aufstaut, ist laut dieser Theorie eine unberechenbare Gefahr für seine Umwelt. Irgendwann sucht sich die über einen längeren Zeitraum aufgestaute Aggression ein Ventil und man „explodiert“ förmlich. Dies kann in Form von gewalttätigen Handlungen oder in Symptomen psychischer Krankheiten auftreten. Es scheint also in der Tat ratsam, die Wut heraus zu lassen. Die Hydrauliktheorie ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten. Sie wurde vielfach widerlegt! Wir müssen aufpassen, dass unsere Hemmschwelle nicht sinkt und es uns leichter fällt, jemanden zu verletzen, nachdem wir es schon einmal getan haben. Wir sollten vielmehr versuchen, auf andere Art und Weise mit der Enttäuschung und der dadurch eventuell entstandenen Aggression umzugehen. Doch was können wir tun, wenn die Zurückhaltung und zugleich auch die Äußerung unserer Gefühle nicht von Vorteil sind? Wie sollen wir uns dann unserer Wut entledigen? Oft ist es einfacher als man denkt. Wie bereits der dritte US-Präsident Thomas Jefferson äußerte, geht es darum, unsere Wut unter Kontrolle zu halten, indem wir aktiv dazu beitragen, dass sie vergeht. Ein einfacher Trick ist es, einmal bis zehn zu zählen, bevor wir losbrüllen, tief durchzuatmen oder sich mit Sport, Musik oder anderen Aktivitäten abzulenken.158
156 157 158
Vgl. Weidner, 2005. Vgl. Dollard et al., 1939; Freud, 1933. Vgl. Creusen / Eschemann / Johann, 2010.
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Nachdem Herr Schmidt ein paar Züge frische Luft genommen hat, geht er in sein Büro und macht sich an die Arbeit. Er ist nun seit Jahren schon ein wichtiger und zuverlässiger Mitarbeiter und ist nie durch irgendwelche Äußerungen negativ aufgefallen. Auch jetzt, wo die Agression sich in ihm staut, behält er einen kühlen Kopf. Er versucht, seinen Frust in positive Energie umzuwandeln. Er überlegt, wie er es schaffen kann, seine Abteilung trotz des geringeren Budgets weiter nach vorne zu bringen. Nur nicht stehen bleiben und kapitulieren. Das würde ihm und der Firma wenig nützen. Es geht darum, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen. Auch wenn Herr Schmidt die Mittel, die Herr Müller eingesetzt hat, um seine Ziele durchzusetzen, nicht gutheißen kann, so wird ihm langsam bewusst, dass ihn seine Gutmütigkeit auf Dauer auch nicht weiter bringt. Ihm selbst fehlt einfach der nötige Biss und das Quäntchen Aggressivität, dessen es bedarf, um erfolgreich zu agieren und Spitzenpositionen einzunehmen.
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Aggression - Mit Biss zum Erfolg
Take-Away-Message
Das Wort „Aggression“ wird vom lateinischen Wort „aggredi“ abgeleitet, was so viel bedeutet wie „darauf zu gehen“ oder “herangehen“. Man unterscheidet zwischen feindseliger und instrumenteller Aggression. Die feindselige Aggression hat zum Ziel, jemandem Schmerz zuzufügen. Die instrumentelle Aggression hingegen wird als „Mittel zum Zweck“ verwendet. Jeder Mensch besitzt eine gewisse natürliche Aggression, die angeboren ist. Wie sich diese Aggressionen im späteren Leben auswirken und wie stark sie ausgeprägt sind, hängt jedoch stark von der Erziehung und dem Umfeld der aufwachsenden Kinder ab. Aggressionen können unter anderem durch Hormone, Stress, Frustration und äußere Einflüsse verstärkt werden. Wir müssen lernen, uns unserer Wut und Aggressionen zu entledigen, indem wir beispielsweise langsam bis zehn zählen oder uns mit Sport, Musik oder ähnlichem ablenken. Zudem ist es sinnvoll, unsere Aggressionen positiv einzusetzen und aus ihnen Kraft zu schöpfen. Für Sie als Führungskraft bedeutet das: - ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, sich Konflikten zu stellen und diese auszutragen, anstatt sie herunterzuschlucken; - sorgen Sie für ein gutes Arbeitsumfeld, in welchem sich Harmoniebedürfnis und Konfliktbereitschaft die Waage halten; - rütteln Sie Ihre Mitarbeiter von Zeit zu Zeit wach; - ermutigen Sie auch zurückhaltende Mitarbeiter, den nötigen Biss an den Tag zu legen, um voran zu kommen.
Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden?
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Vorurteile Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden?
Berit Josten, Iris Kahnert „Es ist leichter, ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil zu zerstören“, stellte Albert Einstein fest. Wir werden täglich mit Vorurteilen konfrontiert. Was wir im Alltag vereinfacht mit „Urteil vor Kenntnis“ zu übersetzen mögen, stellt sich sozialpsychologisch etwas komplexer dar. Sozialpsychologen definieren Vorurteile als feindselige oder negative Einstellungen gegenüber den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe und zwar basierend nur auf dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe.159 Vorurteile sind somit Ausdruck einer bestimmten emotionalen Einstellung. Generell betrachtet setzen sich Einstellungen, die Ihnen in Kapitel 5 bereits ausführlich dargestellt wurden, aus drei Komponenten zusammen:160 Abbildung 10.1
Einstellungen
Einstellungen
affektive Komponente
kognitive Komponente
Verhaltenskomponente
Vorurteil
Stereotyp
Diskriminierung
Quelle: Eigene Darstellung
႑ Die erste Komponente ist die vorurteilerklärende emotionale Komponente. ႑ Als Stereotyp wird die zweite und zwar die kognitive also wahrnehmende Komponente bezeichnet. Diese stellt die voreingenommene Einstellung und deren Verallgemeine-
159 160
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008 sowie Allport, 1971. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Vorurteile
rung gegenüber einer Gruppe dar, wobei nahezu allen Gruppenmitgliedern identische Merkmale zugeordnet werden, ohne Rücksicht auf bestehende Variationen unter den Mitgliedern.
႑ Die dritte Komponente, die Verhaltenskomponente der voreingenommenen Einstellung, wird als Diskriminierung bezeichnet. Sie wird definiert als ungerechtfertigte oder schädliche Handlung gegenüber Mitgliedern einer Gruppe, die auf ihrer Mitgliedschaft in dieser Gruppe beruht. Doch wie entstehen Vorurteile? Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass es sich bei Vorurteilen um ein allgegenwärtiges soziales Phänomen handelt und sowohl Minoritätsgruppen als auch Majoritätsgruppen betroffen sind.161 Vorurteile betreffen also jeden! Vorurteile sind aber nicht nur weit verbreitet und allgegenwärtig, sondern auch gefährlich. Viele Aspekte können dazu führen, in eine „Schublade“ gesteckt und diskriminiert zu werden, zum Beispiel aufgrund der Nationalität, der rassischen und ethnischen Identität, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion, des Aussehens oder des körperlichen Zustands, aber auch des Berufs oder des Hobbys wegen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Folgen der Vorurteile sind für die Opfer ebenso vielfältig. Die Ablehnung einer Gruppe kann zu extremen Hass führen und so weit gehen, dass die Mitglieder einer Gruppe als Untermenschen gesehen werden – bis hin zu Folter, Mord oder sogar Völkermord. Die entscheidende Aufgabenstellung für Sie als Führungskraft ist es nun, Vorurteile zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren sowie vorurteilsfreie Entscheidungen zu treffen. Die obigen Kenntnisse auf den Berufsalltag bezogen zeigen, dass bei Menschen, die Opfer unbarmherziger Vorurteile sind, oft das Selbstwertgefühl abnimmt. Wie in Kapitel 3 dieses Buches dargestellt, ist das Selbstbild ein ausschlaggebender Faktor für das Verhalten von Mitarbeitern und deren Entwicklung. Ebenso kann man feststellen, dass Mitarbeiter, die Opfer von Vorurteilen geworden sind, zusätzlich Aggressionen erleiden müssen. Hierauf wurde im vorangegangenen Kapitel 9 dieses Buches bereits eingegangen. Häufig kommt es auch zu einer sog. selbsterfüllenden Prophezeiung, d.h. das Opfer von Vorurteilen verhält sich aufgrund der Kenntnis des Vorurteils in der Regel unterbewusst so, wie der Urteilende es von dem Opfer erwartet, obwohl es vorurteilsfrei höchstwahrscheinlich anders reagieren würde. In Kapitel 1 wurde Ihnen dieses Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung bereits näher dargelegt. Bevor wir uns mit dem Abbau von Vorurteilen beschäftigen, möchten wir Ihnen die Ursachen für den Bestand von Vorurteilen näher erklären. Es stellt sich im folgenden Abschnitt die Frage, wie eigentlich Vorurteile entstehen bzw. wodurch sie verursacht werden. Hier kann man zwei Faktoren hervorheben. Es ist davon auszugehen, dass das Bilden von Vorurteilen zum einen durch den biologischen Überlebensmechanismus und die damit ver-
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Vgl. hier und im Folgenden Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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bundene Feindseligkeit gegenüber Fremdgruppen angeboren ist. Zum anderen ist auch eine Prägung durch Eltern, Kultur und Gemeinschaft sowie Medien möglich, die absichtlich oder unabsichtlich dazu anhält, Menschen, die einer anderen Gruppe angehören, negative Eigenschaften zuzuschreiben. Um zu analysieren, wie man Vorurteilen vorbeugen kann, ist es erforderlich, die Ursachen von Vorurteilen näher zu betrachten. Nachstehend möchten wir Ihnen vier Aspekte des sozialen Lebens, die Vorurteile aufwerfen, darstellen:
႑ Die soziale Kognition. ႑ Die Attributionsverzerrung. ႑ Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts. ႑ Die Anpassung aufgrund normativer Regeln. Im Kapitel 1 dieses Buches wurde bereits die soziale Kognition, ein anderes Wort wäre Wahrnehmung, betrachtet. Neben den vielen in Kapitel 1 erwähnten Vorteilen der Verwendung von Schemata besteht hierbei jedoch die Gefahr, negative Stereotype zu bilden und auf diskriminierende Weise anzuwenden. Die Zuordnung von Menschen in Form einer Kategorisierung in unterschiedliche Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale ist der erste Schritt zur Entstehung von Vorurteilen.162 Treffen Sie beispielsweise auf einen Unternehmenscontroller, so verbinden Sie die Person in Gedanken mit einem zurückhaltenden Zahlenfuchs. Oder wenn Sie einen Personalreferent treffen, verbinden Sie die Person vermutlich mit einer kommunikativen Persönlichkeit. Das heißt, begegnen wir Menschen mit gewissen Merkmalen, verlassen wir uns bei der Entscheidung, wie wir auf sie reagieren sollen, auf unsere in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Menschen, die ähnliche Merkmale aufwiesen.163 Ein weiterer vorurteilsbeeinflussender Aspekt der sozialen Wahrnehmung ist die sog. Eigengruppenbevorzugung. Hierbei versucht der Mensch sein Selbstwertgefühl zu stärken, indem er sich mit einer bestimmten sozialen Gruppe identifiziert und diese Gruppe seiner Meinung nach anderen Gruppen überlegen ist. 164 Dies hört sich zunächst sehr theoretisch an, aber stellen Sie sich bitte folgenden Fall vor: Für eine vakante Stelle in Ihrem Geschäftsbereich gehen unzählige Bewerbungen ein. Nach ersten Auswahlverfahren kristallisieren sich fünfzehn Bewerber heraus, die Sie zu einem Assessment Center einladen möchten. Plötzlich entdecken Sie auf dem Stapel der Bewerber, die eigentlich eine Absage erhalten sollen einen Kandidaten, der an derselben Universität studierte wie Sie. Da Sie die Strukturen und die Qualität der Ausbildung an der Universität einzuschätzen wissen und unterbewusst diesen Bewerber zur Eigengruppe zählen, tendieren Sie dazu, dass er doch ebenfalls zu dem Assessment Center eingeladen werden sollte.
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Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008 und Brewer / Brown, 1998; Rosch / Lloyd, 1978; Taylor, 1981; Wilder, 1986 Vgl. Andersen / Klatzky, 1987 Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
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Vorurteile
Neben dieser Bevorzugung der Eigengruppe führt die soziale Kategorisierung ebenso zu einer Wahrnehmung der Fremdgruppenhomogenität. Diese bedeutet, dass die Fremdgruppe als untereinander ähnlicher angesehen wird, als dies tatsächlich der Fall ist. Menschen neigen demnach dazu, wenn sie meinen über ein Mitglied etwas zu wissen, daraus zu schlussfolgern, dieses Merkmal allen Mitgliedern dieser Gruppe zuzuschreiben.165 Auch hier hilft ein Beispiel, die sog. Fremdgruppenhomogenität zu erklären: Ein Wettbewerber Ihres Unternehmens führt diverse Betriebssportarten durch und bei einer Vielzahl der Sportarten konnten schon Meisterschaften gewonnen werden. Man neigt jetzt dazu zu unterstellen, dass alle Mitarbeiter dieses Unternehmens sportlich und erfolgreich sind. Diese Formen der sozialen Wahrnehmung haben enormen Einfluss auf das Entstehen und auch auf den hartnäckigen Bestand von Vorurteilen. So kristallisiert sich laut Gordon Allport (1971) heraus, dass es zum einen schwierig ist, mit Vernunft bzw. mit Logik vorurteilsgeprägte emotionale Einstellungen zu ändern. Zum anderen haben unsere Einstellungen enormen Einfluss darauf, wie wir relevante Informationen verarbeiten. Dies lehrt Sie als Führungskraft, dass Sie sich bewusst machen sollten, sich logischen Argumenten nicht zu verschließen und die – meistens auch nützlichen – Schemata einer Überprüfung zu unterziehen. Bereits in Kapitel 2 haben Sie etwas über attributionale – also erklärende – Prozesse erfahren. Nachfolgend möchten wir Sie auf den zweiten Aspekt des sozialen Lebens aufmerksam machen, welcher Vorurteile aufwirft und als sog. Attributionsverzerrung bezeichnet wird. Ein Punkt der Attributionsverzerrung ist die dispositionale Attribution. Diese bezeichnet die Neigung von Menschen, Schlüsse zu ziehen, die das menschliche Verhalten eher persönlichkeitsbedingt sehen als situationsbedingt.166 Auch hier hilft ein Beispiel zur Verdeutlichung: Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein Abteilungsmeeting und haben einen Ihrer Mitarbeiter, Herrn Late, beauftragt, einen Vortrag oder Sachstandsbericht zu halten. Das Meeting wurde auf 10:00 Uhr terminiert und es sind alle eingeladenen Mitarbeiter, mit Ausnahme des Referenten, pünktlich erschienen. Zähneknirschend ändern Sie nach 5 Minuten Wartezeit auf Herrn Late die Tagesordnung des Meetings. Um 10:15 Uhr erscheint Ihr Mitarbeiter atemlos im Konferenzsaal. Sehr leicht kann der Gedanke aufkommen, dass Herr Late generell unpünktlich und vermutlich auch unzuverlässig sei. Hierbei bleibt aber der Grund für seine Verspätung, also die situative Komponente, komplett außer Acht. Möglicherweise war Herr Late durch ein unvorhersehbares Ereignis verhindert, zum Beispiel durch einen Unfall auf dem Weg zum Meeting. Ein weiterer Punkt der Attributionsverzerrung ist die von Sozialpsychologen sogenannte Bedrohung durch Stereotype.167 Dieses Phänomen besagt, dass das Image einer Gruppe
165 166 167
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008; Linville et al.,1989; Quattrone, 1986. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008; Aronson et. al., 1998, 1999; Steele, 1997; Steele / Aronson, 1995a, 1995b.
Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden?
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Ängste bei den Gruppenmitgliedern schürt, genau dieses Image zu erfüllen. Dies gilt unter anderem auch für unterschiedliche Geschlechter168. Studien haben belegt, dass ein weit verbreitetes Stereotyp lautet: Frauen seien in Mathematik und Physik den Männern unterlegen. Von Herbert Spencer und seinen Kollegen wurde 1999 folgendes Experiment durchgeführt: Einer Gruppe von Frauen machte man glauben, dass in einem mathematischen Test die Unterschiede hinsichtlich der mathematischen Fähigkeiten von Männern und Frauen gemessen werde. Diese Gruppe von Frauen absolvierte den Test nicht so gut wie die Gruppe der Männer. Einer weiteren Gruppe von Frauen versicherte man vor dem Test, dass die Unterschiede zwischen Frauen und Männern nicht gemessen würden. Hier schnitten die Frauen und Männer bei dem Test gleichgut ab. Anhand dieses Experiments können wir sehen, dass negative Stereotype eine Bedrohung darstellen können und großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Menschen haben. Ein weiterer Bestandteil der Attributionsverzerrung stellt die Opferschuldzuweisung dar. In Kapitel 4 wurde Ihnen bereits aufgezeigt, dass Menschen eine Rechtfertigung für Ihr Handeln benötigten. Dies geschieht auch, wenn Menschen bemerken, dass andere zur Zielscheibe von Vorurteilen werden. Dieses Verhalten resultiert aus dem Wunsch, die Welt als gerechten Platz ansehen zu können.169 Hierzu möchten wir Ihnen folgendes Beispiel aufzeigen: Im Rahmen der Wirtschaftskrise verschlechterte sich die Auftragslage in Ihrem Unternehmen und aufgrund dessen mussten einige Mitarbeiter entlassen werden. Nach einigen Diskussionen und Anpassungen der Unternehmensstrategie kristallisierte sich heraus, dass ein Geschäftszweig komplett aufgegeben werden muss, um die restlichen Geschäftszweige durch die Krise zu führen. Zunächst sind Sie erleichtert, dass Ihr Geschäftszweig weiter betrieben wird, aber allen Geschäftsbereichsleitern ist klar: Es hätte jeden Bereich treffen können. Um jetzt keine Dissonanz zu erfahren, versuchen wir Menschen diese Entscheidung zu rechtfertigen. Vielleicht hat der aufgelöste Geschäftszweig sich schon immer zu weit von der eigentlichen Unternehmensstrategie entfernt, das Geschäftsfeld dieses Bereichs hat nie exakt zur Strategie gepasst oder die freigesetzten Mitarbeiter standen nie wirklich zu der Unternehmensphilosophie. Die Ihnen in Kapitel 1 ausführlich dargestellte selbsterfüllende Prophezeiung ist ein weiterer Punkt der Attributionsverzerrung. Wie diese selbsterfüllende Prophezeiung im Zusammenhang mit Vorurteilen wirkt, soll folgendes Beispiel verdeutlichen. Stellen Sie sich bitte folgenden Fall vor: Sie haben einen wichtigen Auftrag erhalten. Im ersten Projektmeeting werden die Aufgabenpakete für die einzelnen Projektteammitglieder besprochen. Ein Teammitglied ist Quereinsteiger in der Branche und Sie trauen ihm noch kein verantwortungsvolles Aufgabenpaket zu. Alle anderen anwesenden Teammitglieder erarbeiten ihre Meilensteine und die Zeitpläne in dem Meeting. Herr New fühlt sich bei diesem Meeting vermutlich ausgegrenzt und unwohl, da ihm keine Beachtung geschenkt wird. Er wird sich wahrscheinlich zurückziehen und seine Potenziale nicht entfalten kön-
168 169
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008; Spencer et al., 1999. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008 und Crandall et al., 2001; Lerner 1980, 1991; Lerner/Grant, 1990.
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Vorurteile
nen. Dies wiederrum bestätigt dann Ihre Meinung: Herr New hat noch nicht genug Erfahrung. Der Kreis schließt sich und Ihre Prophezeiung hat sich bewahrheitet. Obige Erkenntnisse zur Attributionsverzerrung machen Ihnen als Führungskraft bewusst, dass Sie aufgrund eines bestimmten Verhaltens von Mitarbeitern nicht nur auf dessen Persönlichkeit schließen, sondern in die Beurteilung auch eine mögliche situative Begründung des Verhaltens einfließen lassen sollten. Ebenso sollte Ihnen bewusst sein, dass die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeitergruppe durch die Bildung von negativen Stereotypen beeinflusst wird. Nicht zu vernachlässigen ist die Neigung von Menschen, einzelnen die Schuld für ungerechte Behandlungen zuzuweisen und zwar in der Regel aufgrund des eigenen Wunsches, die Welt als einen gerechten Ort sehen zu können. Ebenso haben Sie erkannt, dass durch die selbsterfüllende Prophezeiung bestimmtes Verhalten von Mitarbeitern auch unbewusst provoziert werden kann. Ein weiterer Aspekt des sozialen Lebens stellt die Wechselwirkung von Vorurteilen mit dem Auftreten von wirtschaftlicher Konkurrenz dar. Diesen Aspekt werden wir Ihnen in den nächsten Abschnitten näher erläutern. Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts besagt, dass begrenzte Ressourcen zu Konflikten zwischen Gruppen und zu Vorurteilen und Diskriminierung führen können. Dies hört sich zunächst sehr theoretisch an, jedoch wird nachfolgendes Beispiel die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts verdeutlichen: Im Rahmen der Wirtschaftskrise wurden Ressourcen, die Ihrem Unternehmen zur Verfügung standen, innerhalb kurzer Zeit knapp. Notwendige Investitionen mussten gestrichen oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Ebenso wurde eine Anpassung des Jahresbudgets erforderlich. Der jährliche Forecast gestaltete sich schwierig. Natürlich möchte keiner der Geschäftsbereichsleiter auf Investitionen verzichten. Bei dem Meeting zur Budgetverteilung stehen Sie im Konflikt mit den weiteren Geschäftsbereichsleitern. So hält doch jeder seinen eigenen Bereich für den Wichtigsten und keiner möchte etwaige Abstriche im Vergleich zum Vorjahr machen. Konflikte während des Meetings stehen auf der Tagesordnung. Aber wie können Sie diese Konflikte nutzen und das Konfliktpotenzial in Mitarbeitermotivation für das bevorstehende Jahr umzuwandeln? Für Sie als Führungskraft ist es daher wichtig, dass Konfliktpotenzial der knappen Ressourcen rechtzeitig zu erkennen und daraus resultierenden Vorurteilen vorzubeugen. Herrschen Vorurteile unter den Geschäftsbereichen, beeinflussen diese das ganze Unternehmen negativ. Hierbei gilt es für Sie als Führungskraft, das Budget fair zu verteilen und Transparenz über die zur Verfügung stehenden Finanzmittel zu schaffen. Bei der sog. Sündenbocktheorie handelt es sich um einen speziellen Fall der Theorie des realistischen Gruppenkonflikts. Wie obige Ausführungen bereits zeigten, neigen Menschen in schwierigen Zeiten dazu, gegen Mitglieder einer Fremdgruppe, mit denen sie in direktem Wettbewerb um knappe Ressourcen stehen, Vorurteile zu hegen. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen kein logischer Rivale existiert. Diese Neigung des Menschen, seine Aggressionen gegen unbeliebte, leicht identifizierbare und relativ machtlose Gruppen zu richten, wenn er frustriert oder unglücklich ist, bezeichnet man als den Sündenbockme-
Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden?
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chanismus.170 Hierzu stellen Sie sich bitte folgendes Beispiel vor, welches in jedem Unternehmen vorkommen kann: Sie sind Geschäftsbereichsleiter in einer Branche, die relativ konjunkturunabhängig ist oder in einem Unternehmen, welches eine hohe Stabilität der strategischen Unternehmensausrichtung verzeichnet. Die Geschäfte laufen generell gut und alle Ihrer Mitarbeiter sind sich gewiss, dass der Unternehmensstandort und somit auch ihr Arbeitsplatz sicher sind. Dennoch kommt Ihnen hin und wieder zu Ohren, dass es in einigen Abteilungen oder in den Geschäftsbereichen zu Konflikten kommt, obwohl keine offensichtlichen Ressourcenknappheiten existieren. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Opfer von Vorurteilen als „Sündenböcke“ herhalten müssen. Für Sie als Führungskraft ist es wichtig, aus diesem Abschnitt zur Theorie des realistischen Gruppenkonflikts die Erkenntnis zu gewinnen, frühzeitig Konflikten zwischen Gruppen vorzubeugen. Diese Konflikte zwischen Gruppen werden, wie oben dargestellt, durch begrenzte Ressourcen begünstigt und münden wiederum in vermehrten Vorurteilen und Diskriminierungen. Allerdings ist hierbei auch zu beachten, dass im speziellen Fall der Sündenbocktheorie das Vorhandensein von Konkurrenten nicht erforderlich ist. In dem folgenden Abschnitt möchten wir Sie auf den vierten und damit letzten Aspekt des sozialen Lebens aufmerksam machen, welcher Vorurteile aufwirft und zwar der Anpassung aufgrund normativer Regeln. Im Kapitel 6 dieses Buches wurde Ihnen die sog. Konformität, also die Verhaltensänderung, erzeugt durch den realen oder vermeintlichen Einfluss anderer,171 bereits ausführlich dargestellt. Die Konformität ist ein häufiger Bestanteil des sozialen Lebens und kann grundsätzlich als harmloses soziales Verhalten bezeichnet werden. Allerdings wird Konformität sehr gefährlich und hinderlich, wenn sie durch Vorurteile geprägte Annahmen und Verhaltensweisen impliziert. Menschen neigen also dazu, sich der Gruppe anzupassen. Dies hat den einfachen Grund, deren Erwartungen zu erfüllen und ein akzeptiertes Mitglied dieser Gruppe zu sein. 172 Als Folge übernehmen viele Menschen voreingenommene Einstellungen und diskriminierende Verhaltensweisen, um sich den in ihrer Kultur herrschenden Ansichten anzupassen.173 Bezogen auf den Berufsalltag verdeutlicht folgendes Beispiel die vorurteilsgeprägte Konformität: Stellen Sie sich bitte vor, in einem Unternehmen hätte sich das Vorurteil verfestigt, die Abteilung Controlling & Finance Services jongliere nur mit Zahlen, was in den weiteren Geschäftsbereichen als zusätzlicher nutzloser Aufwand gesehen würde. Hier wird das Controlling fälschlicherweise mit Kontrolle assoziiert und die weiteren Geschäftsbereiche vertreten eine negative Einstellung gegenüber der Abteilung Controlling & Finance Services. Dass diese jedoch wichtige Arbeiten zur Unternehmensplanung und Informationsversorgung sowie Unternehmenssteuerung leistet und keine Kontrollen, sondern Analysen durchführt, wird nicht betrachtet. Werden jetzt in den weiteren Geschäftsbereichen neue Mitarbeiter eingestellt, so kommt es häufig vor, dass diese die Einstellungen und Verhal-
170 171 172 173
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008 und Allport, 1954; Gemmill, 1989; Miller / Bugelski, 1948. Vgl. Kiesler / Kiesler, 1969. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Pettigrew, 1958, 1985, 1991.
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Vorurteile
tensweisen des Geschäftsbereichs übernehmen. Bspw. wird bei der Einarbeit eines neuen Mitarbeiters kolportiert, „Was vom Controlling kommt ist nicht so wichtig. Wir stellen die Zahlen generell erst nach der zweiten oder gar dritten Anfrage zusammen.“ Es ist davon auszugehen, dass der neue Mitarbeiter sich der Einstellung der Gruppe, in diesem Beispiel des Geschäftsbereichs, anschließt, um die Erwartungen seiner Kollegen zu erfüllen und um schlussendlich Anerkennung zu erfahren. Für Sie als Führungskraft bedeutet dies, das Bewusstsein für vorurteilsgeprägte Annahmen und Verhaltensweisen zu schärfen. Da sich die Vorurteile durch die oben beschriebene Gruppenkonformität verfestigen, gilt es Maßnahmen zur Gegensteuerung zu ergreifen. Hierbei ist es erforderlich zu kommunizieren, dass „Andersdenker“ nicht nur geduldet, sondern gewünscht sind und jeder Gruppe bzw. jedem Gruppenmitglied Gehör bzw. Aufmerksamkeit geschenkt wird. Nachdem alle vorurteilsverursachenden Faktoren dargestellt wurden, stellt sich nun die generelle Frage, wie man Vorurteile abbauen kann. Als ein Schlüsselinstrument zum Abbau von Vorurteilen möchten wir Ihnen die von Gordon Allport (1954) entwickelte und von Thomas F. Pettigrew (1991) weiterentwickelte Kontakthypothese darstellen. Nach dieser ist die wichtigste Voraussetzung für den Abbau von Vorurteilen das Zusammenbringen von Eigen- und Fremdgruppenmitgliedern. Allerdings ist dieser bloße Kontakt nicht ausreichend und kann gar zur Ausbreitung bereits bestehender negativer Einstellungen führen. Neben dem Kontakt mit der Fremdgruppe sollten sechs weitere Bedingungen erfüllt sein, die in Grafik 10.2 verdeutlicht wurden. Es sollte eine wechselseitige Abhängigkeit der Beteiligten vorherrschen und gemeinsame Ziele vorliegen. Ebenso sollten die Gruppen einen gleichen Status genießen, da ungleiche Machtverhältnisse zu stereotypem Verhalten führen würden. Zudem sollten die Gruppen die Möglichkeit haben, sowohl zwanglose zwischenmenschliche als auch vielfältige Kontakte zu knüpfen und zu interagieren. Hierbei ist zu beachten, dass Kontakte ohne Interaktion Vorurteile verschlimmern könnten und zu wenige Kontakte als „Ausnahmen“ heruntergespielt werden könnten. Gleichheit sollte als soziale Norm gelten. 174
174
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
Wie kann ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden?
Abbildung 10.2
127
Abbau von Vorurteilen
Abbau von Vorurteilen durch Kontakthypothese nach Allport
Zusammenbringen von Eigen- und Fremdgruppenmitgliedern Wechselseitige Abhängigkeit Gemeinsame Ziele Gleicher Status Zwangloser interpersoneller Kontakt Vielfältige Kontakte Soziale Normen von Gleichheit
Quelle: Eigene Darstellung
Der Abbau von Vorurteilen hört sich zunächst sehr kompliziert und umfangreich an, allerdings wurde bei der von Allport entwickelten Kontakthypothese auch von hartnäckigen und über einen langen Zeitraum festgesetzten kulturellen Vorurteilen ausgegangen. Auf die Arbeitswelt bezogen, bedeutet dies, dass für Sie als Führungskraft es essential ist, Vorurteile zu erkennen und nicht zuletzt aufgrund der in diesem Kapitel dargestellten Informationen angemessen auf diese zu reagieren sowie vorurteilsfreie Entscheidungen zu treffen. Gleichwohl ist es als Führungskraft entscheidend, dass Sie sich auch Ihrer Vorbildfunktion bewusst sind. In einem Betriebsklima, welches Vorurteilen wenig Raum zur Entfaltung und Etablierung lässt, schließen sich Mitarbeiter in ihrer Denke und ihrem Verhalten dem vorurteilsfreien Umfeld an.
128
Vorurteile
Take-Away-Message
Vorurteile sind ein Ausdruck bestimmter Einstellungen. Genauer gesagt sind Vorurteile die feindseligen oder negativen Einstellungen gegenüber Mitgliedern einer bestimmten Gruppe aufgrund deren Gruppenzugehörigkeit. Von Vorurteilen sind sowohl Minoritäten als auch Majoritäten betroffen. Die Bildung von Vorurteilen kann durch den sogenannten Überlebensmechanismus angeboren oder durch Eltern, Kultur, Medien usw. geprägt sein. Ursachen, die die Bildung von Vorurteilen fördern sind - die soziale Kognition, - die Attributionsverzerrung, - die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts, - die Anpassung aufgrund normativer Regeln. Die Kontakthypothese kann helfen, Vorurteile abzubauen. Hierbei steht das Zusammenbringen von Eigen- und Fremdgruppe im Vordergrund. Daneben sollten sechs weitere Bedingungen, nämlich wechselseitige Abhängigkeit, gemeinsame Ziele, gleicher Status, zwangloser interpersoneller Kontakt, vielfältige Kontakte und soziale Normen von Gleichheit erfüllt sein.
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Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
Thomas Johann, Mareike Temmen In diesem Buch haben Sie bisher viele Einblicke in die Sozialpsychologie für Führungskräfte erhalten. Abschließend wollen wir nun noch aufzeigen, wie Sie zu einem nachhaltigen Lebensstil gelangen und glücklicher werden können. Sozialpsychologie ist grundsätzlich eine angewandte Forschungsrichtung, die Erkenntnisse durch Experimente überprüft.175 Einige der Kernfragen in der Anwendung sind,
႑ wie ein nachhaltiger Lebensstil gefördert werden kann, ႑ wie soziale Normen erfolgreich vermittelt werden können, ႑ was glücklich macht und ႑ wie mit Stress umgegangen werden kann. Diese Aspekte wollen wir im Folgenden diskutieren. Wir beginnen mit dem nachhaltigen Lebensstil. Ein solcher ist für uns alle besonders wichtig, da aufgrund der starken Bevölkerungszunahme seit dem Ende des 19. Jahrhundert, viele Probleme entstanden sind. Sie kennen diese Themen aus den Medien: Verbrauch endlicher Ressourcen, Hunger und CO 2Ausstoß, um nur einige zu nennen. Auch für Unternehmen und somit Führungskräfte ist dies relevant, wie wir gleich noch sehen werden. Ein nachhaltiger Lebensstil ist wichtig, da es auf unserem Planeten sogenannte soziale Dilemma gibt. Dies sind Konflikte, bei denen sich die für einen Einzelnen vorteilhafteste Lösung schädlich auf alle anderen auswirkt, wenn sie von vielen gewählt wird.176 Der einzelne Mensch fragt sich meistens: Wieso sollte gerade ich mich vorbildlich verhalten, wenn doch alle anderen dies nicht tun? Oder konkreter an einem Beispiel: Warum soll ich weniger mit dem (Firmen-)Auto fahren, wenn mein Anteil an dem weltweiten CO2-Ausstoß nicht maßgeblich ist und alle anderen auch nicht auf ihr Auto verzichten? In Führungszusammenhängen bedeutet dies, dass sich der einzelne Mitarbeiter beispielsweise in einer Projektgruppe egoistisch verhält, um seinen Nutzen zu maximieren, dies aber zu einem insgesamt schlechteren Ergebnis führt.
175 176
Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008. Vgl. Aronson / Wilson / Akert, 2008.
T. Johann (Hrsg.), Mitarbeiter erfolgreich führen, DOI 10.1007/978-3-8349-6761-9_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
130
Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
Eng verbunden damit ist das sogenannte Kollektivgüterdilemma. Dies ist eine Situation, in der jeder aus einem gemeinsamen Vorrat an Gütern schöpft, der sich bei maßvoller Nutzung wieder auffüllt, der aber ganz verschwindet, wenn man ihn übermäßig ausbeutet.177 Ein Beispiel aus diesem Bereich wäre die Überfischung der Weltmeere. Psychologische Forschungen haben klar belegt, dass diese Dilemma durch Kommunikation, also das Miteinander-Reden, gelöst werden können.178 Diese Kommunikation führt zu sozialen – anstatt egoistischen – Handlungen, da man sich erstens öffentlich zu einer gewissen Handlung verpflichtet, so dass es schwieriger wird einen Rückzieher zu machen, und zweitens entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Diese Lösung greift natürlich nur im kleinen Rahmen. Weltweit kann diese Strategie nicht erfolgreich sein, wohl aber in Ihrer Unternehmung oder Abteilung! Außerdem unterstreicht dies die Wichtigkeit persönlicher Kommunikation speziell für Führungskräfte. Unserer Erfahrung nach, nehmen sich Führungskräfte zu wenig Zeit zur persönlichen Kommunikation. Doch wie können soziale Normen vermittelt und verändert werden? Diese äußerst praxisnahe Fragestellung haben Wissenschaftler inzwischen gut erforscht. Dabei spielen zwei Begriffe eine zentrale Rolle, die injunktiven Normen und die deskriptiven Normen: Injunktive Normen sind Ansichten darüber, was andere Menschen billigen oder missbilligen. Auch kommunizierte Normen durch Gesetze oder Verhaltensregeln fallen in diese Gruppe. So gibt es Firmen, die explizit (mündlich) kommunizieren, dass Überstunden geleistet werden sollen. Speziell auf Unternehmensberatungen trifft dies zu. Deskriptive Normen sind die Wahrnehmungen dessen, was andere Menschen tatsächlich tun. Hier geht es also vornehmlich um das Beobachten des Verhaltens anderer Menschen. Leistet eine Führungskraft in dem obigen Beispiel der Unternehmensberatung nun keine Überstunden, so schafft oder verändert sie die deskriptive Norm. Speziell Führen durch ein – im Idealfall – positives Verhalten, fällt in diese Kategorie. Die Forscher Cialdini, Reno und Kallgren haben 1990 in diesem Zusammenhang ein interessantes Experiment durchgeführt. Sie füllten die Briefkästen von Studenten mit vielen Werbezetteln. Dann beobachteten Sie den Platz vor dem Studentenwohnheim aus einem Gebüsch heraus. Sie schufen drei unterschiedliche Bedingungen. Zuerst reinigten sie den Platz gründlich, so dass keine Verunreinigungen zu sehen waren. Beim zweiten Versuchsdurchgang platzierten sie eine Melonenschale als einzige Verunreinigung so, dass sie jeder sehen musste. Beim dritten Mal verteilten sie massenhaft zerknüllte Werbezettel auf dem Boden. Die Forschungsfrage lautete: Wie verhalten sich die Studenten nach der Leerung ihrer Briefkästen (siehe auch Abb. 11.1)? Warfen sie die Zettel auf den Boden oder in den Mülleimer? Erstaunlicherweise warfen die wenigsten Studenten die Werbezettel auf den Boden, als nur ein Abfallobjekt – die Melonenschale – auf dem Platz vorzufinden war. Dies lässt sich damit erklären, dass das eine Objekt besonders ins Auge stach.
177 178
Vgl. Weber / Kopelmann / Messick, 2004. Vgl. Weber / Kopelmann / Messick, 2004.
Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
Abbildung 11.1
131
Deskriptive Normen beim Wegwerfen von Abfall
Quelle: Eigene Darstellung
Gleichwohl bestätigt dieses Experiment aber auch, dass ein Sauberhalten – also eine injunktive Norm – effektiv sein kann. In der Lebenswirklichkeit tritt natürlich auch noch das Problem auf, solche Anordnungen mit einem aufdrapierten Abfallobjekt aufrecht zu erhalten. So könnten weitere Verunreinigungen schnell zum Gegenteil des Erwünschten führen. Dieses soeben geschilderte Experiment hat aber auch ganz konkrete Auswirkungen auf Führungskräfte. Als Führungskraft sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie deskriptive Normen schaffen, verstärken oder verändern können. Deshalb kommt Ihnen, aufgrund dieses sehr starken Ausstrahlungseffekts, eine besondere Verantwortung zu. In vielen Firmen sind die Verbrauchskosten für Wasser, Strom oder Gas ein erheblicher Kostenblock. Führungskräfte sind deshalb vielfach bemüht, auch diese Kosten zu senken. Doch wie kann dies gelingen? Zwei Aspekte einer erfolgreichen Lösung hatten wir bereits aufgezeigt: Erstens muss dies kommuniziert werden und zweitens müssen Sie es vorleben.
132
Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
Doch es gibt noch ein drittes, ergänzendes Element: Sie müssen den Verbrauch greifbar machen. So könnten gezielt Strom-, Wasser- und Gaszähler für eine Abteilung angeschafft werden. Hierdurch kann den Mitarbeitern der Ernst von Sparmaßnahmen kommuniziert und auch eine quantifizierbare Beobachtung und Messung ihres Verhaltens erreicht werden.179 Eine weitere sehr effektive Strategie um beispielsweise die Verbrauchskosten zu senken, sind vergleichende Rückmeldungen.180 Dabei werden die eigenen Einsparungen mit denen anderer Abteilungen verglichen. Dies spornt das Konkurrenzdenken an und zeigte in der Praxis sehr gute Wirkung. Abschließend zu unseren Ausführungen zur Normenänderung können wir grundsätzlich feststellen, dass natürliche Hindernisse bezüglich eines wünschenswerten Verhaltens entfernt werden müssen.181 Je einfacher Sie es Ihren Mitarbeitern und Kollegen machen, das gewünschte Verhalten zu zeigen, desto wahrscheinlicher wird es sein. Nachdem wir uns bislang in diesem Kapitel damit beschäftigt haben, wie Nachhaltigkeit entstehen kann, wenden wir uns nun einem sehr positiven Thema zu – dem Thema Glück. Hier stellen wir die Fragen: Was macht Menschen glücklich? Und warum ist dies für Führungskräfte und Mitarbeiter relevant? Zunächst muss erwähnt werden, dass ein gewisser Teil des Glücks nicht von uns selbst beeinflusst werden kann. So sind laut Meinung vieler Psychologen 50 Prozent des Glücks genetisch bedingt und weitere 10 Prozent von den äußeren Umständen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, abhängig. Die gute Nachricht hingegen ist, dass noch immerhin 40 Prozent des Glücklichseins von uns selbst beeinflusst werden können.182 Leider wissen nur viele Menschen nicht, was sie wirklich glücklich macht und es werden Fehleinschätzungen darüber gegeben, was einen in der Zukunft glücklich machen wird.183 Die Menschen scheinen oft nach Dingen zu streben, die sie wahrscheinlich nicht glücklicher machen werden und übersehen dabei was sie tatsächlich glücklicher macht. Sie werden sich nun vielleicht fragen, was all dies mit Ihnen als Führungskraft bzw. mit Ihren Mitarbeitern zu tun hat. Die Antwort auf diese Frage ist einfach zu geben: Glückliche Menschen (Mitarbeiter und Führungskräfte) sind produktiver.184 Weiterhin ist festzustellen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte, die mit ihrem Leben generell und besonders ihrem Job zufrieden sind, auch
႑ kreativer sind; ႑ optimistischer und engagierter sind; 179 180 181 182 183 184
Vgl. Van Vugt, 2001. Vgl. Staats / Harland / Wilke, 2004. Vgl. Ross / Nisbett, 1991. Vgl. Avolio / Hannah, 2008 und grundlegend Plomin / Daniels, 1987. Vgl. Wilson / Gilbert, 2003. Vgl. Frey / Frey Marti, 2010, S. 164.
Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
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႑ besser mit anderen zusammenarbeiten; ႑ mehr Energie haben; ႑ seltener krank werden; ႑ schneller lernen; ႑ weniger Fehler machen; ႑ bessere Entscheidungen treffen und ႑ Probleme lösen, anstatt sich über diese zu beschweren oder solche zu verursachen. Wie können wir nun unser Leben so gestalten, dass wir Glück empfinden? Bedauerlicher Weise gibt es kein „Glücksrezept“, dem wir folgen können. Es gibt aber bestimmte Faktoren, die dem Menschen zu einem glücklicheren Leben verhelfen können, wie die Pflege befriedigender, sozialer Beziehungen, die Schaffung von Flow-Erlebnissen sowie das Helfen anderer Menschen. Diese soeben genannten Faktoren sollen nun im Folgenden näher erläutert werden. Einer der wichtigsten Einflüsse auf unser Wohlbefinden sind die Menschen mit denen wir Kontakte pflegen. Wie Studien bestätigen, tragen qualitativ hochwertige soziale Beziehungen zum Glücksempfinden des Menschen bei.185 Hierfür gibt es drei mögliche Erklärungsansätze: Es kann davon ausgegangen werden, dass soziale Beziehungen den Menschen allgemein glücklicher machen und folglich glückliche Menschen auch eine höhere Anzahl an guten persönlichen Beziehungen führen. Als dritten Grund kann die Extrovertiertheit des Menschen genannt werden. Sie fördert ebenfalls den Aufbau und das Aufrechterhalten einer größeren Anzahl von guten sozialen Beziehungen und macht den Menschen somit ebenfalls glücklicher.186 Auch im Unternehmen ist die Pflege von guten sozialen Beziehungen von großer Bedeutung und es ist für Sie wichtig zu verstehen, wie Beziehungen funktionieren. Nur eine Führungskraft, die mit ihren Mitarbeitern in enger Verbindung steht, kann zusammen mit dem Team herausragende Leistungen erbringen. Laut des Beziehungsforschers John M. Gottman (2007) ist es in einem Unternehmen in erster Linie wichtig, dass Menschen sich untereinander als Menschen (und nicht als Maschine) sehen und behandeln. Er stellt Faktoren auf, die zur Pflege sozialer Beziehungen beitragen. Abgeleitet von diesen Faktoren ergeben sich für die Beziehungspflege innerhalb des Unternehmens folgende Anhaltspunkte:
185 186
Vgl. Diener / Seligman, 2004. Vgl. Baumeister / Leary, 1995; Diener / Oishi, 2005.
134
Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
႑ Gegenseitige Zuwendung, Aufmerksamkeit und Akzeptanz. ႑ Als Team denken und handeln und sich nicht als Einzelkämpfer durchschlagen. ႑ Aus der Routine ausbrechen, indem die Aufgaben immer wieder etwas Neues und Herausforderndes darstellen. Dieser letzte Punkt bringt uns zu unserem nächsten Faktor für ein glücklicheres Leben: die Schaffung von Flow-Erlebnissen. Stellen Sie sich vor, Sie haben heute hart an einer Aufgabe gearbeitet bei der Sie Ihre Fähigkeiten besonders gut anwenden konnten. Die Aufgabe stellte aber trotzdem eine gewisse Herausforderung für Sie dar. Diese Tätigkeit hat Sie so eingenommen, dass Sie jegliches Zeitgefühl verloren haben und Ihre Aufmerksamkeit nur dieser einen – für Sie zu dem Zeitpunkt überaus wichtigen – Aufgabe gewidmet haben. Sie haben festgestellt, dass Sie gut voran kommen, dass Sie etwas hinzulernen und zu guter letzt haben Sie die Aufgabe erfolgreich abgeschlossen. Wie haben Sie sich in der Zeitspanne gefühlt? Waren Sie glücklich? Zufrieden mit sich selbst und sogar ein wenig stolz? Genau dieses Gefühl wird von dem ungarisch-amerikanischen Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi als Flow-Erlebnis beschrieben. Viele Menschen nehmen irrtümlicher Weise an, dass Sie glücklich sind, wenn all ihre Träume von dem einen auf den anderen Augenblick in Erfüllung gehen. Oder sie denken, dass sie am glücklichsten sind, wenn sie einfach nichts tun müssen. Es gibt allerdings Belege dafür, dass dies nicht der Fall ist. Der Mensch ist ganz im Gegenteil glücklicher, wenn er an etwas arbeitet – etwas, das ihm wirklich Spaß macht und bei dem er gefordert wird, gleichzeitig gut vorankommt und letztendlich auch Erfolg verzeichnen kann. Flow kann als ein Zustand beschrieben werden bei dem die höchste Stufe der intrinsischen (also innerlichen) Motivation vorherrscht. Flow ist ein Erlebnis, bei dem Körper und Geist mühelos zusammenwirken, bis sich das Gefühl ergibt, dass dem Menschen etwas ganz Besonderes widerfährt. Um dieses Gefühl erleben zu können, ist es nach Csikszentmihalyi (1985) am wichtigsten ein Gleichgewicht zwischen Fähigkeiten und Anforderungen, eine sogenannte Passung, herzustellen. Den Zusammenhang von Flow-Erleben und dieser Passung stellt er unter anderem in einem Vier-Kanal-Modell dar (siehe Abb. 11.2). Das Modell berücksichtigt den Aspekt, dass Flow-Erleben, welches durch die Passung zwischen Anforderungen und Fähigkeiten auftritt, nur dann gewährleistet ist, wenn sowohl Anforderungen als auch Fähigkeiten den Grad übersteigen, der typisch für Alltagserlebnisse des einzelnen Menschen ist. Andererseits erzeugen sowohl die Passung auf einem niedrigen Grad, bzw. Nichtübereinstimmungen von Anforderungen und Fähigkeiten, niedrige Flow-Erlebnisse. Durch die Definition von einem durchschnittlichen Fähigkeitsniveau und einem durchschnittlichen Anforderungsniveau, entstehen vier Erlebnisfelder: Angst, Flow, Langeweile und Apathie.
Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
Abbildung 11.2
135
Der Flow-Kanal
hoch
Anforderungen
niedrig
niedrig
Fähigkeiten
hoch
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Csikszentmihalyi (1991), S. 19
Flow wird erlebt, wenn sowohl Anforderungen als auch Fähigkeiten über dem Durchschnitt der einzelnen Person liegen. Apathie hingegen entsteht, wenn die Passung von Anforderungen und Fähigkeiten gegeben, aber unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Langeweile entsteht, wenn Fähigkeiten dominieren und Angst, wenn die Anforderungen überwiegen.187 Wie können Sie nun aber dieses Wissen beruflich anwenden? Ganz einfach ausgedrückt: Geben Sie Ihren Mitarbeitern möglichst die Aufgaben, die ihnen Spaß machen, in denen sie gut sind, aber in denen sie auch gefordert werden. Niemand möchte jeden Tag das Gleiche machen. Jeder möchte sich weiterentwickeln. Und gerade die Weiterentwicklung der Mitarbeiter wird durch die Schaffung von Flow-Erlebnissen begünstigt. Da jede Aufgabe eine kleine Herausforderung darstellt entwickelt sich der Mitarbeiter automatisch weiter, indem er sich neue oder speziellere Fähigkeiten aneignet ohne hierzu aufgefordert, geschweige
187
Vgl. Csikszentmihalyi, 1991.
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Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
denn gezwungen zu werden. Aber nicht nur für die Mitarbeiter ist es wichtig in den Flow zu gelangen, sondern auch für Sie als Führungskraft. Denn auch Sie werden sich durch Flow-Erlebnisse weiterentwickeln und mehr Freude an der Arbeit verspüren. Versuchen Sie die Arbeit für sich selbst und Ihre Mitarbeiter so zu gestalten, dass sie zur Berufung wird und nicht als Pflicht angesehen wird. Kommen wir nun zum letzten Aspekt des Glücklichseins – dem Helfen anderer Menschen. Dies wirkt per se positiv emotionalisierend. Versuchen Sie doch einmal anderen Menschen – auch im Beruf – zu helfen, ohne hierbei eigennützig zu denken.188 Stellen Sie sich vor Sie haben einen neuen Kollegen in Ihrer Abteilung. Gehen Sie den ersten Schritt auf diesen Menschen zu und stellen Sie ihn auch anderen Kollegen vor. Hierdurch verhelfen Sie Ihrem neuen Kollegen zu einem leichteren und positiven Start in den neuen Job und das Unternehmen. Versuchen Sie regelmäßig „gute Taten“ zu vollbringen und Sie werden feststellen, dass Sie sich glücklicher und zufriedener fühlen. Um das Thema Glück abzuschließen, möchten wir nun noch kurz auf den Zusammenhang zwischen Geld bzw. Materialismus und Glück eingehen. Viele Menschen gehen davon aus, dass der Besitz von viel Geld und somit bestehende Möglichkeiten sich viele Sachen kaufen zu können, glücklich macht. Studien beweisen hingegen, dass dies nicht der Fall ist. So wurde beispielsweise festgestellt, dass in den westlichen Ländern kaum noch ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Bruttosozialproduktes (BSP) pro Kopf und der Lebenszufriedenheit besteht, was in Abbildung 11.3 verdeutlicht wird. Hier wird die Entwicklung des BSP pro Kopf in den USA in dem Zeitraum von 1945 bis 2000 im Vergleich zu der Entwicklung der Prozentzahl an Menschen, die mit ihrem Leben (mehr oder weniger) zufrieden sind, dargestellt. Durch die Abbildung wird deutlich, dass trotz eines stetigen Anstiegs des BSP pro Kopf, die Prozentzahl an „sehr zufriedenen Menschen“ auf relativ gleichem Niveau geblieben, wenn nicht sogar ein wenig gefallen ist. Es soll aber auch erwähnt werden, dass bei einem tieferen Entwicklungsstandard eines Landes, zusätzliches Einkommen zu einer beträchtlichen Erhöhung der Lebenszufriedenheit führt. Sobald jedoch die Grenze von ca. 25.000 US-Dollar (BSP pro Kopf) erreicht ist, veranlasst eine Erhöhung des durchschnittlichen Einkommensniveaus nur noch eine geringe Steigerung der durchschnittlichen Lebenszufriedenheit der Bevölkerung. 189 Auch an dieser Stelle stellen wir erneut die Frage: Wie können Sie das soeben erworbene Wissen in der Führung anwenden? Versuchen Sie bei Ihren Mitarbeitern nicht das Gehalt in den Mittelpunkt zu stellen. Natürlich ist eine angemessene Vergütung der erbrachten Leistung unabdingbar, aber versuchen Sie zusätzlich weitere nicht monetäre Anreize für Ihre Mitarbeiter zu schaffen. Versuchen Sie, wie bereits zu Beginn des Themas beschrieben, soziale Beziehungen zu fördern. Veranstalten Sie beispielsweise Unternehmensfeiern, investieren Sie in eine schön gestaltete Kaffeeinsel, die zum Gespräch einlädt und somit zum Ideenaustausch der Mitarbeiter anregt.
188 189
Vgl. Creusen / Eschemann / Johann, 2010. Vgl. Frey / Frey Marti, 2010, S.52.
Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
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Oder investieren Sie in die Förderung Ihrer Mitarbeiter. Führen Sie Fortbildungen durch und schaffen Sie es noch mehr Menschen an Flow-Erlebnissen teilhaben zu lassen.
rri Ko
rt e gie
SP sB
Lebenszufriedenheit
Lebenszufriedenheit (Skala von 0 bis 10)
Lebenszufriedenheit in den USA und das Bruttosozialprodukt
Korrigiertes BSP in Tausend (USD)
Abbildung 11.3
Jahr
Quelle: Aronson / Wilson / Akert (2008), S. 482; Original: Diener / Seligman (2004)
Bleibt als letzte Kernfrage zur Anwendung der Sozialpsychologie noch diese: Wie kann mit Stresssituationen umgegangen werden? Diese Frage ist nach unserer Meinung speziell für Führungskräfte äußerst relevant. Stress ist das Reaktionsmuster eines Organismus auf Stimulusereignisse, die dessen Gleichgewicht stören und dessen Fähigkeit, die Einflüsse zu bewältigen, stark beansprucht oder übersteigt.190 Mitarbeiter können beispielsweise aus dem Gleichgewicht geraten, wenn die Führungskraft eine wichtige Präsentation spontan vorverlegt. Doch nicht jeder Stress muss negativ sein.
190
Vgl. Gerrig / Zimbardo 2008.
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Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
Im Gegensatz zum Distress, der schlecht ist, gibt es auch den Eustress, welcher positiv ist. So kann beispielsweise die Annahme einer neuen, gewollten Arbeitsstelle Stress verursachen. Dieser Stress ist aber nicht nur negativ zu deuten, sonder erzeugt gleichzeitig eine Herausforderung und Weiterentwicklung, welche als positiv bezeichnet werden kann. Stress wirkt nicht auf jeden Menschen gleich. Unterschiedliche Menschen reagieren auf dieselbe Situation meist verschieden. Stellen Sie sich zur Illustration ein Blech auf zwei Stützen vor. Die Dicke des Blechs ist von Person zu Person anders. Tritt ein Stressor auf, beispielsweise eine Prüfungssituation, wäre dies wie ein Gewicht, das auf dieses Blech gestellt wird. Je nachdem wie unterschiedlich dick das Blech ist (wie unterschiedlich die Psyche des Menschen ist), biegt es sich mehr oder weniger stark durch. Dieses nennt man Belastungs-Beanspruchungs-Modell. Es bedeutet, dass eine gleiche Belastung zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen kann. Bezogen auf das Geschlecht unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren Stressreaktionen. Shelley Taylor und ihre Kollegen (2000) haben belegt, dass Männer zur Fight-or-Flight Reaktion neigen. Das bedeutet, dass sie entweder angreifen oder fliehen möchten. Frauen hingegen neigen zur Tend-and-befriend-Reaktion. Das heißt in Stresssituationen reagieren Frauen mit Fürsorge und der Schaffung sozialer Netzwerke. Trotzdem gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen Mann und Frau auf physiologischer Ebene.191 Unter Stress können die folgenden körperlichen Veränderungen beobachtet werden:
႑ die Blutgefässe in Haut, Muskeln und Gehirn verengen sich; ႑ die Pupillen erweitern sich; ႑ man schwitzt stärker; ႑ die Bronchien erweitern sich; ႑ „Gänsehaut“ entsteht; ႑ das Herz schlägt schneller und intensiver; ႑ Adrenalin wird ausgeschüttet; ႑ die Verdauung wird reduziert bzw. eingestellt; ႑ die Leber schüttet Zucker in die Blutbahnen aus; ႑ die Bauchspeicheldrüse verringert ihre Tätigkeit; ႑ die Blutgefässe in den Armen und Beinen erweitern sich; ႑ die Blase entspannt sich und der urinale und anale Schließmuskel schließen sich. 191
Vgl. Gerrig / Zimbardo 2008.
Wie können wir die Sozialpsychologie positiv nutzen?
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Wie Sie sicherlich gleich erkannt haben, können Mitarbeiter in einem solchen Zustand keinesfalls produktiv arbeiten. Insofern müssen Sie in erster Linie verhindern, dass Ihre Mitarbeiter in einen solchen Zustand geraten. Unser Wohlbefinden lässt sich durch folgende Praxistipps steigern:192
႑ Treiben Sie regelmäßig Sport. ႑ Ernähren Sie sich bewusst und ausgewogen, so dass Sie nicht übergewichtig werden. ႑ Schlafen Sie ausreichend (7-8 Stunden) und entspannen Sie sich täglich. ႑ Rauchen Sie nicht und konsumieren Sie keine Drogen. ႑ Trinken Sie Alkohol nur in Maßen. ႑ Nehmen Sie medizinische Vorsorgeuntersuchungen ernst. ႑ Blicken Sie hoffnungsvoll in die Zukunft. ႑ Pflegen Sie soziale Kontakte.
192
Vgl. Creusen / Eschemann / Johann, 2010.
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Nachhaltiger Lebensstil und Gesundheit
Take-Away-Message Ein nachhaltiger Lebensstil ist auf Grund der vielen Umweltprobleme besonders wichtig. Speziell Kommunikation und Normen beeinflussen unser Handeln im Idealfall positiv. Führungskräfte sollten als Vorbild dienen. Ebenfalls fördern das Messen und vergleichende Rückmeldungen, dass Menschen sich sozial adäquat verhalten. Persönliches Glücksempfinden entsteht unter anderem durch die Pflege sozialer Kontakte, durch die Schaffung von Flow-Erlebnissen und dem uneigennützigen Helfen anderer Menschen. Stresssituationen können auf den Menschen sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben, die höchstindividuell sind. Es gibt gewisse Verhaltensweisen mit denen Sie Ihr Wohlbefinden steigern können, um Stress entgegen zu wirken.
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Stichwortverzeichnis abwärts gerichtet vergleichen 46
Einstellungen 63
affektiv basierte Einstellung 63
Einstellungsimpfung 69
Aggressionen 109
einstellungskonträre Argumentation
Aggressions-Hemmschwelle 112 Akteur-Beobachter-Divergenz 28 Alkoholkonsum 111
57,64 Elaborations-WahrscheinlichkeitsModell 67
Altruismus 99
emotionaler Ausdruck 25
Attributionsverzerrung 122
Emotionen 68
aufwärts gerichteten Vergleich 45
Empathie 99
Ausstrahlungseffekts 131
Eustress 138
autokinetischer Effekt 72
Evolutionspsychologie 97
Bedrohung durch Stereotype 122
externale Attribution 27
Bedrohungen des Selbstwertgefühls
externe Rechtfertigung 57
29
Fehlattribution 44
Beharrlichkeitseffekt 19
feindselige Aggression 110
Belastungs-Beanspruchungs-Modell
Fight-or-Flight Reaktion 138
138
Flow 134
Beurteilungsfehler 34
Fortbildungen 138
Big Five 35
Fremdgruppenhomogenität 122
BSP pro Kopf 137
Frustration 113
Defensivattribution 29
Frustrations-Aggressions-Hypothese
Deindividuation 89
114
Denken auf Autopilot 15
furchterregende Kommunikation 68
Deskriptive Normen 130
Gedankenunterdrückung 22
Diskriminierung 120
gegensätzliche Wahrnehmungen 51
dispositionale Attribution 122
Gemeinschaftsgefühl 130
Distinktheit 27
Glück 132
Distress 138
Goldene Regel 106
Eigengruppenbevorzugung 121
Gruppen 83
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Stichwortverzeichnis
160
Gruppendenken 92
Luftfeuchtigkeit 112
Gruppenkohäsion 85
Luftverschmutzung 112
Gruppenpolarisierung 93
Majoritätsgruppen 120
Helfen anderer Menschen 136
Massenhysterien 74
Hitze 112
menschliche Wahrnehmung 17
Hormone 110
mentale Abkürzung 30
Hydrauliktheorie 116
Minoritätsgruppen 120
implizite Persönlichkeitstheorie 30
Mobbing 115
Informationaler sozialer Einfluss 71
Nachentscheidungsdissonanz 53
Injunktive Normen 130
nachhaltiger Lebensstil 129
instrumentelle Aggression 110
nonverbale Kommunikation 25
interdependente Sichtweise 41
Normativer sozialer Einfluss 72
internale Attribution 26
Normenänderung 132
interne Rechtfertigung 57
öffentlichen Übereinstimmung 72
Introspektion 42
operanter Konditionierung 64
Kälte 112
Opferschuldzuweisung 123
klassische Konditionierung 63
persuasiven Kommunikation 65
Kognitionsbedürfnis 67
perzeptuelle Salienz 28
kognitiv basierte Einstellung 63
Primacy-Effect 66
Kognitive Dissonanz 51
private Akzeptanz 72
kollektive Interdependenz 40
Product Placement 69
Kollektivgüterdilemma 130
Prozessverlust 90
Konformität 71
psychogene Massenerkrankungen
Konsens des Verhaltens 27
74
Konsistenz des Verhaltens 27
Reaktanztheorie 69
Kontakthypothese 126
realistischer Gruppenkonflikt 124
Kontrolliertes Denken 21
Recency-Effect 66
Korrespondenzverzerrung 31
Rechtfertigung unserer
Kovariationsprinzip 27 Lernen sozialer Normen 98
Anstrengungen 55 relationale Interdependenz 40
Stichwortverzeichnis
Reziprozitätsnorm 98 Schemata 16 Selbstaufmerksamkeit 42 Selbstbestätigung 51, 53
161
Theorie des sozialen Austausches 101 unabhängige (independente) Sichtweise 41
selbsterfüllende Prophezeiung 17
unbewussten Einstellungen 64
Selbstkonzept 39
unbewusstes Denken 20
Selbstwertgefühl 120
unterbewusste soziale Anpassung
Serotonin 110
46
soziale Anerkennung 68
Urteilsheuristiken 19
soziale Belohnungen 98
Verantwortungsdiffusion 104
soziale Beziehungen 133
Vergleich mit anderen Menschen 45
soziale Dilemma 129
vergleichende Rückmeldungen 132
soziale Erleichterung 87
Verhaltensänderung 51
soziale Kategorisierung 122
Verhaltensbeeinflussung 71
soziale Kosten 98
Vorurteile 119
soziale Normen 84, 130
vorurteilsfreie Entscheidungen 120
soziale Rollen 84
Wahrnehmungsänderung 51
Soziale Wahrnehmung 15
Wahrnehmungserweiterung 51
soziales Faulenzen 87
Wohlbefinden 139
Spaß 134
Yale-Ansatz 65
Stereotyp 16
zentrale Route zur Überzeugung 67
Stress 113, 138
Zuschauer-Effekt 102
Sündenbocktheorie 124
Zwei-Faktoren-Theorie der
Tend-and-befriend-Reaktion 138 Testosteron 110
Emotionen 44