PARKER stört die Karriere-Damen
Ein Roman von Edmund Diedrichs
Die Situation war eindeutig.
Zwei Männer um die dr...
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PARKER stört die Karriere-Damen
Ein Roman von Edmund Diedrichs
Die Situation war eindeutig.
Zwei Männer um die dreißig nahmen eine attraktive Frau in ihre
Mitte und schleppten sie zu einem roten Honda. Das weibliche
Wesen wurde auf den Rücksitz gezwungen, ihre Peiniger wählten
danach die Vordersitze. In der nächsten Sekunde rollte der kleine
Sportwagen an.
Während er ein hochbeiniges, schwarzes Gefährt passierte, das
wie ein antiquiertes Londoner Taxi aussah, drehte sich der Mann
auf dem Beifahrersitz um und sprach auf die unfreiwillige Mitfah
rerin ein.
»Was sage ich dazu, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson ihren
Butler, der stocksteif und hochaufgerichtet hinter dem mächtigen
Steuerrad seines Privatwagens saß.
»Mylady dürften Zeuge einer Entführung geworden sein«, urteilte
Josuah Parker. Lady Agatha nickte. Trotz ihres Alters pflegte sie
unentwegt ihr Hobby, die Kriminalistik. »Ganz meine Meinung«,
fand sie. »Ich werde das Kidnapping natürlich vereiteln, Mister
Parker. Blockieren Sie den Weg der Ganoven!«
Die Hauptpersonen:
Charlotte Kelly will als Model Karriere machen, hat es aber mit
einer fragwürdigen Agentur zu tun.
Ken Walker demoliert eine Wohnung und wird dabei überrascht.
Sid Wilkins ist Masseur und drangsaliert Patientinnen, bis er ei
ner Lady begegnet.
Nigel Bellamy veranstaltet Shows und wird auf offener Bühne
mit einem Pompadour beglückt.
John Borman gibt sich als Gentleman zweifelhaften Vergnügun
gen hin und wird um »Kooperation« gebeten.
Agatha Simpson betätigt sich als Ansagerin und jagt einen Kid
napper über die Bühne.
Josuah Parker geht zu einem Herrenabend und »funktioniert«
ihn um.
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Auf dem Sitz neben ihr ruhte ihr perlenbestickter, mit langen Schnüren versehener Pompadour, der allerdings nicht die übli chen Utensilien einer Dame enthielt, sondern das veritable Hufei sen eines längst dahingeschiedenen, stämmigen Brauereigauls. Mylady bezeichnete dieses Eisen gern als ihren Glücksbringer, in Wirklichkeit war es eine Waffe, die schon so manchen Gangster gefällt hatte. Der Butler wirkte irgendwie alterslos. Er war etwas über mittel groß und fast schlank. Josuah Parker war die Würde in Person und konnte seine Profession zu keiner Zeit verleugnen, was ihm allerdings auch nie in den Sinn gekommen wäre. Er trug zur diskret gestreiften schwarzen Hose einen schwarzen Covercoat, einen schwarzen Binder und auf dem Kopf einen schwarzen Bowler. Zusammen erlebte das skurrile Paar Kriminalfälle am laufenden Band, wobei Mylady allerdings davon ausging, daß sie die ent scheidenden Impulse gab. In Wirklichkeit war es aber Josuah Par ker, der durch unkonventionelles Vorgehen und Trickreichtum die Fälle klärte. Dabei hielt er zusätzlich die schützende Hand über seine Herrin, die durch ihre direkte Art ungeniert in jedes erreich bare Fettnäpfchen trat. »Eine Möglichkeit der Reaktion, die Mylady letztendlich verwerfen, weil dadurch Leben und Gesundheit des Opfers gefährdet werden könnten«, vermutete der Butler. »Richtig! Sie haben mitgedacht, Mister Parker. Was habe ich nun weiter vor?« »Mylady denken daran, den Wagen zu verfolgen, um herauszu finden, wohin man die junge Dame bringt«, antwortete der But ler. »Das weitere Vorgehen sollte man – mit Verlaub – von den Umständen abhängig machen.« »Genau das schwebt mir vor, Mister Parker.« Die ältere Dame nickte beifällig. »Folgen Sie dem Wagen also unauffällig, und ver gessen Sie nicht, sich die Nummer zu notieren!« »Was umgehend geschehen wird, Mylady«, versprach der Butler, der das Kennzeichen längst in seinem Gedächtnis gespeichert hatte. »Es ist wirklich unerhört, Mister Parker«, monierte Mylady aus dem Ford. »Da werden jetzt schon am hellen Tag die Leute ent führt.«
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»Glücklicherweise ist der Vorgang noch nicht abgeschlossen«,
tröstete der Butler sie. »Mylady werden mit Sicherheit dafür Sor
ge tragen, daß es bei dem Versuch bleibt.«
»Und ob!« Agatha Simpson spürte schon das Prickeln der bevor
stehenden Aktion und strich unwillkürlich mit den Fingerspitzen
über ihren Pompadour.
* Der rote Honda hielt vor einem unverputzten Backsteinbau in Chelsea nahe den Lennox Gardens. Die Türen des kleinen Sportwagens flogen auf, die beiden Entfüh rer stiegen aus und zerrten die junge Frau vom Rücksitz. Dann verschwand das Trio in dem Gebäude. »Die Leute gehören hierher, sie hatten einen Schlüssel, Mister Parker«, stellte die passionierte Detektivin fest, während sie das vierstöckige Gebäude musterte. »In der Tat, Mylady«, stimmte der Butler zu. Auch er hatte gese hen, daß der Honda-Fahrer über einen Schlüssel verfügte und diesen auch einsetzte. Wohin das Trio verschwunden war, war unschwer zu raten. Es gab vier Messingschilder neben dem Eingang, anscheinend aus schließlich Geschäftsadressen. Im vierten Stock gab es ein Fitneß-Center, in der Etage darunter eine Modellschule- und Agentur, in der zweiten eine Import- und Exportfirma und in der ersten eine Versicherungs- und Finanzie rungsgesellschaft. Das Erdegeschoß war der Halle vorbehalten, von der aus man zwei Aufzüge und eine breite Treppe benutzen konnte. Lady Agatha musterte interessiert das Schild der Modellagentur. »LMSA, London Model School & Agency – meine Güte, Mister Par ker, eindeutiger geht es wirklich nicht mehr«, bemerkte sie. »Da haben sie das arme Kind hingebracht, da gibt es gar keinen Zwei fel.« »Eine Überlegung, um die auch meine Wenigkeit nicht herum kommt, Mylady«, sagte der Butler. »Mylady gedenken den Aufzug zu benutzen?« »Natürlich, Mister Parker. Jetzt zählt jede Minute. Wer weiß, was man inzwischen mit dem Opfer anstellt?«
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Josuah Parker drückte die Vier, als sie eingestiegen waren, und handelte sich damit prompt einen Vorwurf seiner Herrin ein. »Die Modellagentur ist aber im dritten Stock, Mister Parker«, mo nierte sie. »Wo haben Sie Ihre Gedanken?« »Meine Wenigkeit ging davon aus, daß Mylady ihre Gegner täu schen wollen«, zeigte sich Parker unbeeindruckt. »Würde der Auf zug auf der dritten Etage halten, könnte man dies vermutlich in der Agentur hören und sich auf ungebetenen Besuch einstellen.« »Sehr gut, Mister Parker! Darum ging es mir eigentlich auch«, erklärte die ältere Dame daraufhin, was den Butler allerdings nicht wunderte. Mylady war von erstaunlicher Wandlungsfähigkeit und konnte das Gegenteil von dem, was sie einen Augenblick zu vor propagiert hatte, plötzlich als ihre eigene Meinung ausgeben. * Eine große Glastür, auf der in goldenen Buchstaben die Firmenbe zeichnung stand, stellte den Zugang zur Agentur dar. Die Tür war nur angelehnt und eröffnete dem skurrilen Paar alle Möglichkei ten. Lady Agatha stapfte mit der ihr eigenen Energie und Zielstrebig keit zum Empfang. Hinter dieser Tür war Stimmengemurmel ver nehmbar. Als Mylady eintrat, verstummte das Gespräch. Drei Menschen musterten sie erstaunt. Es handelte sich um zwei Frauen und ei nen Mann, den Josuah Parker, der seiner Herrin auf dem Fuß folg te, unschwer als den Honda-Fahrer erkannte. »Wie kommen Sie hier rein?« staunte die jüngere der beiden Frauen, die hinter einem Schreibtisch saß und gerade eine Kaffee tasse zum Mund führen wollte. »Durch die Tür natürlich. Wie denn sonst?« räsonierte Agatha Simpson. »Sie war nur angelehnt, außerdem ist das jetzt auch egal. Sie sind die Chefin hier, meine Liebe?« »Ja, ich bin Eileen Rogers, die Leiterin der Schule und Agentur«, gab die Frau zurück und straffte sich dabei unwillkürlich. »Was kann ich für Sie tun?« »Mister Parker, tragen Sie bitte mein Anliegen vor!« wandte sich die Detektivin an den Butler.
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»Mylady wünscht ihre Nichte zu sehen«, sagte der Butler zu der erstaunten Agenturleiterin. »Sie hat sie beim Betreten des Hauses zufällig beobachtet.« »Ihre Nichte?« Eileen Rogers runzelte die Stirn und sah den Mann neben sich hilfesuchend an. »Hier ist in der letzten Stunde niemand reingekommen«, behaup tete der und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Sie irren sich wohl, oder Ihre Nichte ist im Fitneß-Studio oben. Die haben viel weibliche Kundschaft.« »Sie sind ganz sicher, Sir?« Der Butler sah den Mann kühl an. »Man sah die betreffende Person aus einem roten Honda steigen, der von Ihnen pilotiert wurde.« Eisige Stille herrschte. Die junge Frau am Schreibtisch begann in einigen Papieren zu kramen, die vor ihr lagen. Die Agenturleiterin interessierte sich plötzlich sehr für ihre Fingernägel, und der Hon da-Fahrer sah aufmerksam zur Wanduhr, als plagte ihn die Ein haltung eines dringenden Termins. »Honda?« echote er schließlich, als Myladys und des Butlers Bli cke ihm weiterhin zusetzten. »Ein roter«, ergänzte die Detektivin und lächelte. »Der Wagen steht vor dem Haus, Sir«, fügte Parker hinzu. »Auch mit dem Kennzeichen könnte man dienen, falls das hilft.« »Wie… äh… heißt denn Ihre Nichte?« wollte der Mann wissen. »Anne«, gab die ältere Dame umgehend Antwort. »Sie saß in dem Honda. Aber da war etwas, das mir gar nicht gefiel, nicht wahr, Mister Parker?« »In der Tat. Myladys Nichte machte nicht den Eindruck, sich frei willig in dem Fahrzeug aufzuhalten, und sie schien erst recht nicht aussteigen zu wollen.« »Was wollen Sie damit sagen?« Die Stimme des Honda-Fahrers klang flach und tonlos. »Im sogenannten Klartext, Sir: Man schien die junge Dame unter Druck gesetzt zu haben«, merkte der Butler an. »Sie wurde recht unsanft aus dem Wagen gezerrt, wie man deutlich beobachten konnte.« »Unsinn! Sie fühlte sich nicht wohl, da haben wir ihr geholfen«, wehrte der Mann ab. »Ich meine natürlich dem Mädchen, das wir von einem Fototermin abgeholt haben.« Er hatte schon wieder verdrängt, daß der Vorname mit dem der jungen Frau, die er ab geliefert hatte, nicht übereinstimmte.
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»Wissen Sie, Anfängerinnen unterschätzen manchmal die An strengungen, die mit diesem Job verbunden sind«, berichtete die Agenturleiterin und zeigte ein verkrampftes Lächeln. »Die sehen nur das Geld und meinen, es fiele ihnen in den Schoß. Aber so ist das nicht! Modellstehen ist eine harte Arbeit, und schon so man che Frau hat dabei schlappgemacht.« »Und die hier auch«, fügte der Honda-Fahrer hinzu. »Das arme Kind!« Lady Agatha gab einen Seufzer von sich und sah den Butler an. »Ich werde helfen, Mister Parker. Am besten, wir nehmen die Kleine mit nach Hause, damit ich mich um sie kümmern kann.« »Äh, Moment mal, das geht nicht. Sie wird gerade… äh… behan delt, und heute nachmittag hat sie wieder einen Termin«, wehrte die Agenturleiterin sofort ab. »Sind Sie überhaupt sicher, daß es Ihre Nichte ist?« »Meinen Sie denn, ich erkenne mein eigen Fleisch und Blut nicht mehr?« raunzte Mylady. »Ich habe das Kind sofort erkannt, ob wohl wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben. Sie wissen ja, wie die heutige Jugend ist – sie weiß immer alles besser und will ihre eigenen Wege gehen.« * »Myladys Zeit ist begrenzt«, forcierte Parker die Dinge. »Würden Sie nun freundlicherweise Myladys Nichte rufen lassen?« »Das geht nicht, ich sagte es schon.« Die Agenturleiterin sah den Butler ärgerlich an. »Sie bringen unseren ganzen Arbeitsablauf durcheinander. Die junge Frau, die eben hier eintraf, befindet sich in Behandlung, das heißt, sie wird abgeschminkt und danach von einer Kosmetikerin behandelt und schließlich massiert. Außerdem stehen noch andere Dinge auf dem Programm. Sie arbeitet hier. Verstehen Sie das nicht? Und Feierabend hat sie heute nachmit tag um fünf. Sie können vor dem Haus auf sie warten, wenn Sie wollen.« »Warum regen Sie sich so auf, meine Liebe? Niemand will hier etwas durcheinanderbringen. Aber Sie sollten doch etwas mehr Verständnis für eine Tante aufbringen!« »Wenn hier von jeder Schülerin und jedem Modell besorgte Ver wandte auftauchten, müßten wir anbauen«, mokierte sich die
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Agenturleiterin. »Können Sie vielleicht in eine andere Firma ge hen, um Nichten, Neffen oder sonstwen zu sprechen oder sogar einfach mitzunehmen, wie Sie es ja vorhaben?« »Man versteht Ihren Standpunkt durchaus, Mistreß Rogers«, ver sicherte der Butler ihr. »Der Hauptgrund, warum Mylady auf einer sofortigen Kontaktaufnahme besteht, ist der, daß man den Ein druck hatte, ihre Nichte wäre hier mit Gewalt hereingeschafft worden.« »Ich sagte Ihnen doch schon, daß das Unsinn ist. Das Mädchen war erschöpft – das ist alles«, gab Eileen Rogers scharf zurück. »Deshalb wehrte sich die junge Dame vermutlich auch«, bemerk te der Butler trocken. »Ich höre mir das nicht mehr länger mit an«, stellte die Agentur chefin fest. »Bitte, verlassen Sie jetzt die Firmenräume! Zwingen Sie mich nicht, die Polizei zu rufen!« »Darauf freue ich mich jetzt schon, meine Liebe«, lächelte Agatha Simpson. »Meinen Sie nicht, daß die Beamten prüfen müßten, ob an meiner Behauptung etwas dran ist? Das heißt, sie werden si cher meine Nichte sehen und sprechen wollen. Abgesehen davon – wie wirkt sich das auf das Image Ihrer Agentur aus?« »Darum brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Gehen Sie jetzt! Wie gesagt, um fünf ist hier Feierabend. Guten Tag!« »Was sage ich dazu, Mister Parker?« Lady Agatha sah den Butler nachdenklich an. »Mylady möchten sicher an anderer Stelle noch mal die Dinge überdenken«, konnte sich Parker vorstellen. »Möglicherweise hat man Mylady die Wahrheit gesagt. Beobachtungen können, beson ders, wenn Emotionen im Spiel sind, sehr subjektiv sein und ein völlig falsches Bild vermitteln.« »Das sagen wir doch die ganze Zeit über«, reagierte die Agentur chefin. »Glauben Sie mir doch: Sie haben nicht den geringsten Grund, sich um Ihre Nichte zu sorgen. Das werden Sie heute nachmittag sehen, wenn Sie sie nach Feierabend abholen.« »Das werde ich tun. Verlassen Sie sich darauf.« Lady Agatha maß die Anwesenden noch mal mit scharfem Blick, dann drehte sie sich um und ging in Richtung Tür. »Ich gehe, Mister Parker«, verkündete sie lautstark. »Aber eines ist klar: Ich komme wieder, wenn das Kind heute nachmittag nicht auftaucht. So leicht lasse ich mich nicht abspeisen.«
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*
»Mylady werden ihre Gegner natürlich täuschen und in Sicherheit wiegen«, stellte der Butler fest. »Das ja; aber was meinen Sie wohl, was die jetzt mit dem armen Mädchen machen?« »Das hat meine Wenigkeit keineswegs verdrängt, Mylady«, gab der Butler zurück. »Aus diesem Grund hat man eine Abhöreinrich tung im Büro der Agentur hinterlassen.« »Sehr schön, Mister Parker! Dann stellen Sie mal das Radio an! Ich bin gespannt, was ich zu hören bekomme.« Parker hatte bereits eingeschaltet und die Frequenz, die er für solche Fälle eingerichtet hatte, hereingeholt. Die Wanze im Büro war geräuschaktiv, das heißt, sie schaltete sich ein, wenn irgend etwas wahrzunehmen war, und blieb sonst passiv. »… gerade noch mal gut«, war die Stimme Eileen Rogers’ zu hö ren. »Verdammt noch mal, Ken, könnt ihr nicht besser aufpas sen? Mußtet ihr die Kleine vor Zeugen ausladen?« »Das kann doch keiner ahnen«, verteidigte sich Ken, der HondaFahrer. »Wer kann denn diesen Zufall einkalkulieren, daß ausge rechnet ‘ne Verwandte auftaucht? Außerdem: Ich denke, die Mäd chen haben keine Verwandten?« »Das stimmt. Zumindest sollte das so sein.« Die Stimme der A genturchefin klang wütend. »Wir fragen sie natürlich, und wenn eine angibt, Anhang zu haben, in welcher Form auch immer, wimmeln wir sie ab. Das weißt du doch. Diese Gans muß uns an gelogen haben.« »Warum sollte sie? Ich meine, ‘ne alte Tante ist doch nichts Schlimmes«, fand die junge Dame, die hinter dem Schreibtisch gesessen hatte und offenbar die Sekretärin war. »Ich meine, so lange sie keinen Ehemann oder Freund haben…« »Ja, schon – aber wir wollen ja sichergehen, daß nicht irgendwer ‘n Riesentheater macht, wenn mal wirklich eine verschwindet… und das kann ja immer mal vorkommen, nicht wahr?« Der Honda-Fahrer lachte. »O ja! Manche gehen auf netten Urlaub in den Orient, und dann kommen sie einfach nicht wieder, diese Treulosen!«
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»Verschon mich mit deinem seltsamen Humor, Mann!« wies ihn
Eileen Rogers zurück. »Du hast keinen Grund zum Lachen. Wer
hat denn die Tür offengelassen?«
»Ich hätte schwören können, daß ich sie wieder ins Schloß gezo
gen habe«, beteuerte Ken. »Ich verstehe das nicht.«
»Hoffentlich warst du eben gründlicher. Hast du auch genau ge
sehen, daß die beiden wirklich verschwunden sind?«
»Habe ich. Die sind in so ‘ne alte Klapperkiste gestiegen. Sieht
aus wie’n Taxi aus der Steinzeit, und als ich genauer hinsah, fiel
mir ein, daß die tatsächlich irgendwann hinter uns auftauchte.
Aber wer denkt denn gleich an so was?«
»Du sollst nicht denken, sondern aufpassen! Du weißt also nicht,
wie lange die schon hinter euch herfuhren?«
»Nee, aber ich glaube, die tauchten erst kurz vorher auf. Die
müssen irgendwo in der Nähe gewesen sein.«
»Aber sicher bist du nicht. Es könnte genausogut sein, daß die
schon von.
Anfang an hinter euch waren und womöglich sogar mitgekriegt
haben, wie ihr die Kleine in den Wagen verfrachtet habt?«
»Eigentlich ausgeschlossen – das liegt nicht drin.« Kens Stimme
klang beschwörend. »Ehrlich, Eileen, das hätten wir gemerkt. Wie
gesagt, die sind erst in der Nähe des Hauses hinter uns gewe
sen.«
»Na, hoffentlich! Wo ist die Kleine jetzt oben?«
»Klar! Wo sonst?« gab der Hondafahrer zurück und kicherte. »Sid
wird sich schon mit ihr befaßt haben. Die hat bestimmt bereut,
daß sie abgehauen ist.«
»Hoffentlich übertreibt er nicht! Er hat manchmal ‘ne Art an sich,
die mir mißfällt«, bemerkte die Agenturchefin. »Er denkt hoffent
lich daran, daß man nichts sehen darf.«
»Keine Angst, dafür ist er schließlich Spezialist«, beruhigte Ken
sie. »Oder hast du schon mal was gesehen, wenn er eines von
den Mädchen in der Mangel hatte?«
»Was sage ich dazu, Mister Parker?« Lady Agatha beugte sich vor
und sah den Butler im Rückspiegel an. »Man foltert die Kleine.
Das ist Ihnen doch hoffentlich klar?«
»In, der Tat, Mylady. Deshalb gilt es, die junge Dame aus dem
Fitneßcenter zu befreien.«
»Fitneßcenter? Wieso denn?« wunderte sich die Detektivin.
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»Man sprach davon, die junge Dame nach oben gebracht zu ha ben, Mylady. Über der Agentur befindet sich nur noch ein Fitneß center.« »Stimmt, Mister Parker. Und dieser Mensch, den man erwähnte, wer ist das?« »Entweder der Inhaber oder einer der Angestellten, Mylady. Auf jeden Fall jemand, der das Vertrauen der Agentur besitzt. Ein Fitneßcenter bietet natürlich vielfältige Möglichkeiten, jemanden zur Vernunft zu bringen, um es mal sehr freundlich auszudrü cken.« »Das meine ich auch. Ich war übrigens schon lange nicht mehr in einem solchen Laden«, stellte sie fest. »Ich denke, etwas Training dürfte mir guttun. Was meinen Sie?« »Körperliche Betätigung fördert immer die Gesundheit, Mylady«, stimmte der Butler ihr zu, der natürlich genau wußte, welche Art von Training seiner Herrin vorschwebte. Er beschleunigte und bog in eine schmale Seitenstraße ein, die auf der Rückseite des Gebäudes vorbeiführte, in dem sich Agen tur und Fitneßcenter befanden. * »Das ist eigentlich nichts mehr für einen Mann Ihres Alters«, stellte die ältere Dame fest und blickte nicht eben begeistert auf die schmale Treppe, die Josuah Parker als Aufstiegsmöglichkeit vorgeschlagen hatte. Dabei handelte es sich um einen Treppen schacht, der auf der Rückseite des Gebäudes installiert war und wohl als Notausstieg diente. Man sah ihm an, daß hier lange nie mand mehr durchgekommen war: Der Staub lag fingerdick, und überall in den Ecken könnt man Spinnweben entdecken. »Man ist sich dessen wohl bewußt«, gab Parker würdevoll zurück. Er kannte die Abneigung seiner Herrin gegen Treppensteigen. »Aber dies scheint die einzige Möglichkeit zu sein, unentdeckt hinaufzukommen.« »Nun gut, wenn Ihnen die Puste ausgeht, können wir ja eine Pau se machen, obwohl wir nicht viel Zeit haben«, entschied sie und machte sich widerwillig an den Aufstieg. »Sagen Sie nur Be scheid, wenn Sie nicht mehr können! Ich habe dafür durchaus Verständnis.«
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»Wofür man Mylady im voraus dankt«, gab Parker zurück, der die Stufen mit erstaunlicher Leichtigkeit nahm. »Wenn man Mylady um eine kleine Pause bitten dürfte?« fragte der Butler auf dem zweiten Treppenabsatz, als er sah, daß seine Herrin eine solche sehr wohl brauchen konnte. »Jetzt schon?« tat sie überrascht und wandte sich schwer atmend um. »Sie müssen dringend etwas für Ihre Kondition tun, Mister Parker!« fand sie und keuchte. »Sie dürfen sich nicht so gehen lassen! Gerade in Ihrem Alter muß man seiner Gesundheit mehr Aufmerksamkeit widmen.« »Ein ungemein wertvoller Hinweis, den zu beherzigen sich meine Wenigkeit bemühen wird«, dankte der Butler. »Darf man sich erkühnen, Mylady einen Kreislaufbeschleuniger anzubieten?« »Dürfen Sie!« Lady Agatha sah interessiert zu, wie Parker eine lederumhüllte Taschenflasche aus seinem Covercoat zog und den als Verschluß dienenden Becher für sie füllte. Der sogenannte Kreislaufbeschleuniger war ein sehr alter französischer Cognac, der Mylady als Medizin zur Stützung ihres angegriffenen Kreis laufs diente. Sie nahm einen Schluck und nickte anerkennend. »Das tut gut, Mister Parker«, stellte sie fest. »Ich habe noch einige Treppen vor mir, nicht wahr?« Josuah Parker wußte diesen Hinweis zu interpretieren. Er füllte den Becher umgehend nach und deutete dabei eine Verbeugung an. * Die schwere Eisentür, die im vierten Stock die Feuertreppe abschloß, war kein Problem, wenngleich hier ein besseres Schloß installiert war. Parker überredete es, sich willig zu ergeben und zu entsperren. Dahinter lag ein schmaler Gang, der nur notdürftig beleuchtet war. Rissiges Linoleum bedeckte den Boden, Wände und Decke schrien förmlich nach einem Anstrich. Die Luft roch muffig, obwohl es im Gang zwei schmale Fenster gab, die man öffnen konnte. Allerdings machten sie nicht den Eindruck, daß dies in den letzten Monaten mal geschehen war.
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»Sehr einladend sieht es hier aber nicht aus, Mister Parker«, stellte die ältere Dame fest. »Wenn die Gäste dieses Fitneßcen ters hier reinschauen könnten, würden sie alle auf Nimmerwie dersehen verschwinden.« »In der Tat, Mylady, aber in den eigentlichen Geschäftsräumen dürfte es wesentlich anders aussehen.« Josuah Parker schritt in dem düsteren Flur voran und erreichte eine weitere Metalltür. Als er sie, nachdem er das Schloß entrie gelt hatte, vorsichtig aufzog, sah er einen breiten, teppichbeleg ten Gang vor sich, von dem diverse Türen abgingen und der sich am gegenüberliegenden Ende zu einer großen Fläche erweiterte, die man als Bar nutzte. Zwar gab es zwischen Bar und Gang ei nen dicken Vorhang, doch der war nur halb zugezogen, so daß man Einzelheiten erkennen konnte. Rechts gab es einen Tresen mit diversen Hockern, von denen drei besetzt waren. Die junge Frau dahinter trug einen der augenblick lich modischen Aerobic-Anzüge und war damit beschäftigt, eine Kaffeemaschine zu füllen. Links gab es zwei niedrige Tische, diverse Sessel und ein Regal, in dem Zeitschriften und Prospekte lagen. Hinter der Bar schien es zum Übungsraum zu gehen, denn von dort war Lärm zu hören, der auf sportliche Betätigung schließen ließ. Lady Agatha stand neben dem Butler und schaute durch den schmalen Schlitz, den er geöffnet hatte. »Aha, ich weiß Be scheid«, stellte sie fest. »Man wird das arme Ding irgendwo in einem Raum hinter der Bar festhalten, nicht währ, Mister Par ker?« »Dort dürfte der Übungsraum liegen, Mylady«, vermutete Parker. »Da man zur Zeit sicher auch normale Gäste hat, dürfte es sich aus der Sicht dieser Leute nicht anbieten, gerade dort jemanden zu drangsalieren.« »Genau das, was ich sagen wollte«, behauptete die Detektivin und sah gespannt zu, wie sich einer der drei jungen Männer an der Bar erhob und den anderen zuwinkte. »Ich gehe in die Sau na!« verkündete er laut genug, daß man es hinter der Tür noch verstehen konnte. Dann verschwand er. »Haben Sie gehört, Mister Parker? Es gibt hier eine Sauna. Mei nen Sie nicht, daß ich dort nach dem armen Ding suchen sollte?« Dieser Ort schien Josuah Parker schon wahrscheinlicher. Vor al lem dann, wenn das Fitneßcenter über mehrere Saunen verfügte.
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»Wenn Mylady gestatten, wird meine Wenigkeit vorangehen«, schlug er vor und setzte diesen Vorschlag auch gleich in die Tat um, bevor seine Herrin Einspruch erheben konnte. Er zog die Tür ganz auf, wartete, bis Mylady sie passiert hatte, und schloß sie dann vorsichtig wieder. Er bewegte sich an der Wand entlang, so daß er nicht gleich von der Bar her entdeckt werden konnte, wenn jemand rein zufällig durch den halboffenen Vorhang spähte. Zum Glück folgte ihm Mylady auf dem Fuß, wie er beruhigt feststellte. Die Tür zur Sauna war nicht abgeschlossen. Parker öffnete sie vorsichtig und sah sich forschend um. Wiedergab es einen Gang dahinter, der allerdings nicht lang war. Er endete bereits nach zwei Metern. Links und rechts ging je eine Tür ab. Beide waren beschriftet. Auf der linken war »Zur Massage« zu lesen, auf der rechten »Umklei deräume.« Die Tür am Ende des Ganges war mit »Sauna« be schriftet. * Parker steuerte die rechte Tür an, öffnete sie vorsichtig und trat ein. »Was will ich hier, Mister Parker?« beschwerte sich Agatha Simp son, die ihm gefolgt war. »Sagte ich nicht, daß ich die junge Frau in der Sauna vermute?« »In der Tat, Mylady. Vielleicht sollte man sich aber mit einigen tarnenden Utensilien versehen. Wenn sich Mylady freundlicher weise einen Augenblick gedulden würden.« Von dem kleinen Gang gingen drei Türen ab, die mit »Damen«, »Herren« und »Material« beschriftet waren. Parker wählte letzte re, die entriegelt werden mußte. Er fand dahinter, was er suchte. Der Raum hatte an den Wänden Regale, die mit allen möglichen Dingen vollgepackt waren. Parker traf seine Auswahl und begab sich dann zu seiner Herrin zurück. »Was haben Sie da, Mister Parker?« Mylady musterte neugierig das Päckchen, das Parker trug. »Einige Dinge, die zur Tarnung beitragen dürften, Mylady.« Der Butler reichte seiner Herrin einen Bademantel, Gummisandalen
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und ein großes Badetuch sowie eine Badekappe. »Soll ich das hier
anziehen?« mokierte sie sich.
»Es dürfte genügen, wenn Mylady den Bademantel überziehen
sowie Badekappe und Gummischuhe anlegen«, schlug Parker
gemessen und würdevoll vor. »Dies und das über den Arm dra
pierte Badetuch dürften als wenn auch sehr oberflächliche Tar
nung ausreichen.«
»Na schön, wenn Sie meinen. Was mache ich mit meinem Hut
und den Schuhen? Den Pompadour behalte ich natürlich bei mir.«
»In der Umkleidekabine dürfte es verschließbare Fächer geben,
Mylady«, glaubte der Butler.
»Gut, ich bin gleich wieder zurück. Verkleiden Sie sich auch?«
»In der Tat, Mylady.«
»Da bin ich aber gespannt.« Die ältere Dame öffnete die Kabine
und verschwand darin, während sich Parker in den Herren Um
kleideraum begab.
Zusätzlich zu seiner Melone und den Schuhen verstaute er auch
den Schirm in einem der Fächer. Dieser wäre denn doch zu auf
fällig gewesen, hätte er ihn hier getragen.
Der Butler war aber sicher, auch ohne seinen Schirm und die als
Waffe einsatzfähige Melone über genügend Mittel zu verfügen,
um sich zur Wehr zu setzen, falls er angegriffen würde. Zudem
war er ideenreich und konnte selbst einen noch so harmlosen
Gegenstand zur Abwehrwaffe umfunktionieren.
»Um Himmels willen, Mister Parker, wie sehen Sie denn aus?«
amüsierte sich Agatha Simpson, als der Butler auf den Flur trat.
Die enganliegende Gummikappe auf dem Kopf, die Gummischuhe
an den Füßen und der flauschige Bademantel kamen durchaus
gut zur Geltung.
»Meine Wenigkeit bittet um Verzeihung, sollte der Anblick meiner
Wenigkeit zu Kritik Anlaß geben«, entschuldigte sich der Butler.
»Aber im Interesse der Sache sollten Mylady Nachsicht üben.«
* Der Gast, der ihnen entgegenkam, schien an der Aufmachung nichts zu finden. Er streifte Mylady und Parker mit einem flüchti gen Blick, nickte ihnen zu und ging vorbei.
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»Da sehen Sie mal wieder, wie wichtig eine gute Tarnung ist, Mis ter Parker«, bemerkte die Detektivin, nachdem die Tür hinter dem Gast zugeschlagen war. »In der Tat, Mylady. Man kann und muß Mylady zu diesem Einfall gratulieren«, gab Josuah Parker ungeniert zurück. »Nicht wahr?« Agatha Simpson strahlte. Ihr war tatsächlich so, als hätte sie diesen Einfall gehabt. Der Saunabereich bestand aus insgesamt drei Kabinen. Nur über einer brannte ein rotes Licht, das anzeigte, daß sie benutzt wur de. Weit und breit war niemand zu sehen. Lady Agatha griff ohne Zögern nach dem großen Hebel, der die Tür versperrte, drückte ihn herunter und die Tür auf. Dichte Schwaden wehten ihr entge gen. »Beeilung bitte! Die ganze Hitze zieht ja ab!« brüllte eine ärgerli che Stimme von drinnen. »Haben Sie sich nicht so!« beschied Mylady den Mann und trat ein. Sie zog die Tür an, tastete sich durch den Dunst und stieß mit den Knien gegen eine Bank. Sie streckte die Arme vor und erfühlte schließlich ein Gesicht, das sie einer näheren Inspektion unterzog. Sie zupfte an einem Ohr läppchen, drückte eine Nase und wühlte sich danach durch einen dichten Bart. Der Besitzer des Gesichts fand das keineswegs lustig. »Ver dammt, was soll das?« fauchte er und sprang auf. »Entweder Sie saunen oder machen, daß Sie rauskommen, aber schnell!« »Wie reden Sie mit einer Dame?« Lady Agatha war zwei Schritte zurückgetreten. Sie erkannte vage die Umrisse des Gesichts, das sie kurz zuvor mit den Händen erforscht hatte. Sie kam zu der Auffassung, daß sie etwas vergessen hatte, und holte das umge hend nach. Lady Agatha ließ ihre Hand durch die Luft zischen, traf die Wange und lächelte, als sie das Klatschen hörte, dem gleich darauf ein zorniger Aufschrei folgte. »Das wird Sie lehren, anständig mit einer Dame zu sprechen«, gab sie dem Mann bekannt. »Sind Sie allein hier?« »Sehen Sie sonst noch jemanden?« reagierte der Gemaßregelte und flüchtete vorsichtshalber auf eine weiter hinten gelegene Bank.
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»Gut, dann machen Sie jetzt weiter!« Die Detektivin drehte sich um und verließ die Kabine, vor der Parker auf sie wartete. »Ein frecher Lümmel, hatte keine Manieren, Mister Parker«, be richtete sie. »Wo könnte das Mädchen sonst noch sein?« »Es böte sich noch der Massageraum an, Mylady«, schlug der Butler vor. »Eventuell nach draußen klingende Schreie wären si cher nicht ungewöhnlich und könnten leicht mit einer gewissen Überempfindlichkeit erklärt werden.« »Das stimmt. Masseure neigen zur Übertreibung«, behauptete die ältere Dame. »Die denken immer, sie müßten ihre Opfer kneten.« Josuah Parker erwiderte nichts darauf. Statt dessen öffnete er die Tür zum Gang und spähte hinaus. Als er sah, daß sich niemand dort aufhielt, gab er seiner Herrin ein Zeichen, ihm zu folgen. Die Tür zum Massageraum war seltsamerweise verschlossen. Ein Zettel mit einer handschriftlichen Notiz besagte, daß heute aus personellen Gründen keine Massagen verabreicht werden. Den noch meinte der Butler, von drinnen symptomatische Geräusche zu hören. »Hatte ich also recht«, schlußfolgerte Mylady, als gleich darauf ein Schrei ertönte. »Machen Sie auf, Mister Parker! Ich werde dem Lümmel eine Lektion erteilen.« »Stets zu Diensten, Mylady.« Josuah Parker ging daran, das Schloß auf die ihm eigene Art zu überreden. Es war bestens geölt und gab deshalb kein Geräusch von sich. Lady Agatha folgte dem Butler ungestüm. Es war offensichtlich, wohin sie wollte. Insgesamt vier Kabinen waren durch Vorhänge abgeteilt. Hinter dem ersten auf der linken Seite wurde jemand behandelt, und dem gelegentlichen Wimmern nach zu folgern, nicht eben sanft. Die Detektivin riß den Vorhang beiseite und trat ein. * Die Situation war eindeutig. Auf einer mit grünem, Kunstleder bezogenen Pritsche lag die jun ge Frau, die sie schon im Parkhaus des Kaufhauses gesehen hat ten. Sie war nackt, an Händen und Füßen gefesselt und hatte die Augen geschlossen.
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Neben der Pritsche stand ein herkulisch gebauter Mann mit Stier nacken, glänzender Glatze und einem Dschingis KhanSchnurrbart. Er hatte kleine, tückisch blickende Augen, deren dunkle Pupillen er auf die hereinstürmende Lady richtete. In der herabhängenden Rechten hielt er eine Peitsche mit mehreren Schnüren. »Wie kommen Sie hier rein?« Seine Stimme klang wie dumpfes Grollen. »Das überrascht Sie, nicht wahr, Sie Subjekt?« Agatha Simpson blickte zu der jungen Frau hinüber. »Haben Sie keine Angst, mei ne Liebe! Es ist alles vorbei«, tröstete die ältere Dame sie. »Ich hole Sie heraus.« »Ach ja? Da wüßte ich aber gern, wie…«, knurrte der Riese und hob die Hand mit der Peitsche. »Sie wollen sich an mir vergreifen, Sie Unhold?« erkundigte sich Mylady, ohne eine Spur von Angst zu zeigen. »Was heißt hier, vergreifen? Ich werde Ihnen zeigen, was es heißt, hier einfach einzudringen. Oder wollen Sie noch gehen, bevor ich ärgerlich werde? Aber andererseits – kann ich Sie ge hen lassen? Sie sind bestimmt ‘ne Plaudertasche, die klatscht und tratscht. Ich muß Ihnen eine Lektion erteilen, damit Sie begrei fen, daß Sie diesmal das Maul zu halten haben.« »Eine Ausdrucksweise haben Sie, junger Mann! Wohl keine Kin derstube gehabt?« tadelte Mylady den etwa Vierzigjährigen. »Entweder sind Sie blind, dumm oder unglaublich naiv, oder aber eine Mischung aus allem«, stellte der Muskulöse fest. »Sehen Sie das hier?« Er hob die Hand. »Eine Peitsche – na und? Glauben Sie, Sie imponieren mir damit, Sie Subjekt?« »Ach, kann ich das nicht?« Der Herkulische grinste. »Na, das wol len wir doch mal sehen.« Er trat etwas zurück und ließ für eine Sekunde die ältere Dame aus den Augen. Und das war sein ent scheidender Fehler. Mylady hatte längst ihren Pompadour ergriffen, und der Handbeu tel krachte gegen die breite Brust ihres Gegenübers und ließ ihn zurücktaumeln. Während der Mann mit den Armen durch die Luft ruderte, landete seine Peitsche auf dem Boden und wurde von Lady Agatha mit raschem Tritt unter die Liege befördert.
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Josuah Parker stand vor der Kabine und machte sich nicht be merkbar. Das hatte seinen guten Grund. Noch beherrschte Myla dy die Situation, wie er durch einen Spalt im Vorhang sah. Aber das konnte nicht lange so bleiben. Der Muskelberg war dafür ein fach zu stark. Sollte sich die Situation grundlegend ändern, würde Parker ein greifen und seine Herrin vor Schaden bewahren. Angesichts der Enge der räumlichen Verhältnisse in der Kabine war es besser, von außerhalb zu überraschen. »Na schön, Oma, einen Punkt für dich«, konzedierte der Muskulö se. »Aber jetzt ist Schluß mit der Pietät, jetzt dreh’ ich dir den Kragen um!« »Schämen Sie sich nicht, so mit mir zu reden, Sie Lümmel?« raunzte die ältere Dame unbeeindruckt, ließ ihren Fuß vorschnel len und an seinem Schienbein landen. Der Koloß heulte auf, stürmte vorwärts, riß die Hände hoch und machte Anstalten, seine Gegnerin zu umarmen. Die ältere Dame reagierte erstaunlich schnell. Sie trat beiseite, und der Koloß flog vorbei und halb aus der Kabine hinaus. Dort wartete Josuah Parker. Er hatte sein Badetuch gerollt und vorne einen Knoten geknüpft. Dieser Knoten war erstaunlich stark und streichelte die Stirn des Herkulischen. Der Mann prallte zurück, taumelte in die Kabine und stürzte über Myladys Bein. Krachend schlug er zu Boden und rollte sich dort zusammen. Einen Augenblick später sprang er bereits wieder mit einem Wutschrei auf die Füße und sah sich mit blutunterlaufenen Augen um. Josuah Parker hatte einen seiner winzigen, stricknadeldünnen Pfeile verschossen, der ein schnell wirkendes, aber harmloses Narkotikum enthielt. Sonores Schnarchen zeigte, daß der Getrof fene bereits schlief und vorerst als Gefahrenquelle ausschied. »Darf man Mylady einen Vorschlag hinsichtlich des weiteren Vor gehens unterbreiten?« »Immer, Mister Parker. Ich bin gespannt, ob Sie mit meinen Plä nen übereinstimmen.« »Mylady denken womöglich auch an die Sauna«, schlug Parker gemessen und würdevoll vor. »Eine solche eignet sich hervorra gend zur Durchführung eines effektiven Verhörs.«
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Bei dieser Ankündigung fiel ihr Blick auf die nackte junge Frau. »Ach, Kindchen, einen Moment mal!« bemerkte sie und zog ihren Bademäntel aus. Sie deckte die junge Frau damit zu und wandte sich dann an den Butler. »Haben Sie gesehen, wie der Unhold sie zugerichtet hat, Mister Parker?« klagte sie. »Mit dem größten Bedauern, Mylady. Dennoch nahm man die Striemen sozusagen aus den Augenwinkeln Wahr. Man gibt der Hoffnung Ausdruck, rechtzeitig gekommen zu sein.« Josuah Parker nahm indes ein sogenanntes Feuchtigkeitstuch, befreite es von seiner Verpackung und reichte es seiner verblüff ten Herrin. »Könnten Mylady vielleicht feststellen, ob die Strie men der jungen Dame aus einem Filzmaler herrühren?« Damit hielt der Butler den Stift hoch, und Mylady starrte verständnislos auf das Schreibgerät. Dann dämmerte es ihr. »Sie meinen…?« begann sie, brach dann ab und griff nach dem Tuch. Sie lüftete den Bademantel über den Schenkeln der jungen Frau, benützte das Tuch und betrachtete eingehend die rote Farbe. »Tatsächlich«, staunte sie. »Aber wa rum, Mister Parker? Außerdem, ich habe das Kind doch deutlich schreien hören.« »Auch meine Wenigkeit, Mylady«, stimmte Parker zu. »Hier wen det man einen ebenso raffinierten wie verabscheuungswürdigen Trick an. Wahrscheinlich zeichnete der Masseur die Striemen auf den Körper der jungen Dame und kündigte ihr gleichzeitig an, daß er sie sozusagen als Zielscheibe angebracht habe. Damit setzte er sie sogenanntem psychologischem Terror aus, der sich schließlich in dem von Mylady und meiner Wenigkeit wahrgenommenen Schrei artikulierte.« »Ja, aber… wollte er sie denn gar nicht schlagen?« wunderte sich die Detektivin. »Mylady erinnern sich an das abgehörte Gespräch«, erläuterte Parker gemessen. »Darin ging es unter anderem darum, daß der jungen Dame keine Beschädigungen, wie man sich unqualifiziert ausdrückte, zugefügt werden dürften. Wenn die Agentur, wie My lady längst vermuten, dazu dient, junge Damen gegen ihren Wil len der Prostitution zuzuführen, hat man ein gewisses Interesse an der körperlichen Unversehrtheit der Betreffenden.« »Entsetzlich, Mister Parker! Wie kann man nur so etwas tun?« Lady Agatha blickte angewidert auf den Muskelberg zu ihren Fü ßen.
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»Schaffen Sie den Lümmel in die Sauna, Mister Parker, und hei zen Sie ihm ordentlich ein! Ich komme nach, wenn ich mich um das Kind gekümmert habe«, ordnete sie an und beugte sich über die Liege. Der Butler verließ den Massagebereich und steuerte den Material raum an. Er erinnerte sich, dort etwas gesehen zu haben, das er jetzt brauchen konnte. Zwei Minuten später schob er einen flachen Karren, der norma lerweise wohl zum Transport von Getränkekisten diente, in den Massageraum. Er lud den Fleischberg auf, was er erstaunlich leicht bewerkstelligte, und rollte den Wagen zur Sauna. Wenige Augenblicke später ruhte der Koloß auf der höchsten Bank in einer der Kabinen, und Parker machte sich daran, dem Strolch richtig einzuheizen. * Der Dschingis Khan-Schnurrbärtige erwies sich als nicht sehr wi derstandsfähig. Sein Körper schien sich förmlich in Schweiß auf zulösen, während er auf seiner Bank hockte. Von Zeit zu Zeit betrat Josuah Parker die Kabine und sah nach dem Mann. Er kannte dessen Konstitution nicht und wollte auf jeden Fall vermeiden, daß ihm etwas passierte. Der körperlich beeindruckende Herkules sollte nicht über Gebühr strapaziert werden. Der Butler schien bei den Sauna-Visiten nichts von der feuchten Hitze zu spüren, obwohl er kein Stück seiner gewohnten Kleidung abgelegt hatte, wenn man mal von den Schuhen absah. Mylady hingegen, die gleichfalls des öfteren in der Kabine verschwand, kehrte jedesmal mit schweißglänzender Stirn zurück und benötig te einen Kreislaufbeschleuniger, um sich zu erholen. »Der Lümmel schwitzt sich die schwarze Seele aus dem Leib, Mis ter Parker«, teilte sie dem Butler nach ihrem letzten Besuch mit. »Ich wette, er ist jetzt schon so weich, daß er alles sagen wird, was er weiß, nur, um da rauszukommen. Ich gebe ihm noch zehn Minuten.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen«, gab der Butler gemessen zurück. »Sollte man nicht in der Zwischenzeit nach den Kleidern
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der jungen Dame suchen, um mit ihr möglichst unauffällig das Fitneßcenter zu verlassen?« Die resolute Dame sah ihn einen Augenblick überrascht an, dann nickte sie. »Ach ja, gut. Wo könnten ihre Sachen denn sein, Mis ter Parker?« »Möglicherweise in einem der Schließfächer, Mylady. Meine We nigkeit könnte sie öffnen und nachsehen.« »Daß Sie die Sachen aber nicht genauer ansehen, wenn Sie sie gefunden haben, Mister Parker!« ermahnte sie ihn. »Ich möchte nicht, daß Sie durcheinandergebracht werden.« »Man wird sich bemühen, Mylady«, versprach Parker und entfern te sich, um sich zu den Schließfächern zu begeben. * Der Muskelmann hatte nicht viel zu berichten. Er gab lediglich zu, der von der Agenturchefin erwähnte Sid zu sein und fügte mit »Wilkins« auch seinen Familiennamen hinzu. Ansonsten konnte er nur noch berichten, von Ken, dem Honda-Fahrer, den Auftrag erhalten zu haben, die junge Frau so zu behandeln, daß sie nie wieder auf die Idee käme zu flüchten, und daß dies mit dem Ein verständnis der Agenturchefin erfolgt war. Dies alles wußte man bereits. Josuah Parker hatte die Aussage auf Tonbandkassette aufgenommen und verfügte damit über ein Mittel, mit dem er später die beiden Auftraggeber konfrontieren und provozieren wollte. Gerichtsverwertbar war das Band kaum, auch die Aussage nicht, die sowohl er als auch Mylady bezeugen konnten. Jeder clevere Anwalt hätte sie mit dem Hinweis, daß sie unter Zwang zustande gekommen war, vom Tisch gewischt. Dennoch war der Butler zufrieden. Seine Ahnungen hatten sich bestätigt. Die Agenturchefin, so hatte der Muskelmann weiter berichtet, ließ regelmäßig junge Frauen ihm vorführen und drohte ihnen damit, daß er sich sehr intensiv mit ihnen befassen würde, sollten sie auf dumme Gedanken kommen. Seine Erscheinung war beeindruckend, daß die Frauen jedesmal eingeschüchtert worden wären und bislang niemand einen Flucht versuch unternommen hatte. Bis auf Charlotte Kelly, die noch auf
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der Liege im Massageraum lag und sich von ihrem Schrecken er holte, von dem sie das Paar aus Shepherd’s Market befreit hatte. * Charlotte Kelly hatte sich einigermaßen gefangen. Sie hing am Arm der älteren Dame und machte ganz den Eindruck, diesen so schnell nicht mehr loszulassen. »Wenn man bitten dürfte?« Josuah Parker schob den Vorhang zur Bar beiseite und ließ die beiden Damen passieren. Die Menschen am Tresen blickten erstaunt auf, vor allem zwei junge Männer, die Mylady und den Butler fassungslos musterten. Die junge Frau dahinter stellte das Glas ab, das sie gerade polier te, setzte ihr einstudiertes Lächeln auf, als sich das Trio dem Tre sen näherte, und nickte andeutungsweise. »Was darfs denn sein?« erkundigte sie sich mit unsicherer Stimme. »Haben Sie einen trinkbaren Cognac, Kindchen?« erkundigte sich die ältere Dame freundlich. »Ich bitte Sie, Alkohol gibt’s hier nicht«, entrüstete sich die Be dienung. »Nicht in einem Fitneßcenter! Sie können Säfte haben, wir verfügen über eine reichhaltige Auswahl. Oder auch Mineral wasser.« »Aber Kaffee haben Sie doch wenigstens?« »Ja, natürlich.« »Gut, geben Sie uns Kaffee und zwei leere Gläser extra.« Verwundert führte die junge Frau die Bestellung aus. Sie stellte drei Tassen Kaffee auf den Tresen und zwei leere Gläser, wie sie sie zum Servieren von Fruchtsäften verwendete. »Mister Parker, zwei Kreislaufbeschleuniger, wenn ich bitten darf«, wandte sich Mylady an den Butler. Josuah Parker hatte den Wunsch bereits geahnt, als Lady Agatha die leeren Gläser orderte. Er goß großzügig bemessene Portionen ein und deutete eine Verbeugung an. »Kommen Sie, Kindchen, das bringt Sie wieder auf die Beine«, war die Detektivin sicher und reichte Charlotte Kelly ein Glas. Sie prostete ihr zu, setzte ihr eigenes Glas an und leerte es zügig. Die jungen Männer vor der Theke und die Bedienung sahen fas sungslos zu. »Das gibt’s doch nicht!« stammelte die junge Frau hinter dem Tresen und schüttelte ungläubig den Kopf.
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»Das kann ich nicht glauben«, kommentierte ein junger Mann und sah seinen Freund aus großen Augen an. »Was ist man schuldig?« erkundigte sich Josuah Parker bei der Bedienung und legte einen Schein auf die Theke. »Meine Wenigkeit darf Ihnen versichern, daß der Aufenthalt in Ihrem Etablissement durchaus anregend und kurzweilig wirkte«, teilte er dabei mit und lüftete andeutungsweise die Melone. »Ich habe Sie gar nicht kommen sehen«, gab die junge Frau zu rück. »Man bemühte sich um eine gewisse Zurückhaltung. Darin dürfte der Grund liegen«, tröstete Parker sie. »Immerhin dürfte ihr ge wohntes Publikum über ein anderes Äußeres verfügen.« »Da haben Sie – verdammt noch mal – recht«, stellte der andere junge Mann vor der Theke fest und lachte laut. »Amüsieren Sie sich etwa über mich, Sie Subjekt?« raunzte Myla dy ihn an und faßte ihn scharf ins Auge. »Ich hab’ Ihnen doch nichts getan«, steckte der Mann sofort zu rück, grinste dabei aber leichtsinnigerweise. »Das wollte ich Ihnen auch geraten haben, Sie kleiner Schlingel«, bemerkte Mylady schelmisch und zwickte ihn oberflächlich in die Wange. Das Gesicht des jungen Mannes verfärbte sich. Er stöhnte, be gann auf seinem Hocker zu schwanken und lief Gefahr herunter zu fallen, wenn ihn nicht der Butler rechtzeitig abgestützt und wieder zurechtgerückt hätte. »He, was hast du denn?« wollte sein Freund wissen und sah ihn besorgt an. »Vermutlich eine kleine Kreislaufschwäche, die gleich wieder vor über sein dürfte«, vermutete Josuah Parker und nickte freundlich. Dann wandte er sich an die junge Frau hinter dem Tresen und tat so, als hätte er etwas vergessen. »Mylady hat sich umgesehen, um sich erste Informationen über Ihr Etablissement zu verschaffen«, teilte er ihr mit. »Würden Sie so freundlich sein und veranlassen, daß man Lady Agatha Simp son Prospekte und Preislisten Ihres geschätzten Unternehmens ins Haus schickt?« Damit reichte er ihr seine Karte, die die junge Frau automatisch entgegennahm, ohne darauf zu sehen. »Aber das können Sie doch gleich mitnehmen«, schlug sie vor. »Ich habe alles da.«
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»Aus bestimmten Gründen würde man den Postweg vorziehen«, wehrte Parker ab. »Sie haben doch die Freundlichkeit, dafür zu sorgen?« »Wenn Sie unbedingt wollen.« Die junge Frau zuckte die Achseln, ihr war das schließlich egal. Sie legte die Karte in ein Fach hinter sich und nickte Parker zu. Der Butler legte indes nicht den geringsten Wert auf das Werbe material des Fitneßcenters. Ihm ging es nur darum, daß die Ad resse von Myladys Haus in Shepherd’s Market vorlag, um die Gangster zu gewissen Maßnahmen herauszufordern. Wenn man erst mal festgestellt hatte, was hier vorgefallen war, würde man sicher die ahnungslose junge Frau befragen und sich von ihr eine Beschreibung von Mylady und seiner Wenigkeit ge ben lassen. Die Bedienung sah kopfschüttelnd hinter ihnen her, als sie zum Aufzug gingen. So etwas hatte sie noch nicht gesehen. Dann aber kamen einige andere Fitneßapostel aus dem Übungsraum und setzten sich an die Bar, und sie vergaß das skurrile Paar, das of fenbar in Begleitung seiner Tochter gekommen war, als die sie Charlotte Kelly eingestuft hatte. »Würden sich Mylady noch einen Augenblick gedulden?« bat der Butler, nachdem man den Wagen erreicht hatte. »Was haben Sie vor, Mister Parker?« »Meine Wenigkeit möchte die Stimmung in der Agentur noch ein wenig anheizen, Mylady, und deshalb noch mal kurz vorbeischau en.« »Und wie stellen Sie sich das vor, Mister Parker?« Der Butler sagte es ihr, und Mylady nickte zufrieden. »Das gefällt mir, Mister Parker. Eigentlich müßte ich mitkommen und dabei sein. Aber ich werde mich um das arme Kind kümmern müssen. Beeilen Sie sich aber, und lassen Sie vorsichtshalber den Kreis laufbeschleuniger da. Ich fürchte, das Kind ist noch immer sehr durcheinander.« »Ein Eindruck, den auch meine Wenigkeit gewann«, stimmte der Butler zu und reichte ihr die lederumhüllte Taschenflasche in den Fond. *
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Die Empfangsdame sah konsterniert auf, als der Butler erneut in der Tür stand. »Sie?« dehnte sie das Wort und drückte gleichzeitig heftig einen Knopf auf ihrem Schreibtisch. Wenige Augenblicke später erschien die Agenturchefin, die durch das Signal wohl alarmiert worden war. Auch sie bekam große Au gen, als sie Parkers ansichtig wurde. »Ja, aber…« begann sie und brach dann hilflos ab. »Verzeihen Sie, wenn man die Damen noch mal belästigt«, ent schuldigte sich Josuah Parker höflich. »Bevor Sie übrigens die diesbezügliche Frage stellen, die Tür stand schon wieder offen. Möglicherweise liegt ein Defekt des Schließmechanismus vor. Sie sollten vielleicht einen Fachmann konsultieren.« »Das glaube ich nicht«, stieß die Agenturchefin hervor. »Wo ist Ken?« wandte sie sich an ihre Mitarbeiterin. »Schon gegangen«, bedauerte die Sekretärin. »Vor fünf Minu ten.« »Der rote Honda stand nicht mehr vor dem Haus«, bestätigte Parker. »Aber nun zum Anlaß meiner Rückkehr. Mylady läßt Ih nen noch mal ausdrücklich für Ihr Verständnis danken. Ihre Be sorgnis ist jetzt völlig ausgeräumt, sie war in der erfreulichen La ge, zwischenzeitlich auf ihre Nichte zu stoßen und sich ihrer an zunehmen.« »Sie war was?« Eileen Rogers wurde blaß. »Im Fitneßcenter über Ihnen«, fuhr Parker ungerührt fort. »Myla dy wollte sich eine solche Einrichtung schon immer mal ansehen und traf dabei auf ihre Nichte!« * »Na ja, welches gutaussehende junge Mädchen träumt nicht da von?« Charlotte Kelly saß im kleinen Salon des altehrwürdigen Fach werkhauses, das Lady Agatha in Shepherd’s Market bewohnte, und lächelte entschuldigungsheischend. Die anderen Personen waren außer der Hausherrin Kathy Porter und Mike Rander. Der Butler stand wie immer stocksteif und hochaufgerichtet hinter dem Stuhl seiner Herrin und fixierte einen imaginären Punkt an der gegenüberliegenden Wand.
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Kathy Porter galt offiziell noch immer als Sekretärin und Gesell schafterin Myladys. Sie war eine attraktive junge Frau um die dreißig, deren hochangesetzte Wangenknochen und schrägge schnittenen Augen ihr exotischen Reiz verliehen. Wie sie so saß, wirkte sie wie ein scheues Reh. Allerdings konnte sie sich im Bedarfsfall in eine Pantherkatze verwandeln, die in allen fernöstlichen Verteidigungsarten bestens bewandert war. Schon vor geraumer Zeit hatte Mylady sie in die Kanzlei Mike Randers delegiert, damit sich die beiden >Kinder<, wie sie ihre Gesellschafterin und den Anwalt nannte, menschlich näherkamen. Es war der Herzenswunsch Myladys, daß aus den beiden ein Paar wurde. Mike Rander, der sich nicht nur als Anwalt, sondern vor allem auch als Vermögensverwalter der älteren Dame betätigte, war um die vierzig, korrekt und sportlich gekleidet, er gab sich lässig leger. Er erinnerte verblüffend an einen bekannten Film-Geheimagenten und wurde von vielen, die nur wenig Menschenkenntnis besaßen, als großer Junge sträflich falsch eingeschätzt. »Das verstehen wir doch, Kindchen«, versicherte die Hausherrin ihr und lächelte Charlotte Kelly beruhigend zu. »Leider wird es immer wieder Menschen geben, die den Ehrgeiz anderer ausnut zen, das ist nun mal so. Sie haben aber noch mal Glück im Un glück gehabt. Sie haben mich getroffen.« »Ich bin Ihnen ja so dankbar.« Die junge Frau, die Anfang zwan zig sein mochte, schluchzte leise und griff nach einem Taschen tuch, das ihr Kathy Porter reichte. »Mir ist das furchtbar pein lich«, fuhr sie fort. »Ich schäme mich so.« »Das brauchen Sie nicht.« Lady Agatha zeigte sich gefühlvoll und tätschelte der jungen Frau die Hand. »Man hat Sie schließlich zu dem gezwungen, was Sie dann tun mußten und Mister Parker und ich wissen inzwischen, wie diese Verbrecher vorgehen.« »In der Tat, Miß Kelly«, meldete sich Josuah Parker zu Wort. »Man kann sich Myladys Ausführungen nur anschließen, Sie ha ben keinen Grund, sich zu genieren. Man ist nicht verantwortlich für Handlungen, zu denen man gezwungen wird.« »Das sagen Sie so«, schluchzte die junge Frau weiter. »Und ich weiß auch, daß Sie recht haben. Aber ich fühle mich so erniedrigt, das können Sie einfach nicht nachempfinden.«
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»Sicher nicht, aber wir verstehen Sie, und wir werden alles tun, damit Sie die furchtbare Geschichte schnell vergessen«, mischte sich Kathy Porter ein. »Vor allem aber werden sich Mylady und Mister Parker darum kümmern, daß die Strolche, die Ihnen das angetan haben, hinter Gitter kommen und dafür büßen.« »Sie wissen ja nicht, worauf Sie sich da einlassen.« Charlotte Kel ly wischte sich die Tränen ab und versuchte ein Lächeln. »Sie haben schon so viel für mich getan. Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gutmachen soll. Aber Sie sollten sich nicht weiter da mit befassen, denn diese Gangster sind zu allem fähig. Ich möch te nicht, daß Sie meinetwegen Schaden erleiden.« »Ich bin es ganz bestimmt nicht, die den Schaden haben wird, Kindchen.« Lady Agatha lachte dröhnend. »Wenn Sie wüßten, wie viele Ganoven schon versucht haben, mir zu schaden, nicht wahr, Mister Parker? Und die sitzen jetzt alle hinter Gitter. Mister Parker kann Ihnen sagen, wie ich mit der Unterwelt umgehe.« »Sie können Mylady vertrauen, Miß Kelly«, versicherte der Butler ihr. »Mylady dürfte die erfolgreichste Kriminalistin der Insel sein, einen Mißerfolg kennt sie nicht. Selbst Regierungsdienststellen ziehen sie mitunter hinzu.« »Ist das wahr?« Die junge Frau sah die Hausherrin aus großen Augen an. »Natürlich, Kindchen.« Lady Agatha genoß es, gelobt zu werden. »Nun aber zurück zu Ihnen: Was werden Sie jetzt anfangen? Sie können vorläufig nicht dorthin zurück, wo Sie herkommen. Sie sollten im Haus bleiben, bis ich diese widerlichen Entführer aus geschaltet habe, und das wird nicht lange dauern.« »Ich werde mich um Sie kümmern.« Kathy Porter stand auf und setzte sich neben die junge Frau. »Sie brauchen sich wirklich kei ne Sorgen zu machen. Sie sind jetzt in Sicherheit.« »Aber was soll ich danach machen? Ich habe doch alles stehen und liegen lassen, um Mannequin zu werden, und meine Erspar nisse sind auch alle weg. Ich mußte doch den Kurs bezahlen.« »Welchen Kurs, Kindchen?« Lady Agatha sah ihren Gast stirnrun zelnd an. »Naja, die haben doch in den Zeitungen groß inseriert, Manne quinkurs mit Abschlußdiplom und garantierter Übernahme in die Kartei der Agentur«, erzählte Charlotte Kelly. »Dreitausend Pfund kostet die Schule.«
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»Sie mußten auch noch dafür bezahlen, daß man Sie anschlie ßend verschachert, Kindchen? Das ist wirklich dreist.« Lady Agat ha grollte. »In welchen Zeitungen erschienen die Anzeigen, und wann, Miß Kelly?« erkundigte sich der Butler. Die junge Frau nannte schnell ein halbes Dutzend Blätter, von denen sich die meisten mit der Film- und Modewirtschaft befaß ten. »Das war etwa vor einem halben Jahr«, schloß sie. »Aber ich habe auch vor zwei Wochen noch eine Anzeige gesehen – hier, ich habe sie bei mir.« Die junge Frau öffnete ihre Handtasche, nahm ihre Brieftasche heraus und zog schließlich ein zusammen gefaltetes Stück Papier hervor. Sie faltete es auseinander und schob es Mylady über den Tisch zu. Agatha Simpson nahm es auf und las es kopfschüttelnd. »Das ist ja wirklich die Höhe«, monierte sie und reichte Mike Rander die Anzeige. »Sie sollten sich mal damit befassen, mein lieber Junge! Vielleicht können Sie auch mit der Verlagsleitung dieses Blattes sprechen. Ich bin sicher, die ahnen nicht mal, daß sie Beihilfe zum Mädchenhandel leisten.« »Ich kümmere mich darum.« Kathy Porter hatte zugleich mit dem Anwalt die Anzeige gelesen, so daß Rander sie jetzt Parker über lassen konnte. »Eine durchaus renommierte Publikation«, stellte der Butler fest. Am Rand der Anzeige war der Name der Zeitschrift zu lesen. »Das ist es allerdings«, ereiferte sich Charlotte Kelly. »Alle Anzei gen erschienen in seriösen Blättern. Da denkt doch niemand an so was, oder?« »Ich bitte Sie, Kindchen, man will doch Geld verdienen. Das ist alles«, winkte Mylady ab. »Da müßte die Anzeige schon sehr obskur sein, um überprüft oder gar abgelehnt zu werden«, stellte der Anwalt fest. »Nein, Mylady hat völlig recht: Hier geht es nur ums Geldverdienen. Außerdem ist einzig und allein der Auftraggeber für den Inhalt und das, was dahinter steht, verantwortlich. Das haben Sie etwas zu naiv gesehen. Nehmen Sie’s mir nicht übel, wenn ich das mal so unverblümt formuliere.« »Das habe ich inzwischen ja gemerkt.« Charlotte Kelly zückte die Achseln. »Und Sie meinen wirklich, ich kann hierbleiben, bis das alles vorbei ist?«
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»Aber ja doch, Kindchen, das sagte ich doch schon. Und haben Sie keine Angst, daß ich nur unbedeutende Handlanger überfüh re.« »Hoffentlich!« Die junge Frau seufzte. »Ich weiß nicht, aber ich weiß jetzt schon, daß mir das noch Jahre später anhängt. Das kann man nicht einfach so abschütteln, verstehen Sie?« »Sicher, Kindchen. Doch Sie sollten sich lieber Gedanken darüber machen, was Sie danach anfangen. Aber das können Sie bei spä terer Gelegenheit mit Mister Parker und Mister Rander bespre chen. Ich hoffe doch, Sie verfügen über irgendwelche beruflichen Fähigkeiten.« »Ich bin ausgebildete Fotolaborantin«, erklärte die junge Frau stolz. »Ich habe erstklassige Zeugnisse.« »Na also, dann finden wir doch etwas für Sie!« Die ältere Dame erhob sich und nickte den Anwesenden zu. »Ich ziehe mich zum Meditieren zurück. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie mit dem Dinner soweit sind, Mister Parker! Vorher möchte ich auf keinen Fall gestört werden«, verkündete sie und verließ den kleinen Salon, dessen Tür der Butler höflich offenhielt. »Eine tolle Frau!« stellte Charlotte Kelly bewundernd fest, wäh rend sie ihr nachsah. »Das weiß sie auch.« Mike Rander grinste bei dieser Bemerkung und handelte sich dafür einen Rippenstoß von Kathy Porter ein. »Gut, Parker, wir gehen jetzt auch wieder rüber.« Mit »rüber« meinte der Anwalt die Kanzlei in der nahen Curzon Street. »Ich nehme die Anzeige mit. Mal sehen, was sich damit anfangen läßt. Melden Sie sich, wenn es was Neues gibt! Okay?« »Selbstverständlich, Sir.« Josuah Parker brachte Kathy Porter und den, Anwalt zur Tür, dann führte er die junge Frau zu der gemüt lichen, mit allem Komfort eingerichteten Gästesuite, die sie bis zum Abschluß des Falles bewohnen sollte. »Sollte Ihnen irgend etwas fehlen, drücken Sie diesen Knopf, Miß Kelly«, erklärte er ihr, während er auf einen roten Schalter neben der Tür wies. »Falls Sie den Wunsch haben sollten, das Haus zeitweise zu ver lassen, sollten Sie dies nach Möglichkeit mit meiner bescheidenen Wenigkeit absprechen.« »Vorläufig nicht. Ich bin froh, daß ich hier bin«, winkte sie ab. »Wie kann ich Ihnen nur danken?« Damit eilte sie auf ihn zu und drückte ihm einen herzhaften Kuß auf die Wange, bevor er rea gieren konnte.
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Der Butler räusperte sich und wandte sich betroffen ab. Ge fühlsausbrüche dieser Art machten ihn verlegen, besonders, wenn sie ihm galten. * Josuah Parker wunderte sich nicht, daß sich wenig später das Telefon meldete. Er stand in der geräumigen Wirtschaftsküche und war mit der Vorbereitung des Dinners beschäftigt. Das Telefon hatte er in die Küche umgeschaltet, damit seine Her rin nicht durch einen Anruf gestört wurde. Der Butler meldete sich korrekt und erkundigte sich nach den Wünschen des Anrufers. »Sie haben sicher mit einem Anruf ge rechnet, Parker«, vermutete der Mann am anderen Ende der Lei tung. Er hatte eine warme, durchaus sympathisch klingende Stimme. Parker schätzte das Alter ihres Besitzers auf Mitte Vierzig bis Fünfzig. »Es geht um die junge Dame, die Sie in der Modellagen tur abgeholt haben. Das heißt, eigentlich wohl eher im Fitneßcen ter, aber wir wollen ja keine Haarspalterei betreiben, nicht wahr?« »Was die Erwartung angeht, so haben Sie durchaus recht, Sir«, stimmte der Butler ihm zu. »Was möchten Sie zum Thema sa gen?« »Tja, ich fürchte, hier liegt ein Mißverständnis vor, Parker.« Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte leise. »Sehen Sie, Miß Kelly ist noch sehr jung, zudem recht naiv, aber das haben Sie sicher auch schon gemerkt. Verzeihen Sie, daß ich so offen mit Ihnen spreche. Schließlich soll sie ja eine Verwandte Ihrer Chefin sein, obwohl ich selbst das nicht so recht glaube.« »Erlauben Sie die Frage, was Sie glauben, Sir?« »Eher folgendes: Sie sehen rein zufällig, wie die junge Dame et was unsanft von zwei Männern aus dem Wagen gezerrt und in ein Haus geführt wird, ziehen daraus gewisse Schlüsse, falsche, wie ich gleich hinzufügen möchte – und mischen sich daraufhin ein. Ich habe mich mal umgehört, nachdem ich von der Sache erfuhr. Sie und Ihre Chefin haben einen gewissen Ruf. Es heißt, Sie jagen hinter Kriminalfällen her, die Sie dann erstaunlich unkonventionell
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lösen. Man hat in der Unterwelt eine gewisse Achtung vor Ihnen, wurde mir gesagt.« »Fürchten Sie nicht, daß diese Ausführungen Sie selbst in die Nä he der erwähnten Unterwelt rücken, Mister Hammond?« erkun digte sich Parker bei dem Mann, der sich zu Beginn des Ge sprächs als George Hammond vorgestellt hatte. »Normalsterbli chen, um es mal so auszudrücken, sind solche Informationen wohl kaum zugänglich.« »Ach, kommen Sie! Wenn man gute Beziehungen hat, erfährt man alles, was man wissen will, Parker. Das wissen Sie selbst doch wohl am besten. Außerdem, keine Haarspaltereien! Hatten wir das nicht ausgemacht? Was sagen Sie denn nun zu meiner Theorie? Habe ich recht damit?« »Selbst wenn, Sir, würde das nichts am bekannten Sachverhalt ändern.« »Dachte ich’s mir doch.« Der Anrufer lachte spöttisch. »In einem Punkt irren Sie sich allerdings, Sir«, störte Parker so fort seine Selbstzufriedenheit. »Man beobachtete nicht nur die Entführung der jungen Dame aus dem Wagen vor dem Haus der Agentur, meine Wenigkeit sah auch, wie sie in einem CityParkhaus gegen ihren Willen in besagten Wagen expediert wur de.« »Verdammt!« George Hammond fluchte, fing sich aber gleich wieder. »Na schön, Parker, ich gebe zu, für einen Außenstehen den mußte das verdächtig aussehen. Wahrscheinlich hätte ich an Ihrer Stelle ebenso gedacht. Ob ich mich eingemischt hätte, ist ‘ne andere Sache. Ich glaube nicht.« »Verbindlichsten Dank für Ihr Verständnis, Sir!« »Na, nun werden Sie mal nicht gleich sarkastisch!« George Hammond sprach jetzt ein wenig verärgert. »Aber Sie täuschen sich in der jungen Frau, das heißt, Sie schätzen die ganze Ange legenheit völlig falsch ein. Wissen Sie, die Modellszene ist knall hart, da geht’s mit Haken und Ösen zur Sache. Was meinen Sie, was da hinter den Kulissen los ist? Was ich sagen will, ist, daß das nur die wirklich Robusten und Belastungsfähigen durchste hen. Die anderen fallen ganz schnell wieder durchs Sieb, oder sie versuchen, sich ‘ne Weile noch zu halten, indem sie irgendwas nehmen. Ich brauche wohl nicht noch deutlicher zu werden.« »Sie meinen, viele dieser Damen nehmen Drogen, um dem Streß besser begegnen zu können, Sir?«
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»Klar doch. Naja, und die Kleine, die Sie da jetzt unter Ihre Fitti che genommen haben, gehört auch zu der Sorte. Sie ist einfach mit der Belastung nicht fertig geworden. Wissen Sie, ständig schön zu sein und zu lächeln, immer von Terminen gehetzt, im mer im Streß – das halten viele nicht aus, und Miß Kelly schon gar nicht.« »Sehr bedauerlich, Sir«, fand der Butler. »Ja, nicht wahr? Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß es die Auftraggeber gar nicht mögen, wenn ein Mannequin mitgenom men erscheint – das fällt leicht auf die Firma und ihre Produkte zurück. Also sehen wir zu, daß wir die betreffende Dame schnell aus der Schußlinie kriegen, wenn wir merken, daß da was nicht stimmt. Schließlich wollen wir nicht in den Ruf kommen, Drogen mäuse als Fotomodelle zu liefern, verstehen Sie?« »Man kann sich durchaus in Ihre Lage versetzen, Sir.« »Gut. Ja, also, Miß Kelly sollte heute morgen bei einer Fotosessi on für eine Haarpflegeserie erscheinen. Wir erfuhren im letzten Moment von einem der anderen Mädchen, daß sie vorher Drogen genommen hatte, und setzten sofort die beiden Leute, die Sie dann sahen, in Marsch, um ein anderes Mädchen hinzubringen und die Kelly abzuholen. Das ist schon alles, eigentlich ganz harmlos, von den Drogen mal abgesehen. Aber natürlich sieht jemand, der so unter Drogen steht, nicht ein, daß man ihn vorü bergehend aus dem Verkehr ziehen muß, und man muß eben sanfte Gewalt anwenden. Aber ich meine, das hätten Sie auch nicht anders machen können.« »Ihre Erklärungen klingen durchaus einleuchtend, Sir«, gestand der Butler ihm zu. »Wie passen Sie eigentlich ins Bild? Sie ver säumten es bislang, Ihre Rolle zu umreißen.« »Nun ja, Mistreß Rogers ist zwar die Schul- und Agenturleiterin von LMSA, aber sie brauchte natürlich Geldgeber, um den Laden aufzuziehen. Und die vertrete ich. Ich bin sozusagen der Verwal tungschef der Firma, wenngleich ich diesen Job auch von anderer Stelle aus erledige.« »Man vernimmt es mit größtem Interesse, Sir«, fand Parker. »Und Sie sind jetzt bemüht, die Affäre Kelly aus der Welt zu schaffen, wenn man Ihren Anruf richtig deutet?« »So ist es, Parker. Wir legen keinen Wert auf zusätzliche Proble me, wir haben ohnehin genug. Es ist weiß Gott nicht einfach, viele Modelle unter Kontrolle zu halten.«
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»Meine Wenigkeit fand die junge Dame in dem Fitneßcenter über der Agentur, wie Sie wissen, Sir«, erinnerte Parker ihn. »Und zwar unter recht merkwürdigen Begleitumständen.« »Ich weiß.« George Hammond seufzte laut. »Sid, das ist der Mas seur, sollte die Kleine nur ordentlich durchkneten, damit sie wie der klarsieht. Aber leider dreht er manchmal durch. Er wird wohl nicht immer damit fertig, ein hübsches, junges Mädchen auf der Liege zu haben. Wie auch immer – er hat sich da ein schlimmes Spiel ausgedacht. Wie ich hörte, wird das noch Folgen haben. Aber darum kümmere ich mich schon; das verspreche ich Ihnen. Es geht nicht an, daß er unsere Mädchen zu Tode erschreckt. Na türlich schicken wir auch niemanden mehr rauf. Schade eigent lich; es war so praktisch. Aber das geht jetzt natürlich nicht mehr. Ich würde gern mit der jungen Dame sprechen. Sie ist doch bei Ihnen, oder?« Parker hörte deutlich die Anspannung in der Stimme des Anrufers, als er die Frage stellte. »In der Tat, Sir, und daran dürfte sich vorläufig auch nichts än dern. Man hat Miß Kelly das Gastrecht versprochen, so lange, wie dies nötig erscheint.« »Sie hat einen Vertrag mit LMSA, Parker. Das ist Ihnen doch wohl klar«, ärgerte sich George Hammond. »Sie kann sich nicht ein fach zurückziehen und so tun, als hätte sie nichts mit uns zu schaffen. So geht’s nun auch wieder nicht.« »Mylady hat die Angelegenheit bereits an ihren Anwalt überwie sen, um auch den juristischen Aspekt der Sache zu überprüfen, Sir«, bemerkte Parker gemessen und würdevoll. »Sie werden deshalb demnächst von Mister Mike Rander hören, der den Ver trag der jungen Dame sorgfältig beleuchtet.« »Kommen Sie, Parker, das muß doch nicht sein!« blaffte der An rufer. »Sie hat einen Vertrag, und den muß sie erfüllen. Da gibt’s nichts dran zu rütteln, fertig, aus – so einfach ist das. Da kann auch Ihr Anwalt nicht dran drehen.« »Von Drehen kann nicht die Rede sein, Sir. Man möchte ganz all gemein den Vertrag einer juristischen Prüfung unterziehen; das ist alles.« »Ihr Anwalt sollte lieber mal nachfragen, wie es die junge Dame mit der Rückzahlung des Kredits hält, den wir ihr gewährt ha ben!« fauchte der Anrufer wütend. »Sie hat bisher nichts zurück zahlen müssen, aber wenn sie uns so kommt, fordern wir das Geld auf einen Schlag zurück.«
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»Sie sprechen von welcher Summe, die aufgrund welchen Um standes fällig sein soll, Sir?« »Nicht sein soll, sondern ist, Mann! Die Schule kostet natürlich Geld, und die meisten Mädchen können nicht zahlen. Die Verein barung ist dann die, daß ihnen die Schuld in Raten von späteren Gagen abgezogen wird. So haben wir’s auch mit der Kelly verein bart.« »Sie sprach davon, dreitausend Pfund eingezahlt zu haben, Sir.« »Dann müßte sie ja eine Quittung haben, Parker. Hat sie aber nicht, weil das nicht möglich ist. Aber wir haben ihre Unterschrift unter einem entsprechenden Kreditvertrag. Und wenn sie sich nicht schleunigst wieder hier einfindet, wird sie ‘ne Menge Ärger kriegen. Wir schmeißen unser Geld doch nicht einfach zum Fens ter raus.« »Eine durchaus verständliche Handlungsweise, Sir. Man wird Miß Kelly darauf ansprechen. Sie kann dann bei Bedarf anrufen. Ihre Nummer ist ja bekannt.« »Verbinden Sie mich jetzt mit ihr, das ist viel einfacher, Mann!« verlangte der Verwaltungschef der Agentur. »Ich werde ihr den Kopf waschen, und Sie werden sehen, danach wird sie reumütig zurückkehren.« »Bedauerlicherweise ist das nicht möglich, Sir. Miß Kelly bedarf dringend der Ruhe, und im übrigen hat Mylady selbst angeordnet, Miß Kelly gegen die Agentur abzuschirmen. Wie gesagt, sie mel det sich, sollte sie selbst diesen Wunsch haben. Guten Tag, Sir!« Damit legte Parker, auf, ohne dem Anrufer die Chance zu einer Erwiderung zu geben. * »Das glaube ich nicht, Kindchen.« Lady Agatha sah ihre junge
Besucherin kopfschüttelnd an.
»Doch, glauben Sie mir. Es ist wahr«, behauptete Charlotte Kelly.
»Diese Modeveranstaltungen sind nichts anderes als… als… äh…
na ja, Sie wissen schon.«
»Nicht zu fassen.« Lady Agatha wandte sich an den Butler. »Ha
ben Sie schon mal etwas Derartiges gehört, Mister Parker?«
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»Bislang nicht, Mylady, aber die Methoden der Unterwelt werden leider immer raffinierter«, ließ sich Parker zu diesem Thema ver nehmen. »Aber in der Regel werden die fraglichen Shows doch von Frauen besucht, meine Liebe«, meldete Agatha Simpson einen letzten Rest von Zweifel an. »Diese eben nicht, da sitzen fast nur Männer«, widersprach ihre Besucherin. »Sicher, hin und wieder ist auch eine Frau dabei, a ber nicht sehr oft. Doch es gibt ja auch Frauen, die sich dafür hergeben, nicht wahr?« »Unerhört«, räsonierte die ältere Dame. »Welch ein Sittenver fall!« »Außerdem«, fuhr die junge Frau fort, »kommt man so leichter an neue und vielleicht teure Kleider. Ich meine, wenn man dem Herrn Gemahl gewisse Freiheiten und kleine Freuden läßt.« »Das wird ja immer schöner.« Lady Agatha schüttelte erneut hef tig den Kopf und sah deutlich ihren Kreislauf in Gefahr. »Mister Parker, schenken Sie mir bitte nach! Das alles ist zuviel auf ein mal«, bat sie und deutete auf ihren Cognacschwenker. Man hatte das Frühstück hinter sich und saß im kleinen Salon beisammen, um über den Fall zu diskutieren. Dabei waren der jungen Besucherin eine Reihe weiterer interessanter Details ein gefallen, unter anderem der Hinweis auf gewisse Modenschauen, die im Grund nichts anderes waren als verkappter Striptease. »Mit anderen Worten, die Shows, an denen Sie teilnahmen, hat ten einzig und allein den Zweck, den anwesenden Herren eine Auswahl an jungen Damen zu bieten?« vergewisserte sich Mike Rander, der auch anwesend war. »Stimmt genau. Natürlich wurde zur Tarnung auch das eine oder andere Kleid gekauft, oder wenn Schmuck vorgeführt wurde, e ben das eine oder andere Schmuckstück. Aber das war nicht die Hauptsache.« »Und der Veranstalter ist immer eine ganz bestimmte Firma, mit der die Agentur zusammenarbeitet.« »Genau. Bellamy Show Arrangements heißt der Laden. Der Inha ber ist ein dandyhafter Typ. Ich habe ihn mehrmals in der Agen tur gesehen.« »Wie funktioniert das denn? Kann es nicht zu Mißverständnissen kommen, wenn jemand einen Kaufwunsch äußert und in Wirklich keit tatsächlich nur ein Kleid oder Schmuckstück haben will?«
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»Da passen die schon auf. Die geben verschiedenfarbene Melde karten aus. Die normalen Besucher, sofern es dabei überhaupt noch welche gibt, bekommen weiße, die richtigen blaue. Aber es sind meist nur wenige Uneingeweihte dabei. Die meisten wissen Bescheid – das sind Stammgäste. Bellamy sucht sich seine Gäste sehr sorgfältig aus, der ist schon jahrelang im Geschäft.« »Ich grolle immer mehr«, verkündete Mylady und sah die junge Frau mit flammenden Augen an. »Ich glaube, diesem Hillary wird bald ein Unglück zustoßen.« »Wem?« Charlotte Kelly sah die Hausherrin verständnislos an. »Mylady spricht von Mister Bellamy«, ließ sich Parker gemessen und würdevoll vernehmen, den Namen des Showbetreibers korri gierend. »Namen sind Schall und Rauch, Mister Parker«, fügte die Haus herrin an. »Wie komme ich denn an eine solche Einladung, Kind chen?« »Das ist nicht so einfach. Die werden nur an sorgfältig ausge suchte Leute vergeben«, wiederholte die junge Frau. »Ich wüßte nicht, wie man da rankommen kann.« »Könnte es sein, daß in der Agentur welche liegen, Kindchen?« »Ja, schon möglich. Weshalb?« »Darüber machen Sie sich mal keine Gedanken!« Lady Agatha lächelte. »Die darf sich nämlich Mister Parker machen.« »Sehr wohl, Mylady.« Josuah Parker hatte verstanden. »Dürfte meine Wenigkeit eine weitere Frage stellen, Miß Kelly? Wie kommt es, daß Sie so viel wissen? Man sollte doch davon ausge hen, daß es Ihren bisherigen Arbeitgebern darauf ankam, Sie möglichst wenig wissen zu lassen.« »Klar, aber man kriegt eben doch ‘ne Menge mit. Ich meine, man müßte schon blind sein, wenn man nicht sieht, wie der Hase läuft. Außerdem: Nach einer gewissen Zeit verschwinden die Mädchen ja auch. Die Leute wollen doch immer was Neues haben, verste hen Sie? Na, und dafür sorgen die schon – das kann ich Ihnen sagen.« »Was heißt, sie verschwinden?« begehrte Mike Rander zu wissen. »Naja, sie sind eines Tages eben einfach nicht mehr da.« Charlot te Kelly zuckte die Achseln. »Auf Tournee, heißt es immer, wenn nachgefragt wird. Von Zeit zu Zeit kommen sogar von den Mäd chen Karten; die hängen dann im Büro.«
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»Meine Güte! Auf den Trick gibt’s schon Rente, der hat ja so ei nen Bart.« Mike Rander deutete mit den Händen an, was er mein te. »Wie bitte?« Die junge Frau verstand nicht ganz. »Schon gut! Ich wollte Sie nicht verwirren. Ich nehme an, die Karten kommen von richtig guten Adressen. Ich denke da an Pa ris, Rom, Madrid, Berlin und so weiter«, sagte der Anwalt. »Und da natürlich wieder von Läden, die in der Branche bekannt sind und einen gewissen Namen haben.« »Ja, eine schrieb sogar aus dem Lido. Stellen Sie sich das mal vor!« »Das reicht, Kindchen.« Lady Agatha räusperte sich explosionsar tig. »Das ist eine andere Sache. Um die kümmere ich mich dann auch noch, wenn es soweit ist. Mister Parker, was schlagen Sie vor?« »Man sollte vielleicht der Firma Bellamy einen Besuch abstatten«, überlegte der Butler. »Zudem sollte man sich dringend um eine Einladung zu einer der Shows bemühen.« »Tun Sie das, Mister Parker! Ich ziehe mich jetzt wieder zurück. Rufen Sie mich bitte an, wenn Sie einen Plan haben! Ich werde ihnen dann sagen, was ich davon halte.« Damit erhob sich Agatha Simpson und entschwand. Charlotte Kelly sah die beiden Männer am Tisch unsicher an. »Und was mache ich?« erkundigte sie sich mit kläglicher Stimme. »Soll ich den ganzen Tag im Haus sitzen?« »Nein, Kathy kümmert sich um Sie.« Mike Rander erhob sich und nickte Parker zu. »Ich nehme sie mit rüber, ich passe schon auf sie auf, Parker.« »Geht in Ordnung, Sir.« Josuah Parker nickte dem Anwalt freund lich zu. Er wußte, daß er sich auf seinen früheren Arbeitgeber verlassen konnte und der jungen Frau in seiner Begleitung nichts passierte, zudem hatte er sich vergewissert, daß das Haus zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter Beobachtung stand, man also noch nicht versuchte, die junge Dame gewaltsam zurückzuholen. »Man freut sich, Sie wiederzusehen, Sir«, grüßte Parker den jun gen Mann, der sich in Charlotte Kellys Wohnung aufhielt. Parker hatte sich die Adresse von der jungen Frau geben lassen und beschlossen, sich dort umzusehen. In seiner Begleitung be fand sich Mike Rander, der die junge Frau in Kathy Porters Obhut
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zurückgelassen hatte. Kathy wollte mit ihr aufs Land fahren und versuchen, sie wieder ein wenig aufzumöbeln. Ken Walker, Anfang Dreißig, kompakt gebaut, sehr muskulös und Honda-Fahrer, wie Parker wußte, sprang erschrocken auf. Er kniete gerade vor einer Vitrine, deren Türen weit offenstanden, und blickte die beiden so überraschend aufgetauchten Männer irritiert an. Er war gerade dabei gewesen, eine dicke Mappe mit Briefen, Fotos und anderen persönlichen Dingen durchzuwühlen, als er gestört wurde. Er wußte nicht, was er von diesem Besuch halten sollte; und richtete sich langsam auf. »Gefallen Ihnen die Bezüge nicht mehr?« spottete Mike Rander. Sein Blick ruhte dabei auf einer Sitzgarnitur, die zerschlissen war. Sprungfedern ragten heraus, Schaumgummi quoll aus den Schnittstellen. »Äh… ja… also… verdammt, wie komme ich überhaupt dazu, Ih nen Rede und Antwort zu stehen?« gab Walker, der sich für den Angriff entschieden hatte, zurück. »Was haben Sie hier zu su chen? Was fällt Ihnen ein, in eine fremde Wohnung einzudringen? Machen Sie, daß Sie rauskommen, oder ich rufe die Polizei!« »Was voraussetzen würde, daß Sie sich hier legal aufhalten, Mis ter Walker«, bemerkte der Butler ruhig. »Klar, tu’ ich auch. Die Kelly und ich… ich meine Charlotte… wir waren so gut wie verlobt; deshalb habe ich auch ‘nen Schlüssel.« Er deutete triumphierend auf ein Schlüsselbund auf dem niedri gen Couchtisch. Josuah Parker besah sich die Schlüssel näher. »Es handelt sich dabei um erst kürzlich hergestellte Nachschlüssel, Sir«, stellte er fest. »Ja, sicher; aber dazu muß man erst mal das Original haben, o der? Und das hatte ich von… Charly.« »Ist Ihnen ja reichlich spät eingefallen, der Kosename Ihrer an geblichen Verlobten«, spottete Mike Rander. »Ehrlich gesagt, ich hätte der Kleinen mehr Geschmack zugetraut.« »Was wollen Sie hier?« »Man gedenkt für Miß Kelly einige Kleidungsstücke zu holen.« Parker hielt einen Schlüssel hoch. »Wie Sie sehen, verfügt auch meine Wenigkeit über einen Schlüssel. In diesem Fall handelt es sich allerdings um das Original.« »Wo ist sie denn jetzt?« Ken Walker schob sich vorsichtig näher an die beiden Neuankömmlinge heran.
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»In Sicherheit. Sie kommen nicht an Sie heran, Sportsfreund«,
bemerkte Mike Rander und grinste herablassend. »Sie wohnt bei
Lady Agatha Simpson, wenn Ihnen das etwas sagt.«
»Sie haben sie entführt«, beklagte sich der Honda-Liebhaber.
»Sie verwechseln uns wohl mit sich selbst«, wies der Anwalt ihn
zurecht. »Übrigens, sind Sie allein hier?«
»Äh… ja… wieso… warum fragen Sie?« kam unsicher die Antwort.
»Ich dachte, ich hätte hinter der Tür ein Geräusch gehört«, gab
Mike Rander gleichmütig zurück. »Aber ich kann mich natürlich
auch irren – oder etwa doch nicht?« fügte er anschließend hinzu
und beobachtete Walker scharf.
* Ken Walker hielt ein Messer in der stoßbereiten Rechten und be gann, um den Anwalt herumzutänzeln. »Ich sehe, Sie sind auch im Show-Busineß tätig«, zog Mike Rander ihn auf. »Ist das ein neuer Tanz, vielleicht irgendein Frucht barkeitsritual, das Sie irgendwo im Ausland gesehen haben?« Das war zuviel für den kompakten Honda-Fahrer. Mit wütendem Aufschrei stürzte er vor, riß das Messer hoch und schrie einen Augenblick später gellend auf. Mike Rander hatte ihm die Handkante auf die Messerhand gesetzt und sie nachhaltig geprellt. Das Messer fiel zu Boden und wurde von Rander unter einen Schrank gekickt. Josuah Parker hatte sich nicht um den Kampf gekümmert. Er wußte, daß der Anwalt allein mit dem gereizten Honda-Fahrer fertig wurde. Er wandte seine Aufmerksamkeit statt dessen einer Tür zu, die zu einem anderen Zimmer führte. Ebenso wie Mike Rander glaubte er, dort Geräusche gehört zu haben. Vorsichtig bewegte sich der Butler. Er hatte natürlich nicht die Absicht, einfach einzutreten und sich möglicherweise niederschla gen zu lassen. Statt dessen nahm er die Melone ab, drapierte sie auf dem Schirmgriff und schob diesen dann langsam durch die aufschwin gende Tür, die er mit der anderen Hand aufschob. Die Reaktion erfolgte prompt: Ein Stuhlbein sauste auf die Melone und schleuderte sie in den Raum. Der Schirm wurde Parker zur
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Seite geschlagen, und ein dunkler Schatten sprang hinter der Tür hervor, um sich auf ihn zu stürzen. »Man wünscht Ihnen einen ausgesprochen schönen Tag, Mister, Wilkins«, begrüßte Parker den hünenhaften Masseur des Fitneßc lubs. »Sollte man sich bei Gelegenheit Ihren Zorn zugezogen ha ben, oder worin liegt der Grund für Ihre heftige Reaktion?« Der dunkelhäutige Sid Wilkins stieß einen wütenden Schrei aus und riß einen Stuhl hoch, um ihn nach Parker zu werfen. Doch der Butler wich rechtzeitig aus, drehte den Schirm um und benutzte ihn als Degen. Sid Wilkins zeigte sich außerordentlich beeindruckt davon. Als die Schirmspitze an sein Brustbein stieß, schnappte er erregt nach Luft, verfärbte sich und spürte plötzlich eine unerklärliche Schwä che in den Beinen. Er taumelte zurück, stolperte über einen Sessel, der im Weg stand, und ließ sich schwer darauf nieder. Das Möbelstück war dem Ansturm allerdings nicht gewachsen. Es spreizte die ohnehin nicht mehr allzu fest verleimten Beine. Sie knickten ganz ab, und die Sitzfläche krachte zu Boden. »Sie sollten etwas sorgsamer mit anderer Leute Eigentum umge hen, wenn man Ihnen diesen Rat geben darf, Sir«, bemerkte Par ker gemessen und würdevoll. »Miß Kelly dürfte es mit Sicherheit nicht schätzen, wenn Sie ihre Möbel demolieren.« »Dieses Miststück!« japste der herkulisch gebaute Mann und ver suchte, sich wieder auf die Beine zu quälen. »Helfen Sie mir!« bat er, nachdem das nicht so ohne weiteres klappte. Josuah Parker nickte zustimmend. Er war freundlich und hilfsbe reit und ließ gern den Mitmenschen seine Unterstützung angedei hen. Ihm entging aber keinesfalls das tückische Funkeln in den Augen des Dunkelhäutigen. Dennoch streckte er ihm die weiß behandschuhte Rechte entgegen. Sid Wilkins umklammerte sie, rückte sich etwas bequemer zu recht und preßte dann Parkers Hand mit aller Kraft. Er strengte sich so an, daß ihm die Adern an der Stirn hervortraten. Die kräf tigen Zähne knirschten, als er sie zusammenbiß. »Sie sollten sich nicht überanstrengen, Sir«, sorgte sich der But ler, dem der mörderische Griff des Riesen nichts auszumachen schien.
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»Ich… Sie… verdammt, das gibt’s doch nicht!« Wilkins strengte sich noch mehr an und mobilisierte alle Kraftreserven. Josuah Parker sah ihm ungerührt in die Augen. Dann drückte auch er zu. Der Riese spürte, wie sein eiserner Griff, der bis jetzt noch jeden geschafft hatte, aufbrach und er sich in der unerfreuli chen Lage sah, die Hand vor dem festen Griff seines Gegners in Sicherheit bringen zu müssen. Er zog und zerrte, aber der Butler ließ nicht los. Seine Hand schien sich in eine Stahlklammer ver wandelt zu haben, der nichts entgegenzusetzen war. Schweißper len benetzten die Stirn des Herkules und rollten über sein breites Gesicht. Er biß die Zähne fester zusammen, preßte die Hacken gegen den Boden und versuchte, sich auf die Füße zu quälen. Der Butler half ihm gern. Er zog kräftig an der Hand des Riesen, trat gleichzeitig höflich beiseite und ließ los. Sid Wilkins flog, wie von einem Katapult geschleudert, in das Wohnzimmer hinter Parker, touchierte die Vitrine, vor der sein Kumpan Ken Walker gekniet hatte, und brachte sie bedenklich ins Wanken. Diverse Gläser begannen zu klirren, einige kippten um und zer barsten. Der Masseur setzte seinen Flug fort und landete schließlich an der Brust seines Komplicen. Ken Walker war diesem Ansturm allerdings nicht gewachsen. Er flog mit dem Rücken gegen die Tür, knickte in den Knien ein und krachte dann zu Boden. Sid Wilkins stürzte auf ihn und bedeckte ihn mit seinem massigen Körper. »Meine Güte, was sind die Jungs stürmisch«, wunderte sich Mike Rander. »Wie leicht kann man sich dabei weh tun, was, Parker?« »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler. »Die Herren scheinen belastende Unterlagen oder Fotos in der Wohnung Miß Kellys ge sucht zu haben.« »Na, sehen wir doch mal nach, ob sie schon fündig geworden sind!« schlug der Anwalt vor und beugte sich zu den beiden Män nern hinunter, um sie zu untersuchen. »Ein Tagebuch.« Der Anwalt hielt triumphierend eine Kladde mit rotem Kunstledereinband hoch. »Wie es Miß Kelly beschrieb«, kommentierte der Butler, der diese Information von der jungen Frau erhalten und aus diesem Grund den Besuch in ihrer Wohnung vorgeschlagen hatte.
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*
Die Kladde war hochinteressant, wie Parker nach kurzem Durch blättern feststellte. Aber zunächst galt es, die beiden Einbrecher ruhigzustellen. Das besorgte der Butler mit Hilfe dünner Plastik fesseln, die er seiner Melone entnahm. Trotz ihres geringen Ge wichts waren sie sogar haltbarer als Stahlhandschellen und hatten zudem die unangenehme Eigenschaft, sich immer enger zusam menzuziehen, wenn man an ihnen zerrte. Diese Fesseln zierten kurze Zeit später Hand- und Fußgelenke der Gangster. Erst dann machte sich der Butler daran, die rote Kladde genauer durchzusehen. Mike Rander sah ihm dabei über die Schulter. »Sehr schön«, kommentierte der Anwalt. »Die Aufzeichnungen sind ja fast minutiös geführt worden.« »In der Tat, Sir.« Josuah Parker konnte nur zustimmen. Natürlich war die Kladde kein Beweismittel, aber sie bot hochinteressante Informationen, die es ihnen erlaubte, noch einige andere Punkte zu finden, um einzuhaken. Zum Beispiel waren alle Orte verzeichnet, an denen die Verfasse rin hatte auftreten müssen. Auch hatte sie sich aus der Erinne rung Notizen zu räumlichen Beschaffenheiten der Clubs gemacht – etwa, wo in welchem Etablissement jene Räume lagen, in denen sie gewissen Herren zur Verfügung stehen mußte. Alles in allem war die Kladde ein Wegweiser durch die dunklen Geschäfte der Agentur und ihrer Hintermänner. »Fehlen nur noch nette kleine Bilder«, fand der Anwalt. »Auch die hat Miß Kelly gemacht. Sie erinnern sich gewiß, Sir, daß sie ihren Beruf mit Fotolaborantin angab. In dieser Eigen schaft brauchte sie nicht selbst zu fotografieren, aber ihr Interes se daran wurde geweckt, und es wurde schließlich zu ihrem Hob by. Sie legte sich eine kleine Sammlung von Kameras aller Grö ßen und Leistungsstärken zu, wie sie meiner Wenigkeit anver traute, und machte tatsächlich auch einige Bilder in den Clubs.« »Meine Güte, Mumm hat das Mädchen ja. Stellen Sie sich nur mal vor, man hätte sie dabei erwischt, Parker!« »Miß Kelly wäre dann mit Sicherheit nicht sehr pfleglich behandelt worden, Sir.« Josuah Parker begab sich in das Schlafzimmer, aus
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dem der dunkelhäutige Riese gekommen war, und sah sich kurz um. Auch dieser Raum war total verwüstet. Der große Schrank stand weit offen. Wäsche und andere Kleidungsstücke lagen ver streut. Die Matratze war aufgeschlitzt, der Teppich zurückge schlagen und teilweise von einem Messer zerschnitten. Interessant fand Parker den Aktenkoffer, der auf dem Bett lag. Als er ihn öffnete, entdeckte er, was er suchte: Darin lagen insge samt sechs Kameras sowie diverse Fotoalben, Tüten und Filmbe hälter. »Was haben wir denn da?« Mike Rander war dem Butler gefolgt und sah neugierig in den offenen Koffer. »Na, da haben wir unse re Fotosammlung ja, oder?« »In der Tat, Sir.« Parker war bereits dabei, Alben und Behälter in einen Plastikbeutel umzupacken, den er aus einer seiner Cover coat-Taschen zog. Dann kümmerte er sich um die Kameras. Er nahm eine nach der anderen zur Hand, kontrollierte sie und spul te, soweit das noch nicht geschehen war, die darin enthaltenen Filme zurück. Dann öffnete er die Kameras und nahm die Filme heraus. »Das ist ja ein tolles Ding. Habe ich noch nie gesehen«, staunte Mike Rander und nahm eine winzige, silbern glänzende Kamera zur Hand. Sie war ungefähr so groß wie die Schmalseite einer Zigarettenpackung und sah eher wie ein Spielzeug aus. »Ein deutsches Fabrikat, dem man nachsagt, besonders in Agen tenkreisen überaus beliebt zu sein, Sir«, erläuterte der Butler. »Trotz des winzigen Formats ist die Kamera in der Lage, gesto chen scharfe Bilder zu liefern, auch unter ungünstigen Bedingun gen. Es gibt dafür entsprechend empfindliche Filme. Wie Miß Kelly erzählte, sah sie die Kamera im Laden eines befreundeten Foto händlers und kaufte sie, weil sie sie so niedlich fand, wie sie mei ner Wenigkeit anvertraute.« »Was es nicht alles gibt!« Köpfschüttelnd legte Mike Rander die Kamera in den Koffer zu rück, aber Parker nahm sie gleich darauf selbst zur Hand und ließ sie in dem Plastikbeutel verschwinden. »Man sollte die Kamera mitnehmen, damit Miß Kelly nicht in einen falschen Verdacht ge rät, Sir«, schlug er vor. »Wie das, Parker?« Mike Rander sah den Butler aufmerksam an. »Meine Wenigkeit überlegte, wie man sich am besten der beiden Herren entledigen könnte«, informierte Parker ihn. »Am einfachs
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ten wäre es, die Polizei anonym zu verständigen, daß man hier einen Einbruch beobachtet habe.« »Sehr schön«, stimmte der Anwalt zu. »So, wie’s hier aussieht, ist die Sache, ganz eindeutig. Da brauchen wir gar nicht mehr viel zu machen.« »Man müßte die Herren nur noch davon überzeugen, hierzublei ben, Sir«, merkte Parker an. »Aber das ist kein Problem.« Damit wandte er sich ab und begab sich zu den Ganoven zurück, die ihm finster entgegenschauten. »Die Herren sollten sich ent spannen. Es ist ohnehin nichts mehr zu ändern«, schlug der But ler ihnen vor. »Harren Sie der kommenden Dinge mit der unvor eingenommenen Neugier eines Kindes, das Sie möglicherweise einmal waren!« »Das wird Ihnen noch leid tun, Sie verdammter Mistkerl!« brüllte Ken Walker und wand sich heftig – mit dem Ergebnis, daß die Fesseln schmerzhaft in seine Gelenke schnitten. »Und dann sind wir am Drücker, Mann, und das werden Sie ewig bereuen!« »Sie geben Versprechen ab, die Sie wahrscheinlich nie werden einlösen können, Mister Walker«, tadelte Parker ihn. »Aber wie auch immer. Würden Sie freundlicherweise einen Augenblick hier her sehen?« Damit hielt er ihm einen Flakon unter die Nase, den er aus einer der zahlreichen Innentaschen seines Covercoats ge zogen hatte. »Was ist das?« Walker drehte die Augen nach unten und betrach tete den Gegenstand mißtrauisch. »Ein Flakon, wie er gern zur Aufbewahrung von Duftwässern ver wendet wird«, erklärte Parker. »Darf man hören, ob Ihnen die Duftnote zusagt?« Damit drückte er auf den Sprühkopf und ließ dem Honda-Liebhaber einen feinen Nebel ins Gesicht spritzen. Der Erfolg war im wahrsten Sinn des Wortes umwerfend. Ken Walker entspannte sich Augenblicke später, legte sich be quem zurück und gab ein unmotiviertes Lachen von sich. »Sie fühlen sich wohl, Mister?« erkundigte sich Parker. »Klar doch, Mann, haha!« Walker starrte zu Butler Parker, der sich über ihn gebeugt hatte, empor, musterte ihn grinsend und brach dann wieder in lautes Gelächter aus. »Ich staune immer wieder, was Sie in Ihrem Labor zusammen brauen«, fand Mike Rander und schüttelte sich. Er wußte natür lich, daß Josuah Parker nicht nur gewisse technische Raffinessen
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entwickelt hatte, sondern sich auch sehr gern chemischen Prob lemen zuwandte, deren Ergebnisse er dann von einem bekannten Fabrikanten in die Tat umsetzen ließ. Oberste Maxime war dabei stets die absolute gesundheitliche Un schädlichkeit der betreffenden Präparate. Auch im Umgang mit Kriminellen achtete der Butler sorgfältig darauf, keine medizini schen Risiken einzugehen. »Sie kennen das Mittel ja bereits, Sir«, sagte Parker, während er zu Sid Wilkins hinüberging. »Ich weiß, ein Schuß Lachgas und dann noch einige Kleinigkeiten, die Sie da gemixt haben.« »In der Tat, Sir. Die Wirkung ist, wie Sie bereits des öfteren beo bachten konnten, ähnlich wie die bei Lachgas, nur länger anhal tend und nicht nachweisbar.« »Mancher Ganove, der sich mit Ihnen anlegt, wünscht sich be stimmt, Sie würden wie jeder normale Kriminalist mit einer soli den Pistole antreten, Parker.« »Möglicherweise, Sir. Das Unbekannte und deshalb besonders Gefürchtete zeitigt jedoch immer wieder überraschende Ergebnisse.« »He!« brüllte der Herkules aus seiner Ecke. »Was habt ihr mit Ken angestellt?« »Dasselbe wie mit Ihnen, Sportsfreund.« Mike Ränder grinste, als Parker sich über das Muskelpaket beugte und den Burschen gleichfalls gut versorgte. »Würden Sie freundlicherweise den Mund öffnen, Mister?« bat der Butler. Sekunden später breitete sich intensiver Alkoholgeruch aus. »Nur eine harmlose Substanz, die in der Tat hochprozentigen Al kohol gerüchlich nachahmt, Sir.« Auch Ken Walker war schon in dieser Weise behandelt worden. Jetzt kam es nur darauf an, auch visuell den richtigen Eindruck herzustellen, was recht einfach war. Parker brauchte nur zwei Flaschen zu holen, die er in einer Wandbar entdeckt hatte. Um den Gesamteindruck zu vervollständigen, legte er noch eine Damenarmbanduhr, die er im Bad auf einer Konsole gefunden hatte, in den Koffer zu den Kameras, fügte noch einige Besteck teile hinzu und warf obenauf ein paar kleinere Geldscheine.
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Vor das Bett stellte er den tragbaren Farbfernseher. Auch eine Kassette mit Schmuckstücken, die allerdings nicht besonders wertvoll waren. »Das reitet die Kerle ganz schön in die Patsche«, sagte der An walt. »Sie binden die Burschen los?« »In der Tat, Sir. Man kann sich jetzt entfernen und die Polizei verständigen.« Eine Telefonzelle fand sich gleich um die Ecke. Josuah Parker stieg aus, legte ein Taschentuch über die Sprechmuschel und be richtete von einem Einbruch, den er zufällig beobachtet hatte. Er gab die Adresse durch, legte rasch auf und kehrte zu seinem Wa gen zurück. »Donnerwetter! Nur sieben Minuten.« Mike Rander staunte nach einem Blick auf seine Uhr, als ein Streifenwagen am Ende der Straße auftauchte. »Und da beschweren sich die Leute immer über die Polizei, Parker!« * »Als Anwalt kann ich diese Methode nicht gutheißen, Parker«,
stellte Mike Rander wenig später fest.
»Was meine Wenigkeit durchaus versteht, Sir.« Parker zeigte
Verständnis für die Einstellung und verzog keine Miene.
»Als Bürger, der allzuoft den Medien entnehmen muß, wie hilflos
die behördlichen Aufklärer der Kriminalität gegenüberstehen,
könnte ich auf der anderen Seite zu der Ansicht gelangen, daß es
manchmal nicht anders geht«, fuhr der Anwalt lächelnd fort.
»Man dankt für Ihr Verständnis, Sir.«
»Nichts zu danken.« Mike Rander wechselte das Thema. »Ah, da
hinten kommt ja der gute Pickett. Ich bin gespannt, was er zu
sagen hat.«
Josuah Parker hielt direkt neben ihm am Bordstein, und Horace
Pickett stieg in den Fond.
Man befand sich nicht weit von der Adresse der Modell-Schule
und Agentur entfernt, was kein Wunder war. Parker hatte Horace
Pickett angerufen, ihm einige Informationen geliefert und ihn um
eine kleine Gefälligkeitgebeten.
Vom Äußeren her erinnerte der Zugestiegene an einen pensio
nierten Kolonialoffizier Ihrer Majestät. Er war um die Sechzig,
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hochgewachsen und schlank und hielt sich straff und aufrecht. Er hatte militärisch kurz geschnittenes Haar, einen akkurat gestutz ten Schnauzbart und trug Trenchcoat und Travellerhut. Wer ihn sah, würde nie auf den Gedanken kommen, daß er einige Jahre zuvor noch der ungekrönte König der Londoner Taschen diebe war. Sein Jagdrevier war der internationale Flughafen Heathrow, und er erleichterte grundsätzlich nur solche Zeitgenos sen um ihre Brieftaschen, die so aussahen, als könnten sie sich einen Verlust durchaus leisten. Aus diesem Grund hatte er sich auch beschönigend als »Eigentumsumverteiler« gesehen. Eines Tages jedoch geriet er an die Brieftasche eines hochrangi gen Mafioso, und dieser erwies sich als ausgesprochen nachtra gend. Er schickte seine Killer hinter Pickett her, und nur Josuah Parker, der zufällig auftauchte, konnte verhindern, daß sie ihren Auftrag ausführten. Seitdem wandelte Pickett auf der Seite des Gesetzes und rechne te es sich zur Ehre an, Parker und Mylady bei der Aufklärung ihrer Fälle behilflich zu sein. »Hineinzukommen war wirklich ein Kinderspiel, Mister Parker, aber das hatten Sie ja angekündigt«, berichtete Horace Pickett. »Ich wundere mich immer wieder, wie leichtsinnig die Leute sind.« »Die kennen Sie eben nicht«, spottete der Anwalt, der den ehe maligen Eigentumsumverteiler schätzte. »Na, trotzdem, ein wenig vorsichtiger könnten sie schon sein. Aber wie auch immer – ich denke, ich habe einige interessante Dinge gefunden, Mister Parker.« Damit hob er eine Collegemappe an, die er unter den Arm geklemmt hatte. »Die Buchführung ist in der Agentur erfreulich übersichtlich«, fuhr Pickett fort. »Ich habe alles, was mir wichtig schien, kopiert und Ihnen mitgebracht.« »Einschließlich eines Verzeichnisses jener Damen, die zur Zeit für die Agentur tätig sind beziehungsweise deren Schule besuchen, Mister Pickett?« »Auch diese Liste ist dabei, Mister Parker. Aber nicht nur die ak tuelle, ich habe auch alle übrigen Listen kopiert. Sie reichen drei Jahre zurück.« »Das gibt viel Arbeit, wenn Sie alle Mädchen überprüfen wollen, Parker«, bemerkte der Anwalt.
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»Man sollte es jedoch nicht unterlassen, Sir«, erwiderte Parker.
»Schon, um sicherzustellen, daß keine der Damen irgendwo ge
gen ihren Willen festgehalten wird.«
»Ganz meine Meinung. Aber dabei werden wir Hilfe brauchen.«
»Man wird geeignete Mittel und Wege finden, Sir«, glaubte Josu
ah Parker versprechen zu können.
»Und dann habe ich da noch ein Verzeichnis aller Engagements,
die die Agentur abgeschlossen hat«, berichtete Pickett weiter.
* »Das hätte mißlingen können, Mister Parker«, stellte die ältere Dame fest, als der Butler ihr am nächsten Morgen von dem Be such in der Wohnung Charlotte Kellys und der Begegnung mit den beiden Ganoven erzählte. »Aber schön, Sie haben sich ja ordent lich aus der Affäre gezogen, obwohl Sie eigentlich ohne mich im mer recht hilflos sind. Und Sie sagen, die Polizei hat die beiden mitgenommen?« »In der Tat, Mylady. Mister Rander und meine Wenigkeit warteten so lange, bis man mit den Herren Einbrechern wieder abrückte.« »Sehr schön!« Lady Agatha nickte zufrieden. »Was steht heute auf meinem Programm?« »Möglicherweise ein Besuch der Firma Bellamy Show Arrange ments, Mylady«, überlegte der Butler. »Dort könnte man sehen, ob etwas über weitere Veranstaltungen herauszufinden ist.« »Sagen darüber nicht die Unterlagen etwas aus, die Mister Pickett sichergestellt hat?« »Leider nein, Mylady, auch wenn sie ansonsten sehr aufschluß reich waren.« »Bei den Sachen, die Sie und Mister Rander aus der Wohnung der Kleinen mitbrachten, waren ja auch Fotos dabei, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady.« »Die. sehe ich mir nachher an, wenn Sie abgetragen haben, Mis ter Parker. In der Zwischenzeit können Sie alles für meinen Aus flug vorbereiten.« »Mylady könnten geschockt werden beim Anblick der Bilder«, wagte der Butler einen Einwand. »Sie sind zum Teil sehr offen herzig.«
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»Ich habe mich schon lange nicht mehr richtig entrüstet, Mister Parker«, fiel ihr ein. »Ich hoffe, die Fotos sind solcherart wie Sie andeuteten.« »Es sind auch Aufnahmen unbekleideter Personen dabei, Myla dy«, warnte Parker. »Kenne ich etwa eine?« »Diverse Gesichter kamen meiner Wenigkeit durchaus bekannt vor, Mylady«, mußte der Butler zugeben. »Die endgültige Identifi zierung wollte meine Wenigkeit heute im Lauf des Tages vorneh men. Natürlich sind nicht alle Bilder von jener Qualität, wie sie eigentlich wünschenswert wäre.« »Na, ich werde schon den einen oder anderen erkennen«, hoffte die ältere Dame. »Und dann rufe ich die Subjekte an und sage ihnen meine Meinung. Wie finden Sie das?« »Im Prinzip nicht schlecht, Mylady«, gab Parker zurück. »Ande rerseits wollen Mylady auch niemanden – mit Verlaub – vergrau len. Man braucht schließlich bei den nächsten Shows entspre chendes Publikum.« »Na gut, ich rufe nicht alle an, aber zwei oder drei auf jeden Fall«, entschied sie. »Außerdem, wozu brauche ich Publikum?« »Damit Mylady unauffälliger agieren können«, erläuterte Parker. »Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Mylady eine solche Show besuchen wollen. Wenn man die potentiellen Besucher verärgert und sich nicht genug finden, beschließt man möglicherweise, in der nächsten Zeit keine derartige Veranstaltung zu organisieren.« »Da ist allerdings was dran«, räumte sie ein. »Holen Sie mir jetzt bitte die Bilder, Mister Parker! Ich möchte endlich anfangen, mich moralisch zu entsetzen.« * »Der da kommt mir irgendwie bekannt vor«, bemerkte Mylady,
während sie nachdenklich auf ein Foto starrte. »Na, und der hier
auch. Meine Güte, Mister Parker, wie lächerlich Männer aussehen,
wenn sie nur noch Socken tragen.«
»Dem kann und möchte man nichts hinzufügen, Mylady«, erklärte
Parker daraufhin gemessen und würdevoll.
»Woher kenne ich die bloß?« sann sie weiter nach. »Schauen Sie
doch auch mal darauf, Mister Parker! Was fällt Ihnen dazu ein?«
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Der Butler brauchte nur einen kurzen Blick auf das Foto zu wer fen. Er hatte es schon am Vorabend studiert und wußte, wen es zeigte. »Die Herren Dennis Cooper, John Borman und Arthur Frazer, My lady«, zählte er umgehend die Namen auf. Die Männer standen in einem Salon, hatten die Arme um drei leichtbekleidete junge Frauen gelegt und behielten auch sonst ihre Hände nicht bei sich, wie das Bild deutlich zeigte. »Und was verbinde ich mit den Namen, Mister Parker?« »Möglicherweise die Professionen der Herren, Mylady«, schlug der Butler vor. »Mister Dennis Cooper gibt mehrere Tageszeitungen in der Provinz heraus und betätigt sich auch in karitativen Einrich tungen, wie man weiß. Mister John Borman besitzt eine Spedition sowie ein Schiffahrtsunternehmen, das auch hin und wieder für die Krone tätig wird. Und Mister Arthur Frazer schließlich besitzt eine Supermarktkette mit Filialen in allen größeren Städten des Landes.« »Ich entsinne mich.« Lady Agatha nickte heftig. »Ich habe die Herren bei einer Zusammenkunft kennengelernt, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady.« »Und diese Leute treiben sich in solchen Etablissements herum?« Lady. Agatha genoß die Neuigkeit und lächelte versonnen. »Sind die Herren verheiratet, Mister Parker?« »Soweit meine Wenigkeit unterrichtet ist, ja, Mylady.« »Was sagt man denn dazu? Ich bin empört, Mister Parker! Ich spüre deutlich, wie mein Kreislauf zu leiden hat.« »Dem sollte man unbedingt entgegenwirken, Mylady«, fand der Butler und servierte umgehend den gewünschten Kreislaufbe schleuniger. »Wie sind diese Subjekte nur an die Veranstaltungen gekommen, Mister Parker? Ich meine, die Gangster inserieren doch nicht, daß sie Mädchen anzubieten haben, oder?« »Ganz sicher nicht, Mylady. Hier muß jemand tätig sein, der sich in der Gesellschaft auskennt und die notwendigen Kontakte knüpft. Sozusagen ein Schlepper auf höherer Ebene. Zudem dürf te dieser geheimnisvolle Jemand genau wissen, wen er auf so etwas ansprechen kann.« »Das stimmt.« Lady Agatha sah den Butler nachdenklich an. »Ich weiß jetzt schon, daß da ein dicker Fisch dahintersteckt, Mister Parker. Sie werden staunen, wenn ich ihn entlarve.«
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»Mylady haben möglicherweise schon eine Vorstellung von der Identität dieses sogenannten dicken Fisches?« »Lassen Sie sich überraschen, Mister Parker!« Die ältere Dame lächelte geheimnisvoll. »Natürlich ahne ich, wer hinter all dem agiert, aber ich möchte, daß Sie von selbst darauf kommen.« * Die Fassade des Hauses, in dem die Firma BSA Bellamy Show Arrangements residierte, war farbenprächtig. Der zweite Stock prangte in kräftigem Gelb, die Etage darunter war orange gestri chen, und das Erdgeschoß schließlich in Blau getönt. Dazu gab es auf dem flachen Dach eine rote Neonleuchtschrift, die irritierend zuckte und den Firmennamen verkündete. Um den Eingang gab es einen Kranz von kleinen Lampen in den Farben des Regenbogens. Eine nach der anderen ging an, bis alle brannten, und auf die gleiche Weise erloschen sie auch wieder. Der Eingang lag unter einem Baldachin aus rotem Bezug. Oben auf warf ein Showgirl die langen Beine in die Luft. »Etwas Scheußlicheres habe ich noch nicht gesehen«, mokierte sich Mylady und schüttelte sich. »Wie kann man in so einem Haus nur arbeiten, Mister Parker?« »Die Herren Inhaber wollen schon rein äußerlich auf die Branche, in der sie tätig sind, hinweisen«, vermutete der Butler. »Wenn man Mylady jetzt ins Haus bitten darf?« »Mit dem größten Widerwillen, Mister Parker«, gab sie zurück und schritt schnell unter den Baldachin, um den bunten Anblick nicht mehr ertragen zu müssen. Josuah Parker drückte auf den Klingelknopf. Man hörte, wie im Haus eine Fanfare erklang. Lady Agatha zuckte unwillkürlich zu sammen. »Haben Sie es auch gehört, Mister Parker?« »Eine in der Tat recht eigenwillige Besuchsankündigung, Mylady«, räumte der Butler ein, während er die Tür aufdrückte, als der Summer ertönte. Beim Aufschwingen folgte ein Trompetensolo, das offensichtlich über Kontakte ausgelöst worden war. »Dieser Showmensch muß den Verstand verloren haben«, kom mentierte Mylady. »Anders ist so etwas nicht zu erklären.«
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Die Empfangsdame, die sie in der erstaunlich geschmackvoll ges talteten Halle erwartete, paßte zum Stil des Hauses. Sie trug ein Cowgirl-Kostüm mit vielen Fransen und Paletten und einen knap pen Rock. Die hohen, reichverzierten Stiefel betonten die bemer kenswerte Länge ihrer gutgewachsenen Beine. »Willkommen bei BSA!« zwitscherte sie. »Ich bin Linda. Kann ich Ihnen helfen?« »Frieren Sie nicht in dem kurzen Röckchen, mein Kind?« erkun digte sich Agatha Simpson anzüglich. »Oh nein, bei uns wird gut geheizt.« Die junge Dame ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Zu wem möchten Sie?« »Zu Mister Bellamy, Miß Linda«, sagte Josuah Parker gemessen und würdevoll. »Lady Agatha Simpson möchte die Organisation einer größeren Show besprechen.« »Ich weiß nicht, ob er im Haus ist, aber ich frage mal nach«, gab Linda zurück und schenkte den Besuchern ein strahlendes Lä cheln. »Ansonsten ist aber auf jeden Fall Mister Cornell im Haus. Er ist der Geschäftsführer.« »Mister Bellamy selbst betätigt sich nicht mehr in der Firma, Miß Linda?« »Oh doch! Aber er überläßt Mister Cornell die Organisation und alles, was damit zusammenhängt, während er selbst sich in der Hauptsache um Kontaktpflege kümmert und neue Kunden wirbt. Das tut Mister Cornell natürlich auch, aber Mister Bellamy ist sehr bekannt und legt sich besonders dafür ins Zeug.« »Sehr interessant, Miß Linda«, lobte der Butter. »Mylady wäre es angenehm, wenn sie mit Mister Bellamy sprechen könnte, obwohl man natürlich davon überzeugt ist, daß Mister Cornell ein außer ordentlich tüchtiger und vertrauenswürdiger Manager ist.« »Oh ja, das ist er.« Lindas Lächeln hätte jede Zahnpastareklame vor Neid erblassen lassen. Sie legte es nicht mal ab, als sie den Telefonhörer nahm und mit schnellen Fingern eine Nummer tipp te. »Empfang hier, Mandy. Ist Mister Bellamy oben? Hier ist Lady Agatha Simpson, sie möchte mit Mister Bellamy sprechen.« Josu ah Parker hatte der jungen Dame eine Karte seiner Herrin über lassen, damit sie zur genauen Ankündigung fähig war. Linda lauschte einen Augenblick, dann nickte sie, bedankte sich und legte auf.
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»Es kommt gleich jemand und’ holt Sie ab«, erklärte sie strah
lend. »Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas anbieten?«
»Dürfen Sie, Kindchen. Was haben Sie denn?« zeigte sich Mylady
sofort einverstanden.
»Kaffee, Tee, Gebäck, Fruchtsäfte, Mineralwasser, Cognac, Gin,
Sherry, Champagner – ach, eigentlich alles, denke ich«, zählte
Linda auf.
»Sehr schön! Ich nehme Kaffee, Gebäck und einen Cognac«, sag
te Mylady.
»Sehr gern.« Die junge Dame zeigte sich von diesem Wunsch
nicht überrascht. Sie verschwand hinter einer Barriere, öffnete ein
Schrankfach und servierte gleich darauf das Gewünschte.
* Die junge Dame, die die Besucher abholte, war ebenso hübsch wie ihre Kollegin vom Empfang und ebenso gekleidet. Anschei nend hatte man im Haus Bellamy ein Faible für den Wilden Wes ten Der Firmenchef residierte im obersten Stock in einem Büro, das großzügig dimensioniert war. Es gab dicke Teppiche, Holzver täfelung der Wände, Mahagonimöbel und in silbernem Rahmen Bilder von Showveranstaltungen. Der Schreibtisch konnte mühelos für ein Billard- oder Tischtennis turnier herhalten und war bis auf das Telefon und einen Kristall aschenbecher leer. »Ich bin Nigel Bellamy und freue mich, Sie kennenzulernen, My lady«, dröhnte der Firmenchef mit volltönendem Baß und kam Agatha Simpson entgegen. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, fuhr er fort und führte sie zu einer Sitzgruppe aus schwarzem Nappaleder. »Sie sind fraglos eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Stadt, Mylady. Ich habe mir schon immer gewünscht, Sie mal kennenzulernen.« »Sie Schmeichler!« Lady Agatha drohte dem etwa Fünfzigjährigen schelmisch mit dem Finger. »Bevor wir zur Sache kommen, wird Mandy uns eine Kleinigkeit servieren. Vom Empfang wissen wir, was Sie bevorzugen, Mylady. Dürfen wir auch Ihrem Butler etwas anbieten?« »Vielen Dank, Sir, meine Wenigkeit möchte nichts«, entgegnete Josuah Parker höflich.
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»Gut, Mandy kann Sie dann ja wieder runter zum Empfang brin gen. Wir haben dort Zeitungen und Magazine ausliegen. Sie wer den sich nicht langweilen.« »Mister Parker genießt mein vollstes Vertrauen; er bleibt natürlich hier«, belehrte die passionierte Detektivin den dicken Mann, der sich wieder hinter den Schreibtisch zurückgezogen hatte. »Nun ja, wenn das so ist, warum nicht?« Nigel Bellamy lächelte ein wenig verkrampft. Ganz schien er nicht damit einverstanden zu sein, daß der Butler der Unterredung beiwohnte. »Ich habe gehört, daß Sie sehr interessante Veranstaltungen or ganisieren«, begann die ältere Dame. »Wie kann ich an einer sol chen teilnehmen?« »Sie reden sicher von einer Modenschau, nicht wahr?« Bellamy beugte sich vor und verschränkte die Finger ineinander. »Nun, die nächsten sind bedauerlicherweise alle ausgebucht, aber es würde mir natürlich eine Ehre sein, Sie unter meinen Gästen begrüßen zu können.« Er drückte eine Taste seiner Wechselsprechanlage und bat die junge Frau, ihm den Veranstaltungskalender zu bringen. »Wir haben natürlich in allen Büros Computer«, erklärte er. »Ich selbst möchte hier drin so’n Ding nicht sehen. Da bin ich altmodisch.« »Man muß mit der Zeit gehen, mein Bester«, belehrte Mylady ihn. »Tun wir auch. Aber wie gesagt, ich selbst bin nicht dafür. Ah, da kommt die Liste ja schön.« Mandy trat ein und legte ihm einen dicken Stapel grüngestreifter Computerausdrucke auf den Tisch. »Nun ja, in der nächsten Zeit kann ich Ihnen nichts Interessantes bieten, Mylady«, bedauerte er. »Aber ich sehe, daß wir Mitte nächsten Monats wieder eine Schmuckvorführung haben. Würde Sie die interessieren?« »Warum nicht? Obwohl ich nichts kaufe. Ich muß mein Geld zu sammenhalten«, betonte Agatha Simpson. »Wer muß das nicht?« Nigel Bellamy seufzte. »Ich lasse Ihnen eine Einladung ins Haus schicken. Ist das so recht?« »Sehr gern.« Lady Agatha wandte sich um, als sich der Butler hinter ihr räusperte. »Was gibt es, Mister Parker?« »Meine Wenigkeit bittet vielmals um Entschuldigung«, schickte Parker voraus. »Aber man denkt gerade daran, daß man mögli cherweise im Parkverbot steht. Wenn Mylady gestatten, würde man sich kurz entfernen, um nachzusehen.«
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»Gut, aber kommen Sie gleich wieder!« Lady Agatha schüttelte verwundert den Kopf, während Parker den Raum verließ. Der Butler hatte keineswegs falsch geparkt und wußte das auch. Aber der Computerausdruck hatte ihn auf eine Idee gebracht. Er wollte sich ein wenig im Haus umsehen, während seine Herrin den Chef ablenkte. Ein Blick auf die Tür zeigte ihm, daß es fast zwölf Uhr war. Als er an der Tür der jungen Dame namens Mandy anlangte, klopfte er, trat ein und nickte der Frau freundlich zu. »Verzeihen Sie! Sicher verfügt Ihre Firma über Prospekte und Ähnliches. Wären Sie wohl so freundlich, meine Wenigkeit für Mylady damit auszustatten?« »Das bekommen Sie unten am Empfang. Linda packt Ihnen gern etwas zusammen«, wurde er informiert. Mandy lächelte entschul digend. »Ich würde es Ihnen gern selbst geben, aber hier oben habe ich nichts. Sie können gleich mit mir runtergehen. Ich ma che jetzt Pause.« Damit beugte sie sich über die Sprechanlage, drückte eine Taste und meldete sich bei ihrem Chef ab. * Die EDV-Anlage stand auf einer Konsole an der rechten Seiten wand. Parker stellte mit Erleichterung fest, daß der mit dem Computer gekoppelte Drucker ein Laserstrahl-Modell war, das im Gegensatz zu den sonst üblichen Nadelmodellen sehr leise arbei tete – eine Eigenschaft, die dem Butler in dieser Situation entge genkam. Der Computer bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Man brauchte nicht mal ein Paßwort, um Zugang zu seinem Innenleben zu er halten. Parker rief das Menü ab, orientierte sich kurz auf dem Bildschirm und bat dann mittels weniger Knopfdrücke um den Veranstal tungskalender. Der Drucker begann umgehend zu arbeiten. In nerhalb von drei Minuten war Parkers Wunsch ausgeführt, und die dünnen Ausdrucke stapelten sich im Drahtkorb. Aber Parker hatte noch eine weitere interessante Möglichkeit ent deckt: Der Computer bot eine Kundenliste an, die er sich vorsorg lich ebenfalls geben ließ. Als er das Büro wieder verließ, trug er ein dickes Päckchen bei sich. Zum Glück hatte Linda vom Empfang ihn so reichhaltig mit
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Infomaterial der Firma ausgestattet, daß sie ihm zusätzlich eine Plastiktüte mit Firmenaufdruck aushändigte. Der Butler kehrte zurück, wartete, bis die junge Frau durch ein Telefongespräch abgelenkt war, durchquerte die Halle nach hin ten hinaus und fand eine graugestrichene Stahltür, die unver schlossen war. Wenig später stand er auf einem schmutzigen Hinterhof, über querte diesen und deponierte die Tüte mit den Unterlagen in sei nem Wagen. Dann kehrte er auf demselben Weg ins Haus zurück, fuhr in die oberste Etage und klopfte dezent an Nigel Bellamys Bürotür. »Das hat aber lange gedauert, Mister Parker«, fand Agatha Simp son. »Wofür man sich nachdrücklich entschuldigen möchte, Mylady. Meine Wenigkeit war leider gezwungen, den Wagen an anderer Stelle zu parken. Die Suche nach einem geeigneten Platz nahm Zeit in Anspruch.« »Ja, mit der Verkehrsdichte und dem Parkplatzproblem wird es immer schlimmer«, fand der Firmeninhaber. »Worüber sprachen wir gerade?« »Über Mode- und Schmuckschauen und andere langweilige Din ge«, erinnerte Mylady ihn und provozierte mit dieser Bemerkung Bellamys erstauntes Stirnrunzeln. »Wie meinen?« wunderte er sich. »Ich dachte, solche Shows inte ressieren Sie?« »Ja, aber eigentlich dachte ich dabei an etwas ganz Spezielles«, klärte sie ihn auf. »Wußten Sie übrigens, daß ich einen Kriminal roman und ein Drehbuch verfasse?« Das zu tun, war Myladys ernsthafte Absicht. Parker hatte ihr zu diesem Zweck ein modern eingerichtetes Schreibstudio besorgt, das über alle Annehmlichkeiten der Bürotechnik verfügte. Lady Agatha war bislang noch nicht dazu gekommen, auch nur eine einzige Zeile zu Papier zu bringen. Doch demnächst sollte die Niederschrift beginnen, um eine gewisse Agatha Christie zu ent thronen… »Wirklich?« Nigel Bellamy sah sie abwartend und nicht sonderlich interessiert an, wie Parker genau registrierte. »Ja, so ist es«, behauptete die Detektivin. »Ich stehe in vielver sprechenden Verhandlungen mit diversen Verlagen und natürlich
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dem Fernsehen. Ich erwähne das nur, weil es im Zusammenhang mit meinem Besuch hier steht.« »Was Sie nicht sagen…« Nigel Bellamy saß wie ein leibhaftiger Buddha hinter seinem ausladenden Schreibtisch, hatte die Hände auf dem Kugelbauch gefaltet und sah aus, als stünde er kurz vorm Einschlafen. »Ich denke daran, ein Buch zu schreiben, das in diesem Milieu spielt«, erläuterte die ältere Dame. »Es kommen Modeschauen darin vor, Mannequins und ihre Probleme. Mißbrauch von Mäd chen nach dem Motto: träumt von der großen Karriere, gerät an die falschen Subjekte und landet schließlich in einem Bordell.« »Das wird bestimmt ein sehr interessantes Buch«, fand der Buddha hinter dem Schreibtisch. »Sobald es herausgekommen ist, werde ich mir ein Exemplar besorgen.« »Das weiß ich zu schätzen, mein Bester.« Lady Agatha lächelte huldvoll. »Vielleicht können Sie mir ein paar Tips geben. Schließ lich sind Sie einer der renommiertesten Veranstalter von Mode shows.« »Das stimmt, und darauf bin ich sehr stolz. Aber mit der anderen Sache kann ich Ihnen wohl kaum dienen, Mylady. In meinem Um feld habe ich noch nie davon gehört.« »Wirklich? Dabei liest man das so oft in den Zeitungen«, stichelte die ältere Dame. »Ach, Sie wissen doch, wie Journalisten sind«, winkte Bellamy ab. »Haben sie keine echten Nachrichten, saugen sie sich halt was aus den Fingern. Ich will nicht ausschließen, daß es so was geben mag, aber trotzdem… also wie gesagt, damit kann ich Ihnen nicht dienen. Sie werden Ihre Recherchen woanders führen müssen.« »Das ist Pech, nicht wahr, Mister Parker?« fand Mylady. »Und dabei wurde mir die Agentur ausdrücklich empfohlen.« * »Mylady bezieht sich auf eine junge Dame, deren Bekanntschaft sie rein zufällig machte, Sir«, erklärte Parker. »Besagte junge Dame wurde von zwei sogenannten Herren gegen ihren Willen in einen Wagen gezerrt und zu einer Modellagentur gebracht. Es gelang Mylady, die junge Dame zu befreien und zu sich nach Hause einzuladen.«
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»Was es nicht alles gibt«, staunte der Dicke und richtete sich et was auf. Seine Augen bekamen einen wachsamen Ausdruck. »In der Tat, Sir. Die junge Dame wußte Interessantes zu berich ten. Sie erzählte von einem absolvierten Kurs, danach vermittelte man sie zu gewissen Shows, und dort wiederum wurde sie ge zwungen, sich in einer Weise zu betätigen, die auf keinen Fall zu den Pflichten eines seriösen Models gehört.« »Unerhört! Haben Sie schon die Polizei verständigt? Sind Sie ü berhaupt sicher, daß das Mädchen die Wahrheit sagt? Wissen Sie, ich habe Tag für Tag mit Mädchen zu tun. Was ich da alles mitbe komme – Sie würden es nicht glauben. Ich will ja nicht gleich behaupten alle wären leichtlebig, aber es sind jedenfalls viele da bei, die für ihre Karriere alles tun, wenn Sie wissen, was ich mei ne.« »Meine Wenigkeit befindet sich im Bilde, Sir«, gab Parker gemes sen und würdevoll zurück. »Indessen gewinnen gewisse Fotomon tagen, die von den Damen hergestellt wurden, an Bedeutung. Man war und ist, was die Auswahl der Drohmittel betrifft, sehr kreativ. Ferner existieren Abmahnungen, in denen die Agentur chefin feststellt, man habe zufällig in der Garderobe der betref fenden Damen Drogen gefunden, und fordert sie auf, in einer bei gefügten Erklärung zu bestätigen, daß sie künftig darauf verzich ten.« »Meine Güte, das ist ja entsetzlich!« rief der Buddha. »Und das glauben Sie auch?« »Unbedingt, junger Mann«, bestätigte Mylady grimmig. »Und Sie kommen in diesem Trauerstück auch vor.« »Ich?« Nigel Bellamy legte eine Hand auf die Rippen und versuch te sich an einem treuherzigen Augenaufschlag. »Allerdings! Die junge Frau berichtete nämlich, daß all diese Ge meinheiten auf Shows passieren, die Sie ausrichten. Was sagen Sie jetzt?« »Das ist ja wohl unerhört!« Bellamy sprang auf, hieb mit der Faust auf den Schreibtisch und ließ sich dann wieder schwer at mend in den Sessel zurückfallen. »Das weise ich entschieden zurück, Mylady.« »Die junge Dame behauptet ferner, Sie des öfteren in der Agen tur gesehen zu haben, Sir«, bemerkte Parker, bevor Bellamy zu Wort kam. »Sie sollen mit der Leiterin auf sehr vertrautem Fuß stehen.«
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»Von welcher Agentur sprechen Sie? Ich arbeite mit mindestens einem Dutzend Agenturen zusammen.« »Von der LMSA, Sir, der London Model School and Agency. Meine Wenigkeit wurde Zeuge, wie die junge Frau mißhandelt werden sollte, konnte dies aber im letzten Augenblick verhindern.« »Sie sind also in Wirklichkeit gekommen, um mich mit diesem Unsinn zu konfrontieren? Es geht Ihnen gar nicht darum, selbst eine Modenschau zu besuchen?« Bellamy sprang auf, eilte um seinen Schreibtisch herum und bau te sich vor seinen Besuchern auf. »Ich habe es nicht nötig, mich in meinem eigenen Haus beleidigen zu lassen. Bitte gehen Sie jetzt, oder ich rufe die Polizei!« »Ich bin schon dabei. Aber wir sehen uns noch.« Lady Agatha stemmte sich aus ihrem Sessel hoch, drehte sich in Richtung Tür und erwischte dabei rein zufällig den Fuß des Firmenchefs. Ihr Absatz war irgendwie auf dem dünnen Oberleder seines City schuhs gelandet und bescherte dem Fuß darunter heftigen Schmerz. »Was haben Sie denn?« wunderte sich Agatha Simpson und sah Bellamy an. »Im Leben geht alles vorüber. Inzwischen können Sie mit der Agentur besprechen, was Sie gegen mich unternehmen wollen. Ich bin sehr gespannt, nicht wahr, Mister Parker?« * John Borman war aufgestanden und kam seiner Besucherin über den dicken Teppich entgegen. Er lächelte freundlich, führte die Detektivin zu einer Sitzgruppe und schob ihr einen Sessel zu recht. Den Butler hingegen beachtete er kaum. »Ich bin gekommen, weil ich hoffe, daß Sie mir einen Gefallen tun, mein Lieber.« »Jederzeit und gern, mit dem größten Vergnügen«, beeilte sich Borman zu versichern. »Übrigens, darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?« »Machen Sie sich keine Umstände! Ein Täßchen Kaffee und ein Cognac genügen vollauf«, gab die ältere Dame Bescheid. »Wenn ich Ihnen raten darf, sollten Sie sich auch einen Cognac bringen lassen.«
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»Ich dachte, Sie kämen wegen eines Gefallens. Ihre letzte Be merkung klingt eher nach einer schlechten Nachricht, Mylady.« »Lassen Sie sich überraschen!« Agatha Simpson wartete, bis die Sekretärin die Getränke gebracht hatte, dann beugte sie sich vor und faßte den Transportunternehmer scharf ins Auge. »Wann gehen Sie wieder zu einer Spezialmodenschau, mein Bester?« »Wie meinen?« John Borman konnte gerade noch verhindern, daß er zusammenzuckte, wie Parker mitbekam. Der hagere Mann mit dem dünnen silbergrauen Haar und der ausgeprägten Nase stellte vorsichtig seinen Cognac-Schwenker ab und bemühte sich um Gleichgültigkeit. »Na, Sie wissen schon, die Shows der Firma Hillary.« »Kenne ich nicht.« John Borman atmete erleichtert auf. »Mister Parker?« wandte sich die Detektivin hilfesuchend an den Butler. »Mylady spricht von der Firma Bellamy, Sir«, erklärte Parker ge messen und würdevoll. »Diese richtet Modeschauen und Ver kaufsveranstaltungen aus und bedient sich dabei gern einer A gentur namens LMSA, die ihre Models dazu zur Verfügung stellt.« »Aha!« Der Hausherr rang um Souveränität. »Ich verstehe leider immer noch nicht so recht, worauf Sie hinauswollen.« »Auf diesen Veranstaltungen soll es seltsam zugehen«, fuhr My lady genüßlich fort. »Man kann dort zwar auch Garderobe ordern, vor allem aber auch die Mannequins, die sie vorführen. Was sa gen Sie dazu?« »Nichts«, gab Borman mit schwacher Stimme zurück. »Was soll das eigentlich?« »Sie zwingen mich zu einem bedauerlichen Schritt, mein Lieber.« Die ältere Dame öffnete ihren Handbeutel und zog die Bilder her vor. »Ich sehe nicht so genau hin, ich habe auch vorher mehr oder weniger nur nach den Gesichtern gesehen«, bemerkte sie, während sie die Fotos über den Tisch schob. John Borman stierte ungläubig auf die Bilder, auf denen auch er zu sehen war. »Ja, aber… wie kommen Sie an die Aufnahmen? Das sind doch infame Fälschungen!« Der Transportmanager ließ die Fotos fallen und griff nach seinem Cognacschwenker. »Was hat das zu bedeu ten?« wollte er wissen. »Wollen Sie mich erpressen?« »Ich muß doch sehr bitten!« Lady Agatha sah ihn mit flammendem Blick an. »Schämen Sie sich eigentlich nicht?«
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»Ich bin erledigt, wenn die Bilder an die Öffentlichkeit gelangen«, gestand Borman. »Und meine Frau… ich rufe sofort meinen An walt an, der muß dafür sorgen, daß die Fotos vernichtet werden.« »Meine Wenigkeit trägt dafür Sorge, daß dies geschieht, ein schließlich der Negative, aber Mylady erwartet als Ausgleich Ihre Kooperationsbereitschaft, Sir«, mischte sich Parker ein. »Die Fo tos sind selbstredend keine Fälschungen, wie Sie sehr genau wis sen. Eine der jungen Damen, die rein zufällig eine Minikamera besitzt, hat die belastenden und ausgesprochen peinlichen Fotos geschossen. Die junge Dame ist zur Zeit Gast in Myladys Haus.« »Was erwarten Sie von mir?« »Ein Geständnis, Sie Wüstling!« forderte Mylady grollend und lachte leise. »Ich… wie soll ich Ihnen das erklären, Mylady… ich meine… bitte glauben Sie mir, es ist nicht so, wie Sie denken…« John Borman brach hilflos ab. »Es ist genau so, wie ich denke und wie die Bilder zeigen.« »Ja…« »Mylady möchte wissen, ob Sie schon eine Einladung zu einer neuen Show haben, Sir, wie sich die… sagen wir mal… richtigen Gäste identifizieren und wie man eventuell hineinkommt.« »Die nächste findet übermorgen statt. Hier ist die Einladung.« John Borman ging zu seinem Schreibtisch, suchte in einem der Fächer und brachte eine Büttenkarte in einem neutralen Um schlag. »Sehr nett«, kommentierte Mylady. »Wie komme ich da hinein?« »Man darf gute Bekannte oder Freunde mitbringen, wenn man meint, daß die vertrauenswürdig sind«, beichtete der Transpor teur. »Ich bin eine gute Bekannte von Ihnen. Damit wäre das Problem gelöst«, meinte die ältere Dame. »Aber es nehmen doch auch normale Besucher teil, die vielleicht wirklich ein Kleid, Schmuck stück oder was auch immer kaufen wollen.« »Es gibt Stimmkarten.« Borman legte seine eigene auf den Tisch. »Wie Sie sehen, trägt sie eine große Nummer. Wenn man die Karte hebt, bekommt man den Zuschlag, beziehungsweise die Nummer wird notiert und der oder die Betreffende erhält ein Ex emplar des Stückes.«
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»Das geht bei den Mädchen aber schlecht«, gab Mylady zu be
denken. »Da kann schließlich immer nur ein Mann zum Zug
kommen.«
»Die Karten sind verschiedenfarbig. Normale Gäste haben weiße,
Spezialgäste blaue. Derjenige, der zuerst seine blaue Karte hebt,
bekommt… äh… den Zuschlag.«
»Schämen Sie sich!« Lady Agatha Schüttelte heftig den Kopf.
»Wie kann man bei so etwas nur mitmachen?«
»Ich… bitte ersparen Sie mir die Antwort, Mylady!«
»Tue ich. Mister Parker, fahren Sie fort!«
»Meine Wenigkeit geht davon aus, daß die Teilnahme an einer
solchen Spezial-Veranstaltung nicht ganz billig ist, Sir.«
»Tausend Pfund«, gestand der Transporteur tonlos.
»Donnerwetter!« entfuhr es Mylady. »Das ist ein stolzer Kurs,
und wenn man dann noch bedenkt, daß die Mädchen dazu ge
zwungen werden…«
»Was?« John Borman richtete sich kerzengerade auf und starrte
die ältere Dame entsetzt an.
»Tun Sie nicht so, als hätten Sie das nicht gewußt!« raunzte My
lady genüßlich.
»Ich schwöre es Ihnen. Bitte glauben Sie mir!« bat der Hausherr
verzweifelt.
»Wie auch immer: Es ist so, und man hat dabei sehr üble Metho
den angewendet, mein Lieber. Na, wenn eines der Mädchen damit
vor Gericht geht…«
»Mir wird schlecht«, verkündete der Transporteur.
»Aber nicht in meiner Gegenwart. Warten Sie damit, bis ich weg
bin!« herrschte Mylady ihn an. »Also, kann ich mit Ihrer Koopera
tionsbereitschaft rechnen?«
»Ja, natürlich… Und Sie können wirklich dafür sorgen, daß die
Bilder verschwinden? Ich meine, niemand hat etwas davon, wenn
ich gesellschaftlich ruiniert werde, nicht wahr?«
»Sind Sie überzeugt, daß Sie nur gesellschaftlich am Ende wären,
mein Lieber? Sie machen viele Geschäfte mit der Regierung, nicht
wahr?« bemerkte Agatha Simpson süffisant.
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»Alles hängt jetzt von der Aussage Miß Marys ab, nicht wahr, Mis ter Parker?« »In der Tat, Mylady. Miß Kelly ist die sogenannte Schlüsselper son«, korrigierte er diskret den Namen. »Deshalb wird man ver suchen müssen, sie aus Myladys Haus zu holen, um sie anschlie ßend verschwinden zu lassen.« »Wie so viele andere Mädchen auch«, glaubte die Detektivin. »Ich hoffe, die sichergestellten Unterlagen sind so, daß man jedes ein zelne Modell nachprüfen kann, Mister Parker.« »Davon darf man ausgehen, Mylady. An dieser Stelle möchte meine Wenigkeit jedoch einen Vorschlag unterbreiten.« »Ich höre, Mister Parker«, reagierte sie knapp. »Die Überprüfung aller Namen ist eine Arbeit, die größeren per sonellen Einsatz und entsprechende technische Mittel und Verbin dungen erfordert. Vielleicht sollte man deshalb Mister McWarden in den Fall einweihen.« Der Mann von Scotland Yard war einer der fähigsten Kriminalisten der Insel und leitete ein Sonderdezernat zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Er unterstand in dieser Eigenschaft direkt dem Innenminister und gehörte zu den regelmäßigen Be suchern des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Mar ket. McWarden bediente sich gern der Hilfe des skurrilen Paares. Er schätzte Myladys offenes und ungeniertes Vorgehen. Natürlich wußte er, daß im Prinzip der Butler mit seinem Ideen und Trick reichtum die Fälle löste und er immer seine allzu ungestüm vor gehende Herrin in Schutz nahm. »Es handelt sich bei der Überprüfung der Liste um eine reine Rou tinetätigkeit, die mit Sicherheit sehr langweilig und auch langwie rig ist, Mylady«, versuchte Parker ihr weiter das Einschalten des Chief-Superintendenten schmackhaft zu machen. »Zudem könnte man Mister McWarden veranlassen, Myladys Rolle bei einer even tuellen Pressekonferenz gebührend herauszustellen.« »Ob ich mich wirklich darauf einlasse, Mister Parker?« zweifelte sie. »Die von meiner Wenigkeit erwähnte Arbeit würde Mylady nur unnötig blockieren und sie daran hindern, einen neuen, wichtigen Fall zu übernehmen.« »Das kann ich natürlich nicht verantworten, Mister Parker.« Die ältere Dame hatte sich entschieden. »Also gut, sprechen Sie mit
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dem lieben McWarden! Aber das muß nicht gerade bei mir zum Frühstück sein.« »Man hat Mylady verstanden«, bestätigte der Butler. »Meine We nigkeit erlaubt sich, Mister McWarden telefonisch zu informieren.« »Wenn Sie das tun, lassen Sie ihn ruhig auch mal die Gebühren bezahlen, Mister Parker«, mahnte sie. »Meine Wenigkeit wird sich bemühen, Myladys Vorschlag zu be herzigen«, versprach der Butler und lenkte das hochbeinige Monstrum, wie sein Wagen respektvoll von Freund und Feind ge nannt wurde, in die Auffahrt zum Fachwerkhaus. * »Ist Kathy noch bei Ihnen, Parker?« erkundigte sich Mike Rander
eine halbe Stunde später am Telefon. »Ich hätte hier noch ein
paar dringende Briefe zu erledigen. Sie wollte gleich zurückkom
men, aber das ist schon eine Weile her.«
»Man wird nachsehen, ob sie sich bei Miß Kelly aufhält, Sir. Ein
Rückruf dürfte sofort erfolgen«, versprach der Butler.
»Leider ist sie nicht im Haus, Sir«, berichtete er wenige Minuten
danach. »Dies trifft auch auf Miß Kelly zu.«
»Ist ja höchst seltsam. Den beiden wird doch nichts passiert sein,
Parker?« sorgte sich der Anwalt.
»Es sollte sich um keine trügerische Hoffnung handeln, Sir. Man
ruft Sie umgehend an, wenn etwas von Miß Porter und Miß Kelly
zu hören ist, und bittet um die gleiche Gefälligkeit.«
»Klar! Bis später!« verabschiedete sich der Anwalt und legte auf.
* Josuah Parker traf einige Vorbereitungen, die ihm in diesem Zu sammenhang notwendig erschienen. Er wollte sicherstellen, daß alles getan wurde, um die beiden jungen Frauen zurückzuholen, falls mit ihnen das geschehen war, was er insgeheim befürchtete. Der Butler hielt es für unwahrscheinlich, daß sich die Frauen zeit lich vertan hatten. Myladys Gesellschafterin hätte mit Sicherheit eine Nachricht auf Band hinterlassen, hätte sich ihr Ausflug über die vereinbarte Zeit hinaus ausgedehnt.
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Deshalb mußte man davon ausgehen, daß die beiden den Mäd chenhändlern in die Hände gefallen waren. Josuah Parker überprüfte das Tonbandgerät zum eventuellen Mit schnitt und im Anschluß daran eine Spezialvorrichtung, die es ihm erlaubte, einen guten Bekannten beim Fernmeldeamt per Knopf druck zu verständigen und um Überprüfung des gerade stattfin denden Telefonats zu bitten. Diese Einrichtung hatte sich schon in der Vergangenheit bewährt. Im Grund war es nichts anderes als ein kleiner Impulsgeber, der ein akustisches und visuelles Signal auslöste und damit anzeigte, daß der augenblickliche Anrufer in Shepherd’s Market ermittelt werden sollte. Zuvor allerdings mußte der Butler ihn anrufen und von seinen Absichten in Kenntnis setzen. Es dauerte nicht lange, bis der Anruf kam. Josuah Parker meldete sich gemessen und würdevoll und wunderte sich nicht, als er eine ihm unbekannte männliche Stimme hörte. »Sie sind also dieser komische Butler«, sagte der Anrufer. »Sie haben sich übernommen, mein Lieber, jetzt sind wir wieder am Drücker. Wer wir sind, ahnen Sie sicher, aber jetzt hören Sie mal gut zu, Mann: Wir haben die Kelly kassiert und mit ihr ‘ne flotte Rothaarige, als die beiden gerade ins Haus gehen wollten. Die Kelly bleibt natürlich hier, für die haben wir schon ‘nen neuen Job. Auslandsengagement, um genau zu sein.« Der Anrufer lachte meckernd. »Die Rothaarige aber können Sie wiederhaben, doch das kostet was. Es soll da ‘n Tagebuch mit ziemlich genauen An gaben geben und außerdem ‘n paar scharfe Fotos. Die beiden Mädchen behaupten, Sie hätten das Zeug. Wir tauschen die Rot haarige gegen das Material, kapiert?« »Warum haben Sie nicht im Haus auf Myladys und meine Rück kehr gewartet, Sir?« lenkte der Butler ab. »Das war uns zu gefährlich. Wir wissen ja nicht, was Sie so an Anlagen installiert haben. Wir haben uns über Sie erkundigt, Sie sollen ‘ne ganz schöne Bazille sein. Nee, das liegt nicht drin. Wir hatten auch keine Lust, uns von Kameras aufnehmen zu lassen. Deshalb haben wir uns die beiden Mädchen geschnappt und sind gleich wieder abgehauen. Also, was ist, machen wir den Deal?« »Sie nannten bislang weder Zeit noch Ort, Sir«, stellte der Butler ruhig und sachlich fest. »Stimmt, aber das erfahrt ihr erst kurz vorher. Ich rufe noch mal an.« Damit war die Verbindung unterbrochen.
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Der Kellerraum war dunkel, staubig und kalt. Die beiden Frauen saßen auf umgestülpten Getränkekisten. Ein Blick auf die Uhr zeigte Kathy Porter, daß sie sich schon zwei einhalb Stunden hier befanden – kein Wunder also, daß sie frös telten. Zwar konnte Kathy auf ihre Uhr sehen, aber die Hände benutzen konnte sie nicht. Die waren ebenso wie ihre Fußgelenke mit der ben Stricken gefesselt. Charlotte Kelly, die neben ihr saß, schluchzte leise vor sich hin. Die junge Frau war völlig entnervt und glaubte nicht mehr an eine Wende zum Besseren. Kathy dachte da anders. Sie hatte bislang nur deshalb nichts un ternommen, weil sie nicht weiter belästigt sein wollte. Aber sie hatte keineswegs die Absicht, sich in ihr ungewisses Schicksal zu ergeben. »Mein Gott, wo sind wir gelandet?« beklagte sich Charlotte Kelly. »Ich habe gehört, daß einige Mädchen auf noch ganz andere Wei se verschwunden sind. Die liegen jetzt irgendwo anonym auf ei nem Friedhof, wo sie nachts heimlich verbuddelt wurden.« »Unsinn, Charly, noch ist nichts verloren!« beschwor Kathy Porter sie. »Wir müssen nur zusehen, daß wir hier rauskommen. Außer dem sind da noch Mylady und Mister Parker. Ich nehme an, die Gangster werden sich mit ihnen in Verbindung setzen, und dann kriegt Mister Parker auch heraus, wo wir sind.« »Sie haben viel Vertrauen zu ihm, nicht wahr?« »Er ist phantastisch, glauben Sie mir! Also, nicht den Kopf hän gen lassen! Es kann nicht mehr lange dauern. Aber bis dahin soll ten wir auch etwas unternehmen.« Kathy Porter stand mühsam auf und hüpfte durch den Raum. So weit sie schon gesehen hatte, diente er als Lager, in dem Kisten und Flaschen standen. Außerdem gab es jede Menge Unrat, leere Kartons und ausrangierte Elektrogeräte. Alles in allem waren die Umstände aber gar nicht so schlecht. Zunächst mußten sie sich der leidigen Fesseln entledigen. »Kathy, wo sind Sie?« flüsterte Charlotte. »Meinen Sie, es gibt hier Spinnen?«
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»Möglich, aber die haben mehr Angst vor Ihnen als umgekehrt«, reagierte Kathy Porter burschikos. Dann stieß sie mit den Händen an eine staubige Flasche in einem Regal, legte mühsam die Finger darum und zog sie heraus. Einen Augenblick später zerbarst sie klirrend auf dem Boden. »Was war das?« Charlotte Kellys Stimme klang schrill. »Eine Flasche. Hoffentlich steht niemand draußen, der es gehört hat«, erklärte Randers Freundin. »Setzen Sie sich lieber wieder hierher, sonst verletzen Sie sich noch, wenn Sie da im Dunkeln herumstolpern«, meinte Charlotte Kelly. »Im Gegenteil, jetzt geht’s richtig los«, widersprach Kathy Porter und ging vorsichtig in die Knie. Sie begann mit den Händen auf dem Boden umherzutasten und fand schnell, was sie suchte. Eine große Scherbe mit scharfer Bruchstelle bot sich förmlich an. Die kriminalistisch Geschulte erhob sich mühsam und hüpfte in die Richtung, wo ihre Leidensgenossin sitzen mußte. »Sagen Sie was. Charly, damit ich Sie finde!« bat Kathy. »Was soll ich denn sagen? Kommen Sie endlich her! Ich fürchte mich allein«, gab die Gefangene zurück. »Glauben Sie wirklich, daß wir den Mistkerlen entkommen?« Kathy erreichte Charlotte und hielt ihr in der Dunkelheit die Hän de entgegen. »Strecken Sie Ihre Hände aus und suchen Sie mei ne!« ordnete sie an. »Aber seien Sie vorsichtig! Ich habe eine große Scherbe. Die nehmen Sie mir bitte ab, aber nicht fallen lassen!« »Wie Sie wollen, Kathy.« Charlotte Kelly streckte die gefesselten Hände vor und tastete damit in die Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, bis sie die Scherbe berührte und vorsichtig übernahm. »Okay, sehr gut«, lobte Kathy. »Und jetzt versuchen Sie, mit der Scherbe meine Fesseln durchzuschneiden!« »Und wenn ich Sie ritze, Kathy?« »Egal, nun machen Sie schon!« Zaghaft kam Charlotte Kelly den Wünschen nach. Einige Male rutschte die Scherbe ab und zerkratzte ihre Haut, aber im großen und ganzen stellte sie sich geschickter an, als Kathy Porter ge glaubt hatte. Sie dehnte ihre Gelenke und spürte, wie die Stricke nachzugeben begannen. »Los, noch mal kräftig! Gleich ist es soweit«, feuerte sie ihre Leidensgenossin an.
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»Gut, das reicht«, stellte sie wenig später fest. Sie trat zurück, holte tief Luft und sprengte die Fesseln. Aufatmend spürte sie, wie sie nachgaben und zu Boden fielen. »Das war der erste Schritt«, stellte sie fest und nahm die Scherbe wieder an sich. Zwei Minuten später trugen beide Frauen keine Fesseln mehr. Vorsichtig tasteten sie sich durch die Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, bis sie ihre Taschen gefunden hatten. Kathy nahm das Feuerzeug ihrer Leidensgenossin an sich und ging zur Tür. Auf merksam betrachtete sie im flackernden Schein das Schloß. »Das kriege ich schon hin«, war sie überzeugt und suchte in ihrer Tasche. Ein schmales Lederetui mit Nagelschere, Feile und Pinzet te kam zum Vorschein. Hinter diesen Körperpflegeinstrumenten steckte ein langer Draht mit verschiedenen Haken. Das Gerät stammte aus Parkers Werkstatt und war nichts anderes als ein Dietrich, den zu handhaben der Butler die junge Frau un terwiesen hatte. Kathy Porter führte ihn ins Schloß ein und sto cherte vorsichtig darin, bis kurz darauf die Zuhaltungen klickten. * »Wie konnte das nur passieren?« ereiferte sich die Hausherrin. »Das arme Ding! Wer weiß, was die Verbrecher mit ihr anstel len?« »Sie sind sicher, die richtige Adresse zu haben, Parker?« wandte sich Mike Rander an den Butler. »Absolut, Sir, es gibt keinen Zweifel.« Josuah Parker wiederholte die Angaben, die ihm sein Bekannter bei der Telefongesellschaft durchgegeben hatte. »Der Anschluß, von dem aus der Anruf erfolgte, gehört zu einem Nachtclub, der sich schlicht Club Chelsea nennt und in der Nähe der King’s Road liegt. Man stellte unverzüglich einige schnelle Recherchen an und erfuhr, daß laut Handelsregister der Inhaber die Firma Bell Enter tainments ist, die Musiker, Kapellen und andere Künstler vermit telt. Bell Entertainments wiederum ist nichts anderes als ein wei teres Unternehmen des Mister Nigel Bellamy.« »Ach nee, da haben wir ja dann wieder die lieben Bekannten zu sammen«, stellte der Anwalt sarkastisch fest.
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»In der Tat, Sir. Übrigens bemerkte man noch einen interessan ten Zufall, wenn es überhaupt einer ist, was meine Wenigkeit bezweifelt.« »Und der wäre?« »Bitte, Mister Parker, das Kind ist in Gefahr«, mahnte Agatha Simpson, die sogar eine gewisse Nervosität zeigte. »In der Parallelstraße zu jener, in der der Club liegt, befindet sich ein weiteres Etablissement, das sich ganz allgemein eines ausge zeichneten Rufes erfreut«, berichtete der Butler. »Es ist das Re staurant >The Golden Knight<, das über eine erstklassige Küche verfügt. Einen Tisch bekommt man nur bei entsprechender Vor anmeldung mindestens zwei Wochen im voraus. Zum Haus gehö ren zufolge der Informationen meiner Wenigkeit auch Festsäle verschiedener Große und Konferenzräume. Den Namen der Loka lität fand man auf einer der Listen des Mister Bellamy.« »Das heißt, dort finden auch solche Veranstaltungen statt, Par ker?« vergewisserte sich der Anwalt. »In der Tat, Sir.« Josuah Parker verneigte sich andeutungsweise. »Man hat auch über den >Golden Knight< Erkundigungen einge zogen und dabei die Hilfe Mister McWardens in Anspruch genom men. Das Restaurant gehört einer Unternehmensgruppe, die ein deutig von Personen des organisierten Verbrechens beherrscht wird. Die Firma Bell Entertainments hält einen Anteil von zehn Prozent.« »Meine Güte, wie sind Sie nur darauf gekommen, daß da ein Zu sammenhang besteht, beziehungsweise, gibt es überhaupt ei nen?« wunderte sich Mike Rander. »Im Grund befinden sich beide Etablissements im selben Häuser block, Sir, nur genau entgegengesetzt. Deshalb liegen sie an Pa rallelstraßen. Auch dieser Block gehört der erwähnten Unterneh mensgruppe.« »Es ist also nicht ausgeschlossen, daß die beiden Lokale mitein ander verbunden sind, etwa im Kellerbereich. Wollen Sie das da mit sagen?« »In der Tat, Sir. Man muß die Verbindung nachträglich geschaffen haben. Aber sie dürfte ausgezeichnete Möglichkeiten bieten. So könnten Gäste des Restaurants den Club aufsuchen, ohne diesen von der Straße her zu betreten. Außerdem wäre eine solche Ver bindung auch umgekehrt von Nutzen. Bei Gefahr könnten Clubbe
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sucher das Restaurant aufsuchen und dort als ganz normale Gäs te auftreten.« »Da ist allerdings was dran, vor allem dann, wenn man die Be sitzverhältnisse berücksichtigt. Wie kriegen Sie solche Sachen nur immer in so kurzer Zeit raus, Parker? Und vor allem, wie haben Sie die Verbindung hergestellt? Das haben Sie noch nicht erklärt. Immerhin handelt es sich um zwei völlig verschiedene Adressen.« »Das hat er von mir gelernt, mein lieber Junge«, ließ sich Mylady vernehmen. »Reine Intuition, Sir, etwas Glück und dazu kam ja auch, daß beide Adressen zumindest im selben Stadtteil liegen. Außerdem kennt meine Wenigkeit die Gegend«, blieb der Butler besonnen. »Das ist alles schön und gut, aber wir müssen jetzt aufbrechen«, wurde die Hausherrin ungeduldig. »Oder gibt es noch etwas dazu zu sagen, Mister Parker?« »Mister Borman erhielt einen Anruf Mister Bellamys, der ihn auf eine kurzfristig angesetzte Veranstaltung im >Golden Knight< hinwies, die heute abend stattfindet. Er könnte dort gern erschei nen, seine blaue Karte, die für eine andere Veranstaltung be stimmt ist, habe auch dort Gültigkeit. Offiziell handelt es sich um eine Versteigerung alter Wertpapiere und Briefmarken, die von den Damen der Agentur herumgereicht werden.« »Ach ja?« spöttelte Mike Rander. »Und wie werden dann die ein zelnen Damen vergeben?« »Sie werden auf der Bühne, während ein Conferencier die einzel nen Stücke oder Sammlungen noch mal anbietet, diese hochhal ten oder darauf zeigen, soweit sie in fahrbaren Vitrinen verwahrt werden, erklärte Mister Borman. Der traurige Rest läuft – mit Verlaub – ab wie gehabt«, informierte der Butler. »Scheußlich!« Mike Rander schüttelte sich. »Ob die Strolche die Sache extra wegen Kathy und der Kelly angesetzt haben? Um besonders die beiden anbieten zu können? Und wenn ja, wie? Ich meine, in Kathys Fall dürfte das risikoreich sein.« »Man dürfte nicht davor zurückschrecken, notfalls auch Drogen einzusetzen Sir.« »Verdammt, ja, daran hab’ ich noch gar nicht gedacht. Also, wie gehen wir vor?« »Mister Borman ist bereit, Sie und Mister Pickett als vertrauens würdige Gäste einzuschleusen, Sir. Mylady wiederum hat die Ab sicht, sich auf andere Weise Zugang zu verschaffen.«
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»Und ob!« Agatha Simpson nickte grimmig. »Ich wiederhole mei ne Frage, Mister Parker: Wann breche ich endlich auf?« »In wenigen Minuten, Mylady, wenn man dies vorschlagen darf. Dann dürfte auch die Dunkelheit allmählich einsetzen und Myla dys Vorhaben begünstigen. Darf man bis dahin eine Erfrischung servieren? Der kommende Abend könnte turbulent werden.« * »Meine Güte, das ist das reinste Labyrinth.« Kathy Porter schaute vorsichtig um eine Ecke. Die beiden jungen Frauen schlichen schon eine halbe Stunde durch die ausgedehnte Kelleranlage, ohne bisher an eine Treppe gekommen zu sein, die nach oben führte. Dafür hatten sie Unterkünfte entdeckt, die einen trostlosen Ein druck machten. Die Räume waren nur noch dürftig mit einer Lie ge, einem Stuhl und einer Chemietoilette ausgestattet und erin nerten an Gefängniszellen. Im letzten Raum dieser Art, den Kathy Porter öffnete, fanden sie eine junge Frau, die sich verängstigt in eine Ecke drängte, als die Tür aufschwang. »Bitte, laßt mich doch endlich in Ruhe!« flehte sie, während sie abwehrend die Hände ausstreckte. »Bleiben Sie ruhig! Wir werden Ihnen helfen«, gab Kathy Porter in beschwörendem Ton zurück und zog die junge Frau aus ihrem Gefängnis. »Sie haben auch für LMSA gearbeitet?« erkundigte sie sich, während sie zu dritt weitergingen. »Ja, und als ich dann verschwinden wollte, haben sie mich er wischt. Die haben in allen Zimmern versteckte Kameras ange bracht. Ich hatte überhaupt keine Chance.« »In den bewußten Zimmern?« vergewisserte sich Randers Freun din. »Ja.« Die junge Frau schluchzte leise. »Na, da haben ja einige Herren noch Glück gehabt, daß wir uns jetzt um diese Strolche kümmern«, fand Kathy Porter. »Obwohl ich es ihnen fast gönne. Aber ich könnte mir vorstellen, daß die Kameras nicht nur zur Überwachung da sind. Für peinliche Bilder und Filme kann man leider viel Geld verlangen.«
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Dann stoppte sie abrupt, hielt ihre Begleiterinnen an den Armen fest und bedeutete ihnen, sich nicht zu rühren. In der Dunkelheit hörte man Schritte, die rasch näher kamen. Kathy Porter ließ die Feuerzeugflamme ausgehen und lauschte angespannt. * John Borman betrat mit seinen beiden »Geschäftsfreunden« den Raum, der keineswegs wie ein öder Konferenzsaal aussah. Man hatte die Tische mit weißen Damastdecken belegt, Kristallgläser funkelten, und an einer Längsseite gab es ein großes Büffet. Vor jedem Platz lag ein Katalog, der die angebotenen alten Wert papiere und Briefmarken beschrieb. Allerdings gab es in diesem Katalog auch einen Sonderteil, in dem man die netten Hostessen vorstellte, die die angebotenen Dinge präsentieren würden. Mike Rander wunderte sich nicht, daß auch ein Bild von Kathy und Charlotte Kelly dabei war. Alles in allem war die Organisation erstklassig. Die Gangster muß ten unter anderem über eine leistungsfähige Schnelldruckerei verfügen, die in wenigen Stunden in der Lage war, einen derart aufwendigen Prospekt herzustellen. »Die Kataloge werden nach der Veranstaltung wieder eingesam melt«, erläuterte Borman. »Obwohl sie genaugenommen harmlos sind, denn niemand könnte daraus Rückschlüsse ziehen, die dar auf hindeuten, daß… na ja, Sie wissen, was ich meine.« »Ja, ich weiß.« Mike Rander hatte Borman auf der Herfahrt übri gens gebeten, während ihres Aufenthalts im Konferenzsaal nichts Unüberlegtes von sich zu geben. Er konnte sich gut vorstellen, daß überall Richtmikrophone verteilt waren, die die Gäste be lauschten. Abgesehen davon fiel es ihm nicht schwer, versteckte Kameras auszumachen. Sie waren hervorragend getarnt, aber für ein geschultes Auge durchaus erkennbar. * Lady Agatha sah sich interessiert um. »Das sieht nicht schlecht aus hier«, fand sie.
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»Wie meine Wenigkeit bereits andeutete, hat das Restaurant ei nen ausgezeichneten Ruf, Mylady«, berichtete Parker. »Und wie Mylady sehen können, erfreut es sich deshalb eines regen Zu spruchs.« Dem war in der Tat so. Das Lokal war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Oberkellner näherte sich ihnen und sah Parker ab wartend an. »Man nimmt an einer Auktion teil, die in einem Ihrer Räume stattfindet«, erklärte der Butler. »Allerdings hat man sich ein we nig verspätet und müßte noch mal die Auslagen hinter der Bühne überprüfen. Eine von Myladys Firmen gehört zu den Anbietern.« »Da sind Sie bei mir falsch, Sir«, wurde Parker informiert. »Wenn Sie das Restaurant verlassen und der Ausschilderung zu den Kon ferenzräumen folgen, finden Sie neben der Garderobe eine ver schlossene Tür, die zu den Räumen hinter dem Podium führt. Ich werde anrufen und Bescheid geben, daß man öffnet.« »Verbindlichsten Dank! Sie sind sehr liebenswürdig«, sagte der Butler und schritt zu der bewußten Tür. Dort erwartete sie schon ein junger Mann in Abendkleidung. Der Oberkellner hatte erstaun lich schnell gehandelt. »Die Firma Finney Auktionshaus«, stellte Parker vor. Den Namen hatte er von John Borman erfahren. Offiziell war Finney der Ver anstalter des Abends. Mit Sicherheit gehörte auch dieses Unter nehmen zum Umfeld der Ganoven und diente dazu, auf kriminelle Weise verdientes Geld zu waschen. »Ich hoffe, hier kommt nicht jeder herein, junger Mann«, be merkte Mylady, während sie sich an dem Angesprochenen vorbei drängte. »Die Marken, die wir versteigern, sind sehr wertvoll.« »Keine Angst, bei uns kann nichts passieren«, behauptete der junge Bedienstete, während er die Tür hinter ihnen wieder schloß. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?« »Bringen Sie mir bitte ein Gläschen Champagner! Geschäfte re gen mich immer an«, gab die ältere Dame zurück und lächelte erwartungsfroh. »Sehr gern.« Der Mann verschwand und war schon eine Minute später wieder zurück. »Schreiben Sie es auf meine Rechnung!« bat Mylady, während Parker ihm ein Trinkgeld reichte. »Wir finden uns allein zurecht«, teilte er ihm dabei mit. »Während der eigentlichen Veranstaltung ist ja niemand hier hinten?« »Nein, nur im Saal sind Kollegen, die dort bedienen.«
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»Sehr schön.« Parker nickte dem Ahnungslosen zu und entließ ihn. Dann wandte er sich an seine Herrin. »Man sollte jetzt viel leicht die Garderoben der Damen suchen, Mylady?« * »Moment mal! Wer seid ihr denn?« wunderte sich ein kompakt gebauter Mann Mitte Dreißig und stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte. Er baute sich vor dem skurrilen Paar auf und musterte es mißtrauisch. »Man möchte an der Auktion teilnehmen, Sir. Man ist doch hier an der rechten Stelle, oder?« erkundigte sich Josuah Parker ge messen und würdevoll. »Das hier sind sozusagen die Betriebsräume. Hier haben Gäste nichts zu suchen. Wie kommen Sie überhaupt hier rein?« »Würden Sie freundlicherweise den Weg zu den den Gästen zu gänglichen Räumlichkeiten zeigen, Sir?« bat Parker, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ich kann hier nicht weg.« Der Kompakte sah sie mürrisch an. »Warten Sie! Ich ruf ‘nen Kollegen.« Damit wandte er sich um und griff nach einem Wandtelefon. Josuah Parker trat umgehend in Aktion. Er ließ den Schirmgriff auf den Mann fallen und fing den Zusammenbrechenden ge schickt auf. Dann rüttelte er an der Klinke der Tür, wo der Mann Wache gehalten hatte, und wunderte sich nicht, daß sie ver schlossen war. Den Schlüssel hatte der Kompakte in der Tasche. * Die jungen Frauen in dem Raum waren geschmackvoll gekleidet,
ohne dabei aber ihre Reize zu verbergen. Ihre Kleider waren so
raffiniert geschnitten, daß die körperlichen Vorzüge zumindest zu
erahnen waren.
Als die Tür geöffnet wurde, wandten sie ihre Gesichter dorthin
und starrten erstaunt dem eintretenden Paar entgegen.
Parker schloß die Tür hinter sich und zog die Melone vom Kopf.
Dann legte er einen Finger an die Lippen, bedeutete den Damen,
nichts zu sagen, und zog ein kleines Instrument aus der Tasche,
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das er durch die Luft schwenkte. Das Gerät begann umgehend leise zu fiepen, und eine kleine rote Lampe flackerte auf. Der Butler brauchte nicht lange, um mit Hilfe seines Spezialgeräts die »Wanzen« zu entdecken, mit denen die Garderobe abgehört wurde. Erst dann sprach er die jungen Frauen an. »Meine Wenig keit wünscht Ihnen einen Abend, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr viel angenehmer verlaufen wird, als Sie befürchtet haben«, begann er. »Man möchte Ihnen zunächst Lady Agatha Simpson vorstellen, die Sie in die Freiheit zurückfüh ren wird.« * Eileen Rogers schüttelte verärgert den Kopf, als sie um die Ecke bog und sah, daß der Wächter nicht vor der Tür stand. Sie würde Bellamy darüber berichten und dafür Sorge tragen, daß der Kerl eine ordentliche Abreibung bekam, beschloß sie wütend, kramte in ihrer Abendtasche, suchte und fand den Schlüssel und öffnete die Tür. »Nur herein, meine Liebe! Sie kommen gerade recht!« rief Mylady ihr entgegen. Die Agenturchefin erstarrte. Die Schlüssel fielen ihr aus der Hand, und der Mund blieb offenstehen. Sie blickte sich ungläubig um und begriff nicht, was sie sah. »Sie… Sie… wie kommen Sie hier herein?« »Immer dieselben Fragen«, reagierte Mylady mürrisch und winkte ab. »Das ist doch gleichgültig. Ich bin jedenfalls hier, und nur das zählt. Versuchen Sie übrigens nicht zu fliehen! Es hätte keinen Sinn.« »Die ist an allem schuld. Ich zerkratze ihr die Visage!« schrie ei nes der Mädchen und sprang auf. Sie spreizte ihre Finger und stürzte sich auf die Agenturchefin. »Später vielleicht, Kindchen«, wurde sie von der älteren Dame gestoppt. »Lassen Sie mich erst weitererzählen, wie ich mir das alles vorstelle!« Josuah Parker warf einen Blick auf seine Uhr. Dann nickte er zu frieden. Inzwischen durfte McWarden mit seinen Leuten in Stel lung gegangen sein; außerdem sollten Mike Rander und Horace
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Pickett bereits im Saal sein. Die Veranstaltung würde jeden Au genblick beginnen… * »Ich begrüße Sie recht herzlich und freue mich, daß Sie so zahl reich erschienen sind«, verkündete ein gutgelaunter Nigel Bella my auf der Bühne und sah lächelnd auf sein Publikum im Saal. »Wir kommen sofort zur Sache. Nun, also Objekt Nummer eins: ein kompletter Satz kolonialindischer Marken. Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem Prospekt! Präsentiert wird die erlesene Sammlung übrigens von unserer reizenden Miß Peggy.« Damit verbeugte er sich, wartete, bis der Beifall verrauscht war, und drehte sich um. Er deutete auf den Vorhang hinter der Büh ne, der gerade aufging, und… Eileen Rogers erschien. Sie tat dies nicht ganz freiwillig. Hinter ihr stapfte Lady Agatha und trieb sie herein. Die ausschließlich männlichen Besucher an diesem Abend hielten das für einen Gag und klatschten Beifall. Mike Rander und Horace Pickett indes paßten auf. Als die ersten Kellner an ihnen vorbeieilen wollten und dabei unauffällig in ihre Innentaschen griffen, stellten sie die Beine vor und brachten die Männer zu Fall. Dann standen sie auf und sahen sich nach Bella mys Helfershelfern um. »Sie ist noch etwas schüchtern«, erklärte Agatha Simpson am Mikrophon zur Freude der Gäste. Niemand maß den Kellnern Be deutung bei, alle sahen aufmerksam zur Bühne. Dort wurde es noch turbulenter. Plötzlich erschienen Kathy Porter und die beiden anderen Frauen, ihnen auf den Fersen ein grimmig dreinblickender Mann, der sie zurückhalten wollte. Die drei Frauen hatten den Männern nicht ausweichen können. Zwei von ihnen hatte Kathy Porter ausschalten können, der dritte hatte eine Schußwaffe gezogen, und sie mußten fliehen. Er verfolgte sie durch ausgedehnte Kellergänge, bis sie eine nach oben führende Treppe fanden und hinaufeilten. Kathy sah sofort, daß sie hinter eine Bühne gelangt waren, und lief instinktiv auf den Vorhang zu, riß ihn auf und jagte an die Rampe. Ihr Verfolger mußte notgedrungen die Pistole einstecken, folgte aber.
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Nigel Bellamy sah, daß da etwas schiefgegangen war. Er warf sich herum und wollte fliehen, doch er hatte die Detektivin vergessen. Der Pompadour war schon unterwegs und schlug an seine Beine. Unter dem Beifall der Gäste wurde der Dicke nervös und versuch te, über eine schmale Treppe neben der Bühne in den Saal zu entkommen. Mylady nahm unverzüglich die Verfolgung auf, polterte hinter ihm die Stufen hinab und griff nach einem Sektkübel. Josuah Parker trat dem Verfolger der drei jungen Frauen in den Weg, entschuldigte sich bei ihm für das kommende Ungemach und klopfte mit dem bleigefüllten Schirmgriff an die Stirn des Mannes. * Die Gentlemen standen bedrückt in einer Ecke und musterten scheu die Polizisten, die McWarden mitgebracht hatte. Keiner von ihnen schien sich wohl zu fühlen in seiner Haut. »Da sieht man gewisse Wirtschaftsbosse mal ganz anders, Par ker«, bemerkte Mike Rander spöttisch und zwinkerte McWarden, der bei ihnen stand, zu. »Was sagen Sie dazu?« »Erst mal gar nichts. Was meinen Sie, was ich mir schon alles anhören mußte!« Der Chief-Superintendent lächelte grimmig. »Aber daraus mache ich mir nichts. Die Herrschaften haben einen Denkzettel verdient.« »Und ob!« Mike Rander sah, wie Lady Agatha auf die Männer zu ging, vor ihnen stehenblieb und jeden einzelnen scharf ins Blick feld nahm. »Mylady scheint sie ein bißchen einschüchtern zu wollen«, be merkte er zu den beiden anderen. »Mylady dürfte den Geboten der Höflichkeit folgen, Sir«, erklärte der Butler die Absichten seiner Herrin. »Sie stellt sich vor und bittet im Gegenzug den angesprochenen Herrn um seinen Na men.« »Wirklich?« Mike Rander lachte amüsiert. »Den der Mann natür lich gerne nennt?« »Das entzieht sich der Kenntnis meiner Person, Sir. Mylady deu tete allerdings an, daß ihr Gehör plötzlich unter einer hoffentlich vorübergehenden Beeinträchtigung leidet, so daß sie die Namen
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der Herren möglicherweise nicht gleich beim ersten Mal versteht und um eine Wiederholung bitten muß…«
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 537 Curd H. Wendt
PARKER stürzt den »Kälberkönig« Zufällig wird Lady Agatha Zeuge, wie Kälber rabiat auf die Lade fläche eines Viehtransporters getrieben werden. Sie entdeckt ihr Herz für Tiere und… sticht in ein Wespennest. Was weder die lei denschaftliche Amateurdetektivin noch Butler Parker ahnen kön nen: Die Kälber sind für einen der zahlreichen Mastbetriebe be stimmt, die unter dem Kommando des geheimnisvollen »Kälber königs« stehen. Und der läßt sich nicht gern in die Karten gucken. Doch das skurrile Paar aus Shepherd’s Market läßt sich durch An schläge nicht abschrecken, nimmt jede Herausforderung an und enthüllt die Praktiken des skrupellosen Großmasters, der beden kenlos mit Hormonspritzen und verseuchtem Kraftfutter arbeitet. Hauptsache, die Kasse stimmt. Er selbst käme ja auch nie auf die Idee, einen Kalbsbraten aus eigener Produktion zu verzehren…
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