Praktische Maschinenakustik (VDI-Buch)

Franz Gustav Kollmann · Thomas Franz Schösser · Roland Angert Praktische Maschinenakustik

Franz Gustav Kollmann · Thomas Franz Schösser Roland Angert

Praktische Maschinenakustik Mit 166 Abbildungen

Prof. em. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Franz Gustav Kollmann Technische Universität Darmstadt Fachgebiet Mechantronik und Maschinenakustik Magdalenenstr. 4 64289 Darmstadt

Dr.-Ing. Thomas Franz Schösser TFS Technische Akustik Friedrichstr. 23 64293 Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. Roland Angert Fachhochschule Darmstadt Fachbereich Maschinenbau Schöfferstr. 3 64295 Darmstadt Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter abrufbar.

ISBN-10 3-540-20094-0 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-20094-9 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH Einbandgestaltung: Struve & Partner, Heidelberg Herstellung: PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020/Yu - 5 4 3 2 1 0

Vorwort

Grundlage des vorliegenden Buches ist eine rund zwanzig Jahre dauernde Forschung auf dem Gebiet der Maschinenakustik im Fachgebiet „Maschinenelemente und Maschinenakustik“ des Fachbereiches Maschinenbau der Technischen Universität Darmstadt. Dieses Fachgebiet wurde von 1982 bis 2000 von dem Erstautor Franz Gustav Kollmann (FGK) geleitet. Die beiden Koautoren Thomas F. Schösser (TFS) und Roland Angert (RA) waren wissenschaftliche Mitarbeiter für Maschinenakustik am Fachgebiet. Beide Koautoren haben umfangreiche Erfahrungen in der eigenen Praxis gesammelt - TFS als Inhaber eines Ingenieurbüros für Technische Akustik und RA in veschiedenen Industriepositionen vor dem im März 2005 erfolgten Wechsel als Professor an die Fachhochschule Darmstadt. Der Seniorautor FGK hat 1993 (1. Auflage) und 2000 (2. Auflage) ein wissenschaftlich orientiertes Buch „Maschinenakustik“ verfaßt. Dieses Buch wendet sich vorwiegend an Wissenschaftler in Forschung und Industrie sowie an Studierende an Universitäten. Das vorliegende Buch weist schon in seinem Titel „Praktische Maschinenakustik“ darauf hin, daß es eine andere Zielgruppe als das Buch „Maschinenakustik“ von FGK ansprechen will. Aufgabe dieses Buches ist es, die auf praktische Probleme anwendbaren Ergebnisse der Maschinenakustik so darzustellen, daß der in der industriellen Praxis tätige Ingenieur sie rasch finden und umsetzen kann. Kern des Buches sind Unterlagen für ein zweitägiges Seminar, das FGK und TFS vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2003 an der Technischen Akademie Esslingen abgehalten haben. Gegenüber dem Buch „Maschinenakustik“ von FGK weist dieses Buch die folgenden wesentlichen Unterschiede auf: – Es werden die wichtigen Formeln der Maschinenakustik unter bewußtem Verzicht auf mit mathematischen Aufwand verbundene Herleitungen angegeben. – Die Kapitel 10 und 11 zur akustischen Meßtechnik sind infolge ihrer großen praktischen Bedeutung wesentlich umfangreicher gehalten als die entsprechenden Kapitel im Buch „Maschinenakustik“. – Am Ende wichtiger Abschnitte werden die wesentlichen Ergebnisse in Zusammenfassungen angegeben. Diese Zusammenfassungen sind mit einem Grauton hinterlegt, damit sie der Leser rasch auffinden kann. Die Autoren hoffen, daß dadurch die an den anwendungsorientierten Ergebnissen interessierten Leser sich rasch einen ersten Überblick verschaffen können. Das Lesen der Zusamenfassungen ersetzt selbstverständlich nicht das Studium der zugehörigen Abschnitte des Buches. Das vorliegende Buch beschränkt sich auf die sog. indirekte Schallabstrahlung. Daher werden Probleme der Strömungsakustik nicht behandelt. Hierfür gibt es zwei Gründe. Zum einen verfügen die Autoren auf dem Gebiet der Strömungsakustik nicht über eigene Expertise. Zum anderen würde durch eine Berücksichtigung der Strömungsakustik der Umfang des Buches unangemessen groß werden.

VI

Vorwort

Der Leser des Buches muß sich deutlich machen, daß die Maschinenakustik ein komplexes Gebiet darstellt, dessen Beherrschung nicht ohne eigene Anstrengungen möglich ist. Dies liegt daran, daß Schwingungs- bzw. Wellenausbreitungsvorgänge in zwei verschiedenen Aggregatszuständen miteinander bei der Abstrahlung von Schall durch Maschinen gekoppelt sind. In der Maschine liegt primär Körperschall vor, der die Abstrahlung von Luftschall verursacht. Demgemäß sind die Anforderungen an die Mitarbeit der Leser in den verschiedenen Kapiteln unterschiedlich. Die höchsten Anforderungen werden in den Kapiteln 8 und 9 gestellt, die eine knappe Darstellung der modernen numerischen Verfahren für die Berechnung von Körperschall- und Luftschallfeldern enthalten. Leser, die an einer vertieften Darstellung interessiert sind, werden auf die zweite Auflage des Buches „Maschinenakustik“ von FGK und die dort angegebene Spezialliteratur verwiesen. Auch der Abschnitt 11.5, in dem das Verfahren der Experimentellen Modalanalyse behandelt wird, erfordert intensive Mitarbeit des Lesers. Schließlich haben die Autoren einigen Personen und Institutionen zu danken, die zu diesem Buch beigetragen haben. An erster Stelle ist hier der Springer-Verlag zu nennen, der mit großem Verständnis auf erhebliche Terminverzögerungen reagiert hat. Unseren ganz besonderen Dank sagen wir Herrn Thomas Lehnert, der im Springer-Verlag unser Buch betreut hat. Er war ein immer verständnisvoller und uns konstruktiv unterstützender Partner. Herr Professor Dr.-Ing. habil. Gunther Knoll, Universität Gh Kassel hat uns die Vorlagen zu den Abbildungen 8.6 mit 8.8 zur Verfügung gestellt. Der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. danken wir für die freundliche Genehmigung zum Abdruck einiger Abbildungen aus dem Bericht [35]. Das Manuskript des Buches wurde mit dem Textverarbeitungssystem LATEX erstellt. Auf Veranlassung des Springer-Verlags wurde dieses Manukript hinsichtlich des Layouts von der Firma PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH überarbeitet. Für die dadurch erzielte Verbesserung des Layouts danken wir dem Springer-Verlag und der Firma PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH verbindlich. Herr Luzius Schneider, Siglisdorf (www.luziusschneider.com) hat freundlicher Weise das Programm TxtEdit als Freeware zur Verfügung gestellt, in welches das für LaTeX einsetzbare Rechtschreibprüfprogramm Ispell integriert ist.

Im Juni 2005 München Darmstadt Pfungstadt

Franz Gustav Kollmann Thomas F. Schösser Roland Angert

Inhaltsverzeichnis

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Grundlegende maschinenakustische Begriffe 1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Direkte und indirekte Schallabstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Pegelrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Grundzüge der physiologischen Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Admittanz und Impedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Berechnungen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Effektivwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 3 4 9 12 14 17

2

Frequenzanalyse von Zeitsignalen 2.1 Frequenzanalyse harmonischer Zeitsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Fourier-Reihen periodischer Zeitsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Diskrete Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Eigenschaften der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 21 23 27 31 33

3

Dämpfung von Körperschall 3.1 Physikalische Dämpfungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das Kelvin-Voigt-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Einfaches, eindimensionales Kelvin-Voigt-Modell . . . . . . 3.2.2 Verallgemeinerung für kontinuierliche Körper . . . . . . . . . . 3.3 Dämpfende Beläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Platte mit dämpfendem Belag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Eingezwängte Beläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 40 40 44 46 46 48

4

Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen 4.1 Der Einmasseschwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Freie Schwingungen des Einmasseschwingers . . . . . . . . . . 4.1.2 Erzwungene Schwingungen des Einmasseschwingers . . . 4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Freie Schwingungen der gedämpften Platte . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Erzwungene Schwingungen der gedämpften Platte . . . . . . 4.3 Das Körperschallmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Das Körperschallmaß einer Rechteckplatte . . . . . . . . . . . . 4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Glatte Rechteckplatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Ähnlichkeitsgesetze für das Körperschallmaß . . . . . . . . . . 4.4.3 Platte mit vorgeschalteter Punktmasse . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Auswirkung von Rippen auf das Körperschallmaß . . . . . . . . . . . . .

55 56 57 61 65 70 77 79 81 83 83 87 92 94

VIII

Inhaltsverzeichnis

5 Abstrahlung von Luftschallwellen 5.1 Luftschallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Abstrahlgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Der Kugelstrahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die Kolbenmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Physikalische Betrachtungen zur Abstrahlung von Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Berechnung des Abstrahlgrads rechteckiger Platten . . . . . 5.5.3 Ähnlichkeitsgesetze für die Abstrahlung von Platten . . . . .

99 99 100 102 105 107 107 110 115

6 Abkopplung von Körperschall 123 6.1 Maschinendynamisches Modell der Abkopplung . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.2 Maschinenakustisches Modell der Abkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7

Maschinenakustische Grundgleichung

131

8

Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern 8.1 Grundlagen der Finiten Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Ein Beispiel für eine FEM-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 135 145 150

9

Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder 9.1 Grundlagen des äußeren Abstrahlproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Akustische Finite Elemente Methode für endliche Außengebiete . . 9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Randelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Vergleich von Methoden zur Berechnung von Abstrahlproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 156 159 168

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik 10.1 Zielsetzungen maschinenakustischer Messungen . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Maschinenakustisch relevante Meßgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Die allgemeine maschinenakustische Meßkette . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Luftschallsensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Körperschallsensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Kraftsensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Drucksensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.5 Drehwinkelsensoren für Drehzahlen und Drehschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.6 Schnittstellenstandards für Sensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Meßdatenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Grundlagen der Filtertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179 179 179 182 183 184 191 207 209

174

211 211 214 214

Inhaltsverzeichnis

10.6

10.5.2 Funktionsweise von Frequenzanalysatoren . . . . . . . . . . . . . 10.5.3 Praktische Aspekte der Diskreten Fourier-Transformation (DFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.4 Meßfunktionen der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . Fehlerursachen maschinenakustischer Messungen . . . . . . . . . . . . . .

11 Meß- und Auswerteverfahren 11.1 Schwingungsanregung technischer Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Anregungssignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Geräte für die Schwingungsanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Impulsanregungsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Elektromagnetische Schwingerreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Elektrohydraulische Schwingerreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Ordnungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Zeitbasierte Frequenzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit konstanter Abtastfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Weitere Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Experimentelle Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Auswahl des Meßobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Festlegung der Randbedingungen für die Lagerung . . . . . 11.4.3 Diskretisierung des Meßobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.4 Wahl der Anregungspunkte und Ausführung der Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.5 Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.6 Parameterschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.7 Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.8 Vergleich der Experimentellen und der Numerischen Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Betriebsschwingformanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.1 Betriebsschwingformanalyse im Zeitbereich . . . . . . . . . . . 11.5.2 Betriebsschwingformanalyse im Frequenzbzw. Ordnungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.1 Grundlagen der Messung von Luftschall . . . . . . . . . . . . . . 11.6.2 Schalldruckverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.3 Schallintensitätsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

219 224 230 238 241 243 243 249 249 253 256 258 258 260 262 262 268 270 270 270 273 275 278 281 283 286 287 287 288 289 293 298

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen 307 12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 12.2 Anforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Lärmminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

X

Inhaltsverzeichnis

12.3 12.4 12.5 12.6

Werkzeuge für die Entwicklung lärmarmer Maschinen . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen beim Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen zur Lärmminderung . . . . . . . . . . . Allgemeine Maßnahmen für die Lärmminderung von Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regeln für die Minderung von Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Beeinflussung der Erregerkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.2 Beeinflussung des Körperschallmaßes . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.3 Beeinflussung des Abstrahlgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen 13.1 Anforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Schallentstehungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Reduktion der Schallanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Körperschallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Flüssigkeitschallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.3 Luftschallquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Reduktion der Schallübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.1 Schalldämmung und Schalldämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.2 Eigenschwingungsverhalten der Übertragungselemente . . 13.5 Reduktion der Schallabstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6.1 Untersuchte Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6.2 Ergebnisse der durchgeführten Schalleistungsberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.7 Typische Anregungs- und Resonanzfrequenzen . . . . . . . . . . . . . . . .

309 313 317 319 319 321 323 327 328 329 330 330 333 334 335 335 336 338 338 339 341 349

Literatur

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Sachverzeichnis

357

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Einführung grundlegender maschinenakustischer Begriffe (Abschn. 1.1) – Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Schallabstrahlung von Maschinen (Abschn. 1.2) – Einführung in das Rechnen mit Pegeln (Abschn. 1.3) – Grundzüge der physiologischen Akustik (Abschn. 1.4) – Admittanz und Impedanz in der Akustik (Abschn. 1.5) – Ausführung von Berechnungen mit komplexen Zahlen (Abschn. 1.6) – Einführung von Effektivwerten (Abschn. 1.7)

1.1 Allgemeines In der Maschinenakustik werden die Entstehung, Übertragung und Abstrahlung von Schall in bzw. durch Maschinen behandelt. Um den zu behandelnden Stoff einzuschränken wird im folgenden nur die Abstrahlung von Luftschall in einen Außenraum behandelt. Die Schallabstrahlung in geschlossene Innenräume (z.B. Fahrgastkabinen von Fahrzeugen) ist nicht Gegenstand dieses Buchs. Eine Schall abstrahlende Maschine stellt ein „Schallquelle“ dar. Um das akustische Verhalten von Schallquellen zu beschreiben und zu beeinflussen, ist eine genaue Kenntnis der physikalischen Mechanismen erforderlich, welche für die Entstehung und Ausbreitung von Schall und für seine Abstrahlung verantwortlich sind. Auf Grund dieser Kenntnisse können dann Maßnahmen zur Verminderung der Schallabstrahlung von Maschinen getroffen werden. Die Reduktion der von Maschinen in die Umgebung abgestrahlten Schallenergie heißt Lärmminderung. Dabei wird zwischen aktiver und passiver Lärmminderung unterschieden. Bei der aktiven Lärmminderung wird versucht, die Funktionen und/oder die stofflich-geometrische Gestaltung einer Maschine so festzulegen, daß eine möglichst geringe Geräuschemission erreicht wird. Bei der passiven Lärmminderung wird die Emission des schallabstrahlenden Objektes als gegeben hingenommen. Es wird dabei versucht, durch sekundäre Maßnahmen die von der Maschine abgestrahlten Schallwellen von der Umgebung fernzuhalten. Passive Lärmminderung besteht daher in erster Linie in der Kapselung von Maschinen. In diesem Buch werden die physikalischen Grundlagen der Maschinenakustik behandelt. Aus diesen Grundlagen werden Maßnahmen zur aktiven Lärmminderung abgeleitet. Wesentlich für die Akustik ist der Begriff der Schwingung. Nach Klotter [37] ist eine Schwingung ein Vorgang, bei dem sich eine kennzeichnende Größe x = x(t) so mit der Zeit t ändert, daß bestimmte Merkmale wiederkehren. Dabei gibt es keine allgemeinverbindliche Definition darüber, wie oft einzelne Merkmale wiederkehren müssen, damit eine Schwingung vorliegt. Von besonderer Bedeutung sind die pe-

2

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

riodischen Schwingungen, bei denen sich ein Vorgang nach Ablauf der Schwingoder Periodendauer T vollständig wiederholt. Eine periodische Schwingung liegt vor, wenn die folgende Periodizitätsbedingung gilt x(t + T) = x(t) :

(1.1)

Als Schall werden allgemein mechanische Schwingungen im Frequenzbereich zwischen 16 und 16000 Hz (Hörbereich des gesunden menschlichen Ohrs) bezeichnet. Je nach dem Medium, in dem die periodische Schwingung auftritt, wird zwischen Luftschall, Flüssigkeitsschall und Körperschall unterschieden, wobei letzterer in festen Körpern auftritt. In der Maschinenakustik können alle drei Arten von Schall auftreten. Nahezu immer finden sich sowohl Körper- als auch Luftschall. Flüssigkeitsschall ist nur in solchen Maschinen zu beobachten, deren Arbeitsmedium in der flüssigen Phase vorliegt. In diesem Buch wird Flüssigkeitsschall nicht behandelt. Im allgemeinen hängen die akustischen Kenngrößen (z.B. Leistung, Schnelle, Schalldruck) sowohl von der Zeit t als auch den Ortskoordinaten x ab. Im Sinn der mathematischen Physik liegen dann zeitabhängige Felder1 vor. Eine wichtige Aufgabe der Maschinenakustik besteht in der rechnerischen und experimentellen Bestimmung von Schallfeldern (vgl. hierzu Abschnitt 4.2 und Kapitel 5). Es folgt noch eine sehr wichtige Vorbemerkung. Für grundlegende Betrachtungen werden häufig zeitlich harmonische Vorgänge vorausgesetzt. Ein zeitlich harmonischer Vorgang liegt immer dann vor, wenn sich sein zeitlicher Anteil durch eine reine Sinus- und/oder Cosinusfunktion darstellen läßt gemäß f(x;t) = g(x)h(t) ; ⎧ ⎪ ⎪ sin !t ; ⎪ ⎨ h(t) = cos !t ; ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ a sin !t + b cos !t :

(1.2)

(1.3)

In (1.3) stellen die Funktionen g(x) und h(t) die orts- bzw. zeitabhängigen Anteile dar und ! ist die Kreis- oder Winkelfrequenz, die mit der Frequenz
gemäß ! = 2
zusammenhängt. Die Größen a und b sind beliebige, i.a. reelle Konstanten. Der zeitliche Ansatz in (1.3) läßt sich wie folgt rechtfertigen. In der Maschinenakustik interessieren meistens nur zeitlich periodische Vorgänge. Diese lassen sich immer2 in eine aus Sinus- und Cosinusgliedern bestehende Fourier-Reihe entwickeln. Dies wird ausführlich in Kapitel 2 (vgl. insbesondere Abschn. 2.2) behandelt. Daher genügt es bei zeitlich periodischen Vorgängen nur ein Glied der betreffenden FourierReihe zu betrachten, da das Ergebnis für die gesamte Untersuchung im Rahmen der linearen Akustik stets durch Überlagerung (Superposition) der Beiträge der einzelnen Fourier-Terme gewonnen werden kann. Insofern stellt bei zeitlich periodischen Vor1

In der mathematischen Physik werden physikalische Größen, die Funktionen der Ortskoordinaten sind, als Felder bezeichnet. 2 Voraussetzung hierfür ist, daß gewisse Stetigkeitsforderungen erfüllt sind, was in der Praxis stets gewährleistet ist.

1.2 Direkte und indirekte Schallabstrahlung

3

gängen die Beschränkung auf zeitlich harmonische Vorgänge keine Einschränkung der Allgemeingültigkeit der Untersuchungen dar.

1.2 Direkte und indirekte Schallabstrahlung In der Maschinenakustik wird zwischen direkter und indirekter Abstrahlung unterschieden. Nach Abb. 1.1 werden bei der direkten Abstrahlung die Teilchen der die Maschine umgebenden Luft unmittelbar zu Schwingungen durch Strömungsvorgänge (z.B. in Gebläsen, Abgasanlagen) angeregt. In diesem Buch wird auf die direkte Schallabstrahlung nicht eingegangen.

Abb. 1.1. Direkte und indirekte Abstrahlung

Die indirekte Schallabstrahlung von Maschinen erfolgt mittels der folgenden physikalischen Mechanismen. Innerhalb einer Maschine wirken in einem oder mehreren Punkten oder in abgegrenzten Teilflächen dynamische3 Erregerkräfte. Die dynamischen Kräfte hängen ihrer Natur nach nicht nur von den Ortskoordinaten sondern explizit von der Zeit als unabhängiger Variablen ab. Die Betriebskräfte besitzen daher in der Regel einen statischen (von der Zeit unabhängigen) und einen dynamischen Anteil. Im folgenden werden als Erregerkräfte nur die dynamischen Anteile der wirkenden Kräfte berücksichtigt. Diese Erregerkräfte regen die gesamte Maschine zu mechanischen Schwingungen in Form von Körperschall an. Zur Schallabstrahlung trägt nur der sich auf der äußeren Oberfläche ausbreitende Körperschall bei. Alle mit der schallabstrahlenden Oberfläche unmittelbar in Verbindung stehenden Teile der Maschine werden im folgenden als „Maschinenstruktur“ oder einfach als Struktur bezeichnet. Grundsätzlich ist im wesentlichen der Biegeanteil des auf der Oberfläche 3

Das Wort „dynamisch“ bedeutet, daß im Sinne der Technischen Mechanik die Trägheitskräfte bei der Berechnung dieser Kräfte berücksichtigt werden müssen.

4

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

der Struktur wirkenden Körperschalls für die Abstrahlung von Luftschall maßgeblich. Denn nur diejenigen Geschwindigkeitskomponenten einer Maschinenstruktur, die senkrecht zu ihrer Oberfläche stehen, können die umgebende Luft zu Schwingungen anregen. Gegenstand dieses Buches sind die Grundlagen der indirekten Schallabstrahlung sowie daraus ableitbare Regeln für die Gestaltung lärmarmer Maschinen.

1.3 Pegelrechnung Die maschinenakustischen Größen (wie z.B. Schalldruck, Schalleistung, Geschwindigkeit usw.) können in der Praxis sehr unterschiedliche Größenordnungen annehmen. So kann das menschlich Ohr beispielsweise bei der Frequenz 1000 Hz einen Schalldruck von 2
105 Pa gerade noch wahrnehmen (Hörschwelle). Bei der gleichen Frequenz setzt bei einem Schalldruck von 20 Pa Schmerz ein (Schmerzschwelle). Der zwischen der Hör- und Schmerzschwelle liegende Hörbereich erstreckt sich also über 6 Dekaden. Um eine einfache Behandlung derartiger, in weiten Bereichen schwankender Daten zu ermöglichen, wird in der Akustik die Pegelrechnung verwendet. Nach DIN 5493 wird zwischen Energie- und Feldgrößen unterschieden. Größen, welche der Energie proportional sind, heißen Energiegrößen (z.B. Energie, Energiedichte, Leistung, usw.). Größen, deren Quadrate der Energie proportional sind, werden Feldgrößen genannt (z.B. Schalldruck). Ein Pegel ist das logarithmierte Verhältnis einer Energie- oder einer Feldgröße G, bei der im Nenner des logarithmierten Ausdrucks eine festgelegte Bezugsgröße G0 steht. Diese Bezugsgröße wird als Referenzwert bezeichnet. Dem logarithmierten Verhältnis wird bei der Pegelbildung eine Konstante K vorangestellt, deren Wert davon abhängt, ob der Pegel einer Energie- oder Feldgröße gebildet wird G : LG := K logb G0 Grundsätzlich läßt sich ein Pegel durch die Angabe der Basis b des verwendeten Logarithmus’, der Konstanten K und des Referenzwertes G0 definieren. In der Akustik wird ausschließlich der Zehnerlogarithmus4 mit der Basis b = 10 verwendet. Für die Konstanten wird gesetzt: Energiegröße: K = 10

Feldgröße: K = 20

Die Maßeinheit für den so definierten Pegel ist das Dezibel, das mit dem Kurzzeichen dB hinter den Logarithmus gesetzt wird. Ein Pegel wird durch das Symbol L gekennzeichnet. Diesem wird als Index das Symbol derjenigen Größe angehängt, deren Pegel gebildet wird. Wenn beispielsweise P die Leistung bezeichnet, so ist also LP der Leistungspegel. Im folgenden werden die Definitionsgleichungen für die wichtigsten in der Maschinenakustik verwendeten Pegel angegeben. Hierbei wird berücksichtigt, daß Pegel im allgemeinen von der Frequenz
abhängen. Diese Definitionen sind in DIN EN 21683:1994 genormt. Die Definition eines Pegels enthält einen Bezugswert. Bevorzugte Bezugswerte finden sich ebenfalls in DIN EN 4

Gemäß DIN 1302 wird der Zehnerlogarithmus mit dem Symbol lg gekennzeichnet.

1.3 Pegelrechnung

5

21683. Diese Bezugswerte werden im folgenden bei den einzelnen Pegelgleichungen angegeben. Bei akustischen Größen werden üblicherweise die Pegel aus deren Effektivwerten (vgl. Abschn. 1.7) gebildet. Grundlegend ist die Definition des Leistungspegels5 LP (
) = 10
lg

P(
) dB : P0

(1.4)

Hierin sind P(
) die Leistung bei der Frequenz
und P0 = 1
1012 W die Referenzleistung. Ferner werden die Pegeldefinitionen für die folgenden Feldgrößen angegeben: 1. Schalldruckpegel Lp (
) = 20
lg

p(
) dB : p0

(1.5)

Hierin sind p(
) der Schalldruck bei der Frequenz
und p0 = 2
105 Pa der zugehörige Referenzwert in Luft. Bei anderen Medien außer Luft gilt p0 = 1
106 Pa . 2. Schnellepegel In der Akustik treten meistens Geschwindigkeitsfelder auf, die sich als Produkt aus einem rein orts- und einem rein zeitabhängigen Anteil darstellen lassen (v(x;t) = vl (x) vt (t)). Der ortsabhängige Anteil vl (x) der Geschwindigkeit wird als „Schnelle“ bezeichnet. Der Einfachheit halber wird im folgenden die Zeitabhängigkeit unterdrückt und die Geschwindigkeit gleich der Schnelle gesetzt (v = vl ). Für den Schnellepegel gilt v(
) dB : (1.6) Lv (
) = 20
lg v0 Hierin sind v(
) die Schnelle bei der Frequenz
und v0 = 1
109 m/s der Referenzwert der Schnelle. 3. Beschleunigungspegel a(
) dB : (1.7) La (
) = 20
lg a0 Es sind a(
) die Beschleunigung bei der Frequenz
und a0 = 1
106 m/s2 ihr Referenzwert. 4. Kraftpegel F(
) dB : (1.8) LF (
) = 20
lg F0 Es sind F(
) die Kraft bei der Frequenz
und F0 = 1
106 N ihr Referenzwert. 5

Die Bezeichnung der Leistung erfolgt nach DIN 1304 mit dem Symbol P. Die Definitionsgleichung nach DIN EN 21683 schreibt auf der linken Seite LW . Jedoch ist auch das Formelzeichen LP zulässig. Es wird in diesem Buch verwendet, da dann linke und rechte Seite der Definitionsgleichung (1.4) konsistent sind.

6

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

Tabelle 1.1. Referenzwerte akustischer Größen für Pegelrechnung

Größe Schalleistung P0 Schalldruck p0 in Luft Schnelle v0 Beschleunigung a0 Kraft F0

DIN EN 21683 1
1012 W 2
105 Pa 1
109 m=s 1
106 m=s2 1
106 N

Alt

Norm

5
108 m=s 
107 m=s2 1N

DIN 45630 T.1 DIN 45630 T.1

Neben den in DIN EN 21683:1994 festgelegten Bezugswerten für Pegel existieren in älteren nationalen Normen noch andere Definitionen der Bezugswerte. Daher werden in Tabelle 1.1 neben den Bezugswerten nach DIN EN 21683:1994 auch diese älteren Bezugswerte in der mit „Alt“ bezeichneten Spalte angegeben. Sofern in Tabelle 1.1 diese Spalte leer ist, stimmen die alten Werte mit denen von DIN EN 21683:1994 überein. Die Verwendung der in DIN EN 21683:1994 genormten Referenzwerte führt bei der Verwendung der maschinenakustischen Grundgleichung zu Problemen, auf die in Kapitel 7 eingegangen wird. Wenn in diesem Buch mit Pegeln gerechnet wird, werden immer die Bezugswerte explizit angegeben. Im folgenden werden Umrechnungsgleichungen für die mit den alten (in Tabelle 1.1 als „Alt“ bezeichneten) Referenzwerten gebildeten Pegel auf die mit den Referenzwerten nach DIN EN 21683 gebildeten Pegel angegeben. Dabei bezieht sich der Index „a“ auf die alten Referenzwerte und der Index „n“ auf die Referenzwerte nach DIN EN 21683. Lv;n = Lv;a + 20 lg

vv0a 5
108 = Lv;a + 20 lg = Lv;a + 34 dB : vv0n 1
109

(1.9)

LF;n = LF;a + 120 dB ;

(1.10)

La;n = La;a  10 dB :

(1.11)

Aus (1.9) ist die Bildung des Korrekturterms zu ersehen, der bei der Umrechnung des mit dem alten Referenzwert gebildeten Schnellepegels auf den mit dem Referenzwert nach DIN EN 21683 gebildeten anzuwenden ist. Bei den anderen Umrechnungen ist entsprechend zu verfahren. Es folgen zwei einfache Beispiele zur Pegelrechnung. Bei diesen beiden Beispielen stimmen die neuen und die alten Referenzwerte überein und daher auch die Pegel. Beispiel 1.1 Gegeben: Schalldruckpegel Lp = 95 dB ; p0 = 2
105 Pa : Gesucht: Schalldruck p : Lösung: Aus (1.5) folgt durch Auflösen nach dem Schalldruck p p = p0
10(Lp =20) = 2
105
10(95=20) Pa = 1;125 Pa :

1.3 Pegelrechnung

7

Beispiel 1.2 Gegeben: Schalleistung P = 1 mW : Gesucht: Pegel der Schalleistung LP : Lösung: Aus (1.4) folgt mit dem Referenzpegel der Leistung P0 = 1
1012 W LP = 10 lg

P 1
103 dB = 10
lg dB = 90 dB : P0 1
1012

Strahlen n Schallquellen die Leistungen Pi (i = 1; : : : ;n) ab, so addieren sich diese Leistungen zu einer Gesamtleistung Pges . Gemäß (1.4) gilt für die Berechnung des Summenpegels: n 

LPges = 10
lg

Pi

i=1

P0

dB = 10
lg

 n 

 10LPi =10

dB :

(1.12)

i=1

Gleichung (1.12) ist keine Größen- sondern eine Zahlenwertgleichung. Daher müssen die Pegel LPi in dB eingesetzt werden. Der Übersichtlichkeit halber wird darauf verzichtet, die Maßangabe dB in die Exponenten in (1.12) aufzunehmen. Bei Feldgrößen sind weitergehende Überlegungen erforderlich. Mehrere Schallquellen sind i.a. nicht kohärent, d.h. die abgestrahlten Schallwellen liegen nicht in Phase. Daher muß eine Addition der Leistungen erfolgen. Wird vorausgesetzt, daß n Strahler vorliegen, die jeweils ebene Wellen aussenden, oder für n Kugelstrahler (vgl. Abschn. 5.3) die Fernfelder betrachtet werden, so können deren Intensitäten (das sind die auf die Fläche bezogenen Schalleistungen) addiert werden und daher gilt unter Verwendung der effektiven Schalldrücke6 jges =

n  i=1

1 p2 :  0 cL i

Hierin sind 0 die Ruhedichte der Luft und cL deren Schallgeschwindigkeit (vgl. hierzu Abschn. 5.1). Für den resultierenden Schalldruck pges gilt jges =

n  p2ges 1 = p2 0 c L i 0 cL i=1

und daher p2ges =

n 

p2i :

i=1

6

Der Einfachheit halber wird hier die Tilde für die Kennzeichnung der effektiven Drücke weggelassen.

8

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

Tabelle 1.2. Korrekturpegel
LPkor in Abhängigkeit von LP1  LP2 (LP1  LP2 )

LP1  LP2
LPkor

0 3

1 2,5

2 2,1

3 1,8

4 1,5

5 1,2

6 1,0

7 0,8

8 0,6

9 0,5

10 0,4

dB dB

Durch Pegelbildung folgt hieraus 10 lg

pges p0



2 = Lpges = 10 lg

2 n  pi i=1

p0

dB :

Da andererseits 2 pi = 10Lpi =10 p0 ist, folgt schließlich für den Summenpegel des Drucks   n  Lpges = 10 lg 10Lpi =10 dB :

(1.13)

i=1

Wie bei (1.12) handelt es sich bei (1.13) wieder um eine Zahlenwertgleichung, so daß die Pegel Lpi ebenfalls in dB einzusetzen sind. Strahlen zwei Schallquellen genau die gleiche Leistung P ab, so folgt aus (1.12) LPges = 10 lg

2P dB = LP + 3 dB : P0

Der Summenpegel erhöht sich also bei der Zusammenfassung von zwei Schallquellen bei gleicher Leistung um 3 dB gegenüber deren Einzelpegel. Bei der Addition von zwei einzelnen leistungsbezogenen Pegeln LP1 und LP2 folgt aus (1.12) LPges = LP1 +
LPkor mit



 1


LPkor = 10
lg 1 + 10

LP LP 1 2 10

dB :

(1.14)

Der Summenpegel läßt sich aus einem der beiden Einzelpegel durch Addition eines Korrekturterms gewinnen, der nach (1.14) berechnet wird. Tabelle 1.2 zeigt eine Auswertung von (1.14) für den Fall LP1  LP2 . Bei einer Pegeldifferenz von 10 dB beträgt der Korrekturterm nur noch 0,4 dB. Dieser und noch kleinere Korrekturpegel können in der Praxis vernachlässigt werden. Abschließend folgt ein Beispiel zur Pegeladdition [46].

1.4 Grundzüge der physiologischen Akustik

9

Beispiel 1.3 Gegeben: Ein kompaktes Pumpenaggregat besteht aus 3 Zahnradpumpen verschiedener Förderleistung. Die einzelnen Zahnradpumpen weisen folgende Leistungspegel auf: LP1 = 75 dB ; LP2 = 78 dB ; LP3 = 80 dB : Gesucht: Summenpegel der Leistung. Lösung: Aus (1.12) folgt LPges = 10
lg(1075=10 + 1078=10 + 1080=10 )dB = 82;9 dB :

Zusammenfassung Beim Rechnen mit Pegeln sind folgende Regeln zu beachten: 1. Grundsätzlich muß ein Referenzwert angegeben werden. Eine Angabe eines Pegels ohne Referenzwert ist sinnlos. Genormte Referenzwerte für die bisher eingeführten Pegeldefinitionen finden sich in Tabelle 1.1. Für die Referenzwerte der Größen Schnelle, Beschleunigung und Kraft sind grundsätzlich die „alten“ Pegelwerte zu verwenden. 2. Auf der rechten Seite einer der Pegelgleichungen (1.4) bis (1.8), welche die Vorfaktoren 10 bzw. 20 enthält, muß stets die Maßeinheit dB angegeben werden, weil es sich nicht um eine Größen-, sondern um eine Zahlenwertgleichung handelt. 3. Die Pegel sämtlicher Energiegrößen (z.B. Schallintensität) werden mit dem Vorfaktor 10 berechnet (vgl. z.B. für die Leistung (1.4)). 4. Die Pegel aller Feldgrößen, deren Quadrate zur Energie proportional sind, werden mit dem Vorfaktor 20 berechnet (vgl. z.B. für den Schalldruck (1.5)). 5. Beim Leistungspegel (bzw. bei von der Leistung abgeleiteten Pegeln, z.B. Schallintensität) bedeutet eine Pegeländerung von ˙3 dB eine Verdoppelung bzw. Halbierung der Leistung. 6. Bei Feldgrößen bedeutet eine Pegeländerung von ˙6 dB eine Verdoppelung bzw. Halbierung der entsprechenden Größe.

1.4 Grundzüge der physiologischen Akustik Die physiologische Akustik behandelt den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Ohres. In diesem Buch wird nur auf diejenigen physiologischen Funktionen eingegangen, deren Kenntnis für maschinenakustische Anwendungen erforderlich ist. Das menschliche Ohr ist ein außerordentlich leistungsfähiges Organ.

10

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

Abb. 1.2. Hörfeld (nach Kinsler u.a.)

Beim jungen Menschen spricht das gesunde Ohr im Frequenzbereich von 16 Hz bis 16 kHz an. Bei der Frequenz von 1kHz kann ein Schalldruck von 2
105 Pa = 2
107 mbar wahrgenommen werden. Die mittlere Auslenkung der Luftmoleküle beträgt dabei 0,1 ª= 1
105 m. Die kleinste wahrnehmbare Frequenzänderung beträgt bei einem Schalldruck von 70 dB und bei Frequenzen bis zu 500 Hz etwa 1,8 Hz. Bei höheren Frequenzen können relative Frequenzunterschiede von rund 0,35 % noch wahrgenommen werden. Als Hörschwelle wird derjenige Schalldruck bezeichnet, den ein Beobachter bei einer ihn genau von vorne treffenden Schallwelle gerade noch akustisch wahrnimmt. Die Hörschwelle ist frequenzabhängig und erreicht bei einer Frequenz von 4 kHz ihr Minimum. Für rein sinusförmige Signale ist sie in Abb. 1.2 als untere gestrichelte Kurve eingezeichnet. Abbildung 1.2 wird als Hörfeld bezeichnet. Auf der Ordinate ist der Pegel der Schallintensität (vgl. Abschnitt 5.3) und auf der Abszisse die Frequenz (ebenfalls in logarithmischer Teilung) aufgetragen. Nach oben wird das Hörfeld durch die Schmerzschwelle von 140 dB begrenzt. Bei einer Schallintensität von 120 dB kann der Schall mittels des Tastsinns von der Haut empfunden werden (Fühlschwelle). Dauernde Schädigungen des Innenohrs können jedoch (selbst bei kurzzeitigen Impulsen) bereits bei Intensitäten unterhalb von 100 dB auftreten.

1.4 Grundzüge der physiologischen Akustik

11

Abb. 1.3. Bewertungskurven für Schalldruckpegel

Das subjektive Empfinden der Lautstärke ist innerhalb des Hörfeldes von der Frequenz abhängig. Als Maß für die Stärke der subjektiven Wahrnehmung eines Schallvorganges dient der Lautstärkepegel . Der Lautstärkepegel LS wird nach DIN 4563 (Blatt 1) in Phon angegeben. Der Lautstärkepegel eines Schalls beträgt n Phon, wenn von einem normal hörenden Beobachter der Schall als gleich laut beurteilt wird wie ein reiner Sinuston der Frequenz 1000 Hz, der als ebene, fortschreitende Schallwelle genau von vorne auf den Beobachter trifft und dessen Schalldruckpegel n dB beträgt. In Abb. 1.2 sind Kurven gleicher Lautstärke LS eingezeichnet, die für reine Sinustöne gelten. Einerseits ist bei der Frequenz 1000 Hz der Schalldruckpegel Lp immer gleich dem Lautstärkepegel LS . Andererseits weist ein Sinuston mit einem Schalldruckpegel von Lp = 80 dB und einer Frequenz von 31,5 Hz den gleichen Lautstärkepegel – nämlich 50 Phon – auf wie ein Ton von 4 kHz Frequenz und einem Schalldruckpegel von Lp = 45 dB. Geräusche sind aus einer Vielzahl von Frequenzen zusammengesetzt. Bei ihnen, die bei technischen Anwendungen fast immer vorliegen, wird der bewertete Schalldruckpegel gemessen. Die Bewertungskurven nach Abb. 1.3 ahmen die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres nach. Nach DIN 45 634 sind 3 Bewertungskurven (A,B,C) möglich. Diese Bewertungskurven werden in kommerziellen Schalldruckmessern mittels eingebauter Filterketten nachgefahren. Der bewertete Schalldruckpegel wird durch Hinzufügen des eingeklammerten Kennzeichens der verwendeten Bewertungskurve zur Maßeinheit dB angegeben. Beispielsweise wird bei einer Bewertung mit derA-Kurve die gemessene undA-bewertete Größe in dB(A) angegeben. International wird empfohlen, vorzugsweise die A-Bewertung zu verwenden.

12

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

1.5 Admittanz und Impedanz Von erheblicher Bedeutung für maschinenakustische Untersuchungen sind die Begriffe Admittanz und Impedanz. Eine sehr allgemein gehaltene Definitionen der Admittanz und der aus ihr abgeleiteten Impedanz findet sich in [40]. Für übliche Anwendungen in der Maschinenakustik genügt der Spezialfall, daß auf den Rand eines Körpers in einem beliebigen Punkt mit dem Ortsvektor xe eine senkrecht zur Tangentialebene stehende, zeitlich veränderliche Kraft Fn einwirkt, die als Normalkraft bezeichnet wird, weil sie in Richtung des Normalenvektors wirkt. Abbildung 1.4 zeigt schematisch einen dreidimensionalen Körper. Es bezeichnet x den Ortsvektor7 eines beliebigen Punktes. An der Stelle xe wird eine Normalkraft Fn (xe ;t) mit der Amplitude8 F^ n eingeleitet. Wie bereits in Abschnitt 1.1 festgelegt wurde, werden für das folgende zeitlich rein harmonische Vorgänge betrachtet (vgl. hierzu (1.3)). Daher ist es erforderlich, nicht nur die Amplituden der betrachteten Größen sondern auch deren Phasenlagen zu betrachten (vgl. hierzu Abschnitt 4.1.2). Zur Beschreibung der Amplitude und der Phasenlage eignen sich komplexe Größen besonders gut (vgl. hierzu Abschnitt 1.6). In diesem Buch werden komplexe Größen durch Unterstreichen gekennzeichnet. Da es stets nur auf den Phasenunterschied zwischen Schnelle und anregender Kraft ankommt, kann die anregende Kraft Fn als reell angesetzt werden. Durch die anregende Kraft wird auf der Oberfläche des Körpers ein Schnellefeld v^ (x) verursacht, dessen Komponente in Richtung des Normalenvektors mit v^ n bezeichnet wird.

Abb. 1.4. Zur Definition von Admittanz und Impedanz 7 8

Vektoren werden in diesem Buch durch kursiven Fettdruck gekennzeichnet. Amplituden werden durch ein Hütchen ^ gekennzeichnet.

1.5 Admittanz und Impedanz

13

Zwischen der komplexen Schnelle in Normalenrichtung v^ n an der Stelle x0 und der Amplitude der sie am Ort xe anregenden Normalkraft F^ n besteht bei einem linear elastischen Körper9 der Zusammenhang v^ n (x0 ) = h(xe ;x0 )F^ n (xe ) :

(1.15)

Durch Umstellen folgt aus (1.15) h(xe ;x0 ) :=

v^ n (x0 ) : F^ n (xe )

(1.16)

Die in (1.16) eingeführte Größe h heißt Admittanz. Gleichung (1.16) läßt sich physikalisch interpretieren. Sie gibt die Normalenschnelle v^ e (x0 ) an der Stelle x0 an, wenn der betrachtete Körper an der Stelle xe mit einer in Normalenrichtung wirkenden Einheitskraft angeregt wird. Eine weitere anschauliche Deutung besagt, daß die Admittanz ein Maß für die Schwingbereitschaft eines Körpers ist. Bei zeitlich harmonischen Schwingungen hängt die Admittanz von der Frequenz
bzw. der Kreisfrequenz ! ab. Sie kann dann als Übertragungsfunktion gedeutet werden. Es ist möglich, (1.15) nach der anregenden Kraft aufzulösen v^ (x0 ) F^ n (xe ) = n h(xe ;x0 ) Die Größe 1=h(xe ;x0 ) wird als Impedanz bezeichnet. Für sie wird das Symbol Z eingeführt. Die Definitionsgleichung für die Impedanz lautet Z(x0 ;xe ) :=

F^ n (xe ) v^ n (x0 )

(1.17)

Die Impedanz ist ein Maß für den Schwingwiderstand des betrachteten Körpers. Aus Gln. (1.16) und (1.17) folgt sofort h(xe ;x0 ) =

1 Z(x0 ;xe )

(1.18)

Fallen die Orte der Krafteinleitung und der Ermittlung der Schnelle zusammen, so wird die Eingangsimpedanz gebildet ZE (xe ) :=

F^ n (xe ) : v^ n (xe )

(1.19)

Der Index E weist auf die Eingangsimpedanz hin. Der Einmasseschwinger (vgl. Abschn. 4.1) nimmt im Raum nur einen Punkt ein. Daher entfällt die Angabe der Ortsvektoren xe bzw. x0 . Entsprechend sind Impedanz und Eingangsimpedanz beim Einmasseschwinger identisch.

9

Metallische Körper verhalten sich bei den in der Maschinenakustik wirkenden Spannungen immer linear elastisch.

14

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

Gemäß (1.18) ist die Eingangsadmittanz gleich dem Kehrwert der Eingangsimpedanz hE :=

1 : ZE

Die Admittanz hat im internationalen Maßsystem die Dimension m/(Ns). Impedanzen lassen sich anschaulich als Maße für den Widerstand deuten, den Strukturen der Anregung von Schwingungen durch Kräfte entgegensetzen. Admittanzen können als Maße für die Schwingbereitschaft von Strukturen interpretiert werden. Zusammenfassung 1. Die durch (1.17) definierte Impedanz ist ein Maß für den mechanischen Schwingwiderstand einer Struktur. Dabei wird die Struktur durch eine an der Stelle xe wirkende Kraft F^ n (xe ) angeregt, die senkrecht zur Oberfläche wirkt. Die komplexe Schnelle v^ n (x0 ) senkrecht zur Oberfläche wird an der Stelle x0 gemessen. Komplexe Größen werden verwendet, um nicht nur die Beträge sondern auch die Phasenlagen der betrachteten Größen zu erfassen. 2. Sofern die Orte der Kraftanregung und der Messung der Schnelle zusammenfallen (xe = x0 ), wird die Eingangsimpedanz bestimmt (vgl. hierzu (1.19)). 3. Der Kehrwert der Impedanz nach (1.16) heißt Admittanz. Die Admittanz läßt sich anschaulich als ein Maß für die Schwingbereitschaft einer Struktur oder - sofern die Admittanz von der Frequenz abhängt - als Übertragungsfunktion deuten. 4. Der Kehrwert der Eingangsimpedanz ist die Eingangsadmittanz.

1.6 Berechnungen mit komplexen Zahlen Ein sehr wichtiges Hilfsmittel in der Maschinenakustik sind Berechnungen mit komplexen Zahlen. Dies läßt sich damit begründen, daß in der Maschinenakustik häufig nicht nur der Betrag einer Größe sondern auch ihre Phasenlage von Wichtigkeit sind. Dies soll im folgenden veranschaulicht werden. Es sei eine beliebige zeitlich harmonisch verlaufende Größe x(t) = a cos(!t + ')

(1.20)

gegeben, wobei t die Zeit, a die Amplitude, ! die Kreisfrequenz p (oder Winkelgeschwindigkeit) und ' der Phasenwinkel sind. Ferner ist i = 1 die imaginäre Einheit und es bezeichne exp(i ) die komplexe Exponentialfunktion des Argumentes i . Dabei ist ein beliebiger, im Bogenmaß gemessener Winkel. Dann gilt die Eulersche Formel exp(i ) = cos

+ i sin :

(1.21)

1.6 Berechnungen mit komplexen Zahlen

15

Mit Hilfe der Eulerschen Formel (1.21) läßt sich die zeitlich harmonische Funktion (1.20) auch durch a (1.22) x = fexp[i(!t + ')] + exp[i(!t + ')]g 2 darstellen. Mit der komplexen Zahl x = a exp(i!t) ; a = a exp(i') sowie der zu ihr konjugiert komplexen Zahl x = a exp(i') exp(i!t) = a exp(i!t) ergibt sich 1 (x + x ) : 2 Dabei ist x=

(1.23)

a = a exp(i') : Die komplexe Amplitude a enthält als Information sowohl die reelle Amplitude a als auch den Nullphasenwinkel '. Der Phasenwinkel ' wird als Nullphasenwinkel bezeichnet, weil er sich in der komplexen Zahlenebene zur Zeit t = 0 einstellt. Sehr anschaulich ist die Darstellung komplexer Größen in einem Zeigerdiagramm nach Abb. 1.5, das vor allem in der Elektrotechnik angewendet wird. Dazu werden alle

Abb. 1.5. Komplexe Schwingungen und Zeigerdiagramm

16

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

komplexen Größen in der komplexen Zahlenebene als zweidimensionale Vektoren oder Zeiger aufgetragen. Die komplexe Amplitude a ist um den Nullphasenwinkel ' im positiven Sinn gegen die reelle Achse gedreht, die zu ihr konjugiert komplexe Größe a um den Winkel '. Die komplexen Größen x und x drehen sich im mathematisch positiven bzw. negativen Sinn mit wachsender Zeit t. Sie werden daher Drehzeiger genannt. Die reelle harmonische Größe x(t) ergibt sich durch Projektion eines der beiden Drehzeiger x oder x auf die reelle Achse. Es sei eine komplexe Zahl z = x + iy gegeben. Die Größen x und y heißen Real- bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl z. Aus ihnen lassen sich der Betrag jzj sowie der Phasenwinkel ' berechnen. Es gilt

jzj = x2 + y2 = zz ; (1.24) ' = arctan

y : x

(1.25)

Hieraus ist zu erkennen, daß die komplexen Zahlen immer Informationen sowohl über ihren Betrag als auch über ihren Phasenwinkel enthalten. Schwingungsberechnungen (vgl. Abschn. 4.1.2) vereinfachen sich sehr, wenn anstelle von reellen harmonischen Zeitfunktionen komplexe gemäß a(t) = a^ exp(i!t)

(1.26)

eingeführt werden. Bei den Schwingungsberechnungen treten zeitliche Ableitungen komplexer Exponentialfunktionen auf. Für diese gilt d exp(i!t) = i! exp(i!t) ; dt   d2 d d exp(i!t) = !2 exp(i!t) ; exp(i!t) = dt2 dt dt

(1.27)

d3 exp(i!t) = i!3 exp(i!t) : dt3 Das Muster, nach dem höhere zeitlicheAbleitungen der Exponentialfunktion gebildet werden, ist aus (1.27) leicht zu erkennen. Zusammenfassung Die Berechnung mit komplexen Zahlen bietet gegenüber der Rechnung mit reellen Zahlen folgende Vorteile: 1. Bei Schwingungsrechnungen enthalten die Ergebnisse die Information sowohl über den Betrag als auch die Phase der Schwingung.

1.7 Effektivwerte

17

2. Bei stationären Schwingungen wird der Zeitanteil durch eine komplexe Expontialfunktion exp(i!t) angegeben, wobei ! die Kreisfrequenz darstellt. Bei der Rechnung sind zeitliche Ableitungen komplexer Exponentialfunktionen von mindestens zweiter Ordnung zu bilden. Bei der Bildung dieser zeitlichen Ableitungen tritt gemäß (1.27) immer nur die ursprüngliche Exponentialfunktion mit Vorfaktoren auf. 3. Sofern erzwungene Schwingungen berechnet werden sollen (vgl. Abschn. 4.1.2 und 4.2.2), müssen bei der Rechnung mit reellen Größen die Sinus- und Cosinusterme getrennt behandelt werden. Bei der Rechnung mit komplexen Größen werden diese Terme in der komplexen Exponentialfunktion (vgl. hierzu (1.21)) zusammengefaßt.

1.7 Effektivwerte In der Maschinenakustik interessieren vor allem zeitlich stationäre Vorgänge. Dies sind zeitlich periodische Vorgänge. y(t) = y(t + T)

8t 2 IR

Hierin10 ist y(t) eine beliebige, zeitlich periodische, physikalische Feldgröße mit der Periodendauer T. Einer solchen periodischen Größe soll ein „mittlerer“, sie kennzeichnender Wert zugeordnet werden. Es ist zunächst naheliegend, diesen mittleren Wert durch eine zeitliche Integration der Größe y(t) über die Periodendauer T zu ermitteln. Da sich aber jeder zeitlich periodische Vorgang durch eine Fourier-Reihe (vgl. Kap. 2) darstellen läßt, ist sofort zu erkennen, daß die zeitliche Integration den Mittelwert Null liefert. Deshalb werden in derAkustik häufig Effektivwerte nach DIN 5483 verwendet, die grundsätzlich durch eine über das Symbol gesetzte Tilde ( ~ ) gekennzeichnet werden. Allgemein wird der Effektivwert y~ einer beliebigen, zeitlich periodischen Feldgröße11 y(t + T) = y(t) mit der Periodendauer T definiert durch     T  1 y2 (t) dt : y~ =  T  0 Bei rein harmonischem Verlauf der Größe y(t) folgt hieraus y^ y~ = p : 2 10 11

Der Ausdruck 8t 2 IR bedeutet „für alle t in der Menge der reellen Zahlen IR“. Zum Begriff der Feldgröße vgl. Abschnitt 1.3.

(1.28)

(1.29)

18

1 Grundlegende maschinenakustische Begriffe

Hinsichtlich des Effektivwertes der Leistung sind weiter führende Betrachtungen erforderlich. Beispielhaft wird hier die Leistung eines Einmasseschwingers betrachtet, der eine erzwungene Schwingung ausführt (vgl. hierzu Abschn. 4.1). Die Erregerkraft betrage F(t) = F^ cos(˝t + ') ;

(1.30)

wobei F^ die Amplitude der Kraft, ˝ die Kreisfrequenz und ' der Nullphasenwinkel sind. Diese Kraft verursacht eine erzwungene Schwingung des Massenpunktes mit der Geschwindigkeit x(t) _ = x^_ cos(˝t + ' + 2 )

(1.31)

mit der Amplitude x^_ und dem Phasenwinkel 2 gegenüber der erregenden Kraft. Für die augenblicklich vom Einmasseschwinger aufgenommene (positives Vorzeichen) bzw. abgegebene (negatives Vorzeichen) Leistung gilt ~_ P(t) = F~ xfcos 2 + cos[2(˝t + ') + 2 ]g

(1.32)

oder P(t) = P + S cos[2(˝t + ') + 2 ] ;

(1.33)

P = F~ x~_ cos 2 ;

(1.34)

S = F~ x~_ :

(1.35)

Die augenblickliche Leistung P(t) schwankt mit der Amplitude S und der doppelten Erregerkreisfrequenz 2˝ um einen Durchschnittswert P. In (1.33 und 1.34) ist zu beachten, daß ' der Nullphasenwinkel der Kraft und 2 der Phasenwinkel zwischen Schnelle und Kraft sind. In Anlehnung an den Sprachgebrauch der Elektrotechnik (vgl. auch DIN 40110) heißen P Wirkleistung und S Scheinleistung . Die Wirkleistung hängt von der Phasendifferenz zwischen Kraft und Schnelle ab. Anders als Feldgrößen kann die Leistung P(t) nach (1.33) über eine Schwingungsperiode T = (2)=˝ zeitlich integriert werden, weil diese nach (1.33) neben dem oszillierenden Anteil S cos[2(˝t + ') + 2 ] die zeitlich konstante Wirkleistung P enthält. Durch die Integration ergibt sich

1 Pm = T

T  P(t)dt = P :

(1.36)

0 Die zeitlich über eine Periodendauer gemittelte Leistung ist gleich der Wirkleistung. In der Maschinenakustik interessiert grundsätzlich die Wirkleistung. In den weiteren Kapiteln wird daher unter „Leistung“ stets die Wirkleistung verstanden. Die Wirkleistung ist gleichzeitig die effektive Leistung. Abschließend wird noch eine wichtige Beziehung für die Berechnung der Wirkleistung P aus den komplexen Effektivwerten von Kraft und Schnelle angegeben.

1.7 Effektivwerte

19

Die komplexen Effektivwerte von Erregerkraft und Schnelle sind ~ = F~ exp(i ') ; F x~_ = x~_ exp[i(' + 2 )] : Für die Wirkleistung gilt12 ~ x~_  g ; P = Re fF

(1.37)

und unter Beachtung von (1.29) folgt

P=

1 ^ x^_  g : Re fF 2

(1.38)

~ Re fx~_  g ist, wie durch Nachrechnen leicht ~ x~_  g 6= Re fFg Zu beachten ist, daß Re fF bestätigt werden kann. Gleichung (1.37) führt auf P = F~ x~_ cos 2 ; was mit (1.34) übereinstimmt.

Zusammenfassung 1. Bei zeitlich periodischen Feldgrößen geben Effektivwerte nach (1.28) zeitlich konstante, „mittlere“ Kennwerte an. Die Effektivwerte zeitlich rein harmonischer Feldgrößen lassen sich nach (1.29) berechnen. 2. Der Effektivwert der Leistung ist gleich der Wirkleistung nach (1.34). 3. In der Maschinenakustik wird. i.a. mit Effektivwerten gerechnet.

12

Re{z} bedeutet die Bildung des Realteils, Im{z} des Imaginärteils der komplexen Zahl z.

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Darstellung maschinenakustischer Größen im Zeit- und Frequenzbereich (Ganzes Kapitel) – Frequenzanalyse harmonischer Funktionen (Abschn. 2.1) – Fourier-Reihen periodischer Funktionen (Abschn. 2.2) – Kontinuierliche Fourier-Transformation allgemeiner, nichtperiodischer Funktionen (Abschn. 2.3) – Diskrete Fourier-Transformation für die digitale Signalverarbeitung (Abschn. 2.4) – Eigenschaften der kontinuierlichen und der diskreten Fourier-Transformation (Abschn. 2.5)

Alle für die Maschinenakustik relevanten Signale können als Funktionen der Zeit betrachtet werden. Typische Beispiele für derartige Zeitsignale sind der Schalldruck, die Schnelle an der Oberfläche einer schallabstrahlenden Struktur oder die Schalleistung. Um die Formulierung der Zusammenhänge zu vereinfachen, werden häufing rein harmonische Zeitsignale nach (1.3) (reelle Darstellung) oder (1.26) (komplexe Darstellung) vorausgesetzt. In den wenigsten maschinenakustischen Problemstellungen treten jedoch rein harmonische Zeitsignale, sondern allgemeine Zeitsignale auf. Diese besitzen zwar häufig dominante periodische Anteile, doch sie erfüllen die Periodizitätsbedingung (1.1) nicht. Die Analyse von solchen allgemeinen Zeitsignalen kann relativ aufwendig und die Darstellung dieser Signale im Zeitbereich wenig anschaulich sein. Daher ist es vorteilhaft, eine Abbildung der Signale aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich durchzuführen. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, daß durch Anwenden der Fourier- Reihenentwicklung bzw. der FourierTransformation eine vereinfachte Analyse und eine anschaulichere Darstellung von Signalen im Frequnezbereich möglich ist. Dies wird durch eine Darstellung des allgemeinen Zeitsignals als eine gewichtete Superposition von harmonischen Funktionen unterschiedlicher Frequenz und unterschiedlicher Phasenlage erreicht.

2.1 Frequenzanalyse harmonischer Zeitsignale Zunächst soll auf die in Abschnitt 1.6 eingeführte komplexe Darstellung harmonischer Signale zurückgegriffen werden, um deren Darstellung im Frequenzbereich zu erläutern. Es sei daran erinnert, daß die Exponentialfunktion exp[i(!t + ')] in der komplexen Ebene als ein mit der Winkelgeschwindigkeit ! rotierender Einheitsvektor beschrieben werden kann. Zur Zeit t = 0 schließt dieser Vektor mit der positiven reellen Achse den Nullphasenwinkel ' ein (vgl. Abb. 2.1).

22

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

Abb. 2.1. Rotierender Einheitsvektor

Entsprechend (2.1) kann eine harmonische Zeitfunktion der Kreisfrequenz !1 und der Amplitude a durch zwei in der komplexen Ebene mit der Winkelgeschwindigkeit !1 bzw. !1 rotierende Vektoren beschrieben werden a g(t) = a0 +a cos(!1 t+') = a0 + fexp[i(!1 t+')]+expf[i(!1 t+')]g :(2.1) 2 In Abb. 2.2 wird dieser Zusammenhang grafisch dargestellt. Der stationäre Signalanteil wird mit a0 bezeichnet. Alternativ läßt sich (2.1) mit !k = k!1 als g(t) =

1 

G(!k ) exp(i!k t)

(2.2)

k=1

schreiben, wobei die Größen a a G(!1 ) = exp(i') ; G(!0 ) = a0 ; G(!1 ) = exp(i') : 2 2 als Fourier-Koeffizienten bezeichnet werden.

(2.3)

Abb. 2.2. Darstellung harmonischer Funktionen als Summe gegenläufig rotierender Vektoren

2.2 Fourier-Reihen periodischer Zeitsignale

23

2.2 Fourier-Reihen periodischer Zeitsignale Im nächsten Schritt werden beschränkte Zeitsignale betrachtet, die der Periodizitätsbedingung nach (1.1) genügen. Die Darstellung dieser Zeitsignale durch FourierReihen kann anhand eines anschaulichen Gedankenexperiments erläutert werden. Es wird ein Zeitsignal g(t) der Periodendauer T1 = 1=
1 betrachtet, das als eine gewichtete Superposition harmonischer Signalanteile dargestellt werden soll. Dann müssen diese gesuchten harmonischen Signalanteile notwendigerweise eine Frequenz
k = k
1 besitzen, um die Periodizitätsbedingung erfüllen zu können. Der Parameter k ist dabei Element der Menge der ganzen Zahlen. Der harmonische Signalanteil der Kreisfrequenz !k = 2
k kann ermittelt werden, indem das Zeitsignal mit einem rotierenden Zeiger der Kreisfrequenz !k multipliziert und das Integral 1 G(!k ) = T1

T 1 =2

g(t) exp(i!k t) dt

(2.4)

T1 =2

über eine Periodendauer gebildet wird. Falls das Signal g(t) eine mit der Kreisfrequenz !k rotierende Komponente besitzt, wird diese Rotation durch eine Multiplikation von g(t) mit dem entgegengesetzt rotierenden Einheitsvektor kompensiert. Das Integral über eine Periodendauer T1 ergibt den komplexen Fourier-Koeffizienten G(!k ). Die Komponenten aller anderen Frequenzen erfahren durch die Multiplikation eine Verschiebung ihrer Kreisfrequenz um !k . Wesentlich ist jedoch, daß die resultierenden Kreisfrequenzen wiederum ganzzahlige Vielfache der Grundkreisfrequenz !1 = 2
1 sind. Eine Integration dieser Komponenten über die Periodendauer ergibt deshalb den Wert Null. Als Gegenpart zur Hintransformation nach (2.4) kann die Rücktransformation durch eine komplexe Fourier-Reihenbildung erreicht werden. Jeder der FourierKoeffizienten G(!k ) wird dazu mit dem zugehörigen rotierenden Einheitsvektor der Kreisfrequenz !k multipliziert. Die Superposition der gewichteten Vektoren ergibt das Zeitsignal g(t) =

1 

G(!k ) exp(i!k t) :

(2.5)

k=1

In Abb. 2.3 werden Fourier-Koeffizienten exemplarisch dargestellt. Die Darstellung einer zeitabhängigen Funktion im Frequenzbereich wird als Spektrum dieser Größe bezeichnet. Es ist festzustellen, daß zu jedem Fourier-Koeffizient des positiven Frequenzbereiches ein konjugiert komplexer Partner im negativen Frequenzbereich existiert G(!k ) = G (!k ) :

(2.6)

Diese Symmetrie besteht jedoch nur unter der Voraussetzung, daß g(t) ausschließlich reelle und keine komplexen Werte besitzt, was für physikalische Signale zutrifft. Bei

24

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

Abb. 2.3. Exemplarische Darstellung komplexer Fourier-Koeffizienten

symmetrischen Spektren wird im Rahmen der maschinenakustischen Interpretation üblicherweise nur der positive Frequenzbereich betrachtet. Eine anschauliche Darstellung einer Fourierschen Reihenentwicklung gibt Abb. 2.4, Das zugrunde liegende Zeitsignal läßt sich als Superposition eines zeitlich konstanten Signals mit rein harmonischen Signalen unterschiedlicher Frequenz, Amplitude und Phase deuten. Es ist zu beachten, daß (2.4) und (2.5) den Zusammenhang zwischen einer kontinuierlichen, periodischen Zeitfunktion und deren diskreten Darstellung im Frequenzbereich beschreiben. Da das Zeitsignal g(t) nicht als Bandpaßgefiltert vorausgesetzt wird, muß die Summation in (2.5) über eine unendliche Zahl von Summanden erfolgen. Gleichung (2.2) stellt dagegen die zu (2.5) analoge, wegen des harmonischen Zeitsignals auf die Grundfrequenz begrenzte Formulierung dar.

Abb. 2.4. Anschauliches Beispiel einer Fourier-Reihenentwicklung

2.2 Fourier-Reihen periodischer Zeitsignale

Beispiel 2.1 Gegeben: Rechteckfuntion gemäß Abb. 2.5 Gesucht: Fourier-Koeffizienten nach (2.4) Lösung Die Periodendauer der Funktion g(t  t0 ) beträgt T1 (vgl. Abb. 2.5). Ferner ist die Funktion gegenüber dem zeitlichen Ursprung (t = 0) um das Zeitintervall t0 verschoben. Sie weist die Amplitude ga auf und besitzt den Mittelwert g0 . Die Funktion ist für eine Periodendauer wie folgt definiert: g(t  t0 ) = g0 + ga

fur 0  t < T1 =2 ;

g(t  t0 ) = g0  ga

fur  T1 =2  t < 0 :

Bei der Berechnung der Fourier-Koeffizienten bleibt die Zeitverschiebung zunächst unberücksichtigt (t0 = 0). Gemäß (2.4) ergeben sich für k 6= 0 die Fourier-Koeffizienten zu 1 G(!k ) = T1

T 1 =2

g(t) exp(i!k t) dt T1 =2

⎡ ⎤  T1 0 2  1 ⎣ g0 + ga  g g 0 a = exp(i!k t) + exp(i!k t) ⎦ : T T1 i!k i! k  1 0 2

Unter Verwendung der Eulerschen Formel (1.21) folgt hieraus mit der Beziehung !k = 2
k = 2k
1 =

Abb. 2.5. Rechteckfunktion

2k T1

(2.7)

25

26

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

für die gesuchten Fourier-Koeffizienten G(!k ) =

iga [cos(k)  1] : k

(2.8)

Aus (2.8) ist zu erkennen, daß für geradzahlige Parameter k = ˙2n; n = 1; 2; : : : die Fourier-Koeffizienten verschwinden. Für ungeradzahlige Parameter k = ˙2n  1; n = 1; 2; : : : resultieren rein imaginäre FourierKoeffizienten. Für k = 0 nimmt in (2.4) wegen (2.7) die Exponentialfunktion den Wert 1 an und es gilt 1 G(!0 ) = T1

T 1 =2

g(t) exp(i!0 t) dt T1 =2

⎡ ⎤  T1 0 2  1 ⎣ = (g0 + ga ) t + (g0  ga ) t ⎦ = g0 : T T1  1 0 2

Im nächsten Schritt wird der Einfluß der Zeitverschiebung berücksichtigt. Die Fourier-Koeffizienten ergeben sich jetzt aus 1 G(!k ) = T1

T 1 =2

g(t  t0 ) exp(i!k t) dt : T1 =2

Mit der Substitution s = t  t0 folgt 1 G(!k ) = T1

T 1 =2

g(s) exp[i!k (s + t0 )] ds T1 =2

1 = exp(i!k t0 ) T1

T 1 =2

g(s) exp(i!k s) ds : T1 =2

Aus (2.9) folgt, daß die Zeitverschiebung eine Drehung der FourierKoeffizienten in der komplexen Ebene um den Winkel k = !k t0 bewirkt. Mit Hilfe der Eulerschen Formel (1.21) und von (2.8) ergibt sich für k 6= 0   2kt0 2kt0 ga [1  cos(k)] :  i sin G(!k ) = i cos T1 T1 k Für k = 0 gilt wieder G(!0 ) = g0 : Nachfolgend werden die Fourier-Koeffizienten der Rechteckfunktion nach Abb. 2.5 für k  0 mit t0 = T1 =20 und g0 = (3=4)ga grafisch dargestellt.

2.3 Fourier-Transformation

27

Abb. 2.6. Betrag-/Phasen-Darstellung der Fourier-Koeffizienten der Rechteckfunktion

Abbildung 2.6 zeigt das Amplituden- und Phasenspektrum (Darstellung von Beträgen und Phasen), wobei das Amplitudenspektrum durch  ga  jG(!k )j = 1  cos(k) k und das Phasenspektrum durch     2kt0 Im(G(!k )) k = arctan =   !k t0 =   Re(G(!k )) 2 2 T1 gegeben sind. Die alternative Darstellung der Real- und Imaginärteile der Fourier-Koeffizienten zeigt Abb. 2.7 auf Seite 28. Die Darstellungen nach Abb. 2.6 bzw. 2.7 heißen Spektren. Allgemein ist ein Spektrum die Darstellung eines Signals oder eines seiner Anteile über der Frequenzachse.

2.3 Fourier-Transformation Die Formulierungen (2.4) und (2.5) sind auf periodische Signale beschränkt, doch kann die Fourier-Transformation auch auf allgemeine, nichtperiodische Signale angewendet werden. Prinzipiell kann dabei genauso verfahren werden, wie im Gedankenexperiment des vorherigen Abschnitts erläutert. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß der Grenzübergang T1 ! 1 bzw.
1 ! 0 vollzogen werden muß. Dies führt dazu, daß die Beschreibung der

28

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

Abb. 2.7. Real-/Imaginärteil-Darstellung der Fourier-Koeffizienten der Rechteckfunktion

Zeitfunktion im Frequenzbereich nicht mehr durch diskrete Fourier-Koeffizienten, sondern durch eine kontinuierliche, komplexe Funktion 1 G(!) =

g(t) exp(i!t) dt

(2.9)

1

erfolgt. Die Rücktransformation in den Zeitbereich ergibt sich zu 1 g(t) = 2

1 G(!) exp(i!t) d! :

(2.10)

1

Es ist zu beachten, daß Gln. (2.9) und (2.10) den Zusammenhang zwischen der kontinuierlichen, allgemeinen Zeitfunktion g(t) und der kontinuierlichen, komplexen Fourier-Transformierten G(!) beschreiben. Prinzipiell ist die FourierTransformation auf reelle und komplexe Zeitfunktionen g(t) anwendbar, die jedoch nach [12] folgende Bedingungen erfüllen müssen: – Die Zeitfunktion muß stückweise glatt sein und darf nur endlich viele Sprungstellen aufweisen. – Das Integral über g(t) exp(i!t) muß existieren. Die Gln. (2.4) und (2.5) für periodische Signale sowie (2.2) für harmonische Signale können als Sonderfälle der Fourier-Transformation interpretiert werden. Ein wichtiges mathematisches Hilfsmittel stellt in der Maschinenakustik die Diracsche Delta-Funktion dar, die im folgenden als ı-Funktion bezeichnet wird. Die

2.3 Fourier-Transformation

29

Abb. 2.8. Übergang vom Rechteckimpuls zur ı-Funktion (nach Föller)

eindimensionale ı-Funktion wird formal definiert durch ı (t  t0 ) = 0 fur alle t 6= t0 ;

(2.11)

1  ı (t  t0 ) dt = 1 :

(2.12)

1 Diese formale Definition1 läßt eine anschauliche Interpretation zu. Die DeltaFunktion ı(t) kann entsprechend Abb. 2.8 als Rechteckimpuls mit unendlich kurzer Impulsdauer dt ! 0, unendlich große Amplitude und endlichem Flächeninhalt (S = 1) beschrieben werden. Die Funktion eignet sich beispielsweise als idealisierte Beschreibung für die in der Maschinenakustik gebräuchlichen Impulsanregung einer Struktur. Dabei ereignet sich der Impuls zum Zeitpunkt t0 . Die ı-Funktion ist keine Funktion im klassischen Sinn sondern eine sogenannte Distribution [55]. Dem Gebrauch der theoretischen Physik folgend werden nachstehend Operationen mit der ı-Funktion in einem rein formalen Sinn durchgeführt, wobei auf die (mögliche) mathematische Rechtfertigung nicht eingegangen wird. Eine Veranschaulichung der ı-Funktion liefert Abb. 2.8. Danach kann die ı-Funktion als Rechteckimpuls gedeutet werden, dessen Impulsbreite
t gegen Null 1

Sie ist mathematisch nicht sauber!

30

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

und dessen Impulshöhe gegen 1 gehen, wobei der Flächeninhalt den konstanten Wert 1 beibehält. Daraus folgt die Darstellung: ⎧ 1 ⎪ t0  t  t0 +
t ; ⎨ lim
t!0
t ı (t  t0 ) = ⎪ ⎩ 0 t 6= t0 sonst : Als nächstes wird eine für die Anwendungen sehr wesentliche Eigenschaft der ı-Funktion angegeben. Es sei f(t) eine beliebige, an der Stelle t0 beschränkte und stetige Funktion. Dann existiert an der Stelle t0 das Riemannsche Integral  f(t) dt = F(t) : Somit gilt 1 

1 f (t) ı(t  t0 ) dt = lim
t!0
t

1

t0 +
t  f (t) dt t0

(2.13)

F (t0 +
t)  F (t0 ) = f (t0 ) :
t Durch die Integration über das Produkt f(t)ı(t  t0 ) wird also gerade der Funktionswert f(t0 ) an der Stelle t0 herausgegriffen. = lim


t!0

Beispiel 2.2 Gegeben: Delta-Funktion ı(t) Gesucht: Fourier-Transformierte F(!) der Delta-Funktion ı(t). Lösung: Aus (2.9) folgt unter Berücksichtigung von (2.13) 1  F(!) =

ı(t) exp(i!t) dt = 1 :

(2.14)

1 Die Fourier-Transformation der Delta-Funktion ı(t) liefert also als Ergebnis die gleichförmige Spektraldichte F(!) = 1. Es läßt sich leicht zeigen, daß dieses Ergebnis invariant gegen eine Zeitverschiebung t  t0 ist. Die Fourier-Transformation der einen Einzelpuls darstellenden Gl. (2.14) hat eine wichtige Bedeutung für die praktische Lärmminderung von Maschinen. Gl. (2.14) zeigt nämlich, daß im Zeitbereich stoßartig wirkende Kräfte im Frequenzbereich immer zu einer sehr breitbandigen Anregung führen. Je kürzer die Stoßdauer einerseits

2.4 Diskrete Fourier-Transformation

31

und je größer die Stoßamplitude andererseits sind, desto mehr entspricht die stoßartig wirkende Kraft im Zeitbereich einem ı-Impuls und desto breitbandiger ist ihr Spektrum im Frequenzbereich. Dies hat zwei praktische Konsequenzen. Zeitlich stoßartig wirkende Kräfte verursachen im Frequenzbereich immer eine sehr breitbandige Anregung. Daher sind stoßartige Anregungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Sofern andererseits Strukturen zu erzwungenen Schwingungen angeregt werden sollen (vgl. zum Begriff der erzwungenen Schwingung Kapitel 4, insbesondere Abschnitte 4.1.2 und 4.2.2), ist es sehr vorteilhaft, im Frequenzbereich möglichst breitbandig anzuregen, weil damit eine große Anzahl von Eigenschwingungen angeregt werden kann. Eine mögliche Technik besteht daher darin, mit Hilfe eines Hammerschlages im Zeitbereich einen ı-Impuls anzunähern, der im Frequenzbereich zu einem breitbandigen Spektrum mit annähernd konstanter Spektraldichte führt. Bei der Erfassung und Verarbeitung von Meßdaten sowie bei numerischen Berechnungen werden nahezu ausschließlich diskrete Zeit- und Frequenzdaten verarbeitet. Dabei ist eine Integration über unendliche Zeitintervalle nicht praktikabel. Daher ist die Fourier-Transformation gemäß (2.9) und (2.10) aber auch die FourierReihenentwicklung nach Gln. (2.4) und (2.5) für die praktische Anwendung nicht relevant.

2.4 Diskrete Fourier-Transformation Um den Anforderungen der digitalen Signalverarbeitung gerecht zu werden und um numerische Auswertungs- bzw. Berechnungsverfahren anwenden zu können sollen die Transformationsgleichungen der diskreten Fourier-Transformation (DFT) besprochen werden. Auch die DFT kann als Sonderfall der kontinuierlichen FourierTransformation angesehen werden. Sie stellt eine Approximation der kontinuierlichen Fourier-Transformation dar. Dabei werden folgende Forderungen an das Zeitund Frequenzsignal gestellt: – Sowohl die Zeit- als auch die Frequenzfunktion sind äquidistant diskret und periodisch. Im allgemeinen wird die diskrete Zeitfunktion g(tn ) durch eine Abtastung des kontinuierlichen Zeitsignals g(t) gewonnen (siehe Abb. 2.9). g(t) ! g(tn )

mit

tn = n
t :

(2.15)

Das Zeitintervall
t wird dabei als Quotient aus der Periodendauer T und der Zahl der Abtastungen N berechnet T
t = ; N wobei N endlich und Element der natürlichen Zahlen ist. – Das Zeitsignal muß bandbegrenzt sein, die Abtastfrequenz
s = N=T muß mindestens doppelt so groß sein wie die höchste in g(t) enthaltene Frequenz. Diese Bedingung entspricht dem Shannonschen Abtasttheorem. Insbesondere die Bedingung der Periodizität innerhalb des Abtastintervalls ist bei den in der Maschinenakustik auftretenden Zeitsignalen in der Regel nicht zu erfüllen. Ein Verstoß gegen die Periodizitätsbedingung führt zu sogenannten Leckeffekten

32

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

Abb. 2.9. Abtastung eines kontinuierlichen Zeitsignals

(leakage). Es treten dabei zusätzliche, dem diskreten Zeitsignal nicht zuordenbare Frequenzkomponenten auf. Eine Verminderung des Leckeffektes kann durch die Verwendung von sogenannten Fensterfunktionen erzielt werden, die durch eine zeitabhängige Gewichtung des Zeitsignals die Periodizität erzwingen. Aus einem Verstoß gegen das Abtasttheorem resultieren Bandüberlappungseffekte (aliasing), die zu einer Verfälschung der Darstellung im Frequenzbereich führen. Im Rahmen der meßtechnischen Anwendung können Bandüberlappungseffekte durch eine analoge Tiefpaß-Filterung des Zeitsignals und die Wahl einer geeigneten Abtastfrequenz vermieden werden. Näheres zu diesem Thema findet sich z.B. in [7]. Ausgehend von der komplexen Fourier-Reihe nach Gl. (2.5) ergibt sich nach einer Substitution des Zeitparameters t durch diskrete Zeitpunkte tn die Gleichung der Rücktransformation g(tn ) =

N1 

G(!k ) exp(i!k tn ) =

k=0

N1 

G(!k ) exp(i

k=0

2kn ): N

(2.16)

Die Hintransformation erhält man aus (2.4) ebenso durch Einführen diskreter Zeitpunkte tn , wobei die Integration über die Periodendauer aufgrund der diskreten Form des Zeitsignals durch eine Summation über die Zahl der Abtastungen zu ersetzen ist

G(!k ) =

1  1  2kn ): g(tn ) exp(i!k tn ) = g(tn ) exp(i N N N N1

N1

k=0

k=0

(2.17)

Die Summationsgrenzen werden hierbei entsprechend der üblichen Zählweise für die Abtastschritte gewählt. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die im allgemeinen komplexen Frequenzkomponenten G(!k ) unter der Voraussetzung eines reellen Zeitsignals die bei der Fourier-Reihe und der kontinuierlichen FourierTransformation erwähnte Symmetrieeigenschaft gemäß (2.6) besitzen.

2.5 Eigenschaften der Fourier-Transformation

33

Aufgrund der diskreten Zeit- und Frequenzbereichsdarstellung wird die DFT den aktuellen Anforderungen der digitalen Datenverarbeitung gerecht. Allerdings erkennt man aus (2.17), daß für eine Berechnung von N Fourier-Koeffizienten aus N abgetasteten Zeitwerten N2 komplexe Multiplikationen erforderlich sind. Mit der schnellen Fourier-Transformation (Fast Fourier Transform, FFT) steht ein Werkzeug zur Verfügung, das die Berechnung der N Fourier-Koeffizienten mit nur N log 2N komplexen Multiplikationen ermöglicht. Unter der Voraussetzung, daß die Zahl der komplexen Multiplikationen für die Rechenzeit bestimmend ist, ergibt sich aus der Anwendung der FFT gegenüber der DFT ein Rechenzeitverhältnis V von 2N V= ; (2.18)  wobei N = 2 ist. Für eine übliche Abtastzahl N = 8192 = 213 resultiert z.B. eine Rechenzeitersparnis um den Faktor V = 1260. Die Methode der schnellen Fourier-Transformation ist z.B. in [7] dargestellt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß für die Ergebnisinterpretation der FFT keine besondere Kenntnis des Algorithmus erforderlich ist. Dies ist dadurch zu erklären, daß die FFT nichts anderes ist als ein Verfahren für eine schnelle Auswertung der DFT.

2.5 Eigenschaften der Fourier-Transformation Abschließend sollen noch einige ausgewählte Eigenschaften der FourierTransformation erläutert werden, die teilweise eine vereinfachte Analyse der Zeitsignale ermöglichen. Tabelle 2.1 enthält eine Zusammenstellung wichtiger Eigenschaften für kontinuierliche Signale (Integralform der Fourier-Transformation) und für diskrete Signale (DFT, FFT). – Aus der Linearitätseigenschaft folgt, daß aus einer gewichteten Überlagerung von Zeitsignalen auch eine gewichtete Überlagerung der zugeordneten Spektren resultiert. Diese Eigenschaft ist für die Auswertung von Spektren von fundamentaler Bedeutung. – Aus einer Zeitverschiebung des Zeitsignals resultiert eine Phasenverschiebung der Fourier-Transformation. Dabei bleibt der Betrag der Fourier-Transformierten unverändert. – Eine nützliche Vereinfachung der Analysis durch die Fourier-Transformation resultiert für die Differentiation oder Integration von Zeitsignalen. Dies ist in der Maschinenakustik interessant, da der häufig mit Beschleunigungsaufnehmern gemessene Körperschall in Schnellen umgerechnet werden muß, um ihn z.B. als Randbedingung für die numerische Berechnung des abgestrahlten Luftschalls (vgl. Kapitel 9) oder für die Bestimmung des Abstrahlgrades (vgl. Kapitel 5, insbesondere (5.5)) nutzen zu können. – Aus dem Parsevalschen Theorem geht hervor, daß der Energieinhalt des Zeitsignals und des Frequenzsignals gleich ist.

34

2 Frequenzanalyse von Zeitsignalen

Tabelle 2.1. Wichtige Eigenschaften der Fourier-Transformation

Eigenschaften Linearität Zeitverschiebung

Kontinuierliche Signale

Diskrete Signale

a1 g1 (t) + a2 g2 (t) , a1 G1 (!) + a2 G2 (!) g(t  t0 ) , G(!) exp(i!t0 )

a1 g1 (tn ) + a2 g2 (tn ) , a1 G1 (!k ) + a2 G2 (!k ) g(tn  m
t) , 2km ) G(!k ) exp(i N –

dn g(t) , (i!)n G(!) dtn

Differentation im Zeitbereich

t

Integration

g() d ,

1

G(!) i!

–

Parsevalsches Theorem

1

jg(t)j2 dt =

1

1 1

jG(!)j2 d!

N1  n=0

jg(tn )j2 =

N1 1  jG(!k )j2 N k=0

(Energiegleichheit)

Zusammenfassung 1. Die Frequenzanalyse basiert auf der Transformation von Zeitsignalen in den Frequenzbereich. Dabei erfolgt eine Darstellung des Zeitsignals als eine gewichtete Superposition von harmonischen Funktionen unterschiedlicher Frequenz und Phasenlage. Die Darstellung im Frequenzbereich wird als Spektrum bezeichnet. 2. Das Ziel der Frequenzanalyse besteht in einer Vereinfachung der Analysis und in einer anschaulicheren Darstellung gegenüber dem Zeitbereich. Das Erkennen harmonischer Signalanteile ist für die maschinenakustische Analysis von wesentlicher Bedeutung. 3. Jedes periodische, beschränkte Signal läßt sich durch eine Fourier-Reihe nach (2.4) beschreiben. Aus einem kontinuierlichen Zeitsignal ergibt sich durch Bildung der Fourier-Reihe ein diskretes Frequenzsignal über den Bereich von 1 bis +1. 4. Für den allgemeinen Fall nichtperiodischer, kontinuierlicher Signale wird durch Anwendung der Integralform der Fourier-Transformation ein kontinuierliches Frequenzspektrum über den Bereich von 1 bis +1 erhalten. 5. Aufgrund der Anforderungen der digitalen Signalverarbeitung hat sich ein Transformationsverfahren durchgesetzt, das auf Zeitsignale anwendbar ist, die sowohl diskret als auch periodisch und bandbegrenzt sein können. Das Verfahren wird als diskrete Fourier-Transformation (DFT) bezeichnet. Es liefert als Ergebnis diskrete, periodische Spektren. 6. Die schnelle Fourier-Transformation (FFT) stellt ein Verfahren zur beschleunigten Auswertung der DFT dar.

2.5 Eigenschaften der Fourier-Transformation

7. Ausgehend von reellen Zeitsignalen ergeben sich bei der Anwendung der Frequenzbereichstransformation im Allgemeinen komplexe, zur Ordinate symmetrische Spektren. In der Maschinenakustik ist es üblich, sich auf die Betrachtung des positiven Frequenzbereiches zu beschränken.

35

3 Dämpfung von Körperschall Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Grundlegende Dämpfungsmechanismen in der Maschinenakustik und ihre quantitative Beschreibung durch den Verlustfaktor (Abschn. 3.1) – Das Dämpfungsmodell von Kelvin und Voigt (Abschn. 3.2.1) – Analogie zwischen Kelvin-Voigt Modell und viskoelastischem Dehnstab (Abschn. 3.2.2) – Einführung des komplexen Elastizitätsmoduls zur Berücksichtigung der Dämpfung (Abschn. 3.2.2) – Dämpfende Beläge (Abschn. 3.3) Unter Dämpfung wird die Umwandlung mechanischer Energie in Wärme verstanden. Einem schwingenden mechanischen System wird daher durch Dämpfung mechanische Energie entzogen, so daß die Amplituden freier Schwingungen mit zunehmender Zeit exponentiell abnehmen bzw. die der erzwungenen Schwingungen auch in der Resonanz endlich bleiben. Die Dämpfung stellt daher in der Maschinenakustik einen grundsätzlich erwünschten Effekt dar. Zu unterscheiden ist zwischen der Dämpfung von Luft- und Körperschall. Für maschinenakustische Untersuchungen ist ausschließlich die letztere von Bedeutung. Die Dämpfung der von einer Quelle abgestrahlten Luftschallwellen wird in diesem Buch nicht behandelt, da sie für die Maschinenakustik bedeutungslos ist. Eine Einführung in dieses Thema bietet [36]. Der Einfluß der Dämpfung auf Wellen und Schwingungen wird von Gaul in einem Übersichtsartikel [21] dargestellt.

3.1 Physikalische Dämpfungsmechanismen In Maschinen erfolgt die Dissipation mechanischer Schwingungsenergie in Wärme im wesentlichen mittels der beiden folgenden physikalischen Effekte: – Innere Dämpfung innerhalb eines Werkstoffs ist auf mikrophysikalische Effekte, wie z.B. Gleitungen an Kristallebenen, Wandern von Versetzungen und Umordnungen im atomaren oder molekularen Bereich zurückzuführen. Sie ist bei Metallen im akustischen Frequenzbereich klein. Bei Kunststoffen und Gummi erreicht sie größere Werte. – Maschinen weisen im allgemeinen konstruktionsbedingte Fugen (z.B. WelleNabe-Verbindungen, Sitze von Wälzlagerringen, Teilfugen von Gehäusen) auf. Bei schwingender Beanspruchung treten in derartigen Konstruktionsfugen oszillierende Mikrobewegungen auf, die infolge von Reibung zu Fugendämpfung führen. Die Fugendämpfung liefert den weitaus größten Beitrag zur Dämpfung von Körperschall in Maschinen

38

3 Dämpfung von Körperschall

Abb. 3.1. Kraft-Weg-Diagramm bei Dämpfung

Bei Maschinen überwiegt stets die Fugendämpfung gegenüber der inneren Dämpfung. Die Dämpfung wird durch die dissipierte Energie gekennzeichnet. Das einfachste Modell stellt der gedämpfte Massenpunkt dar. Dieses Modell kann durch einen Massenpunkt realisiert werden, der sich unter einer Normalkraft geradlinig auf einer Ebene bewegt, wobei die Normalkraft senkrecht zu der Ebene steht. Der Ausschlag des Massenpunkts aus seiner Ruhelage werde mit x(t) bezeichnet, wobei t die Zeit ist. Infolge der Reibung wirkt eine der geradlinig vorausgesetzten Bewegung des Massenpunkts entgegengesetzt gerichtete Reibkraft F(t) zwischen dem Massenpunkt und der unterstützenden Ebene. Dem Massenpunkt wird eine periodische Bewegung x(t) mit der Periodendauer T aufgezwungen. Damit die periodische Bewegung aufrecht erhalten wird, muß die Reibungskraft zu jedem Zeitpunkt t überwunden und daher die inkrementelle Energie dWv = F(t) dx zugeführt werden. Durch Integration über eine Periode ergibt sich die Dämpfungsarbeit 1  Wv :=

F(t) dx :

(3.1)

Die anschauliche Darstellung von (3.1) in einem Kraft-Auslenkungs-Diagramm zeigt Abb. 3.1. Es ergibt sich während einer Periode eine geschlossene Kurve, die 1

Die Dämpfungsarbeit Wv wird auch als Verlustarbeit bezeichnet, was physikalisch nicht korrekt ist, da nach dem Energiesatz Energie nicht verloren gehen kann. Gemeint ist, daß mechanische Energie durch Dissipation in Wärme umgewandelt wird und damit dem System nicht mehr als mechanische Energie zur Verfügung steht.

3.1 Physikalische Dämpfungsmechanismen

39

als Kennlinie bezeichnet wird. Die von der Kennlinie umschlossene Fläche ist der Dämpfungsarbeit Wv proportional. Die Dämpfungsarbeit ist jedoch keine geeignete Größe zur Messung der Dämpfung, da sie vom Schwingungsausschlag abhängt. Daher wird die relative Dämpfung eingeführt. Diese ergibt sich, indem die Dämpfungsarbeit Wv auf die maximale elastische Formänderungsenergie U des Schwingers bezogen wird. Es seien xmax = x2 der maximale Schwingungsausschlag und F2 die zu diesemAusschlag gehörige Kraft (vgl. Abb. 3.1). Für die Formänderungsenergie U gilt 1 F 2 x2 : 2 Die relative Dämpfung ist damit gleich

(3.2)

U :=

:=

Wv : U

(3.3)

In der Maschinenakustik wird im allgemeinen mit dem Verlustfaktor  :=

2

=

Wv 2U

(3.4)

gerechnet. Eine Begründung für den Einschluß des Faktors 2  in den Nenner von (3.4) wird in Abschnitt 3.2 gegeben (vgl. insbesondere S. 43). Anhaltswerte für den Verlustfaktor W infolge innerer Dämpfung sind für die wichtigsten Metalle in Tabelle 3.1 zusammengestellt. Tabelle 3.2 enthält Richtwerte für den Verlustfaktor R infolge der Fugendämpfung . Es wurde bereits erwähnt, daß die Fugendämpfung (vgl. S. 37) der wichtigste Dämpfungsmechanismus in der Maschinenakustik ist. Die rechnerische Erfassung der Fugendämpfung ist allerdings nicht einfach. Bohlen und Gaul [6] haben ein aus parallel geschalteten Federn, viskosen Dämpfern und Coulombschen Reibelementen Tabelle 3.1. Verlustfaktor W infolge innerer Dämpfung für Metalle (nach Müller u.a.)

Werkstoff

Al

St

GGG

GGL

Messing

Zn

W

1
104

1
104

1
103

2
103

1
103

2
103

Tabelle 3.2. Verlustfaktoren R infolge von Fugendämpfung für Maschinen (nach Müller u.a.)

Konstruktionsart

Verlustfaktor R 3

Metallkonstruktionen aus wenigen dicken Teilen (Schiffsaußenhaut)

3
10 1
103

Metallkonstruktionen aus vielen dicken oder wenigen dünnen Teilen (Motor, Auto)

1
102

Metallkonstruktionen aus vielen dünnen Teilen (kleine, komplizierte Maschinen)

5
102 1
102

< 0,5 >1

kHz kHz

< 0,5 >1

kHz kHz

40

3 Dämpfung von Körperschall

bestehendes Modell eines überlappten und verschraubten Stoßes zweier Bleche aufgestellt. Die Parameter dieses Modells wie Federsteifigkeiten, Dämpfungskonstanten und Reibkraft der Fügestelle können nicht theoretisch vorherbestimmt, sondern müssen experimentell identifiziert werden. Hierzu wurde eine einfache Vorrichtung entwickelt. Ein Vergleich zwischen gemessenen und berechneten Amplitudengängen des Ausschlags zeigte eine gute Übereinstimmung. Das einfache eindimensionale Modell wurde auch auf ebene Fügestellen erweitert, wie sie z.B. in ebenen gefügten Rahmen oder Scheibenstrukturen vorkommen. Dieses Modell weist drei FederReibelemente auf und läßt Längs-, Quer- und Drehrelativbewegungen der beiden gefügten Partner zu. Es eignet sich zur Ankopplung an Finite Elemente (vgl. Kapitel 8). Der Aufwand für die experimentelle Identifikation der Modellparameter und die numerische Berechnung wird hier gegenüber dem eindimensionalen Modell entsprechend größer. Auch hier zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Versuchsergebnissen und Rechnung. Viele Maschinenstrukturen werden aus Blechkonstruktionen ausgeführt. Dünnwandige Blechkonstruktionen können in weiten Frequenzbereichen zu Schwingungen angeregt werden. Daher kommt einer Verminderung des Körperschalls von Blechwänden durch geeignete Dämpfungsmaßnahmen für die maschinenakustische Praxis besondere Bedeutung zu. Eine (teuere) Möglichkeit besteht darin, die Bleche mit hochviskosen Stoffen (z. B. Bitumenmatten) zu beschichten. Außerdem ist der Temperaturbereich beschränkt, in dem derartige Konstruktionen eingesetzt werden können. Eine Abhilfe stellt die Verwendung geschichteter Blechkonstruktionen dar, bei denen zwei dünwandige Bleche durch einzelne Punktschweißungen oder Niete verbunden werden. Zum akustischen Verhalten derartiger Blechkonstruktionen hat Bernhardt [4] eine umfangreiche Untersuchung vorgelegt. Es stellt sich heraus, daß die zwischen den beiden Blechplatten eingeschlossene Luftschicht eine sehr wirkungsvolle, breitbandig wirkende Erhöhung des Verlustfaktors bewirkt. Abbildung 3.2 zeigt den Verlustfaktor verschiedener am Rand und teilweise in der Mitte vernieteter Bleche. Es zeigt sich, daß der Verlustfaktor in einem großen Frequenzbereich (ca. 100 bis 4 000 Hz) weitgehend unabhängig von der Frequenz ist und in der Größenordnung von 0,04 liegt.

3.2 Das Kelvin-Voigt-Modell Die grundlegenden Eigenschaften des Kelvin-Voigt-Modells werden für den eindimensionalen Fall angegeben. Sodann wird gezeigt, wie die diesem Modell inhärente Dämpfung durch Einführen eines komplexen Elastizitätsmoduls auf kontinuierliche Körper erweitert werden kann. 3.2.1

Einfaches, eindimensionales Kelvin-Voigt-Modell

Zur rechnerischen Behandlung der Dämpfung werden Dämpfungsmodelle benötigt. Sie können ein-, zwei- oder dreidimensional sein und sich linear oder nichtlinear verhalten. Die einfachsten Modelle bestehen aus Kombinationen von elastischen

3.2 Das Kelvin-Voigt-Modell

41

Abb. 3.2. Verlustfaktoren geschichteter Bleche (nach Bernhardt)

k F

F c

Abb. 3.3. Kelvin-Voigt-Modell

Federn und viskosen Dämpfern, bei denen die Dämpferkraft der Geschwindigkeit proportional ist (lineare Dämpfer). Der Einbau Coulombscher Reibelemente führt zu nichtlinearem Verhalten. Hier soll nur das einfache Kelvin-Voigt-Modell besprochen werden, das aus einer Feder mit der Federkonstanten k und einem dazu parallel geschalteten, linearen viskosen Dämpfer mit der Dämpferkonstanten c besteht (vgl. Abb. 3.3). Die Feder-Dämpfer-Kombination nach Abb. 3.3 werde einer Verformung mit der Auslenkung x aus der Gleichgewichtslage und der Geschwindigkeit x_ unterworfen. Dann stellen sich in der Feder die Federkraft Fk = k x

(3.5)

und im Dämpfer die Dämpferkraft Fc = c x_

(3.6)

ein. Für die gesamte am Kelvin-Voigt-Modell wirkende Kraft gilt aus Gleichgewichtsgründen F = Fc + Fk = c x_ + k x :

(3.7)

42

3 Dämpfung von Körperschall

Abb. 3.4. Kraft und Auslenkung des Kelvin-Voigt-Modells in der komplexen Ebene

Wird dem Kelvin-Voigt-Modell eine komplexe harmonische Bewegung (3.8)

x = x^ exp(i !t)

aufgeprägt, so muß die sich einstellende Kraft die gleiche Zeitabhängigkeit aufweisen. Aus Gln. (3.7 und 3.8) folgt für diese Kraft F = (k + i c !) x = (k + i c !) x^ exp(i!t)

(3.9)

und damit für deren komplexe Amplitude F^ = (k + i c !) x^ :

(3.10)

Gl. (3.9 und 3.10) legen es nahe, eine komplexe Steifigkeit des Modells einzuführen (3.11)

k = (k + i c !) : Der Betrag dieser komplexen Steifigkeit  k^ = k2 + (c !)2

(3.12)

heißt absolute Steifigkeit . Aus (3.10) geht hervor, daß die komplexe Kraft F dem komplexen Ausschlag x um den Winkel ' voreilt mit c! : (3.13) tan ' = k Die komplexe Kraft F kann in Komponenten Fk bzw. Fc nach dem komplexen Ausschlag x und einer dazu in der komplexen Ebene senkrecht stehenden Komponente ^ F^ k und F^ c die Beträge der Amplituden der zerlegt werden (vgl. Abb. 3.4). Es seien F, komplexen Kraft F bzw. ihrer Komponenten nach Abb. 3.4. Dann folgt aus Abb. 3.4 für die Beträge der Amplituden der beiden Kraftkomponenten F^ k = F^ cos ' = k^ x^

1 1 + tan2 '

;

3.2 Das Kelvin-Voigt-Modell

43

tan ' F^ c = F^ sin ' = k^ x^ : 1 + tan2 ' Unter Berücksichtigung von Gln. (3.12 und 3.13) ergibt sich hieraus k F^ k = k^ x^ = k x^ ; 2 k + (c !)2

(3.14)

(c!=k) k F^ c = k^ x^ = c ! x^ ; k2 + (c !)2

(3.15)

was direkt auch aus Gln. (3.5 und 3.6) abgeleitet werden kann. Als nächstes wird die durch den Dämpfer dissipierte Dämpfungsarbeit berechnet. Sie kann durch zeitliche Integration der in den Dämpfer eingespeisten Leistung über einer Periode bestimmt werden T  Wv =

F(t) x(t) _ dt :

(3.16)

0 Für die Kraft F(t) ist in diesem Fall die am Dämpfer wirkende Kraft Fc einzusetzen. In komplexer Schreibweise gilt zunächst Fc = c x_ ; woraus unter Berücksichtigung von (3.8) für den Realteil der Dämpferkraft Fc = c x^ ! sin !t folgt. Mit der Periodendauer 2 =! ergibt sich aus (3.16) nach kurzer Zwischenrechnung Wv = c ! x^ 2 :

(3.17)

Die Formänderungsenergie folgt aus der Federkraft zu 1 k x^ 2 : 2 Damit wird nach (3.4) der Verlustfaktor c! = : (3.18) k Der Vergleich mit (3.13) zeigt, daß der Verlustfaktor gleich dem Tangens des Phasenwinkels zwischen Kraft und Ausschlag ist. Dies ist der Grund dafür, daß in der Definitionsgleichung (3.4) der Faktor 2  im Nenner aufgenommen wurde. Schließlich wird nach (3.17) die Verlustarbeit U=

Wv =  k  x^ 2 :

(3.19)

Gleichung (3.18) zeigt, daß die in der Maschinenakustik sehr häufig getroffene Annahme eines konstanten Verlustfaktors problematisch ist. Schon bei dem sehr

44

3 Dämpfung von Körperschall

Tabelle 3.3. Analogie zwischen Kelvin-Voigt-Modell und viskoelastischem Dehnstab

Kelvin-Voigt-Körper F x k c!

Viskoelastischer Dehnstab

E E#!

einfachen Kelvin-Voigt-Körper ist der Verlustfaktor proportional zur Frequenz. Dies ist physikalisch unmittelbar einleuchtend. Die Dämpferkraft des einfachen viskosen Dämpfers steigt mit der Geschwindigkeit linear an, die zur Frequenz proportional ist. In der Praxis stellt sich heraus, daß gemessene Verlustfaktoren i.a. eine mehr oder weniger ausgeprägte Abhängigkeit von der Frequenz aufweisen. Dennoch wird (auch in diesem Buch) immer wieder mit konstanten, von der Frequenz unabhängigen Verlustfaktoren gerechnet. Derartige Rechnungen ermöglichen in relativ einfacher Weise grundsätzliche Einsichten in das Wirken der Dämpfung. Durch das Rechnen mit der komplexen Steifigkeit k nach (3.11) wird in einer sehr einfachen Weise die Dämpfung in den Rechnungsgang eingeschlossen. Die komplexe Steifigkeit faßt die Federsteifigkeit k und die Steifigkeit c ! des viskosen Dämpfers zusammen. Sie enthält zusätzlich eine Information (vgl. (3.13)) über die durch die Dämpfung verursachte Phasenverschiebung zwischen Kraft und Ausschlag (vgl. Abb. 3.4). Bei der Kreisfrequenz Null entartet die komplexe Steifigkeit zu der reellen Steifigkeit der Feder. Mit zunehmender Kreisfrequenz wird die komplexe Steifigkeit mehr und mehr durch das Verhalten des viskosen Dämpfers bestimmt. Aus (3.13) folgt, daß für sehr große Kreisfrequenzen der Phasenwinkel zwischen Kraft und Ausschlag gegen 90ı geht. Ein Werkstoff, der sich wie das Kelvin-VoigtModell verhält, gehört zur Klasse der linear viskoelastischen Stoffe. Die meisten Kunststoffe zeigen bei kleinen Spannungen derartiges rheologisches Verhalten. 3.2.2 Verallgemeinerung für kontinuierliche Körper Als nächstes wird gezeigt, wie die Dämpfung bei der Berechnung von Schwingungen eines Kontinuums berücksichtigt werden kann. Das Kelvin-Voigt-Modell läßt sich auf einen Dehnstab mit konstantem Querschnitt übertragen. Dazu werden in Gln. (3.5–3.7) die Kraft F durch die Spannung , der Ausschlag x durch die Dehnung

, die Federkonstante k durch den Elastizitätsmodul E und die Dämpfungskonstante c durch E # ersetzt, wobei die zunächst noch unbestimmte Größe # die Dimension einer Zeit aufweist. Aus (3.7) wird mittels dieser Substitutionen _ : = E( + # )

(3.20)

Gleichung (3.20) stellt ein (besonders einfaches) eindimensionales viskoelastisches Stoffgesetz dar. Dieses viskoelastische Stoffgesetz läßt sich in zweifacher Hinsicht verallgemeinern. Einmal können zusätzliche „Federn“ und „Dämpfer“ eingebaut werden, um komplexeres viskoelastisches Verhalten zu modellieren. Zum anderen kann es auf zwei- und dreidimensionale Kontinua erweitert werden ([5]).

3.2 Das Kelvin-Voigt-Modell

45

Der Einbau des viskoelastischen Stoffgesetzes nach (3.20) z.B. in die Bewegungsgleichung der biegeschwingenden Platte (4.34) führt im allgemeinen Fall zu erheblichen mathematischen Schwierigkeiten. Diese können vermieden werden, wenn nur zeitlich harmonische Vorgänge2 zugelassen werden. In Analogie zu (3.8) wird daher angesetzt

= ^ exp i !t : Damit folgt aus (3.20) = E (1 + i # !) :

(3.21)

Ein Vergleich mit (3.9) ergibt die Analogie nach 3.3. Für die auf das Volumen bezogene durch Dämpfung dissipierte Energie des viskoelastischen Dehnstabes folgt nach einfacher Rechnung Wv = E # ! ^2 ;

(3.22)

wobei ^ die Amplitude der Dehnung ist. Ein Vergleich von Gln. (3.19 und 3.22) liefert den Zusammenhang zwischen der noch unbestimmten Größe # und dem Verlustfaktor  = !# :

(3.23)

Für die Anwendungen ist es zweckmäßig, einen komplexen Elastizitätsmodul einzuführen E := (1 + i) E :

(3.24)

Die Einführung eines komplexen Elastizitätsmoduls nach (3.24) bewährt sich sehr, wenn geschlossene Lösungen (vgl. 4.3.1) ermittelt werden. In der Methode der Finiten Elemente (vgl. Abschnitt 8.2) erweist sich eine andere Formulierung für die Berücksichtigung der Dämpfung oft als vorteilhaft, die als Rayleigh-Dämpfung bezeichnet wird. Sie wird zunächst für den Einmassenschwinger vorgestellt. Nach Rayleigh wird für die Dämpfungskonstante c in der Bewegungsgleichung (4.1) folgender Ansatz eingeführt c = am + bk ;

(3.25)

wobei a und b Konstante sind. Die Dämpfungskonstante c setzt sich also additiv aus zwei Anteilen zusammen, von denen der eine proportional zur Masse m und der andere proportional zur Federkonstanten k ist. Abschließend soll noch auf eine erhebliche Schwierigkeit bei der Anwendung aller Dämpfungsmodelle in der maschinenakustischen Berechnungspraxis hingewiesen werden. Alle bekannten Dämpfungsmodelle sind rein phänomenologischer Natur. Dies bedeutet, daß bei ihrer Anwendung immer Parameter aufgrund von Messungen identifiziert werden müssen. Abgesehen davon, daß Dämpfungsmessungen 2

Für maschinenakustische Berechnungen stellt dies keine Einschränkung dar, da in erster Linie periodische Vorgänge interessieren, die nach Abschnitt 2.2 durch Fourier-Reihen dargestellt werden können.

46

3 Dämpfung von Körperschall

nicht einfach sind, stellt sich häufig heraus, daß die hier wiedergegebenen, einfachen Dämpfungsmodelle nur eine begrenzte Aussagefähigkeit besitzen. Häufig ist die Annahme nicht gerechtfertigt, daß die Parameter, welche die Dämpfung beschreiben (z.B. Verlustfaktor ) unabhängig von der Frequenz sind. Hier hilft in manchen Fällen das Einführen einer frequenzabhängigen Dämpfung, die aber nur aufgrund sorgfältiger Messungen identifiziert werden kann. Ferner ist es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, die so gewonnenen Meßwerte für andere Anwendungen zu verallgemeinern.

3.3 Dämpfende Beläge Flächenhafte Strukturen (z.B. Platten und Schalen) können sehr wirksam durch Aufbringen eines viskoelastischen Belages bedämpft werden. Grundsätzlich stellt eine mit einem dämpfenden Belag versehene dünnwandige Struktur eine Verbundkonstruktion dar. Die Wirkung solcher Verbundkonstruktionen kann mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente (vgl. Kapitel 8) erfaßt werden. Voraussetzung hierfür ist, daß das Dämpfungsverhalten des Belages hinreichend genau bekannt ist. Neben der Berechnung mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente gibt es eine Reihe von elementaren Rechenverfahren, mit deren Hilfe das dämpfende Verhalten von Belägen bei auf Biegung beanspruchten Platten sehr einfach ermittelt werden kann. Diese Rechenverfahren besitzen für die Auslegung dämpfender Beläge grundsätzliche Bedeutung, da mit ihnen wesentliche physikalische Zusammenhänge transparent dargestellt werden können. 3.3.1

Platte mit dämpfendem Belag

In Abb. 3.5 ist die aus einer metallischen Grundplatte und einem dämpfenden Belag bestehende Verbundkonstruktion dargestellt. Die zu bedämpfende Grundplatte weist die Dicke h auf und besteht aus einem metallischen Werkstoff mit dem Elastizitätsmodul Ep . Auf dieser Platte ist einseitig ein viskoelastischer, dämpfender Belag mit der Dicke s, dem Elastizitätsmodul Ed und dem Verlustfaktor d aufgebracht. Oberst [54] hat für diese Anordnung eine Theorie entwickelt, die auf folgenden Voraussetzungen beruht:

Abb. 3.5. Platte mit dämpfendem Belag

3.3 Dämpfende Beläge

47

– Die Platte wird als schmaler Plattenstreifen aufgefaßt, bei dem die Breite wesentlich kleiner ist als die Biegewellenlänge3 (b  B ). – Der Verlustfaktor des Materials der Grundplatte ist wesentlich kleiner als eins (P  1). – Die Platte führt zeitlich rein harmonische Biegewellen mit der Kreisfrequenz ! aus. – Die Dämpfung des Belages ist wesentlich größer als die Dämpfung der Grundplatte (d  p ). Hier werden nur die Formeln mitgeteilt, mit denen der Verlustfaktor res und die Biegesteifigkeit Bres der Verbundkonstruktion berechnet werden können. Dazu werden die folgenden Abkürzungen eingeführt a :=

Ed ; Ep

(3.26)

:=

s ; h

(3.27)

Ep h3 : (3.28) 12 Dabei ist Bp die Biegesteifigkeit des Plattenstreifens. Die Beziehungen für die Berechnung des Verlustfaktors und der Biegesteifigkeit der Verbundkonstruktion lauten Bp =

res a 3 + 6 + 4 2 + 2a 3 + a2 4 = ;
d 1 + a 1 + 2a(2 + 3 2 + 2 3 ) + a2 4

(3.29)

Bres 1 + 2a(2 + 3 2 + 2 3 ) + a2 4 : = Bp 1 + a

(3.30)

Es läßt sich zeigen, daß das Verhältnis res =d für sehr große Werte des Dickenverhältnisses gegen eins geht. Ferner ist zu beachten, daß der Verlustfaktor der Verbundkonstruktion dann nicht von der Frequenz abhängt, wenn der Verlustfaktor des dämpfenden Belages unabhängig von der Frequenz ist. Dies trifft allerdings für die meisten in der Praxis eingesetzten Beläge nicht zu. Jedoch ergibt sich dann für den Verlustfaktor der Verbundkonstruktion der gleiche Frequenzgang wie für den dämpfenden Belag. Abbildung 3.6 zeigt das Verhältnis res =d der Verlustfaktoren in Abhängigkeit vom Dickenverhältnis = s=h. Als Parameter wird das Verhältnis a = Ed =Ep der Elastizitätsmoduli des Belages und der Grundplatte herangezogen. Es zeigt sich, daß der Verlustfaktor der Verbundkonstruktion mit zunehmendem Dickenverhältnis zunächst ansteigt, um dann bei sehr großen Werten gegen eins zu streben. Ferner zeigt sich, daß der Verlustfaktor der Verbundkonstruktion bei kleinem Dickenverhältnis um so größer wird, je größer der Elastizitätsmodul des dämpfenden Belages ist.

3

Vgl. hierzu Abschn. 4.2.1 insbesondere Gl. (4.58).

48

3 Dämpfung von Körperschall

Abb. 3.6. Verhältnis ausVerlustfaktoren derVerbundkonstruktion und der dämpfenden Schicht in Abhängigkeit vom Dickenverhältnis

3.3.2

Eingezwängte Beläge

In Abb. 3.7 ist ein sog. eingezwängter Belag4 dargestellt5 . Gemäß Abb. 3.7 befindet sich eine viskoelastische Schicht der Dicke s zwischen zwei metallischen Platten der Dicke h1 bzw. h2 . Diesen beiden Platten werden die Indizes 1 und 2 zugeordnet. Der dämpfende, eingezwängte Belag erhält den Index d. Wird die Verbundkonstruktion auf Biegung beansprucht, so wird die viskoelastische Zwischenschicht (Index d) im wesentlichen auf Schub beansprucht (vgl. hierzu Abb. 3.7), weil die Unterseite der oberen Metallplatte Index 2) weniger gedehnt wird als die Oberseite der unteren Metallplatte (Index 1), die im folgenden wieder als Grundplatte bezeichnet wird. Es liegt also ein anderer Mechanismus als bei der Platte mit dämpfendem Belag vor. Die von Cremer und Heckel abgeleitete Theorie gilt nur für eingezwängte Beläge. Dies bedeutet, daß die Dicke h2 der metallischen Deckschicht zwar als wesentlich kleiner vorausgesetzt wird als die Dicke h1 der Grundplatte. Jedoch ergibt sich aus der hier vorgetragenen Theorie nicht der Grenzfall der viskoelastischen Deckschicht nach Abschn. 3.3.1, wenn die Dicke h2 der abdeckenden Schicht Null gesetzt wird. Weiter wird angenommen, daß die metallischen Platten und die viskoelastische Zwischenschicht Biegeschwingungen ausführen. Die Zwischenschicht darf nicht so nachgiebig sein, daß die Verformungen der beiden außen liegenden Platten als unabhängig betrachtet werden müssen. Werden die beiden Platten als starr betrachtet und 4 5

Die folgenden Ausführungen lehnen sich an Cremer und Heckl [13] an. Da in den folgenden Berechnungen nur die Längenkoordinate x1 auftritt, wird der Index 1 weggelassen.

3.3 Dämpfende Beläge

49

Abb. 3.7. Verbundkonstruktion aus zwei metallischen Deckplatten und einer viskoelastischen

Zwischenschicht

die Zwischenschicht als rein elastisch aufgefaßt, so muß die Eigenfrequenz dieses Schwingungssystems wesentlich größer als die Betriebsfrequenz sein. Es gilt daher  Ed (m1 + m2 ) ! (3.31) s m1 m2 Im weiteren wird ein eingezwängter Belag mit dünner Deckplatte betrachtet. Dann ist die Dicke der Deckplatte wesentlich kleiner als die Dicke der Grundplatte (h2  h1 ). Da der Elastizitätsmodul der Zwischenschicht wesentlich kleiner ist als derjenige der metallischen Grundplatte (Ed  E1 ), kann die Biegesteifigkeit der Verbundkonstruktion näherungsweise gleich derjenigen der Grundplatte (Bres  B1 ) gesetzt werden. Unter den getroffenen Voraussetzungen leiten Cremer und Heckl folgende Beziehung für den Verlustfaktor der Verbundkonstruktion ab res h2 a2 g(!) E2 = d B1 [1 + g(!)]2 + 2d g2 (!)

(3.32)

In (3.32) ist g(!) eine dimensionslose, von der Kreisfrequenz ! abhängende Kenngröße  Gd B1 Gd g(!) := = ; (3.33) E2 h2 sk2 E2 h2 s! m0

50

3 Dämpfung von Körperschall

die in der Literatur als Schubparameter bezeichnet wird. Die Größe Gd ist der Schubmodul der viskoelastischen Zwischenschicht. Die Massenbelegung der Verbundkonstruktion ergibt sich zu m0 = 1 h1 + d s + 2 h2 :

(3.34)

Für die Geometriegröße a folgt aus Abb. 3.7 h1 + s: (3.35) 2 Es zeigt sich, daß anders als bei der Platte mit viskoelastischer Deckschicht (vgl. Abschn. 3.3.1) der resultierende Verlustfaktor von der Frequenz abhängt. Der Frequenzgang des Verlustfaktors wird durch die Funktion g(!)=[(1+g(!))2 +2d g2 (!)] bestimmt. Es ist zweckmäßig, für die grafische Darstellung des Verlustfaktors folgende bezogenen Größen einzuführen  E 2 h2 s m 0 1 = ! w := ; g(!) Gd B1 a=

res := res

B1 : E 2 h2 a2

Wie leicht nachzuweisen ist, sind w eine dimensionslose Kreisfrequenz und res ein skalierter Verlustfaktor. Aus (3.32) folgt w res = d : (3.36) (1 + w)2 + 2d In Abb. 3.8 sind über der skalierten Kreisfrequenz w Kurven für den Frequenzgang des skalierten resultierenden Verlustfaktors res aufgetragen. Als Parameter für die Kurvenschar dient der Verlustfaktor d der viskoelastischen Zwischenschicht. Der Frequenzgang des resultierenden Verlustfaktors weist ein Maximum auf bei der Frequenz   1 + 2d B1 G d 1
opt = : (3.37) 2 E2 h 2 s m0 Näherungsweise gilt für diese Frequenz 1 cL1 h1 Gd
opt  1 + 2 ; 22 sh2 E2

(3.38)

wobei cL1 die Schallgeschwindigkeit longitudinaler Wellen in der Grundplatte ist. Der maximale, sich bei der optimalen Frequenz
opt einstellende Verlustfaktor beträgt opt =

 E2 h2 a2 d : B1 2(1 + 1 + 2 ) d

(3.39)

Aus Abb. 3.8 ist abzulesen, daß sowohl die Frequenz
opt der optimalen Dämpfung als auch der zugehörige optimale Verlustfaktor opt mit dem Verlustfaktor d der dämpfenden Zwischenschicht ansteigen. Der Verlustfaktor nimmt in der Nähe des

3.3 Dämpfende Beläge

51

Abb. 3.8. Abhängigkeit des skalierten resultierenden Verlustfaktors einer Platte mit dämpfender Zwischenschicht und dünner Deckplatte von der skalierten Kreisfrequenz

Optimums nur langsam mit der Frequenz ab. Nach Cremer und Heckl [13] beträgt die „Halbwertsbreite“ ungefähr 5 Oktaven. Der maximal erreichbare Verlustfaktor opt hängt vom Verlustfaktor der viskoelastischen Zwischenschicht nicht aber von deren Schubmodul ab, was einen weiteren Unterschied zum einseitig aufgebrachten Belag (vgl. Abschn. 3.3.1) darstellt. Ferner beeinflussen die elastischen Eigenschaften und die Dicken der Grund- und der Deckplatte den optimalen Verlustfaktor. Sofern die Grundplatte dick ist, und daher B1  E1 h31 =12 gesetzt werden darf, und wenn die beiden Deckschichten wesentlich dünner als die Grundplatte (s  h1 ;h2  h1 ) sind, vereinfacht sich (3.39) mit a  h1 =2 zu opt 

 3 E2 h2 d : 2 E1 h 1 1 + 1 +  2 d

(3.40)

Für d = 2, was das Maximum praktisch erreichbarer Werte darstellt, folgt aus (3.40), daß opt  0;9

E2 h2 E1 h1

wird. Es ist also günstig, für die Deckplatte einen Werkstoff mit einem Elastizitätsmodul zu wählen, der größer als derjenige der Grundplatte ist. Die Kombination einer Grundplatte aus Aluminium oder Titan mit einer Deckplatte aus Stahl wirkt sich also vorteilhaft auf die Dämpfung der Verbundplatte aus. Sofern die Grundplatte

52

3 Dämpfung von Körperschall

aus Stahl besteht, darf die Deckplatte keinesfalls aus einem Werkstoff mit geringerem Elastizitätsmodul ausgeführt werden. In einem solchen Fall soll dann auch eine Deckplatte aus Stahl gewählt werden. Beispiel 3.1 Gegeben: Eine Verbundplatte mit Grund- und Deckplatte aus Stahl. Die Dicken betragen: h1 = 10 mm, h2 = 1 mm. Für Stahl betragen die Schallgeschwindigkeit von Longitudinalwellen 5100 m/s und der Verlustfaktor  = 0;0001. Der Verlustfaktor der Zwischenschicht von 0,2 mm Dicke beträgt d = 1 und ihr Schubmodul Gd = 71,4 N/mm2 . Gesucht: Maximal erreichbarer Verlustfaktor und zugehörige Frequenz. Lösung: Aus (3.38) ergibt sich 1 5100 m=s 0;01 m 71;4 N=mm2 = 3941Hz : 22 0;0002 m 0;001 m 210000 N=mm2 Aus (3.40) folgt 1 3 0;2 mm p opt = = 0;012 2 10 mm 1 + 1 + 1 Gegenüber dem Verlustfaktor der Grundplatte von 0,0001 wird der Verlustfaktor der Verbundplatte um den Faktor 120 angehoben.
opt =

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse in den Abschn. 3.3.1 und 3.3.2 für konstanten, d.h. frequenzunabhängigen Verlustfaktor abgeleitet wurden. Bei realen viskoelastischen Belägen kann die stets bestehende Abhängigkeit des Verlustfaktors von der Frequenz durch Messungen bestimmt und anschließend in der Berechnung berücksichtigt werden.

Zusammenfassung Beläge aus dämpfenden Material stellen eine sehr wirkungsvolle Maßnahme dar, um die Dämpfung von plattenartigen, metallischen Strukturen wirkungsvoll zu erhöhen. Es wird unterschieden zwischen einfachen (auf der Grundplatte aufgebrachten) und eingezwängten Belägen. 1. Bei aufgebrachten Belägen steigt die Dämpfung der Verbundkonstruktion mit der Dicke des dämpfenden Belages an. Bei sehr großen Werten des Verhältnisses Dicke des Belags zur Dicke der Grundstruktur nimmt die Dämpfung der Verbundkonstruktion den Wert des dämpfenden Belags an. Bei kleinen Dickenverhältnissen ist die Dämpfung um so größer, je größer der Wert des Elastizitätsmoduls des dämpfenden Belags ist. Die Dämpfung der Verbundkonstruktion ist bei frequenzunabhängigem Verlustfaktor ebenfalls frequenzunabhängig. Sonst weist sie den gleichen Frequenzgang wie der Verlustfaktor des dämpfenden Belags auf.

3.3 Dämpfende Beläge

2. Bei eingezwängten Belägen, die aus einer Grundplatte, dem dämpfenden Belag und einer metallischen, dünnwandigen Deckschicht bestehen, ist der Verlustfaktor der Verbundkonstruktion auch dann von der Frequenz abhängig, wenn der Verlustfaktor des dämpfenden Belags unabhängig von der Frequenz ist. In diesem Fall läßt sich eine Frequenz
opt angeben, bei der der Verlustfaktor der Verbundkonstruktion sein Maximum annimmt. Ferner ist es vorteilhaft, für die Deckplatte einen Werkstoff zu wählen, der einen größeren Elastizitätsmodul aufweist, als die Grundplatte. Beispielsweise ist es günstig für eine Grundplatte aus Aluminium oder Titan eine Deckplatte aus Stahl anzuordnen. Sofern die Grundplatte aus Stahl besteht, darf keinesfalls eine Deckplatte mit einem Werkstoff gewählt werden, dessen Elastizitätsmodul geringer als der von Stahl ist.

53

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Grundsätzliches zur Beschreibung des Körperschallverhaltens von technischen Strukturen – Freie und erzwungene Schwingungen des gedämpften Einmasseschwingers (Abschn. 4.1) – Eigenschwingungen und erzwungene Biegeschwingungen einer gedämpften dünnen Rechteckplatte (Abschn. 4.2) – Das Körperschallmaß als Indikatorfunktion für das Körperschallverhalten von Strukturen (Abschn. 4.3) – Das Körperschallmaß einer Rechteckplatte (Abschn. 4.3.1) – Abschätzverfahren für das Körperschallmaß (Abschn. 4.4) – Abschätzverfahren für das Körperschallmaß einer Rechteckplatte (Abschn. 4.4.1) – Ähnlichkeitsgesetze für das Körperschallmaß (Abschn. 4.4.2) – Körperschallmaß einer Platte mit vorgeschalteter Punktmasse am Ort der Krafteinleitung (Abschn. 4.4.3) – Auswirkungen von Rippen auf das Körperschallmaß (Abschn. 4.5) Für die Beurteilung des Körperschallverhaltens technischer Strukturen ist es günstig, das grundsätzliche Verhalten anhand von einfachen Modellen zu analysieren. Diese Modelle können selbstverständlich nicht für die quantitative Beurteilung des Körperschallverhaltens realer Konstruktionen herangezogen werden. Mit ihnen lassen sich jedoch wichtige Aussagen über das Körperschallverhalten von Maschinen gewinnen. Insbesondere können auch die Auswirkungen von konstruktiven Änderungen zwar nicht quantitativ aber tendenziell beurteilt werden. In diesem Kapitel werden daher zwei einfache Beispiele für das dynamische Verhalten von Strukturen vorgestellt. Zunächst wird das Beispiel des gedämpften Einmasseschwingers behandelt, der zu erzwungenen Schwingungen angeregt wird. Selbstverständlich bildet sich auf einem als punktförmig vorausgesetzten Einmasseschwinger kein Körperschall aus. Jedoch gestattet dieses Modell sehr wichtige Einsichten in das Schwingungsverhalten von Körpern mit komplexerer Geometrie. Als zweites Modell wird eine dünnwandige, rechteckige Platte behandelt, die erzwungene Biegeschwingungen ausführt. Abschließend wird das Körperschallmaß besprochen, das eine wichtige Indikatorfunktion für das Körperschallverhalten von Strukturen darstellt. Das Körperschallmaß kann auch zur Beurteilung des Körperschallverhaltens komplexer Strukturen herangezogen werden. Dabei werden deren Körperschallfelder numerisch mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente (FEM) berechnet (vgl. Kap. 8 ). In Abschnitt 4.4 wird ein einfaches Abschätzverfahren angegeben, das die Berechnung eines gemittelten Körperschallmaßes für einfache Strukturen ermöglicht. Anhand von Ähnlichkeitsgesetzen können die Auswirkungen konstruktiver Maßnahmen auf das Körperschallmaß beurteilt werden.

56

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

4.1 Der Einmasseschwinger Ein Schwinger mit nur einem Freiheitsgrad heißt Einmasseschwinger. Die einfachste Anordnung eines gedämpften Einmasseschwingers zeigt Abb. 4.1. Eine Masse m ist in Reihe mit einer Feder (Federsteifigkeit k) und einem zu dieser parallel angeordneten Dämpfer mit der Dämpfungskonstante c1 geschaltet. Auf die Masse m wirkt eine im allgemeinen Fall beliebig von der Zeit t abhängende Kraft F(t). Diese Kraft heißt Erregerkraft. Der Schwinger wird als krafterregt bezeichnet. Durch Freischneiden der Masse ergibt sich deren Bewegungsgleichung x m!" Tragheitskraft

+

_ cx !" Dampfungskraft

+

kx !" Steiˇgkeitskraft

=

F(t)  !"

:

(4.1)

a uere Kraft

Gleichung (4.1) läßt eine anschauliche Deutung zu. Die äußere, anregende Kraft F(t) steht zu allen Zeitpunkten im Gleichgewicht mit der Summe aus Trägheitskraft mx,  Dämpfungskraft cx_ und elastischer Rückstellkraft kx. Letztere wird auch als Steifigkeitskraft bezeichnet. Dieses Gleichgewicht aus äußerer Kraft oder äußeren Kräften mit der Summe aus Trägheits- oder Massenkraft, Dämpfungskraft und Steifigkeitskraft findet sich in allen dynamischen Problemen (vgl. hierzu auch Abschn. 4.2 und 8.1, insbesondere Gl. (8.7)). In der Maschinenakustik interessieren in erster Linie zeitlich periodische Anregungskräfte, da diese zu stationären Betriebszuständen führen. Da sich gemäß Abschnitt 2.2 jedes zeitlich periodische Signal in eine Fourier-Reihe entwickeln läßt, kann ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit vorausgesetzt werden, daß die Errergekraft F(t) rein harmonisch von der Zeit abhängt F(t) = F^ cos(˝ t + ') :

(4.2)

Hierin bedeuten F^ den Spitzenwert der Erregerkraft, ˝ die Erregerkreisfrequenz2 und ' den Nullphasenwinkel3 . Ohne Verletzung der Allgemeingültigkeit4 kann der

Abb. 4.1. Gedämpfter, krafterregter Einmasseschwinger

1

2

3

In der Mechanikliteratur werden manchmal die Federsteifigkeit mit dem Symbol c und die Dämpfungskonstante mit k bezeichnet. In diesem Buch werden Erregerkreisfrequenzen immer mit dem griechischen Buchstaben ˝ bezeichnet. Zur Definition des Nullphasenwinkels s. S. 15.

4.1 Der Einmasseschwinger

57

Nullphasenwinkel ' gleich Null gesetzt werden, was für das Weitere vorausgesetzt wird. Es erweist sich als zweckmäßig, die folgenden Abkürzungen nach DIN 1311 einzuführen  k !0 := (4.3) ; m ı :=

c : 2m

(4.4)

Die Größe !0 heißt (aus weiter unten einzusehenden Gründen) Eigenkreisfrequenz5 des ungedämpften Schwingers und die Größe ı Abklingkoeffizient . Mit den Abkürzungen nach Gln. (4.3 und 4.4) folgt aus (4.1) F^ (4.5) x + 2ıx_ + !0 2 x = cos(˝ t): m Gleichung (4.5) ist eine inhomogene, lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung. Ihre allgemeine Lösung setzt sich additiv aus der allgemeinen Lösung xh der homogenen und einer partikulären Lösung xp der inhomogenen Gleichung zusammen. Zunächst wird die Lösung der homogenen Gleichung betrachtet. 4.1.1

Freie Schwingungen des Einmasseschwingers

Die homogene Gleichung lautet x h + 2ıx_ h + !0 2 xh = 0 : Mit dem Lösungsansatz

(4.6)

6

xh = C exp(t) ; worin C und  Konstanten sind, folgt zunächst

1;2 = ı ˙ ı2  !0 2 : Jedem der beiden Werte von  entspricht eine partikuläre Lösung von (4.6). Daher ergibt sich die vollständige Lösung zu  

(4.7) xh = exp(ıt) C1 exp( ı2  !0 2 t) + C2 exp( ı2  !0 2 t) : Es wird der Dämpfungsgrad eingeführt ı c = = p ; !0 2 km 4

5

6

(4.8)

In der Schwingungslehre kommt es stets nur auf die relative Phasenlage der „Antwort“ (z.B. Ausschlag, Geschwindigkeit, Beschleunigung) zur erregenden Ursache, d.h. im vorliegenden Fall der Kraft an. Zur Unterscheidung von Erregerkreisfrequenzen werden Eigenkreisfrequenzen stets mit dem griechischen Buchstaben ! bezeichnet. Es erweist sich als zweckmäßig im Lösungsansatz (4.6) mit einer komplexen Konstanten C zu arbeiten.

58

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

wobei für die Umformung Gln. (4.3 und 4.4) berücksichtigt wurden. Weiter läßt sich eine Beziehung zwischen dem in Kapitel 3 eingeführten Verlustfaktor , dem Dämpfungsgrad und der normierten Kreisfrequenz herstellen (4.9)

 = 2 :

Die Beziehung (4.9) spielt in der experimentellen Modalanalyse (vgl. hierzu Abschn. 11.4) eine wichtige Rolle. Bei der Durchführung der experimentellen Modalanalyse werden nämlich für die einzelnen Freiheitsgrade des Systems die modalen Dämpfungsparameter bestimmt, die in Analogie zu (4.9) definiert sind. Mit dem Dämpfungsgrad (4.8) läßt sich die homogene Lösung (4.7) schreiben als  

xh = exp(ıt) C1 exp(!0 2  1 t) + C2 exp(!0 2  1 t) : (4.10) Die Integrationskonstanten C1 und C2 sind aus den Anfangswerten zu bestimmen. Für das Weitere sind zwei Fallunterscheidungen erforderlich: > 1: starke Dämpfung, < 1: schwache Dämpfung. Wichtig für die maschinenakustische Praxis ist lediglich der Fall der schwachen Dämpfung ( < 1). Für die Behandlung der starken Dämpfung wird auf die Literatur (z.B. [37]) verwiesen. Mit der Abkürzung !2d := !20 (1  2 )

(4.11)

nimmt (4.10) wegen < 1 folgende Form an xh = exp(ıt)[C1 exp(i!d t) + C2 exp(i!d t)] :

(4.12)

Bei den Anwendungen interessiert nur der Realteil von (4.12), für den sich nach einer kurzen Zwischenrechnung xh = exp(ıt)(B1 cos !d t + B2 sin !d t)

(4.13)

ergibt. Hierin sind B1 und B2 reelle Integrationskonstanten, die aus den Anfangswerten bestimmt werden müssen. Mit den zur Zeit t = 0 geltenden Anfangswerten x0 des Ausschlags und v0 der Geschwindigkeit ergeben sich xh = exp(ıt)(x0 cos !d t +

v0 + ıx0 sin !d t) !d

(4.14)

und die äquivalente Darstellung xh = A exp(ıt) cos(!d t + 'd ) : Hierin bedeuten # A :=

x20 +



v0 + ıx0 !d

(4.15)

2 (4.16)

4.1 Der Einmasseschwinger

59

und 'd :=  arctan

v0 + ıx0 : ! d x0

(4.17)

Die Darstellung (4.15) zeigt, daß sich die Lösung der homogenen Differentialgleichung (4.6) im Fall der schwachen Dämpfung aus drei Anteilen zusammensetzt. Die Größe A stellt eine Amplitude dar. Der zweite Faktor klingt mit zunehmender Zeit t exponentiell gegen Null ab, wobei zu ersehen ist, daß der Abklingkoeffizient ı nach (4.4) das exponentielle Abklingen der Lösung steuert. Der dritte Faktor schließlich beschreibt eine mit der Schwingungsdauer Td :=

2 !d

(4.18)

periodische Schwingung. Die Größe !d nach (4.11) ist also die Eigenkreisfrequenz des schwach gedämpften Einmasseschwingers. Für verschwindende Dämpfung (ı = 0 bzw. = 0) geht sie in die Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers nach (4.3) über. Die Lösung (4.15) führt zu dem für die gesamte Schwingungslehre und damit auch für die Maschinenakustik sehr wichtigen Begriff der Eigenschwingung . Gemäß Gln. (4.11, 4.3 und 4.8) hängt die Lösung der homogenen Gleichung nur von den Systemdaten m; k und c sowie den Anfangswerten x0 und v0 ab. Wird der Schwinger zur Zeit t = 0 aus der Anfangslage x0 mit der Geschwindigkeit v0 sich selbst überlassen, so führt er zu allen Zeiten t > 0 unabhängig von der Außenwelt abklingende Eigenschwingungen mit der Eigenfrequenz
d = !d =(2) aus. Die mit der Zeit exponentiell abklingende Eigenschwingung ist in Abb. 4.2 dargestellt. Der nach dem Term exp(ıt) stehende zweite Term auf der rechten Seite von (4.15) ist periodisch mit der Eigenkreisfrequenz !d des schwach gedämpften Schwingers.

Abb. 4.2. Abklingende, schwach gedämpfte Eigenschwingung

60

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Zusammenfassung Die bisherigen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Wird ein schwach gedämpfter Einmasseschwinger zu Zeit t = 0 aus seiner Gleichgewichtslage ausgelenkt (durch Vorgabe einer Anfangsauslenkung x0 und einer Anfangsgeschwindigkeit v0 ), so führt er eine Schwingung aus, die mit der Zeit exponentiell abklingen. Ferner weist diese Schwingung einen harmonischen Anteil auf. Die gesamte Schwingung heißt Eigenschwingung. 2. Für die Kreisfrequenz der Eigenschwingung gilt Gl. (4.11).Aus ihr ergeben sich die folgenden Schlüsse: – Die Eigenkreisfrequenz hängt nur von den gegeben Systemdaten m, k und c ab. – Die Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Schwingers ergibt sich nach (4.3) aus der Quadratwurzel des Verhältnisses von Federsteifigkeit zur Masse des Einmasseschwingers. Dies läßt sich interpretieren. Werden in (4.1) die Dämpferkonstante c und die Erregerkraft F Null gesetzt, so ergibt sich die Bewegungsgleichung des freien, ungedämpften Schwingers. Die Summe aus Trägheitskraft mx und der elastischen Rückstellkraft kx der Feder muß zu allen Zeiten verschwinden. Bei der Eigenschwingung des ungedämpften Einmasseschwingers herrscht also eine ständige Konkurrenz zwischen Trägheitskraft und elastischer Rückstellkraft. – Weiter zeigt sich, daß die Eigenkreisfrequenz um so größer wird, je größer die Federkonstante k ist und um so kleiner, je größer die Masse m ist. Diese Abhängigkeit liegt auch bei komplexeren Schwingern (vgl. hierzu Abschn. 4.2) vor. Deren Eigenfrequenzen lassen sich durch Vergrößerung der Steifigkeit und/oder durch Verminderung der Masse erhöhen. – Die Dämpfung hat nach (4.11) nur einen relativ kleinen Einfluß auf die Größe der Eigenkreisfrequenz, da i.a. der Dämpfungsgrad wesentlich kleiner als 1 ist (  1). 3. Die „Amplitude“ A der Eigenschwingung hängt nach (4.16) nur von den Anfangswerten x0 und v0 sowie von den Systemparametern ab. Das Gleiche gilt auch für den Phasenwinkel 'd . Physikalisch bedeutet dies, daß ein freier Schwinger nach der Auslenkung aus seiner Gleichgewichtslage ausschließlich eine Eigenschwingung ausführen kann, die nur von den Anfangsdaten und den Systemdaten abhängt. Dieser Sachverhalt gilt in analoger Weise für beliebig komplexe Schwinger, wobei bei diesen eine Vielzahl von Eigenschwingungen auftreten (vgl. hierzu Abschn. 4.2).

4.1 Der Einmasseschwinger

4.1.2

61

Erzwungene Schwingungen des Einmasseschwingers

Bei der Ermittlung der erzwungenen Schwingungen zeigen sich die Vorteile des Rechnens mit komplexen Größen (vgl. hierzu Abschn. 1.6). Die Erregerkraft wird als komplexe Größe beschrieben F(t) = F^ exp(i˝t) ;

(4.19)

wobei voraussetzungsgemäß der Nullphasenwinkel der Kraft ' = 0 gesetzt wird (vgl. hierzu Abschnitt 4.1 S. 57). Der reellen Bewegungsgleichung (4.5) entspricht die komplexe Differentialgleichung F^ exp(i˝t) : (4.20) m Für das weitere ist es zweckmäßig, eine normierte Erregerkreisfrequenz

x + 2ıx_ + !20 x =

=

˝ !0

(4.21)

einzuführen. Die tatsächliche Erregerkreisfrequenz ˝ wird also auf die Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Schwingers bezogen. Die komplexe Amplitude des Schwingwegs der erzwungenen Schwingung läßt sich darstellen7 durch 1 F^ : (4.22) x^ = k 1  2 + i2 Wird in (4.22) die normierte Frequenz = 0 gesetzt, so ergibt sich der statische ^ Ausschlag F=k. Wird der frequenzabhängige komplexe Ausschlag x^ durch den stati^ geteilt, so ergibt sich ein dimensionsloser komplexer Ausdruck, schen Ausschlag F=k der eine Funktion der normierten Frequenz xk ^ 1 := V3 ( ) = 1  2 + i2 F^ ist. Allgemein werden bei Schwingern derartige dimensionslose Funktionen der normierten Frequenz als Vergrößerungsfunktionen bezeichnet. In (4.22) heiß t der Ausdruck V3 ( ) :=

1 1  2 + i 2

(4.23)

daher Vergrößerungsfunktion des Schwingweges. Außer dieser Größe gibt es noch zwei weitere Vergrößerungsfunktionen, die ebenfalls komplex sind. Diese sind die Vergrößerungsfunktion der Geschwindigkeit V2 ( ) := 7

i : 1  2 + i 2

(4.24)

Die Ableitungen der folgenden Beziehungen finden sich z.B. in [40, Abschn. 2.1.2].

62

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

und die Vergrößerungsfunktion der Beschleunigung V1 ( ) :=

 2 : 1  2 + i 2

(4.25)

Zwischen den komplexen Vergrößerungsfunktionen gelten die Beziehungen V1 ( )) = i V2 ( ) =  2 V3 ( ) :

(4.26)

Die komplexen Amplituden der Geschwindigkeit und der Beschleunigung berechnen sich mit Hilfe der zugehörigen Vergrößerungsfunktionen zu F^ V2 ( ) x^_ = p km

(4.27)

F^ V ( ) : m 1

(4.28)

x^ =

Für den Betrag des komplexen Schwingwegs folgt aus Gln. (4.22) und (1.24) jxj ^ =

1 F^

: k (1  2 )2 + 4 2 2

(4.29)

Entsprechend gilt für die Beträge der Geschwindigkeit und der Beschleunigung F^

^_ = p

; jxj km (1  2 )2 + 4 2 2 ^ = jxj

2 F^

: m (1  2 )2 + 4 2 2

(4.30)

(4.31)

Zunächst werden die Vorfaktoren der komplexen Amplituden von Ausschlag, Geschwindigkeit und Beschleunigung betrachtet. Bei der Diskussion von (4.22) wurde ^ gleich der statischen Zusammenbereits darauf hingewiesen, daß der Vorfaktor F=k drückung ist, welche die Feder des Einmasseschwingers unter der Wirkung der Kraft ^ 0 =k in (4.30) ist gleich der Geschwindigkeit eines Punktes F^ erfährt. Der Vorfaktor F! beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage, wobei dieser Punkt eine harmoni^ als Amplitude und der sche Schwingung mit der statischen Zusammendrückung F=k Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Einmasseschwingers ausführt. DerVorfak^ tor F=m in (4.31) schließlich ist gleich der Beschleunigung, welche ein Massenpunkt der Masse m unter Einwirkung der Kraft F^ erfährt. ^ i ( ) (i = 1, 2, 3) enthalten InformaDie komplexen Vergrößerungsfunktionen V tionen sowohl über den Betrag der ihnen zugeordneten Größen Beschleunigung, Schnelle und Schwingweg als auch über deren Phasenlage in bezug auf die Erregerkraft. Im folgenden werden die Beträge der komplexen Vergrößerungsfunktionen als Vergrößerungsbeträge bezeichnet. In diesem Buch wird nur die Abhängigkeit des Vergrößerungsbetrages V2 ( ) von der normierten Erregerkreisfrequenz dargestellt. Die Frequenzgänge der Vergröße-

4.1 Der Einmasseschwinger

63

Abb. 4.3. Vergrößerungsbetrag V2 für die Schnelle

rungsbeträge V1 ( ) und V3 ( ) finden sich in [40]. In Abb. 4.3 ist der Frequenzgang des Vergrößerungsbetrages V2 in Abhängigkeit vom Dämpfungsgrad als Parameter dargestellt. In der Nachbarschaft (  1) der Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Schwingers wird bei kleinem Dämpfungsgrad der Vergrößerungsbetrag für die Schwinggeschwindigkeit sehr groß. Für = 1 stellt sich unabhängig von der Größe des Dämpfungsgrads das Maximum des Vergrößerungsbetrages V2 ein. Es liegt Resonanz vor. Für sehr kleine Erregerkreisfrequenzen (  1) geht der Vergrößerungsbetrag mit linear gegen Null. Die Schnelle verhält sich dann näherungsweise wie ^ ^ der FeF˝=k und ist damit proportional zur statischen Zusammendrückung F=k der. Bei sehr kleinen Erregerkreisfrequenzen ˝  !0 schwingt die Masse mit der ^ mit der Kreisfrequenz ˝ der anregenden Kraft. Die TrägheitsWegamplitude F=k kraft und die Dämpfungskraft sind dabei vernachlässigbar. Es liegt quasistatisches Verhalten vor. Für sehr große Erregerkreisfrequenzen (˝  !0 bzw:  1) geht die Schnelle asymptotisch mit 1= gegen Null. Von großer Anschaulichkeit für maschinenakustische Betrachtungen ist die Darstellung des Pegels LV2 der Vergrößerungsfunktion V2 über dem Logarithmus der normierten Erregerkreisfrequenz. Dabei wird als Referenzwert für die Pegelbildung V20 = 1 gewählt. Gegenüber der üblichen Darstellung bietet sich der Vorteil, daß ein wesentlich größerer Frequenzbereich erfaßt wird. Ferner ist zu erkennen, daß in weiten Frequenzbereichen der Vergrößerungsbetrag unabhängig vom Dämpfungsgrad ist und sich im doppelt logarithmischen Maßstab als Geradenpaar darstellt. Nur p p innerhalb der Frequenzdekade 1= 10 < < 10 weicht der Vergrößerungsbetrag nennenswert von dem Geradenpaar ab und zeigt dort eine ausgeprägtep Abhängigkeit vom Dämpfungsgrad . Fürpdas Weitere werden eine untere u = 1= 10 und eine obere Grenzfrequenz o = 10 eingeführt. Der Pegel des Vergrößerungsbetrages für

64

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

die Schnelle steigt unterhalb der unteren Grenzfrequenz um 20 dB pro Frequenzdekade an, oberhalb der oberen Grenzfrequenz fällt er um 20 dB pro Frequenzdekade.

Zusammenfassung Aus den Betrachtungen der erzwungenen Schwingungen des Einmasseschwingers lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1. Die Reaktion des Systems hängt sehr stark von dem Verhältnis der Erregerkreisfrequenz ˝ zur Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Schwingers ab. 2. Für sehr kleine Erregerkreisfrequenzen ˝  !0 geht die Schnelle asymptotisch mit ˝ gegen Null. 3. Für sehr große Erregerkreisfrequenzen ˝  !0 geht die Schnelle mit 1=˝ asymptotisch gegen Null. 4. Sofern die Erregerkreisfrequenz Werte in der Nähe der Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers annimmt, stellen sich große Werte der Schnelle ein. Der Betrag der Schnelle hängt dabei vom Dämpfungsgrad ab. Wird die Erregerkreisfrequenz gleich der Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers, so nimmt die Schnelle ein Maximum an. Es liegt Resonanz vor. 5. Für ˝ < !0 bzw. < 1 liegt unterkritischer, für ˝ > !0 bzw. > 1 überkritischer Betrieb vor. 6. In der Praxis muß der Betrieb eines Schwingers in der Nähe der Resonanz unbedingt vermieden werden, da sonst Dauerbrüche und bei komplexeren Schwingern erhebliche Geräusche auftreten. Anzustreben ist nach Möglichkeit überkritischer Betrieb. Dies bedeutet, daß bei Einmasseschwingern und Schwingern mit nur wenigen Freiheitsgraden eine möglichst tiefe Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers anzustreben ist. Nach (4.3) kann dies erreicht werden, indem entweder eine kleine Federsteifigkeit k und/oder eine große Masse m gewählt werden. Grundsätzlich läßt sich in der Regel die Steifigkeit nicht unter einen Grenzwert vermindern. Daher bleibt dann nur die Möglichkeit, die Masse zu erhöhen, was aber aus Gründen des Leichtbaus i.a. unerwünscht ist. Bei Schwingern mit vielen Freiheitsgraden sind die Verhältnisse wesentlich komplexer. Durch ein Absenken der ersten Eigenfrequenz kann sich bei überkritischem Betrieb die Anzahl der Eigenschwingungen im betrachteten Betriebsbereich vergrößern. Dadurch kann es zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit kommen, daß Resonanzen auftreten.

Schließlich wird noch die in Abschnitt 1.5 eingeführte Admittanz des Einmasseschwingers berechnet. Da beim Einmasseschwinger die Orte der Krafteinleitung und der ermittelten Schnelle zusammenfallen, ist die Admittanz mit der Eingangsad-

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

65

Abb. 4.4. Pegel des Vergrößerungsbetrages V2 für die Schnelle

mittanz identisch, und der Index E entfällt für diese. Aus Gln. (1.16 und 4.30) folgt (wegen x0 = xe ) für die Admittanz des Einmasseschwingers 1 i : h= p 2 + i2 1 

km Unter Beachtung von (4.24) ergibt sich V ( ) h = p2 : (4.32) km Durch Pegelbildung des Betrages von (4.32) ergibt sich die Pegeldarstellung der Admittanz des Einmasseschwingers zu  

Lh = 20 lg dB ; (4.33) (1  2 )2 + 4 2 2 p wobei der Referenzwert gleich 1= km gesetzt wird. Der Pegel der Admittanz des Einmasseschwingers entspricht dem Pegel des Betrags der Vergrößerungsfunktion V2 für die Schnelle (vgl. Abb. 4.4).

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten Platten sind sehr dünnwandige, ebene Strukturen. Dabei ist die Ausdehnung der Platte senkrecht zur Ebene wesentlich kleiner als in ihr. Platten können mittels zweidimensionaler Modelle beschrieben werden. Sie sind daher ein zweidimensionales Kontinuum. Eine Platte, die Biegeschwingungen ausführt, stellt das einfachste Modell für die Ausbildung von Körperschall auf maschinenbaulichen Strukturen dar.

66

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Alle Größen, die für Biegeschwingungen der Platte kennzeichnend sind, wie z.B. Durchbiegung (Ausschlag) und Schnelle, hängen sowohl von den Ortskoordinaten als auch von der Zeit als unabhängigen Variablen ab. Das Verhalten der Platte wird durch zeitabhängige Felder beschrieben. Auf einer Biegeschwingungen ausführenden Platte liegt ein Körperschallfeld vor. Für das Folgende wird ein kartesisches x1 ;x2 ;x3 -Koordinatensystem zugrunde gelegt. In der x1 -x2 -Ebene dieses Koordinatensystems befinde sich eine abgeschlossene, materielle Fläche, die einfach oder mehrfach zusammenhängend sein kann. Aus dieser als Mittelebene bezeichneten Fläche entsteht eine Platte, indem von jedem Punkt der Mittelebenen aus in Richtung des positiven und negativen Normaleneinheitsvektors (d.h. also in positiver und negativer x3 -Richtung) eine Strecke von der Länge h=2 mit Materie angefüllt wird. Die Länge h heißt Plattendicke. Im allgemeinen kann die Plattendicke veränderlich sein, d.h. sie hängt von den Ortskoordinaten x1 ;x2 der Mittelebene ab. Für das Folgende wird vorausgesetzt, daß die Plattendicke h konstant ist (h = const). Des weiteren werden im folgenden nur rechteckige Platten betrachtet, bei denen die Mittelebene ein Rechteck mit den Seitenlängen a und b ist. Eine solche rechteckige Platte stellt also einen Quader mit den Kantenlängen a;b und h dar. Ein schwingender Quader besitzt unendlich viele Freiheitsgrade. Wird ein derartiger dreidimensionaler Körper zu Schwingungen angeregt, so bilden sich infolge der Trägheitskräfte in seinem Inneren und evtl. auf seinen Oberflächen Wellen aus. Wellen sind Auslenkungen eines Körpers aus seiner Gleichgewichtslage, die von den Ortskoordinaten und der Zeit abhängen. In der Mechanik fester Körper sind verschiedene Formen von Wellen bekannt. Die wichtigsten sind Längs- oder Dilatations-, Scher- und Biegewellen. Ist die Wandstärke h einer Platte wesentlich kleiner als die Abmessungen ihrer Mittelfläche, und wird die Platte durch senkrecht zur Mittelfläche wirkende Kräfte erregt, so treten in ihr ausschließlich Biegewellen auf. Diese Biegewellen sind für die Schallabstrahlung von grundlegender Bedeutung, da sie die Teilchen der die Platte umgebenden Luft zu Längsschwingungen anregen, die im akustischen Frequenzbereich als Schall wahrgenommen werden. Dilatations- und Scherwellen führen dagegen nicht zur Abstrahlung von Luftschall. Daher werden im folgenden ausschließlich Biegewellen von Platten behandelt. Zur Beschreibung der Biegewellen werden die Bewegungsgleichung der Platte sowie physikalisch sinnvolleAnfangs- und Randbedingungen benötigt. Für dieAbleitung der Bewegungsgleichung einer biegeschwingenden Platte wird auf die Literatur [62] verwiesen. Im folgenden wird von der Kirchhoffschen Plattentheorie ausgegangen. Die x1 -x2 -Ebene des vorausgesetzten kartesischen Koordinatensystems sei mit der Mittelebene der Platte identisch. Die x1 - und x2 -Achsen fallen mit zwei Rändern der rechteckigen Platte zusammen (vgl. Abb. 4.5). Die x3 -Achse ist dann in Richtung der positiven Normalen auf der Plattenmittelfläche (positive x3 -Richtung) orientiert. Im folgenden werden die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen die Kirchhoffsche Plattentheorie gilt: 1. Die Platte ist dünn, d.h. ihre Wanddicke ist wesentlich kleiner als ihre flächenhaften Abmessungen (h  a;b).

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

67

Abb. 4.5. Rechteckig berandete Platte

2. Die Platte wird nur durch eine Flächenlast p(x1 ;x2 ;t) senkrecht zu ihrer Mittelebene belastet, wobei t die Zeit ist. Es liegt Krafterregung vor. Als Sonderfall kann auch die Anregung durch eine in einem beliebigen Punkt (x10 ;x20 ) angreifende, senkrecht zur Plattenmittelfläche wirkende Einzelkraft F(x10 ;x20 ;t) behandelt werden. 3. Alle materiellen Punkte, die im unverformten Zustand auf einer Normalen (x1 ;x2 = const) zur Mittelebene liegen, befinden sich auch im verformten Zustand auf einer Normalen zur dann gekrümmten Plattenmittelfläche. Unter dieser Voraussetzung können die Querschubverzerrungen 13 und 23 vernachlässigt werden. DieseAnnahme stellt einAnalogon zur bekannten Bernoulli-Hypothese der klassischen Balkentheorie dar. 4. Die Dehnung 33 senkrecht zur Mittelebene der Platte wird vernachlässigt. 5. Die Verschiebung w in x3 -Richtung ist wesentlich kleiner als die Plattendicke h (w  h). 6. Die Normalspannung 33 in Richtung der Normalen zur Plattenmittelfläche wird vernachlässigt. Diese Annahme ist im Rahmen der allgemeinen Elastizitätstheorie nicht mit der Annahme verschwindender Querdehnung 33 verträglich. Die Kirchhoffsche Plattentheorie stellt daher nur eine, allerdings für technische Zwecke sehr brauchbare Näherung der dreidimensionalen Elastizitätstheorie dar. 7. Die Platte besteht aus einem homogenen, isotropen Werkstoff, der dem Hookeschen Gesetz gehorcht. Es seien E der Elastizitätsmodul und  die Querdehnungszahl des Werkstoffs der Platte. 8. Als Dämpfung wird nur die Werkstoffdämpfung durch den Verlustfaktor  berücksichtigt (zur Dämpfung vgl. Kapitel 3). Sonstige dämpfenden Effekte (z.B. Reibung in den Auflagern) werden vernachlässigt.

Unter den aufgeführten Voraussetzungen lautet die Bewegungsgleichung der gedämpften Platte

68

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

@2 w + h 2 = p (x1 ;x2 ;t)) : ! "   @t ! " Steiˇgkeitskraft B

w  ! "

Tragheitskraft

(4.34)

a uere Kraft

Hierin bedeuten B die komplexe Biegesteifigkeit der Platte B = (1 + i)B :=

(1 + i)Eh3 12 (1  2 )

(4.35)

mit dem Verlustfaktor . Die Größe B :=

Eh3 12 (1  2 )

(4.36)

heißt Biegesteifigkeit der ungedämpften Platte. Ferner bezeichnet
den LaplaceOperator
:=

@2 @2 + 2 : 2 @x1 @x2

(4.37)

Die Dämpfung wird in (4.34) anders als beim Einmasseschwinger nicht durch eine geschwindigkeitsproportionale Dämpfungskraft (vgl. hierzu (4.1)) sondern durch die komplexe Biegesteifigkeit berücksichtigt. Damit (4.34) lösbar ist, müssen sowohl die gesuchte Durchbiegung w als auch die äußere Flächenlast p als komplexe Größen angesetzt werden. Damit lautet die Bewegungsgleichung in ausgeschriebener Form B(

@4 w @4 w @4 w @2 w + 2 2 2 + 4 ) + h 2 = p (x1 ;x2 ;t) : 4 @t @x1 @x1 @x2 @x2

(4.38)

In (4.34) ist durch die untergesetzten Terme angedeutet, daß wieder Gleichgewicht zwischen der äußeren Kraft und der Summe aus Steifigkeits- und Trägheitskraft bestehen muß. Hier besteht eine vollkommene Analogie zum ungedämpften Einmasseschwinger (vgl. hierzu (4.1), in der die Dämpferkonstante c = 0 gesetzt wird). Selbstverständlich ist bei einem zweidimensionalen Gebilde der Ausdruck B

w für die Steifigkeitskraft erheblich komplexer als derjenige (kx) für den einfachen Einmasseschwinger. Der Ausdruck der Trägheitskraft h@2 w=@t2 weist eine sehr weitgehende Übereinstimmung mit dem Ausdruck mx beim Einmasseschwinger auf. Bei einer Platte mit vorausgesetzter konstanter Wandstärke h und homogenen Werksstoff (ebenfalls vorausgesetzt) ist das Produkt h gleich der auf die Fläche bezogenen Masse der Platte. Dieses Produkt wird als Massenbelegung der Platte bezeichnet. Die Trägheitskraft ergibt sich also bei beiden Schwingern als Produkt aus einem Term, der gleich oder proportional zur Masse ist, und einem Beschleunigungsterm. Dies gilt grundsätzlich für jeden Schwinger. Die Bewegungsgleichung (4.34) muß durch Anfangs- und Randbedingungen ergänzt werden, damit ein sinnvoll gestelltes, lösbares, mechanisches Problem vorliegt.

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

69

Zunächst sollen die Randbedingungen betrachtet werden. Es gibt die folgenden drei klassischen Randbedingungen: – eingespannt – frei gestützt – kräftefrei Für maschinenakustische Berechnungen sind nur die beiden zuerst genannten Randbedingungen wichtig. Platten mit allseitig kräftefreiem Rand spielen in der akustischen Meßtechnik eine gewisse Rolle, da sie sich z.B. durch Aufhängen an dünnen Nylon- oder Gummifäden relativ leicht realisieren lassen. Im folgenden werden die Randbedingungen angegeben, wobei zu deren Ableitung wieder auf die Literatur [62] verwiesen wird. Es seien @B der Rand oder ein Randstück und n eine Koordinate in Richtung des nach dem Äußeren der Platte weisenden Normaleneinheitsvektors. Dann gilt: 1. Eingespannter Rand: ⎫ ⎪ w=0 ⎬ auf @B : (4.39) @w ⎪ ⎭ =0 @n 2. Frei gestützter Rand: ⎫ ⎪ ⎬ w=0 auf @B : (4.40) ⎪ ⎭
w = 0 3. Kräftefreier Rand: ⎫ ⎪ ⎬ M=0 Q=0

⎪ ⎭

auf @B :

(4.41)

Auf dem kräftefreien Rand verschwinden das Biegemoment M und die Querkraft Q. Als Anfangsbedingungen werden im allgemeinen die Verteilungen der Durchbiegung und der Geschwindigkeit (in Richtung der Normalen zur Plattenmittelebene) zur Zeit t = 0 vorgeschrieben: w (x1 ;x2 ;0) = W (x1 ;x2 ) ; _ (x1 ;x2 ;0) = V (x1 ;x2 ) : w Hierin bedeuten W(x1 ;x2 ) und V(x1 ;x2 ) vorgegebene Funktionen der Ortskoordinaten. Diese Funktionen können nicht beliebig vorgegeben werden sondern müssen gewissen Verträglichkeitsbedingungen genügen. Der homogene Teil der Differentialgleichung (4.34), die Randbedingungen und die Anfangsbedingungen konstituieren ein Anfangs-Randwert-Problem. Dabei beschreibt das Anfangswert-Problem die transienten Vorgänge, die beispielsweise

70

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

durch eine vorgegebene Verteilung der Durchbiegung und der Schnelle zur Zeit t = 0 bestimmt werden. Diese transienten Vorgänge klingen infolge der Dämpfung i.a. schnell ab. In der Maschinenakustik interessieren meistens die stationären Schwingungen, die infolge einer zeitlich periodischen Anregung auftreten. Diese periodischen Lösungen werden sehr wesentlich durch die Lösung des Randwert-Problems8 bestimmt. Wie beim Einmasseschwinger werden daher zunächst die freien Schwingungen berechnet. Sie ergeben sich als Lösungen des Randwert-Problems. Sodann können die erzwungenen Schwingungen der Platte bestimmt werden. Diese lassen sich im Falle der periodischen Anregung aus den Lösungen des Randwert-Problems aufbauen. 4.2.1

Freie Schwingungen der gedämpften Platte

Die freien Schwingungen der biegeschwingenden, gedämpften Rechteckplatte ergeben sich aus (4.34) als Lösung der homogenen Bewegungsgleichung (p(x1 ;x2 ;t) = 0) (4.42)

B

w + hw = 0 :

Gleichung (4.42) ist eine partielle Differentialgleichung, in der nicht nur eine, sondern mehrere unabhängige Variablen - im vorliegenden Falle die Ortskoordinaten x1 und x2 sowie die Zeit t - auftreten. Wie oben erwähnt liefert die Differentialgleichung (4.42) alleine noch keine vollständige Beschreibung des Problems. Vielmehr müssen zusätzlich noch Rand- und Anfangsbedingungen vorgegeben werden. Für die Bestimmung der freien Schwingungen ist nur die Berücksichtigung der Randbedingungen erforderlich. Im folgenden wird nur der besonders einfache Fall9 einer allseits frei gestützten Platte behandelt. Die Ränder der Platte sind die vier sich schneidenden Geraden x1 = 0; x1 = a; x2 = 0; x2 = b. Die Randbedingungen (4.40) nehmen dann folgende Form an: ⎧ ⎨ 0; w(x1 ;x2 ;t) =
w(x1 ;x2 ;t) = 0 fur alle t und x1 = (4.43) ⎩ a;

w(x1 ;x2 ;t) =
w(x1 ;x2 ;t) = 0

⎧ ⎨ 0; fur alle t und x2 = ⎩ b:

(4.44)

Für die Lösung wird zunächst der Zeitanteil abgespalten. Dazu wird der Ansatz w (x1 ;x2 ;t) = w^ (x1 ;x2 ) exp(i!t)

(4.45)

eingeführt. In dem Ansatz (4.45) muß die Kreisfrequenz als komplexe Größe eingeführt werden, da sonst keine Lösung von (4.42) existieren kann. Die unbekannte 8

Das Randwert-Problem besteht aus dem homogenen Anteil der Plattengleichung und den Randbedingungen. 9 Andere Fälle werden bei Leissa [43] behandelt.

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

71

komplexe Durchbiegung wird durch den Ansatz (4.45) multiplikativ in eine rein re^ 1 ; x2 ) der Ortskoordinaten und eine komplexe Exponentialfunktion elle Funktion w(x der Zeit t aufgespalten. Zu ermitteln ist die unbekannte Funktion w^ (x1 ;x2 ). Ferner ist die in (4.45) eingeführte komplexe Kreisfrequenz ! unbekannt. Wird für diese komplexe Eigenkreisfrequenz folgender Ansatz gewählt !2 = (1 + i)!2 ;

(4.46)

so kürzt sich aus (4.42) der komplexe Faktor (1 + i) heraus (vgl. hierzu die Definitionsgleichung (4.35) der komplexen Biegesteifigkeit) und es folgt B

w  h!2 w = 0 :

(4.47)

Dies ist aber die um den Zeitanteil reduzierte homogene Bewegungsgleichung einer ungedämpften Platte. Die Größe ! ist eine Eigenfrequenz der ungedämpften Platte. Es läßt sich zeigen [40, S. 126], daß für die Eigenkreisfrequenzen der gedämpften Platte folgende Beziehung gilt ⎧ ' arctan  ( ⎪ ⎨ 4 1 + 2 cos !mn fur beliebige  2 !dmn = (4.48) ⎪ ⎩ !mn fur   1 Für den Fall der (in der Praxis meistens vorliegenden) kleinen Dämpfung stimmen also die Eigenfrequenzen der gedämpften Platte mit denen der ungedämpften überein. Er wird für das weitere vorausgesetzt. Ferner läßt sich für diesen Fall zeigen, daß die in (4.45) eingeführte komplexe Exponentialfunktion folgende Form annimmt exp(i!t) = exp[(i  2 )!mn t] Die komplexe Exponentialfunktion läßt sich also multiplikativ in eine Exponentialfunktion mit rein imaginärem Argument und eine Exponentialfunktion mit für  > 0 stets negativem reellen Argument zerlegen. Die Exponententialfunktion mit rein imaginärem Argument beschreibt eine rein harmonische Funktion mit der Kreisfrequenz !mn der ungedämpften Platte und die Exponentialfunktion mit negativem reellen Argument einen zeitlich asymptotisch gegen Null abklingenden Vorgang. Es ergibt sich daher das typische zeitliche Verhalten einer freien gedämpften Schwingung. Gleichung (4.47) läßt sich umformen in

w^  k4 w^ = 0

(4.49)

mit dem unbekannten Parameter k4 :=

h !2 B

(4.50)

:

Für die allseits frei gestützte Rechteckplatte gilt für die Lösung von (4.49) [40] (4.51)

w^ mn (x1 ;x2 ) = wmn 'mn (x1 ;x2 ) ; mit 'mn (x1 ;x2 ) = sin

mx1 nx2 sin a b

m = 1;2;3 : : :

n = 1;2;3 : : : : (4.52)

72

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Hierin ist die Größe wmn eine noch unbestimmte Integrationskonstante. Durch paarweises Zuordnen von Werten aus dem Bereich der natürlichen Zahlen zu den Größen m und n entsteht eine zweifach abzählbare unendliche Menge von Lösungsfunktionen w^ mn (x1 ;x2 ). Diese Funktionen sind Lösungen der partiellen Differentialgleichung (4.49), wenn folgende Bedingung erfüllt wird ' m (2 ' n (2 ' n (4 ' m (4 +2 +  k4mn = 0 a a b b oder ' ( m 2 ' n (2 kmn =  + : (4.53) a b Die Größen kmn heißen Eigenkreiswellenzahlen der biegeschwingenden Rechteckplatte. Zwischen einer beliebigen Eigenkreiswellenzahl kmn und der zugehörigen Kreisfrequenz (vgl. hierzu (4.50)) gilt der Zusammenhang k4mn =

h !2mn B

Damit folgt für die Eigenkreisfrequenz der Ordnung m und n ' ( # m 2 ' n (2 B 2 : + !mn =  a b h

(4.54)

(4.55)

Gleichung (4.55) zeigt, daß wie beim Einmasseschwinger die Eigenkreisfrequenzen der Platte durch die Wurzel aus dem Verhältnis des Steifigkeitsterms B und der Massenbelegung h gesteuert werden. Die Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Einmasseschwingers wird nach (4.3) bestimmt durch die Wurzel aus dem Verhältnis k=m. Es besteht also in dieser Hinsicht eine vollkommene Analogie zwischen den Eigenfrequenzen der Platte und der des ungedämpften Einmasseschwingers. Der flächenhafte Anteil wird bei der Platte durch den vor dem Wurzelausdruck stehenden Term bestimmt, in den die Kehrwerte der quadrierten Längenabmessungen a und b eingehen. Ferner treten die Ordnungszahlen m und n auf. Dies läßt ebenfalls eine anschauliche Deutung zu. Je größer die flächenhaften Abmessungen a und b bei festgehaltenen Ordnungszahlen (m und n) und festgehaltener Dicke h werden, desto tiefer werden die Eigenkreisfrequenzen der Platte. Bei festgehaltenen Abmessungen a; b; h steigen die Eigenkreisfrequenzen der Platte mit den Ordnungszahlen an. Es ist augenscheinlich, daß eine flächenhaft große Platte „nachgiebiger“ gegen Durchbiegungen ist als eine kleine und kompakte. Die Ordnungszahlen m und n repräsentieren die zweifach unendlich vielen Freiheitsgrade der Platte, die ein zweidimensionaler Schwinger ist. Die Funktionen 'mn (x1 ;x2 ) nach (4.52) heißen Eigenfunktionen der allseitig frei gestützten Rechteckplatte. Die Eigenfunktionen beschreiben in dimensionsloser Form alle möglichen freien oder Eigenschwingungen . Die ganzen Zahlen m und n bezeichnen die Ordnung der Eigenfunktionen. Eine perspektivische Darstellung der ersten vier Eigenfunktionen der allseitig frei gestützten Rechteckplatte zeigtAbb. 4.6.

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

Abb. 4.6. Eigenfunktionen einer allseitig frei gestützten Platte (a : b = 1 :

73

p 3)

Die Erhebungen werden als Bäuche bzw. Täler der Eigenfunktionen bezeichnet. Bei den Eigenfunktionen höherer Ordnung (m > 1 und/oder n > 1) treten im Inneren der Platte Linien auf, an denen die Eigenfunktionen den Wert Null annehmen. Derartige Linien heißen Knotenlinien. Die Knotenlinien sind Geraden x1 = const bzw. x2 = const, die parallel zu den Rändern der Platte verlaufen. Die Lage der Knotenlinien im Inneren der Platte folgt aus den Bedingungen sin

mx1 = 0 a

)

x1 =

k a
k = 1;2; : : : ;m  1 ;

(4.56)

nx2 l = 0 ) x2 = b < b l = 1;2; : : : ;n  1 : (4.57) b n Zu jeder Eigenschwingung gehört eine Eigenkreisfrequenz, die nach (4.55) berechnet wird. Bei einer Eigenschwingung bewegen sich alle materiellen Punkte eines Bauches bzw. eines Tales mit der jeweils gleichen Phasenlage. Daher handelt es sich bei den freien Biegeschwingungen einer Platte um stehende Wellen. Als nächstes folgt ein Beispiel zur Berechnung der tiefsten Eigenfrequenzen von drei Stahlplatten, das aus [46] stammt. sin

Beispiel 4.1 Gegeben: Drei Stahlplatten mit der Dicke h = 8 mm und den Abmessungen: Platte 1: 0;70m
0;45m Platte 2: 0;70m
0;30m Platte 3: 0;45m
0;30m Werkstoffdaten von Stahl: E = 210 000 N/mm2 ;  = 0,3 ;  = 7 850 kg/m3 : Gesucht: Die tiefsten Eigenfrequenzen der drei Platten.

74

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Lösung Es seien a und b die Seitenlängen der Platten. Mit
= !=(2 ) und (4.55) gilt 

2 # 2 1 B  1 : +
11 = 2 a b h Unter Berücksichtigung von (4.36) gilt

1 1 +
11 = A a2 b2 mit der Abkürzung # E h A = 2 12(1  2 ) # 2;11
1011 Nm2 
0;008 m = 2 12
(1  0;32 )
7850Ns2 m4 = 19;72 m2 s1 : Damit ergeben sich folgende erste Eigenfrequenzen: Platte Nr. 1 2 3


11 Hz 137,60 259,30 316,42

Sehr wichtig für Anwendungen in der Maschinenakustik ist die Länge der sich ausbildenden Biegewelle, die im folgenden als „Biegewellenlänge“ bezeichnet wird. Für sie gilt # 2 B = p !

4

B = h



# 2


4

Eh2 12(1  2 )

(4.58)

Die resultierende Biegewellenlänge B einer Platte ist also umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Kreisfrequenz bzw. der Frequenz. Zwischen der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle (kurz als Wellengeschwindigkeit bezeichnet), ihrer Wellenlänge und der Kreisfrequenz besteht die allgemeine Beziehung c=

! : 2

(4.59)

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

75

Aus ihr folgt p c = !

# 4

B

B : h

(4.60)

Hierbei ist der Ausdruck „Ausbreitungsgeschwindigkeit“ so zu verstehen, daß sich ein Beobachter mit dieser Geschwindigkeit bewegen muß, damit er stets die gleiche Phasenlage einer rein sinusförmigen Biegewelle mit der Kreisfrequenz ! sieht. Sie wird daher in der Physik als Phasengeschwindigkeit bezeichnet. Wird eine Wellenform im Sinne der Fourier-Analyse (vgl. Abschn. 2.2) durch Überlagerung von zeitlich harmonischen Schwingungen gebildet, wobei die Oberschwingungen Frequenzen aufweisen, die ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind, so erfährt die Wellenform immer eine Distorsion, da die höherfrequenten Wellen sich mit größerer Geschwindigkeit ausbreiten als die tieferfrequenten (vgl. auch [13]). Dieses Phänomen wird als Dispersion bezeichnet. Bei der biegeschwingenden Platte hängt nach (4.60) die Ausbreitungsgeschwindigkeit immer von der Kreisfrequenz ab. Bei Luftschallwellen (vgl. [40, Abschn. 3.2]) ist dagegen die Schallgeschwindigkeit unabhängig von der Frequenz. Diese Wellen zeigen daher keine Dispersion.

Beispiel 4.2 Gegeben: Die drei Stahlplatten aus Beispiel 4.2.1. Gesucht: Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten und Wellenlängen der Biegewellen bei einer Frequenz von 1 000 Hz für beide Platten. Lösung: Aus Gln. (4.60 und 4.36) folgt, daß die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Biegewellen unabhängig von den flächenhaften Abmessungen der Platten sind. Sie hängt nur von den Werkstoffdaten (E;;) und der Plattendicke h ab. Es ergibt sich aus (4.60) # p p E h2 4 cB = 2 
= C
h 2 12 (1   )  mit

#

# C =

4

4 2 E = 12 (1  2 ) 

4

4
2
2;11
1011 N m2 12
(1  0;32 )
7 850 N s2 m4

= 99;29 (m=s)1=2 : Damit folgt für die Ausbreitungsgeschwindigkeit bei der Frequenz von 1000 Hz cB = 280;82 m=s

76

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

und für die zugehörige Wellenlänge nach (4.59) B =

280;82 m=s cB = = 0;281 m :
1 000 s1

Zusammenfassung 1. Eine Platte stellt ein zweidimensionales Kontinuum dar. Entsprechend weist sie eine zweifach abzählbar unendliche Schar von Eigenfrequenzen auf. 2. Betrachtet werden in diesem Buch nur die Eigenschwingungen von schwach gedämpften Platten (  1). Deren Eigenfrequenzen sind reell und hängen nach (4.55) von den Systemdaten Biegesteifigkeit B (vgl. (4.36)), Dichte , Plattendicke h und den flächenhaften Abmessungen a und b sowie den Randbedingungen ab. 3. Geschlossene Gleichungen für die Berechnung der Eigenfrequenzen einer rechteckigen Platte sind nur für 6 verschiedene Randbedingungen bekannt. Eine notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung ist, daß zwei gegenüberliegende Ränder frei gestützt sind. Hier wird nur der Fall der allseits frei gestützten Platte behandelt. Deren Eigenkreisfrequenzen werden nach (4.55) berechnet. Die 5 anderen Fälle finden sich bei Leissa [43]. 4. Die Eigenkreisfrequenzen und damit die Eigenfrequenzen verhalten sich proportional zur Wurzel aus der Biegesteifigkeit B und umgekehrt proportional zur Massenbelegung h der Platte. Dieses Verhalten zeigt in ähnlicher Weise der Einmasseschwinger (vgl. Abschn. 4.1.1 insbesondere (4.3)). Zusätzlich beeinflussen bei der Platte die flächenhaften Abmessungen a und b die Eigenfrequenzen. Sofern diese geometrisch ähnlich vergrößert oder verkleinert werden, ändern sich die Eigenfrequenzen proportional zu 1=a2 . 5. Das Schwingungsverhalten wird durch eine zweifach abzählbar unendliche Schar von Eigenfunktionen nach (4.52) bestimmt. 6. Auf der Platte existieren stehende Biegewellen, deren Wellenlänge nach (4.58) berechnet wird. Die Biegewellenlänge B ist umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Frequenz und proportional zur vierten Wurzel des Quotienten aus Biegesteifigkeit und Massenbelegung. 7. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Biegewelle nach (4.60) ist proportional zur Wurzel aus der Frequenz und zur vierten Wurzel des Quotienten aus Biegesteifigkeit und Massenbelegung.

4.2 Biegeschwingungen von Rechteckplatten

4.2.2

77

Erzwungene Schwingungen der gedämpften Platte

Die erzwungenen Schwingungen einer gedämpften Rechteckplatte ergeben sich durch Lösen der Bewegungsgleichung (4.34). Dazu muß zunächst die auf deren rechten Seite stehende Flächenlast spezifiziert werden. Sie sei von der Form ^ 1 ;x2 ) exp(i˝t) ; p(x1 ;x2 ;t) = p(x wobei ˝ die Erregerkreisfrequenz ist. Es liegt also eine zeitlich rein harmonische Erregung vor. Es zeigt sich, daß die Lösung von (4.34) mit Hilfe der Eigenfunktionen 'mn (x1 ;x2 ) der ungedämpften Platte berechnet werden kann [40, Abschn. 5.3]. Sie hat die Form 1  1  Wmn 'mn (x1 ;x2 ) exp(i !mn t) ; (4.61) wmn = m=1 n=1

wobei die Größen Wmn komplexe Koeffizienten sind. Im Fall der allseits freigestützten Platte sind diese Eigenfunktionen durch (4.52) gegeben. Am wichtigsten für die maschinenakustische Praxis ist der Fall, daß die Platte durch eine an einem Punkt mit den Koordinaten (x10 ; x20 ) angreifende, zeitlich harmonische Einzelkraft mit der Erregerkreisfrequenz ˝ angeregt wird. Für die Schnelle der Punkte der Mittelfläche der Platte gilt dann ' nx ( ' mx ( ' mx ( ^  4F˝ 10 20 1 sin sin sin abh a b a 1

^ 1 ;x2 ) = v(x

1

m=1 n=1

sin

' nx ( 2

b


)

!2mn  ˝2  i!2mn : *2 !2mn  ˝2 + 2 !4mn

(4.62)

Durch Dividieren mit der Amplitude F^ der erregenden Kraft, die Setzungen x1 = x10 sowie x2 = x20 und Bilden des Betrags von (4.62) folgt aus (1.16) für den Betrag der Eingangsadmittanz der an der Stelle (x10 ;x20 ) durch eine harmonische Einzelkraft angeregten Platte ( ' ' nx ( 20 2 mx10 1 1 sin2 4˝  sin a b ) jhE (x10 ;x20 )j = : (4.63) *2 abh m=1 n=1 !2mn  ˝2 + 2 !4mn Aus (4.63) folgt, daß die Dämpfung endliche Ausschläge bzw. Schnellen im Resonanzfall (˝ = !mn ) bewirkt. Für verschwindende Dämpfung ( = 0) verschwindet im Nenner von (4.63) unter der Wurzel der Term 2 !4mn und daher geht der Ausdruck für ˝ = !mn gegen Unendlich. Es stellen sich also unendlich große Resonanzspitzen ein. Den aus (4.63) berechneten Frequenzgang des Pegels der Eingangsadmittanz der gedämpften Platte zeigt Abb. 4.8. Dazu werden folgende normierte Frequenzgrößen eingeführt

:=

˝ !11

mn :=

!mn !11

(4.64)

78

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Abb. p4.7. Eingangsadmittanz einer frei gestützten, ungedämpften Rechteckplatte (a : b =

1:

3) Anregungsort:

x10 = e=5 a

x20 = e=6 b

Abb. p 4.8. Eingangsadmittanz einer frei gestützten, gedämpften Rechteckplatte (a : b =

1:

3) Anregungsort:

x10 = e=5 a

x20 = e=6 b Verlustfaktor:

 = 1
103

Der Referenzwert der Eingangsadmittanz wird gleich 1=(abh!11 ) gesetzt. ZumVergleich wird die Eingangsadmittanz der ungedämpften, am gleichen Ort angeregten Platte in Abb. 4.7 dargestellt. In den Bildunterschriften zu Abb. 4.7 und 4.8 bedeutet e = 2,71828 die Basis des natürlichen Logarithmus. Diese Wahl der Koordinaten des Angriffspunktes der Einzelkraft wurde getroffen, damit sich kein rationalesVerhältnis dieser Koordinaten einstellen kann. Sofern nämlich dieses Verhältnis eine rationale Zahl ist, kann bei bestimmten Paaren (m; n) der Ordnungszahlen der Kraftangriffs-

4.3 Das Körperschallmaß

79

punkt auf einer Knotenlinie liegen. Sofern dieser Fall eintritt, kann die zugehörige Eigenschwingung nicht angeregt werden.

Zusammenfassung 1. Die erzwungenen Schwingungen einer gedämpften Platte lassen sich bei zeitlich periodischer Anregung mit den Eigenfunktionen der ungedämpften Platte beschreiben, wenn die Dämpfung mittels des komplexen Elastizitätsmoduls bzw. des Verlustfaktors beschrieben wird. 2. Sofern die Erregerfrequenz mit einer der Eigenfrequenzen der ungedämpften Platte zusammenfällt, liegt Resonanz vor. Die Schwingungsmaxima bleiben infolge der Dämpfung endlich. 3. Da es unendlich viele Eigenfrequenzen gibt, gibt es mit steigender Erregerfrequenz unendlich viele Resonanzen. Bei einer Platte ist daher grundsätzlich ein überkritischer Betrieb unmöglich. Dies gilt für alle kontinuierlichen Schwinger.

4.3 Das Körperschallmaß Das Körperschallmaß stellt eine für die maschinenakustische Praxis wichtige Indikatorfunktion zur Beurteilung des für die Abstrahlung von Luftschall relevanten Körperschallverhaltens von Strukturen dar. Für die Abstrahlung ist nur die auf der Oberfläche verteilte Schnelle maßgeblich (vgl. hierzu Kapitel 5, insbesondere Abschn. 5.1, (5.5)). Eine Struktur mit der Oberfläche S werde durch eine zeitlich periodische Einzelkraft zu Körperschall angeregt. Es soll ihr Körperschallverhalten beurteilt ~ werden. Auf der Oberfläche der Struktur habe sich eine Verteilung v(x) der effektiven Schnelle ausgebildet, wobei x der Ortsvektor ist. Da die Struktur gedämpft sein soll, muß die Schnelle komplex angesetzt werden. Die mittlere effektive Schnelle auf der Oberfläche der Struktur läßt sich wie folgt berechnen

v~ 2 =

1 S

 ~ 2 dS ; jvj

(4.65)

S Durch (4.65) wird der Mittelwert des Quadrats der Schnelle auf der Oberfläche der ~ der Struktur gebildet. Der Einfachheit halber wird im folgenden der Betrag v~ = jvj komplexen Schnelle in die Formeln eingesetzt. Die Anwendung von (4.65) setzt voraus, daß die Verteilung der effektiven ~ Schnelle v(x) bekannt ist. Dies ist in der Praxis häufig nicht der Fall. In diesen Fällen ist es erforderlich, die benötigten Informationen durch Messungen zu ermitteln. Dabei wird davon ausgegangen, daß kommerzielle Meßgeräte (vgl. [40, Kapitel

80

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

12]) zur Verfügung stehen, die aus einem Zeitverlauf einer periodischen Größe intern automatisch den Effektivwert bilden. Bei der Ermittlung des über die abstrahlende Fläche S gemittelten Quadrates v~ 2 der effektiven Schnelle sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1. Für die Schnelle liegen an n diskreten Punkten der abstrahlenden Oberfläche S Meßwerte v~ i vor. Dann gilt v~ 2

n 1  2 = v~ i : n

(4.66)

i=1

2. Sofern sich die Oberfläche S in n Teilflächen Si mit jeweils konstanter effektiver Schnelle v~ i aufteilen läßt, ergibt sich das mittlere Quadrat der effektiven Schnelle zu n 1  Si v~ 2i : (4.67) v~ 2 = S i=1

Um einen Zusammenhang mit der Amplitude der effektiven erregenden Kraft herzustellen, wird die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz definiert h2U (
;x0 ) :=

v~ 2 (
) : 2 ~ F (
;x0 )

(4.68)

Hierin sind
die Frequenz und x0 der Ortsvektor des Punktes, in dem die Erregerkraft angreift. Das Körperschallmaß wird wie folgt definiert LSh2 (
;x0 ) = 10 lg U

Sh2U (
;x0 ) dB : S0 h2U0 

(4.69)

Die Größe LSh2 wird in Anlehnung an DIN 5493 als Körperschallmaß10 bezeichnet. U

Das Körperschallmaß kann als Pegel der mittleren quadratischen Übertragungsadmittanz h2U gedeutet werden, die vor der Pegelbildung mit der abstrahlenden Fläche S bewertet wird. Gemäß Gln. (4.65) und (4.68) sind die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz und damit auch das Körperschallmaß (4.69) reell, wenn die effektive Kraft reell angesetzt wird. Dies ist ohne Verletzung der Allgemeingültigkeit möglich, da nur der Phasenunterschied zwischen Erregerkraft und Schnelle interessiert.

10

Nach DIN 5493, Abschnitt 1.10 gilt: Soll ein logarithmiertes Verhältnis von Energie- oder Feldgrößen zur Kennzeichnung der Eigenschaften eines Objektes dienen, so soll es in einem zusammengesetzten Wort benannt werden, das mit dem Grundwort „-maß“ endet.

4.3 Das Körperschallmaß

81

Zusammenfassung 1. Das Körperschallmaß (4.69) ist eine wichtige Indikatorfunktion für die Beurteilung des Schwingungsverhaltens einer Körperschall tragenden Struktur, die von einer zeitlich harmonischen (Frequenz
), am Ort x0 angreifenden Punktlast angeregt wird. Es hängt von der Frequenz
und dem Ort x0 der Krafteinleitung ab. 2. Das Körperschallmaß ergibt sich aus der mittleren quadratischen Übertragungsadmittanz, die mit der Oberfläche des schwingenden Körpers gewichtet wird (vgl. hierzu (4.69)). 3. Das Körperschallmaß ist ein Pegel. Der Referenzwert für die flächengewichtete mittlere Übertragungsadmittanz beträgt S0 h2U0 = 25
 16 4 2 10 m =(Ns) .

4.3.1

Das Körperschallmaß einer Rechteckplatte

Als ein Beispiel für die Bestimmung des Körperschallmaßes in geschlossener Form wird eine allseits frei gestützte, gedämpfte Rechteckplatte betrachtet, die an der Stelle (x10 ;x20 ) durch eine mit der Frequenz
= ˝=(2 ) harmonisch zeitlich veränderliche Einzelkraft (vgl. auch Abschnitt 4.2.2) erregt wird. Nach einer längeren, hier nicht mitgeteilten Rechnung [40, Abschn. 8.1] ergibt sich die Berechnungsgleichung für das Körperschallmaß der allseits frei gestützten Platte LSh2 (
;x10 ;x20 ) = U 

1 1   '2mn (x10 ;x20 )
2 10 lg 2 2 2 2 2 4 2 (  h) a b S0 hU0  m=1 n=1 (
mn 
) + 
mn

dB : (4.70)

Das Körperschallmaß hängt außer von der Erregerfrequenz
auch vom Ort (x10 ;x20 ) der Krafteinleitung ab. Für Erregerfrequenzen
 !11 =(2 ) gilt folgende Näherung LSh2 (
;x10 ;x20 )  U 

1 1   '2mn (x10 ;x20 )
2 10 lg
4mn (  h)2 (1 + 2 ) a b S0 h2U0  m=1 n=1

dB : (4.71)

Für sehr kleine Erregerfrequenzen verhält sich also das Körperschallmaß wie 20 lg
. Es steigt daher in diesem Frequenzbereich mit 20 dB/Frequenzdekade an. Im folgenden wird eine Analogie des Verhaltens der schwingenden Platte bei tiefen Frequenzen zu dem des Einmasseschwingers aufgezeigt. Für den Betrag des Quadrats der Admittanz eines Einmasseschwingers folgt aus Gln. (4.32 und 4.24)

82

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

für kleine Erregerfrequenzen
 !0 (  1) und kleine Dämpfungsgrade  1, die in der Praxis i.a. vorliegen, h2 

4 2
2 : k2

(4.72)

Durch Vergleich von Gln. (4.72 und 4.71) ist zu erkennen, daß für Frequenzen, die weit unter der ersten Eigenfrequenz liegen, die schwingende Platte und der Einmasseschwinger die gleiche, nämlich quadratische Abhängigkeit von der Erregerfrequenz
aufweisen. Unter Berücksichtigung von (1.16) läßt sich aus (4.72) die folgende Näherung für die Schnelle des Einmasseschwingers im tieffrequenten Bereich gewinnen v^ 

F^ 2
: k

^ multipliziert mit der ErregerDie Schnelle ist gleich der statischen Auslenkung F=k kreisfrequenz ˝ = 2 
. Es erfolgt also keine Überhöhung der Schnelle durch die dynamischen Effekte. Daher wird der Frequenzbereich
= ˝=(2 )  !11 =(2 ) bei der schwingenden Platte als quasistatischer Bereich bezeichnet. Anschaulich läßt sich der quasistatische Bereich so deuten, daß in ihm dynamische Kräfte nur einen untergeordneten Einfluß auf das Schwingungsverhalten der Platte ausüben. Der Begriff „quasistatischer Bereich“ läßt sich auf beliebige kontinuierliche Schwinger anwenden. Als nächstes wird der Begriff Eigentonbereich eingeführt. Er erstreckt sich ab der ersten Eigenfrequenz (

11 ), d.h. er enthält alle Eigenfrequenzen der Platte. Eine grafische Darstellung des nach (4.70) berechneten Körperschallmaßes findet sich in Abb. 4.10 auf S. 86. Dort ist zum Vergleich außerdem der Graph für eine in Abschn. 4.4.1 zu besprechende Näherungskonstruktion des Körperschallmaßes eingezeichnet. Auf den Vergleich zwischen dem nach (4.70) berechneten „exakten“ und dem abgeschätzten Körperschallmaß wird in Abschn. 4.4.1 eingegangen. Im Eigentonbereich interessiert insbesondere das Verhalten des Körperschallmaßes im Resonanzfall. Bei sehr kleiner Dämpfung kann näherungsweise angenommen werden, daß die Resonanzfrequenzen mit den Eigenfrequenzen der ungedämpften Platte zusammenfallen. Im Resonanzfall gilt also
=
pq , wobei
pq eine beliebige Eigenfrequenz der ungedämpften Platte ist. Aus (4.70) ergibt sich zunächst LSh2 (
pq ;x10 ;x20 ) = U  1 1  
2pq '2mn (x10 ;x20 ) dB : 10 lg 2 2 2 2 4 (  h)2 a b S0 h2U0  m=1 n=1 (
mn 
pq ) + 
mn (4.73) Da der Verlustfaktor klein ist, können in (4.73) alle Summenglieder außer m = p und n = q vernachlässigt werden, und damit läßt sich näherungsweise schreiben  '2pq (x10 ;x20 ) 1 dB : (4.74) LSh2 (
pq ;x10 ;x20 )  10 lg U 2
2pq (  h)2 a b S0 h2U0 

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

83

Zusammenfassung 1. Das Körperschallmaß einer allseits frei gestützten, gedämpften Rechteckplatte läßt sich nach (4.70) in geschlossener Form berechnen. 2. Beim Körperschallmaß lassen sich grundsätzlich zwei Frequenzbereiche unterscheiden – Für tiefe Frequenzen (
 !11 =(2)) ergibt sich der quasistatische Bereich. In ihm spielen die Trägheitskräfte und damit die dynamischen Effekte keine Rolle. Die Struktur reagiert auf die erregende Kraft mit der statischen Auslenkung. – Für Frequenzen ab der tiefsten Eigenfrequenz
 !11 =(2) liegt der Eigentonbereich vor. In ihm spielen die dynamischen Effekte die maßgebende Rolle. Die Resonanzen zeichnen sich in der Darstellung des Körperschallmaßes als scharfe Maxima ab. 3. Die Resonanzmaxima des Körperschallmaßes fallen pro Frequenzdekade mit -20 dB ab. 4. Das Körperschallmaß verhält sich in den Resonanzstellen wie 20 lg  dB.

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß Um die Auswirkungen konstruktiver Änderungsmaßnahmen schnell beurteilen zu können, werden einfache Näherungsverfahren für die Ermittlung des Körperschallmaßes angewendet. Diese Näherungsverfahren beruhen auf i.a. stark vereinfachenden Modellannahmen. Sie werden im folgenden als Abschätzverfahren bezeichnet. Von den Abschätzverfahren zu unterscheiden sind die numerischen Näherungsverfahren, mit deren Hilfe eine numerische Näherungslösung des exakten mathematischen Modells gewonnen wird. In der Maschinenakustik werden als solche numerischen Näherungsverfahren die Methode der Finiten Elemente für die Berechnung von Körperschall- und Luftschallfeldern (vgl. Kap. 8) sowie die Methode der Randintelemente (BEM) (vgl. Abschn. 9.4) für die Berechnung von Schalldruckfeldern eingesetzt [40]. 4.4.1

Glatte Rechteckplatte

Ein für die Beurteilung konstruktiver Parameter hinreichend genaues Abschätzverfahren der Spektraldarstellung des Körperschallmaßes von unverrippten Rechteckplatten hat Kassing [34] entwickelt. Dieses Abschätzverfahren gilt für rechteckige Platten mit beliebigem Seitenverhältnis und konstanter Plattendicke h. Vorausgesetzt wird ferner, daß die Platte aus elastischem, isotropem und homogenem Werkstoff besteht. Um das Abschätzverfahren anwenden zu können, ist lediglich die Kenntnis der ersten Eigenfrequenz erforderlich.

84

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Kassing hat bei der Entwicklung seines Abschätzverfahrens auf Vorarbeiten von Cremer und Heckl [13] aufgebaut. Dabei werden energetische Mittelungen vorgenommen. Zur Auswertung des Abschätzverfahrens werden nur ihre erste Eigenfrequenz
1 :=
11 , ihre Biegesteifigkeit B, ihre Massenbelegung m0 = h

(4.75)

und der Verlustfaktor benötigt. Eine besonders einfache grafische Darstellung des Spektrums des genäherten Körperschallmaßes ergibt sich bei Auftragung von LSh2 U über dem Logarithmus der Frequenz. Eine derartige Auftragung wird im folgenden (nicht ganz korrekt) als doppeltlogarithmische Auftragung bezeichnet. Bei der Anwendung des Abschätzverfahrens werden die drei folgenden Bereiche unterschieden: 1. Quasistatischer Bereich (

1 =2)  LSh2 (
) = 10 lg Uq


2 ) * 3 p 8 1 + 2
1 m0 m0 B S0 h2U0 

 dB :

(4.76)

2. Eigentonbereich
1 


 LSh2 (
) = 10 lg Ue

1 p

16 
m0 m0 B S0 h2U0 

dB :

(4.77)

3. Interpolationsbereich
1 =2 

1 An der Stelle
=
1 tritt ein Sprung des nach (4.76) bzw. (4.77) berechneten Körperschallmaßes auf. Für diesen Sprung gilt

2
= LSh2  LSh2 = 10 lg dB : Uq Ue 1 + 2 Für kleine Verlustfaktoren (  1) ergibt sich die Näherung
= 10 lg(2 ) dB :

(4.78)

Im Interpolationsbereich wird das Körperschallmaß (im doppeltlogarithmischen Maßstab) zwischen
1 =2 und
1 linear interpoliert. Den prinzipiellen Verlauf des genäherten Körperschallmaßes zeigt Abb. 4.9. Zu seiner Ermittlung ist wie folgt vorzugehen: 1. Zunächst wird die erste Eigenfrequenz11
1 der Platte berechnet. Anschließend wird nach (4.77) das Körperschallmaß im Eigentonbereich an der Stelle
=
1 ermittelt. Dadurch kann der Punkt P1 im LSh2  lg
-Diagramm eingezeichnet U werden. 11

Näherungsbeziehungen für die Eigenfrequenzen rechteckiger Platten mit allseits eingespannten Rändern werden in [40, Abschn. 8.2] angegeben.

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

85

Abb. 4.9. Konstruktion des genäherten Verlaufs des Körperschallmaßes

2. Von P1 aus wird die mit 10 dB pro Frequenzdekade abfallende Gerade g1 gezeichnet. Sie entspricht (4.77) im Eigentonbereich. 3. Als nächstes wir durch Abtragen des Sprungs
nach (4.78) auf der Geraden
=
1 von P1 aus der Punkt P01 gefunden. 4. Von P01 wird die um 20 dB ansteigende Gerade g2 gezeichnet. Auf ihr wird der quasistatische Frequenzbereich durch den Schnittpunkt P2 mit der Geraden
=
1 =2 festgelegt. 5. Im Interpolationsbereich verbindet die Gerade g3 die Punkte P2 und P1 .

Beispiel 4.3 Gegeben: Eine an allen Rändern frei gestützte Rechteckplatte aus Stahl Abmessungen: a = 0,7 m ; b = 0,45 m ; h = 0,008 m . Materialdaten: E = 2;1
1011 N/m2 ;  = 0,3 ;  = 7;85
103 Ns/m4 ;  = 0,001 . Gesucht: Eckwerte für die Näherungskonstruktion des Körperschallmaßes . Lösung: Aus (4.36) B=

Eh3 = 9846;2 Nm : 12(1  2 )

Aus (4.55)
11

 = 2



1 1 + 2 a2 b

#

B = 137;3 Hz : h

86

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Aus (4.75) m0 = h = 62;8 Ns2 m3 : Aus (4.77) folgt an der Stelle
=
11 LSh2 (
11 ) = 90;7 dB : Ue

Aus (4.78) ergibt sich für den Sprung des Körperschallmaßes an der Stelle
=
1
= 27;0 dB : Damit kann das abgeschätzte Körperschallmaß gezeichnet werden.

In Abb. 4.10 sind die Verläufe des genäherten und des nach (4.70) berechneten exakten Körperschallmaßes für eine allseitig frei gestützte, in ihrem Mittelpunkt durch eine zeitlich harmonische Einzelkraft angeregte Stahlplatte mit den Abmessungen nach Beispiel 4.4.1 dargestellt. Der angenäherte Verlauf des Körperschallmaßes stimmt im quasistatischen Bereich mit der exakten Lösung überein. Im Eigentonbereich geht durch die energetische Mittelung die Feininformation über die einzelnen Resonanzen und Antiresonanzen verloren. Außerhalb der Resonanzen, in denen eine Maschine aus Gründen der Lebensdauer (Dauerbruchgefahr!) ohnedies nicht betrieben werden darf, liegt das Abschätzverfahren auf der sicheren Seite.

Abb. 4.10. Vergleich des exakten

mit dem angenäherten ( ) Körperschallmaß für eine Stahlplatte (Abmessungen nach Beispiel 4.4.1),Anregung im Mittelpunkt x1 = a=2; x2 = b=2.

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

87

Für die Auswertung der Abschätzgleichungen (4.76 und 4.77) und damit für die grafische Konstruktion nach Abb. 4.9 ist die Kenntnis der ersten Eigenfrequenz
1 unabdingbar. Schon bei einfachen Rechteckplatten mit anderen Randbedingungen als allseitig frei gestützt wird die Berechnung der Eigenfrequenzen aufwendig. Geschlossene Lösungen für die Eigenfrequenzen sind bei Rechteckplatten nur möglich, wenn wenigstens zwei gegenüberliegende Ränder frei gestützt sind [43]. Für andere Platten sind nur wenige geschlossene Lösungen bekannt.

Zusammenfassung 1. Für die einfacheAbschätzkonstruktion des Körperschallmaßes ist lediglich die Kenntnis der ersten Eigenfrequenz erforderlich. 2. Außerhalb der Resonanzen liegt diese Abschätzkonstruktion auf der sicheren Seite. In den Resonanzen wird das Körperschallmaß unterschätzt. Da jedoch eine Maschine auf Dauer nicht in einer Resonanz betrieben werden darf, ist dies kein schwerwiegender Nachteil. 3. Das Abschätzverfahren für die Ermittlung des Spektrums des Körperschallmaßes bietet folgende Vorteile gegenüber der exakten Berechnung: – Der Berechnungsaufwand ist erheblich geringer. – Das Abschätzverfahren kann in solchen Fällen angewendet werden, in denen eine Lösung in geschlossener Form nicht möglich ist. – Es lassen sich relativ einfach die Auswirkungen konstruktiver Änderungen in der Entwurfsphase beurteilen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das Abschätzverfahren eine globale Information über das Spektrum des Körperschallmaßes liefert. 4. Die Nachteile sind: – Die Feinstruktur des Körperschallmaßes geht im Eigentonbereich verloren. – Der Einfluß der Randbedingungen wird nur mittelbar durch die erste Eigenfrequenz berücksichtigt, die ihrerseits von den Randbedingungen abhängt. – Der Einfluß des Krafteinleitungsortes auf das Körperschallmaß wird nicht berücksichtigt.

4.4.2

Ähnlichkeitsgesetze für das Körperschallmaß

Ähnlichkeitsgesetze sind Beziehungen, die angeben, wie sich bestimmte Eigenschaften technischer Produkte bei Änderung von bestimmten konstruktiven Größen (z.B. Abmessungen, Werkstoffdaten) verhalten. Sie stellen ein wichtiges Hilfsmittel dar, um die Auswirkungen stofflich-geometrischer Gestaltungsmaßnahmen auf das Verhalten einer Konstruktion zu erfassen [56]. Im folgenden soll dargestellt werden, wie sich Änderungen der Abmessungen sowie des Werkstoffs einer rechteckigen Platte

88

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

auf ihr Körperschallmaß auswirken. Dazu wird von einer sogenannten „Grundausführung“ ausgegangen, deren bestimmende Merkmale (z.B. Abmessungen, elastische Konstanten) im folgenden keine kennzeichnenden Zusätze erhalten. Mit der Grundausführung verglichen wird die geänderte Ausführung, bei der sämtliche betrachteten Eigenschaften durch ein hochgestelltes Sternchen () gekennzeichnet werden. Es bedeuten z.B. a und b die Seitenlängen der Grundplatte, während a und b die Seiten der abgeänderten Platte sind. Schließlich werden noch sogenannte Maßstabsfaktoren eingeführt. Hierunter ist das Verhältnis einer Größe der geänderten Ausführung zu dem der Grundplatte zu verstehen. Für alle Maßstabsfaktoren wird das Symbol  eingeführt, dem als Index das Symbol derjenigen Größe angehängt wird, deren Maßstab gebildet wird. So bedeuten z.B. a :=

a a

und E E die Maßstabsfaktoren für die Seitenlänge a der Platte bzw. den Elastizitätsmodul. Aus dem Abschätzverfahren für das Körperschallmaß lassen sich Ähnlichkeitsgesetze für das Körperschallmaß rechteckiger Platten mit konstanter Wandstärke angeben. Dabei erweist es sich als zweckmäßig, die Auswirkungen geometrischer und stofflicher Änderungen gesondert zu betrachten. Bei den geometrischen Änderungen wird allgemein zwischen Änderungen der flächenhaften Abmessungen (h = const, E; = const) E :=

b a = ; a b solchen der Plattendicke (a;b = const, E; = const) l =

h =

h h

und strenger geometrischer Ähnlichkeit (E; = const) a = b = h unterschieden. Ferner werden Änderungen des Werkstoffs (a;b;h = const) betrachtet. Zunächst werden Ähnlichkeitsgesetze für die erste Eigenfrequenz der betrachteten Platte benötigt. Der Einfachheit halber wird eine Rechteckplatte mit allseits frei gestütztem Rand vorausgesetzt, und daher folgt aus (4.55) für die erste Eigenfrequenz12 bei einer Änderung aller möglichen Konstruktionsparameter (h; a, b, E, ) mit Ausnahme der Dämpfung13 1=2 E 
1 = h l 2 : (4.79)  12 13

Dieses Ähnlichkeitsgesetz gilt auch für alle Eigenfrequenzen höherer Ordnung. Die Auswirkung der Dämpfung wird weiter unten gesondert betrachtet.

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

89

Daraus ergibt sich bei einer Änderung der flächenhaften Abmessungen 
1 =

1 l 2

und bei einer Änderung der Plattendicke 
1 = h : Bei strenger geometrischer Ähnlichkeit gilt 
1 =

1 : l

Eine Änderung des Werkstoffs führt zu der folgenden Änderung der ersten Eigenfrequenz 1=2 E 
1 = :  Es werden nun die Änderungen des Körperschallmaßes im quasistatischen und im Eigentonbereich angegeben. 1. Quasistatischer Bereich Im quasistatischen Bereich folgt aus (4.76) bei Änderung aller Konstruktionsparameter14
LSh2 = 60 lg l  60 lg h  20 lg E dB :

(4.80)

Uq

Daraus ergibt sich bei einer Änderung der flächenhaften Abmessungen
LSh2 = 60 lg l dB Uq

und bei Änderung der Plattendicke
LSh2 = 60 lg h dB : Uq

Bei strenger geometrischer Ähnlichkeit heben sich die Einflüsse der Flächenund Dickenänderung gerade auf. Schließlich folgt bei Änderung des Werkstoffs
LSh2 = 20 lg E dB :

(4.81)

Uq

Im quasistatischen Frequenzbereich geht bei einer Umstellung des Werkstoffs in die Änderung des Körperschallmaßes nur der Maßstab E für den Elastizitätsmodul ein. 2. Eigentonbereich Bei Änderung aller Konstruktionsparameter ergibt sich im Eigentonbereich aus (4.77) folgende Änderung des Körperschallmaßes
LSh2 = 30 lg h  15 lg   5 lg E dB :

(4.82)

Ue

14

Für das als Pegel dargestellte Körperschallmaß ist eine Angabe eines Maßstabsfaktors nicht möglich. Daher werden im folgenden die Pegeländerungen mitgeteilt.

90

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Tabelle 4.1. Auswirkungen des Übergangs von Stahl auf Aluminium und Titan auf die erste

Eigenfrequenz und das Körperschallmaß Größe E  E  
1
LSh2

Dimension N/mm2 g/cm3 dB


LSh2

dB

 Uq

 Ue

Stahl 210 000 7,85 1 1 1 0

Aluminium 70 000 2,70 0,333 0,344 0,969 9,6

Titan 105 000 4,50 0,500 0,573 1,071 6,0

0

9,3

5,1

In (4.82) wird der Einfluß der Änderung der Querdehnungszahl  wie in Abschn. 5.5.2 (vgl. insbesondere S. 116) vernachlässigt. Im Eigentonbereich folgt aus (4.82), daß sich Änderungen der flächenhaften Abmessungen der Platte auf das Körperschallmaß nicht auswirken. Eine Änderung der Plattendicke bewirkt
LSh2 = 30 lg h dB : Ue

Ferner ergibt eine Änderung des Werkstoffs
LSh2 = 15 lg   5 lg E dB :

(4.83)

Ue

Abschließend zeigt 1 die Auswirkungen von Änderungen des Werkstoffs auf die erste Eigenfrequenz und das Körperschallmaß beim Übergang von Stahl auf Aluminium bzw. Titan (bei unveränderten Abmessungen der Platte). Während die erste Eigenfrequenz sich nur geringfügig ändert, nimmt bei Übergang von Stahl auf Aluminium bzw. Titan das Körperschallmaß sowohl im quasistatischen Frequenzbereich als auch im Eigentonbereich nicht unerheblich zu. Physikalisch läßt sich dieser Sachverhalt dadurch deuten, daß infolge der geringeren Biegesteifigkeit B (bedingt durch die Abnahme des Elastizitätsmoduls E) und der kleineren Massenbelegung m0 (bedingt durch die Abnahme der Dichte ) die Schwingbereitschaft der Platte gegenüber der Grundausführung aus Stahl zunimmt. Bei der Anwendung von Gln. (4.81 und 4.83) ist allerdings zu berücksichtigen, daß im allgemeinen eine Änderung der Werkstoffeigenschaften ohne Änderung der Plattendicke nicht möglich ist. Sofern sich nämlich die statischen und dynamischen Kräfte, die auf die Platte einwirken, nicht ändern, muß verlangt werden, daß die Grundausführung und die geänderte Ausführung die gleiche Biegesteifigkeit aufweisen. Aus (4.36) folgt für die Plattendicke der geänderten Ausführung  E 3  h = h: (4.84) E Die Änderung der Plattendicke wirkt sich gemäß Gln. (4.80 und 4.82) ebenfalls auf das Körperschallmaß aus.

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

91

Schließlich soll noch die Auswirkung von Änderungen des Verlustfaktors betrachtet werden. Solche Änderungen des Verlustfaktors können bei einer Platte durch Aufbringen von dämpfenden Belägen realisiert werden (vgl. hierzu Abschnitt 3.3). Im quasistatischen Frequenzbereich folgt aus (4.76) eine Pegeländerung des Körperschallmaßes von
LSh2 = 10 lg Uq

1 + 2 dB 1 +  2

(4.85)

EineAnhebung des Verlustfaktors von 0,001 auf 0,1 bewirkt eine Pegelminderung des Körperschallmaßes im quasistatischen Frequenzbereich von 0,04 dB, die vernachlässigbar ist. Allgemein kann gefolgert werden, daß im quasistatischen Frequenzbereich eine Veränderung der Dämpfung sich nicht auswirkt. Dies ist physikalisch verständlich, da sich eine viskoelastische Dämpfung erst bei nennenswerten Teilchengeschwindigkeiten auswirken kann, die gerade im quasistatischen Frequenzbereich nicht vorliegen. Für den Eigentonbereich ergibt sich nach (4.77) eine Pegeländerung von


LSh2 = 10 lg dB (4.86) Ue  Die vorstehend genannte Änderung des Verlustfaktors von 0,001 auf 0,1 bewirkt im Eigentonbereich eine Pegelabsenkung von 20 dB. Infolge der Dynamik wirkt sich hier eine Erhöhung der Dämpfung voll aus.

Zusammenfassung 1. Ähnlichkeitsgesetze ermöglichen es, von einer bekannten Grundausführung ausgehend die Auswirkungen konstruktiver Änderungen quantitativ zu erfassen. 2. Für die Formulierung von Ähnlichkeitsgesetzen werden Maßstabsfaktoren eingeführt. Dabei werden die Parameter der geänderten Ausführung durch ein hochgestelltes Sternchen () gekennzeichnet, während die Parameter der Grundausführung kein zusätzliches Kennzeichen erhalten. Es sei beispielsweise l eine kennzeichnende Länge der Grundausführung und l die entsprechende Länge der geänderten Ausführung. Dann ist der Maßstab für diese Länge gegeben durch l :=

l : l

3. Ähnlichkeitsbeziehungen für Pegelgleichungen werden durch Korrekturterme angegeben.

92

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

4.4.3

Platte mit vorgeschalteter Punktmasse

Eine wirkungsvolle Möglichkeit zur Reduktion des Körperschallmaßes von Platten besteht in der Anordnung von punktförmigen, d.h. möglichst konzentrierten Massen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, das Körperschallmaß von Platten durch punktförmige Massen zu beeinflussen. Einmal kann am Ort der Krafteinleitung eine Masse vorgeschaltet werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, auf der Oberfläche der Platte beliebig verteilte Punktmassen anzubringen. Diese zweite Möglichkeit wird hier nicht besprochen sondern auf die Literatur verwiesen [40, Abschn. 8.3.2]. Durch eine am Ort der Krafteinleitung aufgesetzte, räumlich möglichst konzentrierte Masse läßt sich der Körperschall der Struktur sehr wirkungsvoll beeinflussen. Für die folgenden Betrachtungen wird idealisierend angenommen, daß sich die gesamte Masse auf einen Punkt konzentrieren läßt. Eine solche Masse wird als Punktmasse bezeichnet. Die folgenden Betrachtungen zur Ermittlung der Wirksamkeit von Punktmassen gehen auf Storm [61] zurück. Seine Ergebnisse wurden durch eine Modifikation des in Abschn. 4.3.1 vorgestellten Abschätzverfahren für das Körperschallmaß glatter, rechteckiger Platten konstanter Dicke gewonnen. Die ursprüngliche glatte Platte ohne eine konstruktiv gewollte Zusatzmasse wird als Grundplatte bezeichnet. Die Punktmasse wirkt sich nur im Eigentonbereich der Grundplatte aus. Es sei
1 die tiefste Eigenfrequenz der Grundplatte und
1 die der Platte mit Zusatzmasse M. Diese kann überschlagsmäßig nach # 1  ; (4.87)
1 =
1 1 + M=(m0 S) berechnet werden, wobei m0 = h die Massenbelegung der Grundplatte und S deren Fläche sind. Im quasistatischen Frequenzbereich verhält sich nach (4.76) das Körperschallmaß wie 1=[
31 (m0 )3=2 ]. Daher wird der Abfall der ersten Eigenfrequenz nach (4.87) gerade durch die Zunahme der Gesamtmasse kompensiert, so daß sich das Körperschallmaß der Platte mit Punktmasse gegenüber der Grundplatte nicht ändert. Dies ist auch anschaulich einleuchtend, da eine Punktmasse die Impedanz der Platte durch Massenträgheit erhöht. Im quasistatischen Frequenzbereich sind die Trägheitskräfte vernachlässigbar. Für den Eigentonbereich gelten folgende Zusammenhänge. Eine vorgeschaltete Punktmasse M entfaltet ihre Wirkung nur oberhalb der sogenannten Massenwirkungsfrequenz 4
M = 

p m0 B : M

(4.88)

Das Körperschallmaß einer Platte mit einer am Krafteinleitungsort vorgeschalteten Punktmasse ergibt sich zu LSh2 = LSh2 +
LSh2 :  Ue

Ue

Ue

(4.89)

4.4 Abschätzverfahren für das Körperschallmaß

wobei für den Korrekturterm

1 dB :
LSh2 = 10 lg Ue 1 + (
=
M )2

93

(4.90)

gilt. Aus (4.90) folgt, daß oberhalb der Massenwirkungsfrequenz der Korrekturterm für das Körperschallmaß mit 20 dB pro Frequenzdekade abfällt. Um bei einer vorgegebenen Frequenz
eine Absenkung des Körperschallmaßes um A dB zu erreichen, wird eine Zusatzmasse von 4 0 M= m B(10A=10  1) (4.91) 
benötigt. Da die Zahl A eine Absenkung des Körperschallmaßes angibt, ist sie negativ anzusetzen. Beispiel 4.4 Gegeben: Stahlplatte mit den Abmessungen nach Beispiel 4.4.1. Gesucht: 1. Massenwirkungsfrequenz einer Zusatzmasse von 5 kg 2. Erforderliche Masse M, um bei einer Frequenz von 500 Hz eine Absenkung des Körperschallmaßes von 10 dB zu erzielen. Lösung: Zu 1.: Nach (4.88) und mit den Werten für m0 und B aus Beispiel 4.4.1 gilt p 4 m0 B
M =  M

4 62;8 Ns2 =m3 9846;2 Nm =  5 Ns2 =m = 200;2 Hz : Zu 2.: Nach (4.91) gilt mit A = 10 dB 4 0 M = m B(10A=10  1) 


4 62;8 Ns2 m3 9846;2 Nm (10(10=10)  1) =  500 s1 = 6;01 kg : Wie leicht nachzurechnen ist, besitzt die Grundplatte eine Masse von 19,78 kg. Die erforderliche Zusatzmasse beträgt also 30,4 % der Masse der Grundplatte. Die vergleichsweise große Zunahme der Masse beruht darauf, daß bei der relativ tiefen Frequenz von
= 500 Hz eine recht erhebliche Absenkung des Körperschallmaßes von 10 dB gefordert wird.

94

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Zusammenfassung 1. Punktmassen, die am Ort der Krafteinleitung vorgeschaltet werden, stellen eine sehr wirksame Maßnahme dar, um das Körperschallmaß der so entstehenden Verbundstruktur breitbandig abzusenken. 2. Die Punktmasse bewirkt im quasistatischen Frequenzbereich keine Verminderung des Körperschallmaßes. 3. Eine Verminderung des Körperschallmaßes findet erst oberhalb der Massenwirkungsfrequenz (4.88) statt. Das Körperschallmaß mit Punktmasse wird oberhalb der Massenwirkungsfrequenz nach (4.90) berechnet. 4. Die Absenkung des Körperschallmaßes beträgt oberhalb der Massenwirkungsfrequenz -20 dB pro Frequenzdekade.

4.5 Auswirkung von Rippen auf das Körperschallmaß Rippen stellen eine sehr wirksame konstruktive Maßnahme dar, um das Körperschallmaß zu vermindern. Dabei müssen Rippen unbedingt an diejenigen Stellen herangeführt, in denen die äußeren Kräfte in die Struktur eingeleitet werden. Diese Stellen werden im folgenden als Krafteinleitungsorte bezeichnet. Rippen sind weitgehend wirkungslos, wenn sie nicht an den Krafteinleitungsorten angeordnet werden. In der älteren Literatur [38, 46] finden sich Abschätzformeln für den Einfluß von Rippen auf das Körperschallmaß von rechteckigen Platten. Es zeigte sich jedoch, daß die Genauigkeit dieser Abschätzformeln zu gering ist. Modernere Untersuchungen über den Einfluß von Rippen werden daher mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) oder der experimentellen Modalanalyse durchgeführt. InAbb. 4.11 ist der Frequenzgang des Körperschallmaßes einer glatten, rechteckigen Platte aus Stahl mit folgenden Abmessungen (a = 350 mm ; b = 230 mm ; h = 4 mm) dargestellt. Angeregt wird die Platte durch eine zeitlich harmonische Einzelkraft, die im geometrischen Mittelpunkt der Platte angreift. Dies gilt so auch für die verrippten Platten. Angegeben werden durchgezogen der berechnete und gestrichelt der gemessene Verlauf. Es ist zu erkennen, daß die berechneten und gemessenen Werte der ersten vier Eigenfrequenzen sehr gut übereinstimmen. Die bei den höheren Eigenfrequenzen auftretenden Abweichungen beruhen auf Abweichungen der Randbedingungen bei der Messung und der Rechnung. In Abb. 4.12 sind die entsprechenden Frequenzgänge für eine mit einem Rippenkreuz (hR = 12 mm ; bR = 4 mm) versehene Platte angegeben. Dabei sind die Rippen parallel zu den Kanten der Platte angeordnet und der Kreuzungspunkt liegt im geometrischen Mittelpunkt der Grundplatte. Gegenüber Abb. 4.11 ist zu erkennen, daß die ersten drei Eigenfrequenzen nach oben verschoben sind. Dies ist ein grundsätzlich erwünschter Effekt, da damit der köperschallarme quasistatische Bereich vergrößert wird. Ferner treten im betrachteten Frequenzbereich von 0 bis 3000 Hz weniger Eigenfrequenzen auf als bei der glatten

4.5 Auswirkung von Rippen auf das Körperschallmaß

95

Abb. 4.11. Frequenzgang des Körperschallmaßes einer glatten Rechteckplatte

Abb. 4.12. Frequenzgang des Körperschallmaßes einer Rechteckplatte mit einem parallel angeordneten Rippenkreuz

Grundplatte. Das Schwingungsverhalten wird im wesentlichen durch die (allerdings frequenzverschobenen) Eigenschwingungsformen der Grundplatte bestimmt. Da die Rippen auf den beiden wesentlichen Symmetrielinien der Grundplatte angeordnet sind, können bei der verrippten Platte Eigenformen nur schwer angeregt werden, die ihren Bauch auf oder in der Nähe einer Rippe aufweisen. Schließlich zeigt Abb. 4.13 das Körperschallmaß einer mit zwei sich diagonal erstreckenden, sich kreuzenden Rippen, die die gleichen Querschnittsabmessungen aufweisen wie bei der „parallel“

96

4 Das Körperschallverhalten einfacher Strukturen

Abb. 4.13. Frequenzgang des Körperschallmaßes einer Rechteckplatte mit einem diagonal

angeordneten Rippenkreuz Tabelle 4.2. Summenpegel des Körperschallmaßes für drei Platten

Platte Glatt Kreuzverrippt Diagonal verrippt

Summenpegel dB 108,1 104,2 103,8

verrippten Platte. Auch hier treten weniger Eigenfrequenzen auf als bei der glatten Grundplatte. Interessant ist ein Vergleich von Abb. 4.12 und 4.13. Bei der „parallel“ verrippten Platte treten im betrachteten Frequenzbereich insgesamt sieben Eigenfrequenzen auf, bei der „diagonal“ verrippten sind es acht. Bemerkenswert ist, daß der Pegel des Körperschallmaßes bei der „parallel“ verrippten Platte in den Frequenzbereichen zwischen 1100 Hz und 1700 Hz sowie zwischen 2100 Hz und 2600 Hz unter 70 dB liegt. Bei der „diagonal“ verrippten Platte gibt es keine so ausgeprägten „körperschallarmen“ Frequenzbereiche wie bei der „parallel“ verrippten. In Tabelle 4.2 sind schließlich noch die mit einer Frequenzschrittweite von 5 Hz berechneten Summenpegel des Körperschallmaßes für alle drei Platten angegeben. Die Summenpegel des Körperschallmaßes liegen für beide verrippten Platten um rund 4 dB unter demjenigen der glatten Platte, so daß hieraus keine Empfehlung für die vorzugsweise anzuwendende Art der Verrippung abgeleitet werden kann. Die Anordnung der Rippen wird vielmehr wesentlich durch die Lage der anregenden Frequenzen und der Krafteinleitungspunkte bestimmt. Sie soll bei der Lärmminderung entweder durch Berechnung mittels Finiter Elemente (vgl. Abschn. 8.1) oder durch experimentelle Modalanalyse (vgl. [40, Abschn. 12.4]) ermittelt werden.

4.5 Auswirkung von Rippen auf das Körperschallmaß

Zusammenfassung 1. Rippen stellen sehr wirksame konstruktive Maßnahmen dar, um das Körperschallmaß von Strukturen im Eigentonbereich zu vermindern. 2. Rippen müssen grundsätzlich an die Krafteinleitungsorte herangeführt werden, weil sie sonst weitgehend unwirksam sind. 3. Die zu wählende geometrische Anordnung von Rippen soll entweder mittels numerischer Simulationen mit Finiten Elementen oder durch Anwendung der experimentellen Modalanalyse festgelegt werden.

97

5 Abstrahlung von Luftschallwellen Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Allgemeines zu Luftschallwellen (Abschn. 5.1) – Einführung des Abstrahlgrades zur Kennzeichnung des Abstrahlverhaltens von Strukturen (Abschn. 5.2) – Der Kugelstrahler und sein Abstrahlgrad (Abschn. 5.3) – Die Kolbenmembran und ihr Abstrahlgrad (Abschn. 5.4) – Die Abstrahlung biegeschwingender rechteckiger Platten (Abschn. 5.5) – Koinzidenzfrequenz (Abschn. 5.5.1) – Berechnung des Abstrahlgrades rechteckiger Platten (Aschn. 5.5.2) – Ähnlichkeitsgesetze für die Abstrahlung biegeschwingender Platten (Abschn. 5.5.3)

5.1 Luftschallwellen Sofern eine Körperschall tragende Struktur eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zu ihrer Oberfläche aufweist, werden Luftschallwellen abgestrahlt. Luftschallwellen sind Longitudinalwellen. Bei Luftschallwellen breiten sich Störungen des Druck- und Geschwindigkeitsfeldes in Richtung der Welle aus. Die Ausbreitungsoder Schallgeschwindigkeit in einem idealen Gas berechnet sich gemäß p (5.1) c = RT0 Dabei sind R die Gaskonstante, der Adiabatenexponent und T0 die absolute Temperatur des Gases im Gleichgewicht. Die Schallgeschwindigkeit eines idealen Gases nimmt also proportional zur Wurzel aus der absoluten Temperatur zu. Sie ist unabhängig von der Frequenz. Gemäß Gln. (4.59 und 5.1) läßt sich der Luftschallwelle die Wellenlänge p

RL T0 L = (5.2)
zuordnen, wobei RL die Gaskonstante der Luft ist. Da die Schallgeschwindigkeit von idealen Gasen unabhängig von der Frequenz ist, zeigen Luftschallwellen keine Dispersion (zum Begriff der Dispersion vgl. Abschn. 4.2, S. 75). Zahlenwerte der Schallgeschwindigkeit für technisch wichtige Gase bei einer Temperatur von 293 K finden sich in Tabelle 5.1. Für die Schallausbreitung in Gasen läßt sich die spezifische akustische Impedanz definieren p^ : (5.3) Zs := v^ Dabei sind p^ die komplexe Druckamplitude und v^ die komplexe Amplitude der Schnelle.

100

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Tabelle 5.1. Schallgeschwindigkeit von Gasen bei 293 K

Gas Dimension Luft Kohlendioxid Kohlenmonoxid Methan Sauerstoff Stickstoff

R J/(kg K) 287,04 188,88 296,85 518,67 259,88 296,75

1,402 1,300 1,400 1,319 1,400 1,400

c m/s 343,38 268,22 348,95 447,72 326,50 348,89

Ein Spezialfall der Luftschallwellen sind die ebenen Wellen. Bei einer ebenen Welle hängen alle akustischen Variablen (z.B. Druck, Geschwindigkeit usw.) von nur einer Ortskoordinate ab (z.B. x). Die ebene Welle kann sich in positiver und/oder negativer Richtung dieser Koordinate ausbreiten. Auf jeder Ebene, die senkrecht zur Koordinatenrichtung steht, ist die Phase1 einer jeden akustischen Variablen konstant. Bei ebenen Wellen gilt für die spezifische Impedanz [40, Abschn. 3.1] (5.4)

Zs = 0 cL ;

wobei cL die Schallgeschwindigkeit der Luft und L ihre Dichte sind. Die spezifische akustische Impedanz einer ebenen Welle ist also reell. Daraus folgt, daß Druck und Geschwindigkeit in Phase liegen.

5.2 Der Abstrahlgrad Das Abstrahlverhalten von Strukturen wird durch den Abstrahlgrad gekennzeichnet. Die Struktur strahle in Luft mit der spezifischen Impedanz L cL ab. Die abstrahlende Oberfläche der Maschine sei S und v~ 2 der über der Fläche S gebildete ~ Dann gilt2 Mittelwert des Quadrates der effektiven Schnelle v. :=

P L cL S v~ 2

:

(5.5)

Die physikalische Bedeutung desAbstrahlgrades läßt sich durch einenVorgriff auf die Kolbenmembran (vgl. Abschnitt 5.4) erläutern [13]. Schwingt eine starre Oberfläche (wie beispielsweise ein Kolben) mit einer Frequenz, bei der die Abmessungen dieser Oberfläche wesentlich größer sind als die Wellenlänge in der umgebenden Luft, so muß die Geschwindigkeit der angrenzenden Luftteilchen gleich der Geschwindigkeit der starren Oberfläche sein. Es wird also eine ebene Welle abgestrahlt, bei der 1

2

Selbstverständlich weisen verschiedene akustische Variable i.a. unterschiedliche Phasenlagen auf. In (5.5) darf die effektive Schnelle v~ der abstrahlenden Oberfläche des Schall abstrahlenden Körpers nicht mit der Geschwindigkeit v bzw. v der Luftteilchen verwechselt werden.

5.2 Der Abstrahlgrad

101

Geschwindigkeit und Schalldruck in Phase liegen. Es sei v~ die effektive Geschwindigkeit der abstrahlenden Fläche. Nach (5.4) wird der effektive Schalldruck an der abstrahlenden Fläche gleich p~ = L cL v~ : Die abgestrahlte effektive Schalleistung ergibt sich daher zu P = S p~ v~ = S L cL v~ 2 ; und daher wird nach (5.5) der Abstrahlgrad = 1, da für einen starren Schwinger das über die Fläche gemittelte Quadrat der effektiven Schnelle gleich dem Quadrat der (an jedem Punkt der Fläche gleichen) effektiven Schnelle ist. Der Abstrahlgrad eines beliebigen Strahlers ist also gleich dem Verhältnis zwischen der tatsächlich abgestrahlten Leistung und der maximalen Leistung, die von einem Kolben mit gleicher Oberfläche wie der betrachtete Strahler bei gleicher Frequenz abgestrahlt werden kann. Damit der Kolben diese Leistung tatsächlich abstrahlen kann, muß die Frequenz seiner Schwingung so groß sein, daß seine Abmessungen groß im Vergleich zur Wellenlänge der abgestrahlten Schallwelle sind. Im allgemeinen gilt  1, aber in Ausnahmefällen kann der Abstrahlgrad auch größer als 1 werden. Der Abstrahlgrad darf nicht mit dem akustischen Wirkungsgrad verwechselt werden, der gleich demVerhältnis von abgestrahlter zu gesamter Leistung ist. Typische akustische Wirkungsgrade liegen in der Größenordnung von 1
103 . Sofern der zeitliche Verlauf der Geschwindigkeit für jeden Raumpunkt x der abstrahlenden Oberfläche als geschlossen angebbare Funktion v(x;t) vorliegt, kann die ~ räumliche Verteilung v(x) der effektiven Schnelle auf der abstrahlenden Oberfläche nach (1.28) berechnet werden. Die Berechnung des über der abstrahlenden Fläche S gemittelten Quadrats der effektiven Schnelle erfolgt dann nach (4.65). Häufig ist jedoch die Verteilung v(x;t) der Geschwindigkeit auf der Oberfläche unbekannt. In diesen Fällen ist es erforderlich, die benötigten Informationen durch Messungen zu ermitteln. Dabei wird davon ausgegangen, daß kommerzielle Meßgeräte zur Verfügung stehen, die aus einem Zeitverlauf einer periodischen Größe intern automatisch den Effektivwert bilden. Bei der Ermittlung des über die abstrahlende Fläche S gemittelten Quadrates v~ 2 der effektiven Schnelle können je nach den Umständen die Gln. (4.66) bzw. (4.67) angewendet werden.

Zusammenfassung 1. Voraussetzung für die Abstrahlung von Luftschall durch eine Maschine ist, daß auf Oberfläche der Maschine Körperschall mit einer Schnellekomponente senkrecht zur abstrahlenden Oberfläche vorliegt. Die abgestrahlten Luftschallwellen breiten sich mit der Schallgeschwindigkeit nach Gl. (5.1) aus. Schallgeschwindigkeiten für ideale Gase bei einer Temperatur von 293 K (20 ıC) finden sich in Tabelle 5.1.

102

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

2. Die Abstrahlung wird durch den Abstrahlgrad nach Gl. (5.5) gekennzeichnet. Der Abstrahlgrad eines beliebigen Strahlers ist gleich dem Verhältnis zwischen der tatsächlich abgestrahlten Leistung und der maximalen Leistung, die von einem Kolben mit gleicher Oberfläche wie der betrachtete Strahler bei gleicher Frequenz abgestrahlt werden kann. 3. Der Abstrahlgrad darf nicht mit dem akustischen Wirkungsgrad verwechselt werden, der gleich dem Verhältnis von abgestrahlter zu gesamter Leistung ist. Typische akustische Wirkungsgrade liegen in der Größenordnung von 1
103 .

5.3 Der Kugelstrahler Als Kugelstrahler werden dünnwandige elastische Kugelschalen bezeichnet, deren Oberflächen zeitlich harmonisch mit der Kreisfrequenz ! schwingen und die dadurch in die umgebende Luft Schallwellen abstrahlen. Bei einem Kugelstrahler nullter Ordnung schwingen sämtliche Oberflächenpunkte konphas mit gleichem Schwingungsausschlag. Es wird auch von einer atmenden Kugel gesprochen. Im folgenden wird die von einem Kugelstrahler nullter Ordnung abgestrahlte Schalleistung berechnet. In diesem Buch bedeutet der Begriff „Kugelstrahler“ stets einen Kugelstrahler nullter Ordnung. Es sei R der Radius der Oberfläche des Kugelstrahlers in seiner Ruhestellung und
R der Betrag der Amplitude, mit der alle seine Oberflächenpunkte schwingen. Ferner sei die Amplitude des Ausschlags wesentlich kleiner als der Radius des Kugelstrahlers (
R  R). Für den Radius r der Oberfläche des Kugelstrahlers zur Zeit t gilt r = R +
R sin !t :

(5.6)

Die Geschwindigkeit aller Punkte auf der Kugeloberfläche ergibt sich durch Differenzieren von (5.6) nach der Zeit ^ R cos !t : VR =
R ! cos !t = V

(5.7)

Hierin ist ^ R =
R! V die Schnelle der Kugeloberfläche. Der Abstrahlgrad des Kugelstrahlers berechnet sich zu =

(!=!k )2 : 1 + (!=!k )2

(5.8)

5.3 Der Kugelstrahler

103

Abb. 5.1. Abstrahlmaß für einen Kugelstrahler

Hierin sind ! die Kreisfrequenz der mechanischen Schwingung, welche die Abstrahlung verursacht und !k die definitorisch Eingeführte Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz

!k :=

cL R

(5.9)

Der Pegel des Abstrahlgrades wird in Anlehnung an DIN 5493 als Abstrahlmaß3 bezeichnet. Dabei wird als Referenzwert 0 = 1 gesetzt . Für das Abstrahlmaß folgt aus (5.8) L = 10 lg

(!=!k )2 dB : 1 + (!=!k )2

(5.10)

Abbildung 5.1 zeigt den Pegel des Kugelstrahlers über dem Logarithmus der auf die Kugelstrahler-Eckfrequenz bezogenen Kreisfrequenz !. InAbb. 5.1 ist gestrichelt eine Näherungsgerade eingezeichnet, welche den nach (5.8) berechneten Verlauf des Abstrahlgrades für kleine Kreisfrequenzen ! asymptotisch berührt. Für große Kreisfrequenzen tangiert die Gerade L = 0 dB ebenfalls den exakten Verlauf des Abstrahlgrades asymptotisch. Für Kreisfrequenzen !  !k kann im Nenner der rechten Seite von (5.8) der Term (!=!k )2 gegenüber 1 vernachlässigt werden. Es gilt daher die asymptotische Näherung 2 ! fur !  !k : (5.11)  !k Dieser Näherung und (5.10) ist zu entnehmen, daß im tieffrequenten Bereich das Abstrahlmaß um 20 dB pro Frequenzdekade ansteigt, was in Abb. 5.1 deutlich zu 3

Weitere Ausführungen zum Begriff „Abstrahlmaß“ finden sich in Kapitel 7 auf S. 132.

104

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

erkennen ist. Die größte Abweichung der Näherungsgeraden in Abb. 5.1 stellt sich ein für ! = !k . Sie beträgt dort 3 dB. Die Näherungsgerade liefert an dieser Stelle also das Doppelte des exakten Abstrahlgrades. Aus der Definition des Abstrahlgrades (5.5) und der Berechnungsgleichung (5.8) für den Abstrahlgrad folgt für die vom Kugelstrahler abgestrahlte Luftschalleistung ^ 2R 0 cL P = 2R2 V

(!=!k )2 : 1 + (!=!k )2

(5.12)

Zusammenfassung Ein Kugelstrahler ist eine konphas mit der Geschwindigkeit v(t) = v^ exp(i!t) atmende Kugel. 1. Die von einem Kugelstrahler abgestrahlte Schalleistung ist klein bei Frequenzen, die wesentlich kleiner sind als die KugelstrahlerEckkreisfrequenz (!  !k ). Dies ist dadurch zu erklären, daß bei tieferen Frequenzen die Trägheitswirkung der die atmende Kugel umgebenden Luft gering ist. Alle die Kugeloberfläche umgebenden Luftteilchen werden konphas mit dieser verschoben, und es kommt daher nicht zu periodischen Verdichtungen, die für Luftschall charakteristisch sind. Diese treten in nennenswertem Umfang erst bei höheren Frequenzen auf. 2. Der Bruch auf der rechten Seite von (5.12) geht für ! ! 1 gegen eins. ^ 2R cL 0 stellt die maximal abstrahlbare Schalleistung des Der Term 2R2 V Kugelstrahlers dar. Es ist leicht nachzurechnen, daß der Pegel (Bezugswert 1) des auf der rechten Seite von (5.12) stehenden Bruchs für !=!k = 2 den Wert 1;0 annimmt. Ab dieser Kreisfrequenz unterscheidet sich die abgestrahlte Luftschalleistung von der maximal abstrahlbaren Schalleistung um weniger als 1 dB, und es liegt daher volle Abstrahlung vor. 3. Je größer die Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz ist, desto kleiner ist bei konstanter Erregerfrequenz ! die abgestrahlte Schalleistung. Die Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz wird ihrerseits um so größer, je kleiner der Radius des Kugelstrahlers ist. Um eine geringe Schallabstrahlung zu erreichen, muß ein Kugelstrahler daher möglichst kompakt gebaut werden. Technisch ist eine konphas atmende Kugel nur schwierig zu realisieren. Dennoch kommt dem theoretischen Modell des Kugelstrahlers eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Es kann nämlich mit dem Modell des Kugelstrahlers das Abstrahlverhalten von Schallquellen beliebiger geometrischer Gestalt beschrieben werden, sofern nur die kennzeichnenden Abmessungen klein gegenüber der Wellenlänge (5.2) der abgestrahlten Luftschallwelle sind.

5.4 Die Kolbenmembran

105

5.4 Die Kolbenmembran Ein weiteres, für grundlegende Betrachtungen wichtiges Modell der Schallabstrahlung von Maschinenstrukturen stellt die sogenannte Kolbenmembran dar. Eine Kolbenmembran besteht aus einem starren, kreisförmigen Kolben, der spielfrei derart in eine unendliche, starre Wand eingebettet ist, daß er sich in axialer Richtung frei bewegen kann. Abbildung 5.2 zeigt eine Kolbenmembran, deren Kolben harmonisch mit der Kreisfrequenz ! schwingt. Alle Oberflächenelemente des Kolbens bewegen sich konphas. Die unendlich ausgedehnte Wand verhindert den Luftaustausch zwischen Vorder- und Rückseite des Kolbens. Die Ableitung der Gleichung für die Berechnung des Abstrahlgrades einer Kolbenmembran ist mathematisch schwierig [59], und daher werden in diesem Buch nur die Ergebnisse mitgeteilt. Es sei a der Radius der Kolbenmembran. Dann gilt für ihren Abstrahlgrad KM J1 (2kL a) : (5.13) KM = 1  kL a Hierin bedeutet J1 (x) die Besselfunktion 1. Ordnung, für die folgende Reihenentwicklung [8] gilt x 2 x 4 ( ) ( ) x J1 (x) = [ 1  2 + 2  : : : ] : 2 1!2! 2!3! Aus dieser Reihenentwicklung und (5.13) folgt für kleine Werte von kL a die asymptotische Darstellung des Abstrahlgrades (kL a)2 fur kL a  1 : 2 Für große Argumente gilt die asymptotische Darstellung [8]  3 2 cos(x  ) fur x  1 : J1 (x) ' x 4 KM '

Abb. 5.2. Kolbenmembran

106

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Aus dieser Beziehung und (5.13) ergibt sich für große Werte von kL a KM ' 1

fur kL a  1 :

Aus (5.8) können folgende asymptotische Näherungen für einen Kugelstrahler vom Radius R abgeleitet werden ' (kR)2

fur kR  1 ;

'1

fur kR  1 :

(5.14)

Hieraus läßt sich schließen, daß Kolbenmembran und Kugelstrahler gleiches asymptotisches Verhalten aufweisen, wenn zwischen dem Radius R des Kugelstrahlers und dem Radius a der Kolbenmembran folgender Zusammenhang besteht a R= p : (5.15) 2 Mittels der Transformation (5.15) kann jede Kolbenmembran durch einen akustisch äquivalenten Kugelstrahler ersetzt werden. Mit Hilfe von Gln. (5.9 und 5.15) kann (5.13) auf die Kreisfrequenz umgeschrieben werden p ! J1 (2 2 ) ! KM = 1  p ! k : 2 !k Abbildung 5.3 zeigt die Abstrahlmaße einer Kolbenmembran und eines Kugelstrahlers, der zu dieser Kolbenmembran äquivalent ist. Die Abstrahlmaße sind aufgetragen über dem Logarithmus der auf die Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz bezogenen Kreisfrequenz. Es ist zu erkennen, daß die Abschätzgeraden für den Kugelstrahler eine sehr gute asymptotische Näherung für die Kolbenmembran darstellen. Der Abfall des Abstrahlmaßes bei kleinen Frequenzen wurde bereits im Anschluß an (5.12)

Abb. 5.3. Abstrahlmaße von Kolbenmembran und äquivalentem Kugelstrahler

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

107

diskutiert.Abbildung 5.3 zeigt zusätzlich, daß im Bereich !=!k  1 derAbstrahlgrad KM > 1 werden kann.

Zusammenfassung Eine Kolbenmembran besteht aus einer starren, unendlich ausgedehnten Wand, in welche ein mit der Geschwindigkeit v(t) = v^ exp(i!t) sich bewegender, starrer Kolben eingebettet ist (vgl. Abb. 5.2). Abbildung 5.3 zeigt, daß für Kolbenund Kugelstrahler für sehr kleine und große Frequenzen gleiches Abstrahlverhalten aufweisen. Daher kann mittels der Transformation (5.15) jede Kolbenmembran durch einen akustisch äquivalenten Kugelstrahler ersetzt werden.

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten Das Modell der Biegeschwingungen ausführenden Platte stellt eine wichtige Grundlage für maschinenakustische Untersuchungen dar. Dies rührt daher, daß viele Maschinenstrukturen in erster Näherung durch das Modell eines dünnwandigen, quaderförmigen Kastens beschrieben werden können, dessen Wände aus rechteckigen Platten bestehen. Zum besseren Verständnis des Abstrahlverhaltens von Platten wird zunächst das Phänomen des akustischen Kurzschlusses erläutert. Sodann werden Näherungsgleichungen für die Berechnung des Abstrahlgrades angegeben. 5.5.1

Physikalische Betrachtungen zur Abstrahlung von Platten

Es wird eine rechteckige Platte betrachtet, die nennenswerte Biegeschwingungen ausführt. Dazu muß die Erregerfrequenz größer/gleich der tiefsten Eigenfrequenz der Platte sein. Für die folgenden Betrachtungen wird vorausgesetzt, daß die Platte im wesentlichen in nur einer Eigenform (vgl. hierzu Abb. 5.4) schwingt. Durch die Knotenlinien werden auf der Platte benachbarte Bezirke abgegrenzt. Jeder dieser Bezirke schwingt in sich konphas, während benachbarte Bezirke gegenphasig schwingen. Die abgestrahlte Schalleistung hängt entscheidend vom Verhältnis des Abstandes der konphasen Schwingungsbäuche auf der Platte zur Länge L der in die umgebende Luft abgestrahlten Schallwelle ab. Dieser Abstand ist gleich der Länge der Biegewelle B . Ist nämlich dieser Abstand kleiner als die Länge der Luftschallwelle B < L , so beeinflussen gegenphasig schwingende Plattenbereiche nicht nur das Nah- sondern auch das Fernfeld des abgestrahlten Luftschalls. Es liegt akustische Kopplung vor, die in diesem Fall als akustischer Kurzschluß bezeichnet wird. Die Biegewellenlänge B läßt sich nach (4.58) berechnen. Wesentlich für die folgenden Betrachtungen ist die Koinzidenzfrequenz
c , bei der die Längen der Biegeund der Luftschallwelle gleich sind (B = L ). Gemäß (4.58) verhält sich die Länge

108

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Abb. 5.4. Zur Abstrahlung biegeschwingender Platten

l b lL 4 cm 2 2

10 8 6 4 2

Lu 20 m ft 10 m m m 5m m 2m m 1m 0,5 m m m

h=

10 8 6 4 2 10

2

2

4 6 8 10

3

2

4 6 8 10 4 n Hz

Abb. 5.5. Biegewellenlänge von Stahlplatten und Wellenlänge des Luftschalls

p der Biegewelle B wie 1= !. Die Wellenlänge der Luft verhält sich andererseits wie 1=! (vgl. hierzu [40, Abschn. 3.2]. In Abb. 5.5 sind die Wellenlängen B und L im doppeltlogarithmischen Maßstab über der Frequenz
aufgetragen. Dadurch ergeben sich in dieser Auftragung Geraden mit unterschiedlichen Steigungen. Die Biegewellenlänge B wird in Abhängigkeit von der Dicke h der Platte als Parameter angegeben. Für jede Plattendicke h gibt es genau eine Frequenz, bei der B = L ist. Dies ist die Koinzidenzfrequenz . Formelmäßig gilt für sie

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

c2
c = L 2



h : B

109

(5.16)

Sofern B < L gilt, tritt die oben erwähnte akustische Kopplung ein. Dieser Fall ist im oberen Teil von Abb. 5.4 dargestellt. Ein Schwingungsbauch bzw. -tal erstreckt sich über einen Bereich der kennzeichnenden Länge B =2. Daher wird ein solcher Bereich im folgenden als B =2-Bereich bezeichnet. Über benachbarten B =2Bereichen bilden sich Maxima und Minima des Luftdrucks aus. Wie bereits erwähnt ist dabei zu berücksichtigen, daß benachbarte B =2-Bereiche gegenphasig schwingen. Daher liegt in den Maxima ein Überdruck und in den Minima ein Unterdruck gegenüber dem Ruhedruck der Luft vor. Da die Wellenlänge L der abgestrahlten Luftschallwelle größer ist als die Wellenlänge B der verursachenden Biegewelle auf der Platte, findet ein teilweiser Druckausgleich zwischen benachbarten, gegenphasig schwingenden B =2-Bereichen statt. Der partielle Druckausgleich führt zu einer Verminderung der Druckmaxima bzw. -minima. Dieser Effekt ist der oben angegebene akustische Kurzschluß. Er verringert die Umsetzung von mechanischer Energie der Platte in Luftschallenergie und vermindert damit die Abstrahlung. Wird B  L , so liegt volle Abstrahlung vor. Die bei ihr geltenden Verhältnisse sind im unteren Teil von Abb. 5.4 dargestellt. Die Ausbreitung der Luftschallwelle erfolgt nicht in Richtung senkrecht zur Oberfläche der Platte. Vielmehr schließen die Ausbreitungsrichtung und die Senkrechte zur Plattenmittelfläche den Winkel # ein. Da bei Erreichen der Koinzidenzfrequenz (
=
c ) der Winkel # den Wert =2 annimmt, laufen die Wellenfronten der abgestrahlten Luftwelle parallel zur Oberfläche der Platte. Es liegt streifende Abstrahlung vor. Das Biegewellen- und das Luftschallfeld liegen bei streifender Abstrahlung in Phase. Daher wird der Luftschallwelle beim Vorbeilaufen an jedem Schwingungsbauch der Platte erneut Leistung zugeführt. Infolgedessen ist die Leistungszufuhr an das Luftschallfeld erheblich größer als bei höheren Frequenzen (
>
c ), bei denen der Winkel der Abstrahlung kleiner als 90ı ist. Theoretisch kann die biegeschwingende Platte bei streifender Abstrahlung der umgebenden Luft unendlich viel Leistung zuführen [13]. Aus praktischen Gründen bleibt die Leistung endlich, weil einmal die Fläche der abstrahlenden Platte stets endlich ist und weil andererseits die Belastung der abstrahlenden Fläche so groß wird, daß die erforderlichen Schwingungsausschläge nicht verwirklicht werden können. Für Frequenzen, die deutlich oberhalb der Koinzidenzfrequenz liegen (
> 4
c ), nähert sich der Abstrahlgrad asymptotisch dem Wert 1 an. Es liegt dann volle Abstrahlung vor. Sofern
<
c ist, ist L > B und damit ist akustischer Kurzschluß möglich. Aus Abb. 5.5 ist zu erkennen, daß die Koinzidenzfrequenz um so größer wird, je kleiner die Dicke h der Platte ist. Abschließend soll noch auf den Fall eingegangen werden, daß die Frequenz
kleiner als die erste Eigenfrequenz
11 der Platte ist (
<
11 ). Daher schwingen alle Punkte der Platte konphas und es können sich keine benachbarten, gegenphasig schwingenden B =2-Bereiche ausbilden. Es muß dann das Abstrahlverhalten der Platte dem eines Kolbenstrahlers ähneln. Das Abstrahlverhalten läßt sich in diesem

110

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Fall tatsächlich mit den Gleichungen eines tieffrequent schwingenden Kolbenstrahlers beschreiben. 5.5.2

Berechnung des Abstrahlgrads rechteckiger Platten

Die Berechnung des Abstrahlgrades von Platten, die durch eine punktförmige Einzelkraft zu Schwingungen erregt werden, stellt eine sehr komplexe Aufgabe dar [2, 40]. Eine für praktische Beurteilungen des Abstrahlverhaltens von rechteckigen Platten, die Biegeschwingungen ausführen, ausreichende Berechnungsmethode stammt von Maidanik [44]. Es wurde im tieffrequenten Bereich von Ver und Holmer [63] modifiziert. Das Berechnungsverfahren geht von folgenden Voraussetzungen aus: – Die Anregung erfolgt durch eine Einzelkraft. – Nur diejenigen Eigenschwingungsformen (Moden) tragen zur Abstrahlung bei, deren Eigenfrequenzen im betrachteten Frequenzbereich liegen. – Die Amplituden der in Resonanz befindlichen Eigenschwingungen sind im Mittel gleich und ihre Phasen sind zufällig verteilt. – Die Platte ist in eine unendlich ausgedehnte starre Platte eingebaut. Durch den Einbau in diese unendlich ausgedehnte starre Platte wird ein Luftaustausch zwischen der Ober- und der Unterseite der abstrahlenden Platte unterbunden. – Die Ränder der abstrahlenden sind in der starren Platte frei gestützt. Es werden folgende Frequenzbereiche der Abstrahlung unterschieden: 1. Im tiefen Frequenzbereich

c verhält sich die Platte wie ein äquivalenter Kolbenstrahler. Daher wird dieser Bereich als Kolbenstrahlerbereich bezeichnet. Es seien a und b wieder die Kantenlängen der Platte, und daher ist ihre Fläche S = a b. Ver und Holmer berechnen die Eckkreisfrequenz des äquivalenten Kolbenstrahlers zu cL
k = p : 2 S

(5.17)

Der Abstrahlgrad wird nach der im tieffrequenten Bereich

k gelten Näherung (vgl. hierzu (5.11) ) berechnet k =



k

2 =

4S 2
; c2L

(5.18)

wobei
die Frequenz der Plattenschwingung ist. Wesentlich ist, daß nach Ver und Holmer diese Berechnungsvorschrift für alle Frequenzen gilt, die kleiner als die erste Eigenfrequenz
11 der Platte sind. Die erste Eigenfrequenz der frei gestützten Platte ist nach (4.55) gleich 

2 # 2 1 B  1 : +
11 = 2 a b h

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

111

Diese Bedingung besitzt eine unmittelbar anschauliche Deutung. Für sehr kleine Frequenzen

11 bilden sich praktisch keine Biegewellen auf der Platte aus, und es kann aus diesem Grund nicht zu akustischem Kurzschluß kommen. Sofern die Erregerfrequenz
nahe an der ersten Eigenfrequenz (

11 ) liegt, wird das Schwingungsverhalten der Platte durch die zugehörige erste Eigenfunktion sin( x=a) sin( y=b) bestimmt. Da diese Eigenschwingung nur einen Bauch und keine Knotenlinien aufweist, schwingen alle Punkte der Plattenoberfläche konphas, so daß es nicht zur Ausbildung von Kurzschluß kommen kann. Die Platte verhält sich wie ein Kolbenstrahler. 2. Sofern die Koinzidenzfrequenz nach (5.16) größer als die KolbenstrahlerEckfrequenz ist (vgl. Ziffer 1), schließt sich an den Kolbenstrahlerbereich ein Bereich an, in dem akustischer Kurzschluß auftritt. Er heißt daher Kurzschlußbereich . Mit dem Plattenumfang U = 2(a + b), der Abkürzung 
˛= (5.19)
c und der Biegewellenlänge c bei der Koinzidenzfrequenz
c nach (5.16) # B 2 (5.20) c = cL h gilt für den Abstrahlgrad =

2c Uc g1 (˛) + g2 (˛) : S S

Dabei sind die Funktionen g1 (˛) und g2 (˛) wie folgt definiert4 ⎧ 8 1  2˛2 ⎪ ⎪ ⎨ 4 p fur

c =2  ˛ 1  ˛2 g1 (˛) = ⎪ ⎪ ⎩ 0 fur
>
c =2 1+˛ 2 1 (1  ˛ ) ln 1  ˛ + 2 ˛ : g2 (˛) = (1  ˛2 )3=2 42 3. In der Nähe der Koinzidenzfrequenz (

c ) gilt   a b = + : c c

4

(5.21)

(5.22)

(5.23)

(5.24)

Zu beachten ist, daß an der Stelle
=
c =2 die Funktion g1 (˛) = 0 und damit stetig ist.

112

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

4. Im Bereich
>
c liegt volle Abstrahlung vor. In diesem Frequenzbereich strahlt die Platte die maximal mögliche Schalleistung ab (vgl. hierzu auchAbschnitt 5.3, S. 104). Im Bereich der vollen Abstrahlung gilt ⎧ ⎪ ⎪ ⎨ 1= 1 
c =
;  = min  ⎪ a b ⎪ ⎩ + : c c

(5.25)

Der obere Ausdruck auf der rechten Seite von (5.25) ist die Berechnungsvorschrift für den Abstrahlgrad einer unendlich ausgedehnten Platte, die eine Biegewelle trägt (vgl. hierzu [40, Abschn. 3.5.1]). Der Abstrahlgrad wird nach oben durch den sich bei der Koinzidenzfrequenz einstellenden Abstrahlgrad (5.24) begrenzt. Eine exakte Berechnung der Übergangsfrequenz
u 1 aus dem Kolbenstrahler- in den Kurzschlußbereich ist nicht möglich. Es ist zweckmäßig zunächst eine Bestimmungsgleichung für die Größe ˛ nach (5.19) aufzustellen. Für den Abstrahlgrad im Kolbenstrahlerbereich folgt aus (5.18) durch Erweitern mit
c 2 und mit cL = c
c schließlich 4S 4 = ˛ : c 2

(5.26)

Die gesuchte Größe ˛u ergibt sich als Nullstelle der Funktion F(˛) :=

4S 4 c 2 Uc g1 (˛)  g2 (˛) : ˛  2 S S c

(5.27)

Das Newton-Verfahren ergibt die iterative Berechnungsvorschrift ˛k+1 = ˛k 

F(˛k ) : F0 (˛k )

(5.28)

Die Größe k ist der Iterationsindex. Die in (5.28) auftretenden Ableitungen sind F0 (˛) =

12S 3 c 2 0 Uc 0 g1 (˛)  g (˛) ; ˛  2 S S 2 c

g01 (˛) = 

g02 (˛)

4 ˛ 2

8 ; (1  ˛2 )3=2

2 + ˛2 + ˛(1  ˛2 ) ln =

2 (1  ˛2 )5=2

1+˛ 1˛ :

Die Abbruchschranke für die Iteration beträgt j˛k+1  ˛k j  1
102 :

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

113

Aus (5.19) folgt für die gesuchte Übergangsfrequenz
u 1 = ˛2u
c :

(5.29)

Gleichung (5.29) zeigt, daß bei einer Genauigkeit der Iteration von 1
102 zur Bestimmung von ˛ die Übergangsfrequenz mit einer relativen Genauigkeit von 1
104 bestimmt wird. Die Übergangsfrequenz
u 2 aus dem Kurzschlußbereich in den Bereich der vollen Abstrahlung muß ebenfalls mittels des Newton-Verfahrens berechnet werden. Die Funktion, deren Nullstelle zu suchen ist und deren Ableitung lauten    a b Uc g2 (˛)  ;  G(˛) := S c c Uc 0 g (˛) ; S 2 In die Funktion G(˛) darf der Anteil g1 (˛) nicht eingeschlossen werden, da g1 (˛) gemäß (5.22) für

c =2 gleich Null zu setzen ist. Schließlich kann die Übergangsfrequenz
u 3 explizit berechnet werden, bei der der Abstrahlgrad der vollen Abstrahlung nach oben hin begrenzt wird. Nach einfacher Rechnung folgt p a + 2 ab + b p
c : (5.30)
u 3 = a + 2 ab + b  c G0 (˛) =

Die in Gln. (5.18, 5.21 und 5.25) angegebenen Beziehungen gelten streng nur für allseits frei gestützten Rechteckplatten. Es wurde jedoch experimentell nachgewiesen, daß der Abstrahlgrad von Platten mit 2 eingespannten und 2 freien Rändern nur um 3 dB über dem von Platten mit 2 frei gestützten und 2 freien Rändern liegt. Zu berücksichtigen ist ferner, daß bei den in der Praxis vorkommenden Fällen die Einspannbedingungen in der Regel nicht genau erfaßbar sind. Sie liegen meistens zwischen den Fällen „eingespannt“ und „frei gestützt“. Die Abweichungen infolge der Einspannbedingungen liegen nach [44] bei ˙1 dB und fallen damit in den Bereich der Meßgenauigkeit. Daher können die oben angegebenen Gleichungen für die Berechnung des Abstrahlgrades für alle praktisch vorkommenden Fälle herangezogen werden. DerVerlauf des Pegels desAbstrahlgrades einer Stahlplatte mit denAbmessungen a = 1000 mm und b = 700 mm ist in Abb. 5.6 in Abhängigkeit von der logarithmisch aufgetragenen Frequenz
dargestellt. Als Parameter ist in Abb. 5.6 die Plattendicke h angegeben. Alle vier Platten zeigen alle drei Bereiche der Abstrahlung. Tieffrequent tritt zunächst der Kolbenstrahlerbereich auf, in dem der Pegel des Abstrahlgrades mit 20 dB pro Frequenzdekade zunimmt. An ihn schließt sich der Kurzschlußbereich an. Die untere Übergangsfrequenz aus dem Kolbenstrahler- in den Kurzschlußbereich nimmt mit abnehmender Plattendicke ab. Die obere Übergangsfrequenz aus dem Kurzschlußbereich in den Bereich der vollen Abstrahlung nimmt mit abnehmender Plattendicke zu. Dies bedeutet, daß der Kurzschlußbereich einen um so größeren Frequenzbereich überdeckt, je kleiner die Dicke der Platte ist. Ferner ist aus Abb. 5.6

114

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Abb. 5.6. Abstrahlgrad einer rechteckigen Platte aus Stahl in Abhängigkeit von der Plattendicke (Seiten a = 1000 mm und b = 700 mm)

zu entnehmen, daß der Pegel des Abstrahlgrades im Kurzschlußbereich um so kleiner wird, je dünner die Platte ist. Hieraus darf allerdings nicht der Schluß gezogen werden, daß eine geringe Dicke der Platte zu einer geringen Abstrahlung von Luftschall führt. Vielmehr weist eine dünnwandige Platte gegenüber einer dickeren den Nachteil auf, daß die erste Eigenfrequenz proportional zur Plattendicke absinkt (vgl. hierzu auch (4.55)). Daher können bei dünnwandigen Platten bei tieferen Frequenzen Eigenschwingungen angeregt werden als bei einer Platte mit größerer Dicke. Auf die Zusammenhänge zwischen Körperschall und abgestrahlten Luftschall wird in Kapitel 7 weiter eingegangen.

Zusammenfassung 1. Das Abstrahlverhalten von Platten hängt entscheidend davon ab, ob die Länge B der Biegewelle kleiner oder größer als die Länge der abgestrahlten Luftschallwelle L ist. 2. Die Koinzidenzfrequenz
c ergibt sich aus der Bedingung B = L . 3. Sofern die Frequenz
der Biegewelle und der durch sie verursachten Luftschallwelle kleiner als die Koinzidenzfrequenz
c ist, kann sich akustischer Kurzschluß einstellen. 4. Für sehr tiefe Frequenzen, die unterhalb der ersten Eigenfrequenz
11 der Platte liegen, verhält sich die Platte wie ein Kolbenstrahler.

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

115

5. Für den Fall
=
c werden sehr große Werte des Abstrahlgrades erreicht. Es liegt sogenannte streifende Abstrahlung vor. 6. Sofern die Frequenz deutlich größer wird als die Koinzidenzfrequenz (
> 4
c ), nähert sich der Abstrahlgrad der Platte asymptotisch dem Wert 1 an.

5.5.3

Ähnlichkeitsgesetze für die Abstrahlung von Platten

Ähnlichkeitsgesetze wurden bereits in Abschn. 4.4, insbesondere S. 87 eingeführt. Es werden nun Ähnlichkeitsgesetze für die Abstrahlung von Platten angegeben. Dabei erweist es sich wieder als zweckmäßig, die Auswirkungen geometrischer und stofflicher Änderungen gesondert zu betrachten. Bei den stofflichen Änderungen werden nur die Dichte  und der Elastizitätsmodul E verändert. Die Querdehungszahl  wird konstant gehalten, da der Wert  = 0;3 ist für die meisten Metalle anwendbar ist (vgl. hierzu Tabelle 5.2). Bei den geometrischen Änderungen wird erneut zwischen Änderungen der flächenhaften Abmessungen (h = const, E; = const) l =

b a = ; a b

solchen der Plattendicke (a;b = const, E; = const) h =

h h

und strenger geometrischer Ähnlichkeit (E; = const) a = b = h unterschieden. Ferner werden Änderungen des Werkstoffs (a;b;h = const) betrachtet. Die Auswirkungen geometrischer und stofflicher Änderungen werden für die drei Frequenzbereiche der Abstrahlung gesondert betrachtet. Tabelle 5.2. Einfluß von Änderungen des Werkstoffs auf die Koinzidenzfrequenz

Werkstoff

Stahl Al Cu Mg Ni Ti



E




c

g/cm3 7,85 2,70 8,93 1,74 8,86 4,50

N/mm2 210 000 72 200 125 000 41 200 197 000 105 200

0,30 0,34 0,35 0,33 0,31 0,33

1 0,986 1,358 1,052 1,093 1,059

116

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

1. Kolbenstrahlerbereich Für tiefe Frequenzen, die beim Kolbenstrahlerverhalten von Platten stets vorliegen, gilt nach (5.11) 2
: (5.31) =
k Da gemäß (5.17) die Kolbenstrahler-Eckfrequenz nur von der Plattenfläche S abhängt, können nur Änderungen der flächenhaften Abmessungen zu Änderungen des Abstrahlgrades im Kolbenstrahlerbereich führen. Aus (5.18) folgt die Ähnlichkeitsbeziehung  = l 2 : Hierin zeigt sich erneut die bereits beim Kugelstrahler (vgl. Abschnitt 5.3) diskutierte günstige Auswirkung einer kompakten Bauweise auf eine Reduzierung der Schallabstrahlung. Da Änderungen der Plattendicke und der stofflichen Eigenschaften (E;) die Kolbenstrahler-Eckfrequenz nicht beeinflussen, bleiben sie ohne Auswirkungen auf den Abstrahlgrad.  =

2. Kurzschlußbereich Eine wesentliche Kenngröße für den Abstrahlgrad ist die Koinzidenzfrequenz. Nach (5.16) gilt  cL 2 12 (1  2 )  1
c = : 2 E h Hieraus folgt für den Maßstab der Koinzidenzfrequenz 1=2 # 1=2   1  2 1 1 
c =  : (5.32) h E 1  2 h E Der Einfluß der Änderung der Querdehnungszahl  auf die Änderung der Koinzidenzfrequenz kann bei metallischen Werkstoffen vernachlässigt werden. Dies gilt für alle in diesem Buch abzuleitenden Ähnlichkeitsbeziehungen maschinenakustischer Kenngrößen. Daher bleibt in allen Ähnlichkeitsgesetzen der Einfluß der Querdehnungszahl unberücksichtigt. Aus (5.32) ist zu ersehen, daß Änderungen der flächenhaften Abmessungen die Koinzidenzfrequenz nicht ändern. Bei einer Änderung der Plattendicke wird 
c =

1 : h

Wird bei konstant gehaltenen Abmessungen der Werkstoff geändert, so folgt 1=2  : (5.33) 
c = E Tabelle 5.2 zeigt, daß Änderungen des Werkstoffes die Koinzidenzfrequenz gegenüber einer aus Stahl bestehenden Grundausführung nur geringfügig beein-

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

117

flussen. Einzige Ausnahme ist der aus Kosten- und technischen Gründen ausscheidende Werkstoff Kupfer, bei dem die Koinzidenzfrequenz in erwünschter Weise um 35,8% ansteigt. Als nächstes wird ein Ähnlichkeitsgesetz für die Übergangsfrequenz
u abgeleitet. Die Gleichung (5.27) eignet sich hierfür nicht, weil ihre Wurzel nicht explizit angegeben werden kann. Daher wird im tieffrequenten Kurzschlußbereich die Beziehung (5.22) vereinfacht zu 8 1 4 ˛ und der zweite Term in (5.21) vernachlässigt. Durch Gleichsetzen der so erhaltenen Näherung im Kurzschlußbereich mit (5.31) ergibt sich nach kurzer Zwischenrechnung folgende Näherung für das Verhältnis
c =
u # 4 8 S2
c
c 5  = : (5.34)
u 64 4c
k g1 (˛) 

Aus den Gln. (5.17), (5.16) und (5.34) ergibt sich schließlich folgendes Maßstabsgesetz (
c =
u ) = l 8=5 h 8=5  4=5 E 4=5 :

(5.35)

Grundsätzlich ist ein großer Kurzschlußbereich erwünscht. Das Verhältnis
c =
u soll also möglichst groß sein. Aus (5.35) lassen sich folgende Schlüsse ziehen: – Bei Änderung der flächenhaften Abmessungen wird (
c =
u ) = l 8=5 : Der Kurzschlußbereich nimmt also nicht ganz quadratisch mit den flächenhaften Abmessungen zu. – Bei einer Änderung der Plattendicke gilt (
c =
u ) = h 8=5 : Das Verhältnis der Koinzidenzfrequenz zur Übergangsfrequenz
u aus dem Kolbenstrahler- in den Kurzschlußbereich nimmt also mit ansteigender Plattendicke h ab. – Bei strenger geometrischer Ähnlichkeit ändert sich das Verhältnis
c =
u nicht. – Eine Änderung des Werkstoffs wirkt sich auf die Breite des Kurzschlußbereichs nur geringfügig aus. Für den Abstrahlgrad im Kurzschlußbereich lassen sich wegen der komplizierten Gln. (5.21–5.23) keine expliziten Ähnlichkeitsgesetzte angeben. 3. Volle Abstrahlung Hier interessiert in erster Linie der Maximalwert des Abstrahlgrades, der gemäß (5.25) durch

p a + 2 ab + b p max = c begrenzt wird. Mit (5.20) folgt hieraus das Ähnlichkeitsgesetz  = l 1=2 h 1=2 E 1=4  1=4 :

(5.36)

118

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Im folgenden werden die Auswirkungen konstruktiver Änderungen auf diesen Maximalwert erörtert: – Änderungen der Plattendicke Es gilt mit (5.36)  = h 1=2 : Der Pegel des maximalen Abstrahlgrades ändert sich bei einer Verdoppelung der Plattendicke um 1;5 dB. Dies liegt im Bereich der Meßgenauigkeit. – Änderung der flächenhaften Abmessungen Aus (5.36) ergibt sich  = l ; und daher bedeutet eine Verdoppelung der flächenhaften Abmessungen eine Erhöhung des Pegels des Abstrahlgrades um 1,5 dB. Aus dem gegenläufigen Einfluß der Änderungen von Dicke und flächenhaften Abmessungen folgt, daß sich bei strenger geometrischer Ähnlichkeit der Abstrahlgrad nicht ändert. – Änderung des Werkstoffs Es gilt nach (5.36)  = E 1=4  1=4 : Die Änderung des Abstrahlgrades ergibt sich, indem aus den in Tabelle 5.2 angegebenen Werten von 
c die Wurzel gezogen wird. Für die Praxis sind diese Änderungen bedeutungslos. Für die praktischen Anwendungen sind die hier angegebenen Änderungen des Maximalwertes des Abstrahlgrades nach (5.25) von untergeordneter Bedeutung. Abschließend wird darauf hingewiesen, daß das Berechnungsverfahren von Maidanik nur eine Näherung darstellt. Ein exaktes, nur mit Hilfe von Rechnern auswertbares Verfahren stammt von Atalla und Nicolas [2, 40]. In diesem Verfahren wird der Beitrag der einzelnen Eigenformen der biegeschwingenden Platte auf die Abstrahlung erfaßt. Im Gegensatz zu Maidanik wird nicht vorausgesetzt, daß die Amplituden der sich in Resonanz befindlichen Moden gleich und daß deren Phasen statistisch verteilt sind. Im folgenden werden Beispiele vorgestellt, die den Einfluß des genaueren Verfahrens auf den Frequenzgang des Abstrahlgrades zeigen. Betrachtet wird eine Stahlplatte mit folgenden Daten (a = 1000 mm; b = 700 mm; h = 6 mm). Zunächst wird der Einfluß des Verlustfaktors gezeigt. In Abb. 5.7 und 5.8 wird zur Beschreibung der Dämpfung ein über den gesamten Frequenzbereich konstanter Verlustfaktor (vgl. hierzu Abschnitt 3.1) gewählt. In Abb. 5.7 beträgt dieser  = 1
103 , in Abb. 5.8 wird mit  = 1
101 gerechnet. In beiden Fällen wird die Platte in ihrem geometrischen Zentrum (x10 = 0; x20 = 0) mit einer Kraft von 1000 N angeregt, deren Frequenz im Bereich von 20 Hz bis 10000 Hz kontinuierlich gesteigert wird. In allen drei Abbildungen (5.7, 5.8 und 5.9 ist außerdem noch gestrichelt der Verlauf des Abstrahlgrades nach den Gleichungen von Maidanik (vgl. hierzu Abschnitt 5.5.2) eingezeichnet. Zunächst zeigt sich, daß der Kurvenverlauf nach Maidanik im Kolbenstrahlerbereich und bei voller Abstrahlung den exakten Verlauf des Abstrahlgrades sehr gut wiedergeben kann. Allerdings wird bei dem Rechengang nach Maidanik das maximale Abstrahlmaß im Bereich der vollen Abstrahlung bei Annäherung an die Koinzidenzfrequenz überschätzt. Im Bereich des akustischen Kurzschlusses kann

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

119

Abb. 5.7. Abstrahlgrad einer schwach gedämpften Platte ( = 1
103 ) bei zentrischer

Erregung

Abb. 5.8. Abstrahlgrad einer stark gedämpften Platte ( = 1
101 ) bei zentrischer Erregung

der Rechengang nach Maidanik die erheblichen Schwankungen des Abstrahlmaßes nicht erfassen. Dies ist auch nicht verwunderlich, weil Maidanik voraussetzt, daß die Amplituden der in Resonanz befindlichen Eigenschwingungen im Mittel gleich und ihre Phasen statistisch verteilt sind. Die Kopplung von Eigenschwingungen bei der Abstrahlung wird von der Theorie von Maidanik nicht erfaßt. Im Mittel beschreibt der Rechengang nach Maidanik das Verhalten im Kurzschlußbereich zutreffend. Der Vergleich von Abb. 5.7 und 5.8 zeigt, daß der Einfluß der Dämpfung auf das Abstrahlverhalten der Platte gering ist. Dabei unterscheiden sich die als kon-

120

5 Abstrahlung von Luftschallwellen

Abb. 5.9. Abstrahlgrad einer schwach gedämpften Platte ( = 1
103 ) bei exzentrischer

Erregung

stant angesetzten Verlustfaktoren um den Faktor 100. Die „Ausschläge“ des Abstrahlmaßes sind insbesondere in der Gegend der Frequenz von 1000 Hz bei der stärker gedämpften Platte geringer. Ferner wird der Einfluß des Ortes der Krafteinleitung untersucht. Für die Berechnung von Abb. 5.9 wird ein Krafteinleitungsort von (x10 = 250 mm; x20 = 175 mm) und ein Verlustfaktor von  = 1
103 (wie für Abb. 5.7) gewählt, wobei zu beachten ist, daß das geometrische Zentrum der Platte im Ursprung des Koordinatensystems liegt. Ein Vergleich von Abb. 5.7 und 5.9 zeigt, daß der Einfluß des Ortes der Krafteinleitung im Kurzschlußbereich signifikant ist. Bei exzentrischer Einleitung der Kraft werden deutlich mehr Eigenschwingungsformen angeregt, die zur Abstrahlung beitragen, als bei zentrischer. Dies ist mechanisch dadurch zu erklären, daß bei zentrischer Anregung alle Eigenschwingungsformen nicht angeregt werden, die auf den beiden Symmetrielinien der Platte Knotenlinien aufweisen. Die Ergebnisse der exakten Berechnung bestätigen, daß der Abstrahlgrad im strengen Sinn keine nur von der Geometrie und den Stoffdaten der Platte abhängige Strukturgröße ist, worauf schon Cremer und Heckl [13] hingewiesen haben.

5.5 Die Abstrahlung rechteckiger Platten

121

Zusammenfassung 1. Der Abstrahlgrad von Biegeschwingungen ausführenden Rechteckplatten kann näherungsweise mit dem Verfahren von Maidanik [44] berechnet werden. Dabei bleiben der Einfluß des Ortes der Krafteinleitung und der Dämpfung unberücksichtigt. 2. Es werden drei Frequenzbereiche für die Ermittlung des Abstrahlgrades unterschieden: – Der Kolbenstrahlerbereich, in dem sich die Platte wie ein Kolbenstrahler verhält. – Der Kurzschlußbereich, in dem akustischer Kurzschluß das Abstrahlverhalten bestimmt. – Der Bereich der vollen Abstrahlung, in dem die Platte die maximal mögliche Energie abstrahlt. 3. Grundsätzlich ist es günstig, einen möglichst großen Kurzschlußbereich zu realisieren. Dazu muß das Verhältnis der Koinzidenzfrequenz
c zur Übergangsfrequenz
u (aus dem Kolbenstrahler- in den Kurzschlußbereich) möglichst groß gewählt werden. Dies kann vor allem dadurch erreicht werden, daß die Dicke der Platte verringert wird. Eine Halbierung der Dicke bewirkt eine Vergrößerung des Verhältnisses
c =
u um den Faktor 3. Ferner sinkt das Abstrahlmaß im Kurzschlußbereich in Abhängigkeit von der Frequenz ab (vgl. hierzu Abb. 5.6). Jedoch muß die Auswirkung einer Verminderung der Wandstärke auf das Körperschallverhalten der Platte insbesondere im Eigentonbereich berücksichtigt werden. Eine Halbierung der Wandstärke bedeutet eine Zunahme des Körperschallmaßes im Eigentonbereich um 9 dB. Die oft gegenläufige Beeinflussung von Abstrahlgrad und Körperschallmaß durch konstruktive Maßnahmen wird in Kap. 7 besprochen. 4. Genauere Untersuchungen zeigen, daß das Verfahren von Maidanik den Abstrahlgrad im Kurzschlußbereich nur im Mittel korrekt angibt. Es existiert das genauere Verfahren von Atalla und Nicolas [2], das den Einfluß der einzelnen angeregten Eigenschwingungen der Platte berücksichtigt. Die Abweichungen können maximal bis zu 10 dB betragen. Dabei liegen die nach Maidanik berechneten Werte frequenzabhängig sowohl auf der sicheren als auch auf der unsicheren Seite.

6 Abkopplung von Körperschall Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Quantitative Bestimmung der Abkopplung; Durchgangsdämmaß und Einfügedämmaß – Maschinendynamisches Modell der Abkopplung eines Einmasseschwingers (Abschn. 6.1) – Maschinenakustisches Modell der Abkopplung eines Einmasseschwingers (Abschn. 6.2) Die Abkopplung von Körperschall stellt in der Maschinenakustik eine wichtige Aufgabe dar. Um die Übertragung unerwünschter Schwingungen zwischen mechanischen Systemen zu vermindern, werden zwischen die Systeme Feder- und dämpfende Elemente geschaltet. Durch das Zwischenschalten derartiger Elemente werden die Systeme abgekoppelt. Zur Abkopplung besonders geeignet sind Gummielemente, da sie sowohl federnde als auch dämpfende Eigenschaften aufweisen [24]. Ihre Wirkung besteht primär nicht darin, dem System Körperschallenergie durch Dissipation zu entziehen. Vielmehr sollen sie den Abfluß von Körperschallenergie in die Umgebung „eindämmen“. Sie werden daher als Dämmelemente bezeichnet. In diesem Buch wird nur das Modell des Einmasseschwingers betrachtet, an dem die wesentlichen Phänomene erkennbar sind. Für die Abkopplung von komplexen Systemen wird auf die Literatur [40, Abschnitt 6.2] verwiesen. Abbildung 6.1 zeigt das Modell eines kraft- bzw. geschwindigkeitserregten Einmassenschwingers. Beim krafterregten System wird die abzukoppelnde Masse m durch eine zeitlich

Abb. 6.1. Kraft- und geschwindigkeitserregter Einmassenschwinger

124

6 Abkopplung von Körperschall

veränderliche Kraft F(t) angeregt. Die Abkopplung erfolgt durch die Feder mit der Federkonstanten k und den dazu parallel geschalteten, geschwindigkeitsproportionalen Dämpfer mit der Dämpferkonstanten c. Diese beiden Abkoppelelemente stützen sich gegen ein starres Fundament ab. Das geschwindigkeitserregte System besitzt den gleichen Aufbau. Die Anregung erfolgt jedoch am Fundament mit einem vorgegebenen Schwingweg u(t) bzw. der aus diesem abgeleiteten Geschwindigkeit v(t) = u(t). _ Die Reduzierung von Kräften bei krafterregten bzw. von Geschwindigkeiten bei geschwindigkeitserregten Systemen durch zwischengeschaltete Abkoppelelemente läßt sich durch zwei Dämmaße beschreiben. 1. Das Durchgangsdämmaß wird als Differenz der vor und hinter dem Isolierelement auftretenden Körperschall- bzw. Kraftpegel berechnet
LD = Lvor  Lhinter :

(6.1)

2. Das Einfügungsdämmaß kann sowohl für Kräfte als auch für Geschwindigkeiten gebildet werden. Verglichen werden die Pegel (Kraft bzw. Geschwindigkeit) an einer Anschlußstelle bei starrer Anbindung (d.h. vor Einbau des Isolierelementes) und bei elastischer Abkopplung (d.h. nach Einbau des Isolierelementes).
LE = Lstarr  Lelast :

(6.2)

In den folgenden Ausführungen wird grundsätzlich das Durchgangsdämmaß betrachtet. Wesentlich ist, ob die Feder und der Dämpfer als masselos oder als massebehaftet modelliert werden. Im ersten Fall liegt das klassische Modell der Maschinendynamik, im zweiten das maschinenakustische Modell vor.

6.1 Maschinendynamisches Modell der Abkopplung Es läßt sich zeigen, daß das Durchgangsdämmaß für die Kraft des krafterregten Systems mit dem Durchgangsdämmaß für die Geschwindigkeit des geschwindigkeitserregten Systems übereinstimmen. Daher wird im weiteren nur vom Durchgangsdämmaß gesprochen. Die Dämpfung wird mittels desVerlustfaktors  berücksichtigt. Nach [39] besteht folgender Zusammenhang (6.3)

 = 2 ;

wobei der dimensionslose Dämpfungsgrad nach (4.8) und die normierte Kreisfrequenz !

:= p k=m sind. Für das Durchgangsdämmaß gilt LD = 10 lg

(1  2 )2 + 2 dB : 1 + 2

(6.4)

6.2 Maschinenakustisches Modell der Abkopplung

125

Für kleine Verlustfaktoren   1 folgt aus (6.4) durch eine Taylor-Reihenentwicklung nach  die Näherung , + LD  10 lg (1  2 )2 dB : (6.5) Aus (6.4) lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1. Das Spektrum des Durchgangsdämmaßes ist unabhängig von der Art des Spektrums der Erregerkraft. Dies ist ein Fortschritt gegenüber den Betrachtungen von Gerwig [23], der rein harmonische Erregung vorausgesetzt hat. 2. Im tieffrequenten Bereich  1 beträgt das Durchgangsdämmaß 0 dB und die Abkopplung ist daher unwirksam. 3. Im Resonanzfall = 1 nimmt das Durchgangsdämmaß sein Minimum LD; min = 10 lg

2 dB 1 + 2

an. Für kleine Verlustfaktoren   1 gilt LD; min  20 lg  dB : Die Resonanzfrequenz = 1 ist unabhängig vom Verlustfaktor . 4. Die Abkopplung wird erst für LD > 0 wirksam. Dies bedeutet, daß das Argument des Logarithmus in (6.4) größer als 1 sein muß. Auspdieser Bedingung folgt nach kurzer Zwischenrechnung die Bedingung > 2, die exakt ist. Diese Grenzfrequenz ist unabhängig vom p Verlustfaktor . 5. Da die Dämmung erst für > 2 wirksam wird, müssen Abkoppelelemente tief abgestimmt werden. p 6. Für Frequenzen  2 steigt das Durchgangsdämmaß mit 40 dB pro Frequenzdekade an. Ein Minimum des Durchgangsdämmaßes wird auch als Einbruch bezeichnet. Die zugehörige Frequenz heißt Einbruchsfrequenz . Beim Einmassenschwinger stimmt die Einbruchsfrequenz mit dessen ungedämpfter Eigenfrequenz überein. In Abb. 6.2 ist der Verlauf des Spektrums des Durchgangsdämmaßes über der logarithmisch geteilten Frequenzachse dargestellt.

6.2 Maschinenakustisches Modell der Abkopplung Die folgende Darstellung beruht auf [39]. Bei höheren Frequenzen darf eine Feder nicht mehr als masselos betrachtet werden. Ein Gummielement läßt sich vielmehr als kontinuierlich mit Masse belegter Stab mit längs der Stabachse konstantem Querschnitt A modellieren, an dessen einem Ende die Masse m starr angekoppelt ist. Auf diese Masse wirkt die beliebig zeitabhängige Kraft F(t) ein. Das andere Ende des Stabes stützt sich gegen ein starres Fundament ab. Eine Darstellung des Systems ergibt sich, wenn in Abb. 6.1 die Parallelschaltung von Feder und Dämpfer durch einen viskoelastischen Stab mit dem konstanten Querschnitt A und der Länge l ersetzt wird.

126

6 Abkopplung von Körperschall

Abb. 6.2. Durchgangsdämmaß des gedämpften Einmassenschwingers nach der maschinendynamischen Theorie

Zur Berechnung des Durchgangsdämmaßes eines gedämpften, longitudinal schwingenden Stabes werden folgende Größen benötigt. Zunächst wird die Kreiswellenzahl eingeführt   : (6.6) K := ! E In (6.6) sind  die Dichte des Stabes und E sein Elastizitätsmodul. Die Kreiswellenzahl besitzt die Dimension 1/Länge. Daher liegt es nahe, sie durch Multiplizieren mit der Länge l des Stabes in eine dimensionslose Größe   (6.7) ı := Kl = !l E umzuwandeln. Die Größe ı heißt bezogene Kreiswellenzahl. Weiter wird das Massenverhältnis m (6.8)  := Al eingeführt. Zur Modellierung der Dämpfung wird eine komplexe bezogene Kreiswellenzahl benötigt ı := p

ı 1 + i

(6.9)

Eine Begründung für den Wurzelausdruck im Nenner der rechten Seite von (6.9) findet sich in [40, Abschnitt 6.1]. Die Gleichung für die Berechnung des Durchgangsdämmaßes lautet LD = 20 lg jcos ı  ı sin ıj dB :

(6.10)

6.2 Maschinenakustisches Modell der Abkopplung

127

Abb. 6.3. Durchgangsdämmaß eines Systems Masse - Gummifeder nach Gleichung (6.10),

 = 0,001

Abb. 6.4. Durchgangsdämmaß eines Systems Masse - Gummifeder nach Gleichung (6.10),

 = 0,1

Eine ausführliche Diskussion von (6.10) findet sich in [40, Abschnitt 6.2]. Hier werden nur die grafischen Darstellungen des Verlaufs des Durchgangsdämmaßes diskutiert. Abb. 6.3 bis 6.6 zeigen den Verlauf des Durchgangsdämmaßes über dem Parameter ı für die Verlustfaktoren von  = 0;001,  = 0;1 und  = 1, wobei für den Parameter ı eine logarithmische Teilung gewählt wird. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, daß ein Verlustfaktor von  = 1 praktisch nicht realisiert werden kann. In den Abbildungen 6.3 und 6.4 zeigt das Durchgangsdämmaß für alle Massenverhältnisse den prinzipiell gleichen Verlauf. Im tieffrequenten Bereich ergibt sich eine bezogene Einbruchskreiswellenzahl, die der Eigenkreisfrequenz des Einmassenschwingers (masselose Feder) entspricht. Mit zunehmendem Massenverhältnis  fällt die tiefste Einbruchskreiswellenzahl und damit die Eigenkreisfrequenz des Einmassenschwingers ab. Im höherfrequenten Bereich fallen die Einbruchskreiswellen-

128

6 Abkopplung von Körperschall

Abb. 6.5. Durchgangsdämmaß eines Systems Masse Gummifeder nach Gleichung (6.10),  = 1

Abb. 6.6. Durchgangsdämmaß eines Systems Masse Gummifeder nach Gleichung (6.10),  = 10, in Abhängigkeit vom Verlustfaktor 

zahlen für verschiedene Massenverhältnisse  zusammen, was aus Abb. 6.3 und 6.4 für  > 1 eindrucksvoll hervorgeht. Das größere Massenverhältnis  macht sich lediglich durch eine Anhebung des Durchgangsdämmaßes bemerkbar. Die Trägheitswirkung der Masse m nimmt mit zunehmender Frequenz quadratisch zu. Interessant ist das Verhalten für sehr große Dämpfung. In Abb. 6.5 sind die Graphen für  = 1 dargestellt. Die Dämpfung ist hier so groß, daß keine Einbrüche des Durchgangsdämmaßes auftreten. Die Wellen in der Gummifeder können sich infolge der Dämpfung nicht ausbilden. Die Dämmung erfolgt (außer für verschwindendes ( = 0) und das kleine Massenverhältnis  = 1) im gesamten Bereich ı > 1, wobei sich für große Massenverhältnisse der Bereich der positiven Durchgangsdämmung zu bezogenen Kreiswellenzahlen ı < 1 verschiebt. Als Sonderfall wird in Abb. 6.3 mit 6.5 eine Kurve für verschwindendes Massenverhältnis  = 0 angegeben. Bei den beiden kleineren Verlustfaktoren (vgl. Abb. 6.3 und 6.4) tritt überhaupt keine Abkopplung auf. In den Einbruchsfrequenzen werden die Schwingungen infolge der sich im Abkoppelelement ausbildenden Longitudinalwellen verstärkt. Für den sehr großen Verlustfaktor  = 1 werden abhängig vom Massenverhältnis  die Schwingungen unterhalb einer Grenzfrequenz prak-

6.2 Maschinenakustisches Modell der Abkopplung

129

tisch durchgeleitet. Oberhalb der bezogenen zugehörigen Kreiswellenzahl erfolgt ein kontinuierlicher Anstieg des Dämmaßes. In Abb. 6.6 ist die Abhängigkeit des Dämmaßes von der Dämpfung (gekennzeichnet durch den Verlustfaktor ) dargestellt. Je größer die Dämpfung wird, desto weniger können sich Einbruchsfrequenzen ausbilden. Für den sehr großen Verlustfaktor  = 1 steigt das Dämmaß oberhalb der Resonanzfrequenz = 1 praktisch mit 40 dB pro Frequenzdekade an. Dies ist darauf zurückzuführen, daß bei großer Dämpfung praktisch keine stehenden Wellen im Stab entstehen können. Daher stellt sich das gleiche Verhalten wie beim maschinendynamischen Modell ein (vgl. Abschnitt 6.1). Aus Abb. 6.3–6.6 können folgende Schlüsse gezogen werden: 1. Im sehr tieffrequenten Bereich unterhalb der Eigenfrequenz des Einmassenschwingers (masselose Feder) liegt keine Dämmwirkung vor. Dies gilt unabhängig von der Größe der Dämpfung. Systeme mit dämmenden Gummielementen sind daher grundsätzlich tief abzustimmen. 2. Im höheren Frequenzbereich ergibt sich bei kleineren Verlustfaktoren eine Folge von Einbruchsfrequenzen, bei denen das Durchgangsdämmaß signifikant absinkt. Der Einbruch des Durchgangsdämmaßes kann bei sehr kleinen Verlustfaktoren und relativ kleinen bezogenen Kreiswellenzahlen mehr als 40 dB betragen. Der Verlust an Durchgangsdämmung ist bei tieferen Frequenzen größer als bei höheren. 3. Bei großer Dämpfung ( = 1) verschwinden die Einbrüche des Durchgangsdämmmaßes. Daher sind Gummimischungen mit großer Dämpfung grundsätzlich anzustreben. Dabei ist allerdings darauf zu achten, daß die Erwärmung infolge der Energiedissipation nicht zu groß wird. 4. Die Durchgangsdämmung wird um so größer, je größer das Massenverhältnis ist. Es ist also prinzipiell günstig, eine schwere Masse mit einem vergleichsweise „leichten“ Gummielement abzustützen. Dies kommt der Forderung nach tiefer Abstimmung entgegen. Die Grenze liegt in der statischen Belastbarkeit des Gummielementes. Näheres hierzu findet sich bei Gerwig [23].

Zusammenfassung 1. Für die Berechnung des Durchgangsdämmaßes stehen zwei Modelle zur Verfügung. Beim maschinendynamischen Modell wird die Abkopplung durch masselose, parallel geschaltete Elemente (Feder und Dämpfer) beschrieben. Im tieffrequenten Bereich findet keine Abkopplung statt. Bei Annäherung an die Eigenfrequenz des Systems erfolgt ein Einbruch des Durchgangsdämmaßes, dessen Größe durch die Dämpfung bestimmt wird. Im höherfrequenten Bereich steigt das Durchgangsdämmaß mit 40 dB pro Frequenzdekade an.

130

6 Abkopplung von Körperschall

2. Beim maschinenakustischen Modell wird das Abkoppelelement (Gummielement) als viskoelastischer Stab mit konstantem Querschnitt aufgefaßt. Die Frequenzgänge des Durchgangsmaßes hängen vom Verhältnis der abgekoppelten Masse zur Masse des Abkoppelelementes und der Dämpfung ab. Dieses Verhältnis wird als Massenverhältnis bezeichnet. Für kleine Werte der Dämpfung treten auch im hochfrequenten Bereich Einbrüche des Durchgangsdämmaßes auf. Die Abkopplung wird um so wirksamer, je größer das Massenverhältnis ist. Bei sehr großen Verlustfaktoren treten praktisch keine Einbrüche des Durchgangsdämmaßes auf. 3. Zur Beschreibung des Abkoppelverhaltens von Gummielementen wird das Durchgangsdämmaß (6.1) herangezogen. Für den kraft- und den geschwindigkeitserregten Einmassenschwinger sind die Durchgangsmaße für die Kraft bzw. die Geschwindigkeit gleich. 4. Bei einer realistischen Modellierung des Abkoppelverhaltens muß die Masse der Abkoppelelemente unbedingt berücksichtigt werden. Die Voraussagen des maschinendynamischen Modells (masselose Feder und masseloser Dämpfer) liefern im hochfrequenten Bereich unrealistische große Werte des Durchgangsdämmaßes. 5. Das Modell des Einmasseschwingers vermag nur die grundsätzlichen physikalischen Zusammenhänge der Abkopplung von Körperschall zu beschreiben. Bei realen Maschinen müssen zur Vorausberechnung des Abkoppelverhaltens von Körperschall numerische Methoden eingesetzt werden [40, Abschnitt 6.2].

7 Maschinenakustische Grundgleichung Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Beschreibung der indirekten Kette der Schallabstrahlung durch das Modell der maschinenakustischen Grundgleichung – Mittlere quadratische Übertragungsadmittanz für Körperschall – Einschränkungen der maschinenakustischen Grundgleichung – Kritik an den Referenzwerten der Pegelrechnung nach DIN EN 21683:1994 Die maschinenakustische Grundgleichung stellt eine sehr anschauliche Modellvorstellung dar, mit deren Hilfe grundlegende maschinenakustische Zusammenhänge verdeutlicht werden können. Dem Modell liegt das Blockschaubild nach Abb. 7.1 ~ zugrunde. Eine Struktur wird durch eine punktförmig wirkende Einzelkraft F(
) ~ erregt. Dies führt zur Anregung von Körperschall in der Struktur. Es sei v(
) die in Richtung der Normalen auf der Oberfläche (Flächeninhalt S) der Struktur wirkende Schnelle. Diese Schnelle verursacht die Abstrahlung von Luftschall, dessen Leistung P(
) sei. Durch Umstellen von (5.5) ergibt sich für die abgestrahlte Schalleistung P(
) = L cL Sv~ 2 (
) :

(7.1)

In (7.1) ist es nicht zweckmäßig, daß auf der rechten Seite mit dem flächengewichteten Quadrat v~ 2 der Schnelle (vgl. hierzu (4.65)) nicht die primäre Ursache für die Abstrahlung von Luftschall steht. Die primäre Ursache ist die effektive Erreger~ kraft F(
). Mit Hilfe des in Abschnitt 4.3 eingeführten Körperschallmaßes läßt sich (7.1) so umschreiben, daß auf der rechten Seite anstelle der mittleren quadratischen Schnelle die Erregerkraft steht. Mit der in (4.68) eingeführten mittleren quadratischen Übertragungsadmittanz gilt für die abgestrahlte Luftschalleistung P(
) = L cL (
) Sh2U (
) F~ 2 (
) :

(7.2)

Gleichung (7.2) wird als maschinenakustische Grundgleichung bezeichnet. Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie einen einfachen Zusammenhang zwischen der verursachenden Erregerkraft und der abgestrahlten Schalleistung herstellt. Dabei beschreiben die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz die Schwingbereitschaft der

Abb. 7.1. Blockschaltbild der Schallabstrahlung gemäß der maschinenakustischen Grund-

gleichung

132

7 Maschinenakustische Grundgleichung

Struktur und der Abstrahlgrad die Umsetzung von Körper- in Luftschall. Die maschinenakustische Grundgleichung läßt folgende anschauliche physikalische Interpretation zu. Die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz und der Abstrahlgrad können als „Bewertungsfunktionen“ gedeutet werden, durch deren Filterwirkung aus ~ dem bekannten Spektrum F(
;x 0 ) der an der Stelle x0 angreifenden Erregerkraft das Schalleistungsspektrum P(
) der erregten Struktur entsteht. Für die maschinenakustische Berechnungspraxis besonders wichtig ist die Pegeldarstellung der maschinenakustischen Grundgleichung. Sie lautet LP (
) = LF (
) + LSh2 (
) + 10 lg (
) dB :

(7.3)

U

Entsprechend zur Begriffsbildung „Körperschallmaß“ wird in (7.3) die Größe 10 log (
) als Abstrahlmaß bezeichnet. Die Summe von Körperschall- und Abstrahlmaß heißt Übertragungsmaß. Bei der Auswertung der maschinenakustischen Grundgleichung (7.3) ist folgendes zu beachten. Werden die Referenzwerte der beteiligten Pegel und die Kennwerte für die Berechnung der spezifischen Impedanz der Luft beim Normzustand in (7.2) eingesetzt, so soll sich der Referenzwert für die Berechnung des Leistungspegels ergeben. Sofern dies nicht zutrifft, muß in der Form (7.3) ein Korrekturterm eingeführt werden. Dies wird zunächst für die „alten“ Referenzwerte nach Tabelle 1.1 überprüft. Bei einem Druck von 1,013 bar und einer Temperatur von 293 K beträgt die spezifische Impedanz der Luft L cL = 413;7 Ns=m. Der Referenzwert der Fläche beträgt S0 = 1 m2 . Für den Referenzwert der mittleren quadratischen Übertragungsadmittanz ergibt sich mit den Referenzwerten für Schnelle und Kraft nach Tabelle 16 1.1 h2U0 m2 =(s2 N2 ). Damit wird  = 25
10 F20;a = 1;034
1012 W  P0 : L cL S0 h2U0;a  Es ergibt sich also mit recht guter Genauigkeit der Referenzwert für die Bildung des Leistungspegels. Die entsprechende Korrektur des Leistungspegels beträgt -0,15 dB und kann im Rahmen der Meßgenauigkeit vernachlässigt werden. Bei der Verwendung der Referenzwerte nach DIN EN 21683:1994 ergibt sich dagegen 2 16 L cL S0 h2U0 W;  n F0;n = 41;4
10

was nicht mit dem Referenzwert der Leistung übereinstimmt. Dies ist ein wesentlicher Grund, der gegen die Verwendung der neuen Referenzwerte nach DIN EN 21683:1994 spricht. Weiteres hierzu findet sich in [40, Kapitel 7]. Ferner ist zu beachten, daß die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz (4.68) und damit das Körperschallmaß (4.69) nur für eine einzige Erregerkraft definiert sind. Für den Abstrahlgrad gilt diese Einschränkung nicht, da in seine Definition (5.5) die abgestrahlte Schalleistung und das über die abstrahlenden Fläche gemittelte Quadrat der effektiven Schnelle eingehen. Sofern mehrere Kräfte angreifen, kann im Rahmen der als gültig vorausgesetzten linearen Elastizitätstheorie für jede Kraft die Schnelleverteilung berechnet werden. Anschließend können diese Schnellevertei-

7 Maschinenakustische Grundgleichung

133

lungen superponiert und sodann ihr flächengemitteltes Quadrat bestimmt werden. Derartige Berechnungen lassen sich für geometrische komplexe Strukturen mit der Methode der Finiten Elemente (vgl. Kapitel 8) durchführen. Bei der Anwendung der maschinenakustischen Grundgleichung ist zu berücksichtigen, daß es sich bei ihr um eine sehr vereinfachende Modellvorstellung handelt. Im einzelnen liegen folgende Vereinfachungen vor: – In der Regel werden Maschinenstrukturen von einer größeren Anzahl von Kräften erregt. Die maschinenakustische Grundgleichung geht davon aus, daß nur eine einzige Erregerkraft wirkt. – Die im allgemeinen sehr komplexe Verteilung der Schnelle des Körperschalls auf der abstrahlenden Oberfläche der Struktur wird nur durch eine flächenhafte Mittelung nach (4.65) berücksichtigt. – Der Abstrahlgrad wird in aller Regel mittels einfacher Formeln ermittelt, welche aus der Theorie des Kugelstrahlers nullter Ordnung entwickelt werden (vgl. hierzu Abschnitt 5.3). Der Kugelstrahler nullter Ordnung stellt ein sehr vereinfachendes Modell für Abstrahlung realer Maschinen dar. Auf der anderen Seite kommt der maschinenakustischen Grundgleichung große Bedeutung für das Verständnis des Zusammenwirkens der einzelnen physikalischen Mechanismen zu, auf denen die Schallabstrahlung technischer Objekte beruht. In Abb. 7.1 ist in einem Blockschaltbild die der maschinenakustischen Grundgleichung entsprechende Wirkungskette der Schallabstrahlung von Maschinen dargestellt. Die Eingangsgröße ist das Spektrum der Erregerkraft. Es regt die Maschinenstruktur zu Körperschall an. Dieser Mechanismus wird durch das Körperschallmaß erfaßt. Der auf der Oberfläche der Struktur wirkende Körperschall führt zur Abstrahlung von Luftschall. Der Mechanismus der Abstrahlung wird in der maschinenakustischen Grundgleichung durch das Abstrahlmaß dargestellt. Als Ausgangsgröße des Blockschaltbildes ergibt sich die abgestrahlte Schalleistung. Das Blockschaltbild der maschinenakustischen Grundgleichung stellt eine wichtige Hilfe bei der Durchführung von Maßnahmen zur aktiven Lärmminderung an Maschinen dar. Es zeigt nämlich den Zusammenhang zwischen Eingangs- (Erregerkraft) und Ausgangsgröße (abgestrahlte Schalleistung). Ferner vermittelt sie Einsicht, welche Möglichkeiten zur Verminderung der abgestrahlten Schalleistung gegeben sind. Diese sind – Reduktion der Erregerkräfte, – Reduktion der Anregung von Körperschall, – Reduktion der Abstrahlung. Dabei wirken sich konstruktive Maßnahmen zu Verminderung des Körperschallverhaltens immer auch auf den Abstrahlgrad (und umgekehrt) aus. Sie sind immer dann besonders wirksam, wenn sie in Frequenzbereiche fallen, in denen die Erregerkräfte große Werte annehmen. Maßnahmen zur Verminderung der Erregerkräfte beeinflussen i.a. weder das Körperschall- noch das Abstrahlverhalten. Ausführlich wird auf diese Zusammenhänge in Kap. 13 eingegangen.

134

7 Maschinenakustische Grundgleichung

Zusammenfassung 1. Die maschinenakustische Grundgleichung (7.2) stellt ein einfaches, anschauliche Modell für die indirekte Schallabstrahlung dar. Sie verknüpft die Ursache (Erregerkraft) mit der Wirkung (abgestrahlte Schalleistung). 2. Besonders einfach stellen sich die Zusammenhänge in der Pegelschreibweise (7.3) dar. Der Pegel der abgestrahlten Leistung ergibt sich als Summe des Pegels der Erregerkraft und von Körperschall- und Abstrahlmaß. 3. Die maschinenakustische Grundgleichung zeigt die grundsätzlichen Möglichkeiten der Lärmminderung an Maschinen auf. Diese sind: – Verringerung der erregenden Kräfte, – Verminderung von Körperschall- und Abstrahlmaß. 4. Maßnahmen zur Verminderung der Erregerkräfte beeinflussen i.a. weder das Körperschall- noch das Abstrahlmaß. Konstruktive Änderungen, welche das Körperschallmaß reduzieren, beeinflussen dagegen meistens das Abstrahlmaß und umgekehrt. Dabei sind die Auswirkungen häufig gegenläufig, d.h. eine Reduktion des Körperschallmaßes bewirkt einen Anstieg des Abstrahlmaßes. Daher ist es außerordentlich wichtig, konstruktive Änderungen immer hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Körperschall- und Abstrahlmaß zu untersuchen. 5. Die maschinenakustische Grundgleichung stellt lediglich ein sehr vereinfachendes Modell dar. Es wird von nur einer wirkenden Erregerkraft ausgegangen. Die Ermittlung der Spektren von Körperschall- und Abstrahlmaß ist eine schwierige Aufgabe, die bei komplexeren Strukturen nur mit numerischen Verfahren (Finite Elemente für Körperschall und Infinite Elemente oder Randelemente für Luftschall) gelöst werden kann.

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Grundlagen der Finite Elemente Methode für die Berechnung von Körperschallfeldern (Abschn. 8.1) – Numerische Modalanalyse zur Ermittlung der Systemantwort bei zeitlich harmonischer Erregung im eingeschwungenen Zustand (Abschn. 8.2) – Hinweise für den praktischen Einsatz der Numerischen Modalanalyse Numerische Verfahren werden in der Maschinenakustik sowohl für die Berechnung von Körperschall- als auch von Luftschallfeldern verwendet. In diesem Buch kann nur ein sehr überschlägiger Einblick in die grundlegenden numerischen Verfahren der Maschinenakustik gegeben werden. Eine vertiefte Darstellung findet sich in [40].

8.1 Grundlagen der Finiten Elemente Die Finite Element Methode (abgekürzt FEM) stellt ein universell einsetzbares, numerisches Verfahren zur Gewinnung von Näherungslösungen für Randwert- und Anfangs-Randwert-Probleme dar. Das Schrifttum zur FEM ist nahezu unübersehbar. Eine gute, ingenieurmäßige Einführung in dieAnwendung der FEM auf Probleme der Festkörpermechanik bietet [3]. Deutlich anspruchsvoller ist das Buch von Hughes [31]. Eine für Ingenieure geeignete Einführung in die mathematische Theorie der Finiten Elemente enthält das Buch von Johnson [33]. Betrachtet wird ein dreidimensionaler, isotroper elastischer Körper B, der schematisch in Abb. 8.1 dargestellt ist. Der Rand dieses Körpers sei @B. Der Rand eines jeden Körpers läßt sich eindeutig in zwei Teilränder @Bu und @Bt zerlegen. Diese beiden Teilränder weisen keine gemeinsamen Punkte auf. Auf dem Rand @Bu sind die Komponenten des Verschiebungsvektors u(xi ;t)1 vorgeschrieben, auf dem Teilrand @Bt diejenigen des Spannungsvektors t(xi ; t). Es sei
der Spannungstensor mit den Komponenten ij ; i; j = 1; 2; 3 und n der Einheitsnormalenvektor auf dem Teilrand @Bt mit Komponenten ni ; i = 1; 2; 3. Dann ergibt sich der Spannungsvektor2 zu t :=
n = ij nj : 1

2

(8.1)

Überstreichen einer Funktion bedeutet, daß diese eine vorgegebene Funktion der in Klammern angegebenenArgumente, im vorliegenden Fall also der Ortskoordinaten xi ; i = 1; 2; 3 und der Zeit t ist. Es gilt die Einsteinsche Summenkonvention. Über zwei gleiche Indizes ist von 1 bis 3 zu summieren. In (8.1) bedeutet also ij nj =

3  j=1

ij nj :

136

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

Abb. 8.1. Elastischer Körper

Zu den oben verbal beschriebenen Randbedingungen müssen bei einem dynamischen Problem noch Anfangsbedingungen treten, durch welche die räumlichen Verteilungen der Verschiebungen und der Geschwindigkeiten auf dem Rand B zur Zeit t = 0 vorgegeben werden. Sie werden hier nicht explizit angegeben (vgl. hierzu [40]), in dem auch die exakte Formulierung der Randbedingungen zu finden ist. Das zu lösende Anfangs-Randwert-Problem kann in seiner sogenannten schwachen Form angegeben werden. Dabei wird von der Darstellung mittels des Matrizenkalküls Gebrauch gemacht. Die Unbekannte des Problems ist der Vektor der Verschiebungen ' (T u = u1 u2 u3 : (8.2) Hierin sind u1 ; u2 ; u3 die Komponenten des Verschiebungsvektors in Richtung der drei kartesischen Koordinatenachsen xi ; i = 1; 2; 3. Ferner wird der Vektor der Verzerrungskomponenten benötigt, der sich aus den partiellen Ableitungen der Verschiebungen nach den Ortskoordinaten berechnen läßt (u) := @u1 @x1

@u2 @x2

@u3 @x3

@u1 @u2 + @x2 @x1

@u2 @u3 + @x3 @x2

@u3 @u1 + @x1 @x3

T : (8.3)

Gleichung (8.3) läßt sich symbolisch in der kompakten Form (u) := L u

(8.4)

schreiben, wobei L der Verzerrungs-Verschiebungs-Operator ist. Die Spannungen
lassen sich mittels des verallgemeinerten Hookeschen Gesetzes (E = Elastizitätsmodul,  = Querdehnungszahl )
= D (u) :

(8.5)

8.1 Grundlagen der Finiten Elemente

137

Hierin ist D :=

⎛

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ E (1  ) ⎜ (1 + )(1  2) ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

1  1  1

⎞

 1  1 1

 1 1  1

1  2 2(1  )

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ 1  2 ⎠ 2(1  )

1  2 2(1  )

(8.6) die Elastizitätsmatrix für den isotropen Körper. Die schwache Form des Gleichgewichts lautet dann



 wT  u dV

B 

!

"

Virtuelle Arbeit Massenkraft

wT C u_ dV

+ B 

!

+

"

Virtuelle Arbeit Dampfungskraft



 (w) D (u) dV =

wT b dV

T

B 

!

"

Virtuelle Arbeit Steiˇgkeitskraft

B 

!

+

"

Virtuelle Arbeit Volumenkraft

 wT t dS B 

!

:

"

Virtuelle Arbeit Randlasten

(8.7) In (8.7) ist b der Vektor der Volumenkraft. Die Größe w bezeichnet den Vektor der „virtuellen Verschiebungen“ . Dieser kann anschaulich so gedeutet werden, daß dem unter den äußeren Lasten (Volumenkraft und Randlasten) im Gleichgewicht stehenden Körper gedachte, virtuelle

138

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

Verschiebungen auferlegt werden. Der Vektor der virtuellen Verschiebungen besitzt im dreidimensionalen Fall wie der Vektor der Verschiebungen drei Komponenten wi ; i = 1; 2; 3. Die virtuellen Verschiebungen müssen so gewählt werden, daß sie auf dem Rand @Bu mit vorgeschriebenen Verschiebungen verschwinden. Die virtuellen Verschiebungen führen zu virtuellen Verzerrungen. Die virtuellen Verzerrungen lassen sich wie die wirklichen Verzerrungen berechnen, indem in (8.3) bzw. (8.4) die Verschiebungen u durch die virtuellen Verschiebungen w ersetzt werden. Es gilt also (w) := L w

(8.8)

Der Vektor w der virtuellen Verschiebungen besitzt den gleichen Aufbau wie der Vektor der realen Verschiebungen u in (8.2). Die Größe C in (8.7) ist die Dämpfungsmatrix. Ein Punkt über einer Größe bedeutet die Bildung der partiellen Ableitung nach der Zeit, also ist z.B. u_ = @u=@t der Vektor der Geschwindigkeit. Wesentlich ist, daß (8.7) für jede virtuelle Verschiebung erfüllt werden muß. Dabei ist zu beachten, daß es unendlich viele zulässige virtuelle Verschiebungen gibt. Eine virtuelle Verschiebung ist zulässig, wenn die Funktion w(x) gewisse Regularitätsanforderungen [40, S. 200] erfüllen und auf dem Rand @Bu mit vorgegebenen Verschiebungen verschwinden. Gleichung (8.7) läßt eine mechanische Deutung zu. Der erste Term auf der linken Seite ist die virtuelle Arbeit der d`Alembertschen Trägheitskraft, der zweite Term ist die virtuelle Arbeit der Dämpfungskräfte und der dritte die virtuelle Arbeit der elastischen Spannungen bei Vorgabe der virtuellen Verschiebung w. Die Ausdrücke auf der linken Seite stellen innere virtuelle Arbeiten dar. Auf der rechten Seite stehen die virtuellen Arbeiten der äußeren Belastungen, nämlich der Volumenkraft b und des auf dem Teilrand @Bt vorgegebenen Spannungsvektors t. Gl. (8.7) sagt also aus, daß bei einer beliebigen virtuellen Verschiebung die inneren virtuellen Arbeitsausdrücke mit den äußeren im Gleichgewicht stehen müssen. Gleichung (8.7) kann i.a. nicht in geschlossener Form gelöst werden. Dies gilt insbesondere für Strukturen mit komplexer Geometrie, wie sie üblicher Weise in der Maschinenakustik vorliegen. Die FEM stellt ein numerisches Verfahren dar, um eine Näherungslösung von (8.7) zu gewinnen. Dazu wird in einem ersten Schritt der Körper B gemäß Abb. 8.2 in eine endliche Menge von sich nicht überdeckenden Teilgebieten eingeteilt, die als Elemente bezeichnet werden. Dieser Vorgang wird als Triangulation des Berechnungsgebietes bezeichnet. Es gibt sehr viele verschiedene geometrische Formen von Elementen. In Abb. 8.2 sind sog. Dreieckselemente dargestellt. Für ebene Probleme werden häufig Vierknotenelemente gemäß Abb. 8.3 verwandt. Es ist auch möglich, ebene Elemente mit gekrümmten Rändern zu konstruieren. Eine Übersicht gängiger Elementtypen findet sich in der Literatur [3, 31]. Für das folgende werden einige Angaben zur Geometrie des FEM-Netzes benötigt. Es sei Nel die Anzahl aller Elemente, die eine Struktur abbilden. Die einzelnen Elemente werden durch einen laufenden Index j gekennzeichnete, wobei 1  j  Nel gilt. Die Eckpunkte der Elemente heißen Knoten. Es sei k(j) die Anzahl

8.1 Grundlagen der Finiten Elemente

139

Abb. 8.2. Einteilung eines ebenen Körpers in Finite Elemente

Abb. 8.3. Ebenes Vierknotenelement

der Knoten3 des Elementes j. Innerhalb des Elementes j wird ein Index a für die Kennzeichnung der Knoten eingeführt (1  a  k(j) ). Außerdem wird für jedes Element ein lokales, i.a. kartesisches Koordinatensystem  eingeführt. Außerdem wird ein globales, kartesisches Koordinatensystem benötigt, das für alle Elemente identisch ist. Zwischen den lokalen und dem globalen Koordinatensystem bestehen Koordinatentransformationen, die hier nicht angegeben werden. Der Grundgedanke der FEM besteht darin, für die gesuchten Unbekannten innerhalb eines jeden einzelnen Elementes eine Approximation zu konstruieren. Aus den Approximationen aller Elemente kann eine Näherungslösung des betrachteten Problems gewonnen werden. Innerhalb eines jeden einzelnen aller Elemente, welche die zu berechnende Struktur überdecken, werden sog. Formfunktionen eingeführt. Für jeden Knoten eines Elements wird eine Formfunktionen definiert. Die Formfunktionen werden grundsätzlich in den lokalen Koordinaten  des betrachteten Elementes formuliert. Es bezeichne N(j) a () die Formfunktion für den Knoten a innerhalb des Elementes j. Es sei a der Ortsvektor des Knotens a innerhalb des betrachteten Elementes j. Ferner sei b der Ortsvektor für einen anderen Knoten b 6= a innerhalb des betrachteten Elementes. Dann muß jede zulässige Formfunktion folgende 3

Die Anzahl der Knoten muß nicht für alle Elemente einer Struktur gleich sein. Es können beispielsweise bei ebenen Problemen Drei- und Vierknotenelemente kombiniert werden.

140

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

Abb. 8.4. Typische bilineare Formfunktion für ein ebenes Element mit vier Knoten

Eigenschaften besitzen N(j) a (a ) = 1 ; N(j) a (b ) = 0 ;

fur a 6= b :

Dies läßt sich zusammenfassen in N(j) a (b ) = ıab ;

(8.9)

wobei ıab das Kroneckersche Deltasymbol ist. Es seien a und b ganze Zahlen. Dann gilt ⎧ ⎨ 1 wenn a = b ıab = ⎩ 0 wenn a 6= b Abb. 8.4 zeigt eine typische bilineare Formfunktion für das ebene Element mit vier Knoten nach Abb. 8.3. Am Knoten a nimmt die Formfunktion Na den Wert 1 und an allen anderen Knoten den Wert 0 an. Im folgenden werden die Formfunktionen für das Vierknotenelement nach Abb. 8.3 angegeben. Der Ursprung des lokalen Koordinatensystems werde in den Mittelpunkt des Elements gelegt. Die Seitenlängen des Elementes seien A und B. Dann gilt unter Weglassen des Elementindex j N1 ( 1 ; 2 ) =

1 (A  1 )(B + 2 ) ; 4AB

N2 ( 1 ; 2 ) =

1 (A  1 )(B  2 ) ; 4AB

N3 ( 1 ; 2 ) =

1 (A + 1 )(B  2 ) ; 4AB

N4 ( 1 ; 2 ) =

1 (A + 1 )(B + 2 ) : 4AB

Weitere Beispiele für spezielle Formfunktionen sind der Literatur [3, 31] zu entnehmen.

8.1 Grundlagen der Finiten Elemente

141

Die unbekannten Verschiebungen u werden innerhalb eines jeden Elementes mit Hilfe der Formfunktionen approximiert. Dazu werden jedem Knoten a unbekannte Werte Ua für den gesuchten Verschiebungsvektor u zugeordnet. Die Größen Ua hängen nicht mehr von den Ortskoordinaten ab. Da jedoch die gesuchte Näherungslösung von (8.7) von der Zeit abhängt, müssen die Unbekannten Ua (t) von der Zeit abhängen. Innerhalb eines beliebigen Elementes j (1  j  Nel ) werden die Verschiebungen durch den folgenden Ansatz approximiert u(j) = N(j) U(j) :

(8.10)

Dabei werden die Komponenten des Verschiebungsvektors an den k ten zu dem Vektor (T ' (j) T T U(j) := (U1 ) (U2 ) : : : (Ua )T : : : (Uk )T mit Ua =

(j)

Elementkno(8.11)

(T

' Ua1

Ua2

Ua3

(8.12)

zusammengefaßt. Die unbekannten Verschiebungen an den Elementknoten heißen Freiheitsgrade. Die Anzahl der Freiheitsgrade4 aller Nel Elemente sei Nf . Ferner ist N(j) in (8.10) die Matrix der Formfunktionen für das Element j. Gl. (8.10) stellt die lokale Approximation des gesuchten Verschiebungsvektors innerhalb des Elementes j dar. Gl. (8.10) wird als diskrete Darstellung des Verschiebungsvektors auf Elementebene bezeichnet. Die Anordnung der Formfunktionen Na zur Matrix N(j) hängt von der Anzahl (j) k der Knoten im Element j und der Anzahl der Unbekannten pro Knoten (im dreidimensionalen Fall 3) ab. Beispielsweise lautet die Matrix N der Formfunktionen für das ebene Element mit vier Knoten (vgl. Abb. 8.3) ⎞ ⎛ N1 0 N2 0 N3 0 N4 0 ⎠: N=⎝ 0 N1 0 N2 0 N3 0 N4 Im ebenen Fall besitzt der Vektor der Knotenverschiebungen die zwei Komponenten U1 und U2 . Daher lautet gemäß (8.12) der zugehörige Vektor der Knotenverschiebungen oder Elementfreiheitsgrade ' (T U = U11 U12 U21 U22 U31 U32 U41 U42 : Hierin kennzeichnen die oberen Indizes die Knoten und die unteren die beiden Verschiebungskomponenten in 1 - bzw. 2 -Richtung. Als nächstes wird die diskrete Darstellung des Verzerrungsvektors auf Elementebene angegeben. Durch Einsetzen von (8.10) in (8.4) ergibt sich (u(j) ) = B(j) U(j) 4

(8.13)

Die Anzahl der globalen Freiheitsgrade ist gleich der Anzahl Nk aller Knoten sämtlicher Elemente multipliziert mit der Zahl nu der Verschiebungskomponenten pro Knoten abzüglich der Anzahl der vorgegebenen Verschiebungsrandwerte aller auf dem Rand @Bu liegenden Knoten.

142

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

mit der diskreten Verzerrungs-Verschiebungs-Matrix für das Element j B(j) := L N(j) :

(8.14)

Entsprechend gelten bei der Methode der Finiten Elemente für die Testfunktionen (virtuelle Verschiebungen) und den Ausdruck (w) (virtuelle Verzerrungen) die diskreten Darstellungen w(j) = N(j) W(j) ;

(8.15)

(w(j) ) = B(j) W(j) :

(8.16)

Hierin ist W(j) der Vektor der Knotenwerte der Testfunktionen für das Element j. Im Gegensatz zum Vektor der Knotenverschiebungen U(j) hängt er nicht von der Zeit ab. Zur weiteren Einführung der FEM werden die Integrale in (8.7) als Summen von Nel Integralen über die einzelnen Elemente bzw. deren Ränder angeschrieben. Durch Einsetzen von Gln. (8.10–8.16) in die so umgeformte Gleichung5 (8.7) folgt die sogenannte Semidiskretisierung6 ⎧ ⎪ ⎡ ⎤ ⎤ ⎡ ⎪ ⎪ Nel  Nel  ⎨   ) * ) * T T  +⎣ _ WT ⎣ N(j) (j) N(j) dV(j) ⎦ U N(j) C(j) N(j) dV(j) ⎦ U ⎪ ⎪ j=1 j=1 ⎪ ⎩ (j ) B

⎡ +⎣

Nel   ) j=1

(j ) B

B

(j ) B

* (j) T

D(j) B(j) dV(j)

⎫ ⎤ ⎪ ⎡ ⎪ ⎪ Nel ⎬  ⎦ U = WT ⎣ ⎪ ⎪ j=1 ⎪ ⎭



)

N

* (j) T

⎤ t(j) dS(j) + Floc ⎦ :

@Bt (j )

(8.17) Zu (8.17) werden die folgenden Erläuterungen gegeben. Die Größe W ist der globale Vektor der Knotenwerte der Testfunktionen w aller Elemente, und entsprechendes gilt für den Vektor U der globalen Verschiebungsfreiheitsgrade. Ferner wird zugelassen, daß die Werkstoffgrößen (, c, E und ) von Element zu Element veränderlich sind. Im Oberflächenintegral auf der rechten Seite von (8.17) ist der Rand @B(j) t des Elementes j wie folgt erklärt 3 (j) @B(j) @Bt ; t := @B wobei @B(j) der gesamte Rand des Elements j ist. Sofern es sich bei dem Element j um ein „inneres“ Element handelt, das keine Punkte mit dem Rand @Bt gemeinsam (j) hat, so ist @B(j) t leer (@Bt = ;), und das Element j liefert dann keinen Beitrag zu dem Oberflächenintegral in (8.17). Die Situation ist für die Elemente j und k 5

6

Der Einfachheit halber wird die umgeformte Gl. (8.7) vor dem Einsetzen der diskreten Darstellungen Gln. (8.10–8.16) hier nicht angegeben. Gl. (8.17) stellt eine Semidiskretisierung insofern dar, als (8.7) nur in den Ortskoordinaten, nicht aber in der Zeit diskretisiert wird.

8.1 Grundlagen der Finiten Elemente

143

(k) Abb. 8.5. Zur Definition der Elementränder @Bt und @B(k) t (@Bt = ;) (j)

in Abb. 8.5 dargestellt. Das Element j hat gemeinsame Punkte mit dem Rand @Bt , während das Element k ein „inneres“ Element ist, das keinen Beitrag liefert. Der Vektor Floc ist schließlich ein global für die gesamte Struktur erklärter Vektor, der die l lokal in einzelnen Knoten der Struktur angreifenden Einzelkräfte Fi (i = 1;2; : : : ;l) an entsprechenden Positionen und Nf  l Nullen enthält. Dabei wird vorausgesetzt, daß Einzelkräfte, die zwischen zwei Elementknoten angreifen, auf diese Knoten als statisch äquivalente Kräfte reduziert werden (vgl. hierzu auch [3]). Die Volumenund Randintegrale in (8.17) sind über die Elementvolumina bzw. Elementränder zu bilden. Da (8.7) für jede beliebige Testfunktion erfüllt sein muß, muß (8.17), das aus (8.7) folgt, für beliebige Approximationen w(j) = N(j) W(j) der Testfunktionen aller Elemente j = 1; : : : ;Nel ebenfalls erfüllt sein. Die Beliebigkeit des Vektors aller Testfunktionen ergibt sich dadurch, daß der Vektor W der Knotenwerte dieser Testfunktionen beliebig ist. Daher stellt (8.17) ein System von gekoppelten, gewöhnlichen, linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung für die unbekannten Knotenwerte des Verschiebungsvektors7 dar. Dieses System von linearen Differentialgleichungen läßt sich mit den folgenden Matrizen bzw. Vektoren sehr kompakt schreiben M :=

Nel   j=1

C :=

7

(N(j)

*T

(j) N(j) dV(j) ;

(8.18)

C(j) N(j) dV(j) ;

(8.19)

(j ) B

Nel   j=1

)

)

N(j)

*T

(j ) B

Es ist zu beachten, daß die Knotenverschiebungen U bei dynamischen Problemen noch von der Zeit t abhängen.

144

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

K :=

Nel   j=1

F :=

B(j)

*T

D(j) B(j) dV(j) ) ;

(8.20)

(j ) B

Nel   j=1

)

(Nel )T t(j) dS(j) + Floc :

(8.21)

@B(j) t

Damit nimmt (8.17) die Form  + CU _ + KU = F MU

(8.22)

an. Die Größe M heißt globale Massenmatrix , C globale Dämpfungsmatrix , K globale Steifigkeitsmatrix und F globaler Lastvektor . Entsprechend werden die Größen hinter den Summenzeichen auf den rechten Seiten von Gln. (8.18) bis (8.21) als Elementmatrizen bzw. Elementlastvektor bezeichnet. Die Summenzeichen sind so zu verstehen [3], daß die Beiträge der Elementgrößen entsprechend der Elementstruktur in die globalen Matrizen bzw. den globalen Lastvektor geschrieben werden. Nähere Einzelheiten zu diesem Assemblierungsprozeß sind der Literatur [31] zu entnehmen. Formal gleicht (8.22) der Bewegungsgleichung (4.1) des gedämpften Einmasseschwingers. Nur treten an die Stelle des einen Freiheitsgrades x des Einmasseschwingers die Knotenverschiebungen U. Ferner wird die Masse m ersetzt durch die Massenmatrix M, die Dämpfungskonstante c durch die Dämpfungsmatrix C und die Federsteifigkeit k durch die Steifigkeitsmatrix K. An die Stelle der Einzelkraft F tritt der Lastvektor F. Das für die gesamte Dynamik grundlegende Prinzip des Gleichgewichtes zwischen äußeren Lasten und der Summe von Massen-, Dämpfungs- und Steifigkeitskräften zeigt sich in (8.22) wieder deutlich. Die Überführung der kontinuierlichen schwachen Form (8.7) in die algebraische Approximation (8.22) wird als Diskretisierung bezeichnet. Diese Bezeichnung rührt daher, daß in (8.22) die unbekannten Verschiebungen nur als Werte U in den Knoten des FEM-Netzes, also in diskreten Punkten gesucht werden. Da in (8.22) die Zeit noch als kontinuierliche Größe auftritt, liegt genau genommen keine volle Diskretisierung8 sondern eine Semidiskretisierung vor. Die Systemmatrizen weisen folgende für die praktische numerische Berechnung wesentlichen Eigenschaften auf: 1. Die globalen Matrizen nach Gln. (8.18–8.20) sind symmetrisch. Diese Eigenschaft verringert den Bedarf an Rechenzeit und Speicherplatz bei derAusführung der Berechnungen auf dem Computer beträchtlich. 2. Es läßt sich zeigen [31], daß bei Vorgabe von mechanisch sinnvollen Randbedingungen für den Verschiebungsvektor auf dem Teilrand @Bu die Massen-

8

Bei einer vollen Diskretisierung sind sowohl der Ort als auch die Zeit in diskrete Orts- bzw. Zeitpunkte aufgelöst.

8.2 Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse

145

und die Steifigkeitsmatrix positiv-definit9 sind. Diese Randbedingungen liegen bei technischen Problemen immer vor. Diese Eigenschaft ist wichtig bei der Konstruktion geeigneter numerischer Lösungsverfahren für das globale System (8.22). 3. In der FEM-Literatur [3, 31] wird gezeigt, daß die globalen Systemmatrizen bandartig besetzt sind. Eine Matrix besitzt bandartige Struktur, wenn nur auf und in der Nachbarschaft ihrer Hauptdiagonalen von Null verschiedene Elemente auftreten. Hierdurch wird weiterer Speicherplatz eingespart. 4. Die globalen Systemmatrizen lassen sich sehr effektiv aus den Elementmatrizen aufbauen. Dies bietet bei der Implementierung auf dem Rechner wesentliche Vorteile [3, 31]. Auf Detailfragen der Implementierung von (8.22) bzw. der Gln. (8.18–8.21) auf dem Computer kann in diesem Buch nicht eingegangen werden. Zu diesen Fragen wird auf die Literatur [3, 31] verwiesen.

8.2 Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse In diesem Abschnitt wird ein Verfahren zur Lösung von (8.22) behandelt. Grundsätzlich läßt (8.22) zwei Möglichkeiten der weiteren Behandlung zu. Einmal kann eine an die Anfangsbedingungen (vgl. hierzu S. 136) angepaßte Lösung der inhomogenen Gl. (8.22) ermittelt werden. Diese Rechnung ist sehr aufwendig, weil zusätzlich zu der räumlichen noch eine zeitliche Diskretisierung erforderlich ist und das gekoppelte Differentialgleichungssystem (8.22) numerisch integriert werden muß. Nähere Einzelheiten hierzu sind der Literatur [3, 31] zu entnehmen. Für maschinenakustische Berechnungen wichtig ist das Verfahren der „Numerischen Modalanalyse“, das für periodische Erregerkräfte anwendbar ist. Der Lastvektor F weist also unter dieser Voraussetzung die Darstellung ^ exp(i˝t) F=F

(8.23)

^ denVektor der in den Elementknoten der Struktur wirkenden Kraftampliauf, in der F ^ wird im allgemeinen tuden und ˝ die Erregerkreisfrequenz darstellen. Der Vektor F Fall als komplex vorausgesetzt, weil damit unterschiedliche, beliebige Phasenlagen der in den Elementknoten angreifenden Einzelkräfte zugelassen werden. Der Ausdruck (8.23) legt für den gesuchten Vektor der Knotenverschiebungen den Ansatz ^ exp(i˝t) U=U

(8.24)

nahe. Einsetzen von Gln. (8.23 und 8.24) in (8.22) liefert ^ + i ˝C U ^ + KU ^ =F ^; ˝2 M U 9

(8.25)

Eine quadratische (n; n) -Matrix M ist positiv-definit, wenn für jeden beliebigen (n; 1) Vektor a die Ungleichung aT M a  0 erfüllt ist und aT M a = 0 dann und nur dann gilt, wenn a = 0 ist.

146

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

wobei der komplexe Zeitanteil exp(i˝t) von der Lösung abgespalten wurde. Durch die Voraussetzung (8.23) und den Ansatz (8.24) wird das Differentialgleichungssystem (8.22) aus dem Zeit- in den Frequenzbereich transformiert. Eine direkte Lösung des komplexen Gleichungssystems ist schwierig und vor allem sehr rechenzeitaufwendig. Daher werden numerische Näherungen für die Eigenfunktionen des betrachteten kontinuierlichen Schwingers gesucht. Diese Näherungen werden als „Moden“ bezeichnet. Sie werden durch numerische Lösung eines verallgemeinerten Eigenwertproblems (K  !2i M) ˚i = 0

(8.26)

bestimmt. Die Größen !i sind Näherungen der Eigenkreisfrequenzen und die Größen ˚i sind die gesuchten Moden. Die Anzahl nmod der zu ermittelnden Moden und zugehörigen Eigenwerte ist im allgemeinen wesentlich kleiner als die Anzahl Nf der globalen Freiheitsgrade des Systems (8.25) (nmod  Nf ), da eine vollständige Berechnung aller Nf Moden und der zugehörigen Eigenwerte numerisch zu aufwendig ist. Es läßt sich zeigen [3], daß die Eigenwerte !i reell sind. Ferner weisen die Moden bestimmte Orthogonalitätseigenschaften auf [40, S. 212 f]. Voraussetzung hierfür ist, daß sogenannte proportionale Dämpfung vorliegt ˚Ti C ˚j = 2!i i ıij :

(8.27)

Ein Sonderfall der proportionalen Dämpfung ist die Rayleigh-Dämpfung nach C = aM + bK ;

(8.28)

wobei a; b  0 reelle Zahlen sind. Ein sehr wichtiger Schritt der Numerischen Modalanalyse besteht darin, die Anzahl der Freiheitsgrade drastisch zu reduzieren. Dazu werden sämtliche nmod numerisch bestimmten Moden in der Modalmatrix angeordnet , + (8.29) Φ := ˚1 ˚2 : : : ˚i : : : ˚nmod : Diese Matrix weist Nf Zeilen (Nf = Anzahl der Freiheitsgrade) und nur nmod Spalten auf. Mit Hilfe der modalen Transformation ^ ^ := U ΦX

(8.30)

^ generiert, der nur noch nmod Unbekannte enthält. In gleicher wird ein neuer Vektor U Weise wird der Vektor der äußeren Kräfte auf den Vektor der modalen Kräfte ^ ^ := ΦT F R

(8.31)

reduziert. Weiter kann gezeigt werden [40, S. 215], daß die nmod Gleichungen für die Berechnung der Komponenten entkoppelt sind. Dies bedeutet, daß jede Komponente Xi dieses Vektors für sich berechnet werden kann gemäß ^j= X

R^ j : ˝2 + i 2 j ˝ !j + !2j

(8.32)

8.2 Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse

147

^ j einen einzigen modalen Freiheitsgrad repräsentiert. Es ist zu beachten, daß X Durch Multiplizieren der rechten Seite von (8.32) mit i ˝ ergibt sich die zur Mode j gehörende modale Schnelle. Die Näherung für die Schnelle des Subsystems mit nmod Freiheitsgraden folgt schließlich unter Berücksichtigung von (8.30) zu ^ = V

nmod 

^ j: ˚j i ˝ X

(8.33)

j=1

Zur Berechnung des Betrages der Schnelle muß auf der rechten Seite von (8.33) Der Betrag der gesamten Summe gebildet werden. Bei der Anwendung der rechnerischen Modalanalyse auf maschinenakustische Probleme sind folgende Gesichtspunkte wichtig: 1. Es ist darauf zu achten, daß im interessierenden Frequenzbereich eine hinreichende Anzahl von Moden bzw. Eigenwerten des verallgemeinerten Eigenwertproblems (8.26) ermittelt werden. Prinzipiell ist die Anzahl der Eigenfrequenzen hinreichend, wenn alle im akustischen Frequenzbereich liegenden Eigenfrequenzen berechnet werden. In der Praxis wird wegen des unter Umständen erheblichen Aufwandes der Frequenzbereich bei einer Frequenz zwischen 5 kHz und 10 kHz abgeschnitten. Wichtig ist, daß nicht nur alle Erregerfrequenzen (z.B. bei Getrieben die Zahneingriffsfrequenzen), sondern auch deren Harmonische (soweit sie Beiträge zu den Spektren der Erregerkräfte im akustischen Frequenzbereich liefern) im Bereich der ermittelten Eigenkreisfrequenzen !i (i = 1;2 : : : ;nmod ) liegen. 2. Pro halbe Biegewellenlänge müssen mindestens 3 (besser 5) Knoten vorliegen, damit die zugehörige Mode durch die numerische Lösung hinreichend genau approximiert wird. 3. Soll das mittels der rechnerischen Modalanalyse ermittelte Körperschallfeld (vgl. hierzu (8.33)) als Eingabewert für die Berechnung des abgestrahlten Luftschallfeldes mit Hilfe numerischer Verfahren dienen (vgl. z.B. Abschn. 9.2), so ist wichtig, daß eine genügende Anzahl von solchen Moden ermittelt wird, denen Biegewellen auf der Oberfläche der untersuchten Struktur entsprechen. Denn nur diese Schwingungsformen können - sofern sie angeregt werden - zur Abstrahlung von Luftschallwellen führen. 4. Kommerzielle FEM-Pakete enthalten häufig Programmteile zur Durchführung der rechnerischen Modalanalyse. Bei ihrer Anwendung ist der Auswahl geeigneter Finiter Elemente aus der Element-Bibliothek besondere Beachtung zu widmen. Bei nicht allzu dickwandigen Strukturen können Schalen- und Plattenelemente (letztere nur bei durch ebene Flächen berandeten Körpern) eingesetzt werden. Dabei verdienen Schalenelemente im allgemeinen den Vorzug, weil mit ihrer Hilfe nicht nur Biegewellen (auf welche Plattenelemente beschränkt sind), sondern auch Dehn- und Scherwellen erfaßt werden. Dehnwellen in Substrukturen einer Maschinenstruktur können für die gesamte Struktur zu dynamischen Verformungen mit nennenswerten Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Oberfläche (und damit zu verstärkter Abstrahlung) führen.

148

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

5. Die rechnerische Modalanalyse stellt ein Verfahren zur Ermittlung des eingeschwungenen Zustandes stationär angeregter Strukturen dar. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Verfahrens ist, daß sich die Struktur als linearer Schwinger modellieren läßt. Während in dieser Hinsicht bei dem Verhalten des Werkstoffs meistens keine Bedenken bestehen, können sich dann Schwierigkeiten ergeben, wenn die Struktur viele im Kraftfluß liegende Teilfugen mit entsprechender Fugendämpfung aufweist. Da die Fugendämpfung (vgl. Abschnitt 3.1) vor allem auf Coulombscher Reibung beruht, die ihrer Natur nach ein physikalisch nichtlineares Phänomen darstellt, eignet sich die rechnerische Modalanalyse weniger, wenn Fugendämpfung die dominierende Rolle im Dämpfungsverhalten der Struktur spielt. 6. Selbst wenn die Struktur geschwindigkeitsproportionale Dämpfung (vgl. (8.27)) zeigt, erfordert die Bestimmung der modalen Dämpfungsparameter relativ aufwendige Versuche. Ob die Annahme gerechtfertigt ist, daß die Dämpfungsparameter frequenzunabhängig sind, muß dabei im einzelnen kritisch überprüft werden. Abschließend soll noch die Berechnung des Körperschallmaßes angegeben werden. Es werde eine Finites Element p auf der Oberfläche der abstrahlenden Struktur betrachtet. Bei der Berechnung des Körperschallmaßes darf nur die in Richtung des Normaleneinheitsvektors n(p) wirkende Komponente v^ (p) n berücksichtigt werden. Der Normaleneinheitsvektor ist bei gekrümmten Flächen eine Funktion des dem betrachteten Element zugeordneten lokalen Ortsvektors (p) und daher gilt n(p) = n(p) ((p)) :

(8.34)

Bei der Anwendung der FEM wird im allgemeinen der Normaleneinheitsvektor wie folgt approximiert n(p) = N(p) N(p) ;

(8.35)

wobei N(p) der Vektor der Komponenten des Normaleneinheitsvektors in den Elementknoten ist. Für die Normalenkomponente der Schnelle gilt v^ (p) ^ (p)
n(p) n =v

(8.36)

mit einer entsprechenden Darstellung für die konjugiert komplexe Normalgeschwindigkeit v^ n(p) . Für den Betrag des über die abstrahlende Oberfläche S(p) ab des Elementes p gemittelten Quadrates der Normalkomponente10 der Schnelle gilt nach (4.65)

(v^ (p) )2 =

10

1 S(p) ab



^ n(p) dS : v^ (p) n v

(8.37)

S(p) ab

Der Einfachheit halber wird der Index „n“ für die Normalenrichtung bei dem gemittelten Quadrat der Schnelle im folgenden unterdrückt, da die Gefahr einer Verwechslung nicht besteht.

8.2 Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse

149

Für das gesamte über die Oberfläche der Struktur gemittelte Schnellequadrat ergibt sich v^ 2 =

Nel 1  ^ (p) )2 S(p) ab (v Sab j=1

und durch Einsetzen von (8.37) v^ 2 =

Nel  1  ^ n(p) dS : v^ (p) n v Sab p=1 S(p) ab

(8.38)

Die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz der Struktur ergibt sich nach (4.68), wobei F~ durch F^ zu ersetzen ist. Das Körperschallmaß schließlich wird hieraus nach (4.69) berechnet. Weitere Ausführungen zur Berechnung des Körperschallmaßes finden sich in [40, S. 220].

Zusammenfassung 1. Die Methode der Finiten Elemente (FEM) ist ein universell einsetzbares Verfahren, um numerische Näherungslösungen von Rand- und AnfangsRandwert-Problemen bei komplexen Gebieten und/oder Belastungen zu gewinnen. 2. Um das Körperschallfeld eines schwingenden Körpers mit Hilfe der FEM zu berechnen, muß das elastodynamische Anfangs-Randwert-Problem gelöst werden. Dabei wird i.a. ein stationärer, d.h. eingschwungener Zustand vorausgesetzt. 3. Zur Lösung wird eine Semidiskretisierung vorgenommen, d.h. es wird für die Berechnung des räumlichen Anteils der gesuchten Lösung die FEM eingesetzt. Das Gebiet (der Körper), in dem die Lösung gesucht wird, wird in sich nicht überdeckende Subgebiete eingeteilt. Diese Subgebiete heißen Elemente. Innerhalb eines jeden Elementes wird für die unbekannten Verschiebungen ein Ansatz mit Hilfe bekannter Formfunktionen eingeführt. Die Unbekannten des Problems sind die (noch zeitabhängigen) Verschiebungen in den Elementknoten. Durch Anwendung der FEM ergibt sich ein i.a. sehr großes, gekoppeltes, lineares Differentialgleichungssystem (8.22) zweiter Ordnung. Die Systemmatrizen dieses Gleichungssystems werden mit den Gln. (8.18) mit (8.20) berechnet. Der Vektor der Knotenkräfte ergibt sich aus Gl. (8.21). 4. Dieses Differentialgleichungssystem wird nicht direkt sondern mittels des Verfahrens der Numerischen Modalanalyse gelöst. Dazu werden die nmod niedrigsten Eigenfrequenzen und die zugehörigen Moden des Systems berechnet. Die Zahl nmod ist dabei wesentlich kleiner als die Anzahl Nf der Freiheitsgrade des FEM-Systems.

150

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

5. Durch Anwendung der Numerischen Modalanalyse wird der Frequenzgang der Schnelle innerhalb des Frequenzbereiches

mod berechnet. Dabei ist
mod die höchste berechnete Eigenfrequenz. 6. Bei der rechnerischen Modalanalyse ist es wichtig, daß im betrachteten Frequenzbereich 0 

mod alle maßgebenden Erregerfrequenzen und deren Harmonische (soweit sie Beiträge im Spektrum liefern) liegen. 7. Pro halbe Biegewelle müssen auf der abstrahlenden Oberfläche mindestens 3 (oder besser 5) Elementknoten vorliegen, damit die zugehörige Eigenschwingung durch die numerische Lösung hinreichendpgenau approximiert wird. Da die Biegewellenlänge bei einer Platte mit 1=
abnimmt, bedeutet diese Anforderung, daß mit zunehmender Frequenz der Aufwand für die Diskretisierung der Struktur entsprechende ansteigt. 8. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Numerischen Modalanalyse ist, daß sich die zu untersuchende Struktur wie ein linearer Schwinger verhält. Die meisten in der Maschinenakustik verwendeten Werkstoffe (Ausnahme Kunststoffe) verhalten sich linear elastisch. Es können sich jedoch für die Anwendung der Numerischen Modalanalyse Schwierigkeiten ergeben, wenn die Struktur viele im Kraftfluß liegende Teilfugen mit entsprechender Fugendämpfung aufweist. Die Fugendämpfung beruht vor allem auf Coulombscher Reibung, die ein physikalisch nichtlineares Phänomen darstellt. Daher eignet sich die numerische Modalanalyse weniger, wenn die Fugendämpfung das Dämpfungsverhalten der Struktur dominiert. 9. Der einfachste Ansatz für die Modellierung des Dämpfungsverhaltens ist die proportionale Dämpfung (vgl. hierzu (8.27)). Selbst für dieses einfache Modell der Dämpfung sind relativ aufwendige Versuche erforderlich, um die Dämpfungsparameter zu bestimmen. Ob die zugrunde liegende Annahme einer frequenzunabhängigen Dämpfung gerechtfertigt ist, muß kritisch überprüft werden. 10. Das Verfahren der Numerischen Modalanalyse liefert im betrachteten Frequenzbereich die Moden (Näherungen der Eigenvektoren), die Eigenfrequenzen, die modalen Dämpfungen und die Systemantwort.

8.3 Ein Beispiel für eine FEM-Berechnung Abschließend wird ein Beispiel vorgestellt, das die Leistungsfähigkeit der FEM für die Berechnung von Körperschallfeldern zeigt. Die gesamte FE-Modellierung und der Berechungsablauf sind in [35] beschrieben. Dieses Beispiel wird hier gewählt, weil in ihm Berechnungen zur Simulation des Körperschallverhaltens mit solchen für die Schallabstrahlung (vgl. hierzu Abschn. 9.3) gekoppelt werden. In Abb. 8.6 ist

8.3 Ein Beispiel für eine FEM-Berechnung

151

Abb. 8.6. FE-Modellierung eines Antriebblocks für einen Personenkraftwagen. Mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen

die FE-Modellierung eines Antriebs für einen Personenkraftwagen dargestellt. Abbildung 8.6 zeigt den Motorblock und das angeflanschte Getriebe. Zu beachten ist, daß auch sämtliche inneren Bauteile wie z.B. Kolben, Zylinderkopf mit Deckel, Getriebesteckwelle usw. modelliert werden. Insgesamt werden 206000 Finite Elemente mit 136700 Knoten angeordnet. Das globale FE-Gleichungssystem weist 470400 Freiheitsgrade auf. Bemerkenswert ist, daß in der FEM-Simulation die Wechselwirkungen zwischen Kolben und Zylinder sowie die Reaktion der Kurbelwelle auf den Zylinder berücksichtigt werden. In Abb. 8.7 sind Vergleiche der berechneten Körperschallpegel auf der Oberfläche des Motors im geschleppten und im befeuerten Betrieb für die 21. und 23. Motorordnung zu sehen (zur Ordnungsanalyse vgl. Abschn. 11.3). Die Drehzahl des Motors beträgt dabei 5000 1/min. Erwartungsgemäß sind die Pegel des Körperschalls im befeuerten Betrieb wesentlich größer als im geschleppten. Schließlich ist in Abb. 8.8 der sog. „Summenpegel“ der Schnelle über der Frequenz für die Motordrehzahl 5000 1/min dargestellt. Bei diesem „Summenpegel“ handelt es sich nicht um den in Abschn. 1.3, insbes. (1.12)) angegebenen, gleichnamigen. Vielmehr werden hierzu die Amplitudengänge aller berechneten Phasenreferenzspektren summiert und gemittelt. Daher enthält der so bestimmte Summenpegel nur Informationen über die gemittelten Amplituden. Die Pegelbildung erfolgt nach (1.6). Im Bereich von der 2. Motorordnung (166 Hz) bis etwa zur Frequenz 2700 Hz ergibt sich eine gute Übereinstimmung der berechneten mit den gemessenen Werte. Insgesamt gibt dieses Beispiel einen überzeugenden Beweis von der Leistungsfähigkeit der heute zur Verfügung stehenden Werkzeuge für die numerische Simulation komplexer Schwingungsprobleme mit Hilfe der FEM.

8 Finite Elemente für die Berechnung von Körperschallfeldern

befeuert

152

23. Ordnung 1920 Hz

geschleppt

21. Ordnung 1750 Hz

Abb. 8.7. Vergleich der berechneten Pegel der Schnelle im geschleppten und befeuerten

Betrieb. Mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen

G e s c h w in d ig k e its p e g e l (L v)

[d B ] -4 0 -

1 6 6 H z

8 3 3 H z

2 1 6 6 H z

M e s s u n g S im u la tio n

-6 0 -

-8 0 -

-1 0 0 -

-1 2 0 0

1 0 0 0

2 0 0 0 F r e q u e n z

3 0 0 0

[H z ]

4 0 0 0

Abb. 8.8. Vergleich des berechneten und gemessenen Summenpegels der Schnelle über der

Frequenz. Mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – – – – –

Darstellung der Grundlagen des äußeren Abstrahlproblems (Abschn. 9.1) Akustische Finite Elemente für endliche Probleme (Abschn. 9.2) Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett (Abschn. 9.3) Randelemente (Abschn. 9.4) Vergleich von Methoden zur Lösung von Abstrahlproblemen (Abschn. 9.5)

Die Numerik abgestrahlter Luftschallfelder ist erheblich schwieriger als die Berechnung von Körperschallfeldern mittels der Methode der Finiten Elemente (vgl. Kapitel 8). In diesem Kapitel werden zunächst die Grundlagen der Schallabstrahlung angegeben. Dann folgen Abschnitte über die Methode der Infiniten Elemente und der Randelemente.

9.1 Grundlagen des äußeren Abstrahlproblems In der Maschinenakustik interessieren in erster Linie Lösungen des äußerenAbstrahlproblems. Ein äußeres Abstrahlproblem liegt dann vor, wenn eine schwingende Oberfläche eines geschlossenen Körpers Schall in die umgebende Luft abstrahlt. Dabei wird i.a. vorausgesetzt, daß Freifeldbedingungen vorliegen, d.h. das Außengebiet des Körpers erstreckt sich allseits in das Unendliche, ohne daß sich dort schallschluckende oder andere abstrahlende Körper befinden. Betrachtet wird das äußere Abstrahlproblem. In Abb. 9.1 ist B IRn ; n = 2 oder n = 3 ein einfach zusammenhängendes, entweder zwei- oder dreidimensionales Gebiet mit einem Rand @B. Die Abstrahlung von dem Rand @B des Gebietes

Abb. 9.1. Außenraum- oder Abstrahlproblem

154

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

wird durch die im gesamten Außenraum IRnnB geltende Wellengleichung beschrieben [40, Abschn. 3.1]. Sie lautet 1 @2 ˚ =
˚ : (9.1) c2 @t2 In (9.1) ist ˚ das akustische Potential. Die Größe
symbolisiert den LaplaceOperator (vgl. (4.37)) und c ist die Schallgeschwindigkeit der Luft nach Gl. (5.1). Die Schallgeschwindigkeit von Luft beträgt bei 293 K 343,4 m/s. Sofern das Potential bekannt ist, können das Geschwindigkeitsfeld v und der Schalldruck p wie folgt berechnet werden v = grad˚ ;

(9.2)

@˚ : (9.3) @t In (9.3) bedeutet 0 die Dichte des Gases im Ruhezustand. Zu der Wellengleichung müssen noch Anfangs- und Randbedingungen treten, damit das Problem eindeutig und mathematisch korrekt gestellt ist. Aus weiter unten noch deutlich werdenden Gründen werden hier nur die Rand- und nicht die Anfangsbedingungen angegeben. Bei der Abstrahlung von Maschinen wird die Normalengeschwindigkeit vn auf dem Rand @B vorgegeben. Das Außengebiet werde als p = 0

B := IRn nB

(9.4)

bezeichnet. Auf dem inneren Rand @B des Außengebietes B wird die Geschwindigkeit in Richtung des in das Äußere1 des Außengebiets orientierten Normaleneinheitsvektors n vorgeschrieben. Diese Orientierung des Normaleneinheitsvektors wird im folgenden als nach außen orientiert bezeichnet. Der vorgeschriebene Geschwindigkeitsvektor ist i.a. als Lösung des strukturmechanischen Problems auf dem Körper B bekannt. Er besitzt dann ein positives Vorzeichen, wenn die Geschwindigkeit in das Innere des Außengebiets IRn nB zeigt. Daher gilt nach (9.2) grad˚(x;t)
n = vn (x;t)

8 x 2 @B :

(9.5)

Dabei werden durch Überstreichen vorgegebene Funktionen der Argumente gekennzeichnet. Daher ist v n (x;t) eine vorgeschriebene Funktion des Ortsvektors x und der Zeit t. Ferner wird der Übersichtlichkeit halber darauf verzichtet, komplexe Größen durch Unterstreichen zu kennzeichnen. In Komponentenschreibweise2 lautet (9.5) @˚ ni = vn : @xi Hierin bedeuten ni ; i = 1; 2; 3 die Komponenten des nach außen orientierten Normaleneinheitsvektors auf dem Rand @B. Die Abstrahlung der Luftschallwellen wird 1 2

Das Äußere des Außengebiets B liegt im Inneren des Gebietes B. Die Gültigkeit der Einsteinschen Summenkonvention ist zu beachten.

9.1 Grundlagen des äußeren Abstrahlproblems

155

also nicht durch Quellterme sondern durch die auf dem Rand @B gemäß (9.5) vorgeschriebene Geschwindigkeit in Normalenrichtung verursacht. In der Maschinenakustik interessieren vor allem zeitlich periodische Lösungen des durch die Wellengleichung (9.1) sowie die Randbedingung (9.5) konstituierten Randwert-Problems. Eine zeitlich periodische Lösung beschreibt die Abstrahlung im eingeschwungenen Zustand. Für das Weitere wird vorausgesetzt, daß die Zeitabhängigkeit der Randbedingung3 durch eine harmonische Funktion beschrieben wird. Es gilt also v n (x;t) = v^ n (x) exp(i˝t) :

(9.6)

In (9.6) ist ˝ die Erregerkreisfrequenz und v^ n (x) die vorgegebene Schnelle. Die Anregung (9.6) legt den folgenden Ansatz für das gesuchte Geschwindigkeitspotential nahe ^ ˚(x;t) = ˚(x) exp(i˝t) :

(9.7)

Durch Einsetzen in (9.1) folgt nach Abspalten des Zeitanteils ^ = 0; ^ + k2 ˚
˚

(9.8)

mit der Kreiswellenzahl ˝ (9.9) k := : c Gl. (9.8) heißt Helmholtz-Gleichung. Durch den Ansatz (9.7) wird die Wellengleichung (9.1) aus dem Zeit- in den Frequenzbereich transformiert. Die hier nicht näher angegebenen Anfangsbedingungen spielen für die gesuchte stationäre Lösung keine Rolle, da sie nur den transienten Anteil der Gesamtlösung beschreiben, der für maschinenakustische Fragestellungen im allgemeinen bedeutungslos ist. Zusätzlich zur Wellengleichung (9.1) muß die Randbedingung aus dem Zeit- in den Frequenzbereich transformiert werden. Durch Einsetzen von (9.7) in (9.5) folgt ^ @˚ = v^ n (x) 8 x 2 @B : (9.10) @n In der zweiten Formulierung von (9.10) stellt n eine in Richtung des äußeren Normaleneinheitsvektor n auf dem Rand @B positiv gezählte Längenkoordinate dar. Der Einfachheit halber werden im folgenden die Hütchen (^) zur Kennzeichnung der Amplitude des Geschwindigkeitspotentials und der vorgegebenen Funktion auf dem Rand weggelassen. Das Problem ist mit der Helmholtz-Gleichung (9.8) und der Randbedingung (9.10) noch nicht vollständig beschrieben. Es muß vielmehr sichergestellt werden, daß aus dem Unendlichen keine Wellen reflektiert werden. Dies wird durch die ^
n= grad˚

3

Beim äußerenAbstrahlproblem werden, sofern imAußengebiet keine Quellterme vorliegen, erzwungene Schwingungen nur durch die Randbedingungen verursacht.

156

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Sommerfeld-Bedingung4 gewährleistet. Die Sommerfeld-Bedingung verlangt, daß für r ! 1

@˚ =0 (9.11) lim r(d1)=2 ik˚  r!1 @r gilt, wobei r der Radius einer Kugel ist, welche das abstrahlende Gebiet B vollkommen umschließt, und d bezeichnet die räumliche Dimension (d = 1 oder 2 oder 3). Das zu lösende Randwert-Problem lautet dann: Es ist eine Funktion ˚(x) zu finden, welche 1. die Helmholtz-Gleichung
˚ + k2 ˚ = 0 8 x 2 B ; 2. die Randbedingung grad˚
n = vn (x) 8 x 2 @B 3. die Sommerfeld-Bedingung

@˚ (d1)=2 =0 lim r ik˚  r!1 @r erfüllt. Das durch Gln. (9.8), (9.10) und (9.11) beschriebene Problem heißt äußeres stationäres5 Abstrahlproblem. Es besitzt eine eindeutige Lösung. Infolge der Sommerfeld-Bedingung ist die gesuchte Lösung des äußeren Abstrahlproblems eine komplexwertige Funktion der Ortskoordinaten. Dies ist stets der Fall und motiviert den zu Beginn dieses Kapitels angekündigten Verzicht auf das Kennzeichnen komplexwertiger Lösungen durch Unterstreichen. Geschlossene Lösungen des äußeren Abstrahlproblems lassen sich nur für einfache Geometrien der abstrahlenden Körper (z.B. Kugel, Zylinder) angeben. Sonst müssen numerische Näherungslösungen ermittelt werden.

9.2 Akustische Finite Elemente Methode für endliche Außengebiete Zur Vorbereitung wird zunächst der einfache Fall behandelt, daß das Außengebiet des abstrahlenden Körpers B endlich ist. Dazu sei der Einfachheit halber eine Kugelfläche  mit Radius  gegeben, die sich um den Körper B erstreckt. Der Rand @B des abstrahlenden Körpers und die Fläche  schließen das Gebiet ˝i (vgl. hierzu Abb. 9.2 auf S. 160) ein6 ). Wie in Abschnitt 9.1 wird vorausgesetzt, daß die Anregung auf der abstrahlenden Oberfläche @B zeitlich rein harmonisch verläuft (vgl. Gl. (9.6)). 4

5

6

Die Sommerfeld-Bedingung wird in [40, Abschn. 11.5] für den dreidimensionalen Fall abgeleitet. Der Einfachheit halber wird im folgenden stets nur von dem „äußeren Abstrahlproblem“ gesprochen. Die zusätzlich in Abb. 9.2 eingezeichnete Fläche X wird in Abschn. 9.3 benötigt und dort erläutert.

9.2 Akustische Finite Elemente Methode für endliche Außengebiete

157

Auf dem Rand  muß eine weitere Randbedingung vorgegeben werden. Der Einfachheit halber wird ein äußerer Rand betrachtet, auf dem ebenfalls die Normalengeschwindigkeit vorgeschrieben ist. Es gilt also grad˚
n = vn (x)

8x 2  :

(9.12)

Betrachtet wird das in Abschnitt 9.1 angegebene äußere Abstrahlproblem. Es besteht aus der Helmholtz-Gleichung (9.8), der Randbedingung (9.10) und der an die Stelle der Sommefeld-Bedingung tretenden Randbedingung (9.12) auf dem äußeren Rand . Zunächst muß die schwache Form der Helmholtz-Gleichung (9.8) angegeben werden. Durch Multiplizieren der Helmholtz-Gleichung (9.8) mit einer beliebigen Testfunktion w 2 T und anschließende Integration über das Außengebiet ˝i (vgl. zu dem Gebiet ˝i Abb. 9.2) folgt zunächst  ) *
˚w + k2 ˚w dV = 0 : (9.13) ˝i

Durch Anwenden des ersten Greenschen Satzes [8] 

 (w
˚ + gradw
grad˚) dV =

˝i

w

@˚ dS + @n

@B

 w

@˚ dS : @n

(9.14)



ergibt sich die schwache Form der Helmholtz-Gleichung für das endliche, äußere Abstrahlproblem    ) * @˚ @˚ 2 dS + w dS gradw
grad˚  k w˚ dV = w @n @n  @B ˝i   =  wvn dS  wvn dS : (9.15) @B



Für die Umformungen auf der rechten Seite wurden die Randbedingungen Gln. (9.10) und (9.12) herangezogen. Bei der numerischen Lösung wird das endliche Außengebiet ˝i wie in Abschn. 8.1 in Finite Elemente diskretisiert. Dann werden für jeden Knoten a des betrachteten (j) 7 Elementes j Formfunktionen N(j) a eingeführt, die pro Element zu einer Matrix N zusammengefaßt werden. Damit ergeben sich für die Ansatz- und die Testfunktionen im Element j die diskreten Approximationen

7

˚(j) = N(j) (j) ;

(9.16)

w(j) = N(j) W(j) :

(9.17)

Die Matrix der Formfunktionen degeneriert für eine skalare Unbekannte zu einem Zeilenvektor mit nk Elementen, wobei nk die Anzahl der Knoten im betrachteten Element ist.

158

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Hierin sind (j) der Vektor der Werte des Potentials ˚ an den Knoten des Elementes j und entsprechend W(j) der Vektor8 der Testfunktionen w an dessen Knoten. Es seien Nel  ˚ = ˚(j) ; (9.18) j=1

W =

Nel 

w(j)

(9.19)

j=1

die globalen Darstellungen des gesuchten Potentials bzw. der Testfunktion. Dann lautet die diskretisierte schwache Form    ) * 2 gradW
grad˚  k W˚ dV =  Wvn dS + Wvn dS : (9.20) @B

˝i



^ und W ^ die globalen Vektoren der gesuchten Knotenwerte des PoWeiter seien ˚ tentials bzw. der verwendeten Testfunktion. Mit Standardargumenten (vgl. hierzu ^ der Testfunktionen Abschnitt 8.1) folgt wegen der Beliebigkeit der Knotenwerte W das FEM-Gleichungssystem ) * ^ = F; K  k2 M ˚ (9.21) das formal dem strukturmechanischen FEM-System (8.25) entspricht, wenn in diesem der Dämpfungsterm unberücksichtigt bleibt. Daß die Matrix M tatsächlich den Charakter einer Massenmatrix aufweist, wird plausibel bei Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kreiswellenzahl k gemäß (9.9) der Winkelgeschwindigkeit ˝ proportional ist. Die Komponenten der Elementmatrizen in (9.21) sind wie folgt definiert  (j) K(j) := gradN(j) (9.22) a
gradNb dV ; ab ˝(j)



M(j) ab :=

(j) N(j) a Nb dV ; ˝(j)

F(j) a

(9.23)



:=  @Bv

 ^ n dS N(j) a v

(j)



^ n dS : N(j) a v

(9.24)

(j)

In Gln. (9.22) und (9.23) ist ˝(j) das vom Element j eingenommene Gebiet. Ferner sei (j) el der Rand des Elementes j. Dann gilt @Bv (j) = @Bv \ (j) el ; (j) = (j) el \  : 8

Vektoren sind hier wieder im Sinne der Matrizenrechnung zu verstehen (vgl. auch Abschnitt 8.1).

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett

159

Sofern @Bv (j) oder (j) leer sind, verschwinden in (9.24) die zugehörigen Oberflächenintegrale. Die durch (9.21) sowie die Gln. (9.22) bis (9.24) definierten Finiten Elemente werden als akustische Finite Elemente9 bezeichnet. Aus (9.22) ist zu ersehen, daß die Steifigkeitsmatrix der akustischen Elemente symmetrisch ist. Ein gewichtiger Nachteil der akustischen Elemente ergibt sich bei Berechnungen, die sich über einen größeren Frequenzbereich hinweg erstrecken. Dazu muß ein Frequenzraster vorgegeben werden. In jeder Stützstelle dieses Frequenzrasters müssen die Komponenten der Steifigkeitsmatrix und des Lastvektors neu berechnet und zu den entsprechenden globalen Größen neu assembliert werden. Dies bedeutet, daß Berechnungen über einen breiten Frequenzbereich numerisch sehr aufwendig werden können. Die gewöhnlichen akustischen Elemente nach Gln. (9.21), (9.22) bis (9.24) eignen sich aus den folgenden Gründen nicht für die Lösung des äußeren Abstrahlproblems bei unendlichen Außengebieten. 1. Die Lösung kann die in die Formulierung nicht eingearbeitete SommerfeldBedingung nicht erfüllen. 2. Bei der Diskretisierung und bei der Berechnung der Komponenten der Steifigkeits- (9.22) sowie der Massenmatrix (9.23) und des Kraftvektors (9.24) muß das gesamte, sich in das Unendliche erstreckende Außengebiet B = IRdnB trianguliert werden. Dies ist mit den angegebenen akustischen Standardelementen unmöglich. Sofern die Triangulation des unendlichen Außengebiets B im Endlichen durch Einführen eines Diskretisierungsrandes abgebrochen wird, erfüllt die numerische Lösung die Sommerfeld-Bedingung (9.11) nicht, so daß von dem Diskretisierungsrand physikalisch unzulässige Wellen reflektiert werden. Abhilfemaßnahmen zur Lösung des angesprochenen Problems werden im folgenden vorgestellt.

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett Infinite Elemente nach Burnett stelle ein sehr mächtiges Werkzeug für die Berechnung der Schallabstrahlung von schwingenden Körpern in unbegrenzte Außengebiete dar. Um Infinite10 Elemente für akustische Berechnungen einzuführen, wird nach Abb. 9.2 um den abstrahlenden Körper B eine reguläre, geschlossene Hilfsfläche  mit einer kennzeichnenden Abmessung  angeordnet. Bei den von Burnett vorgeschlagenen Infiniten Elementen ist diese Hüllfläche ein Ellipsoid. Zwischen der Hilfsfläche  und dem abstrahlenden Rand @B werden in dem dadurch definierten inneren Gebiet ˝i gewöhnliche akustische Elemente nach Abschn. 9.2 angeordnet. Weiter wird außerhalb des Ellipsoids  ein weiteres Ellipsoid X mit einer kennzeichnenden Abmessung11 X >  angeordnet. Der Übergang zu den Infiniten Elementen 9 10

11

Häufig wird einfach von akustischen Elementen gesprochen. Streng genommen lautet die korrekte Bezeichnung „Infinite Finite Elemente“. Jedoch hat sich die Bezeichnung „Infinite Elemente“ allgemein durchgesetzt. Hierbei kann es sich z.B. um eine Brennweite des Ellipsoids handeln.

160

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Abb. 9.2. Geometrie zur numerischen Behandlung des äußerenAbstrahlproblems mit Infiniten

Elementen

erfolgt durch den Grenzübergang lim X ! 1. Die Infiniten Elemente erstrecken sich also von der Hilfsfläche  in das Unendliche. Für rein mathematische Untersuchungen werden Infinite Elemente auch direkt auf dem abstrahlenden Rand @B angeordnet. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der Rand regelmäßig (z.B. eine Kugel- oder Zylinderfläche) ist. Auf dem Rand @B des abstrahlenden Körpers B ist die Geschwindigkeit vorgeschrieben. Die Hüllfläche  grenzt ein inneres Berechnungsgebiet ˝i von einem äußeren ˝a ab. Die beiden Berechnungsgebiete sind wie folgt definiert.  4 5  ˝i := x 2 IR3 nB  jxj   ; (9.25)  4 5  ˝a := x 2 IR3   < jxj  X : (9.26) Ferner gilt ˝X = ˝i

6

˝a :

(9.27)

In einer Reihe von Arbeiten haben Burnett [9] und Burnett und Holford [10, 11] neuartige, unkonjugierte Infinite Elemente vorgestellt, die folgende wesentliche Merkmale aufweisen: 1. Durch geschickte Wahl der verwendeten krummlinigen Koordinaten lassen sich Flächen generieren, die gegebene, abstrahlende Objekte „eng“ umschreiben. Dadurch werden Aufwand für die Diskretisierung und damit Rechenzeit eingespart.

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett

161

Abb. 9.3. Darstellung der elliptischen Koordinatenflächen

2. Es kann eine aus der theoretischen Physik bekannte Reihenentwicklung auf ellipsoidale Koordinaten verallgemeinert werden. Diese radiale Entwicklung (9.28) kann auf komplexe technische Abstrahlprobleme angewendet werden. 3. Die auf diesen radialen Entwicklungen basierenden Infiniten Elemente sind numerisch äußerst effizient. Die grundlegende Idee stammt von Burnett [9], der für abgeplattete Rotationsellipsoide erstmals Infinite Elemente vorgestellt hat, die auf einer Radial-Entwicklung beruhen. Dieses Konzept wurde von Burnett und Holford [10, 11] auf gestreckte Rotationsellipsoide und allgemeine Ellipsoide erweitert. Die Entwicklung (9.28) gilt nur außerhalb der um den Körper angeordneten Hüllfläche  mit der kennzeichnenden Abmessung . Dies bedeutet, daß Infinite Elemente, die auf (9.28) beruhen, nur auf bzw. außerhalb der Hüllfläche  angeordnet werden dürfen. Zwischen der abstrahlenden Oberfläche @B und der Hüllfläche  müssen gewöhnliche akustische Finite Elemente (vgl. hierzuAbschn. 9.2) angeordnet werden. Für die Entwicklung dieses Infiniten Elementes haben Burnett und Holford nicht die aus der Literatur [45] bekannten elliptischen Koordinaten verwendet. Vielmehr werden neuartige elliptische Koordinaten eingeführt, deren Ableitung in [40, Anhang 2] dargestellt ist. Eine anschaulich Explosionsdarstellung der ellipsoidalen Koordinaten zeigt Abb. 9.3. Es ist r eine „radiale“ Koordinate. Die Koordinatenflächen r = const sind Ellipsoide. Daneben gibt es „Winkelkoordinaten“ # und '. Durch # = const werden einschalige Hyperbolide und durch ' = const zweischalige Hyperboloide festgelegt. Die Hyperboloide (und das zugehörige Ellipsoid) werden in Abb. 9.3 visualisiert. Links und rechts vom Ellipsoid sind die beiden Flächen des zweischaligen Hyperboloids zu erkennen. Die Fläche des einschaligen Hyperboloids wird aus Gründen der Übersichtlichkeit unterbrochen, so daß nur die oberhalb bzw. unterhalb des Ellipsoids liegenden Abschnitte dargestellt werden.

162

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Abb. 9.4. Ellipsoidales Infinites Element (nach Burnett und Holford)

Es sei eine materielle Fläche gegeben, die mit der Kreisfrequenz ˝ schwingt und eine Schallwelle abstrahlt. Dann ist ˚(r) exp(i˝t) das infolge der Abstrahlung außerhalb der Ellipsoidfläche  wirkende akustische Potential12 , wobei r der Ortsvektor ist. Die Amplitude ˚(r) des Potentials muß die Helmholtz-Gleichung (9.8) und die Sommerfeld-Bedingung (9.11) erfüllen. Eine jede solche Funktion, die mindestens auf und außerhalb von  mindestens zweimal stetig differenzierbar ist, heißt Abstrahlfunktion im Äußeren von . In Bezug auf die Burnett und Holford eingeführten ellipsoidalen Koordinaten gilt für jede Abstrahlfunktion außerhalb des Ellipsoids  folgende Entwicklung ˚(r) = exp(ikr)

1  Gn (#;';k) n=1

rn

:

(9.28)

Die Größe k ist nach die Kreiswellenzahl nach (9.9). Die Reihenentwicklung (9.28) konvergiert für r >  absolut und gleichförmig in r, # und '. Darüber hinaus kann sie beliebig oft differenziert werden, und die so entstehenden Reihen konvergieren ebenfalls absolut und gleichförmig in jedem durch r >  + definierten Gebiet, wobei eine positive reelle Zahl ist. Ein Infinites Element ist in Abb. 9.4 dargestellt. Die im folgenden als Basis bezeichnete Grundfläche des Infiniten Elementes muß auf dem durch die radiale Koordinate r = r1 gekennzeichneten Ellipsoid  liegen, das das innere vom äußeren Berechnungsgebiet abgrenzt (vgl. hierzu Abb. 9.2). Dabei ist es nicht erforderlich, daß die Basis des Elementes an die #- und '-Koordinatenlinien angepaßt wird. Vielmehr kann auf dem Ellipsoid ; r = r1 ein vollkommen allgemeines FE-Netz generiert werden (vgl. Abb. 9.5), das beispielsweise aus krummlinigen Vierecken oder Dreiecken besteht. Auf der Basis kann jede zulässige FE-Approximation (z.B. 12

Burnett und Holford entwickeln die Infiniten Elemente mit dem Schalldruck als gesuchter Unbekannten. Da Formulierungen mit dem Potential und dem Schalldruck mathematisch vollkommen äquivalent sind, wird aus Gründen der Einheitlichkeit hier das Potential als Unbekannte gewählt.

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett

163

Abb. 9.5. Basis eines ellipsoidalen Infiniten Elements (nach Burnett und Holford)

Lagrange- oder Serendipity-Elemente, vgl. [3, 31]) herangezogen werden. Das durch r = r1 gekennzeichnete Basisellipsoid  legt drei Scharen von konfokalen quadratischen Flächen fest, nämlich eine Schar von Ellipsoiden (r1  r = const), eine Schar von einschaligen Hyperboloiden (# = const) und eine Schar von zweischaligen Hyperboloiden (' = const) (vgl. hierzu Abb. 9.3). Daher gehen auch bei einer gegenüber den Koordinatenlinien „verdrehten“ Basis durch jeden Knoten der Basis und damit der außen liegenden Ellipsoide konfokale Hyperbeln. Diese Tatsache ermöglicht es, mit gegenüber der Basis verdrehten Netzen zu arbeiten, wie in Abb. 9.5 dargestellt wird. Die physikalischen Elemente auf dem Basisellipsoid werden gemäß dem isoparametrischen Konzept [3, 31] der FEM mit Hilfe von Koordinaten ( 1 ; 2 ) interpoliert, die in einem quadratischen Elternelement definiert sind. Sie nehmen beide den Wertebereich 1  1  +1;  1  2  +1 ein. Eine Darstellung der Zusammenhänge zeigt Abb. 9.5. Die Interpolation der ellipsoidalen Winkelkoordinaten erfolgt gemäß #( 1 ; 2 ) =

n 

Nal ( 1 ; 2 ) #l ;

l=1

'( 1 ; 2 ) =

n 

Nal ( 1 ; 2 ) 'l ;

(9.29)

l=1

wobei n die Anzahl der Knoten der Basis, #l bzw. 'l die Werte der ellipsoidalen Winkelkoordinaten am Basisknoten l und Nal ( 1 ; 2 ); l = 1; : : : n die Formfunktionen für die Approximation der Winkelkoordinaten sind. Das Superskript „a“ an den Formfunktionen weist darauf hin, daß es sich um Formfunktionen für die ellipsoidalen Winkelkoordinaten13 ('; #) handelt. Für die Approximation der Amplitude des Potentials benützen Burnett und Holford folgende, erstmals von Burnett [9] eingeführte Ansatzfunktion ˚( 1 ; 2 ;r) =

N 

i ( 1 ; 2 ;r)Pi

(9.30)

i=1

mit 2  4 5  Nal ( 1 ; 2 ) Nrs (r)  l = 1;2; : : : ;n ; s = 1;2; : : : ;m ; n m = N :

i ( 1 ; 2 ;r)

(9.31) 13

Das Superskript „a“ steht für das englische Wort angular.

164

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Die Größen Pi sind die Unbekannten der diskreten Darstellung (9.31). Weiter sind die Größen Nal ( 1 ; 2 ) die in (9.29) eingeführten Formfunktionen für die Interpolation der Winkelkoordinaten und der von ihnen abhängenden Größen. Sie interpolieren die Amplitude des Potentials auf Ellipsoidflächen r = const, die zum Ellipsoid  konfokal sind. Die Größen Nrs (r) sind „radiale“ Formfunktionen14 , welche die Amplitude des Potentials längs hyperbelförmiger Strahlen interpolieren, die von den Knoten der Basis ausgehen. Die Numerierung der Knoten im Infiniten Element zeigt Abb. 9.4. Da der von den ellipsoidalen Winkelkoordinaten abhängende Anteil der gesuchten Näherungslösung mit den gleichen Formfunktionen Nal ( 1 ; 2 ) interpoliert wird wie die Elementgeometrie auf dem Basisellipsoid (vgl. (9.29)), liegt insofern ein isoparametrisches Element vor. Für die radialen Formfunktionen wird eine bei der Ordnung m abgebrochene Radial-Entwicklung (9.28) verwendet Nrs (r) = exp[ik(r  rs )]

m  hss0 ; (kr)s0 0

s = 1;2; : : : ;m

(m  2) :

(9.32)

s =1

Gleichung (9.32) stellt ein Polynom von der Ordnung m in der Variablen 1=r im halboffenen Intervall 0 < 1=r  1=r1 dar15 . Für r ! 1 geht Nrs gegen Null. Die Bestimmung der unbekannten Koeffizienten hss0 ist bei [10] und in [40, Abschn. 11.3.3] dargestellt. Für die Testfunktionen wird eine gleichartige Approximation gemäß w( 1 ; 2 ;r) =

N 

j ( 1 ; 2 ;r)Wj

(9.33)

;

j=1

verwendet, wobei die Größen j ( 1 ; 2 ;r) die Interpolationsfunktionen nach Gln. (9.31) und (9.32) und die Größen Wj Koeffizienten sind, welche die Testfunktionen festlegen. Daher weisen die radialen Anteile der Testfunktionen die gleiche Abhängigkeit exp[ik(r  rs )] von der radialen Koordinate r und der Kreiswellenzahl k wie die Ansatzfunktionen auf. Durch Einsetzen der Approximationen Gln. (9.30) und (9.33) in die schwache Form (9.15) ergibt sich zunächst deren diskretisierte Form, die hier aus Platzgründen nicht angegeben wird. Wegen der Beliebigkeit der Testfunktionen folgt nach langwierigen, Zwischenrechnungen folgendes Gleichungssystem für den Vektor P der unbekannten Knotenwerte der Potentialamplitude (K1  k2 M1 )P = 0

(9.34) 1

1

Die Komponenten der Steifigkeitsmatrix K sowie der Massenmatrix M können hier nicht angegeben werden. Es wird auf die Originalarbeit [10] und [40, Abschn. 11.3.3] verwiesen. Es sollen jedoch folgende Gründe für die sehr gute numerische Effizienz der Infiniten Elemente mitgeteilt werden:

14 15

Das Superskript „r“ weist auf die radiale elliptische Koordinate r hin. Das Intervall heißt „halboffen“, weil seine untere Grenze 0 kein Punkt dieses Intervalls ist.

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett

165

– Die Komponenten der Matrizen K1 und M1 werden aus Produkten von zweidimensionalen Integralen und eindimensionalen Integralen gebildet. Die zweidimensionalen Integrale sind auf dem Basisellipsoid definiert. Sie hängen daher nur von den Winkelkoordinaten (#; ') ab. Sie sind von der Kreiswellenzahl k (und damit von der Frequenz
) unabhängig. Sie müssen für jedes Infinite Element nur einmal berechnet werden. – Die radialen Integrale sind für alle Knoten eines Infiniten Elementes auf dem Basisellipsoid identisch. Sie sind von den Winkelkoordinaten (#; ') unabhängig und werden längs gleicher Pfade, nämlich von Hyperbeln, berechnet, die vom gleichen Ellipsoid ausgehen. – Nur die radialen Integrale hängen von der Kreiswellenzahl und damit von der Frequenz ab. Sofern die Berechnung für ein bestimmtes Frequenzraster16 durchgeführt werden muß, muß dies nur bei der Berechnung der eindimensionalen radialen Integrale berücksichtigt werden. Burnett [9] weist nach, daß bei großen Abstrahlungs- oder Beugungsproblemen die Infiniten Elemente numerisch deutlich effizienter als Randelemente sind. Zudem weisen alle Finiten Elemente den Vorteil gegenüber den Randelementen auf, daß die sogenannten kritischen Frequenzen (vgl. hierzu Abschn. 9.4) nicht auftreten. Abschließend wird ein von Landfester [35] stammendes praktisches Beispiel angegeben. Es handelt sich dabei um die Berechnung der Schallintensität für den bereits in Abschn. 8.3 vorgestellten Verbrennungsmotor (vgl. insbes. Abb. 8.6). Abbildung 9.6 zeigt die um das diskretisierte Motor-Getriebegehäuse gelegte Hüllfläche für die Bestimmung der Schallintensität. Bei der numerischen Simulation wird die Schallintensität aus der Lösung des Abstrahlproblems mit Hilfe Infiniter Elemente auf dieser Hüllfläche berechnet. Ferner wird auf der Hüllfläche die Schallintensität im geschleppten Betrieb des Motors gemessen17 . Abbildung 9.7 zeigt den Vergleich der gemessenen mit der durch Simulation ermittelten Schallintensität. Der berechnete Verlauf des Pegels der Schallintensität stimmt im Frequenzbereich zwischen 200 Hz und 2000 Hz sehr gut mit den gemessenen Werten überein. Da die verwendete Schallintensitätssonde (vgl. Abschn. 11.6.3) für Frequenzen unterhalb von 200 Hz nicht ausgelegt war, konnte der Vergleich für tiefe Frequenzen nicht vorgenommen werden. Bei Frequenzen oberhalb von 2500 Hz läßt sich keine zuverlässige Aussage zur global abgestrahlten Schalleistung treffen. In [35] wird gezeigt, daß dies auf Abweichungen im Körperschallverhalten zurückgeführt werden kann. Um Zonen hoher Schallabstrahlung zu identifizieren können entweder die Vektoren der Schallintensität in den Gitterpunkten der Hüllfläche oder deren Betrag Lj = 10 lg 16 17

jjj dB j0

Dies ist in maschinenakustischen Anwendungen der Normalfall. Diese Messungen wurden im Rahmen eines gemeinsamen, von der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen geförderten Projektes der Universität GH Kassel und der Technischen Universität Darmstadt an der Universität GH Kassel unter der Leitung von Professor Dr.-Ing.habil. G. Knoll durchgeführt.

166

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Z Y X

Abb. 9.6. Motor-Getriebe-Einheit mit Hüllfläche zur Bestimmung der Schallintensität. Wiedergabe mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen

120 110

Messung Simulation

100

LP [dB]

90 80 70 60 50

0

1000

2000

3000

4000

Frequenz [Hz] Abb. 9.7. Abgestrahlter Schalleistungspegel des geschleppten Motors, Motordrehzahl 5000 1/min. Wiedergabe mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen

9.3 Infinite ellipsoidale Elemente nach Burnett

167

Abb. 9.8. Pegel der Schallintensität Lj in dB auf Hüllfläche bei 833 Hz, Motordrehzahl 5000 1/min. Links Messung, rechts Simulation. Wiedergabe mit Genehmigung der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen Tabelle 9.1. Vergleich gemessener und berechneter Schallintensitätspegel in dB nach [35]

Punkt

Messung

Simulation

A

84,7

82,5

B

82,3

83,6

C

82,1

83,2

verwendet werden, wobei der Referenzwert der Schallintensität j0 = 1012 Wm2 beträgt. InAbb. 9.8 wird derVerglich der gemessenen (links) und berechneten (rechts) Schallintensität für die Frequenz 833 Hz bei einer Drehzahl des geschleppten Motors von 5000 1/min angegeben. Abbildung 9.7 zeigt die Darstellung des gemessenen und berechneten Pegels der Schallintensität für den geschleppten Motor bei einer Drehzahl von 5000 1/min. In Tabelle 9.1 werden Werte der gemessenen und berechneten Schallintensität an ausgezeichneten Punkten A, B und C gegenübergestellt. Der Vergleich zeigt bei der Messung (vgl. Abb. 9.8 links) an der getriebeseitigen Stirnfläche des Motors ein flächenhaft ausgeprägtes Maximum des Schallintensitätspegels. Die maximalen Werte in Punkt A stimmen für Messung und Simulation gut überein. Auch die Übereinstimmung der Maxima in den Punkten B und C ist gut.

Zusammenfassung 1. Infinite Elemente mit ellipsoidalen Koordinaten nach Burnett und Holford stellen sehr genaue und numerisch effiziente Werkzeuge für die Gewinnung von Näherungslösungen des äußeren Abstrahlproblems dar.

168

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

2. Das Außengebiet wird in zwei Teilgebiete eingeteilt. Ein Innengebiet ˝i wird um den abstrahlenden Körper B erstreckt. Der äußere Rand  des Innengebiets ˝i besteht aus einem Ellipsoid. Die Geometrie dieses Ellipsoids kann der Geometrie des abstrahlenden Körpers sehr gut angepaßt werden. Das Außengebiet ˝a erstreckt sich vom Rand  bis in das Unendliche. 3. Im Inneren des inneren Berechnungsgebietes ˝i werden gewöhnliche akustische Finite Elemente nach Abschn. 9.2 angeordnet. 4. Auf dem Rand  des inneren Berechnungsgebietes werden ellipsoidale Infinite Elemente angeordnet. Diese Infiniten Elemente beruhen auf der Radial-Entwicklung (9.28), welche gliedweise die SommerfeldBedingung (9.11) erfüllt. 5. Infinite Elemente sind sowohl hinsichtlich der Genauigkeit als auch vor allem der numerischen Effizienz die derzeit leistungsfähigsten Werkzeuge zur Berechnung von Näherungslösungen des äußeren Abstrahlproblems. 6. Die Infiniten Elemente sind bereits in kommerziellen Software-Paketen implementiert.

9.4 Randelemente Die Methode der Randelemente oder BEM18 stellt ein weiteres leistungsfähiges Verfahren für die numerische Lösung des äußeren Abstrahlproblems dar. In Abb. 9.9 ist ein schwingender Körper B dargestellt, der in das Gebiet ˝ abstrahlt. Der abstrahlende Körper B wird durch die Randfläche @B begrenzt, auf der die Verteilung der Geschwindigkeit v(x; t) vorgeschrieben ist. Auf dem Rand @B gilt die Randbedingung (9.10). Das Gebiet ˝ wird durch eine geschlossene, hinreichend glatte Fläche  begrenzt. Zwischen den beiden Flächen @B und  liegt das Gebiet ˝, in dem das akustische Potential ˚ gesucht wird. Die Lösung des äußeren Abstrahlproblems wird erhalten, indem der äußere Rand  in das Unendliche verlegt wird. Für die weiteren Ableitungen wird die Greensche Funktion der HelmholtzGleichung für den Vollraum benötigt. Die Greensche Funktion für den Vollraum ist Lösung der inhomogenen Helmholtz-Gleichung
G(jx0  xj) + k2 G(jx0  xj) = ı(jx0  xj) ; 8x0 ; x 2 IRn :

(9.35)

Hierin ist ı(jx0  xj) die n-dimensionale Delta-Funktion an der Stelle x  x0 . Dabei ist P mit dem Ortsvektor x ein beliebiger Punkt des Vollraumes IRn . Dieser Punkt P heiß Aufpunkt. Ferner wird ein weiterer beliebiger, festgehaltener Punkt Q mit

18

Abkürzung für den englischen Ausdruck Bounddary Element Method.

9.4 Randelemente

169

Abb. 9.9. Gebiet für die Ableitung der Integraldarstellung des Schalldrucks

dem Ortsvektor x0 gewählt, der als Quellpunkt19 bezeichnet wird. Für die Greensche Funktion gilt im dreidimensionalen Fall (siehe z.B. [32]) exp(ikjx0  xj) G(jx0  xj) = G(jx  x0 j) = (9.36) 4jx0  xj und im zweidimensionalen Fall i G(x;x0 ) = H(2) (kjx0  xj) : (9.37) 4 0 In Gln. (9.36) und (9.37) ist die Größe jx0  xj der Abstand zwischen dem Aufpunkt P und dem Quellpunkt Q. Ferner bedeutet H(2) 0 (z) die Hankel-Funktion zweiter Art von der Ordnung Null (vgl. [8]). Das gesuchte Potential ˚ muß im Gebiet ˝ die Helmholtz-Gleichung (9.8) erfüllen.Auf der abstrahlenden Fläche @B muß der Schalldruck der Randbedingung (9.10) genügen. Auf dem äußeren Rand  wird zunächst keine explizite Randbedingung vorgegeben. Es wird nun eine Integralgleichung aufgestellt, mit deren Hilfe das gesuchte Potential auf dem Rand @B des abstrahlenden Körpers berechnet werden kann. Dazu wird von der ersten Greenschen Identität [8] ausgegangen

  @G @˚ ˚ dS(x0 ) : G (9.38) (˚
0 G  G
0 ˚) dV(x0 ) = @n0 @n0 ˝ 19

tot

Die Bezeichnung Quellpunkt rührt daher, daß bei Zusammenfallen vonAuf- und Quellpunkt die Delta-Funktion auf der rechten Seite von (9.35) singulär wird. Dies läßt sich anschaulich so deuten, daß im Quellpunkt P eine Strahlungsquelle mit unendlich großer Stärke wirkt.

170

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Der Index „0“ bedeutet, daß durch ihn gekennzeichnete Rechenoperationen20 in Bezug auf die Koordinaten des Quellpunktes erfolgen. tot bezeichnet den gesamten Rand, der sich aus @B und  zusammensetzt. Um das Volumenintegral in (9.38) zu berechnen, wird beachtet, daß ˚ und G Lösungen der Helmholtz-Gleichung (9.8) bzw. der inhomogenen Helmholtz-Gleichung (9.35) sind. Zunächst wird der Fall betrachtet, daß der Aufpunkt nicht auf dem Rand @B liegt. Ferner dürfen Aufpunkt und Quellpunkt nicht zusammenfallen (P 6= Q). Damit folgt  (˚
0 G  G
0 ˚) dV(x0 ) = ˝



+ ) 2 * , ˚ k G + ı(x  x0 ) + Gk2 ˚ dV(x0 ) = ˚(x) :

˝

Es läßt sich zeigen [41], daß das Volumenintegral den Wert ˚(x)=2 annimmt, wenn der Aufpunkt P auf dem abstrahlenden Rand liegt (P 2 @B). Sofern der Aufpunkt außerhalb des abgeschlossenen Gebietes ˝ liegt, nimmt das Volumenintegral den Wert Null an. Mit diesen Ergebnissen folgt aus (9.38)

 @˚ @G ˚(x) =

˚(x0 dS(x0 ) ; G (9.39) @n0 @n0 tot

⎧ ⎪ 1 8x 2 ˝ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨

= 2 8x 2 tot = @B [ @ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 0 8x 2 IR3 n ˝ :

(9.40)

In einem nächsten Schritt wird die Randfläche  in das Unendliche verlegt. Mit Hilfe einiger, hier nicht angegebener Umformungen folgen aus (9.39) die SommerfeldBedingung (9.11) und die gesuchte Helmholtzsche Randintegralgleichung 1 ˚(x) = 2

 ˚(x0 )

@G(jx0  xj)  G(jx0  xj)vn (x0 ) @n

dS0 :

(9.41)

@B

Dabei wird vorausgesetzt, daß der Aufpunkt P auf dem abstrahlenden Rand @B liegt. Gl. (9.41) stellt die gesuchte Randintegralgleichung für das Potential ˚ dar. Sofern die Lösung dieser Randintegralgleichung bekannt ist, kann aus ihr mittels der Darstellungsformel

 @G(jx0  xj) @˚(x0 )  G(jx0  xj) dS0 ˚(x) = ˚(x0 ) (9.42) @n @n @B

20

Zu beachten ist, daß jeder beliebige Punkt des abstrahlenden Randes @B Quellpunkt sein kann. Daher sind die Koordinaten des Quellpunktes auf dem Rand @B variabel.

9.4 Randelemente

171

das Potential im Außengebiet ˝ = IR3nB berechnet werden. Dabei liegt der Aufpunkt P mit dem Ortsvektor x im Inneren des sich jetzt bis in das Unendliche erstreckenden Berechnungsgebietes ˝. Die Randintegralgleichung (9.41) läßt sich im allgemeinen nicht in geschlossener Form auswerten. Daher wird eine numerische Näherungslösung nach dem Verfahren der Randelemente ermittelt. Das Verfahren der Randelemente ist wie die Methode der Finiten Elemente ein numerisches Näherungsverfahren. Zur Entwicklung des Verfahrens wird der Rand @B des abstrahlenden Körpers in vollkommener Analogie zur Triangulation des Gebietes B in der Methode der Finiten Elemente (vgl. Abschnitt 8.1, insbesondere S. 138) in Nel Randelemente eingeteilt ⎧ ⎪ N el ⎨ rs wenn @Br und @Bs Nachbarn 6 3 @B = @Bs ; @Br @Bs = : ⎪ ⎩ ; s=1 sonst Hier ist rs der gemeinsame Rand der Elemente @Br und @Bs . Als nächstes werden wie bei der Methode der Finiten Elemente Formfunktionen (vgl. hierzu (8.9)) eingeführt. Mit diesen Formfunktionen läßt sich das gesuchte Potential innerhalb eines beliebigen Elementes j approximieren k  (j)

(j)

˚

=

(j) N(j) a ˚a :

(9.43)

a=1

Hierin sind k(j) die Anzahl der Knoten im Element j und ˚(j) a die unbekannten Knotenwerte innerhalb des betrachteten Elementes j. Für den gesamten Rand gilt die Approximation Nel  k  (j)

˚(x) =

(j) N(j) a ˚a :

(9.44)

j=1 a=1

Schließlich wird die auf dem Rand vorgeschriebene Normalenkomponente vn des Geschwindigkeitsvektors ebenfalls mit Hilfe der Formfunktionen approximiert Nel  k  (j)

vn (x) =

(j) N(j) a vn a ;

(9.45)

j=1 a=1

wobei die Koeffizienten v(j) n a die Werte der vorgeschriebenen Geschwindigkeit in Richtung des Normaleneinheitsvektors vn in den Knoten a der einzelnen Elemente j sind. Durch Einsetzen von Gln. (9.44) und (9.45) in (9.41) folgt die diskretisierte Form der Helmholtzschen Randintegralgleichung el  1  ˚(P) + 2

N



k  (j)

a=1

j=1

@Bj

(j) (j) N(j) a (x ) ˚a

@G(P;x(j) ) dS = @n

172

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

 Nel 

k 

j=1

a=1

(j)

(j) (j) N(j) a (x ) vn a G(P;x ) dS :

(9.46)

@Bj In (9.46) sind die Größen ˚(j) a unbekannt. Die Anzahl dieser Unbekannten ist gleich Nel  K= k(j) , wobei k(j) die Anzahl der Knotenpunkte im Element j ist. j=1

Die Auswertung der diskretisierten Randintegralgleichung (9.46) erfolgt durch sogenannte Kollokation. Dazu wird der Quellpunkt Q der Reihe nach in alle Elementknoten des diskretisierten Randes gelegt. Damit stehen die gleiche Anzahl von Gleichungen wie Unbekannte zur Verfügung. Dabei ist es zweckmäßig, sämtliche NR Randknoten fortlaufend zu numerieren. Ein beliebiger Knoten weise den globalen Index A (1  A  K)auf. Für das Weitere werden folgende Abkürzungen eingeführt: rA := jxA  xj ;

(9.47)

 (j) N(j) a (x )

Aja :=

@G(rPj ) ıaP dS  ; 2 @n

(9.48)

@Bj  (j) N(j) a (x ) G(rPj ) dS :

Bja :=

(9.49)

@Bj Damit nimmt nach der Kollokation (9.46) folgende Form an Nel  k  (j)

Nel  k  (j)

Aja ˚(j) a =

j=1 a=1

Bja vna :

(9.50)

j=1 a=1

Mit der fortlaufenden Numerierung aller Knoten (1  k  K) ergibt sich unter Berücksichtigung der Beiträge aller Elementknoten zu den einzelnen globalen Knoten K K   Ajk ˚k = Bjk vnk : (9.51) k=1

k=1

Gl. (9.51) stellt die zum „globalen“ Knoten j gehörende Gleichung des BEMSystems dar. Durch Zusammenfassen aller globalen Gleichungen in Matrizenschreibweise ergibt sich das globale BEM-Gleichungssystem A ˚ = B vn :

(9.52)

Dies ist das gesuchte Gleichungssystem für die Werte des Potentials auf dem Rand. Die in Gln. (9.48 und 9.49) auftretenden Integrale müssen numerisch berechnet

9.4 Randelemente

173

werden. Dabei werden die Integranden singulär, wenn der Quellpunkt P auf einem Knoten des betrachteten Randintegrals liegt, weil dann rPj = 0 gilt und daher die Greensche Funktion und ihre Normalenableitung gegen 1 gehen (vgl. Gln. (9.36 und 9.37)). Es läßt sich jedoch zeigen [60], daß die Integrale existieren und daher auch numerisch ausgewertet werden können. Die Berechnung der Integrale erfolgt im allgemeinen durch Gaußsche Quadraturen [3]. Sobald die Werte des Potentials auf dem Rand bekannt sind, kann das Potential in beliebigen Punkten des Gebietes ˝ mit Hilfe der Darstellungsformel (9.42) berechnet werden. Aus dem Potential lassen sich die Geschwindigkeit und der Druck gemäß v = grad ˚ ; jpj = 0 ˝j˚j berechnen. Der Geschwindigkeitsvektor v hängt über die Kreiswellenzahl k gemäß (9.9) ebenfalls von der Erregerfrequenz ˝ ab. Die Matrizen A und B in (9.52) sind voll besetzt und vor allem unsymmetrisch. Daher können Gleichungslöser, wie sie für die FEM entwickelt wurden, nicht eingesetzt werden. Abschließend wird darauf hingewiesen, daß die Randintegralgleichung (9.41) und damit auch die diskrete Randelemente-Gleichung (9.52) unter bestimmten Bedingungen keine eindeutige Lösung besitzt. Dazu wird das das folgende Problem betrachtet.
˚ + k2 ˚ = 0 8x 2 B ; ˚(x) = f (x)

8x 2 @B :

(9.53) (9.54)

Dabei ist f (x) eine auf dem Rand @B vorgegebene Funktion. Das durch (9.54) definierte Problem heißt inneres Dirichlet-Problem. Mittels des inneren DirichletProblems wird eine Lösung der Helmholtz-Gleichung im Innengebiet B gesucht, das nicht von einem festen Körper wie beim äußeren Abstrahlproblem sondern von Luft erfüllt ist. Diese Lösung muß auf dem Rand @B die vorgeschriebenen Randwerte f (x) annehmen. Wird das homogene innere Dirichlet-Problem betrachtet, bei dem die Funktion f (x) = 0 wird, gibt es dafür nichttriviale Lösungen ˚ 6= 0. Die nichttrivialen Lösungen stellen sich für bestimmte Werte k0 der Kreiswellenzahl ein. Diese Werte heißen Eigenwerte des inneren Dirichlet-Problems. Das äußere Abstrahlproblem besitzt keine eindeutige Lösung, wenn die Erregerkreisfrequenz ˝ = kc mit einem Wert zusammenfällt, der sich aus einem Eigenwert des inneren Dirichlet-Problems ergibt. Derartige Erregerkreisfrequenzen werden als kritische Kreisfrequenzen bezeichnet. Die kritischen Kreisfrequenzen besitzen keine physikalische Bedeutung. Sie ergeben sich ausschließlich dadurch, daß die Lösung des äußeren Abstrahlproblems mit Hilfe der Helmholtzschen Randintegralgleichung (9.41) bzw. der Randelemente-Gleichung (9.52) berechnet wird. Die mathematische Theorie für das Auftreten kritischer Kreiswellenzahlen findet sich in [40, S. 306ff]. Da die Koeffizienten sowohl der Matrix A als auch der Matrix B mit Hilfe der Greenschen Funktion bzw. ihrer Normalenableitung berechnet werden und diese von der Kreiswellenzahl k bzw. der Kreisfrequenz ! abhängt, sind die Koeffizien-

174

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

ten frequenzabhängig. Sie müssen daher für jeden Frequenzschritt neu berechnet werden und das (gegenüber FEM-Berechnungen an vergleichbaren Strukturen kleinere, jedoch voll besetzte) Gleichungssystem muß neu aufgebaut werden. Daher ist die numerische Effizienz der Randelemente deutlich geringer als die der Infiniten Elemente (vgl. Abschn. 9.3).

Zusammenfassung 1. Randelemente beruhen auf der Diskretisierung der Helmholtzschen Randintegralgleichung (9.41). Die Lösung wird auf dem Rand @B des abstrahlenden Körpers B berechnet. Die Lösung außerhalb des Randes wird mittels der Darstellungsformel (9.42) bestimmt. Dazu sind nur sog. Quadraturen, d.h. Auswertungen von Integralen mit bekannten Integranden erforderlich. 2. Gegenüber FEM-Berechnungen nimmt die Dimensionalität des Problems um eine Ordnung ab. 3. Das System der Randelement-Gleichungen (9.52) besitzt voll besetzte, nicht symmetrische Matrizen. Daher sind Standard-Gleichungslöser der FEM nicht anwendbar. 4. Die Matrizen der Randelement-Gleichungen hängen explizit von der Kreiswellenzahl k und damit von der Frequenz ab. Sie müssen daher für jede interessierende Frequenz neu berechnet und assembliert werden. Dies erfordert entsprechende Rechenzeiten. 5. Bei den Randelementen treten singuläre Kreiswellenzahlen auf. Sofern die Erregerkreisfrequenz mit einer Frequenz zusammenfällt, die sich aus einer singulären Kreiswellenzahl ergibt, ist die Lösung nicht eindeutig. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für die Standard-Formulierung der Randelement-Methode. Es gibt Formulierungen, bei denen die singulären Kreiswellenzahlen vermieden werden [40, Abschn. 11.5.2]. Diese sind allerdings numerisch aufwendiger.

9.5 Vergleich von Methoden zur Berechnung von Abstrahlproblemen Von Landfester [42] stammt ein Vergleich einer analytischen Lösung für einen akustischen Dipol mit numerischen Näherungslösungen, die mit Hilfe von konjugierten und unkonjugierten Infiniten Elementen berechnet werden. Die analytische Lösung für einen akustischen Dipol - das ist eine in in einer Richtung oszillierende Kugel lautet ˚(r;˛) ' a (2 1 + ikr = cos ˛ exp[ik(a  r)] : (9.55) ˚0 r 2(1 + ika)  (ka)2

9.5 Vergleich von Methoden zur Berechnung von Abstrahlproblemen

175

Abb. 9.10. Oberflächennetz eines akustischen Dipols

Hierin bedeuten a den Radius der schwingenden Kugel und r den Abstand eines beliebigen Raumpunkts vom Ursprung, in dem sich der Mittelpunkt der Kugel in der Ruhelage befindet. Die Kugel schwingt mit der Geschwindigkeit v = v0 exp(i!t) längs der x1 -Achse (vgl. Abb. 9.10). Der Winkel ˛ ist der Öffnungswinkel eines Kegels, der um die x1 -Achse geschlagen wird und seine Spitze im Ursprung aufweist. Der Winkel ˛ kann Werte zwischen 0 und  annehmen (0  ˛  ). Die Schnitte des Kegels mit der Kugel r = a ergeben auf der Kugel Kleinkreise, deren Mittelpunkte alle auf der x1 -Achse liegen. Der Referenzwert des akustischen Potentials beträgt ˚0 = v0 a. Abboldung 9.10 zeigt die Diskretisierung der Oberfläche der Kugel mit gewöhnlichen akustischen Elementen. Insgesamt werden 5 Schichten von gewöhnlichen akustischen Elementen angeordnet. Die Grenzfläche  zwischen den gewöhnlichen und den Infinite Elementen wird als Kugel mit r = =2 gelegt, wobei  die Wellenlänge der abgestrahlten Schallwelle ist. Insgesamt werden 1500 gewöhnliche und 300 Infinite Elemente angeordnet. Die radiale Ordnung der Infiniten Elemente beträgt 2. In Abb. 9.10 ist ein Punkt markiert, der auf dem durch die Wahl ˛ = =3 festgelegten Kleinkreis auf der Oberfläche des Dipols liegt. In Abb. 9.11 ist der Verlauf des skalierten akustischen Potentials in Abhängigkeit von der skalierten Kreiswellenzahl ka für einen beliebigen Punkt auf der Oberfläche des Dipols aufgetragen, der auf dem durch die Wahl des Winkels ˛ = =3 festgelegten Kleinkreis liegt. In Abb. 9.11 finden sich die Verläufe des skalierten Potentials, und zwar einmal als analytische Lösung und außerdem die mittels zweier Infiniter Elemente berechneten Näherungslösungen. Dies sind einmal die Formulierung von Burnett (vgl. hierzu Abschn. 9.3) und die sog. konjugierten Infiniten Elemente nach Astley et al., die in diesem Buch nicht behandelt werden (vgl. hierzu [40, Abschn. 11.3.4]) Es zeigt sich, daß die nach beiden Methoden berechneten Näherungslösungen den Verlauf des exakten Potentials sehr gut annähern können. Abschließend sollen die FEM und die BEM verglichen werden. Dabei werden die Vor- und Nachteile beider numerischer Verfahren angegeben. Da grundsätzlich beide Verfahren sowohl für Probleme der Festkörper- als auch der Strömungsmechanik

176

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Φ/Φ0

0,4

0,3

konjugierte Elemente unkonjugierte Elemente analytische Lösung

0,2

0,1

0 0

5

10

15

20

25 ka

Abb. 9.11. Verlauf des akustischen Potentials für einen Dipol auf dessen Oberfläche (˛ =

=3) in Abhängigkeit von der Kreiswellenzahl

eingesetzt werden können, beziehen sich die Vor- und Nachteile auf diese beiden Einsatzgebiete. 1. FEM Vorteile Die unten aufgeführten ersten drei Vorteile gelten allgemein für Probleme der Festkörpermechanik und der Luftschallabstrahlung. – Universell einsetzbares numerisches Verfahren für die Lösung beliebiger Randwert-Probleme (auch nichtlinear). – Ausgereifte Software verfügbar. – Symmetrische,22 bandartig besetzte Steifgkeitsmatrizen, dadurch effiziente Gleichungslöser. – Keine Schwierigkeiten, inhomogene Werkstoffe (z.B. Faserverbundmaterialien) zu behandeln (in der Festkörpermechanik). – Erfüllung der Sommerfeld-Bedingung bei allen Infiniten Elementen. – Infinite Elemente mit radialen Entwicklungen [10, 11] und alternative Infinite Elemente [1, 22] numerisch sehr effizient. – Bei Verwendung Infiniter Elemente müssen um den abstrahlenden Körper nicht allseits Freifeldbedingungen vorliegen (Beispiel: Berechnung der Schallausbreitung einer in einem schallharten Raum mit einem Fenster aufgestellten Maschine).

21

Die konjugierten Infiniten Elemente nach Astley et al. führen im äußeren Berechnungsgebiet auf unsymmetrische Steifigkeits- und Dämpfungsmatrizen.

9.5 Vergleich von Methoden zur Berechnung von Abstrahlproblemen

177

– Infinite Elemente nach Burnett und Holford sind in dem kommerziellen Programmsystem SYSNOISE der Firma LMS, Louvain, Belgien implementiert. Nachteile – Hoher Aufwand für die Erstellung des FEM-Netzes, Verwendung geeigneter Preprozessoren insbesondere bei dreidimensionalen Problemen unabdingbar. – Unsymmetrische Matrizen bei alternativen Infiniten Elementen [1, 22] und daher standardmäßige Gleichungslöser nicht anwendbar. 2. BEM: Vorteile – Nur der Rand muß in Elemente diskretisiert werden, dadurch Reduktion des Problems um eine Dimension. – Deutlich geringerer Diskretisierungsaufwand als bei der FEM. – BEM erfüllen bei äußeren Abstrahlproblemen Sommerfeld-Bedingung a priori. – Relativ kleine Systemmatrizen. Nachteile – Unsymmetrische Matrizen, daher Standard-Gleichungslöser der FEM nicht anwendbar. – Wenig geeignet für nichtlineare Probleme (treten vor allem in der Festkörpermechanik auf). – Ungeeignet für inhomogene Werkstoffe (nur in der Festkörpermechanik). – Lösung des äußeren Abstrahlproblems bei sehr langgestreckten Körpern numerisch deutlich weniger effizient als die Inifiniten Elemente nach Burnett [10, 11] und die alternativen Infinite Elemente [1, 22]. – Auswertepunkte außerhalb des Randes müssen vor Durchführung der Berechnungen festgelegt werden. Sofern Auswertung in zusätzlichen „Außenpunkten“ erforderlich wird, muß BEM-Berechnung neu durchgeführt werden. Dies kann bei Berechnungen über einen größeren Frequenzbereich sehr aufwendig werden.

Hinsichtlich des Vergleichs von Infiniten Elementen und BEM ist auf folgenden grundlegenden Unterschied hinzuweisen. Die BEM stellt ein rein numerisches Verfahren dar, mit dessen Hilfe zunächst eine Näherungslösung auf dem Rand berechnet wird. Mit Hilfe der Darstellungsformel (9.42) kann diese Näherungslösung in beliebige Punkte des betrachteten Gebiets fortgesetzt werden. Die Näherungslösung auf dem Rand und ihre Fortsetzung in das Berechnungsgebiet werden mit Hilfe der Greenschen Funktion der Helmholtz-Gleichung des Vollraumes konstruiert. Daher erfüllt die Näherungslösung im gesamten Gebiet die Sommerfeld-Bedingung.

178

9 Numerische Berechnung abgestrahlter Luftschallfelder

Infinite Elemente liefern wie alle FEM eine Näherungslösung in festgelegten Knoten des betrachteten Gebietes. Jedoch werden für den radialen Anteil der Formfunktionen analytische Lösungen eingesetzt, die gewährleisten, daß die Infiniten Elemente die Sommerfeld-Bedingung a priori erfüllen. Hierauf beruhen die Genauigkeit und die numerische Effizienz der Infiniten Elemente. Infinite Elemente lassen sich durch geeignete Wahl des Koordinatensystems einfach auf spezielle Geometrien zuschneiden. Die Ermittlung der numerischen Lösung in beliebigen Punkten des Berechnungsgebietes außerhalb der Knoten ist infolge des Interpolationsschemas der FEM bei Infiniten Elementen sehr einfach und erfordert nur geringen Berechnungsaufwand.

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Zielsetzungen maschinenakustischer Messungen im Rahmen der Entwicklung und Pflege eines technischen Produkts (Abschn. 10.1) – Maschinenakustisch relevante Meßgrößen am Beispiel eines maschinenakustischen Systems (Abschn. 10.2) – Signal- und Datenfluss in einer allgemeinen maschinenakustischen Meßkette (Abschn. 10.3) – Beschreibung der für maschinenakustische Anwendungen wichtigsten Sensoren (Abschn. 10.4) – Grundbegriffe der digitalen Meßtechnik. Aufbau und Funktionsweise von Frequenzanalysatoren (Abschn. 10.5) – Beschreibung der wichtigsten Funktionen der diskreten Fourier-Transformation (DFT). Diskussion von Fehlerquellen der DFT. – Methoden für die Messung der Luftschalleistung

10.1 Zielsetzungen maschinenakustischer Messungen Meßverfahren müssen für die Lösung maschinenakustischer Aufgaben nach wie vor eingesetzt werden, obwohl leistungsfähige Berechnungsverfahren zur Verfügung stehen. Jedoch genügen diese i.a. nicht, um akustisch optimierte Erzeugnisse zu entwickeln. Aufgrund der rasch fortschreitenden Entwicklung von Datenerfassungsund Datenverarbeitungsgeräten wird der Zeitbedarf für die Ausführung bestehender Meßprozeduren kontinuierlich verringert und zugleich die Qualität der Meßergebnisse erhöht. Dies eröffnet der maschinenakustischen Meßtechnik zahlreiche neue Anwendungsgebiete. Die wesentlichen Zielsetzungen des Meßtechnikeinsatzes werden in Tabelle 10.1 zusammengefaßt. Es ist sehr wichtig, vor der Ausführung von Messungen Aufgabenstellung und Zielsetzung des Einsatzes der Meßtechnik genau festzulegen. Nur auf diese Weise können die einzusetzende Meßausrüstung sowie die Meß- und Auswertungsverfahren sinnvoll ausgewählt und damit der Aufwand zum Erreichen des Ziels minimiert werden.

10.2 Maschinenakustisch relevante Meßgrößen Wie in den Kapiteln 1 und 7 erläutert, berücksichtigt die indirekte Schallentstehungskette das Auftreten von Anregungskräften an einem maschinenakustischen System.

Ermittlung signifikanter Kenngrößen für das Körper- / Luftschallfeld in definierten Betriebs- bzw. Meßzuständen Vergleich zwischen Ausgangszustand und Modifikationszustand, Vergleich eines Produktes mit Wettbewerberprodukten unter gleichen Randbedingungen Lokalisierung von Zonen hoher Körperschallamplitude bzw. starker Schallabstrahlung, Identifikation kritischer Betriebszustände Nutzung der Meßergebnisse für einen Abgleich einer Modellabbildung (numerische Berechnung) an das reale Objekt. Bewertung und Verbesserung der Modellabbildung des Gesamtsystems bzw. von Komponenten Messung des Übertragungsverhaltens oder eines definierten Schwingungszustandes, um Abweichungen von einem Referenzzustand zu identifizieren Anwendung der Schall- und Schwingungsanalyse, Schadensfrüherkennung

Vergleichsmessung (Benchmarking)

Identifikation von Problemzonen und des Verbesserungspotentials maschinenakustischer Systeme

Updating, Modellabgleich

Qualitätskontrolle

Überwachung und Wartung von Maschinenanlagen

Beispiel

Feststellung des Istzustandes eines maschinenakustischen Systems

Zielsetzung

Tabelle 10.1. Zielsetzungen beim Einsatz maschinenakustischer Messungen

Anwendungsstadium

Produktionsstadium

Vorbereitung einer Neuentwicklung, Konstruktionsstadium

Vorbereitung einer Neuentwicklung oder einer Modifikation

Vorbereitung einer Neuentwicklung, Produktionsstadium

alle Stadien

Produktstadium

180 10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

10.2 Maschinenakustisch relevante Meßgrößen

181

Abb. 10.1. Fahrzeug als Beispiel einer Schallentstehungskette

Resultierend aus der Anregung entsteht ein Körperschallfeld, das zur Abstrahlung von Luftschall führt. Die maschinenakustisch relevanten Meßgrößen werden anhand der exemplarischen Schallentstehungskette in Abb. 10.1 aufgezeigt. Abgesehen von den indirekt genutzten Meßgrößen (z.B. mittlere Drehzahl, mittleres Moment) werden dabei nur die instationären Anteile der jeweiligen Meßgrößen betrachtet, da ausschließlich diese maschinenakustisch relevant sind. Die Meßgrößen sind im allgemeinen zeit-, frequenz- und ortsabhängig. Man unterscheidet zwischen skalaren Meßgrößen (nicht richtungsabhängig) und vektoriellen Meßgrößen (richtungsabhängig). Das schematisch dargestellte Fahrzeug steht stellvertretend für ein allgemeines maschinenakustisches System. Anregung: Die Schwingungsanregung des Fahrzeuges erfolgt an unterschiedlichen Stellen. Der Motor wird durch die im Zylinder wirksame Druckpulsation pa zu Schwingungen angeregt. Über die Motorlagerung werden Anregungskräfte F in die Karosserie eingeleitet. Ferner regen die im Fahrbetrieb auftretenden Radkräfte das Fahrzeug zu Schwingungen an. Die Anregung kann auch durch Nebenaggregate wie z.B. Hydraulik- und Pneumatikanlagen oder Stellantriebe erfolgen. Bei Hydraulikpumpen werden z.B. Anregungskräfte in Form von Druckpulsationen über das Leitungssystem zu den angeschlossenen Verbrauchern und an den Befestigungsstellen in die Struktur eingeleitet. Ein schwingungsanregendes Moment M wird über die Motorwelle und die Kupplung auf den Antriebsstrang des Fahrzeuges übertragen. Schließlich sind an den Lagerungs- und Befestigungsstellen des Antriebsstranges Anregungskräfte F wirksam. Die Schwingungsanregung resultiert folglich aus einer Überlagerung zahlreicher, häufig nicht punktuell sondern flächenhaft wirksamer Anregungsmechanismen. Die einzelnen Anregungsmechanismen sind meist nur in spezifischen Betriebszuständen wirksam. Körperschall: Als Körperschall werden Festkörperschwingungen im Hörfrequenzbereich bezeichnet. Durch die an den Krafteinleitungsstellen erfolgteAnregung wird in der schwingungsfähigen Karosserie ein Körperschallfeld erzeugt, das durch

182

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Tabelle 10.2. Maschinenakustisch relevante Meßgrößen

Skalare Größen Anregung

Vektorielle Größen

Druck p

Kraft F

Drehzahl n

Moment M Winkelgeschwindigkeit ! Beschleunigung a

Körperschall

Schnelle v Schwingweg s Luftschall

Schalldruck p

Schallschnelle v

Schalleistung P

Schallintensität I

Ummgebungs-

Temperatur T

bedingungen

Relative Luftfeuchtigkeit Luftdruck p

Messungen der örtlichen Beschleunigung a, der Schnelle v oder des Schwingweges s erfaßt werden kann. Luftschall: Die am Fahrzeug in Richtung des Normalenvektors der Oberfläche wirkende Komponente der Schnelle führt zur Abstrahlung von Luftschall sowohl in den Innenraum als auch in die Umgebung des Fahrzeugs. Das Luftschallfeld kann durch eine Messung des Schalldruckes p an repräsentativen Meßpunkten erfaßt werden. Häufig interessiert der Leistungsfluß innerhalb oder außerhalb des Systems. Zu diesem Zweck wird die örtliche Schallintensität I oder die vom System abgestrahlte Schalleistung P ermittelt. Diese Größen lassen sich jedoch nicht direkt messen. Sie werden vielmehr mit Hilfe spezieller Auswertungsverfahren aus Schalldruckmessungen gewonnen. Die maschinenakustisch relevanten Meßgrößen sind in Tabelle 10.2 zusammengefaßt

10.3 Die allgemeine maschinenakustische Meßkette Die wesentlichen Elemente, die bei maschinenakustischen Messungen eingesetzt werden, zeigt das Blockdiagramm nach Abb. 10.2. Diese prinzipielle Meßkette setzt sich aus einem Sensor (Meßaufnehmer oder Wandler) , einem Vorverstärker, einem Datenerfassungsgerät und einem Auswertungssystem zusammen. Sensor: Die zu messende Größe wird durch den Sensor erfaßt. Dieser liefert als Ausgangssignal ein der zu messenden Größe proportionales elektrisches Signal (üblicherweise Spannung oder Ladung).

10.4 Sensoren

183

Abb. 10.2. Blockdiagramm einer allgemeinen maschinenakustischen Meßkette

Vorverstärker: Er dient der Versorgung des Sensors, der Signalverstärkung und der Impedanzanpassung an den Eingang des Datenerfassungsgerätes. In der praktischen Ausführung kann der Vorverstärker ein separates Gerät sein. Häufig wird er in den Sensor oder in das Datenerfassungsgerät integriert. Datenerfassungsgerät und Auswertungssystem: Das Datenerfassungsgerät ist üblicherweise ein Frequenzanalysator oder ein Digital-Datenrecorder. Die Eingangskanäle beider Systeme beinhalten ein hochwertiges analoges Tief- oder Bandpaßfilter, AD-Wandler und Digitalfilter. Bei den Frequenzanalysatoren ermöglicht ein integrierter Digital-Signalprozessor (DSP) eine interne Signalverarbeitung (z.B. FFT). Die Digital-Datenrecorder erlauben eine Aufzeichnung der Meßdaten auf digitale Speichermedien (z.B. DAT oder AIT). Als Auswertungssystem dient ein an das Datenerfassungsgerät angeschlossener Rechner (PC oder Workstation). Auf diesem können die Meßdaten gespeichert und aufgabenspezifische Auswertungen vorgenommen werden. Häufig stellen das Datenerfassungsgerät und das Auswertungssystem eine Einheit dar.

10.4 Sensoren Die folgende Einführung in die Thematik beschränkt sich auf die in der Maschinenakustik gebräuchlichsten Sensorbauarten. Darüber hinaus gibt es noch eine große Zahl von Sondersensoren für spezielle Anwendungen oder Einbausituationen auf deren Auflistung verzichtet wird. Grundsätzlich sind bei der Auswahl der für die Lösung der gestellten Meßaufgabe erforderlichen Sensoren folgende Eigenschaften zu beachten und in den Spezifikationen festzulegen bzw. den Herstellerangaben zu prüfen: – – – – – – – – –

Meßgröße Empfindlichkeit Dynamikbereich Auflösung Genauigkeit Linearität Frequenzgang (Amplitude und Phase) Richtungsabhängigkeit Umwelteinfluß (Temperatur, Feuchte, Druck, Verunreinigung, elektromagnetische Felder)

184

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

– Baugröße – Beinflussung der Meßergebnisse durch den Sensor – Befestigung, Applikation 10.4.1

Luftschallsensoren

Als Sensoren für den Luftschall werden bei maschinenakustischen Messungen üblicherweise Druckmikrofone eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, ein der örtlichen Meßgröße (Schalldruck) proportionales elektrisches Signal zu liefern. Es erfolgt also eine Umwandlung von Luftschall-Energie in elektrische Energie. Daher werden Mikrofone auch als elektroakustische Wandler bezeichnet. Die Wandlung erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Energie des Luftschalls in mechanische Energie gewandelt, indem der Schalldruck eine Membran zu einer erzwungenen Schwingung anregt. Im zweiten Schritt wird mechanische Energie in elektrische gewandelt. Sie erfolgt in Abhängigkeit der Mikrofonbauart auf unterschiedliche Weise. Aufgrund der vorteilhaften Eigenschaften von Kondensatormikrofonen (flacher Frequenzgang, großer Dynamikbereich, kompakte Bauform, geringes Eigenrauschen, hohe Stabilität) wird diese Mikrofonbauart bevorzugt eingesetzt, wenn es auf Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ankommt. Aufbau und Funktionsweise von Kondensatormikrofonen Abbildung 10.3 zeigt ein Kondensatormikrofon. Die bewegliche Membran und die starre Gegenelektrode bilden einen Kondensator, der durch eine extern angelegte Polarisations-Gleichspannung (bei Meßmikrofonen üblicherweise 200V) geladen wird. Die Membran ist direkt am Gehäuse befestigt, die Gegenelektrode wird über eine thermisch und mechanisch stabile Isolatorscheibe gegenüber dem Gehäuse fi-

Abb. 10.3. Aufbau eines Kondensatormikrofons

10.4 Sensoren

185

xiert. Lenkt eine Luftschallwelle die Membranelektrode aus, so ändert sich der Abstand zwischen Membran und Gegenelektrode und damit die Kapazität des Kondensators. Bei einer konstanten Ladung Q0 des Kondensators ist der Wechselspannungsanteil U der am Mikrofon wirksamen Leerlaufspannung proportional zur Änderung s des Elektrodenabstandes U =

Q0 s

0 S

Die Baugröße von Meßmikrofonen wird in Abhängigkeit vom Membrandurchmesser definiert. Übliche Baugrößen sind 100 (23,77mm Außendurchmesser), 1/200 (13,2mm), 1/400 (7mm) und 1/800 (3,5mm). Aufbau von Elektretmikrofonen Der Aufbau und die akustischen Eigenschaften dieses Mikrofons entsprechen im wesentlichen jenen des konventionellen Kondensatormikrofons. Um den Aufwand der Bereitstellung einer hohen Polarisations-Gleichspannung zu umgehen, wird eine Elektretfolie entweder als Membran verwendet oder auf die Oberfläche der Gegenelektrode aufgetragen (vgl. Abb. 10.4). Bei der Elektretfolie handelt es sich um ein permanent geladenes Dielektrikum (z.B. Teflonfolie) mit einer einseitigen Metallisierung. Die Metallisierungsschicht besitzt eine Kompensationsladung entgegengesetzten Vorzeichens, so daß die Elektretfolie keine Gesamtladung aufweist. Das Problem des zeit-, temperatur- und luftfeuchtigkeitsabhängigen Ladungszerfalls wird bei den heute produzierten Elektreten durch eine geeignete Werkstoffauswahl und durch künstliche Alterung gelöst. Vorverstärker Beide Bauformen des Kondensatormikrofons werden mit einem Vorverstärker kombiniert. Dieser wandelt die hohe Ausgangsimpedanz des Mikrofons in eine niedrige Ausgangsimpedanz. Um den Einfluß von elektromagnetischen Störsignalen auf das Meßsignal zu minimieren, muß der Vorverstärker möglichst nahe der Mikrofonkapsel

Abb. 10.4. Aufbau eines Elektretmikrofons

186

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.5. Bauformen von Meßmikrofonen

angeordnet werden. Der Vorverstärker eines konventionellen Kondensatormikrofons besitzt im Vergleich zur Mikrofonkapsel relativ große Abmessungen. Bei Elektret-Kondensatormikrofonen ist der Vorverstärker in SubminiaturBauweise häufig in den Kapselkörper integriert, wodurch sich Meßmikrofone mit äußerst kompakten Abmessungen und geringem Gewicht aufbauen lassen. Auch werden Elektret-Kondensatormikrofone angeboten, welche durch die als Standard etablierte Stromeinprägungsversorgung der Frequenzanalysatoren gespeist werden können. Hierdurch lassen sich preiswerte und übersichtliche Meßketten realisieren. Einige Bauformen von Meßmikrofonen zeigt Abb. 10.5. Das 1/200 -Kondensatormikrofon mit Vorverstärker (Nr. 1) ist für allgemeine Meßaufgaben geeignet. Mikrofon Nr. 2 ist ein Elektret-Kondensatormikrofon mit Vorverstärker für Stromeinprägungsversorgung. Aufgrund der kompakten Abmessungen, des niedrigen Gewichts und der niedrigeren Anschaffungskosten ist es besonders für Arraymessungen (siehe Kapitel 11) geeignet. Die Miniaturausführungen von ElektretKondensatormikrofonen (Nr. 3) sind insbesondere für Messungen an schlecht zugänglichen Stellen geeignet und beeinflussen aufgrund ihrer geringen Abmessungen das Schallfeld auch im höheren Frequenzbereich kaum.

Wichtige Eigenschaften und Kenngrößen von Meßmikrofonen Übertragungsfaktor: Meßmikrofone werden ab Werk kalibriert. Als Kenngröße der Mikrofonempfindlichkeit wird dabei der Übertragungsfaktor (U =p) übermittelt. Dieser drückt aus, welche Wechselspannung am Mikrofon anliegt, wenn ein bestimmter instationärer Schalldruck auf die Mikrofonmembran einwirkt. Der typische Übertragungsfaktor (Sensitivität) von 1/200-Meßmikrofonen beträgt beispielsweise 50 mV/Pa. Die Kalibrierung erfolgt für die meisten Mikrofone bei einer

10.4 Sensoren

187

festen Frequenz von 250 Hz bzw. 1000 Hz und einem konstanten Schalldruckpegel (94, 114 oder 124 dB). – Die Kalibrierung von hochgenauen Labormikrofonen erfolgt mit dem Verfahren der Reziprozitätskalibrierung1 . Dieses stellt ein absolutes Kalibrierverfahren dar, das eine Kalibriergenauigkeit besser ˙0;05 dB ermöglicht. – Der Übertragungsfaktor von gewöhnlichen Meßmikrofonen wird vom Hersteller üblicherweise durch eine Vergleichskalibrierung bestimmt. Hierzu werden das zu kalibrierende Mikrofon und das Referenzmikrofon (mit bekanntem Übertragungsfaktor) von der gleichen Signalquelle beschallt. Die Sensitivität von Meßmikrofonen soll in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um die Einhaltung der Genauigkeitsanforderungen zu gewährleisten und eine eventuelle Beschädigung rechtzeitig zu erkennen. Auf jeden Fall soll vor der Ausführung einer Messung eine Überprüfung des Übertragungsverhaltens der Meßmikrofone und der Meßkette vorgenommen werden. Dies kann auf einfache Weise mit einem kompakten akustischen Kalibrator erfolgen, der auch für den Feldeinsatz geeignet ist. Dabei wird ein definierter Schalldruckpegel (94 dB bzw. 114 dB in lauter Umgebung) bei einer Frequenz von 1 kHz an das zu prüfende Mikrofon angelegt. Moderne Kalibratoren besitzen eine interne Rückkopplungsschleife, bestehend aus einem Bezugsmikrofon und einer Regelschaltung. Das Kupplervolumen ist als Helmholtz-Resonator mit einer Resonanzfrequenz von 1 kHz ausgebildet. Hierdurch kann eine Kalibriergenauigkeit von ˙0;2 dB bei relativer Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Störeinflüssen erzielt werden. Für eine Laborkalibrierung mit erhöhter Genauigkeit (˙0;1 dB) kann ein Pistonphon verwendet werden. Das Pistonphon erzeugt in einer Kompressionskammer einen Schalldruck von 124 dB bei einer Frequenz von 250 Hz durch eine harmonische Bewegung eines elektromotorisch angetriebenen Kolbens. Amplitudengang: Eine wichtige Anforderung an Meßmikrofone ist die Unabhängigkeit des Übertragungsfaktors von der Frequenz (flacher Amplitudengang). Durch die Kalibrierung wird der Übertragungsfaktor jedoch nur für eine Frequenz, nämlich für die Kalibrierfrequenz, ermittelt. Um die Frequenzabhängigkeit des Übertragungsfaktors zu dokumentieren, ermittelt der Mikrofonhersteller den Amplitudengang jedes Meßmikrofons unter Verwendung eines elektrostatischen Kalibriergitters oder durch eine Vergleichsmessung mit einem Labormikrofon, dessen Druck-Frequenzgang bekannt ist. In Abb. 10.6 werden exemplarisch einige Amplitudengänge von Meßmikrofonen dargestellt. Es ist zu erkennen, daß der Amplitudengang in einem weiten Bereich um die Kalibrierfrequenz weitgehend flach (d.h. frequenzunabhängig) ist. Folgende Abweichungen treten am unteren und oberen Ende des Arbeitsfrequenzbereiches auf: – Die Entlüftungskapillare (vgl. Abb. 10.3) baut den statischen Druckunterschied zwischen der Umgebung und dem Mikrofoninnenraum ab, der z.B. aus ei1

DIN EN 61094: Meßmikrofone, Teil 2: Primärverfahren zur Druckkammer-Kalibrierung von Laboratoriums-Normalmikrofonen nach der Reziprozitätsmethode, 1993

188

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.6. Amplitudengang von Kondensatormikrofonen (schematisch)

ner Temperaturänderung der Umgebungsluft resultieren kann. Im unteren Frequenzbereich führt die Entlüftung des Mikrofons zu einem Abfallen des Übertragungsfaktors, denn der Druckausgleich erfolgt teilweise auch für instationäre Schalldrücke tiefer Frequenz. – Im Bereich der ersten Resonanzfrequenz der Mikrofonmembran tritt eine Überhöhung des Amplitudenganges auf. Die Überhöhung kann durch die Gestaltung der Bohrungen der Gegenelektrode (Abstimmung der inneren Dämpfung) beeinflußt werden. Arbeitsfrequenz- und Dynamikbereich: Im Arbeitsfrequenzbereich des Meßmikrofons muß der Übertragungsfaktor näherungsweise unabhängig von der Frequenz sein (konstanter Amplitudengang U =p). Die meisten Mikrofonhersteller definieren die zulässige Abweichung zwischen dem Amplitudengang und dem Übertragungsfaktor durch einen ˙2dB-Toleranzbereich (vgl. Abb. 10.6). In Abhängigkeit der Entlüftung- und Resonanzeigenschaften des Mikrofons resultieren die Schnittpunkte zwischen der Amplitudengangkurve und den Toleranzbandgrenzen. Hierdurch sind die obere und untere Grenze des Arbeitsfrequenzfrequenzbereiches gegeben. Durch eine große innere Dämpfung (Gestaltung der Bohrungen der Gegenelektrode) wird die Überhöhung des Amplitudenganges im Bereich der Resonanzfrequenz begrenzt, so daß der Arbeitsfrequenzbereich zu höheren Werten ausgedehnt werden kann. Als Dynamikbereich wird die Differenz zwischen dem kleinsten und dem größten meßbaren Schalldruckpegel bezeichnet. Seine untere Grenze ist frequenzabhängig und wird durch das thermische Rauschen der Mikrofonkapsel und durch das Rauschen des Vorverstärkers bestimmt. Das Verstärkerrauschen hängt von der Kapazität des Mikrofons ab. Je größer die Kapazität (bzw. der Mikrofondurchmesser), desto geringer ist das Rauschen. Bei hohen Schalldruckpegeln treten nichtlineare Membranauslenkungen auf. Diese führen zu einer Verzerrung des Meßsignals. Als obere Grenze des Dynamikbereichs wird üblicherweise die 3%-Signalverzerrungsgrenze definiert. Bei diesem Schalldruckpegel erreicht die Verzerrung des Meßsignals 3% der Signalamplitude. Je kleiner der Membrandurchmesser ist, desto höher liegt die Verzerrungsgrenze. Die obere Grenze des Dynamikbereichs kann auch aus einem Übersteuern des Vorverstärkers resultieren. Die Begrenzungen des Arbeitsfrequenz- und des Dy-

10.4 Sensoren

189

Abb. 10.7. Schematische Darstellung der Betriebsgrenzen von Kondensatormikrofonen

namikbereichs (Betriebsgrenzen) eines Kondensatormikrofons sind in Abb. 10.7 dargestellt. Richtungscharakteristik: Meßmikrofone müssen eine Kugelcharakteristik besitzen, um aus jeglicher Raumrichtung eintreffende Wellen gleichmäßig zu erfassen. Die ideale Kugelcharakteristik bildet sich nur unter folgenden Voraussetzungen aus: – Das Mikrofon muß als rein druckempfindliches Mikrofon konzipiert sein. Druckgradientenmikrofone besitzen hingegen eine ausgeprägte Richtcharakteristik. ImArbeitsbereich muß die Membranabmessung klein gegenüber der Luftschallwellenlänge sein. Anderenfalls führt die druckintegrierende Wirkung der Membran zu Meßabweichungen. – Der Mikrofonkörper muß derart beschaffen sein, daß möglichst keine Reflexions- und Beugungseffekte auftreten. Das Mikrofon darf das lokale Schallfeld durch seine Anwesenheit nicht beeinflussen. Dies bedeutet, daß große Mikrofone bei hohen Frequenzen eine weniger gut ausgeprägte Kugelcharakteristik besitzen als kompakte Mikrofone. Die Richtungscharakteristik von Meßmikrofonen wird unter Freifeldbedingungen (gerichtetes, reflexionsfreies Schallfeld) gemessen. In Abb. 10.8 ist für ausgewählte Frequenzen die Verminderung des Signalpegels in Abhängigkeit der Mikrofonausrichtung exemplarisch für ein 1/200 - und ein 1/400 -Mikrofon dargestellt. Um den Einfluß von Reflexions- und Beugungseffekten für spezifische Anwendungsfälle zu kompensieren, besitzen manche Mikrofone (insbesondere 100 - und 1/2-Typen) einen besonders abgestimmten Frequenzgang. Dabei wird zwischen Druck-, Diffusfeldund Freifeldmikrofonen (vgl. Abb. 10.9) unterschieden. – Druckmikrofone messen den tatsächlich an der Membran vorhandenen Schalldruckpegel ohne Kompensation. Sie sind besonders für Anwendungen geeignet,

190

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.8. Typische Richtungscharakteristik von Kondensatormikrofonen in Abhängigkeit

der Baugröße

Abb. 10.9. Anwendungsbereiche für Druck-, Diffusfeld- und Freifeldmikrofone

bei denen sich der Mikrofonkörper selbst nicht im Schallfeld befindet und dieses nicht beeinflußt. – Diffusfeldmikrofone kompensieren den Einfluß ihrer Mikrofonkörper im diffusen Schallfeld. – Freifeldmikrofone kompensieren den Einfluß ihrer Mikrofonkörper im Freifeld unter der Voraussetzung, daß sie auf die Schallquelle gerichtet sind. Der Druck-Frequenzgang dieser Mikrofone ist in Abb. 10.6 dargestellt. Die Kompensationswirkung resultiert aus einer Erhöhung der inneren Dämpfung. Diese kann durch die Gestaltung der Bohrungen der Gegenelektrode beeinflußt werden.

10.4 Sensoren

191

Zusammenfassung: 1. Als Sensoren für Luftschallmessungen werden vorwiegend Kondensatormikrofone eingesetzt. Kondensator-Meßmikrofone weisen einen flachen Frequenzgang, einen großen Dynamikbereich, eine kompakte Bauform, geringes Eigenrauschen und eine hohe Stabilität auf. 2. Besonders kompakte, kostengünstige Meßketten können durch den Einsatz von Elektret-Kondensatormikrofonen realisiert werden. 3. Bei der Auswahl von Meßmikrofonen sind deren Eigenschaften zu beachten, die durch folgende Kenngrößen beschreiben werden: Übertragungsfaktor, Frequenzgang, Arbeitsfrequenz- und Dynamikbereich, Richtungscharakteristik.

10.4.2

Körperschallsensoren

Das Körperschallfeld eines Meßobjektes kann durch die Messung der örtlichen Beschleunigung a, der Schnelle v oder des Schwingweges s an einer repräsentativen Anzahl von Meßpunkten an den Objektoberflächen erfaßt werden. Häufig interessieren nur die oberflächennormalen Komponenten dieser Meßgrößen, da nur sie zu einer Schallabstrahlung führen. Für eine genaue Analyse von Schwingformen kann jedoch die Kenntnis der übrigen Komponenten wichtig sein. Die für solche Messungen verwendeten Sensoren heißen Körperschallsensoren. Körperschallsensoren wandeln Körperschall-Energie in elektrische Energie, weshalb sie auch als elektromechanische Wandler bezeichnet werden. Es stellt sich die Frage, ob bei Körperschallmessungen die Beschleunigung, die Schnelle oder der Weg als Meßgröße gewählt werden soll. Grundsätzlich können diese Meßgrößen durch Integration bzw. Differentiation ineinander umgerechnet werden. Im Frequenzbereich gilt bei zeitlich harmonischen Signalen für die Umrechnung der komplexen Signalamplituden die einfache Beziehung a^ = i!v^ = !2 x^ :

(10.1)

Bei der Entscheidung für eine der drei Meßgrößen sind folgende Kriterien abzuwägen: – Es soll für die spezifischeAnwendung die Meßgröße mit dem geringsten Dynamikumfang gewählt werden. Hierdurch wird die beste Aussteuerung des Meßgerätes und die beste Signalauflösung ermöglicht. – Die Meßgröße soll hinsichtlich der Eignung des entsprechenden Sensors (z.B.Aussteuerung des Dynamikbereichs, Applikationsaufwand, Ergebnisbeeinflussung, Kosten, Verfügbarkeit) gewählt werden. – Sollen die Ergebnisse der Körperschallmessung für eine Luftschallberechnung verwendet werden, so müssen die Meßgrößen Weg und Beschleunigung für die Berechnung der abgestrahlten Luftschalleistung in Schnelle umgerechnet werden.

192

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Beschleunigungssensoren Für die Messung von Körperschall werden piezoelektrische Beschleunigungssensoren aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften bevorzugt eingesetzt. Diese sind: – – – – – – –

weiter Frequenz- und Dynamikbereich gute Linearitätseigenschaft flacher Frequenzgang robuste Bauform ohne bewegliche Teile, daher geringe Beschädigungsgefahr kompakte Abmessungen und geringes Gewicht günstiges Verhältnis von Sensitivität zu Masse günstiges Preis-Leistungsverhältnis

Die am Befestigungspunkt in Meßrichtung wirksame Beschleunigung ist die Meßgröße eines piezoelektrischen Beschleunigungssensors. Dieser Sensortyp ist in sehr unterschiedlichen Baugrößen erhältlich, so daß ein Frequenzbereich zwischen 0,01 Hz und 100 kHz bei einem Meßbereich zwischen 103 m=s2 und 107 m=s2 erfaßt werden kann. Die Sensormassen variieren dabei zwischen 0,2 g und 1 kg. Konventionelle Beschleunigungssensoren besitzen nur eine Meßrichtung. Funktionsweise und Aufbau piezoelektrischer Beschleunigungssensoren: Der prinzipielle Aufbau und die Bauformen werden anhand Abb. 10.10 erläutert. Das piezoelektrische Element stellt das zentrale Bauteil des Beschleunigungssensors dar. Es besteht aus piezoelektrischem Material (z.B. ein Einkristall aus Quarz oder eine polarisierte Keramik). Piezoelektrische Materialien erzeugen unter der Einwirkung einer Kraft und der damit verbundenen Dehnung eine Trennung der elektrischen Ladung. Dadurch weisen sie auf ihren Oberflächen freie Ladungen auf, die abgegriffen werden können. Der Zusammenhang zwischen Kraft und Ladung ist linear. Unter Beachtung der Polarisationsrichtung des Kristalls gilt dieser Zusammenhang sowohl für eine Druckverformung als auch für eine Scherverformung. Dies erlaubt die Realisierung unterschiedlicher Bauformen piezoelektrischer Beschleunigungssensoren. Alle Bauformen besitzen im Inneren des Sensorgehäuses eine seismische Masse. Diese

Abb. 10.10. Bauformen piezoelektrischer Beschleunigungssensoren

10.4 Sensoren

193

Tabelle 10.3. Vergleich der Bauformen piezoelektrischer Beschleunigungssensoren

Eigengenschaft

Kompressionstyp

Schertyp

+

0

+

+

Temperaturempfindlichkeit

-

+

Empfindlichkeit bei Belastung der Ge-

-

+

0

+

Sensitivität Robustheit 2

häusebasis (Temperatur, Dehnung) Herstellkosten

ist über das piezoelektrische Element, das als steife Feder wirkt, mit dem Gehäuse verbunden. Bei einer Beschleunigung des Sensorgehäuses resultiert aus der Trägheit der seismischen Masse eine auf das piezoelektrische Element wirkende Kraft. Im Arbeitsfrequenzbereich des Sensors ist diese Kraft der Beschleunigung und damit der erzeugten Ladung näherungsweise proportional. Es gibt die beiden folgenden Bauformen piezoelektrischer Beschleunigungssensoren: – Der Kompressionstyp enthält scheibenförmige piezoelektrische Elemente, welche gemeinsam mit der seismischen Masse über eine Feder in Meßrichtung vorgespannt sind. Aus einer Beschleunigung resultiert eine entsprechende Druckbebzw. -entlastung der Elemente. Die Meßrichtung wird durch die Führung der seismischen Masse und durch die Polarisationsrichtung der piezoelektrischen Elemente festgelegt. – Beim Schertyp ist die seismische Masse als Hohlzylinder mit einem innen liegenden piezoelektrischen Element (das ebenfalls als Hohlzylinder ausgeführt ist) auf einen Bolzen aufgeschrumpft. Aus einer Beschleunigung in Meßrichtung resultiert eine entsprechende Scherbelastung des piezoelektrischen Elements. Diese beiden Sensortypen stellen die am weitesten verbreiteten Bauformen dar. In Tabelle 10.3 werden die Vor- und Nachteile dieser Bauformen gegenübergestellt. Triaxiale Sensoren: Die bisher genannten Sensortypen besitzen nur eine Meßrichtung. Sie sind weitgehend unempfindlich gegenüber Beschleunigungskomponenten orthogonal zur Meßrichtung. Um z.B. die Schwingform eines Meßobjektes zu identifizieren, ist es erforderlich, an jedem Meßpunkt die Beschleunigungskomponenten in allen drei Richtungen des Referenzkoordinatensystems zu erfassen. Um Meßzeit 2

Eine plötzliche Änderung der Umgebungstemperatur kann infolge des Wärmeübergangs auf den Sensor und das darin enthaltene piezoelektrische Material zum Auftreten einer Ladungstrennung führen. Hierfür gibt es zwei Ursachen: Erstens führt eine gleichmäßige Erwärmung des piezoelektrischen Materials infolge des pyroelektrischen Effekts zu einer Ladungstrennung. Zweitens können aus einer ungleichmäßigen Temperaturverteilung im Sensor konstruktionsbedingte Spannungen resultieren, die sich auch auf das Piezomaterial auswirken und so zu einer Ladungstrennung führen. Aufgrund der relativ langsamen Wärmeleitung bzw. des langsamen Wärmeübergangs besteht nur für niederfrequente Meßsignale die Gefahr einer Verfälschung durch Temperatursprünge.

194

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

zu sparen bzw. um den Masseneinfluß durch den Sensor zu minimieren, können triaxiale Beschleunigungssensoren eingesetzt werden, die eine gleichzeitige Messung von drei orthogonalen Beschleunigungskomponenten erlauben. In der praktischen Ausführung enthält das Sensorgehäuse drei voneinander unabhängige, miniaturisierte, orthogonal ausgerichtete Beschleunigungssensoren. Diese können als Kompressions- oder Schertyp ausgeführt sein. Vorverstärker für piezoelektrische Beschleunigungssensoren: Der Ladungsausgang des Sensors ist hochohmig und deshalb sehr empfindlich gegenüber Störeinflüssen. Um den Störeinfluß zu begrenzen und den direkten Anschluß an das Datenerfassungsgerät zu ermöglichen, muß das hochohmige Signal durch einen Vorverstärker in ein niederohmiges Signal gewandelt werden. In der meßtechnischen Praxis sind folgende Bauformen von Vorverstärkern gängig: Ladungsverstärker: Der Beschleunigungssensor mit Ladungsausgang wird über ein gut abgeschirmtes, hochwertiges Anschlußkabel mit dem hochohmigen Eingang des Ladungsverstärkers verbunden. Um Störeinflüsse zu minimieren, soll das Verbindungskabel kurz sein. Die typische Länge des Verbindungskabels beträgt 1,5 m. Neben der Wandlung der Ladung in ein niederohmiges Spannungssignal verfügen Ladungsverstärker über eine meist einstellbare Signalverstärkung. Hierdurch kann die Empfindlichkeit der Meßkette abgestimmt werden. Manche Ladungsverstärker beinhalten Integratoren, so daß auch ein schnelle- oder wegproportionales Spannungssignal ausgegeben werden kann. Ladungsverstärker sind als externe Geräte in ein- oder mehrkanaliger Ausführung erhältlich. Zwischen dem niederohmigen Ausgang des Ladungsverstärkers und dem Wechselspannungs-Eingang des Datenerfassungsgerätes können konventionelle Koaxialkabel großer Länge verwendet werden, wodurch die Messung an Objekten großer Abmessungen (z.B. Schiff, Flugzeug) ermöglicht wird. Manche Datenerfassungsgeräte verfügen über Eingangskanäle mit integriertem Ladungsverstärker für den direkten Anschluß von Beschleunigungssensoren mit Ladungsausgang. Dem Vorteil des kompakten Meßkettenaufbaus steht hier der Nachteil einer begrenzten Kabellänge gegenüber. Integrierter Verstärker: Manche Beschleunigungssensoren verfügen über einen in das Sensorgehäuse integrierten Verstärker in Miniaturbauweise. Sie zeichnen sich durch eine weitgehende Unempfindlichkeit gegen elektrische Störsignale aus, weshalb für den Anschluß an das Datenerfassungsgerät preiswerte Koaxialkabel großer Kabellänge verwendet werden können. Der in den Sensor integrierte Verstärkerbaustein benötigt jedoch eine externe Versorgung, welche über das KoaxialKabel erfolgt. Es existieren unterschiedliche Versorgungskonzepte, wobei sich das Stromeinprägungsverfahren, das auch unter dem Markennamen ICP3 (Integrated Circuit Piezoelectronic) bekannt ist, als Standard etabliert hat. ICP-kompatible Sensoren werden durch eine Konstantstrom-Gleichspannungsquelle versorgt und liefern an 3

ICP ist ein eingetragenes Warenzeichen der PCB Piezotronics Inc.

10.4 Sensoren

195

ihrem niederohmigen Ausgang ein spannungsmoduliertes Signal, dem ein Gleichspannungsanteil überlagert ist. Die Eingangskanäle vieler Datenerfassungsgeräte verfügen über eine zuschaltbare Stromeinprägungsversorgung, wodurch ein übersichtlicher und störungsresistenter Meßkettenaufbau ermöglicht wird. Alternativ kann ein externes Versorgungsgerät zwischen Sensor und Datenerfassungsgerät geschaltet werden. Der Konstantstrom beträgt gemäß ICP-Standard 2 : : : 20 mA (typisch 4 mA) und die Versorgungsspannung 18 : : : 30 V. Die Vorteile gegenüber der Verwendung externer Ladungsverstärker sind: – geringe Störempfindlichkeit – einfacher und preiswerter Meßkettenaufbau Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: – niedrigere maximale Betriebstemperatur von ca. 120 ıC bis 150 ıC – keine Abstimmungsmöglichkeit der Empfindlichkeit des Vorverstärkers Hinsichtlich Baugröße und Masse sind die Beschleunigungssensoren mit integrierter Verstärkerelektronik den konventionellen Typen ebenbürtig. Da konventionelle Sensoren und ICP-kompatible Sensoren meist über gleiche Kabelanschlüsse verfügen und sich äußerlich kaum unterscheiden, ist vor dem Einbau das Versorgungskonzept des gewählten Sensors festzustellen. Wichtige Eigenschaften piezoelektrischer Beschleunigungssensoren: Übertragungsfaktor: Für ladungsbasierte Beschleunigungssensoren (ohne integrierte Verstärkerelektronik) wird als Kenngröße der Empfindlichkeit das Verhältnis der abgreifbaren Ladung Q zur wirksamen Beschleunigung a angegeben. Dieser Ladungs-Übertragungsfaktor besitzt die Einheit pC/(m/s2 ) und wird gelegentlich auch auf die Erdbeschleunigung bezogen (pC/g). Für Beschleunigungssensoren mit integrierter Verstärkerelektronik wird als Kenngröße der Empfindlichkeit ein Spannungsübertragungsfaktor angegeben. Dieser besitzt die Einheit V/(m/s2 ) bzw. V/g. Aufgrund des linearen Übertragungsverhaltens ist der Übertragungsfaktor über einen weiten Dynamikbereich von der Beschleunigungsamplitude unabhängig und somit konstant. Die Größe des Übertragungsfaktors hängt von der Bauform des Sensors und von der Größe der seismischen Masse ab. Aus einer größeren seismischen Masse resultiert ein höherer Übertragungsfaktor, doch zugleich eine niedrigere Resonanzfrequenz, was sich auf den Arbeitsfrequenzbereich ungünstig auswirkt. Beschleunigungssensoren werden ab Werk kalibriert. Dies geschieht üblicherweise durch eine Vergleichskalibrierung gegenüber einem Bezugsnormal-Sensor bei einer Frequenz von 79,6 Hz bzw. 159,2 Hz (! = 2
= 500 1/s bzw. 1000 1/s) und bei einem Beschleunigungspegel von 10 m/s2 bzw. 100 m/s2 . Die Kalibriertoleranz einer Vergleichskalibrierung beträgt ca. ˙1;1%. Kalibrier-Bezugsnormale werden mit dem absoluten Verfahren der Laserinterferometrie kalibriert (Toleranz ca. ˙0;5 %). In jedem Fall ist vor der Ausführung einer Messung eine Funktionsprüfung der Sensoren und der Meßkette erforderlich. Im täglichen Meßeinsatz kann der Über-

196

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.11. Sensortest: Messung des Übertragungsverhaltens einer bekannten Masse

tragungsfaktor eines Beschleunigungssensors mit einem kompakten, kalibrierten Schwingerreger überprüft werden (Toleranz ca. ˙3 %). Unter Verwendung eines Frequenzanalysators und eines Impulshammers kann die Funktionsprüfung auf einfache Weise durch die Messung des Übertragungsverhaltens eines ungefesselten Massekörpers (z.B. aus Stahl) mit bekannter Masse m gemäß Abb. 10.11 erfolgen. Es ist darauf zu achten, daß der Massekörper im betrachteten Frequenzbereich keine Eigenschwingungen ausführt. Eine gute Annäherung der ungefesselten Lagerung ist bereits gegeben, wenn der Massekörper in der Hand gehalten wird. Frequenzgang: Der Frequenzgang kennzeichnet die Frequenzabhängigkeit des komplexen Übertragungsfaktors. Bei maschinenakustischen Sensoren ist für die objektive Bewertung der Meßgröße ein flacher, in einem weiten Bereich konstanter Frequenzgang erwünscht. In der Praxis ist die näherungsweise Frequenzunabhängigkeit des Übertragungsfaktors nur in Grenzen erfüllt. Nach Abb. 10.10 kann ein einaxial wirkender Sensor durch das Modell eines Einmassenschwingers mit der seismischen Masse ms abgebildet werden. Außerdem wird vorausgesetzt, daß der Sensor fest auf einer sehr steifen, schweren Struktur (M ! 1) montiert ist. Die Federsteifigkeit k resultiert im wesentlichen aus der Druck- bzw. Schersteifigkeit des piezoelektrischen Elements. Die innere Dämpfung des Sensors ist vernachlässigbar. Die Beschleunigung a am Meßort bewirkt eine Fußpunktanregung des Einmassenschwingers. Aus der Theorie des Einmassenschwingers (vgl. Abschn. 6.1) folgt die Frequenzabhängigkeit des Übertragungsfaktors (hier: Verhältnis zwi-

10.4 Sensoren

197

Abb. 10.12. Schematischer Frequenzgang eines piezoelektrischen Beschleunigungssensors

schen der Federkraftamplitude F^ k bzw. der dazu proportionalen Ladung und der Beschleunigungsamplitude a): ^ k F^ k = 2 a^ !0  ! 2 Für Kreisfrequenzen !, die deutlich kleiner sind als die Eigenkreisfrequenz !0 des ungedämpften Einmassenschwingers (vgl. (4.3)), ist die Frequenzunabhängigkeit näherungsweise erfüllt: F^ k  ms fur !  !0 a^ In Abb. 10.12 ist exemplarisch der (Spannungs-/Beschleunigungs-) Frequenzgang eines piezoelektrischen Beschleunigungssensors dargestellt (durchgezogene Linie). Zu erkennen ist der in einem weiten Frequenzbereich um die Kalibrierkreisfrequenz !Kal näherungsweise konstante Amplitudengang. Am oberen und unteren Ende des dargestellten Frequenzbereichs treten folgende Abweichungen auf: – Der verminderte Amplitudengang bei tiefen Frequenzen resultiert aus der Abstimmung des dem Ladungsausgang nachgeschalteten Verstärkers und nicht aus einer Eigenschaft des piezoelektrischen Sensors. Bei externen Ladungsverstärkern ist die untere Grenzfrequenz häufig umschaltbar und kann den Erfordernissen angepaßt werden. – Im höheren Frequenzbereich führt eine nur schwach gedämpfte Resonanz im Bereich der Eigenkreisfrequenz !0 zu einer deutlichen Überhöhung des Amplitudenganges. Im Bereich des flachen Frequenzganges beträgt der Phasengang ungefähr 0ı , an der Eigenkreisfrequenz tritt ein Phasensprung von 180ı auf. Die Phasentoleranz ist abhängig vom Sensortyp und kann dem zugehörigen Datenblatt des Herstellers

198

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.13. Messung einer Frequenzgang-Korrekturfunktion

entnommen werden. Zu beachten ist, daß ein dem Sensor nachgeschalteter Vorverstärker eine erhebliche Phasenänderungen verursachen kann. Dies ist insbesondere dann zu überprüfen, wenn mehrkanalige Messungen mit unterschiedlichen Sensortypen durchgeführt werden und eine Auswertung der Phasendifferenzen der Meßsignale erforderlich ist (z.B. experimentelle Modalanalyse, vgl. Abschn. 11.4). Bei erhöhten Anforderungen an den Frequenzgang (z.B. bei Strukturintensitätsmessungen, bei denen kleine Amplituden- und Phasenunterschiede identifiziert werden müssen) ist für diesen eine frequenzabhängige Korrekturfunktion zu ermitteln. Diese kann als Übertragungsfunktion HK (!) zwischen dem zu korrigierenden Sensor und einem Referenzsensor gemessen werden, wobei beide Sensoren der gleichen Anregung ausgesetzt sein müssen. In der praktischen Ausführung kann dies z.B. gemäß Abb. 10.13 durch die Applikation der zwei Sensoren auf einem spielfrei lineargeführten Stahlkolben erfolgen. Die Schwingungsanregung kann durch einen Hammerimpuls, durch einen Sweep oder durch weißes Rauschen (Anregung über Shaker) erfolgen. Ein gemessenes Beschleunigungsspektrum a(!) wird unter Verwendung der Korrekturfunktion folgendermaßen korrigiert: aK (!) = HK (!)a(!) Die Meßkette für die Bestimmung der Korrekturfunktion soll unverändert für die Messungen am Meßobjekt übernommen werden. Auf diese Weise werden nicht nur die Frequenzgangsabweichungen der Sensoren, sondern auch jene der übrigen Meßkettenelemente korrigiert. Arbeitsfrequenz- und Dynamikbereich: Die Grenzen des Arbeitsfrequenzbereiches werden in Abhängigkeit der zulässigen Abweichung des Amplitudenganges vom Übertragungsfaktor bestimmt. Die zulässige Abweichung wird von den meisten Sensor-Herstellern durch einen ˙5% bzw. ˙10%-Toleranzbereich definiert. In Abb. 10.12 ist neben dem Frequenzgang (durchgezogene Linie) der ˙5%-Toleranzbereich dargestellt. Die obere und die untere Grenze des Arbeits-

10.4 Sensoren

199

frequenzbereiches resultieren aus den Schnittpunkten des Amplitudenganges mit den Toleranzbereichsgrenzen. Um eine hohe obere Grenze des Arbeitsfrequenzbereiches zu erreichen, muß ein Sensor mit einer hohen Eigenfrequenz, d.h. mit einer hohen Steifigkeit des Piezokristalls und/oder einer geringen seismischen Masse gewählt werden. Zu beachten ist dabei, daß eine Erhöhung der Eigenfrequenz eine Verminderung des Übertragungsfaktors bedingt. Umgekehrt besitzen Sensoren mit hohem Übertragungsfaktor (z.B. Sensoren für seismische Messungen) eine niedrige obere Frequenzgrenze. In Abb. 10.12 wird mit dem gestrichelten Frequenzgang die Auswirkung einer Erhöhung der seismischen Masse auf den Übertragungsfaktor und auf die Eigenfrequenz dargestellt. Die meisten kompakten Sensoren können in einem Frequenzbereich bis 10 kHz eingesetzt werden, doch sind auch Sensoren für Frequenzen bis 50 kHz verfügbar. In jedem Fall ist vor dem Einsatz eines Sensors die Eignung des Arbeitsfrequenzbereiches für die jeweilige Meßaufgabe zu überprüfen. Die untere Grenze des Dynamikbereichs ist gegeben durch das Rauschen des Vorverstärkers und durch umgebungsbedingte Störgrößen (z.B. Kabelrauschen). Nach oben wird die obere Grenze des Dynamikbereichs durch den mechanischen Aufbau des Sensors bestimmt. Es muß ein hinreichender Abstand zur Grenzbeschleunigung eingehalten werden, ab welcher eine Beschädigung der Verbindung zwischen Piezoelement, seismischer Masse und Gehäuse auftreten kann. Auch wird das Übertragungsverhalten bei sehr hohen Beschleunigungen zunehmend nichtlinear. Ein für kompakte Universalsensoren typischer Dynamikbereich beträgt 5
103 m/s2 : : : 5
104 m/s2 . Querempfindlichkeit: Ein idealer piezoelektrischer Beschleunigungssensor darf keine Empfindlichkeit für Beschleunigungskomponenten senkrecht zur Meßrichtung besitzen. Alle realen Sensoren besitzen jedoch eine (geringe) Querempfindlichkeit, die aus einer Winkelabweichung zwischen der Achse der maximalen Ladungsempfindlichkeit des Piezoelements und der Meßrichtung des Sensors resultiert. Die maximale Querempfindlichkeit wird auf die Empfindlichkeit in Meßrichtung (Übertragungsfaktor) bezogen. Für hochwertige Sensoren ist sie auf Werte kleiner 4% beschränkt. Hinweise zum Einsatz von Beschleunigungssensoren: Masseneinfluß: Grundsätzlich resultiert aus der Applikation eines Beschleunigungssensors auf eine Meßobjektoberfläche eine Erhöhung der lokalen Meßobjektmasse. Hierdurch wird das Schwingungsverhalten des Meßobjektes mehr oder weniger stark beeinflußt. Der Grad der Beeinflussung hängt ab vom Verhältnis der Masse mA des Beschleunigungssensors zu der bei einer Kreisfrequenz ! an der Schwingung beteiligten Meßobjektmasse mO . Die Masse mO ist nicht einfach zu ermitteln. Doch kann ausgesagt werden, daß sie für alle Frequenzen geringer ist als die Gesamtmasse des Meßobjektes, weil im allgemeinen nicht alle Bereiche des Meßobjektes an der angeregten Schwingform gleichermaßen beteiligt sind. Die nachfolgenden Gleichungen erlauben eine tendenzielle Abschätzung der Be-

200

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

einflussung von Eigenkreisfrequenzen !e und Beschleunigungsamplituden a des Meßobjektes. Der Index „A“ kennzeichnet die Beschleunigung bzw. die Eigenkreisfrequenz unter Einfluß der Sensormasse mO aA (!)  a(!) ; mO + m A  mO : !Ae = !e mO + m A Bei der Auswahl des einzusetzenden Beschleunigungssensors sind hinsichtlich des Masseneinflusses folgende Punkte zu beachtet: – Es soll grundsätzlich der leichteste Sensor verwendet werden, der noch über den geforderten Dynamikbereich verfügt. Dies ist ggf. durch eine Messung des Signal-Rauschabstandes zu prüfen. – Besonders bei sehr leichten Sensoren und bei dünnwandigen Meßobjekten ist zu berücksichtigen, daß sich die lokale Massenerhöhung aus der Masse des Sensors und aus der anteiligen Masse des Anschlußkabels zusammensetzt. – Bei der experimentellen Modalanalyse (vgl. Abschn. 11.4) ist der sich ändernde Masseneinfluß zu berücksichtigen, sofern ein (oder mehrere) Sensoren über die Meßpunkte des Meßobjektes wandern. Ein hoher Masseneinfluß kann zu einem inkonsistenten Satz von Übertragungsfunktionen führen, was die Ermittlung der Modalparameter sehr erschwert. Um den Masseneinfluß eines Beschleunigungssensors auf das Schwingungsverhalten des Meßobjektes ohne großen Aufwand abschätzen zu können, bieten sich folgende meßtechnischen Methoden an: – Die Beeinflussung des Übertragungsverhaltens eines Meßobjektes kann durch Messungen der Admittanz mit definierter Strukturanregung erfolgen, wobei die Schwingungsantwort mit einem berührungslosen Sensor (z.B. Mikrofon) zu messen ist. Dabei wird unter gleichen Anregungsbedingungen je eine Messung mit und ohne appliziertem Beschleunigungssensor durchgeführt. Der Meßort des Mikrofons darf dabei nicht verändert werden. Auch kleine Eigenfrequenzabweichungen können unter Anwendung der Zoom-FFT4 [28] identifiziert werden. – Sind keine berührungslosen Sensoren verfügbar, kann zunächst mit einem Beschleunigungssensor eine Messung durchgeführt werden. Nach dem Hinzufügen eines zweiten (möglichst baugleichen) Sensors an die Meßposition des ersten Sensors erfolgt eine erneute Messung. Die Abweichung der Meßergebnisse läßt den Sensoreinfluß erkennen. Um Gewißheit zu erlangen, daß die Abweichung nicht auf andere Einflüsse zurückzuführen ist, soll die Wiederholgenauigkeit des Versuchs überprüft werden. Dämpfungseinfluß: Soll anhand einer Körperschallmessung die Strukturdämpfung eines Meßobjektes ermittelt werden (z.B. als modale Dämpfungsgrade, vgl. 4

Die Zoom-FFT stellt eine Technik dar, mit der innerhalb eines begrenzten Frequenzbandes eine bedeutend verbesserte Frequenzauflösung erreicht werden kann.

10.4 Sensoren

201

Abschn. 11.4), ist bei Meßobjekten mit geringer Dämpfung (Messung im ungefesselten Lagerungszustand, Meßobjekt ohne Trennfugen, schwach dämpfender Werkstoff) der Dämpfungseinfluß des applizierten Beschleunigungssensors zu prüfen. Dieser resultiert aus dem Energieverlust des mitschwingenden Sensorkabels und kann bei schwach gedämpften Strukturen leicht zu einer Verdoppelung der gemessenen modalen Dämpfungsgrade gegenüber jenen des unbeeinflußten Meßobjektes führen. Der Einfluß kann wiederum durch eine Vergleichsmessung unter Verwendung eines berührungslosen Sensors identifiziert werden. Montageeinfluß: Um genaue Beschleunigungsmessungen durchführen und den Arbeitsfrequenzbereich des Sensors ausnützen zu können, muß eine sorgfältige Montage des Sensors auf der Meßobjektoberfläche erfolgen. In idealisierter Weise soll dieVerbindung unendlich steif und ohne Massenzuwachs mit geringstem Montageaufwand sowie höchster Flexibilität und Leistungsfähigkeit (einfache Lösbarkeit, beliebige Ausrichtung, Ausgleich von Unebenheiten der Montagefläche, keine Beeinflussung durch Temperatur und Umgebungsmedien) erfolgen. Dies ist in der praktischen Anwendung nicht realisierbar. Alle Lösungen stellen folglich einen Kompromiß dar, der die genannten Anforderungen mehr oder weniger gut erfüllt. Die reale Montage führt dazu, daß die Modellabbildung des Beschleunigungssensors gemäß Abb. 10.14 um die Basismasse mB (Masse des Sensorgehäuses und anteilige Masse des Verbindungselements), die Steifigkeit der Verbindungszone kB und um die im Bereich der Verbindungszone wirksame Dämpfung cB erweitert werden muß. Unter der Annahme einer sehr großen Meßobjektmasse (M  mS ) liegt ein Zweimassenschwinger vor, der zwei Eigenfrequenzen besitzt. Wesentlich ist, daß die niedrigere (!02 ) der beiden Eigenfrequenzen unterhalb der Eigenfrequenz (!01 ) des starr angekoppelten Sensors liegt. Hieraus resultiert eine Absenkung der oberen Grenze des Arbeitsfrequenzbereiches, was bei der Auswahl des Sensors und der Montagemethode zu berücksichtigen ist. Abbildung 10.15 zeigt exemplarisch den Einfluß unterschiedlicher Montagearten auf den Amplitudengang des Beschleunigungssensors.

Abb. 10.14. Montageeinfluß auf die Eigenfrequenz eines Beschleunigungssensors

202

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.15. Einfluß der Montagemethode auf den Amplitudengang (exemplarisch)

Für alle Montagearten gilt folgende Regel: Es muß eine hohe Ankoppelungssteifigkeit, ein geringer wirksamer Massenzuwachs und eine geringe Reibungsdämpfung realisiert werden, um die obere Grenze des Arbeitsfrequenzbereiches möglichst wenig zu tieferen Frequenzen zu verschieben. Dies bedeutet, daß der Sensor vorzugsweise mit möglichst wenig und möglichst kleinen Koppelelementen auf dem Meßobjekt zu befestigen ist. Bei Verwendung von Klebstoffen ist auf eine hohe Steifigkeit des ausgehärteten Klebstoffes, eine geringe Schichtdicke und ein hinreichendes Füllvermögen (wichtig für rauhe, unebene Oberflächen) zu achten. Sowohl für die Ermittlung von Betriebsschwingformen als auch für Beschleunigungsmessungen mit dem Ziel einer experimentellen Modalanalyse ist es erforderlich, die Beschleunigungskomponenten in Richtung der Achsen eines für das Meßobjekt gewählten, globalen Koordinatensystems zu messen. Dabei stimmen die Oberflächennormalen nicht unbedingt mit denAchsen des Koordinatensystems überein. Um dennoch eine geeignete Ausrichtung des Beschleunigungssensors zu erreichen, können keilförmige Montageplättchen verwendet werden, um die Winkelabweichung zu kompensieren. Beim Einsatz derartiger Ausrichtungshilfen soll deren Einfluß auf das Meßergebnis überprüft werden. Kabelführung und Erdschleifen: Um den Masseeinfluß zu minimieren, werden am Beschleunigungssensor meist Miniatur-Koaxialkabel mit einer Sub-MiniaturSteckverbindung angeschlossen. Im Interesse einer hohen Lebensdauer soll das Anschlußkabel niemals geknickt und weitgehend spannungsfrei verlegt werden. Eine Torsion des Kabels kann zum Lockern bzw. Lösen des Verbindungssteckers am Beschleunigungssensor führen. Um elektromagnetische Störungen zu vermeiden, darf das Kabel nicht parallel zu Netzkabeln geführt werden. Auch soll das Kabel nicht in unmittelbarer Nähe von Elektroantrieben, Transformatoren oder Generatoren verlegt werden. Elektrostatische Entladungen in der Nähe des Sensorkabels führen ebenfalls zu Störsignalen und sind daher unbedingt zu vermeiden.

10.4 Sensoren

203

Abb. 10.16. Erdschleife

Bei dem Aufbau der Meßkette soll auf eine korrekte Erdung geachtet werden. Dabei sind Erdschleifen zu vermeiden. Diese entstehen, wenn die Erdung an mehr als einem Punkt der Meßkette erfolgt, wobei die Erdungspunkte ein unterschiedliches Erdpotential besitzen. Bei Messungen in rauher Industrieumgebung und an Anlagen großer Abmessungen sind Erdpotentialdifferenzen von 50 V keine Seltenheit! In Abb. 10.16 ist ein typisches Beispiel für eine Erdschleife dargestellt. Üblicherweise ist das Meßgerät über den Schutzkontakt geerdet. Die Abschirmung des Sensor-Anschlußkabels wird am einen Ende auf das Erdpotential des Meßgerätes gelegt. Zugleich ist die Abschirmung am anderen Kabelende mit dem nicht isolierten Sensorgehäuse verbunden. Wird der Sensor durch die Montage auf einem leitfähigen Meßobjekt auf ein anderes Erdpotential gelegt, fließt in der Kabelabschirmung ein Wechselstrom, der als sogenanntes Netzbrummen das Meßergebnis beeinträchtigen kann. Erdschleifen können durch Verwendung von Beschleunigungssensoren mit isolierten Gehäusen bzw. durch die Verwendung von Isolierscheiben bei der Montage des Sensors vermieden werden. Es ist zu beachten, daß nachträgliche Isoliermaßnahmen zu einer erhöhten Sensormasse, einer verminderten Ankoppelungssteifigkeit und damit zu einer Absenkung der oberen Grenze des Arbeitsfrequenzbereiches führen können. Wegsensoren Berührend arbeitende Wegsensoren z.B. in Form von Meßtastern sind für maschinenakustische Untersuchungen von untergeordneter Bedeutung. Sie weisen zwei grundlegende Nachteile auf. Einerseits können sie aufgrund der Massenträgheit des Tastelementes hochfrequenten Schwingungen einer abgetasteten Oberfläche nicht mehr folgen. Andererseits kann die angekoppelte Masse des Tastelementes das Schwingungsverhalten des Meßobjektes beeinflussen. Berührungslos arbeitende Wegsensoren sind dagegen rückwirkungsfrei. Sie werden beispielsweise bei empfindlichen Oberflächen, schwer zugänglichen Strukturen (z.B. in Spalten) oder bei sich bewegenden Strukturen (z.B. rotierende Wellen) eingesetzt. Aufgrund der im Vergleich zu Beschleunigungen quadratisch mit der Frequenz abfallenden Amplituden sind bei Wegmessungen besonders hohe Anforderungen an eine ausreichende Amplitudenauflösung zu stellen. So besitzt eine sinusförmige Beschleunigungsamplitude von a = 1 g bei
= 1000 Hz eine Schnelleamplitude von v = a=(2
) = 1;56 mm/s und eine Wegamplitude von s = a=(2
)2 = 0;25 m. Abbildung 10.17 verdeutlicht

204

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.17. Beschleunigungs-, Schnelle- und Wegpegel einer Schwingungsmessung an einem Elektromotor

diesen Zusammenhang. Dargestellt sind Beschleunigungs-, Schnelle- und Wegpegel einer Schwingungsmessung am Gehäuse eines 75 kW Elektromotors bei 3000 1/min. Zu beachten ist der aufgrund der Frequenzabhängigkeit unterschiedliche Dynamikumfang der einzelnen Meßgrößen. Das betrifft nicht nur die erforderlichen Sensoreigenschaften sondern auch die der angeschlossenen Datenerfassungs- und Datenverarbeitungssysteme. Eingesetzt werden verschiedene elektrische und optische Wegmeßverfahren. Elektrische Wegmeßverfahren: – Induktiv: Eine Schwingkreisspule im Sensor ändert bei einer Abstandsänderung eines leitfähigen Meßobjektes die Induktivität. Die Änderung ist proportional zum Abstand. – Kapazitiv: Der Sensor bildet mit dem Meßobjekt einen Plattenkondensator. Eine Abstandsänderung führt zu einer proportionalen Änderung der Kapazität. Den prinzipiellen Aufbau eines kapazitiven Wegsensors zeigt Abb. 10.18. – Wirbelstrom: Eine Spule im Sensor induziert durch Wechselstrom im leitfähigen Meßobjekt Wirbelströme. Bei einer Annäherung wird dem Schwingkreis im Sensor Energie entzogen. Die Energieänderung ist nicht proportional zur Abstandsänderung. Diese Sensoren benötigen entsprechende Elektroniken für die Aufbereitung der Signale, um eine ausreichende Linearität, Auflösung, Bandbreite und Temperaturstabilität gewährleisten zu können. Die wesentlichen Vor- und Nachteile der elektrischen

10.4 Sensoren

205

Abb. 10.18. Querschnitt durch einen kapazitiven Wegsensor

Wegmeßverfahren sind in Tabelle 10.4 zusammengefaßt. Weit verbreitet sind kapazitive Sensoren aufgrund der im Vergleich zu den anderen Verfahren besseren Auflösung. Für Anwendungen in verschmutzten Umgebungen können nur Wirbelstromsensoren verwendet werden. Laseroptische Wegmeßverfahren: Tabelle 10.4. Vor- und Nachteile von Wegsensoren mit elektrischen Meßverfahren

206

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Elektrischer Anschluss

Laserdiode

Positionssensor

Strahloptik

Messobjektpositionen

Abb. 10.19. Prinzipieller Aufbau eines Lasertriangulations-Wegsensors

– Lasertriangulation: Ein Laserstrahl wird auf der Oberfläche des Meßobjekts reflektiert. Dabei ist es wichtig, daß die Reflexion diffus erfolgt. Das reflektierte Licht wird über eine zugehörige Optik auf einen Lichtdetektor projiziert. Bei Abstandsänderungen ändert sich der Ort, an dem der Laserstrahl auf den Detektor auftrifft. Den prinzipiellen Aufbau der Lasertriangulation zeigt Abb. 10.19. – Laserdopplervibrometer (LDV): Ein Laserstrahl wird in einen Meßstrahl und einen Referenzstrahl geteilt. Der von dem Meßobjekt reflektierte Meßstrahl wird dem Referenzstrahl überlagert. Dabei entsteht eine Intensitätsmodulation. Die Phasendifferenz zwischen Meßstrahl und Referenzstrahl ist proportional zum Weg des Meßobjektes, die Frequenzdifferenz (Doppler-Effekt) ist proportional zur Schwinggeschwindigkeit des Meßobjekts. Die wesentlichen Vor- und Nachteile der laseroptischen Wegmeßverfahren sind in Tabelle 10.5 zusammengefaßt. Die Qualität der Messungen hängt bei den laseroptischen Verfahren entscheidend von den Reflexionseigenschaften der Oberfläche ab. Die von den Herstellern angegebenen Auflösungen werden meist nur unter Laborbedingungen und bei speTabelle 10.5. Vor- und Nachteile von Wegsensoren mit laseroptischen Meßverfahren

10.4 Sensoren

207

ziellen Oberflächeneigenschaften erreicht. Besonders bei rotierenden Oberflächen ergibt sich ein wiederkehrendes Reflexionsmuster, das sich dem Nutzsignal überlagert. Falls möglich werden zur Abhilfe dann spezielle Reflexionsfolien auf die Oberfläche geklebt. Die Wegmeßverfahren basieren alle auf einer Relativmessung zwischen dem Meßobjekt und einem festen Bezugspunkt. Eine schwingungsarme Befestigung der Sensoren ist daher für genaue Messungen unerläßlich. Durch eine Kontrollmessung mit Hilfe eines (absolut) messenden Beschleunigungssensors am Bezugspunkt kann die Befestigung überprüft werden.

Zusammenfassung 1. Der Körperschall kann durch die Messung der örtlichen Beschleunigung a, der Schnelle v oder des Schwingweges s an einer repräsentativen Zahl von Meßpunkten erfaßt werden. Die Entscheidung für eine dieser Meßgrößen muß unter Abwägung folgender Kriterien erfolgen: Verfügbarkeit eines geeigneten Sensors, Aussteuerung des Dynamikbereichs, Applikationsaufwand, Ergebnisbeeinflussung und Kosten. 2. Der piezoelektrische Beschleunigungssensor stellt aufgrund seiner günstigen Eigenschaften (weiter Frequenz- und Dynamikbereich, flacher Frequenzgang, kompakte Abmessungen und Gewicht, günstiges Preis/Leistungsverhältnis) einen wichtigen Körperschallsensor dar. 3. Bei allen auf dem Meßobjekt montierten Körperschallsensoren ist die Rückwirkung des Sensors auf das Meßobjekt zu prüfen, um Meßfehler zu vermeiden. Auch kann aus der Montagemethode eine Beeinflussung des Meßergebnisses resultieren. 4. Als Weg- und Schnellesensoren werden hauptsächlich berührungslos arbeitende Sensoren eingesetzt, um Rückwirkungen auf das Meßobjekt zu vermeiden. Dabei kommen verschiedene elektrische und optische Meßverfahren zum Einsatz. Diese Meßverfahren basieren alle auf einer Relativmessung zwischen dem Meßobjekt und einem festen Bezugspunkt. Eine schwingungsarme Befestigung der Sensoren ist daher für genaue Messungen unerläßlich.

10.4.3

Kraftsensoren

Die Messung der anregenden Betriebskräfte bei maschinenakustischen Aufgabenstellungen ist in der Regel sehr schwierig. Im allgemeinen sind die Kraftverteilungen komplex und die Kraftanregungsorte nicht direkt zugänglich. So sind z.B. Zahnund Lagerkräfte in Getrieben oder Kräfte am Kolben in Kolbenmaschinen nur sehr aufwendig, meist jedoch nicht umfassend genug nach Angriffsort, Betrag und Richtung meßbar. Auflagerkräfte z.B. an Maschinenfundamenten, Drehmomente in Wellensträngen oder Druckpulsationen in hydraulischen Aggregaten können nur einen integralen Einblick über die Betriebskräfte vermitteln.

208

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Der Einbau von handelsüblichen Kraft- oder Drehmomentsensoren in den Kraftfluß (direkte Messung) birgt die Gefahr von Meßfehlern, da Sensorsteifigkeit und Sensormasse das Schwingungsverhalten der untersuchten Struktur beeinflussen können. Zur Vermeidung dieses Problems können mittels Dehnungsmeßstreifen (DMS) ohne große Beeinflussung der Struktur die Betriebskräfte gemessen werden (indirekte Messung). DMS beruhen auf dem Effekt, daß elektrische Leiter ihren Widerstand durch die Einwirkung von Dehnungen verändern. Diese Änderungen sind im allgemeinen sehr klein. Mit der Wheatstonschen Brückenschaltung, bei der vier DMS miteinander verschaltet sind, ist die erforderliche genaue Messung der Widerstandsänderungen möglich. Diese werden in speziellen Meßverstärkern ausgewertet. Je nach Applikation der DMS auf der zu untersuchenden Struktur können Zug/Druck-, Biegungs- oder Torsionsmeßstellen realisiert werden. Die Ermittlung der Empfindlichkeit der Meßstelle erfolgt durch eine Kalibrierung mit bekannten Lasten. DMS können bei engen Platzverhältnissen auch auf rotierenden Wellen gut eingesetzt werden. Die Übertragung der Meßsignale erfolgt entweder berührungslos durch Funkstrecken (Telemetrie) bzw. durch Induktion oder mit Drehübertragern (Schleifring oder Quecksilberbad). Bei der künstlichen Anregung für Strukturanalysen (z.B. experimentelle Modalanalyse vgl. Abschn. 11.4) ist die Kenntnis der anregenden Kräfte unerläßlich. Die Messung erfolgt mit Hilfe von im Kraftfluß liegenden Kraftsensoren. Die Anregung erfolgt meist mit einem Impulshammer bzw. einem elektrodynamischen, hydraulischen oder pneumatischen Schwingerreger (Shaker). Bei einem Impulshammer befindet sich ein Kraftsensor zwischen einer auswechselbaren Hammerspitze und der Hammermasse. Dabei werden nur Druckkräfte in die Struktur eingeleitet. Mit unterschiedlichen Steifigkeiten der Hammerspitze und unterschiedlichen Hammermassen kann das Kraftspektrum der zu untersuchenden Struktur angepaßt werden. Nach der Impulsanregung führt die Struktur abklingende Eigenschwingungen aus. Bei einem Schwingerreger erfolgt die Krafteinleitung mit einem Stößel oder einer gespannten Saite über einen mit der zu untersuchenden Struktur verschraubten Kraftsensor. Es müssen Zug- und Druckkräfte übertragen werden können. Das gewünschte Kraftspektrum oder der gewünschte Kraftverlauf über der Zeit wird durch die Ansteuerung des Schwingerregers eingestellt. Die Struktur führt bei der Anregung erzwungene Schwingungen aus. Die Ankoppelsteifigkeit und die dynamisch wirksame Masse des Schwingerregers beeinflussen dabei das Schwingungsverhalten der zu untersuchenden Struktur. Die Größe der Beeinflussung ist abhängig von den Massenund Steifigkeitsverhältnissen des Gesamtsystems aus Struktur und Schwingerreger. Aufgrund der hohen Steifigkeit werden hauptsächlich piezoelektrische Kraftsensoren eingesetzt. Eine typische Einbausituation zeigt Abb. 10.20. Zur Erfassung von Zug- und Druckkräften müssen piezoelektrische Kraftsensoren vorgespannt werden. Dabei muß der Kraftnebenschluß der Verspannung berücksichtigt werden. Der Kraftnebenschluß ist klein, wenn die Steifigkeit der Verspannung wesentlich kleiner als die Steifigkeit des Kraftsensors ist. Bei geschickter Auslegung lassen sich Kraftnebenschlüsse unter 10% der zu messenden Kraft erreichen. Eine Kalibrierung im vorgespannten oder eingebauten Zustand ist auf jeden Fall notwendig.

10.4 Sensoren

209

Abb. 10.20. Typische Einbausituation eines piezoelektrischen Kraftsensors

Zusammenfassung 1. Die direkte Messung von Betriebskräften (z.B. Zahneingriffskräfte, Lagerund Fundamentkräfte) ist immer sehr aufwendig und häufig nicht durchführbar (z.B. wegen schwerer Zugänglichkeit). Für die Messung werden in der Regel in den Kraftfluß integrierte Sensoren verwendet, die mit Dehnungsmeßstreifen (DMS) arbeiten. 2. Bei der Experimentellen Modalanalyse (vgl. Abschn. 11.4) müssen die anregenden Kräfte mit Sensoren gemessen werden, die im Kraftfluß liegen. Wegen ihrer großen Steifigkeit werden vorwiegend piezoelektrische Sensoren eingesetzt.

10.4.4

Drucksensoren

Bei Drucksensoren für flüssige und gasförmige Medien wird üblicherweise die Verformung einer druckbeaufschlagten Membrane erfaßt. Die Erfassung derVerformung erfolgt – – – –

kapazitiv DMS-basiert (metallische DMS) piezoresistiv (Halbleiter-DMS) piezoelektrisch

Das kapazitive (auch elektrostatisches oder Kondensator-) Meßprinzip wird vornehmlich für Luftschall-Mikrofone eingesetzt. Diese sind ausführlich in Abschn. 10.4.1 beschrieben.

210

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.21. Querschnitt durch einen DMS-basierten Drucksensor

Abb. 10.22. Grundresonanz mit 1/4-Wellenlänge einer stehenden Welle in einer Leitung der

Länge l für verschiedene Medien

Mit DMS- und piezoresistiven Drucksensoren können auch statische Drücke gemessen werden. Dabei wird zwischen Absolutdruck- (Referenz: Vakuum) und Differenzdrucksensoren (Referenz: Atmosphäre, Umgebungsdruck) unterschieden. Den prinzipiellen Aufbau eines DMS-basierten Drucksensors zeigt Abb. 10.21. Bei piezoelektrischen Drucksensoren wirkt eine dem Druck ausgesetzte dünne Membrane direkt auf das Piezoelement. Die Weiterverarbeitung der Signale erfolgt wie bei allen piezoelektrischen Sensoren ladungsbasiert (hochohmig, mit Ladungsverstärker) oder spannungsbasiert (niederohmig, mit integrierten Verstärker). Bei der Montage der Drucksensoren ist auf eine frontbündige Montage der Membrane zum untersuchenden Medium zu achten. Ein Anschluß über eine Stichleitung kann zu falschen Meßergebnissen führen, wenn in der Stichleitung stehende Wellen mit einer 1/4-Wellenlänge (und ganzzahligen Vielfachen davon) entstehen. Für die Stichleitungslänge l gilt in der Grundresonanz l = =4 mit der Wellenlänge  = c=
. Zur Abschätzung sind die Grenzfrequenzen in Abhängigkeit der Stichleitungslänge l in Abb. 10.22 für Luft, Wasser und Öl dargestellt. Für die Schallgeschwindigkeiten wurde cLuft = 340 m/s, cOl  = 1000 m/s und cWasser = 1500 m/s verwendet. Sollen beispielsweise die Druckpulsationen in einer hydraulischen Anlage bis 2000 Hz erfaßt werden, muß die Stichleitungslänge l zwischen der Ölleitung und der Sensormembrane aufgrund der im Diagramm nicht berücksichtigten Resonanzverbreiterung deutlich unter 125 mm liegen. Bei flüssigen Medien ist weiterhin auf eine gute Entlüftung eines eventuell vorhandenen Totvolumens vor der Membrane zu achten. Starke Druckstöße könnten

10.4 Sensoren

211

ansonsten zu einer Beschädigung oder Zerstörung der Membrane führen. Die Montage soll daher möglichst von unten oder seitlich an das zu untersuchende Medium erfolgen (Schwerkraftentlüftung). 10.4.5

Drehwinkelsensoren für Drehzahlen und Drehschwingungen

Zur Erfassung von Drehzahlen und Drehschwingungen werden meist inkrementale Drehwinkelsensoren eingesetzt. Diese werden schlupffrei mit der zu untersuchenden Welle verbunden. Über Reibräder angekoppelte Drehwinkelgeber oder Tachogeneratoren sind schlupfbedingt von geringerer Genauigkeit. Drehwinkelsensoren liefern winkeläquidistante sinusförmige Signale oder TTLSignale5 durch – photoelektrische Abtastung von radial angeordneten optischen Strichgittern, – magnetoelektrische Abtastung von radial angeordneten Magnetfeldteilungen – induktive Abtastung von mechanischen Teilungen (z.B. Zahnrädern). Durch Auswerten der Zeitabstände zwischen zwei aufeinanderfolgenden Teilstrichen in Frequenz-/Spannungswandlern kann die aktuelle Drehzahl ermittelt werden. Die Wandlung liefert eine der aktuellen Frequenz entsprechende Gleichspannung. Durch Aufzeichnung der ursprünglichen Drehwinkelsignale ist bei anschließenden Datenauswertungen eine Zuordnung von Ereignissen zu Winkelpositionen der untersuchten Welle möglich. In Abhängigkeit der Aufgabenstellung sind Strichzahlen von 1 bis zu 106 üblich. Entscheidend ist dabei der gewünschte Frequenz- bzw. Ordnungsbereich des auszuwertenden Drehzahlsignals oder die erforderliche Drehwinkelauflösung für die Zuordnung von Ereignissen. Der Zusammenhang zwischen der maximal gewünschten Signalfrequenz
bzw. der Ordnung o und der Drehzahl n liefert für die erforderliche Strichzahl z unter Berücksichtigung des Abtasttheorems nach Shannon (mindestens 2-fach höhere Abtastung im Zeitbereich für eine Transformation in den Frequenz- bzw. Ordnungsbereich) (vgl. Abschn. 11.3) z  2 o = 2
=n 10.4.6

Schnittstellenstandards für Sensoren

Über die maschinenakustisch relevanten Sensoren hinaus existiert auf dem Markt ein unüberschaubares Angebot an Sensoren für unterschiedlichste Applikationen. Die Mehrzahl der heute produzierten Sensoren besitzt analoge, uneinheitliche Schnittstellen, weshalb ihr Anschluß an Meß- und Regelsysteme eine zeit- und kostenintensive Aufgabe darstellt. Um im Bereich industrieller Anwendungen eine größere Anzahl von Sensoren unterschiedlicher Hersteller für verschiedene Meßgrößen an Meß- und Regelsystemen wirtschaftlich einsetzen zu können, wurden preiswerte, 5

TTL: Transistor-Transistor-Logik, beschreibt eine logische Schaltung, die bei einer Versorgungsspannung von +5 V die Signalpegel low (0 bis 0,8 V) oder high (+2 bis +5 V) annehmen kann.

212

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.23. Struktur intelligenter, netzwerkfähiger Wandler nach IEEE 1541

netzwerkfähige Sensoren mit digitalen Schnittstellen entwickelt. Ebenso existieren zahlreiche Sensornetzwerk- und Feldbussysteme, an denen netzwerkfähige Sensoren betrieben werden können. Dennoch können durch diese Systeme nicht alle Anforderungen erfüllt werden. Für die Hersteller von Sensoren besteht das Problem, daß in einer Produktpalette aus Kostengründen nicht die Kompatibilität mit allen Netzwerk- und Feldbussystemen realisieren kann. Für den Anwender und sein spezifisches Meßsystem resultiert hieraus ein eingeschränktes Angebot an verfügbaren Sensoren bzw. der Anwender muß Zeit- und Kosten in die Anpassung der Schnittstellen investieren. Um derartige Probleme zu vermeiden, wurde der amerikanische Standard IEEE 1451 ausgearbeitet. Die Arbeiten an IEEE 1451 wurden im Jahre 1993 vom amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) und dem Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) initiiert und sie erfolgten in enger Abstimmung mit führenden Vertretern der Sensorindustrie. Die Zielsetzung bestand darin, einen allgemein akzeptierten, netzwerkunabhängigen Kommunikationsstandard für sogenannte intelligente Wandler zu schaffen. Unter diesem Begriff werden Sensoren und Aktuatoren zusammengefaßt, die eine einfache Integration in eine vernetzte Anwendungsumgebung und eine automatische Identifikation ihrer Eigenschaften erlauben. Der Standard IEEE 1451 setzt sich aus vier Protokollen (IEEE 1451.1 bis 1451.4) zusammen, welche die Kommunikationsschnittstellen unterschiedlicher Sensorkonzepte definieren. In Abb. 10.23 ist die allgemeine Struktur intelligenter, netzwerkfähiger Wandler beschrieben, wie sie nach IEEE 1541 vorgesehen sind. Wichtige Begriffe und Abkürzungen: TEDS: Abkürzung für Transducer Electronic Data Sheet (elektronisches Datenblatt). TEDS kennzeichnet einen Satz elektronischer Daten in standardisiertem Format, welche einem Wandler zugeordnet sind und in einem Chip gespeichert werden. TEDS beinhaltet wichtige, die Eigenschaften eines Wandlers beschreibende Daten. Diese Daten können auf Anforderung ausgelesen werden. Damit erlaubt TEDS eine au-

10.4 Sensoren

213

tomatische Identifikation eines Wandlers im Netzwerk. Der Inhalt von TEDS nach IEEE 1451.4 stellt eine Teilmenge des Inhaltes nach IEEE 1451.2 dar. STIM: Das STIM (Smart Transducer Interface Module) setzt sich aus einem oder mehreren Wandlern (bis zu 255 Sensoren und/oder Aktuatoren) mit AD/DASignalwandlung oder digital-I/O6 , TEDS und einer Adreßlogik zusammen. Über eine digitale Schnittstelle nach IEEE 1451.2 kommuniziert das STIM mit dem Anwendungsprozessor (NCAP). Dabei können beispielsweise Meßdaten oder die im TEDS enthaltenen Informationen übertragen werden. NCAP: Der netzwerkfähige Anwendungsprozessor (Network Capable Application Processor) stellt dasVerbindungsglied zwischen dem STIM und einem oder mehreren Netzwerken dar. Er führt die Kommunikation mit dem STIM und dem Netzwerk aus. Er kann anwenderspezifische Programme ausführen (z.B. Datenkonvertierung und Datenverarbeitung) und er übernimmt die Energieversorgung des STIM. Bei einem NCAP kann es sich z.B. um einen entsprechend konfigurierten Microcontroller oder PC handeln. Insbesondere ist der NCAP in der Lage, die Eigenschaften der angeschlossenen STIMs durch Auslesen deren TEDS selbständig zu identifizieren. Die automatische Identifikation informiert den NCAP z.B. über die Anzahl der am STIM verfügbaren Sensoren und Aktuatoren, deren Meßgrößen und Kalibrierwerte. Gemäß den zuerst ausgearbeiteten Teilstandards besteht ein Intelligenter Sensor aus einem STIM und einem netzwerkfähigen Anwendungsprozessor NCAP (IEEE 1451.1). Die Schnittstellenkommunikation wird durch IEEE 1451.2 beschrieben. Nachdem ein Ergänzungsbedarf für weitere Wandlerapplikationen erkannt wurde, folgte die Ausarbeitung der Teilstandards IEEE 1451.3 und 1451.4. Der Teilstandard IEEE 1451.3 berücksichtigt Systeme örtlich verteilter Sensoren großer Stückzahlen (mehrere hundert) und definiert die Kommunikation zwischen dem NCAP und den Schnittstellenmodulen des Wandlerbus TBIM (Transducer Bus Interface Module), an welche jeweils eine Anzahl von Wandlern angeschlossen ist. Diese Systeme genügen hinsichtlich der Signalbandbreite, dem synchronisierten Auslesen von Daten und der Sensorenergieversorgung erhöhten Anforderungen. Für die maschinenakustische Anwendung ist der Teilstandard IEEE 1451.4 von besonderer Bedeutung. Dieser beschreibt die Kommunikation zwischen dem Anwendungsprozessor NCAP und Wandlern mit einer Mixed-mode-Schnittstelle MMT (Mixed Mode Transducer). Es wird dabei berücksichtigt, daß maschinenakustische Sensoren aus Gründen besonderer Anforderungen (geringe Baugröße, geringes Gewicht usw.) über einen analogen Signalausgang verfügen. Die Zielsetzung besteht darin, die Sensorschnittstelle zu standardisieren und dem Sensor eine Plug-and-playFunktionalität zu verleihen. Für intelligente Sensoren gemäß IEEE 1451.4 resultieren folgende Eigenschaften: – Der Sensor verfügt über eine Mixed-mode-Schnittstelle MMI (Mixed Mode Interface). Über diese erfolgen die analoge Kommunikation (Übertragung des Meßsignals) und die digitale (automatische Identifikation des Sensors). 6

Digital-I/O = Digitaler Eingang (Input) und Ausgang (Output).

214

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

– Das in den Sensor integrierte elektronische Datenblatt TEDS enthält alle sensorrelevanten Informationen (Seriennummer, Meßgröße, Kalibriergröße, Einheit, Kanalzahl, Meßrichtung, Datum der letzten Kalibrierung usw.). Diese können vom Anwendungsprozessor NCAP für eine automatische Identifikation des Sensors abgerufen werden. Das IEEE 1451.4 TEDS ist kompatibel zum IEEE 1541.2 TEDS. Jedoch wurde der Umfang der Daten reduziert. – Der Anschluß der MMT kann über eine Zwei-Kabel-Schnittstelle (Klasse 1) oder eine Mehrkabel-Schnittstelle (Klasse 2) erfolgen. Die Kompatibilität der analogen Kommunikation zu konventionellen Meßsystemen ist gegeben. Dies bedeutet, daß IEEE 1451.4-konforme Sensoren auch an Meßgeräten konventioneller Bauart betrieben werden können.

10.5 Meßdatenerfassung In diesem Abschn. wird das dritte Glied der allgemeinen maschinenakustischen Meßkette nach Abb. 10.2, die Meßdatenerfassung, behandelt. In der Meßdatenerfassung dominiert heute die digitale Meßtechnik, wobei insbesondere Frequenzanalysatoren eingesetzt werden. Dabei stellt die Schnelle-Fourier-Transformation FFT7 in Verbindung mit der digitalen Meßtechnik ein äußerst leistungsfähiges Werkzeug dar. Aufgrund fortschreitender Miniaturisierung sowie der Massenproduktion von Mikroprozessoren und von Halbleitern sind heute Meßgeräte verfügbar, die sich durch einen großen Datendurchsatz (Leistungsfähigkeit), kompakte Abmessungen (räumlich flexibler Einsatz) und relativ niedrige Anschaffungspreise auszeichnen. Die universelle Einsetzbarkeit der digitalen Meßtechnik führt zu einer Vereinheitlichung des technischen Aufbaus der Meßgeräte. Traditionelle Unterscheidungskriterien hinsichtlich der Art der Signalverarbeitung und Speicherung (z.B. EchtzeitSignalanalysatoren für Frequenzanalysen mit sofortiger Auswertung gegenüber Datenrecordern für Langzeitmessungen und nachträgliche Auswertungen) treten in den Hintergrund. Selbst Meßgeräte wie Handschallpegelmesser, die traditionell in analoger Technik gefertigt wurden, sind heute mehrheitlich in digitaler Technik aufgebaut und können Schmalband- und teilweise sogar Mehrkanal-Frequenzanalysen ausführen, die bislang klassischen Frequenzanalysatoren vorbehalten waren. Für die meisten meßtechnischen Aufgabenstellungen werden die Anwendungsgrenzen heute nicht mehr durch die Meßgeräte, sondern durch Eigenschaften der Sensoren und durch den Funktionsumfang der verfügbaren Software definiert. Die Gültigkeit dieserAussage setzt den Einsatz hochwertiger, leistungsfähiger Meßgeräte voraus. 10.5.1

Grundlagen der Filtertechnik

Von besonderer Bedeutung für die Signalanalyse sind Filter. Ein Filter ist eine Vorrichtung, die in einem bestimmten Frequenzbereich alle dem Filter zugeleiteten Signale unverändert passieren läßt. Außerhalb des Filterbereiches werden die Signale 7

Zur FFT vgl. Abschn. 2.4

10.5 Meßdatenerfassung

215

Abb. 10.24. Tiefpaß-, Hochpaß- und Bandpaß-Filter

vom Filter vollständig unterdrückt. Filter werden in Tief-, Hoch- und Bandpaß-Filter eingeteilt. Ihre Durchlaßkurve ist in Abb. 10.24 dargestellt. Ein Tiefpaß-Filter läßt denjenigen Anteil des elektrischen Signals passieren, das unterhalb der Grenzfrequenz
g liegt. Alle oberhalb der Grenzfrequenz liegenden Signale werden unterdrückt. Beim Hochpaß-Filter sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Beim BandpaßFilter kann nur der Signalanteil zwischen der unteren und oberen Grenzfrequenz
u bzw.
o passieren. Beim Bandpaßfilter wird die Mittenfrequenz 1 (
u +
o ) (10.2) 2 als arithmetisches Mittel aus der oberen und unteren Grenzfrequenz definiert. Die Bandbreite
m :=

B :=
o 
u

(10.3)

ergibt sich als Differenz der Grenzfrequenzen. Eine Durchlaßkurve nach Abb. 10.24 zeigen nur ideale Filter, die in der technischen Praxis nicht realisiert werden können. In Abb. 10.25 ist die Durchlaßkurve eines realen Filters über einer linearen Frequenzachse dargestellt. Um die Bandbreite eines realen Filters anzugeben, werden in der Praxis zwei Definitionen verwendet. – Die effektive Bandbreite wird anhand eines gedachten idealen Filters eingeführt, das die gleiche Mittenfrequenz
m wie das reale Filter aufweist. Das ideale Filter weist die Solldurchlässigkeit (z.B. 1V) des realen Filters auf. Aus Abb. 10.25 ist zu ersehen8 , daß die Durchlässigkeit des realen Filters infolge der Riffelung um den Sollwert schwankt. Das ideale Filter wird so festgelegt, daß der von seiner Durchlaßcharakteristik mit der Frequenzachse eingeschlossene Flächeninhalt dem entsprechenden Wert des realen Filters entspricht. Die Bandbreite des so gewonnenen idealen Filters ist die effektive Bandbreite. – Die Definition der 3-dB-Bandbreite geht aus Abb. 10.25 hervor. Sie wird festgelegt durch diejenigen beiden Frequenzen, bei denen der Pegel des vom Filter durchgelassenen Signals um jeweils 3 dB abgefallen ist. 8

Zu beachten ist, daß bei Durchlaßkurven von Filtern beide Koordinatenachsen lineare Teilung aufweisen.

216

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.25. Durchlaßkurven eines realen und eines idealen Bandpaß-Filters (nach Brüel &

Kjaer)

Die bisher besprochenen Bandpaß-Filter mit einer Durchlaßkurve nach Abb. 10.24 weisen eine absolut konstante Bandbreite auf, die unabhängig von der Mittenfrequenz
m ist. Für ein Filter mit absolut konstanter Bandbreite B wird die Mittenfrequenz nach (10.2) berechnet. Bei Filtern mit relativ konstanter Bandbreite wird die Mittenfrequenz
mg als geometrisches Mittel der oberen und unteren Grenzfrequenz p (10.4)
mg: =
u
o berechnet. Es sei k das Verhältnis der oberen zur unteren Grenzfrequenz des Filters
o : (10.5) k :=
u Die relative Bandbreite ergibt sich, indem die absolute Bandbreite B auf die Mittenfrequenz
mg bezogen wird. Aus (10.4 und 10.5) folgt für die relative Bandbreite b :=

k1 B = p :
mg k

(10.6)

Beim Oktavfilter wird k = 2 und beim Terzfilter k = 21=3 gesetzt. Beim Oktav- und Terzfilter ergeben sich damit relative Bandbreiten von b = 0,7071 bzw. b = 0,2316. Tabelle 10.6 zeigt die international genormten Mittenfrequenzen für Oktav- und Terzfilter. In der vierten Doppelreihe von Tabelle 10.6 ist die letzte Spalte nicht ausgefüllt, weil die Mittenfrequenzen des betreffenden Oktavfilters und der beiden höheren Terzfilter außerhalb des akustischen Frequenzbereichs liegen. Handelsübliche FFT-Analysatoren bieten die Möglichkeit, neben einer schmalbandigen eine breitbandige Analyse eines Signals in aufeinander abgestimmten Terzen bzw. Oktaven durchzuführen. Bei der schmalbandigen Analyse ergibt sich die

10.5 Meßdatenerfassung

217

Tabelle 10.6. Mittenfrequenzen für Oktav- und Terzfilter in Hz

Oktav Terz

12

16 16

20

25

31,5 31,5

40

50

63 63

80

Oktav Terz

100

125 125

160

200

250 250

315

400

500 500

630

Oktav Terz

800

1 000 1 000

1 250

1 600

2 000 2 000

2 500

3 150

4 000 4 000

5 000

Oktav Terz

6 300

8 000 8 000

10 000

12 500

16 000 16 000

20 000

Bandbreite durch das einstellbare Frequenzfenster und die auf dieses Frequenzfenster entfallende Anzahl von Stützstellen (vgl. hierzu auch Abschnitt 2.4). Bei einer Terz- bzw. Oktavanalyse werden innerhalb aufeinander folgender Terzen bzw. Oktaven nach Tabelle 10.6 die schmalbandig auf das betreffende Band entfallenden Pegel nach (1.12) bzw. (1.13) pegelmäßig aufaddiert. Schmalbandige Analysen werden immer dann vorgenommen, wenn eine hohe Frequenzauflösung erforderlich ist. Eine typische Anwendung einer schmalbandigen Analyse liegt dann vor, wenn für ein bekanntes Spektrum der anregenden Kraft festgestellt werden soll, ob sich dominante Frequenzanteile des Erregerspektrums in den Spektren des Körperschalls bzw. des abgestrahlten Luftschalls wiederfinden lassen. Bei maschinenakustischen Untersuchungen kann eine schmalbandige Analyse des Körperschallspektrums Hinweise darauf geben, ob durch die Erregung Eigenschwingungsformen der Maschinenstruktur zu Resonanzen angeregt werden. Aus einer schmalbandigen Analyse des Körperschallsignals können dann gezielt konstruktive Maßnahmen zur Verminderung des Körperschallpegels abgeleitet werden (z.B. Veränderung von Eigenfrequenzen durch das Anbringen von Rippen (vgl. Abschn. 12.6.2)). Terz- oder Oktavanalysen werden dagegen zur globalen Beurteilung akustischer Signale eingesetzt. Bei der Beurteilung der Schallabstrahlung von Maschinen kann neben dem Summenschalleistungspegel auch eine Terz- oder Oktavanalyse des Schalleistungspegels herangezogen werden. Derartige Analysen geben Hinweise, ob hohe spektrale Anteile des Schalleistungspegels in Frequenzbereichen vorliegen, in denen das menschliche Ohr empfindlich bzw. unempfindlich ist (vgl. hierzu auch Abschn. 1.4). Abbildung 10.26 zeigt zum Vergleich die Oktav-, Terz- und die Schmalbandanalyse eines Getriebegeräusches. In den beiden breitbandigen Analysen ist die Feinstruktur des schmalbandigen Spektrums nicht mehr zu erkennen. Daß die breitbandigen Analysen höhere Pegelwerte als die schmalbandigen ergeben, ist darauf zurückzuführen, daß bei ihnen die Pegel der schmalbandigen Analyse pegelmäßig aufaddiert werden (vgl. Gl. (1.12)).

218

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.26. Oktav-, Terz- und Schmalbandanalyse eines Getriebegeräusches

Zusammenfassung 1. Es wird unterschieden zwischen Tiefpaß-, Hochpaß- und Bandpaßfiltern, deren ideale Durchlaßcharakristiken in Abb. 10.24 angegeben sind. 2. Bei den Bandpaßfiltern wird zwischen solchen mit aboluter Bandbreite (vgl. Gl. (10.3)) und solchen mit relativer Bandbreite unterschieden. Bei diesen wird die Mittenfrequenz nach (10.4) berechnet. Mit dem Verhältnis k der oberen zur unteren Grenzfrequenz nach Gl. (10.5) ergibt sich die relative Bandbreite nach Gl. (10.6). Für Terzfilter gilt k = 21=3 und für Oktavfilter k = 2. Die Mittenfrequenzen im akustischen Hörbereich gibt Tabelle 10.6 an. 3. Für schmalbandige Frequenzanalysen werden FFT-Analystoren mit schmaler absoluter Bandbreite eingesetzt. Schmalbandige Analysen sind erforderlich, wenn gezielt nach dominaten Frequnenzanteilen im Körperschall- und/oder Luftschallspektrum gesucht werden soll. Breitbandige Terz- oder Oktavanalysen liefern Informationen, ob signifikante Frequenzanteile im akustischen Frequenzbereich vorliegen. Sie sind daher eine oft sinnvolle Ergänzung von Messungen des Summenpegels der abgestrahlten Luftschalleistung.

10.5 Meßdatenerfassung

10.5.2

219

Funktionsweise von Frequenzanalysatoren

In diesem Abschnitt wird gezeigt, daß sich der Einsatz digitaler Meßtechnik für die Ausführung zuverlässiger Messungen nicht auf die Digitalisierung der zunächst analogen Meßdaten beschränkt. Leistungsfähige, hochwertige Frequenzanalysatoren müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, die nachfolgend erläutert werden. Sie enthalten einige Hilfsmittel und Werkzeuge, die den Anwender in der Gewinnung zuverlässiger Meßergebnisse unterstützen. Die Kenntnis der wesentlichen Fehlerquellen und die richtige Anwendung der verfügbaren Werkzeuge ist wichtig, um Meßfehler zu vermeiden. Andernfalls können bei der Erfassung und insbesondere der Auswertung der Meßdaten gravierende Probleme auftreten. Die Funktionsweise und der Aufbau eines modernen, hochwertigen Frequenzanalysators wird anhand der schematischen Darstellung in Abb. 10.27 erläutert. Dieser Aufbau ist für die Mehrzahl der heute verfügbaren Frequenzanalysatoren repräsentativ. Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränkt sich die Darstellung auf einen Eingangs- und einen Ausgangskanal. Frequenzanalysatoren besitzen in der Regel zumindest zwei Eingangskanäle, um Kreuzkorrelationsfunktionen bzw. Kreuzleistungsspektren ermitteln zu können (vgl. Abschn. 10.5.4). Für spezielle Anwendungen wie z.B. Mikrofonarraymessungen oder Beschleunigungsmessungen an sehr großen Strukturen können Meßsysteme auch über 256 und mehr Eingangskanäle aufweisen. Im folgenden werden die Komponenten der Ein- und Ausgangskanäle beschrieben. Eingangskanäle – Frequenzanalysatoren sind üblicherweise Spannungsmeßgeräte. Die analogen Eingangskanäle sind differentiell (nicht massebezogen) und erlauben den Anschluß von Sensoren mit Spannungssignalausgang. Sie können AC (Wechselstrom)- (alternating current) oder DC (Gleichstrom)- (directed current) gekoppelt werden (2). Durch die für maschinenakustische Messungen meist verwendete AC-Kopplung wird der Gleichspannungsanteil des Meßsignals unterdrückt, wodurch eine verbesserte Aussteuerung der Eingangskanäle erreicht werden kann. Bei vielen Frequenzanalysatoren ist eine Stromeinprägungsversorgung

Abb. 10.27. Schematischer Aufbau eines Frequenzanalysators

220

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.28. AC-Kopplung und Verstärkung eines Meßsignals

(1) zuschaltbar, was den direkten Anschluß ICP-kompatibler Sensoren erlaubt (vgl. Abschn. 10.4.2). Um eine möglichst gute Ausnutzung des Spannungsbereichs jedes Eingangskanals zu erreichen, können die Meßsignale verstärkt werden. Der Verstärkungsfaktor des integrierten Meßverstärkers (3) ist üblicherweise in mehreren Stufen einstellbar. Abbildung 10.28 zeigt schematisch die AC-Kopplung und Verstärkung eines Meßsignals. Sofern das verstärkte Eingangssignal den maximalen Spannungsbereich überschreitet, tritt ein sogenannter Overload auf, der zu einer Verfälschung des Meßsignals führt. Moderne Frequenzanalysatoren zeigen derartige Übersteuerungen an. Übersteuerte Signale werden bei entsprechender Softwareeinstellung automatisch erkannt und nicht weiterverarbeitet. Sofern das verstärkte Eingangssignal den maximal zulässigen Spannungswert überschreitet, tritt ein Overload auf, der zur Verfälschung des Meßsignals führt. Moderne Frequenzanalysatoren zeigen derartige Übersteuerungen an. Übersteuerte Signale werden bei entsprechender Einstellung der Software automatisch erkannt und nicht weiterverarbeitet. – Ein sehr wichtiges, der Digitalisierung vorgeschaltetes Element ist das TiefpaßAnti-Alias-Filter (4). Durch dieses Filter können Meßfehler vermieden werden, die aus einer Unterabtastung von hochfrequenten Meßsignalen bei der Digitalisierung resultieren. Derartige Fehler werden als Aliasing9 bezeichnet. ) Die hochfrequenten Signalanteile können reale Meßsignale oder auch Störsignale sein, welche über die Sensorkabel eingekoppelt werden. Aliasing kann immer dann auftreten, wenn das Meßsignal Frequenzkomponenten oberhalb der Nyquist-Frequenz
N (= halbe Abtastfrequenz
s ) enthält. Werden diese hohen Frequenzkomponenten vor der Digitalisierung nicht durch ein analoges Tiefpaßfilter unterdrückt, treten am Digitalsignal bei tieferen Frequenzen scheinbare (im analogen Signal nicht enthaltene) Frequenzkomponenten auf, die das Spektrum verfälschen. Nach erfolgter Digitalisierung können die Auswirkungen des Aliasing nicht mehr identifiziert und rückgängig gemacht werden. Bei den meisten Frequenzanalysatoren wird die Eckfrequenz des Tiefpaßfilters automatisch der gewählten Abtastfrequenz angepaßt. – Die Digitalisierung (Abtastung) des analogen, Tiefpaß-gefilterten Signals erfolgt durch einen Analog-Digital-Konverter (ADC) (5). Jeder Eingangskanal eines hochwertigen Frequenzanalysators verfügt über einen eigenen ADC. Die Digitalisierung ist in Abb. 10.29 dargestellt. Sie beinhaltet erstens die Diskretisierung 9

Der Begriff „Aliasing“ wird auf S. 225 ausführlich beschrieben.

10.5 Meßdatenerfassung

221

Abb. 10.29. Digitalisierung des Meßsignals

des analogen Signals entlang der Zeitachse durch eine Sample-and-hold-Funktion (Zeitdiskretisierung). Dabei wird der abgetastete Ordinatenwert des Meßsignals über den Zeitraum eines Abtastintervalls konstant gehalten. Zweitens wird dieser analogen Spannungsamplitude für jede Abtastung eine Binärzahl zugeordnet (Amplitudendiskretisierung). Aus diesen Maßnahmen resultieren geringfügige Abweichungen gegenüber dem analogen Meßsignal, welche als digitales Rauschen bezeichnet werden. Für eine zuverlässige AD-Konvertierung ist eine hinreichend hohe Abtastfrequenz erforderlich. Gemäß dem Abtasttheorem von Shannon muß die Abtastfrequenz mindestens doppelt so hoch sein wie die höchste, relevante Frequenzkomponente des Meßsignals. In der Praxis arbeiten die meisten ADC unabhängig vom Auswertungsfrequenzbereich mit einer festen Abtastfrequenz, die deutlich größer ist als die erforderliche (Oversampling). Das Verhältnis zwischen der Abtastfrequenz und der oberen Grenze des Auswertungsfrequenzbereichs kann dabei mehr als 1000 betragen. Dies erlaubt die Verwendung eines sehr weichen, analogen Anti-Alias-Filters10 mit entsprechend hoher Eckfrequenz, das auf die feste Abtastfrequenz optimal abgestimmt ist. Hieraus resultieren zwei Vorteile: Erstens kann ein fest abgestimmtes Anti-Alias-Filter gegenüber einem flexibel abstimmbaren deutlich einfacher realisiert werden und ist daher kostengünstiger. Zweitens wird im Auswertungsfrequenzbereich der Einfluß des Filters auf Amplitude und Phase des Meßsignals durch die weiche Filtercharakteristik auf ein Minimum reduziert.

10

Ein weiches Tiefpaßfilter besitzt einen großen Übergangsbereich zwischen Sperr- und Durchgangsbereich und damit eine geringe Flankensteilheit.

222

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Tabelle 10.7. Auflösung und Dynamik in Abhängigkeit der verfügbaren ADC-Bits

ADC-Bits

Auflösung

LDth dB

12

4.096

72

16

65.536

96

20

1.048.576

120

24

16.777.216

144

Ein weiteres Qualitätskriterium der AD-Konvertierung ist der Dynamikbereich des ADC. Er beschreibt das Verhältnis zwischen dem größten und dem kleinsten noch vom Frequenzanalysator erfaßbaren Signalamplitudenbetrag: LD = 20 lg

jUjmax jUjmin



Im Rahmen der digitalen Quantisierung wird jedem abgetasteten Spannungswert des Meßsignals eine Binärzahl zugeordnet. Das Verhältnis zwischen der größten und der kleinsten darstellbaren Zahl hängt folglich von der Anzahl der für die Zuordnung verfügbaren Bits (binary digits) ab. In Tabelle 10.7 werden für einige Bit-Zahlen die Auflösung und der theoretische Dynamikbereich angegeben. Die ADC aktueller Frequenzanalysatoren verfügen über eine Auflösung zwischen 16 und 24 Bit. Der tatsächliche nutzbare Dynamikbereich eines Frequenzanalysators ist üblicherweise geringer als der in Tabelle 10.7 angegebene Wert. Dies hängt damit zusammen, daß unvermeidbare Störsignale der Analysatorkomponenten (z.B. Rauschen der Meßverstärker und Filter), das digitale Rauschen sowie Nichtlinearitäten desADC und der Signalkonditionierung dieAuflösbarkeit sehr kleiner Meßsignalamplituden einschränken. Auch ist zu beachten, daß sich die Auflösung auf den gesamten Spannungsbereich des Eingangskanals bezieht.Aus einer schlechten Aussteuerung des Spannungsbereichs resultiert eine dementsprechend schlechtere Auflösung des quantisierten Meßsignals. Darüber hinaus kann eine unzureichende Sperrband-Dämpfung des Tiefpaß-Filters den Dynamikbereich des Frequenzanalysators einschränken. Beträgt z.B. die Sperrbanddämpfung LDS = 80 dB, so ist die Auflösung eines 20-Bit-ADC nur eingeschränkt nutzbar. – Die Daten der „Überabtastung“ werden durch sogenannte Dezimierungsfilter auf den interessierenden Frequenzbereich reduziert. Dies läßt sich vereinfacht so vorstellen, daß z.B. nach einem 128-fachen Oversampling nur jede 128-te Stützstelle für die weitere Verarbeitung genutzt wird. Dieser Prozeß als wird als Resampling (erneute Abtastung mit niedrigerer Frequenz) bezeichnet. Um ein Aliasing bei der Dezimierung zu verhindern, werden die Daten mit linearphasigen, digitalen Tiefpaßfiltern (6) großer Flankensteilheit (typischer Wert: 160 dB/Oktave) gefiltert. Nach der Dezimierungs- und der digitalen Tiefpaßfilterung ergibt sich im gewünschten Auswertungsfrequenzbereich ein alias-freier, reduzierter Datensatz. Die erforderlichen Filtereinstellungen werden üblicherweise vom Analysator

10.5 Meßdatenerfassung

223

Abb. 10.30. Tiefpaßfilterung und AD-Konvertierung

automatisch vorgenommen. Die Kette bestehend aus analoger und digitaler Tiefpaßfilterung und ADC wird in Abb. 10.30 schematisch dargestellt. – Die Weiterverarbeitung des digitalen Meßsignals erfolgt durch den DigitalSignalprozessor (DSP). Der DSP (7) führt die schnelle Fouriertransformation (FFT) des digitalen Meßsignals aus und puffert die Signale im Speicher. Darüber hinaus steuert der DSP alle Funktionen des Frequenzanalysators wie z.B. die Dezimierungs- und Digitalfilter, die Einstellungen der Meßverstärker und die Kommunikation mit dem angeschlossenen Rechner. Ausgangskanäle Hochwertige Frequenzanalysatoren besitzen einen oder mehrere integrierte Signalgeneratoren, die verschiedene Signalarten wie z.B. Sinus, Rechteck, Rauschen und Sinus-Sweep11 erzeugen. Häufig können auch anwenderdefinierte Signale generiert werden. Diese Signale werden z.B. für die Ansteuerung von Anregungsgeräten wie Shaker oder Hydro-Pulser verwendet. Die Ausgangskanäle müssen einen ebenso hochwertigen Aufbau besitzen wie die beschriebenen Eingangskanälen, um gravierende Fehler bei einer Systemanalyse zu vermeiden. – Das digitale Signal wird vom DSP (7) erzeugt. Dieses besitzt zunächst eine niedrige Abtastfrequenz und deshalb eine relativ grobe Auflösung. – Sofern dieses Signal direkt durch einen Digital-Analog-Konverter in ein analoges Signal gewandelt wird, tritt ein als Imaging bezeichneter Effekt auf. Das Imaging stellt eine Analogie zum Aliasing dar, das bei der Analog-Digital-Konvertierung auftreten kann. Bei der DA-Konvertierung eines harmonischen Signals verursacht Imaging dem Grundsignal überlagerte, höhere harmonische Signalanteile. Um das Imaging-Problem in hohe Frequenzbereiche zu verlagern und dadurch den nachfolgenden Digital-Analog-Konverter (DAC) mit einer festen Taktfrequenz betreiben zu können, wird das DSP-Signal durch digitale Interpolationsfilter (8) geglättet und zugleich die Abtastfrequenz erhöht. – Im nächsten Schritt konvertiert der DAC (9) das Digitalsignal in ein Analogsignal. Dabei ordnet der DAC dem Analogsignal während jeder Abtastperiode einen 11

Der Sinus-Sweep wird üblicherweise als Anregungssignal für Messungen von Übertragungsfunktionen verwendet. Hiebei variiert die Frequenz eines harmonischen Signals innerhalb einer wählbaren Intervalldauer Ts kontinuierlich zwischen einer oberen und unteren Grenze.

224

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.31. DA-Konvertierung, Glättungsfilterung und Verstärkung des Ausgangssignals

jeweils konstanten Amplitudenwert zu. Das kontinuierliche Analogsignal besitzt folglich zahlreiche Sprünge und damit höherfrequente, unerwünschte Signalkomponenten. – Ein hochwertigerAudio-Verstärker (10) erlaubt eine stufenlose Signalverstärkung. – Ein analoges Tiefpaßfilter (11), dessen Eckfrequenz der halben Abtastfrequenz des DAC entspricht, eliminiert diese Sprünge und glättet das analoge Signal. Hierdurch wird ein Imaging vermieden. Durch die Verwendung von hochwertigen Filtern kann eine Beeinflussung von Amplitude und Phase weitgehend verhindert werden. Die Kette der Filterung und DA-Konvertierung ist in Abb. 10.31 schematisch dargestellt. 10.5.3

Praktische Aspekte der Diskreten Fourier-Transformation (DFT)

Für die systematische Auswertung maschinenakustischer Meßsignale ist die Frequenzbereichsdarstellung von wesentlicher Bedeutung. Die Frequenztransformation diskreter Zeitsignale g(tn ) erfolgt durch die Diskrete Fourier-Transformation (DFT) nach Gl. (2.17). Neben den in Abschn. 2.4 angegebenen Voraussetzungen müssen bei der Anwendung der DFT folgende Bedingungen erfüllt sein: – Sowohl die Zeit- als auch die Frequenzfunktion sind äquidistant diskret und periodisch. – Das Zeitsignal ist bandbegrenzt. Gemäß dem Shannon-Abtasttheorem muß die Abtastfrequenz
s mindestens doppelt so groß sein wie die höchste im Zeitsignal vorhandene Frequenzkomponente
max
s  2
max : Werden reale Meßsignale betrachtet und wird berücksichtigt, daß die Anzahl der Meßstützstellen N eines Meßgerätes (und damit die Dauer eines Meßintervalls) begrenzt ist und der Auswertungsfrequenzbereich durch die Meßtechnik bzw. durch Anforderungen der Auswertung vorgegeben wird, so ist offensichtlich, daß diese Voraussetzungen nicht automatisch erfüllt sind. Aus dem Nichterfüllen dieser Voraussetzungen resultieren zwei Hauptfehlerquellen der DFT, Aliasing und Leakage.

10.5 Meßdatenerfassung

225

Aliasing Ist ein Meßsignal nicht bandbegrenzt und enthält Frequenzkomponenten oberhalb der Nyquist-Frequenz
N =
s =2, (halbe Abtastfrequenz), dann treten am Digitalsignal bei tieferen Frequenzen scheinbare, im analogen Signal nicht enthaltene Frequenzkomponenten auf, die das Spektrum verfälschen. Dieser Effekt wird als Aliasing bezeichnet. In Abb. 10.32 wird das Aliasing am Beispiel eines harmonischen Signals veranschaulicht. Ein analoges Meßsignal (wahres Signal) bei einer Frequenz von
= 8 kHz wird mit einer Frequenz
s = 7 kHz abgetastet. Die Frequenz des wahren Signals ist also deutlich höher als die Nyquist-Frequenz
N = 3;5 kHz. Die Interpolation der Abtastwerte läßt ein harmonisches, scheinbares Signal bei einer Frequenz von 1000 Hz erkennen. Abbildung 10.33 zeigt die Auswirkung des Aliasing im Frequenzbereich. Die wahre Frequenzkomponente wird aufgrund der zu niedrigen Abtastfrequenz um die Nyquistfrequenz „gefaltet“. Hieraus resultiert eine scheinbare Frequenzkomponente bei
A1 = 1 kHz.Aufgrund der Symmetrieeigenschaft des Spektrums (vgl.Abschn. 2.2) tritt auch im Auswertungsfrequenzbereich bei
A2 = 1 kHz eine scheinbare Frequenzkomponente auf. Der Zusammenhang zwischen den aus Aliasing resultieren-

Abb. 10.32. Aliasing durch Abtastung eines harmonischen Signals mit zu niedriger Abtast-

frequenz

Abb. 10.33. Scheinbare Frequenzkomponenten durch Aliasing

226

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.34. Schematische Kennlinie eines Anti-Alias-Tiefpaßfilters

den, scheinbaren Frequenzen
Ai , (i = 1; 2) der Abtastfrequenz
s und der wahren Frequenz
e lautet
A1 =
s 
e = 
A2 Aliasing kann nur durch eine Bandbegrenzung des Meßsignals vor Ausführung der Abtastung verhindert werden. Nach einer erfolgten Digitalisierung ist die Kompensation des Aliasing nicht mehr möglich. Die Bandbegrenzung geschieht durch ein analoges Tiefpaßfilter. Die schematische Kennlinie eines Tiefpaßfilters ist in Abb. 10.34 dargestellt. Wichtige Kenngrößen der Kennlinie sind die Eckfrequenz
E , die Sperrfrequenz
Sp und die Sperrband-Dämpfung LDS . Um einen möglichst großen alias-freien Frequenzbereich nutzen zu können, wird das Filter derart abgestimmt, daß die Sperrfrequenz
Sp der Nyquistfrequenz
N entspricht. Für ein hochwertiges Anti-AliasTiefpaßfilter ist eine große Sperrband-Dämpfung und ein geringes Verhältnis
Sp =
E anzustreben. Darüber hinaus müssen die Welligkeit und die Phasenbeeinflussung im Durchlaßbereich minimiert werden. Die gleichzeitige technische Realisierung dieser Anforderungen durch ein Analogfilter ist sehr aufwendig. Deshalb wird der Alias-Schutz an Frequenzanalysatoren (vgl. S. 220) durch eine Kombination analoger und digitaler Tiefpaßfilterung erreicht. Hierdurch kann eine Flankensteilheit der Filterkennlinie von mehr als 200 dB/Oktave realisiert werden. Leakage Meßsysteme erfassen während einer Messung nur eine begrenzte Zahl von N = 2n Zeitstützstellen. Aus einer vorgegebenen Abtastfrequenz
s resultiert eine endliche Meßdauer T N T= :
s Die Messung eines Signals über eine Meßdauer T kann als Anwendung eines Zeitfensters auf das Meßsignal interpretiert werden. Es handelt sich dabei um ein einfaches Rechteckfenster mit dem Wert 1 im Durchlaßbereich und dem Wert 0 im Sperrbereich. Die Durchführung einer DFT setzt die Periodizität des Meßsignals innerhalb des Zeitfensters voraus. Das in Abb. 10.35 (oberes Diagramm) dargestellte Signal erfüllt

10.5 Meßdatenerfassung

227

Abb. 10.35. Meßsignal und periodisches Signal

die Periodizitätsbedingung innerhalb des Zeitfensters der Meßdauer T nicht. Der DFT-Algorithmus erzwingt jedoch die Periodizitätsbedingung durch ein unendliches Aneinanderreihen des abgetasteten Signalausschnitts (unteres Diagramm). Es ist zu erkennen, daß an den Grenzen der aneinandergereihten Signalausschnitte Sprünge auftreten, die im ursprünglichen Signal nicht vorhanden waren. Aus diesen Sprüngen resultieren zusätzliche Frequenzkomponenten, welche das Spektrum verfälschen. Dieser Fehler wird als Leakage (Leckage) bzw. als Zeitfenstereffekt bezeichnet. Am Beispiel von harmonischen Signalen werden in Abb. 10.36 die Auswirkungen des Leakage auf das Spektrum in Abhängigkeit des gewählten Meßintervalls dargestellt. Zunächst zeigt A das Zeitsignal und das Spektrum eines harmonischen Signals, welches die Periodizitätsbedingung innerhalb des Meßintervalls ideal erfüllt. Im Spektrum ist die für ein harmonisches Signal zu erwartende schlanke Spitze zu erkennen. Für das Signal B kann die Periodizitätsbedingung innerhalb des Meßintervalls nur mit einem deutlichen Periodisierungssprung erzwungen werden. Dies führt im Spektrum zu einem Absinken des Amplitudenmaximums. Weil die im Zeitsignal enthaltene Energie auch im Frequenzbereich erhalten bleiben muß, verteilt sich diese auf Frequenzen um das Maximum. Der Leakage-Effekt läßt die Spitze als stärker gedämpft erscheinen, was eine gravierende Verfälschung des Spektrums darstellt. In C wird ein Hanning-Zeitfenster auf das Meßsignal von B angewendet. Durch diese Gewichtung können die Periodisierungssprünge an den Grenzen des Meßintervalls vermieden werden. Gegenüber dem Spektrum A ist eine nur geringe Reduktion des Amplitudenmaximums und damit ein geringes Energie-Leckage festzustellen. Hierdurch wurde gezeigt, daß das Leakage-Problem durch die Anwendung eines geeigneten Zeitfensters auf das Meßsignal weitgehend behoben werden kann. Am Beispiel eines transienten Signals wird ein weiteres, wichtiges Zeitfenster erläutert. Abbildung 10.37 zeigt ein Signal, das als Schwingungsantwort eines im-

228

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.36. Leakage an einem stationären Signal und Anwendung des Hanning-Fensters

pulsangeregten, gedämpften Meßobjekts gemessen werden kann. In D klingt das Signal innerhalb der Meßdauer T bis auf eine vernachlässigbar geringe Amplitude ab. An den Grenzen des Meßintervalls treten keine Periodisierungssprünge auf. Das Spektrum entspricht dem eines gedämpften Einmassenschwingers. Wird die Meßdauer T verkürzt (wie in E dargestellt), so tritt als Folge der Periodisierungssprünge Leakage auf. Dies äußert sich im Spektrum durch eine Welligkeit des gesamten Spektrums. Die Maximalamplitude ist deutlich reduziert. In F wird das Zeitsignal durch Multiplikation mit einer Exponentialfunktion (Exponential-Zeitfenster) künstlich bedämpft, so daß keine Periodisierungssprünge mehr auftreten. Das Spektrum zeigt, daß Leakage durch diese Maßnahme vermieden werden kann. Bedingt durch die zusätzliche Dämpfung ist dasAmplitudenmaximum gegenüber jenem in D vermindert. Hochwertige Frequenzanalysatoren verfügen über zahlreiche Fensterfunktionen, um Leakage zu vermeiden. Die Verantwortung für die Auswahl eines geeigneten Fensters und für die Definition der Fensterparameter liegt beim Anwender. Zu beachten ist, daß aus der Anwendung einer ungeeigneten Fensterfunktion ein unbrauchbares Spektrum resultieren kann. Auch ist zu bedenken, daß selbst eine korrekt angewendete Fensterfunktion immer zu einer Beeinflussung und damit zu einer Verfälschung des Spektrums führt. Deshalb ist in Abhängigkeit des Auswertungsziels immer zwischen dem Nutzen und der Auswirkung der Beeinflussung abzuwägen. Tabelle 10.8 enthält die Definitionen einiger gebräuchlicher Fensterfunktionen und erläutert deren typische Anwendungsbereiche. In Abb. 10.38 werden Zeitfenster in einem Diagramm einander gegenübergestellt.

Vermeidung von Leakage bei transienten Signalen und Signalen schwach gedämpfter Schwinger, Rauschunterdrückung bei stark gedämpften Schwingungen Overlap-Mittelungen bei stationären und langen transienten Signalen, Anregungs- und Antwortsignale bei stochastischer Anregung Stationäre Signale, trennscharfes Fenster, ermöglicht die Trennung dicht benachbarter Frequenzkomponenten mit großen Amplitudendifferenzen

w(t) = exp(t=)

w(t) = (1  cos(2  t=T))=2

w(t) = 1  1;24 cos(2 =T) + 0;244 cos(4 t=T) 0;00305 cos(6=T) w(t) = 1  1;933 cos(2 t=T) + 1;286 cos(4 t=T) 0;388 cos(6t=T)+ 0;032 cos(8 t=T)

Exponential

Hanning

Kaiser-Bessel (Näherung)

Flat-Top (Näherung)

Stationäre Signale und Kalibrierung von Sensoren mit hohen Anforderungen an die Amplitudengenauigkeit, Fenster mit geringer Trennschärfe jedoch mit sehr geringen Amplitudenfehlern

Rauschunterdrückung bei sehr kurzen transienten Signalen (z.B. Impulsanregung)

w(t) = 1

Rechteck

Anwendungsbereich u. Eigenschaften

Definition im Intervall 0 Ä t Ä T

Zeitfenster

Tabelle 10.8. Definitionen und Anwendungsbereiche gebräuchlicher Zeitfenster

10.5 Meßdatenerfassung 229

230

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.37. Leakage an einem transienten Signal und Anwendung des Exponential-

Zeitfensters

Abb. 10.38. Zeifenster im Vergleich

10.5.4

Meßfunktionen der Fourier-Transformation

Um die akustischen und schwingungstechnischen Eigenschaften einer Struktur zu untersuchen werden Schwingungsmessungen ausgeführt. Dabei können sowohl Anregungs- als auch Antwortsignale gemessen und durch Ausführung der FFT die

10.5 Meßdatenerfassung

231

Abb. 10.39. Übertragungskette

zugehörigen Spektren berechnet werden. Es seien beispielsweise f(t) die Zeitfunktion der Anregungskraft und x(t) die der Systemantwort (z.B. Schwingweg) sowie F der Operator der Fourier-Transformation. Dann gilt im Frequenzbereich F(
) = F(f(t)) X(
) = F(x(t)) Erfolgt die Anregung durch unbekannte Betriebskräfte, so werden nur die Antwortsignale der Struktur gemessen. Dieses Vorgehen heißt Signalanalyse . Sofern die Anregungskräfte meßtechnisch erfaßt werden können, wird häufig das Übertragungsverhalten der Struktur untersucht. Dieses wird durch Messung der Anregungs- und Antwortsignale und die Berechnung von Übertragungsfunktionen ermittelt. Dieses Vorgehen heißt Systemanalyse. Die komplexe Übertragungsfunktion12 X(
) (10.7) H0 (
) := F(
) beschreibt dasVerhältnis derAmplituden und den Phasenunterschied inAbhängigkeit von der Frequenz
. Es ist zu beachten, daß die Berechnung von Übertragungsfunktionen nur unter der Voraussetzung eines näherungsweise linearen, zeitinvarianten Strukturverhaltens sinnvoll ist. Die Definition (10.7) der Übertragungsfunktion wird anhand der Übertragungskette in Abb. 10.39 verdeutlicht. Die Berechnung von Übertragungsfunktionen nach Gl. (10.7) setzt ideale (fehlerfreie) Meßsignale voraus. Allen realen Meßsignalen sind Fehler (Störgrößen) überlagert. Praktische Fehlerursachen können sein:

12

Das Spektrum der Anregungskraft kann ohne Beeinträchtigung der Allgemeingültigkeit reell angesetzt werden, weil es nur auf die Phasenverschiebung zwischen Anregung und Antwort ankommt.

232

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.40. Wahrer Wert der Übertragungsfunktion mit überlagerten systematischen und stochastischen Fehlern für eine Frequenz


– – – –

Störgeräusche und Störschwingungen Elektrisches Rauschen der Meßkette Nichtlineares Strukturverhalten Unzureichende Auflösung der Messungen

Nach Abb. 10.40 wird zwischen systematischen (bias errors) und stochastischen Fehlern (random errors) unterschieden. Typische stochastische Fehler sind z.B. das mit dem Meßsignal unkorrelierte Hintergrundrauschen oder elektrisches Rauschen. Ursachen für systematische Fehler können z.B. korrelierte, nicht erfaßte Anregungskräfte sein, die auf das Untersuchungsobjekt einwirken. Auch der Leakage-Effekt ist ein systematischer Fehler. Um den Einfluß stochastischer Fehler auf die Meßsignale und schließlich auf die Übertragungsfunktion zu minimieren, ist die Anwendung statistischer Methoden erforderlich. Dazu werden N Antwort- und Anregungsspektren gemessen und nach der Berechnung von Leistungsspektren eine arithmetische Mittelung13 im Frequenzbereich ausgeführt. Dadurch wird dadurch eine Verbesserung des SignalRauschabstandes erreicht. Eine vollständige Unterdrückung stochastischer Fehler ist mit praktisch vertretbaren Mittlungsanzahlen unmöglich. Systematische Fehler können im allgemeinen durch eine arithmetische Mittlung nicht wirkungsvoll unterdrückt werden. Auto- und Kreuzleistungsspektren Das zweiseitige14 Autoleistungsspektrum ist definiert als das arithmetische Mittel aus N Produkten der komplexen und dazu konjugierten Spektren eines Meßsignals X(
) 13

14

Es ist offensichtlich, daß eine direkte arithmetische Mittelung der komplexen Spektren nicht sinnvoll ist. „Zweiseitig“ bedeutet, daß das Spektrum sowohl für den positiven als auch für den negativen Frequenzbereich definiert ist (vgl. Abschn. 2.2).

10.5 Meßdatenerfassung

SXX :=

N 1  X(
) X(
) N

233

(10.8)

n=1

Zweiseitige Kreuzkorrelationsspektren15 werden entsprechnend aus N komplexen Spektren zweier Meßsignale x(t) und y(t) berechnet. 1   SXY (
) = X (
) Y(
) ; N N

n=1

1   Y (
) X(
) : N N

SYX (
) =

(10.9)

n=1

Offenkundig gilt SXY (
) 6= SYX (
). Es ist zu beachten, daß die meisten Frequenzanalysatoren einseitige Auto- und Kreuzkorrelationsspektren anzeigen. Hierbei wird der für die praktische Nutzung relevante positive Frequenzbereich herangezogen, wobei der Energieinhalt des negativen Frequenzbereichs auf die positive Seite verlagert wird. Das einseitige Kreuzkorrelationsspektrum wird daher definiert als GXY = 0

fur
< 0 ;

GXY = SXY GXY = 2 SXY

(10.10)

fur
= 0 ; fur
> 0 :

Schätzungen der Übertragungsfunktion Die gemittelten einseitigen Auto- und Kreuzleistungsspektren werden für die Schätzung von Übertragungsfunktionen aus fehlerbehafteten Meßsignalen verwendet. Die H1 - und H2 -Schätzungen der Übertragungsfunktion stellen eine gute Kompromißlösung für eine effiziente Unterdrückung stochastischer Störsignale bei gleichzeitiger Begrenzung des Rechenaufwandes dar. Es seien GFX und GFF das einseitige Kreuzleistungsspektrum aus den Spektren der Erregerkraft und des Ausgangsignals bzw. das einseitige Autoleistungsspektrum der Erregerkraft. Dann gilt N 

GFX (
) = n=1 H1 (
) := N  GFF (
)

Fn (
) Xn (
) (10.11) Fn (
) Fn (
)

n=1 N 

GXX (
) H2 (
) := = n=1 N  GXF (
)

Xn (
) Xn (
) (10.12) Xn (
) Fn (
)

n=1 15

Falls das Kreuzkorrelationsspektrum aus den Spektren von Kraft und Schnelle gebildet wird, liegt ein Kreuzleistungsspektrum vor.

234

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Für eine Mittlungszahl N = 1 und fehlerfreie Signale reduzieren sich beide Schätzungen auf die Definition nach Gl. (10.7) (H0 = H1 = H2 ). Die Auswirkung von Fehlern auf die H1 - und H2 -Schätzungen wird nachfolgend kurz dargestellt. Sind dem wahren Anregungs- und Antwortsignal (Index „W“)) stochastische Fehler überlagert (Index „F“) X = XW + XF ;

(10.13)

F = FW + FF ;

(10.14)

so ergibt sich unter der Voraussetzung hinreichend großer Mittelungszahlen N, wobei   die Kreuzleistungsspektren unkorrelierter Größen wie z.B. FF XW gegen Null streben   GFX (
) F W XW   (10.15) H1 (
) := (FW FW + FF FF ) GFF (
)   GXX (
) (XW XW + XF XF )   H2 (
) :=  : (10.16) X W FW GXF (
) Bei der H1 -Schätzung beeinflußt nur der Fehler des Anregungssignals den Nenner. Der Fehler des Antwortsignals übt hier keinen Einfluß aus. Bei der H2 -Schätzung wird der Zähler durch den Fehler des Antwortsignals beeinflußt. Der Fehler des Anregungssignals übt keinen Einfluß aus. Die Entscheidung, welche der beiden Schätzungen bei einer Messung anzuwenden ist, hängt also von der Charakteristik der überlagerten Störsignale ab. – Sind dem Antwortsignal stochastische Fehler überlagert, können diese durch eine H1 -Schätzung effizient unterdrückt werden. In der Praxis resultieren derartige Fehler z.B. aus Schwingungen benachbarter Maschinen. Mit wachsender Mittlungszahl N strebt die H1 -Schätzung gegen den Wert der wahren Übertragungsfunktion H. – Stochastische Fehler, welche dem Anregungssignal überlagert sind, können durch eine H2 -Schätzung wirkungsvoll unterdrückt werden. Dies kann z.B. für die Auswertung von Frequenzbereichen mit geringen Amplituden des Anregungssignals oder beim Vorhandensein nicht erfaßter Anregungskomponenten wichtig sein. Mit wachsender Mittlungszahl N strebt die H2 -Schätzung gegen den Wert der wahren Übertragungsfunktion H. – Sind sowohl dem Anregungs- als auch dem Antwortsignal stochastische Fehler überlagert und erfolgt eine stochastische Anregung der Struktur (z.B. ShakerAnregung mit weißem Rauschen), neigt die H1 -Schätzung dazu, die wahre Übertragungsfunktion im Bereich der Resonanzen zu überschätzen. Insbesondere bei schwach gedämpften Objekten ist das Eingangssignal (Anregungskraft) in Resonanznähe gering und daher empfindlich gegenüber dem Einfluß von Störsignalen. Im Bereich der Antiresonanzen wird die wahre Übertragungsfunktion gut abgebildet. Die H2 -Schätzung überschätzt H im Bereich der Antiresonanzen (großer

10.5 Meßdatenerfassung

235

Abb. 10.41. H1 - und H2 -Schätzung der wahren Übertragungsfunktion H

Einfluß des Störsignals auf das Antwortsignal) und liefert an den Resonanzen gute Amplitudenwerte. H1 (
)  H(
)  H2 (
) : Diese Eigenschaft wird in Abb. 10.41 dargestellt. Kohärenzfunktion Für die Beurteilung des Einflusses von Störungen auf den Wert der Übertragungsfunktion wird die Kohärenz 2 (
) definiert 2 (
) :=

GFX (
) GXF (
) H1 (
) = H2 (
) GFF (
) GXX (
)

0  2 (
)  1

(10.17)

Die Kohärenz beschreibt den Grad der linearen Abhängigkeit zwischen dem Anregungs- und dem Antwortsignal einer Messung als Funktion der Frequenz
. Gemäß Abb. 10.42 hängt der Wert der Kohärenzfunktion von folgenden Faktoren ab: – In Frequenzbereichen vollständiger linearer Abhängigkeit zwischen dem Anregungs- und dem Antwortsignal (ideale Eigenschaften des Meßobjektes, ideale Anregungsbedingungen, keine Störsignale vorhanden) beträgt der Wert der Kohärenzfunktion 1. – Bei einer Mittlungszahl N = 1 ist die Kohärenzfunktion unabhängig von den Objekteigenschaften und Anregungsbedingungen für alle Frequenzen gleich 1. Die Berechnung der Kohärenz ist daher nur sinnvoll für Mittlungszahlen N > 1. – Wird den Eingangs- und/oder Ausgangssignalen ein stochastischer Fehler überlagert (Rauschen) erreicht die Kohärenzfunktion Werte kleiner als 1. Liegt ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen Anregungs- und Antwortsignal vor (z.B. aufgrund nichtlinearer Werkstoffeigenschaften), erreicht die Kohärenzfunktion Werte

236

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.42. Abhängigkeit der Kohärenz von der Linearität zwischen Anregungssignal F und Antwortsignal X für eine Frequenz


kleiner als 1. Achtung: Bei determinierter Anregung kann sie dennoch den Wert 1 annehmen. – Bei vollkommen unabhängigen Signalen ist die Kohärenz gleich Null. Die Signale heißen dann unkorreliert. Die Kohärenzfunktion ist ein wichtiger Qualitätsindikator bei der Messung von Übertragungsfunktionen. Um die Auswertung zuverlässiger Meßsignale zu gewährleisten, muß die Kohärenz in wichtigen Auswertungsfrequenzbereichen einen Wert nahe 1 besitzen. Praktische Ursachen für sogenannte „Kohärenzeinbrüche“ können sein: – Meßtechnisch nicht erfaßte Störgrößen wirken auf das Untersuchungsobjekt ein. Dabei kann es sich z.B. um Fremdanregungen durch benachbarte Maschinen, um nicht erfaßte Anregungsgrößen wie Querkräfte, Biegemomente, Torsionsmomente oder um elektrische Störsignale handeln. – Die untersuchte Struktur verhält sich nichtlinear. Die Ursachen hierfür können beispielsweise unangemessen hohe Anregungskräfte (große Schwingungsamplituden), das Klaffen im Bereich von Montagefugen, nicht definierte Anlageverhältnisse montierter Komponenten (z.B. lose eingelegte Teile), eine sehr hohe Strukturdämpfung (Fugendämpfung, Dämpfung durch Strömungsvorgänge) oder nichtlineare bzw. zeitlich veränderliche Werkstoffeigenschaften sein. Achtung: Bei einer determinierten Anregung kann die Kohärenz trotz nichtlinearen Strukturverhaltens den Wert 1 annehmen. – Die Datenerfassung ist fehlerhaft. Wird eine zu geringe Frequenzauflösung oder ein ungeeignetes Zeitfenster gewählt, können Leakage-Fehler auftreten. Diese führen unter der Voraussetzung einer stochastischen Anregung zu Kohärenzeinbrüchen. Eine andere, insbesondere bei Luftschallmessungen auftretende Ursache kann eine lange Signallaufzeit bei kurzer Meßfensterlänge sein. Bei einer stochastischen Anregung und großem räumlichen Abstand zwischen Mikrofon und Anregungsort besteht die Gefahr, daß vollständig unkorrelierte Anregungs- und Antwortsignale erfaßt werden.

10.5 Meßdatenerfassung

237

Abb. 10.43. Übertragungsfunktion und zugehörige Kohärenz

Weitere Ursachen können schlecht applizierte Meßaufnehmer, defekte Anschlußkabel oder beschädigte Sensoren sein. – Die Anregung ist fehlerhaft. Bei Impulsanregungen mit dem Handhammer führt ein ungleichmäßiges Anschlagen des Untersuchungsobjekts (hinsichtlich Kraftamplitude, Richtung und Anregungsort) zu niedrigen Kohärenzwerten. Auch ist eine plastische Verformung der Objektoberfläche durch eine zu hohe Flächenpressung am Anregungspunkt zu vermeiden. Grundsätzlich führen auch zu niedrige Anregungskraftamplituden (unzureichende Energieeinleitung) zu schlechten Kohärenzwerten. Eine exemplarische Übertragungsfunktion mit zugehöriger Kohärenzfunktion zeigt Abb. 10.43. Eine weitere, häufig gebrauchte Größe ist der Signal-Rauschabstand S=N (signalto-noise-ratio), der in folgender Abhängigkeit zur Kohärenzfunktion steht S=N :=

2 : 1  2

(10.18)

Berechnung der Übertragungsfunktion im Frequenzanalysator Eine schematische Darstellung der Berechnung von Übertragungsfunktion und Kohärenz durch den Frequenzanalysator zeigt Abb. 10.44. Die Darstellung ist aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Verarbeitung von nur je einem Eingangs- und Ausgangssignal beschränkt. Sie kann auf beliebige Kanalzahlen erweitert werden.

238

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

Abb. 10.44. Berechnung der Übertragungsfunktion und der zugehörigen Kohärenzfunktion

10.6 Fehlerursachen maschinenakustischer Messungen Im folgenden sind die hauptsächlichen Fehlerursachen bei der Durchführung von maschinenakustischen Messungen angegeben. Meßaufgabe: Eine Fehlerquelle stellt die unpräzise Abstimmung der messenden Organisation mit dem Auftraggeber bezüglich folgender Kriterien dar: – der relevanten Betriebszustände, – der Umgebungs- und Lagerungsbedingungen des Untersuchungsobjektes, – der Auswahl geeigneter Meßgrößen und Meßorte.

10.6 Fehlerursachen maschinenakustischer Messungen

239

Datenerfassung – Der Frequenzbereich, der Meßbereich, die Genauigkeit oder die Auflösung des Sensors entsprechen nicht der Meßaufgabe. Dies ist besonders kritisch bei Sensoren mit fester Verstärkereinstellung (Über- oder Untersteuerung). – Die Sensorkalibrierung ist fehlerhaft oder nicht auf nationale bzw. internationale Normale rückführbar (Prüfmittelüberwachung). – Der Sensor beeinflußt das Schwingungsverhalten der untersuchten Struktur. Die Sensorbefestigung ist spielbehaftet oder die Sensorhalterung nicht steif genug (z.B. Schwingungsanregung von Mikrophonstativen oder von Wegsensoren). – Umwelteinflüsse auf die Meßkette wie Temperatur, Schmutz oder EMV-Störungen werden nicht beachtet (z.B. Temperaturdrift oder Erdschleifen). – Die Überprüfung eines Sensordriftes bei langen Meßdauern wird nicht durchgeführt. – Der untersuchte Anregungs- oder Betriebszustand ist nicht stationär. – Das Verhalten der Struktur ist nichtlinear (z.B. Spiele, Anschläge, Hysteresen) oder zeitabhängig (z.B. Temperatureinfluß, Betriebsdauer). – Es werden nicht alle Anregungskräfte erfaßt (z.B. Fremderregung aus der Umgebung oder nicht gemessene Kraftkomponenten bei künstlicher Anregung für Modalanalysen).

Datenverarbeitung – Auswahl einer ungeeigneten Abtastfrequenz oder Frequenzauflösung. – Falscher bzw. kein Einsatz von Signalfiltern (Auftreten des Aliasing-Effekts, Störsignaleinfluß). – Auswahl keiner bzw. einer ungeeigneten Fensterfunktion (Auftreten des LeakageFehlers). – Unzureichende Amplitudenauflösung (Dynamikumfang).

Zusammenfassung 1. In der Meßdatenerfassung dominiert heute die digitale Meßtechnik, wobei insbesondere Frequenzanalysatoren eingesetzt werden. Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit, der kompakten Abmessungen und des relativ niedrigen Anschaffungspreises sind Frequenzanalysatoren das Universalwerkzeug für maschinenakustische Messungen. 2. Der Eingangskanal eines modernen Frequenzanalysators besteht aus folgenden Gliedern: Koppelung, ggf. Sensorspannungsversorgung, Meßverstärker, Analog-Tiefpaßfilter, Analog-/Digitalkonverter, Dezimierungsund Digital-Tiefpaßfilter und Digital-Signalprozessor.

240

10 Grundlagen der maschinenakustischen Meßtechnik

3. Wichtige Leistungsmerkmale von Frequenzanalysatoren sind: Kanalzahl, analogesAnti-Aliasfilter, Dynamikbereich,Abtastfrequenz, Länge desAbtastintervalls und maximale Phasenabweichung zwischen den Kanälen. 4. Die Frequenztransformation diskreter Zeitsignale erfolgt durch die Schnelle Fourier-Transformation (FFT), welche ein Verfahren für eine schnelle Auswertung der Diskreten Fourier-Transformation (DFT) ist. Bei Anwendung der FFT auf Meßsignale können die Fehler Aliasing und Leakage auftreten. Aliasing resultiert aus einem Verstoß gegen die Forderung der Bandbegrenzung des Zeitsignals. Dabei treten scheinbare (fehlerhafte) Signalanteile imAuswertungsfrequenzbereich auf.Aliasing kann durch die Wahl einer hinreichend hohen Abtastfrequenz und die Verwendung eines Anti-Alias-Filters vermieden werden. Ein Verstoß gegen die Forderung nach Periodizität des Zeitsignals führt zu Leakage, wodurch das Spektrum verfälscht wird. Leakage kann durch Anwendung eines geeigneten Zeitfensters auf das Meßsignal weitgehend vermieden werden. 5. Sind sowohlAnregungs- als auchAntwortsignale einer untersuchten Struktur bekannt, kann das Übertragungsverhalten ermittelt werden. Unter den Voraussetzungen eines linearen, zeitinvarianten Systemverhaltens und idealer (fehlerfreier) Meßsignale wird die komplexe Übertragungsfunktion als Quotient von Antwort- und Anregungsspektrum definiert (H0 Schätzung). Aufgrund der immer vorhandenen Störsignale werden in der Praxis Mittlungsmessungen ausgeführt, um den Einfluß stochastischer Fehler auf die Meßsignale zu minimieren. Die Übertragungsfunktion kann gemäß Gln. (10.11) bzw. (10.12) als H1 - oder H2 -Schätzung aus den gemittelten Auto- und Kreuzleistungsspektren berechnet werden. 6. Ein wichtiger Qualitätsindikator für die Messung von Übertragungsfunktionen ist die Kohärenzfunktion 2 (
), welche für Mittlungszahlen größer 1 Werte zwischen 1 und 0 annimmt. In Frequenzbereichen bester Wiederholgenauigkeit besitzt die Kohärenz Werte nahe 1. Sind die Meßsignale der Mittlungsmessung völlig unkorreliert, nimmt die Kohärenz den Wert 0 an. Praktische Ursachen solche „Kohärenzeinbrüche“ können sein: Es wirken meßtechnisch nicht erfaßte Störgrößen auf das Untersuchungsobjekt ein, das Objekt verhält sich nichtlinear, die Datenerfassung ist fehlerhaft (z.B. Leakage) oder die Anregung ist fehlerhaft (z.B. zu geringe Energieeinleitung). 7. Wesentliche Fehlerursachen maschinenakustischer Messungen werden in Abschn. 10.6 angegeben.

11 Meß- und Auswerteverfahren Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – – – – – – –

Systematische Einordnung von Meß- und Auswerteverfahren Schwingungsanregung technischer Strukturen (Abschn. 11.1) Geräte für die Anregung von Schwingungen (Abschn. 11.2) Ordnungsanalyse (Abschn. 11.3) Experimentelle Modalanalyse (Abschn. 11.4) Betriebsschwingformanalyse (Abschn. 11.5) Methoden für die Messung der Luftschalleistung (Abschn. 11.6)

In den vergangenen Jahren sind die akustischen und schwingungstechnischen Anforderungen an Maschinen und Fahrzeuge kontinuierlich gestiegen. Dies steht einerseits in Zusammenhang mit gesetzlichen Vorgaben sowie der erhöhten Erwartungshaltung der Kunden. Andererseits werden die meisten Komponenten aktueller Produkte bereits hinsichtlich ihrer akustischen Eigenschaften optimiert. Die Beseitigung einer bisher dominanten Geräuschquelle läßt häufig andere, bisher weniger relevante Geräuschquellen in den Vordergrund rücken. Hieraus resultieren neue Aufgabenstellungen mit erhöhten Anforderungen. Diese Anforderungen können nur unter Einsatz aktueller Meß- und Auswertungsverfahren erfüllt werden. Der Markt bietet eine recht unübersichtliche Vielfalt an experimentellen Werkzeugen (Meßsysteme und Softwarepakete) an. Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe des Akustikingenieurs besteht deshalb darin, eine problemangepaßte Meß- und Auswertungsstrategie zu formulieren sowie geeignete experimentelle Werkzeuge auszuwählen, mit denen eine schnelle, zuverlässige und kostengünstige Lösung der Aufgabenstellung erreicht werden kann. Die Meß- und Auswertungsverfahren lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien ordnen: Anregung / Körperschall / Luftschall Entsprechend der Maschinenakustischen Grundgleichung besteht die Schallentstehungskette aus den Gliedern Anregung, Körperschallfeld, Luftschallfeld. – Die im Betriebszustand wirkenden Anregungskräfte lassen sich an einer Maschine kaum messen, weil die Anregung selten an definierten, gut zugänglichen Stellen erfolgt, in die Sensoren eingebaut werden könnten. Häufig erfolgt die Anregung über größere Kontaktflächen oder mehrere Verbindungselemente, so daß keine definierten Kräfte und Momente, sondern meßtechnisch nicht direkt zugängliche Flächenlasten wirksam sind. Auch bei Zugänglichkeit der realen Anregungsstellen verändert der Einbau von Sensoren in der Regel die Struktureigenschaften des Untersuchungsobjekts. Eine Ausnahme bilden die in Abschn. 10.4.3 beschriebenen Dehnungsmeßstreifen

242

11 Meß- und Auswerteverfahren

(DMS), wobei die Anregungskräfte indirekt durch das Messen von Dehnungen erfaßt werden können. Häufig angewendet wird die Kraftmessung bei Fremderregung von Untersuchungsobjekten. Hierbei werden Anregungskräfte an definierten Anregungsorten und Richtungen in die Struktur eingeleitet und meßtechnisch erfaßt. – Wie in Kap. 13 erläutert, stellt ein Eingriff in das Körperschallverhalten einer Maschine meistens die effizienteste Maßnahme zur Lärmminderung dar. Deshalb werden von der Mehrheit der Meß- und Analyseverfahren Körperschallmeßgrößen verarbeitet. Vereinfacht ausgedrückt besteht das Ziel dieser Meß- und Auswertungsverfahren darin, dem Anwender aufzuzeigen, in welchen Betriebs- oder Anregungszuständen auf welchen Strukturbereichen hohe Körperschallamplituden auftreten. Diese Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Ursache des Problems bzw. eine Beurteilung der maschinenakustischen Qualität / Eigenschaft des Untersuchungsobjekts. – Die Messung und Auswertung von Luftschallfeldgrößen ist deshalb wichtig, weil sie häufig das relevante Beurteilungskriterium für die akustische Qualität des Untersuchungsobjekts darstellen. Zu beachten ist, daß die Messung des örtlichen Schalldruckes stark von den Umgebungseigenschaften der untersuchten Struktur abhängt und praktisch nur unter definierten Raumeigenschaften sinnvoll ist. Eine objektive, von den Raumeigenschaften weitgehend unabhängige Meßgröße ist die von einer Maschine abgestrahlte, aktive Schalleistung. Sie kann durch Schallintensitätsmessungen ohne besondere Anforderung an den Meßraum erfaßt werden. Auch erlaubt die Schallintensitätsanalyse Rückschlüsse auf die lokale Abstrahleigenschaft des Untersuchungsobjekts und auf die Körperschallverteilung. Die Schallintensitätsmeßtechnik kann für die Identifikation dominanter (Teil-) Schallquellen genutzt werden. Signalanalyse / Systemanalyse Grundsätzlich können die Meß- und Auswertungsverfahren den Kategorien Signalanalyse und Systemanalyse zugeordnet werden. – Bei der Signalanalyse erfolgt die Anregung durch im allgemeinen unbekannte Betriebskräfte in einem ausgewählten Betriebszustand und im realen oder realitätsnahen Einbauzustand. Gemessen werden Antwortsignale der Struktur an repräsentativen Meßpunkten. Die Signalanalyse wird benötigt, um ein maschinenakustisches Problem zu erkennen, zu lokalisieren und zu quantifizieren (Betriebszustand, Frequenzcharakteristik, Amplitude und Ort). Signalanalyseverfahren sind weniger für die Ableitung von Lärmminderungsmaßnahmen geeignet, weil unklar bleibt, ob hohe Antwortsignale auf einem Teilbereich des Untersuchungsobjekts durch eine ungünstige Übertragungseigenschaft der Struktur oder durch hohe Anregungsamplituden hervorgerufen werden. Die Signalanalyse liefert also eine Beschreibung der Objektantwort in einem definierten Betriebszustand. – Die Systemanalyse dient dazu, die Übertragungseigenschaft des Untersuchungsobjekts und ggf. des Umgebungsmediums zu identifizieren. Unter der Voraussetzung näherungsweise linearer Objekteigenschaften resultieren als Ergebnis der Systemanalyse objektive Informationen, die nur von den physikalischen Eigen-

11.1 Schwingungsanregung technischer Strukturen

243

schaften des Objekts (und ggf. des Umgebungsmediums) sowie den (Lagerungs-) Randbedingungen abhängen. Diese sind unabhängig von der im Betriebszustand wirksamen Anregung. Kennzeichnend für die Systemanalyse sind die Fremderregung durch bekannte Kräfte bzw. Momente, die Messung von Anregungs- und Antwortsignalen sowie die Ermittlung (Berechnung) von Übertragungsfunktionen. In Tabelle 11.1 (s. S. 245) werden die Merkmale der Signal- und Systemanalyse zusammengefaßt und ihnen konkrete Meß- und Auswertungsverfahren zugeordnet.

11.1 Schwingungsanregung technischer Strukturen Die Schwingungsanregung technischer Strukturen kann durch Kräfte, Momente, Flächenlasten oder Volumenkräfte erfolgen. Dabei wird zwischen folgenden Formen der Anregung unterschieden: – Anregung infolge des Betriebszustandes – Anregung von außen (Fremderregung) Die Erregergrößen infolge des Betriebszustandes sind einer direkten Messung im allgemeinen nicht oder nur schwer zugänglich. Deshalb beschränken sich die nachfolgenden Betrachtungen auf die Fremderregung. Insbesondere für Systemanalysen ist die Fremderregung von wesentlicher Bedeutung. Die Qualität des Untersuchungsergebnisses hängt dabei stark von der Auswahl einer geeigneten Anregung ab. Folgende Aspekte sind zu berücksichtigen: – Anforderungen des Meß- und Auswertungsverfahrens (z.B. Anregungsfrequenzbereich) – Eigenschaften des Untersuchungsobjekts (z.B. max. zulässige Kraftamplitude, Linearitätseigenschaft, Dämpfungseigenschaft, Größe, Geometrie, Zugänglichkeit der Anregungsstellen) – Zeitbedarf, Kosten, verfügbare Meß- und Anregungstechnik 11.1.1

Anregungssignale

In Tabelle 11.2 (s. S. 246) erfolgt eine systematische Einordnung von gebräuchlichen Anregungssignalen. Nachfolgend wird die Charakteristik einiger Anregungssignale erläutert. Beispiele für diese Anregungssignale und deren Amplitudengänge zeigt Abb. 11.1. Meistens beinhalten Frequenzanalysatoren einen Signalgenerator, der die wichtigsten Anregungssignale bereitstellt. Diese können in den Leistungsverstärker bzw. in die Steuerung eines elektromagnetischen oder elektrohydraulischen Anregungsgeräts eingespeist werden. Bedingt durch den Ankopplungseinfluß und die dynamischen Eigenschaften des Anregungsgeräts kann die in das Meßobjekt eingeleitete Anregungskraft erheblich von dem eingespeisten Anregungssignal abweichen. Deshalb ist für die meisten Meß- und Auswertungsverfahren die Messung der wirksamen Anregungskraft unverzichtbar.

244

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.1. Anregungssignale im Zeit- und Frequenzbereich

Gesamt- oder Teilsystem durch (unbekannte) Betriebskräfte für ausgewählte Betriebszustände realer oder vereinfachter Einbauzustand

Antwortsignale des Systems Systemantwort in einem Betriebszustand – – – – – –

Untersuchtes System

Anregung

Einbauzustand / Lagerungsbedingungen

Meßsignal

Ergebnis

Beispiele - Anwendungen einfache Schwingungs- und Schallanalyse Betriebsschwingungsformanalyse Ordnungsanalyse Schallintensitätsanalyse Schallfeldholografie Strukturintensitätsmessung

Lokalisieren und Quantifizieren von maschinenakustischen Problemzonen

Zielsetzung

Signalanalyse

Tabelle 11.1. Merkmale der Signal- und Systemanalyse

– allgemeine Messung von Übertragungsfunktionen – Experimentelle Modalanalyse – Transmissionspfadanalyse – Schallintensitätsanalyse (Ermittlung der Abstrahlcharakteristik – indirekte Bestimmung von Werkstoffparametern – Schallfeldholografie – Strukturintensitätsanalyse

Übertragungsverhalten des Systems oder des Teilsystems für definierte Freiheitsgrade

Anregungs- und Antwortsignale

realer oder vereinfachter Einbauzustand (z.B. Einbau der Komponente in Teilsystem mit idealisierten Lagerungsbedingungen oder idealisierte Messung als Einzelkomponente)

fremderregt durch bekannte Anregungskräfte (z.B. Shaker, Hydropulser, Impulsanregung)

Gesamtsystem, Teilsystem oder Einzelkomponente

Identifikation des Übertragungsverhaltens der (Teil-) Struktur

Systemanalyse

11.1 Schwingungsanregung technischer Strukturen 245

246

11 Meß- und Auswerteverfahren

Tabelle 11.2. Einordnung von Anregungssignalen

Anregungssignale determinstisch transient

z.B. Impuls, Sprung

stochastisch

periodisch harmonisch

allgemein periodisch

pseudostochastisch

z.B. Sinus

z.B. Sinus-Sweep

z.B. periodischer Random, Pseudo-Random

z.B. weißes Rauschen

Impuls Die praktische Impulsanregung stellt eine Annäherung des Dirac-Impulses (vgl. Kap. 2) mit einer Impulsdauer größer Null dar. Sie kann mit Hand- und Pendelhämmern oder Linearanregungsgeräten ausgeführt werden. – Durch den Impuls wird ein großer Frequenzbereich gleichzeitig und relativ gleichmäßig angeregt. Die Größe des Anregungsfrequenzbereichs hängt von der Impulsdauer, die spektrale Kraftamplitude von der Impulsdauer und von der Impulsamplitude ab (vgl. Abschn. 11.2). – Im Auswertungsfrequenzbereich dürfen keine Einbrüche der Anregungskraftamplitude auftreten. Dieser wird nach oben durch die Frequenz
o begrenzt, an welcher der Pegel der Anregungskraft um max. 20 dB abgefallen ist. – Die Amplitude der Anregungskraft ist in der Praxis nur eingeschränkt variierbar. Dadurch ist die Detektion nichtlinearer Struktureigenschaften nur bedingt möglich. – Das Meßobjekt schwingt nach dem Impuls frei aus. DasAnregungsgerät übt keinen Massen- oder Ankopplungseinfluß auf das Meßobjekt aus. – Impulsanregungen können schnell, örtlich flexibel und mit geringem Geräteaufwand ausgeführt werden. Das Anregungsgerät muß nicht fest mit dem Meßobjekt verbunden werden. Diese Aspekte sind insbesondere für die Experimentelle Modalanalyse (vgl. Abschn. 11.4) nützlich. – Impulsanregungen besitzen einen hohen Crest-Faktor1 . Ein hoher Crest-Faktor kann zu einer lokalen Beschädigung des Meßobjekts während der Anregung führen. – Die Impulsanregung ist aufgrund der relativ geringen Energieeinleitung weniger geeignet für stark gedämpfte Objekte. Ein geringer Signal-Rauschabstand kann die Qualität der Meßergebnisse sehr beeinträchtigen.

1

Der Crest-Faktor ist definiert als das Verhältnis des Amplitudenmaximums zum Effektivwert des Anregungssignals.

11.1 Schwingungsanregung technischer Strukturen

247

Harmonisches Signal Die harmonische Kraftanregung der Form f(t) = f0 sin(˝t + ') ist die älteste und erprobteste Form der Anregung2 . Sie kann z.B. mit elektromagnetischen und hydraulischen Shakern oder mit Unwuchterregern ausgeführt werden. – Die Anregungskraft wird bei nur einer Frequenz eingebracht, die Kraftamplitude ist gut steuerbar. Hierdurch können nichtlineare Struktureigenschaften (durch Messung der Schwingungsantwort, ggf. bei Änderung der Kraftamplitude) leicht erkannt werden. – Für die Anregung eines Frequenzbandes muß die Anregungsfrequenz durchgestimmt werden. Dies kann auch durch eine langsame Gleitfrequenz (langsamer Sinus-Sweep) erfolgen. Dabei ist zu beachten, daß die Messung im stationären Zustand nach dem Einschwingen des Meßobjekts (Abklingen der freien Schwingung) erfolgen muß. Die Messung eines breiten Frequenzbandes ist deshalb sehr zeitaufwendig. – Es ist ein sehr großer Signal-Rauschabstand für die gemessenen Kraft- und Antwortsignale erreichbar. – Das Anregungsgerät muß an das Meßobjekt angekoppelt werden. Hierdurch können dessen Schwingungseigenschaften beeinflußt werden. Schneller Sinus-Sweep (fast swept sine, chirp) Es handelt sich um ein harmonisches Anregungssignal mit schneller Gleitfrequenz. Das Durchstimmen des harmonischen Signals zwischen einer unteren und einer oberen Grenzfrequenz erfolgt bei modernen FFT-Analysatoren meist nicht kontinuierlich, sondern das Signal setzt sich aus ganzzahligen Vielfachen des für die Messung (FFT) gewählten Frequenzinkrements zusammen. Durch das Aneinanderreihen einzelner Sweep-Sequenzen ist das Signal im Meßfenster des Frequenzanalysators periodisch. Dadurch lassen sich Leakage-Fehler (vgl. hierzu Abschn. 10.5.3) vermeiden. Ein weiterer Vorteil gegenüber der rein harmonischen Anregung besteht in einer deutlichen Verkürzung der Meßzeit. Weißes Rauschen Aus einer Anregung mit weißem Rauschen resultiert bei hinreichend langer Mittelung eine über die Frequenz konstante Anregungssignalamplitude (konstante Leistungsdichte). In der Praxis wird der Anregungsfrequenzbereich durch eine obere Grenzfrequenz begrenzt. Als Anregungsgeräte werden z.B. elektromagnetische oder hydraulische Shaker verwendet. – Durch weißes Rauschen kann ein großer Frequenzbereich gleichzeitig und mit konstanter Anregungssignalamplitude angeregt werden. Dazu ist ein hinreichend langer Meßzeitraum bzw. eine Mittlungsmessung erforderlich. Die Signalamplitude ist gut steuerbar, es kann ein großer Signal-Rauschabstand erreicht werden. 2

Die Berücksichtigung des Nullphasenwinkels ' ist nur bei gleichzeitiger Anregung an mehreren Punkten erforderlich.

248

11 Meß- und Auswerteverfahren

– Die Anwendbarkeit der Anregung durch weißes Rauschen bei nichtlinearem Systemverhalten hängt von der Zielsetzung ab. Sie ist für die Identifikation nichtlinearen Systemverhaltens ungeeignet. Dafür ergibt eine Mittlungsmessung (Mittlungszahl N  1) die bestmögliche lineare Approximation eines nichtlinearen Systems. – Das Anregungsgerät muß an das Meßobjekt angekoppelt werden. Hierdurch können dessen Schwingungseigenschaften beeinflußt werden. Periodischer Random Beim Spektrum des periodischen Random-Signals sind sowohl die Amplituden als auch die Phasenwinkel stochastisch. Die Frequenzkomponenten des Signals sind ganzzahlige Vielfache des für die Messung (FFT) gewählten Frequenzinkrements. Ferner ist das Signal innerhalb des Meßfenster des Frequenzanalysators periodisch, wodurch Leakage-Fehler vermieden werden. Bei einer Mittlungsmessung wird für jedes Meßfenster ein neues, mit dem vorherigen unkorreliertes Signal erzeugt. Nach einer hinreichend langen Mittlungsmessung erhält das Auto-Leistungsspektrum des Anregungssignals eine über die Frequenz konstante Amplitude. Pseudo-Random Das Spektrum des Pseudo-Random-Signals besitzt eine konstante Amplitude mit stochastischem Phasenwinkel. Die Frequenzkomponenten des Signals sind ganzzahlige Vielfache des für die Messung (FFT) gewählten Frequenzinkrements. Das PseudoRandom-Signal ist innerhalb des Meßfenster des Frequenzanalysators periodisch, wodurch Leakage-Fehler vermieden werden. Unter der Voraussetzung nur geringer Störsignalamplituden sind im Gegensatz zur Anregung mit weißem Rauschen geringe Anzahlen von Mittelungen erforderlich.

Zusammenfassung Anregungssignale lassen sich in deterministische und stochastische einteilen (vgl. hierzu auch Tabelle 11.2). Wichtige Anregungssignale sind: 1. Impuls als Annäherung eines Dirac-ı-Impulses. Vorteile: Großer Frequenzbereich, flexible Anwendung, feste Ankopplung an Meßobjekt nicht erforderlich (keine Verfälschung der Messungen durch Masseneinfluß). Nachteile: Amplitude der Anregungskraft nur bedingt variierbar (Detektion nichtlinearer Struktureigenschaften schwierig), relativ geringe Energieeinleitung (ungeeignet für stark gedämpfte Objekte), Gefahr der Beschädigung des Meßobjektes.

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung

249

2. Harmonisches Signal der Form F(t) = F^ exp(i˝t). Vorteile: Anregungssignal wird nur bei einer Frequenz eingebracht, dadurch Kraftamplitude gut steuerbar (Detektion nichtlinearer Struktureigenschaften möglich), großer Signal-Rauschabstand möglich. Nachteile: Messung breiter Frequenzbänder sehr zeitaufwendig, Ankopplung des Erregers an Struktur erforderlich (Beeinflussung der Antwortsignale). 3. Schneller Sinus-Sweep: Bei der FFT setzt sich das Signal aus ganzzahligen Vielfachen des gewählten Frequenzinkrements zusammen. Vorteile: Vermeiden von Leakage-Fehlern (vgl. Abschn. 10.5.3), deutlich schneller als die rein harmonische Anregung. Nachteil: Ankopplung erforderlich. 4. Weißes Rauschen: Bei hinreichend langer Mittelung resultiert eine konstante Leistungsdichte über der Frequenz. Vorteile: Gut steuerbare Amplitude des Signals, großer Signal-Rauschabstand erreichbar, ergibt bestmögliche lineare Approximation nichtlinearer Systeme. Nachteile: Große Anzahl von Mittelungen erforderlich, ungeeignet für Detektion nichtlinearer Struktureigenschaften, Ankopplung erforderlich. 5. Periodischer Random: Amplitude und Phasenwinkel des Signals sind stochastisch. Frequenzkomponenten sind ganzzahlige Vielfache des FFT-Frequenzinkrements. Vorteile: Vermeidung von Leakage-Fehlern, bei hinreichend langer Mittelung konstante Amplitude des AutoLeistungsspektrums. Nachteil: Ankopplung erforderlich. 6. Pseudo-Random: Spektrum besitzt konstante Amplitude und stochastische Phasenwinkel. Frequenzkomponenten sind ganzzahlige Vielfache des FFT-Frequenzinkrements. Vorteile: Vermeidung von Leakage-Fehlern, wesentlich geringere Anzahl von Mittelungen als bei weißem Rauschen erforderlich. Nachteil: Ankopplung erforderlich.

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung 11.2.1

Impulsanregungsgeräte

Impulsanregungsgeräte werden für eine impulsförmige Kraftanregung von Meßobjekten verwendet. Die besonderen Merkmale dieser Anregung sind: – – – – –

Gleichzeitige Anregung eines weiten Frequenzbereiches Sehr hohe Flexibilität hinsichtlich Anregungsort und Richtung Sehr schnelle Ausführung der Anregung Keine Befestigung des Anregungsgeräts am Meßobjekt erforderlich Preiswertes Anregungsgerät (Handhammer)

Aufgrund der kurzzeitigen, begrenzten Energieeinleitung dürfen die Untersuchungsobjekte keine sehr hohe Strukturdämpfung besitzen. Anderenfalls leidet die Qualität

250

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.2. Prinzipieller Aufbau eines Handhammers

der Messung aufgrund des relativ geringen Signal-Rauschabstands. Auch ist vor der Anwendung der Impulsanregung zu klären, ob die Einwirkung einer hohen, örtlichen Anregungskraftamplitude zu einer Schädigung des Meßobjektes führen kann. Auch können großeAnregungs- und Schwingungsamplituden zu einem oft unerwünschten, nichtlinearen Schwingungsverhalten führen. Sehr häufig wird die Impulsanregung mit Handhämmern ausgeführt. Den prinzipiellen Aufbau eines Handhammers zeigt Abb. 11.2. Der Handhammer besitzt einen Körper (1), an dessen Ende eine Zusatzmasse (2) befestigt sein kann. Diese ermöglicht eine Variation der Hammermasse und damit eine Abstimmung des Anregungsgeräts. Die Impulseinleitung in das Meßobjekt erfolgt über die Spitze (3). Die Kontaktfläche der Spitze besitzt die Form einer Kalotte, um eine oberflächennormale Einwirkung der Anregungskraft auf das Meßobjekt zu gewährleisten. Die Anregungskraft wird mit einem kalibrierten piezoelektrischen Kraftsensor (4) gemessen3 (s. Abschn. 10.4.3). Der Anregungskraftanteil der Spitze wird vom Kraftsensor nicht erfaßt. Um die Abweichung der gemessenen von der wirksamen Kraft zu minimieren, muß die Masse der Spitze gegenüber der Masse des Hammerkörpers sehr gering sein. Der Griff (5) ist derart ausgelegt, daß im Anregungsfrequenzbereich Biege-Eigenschwingungen des Hammers möglichst vermieden werden. Folgende Anforderungen sind durch die Impulsanregung zu erfüllen: – Möglichst gleichmäßiger Anregungskraftpegel bis zur oberen Grenze des Auswertungsfrequenzbereichs – Hinreichende Energieeinleitung im gesamten Auswertungsfrequenzbereich (effiziente Schwingungsanregung, großer Signal-Rauschabstand) – Vermeidung von Doppelschlägen Das Erfüllen dieser Anforderungen steht im Zusammenhang mit der Charakteristik des Impulses (Impulsdauer und Amplitude), diese hängt wiederum von der Aufprallgeschwindigkeit des Hammers, von der Masse des Hammers und des Meßobjekts sowie von der zwischen Hammer und Meßobjekt wirksamen Steifigkeit ab. Davon sind folgende Parameter durch eine geeignete Auswahl und Abstimmung des Handhammers beeinflußbar: 3

Kraftsensoren mit piezoelektrischem Wirkprinzip werden aufgrund ihrer hohen Drucksteifigkeit, der linearen Kennlinie und dem großen Arbeitsfrequenz- und Dynamikbereich für die Messung von Impulskräften bevorzugt verwendet.

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung

251

Abb. 11.3. Einfluß der Hammerabstimmung auf das Spektrum der Anregungskraft

– Die Hammermasse (Volumen und Dichte des Werkstoffs) – Die Steifigkeit der Hammerspitze (Formgebung und Elastizitätsmodul des Werkstoffs) In Abb. 11.3 ist der qualitative Einfluß dieser Parameter auf den Anregungsfrequenzbereich und auf den Pegel der Anregungskraft dargestellt. Folgende Regeln lassen sich daraus ableiten: – Je steifer die Hammerspitze, desto kürzer die Impulsdauer, desto höher die obere Frequenzgrenze
o des Bereichs effizienter Anregung, desto niedriger das Maximum des Anregungskraftpegels. – Je geringer die Hammermasse, desto kürzer die Impulsdauer, desto höher die obere Frequenzgrenze
o des Bereichs effizienter Anregung, desto niedriger das Maximum des Anregungskraftpegels. An manchen Anregungsorten tritt in Abhängigkeit der lokalen Masse und Steifigkeit von Hammer und Meßobjekt ein sogenannter Doppelschlag („double-hit“) auf. Dabei führt die Schwingungsantwort des Meßobjekts unmittelbar nach dem Schlag zu einem erneuten Kontakt mit der Hammerspitze. Die Auswirkungen auf das Zeitsignal der Anregungskraft und das Anregungskraftspektrum zeigt Abb. 11.4. Die Lage der Einbrüche des Kraftspektrums hängt ab vom zeitlichen Abstand der Schläge. In entsprechender Weise wirkt sich der Doppelschlag auf das Spektrum der Schwingungsantwort aus. Berechnete Übertragungsfunktionen (vgl. Abschn. 10.5) können an den Einbruchsfrequenzen aufgrund eines geringen Signal-Rauschabstands fehlerhaft sein. Ein noch größerer Fehler resultiert, falls der zweite Schlag bei Anwendung

252

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.4. Auswirkung des Doppelschlags

eines engen Rechteckfensters aus dem Meßsignal eliminiert wird. Die Einbrüche treten nur im Antwortspektrum auf und werden bei der Berechnung der Übertragungsfunktion nicht kompensiert. Doppelschläge sind deshalb möglichst zu vermeiden. Moderne Frequenzanalysatoren können Doppelschläge automatisch erkennen und von der Weiterverarbeitung ausschließen. Für maschinenakustische Aufgabenstellung verwendete Handhämmer besitzen eine Masse zwischen wenigen Gramm und einigen Kilogramm. Der Frequenzbereich effizienter Anregung variiert von 100 Hz (große Hammermasse, weiche Spitze) bis 20 kHz (geringe Hammermasse, steife Spitze). Um den Einfluß von Störsignalen auf das Meßergebnis zu unterdrücken werden Mittlungsmessungen ausgeführt. Mittlungszahlen N = 3 : : : 5 bieten einen guten Kompromiß zwischen Meßaufwand und Störsignalunterdrückung. Mit einer höheren Mittlungszahl kann in der Regel keine weitere signifikante Verbesserung des Meßergebnisses erreicht werden. Die Verwendung des Handhammers erfordert Geschick und birgt Nachteile, die dem ungeübten Anwender insbesondere bei Mittlungsmessungen Probleme bereiten: – In der Regel variiert die Anregungskraftamplitude zwischen den einzelnen Hammerschlägen relativ stark, weil die Aufprallgeschwindigkeit nur schlecht steuerbar ist. – Auch ist es nahezu ausgeschlossen, zweimal den selben Anregungspunkt zu treffen. Auch die Anregungsrichtung kann insbesondere bei unebener Oberfläche am Anregungsort variieren. – An manchen Anregungsorten ist es kaum möglich, Doppelschläge zu vermeiden. Das Auftreten derartiger Probleme führt zu einer Beeinträchtigung der Meßergebnisse. Um derartige Nachteile zu vermeiden, werden automatisierte Linearanregungsgeräte verwendet. Diese können durch eine Vorrichtung gegenüber dem Meßobjekt reproduzierbar positioniert werden und verfügen über einen elektromechanischen, elektromagnetischen oder pneumatischen Antrieb, woraus ein sehr gleichmäßiger Anschlag und eine sehr gute Reproduzierbarkeit der Anregung resultiert. Typische Anwendungsfälle für Linearanregungsgeräte sind:

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung

253

Abb. 11.5. Elektromechanisches Lineranregungsgerät

– Industrielle Messungen an einer großen Zahl gleicher Meßobjekte – Laboruntersuchungen mit hohen Anforderung an die Wiederholgenauigkeit der Messung Ein elektromechanisches Linearanregungsgerät für den Laboreinsatz zeigt Abb. 11.5. 11.2.2

Elektromagnetische Schwingerreger

Elektromagnetische Schwingerreger werden häufig als Anregungsgeräte für Systemanalysen verwendet. Diese Bauform von Schwingerregern wird auch als elektrodynamischer Shaker bezeichnet und weist folgende Merkmale auf: – Möglichkeit einer kontinuierlichen Energieeinleitung in das Meßobjekt, daher auch für stark gedämpfte Strukturen geeignet – Erlaubt die unabhängige Kontrolle von Anregungsfrequenz und Amplitude – Gute Steuerbarkeit der Anregungskraft (ggf. durch Regelkreis) – Hohe Anregungskraftamplituden möglich (wichtig für große, stark gedämpfte Strukturen) – Mäßige Flexibilität hinsichtlich Anregungsort und Richtung, relativ aufwendiger Aufbau und Umbau – Die Geschwindigkeit des Meßablaufs hängt vom gewählten Anregungssignal ab – Feste Ankoppelung an das Meßobjekt erforderlich (Beeinflussung der Meßobjekteigenschaft ist nicht auszuschließen) – Mehrpunktanregung möglich (z.B. für MIMO-Modalanalysen) Den prinzipiellen Aufbau eines elektromagnetischen Schwingerregers zeigt Abb. 11.6. Der bewegliche Teil besteht aus einer Spule (1), die mit einem Kolben (2) verbunden ist. Kolben und Spule werden über Tellerfedern (3) linear geführt und sind nur in axialer Richtung beweglich. Die Spule ist einem statischen, radialen

254

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.6. Prinzipieller Aufbau eines elektromagnetischen Schwingerregers

Magnetfeld ausgesetzt, das von einem Permanentmagnet oder einem Elektromagnet (4) erzeugt wird. Fließt ein Strom durch die Spule, resultiert eine dem Strom proportionale, in axialer Richtung wirkende Kraft, die über ein am Kolben befestigtes Koppelelement auf das Meßobjekt einwirkt. Der bewegliche Teil des Erregers wird dabei gegenüber dem statischen Teil (Magnet, Weicheisenmantel und Gehäuse) ausgelenkt. Shaker werden in sehr unterschiedlichen Größen hergestellt, so daß sie für eine Vielzahl von Meßobjekten einsetzbar sind. Wichtige Kriterien für die Auswahl eines elektromagnetischen Shakers sind: – – – –

Maximale Anregungskraft (spezifiziert für Sinus- und Rauschsignal) Maximale Beschleunigungsamplitude Frequenzbereich Maximale Auslenkung (Schwingweg)

Die für eine Messung erforderliche Anregungskraft kann als Produkt der maximalen Beschleunigung mit der angeregten Masse berechnet werden. Als angeregte Masse muß neben der Masse des Meßobjekts auch die Masse der Koppelelemente und der bewegten Komponenten des Shakers berücksichtigen werden. Insbesondere bei maschinenakustischen Untersuchungen ist ein großer Arbeitsfrequenzbereich wichtig. Elektromagnetische Shaker können abhängig von Ihrer Größe im Frequenzbereich zwischen ca. 5 Hz und 30 kHz eingesetzt werden. Dabei ist zu beachten, daß für eine Anregung im Frequenzbereich oberhalb von 5 kHz nur kleine Shaker einsetzbar sind, deren maximale Anregungskraft gering ist. Der maximale Schwingweg variiert zwischen ca. 5 mm bei kleinen Shakern bis zu 10 cm bei großen Shakern. Um große Anregungskräfte im niedrigen Frequenzbereich zu erreichen, ist eine große maximale Auslenkung erforderlich. Den typischen Aufbau einer Anregungskette mit Shaker zeigt Abb. 11.7. Ein Signalgenerator erzeugt das Anregungssignal. Dieser soll in den Frequenzanalysator integriert sein, damit die ggf. vorhandene Periodizität des Anregungssignals sowie die Frequenzkomponenten des Anregungssignals automatisch auf die Meßfensterlänge und das Frequenzinkre-

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung

255

Abb. 11.7. Anregungskette mit elektromagnetischem Schwingerreger

ment des Analysators abgestimmt werden können. Prinzipiell können alle in Abschn. 11.1.1 erläuterten Signale mit elektromagnetischen Schwingerregern realisiert werden, wobei sie für Impulssignale mit sehr kurzer Impulsdauer weniger gut geeignet sind. Das Anregungssignal wird durch einen Leistungsverstärker verstärkt und in den Shaker eingespeist. Der in axialer Richtung bewegliche Kolben des Shakers wird über einen verschraubten Stab oder durch eine vorgespannte Saite fest mit dem Meßobjekt verbunden. Über dieses Kopplungselement wird die Anregungskraft vom Kolben in die Meßobjektoberfläche eingeleitet. Die Anregungskraft wird an der Einleitungsstelle mit einem Kraftsensor gemessen. Dies ist unbedingt erforderlich, denn die Kraftamplitude kann im allgemeinen nicht aus der Amplitude des Anregungssignals abgeleitet werden. Die Qualität der Anregung und damit des Meßergebnisses hängen von der Auswahl eines geeigneten Shakers und der Ankopplung an das Meßobjekt ab. Die Anregungskraft darf nur an einer definierten Stelle in definierter Richtung auf das Meßobjekt einwirken. Darüber hinaus dürfen aus der Ankopplung keine einschränkenden Randbedingungen für das Meßobjekt resultieren (Beschränkung der Translationsoder Rotationsfreiheitsgrade am Anregungspunkt). Folgende Anforderungen an das Kopplungselement sind zu beachten: – Hohe Steifigkeit in Kraftrichtung bei geringer Masse, – Geringe Biegesteifigkeit (um eine Einleitung nicht gemessener Querkräfte und Biegemomente zu vermeiden), – Das eingebaute Kopplungselement darf möglichst keine Eigenfrequenzen im Arbeitsfrequenzbereich aufweisen (geringe Länge des Stabs bzw. der Saite). – Minimierung des Massen- und Steifigkeitseinflusses an der Koppelstelle des Meßobjekts In der Praxis erfolgt die Ankoppelung über einen dünnen Stahlstab oder über eine vorgespannte Stahlsaite (Klavierdraht). Die praktische Ausführung einer verschraubten Ankopplung und einer Ankopplung mit Klebesockel zeigt Abb. 11.8. Die

256

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.8. Ausführungen der Ankopplung von Shakern

Positionierung des Shakers relativ zum Anregungsort ist aufgrund seiner Größe und der großen Masse eine relativ aufwendige Arbeit. Shaker werden entweder auf einem steifen Sockel oder Gestell verschraubt (was die Flexibilität der Positionierung empfindlich einschränkt) oder an Stahlseilen aufgehängt. Bei letzterer Methode ist ggf. das Anbringen von Zusatzmassen am Shaker erforderlich, um im tiefen Frequenzbereich eine ausreichende Energieeinleitung in das Meßobjekt zu ermöglichen. Eine Feinjustierung der Shakerposition relativ zum Anregungspunkt ist erforderlich, um Fluchtungsfehler zwischen Anregungspunkt und Shakerachse zu vermeiden. Bei der Versuchsplanung ist frühzeitig zu berücksichtigen, daß die Auswahl der Anregungsorte und Richtungen am Meßobjekt durch die Abmessungen von Shaker und Positioniervorrichtung erheblich eingeschränkt sein kann. 11.2.3

Elektrohydraulische Schwingerreger

Auf diese Erregerbauform treffen alle für die elektromagnetischen Schwingerreger genannten Merkmale zu. Ein erstes Unterscheidungsmerkmal ist das Wirkprinzip: Elektrohydraulische Schwingerreger (Hydropulser) besitzen einen beweglichen Kolben, der in einem Zylinder geführt wird. Beide Kolbenseiten werden durch eine unter Hochdruck stehende Hydraulikflüssigkeit mit Druck beaufschlagt. Elektromagnetische Servoventile steuern den Druck in den beiden Zylinderkammern. In Abhängigkeit der Druckverhältnisse wird eine Anregungskraft über den Kolben und über Koppelelemente in das Meßobjekt eingeleitet und der Kolben ausgelenkt. Hydropulser unterscheiden sich in folgenden Merkmalen von elektromagnetischen Erregern: – Hydropulser können größere Kräfteamplituden erzeugen, die bereits bei tiefen Frequenzen (und auch stationär) verfügbar sind. – Sie ermöglichen eine Kombination aus stationärer und instationärer Anregungskraft.

11.2 Geräte für die Schwingungsanregung

257

– Sie besitzen größere Hubwege (wichtig für Strukturen mit großen Schwingungsamplituden). – Ihr Arbeitsfrequenzbereich reicht von 0 Hz bis ca. 1 kHz, was ihre Nutzbarkeit für akustische Aufgabenstellungen deutlich einschränkt – Der Hydraulikzylinder selbst ist gegenüber elektromagnetischen Erregern kompakt und leicht, was die Handhabung vereinfacht. Die Anmerkungen über den elektromagnetischen Shaker betreffend Ankopplung und Positionierung treffen in gleicher Weise auf den Hydropulser zu.

Zusammenfassung Folgende Anregungsgeräte werden eingesetzt: 1. Impulsanregungsgeräte als a) Handhammer. Vorteile: Gleichzeitige Anregung breiter Frequenzbereiche, große Flexibilität hinsichtlich Angriffsort und Richtung der Kraft, sehr schnell, keine Ankopplung an Struktur, preiswert. Nachteile: Erfordert geschickten, erfahrenen Anwender (Reproduzierbarkeit der Anregung), Gefahr von Doppelschlägen (Verfälschung der Messungen) b) Automatisierte Linearanregungsgeräte. Vorteile: Reproduzierbare Positionierung der Anregungspunkte am Meßobjekt, sehr gleichmäßige Anschläge (gute Reproduzierbarkeit). Nachteil: Teuer. Einsatz: Industrielle Messungen an großen Anzahlen gleicher Objekte, Laboruntersuchungen mit hohen Anforderungen an Reproduzierbarkeit. 2. Elektromagnetische Schwingerreger. Vorteile: Kontinuierliche Einleitung der Energie (für stark gedämpfte Strukturen einsetzbar), unabhängige Kontrolle von Frequenz und Amplitude des Anregungssignals, gute Steuerbarkeit der Anregungskraft, Mehrpunktanregung möglich, große Amplituden der Anregungskraft möglich (stark gedämpfte Systeme). Nachteile: Mäßige Flexibilität hinsichtlich Ort und Richtung der Anregung, Auf- und Umbau relativ aufwendig, feste Ankopplung. 3. Elektrohydraulische Schwingerreger (Hydropulser). Weitgehend gleiche Merkmale wie elektromagnetische Schwingerreger. Unterschiede: Größere Kraftamplituden (auch bei tiefen Frequenzen), Kombination aus stationärer und instationärer Anregungskraft möglich, größere Hubwege, Arbeitsfrequenzbereich von 0 Hz bis ca. 1 kHz (deutliche Einschränkung!), kompaktere und leichtere Bauweise.

258

11 Meß- und Auswerteverfahren

11.3 Ordnungsanalyse Die Ordnungsanalyse ist ein hilfreiches Meßverfahren zur Frequenzanalyse an Maschinen undAnlagen mit rotierenden Bauteilen, die bei unterschiedlichen Drehzahlen betrieben werden. Damit ist es möglich, zwischen drehzahlabhängigen Signalanteilen (z.B. Anregungskomponenten) und drehzahlunabhängigen Signalanteilen (z.B. Eigenfrequenzen) zu unterscheiden. Für die Datenerfassung und -analyse der akustischen Meßgrößen gibt es prinzipiell folgende Möglichkeiten: – zeitbasierte Frequenzanalyse, – drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz, – drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit konstanter Abtastfrequenz. 11.3.1

Zeitbasierte Frequenzanalyse

Die zu untersuchenden Meßsignale werden mit einer festen Abtastfrequenz erfaßt. Dies entspricht der Vorgehensweise der klassischen FFT-Analyse mit Frequenzanalysatoren. Für die folgenden Betrachtungen werden zunächst zeitlich stationäre Signale vorausgesetzt. In einem gestuften Drehzahlhoch- oder -runterlauf wird für jede Drehzahlstufe eine FFT-Analyse der Meßsignale durchgeführt. Diese Vorgehensweise bietet auch die Möglichkeit, durch eine arithmetische Mittelung den Einfluß stochastischer Fehler auf die Meßsignale zu minimieren. Für die Darstellung der ermittelten Spektren gibt es verschiedene Möglichkeiten. In einer dreidimensionalen Wasserfalldarstellung werden die einzelnen Spektren einer Meßgröße über der zugehörigen Drehzahl aufgetragen. Abbildung 11.9 zeigt den simulierten Hochlauf einer Maschine mit konstanten Drehzahlstufen. Die von der Drehzahl abhängigen Signalanteile verlaufen auf schrägen Geraden (Ordnungen). Eine Ordnung o berechnet sich aus der vorliegenden Signalfrequenz
und der Bezugsdrehfrequenz n zu
o= (11.1) n Die erste Ordnung entspricht damit der Drehfrequenz der Bezugswelle (üblicherweise die schnellaufende Eingangswelle). Die einzelnen Ordnungen treffen sich alle im nicht dargestellten Nullpunkt (Frequenz 0 Hz, Drehzahl 0 1/min). Konstante Frequenzanteile verlaufen auf Geraden parallel zur Drehzahlachse. Für eine übersichtliche Analyse der einzelnen Frequenzanteile ist eine lineare Amplitudendarstellung zu empfehlen (vgl. Abb. 11.9). Die Draufsicht auf das Wasserfalldiagramm führt zu einer Sonogrammdarstellung (Abb. 11.10). Amplitudenhöhen werden in Form von Farb- oder Grauwertstufen dargestellt. Für weitergehende Analysen bieten viele Frequenzanalysatoren die Möglichkeit, mit Hilfe eines Cursors Schnitte entlang von einzelnen Ordnungen oder entlang von konstanten Frequenzen zu legen. Fallen Ordnungen mit Eigenfrequenzen zusammen treten Resonanzüberhöhungen in den Amplituden auf.

11.3 Ordnungsanalyse

259

Abb. 11.9. Wasserfalldarstellung über der Drehzahl einer zeitbasierten Frequenzanalyse

Abb. 11.10. Sonogrammdarstellung über der Drehzahl der zeitbasierten Frequenzanalyse aus

Abb. 11.9

Sind Geräuschanalysen bei instationären Betriebszuständen durchzuführen (z.B. kontinuierliche Drehzahlhoch- und -runterläufe) oder weisen die Antriebe unter konstanten Betriebsbedingungen schwankende Drehzahlen auf, stößt die klassische FFTAnalyse an ihre Grenzen. Unter diesen Bedingungen ändern die von der Drehzahl abhängigen Signalanteile ihre Lage im Spektrum und es kommt zu einem „Verschmieren“ der Signalamplituden. Eine sinnvolle Auswertung ist dann schwierig oder nicht mehr möglich. Abbildung 11.11 zeigt exemplarisch ein einzelnes Spektrum bei der Drehzahl von 2500 1/min aus dem Wasserfalldiagramm (Abb. 11.9). Das bei konstanter Drehzahl ermittelte Spektrum zeigt Amplitudenüberhöhungen mit eindeutig zuordenbaren Frequenzwerten. Bei einer Drehzahlschwankung von ˙5% wird das Verschmieren der Amplitudeninformation im Spektrum deutlich. Nur die von der Drehzahl unabhängige Frequenzkomponente bei 300 Hz wird bei beiden Spektren gleich abgebildet. Abhilfe schafft hier der Übergang von der äquidistanten Zeitabtastung auf eine äquidistante Drehwinkelabtastung. Die Datenerfassung

260

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.11. Einfluß einer Drehzahlschwankung auf das Frequenzspektrum einer zeitbasierten Frequenzanalyse

mit einer äquidistanten Drehwinkelabtastung ist mit den folgenden beiden Verfahren möglich. 11.3.2

Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz

Dazu werden Drehwinkelgeber mit ganzzahligen Inkrementen (vorzugsweise mit 2n -Werten pro Umdrehung) an der Bezugswelle montiert. Werden die Drehwinkelinkremente in Umdrehungsinkremente umgerechnet, führt eine anschließende FFTBerechnung unmittelbar im Spektralbereich auf eine Ordnungsachse mit der Einheit Ordnungen. Die bei diesem Meßverfahren in einem Drehzahlhoch- oder -runterlauf ermittelten Ordnungsspektren enthalten keine Frequenz- und Drehzahlinformationen mehr. Für eine Umrechnung in Frequenzen ist dazu der Drehzahlverlauf parallel zu den Messungen mit zu erfassen. Die Abtastung der zu untersuchenden Meßsignale wird am Frequenzanalysator durch einen externen drehwinkelsynchronen Takt gesteuert (external sampling). Besteht die Möglichkeit, an der zu untersuchenden Welle einen Drehwinkelgeber zu montieren, wird für jedes Inkrement des Drehwinkelgebers ein Meßwert erfaßt. Steht nur ein Impuls pro Umdrehung zur Verfügung, kann mit einer Phase-Lock-LoopSchaltung (PLL) aus der aktuell gemessenen Drehzahl eine ganzzahlige Anzahl von Zwischenimpulsen generiert werden. Bei größeren Schwankungen der Drehzahl innerhalb einer Umdrehung wird dieses Verfahren jedoch ungenau. Mit der Änderung der Drehzahl verändern sich auch die zeitlichen Abstände der Drehwinkelinkremente. Dies führt zu variablen, drehzahlproportionalen Abtastfrequenzen im Frequenzanalysator. Um Aliasing-Fehler zu vermeiden, ist ein variables von der aktuellen Drehzahl abhängiges analoges Anti-Alias-Filter mit hoher Amplituden- und Phasentreue erforderlich. Die Zusammenhänge und Auswirkungen auf Signalverlauf, Zeit- und Drehwinkelinkremente der beiden Abtastverfahren sind schematisch in den Abbn. 11.12 und 11.13 dargestellt.

11.3 Ordnungsanalyse

261

Amplitude

Abb. 11.12. Äquidistante Zeitabtastung bei einem Drehzahlhochlauf

Zeit

Drehwinkelinkremente

Zeitinkremente Abb. 11.13. Äquidistante Drehwinkelabtastung bei einem Drehzahlhochlauf

Der gerätetechnische Aufwand zur Realisierung einer drehwinkelbasierten Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz ist hoch. Das Angebot entsprechend ausgestatteter Frequenzanalysatoren ist daher auf dem Meßtechnikmarkt rückläufig. Eine Abhilfe wurde durch die Entwicklung von schnellen und leistungsfähigen Signalprozessoren und Analog-Digital-Konvertern geschaffen. Dabei werden die für eine variable Abtastfrequenz benötigten analogen Schaltungen durch Berechnungsoperationen im Signalprozessor ersetzt. Die Datenerfassung reduziert sich damit auf eine nachfolgend dargestellte einfache Abtastung mit konstanter Frequenz.

262

11.3.3

11 Meß- und Auswerteverfahren

Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit konstanter Abtastfrequenz

Die heute am Markt verfügbaren Frequenzanalysatoren arbeiten mit einer festen Abtastfrequenz, die deutlich über der gewünschten oberen Grenze des Auswertungsfrequenzbereiches liegt (Überabtastung, Oversampling). Parallel zur zeitbasierten Datenerfassung werden die Inkremente eines Drehwinkelgebers aufgezeichnet. Die Meßdaten werden mit konstanter Abtastfrequenz erfaßt. Sie fallen daher auf der Zeitachse äquidistant an. Infolge immer vorliegender Drehzahlschwankungen fallen dagegen die Drehwinkelinkremente zeitlich nicht äquidistant an. Vielmehr sind die zeitlichen Abstände der einzelnen Drehwinkelinkremente unterschiedlich. Daher wird in einer anschließenden Anpassungsrechnung der zeitbasierte Verlauf der einzelnen Meßsignale auf die zeitlich entsprechenden Drehwinkelwerte approximiert (Resampling). Da sich auch bei diesem Verfahren nach dem Resampling die Abtastfrequenz mit der Drehzahl ändert, sind zum Vermeiden von Aliasing-Fehlern Tiefpaßfilter vorzusehen. Diese sind jedoch in Form von digitalen Filtern einfach zu realisieren. Im Gegensatz zu den vorstehend dargestellten Verfahren stehen hier die zu untersuchenden Meßsignale für eine zeit- und drehwinkelbezogene Analyse zur Verfügung. Die höchste zu analysierende Drehzahl und die gewünschte Anzahl von Inkrementen pro Umdrehung legt die maximale Frequenz der Drehwinkelinkremente fest (s. Tabelle 11.3). Stehen genügend viele Zwischenwerte (Oversampling) für die Anpassungsrechnung zur Verfügung, sind die Unterschiede in den ermittelten Signalamplituden im Vergleich zu einer drehwinkelbasierten Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz vernachlässigbar. Die Wasserfalldarstellung Abb. 11.14 zeigt den simulierten Hochlauf einer Maschine mit konstanten Drehzahlstufen (aus Abb. 11.9) bei einer drehwinkelbasierten Frequenzanalyse. Die Frequenzachse ist durch die Ordnungsachse ersetzt. Die von der Drehzahl abhängigen Signalanteile (Ordnungen) verlaufen jetzt auf Geraden parallel zur Drehzahlachse. Konstante Frequenzanteile verlaufen auf gekrümmtem Kurven. Die entsprechende Sonogrammdarstellung zeigt Abb. 11.15. Die Auswirkung einer Drehzahlschwankung auf das Ordnungsspektrum zeigt Abb. 11.16. Im Vergleich zur konstanten Drehzahl bleiben die Ordnungen erhalten. Nur bei der von der Drehzahl unabhängigen Frequenzkomponente (300 Hz entspricht bei 2500 1/min der Ordnung 7,2) ist erwartungsgemäß ein Verschmieren der Amplitude zu erkennen. Die beschreibenden Größen der zeit- und drehwinkelbasierten Abtastverfahren sind in Tabelle 11.3 gegenübergestellt. 11.3.4 Weitere Analyseverfahren Sind maschinenakustische Untersuchungen durchzuführen, bei denen neben der spektralen Zusammensetzung der Meßsignale auch deren Verlauf über der Drehzahl oder allgemein über der Zeit (Zeit-Frequenzanalyse) im Vordergrund stehen, wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von speziellen Analyseverfahren entwickelt. Anwendungsschwerpunkte dieser Verfahren sind stark instationäre Betriebsbedingun-

11.3 Ordnungsanalyse

263

Abb. 11.14. Wasserfalldarstellung einer drehwinkelbasierten Frequenzanalyse über der Dreh-

zahl

Abb. 11.15. Sonogramm der drehwinkelbasierten Frequenzanalyse aus Abb. 11.14 über der

Drehzahl

Abb. 11.16. Einfluß einer Drehzahlschwankung auf das Ordnungsspektrum einer drehwinkelbasierten Frequenzanalyse

2N Zeitinkrement
t = T=2N
s = 1=
t

N

Anzahl der Abtastwerte

Auflösung der Abtastung

Abtastfrequenz

Anzahl auswertbare

Umrechnung

breite

Maximale Signalband-

Spektrallinien

Auflösung der

Frequenz
i = oi n

Frequenz
max =

N = N=T =
s =2

Frequenz

= 1=T

Meßdauer T

Signaldatenlänge

Spektrallinien (Nyquist)

Äquidistante Zeitabtastung

Beschreibende Größe

kelabtastung

Ordnung oi =
i =n

Ordnung omax =
oK = K=U = os =2

Ordnung
o = 1=U

K

inkremente, n = Drehfrequenz


k = kn; Frequenz der Drehwinkel-

os = 1=
u

Drehwinkelinkrement
' = 360ı =k

Umdrehungsinkrement
u = 1=k

k = Anzahl der Inkremente pro Umdrehung

2K = kU

Anzahl Umdrehungen U

Äquidistante Drehwinkelabtastung

Tabelle 11.3. Gegenüberstellung der beschreibenden Größen bei einer äquidistanten Zeit- und äquidistanten Drehwin-

264 11 Meß- und Auswerteverfahren

11.3 Ordnungsanalyse

265

gen wie z.B. schnelle Drehzahländerungen, Schaltvorgänge in Getrieben oder plötzliche Lastwechsel. Die Entwicklung dieser rechenzeitintensiven Verfahren wurde erst durch die zunehmenden Rechnerleistungen der verfügbaren Frequenzanalysatoren möglich. Kurzzeit-Fourier-Transformation Eine Erweiterung der klassischen FFT ist die Kurzzeit-Fourier-Transformation STFT (Short Time Fourier Transformation). Dabei wird ein kurzes Zeitfenster h(ti  t) (z.B. Hanning-Fenster, s. Abschn. 10.5.3, insbesondere Tabelle 10.8) über das ursprüngliche Meßsignal x(t) verschoben und für jede Fensterposition ti eine FourierTransformation berechnet: 1 1 x(t)h(ti  t) exp(i!t)dt : (11.2) X(!; ti ) = 2 1

Abbildung 11.17 zeigt den Vergleich der STFT mit der klassischen FFT. Das zu analysierende Meßsignal ist einem Drehzahlhochlauf entnommen, der nach einer konstanten Anfangsdrehzahl zum Zeitpunkt t0 beginnt. Im Sonogramm der STFT sind zu

Abb. 11.17. Vergleich einer STFT-Analyse mit einer klassischen FFT-Analyse eines Drehzahlhochlaufs

266

11 Meß- und Auswerteverfahren

jedem Zeitpunkt der Meßzeit die einzelnen Signalkomponenten im Frequenzspektrum klar getrennt. Mit der STFT ist es möglich, den Zeitpunkt der Frequenzänderung im Meßsignal festzustellen. Als Beispiel ist für den Zeitpunkt t0 die Auswirkung des verschobenen Zeitfensters auf das Meßsignal dargestellt. Bei der klassischen FFT zeigt sich das Verschmieren der drehzahlabhängigen Amplituden deutlich. Nur aufgrund der konstanten Anfangsdrehzahl treten die dort vorliegenden Signalanteile etwas stärker im Spektrum in Erscheinung. Wegen

T = 1 legt die Wahl der Länge T des verwendeten Zeitfensters die Auflösung

im Frequenzbereich fest. Ein kurzes Zeitfenster bietet eine gute zeitliche aber eine entsprechend schlechte Auflösung im Frequenzbereich, bei einem längeren Zeitfenster gilt das Gegenteil4 . Ist kein geeigneter Kompromiß zu finden, sind gegebenenfalls mehrere Analysen durchzuführen. Auch eine überlappende Verschiebung des Zeitfensters (overlap) kann zu einer höheren Auflösung der Zeit-Frequenzanalyse führen. Wavelet-Analyse Die Wavelet-Analyse umgeht diese Schwierigkeit. Im Gegensatz zur klassischen FFT und zur STFT, bei denen die Fensterbreite konstant gehalten und die Analysefrequenz variiert wird, verwendet die Wavelet-Analyse variable Fensterbreiten. Dabei wird ein kurzer, frei wählbarer ungleichförmiger Wellenzug abschnittsweise mit dem zu analysierenden Meßsignal verglichen. Durch Stauchen und Dehnen des Wellenzugs im Zeitbereich ändert sich die Analysefrequenz. Dabei bleibt die ursprüngliche Form des Wellenzuges erhalten (Mutter-Wavelet). Die grundlegenden Untersuchungen gehen auf Morlet [25] zurück. Bei diesem Vergleich wird wie bei der klassischen FFT das Produkt der einzelnen Wavelets am betrachteten Abschnitt mit dem zu analysierenden Meßsignal berechnet. Die eingeschlossene Fläche des Produktes ist ein Maß für die Übereinstimmung und damit für den Frequenzinhalt des Meßsignals. Abbildung 11.18 zeigt die prinzipielle Vorgehensweise. In dem dargestellten Beispiel zeigt das gedehnte Wavelet im mittleren Diagramm für den Zeitpunkt ti die größte Übereinstimmung mit dem zu analysierenden Meßsignal. Eine Schwierigkeit besteht darin, eine zu dem zu analysierenden Meßsignal geeignetes, passendes Mutter-Wavelet auszuwählen. Darüber hinaus sind die Position und die Dehnung/Stauchung des Mutter-Wavelets beliebig wählbar. Die führt einerseits zu einer beliebig hohen Auflösung im Zeit- und im Frequenzbereich andererseits aber zu hohen Rechenzeiten. Hinweise zur einer geeigneten Vorgehensweise sind in [29, 30] zu finden. Digitale Filtertechniken Spezielle digitale Filtertechniken (z.B. Gabor-Ordnungsfilter, Vold-KalmanOrdnungsfilter [20]) ermöglichen eine Ordnungsanalyse im Zeit- und im Frequenz4

Diese Unschärferelation stellt eine grundsätzliche Problematik der Fourier-Transformation dar.

11.3 Ordnungsanalyse

267

Abb. 11.18. Prinzipielle Vorgehensweise bei einer Wavelet-Analyse

bereich. Damit können z.B. Zeitverläufe einzelner Ordnungen aus dem Gesamtsignal extrahiert werden [57]. Bei diesen genannten Verfahren sind vom Anwender meist mehrere Analyseparameter festzulegen, die das Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Das erschwert die Interpretation der Ergebnisse und setzt einen versierten Anwender voraus. Auf eine tiefergehende Beschreibung dieser Verfahren kann in diesem Buch nicht näher eingegangen werden. Zu diesen Fragen wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

Zusammenfassung Die Ordnungsanalyse ist ein Meßverfahren zur Frequenzanalyse an Maschinen mit rotierenden Bauteilen, die bei unterschiedlichen Drehzahlen betrieben werden. Folgende Verfahren werden eingesetzt: 1. Zeitbasierte Frequenzanalyse: Erfassung der Meßsignale mit fester Abtastfrequenz wie in klassischer FFT. Durchführung der Ordnunganalyse durch nach Drehzahl gestufte Hoch- oder Runterläufe des Untersuchungsobjektes. Definition der Ordnung: o =
=n mit
= Signalfrequenz und

268

11 Meß- und Auswerteverfahren

n = Drehzahl. Für o = 1 entspricht die Signalfrequenz der Drehfrequenz der Bezugswelle. Darstellung der Ergebnisse: Dreidimensionale Wasserfalldarstellung, Auftrag der einzelnen Spektren (lineare Darstellung der Amplitude) über der zugehörigen Drehzahl. Draufsicht auf Wasserfalldiagramm ergibt Sonogramm. Zeitbasierte Verfahren sind für instationäre Betriebszustände (z.B. kontinuierlicher Hochlauf) nicht gut einsetzbar.Abhilfe durch: 2. Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit variabler Abtastfrequenz. Prinzip: Montage eines Drehwinkelgebers auf Bezugswelle mit ganzzahligen Inkrementen (vorzugsweise 2n Inkremente pro Umdrehung). Die durch einen Hoch- oder Runterlauf bestimmten Spektren enthalten keine Informationen über Frequenz und Drehzahl. Erfassung des Drehzahlverlaufes während der Messungen ermöglicht Umrechnung der Meßsignale auf Frequenzen. Steuerung der Abtastung der Meßsignale durch einen externen, zum Drehwinkel synchronen Takt. Nachteil des Verfahrens: Hoher gerätetechnischerAufwand erforderlich, insbesondere zum Vermeiden von Aliasing-Fehler. Abhilfe durch: 3. Drehwinkelbasierte Frequenzanalyse mit konstanter Abtastfrequenz. Abtastfrequenz liegt deutlich über der oberen Frequenz des zu untersuchenden Arbeitsbereiches (Oversampling). Parallel zur zeitbasierten Aufzeichnung der Meßsignale Erfassung der Inkremente eines Drehwinkelgebers. Durch Anpassungsrechnung Approximation der zeitbasierten Meßwerte auf zeitlich entsprechende Drehwinkelwerte (Resampling).

11.4 Experimentelle Modalanalyse An Maschinen auftretende Schwingungen können als eine gewichtete Linearkombination der Eigenschwingungsformen beschrieben werden, sofern das System als linearer Schwinger modelliert werden kann. Die Gewichtung hängt dabei von den Anregungsorten und -Richtungen sowie von den Anregungskraftspektren ab. Für die Lösung von Schwingungsproblemen ist die Kenntnis der Eigenfrequenzen
ek ; k = 1; 2; : : : ; N bis zur Ordnung N , der zugehörigen Eigenvektoren5 ˚k und der modalen Dämpfungsgrade k deshalb von besonderer Wichtigkeit. Diese werden gemeinsam als Modalparameter bezeichnet. Häufig heißen die Eigenvektoren auch Moden. Das Verfahren der Experimentellen Modalanalyse (nachfolgend Modalanalyse genannt) ist ein Werkzeug für die Identifikation der Modalparameter und der Körperschall-Übertragungseigenschaft von Untersuchungsobjekten mit linea5

Die Eigenvektoren sind Approximationen der Eigenfunktionen.

11.4 Experimentelle Modalanalyse

269

Abb. 11.19. Einfache Modalanalyse eines gelenkig gelagerten Biegebalkens

ren, zeitinvarianten Systemeigenschaften. Das Objekt der Untersuchung kann in Abhängigkeit von der Zielsetzung eine komplette Maschine, eine Baugruppe oder ein Einzelteil sein. Die Übertragungseigenschaft ist eine objektive Systemeigenschaft und unabhängig vom Anregungszustand. Die Modalanalyse gehört daher zu den Systemanalyseverfahren. Bei der Modalanalyse wird die gemessene Übertragungseigenschaft des Objekts durch ein mathematisches, parametrisches Modell abgebildet. Ziel ist es, die gesuchten Modalparameter derart zu bestimmen, daß die Abweichungen zwischen den gemessenen und den berechneten Übertragungsfunktionen des Modells minimiert werden. Die Modalanalyse wird genutzt für – die Quantifizierung der Übertragungseigenschaften von Meßobjekten, – die Identifikation von akustischen Problemen an Meßobjekten und für eine effiziente Ableitung von Lärmminderungsmaßnahmen durch Nutzung der Frequenzund Ortsinformationen der Modalparameter, – den Abgleich von Simulationsmodellen (FEM-Modellanpassung, Updating), um eine bessere Übereinstimmung der Simulation mit dem realen Strukturverhalten zu erzielen, – die Überprüfung der Qualität von Serienprodukten (hinsichtlich Werkstoffeigenschaften, Formgebung und Schäden wie z.B. Risse, Lunker) durch eine vergleichende Auswertung der Modalparameter. Abbildung 11.19 zeigt eine einfache Modalanalyse am anschaulichen Beispiel eines gelenkig gelagerten Biegebalkens. Für die ersten vier Eigenfrequenzen
ek ; k = 1; : : : ;4 werden die zugehörigen Eigenformen 'k aus dem Imaginärteil der Beschleunigungs-Übertragungsfunktionen Ha (
) ermittelt. Für die praktische Anwendung sind leistungsstarke, kommerzielle Softwarepakete verfügbar, mit denen die Modellabbildung, Parameterschätzung, Ergebnisdarstellung und weiterführende Auswertungen (Strukturmodifikation, FEM-Updating) vorgenommen werden können. Nachfolgend kann nur ein knapper Einblick in das weit entwickelte Werkzeug der Modalanalyse vermittelt werden. Eine ausführliche

270

11 Meß- und Auswerteverfahren

Übersicht und Angaben über weiterführende Literatur gibt Ewins [16]. Die prinzipiellen Schritte der experimentellen Modalanalyse werden im folgenden dargestellt. 11.4.1

Auswahl des Meßobjekts

Die Auswahl des Meßobjekts hängt im wesentlichen von der Zielsetzung der Messung ab. Wichtig ist die Feststellung, daß die an einem Meßobjekt gewonnenen Modalparameter dieses eine, konkrete Objekt unter den gewählten Lagerungsrandbedingungen repräsentieren. Erst die Ausführung von Stichprobenmessungen des Übertragungsverhaltens an weiteren Objekten liefert eine Information über die Streuung der Parameter und damit der Objekteigenschaften oder der Randbedingungen. Dies ist insbesondere bei Messungen an Prototypen zu beachten. 11.4.2

Festlegung der Randbedingungen für die Lagerung

Durch die Wahl der Randbedingung für die Modellierung der Lagerung (Fesselung im Raum) eines Objekts können dessen Modalparameter erheblich beeinflußt werden. Um eine möglichst realitätsnahe Information über die Schwingungseigenschaften eines Objekts zu erhalten, soll i.a. die Untersuchung im realen Einbauzustand erfolgen. Es kann jedoch erforderlich sein, das Objekt in einem idealisierten Lagerungszustand (z.B. näherungsweise ungefesselt) zu messen bzw. Anbauteile zu entfernen, falls – eine sehr hohe Strukturdämpfung oder nichtlineare Systemeigenschaften im Einbauzustand das Untersuchungsergebnis beeinträchtigen, – die Zugänglichkeit von Anregungs- und/oder Meßpunkten im realen Einbauzustand beeinträchtigt ist, – die Dämpfungseigenschaften oder die Werkstoffparameter eines einzelnen Bauteils möglichst genau ermittelt werden sollen. Bei Messungen im realen Einbauzustand muß durch Voruntersuchungen (z.B. Messung und Vergleich der Eingangsadmittanz nach wiederholtem Einbau) die Reproduzierbarkeit der Meßergebnisse überprüft werden. Abbildung 11.20 zeigt mögliche Randbedingungen für die Lagerung einer PKW-Bremsscheibe. 11.4.3

Diskretisierung des Meßobjektes

Die Oberfläche des realen, zu vermessenden Objektes wird mit einem Punktraster überzogen. Zunächst wird davon ausgegangen, daß in allen Punkten die Messungen sowie in einzelnen Punkten die Anregungen vorgenommen werden. In der experimentellen Modalanalyse (EMA) wird zwischen Anregungs- und Antwortfreiheitsgraden unterschieden. Für jeden einzelnen Punkt kann die Anzahl der diesem Punkt zugeordneten Antwortfreiheitsgrade individuell festgelegt werden. Üblicherweise beträgt die einem Punkt zugeordnete Anzahl der Antwortfreiheitsgrade6 1 bis 3. Die Wahl der Anzahl der Antwortfreiheitsgrade hängt z.B. ab von 6

Wird z.B. ein einachsiger Beschleunigungssensor vorgesehen, so besitzt der betreffende Punkt einen Antwortfreiheitsgrad. Entsprechend beträgt die Anzahl der Antwortfreiheitsgrade für einen dreichachsigen Beschleunigungssensor drei.

11.4 Experimentelle Modalanalyse

271

Abb. 11.20. Lagerungsrandbedingungen am Beispiel einer PKW-Bremsscheibe

den verfügbaren Sensoren, der Zugänglichkeit der Punkte und dem für die Messungen zu rechtfertigendem Aufwand. Entsprechend werden ausgewählten Punkten Anregungsfreiheitsgrade zugeordnet. In einem solchen Punkt kann z.B. die Anregungskraft in einer Vorzugsrichtung (z.B. normal zur Oberfläche) oder es können die Komponenten des Kraftvektors in den drei Koordinatenrichtungen vorgegeben werden. Im ersten Fall beträgt die Anzahl der diesem Punkt zugeordneten Antwortfreiheitsgrade 1 und im zweiten 3. In Abb. 11.21 ist ein Ausschnitt eines Punktraster mit Antwortfreiheitsgraden dargestellt.

Abb. 11.21. Beispiel für Antwortfreiheitsgrade

272

11 Meß- und Auswerteverfahren

Es erweist sich als zweckmäßig, sowohl die Antwort- als auch die Anregungsfreiheitsgrade fortlaufend durch Indizes i und k zu kennzeichnen. Ferner wird die Anzahl der Antwortfreiheitsgrade mit N und die der Anregungsfreiheitsgrade mit M bezeichnet. Es ist sehr wichtig darauf hinzuweisen, daß diese kennzeichnenden Indizes i und k keineswegs (wie sonst in diesem Buch) Koordinatenrichtungen sondern vielmehr die Mengen allerAntwort- undAnregungsfreiheitsgrade repräsentieren. Die Diskretisierung (d.h. die Feinheit des Rasters) ist derart zu wählen, daß einerseits das Schwingungsverhalten des Objekts im interessierenden Frequenzbereich hinreichend genau abgebildet (! feine Diskretisierung) und andererseits der Aufwand bei der Messung von Übertragungsfunktionen möglichst gering gehalten wird (! grobe Diskretisierung). Die Erfüllung dieser gegensätzlichen Anforderungen ist deshalb problematisch, weil sie die Kenntnis der zu ermittelnden Eigenformen voraussetzt. In der Maschinenakustik resultiert die Schallabstrahlung meist aus Biegewellen der Objektoberfläche. Die erforderliche Oberflächendiskretisierung kann für Objekte mit großer, flächenhafter Ausdehnung und vergleichsweise geringer Wandstärke über die Biegewellenlänge B gemäß Gl. (4.58) einer unendlich ausgedehnten Platte der Dicke h abgeschätzt werden. Für die Frequenz
wird
max (die obere Grenze des Auswertungsfrequenzbereichs) eingesetzt. Eine brauchbare Abbildung einer Biegewelle erfordert eine Diskretisierung durch ca. fünf Meßpunkte. Daher soll folgender Abstand s zwischen zwei Meßpunkten nicht überschritten werden s

B 5

(11.3)

Bei Objekten mit veränderlicher Wandstärke muß die Abschätzung für Teilflächen vorgenommen und die Diskretisierung lokal angepaßt werden. Die Meßpunkte des diskretisierten Objekts werden für die Darstellung der zu ermittelnden Eigenformen durch Elemente verbunden. Anders als bei Anwendung der Finit-ElementMethode (vgl. Kap. 8) ist diesen Elementen kein mathematischer Ansatz zugeordnet. Abbildung 11.22 zeigt eine einfache Diskretisierung am Beispiel einer PKW-Bremsscheibe. Obwohl bei maschinenakustischen Untersuchungen oft nur oberflächennormale Schwingungskomponenten interessieren, da nur diese zu einer

Abb. 11.22. Einfache Diskretisierung einer PKW-Bremsscheibe

11.4 Experimentelle Modalanalyse

273

Schallabstrahlung führen, sind für die Interpretation der Eigenschwingungen und für das Ableiten von Lärmminderungsmaßnahmen tangentiale Bewegungskomponenten durchaus wichtig. Dies ist bei der Wahl der Meßfreiheitsgrade bzw. der Beschleunigungssensoren unbedingt zu berücksichtigen. 11.4.4 Wahl der Anregungspunkte und Ausführung der Messungen Zunächst ist zu entscheiden, welche Größe (Beschleunigung, Schnelle oder Schwingweg) direkt gemessen werden soll. In der Praxis wird gewöhnlich die Beschleunigung gemessen. Dies erklärt sich aus den günstigen, in Abschn. 10.4.2 aufgeführten Eigenschaften der Beschleunigungssensoren. Die Umrechnung der Beschleunigungsamplitude auf Schnelle- bzw. Schwingwegamplituden ist bei zeitlich harmonischen Verläufen einfach möglich (vgl. (10.1)). Um die Eigenvektoren ˚ ermitteln zu können, muß mindestens eine Zeile oder eine Spalte der Übertragungsfunktionsmatrix gemessen werden Hik (
) :=

aik (
) Fk (
)

mit

i = 1 : : : N und k = 1 : : : M ;

(11.4)

wobei aik (
) das Beschleunigungsspektrum7 am Antwortfreiheitsgrad i infolge einer Anregung anAnregungsfreiheitsgrad k und Fk (
) das an diesem Freiheitsgrad k wirksame Anregungskraftspektrum kennzeichnen. Die Anzahl M < N der Anregungsfreiheitsgrade ist in Abhängigkeit der Zielsetzung und des Auswertungsverfahrens zu wählen, wobei die Anregungsfreiheitsgrade folgenden Anforderungen genügen müssen: – Anregung aller interessierenden Eigenformen (Vermeidung der Anregung auf Knotenlinien8 ), – hinreichende Energieeinleitung im gesamten Auswertungsfrequenzbereich, – Linearität des Übertragungsverhaltens (z.B. Vermeidung von hohen Anregungskraftamplituden an sehr dünnwandigen Objektbereichen), – gute räumliche Zugänglichkeit der Anregungspunkte. Als problematisch erweist sich, daß für die bestmöglicheAuswahl derAnregungspunkte die Eigenformen des Objekts vorab bekannt sein müssen. Diese können ggf. aus Simulationsrechnungen gewonnen werden. Die Eignung der Anregungspunkte kann durch folgende Tests überprüft werden: – Die Symmetrie der Übertragungsmatrix muß gegeben sein (s. Gl. (11.5)). Die Kontrolle erfolgt durch Vertauschen von Anregungs- und Antwortfreiheitsgraden. 7

Die Berechnung der Übertragungsfunktion als H0 -Schätzung in (11.4) dient der vereinfachten Darstellung. Um den Einfluß von Störsignalen zu minimieren, werden in der Praxis generell Mittlungsmessungen ausgeführt und eine H1 - oder H2 -Schätzung vorgenommen (vgl. Abschn. 10.5.4). 8 Als Knotenlinien einer Eigenform werden jene Bereiche bezeichnet, an denen die Eigenform die Amplitude Null besitzt. Erfolgt die Anregung auf der Knotenlinie einer Eigenform, kann diese nicht angeregt werden. Abbildung 11.23 veranschaulicht die Problematik am Beispiel einer gelenkig gelagerten Rechteckplatte.

274

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.23. Ungünstige Wahl des Anregungsfreiheitsgrades auf Knotenlinien am Beispiel einer allseitig gelenkig gelagerten Rechteckplatte

– Die Anregungskraft-Spektren dürfen im Auswertungsfrequenzbereich keine relevanten Amplitudeneinbrüche aufweisen. – Messung der Eingangsadmittanzen9 an mehreren potentiellen Anregungspunkten und vergleichende Auswertung der Eigenfrequenzen. An einem geeigneten Anregungspunkt müssen alle relevanten Eigenfrequenzen des Auswertungsfrequenzbereichs anregbar sein. Mehrere Anregungspunkte müssen diese Bedingung gemeinsam erfüllen. Die zugehörigen Kohärenzfunktionen (vgl. Abschn. 10.5.4) dürfen keine relevanten Einbrüche aufweisen. Aufgrund der Symmetrie der Übertragungsfunktionsmatrix (resultierend aus dem Reziprozitätssatz nach Maxwell) Hik (
) = Hki (
)

(11.5)

können die Anregungs- und Antwortfreiheitsgrade vertauscht werden. Um einen vollständigen Satz von Übertragungsfunktionen zu erfassen, kann bei ortsfester Anregung der Beschleunigungssensor über die Freiheitsgrade der Meßpunkte wandern (Messung einer Spalte der Übertragungsfunktionsmatrix). Alternativ kann bei ortsfestem Beschleunigungssensor die Anregung über alle Freiheitsgrade wandern (Messung einer Zeile der Übertragungsfunktionsmatrix). Letztere Vorgehensweise ist zu wählen, wenn der veränderliche Masseneinfluß wandernder Beschleunigungsaufnehmer auf das Übertragungsverhalten nicht vernachlässigbar ist, ein flexibles Anregungsgerät (z.B. Handhammer) zur Verfügung steht und alle Anregungspunkte gut zugänglich sind. Abbildung 11.24 veranschaulicht die zwei Vorgehensweisen. Nach Messung der Übertragungsadmittanz Haik (
) für die Beschleunigung wird diese mittels (10.1) in die Übertragungsadmittanz für den Schwingweg umgerechnet. Im folgenden wird vorausgesetzt, daß diese Umrechnung durchgeführt wurde. 9

Bei der Messung der Eingangsadmittanz wird der Antwortfreiheitsgrad gleich dem Anregungsfreiheitsgrad gewählt. Nur aus der Eingangsadmittanz können alle am gewählten Freiheitsgrad anregbaren Eigenfrequenzen identifiziert werden.

11.4 Experimentelle Modalanalyse

275

Abb. 11.24. Messung einer Zeile oder Spalte der Übertragungsfunktionsmatrix H

11.4.5 Modellbildung Das Schwingungsverhalten des diskretisierten Objektes wird im Zeitbereich durch folgendes mathematisches Modell beschrieben Mx + Cx_ + Kx = F

(11.6)

Das Modell nach (11.6) stellt ein System von gekoppelten, linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung dar. In ihm bedeuten M die Massenmatrix, C die Dämpfungsmatrix und K die Steifigkeitsmatrix10 In dem Vektor x sind die N Antwortfreiheitsgrade zusammengefaßt. Der Vektor F enthält die M Anregungsfreiheitsgrade. Rein formal entspricht das Gleichungssystem den Gln. (8.22) der FEM, wobei dort anstelle des Vektors x der Antwortfreiheitsgrade der Vektor U der Knotenverschiebungen enthalten ist. Jedoch bestehen gravierende Unterschiede zwischen den Gleichungssystemen (8.22) und (11.6). In Gl. (8.22) sind die Systemmatrizen M, C und K sowie der Vektor F bekannt. Gesucht ist der Vektor U der Knotenverschiebungen. In Gl. (11.6) sind dagegen die Systemmatrizen unbekannt. Dafür sind der Vektor der Antwortfreiheitsgrade x und der Vektor F der Anregungsfreiheitsgrade aus Messungen bekannt. Gesucht werden die Modalparameter. Eine weitergehende Erläuterung der Unterschiede zwischen der Experimentellen (EMA) und der Numerischen Modalanalyse (NUMA) wird in Abschn. 11.4.8 gegeben. Dem mathematischen Modell (11.6) ist ein physikalisches Modell zugeordnet. In diesem physikalischen Modell wird das diskretisierte Objekt durch eine Anzahl von punktförmigen Massen abgebildet, die mittels Federn und Dämpfern gekoppelt sind (vgl. hierzu Abb. 11.25 links11 ).

10

11

Es wird vorausgesetzt, daß die Matrizen symmetrisch und die Massen- und Steifigkeitsmatrix positiv-definit sind. Dies ist bei Objekten aus isotropen, linear-elastischen Werkstoffen und der Vorgabe physikalisch sinnvoller Randbedingungen erfüllt. Weiter soll RayleighDämpfung nach Gl. (8.28) vorliegen. Es ist zu beachten, daß aus darstellerischen Gründen in dieser Abbildung ein sehr einfaches System gewählt wird, das Antworts- und Anregungsfreiheitsgrade nur in der vertikalen Richtung aufweist.

276

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.25. Entkopplung des Differentialgleichungssystems durch Anwendung der Modal-

transformation

Eine übersichtlichere und leichter aufzulösenden Form des mathematischen Modells (11.6) ergibt sich durch seine Entkopplung. Diese Entkopplung erfolgt durch eine modale Transformation, die formal genau wie in Gl. (8.30) eingeführt wird Φy = x:

(11.7)

Hierin ist Φ die Modalmatrix, in der die unbekannten Moden ˚i des ungedämpften Systems zusammengefaßt sind (vgl. zur formalen Definition der Modalmatrix Gl. (8.29)). Mit den definitorisch eingeführten generalisierten Massen, Dämpfungen, Steifigkeiten und Kräften mgr := ˚Tr M˚r ; kTr := ˚Tr K˚r ;

cTr := ˚Tr C˚r ; Gr (t) := ˚Tr F(t) :

(11.8)

folgt aus Gl. (11.6) durch Anwendung der modalen Transformation das entkoppelte System mgr y + cgr y_ + kgr yr = Gr (t)

1rN

(11.9)

Dies läßt folgende physikalische Interpretation zu. Das reale, diskrete Schwingungssystem wird durch die modale Transformation auf ein entkoppeltes Schwingungssystem aus N unabhängigen Einmasseschwingern abgebildet (vgl. hierzu Abb. 11.25, rechts). Als nächstes werden die Gln. (11.9) mit Hilfe der Fourier-Transformation in den Frequenzbereich überführt (˝2 mgr + i˝2 r !2e r )Y^ r (˝) = G^ r :

(11.10)

Hierin bezeichnen Y^ und G^ die Fourier-Transformierten betreffenden Größen Y und G. Ferner werden die zu den Moden ˚r gehörenden Eigenkreisfrequenzen !e r und die entsprechenden Dämpfungsgrade r eingeführt # kgr (11.11) !e r = mgr

11.4 Experimentelle Modalanalyse

277

Abb. 11.26. Übertragungsfunktion resultierend aus modaler Superposition

r =

cgr 2mgr !e r

(11.12)

Die Auflösung dieser entkoppelten Gleichungen erfolgt vollkommen analog wie beim Einmassenschwinger (vgl. [40, Abschn. 2.1.2]). Sie wird hier unterdrückt. Nach der Umkehrung der modalen Transformation (11.7) ergibt sich für den Antwortfreiheitsgrad i bei dem als zeitlich harmonisch vorausgesetzten Anregungsfreiheitsgrad Fk (t) = F^ k (˝) exp(i˝t) xik (˝) =

N  ˚ir ˚kr r=1

mgr

!2e r

F^ k (˝)  ˝2 + i˝2 r !e r

(11.13)

Die hieraus resultierende Übertragungsfunktion xik (˝)  hikr (˝;!e r ) ; = F^ k (˝)

(11.14)

1 ˚ir ˚kr g 2 2 mr !e r  ˝ + i˝2 r !e r

(11.15)

N

hik (˝) =

r=1

hikr (˝;!e ) =

enthält außer den gesuchten Modalparametern nur noch die generalisierten Massen mgr , die als Skalierungsfaktoren mit den dimensionslosen Moden zusammengefaßt werden können. Sie müssen daher nicht bestimmt werden. Die Größen ˚ir und ˚kr sind die r-te Komponente der Modenvektoren ˚i bzw. ˚k . Die Übertragungsfunktionen hik (˝) ergeben sich durch Superposition aller, zu den einzelnen Eigenkreisfrequenzen !e r gehörenden Anteile hikr (˝;!e r ). Dies wird in Abb. 11.26 veranschaulicht.

278

11 Meß- und Auswerteverfahren

11.4.6

Parameterschätzung

Durch die Parameterschätzung werden die Modalparameter des mathematischen Modells ermittelt. Moderne Softwarepakete beinhalten eine Anzahl unterschiedlicher Algorithmen für die Parameterschätzung. Ausgehend von Gl. (11.14) kann zwischen folgenden Verfahren unterschieden werden: Die als SDOF-Verfahren12 bezeichneten Einfreiheitsgrad-Methoden setzen voraus, daß in einem (engen) Frequenzintervall um eine Eigenkreisfrequenz !e r die Amplitude der Übertragungsfunktion näherungsweise allein durch den Anteil des r-ten Summanden bestimmt wird hik (˝)  hikr (˝; !e r ) ;

(11.16)

so daß die Modalparameter für jeden Index r sequentiell aus den Beiträgen hikr (˝; !e r ) der einzelnen Moden bestimmt werden können. Innerhalb des Intervalls verhält sich die Übertragungsfunktion näherungsweise wie jene eines Einmassenschwingers. Die Beeinflussung durch benachbarte Eigenfrequenzen muß in diesem Fall vernachlässigbar sein, weshalb SDOF-Verfahren nur bei einer deutlichen Trennung der Eigenfrequenzen anwendbar sind (vgl. Abb. 11.26). Gebräuchliche SDOF-Algorithmen sind der „Circle-Fit“ und die „Peak-Amplitude“-Methode [16]. Letztere ist ein sehr einfach anwendbares SDOF-Verfahren, denn für die Bestimmung der Eigenfrequenzen und Dämpfungsgrade muß nur eine Übertragungsfunktion (nämlich die Eingangsadmittanzfunktion) am Objekt gemessen werden. Die Anwendung der „Peak-Amplitude“-Methode umfaßt folgende Schritte: – Innerhalb eines Auswertungsfrequenzintervalls werden die lokalen und globalen Maxima der Übertragungsfunktion gesucht. Die zugehörigen Frequenzwerte sind die Eigenfrequenzen
er des Objekts. – Die zugehörigen modalen Dämpfungsgrade r können unter Anwendung des Modells eines Einmassenschwingers mit folgender Gleichung bestimmt werden:
2 
1 r =
2 >
1 2
e r Dabei sind
1 und
2 die Frequenzwerte der zur Eigenfrequenz
e r gehörenden sogenannten half-power points. An den half-power points beträgt das Amplitudenverhältnis der Übertragungsfunktion näherungsweise jH(
er )j jH(
er )j p = = 2; jH(
1 )j jH(
2 )j LH (
er )  LH (
1 ) = LH (
er )  LH (
2 ) = 3 dB ; was im Phasendiagramm einer Phasendrehung um ˙45 ı entspricht (vgl. Abb. 11.27. Bei Anwendung von Digitalmeßtechnik mit nachfolgender FFT ist die Übertragungsfunktion nicht als kontinuierliche Funktion sondern in Form diskreter Werte verfügbar. Insbesondere bei schwach gedämpften Objekten wird die Übertragungsfunktion im Bereich der Eigenfrequenzen nur grob abgebildet, 12

SDOF = single degree of freedom

11.4 Experimentelle Modalanalyse

279

Abb. 11.27. Einfache Ermittlung des modalen Dämpfungsgrads durch Bestimmung der half-

power points

was die Ermittlung der Eigenfrequenz und der zugehörigen half-power points erschwert. Innerhalb eines engen Frequenzintervalls um die Eigenfrequenz kann eine feine Frequenzauflösung durch Ausführung einer Zoom-FFT [28] erreicht werden. Die Ermittlung von Modalparametern bei schlecht getrennten Eigenfrequenzen und relativ stark gedämpften Objekten wird durch die als MDOFVerfahren13 bezeichneten Mehrfreiheitsgradmethoden ermöglicht. Gegenüber den SDOF-Verfahren werden die Modalparameter nicht sequentiell berechnet, sondern es werden die Amplitudenbeiträge mehrerer Eigenfrequenzen gleichzeitig berücksichtigt. Die Datenbasis für die Berechnung der Modalparameter muß bei den MDOFVerfahren mindestens eine Zeile oder Spalte der Modalmatrix umfassen. Als Gegenleistung für den höheren Aufwand bieten die MDOF-Verfahren die Vorteile der universellen Anwendbarkeit und einer höheren Approximationsqualität. Insbesondere können Modalparameter trotz hoher Eigenfrequenzdichten und erhöhter Strukturdämpfung mit besserer Qualität identifiziert werden. Auch ist eine Anwendung der MDOF-Verfahren auf Strukturen möglich, die in mehr als einem Punkt angeregt werden. Bei der Bestimmung der modalen Parameter ist ein überbestimmtes Gleichungssystem zu lösen, so daß keine exakte Übereinstimmung zwischen den gemessenen Übertragungsfunktionen Hik und den Übertragungsfunktionen hik des mathematischen Modells erreicht werden kann. Dies ist jedoch vorteilhaft, um den Einfluß von stochastischen, den Meßsignalen überlagerten Störsignalen zu minimieren. Die Modalparameter müssen derart bestimmt werden, daß die Euklidische Norm der Abweichungen zwischen gemessenen und berechneten Übertragungsfunktionen einen 13

MDOF = multiple degree of freedom

280

11 Meß- und Auswerteverfahren

minimalen Wert annimmt jj Hik  hik jj2 =   (Hik (˝1 )  hik (˝1 ))2 + (Hik (˝2 )  hik (˝2 ))2 + : : : ! min :

(11.17)

Dies wird durch Anwendung der Methode des kleinsten quadratischen Fehlers (Least Squares) oder höherwertiger Verfahren (Total Least Squares oder Singulärwertzerlegung) erreicht. Neben den Frequenzraumverfahren werden auch Zeitraumverfahren angewendet. Anstelle von Übertragungsfunktionen verwenden die Zeitraumverfahren für die Anpassungsrechnung Impuls-Antwort-Funktionen. Diese werden durch inverse FFT aus den gemessenen Übertragungsfunktionen gewonnen. Als Beispiele für aktuelle, in kommerzieller Software umgesetzte MDOF-Zeitraumverfahren können das „Polyreference Time Domain“-Verfahren (PTD) und das „Multiple Reference Ibrahim Time Domain“-Verfahren (MRITD) genannt werden. Das „Orthogonal Polynomial“Verfahren (OP) stellt ein leistungsfähiges MDOF-Frequenzraumverfahren dar [28]. Bei der Ausführung der Parameterschätzung ist zu beachten: – Jedes gewählte Modalanalyseverfahren ist nur so gut wie die Meßdaten, welche für die Parameterschätzung verwendet werden. Auch ein aufwendiges MDOFVerfahren kann aus schlechten Meßdaten (z.B. aufgrund von Störsignalen, zeitlich veränderlichen Objekteigenschaften, unzureichender Anregung, Nichtlinearitäten) keine hochwertigen Modalparameter extrahieren. – Für ein Objekt mit N Freiheitsgraden können mit dem mathematischen Modell nach Gl. (11.16) N Eigenfrequenzen
e r (r = 1; : : : ;N) berechnet werden. Unter Annahme einer für die Abbildung der Eigenformen hinreichenden Diskretisierung ist die Zahl der im Auswertungsfrequenzbereich enthaltenen Eigenfrequenzen R geringer als N. Bei der Ausführung der Modalanalyse muß R vom Anwender vorgegeben werden. Dabei können folgende Probleme auftreten: – Wird R zu klein gewählt, können nicht alle relevanten Modalparameter identifiziert werden und aus der Parameterschätzung nach Gl. (11.17) resultiert eine große Abweichung. – Wird R zu groß gewählt, treten zahlreiche rechnerische Moden (computational modes) auf. Diese helfen, die Abweichung in Gl. (11.17) zu minimieren. Jedoch sind die zugehörigen Eigenformen physikalisch nicht interpretierbar. Deshalb müssen die rechnerischen Moden und die zugehörigen Eigenfrequenzen identifiziert und von den physikalisch realen Moden und Eigenfrequenzen getrennt werden. Sogenannte mode indicator functions (MIF) unterstützen den Anwender bei der Bestimmung einer geeigneten Zahl R. In Abhängigkeit des verwendeten Modalanalyseverfahrens stehen unterschiedliche mode indicator functions, wie z.B. Power-MIF, Mutivariate-MIF oder Complex-MIF zur Verfügung. Weiterführende Informationen bieten die Quellen [16, 28].

11.4 Experimentelle Modalanalyse

281

Abb. 11.28. Ergebnisse der Modalanalyse einer PKW-Bremsscheibe

11.4.7

Darstellung der Ergebnisse

Nach erfolgter Parameterschätzung können die ermittelten Eigenformen des diskretisierten Objekts als Verformungsplots oder in animierter Form dargestellt werden. Die Verformungen werden dabei stark vergrößert. Abbildung 11.28 zeigt die Ergebnisdarstellung einer einfachen Modalanalyse am Beispiel einer PKW-Bremsscheibe.

282

11 Meß- und Auswerteverfahren

Zusammenfassung Die experimentelle Modalanalyse stellt ein sehr mächtiges Werkzeug für die Identifikation der Eigenschwingungsformen (Moden), zugehörigen Eigenfrequenzen und modalen Dämpfungen eines schwingungsfähigen Systems (komplette Maschine, Baugruppe oder Einzelteil) dar. Voraussetzungen für die Anwendung der experimentellen Modalanalyse sind – Lineares Verhalten des untersuchten Systems. In der Praxis werden auch schwache Nichtlinearitäten zugelassen. – Zeitlich konstantes Verhalten des untersuchten Systems (zeitinvariantes Verhalten) Eine experimentelle Modalanalyse umfaßt folgende Schritte: 1. Auswahl des Meßobjektes (vgl. Abschn. 11.4.1) 2. Festlegung der Randbedingungen für die Lagerung (vgl. Abschn. 11.4.2) 3. Diskretisierung des Meßojektes (vgl. Abschn. 11.4.3). Die Oberfläche des Meßobjektes muß mit einem Gitter aus N Meßpunkten überzogen werden. Die Feinheit der Diskretisierung richtet sich nach der höchsten zu berücksichtigenden Frequenz. Für dünnwandige Strukturen kann sie anhand der Biegewellenlänge B nach Gl. (4.58) abgeschätzt werden. Auf eine Biegewellenläge sollen ca. 5 Gitterpunkte entfallen. 4. Wahl der Anregungspunkte und Ausführung der Messungen (vgl. Abschn. 11.4.4). Um die Vektoren ˚ der Eigenschwingungen ermitteln zu können, muß mindestens eine Zeile oder Spalte der Übertragungsmatrix Hik (
) für die Beschleunigung14 nach (11.4) identifiziert werden. Dazu wird die Oberfläche der zu untersuchenden Struktur in M Punkten des Meßgitters angeregt (M = Anzahl der Anregungsfreiheitsgrade). Die Anzahl M < N wird in Abhängigkeit von Zielsetzung und Auswerteverfahren gewählt. 5. Modellbildung (vgl. Abschn. 11.4.5). Die Beschreibung des Schwingungsverhaltens erfolgt durch das DGL-System (8.22). Anders als bei der numerischen sind bei der experimentellen Modalanalyse die Systemmatrizen M; C und K unbekannt. Durch Transformation des Systems (8.22) mittels FFT in den Frequenzbereich entsteht ein System (8.25) von N gekoppelten algebraischen Gleichungen. Sie werden durch Anwendung der modalen Transformationen (8.30) und (8.31) entkoppelt und können daher aufgelöst werden. Durch Rücktransformation lassen sich nach (11.14) die Komponenten hik (˝) der Übertragungsfunktionsmatrix berechnen.

14

Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß nach Messung der Übertragungsfunktionsmatrix für die Beschleunigung diese nach Gl. (10.1) auf den Schwingweg umgerechnet wird.

11.4 Experimentelle Modalanalyse

283

6. Die Parameterschätzung (vgl. Abschn. 11.4.6) dient der Bestimmung der unbekannten Modalparameter. Sofern die Übertragungsfunktion in der Nachbarschaft der einzelnen Eigenkreisfrequenzen !er nur durch diese bestimmt wird, kann ein einfach zu handhabendes SDOF-Verfahren angewendet werden. Andernfalls muß die Parameterschätzung mittels eines MDOF-Verfahrens erfolgen. 7. Darstellung der Ergebnisse (vgl. Abschn. 11.4.7).

11.4.8 Vergleich der Experimentellen und der Numerischen Modalanalyse Die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Verfahren gehen aus Tabelle 11.4 hervor. Die Merkmale der NUMA sind: – Die NUMA ist ein rein rechnerisches Verfahren. Sie ist ein Abkömmling der FEM für elastodynamische Körper. Der betrachtete Körper wird in eine endliche Anzahl Finiter Elemente diskretisiert. Die Unbekannten sind die Komponenten des Verschiebungsvektors U in den Knoten des FEM-Netzes. – Ausgangspunkt für die NUMA ist das Gleichungssystem (8.22). Es stellt ein System gekoppelter, lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung dar. In Gl. (8.22) sind die Systemmatrizen M, C und K sowie der Vektor F(t) der in den Knoten angreifenden äußeren Kräfte bekannt. – Alle Systemmatrizen sind symmetrisch. Bei mechanisch sinnvollen Randbedingungen sind die Matrizen M und K positiv-definit. Es wird vorausgesetzt, daß proportionale Dämpfung (häufig Rayleigh-Dämpfung nach (8.28)) vorliegt. – Eine direkte Lösung des Systems (8.22) für Kräfte mit beliebiger Zeitabhängigkeit ist aufwendig und schwierig. In der Praxis interessiert sehr oft der eingeschwun^ gene Zustand bei zeitlich harmonischer Anregungskraft F(t) = F(˝) exp(i˝t). Hierfür wird die NUMA angewendet. ^ – Durch Einsetzen des Ansatzes U(t) = U(˝) exp(i˝t) entsteht das System (8.25). Es stellt ein System gekoppelter linearer Gleichungen für den unbekannten Vektor ^ der Amplituden der Knotenverschiebungen dar. Dieses System wird nicht direkt U gelöst. – Es wird das verallgemeinerte Eigenwertproblem (8.26) gelöst, wobei nur nmod Eigenwerte !2i und zugehörige Eigenvektoren (Moden) ˚i ermittelt werden. Die Anzahl nmod der bestimmten Eigenwerte und zugehörigen Moden ist wesentlich kleiner als die Anzahl Nf der gesuchten Knotenverschiebungen (Freiheitsgrade) des Systems (8.25). – Durch Anwenden der modalen Transformation (8.30) und (8.31) wird das System (8.25) entkoppelt. Die daraus resultierenden linearen Gleichungen (vgl. Tabelle 11.4) lassen sich direkt auflösen.

284

11 Meß- und Auswerteverfahren

Tabelle 11.4. Vergleich der Numerischen und Experimentellen Modalanalyse

Numerische Modalanalyse NUMA

Experimentelle Modalanalyse EMA

Mathematisches Modell  _ MU + CU + KU = F M x + C x_ + K x = F M, C und K bekannt

M, C und K unbekannt Zeitabhängigkeit der Erregerkraft

^ F(t) = F(˝) exp(i˝t) ^ Ansatz: U(t) = U(˝) exp(i˝t)

F(t) beliebig Anwendung der Fourier-Transformation ^ (˝2 M + i˝C + K)x^ = F

^ =F ^ (˝ M + i˝C + K)U ^ für bekanntes F ^ Gesucht: U 2

Gesucht: Modalparameter für aus ^ und x^ Messungen bekannte F

Lösen verallgemeinertes Eigenwertproblem (K - !2i M) ˚i = 0 Anzahl bestimmter Modalparameter  Anzahl Freiheitsgrade Orthogonalitätsbeziehungen werden vorausgesetzt

gelten

Modale Transformation Modale Matrix ˚ := [˚1 ; ˚2 ; : : : ˚N ] ^ ˚Y=U ˚ y = x^ ^ ^ R = ˚F G = ˚F Entkoppelte Gleichungen (˝2 + i2 j !j ˝ + !2j )Yj = Rj

(˝2 + i2 r !r ˝ + !2r )yr = Gr Lösung

Rj Yj = ˝2 + i2 j !j ˝  !2j ^ = U

N 

yr =

Gr ˝2 + i2 j !r ˝  !2r

Rücktransformierte Lösung ˚j Yj

j=1

Reale, endgültige Lösung des Problems

x^ =

N 

˚r yr

r=1

Formale Lösung des Problems Bestimmung der modalen Parameter durch Lösung des Minimierungsproblems jj Hik  hik jj2 ! min Hik = gemessene Übertragungsfunktion hik = Übertragungsfunktion des mathematischen Modells

11.4 Experimentelle Modalanalyse

285

– Durch Umkehrung der modalen Transformation wird die endgültige Lösung des Problems erhalten. Die Merkmale der EMA sind – Die EMA ist primär ein experimentelles Verfahren für dessen Auswertung der Einsatz leistungsfähiger Rechner erforderlich ist. Die theoretischen Grundlagen des Auswerteverfahrens weisen gewisse formale Übereinstimmungen mit denen der NUMA auf. – Für die Durchführung der EMA wird die Oberfläche des zu untersuchenden Objekts mit einem Punktraster überzogen. In allen Punkten werden Antwortfreiheitsgrade und in manchen Punkten Anregungsfreiheitsgrade festgelegt. – Zwischen dem Vektor x der Antwortfreiheitsgrade und dem Vektor F der Anregungsfreiheitsgrade besteht das Differentialgleichungssystem (11.6), das rein formal mit dem Gleichungssystem (8.22) der FEM übereinstimmt. – Die Systemmatrizen M, C und K sind unbekannt. – Die Vektoren F der Anregungsfreiheitsgrade und x der Antwortfreiheitsgrade sind aus Messungen bekannt. – Unbekannt sind die modalen Parameter. – Es wird vorausgesetzt, daß die Systemmatrizen positiv-definit sind und daß Rayleigh-Dämpfung vorliegt. Nur dann gelten die für die Entkopplung des Systems (11.6) wesentlichen Orthogonalitätsbeziehungen zwischen den unbekannten Moden und den Systemmatrizen. – Durch formale Anwendung der modalen Transformation auf das System (11.10) entsteht das entkoppelte System in Tabelle 11.4. Seine einzelnen Gleichungen werden wie der erzwungene Einmassenschwinger gelöst. Durch Umkehrung der modalen Transformation ergibt sich die rein formale Lösung (11.13). – Die gesuchten Modalparameter werden durch Minimierung des Abstandes zwischen den gemessenen und den Übertragungsfunktionen des mathematischen Modells bestimmt. Ein wichtiger Unterschied zwischen der NUMA und der EMA ist folgender. Bei der NUMA wird die Lösung des bekannten Systems (8.22) bestimmt. Da die Systemmatrizen und die Anregungskraft bekannt sind, handelt es sich um ein direktes Problem. Bei der EMA sind die Anregung uns die Systemantwort aus Messungen bekannt. Die Systemmatrizen sind unbekannt. Daher ist ein indirektes Problem zu lösen. Aus der Mathematik ist bekannt, daß die Lösung indirekter Probleme deutlich schwieriger ist als die von direkten. Dies zeigt sich u.a. darin, daß bei der EMA in der Minimierung (vgl. Abschn. 11.4.6 „Parameterschätzung“) ein überbestimmtes System zu lösen ist.

286

11 Meß- und Auswerteverfahren

11.5 Betriebsschwingformanalyse Mit einer Betriebsschwingformanalyse (operational deflection shapes, ODS) ist es möglich, das Schwingungsverhalten einer Maschine oder Anlage unter Betriebsbedingungen zu erfassen und zu analysieren. Damit können unmittelbar Lärmminderungsmaßnahmen abgeleitet werden. Das ist besonders dann interessant, wenn aufgrund der Komplexität der Struktur eine rechnerische oder experimentelle Modalanalyse zu aufwendig oder nicht durchführbar ist oder wenn eine Analyse mit realer Anregung ausgeführt werden soll und die Anregungskräfte nicht gemessen werden können (z.B. bei erschwerter Zugänglichkeit des Wirkortes). Die bei einer rechnerischen oder experimentellen Modalanalyse ermittelten Modalparameter sind inhärente Eigenschaften einer Struktur. Sie sind abhängig von den Struktureigenschaften (Masse, Steifigkeit und Dämpfung), den Randbedingungen (Lagerung) und den Umgebungsbedingungen (Umgebungsmedium, Temperatur usw.) aber unabhängig von den anregenden Kräften. Die Amplituden der Eigenformen sind dimensionslos und beliebig skalierbar. Im Gegensatz dazu führt eine Struktur unter Betriebsbedingungen erzwungene Schwingungen aus. Diese Schwingungen setzen sich in Abhängigkeit von den anregenden Kräfte (Anregungsort, Richtung, Phasenlage, Frequenz) aus gewichteten Linearkombinationen der einzelnen Eigenschwingungsformen zusammen. Die Amplituden sind abhängig von dem Betrag der anregenden Kräfte. Die sich einstellende Betriebsschwingform wird im allgemeinen von einer Eigenform dominierend bestimmt wenn: – die Anregungsfrequenz in der Nähe der Eigenfrequenz dieser Eigenform liegt, – der Frequenzabstand zu benachbarten Eigenformen ausreichend groß ist (geringe Kopplung), – die Eigenform an der Anregungsstelle eine Komponente in Richtung der anregenden Kraft aufweist (d.h. die Anregungsstelle nicht auf einer Knotenlinie liegt). Um eine Betriebsschwingform eindeutig identifizieren zu können, muß eine genügende Anzahl von Meßpunkten und Meßrichtungen (Freiheitsgrade) an der zu untersuchenden Struktur verwendet werden. Die Diskretisierung der Strukturoberfläche entspricht der Vorgehensweise der experimentellen Modalanalyse (s. Abschn. 11.4). Zur Auswertung sind alle maschinenakustisch relevanten Meßgrößen (z.B. Wege, Schnellen, Beschleunigungen, Drehschwingungen) geeignet. Entsprechend einer Eigenform wird eine Betriebsschwingform durch die relative Schwingung (Amplitude und Phase) an einzelnen Strukturpunkten beschrieben. Bei der experimentellen Modalanalyse ergeben sich die Phaseninformationen aus der Übertragungsfunktion zwischen Strukturantwort und Strukturanregung. Bei einer Betriebsschwingform ist dagegen die Strukturanregung in den meisten Fällen unbekannt, es liegen nur die daraus resultierenden Strukturantworten vor. Die Ermittlung der notwendigen Phaseninformationen richtet sich danach, ob im Zeit- oder im Frequenzbereich eine Betriebsschwingformanalyse gewünscht ist.

11.5 Betriebsschwingformanalyse

11.5.1

287

Betriebsschwingformanalyse im Zeitbereich

Bei einer Betriebsschwingformanalyse im Zeitbereich interessiert vor allem das globale Schwingungsverhalten der Struktur. Ähnlich einer Zeitlupenaufnahme wird die globale Schwingungsantwort an den gemessenen Freiheitsgraden entlang der Zeitachse analysiert. Die Auswertung ist nicht auf lineares und/oder zeitinvariantes Strukturverhalten beschränkt. Auch nichtlineares Strukturverhalten und/oder eine instationäre Betriebsbedingung können untersucht werden. Letzteres ist besonders interessant bei der Schwingungsuntersuchung z.B. von Stoßanregungen oder Lastwechseln. Stehen genügend Meßkanäle und Meßaufnehmer zur Verfügung, können alle Antwortsignale gleichzeitig erfaßt werden. Damit sind die notwendigen Phaseninformationen implizit in den Meßdaten enthalten (konsistenter Datensatz). Müssen die Meßaufnehmer bei großen Zahlen an Meßpunkten aufgrund der Größe der Struktur mehrfach versetzt werden, kann mit einem zuverlässig reproduzierbaren TriggerEreignis der Phasenbezug hergestellt werden. 11.5.2

Betriebsschwingformanalyse im Frequenz- bzw. Ordnungsbereich

Bei dieser Art der Betriebsschwingformanalyse interessiert vor allem (ähnlich wie bei einer experimentellen Modalanalyse) eine frequenzselektiveAnalyse des Schwingungsverhaltens. Neben den vorstehend beschriebenen Verfahren zur Ermittlung der Phaseninformationen im Zeitbereich kann mit der folgenden Vorgehensweise der Phasenbezug im Frequenzbereich hergestellt werden. Voraussetzungen sind hier allerdings lineares Strukturverhalten und stationäre Betriebsbedingungen. Einer der Meßpunkte wird als Referenzmeßpunkt verwendet, der bei allen Messungen (mit wandernden Meßaufnehmern) beibehalten wird. Dazu wird ein Meßpunkt gewählt, der möglichst alle interessierenden Frequenzanteile im Signalspektrum enthält. Die Bildung der Übertragungsfunktion zwischen einem wandernden Meßaufnehmer und dem Referenzmeßpunkt zur Ermittlung von Phase und Amplitude ist ungeeignet. Da beide Signale ähnliche Frequenzinformationen enthalten, führt die Übertragungsfunktion zu irreführenden oder schwer zu interpretierenden Ergebnissen. Besonders deutlich wird das, wenn der wandernde Meßpunkt i und der Referenzmeßpunkt r zusammenfallen. Die Übertragungsfunktion hir (
) =

xi (
) xr (
)

nimmt für i = r im im gesamten Frequenzbereich den Wert 1 an. Abhilfe schafft hier die Multiplikation der Übertragungsfunktion mit dem Betrag des Referenzspektrums xi (
)
jxr (
)j h~ ir (
) = xr (
) oder die Kombination aus Amplitude des Autoleistungsspektrums Sii (
) des wandernden Meßpunktes mit der Phase des Kreuzleistungsspektrums Sir (
).

288

11 Meß- und Auswerteverfahren

Die Darstellung der erfaßten und analysierten Meßdaten erfolgt anhand eines einfaches Drahtmodells (Knotenpunkte und Verbindungslinien) der untersuchten Struktur. Den einzelnen Knotenpunkten des Drahtmodells werden die gemessenen Freiheitsgrade zugeordnet. In den verfügbaren Analyseprogrammen kann anschließend mit Hilfe eines Cursors das Schwingungsverhalten dargestellt werden. Bei der Analyse im Zeitbereich können an ausgewählten Zeitpunkten die Auslenkungen „eingefroren“ oder mit einem entlang der Zeitachse wanderndem Cursor animiert werden. Bei der Analyse im Frequenz- oder Ordnungsbereich wird an frei wählbaren Positionen in den ermittelten Spektren eine harmonische Animation der Betriebsschwingform erzeugt.

Zusammenfassung Betriebsschwingformanalysen dienen zur Erfassung und Analyse des Schwingungsverhaltens eines Objekts unter Betriebsbedingungen. Erfaßt werden erzwungene Schwingungen infolge der im Betrieb wirkenden Erregerkräfte. Wie bei der experimentellen Modalanalyse (vgl. Abschn. 11.4, insbes. 11.4.1) muß die Oberfläche des Untersuchungsobjektes diskretisiert werden. Für die Auswertung eignen sich z.B. Schwingwege, Schnellen, Beschleunigungen, Drehwinkel. Die Ermittlung der Phaseninformationen hängt davon ab, ob die Betriebsschwingformanalyse im Zeit- oder Frequenzbereich durchgeführt wird. 1. Analyse im Zeitbereich. Keine Beschränkung auf lineares und/oder zeitinvariantes Verhalten der Struktur. Nach Möglichkeit simultane Aufnahme aller Meßsignale (abhängig von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Aufnehmer und Meßkanäle). Bei großer Anzahl von Meßpunkten Versetzen der Meßaufnehmer notwendig. Phasenbezug durch zuverlässig reproduzierbare Triggerung herstellbar. 2. Analyse im Frequenzbereich. Anwendung vor allem bei frequenzselektiver Auswertung. Voraussetzungen: Lineares und zeitinvariantes Strukturverhalten. Festlegung eines Referenzpunktes für alle Messungen. Phaseninformation wird entweder durch Multiplikation der Übertragungsfunktion mit Betrag des Referenzspektrums oder aus Amplitude des Autoleistungsspektrums der wandernden Meßpunkte und Phase des Kreuzleisungsspektrums gewonnen.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung In diesemAbschnitt werden zwei wichtige Verfahren zur Bestimmung der abgestrahlten Schalleistung vorgestellt. Es handelt sich um das Schalldruck- oder p2 -Verfahren und das Schallintensitätsverfahren. Da beide Verfahren von den gleichen theoretischen Grundlagen ausgehen, werden diese zunächst besprochen.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

11.6.1

289

Grundlagen der Messung von Luftschall

Ein wichtiger Begriff für die akustische Meßtechnik ist die Schallintensität . Sie wird für beliebige, eindimensionale Schallfelder eingeführt. Es seien v(x;t) und p(x;t) das Geschwindigkeits- bzw. Druckfeld. Die momentane Schallintensität wird definiert als I(x;t) := p(x;t) v(x;t) :

(11.18)

Die effektive Intensität15 ergibt sich durch Integrieren über eine Periodendauer T zu

1 I(x) = T

 I(x;t)dt :

(11.19)

T Die physikalische Bedeutung der Intensität wird anhand des Beispiels von zwei ebenen Wellen erläutert, die mit der Schallgeschwindigkeit in positiver bzw. negativer x-Richtung fortschreiten. Die in positiver x-Richtung fortschreitende Welle ergibt zur Zeit t an der Stelle x den Druck p+ (ct  x) und entsprechend die in negativer x-Richtung sich bewegende Welle den Druck p (ct + x). Es läßt sich zeigen [40, S. 331], daß die momentane Intensität des ebenen Wellenzuges sich wie folgt berechnen läßt 1 [p2 (ct  x)  p2 (ct + x)] : I(x;t) = (11.20) 0 c + Die momentane Intensität der wandernden Welle ist gleich der durch die spezifische akustische Impedanz (vgl. Gl. (5.4)) geteilten Differenz der Quadrate der augenblicklichen Drücke der in positiver bzw. negativer Richtung wandernden Anteile der Welle. Die effektive Intensität der ebenen Welle ergibt sich aus Gl. (11.20), indem die Quadrate der augenblicklichen Druckfunktionen p+ und p durch die Quadrate der betreffenden Effektivwerte ersetzt werden. Dabei ist zu beachten, daß der effektive Druck der ebenen Welle unabhängig von der x-Koordinate an jeder Stelle gleich ist. Gl. (11.20) zeigt, daß sich die Intensität nicht mittels eines einzigen Mikrofons messen läßt, da ein solches nicht zwischen den Druckanteilen p+ (ct  x) und p (ct + x) der in positiver bzw. negativer Richtung fortschreitenden Welle unterscheiden kann. Die Bedeutung der Schallintensität liegt darin, daß sie der auf die Flächeneinheit bezogenen Leistung entspricht. Gl. (11.20) zeigt, daß in einer fortschreitenden Welle ein Transport von Energie stattfindet. Als nächstes wird der Begriff der Schallintensität auf dreidimensionale Strömungen verallgemeinert. Es seien p(x;t) der Schalldruck und v(xt) der Geschwindig-

15

Vereinfachend wird die Tilde ~ für das Kennzeichnen der effektiven Intensität weggelassen und die effektive Schallintensität als Intensität bezeichnet.

290

11 Meß- und Auswerteverfahren

keitsvektor am Ort x zur Zeit t. Dann wird der momentane Schallintensitätsvektor durch I(t) := p(t) v(t)

(11.21)

definiert. Die Richtung des Schallintensitätsvektors stimmt mit der des Geschwindigkeitsvektors überein. Unter der Voraussetzung, daß p(t) und v(t) zeitlich periodische Funktionen mit der Periodendauer T sind, wird die Wirkintensität wieder durch zeitliche Integration der momentanen Intensität I(t) über eine Periodendauer T berechnet. Da sich nach Abschn. 2.2 jeder periodische Vorgang als Fourier-Reihe darstellen läßt, kann ohne Beeinträchtigung der Allgemeingültigkeit für die Geschwindigkeit und den Schalldruck angesetzt werden v(x;t) = v^ (x) cos(! t + '1 ) ; p(x;t) = p(x) ^ cos(! t + '2 ) : In Analogie zu Gl. (1.34) ergibt sich für die Wirk-Schallintensität I(x) = p(x) ^ v^ (x) cos('1  '2 ) :

(11.22)

Die Schallintensität hängt also nicht nur von den Amplituden des Drucks und des Geschwindigkeitsvektors, sondern auch von deren Phasendifferenz ab. Es erweist sich als zweckmäßig, zur komplexen Darstellung überzugehen: v(x;t) = v^ exp(i!t) ; p(x;t) = p^ exp(i!t) : Dann ergibt sich in Analogie zu Gl. (1.38) I=

1 Re fp^ v^ g : 2

(11.23)

Die Intensität ist also im allgemeinen dreidimensionalen Fall ein Vektor. Beim Kugelstrahler (vgl. Abschn. 5.3) kann die vektorielle Schallintensität durch einen Skalar dargestellt werden, wenn der Intensitätsvektor in Richtung eines Kugelradius gemessen wird. In diesem Fall weist der Geschwindigkeitsvektor nur eine radiale Komponente auf. Die Gleichung für die Berechnung des Schallintensitätspegels lautet LI = 10 lg

I dB : I0

(11.24)

Der Bezugswert ist nach DIN EN 21683 I0 = 1
1012 W=m2 . Mit Hilfe der Schallintensität läßt sich die von einem Objekt (z.B. einer Maschine) abgestrahlte Schalleistung sehr einfach dadurch berechnen, daß um das Objekt eine geschlossene Kontrollfläche S gelegt wird, innerhalb derer sich keine andere Schallquelle befinden darf. Ist das abstrahlende Objekt auf einem schallharten (d.h. für Luftschall undurchlässigen) Untergrund aufgestellt, so kann wie in Abb. 11.29 um

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

291

Abb. 11.29. Bestimmung der Schalleistung aus der Schallintensität

das Objekt eine Halbkugel mit beliebigem Radius R als Kontrollfläche gelegt werden. Für die Schalleistung gilt  I
n dS :

P=

(11.25)

S Hierin bedeuten n den nach außen gerichteten Normaleneinheitsvektor auf der Kontrollfläche S und „
“ die Bildung des Skalarproduktes. Hierin bedeuten n den nach außen gerichteten Normaleneinheitsvektor auf der Kontrollfläche S und „
“ die Bildung des Skalarproduktes. Liegt das schallabstrahlende Objekt außerhalb einer Kontrollfläche, innerhalb derer sich keine Schallquelle befindet, so läßt sich zeigen [40, S. 334], daß aus Gl. (11.25) P=0 folgt. Dieses zunächst verblüffende Ergebnis läßt sich anschaulich deuten. Ein Intensitätsvektor, der an einer Stelle in die Kontrollfläche eintritt, tritt an der „diametral gegenüberliegenden“ Stelle der Kontrollfläche aus. Daher heben sich der ein- und der austretende Leistungsanteil auf. Dieses Ergebnis ist für die akustische Meßtechnik von großer Bedeutung. Es besagt nämlich, daß eine außerhalb der Kontrollfläche liegende störende Schallquelle keinen verfälschenden Beitrag zu der Schalleistung des innerhalb der Kontrollfläche liegenden Meßobjektes liefert, wenn die Schalleistung durch Integration der Schallintensität über diese Kontrollfläche bestimmt wird. So bestechend einfach die Bestimmung der Schallleistung durch Messen der Intensität und anschließendes Integrieren über eine beliebige Kontrollfläche ist, so haften dieser Methode doch nicht unerhebliche meßtechnische Schwierigkeiten an. In Gl. (11.23) läßt sich der Schalldruck sehr einfach mit Hilfe eines Mikrofons messen (vgl. Abschn. 10.4.1). Jedoch ist die direkte Messung der Amplitude der Luftgeschwindigkeit v^ schwierig. Die praktische Anwendung der Schallintensitätsmeßtechnik erfordert einen beträchtlichen Aufwand an Hard- und Software (vgl. Abschn. 11.6.3). Daher werden

292

11 Meß- und Auswerteverfahren

in der Praxis vorwiegend konkurrierende Meßverfahren16 angewendet. Sie beruhen alle auf einer reinen Schalldruckmessung und gehen von der Modellvorstellung aus, daß das abstrahlende Objekt als Kugelstrahler (vgl. Abschn. 5.3) aufgefaßt werden kann. Für r ! 1 geht die von einem Kugelstrahler abgestrahlte Welle in eine ebene Welle17 über. Da in der meßtechnischen Praxis die Bedingung r ! 1 nicht realisiert werden kann, wird sie durch die Bedingung r  R ersetzt, wobei R der Radius des Kugelstrahlers ist. Es liegen dann Fernfeldbedingungen vor, da der Abstand r  R von der abstrahlenden Kugelfläche wesentlich größer ist als die Wellenlänge  der abgestrahlten Luftschallwelle (r  R  ). Im Fernfeld liegen beim Kugelstrahler (wie bei einer ebenen Welle) Geschwindigkeit und Druck in Phase, und es gilt p^ v^ = : 0 c Wird wieder eine geschlossene Kontrollfläche S um das Schall abstrahlende Objekt gelegt, so gilt für die Komponente des Intensitätsvektors in Richtung des Normalenvektors dieser Kontrollfläche 1 p^ 2 I= : (11.26) 2 0 c Die Bestimmung der Normalkomponente ist also auf eine einfach durchzuführende Messung des Schalldrucks zurückgeführt. Wegen Gl. (11.26) wird dieses Verfahren auch p2 -Verfahren genannt. Abschließend sollen die Vor- und Nachteile beider Verfahren zur Bestimmung der Schalleistung gegenübergestellt werden: 1. Intensitätsverfahren Vorteile – Keine Voraussetzungen über das abstrahlende Objekt. – Messungen im Nah- und Fernfeld möglich. – Außerhalb der Kontrollfläche liegende Störquellen liefern keinen Beitrag zur gemessenen Schalleistung des Prüfobjektes. – Grundsätzlich kein Einfluß der Meßumgebung (Meßraum) auf das Meßergebnis18 . – Meßverfahren genormt nach DIN EN ISO 9614. Nachteile – Beträchtlicher Aufwand für Hard- und Software. – Verwendung unterschiedlicher Intensitätssonden (unterschiedliche Abstandhalter) erforderlich, um über 5 Oktavbänder und mehr eine Genauigkeit von 1 dB zu erzielen. 16

17

18

Historisch gesehen ist die Schalldruckmeßtechnik älter als das Intensitätsverfahren, und sie ist wesentlich weiter verbreitet. Dies läßt sich mathematisch zeigen (vgl. dazu [40, S. 67f]. Es leuchtet auch anschaulich ein. Die Wellenfronten eines Kugelstrahlers sind Kugelflächen, deren Ursprung mit dem des Strahlers übereinstimmt. Für gegen Unendlich gehende Radien degenerieren Kugelflächen zu Ebenen. Die Impedanz des Meßraumes kann allerdings die Schallabstrahlung der Quelle beeinflussen.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

293

2. Schalldruck-Verfahren Vorteile – Einfache Meßtechnik (Hard- und Software). – Genormte Meßverfahren. Nachteile – Meßobjekt soll sich im Fernfeld annähernd wie Kugelstrahler nullter Ordnung verhalten. – Messung nur im Fernfeld möglich. – Störquellen müssen gesondert erfaßt werden. – Meßumgebung beeinflußt Meßergebnis und muß daher kompensiert werden. 11.6.2

Schalldruckverfahren

Das Schalldruckverfahren beruht auf Gl. (11.26). Damit folgt für den Pegel der Schallintensität

2

p~ p~ LI = 10 log dB = 20 log dB = Lp~ : (11.27) 2 p0 p0 Unter der Voraussetzung, daß auf einer beliebigen Kontrollfläche vom Flächeninhalt S die Schallintensität gleichmäßig verteilt19 ist, ergibt sich für den Schalleistungspegel LP = LI + LS :

(11.28)

Hierin ist LS das Meßflächenmaß LS = 10 log

S dB S0

(11.29)

mit der Bezugsfläche S0 = 1 m2 . Aus Gln. (11.27) und (11.28) folgt für den Schalleistungspegel LP = Lp~ + LS :

(11.30)

Der Einfluß der Meßumgebung wird durch die Unterscheidung zwischen Freifeld und diffusem Feld erfaßt. Ein Freifeld liegt vor, wenn sich der Schall nach allen Richtungen unbehindert ausbreiten kann. Eine im freien Gelände hoch (im Vergleich zur Wellenlänge) aufgehängte Schallquelle strahlt im Freifeld. Für einen im Freifeld strahlenden Kugelstrahler20 nimmt der Schalldruckpegel bei Verdoppelung des Abstandes der Meßstellen um -6 dB ab (vgl. hierzu [40, S. 337]). Befindet sich eine Schallquelle in einem geschlossenen Raum mit ideal reflektierenden Wänden, so werden die von der Quelle abgestrahlten Schallwellen von den Wänden vollständig reflektiert. Der Schalleinfall wird damit aus jeder Richtung 19

20

Diese Voraussetzung ist streng nur für den Kugelstrahler nullter Ordnung erfüllt, wenn die Kontrollfläche eine Kugelfläche ist. Die Ableitungen in Abschn. 5.3 gelten unter Freifeldbedingungen.

294

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.30. Aufbau von DIN 45 635 (nach Weck und Melder)

gleich wahrscheinlich, und es wird in jedem Punkt des Raumes der gleiche Schalldruckpegel gemessen. Es liegt ein diffuses Feld vor, das auch als Hallfeld bezeichnet wird. Damit in einem Raum vom Volumen V ein Hallfeld vorliegt, muß die folgende Ungleichung erfüllt werden

3 1000 V> ; (11.31)
min wobei
min die tiefste zu berücksichtigende Frequenz ist. Da Gl. (11.31) keine Größen-, sondern eine Zahlenwertgleichung ist, sind V in m3 und
min in Hz einzusetzen. Die Messung der Geräuschemission von Maschinen wird in DIN 45 635 geregelt. Den prinzipiellen Aufbau von DIN 45 635 zeigt Abb. 11.30. Aus Abb. 11.30 ist zu ersehen, daß sich DIN 45 635 wieder auf internationale ISO-Normen stützt. Die anzuwendenden Meßverfahren werden mit steigender Genauigkeit in drei Klassen eingeteilt. Die Norm gliedert sich in drei Ebenen. Die erste Ebene enthält Rahmenvorschriften über anwendbare Meßverfahren und erreichbare Genauigkeiten. So ist z.B. in DIN 45 635 Teil 1 das für Geräuschmessungen in üblichen Maschinenräumen anzuwendende Hüllflächen-Verfahren enthalten. In der zweiten Ebene sind sogenannte Folgeblätter zusammengestellt, die allgemeine Festlegungen für bestimmte Maschinenarten (z.B. Getriebe, Büromaschinen, Werkzeugmaschinen usw.) angeben. In der dritten Ebene werden für die in der zweiten Ebene angesprochenen Maschinenarten Anhangblätter bereitgestellt, die besondere Festlegungen (insbesondere Betriebsbedingungen) für einzelne Maschinentypen angeben.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

295

Tabelle 11.5. Meßbedingungen (nach Weck und Melder)

Meßbedingung

Festgestellte Bedingung

Meßgegenstand Aufstellungsbedingung Betriebszustand Raumeinfluß Meßfläche Meßpunkte

t t t t

Festgelegte Bedingung

t t t

Voraussetzung für die Auswertung der Ergebnisse

t t t t

Im folgenden werden die Grundzüge des Hüllflächen-Verfahrens dargestellt. Das Hüllflächen-Verfahren eignet sich für die Bestimmung der Schalleistung von Maschinen, die in üblichen Fabrikräumen betrieben werden, in denen zusätzlich andere, Schall abstrahlende Maschinen stehen. Die bei der Messung zu beachtenden Meßbedingungen sind in Tabelle 11.5 zusammengefaßt. Sie sind entweder von dem die Messung ausführenden Meßingenieur entsprechend den vorgegebenen Bedingungen festzustellen oder nach den Bestimmungen von DIN 46 635 festzulegen. Zu den festzustellenden Meßbedingungen gehören das Meßobjekt selbst, seine Aufstellung (z.B. Fundament, Schwingungsisolation usw.), der Einfluß des Raumes und unter Umständen die Betriebsbedingungen. Zu den vom Meßingenieur festzulegenden Bedingungen zählen vor allem die Meßfläche und auf dieser die Meßpunkte. Es ist auch möglich, daß der Meßingenieur die Betriebsbedingungen für seine Messungen festlegen kann. Daher ist in Tabelle 11.5 der Betriebszustand sowohl in der Spalte „Festgestellte Bedingungen“ als auch in der Spalte „Festgelegte Bedingungen“ durch einen Vollkreis markiert. Selbstverständlich kann der Betriebszustand entweder festgestellt oder festgelegt werden. Vorschriften für das Festlegen der Meßfläche enthält Anhang A zu DIN 45 635 Teil 1. Maschinen werden häufig durch die Oberfläche eines Quaders (Bezugsquader) umhüllt. Um diesen Bezugsquader wird äquidistant (meistens mit einem Abstand d = 1m) die sogenannte Meßfläche gelegt. Abbildung 11.31 zeigt ein Beispiel aus DIN 45 635 mit der Festlegung von Meßpfaden und Meßpunkten. In jedem der n Meßpunkte wird mit einem Schallpegelmesser nach DIN 45 633 bzw. DIN 45 634 derA-bewertete Schalldruckpegel L0pA i gemessen.Aus ihm muß bei zeitlich veränderlichen Schalldruckpegeln der äquivalente Schalldruckpegel durch zeitliche Mittelung bestimmt werden L0pAeq i

1 = T

T 

L0pA i dt :

(11.32)

0 Hierin ist T die Meßzeit, und der Index i (i = 1;2 : : : n) bezeichnet den Meßpunkt. Es sind kommerzielle Schallpegelmesser erhältlich, bei denen die zeitliche Mittelung nach Gl. (11.32) vom Gerät mit einstellbarer Meßzeit T ausgeführt wird.

296

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.31. Meßpfade und Meßpunkte auf der Hüllfläche einer Maschine (nach DIN 45 635)

Den weiteren Ablauf der Bestimmung des A-bewerteten Schalleistungspegels LPA zeigt Abb. 11.32. Bei Betriebsmessungen in Fabrikhallen liegt im allgemeinen Fremdgeräusch vor. Unter Fremdgeräusch ist jedes nicht von der zu untersuchenden Maschine selbst erzeugte Geräusch zu verstehen. DIN 46 635 sieht hierfür eine Fremdgeräuschkorrektur vor. Dazu wird in jedem Meßpunkt bei abgeschaltetem Meßobjekt der äquivalente Fremdgeräuschpegel L00pAeq i bestimmt. Sofern die Differenz
L00i = L0pAeq i  L00pAeq i größer als 2 dB ist, wird ein Korrekturwert K1 i

1 K1 i = 10 log 1  0;1
L00 i 10 bestimmt. Dieser Korrekturwert K1 i wird für jeden Meßpunkt i von dem gemessenen Wert abgezogen. Damit ergibt sich der auf die zu untersuchende Maschine zurückzuführende äquivalente Schalldruckpegel LpAeq i = L0pAeq i  K1 i : Aus den so für alle n Meßpunkte bestimmten äquivalenten Schalldruckpegeln wird ein räumlich gemittelter Schalldruckpegel (vgl. auch Gl. (1.12))   n 1  0;1 LpAeq i 0 dB LpA = 10 log 10 n i=1

berechnet.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

297

Abb. 11.32. Ermittlung des A-bewerteten Schalleistungspegels (nach Weck und Melder)

Beim nächsten Schritt muß der Einfluß des Meßraumes21 (Frei- oder Hallfeld) durch einen Korrekturfaktor K2 berücksichtigt werden. Diese Umgebungkorrektur erfaßt den gesamten Einfluß der Umgebung des Meßobjektes. Solche Einflüsse können z.B. durch unerwünschte Schallreflexionen an Decke, Boden und Wänden des Raumes sowie (falls vorhanden) an Gegenständen entstehen, die sich in der Umgebung des Meßobjekts außerhalb der Hüllfläche befinden. Ferner können auchAbsorptionen des Schalls auftreten im Raum zwischen dem Meßobjekt und der Hüllfläche. Für die Bestimmung der Umgebungskorrektur K2 werden in DIN 45 635 Teil 1 zwei Verfahren angegeben. Hier wird das Verfahren mittels Bestimmung der äquivalenten Schallabsorptionsfläche erläutert. Unter Schallabsorption wird die Umsetzung von mechanischer Schwingungsenergie des Schallfeldes in Wärme verstanden. Die Schallabsorption erfolgt sowohl an den Wänden, die bei realen Räumen nicht ideal reflektieren, als auch in der im Raum eingeschlossenen Luft. Die äquivalente Schallabsorptionsfläche A ist ein Maß für das gesamte Absorptionsvermögen eines Raumes einschließlich der sich in diesem befindlichen Gegenstände. Anschaulich kann die äquivalente Schallabsorptionsfläche als ein Fenster im Raum gedeutet werden, das alle auftretenden Schallwellen vollkommen absorbiert. Die Wände des restlichen Raumes werden dagegen als vollständig reflektierend angesehen. Die äquivalente Schallabsorptionsfläche A läßt sich durch Messen der Nachhallzeit Th des Raumes bestimmen. Die Nachhallzeit ist diejenige Zeit, in der nach einer plötzlich beendeten Schallemis21

Auf S. 295 wurde darauf hingewiesen, daß beim Hüllflächenvefahren die Messung in üblichen Fabrikräumen durchgeführt wird. Es liegen also keine Laborbedingungen (z.B. Hallraum oder schalltoter Raum) vor.

298

11 Meß- und Auswerteverfahren

sion (z.B. Schuß aus einer Startpistole) der Schalldruckpegel um 60 dB fällt. Bei der Messung der Nachhallzeit muß die gleiche Frequenzbewertung vorgenommen werden wie bei der durchzuführenden Bestimmung des Schalleistungspegels (z.B. A-Bewertung). Aus der Nachhallzeit und dem Raumvolumen kann die äquivalente Schallabsorptionsfläche A nach A = 0;163

V Th

(11.33)

berechnet werden. Da Gl. (11.33) eine Zahlenwertgleichung ist, müssen A in m2 , V in m3 und Th in s eingesetzt werden. Die Umgebungskorrektur K2 wird aus der äquivalenten Schallabsorptionsfläche A und dem Meßflächeninhalt S der Hüllfläche zu

4 dB K2 = 10 log 1 + A=S berechnet. Für den korrigierten Schalldruckpegel gilt schließlich 0

LpA = LpA + K2 : Der A-bewertete Schalleistungspegel folgt aus LPA = LpA + LS : Hierin ist LS das Meßflächenmaß nach (11.29). Der A-bewertete Schalleistungspegel ist ein integraler Meßwert, da die Messung über sämtliche Frequenzanteile des Geräusches erfolgt. Sofern es notwendig ist, stärker nach Frequenzanteilen zu differenzieren, können Oktav- oder TerzSchalleistungspegel bestimmt werden. Hierbei wird in den interessierenden Frequenzbereichen nacheinander in Oktaven oder Terzen der Schalldruckpegel gemessen und anschließend analog wie bei der Bestimmung des A-bewerteten Schalleistungspegels ausgewertet. In kommerziellen Schallpegelmessern sind häufig Terzund Oktavfilter eingebaut. 11.6.3

Schallintensitätsverfahren

In diesem Abschnitt werden die Grundlagen für die praktische Ausführung von Schallintensitätsmessungen dargestellt. Vereinfachend wird nur eine Komponente des Schallintensitätsvektors betrachtet. Jedoch lassen sich die Ergebnisse auf die dreidimensionale Betrachtung übertragen. Die Schallintensität gemäß Gl. (11.18) beinhaltet sowohl den aktiven als auch den reaktiven Leistungsanteil, was in Abb. 11.33 für drei Fälle veranschaulicht wird: – Das obere Diagramm in Abb. 11.33 zeigt den zeitlichen Verlauf von Druck und Schnelle einer ebenen, harmonischen Welle (eindimensionale, reflexionsfreie Ausbreitung). Druck und Schnelle sind in Phase. Die Intensität ist ausschließlich positiv (kein Vorzeichenwechsel). Es resultiert ein ausschließlich aktiver Leistungsfluß. Beispiel: Schallausbreitung im Freien.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

299

Abb. 11.33. Aktive und reaktive Schallintensität

– Für die stehende Welle (mittleres Diagramm) sind Druck und Schnelle um 90 ı phasenverschoben. Die Intensität besitzt wechselnde Vorzeichen und oszilliert mit der doppelten Frequenz von Druck und Schnelle. Sie ist rein reaktiv. Es findet kein aktiver Leistungsfluß statt. Beispiel: Schallfeld im Rohr mit festem, schallhartem Abschluß. – Im unteren Diagramm liegt für eine allgemeine Welle eine beliebige Phasenverschiebung zwischen Druck und Schnelle vor. Die Intensität besitzt wechselnde Vorzeichen mit einem konstanten, hier positiven Amplitudenanteil. Die Intensität besitzt daher einen aktiven und einen reaktiven Anteil. Beispiel: Diese Wellenform tritt in Innenräumen mit teilabsorbierender Auskleidung auf. Für maschinenakustische Untersuchungen interessiert meist nicht der zeitliche Verlauf der Intensität, sondern die Darstellung im Frequenzbereich. Unter der Voraussetzung eines zeitlich stationären Schallfeldes wird die komplexe Schallintensität aus den Spektren von Schalldruck und Schnelle berechnet I(!) = p(!) ~ v~ (!) = Gpv ;

(11.34)

wobei Gpv das einseitige Kreuzleistungsspektrum nach Gl. (10.10) darstellt. Für die praktische Ausführung einer Messung und Auswertung nach Gl. (11.34) müssen an einem Meßpunkt im Schallfeld Schalldruck und Schnelle gemessen werden. Die Messung der Schnelle kann nur indirekt erfolgen. Folgende Verfahren werden eingesetzt: – Das Zwei-Mikrofon-Verfahren ist das heute übliche Verfahren. Es basiert auf der Messung des Schalldrucks an zwei definierten Positionen mit konventionellen Druckmikrofonen. Über den Druckgradienten wird die Schallschnelle berechnet. – Vergleichsweise selten eingesetzt werden die sogenannten Schnellesensoren, die unterschiedliche Wirkprinzipien besitzen. Ein aktuelles Verfahren („microflown“) basiert auf der Messung des Wärmetransports zwischen zwei parallel angeordneten, mikro-miniaturisierten Widerstandsensoren durch das Umgebungsmedium

300

11 Meß- und Auswerteverfahren

Luft. Aus der Änderung des elektrischen Widerstands kann die örtliche Schnelle berechnet werden. Das Zwei-Mikrofon-Verfahren Nachfolgend wird die Berechnung der Schallintensität für das Zwei-MikrofonVerfahren erläutert, wie sie unter Verwendung digitaler Meßtechnik ausgeführt wird. Die dreidimensionale Wellengleichung [40, vgl. Gl. (3.21)] liefert für den Fall der eindimensionalen Schallausbreitung in x-Richtung folgenden Zusammenhang zwischen Schnelle und Schalldruck dp(t) @v(t) = : (11.35) 0 @t dx Unter der Annahme harmonischer Zeitabhängigkeit von Schnelle und Schalldruck (komplexe Erweiterung) ^ v(t) = v(!) exp(i!t)

p(t) = p(!) ^ exp(i!t)

folgt aus Gl. (11.35) der Zusammenhang zwischen der Schnelle und dem Gradienten des Drucks ~ i dp(!) v~ (!) = ; (11.36) 0 ! dx wobei die Spitzenwerte von Schnelle und Druck durch ihre Effektivwerte ersetzt werden.22 Aus Gl. (11.36) und der auf den eindimensionalen Fall reduzierten Gl. (11.23) resultiert I(!) =

i 0 !

p(!) ~

dp~  (!) : dx

(11.37)

Die effektive Schallintensität hängt also nur vom Schalldruck und dessen Gradienten ab. Der Schalldruckgradient kann ebenso wie die Schnelle nicht direkt gemessen werden. Doch läßt er sich, wie in Abb. 11.34 gezeigt wird, durch eine Schalldruckmessung an den Meßpunkten x1 und x2 mit definiertem Abstand d in Schallausbreitungsrichtung näherungsweise bestimmen. Für die praktische Messung werden zwei Mikrofone mit definiertem Frequenzgang zu einer Schallintensitätssonde zusammengefaßt. Für den mittig zwischen den realen Meßpunkten gelegenen virtuellen Meßpunkt x0 kann der Schalldruck als arithmetisches Mittel bestimmt werden ( 1' p~ 1 (!) + p~ 2 (!) : p(!) ~  (11.38) 2 Der Gradient des Schalldrucks wird angenähert durch ( dp(!) ~ 1' p~ 1 (!)  p~ 2 (!) : (11.39)  dx d 22

Weil in Gl. (11.37) Effektiv- anstelle von Spitzenwerten verwendet werden, enfällt der Faktor 1/2 bei der Spezialisierung dieser Gleichung auf den eindimensionalen Fall.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

301

Abb. 11.34. Bildung von Mittelwert und Gradient des Schalldrucks mit der Zwei-Mikrofon-

Methode

Durch Einsetzen von Gln. (11.38) und (11.39) in Gl. (11.37) folgt für die Schallintensität

+ , i+ , 1 G (!)  G22 (!) ; Im G12 (!) + (11.40) I(!) = 0 d! 2 11 wobei G12 das Kreuz- sowie G11 und G22 die Autoleistungsspektren der Schalldrücke sind. Für Messungen der abgestrahlten Schalleistung wird nur die aktive Schallintensität23 benötigt Iaktiv (!) = I(!) = Re fI(!)g =

7 8 1 Im G12 : 0 d!

(11.41)

Abbildung 11.35 zeigt zwei Bauformen von Schallintensitätssonden nach dem Mikrofon-Verfahren, die sich durch die Mikrofonanordnung (back-to-back bzw. sideby-side) unterscheiden. Die Side-by-side-Sonde verfügt im dargestellten Beispiel über drei Mikrofone (zwei Mikrofonpaare), um durch gleichzeitige Messung mit unterschiedlichen Mikrofonabständen d den Arbeitsfrequenzbereich zu vergrößern. Anwendungsgrenzen Die Grenzen des Zwei-Mikrofon-Verfahrens resultieren aus systematischen Fehlern und führen zu einer Begrenzung des Arbeitsfrequenzbereichs. Zwischen folgenden Fehlern kann unterschieden werden: – Bedingt durch den fest gewählten Mikrofonabstand d stellt die Berechnung des Schalldruckgradienten nach (11.39) nur eine Näherung dar. Eine brauchbare Abschätzung setzt voraus, daß der Mikrofonabstand klein gegenüber der Luftschall23

In der Literatur wird der Begriff „Schallintensität“ oft mit der aktiven Schallintensität gleich gesetzt. Die reaktive Schallintensität kann jedoch für Innenraumprobleme oder Messungen im Nahfeld von wesentlicher Bedeutung sein.

302

11 Meß- und Auswerteverfahren

Abb. 11.35. Bauformen von Mikrofon-Schallintensitätssonden

Wellenlänge ist. Dies führt mit Festlegung eines tolerierbaren systematischen Fehlers von ˙1dB zu einer oberen Frequenzgrenze. Nach [19] beträgt der maximale Pegel des systematischen Fehlers bei einer Messung im Freifeld in Ausbreitungsrichtung



sin(!d=cl ) Im LE = 10
log dB = 10
log dB : I (!d=cl ) wobei Im die gemessene und I die wahre aktive Schallintensität sind. – Wie jede reale Meßkette besitzen auch Schallintensitätsmeßsysteme eine begrenzte Phasengenauigkeit. Die an den zwei Mikrofonpositionen zu messende Phasenabweichung ist für tiefe Frequenzen und große Luftschallwellenlängen jedoch so gering, daß ein systematischer Fehler das Ergebnis erheblich verfälscht. Die sogenannte Phasenfehlanpassung begrenzt daher den Auswertungsfrequenzbereich nach unten. Der Pegel des systematischen Fehlers beträgt unter den zuvor genannten Voraussetzungen maximal



sin(!d=cl  ') Im LE = 10
lg dB = 10
log dB : I (!d=cl ) Die Phasenfehlanpassung ' ist für aktuelle Meßsysteme kleiner ˙0;3 ı. In Abb. 11.36 werden diese systematischen Fehler für unterschiedliche Mikrofonabstände und ' = 0;3 ı als Funktion der Frequenz dargestellt. Zusätzlich sind die Arbeitfrequenzbereiche der Schallintensitätssonden unter Annahme eines zulässigen Fehlers von max. 1 dB eingetragen.

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

303

Abb. 11.36. Fehlergrenzen des Zwei-Mikrofon-Meßverfahrens für unterschiedliche Mikro-

fonabstände

Grundsätzlich läßt sich die Abweichung zwischen den Frequenzgängen der zwei Mikrofone und der übrigen Komponenten der Meßkette durch eine Kalibriermessung reduzieren. Dazu werden die Mikrofone identischen Schallfeldbedingungen ausgesetzt und folgende Übertragungsfunktion für den Arbeitsfrequenzbereich gemessen HK (!) =

pK2 (!) : pK1 (!)

Diese Kalibrierung kann z.B. unter Freifeldbedingungen im schalltoten Raum oder am schallharten Abschluß eines Kundtschen Rohres ausgeführt werden. Mit dieser Korrekturfunktion läßt sich der Frequenzgang des zweiten Mikrofons jenem des ersten Mikrofons angleichen. Für die Berechnung der Schallintensität nach Gl. (11.41) ist das korrigierte Kreuzleistungsspektrum GK12 zu verwenden GK12 (!) =

G12 (!) : H K (!)

Anwendungsbereiche für Schallintensitätsmessungen – Ein klassischer Anwendungsbereich ist die Bestimmung der von einer Maschine abgestrahlten Schalleistung. Das Schallintensitätsmeßverfahren besitzt gegenüber konkurrierenden Verfahren den Vorteil, daß für die Ausführung der Messungen keine besonderen Raumeigenschaften (z.B. Freifeldbedingung) erforderlich sind. Die Messung kann trotz stationärer Störgeräusche anderer Geräuschquellen erfolgen. Auch sind Messungen im Nahfeld des Meßobjekts möglich. Die Berechnung der Schalleistung erfolgt gemäß (11.25) durch punktuelle Messungen oder durch kontinuierliches Überstreichen einer Hüllfläche. Hinweise über die konkrete Vorgehensweise können den Normen DIN EN ISO 9614-1 bis 3 entnommen werden.

304

11 Meß- und Auswerteverfahren

– Die Schallintensitätsmeßtechnik ist aufgrund der ausgeprägten Richtungscharakteristik der Schallintensitätssonde24 für die Identifikation von (Teil-)Schallquellen sehr gut geeignet. Auch kann die Abstrahlcharakteristik von Untersuchungsobjekten identifiziert werden.Abbildung 11.37 zeigt links die Untersuchung eines PKWGetriebegehäuses im Nahfeldbereich. Die automatisierte Messung erfolgt durch einen Scannerarm, an dessen Ende eine 3D-Schallintensitätssonde für die gleichzeitige Messung in drei Raumrichtungen befestigt ist. Rechts sind exemplarisch die auf der Hüllfläche gemessenen Schallintensitätsvektoren für eine Frequenz hoher Schallabstrahlung über der diskretisierten Struktur dargestellt. – Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Messung der Schallimpedanz und Schallabsorption von Absorbermaterialien und die Messung der Schalldurchgangsdämmung von Bauteilen. Gegenüber konventionellen Verfahren erlaubt die Schallintensitätsmessung eine örtliche Differenzierung der Absorptions- oder Dämmeigenschaft.

Abb. 11.37. Identifikation der Abstrahlcharakteristik eines Getriebegehäuses

24

Zu beachten ist, daß im dreidimensionalen Fall die Intesität ein Vektor ist (vgl. hierzu Gl. (11.21)).

11.6 Meßmethoden für die Luftschalleistung

305

Zusammenfassung Für die Messung der von einer Maschine abgestrahlten Luftschalleistung gibt es zwei Verfahren: – –

Das Schalldruckverfahren, das Schallintensitätsverfahren. Das Schalldruckverfahren weist folgende Voreile auf:

1. 2.

Einfache Anwendung. Geringer apparativer Aufwand. Im wesentlichen wird ein Mikrofon mit der nachgeschalteten Meßkette benötigt.

Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: 1.

DasVerfahren beruht auf derAnnahme, daß sich die abstrahlende Maschine wie ein Kugelstrahler verhält. Ein solches Verhalten weisen Maschinen besten Falles im Fernfeld auf. Das Nahfeld kann daher nicht erfaßt werden. Ferner wird vorausgesetzt, daß die Maschine in einen unbegrenzten Außenraum abstrahlt (Freifeldbedingungen). 2. In geschlossenen Räumen, in denen die Messung der Schallabstrahlung von Maschinen in der Regel vorgenommen wird, liegen keine Freifeldbedingungen vor. Für den Einfluß des die Maschine umgebenden Raumes muß eine Korrektur vorgenommen werden. 3. Befinden sich im Meßraum Störquellen (z.B. andere Maschinen im Betrieb), so beeinflussen deren Schallabstrahlungen die Messung. Auch hierfür muß eine Korrektur vorgenommen werden. Das Schallintensitätsverfahren weist folgende Vorteile auf:

1.

Die Schallintensität ist die auf die Flächeneinheit bezogene Schalleistung. Sie ist eine vektorielle Größe. Durch Integration der Nomalenkomponente des Intensitätsvektors über eine um die zu vermessende Maschine gelegte, geschlossene Kontrollfläche ergibt sich die von der Maschine abgestrahlte Luftschalleistung. 2. Außerhalb der Kontrollfläche liegende Störquellen beeinflussen das Meßergebnis nicht. 3. Ebenso beeinflußt der die Maschine umgebende Raum bei korrekter Anwendung des Verfahrens die Meßergebnisse nicht. 4. Mit Hilfe des Intensitätsverfahrens läßt sich das Nahfeld in der Umgebung der abstrahlenden Maschine bestimmen. Dadurch können dominante Teilschallquellen identifiziert werden. Nachteilig beim Schallintensitätsverfahren ist der größere apparative Aufwand an Hard- und Software.

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Besprechung derAnforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Lärmminderung (Abschn. 12.2) – Angabe von Werkzeugen für die Entwicklung lärmarmer Maschinen (Abschn. 12.3) – Methodisches Vorgehen beim Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen zur Lärmminderung (Abschn. 12.4) – Allgemeine Maßnahmen für die Lärmminderung von Maschinen (Abschn. 12.5) – Regeln für die Minderung von Schall differenziert nach Beeinflussung der Erregerkräfte, des Körperschallmaßes und des Abstrahlgrades unter Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeiten (Abschn. 12.6)

12.1 Einführung In der industriellen Praxis kommt der Lärmminderung an bestehenden oder neu zu entwickelnden Maschinen eine wachsende Bedeutung zu. Dies ist bedingt durch strengere gesetzliche Verordnungen aber auch durch die Komfortwünsche der Kunden. Eine sich verschärfende Wettbewerbssituation auf dem globalen Absatzmarkt und die daraus resultierenden Forderungen nach lärmarmen und zugleich kostengünstigen Konstruktionen, kurzen Entwicklungszeiten, einem sparsamen Umgang mit Werkstoffen sowie hohen Leistungsdichten an Maschinen erfordern eine systematische Vorgehensweise zum Erreichen dieser Ziele. Tatsächlich sind die Grundvoraussetzungen für eine systematische Entwicklung lärmarmer Maschinen heute in höherem Maße gegeben als noch vor zehn Jahren, und es ist mit einer weiteren Verbesserung zu rechnen. Dies hängt mit der Verfügbarkeit leistungsfähigerer und zugleich kostengünstiger Werkzeuge zusammen, die den Konstrukteur unterstützen, die oben genannten Forderungen zu erfüllen. Aufgrund der unübersichtlichen Vielzahl auf dem Markt verfügbarer experimenteller und numerischer Werkzeuge ist es eine entscheidende Aufgabe des Konstrukteurs, geeignete Hilfsmittel auszuwählen und eine angepaßte Strategie zu formulieren. Natürlich hängt die Auswahl der geeigneten Hilfsmittel sowie deren koordinierter Einsatz im Rahmen einer Strategie von der individuellen Aufgabenstellung ab. Eine allgemeingültige Lösung kann nicht angeboten werden. Doch bieten die Abschnitte 12.2 bis 12.4 im Rahmen einer systematischen Betrachtung Hilfestellungen, um Lösungen zu finden. Der von Maschinen abgestrahlte Luftschall wird allgemein von folgenden Einflußgrößen bestimmt:

308

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

– Anregungskräfte (Spektrum und Anregungsort) – Übertragungsverhalten der Maschine (Umsetzung der Anregungskräfte in Körperschall) – Abstrahlung (Umsetzung von Körperschall in Luftschall) Die gezielte Beeinflußbarkeit dieser Größen im Rahmen der Ableitung von konstruktiven Maßnahmen zur Lärmminderung ist jedoch sehr unterschiedlich. In Abschn. 12.5 werden für die genannten Einflußgrößen in allgemeiner Form ausgewählte Regeln und Maßnahmen für die konstruktive Geräuschminderung besprochen.

12.2 Anforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Lärmminderung Konstruktive Maßnahmen zur Lärmminderung bedingen immer eine Gestaltungsänderung von einer oder mehreren Maschinenkomponenten. Dabei werden sowohl die anzuwendenden Untersuchungsverfahren als auch die konstruktiven Maßnahmen durch eine Vielzahl von Anforderungen und Restriktionen im Sinne der Konstruktionslehre [56] beeinflußt. Diese lassen sich in drei Gruppen aufgliedern: Technische Anforderungen – Große akustische Wirksamkeit der Maßnahmen. Häufig wird z.B. die Einhaltung von Grenzwerten für die abgestrahlte Schalleistung gefordert. – Einfache Umsetzbarkeit der Maßnahmen an Neukonstruktionen oder bestehenden Produkten. – Die Hauptfunktion der Maschine darf nicht negativ beeinflußt werden. – Keine oder eine möglichst geringe Zunahme der Masse. – Einhalten von geometrischen Restriktionen (z.B. Haupt- und Anschlußmaße). – Beachtung thermischer Randbedingungen (z.B. Wärmetransport, Kühlung). Finanzielle Anforderungen – Möglichst geringe Kosten für akustische Untersuchungen, Simulationen und Ableitung von Maßnahmen zur Lärmminderung. – Keine bzw. möglichst geringe zusätzliche Herstellkosten des Produkts infolge konstruktiver Maßnahmen. Zeitliche Anforderungen – Möglichst geringer Zeitaufwand für akustische Untersuchungen, Simulationen und Ableitung von Maßnahmen zur Lärmminderung. – Schnelle Umsetzbarkeit gewählter konstruktiver Maßnahmen am Produkt. – Geringer administrativer Aufwand bei Arbeit an Baugruppen (Abstimmung mit anderen Abteilungen, Fremdfirmen oder Kunden). Zwischen den technischen Anforderungen einerseits und den finanziellen und zeitlichen Anforderungen andererseits besteht ein Interessenkonflikt. Wird der einen Seite eine hohe Priorität eingeräumt, geschieht dies zwangsläufig auf Kosten der anderen

12.3 Werkzeuge für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

309

Abb. 12.1. Berücksichtigung vonAnforderungen beimAbleiten von Lärmminderungsarbeiten

Seite. Die gewählten Maßnahmen zur Lärmminderung müssen deshalb das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den konkurrierenden Anforderungen sein. Der Konstrukteur soll sich zur Erfüllung der finanziellen und zeitlichen Anforderungen immer vergegenwärtigen, daß keine Verbesserung der akustischen Eigenschaften über die Forderungen des Lastenheftes hinaus erbracht werden muß. Daher müssen die akustischen Ziele vor Beginn des Konstruktionsprozesses bei neuen Maschinen bzw. vor Beginn der Untersuchungen an bestehenden Produkten präzise formuliert werden. Nicht immer kann zu Beginn des Konstruktionsprozesses abgeschätzt werden, ob die gestellten Anforderungen erfüllbar (technische Anforderungen) oder miteinander vereinbar sind (Interessenkonflikt). Es kann deshalb während des Konstruktionsprozesses eine Änderung von Anforderungen erforderlich sein.

12.3 Werkzeuge für die Entwicklung lärmarmer Maschinen Unter dem Begriff Werkzeuge werden für die Konstruktion lärmarmer Maschinen unerläßliche Hilfsmittel und Fähigkeiten zusammengefaßt. Diese Werkzeuge können unterteilt werden in – Maschinenakustisches Expertenwissen. – Experimentelle Werkzeuge. – Numerische Werkzeuge. Im Interesse einer möglichst effizienten Entwicklung lärmarmer Maschinen und der Einhaltung der inAbschn. 12.2 genanntenAnforderungen kann auf den Einsatz dieser

310

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Werkzeuge nicht verzichtet werden, zumal sich diese in vorteilhafter Weise ergänzen. Der Erfolg bei der Entwicklung lärmarmer Maschinen beruht deshalb heutzutage zu einem wesentlichen Teil auf dem koordinierten Einsatz dieser Werkzeuge. Als problematisch kann sich erweisen, daß nur wenige Konstrukteure umfangreiches Wissen und Erfahrung in der Nutzung all dieser Werkzeuge besitzen. Die Beschäftigung von Experten für all dieser Teilgebiete ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen nicht rentabel. Die aktuelle Entwicklungstendenz im Bereich der experimentellen und numerischen Werkzeuge führt jedoch dahin, die Meßtechnik- und Softwaresysteme anwenderfreundlicher zu gestalten sowie Meß- und Analyseverfahren soweit möglich zu automatisieren. Auf diese Weise soll auch dem Gelegenheitsanwender die (eingeschränkte) Nutzung dieser Werkzeuge ermöglicht werden. Nachfolgend werden die Merkmale dieser Werkzeuge und die Einsatzmöglichkeiten während des Konstruktionsprozesses besprochen: 1. Maschinenakustisches Expertenwissen Merkmale – Kenntnis der relevanten physikalischen Zusammenhänge für die Anregung, Körperschallausbildung und Schallabstrahlung an Maschinen. – Fachwissen und Erfahrungswissen (empirisches Wissen) über die Anwendbarkeit und Wirkung von Modifikationsmaßnahmen. – Erfahrungswissen über die akustischen Eigenschaften vergleichbarer Maschinen. – Kenntnis derAnwendungsmöglichkeiten und Grenzen vonAbschätzverfahren für das Körperschall- und Abstrahlverhalten. – Nutzung moderner Kommunikationsmittel (Netzwerke, Internet-Recherche). – Verfügbarkeit von Datenbanken und von Expertensystemen (Konservieren von Expertenwissen) Einsatzmöglichkeit – Im frühen Stadium des Konstruktionsprozesses, um statistisch wirksame Lärmminderungsmaßnahmen abzuleiten und um diese in das Gesamtkonzept der Konstruktion frühestmöglich einfließen zu lassen. Vermeiden von in akustischer Hinsicht gravierenden, später nicht mehr korrigierbaren Konstruktionsmängeln. (Abschätzverfahren, allgemeine Gestaltungsregeln, Erfahrungswissen). – Im fortgeschrittenen Produktentwicklungsstadium und am Serienprodukt, um maßgeschneiderte Lärmminderungsmaßnahmen für eine gezielte Beseitigung detektierter Mängel zu erarbeiten. Anwendungsgrenzen / Einschränkungen – Die Akquisition bzw. das Erarbeiten von Experten- und Erfahrungswissen ist sehr zeitaufwendig. – Es sind ausgehend vom Expertenwissen und unter Verwendung einfacher Abschätzverfahren nur sehr allgemeine Aussagen über die akustischen Eigenschaften von Maschinen möglich (die Lage von Eigenfrequenzen bzw.

12.3 Werkzeuge für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

311

Körperschall und Luftschallamplituden neuer Maschinen lassen sich nicht hinreichend genau abschätzen). – Prognosen über die Wirksamkeit von Lärmminderungsmaßnahmen an komplexen Strukturen sind mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Es kann nur die Tendenz der Wirkung prognostiziert werden. – Die Anwendung stark vereinfachender Modelle (einfache Abschätzverfahren) für eine Abbildungen realer Strukturen ist ohne an ähnlichen Strukturen gewonnene Anwendungserfahrung mit einer hohen Unsicherheit behaftet. 2. Experimentelle Werkzeuge Merkmale – Moderne Datenerfassungsgeräte, Sensoren und Anregungsgeräte; Meßräume bzw. Prüfstände für die Messung von Anregungskräften sowie Körperschallund Luftschallfeldgrößen. – Einfach bedienbare, an die Problemstellung angepaßte Auswertungssoftware (z.B. experimentelle Modalanalyse, Betriebsschwingformanalyse, Ordnungsanalyse, Schallintensitätsanalyse usw.). – Software zur Ergebnisvisualisierung und Präsentation; Datenexport und Datenaustausch. – An die Aufgabenstellung angepaßte Meßprozeduren (Strategie für experimentelle Analyse). Erfahrungswissen über die Auswahl von Meßprozeduren. – Expertenwissen über Anwendungsbereiche und Grenzen der Meß- und Analyseverfahren sowie über die Auswertung von Meßergebnissen und die Ergebnisinterpretation. – Moderne Kommunikationsmittel (Ergebnisaustausch, Diskussion in der Arbeitsgruppe oder mit auswärtigen Experten). Einsatzmöglichkeiten – Im frühen Entwicklungsstadium für Messungen an Maschinen vergleichbarer Bauart, um problematische Betriebszustände und prinzipielle akustische Probleme frühzeitig erkennen zu können. – Bei Vorhandensein eines serienrelevanten Prototyps, um den akustischen Istzustand zu analysieren. Identifikation von akustisch problematischen Betriebszuständen und Strukturbereichen. Schaffung einer Datenbasis für die Ableitung detaillierter, problemspezifischer Modifikationsmaßnahmen. Überprüfung der Wirksamkeit von am Prototyp umgesetzten Maßnahmen, experimentelle Iteration. Verwendung der Datenbasis für die Nutzung durch numerische Berechnungsverfahren (FEM-Updating, Randbedingungen für BEM). – Am Serienprodukt kann die Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für Körper- und/oder Luftschall überprüft werden. Detektieren von akustisch problematischen Betriebszuständen und Strukturbereichen. Benchmarking mit vergleichbaren Serienprodukten. Sammeln von statistischen Daten, Messung der Streuung akustischer Eigenschaften des Produkts. Anwendungsgrenzen / Einschränkungen – Für die Anwendung experimenteller Werkzeuge wird ein Prototyp oder eine Serienmaschine benötigt.

312

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

– Messungen an nicht seriennahen Prototypen liefern keine brauchbare Datenbasis für eine Detailoptimierung der akustischen Eigenschaften. – Das Vermeiden von Meß- und Auswertungsfehlern erfordert Expertenwissen und Erfahrung. – Die Anwendung moderner experimenteller Werkzeuge sowie die Ergebnisauswertung ist oft zeit- und kostenintensiv. Für manche Meßverfahren ist eine umfangreiche Ausstattung an Meßgeräten und Meßräumen sowie die Verfügbarkeit erfahrener Meßingenieure erforderlich. 3. Numerische Werkzeuge Merkmale – Verwendung moderner CAD-Software, Verfügbarkeit parametrisierter 3DModelle, Verfügbarkeit geeigneter Schnittstellen (Datenexport). – Numerische Berechnungssoftware (FEM und BEM) für das Körperschallund Abstrahlproblem (s. Kap. 8 und 9), Ausführung von Parameterstudien, numerische Optimierungsalgorithmen, Schnittstellen für Updating-Verfahren (Modellanpassung / Abgleich von FE-Modellen mit Ergebnissen experimenteller Untersuchungen). – Ergebnisvisualisierung und Präsentation, Datenexport und Datenaustausch. – Expertenwissen über die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der numerischen Berechnungsverfahren, Expertenwissen über die Modellabbildung technischer Strukturen. – Moderne Kommunikationsmittel (Ergebnisdiskussion in der Arbeitsgruppe oder mit auswärtigen Experten). Einsatzmöglichkeit – Die CAD-Software kann während des gesamten Konstruktionsprozesses für die Entwicklung lärmarmer Maschinen genutzt werden. Sie ermöglicht eine Flexibilisierung des Konstruktionsprozesses, Vereinfachung der Variantenbildung und Prüfung der fertigungstechnischen Umsetzbarkeit. Automatische oder manuelle Vernetzung der parametrisierten Modelle für die Nutzung numerischer Berechnungsverfahren. – Einsatz numerischer Berechnungssoftware im frühen Konstruktionsstadium zu dem noch keine Prototypen verfügbar sind, um die Auswirkungen statistisch breitbandig wirksamer Lärmminderungsmaßnahmen an Gestaltungsvarianten bewerten zu können, Ausführung von Parameterstudien. – Einsatz numerischer Berechnungssoftware im fortgeschrittenen Konstruktionsstadium, um den Einfluß von detaillierten Gestaltungsmodifikationen abzuschätzen und um Aussagen zur Änderung des Körperschall- und Luftschallverhaltens infolge Parametervariationen ermitteln zu können. Gestaltungsvarianten können mit relativ geringem Zeitaufwand hinsichtlich ihrer akustischen Eigenschaften beurteilt werden. Einsatz von Optimierungsverfahren. – Bei Problemen am Serienprodukt können durch den Einsatz numerischer Berechnungssoftware sensitive Strukturbereiche ermittelt und dieAuswirkungen von Abhilfemaßnahmen auf das akustische Verhalten prognostiziert werden.

12.4 Methodisches Vorgehen beim Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen

313

Anwendungsgrenzen / Einschränkungen – Das Vermeiden von Modellierungsfehlern bei der Vernetzung von Strukturen (Modellabbildung) erfordert Expertenwissen und Erfahrung. – Das Modellieren und Berechnen (numerische Berechnungsverfahren) von vollständigen Maschinen erfordert einen hohen Zeit- und Kostenaufwand. – Berechnungsergebnisse an komplexen Strukturen sind mit Unsicherheiten behaftet. – Problematik bei der Modellierung von Füge- und Trennstellen, bei derVorgabe der Strukturdämpfung, inhomogenen Werkstoffen (z.B. Grauguß-Werkstoffe) und überall dort, wo die realen Zustände nicht hinreichend genau bekannt sind, um entsprechend modelliert werden zu können. Derartige Modellierungsfehler führen zu Ergebnisabweichungen, die eine Detailoptimierung der akustischen Eigenschaften auf Basis der Berechnungsergebnisse erschweren. Aus diesen Informationen ist leicht ersichtlich, daß im Rahmen der Entwicklung lärmarmer Maschinen ein koordinierter Einsatz dieser Werkzeuge erforderlich ist, um die Anforderungen aus Abschn. 12.2 zu erfüllen: – Der Maschinenakustik-Experte benötigt für eine Beurteilung der akustischen Eigenschaften einer Maschine Meß- oder Berechnungsergebnisse über den Istzustand bzw. den Modifikationszustand. – Konstruktive Modifikationen können vom Experten nur auf der Grundlage gesicherter Ergebnisse aus Messung und/oder Berechnung abgeleitet werden. – Die Kenntnisse und Erfahrungen des Akustik-Experten werden benötigt, um Meßergebnisse auf Plausibilität prüfen und geeignet interpretieren zu können. – Die Qualität von Ergebnissen numerischer Berechnungen an Maschinen kann nur durch einen Vergleich mit Meßergebnissen bzw. durch eine Plausibilitätsprüfung des Experten beurteilt werden. – Numerische Berechnungsverfahren benötigen aus Meßergebnissen gewonnene Parameter (z.B. modale Dämpfungsgrade) um realitätsnahe Berechnungsergebnisse zu liefern. Diese Aufzählung umfaßt nur einige Beispiele für Abhängigkeiten zwischen den Werkzeugen und könnte erheblich erweitert werden. Es zeigt sich, daß diese Werkzeuge nicht in Konkurrenz zu einander stehen, sondern koordiniert für die Entwicklung lärmarmer Maschinen eingesetzt werden müssen.

12.4 Methodisches Vorgehen beim Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen zur Lärmminderung Anhand der in Kapitel 7 besprochenen naschinenakustischen Grundgleichung (7.2) können die Einflußgrößen für den von der Maschine abgestrahlten Luftschall identifiziert werden. Setzt man voraus, daß das Umgebungsmedium der Maschine Luft ist, stehen folgende Einflußgrößen zur Verfügung:

314

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Abb. 12.2. Beeinflussung des Körperschall- und Abstrahlmaßes einer Platte bei Variation der

Dicke (hA < hB )

– Anregungskräfte (Spektrum und Anregungsort). – Übertragungsverhalten der Maschine (Umsetzung der Anregungskräfte in Körperschall). – Abstrahlung (Umsetzung von Körperschall in Luftschall). Diese Größen können mittelbar durch eine Veränderung des Betriebszustandes (z.B. Last, Drehzahl, Arbeitstakt, Funktionsweise) und eine Änderung der Gesamtoder Detailgestaltung der Maschine bzw. von Komponenten (z.B. ändern der Abmessungen und des Materials, hinzufügen oder entfernen von Elementen) beeinflußt werden. Um die Auswirkung einer Modifikationsmaßnahme abschätzten zu können, genügt es nicht, nur eine Einflußgröße zu betrachten. Folgendes ist zu beachten: – An manchen Maschinen besteht die Möglichkeit, die anregenden Kräfte ohne Rückwirkung auf die Übertragungseigenschaft und den Abstrahlgrad zu beeinflussen. Häufig sind die anregenden Kräfte durch den Arbeitsprozeß bedingt. Eine Beeinflussung der Anregungskräfte führt in solchen Fällen zu einer Änderung des Betriebszustandes und damit zu einer Beeinflussung der Hauptfunktion. Dies ist in der Regel unerwünscht bzw. erfordert weiterführende (und damit kostenintensive) Modifikationen. – Gestaltungsänderungen, die das Übertragungsverhalten der Maschine beeinflussen, wirken sich auch auf den Abstrahlgrad aus. Diese gekoppelte Einflußnahme führt in akustischer Hinsicht oft zu gegensätzlichen Auswirkungen, wodurch das Gesamtergebnis beeinträchtigt wird. Ein Beispiel: Aus der Dickenreduktion einer rechteckigen Stahlplatte resultiert nach Abschn. 5.5 eine Absenkung des Abstrahlgrades (Verminderung der abstrahlbaren Schalleistung), doch zugleich eine Erhöhung der Eigenfrequenzdichte im betrachteten Frequenzbereich (erhöhender Einfluß auf die abgestrahlte Schalleistung). In Abb. 12.2 wird dieser Zusammenhang qualitativ dargestellt. – Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß Maßnahmen, durch welche das Körperschallverhalten günstig beeinflußt wird, das größte Potential zur Minderung des abgestrahlten Luftschalls aufweisen. Maßnahmen zur Reduktion des Körperschalls beinhalten immer eine Einflußnahme auf Maschinenkomponenten, welche an jenen Schwingungsformen der Maschine teilhaben, die einen wesentlichen Beitrag zum abgestrahlten Luftschall lei-

12.4 Methodisches Vorgehen zur Lärmminderung

315

sten. Auch für den Fall, daß eine Körperschallreduktion erreicht werden soll, hängt die geeignete Auswahl von Modifikationsmaßnahmen nicht nur vom Übertragungsund Abstrahlverhalten der Maschine ab. In jedem Fall muß der relevante Betriebszustand berücksichtigt werden, für den die Lärmreduzierung erfolgen soll. Dieser muß mit den Anforderungen (s. Abschn. 12.2) formuliert werden. Ohne eine Definition der relevanten Betriebszustände ist die Ausführung einer Strukturmodifkation nicht sinnvoll. In Abhängigkeit der Struktureigenschaften der Maschine, der relevanten Betriebszustände und der Zielsetzung kann man zwei Arten der Modifikation unterscheiden: 1. Statistisch breitbandig wirksame konstruktive Maßnahmen Merkmale – Statistisch wirksame Modifikationsmaßnahmen sollen zu einer möglichst breitbandigen Reduktion des Körperschallmaßes einer Maschine führen. Es werden dabei sogenannte globale Maßnahmen ergriffen, die in weiten Strukturbereichen zu einer Erhöhung der Steifigkeit oder der Massenbelegung führen. – Als weitere Maßnahme bietet sich eine Erhöhung der Eingangsimpedanzen (z.B. Applikation von Vorschaltmassen an den Krafteinleitungsstellen) oder an schwach gedämpften Strukturen eine Erhöhung der Strukturdämpfung an. – Nutzung von Expertenwissen und Abschätzverfahren, ggf. numerische Simulation bei der Ableitung, Abstimmung und ersten Verifikation der Maßnahmen. Später experimentelle Verifikation am Objekt (Prototyp), ggf. weitere Feinabstimmung. Anwendungsbereiche – Bei hoher Eigenfrequenzdichte der Struktur im relevanten Frequenzbereich. – Stark variierende Betriebszustände, breitbandige Strukturanregung bzw. stark veränderliches Anregungskraftspektrum im gesamten (bzw. in einem weiten) Frequenzband. – Als Basismaßnahme in einem sehr frühen Konstruktionsstadium bei der Neukonstruktion von Maschinen (wesentliche Gestaltungsparameter sind noch änderbar). – Anwendbar auch bei großen Toleranzen der Bauteileigenschaften der Maschine. – Die Auslegung kann ggf. durch Abschätzverfahren oder durch den Einsatz numerischer Berechnungsverfahren (FEM) erfolgen. Anwendungsgrenzen / Einschränkungen – Müssen aufgrund der erforderlichen Gestaltungsfreiheitsgrade in einem sehr frühen Konstruktionsstadium angewendet werden. Können beim Auftreten spezifischer akustischer Probleme im späten Konstruktionsstadium bzw. bei Nachbesserungen aufgrund des hohen Aufwandes (und der damit verbundenen Kosten) kaum mehr angewendet werden. – Hoher Umsetzungsaufwand am Serienprodukt. – Können zu signifikanter Massenerhöhung führen.

316

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

– Statistisch wirksame Maßnahmen können bei schmalbandigen Anregungen bzw. bei spezifischen, bandbegrenzten Betriebszuständen auch zu einer Verschlechterung der akustischen Eigenschaften führen, sofern sie nicht speziell auf diese Betriebszustände abgestimmt wurden. 2. Bandbegrenzt wirksame konstruktive Maßnahmen Merkmale – Modifikationsmaßnahmen bleiben auf lokale Strukturbereiche beschränkt. – Gezielte Einflußnahme auf einzelne Eigenfrequenzen der Maschine durch steifigkeitserhöhende oder -vermindernde Maßnahmen. – Auswahl von zu beeinflussenden Eigenfrequenzen unter Berücksichtigung der Strukturanregung im relevanten Betriebszustand. Die Identifikation der relevanten Eigenfrequenzen erfordert eine schmalbandige experimentelle Analyse des Betriebs- und Übertragungsverhaltens der Maschine. – Gezielte Verbesserung der akustischen Eigenschaften ausschließlich für den relevanten Betriebszustand (und Frequenzbereich). Anwendungsbereich – Geeignet für Strukturen mit geringer und mittlerer Dichte der Eigenfrequenzen. – Geräuschminimierung für definierte Betriebszustände mit eng bandbegrenzter Anregung. – Die Ableitung von bandbegrenzt wirksamen Lärmminderungsmaßnahmen erfolgt im fortgeschrittenem Konstruktionsstadium oder am Serienprodukt. Auf lokale Strukturbereiche beschränkte Modifikationsmaßnahmen können mit vertretbarem Aufwand noch in einem späten Entwicklungsstadium am Produkt umgesetzt werden. – Lokale Modifikationsmaßnahmen sind häufig schnell umsetzbar und mit nur geringen Mehrkosten verbunden. Anwendungsgrenzen / Einsatzmöglichkeiten – Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist nur für spezifische Betriebszustände gegeben, unter deren Berücksichtigung die Modifikationsmaßnahmen abgeleitet wurden. Für andere Betriebszustände kann eine Verschlechterung der akustischen Eigenschaften resultieren. – An Maschinen mit hoher Eigenfrequenzdichte im relevanten Frequenzbereich versprechen lokale, eigenfrequenzselektive Modifikationsmaßnahmen wenig Erfolg. – Die Wirksamkeit der Modifikationsmaßnahmen am Serienprodukt erfordert geringe Toleranzen der Bauteil- /Materialeigenschaften (erhöhte Anforderungen an das Qualitätsmanagement). – Geringfügige Modifikationen der Konstruktion zu späterem Zeitpunkt (z.B. nach Serieneinführung) können die Wirksamkeit der Maßnahmen aufheben bzw. eine Neuanpassung der Maßnahmen erfordern.

12.5 Allgemeine Maßnahmen für die Lärmminderung von Maschinen

317

12.5 Allgemeine Maßnahmen für die Lärmminderung von Maschinen Wertvolle Hinweise für allgemeine Lärmminderungsmaßnahmen an Maschinen enthalten [14, 50]. Ausgangspunkt für allgemeine Überlegungen zur praktischen Geräuschminderung ist die maschinenakustische Grundgleichung (7.2). Sie zeigt, daß es in der Maschinenakustik grundsätzlich drei Ansätze für Maßnahmen zur Geräuschminderung gibt: – Verringerung der Erregerkräfte: Reduzierung des Pegels der Erregerkraft, – Verringerung des Körperschalls auf den abstrahlenden Oberflächen einer Maschine: Reduzierung des Körperschallmaßes, – Verringerung der Abstrahlung: Reduzierung des Abstrahlgrades. Nach der akustischen Grundgleichung (7.3) in Pegelschreibweise addieren sich der Pegel der erregenden Kraft, das Körperschallmaß und das Abstrahlmaß zum Pegel der abgestrahlten Luftschalleistung. Grundsätzlich müssen die Auswirkungen der oben genannten Maßnahmen zur Geräuschminderung in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden. Maßgeblich ist immer das Produkt aus den spektralen Anteilen der Erregerkraft, der mittleren flächengewichteten quadratischen Übertragungsadmittanz und dem Abstrahlgrad bzw. die Summe der Pegel dieser drei Größen. Aus der maschinenakustischen Grundgleichung folgt der nachstehende wesentliche Merksatz 1: Merksatz 1 Konstruktive Maßnahmen zur Geräuschminderung müssen immer hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Erregerkräfte, Körperschallmaß und Abstrahlmaß betrachtet werden. Im allgemeinen kann die Wirkung von konstruktiven Maßnahmen zur Reduzierung des spektralen Anteils der Erregerkraft getrennt von solchen zur Verminderung der flächengewichteten mittleren quadratischen Übertragungsadmittanz und des Abstrahlgrades betrachtet werden. Dagegen beeinflussen konstruktive Maßnahmen zur Verminderung des Körperschall- oder Abstrahlmaßes in der Regel auch die jeweils andere maschinenakustische Kenngröße. Aus der maschinenakustischen Grundgleichung folgt weiter der Merksatz 2. Merksatz 2 Maßnahmen zur Schall Minderung besitzen dann die größte Wirksamkeit, wenn sie zur – Minderung des Luftschalls im Frequenzbereich der größten Amplituden des Schalleistungsspektrums beitragen. – Minderung des Körperschalls im Frequenzbereich der größten Amplituden des Körperschallspektrums beitragen.

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12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Bei der Anwendung des Merksatzes 2 ist ferner zu berücksichtigen, ob die absolute oder die A-bewertete Schalleistung vermindert werden soll. Ist die A-bewertete Schallleistung zu vermindern, so müssen die Amplitudenmaxima der A-bewerteten Spektren als Grundlage der Maßnahmen dienen. Eine Minderung des Schalleistungspegels kann auch dadurch erreicht werden, daß die im gleichen Frequenzbereich liegenden Maxima des Pegels der Erregerkraft und des Körperschallmaßes frequenzmäßig getrennt werden. Eine derartige frequenzmäßige Trennung kann z.B. dadurch erreicht werden, daß die erste Eigenfrequenz der Struktur verändert (i.a. erhöht) wird. In der Regel läßt sich das Erregerspektrum nur schwierig beeinflussen, weil es meistens von der festgelegten Funktion der Maschine bestimmt wird. Der Verlauf des Körperschallmaßes läßt sich aber durch Verändern der ersten Eigenfrequenz der Struktur beeinflussen. So ist es im allgemeinen erfolgversprechend, die Eigenfrequenzen durch geeignete konstruktive Maßnahmen (z.B. Verrippen) zu erhöhen. Diese Maßnahme ist insofern günstig, als der körperschallarme quasistatische Frequenzbereich zu höheren Frequenzen hin ausgeweitet wird. In der Praxis tritt häufig der Fall auf, daß eine Maschine aus mehreren Schallquellen besteht (z.B. Verbrennungsmotor mit Nebenaggregaten wie Ölpumpe, Lichtmaschine usw.). Aus (1.12) folgt der Merksatz 3. Merksatz 3 Umfaßt eine Maschine mehrere Schallquellen, so müssen Maßnahmen zur Verminderung der Schalleistung stets an derjenigen Schallquelle einsetzen, welche den größten Einzelpegel der Schalleistung aufweist. Die Bedeutung dieses Merksatzes wird durch Beispiel 12.5 verdeutlicht. Beispiel 12.1 Gegeben: Eine Maschine besteht aus drei Schallquellen mit folgenden Schalleistungspegeln: Quelle 1 = Quelle 2 : LP dB Quelle 3: LP + A dB Gesucht: Gesamtpegel und Auswirkung der Pegeldifferenz A auf den Gesamtpegel. Lösung: Aus (1.12) folgt

* ) LPges = 10 log 2
10LP=10 + 10(LP +A)=10 dB = LP +
LP ;

mit

* )
LP = 10 log 2 + 10A=10 dB :

Tabelle 12.1 zeigt die Auswirkung der Pegeldifferenz A auf den Gesamtpegel der drei Schallquellen.

12.6 Regeln für die Minderung von Schall

319

Tabelle 12.1. Auswirkungen einer Pegeldifferenz auf den Gesamtpegel von drei Schallquellen

gemäß Beispiel 12.5 A dB 0 5 10 15 20


LP dB 4,8 7,1 10,8 15,3 20,1

Das Beispiel zeigt deutlich (vgl. Tabelle 12.1), daß die Absenkung des Überschusses A des Pegels der Quelle 3 praktisch linear auf den Gesamtpegel durchschlägt, sofern dieser Überschuß um 10 dB oder mehr über dem Grundpegel LP liegt.

12.6 Regeln für die Minderung von Schall In der Konstruktionspraxis haben sich einige allgemein anwendbare Regeln für die Minderung von Maschinenschall herausgebildet. Sie lassen sich anhand der maschinenakustischen Grundgleichung wie folgt strukturieren: – Maßnahmen zur Beeinflussung der Erregerkräfte – Maßnahmen zur Beeinflussung des Körperschallmaßes – Maßnahmen zur Beeinflussung des Abstrahlmaßes Sie werden im folgenden getrennt besprochen. 12.6.1

Beeinflussung der Erregerkräfte

Die Beeinflussung von Erregerkräften ist insofern problematisch, als sie häufig Rückwirkungen auf den Prozeß und damit die Leistung einer Maschine verursacht. Jede konstruktive Maßnahme, durch die Erregerkräfte vermindert werden sollen, muß daher im Gesamtzusammenhang des Konstruktionsprozesses betrachtet werden. Jedoch gibt es einige allgemein gültige Regeln für die Verminderung von Errgerkräften , die im folgenden vorgestellt werden. Regel 12.1 Abrupte Übergänge im zeitlichen Verlauf der Betriebskräfte sind zu vermeiden. Ein stetiger Anstieg und Abfall des zeitlichen Verlaufes der Betriebskräfte mit geringen Gradienten und stetigen höheren Zeitableitungen ist anzustreben. Konstruktive Maßnahmen hierfür sind: – Bei Nockentrieben sind für das Erhebungsgesetz Kurven mit stetigem Verlauf der Krümmung vorzusehen anstelle von aneinandergefügten

320

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Kurvenstücken mit unstetigen Änderungen der Krümmung (z.B. Kreisbögen mit unterschiedlichen Radien). Derartige Erhebungsgesetze mit stetiger Krümmung führen zu einem stetigen Verlauf des sog. Rucks !,  was sich günstig auf das Kraftspektrum auswirkt. – In Getrieben sorgen Zahnflankenkorrekturen (insbesondere bei Schrägverzahnungen) für eine stetige Übertragung des Drehmoments. Solche Korrekturen sind Breitenballigkeit und Kopfrücknahme. – Bei hydraulischen Aggregaten lassen sich Druckpulsationen durch Ausgleichschlitze und -bohrungen vermindern. Regel 12.2 Hochtourig laufende Maschinen sind auf möglichst kleine Restunwucht auszuwuchten. Regel 12.3 Spiele zwischen bewegten Teilen sind unbedingt zu vermeiden, da sie immer zu einem breitbandigen Kraftspektrum mit relativ großer Amplitudendichte führen. Spiele lassen sich durch Vorspannung der bewegten Teile vermeiden. Regel 12.4 Lassen sich Spiele zwischen den bewegten Teilen nicht vermeiden, so sind die Aufprallgeschwindigkeiten klein zu halten, z.B. durch: – Anordnen elastischer Zwischenglieder, – Vergrößern der Nachgiebigkeiten der bewegten Teile. Regel 12.5 Erregerkräfte können durch das „Prinzip der Schrägung“ verringert werden. Beispiele hierfür sind: – Schrägverzahnungen anstelle von Geradverzahnungen. – Drallmesserwellen anstelle von Messerwellen mit geraden Schneidkanten. – Ziehender Schnitt durch Abschrägen der Messerkanten anstelle eines zeitlich gleichen „Hackschnitts“. Regel 12.6 Wenn möglich, sind die Dauern impulsartiger Vorgänge zeitlich zu strecken. Dadurch wird im höherfrequenten Bereich die spektrale Amplitudendichte der Erregung verringert.

12.6 Regeln für die Minderung von Schall

321

Abb. 12.3. Vergleich von zwei Impulsen gleicher Impulsfläche im Zeit- und Frequenzbereich

Ein Beispiel zu Regel 12.6.1 gibt Abb. 12.3. Im linken Teil der Abbildung sind zwei sinusförmige Impulse gleichen „Impulsinhaltes“ dargestellt. Der eine Impuls besitzt genau die doppelte Dauer und die halbe Amplitude wie der andere. Im rechten Teil von Abb. 12.3 findet sich der Pegel des Spektrums. Es ist gut zu erkennen, wie beim länger dauernden Impuls der erste Abfall des Spektrums bei einer deutlich kleineren Frequenz erfolgt. Im gesamten höherfrequenten Bereich liegt die spektrale Amplitudendichte deutlich niedriger als beim Impuls mit der kurzen Impulsdauer. Regel 12.7 Stoßartig verlaufende Kräfte sind zu vermeiden. Eine Begründung für diese Regel wird in Abschnitt 2.3 (insbesondere S. 31) gegeben. Einen wichtigen Beitrag zur Verminderung der Kraftspektren können auch fertigungstechnische Maßnahmen leisten. Grundsätzlich werden die zwischen Wirkflächenpaaren übertragenen dynamischen Kräfte um so kleiner, je höher die Oberflächengüte der Wirkflächen gewählt wird (z.B. Schleifen statt Feindrehen oder Fräsen, geringe Rauhigkeitswerte vorschreiben). Des weiteren ist auf hohe Präzision (Maß- und Formtoleranzen) zu achten. 12.6.2

Beeinflussung des Körperschallmaßes

Von den Strukturkenngrößen Körperschallmaß und Abstrahlmaß läßt sich das Körperschallmaß durch konstruktive Maßnahmen wesentlich einfacher beeinflussen als das Abstrahlmaß. Es gelten folgende Regeln :

Regel 12.8 Die Kräfte sind auf möglichst kompakten, geradwandigen Strukturen zu übertragen. Sie sollen „nicht spazierengeführt“ werden.

322

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Regel 12.9 Der Kraftfluß soll möglichst nicht über schallabstrahlenden Flächen geführt werden (Prinzip der Funktionstrennung). Die kraftführenden Strukturen sind von den Schall abstrahlenden Außenteilen zu trennen und daher als steife, im Inneren der Maschine liegende Bauteile auszuführen. Die Schall abstrahlenden Außenteile sind von den tragenden Strukturen körperschallmäßig abzukoppeln (z.B. dämmende Zwischenlagen großer Nachgiebigkeit). Regel 12.10 An den Einleitungsstellen der Kräfte in die schallabstrahlenden Flächen sind die Impedanzen möglichst groß zu halten. Konstruktive Möglichkeiten sind: – Rippen sind an die Krafteinleitungsstellen heranzuführen. Rippen ohne Anbindung an die Krafteinleitungsstellen erhöhen meistens nur das Gewicht, ohne das Körperschallmaß ausreichend abzusenken. – Rippen müssen an den Gehäusekanten abgestützt werden, sie dürfen nicht „in der Luft hängen“. – Die für Rippen zur Verfügung stehende Masse ist in Form von Höhe und nicht von Breite einzubringen. – Sog. Vorschaltmassen an den Krafteinleitungsstellen erhöhen breitbandig die Eingangsimpedanz. Ein ausgeführtes Beispiel zeigt Abb. 12.4. – Die Aufnahmen für das Anbinden einer Maschinenstruktur sind möglichst nahe an die Ecken des Maschinengehäuses zu legen. Die Ecken des Gehäuses stellen lokale Erhöhungen der Steifigkeit und damit der Impedanz dar. – Im allgemeinen sind ungeteilte Gehäuse (bei gleichen Massen und Abmessungen) günstiger als geteilte. Bei geteilten Gehäusen sind kräftige Flansche vorzusehen. – In Abstimmung mit den Spektren der erregenden Kräfte können Eigenfrequenzen verändert werden. Höhere Eigenfrequenzen (i.a. günstig) lassen sich durchVerrippen und durch größere Biegesteifigkeit (bei möglichst gleich bleibender Masse) erreichen (vgl. Abb. 12.5). Regel 12.11 Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, das Körperschallmaß durch die Dämpfung zu beeinflussen. Wirksam ist hier vor allem die Fugendämpfung (vgl. Abschn. 3.1 und Tabelle 3.2). Sie kann durch folgende konstruktive Maßnahmen beeinflußt werden: – Auf den Gehäusen können sogenannte „Scheuerleisten“ angebracht werden. Die für eine große Strukturdämpfung optimale Vorspannkraft der Befestigungsschrauben muß durch Versuche ermittelt werden. Ein

12.6 Regeln für die Minderung von Schall

323

Abb. 12.4. Anordnung einer Vorschaltmasse in einem Getriebegehäuse

Nachteil der Scheuerleisten ist, daß sich die Vorspannung der Schrauben im Betrieb verringern kann, wodurch auch die Strukturdämpfung absinkt. Eine Abhilfe besteht darin, in festzulegenden Intervallen ein Nachspannen der Befestigungsschrauben mit vorgegebenem Drehmoment vorzuschreiben (zusätzlicher Wartungsaufwand für den Betreiber). – Bei geteilten Gehäusen kann die Strukturdämpfung ebenfalls durch versuchsmäßig zu ermittelnde Vorspannung der Schrauben maximal gehalten werden. 12.6.3

Beeinflussung des Abstrahlgrades

Grundsätzlich gilt folgende Regel: Regel 12.12 Um einen kleinen Abstrahlgrad zu erreichen, ist die Maschine möglichst kompakt zu konstruieren. Dadurch verhält sich die Maschine im wesentlichen wie ein Kugelstrahler. Durch kompakte Abmessungen steigt nach (5.9) die Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz, und damit sinkt gemäß (5.8) der Abstrahlgrad im tieffrequenten Bereich. Bei Strukturen, die entweder plattenförmig oder aus Platten zusammengesetzt sind, spielt die Koinzidenzfrequenz (vgl. Abschn. 5.5.2) eine wichtige Rolle bei der

324

12 Methoden für die Entwicklung lärmarmer Maschinen

Abb. 12.5. Konstruktive Maßnahmen zur Erhöhung der Biegesteifigkeit

Abb. 12.6. Biegeweiche Platte hoher Massenbelegung (nach Müller u.a.)

Beurteilung der zu erwartenden Schallabstrahlung. Die Koinzidenzfrequenz hängt bei Platten gemäß (5.16) von der Massenbelegung m0 und der Biegesteifigkeit B ab. Eine große Massenbelegung bei geringer Biegesteifigkeit erhöht die Koinzidenzfrequenz. Z.B. wird eine Erhöhung der Koinzidenzfrequenz durch Belegen der abstrahlenden Oberfläche mit einer Schicht aus Blei erreicht. Eine konstruktive Möglichkeit zeigt Abb. 12.6. Für die Beeinflussung des Abstrahlgrades entscheidend ist die Lage der dominanten Frequenzen zur Koinzidenzfrequenz. Folgende Fälle sind zu unterscheiden: – Die dominante Frequenz liegt deutlich unterhalb der Koinzidenzfrequenz (

c ) und der Kolbenstrahler-Eckfrequenz nach (5.17). Dann kann die Abstrahlung durch kompakte Bauweise verringert werden. – Liegt die dominante Frequenz in der Größenordnung der Koinzidenzfrequenz (

c ), so soll versucht werden, die Koinzidenzfrequenz durch Vergrößern der Massenbelegung bei möglichst konstanter Biegesteifigkeit zu erhöhen.

12.6 Regeln für die Minderung von Schall

325

– Liegt die dominante Frequenz deutlich oberhalb der Koinzidenzfrequenz (

c ), so ist es nicht möglich, die letztere so weit anzuheben, daß der Abstrahlgrad durch Ausbilden des akustischen Kurzschlusses vermindert wird. In diesem Fall bestehen keine Möglichkeiten, den Abstrahlgrad zu verringern. Regel 12.13 Bei Strukturen mit plattenförmigen Wänden ist eine geringe Wandstärke vorteilhaft (vgl. hierzu Abschnitt 5.3 S. 104). Sie wirkt sich aber i.a. ungünstig auf das Körperschallmaß aus.

Zusammenfassung Die für dieAnwendungen wesentlichen Ergebnisse sind in Form knapp gefaßter Regeln in Abschn. 12.6 enthalten.

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen Zielsetzung und Inhalt dieses Kapitels: – Anforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Geräuschminderung (Abschn. 13.1) – Die Schallentstehungskette als Modell für die direkte und indirekte Erzeugung von Geräuschen bei Maschinen und Anlagen (Abschn. 13.2) – Regeln für die Reduktion der Anregung, Übertragung und Abstrahlung von Schall (Abschn. 13.3 bis 13.5) – Ein Beispiel für die Minderung von Geräuschen (Abschn. 13.6) – Typische Anregungs- und Resonanzfrequenzen bei Maschinen und Anlagen (Tabellen 13.4 und 13.5) Hersteller von Maschinen und Anlagen müssen in der Betriebsanleitung Angaben über die Geräuschemission machen. Damit wird das Maschinengeräusch zu einem Wettbewerbsfaktor zwischen konkurrierenden Produkten. Zusätzlich legt der Gesetzgeber Grenzwerte für die Geräuschimmission am Arbeitsplatz und in der Umwelt fest. Diese Auflagen sollen gesundheitliche Schäden und Einschränkungen der Arbeitssicherheit und der Leistungsfähigkeit durch die Einwirkung von Lärm auf den Menschen ausschließen oder zumindest auf ein Minimum reduzieren. Auch die Komfortwünsche der Kunden führen neben den funktionalen Produktanforderungen zu einer zunehmenden Bedeutung der maschinenakustischen Eigenschaften. Die daraus resultierenden Forderungen nach geräuscharmen und zugleich kostengünstigen Konstruktionen, kurzen Entwicklungszeiten, einem sparsamen Umgang mit Werkstoffen sowie steigenden Leistungsdichten erfordern eine systematische Vorgehensweise zum Erreichen dieser Ziele. Aufgrund der komplexen Zusammenhänge der Geräuschentstehung kann eine allgemeingültige Lösung nicht angegeben werden. Doch bieten die folgenden Abschnitte im Rahmen einer systematischen Betrachtung Hilfestellungen um Lösungen zu finden. Aus der Literatur werden exemplarisch folgende Publikationen zitiert [15, 26, 27, 50, 52, 53]. Im Rahmen der Ausführungen werden folgende Begriffsdefinitionen verwendet: – Schall: Mechanische Schwingungen in gasförmigen, flüssigen und festen Medien im akustischen Frequenzbereich (16 Hz bis 16 kHz) – Geräusch: Im Betrieb von Maschinen und Anlagen erzeugter Schall – Lärm: Gesundheitsschädliches oder störendes Geräusch

328

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

13.1 Anforderungen an konstruktive Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen In der Konstruktionsmethodik wird bei der Neuentwicklung eines Produktes nach funktionellen (z.B. Arbeitsergebnis, Leistungsfähigkeit, Einsatzbereich) und betrieblichen (z.B. fertigungs-, montage-, recyclinggerecht, geräuscharm, unfallsicher) Anforderungen unterschieden. Daraus leiten sich bei der Entwicklung von geräuscharmen Konstruktionen folgende Bedingungen ab: Technische Bedingungen – Keine Beeinträchtigung von Arbeitsergebnis, Leistungsfähigkeit und Einsatzbereich – Einhaltung von Grenzwerten für die abgestrahlte Schalleistung oder für den Schalldruck am Aufstellungsort – Beachtung von thermischen Bedingungen (z.B. Kühlung) – Keine oder möglichst geringe Zunahme der Masse – Montage- und recyclinggerechte Umsetzbarkeit – Nachrüstbarkeit bei bestehenden Produkten – Gewährleistung der Arbeitssicherheit Finanzielle Bedingungen – Möglichst geringe Kosten für akustische Untersuchungen – Keine bzw. möglichst geringe zusätzliche Herstellkosten und Betriebskosten – Kompensation von zusätzlichen Herstellkosten durch eine bessere Wettbewerbsfähigkeit Zeitliche Bedingungen – Möglichst geringer Zeitaufwand für akustische Untersuchungen – Schnelle Umsetzbarkeit der erforderlichen Maßnahmen, vor allem bei Reklamationen – Geringer administrativer Aufwand (z.B. Abstimmung mit anderen Abteilungen, Zulieferfirmen) Zwischen den technischen Bedingungen einerseits und den finanziellen und zeitlichen andererseits entstehen Interessenkonflikte. Die gewählten Maßnahmen zur Geräuschminderung müssen daher ein Kompromiß zwischen den zum Teil widersprüchlichen Bedingungen sein. Der Konstrukteur soll sich zur Erfüllung der finanziellen und zeitlichen Bedingungen immer vergegenwärtigen, daß keine Verbesserung der akustischen Eigenschaften über die Forderungen des Lastenheftes hinaus erbracht werden muß. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen Formulierung der akustischen Ziele vor Beginn des Konstruktionsprozesses bei neuen Maschinen bzw. vor Beginn der Untersuchungen an bestehenden Produkten.

13.2 Schallentstehungskette

329

Abb. 13.1. Verfeinertes Modell der direkten und indirekten Erzeugung von Schall bei Maschinen (Schallentstehungskette)

13.2 Schallentstehungskette Ist das Umgebungsmedium der Maschine Luft, lassen sich die verschiedenen Mechanismen der Schallentstehung auf zwei Grundtypen zurückführen (vgl. Abb. 13.1). Direkt erzeugter Luftschall entsteht durch unmittelbare Schwingungsanregung der Luftteilchen bei Strömungsvorgängen. Bei indirekt erzeugtem Luftschall regen dynamische Vorgänge (Körperschall und/oder Flüssigkeitsschall) im Inneren der Ma-

330

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

schine die Struktur zu Schwingungen (Körperschall) an, die an der Oberfläche als Luftschall abgestrahlt werden. Die einzelnen Teilvorgänge, auf die in den folgenden Abschnitten weiter eingegangen wird, sind: – Schallanregung, – Schallübertragung, – Schallabstrahlung. Vor dem Durchführen von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen muß die untersuchte Maschine in schallanregende, schallübertragende und schallabstrahlende Komponenten unterteilt werden. Unter Berücksichtigung der relevanten Betriebsbedingungen ist es sinnvoll, zunächst an denjenigen Maschinenteilen oder Baugruppen Modifikationen durchzuführen, welche die dominierendenAnteile zum abgestrahlten Geräusch beitragen. Die folgende Beschreibung der unterschiedlichen Geräuschentstehungsmechanismen erfolgt in Anlehnung an die Darstellung der Schallentstehungskette nach Abb. 13.1. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der beteiligten physikalischen Mechanismen kann diese Aufzählung nicht vollständig sein. Sie soll dem Konstrukteur stichwortartige Hinweise geben, wie er seine Konstruktion überprüfen und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen treffen kann. Weitere Hinweise und umfangreiche Beispielsammlungen finden sich u.a. in [50].

13.3 Reduktion der Schallanregung 13.3.1

Körperschallquellen

Körperschallerregte Geräusche liegen vor, wenn durch einen Arbeitsprozeß die dynamischen Anteile der Betriebskräfte Maschinenteile zu mechanischen Schwingungen anregen und diese an der Oberfläche als Luftschall abgestrahlt werden. Bei der Krafterregung liegen die schwingenden Maschinenteile im Kraftfluß der Betriebskräfte. Bei der Geschwindigkeits- oder Fußpunkterregung sind die geräuschabstrahlenden Strukturen an schwingenden Maschinenteilen befestigt (vgl. hierzu auch Kap. 6, Abb. 6.1). An den Befestigungsstellen werden die Strukturen durch Aufprägen einer Schwinggeschwindigkeit zu Schwingungen angeregt. Die folgenden Mechanismen können Maschinenstrukturen zu Körperschall anregen. – Stoß und Impuls Stoßgeräusche entstehen beim Aufeinanderprallen von bewegten Maschinenteilen. Der wichtigste Parameter neben der Masse und der Stoßgeschwindigkeit der beteiligten Bauteile ist die Stoßdauer. Stöße sind immer mit einem breitbandigen Kraftspektrum mit hoher Amplitudendichte verbunden. Periodische Stöße erzeugen ein periodisches Kraftspektrum mit der Stoßfrequenz und ihren Harmonischen. Viele Mechanismen der Geräuschentstehung können als periodische Stöße aufgefaßt werden.

13.3 Reduktion der Schallanregung

331

Maßnahmen zur Reduktion von Stoßgeräuschen: – Vergrößerung der Stoßdauer durch Anwendung des „Prinzips der Schrägung“: z.B. Werkzeuge mit schrägen Schneidkanten, abrupte Übergänge im zeitlichen Verlauf der Betriebskräfte vermeiden, z.B. stetige Übergänge bei Kurvengetrieben mit unterschiedlichen Krümmungen (stetige höhere Zeitableitungen), gezieltes „Ablegen und Führen“ statt freier Bewegung z.B. beim Stückguttransport. – Vermeiden von Spielen durch Vorspannen der bewegten Bauteile, Auswahl geeigneter Passungen. – Verminderung der Stoßgeschwindigkeit durch Optimierte Weg-Zeit-Verläufe in den Totpunkten bei oszillierenden Bewegungen, Anordnen elastischer Zwischenglieder, Vergrößern der Nachgiebigkeiten bewegter Bauteile. – Gestaltung der beteiligten Massen durch Verringerung der Masse des beweglichen, stoßenden Bauteils, Vergrößerung der Masse des stehenden Bauteils.

– Zahneingriff Selbst bei konstantem zu übertragenden Drehmoment und konstanter Winkelgeschwindigkeit des Antriebs treten funktionsbedingt dynamische Kräfte und eine ungleichförmige Winkelgeschwindigkeit der Abtriebs auf. Neben dem Eingriffsstoß ist die wechselnde Zahnsteifigkeit der sich abwälzenden Zahnpaare entlang der Eingriffsstrecke (Parameteranregung) hauptsächlich für die Geräuschanregung verantwortlich. Ferner führen geometrische Abweichungen wie z.B. Zahnfehler, Teilungsfehler oder Rundlauffehler zu weiteren Geräuschanregungen. Maßnahmen zur Reduktion von Geräuschen beim Zahneingriff: – Erhöhung des Überdeckungsgrades und der Zähnezahl (Vergrößerung der Stoßdauer), – Schrägverzahnung anstelle von Geradverzahnung („Prinzip der Schrägung“), – Einsatz von Zahnflankenkorrekturen (z.B. Kopfrücknahme, Breitenballigkeit und Hochverzahnung) für eine gleichmäßigere Drehmomentübertragung, – Ganzzahlige Übersetzungsverhältnisse vermeiden (damit nicht immer die selben Zahnpaare im Eingriff stehen), – Abstimmung der erforderlichen Verzahnungsqualität.

– Massenkraft Massenkräfte werden durch oszillierende Bewegungen (z.B. Kurbeltrieb oder Kurvengetriebe) oder Unwuchten bei rotierenden Bewegungen erzeugt.

332

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Maßnahmen zur Reduktion von Massenkräften: – Hochtourig laufende Wellen auf eine möglichst kleine Restunwucht auswuchten, – Reduktion von betriebsbedingten Drehzahlschwankungen durch Schwungmassen, – Massenausgleich bei oszillierenden Bewegungen vorsehen, – Reduktion der bewegten Massen und der auftretenden Beschleunigungen, – Erhöhung der Stetigkeit der Bewegung. – Abrollgeräusche Die beiAbroll- undAbwälzvorgängen erzeugten dynamischen Kräfte werden maßgeblich durch die Oberflächengüte in der Kontaktzone beeinflußt. Unregelmäßig rauhe Oberflächen führen zu einer breitbandigen Anregung, Oberflächen mit periodischen Formabweichungen (z.B. Rattermarken) ergeben tonale Anregungen. Maßnahmen zur Reduktion von Abrollgeräuschen: – Erhöhung der Oberflächengüte (z.B. Schleifen statt Feindrehen), – Erhöhung der Maßhaltigkeit (z.B. Form- und Lagetoleranz), – Einsatz von Gleit- anstelle von Wälzlagern, – Erhöhung der Stetigkeit der Bewegung (z.B. harmonisches Bewegungsgesetz bei Kurvengetrieben), – Erhöhung der Nachgiebigkeiten in der Kontaktzone. – Reibung Bei Gleitvorgängen (z.B. in Reibkupplungen, Zahnradgetrieben oder Gleitführungen) können (ähnlich wie bei den Rollgeräuschen) Unebenheiten oder Unstetigkeiten an Übergangsstellen in den Gleitflächen Schwingungen anregen. Darüber hinaus können schwankende Reibfaktoren und/oder schwankende Normalkräfte zu ruckenden Gleitbewegungen (Stick-Slip) und damit zu stoßartigen Schwingungsanregungen führen (z.B. Rattern von Werkzeugen, Bremsenkreischen, Rubbeln von Scheibenwischern). Diese Schwingungsphänomene werden auch als selbsterregte Schwingungen infolge der nichtlinearen Reibung bezeichnet. Maßnahmen zur Reduktion von durch Reibung verursachten Geräuschen: – Erhöhung der Oberflächengüte, – Reduktion der Reibung durch Auswahl einer geeigneten Materialpaarung, – Reduktion der Reibung durch Auswahl einer geeigneten Schmierung, – Reduktion der die Reibung verursachenden Normalkraft, – Reduktion der Gleitgeschwindigkeit. – Magnetfeld Durch magnetische Wechselkräfte im Luftspaltfeld und in Wicklungen elektrischer Maschinen erzeugte Geräusche sind stets tonal. Bei netzbedingten Geräuschen von Motoren verursachen Oberwellen der Netzspannung Schwankungen des Luftspaltfelds und der Wicklungsströme. Dies führt zu Wechselmomenten in Welle und Ständer sowie den angeschlossenen Bauteilen. Maschinenbedingte

13.3 Reduktion der Schallanregung

333

Geräusche sind auf eine Anisotropie der magnetischen Eigenschaften der Maschine z.B. aufgrund von Nutung, Nichtlinearitäten im ferromagnetischen Werkstoff oder unsymmetrischen Wicklungsverteilungen zurückzuführen [17]. Schließlich können die Gleitkontakte der Stromübertragung zwischen festem und rotierendem Teil zu weiteren Geräuschanregungen beitragen. Maßnahmen zur Reduktion von durch wechselnde Magnetfelder verursachten Geräuschen: – Möglichst rotationssymmetrische Magnetfelder durch geeignete Auswahl von Form und Lagetoleranzen der magnetisch wirksamen Bauteile erzeugen, – Auswahl geeigneter magnetisch homogener Werkstoffe, – Schräg verlaufende Ankernuten. Weitere Hinweise finden sich in [17]. 13.3.2

Flüssigkeitschallquellen

Bei hydraulischen Maschinen und Anlagen wird das unter Druck stehende Medium hauptsächlich durch Druckausgleichs- und Strömungsvorgänge angeregt. Der erzeugte Luftschall entsteht indirekt. Der Flüssigkeitsschall regt zunächst die umgebende Maschinenstruktur zu Schwingungen an, die dann an der Oberfläche als Luftschall abgestrahlt werden. – Pulsation Durch das diskontinuierliche Förderprinzip bei hydraulischen Pumpen und Motoren (z.B. Kolben- oder Zahnradpumpe) erzeugen die kinematisch bedingten Volumenstrompulsationen im angeschlossenen Leitungssystem Druckpulsationen. Aufgrund der Kompressibilität der verwendeten Druckflüssigkeiten werden durch Druckausgleichsvorgänge während des Umsteuerns von der Niederdruck- auf die Hochdruckseite zusätzliche (meist höhere) Druckpulsationen erzeugt. Diese werden maßgeblich durch die Geometrie der Umsteuerbereiche beeinflußt. Durch die drehenden Bauteile dieser Maschinen sind die entstehenden Geräusche stets tonal. Maßnahmen zur Reduktion von Pulsation: – Reduktion der Drehzahl, – Reduktion des Betriebsdruckes (z.B. Reihenschaltung von Pumpen), – Zeitliche Dehnung der Druckausgleichsvorgänge (z.B. durch Vorsteuerkerben oder Ausgleichvolumina), – Reduktion der Volumenstromschwankungen durch Erhöhen der Anzahl der Förderelemente, – Auswahl geeigneter Maschinenbauarten (z.B. Zahnradpumpe statt Kolbenpumpe). – Druckstoß Bei Ventilen können schnelle Öffnungs- und Schließvorgänge durch Druckausgleichsvorgänge zwischen den angeschlossenen Volumen stoßartige Druckwellen erzeugen. Diese Druckwellen können federnd gelagerte Ventilkörper zu Schwingungen anregen und somit tonale Geräusche verursachen.

334

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

– Turbulenz Strömungsgeräusche können durch Turbulenz im Leitungssystem erzeugt werden. Turbulenz entsteht durch zu hohe Strömungsgeschwindigkeiten (durch Überschreiten der kritische Reynoldszahl). Turbulenz verursachende Strömungen treten insbesondere an Hindernissen, Querschnittsprüngen oder starken Umlenkungen im Leitungssystem auf. Diese Geräusche sind stets breitbandig und meist hochfrequent. Maßnahmen zur Reduktion von Druckstößen und Turbulenz: – Reduktion des Betriebdruckes (z.B. durch Reihenschaltung), – Zeitliche Dehnung der Druckausgleichsvorgänge (z.B. durch Vorsteuerkerben, Ventilöffnungsfläche möglichst groß und langsam öffnen), – Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit, – Vermeiden von Hindernissen in der Strömung, – Verbesserung der Strömungsführung (z.B. stetige Querschnittsübergänge, scharfkantige Umlenkungen oder Verzweigungen vermeiden). 13.3.3

Luftschallquellen

Luftschallerregte Geräusche werden durch Strömungs- oder Bewegungsvorgänge direkt in der die Maschine umgebenden Luft verursacht. Ursachen sind Turbulenzen beim Umströmen von feststehenden oder bewegten Hindernissen oder Stöße und Pulsationen bei Druckausgleichsvorgängen. Sind die dabei entstehenden Wirbel und Wirbelablösungen örtlich und zeitlich instationär, entstehen breitbandige Geräusche. Das ist z.B. in Kanalströmungen, beim Strahlzerfall von Aus- oder Abblaseeinrichtungen oder bei Ventilatoren der Fall. Tonale Geräusche werden bei der Anregung von Hohlraumresonanzen z.B. beim Umströmen von scharfen Kanten, Schneiden oder Spalten erzeugt. Periodisch gestörte Wirbelablösungen z.B. an feststehenden Leitschaufeln von Ventilatoren oder periodische Druckausgleichsvorgänge z. B. in der Ansaug- und Abgasanlage von Verbrennungsmotoren führen ebenfalls zu tonalen Geräuschen. Maßnahmen zur Reduktion luftschallerregter Geräusche: – – – – – –

Reduktion des Betriebsdruckes, Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit, Zeitliche Dehnung der Druckausgleichsvorgänge, Vermeiden von Hindernissen in der Strömung oder in der Nähe eines Rotors, Reduktion der Drehzahl oder der Umfangsgeschwindigkeit von Rotoren, Verbesserung der Strömungsführung.

13.4 Reduktion der Schallübertragung

335

Zusammenfassung zur Reduktion der Schallanregung – – – – – –

Kraftamplitude reduzieren, zeitlichen Verlauf dehnen Stöße und Laufspiele vermeiden Eingangsimpedanz erhöhen (Zusatzmassen) Masse, Geschwindigkeit und Beschleunigung bewegter Teile reduzieren Strömungsführung optimieren Verdichtungs- und Entspannungsvorgänge optimieren

13.4 Reduktion der Schallübertragung Die Schallübertragung erfolgt entsprechend dem beteiligten Medium in Form von Körper-, Flüssigkeits- oder Luftschall. Bei der indirekten Schallübertragung erreicht der ursprünglich von einer Quelle erzeugte Schall erst nach u.U. mehrfacher Umwandlung zwischen Körper-, Flüssigkeits- und Luftschall den Schallempfänger am Immissionsort. Werden auf den Übertragungswegen Eigenschwingungen der beteiligten Bauelemente angeregt, kann der übertragene Schall durch Resonanzschwingungen verstärkt werden. Die Schallübertragung kann durch – Schalldämmung, – Schalldämpfung – und ein auf die Anregungsfrequenzen abgestimmtes Eigenschwingungsverhalten der beteiligten Übertragungselemente beeinflußt werden. 13.4.1

Schalldämmung und Schalldämpfung

Schalldämmung ist die Behinderung der Schallausbreitung durch reflektierende Hindernisse (Sprung der mechanischen Impedanz). Die Reflexion ist um so besser, je größer der Unterschied der mechanischen Impedanzen der beteiligten Stoffe ist. Die Dämmung von Luftschall erfolgt daher mit hartem und schweren Material (Kapselung). Die Dämmung von Körperschall wird in Kapitel 6 behandelt. Schalldämpfung ist die Behinderung der Schallausbreitung durch Absorption von Schallenergie (Dissipation). Die Dämpfung von Körperschall erfolgt durch die Werkstoffdämpfung in Bauteilen, Reibungsdämpfung in Konstruktionsfugen von zusammengebauten Strukturen und durch den Einsatz von speziellen Materialien mit hoher Dämpfung (vgl. hierzu Kapitel 3). Für eine möglichst reflexionsfreie Absorption müssen die mechanischen Impedanzen der beteiligten Stoffe dicht beieinander liegen z.B. schwere Entdröhnbeläge bei Blechkonstruktionen für Körperschall oder schallschluckende Raumauskleidungen für Luftschall.

336

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

– Körperschalldämmung und -dämpfung Die physikalischen Wirkmechanismen der Körperschalldämpfung sind in Kapitel 3 und die der Körperschalldämmung bzw. -abkopplung in Kapitel 6 dargestellt. – Luftschalldämmung und -dämpfung Zur Luftschalldämpfung in Kanälen, in Rohrleitungen oder an Öffnungen von Kapselungen werden breitbandig wirkende dissipative Schalldämpfer (Absorptions-, Relaxations- oder Drosselschalldämpfer) eingesetzt. Für die Luftschalldämmung kommen meist nur schmalbandig wirkende Reflexions- bzw. Impedanzschalldämpfer (Resonanz- oder Interferenzschalldämpfer) zum Einsatz. Hinweise zur Auslegung und Gestaltung von Maßnahmen zur Reduktion der Luftschallübertragung in Kanälen und Rohrleitungen geben [18]. Ist der Luftschall bereits abgestrahlt, kann die Schallübertragung von der Quelle zum Immissionsort nur durch eine (möglichst vollständige) Kapselung der Quelle oder des Immissionsortes vermindert werden. Gestaltungshinweise geben [47, 48, 49]. – Flüssigkeitsschalldämmung und -dämpfung Die Eigenschaften des Flüssigkeitsschalls unterscheiden sich außer bei sehr zähen Flüssigkeiten nicht von denen des Luftschalls. Die beim Luftschall gemachten Aussagen sind daher übertragbar. Gestaltungshinweise geben [51]. Bei Realisierung der verschiedenen Schalldämmungs- und Schalldämpfungsmaßnahmen ist zu beachten, daß sich dadurch die Steifigkeit und damit auch das dynamische Verhalten des Systems verändern kann. Das ist besonders wichtig beim Ansprechund Übertragungsverhalten von hydraulischen Anlagen und Steuerungen. 13.4.2

Eigenschwingungsverhalten der Übertragungselemente

Der Abstimmung des Eigenschwingungsverhaltens der beteiligten Übertragungselemente kommt eine zentrale Bedeutung zu. Treffen auf dem Übertragungsweg Anregungsfrequenzen mit Eigenfrequenzen zusammen, können Resonanzschwingungen zu einer Verstärkung des Schallflusses führen. Bei abgeschlossenen Luftoder Flüssigkeitsvolumen treten diese Resonanzschwingungen in Form von stehenden Wellen auf. Eine Verschiebung dieser Eigenfrequenzen ist durch eine Änderung der Abmessungen z.B. Volumengröße oder Leitungslänge relativ einfach möglich. Hinweise sind in Tabelle 13.5 aufgeführt. Bei Luft- und Flüssigkeitsschall treten nur Longitudinalwellen (Dichtewellen) auf. Wesentlich komplexer ist das Eigenschwingungs- bzw. Körperschallverhalten von festen Körpern. Neben Longitudinalwellen treten auch Transversalwellen und Kombinationen beider Wellenarten auf. Dazu zählen Schub-, Dehn, Oberflächenund Biegewellen. Innerhalb eines festen Körpers findet an Kanten und Querschnittsprüngen stets eine Umwandlung der verschiedenen Wellenarten ineinander statt. Für die Abstrahlung von Luftschall besitzen die Biegewellen die größte Bedeutung (vgl. hierzu Abschn. 5.5).

13.4 Reduktion der Schallübertragung

337

Maßnahmen zur Reduktion des Körperschalls (Körperschallmaß) durch Änderung von Masse und Steifigkeit und Empfehlungen für die Wahl von geeigneten Krafteinleitungsstellen: – Kräfte auf möglichst kompakten, geradwandigen Strukturen übertragen. – Kräfte möglichst nicht über schallabstrahlende Flächen führen, falls möglich die kraftführenden Strukturen von den Schall abstrahlenden Außenteilen trennen (Funktionstrennung). Die schallabstrahlenden Außenteile von den kraftführenden Strukturen körperschallmäßig entkoppeln. – An den Einleitungsstellen der Kräfte in die schallabstrahlenden Flächen die Eingangsimpedanzen möglichst groß gestalten: Rippen an die Krafteinleitungsstellen führen, Rippen an den Gehäusekanten abstützen, sie dürfen nicht „frei in der Luft hängen“, die für Rippen zur Verfügung stehende Masse in Form von Höhe und nicht von Breite vorsehen, sogenannte Vorschaltmassen an den Krafteinleitungsstellen vorsehen (breitbandige Wirkung, vgl. hierzu Abschn. 4.4.3), die Befestigungsstellen der Maschinenstruktur an möglichst steife Stellen z.B. nahe an die Ecken der Maschinenstruktur legen. – Abstimmung der Eigenfrequenzen mit den Spektren der erregenden Kräfte durch Verändern der Biegesteifigkeit durch den Einsatz von: biegeweichen Massenbeläge und Zusatzmassen, Rippen und Sicken, Verbundkonstruktionen (Sandwichstrukturen), Umverteilung der Wandstärke bei gleichem Masseeinsatz. – Die Krafteinleitungsstellen in Schwingungsknoten oder möglichst schwingungsarme Bereiche der Struktur legen.

Zusammenfassung zur Reduktion der Schallübertragung – Behinderung der Schallausbreitung durch Reflexion (Schalldämmung) – Luftschalldämmung oder Flüssigkeitsschalldämmung durch Resonanz- oder Interferenzschalldämpfer oder durch hartes und schweres Material (Kapselung) – Körperschalldämmung durch weiches Material (Abkopplung) – Behinderung der Schallausbreitung durch möglichst reflexionsfreie Absorption (Schalldämpfung) – Luftschalldämpfung durch schallschluckende Auskleidungen – Körperschalldämpfung durch Reibungsdämpfung in Konstruktionsfugen und schwere Entdröhnbeläge – Abstimmung des Eigenschwingungsverhaltens durch Verschieben der Eigenfrequenzen in anregungsarme Frequenzbereiche

338

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

13.5 Reduktion der Schallabstrahlung Die Reduktion des direkt abgestrahlten Luftschalls wird in Abschn. 13.3.3 behandelt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den körperschallerregten indirekt abgestrahlten Luftschall. Maßnahmen zur Reduktion des indirekt abgestrahlten Luftschalls: – Maschine möglichst kompakten bauen, verkleinern der abstrahlfähigen Oberflächen, – Einsatz von schwingungsdämpfenden Belägen (Entdröhnmaterialien), – Ausnutzen des akustischen Kurzschlusses von Lochblechen (z.B. für Schüttgutbehälter oder Schallschutzkapseln), – Bei plattenförmigen Strukturen möglichst geringe Wandstärken vorsehen (s. Abschn. 5.5). Die Maßnahmen zum Abstrahlverhalten wirken sich auch auf das Körperschallverhalten aus. Diese Kopplung führt aus akustischer Sicht oft zu gegensätzlichen Auswirkungen, wodurch das Gesamtergebnis beeinträchtigt wird. Da das Abstrahlverhalten von körperschallerregten Strukturen im Bereich der vollen Abstrahlung einen Grenzwert besitzt, haben Maßnahmen zur Reduktion des Körperschalls in den meisten Fällen das größere Potential zur Minderung des abgestrahlten Luftschalls.

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel In diesem Abschnitt wird anhand von sehr einfachen Beispielen (glatte und verrippte rechteckige Platten) das komplexe Wechselspiel der akustischen Einflußgrößen aufgezeigt. Anhand der in Kap. 7 besprochenen maschinenakustischen Grundgleichung (7.2) für die indirekte Schallentstehungskette können die Einflußgrößen für den von der Maschine abgestrahlten Luftschall identifiziert werden. Ist das Umgebungsmedium der Maschine Luft, stehen folgende Einflußgrößen zur Verfügung: – Anregungskräfte (Spektrum und Anregungsort), – Übertragungsverhalten der Maschine (Umsetzung der Anregungskräfte in Körperschall) – Abstrahlung (Umsetzung von Körperschall in Luftschall) Diese Größen können mittelbar durch eine Veränderung des Betriebszustandes (z.B. Last, Drehzahl, Arbeitsprinzip) und/oder eine Änderung der Gesamt- oder Detailgestaltung der Maschine bzw. ihrer Komponenten (z.B. ändern der Abmessungen und/oder des Materials, hinzufügen oder entfernen von Elementen) beeinflußt werden. Um die Auswirkung einer Modifikationsmaßnahme abzuschätzen, genügt es nicht, nur eine einzige Einflußgröße zu betrachten. Folgendes ist zu beachten: – Die anregenden Kräfte sind durch den Arbeitsprozeß bedingt. Eine Beeinflussung der Anregungskräfte kann zu einer Änderung des Betriebszustandes und damit zu

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel

339

einer Beeinflussung der Hauptfunktion führen. Das ist in der Regel unerwünscht bzw. erfordert weiterführende (und damit kostenintensive) Modifikationen. – Gestaltungsänderungen, die das Übertragungsverhalten der Maschine beeinflussen, wirken sich auch auf den Abstrahlgrad aus. Diese gekoppelte Einflußnahme führt in akustischer Hinsicht oft zu gegensätzlichen Auswirkungen, wodurch das Gesamtergebnis beeinträchtigt wird. – Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß Maßnahmen, die das Körperschallverhalten günstig beeinflussen, das größte Potential zur Minderung des abgestrahlten Luftschalls aufweisen. 13.6.1

Untersuchte Varianten

Zur Veranschaulichung von bewährten Maßnahmen und deren Auswirkungen und Zusammenspiel auf die Geräuschminderung dient folgendes Beispiel. Als extrem einfaches Modell1 wird eine gelenkig gelagerte Rechteckplatte betrachtet. Das Eigenschwingungsverhalten kann bei harmonischer punktförmiger Anregung für die unverrippte und die einfach verrippte Platte mit Rippen parallel zu den Plattenkanten mit analytischen Ansatzfunktionen näherungsweise berechnet werden. Durch die Überlagerung dieser Ansatzfunktionen kann die mittlere quadratische Übertragungsadmittanz und durch Pegelbildung daraus das Körperschallmaß ermittelt werden. Die Berechnungen basieren auf der klassischen Kirchhoffschen Plattentheorie [43, 58]. Die Anregung erfolgt mit einem senkrecht zur Plattenoberfläche montierten Pneumatik- bzw. Hydraulikzylinder. Die Rückwirkung der Zylinder bezüglich Masse und Steifigkeit auf das Schwingungsverhalten der Platte wird vernachlässigt. Folgende Parameter werden untersucht: – – – –

Anregungsspektrum Ort der Anregung Plattendicke Rippen

Die Abmessungen der Ausgangsplatte betragen: Länge a = 600 mm, Breite b = 400 mm und Dicke h = 6 mm. Die Werkstoffdaten für den verwendeten Stahl sind: Elastizitätsmodul E = 20100 N=mm2 , Dichte  = 7850 kg=m3 , Querkontraktionszahl  = 0:3, konstanter Verlustfaktor  = 0;001. Für die Pegelberechnung der einzelnen Größen werden die „alten“ Referenzwerte nach Tabelle 1.1 verwendet. Anregungskräfte Es werden 3 meßtechnisch ermittelte Anregungskraftspektren betrachtet (s. Abb. 13.3)

1

Der Leser beachte, daß es sich hier um ein didaktisches Beispiel handelt, anhand dessen sich das komplexe Zusammenwirken der betrachteten Einflußgrößen auf die akustischen Eigenschaften (hier insbesondere abgestrahlte Schalleistung) verdeutlichen läßt.

6

6

6

6

6

4

5

6

7

8 6x30

6x40

–

6x40

– 6x40

7

3

12,7

13,2

11,3

13,2

13,2

13,2

11,3

–

6

2

11,3

6

masse

Gesamt-

–

rippe

dicke

mm

Kreuz-

Plattendicke

1

Variante

M

M

M

M

M

M

M

AM

ort

Anregungs-

FP

FP

FP

Fe

Fs

Fs

Fs

Fs

kraft

Anregungs-

–

–

–

8

8

–

–

–

444

444

154

132

11 11

132

Hz

frequenz

1. Eigen-

31

quenzen

Eigenfre-

angeregter

Anzahl

83,6

92,9

101,9

90,0

93,7

101,2

102,5

103,5

LP dB(A)

Schalleistung

Summenpegel

Tabelle 13.1. Untersuchte Varianten Legende: M = mittig, AM = außermittig, Fs = Fstarr , Fe = Felastisch , FP = FPumpe

340 13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel

341

– Breitbandige Anregung, das Frequenzspektrum zeigt kaum Überhöhungen und ist über weite Bereiche sehr gleichmäßig verteilt: Schaltstoß des Pneumatikzylinders bei starrer Montage (Fstarr ), Schaltstoß des Pneumatikzylinders bei Montage mit elastischer Abkopplung (Felastisch ) – Schmalbandige, tonale Anregung, das Frequenzspektrum zeigt deutliche Überhöhungen: Diskretes Anregungskraftspektrum des Hydraulikzylinders infolge von Druckpulsationen der angeschlossenen Hydraulikpumpe (FPumpe ) Ort der Anregung – Mittige Anregung (x1 = 300 mm, x2 = 200 mm) – Außermittige Anregung (x1 = 270 mm, x2 = 180 mm) Der Ursprung des verwendeten Koordinatensystems befindet sich in einem Eckpunkt der Platte, die Länge a erstreckt sich in x1 -Richtung, die Breite b in x2 -Richtung (s. Abb. 4.5).

Plattengeometrie – Unverrippte Platte, Plattendicke 6 mm, – Unverrippte Platte, Plattendicke 7 mm, – Verrippte Platte, einfache Kreuzrippe in den Symmetrielinien, Rippenabmessungen: Breite 6 mm, Höhe 40 mm, Plattendicke 6 mm (vgl. zur Berechnung [58]), – Verrippte Platte, einfache Kreuzrippe in den Symmetrielinien, Rippenabmessungen: Breite 6 mm, Höhe 30 mm, Plattendicke 6 mm. Um die wesentlichen Auswirkungen verschiedener Einflußgrößen darzustellen, werden nicht alle möglichen Kombinationen von Plattengeometrie, Ort der Anregung und Anregungskraft untersucht. Die Auswahl der untersuchten Kombinationen ist in Tabelle 13.1 zusammengestellt.

13.6.2

Ergebnisse der durchgeführten Schalleistungsberechnungen

Die Berechnung der A-bewerteten Schalleistungspegel der untersuchten Varianten erfolgt nach der maschinenakustischen Grundgleichung in Pegelschreibweise (vgl. Gl. (7.3)). Die einzelnen Summanden der maschinenakustischen Grundgleichung (Kraftpegel, Körperschallmaß, Abstrahlmaß) weisen unterschiedliche Dynamikumfänge auf. Das wird in den dargestellten Spektren durch einen einheitlichen Maßstab der Pegel berücksichtigt.

342

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Abb. 13.2. Abgeschätztes Abstrahlverhalten der untersuchten Plattenvarianten

Abb. 13.3. Verwendete Anregungskraftspektren

Im folgenden wird aus didaktischen Gründen bei der Erfassung und Besprechung der Wirkung der einzelnen maschinenakustischen Einflußgrößen von dem Grundschema (Anregungskraft – Anregung Körperschall – Abstrahlung) der maschinenakustischen Grundgleichung (7.2) (vgl. hierzu auch Abb. 7.1) abgewichen. Ziel ist es dabei, immer nur einen der relevanten Parameter zu verändern, um ein Höchstmaß an Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Abschätzung des Abstrahlverhaltens Das Abstrahlverhalten wird mit Hilfe der Abschätzverfahren für rechteckige Platten nach Abschn. 5.5.2 berücksichtigt. Die Ergebnisse der untersuchten Plattengeometrien sind in Abb. 13.2 gegenübergestellt. Das Abstrahlverhalten der beiden Rippenvarianten ist gleich. Die größte Differenz zwischen kleinstem und größtem Abstrahlgrad der untersuchten Platten liegt im Kurzschlußbereich und beträgt 1.75 dB.

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel

343

Verwendete Anregungskraftspektren Bei einer stoßartigen Belastung ist die Auswirkung einer elastischen Befestigung (Abkopplung) des Pneumatikzylinders im Vergleich zu einer starren Befestigung auf das Kraftspektrum deutlich (vgl. Abb. 13.3). Bei gleicher Impulskraft nimmt zwar der Pegel bei der elastischen Befestigung bis etwa 1000 Hz geringfügig zu, von 2200 bis 4000 Hz jedoch um 10 bis 30 dB ab. Das diskrete Erregerspektrum durch einen Hydraulikzylinder dient zur Veranschaulichung der Auswirkung einer schmalbandigen Anregung auf das Körperschallverhalten. Die angeschlossene Hydraulikpumpe erzeugt durch Druckpulsationen Anregungsfrequenzen bei der Grundordnung (Drehzahl x Anzahl der Verdrängerelemente) und weiteren höherharmonischen Ordnungen. Einfluß Anregungsort Die Biegeeigenformen einer gelenkig gelagerten Rechteckplatte lassen sich anschaulich durch die Anzahl der Biegehalbwellen in Plattenlängs- und Plattenquerrichtung beschreiben (vgl. Abb. 4.6). Bei der Eigenform (2/2) sind die Symmetrielinien der Platten die Knotenlinien dieser Eigenform. Das ist auch für alle weiteren Eigenformen mit ganzzahliger Anzahl von Biegehalbwellen in Längs- und Querrichtung der Fall. Streng genommen gilt das nur bei Platten mit verschwindender Dicke. Bei der hier vorliegenden im Vergleich zu den Längenabmessungen dünnen Platte ist das nur annähernd der Fall. Die Schwingungsausschläge und damit die Anregbarkeit der entsprechenden Eigenform sind aber vernachlässigbar gering. Bei mittiger Kraftanregung können daher diese Eigenformen bzw. Eigenfrequenzen kaum angeregt werden (vgl. Abb. 13.4). Das ist die Ursache für die im Vergleich zur außermittigen Anregung niedrige Anzahl von angeregten Eigenfrequenzen (s. auch Tabelle 13.2). Für eine experimentelle Modalanalyse ist die außermittige Anregung daher besser geeignet. Im Summenpegel der Schalleistung wirkt sich dieser Vorteil der mittigen Anregung (-1 dB(A)) kaum aus. Ursache hierfür sind die Pegel bestimmenden Eigenfrequenzen im Bereich von 1800 bis 3000 Hz, die bei beiden Anregungsorten ähnlich gut angeregt werden. Da es aber aus akustischer Sicht grundsätzlich günstiger ist, möglichst wenige Eigenfrequenzen anzuregen, beziehen sich die weiteren Betrachtungen auf die mittige Anregung. Angeregte Eigenfrequenzen bei mittiger Anregung In Tabelle 13.2 sind die im untersuchten Frequenzbereich berechneten Eigenfrequenzen bei mittiger impulsförmiger Anregung (Fstarr ) gegenübergestellt.

344

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Abb. 13.4. Einfluß des Anregungsortes auf die berechneten Schalleistungsspektren Tabelle 13.2. Berechnete Eigenfrequenzen der untersuchten Plattenvarianten in Hz

Frequenz-

Unverrippte

Unverrippte

Kreuzrippe

Kreuzrippe

nummer

Platte 6 mm

Platte 7 mm

6 mm x 30mm

6 mm x 40 mm

1

132

154

332

444

2

456

532

840

872

3

860

1004

1272

1308

4

1100

1284

1692

1928

5

1180

1376

2212

2236

6

1828

2132

2448

2524

7

2072

2418

2672

3000

8

2312

2698

3404

3448

9

2636

3076

–

–

10

2796

3262

–

–

11

3280

3826

–

–

Einfluß Plattendicke Die Erhöhung der Plattendicke von 6 mm auf 7 mm führt nach den Ähnlichkeitsgesetzen nach Abschn. 4.3.1 mit h =h = 7=6 = 1;16 zu einer Eigenfrequenzverschiebung um 16% zu höheren Werten. Die Verschiebung ist im Schalleistungsspektrum (vgl. Abb. 13.5) deutlich zu erkennen. Der Summenpegel der Schalleistung reduziert sich durch diese Maßnahme jedoch nur um -1.3 dB(A). Die Einzelpegel an den Eigenfrequenzen nehmen bei der 7 mm dicken Platte im tieffrequenten und hochfrequenten Bereich geringfügig ab, aber im Frequenzbereich von 500 bis 1500 Hz jedoch leicht zu. Die Ursache liegt im höheren Abstrahlmaß der dickeren Platte in diesem Fre-

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel

345

Abb. 13.5. Einfluß der Plattendicke auf die berechneten Schalleistungsspektren

quenzbereich (s. Abb. 13.2). Die erzielte Reduktion des Körperschallmaßes wird durch die Zunahme im Abstrahlmaß teilweise kompensiert.

Einfuß Verrippung Wird die Massenzunahme bei der Dickenänderung von 6 mm auf 7 mm (ca. 17%) in eine Kreuzrippe mit den Abmessungen Breite x Höhe = 6 mm x 40 mm umgesetzt, so ist die Auswirkung auf das Schalleistungsspektrum deutlich (vgl. hierzu Abb. 13.6). Die erste Eigenfrequenz erhöht sich um mehr als 340%. Bei der ersten Eigenfrequenz liegt eine (1/1) Eigenform vor. Die Kreuzrippe liegt auf einem Schwingungsbauch in Längs- und in Querrichtung und bewirkt somit die größtmögliche Steigerung der Biegesteifigkeit. Ferner reduziert die Rippe die Anzahl der angeregten Eigenfrequenzen im untersuchten Frequenzbereich. Die erzielten Pegelreduktionen oberhalb von 1000 Hz sind beträchtlich. Der Summenpegel der Schalleistung reduziert sich um -8.8 dB(A), obwohl das Abstrahlmaß der verrippten Platte im gesamten Frequenzbereich (s. Abb. 13.2) ansteigt. Die Reduktion der Schalleistung beruht auf der den Körperschall senkenden Auswirkung der Verrippung.

Einfluß Kraftspektrum (Schaltstoß) Die elastische Ankopplung des Pneumatikzylinders führt zu einem oberhalb von 1500 Hz deutlich abfallendem Anregungskraftspektrum (vgl. Abb. 13.7). Das führt bei der kreuzverrippten Platte (6 mm x 40 mm) im Vergleich zu starren Ankopplung (s. Abb. 13.6) zu einer weiteren Abnahme des Summenpegels der Schalleistung von -3.7 dB(A). Im Vergleich zur unverrippten Grundplatte beträgt die Pegelreduktion damit -12.5 dB(A).

346

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Abb. 13.6. Einfluß der Verrippung auf die berechneten Schalleistungsspektren

Abb. 13.7. Einfluß des Kraftspektrums auf die berechneten Schalleistungsspektren

Auswirkung des diskreten Kraftspektrums Mit der Anregung durch den Hydraulikzylinder (vgl. Abb. 13.8) führt die Platte erzwungene Schwingungen aus. Fallen Anregungsfrequenzen mit Eigenfrequenzen zusammen, sind hohe Pegel im Schalleistungsspektrum zu erwarten. Aufgrund der höheren Eigenfrequenzdichte der unverrippten Grundplatte ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß eine diskrete Anregungsfrequenz mit einer Eigenfrequenz zusammenfällt. Das ist das bei der 4. Pumpenharmonischen bei 1824 Hz der Fall. Obwohl der Kraftpegel 19,2 dB (s. Tabelle 13.3 und Abb. 13.8) unter dem Pegel der Grundord-

13.6 Ein einfaches, systematisches Beispiel

347

Abb. 13.8. Auswirkung des diskreten Kraftspektrums auf die berechneten Schalleistungs-

spektren

nung bzw. der 1. Pumpenharmonischen liegt, ergibt sich im Schalleistungsspektrum bei dieser Frequenz der zweit höchste Einzelpegel. Ähnliches ist bei der Grundordnung der Anregung mit der Frequenz von 456 Hz zu beobachten. Bei der unverrippten Platte fällt diese Frequenz mit der 2. Eigenfrequenz von ebenfalls 456 Hz zusammen. Bei der kreuzverripten Platte (6 mm x 40 mm) liegt die 1. Eigenfrequenz etwas niedriger bei 444 Hz. Der geringe Frequenzunterschied reicht zu einer Differenz in den Einzelpegeln von -14 dB(A) aus (s. Tabelle 13.3). Im Summenpegel der Schalleistung resultiert daraus eine Differenz von -9 dB(A). Zum Vergleich mit der stoßförmigen Anregung ist in Abb. 13.8 das Schalleistungsspektrum der unverrippten Grundplatte bei Anregung mit dem starr angekoppelten Pneumatikzylinder eingetragen. Abstimmung des Körperschallverhaltens auf das diskrete Kraftspektrum Sind die Anregungsfrequenzen bekannt, so können die Eigenfrequenzen der angeregten Struktur gezielt abgestimmt werden (vgl. Abb. 13.9). Hier ist allerdings eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Bei einer im Zeitbereich impulsförmigen und damit im Frequenzbereich breitbandigen Anregung führt bei vorgegebenem Materialeinsatz eine Erhöhung der Biegesteifigkeit zum Ziel. Das muß jedoch bei diskreten Anregungsfrequenzen nicht zwingend der Fall sein. Die hohe Kreuzrippe (6 mm x 40 mm) führt zwar im Vergleich zur unverrippten Grundplatte zu einer beträchtlichen Reduktion im Summenpegel der Schalleistung, schiebt aber die erste Eigenfrequenz der Platte in die Nähe der Grundordnung der Anregung. Um das zu vermeiden, ist eine weitere Erhöhung oder auch eine gezielte

348

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Abb. 13.9. Auswirkung des abgestimmten Körperschallverhaltens auf die berechneten Schal-

leistungsspektren Tabelle 13.3. Kraft- und Schalleistungspegel bei diskreten Anregungsfrequenzen sowie Sum-

menpegel der Schalleistung für die gegenübergestellten Plattenvarianten Pumpen-

Frequenz

Kraftpegel

ordnung

Hz

dB

Schalleistungspegel dB(A) Unverrippte

Kreuzrippe

Kreuzrippe

Platte 6 mm

6 mm x 40 mm

6 mm x 30 mm

1

456

19,4

99,3

85,3

67,0

2

912

17,2

79,8

79,0

74,4

3

1368

14,5

74, 2

71,6

67,6

4

1824

0,2

86,9

59,6

60,6

101,9

92,9

83,6

Summenpegel dB(A)

Absenkung dieser Eigenfrequenz vorteilhaft. Um den Masseneinsatz so gering wie möglich zu halten, wird eine niedrigere Kreuzrippe mit den Abmessungen 6 mm x 30 mm eingesetzt. Die erste Eigenfrequenz dieser Rippenvariante liegt mit 332 Hz (s. Tabelle 13.2) weit genug von der Grundordnung der Anregung entfernt. In Tabelle 13.3 sind die Einzelpegel an den ersten vier Anregungsfrequenzen der in Abb. 13.9 verglichenen Plattenvarianten gegenübergestellt. Die Auswirkung auf den Schalleistungspegel an der Grundordnung der Anregung sind deutlich. Einen weiteren Vorteil der niedrigen Kreuzrippe zeigt der Vergleich der höheren Eigenfrequenzen der beiden Rippenvarianten (s. Tabelle 13.2). Die niedrige Kreuzrippe führt dazu, daß die Abstände zwischen den einzelnen Eigenfrequenzen und den ersten vier pegelbestimmenden Anregungsfrequenzen im Vergleich zur hohen Kreuzrippe zunehmen.

13.7 Typische Anregungs- und Resonanzfrequenzen

349

Daraus resultieren die niedrigsten Einzelpegel der drei Varianten (s. Tabelle 13.3) und damit auch der niedrigste Summenpegel. Der Summenpegel sinkt gegenüber der hohen Kreuzrippe um weitere -9.3 dB(A) auf insgesamt -18.3 dB(A) im Vergleich zur unverrippten Grundplatte.

Schlußfolgerungen aus dem Beispiel – Bei impulsförmigen Anregungskräften werden breitbandig Eigenschwingungen angeregt. – Alle Eigenschwingungsformen die an der Anregungsstelle einen Schwingungsausschlag besitzen, werden entsprechend dem Betrag des Ausschlags mehr oder weniger stark angeregt. – Anregungsstellen daher möglichst in Schwingungsknoten legen. – Versteifung nicht durch Erhöhung der Wandstärke sondern geeigneter in Form von Rippen anbringen. – Bei schmalbandiger Anregung mit diskreten Einzelfrequenzen können durch versteifende Maßnahmen gezielt Eigenfrequenzen in anregungsarme Frequenzbereiche verschoben werden (dazu ist jedoch die Kenntnis der einzelnen Eigenschwingungsformen erforderlich z.B. durch eine experimentelle Modalanalyse, s. Abschn. 11.4)

13.7 Typische Anregungs- und Resonanzfrequenzen Bei der Analyse des Geräuschzustandes von Maschinen und Anlagen ist die Identifizierung von Geräuschquellen eine wichtige Aufgabe. Bei Maschinen mit rotierenden Bauteilen ist die Kenntnis der entsprechenden Drehzahlen eine notwendige Voraussetzung. Das ist besonders wichtig bei Maschinen mit stufenlosen Übersetzungsverhältnissen zwischen Antriebs- undAbtriebswelle oder bei schlupfbehafteten Getrieben (z.B. hydrostatische Getriebe, Strömungskupplungen, reibschlüssige Zugmittelgetriebe). Tabelle 13.4 gibt Hinweise zu typischen Anregungsfrequenzen von Maschinenelementen und Maschinenstrukturen. In Ergänzung sind in Tabelle 13.5 zur Abschätzung von angeregten Resonanzen typische Eigenfrequenzen von einfachen Maschinenstrukturen angegeben. Die in Tabelle 13.4 aufgeführten Anregungsfrequenzen besitzen soweit nicht angegeben meistens auch ganzzahlige (harmonische) Vielfache der Grundfrequenz
(nullte oder erste Ordnung) mit der Ordnung k
k =
k : : : k = 2; 3; : : :

350

13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Tabelle 13.4. Typische Anregungsfrequenzen einfacher Maschinen Maschinenelement

Grundfrequenz

Bemerkungen

Stirnrad- oder Kegelrad-Getriebe (2-stufig) Zahneingriffsfrequenz I. Stufe


zI = n1 z1;I = n2 z2;I

z1;I ; z2;I = Zähnezahlen I. Stufe n1 ; n2 = Drehzahl Eingangsund Zwischenwelle

Zahneingriffsfrequenz II. Stufe


zII = n2 z1;II = n3 z2;II

z1;II ; z2;II = Zähnezahlen II. Stufe

= (n1 =iI )z1;II

n3 = Drehzahl Ausgangswelle iI = z1;I =z2;I = Übersetzung I. Stufe

Planetenrad-Getriebe (1-stufig) z1 ; z2 ; z3 = Zähnezahl Sonne, Planeten, Hohlrad, n = Drehzahl Sonne feststehend


z = z1 nPT

nPT = Antrieb Planetenträger

nS = 0


z = (z1 z3 )=(z1 + z3 )nH

nH = Antrieb Hohlrad

Planetenträger feststehend


z = z1 nS

nS = Antrieb Sonne

nPT = 0


z = z3 nH

nH = Antrieb Hohlrad

Hohlrad feststehend


z = (z1 z3 )=(z1 + z3 )nS

nS = Antrieb Sonne

nH = 0


z = z3 nPT

nPT = Antrieb Planetenträger

Verbrennungsmotor (4 Zylinder, Reihe, Zündabstand bzw. Kurbelversatz 180ı ) Wechseldrehmoment


W;i = ni : : : i = 2; 4; 6: : : :

n = Wellendrehzahl

Freie Massenkraft (oszillierend)


M;i = ni : : : i = 2; 4; 6: : : :

i = Ordnungszahl

Biegemoment Kurbelwelle


B = n

Ansaugung / Auspuff


A;i = ni : : : i = 2; 4; 6: : : : Elektrische Antriebe

Drehfrequenz der Welle


D = n

n = Wellendrehzahl

Bürstentöne des Kollektors


Bu = nl

l = Lamellenanzahl

Magnetische Töne des Ankers


A = nk

k = Nutenanzahl

Netzfrequenz / Ansteuerfrequenz


N = fN

fN = Netzfrequenz / Ansteuerfrequenz

Hydraulikaggregate, Lüfter Verdrängerfrequenz


V = nz

n = Wellendrehzahl z = Anzahl Verdrängerelemente oder Schaufeln

Riementriebe Zahnriemenfrequenz


z = nz

Riemenumlauffrequenz


U = n(L=U)(1  s)

n = Drehzahl Antriebswelle z = Zähnezahl Antriebsrad

(z.B. Stoßnaht bei Keilriemen)

n = Drehzahl Antriebswelle L = Riemenlänge U = Umfang Antriebsscheibe s = Schlupf

13.7 Typische Anregungs- und Resonanzfrequenzen

351

Tabelle 13.4. Typische Anregungsfrequenzen einfacher Maschinen (Fortsetzung) Maschinenelement

Grundfrequenz

Bemerkungen

Wälzlager (Abrollen ohne Schlupf) Außenringschaden


A = n=2zW (1  d=D cos ˛)

n = Wellendrehzahl

Innenringschaden


I = n=2zW (1 + d=D cos ˛)

d = Wälzkörperdurchmesser

Käfigschaden (Außenring fest)


K = n=2(1  d=D cos ˛)

D = Teilkreisdurchmesser

Käfigschaden (Innenring fest)


K = n=2(1 + d=D cos ˛)

zW = Anzahl Wälzkörper

Wälzkörperschaden


W = nD=d[1  (d=D cos ˛)2 ]

˛ = Druckwinkel (zur Wellennormalen)

Wellensysteme Unwucht, Exzentrizität


U = n

n = Drehzahl Drehachse 6= Schwerpunktachse kann zu Seitenbändern ˙
U bei anderen Erregungsmechanismen im Wellensystem (z.B. Zahneingriffsfrequenz) führen

Ausrichtungs-, Fluchtungsfehler


A = n

größte Anregungsamplitude meist bei 2
A

Regelmäßige Oberflächenfehler in Gleit-oder Wälzsystemen Rattermarken (z.B. Kurvenscheiben oder Gleitführungen)


R = v=l

v = Relativgeschwindigkeit in der Kontaktzone l = Abstand der Rattermarken

2 1=2


klm = cL =4[(2k=a) + (2l=b) + (2m=c) ]

2

Ordnungszahlen

k; l; m = 0; 1; 2 : : :

a; b; c = Kantenabmessungen

i = Ordnungszahl

Ende offen (z.B. Stichleitung)

ein Ende geschlossen und ein

beide Enden offen

beide Enden geschlossen oder

i = Ordnungszahl

L = Leitungslänge

c = Schallgeschwindigkeit Fluid

B = Eh3 =[12(1  2 )]


mn = =2[(m=a)2 + (n=b)2 ][B=(h)]1=2

m; n = 1; 2; 3 : : : Ordnungszahlen

 = Querdehnungszahl

B = Biegesteifigkeit

 = Dichte

h = Plattendicke

a; b = Kantenabmessungen

Rechteckplatte, allseits gelenkig gelagert (ohne Rippen)


i = c=(4L)i : : : i = 1; 2; 3 : : :


i = c=(2L)i : : : i = 1; 2; 3 : : :

Rohre und Leitungen für Fluide (Querschnittsabmessungen wesentlich kleiner als Wellenlänge)

Quaderförmiger Kasten

2

( = 2L = Wellenlänge)

L = Längenausdehnung cL = Schallgesschwindigkeit

i = 1; 2; 3; : : :

Bemerkungen

(z.B. parallele starre Wände)


i = icL =(2L)

Eingeschlossene Luftvolumina

Eigenfrequenzen

(z.B. in Rohrleitung), starre Ränder

eindimensionale stehende Welle

Maschinenstruktur

Tabelle 13.5. Eigenfrequenzen von einfachen Maschinenstrukturen

352 13 Ableitung von Maßnahmen zur Minderung von Geräuschen

Literatur

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Sachverzeichnis

A-Bewertung 11 Abklingkoeffizient 57 Abkopplung 123 – Einmassenschwinger 124 – – maschinenakustische Theorie 125 Abrollgeräusch 332 – Reduktion 332 Abschätzverfahren 83 – Körperschallmaß 83 – Körperschallmaß Rechteckplatte 84 Abstrahlfunktion 162 Abstrahlgrad 100, 323, 339, 342 – Kolbenmembran 105 – Kugelstrahler 102 – Recheckplatte 113 – Rechteckplatte 110 – – Kolbenstrahlerbereich 110 – – Kurzschlußbereich 111 Abstrahlmaß 103, 132 Abstrahlproblem 153, 156 – äußeres 153 – Grundlagen FEM 157 Abstrahlung 182 – direkte 3 – indirekte 3 – Luftschall 131 – Rechteckplatte 107 – – volle 112 – streifende 109 – volle 104, 109, 117 – – Rechteckplatte 117 Abtastfrequenz 32, 226 Abtastheorem 224 AC-Kopplung 220 ADC 220, 222 Admittanz 13 – Eingangs- 14 – Einmasseschwinger 65 Ähnlichkeitsgesetz 87 – Übergangsfrequenz 117 – Abstrahlgrad 115 – – Kolbenstrahlerbereich 116 – – volle Abstrahlung 118 – Koinzidenzfrequenz 116 – Körperschallmaß 88, 89 – – Eigentonbereich 89 – – quasistatischer Bereich 89 Aliasing 220, 225

Amplitudengang 187 Analog-Digital-Konverter s. ADC 220 Anfangs-Randwert-Problem 69, 135, 136, 149 Anfangsbedingung 136 Anregung – Impuls 246 Anregungsfreiheitsgrad 270 Anregungsgerät 249 – Impuls 249 – – Hammer 250 Anregungssignale 243 Ansatzfunktion 163 Anti-Alias-Filter 221 Anti-Alias-Tiefpaßfilter 226 Antwortfreiheitsgrad 270 Arbeit virtuelle 138 Aufpunkt 168 Ausgleichschlitz 320 Auswertungssystem 182 Autoleistungsspektrum 232, 287 Außengebiet 154 Bandbreite 215 -dB- 215 – absolut konstante 216 – effektive 215 – relativ konstante 216 Bandüberlappungseffekt 32 Basis 162 Belag dämpfender 46 – Verlustfaktor 47 Belag eingezwängter 47 – dünne Deckplatte – – Verlustfaktor 50 BEM 83, 177 – Abstrahlproblem 172 – Gleichungssystem 172 Bem 168 Berechnungsgebiet 160 – äußeres 160 – inneres 160 Betriebsschwingformanalyse 286 – Zeitbreich 287 Bewegungsgleichung 56 – Einmasseschwinger 57, 61 – FEM 144 – Platte 67 Biegesteifigkeit 68

358

Sachverzeichnis

– gleiche 90 Biegewelle 66 Biegewellenlänge – Platte 272

47, 74, 147, 150

Dämmelement 123 Dämpfung 37, 128, 322 – Analogie 45 – Fugen- siehe Fugendämpfung37 – generalisierte 276 – innere 37 – Kontinuum 44 – Mechanismus 37 – proportionale 146 – Rayleigh 275, 283 – Rayleigh- 45, 146 – relative 39 – schwache 58 – Struktur- 322 – viskose 41 Dämpfungsarbeit 38, 43 Dämpfungsgrad 57, 277 Dämpfungsmatrix 138, 144, 275 Dämpfungsmodell 40 Darstellungsformel 170, 173 Datenerfassungsgerät 182 dB(A) 11 Delta-Funktion 28, 168 Dezibel 4 Digital-Signalprozessor 223 Dipol 175 Dirichlet-Problem – inneres 173 Dirichlet-Problem inneres – Eigenwert 173 Diskretierung 171 Diskretisierung 144, 150, 159, 160, 174, 177, 272, 286 – Meßobjekt 270 – Zeit 221 Diskrisierung 145 Dispersion 75, 99 Doppelschlag 252 Druckgradientenmikrofon 189 Druckmikrofon 184 Druckstoß 333 – Reduktion 334 Durchgangsdämmaß 124 Dynamikbereich 188, 222 Eckkreisfrequenz – Kolbenstrahler 110 Effektivwert 17 – komplexer 18

– – Kraft 19 – – Schnelle 19 Eigenfrequenz 59, 322 Eigenfunktion 72, 76, 146 – Ordnung 72 – Rechteckplatte 73, 77, 111 Eigenkreisfrequenz 277 – Rechteckplatte 72 – – gedämpfte 71 Eigenkreiswellenzahl – Rechteckplatte 72 Eigenschwingung 59 – Rechteckplatte 72 Eigentonbereich 82 Eigenvektor 273 Eigenwertproblem 146 Einbruch 125 Einbruchsfrequenz 125 Einfügungsdämmaß 124 Eingangsadmittanz – Einmasseschwinger 65 – Rechteckplatte 77 Eingangsimpedanz 322 Einmasseschwinger 56, 276 – krafterregter 56 Einsteinsche Summenkonvention 135 Einzelkraft 131 Elastizitätsmatrix 137 Elastizitätsmodul 67, 136 – komplexer 45 Element 138 – isoparametrisches 163 Energiegröße 4 Entkopplung 146, 276 Erdschleife 202 Erregerfrequenz 147 Erregerkraft 18, 56, 61, 77, 80, 125, 181, 318, 319 – Reduzierung 317 – Spektrum 125 Erregerkreisfrequenz 56, 155 Exponential-Zeitfenster 228 Federsteifigkeit 56 Fehler 231 – stochastischer 232 – systematischer 232 Feld 2, 66 – diffuses 294 – Körperschall 55, 66, 149, 182, 191, 241 – Körperschall- 147 – Luftschall 135, 147, 241 Feldgröße 4

Sachverzeichnis FEM 83, 94, 147, 149, 151, 163, 173, 176, 283 – Gleichungssystem 144 – Helmholtz-Gleichung 158 – Netz 138, 177 FEM-Knoten 163 Fensterfunktion 32 Fernfeld 292 Fertigungstechnik 321 FFT 33 – Analysator 216 Filter 214 – Bandpaß 215 – Durchlaßkurve 215 – Hochpaß 215 – Tiefpaß 215 Filtertechnik – digitale 266 Finite Element Methode siehe FEM135 Finites Element – akustisches 159, 161 Flüssigkeitsschall 2 Flüssigkeitsschallquelle 333 Form schwache 136 – diskrete 158 – Helmholtz-Gleichung 157 Formfunktion 157, 163, 171 Formänderungsenergie 39, 43 Fourier-Koeffizient 22 – komplexer 23 Fourier-Reihe 2 – komplexe 23 Fourier-Transformation 28 – Delta-Funktion 30 – Diskrete 31 – diskrete 224 – Eigenschaften 34 – Kurzzeit 265 – Meßfunktion 230 – schnelle 33 Freifeld 153, 293 Freifeldbedingung 189 Freiheitsgrad 141 – modaler 147 Fremderregung 243 Fremdgeräuschkorrektur 296 Frequenz – kritische 165 Frequenzanalysator 219 – Ausgangskanal 223 Frequenzanalyse 216, 258 – drehwinkelbasierte 260 – – Abastfrequenz variable 260

359

– – Amplitude konstante 262 – schmalbandig 217 – zeitbasierte 258 Frequenzbereich 146, 155, 276 Frequenzgang – Mikrofon 189 Fugendämpfung 37, 39, 322 Geräusch 327 – magentfeldinduziert 332 – – Reduktion 333 – reibungsinduziert 332 – – Reduktion 332 Geräuschemission 327 Gleichungssystem 143 Greensche Funktion 168, 173 Greensche Identität 169 Grundausführung 88 Grundgleichung maschinenakustische 131, 338, 341 – Pegeldarstellung 132 Grundplatte 47, 92 Gummielement 123 Hallfeld 294 Hanning-Fenster 227, 228 harmonisch 2 Helmholtz-Gleichung 155, 162, 168 – schwache Form 157 Hörbereich 2 Hörfeld 10 Hörschwelle 10 Hüllflächen-Verfahren 294 ICP 194 Impedanz 13, 322 – Eingangs- 13 – spezifische 99 Impulshammer 208 Infinites Element 159, 174, 176 – ellipsoidales 159, 161, 162, 175, 176 Kelvin-Voigt-Modell 41 Knoten 138, 172 – Infinites Element 164 – Rand 172 Knotenlinie 73 Knotenverschiebung 145 Kohärenzeinbruch 236 Kohärenzfunktion 235 Koinzidenzfrequenz 108, 111, 323 Kolbenmembran 105 – äquivalenter Kugelstrahler 106 Kolbenstrahler 111

360

Sachverzeichnis

Kolbenstrahlerbereich 110 Kollokation 172 Kondensatormikrofon 184 Konstruktionsregel 319 Koordinatensystem – globales 139 – lokales 139 Kopplung – Eigenfunktionen 119 Körperschall 2, 181 – Abkopplung 123 – Anregung 131 Körperschallmaß 80, 94, 148, 149 – Beeinflussung 321 – Eigentonbereich 82 – quasistatischer Bereich 82, 84 – Rechteckplatte 94 – – diagonal verrippt 96 – – kreuzverrippt 94 Körperschallquellen 330 Kraft 56 – stoßartige 30 Krafterregung 56, 67 Kraftfluß 322 Kreisfrequenz 2, 71 – kritische 173 Kreiswellenzahl 155, 162, 165 – Recheckplatte 71 Kreuzleistungsspektrum 233, 287, 299, 303 – einseitiges 233 Kugelcharakteristik 189 Kugelstrahler 102, 323 – nullter Ordnung 102 Kugelstrahler-Eckkreisfrequenz 103 Kurzschluß 107 – -bereich 111 Kurzschluß akustischer 325 – Platte 116 Ladungsverstärker 194 – integrierter 194 Lagrange-Elemente 163 Laplace-Operator 68 Lärm 327 Lärmminderung 1 – aktive 1 – passive 1 Lastvektor 144 – Element- 144 Leakage 226, 227 Leckeffekt 32 Leistung – Schein- 18

– Wirk- 18 Longitudinalwelle 99 Luftschall 2 – direkt erzeugter 329 – indirekt erzeugter 329 Luftschallfeld 109, 182 Luftschallwelle 75, 99, 109, 147 Luftshcallfeld 153 Maschinenstruktur 3 Masse 56 – generalisierte 276 – seismische 193 Massenbelegung 68 Massenkraft 331 – Reduktion 332 Massenmatrix 144, 164, 275 Massenwirkungsfrequenz 92 Matrix 143 – bandartig besetzt 145 – Element- 144 – symmetrische 144, 275 – unsymmetrische 173 Maßstabsfaktor 88 MDOF-Verfahren 279 Messung – Zielsetzung 179 – Fehlerursachen 238 Meßdatenerfassung 214 Meßflächenmaß 293 Meßgröße – relevante 182 – skalare 181 – vektorielle 181 Meßkette maschinenakustische 182 Meßverfahren – Weg – – elektrisch 203 – – laseroptisch 205 – – Lasertriangulation 205 Mikrofon – Diffusfeld- 190 – Druck- 189 – Eigenschaften 186 – Elektret- 185 – Freifeld- 190 Mittelebene 66 Mittelung 232 Mittenfrequenz 215 Mixed-mode-Schnittstelle siehe MMT 213 MMT 213 Modalanalyse – experimentelle 94, 268

Sachverzeichnis – – Anregung 273 – – Beispiel 269 – – Diskretisierung 270 – – mathematisches Modell 275 – numerische 145 – Vergleich Experimentelle/Numerische 283 Modale Transformation 146, 276 – Umkehrung 277 Modalmatrix 146, 276 Modalparameter 268, 277 Mode 146, siehe Eigenvektor268 Nachhallzeit 298 NCAP 213 Nullphasenwinkel 15, 18, 57 Nyquist-Frequenz 220 Nyquistfrequenz 226 Oktavanalyse 217 Oktavfilter 216 Ordnungsanalyse 258 Overload 220 Parameterschätzung 277 Pegel 4 – Beschleunigungs- 5 – Lautstärke 11 – Leistungs- 5 – Referenzwert 6, 9 – Schalldruck- 5 – Schnelle- 5 – Summen- 7 – – Korrekturterm 8 Pegelrechnung – Referenzwerte – – DIN EN 21683:1994 132 periodisch 2 Periodischer Random 248 Phasengeschwindigkeit 75 Phon 11 Pistonphon 187 Platte 66 – Biegesteifigkeit 68 – Biegewelle 66 – Eingangsadmittanz 77 – Randbedingung 69 Plattendicke 66 positiv-definit 145, 275 Potential 154, 155 Pseudo-Random 248 Pulsation 333 – Reduktion 333 Punktmasse 92

– Massenwirkungsfrequenz – Rechteckplatte 92 Punktraster 270

361

92

quasistatisch 82 Quellpunkt 169, 172 Querdehnungszahl 67 Radial-Entwicklung 161, 164 Randbedingung 154 Randelement 171, 174 Randelementmethode siehe BEM168 Randintegralgleichung – Helmholtz 170, 174 – – diskrete 171 Randwert-Problem 70, 149 – Abstrahlung 156 RandwertProblem 70 Rauschen 188 – digitales 221 – weißes 247 Rayleigh-Dämpfung siehe Dämpfung – Rayleigh 45 Rechteckplatte 66 – Eigenkreiswellenzahl 72 – freie Schwingung 70 – Kolbenstrahlerbereich 116 – Kurzschluß akustischer 116 Referenzwert 4 Resampling 222 Resonanz 77 Restunwucht 320 Reziprozitätskalibrierung 187 Richtungscharakteristik 189 Riffelung 215 Rippe – Konstruktionsregel 322 Ruck 320 Schall 327 Schallabsorptionsfläche äquivalente Schallabstrahlung 330 Schallanregung 330 Schalldruck 182 Schalleistung 182 – A-bewertet 318 – abgestrahlte 131 Schallentstehungskette 329 Schallfeld 2 Schallgeschwindigkeit 99 Schallintensität 165, 182, 289 – momentane – – eindimensionale 289 Schallquelle 1

297

362

Sachverzeichnis

Schallquellen – mehrere 7, 318 Schallübertragung 330 Schätzung – H1 - 234 – H2 - 234 Schnelle 5 Schnittstelle – Mehrkabel 214 – Zwei Kabel 214 Schrägung 320 Schwingerreger 208 – elektrohydraulischer 256 – elektromechanischer 253 Schwingung 1 – erzwungene 18 – – Rechteckplatte 77 – periodische 2 Schwingungsanregung 181, 243 Schwingungsdauer 59 SDOF-Verfahren 277 Semidiskretisierung 142, 144 Sensor 182 – Beschleunigung 192 – – Bauformen 193 – – Dämpfungseinfluß 200 – – Eigenschaften 192 – – Einsatzhinweise 199 – – Frequenzgang 195 – – Kompressionstyp 193 – – Masseneinfluß 199 – – Montageeinfluß 200 – – piezoelektrischer 192 – – Schertyp 193 – – triaxialer 193 – – Vorverstärker 194 – Drehwinkel 211 – Druck 209 – – DMS 210 – – Montage 210 – – piezoresistiv 210 – Eigenschaften 183 – ICP-kompatibel 220 – intelligenter 213 – Kraft 207 – – piezoelektrisch 208 – Körperschall- 191 – Luftschall 184 – örtlich verteilt 213 – Schnittstellenstandard 211 – Weg 203 – – berührungslos 203 – – induktiv 203

– – kapazitiv 203 – – Wirbelstrom 204 Serendipity-Elemente 163 Shaker siehe Schwingerreger 208 Signal – harmonisches 21, 247 Signal-Rauschabstand 232, 237 Signalanalyse 231, 242 Sinus-Sweep 247 Sommerfeld-Bedingung 156, 159, 162, 168, 170, 177 Sonogramm 258 Spektrum 23, 27 Sperrband-Dämpfung 222 Sperrfrequenz 226 Spiel 320 Standard IEEE 1451 212 Steifigkeit 56 – absolute 42 – generalisierte 276 – komplexe 42 Steifigkeitsmatrix 144, 159, 164, 275 STIM 213 Störgröße siehe Fehler 231 Stoßgeräusch – Reduktion 331 Struktur 3 Stützstelle – Frequenz 159 Summenpegel 7 – Körperschallmaß 96 Systemanalyse 231, 242 TEDS 212 Terzanalyse 217 Terzfilter 216 Tiefpaßfilter 32 Triangulation 138, 159, 171 TTL 211 Turbulenz 334 – Reduktion 334 Übertragungsadmittanz – mittlere quadratische 80, 131 Übertragungsfaktor 186 – Sensor – – Beschleunigung 195 Übertragungsfunktion 231, 273, 277 – Berechnung 237 – Beschleunigung 273 – Schätzung 233 – Symmetrie 274 Übertragungsmaß 132 Übertragungsverhalten 231

Sachverzeichnis Vektor 12 Verbundkonstruktion 46 – Verlustfaktor 50 Vergleichskalibrierung 187 Vergrößerungsbetrag 62 Vergrößerungsfunktion 61 – Schwingweg 61 Verlustfaktor 39, 43, 91 – konstanter 44 Verschiebung – virtuelle 137 Verzerrung – virtuelle 138 viskoelastisch 44 Vorschaltmasse 322 Vorspannung 320 Vorverstärker 182, 185 Wandler 182, 212 – elektroakustischer 184 – elektromechanischer 191 – IEEE 1541 212 Wasserfalldarstellung 258

363

Wavelet-Analyse 266 Welle 66 – Ausbreitungsgeschwindigkeit 74 – ebene 100 – stehende 73 Wellengeschwindigkeit 74 Wellenlänge 74 – Biegewelle siehe Biegewellenlänge74 – Luftschall 107, 189 – Luftschallwelle 99 Welligkeit 228 Wirkleistung 19 Wirkungsgrad akustischer 101 Wirkungskette Schallabstrahlung 133 Zahneingriffsfrequenz 147 Zahneingriffsgeräusch 331 – Reduktion 331 Zahnflankenkorrektur 320 Zeifenster 229 Zeigerdiagramm 15 Zeitbereich 21