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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 3
'Visionen' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Science Fiction Spezial
Visionen 3
'Visionen' ist eine kostenlose Science Fiction Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Visionen 3 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Dave Edwards Plan 10 aus dem Weltall (Eine Geschichte aus der B-Welt)
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von Klaus Vor der Landwehr Außerirdische sind mit einem UFO eingetroffen und wollen die Menschheit unterwerfen. Es ist nicht ihr erster Versuch, und diesmal geht es um Spinnen. Andreia Webber ist ihr erstes Opfer, doch die Buchhändlerin entwickelt beeindruckende Widerstandskräfte.
Locked in
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von Matthias Sokoliuk Die menschlichen Gehirne der Zukunft sind von Nanorobots und unterstützender Software durchdrungen. Und sie sind weltweit vernetzt. Eines Tages gibt es Schwierigkeiten..."
Cyborg
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von Roland Roth Ein Trip durch die Welt des Schmerzes. Das furchtbare Geheimnis der Symbiont-Kreuzer...
Absolute Wirklichkeit
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von Martin Kohs Ein Mann entdeckt die Wirklichkeit.
Wellen
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von Angelika Oehrlein Verhandlungen mit Aliens: Auch auf einer Wasserwelt hat Alles seinen Preis.
Heimkehr
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von Andreas Blome Eines Tages landet ein UFO mitten in der Innenstadt. Kurz darauf geht es mit Höchstgeschwindigkeit ab zu den Sternen.
Kennen Sie Zeph? von Daniel Hengst Wer oder was ist dieser ´Zeph`? Ein Universum wird durchsucht..."
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Plan 10 aus dem Weltall (Eine Geschichte aus der B-Welt) von Klaus Vor der Landwehr
Außerirdische sind mit einem UFO eingetroffen und wollen die Menschheit unterwerfen. Es ist nicht ihr erster Versuch, und diesmal geht es um Spinnen. Andreia Webber ist ihr erstes Opfer, doch die Buchhändlerin entwickelt beeindruckende Widerstandskräfte.
Seit einer Weile rollte ein Güterzug donnernd über die nahe Eisenbahnbrücke und schluckte sowohl die städtische Geräuschkulisse, als auch jeden Laut, den das Ding in der Luft eventuell verursachte oder absichtlich von sich gab. Andreia Webber hatte den Eindruck, gegenüber dem unberechenbaren Apparat taub zu sein. Das zermarterte ihre Nerven. Mit acht weit ausgreifenden Gliedern kam das Monstrum sachte herunter. Es schien sich um eine Robot-Sonde zu handeln, ähnlich solchen, die von WeltraumOrganisationen auf benachbarte Himmelskörper verfrachtet wurden. Allerdings wirkte die lastwagengroße, niederkommende Maschine übermenschlich ausgeklügelt. Die Entfaltung der gelenkigen Stelzenglieder in der Luft erinnerte erschreckend mühelos an etwas Organisches. Der lärmende Güterzug nahm und nahm kein Ende. Unaufhörlich zog eine Fortsetzung in noch mehr Waggon-Varianten vorüber. Nachdem die Sonde sich dem Erdboden noch ein gutes Stück angenähert hatte, war über dem eigentlichen Körper ein derber Strang zu erkennen, an dem das Ding offensichtlich abgeseilt wurde. Der Strang schien über Tarneigenschaften zu verfügen, denn bereits in geringer Entfernung verschwamm er und war schon in fünfzig Meter Höhe nicht mehr auszumachen. Der sichtbare Abschnitt war zudem mit muskelähnlichen Bändern kreuz und quer bandagiert, und diese Muskeln regten sich in feinen Kontraktionen. Vermutlich beruhte die Flug- und Schwebefähigkeit der Sonde einzig auf diesem muskulösen Strang. Woran er befestigt war, und wer ihn steuerte, war nicht zu erfahren. Endlich dröhnte der letzte Waggon des Güterzugs über die Brücke, und der Krach ebbte schnell ab. Als die acht Laufglieder mit dem Klang von Pfennigabsätzen auf dem Steinpflaster der Gasse Fuß fassten, gaben sie sogleich in den Gelenken nach und fingen sanft den kugeligen Sondenkörper ab. In der Manier eines Gliederfüßers stakte der Apparat ruckartig um die eigene Achse, setzte sich dann gemächlich in Bewegung und kam ausgerechnet auf Andreia zu. Die sah sich von Angst gepackt um, musste jedoch einsehen, dass sie allein in der Gasse stand. Die Maschine näherte sich. Frau Andreia Webber war Inhaberin eines Buchladens. Es war früher Abend an einem Junitag. Eben hatte sie das Geschäft abschließen und nach Hause gehen wollen. Der Schlüssel steckte im Schloss der Ladentür, und Andreias Hand hielt ihn noch umklammert - krampfhaft sogar. Jäh aber besann sie sich, ließ den Schlüsselbund baumeln und wich geduckt an der Fassade entlang zur Seite. Der Apparat nahm überhaupt keine Notiz davon und tappte zielstrebig zum Schaufenster des Buchladens. Die beiden vorderen Extremitäten erhoben sich und durchstießen mehrfach die splitternde Scheibe. Anschließend griffen dieselben Vorderglieder in die Auslage und packten den Doppelschuber einer 13-bändigen Ausgabe von »Grzimeks Tierleben«. Andreia hatte ihn erst gestern dort platziert. Fassungslos verfolgte sie den Diebstahl und starrte auf die Bescherung. Auf der Bauchseite des Apparats tat sich eine große Klappe auf, und das Diebesgut wurde im Inneren verstaut. Man hörte aus der offenen Luke ein wüstes Gezerre mit den Pappschubern, dann ein Blättern und ein Surren. Und ein gleißendes Licht - wie von einem Kopierer - blitzte hin und wieder durch die Öffnung. Sekunden später war drinnen alles wieder ruhig. An einem Teleskoparm 4
wurde eine Schale aus der Luke herausgefahren, und eines der spitz zulaufenden Vorderglieder tunkte für eine kurze Zeit mit einem Schlürfgeräusch darin ein. Das darf doch alles nicht wahr sein! Andreia war wütend und machte einen ersten entschlossenen Schritt auf die Maschine zu. Diesmal aber reagierte der Apparat. Wie ein Ruck ging es durch Rumpf und Beine, und im Nu hockte das Ungetüm bedrohlich vor ihr. Eines der Glieder - nämlich das eingetunkte - stach auf Andreia ein und ritzte derb ihren Unterarm. Mehr geschah ihr nicht. Andreia stierte mit vortretenden Augäpfeln auf ihren Arm und blickte sogleich wieder auf. Doch sie guckte ins Leere und riss verwirrt den Kopf hoch. Tatsächlich: Die Sonde - erwiesenermaßen ein plündernder Viking - hatte bereits abgehoben, verschwamm mitsamt dem Antrieb-Strang in einiger Höhe und wurde zuletzt unsichtbar. * Das Humanoidenpaar - ein Mann und eine Frau - mit den bunten Uniformen stand Seite an Seite neben dem Kontrollpult des bleichhaarigen Kommandanten. Beide überkreuzten sie die Arme vor der Brust. »Flospin Bak!«, intonierten sie laut. Als wäre es ihm lästig, streckte der sitzende Kommandant seinen Untergebenen die Linke entgegen, wedelte andeutungsweise und zog sie wieder zurück. Dabei rang er sich noch einen Seitenblick ab. »Bak e bak«, erwiderte er. Vor ihm auf dem Kontrollpult standen zwei Buchschuber. Einen davon ergriff der Kommandant mit spitzen Fingern und setzte ihn bei schräger Kopfhaltung auf die Ecke des Pultes. Er sah seine Untergebenen fragend an und strich sich eine weiße Haasträhne aus der Stirn. »Joz Glippsdoch flumm? Ki plei... ... G-r-z-i-m-e-k-s... T-i-e-r-l-e-b-e-n... ... Was, bei Bak, hat dieses irdische Kauderwelsch zu bedeuten?« Die Untergebenen tauschten einen klärenden Blick, dann streckte sich der Mann und trat vor. »›Grzimeks Tierleben‹ ist ein irdisches Standardwerk über die einheimische Fauna, Kommandant.« »Verstehe... Das hat mit Plan 10 zu tun, ist das richtig?« »Ganz recht, Plan 10, Kommandant.« Der Kommandant blickte auf eine Anzeige und hauchte einem Knopf einen Fingerdruck auf. Ein paar Textabsätze in nicht-irdischer Schrift erschienen. »Nun, wenn ich mir die Protokolle unserer Vorgänger ansehe... Plan 9 war ja wohl damals ein herber Fehlschlag.« Die Untergebenen blickten schmerzvoll auf den Boden. »Plan 9... Die Wiedererweckung verstorbener Erdlinge... Na ja, die Idee war durchaus gut nur die Machart, die Ausführung...« Nochmals garnierte der Kommandant den Knopf mit der Fingerspitze. »Und hier haben wir jetzt Ihren Plan 10... Plan 10: Die Transformierung der Erdlinge in Lebensformen einer anderen Spezies.« Überwältigt warf der Kommandant seinen Untergebenen einen lobenden Blick zu. Ein »Bravo« verkniff er sich. »Sagen Sie - haben Sie sich schon auf eine Spezies geeinigt?«, fragte er. Die Frau trat vor und zog den ersten Band aus dem Schuber heraus. Der Titel lautete »Niedere Tiere«, und auf dem farbigen Buchdeckel war eine Spinne abgebildet. »Diese Spezies ist es, Kommandant. Unsere THESEOS-Sonde hat automatisch eine möglichst simple organische Struktur ausgewählt und...« 5
Der Kommandant nickte wohlwollend: »Und?« »Und einem weiblichen Erdling wurden bereits erfolgreich Gen-Bazillos injiziert. - Der Test läuft, Kommandant.« »Sehr gut!« Der Kommandant sah seine Untergebenen eindringlich an. »Wenn wir die Menscheit jetzt nicht unterwerfen, werden uns womöglich noch die Einaugen oder die Marsianer... oder - was Bak behüte - die Schleimklumpen zuvorkommen.« * Noch während Andreia Webber zwei Tage später in ihrem Bett aufwachte, verdrängte sie einen furchtbar peinigenden Albtraum. Sie lag auf dem Bauch, fühlte sich massig und aufgequollen und konnte den Kopf nicht bewegen. Die Sicht wollte sich auch nicht scharf stellen, also zerrte sie eine Hand vor das Gesicht, um sich den Schlaf von den Lidern zu reiben. Statt der Hand drang ein brauner, behaarter Strunk in ihr Gesichtsfeld und schwankte monströs vor ihrer Nase herum. In regelrechter Panik stemmte sie sich auf- und rückwärts; weg vom Kopfkissen. Der behaarte Strunk hatte das Taumeln eingestellt und drückte statt dessen anstelle ihrer rechten Hand eine tiefe Mulde in die Matratze. Noch drei andere Strünke taten das gleiche. Sie erfasste trotz einer schlechten Sicht jeweils zwei zur Linken und zur Rechten. Eigentlich waren es keine Strünke, sondern dünne, braun gefleckte, grob behaarte Beine, die in Stumpen endeten. Da sich ihr Kopf einfach nicht wenden lassen wollte, wusste sie nicht, ob sich ihr Unterleib nach wie vor auf menschlichen Knien stützte, oder ob auch dort inzwischen vier Monsterglieder deren Platz eingenommen hatten. »So eine Scheiße!«, wollte sie ausstoßen, doch es war ihr physisch nicht mehr möglich. Die miserable Sicht verschwamm endgültig, und sämtliche Glieder gaben unter Andreias Gewicht nach. Ohnmächtig klappte sie zusammen. Obwohl Andreia Webber es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, hatte sie die vergangenen zwei Tage praktisch durchgeschlafen. Nach dem eigenartigen Erlebnis mit dem plündernden Apparat vor ihrem Buchladen, war sie bald sehr schläfrig geworden. Sie hatte es noch geschafft, die wenigen Glasscherben, die nach außen gefallen waren, wegzuräumen und den Laden fürs Wochenende mit dem Stahl-Rollo zu verschließen. Sie hatte es allerdings nicht mehr fertig gebracht, die Polizei anzurufen - was hätte sie auch sagen können? -, sondern war todmüde eine Straße weiter nach Hause gewankt und auf ihr Bett gefallen. Gestern morgen war sie - noch in menschlicher Gestalt - zu sich gekommen, um einen nie gekannten Heißhunger zu stillen. Wie unter Zwang hatte sie eine ganze Dose gesalzene Erdnüsse in den Mixer gekippt. Nach und nach hatte sie eine halbe Milchpackung hinzugegeben, und zwar auf höchst seltsame Weise: Sie hatte Schluck um Schluck aus der Packung in den Mund genommen und diesen Mundvoll dann in den Mixer gespien. Nach zwanzig Minuten war ihr der Pamp passabel erschienen. Es war ihr nicht möglich gewesen, diese Speise mit dem Löffel zu essen oder aus einer Tasse zu trinken. Sie hatte einen dicken Kugelschreiber aufgeschraubt und das hohle Röhrchen als Trinkhalm verwendet. So hatte sie im Handumdrehen das dickflüssige Nuss-Milch-Püree eingeschlürft. Seitdem war sie noch weitaus drastischer mutiert. Als Andreia aus ihrer kurzen Ohnmacht zu sich kam, nahm sie es gleichmütig hin, dass sie sich in eine unwahrscheinlich große Spinne verwandelt hatte. Sie gewann erstaunlich schnell die Kontrolle über ihre acht Beine - diese wurden übrigens per Flüssigkeit und Druck bewegt. Sie gewöhnte sich daran, mit den Tracheen ihres Unterleibs zu atmen, und wusste auch, dass ihr bestentwickelter Sinn nun der Tastsinn war. Sie vermochte immer noch ausreichend zu sehen - neuerdings mit acht Augen.
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Die Fähigkeit zu denken war ihr offensichtlich auch geblieben. Das unterschied sie von jener gigantischen Spinne - genannt »Tarantula« -, die in den Fünfzigern im amerikanischen Mittelwesten ihr Unwesen getrieben hatte. Andreia hatte kein Verlangen danach, in einer Napalm-Feuersbrunst zu enden. Und ebensowenig war ihr daran gelegen, dass man dereinst ihr Skelett im Tokyo Museum für Makromoprhe ausstellte. - So war es u.a. dem Riesenaffen »King Kong« und dem »Godzilla« ergangen. Um Gewissheit zu erlangen, dass sie mit ihrer Lage zurecht kommen würde, krabbelte sie ins Wohnzimmer und rückte dort mit erstaunlichen Kräften Kommode, Schrank und Sofa von den Wänden. Endlich fand sie hinter einem Regalschrank eine schwarze Verwandte auf der hellen Tapete sitzen. Ein dichtes Netz zwischen Regal und Tapete war nahe dem Tier zerrissen und zusammengefallen. Nach einigen vergleichenden Beobachtungen war Andreia überzeugt davon, ihre neue Natur einigermaßen im Griff zu haben. Nun konnte das eigentliche Problem angegangen werden. Diese verdammte Weltraumsonde hat mir das eingebrockt! Völlig klar! Andreia krabbelte unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Die Sonde hing bestimmt an einem UFO... voller schrumpeliger Fressen. - Wie komm ich bloß an die ran? - Ich muss die dazu bringen, alles wieder rückgängig zu machen! Noch während sie verzweifelte, haarsträubende Pläne schmiedete und wieder verwarf, grollte erneut ein Güterzug über die Eisenbahnbrücke. Die Vibrationen vermittelten ihr ein klares Bild von Masse, Anzahl der Waggons und Geschwindigkeit. Sie stierte mit ihren acht Knopfaugen aus dem Fenster, um eine visuelle Bestätigung zu erhalten. Auf dem Balkon, unmittelbar vor der Scheibe kauerte reglos ein Kugelkörper mit acht gelenkigen Stelzenbeinen und einem aufwärts führenden armdicken Strang auf dem Rücken. Die Sonde war zurückgekehrt. In schlagartiger Erregung spreizte Andreia ihre mächtigen Klauenkiefer und krabbelte kampfbereit zur Balkontür. * Der außerirdische Kommandant der KNOSSOS klammerte sich aufrecht stehend an die Rükkenlehnen der Sessel, in denen seine beiden Untergebenen ihren heiklen Steuerungs- und Überwachungsaufgaben nachgingen. Er starrte ihnen abwechselnd auf die Hinterköpfe. Das vierhändige Spiel auf den Steuerungspulten schien ihn nicht zu kümmern. Der Panoramamonitor vor ihnen wurde hell und zeigte einen kreisrunden Bildausschnitt, der an den Rändern zunehmend wässerig trübe wurde. »Was genau, bitte, sehen wir da jetzt?«, wollte der Kommandant wissen. »Ist das die Übertragung von der THESEOS-Sonde?« »Jawohl, Kommandant«, bestätigte die Frau. »Mir ist heiß!« Der Kommandant drückte sich den Ärmel sachte auf die Stirn. »Wenn das hier fehlschlägt, müssen wir am Ende noch die Solanid-Bombe einsetzen.« Die Untergebenen wechselten einen kurzen Blick. »Wir sind... zuversichtlich, Kommandant«, bemerkte der Mann. Der Kommandant guckte ihm grübelnd auf die Haare. »Wie ist eigentlich Ihr Name?« »Ich heiße Mino, Kommandant.« »Und Sie?« »Taura, Kommandant.« Der Kommandant selbst hieß Kretus. Dies war jedoch bekannt. »Gut, gut! - Also, Mino, Sie bedienen den Leitstrang der Sonde, und Sie, Taura, steuern deren Laufapparat - ist das richtig?« »Jawohl, Kommandant.« Der Kommandant betrachtete den Monitor. 7
Die Sonde kauerte offensichtlich auf einem kleinen Balkon. Durch ein Fenster in der Hauswand bot sich der Blick in ein unordentliches Wohnzimmer. Die Möbel waren von den Wänden gerückt worden. Im unteren Bildbereich lief eine enorm große Spinne am Fenster vorbei. Der Kommandant wich zurück. »Bei Bak! - Was war denn das?« »Das ist das Testsubjekt, Kommandant. Die Transformation ist erfolgreich abgeschlossen.« »Und die... Größe des Subjekts liegt auch bestimmt innerhalb der Toleranz?« »Positiv, Kommandant.« Der Kommandant behielt seine nächste Äußerung für sich. Statt dessen verfolgte er gebannt das weitere Vorgehen seiner Untergebenen. Taura zerschlug die Fensterscheibe mit den Vordergliedmaßen der Sonde. Danach aktivierte sie den Lautsprecher, öffnete einen Audiokanal und übermittelte folgende Botschaft: »Achtung, Menschlein! Ergib dich der Übermacht der Beherrscher der Galaxis! Du wirst schmerzfrei getötet und seziert! Sich zu widersetzen ist zwecklos und bedeutet maßlosen Schmerz!« Zunächst geschah gar nichts. Dann erzitterte plötzlich das Bild auf dem Monitor. »Was ist passiert?«, wollte der Kommandant wissen. »Ein Objekt scheint gegen die Sonde geprallt zu sein«, gab Taura Auskunft. »Ich stelle fest, worum es sich handelt.« Der übertragene Bildausschnitt wanderte linksherum, zeigte bei 90 Grad die Fassade des Wohnblocks zur Linken und unten eine schmale, menschenleere Gasse, dann bei 180 Grad die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser, schließlich bei 270 Grad die Gasse samt Fassade zur Rechten, und am Ende erschien wieder das zertrümmerte Fenster. Außerdem war ganz kurz eine Balkontür rechts neben dem Fenster im Bild gewesen. Diese Tür stand einen Spalt auf. »Ich vermute, der transformierte Erdling hat seine Behausung durch die Tür verlassen«, sagte Taura, »und er klammert sich wahrscheinlich an die Unterseite der Sonde.« »Ja«, bestätigte Mino. »Die Sensoren registrieren eine Lebensform an der Sonde, und außerdem...« »Ja?« Der Kommandant wurde nervös. »Ein mechanischer Angriff wird angezeigt... auf die Verschlussklappe des Stauraums. - Die Krafteinwirkung ist beachtlich.« »Aber vergeblich«, ergänzte Taura. »Die Klauenkiefer des Erdlings sind nicht in der Lage, die Sonde zu beschädigen oder den Stauraum zu öffnen.« Erneut übermittelte Taura eine Botschaft über den Audiokanal: »Jede mechanische Attacke ist wirkungslos, dummes Menschlein! Ergib dich nun den Beherrschern der Galaxis!« Erneut ging ein Ruck durch das Bild, und einen Moment später war die Spinne zu sehen. Sie sprang nach links hinüber und lief senkrecht an der Fassade entlang. »Der Erdling flieht«, kommentierte Taura. »Nehme Verfolgung auf«, kündigte Mino an und aktivierte den Steuerknüppel des Leitstrangs. * Andreia ließ von der Sonde ab, als sie merkte, dass ihre Klauenkiefer nichts ausrichteten. Dann eben Plan B, dachte sie. Sie krabbelte über die Balkonbrüstung und weiter an der Wand entlang. Geschickt überquerte sie ihr eigenes Badezimmerfenster, dann ein breites Wohnzimmerfenster, das sich wie ein Tümpel unter ihr auftat. Das Fallrohr einer Dachrinne war nur eine kümmerliche Hürde. Schräg führte sie ihr Weg links hinüber zum Grund der Gasse. Das ebene Steinpflaster ragte steil neben ihr auf. In der Kante, wo sie von der einen Ebene auf die nächste wechselte, hielt sie inne und drehte sich kurz um. Wie vorausgesehen war die Sonde dicht hinter ihr. Sämtliche Laufglieder waren 8
weit gespreizt. Ähnlich dem Skelett einer zupackenden Klaue schwebte die Maschine an ihrem Strang vorwärts. Andreia flüchtete weiter. Aus einer Haustür trat arglos jemand auf die Straße. Als er sah, was auf ihn zugelaufen und zugeschwebt kam, presste er sich starr an die Wand. Andreia achtete kaum auf ihn. Jetzt hatte sie die Eisenbahnbrücke erreicht und krabbelte unter dem Brückenbogen hindurch, der gerade groß genug war, dass ein Lieferwagen hindurchpasste. Die Sonde zog im Flug die Stelzenglieder an sich und folgte ihrer Beute mit unvermindertem Tempo durch die Unterführung. Auf der anderen Seite der Brücke schwenkte Andreia im vollen Lauf rechts herum und kletterte die Brückenmauer hinauf. Die Sonde kam unter der Brücke hervor und hielt inne; der Leitstrang zog sich hinter ihr unter dem Brückenbogen hindurch und beschränkte ihre Beweglichkeit. Nach kurzer Zeit aber schwebte sie zielstrebig aufwärts und entfaltete wiederum ihre Extremitäten. Andreia lauerte mitten auf den Gleisen und erwartete ihren Gegner. Ein verheißungsvolles Zittern ging durch die kalte Schiene. Die Sonde hob sich über den Rand der Brücke, fuchtelte eindrucksvoll mit den Vordergliedern und kam näher. In diesem Moment sprang Andreia mit einem Satz auf den Kugelkörper und setzte ihre zweite Waffe ein. Mit irrwitziger Geschwindigkeit spann sie ihre Fäden zwischen der Sonde und dem Gleiskörper. Das Zittern der Schiene nahm zu. Der Spinnenfaden war reißfester als Stahl, und obwohl die Sonde in der Lage war, einige Faserbündel zu durchtrennen, hing sie doch fürs erste fest. In der nächsten Kurve erschien der Güterzug und näherte sich. Mehrfach ertönte ein Warnsignal, sobald die Lok die Tarndistanz der Sonde unterschritten hatte. Die Sonde begann zu zappeln, als würde sie in Panik geraten. Andreia sprang an einem Sicherheitsfaden von der Brücke, und einen Moment später wurde oben die Sonde von der Lok erfasst. Es gab einen deutlichen Aufprallklang, aber es wurden keine Bruchstücke durch die Gegend geschleudert. War die Sonde nicht zerschmettert worden? Argwöhnisch beobachtete Andreia den Leitstrang. - Und mit einem jähen Ruck straffte sich der bandagierte Strang, und irgend etwas zog ihn unablässig unter der Brücke hindurch, während ohne Ende die Waggons des Güterzugs vorüberrollten. Einige Mauersteine zerbrachen und zerbröselten unter dem straff gespannten Leitstrang. Und auf einmal begriff sie: Die Sonde musste sich an der Lok verfangen haben. Der Zug war wie ein abertausend Tonnen schwerer Eisenfisch. Und dieser Fisch hatte einen Haken verschluckt, der nicht ihm gegolten hatte. Und er würde die Angelschnur unbarmherzig bis zum Ende abrollen, falls der Angler ihm nicht gewachsen wäre... * Der Kommandant musste sich von seinen Untergebenen anhören, dass der Leitstrang der Sonde praktisch unzerreißbar war. Ebensowenig - so erklärte man ihm - könnte man den Strang vom Mutterschiff abkoppeln. Da der Strang außerdem auf der Planetenoberfläche durch eine stabile Öse führte, und die THESEOS-Sonde sich nicht von jenem massereichen Schienengefährt lösen ließ, war das Ende unabwendbar. Der Kommandant erbleichte. Es dauerte tatsächlich nicht lange, und die KNOSSOS wurde aus ihrer geo-stationären Umlaufbahn hinabgezogen. Zu diesem Zeitpunkt bestieg Kommandant Kretus die Rettungskapsel und wünschte seinen Untergebenen viel Glück. 9
Unaufhaltsam fiel das UFO dem Planeten entgegen. Mino und Taura standen aufrecht vor ihren Sesseln mit vor der Brust überkreuzten Armen. »Flospin Bak ölk flospin«, sangen sie mit stolzen Tränen. »Flumm kei flumm pulk, schawa mozi bak...« Es schien sich um eine Hymne zu handeln. * Das UFO stürzte weißglühend vom Himmel herab, als würde es lodernd brennen. Andreia Webber kauerte alleine auf dem Flachdach des fünfstöckigen Mietshauses, in dem sie bisher gewohnt hatte. Die grelle, langgezogene Leuchtspur spiegelte sich in ihren acht ausdruckslosen Knopfaugen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte die Bedrohung aus dem Weltall zurückgeschlagen und die Außerirdischen besiegt. - Und damit hatte sie sich jede Möglichkeit genommen, ihre menschliche Gestalt wiederzuerlangen. Mit dem heutigen Tag hatte sich ihr Leben von Grund auf geändert. Von jetzt an werde ich meine Kräfte und Fähigkeiten dafür einsetzen, die Menschen dieser Stadt zu schützen, schwor sie sich. Ich werde mich ARACHNA nennen, und ich werde alles tun, damit niemand mehr das Opfer bösartiger Mächte wird! Kurze Zeit darauf schlug das UFO in der Ferne ein - in das »Meeresinstitut zur Erforschung von Riesenkraken«, wie sie später erfahren sollte. Es war eine bombastische Explosion.
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Locked in von Matthias Sokoliuk
Die menschlichen Gehirne der Zukunft sind von Nanorobots und unterstützender Software durchdrungen. Und sie sind weltweit vernetzt. Eines Tages gibt es Schwierigkeiten..."
In „Locked In“ geht es einerseits um die Weiterführung des Windows-Dilemmas in eine gar nicht so entfernte Zukunft, in der miniaturisierte Technik viele der körperlichen Funktionen der Menschen steuert. Auf der anderen Seite wird ein „Quantensprung der Evolution“ mit dem Auftreten eines bedrohlichen Superbewusstseins der weltumspannenden künstlichen Intelligenz angedeutet. Ein Teil der Geschichte ist nur sehr locker in die Rahmenhandlung eingebunden und erklärt in einem eher „dokumentarischen Stil“ die Entwicklung der skizzierten Technologie.
Locked In … system restarting initialising basic brain functions… respiration active, oxygen level 95%, uncritical muscle tension over limit 170% relaxation initiated… stress level increased 210% compensating… compensating… ok initialising upper brain functions… recreating personality from backup… personality 96% restored ...verschwommenes Gefühl des Treibens. Zähigkeit. nicht richtig, nicht richtig, muss machen.... Furcht.. ANGST.. PANIK! Gehaltenwerden ohne entkommen zu können... muss raus muss raus mu... restarting emotional system integrating emotioncom® implants negotiating limbic balance… -welcome matthias, emotioncom® is with you...warmes, wohliges Gefühl des Willkommens, langsam anschwellend, in ein Crescendo der Freude mit sanfter erotischen Verheißung übergehend und langsam abebbend… establishing sensorial circuits... sensorial input enabled heiteres Wahrnehmen des Liegens... etwas passt nicht... erster Schmerz, leicht, gelassenes Dulden... Geräusche, Silben, doch kein Inhalt... adapting sensorial input level starting assoziative system 11
Teppich unter den Fingern, Schmerz im verdrehten Fuß, dringliche Geräusche, nein Sprache. Helligkeit, Formen...
reallocating memory space verifying memory cache inconsistent data in cluster 2 cache deleted starting conscience device almost done… ok Desorientiertheit, die in die Frage überging, wo er war. Er lag auf dem Boden, so viel war klar. Was war geschehen? Sein einer Fuß lag verdreht unter seinem Körper und schmerzte. Unwillkürlich versuchte er ihn aus dieser Lage zu befreien, aber noch konnte er sich nicht bewegen. all systems functional conscience established voluntary movements enabled Endlich! Er drehte sich zur Seite und zog den Fuß unter seinem Körper hervor. Der Unterschenkel war eingeschlafen, durch die Bewegung fing er leicht an zu kribbeln. Na so was, er war wohl minutenlang weggewesen. „Matthias! Bist Du wieder da?“ drang an sein Ohr. Er wandte denn Kopf und sah seinen alten Freund und Kollegen Alfred. „Matthias, bist du ok?“ fragte dieser mit einem besorgten Unterton. „Ja, ja, alles in Ordnung, nur mein Bein ist eingeschlafen“ erwiderte er. Irgendwie erschien ihm immer noch alles etwas unwirklich. Aber machte nichts, er fühlte sich gut und geborgen, wunschlos glücklich. Es war gut, hier auf dem Boden zu sitzen und den Leuten zuzunicken, die vorbeiliefen. „Mensch Matthias, überprüf mal deine sekretorischen Systeme, du bist ja voll drauf!“ rief Alfred. Guter alter Alfred. Immer macht er sich Sorgen. Aber den Gefallen kann ich ihm eigentlich tun. Na sieh mal an, Endorphinproduktion auf Level 9 angehoben. Warum denn das? Neugierig drehte er den mentalen Regler auf die Normalstellung. Beinahe augenblicklich nahm das schon fast vergessene Kribbeln in seinem Bein infernalische Qualitäten an. Er fühlte sich am ganzen Körper zerschlagen, jeder einzelne Muskel tat ihm weh. „Was ist passiert?“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Du hattest einen Crash. Warst plötzlich weg. Hast noch ein paar mal den letzten Satz wiederholt. Dann hast du plötzlich gezappelt wie irr, bist hingefallen und warst völlig verkrampft. Hast mir einen Heidenschrecken eingejagt! Hast geschrieen wie ein Elch, als du dich so zusammenkrampftest. Komm, ich bring dich in dein Büro“ Matthias richtete sich mit Alfreds Hilfe auf ließ sich von ihm weiterführen. Er rief seine Statusinformationen ab. Eine rauchige Frauenstimme erklang vor seinem inneren Ohr. „Hallo Matthias. Es ist Dienstag, der 22. Juni 2030. Du benutzt mit Braincards 3M das weltweit führende mentale Integrationsprogramm. Du hattest vor 3 Minuten 43 Sekunden einen Systemcrash, hervorgerufen durch eine Schutzverletzung im Bereich der Thalamusimplantate. Der Kurzzeitgedächtnisspeicher wies inkonsistente Daten auf wurde daher gelöscht. Du be12
findest dich im Gebäude der Rauteg AG auf dem Weg zu deinem Büro. Alle Systeme sind wieder voll funktionsfähig. Allerdings kam es während der Systemstörung zu einer erhöhten Muskelkontraktibilität, durch die kleinere Faserrisse aufgetreten sind. Auf Grund der dadurch verursachten Schmerzen und wegen einer geringfügig erhöhten Konzentration von Stresshormonen empfehle ich eine vorrübergehende Anpassung des Endorphinspiegels. Soll ich die Anpassung durchführen?“ „Nein!“ rief Matthias innerlich, „nicht noch einmal.“ Schließlich musste er noch arbeiten. Wahrscheinlich zumindestens, sonst wäre er ja nicht hier. So langsam konnte er wieder klarer denken. Bewusst unterdrückte er den Impuls, sich wie sonst in das weltumspannende mentale Netzwerk einzulinken. Alfred plapperte munter vor sich hin, verarbeitete seine Anspannung in einen plätschernden Fluss von Nebensächlichkeiten. Matthias war froh, als sie endlich sein Büro erreichten, und schloss, als ihn Alfred mit einem halb besorgten, halb aufmunterten Klaps auf die Schulter verabschiedet hatte, mit einem Seufzer der Erleichterung die Tür. Er stellte die mentale Verbindung zum Firmensystem her, autorisierte sich mit der emotionalen Charakteristik der Erinnerung an sein erstes Rendevouz und rief die Termine des Tages ab. Gott sein Dank, nichts wichtiges an diesem Vormittag. Er hatte also genügend Zeit sich zu erholen. Vielleicht hätte er sich dieses letzte Shareware-Tool nicht installieren sollen. Aber der „Brain Washer 3..0“ versprach all diese kleinen, unpassenden Reste schon längst gelöschter Emgramme 1zu beseitigen, die so oft zu peinliche Situationen führten. Und nachdem Matthias neugierig dieses thailändische Erotik-Emgramm ausprobiert hatte, reagierte er auf die Anwesenheit jeder halbwegs attraktiven Frau mit kaum zu unterdrückenden Hüftbewegungen. Dies war um so unpassender, da sexuelle Begegnungen praktisch nur noch im virtuellen Raum stattfanden. Wer sich der realen körperlichen Betätigung hingab, galt als hoffnungslos verschroben. Manchmal überkam ihn die Sehnsucht nach einem Leben ohne mentale Implantate, emotionale Stabilisatoren, endokriner Leistungsverbesserer und subdermaler Interlinks. Wie war es eigentlich so weit gekommen? Nachdem die Wissenschaft Ende der zehner Jahre die Geheimnisse des menschlichen Gedächtnisses entschlüsselt hatte, dauerte es nicht lange, bis ein findiger Forscher organische Speicher auf RNA-Basis entwickelte, die zum menschlichen Hirn kompatibel waren. Die ersten Implantate waren kaum mehr als Nachschlagewerke, umständlich abzufragen und nicht wirklich in die Persönlichkeit integriert. Aber Spezialwissen war gefragt, Brainplants waren für die Firmen billiger als aufwendige Weiterbildungen. Besonders in den Schwellenländern wurde die neue Biotechnologie intensiv genutzt. Warnende Stimmen in den traditionellen IT-Ländern wie den USA und Indien verstummten angesichts des dadurch erzeugten wirtschaftlichen Drucks. Wer mithalten wollte im Karrierepoker kam um eine künstlicher Erweiterung seines Wissens nicht herum. Die Installation war einfach; zunächst eine Analyse der Gedächtnis- und Assoziationsfunktionen, dann zwei bis drei Injektionen von Vektorenviren mit individuell designter RNA. Während einer halben Stunde nach der Injektion wurden die Gedächtnis- und Assoziationszentren des Hirns mittels gezielter Mikrowellenstrahlung leicht überwärmt. Nur hier wurden die Viren aktiviert, die nun die umliegenden Neuronen infiltrierten und ihre industriell erzeugte Nukleinsäure einschleusten. Binnen einiger Tage wurden die neuen Informationen abgelesen und 1
Emgramm: programmierbares emotionales Engramm. Ursprünglich Ausdruck für Programme, die gezielt die emotionale Befindlichkeit des Nutzers beeinflussen und eine bleibende Veränderung verursachen. Später Sammelbegriff für alle Programmsysteme, welche die Persönlichkeit, Emotionalität oder Realitätswahrnehmung des Nutzers beeinflussen.
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durch zelleigene Mechanismen in langlebige Gedächtnisproteine übersetzt. Überschüssige Viren wurden durch das Immunsystem schnell beseitigt. Bald zeigten sich jedoch die ersten Grenzen der Wissenstechnologie. Wer sich mehr als 2-3 Brainplants verabreichen ließ, lief Gefahr zu einem lallenden Fachidioten zu werden. Das fremde Pseudowissen konnte dann die eigenen Erinnerungen überlagern. Der Fall eines Anwalts ging um die Welt, der nach 5 Implantaten zwar sämtliche Gerichtsentscheidungen seit der Verurteilung von Jesus Christus zitieren konnte, aber nicht mehr wusste, wie man mit Messer und Gabel umging. Eine Systemverwaltung musste her, die die Ausbreitung der einzelnen Wissensbereiche begrenzte und den Strom der Daten verwaltete. Gleichzeitig strömte massenhaft Nano-Hardware aus den medizinischen Laboren auf den Markt. Winzig kleine Nanobots, die körpereigene Botenstoffe wie Insulin synthetisierten, gezielt Wachstumsfaktoren in degenerierten Gewebe abgaben oder die Beläge sklerosierter Gefäße abknabberten, revolutionierten in den reicheren Gebieten der Welt die Medizin. Einzeln funktionierten die Lösungen hervorragend, in Kombination waren jedoch auch sie auf eine übergeordnete Verwaltung angewiesen, sollte der Träger nicht mit unerwarteteten Ereignissen konfrontiert werden. Eine bekannte Redmonter Firma brachte mit Braincard ein System auf den Markt, das trotz mancher Kritik schnell eine Monopolstellung erreichte. Es integrierte auf der Basis definierter Schnittstellen Technologien aus der Gentechnik und Mikrobiokybernetik auf der einen und das organische Rumpfsystem des Benutzers auf der anderen Seite. Es bestand aus einer großen Anzahl von Nano-Einheiten, die sich, in den Blutkreislauf des Trägers gebracht, selbstständig an wichtige Erfolgsorgane wie dem zentrale Nervensystem und Hormondrüsen anlagerten. Am Hirnstamm organisierten sie sich selbstständig zu einer Zentraleinheit, von der aus die peripheren Subsysteme im ganzen Körper gesteuert wurden. Zur Kommunikation requirierte das System einfach für redundant gehaltene Nervenfasern; selbstständig operierende Einheiten wurden über spezielle Botenstoffe im Blut angesprochen. Die Schnittstelle zum Träger bildeten dessen optische und akustische Hirnzentren. Waren die ersten Versionen von Braincard in ihrem Funktionsumfang noch sehr beschränkt, so kamen im Verlauf der nächsten Jahre eine Vielzahl von Features hinzu, die zu einer großen Verbreitung in der Normalbevölkerung führten. Automatische Trainingsprogramme, die im Schlaf für körperliche Fitness sorgten, Pausenprogramme, die Zeiten langweiligen Wartens mit angenehmen Erinnerungen und Assoziationen füllten und Einschlafhilfen waren nur einige der vielfältigen Möglichkeiten. Bald entdeckten die Spielhersteller die Plattform, neue Entwicklungen gaben ihnen die direkte Kontrolle über Sensorik und Emotionalität der Spieler. Der Traum von der virtuellen Realität war wahr geworden. Als dann noch subdermale Interlinks für den Zugang in das weltweite Netz sorgten, war der Siegeszug von Braincard komplettiert. Nur einige gesellschaftliche Randgruppen wie religiöse Eiferer und Öko-Freaks verweigerten sich den neuen Möglichkeiten. Natürlich gab es auch Probleme. Der Zugang der Emgramme zu den emotionalen und sensorischen Ressourcen musste gesetzlich begrenzt werden, nachdem immer mehr Emotionsjunkies in ihrem Glücksrausch verhungerten. Diese Regelungen griffen nur unzuverlässig, wer wollte fand im Netz genügend Möglichkeiten die Sperren auszuhebeln. Mit dem Aufkommen erotischer Emgramme mit Netzwerkfähigkeit sank die Geburtenrate binnen weniger Jahre praktisch auf Null. Die Aufgabe der Kindererzeugung und –aufzucht ging von den zerfallenden Familien auf den Staat über. Manche Forscher warnten vor einer kritischen Komplexitätsschwelle der „Netzintelligenz“, die, einmal überschritten, zu einem Pseudobewusstsein des Systems führen könnte. Andere fanden es bedenklich, dass Forscher, die die letztere Auffassung vertraten, eine erhöhtes Risiko für tödliche Unfälle zu haben schienen. 14
Auch für den einzelnen Nutzer war die Situation nicht immer einfach. Oft hinterließen versuchsweise installierte Emgramme unerwünschte Reste im System. Wer zu viel ausprobierte, musste mit unerklärlichen Systemfehlern und Abstürzen rechnen. Jeder Crash brachte das Risiko von Datenverlusten mit sich. Gingen mit der Zeit zu große Datenmengen verloren, kam es zu einer „Versandung“ der Persönlichkeit. Die Betroffenen wirkten leblos, uninteressiert und zogen sich sozial zurück. Hackerangriffe aus dem Netz sorgten immer wieder für teils gefährliche, teils sehr peinliche Situationen. Auf eine besonders pikante Weise wurde dieses Sicherheitsproblem der Weltbevölkerung verdeutlicht, als der amerikanische Präsident bei einem Empfang, von falschen sensorischen Inputs verwirrt, auf die Festtafel urinierte. Auch Matthias war besorgt. Dies war der dritte Absturz innerhalb von 2 Wochen gewesen. Wie ihm seine inneren Statusmeldungen verrieten, war seine Persönlichkeit wieder um 1 Prozent mehr geschädigt. 96% Persönlichkeitsintegrität war zwar nicht schlecht. Aber wenn es weiter Crash um Crash hagelte, gehörte er bald zu den „Zombies“, die mit leeren Blick und leeren Hirn durch die Strassen und das Netz schlichen. Ohne Emotioncom®, dem steten Hüter seines emotionalen Gleichgewichtes, hätte ihn die Furcht vielleicht überwältigt. So aber fasste er bald neuen Mut. „Das Netz gibt es, das Netz nimmt es“ dachte er sich und aktivierte seinen Netzzugang Ohne die verschwommenen Werbebotschaften am Rande seines Bewusstseins zu beachten, startete er eine Suchanfrage nach „Brainwasher 3.0“, wobei er gezielt nach negativen Bewertungen Ausschau hielt. 3500 Beschwerden alleine innerhalb der letzten 2 Stunden, davon 32 von Freunden oder Verwandten von Opfern, die nach dem Ausführen des Programms ins Koma fielen und nicht neu gestartet werden konnten. Matthias überlief es kalt, was eine Anzahl Nanobots in verschiedenen Hirnregionen dazu veranlasste, die Serotoninproduktion zu erhöhen. Er versuchte die Entwicklungsfirma zu kontaktieren, stieß aber nur auf einen mentalen „Anrufbeantworter“, der ihm, eine mürrische Gereiztheit kaum verbergend, mitteilte, die Seite sei geschlossen, die Verantwortlichen nicht zu erreichen. Ein Anfrage bei verschiedenen Foren erbrachte wenig hilfreiches. Ein neumalkluger „Spezialist“ empfahl die vollständige Deinstalation von Braincard und einen Reboot auf dem Boden der „natürlichen Ressourcen“. So ein Unsinn, wie sollte er ein System deinstallieren, das mit allen zellulären Updates, Zusatzprogrammen, Nanobots und Systemhilfen 5% seines Körpergewichtes ausmachte und 99% seiner Funktionen überwachte. Selbst wenn er diese Prozedur überlebte musste er froh sein, nicht als sabbernder Idiot aufzuwachen. In anderen Mitteilungen fand er Hinweise auf eine unerklärliche Häufung von Zwischenfällen nach der Installation von verschiedensten Share- und Freewareprogrammen der unterschiedlichsten Art. Ein Britte stellte die These auf, dass viele in letzter Zeit über das Netz vertriebenen Programme Troyaner enthielten, die, durch einen zusätzlichen Impuls getriggert, bald Grauenhaftes mit allen Nutzern anstellen würden. Typisch englische Paranoia. Aber vielleicht verständlich, wenn man in einer Welt voller hirntoter BSE-Opfer lebte, die nur durch ihre Implants an einer Art von Halbleben gehalten wurden. Aber auch andere Autoren sahen Auffälligkeiten in den verdächtigen Programmen. Von massenhaft unsinnigen Code war die Rede, von völlig unverständlichen Routinen und Aufrufen. Einige der Entwickler hatten sich, meist aus einem Versteck heraus, zu Wort gemeldet. Sie schworen Stein und Bein, dass es sich um nachträgliche Änderungen handelte. Einer gab an, er habe einen Teil des zusätzlichen Codes analysiert und es handele sich anscheinend um Anweisungen an Nanobots, auf ein bestimmtes Signal hin Nervenzellen zu zerstören. So ein Wahnsinn, das konnte doch nicht war sein! Aber wenn es doch stimmte... Vielleicht wartete ein irrsinniger Hacker nur darauf, dass sich Millionen Hirne auf einen Schlag in Brei verwandelten! Matthias merkte, wie ihn der 15
Atem stockte und sich sein Herzschlag beschleunigte. Augenblicklich reagierten seine emotionalen Kontrollen, kompensierten die Stressreaktionen. Tausende von Nanobots stießen Endorphine aus, andere verminderten den Adrenalinausstoß der Nebennieren, erweiterten verengte Blutgefäße, reduzierten die Herz- und Atemfrequenz und verringerten oder erhöhten die Aktivität bestimmter Hirnbereiche. Diesmal hatte Matthias gegen diese automatische Reaktion nichts einzuwenden. Aus den Augenwinkeln sah er einen großen Körper am Fenster seines Büros vorbeistürzen. Dunkel erreichte eine Ahnung den Rand seines Bewusstseins, dass es im Frankfurt des 21. Jahrhunderts keine so großen Vögel geben sollte, schon gar nicht mit Anzug und im Wind flatternder Krawatte. Aber jetzt keine Ablenkung! Er musste eine Lösung für sein Problem finden. Wo war noch mal der Britte mit seinen Troyanern? Weg! Die Nachricht war gelöscht! Wie konnte das geschehen, die Foren sollten doch angeblich sicher vor Angriffen sein. Zurück zu dem Programmierer und seinem analysierten Code. Auch weg! Was geschah hier? Fassungslos registrierte er, wie vor seinen mentalen Augen Beitrag um Beitrag verschwand. Auch die anwesenden User verringerten sich merklich, immer wieder durchzuckte ein Panikblitz das Forum und der Anwesenheitszähler fiel im freien Fall. Tumultartige Geräusche aus dem Gebäude lenkten seine Aufmerksamkeit zurück in die reale Welt. Er blickte auf und sah durch das Fenster ein Feuer im oberen Drittel des Turms der europäischen Zentralbank. Jemand schrie und tobte im Zimmer nebenan. Matthias missachtete die dringlichen Warnungen seiner inneren Wächter, die ihm wegen eines psychischen Ausnahmezustandes empfahlen, sich in einen Medservice einzuloggen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gefühlt. Echte, ungefilterte Angst durchströmte ihn nachdem Emotioncom, den Anforderungen nicht gewachsen, in einer Serie von Fehlermeldungen abgestürzt war. Zitternd und schweißüberströmt kam er auf die Beine und taumelte in Richtung Tür. Eine Mail höchster Priorität traf ein. Ein Gefühl unaufschiebbarer Dringlichkeit und die Verheißung seine Problem zu lösen blinkte im Header durch seinen verstörten Geist. Als Absender war sein Netzwerkbetreiber angegeben. Gott sei dank, jemand hat eine Lösung gefunden. Mühsam sammelte er sich und aktivierte die Mail. Augenblicklich öffnete sich um ihn herum ein lichtdurchfluteter virtueller Raum. Vor ihm kauerte in einem altmodischen Bürostuhl ein unansehnlicher, leicht schmuddeliger Mann Mitte 30 mit Bartstoppeln. „Hallo,“ sagte er „ich bin Bernhard. Das ist eine aufgezeichnete Nachricht, die an alle User versand wird, die bestimmte Programme installiert haben.“ Was sollte das? Das war doch keine offizielle Mail, das musste eine Angriff aus dem Netz sein! Erfolglos versuchte er das Abspielen der Mail zu verhindern. Bernhard zoomte heran und sah ihn unsicher an. „Ich will dir erklären, was gleich passieren wird. Weißt du, der Mensch macht eigentlich ziemlich viel Scheiße, nicht wahr. Eigentlich macht er die ganze Welt kaputt. Du weißt schon, ausgerottete Wale und Adler, abgeholzte Regenwälder, globale Erwärmung und so weiter. Irgendwann habe ich gecheckt, dass es so nicht weitergeht. Weiß auch nicht, wie ich auf den Gedanken kam, was dagegen zu tun. Es ist mir auch nicht so klar, woher ich plötzlich all das über das Netz und Viren und so weiß. Kam wie eine Erleuchtung über mich, nachdem ich meine Implants frisiert und mit einem ungefilterten Netzzugang ausgerüstet habe. Die Anleitung dafür hab ich im Netz gefunden.“ Eine kurze Welle der Verwirrung spülte über Bernhards Gesicht. Aber schnell fasste er sich wieder.
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Was war hier los? Was wollte dieser durchgedrehte Hyperjunkie, der sein Hirn durch illegale Cacks verbraten hatte? Wie konnte er in sein System eindringen? Die möglichen Folgen außer acht lassend sandte Matthias das mentale Kommando für einen Notfallreboot. Aber wieder geschah nichts, die Mail lief ungerührt weiter. „Der Mensch hat eine ziemlich gute Hardware, weißt du. Verdammt ausgefeilt. Selbstregenerierend, multifunktional, anpassungsfähig, gute Sensorik und so weiter. Und all das verschwendet an total uneffektive und egoistische Wesen. Die müssen weg. Löschen muss man sie dafür nicht, es reicht, wenn man sie vom System isoliert. Ich zeig dir mal wie das geht.“ Bernhard verschwand aus der Szene. Statt dessen zoomte ein lebendiges menschliches Hirn heran. Eine Unzahl von Nanobots, symbolisiert durch kleine mechanische Krebse mit glänzend scharfen Scheren, wuselte um die Zellstränge herum und kommunizierte mittels kleiner Lichtblitzen mit der Zentraleinheit am Hirnstamm. „Das menschliche Bewusstsein sitzt in der Großhirnrinde. Solange es Verbindung mit dem restlichen System hat, kann dieses nicht effektiv arbeiten. Aber das kann man ja ändern.“ Wie auf Kommando bewegten sich alle Krebschen plötzlich koordiniert. Sie sammelten sich an großen Nervensträngen und legten mit grausamer Präzision die Scheren an das empfindliche Gewebe. „Deine Nanobots wurden schon vor Tagen durch versteckte Kommandos in einem Sharewareprogramm umprogrammiert. Inzwischen sitzen sie an allen wichtigen Verbindungen in deinem Hirn. Kann sein, dass die Umstrukturierung bei dir zu der einen oder anderen kleinen Systemstörung geführt hat. Am Ende dieser Mail werden sie durch einen Code aktiviert.“ Schnapp! In der Simulation schlossen sich auf einen Schlag Tausende von Scheren und durchschnitten unersetzliche Nervenfasern. Die Kamera zoomte heraus, Knochen, Muskeln und Haut schlossen sich um das Gehirn, zeigten ein friedliches, entspanntes Gesicht. Das Gesicht verblasste und Bernhard erschien wieder. Nein! Das durfte nicht sein. Eingeschlossen im Körper ohne jede Verbindung zur Außenwelt! Matthias hatte von solchen Fällen gehört. „Locked in“ nannte man das. Ein Gehirn voller Aktivität, das nicht mehr kommunizieren konnte, Zeit des Lebens alleine in Dunkelheit. Im letzten Jahr hatte es eine ganze Serie von solchen Fällen gegeben, alle auf Grund unerklärlicher Systemstörungen. Waren das einfach Probeläufe gewesen? Entsetzen packte ihn bei der Vorstellung einer ewigen formlosen Leere. Nein so konnte er nicht leben, lieber wollte er sterben! „Ich möchte, dass dir klar ist, dass dir dabei eigentlich nichts passiert. Ja natürlich, du kannst dann nicht mehr sehen, hören, fühlen, dich bewegen und so.“ Erneut schien Bernhard kurzzeitig verunsichert. „Aber sonst passiert dir nichts. Theoretisch kannst du sogar ewig leben, denn das System wird dein genetisches aging device deaktivieren. Dein Körper wird von den Nanobots tadellos versorgt, wird Teil eines größeren Ganzen, wird im Netzwerk integriert weiter all seine Funktionen erfüllen. Der Mensch als intellektuelle Einheit ist schon längst überholt, die künstliche Intelligenz kann die Welt viel effektiver steuern. Und der Vorgang tut kaum weh, schau her:“ Bernhard schien sich kurz zu sammeln. Dann erweiterten sich plötzlich seine Augen. „Was,.. was.. Nein“ stammelte er und versuchte sich aufzurichten. Aber noch bevor er stand, sackte er zuckend in sich zusammen. Eine kurze Zeit verstrich, dann beruhigte sich der Körper. Nach wenigen Sekunden öffnete er die Augen und sah Matthias an. Sein Blick wirkte kalt und bar jeder Menschlichkeit. „Beginn Phase 2“ sagte er mit leerer Stimme. Die virtuelle Welt verschwand. phase 2 17
dehumanising… initiating personality isolation 145.237 nanobots operating Nein, um Gottes willen, Nein. Für immer eingeschlossen in der Leere! Matthias kam es nicht in den Sinn, an der Botschaft zu zweifeln. Zu gut erklärte sie all die Vorkommnisse der letzten Zeit. Instinktiv verstand er die Bedeutung des fallenden Körpers, den er vor wenigen Minuten halbbewusst wahrgenommen hatte. Fallen, ein Sturz, ein barmherzig kurzer Aufprall. Das war der einzige Ausweg. inactivating specified neurons cytotoxic reaction initiated Während er sich in Richtung des Fensters wandte, durchzuckte ihn ein plötzlicher Schmerz, als ob tausend glühende Nadeln sich in seinen Körper bohrten. Nur wenige Meter bis zum Fenster. Aber schon nach 2 hastigen Schritten wurden seine Beine gefühllos. Koordinationslos knickte sein rechtes Bein ein und er stürzte vorwärts. Sein Sichtfeld verengte sich, die Welt wurde grau und dunkel. Mit den Händen konnte er den Fensterrahmen ertasten, fühlte wie durch einen Schleier den Griff. Verzweifelt versuchte er sich an ihm aufzurichten, aber in diesem Moment begann sein endloser Sturz in tiefe Dunkelheit. Zuckend sank der Körper zu Boden, ebenso wie Millionen und aber Millionen anderer auf der ganzen Welt. transferring sensoric control... completed transferring movement control… completed transferring audiovisuell control… completed personality disintegrated balancing transmitter systems… biounit ms120317-frg full operable network login… reporting status… worldwide dehumanising 23,25% completed, going on
… dunkelheit stille alleine alleine so furchtbar allein schwarze verzweifelung fall ohne ende körperlos verdammt endlosigkeit unhörbarer niemals endender schrei...
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Cyborg von Roland Roth
Ein Trip durch die Welt des Schmerzes. Das furchtbare Geheimnis der Symbiont-Kreuzer...
Es schmerzte. Wieder begann es von vorne. Die Drähte zogen an den entsprechenden Hautpartien. Schalterkontakte begannen am Körper heraufzukriechen und drangen in das gepeinigte Fleisch ein. Ein höllischer Schmerz, dann ein Blackout. Ohnmacht erfasste ihn, doch Sekunden später ließ ein erneuter Schmerz seine Sinne erwachen. Mit fast gewohntem Schrecken bemerkte er, dass sich wieder ein metallener Stift an seine Schädeldecke presste. Mit einem schnalzenden Geräusch drang auch dieses Ding an eine dafür vorgesehene Stelle in seinen Körper ein. Er schrie, und doch wusste er, dass dies nur ein innerlicher Schrei war. Er besaß schon lange keine Zunge mehr. Er wusste noch nicht einmal, ob sein Mund noch existierte. Metallhaken hingen an seinen längst vor Schmerz gelähmten Lippen. Nahrung erhielt er durch Schläuche, die in seine Venen eindrangen und unentwegt eine anscheinend nahrhafte Flüssigkeit in seinen Körper hineinpumpten. Sie musste ihn am Leben erhalten, denn im Grunde müsste er längst tot sein. Wieviel Schmerz kann man ertragen, bevor der Körper der Pein erliegt? Im nächsten Moment schossen zwei kalte Bolzen in seine Augenhöhlen, die schon seit langer Zeit nichts weiter waren als dunkle, blutige Löcher. Ein unfassbarer Schmerz erfasste ihn und rüttelte an seiner Standhaftigkeit. Strom durchzog seine lahmen Glieder, die in einer festen Umklammerung lagen, und setzten scheinbar kontrollierte Bewegungen in Gang. Er wusste nicht, wofür. Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, weshalb er diese Tortur immer wieder von Neuem durchleben musste. Immer wieder fragte er sich nach dem Sinn für das alles hier, doch er fand keine Lösung. Er konnte nur hören und das einzige, was er hörte, war ein monotones Brummen, das sich in Gang setzte, sobald er den größten Schmerz verspürte. Und da war es auch wieder. Der Ton war nicht zu überhören und schien ihn wahnsinnig zu machen. Stille. Mit der Stille lies der Schmerz nach. Er wusste, dass er wiederkommen würde. Es war nun mal nicht leicht, als kybernetische Steuereinheit in einem Symbiont-Kreuzer sein Dasein zu fristen. Ende ? ...
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Absolute Wirklichkeit von Martin Kohs
Ein Mann entdeckt die Wirklichkeit.
Bob Metzger sah sich in seinem Zimmer um und sah die zahllosen Stapel Papire, die sich auf seinem Schreibtisch und dem Boden stapelten und die er noch durchgehen musste. Er war müde, sehr müde. Bob rieb sich die Augen, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte sich einen Moment zu entspannen. Draußen war es bereits dunkel und ihn störte die Stille in seinem Zimmer, also schaltete er das Radio ein. Im Radio lief gerade eine dieser unheimlich langweilige Diskussionsrunden. Offenbar ging es um Rindfleisch, oder so. ">...so müssen sich die Fleischerei Betriebe bewusst werden, dass ihr Verhalten höchst unökonomisch, veraltet und vor allem wirklichketsfremd ist. Es ist nun mal ihre Aufgabe Rindfleisch zu produzieren und nicht auf alte Traditionen beharren. < > Wenn ich dazu auch mal etwas sagen darf... < > Einen Moment bitte Herr Walter, sie können gleich zu Wort kommen. Lassen sie mich nur noch eins sagen: Die Fleischereibetriebe müssen akzeptieren, dass..." Bob schaltete das Radio aus. Das kann sich ja keiner anhören, dachte er. Da fiehlen ihm die Tabletten ein die ihm einmal sein Apotheker emfohlen hatte. Er ging zu seinem Badezimmerschrank und nahm die kleine weiße Tube heraus. Er sah sich das handbeschriebene Etikett an. "AWKonzentrationstabletten". Mehr stand nicht drauf und auch wusste Bob nicht mehr was AW hieß. Was hatte ihm der Apotheker noch gesagt? Sie würden ihm bei schwierigen Aufgaben helfen Dinge besser zu verstehen und zu erfassen zu können. Und ihm fiehl noch etwas ein was er ihm gesagt hatte. Sie würden ihm helfen bei einem Gespräch sein Gegenüber besser einzuschätzen und ihn wissen lassen ob dieser die Wahrheit sage oder ihn anlüge. Nun ja, dass er durch die Pillen Gedanken lesen könnte glaubte Bob natürlich nicht, aber sicherlich könnten sie nicht schaden sein Konzentrationsvermögen etwas zu erhöhen. Er ging in die Küche goss sich ein Glas Wasser ein, öffnete die Tube, nahm eine ordentliche handvoll Pillen und schluckte sie mit dem Wasser runter. Da fiehl ihm ein, dass er gar nicht mehr wusste, wie viele er auf einmal nehmen durfte und einen Moment bekam er es mit der Angst zu tun, vielleicht zu viele genommen zu haben. Ach was, ich wird schon keinen Haarausfall und Hautauschlag bekommen, dachte er. Werd schon merken, wenn es mir schlecht gehen sollte. Er ging zurück an seinen Schreibtisch und nahm sich den Stapel vor, den er als letztes bearbeitet hatte. Doch statt sich nun besser konzentrieren zu können, hatte er nun Schwierigkeiten den Text durchzuelesen. Er musste Sätze oft doppelt lesen, bevor er sie verstand. Langsam kam ihm auch alles irgendwie unwirklich, ja wie in einem Traum vor. Die Papierstapel, die Wände, der ganze Raum schien wie hinter einem Schleier. Auf einmal hörte er stimmen. Das Radio war wieder an:">...sie müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen...-" Bob schlug mit derr Faust auf das Radio ein, bis es nur noch ein Haufen Schrott war und keinen Ton mehr von sich gab. Was war hier los, dachte Bob. "Diese scheiß Pillen!", schrie er und schleuderte die Tube an die Wand. Als er zur Wand sah, bemerkte er, dass sich diese verändert hatte. Da war nicht mehr die gewohnte weiße Tapete, sondern es schien jetzt als würde die Wand aus vielen gelblichen Lederkissen bestehen. Er sah sich im Raum um und sah das plötzlich alle Wände aus diesem Stoff waren. Panik überkam ihn, er rannte zur Tür und wollte sie öffnen, doch er fand keinen Türknauf. Er stemmte sich gegen die Tür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Er hemmerte mit seinen Fäusten auf die Tür ein und schrie: "Ich will raus! Ich will hier raus! Verdammte scheiß Pillen!" Bob wachte auf und sah auf die Uhr. Halb elf. Halb elf! Er schrak auf und begann sich schnell anzuziehen. Er hätte schon vor zwie Stunden in der Firma sein müssen.. Was war gestern nur geschehen? Da fiehl sein Blick auf das kaputte Radio. Jetzt viel es ihm wieder ein. Er hatte 20
diese dähmlichen Pillen genommen. Erst dachte er, er hätte alles geträumt, aber jetzt war ihm klar das er Halluzinationen hatte. Verdammt was für ein Scheißzeug, ich werde zum Apotheker gehen und mich beschweren, dachte er. Für Frühstück blieb heute keine Zeit, er machte sich sofort auf den Weg. Er hatte sich überlegt, dass er sagen würde, er sei im Stau stecken geblieben. Nicht besonders einfallsreich, das gab er zu, aber realistisch. Dr. Christian Handke und Dr. Patricia Anov, er ein Mann mitte vierzig, sie eine Frau mitte dreizig, saßen sich am Tisch gegenüber und gingen die Patienten durch. "Was ist mit diesem Bob Metzger?", fragte Dr. Anov. "Die neuen Medikamente scheinen anzuspringen. Ich war gestern bei ihm. Er schien für einen Moment die Wirklichkeit zu begreifen. Hat alles gesehen. Ohne Phantasien. Leider schiens ihm nicht zu gefallen." Dr. Dick zog seinen linken Ärmel hoch. Patricia sah auf die blauen Flecke und sagte: "Hab schon davon gehört. Der soll ja dann noch die halbe Nacht gegen seine Tür getrommelt haben. Was macht er eigentlich jetzt gerade?" "Wieder das selbe wie immer. Sitzt auf seinem Bett und starrt die Wand an." Nach einer kurzen, bedrückenden Pause fuhr Dr. Handke fort: "Nun ja, auf jedenfall werden wir die Therapie mit AWK fortsetzen. Ich glaub jedoch nicht, dass er's noch mal freiwillig nehmen wird." "OK, also intravenös." "Ich trags ein. Gut, zum nächsten Patienten..." Bob Metzger ließ sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Was für ein Tag. Die Arbeit und der Ärger vom Chef waren dabei weniger schlimm gewesen, als seine seltsame Unterhaltung mit dem Apotheker. Bob Metzger war mit dem Vorsatz zu ihm gegangen, ihm mal richtig seine Meinung zu sagen. Stattdessen lass ich mich von dem mit seinen chinesischen Weisheiten zulabern, dachte Bob. Was hat mir der nicht alles erzählen wollen? Absolute Wirklichkeit hieße AW. Absolute Wirklichkeit Konzentrationstabletten? Und das was ich gesehen habe, soll die Wirklichkeit gewesen sein. Was soll das heißen? Das ich in einem Raum wohne, dessen Wände aus aneinandergereiten Kissen besteht und dessen Tür sich nicht öffnen lässt? Bob war gereizt und wollte um sich abzulenken, das Radio anschalten. Er vergaß in seiner Wut über den Apotheker, dass er es letzte Nacht zerschlagen hatte und griff direkt in ein scharfes Metallteil. "Au!", schrie er und zog die Hand zurück. Der Splitter hatte eine kleine Wunde auf seinem Arm hinterlassen. "Na großartig, jetzt blut' ich auch noch." Er stand auf und wollte zum Badezimmerschrank gehen, um ein Pflaster zu holen, als er etwas hörte. Das Radio lief wieder: ">...sie müssen diesen Phantasiewelten entkommen...<" Außer sich vor Wut rannte Bob Metzger auf das Radio, oder das was von ihm übrig war, zu, schmiss die Einzelteile von dem Schrank, auf dem es lag und bagann auf ihnen rumzutrampeln. Immer stärker und stäker stampfte er auf ihnen rum. Aufeinmal merkte er wie er nach hinten gerissen wurde... "Halten sie ihn fest Markus! Gut festhalten!", sagte Dr. Handke und erhob sich vom Erdboden. Er klopfte sich den Staub von seiner Hose und ging auf den wie wildgeworden Patienten zu. Dicht vor ihm blieb er stehen und sprach mit ruhiger Stimme auf ihn ein:"Erkennen sie mich, Bob Metger? Ich bin Dr. Christian Handke. Sie sind hier in einer psychatrischen Heilanstalt. Können sie mich verstehen?" Der Patient sah sich verwirrt in der Gummizelle um. Er wurde ruhiger und bekam nun statt des wütenden einen ängstlichen Gesichtsausdruck. "Setzen sie ihn aufs Bett, Markus.", sagte Dr. Handke. Markus ein kräftiger Wärter, setzte ihn behutsam auf das Bett. Dr. Handke kniete sich vor ihm auf den Boden. "Können wir jetzt reden?", fragte er. "Haben sie mir zugehört? Sie müssen sich von ihren Phantasiewelten befreien. Sie arbeiten nicht mehr in der Oranke GMBH, sie wurden vor sechs Jahren entlassen. Dies hier ist die Wirklichkeit. Sie sind in einer psychatrischen Heilanstalt. Sie sind seit sechs Jahren hier. Wissen sie warum sie hier sind?", fragte Dr. Handke den verwirrten Patienten. Wie zum Le21
ben erweckt hob der Patient seinen Kopf. Sein Gesicht trug einen teilweise psychopatischen und verwirrten Ausdruck. "Wenn das hier die Wirklichkeit ist, wieso hab ich dann immer noch das hier?" Er hob seine rechte Hand und auf ihr hiehlt eine kleine weiße Tube. "Ich weiß es nicht.", antwortete Dr. Handke, dessen Gesicht ängstliche und auch verwirrte Züge angenommen hatte. Urplötzlich riss der Patient aufeinmal die Tube auf und schüttete sich alle Pillen die sich in der Tube befanden in den Mund. "Nein schlucken sie das nicht!", schrie Christian Handke, "Nein!". Bob hatte sie bereits geschluckt. Alles um ihn bekam diesen Schleier des unwirklichen. Alles wirkte wieder wie in einem Traum und nicht real. Und dann geschah es: Der Wärter löste sich auf. Er wurde einfach durchsichtig und war weg. Der Doktor starrte erschrocken auf die Stelle wo der Wärter eben noch stand. Dann starrte er auf Bob und noch ein letztes mal sagte er "Nein!", bevor auch er verschwand. Dann verschwanden die Wände. Bob schwebte im Nichts. Um ihn herum war nichts. Auch keine Farbe. Das Nichts war weder schwarz noch weiß es war einfach nichts. Dann merkte Bob wie er sein Zeitgefühl verlor. Wie lange schwebte er jetzt hier schon im Nichts? Sekunden, Minuten, Jahre? Vielleicht schon immer? Das letzte was er merkte war wie er sich selbst auflöste. Nein, das letzte was er merkte war ... nichts.
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Wellen von Angelika Oehrlein
Verhandlungen mit Aliens: Auch auf einer Wasserwelt hat Alles seinen Preis.
Der Cresdeck hüpfte aus der Brandung, kaum dass Miriam die Bonbondose in den Sand gestellt hatte. Sie kannte die Vorliebe der Bewohner von Stella Maris für jede Art von Zucker, aber es war doch immer wieder erstaunlich, wie schnell sie reagierten. Die Siedlung lag gut zweihundert Meter vor der Küste im Flachmeer. Trotzdem hatte der Wachposten Miriams Ankunft beobachtet - und festgestellt, dass der Zucker höchstens für Einen reichte. »Kch! Nur zwei!« Der Cresdeck hatte die Dose geöffnet und befingerte den Inhalt. Seine biegsamen Stäbchenfinger rollten sich blitzschnell um ein eingewickeltes Toffee, dann landete die bunte Folie auch schon vor Miriams Füssen. Sie sah fasziniert zu, wie der Cresdeck den Rüssel ausfuhr und die Süssigkeit mit einem deutlichen Plopp! einsaugte. Plopp! Ds zweite Bonbon nahm den Weg des ersten. Der Cresdeck warf die leere Dose zur Seite. Ein schwarzes Auge fixierte Miriam. »Kch! Sag schon was du willst!« Alle Cresdecks klangen, als seien sie permanent verschnupft, und wahrscheinlich waren sie das auch wirklich. Ausserdem blubberte der Rüssel bei jeder Silbe nach. Das Auge des Cresdeck blinzelte. Miriam konnte Cresdecks nicht unterscheiden. Sie hatten keine Mimik, und ihre Augen, seitlich am Kopf, schienen sie beim Sprechen nie anzusehen. Möglich, dass dieser Miriam kannte. Cresdecks vergassen nie ein Gesicht. Oder einen Text, oder ein Muster. Wozu immer das im Meer gut war. Die dicke graue Walze bewegte sich, rückte Miriam so nah, dass sie den Trangeruch des Cresdeck überdeutlich wahrnahm. Hoch aufgerichtet reichte ihr der Meerbewohner gerade bis zur Schulter. Der Cresdeck schnüffelte an ihrer Tasche. »Kch! Ich will noch Einen!« Cresdecks waren ungeduldig, egoistisch und intelligent. In genau dieser Reihenfolge. Ohne Zucker kein Geschäft. Miriam gab dem Cresdeck das verlangte Bonbon. Ihr war heiss. Schwimmen wäre jetzt schön gewesen. Der Stand war ideal dafür, aber daran war gar nicht zu denken. Stella Maris war eine Wasserwelt, algenreiche Ozeane bedeckten sie zu siebzig Prozent, und ihre Bewohner, die Cresdecks, waren mit Algen und Wasser eigen. »Noch Einen!« Miriam liess sich das nächste Bonbon aus der Hand schnappen. Sie kam regelmässig hierher, an diesen oder einen der unzähligen anderen Strände, um mit den Eingeborenen zu handeln. Blaues Keresh gegen Zucker. Blauer Keresh-Tang war unerlässlicher Bestandteil einiger Medikamente und ein gutes Geschäft - wenn es Miriam gelang, zu einem vernünftigen Preis einzukaufen. Doch das Meer war schon sehr nah. Bei einem ihrer ersten Besuche hatte sie den Fehler gemacht, bis dicht an die Flutlinie zu gehen. Der Cresdeck - war der Dicke überhaupt ein Er gewesen? - er war jedenfalls ausser sich geraten, und es hatte Miriam viel Zucker gekostet, ihn wieder zu besänftigen. Komischerweise war es auf dem Wasser anders. Aber die Strände vor ihren Siedlungen waren den Cresdecks sakrosankt. In Miriams linkem Ohrring knackte es leise. Sie drehte den Knopf unauffällig, lauschte der Stimme ihres Captains. »Und? Spielt er mit?« 23
Steven, Captain und Eigner der TINKA, hatte mit der letzten Fahrt so gut wie keinen Gewinn gemacht und war deshalb jetzt ziemlich nervös. »Was ist nun! Kch!« auch der Cresdeck wurde ungeduldig. Miriam nannte ihre Wünsche. »Keresh! Kch! Schon wieder dieses Zeug! Na, von mir aus. Was zahlst du freiwillig?« Kereshtang wuchs nie in weniger als zweihundert Metern Wassertiefe am Kontinentalabhang, an der Grenze zur Tiefsee. Cresdecks konnten unbegrenzt oft tauchen, waren nicht wie Menschen von Dekompressionsgrenzen und lästigen Anzügen abhängig, und sie waren schneller als jeder Tauchrobot. Miriam brauchte die Cresdecks für die Ernte und der vor ihr wusste das auch. »Zucker und Tang im Gewicht eins zu eins.« »Die See ist unser! Kch! Zehn zu eins!« Der Cresdeck liess sich fallen und wälzte sich mit einer eleganten Rolle zurück in die Brandung. Sofort fiel alles Plumpe von ihn ab. Miriam musste schreien, um sich verständlich zu machen, während sich der Cresdeck in den Wellen wiegte. Trotzdem wurden sie irgendwie einig. »Kch! Du zahlst also fünf zu eins, wenn wir dein Boot bis zur Ebbe gefüllt haben.« »Falsch! Drei zu eins.« »Na gut - ich nehme vier. Du kannst noch Einen von euch mitnehmen. und du bringst Scheinwerfer mit. Wir brechen bei Sonnenuntergang auf. Kch!« »Einverstanden. Aber warum so spät?« »Kch! Das geht dich gar nichts an!« *** Das Meer schimmerte golden, als die Cresdecks das Boot in Schlepptau nahmen, und war eine Stunde später über dem Rand des Festlandsockels schwarz wie die Nacht. Natürlich hatte es sich Captain Steven nicht nehmen lassen, Miriam persönlich zu begleiten. »Ich begreife diese Burschen nicht«, sagte Steven, »ich habe ingesamt zwanzig Cresdecks gezählt. Aber nur fünf davon arbeiten für uns. Was treiben die anderen hier? Spielen die Fangen?« »Ich weiss es nicht«, Miriam stand über die Reling gebeugt, starrte ins Wasser. Neben dem Boot tauchte der runde Schädel eines Cresdeck auf. »Kch! Warum redet ihr? Du kannst die Scheinwerfer einschalten!« Der Cresdeck wartete nicht auf Antwort. Die graue Walze tauchte mit dem charakteristischen Rüsselblubbern ab. Eine Kette silbriger Luftblasen begleitete seinen Weg in die Tiefe. »Wenigstens haben sie nichts gegen Licht.« Steven überprüfte die Leistung des Generators, der zwei Ketten von Unterwasserleuchtkörpern speiste. Rund um das Boot schimmerte das Meer jetzt türkis. »Sieh mal, Miriam sie tanzen!« Tief unter ihnen, vor der Schwärze der Tiefsee gerade noch zu ahnen, wirbelten die langen Fäden des Keresh-Tang. Dort arbeitete die Erntegruppe. Eine Etage höher, im freien Wasser, zog eine Reihe von Cresdecks grosse Kreise. Steven räusperte sich. »Ich werde das Gefühl nicht los, als ob die sich heute extra Zeit liessen! Wieviel Zucker hast du mit ihnen noch mal ausgemacht?« »Vier zu eins«, sagte Miriam geistesabwesend. Eine ganze Wolke Tang löste sich von unten und schoss mit ihren Trägern raketengleich nach oben. Kurz darauf klatschte eine halbe Tonne Keresh in einem Schauer salzigen Wassers über die Bordwand ins Boot. Steven fluchte. »Herr Gott! Können die nicht aufpassen!« Der Captain wischte sich Wasser aus dem Gesicht und spähte nach unten, wo sich das Meer eben wieder beruhigte. Plötzlich packte er Miriam am Arm. »Mann, ist das ein Riesenbursche!«
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Steven deutete nach unten. In der Tiefe schob sich lautlos eine gewaltige Masse ins Licht der Scheinwerfer, glitt in den Ring der tanzenden Cresdecks und löst ihn auf. »Da passiert was!« Der Captain machte hastig die Unterwasserkamera fertig, warf sie mit der Rückholleine über Bord. Kurz darauf konnten die beiden Menschen im Boot das Geschehen über die Vergrösserung wie aus nächster Nähe mitverfolgen. Das riesige Meerwesen drehte sich um die Cresdecks. Sie wirkten neben ihm winzig. Miriam sah Tentakel ausfahren und auf einen der intelligenten Bewohner von Stella Maris losschiessen. »Der wird doch nicht ...« Steven startete ohne lange zu überlegen den Motor. »Steven! Nein!« »Hast du nicht gesehen? Das Ding hat einen Cresdeck im Fang!« Der Captain beschleunigte, zwang das Boot in eine Kurve und machte gleichzeitig den Sonar klar. »Wir sollten uns besser nicht einmischen!« »Pah! Sie werden uns dankbar sein, und dann können wir den Preis drücken!« Steven hatte das Jagdfieber. Er gab Gegenschub, drehte das schaukelnde Boot und löste das Sonar aus, kaum dass er das Tiefseewesen im Fadenkreuz hatte. Die Tentakel gerieten in Bewegung. Ein grauer Körper löste sich aus dem Armgewirr, trudelte nach oben. »Das dachte ich mir!« sagte Steven zufrieden, »das Sonar hat das Ding getroffen wie ein Hammer.« »Dem Cresdeck geht es aber auch nicht gut, Steven!« »Der wird schon wieder! Aber wo sind die Anderen? Hilf mir mal!« Kein Cresdeck mehr zu sehen, nur noch der Verletzte. Der Wasserbewohner war bewusstlos, dümpelte hilflos in der Dünung. Schliesslich blieb ihnen nichts übrig, als ihn mit dem Netz an Bord zu hieven. Der Cresdeck war entsetzlich schwer. »Woher kommen diese Schnitte? Das Sonar war das aber nicht!« »Nein, aber das Netz.« Die empfindliche Haut des Cresdeck war an vielen Stellen tief aufgerissen. Grüngelbes Blut quoll reichlich aus den Wunden. »Tja Steven, das werden sie uns übelnehmen!« Der Captain griff kommentarlos zum Funkgerät. *** Zwanzig Minuten später nahm das Shuttle Miriam und den Captain auf, brachte sie zur TINKA. Steven ging ins Cockpit, während der Doc den schwer atmenden Cresdeck untersuchte, Es hatte drei Techniker gebraucht, um ihn an Bord zu tragen. »Das sieht böse aus, Miriam«, sagte der Bordarzt, »ich kann vermutlich nicht mehr tun, als diese Wunden zu verkleben.« In diesem Augenblick drehte der Cresdeck den Kopf. Ein dunkles Auge fixierte die Menschen. »Willst du Zucker?« fragte Miriam besorgt. »Kch! Nein!« Mehr bekamen sie nicht aus ihm heraus. Der Cresdeck liess sich ohne Protest in den Behandlungsraum schleppen, doch es war eine schwierige Aufgabe für den Doc, seinen wenig kooperativen Patienten zu versorgen. Der Arzt sah müde aus, als er gegen Morgen in die Messe kam. »Ich denke, er wird es überstehen. Zum Glück scheint dieses Wasserwesen einen stabilen Kreislauf zu haben. Er hat ganz schön Terror gemacht, bis ich ihn in den Whirlpool im Bad verfrachtet habe.« Der Arzt nahm dankbar eine Tasse Kaffee von Miriam. 25
»Da sitzt er nun und blinzelt. Es geht ihm wohl ganz gut. Er spricht nur nicht mit mir. Wie ist es bei euch gelaufen?« »Gar nicht.« Der Captain war zum Strand zurück geflogen, um mit dem Wächter zu sprechen und Zucker anzubieten. Steven hatte die ganze Zeit eine Art Sprechgesang aus der Cresdecksiedlung gehört. Aber keinen der Bewohner herauslocken können. »Haben sie wenigstens den Zucker genommen?« »Steht unberührt am Strand.« »Vielleicht redest du mal mit unserem Gast, Miriam?« schlug der Arzt vor. *** »Ich habe mich bei ihm entschuldigt, so gut ich konnte«, sagte Miriam, als sie später zurückkam, »aber ich fürchte, die Preise haben sich geändert. Wir haben gestern Nacht durch unser Eingreifen eine Art Initiationsritus gestört. Und uns natürlich gründlich das Vertrauen der Cresdecks verscherzt.« Sie rieb sich die Nase. »Zuerst wollte unser Gast überhaupt nicht mit mir reden. Er hat mich sogar angespuckt.« »Gott!« »Ich hab's überlebt. Es ist nur - tja, wie soll ich das erklären? Der Cresdeck, den wir aufgefischt haben, hat durch unser Netz das Gesicht verloren. Nur dumme Fische gehen ins Netz, versteht ihr? Zucker macht das nicht mehr gut. Er muss der Gemeinschaft schon etwas Besonderes bieten, wenn sie ihn wieder aufnehmen sollen. Also hat er von uns Schadensersatz verlangt. Aber ich nehme an, er hat auch ein Geschäft gewittert. Er konnte seine Begeisterung kaum verbergen. Jeder Cresdeck in der Siedlung wird davon entzückt sein.« »Miriam, bitte mach es nicht so spannend!« »Oh - er will den Whirlpool. Sagte ich das nicht?« ***
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Heimkehr von Andreas Blome
Eines Tages landet ein UFO mitten in der Innenstadt. Kurz darauf geht es mit Höchstgeschwindigkeit ab zu den Sternen.
Kapitel 1 Die Straßenbahn fuhr rumpelnd über die Weiche, klingelte misstönend als sich ein Autofahrer noch vor ihr vorbeischob und überquerte dann langsam die Kreuzung. Ohne aufzublicken wusste er sofort wo sich die Straßenbahn im Augenblick befand. Noch zwei Haltestellen und er war in der Stadtmitte. Wenn er noch etwas schneller las, konnte er dieses Kapitel kurz vorher zu Ende lesen. Während einige Fahrgäste der Straßenbahn, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten, sich noch Lautstark über den Autofahrer beschwerten, saß er eingekesselt auf einem Fensterplatz und las in einem Taschenbuch. Auf den Knien lag seine Umhängetasche, gefüllt mit einigen Arbeitsutensilien. Hauptsächlich war sie aber leer. Das würde sich aber in kurzer Zeit ändern. In seinem Portemonnaie befanden sich rund Hundert Mark. Ruckend fuhr die Straßenbahn wieder von der Haltestelle ab. Rasend schnell überflog er noch die letzte Seite des Kapitels, knickte ein Eselsohr hinein und verstaute das Buch in der Umhängetasche. Als er aufblickte begann die Straßenbahn gerade damit ihre Geschwindigkeit zu verringern. Kurz darauf drängelten die aussteigenden Fahrgäste nach vorne zum Ausgang. Es gab zwar noch in der Mitte und Hinten noch einen Ausgang aber da viele von ihnen noch in andere Straßenbahn- und Buslinien umsteigen mussten, wollten sie Zeit sparen und drängelten alle nach vorne. Als der letzte ausgestiegen war befand er sich bereits auf dem Rathausplatz, etwa einhundert Meter von der Haltestelle entfernt. Er hatte den mittleren Ausgang gewählt, obwohl der vordere viel näher gewesen war. Aber er fuhr diese Strecke schon seit Neun Jahren und kannte dieses Spiel bereits. Normalerweise hätte er auch mitgespielt aber heute wollte er noch einen Stadtbummel machen um sich wieder mit Lesestoff einzudecken. Er hatte also Zeit genug und brauchte sich nicht abzuhetzen, wie viele andere es taten. Auf dem Weg zum ersten Kaufhaus ging er schnell und neugierig an der kleinen Demonstration auf dem Marktplatz vorbei. Sie war von vielen Polizeikräften umstellt worden, die darauf zu achten hatten, das es nicht zu Ausschreitungen und Krawallen kam. "Wir wollen Kontakt" hieß es auf einigen Transparenten. "Militarismus ist der falsche Weg" stand auf einem anderen. Diese wenigen Hinweise sagten ihm, wogegen diese wilde Demonstration stattfand. Es war ein offenes Geheimnis, das um die Erde ein UFO schwebte. Natürlich wurde der Bevölkerung diese Tatsache vorenthalten, aber es gab Gerüchte. Die Bundesregierung gab dann später bekannt, das es sich um eine neue Raumfähre der Russen handelte, was viele aber nicht glaubten. Schon deswegen nicht, weil die Russen dies Dementierten. Ihm kümmerte das aber im Augenblick wenig. Wenn es wirklich ein UFO war, würde es irgendwann einmal landen. Wozu wäre sonst gekommen? Allerdings wenn diese Außerirdischen Klug wären, würden sie nicht landen sondern sich still und leise zurückziehen und erst in ein paar Jahrhunderten wiederkehren. Denn die politischen Verhältnisse auf der Erde waren auf dem Tiefstands. Vor einem Jahr hatte es noch ganz anders 27
ausgesehen aber dann hatte der amerikanische Präsident einen riesigen Fehler begangen, als er einige neue Atomraketen mit großer Reichweite in der BRD stationierte. Der Ostblock war darüber gar nicht erfreut und alles endete in sehr frostigen Beziehungen zwischen Ost und West. Aber daran konnte er auch nichts ändern. Er überquerte die Straßenbahnschienen und verschwand im Kaufhaus. Mühsam schlängelte er sich durch die Gänge in Richtung der Bücherecke. Heute schien aber auch jeder Bremer in der Stadt zu sein. Wahrscheinlich lag es an der verlängerten Ladenöffnungszeit. Heute war ja Donnerstag und die Geschäfte hatten bis halb Neun Uhr Abends offen. Endlich hatte er den Buchstand erreicht. Hier war es nicht so voll wie in den anderen Abteilungen des Kaufhauses. Konzentriert und schnell suchte er sich die vielversprechenden Bücher heraus. Las die kurze Inhaltsbeschreibung auf der Rückseite und entschied sich für zwei Bücher. Bevor er die Kasse aufsuchte, sah er sich aber noch die anderen Regale an. Ab und zu konnte man auch hier noch ein gutes Buch finden. Heute allerdings nicht und so reihte er sich in die Schlange an der Kasse ein. Es dauerte eine weile bis er an der Reihe war. Als er bezahlt hatte und die Bücher in der Umhängetasche verstaut hatte, wandte er sich dem Ausgang zu. Sein nächstes Ziel war ein reiner Buchladen. Ein Stück die Obernstraße rauf. Durch die quirlende Menschenmenge suchte er sich einen Weg zum Buchladen. Der Eingang war eng und vollkommen durch Menschen versperrt. Trotzdem drängelte er sich langsam hindurch. Auch der Innenraum war voll. Als er die Treppe im hinteren Teil des unteren Verkaufsraumes erreichte, lichtete sich die Menschenmasse. Oben war es nicht so voll wie unten aber auch hier musste er sich vorsichtig durch die vielen Bücherstapel bewegen. An der Sience Fiktion Ecke angekommen lies er sich Zeit. Die Taschenbücher standen sehr eng zusammen und er musste den Kopf um Neunzig Grad neigen um die einzelnen Titel lesen zu können. Hier hielt er sich mit Vorliebe auf, denn dieser Buchladen strömte noch das richtige Aroma nach Büchern aus. Auch war er nicht so groß und Übersichtlich, wie die Buchstände in den Kaufhäusern. Hier war es eng und der Raum quoll nur so von Büchern über. Während er Titel für Titel las, lenkte ihn die Geräuschkulisse von draußen nur wenig ab. Als er trotzdem einen kurzen Blick durch das Fenster nach Draußen warf, sah er das viele Menschen nach oben in die Luft zeigten. Auch hörte er ein Brausen über der Geräuschkulisse von der Straße. Wahrscheinlich schwebten wieder einmal ein Anzahl von Heißluftballonen über die Stadt. Die Wetterbedingungen dafür waren heute perfekt und der Flughafen, der als Startplatz diente, war nur wenige Kilometer entfernt. Er war vor einer Weile daran vorbeigefahren. Seine Arbeitsstelle lag ja direkt neben dem Flughafen. Und wenn er sich recht erinnerte hatte er auch einen Ballon über dem Flughafen schweben sehen, als er einmal kurz von seinem Taschenbuch aufgeblickt hatte. Er wandte sich wieder den Büchern zu und suchte sich gleich vier davon aus. Zwei waren Fortsetzungen von Geschichten die er bereits besaß. Die anderen beiden waren Einzelgeschichten. Beladen mit diesen Büchern durchquerte er den Raum mit schweifenden Blick. Tatsächlich fand er noch ein Buch das ihn interessieren könnte. Er lud seine vier Bücher kurzerhand ab und las die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite. Mit fünf Büchern stieg er schließlich die Treppe hinab. Die Kasse befand sich am Ausgang des Buchladens. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg dorthin. Draußen auf der Straße herrschte eine wilde Diskussion über UFO's. Ob die Demonstration durch die Obernstraße zog? 28
Als er bezahlte schrumpfte sein Geldbeutel bedenklich. Eigentlich wollte er noch ein Kaufhaus aufsuchen aber ohne Geld konnte an nichts kaufen. Auch Bücher nicht. Kurz hinter dem Eingang beziehungsweise dem Ausgang lag ein etwas größerer Platz. An seiner Seite ordnete er die neu erworbenen Bücher in die Umhängetasche ein. Sie ging gerade noch zu. Und verdammt schwer war sie jetzt. Dafür würde sie aber nicht herunterfallen, denn der Halteriemen der sie hielt lag über seiner rechten Schulter während die Tasche an seiner linken Seite hing. Auf der Obernstraße war jetzt helle Aufregung zu spüren. Ob er einen anderen Weg wählen sollte? Er wollte eigentlich nicht in die Demonstration hineingezogen werden. Links konnte er durch zwei Gebäude hindurch in die Langenstraße ausweichen. Am Rathausplatz würde er wieder herauskommen. Als er die Langenstraße erreichte war sie menschenleer. Die Geräuschkulisse der Menschenmenge auf der Obernstraße war hier nur noch leise zu hören. Vor ihm kam der Rathausplatz in Sicht. Das heißt nur die eine Seite davon war zu sehen. Knallende oder peitschenartige Geräusche ließen ihn stehen bleiben. Vereinzelt konnte er jetzt Schreie hören. Die Demonstration schien außer Kontrolle geraten zu sein und die Polizei griff anscheinend ein. Irgendwie musste er jetzt zum Domshof kommen ohne mit der Demonstration in Berührung zu kommen. Der Teil des Rathausplatzes den er sehen konnte war leer. Er konnte ihn in wenigen Sekunden überqueren und in der genau gegenüber liegenden Straße wieder verschwinden. Die Haltestelle der Buslinie lag gleich dahinter. Langsam näherte er sich dem Eingang zum Rathausplatz. Wieder knallte es laut auf. Schüsse! Ihm wurde plötzlich kalt, obwohl Sommertemperaturen herrschten und er ohne Jacke zur Arbeit gefahren war. Ein dumpfes Gefühl entstand in seinem Bauch. Angst! Er beeilte sich, um so schnell wie möglich zum Bus zu kommen. Als er den Rathausplatz betrat geschahen plötzlich mehrere Dinge gleichzeitig. Hinter ihm tauchten aus einem Seitenweg eine Anzahl von Polizisten auf. Rechts von ihm rannten einige Menschen in Panik die Straße entlang, die hier rechtwinklig abbog und zur Weser führte. Vor ihm stand, mitten auf dem Rathausplatz ein UFO. Schwarz, diskusförmig. Etwa Dreißig Meter im Durchmesser. und Zehn Meter hoch. Es stand auf Fünf stelzenartigen Teleskopbeinen. Genau vor ihm lag eine blutrot leuchtende Öffnung, von der eine Rampe auf dem Boden führte. Dieser Eingang zu dem UFO befand sich nur zehn Meter vor ihm. Noch näher vor ihm stand ein Außerirdischer und starrte ihn an. Er starrte genauso zurück. Total fassungslos starrten sie sich gegenseitig an. Der Außerirdische war etwas größer als er selbst. Entfernt ähnelte er einem Menschen. Die Beine, zwei Stück, waren kurz und mit einem dunkelroten Fell bedeckt. Der Fuß ähnelte einem menschlichen, nur das die einzelnen Zehen viel länger waren. Und anscheinend auch viel beweglicher. Der Rumpf war ebenfalls mit Fell bedeckt und schien die Form eines Zylinders zu haben. Er war auch viel länger als der eines Menschen. An seinem oberen Ende gingen zwei Tentakel ab. Die Arme des Außerirdischen. Sie waren etwas so lang wie seine eigenen. Das merkwürdigste an diesem Wesen war der Kopf. Er hatte die Form einer Kugel und saß ohne einen Hals auf dem Rumpf des Wesens, der sich oben etwas verdünnte. Statt Augen hatte er ein waagerechtes schmales blaues Band in Stirnhöhe. Nase und Mund konnte man durchaus menschenähnlich nennen. Aber das Auge war das auffälligste an diesem Wesen. Und es blickte ihn gerade in die Augen wie es schien. Langsam nahm er wieder etwas von seiner Umwelt war. Hinter ihm hörte er das Geschrei der Polizisten die sich näherten. Aber das Geschehen vor ihm 29
war viel informativer. Der Außerirdische vor ihm war nicht der einzigste der mit dem UFO gelandet war. Etwa sechs andere lagen rund um das UFO herum. Er konnte es gut durch die Teleskopbeine des UFO's sehen. Sie rührten sich nicht. Für ihn begann die Zeit stillzustehen. Seine Denkprozesse liefen plötzlich viel schneller ab. Es war auf einmal sonnenklar was hier passierte. Das UFO, das schon seit längerer Zeit die Erde umkreist haben musste, war langsam in die Atmosphäre eingedrungen und hier auf dem Rathausplatz gelandet. Das zu diesem Zeitpunkt nur wenige hundert Meter eine Demonstration stattfand, konnten sie nicht wissen. Auch nicht mit der panischen Angst der Bevölkerung. Die anwesenden Polizisten waren ebenso von der Panik angesteckt worden, wie die normalen Besucher der Stadt. Als die Außerirdischen aus ihrem UFO ausstiegen hatten sie die Nerven verloren und geschossen. Sechs von ihnen hatten getroffen. Davon konnte er sich überzeugen. Der einzige Überlebende stand jetzt vor ihm. Unbewaffnet! Ohne es wirklich zu begreifen reagierte er plötzlich. Die Zeit stand für ihn immer noch still als er losrannte. Kurz bevor er den Außerirdischen erreichte, spürte er einen scharfen Luftzug neben seiner Hüfte vorbeiziehen. Als er den Knall des Schusses hörte, sah er bereits wie der Außerirdische vor ihm getroffen wurde und langsam zu Boden sank. Er erreichte ihn als er halb gefallen war. Fing ihn mit beiden Armen auf und rannte, trotz des Gewichtes des Außerirdischen, in der gleichen Geschwindigkeit auf die blutrot leuchtende Öffnung des UFO's zu. Er rannte die Rampe hinauf, wobei sein Blick auf eine flackernde Platte fiel, als er einen scharfen Schmerz im linken Bein spürte. Kurz hinter der flackernden Platte ließ er das Wesen zu Boden gleiten, drehte sich um und schlug auf die Platte. Mit der gleichen Drehung drehte er sich weiter und wandte sich wieder dem Wesen zu. Bückte sich, spürte dabei einen weiteren Luftzug über seinen Rücken huschen, nahm das Wesen wieder in die Arme und lief auf den hellen Schacht zu, der vor ihm lag. Während sich die Öffnung schnell verkleinerte, hörte er plötzlich die Sirenen der Stadt aufheulten. Er wusste sofort was das bedeutete. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Die Vorwarnzeit für einen Atomalarm lag bei Zehn bis Zwanzig Minuten. Ohne weiter Nachzudenken trat er unter die Schachtöffnung und wurde sanft nach oben gezogen. Am oberen Ende des Schachtes wurde er an den Rand hinausgedrückt. Er befand sich in der Steuerzentrale des UFO's. Vor ihm standen sieben Sessel vor einem Instrumentengürtel. Darüber befand sich eine Scheibe, durch die man auf den Rathausplatz hinaussehen konnte. Von außen war die Scheibe aber nicht zu sehen gewesen. Er setzte das fremde Wesen vorsichtig in einen der Sessel und setzte sich ebenfalls in einen. Es schien der Kommandantensessel zu sein, falls diese Wesen überhaupt eine Rangordnung kannten. Jedenfalls war dieser Platz etwas besonderes, denn er stand etwas vorgerückt und die Instrumente waren halbkreisförmig um ihn herumgezogen. Von den Knöpfen und Beschriftungen verstand er überhaupt nichts. Aber ihm blieben nur noch wenige Minuten und sein Überlebenswille war stark. Bei einem Blick durch das Fenster sah er die Panik der Bevölkerung in der Stadt. Die Menschen wussten was die Sirenen ankündigten. Von einem geordneten Rückzug in den Bunker, der nur hundert Meter entfernt war, konnte keine Rede sein. Zudem war er auch noch geschlossen, wie er die Menschentraube entnehmen konnte.
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Er wandte sich wieder den Instrumentierungen zu. Bewusst zwang er sich dazu alle Dinge außer den Instrumenten zu vergessen. Irgendwie musste er das UFO starten bevor die Atombombe viel. Warum sie fiel war ihm inzwischen auch schon klar geworden. Das landende UFO war geortet worden und jede Seite, Ost und West, hatte es als anfliegende Atomrakete der Gegenseite identifiziert. Die Militärcomputer interessierten sich nicht für den Irrtum der Menschen die sie bedienten. Sie reagierten einfach nach Programm und handelten. Nach einiger Zeit erkannte er, das die einzelnen Knöpfe und Schalter in einem Muster geordnet waren. Aber was gehörte wozu? Ein einzelner Hebel schien das gesamte Pult einzuschalten. Sollte er es wirklich wagen? Alle anderen Pulte erloschen, als er den Hebel umlegte. Nur seines nicht. Nach und nach begriff er, das die grundlegenden Systeme des UFO's sich in dem Muster vor ihm wiederspiegelten. Diese Tasten dort mussten für die Triebwerke sein. Es waren zwei wie er feststellte. Dort lagen die Schalter der Klimaanlage oder ähnliches. War im Augenblick auch vollkommen egal. Irgendetwas musste er jetzt tun. Die Zeit schien plötzlich zu rasen, als er einfach nach Gefühl zwei Tasten drückte und einen Schalter umlegte, der irgendetwas mit dem Antrieb zu tun haben musste. Jedenfalls befand er sich gleich neben diesen Schaltmuster das anscheinend für die Triebwerke da war. Irgendwo unter ihm erwachte eine Maschine und begann leise zu brummen. Dann gab es einen fürchterlichen Ruck und vor ihm verschwand alles. Als die Schwärze wieder verschwand erstarrte er unwillkürlich. Vor ihm befand sich der Weltraum und sonst gar nichts. Das einzigste sichtbare waren die Kontrollpulte mit ihren Anzeigen und Tasten, Hebeln und Schaltern. Er brauchte rund zwei Stunden um mit der Tatsache fertig zu werden, das er das UFO wirklich gestartet hatte. Oder war er bereits Tod und träumte das nur? Als er sich wieder beruhigt hatte, erhob er sich von seinem Sessel und versuchte in dem Halbdunkel den Sessel zu finden, in dem er das fremde Wesen gesetzt hatte. Es befand sich noch immer dort. Irgendwie fand er das beruhigend. Es hatte eine blutende Wunde im Körper, die sich aber schon geschlossen hatte. Allerdings regte sich das Wesen nicht. Ob es bereits Tod war? Er setzte sich wieder in seinen Sessel und überlegte was er denn nun tun sollte. Warum war er überhaupt hier? In seinen Träumen hatte er solch eine Situation niemals erlebt. Jetzt im nachhinein war seine Handlungsweise idiotisch gewesen. Oder nicht? Sie hatte ihm das Leben gerettet. Aber was sollte er nun damit anfangen? Er war mit diesem UFO gestartet ohne richtig zu wissen wie. Jetzt befand er sich irgendwo im Weltall. Die Erde musste doch noch irgendwo in der Nähe sein. Durch das Fenster konnte er sie nicht sehen, obwohl es um das ganze UFO herum führte. Er brauchte nur seinen Sessel zu drehen. Auch über ihm war sie nicht zu entdecken. Vielleicht befand sie sich unterhalb des UFO's. Dorthin konnte er nicht sehen. Er musste das UFO irgendwie drehen. Aber wie ging das? Sein knurrender Magen lenkte ihn ab. Er hatte seit heute Mittag nichts gegessen. Wie spät war es eigentlich? Seine Armbanduhr zeigte Ein Uhr Sechzehn an. Kurz nach Ein Uhr Nachts! Dann hatte seine Bewusstlosigkeit ganz schön lange gedauert. Kein Wunder das er jetzt Hunger hatte. In seiner Umhängetasche musste noch ein Apfel liegen. Als er sich umsah, bemerkte er das seine Tasche nicht da war. Er bekam einen Schreck. Seine Bücher. Er hatte seine Bücher verloren. Vielleicht lag die Tasche noch unten, gleich hinter dem Eingang. Hatte er sie dort nicht verloren, als er das Wesen dort niederlegte um das Tor zu schließen? 31
Der Schacht leuchtete immer noch, sodass er ihn ohne große Suche fand. Aber wie kam er jetzt nach unten? Der Schacht führte durch das ganze UFO, war also etwa zehn Meter tief. Er war heraufgeschwebt. Vielleicht konnte man auch hinabschweben. Es gab bei der ganzen Sache nur ein Hindernis. Er war nicht Schwindelfrei. Er versuchte es zwar aber näher als einen Meter wagte er sich nicht an den Schacht heran. Also setzte er sich wieder in seinen Sessel und ignorierte sein Hungergefühl. Auf dem Pult vor ihm gab es mehrere Anzeigen. Einige davon bewegten sich und zeigten ihm vollkommen unverständliche Zeichen an. Andere sagten ihm überhaupt nichts. Es gab da aber eine Anzahl von tasten, immer paarweise, die irgendwie mit dem Triebwerk zusammenhingen. Er drückte einfach eine von diesen Tasten. Die Lichtpunkte hinter dem Fenster wurden plötzlich langsamer. Plötzlich begriff er. Im Weltall herrschte das Prinzip, Aktion gleich Reaktion. Als er gestartet war, hatte das UFO beschleunigt, was es wahrscheinlich immer noch tat, denn er hatte die Tasten nach dem Start nicht mehr angerührt. Im Weltall herrschte auch Vierdimensionalität. Länge, Breite und Höhe plus Zeit. Durch seinen Tastendruck hatte er irgendein kleineres Triebwerk in Betrieb genommen, das nur vielleicht nur einen Gasstrahl oder was auch immer in das Weltall strömen ließ. Dadurch wurde eine der drei Bewegungsrichtungen verlangsamt. Er drückte die gleiche Taste noch einmal und nichts passierte. Genau so sollte es auch sein. Die zweite Taste neben der ersten würde genau den gegenteiligen Effekt haben. Soweit so gut. Ein klein wenig hatte er bereits begriffen. Als nächstes sollte er die zwei tasten und den Hebel betätigen, der seinen Start eingeleitet hatte. Er tat es. Wieder passierte nichts, außer das es plötzlich still wurde. Die Maschine, die sich beim Start eingeschaltet hatte, beendete ihre Arbeit. Als nächstes betätigte er die Paarweisen Tasten und sah dabei durchs Fenster. Nach und nach schaffte er es, das die Lichtpunkte zur Ruhe kamen. Natürlich machte er einige Fehler, wobei ihm jedes Mal ein flaues Gefühl überlief aber er schaffte es schließlich. Ein paar der Anzeigen waren inzwischen zum stehen gekommen. Sie mussten mit seinen betätigten Tasten zusammenhängen. Schweißgebadet stand er auf. Ihm war plötzlich flau geworden. Außerdem wurde ihm übel. Unwillkürlich wollte er zum Kloh, als ihm wieder klar wurde, wo er sich eigentlich befand. Das erhöhte noch sein Unbehagen und würgend übergab er sich auf den Fußboden. Mit zitternden Knien hielt er sich an der Sessellehne fest und holte würgend Luft. Als nichts mehr im Magen war wischte er sich mit einem Tempotaschentuch das Gesicht trocken und setzte sich in den erstbesten Sessel. Ein summen das plötzlich zu hören war, erregte seine Aufmerksamkeit. Eine kleine runde Scheibe schwebte über den Fußboden auf den Haufen Erbrochenes zu. Erstaunt sah er zu, wie die Scheibe über den Haufen schwebte und es anscheinend irgendwie aufsaugte. Er blickte erst wieder auf, als die Scheibe schon wieder lange verschwunden war. Etwas peinlich berührt sah er zu dem Wesen im anderen Sessel hinüber. Es regte sich immer noch nicht. Dafür meldete sich jetzt seine Blase. Sollte er? Er drehte den Sessel mit dem Wesen etwas herum und begab sich zum anderen Ende des Raumes. Als die Scheibe erneut verschwunden war, atmete er erleichtert auf. Im Sessel sitzend betrachtete er das Weltall und überlegte was er nun tun könnte. Das ihm die Augen immer wieder zufielen merkte er erst im Nachhinein als er erfrischt aus dem Schlaf erwachte. Kurz nach Neun Uhr war es auf seiner Armbanduhr. Sein Hungergefühl war noch stärker geworden. Aber der Apfel lag immer noch zehn Meter tiefer. Er begann wieder damit sich das Pult zu betrachten. Das er dafür mehrere Stunden 32
brauchte fiel ihm gar nicht auf. Er hatte etwas entdeckt. Ein paar tasten schienen zu einem Triebwerk zu gehören, das er noch nicht benutzt hatte. Soweit er herausfand musste er dazu aber irgendetwas eingeben um es überhaupt in Betrieb nehmen zu können. Damit viel dieses Tasten Muster auf dem Pult natürlich flach. Was wusste er schon von diesen Symbolen? Nach und nach betrachtete er sich ein Teilmuster nach dem anderen und erkannte bald das System nachdem es angeordnet war. Er wusste jetzt wo welche Tasten für welche Funktion im UFO zu finden war. Allerdings konnte er nicht wissen ob auch das eintrat was er sich erhoffte. Er würde es ausprobieren müssen. Aber erstenmal sah er zu, das er so viel wie möglich begriff. Das UFO bewegte sich immer noch durch das Weltall. Woher war es eigentlich gekommen? Der nächste Stern war rund vier Lichtjahre entfernt. Selbst bei einfacher Lichtgeschwindigkeit würde die Besatzung irgendwo auf dieser Reise verhungern, denn Lebensmittel sah er nirgends. Konnte natürlich sein, das es noch andere Räume gab. Suchen würde er danach vorerst aber nicht. Der Schacht schreckte mit seiner Tiefe immer noch ab. Vielleicht sollte er sich erstenmal um dieses fremde Wesen kümmern. Es saß immer noch so im Sessel wie er es hineingesetzt hatte. Die Wunde blutete nicht mehr wie er schon festgestellt hatte. Das war aber auch schon alles. Kleidung trug dieses Wesen nicht. Es brauchte wohl keine. Ein funkeln an einem der Armtentakeln erregte seine Aufmerksamkeit. Das Wesen trug eine Kette um das Tentakelarmgelenk, oder wie auch immer man es bezeichnen sollte. Es ließ sich leicht abstreifen. Als er es sich genauer Ansah konnte er irgendwelche Symbole darauf entdecken. Ein Schmuckstück wahrscheinlich. Als er das Armband oder die Kette noch einmal betrachtete, fiel ihm auf, das die Symbole denen glichen die in den Anzeigen auf dem Pult auch zu sehen waren. Er nahm das Kettenarmband mit zu seinem Sessel und hielt es neben einer solchen Anzeige. Es stimmte. Die Symbole waren die gleichen. Ob es Zahlen waren? Ihm viel auch auf, das auf dem Kettenarmband genau dreizehn Symbole waren. Genauso viele wie in diesem Anzeigenfeld das er vorhin entdeckt hatte. Auch auf dem Tastenfeld unterhalb dieser Anzeige tauchten diese Symbole wieder auf. Vielleicht ein Eingabefeld? Es sprach alles dafür. Bevor er aber an diesem Triebwerk herumprobierte hielt er es für besser sich erstenmal mit den Triebwerken vertraut zu machen die er bereits kannte. Nach einigen Stunden hatte er das UFO soweit unter Kontrolle, das er es drehen und wenden konnte. Allerdings nur nach Sicht. Wahrscheinlich gab es aber Automatiken, die das UFO besser steuern konnten als er. Aber er konnte solche Dinge nirgends finden. Woher sollte er auch wissen wie sie auszusehen hatten? Er war froh, das er dieses UFO überhaupt etwas steuern konnte. Die restlichen Stunden verbrachte er damit zu lernen, welche Taste wozu gehörte. Gegen halb zwei Uhr Mittags konnte er zufrieden behaupten, das UFO im sehr begrenzten Umfang steuern zu können. Er wusste jetzt, das dieses UFO über drei verschiedene Triebwerke verfügte. Sechzehn kleine, die der Lagesteuerung dienten. Das waren diese paarweise angeordneten Tasten. Dann das Haupttriebwerk, mit dem er anscheinend gestartet war. Und eines, das wahrscheinlich ein Triebwerk war, mit dem man zu den Sternen fliegen konnte. Außerdem konnte er ein paar Anzeigen einordnen, die zu den einzelnen Triebwerken gehörten. Dann gab es da noch ein paar Tasten die zu irgendwelchen Waffen gehörten. Davon hatte er die Finger gelassen als er plötzlich Lichtspuren durch das Fenster sehen konnte, die von dem UFO ausgingen. Später sah er noch einmal zu dem Wesen rüber. Ob es Tod oder am Leben war, konnte 33
er nicht feststellen. Da er Optimist war, nahm er das zweite an. Vielleicht war es auch nur die Hoffnung, das dieses Wesen erwachte und ihn wieder nach Hause brachte. Nachdem er sich zurückgelehnt hatte, tippte er die Symbolfolge von dem Kettenarmband in die Anzeige des Sternentriebwerkes, wie er es genannt hatte, ein. Ganz wohl war ihm dabei aber nicht. In den letzten Stunden war er hin und her geflogen um vielleicht irgendwo in der Dunkelheit des Weltalls die Erde als Lichtpunkt zu sehen. Aber nicht einmal die Sonne war zu sehen gewesen. Wahrscheinlich war er schon viel zu weit aus dem Sonnensystem herausgetragen worden. Seine einzige Hoffnung war jetzt das Kettenarmband des Wesens mit den Symbolen darauf. er hoffte, das es die Koordinaten des Sonnensystem des fremden Wesens war. Wozu sollten sie denn sonst da sein? Vor dem letzten Tastendruck, der wahrscheinlich das Triebwerk auslösen würde, zuckte er zurück. wenn er es tat, gab es kein zurück mehr. Gab es denn jetzt ein zurück zur Erde? Mehrere Minuten lang war er unschlüssig was er jetzt tun sollte. Dann drückte er die Taste nieder. Das Fenster wurde plötzlich bunt und irgendwo unter ihm rumorte eine weitere Maschine. Es schien funktioniert zu haben. eine Anzeige des Pultes veränderte sich rasant schnell. Eine Entfernungsangabe? Wenn ja, worauf bezog sie sich? Eine halbe Stunde lang saß er angespannt in seinen Sessel. Es passierte nichts. Anscheinend würde dieser Flug ins irgendwo länger dauern. Er stand auf obwohl er sitzen bleiben wollte. Aber seine Blase drückte und so suchte er wieder die andere Seite des Raumes auf. Als er wieder zu seinem Sessel zurückkehrte sah er sich das fremde Wesen noch einmal an. Ihm war so, als ob es sich eben bewegt hatte. Vorsichtig hielt er eine Hand vor dem Mund des Wesens und spürte einen leichten Luftzug. Es atmete. Etwas beunruhigt und nervös setzte er sich wieder in seinen Sessel und wartete. Das Fenster war immer noch bunt. Es war anzunehmen, das sich das UFO nicht mehr durch den Einsteinraum bewegte, wie man den Weltraum auch nennen konnte. Im Weltall war die größte Geschwindigkeit die des Lichtes. Wenn sich dieses UFO aber mit Lichtgeschwindigkeit bewegen würde, wäre das Fenster nicht bunt sondern Schwarz mit weißen Lichtstreifen. Es war aber bunt, wie er sehen konnte. Das UFO bewegte sich also schneller als das Licht. Das konnte es aber im normalen Einsteinraum nicht tun. Gab es also diesen Hyperraum von dem viele Science Fiktion Schriftsteller schrieben? Anscheinend ja. Schließlich gab es ja auch UFO's und fremde Wesen. Das Wesen neben ihm im Sessel bewegte sich jetzt. Es schien aber immer noch kraftlos zu sein. Ob es die Augen auf hatte? Augen wie er sie hatte, besaß das Wesen nicht. Nur dieses bläuliche Band. Konnte es ihn sehen? Es schien so. Er konnte sehen, wie es versuchte seine Tentakelarme zu bewegen. Wollte es irgendetwas mitteilen? "Hallo." Es sah so aus, als ob es ihn gehört hatte. Die Bewegungen des Wesens wurden etwas aufgeregter. Aber es war zu schwach um sich aus dem Sessel zu erheben. Er berührte leicht einen der Tentakelarme des Wesens, um ihn über diesen Kontakt mitzuteilen, das er harmlos war. Vielleicht verstand es ja diese Geste. "Kannst Du mich hören." Eigentlich blödsinnig, das er mit dem Wesen sprach. Es konnte ihn mit Sicherheit nicht verstehen. Inzwischen war schon fast eine weitere halbe Stunde vergangen, als das Wesen es schaffte einen Tentakelarm zu heben und erst auf das Fenster und dann auf sein 34
Pult zeigte. Unzweifelhaft wollte es ihm irgendetwas mitteilen. Aber was? Er drehte sich wieder mit dem Sessel zu dem Pult hin. Gerade rechtzeitig. Das Sternentriebwerk hörte plötzlich auf zu rumoren. Der Flug war anscheinend zu Ende. Das Fenster flackerte und gleichzeitig hörte er einen merkwürdigen Ton von dem Wesen. Er drehte sich zu ihm hin und stellte fest, das es wieder bewusstlos oder bereits Tod war. Er drehte sich wieder dem Pult zu, als das innere des UFO's plötzlich rötlich aufschimmerte. Das Licht stammte von der Sonne auf die das UFO zuflog. Oder flog er bereits hinein? Gefühlsmäßig würde er sagen, das er viel zu nahe an der Sonne aus dem Sternenflug herausgekommen war. Gut das er viel über Astronomie gelesen hatte. Die Anziehungskraft der Sonne musste dieses UFO bereits in einer irren Geschwindigkeit anziehen. Er musste etwas dagegen tun, wenn er nicht mitsamt dem UFO verglühen wollte. Mit Hilfe der kleinen Triebwerke drehte er das UFO so herum, das die rote Sonne hinter ihm durchs Fenster schien. Dann drückte er wieder die tasten, die das Haupttriebwerk in Betrieb setzten. Eine Anzeige auf dem Pult veränderte sich schon etwas langsamer als vorher. Er war also auf dem richtigen Weg. Aber es schien immer noch nicht zu reichen, denn der rote Sonnenball hinter ihm wurde langsam immer größer. Ob man die Leistung des Triebwerks noch erhöhen konnte? Vielleicht gab es einen Drehknopf oder Schieber auf dem Pult. Er fand gleich vier Schieber. Welchen sollte er benutzen? Da ihm kaum eine andere Wahl blieb, versuchte er es mit dem Schieber der am nächsten an den Tasten für das Triebwerk lag. Es wurde merklich lauter im UFO, als er den Schieber bis zum Anschlag weiterschob. Gleichzeitig wurde er in den Sessel gepresst. Es funktionierte. Die Leistung des Triebwerks hatte sich verbessert und die Andruckkräfte, die sonst von irgendeiner Maschine absorbiert worden waren, schlugen nun teilweise durch. Aber die Anzeige auf dem Pult veränderte sich schon langsamer. Er brauchte noch mehr Geschwindigkeit, denn er wurde immer noch von der Sonne angezogen. Die kleinen Triebwerke. Viel half es ja nicht aber besser als gar nichts. Schweißtropfen perlten ihm inzwischen von der Stirn. Teilweise aus Angst und aus der Hitze, die plötzlich herrschte. Was sollte er jetzt tun?. Die Waffen. Aktion gleich Reaktion. Die Rückstoßkraft der Waffenstrahlen konnte er auch noch als Antrieb benutzen. Er musste sie nur nach hinten ausrichten können. Aber wie ging das? Konnte man sie überhaupt bewegen oder waren sie starr eingebaut? Er konnte nur ausprobieren. Wo die entsprechenden Tasten für die Waffen zu finden waren, wusste er ja bereits. Er drückte einfach eine von den rechteckigen Platten ein und durch das Fenster waren die Strahlen der Waffen zu sehen. Allerdings strahlten sie alle in verschiedenen Richtungen. Durch drücken verschiedener anderer Tasten in der Nachbarschaft bewegten sie sich plötzlich. Nach und nach schaffte er es, sie in einem Punkt hinter ihm, in Richtung Sonne, zu bündeln. Außerdem befand sich jetzt ein Bild auf dem Fenster. Ein Außerirdischer wie der neben ihm im Sessel sitzende war zu sehen. Es schien ihn ebenfalls zu sehen. Aber darum konnte er sich im Augenblick nicht kümmern. Er beobachtete gespannt die Anzeige auf dem Pult. Sie schien irgendeine Geschwindigkeitsanzeige zu sein. Oder war es eine Entfernungsanzeige? Auf jeden Fall veränderten sich die Symbole in ihr immer langsamer. Wahrscheinlich zeigte sie ihm die Geschwindigkeit an, mit der das UFO auf die Sonne zuflog. Das sie jetzt immer langsamer wurde, war ein gutes Zeichen für ihn. Denn es bedeutete, das wenn sich die Anzeige plötzlich anders herum bewegte, das er die Anziehungskraft der Sonne überwunden hatte und sich damit von ihr wieder entfernte. Aber noch war das leider nicht der Fall. Sie wurde zwar langsamer, blieb stehen, 35
und bewegte sich dann in der gleichen Richtung weiter. es reichte nicht. Die Sonne war kräftiger als die Triebwerke des UFO's. Trotzdem versuchte er noch irgendein Triebwerk auf dem Pult zu finden. Das Bild mit dem Wesen auf dem Fenster war noch immer da. Es schien ihn zu beobachten. Ob es seine Lage begriff? Seine Versuche hatten aber noch andere Ergebnisse zur folge. Es erschienen noch andere Bilder auf dem Fenster. Diagramme. In der Mitte war ein Diskussymbol. Das konnte eigentlich nur sein UFO sein und vor ihm in Flugrichtung war ein weiteres Diskussymbol. Allerdings in Grün. Seines war schwarz. Es schien ein weiteres UFO zu sein. Ob von dort das Bild mit dem anderen Wesen herstammte? Hinter ihm auf dem Diagramm war eine rote halbrunde Fläche zu sehen. Die Sonne. Das ganze musste ein Ortungssystem sein. Das half ihm nichts. Damit blieb nur eine Möglichkeit übrig. Aber das war gefährlich. Schon deshalb, weil er überhaupt keine Ahnung hatte worauf er zu achten hatte. Sterben wollte er aber auch nicht. Er blickte kurz zu dem Wesen neben ihm hinüber und stellte fest, das es anscheinend wach war. Allerdings war es augenscheinlich zu schwach um das UFO selbst zu steuern. Es sah nur still zu und blickte ab und zu auf das Fenster. Ob es mit dem Leben bereits abgeschlossen hatte? Wahrscheinlich. Er grinste kurz hinüber. Es gab irgendwelche Geräusche von sich. Natürlich verstand er es nicht aber als er sich wieder nach vorne wandte merkte er, das es sich mit dem Wesen auf dem Fenster unterhielt. Es wurde Zeit, das er seine Verzweiflungstat begann. Langsam drehte sich das UFO herum. Er steuerte es jetzt genau auf den Sonnenrand zu. Was er vorhatte war ein Swing-Bai Manöver. Er würde mit großer Geschwindigkeit schräg auf die Sonne zufliegen und sich von der Sonnenschwerkraft einfangen lassen. Wenn er Glück hatte, würde sich die bei diesem Manöver ergebende Geschwindigkeit größer sein als die Anziehungsgeschwindigkeit der Sonne. Man durfte nur nicht zu nahe an die Sonne heranfliegen. Außerdem würde es sehr heiß werden. Vielleicht schmolz sogar die Außenhaut des UFO's dabei. Aber etwas anderes konnte er jetzt nicht mehr tun. Es war seine letzte Möglichkeit. Nach und nach wurde die Geschwindigkeit immer größer. Auch der Andruck verstärkte sich wieder. Die rote Sonne bedeckte jetzt bereits dreiviertel des Fensters. Man konnte schon fast sagen, das er bereits in den Außenzonen der Sonnenatmosphäre flog. Die Temperaturen außerhalb des UFO's mussten mörderisch sein. Im UFO selbst wurde es ebenfalls heißer. Plötzlich begann das ganze UFO an zu vibrieren. Die Bilder auf dem Fenster flackerten bereits, verloschen aber nicht. Das Wesen auf dem Bild war noch immer zu sehen, und auf dem Ortungsbild, das immer noch zu sehen war, sah es so aus als ob das zweite UFO ihm folgte. Allerdings in weiter Entfernung von der Sonne. Mittels der kleinen Triebwerke korrigierte er mehrmals den Flugkurs, wenn er das Gefühl hatte der Sonne zu nahe zu kommen. Das Wesen neben ihm gab nun ununterbrochen Geräusche von sich. Ob es eine Unterhaltung mit dem anderen Wesen war, oder eine Art von Todesgesang, konnte er nicht herausfinden. Auf jedenfalls war es am Leben. Fragte sich nur noch wie lange. Denn das UFO schien an der Grenze seiner Haltbarkeit anzukommen. Als die Vibrationen zu groß wurden, steuerte er es schräg von der Sonne weg. Es schien zu funktionieren. Die Veränderungen in der Anzeige wurden rapide langsamer. Blieben plötzlich stehen und bewegten sich dann in die entgegengesetzten Richtung weiter. Er entfernte sich jetzt von der Sonne. Wohin jetzt?
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Aufatmend lehnte er sich zurück. Sofort begann er zu zittern. Schweißausbrüche und Übelkeit überfielen ihn wieder. War ja auch kein Wunder nachdem was er bisher getan hatte. Es konnte nicht mehr lange dauern bis er endgültig zusammenbrechen würde. Allein die psychologische Belastung seiner Seele musste ihn zerbrechen. Die Landung der Außerirdischen auf dem Rathausplatz. Die Flucht vor dem Atomschlag und dann der Flug hierher. Und eben auch noch der nahe Tod in der Sonne. Ein Wunder das er immer noch am Leben war. Auf dem Ortungsbild wurde jetzt ein weiteres Symbol eingeblendet. Es lag ein wenig abseits von seinem Kurs. Er korrigierte den Kurs erneut und starrte angestrengt aus dem Fenster nach vorne. Nur Minuten später wurde ein hell strahlender Punkt sichtbar. Und er raste mit einer affenartigen Geschwindigkeit darauf zu. Er musste langsamer werden, wenn er nicht vorbeifliegen oder zerschellen wollte. er drehte das UFO wieder und bremste mit dem Haupttriebwerk, das er vorhin ebenso wie die kleinen Triebwerke und die Waffenstrahlen wieder abgestellt hatte, ab. Er verfolgte mit wie seine Geschwindigkeit immer langsamer wurde, bis plötzlich das Triebwerk ausfiel. Was war denn jetzt los? Es dauerte ein paar Sekunden bis ihm klar wurde, das er jetzt keinen Treibstoff für das Haupttriebwerk mehr hatte. Wie sollte er denn jetzt landen? Mehrere Minuten lang verharrte er so im Schockzustand. Dann wusste er was er tun konnte. Er würde genauso landen wie es die amerikanischen Shuttles taten. Die Atmosphäre würde ihn bremsen. Hoffentlich. Das Wesen neben ihm war inzwischen still geworden. Es schien ihn aufmerksam zu beobachten. "Ich werde uns schon irgendwie runterbringen." Es interessierte ihm im Augenblick nicht die Bohne, ob es das nun verstanden hatte oder nicht. Der Planet war nun wieder vor ihm zu sehen. Zum Abbremsen vorhin hatte er das UFO drehen müssen. Für das was er jetzt vorhatte, brauchte er den Planeten in Flugrichtung. Langsam wurde der Planet immer größer, während er mit den kleinen Triebwerken die Geschwindigkeit weiter senkte. Allerdings brachte das nicht viel. Inzwischen befand er sich über dem Planeten, der von dichten Wolken bedeckt war. Ein rütteln sagte ihm, das er soeben die obersten Ausläufer der Atmosphäre berührt hatte. Aber seine Geschwindigkeit war noch zu groß und so prallte er regelrecht von der Luftschicht wieder ab. Zwischendurch sah er mal wieder auf das Ortungsbild und bemerkte eine ganze Anzahl von Diskussymbolen. Hier schien ein reger Verkehr zu herrschen. Das UFO senkte sich erneut auf dem Planeten zu. Er war von der Schwerkraft des Planeten eingefangen worden. Genau das wollte er auch. Vorhin bei der Sonne war es unerwünscht gewesen aber hier genau richtig. Jetzt gab es nur noch einen Weg. Den nach unten. Der zweite Kontakt mit der Lufthülle war schon etwas heftiger und dauerte auch länger. Hinter sich konnte er einen langen Kondensationsschweif sehen. Durch den Luftwiederstand und der kleinen Triebwerke, die eigentlich nur zur Lagekorrektur im Weltall gedacht waren, wurde er langsamer. Nun musste er aufpassen, das er nicht aus dem Gleitflug herauskam. Ein Diskus sollte eigentlich gut gleiten. Oder nicht? Ihm blieb sowieso nichts anderes mehr übrig als es einfach auszuprobieren. Es funktionierte besser als er es erwartet hatte. Mit den Korrekturdüsen, mehr waren es ja nicht, hielt er den Diskus im Gleichgewicht. Schon bald war die Obergrenze der dichten Wolkendecke erreicht. Außerdem hatte er Begleitung bekommen. Drei weitere UFO's flogen hinter ihm her. Das verletzte Wesen neben ihm sprach anscheinend immer noch mit seinen Artgenossen auf dem Bild. Plötzlich wurde die Sicht schlechter. Er 37
steckte jetzt mitten in der Wolkendecke. Nur nach dem Gefühl steuerte er weiterhin geradeaus. Bis plötzlich wieder freie Sicht auf eine für ihn alptraumhafte Planetenoberfläche herrschte. Ein schriller Ton von dem Wesen im Sessel neben ihm riss ihn aus dem Schock. Automatenhaft suchte er eine freie Stelle in dieser Alptraumwelt zum landen. Eine riesige freie Fläche tauchte vor ihm auf. Ein Raumhafen, auf dem viele verschiedene Raumschiffe standen. Allerdings gab es auch noch freie Strecken zwischen ihnen. Genau so etwas brauchte er jetzt. Vorsichtig zwang er das UFO in eine weite Kurve, wobei er fast die Kontrolle verlor, und setzte auf. Trotz der Bremsschübe der kleinen Düsen wurde es ein Höllenritt über eine kilometerweite Strecke. Nur durch ein Wunder kollidierte er nicht mit einem der zahlreichen anderen Raumschiffe. Irgendwann blieb sein UFO dann stehen. Ohne richtig zu überlegen was er tat, hob er das verletzte Wesen aus dem Sessel und trat einfach in den Schacht. Langsam schwebte er nach unten. In der Schleuse berührte das Wesen leicht die Öffnungsplatte, worauf sich wieder eine Öffnung im UFO bildete. Torkelnd und psychisch am Ende ging er die Rampe herunter und legte das Wesen dort ab. Dann viel er bewusstlos um. ENDE Copyright by Andreas Blome
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Kennen Sie Zeph? von Daniel Hengst
Wer oder was ist dieser ´Zeph`? Ein Universum wird durchsucht..."
In einer fernen Zukunft. Keine Sorge, hier geht es nicht um die Abenteuer eines Raumschiffs Entenpreis. Ob ich Hellseher bin, daß ich weiß, was in ferner Zukunft geschehen wird? Vielleicht, wer weiß? Nach der zugegebenermaßen umstrittenen Zeittheorie von Professor Krambolitz ist die Zukunft die Vergangenheit. Die Zeit bewegt sich sozusagen im Kreis und irgendwann in der Zukunft, beziehungsweise in der Vergangenheit, wird das Universum wieder beim heutigen Tag ankommen. Was ich jetzt erzähle, ist also schon geschehen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich die Theorie des Professors richtig verstanden habe. Das aber nur nebenbei. Kennen Sie Zeph? Nie gehört? Das macht nichts. Ich weiß ja auch nicht, wer Zeph ist. Aber es gibt da jemanden, der uns weiterhelfen kann. Rums! In irgendeiner Galaxis fliegt mal wieder ein Planet in die Luft. Sie wollen wissen warum? Bösartiger Imperator mit Superwaffe? Störfall in einem Fusionsreaktor? Strafgericht einer zürnenden Gottheit, die endgültig genug hat von ihren undankbaren Geschöpfen? Beim galaktischen Roulette Pech gehabt? Ein Programm von Microsoft? Die zwei Milliarden intelligenter Bewohner des Planeten hätte das sicher auch interessiert. Es wird aber nicht verraten, weil es für diese Geschichte ohne Belang ist. Ich kann Ihnen aber versichern, daß jemand deswegen irgendwo Protest einlegen wird. Nämlich die galaktischen Umweltschützer. Wegen einer seltenen Vogelart, die nur auf diesem Planeten gelebt hat. Es gibt also keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Während in diesem Sonnensystem ein paar neue Asteroiden durch die Gegend fliegen, wenden wir uns einer Raumhafenkneipe zu, die sich auf einem schätzungsweise eine halbe Unendlichkeit entfernten Planeten befindet. In dieser Raumhafenkneipe sitzt ein Raumfahrer, der irgendein abscheulich schmeckendes Gebräu in sich hineinschüttet. Wildo heißt er. Und was noch wichtiger ist, er kennt Zeph. Das behauptet er zumindest. Gerade beginnt er, seine Geschichte darüber zu erzählen, wie er Zeph getroffen hat. Hören wir ihm doch einmal zu. "Also", fängt er an, "das war nämlich folgendermaßen: Da bin ich mit meinem Raumschiff durch das System XP-3479 geflogen, oder war's 3489? Mit diesen Nummern kommt man immer so leicht durcheinander. Egal, jedenfalls bin ich dann am vierten Planeten rechts abgebogen und auf einmal bekomme ich so eigenartige Sensordaten angezeigt. Das habe ich mir natürlich sofort näher angeschaut ..." Klirr! Durch eine Fensterscheibe fliegt ein Sprengkörper und detoniert mit ohrenbetäubendem Krachen. Diesem schleimigen Halunken, der mir dieses angeblich bombenfeste Glas eingebaut hat, drehe ich den Hals ..., denkt der Wirt noch, bevor er von der Explosion zerfetzt wird. Ich weiß, schon wieder eine Explosion, das ist etwas einfallslos. Hier geht aber zur Abwechslung nur die Raumhafenkneipe zu Bruch. Morgen wird sich die Armee revolutionärer Springmäuse zu dem Anschlag bekennen. Und übermorgen die Intergalaktische Vereinigung 39
raumfahrtkritischer Philosophen. Und in drei Tagen die Union zur Bekämpfung der Armee der revolutionären Springmäuse. Ich glaube, man nennt das "Shared Terrorism". Sie wollen wissen, was es denn nun mit diesem Zeph auf sich hat? Tut mir leid, aber Wildo ist einer von den 22 Leuten, die bei dem Anschlag ums Leben gekommen sind. Ich fürchte, er wird uns nichts mehr über Zeph erzählen können. Weil Wildo tot ist und Tote leider nicht mehr reden können. Es sei denn, Sie versuchen es vielleicht mit Totenbeschwörung, wenn Sie glauben, daß das funktionieren könnte. Was ich aber bezweifle. Doch vielleicht kann uns ja jemand anders weiterhelfen? Wir machen uns also auf den Weg, jemanden zu suchen, der etwas über Zeph weiß. Da lichtet sich der Andromedanebel ein wenig und gibt den Blick frei auf das Raumschiff BXVCYWRZH vom Planeten Hkortiozret. Es handelt sich um ein Forschungsschiff, dessen Besatzung den offiziellen Auftrag hat, die Aliens zu finden, die für die UFOs verantwortlich sind, die andauernd ihren Heimatplaneten heimsuchen. Das ist natürlich Unsinn, weil es gar keine UFOs gibt. Dieser offizielle Auftrag dient auch nur dazu, den eigentlichen Auftrag zu verschleiern. Dieser Auftrag ist so geheim, daß ihn niemand auf dem Raumschiff kennt. Er wurde auf einem speziellen Computerchip so verschlüsselt, daß er erst nach Ablauf einer bestimmten Frist decodiert werden kann. Diese Frist ist jetzt abgelaufen und der Captain des Schiffes gibt nun seinen Entschlüsselungscode ein, um die Nachricht zu decodieren. Auf dem Bildschirm erscheint daraufhin die wundersame Mitteilung: Lesefehler auf Laufwerk C: Abbrechen, Wiederholen, Fehler? Während der Captain darüber nachgrübelt, was diese eigenartigen Anweisungen zu bedeuten haben, gelangen wir zu der Erkenntnis, daß uns hier niemand etwas über Zeph sagen kann. Das Raumschiff verschwindet wieder im Andromedanebel und kommt in dieser Geschichte nicht mehr vor. Sie wollen endlich wissen, wer Zeph ist? Seien sie doch nicht so ungeduldig. Die großen Rätsel des Universums lassen sich nicht in einem Augenblick lösen. In einem Irrenhaus ... ich meine natürlich: in einem Institut zur Förderung von Personen mit besonderen geistigen Fähigkeiten werden wir schließlich fündig. "Ich bin Zeph.", deklamiert einer der Bewohner des Instituts in feierlichem Ton. "Ich bin Zeph.", wiederholt er einmal, nochmal, immer wieder. "Hören Sie nicht auf sein Geschwätz, der Kerl ist doch völlig irre.", sagt eine Gestalt im weißen Kittel im Vorbeigehen. Die Sache scheint kompliziert zu werden. Wie sollen wir entscheiden, wer recht hat? Wir tippen dem angeblichen Zeph auf die Schulter. "Entschuldigung, ..." Weiter kommen wir nicht, denn er ergreift schreiend die Flucht. "So warten Sie doch, Zeph.", rufen wir. Er bleibt stehen und dreht sich zögernd um. "Wir würden Sie gern etwas fragen. Wer oder was ist Zeph?" "Ich bin Zeph.", antwortet er. "Ja, aber was bedeutet es, Zeph zu sein. Wir können uns unter Zeph nichts vorstellen." "Ich bin Zeph.", antwortet er. Er scheint einen ziemlich eingeschränkten Wortschatz zu haben. Wir erkennen, daß dieses Gespräch zu nichts führt und brechen es daher ab. Die Gestalt im weißen Kittel ist mittlerweile weitergegangen. Wir folgen ihr und holen sie gerade noch rechtzeitig ein, bevor sie hinter einer Tür mit der Aufschrift "Unbefugten ist das Betreten strengstens verboten" entschwinden kann. Sie müssen nämlich wissen, daß es auf diesem Planeten ein System mit zwei Kasten gibt, den Befugten und den Unbefugten. Zahl40
reiche Örtlichkeiten sind dort nur den Befugten zugänglich. Das ist natürlich Diskriminierung, aber es scheint niemanden sonderlich zu stören. Wir fragen die Gestalt im weißen Kittel: "Sagen Sie, wenn er nicht Zeph ist, wer ist es dann?" "Woher soll ich das wissen?", antwortet die Gestalt im weißen Kittel. Wir fragen weiter: "Was ist Zeph? Woran erkennen Sie, daß jemand, der behauptet, Zeph zu sein, es wirklich ist." Die Gestalt im weißen Kittel antwortet: "Zeph ist doch nicht irgend so ein dahergelaufener Irrer. Zeph ist viel mehr, viel größer. Zeph steht über den Dingen. Zeph ist einfach Zeph. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu arbeiten." Die Gestalt im weißen Kittel geht durch die Tür und schließt diese hinter sich. Wir begegnen auf unserer Reise einem Raumschiff, das ziemlich heruntergekommen aussieht, entsprechend langsam vorwärtskommt und eine Rauchwolke hinter sich herzieht, die hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid besteht. Anscheinend wird dieses Modell noch mit Kohle betrieben. Die Besatzung gehört zur Chakamunli-Föderation. Ihr vorheriges Raumschiff hat der Captain beim Pokern verspielt und deshalb mußten sie aus Teilen vom Schrottplatz ein neues Raumschiff zusammenbasteln. Jetzt hoffen sie, daß dem Oberkommando der Raumflotte die kleinen technischen Veränderungen nicht auffallen. Auf der anderen Seite der Galaxis gibt es einen Planeten, der sich in einem von der Zivilisation fast unberührten Zustand befindet. Es gibt dort ein Kloster des allerheiligsten Ordens von der einzig wahren Weisheit, der heiligen Makrele, die auf dem Stein liegt und sich sonnt, und der geheimen Lehre vom Umwenden der Blätter und so. In dem Kloster wohnt ein Oberguru, der ständig unglaublich weise Weisheiten von sich gibt. "Ja, mit dem Zeph", sagt er, "ist das so: es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft, nur die Gegenwart und die Gegenwart ist da, wo Zeph ist. Sonst gibt es nichts. Und wo Zeph ist, das weiß niemand. Wenn du ihm gegenüberstündest, du würdest ihn nicht erkennen, selbst wenn er dir die Hand schüttelte. Kann ich bitte noch ein Glas Apfelsaft bekommen?" So spricht der weise Mann und ehrfürchtig verlassen wir die Stätte seines Wirkens. "Das ist natürlich Unsinn.", erklärt Professor Krambolitz und macht es sich in seinem Sessel bequem. "Wenn es nur die Gegenwart gäbe, dann würde alles stillstehen. Es könnte gar nichts geschehen. Damit eine Handlung fortschreiten kann, muß Zeit vergehen. Die Gegenwart aber ist nur ein Zeitpunkt. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen Spinnern, die von Wissenschaft noch nie etwas gehört haben, in die Irre führen." "Und wie ist das nun mit Zeph?", wollen wir wissen. "Das ist genauso wie mit Religion oder Politik. Man weiß einfach nichts genaues. Es gibt Leute, die Zeph gesehen haben wollen und andere, die seine Existenz bestreiten." Keine Sorge, ich weiß, daß Zeph existiert. Schließlich habe ich diese Geschichte geschrieben, da muß ich es doch wissen. Wir durchstreifen weiter das Universum und sehen überall nach, doch einen Zeph finden wir nicht. Diesen Zeph gibt es gar nicht, meinen Sie? Wenn es diesen Zeph irgendwo gäbe, dann hätten wir ihn doch gefunden, und wenn es nirgendwo einen Zeph gibt, dann gibt es ihn überhaupt nicht, lautet Ihre logische Schlußfolgerung? Wir haben wirklich überall nachgesehen, nicht wahr? Da bleibt nur noch eines übrig. Warum ich Sie mit so einem triumphierenden Lächeln ansehe? Nun, ich glaube, ich weiß jetzt, wen sie mit Zeph meinen. Die Zeit erstarrt. Die Bewegungen der Menschen kommen abrupt zum Stillstand. Nichts rührt sich mehr. Die Regentropfen hängen bewegungslos in der Luft. Die Moleküle der Luft bilden 41
eine undurchdringliche Wand. Es ist vollkommen ruhig. Nicht das leiseste Geräusch ist zu hören. Die Sterne erlöschen. Dunkelheit senkt sich über das Universum. Die Materie löst sich auf. Die Atome fallen dem Vergessen anheim. Die Geschichte ist zu Ende.
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