Einführung in die Festigkeitslehre

= — 'Z K

(2.27)

31

2.3 Biegung

Die Spannungen im Stabquerschnitt unter Biegebeanspruchung sind also an der neutralen Faser (z = 0) Null und nehmen zu Randem hin linear zu (Zugseite) bzw. ab (Druckseite). Die fiir Festigkeitsnachweise wichtige maximale Biegespannung, die nachfolgend mit cTb bezeichnet werden soil, findet man also am Rand (z = z^ax)- Dort gilt: <^b"^^(^max) =

(2.28)

R

Gleichung 2.28 ist fiir die Berechnung der maximalen Biegespannung ungeeignet, da der Kriimmungsradius R bei Balken in der Regel schwierig zu ermitteln ist bzw. Uberhaupt nicht ermittelt werden kann. Es muss also ein Zusammenhang zwischen der in der Regel bekannten auBeren Belastung (Biegemoment Mb) und den Spannungen im Bauteil gefunden werden. Den gesuchten Zusammenhang erhalt man, indem man eine Gleichgewichtsbedingung zwischen den in den Querschnittsflachen wirkenden Spannungen und dem auBeren Biegemoment herstellt. Hierzu betrachtet man entsprechend Bild 2.22 ein „unendlich" schmales Flachenelement dA der Querschnittsflache das sich im Abstand z von der neutralen Faser entfemt befmdet. Im Flachenelement wirkt die Spannung a (z). Beziiglich der y-Achse (neutrale Faser) ergibt sich damit das Teilmoment:

Bild 2.22 Schnittspannungen am Biegestab

dM^y= (T(Z) ' dA' z

(2.29)

Das Gesamtmoment Mby ergibt sich als Summe aller Teilmomente dM\yy iiber den gesamten Querschnitt, d. h. als Integral iiber die Querschnittsflache A. Aufgrund des Momentengleichgewichts muss dieses Gesamtmoment dem auBeren Biegemoment um die y-Achse (Mby) Equivalent sein. Aus Gleichung 2.29 ergibt sich mit Gleichung 2.27 und Integration liberal Mlby- \a{z)-zdA J

E C 7 r.

E

= — \z^dA^ — -I^ R^ R ^

Der Integralausdruck \z dA

(2.30) (2.31)

wird als axiales Flachenmoment 2. Ordnung (siehe auch Kapitel 9.1.2) bezeichnet. Ublicherweise verwendet man hierfur das Formelzeichen /, erganzt durch einen Index (z. B. x, y Oder z) welcher die Biegeachse bezeichnet. /y bedeutet also axiales Flachenmoment 2. Ordnung beziiglich der y-Achse. Die Dimension des axialen Flachenmomentes ist beispielsweise m"^, cm"^ Oder mm"^. Fiir praktische Berechnungen verwendet man haufig mm"^. Da der Integralausdruck fur / (Gleichung 2.31) bei komplexen Querschnitten mitunter schwierig zu ermitteln ist, fmdet man die entsprechenden Werte fiir technisch wichtige Querschnittsgeometrien in Tabellenwerken. Voraussetzungen fur die Integration ist allerdings die mathematische Beschreibbarkeit der Flachenberandung.

32

2 Grundbelastungsarten

In Tabelle 2.4 sind fur ausgewahlte, technisch wichtige Querschnittsgeometrien die axialen Flachenmomente 2. Ordnung zusammengestellt. Die Spannungsverteilung im Balkenquerschnitt erhalt man aus Gleichung 2.27 und 2.30, indem man den Kriimmungsradius R eliminiert. Gleichung (2.27):

o-(z)= — • z

Gleichung (2.30):

M^^—I R

und damit letztlich: (y{z) == ——' z

Spannungsverteilung bei gerader, reiner Biegung

(2.32)

Die groBte Biegespannung a (z^ax) = ^b tritt an Stellen des Querschnitts auf, die den groBten Abstand zur neutralen Faser (Zug- oder Druckseite) besitzen (Bild 2.22), also: ^b=-p-^max

(2.33)

Da fur Festigkeitsnachweise in der Regel die groBte im Querschnitt herrschende Spannung von Interesse ist, fasst man den Ausdruck / / z^ax zum axialen Widerstandsmoment ^b zusammen: jf^::z

^

Definition des axialen Widerstandsmomentes

(2.34)

Das Formelzeichen ftir W\j wird iiblicherweise ebenfalls durch einen die Biegeachse kennzeichnenden Index (z. B. x,;; oder z) erganzt. Die Dimension des axialen Widerstandsmomentes ist beispielsweise m^ cm^ oder mm^ wobei in der Praxis haufig mit mm^ gerechnet wird. Ebenso wie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/), ist auch das axiale Widerstandsmoment (W\j) far technisch wichtige Querschnittsgeometrien in Tabelle 2.4 zusammengestellt. Ftir geometrisch einfache Querschnitte kann das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (I) nach Gleichung 2.31 ermittelt werden (Aufgabe 2.17 und 2.18). Fiir zusammengesetzte Querschnitte dtirfen die axialen Flachenmomente addiert oder subtrahiert werden. Das axiale Widerstandsmoment (W\y) erhalt man dann gemaB W\y = I / z^ax, wobei z^ax der maximale Abstand der Randfaser des Querschnitts zur Biegeachse ist. Es ist zu beachten, dass axiale Widerstandsmomente nicht addiert oder subtrahiert werden durfen (Aufgabe 2.20 und 2.21). Aus Gleichung (2.33) und mit Gleichung (2.34) folgt schlieBlich die Grundgleichung zur Spannungsermittlung bei gerader, reiner Biegung: 0-. =

^ fTb

Grundgleichung zur Spannungsermittlung bei gerader, reiner Biegung

Ob maximale Biegespannung im Querschnitt (N/mm^) Mb Biegemoment (Nmm) W\y axiales Widerstandsmoment (mm^)

(2.35)

33

2.3 Biegung

Tabelle 2.4 Axiale Flachenmomente 2. Ordnung und axiale Widerstandsmomente ausgewahlter Querschnitte axiales FlMchenmoment

Profil gleichschenkliges Dreieck ^'

axiales Widerstandsmoment

b-h' 36

^by =

h-b^ 48

Wvbz

24 _ ^ 24

gleichseitiges Dreieck ^by=-

32-V3 '

fFibz

32-V3

32

16-V3

Quadrat Iy=h=-

^by = ^ b z = -

12

Rechteck

H

>'"

% =

12

Wibz

12

b-h' h-b'

6

Trapez ^~36' e=

h 3

Z)i +Z)2

2-h+b. b^+b2

w.by

h^ 12

b^+A-b^-bj+b^ 2-bi+b2

34

2 Grundbelastungsarten

Fortsetzung Tabelle 2.4 Axiale Flachenmomente 2. Ordnung und axiale Widerstandsmomente ausgewahlter Querschnitte Profil

axiales Flachenmoment

axiales Widerstandsmoment

Sechseck

^by4-«' /y=/z^

16

5-S

Wbz =

16

Achteck

/,=/,=(l + 2V2)4 •y -z

Vollkreis

^by = ^ b z = 0,6906-a^

^

y

^ 64

^by=f^bz=^-^^

Kreisring 1) z

/ =/,=^.(D4-J4) 'y -z 64

Ellipse

;r D^-c/^ fFu„=fru, • •"by = "^az= — 32 D

z

'

4

f^bz=T-*'«

^^ Dickwandig. Fiir einen dunnwandigen Kreisring mit t « dm (t =Wanddicke; <4 = mittlerer Durchmesser) gilt: I^=I^= — -dl-t und w^,y =W^^= — -dl't (siehe auch Aufgabe 10.3)

35

2.3 Biegung

Fortsetzung Tabelle 2.4 Axiale Flachenmomente 2. Ordnung und axiale Widerstandsmomente ausgewahlter Querschnitte axiales Flachenmoment

Profil

axiales Widerstandsmoment

EUipsenring ^ W,y=-

n a] *\ 'h. ^\ -a] "2 -bj ^2

a

halber VoUkreis z'

^y

/

=

n 8

8 9-;r

^b = ^ = 0,1907 T^

=^-/ W,bz

e=

^

.J

Z-n •r

2.3.2 Axiale Flachenmomente 2. Ordnung und axiale Widerstandsmomente zusammengesetzter Querschnitte Zur Berechnung der axialen Flachen- und Widerstandsmomente einfacher Querschnitte sind in Tabelle 2.4 die entsprechenden Beziehungen zusammengestellt. Die Querschnittsgeometrien technischer Bauteile sind in der Regel komplexer, sie setzen sich jedoch haufig aus diesen einfachen Querschnitten zusammen. Typische Beispiele sind I- oder U-Profile. In diesem Fall lassen sich die entsprechenden axialen Flachen- und Widerstandmomente ebenfalls auf einfache Weise ermitteln. Die Vorgehensweise soil am Beispiel des in Bild 2.23 dargestellten Profils erlautert werden (siehe auch Kapitel 9.1.3.1). 1. Das Gesamtprofil wird in einem ersten Schritt in einfach zu berechnende Teilflachen (z. B. Rechtecke) zerlegt. 2. Falls die Querschnittsflache beztiglich der betrachteten Achse durch den Flachenschwerpunkt S (Biegeachse) nicht symmetrisch ist, muss zunachst die Lage des Flachenschwerpunktes des Gesamtquerschnitts berechnet werden. Dies erfolgt mit Hilfe des Teilschwerpunktsatzes:

Teilschwerpunktsatz (2.36)

Bild 2.23 Ermittlung der axialen Flachen- und Widerstandsmomente zusammengesetzter Querschnitte

36

2 Grundbelastungsarten Berechnung der axialen Flachenmomente 2. Ordnung der Teilflachen beztiglich einer Achse durch den Flachenschwerpunkt S der Gesamtflache. Hierzu bedient man sich des Satzes von Steiner (siehe auchKapitel 9.1.3.1): 1st das axiale Flachenmoment 2. Ordnung /y beziiglich einer Achse durch den Flachenschwerpunkt bekannt (y-Achse in Bild 2.24), dann errechnet sich das axiale Flachenmoment 2. Ordnung /y' beztiglich einer hierzu parallelen Achse (y'-Achse in Bild 2.24) gemaB: Axiales Flachenmoment bei Parallelver- Q 37) /y» = / y + Zg • ^ schiebung der Koordinatenachse

^i 1

y/yA\

'Vyyfs,

1 mW\ y///A

y

y

Bild 2.24 Geometrische Verhaltnisse zur Anwendung des Satzes von Steiner

Auf das Beispiel in Bild 2.23 tibertragen, bedeutet dies die Umrechnung der axialen Flachenmomente der Teilflachen beztiglich der Achsen durch ihre jeweiligen Teilschwerpunkte (yr, y2- und ya-Achse) auf die y-Achse durch den Gesamtflachenschwerpunkt S. Die Vorgehensweise ist nachfolgend tabellarisch zusammengestellt. Teil- Abstand zwischen Flachenflache Teil- und Gesamt- inhalt flachenschwerpunkt

axiales FlMchenmoment beziiglich einer Aclise durch den GesamtflachenTeilflachenschwerpunkt schwerpunkt 2

1

^Sl

Ax

^y.

2

^82

A2

Iy2

2 ^yS2 = ^ y 2 + ^ S 2 ' ^ 2

3

^S3

A3

h

2 ^yS3 ^ ^ y 3 + ^ S 3 ' ^ 3

4. Das axiale Flachenmoment 2. Ordnung /ys des Gesamtquerschnitts ergibt sich durch Addition der (auf die y-Achse umgerechneten) axialen Flachenmomente der Teilquerschnitte: 'yS

' ^ y S l +^yS2 +^yS3

Axiale FMchenmomente 2* Ordniing diirfen addiert und subtrahiert werden, sofern sie auf die gleiche Achse bezogen sind. Dies gilt jedoch nicht fftr die axialen Widerstandsmomente. 5. Das axiale Widerstandsmoment W\^y der Gesamtflache (bezuglich der y-Achse) erhalt man entsprechend Gleichung 2.34 als Quotient aus axialem Flachenmoment 2. Ordnung (/ys) und dem maximalen Abstand der Flachenberandung zur Biegeachse (z^ax)'yS %

=

•

'^ Jakob Steiner (1796 ... 1863). Die Grundlagen des Steiner'schen Satzes wurden jedoch bereits von Christian Huygens (1629 . 1695)gelegt.

2.3 Biegung

37

2.3.3 Werkstoffverhalten und Kennwerte bei Biegebeanspruchung In Analogic zur Zug- bzw. Druckbeanspruchung, muss beim Festigkeitsnachweis biegebeanspruchter Bauteile das Werkstoffverhalten (duktil oder sprode) benicksichtigt werden. 2.3.3.1 Duktile Werkstoffe Unter einachsiger Zugbeanspruchung sind die Streck- oder Dehngrenze (R^ bzw. R^) bzw. die Zugfestigkeit die maBgeblichen Werkstoffkennwerte. Sie werden im Zugversuch ermittelt (Kapitel 2.1.2). Relevante Werkstoffkennwerte fur Festigkeitsnachweise unter Druckbeanspruchung sind die natiirliche Quetsch- bzw. DruckflieBgrenze Odp oder die Stauchgrenze Odp, in der Kegel crdo,2oder a^2 (Kapitel 2.2.2). Die Kennwerte ergeben sich aus dem Druckversuch. Es liegt nun nahe anzunehmen, dass die fur Biegebeanspruchung maBgeblichen Werkstoffkennwerte einem Biegeversuch entstammen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da ein Biegeversuch fur duktile Werkstoffe nicht existiert. Ein derartiger Versuch ist auch nicht erforderlich, da sich die Biegebeanspruchung aus Zug- und Druckbeanspruchungen zusammensetzt (Bild 2.25). In der Zug- bzw. Druckzone eines Biegebalkens spielen sich prinzipiell dieselben Vorgange ab, wie beim Zug- bzw. Druckversuch. Bei duktilen Werkstoffen beginnt der Biegestab zu flieBen, sobald die maximale Spannung Ot, in der Randfaser die Streck- bzw. Dehngrenze (Zugseite) oder die DruckflieB- bzw. Stauchgrenze (Druckseite) erreicht. Man fiihrt als Werkstoffkennwert bei Biegebeanspruchung von duktilen Werkstoffen die Bie' DmcfJ eeflieBsrenze Obp ein. Sie ist defmiert als Quoti^-i^ ^ ^r o ^ ^^ • o- u n ^ ^ "*^ ^ Bild 2.25 Spannungsverteilung im Biegebalken ent aus Biegemoment bei FlieBbeginn (Mbp) und axialem Widerstandsmoment der Querschnittsflache (Wb). Die BiegeflieBgrenze entspricht bei duktilen Metallen etwa der Streck- bzw. Dehngrenze. 0-^^- —Ml ^ ^^ hzw. Rp BiegeflieBgrenze (2.38) Unter Biegebeanspruchung beginnt das FlieBen zuerst an den hochst beanspruchten Randfasem, wahrend Werkstoffbereiche in der Balkenmitte noch elastisch beansprucht werden und dementsprechend eine Stiitzwirkung ausiiben. Zur weiteren plastischen Verformung eines Biegebalkens ist daher eine Erhohung des Biegemomentes notig. Demzufolge findet man fiir die BiegeflieBgrenze mitunter auch die Beziehung: O b F « l , l ... 1,2-i^e

Wird der Stab aus einem duktilen Werkstoff iiber die BiegeflieBgrenze hinaus weiter verformt, dann konnte angenommen werden, dass ein Bruch eintritt, sobald die maximale Spannung Ob auf der Zugseite die Zugfestigkeit R^^ erreicht. Da duktile Werkstoffe unter Biegebeanspruchung jedoch nicht brechen, muss der Versagensfall Bruch auch nicht benicksichtigt werden.

38

2 Grundbelastungsarten

2.3.3.2 Sprode Werkstoffe Fiir sprode Werkstoffe wird als Werkstoffkennwert die Biegefestigkeit obB eingefiihrt. Sie ist definiert als Quotient aus Biegemoment beim Bruch (Mbe) und axialem Widerstandsmoment (^b) der Querschnittsflache: ^bB

(2.39)

Biegefestigkeit ^b

Bei ideal sprodem, d. h. linear-elastischem WerkstoffVerhalten entspricht die Biegefestigkeit ObB der Zugfestigkeit Rj^y da ein Trennbruch dann eintritt, sobald die Spannung in der Randfaser (ob) die Zugfestigkeit erreicht. In der Praxis brechen sprode metallische Werkstoffe unter Biegebeanspruchung in der Kegel bei weit hoheren Spannungen als der im Zugversuch ermittelten Zugfestigkeit 7?^. Der Bruch geht dabei stets von der Zugseite des Biegestabes aus und verlauft senkrecht zur groBten Normalspannung. Der Grund ftir diese Beobachtung liegt darin, dass sprode Werkstoffe infolge ihres doch vorhandenen Plastifizierungsvermogens haufig eine Zug-Druck-Anisotropie aufweisen. Fiir graues Gusseisen mit Lamellengraphit (Grauguss) gilt damit beispielsweise: oTbB = 2,0 ... 2,5-Rjn (fur Grauguss)

2.3.4 Zulassige Spannung bei Biegebeanspruchung Duktile Werkstoffe versagen unter Biegebeanspruchung durch FlieBen, sprode Werkstoffe hingegen durch Bruch. In Tabelle 2.5 sind Kennwerte zur Bestimmung der zulassigen Spannung unter Biegebeanspruchung sowie Richtwerte fur Sicherheitsbeiwerte zusammengestellt. Die Sicherheitsbeiwerte entsprechen dabei den Werten wie sie fur die Zug- bzw. Druckbeanspruchung (Tabelle 2.2 und 2.3) eingefiihrt wurden. Tabelle 2.5 Kennwerte zur Bestimmung der zulassigen Spannung unter Biegebeanspruchung Werkstoff bzw. Werkstoffzustand duktil sprode

Versagensart

Werkstoffkennwert

Ersatzwert

FlieBen

Oh¥

Bruch

tritt unter Biegebeanspruchung nicht auf

Bruch

C^bB

«^e

— -*^m

Sicherheitsbeiwert '^ ^SF^ 1,2 ...2,0

SB

= 4,0 ... 9,0

'^ Anhaltswerte, falls keine einschlagigen Berechnungsvorschriften vorliegen. ^^ fur Grauguss: ObB = 2,0 ... 2,5-i?n,

Zusammenfassend errechnet sich die zulassige Spannung mit wie folgt:

CTZUI

unter Biegebeanspruchung da-

Bauteile aus duktilen Werkstoffen bzw. duktiles Werkstoffverhalten • FlieBen:

cr^, = ^^

mit S^=l,2 ... 2,0

(2.40)

Bauteile aus sproden Werkstoffen bzw. sprodes Werkstoffverhalten •Bruch:


mit^e = 4,0 ... 9,0

(2.41)

39

2.3 Biegung

2.3.5 Ubungsaufgaben Attfgabe 2.12 Der dargestellte Kastentrager aus Werkstoff S275JR ist beidseitig gelenkig gelagert und wird durch die statisch wirkende Kraft F = 25 kN auf Biegung beansprucht. Das Eigengewicht des Tragers sowie Schubspannungen durch Querkrafte sollen vemachlassigt werden. Berechnen Sie die mindestens erforderliche Wandstarke s, damit Fliefien mit Sicherheit (Sf = 1,5) ausgeschlossen werden kann. Werkstoffkennwerte S275JR: R, = 275 N/mm^ Rm = 540 N/mm^ E = 208000 N/mm^ ju =0,30

//4 / = 5000 mm

Aufgabe 2.13 Bin einseitig eingespannter T-Trager aus dem unlegierten Baustahl S355J2 wird durch die statisch wirkende Kraft F = 1 kN auf Biegung beansprucht. Das Eigengewicht des Tragers, Schubspannungen durch Querkrafte sowie die Kerbwirkung an der Einspannstelle sollen bei alien Aufgabenteilen vemachlassigt werden. Werkstofflcennwerte S355J2: R, = 355 N/mm^ Rm = 6lOWmm^ E = 212000 N/mm^ ju =0,30

A -I

^ B

Abmessungen des T-Tragers: a = 1000 mm // = 60 mm h =40 mm B = 60 mm b =20 mm

a) Bestimmen Sie die Lage z^ des Flachenschwerpunktes S und berechnen Sie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/y) sowie das axiale Widerstandsmoment (^by) bezuglich der y-Achse. b) Ermitteln Sie die Sicherheit S^ gegen FlieBen fiir die hochst beanspruchte Stelle. c) Fiir eine Konstruktionsvariante soil die Lange des T-Tragers auf a* = 1500 mm erhoht werden. Die Belastung von F = 1 kN bleibt unverandert. Ermitteln Sie das mindestens erforderliche axiale Widerstandsmoment (W\y), falls eine Sicherheit von Sf = 1,5 gegen FlieBen gefordert wird.

40

2 Grundbelastungsarten

Aufgabe 214 Ein Rohr mit Kreisringquerschnitt und einer Lange von / = 2500 mm (AuBendurchmesser d^,^ 100 mm, Wandstarke ^ = 5 mm) aus Werkstoff S275JR {R, = 275 N/mm^ und E = 210000 N/mm^) ist an beiden Enden gelenkig gelagert und wird in der Mitte durch die statisch wirkende Einzelkraft F belastet.

y—'^^^•'^'-"•'••^-^^^g'

»^:MS'}3M

P"^-'^^'S:g: : f tm •mm - ''^^'^ :m':;^fmm»''mmr

9

B

112

'77

I

777

1 = 2500 mm

L

a) Skizzieren Sie den Verlauf des Biegemomentes Mb und berechnen Sie das maximale Biegemoment Mb max in Abhangigkeit der Kraft F.

b) Ermitteln Sie die zulassige Durchbiegung/nax des Stahlrohres, damit FlieBen mit Sicherheit (SY = 1,5) ausgeschlossen werden kann. c) Auf welchen zulassigen Betrag /''max muss die maximale Durchbiegung begrenzt werden, falls als Rohrwerkstoff die Graugusssorte EN-GJL-350 (i?m ^ 350 N/mm^; Qbs ~ 2,5- 7?m und E = 100000 N/mm^) gewahlt und eine Sicherheit von S^ = 5,0 gegen Bruch gefordert wird ? Hinweis: / =

F-l' 4^'E-I

Aufgabe 2.15 Ein Stahltrager mit quadratischer Querschnittsflache (B = 200 mm; b=\SO mm) aus Baustahl S355JR (Re = 355 N/mm^) wird beim Bau einer Stahlkonstruktion frei tragend vorgeschoben. Die Masse des Tragers betragt ^ = 80 kg/m (Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s^). Berechnen Sie die maximal moglichefi*eieLange / des Stahltragers, damit plastische Verformungen infolge des Eigengewichts mit Sicherheit (iSp = 1,5) ausgeschlossen werden konnen.

A ^^N^N;^^^^^-^^^^

q = 80 kg/m

[[TJi -I

B

A-B

m4^

¥

U

V^///)(//m ub

•e

Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie Schubspannungen durch Querkrafte konnen vernachlassigt werden.

41

2.3 Biegung

Attfgabe 2.16 Bin Bauteil mit einer Masse von m = 1000 kg soil mit Hilfe des dargestellten Freitragers gehalten werden. Der Abstand / zwischen Seilrolle und Einspannung betragt 1,5 m. Der Durchmesser der Seilrolle kann gegenuber der Stablange vemachlassigt werden (g = 9,81 m/s^). Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie Schubspannungen durch Querkrafte sollen ebenfalls vemachlassigt werden.

Seilrolle

Trager A

a) Berechnen Sie das erforderliche axiale Widerstandsmoment (^b) des Freitragers, damit die Masse m mit Sicherheit (S^ = 1,5) gehalten werden kann, falls der Trager aus C35E {R^ = 295 N/mm^) gefertigt wurde. b) Ermitteln Sie die Masse m*, die von einem baugleichen Trager aus der Graugusssorte EN-GJL-300 (Rm = 300 N/mm^; Obs = 460 N/mm^) mit Sicherheit (S^ = 4,0) gehalten werden kann, falls ein Vollkreisquerschnitt mit d= 50 mm gewahlt wird.

Aufgabe 2,17

z, i

Die Abbildung zeigt die Querschnittsflache einen Profilstabes. Sie entspricht einem gleichschenkligen Dreieck mit der Hohe h und der Breite b. a) Berechnen Sie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/y) sowie das axiale Widerstandsmoment (^by) beztiglich der y-Achse (Achse durch den Flachenschwerpunkt S).

J^^i>$^ \ ^ ^ ^

y

b) Ermitteln Sie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/y) und das axiale Widerstandsmoment (^by) ftir ein gleichseitiges Dreieck mit der Kantenlange b.

1 b

/

m

c) Berechnen Sie die Werte fiir /y und ffby fur den Fall eines gleichschenkligen Dreiecks, jedoch beziiglich der j^'-Achse (siehe Abbildung). Z, I

Attfgabe2.18 Ermitteln Sie fur den dargestellten Rechteckquerschnitt rechnerisch das axiale Flachenmoment 2. Ordnung sowie das axiale Widerstandsmoment: a) beziiglich der y-Achse (/y und ^by). b) beziiglich der z-Achse (/^ und W^^)-

^

h

^

s^8 ^

^

^B ^ ^

^

^M b

y

42

2 Grundbelastungsarten

Aufgabe2.19 Der dargestellte Rechteckquerschnitt besitzt eine Flache von A = 12 cm^.

A = 72 cm2

Das axiale Flachenmoment 2. Ordnung beziiglich der ya-Achse (a = 5 cm) ist bekannt und betragt /ya = 2664 cm"^. Berechnen Sie das axiale Flachenmoment 2.0rdnung beziiglich der yb-Achse (ft = 2 cm).

Aufgabe2.20 Das dargestellte U-Profil setzt sich aus drei Rechtecken zusammen. a) Ermitteln Sie den Abstand zs des Flachenschwerpunktes S von der y'-Achse. b) Berechnen Sie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/y) beziiglich der y-Achse (Achse durch den Flachenschwerpunkt S).

Aiifgabe 2.21 Berechnen Sie fiir das dargestellte Profil die axialen Flachenmomente 2. Ordnung und die axialen Widerstandsmomente:

z

1

a) beziiglich der y-Achse (/y und fTby)b) beziiglich der z-Achse (/z und W\^j).

Pi

p:S$^^^^m ^

CN

ii

s $^^'

CM

^

10u 140

1 i^

y

43

2.3 Biegung

Aufgabe 2.22 Ein gelenkig gelagerter U-Profilstab aus der unlegierten Baustahlsorte S275 JR wird durch eine statisch wirkende Zugkraft F beansprucht. Werkstoffkennwerte S275JR: p0,2 '= 280N/mm^ = 550N/mm^ m = 209000 N/mm^ - 0,30 Bei einem ersten zu untersuchenden Lastfall wirkt die Zugkraft F in horizontaler Richtung (x-Richtung). Der Kraftangriffspunkt befindet sich jedoch am unteren Ende der Querschnittsflache (siehe Abbildung). A-B I

-4-

-K +I B = 2500

\4V//A//A

VJ

k ^

YA CDI

80

/i = 200

a) Berechnen Sie Lage des Flachenschwerpunktes (MaB z^) sowie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung des U-Profils beztiglich der y-Achse (/y). b) Berechnen Sie die zulassige Zugkraft F, falls an keiner Stelle der Querschnittsflache I - I eine Spannung von a^^i = 150 N/mm^ uberschritten werden darf. Bei einem zweiten zu untersuchenden Lastfall greift die Kraft F im Flachenschwerpunkt S unter einem Winkel von a = 25° zur Horizontalen (x-Richtung) an.

/2 = 2500

c) Ermitteln Sie die zulassige Zugkraft F, damit FlieBen an der hochst beanspruchten Stelle mit einer Sicherheit von 5F = 1,5 ausgeschlossen werden kann. Schubspannungen durch Querkrafte konnen vemachlassigt werden.

44

2 Grundbelastungsarten

2.4 Schub Wirken zwei Krafte F senkrecht zur Stabachse und liegen ihre Wirkungslinien dicht beieinander, dann tritt in der Querschnittsflache zwischen den beiden Wirkungslinien eine Schubbeanspruchung (auch als Abscherbeanspruchung bezeichnet) auf. Typische Beispiele fiir in dieser Weise beanspmchte Bauteile sind kurze Balken (Bild 2.26a), Schraub-, Niet- und Bolzenverbindungen (Bild 2.26b) aber auch UberlappstoBe von Klebe- und SchweiUverbindungen. Auch bei der Verarbeitung wie zum Beispiel dem Stanzen oder Scherschneiden treten derartige Schubbeanspruchungen im Werkstoff auf. Da die Wirkungslinien des Kraftepaares einen geringen Abstand besitzen, konnen die dadurch entstehenden Biegespannungen genauso vemachlassigt werden, wie eventuell auftretende Zug- oder Druckspannungen.

a)

Abscherung b)

J^

Abscherung

Bild 2.26 Schubbeanspruchung durch Abscherung (Beispiele)

Schubbeanspruchungen treten auch durch Querkrafte bei einer Biegebeanspruchung mit veranderlichem Biegemoment auf (Querkraftschub, Bild 2.20c). Dementsprechend ist zu unterscheiden zwischen: • Schubbeanspruchung durch Abscherung (Kapitel 2.4.4) • Schubbeanspruchung durch Querkrafte bei Biegung (Kapitel 10)

2.4.1 Schubspannung Bislang wurden die Grundbelastungsarten Zug, Druck und Biegung besprochen. Als Reaktion auf eine auBere Belastung (Zugkraft, Druckkraft oder Biegemoment) treten im Innem des Bauteils mechanische Spannungen auf Die Schnittkrafte sind dabei stets senkrecht (normal) zur Schnittflache gerichtet. Als MaB far die innere Beanspruchung wurde die Normalspannung (T eingefiihrt (Bild 2.27). Sie ist definiert als Kraftkomponente (Fs) senkrecht zur Schnittflache bezogen auf die Schnittflache^ (Kapitel 2.1.1, Gleichung 2.1). Bezieht man in analoger Weise die zur Schnittflache parall e l Komponente (Fp) auf die Schnittflache A, dann erhalt man als MaB fiir die innere Beanspruchung die Schubspannungr (Bild 2.27): iiipi

•iii

Definition der Schubspannung

(2.42)

Fp Kraftkomponente parallel zur Schnittflache (N) A Schnittflache (mm^) T Schubspannung (N/mm^) Eine verallgemeinerte Betrachtung zum Spannungsbegriff sowie die Indizierung und Vorzeichenregelung fiir Normalund Schubspannungen folgt in Kapitel 3.1.

Bild 2.27 Definition von Normalund Schubspannung

45

2.4 Schub Schubspannungen treten aus Griinden des Momentengleichgewichts immer paarweise auf. Man spricht von zugeordneten Schubspannungen (siehe auch Kapitel 3.1.4), Bild 2.28.

*-#iftsiiif\ zugeordnete \ Schub\spannungen

Zugeordnete Schubspannungen wirken stets in zwei zueinander senkrechten Ebenen des betraehteten Volumenelenients, Sie besitzen den gleichen Betrag und zeigen entweder auf die gemeinsame Kante hin Oder von ihr weg,

2.4.2 Schiebung (Winkelverzerrung) Um die Verformung eines Werkstoffelements bei Schubbeanspruchung zu ermitteln, wird das in Bild 2.29 dargestellte urspriinglich quadratische Flachenelement betrachtet. Das Element wird unter der Wirkung der Schubspannungen r zu einem Parallelogramm verformt. Aus dem urspriinglich rechten Winkel Z AOB = nil der Wtirfelkanten bei O (hier denkt man sich das Flachenelement festgehalten) ist unter der Wirkung der zugeordneten Schubspannungen der Winkel a = Z A'OB' geworden. Diese durch Schubspannungen erzeugte Winkelveranderung des ursprunglich rechtwinkligen Elementes y heifit Schiebung (Winkelverzerrung) ^^ und ist wie folgt defmiert: K

Y =a —

Definition der Schiebung (Winkelverzerrung)

(2.43)

Bild 2.28 Zugeordnete Schubspannungen

Bild 2.29 Verformung bei Schubbeanspruchung

Die Schiebung y wird im BogenmaB (rad) angegeben, sie ist daher dimensionslos. Mitunter wird die Schiebung in Analogic zur Dehnung £ auch in Prozent (%) oder Promille (%o) ausgedruckt. Bine verallgemeinerte Betrachtung zum Verformungsbegriff sowie die Indizierung und Vorzeichenregelung fur Dehnungen und Schiebungen folgt in Kapitel 4.1.

2.4.3 Formanderung durch Schubspannungen Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass bei linear-elastischem Werkstoffverhalten zwischen Schubspannung r und Schiebung y ein linearer Zusammenhang besteht (vgl. Hooke'sches Gesetz, Kapitel 2.1.4.1): T =:G'y

Hooke'sches Gesetz fur Schubbeanspruchung

(2.44)

Der Proportionalitatsfaktor G heiBt Schubmodul oder Gleitmodul. Seine Einheit ist N/mm^ oder MPa bzw. GPa. Der Schubmodul G ist, wie der Elastizitatsmodul E und die Querkontraktionszahl ju, eine elastische Werkstoffkonstante. Von diesen drei GroBen sind fiir isotrope Werkstoffe und linear-elastisches Werkstoffverhalten jedoch nur zwei voneinander unabhangig. Zwischen ihnen besteht die Beziehung (ohne Herleitung): Q_ 2 (1 + /^)

Zusammenhang zwischen den elastischen WerkstoffkonstantenE, Gund//

n 45)

^ Mitunter sind auch die Begriffe „Schubverzerrung" oder „Scherung" gebrauchlich. Der Begriff „Gleitung" soil in diesem Zusammenhang allerdings nicht verwendet werden, da dieser Begriff nach DIN 13316 bleibenden Verformungen vorbehalten ist.

46

2 Grundbelastungsarten

Die elastischen Kennwerte der wichtigsten Werkstoffgruppen bzw. Werkstoffe sind im Anhang 1 (Werkstofftabellen) zusammengestellt. Vergleicht man die Wirkung von Normal- und Schubspannungen miteinander, so gilt: Normalspannungeii bewirken Dehaungeii (Langenanderungen) nach Mafigabe des Hooke'schen Gesetzes (
2.4.4 Spannungsermittlung bei Abscherbeanspruchung Viele technische Bauteile wie Schrauben, Nieten, Bolzen aber auch UberlappstoBe von Klebeund SchweiBverbindungen miissen Langskrafte tibertragen und werden dementsprechend auf Abscherung beansprucht. Auch bei der Verarbeitung wie zum Beispiel Stanzen oder Scherschneiden treten derartige Abscherbeanspruchungen auf. Bei dieser Art der Beanspruchung greifen zwei Krafte mit dicht nebeneinander liegenden Wirkungslinien quer zur Langsachse des Bauteils (Stabes) an (Bild 2.26a und b). Der dabei erzeugte raumliche Spannungszustand ist verhaltnismaBig komplex, da sich die Schubspannungen nicht gleichmaBig iiber den Querschnitt verteilen und teilweise noch zusatzlich Zug-, Druck- oder Biegespannungen auftreten konnen. Die Schubspannungen in einem Balken sind nicht, wie die Normalspannungen in einem Zugstab, gleichmaBig iiber den gesamten Querschnitt verteilt. Sie verschwinden vielmehr an den Randem, da senkrecht zu einer lastfreien Oberflache keine Spannungen auftreten konnen und besitzen ein Maximum im Innem (Kapitel 10). Dennoch gentigt es haufig anzunehmen, dass die Schubspannungen gleichmaBig iiber die Querschnittsflache verteilt sind. Die mittlere Abscherspannung T^ errechnet sich dann aus der Schubkraft Fa und der Schnittflache A zu:

llpll

(2.46)

llliil Mittlere Abscherspannung iiiiiliii

Die tatsachliche Spannungsverteilung wird in Kapitel 10 besprochen und fiir einige ausgewahlte Querschnittsgeometrien quantifiziert (Tabelle 10.1).

2.4.5 Werkstoffkennwerte bei Abscherbeanspruchung Das Werkstoffverhalten unter Abscherbeanspruchung (Kapitel 2.4.4) wird in der Materialpriifung mit dem Scherversuch untersucht. Der Scherversuch ist fiir metallische Werkstoffe in DESf 50141 (Probendurchmesser 2 mm ... 25 mm) genormt und dient zur Ermittlung der Scherfestigkeit T^B metallischer Werkstoffe bis zu einer Zugfestigkeit von maximal 1300 N/mm^.

Schieber

Buchsen Probe

Gehause

Beim Scherversuch werden zylindrische Proben mit einem Durchmesser do und einer in der Norm angegebenen Mindestlange / in einem Schergerat nach Bild 2.30 ziigig beansprucht, bis die Probe zweischnittig abschert. Das Schergerat kann beifF spielsweise in eine Zug- oder Universalpriifmaschine eingebaut Bild 2.30 Schergerat fur Zugwerden. prufmaschinen nach DIN 50 141

2.4 Schub

47

Beim Scherversuch treten neben reinen Schubspannungen zusatzlich Spannungen durch Biegung und Flachenpressung auf. Da kein eindeutiger Spannungszustand zu erreichen ist, wird im Scherversuch im AUgemeinen nur die zum Abscheren erforderUche Hochstzugkxaft F^ ermittelt, auf den Ausgangsquerschnitt A^ der Probe bezogen und auf diese Weise die Scherfestigkeit TaB ermittelt. Da die Probe zweischnittig abgeschert wird (Gesamtflache 2-AQ) folgt fur die Scherfestigkeit TQQ\ Fm_ _ ^-^m

(2.47)

TaB = Scherfestigkeit (N/mm^) Fm = Hochstzugkraft beim Abscheren der Probe (N) AQ = Anfangsquerschnittsflache der unbelasteten Probe (mm^) do = Anfangsdurchmesser der unbelasteten Probe (mm) Eine der Streck- oder Dehngrenze vergleichbare Schub- oder ScherflieBgrenze wird nicht ermittelt, da sie far die praktische Anwendung keine Bedeutung hat. Ist die Scherfestigkeit T^B nicht verfugbar, dann kann sie fur duktile Werkstoffe in erster Naherung aus der Zugfestigkeit R^ mit Hilfe der nachfolgenden empirischen Beziehung ermittelt werden. r^B ^ 0,6...0,9 • R^

0,6-R^ ftir hochfeste, 0,9'R^ fiir niedrigfeste, duktile Werkstoffe (2.48)

Fiir Stable mit R^ < 1800 N/mm^ verwendet man mitunter auch die empirisch abgeleitete Beziehung: r^B = 0.5 • R^ +140 N/mm^

(2.49)

Fiir sprode Werkstoffe sind keine Umrechnungsbeziehungen bekannt. Lediglich fur Grauguss kann die Scherfestigkeit etwa der Zugfestigkeit gleichgesetzt werden: T^B « ^m-

2.4.6 Zulassige Spannung bei Abscherbeanspruchung Als Versagensart kommt unter Abscherbeanspruchung nur der Bruch in Frage. Fiir die zulassige Schubspannung r^ui ergibt sich: ^zui=™

mit ^B = 2,0 ...4,0

(2.50)

48

2 Grundbelastungsarten

2,4.7 Ubungsaufgaben Aufgabe 2.23 iJber eine einfache Laschenverbindung aus unlegiertem Baustahl E295 (R, = 295 N/mm^; Rm = 490 N/mm^; T^B = 150 N/mm^) soil eine Kraft von F = 35 kN tibertragen werden. a) Ermitteln Sie den Durchmesser d des Bolzens, damit eine sichere Kraftiibertragung erfolgen kann (SB = 2,0). b) Bestimmen Sie fiir den Bolzen gemaB Aufgabenteil a) die maximale Biegespannung o\y. Zwischen Bolzen und Laschen soil dabei ausreichend Spiel bestehen. Das MaB b soil 20 mm betragen. c) Berechnen Sie die maximale Flachenpressung/> in der Laschenverbindung.

Aufgabe 2.24 Zur Verlangerung einer druckbeanspruchten Rohrstiitze werden Bolzen aus C45 (R^ = 580 N/mm^; R^ = 320 N/mm^) mit einem Durchmesser von d = 25 mm verwendet (siehe Abbildung). a) 1st die Sicherheit gegen Abscheren des Bolzens ausreichend, falls die maximal zulassige Druckkraft auf die StiitzenF=150kNbetragt? Anstelle des Bolzens sollen die beiden Rohre durch Kleben miteinander verbunden werden. b) Ermitteln Sie die erforderliche Klebelange /K, damit die Druckkraft F = 150 kN aufgenommen werden kann. Die zulassige Schubspannung in der Klebeverbindung TK zui darf 15 N/mm^ nicht iiberschreiten.

mrw V////////////A

Aufgabe 2 J5 An der Innenoberflache eines zylindrischen Behalters aus Werkstoff G34CrMo4 (7?po,2 = 600 N/mm^; R^ = 750 N/mm^) sind zur Auflage eines Zwischenbodens 4 um 90° gegeneinander versetzte Zapfen mit einer Breite b von jeweils 80 mm angegossen worden. Berechnen Sie die mindestens erforderliche Hohe h, damit bei einer Auflagekraft von FA = 2000 kN ein Bruch mit Sicherheit (SB = 2,5) ausgeschlossen werden kann. Normalspannungen aufgrund von Biegung sowie Kerbwirkung sollen vemachlassigt werden.

Zapfen Behalterwand'

49

2.4 Schub

Aufgabe 2M Aus einer Blechtafel aus der Aluminium-Legierung EN AW-Al Mg3-H14 {T^S = 290 N/mm^) mit einer Dicke von t = 3 mm soil das dargestellte Teil ausgestanzt werden. Ermitteln Sie die mindestens erforderliche StanzkraftFs.

1y0x///.i 1 1

y////A

^

1 40

CO

y,

60

Aufgabe 2.27 Der dargestellte Zugstab wird durch zwei Stahlnieten mit dem Anschlussblech verbunden (Jewells zweischnittige Nietverbindung).

S:^^^:^

^>^^^^^^^^^^^^^;^^^^^^

Ermitteln Sie den erforderlichen Durchmesser d der Nieten, damit eine statisch wirkende Zugkraft von Fz = 100 kN mit Sicherheit {S^ = 3,5) aufgenommen werden kann. Als Werkstoff fiir die Nieten soil C22 verwendet werden (Scherfestigkeit ZaB = 290 N/mm^).

Anschlussblech

M

Zugstab

Fzi Aufgabe 2.28 Die Abbildung zeigt die einschnittige Nietverbindung zweier Stahlbleche. Als Nietwerkstoff wurde die ausgehartete Aluminium-Legierung EN AW-Al Zn5Mg3Cu-T6 gewahlt (Scherfestigkeit TaB = 380 N/mm^). Berechnen Sie den mindestens erforderlichen Durchmesser d des Niets, damit eine Kraft von Fz = 50 kN mit Sicherheit (S^ = 3,0) iibertragen werden kann. Kerbwirkung und Biegeanteile sollen vemachlassigt werden.

^

^

^

m 0d

^

-

50

2 Grundbelastungsarten

2.5 Torsion Ein Torsionsmoment entsteht, falls Kraftepaare F auf einen Stab einwirken, deren Ebenen parallel zum Stabquerschnitt oder deren Momentenvektoren M^ in Richtung der Stabachse liegen (Bild 2.31). Eine Torsionsbeanspruchung fuhrt zu einer Verdrehung der Querschnittsflachen gegeneinander, die Mantellinien werden dabei schraubenfbrmig verformt. Die nachfolgenden Ausfuhrungen sollen sich auf einfache Querschnitte beschranken, da die Theorie der TorBild 2.31 Torsionsbeanspmchter Stab sion beliebig geformter Querschnittsflachen kompliziert ist. Sinnvollerweise unterscheidet man zwischen: • Torsion kreisformiger Querschnitte (Kreis- und Kreisringquerschnitte, Kapitel 2.5.1) • Torsion nicht kreisformiger Querschnitte (Kapitel 11)

2.5.1 Spannungsermittlung bei Torsion kreisformiger Querschnitte Bei einer Torsionsbeanspruchung gerader, prismatischer Stabe mit kreisformiger Querschnittsflache (konstruktiv gesehen handelt es sich dabei vor allem um Wellen und Achsen) bleiben die einzelnen Querschnitte eben und senkrecht zur Stabachse, sie verdrehen sich lediglich wie starre Scheiben gegeneinander unter Beibehaltung der Stabachse. Aufgrund der Symmetric der Querschnitte entsteht eine gleichmafiige Verformung d. h. keine Verschiebung von Werkstoffteilchen in Langsrichtung. Die Stabquerschnitte bleiben dabei eben und senkrecht zur Stabachse, sie verwolben sich nicht. Es soil aufierdem vorausgesetzt werden, dass die Belastung nur durch ein Drehmoment um die Stabachse erfolgt. Querkrafte treten nicht auf Zur Herleitung der durch ein Torsionsmoment im Werkstoff hervorgerufenen Spannungen betrachtet man zunachst den in Bild 2.32a dargestellten Stab. Der Stab wird durch das Torsionsmoment Mi auf Verdrehung (Torsion) beansprucht. Zur Ermittlung der durch das Torsionsmoment M^ hervorgerufenen Schubspannungen wird eine aus dem Stab herausgeschnittene Scheibe der Dicke dx und dem Radius R betrachtet (Bild 2.32c).

a) Mi

^U

T Bild 2.32 Verformung eines Rundstabes unter Torsion

2.5 Torsion

51_

Das Torsionsmoment M^ versucht benachbarte Querschnittsebenen relativ zueinander um einen Winkel d(p zu verdrehen. Bei der Drehung der beiden Endquerschnitte um den Winkel d(p geht die Mantellinie AB des Zylinders in die Schraubenlinie AB' mit dem Steigungswinkel y iiber. Der ursprunglich rechte Winkel zwischen der Mantellinie AB sowie der zur Stabachse senkrechten Querschnittsflache andert sich um den Winkel y. Dieser Winkel y entspricht der Schiebung (Kapitel 2.4.2). Aufgrund der geometrischen Verhaltnisse gelten fur ein Bogenstuck im Abstand r (0 < r < 7?) von der Drehachse die folgenden Beziehungen: ds{r) = r-d(p

(2.51)

sowie ds{r) = tan y(r) • dx « y(r) • dx

(2.52)

Gleichsetzen von Gleichung 2.51 und 2.52: r-d(p = y(r) • dx

(2.53)

Integration iiber die gesamte Stablange ergibt schlieBlich einen Zusammenhang zwischen Verdrehwinkel (p und der Schiebung (Winkelverzerrung) y in Abhangigkeit des Abstands r von der Drehachse: (P

I

r • \d(p = y{r) • \dx 0

r-(p = y(r)'l

0

bzw. y(r) = — -r

(2.54)

GemaB Gleichung 2.54 nimmt die Schiebung y(r) ausgehend vom Wert Null in der Drehachse (r = 0) mit dem Radius r linear bis zum Maximalwert y(R) an der Staboberflache (r = R) zu. An einem parallel zur Stabachse im Abstand r herausgeschnittenen Volumenelement wirken bei reiner Torsion einander zugeordnete Schubspannungen (Bild 2.32b). Die in den Querschnitten in Umfangsrichtung auftretenden Schubspannungen sind denjenigen Schubspannungen zugeordnet, die in Langsschnitten in axialer Richtung wirken, also T^y(r) = ryx(r) = T (r). Diese zugeordneten Schubspannungen bewirken damit die Verformung, die bei der Verdrehung des Stabes entsteht:

<0 = |^xyW| = |vM Bei linear-elastischem Werkstoffverhalten ist der Zusammenhang zwischen Schubspannung r(r) und Schiebung y{r) durch das Hooke'sche Gesetz fiur Schubspannungen gegeben (Kapitel 2.4.3): T{r) = G'y{r)

(2.55)

Setzt man Gleichung 2.54 in Gleichung 2.55 ein, dann folgt schlieBlich fur die Schubspannung r (r) im Abstand r von der Drehachse: T(r) = G-^'r

(2.56)

52

2 Gmndbelastungsarten

Die Schubspannung r (r) steigt also mit zunehmendem Abstand von der Drehachse nach auBen linear an. Mit Hilfe von Gleichung 2.56 konnen bei einem vorgegebenen Verdrehwinkel cp die Schubspannungen r (r) in Abhangigkeit des Abstands r von der Drehachse ermittelt werden. Fiir praktische Berechnungen der Schubspannung r(r) ist jedoch Gleichung 2.56 ungeeignet, da der Verdrehwinkel in der Kegel nicht vorgegeben ist. Daher muss, analog zur Biegung, ein Zusammenhang zwischen der bekannten auBeren Belastung durch das Torsionsmoment M^ und der Schubspannung r (r) im Bauteil hergeleitet werden. Freischneiden des Torsionsstabes zeigt, dass die Schubspannungen r (f) fur einen festen Radius r in konzentrischen Kreisen um die Drehachse verlaufen (Bild 2.33). Der Anteil dM^ am Gesamtmoment, den die Schubspannung r (r) an einem beliebigen Radius (0 < r < 7?) liefert, betragt:

Bild 2.33 Spannungsverteilung in einem kreiszylindrischen Stab unter Torsionsbeanspruchung

(2.57)

dM^ - r • T{r) • dA Das Gesamtmoment ergibt sich dann als Integral uber die Querschnittsflache A zu:

(2.58)

Mt = [r • T(r^' dA A

Gleichung 2.56 in Gleichung 2.58 eingesetzt, Hefert: M^=

[rG-^r-dA^G'^lr'^'dA A

(2.59)

A

Der Integralausdruck

[ r^-dA

= I,,

(2.60)

wird als poIare$ Flachenmoment 2. Ordnung (/p) bezeichnet. Es besitzt die Dimension m^ (bzw. cm"* oder mm''). Die polaren Flachenmomente 2. Ordnung sind fiir den Vollkreis- und Kreisringquerschnitt in Tabelle 2.6 zusammengestellt. Das Torsionsmoment M^ berechnet sich damit zu:

M,=G.^.I, /

(2.61)

Aus Gleichung 2.56 folgt: ^ £^_r(r) "/ r Gleichung 2.62 in Gleichung 2.61 eingesetzt ergibt schlieBlich: M, =2-(r)--E-

(2.62)

(2.63)

53

2.5 Torsion

Die fur Festigkeitsnachweise erforderliche maximale Schubspannung rmax, die in der Regel mit rt (zi = fmax) bezeichnet wird, erhalt man dementsprechend fmr = R zu: Ti -=

(2.64)

^ . R

Die beiden GroBen /p und R, die nur von der Querschnittsgeometrie abhangen, fasst man zum polaren Widerstandsmoment Wt (bisweilen auch mit Wp bezeichnet) zusammen. Das polare Widerstandsmoment hat die Dimension m^ (bzw. cm^ oder mm^) und ist ftir den VoUkreisund Kreisringquerschnitt ebenfalls in Tabelle 2.6 zusammengestellt. Damit ergibt sich die Grundgleichung zur Berechnung der maximalen Torsionsschubspannung Tt in der Randfaser eines auf Torsion beanspruchten geraden prismatischen Stabes mit Vollkreis- oder Kreisringquerschnitt: Maximale Torsionsschubspannung in einem geraden prismatischen Stab mit VoUkreis- oder Kreisringquerschnitt unter der Wirkung eines Torsionsmomentes

(2.65)

Tabelle 2.6 Polare Flachenmomente 2. Ordnung (/p) sowie polare Widerstandsmomente (Wi) fiir den VoUkreis- und Kreisringquerschnitt polares Flachenmoment

Profil

polares Widerstandsmoment

VoUkreis P

32

P

32 V

16

0d

Kreisring 'Cmax 1

1 ^^ \

/

^

16

D

0D

2.5.2 Verdrehwinkel Aus Gleichung 2.61 kann auch der Verdrehwinkel punter der Wirkung des Torsionsmomentes M errechnet werden: > rr^

i

Verdrehwinkel eines geraden prismatischen Stabes mit VoUkreis- Oder Kreisringquerschnitt unter der Wirkung eines Torsionsmomentes

(2.66)

54

2 Grundbelastungsarten

Bei der Anwendung von Gleichung 2.66 ist zu beachten: 1. die Gleichung gilt nur fur gerade, prismatische Stabe mit Vollkreis- und Kreisringquerschnitt (analog Gleichung 2.65), 2. der Verdrehwinkel cp ergibt sich aus Gleichung 2.66 im BogenmaB. Die Umrechnung ins GradmaB erfolgt uber die Beziehung: 10Q0

q> (in Grad) =

^ (in md)

Umrechnung zwischen GradmaB und BogenmaB (2.67)

ft

Der Verdrehwinkel (p eines geraden prismatischen Stabes aus unterschiedlichen Werkstoffen mit sprunghaft sich verandemden Querschnitten und / oder Momenten (Bild 2.34) berechnet sich aus der Summe der Einzelverdrehwinkel (p \. Bezeichnet man die Anzahl der Balkenabschnitte mit konstantem Werkstoff, Querschnitt oder Moment mit «, dann ergibt sich mit Gleichung 2.66 die Beziehung:

p-

t^^'t

^ti

i-i

i

Gi ;^.31

i 1

iiliiiii

iiiili

G2,.fp2

/

ill

Ipl:

11111111

iiiliMi Illlllil

:iiii<:il:iiii:;iili IsJi

Gs.IpS

lll!Biili i iiii

«

li;

/ yi!

7,,.,^.. ; ijj, .^,........ ,^^„^,,^.

i i i i i l isli •HII i i i 11III iWi\2

•• Mt3

ililil

liiliiiii

h ^ —^-^ ^Bild 2.34 Verdrehung eines geraden prismatischen Stabes mit Kreisringquerschnitt sowie abschnittsweise konstantem Stabquerschnitt, Werkstoff und Torsionsmoment

Verdrehwinkel eines geraden prismatischen Stabes mit Vollkreis- oder Kreisringquerschnitt und abschnittsweise konstantem Stabquerschnitt, Werkstoff sowie Torsionsmoment

(2.68)

2.5.3 Werkstoffverhalten und Kennwerte bei Torsionsbeanspruchung Das Materialverhalten unter Torsionsbeanspruchung wird im Torsions- oder Verdrehversuch ermittelt. Beim nicht genormten Torsions- oder Verdrehversuch, der hauptsachlich zur Priifung von Werkstoffen fur Wellen, Rohre, Drahte usw. dient, wird eine meist zylindrische Probe (Lo = 5-
Bild 2.35 Prinzip des Torsionsversuchs

2.5 Torsion

55^

Aus dem Moment Mtp bei FlieBbeginn errechnet man die am Probenrand auftretende groBte Schubspannung, die TorsionsflieUgrenze % zu: T^^zz—ffi-

TorsionsflieBgrenze

(2.69)

TtF TorsionsflieBgrenze (N/mm^) MtF Torsionsmoment bei FlieBbeginn (Nmm) Wt polares Widerstandsmoment (mm^) Die beim Bruch der Probe am Probenrand auftretende Schubspannung wird als Torsionsfestigkeit TtB bezeichnet: r^0=——

Torsionsfestigkeit

(2.70)

TtB Torsionsfestigkeit (N/mm^) M B Torsionsmoment beim Bruch der Probe (Nmm) Wi polares Widerstandsmoment (mm^) Das polare Widerstandsmoment Wt wurde unter der Voraussetzung eines linear-elastischen Werkstoffverhaltens hergeleitet (s. o.). Mit Erreichen von M B ist jedoch der gesamte Querschnitt bereits plastifiziert, so dass rtB lediglich ein fiktiver Spannungswert ist. Stehen Werkstoffkennwerte aus dem Torsionsversuch nicht zur Verfiigung, dann kann die TorsionsflieBgrenze % und die Torsionsfestigkeit rtB auch aus Zugversuchskennwerten abgeschatzt werden. Aus dem Vergleich von Werkstoffkennwerten aus dem Torsions- und dem Zugversuch wurden empirische Zusammenhange zwischen der TorsionsflieBgrenze % bzw. der Torsionsfestigkeit rtB und der Streck- bzw. Dehngrenze (RQ bzw. Rp) bzw. der Zugfestigkeit (Rm) abgeleitet. Ftir duktile Werkstoffe gilt: rff=^bzw.rtF=:^ T -^0 6 0 9 • i? ^^ ' " ' * * * ' * ^

(2.71) 0,6i?ni lur hochfeste, 0,9-Rm fur niedrigfeste Werkstoffe

Q 79"^ ^' ^

Fiir Stable mit R^ < 1800 N/mm^ verwendet man mitunter auch die empirisch abgeleitete Beziehung: rtB = 0>5' i?m +140 Wtrnp-

(2.73)

Ftir sprode Werkstoffe gilt: nB=^m

(2.74)

56

2 Grundbelastungsarten

2.5.4 Zulassige Spannung bei Torsionsbeanspruchung Duktile Werkstoffe versagen unter Torsionsbeanspruchung durch Fliefien oder Bruch, sprode Werkstoffe hingegen nur durch Bruch. In Tabelle 2.7 sind in Abhangigkeit des Werkstoffverhaltens und der Versagensart die maBgebenden Werkstoffkennwerte sowie Sicherheitsbeiwerte bei reiner Torsionsbeanspruchung zusammengestellt. Tabelle 2.7 Kennwerte zur Bestimmung der zulassigen Spannung unter Torsionsbeanspruchung Werkstoff bzw. Werkstoffzustand duktil

sprode

Versagensart

Werkstoffkennwert

Ersatzwert

Sicherheitsbeiwert ^^

FUeBen

%

i?e/2bzw.i?po,2/2

^F= 1,2 ...2,0

Bruch

^tB

0,6 ... 0,9 • 7?n, Oder 0,5-i^„,+ 140N/mm^

5'B = 2 , 0 . . . 4 , 0

Bruch

^tB

^m

^-B^ 4,0 ...9,0

^^ Anhaltswerte, falls keine einschlagigen Berechnungsvorschriften vorliegen. Zusammenfassend errechnet sich die zulassige Schubspannung chung also wie folgt:

TZUI

unter Torsionsbeanspru-

Bauteile aus duktilen Werkstoffen bzw. duktiles Werkstoffverhalten •FlieBen: T^i=—

mit^'p = 1,2 ... 2,0

(2.75)

• Bruch:

mit ^B = 2,0 ... 4,0

(2.76)

r^j ^ ^

MaBgebend fur den Festigkeitsnachweis ist der niedrigere der beiden Werte. Bauteile aus sproden Werkstoffen bzw. sprodes Werkstoffverhalten •Bruch:

r^=-^

mit^B = 4,0 ... 9,0

(2.77)

57

2.5 Torsion

2.5.5 Ubungsaufgaben Awfgabe 2.29 Bin Rohr aus Werkstoff S275JR mit einem AuBendurchmesser d^ = 50 mm und einer Wandstarke von s = 6 mm wird durch ein Torsionsmoment M statisch beansprucht. Werkstoffkennwerte S275JR: R, = 295 N/mm^ E =210000 N/mm^ Rrr, = 490 N/mm' ju =0,30 A

•Rohr(S275JR)

Mi

a) Skizzieren Sie qualitativ den Spannungsverlauf tiber der Querschnittsflache. b) Ermitteln Sie das zulassige Torsionsmoment, damit ein Versagen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (S^ =1,2 und SB = 2,0). c) Berechnen Sie fur den Fall aus Aufgabenteil b) die maximale Schubspannung im Querschnitt.

Aufgabe2.30 Ein Torsionsstab aus Werkstoff S275JR (Werkstoffkennwerte siehe Aufgabe 2.29) mit Vollkreisquerschnitt und einer Lange von / = 2 m ist an einem Ende fest eingespannt. Am anderen Ende des Stabes ist eine Platte angebracht, an der vier tangential gerichtete, statisch wirkende Krafte von je F = 900 N angreifen. Der Abstand der Wirkungslinien der Krafte betragt c = 700 mm. Die Kerbwirkung an der Einspannstelle kann vemachlassigt werden.

0d

- Torsionsstab (S275JR)

I /

a) Dimensionieren Sie den Durchmesser d des Stabes so, damit FlieBen mit einer Sicherheit von Sj: = 2,0 ausgeschlossen werden kann. b) Bestimmen Sie den mindestens erforderlichen Durchmesser (i*, falls der Stab aus der Graugusssorte EN-GJL-300 (R^ = 300 N/mm^; E = 110000 N/mm^; ju = 0,25) gefertigt wurde und eine Sicherheit von 5B = 5,0 gegen Bruch verlangt wird. c) Ermitteln Sie den Verdrehwinkel ^ fiir die Falle aus Aufgabenteil a) und b).

58

2 Grundbelastungsarten

Aufgabe 2.31 Ein Stab mit kreiszylindrischer Querschnittsflache aus dem Vergiitungsstahl 42CrMo4 mit den in der Abbildung gegebenen Abmessungen, ist an einem Ende fest eingespannt und wird an seinem anderen Ende durch das statisch wirkende, tangential angreifende Kraftepaar F auf Torsion beansprucht. Die Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie im Bereich der Durchmesserveranderung kann vemachlassigt werden. Werkstoffkennwerte 42CrMo4: = 1140N/mm^ ^ m = 1320N/mm^ E = 205000 N/mm^ P = 0,30 •^p0,2

Qi = 50 mm da = 40 mm 02 = 25 mm di = 15 mm ^3 = 65mm d =25 mm c = 80 mm a) Berechnen Sie die Krafte F, die erforderlich sind, um den Stab um 2,5° zu verdrehen. b) Ermitteln Sie fiir die in Aufgabenteil a) berechnete Kraft F die Sicherheiten gegen Fliefien (iSp) in den einzelnen Abschnitten des Stabes.

Aufgabe 2.32 Berechnen Sie das polare Flachenmoment 2. Ordnung (/p) sowie das polare Widerstandsmoment(^t): a) fiir einen Vollkreisquerschnitt mit Durchmesser J, b) fiir einen Kreisringquerschnitt mit AuCendurchmesser d. und Innendurchmesser di.

59

2.5 Torsion

Aufgabe 233 Die Abbildung zeigt ein einfaches Getriebe fur eine Seilwinde (schematisch). Unter der Wirkung der zu iibertragenden Torsionsmomente werden die beiden Wellen elastisch verdreht.

_b

^ Zahnrad 1

Stahlseil

0

Seilrolle

/i =100 mm I2 =200 mm di = 25 mm CI2 = 35 mm Di = 50 mm D2= 100 mm

Welle 2

Welle 1

M.

W

/

^

^

M\2

Zahnrad 2

a) Ermitteln Sie allgemein den Zusammenhang zwischen dem Antriebsmoment M^ und dem Abtriebsmoment M^^ b) Berechnen Sie das zulassige Abtriebsmoment Mt2, falls der Verdrehwinkel der Seilrolle ^ = 3° gegeniiber dem unbelasteten Zustand nicht iiberschreiten darf. Die Zahnrader sowie die Seilrolle sind als starre Scheiben zu betrachten. Als Werkstoff fur die Stahlwellen wurde der Vergtitungsstahl 36CrNiMo4 gewahlt. Werkstoffkennwerte 36CrNiMo4 (vergiitet): ^p0,2 ^m

E M

= 900N/mm^ = 1120N/mm^ = 205000 N/mm^ = 0,30

Ein kegelstumpfformiges Bauteil (/ = 2000 mm; D = 50 mm; d= 40 mm) aus der Federstahlsorte 54SiCr6 soil als Drehstabfeder eingesetzt werden. Ermitteln Sie das iibertragbare Torsionsmoment Mt, falls der Verdrehwinkel des Stabes auf ^ = 5 ° begrenzt werden soil. Werkstoffkennwerte 54SiCr6: i?po,2 = 1150N/mm^ R^ =1520N/mm^ E = 205000 N/mm^ ju = 0,30

60

2 Grundbelastungsarten

Attfgabe 235 Zu Versuchszwecken wurde der abgebildete, abgesetzte Torsionsstab mit Vollkreisquerschnitt entwickelt. Die einzelnen Abschnitte setzen sich aus unterschiedlichen Werkstoffen zusammen. Werkstoff

E

/?e bzw. i?po,2

^

N/mm^

N/mm^

N/mm^

S235JR

240

450

210000

0,30

CuA110Fe3Mn2 ENAW-AlCu4Mgl-T6

330 350

590 560

108000 68000

0,34 0,33

S235JR

CuAI10Fe3Mn2

EN AW-AI Cu4Mg1

di = 30 mm di = 28 mm (3^3 = 2 6 m m

/i ^ 50 mm li = 80 mm I2 = 120 mm

Ermitteln Sie das zulassige Torsionsmoment Mt zui sowie den zulassigen Verdrehwinkel ^zui des Torsionsstabes, so dass FlieBen mit einer Sicherheit von S'F = 1,5 ausgeschlossen werden kann. Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie an den Stellen der Querschnittsveranderung ist zu vemachlassigen.

2.6 Zusammenfassung der Grundbelastungsarten

61

2.6 Zusammenfassung der Grundbelastungsarten o^o^

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62

3 Spannungszustand Das Ziel von Kapitel 2 war die Bereitstellung von Grundgleichungen mit deren Hilfe die Spannungsermittlung in Abhangigkeit der Bauteilgeometrie sowie der Art und Hohe der auBeren Beanspruchung ermoglicht wurde. Bei einachsiger Zugbeanspruchung zum Beispiel a= FIA. Betrachtet wurden die Grundbelastungsarten Zug, Druck, Biegung, Schub (Abscherung) und Torsion.

Spannungszustand Unter dem Begriff „Spannungszustand" versteht man alle Spannungen (Normal- und Schubspannungen), die an einem beliebigen Ort eines Korpers wirken.

Mit Hilfe der in Kapitel 2 abgeleiteten Grundgleichungen ist es allerdings nur moglich, die wirkenden Normal- und Schubspannungen in denjenigen Schnittebenen zu ermitteln, welche fur die Herleitung der Grundgleichungen gewahlt wurden. Bei einachsiger Zugbeanspruchung also beispielsweise in Ebenen senkrecht zur Beanspruchungsrichtung. Fiir Festigkeitsnachweise ist es jedoch erforderlich, unter anderem diejenigen Schnittebenen zu ermitteln, in denen die Normalspannungen Extremwerte annehmen (Hauptebenen, siehe Kapitel 6). Das Ziel von Kapitel 3 ist dementsprechend die Bereitstellung von Methoden, mit deren Hilfe eine Spannungsermittlung in beliebigen Schnittebenen durchgefuhrt werden kann. Diese Problemstellung soil am Beispiel eines diinnwandigen Behalters unter Innendruck (pi) mit einer iiberlagerten Torsionsbeanspruchung (Torsionsmoment M) erlautert werden (Bild 3.1a). Schneidet man entsprechend Bild 3.1b ein Flachenelement parallel zur Achsrichtung heraus, dann kann man auf einfache Weise die Lastspannungen in den Schnittebenen berechnen. Im vorliegenden Beispiel also: •Pi'

,A (siehe Kapitel 12) .A (siehe Kapitel 12)

"xy

''yx

Bild 3.1 Normal- und Schubspannungskomponenten in unterschiedlichen Schnittebenen am Beispiel eines diinnwandigen Behalters unter Innendruck mit iiberlagerter Torsionsbeanspruchung

-MJW^

Die Spannungen a^, (jy und r^y = Tyx in einem Flachenelement dessen Schnittebenen parallel zu den Koordinatenachsen x und 7 verlaufen (Bild 3.1b) unterscheiden sich von den Spannungen a^^ (JY und Tx'y' = Ty'x' in einem um den Winkel (p gedrehten Flachenelement, dessen Schnittebenen parallel zur x'- und y'-Koordinatenachse verlaufen (Bild 3.1c). Die Herleitung der entsprechenden Zusammenhange zwischen auBerer Belastung und den Spannungskomponenten (Normal- und Schubspannungen) in beliebigen Schnittebenen bzw. Schnittrichtungen soil nachfolgend getrennt fiir den ein-, zwei- und dreiachsigen Spannungszustand erfolgen (Kapitel 3.2 bis 3.4).

63

3.1 Spannungsbegriff

3.1 Spannungsbegriff Denkt man sich ein in A und B gelagertes Bauteil unter der Wirkung einer auBeren Beanspruchung (z. B. Krafte, Streckenlasten und Momente) an einer beliebigen Stelle durchgeschnitten, dann mtxssen sich die iiber die Schnittebene ungleichmaBig verteilten inneren Schnittkrafte mit der auBeren Beanspruchung im Gleichgewicht befinden. Die innere Beanspruchung an einer bestimmten Stelle der Schnittebene wird durch die dort angreifende und auf die Teilflache A/4wirkende Kraft AF gekennzeichnet. Da die Krafteverteilung uber die Teilflache AA ungleichmaBig ist, stellt AF die gemittelte, resultierende Kraft dar. Um eine Aussage tiber die ortliche Beanspruchung machen zu konnen, also den Einfluss der GroBe von AA auf AF zu eliminieren, muss die Schnittflache AA klein gemacht werden. Als MaB fiir die auf eine unendlich kleine Querschnittsflache bezogene Schnittkraft AF fiihrt man die (mechanische) Spannung? ein (Bild 3.2): AF s = lim A^-^0 AA

dp

(3.1)

dA

Bild 3.2 Definition der mechanischen Spannung

3.1.1 Normal- und Schubspannungen Spannungen sind, wie zum Beispiel Krafte, vektorielle GroBen, sie besitzen also eine Richtung und einen Betrag. Spannungen haben die Dimension Kraft pro Flache und werden beispielsweise in der Einheit N/mm^ oder Pa = N W (1 MPa = 1 N/mm^) angegeben ^\ Der Spannungsvektor s ist im Allgemeinen schrag zum Flachenelement (Normalenvektor n) orientiert. Fiir Festigkeitsnachweise ist es dabei zweckmaBig, den Spannungsvektor in eine Komponente senkrecht und tangential zur Schnittebene zu zerlegen. Man bezeichnet dann den Betrag der Komponente senkrecht zur Flache als Normalspannung a, den Betrag der Komponente tangential zur Flache hingegen als Schubspannung r(Bild 3.2).

'^ Pa = Pascal, benannt nach dem Mathematiker und Physiker Blaise Pascal (1623 ... 1662)

64

3 Spannungszustand

3.1.2 Indizierung von Normal- und Schubspannungen Zur eindeutigen Festlegung von Spannungskomponenten fflhrt man zwei Indizes ein. Definitionsgemafi soil gelten: 1. Index: Richtung der Schnittebenennormalen 2. Index: Richtung der Spannungskomponente Liegt beispielsweise eine Schufospannung in einer Schnittebene deren Normalenvektor in x-Richtung zeigt, dann ist der 1. Index „x". Zeigt die Schubspannung selbst in y-Richtung, dann lautet der zweite Index „y". Die Schubspannung wird dementsprechend mit r^y bezeichnet. Zur Kennzeichnung von Normalspannungen verzichtet man tiblicherweise auf eine Doppelindizierung, da die Richtung der Flachennormalen mit der Spannungsrichtung ubereinstimmt und schreibt dann beispielsweise or^ anstelle von (Xv.

^^^^ 33 i^^i^ien^ng von Normal- und Schubspannungen

3.1.3 Vorzeichenregelung fur Normal- und Schubspannungen Normalspannungen konnen entweder zur Schnittebene hin oder von ihr weg gerichtet sein. Dementsprechend unterscheidet man zwischen Zugspannungen (Kapitel 2.1) und Druckspannungen (Kapitel 2.2). Die Unterscheidung von Zug- und Druckspannungen soil im Folgenden durch ein Vorzeichen („+" fur Zugspannung und „-" fur Druckspannungen) erfolgen. Die in Bild 3.3 dargestellten Normalspannungen {<j^, cTy, cr^) sind dementsprechend Zugspannungen. Bei Schubspannungen ist eine Unterscheidung der Spannungen mittels Vorzeichen physikalisch nicht sinnvoll und hat nur fflr die Richtung der Schubspannung innerhalb der Schnittebene eine Bedeutung. Fiir die Festlegung des Vorzeichens einer Schubspannung ist die folgende allgemeine Vorzeichenregelung fiir Schubspannungen zweckmaBig: Eine Schubspannung ist positiv, wenn sie in Schnittebenen mit Normalenvektor in poslttver Achsrichtung liegt (positives Sehnittufer) und ihre Richtung ebenfalis mit einer positiven Achsrichtung zusammenfMllt. In Schnittebenen mit Normalenvektor in negativer Achsrichtung (negatives Sehnittufer) sind Schubspannungen dann positiv, wenn ihre Richtung mit einer negativen Achsrichtung zusammenfallt. Demnach sind alle in Bild 3.3 dargestellten Schubspannungen positiv. Haufig treten an der zu untersuchenden Stelle des Bauteils in einer der drei Schnittebenen weder Normal- noch Schubspannungen auf (z. B. lastfreie Bauteiloberflachen). Man spricht dann von einem zweiachsigen oder ebenen Spannungszustand (Kapitel 3.3). In diesem Fall ist es zweckmaBig, die erforderlichen Berechnungen mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises (Kapitel 3.3.4) durchzufuhren. Hierfur ist es jedoch empfehlenswert, von der allgemeinen Vorzeichenregelung abzuriicken und die nachfolgende spezielle Vorzeichendefinition fiir Schubspannungen anzuwenden (siehe auch Kapitel 3.3.4.2): Ei»e Schubspaniittiig ist positiv (tt^ativ) aiiEuset^en, faUs bei Blick in Richtung der Schubspannung die xugehdrige Schnittebene reehts (lini^) von der Schubspannung Uegt.

65

3.2 Einachsiger Spannungszustand

3.1.4 Zugeordnete Schubspannungen In Bild 3.4 ist ein quaderformiges Werkstoffelement mit den Seitenlangen dx, dy und dz dargestellt. Man kann es sich beispielsweise aus einem Balken herausgeschnitten denken. In den Schnittebenen wirken die Schubspannungen r^y bzw. Tyx. Die Bedingung XMA = 0 fur das Momentengleichgewicht flihrt mit dem Momentenbezugspunkt^ auf die Gleichung: «- xy-dy ' dy'-dZ'dxdz' dx — Tvv r^YTy^ • dx-dz-dy

(3.2)

Hieraus folgt: .. -.

Bild 3.4 Momentengleichgewicht an einem Wurfelelement eines schubbeanspruchten Bauteils

Schubspannungen, die in zueinander senkrechten Schnittebenen wirken und auf eine gemeinsame Schnittkante zu oder von ihr weg zeigen, bezeichnet man als zugeordnete Schubspannungen. In Bild 3.3 sind somit zugeordnete Schubspannungen: Txy u n d

Tyx

r^z und z-zx Tyz u n d

Tzy

3.2 Einachsiger Spannungszustand Ftir die nachfolgenden Ausfuhrungen soil zunachst ein einachsig auf Zug beanspruchter Stab betrachtet werden (Bild 3.5a). Zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen aufierer Beanspruchung und den Spannungen in einer beliebigen Schnittebene E, deren Normalenvektor n mit der x-Richtung den Winkel (p einschlieBt (im Folgenden kurz als „Schnittrichtung cp" bezeichnet), wird das Schnittprinzip angewandt (Bild 3.5b).

a)

Ft = Fs- sincp Bild 3.5 Kraftegleichgewicht an einem einachsig beanspruchten Zugstab

Zur Sicherstellung des Kraftegleichgewichts des abgeschnittenen Teils, muss die Schnittkraft Fs in der schragen Schnittebene der auBeren Kraft F das Gleichgewicht halten. Es ist dabei zweckmaBig, die Kraft Fs in eine Normalkomponente F^ = F^- cos ^ und in eine Tangentialkomponente Ft = Fs- sin (p zu zerlegen. Geht man von einer gleichmaBigen Spannungsverteilung tiber der Querschnittflache aus, dann folgt mit A^p = A/cos(p und a = F^IA fur die Normalspannung <j^^ in Abhangigkeit des Schnittwinkels: O^rn

=

Fn _ F^-coscp _ Fs — •cos^(p = a-cos^(p AI cos (p

(3.4)

66

3 Spannungszustand

und fiir die Tangentialspannung r(^): A

AI cos (p

A

(3.5)

• sm ^ • cos ^ = (T • sin ^ • cos cp

Unter Anwendung der trigonometrischen Beziehungen: cos ^ = —•(l[ ++ COS cos2^) 1 sin (p' cos q) -

(3.6) (3.7)

sin 2^

folgt aus Gleichung 3.4 fur die Normalspannungskomponente: ^

— — • fl 4-rnq l/»^ ^ "^ 2 ^ ^*

Normalspannungskomponente in der x-y-Ebene in Schnittrichtung (p (einachsiger Spannungszustand)

(3.8)

und aus Gleichung 3.5 fur die Schubspannungskomponente: Schubspannungskomponente in der x-y-Ebene in Schnittrichtung (p (einachsiger Spannungszustand)

^
Gleichungen 3.8 und 3.9 zeigen, dass sich in Abhangigkeit der gewahlten Schnittrichtung (p, die Normal- und die Schubspannungen stetig andem. Bild 3.6 zeigt insbesondere, dass in Schnittrichtungen 0,5+ von 45° und 135° die Schubspannungen einen Extremwert annehmen und mit 45*' 9 0 \ 0° I T (45°) I = I r (135°) I = 0,5-crbetragsmaBig die GroBe der Normalspannung in 0,5+ j= r mM 1 F 1 dieser Schnittrichtung erreichen. In Schnittebenen parallel zur Beanspru1 chungsrichtung (90°) wirken hingegen keine Normal- und keine Schubspannungen. 0

(3.9)

135°

180° (p T(p

a 1

!

M \b^ I I n I Li

Lost man Gleichung 3.8 nach cos2^ und Gleichung 3.9 nach sin2^auf, dann erhalt man:

Bild 3.6 Spannungsverlauf eines einachsig beanspruchten Zugstabes in Abhangigkeit der Schnittrichtung

2-0-..

cos 2(p =

(3.10)

-1

2-r sin 2(p =
(3.11)

Quadriert und addiert man die Gleichungen 3.10 und 3.11, dann folgt: (2-n ^-1 cos^2^ +sin^ 2(p =

^2-T

^

(3.12)

67

3.2 Einachsiger Spannungszustand mit cos^ 2q) + sin^ 2(p = 1 ergibt sich schlieUlich:

f-1

21

2

(3.13)

1= — und somit: (Jrn-*

-^T

0 =

Gleichung des Mohr'schen Spannungskreises in der c-r-Ebene bei einachsigem Spannungszustand

(3.14)

Gleichung 3.14 beschreibt einen Kreis in der cr-r-Ebene mit Mittelpunkt in (0,5cr|0) und Radius a/ 2, den Mohr'schen Spannungskreis ^^ (Bild 3.7). Jeder Bildpunkt des Mohr'schen Spannungskreises reprasentiert die Spannungskomponenten (a^p und T(p) in einer bestimmten Schnittebene. So reprasentiert beispielsweise der Bildpunkt A die Spannungskomponenten in einer Schnittebene senkrecht zur Stabachse ((p = 0). In dieser Ebene tritt bekanntlich nur eine Normalspannungskomponente auf. Die Schubspannungskomponente ist hingegen Null (sieheauch Bild 3.6). Zur Ermittlung der Spannungskomponenten in einer beliebigen Schnittebene B, deren Normalenvektor mit der x-Achse (Beanspruchungsrichtung) den Winkel ^ einschliefit, tragt man den Winkel 2^bzw. g) in der in Bild 3.7a dargestellten Weise ab (Richtungssinn analog zum Lageplan, Bild 3.7b). Die Koordinaten des Bildpunktes B (a^\ T^) sind dann die Spannungskomponenten in der Schnittebene B.

a) Mohr'scher Spannungskreis

b) Lageplan

Schnittebene A

Schnittebene B

Bild 3.7 Mohr'scher Spannungskreis fur einachsige Zugbeanspruchung

^ benannt nach dem deutschen Ingenieur Christian Otto Mo/ir (1835 ... 1918)

68

3 Spannungszustand

3.3 Zweiachsiger (ebener) Spannungszustand Als Beispiel eines zweiachsig beanspruchten Baug\ teils wird eine diinne Scheibe mit der Dicke t entsprechend Bild 3.8a betrachtet. Die Scheibe wird durch die Normalspannungen
yA

Zweiachsige Spannungszustande findet man haufig im Bereich lastfreier Oberflachen, da senkrecht zur Oberflache aus Gleichgewichtsgrunden keine Spannungen auftreten konnen.

3.3.1 Spannungskomponenten und Schnittrichtung Zur Durchfiihrung von Festigkeitsnachweisen miissen, wie in spateren Kapiteln noch eingehender gezeigt wird, Spannungen in Schnittrichtungen ermittelt werden, die nicht mit der auBeren Beanspruchungsrichtung zusammenfallen. Zur Ermittlung der Spannungskomponenten cr^^ und r^p in einer beliebigen Schnittebene E, deren Normalenvektor« mit der x-Richtung den Winkel cp einschlieBt, wendet man das bereits aus Kapitel 3.2 bekannte Schnittprinzip an und betrachtet das KrafteBild 3.8 Spannungen an einem zweiachgleichgewicht in x- und y-Richtung am abgeschnitsig beanspruchten Scheibeneletenen Scheibenelement (Bild 3.8b). ment Kraftegleichgewicht in x-Richtung \LF^ - O): -cj^'l'

cos (p't +Ty^'l-sm(p't-^G(p-

cos ^ • / • / + r^ • sin ^ • / • / = 0 |: (/ • 0 (3.15)

-a^ ' cos ^ + Tyx • sin (p + a^- cos ^ + r^ • sin ^ = 0 Kraftegleichgewicht in y-Richtung (SFy = 0): -CTy ' / - s i n ^ - / +rxy •/•cos^-/ + (T^ - s i n ^ ' / ' ^ - r ^ - c o s ^ ' / ' / ^ O

|:(/-0 (3.16)

-cTy • sin ^ + Ty^y •cos(p-\-cr^' sin ^ - r^ • cos ^ = 0 Berechnung der Normalspannungskomponente cr^ Aus Gleichung 3.15 folgt: COS^ ^yx

smcp

"

^
'

coscp sm^

Gleichung 3.17 in 3.16 eingesetzt und mit r^y -• -CTy -sin^ +^xy -cos^ + cr^ -sin^-

(3.17) (zugeordnete Schubspannungen): cos^ sin^

COS^ ""xy

sin^

cos<3 = 0

(3.18)

69

3.3 Zweiachsiger Spannungszustand

2 2 COS W COS (p ^ .^ , ^ . -CTy -sin^ -\-T^y -cos^ + cr^ sin^-CTx s m ^ + rxy -cos^ + cr^ •—^ sin^ = 0 (i.lv) Multiplikation von Gleichung 3.19 mit sin^ liefert: - ( T y - s i n ^ + 2 - r x y c o s ^ s i n ^ + cr^lsin ^ + cos (pj-a^cos

(p=0

(3.20)

Mit den trigonometrischen Beziehungen: sin^^ + cos^ (p = l sin^ ^ = 0,5 • (1 - cos Icp) cos^ ^ = 0,5 • (1 + cos 2(p) 2- sin (p' cos (p - sin Icp folgt schlieBlich aus Gleichung 3.20: G^p - -^^' (l + COS 2 ^ ) + -^ • (l - cos l(p)-

liiB • i i « l i p i » i a « i i

iil^Bi^iiii

mmm Siimimmmkmmmm

Normalspannungskomponente in ^^^ der x-y-Ebene x-y-Eb( i"? in Schnitt- (3^22) richtung (p (zw( ^(zweiachsiger Spannungszustand)

^ ^ ^ ^ ^ ^ M . . 'fggmmggl^g^mmg^

s

(3.21)

T^y • sin 2(p

Berechnung der Schubspannungskomponente r^ Aus Gleichung 3.15 folgt: ^(p ~ ^x

^yx

sm^

-T.r

cos^

sm^

(3.23)

cos^

Gleichung 3.23 in 3.16 eingesetzt und mit r^y = Ty^ (zugeordnete Schubspannungen): -CTy • s i n ^ + T 'cos^ +

^

sin (p

sin ^ ^

V

COS^

cos^ • 2

Sin (27 - CTy • sin ^ + T^y' c o s ^ + cTx • sin (p-r^y •^ COS^

in (p-T^' cos (p = 0 sm

(3.24)

- 2

sm (2? r^ ^ COS^

r ^ • cos(p = Q

(3.25)

Multiplikation von Gleichung 3.25 mit c o s ^ liefert: -CTy-sin ^ COS ^ + r x y \ c o s ^ - s i n ^ j + a x S i n ^ c o s ^ - r ^ - ( c o s ^ + s i n ^ j = 0(3.26) Mit den trigonometrischen Beziehungen: 2

2

sin ^ + cos (p = l 2

2

cos ^ - s i n (p = cos2(p sin (p • cos ^ = 0,5 • sin 2(p folgt schlieBlich aus Gleichung 3.26: — ^ • s i n 2 ^ + r^y-cos 2 ^ + ^ ^ • sin 2 ^

(3.27

70

3 Spannungszustand (j^ -a^ T,„ -'

'Sm2^

Schubspannungskomponente in der x-y-Ebene in Schnittrichtung (p (zweiachsiger Spannungszustand)

-^t^coslp

(3.28)

Bei der Anwendung von Gleichung 3.22 und 3.28 ist hinsichtlich des Vorzeichens der Schubspannung r^yzu beachten, dass eine Schubspannung als positiv anzusetzen ist, falls sie entsprechend Bild 3.8 wirkt. Dies entspricht der Vorzeichenregelung fur Schubspannungen fur den ebenen Spannungszustand (spezielle Vorzeichenregelung). Erhalt man aus Gleichung 3.28 ein negatives Ergebnis, dann wirkt die Schubspannung ^ entgegen der in Bild 3.8 dargestellten Richtung. Mitunter findet man in der Literatur in Gleichung 3.22 vor dem letzten Summanden ein Pluszeichen (a^p = ... + r^y • sin2^) und in Gleichung 3.28 ein Minuszeichen (r^p = cos2^). Die Erklarung fiir diesen scheinbaren Unterschied fmdet sich in der Vorzeichenregelung fur Schubspannungen. Wahrend bei obiger Herleitung, wie bereits erwahnt, die spezielle Vorzeichenregelung (Kapitel 3.1.3) zugrunde gelegt wurde (r^y ist in Bild 3.8 positiv anzusetzen) wird in der Literatur mitunter auch die allgemeine Vorzeichenregelung fiir r^y angewandt. GemaB der allgemeinen Vorzeichenregelung miisste r^y fiir die in Bild 3.8 eingezeichnete Richtung negativ eingesetzt werden, so dass sich die erwahnte Vorzeichenumkehr ergibt.

3.3.2 Mohr'scher Spannungskreis Zur Ermittlung der Spannungskomponenten (a^^, r^p) in einer beliebigen Schnittebene konnen prinzipiell die Gleichungen 3.22 und 3.28 herangezogen werden. Eine anschaulichere Moglichkeit derartige Fragestellungen zu beantworten, bietet der Mohr'sche Spannungskreis. 3.3.2.1 Mittelpunkt und Radius des Mohr'schen Spannungskreises Zur Bestimmung von Mittelpunkt und Radius des Mohr'schen Spannungskreises eliminiert man aus den Gleichungen 3.22 und 3.28 den Winkel ^ und erhalt dann die Gleichung eines Kreises in der cr-r-Ebene (Mohr'scher Spannungskreis). Um den Winkel (p zu eliminieren, werden die Gleichungen 3.22 und 3.28 quadriert und addiert. Aus Gleichung 3.22 folgt: (J^-cjy

^x-^^y

2

^^-

2

• cos 2(p - T^y ' sin 2(p | quadriert

"(Tx-O-y

I 2

J

cos2^-

''xy

(3.29)

(3.30)

•sin 2 ^

2

^^-

2

y

I 2J -2-

•COS 2(p

(3.31)

CT^-Oy

1

' 2

• T^y • COS 2(p • sin 2(p + r^y • sm 2(p

Aus Gleichung 3.28 folgt: rcp=-

sin 2 ^ +rxy-cos2^

| quadriert

(3.32)

71

3.3 Zweiachsiger Spannungszustand

^x-Q'y

(3.33)

sin 2^ +rxY-cos2^ xy

4-

CT^-OTy

• sin 2(p-\-2 ^x-^y

r^v • cos 2(p' sin 2^ + r^y • cos 2(p ''xy

(3.34)

Addition der Gleichungen 3.31 und 3.34 flihrt auf eine Kreisgleichung im a-x-Koordinatensystem (Mohr'scher Spannungskreis): 2 (T^-

Vx-O-y^

I

2 J <^x+<^y

2 J

p s ^ 2(p + sin 2^ j+ r^y • ^ n 2(p + cos 2(pj

• ( .

.2

^^

^rl =

^x^<^y

-fr;^y

Gleichung des Mohr'schen Spannungskreises in der cr-rEbene bei zweiachsigem Spannungszustand

(3.35)

Fiir den Mittelpunkt des Mohr'schen Spannungskreises folgt: M=

^x-^^y

Mittelpunkt des Mohr'schen Spannungskreises

(3.36)

Der Radius des Mohr'schen Spannungskreises ergibt sich zu: /

\2

"Hrxy

Radius des Mohr'schen Spannungskreises

(3.37)

Jeder Bildpunkt P des Mohr'schen Spannungskreises reprasentiert die Spannungskomponenten {(7^^ und r^p) in einer Schnittebene, deren Normalenvektor durch den Winkel (p festgelegt ist. 3.3.2.2 Konstruktion des Mohr'schen Spannungskreises Gegeben sei ein durch die Lastspannungen CTX, cFy und r^y gekennzeichneter ebener Spannungszustand (Bild 3.9a). Gesucht sind der Mohr'sche Spannungskreis sowie die Spannungskomponenten o-(p (= <j^^ und Ttp (= Txy) in der Schnittebene mit der x'-Achse alsNormale (Bild 3.9b). Zur Konstruktion des Mohr'schen Spannungskreises geht man wie folgt vor (Bild 3.9c): 1. Zeichnen eines a- r-Koordinatensystems. 2. Eintragen des Bildpunktes P^{CJ^ I r^y) der die Spannungskomponenten in der Schnittebene mit der x-Achse als Normale reprasentiert (Schnittebene E^. Fiir die graphische Darstellung des Mohr'schen Spannungskreises ist es infolge der Kreisgeometrie zweckmaBig, von der allgemeinen Vorzeichenregelung fur den dreiachsigen (raumlichen) Spannungszustand (Kapitel 3.1.3) abzuriicken und die bereits in Kapitel 3.1.3 erwahnte spezielle Vorzeichendefinition fiir Schubspannungen anzuwenden: Eine Schubspannung ist positiv (negattv) ans^seton, falls bei Bliek in Richtiing der Schubspannung die zngehdrige Schnittebene rechts (links) von der Schubspannung liegt.

72

3 Spannungszustand Unter Verwendung dieser speziellen Vorzeichenregelung ergibt sich eine Ubereinstimmung der Vorzeichen der Schubspannungen am Flachenelement und im Mohr'schen Spannungskreis. Gemafi dieser speziellen Vorzeichenregelung ist die Schubspannung r^y in Bild 3.9a positiv, die Schubspannung Ty^ hingegen negativ anzusetzen.

3. Eintragen des Bildpunktes Py{(Jy\ ty^ der die Spannungskomponenten in der Schnittebene mit der y-Achse als Normalenvektor reprasentiert (Schnittebene Ey). Die Schubspannung ryx ist entsprechend der speziellen Vorzeichenregelung negativ anzusetzen. Die Schnittebenen E^ und Ey stehen senkrecht aufeinander (siehe Lageplan). Da die Bildpunkte zweier senkrechter Schnittebenen bzw. Schnittrichtungen auf einem Kreisdurchmesser liegen, schneidet die Strecke /LP,, die a-Achse im Kreis-

Bild 3.9 Konstmktion des Mohr'schen Spannungskreises

mittelpunkt M 5. Kreis um Mdurch die Bildpunkte P^ oder Py ist der gesuchte Mohr'sche Spannungskreis. Zur Ermittlung der Spannungskomponenten cr^p und ^ einer beliebigen Schnittebene ^xs tibertragt man, ausgehend von einer Schnittebene mit bekannten Spannungskomponenten (z. B. Schnittebene E^ mit der x-Achse als Normale), den doppelten Richtungswinkel {2(p) in den Mohr'schen Spannungskreis. Der Drehsinn muss dabei dem Lageplan entsprechen. Die Koordinaten des Bildpunktes P(^{(7^^\ r^ kennzeichnen die Spannungskomponenten in der Schnittebene £'x' (Bild 3.9b und 3.9c). 3.3.2.3 Hauptnormalspannungen und Hauptspannungsrichtungen Aus dem Mohr'schen Spannungskreis (Bild 3.9c) ist ersichtlich, dass eine maximale Spannung OHI und eine minimale Spannung Gm existieren (Bildpunkte Pi und P2 in Bild 3.9c). Diese beiden extremalen Normalspannungen werden als Hauptnormalspannungen bezeichnet. Im praktischen Sprachgebrauch nennt man die Hauptnormalspannungen bisweilen auch Hauptspannungen (nicht zu verwechseln mit den Hauptschubspannungen, Kapitel 3.3.2.4). Die Richtungen zu den Hauptnormalspannungen (Winkel (px und ^ ) nennt man dementsprechend Hauptnormalspannungsrichtungen oder kurz Hauptspannungsrichtungen bzw. Hauptrichtungen (nicht zu verwechseln mit den Hauptschubspannungsrichtungen). Schnittebenen, deren Normalenvektor mit der Hauptnormalspannungsrichtung zusammenfallt sind schubspannungsfrei. Eine Richtung ist auch dann Hauptspannungsrichtung, falls die zugehorige Schnittebene vollig frei von Spannungen ist, wie zum Beispiel eine lastfreie Oberflache (zweiachsiger Spannungs

73

3.3 Zweiachsiger Spannungszustand

zustand). Die zugehorige Hauptnormalspannung ist dann Null. Im Hinblick auf die Bezeichnung soil vereinbart werden, dass mit OHI die groBere der beiden (von Null verschiedenen) Hauptspannungen bezeichnet wird, also OHI > ^H2Die beiden Hauptnormalspannungen am und am ergeben sich aus den Schnittpunkten des Mohr'schen Spannungskreises mit der cr-Achse (Bild 3.9c), da in diesen als Hauptspannungsebenen oder Hauptebenen bezeichneten Ebenen, die Schubspannungen zu Null werden. Der Winkel cpi zwischen der x-Richtung und der Normalen zur ersten Hauptebene (erste Hauptspannungsrichtung) kann graphisch mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises ermittelt werden. Es gilt dabei: 2-
(3.38) Hauptnormalspannungen in der x-y-Ebene bei zweiachsigem Spannungszustand (3.39) Die Winkel (p\ und ^ zwischen der x-Richtung und den Normalen zur den Hauptebenen (Hauptspannungsrichtungen) lassen sich ebenfalls rechnerisch ermitteln. Man erhalt die Richtungswinkel (p\ bzw. ^ aus Gleichung 3.28 mit der Bedingung r^ = 0, da, wie bereits erwahnt, in Schnittebenen mit den Hauptspannungsrichtungen als Normale voraussetzungsgemafi keine Schubspannungen auftreten: r - 2 - r . xy 9\\2 = —-arctanl V^x-^yy

Richtungswinkel zwischen der x-Achse und der ersten oder der zweiten Hauptspannungsrichtung

(3.40)

Der mit Hilfe von Gleichung 3.40 errechnete Winkel kann der Richtungswinkel zwischen der x-Achse und der ersten oder der zweiten Hauptspannungsrichtung sein. Eine Entscheidung kann mit Hilfe von Tabelle 3.1 erfolgen. Aufgrund der 71-Periodizitat des Tangens ergibt sich der zweite Winkel zu: (3.41)

^2;l

3.3.2.4 Hauptschubspannungen Die im Bauteil auftretenden betragsmaBig grofiten Schubspannungen rm dem Mohr'schen Spannungskreis (Bild 3.9c) zu:

ergeben sich aus

Maximale Schufospannung in der x-y-Ebene bei zweiachsigem Spannungszustand

(3.42)

3 Spannungszustand

74

;^

ID

3 O

^

C3

(D c^ 1/5

OH


h

a a

DH

3 C3

N

C3

a

4-1

-o CA) •U c 43 :3 o


-J

3

a> 43 c>

-o

a

g*^

o

5

X

o

(D
<§'%

43 O

C/3

'?

'^

N

§

too C vJ O S N

(D

I

I

5

N

1

WD

>c 43o


(N


I

O

O

+

+

I

I

- | ( N

- | ( N

fC^

O 0\

O

(N

.|(N

bW C 3

CO

(U 'U

^

^

CI ;:3

N

a,

>-l

§:

a a. s

s^ c S

as (D

43 O

^ Jliili .^ llpii

'a 01)

(D

tT

43 Q

5.l||||i|i||i

(30

(U

oo'> 2:5 N

b o =J A A

;H

^ H

b

<s b o fa

V A b O'

^ bo a V V fa b ^-"^

b o A V

b ^-^

75

3.4 Dreiachsiger Spannungszustand

3-4 Dreiachsiger (raumlicher) Spannungszustand Unter der Voraussetzung eines zweiachsigen Spannungszustandes war es mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises moglich, die Normal- und die Schubspannungskomponenten in beliebigen Schnittebenen zu ermitteln. Im Falle eines dreiachsigen (raumlichen) Spannungszustandes ist diese Vorgehensweise in der Regel nicht moglich ^\ Zur Beschreibung des Spannungszustandes in einem Punkt P eines beliebig beanspruchten Korpers (vgl. Bild 3.2) schneidet man ein wiirfelformiges Volumenelement heraus, dessen Kanten parallel zu den Achsen des Koordinatensystems sind. Im allgemeinen Fall wirken am Volumenelement drei voneinander unabhangige Normalspannungen (a^, ay und a^) sowie drei Paare voneinander unabhangiger, zugeordneter Schubspannungen (r^y und ryx, T^Z und r^x, Tyz u n d

Tzy).

3.4.1 Spannungstensor Zur Ermittlung der Schnittspannungen in einer beliebigen Schnittebene (charakterisiert durch den Normalenvektor«) trennt man, analog zum zweiachsigen Spannungszustand, vom Wiirfelelement einen Tetraeder heraus und betrachtet das Krafltegleichgewicht (Bild 3.10).

Bild 3.10 Spannungen am Tetraederelement

raumlichen

Die Spannungsvektoren s bzw. ?i, ?2 und s^ in den einzelnen Tetraederflachen wirken schrag zur jeweiligen Flache (Bild 3.10). Multipliziert man den jeweiligen Spannungsvektor mit der entsprechenden Tetraederflache, dann erhalt man die auf die jeweiligen Flachen wirkenden Krafte, deren vektorielle Summe aus Gleichgewichtsgrunden Null sein muss. Ansetzen des Kraftegleichgewichts am freigeschnittenen Tetraederelement liefert (Bild 3.10): s 'AA = Si' AAi + ?2 • ^ 2 + "^3 * ^ 3 - ^

(3.43)

Damit Gleichung (3.43) weiter umgeformt werden kann, miissen zunachst die Flacheninhalte der Teilflachen AAj, AA2 und AA3 berechnet werden. Die Berechnung soil am Beispiel von Teilflache AA3 erfolgen (Bild 3.11). FUr den Inhalt der Tetraederflache AA gilt: AA = — 'g-h 2 Fiir den Inhalt der Tetraederflache AA3 gilt: AA^

]_

2

-g'h^

(3.44)

(3.45)

'^ Die Berechnung von Spannungen in beliebigen Schnittrichtungen mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises gelingt nur, falls das Volumenelement parallel zu den Hauptachsen herausgeschnitten vorliegt (Hauptspannungselement, Kapitel 3.4.3).

Bild 3.11 Geometrische Beziehungen am Tetraederelement

76

3 Spannungszustand

Zwischen den Hohen h und h^ der beiden Dreiecksflachen gilt weiterhin (Bild 3.11): (3.46) Damit folgt aus Gleichung 3.45 mit Gleichung 3.44: AA^ = —' g • h' cosy = AA' cosy

(3.47)

In analoger Weise folgt fur die Teilflachen AAj und AA2: AAi =AA'Cosa

(3.48)

AA2 = AA' cos J3

(3.49)

Setzt man die Gleichungen 3.47 bis 3.49 in Gleichung 3.43 ein, dann folgt: s AA = si'AA

cosa + S2'AA'cosjS-hs^AA'cosy

S =Si 'C0Sa-\-S2

| :AA

(3.50) (3.51)

•C0Syff + ?3 •COS;^

Fiir die Komponenten der Spannungsvektoren ergibt sich (Bild 3.10):

r^xi

fs ^ Sy

s=

(r

h=

?1 = ^xy

\^zj

C7y

ryzj

K^xzJ

\

h = ^zy l^zj

(3.52)

Eingesetzt in Gleichung 3.51 folgt fiir den Spannungsvektor J in der Schnittebene AA:

f. \ (^

f

\

''xy

\ ^yx

• cos P +

cos a +

''zy

•cos;r

(3.53)

vVy Gleichung 3.53 lasst sich auch in Matrizenform darstellen: ^-x^

^ cosa^

•^yx

xy

•^zy '^yz

cosP ycosy

(3.54)

Die GroBe S wird als Spannungstensor bezeichnet. Der Spannungstensor beschreibt den Spannungszustand in einem beliebigen Punkt eines Bauteils. Die Hauptdiagonale des Spannungstensors enthalt die Normalspannungen cr^, oy und oi, daneben stehen die Schubspannungen. Da jeweils drei Paare von Schubspannungen gleich sind (zugeordnete Schubspannungen, d. h. Txy = ryx,rxz = r^^^ und Tyz = Tzy) ist die Spannungsmatrix symmetrisch, so dass nur 6 voneinander unabhangige Spannungskomponenten vorliegen. Entsprechend des Gesetzes fur zugeordnete Schubspannungen konnen die Indizes der Schubspannungen vertauscht werden, so dass der Spannungstensor S auch wie folgt geschrieben werden kann:

77

3.4 Dreiachsiger Spannungszustand

"xy

''XZ

(3.55)

^yz

'xy ^yz

• J

3.4.2 Berechnung der Normal- und Schubspannungen in einer beliebigen Schnittebene Mit Hilfe des Spannungstensors wird der Spannungszustand in einem beliebigen Korperpunkt eindeutig beschrieben. Mitunter ist es von Interesse, die Spannungskomponenten in beliebigen Schnittrichtungen zu ermitteln. Die raumliche Lage der schragen Schnittebene ISA wird durch ihren Normaleneinheitsvektor n festgelegt, wobei gilt: r^ \ ^cosa^ (3.56) cos J3 V'^zy

cos/

Bei bekanntem Spannungszustand (gekennzeichnet durch den Spannungstensor) errechnet sich der Spannungsvektor? zu:

V, ^ ^xy

V^xzy

"xy

COS j3-\-

cos a + V^yzy

(Tx • COS a-\-T

yz

V^zy

• cos J3 + T^2' cos y

T^y -COSa + CTy 'COSfi + Ty^ -COS/ r^z 'C0Sa-\-Ty2

•cos/

(3.57)

-COSy^ + O-^ -COS/

Sofem « keine Hauptspannungsebene kennzeichnet und damit s keine Hauptnormalspannung ist, fallen s und n nicht zusammen. Dann lasst sich der Spannungsvektor ? in eine Komponente in Richtung der Flachennormalen (Normalspannung) und in eine Komponente senkrecht dazu (Schubspannung) zerlegen (Bild 3.12). Die Normalspannungskomponente a des Spannungsvektors?zur Schnittebene AA erhalt man durch senkrechte Projektion des Spannungsvektors s auf den Normaleneinheitsvektor n. Der Betrag der Normalspannung cr ergibt sich dann als Skalarprodukt von s und n : (j^ cosa + T^y -cos/^ + r^z -cosy cos a y (J - s -n^ T^y • COS a 4- (Ty • COS /? + Ty^ ' COSC0Sy3 T^2' COS a + Ty^' COS jB + cr^' cos y cosy

Bild 3.12 Spannungskomponenten in beliebiger Schnittrichtung bei dreiachsigem Spannungszustand

(3.58)

78

3 Spannungszustand a = (j^'COB^a'^<7y'Cos^ fi+aj.'COS^ y

(3.59)

Betrag der Normalspannungskomponente in beliebiger (raumlicher) Schnittrichtung Fiir den Betrag der Schubspannungskomponente in der Schnittebene AA ergibt sich unter Anwendung des Satzes von Pythagoras: lllp^^^^^^ lJ^^^^^^^^^

Betrag der Schubspannungskomponente in beliebiger (raumlicher) Schnittrichtung

(3.60)

3.4.3 Hauptnormalspannungen bei dreiachsigem Spannungszustand Wird ein Bauteil durch auBere Krafte und Momente beansprucht, dann konnen zumindest bei einfachen geometrischen Verhaltnissen, mit Hilfe der in Kapitel 2 beschriebenen Grundgleichungen die Lastspannungen und damit der Spannungszustand ermittelt werden. Allgemein wird der Spannungszustand in einem Punkt P eines beanspruchten Bauteils durch drei voneinander unabhangige Normalspannungen (a^, Oy und CTZ) sowie drei Paare zugeordneter Schubspannungen (r^y, TXZ, Ty^) beschrieben (Bild 3.10) und mathematisch durch den Spannungstensor^S ausgedrtickt (Kapitel 3.4.1). In Lastspannungen ausgedriickt lautet der Spannungstensor: -xy

S=

"xy

(3.61)

"yz "yz

(J.

Fiir einen Festigkeitsnachweis ist in der Regel die Kenntnis von Betrag und ggf. Richtung der Hauptnormalspannungen (OHI, (Jm und Gm) erforderlich. Zur Ermittlung der Hauptnormalspannungen dreht man das Wiirfelelement so, bis die Schubspannungen in den Schnittebenen verschwinden und die Normalspannungen Extremwerte annehmen (Hauptspannungselement, Bild 3.13). Die entsprechenden Schnittrichtungen bezeichnet man als Hauptnormalspannungsrichtungen und die in diesen Schnittebenen (Hauptspannungsebenen bzw. Hauptebenen) wirkenden Normalspannungen als Hauptnormalspannungen (siehe auch Kapitel 3.3.4.3). Hauptspannungselement

m> Hauptspannungsebene (Hauptebene) Haupt(normal)spannungsrichtung

CJH3

Hauptnormalspannung (Hauptspannung)

Bild 3.13 AUgemeiner Spannungszustand und Hauptspannungselement

79

3.4 Dreiachsiger Spannungszustand

Im Allgemeinen sind in einem beliebigen Punkt eines Bauteils der Spannungsvektor J und der Normalenvektor^ der zugehorigen Schnittebene nicht parallel zueinander (Bild 3.2). Die Hauptspannungsrichtungen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Spannungsvektoren (%i =^Hi'^H2 =^H2 ^^d^Hs = ( J H 3 ) senkrecht zu den zugehorigen Schnittebenen bzw. parallel zu deren Normalenvektoren (%i,%2 und%3) sind d. h. die Schubspannungskomponenten verschwinden. Der Betrag der Hauptnormalspannungen ist dabei das OHI- bzw. (Jmbzw. das crH3-fache des Normaleneinheitsvektors der jeweiligen Hauptspannungsebene. Mathematisch lasst sich dieser Sachverhalt wie folgt formulieren: 'Hi

^Hi-%i

'^cosaj^

^Hix ^Hiy

(3.62)

0" = 12,3)

= ^Hi-

cos/?i cos;Ki

daraus folgt: ^Hix^^Hi-cos^i (3.63)

C^Hiy = ^ H i - C O S y ? i ^Hiz^CTHi-COS/i

Andererseits muss sich bei bekannter Hauptspannungsrichtung und bekanntem Spannungszustand (gekennzeichnet durch den Spannungstensor S ) derselbe Spannungsvektor a^^ auch entsprechend Gleichung 3.54 ergeben: ^m=S'n 'Hix 'Hiy 'Hiz 'Hix

(3.64)

Hi

cosa^

"xy

xy

"yz ^yz

COSy^j

cos/i^

or^ • COS a^ + r^y • cos /?i + r^, • cos n

<^Hiy = ^xy • COS^i + (Ty • COS ^ j + T^^ • C O S / i

(3.65)

^Hiz = ^xz • cos^i + Ty^ • cos^i + a^ • cos/i Nach Gleichsetzen von Gleichung 3.63 mit 3.65 und ordnen, erhalt man ein homogenes, lineares Gleichungssystem fur den Richtungskosinus der Normalenvektoren der jeweiligen Hauptspannungsebenen (cos^i, cosyff, und cos/i) und damit auch der Hauptnormalspannungen. {^x - c^Hi )• cosaj + r^y • cos^j + r^^ • cos/, - 0 r^y • cosa^ + (cTy -(Jm)-cosJ3^ + r^^ • cosXi = 0

(3.66)

T^^ • c o s a^ + Ty^ • c o s y^i + ((T, " CT^i )• COS /^ = 0

Das Gleichungssystem hat nur dann nicht triviale Losungen, falls die Determinante der Koeffizientenmatrix des Gleichungssystems Null ist. Dies fiihrt auf die charakteristische Gleichung (E = Einheitsmatrix, S = Spannungsmatrix, am = Eigenwert der Spannungsmatrix):

80

3 Spannungszustand

charakteristische Gleichung

dQt{S-cj^i'E) = ^xz

^yz

/^ ^'7\

^z ~ ^

Die Losung der charakteristischen Gleichung liefert die Eigenwerte (OHI, (Jm und OHB) der Spannungsmatrix. Diese Eigenwerte entsprechen den jeweiligen Hauptspannungen. Die zu den Eigenwerten gehorenden Eigenvektoren (%i'%2 ^^d %3) sind identisch mit den Hauptspannungsrichtungen. Die Berechnung der Determinante (Gleichung 3.67) fiihrt auf eine Gleichung dritten Grades (Eigenwertgleichung), deren Losung die gesuchten Eigenwerte der Spannungsmatrix d. h. die Hauptnormalspannungen OHI sind. Zu den mathematischen Grundlagen wird an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur wie z. B. [3] verwiesen. Die Eigenwertgleichung lautet: ^Hi ™ h * ^Hi "^ ^2 * ^m ™ ^3 = 0

Eigenwertgleichung

(3.68)

Die Koeffizienten /i, I2 und I3 der Eigenwertgleichung (Gleichung 3.68) sind die Invarianten des Spannungstensors (unveranderliche GroBen in Bezug auf eine Koordinatentransformation) und berechnen sich wie folgt: /i = o-jj + o-y + a^

(3.69)

/2 = o-j, • CTy + a"y • cr^ + CT^ • o-^ - r^y - ty^ -r^ ^3 = ^ x -^y •<^2 +2-rxy *ry2 'T^-C^^

Invarianten des Spannungstensors

-^yz ~ S ' ^xz "~ <^z ' ^xy

(3.70) 0 '71)

Aufgrund der Symmetrie der Koeffizientendeterminante hat Gleichung 3.68 stets drei reelle Losungen, die Hauptspannungen OHI, (Jm und OHS- Damit existieren bei einen raumlichen Spannungszustand in jedem Punkt eines Bauteils drei zueinander senkrechte, schubspannungsfreie Schnittebenen. Zur Losung einer Gleichung 3. Grades der Form entsprechend Gleichung 3.68, schreibt man: o-Hi + ^ • cr^i + 5 • o-jj. + C = 0

(3.72)

Die Zahlenwerte flir ^4, B und C erhalt man durch Koeffizientenvergleich mit Gleichung 3.68: B = l2

(3.73)

Zur Losung von Gleichung 3.72 geht man wie nachfolgend beschrieben vor. 1. Schritt: Elimination von A • CTHJ durch Substitution, gemaB:
(3.74)

3.4 Dreiachsiger Spannungszustand

81^

u^+a-u + b = 0 mita

(3.75)

= B-—

und b = — -A^--• A-B + C 3 27 3 2. Schritt: Berechnung der Diskriminante D von Gleichung 3.75:

fiir D > 0: eine reelle und zwei konjugiert komplexe Losungen D = 0: zwei voneinander verschiedene reelle Losungen (eine einfache Losung und eine Doppelllosung) D < 0: drei reelle Losungen Da die Matrix der Koeffizienten-Determinante symmetrisch ist (Gleichung 3.67), erhalt man drei reelle Losungen aus denen sich die drei Hauptspannungen ermitteln lassen. 3. Schritt: Fiir die drei (reellen) Losungen der Gleichung 3. Grades (Gleichung 3.75) folgt:

U2=2'J

cos(^ +120^)

mit ^ = — arccos

Y 3

^

(3.77)

1 \-yl{-a/3f

2^3 = 2 • J - -^ • cos(^ + 240^) Die Hauptspannungen am, cJm und OH3 ergeben sich schlieBlich aus Gleichung 3.74: <^Hi=^i-y

(^ = 12,3)

VereinbarungsgemaB wird die groBte positive Hauptnormalspannung mit G\ und die kleinste Hauptnormalspannung mit 03 bezeichnet (siehe auch Kapitel 6), so dass gilt (ordnen der Hauptspannungen entsprechend ihrer algebraischen GroBe): cri-max{crHi,a-H2,crH3} or3 =min{crHi,o-H2,o-H3} crx
(3.78)

4. Schritt: KontroUe Zur Kontrolle der Berechnungen kann die erste Invariante (/i) herangezogen werden. Die Invarianten eines Tensors sind GroBen, die sich auch bei einer Koordinatentransformation z. B. vom x-y-z-Koordinatensystem ins Hauptachsensystem nicht andem, so dass gelten muss: ^m + <^m + <^m = o^x + o-y + a ,

(3.79)

82

3 Spannungszustand

3.4.4 Mohr'scher Spannungskreis fiir den dreiachsigen Spannungszustand Unter der Voraussetzung eines zweiachsigen Spannungszustandes konnten mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises die Normal- und Schubspannungskomponenten in jeder beliebigen Schnittebene ebenso wie die Hauptnormalspannungen Ou\ und am auf einfache und anschauliche Weise ermittelt werden (Kapitel 3.3.4). Liegt hingegen ein dreiachsiger (allgemeiner) Spannungszustand vor, dann ist eine ahnliche Vorgehensweise mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises nicht mehr moglich. Die Ermittlung der Hauptnormalspannungen sowie der Spannungskomponenten in beliebiger (raumlicher) Schnittrichtung muss in diesem Fall analytisch erfolgen (Kapitel 3.4.2 und 3.4.3). Sind hingegen die drei Hauptnormalspannungen CTI, 02 und a^ bekannt (siehe Gleichung 3.78), dann konnen fiir jede durch die Hauptspannungsrichtungen gekennzeichnete Hauptspannungsebene (a'i-(j2-Ebene, cri-OB-Ebene und (T2-cr3-Ebene) die Mohr'schen Spannungskreise angegeben werden. Man erhalt dabei zwei sich benihrende Nebenkreise (cri-(T2-Ebene und a2-a3Ebene), die von einem Hauptkreis (o-i-Os-Ebene) eingeschlossen werden (Bild 3.14). ' Hauptspannungselement

(3)

(1)

Gi-as- Ebene

(2) Gr c^- Ebene

O2- CJ3- Ebene

Bild 3.14 Mohr'sche Spannungskreise fur den dreiachsigen (allgemeinen) Spannungszustand Die Spannungskomponenten (a^, r^,) in einem raumlich beliebig gerichteten Flachenelement findet man als Bildpunkt P innerhalb des Hauptkreises und auBerhalb der beiden Nebenkreise (grau markierter Bereich in Bild 3.14). Eine graphische Methode fur das Auffmden des Bildpunktes bei gegebener Schnittrichtung wird in Kapitel 3.4.6 beschrieben.

3.4 Dreiachsiger Spannungszustand

83

Mit Hilfe der Mohr'schen Spannungskreise konnen nunmehr die folgenden Aufgabenstellungen auf anschauliche Weise gelost werden: • Ermittlung der Hauptschubspannungen (Kapitel 3.4.5). • Graphische Bestimmung der Spannungskomponenten (cr(pUnd T^) in beliebigen raumlichen Schnittrichtungen (Kapitel 3.4.6). 3.4.5 Hauptschubspannungen bei dreiachsigem Spannungszustand ZweckmaBigerweise ermittelt man die Hauptschubspannungen mit Hilfe der Mohr'schen Spannungskreise, nachdem die Hauptnormalspannungen bekannt sind (Kapitel 3.4.3). Die Hauptschubspannungen (TRI, rniund TRS) ergeben sich sofort als Radien der drei Mohr'schen Spannungskreise zu:

(3.80) iliiiiiiiiiiiii^

lillijl^ Die Hauptschubspannungen wirken jeweils in Schnittebenen, die zu den Hauptspannungsebenen einen Winkel von 45° einschlieBen und zu einer der Hauptachsen parallel sind (Bild 3.15). O3

G^-a2- Ebene

/ Hauptspannungselement

Qi-Ga- Ebene [O3

G2-O3- Ebene CJ3

Bild 3.15 Schnittebenen groBter Schubspannungen am Hauptspannungselement

84

3 Spannungszustand

3.4.6 Graphische Ermittlung von Schnittspannungen bei dreiachsigem Spannungszustand Unter der Voraussetzung, dass die Hauptnormalspannungen {a\, G^ und 03) in einem Punkt P eines beliebig beanspruchten Bauteil bekannt sind, kann die Normalspannungskomponente a^^ sowie die Schubspannungskomponente T^ in einer beliebigen Schnittebene E auch graphisch ermittelt werden. Die Vorgehensweise soil nachfolgend (ohne Beweis der Konstruktionsbeschreibung) aufgezeigt werden. Die Normale n der raumlichen Schnittebene E schlieBt mit den Hauptspannungsrichtungen (1,2 und 3) die Winkel a, P, und yQin (Bild 3.16a) b)

i

^(D~r-

03, 3

I

0

1 0

M23 CJ(p A

0

0

Mi3

M12

<

i^1 .

i^

a

Bild 3.16 Graphische Ermittlung von Schnittspannungen bei dreiachsigem Spannungszustand Konstruktionsbeschreibung: 1. Konstruktion der Mohr'schen Spannungskreise fiir die drei Hauptspannungsebenen. 2. Die Normale n schlieBt mit der ersten Hauptspannungsrichtung (1) den Winkel a ein. Dementsprechend tragt man zu einer Parallelen zur x-Achse durch G\ den Richtungswinkel a ab und bringt dessen Schenkel zum Schnitt mit den Hauptkreis d. h. dem Mohr'schen Spannungskreis der o\ -Os-Ebene (Schnittpunkt ^ ) . 3. Die Normale n schlieBt mit der dritten Hauptspannungsrichtung (3) den Winkel ;^ein. Dementsprechend tragt man zu einer Parallelen zur x-Achse durch 03 den Richtungswinkel ;Kab und bringt dessen Schenkel ebenfalls zum Schnitt mit dem Mohr'schen Spannungskreis der Oi -os-Ebene (Schnittpunkt B). 4. Kreisbogen um M23 (Mittelpunkt des Mohr'schen Spannungskreises der 02-cr3-Ebene) mit Radius M^-x.A und Kreisbogen um Mn (Mittelpunkt des Mohr'schen Spannungskreises der cri-(T2-Ebene) mit Radius My^R schneiden sich im Punkt C. 5. Die Koordinaten des Schnittpunktes C (cTtp I r^ charakterisieren die Spannungskomponenten in der Schnittebene E. 1st die Normalspannungskomponente cr(p positiv, dann liegt eine Zugbeanspruchung vor, ist sie hingegen negativ, dann herrscht in der Schnittebene E eine Druckspannung. Die Wirkrichtung der Schubspannungskomponente T^ kann dieser Konstruktion allerdings nicht entnommen werden.

85

3.5 Ubungsaufgaben

3.5 Ubungsaufgaben Aafgabe 3*1 Die Abbildung zeigt ein durch die Spannungen a^ = 200 N/mm^; oy = 100 N/mm^ und Txy = 75 N/mm^ zweiachsig beanspruchtes Scheibenelement aus Werkstoff S235JR. a) Zeichnen Sie maBstablich den Mohr'schen Spannungskreis fur die x-y-Ebene. b) Berechnen Sie die Hauptnormalspannungen OHI und cjm sowie die Richtungswinkel (pi und ^ zwischen der x-Richtung und den Hauptspannungsrichtungen. c) Ermitteln Sie die Spannungskomponenten cTcp und r^p in der Schnittebene E, deren Normalenvektor zur x-Richtung den Winkel (p= 30° einschlieBt.

Aafgabe 3 J Ein Stahlrohr mit einem Aufiendurchmesser d^= 100 mm und einer Wandstarke ^ = 10 mm wird gleichzeitig durch die Zugkraft F = 425 kN und das Torsionsmoment Mt = 9250 Nm statisch beansprucht.

v////m////////i ^ F Mt

Mt

F

'-^-UiJJ^

a) Skizzieren Sie den Mohr'schen Spannungskreis fiir die hochst beanspruchte Stelle. b) Ermitteln Sie die groBten Normalspannungen (Hauptnormalspannungen) sowie die groBten Schubspannungen (Hauptschubspannungen) sowie die jeweiligen Richtungswinkel zur xAchse. Aiifgabe 3 3 Ein Blechstreifen wird zwischen zwei Druckplatten hindurch gezogen (siehe Abbildung). Dabei entstehen an der hochst beanspruchten Stelle des Bleches die folgenden Spannungen: ausZug: ausDruck: aus Reibung:


a) Berechnen Sie die im Blech auftretenden groBten Zug- bzw. Druckspannungen (Hauptnormalspannungen).

86

3 Spannungszustand

b) Ermitteln Sie die Lage derjenigen Schnittebenen, in denen die groBten Zug- bzw. Druckspannungen auftreten (Winkel q)\ und q>i zwischen der x-Richtung und den Normalen zu diesen Schnittebenen).

Aufgabe 3.4 Die Abbildung zeigt das Maschinengestell fur eine Einpressvorrichtung aus dem Gusseisenwerkstoff EN-GJL-350 (alle MaBangaben in mm). Das Maschinengestell wird durch die statisch wirkenden Arbeitskrafte F belastet.

a = 650

Zur Ermittlung der unbekannten Arbeitskrafte F wird in der Saulenmitte ein Dehnungsmessstreifen (DMS) appliziert. Aufgrund einer Montageungenauigkeit schliefit die Messrichtung des DMS einen Winkel von 10° zur Saulenlangsachse ein. Werkstoffkennwerte EN-GJL-350: R^ =350N/mm^ E =108000 N/mm^ // = 0,25 a) Auf welche Weise wird der Querschnitt A-B durch die Arbeitskrafte F beansprucht ?

A-B

1

b) Ermitteln Sie den Betrag der Arbeitskrafte F ftir eine Dehnungsanzeige von ^DMS = 0,1485 %o c) Ermitteln Sie fiir die hochst beanspmchte Stelle (im Querschnitt A-B) die Sicherheit gegen Bruch. 1st die Sicherheit ausreichend ?

Aufgabe 3,5 Der Spannungszustand im Punkt P einer Hochdruckleitung wird durch die folgenden Spannungskomponentenbeschrieben: Ok = 500 N/mm^ o-y = 200 N/mm^ o-z = 300 N/mm^

Txy = 250 N/mm^ ryz=100N/mm^ Txz = 400 N/mm^

a) Berechnen Sie die Normal- und Schubspannungskomponente in einer Schnittebene E\^ deren Normalenvektor mit dem x-y-z-Koordinatensystem die Winkel a = 60°, P= 60° und / = 45° einschliefit.

m\ ib = 300

ei

3.5 Ubungsaufgaben

87

b) Berechnen Sie die Normalspannungskomponente und die Schubspannungskomponente in einer Schnittebene E2, deren Normalenvektor mit dem x-y-z-Koordinatensystem die Winkel a = 40,833°, p= 69,773° und Y= 56,291° einschlieBt. c) Berechnen Sie die Hauptnormalspannungen OHI, crH2 und OHS. d) Ermitteln Sie die Hauptspannungsrichtungen im x-y-z-Koordinatensystem. e) Bestimmen Sie rechnerisch und graphisch die Spannungskomponenten CTpt und ^ in einer Schnittebene E^,, deren Normalenvektor zu den Hauptspannungsrichtungen (zum Hauptachsensystem) die Winkel a= 50°, P= 50° und y= 65,4° einschlieBt.

4 Verformungszustaiid Wirken an einem Bauteil auBere Krafte oder Momente, dann treten im Innem des Bauteils Spannungen auf. Fiir Festigkeitsnachweise ist es dabei zweckmaBig, Normalspannungen (a) und Schubspannungen ( r ) zu unterscheiden (Kapitel 3). Unter der Wirkung von Spannungen werden die Atome eines Festkorpers aus ihrer Ruhelage ausgelenkt und das Bauteil verformt sich elastisch. In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits dargelegt, dass Normalspannungen (cr) zu Langenanderungen (Dehnungen s) fiihren, Schubspannungen ( r ) hingegen Winkelanderungen (Schiebungen y ) zur Folge haben. Dehnungen (s ) und Schiebungen (y ) kennzeichnen den Verformungszustand eines Bauteils.

Verformungszustand Unter dem Begriff „Verformungszustand" versteht man alle Formanderungen (Dehnungen und Schiebungen bzw. Winkelverzerrungen), die an einem beliebigen Ort eines Korpers wirken.

Ausgehend von einem bekannten Verformungszustand ist es das Ziel von Kapitel 4, Methoden bereitzustellen, mit deren Hilfe Verformungen (Dehnungen und Schiebungen) in beliebigen Schnittrichtungen ermittelt werden konnen. Die Erlauterung der Problemstellung soil am Beispiel des bereits aus Bild 3.1 bekannten diinnwandigen Behalters unter ,$&«? Innendruck (pi) mit tiberlagerter Torsionsbeanspruchung (Torsionsmoment Mt) erfolgen (Bild 4.1a). Schneidet man aus dem Bauteil ein Flachenelement in geeiga'-71/2 Yxy = a-7i/2 neter Weise heraus (in Bild 4.1 parallel zu den Koordinatenachsen), dann ist es zu- Bild 4.1 Dehnungen und Schiebungen in unterschiedlichen Richtungen am Beispiel eines diinnnachst auf einfache Weise moglich, die wandigen Behalters unter Innendruck mit Lastspannungen (a^, Oy und % bzw. ryx) tiberlagerter Torsion in den entsprechenden Schnittebenen zu ermitteln. Diese Lastspannungen bewirken eine (elastische) Formanderung (6^, Sy und /xy bzw. /yx) des Flachenelementes (Bild 4.1b). Mit Hilfe entsprechender Stoffgesetze (Hooke'sches Gesetz, Kapitel 5) konnen diese Formanderungen aus den Lastspannungen berechnet werden. Haufig, wie zum Beispiel im Rahmen experimenteller Spannungsanalysen (Kapitel 4.4), ist es erforderlich, die VerformungsgroBen in beliebigen Schnittrichtungen (e^^, Sy^ und y^y bzw. ;Ky'x') zu ermitteln, in Bild 4.1c beispielsweise fiir ein um den Winkel (p gedrehtes Flachenelement. Die Vorgehensweise soil nachfolgend erlautert werden. Die folgenden Betrachtungen beschranken sich auf Verformungen in der Ebene. AuBerdem sollen nur kleine Deformationen betrachtet werden, wie sie beispielsweise bei einer elastischen Verformung metallischer Bauteile auftreten. Trotz dieser Einschrankungen wird es mit Hilfe der nachfolgend zu erarbeitenden Verfahren moglich sein, eine Vielzahl praxisrelevanter Problemstellungen zu losen.

89

4.1 VerformungsgroBen

4.1 VerformungsgroBen Zur Ermittlung der VerformungsgroBen (Dehnungen und Schiebungen) betrachtet man die relative Lage zweier benachbarter Punkte z. B. A und B im unverformten bzw. ^* und 5* im verformten Zustand eines Bauteils (Bild 4.2).

4.1.1 Dehnung

1

a It/2 BX

1

^

9v 4^

^ s ^ ' —

•

Bild 4.2 Verformung einer quadratischen Scheibe am Beispiel eines Zugstabes

Unter der (technischen) Dehnung e versteht man defmitionsgemaB die Langenanderung A/ zweier benachbarter Punkte bezogen auf die Ausgangslange /Q im unbelasteten Zustand (z. B A und B bzw. ^4* und 5*): A/ e ='

k0

h-L

Definition der (technischen) Dehnung

(4.1)

Die Dehnung ist dimensionslos, sie wird bisweilen jedoch auch in Prozent (%) oder Promille (%o) angegeben. Mitunter ist auch die Angabe m/m, mm/mm oder \imlm gebrauchlich.

4.1.2 Schiebung (Winkelverzerrung) Unter der Schiebung oder Winkelverzerrung y (mitunter auch als Schubverzerrung oder Scherung bezeichnet) versteht man die Winkelanderung eines ursprunglich rechtwinkeligen Winkelelementes (z. B. Z ABC und Z A*B*C* in Bild 4.2). Der mitunter auch verwendete Begriff „Gleitung" soil nach DIN 13316 nicht angewandt werden, da dieser Begriff bleibenden Verformungen vorbehalten ist. K (4.2) 7 = Z A E C - Z A B C = a " - - DeHnition der Schiebung (Winkelverzerrung) 2 Die Schiebung wird im BogenmaB (rad) angegeben, sie ist daher dimensionslos. Bisweilen wird die Schiebung jedoch auch in Prozent (%) oder Promille (%o) angegeben.

4.1.3 Vorzeichenregelung fiir Dehnungen und Schiebungen Die Vorzeichen von Dehnungen und Schiebungen lassen sich unmittelbar aus den Gleichungen 4.1 und 4.2 ableiten: 1. Verlangert sich ein betrachtetes Linienelement {l\ > /Q), dann wird die Dehnung positiv angesetzt, verkurzt es sich hingegen, dann ist die Dehnung negativ (Stauchung), Bild 4.3. 2. Fiir die Losung ebener Probleme ist es zweckmaBig, das Vorzeichen der Schiebung /positiv anzusetzen, falls sich der ursprunglich rechte Winkel des Winkelelements vergroBert. Verkleinert sich der Winkel hingegen, dann ist die Schiebung negativ anzusetzen (Bild 4.3). Bei der Anwendung dieser Vorzeichendefmition fiir Schiebungen werden positiven Schubspannungen (defmiert gemaB der speziellen Vorzeichenregelung fiir Schubspannungen entsprechend Gleichung 2.43) ebenfalls positive Schiebungen zugeordnet (und umgekehrt).

90

4 Verformungszustand

4.1.4 Indizierung von Dehnungen und Schiebungen Die Indizierung der Verformungsgrofien s und y erfolgt nach der Richtung des Linienelements im nicht beanspruchtem Bauteil (Bezugsrichtung). Bild 4.4 zeigt einige Beispiele.

Dehnung e

t

positiv (+)

^^

Die Schiebung y^y ist dementsprechend die Winkelanderung des rechten Winkels Z AOB, also: rxy^ZAOB

-ZAOB

G<0

\— -—

l. '' ,1in'o |s=f<0

8 =f > 0 '0

Beispiel 1: Das Linienelement OA in Bild 4.4b zeigt in x-Richtung. Eine Dehnung dieses Linienelementes (OA -^ OA*) wird dementsprechend mit ^ bezeichnet. Die zugehorige Schiebung mit der x-Richtung als Bezugsrichtung wird mit y^y bezeichnet. Der 1. Index kennzeichnet dabei die Bezugsrichtung (hier: xRichtung) der 2. Index die Koordinatenrichtung die sich ausgehend von der Bezugsrichtung bei Drehung im mathematisch positiven Sinn (Gegenuhrzeigersinn) um 90° ergibt. Hier also die y-Richtung.

negativ (-)

1

'0

Schiebung Y^)

positiv (+)

negativ (-) Xyx>0

Yxy=a-7r/2<0 '^ Anwendung zweckmaBig fiir die Losung ebener Probleme

Bild 4.3 Vorzeichendefinition fur Dehnungen und Schiebungen a) unverformt

-a-7i 12 Im dargestellten Beispiel handelt es sich um eine Winkelverkleinerung, so dass y^y defmitionsgemaB negativ anzusetzen ist (Kapitel 4.1.3). Beispiel 2: Das Linienelement OB in Bild 4.4b zeigt in j^-Richtung. Die Dehnung dieses Linienelementes (OB —> OB*) wird dementsprechend mit Sy bezeichnet. Die zugehorige Schiebung mit der y-Richtung als Bezug wird entsprechend der Festlegung in Beispiel 1 mit yy^ bezeichnet (/y^ =Z B*OD*-Z BOD = p-n I 2). Da sich der ursprungliche rechte Winkel (Z BOD) vergroBert ist yy^ positiv anzusetzen. Beispiel 3: Das Linienelement OA in Bild 4.4c zeigt in x'Richtung (^Richtung). Die Dehnung dieses Linienelements (OA -^ OA*) wird dementsprechend mit 6^' bzw. s^^ bezeichnet. Die zugehorige Schiebung mit der x '-Richtung (cp-Richtung) als Bezug wird mit y^y bzw. /(p bezeichnet (y^y = y^^= a - nil). Bei Anwendung der Schreibweise y^ entfallt der zweite Index (^+ nl 2) zweckmaBigerweise.

b) verformt (8x, 8y, yxy)

yxy = a-7i/2<0 Yy^=p-Tc/2>0

c) verformt (EX-, Sy, Yxy)

Yxy=y^=a'-7i/2>0

Bild 4.4 Indizierung von Dehnungen und Schiebungen

91

4.2 Verformungszustand und Schnittrichtung

4.2 Verformungszustand und Schnittrichtung Fiir Festigkeitsnachweise ist die Kenntnis des Spannungszustandes (Normal- und Schubspannungen) an der hochst beanspruchten Stelle eines Bauteiles erforderlich. Haufig ist der Spannungszustand jedoch unbekannt und kann nicht oder nur sehr schwierig aus der auBeren Beanspruchung (Krafte, Momente, Driicke, usw.) abgeleitet werden. Dies ist beispielsweise bei unbekannter aufierer Beanspruchung oder komplexen geometrischen Verhaltnissen der Fall. Ein Festigkeitsnachweis kann unter diesen Bedingungen dennoch erfolgen, sofem der Verformungszustand an der zu untersuchenden Stelle bekannt ist. Letzterer lasst sich experimentell beispielsweise mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen (Kapitel 4.5) relativ einfach erfassen. Zur Ermittlung der auBeren Beanspruchung bzw. zur Durchfuhrung eines Festigkeitsnachweises ist in der Kegel die Kenntnis der VerformungsgroBen in bestimmte Bauteilrichtungen erforderlich. Da diese VerformungsgroBen haufig nicht bekannt sind bzw. messtechnisch teilweise nicht erfasst werden konnen, soUen nachfolgend geometrische Beziehungen abgeleitet werden, die es ermoglichen, ausgehend von bekannten VerformungsgroBen in einem Punkt (6^ , 6^, /xy), die entsprechenden Verformungen (e^^, y^) in einer beliebigen, anderen Schnittrichtung (p zu berechnen. Die nachfolgenden Ausfiihrungen beschranken sich, wie bereits erwahnt, auf ebene Probleme in der x-y-Ebene.

4.2.1 Berechnung der Dehnung 6^ in Schnittrichtung cp Zur Ermittlung der Dehnungen s^ in Schnittrichtung g) betrachtet man zunachst ein (unendhch) kleines Rechteck OABC (Bild 4.5), dessen Kanten (Kantenlangen Ax und Ay) parallel zu den Koordinatenachsen x und y ausgerichtet sind. Bekannt sei der Verformungszustand durch die VerformungsgroBen £"x, Sy und /xy Hierdurch wird das Rechteck deformiert und geht in die Lage 0*A*B*C* tiber. Da die Translation mit dem Translationsvektor V alle Eckpunkte (O, A, B und C) betrifft, wird dadurch keine Verformung hervorgerufen. Man kann also das Element 0*A*B*C* nach O verschieben (Bild 4.6). Zur Ermittlung der Dehnungen in beliebiger Richtung betrachtet man das Linienelement OB im unverformten und im verformten Zustand (OB ). Aus Bild 4.6 leitet man unter Beriicksichtigung kleiner Verschiebungen und Winkelanderungen die folgenden Beziehungen ab: Awj Avj

=£^'Ax =£y'Ay

y i '

Yxy = a•n/2

—

c,

^8

Au2 = tan ay • (Ay + Avj)

mit Avi « Ay und tan6i^« ci^ (kleiner Winkel Oy) folgt fur Aw2-

1 >

/

i4rex / <^ 1

\y

1

J > ^Ax

1

(b

•

^

Bild 4.5 Verformung eines rechtwinkUgen Elements durch die VerformungsgroBen 6-x, Sy und /xy Vi

A\/2

' AU2

.___c*.

^1

Ay

^^^^r^^'^'^ ^B* |B7

'c /

D GU3f

Ax

W

(4.3) (4.4)

^7

pB*

8y

0

Ax

At7i AL/2

A\/2

X

Aii

Bild 4.6 Geometrische Beziehungen zur Ermittlung der Dehnung £^^ in Schnittrichtung (p

92

4 Verformungszustand Aw2 « ofy • Ay

(4.5)

Weiterhin gilt: Av2 = tan a^ - (Ax + Awj) da Awi« Ax und tanci^x « «x (kleiner Winkel a^ folgt fiir Av2: Av2 « ^x • Ax

(4.6)

Somit ergibt sich fiir die x- und y-Komponenten der Verschiebung B-^B* (Bild 4.7): Aw = Awj + Aw2 = 6:^ • Ax + ciTy • Ay Av = Avj + Av2 = ^y • Ay + cifx • Ax

(4.7) (4.8)

Bild 4.7 Geometrische Beziehungen zur Herleitung der Dehnung s^ in beliebiger Richtung (p

Fiir die Dehnung in ^Richtung folgt naherungsweise (Bild 4.7): BB* OB

A/ /,0

(4.9)

mit

A/ « Aw • cos ^ + Av • sin ^

und

Aw = ^'x • Ax + ciTy • Ay^ bzw. Av = ^y • Ay + cr^ • Ax

folgt

s^ =

T.r •

1

.1

Aj; Ay Ax • COS (p + -+a,; y / /(0 ; 0 , Av

Ax

+ ^v

Ax

•sm^

(4.10)

.

Weiterhin gut: — = cos cp und — = sm (p Damit folgt aus Gleichung 4.10: 2

•

• 2

•

S(p=£x' ^^s ^ + ay • sm ^ • cos ^ + ^y • sin ^ + a^ • sin ^ • cos (p :,^x*cos ^ + ^ySin (p-\-[ax-\-ay) yl'Smcp-coscp

(4.11)

Der urspriinglich rechte Winkel ZAOC = n/2 verkleinert sich zum Winkel Z A*OC*. Es gilt dabei definitionsgemafi fur die Schiebung y^y (Kapitel 4.1.2): Txy = ZA*OC*-ZAOC = ^ - ( « x + « y ) - y = - ( « x + « y )

(4.12)

Damit folgt aus Gleichung 4.11: s^=Sy^- cos ^ + fy • sin (p- fxy • sin ^ • cos (p Mit den trigonometrischen Beziehungen: cos ^ = 0,5 • (l + cos 2(p) sin^ ^ = 0,5 • (l - cos 2(p) sin (p' cos ^ - 0,5 • sin 2(p

(4.13)

93

4.2 Verformungszustand und Schnittrichtung folgt schlieBlich aus Gleichung 4.13:

%=

^x + % % ~ ^y ^ 7xy . ^ ^ ^ ^——^-cos2y-—^>sm2^

Dehnung in ^Richtung in der x-y-Ebene

(4-14)

4.2.2 Berechnung der Schiebung y^, in Schnittrichtung (p Zur Ermittlung der Schiebung y^p in Vi I B* \jAb Schnittrichtung (p betrachtet man zweckmafiigerweise die Veranderung des ur- D*n y^D ^v spriinglich rechten Winkels ZBOD im unverformten Zustand und im verformten yc7"7"""y^^y^ / \ Zustand (ZB*OD*). Die Winkelveran-Jy?^ derung des Winkelelementes BOD d. h. /^^^%. P 9+71/2^ die Schiebung y^p ergibt sich aus der DifAl ! 0 X ferenz der Drehwinkel von OB -^ OB* Au (Winkel ^^) und von OD -> OD* (WinBild 4.8 Geometrische Beziehungen zur Ermittlung kely0cp + 7r/2). der Schiebung Xp in Schnittrichtung cp (4.15) 7(p - P(p+Til2 - Pep

^V"""'^

^ 1/

Fiir den Winkel ^^ des Schenkels OB gilt: (4.16) mit

AZ? = Av • cos ^ - Aw • sin ^

und tan/?^ «yff^ (da kleiner Winkel ^), folgt aus Gleichung 4.16: Pv=-

Av • cos ^ - Aw • sin ^

(4.17)

/n Mit Gleichung 4.7 und Gleichung 4.8 folgt weiter:

P,=

Ax ^y ' "7^ + ^x

• COS (p -

^0 y

Ax --\-a^

smcp

(4.18)

Weiterhin gih (Bild 4.7): Ax , Ay . -;—= cos^ und -;^ = sm^ /n Damit ergibt sich aus Gleichung 4.18: J3^ =£y siiKpcoscp-ha^ -cos^ cp-s^

sin^-cos^-ay-sin^^

-(^x - ^ y ) s i n ^ c o s ^ + ax cos ^ - a

sin^^

(4.19)

94

4 Verformungszustand

Zur Berechnung des Winkels P^+^^a in Richtung cp^nll Winkel (pdurch cp^nll und erhalt: '^ (p+ni2

K

Mit sin ^ + -

^ y

X^

I ^

ersetzt man in Gleichung 4.19 den

•cos| ^ + — \ + a^ -cos ^ + — - C T y - s i n

2

TT

= cos(p und cos ^ + -

2

-sin^ undfolgt:

^ +71/2 ~^^y ~^x)*cos^-(-sin^)+crx - s i n ^ ^ - ^ y -cos^^ ^ +71/2 ~(^x~^y)'

sin^ • COS(p + a^- sin^ (p-a^- cos^ ^

(4.20)

Ftir die Schiebung ^cp folgt dann mit Gleichung 4.19 und 4.20 aus Gleichung 4.15: 9

= {£^-£y)'sin^•

9

cos^ + ^x • sin cp-a^- cos cp 2

2

-6"y)-sin^-cos^ + ax COS ^-CTy-sin (p = (ciTx +ciryjsin (p-\^y^ +6iryj-cos (p-\-l'{£^ - 6 : y ) s i n ^ c o s ^ Mit ;Kxy = "V^x "^ ^y) f^^'S^ weiterhin (siehe Gleichung 4.12): 2

2

X^=-/xy'Sin ^ + /xy*cos ^ + 2• (^^ ~^y)'^in^• cos^

(4.21)

Mit den trigonometrischen Beziehungen: cos ^ = 0,5 • (l + cos 2(p) sin ^ = 0,5 • (l - cos Icp) sin (p' cos ^ = 0,5 • sin 2p folgt aus Gleichung 4.21 schlieBlich: y^ = ( ^ x ~ ^ y ) * s i n 2 ^ — ^ • ( l - c o s 2 ^ ) + - ^ - ( l + cos2^) = \^x~^y)'

(4.22)

sin 2(p + ;^xy • cos 2(p

Gleichung 4.22 dividiert man letztlich noch durch 2, um eine mit Gleichung 4.14 vergleichbare Form zu erhalten: '^——^*Bm2^-¥-^*cos2^

Schiebung in ^Richtung in der x-yEbene

(4.23)

95

4.3 Mohr'scher Verformungskreis

4.3 Mohr'scher Verformungskreis Zur Ermittlung der Verformungsgrofien (s^^, /^p) in beliebiger Richtung cp konnen die Gleichungen 4.14 und 4.23 herangezogen werden. Eine anschaulichere Moglichkeit, derartige Fragestellungen zu beantworten bietet in Analogic zum Mohr'schen Spannungskreis (Kapitel 3.3.4), der Mohr'sche Verformungskreis. Zur Bestimmung von Mittelpunkt und Radius des Mohr'schen Verformungskreiscs eliminiert man aus den Gleichungen 4.14 und 4.23 den Winkel

2

2 r

/ ^x

^y

7: — •sin 2(27 2

cos2^-

£^-

K^J

' XV

X V

—' sin 2^ + —— • cos 2^ f..

^x '^^y

s
\

^x

^y

• Icos 2(p + sin 2(p]+

v2y

(4.24) Yxy

p n 2^ +cos 2(pj

Die Gleichung des Mohr'schen Verformungskreiscs lautet dann: ^x "^%

\^

Sm-

fv

^

\ 2^ J

f

^x

^y \^ J

r /xy

I ""^ ^ J

Gleichung des Mohr'schen Verformungskreiscs in der v'^^-^^) f-;^/2-Ebene

Fiir den Mittelpunkt des Mohr'schen Verformungskreiscs folgt: M=

X

V

Mittelpunkt des Mohr'schen Verformungskreiscs

0

(4.26)

Der Radius des Mohr'schen Verformungskreiscs ergibt sich zu: ^x

^y

^xy

^2

Radius des Mohr'schen Verformungskreises

(4.27)

Mit Hilfe des Mohr'schen Verformungskreises konnen (in Analogic zum Mohr'schen Spannungskreis, Kapitel 3.3.4) die Verformungskomponenten (Dehnungen und Schiebungen) in beliebiger Richtung ^auf einfache Weise ermittelt werden.

96

4 Verformungszustand

4.3.1 Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises Gegeben sei ein durch die VerformungsgroBen s^, Sy und y^y elastisch beanspruchtes Flachenelement (Bild 4.9a). Gesucht ist der Mohr'sche Verformungskreis sowie die VerformungsgroBen in der Richtung, die zur x-Achse den Winkel (p einschlieBen (^-^p und y^^). Zur Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises geht man wie folgt vor:

: a-7r/2 < 0 : p-7i:/2 > 0

1. Zeichnen eines s- yl 2-Koordinatensystems. 2. Eintragen des Bildpunktes P^ (^xlo,5-;^xy) in das Koordinatensystem. Die Dehnung s^ und die Schiebung y^y kennzeichnen die VerformungsgroBen mit der x-Richtung als Bezug. In Analogic zum Mohr'schen Spannungskreis (Kapitel 3.3.4.1) wird bei der Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises die folgende Vorzeichenregelung eingefthrt (siehe auch Bild 4.3): Eiiie Schiebung ist pgsitiv (nqgativ) asztiset^eii, f»ll$ sieh iter w$^iiiigll€h rechte Wiakel de$ betrachl^^ Wmketelementes vergrMert (vertdeiaert). Die Schiebung y^y in Bild 4.9a ist dementsprechend bei der Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises negativ anzusetzen, da sich der ursprCinglich rechte Winkel verkleinert {a< TTI 2). 3. Eintragen des Bildpunktes Py (6^|0,57'yx) in das Koordinatensystem. Die Dehnung Sy und die Schiebung yy^ kennzeichnen die VerformungsgroBen mit der y-Richtung als Bezug. Die Schiebung yy^ ist positiv anzusetzen, da der urspriinglich rechte Winkel vergroBert wird(6r'>;r/2). 4. Die X- und y-Richtung stehen senkrecht zueinander (siehe Lageplan). Da die Bildpunkte zweier senkrechter Richtungen auf einem Kreisdurchmesser liegen, schneidet die Stre-

a'-7c/2>0 Bild 4.9 Konstruktion und Anwendung des Mohr'schen Verformungskreises

eke P^Py die £^Achse im Kreismittelpunkt M 5. Kreis um Mdurch die Bildpunkte P^ oder Py ist der gesuchte Mohr'sche Verformungskreis. Zur Ermittlung der VerformungsgroBen s^ und y^ in beliebiger Richtung cp ubertragt man, ausgehend von einer bekannten Bezugsrichtung (z. B. x-Richtung), den doppelten Richtungswinkel {Icp) in den Mohr'schen Verformungskreis (Bild 4.9b). Der Drehsinn muss dabei dem Lageplan entsprechen. Die Koordinaten des Bildpunktes P^ {c^ I ^^ / 2) kennzeichnen die VerformungsgroBen in ^Richtung (Bild 4.9c).

97

4.3 Mohr'scher Verformungskreis

4.3.2 Hauptdehnungen und Hauptdehnungsrichtungen Aus dem Mohr'schen Verformungskreis (z. B. Bild 4.9b) ist ersichtlich, dass eine maximale Dehnung s^i und eine minimale Dehnung Sm existiert (Bildpunkte Pi und P2 in Bild 4.9b). Diese beiden extremalen Dehnungen werden als Hauptdehnungen bezeichnet. Die Richtungen zu den Hauptdehnungen (Winkel (p\ und ^ ) nennt man dementsprechend Hauptdehnungsrichtungen. In Richtung der Hauptdehnungen treten keine Schiebungen (Winkelverzerrungen) auf. Die Hauptdehnungen Su\ und Sni ergeben sich rechnerisch zu (vgl. Bild 4.9b): \2

V

Sx

^v

'xy

s^ +«•„

Sv

Sxi

^xy

X

% i -

^H2=-

(4.28)

(4.29)

Die Winkel (pi und ^ zwischen der x-Richtung und den Hauptdehnungsrichtungen (sm und 6H2) lassen sich auch rechnerisch ermitteln. Man erhalt die Richtungswinkel (pi bzw.
/xy

Richtungswinkel zwischen der x-Achse und der ersten oder der zweiten Hauptdehnungsrichtung

(4.30)

Der mit Hilfe von Gleichung 4.30 errechnete Winkel kann der Richtungswinkel zwischen der x-Achse und der ersten oder der zweiten Hauptdehnungsrichtung sein. Eine Entscheidung kann mit Hilfe von Tabelle 4.1 erfolgen. Aufgrund der Ti-Periodizitat des Tangens ergibt sich der zweite Winkel zu: (4.31)

4.33 Verformungszustand Entsprechend der Anzahl der von Null verschiedenen Hauptdehnungen defmiert man den Verformungszustand: • einachsiger Verformungszustand: Eine Hauptdehnung ist ungleich Null • zweiachsiger Verformungszustand: Zwei Hauptdehnungen sind ungleich Null • dreiachsiger Verformungszustand: Drei Hauptdehnungen sind ungleich Null Der zweiachsige Verformungszustand wird bisweilen auch als ebener Dehnungszustand (EDZ) bezeichnet. Ein zweiachsiger Verformungszustand tritt an technischen Bauteilen unter anderem in Bereichen einer behinderten Dehnung in Dickenrichtung (Querdehnungsbehinderung) auf und begiinstigt ein sprodes Werkstoffversagen (z. B. im Bereich von Rissen oder bei dickwandigen Bauteilen).

4. Verformungszustand

98

u

0) PC

s

^G

;3

U

0

A

s

o

u

>

OX)

3

c

a O

OH

C3

CI

T3 bX)

a

3

+


I

43

&

-§

K 1

"N

> ^^ 1

1 X

to

§:

o

+

N

>

>.

^

1

>^

X

I

§:

fC^

^

>-.

X

1

1 X to

> o

O

+

+

.|(N

I

1

1

^

> to

X

1

o

+

-|(N

S

S^

OH

§:

^

^

•8

'a 61)

13 VH

c

43

c^o

0> 4^ J2

S ^'^ 5 ^

V V

^" t*ro to

t^ ^

O CO

^ N q> « C3 o ^ ^ O > S (1)

99

4.4 Praktische Anwendung der Mohr'schen Verformungskreises

4.4 Praktische Anwendung des Mohr'schen Verformungskreises Fiir Festigkeitsnachweise ist die Kenntnis des Spannungszustandes an den hochst beanspruchten Stellen eines Bauteils von Interesse. Aufgrund einer kompHzierten Bauteilgeometrie sowie einer mitunter komplexen Beanspruchung durch auBere Krafte oder Momente, konnen die Lastspannungen und damit der Spannungszustand haufig nur mit einem sehr hohen Berechnungsaufwand ermittelt werden. Zur Losung des Problems werden im Rahmen einer experimentellen Spannungsanalyse an der hochst beanspruchten Stelle der Bauteiloberflache Dehnungsmessstreifen (DMS) appliziert, um den Verformungszustand zu ermitteln. Bei bekanntem Verformungszustand kann dann der Spannungszustand ermittelt und ein Festigkeitsnachweis gefiihrt werden (Bild 4.10). Entsprechend den Ausfuhrungen in Kapitel 3 ist der Verformungszustand an einer bestimmten Stelle der Werkstiickoberflache eindeutig gekennzeichnet, falls die VerformungsgroBen (s^ und y^y sowie Sy und /yx) in zwei zueinander senkrechten Bezugsrichtungen bekannt sind (Kapitel 4.3.1). Da Dehnungsmessstreifen allerdings nur Langenanderungen (Dehnungen) nicht jedoch Winkelanderungen (Schiebungen) erfassen konnen, konnen die VerformungsgroBen /^y bzw. /y^ experimentell nicht ermittelt werden. Die Bestimmung des Verformungszustandes ist dennoch moglich, falls die Dehnungen sowie die zugehorigen Richtungswinkel in drei unterschiedlichen Messrichtungen bekannt sind.

hochst beanspruchte Stelle des Bauteils

Dehnungsmessstreifen gemessen:

Spannungen Hooke'sches Gesetz

Bild 4.10 Prinzip der experimentellen Spannungsanalyse mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen (schematisch)

Die Vorgehensweise zur graphischen und rechnerischen Ermittlung des Mohr'schen Verformungskreises soil, ausgehend von drei experimentell ermittelten Dehnungen, nachfolgend erlautert werden. ZweckmaBigerweise wird dabei unterschieden, ob die Dehnungsmessstreifen einen Winkel von jeweils 45° (0°-45°-90° DMS-Rosette) oder aber beliebige Winkel zueinander einschlieBen (allgemeiner Fall).

4.4.1 Auswertung dreier beliebig orientierter Dehnungsmessstreifen An der Oberflache eines Bauteils seien die Dehnungen in drei unterschiedliche Richtungen (6A, SB und £c) gegeben. Die Messrichtungen schlieBen zur x-Richtung die Winkel a, J3 und / ein (Bild 4.1 la). Die Auswertung soil graphisch und rechnerisch erfolgen. Graphisches Auswerteverfahren Zur graphischen Bestimmung der Lage des Mohr'schen Verformungskreises aus den drei bekannten Dehnungen sowie der relativen Lage der Messrichtungen zueinander, zeichnet man zunachst die zueinander und zur y I 2-Achse parallelen Geraden (gA, gB und gc) im Abstand £A, ^B und £c von der Ordinate (Bild 4.1 lb).

100

4 Verformungszustand

Auf einer der drei Geraden (z. B. ge) markiert man an einer beliebiger Stelle einen Bezugspunkt P. Ausgehend vom Bezugspunkt P tragt man in der dargestellten Weise die Richtungswinkel (hier: y/p, und y/o) zu den beiden iibrigen Messrichtungen (hier: A- und C-Richtung) ab. Der Drehsinn muss dabei dem Lageplan entsprechen. Die Drehwinkel diirfen auBerdem nicht ver- a) doppelt werden. Die Richtungsgeraden TA und TQ schneiden die Geraden gA und gc in den Punkten PA und Pc- Die Punkte PA und Pc reprasentieren bereits die VerformungsgroBen in A- und C-Richtung. Da die Punkte P, PA und PQ auf dem Mohr'schen Verformungskreis liegen, erhalt man dessen Mittelpunkt M als Schnittpunkt der Mittelsenkrechten. Die Lage der sAchse ergibt sich als Senkrechte zur y I 2-Achse durch M und der Mohr'sche Verformungskreis als Kreis um M durch die Punkte PA, PC oder P. Die VerformungsgroBen in B-Richtung werden durch den Bildpunkt PB reprasentiert. Man erhalt ihn als zweiten Schnittpunkt der Geraden ge mit dem Verformungskreis. Die VerformungsgroBen in beliebiger Richtung cp erhalt man, indem man den doppelten Richtungswinkel (p, ausgehend von einer bekannten Messrichtung (hier: A), mit im Vergleich zum Lageplan gleichem Drehsinn abtragt (Bild 4.11a und Bild 4.12). Die Koordinaten s^ und y^l des Punktes P(p kennzeichnen dann die VerformungsgroBen in (pRichtung (Bild 4.12).

b)

Bild 4.11 Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises aus drei behebig orientierten Dehnungsmessstreifen

Zur Priifung der Richtigkeit des Mohr'schen Verformungskreises miissen Betrag und Richtungssinn der Winkel zwischen den Messrichtungen im Lageplan und der (verdoppelten) Winkellage im Verformungskreis iibereinstimmen. Rechnerisches Auswerteverfahren 1st der Verformungszustand {s^^, Sy und y^y) in einem Punkt eines Bauteils bekannt, dann kann mit Hilfe von Gleichung 4.14 die Dehnung in beliebige Bauteilrichtungen (p ermittelt werden. Sind umgekehrt die Richtungswinkel (a, /?, y) und die zugehorigen Dehnungen (^x, ^B, ^C) bekannt, dann erhalt man durch Anwendung von Gleichung 4.14 ein lineares Bild 4.12 Ermittlung der VerformungsgroBen fiir eine behebige Gleichungssystem mit drei Gleichungen fiir die drei Schnittrichtung cp unbekannten GroBen (^^ , Sy und y^y), Bild 4-13:

101

4.4 Praktische Anwendung der Mohr'schen Verformungskreises

(4.32)

Losen des Gleichungssystems liefert die gesuchten VerformungsgroBen (s^, Sy und /xy) und damit den Mohr'schen Verformungskreis. Eine allgemeine Losung soil hier nicht angegeben, sondem stattdessen auf die Aufgaben 4.3 und 4.4 verwiesen werden.

4.4.2 Auswertung einer 0^-45^-90^ DMS-Rosette In der Praxis werden im Rahmen experimenteller Spannungsanalysen haufig handelsiibliche 0°45°-90° DMS-Rosetten verwendet. Ftir diese besonderen Winkel zwischen den Messrichtungen kann der Mohr'sche Verformungskreis auf sehr einfache Weise ermittelt werden. Wie Bild 4.14 zeigt, nutzt man die Tatsache, dass die grau markierten Dreiecke kongruent und rechtwinkelig sind. Damit erhalt man ftir die Lage SM des Mittelpunktes M(Bezeichnungen siehe Bild 4.14):

ill

iMiBii

: 5-71/2 < 0

Bild 4.13 Rechnerische Auswertung dreier beliebig orientierter Dehnungsmessstreifen

(4.33) OMS"-90° DMS-Rosette

und ftir den Radius R durch Anwendung des Satzes von Pythagoras:

ililB^^^^

112.

(4.34) \PA

Ac/2Bei der Konstruktion des Mohr'schen Verformungskreises ist auch hier zu beachten, dass Betrag und Richtungsinn der Winkel zwischen den Messrichtungen im Lageplan und der (verdoppelten) Winkellage im Verformungskreis iibereinstimmen mtissen. Aufgabe 4.2 gibt ein Beispiel fiir die Anwendung des genannten Verfahrens.

kc 11

PCAT"

9y-

1

'

* ^

^p i

CM

ekl

e

•Y(:A/2

BiW 4.14 Anwendung des Mohr'schen Verformungskreises ftir eine 0°-45°90° DMS-Rosette

102

4 Verformungszustand

4.5 Grundlagen der Dehnungsmesstechnik Technische Bauteile unterliegen haufig komplexen und zum Teil unbekannten Beanspruchungen. Sie sind dementsprechend schwierig zu berechnen. Es ist daher zweckmaBig, den Verformungszustand experimentell zu ermitteln und mit Hilfe der gemessenen VerformungsgroBen sowie der elastischen Kennwerte auf den Spannungszustand und damit auf die auBeren Beanspruchungen zu schlieBen (siehe auch Ubungsaufgaben). Zur Ermittlung der VerformungsgroBen (wie z. B. die Dehnung £) stehen unterschiedliche Messverfahren zur Verfugung. Weit verbreitet und in der Anwendung vergleichsweise einfach sind technische Dehnungsmessstreifen (kurz DMS). Ein weite Verbreitung fmden Folien-Dehnungsmessstreifen. Sie bestehen aus einem diinnen Draht, der in der Regel in eine Tragerfolie aus Kunststoff eingebettet ist. Um bei kleiner BaugroBe eine ausreichende EmpfmdHchkeit zu erreichen, ist der Messdraht maanderformig angeordnet und erreicht dadurch eine groBe Leiterlange (Bild 4.15). Als Leiterwerkstoff dient meist Konstantan (60% Cu, 40% Ni) oder eine Cr-Ni-Legierung mit 80% Cr, 20%o Ni. Am Ende der Messdrahte befmden sich elektrische Kontakte zum Anschluss eines Messgerates. Der Dehnungsmessstreifen wird auf die vorbereitete Bauteiloberflache aufgeklebt (Folien-Dehnungsmessstreifen), bei hoheren Betriebstemperaturen auch aufgeschweiBt. Die Langsrichtung des Messgitters entspricht dabei der Messrichtung. Hinsichtlich der unterschiedlichen Messaufgaben (Zug-, Druck-, Biege-, Torsions- oder Schubbeanspruchung) unterscheidet man verschiedene DMS-Formen. Erfahrt die Bauteiloberflache unter dem Dehnungsmessstreifen eine Langenanderung (0,1 jim ... 1 ^m), dann andert sich auch die Lange des Messdrahtes und damit wegen R=p

I

Bild 4.15 Folien-DMS Foto: Fa. HBM, Darmstadt

(4.35)

auch sein elektrischer Widerstand R (p= spezifischer elektrischer Widerstand, / = Drahtlange, A = Querschnittsflache des Drahtes). Die Zuordnung der Widerstandsanderung AR zur Dehnung s erfolgt durch den A:-Faktor (Herstellerangabe). Es gilt: A^ •= R

k'£

(4.36)

Der A:-Faktor eines Dehnungsmessstreifens, seine Empfmdlichkeit also, betragt in der Regel um 2,0. Die Messung der Widerstandsanderung A/? erfolgt mit Hilfe einer Wheatstone'schen Briickenschaltung (Bild 4.16). Aus der Elektrotechnik ist bekannt, dass die Brucke abgeglichen d. h. die Ausgangsspannung Null ist, falls gilt:

Bild 4.16 Wheatstone'sche Bruckenschaltung L^m =^ Messspannung L^s = Speisespannung

103

4.5 Grundlagen der Dehnungsmesstechnik

(4.37) /V9

ivi

Andem sich die Widerstande der Brucke, dann gilt fur die Messspannung [/„ (Bruckenverstimmung): C/n

A/?i

C/Q

Mj

Mj

M4

R^

R-,

R.4

(4.38) ;

Zwischen Messspannung [/„,, Speisespannung Us und den Dehnungen £1 bis £4 an den jeweiligen Messstellen ergibt sicli dann der folgende Zusammenhang (baugleiche Dehnungsmessstreifen vorausgesetzt):

Us

Zusammenhang zwischen Mess- und Speisespannung sowie den Dehnungen bei einer Vollbruckenschaltung

4

(4.39)

Fiir eine Viertelbriicke folgt insbesondere wegen £2 = £3 = £4 = 0. U

k

J/s

4

'

Zusammenhang zwischen Mess- und Speisespannung sowie der Dehnung bei einer Viertelbruckenschaltung

In Abhangigkeit der Anzahl eingesetzter Dehnungsmessstreifen sind die in Tabelle 4.2 zusammengestellten Bezeichnungen fiir die Bruckenschaltungen gebrauchlich. Die VoUbrticke sollte dabei bevorzugt angestrebt werden. Dehnungen eines Bauteils konnen nicht nur durch mechanische Spannungen sondem auch durch Temperaturanderungen hervorgerufen werden. Andert sich die Temperatur wahrend der Messung, dann ist eine eindeutige Zuordnung des Messsignals zur mechanischen Beanspruchung nicht moglich. Dieser Effekt ist beispielsweise bei Langzeitmessungen, oder falls Temperaturanderungen wahrend der Messung auftreten, unerwiinscht. Um den Temperatureinfluss zu kompensieren, wird ein passiver Dehnungsmessstreifen auf einem unbelasteten Vergleichsstuck aus einem dem Bauteil entsprechenden Werkstoff appliziert und entsprechend Bild 4.17 in die Messbrucke geschaltet.

M 4Q\

Tabelle 4.2 Bezeichnung von Bruckenschaltungen Anzahl aktiver DMS

Anzahl Erganzungswiderstande

Bezeichnung derBriickenschaltung

1

3

Viertelbriicke

2

2

Halbbriicke

4

0

VoUbriicke passiver DMS

aktiver DMS

Vergleichsstuck (unbelastet)

Messgerat

Bild 4.17 Versuchsanordnung zur Kompensation von Temperaturanderungen

104

4 Verformungszustand

Aus Gleichung 4.39 folgt mit ^3 = £4 = 0 fur die Messspannung U^v ^ = -M-S2) C/s 4

(4.41)

Fur die Dehnung Sx (aktiver DMS am Bauteil) und £2 (passiver DMS) und gilt: ^1 ~ ^Temp "*• ^Last

(4.42)

^2 ^ ^Temp

Eingesetzt in Gleichung 4.42 folgt: 7 7 ^ " 7 * Wemp + ^Last " <^Temp j = T ' "^Last (7s 4 4

(4-43)

Gleichung 4.43 zeigt also, dass die Messspannung (7^ b^i Verwendung eines passiven Dehnungsmessstreifens und einer Verschaltung entsprechend Bild 4.17 von der Temperatur bzw. von Temperaturanderungen unabhangig ist.

105

4.6 Ubungsaufgaben

4.6 Ubungsaufgaben A^fgabe 4.1 Eine Rechteckscheibe (a= \0 mm; b = S mm) aus dem Vergutungsstahl 42CrMo4 wird in der dargestellten Weise elastisch verformt (a' = 10,02 mm; i ' = 8,01 mm; a = 89,75°). Yi 1

_jfi»X>^—.-,

y^

1i

^ -Q

>^1^ verformt

JUst^unverformt

/ ^ (x\

a a'

\ ^ X

a) Berechnen Sie die Dehnungen £^ und Sy in x- und y-Richtung sowie die Schiebung y^y. b) Ermitteln Sie die Dehnung e^' = £^ sowie die Schiebung y^y =y^^ fur ein um den Winkel cp = 30° gedrehtes, rechteckiges Flachenelement mit der Seitenlange 1 = 5 mm • rechnerisch, • graphisch. c) Berechnen Sie die Lange /' sowie den Winkel S des elastisch verformten, gedrehten Flachenelementes.

Aiifgabe 4,2 Zur experimentellen Spannungsanalyse an Gashochdruckleitungen sollen die in der Abbildung dargestellten Messelemente eingesetzt werden.

AnsichtZ

Am Messelement wurde eine 0°-45°-90° DMSRosette appliziert. Infolge einer Fertigungsungenauigkeit bei der Applikation schlieBt die A-Richtung der DMS-Rosette mit der Rohrachse (x-Richtung) einen Winkel von 8° ein. Nach Aufbringung des Innendrucks werden die folgenden Dehnungen gemessen:

0M5°-90° DMS-Rosette

£A = 0,862 %o £B = 0,224 %o 6c = 0,472 %o a) Skizzieren Sie den Mohr'schen Verformungskreis und ermitteln Sie die Dehnungen in X- und}^-Richtung (s^ und £y) sowie die Schiebung y^y. b) Ermitteln Sie die Hauptdehnungen %! und £m in der x-y-Ebene sowie die Winkel cpi und (pi zwischen der x-Richtung und den Hauptdehnungsrichtungen.

106

4 Verformungszustand

Aufgabe 43 Im Rahmen einer experimentellen Spannungsanalyse wird an einer Stahlplatte eine 0°-120°240° DMS-Rosette in der dargestellten Weise (siehe Abbildung) appliziert. Unter Betriebsbeanspruchung werden die folgenden Dehnungen gemessen: £A = 0,0146 %o ^B = 1,6230 %o 6c = 0,2619 %o

0°-120°-240° DMS-Rosette

a) Zeichnen Sie maBstablich den Mohr'schen Verformungskreis und ermitteln Sie graphisch die Dehnungen in x- und j^-Richtung ( ^ und Sy) sowie die Schiebung y^y. b) Bestimmen Sie graphisch die Hauptdehnungen ^HI und Sm in der x-y-Ebene. Unter welchen Winkeln (p\ und ^ zur x-Richtung wirken sie ? c) Ermitteln Sie rechnerisch: • die Dehnungen s^ und Sy in x- und y-Richtung sowie die Schiebung ^xy • die Hauptdehnungen £HI und Sm in der x-y-Ebene sowie die Winkel (p\ und cpi zwischen der x-Richtung und den Hauptdehnungsrichtungen.

Aufgabe 44 Zur Ermittlung des Verformungszustandes {e^, £y und ;rxy) eines durch Innendruck beanspruchten Behalters, werden an dessen AuBenoberflache drei Dehnungsmessstreifen in der dargestellten Weise appliziert. Unter Belastung werden die folgenden Dehnungen gemessen: £A = 3,665 %o £B = 1,500 %o 6c = -0,415 %o a) Zeichnen Sie maBstablich den Mohr'schen Verformungskreis und ermitteln Sie graphisch die Dehnungen in x- und j-Richtung {Sy^ und £^ sowie die Schiebung Xxy b) Bestimmen Sie graphisch die Hauptdehnungen in der x-y-Ebene. Unter welchen Winkeln (p\ und (f>i zur x-Richtung wirken die Hauptdehnungen ? c) Ermitteln Sie rechnerisch', • die Dehnungen Sy, und Sy in x- und y-Richtung sowie die Schiebung y^^y. • die Hauptdehnungen s^x und e^i in der x-y-Ebene sowie die Winkel (p\ und ^ zwischen der x-Richtung und den Hauptdehnungsrichtungen.

107

Mechanische Spannungen bewirken in einem deformierbaren Festkorper Formanderungen, die sich durch Langen- und/oder Winkelanderungen auBem konnen. Der Zusammenhang zwischen Spannungen und Formanderungen wird durch Stoffgesetze beschrieben. Die bereits in Kapitel 2.1.2 besprochenen Spannungs-Dehnungs-Diagramme charakterisieren das Werkstoffverhalten unter (einachsiger) Zugbeanspruchung. Prinzipiell unterscheidet man: • • • •

linear-elastisches WerkstoffVerhalten wie z. B. keramische Werkstoffe (Kurve 1 in Bild 5.1) nicht linear-elastisches WerkstoffVerhalten wie z. B. Grauguss (Kurve 2 in Bild 5.1) linear-elastisch plastisches Werkstoffverhalten wie z. B. viele Stable (Kurve 3 in Bild 5.1) nicht linear-elastisch plastisches Werkstoffverhalten wie z. B. Reinaluminium (Kurve 4 in Bild 5.1)

Ftir einen Festigkeitsnachweis an Bauteilen aus (duktilen) metallischen Werkstoffen ist als Grenzwert ftir die Beanspruchbarkeit in der Regel die Streck- bzw. Dehngrenze maBgebend. Werden Bauteile uber diese Grenze hinaus beansprucht, dann treten plastische Verformungen auf, die in der Regel die Funktionsfahigkeit der Bauteile beeintrachtigen. Ftir die nachfolgenden Ausftihrungen soil ein linear-elastisches WerkstoffVerhalten vorausgesetzt werden. Das linear-elastische WerkstoffVerhalten ist durch eine Proportionalitat zwischen Spannungen crbzw. rund Verformungen ^bzw. /gekennzeichnet ( c r - ^ b z w . r - / ).

Dehnunq s Bild 5.1 Spannungs-Dehnungs-Verhalten verschiedener Werkstoffgruppen

5.1 Formanderungen durch einachsige Normalspannung Unter einachsiger Beanspruchung durch eine Normalspannung (z. B. OHI ^ 0 und am "= o-m "^ 0) erfahrt ein elastisch beanspruchter Festkorper eine Langs- und eine Querverformung (Bild 5.2). Der Zusammenhang zwischen Normalspannung crund Dehnung ^ wird durch das Hooke'sche Gesetz beschrieben (Kapitel 2.1.4.1).

I

'•o

/n

l^

cx = E-s = E h-k

A/

k

(5.1)

Bild 5.2 Formandemng durch einachsige Normalspannung

Hooke'sches Gesetz fur Normalspannungen (einachsiger Spannungszustand) Der Proportionalitatsfaktor E heiBt Elastizitatsmodul oder kurz E-Modul (Kapitel 2.1.4.1).

108

5 Elastizitatsgesetze

Zwischen Langsdehnung (^i = e) und Querdehnung (6^,) gilt das Poisson'sche Gesetz (Kapitel 2.1.4.3): ^q = - / / • £i md s^ = --^ dQ

=

Poisson'sches Gesetz

(5.2)

dg

Der Proportionalitatsfaktor ju wird als Querkontraktionszahl bezeichnet.

5.2 Formanderung durch Schubspannungen Unter einer Schubbeanspruchung erfahrt ein elastisch beanspruchter Festkorper eine Winkelveranderung (Bild 5.3). Zwischen Schubspannung rund Schiebung (Winkelverzerrung) ;;^gilt bei elastischer Beanspruchung eines Festkorpers das Hooke'sche Gesetz fiir Schubbeanspruchung (Kapitel 2.4.3): llpllljpl^^^^

Hooke'sches Gesetz fiir Schubbean- r^ 2) spruchung

Der Proportionalitatsfaktor G heifit Schubmodul. Zwischen den drei elastischen GroBen E, G und ft gilt fur elastisch beanspruchte, isotrope Werkstoffe der Zusammenhang (siehe auch Gleichung 2.45): ^ E ^=W ..\ 2 (,l +. /i)

Zusammenhang zwischen den elastischen Werkstoffkonstanten E, Gundju

.. .. ^^ ^>

y=a-nl2 Bild5.3 Formanderung durch Schubspannungen

5.3 Formanderungen beim allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand Das Hooke'sche Gesetz entsprechend Gleichung 5.1 gilt nur bei einachsiger Beanspruchung durch Normalspannungen. Betrachtet man einen allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand, so lassen sich unter der Voraussetzung eines linear-elastischen WerkstoffVerhaltens Beziehungen zwischen den Spannungen und Dehnungen herleiten (verallgemeinertes Hooke^sches Gesetz). Zur Ermittlung der entsprechenden Beziehungen zwischen den Normalspannungen und den Dehnungen betrachtet man das Verformungsverhalten eines elastisch beanspruchten wiirfelformigen Volumenelementes, welches nacheinander durch die Normalspannungen a^, cTy und (Jz beansprucht wird (Bild 5.4). Es wird ein isotroper Werkstoff vorausgesetzt, d. h. die Betrage der elastischen Konstanten E, G und ju sind richtungsunabhangig. Verformungen infolge Beanspruchung durch CTX (Bild 5.4a): ^xl=^ E

(5.5)

E

109

5.3 Formanderungen beim allgemeinen Spannungszustand Verformungen infolge Beanspruchung durch ay (Bild 5.4b): Sy2=^ y E

a) Beanspruchung nur durch QX Zi

(5.8)

^x2 - ~/^ ' ^y2 - ~/^ '

E

(5.9) b) Beanspruchung nur durch Cy

^z2 - -M ' ^y2

-JU-

(5.10)

Verformungen infolge Beanspruchung durch a^ (Bild 5.4c): ZJ

^

(5.11)

%3

-M-^z3=-M'

(5.12)

^y3

-M'^z3=-M'-

(5.13)

Wird das Volumenelement durch alle drei Normalspannungen gleichzeitig beansprucht (Bild 5.5), dann erhalt man die Gesamtdehnung durch lineare Superposition. Fiir die Gesamtdehnung in x-Richtung folgt beispielsweise:

c) Beanspruchung nur durch az

Bild 5.4 Elastisch beanspruchtes Volumenelement

^x ^ ^xl + ^x2 + ^x3

Auf analoge Weise erhalt man auch die Gesamtdehnungen in y- und z-Richtung. Insgesamt lautet also das Hooke'sche Gesetz fiir den allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand in Dehnungen ausgedriickt: ^ = JL. U ^ » L 4 cr» )] Hooke'sches Gesetz X ^ L X A*\ y ^/i fiir Normalspannungen (nach den . Dehnungen aufge£y= — [(Ty- /d{cr^ + <5-x ) J lost) fur den allgeE meinen (dreiachsigen) Spannungszustand ^z=Tr*h-~/^trx+<>*y)l ^

(5.14)

Bild 5.5 veranschaulicht die Formanderung eines elastisch beanspruchten Festkorpers unter der Wirkung eines allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustandes.

Yxy=a-7i;/2

Yxz = P-7l/2 Yyz = 5-7l/2

Bild 5.5 Formanderung beim allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand

110

5 Elastizitatsgesetze

Lost man die Gleichungen 5.14 nach den Spannungen auf, dann erhalt man das verallgemeinerte Hooke'sche Gesetz in Spannungen ausgedriickt:

"X -

ay-

rr ^

1 + /^

g^ ^,^Jt \-2fi

\g^ ^g^

^^z]

E ^

E \'¥fd

1-2/1 ^ ^X ' ^'y

' ^z

Hooke'sches Gesetz fur Normalspannungen (nach den Spannungen aufgelost) fiir den allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand

(5.15)

•4--k+%+^2) ^^*JIy,'\^^^^y^^^

Bei linear-elastischem WerkstoffVerhalten und unter der Voraussetzung eines isotropen Werkstoffs besitzen die Normalspannungen (CTX, cjy und a^ keinen Einfluss auf die Schiebungen (Xxy? /xz und Xyz)- Umgekehit konnen Schubspannungen (rxy, r^^ und ryz) keine Dehnungen (6;^, Sy und £j) hervorrufen. Das Hooke'sche Gesetz fur Schubbeanspruchung kann also unabhangig vom Hooke'schen Gesetz fiir Normalspannungen (Gleichung 5.14 bzw. 5.15) angewandt werden. Man erhalt dementsprechend: xy

% = " G f x y b ^ * rxy= Q

^m=G^r^

bzw. Xx

^yz^G'Tyz

bzw,

',1M.

Tyz^^

Hooke'sches Gesetz fiir Schubbeanspruchung fiir den allgemeinen (dreiachsigen) Spannungszustand

(5.16)

111

5.4 Formanderungen beim ebenen Spannungszustand

5.4 Formanderungen beim ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand Aus dem verallgemeinerten Hooke'schen Gesetz fiir den dreiachsigen Spannungszustand (Gleichungen 5.14 bis 5.16) lassen sich die entsprechenden Beziehungen fiir den ebenen Spannungszustand (Bild 5.6) unter Beriicksichtigung von a^ = TXZ = ry^ = 0 ableiten:

Hooke'sches Gesetz fiir Normalspannungen (nach den Dehnungen aufgelost) fiir den ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand

(5.17)

^-fk. bzw. nach den Spannungen aufgelost: (Tv =

1-// E cry =

l-JU

Hooke'sches Gesetz fiir Normalspannungen (nach den Spannungen aufgelost) fiir den ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand

( Wy+P^x

(5.18)

a,=0 Bild 5.6 veranschaulicht die Formanderung eines elastisch beanspruchten Festkorpers unter der Wirkung eines ebenen (zweiachsigen) Spannungszustandes. Das Hooke'sche Gesetz fiir Schubbeanspruchung ergibt sich fiir den zweiachsigen Spannungszustand aus Gleichung 5.16:

y

1V iXxy C7>

ff

M

Tyx

% = < ^ r x y ^^^

_ ^xy

rxy =

(5.19)

L

X

Hooli^e'sclies Gesetz fiir Schubspannungen fiir den ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand Die Gleichungen 5.17 bis 5.19 besitzen fur praktische Anwendungen eine besonders grofie Bedeutung, da ein zweiachsiger Spannungszustand unter anderem an lastfi-eien Oberflachen vorliegt und insbesondere diese Stellen haufig hochst beansprucht sind (z. B. durch Biege- Oder Torsionsbeanspruchung). Bauteiloberflachen sind auBerdem einer experimentellen Spannungsanalyse (Kapitel 4.4) zuganglich.

C3x

yxy = a-7r/2

Bild 5.6 Formanderung beim ebenen (zweiachsigen) Spannungszustand

112

5 Elastizitatsgesetze

5.5 Ubungsaufgaben Aufgabe 5 J Eine rechteckige Scheibe aus unlegiertem Baustahl (J^ = 210 000 N/mm^;// = 0,30) mit den Seitenlangen a = 210 mm, b= 125 mm und einer Dicke t = 6 mm wird durch die unbekannten Krafte F^ und Fy statisch belastet (siehe Abbildung). Zwei an der Oberflache der Scheibe applizierte Dehnungsmessstreifen liefem die folgenden Werte:

jFy

y, Y

m

-1---. ._iL._l »i-ex

CM

II -Q

DMSA: £;, = 0,743 %o DMSB: 6^ = 0,124 %o

^

.^Tfe /

0°-90° /

F.

1

DMS-Rosette 1 a = 210

a) Berechnen Sie aus den gemessenen Dehnungen die unbekannten Krafte F^ und Fy. b) Skizzieren Sie den Mohr'schen Spannungskreis fur die x-y-Ebene. Ermitteln Sie auBerdem die Normal- und Schubspannungen in den beiden diagonalen Schnittflachen der Scheibe.

Aufgabe 5.2 Eine Scheibe aus Werkstoff 22NiMoCr3-7 mit einer Dicke von 20 mm wird durch die unbekannten Krafte F^ und Fy statisch beansprucht. Zur Spannungsermittlung wurde eine 0°90° DMS-Rosette appliziert. Die Messrichtung von DMS A schlieBt dabei mit der x-Achse einen Winkel von a = 15° ein (siehe Abbildung). Unter Belastung werden die folgenden Dehnungen gemessen: DMSA: £A= 0,275 %O DMSB: 6B = -0,530 %o Werkstoffkennwerte 15MnNi6-3: R, =400N/mm^ Rm = 580 N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju =0,30 a) Skizzieren Sie den Mohr'schen Verformungskreis und berechnen Sie seinen Mittelpunkt (6M) nnd Radius (R). b) Berechnen Sie die unbekannten Krafte F^ und Fy.

113

5.5 Ubungsaufgaben

Attfgabe 53 Ein scheibenformiges Bauteil aus der legierten Einsatzstahlsorte 15MnNi6-3 wird im Betrieb einer statischen Beanspruchung unterworfen. Es herrscht ein ebener Spannungszustand. Werkstoffkennwerte 15MnNi6-3: R, =430N/mm^ Rm = 660 N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju =0,30

y, m

i1

^

1

>

l u i f c lliiiliiffl

L2

mg : | f l ^ S f 1 :a • ••f:>'•«;:'''~:"1

Cfx

fxxy

/ 0°-45°-90° DMS-Rosette J

Mit Hilfe einer 0°-45°-90° DMS-Rosette werden bei einer unbekannten Belastung die folgenden Dehnungen gemessen: DMSA: £A= 0,702 %O DMSB: ^B = -0,012 %o DMSC: ^c ^-0,364 %o Errechnen Sie die an der Scheibe angreifenden Spannungen a^, ay sowie r^y.

Attfgabe 5,4 An der Oberflache einer Stahlplatte (E = 210000 N/mm^; ju = 0,30) wurde eine 0°-45°-90° DMS-Rosette appliziert, die mit der x-Richtung einen Winkel von 22° einschlieBt (siehe Abbildung). Unter Belastung wurden die folgenden Dehnungen gemessen: DMSA: £A --0,251 %o DMSB: SB =-0,410 %O DMS C: £c = 0,368 %o

0°-45°-90° DMS-Rosette

a) Ermitteln Sie die Dehnungen s^ und £^ in x- und y-Richtung sowie die Schiebung y^y. b) Berechnen Sie die Hauptdehnungen ^-HI und Sm- Unter welchen Winkeln ^ u n d cpz (zur xRichtung gemessen) wirken die Hauptdehnungen ? c) Berechnen Sie die Hauptnormalspannungen OHI und OHI in der x-y-Ebene.

114

5 Elastizitatsgesetze

Aufgabe 5.5 Eine Stahlplatte aus Werkstoff S275J0 (Dicke / = 15 mm) wird durch die unbekannten Krafte F^ und Fy belastet (siehe Abbildung). Zur Ermittlung der Krafte wird eine 0°-45°-90° DMS-Rosette in der skizzierten Weise auf der Oberflache appliziert. Werkstoffkennwerte S275J0: R^ = 275N/mm^ Rpo,2 = 520 N/mm^ E = 205000 N/mm^ ju = 0,30 a) Berechnen Sie die unbekannten Krafte F^ und Fy ftir eine Dehnungsanzeige von: DMSA: £A= 0,7551 %o DMSB: £ B = 0 , 7 1 6 0 % O DMS C: ^ = 0,2693 %o b) Berechnen Sie die Dehnungen SA, £B und 6c ftir F^ = Fy = 500 kN. c) Ermitteln Sie die Dickenanderung At der Stahlplatte aufgrund der Beanspruchung gemaB Aufgabenteil b (F^ = Fy = 500 kN).

Aufgabe 5*6 Eine einseitig eingespannte Platte aus der Aluminium-Legierung EN AW-AlCuMgl (Rpo,2 = 250 N/mm^; R^ = 380 N/mm^; F =72000 N/mm^; ju = 0,33) mit der Lange / = 650 mm, der Breite b = 150 mm und der Dicke ^ = 5 mm wird in Langsrichtung durch die Kraft F = 112,5 kN belastet (siehe Abbildung).

r-^-

-^

KN

a) Berechnen Sie die Langenanderung A/ der Platte in x-Richtung. b) Ermitteln Sie die Verlangerung A/* der Platte in x-Richtung ftir den Fall, dass die Langskanten so geftihrt werden, dass die Breite b konstant bleibt.

115

5.5 Ubungsaufgaben

Aiifgabe 5.7 Ein Blechstreifen aus unlegiertem Baustahl (E - 210000 N/mm^; // = 0,30) besitzt eine Dicke von s-2'S mm und eine Breite von Z? = 80 mm (siehe Abbildung). Der Blechstreifen kann sich in xund z-Richtung reibungsfrei verformen, wird aber zwischen zwei starren Flatten so gefuhrt, dass eine Verformung in yRichtung nicht moglich ist.

'A^n^vm'////////////////. Blechstreifan Dickas

z^

^tarre

P\m///////////////A

Berechnen Sie die Spannungen in x- und y-Richtung {a^^ und CTy) sowie die Dehnungen in xund z-Richtung (6^ und s^, falls der Blechstreifen mit einer Zugkraft von F = 420 kN in xRichtung belastet wird.

Anfgabe 5*8 Auf einem polierten Rundstab aus einer Kupfer-Zinn-Legierung mit dem Durchmesser d = 50,00 mm gleitet ein Ring mit dem Innendurchmesser di = 50,015 mm. Der Stab ist durch die axiale Druckkraft F belastet.

Ring polierter Stab

Werkstoffkennwerte der Kupfer-Zinn-Legierung: R, = 250 N/mm^ Rm = 450 N/mm^ E =116000 N/mm^ ju =0,35 Berechnen Sie die Druckkraft F die gerade zu einer Blockierung der Gleitbewegung des Ringes ftihrt.

116

6 Festigkeitshypothesen Bauteile, die einer einachsigen Zugbeanspruchung unterliegen, versagen unter statischer Beanspruchung, falls die wirkende Spannung im Bauteil die Streck- bzw. Dehngrenze (FlieBen) Oder die Zugfestigkeit (Bruch) erreicht (Kapitel 2.1). Reale Bauteile unterliegen bei Betriebsbeanspruchung meist einem mehrachsigen Spannungszustand (z. B. Biegung mit iiberlagerter Torsion oder mehrachsige Zug- bzw. Druckbeanspruchung). Es stellt sich dabei die Frage, welche der Beanspruchungen bzw. in welcher Kombination die wirkenden Beanspruchungen zu einem Versagen des Bauteils flihren. Eine Versuchsanordnung die es erlaubt, diese Frage allgemein zu beantworten gibt es nicht. Zur Losung des Problems wurden verschiedene Festigkeitshypothesen entwickelt. Eine Festigkeitshypothese ist eine Ubertragungsfunktion (Berechnungsvorschrift), mit deren Hilfe ein mehrachsiger Spannungszustand in einen aquivalenten einachsigen Spannungszustand (ov) iiberfuhrt werden kann (Bild 6.1). Die mit Hilfe einer Festigkeitshypothese berechnete fiktiv einachsige Spannung Oy kann dann, analog zum Zugstab, mit den im einachsigen Zugversuch ermittelten Werkstoffkennwerten {R^ bzw. i?po,2 und i?m) verglichen werden (Bild 6.1). Man nennt sie dementsprechend Vergleichsspannung

Vergleichsspannung Die Vergleichsspannung ov ist eine Rechengrofie die es erlaubt, auf Basis von Festigkeitshypothesen, mehrachsige Spannungszustande auf eine werkstoffmechanisch aquivalente, einachsige Normalspannung umzurechnen. Ftir Festigkeitsnachweise kann die Vergleichsspannung dann wie eine einachsige Zug- oder Druckspannung behandelt werden. Die Vergleichsspannung reprasentiert also den Gesamtspannungszustand und erlaubt daher einen unmittelbaren Vergleich mit den einachsig ermittelten Kennwerten des Zugversuchs.

(OV).

Spannungszustand

einachsiger Spannungszustand

Bild 6.1 Festigkeitsnachweis mehrachsig beanspruchter Bauteile mit Hilfe einer Festigkeitshypothese

6 Festigkeitshypothesen

117

Damit kein Versagen des Bauteils eintritt, muss gelten: ay < (J^ul

mit

Festigkeitsbedingung mehrachsig beanspruchter Bauteile

(T^ui = —^ Oder ^ ' Op

bzw. cr^ui = —^

(6.1)

(FlieBen)

op

(Bruch).

Zur Ermittlung der Vergleichsspannung av geht man zweckmaBgierweise wie folgt vor (siehe auch Ubungsaufgaben in Kapitel 6.5): 1. Berechnung der Lastspannungen (a^, Oy, a^, r^y, T^^ und ryz) im x-y-z-Koordinatensystem aus der auBeren Belastung (z. B. Zugkraft F, Biegemoment Mb, Torsionsmoment Mt oder Innendruck/>i). 2. Berechnung der Hauptnormalspannungen (OHI, crm und C7H3 ) aus den Lastspannungen (CTX, CTy, (Tz, Txy, Txz und z"yz) beispielsweise mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises. 3. Ordnen der Hauptnormalspannungen nach ihrer algebraischen GroBe, wobei defmitionsgemaB gelten soil (siehe auch Gleichung 3.78): o-i := maxfo-Hb ^m, oks}

(6.2)

03 := min{crHb oki, 0^3}

(6.3)

tTs < 0*2 < CTi

(6.4)

4. Berechnung der Vergleichsspannung av aus den geordneten Hauptnormalspannungen CTI, 02 und 03 mit Hilfe einer geeigneten Festigkeitshypothese (s. u). Mitunter kann die Vergleichsspannung unter Benutzung der entsprechenden Formeln auch direkt aus den Lastspannungen (a^, CTy, (Tz, Txy, Txz und Tyz) ermittelt werden (Kapitel 6.2 bis 6.4). Die Anwendung von Festigkeitshypothesen setzt die Beriicksichtigung des Werkstoffverhaltens voraus. Dementsprechend werden verschiedene Festigkeitshypothesen unterschieden. Fiir praktische Anwendungen wird in der Regel zwischen sproden Werkstoffen bzw. sprodem Werkstoffverhalten und duktilen Werkstoffen unterschieden. Die fiir praktische Berechnungen wichtigsten Festigkeitshypothesen sind: • Normalspannungshypothese (NH) • Schubspannungshypothese (SH) • Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH) Neben den drei genannten Festigkeitshypothesen wurden noch eine Reihe weiterer Hypothesen entwickelt, die jedoch fiir praktische Berechnungen, insbesondere im Bereich des Maschinenbaus, kaum Anwendung fmden und daher nicht besprochen werden soUen.

118

6 Festigkeitshypothesen

6.1 Normalspannungshypothese (NH) Die Anwendung der Normalspannungshypothese (NH), die bereits 1861 von William John Macquorn Rankine (schottischer Ingenieur und Physiker 1820 ... 1872) formuliert wurde und damit die alteste Festigkeitshypothese darstellt, setzt einen sproden Werkstoff (z. B. Grauguss oder keramische Werkstoffe) bzw. sprodes WerkstoffVerhalten (z. B. martensitisch geharteter Stahl) voraus. Zumindest muss jedoch ein eingeschranktes Verformungsvermogen des Werkstoffs vorliegen. Nach der Normalspannungshypothese tritt bei statischer Beanspruchung ein verformungsloser (sproder) Trennbruch ein, sobald die groBte Normalspannung {(j\) die Trennfestigkeit OT, des Werkstoffs erreicht. Die Vergleichsspannung nach der Normalspannungshypothese lautet also (in Hauptnormalspannungen ausgedriickt): (Jy jsjH ^ ^1

Vergleichsspannung nach der NH in Hauptnormalspannungen

(6.5)

Fiir ideal sprode Werkstoffe entspricht die Trennfestigkeit der Zugfestigkeit (OT = i?m)- Die Festigkeitsbedingung nach der Normalspannungshypothese lautet demnach: ^VNH ~ "7r~

(6.6)

Festigkeitsbedingung nach der NH

Fiir die Anwendung der Normalspannungshypothese benotigt man die grofite Normalspannung cTi, die jedoch in der Kegel nicht gegeben ist. Sie muss vor der Anwendung der NH aus den gegebenen Lastspannungen errechnet werden.

6.1.1 Normalspannungshypothese in Lastspannungen fiir den zweiachsigen Spannungszustand Fiir den technisch wichtigen Sonderfall der zweiachsigen Beanspruchung kann die Vergleichsspannung auch direkt in Lastspannungen ((TX, oy und r^y) ausgedriickt werden. Aus dem Mohr'schen Spannungskreis (Bild 6.2) folgt fiir die Hauptnormalspannung (j\ und damit fiir die Vergleichsspannung nach der Normalspannungshypothese (avNH= CTl)*

^mm

<^x^^y

+ r,xy

(6.7)

Txy-

a3/a2^ 1

/ U

dx

^ (5

Vergleichsspannung nach der NH in Lastspannungen bei zweiachsigem Spannungszustand Bei der Anwendung der Normalspannungshypothese ist zu beriicksichtigen, dass nur Zugspannungen einen verformungslosen Trennbruch auslosen konnen. Dementsprechend muss bei der Anwendung von Gleichung 6.5 bzw. 6.7 gelten: CTI > 0 (siehe auch Kapitel 6.1.3).

~Txy "

Bild 6.2 Herleitung von Gleichung 6.7

6.1 Normalspannungshypothese

119

6.1.2 Normalspannungshypothese bei Zug- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion Fur den bedeutsamen Fall einer Zug- bzw. Biegebeanspruchung mit uberlagerter Torsionsoder Abscherbeanspruchung folgt mit a^ = Ob,
6.1.3 Grenzkurve fiir das Werl^stoffversagen nach der NH fiir den zweiachsigen Spannungszustand Unter Zugbeanspruchung versagen sprode Werkstoffe durch Trennbruch. Werden sprode Werkstoffe hingegen auf Druck beansprucht, dann sind aufgrund der ausgepragten ZugDruck-Anisotropic in der Kegel nicht nur deutlich hohere Beanspruchungen ertragbar (odB > Rm), sondem es andert sich auch der Versagensmechanismus (Kapitel 2.2.2.2). Unter Druckbeanspruchung tritt bei sproden Werkstoffen ein xxxvs BruchschubspannungsvvvXI Versagen durch Abscherung ein, zunehmende sobald die maximale SchubspanZugspannung nung einen kritischen Wert, die Bruchschubspannung TB, tiberschreitet. Man beobachtet dann einen Scherbruch bzw. Schiebungsbruch (Kapitel 2.2.2.2). Trennfestigkeit Zwischen der Bruchschubspannung TB und der beim Versagen einachsiger einachsiger wirkenden Normalspannung, al- Druckversuch I Zugversuch so die im einachsigen Druckversuch messbare DruckfestigBild 6.3 WerkstoffVersagen unter einachsiger Zug- bzw. Druckkeit (Ode), besteht der Zusambeanspruchung (Zug- bzw. Druckversuch). menhang oae = 2-TB (Bild 6.3). Bei zweiachsigem Spannungszustand ergibt sich dementsprechend im (THi-OH2-Hauptspannungsdiagramm die in Bild 6.4 dargestellte Grenzkurve fiir das Werkstoffversagen. Sind beide Komponenten Zugbeanspruchungen, dann ist mit einem sproden Trennbruch zu rechnen, sobald eine der beiden Hauptnormalspannungen die Zugfestigkeit (Rm) des Werkstoffs erreicht. Sind hingegen beide Komponenten Druckspannungen, dann ist entsprechend der Schubspannungshypothese (Kapitel 6.2) mit einem Scherbruch zu rechnen, sobald die grofite Hauptnormalspannungsdifferenz die Druckfestigkeit (ode) erreicht.

120

6 Festigkeitshypothesen

Wird das Bauteil durch Zug- und Druck beansprucht, dann kann die Grenzkurve fiir Werkstoffversagen als Gerade zwischen der Druckfestigkeit (adB) und der Zugfestigkeit (Rm) angenommen werden. Hauptnormalspannungen die sich innerhalb des grau markierten Feldes in Bild 6.4 befinden, ftihren nicht zu einem Versagen. Versagenskriterium:

ai=C5Hi

Versagenskriterium: Oj =Rfn —•C3Hl = Rm

ai=GH3 = 0 (^=OH2

Versagenskriterium -^aHi=-adB

Oi=C5H3 = <^=GH2

Versagenskriterium: Cri-<^3=C?dB -^cjH2=-crdB

Bild 6.4 Grenzkurven fur das Versagen sproder Werkstoffe unter Zugrundelegung der Normalspannungshypothese bei zweiachsigem Spannungszustand

6.2 Schubspannungshypothese (SH) Die 1864 von Henri Edouard Tresca (1814 ... 1885) aufgestellte Schubspannungshypothese geht von der Vorstellung aus, dass plastische Formanderungen als Gleitvorgange im Kristallgitter erfolgen und durch Schubspannungen ausgelost werden. Die Anwendung setzt dementsprechend einen duktilen Werkstoff bzw. duktiles WerkstoffVerhalten und damit Versagen durch FlieBen voraus. Die Schubspannungshypothese kann jedoch auch fiir Festigkeitsnachweise bei sproden Werkstoffen unter mehrachsiger Druckbeanspruchung eingesetzt werden, da letztere unter Druckbeanspruchung ebenfalls durch einen Scher- bzw. Schiebungsbruch versagen (Kapitel 6.1.3). Nach der Schubspannungshypothese (SH) ist die groBte im Bauteil auftretende Schubspannung (^max) fiir das Versagen verantwortlich. Der (duktile) Werkstoff versagt somit durch plastisches FlieBen, sobald die groBte Schubspannung rmax die FlieBschubspannung rp erreicht (Bild 6.5a): •CJr.

ai-o-3

^^F

(6.9)

121

6.2 Schubspannungshypothese Die FlieBschubspannung rp kann im einachsigen Zugversuch einfach ermittelt werden. Entsprechend Bild 6.5b gilt der folgende Zusammenhang: R.

g)

x ,,, ^

^\\S\N\\\\\\\N

(6.10)

^F

Mit Gleichung (6.9) und (6.10) ergibt sich somit:

2

2

(6.11)

Die Vergleichsspannung ov errechnet sich nach der Schubspannungshypothese damit zu: Vergleichsspannung nach der SH 0-vsH=^l~<^3 in Hauptnormal- (6 12) spannungen Die Festigkeitsbedingung nach der Schubspannunghypothese lautet dementsprechend: ^VSH

^ ^

bzw.^

Festigkeitsbedin(6.13) gung nach der SH

Abhangig von der GroBe der an einem Volumenelement wirkenden Hauptnormalspannungen CTI, 02 und 03, kann die Bild 6.5 Beziehung zwischen groBte Schubspannung in unterschiedlichen Diagonalebenen FlieBschubspannung (zp) des durch die Hauptnormalspannungen gekennzeichneten ^^ ^^^ grenze( e) Volumenelements (Hauptspannungselement) auftreten. Ftir ein Versagen ist immer die groBte der drei Hauptschubspannungen (THI , Tm oder THS) entscheidend (in Bild 6.6 also r^ax"^ ^HI). Hauptspannungselement

Bild 6.6 Ebenen maximaler Schubspannungen am Hauptspannungselement

122

6 Festigkeitshypothesen

Bei der Anwendung der Schubspannungshypothese bei zweiachsigem Spannungszustand muss auBerdem berticksichtigt werden, dass auch Hauptnormalspannungen mit Wert Null als maximale oder minimale Hauptnormalspannung auftreten konnen. Als Vergleichsspannung ist also stets die maximale Hauptspannungsdifferenz zu verwenden. Bild 6.7 veranschaulicht diesen wichtigen Sachverhalt anhand von zwei Beispielen.

arOj-Ebene

a)

av=ai-c^=ai

ai-c5^-Ebene

ai-a3-Ebene

av=ai-c^ = -03 (c^<0)

c^aa-Ebene

Bild 6.7 Ermittlung der maximalen Hauptspannungsdifferenz bei zweiachsigem Spannungszustand (Beispiele)

6.2.1 Schubspannungshypothese in Lastspannungen fiir den zweiachsigen Spannungszustand Unter der Voraussetzung des technisch bedeutsamen zweiachsigen Spannungszustandes (CTX, (jy und Txy) kann, analog zur Normalspannungshypothese, die Vergleichsspannung nach der Schubspannungshypothese auch in Lastspannungen ausgedriickt werden. Bei zweiachsigem Spannungszustand folgt zunachst fur die Hauptnormalspannungen (Bild 6.2): ^x^^y

'^^x-^y

CJX =

^

^CJ3

+ r:xy

^2

0-3 =

<^x+<^y

^x-^y

+ r:xy

Vor dem Ansetzen der Schubspannungshypothese mussen jedoch zwei unterschiedliche Falle berticksichtigt werden. 1. Die beiden von Null verschiedenen Hauptnormalspannungen besitzen unterschiedliches Vorzeichen (z. B. Welle unter Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion, Bild 6.8).

Bild 6.8 Lage des Mohr'schen Spannungskreises bei unterschiedlichem Vorzeichen der von Null verschiedenen Hauptnormalspannungen

123

6.2 Schubspannungshypothese Dies ist der Fall, falls gilt:

O-^+CTy

cr^-o-y

+ rxy

Hieraus folgt nach Umformung die Bedingung: ^x • ^x ^ ^xy Unter dieser Voraussetzung ergibt sich fiir die Vergleichsspannung avsH-

_ ^x + ^y . If ^x-^y

<^vsH

-^\~^3-

^2-

" "^"""^y

+ ^xy

-

^x+^y

^^x-Q-y

+ r.xy

+ rxy

also: Vergleichsspannung nach der SH in Lastspannungen bei zweiachsigem Spannungszustand

lilllilll

r^ ^/^\

Gilt nur, falls CTX • CTy < r xy 2. Die beiden von Null verschiedenen Hauptnormalspannungen besitzen gleiches Dies ist der Fall, falls gilt (Bild 6.9): FM

Vorzeichen.

>^

^x+<^y

^ x - ^

(6.15)

+ r.xy

01

CJ3

Bild 6.9 Lage des Mohr'schen Spannungskreises bei gleichem Vorzeichen der von Null verschiedenen Hauptnormalspannungen

124

6 Festigkeitshypothesen

Aus Gleichung 6.15 folgt nach Umformung die Bedingung: ^x • ^x > ^xy Unter dieser Voraussetzung ergibt sich fur die Vergleichsspannung ay SH<^VSH = CTi - 0-3 = (Ji - 0 = O"!

^x+<^y

\\^x-^y

+ ^xy

( ^ x ^ ^ ™ d CTy > 0)

bzw. ^ V S H ~ ^l~^3

~ ^ "~ ^ 3 ~ ~"^3

O-x+O-y

O-x-O-y

+ r:xy

<^x+^y

If ^ x - ^ y

+ r^y *- xy

{cF^ < 0 und a^ < 0) v^ X

also: g^+^^y , ^VSH

I ^x"<^y

-

\2

+ r.^y

Vergleichsspannung nach der SH in Lastspannungen bei zweiachsigem Spannungszustand 2 Gilt nur, falls cj^ • (Jy> r xy

(6.16)

6.2.2 Schubspannungshypothese bei Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion Ftir den technisch bedeutsamen Sonderfall einer Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsions- oder Abscherbeanspruchung folgt mit a^ = Ob, (Jy= 0 und r^y = Tt aus Gleichung 6.14: r"T Y ^VSH ~ "V ^b "^ ^ * ^t

Vergleichsspannung nach der SH in Lastspannungen bei Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion

(6 17)

Bei Zugbeanspruchung ist Ob sinngemafi durch Cz und bei Druckbeanspruchung durch a^ zu ersetzen. Bei Abscherbeanspruchung ersetzt man Tt durch ra.

6.2.3 Grenzkurve fiir das Werkstoffversagen nach der SH fiir den zweiachsigen Spannungszustand Duktile Werkstoffe versagen nach der Schubspannungshypothese (SH) sobald die Vergleichsspannung oy SH die Streck- oder Dehngrenze des Werkstoffs iiberschreitet, falls also gilt Ov SH = CTi + 03 > RQ bzw. i?po,2. Fur alle moglichen Kombinationen der Hauptspannungen lasst sich dieses Kriterium als Grenzkurve im crHi-crH2-Hauptspannungsdiagramm darstellen. Man erhah als Grenzkurve ein Sechseck (Tresca-Sechseck), Bild 6.10.

125

6.3 Gestaltanderungsenergiehypothese

Demnach tritt keine plastische Verformung (FlieBen) ein, falls sich der durch die beiden (von Null verschiedenen) Hauptspannungen gekennzeichnete Spannungszustand innerhalb der Grenzkurve befindet. iCJH2

^1 = ^2 icrH2

^H1

03=0HI

• -

Versagenskriterium: -^OH2=C5Hi + Re

[\

LC^H2 1

CT,= C3H3 = 0

• " ^ JH1

C^=C3H2

Vefsagenskriterium: ai-a3=Re

\ f ^

C^=OH2

Versagenskriterium:

^r\

ai-a3=Re

—^&—^-

— C 3 H i = Re

^1

re.- re

Versagenskriterium:

OI=C3HI

cii-a3=Re <^=C5H2

ai = C5H3=0

Versagenskriterium:

<^=GHI

ai-a3=Re

Versagenskriterium: ai-a3=Re -^OH2=C3Hi-Re

Bild 6.10 Grenzkurve fiir das Versagen duktiler Werkstoffe unter Zugrundelegung der Schubspannungshypothese bei zweiachsigem Spannungszustand (Tresca-Sechseck)

6.3 Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH) Ein Korperelement, das durch allseitig gleiche Zug- oder Druckspannung belastet wird (hydrostatischer Spannungszustand) andert lediglich sein Volumen, nicht aber seine Form. Subtrahiert man von der gesamten Formanderungsarbeit denjenigen Anteil, der zur Volumenanderung erforderlich ist, dann verbleibt der fiir die Gestaltanderung verantwortliche Anteil, die Gestaltanderungsarbeit oder Gestaltanderungsenergie. Nach der Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH), die auf Maksymilian Tytus Ruber (1872 ... 1950), RichardEdler von Mises (1^3 ... 1953) und i/. ^^/icitj (1885 ... 1951) zuruckgeht, ist fur die Werkstoffbeanspruchung die in einem elastisch verformten Volumenelement gespeicherte Gestaltanderungsenergie maBgebend. Die Gestaltanderungsenergie ist hierbei die bei einem raumlichen Spannungszustand fur die Gestaltanderung erforderliche Energie. Sobald diese einen werkstoffabhangigen Grenzwert erreicht, der sich aus dem Vergleich mit der einachsigen Beanspruchung im Zugversuch ergibt, versagt der Werkstoff durch Auftreten plastischer Verformungen. Druckt man diesen Grenzwert in den geordneten Hauptnormalspannungen CTI, 02 und 03 aus (Gleichungen 6.2 bis 6.4), dann erhah man fur die Vergleichsspannung ovnach der GEH (ohne Herleitung):

126

6 Festigkeitshypothesen J r ;T—J :z—~ "^r Vergleichsspannung nach ^VGEH = "7=^'^Wl ^^2/^ W2 ^^^3) -^Ws^^^i) der GEH in Hauptnor- (6.18) V2 malspannungen

Fiir die Ermittlung der geordneten Hauptnormalspannungen Oi, CPZ und 03 gilt das bereits Gesagte (Gleichungen 6.2 bis 6.4). Der Werkstoff versagt, sobald die nach der GEH errechnete Vergleichsspannung cry die Streck- bzw. Dehngrenze erreicht. Die Festigkeitsbedingung nach der GEH lautet demnach: ^VOEH -

bzw»'""•'.'•

Festigkeitsbedingung nach der GEH

(619)

Nach der Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH) liegt die Versagensursache, analog zur Schubspannungshypothese (SH), im Auftreten plastischer Verformungen. Sie wird deshalb ebenfalls nur fur duktile Werkstoffe angewandt. Bei Vorliegen eines hydrostatischen Spannungszustandes (CTI = 02 = 03) tritt auch bei sehr hohen Spannungen kein FlieBen ein (CTVGEH = 0). Es muss jedoch beriicksichtigt werden, dass bei einem hydrostatischen Zwgspannungszustand (oi = 02 = 03 > 0) ein sproder Trennbruch eintritt, sobald die wirkenden Spannungen die Trennfestigkeit des Werkstoff erreichen, d. h. die atomaren Bindungskrafte iiberschritten werden. Da sowohl die SH als auch die GEH von ahnlichen Vorstellungen ausgehen, liefem sie auch vergleichbare Ergebnisse. Es lasst sich fiir alle moglichen Kombinationen der drei Hauptnormalspannungen (Ti, 02 und 03 zeigen, dass der groBte Unterschied zwischen GEH und SH etwa 15,5% betragt, wobei die nach der SH errechnete Vergleichsspannung (ov SH) stets groBer ist, als die nach der GEH errechnete Vergleichsspannung (ov GEH)- Die maximale Abweichung zwischen GEH und SH ergibt sich fiir 02 = 0,5-CTI (Z. B . diinnwandiger Behalter unter Innendruck, Kapitel 12.1) sowie fiir 02 = -CTI (Z. B. Rundstab unter Torsion), Bild 6.11. Sofem in technischen Regelwerken die Verwendung der Festigkeitshypothese (SH oder GEH) nicht vorgeschrieben ist, kann man einen Festigkeitsnachweis mit beiden Hypothesen fiihren. Vorteil der GEH ist eine experimentell bessere Bestatigung und sie erlaubt eine wirtschaftlichere Bauteilauslegung. Eine Fallunterscheidung im Hinblick auf die groBten Hauptspanungsdifferenzen ist ebenfalls nicht erforderlich. Mit der SH ist allerdings die Berechnung meist einfacher und es ergibt sich allenfalls ein Fehler zur sicheren Seite hin.

6.3.1 Gestaltanderungsenergiehypothese in Lastspannungen fiir den zweiachsigen Spannungszustand Liegt ein zweiachsiger Spannungszustand vor, dann kann analog zur Normalspannungshypothese (NH) bzw. Schubspannungshypothese (SH), die Vergleichsspannung nach der Gestaltanderungsenergiehypothese auch in Lastspannungen ausgedriickt werden. Bei zweiachsigem Spannungszustand folgt fiir die Hauptnormalspannungen (Bild 6.2): ^2

Zil^^J^iZfz

127

6.3 Gestaltanderungsenergiehypothese

a,=0 ^x+S

o^-o-y

+ rxy

Setzt man diese Beziehungen in Gleichung 6.18 ein, dann erhalt man nach Umformung und Zusammenfassung die Vergleichsspannung nach der GEH in Lastspannungen bei zweiachsigem Spannungszustand: •11 llilijillfl

Vergleichsspannung nach der GEH in Lastspannungen bei zys^eiachsigem (6.20) Spannungszustand

6.3.2 Gestaltanderungsenergiehypothese bei Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion Fixr den technisch bedeutsamen Sonderfall einer Zug-, Druck- oder Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsions- oder Abscherbeanspruchung folgt mit a^ = Ob, ay= 0 und r^y = Tt aus Gleichung 6.20: Vergleichsspannung nach der GEH in Lastspannungen bei Biegebeanspruchung mit iiberlagerter Torsion

(6.21)

Bei Zugbeanspruchung ist oi, sinngemaB durch a^ und bei Druckbeanspruchung durch Od zu ersetzen. Bei Abscherbeanspruchung ersetzt man r^ durch r^.

6.3.3 Grenzkurve fiir das Werkstoffversagen nach der GEH fiir den zweiachsigen Spannungszustand Duktile Werkstoffe versagen nach der Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH) sobald die Vergleichsspannung OVGEH die Streck- oder Dehngrenze des Werkstoffs iiberschreitet. Fur den zweiachsigen Spannungszustand folgt beispielsweise mit 03 = 0 aus Gleichung 6.18: + (T9 +(71

Cj} - CTi • 0-9 + CTo =

RI

R. (6.22)

Gleichung 6.22 beschreibt eine elliptische Grenzkurve im (THi-crH2-Hauptspannungsdiagramm (Bild 6.11). Die Lange der groBen Halbachse betragt dabeiV2 R^, die Lange der kleinen Hauptachse V2/3 • 7?^. Die Grenzkurve schneidet die Koordinatenachsen in den Punkten {R^ \ 0) und (0 I i?e)- Befmdet sich der durch die beiden (von Null verschiedenen) Hauptnormalspannungen gekennzeichnete Spannungszustand innerhalb der Grenzkurve, dann tritt kein Werkstoffversagen durch plastische Verformung ein.

128

6 Festigkeitshypothesen

1<^H2

OH2 C^1=CJH2

ai=C5Hi

Grenzkurve nach der SH (Tresca-Sechseck)

^

<^=C3H2

CTHI

a3=aH3=0

1<^H2

<^=<^2

<^=aH3 = 0 C^=C^2

CTi=aH3=0

Versagenskiiterium fur alle Falfe:

^C3^V<5^^1•C5^2W1=^I Bild 6.11 Grenzkurve fiir das Versagen duktiler Werkstoffe unter Zugrundelegung der Gestaltanderungsenergiehypothese bei zweiachsigem Spannungszustand

6.4 Zusammenfassung der Grundbelastungsarten

129

6.4 Zusammenfassung der Festigkeitshypothesen o ^

01)

+

*c«

O
ON

+

O too T3

b

b

(N X

^

1

b^

+

^

VI V

+

V

b^

b

'^

b^

1 X

'x b^

b^

b

^

b

(N

1

b1 -

^ s a 6^

X

b

y

b=^

+

M b%« « :^ 01) J 2 . ^ &

+

b"

^ 2

u

^ x

*>> +

Hh CD

2

(N X)

b"h

PQ

+

+

1

^

b

to

"

+

(N


b ^

b" b 1

b^

b" O II

1 " ^

1

o

1

+ &

+

O II

b' CO

CO

03

O

N

J=3

too

1 0^

+

2 ^ S ««

1

+

b 1

b^ too ;:3

^ <

o H

b"

b^

1

.2 T3 o

s s CO

N

1

C D C

1^ z

OX)

C

a>

N

^ o

•^ P' S

5

'3D

N

BS C

O

". V

130

6 Festigkeitshypothesen

6.5 Ubungsaufgaben Aiifgabe 6.1 Ein Rundstab aus der Graugusssorte EN-GJL-300 mit einem Durchmesser von d = 30 mm (Vollkreisquerschnitt) wird durch die statisch wirkende Langskraft Fi = 50 kN und das statische Torsionsmoment M^ = 450 Nm belastet. Die Zugfestigkeit des Werkstoffs betragt R^ = 370 N/mml

Fi

M,ti

Mti

a) Ermitteln Sie die hochst beanspruchten Stellen im Stabquerschnitt. b) Berechnen Sie die Zugspannung a^ im Stabquerschnitt. c) Ermitteln Sie die maximale Schubspannung r^y im Stabquerschnitt. d) Charakterisieren Sie den Spannungszustand an der hochst beanspruchten Stelle, indem Sie den Mohr'schen Spannungskreis skizzieren (qualitativ). e) Berechnen Sie die Sicherheit gegen Versagen. 1st die Sicherheit ausreichend ? f) Berechnen Sie die statische Langskraft F2, die bei gleichbleibendem, statisch wirkendem Torsionsmoment Mti = 450 Nm zu einem Bruch des Rundstabes fiihrt. g) Ermitteln Sie das statische Torsionsmoment Mt2, welches bei gleichbleibender, statisch wirkender Langskraft Fi = 50 kN zum Bruch fiihrt. h) Ermitteln Sie die Kurvengleichung aller a- r-Kombinationen, die zu einem Bruch des Stabes fiihren wiirden. Zeichnen Sie diese Kurve in das a- r-Koordinatensystem aus Abschnitt d) ein.

Attfgabe 62 Eine vergutete Welle mit Vollkreisquerschnitt aus der Vergiitungsstahlsorte C35E (i?e = 410 N/mm^; i?„, = 660 N/mm^) mit einem Durchmesser von d = 50 mm wird auf unterschiedliche Weise beansprucht. 1. Durch das statisch wirkende Torsionsmoment Mt = 1500 Nm und die statische ZugkraftF,= 100kN. 2. Durch das statisch wirkende Torsionsmoment Mi = 1500 Nm und die statische DruckkraftFd = -100kN. 3. Durch das statisch wirkende Torsionsmoment M = 1500 Nm und das statische Biegemoment Mb = 1000 Nm.

y Lastfall 1 Y

j ^ ^

Fz Mt

^ ^

M, Fz

Lastfall 2

Fd

Mi

Lastfall 3

M,

Fd

131

6.5 Ubungsaufgaben

a) Berechnen Sie die durch die Einzelbelastungen (Fz, F^, M und Mb) erzeugten Lastspannungen an der hochst beanspruchten Stelle. b) Skizzieren Sie jeweils maBstablich fur die drei Belastungsfalle den Mohr'schen Spannungskreis. c) Ermitteln Sie fur alle drei Belastungsfalle die Hauptnormalspannungen an der hochst beanspruchten Stelle. Berechnen Sie jeweils getrennt fur die drei Belastungsfalle: d) Die Vergleichsspannung Oy an der hochst beanspruchten Stelle nach der GEH und der SH. e) Ermitteln Sie fur die einzelnen Belastungsfalle, unter Zugrundelegung der GEH, die Sicherheit gegen Fliefien.

Aufgabe 6J Auf eine vertikale Turbinenwelle mit dem Durchmesser J = 90 mm (Vollkreisquerschnitt) aus Vergiitungsstahl C45E (T^e = 490 N/mm^; 7?m = 710 N/mm^) wirkt im Betrieb zunachst ein statisches Torsionsmoment von Mt = 14000 Nm und eine statisch wirkende Zugkraft von F=890kN. a) Berechnen Sie die Sicherheit gegen FlieBen. 1st die Sicherheit ausreichend ? Um ein hoheres Torsionsmoment aufnehmen zu konnen, wird eine vergiitete Welle aus der legierten Vergiitungsstahlsorte 30CrMoV9 (^po,2 = 900 N/mm^; 7?„, = 1100 N/mm^) eingebaut. b) Auf welchen Betrag M* kann dadurch das Torsionsmoment bei gleicher Zugkraft {F = 890 kN) und gleicher Sicherheit gesteigert werden, falls FlieBen ausgeschlossen werden soil ?

Aufgabe 6.4 Eine Stellspindel aus dem legierten Vergiitungsstahl 34CrNiMo6 hat einen zylindrischen Schaft mit dem Durchmesser d = 30 mm und eine Lange von / = 650 mm. Die Kerbwirkung des Gewindes soil unberiicksichtigt bleiben. Werkstoffkennwerte 34CrNiMo6: Rpo,2 = 1000N/mm^ Rm =1200N/mm^ E = 210000 N/mm^

Vl

Mt

BE ^

/

M,

132

6 Festigkeitshypothesen

a) Im Normalbetrieb ist die Spindel durch die Zugkxaft F = 280 kN statisch beansprucht. Berechnen Sie die Zugspannung in der Spindel. Um welchen Betrag verlangert sich die Spindel dabei ? b) Beim Verstellen der Spindel wirkt zusatzlich zu der Kraft F noch ein statisches Torsionsmoment, dessen GroBe mit M^ = 2000 Nm angenommen wird. Berechnen Sie die durch das Torsionsmoment M erzeugte Schubspannung r^ in der Spindel. c) Zeichnen Sie fiir die Beanspruchung aus F und M maBstablich den Mohr'schen Spannungskreis und berechnen Sie die Hauptnormalspannungen. Bei einem Verstellvorgang klemmte die Spindel und brach. Die Untersuchung der Bruchflache ergab, dass der Werkstoff offenbar durch eine falsche Warmebehandlung versprodet wurde (Anlassversprodung). Die Zugfestigkeit R^ der versprodeten Spindel betrug 1800 N/mm^. d) Berechnen Sie unter der Voraussetzung einer unveranderten Zugkraft von F = 280 kN das Torsionsmoment beim Bruch.

Aufgabe 6-5 Eine Platte aus der Aluminium-Legierung EN AW-Al Zn5Mg3Cu mit einer Dicke von ^ = 15 mm wird durch die unbekannten Spannungen CTX, Gy und r^y elastisch beansprucht (siehe Abbildung). Zur Ermittlung der Spannungen wird eine 0°45°-90° DMS-Rosette in der skizzierten Weise auf der Oberflache appliziert. Werkstoffkennwerte ftir die Aluminiumlegierung EN AW-Al Zn5Mg3Cu: ^po,2 = Rr^ = E = H =

0°-45°-90° DMS-Rosette

380N/mm^ 550N/mm^ 75000 N/mm^ 0,33

a) Berechnen Sie die unbekannten Spannungen a^, Gy und z^xyfiireine Dehnungsanzeige von: DMSA: £A= 3,159 %O DMS B: ^B = 0,552 %o DMSC: 6c =-0,479 %o b) Bestimmen Sie Richtung und Betrag der Hauptnormalspannungen. c) Ermitteln Sie die Dickenanderung der Stahlplatte aufgrund der Beanspruchung gemafi Aufgabenteil a). d) Berechnen Sie die Sicherheit gegen FlieBen (Si). Ist die Sicherheit ausreichend ?

6.5 iJbungsaufgaben

133

Attfgabt 6.6 Im Rahmen einer experimentellen Spannungsanalyse wurde am Obergang zwischen Zylinder und Stutzen eines Druckbehalters aus der Stahlsorte 36CrNiMo4 (Rrn =1150 N/mm^; Rpo,2 = 850 N/mm^; E = 210000 N/mm^; ju - 0,30) die folgenden Dehnungen gemessen: £t = 0,900 %o £-a = -0,500 %o 645= 0,840 %o a) Berechnen Sie mit Hilfe der gemessenen Dehnungen die Hauptdehnungen £u\ und £H2 sowie die Hauptnormalspannungen OHI und (TH2. Ermitteln Sie auBerdem die Winkel der Hauptdehnungen bzw. Hauptnormalspannungen zur Behalterlangsachse (Axialrichtung). b) Berechnen Sie an der Messstelle die Vergleichsspannung nach der Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH). c) Ermitteln Sie fur die Stutzenabzweigung die Sicherheit gegen FlieBen. 1st die Sicherheit ausreichend ?

Attfgabe 6.7 Zur Uberpriifung der Belastung eines Zugankers mit Vollkreisquerschnitt (0 30mm) aus der Vergiitungsstahlsorte 30CrNiMo8 wird ein Dehnungsmessstreifen appliziert. Versehentlich wird der Dehnungsmessstreifen schrag (a =\5°) zur Langsachse angebracht (siehe Abbildung). Werkstoffkennwerte 30CrNiMo8: i?po,2 = 1020N/mm^ 7?n, =1390N/mm^ E - 204000 N/mm^ JU = 0,30 a) Berechnen Sie fur eine Zugkraft von Fi = 320 kN die Dehnungsanzeige (^DMS).

b) Bestimmen Sie die Zugkraft F2 bei einer Dehnungsanzeige von ^DMS = 3,000 %0.

c) Ermitteln Sie die Zugkraft F3 bei FlieBbeginn des Zugankers sowie die zugehorige Anzeige des Dehnungsmessstreifens.

134

6 Festigkeitshypothesen

Aiifgabe 6,8 Bin einseitig eingespannter, abgewinkelter Rundstab mit VoUkreisquerschnitt (d=30 mm) aus der legierten Vergiitungsstahlsorte 41Cr4 (Rpo,2 = 780 N/mm^ Rm = 1050 N/mm^) wird zunachst nur durch die statisch wirkende Einzelkraft Fi = 5 kN beansprucht (F2 = 0).

Einspannstelle

Die Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie Schubspannungen durch Querkrafte sind fiir alle Aufgabenteile zu vemachlassigen. a) Berechnen Sie das Biegemoment Mb und das Torsionsmoment M an der Einspannstelle. b) Berechnen Sie die Sicherheit gegen FlieBen an der Einspannstelle. 1st die Sicherheit ausreichend ? c) Berechnen Sie die zusatzliche, statisch wirkenden Kraft F2, die zu einem Bruch des Stabes an der Einspannstelle fiihrt. Bei einer preisgiinstigeren Ausfiihrung wurde ftir den gebogenen Rundstab der Baustahl S235JR (i?e = 245 N/mm'; R^ = 440 N/mm') verwendet. d) Berechnen Sie den Durchmesser d so, dass bei ansonsten gleichen Abmessungen, die Kraft Fi = 5 kN mit Sicherheit (SB = 2) aufgenommen werden kann, d. h. kein Bruch eintritt. Die Kraft F2 soil nicht mehr wirken (F2 == 0).

Aufgabe 6.9 Die Abbildung zeigt eine Anhangerkupplung fahrzeuge (Seitenansicht und Draufsicht) mit querschnitt aus der Vergiitungsstahlsorte (^po,2 = 800 N/mm^; R^ = 1080 N/mm^; E N/mm^).

fiir KraftVoUkreis34CrMo4 = 210000

Um wahrend eines Fahrversuchs die Stutzkraft Fs, die Zugkraft Fz und die Querkraft FQ ZU ermitteln, wurden im Querschnitt A-A Dehnungsmessstreifen in Achsrichtung in der dargestellten Weise appliziert. Bei der Auswertung des Versuchs ergaben sich die folgenden maximalen Dehnungswerte: DMSA: DMSB: DMS C: DMSD:

£A= 2,2312 %O ^B= 0,7761 %o £c = -2,0372 %o £b=-0,5821 %o

Die Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie eine Schubbeanspruchung aus Fg und FQ sind zu vemachlassigen.

Fs a = 350

V

aJib®

•iii^ PC Sc

ED

lillii

£B

V.

m) V

135

6.5 Ubungsaufgaben a) Berechnen Sie die Zugkraft Fz. b) Berechnen Sie die Stiitzkraft Fs. c) Berechnen Sie die Querkraft FQ.

d) Fiir einen Sicherheitsnachweis an der Stelle 1 (bei DMS A, siehe Abbildung) im Querschnitt A-A werden die folgenden statisch wirkenden Krafte angenommen: F s = 2kN Fz = 40 kN FQ= 5kN Ermitteln Sie fiir die Stelle 1 die Sicherheiten gegen FlieBen und Bruch.

Aufgabe 6,10 iMt

Zwei identische Stabe mit Vollkreisquerschnitt werden mit einem stetig zunehmenden Torsionsmoment Mt bis zum Bruch belastet. Der linke Stab wurde aus dem unlegierten Baustahl S275JR gefertigt, der rechte Stab hingegen aus der Graugusssorte EN-GJL-250.

f—4c^

Zeichnen Sie den zu erwartenden Bruchverlauf in die Abbildung ein und erklaren Sie mit Hilfe des Mohr'schen Spannungskreises und der in Betracht kommenden Festigkeitshypothese die unterschiedlichen Bruchformen.

^ 4 - ^ S275JR

EN-GJL-250

Aufgabe 641 Der dargestellte Winkelhebel mit Vollkreisquerschnitt (d = 50 mm) aus dem Vergiitungsstahl C45E wird durch die senkrecht wirkende Kraft F = 10 kN statisch beansprucht.

Einspannstelle

A-B

Werkstoffkennwerte C45E (vergiitet): ^po,2 = 460 N/mm^ Rm =750N/mm^ E = 209000 N/mm^ fi = 0,30 Berechnen Sie die Sicherheit gegen Fliefien (iSp) an der Einspannstelle. 1st die Sicherheit ausreichend ? Die Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie Schubspannungen durch Querkrafte konnen vemachlassigt werden. Alle MaBangaben in mm.

136

6 Festigkeitshypothesen

Aufgabe 6«12 An einem plattenformigen Bauteil aus Werkstoff C60E wurde ftir eine experimentelle Spannungsanalyse eine 0°-120°-240° DMS-Rosette appliziert, deren A-Richtung mit der x-Richtung einen Winkel von 30° einschlieBt. Unter Belastung wirken am Bauteil die folgenden Spannungen (Vorzeichen ftir Schubspannung gemaB spezieller Vorzeichenregelung): o-x = 250 N/mm^ o-y = 130N/mm^ Txy = 150N/mm^

) ^y | Xyx

Werkstoffkennwerte C60E: i?po,2 = 570 N/mm^ Rm =780N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju = 0,30

(• lljjlll^^^^^

^xy

^^

1111:

a) Ermitteln Sie die Dehnungen in A-, B- und C-Richtung (Messrichtung der Dehnungsmessstreifen).

0«.l20**-240*' DMS-Rosette

b) Berechnen Sie die Hauptnormalspannungen OHI und am- Welchen Winkel schlieBen die Hauptnormalspannungen zur x-Richtung ein ? c) Berechnen Sie die Sicherheit der Stahlplatte gegen FlieBen. 1st die Sicherheit ausreichend ? d) Berechnen Sie den Betrag der Schubspannung Txy, die bei gleich bleibender Normalspannung (cr^ = 250 N/mm^ und cTy = 130 N/mm^) zu einem FlieBen der Stahlplatte fiihrt.

Aiifgabe6.13 Bin zweifach abgewinkelter Hebel aus dem Vergutungsstahl 30CrNiMo8 wird durch die Krafte Fi = 25 kN und F2 = 200 kN statisch beansprucht. Die Kraft Fi wirkt unter einem Winkel von a = 60° zur Horizontalen, wahrend die Kraft F2 in Achsrichtung (x-Richtung) wirkt (siehe Abbildung). Schubspannungen durch Querkrafte sowie Kerbwirkung im Bereich des Einspannquerschnitts sollen fur alle Aufgabenteile vemachlassigt werden. Der Winkelhebel besitzt im Bereich des Einspannquerschnitts einen Vollkreisquerschnitt (0 50 mm).

Ansicht Z

Einspannsteile

6.5 Ubungsaufgaben

137

Werkstoffkennwerte 30CrNiMo8 (vergutet): i?po,2 = 10500N/mm^ Rra =1420N/mm^ E = 209000 N/mm^ ju = 0,30 a) Ermitteln Sie die Lastspannungen im Bereich des Einspannquerschnitts (x = 0). b) Berechnen Sie die Sicherheit gegen Fliefien (S^) an der hochst beanspruchten Stelle des Einspannquerschnitts. 1st die Sicherheit ausreichend ? Zur Kontrolle der Beanspruchung wird auf der Oberseite des Rebels im Bereich des Einspannquerschnitts (x = 0) ein Dehnungsmessstreifen (DMS) appliziert. Infolge einer Fertigungsungenauigkeit schUeBt die Messrichtung des DMS mit der Langsachse des Rebels (x-Achse) einen Winkel von ^ = 1 5 ° ein (siehe Abbildung). c) Berechnen Sie die Anzeige des Dehnungsmessstreifens fiir die gleichzeitige statische Belastung aus Fj = 25 kN und F2 = 200 kN.

138

7 Kerbwirkung In den vorangegangenen Kapiteln wurden homogene Bauteile mit konstanten Querschnittsabmessungen betrachtet. Derartige (ungekerbte) Bauteile kommen jedoch in der Technik kaum vor. Aufgrund konstruktiver Gegebenheiten (Veranderung der Querschnittsabmessungen) aber auch bedingt durch Fertigungsfehler kann lokal die Spannung uberhoht, ungiinstige (mehrachsige Spannungszustande) erzeugt und damit ein vorzeitiges Materialversagen begiinstigt werden.

1.1 Technische Kerben Technische Bauteile weisen stets Stellen mit einer mehr Oder weniger abrupten Veranderung der inneren oder aufieren Kontur auf (Bild 7.1), die zu einer Stoning des „Kraftflusses" fiihren (Bild 7.2). Diese Stellen sollen im folgenden als technische Kerben bezeichnet werden.

Einstich

Querbohrung

Wellenabsatz

Passfedemut

/

E3E3

1 ' Nietverbindung

#

Kurbelwelle

Zahnfuss

0

Technische Kerben sind Bild 7.1 Bauteile mit technischen Kerben (Beispiele) nicht nur konstruktiv bedingt, auch innere Fehlstellen (z. B. Einschliisse) oder Fiigestellen (z. B. SchweiBnahte) konnen im Sinne technischer Kerben wirken (Tabelle 7.1). Wie spater noch eingehender gezeigt wird, geht das Versagen eines Bauteils unter statischer und insbesondere zeitlich veranderlicher Beanspruchung haufig von derartigen Kerbstellen aus, da in ihrer Umgebung der Werkstoff besonders hoch und ungiinstig (mehrachsig) beansprucht wird (Kapitel 13.2). Die einen Bruch begunstigende Wirkungsweise technischer Kerben bezeichnet man als Kerbwirkung. Tabelle 7.1: Beispielefiirtechnische Kerben Kerbart

Bild 7.2 Stoning des „Kraftflusses" durch technische Kerben (Stromlinienanalogie)

Beispiel

Konstruktive Kerben

• • • •

Fugestellen

• SchweiBnahte • Lotverbindungen • Nietverbindungen

Innere Fehlstellen

• Poren • Einschliisse • Risse

Querbohrungen Einstiche Gewinde Querschnittsveranderungen

139

7.2 Auswirkung technischer Kerben

7.2 Auswirkung technischer Kerben Kerbwirkung kann auf unterschiedliche Weise hervorgerufen werden. Im Einzelnen sind dies: • Verminderung der tragenden Querschnittsflache und damit Erhohung der (Nenn-)Spannung (Bild 7.3a). • Spannungsiiberhohung im Kerbgrund. Durch eine Kerbe wird der „Kraftfluss" gestort (Bild 7.2). In Analogie zur Erhohung der Stromungsgeschwindigkeit eines von einer inkompressiblen Fliissigkeit durchstromten Kanals, wird auch die Spannung im Kerbgrund iiberhoht. Die Spannungsiiberhohung ist umso ausgepragter, je geringer der Kerbradius und je tiefer die Kerbe ist. Da sich im Bauteil unmittelbar hinter der Kerbstelle, im Kerbgrund also, eine mehr oder weniger ausgepragte Spannungsiiberhohung einstellt, muss wegen la-dA = F die Spannung im Inneren des Bauteils unter die Nennspannung absinken, d. h. es stellt sich ein von Belastungsart und Bauteilgeometrie abhangiger Spannungsverlauf ein (Bild 7.3b). • Ausbildung eines mehrachsigen Spannungszustandes. Kerben behindem die freie Verformung des Werkstoffs. Infolge dieser Querdehnungsbehinderung bildet sich ein mehrachsiger Spannungszustand aus. Neben einer Langsspannung treten nunmehr weitere Spannungskomponenten (z. B. Normalspannungen in radialer und tangentialer Richtung) auf, die zusatzlich zur Langsspannung wirken (Bild 7.3c). • Ausbildung von Sekundarspannungen bei unsymmetrischer Lage der Kerbstelle in Bezug auf den ungestorten Querschnitt (z. B. einseitige Lage der Kerbe). Hierbei faUt die Wirkungslinie der Kraft nicht mehr mit dem Flachenschwerpunkt S zusammen (Exzentrizitat e). Es entsteht ein Biegemoment und demzufolge Biegespannungen, die sich der Nennspannung linear iiberlagem (Bild 7.3d). a) Erhohung der Nennspannung

b) Spannungsiiberhohung im Kerbgrund

Bild 7.3 Auswirkungen technischer Kerben

c) Ausbildung eines mehr- d) Ausbildung von achsigen SpannungszuSekundarspannungen standes

140

7 Kerbwirkung

7.3 Nennspannung und Formzahl In Kapitel 7.2 wurden vier wesentliche, die Kerbwirkung beeinflussenden Faktoren genannt. Bei Festigkeitsnachweisen ist es in der Regel nur erforderlich, die Nennspannung (Bild 7.3a) sowie die Spannungsiiberhohung im Kerbgrund (Bild 7.3b) zu berucksichtigen. Die Ausbildung eines mehrachsigen Spannungszustandes (Bild 7.3c) sowie die Auswirkung von Sekundarspannungen (Bild 7.3d) konnen im Hinblick auf den Berechnungsaufwand in der Regel vemachlassigt werden, ohne das Ergebnis wesentlich zu verfalschen bzw. sind mitunter durch die gewahlten Sicherheitsfaktoren bereits berucksichtigt. Die nachfolgenden Ausflihrungen sollen sich daher auf die Ermittlung der Nennspannung (Cn) sowie der maximalen Spannung (cTmax) im Kerbgrund beschranken.

7.3.1 Nennspannung In geraden, prismatischen bzw. runden Bauteilen wie Staben, Balken oder Wellen stellt sich bei einer Beanspruchung entsprechend den Grundbelastungsarten ein txber die Querschnittsflache konstanter Spannungsverlauf ein (Zug oder Druck) oder die Spannung nimmt ausgehend von der neutralen Faser (Biegung) bzw. der Drehachse (Torsion) zu den hochst beanspruchten Randfasem bin linear zu bzw. ab. Die entsprechenden Nennspannungen cTn erhalt man entsprechend Kapitel 2 nach den folgenden Grundgleichungen: F

Zug:

^n=—

(7.1)

Druck:

(Tdn=^

(7.2)

Schub:

T^n='Y-

(^•^)

Mu Biegung: ^bn^TjT^

(7-4)

Torsion:

(7.5)

r^-—^

Unter einer Nennspannung a^ bzw. T^ versteht man eine Spannung, die sich im betrachteten Querschnitt einstellen wiirde, sofem ein ungestorter Spannungsverlauf vorliegt.

7.3.2 Formzahl Zur Erfassung der Spannungsspitze im Kerbgrund fiihrt man die Formzahl ein. Als Formelzeichen fur die Formzahl wird im Rahmen dieses Lehrbuches a\^ verwendet. Andere Bezeichnungen, wie zum Beispiel Kx (FKM-Richtlinie [2]) oder a^ bzw. o^ (DIN 743-1 [4]), sind ebenfalls gebrauchlich. Die Formzahl ^k ist defmiert als Quotient aus der maximalen Spannung im Kerbgrund a^ax bzw. Tmax und dcr Nennspannung im Kerbquerschnitt (Jn bzw. T^:

a^ = E^

b^^ a^ ^Ix.

(7.6)

7.3 Nennspannung und Formzahl

141

Die Formzahl ist also ein dimensionsloser Faktor und kennzeichnet die Uberhohung der Nennspannung. Unter der Voraussetzung einer elastischen Beanspruchung, also CTmax < ^e bzw. (Jmax < ^po,2 ist die Formzahl im Wesentlichen abhangig von der Geometrie der Kerbe und des Bauteils sowie von der Belastungsart (Zug, Druck, Biegung, Torsion). Bei gleicher Geometrie von Kerbe und Bauteil wird die Nennspannung durch eine Zugbeanspruchung starker tiberhoht im Vergleich zu einer Biegebeanspruchung. Torsion fuhrt in der Regel zur geringsten Oberhohung der Nennspannung, d. h. es gilt: a^ > a\^\y> ^ktIm Kerbgrund treten mehrachsige Spannungszustande auf, so dass nicht nur eine Uberhohung der Langsspannung stattfmdet, sondem auch der Einfluss einer Umfangs- und Radialspannung beriicksichtigt werden miisste (Bild 7.3c). Da die Berechnung dieser Spannungskomponenten schwierig ist und das Ergebnis dadurch nur unwesentlich verandert wird, kann ihr Einfluss, zumindest bei zahen Werkstoffen, vemachlassigt werden. Man macht dabei lediglich einen Fehler zur sicheren Seite hin. Bei sproden Werkstoffen wird hingegen die tatsachliche Beanspruchung unterschatzt. Dennoch konnen aufgrund ihres geringen Einflusses die Umfangsund Radialspannungen auch in diesem Fall haufig vemachlassigt werden.

7.3,3 Ermittlung von Formzahlen Um die Formzahl a\^ zu ermitteln, muss nach Gleichung (7.6) die maximale Spannung cTmax Oder Tmax errechnet und auf die Nennspannung an bzw. T^ bezogen werden. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: 1. Ermittlung einer geschlossenen Losung: Die Ermittlung einer geschlossenen Losung, also eines formelmaBigen Zusammenhangs zwischen ^k und den geometrischen Kenngrofien des Bauteils gelingt nur fur relativ einfache Geometrien, wie zum Beispiel eine abgesetzte Welle (siehe auch Anhang 4). 2. Numerische Losung: Fiir die meisten technischen Kerbfalle konnen keine geschlossenen Losungen fiir die Formzahl ak formuliert werden, so dass numerische Naherungslosungen herangezogen werden miissen. Viele numerischen Rechenverfahren basieren dabei auf der Finite-Elemente-Methode (FEM). 3. Experimentelle Methoden: Die Formzahl a\^ kann auch experimentell ermittelt werden. Hierzu bedient man sich haufig der Spannungsoptik oder der DMS-Technik (siehe zum Beispiel Aufgabe 7.2 und 7.3).

142

7 Kerbwirkung

7.3.4 Formzahldiagramme Fiir praktische Anwendungen stehen die nach einem der vorgenannten Verfahren ermittelten Formzahlen in Form von Gleichungen oder Diagrammen, den Formzahldiagrammen, zur Verfugung. Aus den Formzahldiagrammen lassen sich in Abhangigkeit von Geometrie und Belastungsart die Formzahlen ablesen. Bild 7.4 zeigt beispielhaft ein Formzahldiagramm fur einen Rundstab mit Umdrehungskerbe unter Zug- oder Druckbeanspruchung. Weitere Formzahldiagramme technisch wichtiger Kerbfalle fmden sich im Anhang 3 sowie in einer Vielzahl von Fachbuchem und Richtlinien wie zum Beispiel[2;4bis8]:

.9 2.5

• Rechnerischer Festigkeitsnachweis ffir Maschinenbauteile aus Stahl, Eisenguss und Aluminiumwerkstoffen Hrsg: Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM) VDMA-Verlag, 5. Auflage 2003 • DIN 743: Tragfahigkeitsberechnung von Wellen und Achsen. Teil 2: Formzahlen und Kerbwirkungszahlen

Bild 7.4 Formzahldiagramm am Beispiel eines auf Zug beanspmchten Rundstabes mit Umdrehungskerbe (Einstich)

• Wellinger, K.; H. Dietmann: Festigkeitsberechnung - Grundlagen und technische Anwendung Kroner-Verlag, 3. Auflage 1976 • Pilkey, W.D.: Peterson's Stress Concentration Factors John Wiley & Sons, 2"^ Edition 1997 • Young, W.C.; R.G. Budynas: Roark's Formulas for Stress and Strain; McGraw-Hill, 7* Edition 2002 • Muhs, D.; H. Wittel, D. Jannasch, J. Vofiiek: Roloff/Matek Maschinenelemente. Normung, Berechnung, Gestaltung Lehr- und Tabellenbuch Vieweg-Verlag, 17. Auflage 2005

7.4 Kerbwirkung und Bauteilverhalten

143

7.4 Kerbwirkung und Bauteilverhalten Kerben beeinflussen das Bauteilverhalten in entscheidender Weise. Nachfolgend werden die Auswirkungen von Kerben fiir duktile und fur sprode Werkstoffe untersucht und Festigkeitsbedingungen fur gekerbte Bauteile aufgestellt. Die nachfolgenden Aussagen gelten sinngemaB auch unter der Wirkung von Schubspannungen, falls die Normalspannung (a) durch die Schubspannung (r) ersetzt und die Werkstoffkennwerte entsprechend der Belastungsart verwendet werden.

7.4.1 Kerbwirkung bei sproden Werkstoffen Sprode Werkstoffe verhalten sich mehr oder weniger elastisch bis zum Bruch. Erreicht die maximale Spannung die Zugfestigkeit R^ des Werkstoffs, dann entsteht im Kerbgrund ein Riss. Hierdurch wird nicht nur die tragende Querschnittsflache geschwacht, sondem auch die Kerbwirkung deutlich verscharft, da die Formzahl an der Rissspitze sehr hohe Werte annehmen kann (a\, > 20). Die Folge ist eine rasche Rissausbreitung, die zu einem katastrophalen Bruch flihren kann. Mit dem Versagen (Bruch) eines gekerbten Bauteils aus einem sproden Werkstoff ist zu rechnen, sobald gilt:

Um einen Bruch mit Sicherheit auszuschlieBen, muss demzufolge gelten (a^ui = zulassige Spannung):

<^n-

TT" Festigkeitsbedingung gekerbter Bauteile aus sproden Werkstoffen

(78)

7.4.2 Kerbwirkung bei duktilen Werkstoffen Wird ein gekerbtes Bauteil aus einem duktilen Werkstoff beansprucht (in Bild 7.5 beispielsweise ein durch die Zugkraft F beanspruchter Flachstab), dann verformt sich das Bauteil zunachst elastisch. Der Zusammenhang zwischen der auBeren Beanspruchung (hier: Zugkraft F) und der Dehnung 6inax an der hochst beanspruchten Stelle (im Kerbgrund) stellt sich zunachst als Gerade dar (OA in Bild 7.5). Plastische Verformung (FlieBen) setzt ein, sobald die Spannungsspitze ((Tmax) die Streck- bzw. Dehngrenze {R^ bzw. i^po,2) erreicht: (7.9)

^max ~ ^'e O-n •«k = ^ e ^F

\

Fv

•«k == ^ e _ Rt

•A

AuBere Beanspruchung bei Fliefibeginn eines gekerbten Bauteils

(710)

144

7 Kerbwirkung

Die Beanspmchbarkeit eines gekerbten Bauteils (hier durch die Zugkraft F) ist also um den Betrag der Formzahl ay^ niedriger im Vergleich zu einem ungekerbten Bauteil. Werkstoff-Flieftkurve: ohne Streckgrenze

mit Streckgrenze

cr4

Kerbgrunddehnung 8max Bild 7.5 Werkstoff- und BauteilflieBkurven

Nimmt die auBere Beanspmchung weiter zu, dann beginnt der Kerbgmnd zu plastifizieren. Die plastischen Verformungen breiten sich mit zunehmender Beanspmchung in das Innere des Bauteils aus. Da anfanglich groBere Bereiche der tragenden Querschnittsflache noch elastisch beansprucht sind, kann die auBere Belastung (z. B. die Zugkraft F) weiter gesteigert werden. Hierbei nimmt jedoch die Kerbgrunddehnung ^^^ax rascher zu, da die plastifizierten Bereiche, unter der Voraussetzung eines linear-elastisch idealplastischen WerkstoffVerhaltens, keine weitere Lastaufnahme mehr ermoglichen. Aufgrund des stoffschliissigen Zusammenhanges iibt der elastische Kern eine Stiitzwirkung auf die bereits plastifizierten Randfasem aus, so dass die auBere Beanspmchung weiter gesteigert werden kann (in Bild 7.5 iiber Fp hinaus). Die BauteilflieBkurve weicht daher zunehmend vom linearen Verlauf ab (Kurvenzug A-B-C in Bild 7.5). Ausgehend vom Kerbgmnd bereiten sich die plastischen Zonen so weit aus, bis die gesamte Querschnittsflache plastisch ist d. h. der voUplastische Zustand erreicht wird (Punkt C in Bild 7.5). Bei der Auslegung gekerbter Bauteile ist es tiblich, ortliche plastische Verformungen zuzulassen, um den Werkstoff besser auszunutzen. Das Bauteil wird also nicht gegen FlieBbeginn, sondem gegen ein vorgegebenes MaB an plastischer Verformung ausgelegt. Die GroBe der zugestandenen plastischen Dehnung £p\ richtet sich im Wesentlichen nach der Verformungsfahigkeit des eingesetzten Werkstoffs. Haufig geht man dabei von einem festen Betrag der Gesamtdehnung ^-ges (Kerbgmnddehnung) aus, well das plastische Formandemngsvermogen der Metalle mit zunehmender Streck- bzw. Dehngrenze abnimmt. Bei Werkstoffen mit hoher Streck- bzw. Dehngrenze erhah man wegen s^i = s^^^ - £^ = s^^^ - R^ IE (bzw. 6^,1 = ^•ges - i^po,2 IE) eine geringere plastische Dehnung (Bild 7.5). Fiir ferritisch-perlitische Stable hat sich eine Gesamtdehnung von f-ges = 0,5% und fiir austenitische Stable eine Gesamtdehnung von ^-ges = 1,0% als zweckmaBig erwiesen.

7.4 Kerbwirkung und Bauteilverhalten

145

Bei der uberelastischen Auslegung gekerbter Bauteile soUte jedoch stets beachtet werden, dass die zugestandene Kerbgrunddehnung nicht die Funktionsfahigkeit des Bauteils oder die Korrosionsanfalligkeit durch lokale Schadigung von Schutzschichten beeintrachtigt. Auch muss stets die Sicherheit gegen Bruch sowie ein eventuelles Versagen durch Werkstoffermudung beriicksichtigt werden. Gibt man sich bei der Festigkeitsberechnung gekerbter Bauteile eine bestimmte Gesamtdehnung ^-ges vor, dann wird die dadurch ermoglichte Steigerung der auBeren Belastung (in Bild 7.5 von Fp auf Fpi) durch die plastische Stiitzziffer (oder Stiitzzahl) «pi gekennzeichnet. Es gilt definitionsgemaB: Fpi ^p! ^ ""^ Fp

Definition der plastischen Stiitzziffer

(711)

Bei bekannter plastischer Stiitzziffer n^i kann aus Gleichung 7.11 die ertragbare Beanspruchung (Fpi) errechnet werden. In Gleichung 7.11 kann anstelle der Zugkraft F auch eine andere auBere Belastung wie zum Beispiel das Biege- oder Torsionsmoment (Mb oder Mt) oder der Innendruck (pi) stehen. Die Ermittlung der plastischen Stutzziffer setzt die Kenntnis der BauteilflieBkurve voraus. Die nachfolgenden Ausfuhrungen sollen ein linear-elastisch idealplastisches Werkstoffverhalten zugrunde legen d. h. der Werkstoff soil im Bereich der Kerbgrunddehnung nicht verfestigen. Dieses Verhalten fmdet sich annahemd bei Stahlen mit ausgepragter Streckgrenze (z. B. unlegierte Baustahle). Auf die Berechnung von FlieBkurven gekerbter Bauteile mit einem durch Verfestigung gekennzeichneten Werkstoffverhalten (gestrichelte Kurve in Bild 7.5) soil im Rahmen dieses Buches verzichtet werden.

BauteilflieBkurve Unter einer BauteilflieBkurve versteht man den Zusammenhang zwischen der Dehnung f-ges an der hochst beanspruchten Stelle (bei gekerbten Bauteilen die Kerbgrunddehnung) und der auBeren Beanspruchung (z. B. Kraft, Moment, Innendruck).

Im Falle eines linear-elastisch idealplastischen Werkstoffverhaltens d. h. bei Stahlen mit ausgepragter Streckgrenze, erhalt man fur die plastische Stiitzziffer die folgende Beziehung: Plastische Stutzziffer

(7.12)

b z w . da ^-ges = S^-^ 8p\

(7.13)

Die Gleichungen 7.12 bzw. 7.13 konnen auch als konservativer Naherungswert fiir Metalle ohne ausgepragte Streckgrenze herangezogen werden.

146

7.5 Ubungsaufgaben Aiifgabe 7.1 Die Abbildung zeigt drei gekerbte Rundstabe aus dem Vergiitungsstahl 42CrMo4, die auf unterschiedliche Weise elastisch beansprucht werden (F^ = 500 kN sowie Mb = 2500 Nm und M = 5000 Nm). a) Ermitteln Sie die Formzahlen a\^ flir die drei Kerbstabe mit Hilfe geeigneter Formzahldiagramme.

"^^k

f r ^

iiiii^

050

4 ^

040

b) Berechnen Sie die Nennspannungen an und die maximalen Spannungen <^max und skizzieren Sie die jeweiligen Spannungsverlaufe. AF=100kN

Aufgabe 7.2 Bin mittig gelochter Flachstab aus Werkstoff 17MnMoV6-4 (E = 203000 N/mm^) wird durch die statisch wirkende Zugkraft F = 100 kN belastet. Im Kerbgrund wurde ein Dehnungsmessstreifen zur Ermittlung der Langsdehnung £i appliziert (siehe Abbildung). Bei der Zugkraft von F= 100 kN wird eine Langsdehnung von £[ = 1,00 %o gemessen. Berechnen Sie aus dem Messwert fiir die Dehnung die Formzahl ciTk und iiberpriifen Sie das Ergebnis mit Hilfe eines geeigneten Formzahldiagrammes.

Aufgabe 7.3 Ein Halteband aus unlegiertem Baustahl S275JR (E = 210000 N/mm^; RQ= 430 N/mm^) ist an seinem oberen Ende fest eingespannt und am unteren Ende durch die Kraft F statisch belastet (siehe Abbildung). Bei der Kraft F = 25 kN wurde an der hochst beanspruchten Stelle A in Langsrichtung die Dehnung £\ = 1,042 %o gemessen.

Y//^/////^ I

a) Berechnen Sie die Formzahl ak. b) Ermitteln Sie die Sicherheit gegen FlieBen. c) Berechnen Sie die Zugkraft Fp, die zum Fliefien des Bandes fiihrt. Um den Werkstoff besser auszunutzen, soil an der hochst beanspruchten Stelle des Haltebandes (im Kerbgrund) eine Gesamtdehnung von ^-ges = 0,30 % zugelassen werden. d) Mit welcher Kraft Fpi kann das Halteband dann beansprucht werden (linear-elastisch idealplastisches Werkstoffverhalten) ?

wm 62=40

e) Berechnen Sie die Kraft Fypi, die zum vollplastischen Zustand des Haltebandes fiihrt.

147

7.5 Ubungsaufgaben

Attfgabe 7.4 Der Deckel eines Druckbehalters ist mit Hilfe von Dehnschrauben (S) aus Vergtitungsstahl C45E (i?po,2 = 490 N/mm^; Rm = 7l0 N/mm^; E = 210000 N/mm^) und Hiilsen (H) aus unlegiertem Baustahl S275JR (R, = 260 N/mm^; R^ = 420 N/mm^; E = 210000 N/mm^) befestigt (siehe Abbildung).

\ ^i

Schraube: di = 12 mm h = 128 mm J2 = 24 mm = 3 mm /2 = 84 mm

Hiilse:

a) Im drucklosen Zustand wird jede Schraube mit einer statischen Zugkraft von Fy = 24 kN vorgespannt. • Berechnen Sie die Langenanderung der Schraube sowie die Hohenanderung der Hiilse. • Ftihrt eine Steigerung der Vorspannkraft Fy zuerst zu plastischen Verformungen in der Hiilse oder in der Schraube ? b) Wahrend des Anziehens wird zusatzlich zu der als konstant anzunehmenden Vorspannkraft Fv = 24 kN infolge Reibung noch ein Torsionsmoment M auf die Schrauben iibertragen, das mit 40% des Anzugsmomentes MA anzunehmen ist. Berechnen Sie das maximal zulassige Anzugsmoment MA, falls die Gesamtbeanspruchung der Schrauben auf 2/3 ihrer 0,2%Dehngrenze i?po,2 begrenzt werden muss. Nach Druckaufbringung erhoht sich die Zugkraft auf Fges = 36,5 kN je Schraube. In die Hiilse muss auBerdem nachtraglich eine Querbohrung von 4,5 mm Durchmesser eingebracht werden. c) tJberpriifen Sie, ob unter diesen Bedingungen noch ein sicherer Betrieb (Belastung durch Fges) gewahrleistet ist, falls lokale Dehnungen bis £-ges = 0,5 % als zulassig erachtet werden und eine Mindestsicherheit von Sp\ = 1,5 gefordert wird (das Torsionsmoment soil unberiicksichtigt bleiben). Falls nein, auf welchen Wert muss dann die Schraubenkraft im Betrieb reduziert werden ? 2,9 1 PjsJ

1

t

2,8

6

1 1

Fl 1 t

I1S_

I ri r^> L

1 1 1 1

12.7 1

Trs

VI

i

CD N

1

E £ 2,6

•C3

Irsi rH>_ Trsl itx.^

IV

^TT s

F I

I

I

Tr4^

p

T l r U ^ " (niD-sj-dys

2,5 0.05

0,1

0,15 dID

0,2

0,25

0,30

148

7 Kerbwirkung

Aiifgabe 7.5 Ein Halteband mit Querbohrung {d = 20 mm, ft = 60 mm) aus der unlegierten Vergiitungsstahlsorte C45E wird durch die Kraft F statisch belastet {E = 210000 N/mm^; R^= 490 N/mm^; i?m= 710 N/mm^). a) Berechnen Sie die Kraft Fp bei FlieBbeginn des Haltebandes. b) Errechnen Sie die Nennspannung G^ bei FlieBbeginn und skizzieren Sie die Spannungsverteilung. c) Die Gesamtdehnung an der hochst beanspruchten Stelle soil auf %s ^ 0,5% beschrankt werden. Berechnen Sie ftir diesen Fall die zulassige Kraft Fzui (^pi = 1,5). d) Bei welcher Kraft F^ ist mit dem Bruch des Haltebandes zu rechnen ?

Aufgabe IS Die dargestellte abgesetzte Welle aus Werkstoff 38Cr2 wird durch die statisch wirkende Kraft Fz und das statisch wirkende Torsionsmoment M^ beansprucht. Zur Ermittlung der Belastung wurden auBerdem in hinreichendem Abstand vom Wellenabsatz zwei Dehnungsmessstreifen (DMS) in der dargestellten Weise appliziert. Die beiden Dehnungsmessstreifen stehen senkrecht zueinander. Werkstoffkennwerte 38Cr2: i?po,2 =510N/mm^ R^ =760N/mm^ E = 210000 N/mm^ fi = 0,30

^^

a) Berechnen Sie die Dehnungen £A und SQ in Messrichtung der DMS bei einer Belastung von Fz = 30 kN und M = 100 Nm. b) Ermitteln Sie ftir den Wellenabsatz ftir eine Beanspruchung gemaB Aufgabenteil a) die Sicherheit gegen FlieBen. Ist die Sicherheit ausreichend ? c) Bestimmen Sie das maximal iibertragbare Torsionsmoment M* damit bei gleichbleibender Zugkraft (Fz = 30 kN) am Wellenabsatz FlieBen mit Sicherheit {S^ = 1,35) ausgeschlossen werden kann.

149

7.5 Ubungsaufgaben

Aufgabe 7J Ein Rundstab mit Vollkreisquerschnitt aus der unlegierten Vergiitungsstahlsorte C45E (0D = 32 mm, / = 420 mm, c = 120 mm) ist an seinem oberen Ende fest eingespannt und am unteren Ende mit einer Lasche verbunden (siehe Abbildung). Uber die Lasche kann der Rundstab auf unterschiedliche Weise beansprucht werden. Die Kerbwirkung an der Einspannstelle soil vemachlassigt werden. Werkstoffkennwerte C45E: i?e =490N/mm^ Rm =720N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju = 0,30 Es sind verschiedene Lastfalle zu untersuchen: a) An der Lasche greift die statische Kraft F\ = 1250 N an (siehe Abbildung). Berechnen Sie die Spannung und die Dehnung an der hochst beanspruchten Stelle des Rundstabes. b) An der Lasche greift die statische Kraft F2 = 2250 N entsprechend der Abbildung an. Berechnen Sie die Sicherheit gegen FlieBen. Ist die Sicherheit ausreichend ? Anstelle der einseitigen wird eine symmetrische Lasche angebracht. Die Lasche wird durch die beiden statischen Krafte F3 beansprucht. AuBerdem wird in Stabmitte ein halbkreisformiger Einstich mit dem Radius R = 3,2 mm eingearbeitet (siehe Abbildung). c) Berechnen Sie die zulassigen Krafte F3, falls mit 1,4-facher Sicherheit keine plastische Verformungen auftreten diirfen. d) Berechnen Sie die zulassigen Krafte F3 falls mit 1,4-facher Sicherheit die plastische Dehnung an der hochst beanspruchten Stelle auf £p\ = 0,2 % begrenzt werden soil.

p ^.^,,.^^^^,.,,^^ ^^—Ipi^^S

150

7 Kerbwirkung

Aufgabe 7.8 Die Abbildung zeigt eine abgesetzte Welle mit Vollkreisquerschnitt aus unlegiertem Vergiitungsstahl C45E (R, = 340 N/mm^; 7?^ = 620 N/mm^; E = 205000 N/mm^; ju = 0,30). b=^80

b = ^80

Mi

Die Welle wird durch die mittig angreifende Querkraft Fi = 1050 N und das Torsionsmoment Mt = 72 Nm statisch beansprucht. Die Zugkraft F2 wirkt zunachst nicht (F2 = 0). a) Berechnen Sie das Biegemoment im Kerbgrund (Stelle I). b) Bestimmen Sie fiir die Kerbstelle I die Sicherheiten gegen FlieBen (Si) und Gewaltbmch (^B). Sind die Sicherheiten ausreichend ? Die Welle wird nun durch eine baugleiche Welle aus dem legierten Vergiitungsstahl 50CrV4 ersetzt (i?po,2 = 900 N/mm^; i?^ = 1100 N/mm^; E = 205000 N/mm^; fi = 0,30). c) Ermitteln Sie das maximal ubertragbare Torsionsmoment Mt* damit bei gleichbleibender Querkraft Fi kein FlieBen im Kerbgrund eintritt (Zugkraft F2 = 0). Die Welle unterliegt nun einer unbekannten Betriebsbeanspruchung. Die Querkraft Fi und die Zugkraft F2 sowie das Torsionsmoment Mt sind nicht bekannt. Zur Ermittlung der Krafte und des Torsionsmomentes werden in hinreichendem Abstand vom Wellenabsatz (die Kerbwirkung kann unberiicksichtigt bleiben) in der skizzierten Weise eine 0°-45°-90° DMS-Rosette (R) sowie zwei einzelne DMS (El und E2) in Langsrichtung appliziert. Unter Belastung werden die folgenden Dehnungen ermittelt: 1,300 %O 6B = 0,065 %o 8c = - 0,390 %o £Y)= 1,050 %O £ E = 1,550 %O

£A=

d) Ermitteln Sie anhand der Dehnungswerte die Zugkraft F2. e) Berechnen Sie die Querkraft Fi. f) Ermitteln Sie Betrag und Drehsinn des Torsionsmomentes M^. g) Berechnen Sie unter Betriebsbeanspruchung die Sicherheit S^ gegen FlieBen im Kerbquerschnitt I (Rpo,2 = 900 N/mm^).

151

7.5 Ubungsaufgaben

Aiifgabe 7J An einem Bauteil ist eine Dehnschraube aus dem Vergiitungsstahl C35E zu uberprufen. Der gefahrdete Querschnitt liegt im glatten, zylindrischen Teil des Schraubenbolzens (siehe Abbildung). Werkstoffkennwerte C35E (vergiitet): ^po,2 = 430 N/mm^ Rm =740N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju = 0,30 Der Schraubenbolzen wird zunachst durch die Vorspannkraft Fi = 7860 N und zusatzlich durch das Torsionsmoment M^ = 11,78 Nm (bedingt durch das Anziehen der Schraube) beansprucht. a) Berechnen Sie die durch die Vorspannkraft F\ im gefahrdeten Querschnitt (do= 10 mm) erzeugte Zugspannung (Tz. Um welchen Betrag verlangert sich dabei der zylindrische Teil des Schraubenbolzens (/o = 50 mm) ?

F2 bzw. F3

b) Berechnen Sie die durch das Torsionsmoment Mt\ im gefahrdeten Querschnitt erzeugte maximale Schubspannung Tt. Um welchen Winkel cp wird der zylindrische Teil des Schraubenbolzens dabei verdreht ? c) Skizzieren Sie den Mohr'schen Spannungskreis fur die AuBenoberflache im glatten zylindrischen Teil des Schraubenbolzens. Ermitteln Sie die Hauptnormalspannungen sowie die Winkel zwischen den Hauptspannungsrichtungen und der Schraubenlangsachse. d) Berechnen Sie flir den zylindrischen Teil der Dehnschraube das Torsionsmoment Mt2 bei FlieBbeginn. Die Vorspannkraft soil als konstant angenommen werden (Fi = 7860 N ) . Die Schraube wird nun mit einer hydraulischen Vorspanneinrichtung eingebaut, so dass kein Drehmoment ubertragen werden kann (Mt = 0). AuBerdem werden jetzt Dehnschrauben mit einem halbkreisformigen Einstich eingesetzt. Der Kerbradius R betragt 1,5 mm (siehe Abbildung). e) Berechnen Sie zu zulassige Vorspannkraft F2, falls mit 1,5-facher Sicherheit (S^ = 1,5) keinerlei plastische Verformungen auftreten soUen. f) Ermitteln Sie die Vorspannkraft F3, falls mit 1,5-facher Sicherheit die plastische Dehnung (^jji) an der hochst beanspruchten Stelle auf 0,3% beschrankt werden soil.

152

7 Kerbwirkung

Aufgabe 7.10 Der dargestellte Ausleger aus den Werkstoffen E295 (Vierkantrohr) und S275JR (Vierkantprofilstab) wird an seinem rechten Ende durch die Einzelkraft F belastet. Kerbwirkung an der Einspannstelle sowie Schubspannungen durch Querkrafte sind bei den nachfolgenden Berechnungen zu vemachlassigen. Die Enden des Auslegers konnen als ideal Starr betrachtet werden. Das Eigengewicht des Auslegers wird vemachlassigt. Fiir beide Werkstoffe (E295 und S275JR) soil linear-elastisch idealplastisches WerkstoffVerhalten vorausgesetzt werden. Werkstoffkennwerte: Vierkantprofilstab S275JR: i?ei = 275 N/mm^ i?n,i=500N/mm^ Ex = 209000 N/mm^ //I =0,30 Vierkantrohr E295: 7?e2 = 295 N/mm^ i?n,2=750N/mm^ E2 = 209000 N/mm^ //2 =0,30 a = 2000

Vierkantprofilstab S275JR

A-B Vierkantrohr E295

/CO / 0

^

a) Berechnen Sie das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (/y) sowie das axiale Widerstandsmoment (^by) des Auslegers beziiglich der y-Achse. b) Ermitteln Sie diejenige Stelle am Ausleger, die mit zunehmender Erhohung der Kraft F erstmals FlieBen zeigt (Begriindung !). Beachten Sie, dass der Vierkantprofilstab sowie das Rohr unterschiedliche Werkstoffkennwerte besitzen. Berechnen Sie die Kraft Fp bei FlieBbeginn des Auslegers. c) Berechnen Sie die Kraft Fpi, die erforderlich ist, um das Vierkantrohr bis Zpi = 30 mm zu plastiflzieren. d) Berechnen Sie die Kraft F\\ bei FlieBbeginn des Vierkantprofilstabes. e) Ermitteln Sie die Kraft Fvpi mit Erreichen des vollplastischen Zustandes des Auslegers. f) Skizzieren Sie mit Hilfe der in Aufgabenteil b) bis e) berechneten Werte die Bauteilfliefikurve des Auslegers in das vorbereitete Diagramm.

7.5 iJbungsaufgaben

153

N -lOAAn -

IzUUU

^nrinn. lUUUU

)

8000-

cB

DUUU

/innn 4UUU

2000"

0-

1 2 3 4 Dehnung £ am Aufienrand des Vierkantrohres

Aufgabe7.11 Der dargestellte Lagerzapfen aus dem legierten Vergutungsstahl 34CrMo4 (i?po,2 = 800 N/mm^; ^n, = 1000 N/mm^; E = 205000 N/mm^; ju = 0,30) wird durch die statischen Krafte Fi und F2 sowie durch das statische Torsionsmoment M belastet. Zur Ermittlung der unbekannten Krafte und des Torsionsmomentes werden in der skizzierten Weise eine 0°-45°-90° DMS-Rosette (R) sowie zwei einzelne DMS (El und E2) in Langsrichtung appliziert. Unter Belastung werden die folgenden Dehnungen ermittelt: 1,60 %o 0,00 %o ^ = - 0,48 %o £D = 1,40 %o £E = 1,80 %o ^A

=

^B =

a) Ermitteln Sie anhand der Dehnungswerte die Zugkraft Fi. b) Berechnen Sie die Querkraft F2. c) Ermitteln Sie Betrag und Richtung des Torsionsmomentes Mt. d) Bestimmen Sie die Sicherheit gegen FlieBen im Kerbquerschnitt 1.1st die Sicherheit ausreichend ?

154

8 Knickung von Staben Bauteile die auf Zug beansprucht werden, konnen ihre Funktion sicher erflillen, solange die Zugspannung a^ die Streck- oder Dehngrenze des Werkstoffs nicht iiberschreitet (CTZ < R^ bzw. cTz < /?po,2)- Werden Bauteile hingegen auf Druck beansprucht, dann konnen bereits vor Erreichen der Quetsch- oder Stauchgrenze, auch bei mittig angreifender Druckkraft, seitliche Ausbiegungen auftreten. Man spricht dann von Knickung. Diejenige Kraft F, die zur Knickung fiihrt, wird als Knickkraft F^ bezeichnet und soil nachfolgend ermittelt werden.

8.1 Knickkraft (Euler'sche Knickfalle) Die Berechnung der Knickkraft eines auf Druck beanspruchten Stabes soil zunachst fiir einen auBermittigen Kraftangriff erfolgen. Hieraus soil dann auf die Verhaltnisse mittig beanspruchter Druckstabe geschlossen werden. 8.1.1 Knickung bei aul^ermittigem Kraftangriff Zur Herleitung der Knickkraft FK wird zunachst ein beidseitig gelenkig gelagerter, jedoch quer zur Stablangsachse nicht verschiebbarer Stab betrachtet, dessen Querabmessungen klein gegenuber seiner Lange sein sollen (Bild 8.1a). Der Kraftangriffspunkt soil sich voraussetzungsgemaB auBerhalb der Stabmitte (Exzentrizitat e zur Stabachse) befinden. Diese Voraussetzung ist haufig gerechtfertigt, da auch in der Praxis, selbst bei mittig auf Druck beanspruchten Staben, eine geringe Exzentrizitat e auftritt (z. B. Montageungenauigkeiten).

a) |||||Rj[lj|

jlJIJI

111

llll II i

iii ^

F

c)

Die Kraft F bewirkt ein in Stablangsrichtung veranderliches Biegemoment Mby(x) und fiihrt zu einer Durchbiegung w(x) des Stabes (Bild 8.1b). Fiir das Biegemoment Mby um die zur Zeichenebene senkrechte y-Achse durch den Flachenschwerpunkt S des Querschnitts gilt (Bild 8.1c):

M^Ax)^F\w{xYe)

(8.1)

Zur Berechnung der Knickkraft FK muss die Durchbiegung w(x) des Stabes bereits benicksichtigt werden, da man aus der Voraussetzung eines geraden Stabes keine Aussagen fiir einen gebogenen Stab ableiten kann.

/Ifby(x)

Bild 8.1 Druckstab mit auBermittiger Belastung a) gerader Stab b) gebogener Stab c) Krafte und Momente am frei geschnittenen Stab

Fiir kleine Durchbiegungen w(x) lautet die Differentialgleichung der Biegelinie: ^by(^)

£"•/.

•^-w\x)

(8.2)

155

8.1 Knickkraft (Euler'sche Knickfalle) Gleichung 8.1 in Gleichung 8.2 eingesetzt ergibt: F'(w{x)-\-e)

(8.3)

-w\x)

bzw. umgeformt: (8.4) {w(x)+e) = 0 EI Fiihrt man zur Losung dieser Differentialgleichung die neue Veranderliche u(x) ein, wobei gelten soil: w"ix) +

u(x) = w(x) + e

(8.5)

u\x) = w"{x) und definiert auBerdem zur Vereinfachung

(8.6) dann folgt aus Gleichung 8.4: (8.7)

u\x) + rj^ ' u{x) = 0 Die allgemeine Losung dieser Differentialgleichung lautet:

(8.8)

u(x) = Q sin(77 • x) + C2 cos(77 • x) bzw. wegen w(x) = u(x) - e schlieBlich: w(x) = Q sin(/; • x) + C2 cos(77 • x) - e

(8.9)

VoraussetzungsgemaB sollen die beiden Enden des Stabes gelenkig gelagert, jedoch senkrecht zur Stabachse nicht verschiebbar sein. Damit ergeben sich die folgenden Randbedingungen: w(x = 0) = 0

wlx = l) = 0 Setzt man diese Randbedingungen in die Losung der Differentialgleichung (Gleichung 8.9) ein, dann lassen sich die Konstanten Ci und C2 einfach ermitteln. Man erhalt: 0 = Q • sin(77 • 0) + C2 • COSCT; • 0) - e

0 = C2-e €2=6

(8.10)

und 0 = Ci' sm(r/ • /) + C2 • cos(;7 •l)-e 0 = Q • sin(7 • /) + e • cos(77 •l)-e 2 • sin'

\-cos(rj'l)

TTl

e • tan

= e'

L\=e

sin(7 • /)

2 • sm -— •cos

I 2 J

riA

V V 2 J

(8.11)

156

8 Knickung von Staben

Die Gleichung der Biegelinie w(x) lautet somit (Gleichung 8.9): w(x) = e't3n

^rj.l

sin(7 • x) + e • cos(/; •x)-e

f

tanM— ' sm(7] • x) + cos(77 'x)-l

-e

I2

(8.12)

J

Zur Vereinfachung von Gleichung 8.12 wendet man das folgende Additionstheorem an: tan x-smy-\- cos y =

sinjc

. sinx-sin v + cosx-cos V sin >; + cos y = cosx cosx _ cos(x - ;;) cosx

(8.13)

Damit lasst sich Gleichung 8.12 (Biegelinie) wie folgt umformen: rj-l

cos w(x) = e'

cos 1'

TJ ' X

_M

= e-

COS

V

cos

(I— V2

^

X

/; -1

(8.14)

n±

Aus Symmetriegrunden erhalt man die maximale Durchbiegung w(x) in der Stabmitte, also fur X = / / 2. Damit folgt aus Gleichung 8.14: cosi(;7 0)

/

x=-

COS -^—

I 2

(8.15)

-e-cos -—

I 2,

Mit einem Versagen des Stabes durch ein seitliches Ausknicken ist dann zu rechnen, sobald >^max „unendlich" w^ird. Dies ist der Fall, sobald gilt: cos

Hi

=0

(8.16)

V2 y

und damit: rjl

_ TT

T " 2" Die Falle « • 7i/2 mit « = 3, 5, usv^. miissen nicht betrachtet v^erden, da nur die kleinste, zum Ausknicken fuhrende Kraft (Knickkraft) ermittelt w^erden soil. Mit 7]--

(Gleichung 8.6) erhalt man damit letztlich diejenige Kraft F = FK die w^

Eh

„unendlich" v^erden lasst, d. h. eine Knickung des Stabes verursacht:

157

8.1 Knickkraft (Euler'sche Knickfalle)

Knickkraft eines beidseitig gelenkig gelagerten und auOermittig beanspruchten Stabes

(8 17)

Man nennt FK nach ihrem Entdecker LeonhardEuler (1707 ... 1783) auch Euler'sche Knickkraft. Lost man Gleichung 8.17 nach E • /y auf und setzt das Ergebnis in Gleichung 8.6 ein, dann erhalt man: 7V_

^=.

F

(8.18)

^E'L^

und damit: rjl _ n

(8.19) IFK

Setzt man Gleichung 8.19 in Gleichung 8.15 ein, dann erhalt man fur die maximale Durchbiegung Wmax:

COS

Maximale Durchbiegung eines an beiden Enden gelenkig gelagerten und auBermittig beanspruchten Stabes

(8.20)

Tragt man die maximale Durchbiegung Wmax ill Abhangigkeit der bezogenen Kraft F/FK fur verschiedene Werte der Exzentrizitat e auf, dann erkennt man, dass mit abnehmender Exzentrizitat der Ubergang zu groBeren Durchbiegungen abrupter erfolgt (Bild 8.2). Im Grenzfall e - 0 beobachtet man mit Erreichen der Knickkraft (F = FK) einen sofortigen, unstetigen Anstieg der Durchbiegung d. h. es sind beliebige Durchbiegungen moglich.

0,4 F/FK

0,6

0,8

1,0

—

Bild 8.2 Maximale Durchbiegung w^ax in Abhangigkeit der bezogenen Dmckkraft fur unterschiedliche Exzentrizitaten e

158

8Knickung von Staben

8.1.2 Knickung bei mittigem Kraftangriff Die Herleitung der Knickkraft FK erfolgte im vorangegangenen Kapitel fur einen auBermittig beanspruchten und beidseitig gelenkig gelagerten Stab (Exzentrizitat e ^ 0). Es ist zu priifen, ob und in welcher Weise sich die Euler'sche Knickkraft (Gleichung 8.17) bei mittigem Kraftangriff (e = 0) andert. Die allgemeine Losung der Differentialgleichung (Gleichung 8.9) lautet fiir e = 0: w{x) = Q • sin(;7 • x) + C2 • cos(;7 • x)

(8.21)

mit den Randbedingungen w(x = 0) = 0 w(x = l) = 0 erhalt man: C2=0

(8.22)

0 = Q j5in(7-/) + C2 •cos(7 • /) 0 = C i Jim{t] • I)

(8.23)

und

Die Bedingung 8.23 kann nui* erflillt werden, fallsgilt": Tj'l = 7r

iJi;

•l = K

F=

7 2 — = ^K

(8.24)

Eine Losung der Differentialgleichung (Gleichung 8.21) kann physikalisch als Beginn des Ausknickens des Stabes gedeutet werden. Dies geschieht mit Erreichen der Kraft FK (Euler'sche Knickkraft). Ein mittig beanspruchter und an seinen beiden Enden gelenkig gelagerter Stab beginnt nach obiger Berechnung also dann auszuknicken, sobald die Druckkraft F die Euler'sche Knickkraft FK erreicht: |H||Hiiii llllill Knickkraft eines beidseitig gelenkig gelagerten und '^^^^ mittig beanspruchten Stabes

r8 25)

Im Falle eines auBermittigen Kraftangriffs {e ^ 0) war der Zusammenhang zwischen Kraft F und Durchbiegung w eindeutig. Das Gleichgewicht war also stabil. Erreichte die Druckkraft F die (Euler'sche) Knickkraft FK, dann wurde w^ax „unendlich". Bei mittigem Kraftangriff {e = 0) ist mit Erreichen von FK das Gleichgewicht indifferent, d. h. jede beliebige Durchbiegung ist moglich. Unabhangig davon, ob ein mittiger oder ein auBermittiger Kraftangriff erfolgt, kennzeichnet die Euler'sche Knickkraft gemaB Gleichung 8.25 diejenige Belastung, bei der ein beidseitig gelenkig gelagerter Stab durch Knickung versagt. '^ Die Losung Ci = 0 wiirde die hier nicht interessierende Gleichgewichtslage des geraden Stabes beschreiben. Die Falle rj • l = n • mit« = 2, 3, usw. miissen nicht betrachtet werden, da nur diejenige Kraft ermittelt werden soil, die zum Ausknicken fiihrt.

159

8.1 Knickkraft (Euler'sche Knickfalle)

Zur Herleitung der Knickkraft FK wurde vorausgesetzt, dass der Druckstab nur in der Ebene senkrecht zur y-Achse des Stabquerschnittes, der Zeichenebene also, ausknicken kann. Bei einem raumlich (z. B. in einer Kugelpfanne) gelagerten Stab kann ein Ausknicken jedoch in jeder die x-Achse beinhaltenden Ebene erfolgen. Falls nicht durch konstruktive MaBnahmen die Biegeebene vorgegeben ist bzw. erzwungen wird, erhalt man die kleinste Knickkraft fiir das Ausknicken senkrecht zur Querschnittsachse mit dem kleinsten axialen Flachenmoment 2. Ordnung(/ = /min). Die Herleitung der Euler'schen Knickkraft (Gleichung 8.25) setzte einen an beiden Enden gelenkig gelagerten Druckstab voraus. Bei veranderten Randbedingungen kann man in analoger Weise ebenfalls Differentialgleichungen aufstellen und die zugehorigen Knickkrafte FK berechnen [9]. Man unterscheidet in der Kegel die vier in Bild 8.3 dargestellten Knickfalle (Einspannbedingungen), die nach Leonhard Euler auch als Euler'sche Knickfalle bezeichnet werden. Knickfall 1

-V///////////A Tl^EI 4

^-^•^

/2

FK =

2 K ^ - ^

FK = 47r2

EI

Bild 8.3 Euler'sche Knickfalle Fall 1: Der Stab ist an einem Ende fest eingespannt. Er kann dort weder zur Seite hin ausweichen noch kann er sich schrag stellen. Die Einspanntangente bleibt vertikal. Das andere Ende des Stabes ist hingegen fi-ei beweglich d. h. ohne auBere Fiihrung oder Einspannung. Die Knickkraft FK berechnet sich unter diesen Bedingungen zu: ...Jill tmmmmM

illll

Knickkraft eines an einem Ende fest eingespannten, am anderen Ende frei beweglichen Stabes

(8.26)

Fall 2: Der Stab ist an beiden Enden gelenkig gelagert. Er kann dort nicht zur Seite hin ausweichen, wohl aber konnen sich die Stabenden schrag stellen, die Einspanntangente bleibt nicht vertikal. Die Knickkraft berechnet sich in diesem Fall (wie bereits bekannt) zu: Knickkraft eines an beiden Enden gelenkig gelagerten Stabes

(8.27)

160

8 Knickung von Staben

Fall 3: Der Stab ist an einem Ende fest eingespannt und an seinem anderen Ende gelenkig gelagert. Die Knickkraft errechnet sich unter diesen Einspannbedingungen zu: iiiiiiiiSipiii^ii

iPPiiPIBIlBll "^^i^^^^^

i^icl<^k**aft eines an einem Ende fest eingespannten, am anderen Ende gelenkig gelagerten Stabes

.r. y^. ^ * ^

Fall 4: Beide Stabenden sind fest eingespannt. Diese Einspannbedingungen fuhren zur hochsten Belastbarkeit des Stabes. Die Knickkraft FK errechnet sich zu: Iji^lJlllJllllJj™

Knickkraft einesfoeidseitigfest eingespannten Stabes

(8.29)

Die Gleichungen 8.26 bis 8.29 zeigen, dass die Knickkraft F^ vom Elastizitatsmodul (£), von der Geometric der Querschnittsflache, gekennzeichnet durch das axiale Flachenmoment 2. Ordnung (I) sowie von der Stablange (/) abhangen. Einen besonderen Einfluss auf die Knickkraft iibt hierbei die Stablange / aus, da sie in den Gleichungen im Quadrat erscheint. Eine Verdoppelung der Stablange bedeutet damit beispielsweise, dass die Knickkraft auf ein Viertel ihres urspriinglichen Wertes abnimmt. Weiterhin hangt die Knickkraft F^ im hohem MaBe von den Einspannungsbedingungen ab. So ist bei gleicher Stabgeometrie die Knickkraft eines beidseitig fest eingespannten Stabes (Knickfall 4) 16 mal so hoch im Vergleich zu einem an einem Ende fest eingespannten, am anderen Ende frei beweglichen Stab (Knickfall 1). Die Gleichungen 8.26 bis 8.29 beinhalten auBerdem keine Festigkeitskennwerte wie die Streck- bzw. Dehngrenze oder die Zugfestigkeit. Die Knickung ist, ebenso wie das hier nicht besprochene Beulen, ein Instabilitatsvorgang und wird daher im Wesentlichen nur von der geometrischen Form des Bauteils bestimmt. In der Praxis ist es haufig schwierig, die Einspannbedingungen der Druckstabe einem der Euler'schen Knickfalle zuzuordnen. Betrachtet man beispielsw^eise die Stabe eines Fachwerks, dann sind die Stabenden elastisch durch Knotenbleche miteinander verbunden. Der Grad der Einspannung in der Fachwerkebene wird daher auch von der Biegesteifigkeit E • / der Nachbarstabe mitbestimmt und liegt zwischen dem Euler'schen Knickfall 2 und 4.

8.2 Spannungsermittlung bei Knickung Die Knickspannung, also die Druckspannung unmittelbar im Moment des Ausknickens, errechnet sich zu: iiiillpl

Knickspannung

(8.30)

•ii Die Knickkraft FK erhalt man in Abhangigkeit der Einspannbedingungen aus den Gleichungen 8.26 bis 8.29.

161

8.3 Zulassige Spannung bei Knickung

83 Zulassige Spannung bei Knickung Ein Stab unter Druckbeanspruchung kann nicht nur durch Knickung sondem auch durch Flie6en oder durch Bruch versagen. Bei der Berechnung der zulassigen Spannung miissen daher ggf. alle drei Falle (FlieBen, Bruch und Knickung) berucksichtigt warden. TabelleS.l Kennwerte zur Bestimmung der zulassigen Spannung unter reiner Druckbeanspruchung Werkstoff bzw. Werkstoffzustand duktil

sprode

Versagensart

Werkstoffkennwert

FlieBen

OdF b z w . Odo,2

Knickung

C^K

Bruch

<^dB

Knickung

OK

Ersatzwert /?e bzw. /?p0,2

Sicherheitsbeiwert ^^ 5F=1,2...2,0

—-

^K = 2,5 ...5,0

2)

^B = 4,0 ...9,0

—-

^K = 2,5 ...5,0

J

'^ Anhaltswerte, falls keine einschlagigen Berechnungsvorschriften vorliegen. ^^ In der Regel ist bei sproden Werkstoffen Ode > Rm

Zusammenfassend errechnet sich die zulassige Spannung CTZUI unter Druckbeanspruchung also wie folgt: Bauteile aus}
a^^ = ^ ^ bzw. ^^^ aj?

• Knickung:

a^ui = - - ^

mit ^^F - 1,2 ... 2,0

(8.31)

Op

mit ^K = 2,5 ... 5,0

(8.32)

MaBgebend fiir den Festigkeitsnachweis ist der niedrigere der beiden Werte. Bauteile aus sproden Werkstoffen bzw. sproder Werkstoffzustand • Bruch:

^xui = £dB

mit 5B = 4,0 ...9,0

(8.33)

• Knickung:

<j2yi = —^

mit *SK = 2,5 ... 5,0

(8.34)

MaBgebend fiir den Festigkeitsnachweis ist der niedrigere der beiden Werte.

8.4 Knicklange Vergleicht man die Biegelinien der Knickfalle 1, 3 und 4 mit der Biegelinie des beidseitig gelenkig gelagerten Stabes (Knickfall 2), dann fallt folgendes auf (Bild 8.4): Knickfall 1: Eine Spiegelung der Biegelinie am fest eingespannten Ende ergibt die Biegelinie des beidseitig gelenkig gelagerten Druckstabes (Knickfall 2).

162

8 Knickung von Staben

Knickfall 3: Die Biegelinie von Knickfall 3 besitzt einen Wendepunkt. Am Wendepunkt ist w"(x) = 0 und damit Mby = 0 (Gleichung 8.2). Damit kann man sich den Wendepunkt von Knickfall 3 auch durch eine gelenkige Einspannung ersetzt denken. Daher entspricht die Biegelinie zwischen Wendepunkt und der oberen, gelenkigen Einspannung der Biegelinie des beidseitig gelenkig gelagerten Stabes (Knickfall 2). Knickfall 4: Auch hier gilt an den Wendepunkten w"(x) = 0 und dementsprechend Mby = 0, so dass die Biegelinie zv^ischen den Wendepunkten von Knickfall 4 wieder der Biegelinie von Knickfall 2 entspricht. Die Lange der Abschnitte innerhalb derer die Biegelinien mit derjenigen des beidseitig gelenkig gelagerten Stabes iibereinstimmen, w^ird als Knicklange /K bezeichnet (Bild 8.4). Fiir den Zusammenhang zwischen Knicklange /K und Stablange / folgt dann: Knickfall 1 (8.35) Knickfall 2 k = l (8.36) Knickfall 3 /K « 0,7 • / (8.37) Knickfall 4 (8.38) Damit konnen die Gleichungen 8.26 bis 8.29 auch durch eine Gleichung ersetzt w^erden, indem man die Stablange / durch die Knicklange 4 ersetzt. Fv =

TT'E'I

(8.39)

/2

Man tiberzeugt sich leicht, dass man durch Einsetzen der Knicklangen /K (Gleichungen 8.35 bis 8.38) in Gleichung 8.39 wieder die bekannten Gleichungen 8.26 bis 8.29 erhalt. Fiir den Knickfall 2 entspricht die Knicklange /K der Stablange /, so dass Gleichung 8.39 mit Gleichung 8.27 iibereinstimmt. Knickfall 1

Knickfall 2

Knickfall 3

Knickfall 4

^Wendepunkt

Wendepunkt

Wendepunkt

Bild 8.4 Biegelinien und Knicklangen fiir unterschiedliche Einspannbedingungen (Euler'sche Knickfalle)

163

8.5 Knickspannungsdiagramme

8.5 Knickspannungsdiagramme Die Knickspannung Of^ errechnet sich entsprechend Gleichung 8.30 zu: ^

(8.40)

A

mit der Knickkraft FK gemaB Gleichung 8.39 folgt: (8.41)

Defmiert man fiir die Geometrie des Stabes den Schlankheitsgrad /I zu (mit / = /min): (8.42)

Definition des Sclilanl(lieit$grade$

jfu

dann folgt aus Gleichung 8.41: 7t *E

Gleichung der Euler-Kurve

(8.43)

Tragt man diese Gleichung in einem c-^Diagramm, dem so genannten Knickspannungsdiagramm auf, dann erhalt man eine Hyperbel, die als Euler-Kurve bezeichnet wird (Bild 8.5). Erreicht die Knickspannung ok mit abnehmendem Schlankheitsgrad X die Proportionalitatsgrenze fur Druckbeanspruchung (odp), dann verliert Gleichung 8.43 ihre Giiltigkeit, da oberhalb von Odp das Hooke'sche Gesetz nicht mehr gilt. Der Grenzschlankheitsgrad /l<} lasst sich dann einfach berechnen:

Quetschen

—7 • OdP+

c D C C CD Q.

Quetsch- bzw. Stauchgrenze Proportionalitatsgrenze j

As

crK =

' 4

= <^dP

(8.44

Damit ergibt sich der Grenzschlankheits grad ^ : XQ^M* \<J^

AG

Schlankheitsgrad X

Bild 8.5 Knickspannungsdiagramm

Grenzschlankheitsgrad fiir elastische Knickung (Euler-Bereich)

(8.45)

Da die Proportionalitatsgrenze Od? experimentell praktisch nicht ermittelt werden kann, ist ersatzweise auch eine Berechnung mit Hilfe der technischen Elastizitatsgrenze i?po,oi (Kapitel 2.2.2.1) moglich.

164

8 Knickung von Staben

Im Euler-Bereich, also fiir Stabe mit einem Schlankheitsgrad A> AQ (Bild 8.5) ist die Knickspannung nur vom Elastizitatsmodul E des Werkstoffs und von der Stabgeometrie (Schlankheitsgrad A) abhangig. Eine hohere Festigkeit des Werkstoffs (Odp bzvv^. i?po,o,i) liefert hierbei keine zusatzliche Sicherheit, da innerhalb einer Werkstoffgruppe der Elastizitatsmodul E nur wenig variiert (Kapitel 2.1.4.1). Daher lasst sich durch die Wahl eines hoherfesten Werkstoffs (in der Kegel auch hohere Werkstoff- und Bearbeitungskosten !) keine Verbesserung im Hinblick auf das Ausknicken erreichen d. h. die Tragfahigkeit des Druckstabes wird nicht erhoht. Wohl aber fiihrt gemaB Gleichung 8.45 eine hohere Festigkeit zu kleineren Grenzschlankheitsgraden AQ und erweitert dadurch den Euler-Bereich, so dass bei einer zusatzlichen, konstruktiven Verminderung des Schlankheitsgrades (z. B. Verminderung der Stablange unter Beibehaltung der Querschnittsgeometrie) die Knickspannung und damit die Tragfahigkeit erhoht werden kann. Wahrend lange, dtinne Stabe (A > AQ) mit steigender Druckbeanspruchung durch elastische Knickung versagen, werden kurze, dicke Stabe (A < As) mit Uberschreiten der Quetsch- bzw. Stauchgrenze (Odp bzw^. adoa^ siehe Kapitel 2.2.2.1) plastisch verformt (zusammengedriickt) ohne zu knicken. Fiir mittellange Stabe, mit Schlankheitsgraden nur wenig unter AQ(AS< A< AQ) kommt es hingegen zur plastischen Knickung. Experimentelle Untersuchungen ergeben fur diesen Bereich eine Ubergangskurve, die naherungsweise unter anderem durch die Tetmajer-Gleichung {Ludwig von Tetmajer, 1850 ... 1905) beschrieben werden kann. Die empirisch ermittelte Tetmajer-Gleichung schneidet fiir duktile Werkstoffe die Euler-Kurve in /i = AQ und (j= Odp und kann wie folgt beschrieben werden: 2

^K ~ci-b'A^C'A

Tetmajer-Gleichung

Tabelle 8.2 Koeffizienten der Tetmajer-Gleichung Werkstoff

a

\

h

\

c

Gilltigkeit 1

N/mm^ 12

0,053

EN-GJL-200

776

S235JR

310

1,14 0

60 < A. < 104

335

0,62 0

0 < A. < 88

|E335

0 < ^i < 80

(8.46)

165

8.6 Biegeknickung

8.6 Biegeknickung Die bisherigen Betrachtungen sind davon ausgegangen, dass die auf Druck beanspruchten Stabe keine Biegung erfahren, die Exzentrizitat e also Null ist. Durch Fertigungs- oder Montageungenauigkeiten ist in der Praxis jedoch stets mit einer gewissen Exzentrizitat e der Druckkraft zu rechnen. Dann iiberiagert sich der Druckspannung G^^ FI A noch ein Biegeanteil Ob = M^^^^l W\). Die Gesamtspannung cTges ergibt sich dann zu: ges

_F_

ges

M,b max

~ A w^ F F-{ >^max+g) —+ ^ W^

(8.47)

Mit Gleichung (8.15) folgt: F-e

_F_

(8.48)

W^ • cos| V2 und mit Gleichung 8.6 schlieBlich: ^ges=-7 + '

Fe

W^ •cos

(8.49) EI

Gleichung 8.49 gilt zunachst fur den beidseitig gelenkig gelagerten Stab (Knickfall 2). Ersetzt man jedoch die Stablange / durch die Knicklange /K, dann kann die Beziehung unter Beriicksichtigung der Gleichungen 8.35 bis 8.38 flir alle Knickfalle angewandt werden. (8.50)

Gleichung 8.50 zeigt, dass bei Druckstaben mit auflermittigem Kraftangriff (Wirkungslinie der Druckkraft fallt nicht mit dem Flachenschwerpunkt des Stabquerschnitts zusammen) zusatzlich zur Druckspannung noch ein nicht unerheblicher Biegeanteil zu beriicksichtigen ist. Bei groBerer Exzentrizitat e kann daher die Spannung cxges bereits lange vor einer Knickung, unzulassig hohe Werte erreichen. Da bei Druckstaben die Exzentrizitat e nur schwer abzuschatzen ist, wird in der Praxis daher meist mit hohen Sicherheitsbeiwerten gegen Knickung gerechnet (Tabelle 8.1).

166

8 Knickung von Staben

8.7 Ubungsaufgaben Aiifgabe 8«1 Ein beidseitig gelenkig gelagerter Profilstab aus dem Vergiitungsstahl C22 mit einer Lange von / = 2 m und einer quadratischen Querschnittsflache (a = 50 mm) w^ird durch die im Flachenschv^erpunkt angreifende, statisch w^irkende Druckkraft F^ = 50 kN mittig beansprucht. Werkstoffkennv^erte C22 (vergiitet): Rpo,2 = 320 N/mm^ Rm = 460N/mm^ E = 210000 N/mm^ M = 0,30 Berechnen Sie die Knickkraft FK sow^ie die Sicherheit gegen Knickung (Sy^) und gegen Fliefien (5F).

Aiifgabe 8 J Ein Profilstab aus der unlegierten Baustahlsorte S275JR mit einer Lange von / = 1200 mm und der dargestellten Querschnittsflache, wird durch eine im Flachenschw^erpunkt S angreifende Druckkraft Fd statisch beansprucht. Der Profilstab ist an beiden Enden gelenkig gelagert. Werkstofflcennv^erte S275JR: i?e = 255 N/mm^ i?in = 510N/mm^ E = 210000 N/mm^ // =0,30

A-A 10

r

777////A

ZZ2Z

I TTZA

n

40 50

a) Berechnen Sie flir den dargestellten Querschnitt die axialen Flachenmomente 2. Ordnung beziiglich der y-Achse (/y) sovv^ie beztiglich der z-Achse {Q. b) Ermitteln Sie die zulassige Druckbelastung F^ des Profilstabes (i^K = 4 und ^F = 1,5). c) Berechnen Sie die Verkiirzung A/ des Profilstabes unmittelbar vor dem Versagen.

167

8.7 Ubungsaufgaben

Aufgabe 83 Die Abbildung zeigt eine einfache hydraulische Hebevorrichtung bestehend aus Tragarm (7), einer beidseitig gelenkig gelagerten Kolbenstange (K) und einem HydraulikzyUnder (Z). Durch Veranderung des Drucks im Zylinder kann die Masse m am Ende des Tragarms angehoben oder abgesenkt werden. Das Eigengewicht von Tragarm und Kolbenstange darf vernachlassigt werden.

2500

Werkstoffkennwerte: Werkstoffkennwerte

Tragarm (S235JR)

Kolbenstange (C35E)

Zylinder (EN-GJL-350)

R,

[N/mm^]

235

355

._-

Rr^

[N/mm^]

360

470

350

E

[N/mm^]

210000

210000

115000

0,30

0,30

0,26

\M

[-]

a) Berechnen Sie die Druckkraft F^ auf die Kolbenstange, falls die an den Tragarm angehangte Masse m = 1000 kg betragt. b) Ermitteln Sie die Sicherheiten gegen FlieBen (Sp) und Knickung (SK) fur die beidseitig gelenkig gelagerte Kolbenstange (K). Sind die Sicherheiten ausreichend ? c) Berechnen Sie fiir die hochst beanspruchte Stelle des Tragarms (7) das Biegemoment M) max- Berechnen Sie auBerdem das MaB a des I-Profils des Tragarms, so dass die Sicherheit gegen FlieBen an der hochst beanspruchten Stelle ^Sp = 1,5 betragt.

168

8 Knickung von Staben

Attfgabe 8.4 2000

Der dargestellte Wandkran ist an seinem linken Ende gelenkig gelagert. An seinem freien, rechten Ende greift eine statisch wirkende Kraft F = 800 kN an. Der Kranausleger wird durch einen Stiitzstab aus unlegiertem Baustahl (S235JR) abgestiitzt und kann als beidseitig gelenkig gelagert angesehen werden. Werkstoffkennwerte S235JR: R, =235N/mm^ Rrn = 440 N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju =0,30 a) Berechnen Sie die Druckkraft F^, die auf den Stiitzstab wirkt.

b) Bestimmen Sie fur die Querschnittsflache des Stiitzstabes das axiale Flachenmoment 2. Ordnung bezuglich der y-Achse (/y). c) Ermitteln Sie fiir den Stiitzstab die Sicherheiten gegen FlieBen und gegen Knickung. Sind die Sicherheiten ausreichend ? Aiifgabe 8*5 Eine Stahlstiitze aus der unlegierten Baustahlsorte S235JR mit kreisfbrmigem Querschnitt (di = 50 mm; ^ = 5 mm) und einer Lange von / = 2500 mm wird durch die statisch wirkende, mittig angreifende Druckkraft F beanspmcht. Die Stahlstiitze kann an ihrem unteren Ende als fest eingespannt, an ihrem oberen Ende hingegen als frei beweglich betrachtet werden. Am oberen Ende der Stiitze wurde auBerdem eine Druckplatte montiert, die mittels eines Bolzens mit der Stiitze verbunden ist. Der Bolzen aus dem unlegierten Vergiitungsstahl C45E besitzt einen VoUkreisquerschnitt. Werkstoffkennwerte: S235JR: Re = 235 N/mm' ^m ~ 380 N/mm^ A = 26% E = 210000 N/mm^ C45E:

310N/mm^ 620 N/mm^ = 490 N/mm^ = 16%

^p0,2 = ^m ^aB

A

~

Druckplatte Bolzen

StaWstiJtze

8.7 Ubungsaufgaben

169

a) Berechnen Sie die zulassige Druckkraft Fd, damit FlieBen der Stahlstiitze mit einer Sicherheit von Sp = 1,5 ausgeschlossen werden kann. b) Ermitteln Sie die Druckkraft Fa*, die zu einer Knickung der Stahlstiitze fuhrt. c) Berechnen Sie den erforderlichen Durchmesser d des Bolzens, damit bei einer Belastung von F = 25 kN ein Abscheren mit einer Sicherheit von *SB = 2,0 ausgeschlossen werden kann.

Ein Wendelbohrer aus Schnellarbeitsstahl HS 6-5-2 (F = 208000 N/mm^) und dem in der Abbildung dargestellten idealisierten Querschnitt besitzt einen Durchmesser \ond= 12 mm. Ermitteln Sie die maximale Lange / des Bohrers, damit die Knickkraft FK mindestens 2 kN betragt. Hinweis: Das kleinste Flachenmoment 2. Ordnung (beziiglich der z-Achse) ergibt sich fur den idealisierten Querschnitt zu: ^4 r. '

64

Attfgabe 8.7 Die Stiitze eines Stahlgeriists aus Werkstoff S275J0 besitzt einen Kreisringquerschnitt und soil eine axiale Druckkraft von F = 150 kN aufnehmen. Die Lange der Stiitze betragt / = 1500 mm und der AuBendurchmesser Ja = 100 mm. Die Stiitze kann an ihrem unteren Ende als fest eingespannt und am oberen Enden als fi*ei beweglich betrachtet werden. a) Berechnen Sie die mindestens erforderliche Wandstarke s, damit die Belastung von F= 150 kN mit der notwendigen Sicherheit {S^ = 1,5 und 5'K = 3,0) ertragen werden kann. Die Druckkraft F soil zunachst als mittig angreifend (e = 0) betrachtet werden. b) Aufgrund von Montageungenauigkeiten ist es mitunter moglich, dass die Druckkraft auBermittig angreift (e ^ 0). Bestimmen Sie die maximal zulassige Exzentrizitat e, damit eine Sicheiiieit von S^ = 1,2 gegen FlieBen gegeben ist. Die Wandstarke der rohrfbrmigen Stiitze soil s = 5 mm betragen Werkstoffkennwerte S275J0: R, =290N/mm^ Rm = 560 N/mm^ F = 208000 N/mm^

170

8 Knickung von Staben

Aufgabe8.S Fiir ein Baugeriist werden Rohrstutzen aus S235JR {R, = 240 N/mm^; R^ = 420 N/mm^ und E = 210000 N/mm^) verwendet. Die Lange der Stiitzen betragt / = 3,50 m, der AuBendurchmesser Ja = 60 mm und die Wandstarke s = 5 mm. Die Stiitzen werden statisch auf Druck beansprucht und sind so eingebaut, dass beide Enden als fest eingespannt betrachtet werden konnen (Sf = l,5;S^ = 4,0).

Fd

A-A ' Rohrstutze

i.JL-i

a) Berechnen Sie ist die zulassige Druckkraft Fd auf die Rohrstiitze. b) Ermitteln Sie die Verkiirzung A/ der Rohrstiitze fur die zulassige Belastung aus Aufgabenteil a).

TTTTTTTTTTTTTTTTJ

Aufgabe8.9 Ein warm gewalzter Stahltrager (IPE 300) aus S235JR besitzt eine Lange von / = 3,5 m und wird durch eine statisch wirkende, mittig angreifende, axiale Druckkraft F = 1300 kN belastet. Der Trager ist an seinem unteren Ende in einer Kugelpfanne gelagert und am oberen Ende vertikal gefiihrt. Ermitteln Sie die Sicherheiten gegen Versagen. Werkstoffkennwerte: R, =300N/mm^ Rr^ = 530 N/mm^ E = 210000 N/mm^ Kenndaten zum Stahltrager (IPE 300): h = 300 mm b = 150 mm A = 53,8 cm^ /y = 8360 cm^ L = 604 cm^

L

A-B iZ

izzz^zzzr

T"

i\ [I

IPE 300'

171

9 Sehiefe Biegnng Von schiefer Biegung (mitunter auch als zweiachsige Biegung oder allgemeine Biegung bezeichnet) spricht man, sofem an einem Balken Krafte (Einzelkrafte oder Streckenlasten) oder Momente angreifen, deren Momentenvektor Mb nicht mit einer der beiden Hauptachsen des Balkenquerschnitts zusammenfallt. Dies ist der Fall: • bei Balken mit symmetrischem Querschnitt falls der Biegemomentenvektor schrag zur Symmetrieebene wirkt d. h. nicht mit der Symmetrieebene oder ihrer Senkrechten durch den Flachenschwerpunkt zusammenfallt (Bild 2.18c). • bei Balken mit unsymmetrischem Querschnitt sofem der Biegemomentenvektor nicht mit einer der Hauptachsen zusammenfallt (Bild 2.18d). Ziel dieses Kapitels ist die Ermittlung der Biegespannung in jedem Punkt der Querschnittsflache eines biegebeanspruchten Balkens und damit auch Ort und Betrag der maximalen Biegespannung. Zur Losung dieser Aufgabe ist es zunachst erforderlich, die Begriffe „Flachenmoment" und „Hauptachsen" einer Flache zu erlautem.

9.\ Flachenmomente Flachenmomente sind RechengroBen in Form von Integralen. Ein Flachenmoment kann man sich dadurch veranschaulichen, indem man eine Querschnittsflache A in unendlich viele kleine Flachenelemente dA aufteilt, den Abstand (oder das Quadrat des Abstands) eines jeden Elementes von den Bezugsachsen (z. B. y oder z in Bild 9.1) mit seinem Flacheninhalt multipliziert und alle so gewonnenen Produkte tiber die gesamte Querschnittsflache summiert (integriert). Man unterscheidet: • Flachenmomente 1. Ordnung • Flachenmomente 2. Ordnung

9.1.1 Flachenmomente 1. Ordnung

Bild 9.1 Aufteilung einer Querschnittsflache in unendlich kleine Flachenelemente dA

Unter einem Flachenmoment 1. Ordnung (mitunter auch als statisches Moment bezeichnet) versteht man einen mathematischen Ausdruck der Form:

H, = \z

dA Flachenmoment 1. Ordnung beziiglich der y-Achse

(9.1)

Flachenmoment 1. Ordnung beziiglich der z-Achse

(9.2)

bzw.

H^ = \ydA

Die Flachenmomente sind von erster Ordnung, da die Integranden (z. B. die Koordinaten y oder z) in der ersten Potenz auftreten. Die Dimension des Flachenmomentes 1. Ordnung ist beispielsweise m^, cm^ oder mm^. Fiir praktische Berechnungen verwendet man in der Kegel jedoch mm^

172

9 Schiefe Biegung

Flachenmomente 1. Ordnung benotigt man unter anderem zur Berechnung von Flachenschwerpunkten oder bei der Ermittlung von Schubspannungen, die durch Querkrafte (Querkraftschub) hervorgerufen werden (Kapitel 10.1). Fiir die Ermittlung von Flachenmomenten 1. Ordnung gelten die folgenden Aussagen: 1. Flachenmomente 1. Ordnung konnen in Abhangigkeit der Lage der Bezugsachse positive oder negative Zahlenwerte annehmen. 2. Flachenmomente 1. Ordnung sind von der Lage der Bezugsachsen abhangig. Beztiglich Achsen durch den Flachenschwerpunkt S (Schwereachsen) sind die Flachemomente 1. Ordnung Null. Damit sind bei symmetrischen Querschnittsflachen die Flachenmomente 1. Ordnung auch beztiglich der Symmetrieachse(n) Null. Bild 9.2 verdeutlicht diesen Sachverhalt: fur jedes positive Produkt (y-dA) existiert ein entsprechend negatives Produkt (-y-dA) auf der jeweils der Symmetrieachse gegeniiberliegenden Seite. Nach einer Summation bzw. Integration heben sich die Zahlenwerte gegenseitig auf.

Bild 9.2 Flachenmomente 1. Ordnung bei symmetrischen Querschnittsflachen

9.1.2 Flachenmomente 2. Ordnung Flachenmomente 2. Ordnung kennzeichnen die Steifigkeit einer Querschnittsflache beispielsweise in Bezug auf Biegung, Torsion oder Knickung. Aus Kapitel 2.3 und 2.5 ist bereits bekannt, dass Flachenmomente 2. Ordnung als RechengroBen bei der Spannungsermittlung unter Biege- und Torsionsbeanspruchung benotigt werden. In Kapitel 8 wurden Flachenmomente 2. Ordnung zur Berechnung der Knickkraft benotigt. Flachenmomente 2. Ordnung werden unterschieden in: • Axiale Flachenmomente 2. Ordnung (z. B. /y und I^) • Polare Flachenmomente (z. B. /p) • Gemischte Flachenmomente (z. B. /yz)

9.1.2.1 Axiale Flachenmomente 2. Ordnung Unter einem axialen Flachenmoment 2. Ordnung versteht man einen mathematischen Ausdruck der Form: Axiales Flachenmoment 2. Ordnung bezuglich der y-Achse

(9.3)

Axiales Flachenmoment 2. Ordnung bezuglich der z-Achse

(9.4)

A

bzw.

h = ly'*dA

Die Zahlenwerte axialer Flachenmomente 2. Ordnung sind von der Geometric der Querschnittsflache sowie von der Lage der Bezugsachse abhangig und nehmen stets positive Werte an.

9.1 Flachenmomente

173

Vielfach werden die axialen Flachenmomente 2. Ordnung aufgrund ihrer mathematischen Ahnlichkeit zu den Massentragheitsmomenten der Dynamik als axiale Flachentragheitsmomente bezeichnet. Da Flachen jedoch keine Massentragheit besitzen, soUte diese Bezeichnung vermieden werden. 9.1.2.2 Polare Flachenmomente Addiert man die beiden axialen Flachenmomente /y und /z dann erhalt man: /y+/z

= fz^ 'dA + {y^'dA = [(z^ + / ) • J^ A

2

I

A

2 _

A

2

und wegen / + z = r (Bild 9.1) folgt: 1^+1^=

\r^-dA A

Damit erhalt man das polare Flachenmoment /pi ip = Jr

aA

Polares Flachenmoment

yy--^)

A

Das polare Flachemoment /p hat eine Bedeutung in Bezug auf die Berechnung von Schubspannungen bei Torsion kreissymmetrischer Querschnitte (Kapitel 2.5). 9.1.2.3 Gemischte Flachenmomente Neben den beiden axialen Flachenmomenten (/y und /z) entsprechend Gleichung 9.3 und 9.4 und dem polaren Flachenmoment /p (Gleichung 9.5) unterscheidet man noch das gemischte Flachenmoment /yz: / ^^

= — f V • z»d!^ Gemischtes Flachenmoment beziiglich dem y-z-Koordinaten- /Q r\ r** system ^ '^ A

Die fiir das gemischte Flachenmoment in Anlehnung an die Dynamik mitunter gewahlten Bezeichnungen (Flachen-)Deviationsmoment oder (Flachen-)Zentrifugalmoment sollten aus dem oben genannten Grund ebenfalls nicht verwendet werden. Das gemischte Flachenmoment /yz wird tiblicherweise negativ defmiert. Damit ergibt sich bei tensorieller Darstellung eine formale Obereinstimmung mit dem Spannungs- bzw. Dehnungstensor. Wahrend die axialen Flachenmomente 2. Ordnung und das polare Flachenmoment stets Werte groBer oder gleich Null annehmen, kann das gemischte Flachenmoment, abhangig von der Verteilung der Querschnittsflache iiber die einzelnen Quadranten des Koordinatensystems, Werte annehmen, die groBer, gleich oder kleiner Null sind.

174

9 Schiefe Biegung

Da bei symmetrischen Flachen jedem Flachenelement dA mit positivem gemischtem Flachenmoment ein Flachenelement mit negativem gemischtem Flachenmoment entspricht, ist das gemischte Flachenmoment /yz in Bezug auf ein die Symmetrieachse beinhaltendes Koordinatensystem Null. Dies lasst sich leicht verstehen, da jedem Flachenelement dA (Koordinaten y und z) ein symmetrisch gelegenes Flachenelement (Koordinaten -y und z) entspricht. Bei der Summation bzw. Integration heben sich ihre Beitrage gegenseitig auf (Bild 9.3).

9.1.3 Abhangigkeit der Flachenmomente 2. Ordnung von der Lage des Koordinatensystems Der Betrag eines Flachenmomentes 2. Ordnung hangt von der Lage der Bezugsachsen ab. Bei einer Parallelverschiebung der Koordinatenachsen oder bei einer Drehung des Koordinatensystems um den Flachenschwerpunkt andert sich auch der Betrag der Flachenmomente /y, I^ und /yz.

Bild 9.3 Gemischtes Flachenmoment bei symmetrischen Querschnittsflachen

9.1.3.1 Parallelverschiebung des Koordinatensystems Durch eine Parallelverschiebung der Koordinatenachsen andert sich der Betrag der axialen und des gemischten Flachenmomentes. Die Zusammenhange werden nachfolgend erlautert. a) Axiale Flachenmomente Es sei (9.7)

Iy=

=j^W'dA

das axiale Flachenmoment 2. Ordnung der in Bild 9.4 dargestellten Flache in Bezug auf die y-Achse durch den Flachenschwerpunkt S. Fiihrt man eine Parallelverschiebung der y'Achse um den Betrag Zg durch (y'-Achse), dann folgt aus Gleichung 9.7 mit der Transformationsgleichung z' = z + zsi /y, = U^'dA= [{z + z^Y 'dA= \z^'dA + A

A

A

Bild 9.4 Parallelverschiebung des Koordinatensystems

2'Z^\z'dA^zl{dA A

A

Da das Flachenmoment 1. Ordnung in Bezug auf das y-z-Koordinatensystem durch den Flachenschwerpunkt Null ist (Kapitel 9.1.1), folgt schlieBlich:

Iy= [z^'dA-^zl'A und damit fur das axiale Flachenmoment 2. Ordnung in Bezug auf die y'-Achse: lyi = / y + 2g * i4

Axiales Flachenmoment 2. Ordnung bei einer Parallelverschiebung der Koordinatenachsen

(9.8)

Auf analoge Weise kann auch aus dem axialen Flachenmoment 2. Ordnung beziiglich der zAchse (/z), das auf eine beliebige Achse bezogene Flachenmoment (/z) berechnet werden.

9.1 Flachenmomente

HS

b) Gemischte Flachenmomente Eine Parallelverschiebung der Bezugsachsen fuhrt auch zu einer Anderung des Betrags des gemischten Flachenmomentes. Es sei ^yz

=-jy'Z'dA

das gemischte Flachenmoment der in Bild 9.4 dargestellten Flache in Bezug auf das y-z-Koordinatensystem. Fiir das gemischte Flachenmoment in Bezug auf das parallel verschobene y'-z'-Koordinatensystem folgt mit den Transformationsbeziehungeny =y-\-ys und z' =z + zs'. ^yz'=-j(>^ + J^s)-(^ + ^s)-^^ A

= -\y-Z'dAA

\y^'Z'dAA

\z^-y'dAA

= lyz- y^y'

dA- z^p

A

A

- dA- z^'

\y^'Z^'dA A

y^yA A

Da die Flachenmomente 1. Ordnung in Bezug auf das y-z-Koordinatensystem durch den Flachenschwerpunkt Null sind (Kapitel 9.1.1), folgt schHefilich:

/

-/

_^,

7

A

Gemischtes ParallelverOemisciites Flachenmoment Jblacnenmoment bei bei einer emer Farauelverschiebung der Koordinatenachsen

/Q Q\

Bei der Anwendung von Gleichung 9.9 sind die Vorzeichen von ^s und zs in Bezug auf das gewahlte Koordinatensystem zu beriicksichtigen. Die Gleichungen 9.8 und 9.9 wurden bereits um 1850 von Jakob Steiner (1796 ... 1863) formuliert und sind in verbaler Form als „Satz von Steiner" bekannt geworden. Aus Gleichung 9.8 und 9.9 lassen sich die folgenden Erkenntnisse ableiten: 1. Axiale Flachenmomente 2. Ordnung (/y und Ij) besitzen in Bezug auf Achsen durch den Flachenschwerpunkt Kleinstwerte im Vergleich zu parallel verschobenen Bezugsachsen. 2. Das gemischte Flachenmoment (/yz) andert seinen Betrag nicht, falls nur eine Achse parallel verschoben wird. Bei der Anwendung des Steiner'schen Satzes ist weiterhin zu beachten: 1. Axiale Flachenmomente 2. Ordnung, die sich auf dieselbe Achse beziehen bzw. gemischte Flachenmomente die sich auf dasselbe Koordinatensystem beziehen, diirfen addiert oder subtrahiert werden. 2. Der Steiner'sche Satz stellt stets einen Zusammenhang zwischen den Flachenmomenten beztiglich einer Achse durch den Flachenschwerpunkt bzw. eines Koordinatensysterns mit Ursprung im Flachenschwerpunkt und einer dazu parallelen Achse bzw. eines parallel verschobenen Koordinatensystems her. Der Steiner'sche Satz darf hingegen nicht angewandt werden, um eine Beziehung zwischen den Flachenmomenten beztiglich beliebiger Achsen bzw. Koordinatensysteme herzustellen (siehe auch Aufgabe 2.17).

176

9 Schiefe Biegung

9.1.3.2 Drehung des Koordinatensystems um den Flachenschwerpunkt Der Betrag eines Flachenmomentes 2. Ordnung andert sich nicht nur bei einer Parallelverschiebung der Bezugsachsen, sondem auch bei einer Drehung des (rechtwinkeligen) Koordinatensystems um den Flachenschwerpunkt S. Gegeben sei eine Flache A sowie ein rechtwinkliges Koordinatensystem (y und z) durch den Flachenschwerpunkt S. Weiterhin seien die Flachenmomente 2. Ordnung in Bezug auf das y-zKoordinatensystem bekannt (/y, I^ und /yz), Bild 9.5. Bei einer Drehung des Koordinatensystems um den Flachenschwerpunkt S mit Drehwinkel cp andert sich auch der Betrag der Flachenmomente. Ohne auf die Herleitung einzugehen (siehe hierzu beispielsweise [9]) ergeben sich zwischen den Flachenmomenten in Bezug auf das ursprungliche y-z-Koordinatensystem (/y, I^ und /yz) und den Flachenmomenten 2. Ordnung bezogen auf das gedrehte r|-(!^-System (I^^, Ic^ und 7,^;) die folgendenTransformationsbeziehungen: /

_

y ^^

/

:=, _J

^^

•cos2^ + /j,2-sm2^

L —y 2

L. COS 2 ^ - /

* sin 2 ^

(9.10)

(9.11)

2

/y-4 'n^

sin2^-I-/

-cos2^

^ild 9.5 Drehung des Koordinatensystems um den Flachenschwerpunkt

(9.12)

Ftir die Spannungsermittlung, insbesondere bei schiefer Biegung, ist diejenige Lage des Koordinatensystems von Interesse ftir die das gemischte Flachenmoment (7^^) Null wird. Gleichzeitig nehmen beziiglich dieses gedrehten Koordinatensystems die axialen Flachenmomente 2. Ordnung Extremwerte an. Diese neuen Koordinatenachsen werden daher als Hauptachsen der Flache und das aus ihnen gebildete Koordinatensystem als Hauptachsensystem bezeichnet. Die entsprechenden axialen Flachenmomente 2. Ordnung bezeichnet man als Hauptflachenmomente. a) Bestimmung der Richtungswinkel zu den Hauptachsen Den Richtungswinkel zu den Hauptachsen erhalt man aus Gleichung 9.12 mit der Bedingung 0: ^TlC tan 2(77 =

(9.13)

—

Damit ergibt sich der Richtungswinkel ^ zu: ^j.2= —*arctan|

yz

Richtungswinkel zwischen der y-Achse und der ersten oder zweiten Hauptachse

(9.14)

177

9.1 Flachenmomente

Der mit Hilfe von Gleichung 9.14 errechnete Winkel (p kann der Richtungswinkel zwischen der ersten oder der zweiten Hauptachse sein. Eine Entscheidung kann mit Hilfe der zweiten Ableitung von Gleichung 9.10 erfolgen:

d^L

(9.15)

•• - 2 • (/y - / ^ ) • COSl(p-A-Iy^-sin2(p

d
Aufflnden von Hauptachsen bei symmetrischen Flachen Bei symmetrischen Flachen sind die Symmetrieachse und die hierzu senkrechte Achse durch den Flachenschwerpunkt S stets Hauptachsen.

b) Berechnung der Hauptflachenmomente Zur Berechnung der Hauptflachenmomente ist es zweckmaBig, die trigonometrischen Beziehungen 1 cos Icp = yi + tan^ 2^

(9.17)

tan 2^ sin 2(p = ^1 + tan^ 2(p

(9.18)

und

anzuwenden.

178

9 Schiefe Biegung

Gleichung 9.13 in 9.17 eingesetzt ergibt: 1

cos 2(p = -

/y-4

(9.19)

^(ly-I,Y+4.I% 1+ Gleichung 9.13 in 9.18 eingesetzt liefert: 'yz

sin 2(p =

(9.20)

A/^-^Z)

Setzt man schlieBlich die Gleichungen 9.19 und 9.20 in Gleichung 9.10 ein, dann erhalt man fur das maximale Flachenmoment 2. Ordnung (/i): J _

2

ly-h

^z

z ^^y

y

2

^(i^-i^Y^A-ll

= tiZlj-+l. ^(l^-I,Y+4-l' \2

/ • = ^ * ,

^y

^+h

^2

l-I.

yz

'^ ^(l^-I^Y+A-l

y

z

2

+ •yl(jy-h) 2

yz

^ "^ ^yz

Maximales Flachenmoment 2. Ordnung (Hauptflachenmoment) (9.21)

Setzt man schliefihch die Gleichungen 9.17 und 9.18 in Gleichung 9.11 ein, dann erhalt man nach Umformung in analoger Weise fur das minimale Flachenmoment 2. Ordnung:

J

—

:

'^

(h-L. y li

2 ^^yz

Minimales Flachenmoment 2. Ordnung (Hauptflachenmoment)

(9.22)

9.2 Spannungsermittlung bei schiefer Biegung V o n schiefer Biegung spricht man, sofem der Biegemomentenvektor nicht mit einer der beiden Hauptachsen der Flache zusammenfallt. Zerlegt m a n den Biegemomentenvektor Mb in Komponenten in Richtung der Hauptachsen (1) und (2), dann kann m a n die schiefe Biegung als Uberlagerung zweier gerader Biegungen auffassen, daher auch die Bezeichnung „zweiachsige Biegung". Bild 9.6 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Gegeben sei eine beliebige Querschnittsflache eines biegebeanspruchten Balkens. D i e Balkenachse soil voraussetzungsgemaB in der Lastebene liegen. Z u r Ermittlung der Biegespannungen geht man schrittweise wie folgt vor:

179

9.2 Spannungsermittlung bei schiefer Biegung

1. Ermittlung der Lage der beiden Hauptachsen (1) und (2) der Querschnittsflache sowie der zugehorigen Hauptflachenmomente I\ und h (Kapitel 9.1.3). Mit dem Index ,,1" soil vereinbarungsgemaB diejenige Hauptachse bezeichnet werden, beziiglich derer das axiale Flachenmoment 2. Ordnung ein Maximum besitzt („grofie Lastebene Hauptachse"). Mit dem Index „2" wird hingegen diejenige Hauptachse bezeichnet, beziiglich derer das axiale Flachenmoment 2. Ordnung ein Minimum besitzt („kleine Hauptachse"). 2. Festlegung eines a-b-Koordinatensystems. Es ist zweckmaBig den Hauptachsen einen Richtungssinn zuzuordnen bzw. ein mit den Hauptachsen zusammenfallendes a-b-Koordinatensystem wie folgt einzufuhren: Die a-Koordinatenrichtung soil mit der Richtung der groBen Hauptachse {a = (1)), die b-Koordinatenrichtung mit der kleinen Hauptachse zusammenfallen {h = (2)). Die b-Richtung muss dabei aus der a-Richtung durch eine Drehung um 90° im mathematisch positiven Sinn (Gegenuhrzeigersinn) hervorgehen. 3. Einfuhrung des Richtungswinkels a zwischen der a-Achse und dem Biegemomentenvektor Mb. Der Winkel wird von der positiven a-Achse aus abgetragen und ist im mathematisch positiven Sinn positiv und in die Gegenrichtung negativ zu beriicksichtigen.

Bild 9.6 Zerlegung des Biegemomentenvektors in Richtung der Hauptachsen

Um die in Kapitel 2.3.1 abgeleitete Grundgleichung 2.32 bzw. 2.33 fiir die Berechnung der Biegespannung bei gerader Biegung auch bei schiefer Biegung anwenden zu konnen, wird der Biegemomentenvektor Mb in Komponenten in Richtung der beiden Hauptachsen (Mbi und Mb2) zerlegt: M|5i = M^ -cosa (9.23) M52=Mbsina

(9.24)

Damit folgt ftir die Biegespannungen in einem Flachenelement dA mit den Koordinaten a und b (siehe auch Gleichung 2.32): MK

und

cr^(b)^-^-b

(9.25)

M,b2

(9.26)

(Jx {a) =

Die resultierende Biegespannung im Flachenelement dA erhalt man durch Superposition der Spannungskomponenten a^(a) und (J^(b):

CTv

=

^bl

a^ =Mu'\

^

^b2

^b

a

Resultierende Biegespannung in einem Flachenelement dA (Koordinaten a und b beziiglich des Hauptachsensystems)

(9.27)

180

9 Schiefe Biegung

Die Abstande a und b sind bei Anwendung von Gleichung 9.27 entsprechend des festgelegten a-b-Koordinatensystems (Hauptachsensystem) vorzeichengerecht einzusetzen. Ebenso ist fur den Winkel a das Vorzeichen zu beachten.

maxfmate

Druckspannung Lastebene ^^,^u

9.3 NulUinie Unter der (Spannungs-)Nulllinie bei Biegung versteht man denjenigen geometrischen Ort aller Punkte innerhalb der Querschnittsflache, an deren Stelle die Biegespannung zu Null wird. Sie ist die Schnittgerade der neutralen Faser mit der Querschnittsflache.

maximale Zugspannung

Bild 9.7 Lage der NulUinie

Zur Bestimmung der Lage der NulUinie setzt man in Gleichung 9.27 die Biegspannung Ob zu Null: f ' \ cos a , sma •M^ b a :0 (9.27) Damit erhalt man die Kurvengleichung der (Spannung-)Nulllinie in a-b-Koordinatensystem: 6(a) = — - t a n ^ - a

h

Gleichung der NulUinie im a-b-Koordinatensystem

(9.28)

Der Winkel yffzwischen der a-Achse und der NulUinie ergibt sich aus der Geradensteigung zu: y?==arctan

tana

Winkel zwischen a-Achse und NulUinie

(9.29)

Da in der Regel /i ^ h gilt, ist auch J3 ^ a, so dass die NulUinie nicht mit dem Biegemomentenvektor zusammenfallt, daher auch die Bezeichnung „schiefe Biegung". Nur fur Querschnitte mit gleichen Hauptflachenmomenten (/i = I2) wie zum Beispiel Kreis, Kreisring oder Quadrat fallen Momentenvektor und NulUinie zusammen (J3 = a). Bei bekannter Lage der NulUinie kann die Biegespannung an einem beliebigen Ort der Querschnittsflache, und damit auch die maximale Biegespannung, auf einfache Weise ermittelt werden. Bild 9.7 zeigt, dass sich die Biegespannung linear mit dem Abstand zur NulUinie verandert. Es gilt (Strahlensatz): (9.30)

^x(^) = ^xr

Die Biegespannung o],(c) erzeugt im Abstand c von der NulUinie das Moment: dM = (Tx (c)' dA'C-

X max

2

1A

c 'dA

(9.31)

9.3 Nulllinie

181^

Das Gesamtmoment M ergibt sich als Summe aller Teilmomente dM iiber die gesamte Querschnittsflache ^, d. h. als Integral iiber die Querschnittsflache A\ M=^dM

= ^^^^^^c^-dA

= ^^^^-I^

(9.32)

Aus Griinden des Momentengleichgewichts muss das Moment M der Komponente des Biegemomentenvektors in Richtung der Nulllinie MbN (Biegemoment um die Nulllinie) entsprechen. Fiir den Biegemomentenvektor MbN in Bezug auf die Nulllinie gilt (Bild 9.7): A^bN ^ ^b ' ^^^{0 "" ^)

Biegemoment in Bezug auf die Nulllinie

(9.33)

Aus Gleichung 9.32 folgt damit fiir die maximale Biegespannung a^ ^ax im maximalen senkrechten Abstand Cmax von der Nulllinie: ^xmax "^ ""T

^max

Maximale Biegespannung in der Querschnittsflache

v^-^'+J

Das axiale Flachenmoment 2. Ordnung bezuglich der Nulllinie (/N) erhalt man aus der Transformationsgleichung 9.10, wobei der Drehwinkel (cp) dem Winkel zwischen der groBen Hauptachse (1) und der Nulllinie entspricht, also (p = fi.Da. das gemischte Flachenmoment in Bezug auf das Hauptachsensystem Null ist, entfallt der zweite Summand in Gleichung 9.10 und es folgt: f ^^i"^^2 I h'^^l ^ ~ 2 2

/.f)q2j9

Axiales Flachenmoment 2. Ordnung beziiglich ^^^ Nulllinie

m a^\ ^ ' ^

Gleichung 9.34 stellt mit den Gleichungen 9.33 und 9.35 eine alternative Methode dar, die Biegespannung an einer beliebigen Stelle der Querschnittsflache, insbesondere jedoch die maximale Biegespannung cj^ ^ax zu ermitteln.

182

9 Schiefe Biegung

9.4 Ubungsaufgaben Attfgabe 9d Die Abbildung zeigt einen einseitig eingespannten Kastentrager mit Rechteckquerschnitt aus einem vergiiteten Feinkombaustahl (S890QL). Der Trager wird durch eine unter dem Winkel (p = 30° schrag zur z-Achse angreifende Kraft F = 100 kN auf Biegung beansprucht. Die Wirkungslinie der Kraft geht durch den Flachenschwerpunkt. Schubspannungen durch Querkrafte, das Eigengewicht des Kastentragers sowie eine eventuelle Kerbwirkung am Einspannquerschnitt sind zu vemachlassigen. Werkstoffkennwerte S890QL: R, = 890N/mm^ i?„, = 1050N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju =0,30 /

a

Abmessungen: / = 5000 mm h = 300 mm b = 200 mm s =20 mm

IIK|i|i:iB||ii||i||;iii|i^^ llllllliillllH^^^^^^

a

B

a) Ermitteln Sie die Lage der beiden Hauptachsen fiir die gegebene Querschnittsflache. b) Berechnen Sie die axialen Flachenmomente zweiter Ordnung beziiglich der beiden Hauptachsen (Hauptflachenmomente /i und I2). c) Ermitteln Sie die Lage der Nulllinie und bestimmen Sie Ort und Betrag der maximalen Biegespannung. d) Berechnen Sieftxrdie gefahrdete Stelle die Sicherheit gegen FlieBen.

Attfgabe 9.2 Der abgebildete Trager aus einem warmgewalzten Flachstahl mit Rechteckquerschnitt (Flachstab EN 10058 - 100x60x4000 F S235JR) wird durch eine unter dem Winkel ^ = 22° schrag zur z-Achse angreifende Querkraft F = 10 kN auf Biegung beansprucht. Die Wirkungslinie der Kraft geht dabei durch den Schwerpunkt der Querschnittsflache.

^

Abmessungen: a= 1500 mm c = 2500 mm b= 60 mm h= 100 mm

183

9.4 Ubungsaufgaben

Schubspannungen durch Querkrafte sowie das Eigengewicht des Tragers sind zu vemachlassigen. Werkstoffkennwerte S235JR: R, =245N/mm^ 7?^ = 440N/mm^ E = 210000 N/mm^ ju =0,30 a) Ermitteln Sie Ort und Betrag des maximalen Biegemomentes. b) Bestimmen Sie die Lage der beiden Hauptachsen des Rechteckquerschnitts. c) Ermitteln Sie die Lage der Nulllinie und bestimmen Sie Ort und Betrag der maximalen Biegespannung. d) Berechnen Sie fur die hochst beanspruchte Stelle die Sicherheit gegen FlieBen.

Aufgabe 93 Ein einseitig eingespannter, gleichschenkliger, scharfkantiger T-Profilstahl nach DIN 59051 (TPS 40) aus S355JR mit einer Lange von / = 2 m wird durch eine unter dem Winkel (p = 20° schrag zur z-Achse angreifende Kraft F = 250 N auf Biegung beansprucht. Die Wirkungslinie der Kraft geht durch den Flachenschwerpunkt. Schubspannungen durch Querkrafte, das Eigengewicht des Bauteils sowie Kerbwirkung am Einspannquerschnitt sind zu vemachlassigen. Werkstofflcennwerte S355JR: R, = 360 N/mm^ R,n = 6\0Wmm^ E = 207000 N/mm^ // =0,30 /

Abmessungen: / = 2000 mm b= 40 mm h= 40 mm / = 5 mm

a) Ermitteln Sie die Lage des Flachenschwerpunktes (zs) sowie die Lage der beiden Hauptachsen fiir die gegebene Querschnittsflache. b) Berechnen Sie die axialen Flachenmomente zweiter Ordnung bezuglich der beiden Hauptachsen (Hauptflachenmomente /i und I^. c) Ermitteln Sie die Lage der Nulllinie und bestimmen Sie Ort und Betrag der maximalen Zugspannung sowie der maximalen Druckspannung. d) Berechnen Sie ftir die gefahrdete Stelle die Sicherheit gegen FlieBen.

184

9 Schiefe Biegung

Attfgabe 9.4 Ein einseitig eingespannter ungleichschenkeliger Winkeltrager aus C60E+QT wird durch eine Einzelkraft F = 7000 N an seinem freien Ende belastet. Die Wirkungslinie der Kraft geht durch den Flachenschwerpunkt. Schubspannungen durch Querkrafte, das Eigengewicht des Winkeltragers sowie Kerbwirkung am Einspannquerschnitt sind zu vemachlassigen. Werkstoffkennwerte S355JR: R, =590N/mm^ R^ =890N/mm^ OdF ^R^ = 590 N/mm^ E = 209000 N/mm^ ju =0,30 A -B z

Abmessungen h; = 120 mm 15 mm hi = 15 mm C\ = 90 mm Cl = I - 2500 mm

1

F ^2

.

}f JT

mP S

i

-£[

y N

m .Ci,

> !

a) Ermitteln Sie die Lage des Flachenschwerpunktes (ys und zs) sowie die Lage der ersten und zweiten Hauptachse fiir die gegebene Querschnittsflache. b) Berechnen Sie die axialen Flachenmomente zweiter Ordnung bezixglich der beiden Hauptachsen (Hauptflachenmomente /i und I2). c) Bestimmen Sie den Ort und berechnen Sie den Betrag der maximalen Zugspannung sowie der maximalen Druckspannung. d) Berechnen Sie fiir die gefahrdete Stelle die Sicherheit gegen FlieBen.

185

9.4 tJbungsaufgaben

Aufgabe 9^5 Ein einseitig eingespannter T-Profilstab aus der legierten Vergiitungsstahlsorte 25CrMo4 (p = 7,78 g/cm^) wird durch zwei statisch wirkende Krafte Fi = 1,5 kN und F2 = 4 kN beansprucht. Die Wirkungslinien der Krafte gehen jeweils durch den Schwerpunkt der Querschnittsflache. Schubbeanspruchung durch Querkrafte und Kerbwirkung an der Einspannstelle sind zu vernachlassigen. Das Eigengewicht des Profilstabes muss jedoch berucksichtigt werden. Berechnen Sie die Sicherheit gegen FlieBen an der hochst beanspruchten Stelle. 1st die Sicherheit ausreichend ? Werkstoffkennwerte S235JR: R, =600N/mm^ R^ = 830 N/mm^ E = 209000 N/mm^ fi -0,30 a = 4000 b = 2500

i B

186

10 SchubspannuDgen durch Querkrifte bei Biegung Wird ein Balken durch ein veranderliches Biegemoment Mb(x) beansprucht, dann treten in jeder Querschnittsflache des Balkens Querkrafte (Q) auf, die sich bei bekanntem Verlauf des Biegemomentes Mb(x) entsprechend Q(x) = dM\y{x) I dx berechnen lassen (Bild 10.1). Diese Querkrafte erzeugen Schubspannungen r^ (Querkraftschub). Zwischen den Schubspannungen ^ in einer bestimmten Querschnittsflache und der dort herrschenden Querkraft Q gilt: Q-\

Tq 'dA

^

Mb

(10.1)

Aus Kapitel 2.4.1 ist bekannt, dass Schubspannungen immer paarweise auftreten (zugeordnete Schubspannungen). Dementsprechend treten Schubspannungen in Querrichtung (rq) und Langsrichtung (ri) auf (Bild 10.2).

Bild 10.1 Momenten- und Querkraftverlauf am biegebeanspruchten Balken (Beispiel)

Das Auftreten von Schubspannungen in Langsrichtung (ri) kann man sich auch veranschaulichen, indem man sich den Balken in Langsrichtung aufgeschnitten bzw. aus lose aufeinander gelegten Brettem aufgebaut denkt (Bild 10.3). Unter einer Biegebeanspruchung gleiten die Bretter aufeinander ab, eine vorher aufgebrachte Markierung wird dementsprechend verschoben. Dieses Abgleiten wird beim massiven Balken durch die Langsschubspannungen T\ verhindert.

10.1 Spannungsermittlung bei Querkraftschub Zur Ermittlung der Schubspannungsverteilung sollen zunachst die folgenden Voraussetzungen gelten: 1. An lastfreien Oberflachen treten keine Schubspannungen auf (z-q = 11 = 0). Bei gekrummten Querschnittsflachen verlaufen die Schubspannungen dementsprechend tangential zum Rand. Bei diinnwandigen Profilen verlauft die Schubspannung tangential zur Mittellinie der Querschnittsflache (Bild 10.4a). Bei dicken Bauteilen schneiden sich die Schubspannungen einer Faser z = konst. in einem Pol (Bild 10.4b). 2. Die parallel zur Querkraft gerichteten Vertikalkomponenten z^ der Schubspannung Tges sollen nur in z-

Bild 10.2 Entstehung von Langsschubspannungen Balken langs aufgeschnitten

Markiemngen

•

\

1 - ^ F

Markiemngen verschoben

Bild 10.3 Veranschaulichung fiir das Auftreten von Langsschubspannungen

10.1 Spannungsermittlung bei Querkraftschub Richtung, nicht jedoch in y-Richtung veranderlich sein, d. h. fp soil iiber die gesamte Breite der Querschnittsflache als konstant angenommen werden. Diese Annahme trifft allerdings nicht exakt zu, da die Schubspannung am Rand einer beliebig geformten Querschnittsflache immer tangential zur Oberflache verlauft. Dementsprechend ist Zp eine mittlere Schubspannung in Bezug auf die Breite der Querschnittsflache (Bild 10.4b).

187

a)

Bild 10.4 Schubspannungsverlauf durch Querkrafte in unterschiedlichen Querschnitten

Zur Ermittlung der Schubspannungen durch Querkrafte bei Biegung betrachtet man den in Bild 10.5a auf Biegung und Querkraftschub beanspruchten Balken. Die Querkraft Q soil dabei in Richtung der z-Achse wirken (gerade Biegung). Zur Ermittlung der SchubspannungsverteiTq(z) ab(z)+ofa lung wird ein VolumenBild 10.5 Krafte- bzw. Spannungsverhaltnisse am Teilelement eines auf element der Lange dx Biegung und Querkraftschub beanspruchten Balkens herausgeschnitten (Bild 10.5b). Von diesem Volumenelement wird weiterhin an einer beliebigen Stelle z senkrecht zur z-Achse ein Teilelement abgetrennt (Bild 10.5c). Ansetzen des Kraftegleichgewichts in x-Richtung an diesem Teilelement liefert: j(cr(z) + da)' dA - ja(z) -dA-Ty (z) • b{z) 'dx = 0 ^R

Normalkraft in der rechten Schnittflache

^R

Normalkraft in der linken Schnittflache

Tangentialkraft Ft in Langsrichtung

(10.2)

10 Querkraftschub Die Differenz der Normalkrafte in der linken und der rechten Schnittflache kann also nur durch eine Tangentialkraft in Langsrichtung (Ft = ri(z) 'b(zydx) ausgeglichen werden. Ursache fiir die unterschiedlichen Normalkrafte in der linken und rechten Schnittflache des Teilelementes ist das in x-Richtung veranderliche Biegemoment (Bild 10.5a). Aus Gleichung 10.2 folgt: jcic7-dA = Ti(z)-b(z)'dx

(10.3)

und damit: b{z) •' ax ^R

Fiir die Biegespannung a(^) im Abstand ^^von der y-Achse durch den Flachenschwerpunkt gilt (Gleichung 2.32):
<

(10.5)

Gleichung 10.4 nach x differenziert liefert mit dM\y(x) I dx = Q = konst.:

daiOJJh^.^^Q.^ dX

dX

/y

(10.6)

/y

Gleichung 10.6 in Gleichung 10.4 eingesetzt ergibt fiir die Langsschubspannung:

^ ^R

Der Integralausdruck \^•dA = Hy(z) ^R

ist das Flachenmoment 1. Ordnung (statisches Moment) der Restflache ^R beziiglich der yAchse durch den Flachenschwerpunkt (Kapitel 9.1.1). Damit folgt schlieBlich fiir die Langsschubspannung: T(Z) = T (Z)= ^ b{z)»/y

Grundgleichung zur Ermittlung der Langsschubspannung durch Querkrafte bei Biegung

(108)

Q Querkraft (konstant) //y(z) Flachenmoment 1. Ordnung der Restflache A^ beziiglich der y-Achse durch den Flachenschwerpunkt. Hy{z) ist mit der Koordinate z veranderlich. ^R Restflache d. h. Flache zwischen der Koordinate z an deren Stelle die Schubspannung T\ bzw. Tq ermittelt werden soil und dem Rand (Bild 10.5c). b(z) Breite des Teilelements an der Stelle z (Bild 10.5c). /y Axiales Flachenmoment 2. Ordnung der gesamten Querschnittsflache bzgl. der y-Achse durch den Flachenschwerpunkt. In Tabelle 10.1 ist die Verteilung der Langs- bzw. Querschubspannungen ausgewahlter Querschnittsflachen zusammengestellt. Die Spannungsverlaufe erhalt man durch Berechnung des

189

10.1 Spannungsermittlung bei Querkxaftschub

Flachenmomentes 1. Ordnung //y(z) sowie des axialen Flachenmomentes /y fur die entsprechenden Querschnittsgeometrien (siehe auch Aufgaben 10.1 bis 10.3). Der Einfluss von Schubspannungen durch Querkrafte bei Biegung soil am Beispiel dunnwandiger Profiltrager (Kapitel 10.2) sowie genieteter bzw. geschweifiter diinnwandiger Profiltrager (Kapitel 10.3) detaillierter untersucht werden. Tabelle 10.1 Schubspannungsverteilung durch Querkraftschub ausgewahlter Querschnitte Querschnittsflache

Schubspannungsverteilung

M aximale Schubspannung

Rechteckquerschnitt

l l i l i •11

It Jilil iilj

4-z'

3 Q 2 h-h

^Q(^) = T

3 Q _3 = --Tr, 2 b'h 2

'^qmax

Xq(z)

VoUkreisquerschnitt

Q

mit T^

Vertikalkomponente:

ra{z) =

4

Q

1--

n-r Resultierende Randschubspannung:

4 Q 3 n-r^

*^qmax

mit T„

.Q A

r,,., = lAjl-K -r Kreisring (dunnwandig)

T{(p)--

Q Tt-r-t

- • cos (p

T = '' max TT-r-t

mit r^ =

Q

= 9•r ^ t- r.

190

10 Querkraftschub

Fortsetzung Tabelle 10.1 Schubspannungsverteilung durch Querkraftschub ausgewahlter Querschnitte 1 [-Profil Horizontale Schubspannungen im Flansch rhF('7) = - 7 ^ - ' 7

I

Q.c-b ' hF max

,

Vertikale Schubspannungen im Steg {-a
h L

I-Profil

Q_

^qS max"

Horizontale Schubspannungen im Flansch (0 < 77 < b/2) Qc ^hF('7) = - j ; — r i

^hFmax ~ '

/,

b

2

Vertikale Schubspannungen im Steg {-a
#

u 'F b-c--^

^qS max'

Q_ ,

tv

a

\—

10.2 Schubspannungen in diinnwandigen Profiltragern Im Stahlbau werden haufig Profiltrager mit I-, U- oder CProfil eingesetzt. Da ihre Wanddicke im Verhaltnis zu den Querschnittsabmessungen (Breite und Hohe) in der Regel gering ist, konnen die Schubspannungen vereinfacht als zur Querschnittsberandung parallel verlaufend und konstant iiber der Wanddicke angesehen werden. Vertikale Schubspannungen im Flansch sowie horizontale Schubspannungen im Steg konnen dementsprechend vemachlassigt werden.

Flansch

Bild 10.6 Ermittlung der horizontalen Schubspannungen im Flansch eines diinnwandigen Profiltragers

10.2 Schubspannungen in dunnwandigen Profiltragem

191

10.2.1 Horizontale Schubspannungen im Flansch Zur Ermittlung der horizontalen Schubspannungen im Flansch rhpC//) betrachtet man ein herausgeschnittenes Volumenelement der Lange dx und setzt das Kraftegleichgewicht in xRichtungan(Bildl0.6): ^{a{z) + d(j)'dA-

^G{z)'dA-Tx^{r])'tY'dx

=Q

(10.9)

Aus Gleichung 10.9 folgt: ^dcj'dA = Tx^{r])'t^'dx

(10.10)

^R

r i F ( 7 ) - - \^'dA ^p J dx

(10.11)

^R

Fiir die in y-Richtung konstante Biegespannung im Abstand c von der Biegeachse gilt: ^ ( , = ,) = i ^ b W . ^

(10.12)

und damit: dor _ dM^ c dx dx ly

_Qc ly

(10.13)

Mit %(//) = rhF(/7) und Gleichung 10.13 folgt aus Gleichung 10.11: ^y ' ^F y

^y * ^F

''R

(ff) = Ml£..n bFW; J n

^y ' ^F

Horizontale Schubspannungen im Flansch eines diinnwandigen C-Profils

/iQ I ^\ ^ * ^

10.2.2 Vertikale Schubspannungen im Steg Zur Ermittlung der vertikalen Schubspannungen im Steg T^S{Z) schneidet man den Profiltrager entsprechend Bild 10.7 frei und setzt ebenfalls das Kraftegleichgewicht in x-Richtung fiir das abgeschnittene Volumenelement an (0 < z < a): ^{G{Z)

+ da) • dA - ja{z)dA

^R

- ^^{z) -t^'dx^O

(10.16)

^R

Aus Gleichung 10.16 folgt: ^da'dA = Ti^(z)'t^'dx

(10.17)

^R

Tis(^) = j-

\^-dA

?c •" dx

(10.18)

192

lOQuerkraftschub

Fur die Biegespannung cr (<^) im Abstand ^ von der y-Achse durch den Flachenschweq)unkt gilt: (10.19) und damit: dx

dx (10.20)

Gleichung 10.20 in Gleichung 10.18 3.,^ ^^ 7 Ermittlung der vertikalen Schubspannungen im eingesetzt ergibt: Sl^gg gj^es dunnwandigen Profiltragers r,s(z) = - ^

f^-
S-^y

(10.21)

^R

Der Integralausdruck ist das Flachenmoment 1. Ordnung (statisches Moment) der Restflache A^i, d. h. von Flansch und Steg. Es muss nachfolgend noch gelost werden:

\i;-dA = b jc-dC+tsj'^-d^A^

a

z

r T^'fr^" (10.22)

Damit folgt fur die Spannungsverteilung im Steg b'C'tv

^is(^)^

T\<^{Z)\

+ |.(»^-z^)

(10.23)

Mit ris(z) = rqs(z) folgt damit letztlich:

^qs(^) =

Q

/

'-7

Vertikale Schubspannungen im Steg eines dunnwandigen C-Profils

^

^

V

Die Gleichungen 10.15 und 10.24 lassen sich auch auf die fur die Praxis wichtigen I-Profile iibertragen (Tabelle 10.1).

10.2.3 Schubmittelpunkt In unsymmetrischen Profilen wie zum Beispiel C-Profilen (Bild 10.6) oder Z-Profilen verursachen die Schubspannungen rhp im Flansch ein Kraftepaar (Bild 10.8a). Die daraus resultierenden Flansch-Schubkrafte bewirken insbesondere bei dunnwandigen Profilen (z.B. Abkantpro-

193

10.3 Schubspannungen in genieteten oder geschweifiten Profiltragem

filen aus Blech) eine Verdrehung urn die Langsachse (Bild 10.8b). Diese Verdrehung kann verhindert werden, sofem die Wirkungslinie der Querkraft Q durch den so genannten Schubmittelpunkt M geht und dadurch ein den Flansch-Schubkraften entgegengesetzt wirkendes Drehmoment erzeugt (Bild 10.8c). Auf die Berechnung der Lage des Schubmittelpunktes soil nicht naher eingegangen werden [9]. a) b) c)

%

^~~^ Flansch

Bild 10.8 Verdrehung unsymmetrischer diinnwandiger Profile unter Schubbeanspruchung

10.3 Schubspannungen in genieteten oder geschweifiten Profiltragem Schneidet man gemafi Bild 10.9 aus einem biegebeanspruchten Balken mit veranderlichem Biegemoment ein schmales Volumenelement heraus, dann muss die Differenz der Normalkrafte in der linken und rechten Schnittflache durch eine Tangentialkraft Ft in Langsrichtung (Langsschubkrafl) ausgeglichen werden. Diese Tangentialkrafte mtissen von den Verbindungsmitteln wie Nieten oder Bolzen aber auch von SchweiBnahten oder Klebstoffschichten aufgenommen werden (als Beispiele siehe Aufgabe 10.4 bis 10.6). Von Bedeutung sind diese Langsschubkrafte aber auch bei Holzkonstruktionen, da die erzeugten Schubkrafte von Nageln oder Leimschichten iibertragen werden mtissen.

10.3.1 Genietete Trager Zur Veranschaulichung soil der in Bild 10.9 dargestellte einseitig eingespannte Freitrager mit konstanter Breite betrachtet werden. Zur Erhohung der Beanspruchbarkeit werden beidseitig Verstarkungsbleche aufgenietet. Um die Schubspannungen im Nietquerschnitt zu ermitteln, schneidet man ein Stiick der Lange t {t = Nietteilung) des Verstarkungsbleches frei und betrachtet das Kraftegleichgewicht in x-Richtung. Aufgrund des veranderlichen Biegemomentes muss die Differenz der Normalspannungen an beiden Schnittflachen durch eine Tangentialkraft Ft = T\{Z) • A ausgeglichen werden.

ab(z)+cfa CTbW

Gurtniet

Flansch

Verstarkungsbtech

Bild 10.9 Trager mit aufgenieteten Verstarkungsblechen

194

10 Querkraftschub

Mit Gleichung 10.8 gilt damit flir die Langsschubkraft Ft: Ft =

A biz)-Iy Fiir b(x) = b(z) = b = konst. folgt weiter mit A = b • t\

(10.25)

(10.26) Im Falle einer Nietverbindung mit n parallelen Nieten wirkt auf jede Niete die Schubkraft: F N = ^

n Die maximale Schubspannung rNmax im Niet betragt (Tabelle 10.1): ^Nmax

o

2

o

(10.27)

(10.28)

2

und mit Gleichung 10.26 schlieBlich:

4

Maximale Schubspannung in den Gurtnieten eines Profiltragers unter Querkraftschub (gilt nur fiir die in Bild 10.9 dargestellten geometrischen Verhaltnisse)

Q'H^Jzyt

'^Naiax

(10.29)

Q Querkraft (konstant) Hy{z) Flachenmoment 1. Ordnung (statisches Moment) der Restflache ^ R beztiglich der y-Achse durch den Flachenschweipunkt /y Axiales Flachenmoment der gesamten Querschnittsflache bezUglich der y-Achse durch den Flachenschwerpunkt t Nietteilung (Bild 10.9) n Anzahl paralleler Nieten r Radius des Niets %max darf die zulassige Schubspannung

TZUI

des Nietwerkstoffs nicht uberschreiten.

10.3.2 GeschweiUte Trager Betrachtet man anstelle einer Nietverbindung eine Schweifiverbindung mit zwei parallelen unterbrochenen Nahten (Nahtlange /s) oder zwei parallelen durchgehenden Nahten, dann errechnet sich die Schubspannung in der SchweiCnaht zu: Ft/2

(10.30)

^s =

und mit Gleichung 10.26 schlieBlich: Q-Hy(z) ^S =^

f J

2a* iy

/§

Bild 10.10 GeschweiBter Profiltrager

Schubspannung in der Schweifinaht zwischen Gurt- und Stegblech eines Profiltragers unter Querkraftschub (zwei parallele SchweiBnahte)

(10.31)

10.4 Berucksichtigung von Schub- und Normalspannungen bei biegebeanspruchten Balken

195

Hierbei ist a die Nahtdicke. Bei Kehlnahten wird fiir Festigkeitsbetrachtungen in der Kegel das Diagonalmafi a verwendet (Bild 10.10). Fiir durchgehende Nahte ist t = /s, also tlk=\. Zs darf die zulassige Schubspannung T^^\ der Naht nicht iiberschreiten. Fiir die Auslegung von Schw^eiBverbindungen muss zusatzlich beriicksichtigt w^erden, dass in der SchweiUnaht neben den genannten Schubspannungen auch Zug- bzw. Druckspannungen infolge der zusatzlichen Biegebeanspruchung auftreten. MaBgebend fur ein Versagen ist daher insgesamt die Vergleichsspannung ov, wobei nach der Gestaltanderungsenergiehypothese (Kapitel 6.3) gilt: Vergleichsspannung in der SchweiBnaht zwischen Gurt- und Stegblech eines Profiltragers unter Querkraftschub (zwei parallele SchweiBnahte)

(10.32)

M, mit (j^ = —^ • z nach Gleichung 2.32 und r^ nach Gleichung 10.31.

10.4 Berucksichtigung von Schub- und Normalspannungen bei biegebeanspruchten Balken Balken, die durch ein veranderliches Biegemoment beansprucht werden (z. B. Bild 10.11) erfahren Schubspannungen durch Querkrafte und Normalspannungen aufgrund der Biegebeanspruchung. In den vorangegangenen Kapiteln 10.1 bis 10.3 wurden die in biegebeanspruchten Balken auftretenden Schubspannungen ermittelt, in Kapitel 2.3.1 wurden hingegen nur die Normalspannungen durch Biegung beriicksichtigt (reine Biegung). Nachfolgend soil der gemeinsame Einfluss von Schub- und Biegenormalspannungen betrachtet und anschlieBend am Beispiel eines einseitig eingespannten Tragers mit Rechteckquerschnitt (Bild 10.11) quantifiziert w^erden. Die groBte Schubspannung eines biegebeanspruchten Balkens mit veranderlichem Biegemoment tritt nach Gleichung 10.8 bei z = 0 auf, da das Flachenmoment 1. Ordnung dort maximal wird (Restflache ^R wird maximal). Fur die maximale Schubspannung T^{Z = 0) ''q max gilt also: •^v(O) ''qmax

b{0)-ly

(10.33)

Die groBte Biegespannung Ob max errechnet sich nach Gleichung 2.35 zu: Bild 10.11 Einseitig eingespannter Trager mit Rechteckquerschnitt ^bmax^^;;— (10.34) Wv by

196

lOQuerkraftschub

Das Verhaltnis der maximalen Schubspannung zur maximalen Biegespannung betragt dann: (10.35) max Mb

Das Verhaltnis rq maxmax /c^b max soil am Beispiel eines einseitig eingespannten Trages mit Rechteckquerschnitt entsprechend Bild 10.11 quantifiziert werden. Es gilt: ^qmax=|-;^

(Tabdle 10.1)

^bmax

Q'l

^by

b-h^/6

(10.36) 6QI

b'h^

damit folgt: ^qmax _ ^bmax

h

(10.38)

4-/

Aus Gleichung 10.38 lasst sich der folgende wichtige Sachverhalt ableiten: Sehiibspattiittngeii und Nerinalspannangeii in nnem biegebeanspruchten Balken haben etwa dieselbe GrdBenordming^ falls Balkenhohe and Balkenlinga etwa dieselbe Grdfienerdnoiig besit^en (kiir^er Balken). In diesem Fall daif bei einer F^ti|^eitsbe" rechnung der Elnfluss der SchubspaiiBttngeii nkht verBachlassigt werden. Bel langen Balken kdnnen die Sehnbspanniingen g^entiber den Nonnalspannnngen hingegen vernachUssigt werden. So betrigt be^pMsweise filr einen einseitig eingespannten Balken mit Rechteckquersebnitt (Bild 10«11) nnd i^ S-h die Sebnbspannnng T^ mmt ^ur 5% der (Biege")Normalspannnng oj^^^x und ist damit vemachlissigban

10.5 Verformung unter Schubbeanspruchung (Schubverformung) In den vorangegangenen Kapiteln 10.1 bis 10.3 wurde die Verteilung der Schubspannungen flir unterschiedliche Querschnittsgeometrien ermittelt. Es zeigte sich dabei, dass die Schubspannungen ungleichmaBig iiber der Querschnittsflache verteilt sind (Tabelle 10.1). Gemafi dem Hooke'schen Gesetz fur Schubspannungen (T= G - y) sind dann aber auch die Winkelanderungen (Schiebungen) ungleichmaBig verteilt d. h. jedes Volumenelement erfahrt in Abhangigkeit seiner Lage eine unterschiedliche Winkelverzerrung (Schiefstellung). Der gesamte Querschnitt verwolbt sich dadurch. Damit ist die in Kapitel 2.3.1 getroffene Annahme, dass die Querschnitte eben bleiben (Bemoullische Hypothese) zumindest fur kurze, biegebeanspruchte Balken nicht zutreffend. Auf die Ermittlung der durch Schubspannungen verursachten Durchbiegung soil allerdings verzichtet und statt dessen auf die weiterfuhrende Literatur wie z.B. [9] verwiesen werden.

197

10.6 Ubungsaufgaben

10.6 Ubungsaufgaben Q

Attfgabe lOJ Der dargestellte kurze Freitrager mit Rechteckquerschnitt der Breite b und der Hohe h wird an seinem rechten Ende durch die Einzelkraft Q beansprucht. Berechnen Sie die Spannungsverteilung r (z) durch Querkraftschub in Abhangigkeit der Koordinate z und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Tabelle 10.1. Kerbwirkung an der Einspannstelle ist zu vemachlassigen.

^m2:rmM;.igmm,i n i i :;| 1

A-B

h\

-

b .1

r

Attfgabe 10.2 Der dargestellte kurze Freitrager mit Vollkreisquerschnitt (Durchmesser d) wird an seinem rechten Ende durch die Einzelkraft Q beansprucht. Berechnen Sie die Spannungsverteilung rq(z) durch Querkraftschub in Abhangigkeit der Koordinate z und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Tabelle 10.1. Kerbwirkung an der Einspannstelle ist zu vemachlassigen.

Q

Avfgabe 10.3 Das dargestellte dtinnwandige Kreisrohr (Aufiendurchmesser d^, Wandstarke s) wird an seinem rechten Ende durch die Einzelkraft Q beansprucht. Berechnen Sie die Spannungsverteilung T{
liiiii

Tq((p)

198

10 Querkraftschub

Aiifgabe 10.4 Der dargestellte kurze Freitrager ist aus drei gleichen Stahlblechen (h = b = 300 mm, ^ = 30 mm) zusammengeschweifit. Die Nahtdicke betragt a = 1 mm, die Nahtlangen jeweils /s = 30 mm und die Teilung t = 50 mm. Der Trager ist an seinem linken Ende fest eingespannt und an seinem rechten Ende durch die Kraft F = 100 kN belastet.

Schweilinaht

Gurt

a) Berechnen Sie die Schubspannung Ts in der SchweiBnaht. Normalspannungen in der SchweiBnaht aufgrund der Biegebeanspruchung sowie Kerbwirkung an der Einspannstelle soUen vemachlassigt werden. b) Ist die Beanspruchung der SchweiBnaht noch zulassig, falls die Schubspannung in der Naht Tzui = 85 N/mm^ nicht iiberschreiten darf ?

Aufgabe 10.5 Zur Erhohung der Beanspruchbarkeit eines einseitig eingespannten Tragers werden an der Ober- und Unterseite zusatzliche Verstarkungsbleche (250 mm x 20 mm) aufgenietet. Die Gurtnieten besitzen einen Durchmesser von d^= 12 mm. Die zulassige Spannung fur den Nietwerkstoff betragt r^ui = 120 N/mml Der Trager wird entsprechend der Abbildung durch die konstante Querkraft F = 60 kN sowie die konstante Streckenlast ^ = 25 kN/m belastet. Ermitteln Sie die mindestens erforderliche Nietteilung t, damit ein Abscheren der Gurtnieten vermieden wird.

Verstarkungsblech

o

199

10.6 Ubungsaufgaben

Aufgabe 10.6 Zum Bau einer Stahlbrucke sollen Trager entsprechend der Abbildung eingesetzt werden. Die zulassige Querkraft soil auf g = 150 kN begrenzt werden. Die Gurtplatten (300 x 20 mm) und die Stahlwinkel (60 x 60 x 10 mm) sind fest miteinander verschweifit. Die Stahlwinkel sollen hingegen mit dem Stegblech (200 x 30 mm) vemietet werden. Der Nietdurchmesser wurde mit d = \5 mm festgelegt. Die maximale zulassige Schubspannung des Nietwerkstoffs betragt r^ui = 150 N/mml

Stahlwinkel §

Gurtplatte

Berechnen Sie die erforderliche Teilung t der Stegnieten, damit ein Abscheren ausgeschlossen werden kann.

200

11 Torsion nicht kreisfgrmiger Querschnitte Werden Stabe mit nicht kreisformigen Querschnitten (z. B. Rechteckquerschnitte) auf Torsion beansprucht, dann beobachtet man eine Verwolbung d. h. die Querschnittsflachen bleiben nicht eben (Bild 11.1). Es muss daher unterschieden werden, ob sich eine freie Verwolbung einstellen kann. Wird eine freie Verwolbung der Querschnittsflachen beispielsweise durch eine beidseitige Einspannung verhindert, dann kann eine freie Verschiebung von Werkstoffteilchen in Richtung der Stabachse nicht erfolgen, es treten zusatzlich Normalspannungen auf Diese wolbbehinderte Torsion, die auch als Wolbkrafttorsion bezeichnet wird, ist jedoch schwierig zu berechnen und soil im Rahmen dieses Buches daher nicht weiter betrachtet werden. Sofem sich eine freie Verwolbung der Querschnitte einstellen kann und keine Querkrafte auftreten, spricht man von reiner Torsion oder Saint-Venant'scher Torsion. Jedoch auch unter der Voraussetzung einer freien Verwolbung der Querschnittsflachen ist die Berechnung von Spannungen und Verformungen bei Torsion nicht kreisformiger Querschnitte mit elementaren Mitteln haufig nicht moglich. Die nachfolgenden Ausfiihrungen soUen sich daher auf einige ausgewahlte technisch bedeutsame Falle beschranken.

Verwolbung

Bild 11.1 Torsion eines nicht Querkreisformigen schnittes

11.1 Torsion diinnwandiger, geschlossener Hohlproflle Die Spannungsermittlung torsionsbeanspruchter beliebiger Querschnitte ist, wie eingangs erwahnt, im Allgemeinen komplex. Eine Ausnahme bilden die kreisformigen Querschnitte (Kapitel 2.5.1) sowie die diinnwandigen Hohlquerschnitte. Letztere besitzen in der Technik eine nicht unerhebliche Bedeutung, beispielsweise flir Stahlkonstruktionen. In die Gruppe der diinnwandigen Hohlquerschnitte fallen alle Profile deren Wanddicke / klein gegeniiber den iibrigen Querschnittsabmessungen ist. Unter der Annahme, dass: 1. die Belastung durch ein Drehmoment um die Stabachse erfolgt, Querkrafte nicht auftreten und die Verwolbung der Querschnitte ungehindert stattfmden kann d. h. keine Normalspanungen in Langsrichtung auftreten (reine Torsion oder Saint-Venant'sche Tosion), 2. die Wanddicke t klein gegenuber den Querschnittsabmessungen und nur wenig veranderlich ist, d. h. die Schubspannungen konstant verteilt sind und tangential zum Rand verlaufen, 3. die Gestah der Querschnittsflache bei der Verformung erhalten bleibt (analog zum VoUkreis- bzw. Kreisringquerschnitt), dann ist der Schubfliuss T= T{S)- t an jeder Stelle des Querschnitts gleich groB, also: T = r{s) • t = konstant

(11.1)

201

11.2 Torsion diinnwandiger, offener Hohlprofile Die Beziehung zwischen dem Schubfluss T und dem Torsionsmoment M^ stellt die erste Bredt'sche Formel {Rudolph Bredt, 1842 ... 1900) her: 1. Bredt'sche Formel

(11.2)

Tt Maximale Schubspannung im Hohlquerschnitt (N/mm^) Mt Torsionsmoment (Nmm) Am Flache, die von der Profilmittellinie umBild 11.2 Torsion diinnwandiger, geschlossen wird (mm^). Sie darf nicht mit der schlossener Hohlprofile Querschnittsflache A verwechselt werden (sieheBildll.2) ^min kleinste Wanddicke (mm) Die maximale Schubspannung tritt an der Stelle mit der kleinsten Wanddicke (fmin) auf.

11.2 Torsion diinnwandiger, offener Hohlprofile Die Ermittlung von Schubspannungen in dunnwandigen, offenen (einzelligen) Hohlprofilen soil sich auf Profile beschranken, die sich aus schmalen Rechtecken zusammensetzen wie z. B. T-, U-, L- oder Z-Profile, Bild 11.3. Die Berechnung kann ebenfalls noch mit elementaren Mitteln erfolgen. Ohne auf die Herleitung (z. B. [9]) einzugehen, folgt fiir das Torsionsflachenmoment oder den Drillwiderstand !{.

h^ = h3

Torsionsflachenmoment eines aus schma- (11.3) len Rechtecken zusamBild 11.3 Torsion diinnwandiger, mengesetzten offenen fener Hohlprofile Hohlprofils In Analogic zur Torsion kreisformiger Querschnitte fiihrt man das Torsionswiderstandsmoment FFt ein und errechnet analog zu Gleichung 2.64:

/.=TI^-^?

W.

h

1 3-/„

•Zv^t^

(11.4)

Damit ergibt sich die maximale Schubspannung rmax== ^t zu: ^|^^^^^^ Maximale Schubspannung bei Torsion eines * aus schmalen Rechtecken zusammengesetzten offenen Hohlprofils

(11.5)

Der Ort maximaler Schubspannung fmdet sich am Rechteck mit der groBten Breite (^max) und zwar an seinem Aufienrand in der Mitte der langeren Seite (Bild 11.3). Falls das Profil Querschnitte mit gekrummter Mittellinie enthalt, dann konnen diese Flachen naherungsweise wie gestreckte Rechtecke mit der Lange der abgewickelten Mittellinie betrachtet werden (siehe Aufgabe 11.4).

202

11 Torsion nicht kreisformiger Querschnitte

11.3 Torsion beliebiger VoUquerschnitte Die ftir diinnwandige geschlossene und offene Profile abgeleiteten Beziehungen diirfen nicht auf beliebige nicht kreisformige VoUquerschnitte iibertragen werden. Zur Ermittlung von Betrag und Richtung der Schubspannung in einem beliebigen Punkt eines nicht kreisformigen VoUquerschnitts benotigt man die Torsionsfunktion 0(y^). Man erhalt sie durch Losen einer Poisson'sche Differentialgleichung der Form d^O

d^O

dy'

dz'

•• AO = konst.

(11.6)

fur die jeweilige Querschnittsflache unter Beachtung der Randbedingung ORand = 0. Falls fur eine Querschnittsflache die Torsionsfunktion 0(y^) gefunden wurde, dann erhalt man die Komponenten der Schubspannung durch partielle Differentiation der Torsionsfunktion nach den Koordinaten>^ bzw. z: ^xy

=

m J do — una T^, = dz dy

(11.7)

Die Torsionsfunktion 0(y^) lasst sich anschaulich als Flache liber der tordierten Querschnittsflache interpretieren (Bild 11.4). Die Richtung der Schubspannung in einem beliebigen Punkt P(yp I zp) erhalt man, indem man im DurchstoBpunkt der Senkrechten zur Querschnittsflache (Punkt P*) die Tangente an die entsprechende Hohenlinie /z* ermittelt. Den Betrag der Schubspannungen erhalt man aus der Steilheit der Flache. Die hochste Schubspannung tritt dementsprechend an der steilsten Stelle auf

Bild 11.4 Veranschaulichung der Torsionsfunktion

11.3.1 Membran-Analogie von Prandtl Die mathematische Losung der Poisson'schen Differentialgleichung 11.6 ist im Allgemeinen schwierig und erfordert weiterfiihrende mathematische Kenntnisse. Dennoch ist es mit entsprechenden Analogien moglich, sich einen (Jberblick iiber den Spannungsverlauf und die Orte der groBten Schubspannung, die potentiellen Versagensstellen also, zu verschaffen. Hierzu bedient man sich beispielsweise der Membran-Analogie von Prandtl {Ludwig Prandtl, 1875 ... 1953, Veroffentlichung der Membran-Analogie 1904). Man denkt sich zunachst den Vollkreisquerschnitt beispielsweise aus einer ebenen Blechplatte ausgeschnitten und mit einer Membran (z. B. Seifenhaut) liberspannt. Bei einem geringen Uberdruck wolbt sich diese Membran zu einer raumlich gekriimmten Flache u{y^), die analog der Torsionsfunktion einer Poisson'schen Differentialgleichung geniigt (Bild 11.5): d^u

d^u

5/

dz'

•• Aw = konst.

(11.8)

Bild 11.5 Membran-Analo eie von Prandtl

203

11.3 Torsion beliebiger Vollquerschnitte

Aufgrund der mathematischen Identitat der Gleichungen 11.6 und 11.8 findet man in Analogic zur Torsionsfunktion die hochste Schubspannung an der steilsten Stelle des Seifenhautberges. Der Drillwiderstand k ist proportional zum Volumen der verformten Membran. Ein zunehmender Drillwiderstand flihrt zu einer geringeren Verdrehung des Stabes.

11.3.2 Stromungsanalogie von Thomson Ahnlich der Membran-Analogie von Prandtl lasst sich das Torsionsproblem qualitativ auch mit Hilfe der Stromungsanalogie von Thomson {W, Thomson, 1824 ... 1907) veranschaulichen. Denkt man sich einen tordierten Stab von einer reibungsfreien, inkomprcssiblen Flussigkeit mit konstanter Zirkulation durchstromt, dann stimmen die Richtung der Stromlinien mit der Richtung der resultierenden Schubspannung uberein und die Stromungsgeschwindigkeit (Abstand der Stromlinien) ist proportional zur Schubspannung an derselben Stelle im tordierten Querschnitt. Die Stromungsanalogie zeigt insbesondere, dass mit enger werdendem Querschnitt die Stromungsgeschwindigkeit und dementsprechend die Schubspannung steigt. Die hochsten Schubspannungen treten dabei immer am Querschnittsrand der engsten Stelle auf(Bild 11.6).

Kreis

Ellipse

Rechteck /Xa < Tmax

'^a<'^m

Bild 11.6 Schubspannungsverlauf nach der Stromungsanalogie von Thomson in ausgewahlten Vollquerschnitten

Die Stromungsanalogie zeigt weiterhin, dass an der Ecke eines tordierten Stabes (z. B. eines Rechteckquerschnittes) die Schubspannung Null sein muss, da ein unstetiger Richtungswechsel der Stromung physikalisch nicht moglich ist. Im Bereich scharfkantiger Ecken erfolgt eine „schroffe" Umlenkung der Stromungsrichtung d. h. an diesen Stellen sind eine hohe Stromungsgeschwindigkeit und dementsprechend hohe Schubspannungen zu erwarten (Bild 11.7). Bei sproden Werkstoffen konnen sich dabei Risse bilden, zahe Werkstoffe werden sich hingegen plastisch verformen (Ausrundung der Ecke und dementsprechend Spannungsabbau).

x«0

Bild 11.7 Schubspannungsverlauf nach der Stromungsanalogie von Thomson im Bereich von Ecken

204

11 Torsion nicht kreisformiger Querschnitte

11.4 Grundgleichungen zur Torsion ausgewahlter Querschnitte Fiir die Berechnung von Staben mit beliebiger Querschnittsform ist es zweckmaBig, die Berechnungsformeln auf die Form entsprechend des Kreisquerschnitts zu bringen (Gleichung 2.65). Die maximale Spannung Tmax (=^t) errechnet sich dann gemafi: r- :=x =—i^^^ W^

Maximale Torsionsschubspannung in einem geraden prismatischen Stab mit beliebiger Querschnittsform

Tl 1 9")

Wt Torsions-Widerstandsmoment (aus Tabelle 11.1) Mt Torsionsmoment Tabelle 11.1 Torsionsflachenmomente /t und Torsionswiderstandsmomente Wt technisch bedeutsamer Querschnittsflachen Profil

Torsionsfliichenmoiiieiit

Torsionswiderstandsmoment

/t

VoUkreis t

p

32

^

16

Kreisring

i,-,^f^-{p'-^')

Rechteck

n

D^-d^ D

w,=— ' 16

Wy=^-h-b^

I^=cx-hb^

C2

mit

/ 1 , 0,630 0,052 1—^^—+ - (h/by hib 3

Ci = — •

T=0

'

und C2 = 1 -

0,650 l + (h/bf

Quadrat / , =0,141-0^

Wi =0,20S-a^

T=0

Ellipse 7T

h =16 *^ dickwandig

a^-b^

a'+b^

'

16

205

11.4 Grundgleichungen zur Torsion ausgewahlter Querschnitte

Fortsetzung Tabelle 11.1 Torsionsflachenmomente /, und Torsionswiderstandsmomente Wi technisch bedeutsamer Querschnittsflachen Torsionsflstchenmoinent

Profil

Torsionswiderstandsmoiiient

Gleichseitiges Dreieck T=0

h = 46,2

'

20

Diinnwandiges, geschlossenes Kreisrohr {( = konst.) r

^

^3

,

Wi=~di-t

Diinnwandige offene Hohlquerschnitte ^^ ., h^=h2

A=|-Zv^i^

'^FTf?

mjT^ U/ ^ Z22^.

a

w,^

3-C

•Zv'.^

Si h=tm.

Diinnwandige, geschlossene Hohlquerschnitte mit veranderlicher Wanddicke ^^

T _ ^ ^m ^ t - 2 • A^ ' /j^iji

Diinnwandige, geschlossene Hohlquerschnitte mit konstanter Wanddicke ^^ W^=2-A^-t

'^ aus Rechteckquerschnitten zusammengesetzt " C/. ist die Lange der Mittellinie

2) X ^^ 1 ^r r.\ • . A T- • • . 11.. 1 r. r-i •.. n- • ' <^ds I t{s) ist das Lm.enmtegral langs der Profilm.ttellm.e

206

11 Torsion nicht kreisformiger Querschnitte

11.5 tJbungsaufgaben Aufgabe 11.1 Der dargestellte Kastentrager aus dem unlegierten Baustahl S235JR (7?e = 240 N/mm^ R^ = 440 N/mm^) besitzt einen dunnwandigen Rechteckquerschnitt und wird durch das Torsionsmoment Mt = 500 Nm um die Stabachse statisch beansprucht. Berechnen Sie das MaB a, damit FlieBen mit einer Sicherheit von iSp = 1,5 ausgeschlossen werden kann.

Aitfgabe 11.2 Der dixnnwandige Kastentrager aus Aufgabe 11.1 (Werkstoff S235JR; R^ = 240 N/mm^; i^^ = 440 N/mm^) erhalt einen schmalen, durchgehenden seitlichen Schlitz (siehe Abbildung). Das statisch wirkende Torsionsmoment M^ = 500 Nm um die Stabachse soil unverandert bleiben. Berechnen Sie fiir diese Variante das MaB a, damit FlieBen mit einer Sicherheit von .Sp = 1,5 ausgeschlossen werden kann.

Aufgabe 113 Das dargestellte diinnwandige, geschlossene Trapezprofil aus EN AW-Al Zn5Mg3Cu -T6 (R^oa = 500 N/mm^; Rrn = 680 N/mm^) wird durch das statisch wirkende Torsionsmoment Mt = 250 kNm um die Stabachse beansprucht. Berechnen Sie das MaB a, damit FlieBen mit einer Sicherheit von iSp = 1,5 ausgeschlossen werden kann.

Aufgabe 1L4 Zwei diinnwandige Stahlrohre mit Kreisringquerschnitt (Werkstoff S355J0) werden durch die um die Stabachse wirkenden Momente M^ und MQ auf Torsion beansprucht (siehe Abbildung). Wahrend eines der beiden Stahlrohre einen durchgehenden Schlitz besitzt, ist das andere Stahlrohr geschlossen. Berechnen Sie das Verhaltnis Mt2 / Mi der iibertragbaren Torsionsmomente, so dass kein FlieBen eintritt.

0,1a

207

12 Behilter unter Innen- und Aufiendruck Eine Vielzahl technischer Bauteile wie zum Beispiel Druckbehalter, Dampf- und Gasleitungen, Pipelines, Hydraulik- und Pneumatikzylinder aber auch Bremsleitungen in Fahrzeugen, werden durch einen inneren Uberdruck beansprucht. Mitunter erfolgt jedoch auch eine Beanspruchung durch einen auBeren Uberdruck. Als Beispiele konnen Ansaug- oder Kondensationsleitungen genannt werden. Da ein Versagen derartiger, insbesondere durch Innendruck beanspruchter Bauteile zumeist mit erheblichen Schaden einher geht (man denke beispielsweise an eine Dampfkesselexplosion), ist ein sorgfaltiger Festigkeitsnachweis aus Sicherheitsgriinden von groBter Bedeutung. Ziel dieses Kapitels ist die Spannungsermittlung und der Festigkeitsnachweis von Behaltem unter einem inneren oder auBeren LFberdruck. Unter dem Begriff "Behalter" sollen dabei offene Hohlzylinder wie zum Beispiel Rohrleitungen, geschlossene Hohlzylinder wie Druckbehalter sowie Hohlkugeln verstanden werden. Vielfach ist die Wandstarke von Druckbehaltem und Rohrleitungen klein gegeniiber ihrem Durchmesser, so dass die Tangentialspannung in der Behalterwand als konstant angesehen werden kann. AuBerdem kann die Radialspannung vemachlassigt oder ein linearer Spannungsverlauf zugrunde gelegt werden. Dementsprechend ist es aus Griinden des Berechnungsaufwandes zweckmaBig, zwischen diinnwandigen und dickwandigen Behaltem zu unterscheiden.

12.1 Diinnwandige Behalter Ein Behalter wird nach DIN 2413 als dtinnwandig bezeichnet, falls fur sein Durchmesserverhaltnis gilt: - ^ < 1 , 2 bzw. — <0,1 (12.1) d; d^ Bei einem diinnwandigen Behalter kann dann, wie bereits erwahnt, die Tangentialspannung in der Behalterwand als konstant angesehen werden. AuBerdem kann die Radialspannung vernachlassigt oder ein linearer Spannungsverlauf zugrunde gelegt werden, so dass sich der Berechnungsaufwand zur Spannungsermittlung erheblich reduziert.

12.1.1 Diinnwandige Behalter unter Innendrucl^ Ein innerer Uberdruck (p^, nachfolgend kurz als "Innendruck" bezeichnet, weitet den Behalter zunachst auf, d. h. sein Durchmesser bzw. Umfang wird vergroBert. Hierdurch entstehen Spannungen in Umfangsrichtung die im Folgenden als Umfangsspannungen oder Tangentialspannungen Ot bezeichnet werden sollen. Sofem der Behalter beidseitig verschlossen ist (z. B. Druckbehalter) oder eine abgewinkelte Rohrleitung vorliegt, wirkt der Innendruck auch auf die Boden bzw. die Leitungsbogen und fiihrt zu einer Verlangerung des Behalters in Axialrichtung. Hierbei entstehen Spannungen in Langsrichtung, die als Langsspannungen oder Axialspannungen a^ bezeichnet werden. Letztlich wirkt der Innendruck auch auf die Innenoberflache des Behalters und erzeugt eine Spannung in radialer Richtung, also senkrecht zur Behalterwand, die Radialspannung cjr.

208

12 Behalter unter Innen- und AuBendruck

Zur Spannungsermittlung wendet man das Schnittprinzip an, indem man ein Flachenelement senkrecht zur wirkenden Tangential- bzw. Axialspannung herausschneidet (Bild 12.1). Die nachfolgenden Beziehungen beschranken sich, mit Ausnahme der Hohlkugel, auf den zylindrischen Teil des Behalters, d. h. es soil ein ausreichender Abstand von seinen Enden angenommen werden. Eine Beeinflussung durch die komplexen, einer elementaren Berechnung nicht zuganglichen Spannungsverhaltnisse im Bereich der Endboden von Druckbehaltem oder Bogen von Rohrleitungen ist dementsprechend nicht zu erwarten (Prinzip von de Saint-Venant). Tangentialspannung(Umfangsspannung) Zur Ermittlung der Tangentialspannung (oi) flihrt man einen Schnitt langs der Behalterachse durch und betrachtet den in Bild 12.2 dargestellten Halbring. Ansetzen des Kraftegleichgewichts ergibt (/ = Lange des Behalters): p^'d-^-l =

Bild 12.1 Spannungskomponenten an einem Schnittelement aus der Wand eines durch Innendruck beanspruchten, dtinnwandigen Behalters

2-(j^-S'l Tangentialspannung eines dtinnwandigen Behalters unterInnendruck

d.

^t=Pi 2'^

(12.2)

Axialspannung (Langsspannung) Zur Berechnung der Axialspannung (a"a) fuhrt man einen Querschnitt senkrecht zur Behalterachse durch (Bild 12.3). Das Kraftegleichgewicht in Axialrichtung liefert: Pi'-

TT'dt

a,t

TtTITttfflTtT'

tat

Bild 12.2 Langsschnitt am dtinnwandigen Behalter unter Innendruck

n = a,.-^\dl-dl)

Da die Wandstarke s voraussetzungsgemaU klein sein soil, kann man 5^ vemachlassigen und erhalt: P\

TT-dt

• a.

'

o,-d.-s

4

^. 0CTj =pj —^- = -— '*

Axialspannung eines dunnwandigen Behalters unter Innendruck

(12.3)

Bild 12.3 Querschnitt am dtinnwandigen Behalter unter Innendruck

Die Gleichungen 12.2 und 12.3 werden in der Praxis auch als "Kesselformeln" bezeichnet.

12.1 Dunnwandige Behalter

209

Radialspannung Da der Innendruck unmittelbar auf die Innenoberflache der Behalterwand wirkt, entsteht dort eine radiale Druckspannung vom Betrag des Innendrucks, also (Jn^ - p\ (Hinweis: 1 bar = 0,1 N/mm^ = 0,1 MPa). An der lastfreien AuBenoberflache ist die Radialspannung Null (cJra = 0). LFblicherweise rechnet man beim diinnwandigen Behalter mit einem konstanten Mittelwert und erhalt dann fur die Radialspannung (j^\ SiiiBiili! Radialspannung eines diinnwandigen Behalters unter Innendruck ''ggll (Mittelwert)

•IB

(12 4)

Da die Radialspannung sehr viel kleiner ist im Vergleich zur Tangential- oder Axialspannung wird sie mitunter auch vemachlassigt und ein naherungsweise zweiachsiger Spannungszustand zugrunde gelegt. Fiir einen Festigkeitsnachweis miissen noch die Hauptspannungen CTI, 02 und 03 bestimmt werden. Da die gewahlten Schnittflachen Symmetrieebenen von Form und Belastung sind, konnen dort keine Schubspannungen wirken. Das Vorhandensein von Schubspannungen wurde gemaB dem Hooke'schen Gesetz fur Schubbeanspruchung (Gleichung 2.44) in den Schnittflachen Schiebungen (Winkelverzerrungen) hervorrufen und damit zu einer unsymmetrischen Verformung fuhren. Dies ist jedoch bei reiner Innendruckbeanspruchung nicht der Fall. Normalspannungen, die in schubspannungsfreien Symmetrieschnitten auftreten, miissen daher zugleich Hauptspannungen sein. Dementsprechend sind also 01 und a^ Hauptspannungen. Damit muss aber auch <j^ eine Hauptspannung sein, da die drei Hauptspannungen stets senkrecht zueinander sind. Mit der Indizierungsregel gemafi den Gleichungen 6.2 bis 6.4 folgt dann: ^x^cj,=p,-^

(12.5) 2-s

^2^^a=A--r^

(12.6)

4-6'

^3-^r=-Y

(12.7)

In der Wand eines diinnwandigen, kreiszylindrischen Behalters unter Innendruck herrscht ein dreiachsiger Spannungszustand. Falls die Radialspannung vemachlassigt wird, kann der Spannungszustand, wie bereits erwahnt, naherungsweise auch als zweiachsig angesehen werden. Zur Durchfiihrung eines Festigkeitsnachweises, muss der dreiachsige Spannungszustand mit Hilfe einer geeigneten Festigkeitshypothese (Kapitel 6) in einen aquivalenten, fiktiv einachsigen Spannungszustand iiberfiihrt werden. Da Druckbehalter iiblicherweise aus duktilen Werkstoffen hergestellt werden, stehen hierfiir die Schubspannungshypothese (SH) oder die Gestaltanderungsenergiehypothese (GEH) zur Verfiigung. Da die Schubspannungshypothese im Vergleich zur Gestaltanderungsenergiehypothese hohere Vergleichsspannungen und damit konservative Ergebnisse liefert, wird sie, auch der Einfachheit halber, haufig zur Berechnung diinnwandiger Druckbehalter herangezogen. Man erhalt damit die Beziehung: d-^ ( pA 2-s [ 2

d:+s 2-s

210

12 Behalter unter Innen- und AuBendruck J tjy gj^ = p:^ — ^ 2 •s

Vergleichsspannung eines diinnwandigen Behalters unter Innendruck unter Anwendung der Schubspannungshypothese

(12.8)

Bild 12.4 zeigt den wahren Verlauf der Spannungskomponenten (Gleichungen 12.53 bis 12.55) in Wand eines durch Innendruck beanspruchten Behalters, im Vergleich zu den vereinfacht berechneten Verlaufen gemaC den Gleichungen 12.2 bis 12.4. Errechnet man aus den vereinfacht ermittelten Spannungskomponenten die Vergleichsspannung (Gleichung 12.8) und vergleicht diese mit den Vergleichsspannungen die sich aus dem wahren Verlauf der Spannungskomponenten ergeben wiirde, dann erkennt man, dass bis zu einem Verhaltnis von djd\ = 1,16 Gleichung 12.8 konservative Ergebnisse liefert (Bild 12.4c). Die vereinfachte Berechnung der Spannungskomponenten bis zu einem Verhaltnis von djd\ = 1,2 (Gleichung 12.1) ist also durchaus gerechtfertigt.

12.1.2 Diinnwandige Behalter unter AuBendruck Werden diinnwandige Behalter durch einen auBeren Uberdruck (pa), nachfolgend kurz als "AuBendruck" bezeichnet, beansprucht, dann konnen die Herleitungen aus Kapitel 12.1.1 sinngemaB iibemommen werden und man erhalt fiir die Spannungskomponenten in der Behalterwand die folgenden Beziehungen: Tangentialspannung: ^t=-Pa

2-5

(12.9)

Tangentialspannung eines diinnwandigen Behalters unter AuOendruck

1,2 1,16

1,4

1,6

Cfa/Ofi-

Bild 12.4 Spannungsverlaufe in der Behalterwand unter Innendruck a) Ubersicht b) Vergleich der vereinfacht berechneten mit den wahren Spannungskomponenten c) Vergleich der vereinfacht berechneten mit der wahren Vergleichsspannung am Innenrand des Behalters

211

12.1 Diinnwandige Behalter Axialspannung: 0- = ^p

^ 4•s

Axialspannung eines dunnwandigen Behalters unter AuBendruck (Mittelwert)

(12.10)

Radialspannung eines dunnwandigen Beli9lters unter AuBendrucIc

(12.11)

Radialspannung: ii|Miiii8ii iiKHilHii

In Analogic zum dunnwandigen Behalter unter Innendruck und unter Beachtung der Indizierungsregel entsprechend den Gleichungen 6.2 bis 6.4 folgt fur die Hauptspannungen: o-i

(12.12)

=(Tr=--

(12.13)

^2 = ^a = - P a 0-3 = CTt = -p^

(12.14)

•

2-5

12.1.3 Dunnwandige Hohlkugel unter Innen- bzw. AuBendruck Schneidet man eine dunnwandige Hohlkugel langs einer Ebene durch den Kugelmittelpunkt, dann liegen im Hinblick auf die Schnittspannungen dieselben Verhaltnisse vor, verglichen mit dem Querschnitt durch einen zylindrischen Behalter (Bild 12.5). Dementsprechend gilt an der aufgeschnittenen Kugelhalfte unter der Wirkung eines inneren Uberdrucks (Innendruck): A

^

= ^t'--(^a-^i)

^a^- — -\df +A-d-s

+ A-s^

-dl)

Da die Wandstarke s voraussctzungsgemaB klein sein soil, kann man s^ vemachlassigen und erhalt:

•ill

Tangentialspannung einer dunnwandigen Hohlkugel unter Innendruck

Bild 12.5 Langs- und Querschnitt an einer dunnwandigen Hohlkugel unter Innendruck

(12.15)

212

12 Behalter unter Innen- und AuBendruck

In analoger Weise erhalt man fur die Druckspannung in der Wand einer dtinnwandigen Hohlkugel unter der Wirkung eines aufieren Uberdrucks (AuBendruck):

-P2.

4-5

Tangentialspannung einer dtinnwandigen Hohlkugel unter AuBendruck

(12.16)

Die beschriebenen Spannungsverhaltnisse sind aus Grtinden der Kugelsymmetrie in jeder den Kugelmittelpunkt beinhaltenden Schnittebene identisch, d. h. an jeder beliebigen Stelle der Kugelwand sind die Spannungen gleich groB.

12.1.4 Diinnwandige Behalter mit elliptischer Unrundheit Hohlzylinder sind aus fertigungstechnischen Grtinden in der Kegel nicht exakt kreisformig, sondem mehr oder weniger unrund. Wird ein unrunder Behalter durch Innendruck beansprucht, dann versucht der Behalter die Kreisform anzunehmen. Hierbei entsteht eine zusatzliche Biegespannung in Urnfangsrichtung in der Behalterwand. Die Biegespannung iiberlagert sich der Tangentialspannung.

Bild 12.6 Spannungsverhaltnisse in unrunden, dtinnwandigen Behaltem unter Innendruck

Unter der Voraussetzung einer elliptischen Unrundheit berechnet sich die zusatzliche Biegespannung Ob zu:

100 j . _ _ _ v ^ _ : ^ _ . MPa

•IT-/

(12.17)

E

Biegespannung in der Wand eines unrunden, dtinnwandigen Behalters

\ \ V

\ 1 \'''^\

\

K=

und f =

' ^ ^^^

^min /

1

-•^-(f'

(12.18) (12.19)

\ VP0&0.9 i i \

\

\ i \ 1 1 1 1 1

_ V.^^.,,;-:!!! _ j L _ _ V . _ i V . _ 3L. ^ !V _L _ L _ L _ L J \-

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Der Korrekturfaktor/berticksichtigt, dass mit zunehmender Annaherung des Behalters an die Kreisform, die tatsachlich auftretende Biegespannung oi, abnimmt. Der Korrekturfaktor/kann fiir elliptisch unrunde 5/a/z/behalter (E = 210000 N/mm^; ju = 0,30) auch aus Bild 12.7 abgeschatzt werden.

12.2 Dickwandige Behalter

213

12.2 Dickwandige Behalter Im Unterschied zum dunnwandigen Behalter muss bei der Berechnung dickwandiger Behalter unter Innen- bzw. AuBendruck eine ungleichmaBige Spannungsverteilung uber der Wanddicke beriicksichtigt werden. Voraussetzung fur die nachfolgenden Berechnungen sind: • eine grofie Lange des Zylinders (keine Randeinfliisse) • linear-elastisches ideal-plastisches Werkstoffverhalten • Vernachlassigung von Volumenkraften (Eigengewicht) Zur Spannungsermittlung dickwandiger Behalter ist es sinnvoll, die folgenden Zustande getrennt zu betrachten: • Elastischer Zustand: der gesamte Behalter bzw. die gesamte Behalterwand ist elastisch beansprucht. • Teilplastischer Zustand: der innere Teil der Behalterwand ist elastisch beansprucht (elastischer Innenring), wahrend der ubrige Wandteil bereits plastifiziert ist (vollplastischer AuBenring). • Vollplastischer Zustand: die gesamte Behalterwand ist plastifiziert.

12.2.1 Elastischer Zustand unter Innen- und AuBendruck Ein elastischer Zustand liegt vor, sofern an keiner Stelle der Behalterwand plastische Verformungen auftreten. 12.2.1.1 Spannungsermittlung Da aus Symmetriegrunden die Lastspannungen unabhangig vom Winkel