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hm=m;> (--) N: und des is (--) nach meiner erfahrung in jeder kultur anders? (--) die eine kultur reagiert (--) oder fast alle reagieren auf GELD, (---) und des is (--) meistens des mittel was uns net (--) am wenigsten zur verfügung steht. (1.0) ja? (--) des heißt (-) also mitarbeiter durch: (--) äh finanzielle anreize zu motivieren ist eigentlich (1.0) nebensächlich; (---) sa=mal SO; (-) und (---) jetzt ist die frage (--) äh:: (-) welche (1.5) < > < des [auch.> E: [(hm/so) ich erinner mich noch an meine (--) ERSte besprechung hier als wirklich jemand anfing RUMzuschreien; (-) und dem andern VORhaltungen zu machen; (-) er hätte da seine ARbeit nicht ordentlich gemacht;= =< hat=i=acht=s> DAS denn; ((lacht)) ((...)) und hab DANN irgendwann geSEhen, (-) dass die leute NACH der besprechung zusammen KAFfee getr’ ge’ g=tru’ trinken gegangen sin. (--) ((...)) n=danach macht man so dieses ähm ICH bin okay DU bist okay, des heißt man geht zum KAFfeeautomaten und unterhält sich über die faMIlie, sitzen.>= N: =hm=m; E: und sie sehen HIER, (--) in (-) in diesen büros, sehen sie abens ab sieben fast nur noch DEUTsche < sitzen.>= N: =hm=m; (---) E: viele praktiKANten, span,> (1.0) ähm: (-) also ich hatte vorher WEnig erfahrungen=mit dem land. aber jetzt (-) natürlich dann schon MEHR, auch (-) beVOR ich hierher kam weil (---) wir öfters dann (-) zu ihr=n eltern gefahr=n sind < mein gott hier wird ja echt> (-) hart geARbeitet; und LANge un so; aber ich GLAUbe es konzentriert sich auf [(---) EInige. N: [(-) n=paar wenige. E: vielleicht=s der bereich MARketing:, sehr stark mit jungen LEUten: (.) durchsetzt dass der eindruck da vielleicht STÄRker is. (--) ((...)) E: aber das=s=ähm (-) hab ich am anfang auch stark geSEH=N. ha’ also: v=r=allendingen mit=m falschen BILD hergekommen. (--) ((...)) un ich HAB mir schon so ich hab scho=n verDACHT gehabt dass des so GANZ nich stimmen KANN, N: [hm=m; E: [aber (.) ähm (.) dann (.) also die realiTÄT hat mich dann doch noch mal überRASCHT. [also (-) N: [hm=m mich AUCH ja, (--) E: und zumal: eben die erWARtungshaltung dann bei den DEUTschen die=HERkommen=dann IS okay also (--) verDIENT halt mehr,= =kann man auch=n bisschen mehr verLANgen; das [heißt also die erWARtungshaltung IS (--) dass du auf N: [mhm; E: JEden fall zu DEnen: (-) geHÖRST (.) die NICH pünktlich heimgehen; ((...)) N: ja aber sonst is=es GANZ schwierig mit=der akzeptanz. (--) E: [< hm=m.> N: [sonst=ähm (---) kommt daHER, kann kein SPAnisch, und geht früh HEIM, (--) [des:=is: (-) glaub ich GAR nich [gut. E: [mhm, [< genau so is=es. ja geduld muss man haben.=ne?> N: sicher. hm=m;> (--) N: und des is (--) nach MEIner erfahrung in jeder kultur ANders? (--) die EIne kultur reagiert (--) oder fast ALle reagieren auf GELD, (---) und des is (--) MEIStens des mittel was uns net (--) am WEnigsten zur verfÜgung steht. (1.0) ja? (--) des heißt (-) also MITarbeiter durch: (--) äh FInanzielle ANreize zu motivieren ist eigentlich (1.0) NEbensächlich; (---) sa=mal SO; (-) und (---) jetzt ist die frage (--) äh:: (-) welche (1.5) < hm> und hab VÖLlig andre erfahrungen g=macht wie hier. (--) F: [mhm, E1: [obwohl ma ja sage kann de=sch iberische HALBinsel, ka=ma vielleicht vergleichen, (--) F: [ja; ja; E1: [also des mit der kultur isch isch nur (1.3) ((Seufzer)) sa=mal (-) s’ s:’ s:’ (-) vielleicht bissle IRreführend. weil ma sagt ma muss sich auf die kulTUR da einlasse. (-) s kommt eher auf=n STANDort an, (-) E2: [ja auf jeden FALL. E1: [und auf die perSÖNlichkeit von de leut. (-) N: < hm.> (-) E2: a=ich wir kriegen=s ja auch mit mit den liefeRANten; (--) we=ma so unsre gaLIzier nehmen, was für ne ARbeitsweise DIE an=n tag legen, [(1.3) F: [((lacht sehr leise)) E2: da muss ma au erstmal zuRECHT mit kommen. und=es sin ja AUCH spanier. (---) F: [hm=m. E2: [und des hat ma hier in maDRID=da:: (1.3) is=es doch noch=n bisschen (1.0) < äh::>E1: sa=mal so des des loKAle üb’ überLAgert eigentlich des des des GRUNDsätzliche [was ma (--) an kulturelle unterschiede E2: [< hm=m.> E1: zwische spanie und DEUTSCHland sieht. (-) der vorschlag isch net SCHLECHT ; (--) !A!ber> (1.0) < nach zwei stunden gesagt (-) s:=lass das. mach das NICH?> (--) N: hm=m. (--) E: MACH das nicht mit denen. wenn du des zweimal machst (.) dann (.) GLAUbe die dir GAR nichts; (--) N: [hm=m; E: [die sagen der hat AUCH keine ahnung. (-) N: klar. (1.0) E: ne?=[und (-) es [is schizoPHREN; (--) N: [hm=m; [hm=m; nach zwei stunden gesagt (-) s:=lass das. mach das NICH?> (--) N: hm=m. (--) E: MACH das nicht mit denen. wenn du des zweimal machst (.) dann (.) GLAUbe die dir GAR nichts; (--) N: [hm=m; E: [die sagen der hat AUCH keine ahnung. (-) N: klar. (1.0) E: ne?=[und (-) es [is schizoPHREN; (--) N: [hm=m; [hm=m; E: ich MÖCHte nichts sagen was ich nich WEISS; ich MÖCHte nichts sagen von dem ich überhaupt nich[(1.5) ((lässt die Hand auf den Tisch fallen)) N: [((lacht)) E: keine (-) keine AHnung habe waRUM (-) besimmte dinge NICHT funktioNIEren, nach zwei stunden gesagt (-) s:=lass das. mach das NICH?> (--) N: hm=m. (--) E: MACH das nicht mit denen. hm=m.> N: [sonst=ähm (---) kommt daHER, genau so is=es.>
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
Kommentar: Der Ausschnitt folgt unmittelbar auf die Gesprächseinleitung durch die Forscherin. In 6.2.1 werde ich ihn ausführlich analysieren im Hinblick auf die Einführung und Relevantsetzung bestimmter Themen durch die Gesprächspartner. Hier möchte ich lediglich diejenigen Aspekte hervorheben, die zeigen, dass N in dem Ausschnitt für sich und den Gesprächspartner eine authentische Gesprächssituation und authentische Handlungsziele etabliert. In Z. 1-2 übernimmt N zunächst das von F eingeführte Thema der kulturellen besonderheiten. Sehr schnell geht er dabei von einer neutralen Perspektive (3.Ps.Sg: was interessiert is) zu einer individualisierten Darstellung über (1.Ps.Pl: wir sind beides führungskräfte, wir ham mit dem problem zu kämpfen wie motivier=ma die mitarbeiter). Die Verwendung des Personalpronomens wir bzw. ma deutet bereits darauf hin, dass er individuell für sich und den Gesprächspartner eine Herausforderung im Handeln sieht. In Z. 7 weist er darauf hin, dass er selbst in dem genannten Problemkontext Erfahrungen in anderen Kulturen gemacht hat, die ihm gezeigt haben, dass dieses Thema relevant sein kann (des is nach meiner erfahrung in jeder kultur anders). Im folgenden (Z. 9-16) formuliert N für sich ein authentisches Handlungsziel, nämlich die Motivation der Mitarbeiter durch andere als finanzielle Mittel. In Z. 17-24 bzw. 25-35 formuliert N zwei weitere authentische Handlungsziele, nämlich die Vermeidung von Fettnäpfchen, die das Verhältnis zu den Mitarbeitern stören können, und die Überzeugung der Mitarbeitern von Ideen der Geschäftsleitung. In beiden Fällen entsteht zwar wieder eine gewisse Distanz durch die Verwendung der 3.Ps.Sg. und des neutralen Personalpronomens man. Aber die relativ ausführlichen Formulierungen deutet darauf hin, dass N bei der Äußerung einen Reflexionsprozess vollzieht, in dem er sich über den Zusammenhang zwischen authentischen Handlungszielen und Gesprächskontext bewusst wird. Nach einer resümierenden Bewertung des Gesprächsgegenstands auf einer Metaebene (Z. 36-37), spricht N in Z. 39-43 (erstmals!) explizit den Gesprächspartner E an (du, deine erfahrungen) und fragt diesen nach seinen bisherigen Erfahrungen. Nachdem in dem Ausschnitt bisher nur F zweimal ein Rückmeldesignal geäußert hat (Z. 6 und 34), erfolgt in Z. 40 außerdem erstmals eine Reaktion von E. Beide Aspekte deuten darauf hin, dass sich N zunehmend von F, die unmittelbar zuvor in das Gespräch eingeführt hat, abwendet und E, mit dem er das folgende Gespräch führen wird, zuwendet. Die Formulierung der Frage wie sind deine erfahrungen da in dem zusammenhang (Z. 42-43) trägt damit zur Konstitution der Gesprächssituation und eines authentischen Gesprächsziels bei, nämlich der Weitergabe von Erfahrungen von E an N.
Anhand des Ausschnitts konnte also gezeigt werden, dass N das von F in der Gesprächseinleitung eingeführte Thema der kulturellen besonderheiten übernimmt, es aus seiner Perspektive reformuliert und dabei für sich und den Gesprächspartner authentische Handlungsziele und eine authentische Gesprächssituation konstituiert. Dies ist ein Kriterium dafür, dass man laut Schank von einem ‘natürlichen’ Gespräch sprechen kann:
3.1 Übersicht der erhobenen Daten
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Von natürlichen Gesprächen [...] kann man sprechen, wenn für das Gespräch echte Sprechanlässe in der Alltagswelt vorliegen, die von den Teilnehmern wahrgenommen und bewältigt werden müssen. [...] Gespräche, die aus echten Sprechanlässen entstehen, werden nicht um ihrer selbst willen geführt, sondern zum Zwecke der Verfolgung von Handlungszielen in der Alltagswelt. (Schank 1979b: 74)
Auch wenn die Bezeichnung des ‘natürlichen’ Gesprächs in unserem Fall vielleicht nicht ganz angemessen ist, kann man von einem authentischen Gesprächskontext und damit einer Authentizität der Daten ausgehen (zum Problem der Authentizität gesprächsanalytischer Daten vgl. Schu 2001, Lalouschek/Menz 1999). Die Gespräche während der Entsendung fanden vor Ort in Spanien auf dem Werksgelände statt. In der Regel nahm ein neuer und ein erfahrenerer Auslandsentsandter an den Gesprächen teil (in einem Fall zwei erfahrenere Auslandsentsandte). Die neuen Auslandsentsandten waren jeweils seit ein bis drei Monaten in Spanien, die erfahreneren (bis auf eine Ausnahme) seit ein bis acht Jahren. Insgesamt wurden neun Gespräche während zweier Aufenthalte in Madrid im Oktober 2004 und Februar 2005 aufgezeichnet (vgl. Tabelle 3.1). Tabelle 3.1: Gespräche während der Entsendung (~10 Stunden) Name
Kürzel LÄRM
Erfahrene(r): Zeit in Spanien 1 Jahr
Neue(r): Zeit in Spanien 2 Monate
LÄRM ENTSENDUNGSZIEL
ENTSZIEL
1 Jahr
1¾ Monate
IMPROVISATION
IMPRO
½ Jahr
3 Monate
ANMELDUNG
ANM
1¾ Jahre
1½ Monate
LOCKERHEIT
LOCKER
1 Jahr
1 Monat
UMZUG
UMZ
2 Jahre
2 Monate
KOLLEGIALE BERATUNG
KOLBER
2½ Jahre
2½ Monate
STANDORT
STAND
5 Jahre, 4 ½ Jahre
2½ Monate
FREUNDSCHAFT
FREUND
8 Jahre
1½ Monate
3.1.2 Primärdaten-2: Gespräche im Vorbereitungstraining (in Deutschland) Eine Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten kann von Unternehmen nicht nur vor Ort, sondern auch im Rahmen von Auslandsvorbereitungsseminaren organisiert werden (vgl. 1.3). Für unser Datenkorpus konnten neben den in
100
3. Empirische Studie und Datenkorpus
Spanien organisierten Expatriategesprächen auch Gespräche aufgezeichnet werden, die im Rahmen der firmeninternen interkulturellen Vorbereitungstrainings in Deutschland stattfanden. In diesen Trainings organisiert das Unternehmen regelmäßig Einzel- oder Kleingruppengespräche zwischen neuen Auslandsentsandten und Repatriates desselben Entsendungslandes. Repatriates sind Firmenangehörige, die als Expatriate im Ausland waren und inzwischen wieder zurück in Deutschland sind (vgl. 1.2). In den Gesprächen sollte jeweils ein Repatriate (evtl. mit Lebenspartner), der in einem bestimmten Land war, seine Erfahrungen an einen oder mehrere Expatriates weitergeben, die kurz vor der Entsendung in dasselbe Land standen. Teilweise haben die Repatriates an einem speziellen Training teilgenommen, das das Unternehmen für diejenigen anbietet, die sich bereit erklären, ihre Erfahrungen an Neuentsandte weiterzugeben. Dieses Training soll die Repatriates auf die Weitergabe von Erfahrungen an Neuentsandte vorbereiten. Ziel des Trainings ist insbesondere eine Reflexion der eigenen Erfahrungen sowie eine Aufbereitung derselben für die Erfahrungsweitergabe. Auf die Gespräche im Rahmen der Vorbereitungstrainings hatte die Forscherin keinen direkten Einfluss. Sie war nicht an der Organisation der Gespräche beteiligt und führte nicht in die Gespräche ein. Teilweise war sie bei den Gesprächen anwesend. Im Rahmen der Vorbereitungstrainings konnte ein Gespräch für Spanien aufgezeichnet werden. Um auf einer größeren Basis Unterschiede zwischen den Gesprächen im Entsendungsland und den Gesprächen im Rahmen der Vorbereitungstrainings herausarbeiten zu können, wurden außerdem je ein Trainingsgespräch für Frankreich und Italien aufgezeichnet (vgl. Tabelle 3.2). Tabelle 3.2: Gespräche im Vorbereitungstraining (~ 7½ Stunden) Name
Kürzel SPTRAIN
Erfahrene(r): Zeit im Ausland 3 Jahre
Neue(r): Zeit bis Entsendung 2 Monate
SPANIEN-TRAINING FRANKREICH-TRAINING
FRTRAIN
1 Jahr
½ Monat, ½ Monat
ITALIEN-TRAINING
ITTRAIN
3½ Jahre, 3½ Jahre
1 Monat, 1 Monat, 2 Monate
3.1.3 Sekundärdaten: Nachgespräche und Interviews Als Ergänzung zur Analyse der Primärdaten wurden neben diesen zwei Formen von Sekundärdaten erhoben. Dabei handelt es sich zum einen um Nachgespräche mit den Gesprächsteilnehmern der in Spanien durchgeführten Expatriategesprä-
3.1 Übersicht der erhobenen Daten
101
che, zum anderen um Interviews mit deutschen Auslandsentsandten in Spanien, die nicht an den übrigen Gesprächen teilgenommen haben. In all diesen Gesprächen konnten Informationen über typische Kontexte, Zeitpunkte und Inhalte einer Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten gewonnen werden sowie Einschätzungen der Auslandsentsandten bezüglich der Bedeutung solcher Gespräche am Anfang und im Verlauf der Auslandsentsendung. Der Rückgriff auf ethnographische Daten war für die vorliegende Arbeit in dreierlei Hinsicht gewinnbringend: Erstens ermöglichte es das ethnographische Hintergrundwissen, den Status der aufgezeichneten Gespräche einzuschätzen. Wie typisch sind die erhobenen Gespräche für die Praxis der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten? Wie häufig kommt eine solche Erfahrungsweitergabe im Alltag der Auslandsentsandten vor? Welchen Stellenwert besitzt sie aus Sicht der Auslandsentsandten für deren Integration? Zweitens konnten die Kontextinformationen die Datenauswertung an einzelnen Stellen unterstützen und verbessern, indem sie die Forscherin auf bestimmte Phänomene aufmerksam machten oder ihre Analyse der Gespräche berichtigten, konkretisierten oder vertieften. Schließlich ergaben die Nachgespräche und Interviews interessante Erkenntnisse für die Umsetzung solcher Gespräche in der Unternehmenspraxis (z.B. Motivationen und Hemmschwellen), die in die Ausarbeitung der Praxiskommentare eingeflossen sind.63 Die Tabelle 3.3 gibt eine Übersicht über das gesamte Datenkorpus: Tabelle 3.3: Übersicht Datenkorpus Primärdaten Gespräche während der Entsendung (im Ausland)
9 Gespräche
~ 10 Stunden
Gespräche im Vorbereitungstraining (in Deutschland)
3 Gespräche
~ 7½ Stunden
Nachgespräche
5 Nachgespräche
~ 2 Stunden
Interviews
3 Interviews
~ 2 Stunden
Sekundärdaten
63
Zum allgemeinen Nutzen ethnographischen Kontextwissens für die Gesprächsanalyse vgl. Deppermann 2000: 105-106 und 108-113.
102
3. Empirische Studie und Datenkorpus
3.2 Aufbereitung der Daten Für alle aufgezeichneten Gespräche (Primär- und Sekundärdaten) wurden zunächst ausführliche Gesprächsprotokolle erstellt. Dabei wurden ausgewählte Formulierungen der Gespräche in die Protokolle übernommen. Die Gesprächsprotokolle gaben einen ersten Überblick über die Gespräche, erlaubten eine inhaltliche Analyse (vgl. 3.4) sowie eine Auswahl der für die Fragestellung der Arbeit besonders relevanten Gesprächsausschnitte. Die Primärdaten, die ja Gegenstand der gesprächsanalytischen Untersuchung werden sollten, wurden anschließend detailliert nach gesprächsanalytischen Standards transkribiert. Für die detailliertere Transkription wurden zunächst fünf Gespräche der spanischen Primärdaten ausgewählt, die nach Durchsicht des Materials als repräsentativ für den Gesprächstyp eingeschätzt wurden, da in ihnen primär kulturelle Erfahrungen thematisiert, auf vielschichtige Weise dargestellt und interaktiv ausgehandelt werden. Es handelt sich hierbei um die Gespräche ENTSENDUNGSZIEL, ANMELDUNG, LOCKERHEIT, KOLLEGIALE BERATUNG und FREUNDSCHAFT. Innerhalb dieser Gespräche wurden zunächst diejenigen Gesprächsausschnitte ausgewählt, fein transkribiert und sequenzanalytisch bearbeitet, in denen kulturelle Erfahrungen auf besonders aufwändige und auffällige Weise dargestellt und weitergegeben wurden. Ausgehend von diesen Analysen wurden erste Hypothesen über linguistische Auffälligkeiten formuliert. Darauf aufbauend wurden weitere Gesprächsausschnitte ausgewählt und transkribiert, bis schließlich ein Großteil der fünf Gespräche (in unterschiedlichem Feinheitsgrad) transkribiert war. Zunehmend wurden dann vergleichende Analysen zwischen Gesprächsausschnitten bzw. Gesprächen durchgeführt. Dazu wurde schließlich auch das übrige Primär- und Sekundärmaterial gesichtet, teilweise transkribiert und zur Verfeinerung der erarbeiteten Analyseergebnisse herangezogen. Die Gespräche sind durchschnittlich rund eine Stunde lang und umfassen jeweils etwa 35 DIN-A4-Seiten Transkript. Im Text der vorliegenden Arbeit können daher keine ganzen Gespräche wiedergegeben und analysiert werden. Die Kapitel enthalten vielmehr einzelne Gesprächsausschnitte, die im Bezug auf einen systematischen Aspekt kommentiert werden. In 4.1 wird ein längerer Gesprächsausschnitt ausführlich zitiert und analysiert, um das sequenzanalytische Vorgehen der Gesprächsanalyse beispielhaft zu illustrieren. In der Darstellung in dieser Arbeit geht jedem Transkriptausschnitt eine Titelzeile voran, die den Namen des Gesprächs enthält, dem der Ausschnitt entstammt, ein Zitat als Titel für den Ausschnitt sowie den Zeitpunkt des Beginns
3.2 Aufbereitung der Daten
103
des Ausschnitts innerhalb des Gesamtgesprächs (mm:ss bzw. hh:mm:ss) und die Zeile im Gesamttranskript.64 Ein Beispiel: KOLLEGIALE BERATUNG: „n=wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen” (06:13, Z.120)
Es folgt der Gesprächsausschnitt sowie jeweils ein Kommentar, der den Ausschnitt gesprächsanalytisch im Hinblick auf die relevanten Aspekte beschreibt. Die Kommentare zu den Gesprächsausschnitten sind etwas kleiner gesetzt als der ‘normale’ Text und von diesem deutlich abgehoben.65 Im laufenden Text wird auf einzelne Gespräche mit deren Titel in Kapitälchen verwiesen (z.B. KOLLEGIALE BERATUNG). Wenn im Text oder in Tabellen kurze Zitate aus den Gesprächen angeführt werden (z.B. eine Zeile oder Formulierung), so wird jeweils in Klammer das Kürzel der Gespräche in Kapitälchen sowie die entsprechende Zeile im Gesamttranskript angegeben (z.B. KOLBER Z. 244). 66 Auf die Nachgespräche wird lediglich mit dem Titel des Gesprächs, ohne Zeit- oder Zeilenangabe verwiesen (z.B. E im Nachgespräch zu KOLLEGIALE BERATUNG). Die Transkriptionen erfolgten mit wenigen Änderungen nach den Konventionen des gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (vgl. Selting et al. 1998). Als Sprechersiglen wurde jeweils E für den erfahreneren Auslandsentsandten (bzw. E1, E2... bei mehreren Sprechern), N für den neuen (bzw. N1, N2...) und F für die Forscherin verwendet. Selbstverständlich sind alle Namen sowie Firmen- und Ortsnamen innerhalb der Gespräche verändert und durch Pseudonyme ersetzt worden. Um eine gute Lesbarkeit der Transkripte zu erreichen, orientieren sich GAT-Transkriptionen an der traditionellen Orthographie. Lediglich besonders auffällige umgangssprachliche oder dialektale Färbungen wurden in den vorliegenden Transkripten kenntlich gemacht (z.B. ham statt haben, net statt nicht, schwäbisch nehmet se statt nehmen sie). Transkribiert wurden neben dem reinen Wortlaut Überlappungen und Verschleifungen, Stimmhöhenbewegungen am Einheitsende, Pausen, Dehnungen, Akzente, paraverbale Elemente (z.B. Lachen, Husten) sowie (wenn besonders auffällig) Veränderungen der Sprechlautstärke oder Sprechgeschwindigkeit. Prosodische Elemente wie Stimmhöhenbewegun64
65 66
Bei den Transkriptausschnitten wird auf das Gesamtgespräch zusätzlich zur Zeilen- mit einer Zeitangabe verwiesen, da dies dem Leser einen besseren Eindruck gibt, wann innerhalb des Gesprächs ein bestimmter Ausschnitt anzusiedeln ist. Diese Information kann für die Analyse eines Ausschnitts aufschlussreich sein. Eine Ausnahme stellt die Beispielanalyse in 4.1 dar. Da die gesprächsanalytischen Kommentare hier den eigentliche Inhalt des Abschnitts darstellen, sind sie normal gesetzt. Aus Datenschutzgründen können die Gesamttranskripte der Gespräche nicht öffentlich zugänglich gemacht werden.
104
3. Empirische Studie und Datenkorpus
gen innerhalb einer prosodischen Einheit wurden nicht transkribiert, da sie für unsere Fragestellung nicht oder kaum relevant sind. Tabelle 3.4: Transkriptionskonventionen (nach Selting et al. 1998) ( ) (solche) (solche/welche) ((...)) [ ] [ ] = und=äh (.) (-), (--), (---) (2.0) :, ::, ::: akZENT ak!ZENT! ? , ; . mhm, ja, nee hm=hm <
unverständliche Passage vermuteter Wortlaut mögliche Alternativen Auslassung Überlappungen und Simultansprechen schneller Anschluss neuer Turns oder Einheiten Verschleifungen innerhalb von Einheiten Mikropause kurze, mittlere, längere Pausen (ca. 0.25 - 0.75 Sek.) geschätzte längere Pause (bei mehr als ca. 1 Sek. Dauer) Dehnung (je nach Dauer) Akzent extra starker Akzent stark steigende Intonation am Einheitsende leicht steigende Intonation am Einheitsende gleichbleibende Intonation am Einheitsende leicht fallende Intonation am Einheitsende stark fallende Intonation am Einheitsende einsilbige Rezeptionssignale zweisilbige Rezeptionssignale forte, laut piano, leise allegro, schnell lento, langsam tiefes Tonhöhenregister hohes Tonhöhenregister Kommentar sprachbegleitendes Lachen Einatmen (je nach Dauer) Ausatmen (je nach Dauer) Hervorhebung von Auffälligkeiten, die kommentiert werden Pseudonyme für Namen, Firmennamen, Ortsnamen etc.
3.3 Vorstellung ausgewählter Gespräche
105
3.3 Vorstellung ausgewählter Gespräche Im Text der vorliegenden Arbeit können immer nur kurze Ausschnitte aus einzelnen Gesprächen zitiert und kommentiert werden. Um dem Leser einen Überblick über die gesamten Gespräche zu ermöglichen und die einzelnen Ausschnitte in einen Kontext einzubetten, werde ich im Folgenden kurz die fünf Gespräche vorstellen und charakterisieren, aus denen ein Großteil der zitierten Gesprächsausschnitte stammt. 3.3.1 ENTSENDUNGSZIEL (ENTSZIEL) Gesprächspartner des ca. einstündigen Gesprächs ENTSENDUNGSZIEL sind zwei Führungskräfte, die in zwei verschiedenen Werken des Unternehmens arbeiten. Das Gespräch fand gegen Ende des Arbeitstags auf dem Werksgelände in Madrid statt. Der erfahrenere Auslandsentsandte (E) ist seit einem Jahr in Spanien und war vorher noch nie längere Zeit im Ausland tätig. Der neue Auslandsentsandte (N) ist seit eindreiviertel Monaten in Spanien. Er war zuvor als Expatriate in Frankreich und China, worauf er auch gleich zu Beginn des Gesprächs hinweist. Dadurch kommt es allein aufgrund der Vorerfahrungen zu einer problematischen Rollenkonstellation, denn E hat zwar schon mehr Erfahrungen in Spanien, N jedoch mehr Auslandserfahrungen insgesamt. Verlauf des Gesprächs: Nachdem sich die Auslandsentsandten zu Beginn des Gesprächs über ihre konkrete Tätigkeit, über bisherige Auslandserfahrungen sowie über die Anfangszeit in Spanien ausgetauscht haben (Sprachkurs, Ankunft, Wohnungssuche etc.), thematisieren sie unterschiedliche Aspekte, die sie in Spanien als auffällig erfahren haben (v.a. die Delegation von Aufgaben an Mitarbeiter, die Kommunikation unter Deutschen und Spaniern, die Übernahme von Verantwortung und das Einhalten von Terminen). Dabei kommen immer wieder auch typische Probleme von Auslandsentsandten zur Sprache (z.B. Probleme der Familie, Kommunikation mit den Chefs in Deutschland, Sprachbarrieren). Gegen Ende des Gesprächs tauschen sich die Gesprächspartner auf einer relativ emotionalen Ebene darüber aus, welche Vorteile und Lebensqualitäten mit einer Auslandsentsendung in Spanien und China jeweils verbunden sind. Auffälligkeiten: Das Gespräch zeichnet sich dadurch aus, dass sich E wiederholt als institutioneller und Auslandsexperte und teilweise auch als kultureller Experte inszeniert und die Vorschläge N’s, wie man mit der Situation in Spanien umgeht, nur bedingt akzeptiert (vgl. Kapitel 5). In der Beschreibung der kulturellen Besonderheiten und Unterschiede sind sich die Gesprächspartner relativ einig. In Bezug auf die Aufgabe der ‘Darstellung kultureller Prägungen’ findet man daher auf repräsentative Weise bestimmte Darstellungsverfahren realisiert.
106
3. Empirische Studie und Datenkorpus
Bereits die Bewertung der kulturellen Besonderheiten unterscheidet sich jedoch bei den Gesprächspartnern. E bewertet die Erfahrung in Spanien insgesamt als schöne Erfahrung und betont, dass er mit den Spaniern gut klarkommt, während N die Erfahrung als nich so angenehm empfindet, da er unter einem starken Erfolgsdruck steht und vielmehr die Erfahrungen in China als hervorragend und herrlich bezeichnet. In Bezug auf die Frage nach dem Umgang mit den Unterschieden ergeben sich erhebliche Differenzen. Der Gesprächspartner E verweist in dem Gespräch wiederholt auf seine berufliche Aufgabe (er muss junge Leute aufbauen, die Firma muss neu aufgebaut werden etc.) bzw. auf die Aufgabe von Auslandsentsandten insgesamt hin (der Job ist, die Mitarbeiter anzuleiten) und wirft dem Gesprächspartner N mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und Effizienz vor. Dies führt an einigen Stellen des Gesprächs zu Kompetenz- und Rollenkonflikten und infolge dessen zu erheblichen Gesichtsbedrohungen (vgl. hierzu Kapitel 5). 3.3.2 ANMELDUNG (ANM) Auch das Gespräch ANMELDUNG dauerte insgesamt ca. eine Stunde. Es fand während des Arbeitstags auf dem Werksgelände bei Madrid statt. Gesprächspartner sind wieder zwei Führungskräfte. Der erfahrenere Auslandsentsandte des Gesprächs (E) ist seit eindreiviertel Jahren in Spanien, der neue (N) seit eineinhalb Monaten. Er war zuvor als Expatriate in China und führt während des Gesprächs verschiedene Vergleiche mit seinen Erfahrungen in China an bzw. leitet aus seinen Erfahrungen in China Fragen zu Spanien ab. Die Gesprächspartner kannten sich vor dem Gespräch. Sie sind sich bereits in Deutschland innerhalb des Unternehmens begegnet und haben sich dann vor allem bei der Inforeise67 N’s kennen gelernt. E hat dem neuen Auslandsentsandten N auch schon in einigen pragmatischen Dingen weitergeholfen. Vor dem Gespräch waren die Gesprächspartner daher etwas skeptisch, da sie glaubten, schon viele Erfahrungen ausgetauscht zu haben und in dem Gespräch keine neuen Aspekte thematisieren zu können. In dem Nachgespräch stellte sich jedoch heraus, dass sie über Fragen nach der mentalität am arbeitsplatz noch nicht gesprochen haben (N: mir ham jetzt mehr zu reden gehabt als ich eigentlich gedacht hab am anfang – E: ja wir ham=uns konkret über die themen eigentlich im wesentlichen noch net unterhalten – N: ja richtig). Sie halten es für sehr interessant, über solche Themen zu reflektieren, und wertvoll, sich für solche Gesprä67
Im Entscheidungsprozess für eine Auslandsentsendung bekommen potenzielle Auslandsentsandte von dem Unternehmen eine sogenannte ‘Inforeise’ oder eine ‘Look-and-see-Trip’ angeboten (mit Partner bzw. Familie), bei dem sie sich über Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort ein Bild machen können (vgl. z.B. Kühlmann 2004: 43).
3.3 Vorstellung ausgewählter Gespräche
107
che Zeit zu nehmen (E: auch für mich ganz interessant mal zu reflektieren, beide profitieren davon we=ma sich einfach die zeit nehmen würde, ma müsste des vielleicht gezielter planen). Verlauf des Gesprächs: Da sich die Gesprächspartner vor dem Gespräch bereits kannten, steigen sie relativ schnell in die kulturelle Thematik ein. Auf die Gesprächseinleitung durch die Forscherin folgt lediglich eine Anmerkung N’s dahingehend, dass pragmatische Aspekte im Vergleich zu kulturellen Aspekten für ihn zur Zeit eine große Rolle spielen, denn er hat große Probleme mit den Anmeldeformalitäten in Spanien. Der Gesprächspartner N steigt dann mit der Formulierung einer ausführlichen Frage nach kulturellen Fettnäpfchen und Motivationsstrategien für Führungskräfte in das Gespräch ein (dieser Ausschnitt wird in 3.1.1 und 6.2.1 kommentiert). Auch das Gesamtgespräch ist vor allem durch immer wiederkehrende Fragen N’s strukturiert (vgl. hierzu 7.3.1). Themen, die die Gesprächspartner nach und nach bearbeiten, sind vor allem Mitarbeitermotivation und Führungsstil, die Rolle der Familie, Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein, Mitarbeitergespräche, außerbetriebliche Aktivitäten und die Bürokratie in Spanien. Auffälligkeiten: Das Gespräch zeigt in exemplarischer Weise, wie kulturelle Erfahrungen mithilfe allgemeiner und erzählerischer Verfahren dargestellt werden können und wie sich daran erfahrungsbasierte Ratschläge für den Umgang mit kulturellen Unterschieden bzw. mit Spaniern anschließen können. In dem Gespräch lässt sich sehr gut ein Reflexionsprozess der Gesprächspartner im Sinne eines Prozesses der allmählichen Entwicklung von Hypothesen über die spanische Kultur nachvollziehen. Außerdem wird sehr gut deutlich, wie dabei das Wechselspiel von Generalisierung und Relativierung funktioniert (vgl. 7.3.1.2). Charakteristisch für das Gespräch ist, dass sich in den Äußerungen der Gesprächspartner relativ wenig Emotionalität und individuelle Betroffenheit zeigt. Das Gespräch zeichnet sich vielmehr durch einen eher formellen Charakter aus. Die Gesprächspartner gehen sehr pragmatisch an das Gespräch heran und in allen Aspekten schnell zur Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden über. Auffällig ist außerdem, dass das klassische Rollenverhältnis NeuerErfahrener in dem Gespräch auf sehr repräsentative Weise realisiert wird. Möglicherweise dadurch, dass sich die Gesprächspartner bereits kennen, hat der neue Auslandsentsandte offenbar keine Probleme damit, seine Unerfahrenheit einzugestehen. Er stellt kontinuierlich Fragen und Nachfragen an den erfahreneren Auslandsentsandten und nimmt dessen Erläuterungen und Ratschläge an.
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
3.3.3 LOCKERHEIT (LOCKER) Das Gespräch LOCKERHEIT dauerte insgesamt ebenfalls ca. eine Stunde und fand während des Arbeitstags auf dem Werksgelände in Madrid statt. Gesprächspartner sind eine Führungskraft (E) und eine Mitarbeiterin (N). Der erfahrenere Auslandsentsandte des Gesprächs ist seit einem Jahr in Spanien, die Neue seit einem Monat. Sie war jedoch zuvor für vier Monate in Singapur und verweist im Verlauf des Gesprächs mehrfach auf diese Asienerfahrung, die sie als deutlich schwieriger als die Erfahrung in Spanien empfunden hat (Z. 598: also des is mal ne interkulturelle herausforderung) Verlauf des Gesprächs: Nach einem Austausch über pragmatische Probleme zu Beginn der Auslandsentsendung (v.a. Wohnungssuche, Zurechtfinden in der Stadt) sprechen die Gesprächspartner über verschiedene kulturelle Besonderheiten und Unterschiede. N hebt vor allem immer wieder die Lockerheit der Arbeitskultur und der spanischen Mentalität insgesamt hervor, die sich in verschiedenen Aspekten widerspiegelt (Arbeitseinstellung, Abendaktivitäten, Umgang miteinander etc.). Weitere Themen, die behandelt werden, sind Probleme mit der Termineinhaltung, der Umgang mit normativas (Regeln) im Arbeitsalltag, die Vermischung von privatem und beruflichem Kontext, der Aufbau von Kontakten zu Spaniern, die Rolle persönlicher Beziehungen und persönlichen Engagements, die mangelnde Detailgenauigkeit der Spanier etc. Auffälligkeiten: Das Gespräch zeichnet sich insgesamt dadurch aus, dass die neue Auslandsentsandte für sich stellenweise einen gewissen Expertenstatus etabliert und es insofern an einigen Stellen eher zu einem Erfahrungsaustausch als einer Erfahrungsweitergabe kommt (vgl. 5.3.3). Allerdings macht N immer wieder deutlich, dass sie weniger Erfahrungen hat als N (z.B. Z. 795: ich arbeite ja noch nich so lange) und auch E verweist die Gesprächspartnerin N an einzelnen Stellen auf ihre Grenzen (z.B. Z. 1855f: jetzt wart mal ab...du bisch ja noch=e paar tage da). Allerdings stoßen die Gesprächspartner wiederholt auf Aspekte, in denen sie unterschiedliche Einschätzungen haben. Dabei ist auffällig, dass sie diese an mehreren Stellen auf ihre unterschiedliche familiäre Situation, die Arbeit in unterschiedlichen Abteilungen und Aufgabenbereichen etc. zurückführen. Damit wird eine Erklärung für die unterschiedlichen Erfahrungen oder Einschätzungen gegeben, und eine konkrete Rollenaushandlung sowie eine mögliche Gesichtsverletzung des Gesprächspartners wird vermieden. 3.3.4 KOLLEGIALE BERATUNG (KOLBER) Das Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG fand am Ende des Arbeitstags auf dem Werksgelände in Madrid statt. Gesprächspartner sind wieder eine Führungskraft
3.3 Vorstellung ausgewählter Gespräche
109
(E), die seit zweieinhalb Jahren in Spanien ist, und ein Mitarbeiter (N), der seit zweieinhalb Monaten in Spanien ist. Allerdings ist seine Freundin Spanierin, so dass er gewisse Vorerfahrungen mit Spanien und den Spaniern im privaten Kontext hat. Diese Vorerfahrungen werden von der Gesprächspartnerin E wiederholt als wertvoll anerkannt (Z. 1272: durch diesen familiären kontakt auch is für dich ja spanien...hat sich schneller geöffnet). Verlauf des Gesprächs: Die Gesprächspartnerin E befragt N in dem Gespräch zunächst systematisch nach seinem Tätigkeitskontext (Tätigkeitsbereich, Aufgabenstellung, Anzahl und Art der Kontakte zu Spaniern etc.). Anschließend fragt sie nach den ersten Erfahrungen N’s. Das Gespräch ist insgesamt dadurch strukturiert, dass N nach und nach thematisiert, was ihm bisher aufgefallen ist, und E die jeweiligen Aspekte anschließend kommentiert und weitergehend erläutert. Gegen Ende des Gesprächs bringt sie zunehmend auch eigene Themen ins Gespräch ein. Thematisiert werden insgesamt die Arbeitsorganisation in Spanien, Sprachprobleme, Akzeptanzprobleme, Feedback-Kultur, Emotionalität in Besprechungen, Arbeitszeiten in Spanien, Geburtstagsfeiern am Arbeitsplatz, Familieleben und Tageplanung, Führungsstil und Hierarchie sowie die Frage nach der Akzeptanz einer Frau als Vorgesetzte. Gegen Ende des Gesprächs gibt E dem Gesprächspartner N auch Ratschläge im Bezug auf die Eingewöhnung als Auslandsentsandter, das Privatleben etc. Die Gesprächspartner unterhalten sich insgesamt ca. eine Stunde über kulturelle Besonderheiten und Unterschiede. Anschließend gehen sie zu einem privaten Smalltalk über (z.B. Freizeitaktivitäten in Madrid) und bitten irgendwann darum, das Aufnahmegerät abzustellen, da sie zunehmend über sehr persönliche Dinge sprechen. Auffälligkeiten: Auffällig ist in dem Gespräch die klare Struktur, die sich durch das von E initiierte Muster (ggf. Frage E’s – Darstellung von Auffälligkeiten durch N – weitergehende Erläuterungen von E) ergibt (vgl. hierzu 5.4.3, 6.4.2). Die Gesprächspartnerin E ist die einzige in dem Korpus, die Notizen zum Gespräch mitbringt und die im Nachgespräch deutlich macht, dass sie sich auf das Gespräch vorbereitet hat (ich hab echt überlegt wie ich mich vorbereiten kann). In dem Gespräch entsteht durch die konsequente Realisierung des Musters und die Verwendung formelhafter Formulierungen zunehmend der Eindruck, dass E eine bestimmte Gesprächsstrategie verfolgt (den Gesprächspartner nach seinen Erfahrungen fragen, dann eigene Erfahrungen und Erläuterungen anschließen). In dem Nachgespräch beschreibt und begründet sie tatsächlich, dass sie sich dieses Vorgehen überlegt hat. Sie berichtet von ihrer Befürchtung, lediglich Äußerungen im Sinne von goldenen regeln zu formulieren (ich hatte so=n bisschen sorge dass das dann so kommt n=jetzt goldene regel merke und das wollt ich halt auf gar kein fall). Daher hat sie als Gesprächsvorbereitung ein Brainstorming gemacht, was für sie selbst Schlüsselerlebnisse am Anfang der
110
3. Empirische Studie und Datenkorpus
Auslandsentsendung waren, um diese im Gespräch als Reaktion auf Äußerungen E’s anzubringen (wenn dann so stichworte von dir kommen dass ich das dann irgendwie bringen kann). Das Gespräch zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass sich zunehmend ein Vertrauensverhältnis zwischen den Gesprächspartnern entwickelt. Dies zeigt sich während des Gesprächs in einer zunehmenden Offenheit im Bezug auf private und berufliche Probleme sowie in dem langen informellen Small-Talk am Ende des Gesprächs. Zudem sind die Kommentare der Gesprächspartner in dem Nachgespräch äußerst positiv, und sie visieren ein mögliches zweites Treffen an. Die Tatsache, dass N im Verlauf des Gesprächs ausführliche Rückmeldungen, Kommentare und Reflektionen zu den dargestellten Inhalten äußert (z.B. Z. 410: des=s=n guter hinweis, Z. 906: also richtig aufgefallen is=s mir jetz nich; aber dass=es lauter zu geht als bei uns,... des=s mir aufgefallen) lässt auch darauf schließen, dass eine erfolgreiche Erfahrungsweitergabe stattgefunden hat. Als Metaäußerungen interessant sind die Erläuterungen E’s zu Gesprächen, die sie selbst zu Beginn ihrer Auslandsentsendung mit Kollegen organisiert hat, die auch neu als deutsche Auslandsentsandte in Spanien waren. Sie bezeichnet diese Gespräche als „kollegiale Beratungen“. Für die Gespräche hat sie sich mit zwei Kollegen ca. ein Jahr lang regelmäßig getroffen, um sich über berufliche Erfahrungen und Probleme auszutauschen. Sie hat diese kollegialen Beratungen als sehr positiv empfunden (Z. 1431ff: da hab ich mich gefragt passiert=des jetzt nur mir oder passiert des ander=n auch, am anfang hat mir das sehr geholfen, war=ne sehr gute starthilfe, damit hat man vielleicht auch noch mal dinge reflektiert die man sonst aufgrund der arbeitsfülle schnell ad=acta gelegt hätt oder verdrängt hätte). 3.3.5 FREUNDSCHAFT (FREUND) Das Gespräch FREUNDSCHAFT dauert mit eindreiviertel Stunden deutlich länger als die anderen Gespräche. Es fand am Ende des Arbeitstags auf dem Werksgelände in Madrid statt. Gesprächspartner sind zwei Mitarbeiter aus zwei unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Der erfahrenere Auslandsentsandte des Gesprächs (E) ist seit acht Jahren in Spanien und mit einer Spanierin verheiratet. Der neue (N) ist seit eineinhalb Monaten in Spanien und ebenfalls mit einer Spanierin bzw. Halbspanierin verheiratet, allerdings ist sie in Deutschland aufgewachsen. N hat als neuer Auslandsentsandter auch an dem Gespräch SPANIENTRAINING im Rahmen des interkulturellen Vorbereitungstrainings in Deutschland teilgenommen . Verlauf des Gesprächs: Nachdem die Gesprächspartner zu Beginn ihre unterschiedlichen Vorerfahrungen deutlich gegenüber stellen, erzählt E in dem
3.3 Vorstellung ausgewählter Gespräche
111
Gespräch relativ unstrukturiert von seinen Erfahrungen in Spanien. Er hebt zunächst die enorme Erfahrung hervor, die er in Spanien gemacht hat (Z. 240: bitter bitter böse erfahrungen hier, Z. 963: i hab hier sehr viel gelernt...brutal viel) und äußert sich dann zum Umgang mit Kritik in Spanien, zur Freundlichkeit der Spanier, zur Bedeutung von Freundschaft, zu Problemen beim Sprachenlernen, zum Siezen und Duzen, zu den Problemen der Spanier im Umgang mit deutschen Namen etc. N greift insgesamt relativ wenig und vor allem in zwei Aspekten in den Erzählfluss E’s ein. Zum einen betont er gleich zu Beginn, dass er das Vorurteil, Spanier seien unzuverlässig und man müsse immer nachhaken, auf der Basis seiner bisherigen Erfahrung nicht bestätigen kann, und widerspricht E auch im Verlauf des Gesprächs in dieser Hinsicht. Zum anderen fragt er wiederholt nach dem Unterschied zwischen Freundschaft und Bekanntschaft in Spanien und nach den Konsequenzen, die dieser für die Herstellung von Kontakten mit Spaniern hat. Auffälligkeiten: Das Gespräch ist insgesamt geprägt durch starke, fast übertrieben generalisierende Aussagen E’s (z.B. Z. 318ff: die spanier sind...extrem neidisch können !HAUPT!nicht mit kritik umgehn, Z. 1449: alles was sie net kontrollieret wird !NIE!mals realität werde, vgl. 7.3.1.2), mit denen dieser seine Erfahrungen verallgemeinernd darstellt. Die übertriebene Generalisierung und starken Emotionalisierungen (vgl. z.B. Akzente) deuten auf nationale Stereotypisierungen hin, die nur wenig abgeschwächt werden. In Kombination mit der starken expliziten Selbstinszenierung E’s als Experte (z.B. Z. 235: inzwischen weiss ich aber wos langgeht, vgl. 5.2.3, 6.3.2) wirken diese offenbar nicht glaubwürdig (dabei handelt es sich grundsätzlich um Aspekte, die auch in der Literatur zur deutsch-spanischen Kommunikation thematisiert werden). N reagiert nur sehr verhalten auf die Aussagen E’s. An einzelnen Stellen widerspricht er vorsichtig (z.B. Z. 961: naja so würd ich des aber glaub ich auch nicht sehen oder), insgesamt zeigt er durch sein Rückmeldeverhalten Desinteresse bzw. keine Zustimmung an (lediglich Aufmerksamkeit anzeigende Partikel wie mhm, hm, vgl. 5.4.1, 7.4.2). Hinzu kommt, dass der Gesprächspartner E in dem Gespräch gegenüber N eine deutlich überlegene Rolle einnimmt. Dies zeigt sich in der Hervorhebung des Erfahrungsvorsprungs zu Beginn des Gesprächs (Z. 32ff: N: ich bin jetzt seit sechs wochen hier – E: ich seit acht jahren, vgl. 5.2.2) sowie in wiederholten Einschätzungen des Gesprächspartners, in expliziten Ratschlägen und Prophezeiungen im Verlauf des Gesprächs (vgl. z.B. 9.3.1). Das Gespräch ist also ein Beispiel für ein Gespräch, in dem die Gesprächspartner Schwierigkeiten haben, eine gemeinsame Darstellungsmodalität für die Darstellung kultureller Verhaltensweisen etc. zu finden, und in dem sich kein positives Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern entwickelt. Trotzdem wer-
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
den Themen und Aussagen formuliert, die auch in den übrigen Gesprächen zur Sprache kommen und in der Literatur zu deutsch-spanischen Unterschieden hervorgehoben werden. In einigen Reaktionen N’s zeigt sich, dass möglicherweise gerade aufgrund der Stereotypisierungen bei ihm ein Reflexionsprozess angeregt wird.
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema Insgesamt besteht in den Gesprächen des Korpus eine große Homogenität im Hinblick auf die Themen, die von den Gesprächspartnern behandelt werden, und die Inhalte, mit denen sie diese füllen. Die Gesprächsthemen und -inhalte sind für die Gespräche zentral und bedingen wesentlich den Zusammenhalt des Korpus. Daher soll an dieser Stelle anhand von Ausschnitten aus den Gesprächen ein Überblick über die von den Gesprächspartnern behandelten Themen gegeben werden. Nach einem kurzen Gesamtüberblick über die behandelten Themen (3.4.1) werde ich insbesondere auf Themen eingehen, die die deutsch-spanische Zusammenarbeit betreffen. Dazu fasse ich zunächst Anknüpfungspunkte in der deutsch-spanischen Forschungsliteratur zusammen (3.4.2) und stelle anschließend konkrete Themen und Inhalte der Gespräche zur deutsch-spanischen Zusammenarbeit dar (3.4.3). 3.4.1 Überblick über die behandelten Themen Zur Erarbeitung des Themenspektrums wurden für alle Gespräche inhaltliche Verlaufsschemata erstellt, die alle behandelten Themen sukzessive verzeichnen. Die Tatsache, dass es in vielen Gesprächen deutliche Themengrenzen und -übergänge gibt und zudem in einigen Fällen Themen explizit benannt werden (vgl. 6.3.1), begünstigte dieses Vorgehen. Insgesamt konnten folgende Themenkomplexe herausgearbeitet werden: 1.
2.
Den größten Raum nehmen innerhalb der Gespräche Aussagen über die spanische Kultur und deutsch-spanische Unterschiede ein. Da sich auch das Forschungsprojekt primär für Aussagen zu diesen Aspekten interessiert, werde ich im Folgenden auf die einzelnen in dieser Hinsicht behandelten Themen genauer eingehen. Pragmatische Fragen zum Alltag in Spanien treten in den meisten Gesprächen gegenüber der Darstellung kultureller Auffälligkeiten zurück. Allerdings findet man vor allem in den Gesprächen im Rahmen der interkulturellen Vorbereitungstrainings, aber auch in anderen Gesprächen Smalltalk-
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema
3.
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Passagen, in denen Aspekte wie zum Beispiel die Wohnungssuche, Anmeldung, Einkaufsmöglichkeiten oder das Kulturprogramm in Madrid zur Sprache kommen. Ebenfalls in deutlich geringerem Umfang thematisiert werden Aspekte der Auslandsentsendung insgesamt wie zum Beispiel Symptome eines ‘Kulturschocks’, Probleme der Familie oder beim Erlernen der Fremdsprache, das Verhältnis zur Unternehmenszentrale oder Akzeptanzprobleme als Deutscher im Ausland.
Da die Themen zur deutsch-spanischen Zusammenarbeit (Punkt 1) den wesentlichen Teil der Gespräche ausmachen, werde ich auf sie genauer eingehen. 3.4.2 Themen der deutsch-spanischen Forschungsliteratur In Abschnitt 1.5.1 wurde bereits ein Überblick über die Forschungsliteratur zur deutsch-spanischen Kommunikation gegeben. Um bei der Darstellung der Gesprächsinhalte direkt darauf zurück greifen zu können, fasse ich im Folgenden noch einmal die Ergebnisse der zentralen Studien zu deutsch-spanischen Unterschieden im Managementkontext zusammen: 1.
Keim (1994) beschreibt in ihrer linguistischen Studie zur deutsch-spanischen Wirtschaftskommunikation Unterschiede in folgenden Bereichen: Alltäglicher Ablauf von Geschäftsbeziehungen Umgang mit Kritik/Reklamationen (z.B. imagewahrende Gesprächsstrategie) Gesprächsführung/Verhandlungsführung (z.B. Rolle der Person, Emotionalität) Zeitauffassung Soziale und psychologische Distanz (z.B. Empathie, Freundlichkeit, Du/Sie) Auf der Basis der Analyse von Verhandlungssimulationen erfasst sie insbesondere Unterschiede im Hinblick auf kommunikative Aspekte: Aspekte des Interaktionsverlaufs Rederechtorganisation Fokussierung/ Fokuswechsel Imagearbeit/Facework
114
3. Empirische Studie und Datenkorpus
2.
Herbrich (1994) hat für seinen Culture Assimilator für deutsche Manager, die mit Spaniern zusammenarbeiten, folgende spanische Kulturstandards herausgearbeitet: Personenorientierung (persönliche Beziehungen und Amigoismo) Hierarchieorientierung (Autorität und Machtposition) Entscheidungsprozesse (Zentralisation und Entscheidungsfindung) Verantwortungsorientierung (Flexibilität und Indirektheit) Ehrgefühl (Stolz und Gesichtsverlust) Polychrones Zeitverständnis Gelassenheit (Arbeitsbereich und Privatsphäre)
3.
Dunkel (2001) beschreibt zentrale spanische im Vergleich zu deutschen und österreichischen Kulturstandards: Personenorientierter Umgang Amigowirtschaft Polychrones Zeitgefühl Saving Face und Ehrgefühl Autorität Stellenwert der Kommunikation Geschlechterverhältnis, Familie und Freundschaften
Daneben werde ich im Folgenden auf einige Arbeiten zu spezifischen Aspekten der spanischen Kultur aus deutscher Perspektive zurückgreifen (v.a. auf verschiedene Aufsätze in Collado Seidel/König 2002). 3.4.3 Thematisierung deutsch-spanischer Zusammenarbeit in den Gesprächen Die meisten der von den Gesprächspartnern behandelten Themen zur spanischen Kultur oder deutsch-spanischen Unterschieden betreffen entweder direkt Abläufe des Arbeitsalltags (z.B. Führung, Termineinhaltung) oder Aspekte, die indirekt einen Einfluss auf den Arbeitskontext haben (z.B. Rolle der Familie: Fragt man als Chef nach dem Wohlergehen von Frau und Kindern?). Im Folgenden werde ich die einzelnen Themen aufführen und jeweils kurz erläutern, welche Aussagen die Gesprächspartner zu diesen machen. Zu jedem Thema soll zumindest ein Teilaspekt durch einen Gesprächsausschnitt illustriert werden. Um zu zeigen, welche Relevanz das Thema in dem Korpus insgesamt besitzt, wird in Klammer hinter jeder Themenbenennung angegeben, in wie vielen der zehn SpanienGespräche es behandelt wird. Da das Ziel der Arbeit primär die Beschreibung der kommunikativen Prozesse der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten ist, kann der inhaltli-
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema
115
che Überblick in diesem Kapitel nur kurz ausfallen und ist daher gezwungenermaßen pauschalisierend. In den Analysen innerhalb der einzelnen Aufgabenkapitel wird jedoch detaillierter deutlich, welche konkreten Situationen Gesprächspartner zu bestimmten Themen erlebt haben, welche Zusammenhänge sie wahrnehmen und welche konkreten Aussagen sie machen. Teilweise verweise ich daher am Ende der Darstellung der Themen in diesem Abschnitt auf längere Gesprächsausschnitte, die in dieser Arbeit zitiert werden und in denen das jeweilige Thema eine Rolle spielt. Weitere Verweise stellen einen Bezug zu Forschungsarbeiten her, um zu illustrieren, dass die Gesprächspartner tatsächlich relevante Themen der deutsch-spanischen Zusammenarbeit behandeln. Führungsstil und Hierarchie (7) In den Gesprächen, in denen die Gesprächspartner Führungsverantwortung in Spanien haben, wird häufig die Aussage gemacht, dass Führungskräfte in Spanien stärker hierarchieorientiert sind. Dies impliziert, dass Mitarbeiter tendenziell weniger in Entscheidungen eingebunden werden, dass weniger Verantwortung delegiert wird und eher konkrete Anweisungen formuliert werden und dass auch die Umsetzung von Anweisungen stärker kontrolliert wird. Ein Beispiel: KOLLEGIALE BERATUNG: „patrialistischer führungsstil” (34:21, Z.888) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
E: also was für MICH halt noch so=n bisschen der PUNKT war; is also was wir schon grade besprochen hatten; einmal (--) äh=das=s des kontrollieren: (--) der arbeit (.) Äh der mitar[beiter, N: [a=des=n wichtiger PUNKT. des [is=ähm was was ich NICH-] E: [und=äh (1.0) ] patrialistischer:: führungsstil, is eigentlich noch das normale. (---)
Weitere Ausschnitte: z.B. KOLBER 06:13, vgl. 4.1 – FREUND 44:08, vgl. 6.3.2 – ANM 06:53, vgl. 7.3.1.3 – ANM 06:53, vgl. 9.2.1 – KOLBER 34:42, vgl. 9.3.1 Literatur: König 2002a, Dunkel 2001, Herbrich 1994
Verantwortungsbewusstsein (7) Auch das Thema Verantwortungsbewusstsein wird vor allem in den Gesprächen unter Führungskräften ausführlich behandelt. Diese kritisieren die vermeintlich mangelnde Eigenverantwortung der spanischen Mitarbeiter und schließen daraus, dass sie die Umsetzung bestimmter Aufgaben entsprechend kontrollieren müssen (vgl. Führungsstil/Kontrolle). Zum anderen stört einige Deutsche, dass
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
insbesondere bei Problemen keine Verantwortlichen bzw. Schuldigen benannt werden. Dieser Aspekt hängt eng mit dem Thema ‘Facework’ zusammen. Das folgende Beispiel illustriert sowohl den Aspekte der mangelnden Verantwortung als auch den des Facework: ENTSENDUNGSZIEL: „genauso des thema ich bin schuld” (29:30, Z.840) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13
E: genauso des thema (-) ich bin SCHULD. (--) ((...)) des wäre (---) für viele meiner kollegen wäre das=n !GANZ! schlimmes eingeständnis zu sagen ICH persönlich [(--) hab] N: [hm=m. Ja.] E: an irgendeiner stelle nich aufgepasst; (--) ((...)) E: und man wundert sich manchmal (--) wie bestimmte dinge einfach nich klar ausgesprochen werden.=ne? N: [hm=m; E: [nämlich WER hat die schuld? wer hat jetzt die verantwortung? wer wird die aufgabe erledigen.
Weitere Ausschnitte: z.B. ENTSZIEL 13:41, vgl. 5.2.2 – ENTSZIEL 29:30, vgl. 5.3.3 – ANM 28:13, vgl. 7.3.1.2 Literatur: König 2002a, Herbrich 1994
Flexibilität, Kreativität und Arbeitseinsatz (6) Auf der anderen Seite werden der hohe Arbeitseinsatz und die Kreativität der Mitarbeiter gelobt, die diese entwickeln, wenn es einem gelingt, sie entsprechend zu motivieren. Damit hängt auch die Bereitschaft zusammen, flexibel auf kurzfristige Bedürfnisse und Änderungen zu reagieren (vgl. das folgende Beispiel), sowie der grundsätzliche Ideenreichtum der spanischen Mitarbeiter. ENTSENDUNGSZIEL: „wenn sie kurzfristige aktionen brauchen” (16:54, Z.438) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11
E: sie werden hier IMmer freunde finden wenn sie KURZfristige akTIOnen [brauchen; (--) N: [klar. E: und da sind sie !VIEL! besser als wir in [deutschland. N: [hm; E: und vie:l (--) problemLOser. wenn=s [drum geht irgendwas [MAL zu machen. (--) N: [hm; [hm; E: wir kriegen hier verSUCHSaufträge oder so. des MAchen die; (--) des MAchen die (--) äh=we’ wenn se die motiVIEren können
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema 12 13
117
bestimmte s=Ding mit ihnen (-) DURCHzuziehen; (---) äh:m:: (-) sind die SEHR innovativ.
Weitere Ausschnitte: z.B. KOLBER Z. 24:08, vgl. 5.3.2 – LOCKER 30:35, vgl. 7.3.2.1 Literatur: Dunkel 2001a, 2001b
Beziehungsorientierung (10) In allen Gesprächen wird die Relevanz persönliche Beziehungen für die Zusammenarbeit in Spanien hervorgehoben. Als Verhaltensweisen werden beschrieben, dass man sich auch über private Themen austauscht, dass man auch mal ein gemeinsames Abteilungsessen macht, dass man Mitarbeiter persönlich anspricht und sich persönlich für sie interessiert und dass man insgesamt versucht, ein Vertrauensverhältnis zu Kollegen oder Mitarbeitern aufzubauen. Im Zusammenhang mit der Relevanz persönlicher Beziehungen wird häufig auch darauf hingewiesen, dass sich Spanier im Arbeitskontext meist duzen. LOCKERHEIT: „von den kollegen geschätzt” (25:05, Z.830) 01 02 03 04 05 06 07 08
N: un wie siehst du des (-) also ich hab den eindruck dass man (.) je !MEHR! man (.) per!SÖN!lich? (--) von den kollegen geschätzt wird? (--) E: mhm, N: desto !MEHR! (--) MAchen=se auch für dich. oder [HELfen dir auch: [und- (--) E: [absolut. [ja; N: !VIEL! stärker als in DEUTSCHland.
Weitere Ausschnitte: z.B. LOCKER 17:35, vgl. 7.2.2 – LOCKER 28:28, vgl. 7.3.2.1 – LOCKER 25:52, vgl. 9.3.2 Literatur: König 2002a, Dunkel 2001, Herbrich 1994, Keim 1994
Flexibles Zeitverständnis und Termineinhaltung (9) Meist negativ bewertet wird das flexible Zeitverständnis und die mangelnde Termineinhaltung der Spanier, vor allem wenn Termine gegenüber dem Kunde nicht eingehalten werden und vom deutschen Chef entsprechend verantwortet werden müssen (vgl. Beispiel). An manchen Stellen wird jedoch, wie schon im Zusammenhang mit dem Thema Flexibilität angemerkt, positiv hervorgehoben, dass auch mal ein kurzfristiger zeitintensiver Arbeitseinsatz möglich ist. LOCKERHEIT: „termineinhaltung isch e biss=l problematisch” (34:27, Z.1175) 01 02
E: nur wie gesagt die terminEINhaltung isch isch e biss=l probleMAtisch. (1.0)
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3. Empirische Studie und Datenkorpus dann eben au oder auch RÜCKmeldungen zu kriegen. zu sagen wir ham da=en KUNde in deutschland, der brauch des=un=des bis da=un=da HIN, (--) un=da wird dann halt=en TAG vorher sagen die dann vielleicht MIR noch bescheid, also des kriegen ma net hin. (---) statt und des wussten die aber LETSCHte woche schon. (--) statt dass die LETSCHte woche schon sagen. ACHtung. (--) n NÄGSCHte woche des kriegen=ma net HIN. SAG DA mal beSCHEID.
Weitere Ausschnitte: z.B. FREUND 46:21, vgl. 7.3.2.3 – LOCKER 34:27, vgl. 8.3.1 Literatur: König 2002a, Dunkel 2001, Herbrich 1994, Keim 1994
Lockerheit, Humor und Gelassenheit (5) Insgesamt fällt den Gesprächspartnern die Lockerheit und der lockere Umgangston der Spanier auf. Dazu gehört auch deren Freundlichkeit und Fröhlichkeit, eine Lebenseinstellung, die als ‘relaxed’ beschrieben wird, sowie eine Lebensfreude, die sich unter anderem in vielfältigen und ausgedehnten Abendaktivitäten zeigt. LOCKERHEIT: „die sind da viel lockerer drauf” (08:13, Z.111) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
E: ah die spanier sin=da: (-) sehr geLÖST;=ne?= =was des angeht. die sind da viel LOCkerer drauf wie- (--) ((...)) N: sie sind halt=ähm: (--) des is sehr entSPANNT.=ja? ((...)) E: ich denk auch sie arbeiten des im prinzip des gleiche pensum wie wir in deutschland vielleicht auch, sie arbeiten=s halt in zwei=o=drei stunden LÄNger.=ne? aber (--) sie arbeiten=s=e bissl geLÖSter ab.=e? (--) N: aber ich [weiß nich ob=s nichE: [die sin=net so verBISsen. [die sin net so verBISsen. N: [ja. ob=s ihnen nich auch besser GEHT; weil sie sind auch (--) ICH hab den eindruck sie sind auch viel FRÖHlicher;
Literatur: Braun 2002, Dunkel 2001, Herbrich 1994
Emotionalität (v.a. in Besprechungen) (8) Ebenfalls fast in jedem Gespräch hervorgehoben wird die Emotionalität in Diskussionen oder Besprechungen. Der spanische Kommunikationsstil wird als
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema
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lauter, hitziger und emotionaler charakterisiert. In mehreren Gesprächen wird die Szene beschrieben, dass sich zwei spanische Kollegen in einer Besprechung laut und emotional beschimpfen und anschließend am Kaffeeautomat (dieser wird immer in diesem Zusammenhang genannt!) wieder eine positive Beziehung herstellen. KOLLEGIALE BERATUNG: „es geht teilweise auch sehr emotional zu” (22:46, Z.532) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
E: es geht teilweise auch sehr emotioNAL zu. (--) N: JA ja. <
Weitere Ausschnitte: z.B. ANM 06:53, vgl. 9.2.1 Literatur: Dunkel 2001, Keim 1994
Ehrgefühl und Facework (9) Als weiterer Aspekt wird der Stolz und das Ehrgefühl der Spanier beschrieben, die im beruflichen Kontext ihre Konsequenz darin finden, dass man vermeidet, andere offen und vor allem vor anderen zu beschuldigen (vgl. Thema Verantwortungsbewusstsein) oder zu kritisieren. Für solche tendenziell gesichtsbedrohenden Sprechhandlungen wird ein indirekterer Kommunikationsstil gewählt. Umgekehrt haben die Gesprächspartner die Erfahrung gemacht, dass Lob äußerst positiv und als motivierender Faktor aufgenommen wird. FREUNDSCHAFT: „du hast das nicht gemacht” (10:14, Z.339) 01 02 03 04 05 06
E: wenn sie=n einer beSPREechung zum beispiel zu einem SPAanier sagen (--) !DU! (.) hast (.) DAS (.) NICHT (.) geMACHT; in SPAanisch; (--) dann LÄchelt der sie AN. (-) <<stift auf den tisch klopfend> und sie ham=en FREUND fürs
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
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LEben.> (---) N: mhm, E: des verSPRECH=i=ihne. (---) nein (--) sie sind einfach (---) er weiß GANZ genau aus der gesprächsfolge weiß er GANZ genau dass (-) er gemMEINT ist. ((...)) ihn dann noch mit NAmen anzusprechen; (---) des (--) kommt GANZ bös Rüber.
Weitere Ausschnitte: z.B. FREUND 09:51, vgl. 7.2.3 Literatur: König 2002a, Dunkel 2001, Herbrich 1994, Keim 1994
Machismo (3) Thematisiert wird auch der Aspekt des ‘Machismo’, insbesondere die Frage, wie Frauen im Unternehmenskontext und als Vorgesetzte akzeptiert werden. KOLLEGIALE BERATUNG: „ne frau als vorgesetzte” (37:06, Z.987) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13
N: un=wie (-) wie akzeptier=n (-) spanier als (.) ne frau als vorgesetzte? (--) E: hm; da hab ich anfang::s: (-) ähm gedacht dass des SCHWIErig wird? (-) N: ja, (--) E: WEI:L man mir auch in DEUTSCHland das so eingeredet hat; ja maCHISmo::. und so [WEIter. N: [mhm, E: des heißt also ich hab gedacht (.) !DAS! wird das HAUPTproblem. (--) und das war am ende !GAR! (--) kein problem. (-)
Literatur: Kattermann 2002, Dunkel 2001
Rolle der Familie (8) In vielen Gesprächen wird die Bedeutung der Familie in Spanien hervorgehoben. Für den beruflichen Kontext impliziert dies gemäß der Erfahrungen der Gesprächspartner, dass es den Aufbau einer Beziehung unterstützen kann, auch mal nach der Familie des Mitarbeiters zu fragen und seine familiäre Situation zu berücksichtigen. Die Rolle der Familie hat zum Beispiel auch die Konsequenz, dass die Mitarbeiter wenig flexibel im Verlegen ihrer Urlaubszeiten sind, da diese häufig mit der Großfamilie abgestimmt sind.
3.4 Spanische Kultur als Gesprächsthema
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ANMELDUNG: „die familie hat=n sehr hohen stellenwert” (19:27, Z.638) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
N: wie s:ehr (--) nee ich hab gehört es=is (-) es=is wichtig beim spanier is die familie hat=n SEHR hohen stellenwert;= =und es=is wichtig dass ma IRgendwo (--) net nur die MITarbeiter als MITarbeiter sieht sondern dass ma den auch als (--) familien VAter (.) oder (.) MUTter (.) oder was weiß ich also en TEIL einer faMIlie (--) beTRACHtet, (--) und die irgendwo in=s gespräch auch mal mit EINbezieht. (-) indem=ma zum beispiel fragt was weiß ich wie=s der FRAU geht; wie=s den KINdern geht; ob se in der SCHUle mitkommen; und so weiter;
Literatur: Izquierdo Martín/Sánchez León 2002, Dunkel 2001, Herbrich 1994
Kontakte und Freundschaften knüpfen (6) Insgesamt halten es die Gesprächspartner für nicht so einfach, in Spanien Kontakte zu knüpfen (was u.a. mit der Bedeutung der Familie zusammen hängt). Hier handelt es sich um ein Thema, dass insgesamt im Zusammenhang mit Auslandsentsendungen relevant wird. In den Gesprächen zeigt sich aber auch, dass das Verständnis von Freundschaft in Spanien anders ist als das in Deutschland. FREUNDSCHAFT: „freundschaft gibt=s in spanien gar nicht” (14:05, Z.454) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
E: freundschafts gibt=s in spanien GAR nicht. es gibt nur faMIlie, (-) und was die FREUNde nennen sind beKANnte; (--) diese wort FREUNschaft in deutschland hat ne (.) !GANZ! andre n ganz andern:: wert (--) wie in SPAnien. (--) N: mhm, (--) E: sie können sich eme spanier bis zum=e GANZ bestimmte punkt NÄhern; (1.0) über diesen punkt geht der mit ihne NET naus. !AU!ßer (--) sie werden faMIliemMITglied. (1.0)
Weitere Ausschnitte: z.B. FREUND 44:08, vgl. 6.3.2 Literatur: König 2002a, Herbrich 1994
Lärm und körperliche Nähe (5) Eher im privaten, aber auch im beruflichen Kontext relevant ist der Lärmpegel (v.a. Straßenlärm) und die körperlichen Nähe (auf der Straße, bei Begrüßungen), die manche deutsche Gesprächspartner als unangenehm empfinden.
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3. Empirische Studie und Datenkorpus
KOLLEGIALE BERATUNG: „körperkontakt is schnell hergestellt” (29:59, Z.733) 01 02 03 04 05 06 07 08
E: KÖRperkontakt is schnell (--) HERgestelltalso irgendwie durch ANfassen, wenn man (.) sich unterHÄLT,= =dann (-) fasst man(=en) auf die SCHULter kurz, oder an den ARM=n, einfach um zu=s: zu signalisieren also ich (.) bin BEI dir; ich hör die ZU, so um ne verBINdung herzustellen,
Literatur: König 2002a, Keim 1994
Zusammenfassung: Insgesamt hat die inhaltliche Analyse gezeigt, dass das Spektrum der Themen, die von den Gesprächspartnern behandelt werden, sehr homogen ist. Dabei handelt es sich insgesamt umd Themen, die auch in der deutsch-spanischen Forschungsliteratur behandelt werden. Die Tabelle 3.5 gibt einen Überblick, welche Themen in den einzelnen Gesprächen auftauchen. Tabelle 3.5: Gesprächsthemen in den einzelnen Gesprächen LÄRM ENTSZIEL 1. Führungsstil/ Hierarchie 2. Verantwort.bewusstsein 3. Flexibilität/ Arbeitseinsatz 4. Beziehungsorientierung 5. Zeitverständnis/Termine 6. Lockerheit/ Humor 7. Emotionalität 8. Ehrgefühl/ Facework 9. Machismo 10.Rolle der Familie 11.Kontakte/ Freundschaft 12.Lärm/körperliche Nähe
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4 Beispielanalyse und Modellbildung
Die Kapitel 5 bis 9 stellen systematisch die Ergebnisse der Analysen der aufgezeichneten Gespräche zur Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten dar. Um einen ersten Einblick in die Daten zu geben und das sequenzanalytische Vorgehen der Gesprächsanalyse zu illustrieren, werde ich in diesem Kapitel zunächst einen etwas längeren Ausschnitt aus einem der Gespräche vorstellen und sequenzanalytisch beschreiben (4.1). Anschließend gehe ich kurz darauf ein, wie aus solchen Sequenzanalysen ein systematisches Beschreibungsmodell entwickelt wurde und wie dieses Modell aufgebaut ist (4.2). Die Kapitel 5 bis 9 stellen dann systematisch die fünf kommunikativen Aufgaben dar, die sich Auslandsentsandten gemäß den Analysen bei der Erfahrungsweitergabe stellen, sowie kommunikative Verfahren und Formen, die sie zu ihrer Bewältigung verwenden.
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts Der Gesprächsausschnitt, den ich im folgenden analysieren werde, entstammt dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG. Gesprächspartner sind eine Gruppenleiterin, die bereits seit zweieinhalb Jahren in Spanien ist (im Folgenden E für Expertin oder Erfahrene), sowie ein Mitarbeiter, der erst seit zweieinhalb Monaten in Spanien ist (N für Novize oder Neuer). Die Teilnehmer des Gesprächs kannten sich vor dem Gespräch nicht. Das Gespräch kam über Vermittlung anderer Auslandsentsandter zustande, ein konkreter Termin wurde von der Forscherin arrangiert. Das Gespräch fand gegen Ende des Arbeitstags in einem Besprechungsraum auf dem Werksgelände statt. Neben den beiden Auslandsentsandten war die Forscherin anwesend. Die Gesprächsteilnehmer unterhielten sich insgesamt ca. eine Stunde über ihre Auslandsentsendung und Erfahrungen im Umgang mit Spaniern und der spanischen Kultur. Anschließend gingen sie zu einem informellen Small Talk über (Tipps zum Ausgehen in Madrid etc.). Der Gesprächsausschnitt entstammt der Anfangsphase des Gesprächs. Während der vorausgehenden ca. sechs Minuten führte die Forscherin kurz in das Gespräch ein, dann befragte E den Gesprächspartner N ausführlich über seinen konkreten Tätigkeitskontext (Tätigkeitsbereich, Aufgabenstellung, Anzahl und
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
Art der Kontakte zu Spaniern etc.). In dem gewählten Ausschnitt werden zum ersten Mal in dem Gespräch kulturelle Erfahrungen und Unterschiede thematisiert. KOLLEGIALE BERATUNG: „wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen” (06:13, Z.120) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
E: n=wie war=n so jetzt die ersten erFAHrungen? ich meine gut deZEMber is ja auch sch=etz schon (.) fast drei MOnate.=ne? oder ZWEI, (--) jenachdem wann man im dezember angefangen hat; N: ende (.) MITte dezember. (--) E: mhm, (--) ((39 sec. Auslassung)) N: aber (--) TROTZdem die ARbeitsweise (-) is SCHON=ne umstellung. (1.0) in MEIn augen. (---) E: zum BEIspiel? (--) <
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94
E: N:
E:
N: E:
N: E: N: E: N: E:
N: E: N: E:
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vor allem dass mein (1.0) ARbeitstempo nich von MIR bestimmt wird, sondern von=den ANderen. (--) hm=hm, (---) und=des hat sich jetzt=n bisschen geBESsert, wenn man eben dann (.) anfängt zu FILtern, und (--) dann=auch (.) entsprechende (.) dinge hinterher erledigt <
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127
N: E: N: E:
N: E:
durch den VORgesetzten als (.) in (-) DEUTSCHland. das heißt der vorgesetzte (--) KUCKT nach relativ (-) KURzen abständen immer, (-) MACHT der mitarbeiter noch das (---) in die richtung was wir uns VORgenommen haben, oder is der=jetzt schon völlig (--) AUFgesaugt durch ein ANderes thema. (--) mm (-) das ist mir am anfang=n bisschen SCHWERgefallen; weil ich gedacht hab etz=ch steh ich hier als der Oberkontrolleur,= =das war ich auch nich so geWOHNT, (-) ja; (--) ähm (-) hab aber dann a=die erFAHrung gemacht dass die mitarbeiter das erWARten. (--) mhm, also dass=sie erWARten dass ich (.) NACHfrage wie die dinge LAUfen? (--) dass (.) äh: ich geZIELT auch also (.) ANspreche gibt es proBLEme? (-) wo kommst du jetz nicht WEIter? (---) und (.) äh:m: (.) dass ich das regelmäßig überwache. (--) weil äh:m: SONST kann=es eben halt nach nem JAHR, wenn das em a GE, wenn der zeitraum UM is, (--) äh:m: (.) we=man dann sich zuSAMmensetzt kann=des einfach ma (gro’) m=böse überRAschungen geben.= =also dieses (.) sich darauf verLASsen dass der mitarbeiter das schon (.) im AUge beHÄLT, (--) ähm (-) das is hier (--) DEUTlich WEniger stark ausgeprägt.= =und wird auch vom (.) vorgesetzten eher erWARtet. (-) [mhm; [kontrollelemente;
Der Gesprächsausschnitt lässt sich in drei Interaktionseinheiten einteilen, wobei die letzte noch einmal drei deutlich abgrenzbare Sequenzen umfasst. Die folgende Analyse ist gemäß dieser Einteilung gegliedert. 1. 2. 3.
Frage nach dem Erfahrungshintergrund des Neuentsandten (Z. 1-7) Darstellung erster kultureller Erfahrungen durch den Neuentsandten (Z. 9-53) Interkulturelle Erläuterungen der erfahreneren Entsandten (Z. 54-126) Bestätigung und Reformulierung kultureller Unterschiede (Z. 54-76) Weitergehende Erläuterung der Unterschiede (Z. 77-101) Darstellung eigener Reaktionen und Handlungsstrategien (Z. 102-127)
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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4.1.1 Abschnitt-1: Frage nach dem Erfahrungshintergrund des Neuentsandten (Z. 1-7) Nachdem E den Gesprächspartner N zuvor hinsichtlich seines Tätigkeitskontextes befragt hat, leitet sie in Z. 1 des vorliegenden Gesprächsausschnitts mit einer fast formelhaft wirkenden Floskel zur Frage nach N’s bisherigen Erfahrungen über. Dass es sich um eine Frage nach kulturellen Erfahrungen bzw. Erfahrungen in Spanien handelt, wird zum einen aus dem globalen Gesprächskontext deutlich (in der Gesprächseinleitung wurde der Fokus der Gespräche auf die Weitergabe kultureller Erfahrungen gelegt). Zum anderen verweist der lokale Gesprächskontext auf den Kulturbezug, denn voraus geht dem Absatz eine Diskussion zu der Frage E’s wie spanisch is denn das umfeld. Diese beendet N unmittelbar vor dem hier betrachteten Abschnitt mit der Äußerung des heißt da is des umfeld schon relativ spanisch. Die Frage N’s schließt an diese Äußerung an (vgl. die Verbindung durch die nebenordnende Konjunktion n/und) und ist daher als Frage nach kulturellen Erfahrungen zu verstehen. Mit der Konkretisierung der Erfahrungen als erste Erfahrungen schreibt E dem Gesprächspartner N eine spezifische Erfahrungskompetenz zu. Er hat zwar gewisse, aber eben auch nur erste Erfahrungen. E rekonstituiert damit die für N in der Gesprächseinleitung schon konstituierte Rolle des ‘neuen’ Auslandsentsandten. Zu einer Art allgemeinen und neutralen Formel wird die Frage E’s durch die Verwendung einer unpersönlichen Satzkonstruktion (wie war=n), des bestimmten Artikels die (anstatt des Personalpronomens deine) sowie der Modal- oder Abtönungspartikel so und jetzt. Diese Formelhaftigkeit könnte ein Hinweis auf die Orientierung an einer etablierten Gesprächssituation sein und, vor allem angesichts der Tatsache, dass E auch im bisherigen Gespräch systematisch bestimmte Fragen abgearbeitet hat, auf die Verwendung einer bestimmten Gesprächsstrategie durch E, bei der sie sich an einer Art Frageraster orientiert. Diese Hypothese ist im weiteren Verlauf des Ausschnitts im Blick zu behalten. Eine Konsequenz der potenziellen Gesprächsstrategie ist, dass E mit ihrer Frage dem Gesprächspartner N die Aufgabe zuweist, Kulturdifferenz erstmals zu thematisieren und einen ersten Darstellungsmodus für die Beschreibung kulturspezifischer Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu etablieren. In Z. 2-5 differenziert E die für N postulierte eingeschränkte Erfahrungskompetenz. Mit der Modalisierung ich meine gut nimmt sie die vorhergehende Äußerung, mit der sie N eine bestimmte Rolle zuwies, teilweise zurück. Sie geht nun individueller auf die Situation N’s ein. Dennoch bleibt die folgende Äußerung einem neutralen Darstellungsmodus verhaftet (vgl. die unpersönliche Satzkonstruktion dezember is, unpersönliches Pronomen man). Die individuelle Si-
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
tuation N’s wird in eine Art Kategorisierungsraster für Auslandsentsandte im Hinblick auf deren Vorerfahrungen eingeordnet. N wird der Kategorie derjenigen Auslandsentsandten zugeordnet, die seit zwei oder drei Monaten in Spanien sind. N geht auf diese Kategorisierung ein und präzisiert in Z. 6, wie er konkret einzuordnen ist (ende mitte dezember). Mit der Rückmeldung in Z. 7 bestätigt E, dass mit dieser Angabe die Kategorisierung N’s, die verbunden ist mit der Zuschreibung einer bestimmten Erfahrungskompetenz, abgeschlossen ist. Zusammenfassung: Im ersten Absatz des Gesprächsausschnitts bewältigen E und N interaktiv die kommunikative Aufgabe, für N spezifische Erfahrungskompetenzen zu etablieren, über die zugleich seine situative Rolle als neuer Auslandsentsandter rekonstituiert wird. Zum anderen wird eine bestimmte Gesprächsstrategie E’s deutlich, deren Konsequenzen im weiteren Verlauf des Gesprächs im Blick zu behalten sind. Es folgt nun ein Exkurs N’s zu seinem konkreten Erfahrungshintergrund (Z. 8), der hier nicht genauer betrachtet wird.68 N bringt in dem Absatz weitere relevante Faktoren für die Einschätzung seiner Vorerfahrungen ins Spiel: Seine Freundin ist Halbspanierin, und er hatte dadurch bereits vor der Auslandsentsendung einige Erfahrungen mit Spanien, insbesondere da sie häufiger gemeinsam die Eltern in Spanien besuchten. N unterscheidet verschiedene Erfahrungsniveaus je nach Lebensphase (vorher wenig erfahrungen mit dem land, dann schon mehr). Damit übernimmt er das Vorgehen E’s, seinen Erfahrungshintergrund neutral bzw. kategorial zu beschreiben, und etabliert für sich selbst ebenfalls eine gewisse aber nicht besonders große Erfahrungskompetenz. 4.1.2 Abschnitt-2: Darstellung erster kultureller Erfahrungen durch den Neuentsandten (Z. 9-53) Im Anschluss an den Exkurs zu seinem Erfahrungshintergrund reagiert N ab Z. 9 konkret auf die Frage E’s nach seinen ersten Erfahrungen. Mit der Aussage aber trotzdem die arbeitsweise is schon=ne umstellung thematisiert er einen Aspekt, den er in Spanien als anders erfahren hat (die arbeitsweise). Er fokussiert mit dem Begriff deutlich auf den beruflichen Kontext. Eine kulturelle Differenzerfahrung wird durch die Vokabel umstellung angedeutet. Widergegeben wird nicht eine konkrete Erfahrung (im Sinne einer Einzelerfahrung), sondern vielmehr eine resümierende Einschätzung und Bewertung der bisherigen Erfahrungen (im Sinne der Verbalphrase ‘die Erfahrung gemacht haben dass’). Dabei macht N zunächst auch keine konkrete Aussage über die spanische Kultur (über die arbeitsweise), sondern beschreibt vielmehr, welche Konsequenz sich für ihn 68
Den Ausschnitt werde ich in 5.3.1 im Zusammenhang mit der Etablierung von Erfahrungskompetenzen behandeln.
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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persönlich ergibt (ne umstellung), wie er individuell betroffen ist. Die Aussage enthält eine (leicht) negative Bewertung, die in der Vokabel umstellung enthalten ist und grundsätzlich auf problematische Erfahrungen im Zusammenhang mit Kulturdifferenz hindeutet. Die Intensität der Differenzerfahrung wird dadurch hervorgehoben, dass die Aussage als kontrastive Fokussierung zu N’s vorheriger Aussage weil ich schon einiges kannte vom land (diese Aussage ist Teil des ausgelassenen Absatzes) formuliert ist (vgl. aber, stark betontes trotzdem und schon). In seiner Formulierung rekurriert N auf Schlagwörter (arbeitsweise, umstellung) und eine Floskel (is schon ne umstellung), die typischerweise im Zusammenhang mit Auslandsentsendungen und interkulturellen Kontaktsituationen verwendet werden. Die Formulierung ist durch die 3.Ps.Sg.-Konstruktion und das Fehlen jeglicher Personalpronomen neutral gehalten. Die floskelartige Antwort N’s erscheint als Reaktion auf die floskelartige Frage E’s in Z. 1. N und E tauschen sich bisher eher nicht auf einer persönlichen Ebene aus, sondern vielmehr in ihrer sozialen Rolle als Auslandsentsandte mit einem bestimmten Erfahrungshintergrund.69 Der Rückgriff auf eine formelhafte Formulierung N’s in Z. 9-10 kann jedoch auch auf seine Unsicherheit damit zurückgeführt werden, dass er als Neuer zuerst Erfahrungen mit der spanischen Kultur darstellen soll. Die Pause in Z. 10 unterstützt die Vermutung, dass N unsicher ist. Er wartet möglicherweise auf eine Zustimmung, vielleicht auch eine konkretere Stellungnahme oder einen Erfahrungsbericht E’s. Nachdem keinerlei Reaktion erfolgt, subjektiviert N in Z. 11 nachträglich seine vorhergehende Äußerung (in mein augen). Er stellt seine soziale Rolle damit vorübergehend in den Hintergrund und eine individuelle Sichtweise in den Vordergrund. Die folgende Pause in Z. 12 sowie die Reaktion E’s in Z. 13 machen deutlich, dass offenbar auch die nachträgliche Subjektivierung ihre Erwartung nicht erfüllt. Mit ihrer Frage nach einem Beispiel beharrt sie auf der Eingangsfrage nach ersten erfahrungen und zeigt zugleich an, dass sie damit konkrete Erfahrungen und nicht Verallgemeinerungen aus Erfahrungen meinte. Unerwartet und fast unnatürlich wirkt das Lachen E’s im Anschluss an die Nachfrage (Z. 14). Die Pause zwischen Frage und Lachen deutet darauf hin, dass es sich bei dem Lachen um eine Remodalisierung der vorherigen Äußerung handelt. E’s forderndes, beharrendes Nachfragen nach Beispielen erscheint im Kontext eines Erfahrungsaustauschs unangemessen. E besitzt nicht – wie das beispielsweise in einem Beratungsgespräch der Fall wäre – das Recht, N konsequent auszufragen. Mit dem Lachen nimmt sie der vorhergehenden Aussage ihre Schärfe und 69
Hier ist allerdings anzumerken, dass diese Distanziertheit relativ zu Beginn des Gesprächs möglicherweise auch auf die Gesprächseinführung durch die Forscherin und die Aufnahme zurückzuführen ist.
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
schwächt die Beanspruchung der Rolle einer Beraterin gewissermaßen ab.70 Mit dem Lachen gesteht E außerdem N zu, dass es nicht einfach ist, konkrete Erfahrungen zu beschreiben. Im Folgenden stellt N zunächst zwei allgemeine Charakterisierungen der Arbeitsweise in Spanien dar (Z. 16-17 und 21-22), die dann zu zwei generalisierenden Erlebnisdarstellungen (Z. 23ff und 27ff) hinführen. In Z. 16 reagiert N zwar auf E’s Nachfrage tatsächlich mit einem Beispiel. Er interpretiert die Frage jedoch nicht als Frage nach einem konkreten Beispielerlebnis, sondern nennt einen Beispielaspekt für die genannte These, dass die Arbeitsweise eine Umstellung sei. Die Beschreibung der Arbeitsweise in Spanien bleibt trotz der Rahmung als Beispiel abstrakt (vgl. die Charakterisierung der Situation durch das Adjektiv chaotischer), neutral (vgl. 3.Ps.Sg: es is) und stark generalisierend mit Tendenz zur Stereotypisierung (vgl. Allquantor + verstärkende Gradpartikel: alles sehr viel). Durch die Wortwahl (chaotischer) und übertriebene Generalisierung (alles sehr viel) erhält die Aussage eine negativ wertende Tendenz. Durch die unpersönliche Partizipialkonstruktion oberflächlich gesagt wird die Generalisierung jedoch zugleich abgeschwächt. Auch das vorausgehende Zögern (vgl. mehrfache Pausen, insb. eine Sekunde Pause vor der konkreten Charakterisierung) wirkt relativierend. Außerdem konstatiert N in Z. 18 selbst, dass er auf einen stereotypen Begriff (schlagwort) zurückgreift und relativiert mit dieser Rahmung seine Aussage explizit. In einer nachgestellten Bemerkung macht er deutlich, dass er nach alternativen Begriffen oder Beschreibungen sucht. Die Formulierungsprobleme N’s (Pausen, ähm) zeigen nicht nur eine anhaltende Unsicherheit bei der Formulierung kulturbezogener Aussagen sowie bezüglich der Gesprächssituation an, sondern sein Zögern deutet möglicherweise auch darauf hin, dass er noch nach einem konkreten Beispiel(erlebnis) bzw. nach Beispiel(erlebniss)en sucht. Auch der zweite Ansatz zu einer Darstellung kultureller Erfahrungen (Z. 21ff) bleibt abstrakt (direkter), neutral (es is, die leute, es geht) und stark generalisierend (sehr viel mehr). In beiden Aussagen steht durch die Verwendung eines Komparativs (chaotischer, direkter) deutlich eine Vergleichsperspektive im Vordergrund, auch wenn nicht explizit das Vergleichsobjekt genannt wird. Im ersten Fall wird außerdem durch die Wortwahl (chaotischer) eine negative Be-
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Schwitalla (2001b: 337) beschreibt als eine Funktion des Lachens die Demonstration, „dass man sich bewusst über gemeinhin übliche Normalitätserwartungen, Höflichkeitsmaximen und gesellschaftliche Regeln des Anstands hinwegsetzt“. Hier verweist er auch auf ein Beispiel bei dem ein Sprecher gegen die ‘Regeln’ des Beratungsgesprächs verstößt und diesen Verstoß durch Lachen markiert. Das lachende Sprechen erlaubt es laut Schwitalla in diesem Fall, „eine Verfehlung zwar zuzugeben, aber sich nicht entschuldigen zu müssen“ (ebd.: 338).
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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wertung angezeigt, im zweiten Fall (direkter) wird allenfalls durch den Kontext eine negative Konnotation deutlich. In Z. 23 bis 26 folgt nun eine erste konkretere Darstellung des Arbeitsalltags in Spanien. Allerdings erzählt N noch immer kein konkretes Erlebnis, sondern stellt vielmehr eine wiederkehrende, generalisierte Erfahrung dar (vgl. die 3.Ps.Sg.-Konstruktion es kommt, die neutrale Personalreferenz durch jemand und die leute sowie die Verwendung des generischen dein). Er verwendet jedoch einen szenischen Darstellungsmodus (vgl. die szenische Inszenierung kommen an dein schreibtisch in Z. 24 sowie die Redewiedergabe in Z. 24-26). Durch den eingeschobenen Verweis auf eigene Erfahrungen (so kenn ich des in mei=m umfeld) schränkt N einerseits die Reichweite seiner Aussage ein (Relativierung), andererseits legitimiert er sie durch die Authentizität der eigenen Erfahrung. Das Verb kennen besitzt – wie zum Beispiel die Verbalphrasen die erfahrung machen, erlebt haben auch – einen deutlich höheren Legitimitätsanspruch als zum Beispiel Verbalphrasen wie sehen, glauben, den eindruck haben, das gefühl haben etc. Damit etabliert N wieder eine gewisse Erfahrungskompetenz für sich. Es folgt schließlich eine zweite Konkretisierung der Charakterisierung der Arbeitsweise als chaotischer bzw. direkter (Z. 27-32). Diese ist wieder neutral formuliert, stellt eine generalisierte Erfahrung dar (vgl. jemand, da wird gewartet, wird gemacht, des wird gemacht) und ist stark generalisierend mit Tendenz zur Übertreibung (vgl. ständig, gleich sofort, alles gleich sofort), was auch hier auf eine negative Bewertung hindeutet. Eine vergleichende Perspektive wird durch die verneinende Darstellung deutlich, die als Gegenbild die Erwartungshaltung N’s anzeigt (wird nicht erst gewartet, wird keine terminabsprache gemacht). Nachdem E die Darstellung N’s durch ihr Lachen und ein Rückmeldesignal bestätigt hat, äußert N wieder eine allgemeinere Darstellung der Situation (Z. 34ff). Er greift hier ohne Einschränkungen auf den Begriff des chaos zurück, den er zuvor als schlagwort abgetan und abgelehnt hat und zeigt damit eine deutlich negative Bewertung der Situation an. Z. 36-42 enthält eine Konkretisierung dieser allgemeinen Beschreibung bzw. Bewertung im Sinne zweier Beispielaspekte (Z. 36-17: man kann Sachen nicht zuende machen, Z. 41: man kann sehr schlecht planen). Die negative Bewertung wird in diesen Zeilen wie schon zuvor durch die Darstellung einer nicht erfüllten Erwartung deutlich (kann man nicht zuende machen, man kann sehr schlecht planen). Wieder ist die Darstellung außerdem neutral (is da, 3x man) und generalisierend mit Tendenz zur Übertreibung (ständig, sehr schlecht) formuliert. Ab Z. 43 geht N erstmals – wenn man einmal von den eingeschobenen Perspektivierungen in mein augen (Z. 11) und so kenn ich des in mei=m umfeld (Z. 23) absieht – zu einer individualisierten Darstellungsweise über. Er beginnt seine
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
Aussage mit zwei Ausdrücken, die die folgende Aussage vorausgreifend individualisieren (bei mir is=es zumindest ich hab des gefühl). Mit dem gefühl wird eine neue Ebene der Wahrnehmung bzw. Erfahrung eingeführt (bisher angesprochene Ebenen: bildliche Wahrnehmung/augen (11), Erfahrung/kennen (23)). Es folgt die Darstellung einer individuellen Empfindung bzw. Reaktion auf die erfahrenen Unterschiede bezüglich der Arbeitsweise, die eine negative Bewertung bzw. allgemein eine problematische Erfahrung anzeigt. Erneut wird die eigene Erwartung in der Darstellung qua Negation mit angezeigt (dass mein arbeitstempo nicht von mir bestimmt wird). Die Rückmeldung E’s in Z. 47 deutet darauf hin, dass E ähnliche Erfahrungen gemacht hat und die Empfindungen und Bewertungen N’s teilt. In Z. 48 bis 51 bewertet N seine Erfahrung insgesamt und zeigt noch deutlicher an, dass er Probleme mit den beschriebenen Situationen bzw. Unterschieden hat (das Verb bessern deutet darauf hin, dass die Situation schlecht war). Der erneute Wechsel zur 3.Ps.Sg. (hat sich gebessert) bzw. neutralen Personenreferenz (man) deutet darauf hin, dass es N nicht ganz leicht fällt, individuelle Probleme einzugestehen. Nach einer Reflexionspause hebt N in Z. 52-53 noch einmal resümierend seine prinzipielle kulturelle Differenzerfahrung im Hinblick auf das Thema Arbeitsweise hervor (vgl. die Vokabel wechsel in Analogie zu umstellung). Auch hier fokussiert er mit dem Verb arbeiten wieder deutlich auf den beruflichen Kontext (vgl. auch das Vokabular in dem gesamten Absatz, Z. 9: arbeitsweise, Z. 24: schreibtisch, Z. 31: terminabsprache, Z. 44: arbeitstempo). Die Kontrastkontexte werden auch hier nicht explizit benannt (also etwa als Wechsel von Deutschland nach Spanien), sondern nur implizit und dabei nicht wie zu erwarten durch lokale Referenzausdrücke verankert, sondern durch temporale (vorher). Damit verweist N zunächst allein auf eine Differenzerfahrung durch den Wechsel des Arbeitsplatzes. Allerdings ist aus dem (globalen und lokalen) Gesprächskontext klar, dass dieser von Deutschland nach Spanien erfolgte und dass kulturelle Aspekte wohl eine Rolle spielen. Eine nur implizite kulturelle Verankerung lässt sich auch rückblickend für den gesamten Absatz feststellen. N verweist in dem gesamten analysierten Redebeitrag (Z. 9-53) kein einziges Mal auf einen konkreten kulturellen Kontext (Deutschland, Spanien, das spezifische Werk o.ä.). Selbst wenn eine Vergleichsperspektive angezeigt wird (umstellung, chaotischer, direkter etc.), wird nie eine Vergleichsgruppe oder ein Vergleichskontext genannt. Allein durch den Gesprächskontext (auch dadurch, dass in dem hier nicht analysierten Exkurs N seinen Bezug zu Spanien differenziert beschreibt und dabei auch mehrmals explizit auf spanien verweist) versteht man N’s gesamte Aussage vor dem Hintergrund seines Arbeitsplatzwechsels von Deutschland nach Spanien. Hier kommt auch die Tatsache zum Tragen, dass es
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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sich um Gespräche unter Auslandsentsandten handelt, die aus der gleichen Kultur kommen und im gleichen Unternehmen sowie (meist) im gleichen Auslandsstandort arbeiten. Dieser gemeinsame Erfahrungshintergrund ist für die Gespräche äußert prägend und zeigt sich unter anderem darin, dass eine explizite kulturelle Verankerung häufig nicht nötig ist und vermieden werden kann. Zusammenfassung: Folgende Interaktionssequenzen bzw. kommunikative Aufgaben konnten innerhalb des Absatzes herausgearbeitet werden: Nachdem N einleitend ein konkretes Thema aus dem Arbeitsalltag einführt (Z. 9: die arbeitsweise) und seine individuelle kulturelle Differenzerfahrung hervorhebt (Z. 8: umstellung), stellt er anschließend in mehreren Anläufen Besonderheiten der Arbeitsweise in Spanien dar. Er beginnt zunächst in kontrastierender Darstellungsweise mit zwei allgemeinen Beschreibungen (Z. 16-20: chaotischer, Z. 2122: direkter). Diese fungieren gewissermaßen als vorgreifende Verdeutlichung der anschließenden Konkretisierungen, die in Form zweier (mehr oder weniger stark) generalisierter Erfahrungen erfolgen (Z. 23-26: es kommt jemand, Z. 2732: meetings werden ständig unterbrochen). Es folgt eine weitere allgemeine Charakterisierung der Situation (Z. 34: chaos) mit zwei Konkretisierungen im Sinne der Beschreibung konkreter Verhaltensweisen oder Zustände (Z. 36-39: man kann bestimmte sachen nich zuende machen, Z. 41-42: man kann sehr schlecht planen). N schließt mit einer individualisierten Bewertung der Differenzerfahrung (Z. 43-51: ich hab des gefühl), gefolgt von einer resümierenden Aussage, die die Hervorhebung der kulturellen Differenzerfahrung zu Beginn des Absatzes reformuliert (Z. 52: des is en riesen wechsel). Vereinzelt eingestreut in die Sequenzen findet man Verweise auf den eigenen Erfahrungshintergrund (z.B. Z. 23: so kenn ich des in mei=m umfeld), die die Behauptungen subjektivieren bzw. relativieren und mit denen N zugleich für sich bestimmte Erfahrungskompetenzen etabliert. 4.1.3 Abschnitt-3: Interkulturelle Erläuterungen der erfahreneren Entsandten (Z. 51-126) 4.1.3.1 Bestätigung und Reformulierung kultureller Unterschiede (Z. 54-76) Nachdem N durch seine resümierende Aussage in Z. 52-53 angezeigt hat, dass sein Redebeitrag abgeschlossen ist, übernimmt E den Turn zunächst mit einer grundsätzlichen Bestätigung der Aussage N’s (hm=hm und das hab ich damals auch so empfunden). Sie schließt dabei an N’s Darstellung individueller Betroffenheit und Emotionen an. Durch die Verwendung des Verbs empfinden, das einen relativ unmittelbaren Wahrnehmungsmodus anzeigt (im Gegensatz zum Beispiel zu die Erfahrung gemacht haben, kennen), und die Hervorhebung der
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
Vergleichbarkeit ihrer Erfahrungen (vgl. auch, Hinweis auf Beginn der Auslandsentsendung) begibt sie sich auf eine Ebene mit N. Eine solche Herstellung einer gemeinsamen Problemsicht und Solidarisierung hinsichtlich bestimmter Bewertungen und Emotionen bewirkt primär eine Stärkung und gegenseitige Rückversicherung der Gesprächspartner bezüglich der individuellen und sozialen Identität als deutscher Auslandsentsandter in Spanien. In der vorliegenden Stelle distanziert sich E allerdings gleichzeitig durch die Darstellung in der Vergangenheit und das rückschauende Tempusadverb damals bzw. den temporalen Nebensatz als ich hier angefangen habe von der Situation N’s und deutet einen individuellen Lernfortschritt und Erfahrungsvorsprung an. Damit konstituiert sie lokal für sich die Rolle einer ‘Erfahrungsexpertin’, die N Erfahrungen und Erfahrungswissen weitergeben kann. Die Hervorhebung der gemeinsamen Problemsicht ist aus dieser Perspektive als emotionale und psychologische Unterstützung gegenüber N zu interpretieren. E geht zunächst nicht weiter auf den Erfahrungsvorsprung ein, sondern stellt aus ihrer Sicht kontrastierend die Arbeitsweise in Deutschland und Spanien dar (Z. 57-74). Auch sie zeigt in dem gesamten Absatz durch das verwendete Vokabular einen deutlichen Bezug zum beruflichen Kontext an (z.B. Z. 57: tätigkeit, Z. 38: arbeiten, Z. 66: tagesgeschäft, Z. 81: mitarbeiter, Z. 95: vorgesetzten). Im Gegensatz zu N beginnt E nicht mit einer verallgemeinernden Charakterisierung und Bewertung, sondern mit einer individualisierten Beschreibung der eigenen Arbeitsweise (vgl. die Verwendung der Pronomen ich, meine, mir). Ihre frühere Arbeitsweise (temporale Referenz!) stellt sie zunächst über eine Handlungsprädikation mit Verstärkung dar (Z. 57-58: hab ich sehr strukturiert arbeiten können), auf die eine Konkretisierung folgt (Z. 59-62: hab mir morgens n plan gemacht...). Der Hinweis auf Ausnahmen (Z. 63: natürlich gab=s dann mal=n telefonanruf) bestätigt die grundsätzliche Normalität der beschriebenen Abläufe. Die Verwendung der 3.Ps.Sg. bei dieser Einschränkung deutet auf eine grundsätzliche Generalisierbarkeit der eigenen Arbeitsweise hin. E schließt die Darstellung ihrer Arbeitsweise mit einer resümierenden allgemeinen Charakterisierung in unpersönlicher Satzkonstruktion (Z. 64: die störungen war=n eher gering), die durch das komparative Grad-Adverb eher bereits zur Darstellung eines Kontrasts überleitet. Die Beschreibung der Situation hier (lokale Referenz!) ist von vornherein neutral formuliert (vgl. hier is, irgendjemand, es ist, muss es). Sie erfolgt ebenfalls als allgemeine Charakterisierung in unpersönlicher Satzkonstruktion (Z. 6667: is geprägt durch fremde störungen) mit anschließender Konkretisierung (Z. 67-68: irgendjemand will etwas...). Sowohl allgemeine Darstellung als auch Konkretisierungen enthalten Generalisierungen mit Tendenz zur Stereotypisierung und bewertender Konnotation (sehr stark, alles jetzt ganz schnell). Aller-
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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dings ist E’s Darstellung sowohl in Bezug auf die ‘deutsche’ als auch die ‘spanische’ Arbeitsweise deutlich weniger kategorisierend als die N’s (keine Eigenschaftsprädikationen), weniger bewertend und eher sachlich beschreibend. Letzteres zeigt sich in der Wortwahl und den Formulierungen (z.B. strukturiert arbeiten, einen Plan machen, Störungen waren gering, das Tagesgeschäft ist geprägt durch fremde Störungen) sowie in den Satzkonstruktionen (lange Projektionen, lange Satzketten, insgesamt Tendenz zur Schriftsprache). Für die Konkretisierungen verwendet E eher einen berichtenden als erzählenden Stil (kein inszenierender Darstellungsmodus, keine Redewiedergabe etc.). Diese Darstellungsmodalität, gerade im Kontrast zu der N’s, unterstützt die Konstitution einer Erfahrungskompetenz für E. Durch die rückblickende neutrale und sachliche Beschreibung wird deutlich, dass E ihre Erfahrungen verarbeitet hat. Die persönliche Betroffenheit N’s deutet eher auf eine Unerfahrenheit hin und trägt daher zur Konstitution der Rolle eines ‘unerfahrenen Neuen’ bei. Auch der gegensätzliche argumentative Aufbau der beiden Beiträge unterstützt diese Rollenkonstitution. N beginnt seinen Redebeitrag mit Verallgemeinerungen und Bewertungen (Z. 922), schließt dann illustrierende Beispielerfahrungen an (v.a. Z. 23-32) und zeigt, nach erneuten Verallgemeinerungen (Z. 34-42), erst am Schluss eine individuelle Perspektive an (Z. 43-53). E geht von der Darstellung individueller Erfahrungen und Empfindungen aus (Z. 55-64) und schließt darauf aufbauend auf mögliche Verallgemeinerungen (ab Z. 66). Die eher logisch strukturierte Argumentation deutet auf eine reflektiertere Sichtweise auf die kulturellen Unterschiede hin. Auffällig ist in der Darstellung E’s außerdem der Wechsel zwischen lokalund temporal-deiktischen Ausdrücken zur kulturellen Verankerung der Aussagen. Auf den ‘eher spanischen’ Arbeitsstil wird durch lokale Referenz Bezug genommen (Z. 56: hier angefangen, Z. 66: hier is des tagesgeschäft), auf die ‘eher deutsche’ Arbeitsweise durch temporale Referenz (Z. 57: bei meiner früheren tätigkeit). Die Verwendung lokaler Deixis macht deutlicher kulturelle Einflüsse für bestimmte Verhaltensweisen relevant (diese können sowohl die Nationalkultur als auch Unternehmens-, Werkskultur etc. betreffen). Temporale Deixis kann grundsätzlich nur in bestimmten Fällen für die Kontextualisierung kultureller Erfahrungen verwendet werden, nämlich dann, wenn die Überschreitung kultureller Grenzen an einem bestimmten Zeitpunkt festgemacht werden kann. Temporal-deiktische Ausdrücke bleiben vager und verweisen (allein von der Formulierung her) weniger unmittelbar auf kulturelle Kontexte. Sie deuten außerdem an, dass allein ein Wechsel der Tätigkeit zu Problemen führen kann. Die Verwendung lokaler bzw. temporaler Deixis in dem vorliegenden Absatz spiegelt möglicherweise die häufig zu beobachtende Tendenz wider, fremde Eigenschaften und Verhaltensweisen schnell verallgemeinernd einer bestimmten Kul-
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
tur zuzuschreiben, eigene Verhaltensweisen eher individualisiert und die eigene Kultur eher differenziert wahrzunehmen. In dem hier nicht analysierten Abschnitt N’s lässt sich eine ähnliche Verwendung lokaler und temporaler Referenzausdrücke feststellen. Erfahrungen in Spanien verankert N hauptsächlich mithilfe lokal-deiktischer Ausdrücke (in spanien, hierher), Erfahrungen in Deutschland temporal-deiktisch (vorher). In dem analysierten Absatz macht N allein temporale Aspekte relevant (umstellung, wandel, vorher). Diese besitzen im Vergleich zu lokaler oder gar personaler Referenz die Funktion einer Abschwächung kultureller Stereotype. Die Äußerungen E’s werden von N mehrfach und zunehmend nachdrücklich bestätigt (Z. 61, 70, 73, 75). Diese Bestätigungen deuten darauf hin, dass E erfolgreich die Erfahrungen und Eindrücke N’s reformuliert hat und die Gesprächsteilnehmer damit zu einer geteilten allgemeinen Charakterisierung und Bewertung der spanischen Kultur und entsprechender Kulturunterschiede gefunden haben. 4.1.3.2 Weitergehende Erläuterung der Unterschiede (Z. 77-101) Nachdem E und N zu einer gemeinsamen ersten Einschätzung der spanischen Kultur gefunden haben, beginnt E eine neue Sequenz (vgl. die abschließende Floskel und so weiter sowie die Pausen und den Zögerungspartikel In Z. 76 und 77). Sie gibt nun weitere Erläuterungen bezüglich der spanischen Kultur, bei denen sie für sich eine größere Erfahrungskompetenz und damit im Verhältnis zu N einen Erfahrungsvorsprung beansprucht (Z. 77-101). Gleich zu Beginn in Z. 77-78 verweist E darauf, dass die folgenden Aussagen auf eigenen, tatsächlichen Erfahrungen basieren, legitimiert diese damit vorausgreifend und etabliert für sich eine bestimmte Erfahrungskompetenz. Sie verwendet den Erfahrungsbegriff im Plural, das heißt ihre Aussage basiert auf mehreren Erfahrungen. Auf ihren fortgeschrittenen Erfahrungsstand deutet auch die Tatsache hin, dass sie nicht mehr erste erfahrungen darstellt, sondern vielmehr Schlussfolgerungen (das führt dazu). Auffällig und durch die Verwendung des Erfahrungsbegriffs zunächst verwunderlich ist die Aussage die mitarbeiter machen diese erfahrung genauso (Z. 80). Denn E’s Beschreibung und vor allem Bewertung der Arbeitsweise ergibt sich ja gerade aus der Erfahrung kultureller Differenz. Wenn mit die mitarbeiter die spanischen Mitarbeiter gemeint sind (und E’s Mitarbeitern sind fast ausschließlich Spanier, wie sie an anderer Stelle des Gesprächs berichtet), dann kann lediglich gemeint sein, dass deren Arbeitsprozesse vergleichbar verlaufen, nicht jedoch, dass sie diese ebenso empfinden bzw. erfahren. Die Darstellung der Konsequenzen aus dem spanischen Arbeitsstil erfolgt in zwei Sequenzen (Z. 77-92 und 93-101), die jeweils mit einer Schlussfolgerungs-
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
137
floskel eingeleitet werden (das führt dazu bzw. so dass=es darauf hinausläuft). Beide Sequenzen sind neutral formuliert (vgl. 3.Ps.Sg.: die gefahr is, Passivkonstruktion: verloren werden, kontrolliert wird, neutrales Personalpronomen: man) und zunehmend generalisierend (vgl. Frequenzadverb immer in Z. 87 und 97) mit Tendenz zur Übertreibung (vgl. die Verwendung der Gradpartikel Z. 90: ganz schnell, Z. 93-94: viel stärker, Z. 100: völlig). In der ersten Sequenz wird die allgemeine Situation negativ bewertend als gefahr bezeichnet, das heißt tatsächliche negative Konsequenzen aus der bisher nur negativ empfundenen Arbeitsweise werden dargestellt (vgl. auch die weitere Wortwahl: ziele aus den augen verloren, abgelenkt sowie die Andeutung eines Kontrasts qua Negation: nicht zum eigentlichen geplanten gehören). Mit der zweiten Sequenz geht E über von einer Beschreibung der Arbeitsweise zur Darstellung von Konsequenzen für den Führungsstil. Es wird erstmals ein Vergleich mit explizitem Verweis auf eine Bezugskultur (stärker ... als in deutschland) vorgenommen. In dieser Sequenz findet man wieder eine allgemeine Charakterisierung mit Vergleich (Z. 93-95) und anschließender Konkretisierung, hier eingeleitet mit der Konkretisierungs-Floskel das heißt (Z. 96-101). Die Konkretisierung erfolgt in diesem Fall über die Darstellung einer generalisierten Ablauf- bzw. Handlungsbeschreibung. Es werden konkrete Akteure genannt (vgl. Verwendung des Singulars mit bestimmtem Artikel und des Personalpronomens wir), allerdings werden diese als Typen aufgefasst (vgl. die Bezeichnung über die sozialen Rollen: der vorgesetzte bzw. der mitarbeiter). Ein szenischer Darstellungsmodus zeigt sich in der Redewiedergabe (Z. 98-101). Auffällig ist in den Schlussfolgerungs-Sequenzen insgesamt der Kontrast zwischen einem abgeklärten Sprechen (lange Projektionen, lange Satzketten, argumentativer Darstellungsmodus), mit dem E für sich einen gewissen Expertenstatus etabliert, und generalisierenden Ausdrücken andererseits (s. oben), die emotionale Bewertungen anzeigen und auf Stereotypisierungen hindeuten. Innerhalb des Absatzes tritt die generalisierende Darstellungsweise zunehmend in den Vordergrund (vgl. auch explizite Konkretisierung, Redewiedergabe). Dem entspricht auch die vermehrte Verwendung von Formen der personalen Referenz in diesem Absatz (Z. 87 und 91: man, Z. 95 und 96: vorgesetzter, Z. 81 und 98: mitarbeiter). Allerdings bleiben diese alle implizit. E verwendet in dem Absatz lediglich einen expliziten Referenzausdruck, der jedoch lokal ist (Z. 95: in deutschland). Implizite Formen der Referenz sowie Formen der lokalen im Vergleich zur personalen Referenz bleiben insgesamt vager im Bezug auf die Zuschreibung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen. Sie bewirken damit tendenziell eine Abschwächung kultureller Zuschreibungen bzw. Stereotypisierungen.
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
4.1.3.3 Darstellung eigener Reaktionen und Handlungsstrategien (Z. 102-127) Die fallende Intonation in Z. 101 sowie die anschließende Pause und der Zögerungspartikel mm in Z. 102 deuten wieder auf den Beginn einer neuen Sequenz hin. In dieser Sequenz (Z. 102-127) thematisiert E vor allem die eigenen Reaktionen und den individuellen Umgang mit den beschriebenen kulturellen Differenzen. Sie beschreibt noch einmal explizit ihre eigene Betroffenheit und Empfindung zu Beginn der Auslandsentsendung. Die Aussage in Z. 102 (das ist mir am anfang=n bisschen schwergefallen) stellt zunächst eine Art Reformulierung der individuellen Einschätzung in Z. 55-56 dar (das hab ich damals auch so empfunden als ich hier angefangen habe). Allerdings liegt der Fokus in diesem Fall nicht auf der reinen Wahrnehmung und Bewertung der Unterschiedlichkeit, sondern vielmehr auf der Frage nach Konsequenzen aus den beschriebenen Kulturdifferenzen für das eigene Handeln. Das Verb schwer fallen zeigt Schwierigkeiten beim eigenen Handeln an. Auch in der folgenden Äußerung (Z. 103-104) steht die individuelle Handlungsperspektive im Vordergrund. Der etwas ironische Begriff oberkontrolleur impliziert zwar auch eine negative Bewertung des spanischen Führungsstils, den E implizit mithilfe dieses Begriffs beschreibt. Die eigentlich angesprochene Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass sich E selbst genötigt sieht, als solcher zu handeln. Mit dieser Darstellung von Problemen für das eigene Handeln im beruflichen Kontext wird implizit die Frage aufgeworfen, wie man als deutscher Auslandsentsandter in Spanien handeln kann oder sollte, das heißt wie man auf die kulturellen Differenzen reagiert. In Z. 105 wird noch einmal explizit die kulturelle Differenzerfahrung E’s hervorgehoben und das Neue als ‘ungewohnt’ charakterisiert (das war ich auch nich so gewohnt). In Z. 107-120 stellt E dann eine Erwartungshaltung der Spanier gegenüber der deutschen Führungskraft dar. Einleitend verweist sie noch einmal auf ihren Erfahrungshintergrund bzw. durch die Verwendung des Sequenz-Adverbs dann sogar auf einen Erfahrungs- bzw. Lernfortschritt (hab aber dann die erfahrung gemacht) und etabliert damit wieder für sich einen Erfahrungsvorsprung. Der Erfahrungsbegriff wird hier im Singular mit bestimmtem Artikel verwendet. Er verweist damit auf ein Erfahrungswissen, das auf der Basis von Verallgemeinerungen aus Einzelerfahrungen gewonnen wurde. Auf die verallgemeinernde Darstellung der Erwartungshaltung (Z. 107-108) folgt, eingeleitet durch das Nexus-Adverb also, eine Konkretisierung (Z. 110-115) im Hinblick auf konkretes Handeln, das heißt den Umgang mit kultureller Differenz (vgl. die Verwendung der Handlungsverben nachfragen, ansprechen, überwachen sowie der Redewiedergabe in Z. 112-114). Die Erwartungen werden individualisiert als Erwartungen an das eigene Handeln dargestellt (vgl. die Verwendung des Personalpronomens ich). Dadurch bleibt E der Ebene des Erfahrungsberichts verhaftet.
4.1 Exemplarische Analyse eines Gesprächsausschnitts
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Es folgt schließlich eine Darstellung der zu vermeidenden negativen Konsequenzen, die sich aus einem anderen (vgl. das Konjunktionaladverb sonst, das auf zwei sich ausschließende Alternativen hindeutet) Handeln ergeben könnten (Z. 116-120). Das ‘andere’ Handeln wird nicht näher konkretisiert, es ist jedoch zu erwarten, das im Gegensatz zu dem ungewohnten, eher ‘spanischen’ Führungsstil (stärkere Kontrolle), das gewohnte, also ein eher ‘deutsches’ Handeln gemeint ist (weniger Kontrolle). Die Darstellung der negativen Konsequenzen eines ‘deutschen’ Handelns in Spanien stuft die beschriebene ‘spanische’ Handlungsweise im spanischen Kulturkontext als vorteilhaft ein. Der Absatz enthält damit eine implizite Handlungsempfehlung für den neuen Auslandsentsandten, die durch die Darstellung einer eigenen Handlungsstrategie in Form von Handlungsprädikationen (dass ich nachfrage...) in Kombination mit der Darstellung möglicher Konsequenzen, die zu vermeiden sind (weil sonst...), realisiert wird. Dabei steht deutlich die Frage nach dem beruflichen Handeln und der beruflichen Aufgabe als Vorgesetzter im Vordergrund (vgl. dass die mitarbeiter erwarten...). E schließt ihren Redebeitrag, eingeleitet durch das Nexus-Adverb also, mit einer Zusammenfassung der dargestellten Erfahrung vorerst ab (Z. 121-127). Die Aussage resümiert sowohl den Führungsstil der Spanier (Z. 121-124) als auch die Erwartungshaltung, die dadurch gegenüber dem Handeln deutscher Vorgesetzter besteht (Z. 125-127). Die Charakterisierung der Situation in Spanien erfolgt erneut über die Negation gewohnter, deutscher Verhaltensweisen. Dazu wird (erstmals!) eine explizite Charakterisierung des deutschen Führungsstils formuliert, und zwar in Form einer Substantivierung einer relativ langen Verbalphrase mit dass-Adjunkt (dieses sich darauf verlassen dass der mitarbeiter das schon im auge behält). Durch den Minderungs-Komperativ in der Formulierung weniger stark ausgeprägt zeigt E eine Vergleichsperspektive an. Die Darstellung der Erwartungshaltung der spanischen Mitarbeiter scheint mit der Verwendung des komparativen Grad-Adverb eher an diese Formulierung eines Vergleichs anzuschließen. Bezogen auf das Subjekt des ersten Satzteiles (diese sich darauf verlassen...) macht der Satz jedoch keinen Sinn, denn er würde genau das Gegenteil dessen ausdrücken, was zuvor gesagt wurde. In Z. 126 wird die problematische Satzkonstruktion repariert, das Substantiv kontrollelemente wird als Subjekt des zweiten Satzteils ‘nachgeliefert’. Die allgemeine Charakterisierung der Situation in Spanien sowie der Erwartungshaltung zeichnet sich auch hier insgesamt durch eine neutrale Darstellung (ist hier, wird) und Generalisierungen (deutlich weniger stark) aus. Auf den deutschen und spanischen Kulturkontext wird nicht mithilfe expliziter Referenzausdrücke verwiesen. Allerdings zeigt der deiktische Ausdruck hier (wie bereits in Z. 56 und 66) eine lokale Verankerung der Aussage und damit einen Bezug zum kulturellen Kontext an.
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
Zusammenfassung: Innerhalb von E’s Redebeitrag konnten verschiedene Interaktionssequenzen bzw. kommunikative Aufgaben herausgearbeitet werden. Nachdem E einleitend ihre individuelle Differenzerfahrung bewertet und damit N in seinen Empfindungen emotional unterstützt (das hab ich damals auch so empfunden), stellt sie aus ihrer Perspektive kontrastierend typische Verhaltensweisen bzw. Charakteristika der deutschen und spanischen Arbeitsweise dar (strukturiert arbeiten vs. geprägt durch fremde störungen) und entwickelt dadurch eine gemeinsame Problemsicht und Einschätzung der Situation (Z. 54-75). Bereits in diesem Absatz und noch einmal explizit zu Beginn des nächsten beanspruch E für sich einen deutlichen Erfahrungsvorsprung und erläutert N aus dieser Position heraus Konsequenzen aus der erfahrenen Arbeitsweise für den Verlauf von Arbeitsprozessen (Z. 77-92: Gefahr des aus den Augen Verlierens) und den Umgang mit Mitarbeitern (Z. 93-101: es wird stärker kontrolliert). Schließlich leitet E durch die Darstellung eigener Probleme mit dem spanischen Führungsstil (is mir am anfang=n bisschen schwergefallen) zur Frage nach dem Umgang mit den beschriebenen Unterschieden über (Z. 102-120). Sie empfiehlt N implizit, den spanischen Führungsstil zu übernehmen. Dazu betont sie zum einen, dass eine entsprechende Handlungsweise (Kontrolle) von spanischen Mitarbeitern erwartet wird, zum anderen dass ein anderer (wohl eher deutscher) Führungsstil zu Problemen führen (böse überraschungen geben) kann. Abschließend (Z. 121-126) resümiert E verallgemeinernd den konstatierten Unterschied bezüglich des Führungsstils (is hier deutlich weniger stark ausgeprägt) sowie die Handlungserwartung bzw. Handlungsempfehlung (wird auch eher erwartet).
4.2 Systematisierung der Analyseergebnisse In der Beispielanalyse in 4.1 wurde illustriert, wie in einer gesprächslinguistischen Sequenzanalyse Schritt für Schritt kommunikative Auffälligkeiten in den Äußerungen der Gesprächspartner sowie deren Funktionen im Gesprächskontext beschrieben werden. Im Folgenden möchte ich kurz auf die im Rahmen des Methodenkapitels (2.1 und 2.2) behandelte Frage zurückkommen, wie aus solchen Sequenzanalysen ein systematisches Beschreibungsmodell entwickelt wurde (4.2.1). Anschließend erläutere ich die Systematik des Modells zur Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten (4.2.2) und gebe einen Überblick, wie die Ergebniskapitel aufgebaut sind (4.2.3).
4.2 Systematisierung der Analyseergebnisse
141
4.2.1 Analyseprozess und induktive Modellbildung Im Zusammenhang mit der Darstellung des methodischen Vorgehens der Gesprächsanalyse in 2.1.2 wurden die einzelnen Schritte erläutert, die Gesprächsanalytiker gehen, um von der sequenzanalytischen Bearbeitung einzelner Gesprächsausschnitte zu einer systematischen Modellbildung zu gelangen. Diese waren auch für unser Projekt maßgebend: 1.
2.
3.
Mithilfe des Instruments der Sequenzanalyse wurden Gespräche bzw. Gesprächsausschnitte aus dem Korpus wie in der Beispielanalyse in 4.1 illustriert bearbeitet (Einzelfallanalysen). Anschließend führten vergleichende Analysen zwischen einzelnen Gesprächsausschnitten zu Verallgemeinerungen im Hinblick auf die Verwendung bestimmter kommunikativer Formen und deren Funktionen (vergleichende Analysen). Schließlich wurden aus den Ergebnisse aus den Sequenzanalysen und den vergleichenden Analysen ein systematisches Beschreibungsmodell entwickelt (Modellbildung).
Zur Systematisierung der Analyseergebnisse wurde auf ein Modell von Hausendorf (2000a, Hausendorf/Quasthoff 1996) zurückgegriffen, das die Rekonstruktion kommunikativer Aufgaben, Verfahren und Formen bestimmter Kommunikationspraktiken anstrebt. Kommunikative Aufgaben sind gemäß diesem Modell Anforderungen, die Gesprächsteilnehmer (bewusst oder unbewusst) bewältigen müssen, um eine mündliche Weitergabe kultureller Erfahrungen zu realisieren. Die einzelnen kommunikativen Aufgaben werden als interaktive Aufgaben aufgefasst, das heißt beide Gesprächspartner leisten einen Beitrag zu ihrer Bewältigung. Die Analysen des Datenmaterials haben ergeben, dass sich den Auslandsentsandten bei der Erfahrungsweitergabe fünf kommunikative Aufgaben stellen:
Aufgabe-1: ‘Erfahrungskompetenzen etablieren’ (Kapitel 5) Aufgabe-2: ‘Relevante Themen einführen’ (Kapitel 6) Aufgabe-3: ‘Kulturelle Prägungen darstellen’ (Kapitel 7) Aufgabe-4: ‘Individuelle Betroffenheit aufzeigen’ (Kapitel 8) Aufgabe-5: ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’ (Kapitel 9)
Das Beschreibungsmodell geht davon aus, dass die Gesprächspartner zur Realisierung dieser Aufgaben verschiedene linguistische Formen verwenden. Der Begriff der ‘linguistischen Form’ bezieht sich auf die Ebene konkreter sprachli-
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
cher Realisierungen, meint also syntaktische, lexikalische und semantische Auffälligkeiten in den Gesprächen. Diese linguistischen Formen lassen sich wiederum zu kommunikativen Verfahren zusammenfassen. ‘Verfahren’ sind formenübergreifende kommunikative Wege oder Lösungen, die der Bewältigung bestimmter Aufgaben dienen. Zum Beispiel ist das ‘Erzählen einer Einzelerfahrung’ ein Verfahren zur Darstellung kultureller Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die ‘Benennung von Themen’ ein Verfahren zur Einführung relevanter Themen. Die Ebene der Verfahren stellt damit die Verbindung zwischen den konkreten sprachlichen Formen und den kommunikativen Aufgaben her. Sie leistet gewissermaßen eine Binnenklassifizierung der zu einer Aufgabe gehörigen Formen (zu einer ausführlicheren Darstellung des Modells vgl. 2.2.2). Die in den folgenden Kapiteln dargestellten kommunikativen Aufgaben, Verfahren und Formen wurden mithilfe der Sequenzanalyse induktiv aus dem Datenmaterial heraus entwickelt. Bei der Präsentation der Analyseergebnisse kann dieser Prozess der induktiven Modellbildung nicht im Detail nachvollzogen werden. Ziel ist es vielmehr, die im Verlauf des Analyseprozesses entwickelten Aufgaben und ihre Realisierungsformen in systematischer Form zu präsentieren und anhand von Ausschnitten aus dem Datenmaterial zu illustrieren (zum Verhältnis zwischen Analyseprozess und Ergebnispräsentation in der Gesprächsanalyse vgl. 2.1.2). 4.2.2 Systematik der Aufgaben, Verfahren und Formen Zur Systematisierung der für die fünf Aufgaben verwendeten Verfahren und Formen erwies es sich als sinnvoll, diese auf einer Skala mit den Polen der ‘Explizitheit’ und ‘Implizitheit’ zu ordnen. Das heißt die einzelnen Verfahren wurden im Hinblick darauf unterschieden, wie explizit oder implizit die jeweilige Aufgabe durch sie bearbeitet wird. Eine Aufgabe wird stärker ‘explizit’ bearbeitet, wenn die entsprechenden Aussagen zur Bearbeitung der Aufgabe semantische oder syntaktische Informationen enthalten, die deutlich auf die Bearbeitung dieser Aufgabe schließen lassen. Beispielsweise wird in der Aussage „Ich rate Ihnen, geben Sie einem Spanier immer zwei Tage mehr als einem Deutschen.“ explizit deutlich, dass der Sprecher hier einen Ratschlag formuliert. Eine Aufgabe wird eher ‘implizit’ bearbeitet, wenn die sprachliche Äußerung eines Gesprächspartners nur indirekt auf die Bearbeitung einer bestimmten Aufgabe verweist. Der Hörer muss auf Kontextwissen und -informationen zurückgreifen, um die Aussage als Teil der Bearbeitung einer entsprechenden Aufgabe zu interpretieren. Macht zum Beispiel ein Gesprächspartner die Äußerung „Ich persönlich habe hier in Spanien meist auf diese Weise gehandelt und war damit auch recht
4.2 Systematisierung der Analyseergebnisse
143
erfolgreich.“, so enthält diese Äußerung auf der sprachlichen Ausdrucksebene keinen Ratschlag. Aus dem Gesprächskontext lässt sich jedoch schließen, dass hier die Aufgabe ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’ bearbeitet wird. Die Auffassung der expliziten und impliziten Aufgabenbearbeitung ist nicht absolut, sondern vielmehr relativ zu verstehen. Das heißt die einzelnen Verfahren lassen sich auf einer Skala von einer eher expliziten hin zu einer eher impliziten Aufgabenbearbeitung ordnen. Ein Verfahren ist insofern als Verfahren einer ‘stärker expliziten’ oder ‘expliziteren Aufgabenbearbeitung’ oder einer ‘stärker impliziten’ oder ‘impliziteren Aufgabenbearbeitung’ zu bezeichnen. Auch einzelne Formen innerhalb eines Verfahrens können Ausdruck einer expliziteren oder impliziteren Aufgabenbearbeitung sein (vgl. zum Beispiel die Kommentare zum Verfahren des ‘expliziten Aussprechens von Handlungsempfehlungen’ in 9.3.1). Ohne dass auf die linguistische Tradition der Begriffe ‘explizit’ und ‘implizit’ im Detail eingegangen werden kann, sollen hier einige wichtige Bezugspunkte für die verwendete Terminologie dargestellt werden: Die Auffassung der Begriffe geht insgesamt zurück auf das Konzept direkter und indirekter Sprechakte bei Austin (1975) und Searle (1982). Beide Autoren unterscheiden zwischen ‘expliziten’ oder ‘direkten’ Sprechakten auf der einen Seite und ‘impliziten’ oder ‘indirekten’ Sprechakten auf der anderen Seite.71 Dabei hat Austin (1975) deutlich gemacht, dass die direkte, explizite Verwendung von Sprechhandlungen im Gesprächsalltag eher die Ausnahme darstellt. Er widmet sich insbesondere der Beschreibung explizit performativer Sprechakte. Das Konzept impliziter oder indirekter Sprechakte wird bei ihm lediglich durch das Fehlen einer explizit performativen Formel gefasst. Explizit performative Sprechakte finden wir laut Austin vor allem in institutionellen Kontexten, da hier die äußeren Bedingungen häufig eine eindeutige Formulierung verlangen. Das Konzept der indirekten Sprechakte wird genauer charakterisiert bei Searle (1982). Searle versteht unter indirekten Sprechakten Äußerungen, die zwei Illokutionen (kommunikative Handlungen) implizieren, die sprachlich ausgedrückte und die intendierte. Entsprechend sind die impliziten Verfahren in unserer Systematik konzeptualisiert: Beispielsweise werden mit dem impliziteren Verfahren des ‘Demonstrierens des individuellen Erfahrungshintergrunds’ (mindestens) zwei sprachliche Handlun-
71
Die Begriffe ‘explizit’ und ‘direkt’ bzw. ‘implizit’ und ‘indirekt’ können nach unserer Auffassung gleichgesetzt werden. Auch in der Forschungsliteratur werden sie häufig alternativ bzw. in ähnlicher Bedeutung verwendet. Austin (1975) spricht eher von explizit performativen Verben, Searle (1982) dagegen definiert indirekte Sprechakte. Harras (1983) setzt diese Konzepte zueinander in Beziehung und konzeptualisiert indirekte Sprechakte in Rückgriff auf Austins Konzept der explizit performativen Verben.
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4. Beispielanalyse und Modellbildung
gen realisiert, die eigene Erfahrungskompetenz wird hervorgehoben und die Aussage des Gesprächspartners bewertet (vgl. 5.3.3). Zentrale Bedeutung erlangen die Begriffe der ‘Implizitheit’ bzw. ‘Indirektheit’ und ‘Explizitheit’ bzw. ‘Direktheit’ in der linguistischen Höflichkeitsforschung (z.B. Haferland/Paul 1996, Held 1995, 1992, Brown/Levinson 1987). Die genannten Autoren fassen implizite oder indirekte Formulierungen als tendenziell höflicher auf als explizite oder direkte Formulierungen. Haferland/Paul (1996: 21) weisen dabei allerdings darauf hin, dass der Begriff der Indirektheit nicht unmittelbar von Searle übernommen werden kann. Denn nur eine bestimmte Gruppe der indirekten Sprechakte im Sinne Searles hat mit Höflichkeit zu tun. Beispielsweise handelt es sich bei der Äußerung „Da ist die Tür!“, die nach der Auffassung Searls als indirekter Sprechakt aufzufassen ist (sprachlich ausgedrückte Illokution: „Ich zeige Dir, wo die Tür ist“, intendierte Illokution: „Geh raus!“), keineswegs um eine höfliche Äußerung. Laut Haferland/Paul (1996) muss man unterscheiden zwischen der Indirektheit von Sprechakten im Sinne Searles und dem Phänomen der kommunikativen Indirektheit, das für den Höflichkeitsgrad von Äußerungen relevant ist. Relevant für den Aspekt der Höflichkeit ist, inwiefern in einer Äußerung „kommunikativ indirekt[e] und elliptisch[e]“ Sprechakte (ebd.: 23) verwendet werden. Gemeint sind damit Sprechakte, „bei deren wörtlicher Interpretation Hintergrundwissen ergänzt werden muss, um sie rekonstruieren zu können“ (ebd.: 23) und bei denen dem Gesprächspartner ein Handlungs- und Entscheidungsspielraum zugestanden wird (ebd.: 22). Ein Beispiel für eine höfliche Formulierung durch kommunikative Indirektheit ist die Äußerung „Kannst Du mir einen Bleistift geben?“. Der Satz formuliert wörtlich eine Frage, impliziert jedoch (indirekt) eine Bitte. Die Äußerung ist elliptisch, denn der Adressat muss eine Handlungsaufforderung ergänzen, um die Aussage als Bitte zu interpretieren. Ihm wird dabei ein größerer Handlungsspielraum offen gelassen als bei der expliziten Aufforderung „Gib mir einen Bleistift!“. Darin liegt die Höflichkeit der Aussage begründet. Der Aspekt der kommunikativen Indirektheit spielt auch für einige unserer Verfahren eine zentrale Rolle. Beispielsweise unterscheiden sich die Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge darin, wie deutlich der Sprechakt des Ratschlagens in der Äußerung wird, wie viel Hintergrundwissen ergänzt werden muss und wie viel Handlungsspielraum dem Gesprächspartner gelassen wird (vgl. 9.3). Alternativ zum Begriff der ‘Indirektheit’ oder ‘Implizitheit’ verwendet von Polenz (1988) den Begriff des ‘hintergründigen Satzinhalts’. Darunter versteht er „Satzinhalte bzw. Satzinhalts-Teile, die nicht ‘auf den ersten Blick’ zu erkennende Inhalte der tatsächlich geäußerten Wörter und Satzkonstruktionen sind, Inhalte, die im sprachlichen Ausdruck unberücksichtigt sind, aber zu ihm hinzuge-
4.2 Systematisierung der Analyseergebnisse
145
dacht werden müssen“ (von Polenz 1988: 302). Das Konzept des ‘hintergründigen Satzinhalts’ steht dem der indirekten Sprechhandlung sehr nahe. Hausendorf (2000a) greift für seine Klassifikation linguistischer Mittel und Formen auf die Begriffe der interaktiven Vorder- und Hintergründigkeit zurück. Er unterscheidet, „ob die durch ein jeweiliges Mittel [= Verfahren] geleistete Aufgabenerledigung (stärker) im Vordergrund oder (stärker) im Hintergrund der Interaktion stattfindet“ (Hausendorf 2000a: 127). Hinter- und Vordergrund stehen für ihn dabei „für die Pole einer Skala zunehmender interaktiver ‘Relevanz’“ (ebd: 128).72 Steht die Aufgabenerledigung bei einer Formulierung stärker im Vordergrund, so besitzt sie an dieser Stelle größere interaktive Relevanz. Hausendorf weist darauf hin, dass Vordergrund und Hintergrund der Interaktion häufig mit der Explizitheit und Implizitheit der Aufgabenerledigung einhergeht. In unseren Gesprächen hängt die Verwendung eines bestimmten Verfahrens bei einigen Aufgaben mit der Frage nach einem angemessenen Höflichkeitsniveau zusammen (insbesondere bei den Aufgaben ‘Erfahrungskompetenzen etablieren’, ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’, ‘Kulturelle Prägungen darstellen’). Daher erscheint es sinnvoll im Gegensatz zu Hausendorf die Begriffe der ‘Explizitheit’ und ‘Implizitheit’ zu verwenden, die einen Zusammenhang zur linguistischen Höflichkeitsforschung herstellen. 4.2.3 Aufbau der einzelnen Aufgabenkapitel Ziel der Kapitel 5 bis 9 ist eine systematische Darstellung der Analyseergebnisse zu den fünf zentralen kommunikativen Aufgaben der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten. Anhand von Gesprächsausschnitten sollen die Verfahren und Formen erläutert und diskutiert werden, die die Gesprächspartner zu ihrer Realisierung verwenden. Die fünf Aufgabenkapitel sind nach der folgenden Struktur aufgebaut: 1.
2.
72
Im ersten Abschnitt wird jeweils die Aufgabe definiert, und es werden relevante linguistische Forschungsbezüge aufgezeigt. Dies ergänzt die Darstellung des Forschungsüberblicks in Kapitel 1 um linguistisch-theoretische Bezüge, die für die einzelnen Aufgaben relevant sind. Der zweite Abschnitt geht auf spezifische Aspekte der jeweiligen Aufgabe ein. Dabei werden zum Beispiel Begrifflichkeiten der Aufgabenbenennung genauer in den Blick genommen, gesprächsexterne Einflüsse, die sich in
Hausendorf orientiert sich dabei grundlegend an der innerhalb der Textlinguistik geprägten unterscheidung von ‘Horizont’ und ‘Fokus’ bzw. ‘Thema’ und ‘Rhema’ (vgl. Hausendorf 2000a: 127ff).
146
3.
4.
73
4. Beispielanalyse und Modellbildung
den Gesprächen zeigen, herausgearbeitet oder bestimmte Definitionsaspekte der Aufgabe anhand von Gesprächsausschnitten erläutert. Im dritten Abschnitt werden systematisch die kommunikativen Verfahren und linguistischen Formen vorgestellt, die die Gesprächspartner zur Realisierung der jeweiligen Aufgabe verwenden. Der Abschnitt ist nach den einzelnen Verfahren gegliedert. Für jedes Verfahren werden anhand von Gesprächsausschnitten linguistische Realisierungsformen dargestellt. Entsprechend dem in 4.2.2 dargestellten Systematisierungsschema werden die Verfahren in der Reihenfolge ihrer zunehmender Implizitheit dargestellt. Das heißt zunächst werden die eher expliziten und dann zunehmend implizitere Verfahren dargestellt. Die Aufgabenkapitel schließen mit einem Praxiskommentar, der die zentralen Aspekte der Aufgabe zusammenfasst und dabei insbesondere diejenigen Aspekte herausgreift, von denen man annehmen kann, dass sie aus Sicht der Unternehmenspraxis für das Gelingen einer Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten relevant sind. Es handelt sich um Aspekte, die aus Sicht der Praxis einen gewissen Handlungsspielraum eröffnen, der potenziellen Gesprächspartnern in einem vorbereitenden Training oder Briefing aufgezeigt werden kann. Es werden aus Sicht der Praxis die kommunikativen Herausforderungen formuliert, die sich den Gesprächspartnern in Bezug auf die jeweilige Aufgabe stellen, sowie kommunikative Strategien73 beschrieben, die sie zu deren Bewältigung verwenden. Aufgrund ihres zusammenfassenden Charakters enthalten die Praxiskommentare keine detaillierten Analysen einzelner Gesprächsausschnitte. Sie greifen vielmehr auf die Analysen aus den vorherigen Abschnitten zurück oder betrachten globale Gesprächsverläufe.
Der Begriff der ‘Strategie’ wird in der vorliegenden Arbeit im Gegensatz zu dem des ‘Verfahrens’ für praktisch anwendbare Gesprächsstrategien verwendet. Die beschriebenen Strategien sind entweder mit einem bestimmten Verfahren deckungsgleich, oder es handelt sich um eine Kombination verschiedener Verfahren oder um eine übergeordnete Strategie, die auf einzelne Elemente aus den Verfahren zurückgreift.
5 Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
5.1 Definition und Forschungskontext Eine Voraussetzung dafür, dass man von einer Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten sprechen kann, ist, dass die Gesprächspartner interaktiv eine Erfahrungsasymmetrie zwischen sich aufbauen. Dies impliziert, dass sie einem Gesprächspartner im Hinblick auf ein bestimmtes Gesprächsthema einen umfangreicheren Erfahrungshintergrund und damit eine größere Erfahrungskompetenz zuschreiben als dem anderen. Die aufgezeichneten Gespräche wurden organisiert mit dem Ziel einer interaktiven Erfahrungsweitergabe von demjenigen Auslandsentsandten, der schon länger in Spanien ist, an den, der noch relativ neu ist. Allerdings findet nicht in allen Gesprächen bzw. nicht über die gesamten Gesprächsverläufe hinweg eine solche Erfahrungsweitergabe statt. Teilweise gehen die Gesprächspartner jedoch lokal zu einem Erfahrungsaustausch über, oder das Teilnehmerverhältnis kehrt sich sogar um. So kommt es beispielsweise an einigen Stellen dazu, dass der neue Auslandsentsandte im Hinblick auf ein bestimmtes Thema eine Erfahrungskompetenz für sich beansprucht, die dem Gesprächpartner gleichwertig oder sogar überlegen ist. Infolgedessen kann er einen Erfahrungsaustausch einleiten oder sogar eine umgekehrte Erfahrungsweitergabe, das heißt von dem neueren an den erfahreneren Auslandsentsandten. Unabhängig von dem konkreten Teilnehmerverhältnis und der Frage, ob eine Erfahrungsweitergabe oder ein Erfahrungsaustausch stattfindet, haben die Analysen ergeben, dass in allen Gesprächen eine zentrale Aufgabe für die Beteiligten darin besteht, für sich oder den Gesprächspartner Erfahrungskompetenzen (oder -defizite) im Hinblick auf bestimmte Gesprächsthemen zu etablieren und dadurch ein spezifisches Kompetenzverhältnis zwischen sich zu konstituieren. Es hat sich gezeigt, dass die Gesprächspartner für diese Aufgabe einen erheblichen Formulierungsaufwand betreiben und dass die Aufgabe meist relativ zu Beginn der Gespräche relevant wird. Ich nenne diese erste Aufgabe der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten ‘Erfahrungskompetenzen etablieren’. Gemäß der gesprächsanalytischen Grundüberzeugung ist davon auszugehen, dass Erfahrungskompetenzen nicht als Gesprächsvoraussetzung bestehen, sondern ein Faktor der Kommunikation sind, der im Gesprächsvollzug aktualisiert bzw. erst produziert wird. Das heißt Erfahrungskompetenzen werden von
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
den Gesprächspartnern jeweils lokal und in Bezug auf aktuelle Gesprächsthemen etabliert. Die Etablierung von Erfahrungskompetenzen ist eine interaktiv zu bewältigende Aufgabe, das heißt beide Gesprächspartner leisten einen Beitrag zu ihrer Realisierung. Wie bereits angedeutet, kann man prinzipiell unterscheiden zwischen der Etablierung von Erfahrungskompetenzen für sich selbst (Selbstzuschreibung) und für andere (Fremdzuschreibung). Zeigt ein Gesprächspartner in einer Formulierung an, dass er schon einige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Spaniern gemacht hat, so steht die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen im Vordergrund. Verweist er hingegen darauf, dass der Gesprächspartner immerhin schon drei Monate in Spanien ist, so schreibt er dadurch vor allem dem anderen gewisse Erfahrungskompetenzen zu. Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen der Etablierung vorhandener Erfahrungskompetenzen und derjenigen von Erfahrungsdefiziten im Sinne fehlender Kompetenzen. Beispielsweise kann ein Gesprächspartner darauf verweisen, dass er schon lange in Spanien ist, was auf vorhandene Erfahrungskompetenzen schließen lässt. Oder er betont, dass erst wenige Monate seiner Auslandsentsendung in Spanien vergangen sind, und weist damit auf eigene Erfahrungsdefizite hin. Zwischen den genannten Möglichkeiten bestehen vielfältige Wechselwirkungen. Die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen (ich bin schon relativ erfahren) geht häufig mit der Fremdzuschreibung von Erfahrungsdefiziten einher (der andere ist nicht so erfahren) – und umgekehrt.74 Durch die Kombination der genannten kommunikativen Handlungen entsteht die Teilnehmerkonstellation einer Erfahrungsasymmetrie. Dabei können die Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen und die Selbstzuschreibung von Erfahrungsdefiziten in seperaten Äußerungen realisiert werden (z.B. „Ich bin ja jetzt schon seit drei Jahren hier. – Sie erst seit drei Monaten, richtig?“). Einige kommunikative Verfahren oder sprachliche Formen implizieren aber auch gleichzeitig eine Zuschreibung von Erfahrungskompetenzen für die eigene Person und von Erfahrungsdefiziten für die andere Person (z.B. eine Bewertungen der Aussage des Gesprächspartners: „Sie sagen’s richtig.“, vgl. hierzu 5.3.3). Auch umgekehrt können bestimmte Verfahren und Formen gleichzeitig eine Selbstzuschreibung von Erfahrungsdefiziten und eine Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen darstellen (z.B. Erkundungsfragen: „Gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien im Hinblick auf die Führung vom Mitarbeitern?“, vgl. hierzu 5.3.3). Meist steht bei den Verfahren und Formen jedoch einer der beiden Aspekte im Vordergrund. Für die einzelnen im Folgenden beschriebenen Verfahren und Formen ist daher zu diskutieren, inwiefern sie primär für eine Selbst- oder 74
Dass Selbst- und Fremddarstellung eng ineinander verwoben sind, zeigen auch Spiegel/SpranzFogasy (1999: 219) und Schwitalla (1996: 332).
5.1 Definition und Forschungskontext
149
eine Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen oder für beides verwendet werden und inwiefern durch sie vor allem Erfahrungskompetenzen oder -defizite etabliert werden oder beides. Die beschriebenen alternativen Aspekte der Kompetenzetablierung werden in der Aufgabenkonzeptualisierung alle unter der Bezeichnung der ‘Etablierung von Erfahrungskompetenzen’ zusammengefasst. Der Begriff der Kompetenz bezieht sich dabei also sowohl auf vorhandene als auch auf fehlende Kompetenzen, und mit der Kompetenzetablierung ist sowohl die Selbst- als auch die Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen gemeint. Durch die Kombination der beschriebenen Optionen und in Anwendung der noch zu beschreibenden kommunikativen Verfahren können die Gesprächspartner somit auf vielfältige Weise ein asymmetrisches (oder auch vorübergehend symmetrisches) Teilnehmerverhältnis herstellen. Das Spektrum derjenigen Bereiche, für die die Gesprächspartner Erfahrungskompetenzen etablieren, ist nicht allzu breit. In den Gesprächen wird insbesondere auf Aspekte der kulturellen bzw. interkulturellen Kompetenz, der institutionellen Kompetenz sowie der Auslandsentsendungs-Kompetenz Bezug genommen (vgl. 5.2.1). Die einzelnen Kompetenzen werden an unterschiedlichen Stellen der Gespräche relevant und teilweise in Konkurrenz zueinander gestellt. Die Etablierung von Erfahrungskompetenzen hängt eng mit der lokalen Konstitution von Teilnehmerrollen im Gespräch zusammen. Diese Teilnehmerrollen stehen jedoch in Wechselwirkung mit sozialen und situativen Rollen und Identitäten der Beteiligten, die diese im Gespräch aktualisieren und bearbeiten. Bevor die Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen in 5.3 im Einzelnen dargestellt werden, soll daher in 5.2.2 und 5.2.3 anhand von Beispielen gezeigt werden, inwiefern in den Gesprächen auf soziale und/oder situative Rollen als Beteiligungs- und Kompetenzvoraussetzungen zurückgegriffen wird. Linguistische Forschungsbezüge Innerhalb der Linguistik gibt es relativ wenig Forschung zu Verfahren der Etablierung von Kompetenzen und Kompetenzunterschieden im Gespräch. Für die Experten-Laien-Kommunikation (vgl. z.B. Brünner 2005, Busch 1994, Wichter 1994) sind Kompetenzunterschiede zwar grundlegend, jedoch werden hier meist Gesprächskontexte betrachtet, in denen die Kompetenzunterschiede durch soziale und institutionelle Rollen geprägt sind (z.B. Arzt-Patient, Lehrer-Schüler), so dass ein geringerer Formulierungsaufwand für die Etablierung von Kompetenzen nötig ist. Als Experte gilt in der linguistischen Experten-Laien-Forschung meist jemand, der aufgrund seiner Ausbildung über ein bestimmtes Spezialwissen verfügt (vgl. z.B. Brünner 2005: 90). Eine wichtige Frage ist, wie solches Spezi-
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
alwissen verständlich an Laien weitergegeben werden kann. Es werden vor allem Einflüsse der Kompetenzunterschiede auf das Sprachverhalten beschrieben (vgl. Fachsprachenforschung), weniger umgekehrt die Konstitution von Kompetenzunterschieden durch kommunikatives Verhalten. Ausführliche gesprächsanalytische Analysen zu Kompetenzunterschieden in der Interaktion hat Furchner (1997) durchgeführt. Sie interessiert sich für Verfahren zur Relevantsetzung von Kompetenz und Kompetenzunterschieden im Gespräch, unabhängig vom jeweiligen Kompetenzbereich (sie selbst konzentriert sich dabei allerdings auf Sprach- und Sachexpertise in Gesprächen zwischen Erst- und ZweitsprachensprecherInnen) und unabhängig von der Gesprächssituation (alltäglich oder institutionell). Furchner unterscheidet grundsätzlich zwischen global zugeschriebenen Kompetenzen und der lokalen Zuschreibung von Wissen bzw. Nichtwissen. Einige der von ihr beschriebenen Verfahren finden sich auch in den Gesprächen zur Weitergabe kultureller Erfahrungen wieder. Schmitt/Heidtmann beschäftigen sich mit Verfahren zur Konstitution von Hierarchieunterschieden in Arbeitsgruppen (Schmitt 2002, Schmitt/Heidtmann 2002). Zwar basieren Hierarchieunterschiede nicht immer auf Kompetenzunterschieden, aber beide implizieren ein asymmetrisches Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern, das im Gespräch (re)konstituiert werden muss und bestimmte Rechte und Pflichten mit sich bringt. Schmitt/Heidtmann beschreiben, wie Gesprächspartner im Gespräch eine Hierarchieorientierung anzeigen und ein asymmetrisches Verhältnis zwischen den Teilnehmern konstituieren oder rekonstituieren (z.B. durch Äußerungsmodalisierungen und Relativierungen, Reformulierungen, prosodische Mittel etc.). Dabei unterscheiden sie zwischen Formen der „kommunikativen Selbstbeschränkung“ (Hierarchieorientierung der Mitarbeiter) und des „kommunikativen Voluntarismus“ (Hierarchieorientierung der Vorgesetzten). Es finden sich dabei Parallelen zu den im Korpus der vorliegenden Arbeit verwendeten Formen und Verfahren. Anhaltspunkte für die Beschreibung von Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen findet man weiterhin in der linguistischen Forschung zur Selbst- und Fremddarstellung im Gespräch.75 Selbst- bzw. Fremddarstellung meint kommunikatives Handeln, mit dem Menschen sich selbst oder anderen Persönlichkeitseigenschaften zuschreiben. Kompetenz kann ein Aspekt davon sein. In einem engen Zusammenhang zu dem vorliegenden Gesprächskontext stehen die Ausführungen von Spiegel/Spranz-Fogasy (1999) zur Selbstdarstellung im öffentlichen und beruflichen Gespräch. Sie unterscheiden drei verschiedene Arten der Selbstdarstellung in öffentlichen Gesprächen: explizite Selbstaus75
Diese Phänomene wurden laut Spiegel/Spranz-Fogasy (1999: 216) vor allem im Bereich der Stilistik- bzw. Stilisierungsforschung, im Zusammenhang mit Beziehungsaspekten, mit der Gestaltung sozialer Beziehungen sowie mit sozialen Stilen beschrieben.
5.1 Definition und Forschungskontext
151
sagen (z.B. ich als realist), Eigenschaften sprachlicher und sprachbegleitender Aktivitäten (z.B. alltagssprachlicher, nüchterner Gesprächsstil) und übergreifende Eigenschaften des Gesprächshandelns (z.B. Übernahme einer bestimmten Interaktionsrolle). Die Etablierung von Erfahrungskompetenzen hängt bei der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten eng zusammen mit der Frage nach der Rollenund Beziehungskonstitution.76 Für die vorliegende Untersuchung heißt dies, dass die Weitergabe kultureller Erfahrungen spezifische Teilnehmerrollen (die Rolle des ‘Erfahreneren’ und die Rolle des ‘Neuen’) und ein spezifisches Rollenverhältnis zwischen den Gesprächspartnern (Asymmetrie) impliziert. Die Rollen definieren sich hauptsächlich über die Kompetenzen und die Kompetenzunterschiede der Beteiligten. Wird für einen Gesprächspartner an einer bestimmten Stelle eine Erfahrungskompetenz (z.B. im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Spaniern) etabliert, so übernimmt er lokal die Rolle des kulturellen ‘Erfahrungsexperten’77, der dem ‘Neuen’ seine Erfahrungen weitergibt. Allerdings implizieren Relevantsetzungen von Kompetenzen und Kompetenzunterschieden nicht immer spezifische Gesprächsrollen. Furchner (1997: 57, 89) unterscheidet zwischen Kompetenz-Positionen (die nicht zwangsläufig mit entsprechenden Rollen verbunden sind) und Kompetenz-Rollen (wenn die Teilnehmer die Kompetenz für die Interaktion relevant setzen und für konkrete Zwecke nutzen). KompetenzPositionen deuten also allein auf die Existenz von Kompetenzunterschieden hin, während Kompetenz-Rollen Interaktionsrelevanz besitzen (ebd.: 59). Umgekehrt werden die Gespräche beeinflusst durch soziale und situativ-funktionale Rollen, die den Gesprächspartnern jeweils zukommen. Diese haben auch einen Einfluss auf die Prozesse zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen (vgl. 5.2.2 und 5.2.3).
76
77
Auch für Furchner (1997: 331) steht die Relevantsetzung von Kompetenzunterschieden in einem engen Zusammenhang mit der Rollenkonstitution. Sie nennt als Gegenstand ihrer Arbeit das „Rollenhandeln von InteraktantInnen in bezug auf Kompetenz“. Spranz-Fogasy (1997: 37) betont, dass vor allem die Etablierung von Handlungsschemata (und die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten wird hier als sprachliche Aktivität oder Handlungsschema aufgefasst) mit bestimmten Beteiligungsrollen verbunden ist. Der Begriff ‘Experte’ wird hier gemäß eines wissenssoziologischen Begriffsverständnisses betrachtet nicht als „(professioneller) Sachverständiger“, sondern als „jemand, der auf dem in Frage stehenden Gebiet besonders gut Bescheid weiß. Und was ‘besonders gut Bescheid wissen’ heißen soll, bestimmt sich nach dem jeweiligen sozialen Kontext“ (Eberle 1994: 138-139). Hitzler/ Honer/Maeder (1994a: 6) betonen, dass ‘Experte’ eine „soziale Etikettierung“ ist, „die aufgrund spezieller Kompetenzansprüche und/oder Kompetenzunterstellungen vorgenommen wird“. Die Rolle des Experten basiert bei dieser Auffassung nicht auf einer institutionellen Zugehörigkeit, sondern jemand gilt als Experte, wenn er „glaubhaft zu machen versteht“, dass er über Wissen verfügt.
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
Gesprächsanalytische Ansätze zu Rollen und Beteiligungsrollen im Gespräch (z.B. Schwitalla 2001a, 1996, 1992, Spranz-Fogasy 1997, 1993, Kallmeyer/Schmitt 1996) gehen im Gegensatz zur Soziologie davon aus, dass im Gespräch nicht allein soziale Rollen und Identitäten (z.B. Unternehmensberater, Vater) und situative Rollen (z.B. Interviewer im Radio, geladener Gast in einer Diskussionsrunde) aktualisiert werden, sondern dass die Gesprächspartner lokal bestimmte Beteiligungsrollen für sich etablieren. Diese können zwar auf soziale oder situative Rollen verweisen, werden jedoch erst im konkreten Gesprächskontext und durch das interaktive Handeln der Gesprächsteilnehmer hergestellt. Sie tragen umgekehrt selbst dazu bei, soziale Identitäten und Beziehungen zu definieren (vgl. z.B. Spranz-Fogasy 1997: 37). Die lokal konstituierten Rollen der Gesprächspartner implizieren typische Gesprächshandlungen (z.B. Fragen stellen) sowie bestimmte Rechte und Pflichten im Gesprächsverlauf (z.B. das Recht zu einer bestimmten Redezeit, die Pflicht zur Auskunft) (vgl. z.B. Schwitalla 2001a: 1358, Spranz-Fogasy 1997, 1993). Linguistisch-gesprächsanalytische Ansätze zu Beziehungsdynamiken im Gespräch betonen den Zusammenhang zwischen dem Phänomen der Selbst- und Fremddarstellung und der Konstitution von Rollen. Für sie basiert Beziehungsund Identitätskonstitution auf der Selbst- und Fremddarstellung von Gesprächsteilnehmern in Interaktionen (vgl. z.B. Spranz-Fogasy 1997: 18, Schwitalla 1996). In diesem Sinne etablieren die Gesprächspartner in den aufgezeichneten Gesprächen durch Verfahren der Selbst- und Fremddarstellung nicht nur Kompetenzen und Kompetenzunterschiede im Bezug auf kulturelle Erfahrungen, sondern sie konstituieren für sich die gesprächsspezifischen Teilnehmerrollen des ‘Erfahreneren’ und des ‘Neuen’. Im Folgenden werde ich zunächst anhand von Beispielen aus den Gesprächen drei Aspekte betrachten, die für die Definition und Konzeptualisierung der Aufgabe der Etablierung von Erfahrungskompetenzen von zentraler Bedeutung sind (5.2). Eingehen werde ich auf die Frage, innerhalb welcher Kompetenzbereiche die Gesprächspartner in den Gesprächen Erfahrungskompetenzen etablieren (5.2.1), sowie auf die Fragen, inwiefern soziale (5.2.2) und situativfunktionale Rollen (5.2.3) einen Einfluss auf die Aushandlung von Kompetenzen in den Gesprächen haben. Anschließend werde ich drei kommunikative Verfahren beschreiben, mithilfe derer die Gesprächspartner Erfahrungskompetenzen etablieren (5.3): das Beschreiben (5.3.1), das Anzeigen (5.3.2) und das Demonstrieren (5.3.3) des individuellen Erfahrungshintergrunds. Dabei fasse ich das Beschreiben als das expliziteste Verfahren der Kompetenzetablierung auf, das Anzeigen und das Demonstrieren als zunehmend implizitere Verfahren. Im Praxiskommentar (5.4) fasse ich die Analyseergebnisse zu der Aufgabe zusammen
5.2 Aufgabenspezifika
153
und gehe insbesondere auf kommunikative Herausforderungen und Strategien ein, die für die Praxis relevant sind.
5.2 Aufgabenspezifika 5.2.1 Kompetenzbereiche Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die Kompetenzbereiche, auf die die Gesprächspartner bei der Kompetenzetablierung Bezug nehmen. Eine Tabelle am Ende des Abschnitts führt kurze Beispiele aus den Gesprächen auf, bei denen die Gesprächspartner für die einzelnen Kompetenzbereiche jeweils ein bestimmtes Kompetenzniveau etablieren (im Sinne von Erfahrungskompetenzen oder -defiziten) (vgl. Tabelle 5.1). Auf häufigsten beziehen sich die Gesprächspartner auf den Bereich der kulturellen bzw. interkulturellen Kompetenz.78 Die wissenschaftliche und praktische Diskussion um den Begriff der interkulturellen Kompetenz zeigt, dass es sehr schwer ist, Faktoren dafür zu bestimmen, wann jemanden als interkulturell kompetent gilt.79 Da es in den Gesprächen jedoch primär um die Frage nach der (inter-)kulturellen Kompetenz der Teilnehmer geht, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Gesprächspartner zur Etablierung dieser Kompetenz einen hohen Aufwand betreiben. Die Fremdsprachenkompetenz der Beteiligten wird in den Gesprächen thematisiert, allerdings hat sie nur selten einen Einfluss auf die interaktiven Beteili78
79
‘Kulturelle Kompetenz’ (oder auch ‘Kulturkompetenz’) meint allein das Wissen über eine bestimmte Kultur und die Kompetenz, auf der Basis von Wissen und/oder Erfahrungen Aussagen über die fremde Kultur zu machen (vgl. Rathje 2006, Vester 1996). Der Begriff wird vor allem im Kontext des Sprachlernens und der praktischen Arbeit (z.B. Wirtschaftstrainings, Migrationsarbeit) verwendet. Im Bereich der Wissenschaft ist der Begriff der ‘interkulturellen Kompetenz’ verbreiteter (z.B. Rathje 2006, Thomas 2003, Bolten 2002, Volkmann/ Stierstorfer/Gehring 2002, Herbrand 2000, Lustig/Koester 1999, Kühlmann/Stahl 1998, Moosmüller 1996, Hinz-Rommel 1994, Müller 1993b, Wiseman/Koester 1993). ‘Interkulturelle Kompetenz’ bezieht sich auf die kompetente Interaktion mit Angehörigen der fremden Kultur. Im Kontext dieser Arbeit werden beide Begriffe verwendet, da viele Äußerungen der Gesprächspartner lediglich zeigen, dass sie sich (mehr oder weniger kompetent) über die fremde Kultur äußern können, andere zugleich darauf hindeuten, dass sie in konkreten interkulturellen Kontaktsituationen kompetent handeln. Vgl. hierzu z.B. die Diskussion um das Konzept der interkulturellen Kompetenz in der Zeitschrift „Erwägen, Wissen, Ethik“ (2003) zwischen Alexander Thomas und dreißig anderen Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen. Diskutiert wird die Frage nach relevanten Faktoren für die Bestimmung von interkultureller Kompetenz auch im Zusammenhang mit der Entwicklung von Instrumenten zur Diagnose interkultureller Kompetenz (z.B. Kühlman/Stahl 1998).
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
gungsrollen und impliziert kaum bestimmte Rechte oder Pflichten der Gesprächspartner.80 Mit der Relevantsetzung der Fremdsprachenkompetenz (oder mangelnder Fremdsprachenkompetenz) werden also gemäß der Unterscheidung Furchners hauptsächlich Kompetenz-Positionen, nicht Kompetenz-Rollen etabliert (Furchner 1997: 57, 89, vgl. auch S. 151 dieser Arbeit). Neben der (inter-)kulturellen Kompetenz setzen die Gesprächspartner in den Gesprächen vor allem ihre Auslandsentsendungs- und institutionelle Kompetenz relevant. Für die Auslandsentsendungs-Kompetenz zählt, wie lange und in wie vielen verschiedenen Ländern jemand insgesamt (als Expatriate) im Ausland war. Sie berechtigt zu Aussagen über typische Empfindungen, Erfahrungen und Probleme während einer Auslandsentsendung. Für beide Gesprächspartner wird aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum selben Unternehmen eine bestimmte institutionelle Kompetenz vorausgesetzt. Auf sie wird nur selten explizit verwiesen. Institutionelle Kompetenz meint die Kompetenz im Bezug auf das Handeln in einer bestimmten Institution und impliziert ein Wissen über Strukturen, Abläufe, Ziele, Werte etc. Institutionelle Kompetenz umfasst auch die Kompetenz, eine bestimmte Funktion innerhalb der Institution zu erfüllen (z.B. Kompetenz als Führungskraft). Auch aus der Auslandsentsendungs- und institutionellen Kompetenz leiten die Teilnehmer bestimmte Rechte und Pflichten für sich ab. Von der institutionellen Kompetenz ist die fachliche Kompetenz zu unterscheiden. Sie meint die Kompetenz in Bezug auf ein bestimmtes Fach- oder Arbeitsgebiet (z.B. Marketing, Einkauf, Produktion). Fachliche Kompetenzen werden in den Gesprächen nur selten relevant gemacht und wenn dann nur im Sinne von Kompetenz-Positionen. Sie haben keinen Einfluss auf die interaktiven Beteiligungsrollen der Gesprächspartner. Tabelle 5.1: Bereiche der Kompetenzetablierung Kompetenzbereich
Beispiele aus den Gesprächen
Kulturelle bzw. interkulturelle Kompetenz
- N: ich bin auch nicht ganz unbeleckt was spanien angeht, meine frau is spanierin (FREUND Z. 48ff) - N: ich muss dazu sagen dass meine freundin spanierin is... ich hatte vorher wenig erfahrungen mit dem land aber jetzt dann schon mehr (KOLBER Z. 127ff)
80
Bei den unten aufgeführten Beispielen ist das nur im letzten Ausschnitt der Fall, bei dem E dem Gesprächspartner N eine Besonderheit der spanischen Sprache erklärt. Der Metakommentar des wissen sie vielleicht von ihrer frau bereits zeigt an, dass E einen Wissens- bzw. Kompetenzvorsprung vor N hat, der ihn zu einer Belehrung berechtigt, und ihm damit lokal die Rolle eines Experten der spanischen Sprache zuweist.
5.2 Aufgabenspezifika
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- E: des isch meine erfahrung hier dass sehr über vorschriften gearbeitet wird (LOCKER Z. 260ff) - N: ich hab die unterschiedliche erfahrung in china (ANM Z. 896f) Fremdsprachenkompetenz
- N: ich sprech immer noch sehr schlecht spanisch (KOLBER Z. 337f) - E: die phase des beginns wo du des problem hast dass du sprachlich nicht in der lage bist des zu machen (ANM Z. 661ff) - E: nach einem jahr konnte ich el pais lesen aber noch nicht verstehen (FREUND Z. 594f) - E: wenn sie in der spanischen sprache des wissen sie vielleicht von ihrer frau bereits, die spanische sprache machtn brutalen unterschied...zwischen du und sie (FREUND Z. 820ff)
AuslandsentsendungsKompetenz
- E: warn sie schon häufiger im ausland? – N: fast die ganze zeit meines *industria*lebens im ausland gewesen (ENTSZIEL Z. 62ff) - N: is natürlich schwierig für die familie ich mein sie werdens mit der zeit dann merken (ENTSZIEL Z. 189f) - E: i kann des bestätige was sie erscht gsagt ham des hoch und runter. mir sin die erschte anderhalb jahre hema uns gfühlt wie generalmanager...und dann gings nach unten (FREUND Z. 2187ff)
Institutionelle Kompetenz
- E. ich hatte den eindruck ich hab viele risikofaktoren mitgebracht weil ich halt sprache nicht kannte, ich kannte das werk nich, äh ich kannte die aufgabe hier nich genau, war meine erste führungsposition hier (KOLBER Z. 398ff) - N: ich denke mal dass ihr job ist die mitarbeiter anzuleiten damit se irgendwann die aufgabe übernehmen können oder ja des wissen transferieren in neue projekte die sie hoffentlich irgendwann bekommen (ENTSZIEL Z. 336ff)
Fachliche Kompetenz
- E: was mich gerettet hat am anfang war das wissen was ich transferiert habe aus deutschland...ich glaub wenn ich das nich mitgebracht hätte des heißt wenn ich au noch vom fachfremden bereich gekommen wär dann wärs echt schwierig geworden (KOLBER Z. 404ff)
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
5.2.2 Soziale Rollen und Identitäten In der Aufgabendefinition wurde bereits deutlich, dass die Etablierung von Erfahrungskompetenzen in den Gesprächen eng mit der Konstitution von Teilnehmerrollen zusammenhängt und dass dabei sowohl soziale als auch situativfunktionale Rollen einen Einfluss haben. In diesem Abschnitt (5.2.2) werde ich genauer erläutern, inwiefern die Gesprächspartner in den Gesprächen auf soziale Rollen zurückgreifen, im nächsten auf den Einfluss situativ-funktionaler Gesprächsrollen eingehen (5.2.3). Im Rahmen einer gesprächsanalytischen Rollenauffassung (z.B. Schwitalla 2001a, Spranz-Fogasy 1997, Kallmeyer 1985) kann man davon ausgehen, dass in alle Interaktionen soziale Identitäten und Beziehungen als Voraussetzungen eingehen. Die Beteiligungsrollen der Gesprächspartner sind an bestimmte soziale Identitäten und Beziehungen gebunden, die wiederum mit bestimmten Handlungen, Rechten und Pflichten verbunden sind. Soziale Rollen werden Gesprächspartnern unabhängig von einer bestimmten Gesprächssituation zugeschrieben. Sie basieren auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen oder gesellschaftlichen Gruppe. Soziale Rollen und Identitäten, die in den Gesprächen relevant werden, sind zum Beispiel die des Unternehmensvertreters, der Führungskraft oder des Auslandsentsandten, aber auch die des Familienvaters und des Ehemanns. Die Gesprächspartner nehmen häufig auf solche sozialen Rollen Bezug, ohne dass sich daraus bestimmte Rechte oder Pflichten für den Gesprächsverlauf ergeben. Das folgenden Beispiel zeigt jedoch, dass soziale Rollen einen unmittelbaren Einfluss auf den Interaktionsverlauf haben können. In dem Gespräch fragt N nach E’s Erfahrungen mit der Delegation von Aufgaben an Mitarbeiter. E stellt daraufhin seine Erfahrungen im Team und im Werk insgesamt dar. Er schließt mit folgender Einschätzung: ENTSENDUNGSZIEL: „das ziel ihrer entsendung” (13:41, Z.313) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
E: und sie sehen HIER, (--) in (-) in diesen büros, sehen sie abens ab sieben fast nur noch DEUTsche <
5.2 Aufgabenspezifika 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
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aber auch eben leute wie MICH, N: klar; (--) E: die die dann AUFräumen und das versuchen zu bearbeiten was einfach (-) unbedingt geMACHT werden muss;=[ne? N: [hm=m; E: ich glaub des ist der job (-) da brauchen wir uns nichts VORmachen. der bleibt LIEgen. (---) [ne? N: [.hh E: [den müs (-) den müssen wir dann ABfangen. N: [(da/des) E: dafür SITzen wer hier. (1.0) N: gut (--) ich mein (---) <
Kommentar: In Z. 1-12 beschreibt E die Arbeitsituation in seinem Bereich: Dringende Arbeiten werden meistens nur von Deutschen bis in den Abend hinein aufgearbeitet. N bestätigt die Aussage E’s dreimal (Z. 5, 9, 13), nicht nur durch einfache Rückmeldesignale (hm=m), sondern auch durch das stärkere Rückmeldesignal klar, das deutlich eine Zustimmung zur Situationsdarstellung ausdrückt. Es folgt eine Bewertung E’s, in der er die Situation akzeptiert (Z. 14-16) und eine mögliche Hoffnung oder Behauptung, man könne die Situation ändern, zurückweist (da brauchen wir uns nichts vormachen). Die Pause in Z. 16 mit folgendem Fragepartikel ne? zeigt an, dass E offenbar eine erneute Zustimmung erwartet. Diese bleibt jedoch aus. Vielmehr setzt N zu einer eigenen Aussage an (vgl. sein Einatmen in Z. 17). E reformuliert daraufhin seine Überzeugung und geht in seiner Bewertung sogar noch einen Schritt weiter, indem er das Aufarbeiten unerledigter Aufgaben als eine seiner Aufgaben, seiner jobs darstellt (den müs den müssen wir dann abfangen) und, nachdem N noch einmal zu einer Gegenaussage ansetzt (Z. 19), letztlich als ein Ziel seiner Auslandsentsendung (dafür sitzen wer hier). Das Personalpronomen wir (Z. 14, 18, 20) verweist darauf, dass er diesen Job bzw. dieses Ziel nicht nur für sich selbst, sondern für eine Gruppe von Leuten bestimmt. Es bleibt offen, ob mit wir er und andere Mitarbeiter im Büro gemeint sind
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
(vgl. die Formulierung leute wie mich, Z. 8) oder er und der Gesprächspartner N oder insgesamt die deutschen Auslandsentsandten im Werk. Die relativ lange Pause in Z. 21 deutet auf eine Unstimmigkeit zwischen den Gesprächspartnern hin. Es erfolgt keine Bestätigung durch N und keine Rücknahme oder Einschränkung der Aussage durch E. Ab Z. 22 formuliert N dann eine deutliche Kritik an der Aussage E’s. Er schwächt seine Aussage zunächst ab durch ein einleitendes Zögern, die modalisierenden Floskeln gut und ich mein sowie einen ironischen Darstellungsmodus (lachender Tonfall). Die Kernaussage s=ja eigentlich nicht das ziel ihrer entsendung stellt jedoch einen Vorwurf gegenüber E dar und impliziert eine erhebliche Gesichtsbedrohung (und zwar in Form einer relativ direkten Bedrohung des ‘positive face’ im Sinne von Brown/Levinson 197881). Der Verweis auf das ziel ihrer entsendung verschiebt die Diskussion von der Frage nach kulturspezifischen Verhaltensweisen hin zu der Frage nach einem angemessenen, unternehmenskonformen Verhalten im Arbeitskontext. N wirft E vor, dass seine Sichtweise nicht der des Unternehmens entspreche und dass er nicht im Sinne des Unternehmens handle. E reagiert auf die Gesichtsbedrohung mit einer Zustimmung (nee das ist nicht das ziel), die streng genommen einen Widerspruch zu seiner Aussage in Z. 20 darstellt (dafür sitzen wer hier). Dies lässt sich damit erklären, dass E hier versucht, sein Ansehen als Führungskraft wieder herzustellen. Der Widerspruch könnte darauf hindeuten, dass E die Aussage in Z. 20 nicht ganz ernst gemeint hat. Wie beschrieben enthält die Argumentation E’s in Z. 1-20 ja eine gewisse Steigerung (Situationsdarstellung, Bewertung als unvermeidlich, Bewertung als Ziel der Entsendung). Möglicherweise lässt sich N zu dieser Steigerung und letztlich der Aussage in Z. 19 vor allem durch eine fehlende Bestätigung durch N verleiten. In Z. 25-28 setzt N seine (gesichtsbedrohende) Kritik an E fort, indem er E’s Aufgabe (job) aus seiner Sicht definiert. Durch die Verwendung des Possessivpronomens in der 3.Ps.Sg. (ihr job, Z. 23, 25, im Gegensatz zu wir, Z. 14, 18, 20) distanziert sich N deutlich von der Sichtweise und dem Handeln E’s. Auffällig ist die gehäufte Verwendung von positiv konnotierten Ausdrücken und Floskeln aus dem Unternehmens- und Führungskräftejargon (ihr job ist, die mitarbeiter anzuleiten, aufgaben übernehmen, wissen transferieren in neue projekte, vgl. auch Z. 23: ziel ihrer entsendung), mit denen N implizit auf seine soziale Rolle als Unternehmensvertreter und Führungskraft verweist. Mit seiner Aussage stellt er sich selbst als Führungskraft dar, die die Werte und Ziele des Unternehmens vorbildlich verinnerlicht hat, er betreibt also ‘positive facework’ für sich selbst (vgl. Brown/Levinson 1978, Goffman 1967, 1955). 81
Brown/Levinson (1978) gehen unter Rückgriff auf Goffman (1967, 1955) davon aus, dass jedes Individuum über ein bestimmtes ‘face’ oder Image verfügt, das in der Interaktion mit anderen geschaffen bzw. bearbeitet wird. Sie unterscheiden zwischen zwei Arten des ‘face’: dem ‘positive face’ als dem eigenen Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung und dem ‘negativ face’ im Sinne eines Bedürfnisses nach einem Schutz der persönlichen Privatsphäre. Gesichtsbedrohungen (sogenannte ‚face-threatening acts’) können nach Brown/Levinson beide Aspekte des ‚face’ betreffen. Sie unterscheiden weiterhin zwischen verschiedenen Graden der Direktheit von Gesichtsbedrohungen (‘baldly on record’, ‘on record with redressive action’, ‘off record’). Strategien der ‘positive politeness’ dienen der Wahrung des ‘positive face’, Strategien der ‘negative politeness’ der Wahrung des ‘negative face’.
5.2 Aufgabenspezifika
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Nach einer Pause und einer Verlegenheitsrückmeldung E’s (ja?), steigert N in Z. 31-32 noch einmal seine Kritik, indem er das Verhalten E’s mit einer Negativfloskel aus dem Unternehmensjargon beschreibt (den edelsachbearbeiter zu machen) und auf die mangelnde Kompetenz E’s als Führungskraft hinweist. Die Kritik wird dabei durch eine herauszögernde Pause, den lachenden Tonfall und floskelartig-ironisch eingeschobene Partikel (nicht hier, etwas zu teuer) verstärkt. Die abschließende Verwendung des Personalpronomens wir verweist explizit darauf, dass die Situation für beide Gesprächspartner gleich ist, N jedoch im Gegensatz zu E als Führungskraft angemessen zu reagieren weiß. Nachdem E seine Einstellung vorgestellt hat, lehnt E diese Strategie zum Umgang mit Spaniern deutlich ab und schlägt erneut eine alternative Strategie vor (sich mit den leuten versuchen zu arrangier=n). Der Verweis auf den eigenen Erfahrungshintergrund (die erfahrung die ich hier gemacht hab ist dass) ist hier als Reaktion auf den Widerspruch und die Infragestellung seiner Kompetenz und damit auf die Gesichtsbedrohung zu sehen und besitzt eine deutlich legitimierende Kraft. E verweist implizit auf die Erfahrungskompetenz, die er über die situative Rolle zugewiesen bekam.
N stellt also in dem Abschnitt für die Einschätzung, wie mit der Situation in Spanien umzugehen ist, die institutionelle Kompetenz über die kulturelle Kompetenz. Durch den Verweis auf seine soziale Rolle als Führungskraft etabliert er für sich eine institutionelle Kompetenz, die ihn lokal dazu berechtigt, sich kritisch gegenüber E zu äußern. Der Ausschnitt enthält mehrere direkte Gesichtsbedrohungen N’s gegenüber E (‘face-threatening acts’, vgl. Brown/Levinson 1978). Er etabliert für sich die interaktive Beteiligungsrolle des erfahrenen und vorbildlichen Unternehmensmitarbeiters, der den weniger kompetenten Gesprächspartner belehren und kritisieren darf. Zusammenfassung: Anhand eines Gesprächsausschnitts wurde gezeigt, wie in den Gesprächen soziale Rollen (z.B. Unternehmensvertreter, Führungskraft, Auslandsentsandter) als Beteiligungsvoraussetzung mit geringem Formulierungsaufwand aktualisiert werden können. Diese Aktualisierung sozialer Rollen kann zur Etablierung von Kompetenzen und Teilnehmerrollen beitragen, die wiederum bestimmte Rechte für die entsprechende Person mit sich bringen (z.B. Kritik am Gesprächspartner). 5.2.3 Situativ-funktionale Gesprächsrollen Nicht nur soziale Rollen beeinflussen als Beteiligungsvoraussetzungen die Etablierung von Erfahrungskompetenzen in den Gesprächen, sondern auch situativfunktionale Gesprächsrollen. Dies sind Rollen, die den Gesprächspartnern für ein bestimmtes Gespräch oder Gesprächsthema aufgrund einer spezifischen Eignung oder Funktion zukommen. Sie sind nicht an eine institutionelle Zugehörigkeit oder soziale Rolle gebunden, sondern meist an ein spezielles Wissen oder eine spezielle Erfahrung (z.B. Fachexperte bei einer Podiumsdiskussion, Interviewer
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5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
im Radio, Augenzeuge eines bestimmten Vorfalls) (vgl. z.B. Schwitalla 2001a: 1358). Auch situativ-funktionale Rollen kovariieren mit interaktiven Beteiligungsrollen in Gesprächen und implizieren bestimmte Handlungen, Rechte und Pflichten für die Interaktion (z.B. das Recht, länger oder öfter zu sprechen, Themen einzuführen, Gesprächsbeiträge anderer zu bewerten etc.) (Schwitalla 2001a: 1358). Während der Gesprächsvorbereitung und in der Gesprächseinleitung wurden für die Gesprächspartner der aufgezeichneten Gespräche bestimmte situativfunktionale Rollen etabliert. Bestimmte Personen wurden aufgrund ihres individuellen Wissens ausgewählt, nämlich deutsche Auslandsentsandte, die bereits seit mindestens einem Jahr in Spanien sind. Ihnen kommt für die Gespräche die situativ-funktionale Gesprächsrolle des Erfahrungsexperten (für die Zusammenarbeit mit Spaniern) zu, der seine Erfahrungen an neue Auslandsentsandte weitergeben soll. Den jeweils anderen Gesprächspartnern wird für die Gespräche aufgrund ihres (vermeintlichen) Nicht-Wissens im Bezug auf die Arbeit in Spanien und mit Spaniern die Rolle des Neuen, Unerfahrenen zugeschrieben. Anhand von zwei Gesprächsausschnitten möchte ich im Folgenden zeigen, wie in dem Gespräch FREUNDSCHAFT zunächst in der Gesprächseinleitung die situativ-funktionalen Rollen der Beteiligten etabliert werden (Ausschnitt 1) und diese unmittelbar anschließend durch die Teilnehmer rekonstituiert werden (Ausschnitt 2). Die Beteiligungsrollen des ‘Neuen’ und des ‘Erfahreneren’ wurden in den Gesprächseinleitungen jeweils auf vergleichbare Weise durch die Forscherin eingeführt. Der folgende Ausschnitt (1) zeigt repräsentativ anhand eines Gesprächs, wie eine solche Rollenetablierung realisiert wurde. FREUNDSCHAFT: „wenn man neu ist im ausland” (00:07, Z.6) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
F: die iDEE (.) ist einfach bei der SAche dass es für jemand (--) kennt jeder wenn man NEU ist im ausland (--) ähm (--) intresSANT sein kann mit jemandem zu SPREchen der schon LÄNger da ist.= =der einfach schon mehr erFAHrungen (-) HAT, (--) vor ORT, (-) GRAD=i’ speziell im WERK jetzt AUCH, (1.0) ((...)) was SIE glauben was erFAHrungen sind die (--) ähm (-) für jemand der eben relativ NEU da is (--) vielleicht WERTvoll sein können um (--) EFfektiv <
5.2 Aufgabenspezifika
161
Kommentar: In dem Ausschnitt erläutert F den beiden Gesprächspartnern, warum das Gespräch zwischen ihnen organisiert wurde (die idee ist einfach bei der sache). In Z. 2-4 werden dabei zunächst auf allgemeiner Ebene, das heißt nicht in Bezug auf die konkreten Interaktionspartner (vgl. das Indefinitpronomen jemand), zwei komplementäre Gesprächsrollen konstituiert, die sich über die Länge der bisherigen Auslandserfahrung in Spanien definieren. Einem Gesprächspartner kommt die Rolle desjenigen zu, der neu ist im ausland, dem anderen die von jemandem...der schon länger da ist der einfach schon mehr erfahrungen hat vor ort. Die Hauptakzente des Satzes heben die zentralen Bestimmungskriterien für die Rollen hervor (NEU, LÄNger, erFAHrungen vor ORT). Das Kriterium der Länge der Auslandserfahrung und der Menge an Erfahrungen wird relevant gesetzt und bestimmt die Rollen, die den Gesprächspartnern situativ für das Gespräch zukommen. In Z. 9-16 bezieht F die Rollen konkret auf die Gesprächspartner und reformuliert noch einmal deren Spezifik bzw. leitet aus ihnen konkretere Aufgaben und Funktionen für das Gespräch ab. In Z. 9 wird mit dem betonten Personalpronomen SIE dem einen Gesprächspartner die Rolle des Erfahreneren zugewiesen, in Z. 13 mit dem betonten DU dem anderen Gesprächspartner die des Neuen.82 Dem Erfahreneren wird die Aufgabe zugeschrieben, Erfahrungen zu identifizieren, die für den Neuen vielleicht wertvoll sein können. Aufgabe des Neuen ist es, zu überlegen, über welche ersten Erfahrungen er gerne einmal sprechen würde (da wärs vielleicht interessant mal noch mal mit jemand drüber zu sprechen). Dabei wird auf die beiden Rollen noch einmal in neutraler Weise verwiesen (jemand der eben relativ neu da is bzw. jemand). Gerade die neutralen Formulierungen machen deutlich, dass es um eine funktionale Rolle geht (der Erfahrene), nicht um eine individuelle Gesprächsbeteiligung.
Zwar handelt es sich bei den Rollen des Erfahrenen und des Weniger-Erfahrenen nicht um institutionelle oder soziale Rollen, aber die Rollen sind als situative Gesprächsrollen allgemein verbreitet und bekannt (z.B. aus dem Kontext der Erfahrungsweitergabe von älteren an jüngere Arbeitskräfte im Unternehmen oder auch aus privaten Gesprächen, bei denen beispielsweise Reiseerfahrungen weitergegeben werden), so dass sie mit einem relativ geringen Formulierungsaufwand konstituiert werden können. Vor allem zu Beginn aber auch im Verlauf der Gespräche verweisen die Gesprächspartner selbst stellenweise auf die situativ-funktionalen Gesprächsrollen und leiten daraus teilweise bestimmte Rechte oder Pflichten für sich ab. Der folgende Ausschnitt (2) zeigt, wie die Gesprächspartner in dem gleichen Gespräch unmittelbar nach der Gesprächseinleitung die situativ-funktionalen Gesprächsrollen für sich rekonstituieren und wie dabei erhebliche Kompetenzunterschiede etabliert werden.
82
Die unterschiedliche Adressierung (Sie bzw. du) hängt damit zusammen, dass F den neuen Auslandsentsandten vor dem Gespräch bereits aus einem interkulturellen Vorbereitungstraining kannte, den erfahreneren Auslandsentsandten jedoch nicht.
162
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
FREUNDSCHAFT: „ich bin jetzt seit sechs wochen hier” (00:58, Z.34) 01 02 03 04
F: [( )] N: [also ICH muss ich muss sagen,] ich mein=jetz ich bin jetzt seit (-) SECHS wochen hier. (---) E: <
05 06
N: [aha, (-) (hehe)]= F: [((lachen)) (hehe)]
07 08
N: [=also die zeit die zeit STIMmt fast, (-)] F: [((lachen ))]
09 10 11
N: [s=fast GLEICH, ] E: [((leises lachen))] F: [(hehe) ]
12 13
N: [aber (-)] nur was daHINter steht; F: [hh=ja, ]
14 15
N: [des stimmt nich GANZ. (1.0)] F: [j=genau. ((hehe))]
16 17
N: [aber=ich] bin auch nicht ganz UNbeleckt was spanien angeht, F: [hm; ]
18 19 20 21
N: meine FRAU is spanierin. (---) [oder(--)] E: [<
22 23 24
E: [((leises lachen)) ] F: [<
Kommentar: N setzt in Z. 2 zu einer individuellen Einschätzung an. Bevor er seine eigentliche Aussage formuliert, modalisiert er diese in einem Einschub durch einen Verweis auf die Zeit, die er bisher in Spanien ist. Die Zeitspanne wird nicht bewertet (z.B. durch ein schon oder ein erst), so dass der Einschub entweder als Legitimierung der folgenden Aussage verstanden werden kann (im Sinne von ‘ich bin ja immerhin schon seit sechs Wochen da’) oder als Einschränkung (im Sinne von ‘ich kann natürlich nur eine vorläufige Aussage machen, da ich erst sechs Wochen da bin’). Auch die Einleitungsmodalisierung ich mein lässt beide Interpretationen zu. E reagiert, indem er darauf verweist, dass er schon sehr viel länger in Spanien ist (Z. 4). Er bestimmt die Aussage N’s damit eindeutig als einschränkende Floskel. Der ausgesprochen große Gegensatz zwischen sechs Wochen und acht Jahren (E ist innerhalb des Korpus derjenige Auslandsentsandte, der mit Abstand am längsten in Spanien ist) verleiht der Aussage E’s eine besonders starke, fast ironische Wirkung. Hinzu kommt, dass die große Differenz nicht nur (wie bei einer kleineren Differenz anzunehmen) in den Zahlen, sondern vor allem auch in der Zeiteinheit (Wochen, Jahre) liegt. Die Wirkung der Aussage wird unterstützt durch die Intonation in tiefem Tonhöhenregister, die kurze, präzise Formulierung sowie die syntaktische Parallelkonstruktion (die Satzkonstruktion N’s wur-
5.2 Aufgabenspezifika
163
de lediglich verkürzt: ich bin jetzt seit sechs wochen hier – ich [bin jetzt] seit acht jahren [hier]). Mit seiner Aussage inszeniert sich E selbst(herrlich) als Experte. Zugleich wirkt die Aussage deutlich gesichtsbedrohend für N. N und F reagieren auf die Gesichtsbedrohung mit einem Lachen, das hier eine gesichtswahrende bzw. konfliktabschwächende Funktion besitzt.83 N formuliert daraufhin in Z. 7-14 explizit einen Aspekt der bereits beschriebenen Erklärung dafür, warum die Aussage E’s eine so starke Wirkung hat (die Differenz liegt vor allem in der Zeiteinheit, nicht in den Zahlen). Diese Explizierung deutet auf eine Unsicherheit seinerseits hin. Mit seiner expliziten Beschreibung der Wirkung der Aussage schwächt er zugleich ihr gesichtsbedrohendes Potenzial ab. Das begleitende Lachen und die Zustimmungen F’s (Z. 8, 11, 13, 15) unterstützen ihn dabei und besitzen ebenfalls eine gesichtswahrende Funktion. In Z. 14 lacht auch E leise. Dieses Lachen wirkt jedoch, auch aufgrund der unterschiedlichen Intonation, fast ‘hämisch’.84 In Z. 16-18 hat N seine Unsicherheit überwunden und setzt zu einem (erneuten) Versuch an, eine gewisse Erfahrungskompetenz für sich zu etablieren. Im Gegensatz zu dem selbstbewussten Darstellungsmodus E’s beschreibt N seinen Erfahrungshintergrund vorsichtiger (vgl. die modalisierenden Partikel und die Negativformulierung in auch nicht ganz unbeleckt). Wieder reagiert E kurz und präzise, diesmal mit kürzerer Pause und in Unterbrechung N’s (er zieht das Rederecht regelrecht an sich). Wieder stellt seine Reaktion eine verkürzte Parallelkonstruktion zu der Aussage N’s dar (meine [frau is] auch [spanierin]), und wieder spricht er in tieferem Tonhöhenregister. Auch diese Reaktion impliziert eine deutliche Gesichtsbedrohung gegenüber N. Die kurze Reaktion N’s in Z. 21 (auch), sein anschließendes Schweigen sowie die Verlegenheitsfloskel mensch (wie schon zuvor das auch mit Akzent) deuten auf eine anhaltende Unsicherheit N’s hin.
Der Ausschnitt illustriert also den zweimaligen Versuchs N’s, eine Aussage zu formulieren und dabei für sich eine individuelle Erfahrungskompetenz zu etablieren, die gerade nicht den vorgegebenen situativen Rollen entspricht (sechs Wochen heißt immerhin nicht ganz neu, die Frau ist Spanierin). In beiden Fällen geht E nicht auf diese individuelle Erfahrungskompetenz N’s ein, sondern aktualisiert vielmehr die in der Gesprächseinleitung schon vorgezeichneten situativfunktionalen Gesprächsrollen. Durch die beschriebene Darstellungsmodalität (kurze Aussagen, Parallelkonstruktionen zu N, tiefes Tonhöhenregister, Lachen) hebt er die extremen Erfahrungsunterschiede und damit die Rollenungleichheit der Gesprächspartner hervor. Er realisiert mehrere direkte Gesichtsbedrohung gegenüber N (‘face-threatening acts baldly on record’, Brown/Levinson 1978). Was in dem Gesprächsausschnitt nicht mehr nachvollzogen werden kann, in dem 83
84
Auch Furchner (1997: z.B. 31, 65, 205) beschreibt Lachen als typische imagewahrende Maßnahme im Kontext der Konstitution von Kompetenzunterschieden. Insgesamt wird die imagewahrende Funktion von Lachen vielerorts hervorgehoben (z.B. Schwitalla 2001b: 33f bzw. 336f sowie die Verweise dort). Dass Lachen sowohl zum Schutz als auch als Bedrohung des fremden Face eingesetzt werden kann, zeigt auch Schwitalla (2001b).
164
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
gesamten Gespräch jedoch deutlich wird, ist, dass E aus seinem Erfahrungsvorsprung erhebliche Rechte für sich ableitet (z.B. das Recht, Gesprächsthemen einzuführen, sehr viel länger als der Gesprächspartner zu sprechen, Persönlichkeitsmerkmale des Gesprächspartners einzuschätzen, Prophezeiungen aufzustellen etc.), die eher auf eine Belehrung hindeuten als eine Erfahrungsweitergabe (vgl. hierzu 5.4.2). Zusammenfassung: Anhand von zwei Ausschnitten aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT wurde gezeigt, wie die Forscherin in den Gesprächseinleitungen bestimmte situativ-funktionale Rollen für die Gesprächspartner etabliert (die Rolle des ‘Erfahreneren’ und des ‘Neuen’) und inwiefern die Gesprächspartner diese im Verlauf des Gesprächs aufnehmen und rekonstituieren. Sie verweisen vor allem dann auf ihre situativ-funktionalen Rollen, wenn sie aus ihnen bestimmte Rechte für das Gespräch ableiten (z.B. Rederecht) oder ihre Erfahrungskompetenz hervorheben möchten (z.B. um ihre Einschätzung gegenüber der des Gesprächspartners aufzuwerten).
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen Bisher wurde in diesem Kapitel zunächst die Aufgabe der Etablierung von Erfahrungskompetenzen definiert und linguistische Forschungsbezüge wurden aufgezeigt (5.1). Das Unterkapitel der Aufgabenspezifika ging darauf ein, für welche Kompetenzbereiche die Gesprächspartner Erfahrungskompetenzen etablieren (5.2.1) und welchen Einfluss soziale (5.2.2) und situativ-funktionale (5.2.3) Rollen auf die Kompetenzetablierung haben. Im Folgenden werden nun drei kommunikativen Verfahren dargestellt, die die Gesprächspartner zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen verwenden: 1. 2. 3.
Beschreiben des individuellen Erfahrungshintergrunds (5.3.1) Anzeigen des individuellen Erfahrungshintergrunds (5.3.2) Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds (5.3.3)
Das ‘Beschreiben des individuellen Erfahrungshintergrunds’ meint die explizite Darstellung des Erfahrungshintergrunds eines der Gesprächspartner (z.B. ich bin jetzt seit drei Wochen hier). Das ‘Anzeigen‘ erfolgt vor allem über Äußerungsmodalisierungen (z.B. ich glaube, meine, habe die Erfahrung gemacht dass) und ist dabei deutlich impliziter. Das impliziteste Verfahren ist schließlich das ‘Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds’ durch bestimmte beziehungsdynamische kommunikative Handlungen (z.B. eine Bewertung der Aussage des Gesprächspartners). Im Sinne des in 4.2.2 dargestellten Systematisie-
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
165
rungsschemas werden die Verfahren damit in der Reihenfolge ihrer zunehmenden Implizitheit dargestellt.85 Durch das Etablieren (geringerer oder größerer) Erfahrungskompetenzen konstituieren die Gesprächspartner in den Gesprächen lokal für sich bestimmte Rollen im Hinblick auf die Weitergabe kultureller Erfahrungen. Bei der Darstellung der einzelnen Verfahren wird daher auch darauf einzugehen sein, welche Rollen die Gesprächspartner etablieren und welche Rechte und Pflichten sie daraus ableiten. Eine Tabelle am Ende des Unterkapitels gibt einen Überblick über die dargestellten Verfahren mit Beispielen aus allen Gesprächen. 5.3.1 Beschreiben des individuellen Erfahrungshintergrunds Im Zusammenhang mit der Erläuterung der Rekonstitution situativ-funktionaler Rollen in 5.2.3 habe ich an einem Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT gezeigt, dass eine explizite Beschreibung des konkreten Erfahrungshintergrunds in Spanien bzw. mit Spaniern zur Etablierung von (vorhandener) Erfahrungskompetenz beiträgt. N verweist in dem Ausschnitt zunächst neutral darauf, wie lange er schon in Spanien ist (ich mein=jetz ich bin jetzt seit sechs wochen hier) und etabliert dann durch den Verweis auf biographische Umstände (ich bin auch nicht ganz unbeleckt was spanien angeht, meine frau is spanierin) für sich eine gewisse Erfahrungskompetenz. E beansprucht jedoch für sich eine größere Kompetenz, indem er die situativ-funktionalen Gesprächsrollen aufgreift. Die Etablierung einer (wenn auch geringen) Erfahrungskompetenz in der ersten Aussage N’s macht er mit dem Verweis auf den enormen Unterschied der Länge des bisherigen Aufenthalts in Spanien zunichte (ich seit acht jahren). Das zweite Argument N’s schaltet er durch Gleichziehen aus (meine auch). Damit zählt als Kriterium lediglich der unterschiedlich lange Aufenthalt in Spanien. Der individuelle Erfahrungshintergrund wird hier also durch eine lokale Angabe (ich bin hier) mit temporaler adverbialer Bestimmung (seit sechs wochen) sowie durch ein Gattungsprädikat in Bezug auf eine nahestehende Person (meine frau is spanierin) bestimmt. Auch in der Beispielanalyse in 4.1 wurde gezeigt, inwiefern die explizite Beschreibung des konkreten Erfahrungshintergrunds N’s zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen beiträgt. Die Frage nach ersten erfahrungen sowie der Verweis auf die konkrete Länge des bisherigen Aufenthalts (schon fast drei mo85
Eine ähnliche Systematik, die deutliche Parallelen zu den hier vorgestellten Verfahren der Kompetenzetablierung aufweist, schlagen Spiegel/Spranz-Fogasy (1999: 220) vor. Sie unterscheiden drei Arten der Selbstdarstellung im Gespräch: (a) explizite Selbstaussagen, (b) Eigenschaften sprachlicher und sprachbegleitender Aktivitäten und (c) übergreifende Eigenschaften des Gesprächshandelns.
166
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
nate=ne? oder zwei) dient der Etablierung einer gewissen, aber noch geringen Erfahrungskompetenz für N und deutet zugleich auf die Diskrepanz zum Erfahrungshintergrund E’s hin. In dem Ausschnitt, der bei der Beispielanalyse ausgelassen wurde, erläutert N seinen biographischen Erfahrungshintergrund im Bezug auf Spanien etwas genauer: KOLLEGIALE BERATUNG: „dass meine freundin spanierin is” (06:22, Z.127) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
N: also die’ (-) die ers’ (-) ich muss (-) dazu sagen dass meine FREUNdin spanierin is. (--) E: ah okay. [((lacht)) ((lacht)) ] N: [des heißt sie is HALB spanierin halb deutsche.] (-) E: <
Kommentar: Zuvor wurde nur die Frage thematisiert, wie lange N schon in Spanien ist. In Z. 1-2 führt N nun, nachdem er zunächst zu einer Antwort ansetzt, als weiteren relevanten biographischen Aspekt die Tatsache an, dass meine freundin spanierin is (Gattungsprädikat86 im Bezug auf eine nahestehende Person). Er unterbricht sich dabei in seiner Aussage und verwendet die modalisierende Einleitungsfloskel ich muss dazu sagen. Die Formulierung deutet darauf hin, dass er einen Aspekt anführt, den E vermutlich nicht erwartet (und der auch nicht der für ihn konstituierten situativ-funktionalen Gesprächsrolle des Neuen, Unerfahrenen entspricht). Mit ihrer Rückmeldung (ah okay mit anschließendem Lachen) bekräftigt E, dass der Aspekt relevant, auffällig und erwähnenswert ist. E erkennt damit außerdem eine höhere Erfahrungskompetenz für N an. In Z. 4 nimmt N die etablierte Erfahrungskompetenz wieder etwas zurück. E’s gemäßigtere Rückmeldung (hmhm) deu-
86
Zum Begriff des Gattungsprädikats vgl. von Polenz 1988: 164.
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
167
tet jedoch darauf hin, dass sie dieser Einschränkung weniger Gewicht gibt als der grundsätzlichen Tatsache, dass N’s Freundin spanischen Ursprungs ist. In Z. 8 zögert N zunächst, gibt dann jedoch weitere Erläuterungen, inwiefern der biographische Umstand, dass seine Freundin Halbspanierin ist, ihm eine bestimmte Erfahrungskompetenzen verleiht. In zwei Absätzen (Z. 8-14 und Z. 16-21) stellt er jeweils einen fördernden und einen einschränkenden Aspekt im Hinblick auf seine Erfahrungskompetenz gegenüber. Beide Absätze sind als Fokusoppositionen strukturiert (vgl. aber in Z. 10 und 17).87 Dabei entwirft er über die beiden Absätze hinweg ein zeitliches Raster zur Unterscheidung mehrerer Kompetenzlevel. Folgende Zeitpunkte bzw. Phasen werden unterschieden: Im ersten Absatz wird dem Zeitpunkt des Kennenlernens (Z. 8-9, 10: des war vor drei... vor drei=n=halb jahr=n) die Zeit vor dem Kennenlernen gegenüber gestellt (Z. 10-14: vorher). Zum Zeitpunkt des Kennenlernens war N in spanien, was eine gewisse Vorerfahrung mit Spanien (und damit Erfahrungskompetenz) impliziert. Diese schränkt er jedoch mit der Angabe, dass er vorher noch nie in Spanien war, sofort wieder ein. Im zweiten Absatz wird der Zeit vor dem Kennenlernen (Z. 16: vorher) die Zeit zwischen Kennenlernen und Auslandsentsendung in Spanien gegenüber gestellt (Z. 18: jetzt, 19: bevor ich hierherkam). Hier sagt N explizit, dass er vorher wenig erfahrungen hatte, jetzt natürlich dann schon mehr. E erkennt das von N für sich etablierte Kompetenzlevel mit ihrer Rückmeldung in Z. 23 wieder an.
N etabliert also für sich in dem Ausschnitt durch die explizite Beschreibung seines Erfahrungshintergrunds eine gewisse Erfahrungskompetenz. Trotzdem erhält er (durch verschiedene Einschränkungen) eine Erfahrungsasymmetrie im Verhältnis zu E aufrecht. Auffällig ist, dass Erfahrungskompetenzen in beiden Absätzen, obwohl es eigentlich um den Kontakt zu Spaniern geht, an dem Aufenthalt in spanien, also an einer lokalen Präsenz festgemacht werden (Z. 8: in spanien, 12-13: in spanien, nach spanien, in spanien, 18: zu ihr=n eltern, 20: in spanien). Auch wenn N in Z. 15 explizit den Begriff ‘Erfahrung’ verwendet, bezieht er sich auf das Land als lokale Größe, nicht auf Personen (vgl. die Personifizierung Spaniens in der Formulierung erfahrungen=mit dem land). Der personale Kontakt zu Spaniern (zur Freundin, zu den Eltern) wird implizit deutlich, N verleiht jedoch der lokalen Präsenz in Spanien eine größere Bedeutung als dem persönlichen Kontakt. Der Verweis auf eine lokale Präsenz in Spanien steht auch bei dem folgenden Beispiel im Vordergrund:
87
Fokusoppositionen sind zweiteilige Äußerungsformate, bei denen jeweils ein relevanzabgeschwächter Teil einem relevanzhochgestuftem Teil gegenüber gestellt wird (vgl. Kallmeyer/Schmitt 1996). Relevanzhochgestuft wird hier im ersten Absatz die völlig fehlende Spanienerfahrung vor dem Kennenlernen der Freundin, im zweiten Absatz der Erfahrungshintergrund durch die spanische Freundin.
168
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
ENTSENDUNGSZIEL: „war=n sie schon häufiger im ausland” (04:54, Z.62) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
E: war=n (-) wa (.) war=n sie schon HÄUfiger im ausland?= [oder is-] N: [ja. (-) ] JA ja. (-) E: [(ja.)] N: [fast ] die ganze zeit meines *industria*lebens im AUSland gewesen. ich war lange in CHIna, ich war in FRANKreich, (--) ich war zuletzt in OSTdeutschland, F: [hmhmhm. N: [<
Kommentar: Auf die Frage E’s nach N’s bisheriger Auslandserfahrung (Z. 1) reagiert N zunächst mit einer dreifachen Bejahung (Z. 3-4). Es folgt eine allgemeine Aussage, bei der N die lokale adverbiale Bestimmung aus der Frage (im Ausland) aufnimmt und diese mit einer temporalen adverbialen Bestimmung (fast die ganze zeit meines industrialebens) beantwortet (Z. 6-7). Das Fehlen von Subjekt und Prädikat (ich bin) verleiht der Aussage eine besondere Schärfe und unterstützt damit die Etablierung von Erfahrungskompetenz für N. Anschließend führt N vier Orte auf, an denen er bereits war, teilweise mit temporaler adverbialer Bestimmung, wie lange er dort war (Z. 8: lange, Z. 14: drei=n halb jahre). Die Parallelkonstruktion der ersten drei Angaben (ich war [ggf. Tempusadverb] in [Land/Stadt]), die Ironie in Z. 12 und 15-16 sowie die verstärkende Floskel sage und schreibe (Z. 13) unterstützen die Wirkung der Aussage.
Auch in diesem Ausschnitt etabliert N für sich Erfahrungskompetenzen durch den Verweis auf die lokale Präsenz in Spanien (ggf. mit temporaler adverbialer Bestimmung). Zusammenfassung: Anhand der Analyse der Beispiele konnte gezeigt werden, wie die Gesprächspartner durch die explizite Beschreibung von Vorerfahrungen mit der spanischen Kultur Erfahrungskompetenzen etablieren.88 Für diese 88
Furchner (1997: 308, 313) führt aus, dass explizite Zuschreibungen von Kompetenz in ihrem Korpus eher die Ausnahme darstellen. Wenn sie auftauchen, werden sie häufig strategisch eingesetzt und besitzen vor allem eine lokale Wirkung (ebd.: 314, 335). Sie beschreibt konkreter lokale Präzisierungen des Wissensstands, die für die Erledigung der jeweils anstehenden Aufgaben erforderlich sind (z.B. Verweis auf Auslandsaufenthalt) (ebd.: 310), explizite Kompetenzzuschreibungen, die auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie beruhen (z.B. berufliche, institutionelle Position, Nationalität etc.) (ebd.: 308-309) sowie explizite Kompetenzzuschreibungen in Form von ‘formulations’, die einen Kenntnisstand zum Ausdruck brin-
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
169
Erfahrungskompetenzen wird vor allem die lokale Präsenz in Spanien relevant gemacht (lokale + ggf. temporale adverbiale Bestimmung), sekundär ein intensiver Kontakt zu Spaniern (z.B. Gattungsprädikat in Bezug auf nahestehende Person: meine freundin ist spanierin). Meist etablieren die Gesprächspartner mit dem Verfahren für sich selbst Erfahrungskompetenzen, seltener auch für den Gesprächspartner (vgl. Beispielanalyse in 4.1: ich meine gut dezember is ja auch sch=etz schon fast drei monate.=ne?). Mit dem Verfahren werden hauptsächlich vorhandene Erfahrungskompetenzen etabliert, gelegentlich auch Erfahrungsdefizite (vgl. du bisch ja noch=e paar tage da, LOCKER Z. 1541). Das Verfahren dient häufig der Rekonstitution der situativ-funktionalen Gesprächsrollen, wobei vor allem Abweichungen von den mit den Rollen verbundenen Erwartungen dargestellt werden. In den betrachteten Beispielen wurde das Verfahren jeweils in Bezug auf die Rolle N’s verwendet. Dies ist kein Zufall, denn die Rollendefinition von N ist deutlich präziser (keine Erfahrungen) als die E’s (mehr Erfahrungen). Daher sind Abweichungen von den Rollenerwartungen durch individuelle Umstände häufiger und erläuterungsbedürftig. 5.3.2 Anzeigen des individuellen Erfahrungshintergrunds Ein weiteres Verfahren neben dem Beschreiben des individuellen Erfahrungshintergrunds besteht darin, dass die Gesprächspartner anzeigen, dass sie ‘Erfahrung haben’ bzw. dass ihre Aussagen auf eigenen Erfahrungen basieren. ‘Anzeigen’ meint im Gegensatz zum ‘Beschreiben’ eine implizitere Form des Verweises auf den individuellen Erfahrungshintergrund. Es erfolgt vor allem durch die Verwendung entsprechender Äußerungsmodalisierungen (z.B. ich hab die Erfahrung gemacht, gemäß meiner Erfahrung, so kenn ich das, ich hab das Gefühl, ich finde etc.).89 Eine bestimmte Modalisierung von Aussagen sagt etwas über die beanspruchte Erfahrungskompetenz des Sprechers aus. Wenn zum Beispiel ein Sprecher sagt ‘ich habe den Eindruck, dass...’, dann beansprucht er weniger Erfahrungskompetenz für sich als wenn er sagt ‘ich habe die Erfahrung gemacht, dass...’ oder ‘inzwischen weiß ich, dass...’.
89
gen, der von den kategoriengeleiteten Kompetenzzuschreibungen abweicht und insofern nicht erwartbar ist (ebd.: 313). Auch Spiegel/Spranz-Fogasy (1999: 221) betonen, dass mit expliziten Selbstaussagen häufig soziale Kategorien aufgerufen werden. In der traditionellen Grammatik beschreibt der Bereich der ‘Modalität’ die Einstellung des Sprechers zur Aussage. Es kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen Sprechhandlungstypen bzw. Verben, die ein ‘Für-Wahr-Halten’ ausdrücken (z.B. behaupten, wissen, überzeugt sein, hinweisen, mitteilen), und solchen, die kein ‘Für-Wahr-Halten’ beanspruchen (z.B. fragen, vermuten, annehmen, glauben, für wahrscheinlich halten). In der Sprechakttheorie wird dieser Bereich als ‘propositionale Einstellung’ diskutiert, in der deutschsprachigen Sprachpragmatik ist der Begriff der ‘Sprechereinstellung’ üblich (von Polenz 1988: 212-215).
170
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
Auch Furchner (1997: 54 und 57-58) betont, dass Gesprächspartner „durch die Modalität ihrer Äußerungen unterschiedliche Kompetenzen hinsichtlich [bestimmter] Sachgebiete“ markieren. Sie unterscheidet zwischen der Darstellung von Fakten/Wissen, Vermutungen, Einschätzungen, Nicht-Wissen etc. Dabei geht sie jedoch nicht näher darauf ein, mit welchen Modalisierungsformen welches Kompetenzniveau angezeigt wird. Schmitt/Heidtmann (2002) arbeiten die Bedeutung von Äußerungsmodalisierungen für die Konstitution von Hierarchie heraus. In der Beispielanalyse in 4.1 wurden bereits Aussagen betrachtet, bei denen mithilfe von Modalisierungen, die den Erfahrungsbegriff enthalten, Erfahrungskompetenzen etabliert wurden (z.B. gemäß meinen erfahrungen). An folgendem Beispiel lässt sich gut zeigen, wie unterschiedliche Modalisierungen (durch die Verwendung unterschiedlicher Verben bzw. Verbalphrasen) ein unterschiedliches Erfahrungs- bzw. Kompetenzniveau anzeigen können, da in dem Abschnitt der Lernprozess und damit Erfahrungsfortschritt E’s nachvollzogen wird. Ich werde im Folgenden ausschließlich die Formulierungen kommentieren, die der Modalisierung von Aussagen über kulturspezifische Verhaltensweisen, Eigenschaften, Abläufe, Zustände etc. dienen. Diese sind in dem Abschnitt durch Unterstreichung hervorgehoben. KOLLEGIALE BERATUNG: „was mir übrigens auch aufgefallen is” (24:08, Z.586) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
N: was mir übrigens AUCH aufgefallen is is dass (---) aber des LIEGT viellL:EICHT an unser=m geSCHÄFTSbereich.= =des WEISS ich nich, (---) is dass=ähm (-) HIER sehr LANge gearbeitet wird. ((...)) E: ICH sehe hier einen ziemlich starken generaTIOn=nterschied. (---) N: [hm=m; E: [also (-) bisschen ABhängigkeit w’ auch von den verTRÄgen die die leute haben. (--) ich SEhe viele junge LEUte, (--) die sich !SEHR! sehr engagieren.= =also die MORgens früh ANfangen; (--) bis [SPÄT abends ARbeiten; N: [((räuspert sich)) E: und (-) also ECHT so: (--) ALles GEben, (-) N: [hm=m, E: [und (.) aber ich sehe auch EInige leute (-) die halt also (--) beQUEme verTRÄge haben; und die dann also SCHON: auch sagen okay jetzt is::t=äh acht stunden UM, jetzt stempel ich AUS. (--) N: hm=m.
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72
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E: also (--) insgeSAMT war ich über die ANzahl der stunden das=s vierzig STUNden war=n pro woche (--) auch am anfang=n bisschen überRASCHT, das kam mir VIEL vor, (---) ähm (--) aber mit der ZEIT wurde der blick en differenz’ (-) en bisschen differenZIERter, und=s ham=m: (-) sich (--) viele LEIStungsträger heRAUSkristallisiert,= =aber die ANderen wurden dann irgendwann AUCH sichtbar. (--) die sieht man am ANfang vielleicht NICH so. weil die gehen so STILL nach hauseoder- (-) N: hm=m; E: die nimmt man vielleicht nich so WAHR, (--) so dass ich am anfang AUCH gedacht habe <
172
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
Kommentar: In Z. 1 beginnt N einen neuen thematischen Abschnitt, indem er etwas beschreibt, das ihm an seinem neuen Arbeitsplatz auffällt. Mit dem Verb auffallen zeigt er dabei ein Kompetenzniveau an, das seiner situativ-funktionalen Gesprächsrolle als Neuer entspricht (er hat erste erfahrungen gemacht, vgl. Beispielanalyse in 4.1). E reagiert auf N’s Darstellung, indem sie die Situation aus ihrer Sicht beschreibt. Sie verwendet dazu zunächst dreimal das Verb sehen (Z. 6, 11, 18), das einen unmittelbaren Wahrnehmungsmodus und damit einen eher geringen Erfahrungswert anzeigt. Das Verb sehen steht im Präsens, was darauf hindeutet, dass sie eine aktuelle Sichtweise darstellt. Die erste der drei Äußerungen beinhaltet die Hauptaussage (ich sehe hier einen ziemlich starken generation=nunterschied), die beiden folgenden differenzieren diese Aussage (ich sehe [einerseits] viele junge leute, ich sehe auch [andererseits] einige leute die...). Ab Z. 24 differenziert E zwischen Sichtweisen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Auslandsentsendung. Die Darstellung der eigenen Reaktion auf die Situation zu Beginn ihrer Entsendung (vgl. Präteritum, am anfang) in Z. 24-27 enthält ein Empfindungsverb (war ich...überrascht). Dieses zeigt damit ebenfalls einen geringen Erfahrungswert an. E begibt sich hier gewissermaßen auf ein Erfahrungslevel mit N und bestätigt ihn in seiner Empfindung (das Verb auffallen ist im Bezug auf das Erfahrungsniveau sehr nahe zu überraschen). In Z. 28-37 nimmt E den Modus der visuellen Wahrnehmung wieder auf (Z. 28: der blick, Z. 31: sichtbar, Z. 32: sieht man, vgl. Z. 6, 11, 18: sehen) bzw. verwendet den übergreifenden Begriff der Wahrnehmung (Z. 37: nimmt man vielleicht nich so wahr). Dabei bezieht sie sich teilweise wieder auf die Situation zu Beginn ihrer Auslandsentsendung, was dem niedrigen Kompetenzniveau, das mit diesen Verben etabliert wird, entspricht (Z. 33: am anfang). In Z. 28-29 stellt sie jedoch einen individuellen Lernfortschritt dar. Der Lernprozess wird kommunikativ dargestellt durch ein mutatives Vorgangsprädikat (Z. 28-29: wurde der blick...en bisschen differenzierter)90 in Kombination mit einen adverbialen Ausdruck, der eine Zustandsveränderung anzeigt (Z. 28: mit der zeit). Mit dem Nachvollzug des individuellen Lernfortschritts rekonstituiert E gewissermaßen ihre situativ-funktionale Rolle der erfahreneren Gesprächspartnerin. In Z. 38-42 geht sie über zu einer kognitiven Ebene (so dass ich...gedacht habe, ich glaube). Dabei bezieht sie sich sowohl auf die Anfangszeit (Z. 38: am anfang), als auch ihre jetzige Einschätzung (Z. 42: Verwendung des Präsens). Z. 43-45 enthält eine Vermutung über den spezifischen Kontext N’s. Die Darstellung eines eindrucks deutet dabei wieder auf eine unmittelbare Wahrnehmungsebene und damit ein geringes Kompetenzniveau hin. In Z. 46-49 verwendet sie, wieder im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Sichtweise am anfang, erneut das Verb sehen (vgl. auch bild). In Z. 51-55 kehrt sie zurück zur kognitiven Ebene (Z. 51: verdacht gehabt) bzw. zur Ebene der Empfindungen (Z. 55: überrascht). Ab Z. 58 findet man keine Äußerungsmodalisierungen mehr. E stellt vielmehr dar wie die Situation ist (Z. 58 und 61: die erwartungshaltung is). Als Reaktion auf eine 90
‘Transformative/mutative Vorgangsprädikate’ sind laut von Polenz (1988: 161-162) Prädikatsausdrücke, die Zustandsveränderungen anzeigen. Insgesamt sind Vorgangsprädikate „Aussagen über ein Geschehen, das – im Gegensatz zu Handlungsprädikaten – nicht aus der Absicht eines Handelns entspringt, sondern sich an einem Gegenstand (‘Lebewesen’, ‘Sache’, ‘Abstraktbegriff’) ohne dessen Einwirkung vollzieht, zumindest im Satzinhalt so aufgefasst wird“.
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
173
Aussage N’s reagiert sie sogar mit der sehr entschiedenen Formulierung genau so is=es. Diese Aussage wird durch keinerlei Einschränkung relativiert (z.B. meiner Erfahrung nach, glaube ich).
Anhand des Gesprächsausschnitts lässt sich nachvollziehen, wie E durch die Verwendung unterschiedlicher Verben in Äußerungsmodalisierungen (z.B. Verben der visuellen Wahrnehmung, Empfindungsverben, kognitive Verben) lokal ein unterschiedliches Kompetenzniveau für sich selbst etabliert. Durch die Kontrastierung verschiedener Äußerungsmodalisierungen stellt sie in dem Ausschnitt einen individuellen Lernfortschritt dar. Dies ermöglicht es ihr, einerseits N in seinen Wahrnehmungen zu bekräftigen und dabei andererseits ihren jetzigen Erfahrungsvorsprung deutlich zu machen. An dem Beispiel wird deutlich, dass rahmende Modalisierungen nicht nur der Etablierung von Erfahrungskompetenzen, sondern auch der Relativierung von Aussagen und der Abschwächung von Stereotypisierungen dienen (vgl. hierzu 8.3.1). Das vorangehende Beispiel enthielt vor allem viele modalisierende Verben, die auf eine geringe Erfahrungskompetenz hindeuten. Im folgenden Beispiel beansprucht der Gesprächspartner durch die Verwendung eines bestimmten Verbs für sich eine hohe Erfahrungskompetenz. FREUNDSCHAFT: „inzwischen weiß ich aber wo=s langgeht” (07:24, Z.241) 01 02 03 04 05
E: u::nd inzwischen WEISS ich aber wo=s langgeht; nach ACHT jahren; (--) N: das GLAUB ich. E: BITter [bitter N: [also we=ma=s nach acht jahren nicht weiss;
06 07 08
E: BITter [bitter böse erFAHrungen hier, N: [((lacht)) N: mhm,
Kommentar: E verwendet in Z. 1 das kognitive Verb wissen um seinen Erfahrungslevel anzuzeigen. Die Erfahrungskompetenz E’s wird zusätzlich durch den expliziten Verweis auf den individuellen Erfahrungshintergrund (nach acht jahren) angezeigt sowie den Verweis darauf, dass E mehrere Erfahrungen in Spanien gemacht hat (und zwar negative und besonders intensive Erfahrungen: bitter böse erfahrungen hier). N greift das Verb wissen in Z. 5 auf (= Fremdzuschreibung) und verweist ebenfalls darauf, dass die lange Zeit in Spanien Erfahrungskompetenz mit sich bringt.
Bezieht man die Aspekte aus der Beispielanalyse (4.1) mit ein, so lassen sich folgende Gruppen von Verben bzw. Wahrnehmungsmodi unterscheiden, mit
174
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
denen Gesprächspartner eine bestimmte Erfahrungskompetenz etablieren und einen bestimmten Verallgemeinerungsanspruch aufstellen:91 Verben der Wahrnehmung (z.B. auffallen, wahrnehmen), vor allem der visuellen Wahrnehmung (z.B. sehen), sowie Emotionsverben (z.B. den Eindruck/das Gefühl haben, empfinden, überrascht sein), zeigen eine geringe Erfahrungskompetenz an und werden mit der Kompetenz zu Beginn einer Auslandsentsendung gleichgesetzt. Mit ihnen werden Verallgemeinerungen als vorläufig dargestellt. Kognitive Verben, die eine Meinung wiedergeben (z.B. denken, glauben, finden), deuten bereits auf ein bestimmtes Reflexionsniveau aber immer noch eine eingeschränkte Erfahrungskompetenz hin. Verallgemeinerungen werden mit ihnen ebenfalls als vorläufig dargestellt. Verweise auf Erfahrungen und authentische Erlebnisse (z.B. die Erfahrung gemacht haben, erlebt haben, ist mir persönlich passiert) zeigen eine größere Erfahrungskompetenz an. Mit ihnen wird eine Legitimität von Verallgemeinerungen beansprucht. Kognitive Verben, die auf ein Wissen hindeuten (z.B. kennen, wissen), sowie fehlende Modalisierungen (z.B. es ist so) weisen auf eine hohe Erfahrungskompetenz hin. Mit ihnen werden Verallgemeinerungen als Tatsachen dargestellt. Auch Schmitt/Heidtmann (2002: 200) zeigen, dass Äußerungsmodalisierungen wie ich meine, ich glaube etc. dem Anzeigen einer Unterordnung gegenüber dem Gesprächspartner dienen. Sie beschreiben solche Formulierungsweisen als hierarchieindikatives Verhalten, mit dem der Sprecher anzeigt, dass er den hierarchisch höher gestellten Status des anderen anerkennt („kommunikative Selbstbeschränkung“). Umgekehrt deuten sie das Fehlen einer Modalisierung als Verfahren des „kommunikativen Voluntarismus“, mit dem ein Sprecher einen bestimmten Hierarchieanspruch anzeigt. Zusammenfassung: Neben der expliziten Beschreibungen des individuellen Erfahrungshintergrunds zeigen die Gesprächspartner ihren Erfahrungshintergrund auch implizit an. Ein solches Anzeigen erfolgt meist durch Äußerungsmodalisierungen mithilfe von Verben bestimmter Verbgruppen (z.B. Verben der visuellen Wahrnehmung, Emotionsverben, kognitive Verben, Verben zum Verweis auf Erfahrungen). Das Anzeigen wird in meinem Korpus fast immer für die 91
Von Polenz (1988: 213-215) unterscheidet grundsätzlich zwischen Sprechhandlungstypen und entsprechenden Verben, bei denen der Sprecher die Aussage ‘für wahr hält’ (z.B. behaupten, wissen) und Sprechhandlungstypen bzw. Verben, die nicht mit einem ‘Für-wahr-halten’ verbunden sind (z.B. glauben, vermuten, meinen).
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
175
Selbstzuschreibung eines Kompetenzniveaus verwendet. Mit entsprechenden Verben kann sowohl mehr als auch weniger Erfahrungskompetenz angezeigt werden. Sehr häufig verwenden die Gesprächspartner Äußerungsmodalisierungen gemäß ihrer situativ-funktionalen Gesprächsrolle (z.B. als Neuer: ich habe den Eindruck, das Gefühl, ich finde; als Erfahrenerer: ich habe die Erfahrung gemacht, ich habe es erlebt, mir persönlich ist es passiert, inzwischen weiß ich). Auffällig sind Stellen, an denen die Gesprächspartner Formulierungen entgegen ihrer situativ-funktionalen Rolle verwenden. Hier dient die Rahmung häufig einer Selbstinszenierung als Experte (vgl. das Beispiel aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL in 5.2.2). 5.3.3 Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds Die Gesprächspartner etablieren in den Gesprächen schließlich auch Erfahrungskompetenzen, indem sie durch bestimmte beziehungsdynamische kommunikative Handlungen eigene Erfahrungskompetenzen oder Kompetenzen des anderen demonstrieren. Die Demonstration von Erfahrungskompetenzen erfolgt in den Gesprächen vor allem durch Bewertungen von Aussagen des Gesprächspartners. Richtig-Falsch-Bewertung und Widerspruch Beispielsweise kann ein Sprecher durch eine Richtig-Falsch-Bewertung der Aussage des Gesprächspartners ausdrücken, dass er sich für kompetent hält einzuschätzen, inwiefern die Aussage des Gesprächspartners zutreffend ist oder nicht. Auch Schmitt/Heidtmann (2002: 191, 198) verweisen auf die Rolle von Bewertungen im Umgang mit asymmetrischen Teilnehmerbeziehungen. Sie zeigen, inwiefern eine kritische Bewertung eines Mitarbeiters gegenüber dem Chef eine Infragestellung von Hierarchie impliziert, die durch entsprechende Modalisierungen abgeschwächt werden kann. Da das Verfahren des Demonstrierens in Form von Bewertungen in den Gesprächen vor allem der Selbstzuschreibung (vorhandener) Erfahrungskompetenzen dient, wird es insbesondere dann interessant (und taucht auch vor allem in dem Zusammenhang auf), wenn der weniger Erfahrene die Aussage des Erfahreneren bewertet und sich dadurch als Experte inszeniert. Hierzu ein Beispiel: ENTSENDUNGSZIEL: „sie sagens richtig” (06:10, Z.123) 01 02 03 04 05
N: also KOMmunikation überhaupt kein proBLEM, (--) obwohl ich <
176 06 07
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren N: die DEUTSCHfreundlichkeit is eNORM. E: ne? im vergleich zu FRANKreich (.) unGLAUBlich;=oder?
Kommentar: N etabliert hier für sich selbst zunächst eine (vorhandene) Erfahrungskompetenz, indem er explizit auf eine spezifische Kompetenz verweist (also kommunikation überhaupt kein problem). In Z. 2-3 modalisiert er diese Aussage leicht, dann folgt in Z. 4 eine Bestätigung der dem Ausschnitt vorangehenden Aussage des Gesprächspartners. Auffällig ist dabei die explizite Bewertung der Aussage als ‘richtig’ (sie sagens richtig).
Indem N hier also eine Richtig-Falsch-Bewertung vornimmt, konstituiert er eine entsprechende Rollenkonstellation und für sich lokal die Rolle des Überlegenen, der die Aussage des Gesprächspartners bewerten kann und darf. Richtig-FalschBewertungen werden konventioneller Weise im Unterrichtskontext, vor allem in Prüfungssituationen verwendet. Hier implizieren sie eine (institutionell basierte) Überlegenheit des Bewertenden (Lehrer) gegenüber dem Adressaten der Bewertung (Schüler). Auch Furchner (1997: 242) betrachtet explizite Bewertungen von Aussagen (z.B. als ‘erreur’, als ‘richtig’ oder ‘falsch’) als Mittel zur Konstitution von Kompetenzunterschieden. Sie zeigt dies allerdings anhand von Bewertungen von Experten gegenüber Nicht-Experten. Im vorigen Beispiel äußerte N eine Zustimmung gegenüber E’s Aussage. Dabei wird die situativ-funktionale Rolle E’s als erfahrenerer Auslandsentsandter nur bedingt infrage gestellt. Problematischer wird das Verhältnis der Teilnehmer, wenn N dem Gesprächspartner wie im folgenden Beispiel widerspricht: LOCKERHEIT: „hasch du da erfahrungen gemacht mit den normativas” (11:32, Z.255) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
E: h=hasch du da erFAHrungen gemacht mit den: (--) also (-) WIR nenne des ja immer die normaTIvas.=ne?= =also die (---) die (-) ja die VORschriften;= =die:::N: [NÖ. E: [des des isch hier se:hr (--) des ha’ (.) isch MEIne erfahrung hier, (--) dass SEHR (--) über vorschriften gearbeitet wird. des heißt (--) na ja des (-) die normativa isch SO.=ne? N: [des geht bei uns nich; E: [der ablauf isch norMAlerweise SO. (--) N: ’hm ’hm. E: ja und dann ham ma oft problEme: (-) ähm weil dann einer sagt ja=ha=ha. (---) MO=ho=homent mal. die normativa sagt das is so und so-= =und da sag ich [des hat jetzt aber kein WERT, (--) N: [aber vielleicht is des=n UNterschied;
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
177
20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
E: [wir brauchen des jetz=e bissl SCHNELler, N: [von derE: wir können jetzt hier nicht die normativa(res) sondern(--) ja=ha=ha da muss ich aber erscht mal da muss=i erscht mal den ANdern fragen; n=es::: (1.0) die erfahrung hab ICH zumindest bisher sehr viel gemacht hier, (--) dass se:hr (.) vie:l über normaTIvas geht, und (.) die (.) normativas werden in aller regel IRgendwie EINgehalten,= =ODER dann halt auch wieder VORgehalten;= =um zu sagen (--) ja ich KANN des jetzt nicht machen,= =weil die normativa sagt ich muss erscht mal (--) des oder des oder des (--) gemacht haben vorher. .hh (1.0) also des isch mEIne erfahrung hIEr zum teil;= =dass (---) sich die leute entweder dahinter verSCHANzen, (---) oder viele dinge dann eben LANGsam gehen, [<
42 43 44 45
E: [(schritte halten möge;)> ] N: [es kann sein dass des=n unter]schied is von der fabrik zum kAUfmännischen weil (.) bei uns is des [NICH so. E: [hm;
Kommentar: E stellt in dem Absatz aus seiner Perspektive dar, inwiefern viele Abläufe in der spanischen Kultur durch normativas beeinflusst werden. N widerspricht ihm viermal (vgl. Hervorhebungen: Z. 5, 10, 13, 44), wobei sie die unterschiedliche Einschätzung auf die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Abteilungen zurückführt. Wie werden diese Widerspruchshandlungen konkret realisiert? In Z. 1-4 setzt E ein neues Thema, die normativas, relevant und fragt N, bevor er erläutert, worin für ihn die kulturspezifische Besonderheit besteht, ob sie zu diesem Aspekt auch Erfahrungen gemacht hat. N lehnt dies in Z. 5 ein erstes Mal explizit und entschieden (vgl. Akzent) mit einem umgangssprachlichen Verneinungspartikel ab (nö). In Z. 6-9 fasst E diese Ablehnung zunächst als reine Ablehnung dahingehend auf, dass N keine Erfahrungen mit diesem Aspekt gemacht hat. Mit der unmodalisierten Floskel des isch hier sehr leitet er eine Art Belehrung ein und konstituiert für sich eine höhere Erfahrungskompetenz als die N’s (vgl. Anzeigen des individuellen Erfahrungshintergrunds). Allerdings modalisiert er seine Aussage anschließend noch einmal einschränkend als eigene Erfahrung (des...isch meine erfahrung hier). In Z. 10 reformuliert N ihre Ablehnung. Hier geht sie einen Schritt weiter, indem sie nicht nur sagt, dass sie individuell keine Erfahrungen in dem Bereich gemacht hat, sondern behauptet, dass solche Erfahrungen insgesamt in ihrem Bereich nicht gemacht werden (des geht bei uns nich). Das Fehlen einer Modalisierung (z.B. ich glaube, ich habe bisher den Eindruck) sowie die Tatsache, dass sie sich für berechtigt hält, einen solchen Widerspruch zu formulieren (noch dazu in
178
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
Überlappung zu E, ohne dass ihr das Rederecht übertragen wurde), deutet darauf hin, dass sie hier eine hohe Erfahrungskompetenz für sich beansprucht, die der E’s mindestens gleichwertig ist. Die Aussage impliziert eine deutliche Gesichtsbedrohung gegenüber E. In Z. 13 bekräftigt sie ihren Widerspruch und damit ihren Kompetenzanspruch durch ein negierendes Rückmeldesignal (’hm’hm). In Z. 14-42 stellt E dar, wie seiner Erfahrung nach Vorschriften (normativas) die Arbeitsprozesse in Spanien beeinflussen. N versucht E in Z. 19 zu unterbrechen, doch E lässt diese Unterbrechung nicht zu. In Z. 41 setzt N noch einmal überlappend zu E mit der gleichen Äußerung an (Z. 19-20: aber vielleicht is des=n unterschied von der, Z. 41-43: es kann sein dass des=n unterschied is von der). Nachdem E seinen Satz zuende gesprochen hat, überlässt er N das Rederecht. N gibt in ihrer Äußerung zunächst einen möglichen Grund dafür an, dass sich ihre Einschätzung von der E’s unterscheidet (es kann sein dass des=n unterschied is von der fabrik zum kaufmännischen) und wiederholt dann noch einmal ihre andersartige Einschätzung, wieder ohne Modalisierung und mit Verwendung des Zustandsverbs sein (bei uns is des nicht so).
N demonstriert also in dem Absatz durch die Formulierung eines Widerspruchs (sowie durch weitere Verfahren zur Etablierung von Kompetenzen) für sich eine gewisse Erfahrungskompetenz und setzt diese in Beziehung zu der Kompetenz E’s. Die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen geht hier implizit mit einer Fremdzuschreibung von Erfahrungsdefiziten einher. Als mögliche Erklärung für die unterschiedliche Wahrnehmung führt sie die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Abteilungen an. Dadurch nimmt sie nicht die Rolle der Überlegenen gegenüber dem Gesprächspartner ein (vgl. die Richtig-Falsch-Bewertung im Beispiel aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL), sondern etabliert eher ein gleichwertiges Erfahrungsniveau. Auffällig ist, dass E in dem Abschnitt mehrfach auf den Erfahrungsbegriff zurück greift und seine Darstellung als erfahrungsbasiert rahmt (Z. 6-7: des ha’ isch meine erfahrung hier, Z. 25-26: die erfahrung hab ich zumindest bisher sehr viel gemacht hier, Z. 36: also des isch meine erfahrung hier zum teil). Dies lässt sich zum einen als Reaktion auf die Gesichtsbedrohung und die Infragestellung seiner situativ-funktionalen Rolle des Erfahrungsexperten durch N erklären. Indem er mehrfach darauf verweist, dass er im Hinblick auf das Thema Erfahrungen gemacht hat, bekräftigt er seinen Erfahrungsvorsprung gegenüber N und leistet ‘positive facework’ für sich selbst (vgl. Brown/Levinson 1978). Zum anderen stellt die Rahmung seiner Aussage als individuelle Erfahrung eine Relativierung dar und ermöglicht somit alternative Einschätzungen (vgl. die zusätzlichen Einschränkungen: bisher, zum teil), so dass er die Aussagen N’s nicht grundsätzlich abwertet, damit eine Gesichtsbedrohung N’s vermeidet und ihre Erklärung bezüglich der unterschiedlichen Erfahrungen anerkennt.
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
179
Affirmative Rückmeldesignale Neben der expliziten Richtig-Falsch-Bewertung und dem Widerspruch demonstrieren Gesprächspartner einen (vorhandenen) Erfahrungshintergrund auch durch Rückmeldepartikel, insbesondere durch affirmative Rückmeldesignale. Man kann auch hier von einer Art der Bewertung sprechen, denn affirmative Rückmeldepartikel (z.B. klar, sicher, auf keinen Fall) stellen eine Art der verkürzten Richtig-Falsch-Bewertung dar. Auch durch ein affirmatives Rückmeldeverhalten etablieren die Gesprächspartner vor allem vorhandene Erfahrungskompetenzen für die eigene Person. Der Sprecher beansprucht auch hier, die Aussage des Gesprächspartners beurteilen zu können. In den Gesprächen fällt ein affirmatives Rückmeldeverhalten vor allem im Zusammenhang mit einer Selbstinszenierung N’s als Experte auf. Dies lässt sich anhand der folgenden drei kurzen Gesprächsausschnitte zeigen, die alle aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL stammen: ENTSENDUNGSZIEL: „das ist hier sehr beliebt in madrid” (13:25, Z.301) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
E: das ist hier sehr beliebt in madrid SEHR beliebt; dass die:: (--) äh: (-) ch=sag mal junge gruppenleiter oder auch abtei[lungsleiter hierHER kommen, N: [hm; E: denken sie hätten (-) WUNders was für ne verANTwortung plötzlich, (--) und im endeffekt sind des diejenigen die die GANze arbeit [machen] von dem was: (-) keiner der spanier MACHT; N: [klar. ]
ENTSENDUNGSZIEL: „geduld muss man haben” (12:17, Z.248) 10 11
E: und ich glaube <
ENTSENDUNGSZIEL: „genauso des thema ich bin schuld” (29:30, Z.840) 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
E: genauso des thema (-) ich bin SCHULD. (--) ((...)) E: und ich hab sogar das gefühl es akzepTIERT stillschweigend jeder dass so etwas nicht gesagt wird. es WEISS auch jeder wer schuld hat; (--) aber !KEI!ner würde den so HINstellen wie wir des in DEUTSCHland [machen. N: [hm=m; hm=m; (-) jaja. [sicher. ja, E: [und WENN dann würden !FÜNF! andere gleich sagen
180 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
N: E: N: E:
N: E: N:
<
Kommentar: In allen drei Abschnitten formuliert E generalisierende Aussagen über die Arbeitssituation in Spanien (Abläufe, Verhaltensweisen, Anforderungen etc.). Der Gesprächspartner N bestätigt ihn in seinen Aussagen und verwendet dazu neben einfachen Rückmeldesignalen wie hm (Z. 4) und hm=m (Z. 19, 28) stärkere affirmative Rückmeldesignale wie klar (Z. 9, 25), sicher (Z. 11) bzw. jaja sicher (Z. 20, 36). Solche stärkeren Rückmeldesignale N’s findet man insgesamt in dem Gespräch sehr häufig (weitere Bei92 spiele aus dem Gespräch sind ganz klar, natürlich). Sie dienen nicht allein der Verständnissicherung und Aufmerksamkeitsbezeugung, sondern besitzen eine kommentierende Funktion. Dabei signalisieren sie wiederum nicht nur Zustimmung (also eine Bewertung), sondern auch, dass die Aussage dem Hörer nicht neu ist. Sie stellen insofern eine Kompetenzetablierung für den Sprecher dar. In Z. 37-38 weißt N sogar explizit darauf hin, das ihm das Gesagte bereits bekannt war (das is eins der phänomene das ich auch auf dem dem auslands ausreiseseminar gelernt habe).
Affirmative Rückmeldesignale deuten also ähnlich wie Richtig-FalschBewertungen auf eine Erfahrungskompetenz des Sprechers hin. Dieser demonstriert damit, dass er Erfahrungen gemacht hat, und etablieren damit für sich lokal eine Erfahrungskompetenz, die derjenigen E’s mindestens gleichwertig ist.93
92 93
Gemäß der Terminologie Weinrichs (2005: 599) handelt es sich hier um Geltungsadverbien, die zur Bekräftigung einer Affirmation verwendet werden. Furchner (1997: 44) unterscheidet im Zusammenhang mit der Konstitution von Kompetenzunterschieden drei Formen von Rückmeldeverhalten: erstens Ratifizierungsaktivitäten (der Gesprächspartner zeigt an, dass er neue Informationen erhält, Kenntnisse gewinnt), zweitens sparsame und unspezifische Rezeptionssignale (zeigt reines Zuhören an, kein Interesse), drittens demonstrativ ausführliche, teilweise expandierte Reformulierungen (macht deutlich, dass weitere Erklärungen nicht notwendig sind). Alle drei Art des Rückmeldeverhaltens zeigen Kompetenz, Kompetenzunterschiede oder Rollenkonstellationen an.
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
181
Kompetenzetablierende Fragen (z.B. Berater-, Erkundungsfragen) Neben den verschiedenen Formen der Bewertung demonstrieren die Gesprächspartner ihren individuellen Erfahrungshintergrund in den Gesprächen auch durch bestimmte Fragen. In der Beispielanalyse wurde bereits gezeigt, dass E mit der einleitenden Frage wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen dem Gesprächspartner N zwar explizit eine gewisse Erfahrungskompetenz zuschreibt. Zugleich beansprucht sie mit der Frage für sich jedoch eine bestimmte Rolle und dadurch eine Erfahrungskompetenz. Dies wird deutlicher, wenn man das kommunikative Handeln E’s in einem etwas weiteren Rahmen in den Blick nimmt. E übernimmt unmittelbar im Anschluss an die Gesprächseinleitung selbstbestimmt das Rederecht und befragt N systematisch und ausführlich hinsichtlich seines Tätigkeitskontextes (Z. 60: und ähm was genau machst du?, 81: und was is da so die aufgabenstellung? Z. 152: wie spanisch is denn das umfeld; Z. 164: und die kollegen hier vor ort? wie sind die gemischt? Z. 175: selber auch führungsverantwortung? Z. 177: wie viele leute?). Auch im späteren Gesprächsverlauf stellt sie noch wiederholt Fragen nach den Vorerfahrungen N’s (z.B. Z. 444: was=s sonst noch so aufgefallen außer fremdbestimmung?). Die Tatsache, dass E das Recht beansprucht, den Gesprächspartner auszufragen, deutet darauf hin, dass sie sich in der Rolle der Beraterin sieht. Denn es ist eine typische Aufgabe des Beraters, den Gesprächspartner zu Beginn eines Gesprächs hinsichtlich seiner Problemsituation zu befragen (vgl. Kallmeyer 1985). Mit ihren gezielten Fragen etabliert E für sich die Rolle der Beraterin und demonstriert eine Überlegenheit gegenüber dem Gesprächspartner N. Ich bezeichne solche Fragen, mit denen der Sprecher für sich Beratungs- und Erfahrungskompetenzen etabliert, als ‘Beraterfragen’. Umgekehrt können Sprecher durch bestimmte Fragen auch ihre eigene Unwissenheit und damit Erfahrungsdefizite demonstrieren. Beispielweise deutet N im späteren Verlauf des Gesprächs KOLLEGIALE BERATUNG mit folgender Frage auf ein deutliches eigenes Erfahrungsdefizit hin: KOLLEGIALE BERATUNG: „un=wie akzeptier=n spanier ne frau als vorgesetzte” (37:06, Z.987) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
N: un=wie (-) wie akzeptier=n (-) spanier als (.) ne frau als vorgesetzte? (--) E: hm; da hab ich anfang::s: (-) ähm gedacht dass des SCHWIErig wird? (-) N: ja, (--) E: WEI:L man mir auch in DEUTSCHland das so eingeredet hat; ja maCHISmo::. und so [WEIter. N: [mhm,
182
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
Kommentar: In Z. 1-2 stellt N eine generalisierende Frage nach der Einstellung der Spanier im Hinblick auf ein bestimmte Thema (frau als vorgesetzte). Allein durch die Tatsache, dass er E diese Frage stellt, deutet darauf hin, dass er ihr die Kompetenz zuspricht, sie zu beantworten. Er fragt dabei zudem nicht nach einer konkreten Einzelerfahrung, sondern nach einer verallgemeinernden Einschätzung. Er demonstriert damit, dass er der Ansicht ist, dass E hinreichende Erfahrungen gemacht hat, um verallgemeinernd auf die Frage antworten zu können. Auf die Antwort E’s ab Z. 3 reagiert N wiederholt mit Rückmeldesignalen (Z. 6: ja, Z. 10: mhm), die ein Interesse an den Ausführungen E’s signalisieren und bestätigen, dass die Antwort seine Erwartungen erfüllt.
In dem Ausschnitt demonstriert N also durch eine bestimmte Art der Frage, die ich als ‘Erkundungsfrage’ bezeichnen möchte, eigene Erfahrungsdefizite. In der Frage drückt sich zugleich eine Selbstzuschreibung von Erfahrungsdefiziten (ich weiß die Antwort nicht) und eine Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen (ich denke, dass Sie die Antwort wissen) aus. Furchner (1997: z.B. 34, 39) zeigt anhand von Beispielen, dass umgekehrt ‘Wissensfragen’ und ‘präzisierende Nachfragen’ eines Experten eine Unwissenheit des Gesprächspartners demonstrieren und insofern als Mittel der Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenz dienen können. Zusammenfassung: Anhand mehrerer Beispiele wurde gezeigt, dass die Gesprächspartner durch eine Demonstration des individuellen Erfahrungshintergrunds (vor allem in Form von Richtig-Fasch-Bewertungen, Widersprüchen, affirmativen Rückmeldesignalen, Berater- und Erkundungsfragen) für sich Erfahrungskompetenzen etablieren. Durch Richtig-Falsch-Bewertungen, Widersprüche und affirmative Rückmeldungen (all diese Aspekte können als Form der Bewertung aufgefasst werden) beanspruchen sie eine Gleichwertigkeit oder gar Überlegenheit gegenüber dem Gesprächspartner, auf die dieser häufig entsprechend reagiert (z.B. durch Bekräftigung des eigenen Erfahrungsvorsprungs). Bewertungen werden vor allem zur Selbstzuschreibung von vorhandener Erfahrungskompetenz verwendet (teilweise bei einer gleichzeitigen Fremdzuschreibung von Erfahrungsdefiziten) und sind insbesondere interessant, wenn sie als solche von N angewendet werden. Neben den Bewertungen können Fragen als beziehungsdynamische Handlungen zum Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds verwendet werden. Fragen können sowohl der Etablierung vorhandener Erfahrungskompetenzen für sich selbst dienen (vgl. ‘Beraterfragen’) als auch der von Erfahrungsdefiziten (vgl. ‘Erkundungsfragen’).94
94
Eine weitere Art der beziehungsdynamischen Handlung durch die v.a. die erfahreneren Gesprächspartner eine Beraterrolle und Erfahrungskompetenzen für sich etablieren können, sind Ratschläge. Da diese für die letzte Aufgabe eine zentrale Rolle besitzen, werde ich sie dort behandeln (Kapitel 9).
5.3 Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen
183
5.3.4 Zusammenfassung Die folgende Tabelle 5.2 gibt noch einmal einen Überblick über alle genannten Verfahren zur Selbst- und Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen und -defiziten mit jeweils kurzen Beispielen aus den Gesprächen. In der Tabelle wird deutlich, dass die Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen und -defiziten vor allem durch die explizite Beschreibung des individuellen Erfahrungshintergrunds realisiert wird. Die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen oder -defiziten erfolgt ebenfalls über die Beschreibung des individuellen Erfahrungshintergrunds, aber auch über das Anzeigen und das Demonstrieren eines Erfahrungshintergrunds. Dabei können mit allen Verfahren sowohl vorhandene Erfahrungskompetenzen als auch -defizite etabliert werden (teilweise sogar gleichzeitig), wobei bei dem Demonstrieren Ersteres im Vordergrund steht. Tabelle 5.2: Verfahren und Formen zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen 1. Beschreibung des individuellen Erfahrungshintergrunds (Formen: lokale + ggf. temporale adverbiale Bestimmung, Gattungsprädikat in Bezug auf nahestehende Person) Selbstzuschreibung Fremdzuschreibung Erfahrungskompetenz N: ich muss dazu sagen dass E: ich meine gut dezember is meine freundin spanierin is ja auch sch=etz schon fast (KOLBER Z. 127f) drei monate.=ne? (KOLBER Z. 121f) N: jetz bin ich nu noch erst E: die ersten erfahrungen Erfahrungsdefizit sechs wochen hier (FREUND (KOLBER Z. 120) Z. 68) E: du bisch ja noch=e paar tage da (LOCKER Z. 1541) 2. Anzeigen des individuellen Erfahrungshintergrunds (Formen: Äußerungsmodalisierung durch Verben, die ein bestimmtes Erfahrungsniveau anzeigen) Selbstzuschreibung Fremdzuschreibung --Erfahrungskompetenz E: des isch meine erfahrung hier (LOCKER Z. 260) E: inzwischen weiss ich wo=s langgeht (FREUND Z. 241) E: also ich hatte den eindruck (KOLBER Z. 397) N: was mir auch aufgefallen is --Erfahrungsdefizit (KOLBER Z. 586) E: was=s sonst noch so aufgefallen (KOLBER Z. 327)
184
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
3. Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds (Formen: Richtig-Falsch-Bewertung, Widerspruch durch Kontrastierung/Negation, affirmative Rückmeldesignale, Beraterfragen, Erkundungsfragen) Selbstzuschreibung Fremdzuschreibung --Erfahrungskompetenz N: sie sagens richtig (ENTSZIEL Z. 126) N: bei uns is des nich so (LOCKER Z. 298) N: sicher, klar, jaja sicher (ENTSZIEL Z. 98, 111, 131 etc) E: wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen (KOLBER Z. 120) N: un=wie akzeptier=n spa--Erfahrungsdefizit nier ne frau als vorgesetzte (KOLBER Z. 987)
5.4 Praxiskommentar 5.4.1 Aufgabenüberblick und Bezug zur Praxis Die erste Aufgabe, die die Gesprächspartner bei der Weitergabe kultureller Erfahrungen bewältigen müssen, besteht in der ‘Etablierung von Erfahrungskompetenzen’. Die Aufgabe stellt gewissermaßen eine Voraussetzung für jegliche Erfahrungsweitergabe dar. Sie wurde auf der Basis der Analysen folgendermaßen definiert (5.1): Die Gesprächspartner sehen sich in den Gesprächen mit der Aufgabe konfrontiert, für sich oder den anderen Erfahrungskompetenzen oder -defizite im Hinblick auf bestimmte Gesprächsthemen aufzubauen und dadurch spezifische Teilnehmerrollen (z.B. kultureller Erfahrungsexperte, Neuer) und eine spezifische Teilnehmerkonstellation (z.B. Erfahrungsasymmetrie) zu konstituieren. In den Abschnitten zu den ‘Aufgabenspezifika’ (5.2) wurde gezeigt, dass die Gesprächspartner dabei vor allem Kompetenzen im Hinblick auf (inter)kulturelle, institutionelle und Auslandsentsendungs-Aspekte etablieren. Es wurde außerdem deutlich, dass die Gesprächspartner bei der Etablierung von Erfahrungskompetenzen und der Rollenkonstitution auf soziale Rollen (z.B. Führungskraft, Auslandsentsandter) und auf situativ-funktionale Gesprächsrollen (v.a. Neuer, Erfahrener) zurückgreifen und aus diesen lokal bestimmte Rechte für das Gespräch ableiten (z.B. Rederecht, Recht die Aussage des anderen zu bewerten).
5.4 Praxiskommentar
185
In 5.3 wurden drei kommunikative Verfahren herausgearbeitet, die die Gesprächspartner zur Realisierung der Aufgabe verwenden: 1.
2.
3.
‘Beschreiben des individuellen Erfahrungshintergrunds’: Zum einen beschreiben die Gesprächspartner explizit, über welche Erfahrungen sie oder der andere verfügen (z.B. ich bin jetzt seit sechs wochen hier, meine frau ist spanierin, [du bist] ja auch jetzt schon fast drei monate [hier]). ‘Anzeigen des individuellen Erfahrungshintergrunds’: Dieses Verfahren ist deutlich impliziter. Es erfolgt vor allem über Äußerungsmodalisierungen, bei denen die Gesprächspartner ihre Aussagen mithilfe unterschiedlicher Verbalkonstruktionen rahmen, die ein bestimmtes Erfahrungsniveau anzeigen (z.B. ich glaube, hab den eindruck, hab die erfahrung gemacht, weiß). ‘Demonstrieren des individuellen Erfahrungshintergrunds’: Dies ist das impliziteste Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen. Durch bestimmte beziehungsdynamische kommunikative Handlungen wie zum Beispiel eine Bewertung der Aussage des Gesprächspartners (z.B. das ist richtig, bei uns ist das nicht so, klar, sicher) oder die Formulierung bestimmter Fragen (z.B. un=wie akzeptier=n spanier ne frau als vorgesetzte) schreiben Sprecher sich selbst oder auch dem anderen bestimmte Kompetenzen zu.
In den Analysen in diesem Kapitel wurde deutlich, dass die Gesprächspartner für die Etablierung von Erfahrungskompetenzen und die Aushandlung lokaler Rollen einen erheblichen Formulierungsaufwand betreiben. Außerdem fällt auf, dass diese Aufgabe meist gleich zu Beginn der Gespräche relevant wird. Die Relevanz der Aufgabe hängt möglicherweise damit zusammen, dass sich die Gesprächspartner in den aufgezeichneten Gesprächen nicht an etablierten Teilnehmerrollen orientieren können (z.B. ist in Bewerbungsgesprächen kein vergleichbarer Formulierungsaufwand für die Konstitution der Gesprächsrollen erforderlich). Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass die jeweiligen Erfahrungskompetenzen der Gesprächspartner schwer einzuschätzen sind. Dies lässt sich für die beiden Gesprächspartner folgendermaßen beschreiben: 1.
Neue Auslandsentsandte (N): Die neuen Auslandsentsandten haben zwar noch eine relativ geringe (inter-)kulturelle Kompetenz. Jedoch handelt es sich meist um Führungskräfte, die entsprechend über eine hohe institutionelle Kompetenz verfügen. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen ihrem beruflichen Status (Führungskraft) und ihrer situativ-funktionalen Gesprächsrolle (Anfänger, Newcomer). Einigen Gesprächspartnern fällt es offenbar schwer, die Rolle des Neuen, Unerfahrenen einzunehmen. Sie bemü-
186
2.
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
hen sich daher, bereits vorhandene (inter-)kulturelle Kompetenzen und/oder Kompetenzen in anderen Bereichen hervorzuheben (v.a. institutionelle und Auslandsentsendungs-Kompetenz), um die Diskrepanz auszugleichen (vgl. z.B. die Ausschnitte aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL in 5.2.2, 5.3.1).95 Erfahrenere Auslandsentsandte (E): Die Erfahrungskompetenz eines erfahreneren Auslandsentsandten kann nicht eindeutig an externen Faktoren festgemacht werden, sie ist nicht institutionalisiert. Ein langer Aufenthalt in Spanien impliziert nicht unbedingt eine hohe (inter-)kulturelle Kompetenz. Daher muss E den Gesprächspartner zunächst überzeugen, dass seine Aussagen kompetent und glaubwürdig sind (vgl. z.B. die Ausschnitte aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL in 6.2.2 und aus dem Gespräch LOCKERHEIT in 6.3.3).96
Die unklaren Rollenverhältnisse in den Gesprächen sind mit verantwortlich dafür, dass kontinuierlich die Gefahr einer Gesichtsbedrohung oder Imageverletzung besteht. Eine zentrale Herausforderung für die Gesprächspartner besteht daher darin, Erfahrungskompetenzen zu etablieren, ggf. im Sinne des externen Gesprächsziels eine Erfahrungsasymmetrie zu konstituieren und dabei gegenseitige Gesichtsbedrohungen zu vermeiden und mit Rollenkonflikten umzugehen. 5.4.2 Die Herausforderung potenzieller Gesichtsbedrohungen An einigen Gesprächsausschnitten wurde in diesem Kapitel deutlich, dass (insbesondere explizite) Selbstzuschreibungen von Erfahrungskompetenzen und Fremdzuschreibungen von Erfahrungsdefiziten erhebliche Gesichtsbedrohungen implizieren können, auf die die Gesprächspartner entsprechend reagieren (vgl. z.B. die Kommentare zu dem Ausschnitt aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL in 5.2.2, zum zweiten Ausschnitt aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT in 5.2.3 sowie zum Ausschnitt aus dem Gespräch LOCKERHEIT in 5.3.3). Die Strukturen und Folgen gesichtsbedrohender Äußerungen wurden in der linguistischen Höflichkeitsforschung intensiv erforscht. Unter Rückgriff auf Brown/Levinson (1978) und Goffman (1967, 1955) geht man davon aus, dass jedes Individuum über ein bestimmtes ‘face’ oder Image verfügt, das in der Interaktion mit anderen geschaffen bzw. bearbeitet wird (vgl. hierzu Fußnote 81). Durch mehr oder we95 96
Auch Furchner (1997: 71) betont, dass die Übernahme von NichtexpertInnen-Rollen häufig mit Imageproblemen verbunden ist. Dieses Problem hängt mit dem Verständnis von ‘Experte’ im Alltagskontext zusammen. In Fußnote 77 wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein Experte „nicht nur ein (professioneller) Sachverständiger [ist], sondern [...] ganz allgemein jemand, der auf dem in Frage stehenden Gebiet besonders gut Bescheid weiß“ (Eberle 1994: 138f) und dass er daher glaubhaft machen muss, dass er über dieses Wissen verfügt (Hitzler/Honer/Maeder 1994a: 6).
5.4 Praxiskommentar
187
niger direkte Gesichtsbedrohungen (sogenannte ‘face-threatening acts’, vgl. Brown/Levinson 1978) kann dieses ‘face’ verletzt werden. Dies passiert zum Beispiel, wenn ein Sprecher den Gesprächspartner kritisiert oder beleidigt. Gesichtsbedrohungen und Imagegefährdungen können den Verlauf von Gesprächen erheblich beeinflussen, und ihre Bearbeitung kann die Gesprächspartner über weite Strecken des Gesprächs beanspruchen. In den Analysen dieses Kapitels wurden insbesondere drei mögliche Gesprächsentwicklungen deutlich, die relativ starke Gesichtsbedrohungen für einen der Gesprächspartner implizieren. Diese sollen hier noch einmal zusammenfassend dargestellt werden: a.
b.
97
Belehrung: In 5.2.3 wurde für den Ausschnitt „ich bin jetzt seit sechs wochen hier“ aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT gezeigt, dass sich der Gesprächspartner E (lokal) sehr stark als Erfahrungsexperte inszeniert. Ein ähnliches kommunikatives Verhalten zeigt sich an einigen Stellen des Gesprächs, was dazu führt, dass in dem Gespräch insgesamt eher eine Belehrung als eine Erfahrungsweitergabe stattfindet (vgl. auch die Analyse der Ausschnitte aus diesem Gespräch in 7.3.1 und 9.3.1). Die wenn auch geringe aber doch vorhandene kulturelle Erfahrungskompetenz N’s sowie seine institutionelle Kompetenz wird kaum wertgeschätzt. Dies impliziert eine Imagegefährdung für N, auf die dieser entsprechend reagiert: Die Analysen haben gezeigt, dass der neue Auslandsentsandte in dem Gespräch eine deutlich passive Rolle einnimmt (vgl. sparsame, wenig spezifische und immer gleiche Rückmeldesignale, kaum Nachfragen, kaum eigener Erfahrungsbericht, kaum explizite Interessebekundung, kaum Widerspruch etc.).97 Erfahrungsaustausch: In 5.3.3 wurde gezeigt, dass N in dem Ausschnitt „hasch du da erfahrungen gemacht mit den normativas“ aus dem Gespräch LOCKERHEIT für sich (lokal) kulturelle Erfahrungskompetenzen etabliert. In der Analyse wurde deutlich, dass dadurch (wiederum lokal) eher ein gleichwertiger Erfahrungsaustausch stattfindet als eine Erfahrungsweitergabe. Dies führt in dem Ausschnitt zu einer Infragestellung der Erfahrungskompetenzen E’s durch N und damit einer Gesichtsbedrohung gegenüber E. Dieser reagiert mit einer ebenfalls verstärkten Hervorhebung seiner Erfah-
Keppler (1989: 539) charakterisiert „belehrende Informationsvermittlung“ in Alltagsgesprächen im Gegensatz zu „institutionalisierten Unterweisungssituationen“ folgendermaßen: „Ein Hauptsprecher richtet seine Rede an einen (Haupt-)Zuhörer, der wiederum über einen begrenzten Zeitraum hinweg ‘passive Rezipientenschaft’ demonstriert, indem er lediglich in Form von ‘Zuhörersignalen’ und anderen sog. kleinen Verhaltenszeichen am sprachlichen Austausch teilnimmt“. Keppler (1989: 546) sowie Keppler/Luckmann (1991: 164) weisen darauf hin, dass eine selbstinitiierte Wissensübermittlung in unserer Kultur negativ konnotiert sind.
188
c.
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
rungskompetenzen, um sein ‘positive face’ (Brown/Levinson 1978, vgl. Fußnote 81) wieder herzustellen.98 Umgekehrte Erfahrungsweitergabe: Für den Ausschnitt „das ziel ihrer entsendung“ aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL konnte gezeigt werden, wie N für sich (lokal) eine größere Erfahrungskompetenz beansprucht als diejenige E’s (vgl. 5.2.2). Er inszeniert sich durch ein wiederholtes Demonstrieren der eigenen Erfahrungskompetenz als Erfahrungsexperte. Das Verhältnis der Teilnehmer wird dadurch im Vergleich zu den in der Gesprächseinleitung konstituierten situativen Gesprächsrollen umgekehrt. Es findet nicht die Art der Erfahrungsweitergabe statt, zu deren Zweck das Gespräch organisiert wurde. Statt dessen gibt N seine Erfahrungen an E weiter (vgl. auch die Kommentare zu einem Aussschnitt aus dem Gespräch in 9.2.1). Diese Konstellation impliziert grundsätzlich eine Gesichtsbedrohung für E. Anhand des Gesprächsausschnitts in 5.2.2 konnte auch gezeigt werden, dass E auf diese Gesichtsbedrohung reagiert, indem er sich verstärkt darum bemüht, die eigene Sichtweise zu rechtfertigen und sein ‘positive face’ aufrechtzuhalten.
5.4.3 Strategien zum Umgang mit Gesichtsbedrohungen In den Analysen wurden verschiedene Möglichkeiten deutlich, die Gesprächspartner nutzen, um mit potenziellen Gesichtsbedrohungen umzugehen. Die Gesprächspartnerin E in dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG greift auf verschiedene dieser Lösungswege zurück, um sowohl eigenen Gesichtsbedrohungen als auch solchen des Gesprächspartners vorzubeugen oder diese abzuschwächen. Anhand ihres kommunikativen Verhaltens möchte ich beispielhaft die Möglichkeiten zum Umgang mit Gesichtsbedrohungen zusammenfassen.99 Die einzelnen Aspekte wurden in der Beispielanalyse in 4.1 sowie im Zusammenhang mit der Darstellung der Verfahren in diesem Kapitel (5.3.2, 5.3.3) anhand von Gesprächsausschnitten herausgearbeitet.100 98
Auch Furchner (1997: 206, 215, 216) stellt in ihrem Korpus fest, dass die Gesprächspartner gelegentlich einen footing-Wechsel von der Erfüllung der ‘Erklärungsaufgabe’ zu einem ‘gleichberechtigten Austausch’ vollziehen. Trotzdem bewahrt dabei allerdings der weniger kompetente Gesprächspartner in ihrem Korpus meist die Rolle des Nicht-Experten und markiert gegenüber dem Experten geringere Kompetenz (ebd.: 216). 99 Bei der Vorstellung des Gesprächs in 3.3.4 wurde gezeigt, dass dieses Gespräch insgesamt sehr positiv verläuft, dass sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den Gesprächspartnern aufbaut und sie selbst in dem Nachgespräch positive Rückmeldungen geben. Außerdem gibt es auch Hinweise auf eine erfolgreiche Erfahrungsweitergabe. 100 Auf Aspekte der Gesprächstrategie E’s werde ich in einigen der folgenden Kapitel zurückkommen (v.a. 7.4 und 9.4). Ein Indiz dafür, dass die Gesprächspartnerin die Strategie zur Gesprächssteuerung möglicherweise bewusst einsetzt, ist die Tatsache, dass sie im Anschluss an
5.4 Praxiskommentar
189
Das kommunikative Verhalten E’s im Hinblick auf die Etablierung von Erfahrungskompetenzen zeichnet sich insgesamt durch zwei Aspekte aus, die in ihrer Kombination eine Abschwächung von Gesichtsbedrohungen bewirken: Erstens steuert E den Gesprächsverlauf gezielt und forciert damit eine Gesprächsstruktur, die eine gesichtswahrende Gesprächsentwicklung begünstigt. Zweitens greift sie nur auf eine spezifische Auswahl der in diesem Kapitel beschriebenen kommunikativen Verfahren zurück. Zunächst zum Aspekt der Gesprächssteuerung: In der Beispielanalyse in 4.1 und in Abschnitt 5.3.3 wurde gezeigt, dass E in dem Gespräch selbstbestimmt das Rederecht übernimmt und zunächst N auffordert, seine Erfahrungen darzustellen (Z. 244: wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen?). Dieses Vorgehen wiederholt sie noch mehrfach im Verlauf des Gesprächs (z.B. Z. 444: was=s sonst noch so aufgefallen außer fremdbestimmung?). Ihre Fragen leiten jeweils Gesprächsabschnitte (meist im Sinne von Themenblöcken) ein, die einer ähnlichen Struktur folgen (vgl. Beispielanalyse in 4.1): a. b. c. d. e.
E fragt N nach Erfahrungen und Auffälligkeiten (fällt im späteren Gesprächsverlauf weg) N stellt eigene Erfahrungen und Auffälligkeiten dar E stellt ihre Erfahrungen dar und bestätigt N ggf. in seiner Wahrnehmung E macht ihren Erfahrungsvorsprung deutlich und gibt weitere Erläuterungen E gibt Ratschläge bezüglich des Umgangs mit den Unterschieden
N übernimmt im Verlauf des Gesprächs zunehmend die vorgeschlagene Struktur und formuliert Auffälligkeiten, ohne dass E ihn explizit dazu auffordert (Z. 674: aber des des hab ich auch gemerkt, Z. 917: was mir übrigens auch aufgefallen is). Die Gesprächsstruktur erinnert an die Aufgabenstruktur der Problembearbeitung im Beratungsgespräch, wie sie Kallmeyer (1985) beschrieben hat.101 Die beschriebene Gesprächsstruktur bewirkt im Bezug auf die Etablierung von Erfahrungskompetenzen und die Rollenkonstitution Folgendes: Insgesamt etablieren die Gesprächspartner von Beginn an intensiv und interaktiv vorhandedas Gespräch berichtet, dass sie sich intensiv darauf vorbereitet und darüber nachgedacht hat, wie sie dem Gesprächspartner sinnvoll Erfahrungen vermitteln kann. Sie ist auch die einzige Untersuchungsteilnehmerin, die zu dem Gespräch Notizen mitbringt. 101 Am Anfang steht bei Kallmeyer (1985) eine Problempräsentation durch den Beratenen (vgl. b, hier ausgelöst durch Fragen E’s). Es folgt die Entwicklung einer (gemeinsamen) Problemsicht und die Festlegung des Beratungsgegenstandes (vgl. c: Bestätigung N’s in seiner Wahrnehmung und d: Darstellung eigener Erfahrungen). Schließlich geht es um eine Lösungsentwicklung und -verarbeitung (vgl. e: Formulierung von Ratschlägen) sowie die Vorbereitung der Realisierung (entfällt hier meist). Vor allem die Motivierung einer Problempräsentation ist charakteristisch für die Strategie E’s in dem Gespräch.
190
5. Aufgabe-1: Erfahrungskompetenzen etablieren
ne Erfahrungskompetenzen für N. Die Gesprächspartnerin E schreibt N zum einen durch ihre Frage nach seinen bisherigen Erfahrungen in Phase-a eine gewisse Erfahrungskompetenz zu (Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen). Sie beschreibt dabei explizit den Erfahrungshintergrund des Gesprächspartners (dezember, das sind ja auch schon fast drei monate, vgl. Beispielanalyse in 4.1). Zum anderen gibt sie ihm durch ihre Frage die Möglichkeit, seinerseits Erfahrungskompetenzen für sich zu etablieren (Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen). Dies tut er auch in Phase-b, und zwar sowohl durch explizite Beschreibung seines Erfahrungshintergrunds (meine freundin ist spanierin, wir sind öfters zu ihren eltern gefahren, vgl. 5.3.2) als auch durch ein implizites Anzeigen im Rahmen seines Erfahrungsberichts (so kenn ich des in mei=m umfeld, vgl. Beispielanalyse in 4.1). Auf der Basis dieser Wertschätzung der Erfahrungen N’s (im Sinne einer ‘positive politeness’, vgl. Brown/Levinson 1978), fällt es diesem offenbar leichter, seine eigene Unerfahrenheit einzugestehen. Er reagiert nicht ablehnend darauf, dass E bereits in Phase-a durch ihre Fragen auch eine gewisse Erfahrungskompetenz im Sinne einer Beraterkompetenz für sich demonstriert und ihren Erfahrungsvorsprung in Phase-c bis -e zunehmend durch verschiedene Formulierungen anzeigt (ich hab aber dann die erfahrung gemacht dass, mit der zeit wurde der blick en bisschen differenzierter, das führt dazu gemäß meinen erfahrungen, so is=es, vgl. 4.1 und 5.3.2). Umgekehrt zeigt er auch selbst im späteren Gesprächsverlauf durch entsprechende Äußerungsmodalisierungen Erfahrungsdefizite an (zumindest ich hab des gefühl, vgl. 4.1) oder demonstriert diese durch beziehungsdynamische Fragen (un=wie wie akzeptier=n spanier als ne frau als vorgesetzte?, Z. 1391) oder Rückmeldungen, die eine Unwissenheit anzeigen (des=s=n guter hinweis, Z. 410). Insgesamt wird die Erfahrungsweitergabe dadurch eher zu einem fremdinitiierten als selbstinitiierten Prozess, was in der deutschen Kultur offenbar bevorzugt wird (vgl. Keppler/ Luckmann 1991, Keppler 1989). Auch der Präferenz, bei den Gesprächspartnern lieber zu viel als zu wenig Wissen vorauszusetzen (ebd.), wird die Gesprächsstrategie gerecht. Mit der beschriebenen Gesprächsstrategie entwickelt E also für beide in 5.4.1 genannten Schwierigkeiten in Bezug auf die Rollen bzw. Kompetenzen der Gesprächspartner eine Lösung. Sie ermöglicht es, für E größere Erfahrungskompetenzen zu etablieren als für N, das heißt eine Erfahrungsasymmetrie aufzubauen (Schwierigkeit E’s: Erfahrungskompetenz ist nicht institutionalisiert), ohne dass dies zu größeren Gesichtsbedrohungen für N führt (Schwierigkeit N’s: Diskrepanz zwischen beruflichem Status und situativ-funktionaler Rolle). Innerhalb der beschriebenen Gesprächsstruktur verwendet E folgende Verfahren zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen:
5.4 Praxiskommentar
191
‘Demonstrieren’: Indem Sie N nach seinen bisherigen Erfahrungen und Auffälligkeiten fragt, demonstriert sie zum einen, dass sie ihm eine (wenn auch geringe) Erfahrungskompetenz zuschreibt (Fremdzuschreibung von (allerdings geringer) Erfahrungskompetenz), zum anderen, dass sie für sich selbst lokal die Rolle der Beratenden und damit eine größere Erfahrungskompetenz beansprucht (Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenz) (vgl. 4.1, 5.3.3). ‘Anzeigen’: In den Erläuterungen zu ihren Erfahrungen bezüglich kultureller Unterschiede zeigt sie durch Äußerungsmodalisierungen an, dass sie einen Lernfortschritt von einem eher geringen Erfahrungsniveau zu Beginn der Entsendung hin zu einem höheren Erfahrungsniveau zum aktuellen Zeitpunkt gemacht hat (Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenz) (vgl. 5.3.3). ‘Beschreiben’: Das Verfahren der expliziten Beschreibung des individuellen Erfahrungshintergrunds verwendet sie ausschließlich im Bezug auf den Gesprächspartner N, dem sie eine gewisse vorhandene Erfahrungskompetenz zuschreibt, da er immerhin schon drei Monate in Spanien ist (Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenz) (vgl. 4.1) Für die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen und die Fremdzuschreibung von Erfahrungsdefiziten, bei denen grundsätzlich verstärkt die Gefahr von Gesichtsbedrohungen besteht, greift E also ausschließlich auf implizitere kommunikative Verfahren zurück (Anzeigen und Demonstrieren). Sie vermeidet damit starke direkte Gesichtsbedrohungen. Für die Fremdzuschreibung von Erfahrungskompetenzen verwendet sie vor allem das explizitere Verfahren (Beschreiben). Damit kehrt sie die Wertschätzung der Erfahrungen des Gesprächspartners explizit hervor. E gelingt es also in dem Gespräch, Kompetenzen für sich selbst und Erfahrungsdefizite für den anderen und damit eine Erfahrungsasymmetrie zu etablieren und dabei gleichzeitig potenzielle Gesichtsbedrohungen abzuschwächen und eine Anerkennung und Wertschätzung gegenüber den Erfahrungen N’s auszudrücken.
6 Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
6.1 Definition und Forschungskontext Die zweite Aufgabe der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten betrifft die Einführung von Gesprächsthemen.102 Wie mit der Etablierung von Erfahrungskompetenzen wird mit ihr eine kommunikative Voraussetzung für die Erfahrungsweitergabe realisiert. Die Aufgabe ‘Relevante Themen einführen’ besteht für die Gesprächspartner darin, Themen, Fragen und Erfahrungen ins Gespräch zu bringen, die sie für eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit in Spanien für wichtig halten (z.B. Mitarbeitermotivation, Führung, Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter, Emotionalität in Besprechungen). In 3.4 habe ich einen Überblick darüber gegeben, welche Themen die Gesprächspartner in den Gesprächen insgesamt behandeln. Hier geht es nun um die Frage, wie die Themen kommunikativ eingeführt werden. Innerhalb von Gesprächen hängt die Frage nach der Themeneinführung eng mit der Frage nach der Themenüberleitung zusammen. Denn wenn im Verlauf eines Gesprächs ein neues Thema eingeführt wird, muss dabei gleichzeitig auf irgendeine Weise eine Überleitung vom vorherigen zum nächsten Thema realisiert werden. Das heißt innerhalb von Gesprächen impliziert die Themeneinführung eine Themenüberleitung. In der linguistischen Literatur (und so auch in dieser Arbeit) wird der Begriff der ‘Themeneinführung’ als übergeordneter Begriff verwendet. Er bezieht sich sowohl auf die Einführung eines Gesprächsthemas zu Beginn eines Gesprächs als auch auf die Themeneinführung innerhalb von Gesprächen, wo sie mit der Themenüberleitung zusammenfällt. Im Bezug auf die einzelnen Verfahren der Themeneinführung ist daher zu differenzieren, was das jeweilige Verfahren für den Aspekt der Themenüberleitung innerhalb von Gesprächen bedeutet und welche linguistischen Formen hierfür charakteristisch sind (vgl. hierzu die einzelnen Abschnitte in 6.3). Wie schon bei der vorigen Aufgabe so deutet auch bei der Themeneinführung der erhebliche Formulierungsaufwand, den die Gesprächspartner zu ihrer 102 Alternativ zu dem Begriff der Themeneinführung (vgl. z.B. Schank 1981a) verwendet die linguistische Forschung die Ausdrücke Thematisieren (z.B. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997), Themenkonstitution (z.B. Brinker/Hagemann 2001), Themeninitiierung (z.B. Eifländer 1989), Zur-Sprache-Bringen (z.B. Bublitz 1989) und Fokussieren (z.B. Kallmeyer 1978).
194
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
Realisierung betreiben, darauf hin, dass es sich um eine Aufgabe handelt, die für die Gesprächspartner offenbar relevant ist. Auffällig ist, dass die Gesprächspartner meist nicht einfach Themen oder Erfahrungskontexte einführen, sondern auch deren Relevanz hervorheben und begründen (vgl. 6.2.1). Außerdem erläutern sie häufig ausführlich, was sie mit einem bestimmten Thema konkret meinen (vgl. 6.3.2). Beide Aspekte deuten darauf hin, dass es für die Gesprächspartner nicht selbstverständlich ist, welche konkreten Themen für den deutschspanischen Arbeitskontext relevant sind und zu welchen Themen und Inhalten sie sinnvoll Erfahrungen weitergeben können. Die Aufgabe der Themeneinführung ist wie die vier anderen Aufgaben als interaktive Aufgabe aufzufassen, denn beide Gesprächspartner leisten gemeinsam einen Beitrag zu ihrer Bewältigung. Allerdings ist für die einzelnen Verfahren und Formen zu diskutieren, ob sie von beiden oder primär von einem der Gesprächspartner verwendet werden (können). In vielen Gesprächen lässt sich ein dominantes Verfahren zur Themeneinführung feststellen, bei dem einer der Gesprächspartner die Gesprächssteuerung übernimmt. Zu fragen ist, was eine solche einseitige Gesprächssteuerung über die Auffassung von den Gesprächen aussagt und welchen Einfluss sie auf den Gesprächsverlauf hat. Linguistische Forschungsbezüge Linguistische Grundlage für die Aufgabe der Einführung relevanter Themen sind prozedurale gesprächsanalytische Konzepte zur Themeneinführung im Gespräch.103 Diese beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten der thematischen Organisation von Gesprächen. Sie unterscheiden zwischen der Themeneinführung im engeren Sinne zu Beginn eines Gesprächs und dem Themenwechsel oder Themenübergängen im Verlauf eines Gesprächs. Ein Themenwechsel kann mehr oder weniger kontrolliert verlaufen (abrupte oder fließende Themenübergänge) (vgl. z.B. Bublitz 1989). Außer neuen Themen können auch neue Aspekte oder Perspektiven eines Themas zur Sprache gebracht werden (Themenverschiebung, vgl. Bublitz 1989) oder alte Themen wieder aufgenommen werden (Themenwiederaufnahme, vgl. Eifländer 1989). Auf sprachliche Formen zur Hervorhebung und Begründung der Relevanz eines Themas gehen die Autoren nicht ein. Außer um die Themeneinführung geht es bei prozeduralen Themenkonzepten um die Frage der Themenentfaltung oder -progression, das heißt die konkrete Behandlung oder Bearbeitung eines Themas. Bei der Themenentfaltung handelt es sich um ein äußert komplexes Phänomen, das nur durch die Analyse längerer 103 Der Aspekt der Themeneinführung hat in der Linguistik bereits eine längere Tradition (vgl. z.B. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 508ff, Hoffmann 1995, Bublitz 1989, Eifländer 1989, Kallmeyer 1978). Einen aktuellen Überblick geben Brinker/Hagemann (2001: 1254).
6.1 Definition und Forschungskontext
195
Gesprächspassagen oder gar ganzer Gespräche erfasst werden kann (vgl. Eifländer 1989: 200). Für unsere Aufgabe spielt die Frage der Themenentfaltung nur insoweit eine Rolle, als sie eine Themeneinführung implizieren kann. Eine weitere Frage, die im Rahmen von prozeduralen Themenkonzepten behandelt wird, ist die nach Formen der thematischen Gesprächssteuerung. Wenn ein Gesprächspartner innerhalb eines Gesprächs durch bestimmte sprachliche Mittel (z.B. Fragen, Metakommunikation) einen Einfluss auf die Einführung bzw. den Wechsel von Themen nimmt, so spricht man davon, dass er (lokal) die Gesprächssteuerung übernimmt. In institutionellen Gesprächen wird die thematische Steuerung häufig durch das Setting einem Gesprächspartner übertragen (z.B. im Interview). In Alltagsgesprächen müssen die Gesprächspartner die Übernahme themenkonstitutiver Aktivitäten selbst lokal aushandeln (vgl. Tiittula 2001). Von den prozeduralen sind strukturbezogene Themenmodelle zu unterscheiden (vgl. Brinker/Sager 2001). Diese orientieren sich an makrosemantischen Ansätzen der Textlinguistik und beschreiben Möglichkeiten zur thematischen Einteilung von Gesprächen (z.B. Formulierungshandlungen zum Anzeigen von Themengrenzen, vgl. Schank 1981a) und Grundformen der Themenentfaltung im Gespräch (‘thematische Muster’, vgl. Brinker/Sager 2001). Kriterien zur thematischen Einteilung von Gesprächen wurden in der vorliegenden Arbeit herangezogen, um bei der inhaltlichen Analyse der Gespräche Themenblöcke zu identifizieren und voneinander abzugrenzen (vgl. 3.4). Für die Aufgabe der Themeneinführung spielen strukturbezogene Themenmodelle kaum eine Rolle. Im Folgenden werde ich zunächst konkreter auf die Frage eingehen, wie die Gesprächspartner in den Gesprächen die Relevanz der eingeführten Themen hervorheben und begründen (6.2.1). Anschließend unterscheide ich zwei Verfahren der Themeneinführung: das ‘explizite Benennen von Themen’ (6.3.1) und das ‘implizite Nahelegen von Themen’, das insbesondere im Rahmen der Themenbearbeitung erfolgt (6.3.2). Abschließend werde ich im Praxiskommentar wieder die Analyseergebnisse im Bezug auf die Aufgabe zusammenfassen und auf spezifische Herausforderungen und Lösungsstrategien für die Praxis eingehen (6.4).
196
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
6.2 Aufgabenspezifika 6.2.1 Hervorhebung und Begründung der Themenrelevanz Die Analysen der Gespräche unseres Korpus haben gezeigt, dass die Gesprächspartner nicht einfach bestimmte Themen einführen (wie z.B. in Talkshows, Bewerbungsgesprächen, Interviews etc.), sondern in vielen Fällen die Relevanz der Themen für den Gesprächskontext (mehr oder weniger ausführlich) hervorheben und begründen. Das heißt die Themeneinführung geht in den Gesprächen mit einer Relevanzhervorhebung und -begründung einher. Diese Besonderheit (im Gegensatz zum ‘einfachen’ Thematisieren) möchte ich im Folgenden anhand der Analyse eines Beispielausschnitts aus dem Gespräch ANMELDUNG verdeutlichen. In dem Gespräch ANMELDUNG übernimmt N unmittelbar nach der Einleitung durch die Forscherin selbstbestimmt das Rederecht, um den Gesprächsgegenstand aus seiner Perspektive zu konkretisieren. In dem folgenden Ausschnitt wendet er sich, wie in 3.1.1 gezeigt wurde,104 zunehmend von F ab und dem Gesprächspartner E zu. An dieser Stelle möchte ich nun auf Besonderheiten der Themeneinführung in diesem Ausschnitt eingehen. ANMELDUNG: „was die kulturellen besonderheiten angeht” (04:34, Z.191) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
N: ja GUT äh: (--) jetzt (--) äh: (--) was die kulturellen beSONderheiten ANgeht des=is KLAR was (-) was int=resSIERT is (1.0) äh::: (---) wir sind beides FÜHRrungskräfte? (---) und (--) des heißt (--) wir ham mit dem problem zu kämpfen wie motivier=ma die MITarbeiter; (--) F: <
104 In 3.1.1 wurde kommentiert, inwiefern N in dem Ausschnitt authentische Handlungsziele für sich etabliert und inwiefern man insofern von einem ‘natürlichen Gespräch’ sprechen kann.
6.2 Aufgabenspezifika 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
F: N:
E: N:
197
motivieren kann? (--) des isch=es WICHtigste, (--) damit ma (---) von anfang an net gleich irgendwelche sachen zerSTÖRT, (1.0) und zum andern (---) äh: we=ma jetzt verMIEden hat in fettnäpfchen zu treten w (.) w (.) W:IE kann ma jetzt dann MITarbeiter (---) von NEUen iDEEN oder von (1.0) äh:: sa=mal (---) implemenTIERten (---) äh:: ideen der geSCHÄFTSleitung überZEUgen, (1.5) letztendlich- (---) von denen ja (-) von vorn=herein (-) keiner so ganz genau WEIß:=äh ob der:=erfolg dann wirklich so positiv oder (--) weniger positiv eintritt. hm=m; (---) des=n HEIKle themen. (--) SCHWIErige themen. (1.5) und DA is die frage [hat=s da (-)] möglicherweise in den [((räuspern) ] vergangenen ZWEI jahren=n denen du da warst (-) schon:: (-) solche fälle AUCH sicher gegeben und wie wie (---) wie sind deine erfahrungen da (--) in dem zuSAMMenhang;
Kommentar: Der Ausschnitt lässt sich insgesamt in fünf Abschnitte einteilen: a. b. c. d. e.
Einführung des Themas Mitarbeitermotivation mit Relevanzhervorhebung und -begründung (Z. 01-08) Weitergehende Begründung der Relevanz des Themas (Z. 07-17) Zweifache Konkretisierung des Themas mit jeweiliger Relevanzbegründung (Z. 18-25 und 26-36) Zusammenfassende Relevanzhervorhebung (Z. 37-39) Zusammenfassende Themeneinführung und Relevanzbegründung (Z. 40-44)
Zu a.: In Z. 01-08 führt N als Thema die Motivation der Mitarbeiter ein. Dabei nimmt er zunächst das vorgegebene allgemeine Thema aus der Gesprächseinleitung105 in einer Verbalphrase mit einleitendem unspezifischem Relativ-Junktor auf (Z. 1-2: was die kulturellen besonderheiten angeht). Mit dem eingeschobenen Kommentar des=is klar (Z. 2) zeigt N an, dass seiner Ansicht nach selbstverständlich ist, was mit kulturellen besonderheiten gemeint ist und welche Themen bzw. Fragen Gegenstand des Gesprächs werden könnten und sollten. Mit der Verbalphrase was int=ressiert is (Z. 2-3, ebenfalls mit einleitendem unspezifischem Relativ-Junktor) wird explizit eine Konkretisierung des Themas ‘kulturelle Besonderheiten’ und damit die Relevantsetzung eines konkreteren Themas eingeleitet. Thematisiert wird, allerdings erst in Z. 5, die Frage wie motivier=ma die mitarbeiter. 105 Vgl. ANMELDUNG Z. 16-17: umgang mit der spanischen kultur und spaniern am arbeitsplatz.
198
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
Zwischen der Relevantsetzungsfloskel und der konkreten Themeneinführung erfolgt ein Einschub, in dem N die Themenrelevanz aus der beruflichen Funktion der Gesprächspartner ableitet (Z. 3-4: wir sind beides führungskräfte und des heißt wir ham mit dem problem zu kämpfen...). Auffällig ist die dreimalige Verwendung des Personalpronomens wir bzw. ma. N individualisiert in dem Einschub die zuvor neutral dargestellte Problematik (vgl. 3.Ps.Sg.: was interessiert). Er setzt gewissermaßen neu an, um Gesprächsgegenstand und -ziel aus der eigenen beruflichen Situation abzuleiten. Durch die Verwendung der Vokabel problem in Kombination mit dem Aktionsverb kämpfen wird deutlich, dass es sich um ein Thema handelt, das von handlungspraktischer Relevanz für die Gesprächspartner ist. Die konkrete Themeneinführung wie motivier=ma die MITarbeiter ist zwar syntaktisch als Frage formuliert, es fehlt jedoch die Frageintonation. Interessant ist, dass das Thema durch die syntaktische Form der Frage (im Gegensatz zu einer einfachen Themenbenennung, die zum Beispiel lauten könnte „was interessiert ist, die Motivation der Mitarbeiter“) erneut in einen Handlungskontext eingebettet wird (vgl. Aktionsverb motivieren), was wieder auf die handlungspraktische Relevanz des Themas hindeutet. Zu b.: In Z. 07-17 begründet N weiter, warum er das Thema der Mitarbeitermotivation für relevant hält, und erläutert, was er mit der Frage wie motivier=ma die mitarbeiter konkret meint. Er verweist darauf, dass er selbst diesen Aspekt in verschiedenen Kulturen als unterschiedlich erfahren hat (Z. 7: und des is nach meiner erfahrung in jeder kultur anders). Damit begründet er die Vermutung, dass dieser Aspekt auch für die Zusammenarbeit mit Spaniern interessant ist. Durch die Modalisierung nach meiner erfahrung wird zum einen Authentizität hergestellt, zum anderen die Relevantsetzung des Themas legitimiert.106 N konkretisiert dann die Fragestellung dahingehend, dass es ihm um die Motivation der Mitarbeiter außer durch Geld geht, denn des is meistens des mittel was uns net am wenigsten zur verfügung steht (Z. 11-12). Zu c.: Das relevant gesetzte Thema (Mitarbeitermotivation ohne Geld) wird nun in Z. 18-25 bzw. 26-34 durch zwei konkrete Fragen reformuliert. Damit wird noch einmal eine (zweifache) Erläuterung des Themas vorgenommen. Die erste der Konkretisierungen wird eingeleitet durch die explizite Relevantsetzungsfloskel jetzt ist die frage (vgl. was int=ressiert is in Z. 2-3). Der Fokus liegt wieder auf einem Handlungszusammenhang (vgl. die Aktionsverben reintreten und motivieren) sowie auf problematischen Aspekten (vgl. die Verwendung der Floskeln in fettnäpfchen reintreten, bei den Mitarbeitern verloren haben). Beide Aspekte tragen zur Begründung der Relevanz der thematisierten Frage bei. Die Relevanz des Themas wird mit dem Ziel der Vermeidung negativer Konsequenzen begründet (vgl. Kausalsatz: weil ma ansonsten...). In Z. 23 folgt eine nachgestellte explizite Gewichtung der Konkretisierungsfrage bzw. des Themas insgesamt (des isch=es wichtigste, es bleibt hier offen, worauf sich der subjektiv gebrauchte Artikel des konkret bezieht), in Z. 24-25 eine weitere Begründung der Themenrelevanz durch die Beschreibung möglicher negativer Konsequenzen (vgl. Finalsatz: damit ma...). In dem gesamten Absatz deuten die neutralen Formulierungen (3. Ps. Sg.: jetzt ist die frage (Z. 18), gibt=s 106 Vgl. hierzu die Ausführungen zur Funktion von Äußerungsmodalisierungen im Zusammenhang mit der Etablierung von Erfahrungskompetenzen (5.3.2) sowie zur Funktion der Verwendung des Erfahrungsbegriffs im Sinne eines synthetisierten Erfahrungswissens (7.2.1).
6.2 Aufgabenspezifika
199
(Z. 19) und neutrales Personalpronomen man: Z. 19, 20, 24) auf eine allgemeine (nicht nur individuelle) Relevanz des Themas hin. In der zweiten Umformulierung des allgemeinen Themas in eine Frage in Z. 26-34 nimmt N nicht die Perspektive der Vermeidung einer negativen Entwicklung ein (bei den mitarbeitern verloren haben), sondern im Gegenteil die der Begünstigung einer positiven Entwicklung (mitarbeiter von ideen überzeugen). Wie bei der vorherigen Frage geht es auch hier um einen Handlungskontext (vgl. Aktionsverb überzeugen), es werden problematische Aspekte ins Zentrum gestellt (von denen ja von vorn=herein keiner so ganz genau weiß), und die Frage ist neutral formuliert (man, keiner). Die berufsspezifische Relevanz wird durch die Verwendung von Floskeln aus dem Unternehmensjargon verdeutlicht (mitarbeiter von neuen ideen oder von äh sa=mal implementierten äh ideen der Geschäftsleitung überzeugen). Zu d.: Nachdem E trotz des abgeschlossenen Turns N’s das Rederecht nicht übernimmt (vgl. die Pause in Z. 36) setzt N in Z. 37-38 seinen Beitrag fort, indem er die genannten Themen auf einer Metaebene bewertet (des=n heikle themen schwierige themen). Die Aussage übernimmt aufgrund des allgemeinen Rückbezugs durch das Pronomen des sowie ihrer syntaktischen und intonatorischen Parallelstruktur die Funktion einer kondensierten, präzisen Zusammenfassung und eines Abschlusses der Erläuterungen N’s. Die Probleme anzeigenden Adjektive heikel und schwierig heben erneut die Relevanz des Themas hervor. Zu e.: Da E immer noch nicht reagiert (vgl. die lange Pause in Z. 39) setzt N zur Formulierung einer weiteren abschließenden Frage an, die wieder durch eine explizite Relevantsetzungs-Formel eingeleitet wird (da is die frage). Mit dem Verweis darauf, dass E im Zusammenhang mit diesem Thema sicherlich Erfahrungen gemacht hat (Z. 40-43), macht N deutlich, dass das Thema nicht nur relevant für ihn ist, sondern auch Gegenstand des Gesprächs werden kann, da E hierzu etwas sagen und Erfahrungen weitergeben kann. N wendet sich explizit an E mit der Frage nach bisherigen Erfahrungen und rekonstituiert damit für sich und E die Gesprächssituation und das Gesprächsziel der Weitergabe berufsbezogener kultureller Erfahrungen.
Die Analyse konnte verdeutlichen, dass die Themeneinführung in dem Ausschnitt mit der Hervorhebung und Begründung der Relevanz des Themas einher geht.107 Es wurde nicht nur ein Thema eingeführt und erläutert (Motivation der Mitarbeiter), sondern zugleich deutlich gemacht, dass dieses Thema für die berufliche Tätigkeit der Gesprächpartner relevant ist. Dazu wurden insbesondere explizite Relevantsetzungsfloskeln verwendet (Z. 1-2: was...angeht, Z. 2-3: was int=ressiert is, Z. 18: jetzt ist die frage, Z. 23: des isch=es wichtigste, Z. 40: da is die frage). Die Relevanz des Themas wurde durch unterschiedliche Argumente 107 Insgesamt haben die Analysen gezeigt, dass die Themenrelevanz vor allem in Gesprächen mit deutlichen Themenübergängen hervorgehoben und begründet wird, weniger in Gesprächen, bei denen Themen und Aussagen assoziativ oder frei aneinander gereiht werden (vgl. 6.3). Dies könnte damit erklärt werden, dass in jenen Gesprächen der Themeneinführung insgesamt mehr Raum gegeben wird.
200
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
und in Bezug auf unterschiedliche Arten der Relevanz begründet (z.B. ist ein beruflich relevantes Thema, scheint interkulturell relevant zu sein, kann zu Problemen führen).
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen Im letzten Abschnitt (6.2.1) wurde argumentiert, dass in den Gesprächen häufig nicht einfach Themen eingeführt werden, sondern dass dabei (mehr oder weniger ausführlich) die Relevanz des jeweiligen Themas hervorgehoben und begründet wird. Daher nenne ich die Aufgabe auch ‘Relevante Themen einführen’. In der Analyse im letzten Abschnitt wurden bereits einige Formen und Verfahren der Themeneinführung deutlich. Insgesamt verwenden die Gesprächspartner in den Gesprächen zwei Verfahren zur Einführung relevanter Themen: 1. 2.
Explizites Benennen von Themen (6.3.1) Implizites Nahelegen von Themen (6.3.2)
Dem ‘expliziten Benennen von Themen’ durch konkrete Begriffe oder Phrasen (z.B. die ehrlichkeit der mitarbeiter, thema mitarbeiterführung) steht das ‘implizitere Nahelegen von Themen’ gegenüber (z.B. in Formulierungen wie was mir übrigens auch aufgefallen is is dass hier sehr lange gearbeitet wird). Häufig benennen die Gesprächspartner in den Gesprächen Themen nicht explizit, sondern es wird zum Beispiel im Rahmen der Darstellung einer Erfahrung oder der Formulierung von Hypothesen über typische spanische Verhaltensweisen implizit deutlich, um was für ein Thema es geht. Wie schon in der Aufgabendefinition erläutert wurde, ist im Bezug auf beide Verfahren zu fragen, was sie jeweils für den Aspekt der Themenüberleitung bedeuten. Denn innerhalb von Gesprächen wird gleichzeitig mit der Einführung eines neuen Themas ein Themenübergang realisiert. Wie gestalten die Gesprächspartner im Zusammenhang mit den beiden Verfahren diese Themenübergänge? Das heißt genauer: Wie und inwiefern stellen sie einen Zusammenhang zwischen dem vorherigen und dem folgenden Thema dar? Dabei ist insbesondere interessant, ob deutliche Themenwechsel (und damit auch deutliche Themengrenzen) festzustellen sind oder ob es eher fließende Übergänge zwischen den Themen gibt. Denn dies bedingt wie stark das Gespräch thematisch strukturiert ist. Weiterhin ist für beide Verfahren zu diskutieren, ob und inwiefern sie von nur einem oder von beiden Gesprächspartnern realisiert werden (können) und ob im Zusammenhang mit den Verfahren ein Gesprächspartner im Sinne eines Moderators die Gesprächssteuerung übernimmt.
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen
201
6.3.1 Explizites Benennen von Themen Das expliziteste Verfahren zur Einführung von Themen in Gesprächen ist das konkrete ‘Benennen von Themen’. Die klassische linguistische Form für dieses Verfahren ist das Themen benennende Substantiv. Die folgenden beiden Gesprächsausschnitte illustrieren dies: KOLLEGIALE BERATUNG: „die arbeitsweise is schon=ne umstellung” (07:02, Z.154) 01 02
N: aber (--) TROTZdem die ARbeitsweise (-) is SCHON=ne umstellung. (1.0)
ANMELDUNG: „thema mitarbeiterführung” (06:53, Z.261) 03 04 05 06
E: motivaTION vielleicht ähm (--) zunächst mal zu=was zum thema (--) zum thema MITarbeiterführung; (--) äh:: wie (.) wie gehst du als (--) als FÜHrungskraft mit (-) mit LEUten hier UM, (--)
Kommentar: In beiden Gesprächsausschnitten wird ein konkretes Thema durch ein Substantiv benannt (Z. 1: arbeitsweise, Z. 3: mitarbeiterführung). Im ersten Beispiel wird das Thema im Rahmen einer Darstellung individueller Erfahrungen benannt. Beim zweiten Beispiel fällt die metakommunikative Rahmung der Themeneinführung auf (Z. 3: zunächst mal was zum thema...). Auf die Themenbenennung durch ein Substantiv folgt hier als Erläuterung eine Themenbenennung durch eine Frage (Z. 5-6: wie gehst du als führungskraft mit leuten hier um, vgl. dazu die Erläuterungen weiter unten).
Eine weitere Möglichkeit zur expliziten Themenbenennung stellen thematisierende Verbalphrasen dar. Ein Beispiel hierfür enthält der folgende Ausschnitt: ENTSENDUNGSZIEL: „des thema ich bin schuld” (29:30, Z.840) 01 02 03
E: genauso des thema (-) ich bin SCHULD. (--) N: hm=m. (--) E: ganz SCHWIErig.
Kommentar: In dem Gesprächsausschnitt wird ein konkretes Thema benannt, allerdings nicht in Form eines Substantivs, sondern durch eine Verbalphrase (ich bin schuld). Themen benennende Substantive, die an anderer Stelle für den beschriebenen Themenkomplex verwendet werden, sind zum Beispiel ‘Verantwortung’ oder ‘Eigenverantwortung der Mitarbeiter’.
Schließlich verwenden die Gesprächspartner auch Fragen zur expliziten Themenbenennung. Der Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch ANMELDUNG, der
202
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
im letzten Abschnitt (7.2.1) kommentiert wurde, enthielt mehrere solche thematisierenden Fragen, und zwar eine einleitende Frage (Z. 5: wie motivier=ma die mitarbeiter) sowie zwei themenkonkretisierende Fragen (Z. 18-20: welche fettnäpfchen gibt=s in die man auf keinen fall reintreten darf, Z. 27-30: wie kann ma mitarbeiter von neuen ideen oder von implementierten ideen der geschäftsleitung überzeugen). Fragen und Nachfragen stellen in den Gesprächen eine häufige Form der Themenbenennungen dar. Auch in Bezug auf andere Gesprächskontexte wurde in der linguistischen Forschung gezeigt, dass Fragen typische Formen zur Einführung von Themen sind und dabei zugleich der Gesprächssteuerung dienen (vgl. z.B. Tiittula 2001, Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 529ff, Bublitz 1989). Im Kontext der vorliegenden Gespräche bekommen die Fragen aber noch eine besondere Bedeutung: Als Fragen des neuen Auslandsentsandten stellen sie zugleich ein rollenspezifisches kommunikatives Handeln dar. Denn durch die Fragen führt der Gesprächspartner nicht nur ein Thema ein, sondern er nimmt auch die Rolle des Unerfahrenen ein und konstituiert eine bestimmte Rollenkonstellation (vgl. hierzu Kapitel 5). Tatsächlich stellte sich auch in den Analysen heraus, dass vor allem die neuen Auslandsentsandten Themen in Form von Fragen benennen, während erfahrenere Auslandsentsandte eher auf Themen benennende Substantive oder Verbalphrasen zurückgreifen. Insgesamt sind explizite Themenbenennungen in den Gesprächen eher selten. Zwar werden im Verlauf der Diskussion über einen bestimmten Erfahrungskontext Begrifflichkeiten verwendet bzw. gesucht, mit denen das jeweilige Thema benannt werden kann (z.B. Thema Fremdbestimmung, Führungsstil, Eigenverantwortung). Häufig tauchen diese Themenbenennungen aber erst im Verlauf der Themenbearbeitung oder sogar erst zum Abschluss eines thematischen Abschnitts auf. Umgekehrt bleibt eine einführende Themenbenennung meist nicht alleine stehen, sondern wird vom Sprecher sofort erläutert, zum Beispiel durch die Darstellung konkreter Verhaltensweisen, Beispielerfahrungen etc. Beides deutet darauf hin, dass den Gesprächspartnern im Kontext der Weitergabe kultureller Erfahrungen eine Themenbenennung schwer fällt und dass sie auch kaum reicht, um deutlich zu machen, worüber ein Sprecher konkret sprechen möchte. Dies lässt sich damit erklären, dass (noch) nicht konventionalisiert ist, welche Themen für die Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten relevant sein können und mit welcher Bezeichnung diese benannt werden können. Wie in der Analyse des Ausschnitts aus dem Gespräch ANMELDUNG im Abschnitt 6.2.1 gezeigt wurde, wird die Einbettung eines Themas in einen Handlungskontext (durch die Formulierung von Fragen, kulturellen Verhaltensweisen etc.) präferiert.
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen
203
Themenüberleitung durch expliziten Verweis auf Themenliste Die Analysen haben gezeigt, dass das Verfahren des expliziten Benennens von Themen in den Gesprächen häufig auch mit einer expliziten Gestaltung der Themenüberleitung einhergeht. Wird ein neues Thema explizit eingeführt, so wird häufig auch ein mehr oder weniger expliziter (struktureller) Bezug zum vorherigen Thema hergestellt und das Gespräch wird damit thematisch strukturiert. Ein häufiges Muster, das zur expliziten Gestaltung der Themenübergänge festgestellt wurde, ist der kommunikative Verweis auf eine vermeintliche Liste potenzieller Themen, die in dem Gespräch abgearbeitet werden. Die Überleitung von einem Thema zum nächsten wird dabei kommunikativ als Übergang von einem Listenpunkt zum nächsten formuliert. Die folgenden Ausschnitte illustrieren, wie der Gesprächspartner N in dem Gespräch ANMELDUNG mehrfach durch bestimmte Formulierungen auf eine (scheinbar existierende) Aufzählung oder Liste von Fragen hindeutet. Der Verweis auf eine solche Liste verleiht dem Gespräch eine klare und durchgängige Struktur. Die einzelnen folgenden Ausschnitte stellen jeweils Themeneinführungen (bzw. -überleitungen) aus dem Gespräch dar. Die Formulierungen, die auf eine Themen- oder Frageliste hindeuten, sind jeweils durch Unterstreichung hervorgehoben. ANMELDUNG: „andre frage jetzt zur mentalität des spaniers” (19:23, Z.636) 01 02 03 04
N: äh (--) m (-) andre frage jetzt zum: (-) zur mentalität des spaniers=äh; wie s:ehr (--) nee ich hab gehört es=is (-) es=is wichtig beim spanier is die familie hat=n sehr hohen stellenwert;=
ANMELDUNG: „damit komma vielleicht gleich zum nächsten punkt” (27:25, Z.725) 05 06 07 08
N: da(.)mit kommma vielleicht gleich zum NÄCHSten punkt, der mir AUCH einfällt, (-) des is (-) die (.) EHRlichkeit der mitarbeiter. wie kann ich=n DIE: eigentlich EINschätzen.
ANMELDUNG: „jetzt hätt ich noch einen punkt” (40:09, Z.940) 09 10 11 12
N: jetzt hätt ich noch EIn=n punkt? (--) und dann bin ich eigentlich mit mein=n (1.0) gedanken zumindest mal so (.) so durch; (1.0) des is=äh außerbetriebliche aktiviTÄten.
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6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
Kommentar: In allen drei Gesprächsausschnitten wird die Einführung eines Themas durch eine Formulierung eingeleitet, die auf eine vermeintliche Themenliste hindeutet. Die Formulierung besteht jeweils aus einem Zahladjektiv (andrer, nächster, noch einer) in Kombination mit einem Substantiv, das auf den Gegenstand der Liste verweist (frage, punkt). Bei den letzten beiden Ausschnitten wird sogar auf eine vermeintlich festgelegte Reihenfolge der Themen (Z. 3: zum nächsten punkt) bzw. eine bestimmte Anzahl festgelegter Themen (Z. 7: noch einen punkt) verwiesen. Mit den entsprechenden Formulierungen wird ein struktureller Bezug zwischen den Themen hergestellt, und es wird damit eine Themenüberleitung realisiert. Im ersten Ausschnitt wird dann ein Thema durch die Formulierung einer kulturellen Auffälligkeit nahegelegt (Z. 4: die familie hat=n sehr hohen stellenwert, vgl. hierzu die Ausführungen in 7.3.2). In den letzten beiden Ausschnitten wird ein konkretes Thema benannt (Z. 5: ehrlichkeit der mitarbeiter, Z. 10: außerbetriebliche aktivitäten). Es folgen jeweils weitere Fragen und Hypothesen zur Themenerläuterungen.
Anhand der zitierten Gesprächsausschnitte konnte gezeigt werden, dass und wie der Gesprächspartner N in dem Gespräch ANMELDUNG auf eine vermeintlich vorhandene Liste an Gesprächsthemen oder -fragen Bezug nimmt und dem Gespräch eine thematische Struktur verleiht. Auf ähnliche Weise forciert auch die Gesprächspartnerin E in dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG, dass bestimmte Themen in dem Gespräch abgearbeitet werden. Ein Bezug zwischen den Themen wird hier vor allem dadurch hergestellt, dass sie sehr ähnliche Formulierung zur Einleitung einzelner thematischer Abschnitte verwendet und dabei auch formal und/oder inhaltlich auf vorherige Themen Bezug nimmt (Z. 120: wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen, Z. 327: was=s sonst noch so aufgefallen außer fremdbestimmung, Z. 794: und ansonsten?). Die explizite Gestaltung von Themeneinführungen und -überleitungen führt in beiden genannten Gesprächen zu einer deutlichen thematischen Strukturierung. Im Verlauf des Gesprächs werden nacheinander bestimmte Themen explizit eingeführt und bearbeitet, und dabei wird ein deutlicher Übergang zwischen den Themen hergestellt. Themengrenzen sind häufig durch typische Themenabschlusssignale markiert (z.B. Pausen, Räuspern, Abschlussfloskeln wie okay, mhm, tja, gut oder abschließende und resümierende Äußerungen wie un= d=shalb sag ich des jetzt mal grad vielleicht als indiz, KOLBER Z. 323f).108 Die thematische Strukturiertheit der Gespräche und die explizite Gestaltung der Themenübergänge drückt eine bestimmte Vorstellung von der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten aus. Sie stellt diese in die Nähe von institu108 Zu Signalen und Formulierungshandlungen, die jeweils Anfang oder Ende eines thematischen Abschnitts anzeigen vgl. Schank 1981a. Schank unterscheidet verbale (z.B. ach, ja, also), suprasegmentale (z.B. stille Pausen, Sprechtempo) und nonverbale Signale (z.B. Lachen) sowie kooperative (z.B. Strukturierungen, Anrede, Resümee) und nicht-kooperative (z.B. Wortabbrüche) Formulierungshandlungen.
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen
205
tionellen Gesprächstypen wie Bewerbungsgesprächen, Beratungsgesprächen oder strukturierten Interviews, für die es meist tatsächlich eine Liste an Themen oder Fragen gibt. Mit der expliziten thematischen Organisation der Gespräche wird für die Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten daher ein eher formeller, institutionalisierter Kontext und damit eine formelle Gesprächsatmosphäre geschaffen. Zusammenfassung: Explizite Themenbenennungen werden in den Gesprächen in Form von Themen benennenden Substantiven, Verbalphrasen oder Fragen realisiert. Grundsätzlich können alle genannten Formen des Verfahrens von allen Gesprächspartnern verwendet werden. Allerdings haben die Analysen gezeigt, dass die erfahreneren Gesprächspartner eher auf Substantive und Verbalphrasen zurückgreifen, während neuere Gesprächspartner häufiger Fragen formulieren. Explizite Themenbenennungen gehen in den Gesprächen häufig einher mit einer expliziten Themenüberleitung und einer thematischen Strukturierung der Gespräche. Dazu beziehen sich die Gesprächspartner beispielsweise auf eine vermeintlich vorhandene Liste an Themen, die sie nach und nach abarbeiten. Die explizite Themeneinführung und -überleitung rückt die Gespräche in die Nähe institutioneller Gesprächstypen wie Bewerbungsgespräche oder Interviews und schafft damit tendenziell eine formelle Gesprächsatmosphäre. 6.3.2 Implizites Nahelegen von Themen Häufig erfolgt die Themeneinführung in den Gesprächen nicht explizit in Form von Themenbenennungen, sondern die Gesprächspartner führen implizit Themen ein, indem sie im Rahmen der Themenbearbeitung bestimmte Themen ‘nahelegen’. Dies ist zum Beispiel in folgendem Beispiel aus dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG der Fall: KOLLEGIALE BERATUNG: „dass hier sehr lange gearbeitet wird” (24:08, Z.586) 01 02 03 04
N: was mir übrigens AUCH aufgefallen is is dass (---) aber des LIEGT viellL:EICHT an unser=m geSCHÄFTSbereich.= =des WEISS ich nich, (---) is dass=ähm (-) HIER sehr LANge gearbeitet wird.
Kommentar: In dem Gesprächsausschnitt wird aus der Formulierung einer kulturellen Auffälligkeit in Form eines Vorgangsprädikats (dass=ähm hier sehr lange gearbeitet wird) implizit deutlich, dass der Gesprächspartner über das Thema ‘Arbeitszeiten’ oder auch das ‘Engagement der Mitarbeiter’ spricht.
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6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
Ähnlich erfolgt die Themeneinführung auch in dem folgenden Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT: FREUNDSCHAFT: „in spanien herrscht nur du” (24:50, Z.813) 01 02
E: und der ANdre kulturschock weil=i grad SIE gsagt han; (--) äh in SPAnien herrscht nur DU gell (--) ACHtung; (---)
Kommentar: Auch dieser Gesprächsausschnitt enthält keine explizite Themenbenennung. Statt dessen wird eine spanische Verhaltenshaltensweise in Form eines Zustandsprädikats dargestellt ([es] herrscht nur du). Implizit lässt sich daraus aber ableiten, dass es um das Thema der persönlichen ‘Anrede’ geht. Im Gegensatz zu dem vorigen Beispiel wird die Themeneinführung dabei zusätzlich durch einen entsprechenden metakommunikativen Kommentar gerahmt (der andere kulturschock) und die Relevanz des Themas wird deutlich hervorgehoben (achtung).
Beide Gesprächsausschnitte verdeutlichen, wie Gesprächspartner in den Gesprächen im Rahmen der Themenbearbeitung, insbesondere bei der Darstellung kultureller Prägungen, bestimmte Themen nahelegen. Das Verfahren wird von beiden Gesprächspartnern verwendet. Wie auch schon für das Verfahren der expliziten Themenbenennung gilt auch für das Verfahren des Nahelegens von Themen, dass die Themeneinführung durch metakommunikative Kommentare gerahmt werden kann.109 Das Nahelegen von Themen lässt sich nicht immer so präzise anhand einer kurzen Formulierung illustrieren wie in den zitierten Gesprächsausschnitten. Häufig werden Themen erst allmählich im Verlauf eines längeren Gesprächsabschnitts deutlich. Die Implizitheit bei der Themeneinführung kann als Indiz dafür gesehen werden, dass den Gesprächspartnern möglicherweise nicht bewusst ist, welche Themen für die deutsch-spanische Zusammenarbeit relevant sind, und dass sie Schwierigkeiten damit haben, interkulturell relevante Themen konkret zu benennen. In einigen Fällen verwenden sie erst im Verlauf der Diskussion über ein bestimmtes Thema oder sogar zum Abschluss einen Begriff zur Benennung eines Themas. Die Darstellung kultureller Erfahrungen hat in diesem Fall zu einer Begriffsbildung geführt. Themenüberleitung durch Assoziation Auch das Nahelegen von Themen geht in den Gesprächen häufig mit einem bestimmten Verfahren der Themenüberleitung einher, und zwar vor allem mit 109 Zur Rolle metakommunikativer Kommentare für Themeneinführung und -steuerung vgl. Tiittula 2001: 1370.
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen
207
dem Verfahren der Assoziation.110 Anhand des folgenden Ausschnitts aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT soll gezeigt werden, wie der Gesprächspartner E im Zusammenhang mit einer impliziten Themeneinführung einen Themenwechsel durch Assoziation realisiert. In dem Ausschnitt spricht E zunächst über die Bedeutung von ‘Freund’ und ‘Freundschaft’ in Spanien. Er erläutert, dass es das, was er unter einem Freund (im Gegensatz zum Bekannten) versteht, in Spanien nicht gibt. Eine erklärende Aussage in diesem Zusammenhang (vgl. Hervorhebung) motiviert dann einen Übergang zum Thema der regelmäßigen Kontrolle von Mitarbeitern im Arbeitskontext. FREUNDSCHAFT: „für sie ist sich wiederholende prozesse langweilig” (44:08, Z.1459) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
E: Allerding’ Allerdings=s (-) äh:: (--) das was ICH als FREUNDschaft (--) defiNIEre für MICH, (--) ((...)) ä:hm:: (--) diese (-) dies des des isch hier nicht NACHvollziehbar.= =also=unter !GAR! keinen umständen. (1.0) sie HEL’ wenn sie wenn sie jemand wenn sie ihren ehe e ihren beKANNten sag ich ihn i BLEIB da dabei. (--) wenn sie den ANrufen HEY ich hab=m problem im GARten HELF mir mal bitte SCHNELL; dann isch der in=ner stunde DA wenn er KANN; (-) N: mhm, (---) E: des is des is aber net desSELbe. (---) es isch (-) i will des net UNzuverlässigkeit NENnen; (-) sie lEgen keinen we’ gesteigerten WERT auf SOwas. N: mhm, (--) E: für SIE ist (.) sich wiederHOlende proZESse (.) !LANG!weilig; ACHtung; des merkens=werdn=s au bei der ARbeit !SEHR! schnell bemerken. (1.0) sich’ eh eh ALles was sich wiederHOlt isch isch nIcht (.) von großem inTRESse; (0.9) N: mhm, E: für=sch’ für (.) für SPAnier. (5.0) N: und auf die ARbeit bezogen? HEISST das- (-) E: auf [die’ N: [wenns also REgelmäßige sachen gibt, dann muss man da: hinterHERhaken. (---) E: ALles was sie net kontrolLIEret (.) wird !NIE!mals realität werde.
110 Zum Verfahren der Assoziation vgl. z.B. Bublitz 1989, Eifländer 1989, Rudolph 1989.
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6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
Kommentar: In Z. 1-6 stellt E eine Behauptung bezüglich der Existenz von Freundschaften in Spanien auf (isch hier nicht nachvollziehbar). Es folgt in Z. 7-11 eine Aussage dazu, welche Art persönlicher Beziehungen in Spanien möglich ist bzw. welches Verhalten eine Bekanntschaft in Spanien impliziert (schnelle Hilfe in Ausnahmefällen). Zusammenfassend konstatiert E hier einen Unterschied (Z. 13). Schließlich versucht er in Z. 1417 in drei Anläufen, das spanische Verhalten auf eine bestimmte kulturspezifische Eigenschaften oder Einstellung zurückzuführen. In der ersten Aussage benennt er das spanische Verhalten aus deutscher Perspektive mit einem negativ konnotierten Begriff (unzuverlässigkeit), den er allerdings gleich wieder zurück nimmt (i will des net unzuverlässigkeit nennen). Die zweite und dritte Aussage beschreiben aus seiner Sicht spanische Einstellungen, die das Verhalten erklären können. Dabei bezieht sich der erste Satz konkret auf den Kontext der Freundschaft (vgl. sowas), sagt allerdings nur aus, dass Freundschaften in seinem Sinne den Spaniern offenbar nicht wichtig sind. Der zweite Satz beschreibt eine allgemeine Einstellung (für sie ist sich wiederholende prozesse langweilig), die erklären soll, warum Spanier kontinuierliche Freundschaften weniger pflegen, aber zu kurzfristiger Hilfe bereit sind. Diese sehr allgemeine Einstellung bezieht er in Z. 19 auf einen völlig anderen Kontext, nämlich den der Arbeit. Der Gliederungspartikel achtung in Z. 18 kündigt dabei gewissermaßen an, das nun etwas Neues kommt. In Z. 21-22 reformuliert E die allgemeine Einstellung noch einmal. Diese Wiederholung besitzt die Funktion, die Einstellung (aufgrund der Nennung des Arbeitskontextes) nun konkret auf das neue Thema zu beziehen. In Z. 24 schließt E seinen Beitrag ab. Die Pause in Z. 25 deutet darauf hin, dass er eine Bestätigung des Themenwechsels durch N erwartet. Diese erfolgt in Z. 26. N fordert eine Fortsetzung der Erläuterungen im Bezug auf den Arbeitskontext und stellt selbst eine Vermutung dar (Z. 27-30). In Z. 31-32 formuliert E konkret die Folgen der allgemeinen Einstellung für den Arbeitskontext. Damit ist der Themenwechsel vollständig vollzogen.
In dem zitierten Gesprächsausschnitt wird ein Themenübergang veranlasst bzw. ermöglicht durch den Wechsel auf eine sehr allgemeine Ebene. Lediglich ein eingeschobener Partikel (achtung) zeigt den Themenwechsel strukturell an. Die zentrale Aussage über Spanier, die den Übergang ermöglicht, wird wiederholt, was den doppelten Bezug auf das vorangehende und folgende Thema unterstützt. In dem Ausschnitt wird auch deutlich, dass die Assoziation eng mit dem ‘Nahelegen von Themen’ zur Themeneinführung zusammenhängt. Denn nur dadurch, dass der Gesprächspartner beim Themenübergang das vorherige und folgende Thema nicht explizit benennt, sondern im Rahmen einer konkreten Aussage über die Kultur der Spanier nahelegt (für sie ist sich wiederholende prozesse langweilig), lässt sich der Satz auf unterschiedliche Themen beziehen. Das implizite Nahelegen von Themen und die fließende Gestaltung von Themenübergängen deutet auf eine andere Auffassung der Gespräche hin als die explizite Themenbenennung und thematische Strukturierung. Die Assoziation ist ein typisches Verfahren des Erzählens und der Alltagskommunikation und unterstützt daher die Konstitution einer informelleren Gesprächsatmosphäre.
6.3 Verfahren zur Einführung relevanter Themen
209
Zusammenfassung: Neben der expliziten Themenbenennung stellt das implizite Nahelegen von Themen das zweite Verfahren zur Einführung relevanter Themen dar. Die Gesprächspartner legen Themen insbesondere im Zusammenhang mit der Darstellung kultureller Prägungen, also im Kontext der Themenbearbeitung, nahe. Anhand von Gesprächsausschnitten konnte gezeigt werden, dass das Nahelegen von Themen häufig mit einer fließenden Gestaltung von Themenübergängen durch Assoziation einher geht. Durch solche fließenden Themenübergänge wird die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten in die Nähe von Alltagsgesprächen oder Erzählungen gerückt, und es wird damit eher ein informeller Gesprächskontext geschaffen. 6.3.3 Zusammenfassung Als Verfahren der Themeneinführung wurden das ‘explizite Benennen von Themen’ und das ‘implizite Nahelegen von Themen’ unterschieden. Explizite Themeneinführungen gehen häufig mit einer Themenüberleitung durch den ‘Verweis auf eine Themenliste’ einher, implizite Themeneinführungen mit einer Themenüberleitung durch ‘Assoziation’. Die folgende Tabelle 6.1 gibt noch einmal einen Überblick über die dargestellten Verfahren und Formen mit Beispielen aus den Gesprächen. Tabelle 6.1: Verfahren und Formen zur Einführung relevanter Themen 1. Explizites Benennen von Themen Formen Beispiele aus den Gesprächen Themen benennendes Substantiv - aber trotzdem die arbeitsweise is schon ne (ggf. mit metakommunikativer umstellung (KOLBER Z. 154f) - was mich stört manchmal isch eben Themeneröffnung) dass...termine also termineinhaltung isch ein echtes problem hier (LOCKER Z. 1121ff) - vor allem glaub ich dass des hier...n problem is, auch mit der akzeptanz (KOLBER Z. 339ff) - zunächst mal zu=was zum thema zum thema mitarbeiterführung (ANM Z. 261f) Themen benennende Verbalphrase - genauso des thema ich bin schuld (ENTSZIEL (ggf. mit metakommunikativer Z. 840) Themeneröffnung)
210 Themen benennende Frage
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
- N: wir ham mit dem problem zu kämpfen wie motivier=ma die mitarbeiter (ANM Z. 194f) - N: wie läuft das mit ihren mitarbeitern (ENSZIEL Z. 252) - N: wie klappt denn der: die die ja die kommunikation zwischen deutschen und spaniern auf ihrer eb=ne (ENSZIEL Z. 669ff) - N: un=wie wie akzeptier=n spanier als ne frau als vorgesetzte (KOLBER Z. 987f) - N: wie kann ma jetzt dann mitarbeiter von neuen ideen oder von äh:: sa=mal implementierten äh:: ideen der geschäftsleitung überzeugen (ANM Z. 216ff) Verweis auf Themenliste (Themenüberleitung) Zahladjektiv + Substantiv, das auf - andre frage jetzt zur mentalität des spaniers Themenliste verweist (z.B. thema, (ANM Z. 636) - damit kommma vielleicht gleich zum nächsten punkt, frage) punkt (ANM Z. 725) - jetzt hätt ich noch ein=n punkt (ANM Z. 940) - und der andre kulturschock weil=i grad sie gsagt han; in SPAnien herrscht nur du gell (FREUND, Z. 831f) - und dann natürlich isch no des thema die spanier haben probleme natürlich mit unsren namen (FREUND, Z. 886ff) Konjunktionaladverbien - was=s sonst noch so aufgefallen außer fremd(z.B. sonst, ansonsten, außerdem) bestimmung (KOLBER Z. 327) - und ansonsten? (KOLBER Z. 794) 2. Implizites Nahelegen von Themen Formen Beispiele aus den Gesprächen Themenbearbeitende Prädikation - ich hab gehört es=is es=is wichtig beim spa(= Darstellung kultureller nier is die familie hat=n sehr hohen stellenPrägungen) wert (ANM Z. 638f) - ich glaub we=ma des ruhig angeht dann sind da die spanier auch ganz relaxed (LOCKER Z.97f) - das gute is so hab ich=s jedenfalls empfunden hier äh ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback (KOLBER Z. 470ff) - es geht teilweise auch sehr emotional zu (KOLBER Z. 532)
6.4 Praxiskommentar Themenbearbeitende Prädikation (= Darstellung kultureller Prägungen) mit metakommunikativer Themeneröffnung (vgl. Unterstreichung)
211 - was mir übrigens auch aufgefallen is...is dass=ähm hier sehr lange gearbeitet wird (KOLBER Z. 586f) - also was für mich halt noch so=n bisschen der punkt war... patrialistischer führungsstil is eigentlich noch das normale (KOLBER Z. 888ff) - und der andre kulturschock weil=i grad sie gsagt han äh in spanien herrscht nur du gell achtung (FREUND Z. 813f) - und dann natürlich isch no des thema da bin ich am anfang bissl bissl drauf gstoße wie:l::: die spanier:: haben probleme natürlich mit unsren namen (FREUND Z. 886ff)
Assoziation (Themenüberleitung) Sehr allgemeine Themen bearbeiten- - für sie ist sich wiederholende prozesse langde Prädikation mit doppeltem Bezug weilig (FREUND, Z. 1480) (nach vorne und hinten)
6.4 Praxiskommentar 6.4.1 Aufgabenüberblick und Bezug zur Praxis Die Aufgabe der ‘Einführung relevanter Themen’ stellt wie die ‘Etablierung von Erfahrungskompetenzen’ eine kommunikative Voraussetzung für die Erfahrungsweitergabe dar. Sie besteht für die Gesprächspartner darin, Themen und Erfahrungen in das Gespräch zu bringen, die sie für eine erfolgreiche deutschspanische Zusammenarbeit für wichtig halten. Beispiele für Themen, die die Gesprächspartner einführen sind die Mitarbeitermotivation, das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter oder die Rolle der Familie. Insgesamt haben die Analysen in 6.2 gezeigt, dass die Gesprächspartner häufig nicht einfach Themen einführen, sondern ausführlich die Relevanz der Themen hervorheben und begründen. Dies wurde als Indiz dafür gedeutet, dass für sie offenbar nicht selbstverständlich ist, welche Themen für den Gesprächskontext tatsächlich relevant sind. Daher wurde die Aufgabe als ‘Einführung relevanter Themen’ konzeptualisiert. Es wurden zwei Verfahren unterschieden, die die Gesprächspartner zur Themeneinführung verwenden (vgl. 6.3): 1.
‘Explizites Benennen von Themen’: Mithilfe Themen benennender Substantive, Verbalphrasen und Fragen führen die Gesprächspartner Themen auf explizite Weise ein (z.B. die arbeitsweise is schon=ne umstellung, zunächst mal was zum thema mitarbeiterführung).
212
2.
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
‘Implizites Nahelegen von Themen’: Im Rahmen der Themenbearbeitung (z.B. bei der Darstellung vermeintlich typischer spanischer Verhaltensweisen) legen sie implizit bestimmte Themen nahe (z.B. ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback, in spanien herrscht nur du gell).
Für beide Verfahren wurde diskutiert, was diese jeweils für den Aspekt der Themenüberleitung implizieren. Dabei wurde gezeigt, dass zwischen Gesprächen mit deutlichen Themenwechseln und Themengrenzen (vgl. Verweis auf Themenliste, 6.3.1) und solchen mit eher fließenden Themenübergängen (vgl. Assoziation, 6.3.2) unterschieden werden kann. Diese Unterscheidung deutet auf unterschiedliche Auffassungen von der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten hin. Strukturierte, fragegeleitete Gespräche erinnern an Interviews oder Bewerbungsgespräche und schaffen eher einen institutionellen, formellen Kontext. Die Assoziation ist ein typisches Verfahren des Erzählens und der Alltagskommunikation und unterstützt daher die Konstitution einer informelleren Gesprächsatmosphäre. Weiterhin wurde deutlich, dass in den Gesprächen mit einer deutlichen thematischen Struktur häufig ein Akteur dominant ist und aktiv die Gesprächssteuerung übernimmt (z.B. stellt N im Gespräch ANMELDUNG wiederholt Fragen, in KOLLEGIALE BERATUNG fragt E wiederholt nach ersten Erfahrungen N’s). Die Tatsache, dass die Gesprächsteilnehmer einen erheblichen Formulierungsaufwand zur Einführung berufsrelevanter Themen betreiben und dabei vielfältige Verfahren verwenden, deutet darauf hin, dass für sie offenbar nicht selbstverständlich ist, welche Themen für die Arbeit im deutsch-spanischen Kontext relevant sind und somit Gegenstand der Weitergabe kultureller Erfahrungen werden können. 6.4.2 Die Herausforderung der Identifikation relevanter Themen Es stellt für die Gesprächspartner also eine Herausforderung dar, Themen zu identifizieren und einzuführen, die für die Zusammenarbeit der deutschen Auslandsentsandten mit Spaniern relevant sind. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Tatsache, dass die Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten noch nicht institutionalisiert ist. Die Gesprächspartner können noch nicht auf ein etabliertes Themenspektrum zurückgreifen, sondern müssen selbst potenzielle Gesprächsthemen identifizieren und formulieren. Im Gegensatz dazu muss zum Beispiel im Bewerbungsgespräch die Einführung eines Themas bzw. das Stellen einer Frage normalerweise nicht begründet und erläutert werden. Hinzu kommt, dass es sich bei dem kulturellen Erfahrungswissen, das in den Gesprä-
6.4 Praxiskommentar
213
chen weitergegeben wird, um implizites Wissen handelt, das normalerweise nicht reflektiert ist (zum Begriff des impliziten Wissens vgl. 1.3.1). Was heißt dies nun aus Unternehmensperspektive? Wenn Gespräche vom Personalbereich eines Unternehmens organisiert werden, um aktiv ein Management von implizitem Handlungswissen zu betreiben, dann könnte zunächst befürchtet werden, dass die Gesprächspartner Schwierigkeiten haben, relevante interkulturelle Themen zu identifizieren, und daher vor allem über private und pragmatische Themen sprechen (z.B. Wohnungssuche, Anmeldung in Spanien). Solches explizites Wissen kann aber auch über andere Medien (z.B. Intranet) bereitgestellt werden. Interessant sind die Gespräche gerade für die Weitergabe impliziten interkulturelles Wissens (vgl. 1.3.2).111 Bei den Gesprächen in Spanien wurde daher in einer Gesprächseinleitung der Fokus auf kulturelle Erfahrungen und Themen gelegt. Diese Strategie hat sich als sinnvoll erwiesen, denn in diesen Gesprächen sprechen die Gesprächspartner im Vergleich zu den Gesprächen ohne eine solche Einleitung tatsächlich intensiver über kulturelle Themen (vgl. hierzu 3.1.1). Die inhaltliche Analyse (vgl. 3.4) hat außerdem gezeigt, dass in den Gesprächen, in denen der Fokus auf kulturelle Aspekte im Arbeitskontext gelegt wurde, eine relativ große Homogenität im Bezug auf die Themen besteht. In den verschiedenen Gesprächen werden relativ ähnliche interkulturell und berufsrelevante Themen behandelt (z.B. Führung, Mitarbeitermotivation, Kommunikationsstil etc.). Dies sind außerdem Themen, die auch in der Literatur zu deutsch-spanischen Unterschieden behandelt werden (vgl. 1.5 und 4.2). Dies zeigt, dass Auslandsentsandte, wenn sie dazu aufgefordert werden, durchaus in der Lage sind, berufsrelevante interkulturelle Gesprächsthemen zu identifizieren und zu thematisieren. Allerdings ist dazu möglicherweise ein gewisser Reflexions- und Formulierungsprozess notwendig. Bisher wurde vor allem die Frage nach der Identifikation beruflich und interkulturell relevanter Themen diskutiert (vgl. den letzten Absatz und 6.2.1). In den Gesprächen ist darüber hinaus die Frage von Bedeutung, aus wessen Perspektive ein Thema relevant ist: Die Analysen zu dem Gespräch FREUNDSCHAFT haben gezeigt, dass hier über weite Strecken der Gesprächspartner E die Gesprächssteuerung übernimmt und Themen einführt, die aus seiner Perspektive relevant sind. In Kapitel 5 wurde die These aufgestellt, dass das Rückmeldeverhalten N’s in dem Gespräch (sparsame, nicht-spezifische, immer gleiche Rück-
111 Eine inhaltliche Analyse der Trainingsgespräche (Spanien-, Frankreich-, Italien-Gespräch) hat gezeigt, dass diese Befürchtung durchaus zu Recht besteht. Zentrale Themen dieser Gespräche sind die Wohnungssuche, Auto-Anmeldung, der Aufbau privater Kontakte etc. (vgl. 3.4). Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass solche Gespräche lediglich zum Austausch expliziter Wissensbestandteile genutzt werden.
214
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
meldesignale) eher auf ein Desinteresse seinerseits hindeutet.112 Nur an wenigen Stellen stellt er konkrete Rückfragen oder reagiert auf die Ausführungen E’s. In dem Gespräch ANMELDUNG dagegen übernimmt primär N die Gesprächssteuerung und stellt wiederholt Fragen zu Aspekten, die ihn beschäftigen und interessieren oder zu denen er auffällige Erfahrungen gemacht hat (vgl. 6.3.1). Seine Rückfragen und Rückmeldungen zeigen, dass die Äußerungen E’s für ihn deutlich gewinnbringend sind (z.B. jetzt hab ich verstanden..., Z. 385; was mich jetzt des is d=äh äh andere satz den du no g=sagt hast..., Z. 484f). In beiden Gesprächen wird also deutlich, dass auch die Frage, für welchen der Gesprächspartner bestimmte Themen relevant erscheinen, einen Einfluss auf den Gesprächsverlauf haben. Um diesen Aspekt geht es auch bei der im Folgenden beschriebenen Gesprächsstrategie des ‘Novizen-orientierten Thematisierens’. 6.4.3 Die Strategie des Novizen-orientierten Thematisierens Vor dem Hintergrund der Wirkung der beschriebenen Themeneinführungsprozesse in den Gesprächen FREUNDSCHAFT und ANMELDUNG erscheint die Vorgehensweise der Gesprächspartnerin E in dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG interessant. Sie entwickelt eine Strategie zur thematischen Gesprächssteuerung, die sowohl auf Interessen und Erfahrungen N’s eingeht als auch ergänzende Aspekte einbringt, die E selbst für relevant hält.113 Ich bezeichne die Strategie als ‘Novizen-orientiertes Thematisieren’. In der Beispielanalyse (4.1) und in dem Kapitel zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen (Kapitel 5, genauer 5.4.3) wurde als Besonderheit des Gesprächs herausgearbeitet, dass E den neuen Auslandsentsandten N immer wieder zunächst nach seinen Erfahrungen fragt und erst dann eigene Erläuterungen einbringt. In Bezug auf die Themeneinführung kann man dabei vier Möglichkeiten unterscheiden, auf welche Weise und von wem jeweils neue Themenbereiche eingeführt werden. Alle vier ergeben sich aus der Gesprächsstrategie E’s:
112 Furchner (1997: 44) betont, dass sparsame und unspezifische Rezeptionssignale im Zusammenhang mit einer Wissensweitergabe auf ein mangelndes Interesse des Zuhörers hindeuten und vor allem bei selbstinitiierten Erklärungen auftreten. Auch Keppler (1989: 549f) weist darauf hin, dass die Art der Rezeptionssignale Rückschlüsse auf den Grad des Interesses des Zuhörers zulasse. Schon Repetition (wiederholte Verwendung desselben Signals) deute eher auf Desinteresse hin. Ein völliges Ausbleiben von Rezeptionssignalen könne „als relativ sicheres Indiz für mangelndes Interesse eines Zuhörers interpretiert werden“. 113 Die Strategie wurde in 5.4.3 bereits im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die Etablierung von Erfahrungskompetenzen diskutiert.
6.4 Praxiskommentar
a. b. c. d.
215
E fragt N nach ersten Erfahrungen/Auffälligkeiten, die dieser darstellt (Themeneinführung durch N) N stellt von sich aus erste Erfahrungen/Auffälligkeiten dar (Themeneinführung durch N) E ergänzt Erfahrungen und Auffälligkeiten, die sie für wichtig hält (Themeneinführung durch E) E fragt N konkret nach Erfahrungen im Hinblick auf ein bestimmtes Thema (Themeneinführung durch E)
zu a.: Wie in 7.3.1 gezeigt wurde, forciert E in dem Gespräch eine deutliche thematische Strukturierung, indem sie wiederholt nach bisherigen Erfahrungen oder Eindrücken N’s fragt (Z. 120: wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen, Z. 327: was=s sonst noch so aufgefallen außer fremdbestimmung, Z. 794: und ansonsten?). N reagiert auf die jeweiligen Fragen, indem er ein Thema einführt, das für ihn problematisch ist (z.B. die Arbeitsweise, Fremdsprachenkompetenz, Arbeitszeiten). Wie bei dem Ausschnitt aus der Beispielanalyse in 4.1 gezeigt wurde, beginnt er dabei häufig nicht unmittelbar mit der Darstellung kultureller Prägungen, sondern mit einem Verweis auf seine individuelle Betroffenheit bzw. ein individuelles Problem (z.B. Z. 337: ich sprech immer noch sehr schlecht spanisch). Die Themeneinführung erfolgt dann (seltener) durch explizite Themenbenennung oder (meistens) durch ein implizites Nahelegen von Themen. zu b.: N übernimmt im Verlauf des Gesprächs zunehmend das Strukturierungsverfahren E’s und formuliert von sich aus Auffälligkeiten und Probleme (z.B. Z. 338ff: aber des des hab ich auch gemerkt...dass des hier generell...n problem is auch mit der akzeptanz; Z. 586ff: was mir übrigens auch aufgefallen is...is dass=ähm hier sehr lange gearbeitet wird). Dabei greift er wieder sowohl auf das explizite Verfahren der Themenbenennung (akzeptanz) als auch das implizite Verfahren des Nahelegens von Themen (das hier sehr lange gearbeitet wird) zurück. Die Eindrücke, Auffälligkeiten und Erfahrungen N’s kann E im Anschluss entsprechend kommentieren. zu c.: Im späteren Gesprächsverlauf ergänzt E das Gespräch zunehmend ihrerseits durch Aspekte, die sie als relevant erfahren hat (z.B. Z. 472f: ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback; Z. 532: es geht teilweise auch sehr emotional zu; Z. 888ff: also was für mich halt noch so=n bisschen der punkt war... patrialistischer führungsstil is eigentlich noch das normale). Dabei verwendet auch sie explizite und implizite Verfahren der Themeneinführung. zu d.: Insgesamt scheint E zu vermeiden, selbst zuerst Aussagen über ein bestimmtes Thema zu machen. Dies wird an folgenden Beispiel deutlich: Im späteren Verlauf des Gesprächs stellt E die Frage scho=mal ne geburtstagsfeier in der abteilung oder so so=n einstand oder irgendwie so was erlebt? (Z.
216
6. Aufgabe-2: Relevante Themen einführen
699ff.). Sie führt damit explizit ein Thema ein (geburtstagsfeier, einstand), ohne dass sie dabei selbst eine Aussage in Bezug auf das Thema macht. Die Frage löst einen Erfahrungsbericht N’s aus, den sie wieder entsprechend kommentieren kann. E gibt im späteren Gesprächsverlauf an, dass sie die Frage bewusst gestellt hat, da sie selbst eine bestimmte Erfahrung im Hinterkopf hatte (Z. 1170ff: n=ch hab grad eigentlich gefragt weil? äh: richtig ich erinner mich an eine situation da hatte jemand=äh ein ausgegeben).114 E etabliert in dem Gespräch also eine bestimmte Strategie zur thematischen Gesprächssteuerung. Sie forciert eine deutliche thematische Strukturierung des Gesprächs und unterstützt dabei, dass größtenteils E Themen einführt (a-b) bzw. wenn nicht zumindest als erster eine Aussage zu dem Thema macht (d). Dieses Vorgehen hat auch einen Einfluss auf die Prozesse der Kompetenzetablierung (vgl. 5.4.3) und auf die Frage der Darstellungsverfahren (vgl. 7.4.2). Im Bezug auf die Themeneinführung macht es die Strategie möglich, dass zunächst über diejenigen Aspekte gesprochen wird, die N aktuell beschäftigen, und diejenigen Erfahrungen kommentiert werden, die er selbst bereits gemacht hat (vgl. a-b). Die Strategie nutzt damit einen Vorteil der Gespräche gegenüber schriftlichen Erfahrungsberichten, in denen nicht individuell auf Interessen des neuen Auslandsentsandten eingegangen werden kann (vgl. 1.3.2). Während N sich zunehmend an das Vorgehen E’s anpasst, kann E im späteren Gesprächsverlauf selbst Aspekte ins Gespräch bringen, deren Relevanz N möglicherweise noch nicht erkannt oder erlebt hat (vgl. c-d). Die beschriebene Strategie ist eine Gesprächsstrategie, mit der der erfahrenere Gesprächspartner die Gesprächssteuerung übernehmen kann und mithilfe der er unterstützen kann, dass zum einen systematisch Themen behandelt werden, die für den neuen Auslandsentsandten aktuell relevant sind, und dabei zum anderen Themen nicht übersehen werden, dessen Relevanz dieser möglicherweise noch nicht erkannt hat. Dabei werden die verschiedenen Verfahren der Themeneinführung gleichermaßen verwendet. Entsprechend kann auch der neue Gesprächspartner die Gesprächssteuerung übernehmen und zunächst selbst Themen ins Gespräch einführen, die ihn bisher beschäftigen (wie beispielsweise der Gesprächspartner N in dem Gespräch ANMELDUNG, vgl. 6.3.1) und im späteren Gesprächsverlauf nach weiteren Erfahrungen oder Ratschlägen E’s fragen.
114 Diese letzte Variante der Themeneinführung hängt mit einem weiteren Aspekt zusammen, der in 7.4.2 genauer diskutiert wird. Sie ermöglicht es E, sich an die Darstellungsmodalität N’s anzupassen und dabei trotzdem selbst ein Thema einzuführen.
7 Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
7.1 Definition und Forschungskontext Die ‘Darstellung kultureller Prägungen’115 ist die zentrale Aufgabe der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten. Ihre Bewältigung nimmt innerhalb der Gespräche den größten Raum ein, und zu ihrer Realisierung verwenden die Gesprächspartner vielfältige Verfahren, zwischen denen sie kontinuierlich wechseln. Die Aufgabe besteht für die Gesprächspartner darin, auf der Basis eigener Erfahrungen Besonderheiten der spanischen Kultur (d.h. kulturspezifische Eigenschaften, Verhaltensweisen, Werte etc., z.B. die Tatsache, dass die Familie in Spanien einen hohen Stellenwert hat) und deutsch-spanische Unterschiede (z.B. dass spanische Führungskräfte ihre Mitarbeiter stärker kontrollieren als deutsche) darzustellen. Es geht also hier, nachdem die ersten beiden Aufgaben (‘Erfahrungskompetenzen etablieren’ und ‘Relevante Themen einführen’) kommunikative Voraussetzungen der Erfahrungsweitergabe schaffen, zum ersten Mal konkret darum, eigene Erfahrungen bezüglich kultureller Auffälligkeiten und Unterschiede zu verbalisieren. Die beiden folgenden Aufgaben (‘Individuelle Betroffenheit aufzeigen’ und ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’) bauen auf diese erste Verbalisierung von Erfahrungen auf und gehen jeweils einen Schritt weiter in der Erfahrungsdarstellung. Da es hier erstmals um die konkrete Verbalisierung von Erfahrungen geht, wird auch die Frage relevant, wie die Gesprächspartner den Begriff ‘Erfahrung’ auffassen. In 7.2.1 werde ich anhand von Gesprächsausschnitten erläutern, dass sie den Erfahrungsbegriff in zwei verschiedenen Bedeutungsdimensionen verwenden, erstens im Sinne einer Einzelerfahrung und zweitens im Sinne eines 115 Der Begriff der ‘Prägung’ wurde in der Verhaltensbiologie eingeführt von Konrad Lorenz (1937) zur Bezeichnung einer irreversiblen Form des Lernens durch Umweltreize während einer frühen Lebensphase (vor allem in Bezug auf Tiere, z.B. Lernen bestimmter Bewegungsabfolgen, Nahrungspräferenzen). Übertragen auf den menschlich-kulturellen Bereich verweist er auf die Tatsache, dass Individuen im Rahmen der Enkulturation durch ihre Kultur ‘geprägt’ werden, das heißt dass sie bestimmte kulturspezifische Eigenschaften, Verhaltensweisen, Einstellungen und Werte lernen, die sie in ihrem Verhalten beeinflussen (in dieser Auffassung verwenden den Begriff z.B. Hartnack/Schreiner 2008: 212, Moosmüller 2004: 61, Luczak 1998: 3). In unserer Aufgabenbezeichnung wird ‘Prägung’ als Überbegriff für solche kulturspezifischen Eigenschaften, Verhaltensweisen etc. verwendet.
218
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
synthetisierten Erfahrungswissens. Das heißt die Weitergabe kultureller Erfahrungen impliziert für sie erstens die Verbalisierung von Einzelerfahrungen und zweitens von allgemeinen Aussagen auf der Basis eigener Erfahrungen. Neben dem Erfahrungsbegriff wird auch der Kulturbegriff im Zusammenhang mit der dritten Aufgabe relevant. Denn es geht in den Gesprächen der Auslandsentsandten um die Darstellung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen. Die Frage ist nun, wie die Gesprächspartner den Begriff ‘Kultur’ verstehen und wie sie in ihren Aussagen auf bestimmte Kulturen Bezug nehmen. Auf diese Fragen werde ich in 7.2.2 und 7.2.3 eingehen. Mit dem Erfahrungs- und dem Kulturbegriff stehen zwei zentrale Begriffe unseres Untersuchungsgegenstands im Zentrum dieser Aufgabe. Der Abschnitt zu den Aufgabenspezifika widmet sich diesen Begriffen. Zur Darstellung kultureller Prägungen verwenden die Gesprächspartner unterschiedliche Darstellungsverfahren, die in 7.3 vorgestellt werden. Insgesamt kann man unterscheiden zwischen Formen einer verallgemeinernden, Hypothesen formulierenden Darstellung (z.B. die spanier...können überhaupt nicht mit kritik umgehen, FREUND Z. 330ff; es geht teilweise auch sehr emotional zu, KOLBER Z. 532; vgl. 7.3.1) und einer erzählerischen Darstellung (z.B. also bei mir kam schon gleich in den ersten tagen mitarbeiter die erst mal so=n paar sachen klarstellen wollten mit der neuen, KOLBER Z. 477ff; vgl. 7.3.2). Diese beiden Möglichkeiten spiegeln die zwei Auffassungen des Erfahrungsbegriffs wider, die in 7.2.1 konkreter erläutert werden. Allgemeines, synthetisiertes Erfahrungswissen wird mithilfe allgemeiner Darstellungsverfahren präsentiert, konkrete Einzelerfahrungen durch erzählerische Veranschaulichung. Bei der verallgemeinernden Darstellung werden dabei kulturelle Eigenschaften oder Verhaltensweisen explizit benannt oder beschrieben, bei der erzählerischen Veranschaulichung werden sie auf implizitere Weise deutlich. Innerhalb der beiden übergeordneten Verfahren kann man zwischen einer beachtlichen Zahl weiterer (Unter-)Verfahren unterscheiden. Dabei handelt es sich in einigen Fällen um kommunikative Phänomene, die auch an anderer Stelle als ‘Verfahren’ bezeichnet wurden (z.B. Generalisierung, Relativierung, Kontrastierung, zu Forschungsbezügen vgl. die jeweilige Abschnitte in 7.3.1), bei anderen Aspekten um gesprächsspezifischere Aspekte (z.B. Rekonstruktion wiederkehrender Einzelerfahrungen, Prophezeiung hypothetischer Einzelerfahrungen). Die Darstellung kultureller Prägungen ist wie die übrigen Aufgaben interaktive Aufgabe, die die Gesprächspartner gemeinsam bewältigen.116 Dabei lassen 116 Vgl. Czyzewski et al. (1995: 80): „Verbalisierte Selbst- bzw. Fremdbilder sind also nicht umstandslos dem jeweiligen Sprecher zuzuordnen, sondern immer ein Produkt aller Beteiligten, ein Ausdruck der jeweiligen gemeinsam hervorgebrachten interaktiven Struktur“.
7.1 Definition und Forschungskontext
219
sich allerdings Unterschiede in der Darstellungsmodalität von E und N feststellen, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Darstellungsverfahren (vgl. 4.1). Als ‘kulturelle Prägungen’ stellen die Gesprächspartner in den Gesprächen verschiedene kulturelle Merkmale dar. Die folgende Tabelle 7.1 gibt einen Überblick, über welche Aspekte der spanischen (bzw. deutschen) Kultur die Gesprächspartner in den Gesprächen Aussagen machen. In der Aufgabenbezeichnung werden diese Merkmale in dem Begriff der ‘kulturellen Prägung’ zusammengefasst. Tabelle 7.1: Merkmale kultureller Prägung Merkmale Eigenschaften von Personen
Beispiele aus den Gesprächen - spanier sind relativ neidisch (ENTSZIEL Z. 687) - ich glaub we=ma des ruhig angeht dann sind da die spanier auch ganz relaxed (LOCKER Z. 97f) - außerhalb von diesem werk sind sie wahrscheinlich eins der freundlichsten völker die=i überhaupt je kenneg=lernt hab (FREUND Z. 399ff) Verhaltensweisen von Personen - die leute kommen an dein schreibtisch und sagen schau mal da kurz was nach (KOLBER Z. 169ff) - man trennt das relativ scharf also auf der sachebene wird gestritten...n=danach macht man so dieses ich bin okay du bist okay (KOLBER Z. 548ff) - was schon n=bisschen spanisch is is dass ma nach ausreden suchen (ANM Z. 757f) Zustände - s=is sehr locker würd ich generell sagen (LO(Charakteristika der Situation-1) CKER Z. 339f) - es is ä:hm: alles sehr viel=ähm oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) - hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch äh: fremde störungen (KOLBER Z. 210f) - freundschaft gibt=s in spanien gar nicht (FREUND Z. 454) Vorgänge, Gewohnheiten, Abläufe - es geht auch sehr emotional zu (KOLBER Z. 532) (Charakteristika der Situation-2) - wenns net funktioniert wirds laut (ANM Z. 270) - des ha’ isch meine erfahrung hier dass sehr über vorschriften gearbeitet wird (LOCKER Z. 260ff) - oder meetings werden ständig unterbrochen (KOLBER Z. 172) - ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback (KOLBER Z. 472f)
220 Werte und Bewertungen
Regeln
Informationen und Fakten
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen - die familie hat=n sehr hohen stellenwert (ANM Z. 639) - für sie ist sich wiederholende prozesse langweilig (FREUND Z. 1480) - in spanien herrscht nur du gell achtung (FREUND Z. 814) - zu sagen also ich brauch des morgen dann heißt morgen ja eben nicht morgen so=des kann schon morgen sein des kann aber au übermorgen oder nägschte woche sein (LOCKER Z. 198ff) - und es gibt auch sehr sehr viele frauen hier im werk (KOLBER Z. 1004)
Linguistische Forschungsbezüge Im Rahmen der gesprächsanalytischen Forschung zu sozialen Kategorisierungen und zur Konstitution kultureller Selbst- und Fremdbilder (u.a. Kesselheim 2003, Hausendorf 2002a, 2002b, 2000a, Czyzewski et al. 1995, Drescher/Dausendschön-Gay 1995, Drescher 1994) sowie in der linguistischen Stereotypenforschung (Keim 2002, Nazarkiewicz 2002, 1999, Quasthoff 1989, 1973) wurden einige der Verfahren zur Darstellung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen bereits ausführlich beschrieben. Die Forschungsrichtungen bauen einerseits auf Harvey Sacks’ linguistische Arbeiten zu ‘membership categorization devices’, andererseits auf die sozialpsychologische Stereotypen- und Vorurteilsforschung auf.117 Die konversationsanalytische Kategorisierungsforschung beschäftigt sich insgesamt mit Prozessen der sozialen Kategorisierung.118 Innerhalb der Forschung zu sozialen Kategorisierungen wurden unterschiedliche Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen beschrieben. Czyzewski et al. (1995)119 beto117 Die Ansätze sowie ihr Zusammenhang mit der Kategorisierungsforschung werden ausführlich beschrieben in Hausendorf 2000a: Kap. 1.2 sowie in Czyzewski et al. 1995: Kap. 2.2 und 3.2. 118 Der Begriff ‘soziale Kategorisierung’ beschreibt den Prozess der Informationsaufnahme und -verarbeitung in allgemeinerer Weise. Laut Keim spricht man erst dann von ‘Stereotypisierungen’, wenn Mitgliedern einer Gruppe Eigenschaften und Verhaltensweisen „in ungerechtfertigter Weise vereinfachend und uneingeschränkt generalisierend zugeschrieben werden“ (Keim 2002: 248). Daneben wird vor allem in der Soziologie der Begriff der ‘Typisierung’ verwendet. Zur Abgrenzung der Begriffe ‘Stereotypisierung’, ‘Kategorisierung’ und ‘Typisierung’ vgl. Czyzewski et al. 1995: 29ff, Drescher 1994: 4-5. 119 Diese sowie einige weitere der im folgenden aufgeführten Publikationen entstanden im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt ‘Nationale Selbst- und Fremdbilder in osteuropäischen Staaten’, das 1993 am Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld realisiert wurde.
7.1 Definition und Forschungskontext
221
nen, dass Generalisierung (durch generische Artikel, Präsens etc.) und Kontrastierung (durch Oppositionen) besonders typische Formulierungsverfahren für Kategorisierungen sind (ebd.: 57). Sie unterscheiden außerdem zwischen verallgemeinernd berichtenden Darstellungen und episodisch erzählenden Formen der Darstellung von Selbst- und Fremdbildern, durch die jeweils ein unterschiedliches Ausmaß an Allgemeingültigkeit beansprucht wird (ebd.: 60). Die Autoren heben vor allem die spezifische Leistung des Erzählens für die Konstruktion von Selbst- und Fremdbildern hervor (ebd.: 62). Dabei unterscheiden sie wiederum zwei Formen der narrativen Bearbeitung von Kategorisierungen: generalisierende Handlungsrekonstruktionen und Rekonstruktionen von Einzelfällen/Episoden. Vor allem letztere ermöglichen eine Auseinandersetzung mit negativen Kategorisierungen (ebd.: 78). Hausendorf (2002a, 2002b, 2000a) unterscheidet in seinen Arbeiten zur Darstellung von Zugehörigkeit im Gespräch drei kommunikative Aufgaben, die Gesprächspartner zu ihrer Realisierung bewältigen müssen: Zuordnen, Zuschreiben und Bewerten. Die Aufgabe des Zuschreibens steht der hier betrachteten Aufgabe der Darstellung kultureller Prägungen sehr nahe: „Zuschreiben bedeutet, Personen als Träger gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen darzustellen“ (Hausendorf 2000a: 111). Hausendorf unterscheidet im Bezug auf die Zuschreibung kommunikative Formen und Verfahren (a) zur ausdrücklichen Feststellung gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen (v.a. Eigenschafts- und Verhaltens-Prädikate), (b) zur exemplifizierenden Veranschaulichung gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen (z.B. Erzählung, Redewiedergabe, Personenbeschreibung, Beispiel, Metapher) und (c) zum Nahelegen gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen (z.B. Ironie, Ellipse, Negation mit Adversativ-Junktor). Drescher (1994, zus. mit Dausendschön-Gay 1995) beschreibt als Verfahren das ‘Etikettieren’ und das ‘Evozieren’. Beim Etikettieren wird eine ethnische Kategorie durch die Verwendung eines Kategoriennamens relevant gesetzt (z.B. die Spanier, in Spanien, sie) und ggf. charakterisiert (Drescher 1994: 9). Mit dem Evozieren bezeichnet sie ein „Verfahren, bei dem die Interaktanten auf eine explizite Nennung der relevanten Kategorien verzichten“ (ebd.: 13). Allein das Anführen typischer Eigenschaften oder Handlungen reicht, „um den Rückschluß auf eine bestimmte Kategorie nahezulegen“ (ebd.: 12). Etikettieren und Evozieren betrachtet Drescher als zwei komplementäre Verfahren. Während beim Etikettieren das Nennen bestimmter Kategorien bestimmte Erwartungen bezüglich typischer Eigenschaften und Handlungen der Vertreter dieser Kategorie auslöst, legt beim Evozieren das Anführen typischer Eigenschaften oder Handlungen den Rückschluss auf eine bestimmt Kategorie nahe (ebd.: 16). Drescher zeigt, dass in interkulturellen Kontaktsituationen das Evozieren (als impliziteres Verfahren)
222
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
gegenüber dem Etikettieren bevorzugt wird, um Stereotypisierungen und damit Imagegefährdungen zu vermeiden (ebd.: 17). Kesselheim (2003) beschreibt Aufgaben und Verfahren zur Konstitution von Gruppen im argentinischen Einwanderungsdiskurs. Innerhalb der Aufgabe des ‘Füllens’ stellt auch er Verfahren zur Darstellung kulturspezifischer Handlungen, Eigenschaften, Einstellungen, Bewertungen etc. dar: „‘Füllen’ meint die Ausstattung einer Kategorie mit kategoriengebundenen Merkmalen“ (Kesselheim 2003: 96). Als Füllverfahren unterscheidet er die Prädikation, Attribution und Nebenbeiprädikation sowie als weiträumigere Füllverfahren Wenn-DannKonstruktionen, Szenarien, generalisierte Situationen und Belegerzählungen. Zur Bewältigung der Aufgabe muss laut Kesselheim außerdem angezeigt werden, dass die Kategorisierung allgemein und zeitlos gültig ist (Allgemeinheit, z.B. durch ‘cuantificadores universales’ wie todos/alle), dass es sich um ein geteiltes Gruppenwissen handelt (Geteiltheit, meist durch explizite Formeln wie z.B. como decimos nosotros/wie wir sagen) und dass es sich um ein zentrales Merkmal für die Definition der Gruppe handelt (Zentralität, z.B. durch Verwendung von Wörtern wie típico/typisch oder von Gradadverbien wie muy/sehr, mucho/viel). Im Kontext der Kategorisierungsforschung wurde vor allem die Bedeutung sozialer Kategorisierungen für die Konstitution von Gruppen und die Herstellung sozialer Ordnung herausgestellt. Im Gegensatz dazu geht es in der vorliegenden Arbeit eher um die Frage, wie durch soziale Kategorisierungen nationale Selbstund Fremdbilder hervorgebracht werden, deren Kenntnis für die neuen Auslandsentsandten bei ihrer Arbeit relevant ist. An die Darstellung kultureller Prägungen schließen sich daher meist unmittelbar Aussagen bzw. Überlegungen dahingehend an, wie man mit den kulturellen Unterschieden umgehen kann (vgl. Aufgabe-5, Kapitel 9). Diese Perspektive hat auch Konsequenzen für die Verfahren zur Darstellung der Eigenschaften und Verhaltensweisen. Neben der allgemeinen sozialen Kategorisierungsforschung beschäftigt sich die linguistische Stereotypenforschung mit Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen. Stereotype werden sozialpsychologisch definiert als Einstellungen oder Verhaltensweisen, die einer bestimmten Gruppe in ungerechtfertig vereinfachender und generalisierender Weise ab- oder zugesprochen werden. Aus linguistischer Perspektive hat erstmals Quasthoff die sozialpsychologische Konzeption von Stereotypen aufgegriffen (Quasthoff 1973, vgl. auch 1989). Sie beschreibt die Manifestation von Stereotypen im Gespräch und definiert ein Stereotyp als „der verbale Ausdruck einer auf soziale Gruppen oder einzelne Personen als deren Mitglieder gerichteten Überzeugung. Es hat die logische Form eines Urteils, das in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierender Weise, mit emotional wertender Tendenz, einer Klasse von Personen bestimmte Eigenschaf-
7.1 Definition und Forschungskontext
223
ten und Verhaltensweisen zu- oder abspricht. Linguistisch ist es als Satz beschreibbar“ (Quasthoff 1973: 38). Quasthoff (1989: 37-38) kritisiert an der bisherigen (sozialpsychologischen) Stereotypenforschung, dass sie sich nur auf „die aggressiven, abqualifizierenden, gefährlichen Stereotypen“ konzentriert und die „alltäglich-liebenswerten, harmlosen“ vernachlässigt. Ihrer Ansicht nach können Stereotype auch positive Auswirkungen haben. Sie behauptet außerdem, das Zusammenleben würde nicht funktionieren ohne sie. Stereotype haben für Quasthoff (1989) drei Funktionen: (a) eine kognitive Funktion (Unterstützung bei der Einordnung von Informationen), (b) eine affektive Funktion (Identitätsbildung, Schaffung eines stabilen psychischen Haushalts), (c) eine soziale Funktion (Ingroup-outgroup-Abgrenzung, Herstellung sozialer Strukturen). Konkret mit der Stereotypenkommunikation und dem Umgang mit Stereotypen in Gesprächen beschäftigen sich einige neuere gesprächsanalytische Arbeiten. Relevant für die vorliegende Fragestellungen sind vor allem die Untersuchungen von Keim und Nazarkiewicz. Keim (2002) zeigt, wie ein spielerischer Umgang mit Stereotypen in interkulturellen Erstbegegnungen funktionieren und eine bestimmte (positive) Beziehung zwischen den Gesprächspartnern konstituieren kann. Nazarkiewicz (2002, 1999) beschäftigt sich mit der Frage nach dem Umgang mit ethnischen Stereotypisierungen in interkulturellen Trainings. Sie beschreibt Auffälligkeiten der Stereotypenkommunikation (z.B. Auftauchen bestimmter Bilder/Topoi, affektmarkierte Bewertungen durch unvollständige Sätze und Extremformulierungen, die Verlockung zu kooperativen Bewertungen, gemeinsame Entrüstung, allmähliche Relativierung und Rehabilitierung der Opfer etc.). Nazarkiewicz vertritt die These, dass Stereotype im interkulturellen Training keinesfalls umgangen, sondern aktiv bearbeitet werden sollten. Dazu gehört auch, dass sie bewusst thematisiert werden. Die Eigendynamik der Stereotypenkommunikation führt dann meist dazu, dass die Stereotype allmählich relativiert und die Opfer rehabilitiert werden. Bisher wurden linguistische Bezugspunkte beschrieben, die sich speziell mit der Darstellung und Zuschreibung kultureller Prägungen beschäftigen. Ein weiterer Forschungsbezug für die Aufgabe der Darstellung kultureller Prägungen ist daneben die Forschung zu Darstellungsmustern im Gespräch. Zentral für die vorliegende Arbeit ist dabei das Muster des Erzählens. Nachdem sich die Erzählforschung lange Zeit (v.a. in der Literaturwissenschaft, im Strukturalismus und in der Textlinguistik) ausschließlich mit schriftlichen Erzählungen beschäftigt hat, wurden mit der Entwicklung der Gesprächsanalyse zunehmend auch mündliche Alltagserzählungen Gegenstand der Forschung. Inzwischen ist die linguistische Forschung zum Erzählen in Gesprächen umfangreich und vielfältig (frühe Arbeiten sind z.B. Ehlich 1980, Gülich 1980, Quasthoff 1980, Labov/Waletzky
224
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
1973, für einen neueren Forschungsüberblick vgl. Gülich/Hausendorf 2001, Quasthoff 2001, Hausendorf/Quasthoff 1996: Kap. 2).120 Im Folgenden werde ich zunächst auf drei Fragen zu den zentralen Begriffe der ‘Erfahrung’ und der ‘Kultur’ eingehen (7.2): Wie verwenden die Gesprächspartner den Erfahrungsbegriff (7.2.1)? Wie verwenden sie den Kulturbegriff (7.2.2)? Wie nehmen sie in ihren Darstellungen auf Kultur Bezug (7.2.3)? Anschließend unterschiede ich zwei übergeordnete Darstellungsverfahren, die die Gesprächspartner verwenden (7.3): die verallgemeinernde Darstellung kultureller Prägungen (7.3.1) und die erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen (7.3.2). Für beide übergeordnete Verfahren gibt es mehrere konkretere Verfahren. Im abschließenden Praxiskommentar (7.4) fasse ich die Analyseergebnisse zusammen und gehe auf Herausforderungen und Lösungsstrategien ein, die für die Praxis relevant sind.
7.2 Aufgabenspezifika Die Begriffe ‘Erfahrung’ und ‘Kultur’ sind zentral für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit und die Beschreibung der Gespräche unseres Korpus, geht es doch in beiden Fällen um die Weitergabe kultureller Erfahrungen. Dabei spielen die Begriffe für die dritte Aufgabe, mit der wir uns in diesem Kapitel beschäftigen, eine besondere Rolle. In der Aufgabendefinition wurde bereits deutlich, dass diese Aufgabe den ersten Schritt der Verbalisierung von Erfahrungen darstellt. Daher geht es hier zum ersten Mal konkret um die Frage, wie Erfahrungen im Gespräch dargestellt werden können. Die Aufgabenbezeichnung verweist darauf, dass es dabei insbesondere um kulturelle Erfahrungen geht. Das heißt die Gesprächspartner sind insbesondere bei dieser Aufgabe aufgefordert, Aussagen über bestimmte Kulturen zu machen. Im folgenden werde ich anhand von Beispielen zeigen, wie die Gesprächspartner die beiden zentralen Begriffe der ‘Erfahrung’ und der ‘Kultur’ in den Gesprächen verwenden. Im Hinblick auf den Erfahrungsbegriffe werde ich zwei Auffassungen erläutern, die in den Analysen herausgearbeitet wurden (8.2.1). Für den Kulturbegriff gehe ich darauf ein, an welchen Stellen die Gesprächspartner ihn explizit benutzen und welche Auffassung von Kultur sich in den Gesprä-
120 Daneben gibt es auch in anderen Disziplinen eine Vielzahl an Publikationen zum Erzählen (Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Psychologie, Philosophie etc.). An verschiedener Stelle wird Narrativität sogar als Grundbegriff der Kulturwissenschaften insgesamt diskutiert (Meuter 2004, Neumann 2000). Aus diesen Ansätzen interessieren für die vorliegende Arbeit vor allem Überlegungen zu Funktionen des Erzählens in unterschiedlichen Kontexten.
7.2 Aufgabenspezifika
225
chen widerspiegelt (8.2.2). Im Anschluss daran erläutere ich, wie die Gesprächspartner auf konkrete Kulturen Bezug nehmen (8.2.3). 7.2.1 Verwendung des Erfahrungsbegriffs in den Gesprächen Die Gesprächspartner verwenden den Begriff der ‘Erfahrung’ in den Gesprächen in zwei verschiedenen Bedeutungsdimensionen: erstens im Sinne von ‘Einzelerfahrung’ und zweitens von ‘synthetisiertem Erfahrungswissen’.121 Beide Verwendungsweisen werde ich im Folgenden anhand von Gesprächsausschnitten erläutern. Dabei nehme ich auf verschiedene Forschungskontexte Bezug, innerhalb derer der Erfahrungsbegriff jeweils in vergleichbarer Weise verwendet wird. Einzelerfahrung: Konkretes, individuelles Erlebnis Der Erfahrungsbegriff taucht in den Gesprächen erstens im Sinne einer Einzelerfahrung oder eines Einzelerlebnisses auf.122 Die Gesprächspartner sehen es gemäß dieser Auffassung als ihre Aufgabe, von einzelnen Erlebnissen während der Auslandsentsendung zu erzählen. In folgendem Ausschnitt aus dem Gespräch LOCKERHEIT wird der Erfahrungsbegriff im Bezug auf eine einzelne Erfahrung verwendet. LOCKERHEIT: „also was meine persönliche erfahrung war” (28:28, Z.961) 01 02 03 04 05 06 07 08
E: also ich kann (.) nur (.) also=was meine perSÖNliche erfahrung war, als ich hier war auf der informaTIONSreise quasi, (--) wurd=ich meinem KÜNFtigen: kolLEgen und MITarbeiter VORgestellt. ((...)) [Erzählung: Erstbegegnung, Beziehungsentwicklung] für MICH war des=e RIEsen erFAHrung, (--) wo ich am anfang so mit der VORstellung daher kam der:
121 Hinzu kommt die Verwendung des Erfahrungsbegriffs im Sinne von ‘Lebenserfahrung’ im Bezug auf die gesamte Auslandserfahrung, die sich vor allem in dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL findet (z.B. des=s ne schöne erfahrung hier, ENTSZIEL Z. 89, ich hab mir für mich gesagt ich geniess=es, nehm=s als lebenserfahrung, ENTSZIEL Z. 1123f). Diese Verwendung findet sich allerdings nur vereinzelt in den Gesprächen und sie ist für unsere Argumentation in diesem Kapitel nicht relevant, daher gehe ich nicht genauer darauf ein. 122 In dieser Bedeutung verwendet auch die linguistischen Erzählforschung den Erfahrungsbegriff (z.B. Gülich/Hausendorf 2001, Quasthoff 2001, Ehlich 1980, Quasthoff 1980, Labov/Waletzky 1973). Ehlich/Rehbein (1977) nennen in ihrer Darstellung unterschiedlicher Strukturtypen des Aktantenwissens in Institutionen als einen Wissenstyp das „partikulare Erfahrungswissen“. Sie grenzen dieses von verschiedenen Formen des systematisierten Wissens ab (Einschätzung, Bild, Sentenz, Maximen, Musterwissen und Routinewissen).
226 09 10 11
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen (1.0) der ähm: (--) denkt jetzt naja da kommt jetzt WIEder so einer.=ne? um GOTtes willen. (1.0)
Kommentar: In dem ausgelassenen Ausschnitt erzählt E, wie sich die Beziehung zu einem Kollegen von einer anfänglich negativen Einstellung auf beiden Seiten zu einer positiven Zusammenarbeit hin entwickelt hat. Er erzählt eine reale, selbst erlebt konkrete Folge von Ereignissen. Die Erzählung weist typische erzählerische Darstellungsmittel und Strukturen auf. In 7.3.2 werde ich die hier ausgelassene Erzählung im Hinblick darauf kommentieren. E rahmt seine Erzählung explizit als erfahrung. Sowohl in der Einleitung (Z. 1-2: also was meine persönliche erfahrung war) als auch im Resümee (Z. 7: für mich war des=e riesen erfahrung) taucht der Begriff auf. An beiden Stellen verwendet E den Erfahrungsbegriff im Singular mit Possessivpronomen (meine) bzw. unbestimmtem Artikel (e) und Adjektivergänzung (persönliche, riesen) und verweist damit auf eine konkrete Einzelerfahrung. Sowohl in der Einleitung als auch im Resümee wird zudem die Individualität der Erfahrung hervorgehoben (meine persönliche erfahrung bzw. für mich).
Nicht nur bei der Darstellung von Einzelerfahrungen, sondern auch in einigen Fragen E’s oder N’s verwenden diese den Erfahrungsbegriff im Sinne von Einzelerfahrungen.123 In dem Gespräch ANMELDUNG fragt N wiederholt nach Erfahrungen E’s in Bezug auf ein bestimmtes Thema: ANMELDUNG: „wie sind deine erfahrungen” (06:03, Z.232) 01
N: wie sind deine erfahrungen da (--) in dem zuSAMMenhang;
ANMELDUNG: „wie sind deine eigenen erfahrungen” (19:54, Z.650) 02
N: wie sind deine eigenen erfahrungen diesbezüglich;
Kommentar: In beiden Gesprächsausschnitten verwendet N den Erfahrungsbegriff im Plural mit Possessivpronomen (deine bzw. deine eigenen) und fragt damit nach individuellen, singulären, konkreten Erfahrungen.
Die Gesprächspartner verwenden den Erfahrungsbegriff in den Gesprächen nicht nur im Bezug auf einmalige, sondern auch auf wiederkehrende (aber dennoch konkret dargestellte) Erfahrungen.124 Dies möchte ich anhand eines weiteren Beispiels etwas genauer erläutern. 123 Vgl. hierzu auch die Eingangsfrage in dem Gesprächsausschnitt der Beispielanalyse in 4.1: wie war=n so jetzt die ersten erfahrungen? (KOLBER, Z. 120) 124 In 7.3.2 werde ich zeigen, dass die Gesprächspartner häufig wiederkehrende Einzelerfahrungen im Sinne von „generalisierenden Handlungsrekonstruktionen“ (Czyzewski et al.1995: 78) darstellen. Charakteristisch für diese ist die Kombination erzählerischer Darstellungsmittel und einer insgesamt generalisierenden Darstellungsweise.
7.2 Aufgabenspezifika
227
KOLLEGIALE BERATUNG: „ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback” (21:22, Z.470) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
E: das GUte is,= =so hab ICH=s jedenfalls empfunden hier,(--) äh (--) ma beKOMMT (---) !SEHR! schnell (-) !SEHR! direktes FEEDback. (---) N: [mhm; E: [weiß nich ob du auch schon solche erFAHrungen gemacht hast? (1.0) also bei mir kam schon gleich in den ersten tagen: MITarbeiter die erst mal so=n paar sachen KLARstellen wollten [mit der N: [hm. E: [neuen=. N: [hm. E: =ne also die [dann (---) ] vor mein SCHREIBtisch N: [<
Kommentar: E stellt in dem Ausschnitt zunächst eine allgemeine Behauptung bezüglich des Feedback-Gebens in Spanien auf (Z. 1-5). Sie fragt anschließend, ob N diese Behauptung durch eigene Erfahrungen bestätigen kann (Z. 6-7). Nachdem N nicht unmittelbar reagiert, erzählt sie (in generalisierender Darstellungsweise) eine konkrete Erfahrung, die sie gleich zu Beginn ihrer Auslandsentsendung wiederholt gemacht hat (Z. 8-25). Anschließend reformuliert sie (nach einigen allgemeinen Kommentaren, die hier ausgelassen wurden) die Frage, ob N ähnliche Erfahrungen gemacht hat (Z. 27). E verwendet den Erfahrungsbegriff hier im Plural (erfahrungen) mit Adjektivergänzungen (solche, ähnliche) und verweist damit darauf, dass ihre anfängliche allgemeine Einschätzung der Spanier auf mehreren einzelnen Erfahrungen basiert, die alle im Hinblick auf die Schlussfolgerung vergleichbar sind und daher eine Gruppe von Erfahrungen bilden (solche erfahrungen). Im Folgenden stellt sie eine dieser Erfahrungen dar.
In dem Gesprächsausschnitt bezieht sich der Erfahrungsbegriff also auf mehrere singuläre Ereignisse, die sich ähnlich sind und daher in der Erzählung zusam-
228
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
mengefasst werden.125 Es deutet sich an, dass Erfahrungen bestimmte Muster haben können und dass auf der Basis mehrerer Einzelerfahrungen Verallgemeinerungen möglich sind. Zusammenfassung: In den Gesprächen wird der Erfahrungsbegriff also zum einen im Bezug auf konkrete, individuelle Einzelerfahrungen verwendet, die mithilfe erzählerischer Darstellungsmittel präsentiert werden. In dieser Verwendung steht er im Singular mit unbestimmtem Artikel (und ggf. Adjektivergänzung) oder im Plural (ggf. mit Adjektivergänzung). Als Erfahrung im Sinne einer Einzelerfahrung wird der Begriff der Erfahrung auch in der linguistischen Erzählforschung verwendet (z.B. Gülich/Hausendorf 2001, Quasthoff 2001, 1980, Ehlich 1980, Labov/Waletzky 1973). Diese fasst Erzählen als kommunikative Rekapitulation oder Re-Konstruktion einer vergangenen Erfahrung auf. Erzählen dient der Erfahrungsbewältigung, Erfahrungstradierung und Erfahrungsweitergabe. Erzählen wird also (neben dem Berichten) als dasjenige kommunikative Muster aufgefasst, mit dem Einzelerfahrungen und -erlebnisse dargestellt und weitergegeben werden. Synthetisiertes Erfahrungswissen: Verallgemeinerungen aus Einzelerfahrungen Bei der Verwendung des Erfahrungsbegriffs im Sinne von Einzelerfahrungen wurde bereits deutlich, dass Erfahrungen als wiederkehrende Erfahrungen betrachtet und dargestellt werden können. Dies führt unmittelbar zur nächsten Auffassung von Erfahrung, bei der Verallgemeinerungen aus Einzelerfahrungen im Sinne eines synthetisierten Erfahrungswissens im Zentrum stehen.126 Wenn man viele ähnliche Einzelerfahrungen gemacht hat, kann man sagen, dass man ‘Erfahrung’ in Bezug auf eine bestimmte Situation oder Sache hat. Dies kann zur Folge haben, dass man nicht nur darauf hinweist, dass man Erfahrungen wiederholt erlebt hat, sondern diese direkt verallgemeinert. Außerdem kann dies dazu führen, dass man einer bestimmten Gruppe von Personen (z.B. Spaniern) auf der Grundlage vieler Erfahrungen verallgemeinernd bestimmte 125 Die traditionelle Erzählforschung geht davon aus, dass es in der Erzählung um ein singuläres vergangenes Ereignis, also um eine Einzelerfahrung geht (z.B. Quasthoff 1980: 27). Neuere Definitionen betonen jedoch, dass es sich durchaus um habituell erfahrbare Vorgänge handeln kann, die jedoch konkret und häufig szenisch inszeniert dargestellt werden (z.B. Schwitalla 1991, nach Quasthoff 2001: 1295). 126 Ehlich/Rehbein (1977) beschreiben in ihrer Darstellung von Wissenstypen in Institutionen je nach Art und Grad der Systematisierung bzw. Verallgemeinerung fünf Typen synthetisierten Wissens: Einschätzungen, Bilder, Sentenzen, Maximen und Musterwissen/Routinewissen. Gemäß dieser Typisierung findet man im Korpus der vorliegenden Arbeit vor allem Einschätzungen (individuelle Interpretationen bestimmter Wirklichkeitsteile, Zusammenfassungen mehrerer partikularer Erlebniswissenselemente), Bilder (Synthetisierungen aus einer Reihe von Einschätzungen) und Maximen (Lehren aus vorgängigen Erfahrungen).
7.2 Aufgabenspezifika
229
Eigenschaften zuschreibt. In diesem Zusammenhang taucht der Begriff ‘Erfahrung’ sehr viel häufiger explizit auf als bei der Darstellung von Einzelerfahrungen. Erfahrung meint dann Erfahrungswissen im Sinne einer Verallgemeinerung aus Einzelerfahrungen.127 In dem folgenden Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch LOCKERHEIT verwendet der Gesprächspartner E den Erfahrungsbegriff zur Rahmung einer verallgemeinernden Aussage über das Verhalten der Spanier. LOCKERHEIT: „wenn die leute weggeh=n” (15:34, Z.424) 01 02 03 04 05 06
E: also=s zumindest MEIne erfahrung, wobei (-) mit familie isch ma natürlich n=bissl anders ge[BUNden hier.=e? (-) N: [mhm, E: aber WENN die leute weggeh=n dann lassen se=s scho KRAchen.=ne?
Kommentar: Die zentrale, verallgemeinernde Aussage des Gesprächsausschnitts lautet wenn die leute weggeh=n dann lassen se=s scho krachen (Z. 5). Die Verallgemeinerung drückt sich in der neutralen Personenreferenz aus (die leute, se) sowie in der Konstruktion als Konditionalsatz, die einen allgemein gültigen Zusammenhang impliziert. Die Aussage wird einleitend gerahmt mithilfe des Erfahrungsbegriffs (s zumindest meine erfahrung). Der Erfahrungsbegriffs wird dabei im Singular mit Possessivpronomen (meine erfahrung) verwendet. Er besitzt eine einschränkende und individualisierende Funktion (vgl. auch der Partikel zumindest). Es wird angezeigt, dass die Aussage auf individuellen Erfahrungen basiert, nicht etwa auf einem verbreiteten Stereotyp, auf der Aussage anderer Personen, auf Vermutungen o.ä.128
In den folgenden beiden Gesprächsausschnitten wird nicht eine Verhaltensweisen darstellt, sondern jeweils eine allgemeine Eigenschaftszuschreibung vorgenommen und als erfahrungsbasiert gerahmt. LOCKERHEIT: „die ham=s mit den details da” (39:53, Z.1375) 01 02
E: WEIL die mentalität zumindescht MEIner erfahrung nach, der LEUte hier, (1.0)
127 In dieser Auffassung wird der Erfahrungsbegriff auch in der linguistisch geprägten Forschung der Transferwissenschaften verwendet (vgl. 1.3.4, zur Definition Antos/Pfänder 2001). In 1.3.1 wurde gezeigt, dass transferwissenschaftliche bzw. wissenssoziologische Wissens-Konzeptionen nicht nur explizites, begriffliches, enzyklopädisches Wissen, sondern auch implizites, Handlungs- bzw. Erfahrungswissen umfassen. Erfahrungs- oder implizites Wissen meint in dieser Auffassung ein Handlungswissen für den Umgang mit bestimmten Situationen, das in langjähriger Erfahrung erworben wurde (Haugk 2006, Nonaka/Takeuchi 1997, Polanyi 1985). 128 In 7.3.1 werde ich zeigen, dass Modalisierungen wie das war zumindest meine erfahrung insofern eine Relativierung von Stereotypisierungen bewirken können.
230 03 04
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen die HAM=s mit den deTAILS da vielleicht net so.=ne? (1.0) des WICHtige isch dass=es TUT.
ENTSENDUNGSZIEL: „arroganz noch und nöcher” (49:46, Z.1429) 05 06 07 08 09
N: also die erFAHrung die ich hier in SPAnien gemacht habe mit der (1.0) HIGH soCIEty; ((...)) !A!rroganz noch und [nöcher. E: [hm=m.
Kommentar: Die Eigenschaftszuschreibung im ersten Beispiel (Z. 3: die ham=s mit den details da vielleicht net so) gilt für die Referenzgruppe der leute hier und ist insofern verallgemeinernd. Auch das Substantiv der mentalität verweist auf eine Verallgemeinerung. Die eingeschobene Phrase zumindest meiner erfahrung nach besitzt eine relativierende und individualisierende Funktion. Die zweite Eigenschaftszuschreibung (Z. 8: arroganz noch und nöcher) betrifft als Referenzgruppe die high society hier in spanien (Z. 6 bzw. 5). Die eigentlich Eigenschaftszuschreibung wird über ein Substantiv formuliert (arroganz), das verstärkt wird durch die floskelartige Steigerung noch und nöcher, die der Aussage eine Tendenz zur Übertreibung sowie eine negative Bewertung verleiht. Der Satz hat kein Subjekt und kein Prädikat (im Sinne von ‘was ich hier sehe ist eine’), was die Aussage zusätzlich verstärkt. Die Einleitung über den Erfahrungsbegriff ist hier explizit individualisierend und dient einem Verweis auf den eigenen Erfahrungshintergrund (gg. Stereotypen etc.) und damit auch einer Legitimierung der stark verallgemeinernden negativen Aussage bezüglich der spanischen High Society.
Zusammenfassung: Es wurde gezeigt, wie die Gesprächspartner in den Gesprächen verallgemeinernde Darstellungen von Verhaltensweisen und Eigenschaftszuschreibungen als erfahrungsbasiert rahmen (vgl. hierzu auch 5.3.2). Der Erfahrungsbegriff wird hier meist im Singular mit bestimmtem Artikel oder Possessivpronomen verwendet. Typische Formulierungen sind zum Beispiel: ‘die Erfahrung die ich hier gemacht habe ist dass’, ‘ich mach die Erfahrung dass’, ‘meine Erfahrung ist dass’, ‘das ist zumindest meine Erfahrung’, ‘zumindest meiner Erfahrung nach’, ‘gemäß meiner Erfahrung’, ‘die Erfahrung war dass’ etc. Der Begriff der Erfahrung verweist bei dieser Auffassung darauf, dass auf der Basis vieler Einzelerfahrungen ein gewisses synthetisiertes, verallgemeinertes Erfahrungswissen erworben wurde. Die Rahmung einer allgemeinen Aussage als erfahrungsbasiert kann eine Relativierung (Abschwächung von Generalisierungen), Individualisierung (Hervorhebung der individuellen Perspektive) sowie Legitimierung (Authentizitätsverweis) bewirken. In den Analysen wurde gezeigt, dass Erfahrung im Sinne eines synthetisierten Erfahrungswissens erstens im Zusammenhang mit der Darstellung von Verhaltensweisen verwendet wird. Dem entspricht die Verwendung des Begriffs
7.2 Aufgabenspezifika
231
‘Erfahrungswissen’ in der Transferwissenschaft: „Im Unterschied zum theoretischen Fachwissen ist das Erfahrungswissen an bestimmte Situationen gebunden; es umfasst bewusste oder unbewusste Erinnerungen an diese Situationen, die in ähnlichen Situationen aktiviert werden können“ (Haugk 2006: 190). In den Gesprächen wird zweitens auch auf ein Erfahrungswissen verwiesen, wenn es um Eigenschaftszuschreibungen geht. Dieser Verwendung des Erfahrungsbegriffs liegt folgender Zusammenhang zwischen Einzelerfahrung und Verallgemeinerung zugrunde: Mehrere Einzelerfahrungen veranlassen zu der Annahme bzw. Behauptung, dass Angehörige der Gruppe x tendenziell die Eigenschaft y haben. Der Erfahrungsbegriff wird verwendet im Sinne des wissenssoziologischen Wissensbegriffs, der unter den Begriff des Wissen auch individuelle Meinungen und Annahmen fasst, die hier im Speziellen auf individuellen Erfahrungen basieren (nicht etwa auf Vermutungen o.ä.) (vgl. 1.3.1, Schütz 1982, 1972). 7.2.2 Verwendung des Kulturbegriffs in den Gesprächen Im letzten Abschnitt (7.2.1) habe ich gezeigt, dass die Gesprächspartner den Erfahrungsbegriff in den Gesprächen in zwei Bedeutungsdimensionen verwenden. Aufbauend auf diese Dimensionen werde ich in 7.3 zwei Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen unterscheiden. Doch zuvor möchte ich mich dem anderen zentralen Begriff, dem Kulturbegriff, zuwenden und auf die Fragen eingehen: Wie verwenden die Gesprächspartner den Begriff ‘Kultur’ in den Gesprächen (7.2.2), und wie nehmen sie in ihren Äußerungen auf konkrete Kulturen Bezug (7.2.3)? ‘Kultur’ und alternative Begriffe In 1.1.3 wurde Kultur definiert als „dynamisches System von Eigenschaften, Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die einer Gruppe von Personen in Kommunikationsprozessen zugeschrieben werden“. Es wurde gezeigt, dass innerhalb einer Kultur durchaus Unterschiede bzw. sogar Teilkulturen bestehen können und dass sich die Elemente, die einer bestimmten Kultur zugeschrieben werden, über die Zeit verändern können.129 Im Bezug auf die Verwendung des Kulturbegriffs in den Gesprächen fällt zunächst Folgendes auf: Obwohl die Forscherin, indem sie in der Gesprächseinleitung den Schwerpunkt für das Gespräch auf kulturelle Erfahrungen legt, den Begriff ‘Kultur’ explizit einführt (vgl. das Beispiel in 6.1: „erfahrungen im umgang mit der spanischen kultur“), verwenden die 129 Diese Definition wurde auf der Basis einer Diskussion verschiedener Kulturkonzeptionen der Interkulturellen Kommunikation entwickelt (statischer, dynamischer, konversationsanalytischer Kulturbegriff, vgl. hierzu 1.1.3).
232
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Gesprächspartner selbst den Begriff nur selten. Lediglich zu Beginn der Gespräche taucht der Kulturbegriff vereinzelt auf. Da er jedoch meist im weiteren Verlauf der Gespräche nicht mehr verwendet wird, ist anzunehmen, dass der Begriff an diesen Stellen primär von der Forscherin übernommen wird und damit nicht zum Alltagswortschatz der Gesprächspartner gehört.130 Alternativ zum Kulturbegriff verwenden die Gesprächspartner den Begriff der ‘Mentalität’.131 Dieser scheint eher dem alltagssprachlichen Wortschatz zu entsprechen. Die Gesprächspartner verweisen mit ihm auf Verhaltensweisen, Einstellungen, Werte etc., die einer bestimmten Gruppen von Personen zugeschrieben werden und sich über die Zeit verfestigt haben.132 In dem folgenden Gesprächsausschnitt verwendet E den Begriff der Mentalität zur Charakterisierung kulturspezifischer Verhaltensweisen. LOCKERHEIT: „hier isch die mentalität ja auch eine andere” (17:35, Z.517) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
E: also hier isch die mentaliTÄT ja auch eine andere. wenn wir (-) kolLEgenbesuche haben aus *AUtostadt* zum beispiel, dann isch des selbstverständlich dass wir die mittags zum ESsen einladen, (--) dass wir (--) Abends uns mit denen (---) äh also dass wir die quasi abends=e stück weit beTREUen.=ne? ((...)) also (-) VÖLlig andere mentalität. (--)
Kommentar: Nach der Feststellung in dem Einleitungssatz, dass die mentalität hier eine andere ist (aus den vorausgehenden Äußerungen wird deutlich, dass im vergleich zu deutschland gemeint ist), stellt E in Z. 2-7 Verhaltensweisen in einer bestimmten Situation dar, die er als typisch für Spanien erfahren hat (vgl. Handlungsverben: einladen, 130 Allein die erfahreneren Auslandsentsandten in den Gesprächen FREUNDSCHAFT und STANDORT verwendet den Kulturbegriff mehrfach und im Verlauf des gesamten Gesprächs. Diese Gesprächspartner inszenieren sich in den Gesprächen insgesamt stark als Experten für die spanische Kultur (vgl. Kapitel 5). Die auffallend häufige Verwendung des Kulturbegriffs kann im Sinne eines Fachvokabulars als Element einer solchen Selbstinszenierung als Experte gesehen werden. 131 Weitere alternative Begriffe, die aber jeweils nur in einem Gespräch verwendet werden, sind ‘Stil’ (in dem Gespräch ANMELDUNG) und ‘Volk’ (in dem Gespräch FREUNDSCHAFT). 132 Laut Hansen (1995: 73) bezieht sich der Begriff der ‘Mentalität’ entweder auf „eine einzelne komplexe Ideenkombination [...], die in verschiedenen Kollektiven vorkommen kann“ (z.B. Mentalität des Erwerbs, des Schweigens, des Miteinander) oder auf „jene Ideen und Ideenkombinationen, die für ein nationales oder regionales Kollektiv typisch sind (die amerikanische oder bayerische Mentalität).“ In den vorliegenden Gesprächen taucht der Begriff ausschließlich in der zweiten Bedeutungsvariante auf. Hansen betont, dass der Begriff gerne und problemlos umgangssprachlich verwendet wird (ebd.: 86).
7.2 Aufgabenspezifika
233
betreuen). Die Formulierung dann isch des selbstverständlich dass verweist darauf, dass der Gesprächspartner annimmt, dass sich die beschriebenen Verhaltensweisen kulturell verfestigt haben. Die Mentalität wird in Z. 1 an einem bestimmten Ort festgemacht (hier), nicht an einer Gruppe von Personen. Auffällig ist, dass der Gesprächspartner in Spanien, das heißt vor Ort, die Verhaltensweisen sogar selbst übernimmt. Die Differenz zu einer anderen Region (gemeint ist Deutschland) wird deutlich hervorgehoben (hier isch die mentalität ja auch eine andere, völlig andere mentalität).
Der Begriff der ‘Mentalität’ kann, wie ‘Kultur’, nicht nur national (z.B. mentalität des spaniers, ANM Z. 636f), sondern auch regional gefasst werden. LOCKERHEIT: „die mentalität ähm der schwaben” (16:32, Z.470) 01 02 03
E: ha da kommt natürlich dann vielleicht noch die mentalität (--) ähm:: der SCHWAben dazu. oder uns von uns SCHWAben dazu.
Kommentar: Mit der Substantivgruppe mentalität der schwaben wird der Begriff der Mentalität im Gegensatz zum ersten Beispiel auf eine Gruppe von Personen bezogen, die auch explizit genannt wird. Allerdings geht es hier nicht um Angehörige einer bestimmten Nation, sondern einer Region (schwaben).
Zusammenfassung: Der Begriff der ‘Mentalität’ wird also alternativ zu ‘Kultur’ in Zusammensetzungen wie die mentalität hier und die mentalität der spanier verwendet. Beide abstrakten Begriffe tauchen insgesamt nur selten auf. Häufiger verwenden die Gesprächspartner Ausdrücke, mit denen sie auf spezifische Kulturen verweisen (vgl. hierzu 7.2.3). Welche Auffassung von Kultur steht nun für die Gesprächspartner hinter den Begriffen? Statischer vs. dynamischer Kulturbegriff In 1.1.3 wurde gezeigt, dass es in der Interkulturellen Kommunikation eine intensive Auseinandersetzung zwischen Vertretern eines statisch-deterministischen und eines dynamisch-offenen Kulturbegriffs gibt (vgl. die Beiträge in Lüsebrink 2004). Innerhalb eines statischen Kulturkonzepts wird Kultur, meist im Sinne von Nationalkultur, als geschlossenes, homogenes und über die Zeit stabiles Regelsystem aufgefasst (z.B. Thomas 2004). Kulturkontrastiven Studien, die vermeintlich typische Eigenschaften, Verhaltensweisen und Gewohnheiten einzelner Kulturen beschreiben und gegenüberstellen, liegt meist ein solcher statischer Kulturbegriff zugrunde (z.B. Hofstede 1980, Hall 1983, 1976, 1966, 1959). Dynamische Kulturkonzepte gehen dagegen davon aus, dass es nicht möglich ist, für eine Kultur ein homogenes Bündel an Merkmalen zu beschreiben. Sie verste-
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7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
hen Kultur als etwas, das in der konkreten Situation interaktiv ausgehandelt wird und das sich über die Zeit verändert. Innerhalb einer Kultur kann es gemäß eines dynamischen Kulturbegriffs mehrere (z.B. regionale, soziale) Teilkulturen geben (vgl. z.B. Moosmüller 2004, Roth 2004, Geertz 1987). Die Auseinandersetzung um einen statischen versus dynamischen Kulturbegriff spiegelt sich in der Auffassung von Kultur wider, die die Interaktionspartner in den aufgezeichneten Gesprächen deutlich machen. Insgesamt konstituieren die Gesprächspartner in ihren Darstellungen vermeintlich typischer kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen einen relativ statischen Kulturbegriff. Dies zeigt sich beispielsweise in der folgenden Aussage. ANMELDUNG: „die klassische spanische führungskraft” (07:05, Z.266) 01 02 03
E: äh (-) die KLASsische SPAnische FÜHrungskraft, äh:: (--) geht in der (-) KLASsischen hieRARchischen FORM (-) mit sein=n mitarbeitern um.
Kommentar: In dem Ausschnitt wird eine stark generalisierende Aussage über spanische Führungskräfte gemacht. Das typisierende Adjektiv klassisch wird zweimal verwendet. Durch die erste Formulierung (die klassische spanische führungskraft) wird die kulturelle Gruppe der spanischen Führungskräfte homogenisiert. Auf eine Verallgemeinerung deutet auch der generische Artikel hin (die klassische spanische führungskraft). Durch die zweite Formulierung (in der klassischen hierarchischen form) wird die Verhaltensweise der spanischen Führungskräfte als typisch dargestellt. Die Aussage enthält außerdem keinerlei Relativierungen (z.B. einschränkende Adverbien wie tendenziell, meistens oder Modalisierungen wie das war bisher zumindest meine erfahrung). In der Aussage wird damit ein äußerst statisches Bild der spanischen Kultur entworfen. Es wird kaum Raum für Unterschiede innerhalb der Gruppe der spanischen Führungskräfte oder für Veränderungen über die Zeit gelassen.
Auch die folgende Formulierung deutet auf ein statisches Kulturkonzept hin. LOCKERHEIT: „der deutsche würd sagen” (10:32, Z.210) 01 02 03 04
E: der DEUTsche der würd sagen, (-) okay ich muss des bis morgen MAchen, ((...)) aber des macht der spanier hier NICHT so.=ne?
Kommentar: Die Formulierungen der deutsche und der spanier als Formen der generischen Referenz sind deutliche kommunikative Hinweise auf eine Verallgemeinerung. Allen Deutschen bzw. Spaniern wird eine bestimmte Verhaltensweise zugeschrieben. Auch hier findet man keinerlei Formulierungen zur Relativierung der Aussage.
7.2 Aufgabenspezifika
235
Viele Aussagen der Gesprächspartner deuten darauf hin, dass die Gesprächspartner einen statischen Kulturbegriff konstituieren. Allerdings relativieren sie diesen häufig auf einer kommunikativen Metaebene, zum Beispiel durch explizite Relativierungen, relativierende Partikel, Ironie etc. Ein Beispiel hierfür ist der folgende Gesprächsausschnitt, mit dem E auf die Frage N’s reagiert, wie denn die Ehrlichkeit der Mitarbeiter einzuschätzen ist. N gibt in seiner Frage im Bezug auf einen Beispielfall zwei eindeutige Antwortalternativen vor (kriegt ma dann ne ehrliche antwort oder kriegt ma dann irgendwo fadenscheinige erklärungen). Er suggeriert damit eine Homogenität innerhalb der spanischen Kultur, worauf E folgendermaßen reagiert. ANMELDUNG: „i möchts net pauschal beantworten” (28:13, Z.748) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11
E: .hh (---) äh i würds (-) i möchts net pauSCHAL beANTworten weil: (-) i möchte ei’ (--) WEder möchte=i äh:: (--) die: (--) die SPAnier: (-) als <
Kommentar: Bereits das Zögern in Z. 1 (zweimaliges Ansetzen zu einem Satz: i würds i möchts, Pausen und Zögerungspartikel äh) deutet auf eine Unsicherheit bzw. ein Unbehagen E’s bei der Beantwortung der Frage hin. Die Aussage i möchts net pauschal beantworten stellt eine explizite Zurückweisung einer Pauschalisierung im Sinne eines statischen Kulturbegriffs dar. Es folgt ein erneutes Zögern (mehrmaliges Ansetzen, Abbrechen, Pausen, Zögerungspartikel, Wiederholungen/Stottern). Erst in Z. 3 findet E zu einem kontinuierlichen Redefluss. Die anfänglichen Formulierungsschwierigkeiten deuten auf einen spontanen Konstruktionsprozess zur Konzeptualisierung einer individuellen Auffassung von Kultur hin. In seiner Aussage in Z. 2-6 weist E erneut explizit eine kulturelle Pauschalisierung zurück (unabhängig davon ob diese mit negativen oder positiven Assoziationen verbunden ist: weder...zu nem volk von lügnern noch von... wahrheitsanhängern). Die Verwendung des Substantivs volk bzw. der Wendung die spanier als volk unstreicht diese Aussage. Der Begriff volk wird wie in dem Beispiel aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT im Zusammenhang mit starken Generalisierungen und Stereotypisierungen verwendet (volk von lügnern... von wahrheitsanhängern) und ist hier tendenziell negativ konnotiert. E lehnt Verallgemeinerungen bzw. Stereotypisierungen im Hinblick auf die Gruppe der Spanier entschieden ab und verwendet zur Bekräftigung zweimal das negativ konnotierte Wort
236
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
volk. Das Lachen in Z. 3-4, das unmittelbar im Zusammenhang mit dem Begriff volk 133 beginnt, unterstützt diese negative Einstellung gegenüber Verallgemeinerungen. In Z. 7 schließt E eine weitere explizite Relativierung an, indem er auf die Existenz individueller Unterschiede (unterschiede von person zu person) verweist. Auch diese Äußerung drückt die Überzeugung aus, dass nicht alle Spanier gleich sind. Ein statischer Kulturbegriff wird damit auch hier implizit zurück gewiesen. In Z. 9-11 folgt zwar eine generalisierende Zuschreibung einer bestimmten Verhaltensweise (was schon n=bisschen spanisch is is dass ma nach ausreden suchen), allerdings ist diese deutlich vorsichtiger formuliert als die oben zitierten Aussagen und wird durch verschiedene Formulierungen relativiert (vgl. die Modalpartikel schon und bisschen sowie die Verwendung des Personalpronomens wir/ma, das eine geringere Distanzierung zur Gruppe der Spanier ausdrückt als die Personalpronomen sie oder die).
Zusammenfassung: Die Gesprächspartner konstituieren in ihren Darstellungen zwar häufig einen relativ statischen Kulturbegriff. Diesen relativieren sie jedoch in metakommunikativen Äußerungen, indem sie explizit dynamische Aspekte von Kultur hervorheben (keine Homogenität, individuelle Differenzierungen, Komplexität). Verschiedene Ebenen von Kultur Eine weitere dynamische Komponente des Kulturbegriffs zeigt sich darin, dass die Gesprächspartner in ihren Darstellungen und vor allem auch in metakommunikativen Kommentaren verschiedene Ebenen von Kultur ins Gespräch bringen und innere Differenzierungen in regionale, institutionelle etc. Teilkulturen vornehmen. Im folgenden Abschnitt (7.2.3) wird deutlich werden, dass die kulturelle Bezugsgruppe häufig offen gelassen wird. Dies ist insbesondere bei impliziten Formen der Referenz (z.B. hier) oder bei abstrakten Begriffen ohne Ergänzung (z.B. mentalität) der Fall. In den folgenden beiden Ausschnitten aus dem Gespräch STANDORT setzen die Gesprächspartner, in diesem Fall wieder im Rahmen eines Metakommentars, explizit unterschiedliche Ebenen von Kultur relevant und stellen diese in Beziehung zueinander. STANDORT: „dass ma net zu zu arg verallgemeinert” (01:11) 01 02
E1: also sa=mal so ma muss ma muss da aufpasse dass ma net zu (.) zu arg verallgeMEInert; (1.0)
133 In der Formulierung zu nem volk von lügnern...machen drückt sich außerdem die Auffassung aus, dass Kultur insbesondere in einer solchen statischen Auffassung eine kommunikative Konstruktion des Sprechers ist (vgl. die Darstellung einer konversationsanalytischen Auffassung von Kultur in 1.1.3).
7.2 Aufgabenspezifika 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
237
äh s=gibt nämich [(--) s=hängt nämich eher mehr (--) vom F: [hm=m. E1: STANDort ab und der kulTUR eines STANdorts, wie vom land SEL[ber. F: [mhm, E1: oder von der re[GION. F: [mhm, E1: i war au schomal zwei jahr in PORtugal, (---) äh:: [(---) scho ZEHN jahre her jetzt,=ne? (-) F: [<
Kommentar: Der Ausschnitt folgt fast unmittelbar auf die Gesprächseinleitung der Forscherin, in der diese den Schwerpunkt für das Gespräch auf die Darstellung kultureller Erfahrungen legt. In Z. 1-2 weist E1 zunächst, wie in dem zuletzt kommentierten Gesprächsausschnitt der Gesprächspartner E, auf metakommunikativer Ebene pauschalisierende Aussagen über kulturelle Erfahrungen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen zurück. Diese Aussage trägt bereits zur Konstitution eines dynamischen Kulturkonzepts bei. In Z. 3-6 stellt er explizit der Nationalkultur (land) eine regionale oder werksspezifische Kultur (kultur eines standorts) gegenüber. Es bleibt zunächst offen, ob mit standort eine geographische Regionalkultur (in unserem Fall z.B. die Madrider Kultur) oder die Kultur eines Unternehmensstandorts (im Sinne des Werks) gemeint ist. Der Nachtrag in Z. 8 (oder von der region) deutet jedoch auf ersteres hin.
238
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
In Z. 10-16 geht E1 auf einen weiteren regionalen Kontext ein. Als Ebene über der Nationalkultur setzt er die Kultur der iberischen Halbinsel relevant (Z. 15), betont jedoch zugleich dass er in Portugal völlig andre erfahrungen gemacht hat als in Spanien (Z. 13), dass also, obwohl man vielleicht eine Ähnlichkeit erwarten könnte (Z. 16: ka=ma vielleicht vergleichen), keine Homogenität innerhalb dieser übernationalen Kultur besteht. Das Zögern von E1 in Z. 18-19 (vgl. Pause, Seufzer, Stottern) deutet auf eine Unsicherheit im Umgang mit dem Kulturbegriff hin, der hier explizit verwendet wird. In Z. 20-21 stellt er die kultur (im Sinne von Nationalkultur) noch einmal der Kultur des Standorts gegenüber und führt dann in Z. 23 neu die Persönlichkeit des Einzelnen als Bezugspunkt ein. Beide Aspekte deuten auf Differenzierungen innerhalb der Nationalkultur hin. E2 bestätigt die Aussage von E1 und hebt in Z. 25-34, indem er seine eigenen Erfahrungen darstellt (wir kriegen=s ja auch mit mit den lieferanten), ebenfalls Differenzierungen innerhalb der Nationalkultur der Spanier hervor. Er nennt explizit zwei regionale Kulturen (Z. 65: unsre galizier, Z. 33: hier in madrid), die beide der Nationalkultur der Spanier untergeordnet sind (und=es sin ja auch spanier). Innerhalb derer hat E2 jedoch unterschiedliche Arbeitsweisen wahrgenommen, mit denen er offenbar unterschiedlich gut zurechtkommt (da muss ma au erstmal zurecht mit kommen...hier in madrid=da is=es doch noch=n bisschen). In Z. 35-38 resümiert E1 noch einmal die Hypothese, dass es Wechselwirkungen zwischen lokalen und nationalen Kulturen gibt, und stuft lokale Kulturen sogar wichtiger ein als nationale Kulturen (des lokale üb’ überlagert eigentlich des des des grundsätzliche). Die Tatsache, dass er die Ebene der Nationalkultur und die kulturelle unterschiede zwische spanie und deutschland als das grundsätzliche bezeichnet, deutet darauf hin, dass sich der Begriff ‘Kultur’ für ihn primär auf Nationalkulturen bezieht.
E1 und auch E2 weisen in dem Ausschnitt also auf einer Metaebene auf die Relevanz regionaler, standort- und persönlichkeitsbedingter Differenzierungen innerhalb einer Nationalkultur hin und konstituieren damit ein dynamisches Bild von Kultur. Im folgenden Beispiel geht es um die Wechselwirkung zwischen Nationalund Betriebskultur. STANDORT: „die besonderheit vom betrieb” (11:16) 01 02 03 04 05 06 07
E1: ma muss AUFpassen dass ma net (-) dass ma net des des äh: (--) [wie soll ma SAge; F: [((räuspern)) E1: die besonderheit vom beTRIEB; und die spanische mentalität da=e net in ein [TOPF wirft. E2: [ja. ja. ja. E1: also äh des wär UNfair.=ne?
Kommentar: E1 weist hier auf einer kommunikativen Metaebene darauf hin, dass es Aspekte gibt, die für eine Betriebskultur spezifisch sind (die besonderheit vom betrieb) und solche, die eine Nationalkultur auszeichnen (die spanische mentalität). Beide sind
7.2 Aufgabenspezifika
239
voneinander zu trennen. Er warnt gewissermaßen davor, negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen (es ging zuvor um Mitarbeiter, die keine Arbeitsmotivation mehr zeigen und abends so früh wie möglich nach Hause gehen), die lediglich für einen bestimmten Betrieb gelten, verallgemeinernd auf die gesamte Nationalkultur zu übertragen. Diese Warnung wird durch die abschließende wertende Äußerung des wär unfair unterstützt. E1 weist also auch hier auf die Komplexität von Kultur hin und entwirft entsprechend ein dynamisches Konzept von Kultur, das einer inneren Differenzierung in Teilkulturen Rechnung trägt.
In dem Gespräch LOCKERHEIT hebt N mögliche Unterschiede zwischen verschiedenen Abteilungs- oder Funktionskulturen hervor. Dem folgenden Ausschnitt geht die Darstellung E’s voraus, dass in Spanien sehr viel über Vorschriften (normativas) gearbeitet wird. N kann diese Erfahrung nicht bestätigen und stellt folgende Vermutung bezüglich der unterschiedlichen Erfahrungen auf. LOCKERHEIT: „unterschied von der fabrik zum kaufmännischen” (12:33, Z.295) 01 02
N: es kann sein dass des=n unterschied is von der fabrik zum kAUfmännischen weil (.) bei uns is des NICH so.
Kommentar: N vermutet, dass die unterschiedlichen Erfahrungen auf Unterschiede zwischen zwei funktionalen Tätigkeitsbereichen zurückzuführen sind (dem operativen Geschäft in der fabrik und dem kaufmännischen). Auch diese kurze Aussage deutet also darauf hin, dass N Nationalkulturen nicht als homogen auffasst, sondern von inneren Differenzierungen in Teilbereiche ausgeht.
Zusammenfassung: Die Gesprächsausschnitte haben gezeigt, dass die Gesprächspartner vor allem in Metakommentaren auf unterschiedliche Differenzierungen innerhalb von Nationalkulturen verweisen und damit verschiedene Ebenen von Kultur unterscheiden. Hierzu gehören zum Beispiel regionale Kulturen, Unternehmenskulturen und Abteilungskulturen. Die Relevantsetzung solcher interner Differenzierungen trägt zu der bereits im letzten Abschnitt beschriebenen Relativierung des statischen Kulturbegriffs bei. 7.2.3 Kulturelle Verankerung der Aussagen Um einer Gruppe von Personen bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zuzuschreiben, müssen die Gesprächspartner ihre Aussagen auf irgendeine Weise auf diese Gruppe beziehen, ihre Aussagen kulturell verankern. Dieser Aspekt wird an anderer Stelle unter den Begriffen ‘Zuordnen’ (Hausendorf 2000a, 2002) bzw. ‘Kategorie aufrufen’ (Kesselheim 2003) diskutiert. Hierunter fallen auch die von Drescher (1994) beschriebenen Verfahren des ‘Etikettierens’ und des
240
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
‘Evozierens’ zur Relevantsetzung einer ethnischen Kategorie.134 Im Anschluss an die Diskussion der Auffassung von Kultur (7.2.2) möchte ich nun also diskutieren, mithilfe welcher linguistischer Formen die Gesprächspartner auf bestimmte kulturelle (oder soziale) Gruppen Bezug nehmen.135 Zunächst möchte ich einen kurzen Überblick geben, welchen kulturellen Gruppen Gesprächspartner in den Gesprächen Eigenschaften und Verhaltensweisen zuschreiben (vgl. Tabelle 7.2). Am häufigsten beziehen sich die Gesprächspartner aufgrund des Gesprächsrahmens auf nationale Kulturen (Deutsche, Spanier). Häufig machen sie jedoch auch Aussagen über regionale Kulturen (Madrileños, Schwaben), über die Kultur des eigenen Unternehmens oder die jeweilige Werkskultur. An einzelnen Stellen tauchen Verweise auf eine spezifische Berufs-/Abteilungskultur oder verschiedene Altersgruppen auf. Tabelle 7.2: Bezugnahme auf kulturelle Gruppen in den Gesprächen Kulturelle Gruppe Nationale Kultur
Regionale Kultur Unternehmenskultur Werkskultur Berufs-/Abteilungskultur Altersgruppe/Generation
Beispiele aus den Gesprächen deutschland, deutsche, spanien, spanier, franzosen, germanen, die erfahrung china, chinesen, in china, in asien, portugal, japaner, amerikaner die erfahrung hier in madrid, in münchen, mentalität der schwaben, aus stuttgart *industria*, bestimmt auch bei ander=n firmen unsere firma, hier jetzt speziell im werk ingenieure, unterschied von der fabrik zum kaufmännischen, der bereich marketing, in der fabrica junge gruppenleiter, ältere mitarbeiter, junge leute, vielleicht liegt das am alter, erfahrung mit den familien
134 Als linguistische Formen des Etikettierens, mit denen eine ethnische Kategorie explizit relevant gesetzt wird, nennt Drescher (1994) Ethonyme (z.B. Deutsche), Toponyme (z.B. in Deutschland) und Pronomen (z.B. sie, man). Typisch für das Evozieren ist die Verwendung vager Personenreferenz (jeder, man, sie als Pronomen der 3.Ps.Pl., elliptisches die). 135 In Arbeiten zu sozialen Kategorisierungen wird dieser Aspekt teilweise als eigene Aufgabe betrachtet (Kesselheim 2003: ‘Aufrufen einer Kategorie’, Hausendorf 2000a: ‘Zuordnen’). Wenn es um die Darstellung von Zugehörigkeit (Hausendorf) bzw. Prozesse der Gruppenkonstitution (Kesselheim) geht, ist diese Aufgabe auch tatsächlich zentral. Im Kontext der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten, noch dazu zwischen Sprechern einer Kultur, besitzt der Aufruf kultureller Gruppen jedoch keine zentrale Bedeutung, sondern wird nur sekundär für die Darstellung kultureller Prägungen relevant.
7.2 Aufgabenspezifika
241
Lokale, personale und temporale Referenz In der Beispielanalyse in 4.1 wurde herausgearbeitet, dass die Gesprächspartner lokale, personale und temporale Formen zur Referenz auf Gruppen verwenden und dabei auf explizite und implizite Ausdrücke zurückgreifen.136 Es wurde gezeigt, dass sie häufig (auch innerhalb eines Turns) zwischen lokaler, personaler und temporaler Referenz wechseln. Die Tabelle 7.3 enthält Beispiele aus allen Gesprächen für alle Kombinationsmöglichkeiten im Bezug auf nationale und regionale Kulturen. Am häufigsten verwenden die Gesprächspartner Formen der personalen und/oder lokalen Referenz. Die Verwendung temporaler Referenz zur Bezugnahme auf kulturelle Kontexte ist nur aufgrund des spezifischen Kontextes der Auslandsentsendung möglich, bei der die Gesprächspartner vorher in Deutschland gearbeitet haben und jetzt in Spanien arbeiten (vgl. Kommentar in der Beispielanalyse in 4.1).137 Explizite Formen der Referenz sind solche, bei denen konkret eine Gruppe von Personen bzw. ein Ort genannt wird. Alle lokalen und personalen Deiktika, unpersönliche Personenbezeichnungen und Personalpronomen gehören zu den impliziten Formen der Referenz. Diese bleiben vage, meist lässt sich jedoch ablesen, auf welche kulturelle oder soziale Gruppe bzw. Kategorie sich der Gesprächspartner bezieht.138
136 Linguistische Grundlage für die Beschreibung der Verfahren zur kulturellen Verankerung von Aussagen ist die Forschung zur Personenreferenz (und auch Orts- und Zeitreferenz). Zum Zusammenhang zwischen Personenreferenz und Kategorisierung vgl. Kesselheim 2003: 94-95, Czyzewski et al. 1995: 41-46. Hausendorf (2000a: 279ff, 286ff, 299ff) zeigt ausführlich welche unterschiedlichen temporalen, lokalen und personalen Indikatoren Gesprächspartner zum Anzeigen von Zugehörigkeit verwenden. Er betont, dass diese häufig zu einer „Dreifachmarkierung“ verbunden werden (ebd.: 301). 137 Ein anderer Kontext, bei dem zeitliche Indikatoren zur Referenz auf kulturelle Gruppen verwendet werden können, ist der Diskurs über die deutsche Wende bzw. über Ost- und Westdeutsche (Hausendorf 2000a: 179ff , Drescher/Dausendschön-Gay 1995: 98). 138 Vgl. hierzu Drescher/Dausendschön-Gay 1995: 99, Drescher 1994: 15. Für Kesselheim (2003) hat die Vagheit eines Kategorienaufrufs häufig die Funktion, es den Sprechern zu ermöglichen, hintergründig einer anderen als der durch die Referenzform nahegelegten Kategorie Merkmale zuzuschreiben. In einem Beispiel zeigt er, wie durch die Referenzform eine bestimmte Eigenschaft (Europäersein) der Kategorie der ‘Hauptstädter’ zugeschrieben wird, während diese implizit auf die ‘Argentinier’ bezogen wird. Wäre diese Eigenschaft explizit auf die Kategorie der ‘Argentinier’ bezogen worden, so hätte dies sicherlich zu Protest der Gesprächspartner geführt (ebd.: 221). Im Korpus der vorliegenden Arbeit besitzt vor allem die implizite personale Referenzform die mitarbeiter diese Funktion. Während vordergründig nur einer bestimmten Gruppe Eigenschaften zugeschrieben werden (meist den eigenen Mitarbeitern), ist die Aussage häufig national gemeint.
242
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Tabelle 7.3: Formen der Referenz in den Gesprächen Explizit Implizit
Personal die spanier, der deutsche, wir deutsche die leute, die mitarbeiter, jemand, man, die, sie, wir, bei uns [= neutrale Referenz auf Personen]
Lokal in spanien, aus deutschland, in madrid hier [= neutrale Referenz auf Orte]
Temporal --vorher, jetzt, bei meiner früheren tätigkeit, in den zwei jahren hier
Lassen sich nun Regelmäßigkeiten feststellen, wann Gesprächspartner bestimmte Formen der Referenz verwenden bzw. vermeiden? Anhand des folgenden Abschnitts aus der Beispielanalyse wurde eine Hypothese bezüglich der Verwendung von temporalen und lokalen Referenzausdrücken aufgestellt. KOLLEGIALE BERATUNG: „also bei meiner früheren tätigkeit” (08:17, Z.202) 01 02 03 04 05 06
E: äh::m: also bei meiner FRÜheren tätigkeit hab ich sehr struktuRIERT arbeiten können;= ((...)) u:nd (.) also hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch (.) äh: (.) FREMde störungen also irgendjemand WILL etwas;
Kommentar: E verwendet hier im Bezug auf die eher ‘deutsche’ Verhaltensweise temporale Referenzausdrücke (bei meiner früheren tätigkeit), zur Beschreibung der eher ‘spanischen’ Verhaltensweise lokale Referenzausdrücke (hier). Alle Referenzausdrücke verweisen implizit auf einen bestimmten Kontext.
Temporal-deiktische Ausdrücke bleiben grundsätzlich vager und verweisen weniger deutlich auf kulturelle Kontexte als lokale Referenzausdrücke. In der Beispielanalyse (4.1) wurde die These aufgestellt, dass möglicherweise eine Tendenz besteht, eigene Eigenschaften eher weniger als kulturell aufzufassen (Verwendung temporaler Referenz), während fremde Eigenschaften schneller verallgemeinert werden (Verwendung lokaler Referenz). Der folgende Abschnitt des Gesprächsausschnitts der Beispielanalyse zeigt einen Wechsel zwischen lokaler und personaler Referenz.
7.2 Aufgabenspezifika
243
KOLLEGIALE BERATUNG: „die mitarbeiter machen diese erfahrung genauso” (08:49, Z.227) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14
E: das heißt die mitarbeiter machen diese erfahrung geNAUso? (---) ä:hm: (-) und die geFAHR is so=n bisschen dass da so die (---) ähm die ZIEle (.) aus den augen verloren [werden; N: [mhm, E: weil man IMmer wieder abgelenkt wird undN: ja; (--) E: äh:: (--) DINge tun: äh:m: SOLL ganz schnell die=jetz eigentlich nicht zum eigentlichen geplanten gehören die man das man sich VORgenommen hat; (--) ähm (--) so dass=es (--) !DA!rauf hinausläuft dass äh viel STÄRker (-) kontrolLIERT WIRD, durch den VORgesetzten als (.) in (-) DEUTSCHland.
Kommentar: E verwendet hier zunächst bei der Beschreibung von Mitarbeitererfahrungen personale Referenz (die mitarbeiter, man), wechselt bei der resümierenden Aussage über eine vermeintlich typische spanische Verhaltensweise jedoch zu lokaler Referenz (in deutschland). Dies ist insbesondere auffällig, da es sich um eine Verhaltensweise handelt, die in Deutschland eher negativ konnotiert ist (präferiert wird ein selbständiges Arbeiten bzw. ein delegativer Führungsstil). Auffällig ist auch, dass nicht der Ort Spanien explizit benannt wird, sondern der Vergleichsort Deutschland, wodurch die Zuschreibung ebenfalls abgeschwächt wird.
Im Vergleich zu personalen Formen der Referenz bleiben lokale Referenzausdrücke deutlich vager und schreiben bestimmten Personen weniger deutlich (v.a. negativ konnotierte) Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu.139 In der Beispielanalyse in 4.1 wurde herausgearbeitet, dass die Gesprächspartner in dem gesamten betrachteten Abschnitt keinerlei explizite Formen der Referenz auf Personen verwendet wurden. Eine solche Tendenz lässt sich auch insgesamt in den Gesprächen feststellen. Explizite Formen personaler Referenz stellen die deutlichste Form der verallgemeinernden Zuschreibung von Eigenschaften und Verhaltensweisen zu Gruppen von Personen dar und stehen daher offenbar unter einem starken Verdacht der Stereotypisierung. Implizite Formen der Referenz auf Personen (z.B. die leute, die mitarbeiter, sie) lassen prinzipiell offen, auf welche kulturelle Gruppe sich der Gesprächspartner bezieht (Nationalkultur, Regionalkultur, Werkskultur, Berufskultur etc.). Dadurch werden insbesondere generali139 Auch Hausendorf (2000a: 190) betont, dass Herkunftsangaben (im Gegensatz zur Angabe nationaler Zugehörigkeit) noch nichts darüber aussagen, ob eine „national, ethnisch oder sonstwie (‘kulturell’) definierte Zugehörigkeit erfragt bzw. angegeben wird“ und solche Aussagen insofern eine „gewisse Vagheit in Bezug auf die [...] Zugehörigkeit“ entsteht.
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7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
sierende nationale Zuschreibungen, die allgemein als problematisch angesehen werden, vermieden. Spricht man von den mitarbeitern, so ist scheinbar eine konkrete Gruppe von Personen gemeint, für die die Aussage möglicherweise gelten kann. Zwischenresümee: Um explizite Zuschreibungen und Stereotypisierungen zu vermeiden, präferieren die Gesprächspartner also offenbar erstens lokale gegenüber personaler Referenz und zweitens implizite gegenüber expliziten Formen der Referenz. Dies gilt insbesondere für Darstellungen von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die möglicherweise negative Bewertungen für die betroffenen Personen implizieren. Formen der lokalen Referenz auf Personen vermeiden eine konkrete Zuschreibung von Eigenschaften. Bei impliziten Formen der Referenz bleibt prinzipiell offen, auf welche (kulturelle oder soziale) Gruppe, sich der Gesprächspartner bezieht. Dadurch werden (v.a. negative) kulturelle Zuschreibungen gewissermaßen abgeschwächt.140 Umgekehrt fällt jedoch auf, dass die Gesprächspartner explizite Formen der personalen Referenz häufig im Kombination mit starken Stereotypisierungen verwenden.141 Diese bleiben entweder als solche stehen oder es werden andere Strategien der Relativierung verwendet. Hierzu jeweils ein Beispiel: FREUNDSCHAFT: „sie sind extrem neidisch” (09:51, Z.329) 01 02 03 04 05 06 07 08
E: die SPAnier sind (.) und des geben sie sind extrem NEIdisch, (2.0) können über!HAUPT!nicht mit kriTIK können in !KEINS!ter weise (-) was un wieder TUN, (--) können in KEINSTter weise mit (--) kriTIK umgehn, in !KEINS!ter weise.
sie offen ZU? (-) umgehn, (1.0) wir deutsche LEIder hin mit per!SÖN!licher
Kommentar: E schreibt in dem Absatz den Spaniern stark negativ konnotierte Eigenschaften zu (sie sind extrem neidisch, können überhaupt nicht mit kritik umgehen). Die Stereotypisierung zeigt sich in der expliziten und generalisierenden Zuschreibung einer Eigen140 Implizite Formen der Referenz besitzen allerdings in den Gesprächen nicht nur die Funktion der Abschwächung von Stereotypisierungen. Insgesamt verwenden die Gesprächspartner im Verlauf der Gespräche zunehmend implizitere Formen der Referenz, da eben zunehmend klar ist, worauf sich ihre Aussagen beziehen. Gemäß dem Prinzip des geringst möglichen Aufwandes präferieren sie hier neutrale Referenzausdrücke wie hier, man, die leute, mitarbeiter, sie. Drescher (1994: 9-10 bzw. 15) unterscheidet zwischen Personalpronomen, die verwendet werden, wenn der Kontext bereits etabliert ist, und die somit als Etikett dienen (z.B. man, sie) und Pronomen, bei denen die Referenz vage bleibt und eine ethnische Kategorie nur evoziert wird (z.B. jeder, man, sie, die). 141 Auch Drescher (1994: 12) zeigt an ihrem Material, dass explizite Etikettierungen (durch Ethnonyme oder Toponyme) häufig von stereotypen Zuschreibungen begleitet werden.
7.2 Aufgabenspezifika
245
schaft gegenüber einer Gruppe von Personen (Eigenschaftsprädikat mit Kopulaverb: die spanier sind neidisch), die unterstützt wird durch verstärkende Gradpartikel (extrem, überhaupt nicht, in keinster weise), eine ausgeprägte Akzentsetzung (über!HAUPT!nicht, in !KEINS!ter weise, mit per!SÖN!licher kriTIK) sowie das Fehlen jeglicher Relativierungen (vgl. hierzu den nächsten Abschnitt). Die sprachlichen Formen deuten auf eine Entrüstung und Emotionalisierung hin, die im Zusammenhang mit Stereotypisierungen realisiert wird. Die Aussage wird explizit kulturell verankert durch lokale Referenzausdrücke (die spanier, wir deutsche). Diese werden sogar noch verstärkt durch einen generisch verwendeten bestimmten Artikel (die spanier)142 bzw. ein Personalpronomen (wir deutsche). Es erfolgt also auch keinerlei Abschwächung durch implizite Referenzausdrücke.
Im folgenden Gesprächsausschnitt werden Aussagen mit expliziter personaler Referenz bewusst durch andere Formen der Relativierung abgeschwächt: ENTSENDUNGSZIEL: „spanier sin wirklich relativ neidisch” (26:46, Z.687) 01 02 03
E: ch=halt (--) spanier sin wIrklich relativ neidisch; (--) <
Kommentar: Wie im letzten Beispiel schreibt E hier den Spaniern mithilfe einer klassischen Eigenschaftsprädikation die Eigenschaft zu, neidisch zu sein (spanier sin neidisch). Auch er verwendet einen expliziten personalen Referenzausdruck (spanier). Im zweiten Satz verweist er mithilfe eines pronominal verwendeten die auf diesen zurück. Ein Unterschied zum ersten Beispiel besteht darin, dass der explizite personale Referenzausdruck nicht mit bestimmtem Artikel, sondern ohne Artikel verwendet wird. Die Zuschreibung wird zudem durch Modalpartikel (wirklich relativ bzw. schon) abgeschwächt. Die Akzentsetzung ist deutlich schwächer. Die Stereotypisierung, die vor allem durch die Verwendung des Begriffs spanier in Kombination mit einem Eigenschaftsprädikat angezeigt wird, wird also gleichzeitig relativiert (zu den Verfahren der Stereotypisierung und Relativierung vgl. 7.3.1.2).
Vorgangs- und Zustandsprädikate Im Zusammenhang mit der Präferenz lokaler Referenz bzw. impliziter Formen der Referenz bei der Darstellung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen möchte ich bereits kurz auf die Tatsache eingehen, dass die Gesprächspartner 142 Zur Verwendung des generischen Artikels für Generalisierungen vgl. Czyzewski et al. 1995: 57. In der Duden-Grammatik (1998: 316-317) wird diese Form der Generalisierung (bestimmter Artikel im Singular oder Plural) als „extensionale Generalisierung“ bezeichnet. Die Aussage kann prinzipiell auch mit unbestimmtem Artikel (im Singular) bzw. ohne Artikel (im Plural) formuliert werden (spanier sind neidisch) bzw. der Artikel kann durch alle ersetzen werden (alle spanier sind neidisch).
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7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
nicht nur Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Gruppen von Personen (z.B. Spaniern, Deutschen) darstellen, sondern häufig Vorgänge und Zustände beschreiben, die für die Situation in Spanien bzw. Deutschland typisch sind. Auf diesen Aspekt werde ich im Zusammenhang mit dem Verfahren der Prädikation genauer eingehen (vgl. 7.3.1.1). Sie verwenden dazu vor allem unpersönliche Satzkonstruktionen (3.Ps.Sg oder Vorgangs-Passiv, vgl. Tabelle 7.6 zu Formen der Prädikation) in Kombination mit expliziter oder impliziter lokaler Referenz (diese kann auch wegfallen). Das heißt sie vermeiden auch hierdurch eine explizite Referenz auf Personen.143 In den oben zitierten Ausschnitten aus dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG tauchten einige solche unpersönliche Satzkonstruktionen auf: KOLLEGIALE BERATUNG: „äh fremde störungen” (08:29, Z.210) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
E: u:nd (.) also hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch (.) äh: (.) FREMde störungen ((...)) ä:hm: (-) und die geFAHR is so=n bisschen dass da so die (---) ähm die ZIEle (.) aus den augen verloren werden; ((...)) ähm (--) so dass=es (--) !DA!rauf hinausläuft dass äh viel STÄRker (-) kontrolLIERT WIRD, durch den VORgesetzten als (.) in (-) DEUTSCHland.
Kommentar: Statt einer expliziten Referenz auf Personen verwendet E hier unpersönliche Satzkonstruktionen in der 3.Ps.Sg. (hier is des tagesgespräch geprägt durch fremde störungen) und Vorgangs-Passiv (dass da so die ähm die ziele aus den augen verloren werden, dass äh viel stärker kontrolliert wird). Die lokale Referenz auf die Situation in Spanien erfolgt implizit (1. Absatz: hier) oder explizit (3. Absatz: in deutschland) oder sie fällt weg, da vorausgesetzt wird, dass man aus dem Kontext erschließen kann, worauf sich die Aussage bezieht (2. Absatz).
Zusammenfassung: In den Gesprächen verwenden die Gesprächspartner unterschiedliche Formen der Referenz, um ihre Aussagen kulturell zu verankern. Es konnte gezeigt werden, dass in den Gesprächen sowohl die Verwendung lokaler (statt personaler) und impliziter (statt expliziter) Formen der Referenz als auch unpersönliche Konstruktionen und Vorgangs-Passive der Vermeidung expliziter Zuschreibungen und Stereotypisierungen dienen. Die folgende Tabelle 7.4 gibt abschließend einen Überblick über verschiedene Formen der unpersönlichen Darstellung mit expliziter, impliziter oder keiner lokalen Referenz.
143 Hausendorf (2000a: 403ff) zählt Zustands- und Vorgangsprädikate aufgrund dieser Vagheit zu den Verfahren des Nahelegens gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen.
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
247
Tabelle 7.4: Formen der unpersönlichen Darstellung in den Gesprächen
Unpers. 3.Ps.Sg.Konstr.
VorgangsPassiv
Explizite lokale Referenz - das ist hier sehr beliebt in madrid (ENTSZIEL Z. 301) - freundschaft gibt=s in spanien gar nicht (FREUND Z. 454) - dass äh viel stärker kontrolliert wird durch den vorgesetzten als in deutschland (KOLBER Z. 237ff)
Implizite lokale Keine lokale Referenz Referenz - das scheint hier net - s=is sehr locker würd ich sagen (LOso...ausgeprägt zu CKER Z. 339f) sein (ANM Z. 925f) - aber hier is=es nicht - es is alles sehr viel so dass... (LOCKER Z. chaotischer (KOLBER Z. 161f) 150) - dann wird in kurzen - des ha’ isch meine erfahrung hier, dass knappen worten äh: kommuniziert=äh: sehr über vorschrifwas sache is (ANM ten gearbeitet wird Z. 279f) (LOCKER Z. 260ff)
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen Im Bezug auf die Darstellung kultureller Prägungen konnte eine große Zahl kommunikativer Verfahren und linguistischer Formen herausgearbeitet werden. Für die Systematisierung der Ergebnisse hat es sich daher als sinnvoll erwiesen, die Verfahren auf einer weiteren Binnenklassifizierungsebene zu ordnen. Auf der übergeordneten Ebene unterscheide ich zwei Verfahren: 1. 2.
Verallgemeinernde Darstellung kultureller Prägungen (7.3.1) Erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen (7.3.2)
Innerhalb beider übergeordneter Verfahren gibt es jeweils mehreren (Unter-) Verfahren. Im Folgenden werde ich die Verfahren auf den beiden Klassifizierungsebenen verkürzt als ‘übergeordnete Verfahren’ und ‘Verfahren’ bezeichnen. Die folgende Tabelle 7.5 gibt einen Überblick über alle Verfahren mit einem jeweiligen Verweis auf den Abschnitt, in dem sie behandelt werden. Tabelle 7.5: Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen Übergeordnete Verfahren Verallgemeinernde Darstellung (7.3.1)
Verfahren Prädikation Generalisierung und Relativierung Konkretisierung Kontrastierung
Abschnitt 7.3.1.1 7.3.1.2 7.3.1.3 7.3.1.4
248 Erzählerische Veranschaulichung (7.3.2)
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen Rekonstruktion von Einzelerfahrungen Rekonstruktion wiederkehrender Einzelerfahrungen Prophezeiung hypothetischer Einzelerfahrungen
7.3.2.1 7.3.2.2 7.3.2.3
7.3.1 Verallgemeinernde Darstellung kultureller Prägungen Gemäß der in 7.2.1 beschriebenen zwei Auffassungen von Erfahrung verwenden die Gesprächspartner den Erfahrungsbegriff zum einen zum Verweis auf ein synthetisiertes Erfahrungswissen, das auf der Basis mehrerer Erfahrungen gewonnen wurde. Die Darstellung kultureller Prägungen erfolgt entsprechend zum einen über verallgemeinernde Aussagen über Eigenschaften und Verhaltensweisen der Angehörigen bestimmter Kulturen, die auf der Basis eigener Erfahrungen gebildet wurden. Beispielsweise die Aussage also=s zumindest meine erfahrung wenn die leute weggeh=n dann lassen se=s scho krachen (LOCKER, Z. 424) stellt eine verallgemeinerte Darstellung kultureller Prägungen dar, bei der explizit auf den eigenen Erfahrungshintergrund Bezug genommen wird. Die verallgemeinerte Darstellung kultureller Prägungen zeichnet sich in den Gesprächen durch eine Reihe an Auffälligkeiten aus. Dabei ließen sich mehrere konkrete Verfahren identifizieren, die die Gesprächspartner bei der verallgemeinerten Darstellung verwenden. Es handelt sich konkret um die Verfahren der Prädikation (7.3.1.1), der Generalisierung und der Relativierung (7.3.1.2), der Konkretisierung (7.3.1.3) und der Kontrastierung (7.3.1.4). Alle diese Verfahren wurden in der Beispielanalyse in 4.1 schon mehr oder weniger deutlich. Die einzelnen Aspekte werde ich nun systematisch darstellen und dabei auf einzelne Stellen aus der Beispielanalyse sowie weitere Beispiele aus den Gesprächen zurückgreifen. Der Abschnitt 7.3.1.5 gibt einen abschließenden Überblick über die Verfahren der verallgemeinernden Darstellung. 7.3.1.1 Prädikation Linguistisch betrachtet erfolgt die Darstellung kultureller Prägungen meist als Prädikation. Weinrich betrachtet die Prädikation als einen Typ der Basisdetermination neben der Attribution und der Applikation.144 Er definiert sie folgendermaßen: 144 Sowohl Attribution als auch Applikation spielen im vorliegenden Material eine geringe Rolle. Dies lässt sich insbesondere damit erklären, dass die Darstellung kultureller Verhaltensweisen, Eigenschaften etc. hier als Gesprächsziel bestimmt wird und daher in weiten Teilen des Ge-
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
249
Die PRÄDIKATIVE DETERMINATION (= PRÄDIKATION) hat ein Subjekt als Determinationsbasis und bewirkt dessen Determination durch ein determinierendes Prädikat (der Vogel singt). Dieser Determinationstyp hat den besonderen Rang einer Feststellung. Damit ist eine nachdrückliche Determination gemeint, die geeignet ist, Gegenstand einer Argumentation zu werden. (Weinrich 2005: 22).
Die im Zusammenhang mit der Aufgabendefinition aufgeführte Tabelle 7.1 enthält einige Beispiele für Prädikationen in den Gesprächen. Alle Aussagen können als Feststellungen (oder Behauptungen) aufgefasst werden, die in einen argumentativen Zusammenhang eingebettet und diskutiert werden können. Folgende Arten von Prädikationen werden in den Gesprächen verwendet, um kulturelle Prägungen darzustellen: Den wichtigsten Stellenwert nehmen im Korpus Eigenschafts- und Handlungsprädikate ein, mit denen bestimmte Gruppen von Personen (z.B. die Spanier, die Deutschen) charakterisiert werden.145 Eigenschaftsprädikate werden meist durch adjektivische Prädikatsausdrücke bezeichnet (z.B. spanier sind wirklich relativ neidisch, ENTSZIEL Z. 687; es geht teilweise auch sehr emotional zu, KOLBER Z. 532), können aber auch durch Verben (z.B. die ham=s mit den details da vielleicht net so, LOCKER Z. 137790) oder Substantivprädikate (z.B. sie haben wenig eigenantrieb, FREUND Z. 1562) ausgedrückt werden. Handlungsprädikate werden überwiegend durch Verben ausgedrückt (z.B. was schon n=bisschen spanisch is is dass ma nach ausreden suchen, ANM Z. 757f). Daneben findet man Zustands- und Vorgangsprädikate, durch die allgemein die Situation in Spanien, Deutschland etc. charakterisiert wird. Zustandsprädikate werden durch adjektivische, verbale oder substantivische Prädikatsausdrücke bezeichnet. Häufig wird in den Gesprächen das Subjekt als Determinationsbasis nicht konkret benannt, statt dessen wird das neutrale Horizont-Pronomen es verwendet (z.B. adjektivisch: s=is sehr locker würd ich generell sagen, LOCKER Z. 339f, substantivisch: freundschaft gibt=s in spanien gar nicht, FREUND Z. 454). Vorgangsprädikate werden überwiegend durch Verben ausgedrückt. Neben der einfachen Verwendung von Handlungsverben (z.B. ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback, KOLBER Z. 472f) nennen die Gesprächspartner auch hier häufig keine Determinationsbasis, sondern verwenden ein Vorgangs-Passiv (z.B. meetings werden ständig unterbrochen, KOLBER Z. 172; des ha’ isch meine erfahrung hier dass sehr über vorschriften gearbeitet wird, LOCKER Z. 261ff; sprächs im Vordergrund steht. Kesselheim (2003: 234) hat in seinem Material auch NebenbeiZuschreibungen, zum Beispiel in Form von Attributionen, gefunden. 145 Die Begriffe Eigenschafts-, Handlungs-, Zustands- und Vorgangsprädikat verwende ich entsprechend der Definitionen der Prädikatsklassen bei von Polenz (1988: 159-167).
250
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
dass=ähm hier sehr lange gearbeitet wird, KOLBER Z. 589). Daneben findet man Vorgangsprädikate in der Form es geht/wird + Adjektiv (z.B. es geht teilweise auch sehr emotional zu, KOLBER Z. 532; es geht sehr viel mehr direkter, KOLBER Z. 166f; wenn=s net funktioniert wird=s laut, ANM Z. 270). Auf die Frage, welche Funktion die Formulierung solcher Zustands- und Vorgangsprädikate (in der 3.Ps.Sg. im Neutrum oder im Vorgangs-Passiv) im Gegensatz zu Eigenschafts- und Verhaltensprädikaten haben kann, bin ich bereits im Zusammenhang mit der kulturellen Verankerung der Aussagen eingegangen (vgl. 7.2.3). Dass die Prädikation ein zentrales Verfahren für die Darstellung gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen ist und in welchen Formen sie konkret realisiert werden kann, wurde bereits in mehreren Arbeiten zu sozialen Kategorisierungen gezeigt (v.a. Kesselheim 2003: 234, Hausendorf 2000a: 333ff). Insbesondere Hausendorf arbeitet anhand von Gesprächsausschnitten ausführlich Charakteristika der Darstellung von Eigenschafts- und Verhaltensprädikaten in Form von Adjektiven, Verben und Abstrakta heraus. Die folgende Tabelle 7.6 gibt daher lediglich einen Überblick über Arten der Prädikation in den vorliegenden Gesprächen. Tabelle 7.6: Formen der Prädikation in den Gesprächen Prädikatsklasse
Linguistische Form
Eigenschaftsprädikat Kopulaverb + Adjektiv
Substantiv
Verbal
Beispiele aus den Gesprächen - spanier sind wirklich relativ neidisch (ENTSZIEL Z. 687) - ich glaub we=ma des ruhig angeht dann sind die spanier auch ganz relaxed (LOCKER Z. 97f) - außerhalb von diesem werk sind sie wahr-scheinlich eins der freundlichsten völker die=i überhaupt je kenneg=lernt hab (FREUND Z. 399ff) - sie haben wenig eigenantrieb und und e ganz gespaltenes verhältnis zum zu zu unserm deutsche wort verantwortung (FREUND Z. 1562ff) - die haben keine angst ihr gesicht zu verlier=n (LOCKER Z. 1902) - die ham=s mit den details da vielleicht net so (LOCKER Z. 1377)
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
Handlungsprädikat
Handlungsverb
Zustandsprädikat
Kopulaverb in 3.Ps.Sg. (es ist) + Adjektiv
Kopulaverb in 3.Ps.Sg. es ist, ist geprägt durch, ist vorhanden, gibt) + Substantiv
Vorgangsprädikat
es geht/wird + Adjektiv
Vorgangs-Passiv
Verbal
251 - die leute kommen an dein schreibtisch und sagen okay schau mal da kurz was nach (KOLBER Z. 169ff) - n=danach macht man so diese ähm ich bin okay du bist okay (KOLBER Z. 554) - s=is sehr locker würd ich generell sagen (LOCKER Z. 339f) - es is ä:hm: alles sehr viel=ähm oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) - alles is immer super urgente (KOLBER Z. 1147f) - hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch äh: fremde störungen (KOLBER Z. 210f) - was hier jetzt speziell im werk r=relativ schwach ausgeprägt is is die suche nach den ursachen (ANM Z. 764ff) - freundschaft gibt=s in spanien gar nicht (FREUND Z. 454) - es geht teilweise auch sehr emotional zu (KOLBER Z. 532) - es geht sehr viel mehr direkter (KOLBER Z. 166f) - wenn=s net funktioniert wird=s laut (ANM Z. 270) - des ha’ isch MEIne erfahrung hier dass sehr über vorschriften gearbeitet wird (Locker Z. 260ff) - so dass=es darauf hinausläuft dass äh viel stärker kontrolliert wird, durch den vorgesetzten als in deutschland (KOLBER Z. 237ff) - oder meetings werden ständig unterbrochen (KOLBER Z. 172) - ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback (KOLBER Z. 472f) - diese meetings die hör=n nicht rechtzeitig auf (ENTSZIEL Z. 1074)
252
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
7.3.1.2 Generalisierung und Relativierung Die Analysen haben gezeigt, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen einerseits zu starken Generalisierungen mit Tendenz zu Stereotypisierungen146 tendieren, andererseits ihre Aussagen immer wieder einschränken, subjektivieren und relativieren. Zwischen der Generalisierung (mit Tendenz zur Stereotypisierung) und der Relativierung findet ein kontinuierlicher Wechsel statt. In der Beispielanalyse in 4.1 wurden sowohl linguistische Formen, die eine Generalisierung anzeigen (z.B. alles sehr viel, ständig, alles gleich sofort, sehr schlecht, alles jetzt ganz schnell) als auch solche, die eine Relativierung bewirken (z.B. in mein augen, des is so des schlagwort, so kenn ich des in mei=m umfeld, störungen war=n eher gering), herausgearbeitet. Außerdem zeigen einige Formen der impliziten Personenreferenz (z.B. man, die leute), auch wenn sie den konkreten Bezug offen lassen, auf eine Verallgemeinerung hin.147 Man kann unterschiedliche Grade der Generalisierung bis hin zur Stereotypisierung unterscheiden. Eine Aussage wie spanier sind wirklich relativ neidisch ist sehr viel weniger generalisierend als die spanier sind extrem neidisch. Da verschiedene Formen der Generalisierung und Relativierung im Rahmen der Kategorisierungsforschung schon ausführlich beschrieben wurden,148 werde ich eine Systematik der einzelnen Formen lediglich in einer Tabelle am Ende des Abschnitts vorstellen. Im Folgenden möchte ich vor allem auf das Wechselspiel zwischen den beiden Verfahren in unserem Gesprächskontext eingehen sowie auf den Rückgriff auf bestehende Stereotype in den Gesprächen. Wechselspiel zwischen Generalisierung und Relativierung Häufig stehen in den Gesprächen Generalisierungen und Relativierungen sehr nahe beieinander. Dies wurde bereits in folgenden Zeilen des Ausschnitts aus der Beispielanalyse in 4.1 deutlich: 146 Von Stereotypisierungen im Gegensatz zu Generalisierungen spricht man in der linguistischen Forschung, wenn Mitgliedern einer Gruppe bestimmte Eigenschaften „in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierender Weise“ zugeschrieben werden und eine „emotional wertende[...] Tendenz“ haben (vgl. z.B. Quasthoff 1973: 38, auf den Aspekt der emotionalen Wertungen gehe ich in 8.3.2 ein). 147 Auch Hausendorf (2000a: 304) betont, dass unspezifische Personenbezeichnungen wie leute ebenso wie unspezifische Pronomen (z.B. neutrales Pronomen man, generisches du) einen gewissen Grad der Verallgemeinerung anzeigen. 148 Z.B. in Czyzewski et al. 1995: 47ff, Drescher 1994. Hausendorf (2000a: 231ff bzw. 247ff) diskutiert Generalisierungen unter den Stichworten der Typisierung und der Verallgemeinerung, Relativierungen als Einschränkungen ausdrücklicher Feststellungen (ebd.: z.B. 329, 335, 338). Kesselheim (2003: 224ff bzw. 232ff) beschreibt Formen der Generalisierung im Zusammenhang mit dem Anzeigen von Allgemeingültigkeit und Zentralität.
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
253
KOLLEGIALE BERATUNG: „oberflächlich gesagt chaotischer” (07:10, Z.161) 01 02 03 04 05 06 07
N: ja zum beispiel (.) es is (-) ä:hm: (1.0) alles sehr vie:l=äh (1.0) Oberflächlich gesagt chaOtischer? (--) aber des is so des SCHLAGwort was ma=eben IMmer (--) geBRAUCHT, (--) <
Kommentar: Der Ausschnitt enthält eine zweimalige Charakterisierung der Arbeitsweise in Spanien als chaotischer und direkter. In Z. 1-2 zeigt N durch den Allquantor alles und die verstärkenden Gradpartikel sehr viel deutlich eine Generalisierung an. Auch die unpersönlichen Satzkonstruktionen in der 3.Ps.Sg. (es is...chaotischer bzw. s=geht... direkter) deuten auf eine Generalisierung hin. Im gleichen Satz modalisiert bzw. relativiert er seine Charakterisierung jedoch durch die unpersönliche Partizipialkonstruktion oberflächlich gesagt. Auch das vorausgehende Zögern (vgl. mehrfache Pausen, insb. 1 Sekunde Pause vor der konkreten Charakterisierung mit Partizipialkonstruktion + Adjektiv) wirkt relativierend. Es folgt unmittelbar auf die Charakterisierung eine weitere, relativ ausführliche explizite Relativierung (Z. 3-5) derselben. Danach formuliert N wieder eine allgemeine Aussage mit deutlicher Generalisierung (vgl. die sich gegenseitig verstärkenden Gradpartikel sehr viel mehr, zudem mit Akzent auf sehr).
Das folgende Beispiel aus dem Gespräch ANMELDUNG illustriert ebenfalls das Wechselspiel der Gesprächspartner zwischen Generalisierung und Relativierung. Der Ausschnitt wurde schon im Zusammenhang mit der Auffassung eines dynamischen Kulturbegriffs betrachtet (vgl. 7.2.2). Auf die Frage N’s, wie man denn die ehrlichkeit der mitarbeiter einschätzen könne (sowie einer anschließenden Erläuterung der Frage) reagiert E mit folgender Antwort. ANMELDUNG: „i möchts net pauschal beantworten” (28:13, Z.748) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14
E: .hh (---) äh i würds (-) i möchts net pauSCHAL beANTworten weil: (-) i möchte ei’ (--) WEder möchte=i äh:: (--) die: (--) die SPAnier: (-) als <
254
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
TAUsend AUSreden, (--) warUMS, denn net funktioniert hat, (---) u::nd (---) äh die (--) was HIER (--) jetzt speziell im WERK (-) r=RElativ SCHWACH ausgeprägt is is die suche nach den URsachen. (-) [mhm, [DA musst se (-) DRÜCken. (--) des is (.) als systeMAtik (-) schlichtweg net vorHANden. (--) im ei im einen fall BESser, im andern fall WEniger, (--) äh n=manchen fällen GAR net, (--) aber DES is was wo de auf jeden fall (-) PUschen musst. [da sind se (---) !SCHWACH!. (1.0) [mhm, TOtal. (--)
N: E:
N: E:
Kommentar: In Z. 1-7 formuliert E eine relativ ausführliche vorgreifende explizite Relativierung, die sich in drei Abschnitte teilen lässt. E beginnt mit einem expliziten allgemeinen Hinweis auf die Vermeidung einer Pauschalisierung in der Antwort (Z. 1: i möchts net pauschal beantworten). Es folgt eine Begründung bzw. Detaillierung dieser Aussage (Z. 2-6). In beiden Aussagen werden mögliche Pauschalisierungen durch explizite Begriffe angesprochen (pauschal beantworten, die spanier als volk). Schließlich verweist E explizit auf individuelle Unterschiede, die eine Pauschalisierung unzulässig machen (Z. 7: da gibt=s halt auch äh unterschiede von person zu person). Mit dem ersten Absatz nimmt E also Pauschalisierungs-Vorwürfe (inklusive einzelner Argumente) vorweg und lehnt diese explizit ab.149 Eine Relativierung bewirken in dem Abschnitt außerdem paraverbale Aspekte wie die gehäuften Pausen, der lachende Tonfall sowie das Stottern bzw. immer wieder neue Ansetzen E’s zu einer Aussage (z.B. i würds (-) i möchts, weil (-) i möchte ei’ (--) weder möchte=i). Das betonte aber in Z. 9 kündigt einen deutlichen Perspektivenwechsel an. Es folgt eine generalisierende Charakterisierung der Spanier (vgl. Eigenschaftsprädikat mit Kopulaverb: was schon n=bisschen spanisch is is dass ma nach ausreden suchen). Auffällig ist die dichte Akzentuierung im Zusammenhang mit der Stereotypisierung. Die Generalisierung wird jedoch relativiert durch einen Modalpartikel (bisschen), durch das den Sprecher einbeziehende Personalpronomen ma (im Sinne von wir) sowie die Darstellung eines Eigenschaftsprädikats über eine Verbalphrase (nach ausreden suchen). In Z. 13-16 konkretisiert E seine Eigenschaftszuschreibung. Dabei bleibt er bei dem Pronomen wir und bei der Beschreibung von Verhaltensweisen. In Z. 17-18 folgt eine Aussage mit Zustandsprädikat (was...relativ schwach ausgeprägt is is die suche nach den ursachen), wobei dieses nicht auf die nationale, sondern die Werkskultur bezogen wird (hier jetzt speziell im werk). Relativierend wirkt wieder ein
149 Er reagiert damit auch auf die Frage N’s der durch die Vorgabe von sich ausschließenden Antwortalternativen scheinbar eine Pauschalisierung verlangt (nicht Teil des zitierten Ausschnitts ist folgende Formulierung N’s in der Frage: kriegt ma dann ne ehrliche antwort oder kriegt ma dann irgendwo fadenscheinige erklärungen).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
255
Modalpartikel (relativ schwach ausgeprägt) sowie die unpersönliche Konstruktion in der 3.Ps.Sg. Nach diesen vorsichtig formulierten Generalisierungen findet in Z. 21-22 wieder ein deutlicher Wechsel statt. E formuliert einen Ratschlag, der durch das Verb müssen sowie die Formulierung eines kurzen, präzisen Satzes stark generalisierend wirkt. Die anschließende Aussage enthält einen nicht abschwächenden, sondern deutlich verstärkenden Partikel (schlichtweg). Zudem ist die Verbalphrase vorhanden sein im Vergleich zu ausgeprägt sein deutlich pointierter. Auf diese starke Generalisierung mit Bewertung und Tendenz zur Stereotypisierung folgt nachgestellt eine explizite Relativierung (Z. 23-25), die wieder auf individuelle Unterschiede hinweist. Darauf folgt erneut ein stark generalisierender Ratschlag (vgl. Verwendung des Verbs müssen, kurzer und präziser Satz, Verstärkung durch auf jeden fall) sowie eine unrelativierte bzw. stark generalisierende Eigenschaftszuschreibung im Sinne einer Stereotypisierung (vgl. fehlende Relativierung und ausgeprägte Akzentsetzung in da sind se schwach, verstärkender Gradpartikel total).
Die Gesprächspartner verknüpfen also häufig die Verfahren der Generalisierung und Relativierung, entweder indem sie beide integriert in einer Äußerung realisieren (was schon n=bisschen spanisch is is dass ma nach ausreden suchen) oder indem sich starke Generalisierungen mit Tendenz zur Übertreibung und explizite Relativierungen abwechseln (des is als systematik schlichtweg net vorhanden. im ei im einen fall besser im andern fall weniger).150 Diese enge Verknüpfung von Generalisierung und Relativierung deutet darauf hin, dass die Gesprächspartner aus bestimmten Gründen auf Generalisierungen zurückgreifen müssen bzw. möchten, diese allerdings für problematisch halten. Generalisierungen können in den Gesprächen verschiedene Funktionen besitzen. Vor allem in den Aussagen E’s helfen sie, dem neuen Auslandsentsandten eine gewisse Orientierung zu geben und soziale Strukturen herzustellen (vgl. kognitive Funktion von Stereotypen, Quasthoff 1989). Außerdem besitzen Generalisierungen die Funktion, Unsicherheiten auszugleichen und Aussagen plausibel zu machen. Denn wenn Spanier nicht nur etwas direkter als Deutsche sind, sondern sehr viel mehr direkter, so erscheint die Aussage des Sprechers überzeugender und weniger angreifbar. Dafür spricht auch die Tatsache, dass (wie in der Beispielanalyse in 4.1 herausgearbeitet), einige neue, tendenziell unsicherere Auslandsentsandte deutlich mehr und stärkere Generalisierungsindikatoren (und in Kombination damit auch relativierende Formulierungen) verwenden, während einige erfahrenere Auslandsentsandte einen eher neutralen, beschreibenden Darstellungsmodus wählen (vgl. Beispielanalyse in 4.1). Schließlich können Generalisierungen auch die 150 Auch Nazarkiewicz (2002: 8-9) betont, dass Stereotypisierungen häufig von den Gesprächspartnern selbst nachträglich relativiert werden. Dadurch werden einerseits Gegeneinwände antizipiert, andererseits werden die Opfer gewissermaßen rehabilitiert. Dieser Prozess der natürlichen Rehabilitierung von Stereotypen durch die Gesprächspartner kann laut Nazarkiewicz in Trainings gezielt genutzt werden, um Stereotypisierungen erfolgreich zu bearbeiten.
256
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Funktion besitzen, eigene (v.a. negative) Erfahrungen zu rechtfertigen. Wenn Spaniern eine bestimmte Eigenschaft in außergewöhnlich hohem Maße zukommt, so sind Missverständnisse oder sogar Konflikte nicht weiter verwunderlich und deuten nicht etwa auf mangelnde soziale Kompetenzen des Sprechers hin. Relativierungen besitzen umgekehrt die Funktion, generelle Aussagen abzuschwächen und ein positives Selbstbild des Sprechers zu schaffen, denn allzu starke Generalisierungen (im Sinne von Stereotypisierungen) werden in unserer Gesellschaft tendenziell abgelehnt (vgl. z.B. Nazarkiewicz 2002). Außerdem werden kulturelle Zuschreibungen durch Relativierungen für den Gesprächspartner eher akzeptabel. Relativierungen beugen ablehnenden Reaktionen vor und begünstigen die Akzeptanz der weitergegebenen Erfahrungen beim Gesprächspartner. Das heißt Relativierungen dienen insgesamt dazu, die negativen Konsequenzen von Generalisierungen abzuschwächen. Rückgriff auf Stereotype in den Gesprächen Die Gesprächspartner bringen innerhalb der Gespräche immer wieder unterschiedlich starke Generalisierungen hervor. Dabei ist die Grenze zwischen Generalisierung und Stereotypisierung häufig schwer zu bestimmen. Tendenziell wirken Generalisierungen um so ungerechtfertigter und vereinfachender und werden daher um so mehr zu Stereotypisierungen, je kategorischer sie formuliert werden (vgl. die Abgrenzung in Fußnote 146 dieser Arbeit). Außerdem deutet eine starke Emotionalisierung auf ein Stereotyp hin. Bei der folgenden Formulierung ist es daher beispielsweise angemessen, von einer Stereotypisierung zu sprechen. FREUNDSCHAFT: „sie sind extrem neidisch” (09:51, Z.329) 01 02 03 04 05 06 07 08
E: die SPAnier sind (.) und des geben sie sind extrem NEIdisch, (2.0) können über!HAUPT!nicht mit kriTIK können in !KEINS!ter weise (-) was un wieder TUN, (--) können in KEINSTter weise mit (--) kriTIK umgehn, in !KEINS!ter weise.
sie offen ZU? (-) umgehn, (1.0) wir deutsche LEIder hin mit per!SÖN!licher
Kommentar: E verwendet in dem Ausschnitt Gradpartikel, mit denen er seine Aussage auf extreme Weise verstärkt (extrem, überhaupt nicht, 3x in keinster weise). Solche Extremformulierungen wirken insgesamt ungerechtfertig und vereinfachend generalisierend, zumal wenn keine Erläuterungen, Belegerzählungen oder Konkretisierungen zu der Aussage formuliert werden. Auffällig ist in der Aussage außerdem eine starke Emotionali-
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
257
sierung (vgl. starke Akzentuierung, Wiederholungen) mit negativen Bewertungen und Tendenz zur Entrüstung (vgl. Christmann/Günthner 1999). Beide Aspekte sprechen dafür, hier von einer Stereotypisierung zu sprechen. N reagiert auf diese Stereotypisierungen teilweise mit einfachen Rückmeldesignalen (mhm), teilweise widerspricht er explizit (na ja so würd ich des aber glaub ich auch nicht sehen oder, FREUND Z. 994, vgl. hierzu 10.2.3). Gerade solche expliziten Reaktionen deuten auf einen Reflexionsprozess N’s hin, bei dem er sich mit dem formulierten Stereotyp auseinandersetzt.
Neben der expliziten Formulierung von Stereotypen findet man in den Gesprächen Anspielungen auf verbreitete nationale Stereotype. In dem folgenden Beispiel greift beispielsweise E auf ein bestehendes Stereotyp über die Spanier zurück. ENTSENDUNGSZIEL: „ja vorschriften in spanien” (14:55, Z.365) 01 02 03 04 05 06 07 08
E: ähm: (-) der grund dass wir hier sind IST (.) dass (.) mans (.) NICHT (.) in den griff KRIEGT (.) mit nem SYSTEM, denn sonst könnte man ne VORschrift machen und sagen MACHTS so; (1.0) N: ja: VORschriften in SPAnien. (--) ne? ((lacht)) E: aber (--) AUCH menschen AUCH [deutsche die da stehn. N: [ja;
Kommentar: E begründet die Präsenz der deutschen Auslandsentsandten in Spanien damit, dass man mit einem system oder einer vorschrift nicht das gewünschte Ziel erreichen kann. Er verwendet in seiner Aussage eine implizite Form der lokalen Referenz (hier) sowie 3.Ps.Sg.-Konstruktionen mit neutralem Personalpronomen man (dass mans nicht in den griff kriegt, sonst könnte man ne vorschrift machen), das heißt die Aussage enthält verschiedene Aspekte einer Relativierung. N bestätigt ihn in dieser Aussage. Mit seiner kurzen und prägnanten Formulierung (ja vorschriften in spanien ne?) spielt er dabei allerdings auf ein von beiden Gesprächspartnern geteiltes Wissen oder Bild über die Spanier an. Die reine Benennung eines beruflichen Handlungskomplexes (vorschriften) in Kombination mit der expliziten lokalen Referenz auf eine Kultur (in spanien) reicht aus, um ein nationales Stereotyp aufzurufen. Aus dem Gesprächskontext kann geschlossen werden, dass das Stereotyp besagt, dass Vorschriften in Spanien nicht zuverlässig umgesetzt werden. Die Aussage enthält eine deutliche negative, emotionale Wertung (vgl. das gedehnte einleitende ja in Z. 5 sowie das Lachen in Z. 6). Sowohl das ja als auch der Zustimmung fordernden Partikel ne? deuten auf die solidarisierende Wirkung der Stereotypisierung hin. E zeigt in seiner Reaktion auf die Äußerung an, dass er das Stereotyp kennt und die Anspielung verstanden hat, eine entsprechende kulturelle Stereotypisierung jedoch ablehnt. Seine anfängliche Irritation (aber und anschließende Pause) könnte auch darauf hindeuten, dass er die Aussage so auffasst, dass N ihm die Stereotypisierung unterstellt (zumal N durch das ja und das ne? eine scheinbare Übereinstimmung mit dem Ge-
258
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
sprächspartner evoziert). E lehnt die Aussage des Gesprächspartners ab, indem er auf die Irrelevanz der kulturellen Zugehörigkeit der Personen, über die er spricht, hinweist bzw. darauf, dass sich seine Aussage nicht generalisierend auf die kulturelle Gruppe der Spanier bezogen hat (auch menschen auch deutsche die da stehn). E relativiert damit gewissermaßen die Aussage des Gesprächspartners N und zeigt damit an, dass er sie ebenfalls als Stereotypisierung verstanden hat.
Zusammenfassung: Es wurde gezeigt, dass die Gesprächspartner verschiedene Formen der Generalisierung bzw. Stereotypisierung und der Relativierung verwenden und diese eng miteinander verknüpfen. Hausendorf (2007: 411) weist darauf hin, dass eine Thematisierung kultureller Unterschiede durch die Vermittlung kulturspezifischen Wissens immer (trotz verschiedener Formen der Relativierung) mit einer in gewisser Weise generalisierenden Zuschreibung kategorienbezogener Eigenschaften und Verhaltensweisen verbunden ist. Er nennt dies das ‘Stereotypisierungsdilemma’ (ebd.). Umgekehrt zeigen jedoch verschiedene Autoren, dass solche Stereotypisierungen sowohl in interkulturellen Kommunikationssituationen als auch in ethnischen Diskursen durchaus positive Funktionen und Auswirkungen haben können.151 Auch in den vorliegenden Gesprächen kommen die Gesprächspartner kaum um Generalisierungen oder auch Stereotypisierungen herum. Diese erleichtern jedoch die Orientierung des neuen Auslandsentsandten (vgl. kognitive Funktion von Stereotypen, Quasthoff 1989), unterstützen seine Identitätsbildung (vgl. affektive Funktion), bewirken an einigen Stellen eine Solidarisierung zwischen den Gesprächspartnern (vgl. soziale Funktion) und können einen Reflexionsprozess auslösen. Die folgende Tabelle 7.7 gibt abschließend einen Überblick über linguistische Formen, die in den Gesprächen zur Generalisierung bzw. Stereotypisierung und zur Relativierung verwendet werden, mit Beispielen aus allen Gesprächen.
151 Vgl. z.B.Keim 2002 (zur Möglichkeit einer Beziehungskonstitution mithilfe von Stereotypen), Nazarkievicz 2002, 1999 (zum Umgang mit Stereotypenkommunikation in interkulturellen Trainings), Quasthoff 1989 (zur kognitiven, affektiven und sozialen Funktion von Stereotypen).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
259
Tabelle 7.7: Verfahren und Formen der Generalisierung und Relativierung 1. Generalisierung/Stereotypisierung152 Formen Beispiele aus den Gesprächen Generalisierende Personenreferenz, - die spanier, die leute, man, sie, die generischer Artikel Allquantoren und deren Verneinung - es is ähm alles sehr viel=äh oberflächlich (alle, jeder, alles bzw. keiner, gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) niemand, nichts) - es weiss auch jeder wer schuld hat aber keiner würde den so hinstellen wie wir des in deutschland machen (ENTSZIEL Z. 855ff) Allquantitative Frequenzadverbien - weil s=kommt ständig was neues dazu was und deren Verneinung man nich kennt (KOLBER Z. 183f) (immer, ständig bzw. nie, niemals) - also wenn eine besprechung um neun uhr beginnen soll die wird niemals um neun beginnen, also des hab ich hier noch nie erlebt (LOCKER Z. 1125ff) - alles was sie net kontrollieret wird !NIE!mals realität werde (FREUND Z. 1494) Verstärkende Gradpartikel - so dass=es darauf hinausläuft dass äh viel (v.a. viel/sehr viel + Komparativ) stärker kontrolliert wird (KOLBER Z. 237f) - s=geht sehr viel mehr direkter (KOLBER Z. 166f) - dass sehr viel über normativas geht (LOCKER Z. 281) - da sind se schwach total (ANM Z. 774ff) - ma bekommt !SEHR! schnell !SEHR! direktes feedback (KOLBER Z. 472f) - sie sind extrem neidisch, können überhaupt nicht mit kritik umgehn (FREUND Z. 330f) Generalisierende Adverbien - s=is sehr locker würd ich generell sagen wie generell, grundsätzlich (LOCKER Z. 339f) - sind die mitarbeiter grundsätzlich eher ehrlich wenn se was sagen (ANM Z. 729f) Generalisierende Adjektive - die klassische spanische führungskraft, äh wie typisch, klassisch geht in der klassischen hierarchischen form mit sein=n mitarbeitern um (ANM Z. 266ff) 153 - s. die meisten bereits angeführten Beispiele Verwendung des Präsens
152 Einige der genannten Formen werden auch beschrieben bei Kesselheim 2003: 224ff und 332ff, Hausendorf 2000a: 231ff und 247ff, Czyzewski et al. 1995: 47ff. Die Tatsache, dass sie in durchaus unterschiedlichen Korpora und im Bezug auf unterschiedliche Kulturgruppen gefunden wurden, deutet auf eine Einschlägigkeit der gefundenen Formen für Eigenschafts- und Verhaltenszuschreibungen hin.
260 2. Relativierung Formen Explizite Differenzierung oder Relativierung
Perspektivierende Rahmung/ Modalisierung (ich glaube, denke, hab die Erfahrung gemacht, den Eindruck)
Modalpartikel (relativ, bisschen, schon, vielleicht)
Paraverbale Relativierung durch Lachen, Stottern etc.
Implizite Formen der Referenz, lokale statt personale Referenz
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Beispiele aus den Gesprächen - es gibt solche und solche (ENTSZIEL Z. 971) - da gibt=s halt auch äh unterschiede von person zu person (ANM Z. 754) - i würds i möchts net pauschal beantworten (ANM Z. 748) - es is ähm alles sehr viel=äh oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) - ich glaub we=man des ruhig angeht dann sind da die spanier auch ganz relaxed (LOCKER Z. 97f) - die arbeitsweise is schon ne umstellung in meinen augen (KOLBER Z. 154ff) - nach dem was ich hier erlebt hab (ENTSZIEL Z. 969) - die arbeitsweise is schon ne umstellung (KOLBER Z. 154) - spanier sin wirklich relativ neidisch (ENTSZIEL Z. 687) - was schon n=bisschen spanisch iss is dass ma nach ausreden suchen (ANM Z. 757f) - die ham=s mit den details da vielleicht net so (LOCKER Z. 1377) - i würds i möchts net pauschal beantworten weil i möchte ei’ weder möchte=i äh die die spanier als <
7.3.1.3 Konkretisierung Themen werden von den Gesprächspartnern häufig auf unterschiedlichen Konkretisierungslevels erläutert, so dass sich ein wiederkehrendes Strukturprinzip für die Darstellung von Eigenschaften und Verhaltensweisen ergibt (allgemeine Darstellung und Konkretisierung). Dies wurde ebenfalls in der Beispielanalyse in 4.1 deutlich: N formuliert hier zunächst zwei allgemeine Charakterisierungen bzw. Behauptungen qua Eigenschaftsprädikate (es is ähm alles sehr viel=äh 153 Zur Verwendung des Präsens für Generalisierungen vgl. Kesselheim 2003: 226, Czyzewski et al. 1995: 57.
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
261
oberflächlich gesagt chaotischer, s=geht sehr viel mehr direkter), die er anschließend durch zwei generalisierende Erlebnisdarstellungen konkretisiert (die leute kommen an dein schreibtisch..., meetings werden ständig unterbrochen weil grad jemand rein kommt...). Auch eine weitere allgemeine Aussage (Eigenschaftsprädikat: deswegen is auch...en bestimmtes chaos da) wird durch die Beschreibung von Beispielaspekten konkretisiert (deswegen kann man auch bestimmte sachen einfach nich zuende machen, s=kommt ständig was neues dazu was man nich kennt). Diese Konkretisierungen sind nötig, da die allgemeinen und abstrakten Begriffe chaotisch, direkt und chaos nicht hinreichend deutlich machen, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen der Spanier N konkret für auffällig und problematisch hält. Auch die Aussage E’s enthält mehrfach das Muster einer allgemeinen Aussage (Eigenschafts- oder Verhaltensprädikat) mit anschließender Konkretisierung. E beschreibt zunächst auf individueller Ebene mittels Handlungsprädikat ihre Arbeitsweise in Deutschland (bei meiner früheren tätigkeit hab ich sehr strukturiert arbeiten können) und konkretisiert diese Aussage durch die Beschreibung konkreter Verhaltensweisen (des heißt also ich hab mir morgens n plan gemacht). Das gleiche Schema findet man in Bezug auf ihre Beschreibung der Arbeitsweise in Spanien (allgemeine Aussage/Eigenschaftsprädikat: hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch äh fremde störungen, Konkretisierung durch generalisierte Erlebnisdarstellung: also irgendjemand will etwas...). Schließlich formuliert E auch bei der Darstellung der Konsequenzen aus dem spanischen Arbeitsstil eine allgemeine Aussage (Handlungsprädikat: so dass=es darauf hinausläuft dass äh viel stärker kontrolliert wird durch den vorgesetzten als in deutschland) mit anschließender konkreter Beschreibung von Verhaltensweisen (das heißt der vorgesetzt kuckt nach relativ kurzen abständen immer...). E leitet die aufgeführten Konkretisierungen jeweils durch Nexus-Adverbien bzw. Phrasen wie also oder des heißt ein. Dadurch wird ein deutlicher Zusammenhang zwischen allgemeiner Aussage und Konkretisierung bzw. Illustration hergestellt. Zugleich wird gewissermaßen angezeigt, dass sich die Aussagen auf unterschiedlichen Konkretisierungslevels befinden. In dem folgenden Beispiel aus dem Gespräch ANMELDUNG konkretisiert E eine allgemeine Aussage mehrfach und mithilfe unterschiedlicher Verfahren. ANMELDUNG: „was zum thema mitarbeiterführung” (06:53, Z.261) 01 02 03 04 05 06
E: motivaTION vielleicht ähm (--) zunächst mal zu=was zum thema (--) zum thema MITarbeiterführung; (--) äh:: wie (.) wie gehst du als (--) als FÜHrungskraft mit (-) mit LEUten hier UM, (--) sa=mal so den KLASsischen: (-) äh SPAnier, (--) äh (-) die KLASsische SPAnische FÜHrungskraft,
262
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
äh:: (-) geht in der (-) KLASsischen (-) hieRARchischen FORM (-) mit sein=n mitarbeitern um. (--) mhm, (--) des heißt=äh: (--) wenn=s net funktioNIERT wird=s LAUT, (--) mhm, (--) äh::m: (--) kurz ANgebunden:, (--) äh (---) ein BEIspiel zum BEIspiel is=äh:: *rodríguez*, (--) der sitzt in seinem büRO, (--) der ruft seine leute net mal (:) REIN, sondern der ruft (-) m’ mi=m TElefon kurz draußen AN, (--) dass sie mal gefälligst hier ANtanzen SOLlen, (--) [mhm, [und äh:: (-) dann wird in kurzen knappen worten (--) äh: (--) kommuniziert=äh: (-) was (--) was SAche is.
N: E: N: E:
N: E:
Kommentar: E führt in Z. 1-2 das Thema der Mitarbeiterführung ein. Dieses wird in Z. 34 durch die Formulierung einer konkreten Frage mit Handlungsverb konkretisiert. Es folgt dann eine allgemeine Charakterisierung der spanischen Führungskraft mithilfe eines Handlungsprädikats (geht in der klassischen hierarchischen form mit sein=n mitarbeitern um). Eine deutliche Tendenz zur Stereotypisierung besteht durch die dreimalige Wiederholung des Generalisierungs-Adjektivs klassisch in Kombination mit bestimmtem Artikel (der klassischer spanier, die klassische spanische führungskraft, in der klassischen hierarchischen form). Die allgemeine Charakterisierung der spanischen Führungskraft wird ab Z. 10 konkretisiert und illustriert. Zunächst erfolgt eine Konkretisierung durch die Beschreibung konkreter Verhaltensweisen bzw. Zustände (Z. 10-12: wird=s laut, kurz angebunden). Diese erste Konkretisierung wird eingeleitet durch die Überleitungsphrase des heißt. Es folgt eine zweite Konkretisierung in Form der Beschreibung einer Beispielperson (Z. 13ff: *rodríguez*). Diese zweite Konkretisierung führt E durch den konkreten Verweis auf ein Beispiel ein (ein beispiel zum beispiel is). Die Personenbeschreibung enthält vier konkrete Verhaltensprädikate, die der Beispielperson zugeschrieben werden (sitzt in seinem büro, ruft seine leute net mal rein, ruft mi=m telefon kurz draußen an, dann wird in kurzen knappen worten äh kommuniziert). Da die Verhaltensprädikate allerdings in einem konkreten Zusammenhang stehen, wird gewissermaßen eine Beispielsituation bzw. sogar -episode (vgl. das Anzeigen einer Handlungsfolge durch das Tempusadverb dann sowie den umgangssprachlichen Darstellungsmodus in gefälligst hier antanzen sollen) angedeutet, die im Zusammenhang mit dieser Person entstehen kann.
Das folgende Beispiel zeigt, dass die Darstellung in der Konkretisierung durchaus erzählerische Züge annehmen kann: 154
154 Hausendorf (2000a: 369ff) bezeichnet solche erzählerischen Passagen im Rahmen verallgemeinernder Darstellungen als „rekonstuktive Konkretisierungen“. Sie zeichnen sich durch einen szenischen Präsentationsstil aus, bei dem allerdings kein singuläres Geschehen im Mittelpunkt steht (ebd.: 375ff).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
263
KOLLEGIALE BERATUNG: „oberflächlich gesagt chaotischer” (07:10, Z.161) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
N: ja zum beispiel (.) es is (-) ä:hm: (1.0) alles sehr vie:l=äh (1.0) oberflächlich gesagt chaOtischer? (--) aber des is so des SCHLAGwort was ma=eben IMmer (--) geBRAUCHT, (--) <
Kommentar: In dem Abschnitt werden zwei allgemeine und abstrakte Aussagen (Z. 1-2: es is ähm alles sehr viel=äh oberflächlich gesagt chaotischer bzw. Z. 6-7: s=geht sehr viel mehr direkter) durch zwei konkrete, szenisch-dramatisch dargestellte Verhaltensweisen illustriert. Charakteristisch ist dabei die Kombination typischer Merkmale eines erzählerischen Stils einerseits (szenische Darstellung: Z. 9, direkte Rede: Z.9-11) mit generalisierenden Darstellungsmitteln andererseits (v.a. neutrale Personenreferenz: jemand, die leute, Vorgangs-Passiv: meetings werden unterbrochen, da wird nicht erst gewartet, wird keine terminabsprache gemacht, des wird alles gleich sofort gemacht, generisches Du: dein schreibtisch, Generalisierungs-Marker: ständig, alles etc.). Die erzählerische Konkretisierung dient hier vor allem der Illustration der unmittelbar vorausgehenden, sehr kondensiert formulierten allgemeinen Hypothesen.
Zusammenfassung: In den Beispielen wird also eine allgemeine Behauptung über Eigenschaften und Verhaltensweisen einer bestimmten Gruppe auf verschiedene Weise, teilweise sogar mehrfach konkretisiert. Folgende Struktur findet man häufig bei der verallgemeinernden Darstellung von Erfahrungswissen in den Gesprächen: 1. 2.
Allgemeine Behauptung/Aussage über kulturelle Eigenschaften und Verhaltensweisen (ggf. mit Stereotypisierung/Relativierung) Eine oder mehrere Konkretisierungen (z.B. Darstellung konkreter Verhaltensweisen, Beispielaspekt, -person, -situation, -episode)
Konkretisierungen dienen der Erläuterung eines genannten Aspekts, ihrer Illustration sowie sekundär auch der Relativierung von allgemeinen Aussagen. Zur
264
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Konkretisierung verwenden die Gesprächspartner zum einen Beschreibungen konkreter Verhaltensweisen, Zustände etc. Diese werden häufig durch NexusAdverb oder -Phrase eingeleitet (also, das heißt). Als konkretes Beispiel eingeführt werden Beispielaspekte, -personen, -situationen und -episoden. Auf Beispielerzählungen werde ich im nächstem Kapitel ausführlicher eingehen, da sie nicht nur der Konkretisierung und Illustration allgemeiner Charakterisierungen dienen, sondern weitere Funktionen innerhalb der Weitergabe kultureller Erfahrungen besitzen. Die folgende Tabelle 7.8 gibt einen Überblick über Formen, die in den Gesprächen zur Konkretisierung verwendet werden. Tabelle 7.8: Verfahren und Formen der Konkretisierung 155
Konkretisierung Formen Beispiele aus den Gesprächen - die klassische spanische führungskraft, äh Darstellung konkreter geht in der klassischen hierarchischen Verhaltensweisen, Zustände etc. (durch Verhaltensprädikat, Zustandspräform mit sein=n mitarbeitern um des dikat, szenisch-dramatische Darstellung) heißt=äh wenn=s net funktioniert wird=s laut (ANM Z. 266ff) - bei meiner früheren tätigkeit hab ich sehr strukturiert arbeiten können des heißt also ich hab mir morgens n plan gemacht was will ich heute machen (KOLBER Z. 202ff) - hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch äh fremde störungen also irgendjemand will etwas (KOLBER Z. 210ff) - die leute kommen an dein schreibtisch und sagen okay schau mal da kurz was nach, jetzt sofort (KOLBER, Z. 168ff) - die arbeitsweise is schon ne umstelBeispiel (Beispielaspekt) lung...zum beispiel es is ähm alles sehr viel=ähm oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 154ff)
155 Hausendorf (2000a) beschreibt als Formen zur exemplifizierenden Veranschaulichung gruppenspezifischer Eigenschaften und Verhaltensweisen die Erzählung, Redewiedergabe (vgl. erzählerische Momente in den Konkretisierungen), Personenbeschreibungen (vgl. Beispielperson), Beispiele (vgl. Beispielaspekt) und Metaphern (konnte ich in meinem Material nicht finden).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen Personenbeschreibung (Beispielperson)
Situationsbeschreibung (Beispielsituation, -szene)
Erzählung (Beispielepisode)
265
- also hier=der *fernando*. mein chef zum beispiel. der weiß genau wie der hase läuft wenn er ärger mit den=n in der zentrale hat (ENTSZIEL Z. 511ff) - ein beispiel zum beispiel is=äh *rodríguez*, der sitzt in seinem büro, der ruft seine leute net mal rein, sondern der ruft m’mi=m telefon kurz draußen an, dass sie mal gefälligst hier antanzen sollen (ANM Z. 273ff) - als beispiel äh *peter* ist jetzt zum beispiel jemand der eher schneller laut wird (ANM Z. 432ff) - also ich zum beispiel hab grade von dei=m vorgänger her jetzt hab=s durchaus erlebt dass der hier auch zum beispiel in=ner liefersitzung, oder sonst irgendwas; oder auch ähm gegenüber sei=m deutschen chef durchaus mal hart geworden is (ANM Z. 397ff) - vgl. 8.3.2
7.3.1.4 Kontrastierung Die Analysen haben schließlich auch gezeigt, dass die Gesprächspartner in ihren Aussagen sehr häufig Kontrastierungen vornehmen und dadurch eine implizite Vergleichsperspektive anzeigen. Müller-Jacquier (2007, Müller 1986) begreift das Vergleichen als zentralen kognitiven Akt des interkulturellen Verstehens bzw. als zentrale Diskurshandlung der Darstellung des Fremden. Charakteristisch für Vergleichshandlungen ist für ihn, dass sich der Sprecher kontinuierlich an bestimmten kultureigenen Normalitätserwartungen orientiert. Auffälligkeiten der Fremdkultur werden entsprechend als Abweichungen von dieser Normalitätserwartung dargestellt. Ten Thije (2006b, 2003) zeigt, dass auch bei Aussagen über Kulturen in interkulturellen Dialogen häufig die Verfahren der Generalisierung, Perspektivierung und Kontrastierung in Kombination verwendet werden. Die Kombination der drei Verfahren kann laut ten Thije ein interkulturelles Verstehen deutlich unterstützen.156 Schließlich wird das Verfahren der Kontrastie156 Die Verfahren definiert er folgendermaßen: „[B]y generalising, an interactant verbalizes the propositional content as a cultural standard solution; by perspectivising, he locates the propositional content in the actual speech situation, taking into account cultural standards of the other.
266
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
rung auch in Arbeiten zu sozialen Kategorisierungen als charakteristisch und auffällig für ethnische Diskurse beschrieben (z.B. Kesselheim 2003: 101, 244ff, Hausendorf 2000a: 251-265, Czyzewski et al. 1995: 57).157 In der Beispielanalyse (4.1) konnten bereits alternative Formen der Kontrastierung herausgearbeitet werden. In seinen Ausführungen verwendet N Adjektive im Komparativ, allerdings ohne das Vergleichsobjekt konkret zu nennen. KOLLEGIALE BERATUNG: „oberflächlich gesagt chaotischer” (07:10, Z.161) 01 02 03 04 05
N: ja zum beispiel (.) es is (-) ä:hm: (1.0) alles sehr vie:l=äh (1.0) Oberflächlich gesagt chaOtischer? (--) ((...)) =sondern es is (--) äh d’ d’ die LEUte (.) s=geht (-) SEHR viel mehr diREKter. (-)
Im weiteren Verlauf wird eine Vergleichsperspektive angezeigt durch Darstellungen in Form von Negationen: 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15
N: <
bzw. mit negativen Bewertungen: 16 17
N: und man kann auch sehr schlecht (---) PLA:nen; sein=n TAG planen;
In den Aussagen E’s wurde eine Kontrastierung herausgearbeitet, die durch die Verwendung von Gradadverbien realisiert wird, 18
E: SO: also (.) aber die störungen war=n (.) eher (.) geRING.
By contrasting cultures, the speaker enables the hearer to compare the speaker’s cultural standards with his own and, subsequently, attain an adequate interpretation of the discourse” (ten Thije 2006b: 117). 157 Hausendorf (2000a) fasst das Verfahren dabei unter die Aufgabe des Zuordnens (Hervorhebung von Zugehörigkeit), Kesselheim (2003) unter die des Verortens (Herstellung von Kontrastgruppen).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
267
durch explizite Vergleiche mit Komparativ (+ Gradadverb) und Vergleichsobjekt 19 20 21
E: ähm (--) so dass=es (--) !DA!rauf hinausläuft dass äh viel STÄRker (-) kontrolLIERT WIRD, durch den VORgesetzten als (.) in (-) DEUTSCHland.
und durch explizite Vergleiche mit Intensitätsangabe ohne Vergleichsobjekt: 22 23 24 25
E: =also dieses (.) sich darauf verLASsen dass der mitarbeiter das schon (.) im AUge beHÄLT, (--) ähm (-) das is hier (--) DEUTlich WEniger stark ausgeprägt.=
Interessant ist nicht nur, welche Formen Gesprächspartner konkret zur Realisierung von Kontrastierungen verwenden, sondern vor allem die Tatsache, dass sie häufig auch dann Komparative, Gradadverbien etc. verwenden, wenn gar kein expliziter Vergleich mit Vergleichsobjekt ausgeführt wird. Dies deutet darauf hin, dass die Gesprächspartner die meiste Zeit eine Vergleichsperspektive einnehmen. Dafür kann es zwei Erklärungen geben. Zum einen machen die Gesprächspartner Aussagen über kulturelle Eigenschaften und Verhaltensweisen Solche Aussagen implizieren immer eine Vergleichperspektive. Sie sind als generalisierende Aussagen grundsätzlich nur im Vergleich zwischen Kulturen möglich. Dies wird deutlich wenn man beispielsweise eine Aussage betrachtet wie ‘Franzosen sind emotional’. Diese Aussage wäre vor dem Hintergrund plausibel, dass jemand die französische Kultur aus der deutschen Perspektive betrachtet. Wenn man aber davon ausgeht, dass Franzosen im Vergleich zu Spaniern tendenziell weniger emotional sind, dann könnte man annehmen, dass spanische Expatriates in Frankreich eher eine Aussage formulieren würden wie ‘Franzosen sind eher nüchtern’. Bei Aussagen über kulturelle Eigenschaften ist also höchst relevant, an welcher Vergleichsgruppe sich der Sprecher orientiert. Ein weiterer Grund für die Vergleichsperspektive der Gesprächspartner besteht darin, dass die Gesprächspartner ihre neuen Erfahrungen verarbeiten, indem sie sie in ihr bisheriges Erfahrungsspektrum einordnen, so dass unvermeidlich ein ständiger Vergleich mit dem eigenen kulturellen Kontext vorgenommen wird.158 Wichtig ist für die (neuen) Auslandsentsandten, was in der fremden Kultur neu ist. Das kann nur durch einen Vergleich mit der eigenen Kultur bestimmt werden. Die Darstellung spiegelt damit den Verarbeitungsprozess der 158 Darauf deutet auch hin, dass die Gesprächspartner, wenn sie einen Vergleich explizit nennen, gelegentlich auf die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung von Gewohnheiten oder Erwartungen anspielen (z.B. sie hams net so verbissen wie wir des aus deutschland gewohnt sind, LOCKER Z. 163f, ich kenn des auch aus deutschland nicht so was, LOCKER Z. 560).
268
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Auslandsentsandten wider. Sie nehmen (eigene und fremde) kulturspezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen nur oder erst durch die Differenzerfahrung wahr. Daher wird der Vergleich auch unmittelbar zusammen mit der Charakterisierung ausgedrückt. Ein möglicher Grund dafür, dass Kontrastierungen häufig ohne Benennung des Vergleichsobjekt realisiert werden, ist zum einen, dass aus dem Gesprächskontext meist klar ist, auf welche Vergleichsgruppe sich eine Aussage bezieht und die Explizierung daher weggelassen werden kann. Zum anderen kann durch das Auslassen des Vergleichsobjekts eine implizite oder gar explizite Verankerung von Zuschreibungen vermieden bzw. die Frage, auf welche kulturelle Gruppe sich eine Aussage bezieht (National-, Regional-, Werkskultur), offen gelassen werden (vgl. hierzu 7.2.3). Zusammenfassung: Die folgende Tabelle 7.9 gibt einen Überblick über Formen, die anzeigen, dass Gesprächspartner eine Kontrastierung vornehmen bzw. eine Vergleichsperspektive einnehmen. In einigen Fällen wird ein expliziter Vergleich formuliert, und das Vergleichsobjekt wird genannt. Häufig wird eine Vergleichsperspektive nur indirekt angezeigt, ohne dass das Vergleichsobjekt explizit genannt wird. Tabelle 7.9: Verfahren und Formen der Kontrastierung Kontrastierung159 Formen Komparativ (mit/ohne Vergleichsobjekt)
Beispiele aus den Gesprächen Ohne Vergleichsobjekt - es is alles sehr viel oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) - die sind da viel lockerer drauf wie – ja sie gehen ja auch viel langsamer (LOCKER Z. 113f) - ich finde sie haben schon einen härteren ton (LOCKER Z. 166ff) Mit Vergleichsobjekt - dass viel stärker kontrolliert wird durch den vorgesetzten als in deutschland (KOLBER Z. 237ff) - !VIEL! stärker als in deutschland (LOCKER Z. 837) - da sind sie viel besser als wir in deutschland und viel problemloser (ENTSZIEL Z. 441ff)
159 Müller (1986: 71-72) unterscheidet sechs verschiedene Typen interkultureller Vergleichshandlungen, denen sich die in meinem Korpus gefundenen Formen zuordnen lassen: Adordination (vgl. explizite Gleichsetzung), Gegensätzliche Inhalte/Erwartungen (vgl. explizite Gegenüberstellung), Graduelle Differenz (vgl. Komparativ, Intensitätsangabe/Gradadverbien), Negation/ Nicht-Phänomen (vgl. Negation), Existieren, Meta-Vergleiche (vgl. expliziter Metavergleich).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen Negation bzw. negative Bewertung (mit/ohne Vergleichsobjekt)
Intensitätsangabe, vergleichende Gradadverbien (mit/ohne Vergleichsobjekt)
Explizite Gegenüberstellung
Explizite Gleichsetzung
Expliziter Metavergleich
269
Ohne Vergleichsobjekt - da wird nicht erst gewartet wird keine terminabsprache gemacht (KOLBER Z. 175f) - deswegen kann man auch bestimmte sachen einfach nich zuende machen (KOLBER Z. 181f) - man kann auch sehr schlecht planen, seinen tag planen (KOLBER Z. 186f) Mit Vergleichsobjekt - des leben auf der straße und diese freude sieht man in deutschland nicht (LOCKER Z. 1476ff) - der deutsche würd sagen..., aber des macht der spanier hier nicht so (LOCKER Z. 210ff) - des gibt=s ja hier gott sei dank nicht (LOCKER Z. 915) Ohne Vergleichsobjekt - also diese sich darauf verlassen dass der mitarbeiter das schon im auge behält, das ist hier deutlich weniger stark ausgeprägt und wird auch vom vorgesetzten eher erwartet (KOLBER Z. 265ff) - die störungen war=n eher gering (KOLBER Z. 209) Mit Vergleichsobjekt - in spanien is des sehr stark ausgeprägt (KOLBER Z. 280) - wir ham ohnehin hier des extrem hohe niveau im vergleich auch zu deutschland (ANM Z. 240ff) - in deutschland gehen viele glaub ich mehr zur arbeit weil se halt dafür ihr geld kriegen... ich hab hier mehr des gefühl dass die leute zur arbeit gehen weil’s ihnen auch spass macht (LOCKER Z. 1447ff) - des is wie in deutschland (ANM Z. 625) - so wie in deutschland auch, sich mit den leuten versuchen zu arrangieren (ENTSZIEL Z. 378f) - ich finde dass=es mit ner arbeitskultur in deutschland absolut überhaupt gar nich vergleichbar is (LOCKER Z. 125f) - des is vielleicht en neuer aspekt wenn man vergleicht deutschland spanien (KOLBER Z. 286f) - des isch völlig andersch in deutschland ne... also völlig andere mentalität (LOCKER Z. 544ff)
270
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
7.3.1.5 Zusammenfassung In 7.3.1 wurden verschiedene Verfahren dargestellt, mit denen die Gesprächspartnern bestimmten kulturellen Gruppen verallgemeinernd Eigenschaften und Verhaltensweisen zuschreiben (im Sinne eines ‘systematisierten Erfahrungswissens’, vgl. 7.2.1). Insgesamt spiegeln die Verfahren auf verschiedene Weise die Herausforderung für die Gesprächspartner wider, allgemeine Aussagen zu formulieren ohne dabei ungerechtfertigt zu verallgemeinern – das heißt nicht in Stereotypisierungen zu verfallen bzw. nicht in den Verdacht der Stereotypisierung zu geraten. Da insgesamt mehrere Verfahren vorgestellt wurden und ihre Darstellung jeweils recht umfangreich ist, wurde statt einer Übersicht an dieser Stelle am Ende jedes einzelnen Verfahrens (d.h. in 7.3.1.1 bis 7.3.1.4) eine Zusammenfassung eingefügt sowie eine Tabelle, die einen Überblick über die verwendeten Formen gibt. 7.3.2 Erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen Bisher wurde gezeigt, wie die Gesprächspartner bei der Weitergabe kultureller Erfahrungen verallgemeinernd Erfahrungswissen über Spanier und die spanische Kultur darstellen. In 7.3.1.4 wurde bereits darauf verwiesen, dass allgemeinen Aussagen in den Gesprächen häufig konkretisiert werden durch Erzählungen einzelner Erfahrungen. In einigen Arbeiten zu sozialen Kategorisierungen werden Erzählungen oder Belegerzählungen als ein Aspekt der Konkretisierung neben anderen behandelt.160 Bei der Weitergabe kultureller Erfahrungen besitzt das Erzählen als Darstellungsverfahren jedoch eine spezifische Bedeutung, die es erforderlich macht, der Frage nach Formen und Funktionen des Erzählens in den Gesprächen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In 7.2.1 wurde gezeigt, dass ein grundlegender Zusammenhang besteht zwischen der Präsentation von Erfahrungen und dem Erzählen. Gemäß der ersten beschriebenen Auffassungen des Erfahrungsbegriffs beziehen die Gesprächspartner den Begriff ‘Erfahrung’ auf konkrete Einzelerfahrungen. Das Erzählen ist das klassische Darstellungsmuster für die Darstellung von Einzelerfahrungen.161 Erzählen wird meist definiert über den Erfahrungsbegriff als kommunikative Rekonstruktion von Einzelerfahrungen (vgl. z.B. Gülich/Hausendorf 2001, Luckmann 1986, Ehlich 1980, 160 Z.B. Hausendorf (2000a) beschreibt innerhalb der Aufgabe des Zuschreibens Erzählungen als eine Form der exemplifizierenden Veranschaulichung neben anderen. 161 Auch Müller (1995) betrachtet die ‘Episodisierung’ als häufigstes Verfahren zur Illustration und Erklärung von Fremderfahrungen (z.B. beim Erzäheln im Alltag, bei Berichten aus dem Alltag der Fremde sowie im Bereich der Didaktisierung des Fremdverstehens).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
271
Quasthoff 1980, Labov/Waletzky 1973). Bei der Weitergabe von Erfahrungen nimmt aufgrund dieses engen Zusammenhangs das Erzählen einen großen, der verallgemeinernden Darstellung gleichwertigen Raum ein. In den Gesprächen werden viele konkrete Einzelerlebnisse mehr oder weniger ausführlich erzählt, bei denen kulturelle Prägungen implizit deutlich werden. Im Folgenden sollen verschiedene Formen des Erzählens in den Gesprächen präsentiert werden: die Rekonstruktion von Einzelerfahrungen (7.3.2.1), die Rekonstruktion wiederkehrender Einzelerfahrungen (7.3.2.2) und die Prophezeiung hypothetischer Einzelerfahrungen (7.3.2.3). Dabei ist jeweils zu fragen, welche Funktion das Erzählen in konkreten Gesprächszusammenhängen besitzt und was die spezifischen Leistungen des Erzählens für die Weitergabe kultureller Erfahrungen sind. Abschnitt 7.3.2.4 gibt abschließend einen Überblick über die Verfahren des Erzählens und fasst die beschriebenen Funktionen und Leistungen des Erzählens in Rückgriff auf entsprechende Forschungsliteratur noch einmal zusammen. 7.3.2.1 Rekonstruktion von Einzelerfahrungen Die klassische Form der Erzählung ist die Rekonstruktion einer (realen, selbst erlebten) Einzelerfahrung. In Abschnitt 7.2.1 zum Erfahrungsbegriff wurde bereits ein Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch LOCKERHEIT zitiert, in dem E den Erfahrungsbegriff als Rahmung für die Erzählung eines konkreten, singulären, individuellen Erlebnisses verwendet. Diese relativ lange Erzählung wurde indem Ausschnitt ausgelassen. Ich möchte sie nun im Folgenden dahingehend betrachten, welche Merkmale des Erzählens hier deutlich werden, wie die Erzählung in den Gesprächskontext eingebettet ist und welche Funktion sie für den Gesprächszusammenhang besitzt. LOCKERHEIT: „also was meine persönliche erfahrung war” (28:28, Z.961) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13
E: also ich kann (.) nur (.) also=was meine perSÖNliche erfahrung war, als ich hier war auf der informaTIONSreise quasi, (--) wurd=ich meinem KÜNFtigen: kolLEgen und MITarbeiter VORgestellt. N: mhm, E: ja=und der wurde jetzt letschte woche äh: hat sich der (--) in die:: in den vorruhestand verabschiedet. oder=in den RUhestand verabschiedet.=ne? (--) also=n richtig alter hase. der war scho hier als FRANco noch hier war, und der hat=äh noch die *tradiTIONSfirma* erlebt, also (--) die ganzen ALten themen noch erlebt. (--)
272 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen und dem wurd ich auch kurz VORgestellt, und ich konnt ja damals praktisch kein spanisch,=ne? und hab mir dann von dem (--) meinem VORgänger überSETzen lassen was er denn da grade so SAgte.=ne? (--) und sein (urton) war eigentlich (1.0) zunächscht <
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
273
N: hm=m; (--) E: was hälsch=n du da davon. (-) u:nd der war dann: irgendwo weil=er g=sagt hat JA des PASST so des kann=ich mir gut VORstellen. (--) un=na ha=mer des gemeinsam erLEdigt, (--) na war des KLASse.=ne? na hat der !UN!heimlich mitgezogen. des war WELTklasse. für MICH war des=e RIEsen erFAHrung, (--) wo ich am anfang so mit der VORstellung daher kam der: (1.0) der ähm: (--) denkt jetzt naja da kommt jetzt WIEder so einer.=ne? um GOTtes willen. (1.0)
Kommentar: In dem Ausschnitt erzählt E, wie sich die Beziehung zu einem Kollegen von einer anfänglich negativen Einstellung auf beiden Seiten zu einer positiven Zusammenarbeit entwickelt hat. Der Ausschnitt lässt sich in folgende Abschnitte einteilen: a. b. c. d. e. f. g.
Einleitung und Situationsbeschreibung (Z. 1-6) Hintergrundinformationen zu dem zentralen Interaktionspartner (Z. 7-13) Darstellung eines zwischenmenschlichen Konfliktpotenzials, das kulturell bedingt ist (Z. 14-22) Darstellung der eigenen Reflektionen und der Erwartungen bezüglich der Zusammenarbeit mit dem Interaktionspartner (Z. 23-27) Bericht über die tatsächliche Entwicklung der Zusammenarbeit (unerwarteter Wandel) (Z. 28-38) Konkreter Nachvollzug und szenische Darstellung der tatsächlichen Zusammenarbeit (Z. 39-71) Zusammenfassung und Resümee (72-76)
E rahmt seine Darstellung als Einzelerfahrung (vgl. Z. 1-2: also was meine persönliche erfahrung war, Z. 71: für mich war des=e riesen erfahrung). Innerhalb des Rahmens rekonstruiert er ein konkretes Erlebnis, eine Folge von Ereignissen in ihrer chronologischen Reihenfolge (vgl. die Temporaladverbien dann bzw. und dann in Z. 16, 23, 28, 34), „die im Verhältnis zum Zeitpunkt des Erzählens zurückliegen“ (Gülich/ Hausendorf 2001: 373). Der Ausschnitt enthält typische erzählerische Darstellungsmittel: Verwendung des Präteritums, Wiedergabe direkter Rede bzw. Gedanken (Z. 19-22, 23-27, 34-35, 52-60, 63-68), deiktische Ausdrücke (z.B. damals in Z. 15; hier in Z. 3, 11, 30, 40 etc.), Verwendung erzählerischer Floskeln und Partikel (als ich..., ja und der..., also, na sagt=er etc.).162 Auch die ‘spezifizierenden Kriterien’, die Gülich/Hausendorf (2001: 374) für die Definition einer Erzählung aufführen, werden erfüllt:
162 Die Literatur zu erzählerischen Darstellungsmitteln ist sehr umfassend. Einen Überblick über typische Strukturelemente des Erzählens gibt z.B. Quasthoff (2001: 1294).
274
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Singularität des Ereignisses: Im vorliegenden Fall wird offenbar eine einmalige Erfahrung dargestellt, was sich insbesondere in dem abschließenden Resümee (für mich war des=e riesen erfahrung) widerspiegelt. Erzählwürdigkeit: E formuliert zweimal, warum er die dargestellten Ereignisse für erzählwürdig hält. In Z. 28-30 und 75-77 hebt er jeweils hervor, dass sich die Ereignisse anders entwickelt haben, als er erwartete. Das Kriterium der Unerwartetheit wird in der Erzählforschung häufig für die Begründung der Erzählwürdigkeit eines Ereignisses angeführt (z.B. Ehlich 1983: 140ff, Quasthoff 1980: v.a. 54-59). Emotionalität: Gerade in dem unerwarteten Moment der Erzählung spiegeln sich Emotionen des Sprechers wider. Dies zeigt sich zum einen in den, im Vergleich zur übrigen Erzählung, ausgeprägten Akzentuierung an den Stellen, an denen E auf die unerwartete Entwicklung hinweist (vgl. Z. 28-29: was dann aber !VÖLlig! (--) ANdersch sich entWICkelt hat). Die Wahl des umgangssprachlichen, verstärkenden Partikels völlig sowie dessen Hervorhebung durch die anschließende Pause unterstützt die Emotionalität in der Aussage. Auch am Schluss der Erzählung sowie im Resümee spiegeln sich Emotionen wider (Z. 70-73). Auffällig ist auch hier der Wechsel zu einer dichteren Akzentsetzung sowie ein besonders starker Akzent auf einem die Darstellung des Wandels verstärkenden Adverb (!UN!heimlich). Insgesamt werden mit unheimlich, weltklasse und riesen erfahrung umgangssprachliche, starke, beinahe übertreibende Ausdrücke verwendet. Die Erzählung besitzt in dem Gesprächszusammenhang, eine konkrete Funktion. Voraus geht dem Ausschnitt eine Diskussion über die Bedeutung persönlicher Beziehungen in Spanien. E stellt die Hypothese auf, dass die Spanier, wenn man eine gute Beziehung aufbaut und sich auch selbst engagiert, bereit sind, einen großen Arbeitseinsatz zu zeigen. N unterstreicht diese Hypothese und schließt daran die allgemeine Hypothese an, dass die Spanier zwar viel arbeiten, aber auch das Leben genießen (sie wissen dann auch wenn=s irgendwie zum feiern is).
E erzählt in dem Gesprächsausschnitt also eine konkrete Einzelerfahrung. Der Ausschnitt weist typische Darstellungsmittel und Merkmale des Erzählens auf. Die Erzählung E’s kann als illustrierende und belegende Erzählung für seine vorausgehende Hypothese aufgefasst werden, dass man mit Spaniern gut zusammen arbeiten kann, wenn man selbst Engagement zeigt. Sie dient damit auch der Abschwächung der vorausgehenden allgemeinen Aussage. Dies wird dadurch unterstützt, dass E insbesondere im Bezug auf die Beschreibung der konkreten Zusammenarbeit und Abstimmung sehr detailliert erzählt (Z. 49-67).163
163 Für Gülich (1980: 349) ist ein ungleiches Detaillierungsniveau ein typisches Kennzeichen für eine funktionale Erzählung, das heißt eine Erzählung, die eine konkrete kommunikative Funktion für das übergeordnete Handlungsschema (z.B. den Argumentationszusammenhang) besitzt.
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
275
Unmittelbar im Anschluss an die Erzählung zieht E selbst noch einmal allgemeine Schlüsse aus der Erzählung im Hinblick auf seine vorherige Argumentation: LOCKERHEIT: „aber we=ma die leute einbindet” (30:35, Z.1036) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
E: aber we=ma die leute EINbindet, (--) früh EINbindet, (---) und sagt wir wollen des (---) so oder so oder SO machen WEIL, (1.0) und die des dann auch EINsehen; und sagen na KLAR. macht ja total SINN; (--) dann sind die SO:: (-) RAsend SCHNELL daBEI; da gibt=s kein formaLISmus mehr wie in DEUTSCHland.=ne? da wo man dann NOCHmal NACHhaken müsste. (--) ja köm=ma des WIRKlich so machen. müss ma noch drei ANdre fragen.=ne? sondern da haben WIR dann g=sagt, (-) WIR ZWEI beSCHLIEßen jetzt des MAchen wir so. (-) N: [mhm; E: [und dann ham=er des auf der NÄGSCHten (-) äh ähm reuNION ha=ma des so VORgestellt. (--) un na war des erLEdigt;=ne? na ging des DURCH. (---) also die erFAHrung war da schon: für MICH war da KLASse.=ne?
Kommentar: Die allgemeinen Schlüsse E’s aus der Erzählung weisen typische Merkmale allgemeiner Darstellungsverfahren auf: neutrale Personenreferenz (Z. 1: die leute, Z. 5, 8: die), neutrale 3.Ps.Sg.-Konstruktion (Z. 9: da gibt=s), Verwendung des Präsens, Wenn164 (Z. 1 bzw. 8). Allerdings fließen in die allgemeine Darstellung Dann-Konstruktion noch erzählerische Momente ein, vor allem durch die wiederholte Redewiedergabe (Z. 34, 6-7, 11-12, 14) und die erzählerische Reformulierung eines Handlungsausschnitts aus der Erzählung in Z. 13-20 (da haben wir dann g=sagt wir zwei beschließen jetzt das machen wir so und dann ham=er des auf der nägschten äh ähm reunion ha=ma des so vorgestellt). Auch hier ist der Detaillierungsgrad im Bezug auf die Beschreibung der Zusammenarbeit mit dem Kollegen besonders hoch.
Trotz der funktionalen Einbettung der Erzählung in einen Argumentationszusammenhang, geht ihre Bedeutung (allein durch die Länge) deutlich über den Beleg der Hypothese hinaus. E erläutert durch die Erzählung weiter gehender, wie der Aufbau einer persönlichen Beziehung in Spanien ablaufen kann. Die 164 Kesselheim (2003: 235) beschreibt Wenn-Dann-Konstruktion als ein Füllverfahren, bei dem häufig Kategorisierungsregeln der Wir-Gruppe vorgeführt werden.
276
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Erzählung besitzt damit auch die Funktion der Illustration und der weitergehenden Erläuterung. Sie kann an sich (ohne rahmende Hypothese) einen Aspekt der spanischen Kultur verdeutlichen, und dies vielleicht sogar besser als eine abstrakte Darstellung. Durch die Erzählung eines realen Erlebnisses wird außerdem eine Authentizität hergestellt, die die Überzeugungskraft der Aussage unterstützt, die sie für die Zuhörerin leichter zugänglich und besser memorierbar macht und zu weitergehenden Reflexionen anregen kann (zu Funktionen des Erzählens vgl. insb. Quasthoff 2001, 1980, Ehlich 1983, Rath 1982, Gülich 1980). 7.3.2.2 Rekonstruktion wiederkehrender Einzelerfahrungen Im Zusammenhang mit den Erläuterungen zur Verwendung des Erfahrungsbegriffs im Sinne von Einzelerfahrungen (vgl. 7.2.1) wurde bereits gezeigt, dass in den Gesprächen oft nicht tatsächliche Einzelerfahrungen rekonstruiert werden, sondern dass vielmehr angezeigt wird, dass ähnliche Erfahrungen häufiger erlebt wurden. Dargestellt werden damit wiederkehrende Einzelerfahrungen.165 Auch hier möchte ich die entsprechenden Merkmale des erzählerischen Verfahrens anhand des Gesprächsausschnitts erläutern, der in Abschnitt 7.2.1 zum Erfahrungsbegriff zitiert wurde. KOLLEGIALE BERATUNG: „ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback” (21:22, Z.470) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18
E: das GUte is,= =so hab ICH=s jedenfalls empfunden hier,(--) äh (--) ma beKOMMT (---) !SEHR! schnell (-) !SEHR! direktes FEEDback. (---) N: [mhm; E: [weiß nich ob du auch schon solche erFAHrungen gemacht hast? (1.0) also bei mir kam schon gleich in den ersten tagen: MITarbeiter die erst mal so=n paar sachen KLARstellen wollten [mit der N: [hm. E: [neuen=. N: [hm. E: =ne also die [dann (---) ] vor mein SCHREIBtisch N: [<
165 Czyzewski et al. (1995: 78) verwenden im Bezug auf die Darstellung solcher wiederkehrenden Erfahrungen den Begriff der „generalisierenden Handlungsrekonstruktion“, Kesselheim (2003: 238) spricht von „generalisierten Situationen“, Hausendorf (2000a: 369) von „rekonstruktiven Konkretisierungen“ (allerdings ist dieses Verfahren bei ihm etwas weiter gefasst).
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen 19 20 21 22 23 24 25 26 27
N: E: N: E:
277
wie SIE meinen wie die dinge (--) LAUfen. (--) [mhm; [IHrer meinung nach. (--) mhm; (-) und wie sie ihre eigene STELle sehen, und wie sie (.) SICH (.) in (.) diesem: (.) geFLECHT sehen. und das WAR am anfang=n bisschen UNgewohnt, ((...)) hast du auch ähnliche erfahrungen gemacht?=
Kommentar: In 7.2.1 wurde gezeigt, dass die Erzählung hier als unmittelbarer Beleg für die Hypothese ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback angeführt wird. Die Rahmung als solche bzw. ähnliche erfahrungen (Z. 6 bzw. 27) verweist darauf, dass eine typische Erfahrung dargestellt wird, die mehrfach so erlebt wurde. Die Darstellung weist deutlich erzählerische Merkmale auf (vgl. die Einleitungsfloskel also bei mir, die zeitliche Fixierung in den ersten tagen und die Verwendung des Präteritums: kam). Die neutrale Personenreferenz in Z. 9 (mitarbeiter, ohne Artikel oder Konkretisierung) deutet möglicherweise bereits darauf hin, dass es sich um eine wiederkehrende Erfahrung handelt. Es bleibt allerdings zunächst offen, ob E mehrere ähnliche Einzelerfahrungen mit je einem Mitarbeiter gemacht hat oder ob es sich um eine einzelne Erfahrung handelt, bei der mehrere Mitarbeiter anwesend waren. Die szenische Darstellung in Z. 14-16 (die dann vor mein schreibtisch gestellt haben...) ist wieder typisch für eine erzählerische Darstellungsweise. Allerdings verwendet E weiterhin unspezifische Ausdrücke zur Referenz auf die handelnden Personen (die bzw. sie). Eher berichtend als erzählend ist die Wiedergabe der Äußerungen der Mitarbeiter in indirekter Rede.166 Allerdings spiegeln die Aufzählungen mit Wiederholungen bzw. syntaktische Parallelkonstruktionen (Z. 18: was die, 19: wie sie, 23 und wie sie, 24: und wie sie) gewissermaßen den Redefluss der Mitarbeiter wider.
Der Gesprächspartnerin weist also deutlich erzählerische Merkmale auf. Sowohl die Verwendung des Erfahrungsbegriffs im Plural mit Adjektiven, die auf eine Gruppe von Erfahrungen hindeuten (solche, ähnliche), als auch die neutrale Personenreferenz in der Erzählung (mitarbeiter, die, sie) verweisen aber darauf, dass eine wiederkehrende Erfahrung dargestellt wird. In dem Gesprächszusammenhang erhöht sich dadurch die belegende Wirkung der Erzählung. Wenn eine Erfahrung mehrmals erlebt wurde, so macht dies eine allgemeine Aussage um so überzeugender bzw. glaubwürdiger. Kesselheim beschreibt die Struktur Ausgangsthese–Demonstration–Verallgemeinerung als typisch für die Darstellung generalisierter Situationen (Kesselheim 2003: 240). Im Korpus der vorliegenden Arbeit konnte die Struktur auch schon bei konkreten Erzählungen von Einzelerlebnissen festgestellt werden (vgl. 7.3.2.1). 166 Für Quasthoff (1980: 57) ist die direkte Rede ein deutliches Unterscheidungskriterium zwischen Erzählung und Bericht.
278
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
7.3.2.3 Prophezeiung hypothetischer Einzelerfahrungen Eine spezifische Form des Erzählens verwendet E in dem Gespräch FREUNDSCHAFT. Er erzählt an mehreren Stellen des Gesprächs konkrete Erlebnisse, allerdings nicht rückblickend als Rekonstruktionen vergangener Ereignisse, sondern vorausblickend als Prophezeiungen hypothetischer Erfahrungen des neuen Auslandsentsandten in Spanien. Der folgende Ausschnitt enthält eine solche Erzählung einer hypothetischen Einzelerfahrung. FREUNDSCHAFT: „da kann ihne folgendes passiern” (46:21, Z.1530) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
E: äh:m:: (--) die SPAnier, (---) da kann ihne FOLgendes passiern; sie sagen’ (.) sie SAgen demdiese un diese un diese AUFgabe bitte (.) ARbeit sie mir AB; bitte SEI so nett; ich BRAUche dieses ergebnis bis mOrgen. (-) morgen !ZEHN! uhr; (-) dann rufen sie um NEUN uhr fünf äh=äm um NEUN uhr an; und sagen (.) wie siehts aus, alles in ORdnungja <
Kommentar: E erzählt in dem Absatz ein konkretes singuläres Erlebnis als mögliches Erlebnis N’s in der Zusammenarbeit mit Spaniern. Die Erzählung wird durch das Verb ‘passieren’ gerahmt (Z. 2: da kann ihne folgendes passiern, Z. 27: mir=scho oft passiert
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
279
bzw. Z. 33: des passiert hier). Der Absatz enthält deutliche Hinweise auf einen erzählerischen Darstellungsmodus (vgl. die Verwendung des Tempusadverbs dann in Z. 8, 13, 19, die gehäufte Redewiedergabe in Z. 4-7, 9-11, 17-18, 19-20, 23-26, die Verwendung eines konkreten Namens für den zentralen Interaktionspartner juan, Z. 24, 30). Die Handlung wird als unerwartet bzw. ungewohnt charakterisiert (vgl. Z. 32: n=des müsse=se sich gwöhne), und in den Formulierungen zeigt sich eine gewisse Emotionalität (vgl. zum Beispiel den Wechsel zu einem stark umgangssprachlichen Ton in der Redewiedergabe un=na sag=se ey juan rei da jetz was is=n da los mensch, Z. 24, oder die auffällige Betonung in dem Satz obwohl se innerlich was GANZ andres DENket, Z. 31). Auffällig ist der hohe Detaillierungsgrad der Erzählung, der vermutlich dazu dient, die Erzählung möglichst real erscheinen zu lassen.167 Allein in den rahmenden Sätzen entwickelt sich die Darstellungsperspektive vom Konkreten zum Allgemeinen: Zunächst stellt E die Erzählung als Prophezeiung, das heißt als möglich, dar (Z. 2: da kann ihne folgendes passiern). Nachdem die eigentliche Erzählung abgeschlossen ist (vgl. Höhepunkt in Z. 26 und anschließende Pause), verweist E darauf, dass er die erzählte Begebenheit persönlich erlebt hat und zwar mehrfach (Z. 27: mir=scho oft passiert). Damit verleiht er seiner Erfahrungsdarstellung Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die Betonung, dass er das scho oft erlebt hat, legitimiert auch gewissermaßen seine Prophezeiung. Die Allgemeingültigkeit der Erfahrung und damit Legitimierung der Erfahrungsprophezeiung wird durch den zweiten, noch allgemeiner formulierten Nachtrag (Z. 33: des passiert hier) verstärkt.
Auffällig ist in dem Gesprächsausschnitt also der Kontrast zwischen der konkreten Darstellung einer Einzelerfahrung in der Erzählung und der nachträglichen Einstufung der Erfahrung als wiederkehrend bzw. allgemeingültig. Dieser Kontrast ist offenbar nötig, um eine Prophezeiung einer Einzelerfahrung auf der Basis des erworbenen Erfahrungswissen aufzustellen. Hier kommen also beide in 7.2.1 erläuterten Auffassungen von Erfahrung zusammen. Einzelerfahrungen werden dargestellt und zunehmend über den Erfahrungsbegriff im Sinne eines Erfahrungswissens (bzw. alternativ hier: des passiert hier) gerahmt, um die Prophezeiung zu legitimieren und glaubwürdig erscheinen zu lassen.168 Doch welche Funktion haben solche Prophezeiungen hypothetischer Erfahrungen? Als Beleg können sie höchstens durch den Nachtrag fungieren, dass es sich um eine tatsächlich erlebte Erfahrung handelt (mir=scho oft passiert). Eine hypothetische Einzelerfahrung dient eher dazu, einen allgemein dargestellten 167 Auch Kesselheim (2003: 237) betont, dass bei hypothetischen Situationen der formulatorische Aufwand dazu dient, die Situation als real zu präsentieren. 168 Kesselheim (2003: 237-238) bezeichnet solche Entwürfe hypothetischer Situationen als „Szenarien“. Sie unterscheiden sich von generalisierten Situationen dadurch, dass sie in der Zukunft (nicht in der Vergangenheit) angesiedelt sind. Szenarien besitzen für Kesselheim vor allem die Funktion, „die kategoriengebundenen Merkmale der Wir- oder Fremdgruppe anhand von prototypischen Situationen zu illustrieren.“ Er betont, dass sich die Gesprächspartner dabei ständig bemühen, die Situation als möglichst real zu präsentieren (ebd.: 237).
280
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Sachverhalt zu illustrieren. Durch die Prophezeiung für N wird zudem die emotionale Beteiligung und Involviertheit N’s und damit die Wirkung und Memorierbarkeit der Erzählung erhöht. Die folgenden beiden Ausschnitte, auf die jeweils eine Erzählung einer hypothetischen Einzelerfahrung in Form einer Prophezeiung für N folgt, weisen explizit auf die Funktion der Erzählung hin. Dem ersten Beispiel gehen Erläuterungen E’s über die Bedeutung von Freundschaft in Spanien voraus, auf die N mit einer skeptischen Nachfrage nach dem Unterschied zwischen Bekanntem und Freund reagiert. Darauf äußert sich E folgendermaßen: FREUNDSCHAFT: „ein bekannter von ihnen aus der arbeit” (33:31, Z.1109) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
E: der UNterschied is des wort REgelmäßig. (---) N: ja, (---) E: ich verSUCH=s ihne mal ANdersch zu erKLÄRN. (2.0) ä:hm: (-) wenn sie=n sp’ (1.0) ähm (---) FOLgendes (3.0) ein (-) ein (-) beKANnter von ihnen aus der ARbeit, (---) SAGT zu IHnen, (1.5) ich TREFfe mich heute Abend (--) mit (--) FÜNF (--) FREUNden (---) in DIEser GASTstätte. (--) WArum KOMMST du nicht (-) EINnfach (-) AUCH; (1.0)
Kommentar: Der Ausschnitt gibt den Anfang einer (relativ ausführlichen) Erzählung über den Aufbau von Kontakten zu Freunden eines Arbeitskollegen wieder. Vor der Erzählung formuliert E zunächst eine allgemeine Aussage (Z. 1). Er gibt dann in Z. 3 explizit den Grund an, warum er eine konkrete (hypothetische) Erfahrung darstellt, nämlich um N seine Aussage, die N zunächst nicht akzeptiert (oder verstanden?) hat, mal andersch zu erklärn.
Die Funktion der Erzählung besteht in dem Gesprächsausschnitt also in der Erklärung und Erläuterung einer allgemeinen Aussage auf eine andere Weise als bisher. Im folgenden Beispiel erläutert E dem Gesprächspartner N, dass in Spanien viel häufiger Schimpfwörter im alltäglichen Umgang benutzt werden. N reagiert auch hier skeptisch, indem er nicht akzeptiert, dass die Schimpfwörter als normal und nicht als Beschimpfung aufgefasst werden. Im Folgenden die Reaktion E’s: FREUNDSCHAFT: „was läuft denn zwischen diesen zwei menschen ab” (51:54, Z.1714) 01 02 03 04
E: NIEmals würden sie=n spanier hörn der=n andern beschImpft; ((...)) aber jetzt schaun=si mal an die situaTION=i wei’ (---) verSUCH ma=s jetz mal kurz zu erKLÄRN was da pasSIERT.
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
N: E:
N: E:
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was läuft denn zwischen diesen zwei menschen AB. (---) SIE sind mein vorgesetzter; (---) [HIER sitzt (--) ] HIER sitzen (-) fünf andere; [((Handy klingelt)) ] sie sind mein [VORgesetzter; ] [((Handy klingelt))] mhm; sie machen einen VORschlag, (---) und (-) der (-) ich denke jetzt grad (--) <
Kommentar: Auch hier (re-)formuliert E zunächst eine allgemeine Aussage und leitet dann eine Erzählung ein mit dem Hinweis, dass diese die allgemeine Aussage erklärn soll. Interessant ist, dass auch hier die Erzählung als Reaktion auf eine skeptische Nachfrage N’s angeführt wird. Dies deutet darauf hin, dass die Erzählung neben der erklärenden auch eine überzeugende Funktion besitzt. Diese kann sie allerdings nicht durch die Authentizität einer tatsächlich erlebten Erfahrung erlangen, sondern allein dadurch, dass eine konkrete Handlung schlüssig und überzeugend dargestellt wird. Insofern ist verständlich, dass die Erzählungen E’s sehr ausführlich und teilweise ausschweifend sind. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Erzählung durch die Prophezeiung N in das Geschehen involviert, was die emotionale Wirkung und Überzeugungskraft der Erzählung erhöht.
Die beiden letzten Gesprächsausschnitte machen also deutlich, dass hier die Funktion der Prophezeiung einer hypothetischen Einzelerfahrung in der Erklärung eines bestimmten Sachverhalts und der Überzeugung der Gesprächspartners liegt. 7.3.2.4 Zusammenfassung Anhand verschiedener Gesprächsausschnitte wurde gezeigt, dass das Erzählen ein wichtiges Verfahren zur Darstellung kultureller Erfahrungen ist. Nicht nur Rekonstruktionen von Einzelerfahrungen (7.3.3.1), sondern auch Rekonstruktionen wiederkehrender Einzelerfahrungen (7.3.3.2) und Prophezeiungen hypothetischer Einzelerfahrungen (7.3.3.3) dienen in den Gesprächen der impliziten Darstellung kultureller Prägungen Häufig werden Erzählungen als Belegerzählungen in folgender Struktur präsentiert (vgl. hierzu die Kommentare zu den Ausschnitten aus den Gesprächen LOCKERHEIT in 7.3.2.1 und KOLLEGIALE BERATUNG in 7.3.2.2):
282
1. 2. 3.
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Allgemeine Aussage (häufig in kondensierter Form) Belegerzählung (mehr oder weniger ausführlich) Ggf. verallgemeinernde Schlüsse aus der Erzählung
Auch Müller-Jacquier (2007: 28f), Kesselheim (2003: 240ff) und Hausendorf (2000a: 361ff) stellen für unterschiedliche Gesprächskontexte fest, dass Erzählungen in ethnischen Diskursen meist als illustrierende Belegerzählungen im Anschluss an verallgemeinernde Aussagen angeführt werden. Müller-Jacquier (2007: 41) merkt im Bezug auf ‘fremdkulturelle Erfahrungsberichte’ zurecht kritisch an, dass diese Struktur dem Rezipienten keinen Nachvollzug des konkreten Erfahrungsprozesses „vom fremdkulturellen Situationserleben über die Auswahl und Bestimmung generalisierbarer Sachverhalte bis hin zur generalisierten Weitergabe der Erfahrung“ ermöglicht. Die Weitergabe kultureller Erfahrungen im Gespräch scheint also eine andere kommunikative Struktur zu besitzen als die des kommunikativen Nachvollzugs von Primärerfahrungen. Die Analysen in 7.3.2.1 bis 7.3.2.3 haben gezeigt, dass Erzählungen in den Gesprächen nicht nur die Funktion des Belegs allgemeiner Aussagen über die spanische Kultur besitzen. Vielmehr können durch sie einzelne Aspekte konkreter dargestellt, illustriert und erläutert werden. Das Erzählen besitzt also neben der verallgemeinernden Darstellung eine eigenständige Funktion für die Darstellung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen. Zudem wird durch die Darstellung tatsächlich erlebter Ereignisse bzw. durch die Involvierung des Gesprächspartners in die Erzählung eine Authentizität hergestellt, die den Gesprächspartner auf emotionaler Ebene anspricht, die Aussage überzeugender und besser memorierbar macht und zu eigenen Reflexionen anregen kann. Durch das Erzählen authentischer Erlebnisse können Stereotype abgeschwächt bzw. relativiert werden. In den Analysen wurde außerdem deutlich, dass die Erzählungen in den vorliegenden Gesprächen häufig in einen Argumentationszusammenhang eingebettet werden (vgl. v.a. 7.3.2.1). Gülich (1980: 335) bezeichnet solche Erzählungen, „die aufgrund des Inhalts der erzählten Geschichte eine bestimmte kommunikative Funktion in einem übergeordneten Handlungsschema erfüllen“ (z.B. Beleg, Illustration, Erläuterung) als funktionale Erzählungen. Nicht-funktionale Erzählungen „[erfüllen] keine solche handlungsschematische Funktion [...]. Auch solche Erzählungen haben zwar eine Funktion, aber sie ergibt sich eher aus der Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern, und der Inhalt der Geschichte ist für sie nicht oder nur in geringem Maße relevant“ (z.B. Selbstdarstellung, Aufrechterhaltung des kommunikativen Kontakts, Unterhaltung, spielerische Funktion) (ebd.: 335, 356). Viele Erzählungen in den vorliegenden Gesprächen besitzen gemäß der Definition Gülichs aufgrund ihres Inhalts eine kommunikati-
7.3 Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen
283
ve Funktion in den Gesprächen. Hierfür spricht auch das ungleiche Detaillierungsniveau in den Erzählungen sowie das häufige Anknüpfen der Gesprächspartner an den Argumentationsrahmen am Ende einer Erzählung in einer Art Resümee, was laut Gülich typische Charakteristika funktionaler Erzählungen sind. Dagegen bemühen sich die Gesprächspartner weniger um eine sprachliche Gestaltung, ein ‘gutes’ Erzählen, die Erzeugung von Spannung, eine stark episodische Darstellung etc., das heißt Merkmale nicht-funktionaler Erzählungen.169 Obwohl also der Beleg, die Illustration und die Erläuterung von Aussagen im Argumentationszusammenhang der Gespräche im Vordergrund steht, kann die Darstellungsform des Erzählens in den Gesprächen durchaus weitere Leistungen erbringen. Das Erzählen wird in den Gesprächen als Möglichkeit genutzt, Aussagen lebendig, glaubwürdig und memorierbar zu präsentieren und damit einen spezifische Darstellungsform für die Weitergabe kultureller Erfahrungen zu entwickeln. 7.3.3 Zusammenfassung Es wurden zwei übergeordnete Verfahren herausgearbeitet, die die Gesprächspartner zur Darstellung kultureller Prägungen verwenden: die ‘verallgemeinernde Darstellung’ und die ‘erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen’. Innerhalb beider übergeordneter Verfahren konnten weitere spezifischere Verfahren unterschieden werden. Aufgrund der entsprechenden Vielfalt der Verfahren und Formen, befindet sich eine Übersicht innerhalb der einzelnen Abschnitte, und zwar im Falle der ‘verallgemeinernden Darstellung’ am Ende jedes Einzelverfahrens (d.h. in 7.3.1.1 bis 7.3.1.4), im Falle der ‘erzählerischen Veranschaulichung’ am Ende dieses übergeordneten Verfahrens (d.h. in 7.3.2.4).
169 Zu den Merkmalen funktionaler und nicht-funktionaler Erzählungen vgl. Gülich 1980: 349 bzw. 362-370. Die Begriffe ‘funktional’ und ‘nicht-funktional’ erscheinen angesichts der Tatsache, dass ‘nicht-funktionale’ Erzählungen laut Gülich auch eine Funktion, wenn auch keine ‘handlungsschematische’ haben, problematisch. Begrifflich überzeugender ist die Unterscheidung Quasthoffs (1980) zwischen verschiedenen kommunikativen und interaktiven Funktionen von Erzählungen. Innerhalb der kommunikativen unterscheidet sie primär kontext-orientierte Funktionen (z.B. Beleg, Erläuterung), hörer-orientierte Funktionen (z.B. Belustigung, Unterhaltung, Information) sowie sprecher-orientierte Funktionen (z.B. Selbstdarstellung, kommunikative/psychische Entlastung). Interaktiven Funktionen liegen dagegen in der „interaktiven Wirksamkeit der gewählten Repräsentationsform“ (z.B. Definition einer Situation als privat) (ebd.: 146). Die Art der Einteilung ist jedoch für die Argumentation in unserem Zusammenhang weniger hilfreich.
284
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
7.4 Praxiskommentar 7.4.1 Aufgabenüberblick und Bezug zur Praxis Die Darstellung kultureller Prägungen ist die zentrale Aufgabe der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten. Sie nimmt auch innerhalb der Gespräche den größten Raum ein. Die Analysen haben gezeigt, dass es für die Gesprächspartner offenbar nicht immer einfach ist, angemessene Verfahren für die Darstellung kultureller Prägungen zu finden. Ein Grund hierfür ist, dass es sich bei dem Wissen um kulturelle Unterschiede um implizites Wissen handelt. Dieses ist meist nicht reflektiert und kann daher nur schwer verbalisiert werden (vgl. 1.3.1). Entsprechend verwenden die Gesprächspartner ein relativ großes Spektrum an allgemeinen und erzählerischen Darstellungsverfahren. Es wurden zunächst die zentralen Begriffe der ‘Erfahrung’ und der ‘Kultur’ in den Blick genommen. Für den Erfahrungsbegriff wurde gezeigt, dass er von den Gesprächspartnern in zwei Bedeutungsdimensionen verwendet wird: erstens im Sinne einer konkreten Einzelerfahrung und zweitens zum Verweis auf ein synthetisiertes Erfahrungswissen (7.2.1). Der Kulturbegriff taucht in den Gesprächen nur selten explizit auf. Insgesamt konstituieren die Gesprächspartner einen relativ statischen Kulturbegriff, der jedoch auf vielfältige Weise relativiert wird, was ihn dynamischer erscheinen lässt (7.2.2). Auch auf konkrete Kulturen verweisen die Gesprächspartner nur selten explizit. Sie benutzen vielmehr Formen der impliziten Referenz, lokale Referenzausdrücke und Vorgangs- und Zustandsprädikate, um ihre Aussagen auf bestimmte Kulturen zu beziehen (7.2.3). Zwei übergeordnete Verfahren zur Verbalisierung kultureller Prägungen wurden unterschieden: erstens die verallgemeinernde Darstellung (7.3.1) und zweitens die erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen (7.3.2). 1.
2.
‘Verallgemeinernde Darstellung kultureller Prägungen’: Zum einen formulieren die Gesprächspartner explizit allgemeine Aussagen über Eigenschaften und Verhaltensweisen der Angehörigen bestimmter Kulturen (z.B. die spanier können überhaupt nicht mit kritik umgehen). Diesem Verfahren liegt die Auffassung von Erfahrung als synthetisiertes Erfahrungswissen zugrunde (vgl. 7.2.1). Als (Unter-)Verfahren wurden beschrieben: Prädikation (7.3.1.1), Generalisierung und Relativierung (7.3.1.2), Konkretisierung (7.3.1.3), Kontrastierung (7.3.1.4) ‘Erzählerische Veranschaulichung kultureller Prägungen’: Im Rahmen konkreter Erzählungen machen die Gesprächspartner kulturelle Eigenschaften und Verhaltensweisen auf implizite Weise deutlich. Dabei werden Erfahrungen im Sinne von Einzelerfahrungen dargestellt (vgl. 7.2.1). Als (Unter-)
7.4 Praxiskommentar
285
Verfahren wurden beschrieben: Rekonstruktion von Einzelerfahrungen (7.3.2.1), Rekonstruktion wiederkehrender Einzelerfahrungen (7.3.2.2), Prophezeiung hypothetischer Einzelerfahrungen (7.3.2.3) Bei der verallgemeinernden Darstellung wurde insgesamt deutlich, dass die Herausforderung für die Gesprächspartner offenbar darin besteht, allgemeine Aussagen zu machen, ohne dabei in den Verdacht der Stereotypisierung zu geraten (vgl. v.a. 7.3.1.2). Verallgemeinernde Darstellungen kultureller Besonderheiten oder Unterschiede geraten schnell in den Verdacht der Stereotypisierung, und Stereotype werden in unserer Kultur allgemein negativ bewertet (vgl. z.B. Nazarkiewicz 2002). Die Gesprächspartner weisen an mehreren Stellen der Gespräche allzu starke Generalisierungen explizit zurück (z.B. des is so des schlagwort was ma=eben immer gebraucht möcht=ich eige=n=ich=jetz gar nicht gebrauchen, KOLBER Z. 163ff). Auf der anderen Seite müssen sie immer wieder auf sie zurückgreifen, um bestimmte kulturelle Tendenzen darzustellen. Um Generalisierungen abzuschwächen und zu belegen entwickeln die Gesprächspartner unterschiedliche Strategien, die im Rahmen der einzelnen Verfahren herausgearbeitet wurden. In 7.4.2 werde ich auf das Problem des Vorbehalts gegenüber Stereotypisierungen und Strategien zur Abschwächung von Stereotypisierungen noch einmal genauer eingehen. Insgesamt wurde deutlich, dass es für die Gesprächspartner offenbar nicht ganz einfach ist, Erfahrungen überhaupt zu verbalisieren. Diese Herausforderung wird in der Aufgabendefinition der ‘Darstellung kultureller Prägungen’ formuliert. Die zwei übergeordneten Verfahren stellen zwei in der Praxis umsetzbare Strategien zum Umgang mit dieser Herausforderung dar. Dabei verdient insbesondere das zweite Verfahren, die erzählerische Veranschaulichung, Beachtung. Denn es wird im Managementkontext zunehmend unter dem Begriff des ‘Storytelling’ diskutiert und angewendet (vgl. hierzu 7.4.3). 7.4.2 Das Problem des Vorbehalts gegenüber Stereotypen und Strategien zur Abschwächung von Stereotypen Stereotype werden allgemein als negativ angesehen. Da es sich um „ungerechtfertigt vereinfachende und generalisierende“ Zuschreibungen handelt (vgl. Quasthoff 1973), versucht man, sie zu vermeiden und wirft es anderen vor, wenn sie Stereotypisierungen formulieren. In den Gesprächen wurde an verschiedenen Stellen deutlich, dass die Gesprächspartner sich bemühen, keine Stereotypisierungen zu formulieren bzw. Steoreotypen abzuschwächen (vgl. z.B. die Analysen zu den Ausschnitten aus den Gesprächen KOLLEGIALE BERATUNG, ANMELDUNG und ENTSENDUNGSZIEL in 7.3.1.2). Dies führt häufig zu Formulierungs-
286
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
schwierigkeiten oder einem stockenden Sprechen bei der Formulierung kultureller Prägungen (äh i würds (-) i möchts net pauschal beantworten weil: (-) i möchte ei’ (--) weder möchte=i äh:: (--) die: (--) die spanier: (-) als volk jetzt..., ANM Z. 748ff). Selbstverständlich können Generalisierungen in den Gesprächen nicht komplett vermieden werden. Hausendorf (2007: 15) spricht vom ‘Stereotypisierungsdilemma’, mit dem Gesprächspartner bei der Darstellung kulturspezifischen Wissens oder kultureller Unterschiede konfrontiert werden (vgl. 7.3.1.2). Eine Befürchtung aus Unternehmensperspektive ist daher, dass sich Manager in Gesprächen wie denen des Korpus unseres Projekts hauptsächlich über Stereotype austauschen und diese nur verstärken. In der Stereotypenforschung wird heute jedoch betont, dass Stereotype nicht nur negativ zu bewerten sind. Stereotype können sowohl in interkulturellen Kommunikationssituationen als auch in ethnisch-kulturellen Diskursen durchaus positive Funktionen und Auswirkungen haben (vgl. 7.3.1.2). In den Gesprächen unseres Korpus erleichtern Generalisierungen prinzipiell die Orientierung des neuen Auslandsentsandten (kognitive Funktion), unterstützen seine Identitätsbildung (affektive Funktion) und bewirken an einigen Stellen eine Solidarisierung unter den Gesprächspartnern (soziale Funktion, zu der Unterscheidung zwischen diesen drei Funktionen von Stereotypen vgl. Quasthoff 1989). Außerdem kann gerade die Auseinandersetzung mit oder gar Abschwächung von Stereotypisierungen des Gesprächspartners einen Reflexions- und Lernprozess auslösen. Nazarkiewicz (2002, 1999) zeigt für interkulturelle Trainings, dass sich bei der Bearbeitung von Stereotypen häufig aufgrund von gruppendynamischen Prozessen eine automatische Entwicklung hin zu Relativierungsaktivitäten und zur Rehabilitierung der Opfer beobachten lässt. Ebenso konnte auch in den vorliegenden Gesprächen die Beobachtung gemacht werden, dass allein die Formulierung generalisierender Aussagen und die Thematisierung von Stereotypen einen Reflexions- und Bearbeitungsprozess bei den Teilnehmern anstößt (häufig gerade bei dem anderen Gesprächspartner), der zu einem reflektierten Bild der fremden Kultur führen kann. An verschiedenen Stellen der Gespräche zeigt sich, dass die Gesprächspartner Stereotype gegenseitig abschwächen bzw. relativieren. In 7.3.1.2 wurde ein Ausschnitt aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL kommentiert, in dem N ein verbreitetes Stereotyp über die Spanier aufruft (man hält sich nicht immer an Vorschriften). E lehnt das Stereotyp ab und schwächt es in seiner folgenden Äußerung durch den expliziten Verweis auf die Irrelevanz der kulturellen Zugehörigkeit der Person, über die etwas ausgesagt wird, ab (auch menschen auch deutsche). In dem Gespräch FREUNDSCHAFT relativiert N mehrfach Äußerungen des Gesprächspartners E (z.B. Z. 961: na ja so würd ich des aber glaub ich auch nicht sehen oder, vgl. 9.3.2).
7.4 Praxiskommentar
287
Unabhängig vom Generalisierungslevel besteht in den Gesprächen die Herausforderung für die Gesprächspartner, eine gemeinsame Darstellungsmodalität, eine Art gemeinsames Generalisierungsniveau zu finden. Gelingt dies nicht, so kann es in den Gesprächen zu Problemen kommen. Dies ist vor allem in dem Gespräch FREUNDSCHAFT der Fall. E stellt hier durchaus ähnliche Hypothesen wie andere Gesprächspartner auf. Allerdings formuliert er sie auf derart generalisierende und stereotypisierende Weise (vgl. z.B. 7.3.1.2), dass N die Aussagen offenbar nicht akzeptiert. An einigen Stellen äußert er Widerspruch oder Skepsis (z.B. naja so würd ich des aber glaub ich auch nicht sehen oder ((lacht)), FREUND Z. 884f). Insgesamt deuten die äußerst geringen und eintönigen Rückmeldesignale darauf hin, dass er relativ wenig dessen aufnimmt bzw. akzeptiert, was E ihm weitergeben möchte (zu dem Rückmeldeverhalten N’s vgl. 5.4.2). Umgekehrt ermöglicht es die Strategie E’s in dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG, die darin besteht, N zuerst zu einer Darstellung kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen aufzufordern, dass sie ihre Darstellungsmodalität an diejenige N’s anpasst (vgl. 5.4.3 und 6.4.3). Die Analysen in diesem Kapitel konnten zeigen, dass die Gesprächspartner vielfältige Formen zur Abschwächung von Stereotypisierungen entwickeln. Folgende Strategien wurden im Zusammenhang mit den kommunikativen Verfahren herausgearbeitet: Explizite Relativierung oder Differenzierung einer vorausgehenden Stereotypisierung (z.B. da gibt=s halt auch äh unterschiede von person zu person) (vgl. 7.3.1.2) Begleitende Relativierung von Stereotypisierungen durch perspektivierende Rahmungen/Modalisierungen (z.B. ich glaube, hab den Eindruck), durch Modalpartikel (z.B. relativ, bisschen, vielleicht) oder paraverbale Merkmale (z.B. Lachen) (vgl. 7.3.1.2) Präferenz lokaler vor personaler Referenz und impliziter vor expliziter Formen der Referenz (z.B. des isch meine erfahrung hier dass sehr über vorschriften gearbeitet wird im Gegensatz zu die spanier können überhaupt nicht mit kritik umgehn) (vgl. 7.2.3) Verwendung von Zustands- und Vorgangsprädikaten statt Eigenschafts- und Handlungsprädikaten (z.B. hier is des tagesgeschäft sehr stark geprägt durch äh: fremde störungen im Gegensatz zu spanier sind wirklich relativ neidisch) (vgl. 7.2.3) Vermeidung allzu starker Generalisierungen (z.B. es is alles immer sehr viel..., die mitarbeiter sind grundsätzlich...) (vgl. 7.3.1.2)
288
7. Aufgabe-3: Kulturelle Prägungen darstellen
Verwendung erzählerischer, episodischer Darstellungsverfahren und Erzählung authentischer Erlebnisse (z.B. Erzählung einer Einzelepisode, Konkretisierung durch Redewiedergabe) (vgl. 7.3.1.3 und 7.3.2) Formulierung vergleichender statt absoluter Aussagen (z.B. ich finde sie haben schon einen härteren ton wenn sie miteinander sprechen) (vgl. 7.3.1.4) 7.4.3 Die Herausforderung der Verbalisierung von Erfahrungen und die Strategie des Storytelling Die zentrale Herausforderung der Aufgabe besteht für die Gesprächspartner darin, angemessene Darstellungsverfahren zu finden, mit denen dem Gesprächspartner kulturelle Prägungen auf der Basis eigener Erfahrungen präsentiert und verständlich gemacht werden können. Die zwei übergeordneten Verfahren stellen zwei Strategien dar, mithilfe derer diese Herausforderung bewältigt werden kann: Entweder man formuliert verallgemeinernde Aussagen über kulturelle Prägungen und verweist dabei mithilfe von Äußerungsrahmungen auf den Erfahrungshintergrund (vgl. 7.3.1 bzw. auch 5.3.2). Oder man erzählt eine konkrete Erfahrung und lässt den Gesprächspartner dabei implizit den Schluss auf allgemeine kulturelle Prägungen nachvollziehen (vgl. 7.3.2). Neben dem verallgemeinernden Darstellungsverfahren erbringt also das Erzählen eine besondere Leistung für die Weitergabe kultureller Erfahrungen. Durch Erzählungen können Aussagen sowohl belegt als auch illustriert werden. Es wurde gezeigt, dass Erzählungen allgemeine Aussagen beleben und konkretisieren, aber auch bestimmte Aspekte eigens darstellen und erläutern können. Erzählungen sind aufgrund ihrer Authentizität und Erlebnisstruktur besonders eindringlich und werden von Zuhörern leichter behalten als allgemeine Aussagen (vgl. hierzu die Analysen in 7.3.2). Erzählungen können außerdem helfen, Probleme des Umgangs mit Stereotypen zu bewältigen, denn je ausgeprägter der episodische Charakter einer Darstellung ist, desto geringer ist der Anspruch auf Allgemeingültigkeit (vgl. Czyzewski et al. 1995: 60). Schließlich regen Geschichten in hohem Maße zu Reflexionen an (Meuter 2004) und können damit auch über die Gespräche hinaus einen Prozess der Auseinandersetzung mit der fremden Kultur anstoßen. In 7.3.2 wurden verschiedene konkretere Verfahren des Erzählens präsentiert und hinsichtlich ihrer Funktionen erläutert: ‘Rekonstruktionen konkreter Einzelerfahrungen’: Als Funktionen wurden die Herstellung von Authentizität, der Beleg verallgemeinernder Aussagen, die Illustration und Erläuterung abstrakter Zusammenhänge und die Abschwächung von Stereotypisierungen herausgearbeitet (vgl. 7.3.2.1).
7.4 Praxiskommentar
289
‘Rekonstruktionen wiederkehrender Einzelerfahrungen’: Sie können dieselben Funktionen besitzen, wenn sie ausführlich und in ‘szenisch-dramatischer Form’ erzählt werden. Allerdings steht die Beleg- und Illustrationsfunktion im Vordergrund, und sie stehen leicht im Verdacht der unzulässigen Verallgemeinerung (vgl. 7.3.2.2). ‘Prophezeiungen hypothetischer Einzelerfahrungen’: Sie dienen nur sekundär dazu, Sachverhalte lebendiger zu verdeutlichen. Ihre Funktion besteht vor allem in der Herstellung einer individuellen Betroffenheit des Zuhörers (vgl. 7.3.2.3). Die Leistung des Erzählens für den Unternehmenskontext wurde in den letzten Jahren von der Managementforschung wie auch der Unternehmenspraxis zunehmend erkannt. In der Folge erschien – zunächst in den USA, später auch in Europa und Deutschland – eine Reihe von Publikationen zum ‘Storytelling’ als Managementmethode für unterschiedliche Unternehmenskontexte (z.B. Frenzel/Müller/Sottong 2006a, 2006b, Thier 2006, 2004, Schreyögg/Koch 2005, Loebbert 2003). Ein Anwendungsbereich für die Methode des Storytelling, der bei vielen Ansätzen im Zentrum steht, ist das Wissensmanagement.170 Der Vorteil von Geschichten zur Weitergabe von Wissen besteht laut Frenzel/Müller/Sottong (2006a: 26-27) darin, dass diese nie allein Faktenwissen, sondern immer ein ‘Zusammenhangswissen’ vermitteln, dass sie Bewertungen und Emotionen auslösen, dass man sie sich gut merken und sie gut weitererzählen kann und dass sie anschauliche Informationen liefern. Thier beschreibt die positiven Effekte von Erzählungen folgendermaßen: Erzählungen sprechen die emotionale Seite in uns an. Mit ihnen können selbst komplexe Sachverhalte auf anschauliche, nachvollziehbare Weise vermittelt werden. Sie liefern uns Hintergründe und zeigen Protagonisten auf, mit denen wir uns identifizieren können. Dies ist auch der Grund, warum Geschichten nachhaltiger im Gedächtnis haften bleiben als nüchterne Fakten. (Thier 2006: 2)
Die in der Literatur zum Storytelling herausgearbeiteten Funktionen und Leistungen des Erzählens decken sich mit den Aspekten, die in diesem Kapitel anhand von Gesprächsausschnitten herausgearbeitet wurden.
170 Weitere Anwendungsbereiche sind beispielsweise das Changemanagement, die Analyse und Veränderung der internen Unternehmenskultur, die Projektdokumentation und -auswertung sowie das Qualitätsmanagement (vgl. Thier 2006). Weitere Erläuterungen zum Storytelling finden sich in 1.3.2.
8 Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
8.1 Definition und Forschungskontext Die Aufgabe ‘individuelle Betroffenheit aufzeigen’ nimmt einen Aspekt von Erfahrung in den Blick, der im Rahmen der bisher vorgestellten Aufgaben noch nicht bearbeitet wurde. In Abschnitt 7.2.1 wurde im Zusammenhang mit der Unterscheidung der zwei Verwendungsweisen des Erfahrungsbegriffs in den Gesprächen auf zwei Forschungstraditionen Bezug genommen, die den Erfahrungsbegriff verwenden und alternativ konzeptionell fassen. Die linguistische Erzählforschung betrachtet Erzählen als kommunikative Rekonstruktion und Vermittlung von Erfahrungen (z.B. Gülich/Hausendorf 2001). Erfahrung meint in diesem Kontext eine Einzelerfahrung oder ein Einzelerlebnis, das sich durch eine Folge von Ereignissen auszeichnet und dabei emotional gefärbt ist (vgl. Gülich/ Hausendorf 2001, speziell zum Aspekt der Emotionalität ebd.: 374). Im Wissensmanagement und auch in der linguistisch geprägten Forschung der Transferwissenschaften (Antos/Pfänder 2001) wird der Erfahrungsbegriff im Zusammenhang mit Erfahrungswissen verwendet. Erfahrungswissen meint hier eine Form des impliziten oder Handlungswissens für den Umgang mit bestimmten Situationen, das auf der Basis vielfältiger (Handlungs-)Erfahrungen erworben wurde (vgl. Haugk 2006, Nonaka/Takeuchi 1997, Polanyi 1985). Die beiden Forschungstraditionen heben also einerseits den Erlebenscharakter und die Emotionalität von Erfahrungen hervor (Erzählforschung), andererseits ihren Handlungsfokus (Wissensmanagement/Transferwissenschaften). Der Begriff der ‘Betroffenheit’ bezieht sich in der Aufgabenkonzeption auf beide Komponenten. Er meint zum einen, dass die Gesprächspartner von bestimmten Erfahrungen emotional betroffen sind, andererseits, dass diese ihr individuelles Handeln beeinflussen.171 Die Aufgabe des Aufzeigens individueller 171 Der Begriff der ‘Betroffenheit’ wird also verwendet im Sinne von ‘etwas betrifft mich’, hat Konsequenzen für mich, weniger im Sinne von ‘etwas macht mich betroffen’, löst bei mir ein Gefühl der Betroffenheit aus. Entsprechend verwendet auch Spiegel (1995: 205ff) aufbauend auf Kallmeyer (1979: 77ff) den Begriff. Sie unterscheidet zwischen Betroffenheit im Sinne einer „generellen Situationsbetroffenheit“ oder Involviertheit, einer „emotionalen Betroffenheit“, einer „Problembetroffenheit“ und einer Betroffenheit in der aktuellen Gesprächssituation. Dabei hebt sie auch hervor, dass Betroffenheit explizit oder implizit artikuliert werden kann.
292
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Betroffenheit besteht also für die Gesprächspartner darin zu verbalisieren, inwiefern die kulturellen Besonderheiten und Unterschiede, auf die sie in der Fremde stoßen, emotionale und/oder handlungsbezogene Konsequenzen für ihre Person haben. Die Analysen haben gezeigt, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen nicht bei einer verallgemeinernden oder erzählerischen Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3) stehen bleiben. Sie bemühen sich vielmehr auch darum, dem anderen zu vermitteln, welche Emotionen bestimmte kulturelle Unterschiede bei ihnen auslösen (z.B. das hat mich sehr überrascht) und welche Konsequenzen sie für ihr individuelles Handeln mit sich bringen (z.B. dann ham ma oft probleme). In den Gesprächen stellen die Gesprächspartner ihre individuelle Betroffenheit auf unterschiedliche Weise dar. Dabei treten Emotionen und Konsequenzen für das eigene Handeln unterschiedlich stark zutage. Auf die Frage nach dem konkreten Zusammenhang zwischen dem Aufzeigen individueller Betroffenheit, der Manifestation von Emotionen und der Darstellung von Handlungskonsequenzen im Gespräch werde ich in 8.2.1 genauer eingehen. Im weiteren Verlauf ist insbesondere zu fragen, in welchen Kontexten Emotionen und Handlungskonsequenzen in den Gesprächen in den Vordergrund treten. Deutlich wurde in den Analysen auch, dass im Zusammenhang mit dem Aufzeigen individueller Betroffenheit häufig Solidarisierungen festzustellen sind. Offenbar haben die Gesprächspartner ein Bedürfnis, insbesondere schwierige Erfahrungen und Empfindungen mit einem anderen ‘Betroffenen’ zu teilen (vgl. 8.2.2). Insgesamt unterscheide ich drei Verfahren, die die Gesprächspartner zum Aufzeigen individueller Betroffenheit verwenden. Die Verfahren unterscheiden sich wie bei den anderen Aufgaben im Hinblick auf den Grad ihrer Implizitheit: Das ‘Thematisieren von Betroffenheit’ (8.3.1) stellt das expliziteste Verfahren zur Darstellung individueller Betroffenheit dar. Es umfasst sowohl das Thematisieren von Emotionalität als auch das von Konsequenzen für das eigene Handeln. Das ‘Anzeigen von Betroffenheit’ (8.3.2) ist deutlich impliziter. Bei ihm wird die Betroffenheit in der Äußerung von Bewertungen kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen mitkommuniziert. Das ‘Demonstrieren von Betroffenheit’ (8.3.3) schließlich meint den para- und nonverbalen Ausdruck von Emotionen und ist das impliziteste der drei Verfahren.172 Im Hinblick auf alle drei Verfahren ist die Rolle von den beiden Aspekten der Emotionalität und der Handlungskonsequenzen sowie das Wechselspiel zwischen beiden zu diskutieren. Mit der Fokussierung auf die Erlebens- und Handlungskomponente des Erfahrungsbegriffs stellt die Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit 172 Die Systematik ist in bestimmten Teilen an Fiehlers (1990) Systematik unterschiedlicher Verfahren zur Manifestation von Emotionalität im Gespräch angelehnt (vgl. hierzu 8.3).
8.1 Definition und Forschungskontext
293
den zweiten Schritt der Verbalisierung kultureller Erfahrungen dar. Der erste Schritt war die Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3, vgl. Kapitel 7), der dritte Schritt betrifft die Diskussion der Frage nach dem eigenen Umgang mit kulturellen Unterschieden (Aufgabe-5, vgl. Kapitel 9). Die drei Aufgaben bauen logisch aufeinander auf, was nicht heißt, dass sie in der Interaktionspraxis sequenziell aufeinander folgen müssen. Sie können durchaus in einer anderen Reihenfolge oder auch gleichzeitig bearbeitet werden. Ablaufslogisch leitet jedoch das Aufzeigen individueller Betroffenheit von der Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3) zur Formulierung interkultureller Ratschläge (Aufgabe-5) über. Denn dadurch, dass die Gesprächspartner von den kulturellen Besonderheiten und Unterschieden betroffen sind, und insbesondere dann, wenn sich negative Konsequenzen für ihr Handeln ergeben, entsteht ein Handlungszwang und damit das Problem, wie sie mit den kulturellen Unterschieden umgehen können. Die zentrale Bedeutung der Aufgabe der Darstellung individueller Betroffenheit zeigt sich in den Gesprächen darin, dass die Gesprächspartner häufig schnell von der reinen Darstellung kultureller Besonderheiten oder Unterschiede zur Frage nach der individuellen Betroffenheit übergehen. Insbesondere die neuen Auslandsentsandten beginnen ihre Ausführungen häufig sogar mit der Wiedergabe individueller Empfindungen und schließen erst daran Hypothesen über kulturspezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen oder über kulturelle Unterschiede an (vgl. z.B. N in dem Ausschnitt der Beispielanalyse in 4.1). Linguistische Forschungsbezüge Linguistische Anknüpfungspunkte für die Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit finden sich angesichts der unterschiedlichen Komponenten, die die Aufgabe umfasst, in verschiedenen Forschungsrichtungen. Zum Thema der Manifestation von Emotionen im Alltagsgespräch gibt es bisher relativ wenige gesprächsanalytisch-empirische Arbeiten (Fiehler 2001a: 1426). Einschlägig sind die empirisch basierten Arbeiten Fiehlers (2001a, 1990).173 Er unterscheidet drei zentrale Kommunikationsaufgaben im Hinblick auf die Bearbeitung von Emotionen im Gespräch: die Manifestation, die Deutung und die Prozessierung von Emotionen (Fiehler 2001a). Für unseren Kontext interessieren vor allem die Verfahren zur Manifestation von Emotionen im Gespräch. Für alle drei Aufgaben beschreibt Fiehler kommunikative Verfahren, die die Gesprächspartner zu deren Bearbeitung oder Lösung verwenden. Im Hinblick auf die Manifestation 173 Dass Bewertungen und Emotionalität aus linguistischer Perspektive eng zusammen hängen, konstatiert auch Fiehler (2001a: 1429): „Wird nun in der Interaktion eine Emotion kommuniziert, so ist dies gleichbedeutend mit der Kommunikation einer bewertenden Stellungnahme oder allgemeiner: einer Bewertung“.
294
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
von Emotionen differenziert er zwischen Verfahren des Thematisierens von Erleben und Emotionen (z.B. begriffliche Erlebens- oder Emotionsbenennung, Erlebens- oder Emotionsbeschreibung, Benennung oder Beschreibung erlebensrelevanter Ereignisse oder Sachverhalte) und Formen des Ausdrucks von Erleben und Emotionen (z.B. para- oder nonverbale Merkmale wie Intonationskontur, Stimmcharakteristika, Sprechgeschwindigkeit). Insgesamt hebt Fiehler den Zusammenhang von Emotionalität und Erleben hervor und geht davon aus, dass es bestimmte Gesprächstypen gibt, bei denen Emotionalität eine besonders wichtige Rolle spielt (z.B. Streitgespräche, Therapiegespräche, Arzt-Patientengespräche, Erzählungen). Ein spezifischer Forschungskontext, in dem das Thema der Manifestation von Emotionalität im Gespräch eine Rolle spielt und der auch aus anderen Gründen für unseren Gesprächskontext relevant ist (vgl. 7.1), ist die linguistische Stereotypenforschung. Sie zeigt, dass insbesondere stark verallgemeinernde negative Zuschreibungen mit Emotionen verbunden sind. So betont die bereits zitierte grundlegende Definition von Quasthoff (1973: 38), dass es sich bei Stereotypen um Zuschreibungen „mit emotional wertender Tendenz“ handelt. Allerdings wird in der Stereotypenforschung vor allem hervorgehoben, dass Emotionen und Bewertungen zentrale Aspekte von Stereotypisierungen sind, nur wenige Autoren zeigen, wie dabei Emotionen konkret ausgedrückt werden. Eine linguistische Beschreibung von Emotionalität im Zusammenhang mit Stereotypisierungen findet sich allerdings bei Nazarkiewicz (2002, 1999). Für Nazarkiewicz (2002: 6f) sind emotionsgeladene Entrüstungen ein wesentliches Erkennungsmerkmal von Stereotypenkommunikation. Sie greift zu ihrer Charakterisierung auf die Beschreibung von Entrüstungssequenzen durch Christmann/ Günthner (1999) zurück. Laut Christmann/Günthner zeichnen sich Entrüstungssequenzen durch drei zentrale Strukturelemente aus: 1. einleitende moralisierende Klammer, 2. Dramatisierung mittels rhetorischer Techniken, 3. Konstruktion von Disproportionalität. Sie arbeiten auch charakteristische Kommunikationsmerkmale von Entrüstungen heraus (z.B. erhöhte Lautstärke, dichte Akzentuierung, rhythmische Sprechweise, schnelles Sprechen, Sing-Song-Intonation, moralisch negativ wertende Begriffe, Exempel und Beispielgeschichten, Extremformulierungen, Modalpartikel, Formulierungsschwierigkeiten). Nazarkiewicz (2002: 7) stellt für interkulturelle Trainings die These auf, dass sich „[i]nsbesondere, wenn sich einige Beteiligte über den verurteilungswerten Zustand einig sind, die Inszenierung der gemeinsamen Empörung mit hoher Emotionalität hin zu einem Höhepunkt [steigert], auf dem die Stereotypisierung explizit und wertend formuliert wird“. Neben der Manifestation von Emotionen spielt für die Darstellung individueller Betroffenheit das Aufzeigen konkreter Konsequenzen für das eigene Han-
8.1 Definition und Forschungskontext
295
deln eine Rolle. Da es hier vor allem um handlungspragmatische Probleme geht (vgl. 8.2.1), kann in bestimmten Aspekten auf die Literatur zur Problempräsentation im Beratungsgespräch zurückgegriffen werden (z.B. Kallmeyer 2001, Hartog 1996, Kallmeyer 1985, Nothdurft 1984). Da die Literatur zum Thema der Beratung jedoch vor allem für die nächste Aufgabe (‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’, vgl. Kapitel 9) relevant ist, werde ich dort einen Überblick über die entsprechende Literatur geben und hier nur innerhalb der Darstellung der Verfahren auf einzelne Aspekte zurückgreifen. Das zweite Verfahren des Aufzeigens individueller Betroffenheit, das ‘Anzeigen’, definiert sich über die Äußerung von Bewertungen kultureller Eigenschaften und Verhaltensweisen. Linguistische Grundlagen zum Phänomen der Bewertung kultureller oder sozialer Gruppen bzw. gruppenbezogener Eigenschaften findet man im Rahmen der sozialen Kategorisierungsforschung. Allerdings werden hier Verfahren des Bewertens nur von wenigen Autoren gesondert behandelt. Vor allem Hausendorf (2000a) hebt den Stellenwert des Bewertens als eigenständige Aufgabe der Kommunikation von Zugehörigkeit hervor. Bewerten meint laut Hausendorf (2000a: 411) „die Aufgabe, Einstellungen darzustellen, die sich auf eine soziale Gruppe bzw. auf Einzelne als Vertreter dieser Gruppe beziehen“.174 Als Verfahren des Bewertens beschreibt Hausendorf das Signalisieren von Einstellungen (z.B. durch bestimmte Adjektive, lexikalische Konnotationen), das Vorführen/Demonstrieren von Einstellungen (durch adjektivische, verbale oder substantivische Prädikatsausdrücke, die Gemütsbewegungen bezeichnen, durch metaphorische Veranschaulichungen, hyperbolische Umschreibungen und nichtsprachliche Merkmale) sowie die ausdrückliche Feststellung von Einstellungen (durch Einstellungsprädikate). Das Bewerten besitzt in unserem Gesprächskontext eine spezifische Rolle, die ihr einen anderen Stellenwert gibt als in der ‘allgemeinen’ Kommunikation von Zugehörigkeit (vgl. 8.3.2). Einige der beschriebenen Formen finden sich allerdings auch in unseren Gesprächen. Kesselheim (2003) behandelt Bewertungen im Rahmen der Aufgabe des Füllens einer Kategorie. Er betrachtet Bewertungen neben Eigenschaften, Aktivitäten, Einstellungen etc. als eines der Merkmale, die bestimmten sozialen oder kulturellen Gruppen zugeschrieben werden können. Grund für die Unterordnung von Bewertungen unter Zuschreibungen ist für ihn, dass sich „die Zuschreibung von Bewertungen von der konversationellen Technik her nicht wesentlich von 174 Auch Hausendorf (2000a) hebt allerdings hervor, dass das Bewerten eng mit den beiden anderen von ihm beschriebenen Aufgaben zusammen hängt: „Das Bewerten ist [...] häufig schon im Zuschreiben und Zuordnen impliziert und deshalb im Kontext sozialer Kategorisierungen nahezu allgegenwärtig. Zuordnungen und Zuschreibungen lassen sich entsprechend kaum ‘wertneutral’ vollziehen“.
296
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
der Zuschreibung anderer Merkmale unterscheidet“ (ebd.: 97). Da Bewertungen in meinem Korpus eine andere Funktion besitzen, ist eine eigene Diskussion der zu ihrer Realisierung verwandten Formen erforderlich. Welche Formen und Verfahren verwenden nun die Gesprächspartner zum Aufzeigen individueller Betroffenheit? Bevor ich auf diese Frage genauer eingehe, werde ich in 8.2.1 den Zusammenhang zwischen dem Aufzeigen individueller Betroffenheit, der Manifestationen von Emotionen und der Darstellung von Konsequenzen für das eigene Handeln genauer erläutern und in 8.2.2 auf die Rolle von Solidarisierungen im Zusammenhang mit dem Aufzeigen von Betroffenheit eingehen. In 8.3 stelle ich sukzessive die drei Verfahren des Aufzeigens individueller Betroffenheit vor: das ‘Thematisieren’ (8.3.1), das ‘Anzeigen’ (8.3.2) und das ‘Demonstrieren individueller Betroffenheit’ (8.3.3). Der abschließende Abschnitt gibt wieder einen Überblick über die Ergebnisse im Bezug auf die Aufgabe und diskutiert Herausforderungen und Gesprächsstrategien, die für die Praxis relevant sind (8.4).
8.2 Aufgabenspezifika 8.2.1 Individuelle Betroffenheit, Emotionalität und Problemdarstellung Im Zusammenhang mit der Aufgabendefinition wurde bereits deutlich, dass die individuelle Betroffenheit in der vorliegenden Arbeit im Hinblick auf zwei Komponenten definiert wird: Erstens meint sie die ‘emotionale Betroffenheit’ des Individuums und zweitens die ‘handlungsbezogene Betroffenheit’. Im Folgenden möchte ich nun anhand von Gesprächsausschnitten etwas genauer zeigen, inwiefern die Aufgabe für die Gesprächspartner diese beiden Facetten hat und was sie konkret unter den beiden Komponenten verstehen. Der folgende Ausschnitt aus dem Gespräch FRANKREICH-TRAINING macht deutlich, dass der Gesprächspartner E die beiden Komponenten der Betroffenheit explizit als zentrale Gegenstände der Gespräche beschreibt. Die Diskussion der Verfahren in 8.3 wird deutlich machen, dass die Gesprächspartner im Gesprächsverlauf ihre Betroffenheit im Hinblick auf beide Aspekte aufzeigen. In dem FRANKREICH-TRAINING thematisiert der Gesprächspartner E auf sehr explizite Weise Ziele und Inhalte des Gesprächs. Der folgende Gesprächsausschnitt gibt seine einleitenden Erläuterungen hinsichtlich des Gesprächsziels wider (voraus geht dem lediglich eine gegenseitige Vorstellung der Gesprächspartner):
8.2 Aufgabenspezifika
297
FRANKREICH-TRAINING: „wie hab ich frankreich empfunden” (15:17) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15
E: also ich HAB jetzt hier kein (--) strikten terMINplan irgendwie:: DURCHgeplant äh was man machen möchte, und=äh ich geh davon aus (-) für sie war=s auch schon=n etwas LÄNgerer tag, und=äh: (--) wir machen des jetzt nich so dass ich jetz ein punkt nach dem nächsten AB[arbeite, (--) N: [mhm, E: sondern (-) ähm (--) ich würd einfach=äh:: n=bisschen (1.5) in DER form anfangen, (--) dass ich so MEIne erfahrung (--) von FRANKreich, (1.0) n=der form ver!SU!che mal ers mal RÜberzubringen, (--) äh wie hab ich frankreich empFUNden, was WAR [MEIN problem, N: [mhm, E: als ich damals ANgefangen hab äh::, (--)
Kommentar: Der Ausschnitt enthält insgesamt einen Vorschlag oder eine Ankündigung E’s im Bezug auf die Gestaltung des Gesprächs. E beginnt in Z. 1-6 mit einer expliziten Darstellung, wie das Gespräch aus seiner Perspektive nicht verlaufen soll. Er lehnt eine strukturierte und formelle Abhandlung einzelner Punkte ab (strikten terminplan, durchgeplant, ein punkt nach dem nächsten). Dabei nimmt er mit den gewählten Formulierungen implizit auf die Situation des Trainings, in das das Gespräch eingebettet ist, Bezug (v.a. terminplan). Von dem organisierten Seminar- oder Trainingsgespräch grenzt er in Z. 8-11 die Weitergabe kultureller Erfahrungen als alternative Gesprächsform ab (vgl. die adversative Konjunktion sondern). Seine Aussage bezüglich der Gesprächsaufgabe oder des Gesprächsziels in Z. 10-11 (dass ich so meine erfahrung von frankreich n=der form versuche mal ers mal rüberzubringen) enthält bzw. reformuliert in prägnanter Weise die zentralen Begriffe der Weitergabe (rüberzubringen) und der Erfahrung (meine erfahrung) und verweist dabei auf eine konkrete Nationalkultur (frankreich). Zur Erläuterung der Gesprächsaufgabe bzw. des Gesprächsziels formuliert er in Z. 12 und Z. 13 zwei Fragen: wie hab ich frankreich empfunden und was war mein problem. Die Ergänzung der Frage(n) in Z. 15 kann als Ergänzung zu beiden oder nur der zweiten Frage verstanden werden (wie hab ich frankreich empfunden als ich damals angefangen hab und/oder was war mein problem als ich damals angefangen hab). Die Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit greift diese zwei Aspekte, über die E hier die Erfahrungsweitergabe konkretisiert, auf: es geht zum einen um Emotionen und Empfindungen (wie hab ich frankreich empfunden), zum anderen um Konsequenzen im Handeln (was war mein problem). Die Individualität der Erfahrung wird dabei in der Fülle an Personal- und Possessivpronomen in der 1.Ps.Sg. deutlich (Z. 10: ich, meine, Z. 12: ich, Z. 13: mein, Z. 15: ich). Die Konsequenzen im Handeln werden in E’s Frage deutlich als negative Konsequenzen für das eigene Handeln dargestellt (problem). Auf die Frage, welche Rolle dieser Problemfokus in den Gesprächen insgesamt spielt, ist noch genauer einzugehen.
298
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
In dem Gesprächsausschnitt, in dem E aus seiner Perspektive Gesprächsziel und -aufgabe formuliert, wurde deutlich, dass die kommunikative Handlung der Weitergabe kultureller Erfahrungen für den Gesprächspartner zwei zentrale Komponenten umfasst: die Vermittlung individueller Emotionen und Empfindungen (wie hab ich frankreich empfunden) und die Vermittlung individueller Konsequenzen für das eigene Handeln (was war mein problem).175 Im Bezug auf die Handlungskomponente wurde in dem kommentierten Ausschnitt deutlich, dass der Gesprächspartner insbesondere negative Konsequenzen für das eigene Handeln und Probleme für relevant hält. Wie sieht dies in den übrigen Gesprächen aus? Die Analysen haben gezeigt, dass die Gesprächspartner nur selten positive Konsequenzen für das eigene Verhalten konkret ausführen. Im positiven Fall beschränken sie sich allenfalls auf eine positive Bewertung der Situation insgesamt oder konkreter Eigenschaft oder Verhaltensweisen (z.B. das gute is, so hab ich=s jedenfalls empfunden hier, ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback, KolBer Z. 470ff, vgl. hierzu 9.3.2). Sehr viel ausführlichere und explizitere Darstellungen findet man im Zusammenhang mit Problemen (z.B. ja und dann ham ma oft probleme weil dann einer sagt ja=ha=ha, mo=ho=homent mal..., LOCKER Z. 268ff). Die Problemdarstellung stellt entsprechend ein wichtiges Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit dar, das ich in 8.3.1 genauer erläutern werde. Offenbar besteht in den Gesprächen also eine gewisse Tendenz, vor allem auf problematische Aspekte im eigenen Handeln einzugehen, das heißt auf Erfahrungen, die für den Auslandsentsandten problematisch waren. Dies ist auch interessant, wenn man an den Zusammenhang mit den anderen Aufgaben denkt: Die Darstellung eines Problems eröffnet zugleich die Perspektive für die Darstellung von Handlungsstrategien zum Umgang mit kulturellen Unterschieden (vgl. Aufgabe-5 ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’). 8.2.2 Solidarisierungen in der Darstellung von Betroffenheit Bei der Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit liegt der Fokus insgesamt auf der Darstellung individueller Betroffenheit, das heißt der Betroffenheit der einzelnen Person. In den Gesprächen zeigt sich allerdings, dass gerade im Zusammenhang mit dem Aufzeigen von Betroffenheit häufig Solidarisierungen auftauchen. Die Gesprächspartner scheinen eine Präferenz zu haben, be-
175 Auch Spiegel (1995: 205ff) unterscheidet zwischen diesen beiden Komponenten der Betroffenheit. Sie verwendet die Begriffe der „emotionalen Betroffenheit“ und der „Problembetroffenheit“ (ebd.: 207 bzw. 208) und beschreibt insbesondere Formen der Manifestation von emotionaler Betroffenheit.
8.2 Aufgabenspezifika
299
stimmte emotionale und handlungsbezogene Erfahrungen mit anderen ‘Betroffenen’ zu teilen. Solidarisierungen tauchen in den Gesprächen insbesondere im Zusammenhang mit der Beschreibung von Emotionen der Differenzerfahrung und mit Problemdarstellungen auf.176 Linguistisch drückt sich eine Solidarisierung vor allem in der Verwendung des Personalpronomens wir aus (seltener auch man). In dem folgenden Gesprächsausschnitt hebt der Gesprächspartner E durch die Verwendung des Personalpronomens wir hervor, dass die Gesprächspartner eine bestimmte Erfahrung teilen. LOCKERHEIT: „sie ham=s net so verbissen” (09:30, Z.163) 01 02
E: also=sie ham=s net so verBISsen (.) wie (.) wie: denk=ich mal wie wir des aus deutschland geWOHNT sind.
Kommentar: Der Ausschnitt enthält zunächst ein Eigenschaftsprädikat in Bezug auf eine fremdkulturelle Gruppe (die ham=s net so verbissen). Die (behauptete) Eigenschaft dieser Gruppe wird implizit einer Eigenschaft der eigenen Gruppe gegenübergestellt (vgl. Kontrastierung durch Negation mit Nennung des Vergleichsobjekts: nicht so... wie wir). Durch die Kontrastdarstellung und den Verweis auf die Erfahrung von etwas Ungewohntem, nimmt der Sprecher auf die Differenzerfahrung im Zusammenhang mit der Auslandsentsendung Bezug. Durch die Verwendung des Personalpronomens wir hebt er dabei hervor, dass beide Gesprächspartner diese Differenzerfahrung gewissermaßen teilen.
In dem folgenden Beispiel stellt die Gesprächspartnerin E durch den konkreten Verweis auf eine geteilte Empfindung eine Solidarisierung her: KOLLEGIALE BERATUNG: „das hab ich damals auch so empfunden” (08:13, Z.200) 01 02
E: das hab ich damals auch so empfunden.= =als ich hier ANgefangen habe, (--)
Kommentar: In dem Ausschnitt thematisiert E durch die Verwendung des Emotionsverbs empfinden deutlich ihre emotionale Betroffenheit. Der Verweis darauf, dass sie mit dem Gesprächspartner eine Emotion im Bezug auf die Differenzerfahrung teilt (das hab ich damals auch so empfunden), impliziert eine Solidarisierung und dabei emotionale Unterstützung für den Gesprächspartner.
176 Hausendorf (2000a: 448ff) beschreibt in seinem Korpus insbesondere moralisierende Solidarisierungen. Moralische Bewertungen sind in unserem Kontext insgesamt selten (vgl. 8.3.2), so dass auch Solidarisierungen in diesem Zusammenhang kaum festgestellt werden konnten.
300
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Solidarisierungen tauchen also zum einen im Zusammenhang mit der Darstellung der Differenzerfahrung und damit verbundener Emotionen auf. Solche Hervorhebungen geteilter Erlebnisse oder Emotionen deuten auf ein Bedürfnis der Auslandsentsandten hin, schwierige Erfahrungen mit einer anderen Person zu teilen. Nach dem Motto ‘geteiltes Leid ist halbes Leid’ scheinen solche Solidarisierungen Auslandsentsandten bei der Verarbeitung problematischer Situationen zu helfen. Die folgenden beiden Gesprächsausschnitte enthalten kommunikative Solidarisierungen im Rahmen von Problemdarstellungen: ANMELDUNG: „wie motivier=ma die mitarbeiter” (04:44, Z.194) 01 02
N: und (--) des heißt (--) wir ham mit dem problem zu kämpfen wie motivier=ma die MITarbeiter; (--)
ENTSENDUNGSZIEL: „dafür sitzen wer hier” (13:55, Z.325) 03 04 05 06 07 08 09
E: ich glaub des ist der job (-) da brauchen wir uns nichts VORmachen. der bleibt LIEgen. (---) [ne? N: [.hh E: [den müs (-) den müssen wir dann ABfangen. N: [(da/des) E: dafür SITzen wer hier.
Kommentar: In dem ersten Ausschnitt führt N ein Thema bzw. Problem ein, mit dem Auslandsentsandte seiner Ansicht nach in Spanien zu kämpfen haben (Z. 1f: wie motivier=ma die mitarbeiter). In dem zweiten verweist E auf eine problematische Situation (Z. 3f: des ist der job...der bleibt liegen, den müssen wir dann abfangen). In beiden Ausschnitten hebt die Verwendung des Personalpronomens wir (Z. 1, 3, 7, 9) bzw. der umgangssprachlichen Variante ma (Z. 2) den Aspekt hervor, dass die Gesprächspartner diese Erfahrung teilen. Sie haben jeweils mit dem gleichen Problem zu kämpfen.
Zusammenfassung: Sowohl im Zusammenhang mit der Darstellung der Differenzerfahrung als auch in Problemdarstellungen tauchen in den Gesprächen gehäuft Solidarisierungen auf. Dies deutet auf ein Bedürfnis der Gesprächspartner hin, problematische Erfahrungen und Empfindungen mit einer anderen Person zu teilen. Aus der Perspektive der erfahreneren Auslandsentsandten kann die Formulierung einer Solidarisierung auch der emotionalen Unterstützung des Gesprächspartners dienen.177 177 Kühlmann (2004: 24-25) weist auf die Rolle sozialer Beziehungen und Netzwerke für die Integration von Auslandsentsandten insgesamt hin. Dabei hebt er insbesondere den „emotionalen Rückhalt“ hervor, den die Gemeinschaft mit anderen bieten kann.
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
301
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit Die Analysen haben drei verschiedene Verfahren ergeben, die Gesprächspartner zur Darstellung individueller Betroffenheit verwenden: 1. 2. 3.
Thematisieren individueller Betroffenheit (8.3.1) Anzeigen individueller Betroffenheit (8.3.2) Demonstrieren individueller Betroffenheit (8.3.3)
Die Verfahren werden auch innerhalb dieser Aufgabe in der Reihenfolge ihrer zunehmenden Implizitheit vorgestellt. Die Systematisierung weist gewisse Parallelen zu der Einteilung der Verfahren zur Manifestation von Emotionen bei Fiehler (1990) auf. Wie schon in dem Forschungsüberblick zu Beginn dieses Kapitels dargestellt, unterscheidet Fiehler zwischen dem Thematisieren von Betroffenheit (z.B. durch begriffliche Erlebens- oder Emotionsbenennung, Erlebens- oder Emotionsbeschreibung, Benennung oder Beschreibung von erlebensrelevanten Ereignissen oder Sachverhalten) und dem Ausdruck von Emotionen (z.B. durch para- oder nonverbale Merkmale wie die Intonationskontur, Stimmcharakteristika, Sprechgeschwindigkeit). Diese beiden Aspekte spiegeln sich in unserer Systematik in dem Thematisieren individueller Betroffenheit und dem Demonstrieren individueller Betroffenheit wider. Das Thematisieren umfasst allerdings neben der Benennung oder Beschreibung von Emotionen auch die Benennung oder Beschreibung von Problemen (vgl. 8.3.1). Das Demonstrieren von Betroffenheit erfolgt in den Gesprächen ausschließlich durch Emotionsausdruck, ist allerdings insgesamt relativ selten (vgl. 8.3.3). Das Verfahren des Anzeigens von Betroffenheit kommt im Vergleich zu der Systematik Fiehlers hinzu. Betroffenheit wird in unserem Datenkorpus auch über Bewertungen dargestellt, die damit in unserem Gesprächskontext eine spezifische Bedeutung erlangen. Das Verfahren umfasst gleichzeitig eine emotionale sowie eine Handlungskomponente (vgl. 8.3.2). 8.3.1 Thematisieren individueller Betroffenheit Das Thematisieren von Betroffenheit das expliziteste Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit. Die Gesprächspartner thematisieren ihre individuelle Betroffenheit, indem sie mithilfe bestimmter linguistischer Formen hervorheben, dass sie die kulturellen Besonderheiten oder Unterschiede auf eine bestimmte Weise erlebt haben, dass diese bestimmte Emotionen bei ihnen wachgerufen haben oder dass sie zu Problemen in ihrem Handeln geführt haben. Die Gesprächspartner thematisieren also beide Komponenten der Betroffenheit, die
302
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
emotionale und die handlungsbezogene. Welche linguistischen Formen verwenden sie nun, um ihre emotionale oder handlungsbezogene Betroffenheit zu thematisieren? Insbesondere greifen sie auf Emotionsverben, Substantive und metaphorische Wendungen zur Beschreibung oder Benennung von Erleben und Emotionen zurück sowie auf Begriffe aus dem Wortfeld ‘Problem’, an die sich teilweise ausführlichere Problemdarstellungen anschließen. Emotionsbenennende Verben Ein Beispiel für ein Verb, das die Gesprächspartner zur Thematisierung von emotionaler Betroffenheit verwenden, ist überraschen. LOCKERHEIT: „dieser harsche ton” (19:03, Z.573) 01 02
N: und dieser HARsche TON (-) hat mich wirklich auch überRASCHT;
KOLLEGIALE BERATUNG: „die anzahl der stunden” (25:13, Z.624) 03 04 05 06
E: also (--) insgeSAMT war ich über die ANzahl der stunden das=s vierzig STUNden war=n pro woche (--) auch am anfang=n bisschen überRASCHT, das kam mir VIEL vor, (---)
LOCKERHEIT: „die erfahrung war da klasse” (31:07, Z.1055) 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
E: also die erFAHrung war da schon: für MICH war da KLASse.=ne? s=war=n richtig ALter n alter SPAnier, n=echter alter SPAnier, (1.0) a=des war GUT; (---) weil die viel OFfener sin wie die:: (---) nicht so verBISsen wie die (--) wie die gerMAnen, (---) al=des hat mich SEHR: (--) äh sehr überRASCHT eigentlich. (1.0) weil: ich mir des scho SCHWER vorgestellt habe. (--)
Kommentar: In allen drei Beispielen wird eine kulturelle Besonderheit bzw. ein kultureller Unterschied dargestellt (Bsp 1: dieser harsche ton, Bsp 2: vierzig stunden...pro woche, Bsp 3: weil die viel offener sin, nicht so verbissen wie die germanen). Das Verb überraschen wird in den Verbalphrasen etwas hat mich überrascht (erstes und drittes Beispiel) bzw. ich war über etwas überrascht (zweites Beispiel) verwendet und hebt hervor, dass der jeweilige Aspekt für den Gesprächspartner unerwartet und neu war und eine bestimmte Emotion ausgelöst hat. In allen drei Beispielen wird durch verstärkende bzw. abschwächende Adverbien angegeben, wie stark die Emotion der Überraschung jeweils war (wirklich, bisschen, sehr).
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
303
Ein weiteres Verb, mit dem die Gesprächspartner eine Emotion im Zusammenhang mit der Auslandsentsendung benennen, ist wundern. KOLLEGIALE BERATUNG: „sich da so reporten zu lassen immer regelmäßig” (10:29, Z.280) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11
E: (weil/aber) in spanien is des sehr stark AUSgeprägt. (1.0) N: mhm, (1.0) E: sich da so so (--) rePORten zu lassen immer regelmäßig, und sich das dann anzuschauen und dann wieder NEU in KLEInen schritten die aufgaben weiterzugeben also- (---) ((...)) also (--) da hab ich mich am anfang n bisschen geWUNdert und hatte einige mitarbeiter überSCHÄTZT, (--) hab sie=n bisschen zu:: LANge zu selbständig (--) ähm arbeiten lassen und dann war=ma am ende dann=n bisschen beide nicht so zufrieden damit.
Kommentar: E schreibt hier den Spaniern eine typische kulturelle Verhaltensweise zu (sich da so so reporten zu lassen immer regelmäßig). Nach einigen Erläuterungen und einer Rückmeldung durch N bennent E mithilfe einer Verbalphrase das Gefühl der Verwunderung, die dieser Aspekt bei ihr ausgelöst hat (da hab ich mich am anfang n bisschen gewundert). Die Intensität der Emotion wird abgeschwächt durch das Adverb n bisschen. E betont explizit, dass sie diese Emotion vor allem am anfang der Auslandsentsendung empfunden hat (vgl. auch das zweite Beispiel zu dem Verb überraschen). Damit zeigt sie zum einen an, dass es charakteristisch für die Emotion ist, dass man sie am Anfang der Auslandsentsendung empfindet. Zum anderen weist sie durch die Formulierung darauf hin, dass sie inzwischen einen Lernfortschritt gemacht hat (vgl. Aufgabe ‘Erfahrungskompetenzen etablieren’, 5.3.2).
Die genannten Verben (überraschen, wundern) benennen Emotionen, die der jeweilige Gesprächspartner im Zusammenhang mit der Auslandsentsendung in Spanien empfunden hat. Auch Fiehler (2001a: 1431, 1990: 115ff) fasst solche Vokabeln aus dem Erlebens- oder Emotionswortschatz, mit denen das Erleben und die Emotionen von Individuen begrifflich benannt werden (z.B. auch Angst, Freude, Faszination), als Formen der expliziten Thematisierung im Gegensatz zum reinen Ausdruck von Emotionen auf. Dabei fällt in dem Korpus auf, dass die Gesprächspartner kaum Emotionen benennen, die eine starke Bewertung implizieren (z.B. Ärger, Wut, Hass, Liebe). Statt dessen benennen oder beschreiben sie eher Emotionen mit schwacher Bewertung, die spezifisch für die Differenz- und Fremdheitserfahrung sind (z.B. Überraschung, Wundern, Befremden). Was meint konkret ‘Differenz-’ oder ‘Fremdheitserfahrung’?
304
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Zum Thema der Differenz- und Fremdheitserfahrung gibt es insgesamt kaum linguistisch-empirische Forschung. Die Begriffe der ‘Fremdheit’ und der ‘Fremderfahrung’ wurden im Rahmen der interkulturellen Germanistik auf theoretischer Ebene beschrieben und definiert (z.B. Albrecht 2003, Wierlacher/Albrecht 2003, Wierlacher 2001, 2000, 1985, Krusche/Wierlacher 1990). Fremdheit wird hier als spezifische Form der Differenz aufgefasst, die erst durch die Abweichung des Anderen von eigenen Normen, das heißt in der Interpretation aus der Andersheit entsteht (vg. Albrecht 2003: 236, Wierlacher/Albrecht 2003: 284, sie definieren Fremdheit als „Interpretament der Andersheit und Differenz“). In diesem Zusammenhang wird auch betont, dass der Begriff der Fremdheit häufig über Negationen konstituiert wird (zur Negation als Verfahren der Kontrastierung vgl. 7.3.1.4) sowie dass er stark emotional geladen ist (vgl. Albrecht 2003: 235: Der Begriff Fremdheit „hat starke emotive Bedeutungsanteile.“). Auf den Zusammenhang zwischen der Darstellung von etwas Unerwartetem und der Manifestation von Emotionen geht die Erzählforschung ein. Sowohl die Erzählwürdigkeit qua Unerwartetheit eines Ereignisses (vgl. Ehlich 1983: 140ff, Quasthoff 1980: v.a. 52-57) als auch Emotionalität werden als Kriterien für die Definition des Erzählens herangezogen (Gülich/Hausendorf 2001, vgl. hierzu 7.3.2). Dabei wurde in 7.3.2 schon deutlich, dass die Emotionalität in Gesprächen häufig gerade im Zusammenhang mit dem unerwarteten Moment einer Erzählung zutage tritt. An einigen Stellen der Gespräche liegt der Fokus der Darstellung genau auf diesem Moment der Unerwartetheit in der Erfahrung. Erlebensbeschreibende Substantive Dass auch Substantive der Thematisierung der Differenzerfahrung und damit Betroffenheit dienen, wurde in der Beispielanalyse in 4.1 deutlich. N benennt auch hier nicht konkret eine Emotion, er beschreibt jedoch seine Differenzerfahrung, wodurch die Aussage eine emotionale Komponente enthält. Die Aussage steht an der Grenze zu der anderen Komponente der Betroffenheit, denn sie impliziert auch bestimmte Konsequenzen für das Handeln N’s. KOLLEGIALE BERATUNG: „die arbeitsweise is schon=ne umstellung” (07:02, Z.154) 01 02 03 04 05 06
N: aber (--) TROTZdem die ARbeitsweise (-) is SCHON=ne umstellung. (1.0) in MEIn augen. ((...)) aber (.) DES is schon (.) en (-) RIEsen (--) WECHsel, (--) zu dem wie ich VORher gearbeitet habe. (-)
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
305
Kommentar: In der einleitenden Formulierung beschreibt N seine Differenzerfahrung als ne umstellung. Durch die nachgestellte Subjektivierung (in mein augen) hebt er hervor, dass zumindest er individuell diese Differenzerfahrung gemacht hat. Diese Subjektivierung deutet auf die Tatsache hin, dass eine Differenz- bzw. Fremdheitserfahrung und auch die Frage, wie stark diese empfunden wird, grundsätzlich individuell sind. Die Differenzerfahrung wird hier (noch) abschwächend gewertet durch den Gradpartikel schon. Der Begriff der umstellung impliziert, dass die erfahrene Differenz Konsequenzen für das eigene Handeln hat. N muss sein Verhalten ändern. Das heißt, die Differenzerfahrung wird nicht nur als solche charakterisiert, sondern es wird impliziert deutlich, dass daraus bestimmte Herausforderungen für das Handeln N’s entstehen, dass der Aspekt also Konsequenzen für ihn hat. Abschließend beschreibt N die Differenzerfahrung als en wechsel. Dieses Substantiv deutet (zwar weniger aber auch noch) auf Implikationen für das eigene Handeln hin. Die Differenzerfahrung wird hier besonders hervorgehoben und verstärkt durch das Adjektiv riesen. Außerdem wird der Bezugspunkt der Differenzerfahrung, nämlich die Arbeitsweise vorher (das heißt vor der Auslandsentsendung), hervorgehoben.
Ein weiteres Substantiv, das deutlich eine emotionale Betroffenheit im Zusammenhang mit der Differenzerfahrung hervorhebt, ist kulturschock (FREUND Z. 813). Der Begriff ist gewissermaßen der Fachbegriff der Interkulturellen Kommunikation für die Differenzerfahrung eines Auslandsentsandten und impliziert deutlich eine emotionale Komponente. Metaphorische Wendung Schließlich möchte ich anhand eines Beispiels noch erläutern, inwiefern auch umgangssprachliche metaphorische Wendungen zur Thematisierung von Erleben und Emotionen verwendet werden. Dem folgenden Ausschnitt gehen Erläuterungen E’s dahingehend voraus, dass man in Spanien vor allem bei Ämtern viel Geduld aufbringen muss. FREUNDSCHAFT: „haut=s di von di socke” (58:00, Z.1945) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
E: s:::=sie sin net sehr kunden (-) sie sin net net sehr KUNdenorientiert die ÄMter((...)) E: also (---) WENN se was machet machet se=s mit einer mit einer (---) mit (.) äm (.) äh (.) ähN: ja (-) ich WEIß schon; E: mit einer HÄRte, (--) N: [ach so; (hm) (ja) E: [haut=s di von di !SOC!ke ey- (--) ((...)) E: HAUTS di von de SOcke. (1.0) des isch IRre; (-)
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8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Kommentar: E stellt eine in dem Gesprächsausschnitt kulturelle Eigenschaft dar (sin net net sehr kundenorientiert die ämter), die er konkreter erläutert (also wenn se was machet machet se=s...mit einer härte). Die Differenzerfahrung und die Emotionen, die er dabei empfindet, hebt er durch die umgangssprachliche metaphorische Verbalphrase haut=s die von di socke ey (Z. 9) hervor, die er einige Zeilen später (Z. 11) noch einmal wiederholt. Diese metaphorische Wendung deutet auf eine intensive emotionale Reaktion auf den dargestellten Sachverhalt hin.178 Sie drückt eine Überraschung aus, die mit starken Emotionen verbunden ist. Die Stärke der Überraschung wird durch weitere Emotionalität anzeigende Aspekte unterstützt (vgl. den starken Akzent auf !SOC!ke sowie die Interjek179 tion ey).
Zwischenresümee: Die Gesprächspartner verwenden also unterschiedliche Verben (z.B. überraschen, wundern), Substantive (z.B. ne umstellung, en riesen wechsel, der kulturschock) und metaphorische Wendungen (z.B. da hauts di von de socke), um ihr Erleben und ihre Emotionen im Zusammenhang mit der Auslandsentsendung zu thematisieren. Dabei fällt auf, dass es sich meist um Emotionen handelt, die charakteristisch für die Differenzerfahrung sind, dabei jedoch eher gemäßigt und kaum mit starken negativen Bewertungen verbunden sind (wie z.B. Ärger, Wut, Hass, Liebe). Häufig wird die Intensität der Emotionalität bzw. Differenzerfahrung hervorgehoben (z.B. hat mich sehr überrascht, is en riesen wechsel). Substantive und Adjektive aus dem Wortfeld ‘Problem’ Bei einigen Beispielen wurde bereits deutlich, dass bei der Thematisierung von Erleben und Emotionen häufig auch Konsequenzen für das eigene Handeln deutlich werden. Häufig thematisieren die Gesprächspartner konkrete Probleme im eigenen Handeln und verwenden dazu Begriffe aus dem Wortfeld ‘Problem’. Ein Beispiel hierfür enthält der folgende Ausschnitt aus dem Gespräch LOCKERHEIT, den ich schon in Abschnitt 7.2.1 zum Erfahrungsbegriff und in Kapitel 5 zur 178 Auch Fiehler (1990: 122) fasst solche festen metaphorische Wendungen (z.B. es kocht in mir, das haut mich aus den schuhen, du treibst mich auf die palme) unter dem Überbegriff der Erlebens- und Emotionsbeschreibungen als typische Formen der Thematisierung von Erleben und Emotionen auf. Hausendorf (2000a: 453, 461, 481) beschreibt ähnliche metaphorischen Wendungen (z.B. da geht einem das messer in der tasche auf, die könnt ich an die decke werfen, wie n eimer wasser kriegt man ins gesicht) als Versprachlichung und Vorführung moralisch gefärbter Gemütsbewegungen, die auf einen starken emotionalen Erregungszustand (Affekt) hindeuten. Allerdings implizieren die metaphorischen Wendungen, die Hausendorf erläutert, deutlich negative Bewertungen (Entrüstung, Empörung), während die hier zitierte Wendung eher auf eine neutral bewertete Betroffenheit (Überraschung) hindeutet. 179 Diese Aspekte werden an verschiedener Stelle als Formen der Manifestation von Emotionen betrachtet (Christmann/Günthner 1999: 250, Fiehler 1990: 96-97).
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
307
Etablierung von Erfahrungskompetenzen erläutert habe. Im Zusammenhang mit seinen Erläuterungen, dass in Spanien sehr viel über normativas (vorschriften) läuft, beschreibt E Konsequenzen dieser Tatsache für sein eigenes Handeln. LOCKERHEIT: „die normativa sagt das is so und so” (11:51, Z.260) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15
E: des des isch hier se:hr (--) des ha’ (.) isch MEIne erfahrung hier, (--) dass SEHR (--) über vorschriften gearbeitet wird. ((...)) E: ja und dann ham ma oft problEme: (-) ähm weil dann einer sagt ja=ha=ha. (---) MO=ho=homent mal. die normativa sagt das is so und so-= =und da sag ich [des hat jetzt aber kein WERT, (--) N: [aber vielleicht is des=n UNterschied; E: [wir brauchen des jetz=e bissl SCHNELler, N: [von derE: wir können jetzt hier nicht die normativa(res) sondern- (--) ja=ha=ha da muss ich aber erscht mal da muss=i erscht mal den ANdern fragen;
Kommentar: Im Anschluss an seine Hypothese, dass sehr über vorschriften gearbeitet wird (Z. 3), beschreibt E probleme (Z. 5), die daraus resultieren und die ihn unmittelbar betreffen (vgl. ham ma oft). Das Problem wird szenisch in Form eines Dialogs zwischen E und einem spanischen Kollegen in direkter Rede dargestellt (Z. 6ff). Der konkrete Problempunkt wird in der wiedergegebenen Aussage E’s deutlich des hat jetzt aber kein wert wir brauchen des jetz=e bissl schneller (Z. 9-11), auf die der Gesprächspartner, von dem berichtet wird nicht eingeht.
In dem folgenden Beispiel stellt E die Konsequenzen für sein Handeln noch konkreter dar. LOCKERHEIT: „termineinhaltung isch e biss=l problematisch” (34:27, Z.1175) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
E: nur wie gesagt die terminEINhaltung isch isch e biss=l probleMAtisch. (1.0) dann eben au oder auch RÜCKmeldungen zu kriegen. zu sagen wir ham da=en KUNde in deutschland, der brauch des=un=des bis da=un=da HIN, (--) un=da wird dann halt=en TAG vorher sagen die dann vielleicht MIR noch bescheid, also des kriegen ma net hin. (---) statt und des wussten die aber LETSCHte woche schon. (--) statt dass die LETSCHte woche schon sagen. ACHtung. (--) n NÄGSCHte woche des kriegen=ma net HIN.
308 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
N: E: N: E:
((...)) da gibt=s un ich hab dann=a ich muss dann den des immer biss=l Abpuffern.=ne? weil die:: (--) [KUNden dann in DEUTSCHland natürlich (-) [klar. des eben (.) erWARten am dienstag.=ne? und ich HAB=s dann nicht am dienschtag.(--) ((lacht kurz leise)) n=muss denen dann versuchen des zu verklickern warum wir=s jetzt NICHT am dienschtag hatten.
Kommentar: Wieder wird in einer einleitenden Aussage eine Verhaltensweise (Z. 1: die termineinhaltung) als Problem eingestuft (Z. 1-2: isch e biss=l problematisch). Die Negativbewertung wird dabei (wie schon häufiger festgestellt) durch den Modalpartikel biss=l abgeschwächt. Im Anschluss beschreibt E konkrete negative Konsequenzen für sein eigenes Handeln. Ein Konflikt besteht für ihn zwischen dem deutschen Kunde, der ein Produkt zu einem bestimmten Termin einfordert, und den spanischen Mitarbeitern, die nicht rechtzeitig Bescheid sagen, wenn sie einen Termin nicht einhalten können. Sein Problem besteht darin, dass er dann aufgefordert ist, die Nichteinhaltung des Termins gegenüber dem Kunde zu rechtfertigen (Z. 14ff: ich muss dann den des immer biss=l abpuffern...n=muss denen dann versuchen des zu verklickern warum wir=s jetzt nicht am dienschtag hatten). Um darzustellen, dass sich E zu Handlungen genötigt sieht, die er als problematisch empfindet, verwendet er umgangssprachliche, negativ konnotierte Handlungsverben (Z. 15: abpuffern, Z. 21: verklickern). Die individuelle Betroffenheit zeigt sich darin, dass E alle Konsequenzen für das eigene Handeln unter Verwendung von Pronomen der 1.Ps.Sg. formuliert (Z. 7: mir, Z. 14, 19: ich).
Weitere Formulierungen, die die Gesprächspartner zum Anzeigen negativer Konsequenzen für das eigene Handeln verwenden, sind zum Beispiel das is schwierig (ENTSZIEL Z. 189, 522, 842, ANM Z. 63, LOCKER Z. 687), das ist mir bisschen schwergefallen (KOLBER Z. 246), ich fand mich immer sehr unter druck gesetzt (ENTSZIEL Z. 752), da bin ich am anfang bissl drauf gstoße (FREUND Z. 887-888), ich brauch natürlich viel viel länger (LOCKER Z. 1248), das war am anfang n=bisschen kritisch (KOLBER Z. 429). Neben diesen relativ kurzen Hinweisen auf negative Handlungskonsequenzen oder Probleme, die im Rahmen der Darstellung kultureller Prägungen gegeben werden, findet man an einigen Stellen ausführlichere Darstellungen konkreter problematischer Situationen oder problematischer Rahmenfaktoren für das eigene Handeln. Das folgende Beispiel aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL steht zunächst nicht im Zusammenhang mit der Darstellung einer kulturellen Eigenschaft oder Verhaltensweise. Ihm geht lediglich die Aussage E’s voraus, dass es einige Spanier gibt, die Deutschen (leuten wie mir) gute Ratschläge geben können (an der richtigen stelle den tipp geben können was ich lieber nicht tun sollte). Zur Erläu-
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
309
terung stellt E eine Situation dar, die er als problematisch empfunden hat und bei der ihm ein spanischer Kollege einen Rat gegeben hat. ENTSENDUNGSZIEL: „es gab lieferprobleme” (27:57, Z.752) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
E: =ich fand mich immer sehr unter druck gesetzt wenn wir (---) ich KAM, es gab LIEferprobleme, es gab QUAlitätsprobleme ALles. N: [hm=m; E: [es gab !TÄG!liche sItzungen; N: hm=m; (---) E: u:nd (--) ich war DA, (--) has=ch hab ich TEILgenommen, ich hab des mehr als SCHUlungsveranstaltung gesehen,= N: =hm=m;= E: =und ab dem ZWEIten tag hab ich AUFgaben gekriegt. (-) N: hm=m; E: ham mich die leute Angekuckt ham gesagt d=s=musst DU doch wissen. N: ((lacht)) E: und beim ERsten tag hab ich noch genIckt, und am dritten tag mal (.) hab ich gesagt NÖ:, (--) WEISS ich nicht. (--) N: hm=m; (--) E: kann ich jetzt NICHTS zu SAgen. so wie [WIR das vielleicht in deutschland MAchen würden. N: [mhm; E: SORry kann ich nichts zu SA[gen;= N: [mhm; E: =muss ich mir erst mal ANkucken. (---) und mir hat de:r: (--) der kolLEge über den ich da gesprochen hab (.) <
310 46 47 48 49 50 51
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen E: ich MÖCHte nichts sagen was ich MÖCHte nichts sagen von [(1.5) ((lässt Hand auf den N: [((lacht)) E: keine (-) keine AHnung habe funktioNIEren,
ich nich WEISS; dem ich überhaupt nichTisch fallen)) waRUM (-) besimmte dinge NICHT
Kommentar: Mit der Formulierung ich fand mich immer sehr unter druck gesetzt (Z. 1) leitet E die Darstellung einer problematischen Situation ein, und zwar einer interkulturellen Interaktionssituation, die er als problematisch empfunden hat. In Z. 2-8 stellt er zunächst (äußerst kurz und durch die Parallelkonstruktionen prägnant) dar, wie er seinen Arbeitsbereich zu Beginn seiner Auslandsentsendung wahrgenommen hat (es gab lieferprobleme es gab qualitätsprobleme alles es gab tägliche sitzungen). Die zweimalige Verwendung des Begriffs ‘Problem’ (Z. 3 und 4) deutet auf eine deutlich negative Bewertung der Situation hin. In Z. 9-12 erläutert E, wie er seine Rolle in dieser Situation gesehen hat (ich hab des mehr als schulungsveranstaltung gesehen). Aus dieser Perspektive waren bestimmte Verhaltensweisen der Spanier (hab ich aufgaben gekriegt) für ihn unerwartet, er reagierte entsprechend abweisend (beim ersten tag hab ich noch genickt, und am dritten tag mal hab ich gesagt nö weiß ich nicht kann ich jetzt nichts zu sagen). In Z. 30-41 gibt E den Ratschlag wieder, den der spanische Kollege ihm in dieser Situation gegeben hat. Der Rat bestand darin, sich anders als gewohnt zu verhalten und eine Aufforderung zur Stellungnahme nicht zurückzuweisen (mach das nicht mit denen). Die Verhaltensgewohnheiten der Spanier haben hier deutliche Konsequenzen für das Handeln E’s. Der Kollege forderte E gewissermaßen auf, sein Verhalten umzustellen. Sowohl die Darstellung der Sichtweise E’s als auch die Wiedergabe des Ratschlags des Kollegen ist von einem erzählerischen Darstellungsmodus geprägt (vgl. die deutliche Handlungsfolge mit konkreten Zeitangaben: ab dem zweiten tag, beim ersten tag, am dritten tag, nach zwei stunden sowie die direkte Rede in Z. 16-17, 20-21, 24, 27, 29, 3233, 36-38, 41). Dieser erzählerische Darstellungsmodus deutet auf eine emotionale Betroffenheit des Sprechers im Zusammenhang mit der Situation hin. (Diese zeigte sich auch schon in den starken Akzentuierungen und dem rhythmischen Sprechen in Z.3-6.) Ab Z. 44 bewertet E den Ratschlag des Kollegen bzw. die vermeintlich spanische Verhaltensweise explizit (is schizophren) und weist darauf hin, dass er diese Verhaltensweise für sich selbst ablehnt (2x ich möchte nichts). Die Situation führt also auf einen deutlichen Konflikt zwischen der in Spanien erwarteten bzw. empfohlenen Verhaltensweise und eigenen Verhaltenspräferenzen hinaus. Das Adjektiv schizophren ist negativ konnotiert und deutet auf eine moralische Bewertung hin. Zudem deutet die Sprechweise E’s auf einen emotionalen Gehalt der Äußerung mit Tendenz zur Entrüstung hin (vgl. rhythmisches Sprechen, Wiederholungen, Akzentuierungen, Gestik, Extremformulierungen: überhaupt nich, keine ahnung, zum Ausdruck von Betroffenheit in dieser Äußerung vgl. 9.3.3).180 180 Christmann/Günthner (1999: 250) arbeiten folgende typische prosodische Merkmale von Entrüstung heraus: rhythmisches Sprechen, dichte Akzentuierung, schnelles Sprechen, stei-
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
311
In dem Beispiel wurde deutlich, wie sich an die Darstellung von Problemen in den Gesprächen unmittelbar Ratschläge anschließen können. In diesem Sinne stellt auch die Aufgabe des ‘Aufzeigens individueller Betroffenheit’ die Überleitung von der ‘Darstellung kultureller Prägungen’ (Aufgabe-3) zur ‘Formulierung interkultureller Ratschläge’ (Aufgabe-5) dar. Schaut man sich die Literatur zum Handlungsschema der Beratung an, so werden als grundlegende Aufgaben des Beratens das Anzeigen, die Darstellung, die Analyse und die Bewertung eines Problems genannt (z.B. Nothdurft 1994: Problem-Definition; Kallmeyer 1985: 1. Problempräsentation, 2. Entwicklung einer Problemsicht). Zwar handelt es sich bei den Gesprächen zur Weitergabe kultureller Erfahrungen nicht um klassische Beratungsgespräche (vgl. 9.2.1). Eine explizite Problemdarstellung in den Gesprächen fungiert jedoch in Analogie zum Handlungsschema der Beratungsgespräche als ‘Auslöser’ bzw. Ausgangspunkt für die Formulierung von Ratschlägen. Zusammenfassung: Die Gesprächspartner thematisieren in den Gesprächen also individuelle Betroffenheit, indem sie ihr individuelles Erleben und Emotionen benennen oder beschreiben (z.B. durch die Verwendung emotionsbenennender Verben wie überraschen, wundern oder erlebensbeschreibender Substantive wie umstellung, kulturschock) oder indem sie konkrete Konsequenzen für das eigene Handeln (meist Probleme) darstellen. Die Manifestation von Emotionen und die Problemdarstellung können dabei durchaus zusammenkommen. Das Thematisieren ist das expliziteste Verfahren der Darstellung individueller Betroffenheit. Insbesondere im Zusammenhang mit der Problemdarstellung realisiert es den Übergang von der Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3) zur Formulierung interkultureller Ratschläge (Aufgabe-5). 8.3.2 Anzeigen individueller Betroffenheit Die Gesprächspartner implizit in den Gesprächen auch implizit an, dass die Differenzerfahrung für sie mit bestimmten Emotionen und Handlungskonsequenzen verbunden ist. Dies erfolgt insbesondere im Rahmen von Bewertungen. Welche konkrete Funktion besitzen Bewertungen in diesem Kontext? Dass die Kommunikation über Kulturen (fast) immer auch Bewertungen impliziert, wird innerhalb der sozialen Kategorisierungsforschung hervorgehoben (z.B. Kesselheim 2003, Hausendorf 2000a). Hausendorf (2000a) beschreibt dass ‘Bewerten’ als eine zentrale Aufgabe des sozialen Kategorisierens (neben dem ‘Zugend-fallende und/oder fallend-steigende Intonation (Sing-Song-Intonation), veränderte Lautstärke, Wechsel in den unteren oder oberen Bereich des Gesamttonumfangs, Variation der Stimmqualität. Eine weitere Bedingung für Entrüstungssequenzen ist die Verwendung moralisch negativ wertender Begriffe (ebd.: 251).
312
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
ordnen’ und dem ‘Zuschreiben’). In unserem Gesprächen besitzen Bewertungen jedoch eine zusätzliche Funktion im Vergleich zu der ‘reinen’ Kommunikation über Kultur und damit einen anderen Stellenwert. Sie sind nicht nur eine Teilaufgabe des sozialen Kategorisierens, sondern im Zusammenhang der Weitergabe kultureller Erfahrungen sind Bewertungen funktional, das heißt sie dienen (sekundär) der Bearbeitung einer übergeordneten Aufgabe. Sie werden daher als Verfahren des Anzeigens individueller Betroffenheit behandelt. Wie gestaltet sich nun konkret der Zusammenhang zwischen Bewertungen und der Darstellung individueller (emotionaler und handlungsbezogener) Betroffenheit in den Gesprächen? Verschiedene Studien zeigen, dass man davon ausgehen kann, dass die Manifestation von Emotionen und die Bewertung im Gespräch eng zusammenhängen (vgl. z.B. Hausendorf 2000a: 424ff, Fiehler 2001a: 1428-1429). Hausendorf (2000a) zeigt, dass durch Emotionen im Gespräch Bewertungen ausgedrückt werden können (vgl. v.a. das Verfahren des ‘Vorführens von Einstellungen’). Auch Fiehler (2001a: 1428) argumentiert, dass die Manifestation von Emotionen als eine Lösung für die kommunikative Aufgabe der Bewertung im Gespräch aufgefasst werden kann. Inwiefern gilt dies auch umgekehrt? Im Zusammenhang mit der Aufgabe der Darstellung individueller Betroffenheit wird die These aufgestellt, dass in den aufgezeichneten Gesprächen auch umgekehrt durch die Formulierung von Bewertungen Emotionalität und damit individuelle Betroffenheit angezeigt wird. Dies gilt auch für die andere Komponente des Betroffenheitsbegriffs. Durch bestimmte Bewertungen können auch positive oder negative Konsequenzen für das eigene Handeln angedeutet werden. Wenn zum Beispiel ein Gesprächspartner über eine Verhaltensweise der Spanier sagt „das finde ich gut“ oder „die Arbeitsweise ist super“, so zeigt er damit an, dass er positive Emotionen im Zusammenhang mit dieser Verhaltensweise hat und dass sie positive Konsequenzen für sein Handeln mit sich bringt. In einigen Gesprächsausschnitten wird explizit ein Zusammenhang zwischen der (positiven oder negativen) Bewertung und dem Emotionscharakter (z.B. das gute ist, so hab ichs zum Beispiel empfunden, KOLBER Z. 470f) bzw. den Handlungskonsequenzen (z.B. was mich stört manchmal isch eben termine, also termineinhaltung isch ein echtes problem, LOCKER Z. 1121ff) hergestellt. Wie formulieren die Gesprächspartner nun in den Gesprächen Bewertungen, und inwiefern drückt sich darin ihre emotionale oder handlungsbezogene Betroffenheit aus?
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
313
Einstellungsprädikate Zum einen realisieren die Gesprächspartner Bewertungen in Form von Einstellungsprädikaten.181 LOCKERHEIT: „termineinhaltung isch ein echtes problem hier” (33:04, Z.1121) 01 02 03
E: was mich stört MANCHmal isch eben dass:: (--) dass (-) terMIne. also terMINeinhaltung isch ein ECHtes proBLEM hier.=e? (--)
Kommentar: E bewertet in dem Gesprächsausschnitt die Terminhaltung der Spanier (vgl. lokale Referenz: hier) negativ mithilfe eines Einstellungsprädikats, das er neutral in der 3.Ps.Sg. formuliert (etwas stört mich statt z.B. ich empfinde etwas als störend). Unmittelbar auf das Einstellungsprädikat folgt eine Bewertung der Verhaltensweise der Spanier als problem. Das Wort problem deutet explizit auf negative Konsequenzen für das eigene Handeln hin und stellt insofern eine Thematisierung individueller Betroffenheit dar.
In dem Gesprächsausschnitt wird die individuelle Betroffenheit des Sprechers durch ein Einstellungsprädikat mit negativer Bewertung angezeigt. Unmittelbar im Anschluss an das Einstellungsprädikat werden explizit negative Konsequenzen für das eigene Handeln thematisiert (termineinhaltisch isch ein echtes problem). Darin deutet sich an, dass sich die Bewertungen in dem Korpus der vorliegenden Arbeit von einfachen Einstellungsbewertungen zum Beispiel in dem Korpus von Hausendorf (2000a) unterscheiden. Bewertungen führen hier sehr häufig zu Beurteilungen der Konsequenzen für das eigene Handeln, die wiederum zur Frage nach dem Umgang mit Problemen überleiten (vgl. Aufgabe-5). Explizit wertende Adjektive (v.a. gut/schlecht) In dem Korpus findet man außerdem viele (sowohl positive als auch negative) explizite Bewertungen konkreter Eigenschaften und Verhaltensweisen der Spanier. Häufig verwenden die Gesprächspartner dazu die klassischen positiv- bzw. negativ-wertenden Adjektive gut und schlecht.
181 Auch Hausendorf (2000a: 419ff) beschreibt Einstellungsprädikate als Formen der Bewertung, und zwar im Rahmen des Mittels der ‘ausdrücklichen Feststellung von Einstellungen’. Beispiele, die er aufführt sind ich bin dem russischen Volk zugetan, was ich gegen wessis habe.
314
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
KOLLEGIALE BERATUNG: „ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback” (21:22, Z.470) 01 02 03 04
E: das GUte is,= =so hab ICH=s jedenfalls empfunden hier,(--) äh (--) ma beKOMMT (---) !SEHR! schnell (-) !SEHR! direktes FEEDback. (---)
Kommentar: E bewertet in diesem Beispiel die (vermeintlich spanische) Verhaltensweise, schnell und direkt Feedback zu geben, positiv. Das Verb empfinden bzw. die Einschränkung so hab ich=s jedenfalls empfunden hier deutet darauf hin, dass ihre Bewertung mit Emotionen zusammenhängt und dass sie ihre Einschätzung als individuell sieht.
In folgendem Beispiel verwendet N das entsprechende negative Adjektiv schlecht. KOLLEGIALE BERATUNG: „man kann auch sehr schlecht planen” (07:49, Z.186) 01 02
N: und man kann auch sehr schlecht (--) PLA:nen, sein=n TAG planen,
Kommentar: N charakterisiert mit dem Adjektiv schlecht nicht direkt eine Eigenschaft oder Verhaltensweise der Spanier, sondern gewissermaßen die Konsequenz, die das Verhalten der Spanier für sein Handeln hat.
Das folgende Beispiel enthält noch einmal eine positive Bewertung einer spanischen Eigenschaft. LOCKERHEIT: „super disziplin in den besprechungen” (33:33, Z.1142) 01 02 03 04
E: aber trotzdem hasch dann nachher (-) e super disziPLIN in den besprechungen. also eine aus MEIner sicht (---) zum TEIL (-) LETZTlich (-) !BES!sere disziplin wie ich des in DEUTSCHland erlebt habe;
Kommentar: E bewertet hier die Disziplin in Besprechungen als super, was eine Steigerung gegenüber dem Adjektiv gut darstellt. Weiterhin verwendet E das Adjektiv gut in komparativer Form, indem er eine vergleichende Bewertung mit Deutschland vornimmt (bessere disziplin). Auch hier wird die Individualität der Bewertung angezeigt (aus meiner sicht, wie ich des in deutschland erlebt habe) und der Zusammenhang zwischen Bewertung und Erleben (Z. 4: erlebt) wird deutlich.
Neben den Adjektiven gut und schlecht verwenden die Gesprächspartner auch differenziertere bewertende Adjektive wie zum Beispiel klasse (ich fin=des klas-
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
315
se, die erfahrung da war da schon für mich war da klasse, LOCKER Z. 563 bzw. 1055), erschreckend (meine mitarbeiterin...die hat ne diplomatie des is=äh erschreckend, KOLBER Z. 508ff), netter (dann is des ne nettere art des zu sagen, LOCKER Z. 225) etc. Insgesamt fällt in dem Korpus auf, dass es kaum stark wertende Begriffe enthält (z.B. schrecklich, furchtbar, unerträglich). Dies lässt sich (wie der nur gemäßigte Emotionsausdruck, vgl. 8.3.3) mit dem institutionellen Gesprächskontext erklären, in dem sich die Gesprächspartner offenbar starke Emotionalisierungen vermeiden. Adjektive mit positiven/negativen Konnotationen Man findet in dem Korpus weiterhin Bewertungen konkreter Eigenschaften und Verhaltensweisen durch Adjektive oder Verbalphrasen, die positive oder negative Konnotationen enthalten (z.B. chaotisch, langsam, unfokussiert, können überhaupt nicht mit kritik umgehn vs. freundlich, innovativ, offen etc.). Das folgende Beispiel entstammt wieder dem Ausschnitt der Beispielanalyse in 4.1. KOLLEGIALE BERATUNG: „oberflächlich gesagt chaotischer” (07:10, Z.161) 01 02 03 04 05 06 07
N: ja zum beispiel (.) es is (-) ä:hm: (---) alles sehr viel=ähm (---) oberflächlich gesagt chaOtischer? (--) aber des is so des SCHLAGwort was ma=eben IMMER (--) gebraucht, (--) <
Kommentar: N charakterisiert die Arbeitsweise in Spanien zunächst als chaotischer, das heißt er verwendet ein Adjektiv mit deutlich negativer Konnotation. Die negative Bewertung nimmt er jedoch gleich wieder mit einer expliziten Relativierung zurück. Solche Einschränkungen machen deutlich, dass negative Bewertungen deutlich dispräferiert sind und offenbar vermieden werden.182 Als alternativen Begriff verwendet N das Adjektiv direkter. Dieses ist nicht prinzipiell negativ konnotiert. Allerdings wird aus dem Gesprächskontext eine leichte negative Bewertung deutlich.
Im folgenden Ausschnitt weist nicht nur ein Adjektiv auf die negative Bewertung hin.
182 Auch Hausendorf (2000a: 421-423) zeigt anhand seines Materials, dass ausdrückliche Feststellungen negativer Einstellungen vermieden bzw. aufwändig abgeschwächt werden. Zum Verfahren der Relativierung vgl. 8.3.1.2).
316
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
LOCKERHEIT: „einfach so langsam” (11:19, Z.247) 01 02 03 04 05 06 07 08
N: aber MANCHmal find ich is=es auch einfach so LANGsam; E: [hm; N: [wenn man sagt HIER wir wollen des jetzt MAchen, <
Kommentar: N beschreibt das Verhalten der Spanier zunächst als langsam. Im Kontext eines effektiven Arbeitsumfelds ist dieser Begriff sicherlich negativ konnotiert (wenn auch nur schwach). Die folgende Konkretisierung der Aussage stellt eine konkrete Beispielsituation dar. Auf eine negative Bewertung deutet die betonte und gedehnte Stimmqualität sowie die monotone Satzkonstruktion in Z. 4-6 hin (Z. 5-6: <
Zusammenfassung: Die Gesprächspartner nehmen also in den Gesprächen kontinuierlich Bewertungen vor. Sie bewerten konkrete Eigenschaften und Verhaltensweisen durch Einstellungsprädikate (z.B. das stört mich), explizit wertende Adjektive (v.a. gut, schlecht) sowie durch Adjektive, die mit negativen oder positiven Konnotationen verbunden sind (z.B. chaotisch, langsam, unfokussiert). Bei allen Formen der Bewertung steht deutlich die emotionale Reaktion der Gesprächspartner im Vordergrund. Außerdem werden häufig Konsequenzen für das eigene Handeln angedeutet. Durch Bewertungen wird also eine emotionale oder handlungsbezogene Betroffenheit der Gesprächspartner angezeigt. 8.3.3 Demonstrieren individueller Betroffenheit Die Darstellung individueller Betroffenheit wird von den Gesprächspartnern schließlich auch durch das Verfahren des Demonstrierens realisiert. Dies meint den Ausdruck von Emotionen durch para- oder nonverbalen Aspekte (z.B. Gestik, Mimik, Intonationskontur, Stimmcharakteristika, Sprechgeschwindigkeit).184 183 Einige der genannten kommunikativen Merkmale werden auch von Christmann/Günthner (1999) im Zusammenhang mit Entrüstungssequenzen aufgeführt. 184 Das Verfahren entspricht dem Emotionsausdruck zur Manifestation von Emotionen bei Fiehler (1990: 99ff).
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit
317
Insgesamt enthält unser Korpus nur sehr wenige Stellen, an denen Emotionen ausgedrückt werden. Der folgende Ausschnitt illustriert jedoch einige Aspekte des Ausdrucks von Emotionen zur Darstellung individueller Betroffenheit. Der Ausschnitt wurde schon in Abschnitt 8.3.1 im Zusammenhang mit der vorausgehenden Problemdarstellung (E fühlt sich unter Druck gesetzt, dass er Verantwortung übernehmen soll für Dinge, über die er nicht Bescheid weiß) und dem Ratschlag eines Kollegen („Sag nicht, Du weißt nicht Bescheid.“) diskutiert. Der Fokus liegt hier auf dem para- und nonverbalen Ausdruck von Emotionen. ENTSENDUNGSZIEL: „es is schizophren” (28:28, Z.781) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
E: und mir hat de:r: (--) der kolLEge über den ich da gesprochen hab (.) <
Kommentar: E reformuliert in Z. 1-12 den Ratschlag des Kollegen. Nach der relativ langen Pause in Z. 14 kommentiert er den Ratschlag bzw. die Art, wie er sich in der entsprechenden Situation verhalten soll, mithilfe eines äußerst negativ konnotierten Adjektivs (es is schizophren). Das Adjektiv schizophren deutet durch seine stark wertende Tendenz und seine Herkunft aus dem psychopathologischen Wortschatz auf eine Emotionalität im Zusammenhang mit der Aussage hin. Die emotionale Qualität der Aussage wird verstärkt durch sprachliche, para- und nonverbale Merkmale innerhalb der folgenden Aussagen: die syntaktischen Parallelkonstruktionen in Z. 17-18, den Satzabbruch in Z. 18 sowie die lange Pause und Geste des ‘Hand auf den Tisch fallenlassens’ in Z. 19. N unterstützt die emotionale Reaktion E’s durch Lachen (Z. 20).185 185 Fiehler (1990: 96) beschreibt als Beispiele für typische Merkmale zum Ausdruck von Emotionen physiologische Manifestationen (z.B. Zittern, Erbleichen), nonvokale nonverbale Manifes-
318
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Zusammenfassung: Der Ausschnitt enthält ein Beispiel dafür, wie in den Gesprächen emotionale Betroffenheit durch Emotionsausdruck demonstriert wird. Insgesamt enthält unser Datenkorpus jedoch wenige Stellen, an denen Emotionen ausgedrückt werden. Hier lässt sich ein deutlicher Unterschied feststellen zu Gesprächen über kulturelle Unterschiede in anderen Kontexten, die oft viele Entrüstungssequenzen enthalten (vgl. z.B. Nazarkiewicz 2002, 1999, Hausendorf 2000a: 423ff). Dies lässt sich vermutlich damit erklären, dass die vorliegenden Gespräche in einem eher formellen Kontext aufgezeichnet wurden, nämlich im Rahmen eines Unternehmens, in dem eine dezidierte Handlungsorientierung der Mitarbeiter gefordert wird.186 Die Gesprächspartner konzentrieren sich daher auf eine in Maßen emotional gefärbte Darstellung kultureller Besonderheiten und Unterschiede, auf die Thematisierung emotionaler Reaktionen im Zusammenhang mit der Differenzerfahrung und auf die Frage nach dem Umgang mit negativen Konsequenzen für das eigene Handeln. 8.3.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden drei Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit präsentiert. Dabei wurde jeweils zwischen einer emotionalen und einer handlungsbezogenen Komponente der Betroffenheit unterschieden. Die Tabelle 8.1 gibt noch einmal einen Überblick über die Verfahren und Formen, die die Gesprächspartner zum Aufzeigen individueller Betroffenheit verwenden. Tabelle 8.1: Verfahren und Formen zum Aufzeigen individueller Betroffenheit 1. Thematisieren individueller Betroffenheit Formen Beispiele aus den Gesprächen Emotionsbenennende Verben - dieser harsche ton hat mich wirklich auch überrascht (LOCKER Z.573) - da hab ich mich am anfang n bisschen gewundert (KOLBER Z. 316) Erlebensbeschreibende Substantive - die arbeitsweise is schon=ne umstellung (KOLBER Z. 154f) - und der andre kulturschock weil=i grad sie gsagt han äh in spanien herrscht nur du gell achtung (FREUND Z. 813f)
tationen (z.B. Mimik, Gestik, Körperhaltung), vokale nonverbale Manifestationen (z.B: Affektlaute, Lachen, Stöhnen) sowie verbalisierungsbegleitende Manifestationen (z.B. Stimmcharakteristika, Sprechtempo). 186 Auch Christmann/Günthner (1999: 274) konstatieren, dass Entrüstungen, die eine Form von Moralisierungen sind, in formelleren Kontexten eher selten sind.
8.3 Verfahren zum Aufzeigen individueller Betroffenheit Metaphorische Wendungen Adjektive und Substantive aus dem Wortfeld ‘Problem’ (+ ggf. ausführliche Problemdarstellung)
2. Anzeigen individueller Betroffenheit Formen Einstellungsprädikate Explizit wertende Adjektive (v.a. gut/schlecht)
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- haut=s di von di socke ey (FREUND Z.1970) - ja und dann ham ma oft probleme ähm weil dann einer sagt ja=ha=ha mo=ho=homent mal die normativa sagt das is so und so (LOCKER Z. 268ff) - nur wie gesagt die termineinhaltung isch isch e biss=l problematisch (LOCKER Z. 1122) - dann wird=s schwierig (ENTSZIEL Z. 522) - das ist mir am anfang=n bisschen schwergefallen (KOLBER Z. 246) - ich fand mich immer sehr unter druck gesetzt (ENTSZIEL Z.752) - da bin ich am anfang bissl drauf gstoße (FREUND Z. 886f) - das war am anfang n=bisschen kritisch (KOLBER Z. 429) Beispiele aus den Gesprächen - was mich stört manchmal isch eben dass dass termine (LOCKER Z. 1121f) - das gute is so hab ich=s jedenfalls empfunden hier äh ma bekommt sehr schnell sehr direktes feedback (KOLBER Z. 470ff) - man kann auch sehr schlecht planen (KOLBER Z. 186) - aber trotzdem hasch dann nachher e super disziplin in den besprechungen (LOCKER Z. 1142f) - die erfahrung da war da schon für mich war da klasse (LOCKER Z. 1055) - meine mitarbeiterin...die hat ne diplomatie des is=äh erschreckend (KOLBER Z. 508ff) - dann is des ne nettere art des zu sagen (LOCKER Z. 225)
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8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Adjektive mit positiven/negativen Konnotationen
- es is ähm alles sehr viel=ähm oberflächlich gesagt chaotischer (KOLBER Z. 161f) - aber manchmal find ich is=es auch einfach so langsam (LOCKER Z. 247) - des find ich dann auch manchmal so bisschen unfokussiert (LOCKER Z. 253f) - weil sie wirklich ein extrem freundliches volk sind (FREUND Z. 1255) - sind die sehr innovativ (KOLBER Z. 450) - durchweg sin se sehr sehr offen (ENTSZIEL Z. 586) 3. Demonstrieren individueller Betroffenheit Formen Beispiele aus den Gesprächen Para- und nonverbale Merkmale Hand auf den Tisch fallen lassen, des Emotionsausdrucks Tonhöhenwechsel, Lachen
8.4 Praxiskommentar 8.4.1 Aufgabenüberblick und Bezug zur Praxis In der Aufgabe des ‘Aufzeigens individueller Betroffenheit’ drückt sich aus, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen darstellen, inwiefern die im Rahmen der vorherigen Aufgabe beschriebenen kulturellen Prägungen für sie emotionale und/oder handlungsbezogene Konsequenzen haben. Es zeigt sich hier ein zentraler Unterschied der Gespräche zum interkulturellen Training wider. Im ‘klassischen’ interkulturellen Training steht im Vordergrund, dass ein Experte (im Sinne eines ‘echten’, institutionalisierten Experten) sein Wissen über eine bestimmte Kultur an die Trainingsteilnehmer weitergibt. Dabei wird durchaus auch an bestimmten Einstellungen gearbeitet, und konkrete Handlungsstrategien werden diskutiert und erprobt (zur Unterscheidung zwischen kognitiven, affektiven und handlungsbezogenen Ziele interkultureller Trainings vgl. z.B. Bolten 1998: 165). In den Gesprächen unseres Korpus nimmt die Darstellung individueller Emotionen und Probleme hingegen einen deutlich größeren Stellenwert ein. Durch die Fokussierung auf persönliche Erlebnisse, Empfindungen und Probleme wird eine Authentizität hergestellt, die den Gesprächen eine besondere Wirkung verleiht (Lebensnähe, Überzeugung, gute Memorisierbarkeit etc.). Die Aufgabe beschreibt also die Leistungen der Erfahrungsweitergabe im Vergleich zur Wissensweitergabe. Anhand eines kurzen Ausschnitts aus dem Gespräch FRANKREICHTRAINING wurde zu Beginn des Kapitels gezeigt, wie der Gesprächspartner E
8.4 Praxiskommentar
321
die Besonderheit der Erfahrungsweitergabe (dass ich so meine erfahrung von frankreich...versuche...rüberzubringen) auffasst (vgl. 8.2.1). Es handelt sich um ein in einem Vorbereitungstraining aufgezeichnetes Gespräch, bei dem es keine Gesprächseinleitung durch eine externe Person gab und die Gesprächspartner entsprechend komplett selbständig Gesprächsgegenstand und -ziel konstituieren können (vgl. 3.1.2). Die zentralen Fragen lauten für ihn: wie hab ich frankreich empfunden und was war mein problem. Damit wird dem Aspekt der individuellen Betroffenheit ein zentraler Stellenwert bei der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten zugeschrieben. Es wird auch deutlich, dass die individuelle Betroffenheit für ihn zwei Komponenten umfasst: zum einen die emotionale Betroffenheit (Welche Emotionen haben bestimmte Unterschiede bei mir ausgelöst?), zum anderen die handlungsbezogene Betroffenheit (Welche Konsequenzen haben sie für mein individuelles Handeln?). Ebenfalls anhand von Gesprächsausschnitten wurde zeigt, dass sich im Zusammenhang mit dem Aufzeigen individueller Betroffenheit häufig Solidarisierungen zwischen den Gesprächspartner feststellen lassen (z.B. das hab ich damals auch so empfunden, wir ham mit dem problem zu kämpfen) (vgl. 8.2.2). Solche Solidarisierungen wurden als Hinweis darauf gedeutet, dass die Gesprächspartner ein Bedürfnis haben, insbesondere problematische Erfahrungen mit einer anderen Person zu teilen. Es wurden insgesamt drei Verfahren herausgearbeitet, die die Gesprächspartner zur Bewältigung der Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit verwenden: das ‘Thematisieren’, das ‘Anzeigen’ und das ‘Demonstrieren individueller Betroffenheit’. Im Rahmen der Verfahren wurden folgende Auffälligkeiten herausgearbeitet: 1.
‘Thematisieren individueller Betroffenheit’: Die Gesprächspartner thematisieren in den Gesprächen sowohl ihr individuelles Erleben und damit verbundene Emotionen als auch Konsequenzen für das eigene Handeln. Dabei fällt bei der Thematisierung von Erleben und Emotionen auf, dass sie kaum extreme Emotionen mit starken Bewertungen (z.B. Ärger, Wut) benennen oder beschreiben, sondern vielmehr gemäßigtere Emotionen, die typischerweise mit der Differenzerfahrung zusammenhängen (z.B. Verwunderung, Erstaunen, Überraschung). Im Bezug auf die Thematisierung von Konsequenzen für das eigene Handeln wurde ein deutlicher Fokus auf negative Konsequenzen in Form von Problemdarstellungen festgestellt.187 Mit der
187 In der Interkulturellen Kommunikation wird eine primäre Orientierung an Missverständnissen und interkulturellen Konflikten im Gegensatz zu positiven Effekten und Synergien an verschiedener Steller mit Recht kritisiert (vgl. z.B. ten Thije 2001: 179-180, Koole/ten Thije 1994: 416-7, Knapp/Knapp-Potthoff 1990: 75) Im Kontext der Gespräche unter Auslandsentsandten
322
2.
3.
8. Aufgabe-4: Individuelle Betroffenheit aufzeigen
Darstellung individueller Probleme leitet die Aufgabe damit zur nächsten Aufgabe (‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’, vgl. Kapitel 9) über. ‘Anzeigen individueller Betroffenheit’: Das Anzeigen individueller Betroffenheit erfolgt in den Gesprächen insbesondere durch Bewertungen. Es wurde gezeigt, dass Bewertungen in den aufgezeichneten Gesprächen nicht einfach als ein Aspekt der sozialen Kategorisierung aufzufassen sind (wie z.B. bei Hausendorf 2000a), sondern vielmehr funktional sind. Sie dienen implizit der Darstellung emotionaler und handlungsbezogener Betroffenheit. Diesen Zusammenhang machen die Gesprächspartner an einigen Stellen explizit deutlich (vgl. 8.3.2) ‘Demonstrieren individueller Betroffenheit’: Insgesamt finden sich in unserem Korpus nur wenige Stellen, an denen die Gesprächspartner ihre emotionale Betroffenheit durch para- oder nonverbale Merkmale (z.B. Auf-denTisch-Hauen, Lachen, Stöhnen) demonstrieren. Der im Vergleich zu anderen kulturellen Diskursen geringe Anteil an Entrüstungssequenzen lässt sich durch den institutionellen Kontext unserer Gespräche erklären (zu Entrüstungssequenzen in ethnisch-kulturellen Diskursen in anderen Kontexten vgl. z.B. Hausendorf 2000a, Nazarkiewicz 2001, 1999).
Mithilfe der genannten Verfahren leitet die Aufgabe des Aufzeigens individueller Betroffenheit erstens von der Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3) zur Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden über (Aufgabe-5). Dabei besitzen insbesondere die mehr oder weniger ausführlichen Problemdarstellungen eine überleitende Funktion (vgl. 8.3.1). 8.4.2 Die Herausforderung der Darstellung von Betroffenheit in institutionellen Kontexten und Strategien zu ihrer Bewältigung Die Analysen im Zusammenhang mit der Aufgabe haben deutlich gemacht, dass die Gesprächspartner allzu starke Emotionalisierungen, die Benennung extremer Emotionen sowie starke Bewertungen vermeiden. Eine Herausforderung besteht für sie also offenbar darin, die Besonderheiten der Erfahrungs- im Vergleich zur Wissensweitergabe zu nutzen (vgl. oben), ohne dabei zu stark emotional zu werden. Die Herausforderung der Darstellung von Betroffenheit in institutionellen Kontexten wird nicht nur in den Gesprächen deutlich, sondern ist auch aus Unternehmensperspektive aufschlussreich. Denn eine mögliche Befürchtung von Unternehmensseite ist, dass sich die Gesprächspartner in den Gesprächen gegenist allerdings nachvollziehbar, dass diesen vor allem Probleme auffallen bzw. in Erinnerung bleiben, und es sind auch die problematischen Aspekte, an die sich in solchen Gesprächen Erläuterungen und Diskussionen über Handlungsstrategien anschließen können (vgl. Aufgabe-5).
8.4 Praxiskommentar
323
seitig zu Stereotypisierungen und Entrüstungssequenzen anregen lassen und dass die Gespräche somit voller Emotionalisierungen und negativ-moralisierender Bewertungen sein könnten (vgl. die Analysen interkultureller Trainingssituationen bei Nazarkiewicz 2002, 1999), ohne dass konstruktiv über Strategien für das eigene Handeln gesprochen wird. Wie gehen die Gesprächspartner mit der Herausforderung um, emotionale und handlungsbezogene Betroffenheit aufzuzeigen, ohne dabei in allzu starke Emotionalisierungen zu verfallen? Emotionalisierungen lassen sich in Gesprächen über fremde Kulturen kaum vermeiden. Hausendorf (2007) spricht von einem ‘Emotionalisierungsdilemma’ in Gesprächen über kulturelle Unterschiede.188 Wie im Hinblick auf die Authentizität der Erfahrungsberichte gezeigt wurde, können solche Emotionalisierungen und Bewertungen auch durchaus positive Effekte haben (vgl. 8.4.1). Außerdem wurde anhand von Gesprächsausschnitten herausgearbeitet, dass die Gesprächspartner erstens nur wenige Entrüstungssequenzen produzieren (vgl. 8.3.3) und insgesamt eher gemäßigte Emotionen thematisieren (vgl. 8.3.1). Schließlich fällt auf, dass die Gesprächspartner auch allzu negative Bewertungen vermeiden bzw. kontinuierlich abschwächen (vgl. 8.3.2). All diese kommunikativen Auffälligkeiten tragen dazu bei, dass die emotionale Qualität von Erfahrungen in den Gesprächen zutage tritt, ohne dass die Gesprächspartner dabei allzu stark emotionalisieren oder von ihrem Handlungsfokus abweichen. Die folgende Liste gibt abschließend noch einmal einen Überblick über die Aspekte, die im Zusammenhang mit den einzelnen Verfahren herausgearbeitet wurden und eine Mäßigung der Emotionalisierung bewirken: Vermeidung der expliziten Thematisierung starker negativer Emotionen (z.B. Ärger, Hass) (vgl. 8.3.1) Statt dessen Benennung und Beschreibung von Emotionen, die die Differenzerfahrung charakterisieren (z.B. Überraschung, Verwunderung, Erstaunen) (vgl. 8.3.1) Statt expliziter Thematisierung von Emotionen eher Fokussierung auf konkrete Problemdarstellung und Handlungsaspekte (vgl. 8.3.1) Statt expliziter Thematisierung, implizites Anzeigen von Emotionen durch (gemäßigte) Bewertungen (vgl. 8.3.2) Vermeidung von Emotionsausdruck in Form von Entrüstungssequenzen (vgl. 8.3.3)
188 „Wie immer man solche Hinweise auch auszusparen oder abzumildern versuchen mag: um die Bewertung im Sinne der Darstellung der eigenen Einstellungen zu den fraglichen Eigenschaften und Verhaltensweisen kommt man nicht umhin. Man könnte das das Emotionalisierungsdilemma nennen“ (Hausendorf 2007: 411).
9 Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
9.1 Definition und Forschungskontext Die Aufgabe der ‘Formulierung interkultureller Ratschläge’ besteht für die Gesprächspartner darin, dem anderen aufbauend auf die dargestellten kulturellen Prägungen (Aufgabe-3) und die aufgezeigte individuelle Betroffenheit (Aufgabe4) Handlungsempfehlungen für die Zusammenarbeit mit Kollegen und Geschäftspartnern der fremden Kultur zu geben. Die Aufgabe fokussiert also auf die Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden am Arbeitplatz und dabei insbesondere auf den Umgang mit Problemen und problematischen Situationen. Der Schwerpunkt liegt damit auf der Handlungskomponente des Erfahrungsbegriffs (zum Verständnis von ‘Erfahrung’ im Sinne von Erfahrungs- oder Handlungswissen vgl. die theoretischen Ausführungen in 1.3.1 sowie die Darstellung der Analyseergebnisse in 7.2.1 und 8.1 bzw. 8.3.1). Sie schließt damit unmittelbar an explizite oder implizite Problemdarstellungen an, wie sie im Rahmen der letzten Aufgabe beschrieben wurden (8.3.1 und 8.3.2). Die Analysen haben gezeigt, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen relativ schnell zur Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden überleiten. Sie behandeln fast kein Thema, ohne dass dieser Aspekt ausführlich bearbeitet wird. Die Aufgabe ist teilweise in den Gesprächen über weite Strecken dominant. Dies lässt sich vor allem mit dem hohen Effektivitätsdruck von Auslandsentsandten am Arbeitsplatz erklären. Sie haben eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen und zudem häufig umfassende Führungsverantwortung. Daher werden von Anfang an große Erwartungen an ihr Handeln gestellt.189 Da die Aufgabe der Formulierung interkultureller Ratschläge in den aufgezeichneten Gesprächen von zentraler Bedeutung ist, kann man sich fragen, ob es sich bei den Gesprächen nicht um eine spezifische Art des Beratungsgesprächs handelt. Es lassen sich durchaus einige Parallelen feststellen. Allerdings bestehen auch deutliche Unterschiede zu Beratungsgesprächen. Anhand einiger Gesprächsausschnitte werde ich in 9.2.1 zeigen, wie die Gesprächspartner selbst die 189 Auch Müller (1993: 27) betont, dass Akteure im Wirtschaftskontext unter einem großen „Erfolgszwang“ bzw. „Handlungs- und Kooperationsdruck“ stehen und dass daher grenzüberschreitende Wirtschaftskommunikation „mehr gefährdet“ ist als interkulturelle Kommunikationssituationen in den Bereichen Tourismus, Städtepartnerschaften etc.
326
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Aufgabe konzeptualisieren und warum es auf dieser Basis angemessen erscheint, von Ratschlägen und nicht von einem Beratungsgespräch zu sprechen. Im Anschluss an die Unterschiede zum klassischen Beratungsgespräch ist die Beobachtung interessant, dass die Gesprächspartner Handlungsempfehlungen vor allem implizit anzeigen. Nur in bestimmten Kontexten verwenden sie das Verfahren des expliziten Aussprechens von Handlungsempfehlungen (zu den Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge vgl. 9.3). Linguistische Forschungsbezüge Linguistisch gesehen handelt es sich beim Ratschlagen um einen illokutiven Sprechakt, der wie das Anordnen, Befehlen, Empfehlen und Vorschlagen gemäß der Einteilung Searles (1982) in die Klasse der direktiven Illokutionen einzuordnen ist. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Absicht haben, den Hörer dazu zu bewegen, etwas zu tun (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 134, auch 656ff). Dabei besitzen Ratschläge im Gegensatz zu Anordnungen und Befehlen nur empfehlenden Charakter. Es bleibt dem Empfänger freigestellt, ob er dem Ratschlag folgt oder nicht (ebd.: 137).190 Gesprächsanalytisch wird das Ratschlagen im Rahmen der Forschung zu Beratungsgesprächen betrachtet. Auch wenn es sich bei den Gesprächen zur Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten nicht um klassische Beratungsgespräche handelt, kann für die Aufgabe der Formulierung interkultureller Ratschläge in einigen Punkten auf diese Forschung zurückgegriffen werden. Beratungsgespräche wurden schon früh in der linguistischen Gesprächsanalyse untersucht. Im Rahmen des Freiburger Projektes ‘Dialogstrukturen’ hat Schank (1981b, 1979a) den Handlungsplan bzw. das Ablaufmuster des Beratens in Kurzberatungen rekonstruiert. Er beschreibt folgende Teilziele des Beratens: Problemexplizierung, Erfassung von Lage und Person des Ratsuchers, Ratsuche, Akzeptationshandlungen. Wunderlich (1981) arbeitete etwa zeitgleich ein Sequenzmuster für Ratschläge aus, das wesentlich differenzierter als der von Schank beschriebene Handlungsplan ist. Ein weiteres differenziertes Handlungsmuster des Beratens entwickelten die Forscher des 1979 bis 1983 am Institut für Deutsche Sprache durchgeführten Projekts ‘Beratungsgespräche – Analyse asymmetrischer Dialoge’. Das Projekte wurde von Kallmeyer geleitet, involviert waren außerdem die Linguisten Nothdurft, Schröder und Reitemeier (vgl. Kallmeyer 2001, 1985, Nothdurft/ Reitemeier/Schröder 1994, Schröder 1985, Nothdurft 1984). Ziel des Projektes war die Beschreibung sprachlicher Handlungen, Organisationsstrukturen und 190 Zum Ratschlag und zu seiner Abgrenzung von anderen Sprechakten vgl. auch Schilling 1999, Rolf 1997, Searle 1982.
9.1 Definition und Forschungskontext
327
kommunikativer Verfahren in Beratungsgesprächen. Auf der Basis authentischer Gesprächsdaten beschreiben die Autoren Prozesse der Rollenkonstitution und Beziehungsgestaltung (zwischen Ratsuchendem und Ratgeber) sowie zentrale Merkmale und Realisierungsvarianten des Handlungsmusters ‘Beraten’. Zentrale Aufgaben für die Realisierung des ‘Beratens’ sind für die genannten Autoren (1) die Problempräsentation, (2) die Entwicklung einer Problemsicht, (3) die Festlegung des Beratungsgegenstandes, (4) eine Lösungsentwicklung, (5) eine Lösungsverarbeitung sowie (6) die Vorbereitung der Realisierung (Kallmeyer 1985). Einen gesprächsanalytischen Ansatz zum Beraten entwickelte auch Hartog (1996). Gegenstand ihrer Untersuchung sind genetische Beratungsgespräche. Ein Spezifikum dieser Gespräche ist, dass sie auf eine Entscheidung hin zielen. Auch Hartog beschreibt eine Musterstruktur des Beratens, die sie deutlich von dem „alltäglichen Ratgeben“ (ebd.: 304) abgrenzt. Der Unterschied besteht laut Hartog vor allem darin, dass in genetischen Beratungsgesprächen meist durch professionelles Wissen der Fokus der Handlungsmöglichkeiten erweitert wird, während er im alltäglichen Ratgeben eher eingeengt wird (ebd.: 305). Mit dem Beraten beschäftigen sich weiterhin Autoren aus dem Kontext der Transferwissenschaften (Cherubim 2004, Palm 2001). Cherubim (2004) analysiert Beratungsgespräche im Universitätskontext. Bedingungen für ein Beratungsgespräch sind für ihn die Asymmetrie von Wissensbeständen oder Kompetenzen, ein bestimmter Beratungsbedarf sowie die Tatsache, dass jemand als Berater akzeptiert wird (ebd.: 83). Palm (2001) betrachtet Beratungsgespräche unter dem Aspekt des Wissenstransfers. Zentrale Definitionskriterien für Beratungsgespräche sind laut Palm die Teilnehmerrollen des Experten und des Laien. Zweck der Gespräche ist die Lösung akuter Probleme des Laien (ebd.: 350-351). Systemische Beratungsgespräche im Wirtschaftskontext sind Thema der Arbeiten Habscheids (2004, 2003). Konstitutive Merkmale von Beratungsgesprächen sind auch für ihn bestimmte Beteiligungsrollen, die ein asymmetrisches Teilnehmerverhältnis schaffen (Ratsuchender, Ratgeber), sowie ein gemeinsames Interesse an der Problemlösung (Habscheid 2004: 328, Habscheid 2003: 126). Ein weiterer Gesprächstyp, der den Gesprächen zur Weitergabe kultureller Erfahrungen im Arbeitskontext nahe steht, sind Unterweisungen in der beruflichen Ausbildung. Solche Gespräche dienen dem Zweck, „Personen für eine berufliche Tätigkeit im Unternehmen auszubilden und zu qualifizieren“ (Brünner 2001: 1536). Im Gegensatz zum klassischen Unterrichtsgespräch enthalten diese einen hohen Anteil an Handlungswissen. Allerdings wurden in der Gesprächsanalyse bisher vorwiegend berufspraktische Unterweisungen behandelt, bei denen ein Ausbilder einen Auszubildenden direkt vor Ort einweist (z.B. Baßler 1996, Brünner 1995, Brünner/Fiehler 1983). Die genannten Arbeiten beschäfti-
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
gen sich mit unterschiedlichen Instruktionsstilen sowie mit der Verknüpfung von kommunikativem Handeln und praktischen Tätigkeiten (Vormachen bzw. Nachmachen). Kaum untersucht wurden hingegen Einweisungen neuer Mitarbeiter durch erfahrenere Mitarbeiter, bei denen Erfahrungswissen im Sinne eines Handlungswissens im Managementkontext weitergegeben wird und entsprechend das Ratschlagen ein zentrales Instruktionsmuster darstellt (Haugk 2006). Im Folgenden werde ich zunächst auf die Frage eingehen, inwiefern es angemessen erscheint, im Bezug auf die Gespräche von einer ‘Beratung’ oder einem ‘Ratschlagen’ zu sprechen (9.2.1). Anschließend stelle ich alternative Formen und Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge vor (9.3). Dabei unterscheide ich zwischen den Verfahren des ‘expliziten Aussprechens’ (10.3.1) und des ‘impliziten Anzeigens von Handlungsempfehlungen’ (9.3.2). Das Kapitel schließt wieder mit einem Aufgabenüberblick und einem Praxiskommentar, der Herausforderungen und Strategien beschreibt, die für die Unternehmenspraxis besonders relevant sind (9.4).
9.2 Aufgabenspezifika 9.2.1 Beratung oder Ratschlag? Die Analysen haben gezeigt, dass sich einige Ähnlichkeiten zwischen der Formulierung von Ratschlägen in den aufgezeichneten Gesprächen und dem klassischen Beratungsgespräch feststellen lassen. Dennoch erscheint es insgesamt nicht angemessen, von Beratungsgesprächen zu sprechen. Um zu zeigen, warum es in den Gesprächen um ein Ratschlagen aber nicht um eine Beratung geht, möchte ich zunächst erläutern, wie die Gesprächspartner zu der Aufgabe überleiten und wie sie die Aufgabe konzeptualisieren. Anschließend werde ich Parallelen und Unterschiede aufzeigen zwischen dem Ratschlagen in den Gesprächen des Korpus der vorliegenden Arbeit und dem Muster des Beratungsgesprächs wie es in der Literatur beschrieben wurde. Grundsätzlich können sowohl E als auch N in den Gesprächen unter Auslandsentsandten einen Übergang zur Frage nach dem Umgang mit bestimmten Problemen oder Unterschieden initiieren. Häufiger ist in meinem Korpus der Fall, dass der Gesprächspartner E direkt von der Darstellung und Bewertung kultureller Prägungen zur Frage nach dem Umgang damit und zur Formulierung interkultureller Ratschläge überleitet. Wie ein solcher Übergang und die anschließende Bearbeitung der Aufgabe realisiert werden kann, möchte ich anhand eines längeren Ausschnitts aus dem Gespräche ANMELDUNG zeigen. In dem Ausschnitt werden bereits mehrere Verfahren zur Formulierung von Ratschlägen
9.2 Aufgabenspezifika
329
deutlich. Ein Teil des folgenden Ausschnitts wurde schon im Zusammenhang mit dem Verfahren der Konkretisierung zur Darstellung kultureller Prägungen betrachtet (vgl. 7.3.1.3). ANMELDUNG: „was zum thema mitarbeiterführung” (06:53, Z.261) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
E: motivaTION vielleicht ähm (--) zunächst mal zu=was zum thema (--) zum thema MITarbeiterführung; (--) äh:: wie (.) wie gehst du als (--) als FÜHrungskraft mit (-) mit LEUten hier UM, (--) sa=mal so den KLASsischen: (-) äh SPAnier, (--) äh (-) die KLASsische SPAnische FÜHrungskraft, äh:: (-) geht in der (-) KLASsischen (-) hieRARchischen FORM (-) mit sein=n mitarbeitern um. (--) N: mhm, (--) E: des heißt=äh: (--) wenn=s net funktioNIERT wird=s LAUT, (-) N: mhm, (--) E: äh::m: (--) kurz ANgebunden:, (--) äh (---) ein BEIspiel zum BEIspiel is=äh:: *rodríguez*, (--) der sitzt in seinem büRO, (--) der ruft seine leute net mal (:) REIN, sondern der ruft (-) m’ mi=m TElefon kurz draußen AN, (--) dass sie mal gefälligst hier ANtanzen SOLlen, (--) N: [mhm, E: [und äh:: (-) dann wird in kurzen knappen worten (--) äh: (--) kommuniziert=äh: (-) was (--) was SAche is. (1.5) als (--) is MEIN führungsstil jetzt NICH, (--) ähm (--) ICH hab im (--) in den (1.0) zwei JAHren hier (1.5) DEN (--) DEN stil gepflegt den ich auch in DEUTSCHland gePFLEGT hab, also des heißt die mitarbeiter in die: (-) entSCHEIdungsfindung mit EINbinden, N: [mhm, E: [sofern=s s’ SINNvoll is, (--) und (--) äh:: (1.0) ihn=n auch zu erKLÄR=N (---) waRUM=ma=s SO machen, (1.0) und des WICHtigste aus mEIner sicht WA:R des ha=m mir die: LEUte dann (--) nachdem ich=äh:: aus=m *bereich-1* gewEchselt hab, (---) äh in die NEUaufgabe- (---) ha=m se mir auch=äh kommuniZIERT dass (--) äh:: (--) für sie des wichtigste war (-) dass die führungskraft des auch VORgelebt hat. (--) N: mhm, (--) E: und dass=se des SE:HR SE:HR (-) POsitiv empfunden haben (--) äh:: diesen (-) ich sag mal DEUTschen STIL, (--) äh: (-) diesen ANderen stil, (--) im gegensatz zu dem=äh:: SPAnischen stil will=i=n mal
330 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren nennen. (1.0) WICHtig ist aber (--) trotz alleDEM, (1.0) was ich glaub (--) dass SCHON notwendig ist hier wenn du:: (-) in beSTIMMten momenten VORwärts kommen willst (--) musst=du=au ab und zu mal auf=n TISCH hauen. (--) N: mhm, (--) E: des is jetzt zum beispiel was was mir au net unbedingt (-) hundertproZENtig liegt, ja, also ich wer in also (--) die (.) die (.) tage im jahr wo ich mal LAUT wer hier=im: (-) in der firma die kannst=e also (--) an zwei HÄNden abzählen, (---) aber (---) äh des BRAUchen=s ab und zu; (---) dass ma also (.) schon=ne:: ich glaube ne gewisse: dominante Ader (-) äh: (-) is durchaus von VORteil.
Kommentar: Der Ausschnitt lässt sich in folgende Abschnitte einteilen: a. b. c. d. e. f. g.
Einführung des Themas Mitarbeiterführung (Z. 1-4) Darstellung typischer spanischer Verhaltensweisen (Z. 5-21) Hervorhebung der eigenen Differenzerfahrung (Z. 22) Darstellung eigener Verhaltensweisen und Reaktionen der Spanier auf diese Verhaltensweisen (Z. 23-46) Formulierung einer expliziten Handlungsempfehlung (Z. 47-52) Darstellung des eigenen Verhaltens als Abweichung von der Handlungsempfehlung (Z. 53-57) Abschließende allgemeine Begründung der Handlungsempfehlung (Z. 58-60)
Zu a.: Der Gesprächspartner E führt in Z. 1-2 explizit ein Thema ein (thema mitarbeiterführung). Er konkretisiert das Thema in Z. 3-4 durch die Formulierung einer Frage (wie gehst du als als führungskraft mit mit leuten hier um). Mit der Frage fokussiert er direkt auf die Frage nach dem Umgang mit Mitarbeitern vor Ort. Das Personalpronomen der 2.Ps.Sg. (du) deutet darauf hin, dass es um das Aufzeigen von Handlungsoptionen für N geht. Ausgangspunkt für die Bearbeitung des Themas ist also nicht die Frage nach kulturellen Prägungen oder Unterschieden, sondern die Frage nach Handlungsoptionen und Handlungsempfehlungen für den Umgang N’s mit spanischen Mitarbeitern. Zu b.: Im Bezug auf das Thema der Mitarbeiterführung stellt E nun zunächst kulturspezifische Verhaltensweisen dar, die den Umgang mit den Mitarbeitern beeinflussen. In Z. 5-20 bearbeitet er damit primär die Aufgabe der Darstellung kultureller Prägungen Der inhaltliche und intonatorische Abschluss der Äußerung sowie die anschließende Pause von 1,5 Sekunden in Z. 21 deuten darauf hin, dass nun etwas Neues beginnt. Zu c.: In Z. 22 weist E darauf hin, dass sich die Verhaltensweisen, die er der spanischen Führungskraft zugeschrieben hat, von seinem eigenen Führungsstil unterscheiden (is mein führungsstil jetzt nich). Mithilfe einer Verneinung hebt er explizit seine Differenzerfahrung hervor. Anschließend stellt er dar, wie er selbst mit spanischen Mitarbeitern
9.2 Aufgabenspezifika
331
umgegangen ist. Er leitet also über eine kurze Hervorhebung der eigenen Differenzerfahrung schnell zur Frage nach dem Umgang mit Unterschieden über. Zu d.: E stellt sein eigenes Handeln zunächst in Z. 23-31 aus der eigenen Perspektive bzw. der gemeinsamen Perspektive mit N (Z. 30: ma) dar. Er charakterisiert seinen Führungsstil einleitend abstrakt als den Stil den ich auch in deutschland gepflegt hab. Es folgt eine Aufzählung zwei konkreter Verhaltensweisen, die beide im Infinitiv formuliert sind (die mitarbeiter in die entscheidungsfindung mit einbinden, ihn=n auch zu erklär=n warum=ma=s so machen). In Z. 32-40 beschreibt er eine dritte Verhaltensweise. Dabei wechselt er zur Perspektive der Mitarbeiter in Spanien, die sein Verhalten als positiv bewertet haben (dass die führungskraft [= E] des auch vorgelegt hat). Er betont, dass er diese dritte Verhaltensweise für besonders wichtig hält (des wichtigste aus meiner sicht war). Die Gewichtung basiert auf einer positiven Rückmeldung durch die Spanier (des ha=m mir die leute dann...kommuniziert dass äh für sie des wichtigste war). Die positive Reaktion der Spanier reformuliert er noch einmal in Z. 41 (dass=se des sehr sehr positiv empfunden haben). Die deutlichen Akzente und Dehnungen auf der zentralen Adverbialgruppe dieser Formulierung (SE:HR SE:HR POsitiv) unterstützen die Wichtigkeit dieses Aspekts. Abschließend klassifiziert E in Z. 42-45 die eigenen Verhaltensweisen explizit als deutschen stil im Gegensatz zum spanischen stil, der nicht weiter erläutert wird. Zu. e.: Die Darstellung einer eigener Verhaltensweisen, die zu positiven Reaktionen oder Konsequenzen führt, impliziert eine gewisse Handlungsempfehlung für den Gesprächspartner. In Z. 47-51 geht E jedoch über zur Formulierung eines expliziten Ratschlags für N. Auch den Ratschlag gewichtet E mithilfe zweier einleitender Formulierungen (wichtig ist, was ich glaub dass schon notwendig ist hier). Typisch für einen Ratschlag ist die direkte Ansprache des Gesprächspartners in den Personalpronomen (2.Ps.Sg.: du) sowie die Verwendung des Modalverbs müssen in Kombination mit einem Handlungsverb (auf=n tisch hauen). Der Ratschlag ist in Form einer Wenn-DannKonstruktion formuliert (wenn du...[dann] musst=du...). Auch diese wird häufig für die Formulierung von Ratschlägen verwendet. Zu f.: Im Anschluss an den expliziten Ratschlag geht E in Z. 53-57 wieder zur eigenen Perspektive über, indem er eingesteht, dass ihm selbst die empfohlene Verhaltensweise schwer fällt (net unbedingt hundertprozentig liegt). Sein eigenes Verhalten stellt er gewissermaßen im Kontrast zu der Handlungsempfehlung dar. Diese Einschränkung weist zum einen darauf hin, dass der Ratschlag (im Gegensatz zu der impliziten Handlungsempfehlung in Z. 32-45) nicht auf eigenen positiven Erfahrungen basiert. Zugleich zeigt E damit an (und gesteht N zu), dass die Umsetzung des Ratschlags möglicherweise nicht immer einfach ist. Zu g.: Es folgt abschließend in Z. 58-60 eine allgemeine Begründung der dargestellten expliziten Handlungsempfehlung, die einerseits auf einer Einschätzung der Mitarbeiter vor Ort basiert (des brauchen=s ab und zu), andererseits auf der Annahme positiver Konsequenzen, die zu erwarten sind, wenn man sich an den Ratschlag hält (is durchaus von vorteil). Insbesondere der zweite Teil der Begründung ist neutral formuliert (3.Ps.Sg.) und reformuliert die im Ratschlag empfohlene Verhaltensweise (auf=n tisch hauen) substantiviert als Eigenschaft (ne gewisse dominante ader). Damit wird eine allgemeine Gültigkeit des Ratschlags suggeriert.
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Nachdem E also bereits in der Themeneinführung auf die Frage nach dem Umgang mit Mitarbeitern fokussiert hat, leitet er sehr schnell von der Darstellung kultureller Prägungen über eine kurze Hervorhebung der eigenen Differenzerfahrung zur Frage nach dem Umgang mit spanischen Mitarbeitern über. Er formuliert sowohl eine implizite Handlungsempfehlung, die auf der Darstellung eigener Handlungsweisen und positiver Erfahrungen basiert, als auch einen expliziten Ratschlag, den er selbst nur schwer umsetzen kann aber allgemein begründet. Für ihn steht also ganz klar die Frage im Vordergrund, welche Handlungsempfehlungen er N auf der Basis unterschiedlicher Argumentationen geben kann. Dies zeigen Formulierungen, die sich deutlich an den Gesprächspartner richten (2.Ps.Sg, müssen) sowie die Darstellung und Bewertung konkreter Konsequenzen einzelner Verhaltensweisen. Das letzte Beispiel konnte zeigen, wie E von der Darstellung kultureller Prägungen zur Formulierung interkultureller Ratschläge überleitet. Insbesondere in dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL ist es der Gesprächspartner N, der mehrfach zur Frage nach dem Umgang mit bestimmten Aspekten überleitet. In Kapitel 5 zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen wurde an einem Beispiel aus diesem Gespräch gezeigt, wie N nach E’s Darstellung kultureller Prägungen direkt auf die Frage nach dem Umgang mit bestimmten Aspekten fokussiert und E darin kritisiert. In dem Beispiel ging es um das Problem, dass Deutsche häufig abends aufarbeiten müssen, was einfach unbedingt gemacht werden muss (bzw. eigentlich von Spaniern hätte gemacht werden müssen). ENTSENDUNGSZIEL: „wie ka=ma des in den griff kriegen” (13:55, Z.325) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
E: ich glaub des ist der job (-) da brauchen wir uns nichts VORmachen. der bleibt LIEgen. (---) [ne ? N: [.hh E: [den müs (-) den müssen wir dann ABfangen. N: [(da/des) E: dafür SITzen wer hier. (1.0) N: gut (--) ich mein (---) <
9.2 Aufgabenspezifika 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
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E: wir sindN: für mich ist die frage wie ka=ma des in den GRIFF kriegen mit den (--) den SCHLINgeln hier; (1.0) ich denk die nutzen das ja AUS. die kennen uns sehr GUT, E: [mhm, N: [viele von ihnen waren über JAHre oder über MOnate zumindest ma in DEUTSCHland. (--) kennen die arbeitsweisen der germanen bei *industria*, (1.0) E: [mhm, N: [und sind SCHLAU genug das eben AUSzunutzen. (--)
Kommentar: E akzeptiert die zuvor dargestellte Situation und vertritt in Z. 1-7 sogar die Ansicht, dass es eine der Aufgaben von Auslandsentsandten ist, Dinge aufzuarbeiten (Z. 1-7: ich glaub des ist der job da brauchen wir uns nichts vormachen. der bleibt liegen. ne? den müs den müssen wir dann abfangen. dafür sitzen wer hier). Das Verb müssen sowie die abschließende Formulierung dafür sitzen wer hier zeigen eine Handlungsnotwendigkeit an. Dabei deutet die Verwendung des Personalpronomens wir (Z. 1 und 5) darauf hin, dass E die Handlungsnotwendigkeit sowohl für sich selbst als auch für den Gesprächspartner N sieht. Die Aussage enthält damit eine implizite Handlungsaufforderung an N (den müssen wir dann abfangen). N lehnte die Ansicht E’s ab Z. 9 deutlich ab und vertritt die These, dass man den Zustand so nicht akzeptieren kann, denn s=ja eigentlich nicht das ziel ihrer entsendung bzw. dafür sind wer beide etwas zu teuer. Auch er bezieht sich dabei sowohl auf den Gesprächspartner (ziel ihrer entsendung) als auch sich selbst (wer beide). In Z. 21-22 lenkt N das Gespräch konkret auf die Frage nach einem angemessenen Handeln in der dargestellten Situation, das heißt nach dem Umgang mit dem Problem, dass Arbeiten unerledigt liegen bleiben (für mich ist die frage wie ka=ma des in den griff kriegen mit den den schlingeln hier). Das Handlungsverb in den griff kriegen sowie der umgangssprachliche negativ konnotierte Begriff schlingel deuten auf ein Problem hin. N nennt und kommentiert negative Konsequenzen des Verhaltens, das E vorschlägt (die nutzen das ja aus, sind schlau genug das eben auszunutzen). Das heißt, er kritisiert E hier konkret im Hinblick auf die Frage nach dem Umgang mit den erfahrenen Unterschieden.
In dem Gesprächsausschnitt erfolgt also N’s explizite Fokussierung auf die Frage nach dem Umgang mit einem bestimmten interkulturellen Problem als Reaktion auf eine implizite Handlungsaufforderung E’s. N lehnt die von E als notwendig dargestellte Handlungsweise ab, indem er negative Konsequenzen prophezeit. Damit fasst auch er die aktuelle kommunikative Aufgabe als Formulierung interkultureller Ratschläge von E für N auf, lehnt jedoch einen Ratschlag E’s auf der Basis seiner institutionellen Kompetenz ab (zu den verschiedenen Kompetenzbereichen vgl. 5.2.1). Auch im Zusammenhang mit dem Thema der mangelnden Verantwortungsübernahme lenkt N das Gespräch schnell auf die Frage, wie E hiermit umgeht:
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
ENTSENDUNGSZIEL: „wie gehen sie denn damit um” (30:21, Z.875) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
N: jaja sicher. das is (.) eins der phänomene das ich auch auf dem: dem AUSlands AUSreiseseminar gelernt habe((...)) sonst wär ich da AUCH nich drauf gekommen; aber wie gehen sie denn damit UM;= =ich mein wenn sie=ich zum PUNKT kommen können und sich immer=m KREIS dreh=n, (--) E: auf die WICHtigsten dinge konzenTRIEr=n,
Kommentar: In Z. 1 bestätigt N den Gesprächspartner E in dessen Darstellung kulturspezifischer Verhaltensweisen (es wird nicht klar ausgesprochen wer die Schuld hat, wer verantwortlich ist, wer bestimmte Aufgaben erledigen wird etc.). Er präzisiert zudem, auf welcher Basis er die Aussage bestätigen kann, nämlich aufgrund dessen, was er im Ausreiseseminar gelernt hat (Z. 2-5). In Z. 6 fragt N konkret nach dem Umgang E’s mit der Situation. Damit bestätigt er implizit auch E’s vorherige Bewertung, dass sich aus diesen Verhaltensweisen für ihn Probleme ergeben (vgl. E in dem Absatz, der dem zitierten Ausschnitt voran geht: ganz schwierig). Das konkrete Problem reformuliert N noch einmal in Z. 7-8 (wenn sie=ich zum punkt kommen können und sich immer=m kreis dreh=n). Die Verneinung sowie die Verwendung einer umgangssprachlichen Floskel mit negativer Konnotation deuten auf eine negative Bewertung hin. Die Handlungsverben (zum Punkt kommen, im kreis dreh=n) zeigen an, dass sich konkrete negative Konsequenzen für das eigene Handeln ergeben. E antwortet auf die Frage mit der Darstellung einer konkreten Verhaltensweise (vgl. das Handlungsverb konzentrieren). Linguistisch formuliert er diese jedoch nicht in der 1.Ps.Sg. (d.h. als Bericht einer eigenen Verhaltensweise: ich habe versucht, mich auf die wichtigsten dinge zu konzentrieren), sondern mithilfe einer freien Infinitivkonstruktion. Solche freien Infinitivkonstruktionen tauchen in dem Korpus häufig als Formen zur Formulierung eines Ratschlags auf (vgl. 9.3.1).
N fragt in dem Gesprächsausschnitt also nach Handlungserfahrungen E’s. Da im Zusammenhang mit der Darstellung eigener Handlungsweisen in dem vorliegenden Gesprächskontext meist auch Konsequenzen aus diesen präsentiert werden, stellt die Frage nach Handlungserfahrungen implizit auch eine nach Handlungsempfehlungen dar. E reagiert auf die Frage N’s nach seinem individuellen Umgang mit dem Problem sogar direkt mit einem Ratschlag (vgl. Infinitivformulierung). Dies deutet darauf hin, dass beide Gesprächspartner die an dieser Stelle zu bewältigende kommunikative Aufgabe als ein Ratschlagen auffassen. Die drei erläuterten Beispiele aus den Gesprächen ANMELDUNG und ENTSENDUNGSZIEL konnten also zeigen, dass sowohl E als auch N zur Frage nach dem Umgang mit bestimmten Aspekten oder Problemen überleiten kann. In allen drei Beispielen werden implizite oder explizite Handlungsempfehlungen formuliert. Diese Formulierungen von Handlungsempfehlungen treten jeweils als loka-
9.2 Aufgabenspezifika
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le Phänomene auf, das heißt sie entwickeln sich lokal aus dem Gesprächskontext heraus und nehmen nur einen begrenzten Raum innerhalb des Gesprächs ein. Daher erscheint der Begriff des ‘Ratschlagens’, der einen Sprechakt und damit eher eine lokale kommunikative Handlung bezeichnet, angemessener als der des ‘Beratens’, der meist zur Bezeichnung eines gesprächsübergreifenden Musters verwendet wird (vgl. die Ausführungen und Literaturverweise in 9.1). Hinzu kommt, dass die Gespräche zur Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten insgesamt in einigen Punkten (v.a. in der Rollenkonstellation und in der Definition der zentralen kommunikativen Aufgaben) nicht dem Muster des klassischen Beratungsgesprächs entspricht, wie es in verschiedenen gesprächsanalytischen Arbeiten beschrieben wurde (vgl. 9.1.). Es liegt kein typisches Berater-Laien-Verhältnis vor, denn es gibt keinen institutionalisierten Berater, der als solcher anerkannt ist, und keinen Laien, der mit einem spezifischen Problem zum Berater kommt (vgl. z.B. Habscheid 2004, 2003, Cherubim 2001, Palm 2001, Kallmeyer 1985). Der erfahrenere Auslandsentsandte verfügt lediglich über eine größere Erfahrungskompetenz, die auf den (im Vergleich zu N) längeren Aufenthalt in Spanien zurückzuführen ist. Wie im Kapitel 5 zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen deutlich wurde, zeigt sich diese auch nicht immer im Gespräch bzw. wird nicht immer anerkannt. Der neue Auslandsentsandte hat außerdem kein konkretes Problem, mit dem er zu dem erfahreneren Gesprächspartner kommt. Es gibt also auch keine klare Problemdefinition und kein Beratungsanliegen bzw. keinen Beratungsauftrag (z.B. Kallmeyer 1985: 92). Außerdem werden entwickelte Handlungsoptionen nicht daraufhin überprüft, ob sie zur Lösung eines Problems beitragen können, und es werden keine Schritte zur Umsetzung einer bestimmten Lösung diskutiert (ebd.). Statt dessen geht es rein lokal primär um die Formulierung kondensierter, möglichst konkreter und einfacher Handlungsempfehlungen für den Umgang mit einem bestimmten Problem. Einige der zentralen von Kallmeyer (1985) und anderen (z.B. Hartog 1996, Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994) beschriebenen und in 9.1 dargestellten Aufgaben des Handlungsschemas Beraten werden damit nicht realisiert. Auf der anderen Seite gibt es auch einige Parallelen zum Beratungsgespräch. Im Gespräch ergeben sich (wie in 8.3.1 zur Problemdarstellung dargestellt) immer wieder ‘kleine’ Problempräsentationen, im Anschluss an die Handlungsoptionen diskutiert und Ratschläge gegeben werden. Außerdem stellen die Gesprächspartner E an einigen Stellen der Gespräche Fragen, bei denen sie deutlich eine Beraterrolle einnehmen (z.B. Nachfragen zu einem Problem, zu solchen Beraterfragen vgl. 5.3.3). Teilweise passt E seine Ratschläge außerdem an die spezifische Situation des Gesprächspartners N an. Das heißt er geht auf die Problemsituation des Gesprächspartners ein, zum Beispiel auf die speziellen Umstände einer Abteilung oder Aufgabe. Auf diesen Aspekt werde ich im Zusam-
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
menhang mit der Darstellung der Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge zurück kommen. Zusammenfassung: Der Begriff des ‘Beratens‘ erscheint also sowohl für die Bezeichnung der Gespräche insgesamt als auch für die Passagen, in denen Handlungsempfehlungen gegeben werden, nur bedingt angemessen. Der Terminus ‘Ratschlagen’ erfasst die kommunikative Aufgabe der Gesprächspartner besser, da er deutlich macht, dass es sich um eine lokale kommunikative Handlung handelt, bei der die Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen im Vordergrund steht, und da er dabei insgesamt offener ist im Hinblick auf die konkrete Realisierung der Aufgabe (ausführliche oder weniger ausführliche Problemdefinition, Eingehen auf Arbeitsumstände des Gesprächspartners etc.).
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge In den bisherigen Analysen wurde bereits deutlich, dass man zwischen zwei Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge unterscheiden kann: 1. 2.
Explizites Aussprechen von Handlungsempfehlungen (9.3.1) Impliziten Anzeigen von Handlungsempfehlungen (9.3.2)
Das explizite Aussprechen von Handlungsempfehlungen meint die explizite Formulierung des Sprechakts des Ratschlags auf der sprachlichen Ausdrucksebene. Implizite Handlungsempfehlungen werden im Rahmen anderer Sprechakte mitkommuniziert. In den Gesprächen lässt sich eine deutliche Tendenz zu impliziten Handlungsempfehlungen feststellen. 9.3.1 Explizites Aussprechen von Handlungsempfehlungen Für die explizite Formulierung von Handlungsempfehlungen verwenden die Gesprächspartner unterschiedliche Formen, die ich im Folgenden sukzessive vorstellen werde: Verbalphrase ‘einen Tipp geben’ + Imperativkonstruktion An einigen Stellen greifen die Gesprächspartner auf die Verbalphrase einen Tipp geben (als umgangssprachliche Alternative zu einen Rat geben) zurück, um eine Handlungsempfehlung auszusprechen. Meist kombinieren sie die Verbalphrase
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
337
mit einer Imperativkonstruktion. Hierzu zwei kurze Beispiele aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT.191 FREUNDSCHAFT: „des=n persönlicher tipp” (49:19, Z.1622) 01 02 03 04
E: gut (.) ähm: BITte DENket se dran; ä des=n perSÖNlicher tippDENket se dran; m spanier IMmer (.) zwei tage MEHR zu gebn wie=me dEUtsche.
FREUNDSCHAFT: „i kann ihne nur den persönlichen tipp geben” (01:39:32, Z.2336) 05 06 07 08 09 10
E: und i kann ihne nur den perSÖNlichen (--) EINdruck (--) äh den persönlichen TIPP geben; (1.0) äh:: (--) mag jetzt klinge wie wenn=n DEPP spricht; aber geh=n sie mit DEmut an die sache ran; (--) und die er!FAH!rung die sie haben die sie dadurch (-) be KOMmen (.) isch (-) geWALtig.
Kommentar: In beiden Beispielen rahmt E seine Handlungsempfehlung mithilfe der Verbalphrase einen Tipp geben. Im ersten Beispiel schiebt E den metakommunikativen Kommentar des=n persönlicher tipp (Z. 2) ein, nachdem er die Formulierung der Handlungsempfehlung bereits begonnen und abgebrochen hat. Im zweiten Beispiel beginnt er die Aussage unmittelbar mit einer – im Vergleich zum ersten Beispiel ausführlicheren – Ankündigung der folgenden kommunikativen Handlung (Z. 5-6: i kann ihne nur den persönlichen...tipp geben). In beiden Fällen spricht E von einem persönlichen Tipp, das heißt er hebt durch die Adjektivergänzung die Besonderheit der Ratschläge im vorliegenden Gesprächskontext hervor. Es handelt sich um individuelle Ratschläge, die von einem Gesprächspartner auf der Basis der eigenen Erfahrungen und konkret für den anderen Gesprächspartner formuliert werden (z.B. im Gegensatz zu Ratschlägen in allgemeiner Ratgeberliteratur zu Spanien). In beiden Fällen besitzt der Satzteil mit der Verbalphrase einen Tipp geben die Funktion eines metakommunikativen Kommentars. Die eigentliche Aussage enthält jeweils eine Imperativkonstruktion (Z. 1 bzw. 3: denket se dran, Z. 8: geh=n sie mit demut an die sache ran). Der Imperativ ist die klassische linguistische Form für die Formulierung des Sprechakt der Aufforderung. Durch die Metakommentare des=n persönlicher tipp bzw. i kann ihne nur den persönlichen...tipp geben wird der Aufforderungscharakter der Aussage jeweils abgeschwächt und die Aussage wird als Ratschlag gerahmt.192 Ratschläge zeichnen sich also in diesen Äußerungen durch die Kombination einer metakommunikativen Ankündigung eines Ratschlags und einer Imperativkonstruktion aus. 191 Auffällig ist, dass die Verbalphrase einen Tipp geben in diesem Gespräch am häufigsten auftaucht. Dies kann in einem Zusammenhang gesehen werden mit der Tatsache, dass sich E hier stark als Experte inszeniert (vgl. Kapitel 5, insb. 5.2.3 und 5.4.2). 192 Zum Unterschied zwischen den Sprechakten des Ratschlagens und der Aufforderung vgl. z.B. Schilling 1999.
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Ein anderes Beispiel, in dem ein Imperativ verwendet und durch den Gesprächskontext abgeschwächt wird, sind folgende Zeilen aus dem Ausschnitt, der bereits in 8.3.1 im Zusammenhang mit dem Thematisieren von Problemen für das eigene Handeln kommentiert wurde. E gibt hier eine Handlungsempfehlung wieder, die ihm selbst ein Kollege gegeben hat. ENTSENDUNGSZIEL: „mach das nich” (28:28, Z.781) 01 02 03 04 05 06 07
E: und mir hat de:r: (--) der kolLEge über den ich da gesprochen hab (.) <
Kommentar: Der Abschnitt enthält drei Imperativformen in der 2.Ps.Sg. (Z. 2: lass das, Z. 4: mach das nich, Z. 7: mach das nicht mit denen) und damit quasi drei Aufforderungen, auf eine bestimmte Weise zu handeln. Es wird jedoch keine Aufforderung E’s an N formuliert, sondern lediglich die Aussage einer dritten Person in direkter Rede wiedergegeben. Hinzu kommt, dass der Auslöser für die Erzählung E’s Aussage ist, dass es auch Spanier gibt, die Deutschen an der richtigen stelle den tipp geben können was ich lieber nicht tun sollte. Auch hier hat E also eine metakommunikative Ankündigung eines Ratschlags vorangestellt, auch wenn zwischen der Ankündigung und der Wiedergabe des Ratschlags einige Zeilen liegen.
Was bewirkt in den zitierten Gesprächsausschnitten die Kombination der Verwendung des Imperativs mit einer Abschwächung bzw. metakommunikativen Ankündigung eines Ratschlags? Die Verwendung des Imperativs weist auf die Wichtigkeit und Nachdrücklichkeit der Handlungsempfehlung hin (z.B. im Gegensatz zu einer Formulierung wie ich würde das nicht machen). Der Ratschlag rückt damit in die Nähe einer Aufforderung. Auf der anderen Seite wird durch die Redewiedergabe und den Verweis auf die Handlung des Tipp-Gebens in der Gesprächseinleitung der Aufforderungscharakter der Äußerung abgeschwächt. Die Aufforderung wird zum Ratschlag, zur explizit ausgesprochenen Handlungsempfehlung. Das Verb ‘müssen’ Zum expliziten Aussprechen von Handlungsempfehlungen verwenden die Gesprächspartner außerdem Verbalkonstruktionen mit dem Verb müssen.
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
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ANMELDUNG: „musst=du=au ab und zu mal auf=n tisch hauen” (08:35, Z.308) 01 02 03
E: was ich glaub (--) dass SCHON notwendig ist hier wenn du:: (-) in beSTIMMten momenten VORwärts kommen willst (--) musst=du=au ab und zu mal auf=n TISCH hauen. (--)
ANMELDUNG: „da musst se drücken” (28:24, Z.764) 04 05 06 07 08
E: u::nd (---) äh die (--) was HIER (--) jetzt speziell im WERK (-) r=RElativ SCHWACH ausgeprägt is is die suche nach den URsachen. (-) N: [mhm] E: [DA ] musst se (-) DRÜCken. (--)
Kommentar: Beide Ausschnitte enthalten das Verb müssen in der 2.Ps.Sg. (musst) in Kombination mit einem Handlungsverb (Z. 3: auf=n tisch hauen bzw. Z. 8: drücken) und drücken somit eine Handlungsnotwendigkeit für den Gesprächspartner aus (vgl. auch die Einleitungsfloskel was ich glaub dass schon notwendig ist hier im ersten Beispiel).
Ähnlich wie die Imperativkonstruktionen besitzen Verbalkonstruktionen mit dem Verb müssen eine relativ starke Verbindlichkeit bzw. einen gewissen Aufforderungscharakter. Diese Verbindlichkeit wird in den zitierten Gesprächsausschnitten kaum durch Modalisierungen abgeschwächt (nur im ersten Beispiel schränkt die Formulierung ab und zu mal die Handlungsaufforderung leicht ein). Auch im folgenden Beispiel wird mithilfe des Verbs müssen explizit eine Handlungsempfehlung ausgesprochen. LOCKERHEIT: „ma muss schon sehr viel vorsichtiger rangeh=n” (24:43, Z.815) 01 02 03 04 05
E: also ma muss scho sehr viel VORsichtiger rangeh=n. de=sch MEIne erfahrung schon auch. ma muss sagen also pass mal AUF. wir BRÄUCHten da. (-) FOLgendes. (--)
Kommentar: Das Verb müssen steht hier nicht in der 2.Ps.Sg., sondern in der 3.Ps.Sg. in Kombination mit dem neutralen Personalpronomen man. Die Aussage enthält somit keine direkte Handlungsnotwendigkeit für den Gesprächspartner (du musst), sondern neutralisiert diese und formuliert vielmehr eine Handlungsregel. Solche Regeln besitzen ebenfalls eine sehr hohe Verbindlichkeit.
Bei allen bisher dargestellten expliziten Handlungsempfehlungen werden also nicht Handlungsoptionen vorgeschlagen und in Abgrenzung zu anderen Handlungsoptionen diskutiert, sondern eine bestimmte Handlungsweise wird als not-
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
wendig und verbindlich präsentiert. Die Beobachtung Hartogs (1996: 305), dass bei alltäglichen Ratschlägen (um solche handelt es sich hier) der Handlungsspielraum eher eingeschränkt als erweitert wird, kann damit bestätigt werden. Freie Infinitivkonstruktionen mit Handlungsverben Eine weitere Möglichkeit zum expliziten Aussprechen von Handlungsempfehlungen sind freie Infinitivkonstruktionen, die Handlungsverben enthalten. Solche Infinitivkonstruktionen werden in der Grammatik der gesprochenen Sprache unter dem von Deppermann geprägten Begriff der ‘deontischen Infinitivkonstruktion’ diskutiert (z.B. Deppermann 2007, 2006a, 2006b, Barth-Weingarten 2006).193 Deppermann definiert deontische Infinitivkonstruktionen als freie, d.h. syntaktisch nicht eingebettete Infinitivkonstruktionen, mit denen deontische sprachliche Handlungen vollzogen werden. Deontische sprachliche Handlungen richten sich auf die Orientierung des (zukünftigen) Handelns: Mit ihnen bringt der Sprecher seine Einstellung zur normativen, volitiven oder teleologischen Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer bestimmten Handlung(sweise) zum Ausdruck [...]. (Deppermann 2007: 113)
Als eine Variante der deontischen Modalität nennt Deppermann (2007: 160, 167, 2006: 54) Empfehlungen. In unserem Datenkorpus werden häufig freie Infinitivkonstruktionen in der Modalität von Handlungsempfehlungen verwendet. Das folgende Beispiel, das schon in Abschnitt 9.2 zum Unterschied zwischen ‘Beratung’ und ‘Ratschlag’ kommentiert wurde, enthält eine freie Infinitivkonstruktion zur Formulierung eines Ratschlags. ENTSENDUNGSZIEL: „wie gehen sie denn damit um” (30:21, Z.875) 01 02 03 04 05 06 07 08 09
N: jaja sicher. das is (.) eins der phänomene das ich auch auf dem: dem AUSlands AUSreiseseminar gelernt habe((...)) sonst wär ich da AUCH nich drauf gekommen; aber wie gehen sie denn damit UM;= =ich mein wenn sie=ich zum PUNKT kommen können und sich immer=m KREIS dreh=n, (--) E: auf die WICHtigsten dinge konzenTRIEr=n,
193 Als typische Kommunikationskontexte, in denen freie bzw. deontische Infinitivkonstruktionen eingesetzt werden, nennt Barth-Weingarten (2006: 73) Kochrezepte („Kartoffeln waschen, schälen und in dünne Scheiben schneiden...“) und Bahnsteigansagen („zu::RÜCKbleiben“, vgl. Deppermann 2007: 161).
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
341
Kommentar: Auf die Frage danach, wie E mit einem bestimmten Problem umgeht, gibt N die Empfehlung auf die wichtigsten dinge konzentrieren. Der Satz enthält kein konjugiertes Verb und lässt insofern offen, wie verbindlich die Handlungsempfehlung gemeint ist. Als Einleitungsformulierungen wären zum Beispiel denkbar sie müssen, sollten, können sich bzw. ich würde mich (auf die wichtigsten dinge konzentrieren).
Ein weiteres Beispiel aus demselben Gespräch deutet eine mögliche Rahmung des Infinitivs an. ENTSENDUNGSZIEL: „die stärken ausnutzen” (16:32, Z.423) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
E: wir können=n bisschen das RETten. (-) was es so:: (-) oder was heißt RETten. das TUN was man in deutschland vielleicht von uns verlangen WÜRde, (---) und uns SELber sag ich mal (---) nicht UNtreu werden, aber ich glaube es wär der falsche weg zu denken man könnte die irgendwie in den GRIFF kriegen. (--) N: mhm; mhm; [.hh E: [die stärken AUSnutzen. (--) also die STÄRken ausnutzen die SCHWÄchen nicht;
Kommentar: Die letzten beiden Zeilen enthalten die Handlungsempfehlung in Form einer freien Infinitivkonstruktion (die stärken ausnutzen). Auch hier findet man kein konjugiertes Verb, an das sich der Infinitiv unmittelbar anschließt. Allerdings können die vorherigen Zeilen Aufschluss geben über eine mögliche Einleitung. In Z. 1 formuliert E eine Hypothese über den eigenen Handlungsspielraum. Der Satz enthält das Modalverb können in der 1.Ps.Sg. sowie ein Handlungsverb im Infinitiv (retten). In Z. 2-5 kommentiert er diese Hypothese und schließt weitere Infinitive an das Einleitungsverb an (Z. 3: tun, Z. 5: nicht untreu werden). Z. 6-7 enthält eine weitere Hypothese über die Grenzen des Handlungsspielraums. Der wiedergegebene Gedanke enthält ebenfalls das Modalverb können (in der 3.Ps.Sg. mit dem neutralem Personalpronomen man) in Kombination mit einem Handlungsverb im Infinitiv (in den griff kriegen). Nach einer kurzen Pause und zwei Rückmeldesignalen N’s (Z. 8-10) formuliert E die Handlungsempfehlung mithilfe einer freien Infinitivkonstruktion ohne konjugiertes Hauptverb. Auch wenn das Hauptverb offen gelassen wird, kann man sich das bereits zweimal verwendete Hilfsverb können durchaus dazudenken (wir können/man kann die stärken ausnutzen). Die Handlungsempfehlung wäre damit nur wenig verbindlich. Es würde vielmehr eine Handlungsoption vorgeschlagen.
Das folgende Beispiel aus dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG enthält mehrere Handlungsverben in freien Infinitivkonstruktionen. Es gibt ebenfalls Hinweise darauf, wie der Infinitiv verstanden werden kann. Dem Ausschnitt geht voraus,
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
dass E das Problem darstellt, dass ein patrialistischer Führungsstil in Spanien sehr verbreitet ist und sie damit Schwierigkeiten hat, weil sie das nich kann. KOLLEGIALE BERATUNG: „ich hab mir versucht ein paar dinge anzueignen” (34:42, Z.901) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
E: äh ich hab mir versucht ein paar DINge anzueignen, das heißt also (---) oder was heißt anzueignen; äh (-) von ANfang an:: äh (--) mitarbeiter (--) zu SCHÜTzen? (--) gegenüber (--) die NÄCHSThöheren hierarchiestufen, das wird auch erWARtet, al[so=ass man da NICH (-) den mitarbeiter HINschickt, N: [mhm; E: und sagt geh mal da HIN, da kommt ne ANfrage, das betrifft dein aufgabengebiet, sondern (--) zumindest (-) !IM!mer mitkommen, oder: (.) sogar das thema mitnehmen und dann selber präsentieren, (--) N: mhm; E: eh sei denn der mitarbeiter: (-) MÖCHte es und is damit EINverstanden dass (-) äh (-) das thema selbst vorzustellen,= =aber immer (--) beGLEIten? (1.5) ähm (1.0) m (--) und (--) AUCH wenn es UNgewohnt is: vielleicht (--) einfach mal entscheidungen TREFfen, von denen man (.) !EI!gentlich ANnehmen w=WÜRde nach deutschem verständnis dass die mitarbeiter gerne mitreden <
Kommentar: E stellt zunächst ihre eigene Handlungsstrategie dar (vgl. hierzu 10.3.2.1). Sie hat versucht, sich ein paar dinge anzueignen (Z. 1), nämlich zum Beispiel mitarbeiter zu schützen (Z. 3). An das Hauptverb ich hab versucht (1.Ps.Sg.) schließt sie zwei Infinitive mit zu an. Ab Z. 6 stellt sie eine Erwartung der Spanier dar (zur impliziten Handlungsempfehlung durch die Darstellung von Erwartungen vgl. 10.3.3). Das Hauptverb das wird erwartet führt zu einem dass-Satz (Z. 7-11) mit neutralem Personalpronomen man als Subjekt und konjugierten Handlungsverben (hinschicken, sagen). In Z. 12 würde sich eigentlich ein weiterer dass-Satz anschließen (dass man zumindest immer mitkommt). Statt dessen verwendet E jedoch im Folgenden Handlungsverben in freien Infinitivkonstruktionen (Z. 12: immer mitkommen, Z. 13-14 mitnehmen, präsentieren, Z. 18: begleiten, Z. 21: entscheidungen treffen). Es bleibt dabei offen, für wie verbindlich sie die Handlungsempfehlungen hält. Der Übergang von der Darstellung eigener Handlungsweisen über die Darstellung von Handlungserwartungen seitens der Spanier zur Formulierung von Handlungsempfehlungen geht mit einer zunehmenden Intensität der Handlungsempfehlung einher. Durch die vorherigen schwächeren Empfehlungen wirkt jedoch auch die Infinitivkonstruktion hier eher als Vorschlag (im Sinne von ich würde immer mitkommen) denn als Aufforderung (man muss immer mitkommen).
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
343
Freie Infinitivkonstruktionen lassen also im Gegensatz zu Imperativkonstruktionen und Aussagen mit dem Verb müssen meist offen, ob eine Handlungsempfehlung mehr oder weniger verbindlich gemeint ist. Auch Deppermann (2006b: 5455) hebt im Bezug auf deontische Infinitivkonstruktionen hervor, dass durch ihre Vagheit die Verbindlichkeit einer Aussage (in unserem Fall der Handlungsempfehlung) offen gelassen werden kann: „[D]ie Vagheit des Modus durch die Infinitheit kann zur Erzeugung von Interpretationsoffenheit hinsichtlich der Verbindlichkeit der deontischen Maßgabe eingesetzt werden.“ Manchmal kann in unseren Gesprächen aus dem Kontext eine Vermutung bezüglich des Verbindlichkeitsgrads aufgestellt werden. Die Vagheit der Infinitivkonstruktionen deutet möglicherweise auf eine gewisse Unsicherheit der Gesprächspartner im Bezug auf die Aufgabe der Formulierung interkultureller Ratschläge insgesamt hin. Sollen Sie dem Gesprächspartner konkrete Handlungsregeln liefern oder möchte er eher Handlungsoptionen hören, die man diskutieren kann? Da der erfahrenere Auslandsentsandte (im Gegensatz zu einem ‘offiziellen’ Berater) nicht institutionalisiert dazu berechtigt ist, dem Neuen Ratschläge zu geben (vgl. 9.2.1), werden Handlungsempfehlungen häufig abgeschwächt. Wortfeld vorteilhaft, hilfreich etc. Eine weitere Möglichkeit, einen Ratschlag abzuschwächen, besteht darin, eine Handlung nicht als notwendig (vgl. müssen), sondern vielmehr als vorteilhaft darzustellen. Auch dadurch wird gewissermaßen offen gelassen, wie verbindlich eine Handlungsempfehlung ist. Dem Angesprochenen wird ein größerer Freiraum bei der Umsetzung der Empfehlung gelassen. Zur Darstellung einer Handlung als vorteilhaft verwenden die Gesprächspartner unterschiedliche Formulierungen. In den folgenden Beispielen aus dem Gespräch ANMELDUNG sind die Formulierungen, die eine bestimmte Handlung oder Eigenschaft als vorteilhaft einstufen, jeweils hervorgehoben. ANMELDUNG: „ne gewisse dominante ader” (08:57, Z.318) 01 02
E: dass ma also (.) schon=ne:: ich glaube ne gewisse: dominante Ader (-) äh: (-) is durchaus von VORteil.
Kommentar: In diesem Beispiel wird der Begriff des vorteils explizit verwendet. Ein bestimmter Charakterzug wird als durchaus von vorteil eingestuft. Der Sprecher bezieht sich damit zwar nicht direkt auf eine konkrete Handlung. Wenn man jedoch den Gesprächskontext berücksichtigt, erkennt man, dass die substantivierte Charakterisierung ne gewisse dominante ader Bezug nimmt auf die zuvor in dem Gespräch empfohlene Handlung ab und zu mal auf=n tisch hauen (vgl. Beispiel oben).
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Das folgende Beispiel enthält konkretere Handlungs- bzw. Zustandsverben: ANMELDUNG: „wenn du weißt wie=s läuft” (17:43, Z.565) 01 02 03 04 05
E: aber SIcherlich is=es NICHT so? (--) dass=es NOTwendig ist dass du ihnen ALles also den=h jeden handgriff vormachen (-) GANZ bestimmt NICHT, es ist HILFreich wenn du WEIßT, (1.0) wie=s LÄUFT, (---)
Kommentar: In den ersten drei Zeilen des Absatzes wird eine bestimmte Handlung (vgl. das Handlungsverb vormachen) als keine Notwendigkeit gerahmt (sicherlich is=es nicht so dass=es notwendig ist dass). Hier liegt also keine Handlungsempfehlung vor, sondern vielmehr die Zurückweisung einer denkbaren Handlungsempfehlung. Das Adjektiv notwendig deutet (wie die Verwendung des Verbs müssen) auf eine stärkere Verbindlichkeit der potenziellen Empfehlung im Sinne einer Handlungsnotwendigkeit hin. Allerdings bricht E die Satzkonstruktion in Z. 2 nach alles ab (die vollständige Ergänzung würde in etwa lauten dass du ihnen alles also jeden handgriff vormachen musst). Mit dem überleitenden Modalpartikel also setzt er zu einer neuen Konstruktion an, bei der das Handlungsverb im Infinitiv steht (vormachen). Hier wird also wieder der Infinitiv zum Ausdruck einer Handlungsempfehlung verwendet. Diesem haftet jedoch durch die vorherige Verwendung des Adjektivs notwendig eine relativ starke Verbindlichkeit an. Die Formulierung es ist hilfreich wenn drückt dann eine Empfehlung im Sinne der Darstellung einer für die eigene Person vorteilhaften Handlung aus. Als vorteilhaft eingestuft wird eine bestimmte Kompetenz bzw. ein Wissen (wissen wie=s läuft, das meint hier zum Beispiel wissen, wie eine bestimmte Maschine bedient wird etc.). Die Handlungsempfehlung wird personalisiert im Bezug auf den Gesprächspartner formuliert (vgl. Verwendung der 2.Ps.Sg. du). Die Überleitung von der Rahmung zur Kernaussage erfolgt über die Konjunktion wenn (es ist hilfreich wenn). Viele der Formulierungen zur Darstellung einer vorteilhaften Handlung lassen sich auf diese Weise konstruieren (z.B. auch es ist von vorteil wenn, es bringt einen weiter wenn, es hat nie geschadet wenn).
In beiden für die Darstellung vorteilhafter Handlungen kommentierten Beispielen wird also in einer rahmenden Formulierung ein Vorteil einer bestimmten Verhaltensweise oder Eigenschaft für das eigene weitere Handeln festgestellt. Meist handelt es sich bei den Rahmungen um neutrale Konstruktionen in der 3.Ps.Sg., an die sich die empfohlene Verhaltensweise mit der Konjunktion wenn anschließen lässt (es ist von vorteil, ist hilfreich, bringt einen weiter, hat nie geschadet wenn). Häufig modalisieren die Gesprächspartner die Empfehlungen, bei denen Handlungen als vorteilhaft eingestuft werden, durch bestimmte Formulierungen, die die eigene Erfahrung bzw. den eigenen Eindruck als Grundlage der Handlungsempfehlung hervorheben (ich glaube). Die Handlungsempfehlungen besitzen dadurch weniger Verbindlichkeit für den Gesprächspartner und
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
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haben vielmehr die Funktion, Handlungsvorschläge zu machen, die der andere übernehmen oder überdenken kann. Zusammenfassung: Es wurden insgesamt vier Formen vorgestellt, mithilfe derer die Gesprächspartner explizit Handlungsempfehlungen aussprechen. Dabei können die Handlungsempfehlungen als mehr oder weniger verbindlich dargestellt werden. Aufforderungen (Imperativ) oder Handlungsnotwendigkeiten/ -regeln (müssen) drücken eine relativ hohe Verbindlichkeit aus. Einen größeren Handlungsspielraum für den Gesprächspartner lassen Formulierungen, die den Verbindlichkeitsgrad offen lassen (freie Infinitivkonstruktionen) oder einzelne Handlungen auf der Basis der eigenen Erfahrung als vorteilhaft darstellen (es ist vorteilhaft, hilfreich etc. wenn). 9.3.2 Implizites Anzeigen von Handlungsempfehlungen Handlungsempfehlungen werden in den Gesprächen nicht immer explizit formuliert. Vielmehr können einzelne Passagen eines Erfahrungsberichts implizit als Handlungsempfehlungen für den Gesprächspartner fungieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Gesprächspartner individuelle Handlungsweisen oder -strategien beschreibt und kommentiert, inwiefern diese in seiner Erfahrung positive oder negative Konsequenzen mit sich brachten (vgl. die ersten beiden Formen des impliziten Anzeigens) oder Handlungserwartungen seitens der Spanier beschreibt und entsprechend kommentiert (vgl. die dritte Form des impliziten Anzeigens). Handlungsprädikat in der 1.Ps.Sg. und Konsequenz/Reaktion Häufig zeigen die Gesprächspartner Handlungsempfehlungen an, indem sie berichten, wie sie selbst in bestimmten Situationen gehandelt haben und wie die Spanier darauf reagiert haben oder welche Konsequenzen das Verhalten mit sich brachte.194 Formal handelt es sich hierbei meist um ein Handlungsprädikat in der 1.Ps.Sg. (eigene Handlungsstrategie). Die Konsequenzen oder Reaktionen der Spanier werden häufig in direkter Rede oder durch die Beschreibung von Reaktionshaltungen dargestellt. In einigen Ausschnitten aus dem Gespräch KOLLEGIALE BERATUNG, die bereits kommentiert wurden, wurde auf dieses Verfahren hingewiesen (vgl. z.B. 9.3.1: „ich hab mir versucht ein paar dinge anzueignen“). Auch der oben betrach194 In einzelnen Fällen wird auch eine Verhaltensweise einer anderen Person dargestellt und entsprechend kommentiert. Zum Beispiel berichtet E in dem Gespräch ANMELDUNG, wie einer seiner Kollegen mit den Spaniern umgeht: *peter* ist jetzt zum beispiel jemand der eher schneller laut wird. ja? (ANM Z. 433f)
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
tete längere Gesprächsausschnitt aus dem Gespräch ANMELDUNG (vgl. 9.2: „wie gehst du als führungskraft mit leuten hier um“) enthielt eine kurze Sequenz, in der E beschreibt, wie er trotz der Verbreitung des hierarchischen Führungsstils auf seine Weise mit spanischen Mitarbeitern umgeht. Anhand dieses Ausschnitts möchte ich das Anzeigen von Handlungsempfehlungen durch die Darstellung individueller Handlungsstrategien noch einmal illustrieren. ANMELDUNG: „is mein führungsstil jetzt nich” (07:39, Z.282) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
E: als (--) is MEIN führungsstil jetzt NICH, (--) ähm (--) ICH hab im (--) in den (1.0) zwei JAHren hier (1.5) DEN (--) DEN stil gepflegt den ich auch in DEUTSCHland gePFLEGT hab, also des heißt die mitarbeiter in die: (-) entSCHEIdungsfindung mit EINbinden, N: [mhm, E: [sofern=s s’ SINNvoll is, (--) und (--) äh:: (1.0) ihn=n auch zu erKLÄR=N (---) waRUM=ma=s SO machen, (1.0)
Kommentar: In Z. 1 betont E, dass er nicht den Führungsstil realisiert hat, den er zuvor als spanisch charakterisiert hat. Z. 2-4 enthält ein Handlungsprädikat in der 1.Ps.Sg. (ich hab den stil gepflegt). Dieses wird in Z. 5-10 durch Infinitivkonstruktionen mit oder ohne zu (Z. 5-6: die mitarbieter...einbinden, Z. 9: ihnen auch zu erklär=n) genauer erläutert. Diese deuten auf einen Übergang zu expliziteren Handlungsempfehlungen hin (vgl. 10.3.1). Es wird deutlich, dass die Darstellung der individuellen Handlungsstrategie zugleich als Handlungsvorschlag für den Gesprächspartner verstanden werden kann.
Direkt im Anschluss stellt E dann eine weitere Verhaltensweise sowie die Reaktionen der Spanier auf sein Verhalten dar. ANMELDUNG: „dass die führungskraft des auch vorgelebt hat” (08:02, Z.292) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13
E: und des WICHtigste aus mEIner sicht WA:R des ha=m mir die: LEUte dann (--) nachdem ich=äh:: aus=m *bereich-1* ge wEchselt hab, (---) äh in die NEUaufgabe- (---) ha=m se mir auch=äh kommuniZIERT dass (--) äh:: (--) für sie des wichtigste war (-) dass die führungskraft des auch VORgelebt hat. (--) N: mhm, (--) E: und dass=se des SE:HR SE:HR (-) POsitiv empfunden haben (--) äh:: diesen (-) ich sag mal DEUTschen STIL, (--) äh: (-) diesen ANderen stil, (--) im gegensatz zu dem=äh:: SPAnischen stil will=i=n mal nennen.
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
347
Kommentar: Die Reaktion der Spanier wird in Z. 5-7 bzw. 9 dargestellt (dass äh für des wichtigste war dass die führungskraft des auch vorgelebt hat bzw. dass=se des sehr sehr positiv empfunden haben). Dabei wird insbesondere eine bestimmte Reaktionshaltung der Spanier beschrieben (positive Empfindung). Der Ausschnitt macht deutlich, dass E aus der Reaktion der Spanier eine bestimmte Gewichtung für sich selbst ableitet (des wichtigste aus meiner sicht war), die implizit eine Handlungsempfehlung für den Gesprächspartner anzeigt.
In dem folgenden Ausschnitt wird die Verbindung zwischen der Darstellung einer Handlungsstrategie und erfahrener Konsequenzen noch deutlicher. ANMELDUNG: „überhaupt kei problem” (18:01, Z.577) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
E: äh (.) und (.) ich (-) beispielsweise sag zu den: mit arbeitern auch IMmer, (1.0) äh dass ich überhaupt=äh: net plan äh ihnen die dinge VORzumachen, (--) WEIL (--) äh net ICH der experte bin sondern SIE; (---) N: mhm, E: also des sag=i zu meinem [instAndhaltungspersonal jeden TAG, N: [mhm, (-) E: ich werden denen nicht die:: maSCHInen reparieren. (--) dafür bin=i net DA; (--) des was ich (--) MEI aufgabe HIER is (--) zu schaun dass ma die ABläufe verBESsern, (--) dass ma=s persoNAL richtig EINteilen, (--) dass ma gut AUFg=stellt sin. (-) N: ja;= E: =und dass ma an die ZUkunft (--) DENken und PLAnen. N: [.hh E: [und (--) des is au (--) !SU!per oKAY. (--) Überhaupt kei problem. (--) und ä=d’ d’ ich hab au die= ich nehm au die FREIheit wenn=i was NET verSTANden hab, ob=s jetzt (.) aufgrund der SPRAche: oder der TECHnik äh is is eGAL, (--) dann frag=i au zwei DREImal nach. N: [mhm; E: [is überHAUPT kei problem.
29 30
N: [okay. [((räuspern)) E: [und des wird auch:=äh (---) OHne [probleme akzepTIERT.
Kommentar: E formuliert in Z. 1-4 in kondensierter Form ein Handlungsprädikat im Bezug auf die eigene Person (ich beispielsweise sag zu den mitarbeitern auch immer). In Z. 5-18 begründet er sein eigenes Verhalten und gibt zugleich weitere Informationen, welche Argumente er gegenüber den Mitarbeitern aufführt (weil äh net ich der experte bin
348
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
sondern sie, dafür bin=i net da, mei aufgabe hier is zu schaun dass...). In Z. 20-21 formuliert er erstmals eine Reaktion der Spanier auf sein Verhalten (des is au super okay, überhaupt kei problem). Eine Folgebeziehung wird hier allein durch die Konjunktion und angedeutet. Charakteristisch für die Darstellung der Reaktion ist die Quasi-Wiedergabe umgangssprachlicher Reaktionsfloskeln wie okay, überhaupt kei problem. Ein zweites Handlungsprädikat formuliert E in Z. 22-26 (wenn=i was net verstanden hab...dann frag=i au zwei dreimal nach). Die Reaktionsfloskel is überhaupt kei problem wird hier ohne Überleitung direkt angeschlossen. Die Reaktion wird anschließend in Form einer Beschreibung der Reaktionshaltung (Akzeptanz) reformuliert (des wird auch=äh ohne probleme akzeptiert). Direkt im Anschluss an den zitierten Ausschnitt formuliert N auf der Basis seiner Erfahrungen mehrere Handlungsregeln bzw. -zusammenhänge in Form von neutralen Wenn-Dann-Konstruktionen, die teilweise von E vervollständigt werden. Diese Äußerungen werde ich im nächsten Abschnitt genauer betrachten.
Bei dem folgenden Beispiel aus dem Gespräch FREUNDSCHAFT wird ebenfalls eine Reaktionshandlung der Spanier konkret benannt. Voraus geht dem Ausschnitt die Darstellung einer Situation, die E als problematisch empfunden hat. Sein Chef hat mehrfach morgens Besprechungen einberufen, die extrem lange dauerten und zu keinem Ergebnis führten. FREUNDSCHAFT: „des verstehn die” (01:43:51, Z.2498) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15
E: und des is=e bissle (--) NAja. N: des is HEFtig. (--) DAS stimmt; (--) E: s (-) hem=ma=m aber jetzt AU ab=gwöhnt. (1.0) n=zwische stand i auf und geh NAUS halt. [((lacht ))] N: [((lacht)) klar;] E: ((lacht)) (1.5) <
16 17 18 19 20 21
N: [mhm; E: [<
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
349
Kommentar: In Z. 1 resümiert E seine emotionale Reaktion auf die Situation (des is=e bissl naja). N bestätigt ihn in dieser Einschätzung (des is heftig das stimmt). Ab Z. 4 stellt E dar, wie er inzwischen mit der Situation umgeht. Dazu formuliert er zunächst zwei Handlungsprädikate in der 1.Ps.Pl. bzw. Sg. (Z. 4: hem=ma=m aber jetzt au ab=gwöhnt, Z. 6: n=zwische stand i auf und geh naus). Die Strategie wird von beiden Gesprächspartnern mit Lachen kommentiert. Ab Z. 10 stellt E die Reaktion des Chefs dar. Er gibt zunächst in direkter Rede einen Kommentar des Chefs sowie seine eigene Antwort darauf wieder (Z. 10-12: ja wo wasch=n – a i muss mir mal d=füß vertrete). Die Reaktion wird wieder mit Lachen kommentiert. In einer zweiten Formulierung benennt E konkret die Reaktionshaltung des Chefs (Verständnis, vgl. Z. 15 und 17: des verstehn die, des versteht der). Anschließend gibt er noch einmal in direkter Rede die Reaktion des Chefs wider (Z. 18: okay na klar setz dich). In dem Ausschnitt wird eine Verhaltensweise vorgeschlagen, die von dem spanischen Chef positiv aufgenommen wurde. Insofern kann die Äußerung durchaus als implizite Handlungsempfehlung aufgefasst werden. Das wiederholte Lachen bewirkt zwar zunächst, dass der Handlungsvorschlag als nicht ernst zu nehmen wahrgenommen wird. Allerdings werden die Konsequenzen spätestens ab Z. 17 mit Ernst vorgetragen, so dass die Handlungsweise doch wieder als realistische Handlungsoption erscheint.
Eine Möglichkeit zur Darstellung individueller Handlungsstrategien, die einen Handlungsvorschlag für den Gesprächspartner implizieren, ist also die Darstellung eigener Verhaltensweise mithilfe eines Handlungsprädikats (meist in der 1.Ps.Sg.). Wenn sich daran eine Darstellung positiver Konsequenzen (durch konsekutive Formulierungen) oder positiver Reaktionen (durch direkte Rede, Beschreibung der Reaktionshaltung) anschließt, so können die Aussagen als implizite Handlungsempfehlung im Sinne eines Handlungsvorschlags für den Gesprächspartner verstanden werden. Wenn-Dann-Konstruktion mit man oder du/Sie Im Zusammenhang mit der Darstellung eigener Handlungsstrategien zum Anzeigen von Handlungsempfehlungen wurde bereits auf die Bedeutung von WennDann-Konstruktionen hingewiesen.195 Diese stellen gewissermaßen eine Verallgemeinerung aus der Darstellung eigener Handlungsstrategien inklusive möglicher Konsequenzen dar. Beschriebene Verhaltensweisen werden nicht mehr als eigene sondern als allgemeine (man) oder als potenzielle Strategien des Ge-
195 Kesselheim (2003: 235ff) und Hausendorf (2000a: 249f) beschreibt Wenn-Dann-Konstruktionen als Verfahren der Kategorienfüllung bzw. des verallgemeinernden Zuordnens. In meinem Korpus haben Wenn-Dann-Konstruktionen eine weitere Funktion. Sie werden vor allem zur Darstellung von Zusammenhängen zwischen dem eigenen Verhalten und Reaktionen der Spanier verwendet.
350
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
sprächspartners (du/Sie) markiert, und der Fokus liegt auf der Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Handlung und Folge. Wenn-Dann-Konstruktionen bestehen aus einem Konditionalsatz, der eine Handlungsoption enthält, und einem Hauptsatz, der die Konsequenz oder Reaktion der Spanier darstellt. Der folgende Absatz stellt die Fortsetzung des letzten Beispiels aus dem Gespräch ANMELDUNG dar (überhaupt kei problem). Voraus geht dem Ausschnitt die Darstellung einer individuellen Handlungsstrategie E’s sowie der Reaktionen der Spanier, die E in diesem Zusammenhang erfahren hat. ANMELDUNG: „we=ma zuviel äh den sachen dann vormacht” (18:44, Z.608) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
N: und des is nämlich genau (.) die gefahr die ich g=SEHN hab (-) we=ma (-) ZUviel (-) äh (-) den sachen dann VORmacht, (--) dann nutzen die des au ganz gerne AUS; ne, dann stellen die sich [beWUSST=e biss=l DUMM? (--) E: [klar; N: und sagen dann jetzt lass ma DEN mal wieder des repaRIER=N, E: LO[gisch. N: [der MACHT dann [schon; E: [DIE gefahr hast hier geNAUso. (-) ja?= N: [( )] E: =[wenn du den] (-) den LEUten des zu viel VORmachst? N: mhm; E: dann lassen die (-) die lassen dich=a SAUber die arbeit MAchen; des=s überhaupt [kei THEma. (-) [ne? (--) N: [mhm; [mhm; E: die sin ja AU net blöd.
Kommentar: N formuliert in Z. 2-8 eine erste Wenn-Dann-Konstruktion. Der Konditionalsatz in Z. 2 enthält die Handlungsoption zuviel vormachen. Diese wird in der 3.Ps.Sg. mit dem neutralem Personalpronomen man formuliert. Zwei Hauptsätze werden mit der konsekutiven Konjunktion dann eingeleitet (Z. 3, 4), bei einem dritten wird das dann syntaktisch nachgeschoben (Z. 6-8). Die Dann-Sätze enthalten in diesem Fall Reaktionen im Sinne von Handlungen der Mitarbeiter vor Ort (vgl. Handlungsverben, Z. 3: ausnutzen, Z. 4: sich dumm stellen, Z. 6: sagen). Die in den Hauptsätzen beschriebenen Reaktionen werden verallgemeinernd dargestellt (vgl. implizite personale Referenz: die, Fehlen von Relativierungen). In Z. 11-17 reagiert E ebenfalls mit einer Wenn-Dann-Konstruktion. Auch hier enthält der Konditionalsatz eine Handlungsoption (vormachen), der Hauptsatz die Beschreibung der Reaktion (die lassen dich die arbeit machen). E formuliert den Konditionalsatz in der 2.Ps.Sg. (du). Dadurch erhält die Aussage einen prophezeienden Charakter. Die Handlungsoption wird nicht nur allgemein als vorteilhaft präsentiert, sondern speziell für den Gesprächspartner. Der Aspekt der Handlungsempfehlung wird dadurch deutlicher.
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
351
Der Hauptsatz ist verallgemeinernd (die) und ebenfalls mit Bezug auf die Person des Gesprächspartners formuliert (dich).
Wenn-Dann-Konstruktion können Handlungs-Folge-Beziehungen sehr kondensiert und präzise ausdrücken. Häufig reicht ein Satz zur Darstellung des Handlungszusammenhangs. LOCKERHEIT: „we=man des ruhig angeht” (07:48, Z.97) 01 02
N: ich glaub we=man des ruhig ANgeht dann (.) sind da die spanier auch ganz relaxed;
Kommentar: N formuliert hier in einfachem Satzbau und kurzen Formulierungen eine Handlungs-Folge-Beziehungen. Die Aussage wird insgesamt modalisiert durch ein einleitendes ich glaub. Der Konditionalsatz ist neutral in der 3.Ps.Sg. formuliert (man) und enthält eine Handlungsoption (des ruhig angehen). Der Hauptsatz stellt verallgemeinernd eine Reaktionshaltung der Spanier dar (relaxed sein).
Die folgende Wenn-Dann-Konstruktion ist nur wenig komplizierter. LOCKERHEIT: „we=man zwar sagt man brauch was jetzt morgen” (24:15, Z.793) 01 02 03 04 05 06 07
N: weil ICH hab zum beispiel des gefühl dass we=man (--) zwar sagt man brauch was jetzt MORgen, und aber sehr PUshy is, dann (.) machen die auch zu. es muss man [(--) man muss schon auf dieses=sch’ diese E: [hm=; N: spielerische art EINsteigen. (---)
Kommentar: Auch hier wird der Wenn-Dann-Konstruktion eine Modalisierung vorangestellt (ich hab zum beispiel des gefühl). Der Konditionalsatz ist neutral in der 3.Ps.Sg. formuliert (man) und enthält eine Handlungsoption (Handlungsverb + Eigenschaftsprädikat: sagen...und aber sehr pushy sein). Der Hauptsatz stellt verallgemeinernd (die) eine Reaktionshandlung der Spanier dar (zumachen).
Eine Wenn-Dann-Konstruktion kann jedoch auch verschiedene Handlungsoptionen und Reaktionen kombinieren und damit eine sehr viel komplexere Handlungs-Folge-Beziehung ausdrücken. LOCKERHEIT: „we=ma dann sehr auf die leute zugeht” (25:52, Z.854) 01 02 03
E: und dann isch=es aber wie du SAGSCH we=ma dann sehr auf die leute ZUgeht, aber auch SELber was tut,
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
und die SEH=n auch, also der engaGIERT sich auch, (--) der macht AUCH was, der WILL net [nur irgendwas,= [was denn zum beispiel. =sondern der !MACHT! auch [was, [ach so für=n für=s büro jetzt.=ja, der der KÜMmert sich auch,=ne? also wenn ich zu dem sag ich brauch des un des, kann=sch DU mir da mal HELfen, ich brauch die unterSTÜTzung, (-) da hat der and=re dann wohl g=sagt na dann kümmer dich doch SELber drum, (--) des=sch ja nicht MEIN problem, des geht MICH doch eigentlich nichts an, (1.0) wenn die aber MERken dass man: denen HILFT, äh=dass man auch ANsprechbar isch, des=ISCH=ja des. in=SPAnien hier zumindescht geht MIR des hier so. (--) da kommt ja ständig alle (-) paar minuten kommt irgendeiner d=s WEGS. (--) und WILL irgendwas; (--) und we=ma dann sagt a=ich hab jetzt keine ZEIT,= =äh:: du kannsch dich mal MORgen wieder kümmern, dann (--) wird des NICHT funktionier=n. wenn die aber merken dass du dich sehr WOHL drum KÜMmer=sch, wenn du auch sag=sch okay JETZT grad NICHT, (--) aber ich komm in zehn miNUten, (--) [und du dich[und du KOMMST dann auch; und du KOMM=SCH dann auch in zehn minuten. KÜMmer=sch dich dadrum. un HILf=sch dem auch. (--) dann hasch du nachher=e ganz anderes verHÄLTnis zu den leuten. (1.0) dann zieh=n die auch mit. und dann KRIEG=sch du so dinge au MORgen. (---) nur wenn (--) wenn du auf die DEUTsche art des machen will=sch (1.0) dann dann klappt des hier nicht.
N: E: N: E:
N: E:
Kommentar: Der Ausschnitt enthält mehrere ineinander verschachtelte Wenn-DannKonstruktionen. Einen ersten Konditionalsatz leitet E in Z. 1 ein (we=ma). Dieser ist in der 3.Ps.Sg. mit neutralem Personalpronomen man formuliert. Innerhalb des Konditionalsatzes werden mehrere Handlungsprädikate aneinander gereiht (auf die leute zugehen, auch selber was tun, sich engagieren, was machen, net nur irgendwas wollen, was machen, sich kümmern). In Z. 13 setzt E zum zweiten Mal zu einem Konditionalsatz an. Dieser ist in der 1.Ps.Sg. formuliert (wenn ich). Es folgt ein zentrales Handlungsprädikat (sagen ich brauch des kann=sch du mir da mal helfen). In Z. 15-18 wird eine Darstellung
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
353
des Verhaltens des Vorgängers von E als alternative Handlungsoption eingeschoben (sagen na dann kümmer dich doch selber drum). Einen dritten Konditionalsatz leitet E in Z. 20 ein. Dieser ist wieder neutral in der 3.Ps.Sg. formuliert (wenn die aber merken dass man). Der Konditionalsatz enthält zunächst ein Handlungs- und ein Eigenschaftsprädikat (helfen, ansprechbar sein), dann bricht E den Konditionalsatz ab und schiebt einen Kommentar zu der Situation in Spanien ein (Z. 22-26). In Z. 27 nimmt er den Konditionalsatz formal mit einer erneuten Konjunktions-Einleitung wieder auf (we=ma). Es folgt allerdings ein Handlungsprädikat, das eine zu vermeidende Handlungsoption enthält (sagen a=ich hab jetzt keine zeit). Dies zeigen die anschließend dargestellten negativen Konsequenz an (dann wird des nicht funktionieren). Denn in Z. 29 wird erstmals ein Hauptsatz angeschlossen, der durch die konsekutive Konjunktion dann eingeleitet wird. Der Hauptsatz bildet also eine Einheit mit dem Konditionalsatz in Z. 27-28. Die vorherigen Konditionalsätze (ab Z. 1, 13, 20) wurden noch nicht fortgesetzt. Schließlich leitet E in Z. 30 noch einmal einen Konditionalsatz ein, der in diesem Fall in der 2.Ps.Sg. formuliert ist (wenn die aber merken dass du). Es folgen ein Handlungsprädikat (sich drum kümmern), eine Wiederholung der konditionalen Konjunktion in Z. 31 mit Subjekt in der 2.Ps.Sg. (wenn du) sowie eine weitere Reihe an Handlungsprädikaten (sagen okay aber ich komm in zehn minuten, dann auch kommen, sich dadrum kümmern, helfen). Der Übergang zur 2.Ps.Sg. macht deutlich, dass E im Verlauf seines Redebeitrags zunehmend von der Formulierung neutraler Handlungszusammenhänge zu Perspektive einer Handlungsempfehlung für den Gesprächspartner übergeht. Z. 38 enthält erstmals einen Hauptsatz, der positive Konsequenzen der dargestellten Handlungen darstellt. Drei Hauptsätze, die jeweils durch die konsekutive Konjunktion dann eingeleitet werden und in einfachem Satzbau positive Konsequenzen auf das eigene Verhalten darstellen, werden aneinander gereiht. Der erste Hauptsatz charakterisiert wieder individualisierend-prophezeiend die Beziehung des Gesprächspartners (vgl. 2.Ps.Sg.) zu den Spaniern – und zwar durch eine Kontrastierung zu der Verhaltensweise des Vorgängers von E (dann hasch du nachher=e ganz anderes verhältnis zu den leuten). Der zweite Hauptsatz beschreibt positiv konnotierte Handlungen der Spanier als Konsequenz des eigenen Verhaltens in generalisierter Formulierung (dann zieh=n die auch mit). Der dritte Hauptsatz formuliert wieder in der 2.Ps.Sg. (du) positive Konsequenzen für den Gesprächspartner (dann krieg=sch du so dinge au morgen). E schließt seinen Redebeitrag in Z. 42-43 mit einem erneuten KonditionalHauptsatz-Paar ab, das eine zu vermeidende Handlungsoption (auf die deutsche art des machen) und negative Konsequenzen für die eigene Person darstellt (dann klappt des hier nicht). Auch diese abschließende Aussage steht in der 2.Ps.Sg (wenn du).
Wenn-Dann-Konstruktionen stellen also auf der Basis eigener Erfahrungen in meist verallgemeinernder oder prophezeiender Weise Handlungsoptionen und zu erwartende positive oder negative Konsequenzen oder Reaktionen dar. Die Handlungsoptionen werden dadurch als zu empfehlen oder zu vermeiden eingestuft. Die Wenn-Dann-Konstruktionen enthalten damit implizite Handlungsempfehlungen. Steht das Subjekt der Wenn-Dann-Konstruktionen in der 2.Ps.Sg.
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
(wenn du...dann hast/ kannst/ wirst du...), so ist der Empfehlungscharakter noch stärker ausgeprägt, als wenn als Subjekt das neutrale Personalpronomen man bzw. eine verallgemeinernder Referenzausdruck verwendet wird (wenn man... dann werden die...). Im Gegensatz zu expliziten Handlungsempfehlungen wird dem Gesprächspartner bei Wenn-Dann-Konstruktionen insgesamt ein größerer Handlungsspielraum und auch ein Spielraum für Widerspruch gelassen. Verb ‘erwarten’ + Handlungsverb + ggf. Konsequenzen/Argumentation Eine weitere Möglichkeit, um implizite Handlungsempfehlungen anzuzeigen, die allerdings insgesamt seltener verwendet wird, ist die Darstellung von Handlungserwartungen seitens der Spanier. Dazu verwenden die Gesprächspartner das Verbs erwarten in Kombination mit einem Handlungsverb (im Sinne von die spanier erwarten dass...). Die Darstellung von Handlungserwartungen der Spanier impliziert gewissermaßen, dass ein Handeln gemäß derselben positive Reaktionen bei den Spaniern hervorruft. Allerdings können mögliche Konsequenzen auch durchaus explizit dargestellt werden. In der Beispielanalyse in 4.1 wurde ein Beispiel für dieses Verfahren kommentiert. Den entsprechenden Abschnitt möchte ich hier noch einmal wiedergeben und kommentieren. Voraus geht dem Abschnitt die Aussage E’s, dass es ihr schwer fällt, als Vorgesetzte die Mitarbeiter stark zu kontrollieren. KOLLEGIALE BERATUNG: „dass die mitarbeiter das erwarten” (09:36, Z.251) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
E: ähm (-) hab aber dann a=die erFAHrung gemacht dass die mitarbeiter das erWARten. (--) N: mhm, E: also dass sie erWARten dass ich (.) NACHfrage wie die dinge LAUfen? (--) dass (.) äh: ich geZIELT auch also (.) ANspreche gibt es proBLEme? (-) wo kommst du jetzt nicht WEIter? (---) und (.) ä:hm: (.) dass ich das regelmäßig überwache. (--) weil ä:hm: SONST kann=es eben halt nach nem JAHR, wenn das em a GE, wenn der zeitraum UM is, (--) ä:hm: (.) wenn man dann sich zuSAMmensetzt kann=des einfach ma (gro’) m=böse überRAschungen geben.= =also dieses (.) sich darauf verLASsen dass der mItarbeiter das schon (.) im AUge behÄlt, (--) ähm (-) das ist hier (--) DEUTlich WEniger stark ausgeprägt.= =und wird auch vom (.) vorgesetzten eher erwArtet. (-)
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
355
Kommentar: E nimmt in Z. 1-2 erstmals die Perspektive der Erwartungshaltung der Spanier ein. Die Aussage wird einleitend subjektiviert (hab aber dann a=die erfahrung gemacht). Sie rahmt dann die zuvor dargestellten Handlungen nicht mehr nur als typischen Führungsstil spanischer Führungskräfte, sondern auch als Verhaltensweise, die von ihr selbst erwartet wird. Ab Z. 4 stellt sie noch einmal konkreter dar, was von ihr erwartet wird (also dass sie erwarten dass). In drei dass-Sätzen reiht sie drei konkrete erwartete Handlungen aneinander (dass ich nachfrage wie die dinge laufen, dass ich...anspreche gibt es probleme, dass ich das regelmäßig überwache). Anschließend stellt E in Z.10-14 potenzielle negative Konsequenzen dar, die eintreten können, wenn man die erwarteten Handlungen nicht realisiert (vgl. die negativ konnotierte Floskel zur Beschreibung von Konsequenzen: es kann böse überraschungen geben). Auch hier dient also die Darstellung zu erwartender Konsequenzen aus einer bestimmten Verhaltensweise der Bewertung einer Handlung als vorteilhaft und empfehlenswert oder nachteilig und nicht empfehlenswert. Die Darstellung von Handlungserwartungen impliziert eine Handlungsempfehlung. In Z. 15-18 nimmt E wieder die Perspektive der Darstellung kultureller Verhaltensweise, Eigenschaften etc. ein. Das heißt sie spricht nicht konkret über den Umgang mit Unterschieden, sondern darüber, wie bestimmte Prozesse in Spanien im Vergleich zu Deutschland ablaufen (ist hier deutlich weniger stark ausgeprägt). In Z. 19 findet jedoch erneut ein Perspektivenwechsel und damit zugleich ein Wechsel von der Aufgabe der Darstellung kultureller Verhaltensweisen zur Aufgabe der Formulierung interkultureller Ratschläge statt. Um die zuvor dargestellten negativen Konsequenzen zu vermeiden, wird gewissermaßen empfohlen, sich an den spanischen Führungsstil anzupassen.
In dem folgenden Beispiel wird die Handlungsempfehlung (im Sinne einer Erfüllung von Handlungserwartungen) nicht nur durch die Darstellung negativer Konsequenzen, sondern auch durch das Anführen einer bestimmten Argumentation begründet. KOLLEGIALE BERATUNG: „die erwartungshaltung is” (26:22, Z.675) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13
E: und zumal: eben die erWARtungshaltung dann bei den DEUTschen die=HERkommen=dann IS okay also (--) verDIENT halt mehr,= =kann man auch=n bisschen mehr verLANgen; das [heißt also die erWARtungshaltung IS (--) dass du auf N: [mhm; E: JEden fall zu DEnen: (-) geHÖRST (.) die NICH pünktlich heimgehen; oder die NICH [also ] (--) dienst nach vorschrift machen N: [jaja.] E: sondern man erwartet dann schon n gewissen EINsatz dann einfach. (--) [( )] N: [ja aber sonst is=es GANZ schwierig mit=der akzeptanz. (--)
14 15
E: [<
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren kann kein SPAnisch, und geht früh HEIM, (--) [des:=is (-) glaub ich GAR nich [gut. E: [mhm, [<
Kommentar: E stellt in Z. 1-3 direkt das zentrale Argument für eine bestimmte Erwartungshaltung der Spanier gegenüber den Deutschen dar: verdient halt mehr kann man auch=n bisschen mehr verlangen. Was konkret erwartet wird, stellt E in Z. 4-11 dar. Die Erwartungshaltung wird hier weder in Bezug auf den Sprecher (vgl. erstes Beispiel: dass sie erwarten dass ich) noch neutral (vgl. erstes Beispiel: wird auch vom vorgesetzten eher erwartet), sondern in Bezug auf den Hörer formuliert (die erwartungshaltung is dass du). Dadurch tritt der Aspekt der Handlungsempfehlung stärker in den Vordergrund. Die Darstellung der Erwartungshaltung ist jeweils neutral in der 3.Ps.Sg. formuliert (Z. 1-2 und Z. 4: die erwartungshaltung...is, Z. 10: man erwartet), das heißt sie wird keiner bestimmten Person zugeschrieben. Dies bewirkt, dass der Aussage gewissermaßen eine allgemeine Gültigkeit zugeschrieben wird. Es handelt sich nicht um die Erwartung Einzelner, sondern um eine allgemeine Erwartung, die damit mehr Verbindlichkeit besitzt. Auch dies bewirkt also, dass die Darstellung einer Erwartungshaltung zu einer impliziten Handlungsempfehlung wird. Ab Z. 13 stellt nun N potenzielle negative Konsequenzen dar für den Fall, dass man sich nicht gemäß der Handlungserwartungen verhält. Er nimmt damit die Handlungsempfehlung E’s an. Insgesamt sieht er die negative Konsequenz darin, dass ein NichtEinhalten der Erwartungen bei den Spaniern aus verständlichen Gründen zu Ablehnung führt. Dass es sich um negative Konsequenzen handelt, wird angezeigt durch das Problem-Adjektiv schwierig, die umgangssprachliche Floskel des=is glaub ich gar nich gut und den abwertenden Tonfall in der Wiedergabe der Gedanken der Spanier (kommt daher kann kein spanisch und geht früh heim). Die kurzen, rhythmischen Sätze unterstützen die Wirkung der Aussage. In der Wiedergabe der Gedanken der Spanier nimmt N noch einmal Bezug auf die Argumentation aus Z.1-3 und fügt ihr ein weiteres Argument hinzu (oben: verdient halt mehr, hier: kann kein spanisch). Insgesamt empfiehlt E also die Erfüllung der Erwartungshaltung der Spanier, einerseits um eine ablehnende Haltung bzw. Kritik zu vermeiden, andererseits, weil diese Erwartungshaltung auch verständlich und angemessen ist. N stimmt ihr zu, nimmt die Handlungsempfehlung an und fügt sogar noch weitere Argumente hinzu.
Anhand eines letzten Beispiels möchte ich zeigen, dass die Gesprächspartner für sich tatsächlich aus Handlungserwartungen Handlungsempfehlungen ableiten. In dem folgenden Ausschnitt stellt N bestimmte Erwartungshaltungen dar, mit denen er sich in Deutschland und China konfrontiert sah, um anschließend zu fragen, wie diese in Spanien aussehen. Dabei wird deutlich, dass er sich sowohl in Deutschland als auch in China an die Erwartungen gehalten hat.
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
357
ANMELDUNG: „in china ham die von mir erwartet” (15:30, Z.491) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
N: in DEUTSCHschlan:d=hab ich die erfahrung g=macht in münchen (--) beispielsweise (--) da ham die leut (-) des (.) GAR (.) net (.) SO (.) GERN (.) wenn (.) ich ihnen die ARbeit VORmache? (--) also ZEIG wie=s GEHT, (-) die fühlen sich da mehr oder weniger geGÄNgelt, (--) und denken sich was muss der mir des jetzt zeigen des kann ich SELber schon? E: mhm, (--) N: .hh öh:: (--) des heißt da hat ma eigentlich nur des AN deuten dürfen und dann hat der sich (.) selber (-) gefordert g=fühlt jetzt zu beWEIsen was=er KANN; (--) und (--) der hat sich (--) äh sich SELber nimmer in=n spiegel schauen können wenn=er des net bewiesen HÄTte. (--) E: [die’] N: [so- ] (--) E: [mhm, N: [in (--) äh: CHIna war=s=a jetzt genau des GEgenteil. in china ham die von mir erwartet dass ich JEden hAndgriff sElber MAchen [kann. E: [hm; hm, N: und wenn ich das net selber MAchen kann bin ich auch kein CHEF, (---) also DA (--) war jetz=e ganz andre mentalität-= =wie=s (-) wie is des beim SPAnier. (---)
Kommentar: In Z. 1-8 stellt N, nachdem er seine Aussage vorausgreifend subjektiviert hat (hab ich die erfahrung g=macht), zunächst die Erwartungshaltung dar, die er in Deutschland erfahren hat. Er verwendet dabei keinen Begriff aus der Wortfamilie des Erwartens, sondern das Verb es gern haben bzw. es nicht so gern haben, das vielmehr eine Präferenz ausdrückt. Die Einstellung der Präferenz steht der der Handlungserwartung sehr nahe, impliziert jedoch eine etwas schwächere Anforderung an das Handeln des Interaktionspartners. Zur Darstellung der präferierten Verhaltensweise verwendet N zwei Handlungsverben ([nicht] vormachen, zeigen wie=s geht). In Z. 6-8 begründet er die Erwartungshaltung der Deutschen und zeigt zugleich an, dass zu empfehlen ist, den Handlungswunsch der Mitarbeiter zu erfüllen. Auch hier wird wie im letzten Beispiel ein zu vermeidendes negatives Gefühl (vgl. das negativ konnotierte umgangssprachliche Verb gängeln) bzw. ein negativer Gedanke aufgeführt (vgl. direkte Rede, umgangssprachliche Floskel in abwertendem Tonfall: was muss der mir des jetzt zeigen). In Z. 11 formuliert N explizit eine allgemeine Handlungsregel (vgl. Verwendung des neutralen Personalpronomens man und des Verbs dürfen). Anschließend werden positive Konsequenzen dargestellt, die eintreten, wenn man sich an die Handlungsregel hält (vgl. positiv konnotierte Verben: gefordert, beweisen).
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9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Nach einer kurzen Pause bzw. einem Rückmeldesignal von E (mhm) stellt N ab Z. 20 die Erwartungshaltung dar, mit der er sich in China konfrontiert sah. Er hebt zunächst den Kontrast zu der Erfahrung in Deutschland hervor (in äh china war=s=a jetzt genau des gegenteil). Er verwendet hier explizit das Verb erwarten (in china ham die von mir erwartet dass). Die Erwartung wird in Bezug auf die eigene Person gewissermaßen als Erfahrungsbericht formuliert (von mir). Da es sich um eine Aussage N’s handelt, ist auch weniger eine Handlungsempfehlung für den Gesprächspartner zu erwarten. Wieder werden zu vermeidende negative Konsequenzen angeführt, die eintreten, wenn man sich nicht an die Handlungserwartung hält (keine Anerkennung als Vorgesetzter: wenn ich das net selber machen kann bin ich auch kein chef).
In dem Ausschnitt gibt N also Erwartungshaltungen wieder, mit denen er sich in Deutschland und China konfrontiert sah. Bei der Darstellung von Konsequenzen geht es ihm aufgrund des Gesprächskontextes nicht darum, eine Handlungsempfehlung für den Gesprächspartner zu formulieren, sondern vielmehr darum zu begründen, warum er sich jeweils an die Erwartungen angepasst hat. Zusammenfassung: Es wurden drei Formen dargestellt, mithilfe derer Gesprächspartner auf implizite Weise Handlungsempfehlungen anzeigen. Bei der Darstellung eigener Verhaltensweise mithilfe eines Handlungsprädikats (meist in der 1.Ps. Sg.) und bei Wenn-Dann-Konstruktionen werden jeweils potenzielle Verhaltensweisen vorgestellt und mögliche Konsequenzen daraus diskutiert. Insgesamt fällt bei diesen Formen auf, dass die Gesprächspartner N eher eigene Verhaltensweisens darstellen und Wenn-Dann-Konstruktionen in der 3.Ps.Sg. mit neutralem Personalpronomen man formulieren. Die Gesprächspartner E stellen häufiger Konsequenzen aus dem eigenen Verhalten dar und verwenden Wenn-Dann-Konstruktionen in der 2.Ps.Sg. (du), so dass der Moment der Empfehlung stärker hervortritt. Die Darstellung von Handlungserwartungen seitens der Spanier stellt eine weitere formale Variante dar. Die Handlungserwartungen werden häufig argumentativ begründet, und/oder es werden potenzielle negative Konsequenzen dargestellt, die zu vermeiden sind. Sind Erwartungshaltungen in der 3.Ps.Sg. formuliert (die erwartung ist, man erwartet etc.), so wird der Empfehlungscharakter der Aussage deutlicher als wenn sie in der 1.Ps.Sg. formuliert werden (die erwarten von mir). 9.3.3 Zusammenfassung Es wurden zwei Verfahren vorgestellt, mithilfe derer die Gesprächspartner Ratschläge für den interkulturellen Arbeitskontext formulieren: das ‘explizite Aussprechen’ und das ‘implizite Anzeigen von Handlungsempfehlungen’. Die folgende Tabelle 9.1 gibt einen Überblick über die dargestellten Formen und Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge.
9.3 Verfahren zur Formulierung interkultureller Ratschläge
359
Tabelle 9.1: Verfahren und Formen zur Formulierung interkultureller Ratschläge 1. Explizites Aussprechen von Handlungsempfehlungen Formen Beispiele aus den Gesprächen Verbalphrase ‘einen Tipp geben’ - des=n persönlicher tipp denket se dran + Imperativkonstruktion (FREUND Z. 1623f) - und i kann ihne nur den persönlichen ... tipp geben... geh=n sie mit demut an die sache ran (FREUND Z. 2336ff) Verb ‘müssen’ - da musst se drücken (ANM Z. 768) - also ma muss scho sehr viel vorsichtiger rangeh=n (LOCKER Z. 815) Freie Infinitivkonstruktionen mit - auf die wichtigsten dinge konzentHandlungsverben rier=n (ENTSZIEL Z. 889) - immer mitkommen oder sogar das thema mitnehmen und dann selber präsentieren (KOLBER Z. 912ff) Wortfeld vorteilhaft, hilfreich etc. - es ist hilfreich wenn du weißt wie=s läuft (ANM Z. 568f) 2. Implizites Anzeigen von Handlungsempfehlungen Formen Beispiele aus den Gesprächen Handlungsprädikat in der 1.Ps.Sg. - ich hab hier den den stil gepflegt den + Konsequenz/Reaktionen (Redewiedergabe, ich auch in deutschland gepflegt hab Beschreibung der Reaktionshaltung etc.) (ANM Z. 283ff) - ich sag zu den mitarbeitern auch immer... und des is au super okay überhaupt kei problem (ANM Z. 596ff) - dann frag=i au zwei dreimal nach is überhaupt kei problem (ANM Z. 602ff) Wenn-Dann-Konstruktion - we=ma zuviel äh den sachen dann mit man oder du/Sie vormacht dann nutzen die des au ganz gerne aus (ANM Z. 609f) - we=man des ruhig angeht dann sind da die spanier auch ganz relaxed (LOCKER Z. 97f) Verb erwarten + Handlungsverb - dass sie erwarten dass ich nachfrage + Darstellung negativer Konsequenzen wie die dinge laufen...sonst... kann= des einfach ma (gro’) m=böse überraschungen geben (KOLBER Z. 254ff) - in china ham die von mir erwartet dass ich jeden handgriff selber machen kann und wenn ich das net kann bin ich auch kein chef (ANM Z. 511ff)
360
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
Verb erwarten + Handlungsverb + Argumentation
- die erwartungshaltung dann bei den deutschen die=herkommen=dann is okay also verdient halt mehr,= =kann man auch=n bisschen mehr verlangen das heißt also die erwartungshaltung is dass du auf jeden fall zu denen gehörst die nich pünktlich heimgehen (KOLBER Z. 675ff)
9.4 Praxiskommentar 9.4.1 Aufgabenüberblick und Bezug zur Praxis Die Analysen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen nicht nur kulturelle Prägungen darstellen (Aufgabe-3) und individuelle Empfindungen oder Probleme aufzeigen (Aufgabe-4), sondern dass sowohl die neuen Auslandsentsandten (N) als auch die Erfahreneren (E) zur Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden überleiten. In allen Gesprächen beschäftigen sich die Gesprächspartner intensiv mit konkreten Handlungsoptionen und deren Wirksamkeit. Dabei gibt insbesondere der erfahrenere Gesprächspartner Handlungsempfehlungen an den Neuen. Die Aufgabe der ‘Formulierung interkultureller Ratschläge’ besteht für die Gesprächspartner darin, aufbauend auf die dargestellten kulturellen Prägungen (Aufgabe-3) und die aufgezeigte individuelle Betroffenheit (Aufgabe-4) Handlungsempfehlungen für die Zusammenarbeit mit Kollegen und Geschäftspartnern der fremden Kultur zu geben. In 9.2.1 wurde gezeigt, dass die Aufgabe des Ratschlagens dabei in den Gesprächen lokal bearbeitet wird und dass auch eine Reihe weiterer Argumente dafür sprechen, dass es in den Gesprächen um ein ‘Ratschlagen’ und nicht um ein gesprächsübergreifendes ‘Beraten’ geht (es gibt keinen institutionalisierten Berater und keinen Laien, der mit einem spezifischen Problem zum Berater kommt, das heißt kein typisches Berater-Laien-Verhältnis, außerdem besteht keine klare Problemdefinition, kein Beratungsanliegen und -auftrag). Es wurden insgesamt zwei Verfahren unterschieden, die die Gesprächspartner zur Formulierung interkultureller Ratschläge verwenden (9.3.): 1.
‘Explizites Aussprechen von Handlungsempfehlungen’: Mithilfe verschiedener linguistischer Formen sprechen die Gesprächspartner explizit Handlungsempfehlungen für den anderen aus (z.B. des=n persönlicher tipp, denket se dran m spanier immer zwei tage mehr zu gebn wie=me deutsche). Dabei kann der Grad der Verbindlichkeit, die die Handlungsempfehlungen
9.4 Praxiskommentar
2.
361
haben, variieren (eine geringere Verbindlichkeit impliziert zum Beispiel die Aussage es ist hilfreich wenn du weißt wie=s läuft) (vgl. 9.3.1). ‘Implizites Anzeigen von Handlungsempfehlungen’: Die Gesprächspartner zeigen Handlungsempfehlungen implizit an, indem sie individuelle Handlungsstrategien darstellen und bewerten und dabei zu erwartende Konsequenzen daraus darstellen (z.B. wenn du den leuten des zu viel vormachst dann lassen die dich sauber die arbeit machen). Eine weitere Möglichkeit besteht in der Darstellung von Handlungserwartungen seitens der Spanier in Kombination mit der Darstellung möglicher Konsequenzen (z.B. die mitarbeiter erwarten dass ich nachfrage wie die dinge laufen... weil sonst kann=es nach nem jahr... m=böse überraschungen geben) (vgl. 9.3.2).
Die Relevanz der Aufgabe des Ratschlagens deutet insgesamt darauf hin, dass sich die Gesprächspartner in Bezug auf die meisten Gesprächsinhalte an ihrem Handlungskontext und ihrer beruflichen Aufgabe orientieren und über optionale Handlungsstrategien nachdenken. Dies ist vor allem aus Unternehmensperspektive interessant, denn Unternehmen haben insbesondere ein Interesse daran, dass die Gespräche einen positiven Effekt für das Handeln der Gesprächspartner in der fremden Kultur haben. Außerdem spiegelt die Relevanz der Aufgabe ein Bedürfnis von Managern wider, das auch in interkulturellen Trainings häufig deutlich wird: Anstatt theoretischer Hintergründe wollen sie bevorzugt konkrete Handlungsstrategien diskutieren. Insbesondere neue Auslandsentsandte stehen unter einem starken Erfolgsdruck und sind daher mit einem reinen Wissen über die fremde Kultur nicht zufrieden gestellt. Erfahrenere Auslandsentsandte, die den gleichen Handlungsdruck erfahren haben, können diesem Bedürfnis gerecht werden und von konkreten Erfahrungen mit bestimmten Handlungsstrategien berichten und Handlungsempfehlungen geben. Der starke Handlungsfokus in den Gesprächen kann möglicherweise auch dem Problem der mangelnden Umsetzung abstrakter Inhalte in die Praxis begegnen, das in der Evaluationsforschung zu interkulturellen Trainings festgestellt wurde (Mayrhofer/Kühlmann/Stahl 2005: 11, Mendenhall et al. 2004). Die Aufgabe des Ratschlagens ist mit der Diskussion von Handlungsoptionen nahe am Handlungsalltag der Gesprächspartner, was eine spätere Umsetzung der Gesprächsinhalte begünstigt. 9.4.2 Die Herausforderung einer nicht-institutionalisierten Beraterrolle Die Analysen haben ergeben, dass die Gesprächspartner in den Gesprächen Handlungsempfehlungen häufig auf implizite Weise formulieren. Dies lässt sich als Reaktion auf die fehlende institutionelle Legitimierung des beratenden Ge-
362
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
sprächspartners deuten. In Abschnitt 9.2.1 wurde im Rahmen der Unterschiede zwischen dem Beraten und Ratschlagen darauf hingewiesen, dass der Neue in den Gesprächen meist kein Beratungsanliegen hat, und dass der erfahrenere Auslandsentsandte nicht als Berater institutionalisiert ist, sondern lediglich über eine längere Erfahrung in Spanien verfügt. Dies hat zur Folge, dass ihm aufgrund seiner Rolle nicht die typischen Rechte und Pflichten eines Beraters im Beratungsgespräch zugesprochen werden (z.B. gehäuftes Stellen von Fragen, Formulierung von Ratschlägen). Dennoch übernehmen die erfahreneren Auslandsentsandten lokal immer wieder die Rolle eines Beraters und realisieren auch entsprechende kommunikative Handlungen (z.B. Formulierung typischer Beraterfragen, vgl. 5.3.3, emotionale Unterstützung des Gesprächspartners, vgl. 8.2.2). Damit beanspruchen sie eine gewisse Beratungskompetenz für sich. Häufig werden die explizit beratenden Handlungen entsprechend gerahmt oder relativiert, um eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme dieser Rolle auszugleichen (vgl. z.B. die Formulierung de=sch meine erfahrung schon auch im Anschluss an die explizite Handlungsempfehlung ma muss scho sehr viel vorsichtiger rangehn, Kommentar in 9.3.1). In Kapitel 5 zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen wurde gezeigt, dass die erfahreneren Auslandsentsandte häufig mithilfe unterschiedlicher Verfahren für sich Erfahrungskompetenzen etablieren. Der Erfahrungsvorsprung gegenüber den Neuentsandten berechtigt sie dann gewissermaßen zur Formulierung von Ratschlägen. Es ist auffällig, dass Gespräche, in denen sich E deutlich als Experte inszeniert (z.B. das Gespräch FREUNDSCHAFT), tendenziell viele explizite Handlungsempfehlungen enthalten, während in Gesprächen, in denen E für sich weniger Kompetenzen etabliert oder in denen sich N in auffälliger Weise als Auslands- oder institutioneller Experte inszeniert (z.B. in dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL), eher implizite Handlungsempfehlungen formuliert werden. Allerdings berechtigt ein Erfahrungsvorsprung nur bedingt zu einem Ratschlag, insbesondere wenn der Beratene nicht explizit um einem Rat bittet. Teilweise fragen die Gesprächspartner N innerhalb der Gespräche nach Ratschlägen (z.B. aber wie gehen sie denn damit um, ENTSZIEL Z. 886; un was erzählst du de=n dann? LOCKER Z. 1210). Auch auf solche Fragen reagieren die erfahreneren Auslandsentsandten wiederum teilweise mit expliziten Handlungsempfehlungen. 9.4.3 Die Strategie der impliziten Handlungsempfehlung Auf die fehlende institutionelle Legitimierung des erfahreneren Auslandsentsandten als Berater reagieren die Gesprächspartner also offenbar mit der Präferenz impliziter im Vergleich zu expliziten Handlungsempfehlungen. Diese Strategie entspricht dem Verfahren des ‘impliziten Anzeigens von Handlungsemp-
9.4 Praxiskommentar
363
fehlungen’. Folgende Formen zur Formulierung impliziter Handlungsempfehlungen wurden beschrieben (vgl. 9.3.2): 1.
2.
3.
‘Darstellung eigener Handlungsstrategien und Konsequenzen/Reaktionen’: Wenn ein Gesprächspartner eine individuelle Handlungsstrategie darstellt (z.B. ich hab in den zwei jahren hier den stil gepfegt den ich auch in deutschland gepflegt hab) und dabei eventuell sogar berichtet, zu welchen Konsequenzen oder Reaktionen diese Handlungsweise geführt hat (z.B. is überhaupt kei problem, des verstehn die), so formuliert er damit auf der sprachlichen Ausdrucksebene keine Handlungsempfehlung und beansprucht somit auch nicht explizit die Rolle des Beraters. Implizit lässt sich aus der Aussage jedoch eine Handlungsempfehlung ableiten. ‘Wenn-Dann-Konstruktionen’: Auch bei Wenn-Dann-Konstruktionen, die einen Zusammenhang zwischen einer Handlungsoption und möglichen Konsequenzen darstellen (z.B. we=ma dann sagt a=ich hab jetzt keine zeit, dann wird des nicht funktionieren), wird die Handlungsempfehlung nur implizit ausgedrückt. ‘Darstellung und Kommentierung von Handlungserwartungen seitens der Spanier’: Schließlich kann ein Gesprächspartner auch eine Handlungserwartung seitens der Spanier darstellen (z.B. die erwarten dass ich nachfrage wie die dinge laufen, dass ich gezielt auch anspreche gibt es probleme) und argumentieren, inwiefern es sinnvoll ist, diesen Erwartungen zu entsprechen (z.B. sonst is)es ganz schwierig mit der akzeptanz).
Alle Formen des impliziten Ratschlagens, sind so formuliert, dass kaum direkt auf den Gesprächspartner Bezug genommen wird (außer in dem du in einigen Wenn-Dann-Konstruktionen). Es wird damit auf der Ebene der sprachlichen Oberfläche nicht die klassische Rollenkonstellation Berater-Beratener konstituiert, und der Gesprächspartner nimmt nicht in ungerechtfertigter Weise die Rolle des Beraters ein. Die Sprechhandlung des Ratschlagens wird vielmehr implizit realisiert. Auch innerhalb der expliziten Handlungsempfehlungen (9.3.1) gibt es linguistische Formen, die nicht personalisiert sind und bei denen die Handlungsempfehlung einen eher geringen Verbindlichkeitsgrad besitzt (z.B. freie Infinitivkonstruktionen, Formulierungen mit Begriffen aus dem Wortfeld vorteilhaft, hilfreich). Hier wird deutlich, dass zwischen dem Verfahren des expliziten Aussprechens und des impliziten Anzeigens von Handlungsempfehlungen keine scharfe Grenze besteht. Die einzelnen Formen sind vielmehr auf einer Skala von explizit zu implizit anzuordnen (zum Verständnis der Systematisierung der Formen und Verfahren vgl. 4.2.2). Die Formen der freien Infinitivkonstruktion und
364
9. Aufgabe-5: Interkulturelle Ratschläge formulieren
der Formulierung ‘vorteilhafter’ Handlungen nehmen weniger deutlich auf das klassische Rollenverhältnis Berater-Beratener Bezug als Formulierungen, die die Verbalphrase ich geb ihnen den tipp enthalten. Dennoch wird auf sprachlicher Ebene eine Handlungsempfehlung formuliert. Insbesondere innerhalb der impliziten Formen des Ratschlagens wurde gezeigt, dass die Gesprächspartner häufig nicht einfach Handlungsoptionen präsentieren, sondern ausführlich auf Konsequenzen aus den vorgeschlagenen Handlungsstrategien oder nicht-erfüllten Handlungserwartungen eingehen (vgl. 9.3.2). Auch bei einigen Beispielen expliziter Handlungsempfehlungen werden potenzielle Konsequenzen der jeweiligen Handlungsweise in den Blick genommen (vgl. 9.3.1, z.B. die Gesprächsausschnitte „i kann ihne nur den persönlichen tipp geben“, FREUND Z. 2336ff; „ab und zu mal mit den jungs=n bier trinken“, ANM Z. 710f). Die Darstellung solcher positiver oder negativer Handlungskonsequenzen begründet gewissermaßen die Empfehlung einer bestimmten Handlungsweise. Die Einbettung eines Ratschlags in einen Argumentationszusammenhang unterstützt damit die Überzeugungskraft des Handlungsvorschlags, was insbesondere bei einem nicht-institutionalisierten Berater von Vorteil ist. Die Formulierung impliziter Handlungsempfehlungen und die Vermeidung einer Bezugnahme auf das Rollenverhältnis Berater-Beratener führen dazu, dass die Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden in den Gesprächen nicht nur in Form interkultureller Ratschläge behandelt wird. In Kapitel 5 zur Etablierung von Erfahrungskompetenzen wurde gezeigt, dass in den Gesprächen ein Übergang von der Erfahrungsweitergabe zum Erfahrungsaustausch stattfinden kann. Ebenso gilt auch für die Formulierung von Strategien zum Umgang mit kulturellen Unterschieden, dass an einigen – allerdings eher wenigen – Stellen nicht Ratschläge formuliert, sondern verschiedene Handlungsoptionen diskutiert werden. Dies ist beispielweise in dem Ausschnitt aus dem Gespräch ENTSENDUNGSZIEL der Fall, der in 5.2.2 zum Einfluss sozialer Rollen kommentiert wurde und bei dem N die Handlungsstrategie E’s (akzeptieren, dass deutsche Auslandsentsandte bestimmte Dinge aufarbeiten, die eigentlich von Spaniern erledigt werden müssten) infrage stellt und eine alternative Einstellung und Handlungsoption vorschlägt. Insgesamt findet dieser Wechsel von der Formulierung von Ratschlägen zur Diskussion von Handlungsempfehlungen jedoch seltener statt als der von der Erfahrungsweitergabe zum Erfahrungsaustausch. Dies könnte damit zusammenhängen, dass neue Auslandsentsandte zwar schon Beobachtungen gemacht haben und somit erste Aussagen darüber machen können, wie bestimmte Dinge in der fremden Kultur ablaufen. verfügen sie im Vergleich zu den erfahreneren Auslandsentsandten insbesondere über deutlich weniger Handlungserfahrungen.
10 Diskussion und Ausblick
Die vorliegende Arbeit liefert eine Beschreibung der Charakteristika und Besonderheiten der mündlichen Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten. Dabei geht es nur sekundär um die Frage, was Auslandsentsandte in solchen Gesprächen genau weitergeben. Das primäre Interesse gilt der Frage, wie die kommunikativen Prozesse der Erfahrungsweitergabe konkret gestaltet werden. Die Arbeit stellt dar, wie Manager ihre kulturellen Erfahrungen verbalisieren, wie sie Erfahrungen an jüngere oder unerfahrenere Kollegen kommunizieren oder wie sie Tipps und Ratschläge formulieren und Neuentsandte vor interkulturellen Fettnäpfchen bewahren. Dies sind Aspekte, die nicht nur forschungstheoretisch, sondern auch aus Unternehmensperspektive höchst relevant sind. Mit der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten nimmt die Arbeit eine ‘kommunikative Gattung’ (Luckmann 1988, 1986) in den Blick, die im Kontext der Internationalisierung von Wirtschaftsunternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt.
10.1 Beschreibungsmodell für die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten 10.1 Beschreibungsmodell Datengrundlage ist ein Korpus aus Audioaufzeichnungen authentischer Gespräche unter Auslandsentsandten, in denen erfahrenere Manager ihre kulturellen Erfahrungen an Neuentsandte weitergeben. Das Datenkorpus wurde in Kooperation mit einem führenden deutschen Industrieunternehmen erhoben. In der gesprächsanalytischen Auswertung dieser Daten wurde gezeigt, dass sich die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten als kommunikative Gattung auffassen lässt, die die Gesprächspartner mit spezifischen kommunikativen Aufgaben konfrontiert, welche sie interaktiv bewältigen müssen (zu dem Aufgabenmodell von Hausendorf 2000a bzw. Hausendorf/Quasthoff 1996, das der Systematisierung der Analyseergebnisse zugrunde liegt, vgl. 2.2.2). Insgesamt wurden in den Analysen fünf zentrale kommunikative Aufgaben herausgearbeitet, die sich Auslandsentsandten bei der Erfahrungsweitergabe stellen:
366
10. Diskussion und Ausblick
Aufgabe-1: ‘Erfahrungskompetenzen etablieren’ Aufgabe-2: ‘Relevante Themen einführen’ Aufgabe-3: ‘Kulturelle Prägungen darstellen’ Aufgabe-4: ‘Individuelle Betroffenheit aufzeigen’ Aufgabe-5: ‘Interkulturelle Ratschläge formulieren’
Die Analysen zeigten, dass alle Aufgaben von den Gesprächspartnern interaktiv bewältigt werden. Das heißt, dass beide Gesprächspartner zu allen Aufgaben einen Beitrag leisten. Innerhalb des Beschreibungsmodells besitzen die einzelnen Aufgaben zwar einen unterschiedlichen Stellenwert, aber insgesamt konstituieren sie die Gattung der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten. Wenn die Aufgaben in der beschriebenen Kombination realisiert werden, kann man von einer Erfahrungsweitergabe unter Auslandentsandten sprechen. Die Abbildung 10.1 gibt einen Überblick über die herausgearbeiteten kommunikativen Aufgaben (sowie die jeweils von den Gesprächspartnern verwendeten Verfahren) und ihren jeweiligen Stellenwert für die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten: Abbildung 10.1: Beschreibungsmodell für die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten
10.1 Beschreibungsmodell
367
Die ‘Etablierung von Erfahrungskompetenzen’ (Aufgabe-1) und die ‘Einführung relevanter Themen’ (Aufgabe-2) stellen kommunikative Voraussetzungen der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten dar. Um eine Erfahrungsweitergabe zu realisieren, müssen die Gesprächspartner für sich selbst und/oder den anderen Gesprächspartner Erfahrungskompetenzen und/oder -defizite (im Sinne mangelnder Kompetenzen) etablieren und dabei eine Erfahrungsasymmetrie konstituieren. Teilweise etablieren die Gesprächspartner für sich an bestimmten Stellen des Gesprächs gleichwertige Erfahrungskompetenzen, also eine Erfahrungssymmetrie, so dass ein Erfahrungsaustausch stattfindet (Aufgabe-1). Voraussetzung für die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten ist auch, dass die Gesprächspartner ‘relevante Themen einführen’, das heißt Themen, Fragen und Erfahrungen in das Gespräch bringen, die sie für die berufliche Tätigkeit in Spanien für relevant halten (z.B. Mitarbeitermotivation, Führung, Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter, Emotionalität in Besprechungen). Dabei fällt auf, dass die Gesprächspartner oft einen erheblichen Formulierungsaufwand betreiben, um die Relevanz bestimmter Themen hervorzuheben und zu begründen (Aufgabe-2). Die übrigen drei Aufgaben, das heißt die ‘Darstellung kultureller Prägungen’ (Aufgabe-3), das ‘Aufzeigen individueller Betroffenheit’ (Aufgabe-4) und das ‘Formulieren interkultureller Ratschläge’ (Aufgabe-5) repräsentieren drei logisch aufeinander aufbauende Komponenten der Verbalisierung kultureller Erfahrungen. Die erste Komponente besteht in der Darstellung von Besonderheiten der spanischen Kultur oder deutsch-spanischer Unterschiede (auf der Basis eigener Erfahrungen). Sie stellt die zentrale Aufgabe der Gespräche dar und nimmt entsprechend innerhalb der Gespräche den größten Raum ein. Innerhalb der Aufgabe lässt sich eine große Zahl etablierter Verfahren zur Darstellung kultureller Prägungen unterscheiden (z.B. Generalisierung, Relativierung, Kontrastierung). Diese werden danach untergliedert, ob sie insgesamt einer verallgemeinernden Darstellung kultureller Prägungen oder dem Erzählen von Beispielerfahrungen dienen (Aufgabe-3). Die zweite Komponente der Verbalisierung kultureller Erfahrungen, das ‘Aufzeigen individueller Betroffenheit’, fokussiert auf einen spezifischen Aspekt des Erfahrungsbegriffs, nämlich die emotionale und handlungsbezogene Betroffenheit eines Individuums durch Erfahrungen. Die Aufgabe besteht für die Gesprächspartner darin zu kommunizieren, inwiefern die kulturellen Besonderheiten und Unterschiede, auf die sie in der Fremde stoßen, emotionale und/oder handlungsbezogene Konsequenzen für sie haben (Aufgabe-4). Die dritte Komponente der Verbalisierung von Erfahrungen stellt die Frage nach dem Umgang mit kulturellen Unterschieden am Arbeitplatz und dabei ins-
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10. Diskussion und Ausblick
besondere mit problematischen Situationen. Die Aufgabe der ‘Formulierung interkultureller Ratschläge’ besteht für die Gesprächspartner darin, dem anderen aufbauend auf die dargestellten kulturellen Prägungen und die aufgezeigte individuelle Betroffenheit Handlungsempfehlungen für die Zusammenarbeit mit Kollegen und Geschäftspartnern der fremden Kultur zu geben (Aufgabe-5). Die Aufgaben-3 bis -5 bauen logisch aufeinander auf, was nicht heißt, dass sie im Gespräch sequenziell aufeinander folgen müssen. Sie können durchaus in einer anderen Reihenfolge oder auch gleichzeitig bearbeitet werden. In seiner Logik leitet jedoch das Aufzeigen individueller Betroffenheit (Aufgabe-4) von der Darstellung kultureller Prägungen (Aufgabe-3) zur Formulierung interkultureller Ratschläge (Aufgabe-5) über. Denn dadurch, dass die Gesprächspartner von den kulturellen Besonderheiten und Unterschieden betroffen sind, und insbesondere dann, wenn sich negative Konsequenzen für ihr Handeln ergeben, entsteht ein Handlungszwang und damit das Problem, wie sie mit den kulturellen Unterschieden umgehen können. Für alle Aufgaben des Modells wurden kommunikative Verfahren und Formen herausgearbeitet, die die Gesprächspartner zu ihrer Bewältigung verwenden (zu den Begriffen ‘Verfahren’ und ‘Formen’ vgl. 2.2.2). Die Erfassung der von den Gesprächspartnern verwendeten kommunikativen Verfahren und sprachlichen Formen erfüllt das Ziel einer gesprächsanalytischen Beschreibung der kommunikativen Prozesse der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten. Die Verfahren unterscheiden sich darin, wie explizit oder implizit die Aufgabe jeweils bearbeitet wird. Beispielsweise kann zur ‘Etablierung von Erfahrungskompetenzen’ explizit der eigene Erfahrungshintergrund beschrieben werden (z.B. ich bin jetzt seit sechs wochen hier oder meine frau ist spanierin) oder durch bestimmte Äußerungsmodalisierungen kann implizit ein kleinerer oder größerer Erfahrungshintergrund angezeigt werden (z.B. ich habe den eindruck, dass... im Gegensatz zu inzwischen weiß ich, dass...). Auch ‘kulturelle Prägungen’ können entweder explizit und verallgemeinernd dargestellt werden (z.B. die spanier können überhaupt nicht mit kritik umgehen) oder implizit erzählerisch veranschaulicht werden (z.B. also was meine persönliche erfahrung war als ich hier auf der informationsreise war...). Das Spektrum der linguistischen Formen ist insgesamt breit und schafft in dieser Breite eine Varianz der Möglichkeiten zur Realisierung der einzelnen Aufgaben. Die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten wird im Rahmen des Beschreibungsmodells als kommunikative Gattung aufgefasst, die gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt. Verschiedene kommunikative Unsicherheiten der Gesprächspartner in den Gesprächen (z.B. im Bezug auf die Einführung relevanter Themen oder die Formulierung verallgemeinernder Aussagen über fremde Kulturen) deuten darauf hin, dass die Gattung noch nicht vollständig im kommu-
10.2 Relevanz und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis
369
nikativen Haushalt unserer Gesellschaft etabliert ist und daher nicht von einem verbreiteten Musterwissen über die Gattung als ganze ausgegangen werden kann. Es ließen sich jedoch Verfestigungen im Bezug auf die kommunikativen Aufgaben feststellen, die die Gesprächspartner für die Gattung realisieren (vgl. hierzu 2.2.1). Dies illustriert das entwickelte Beschreibungsmodell. Das Modell erfasst kommunikative Verfestigungen in Form von Formen und Verfahren im Bezug auf die einzelnen Aufgaben der Erfahrungsweitergabe. Das entwickelte Modell liefert weiterführende Erkenntnisse für die verschiedenen im ersten Kapitel dargestellten Forschungsdisziplinen: Für die Forschung der Interkulturellen Kommunikation (1.1) ergeben die Ergebnisse zur ‘Darstellung kultureller Prägungen’ (Kapitel 7) Einblicke darin, wie Individuen über fremde Kulturen sprechen. Für das interkulturelle Personalmanagement (1.2) und das interkulturelle Wissensmanagement (1.3) wurde mit der Weitergabe kultureller Erfahrungen in Gesprächen unter Auslandsentsandten ein konkretes Praxisinstrument untersucht, das bisher noch nicht wissenschaftlich erforscht wurde. Das entwickelte Beschreibungsmodell erfasst die kommunikativen Prozesse der Erfahrungsweitergabe, die für dieses Instrument grundlegend sind. Der Forschungsbereich der Wirtschaftskommunikation (1.4) wird um die Beschreibung einer relevanten Gattung der Unternehmenskommunikation bereichert, und die deutsch-spanische Kommunikation (1.5) gewinnt sowohl Erkenntnisse im Hinblick auf die Perspektive deutscher Manager auf die spanische Kultur (vgl. v.a. 3.4 ‘Spanische Kultur als Gesprächsthema’) als auch die kommunikativen Bedürfnisse und den kommunikativen Austausch unter deutschen Auslandsentsandten in Spanien.
10.2 Relevanz der Ergebnisse und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis 10.2 Relevanz und Konsequenzen für die Unternehmenspraxis Die vorgelegte Untersuchung der kommunikativen Prozesse der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten ist im Kontext von Auslandsentsendungen von praktischem Interesse (zum praktischen Nutzen der Gespräche vgl. 1.2 und 1.3). Die theoretischen Ausführungen und die Analysen zeigen, dass die Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten mit einigen Herausforderungen verbunden ist. Bei Erfahrungen handelt es sich um eine Form des implizites Wissens, das meist kaum reflektiert ist und daher nur schwer verbalisiert und weitergegeben werden kann (zu den theoretischen Ausführungen vgl. 1.3.1 und 1.3.2, zu entsprechenden Gesprächsausschnitten v.a. Kapitel 7 und 8). Auch die Tatsache, dass es sich um eine Erfahrungsweitergabe unter Kollegen handelt (die im Fall
370
10. Diskussion und Ausblick
der aufgezeichneten Gespräche häufig hierarchisch gleichgestellt sind), schafft spezifische Probleme für die Gesprächspartner (vgl. v.a. Kapitel 5 und 9). Die Analysen ergaben eine Reihe konkreter kommunikativer Herausforderungen und Gesprächsstrategien, die für eine Umsetzung derartiger Gespräche in der Unternehmenspraxis relevant sind. Im Verlauf des Analyseprozesses zeigte sich zwar, dass es sich bei der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten um eine unerforschte und komplexe Gattung handelt, die zunächst einmal gesprächsanalytisch beschrieben werden musste. Dabei wurden jedoch einige problematische Gesprächsentwicklungen und entsprechende kommunikative Herausforderungen deutlich, die sich den Gesprächspartnern in der Praxis stellen (zum Praxisziel der vorliegenden Arbeit und ihrem Verhältnis zur angewandten Gesprächsforschung vgl. 2.1.3). Tabelle 10.1 gibt einen Überblick über die im Rahmen der einzelnen Aufgaben beschriebenen Herausforderungen und Strategien. In den ‘Praxiskommentaren’ zu den Aufgaben werden diese genauer dargestellt (vgl. 5.4, 6.4, 7.4, 8.4 und 9.4). Tabelle 10.1: Herausforderungen und Strategien der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten Herausforderungen Die Herausforderung potenzieller Gesichtsbedrohungen
Die Herausforderung der Identifikation relevanter Themen Die Herausforderung des Umgangs mit Stereotypen
Strategien Wertschätzung der Erfahrungen des Neuentsandten Gezielte Auswahl an Verfahren (z.B. implizite Verfahren für die Selbstzuschreibung von Erfahrungskompetenzen und die Fremdzuschreibung von -defiziten) Novizen-orientiertes Thematisieren
Abschwächung von Stereotypisierungen (z.B. explizite Relativierung, perspektivierende Rahmung, Formulierung vergleichender statt absoluter Aussagen) Die Herausforderung der Storytelling (Erzählen von Verbalisierung von Erfahrungen Geschichten) Die Herausforderung der DarGemäßigte Emotionalisierung stellung individueller Betroffenund Bewertung heit in institutionellen Kontexten Problemdarstellung Die Herausforderung einer nicht- Implizite Handlungsempfehlung institutionalisierten Beraterrolle (z.B. Darstellung eigener Handlungserfahrungen)
Abschnitte 5.4.2, 5.4.3
6.4.2, 6.4.3 7.4.2
7.4.3 8.4.2
9.4.2, 9.4.3
10.3 Reichweite der Ergebnisse und weiterführende Fragestellungen
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Mit der Entwicklung eines handlungsorientierten Beschreibungsmodells zur Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten sowie der Identifikation praxisrelevanter kommunikativer Herausforderungen und Gesprächsstrategien liefert die Arbeit eine Grundlage für die Nutzung der Ergebnisse in der Unternehmenspraxis. Insbesondere kann darauf aufbauend ein Trainingskonzept oder Trainingsmodul entwickelt werden, das Gesprächspartner auf eine Weitergabe kultureller Erfahrungen im Gespräch vorbereitet. Ein solches Training oder Trainingsmodul könnte für den Anwendungsfall der Auslandsentsendung in das interkulturelle Vorbereitungstraining (für Neuentsandte) bzw. in ein RückkehrerTraining (für erfahrenere Auslandsentsandte) integriert werden. Ziel eines solchen Trainings wäre es, die Gesprächspartner für die Herausforderungen der Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Kollegen zu sensibilisieren und alternative kommunikative Bewältigungsstrategien zu vermitteln.
10.3 Reichweite der Ergebnisse und weiterführende Fragestellungen Die Arbeit leistet mit der Beschreibung der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten einen Beitrag im Schnittfeld verschiedener Disziplinen und zeigt ein Potenzial für die Praxis des interkulturellen Personal- und Wissensmanagements auf. Für die zukünftige Forschung sehe ich folgende weiterführende Fragestellungen: Für die Entwicklung eines konkreten Trainingskonzepts (vgl. 10.2) wären weiterführende Untersuchungen hilfreich, die aufbauend auf das in dieser Arbeit entwickelte Beschreibungsmodell konkrete Kommunikationsprobleme und -störungen bei der Erfahrungsweitergabe unter Auslandsentsandten und ihre spezifischen Auswirkungen auf den Interaktionsverlauf in den Blick nehmen. Gewinnbringend für das interkulturelle Personalmanagement wäre eine Untersuchung, welche die Weitergabe kultureller Erfahrungen unter Auslandsentsandten mit interkulturellen Trainingsgesprächen vergleicht. Worin unterscheiden sich die Prozesse der Erfahrungs- bzw. Wissensweitergabe in beiden Kontexten? Welche unterschiedlichen Funktionen können die beiden Instrumente erfüllen? Wie lassen sie sich in der Praxis sinnvoll kombinieren? Weitere Untersuchungen könnten die Weitergabe kultureller Erfahrungen in anderen Tätigkeitskontexten (z.B. im Kontext des diplomatischen Dienstes, privater Reisen oder im Migrationskontext) sowie in anderen Kulturkreisen (z.B. in Kulturen, über die weniger stereotypes Wissen verbreitet ist als über die spanische Kultur, oder in Kulturen, bei denen die Unterschiede noch größer und grundlegender sind) betrachten. Sie könnten überprüfen, ob die kommunikativen Aufgaben, Verfahren und Formen in diesen Kontexten vergleichbar sind.
372
10. Diskussion und Ausblick
Darüber hinaus wäre die Erfahrungsweitergabe in anderen, nicht primär interkulturellen Anwendungskontexten im Unternehmen zu untersuchen. Aus Unternehmenssicht relevante Forschungsgegenstände wären hier die kommunikativen Prozesse der Erfahrungsweitergabe von älteren an jüngere Mitarbeiter, von Mentoren an Mentees, von Vorgängern an Nachfolger oder von ausscheidenden an verbleibende Mitarbeiter. Dabei ist zu vermuten, dass sich in einigen Punkten ähnliche Ergebnisse wie in der vorliegenden Arbeit ergeben würden (z.B. im Hinblick auf die Etablierung von Erfahrungskontexten und die Formulierung von Ratschlägen).
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