Nr. 429
Expedition der Magier Auf der Suche nach einer verlorenen Spur von Marianne Sydow
Nachdem Atlantis-Pthor, der...
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Nr. 429
Expedition der Magier Auf der Suche nach einer verlorenen Spur von Marianne Sydow
Nachdem Atlantis-Pthor, der Dimensionsfahrstuhl, in der Peripherie der Schwarzen Galaxis zum Stillstand gekommen ist, hat Atlan die Flucht nach vorn ergriffen. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Dort, von Planet zu Planet eilend und die Geheimnisse der Schwarzen Galaxis ausspähend, haben Atlan und seine Gefährtin schon so manche tödliche Gefahr ge meinsam bestanden – bis der Planet Dykoor zu Thalias Grab wurde. Doch auch nach Thalias Tod geht für den Arkoniden die kosmische Odyssee wei ter. Nach kurzem Aufenthalt auf Säggallo, der Residenz Chirmor Flogs, und einem Zwischenspiel auf dem Planeten Ghyx erreicht Atlan den sogenannten Stern der Läuterung und stößt dort auf ein grauenvolles Geheimnis der Schwarzen Galaxis. Etwa zur selben Zeit machen sich ein paar prominente Bewohner von Pthor daran, Atlans Spur, die sie aus der »Ortung« verloren haben, wiederzufinden – und es kommt zur EXPEDITION DER MAGIER …
Expedition der Magier
3
Die Hautpersonen des Romans:
Axton, Koy, Kolphyr und Fenrir - Die vier Flüchtlinge finden Asyl bei den Magiern von Oth.
Koratzo - Der Stimmenmagier besucht eine fremde Welt.
Glyndiszorn - Der Knotenmagier schützt seine Heimat.
Copasallior - Oberster Magier von Oth.
Caddin und Tarravin - Zwei schiffbrüchige Scuddamoren.
1. Hinter ihnen ging die Welt unter – so je denfalls schien es ihnen. Keine fünf Meter von ihnen entfernt brannte ein Feuer, das zu heiß war, als daß es Rauch und Flammen hätte erzeugen können. Die Welt jenseits der Grenze schien nur aus einer grellweißen Gluthölle zu bestehen, die von blauen und gelben Blitzen durchzuckt wurde. Vor ihnen aber lag ein paradiesisch schönes, kleines Tal. Steile Felsen ragten dahinter auf, Bäche sprudelten über die Steine, und über bunten Blüten tanzten metallisch schimmernde In sekten. Wäre nicht dieses unnatürliche, viel zu helle Licht gewesen, so hätten sie glatt vergessen können, wie knapp sie dem Tode entronnen waren. »Phantastisch!« sagte einer der drei Män ner, die am Rand des Tales standen. Auf den ersten Blick war er derjenige in dieser Gruppe, der am wenigsten Aufsehen erregte: Ein junger Mann, schlank und hoch gewachsen, mit schulterlangem, dunkelbrau nem Haar und braunen Augen. Seine Ge fährten sahen entschieden exotischer aus. Der eine maß um die eineinhalb Meter, war auf eine fast kindlich wirkende Weise rund und wohlgenährt und besaß ein unglaublich runzliges Gesicht, das nicht zu seinem Kör per passen wollte. Auf seiner Stirn saßen zwei fühlerähnliche Auswüchse von dun kelblauer Farbe, an deren Ende kugelförmi ge Verdickungen saßen. Der kleine Mann trug sein graues Haar kurzgeschoren und be saß einen enormen, silbergrauen Schnurr bart, der von seinem Mund überhaupt nichts mehr sehen ließ. Direkt neben dem Kleinen stand ein Wesen, das aus einem Alptraum zu stammen schien, ein Riese von knapp zwei
einhalb Metern Höhe, breit und massig ge baut, völlig unbekleidet und mit grünlich schimmernder, an gebrochenes Glas erin nernder Schuppenhaut. Wer allerdings auf das Gesicht des Riesen blickte, dem verging leicht der nötige Respekt, denn das lachende Froschmaul, die kleine, platte Nase und die hervorstehenden Glubschaugen reizten eher zum Lachen als zum Davonlaufen. Aber das alles waren Äußerlichkeiten, und wer sich intensiver mit den drei Männern befaßte, der mußte wohl oder übel zu dem Schluß gelan gen, daß der junge Mann, so normal er auch aussehen mochte, das rätselhafteste Mitglied dieser kleinen Gruppe war, denn was gab es Merkwürdigeres als einen Geist, der einen fremden Körper bewohnte und beherrschte? Übrigens gehörte noch jemand zu dieser Gruppe, ein riesiger, grauer Wolf, den gera de in diesem Augenblick die Geduld mit den drei Männern verließ: Er löste sich mit ei nem schnellen Satz von der Seite des grün häutigen Riesen und jagte lautlos, wie ein grauer Schatten, quer durch das Tal. Ver mutlich hatte er Beute gewittert, und er dachte nicht daran, sich einen nahrhaften Happen entgehen zu lassen, nur weil seine Begleiter wie gebannt dazustehen beliebten, das Inferno im Rücken und das Paradies vor Augen. Sicher hatte auch der Wolf mitbe kommen, daß sie im buchstäblich letzten Augenblick dem Tode entronnen waren, aber dieses Wissen belastete das halbintelli gente Wesen nicht weiter. »Ob da wirklich nichts durchkommen kann?« fragte der Kleine mit den Hörnern auf der Stirn. Er deutete dabei nach hinten, wagte aber nicht, sich umzudrehen und in die tobende Glut zu schauen. »Keine Ahnung«, murmelte der junge Mann und zuckte in typisch terranischer Ma
4 nier mit den Schultern. »Ich hoffe nur, die Magier wissen, was sie tun. Wenn sie mit ei nem solchen Angriff gerechnet haben, dann konnten sie vielleicht auch dafür sorgen, daß ihr Schutzschirm stark genug ausfiel. War ten wir es also ab.« »Ich möchte wissen, wo die Kerle blei ben«, beschwerte sich der grüne Riese mit einer unglaublich hellen Stimme. »Erst ret ten sie uns, indem sie uns hier herein holen, und dann lassen sie sich nicht blicken. Merkwürdige Leute sind das!« »Man darf sie nicht mit normalen Maßstä ben messen«, erklärte der Kleine nachsich tig. »Ich denke, sie werden sich melden, so bald sie Zeit dazu haben.« Sie hörten den Wolf triumphierend heulen und entdeckten ihn wenig später, wie er aus einem Gebüsch hervortrabte, die wohlver diente Beute zwischen den Zähnen. Er hatte ein hirschähnliches Tier erwischt, dessen Fell blau und gelb gesprenkelt war. Der Wolf legte seine Beute neben dem nächsten Bach auf den Boden, blickte kurz zu den drei Männern hinüber und stieß einen kurz en, scharfen Laut aus. »Mir scheint, er will mit uns teilen«, sagte der junge Mann lächelnd. »Gehen wir zu ihm, sonst ist er am Ende noch beleidigt.« Der da sprach, war kein anderer als Sin clair Marout Kennon, der USO-Spezialist, der wohl ein seltsames Verhältnis zu seinem Originalkörper haben mußte, denn wer außer ihm konnte schon von sich sagen, daß er je ne fleischliche Hülle, in der er geboren wor den war, bereits dreimal verloren und zwei mal wiedergefunden hatte? Jetzt jedenfalls steckte er im Körper Griz zards, während der Geist dieses Mannes in Kennons eigenen, mißgestalten Körper ge schlüpft war – was Grizzard überhaupt nicht gefiel. Er hatte nichts unversucht gelassen, um Kennon wieder in seinen richtigen Kör per zurückzujagen, aber es war ihm nicht ge lungen, und so verfolgte er den vermeintli chen Körperdieb mit seinem Haß. Solange Grizzard in dem verkrüppelten Zwergenkör per lebte und ihm die Porquetor-Rüstung
Marianne Sydow Kraft und Schnelligkeit verlieh, war Kennon seines Lebens nicht sicher. Es hat alles seine Vorteile, dachte Ken non, während er über die Wiese ging. Durch den Schutzschirm der Magier kann Grizzard mir nicht folgen. Vielleicht läßt er sich sogar zu dem Schluß verleiten, daß ich durch den Angriff der Scuddamoren ums Leben gekom men bin. Dann wird er die Suche aufgeben. Wenn ich nur eine Gelegenheit hätte, Pthor zu verlassen! Im Grund seines Herzens schämte er sich dieser Gedanken. Es war nicht seine Art, fei ge davonzulaufen. Aber er saß in der Zwick mühle, denn die Sucht nach dem Leben – ei nem lebenswerten Leben – war stärker als alle moralischen Bedenken. Ihm war klar, daß niemand ihn in diesem Punkt wirklich verstehen würde, und darum vermied er es, mit seinen Gefährten über dieses heikle The ma zu sprechen. Er beobachtete die beiden anderen aus den Augenwinkeln heraus. Koy, der Trommler, strebte mit schnellen Schritten dem Bach entgegen und hatte da bei ein gewisses Leuchten in den Augen. Sein Bart bebte förmlich in freudiger Erwar tung. Es war lange her, daß sie sich eine län gere Rast hatten gönnen dürfen, noch länger, daß sie einen vernünftigen Braten zwischen die Zähne bekommen hatten. Solange die Scuddamoren hinter ihnen her gewesen wa ren, hatten sie es nicht gewagt, ein Feuer zu entzünden. Kolphyr, der grüne Riese, wirkte viel gelassener als der kleine Mann mit den Hörnern auf der Stirn. Das war kein Wun der, denn der Dimensionsforscher aus dem Volk der Bera nahm niemals etwas zu sich. Dem Terraner war es ein Rätsel, auf welche Weise das Antimateriewesen sich überhaupt am Leben erhielt, aber er fragte Kolphyr nicht danach, denn ein vages Gefühl sagte ihm, daß dieses Thema tabu für den freund lichen Riesen sei. Fenrir, der Wolf, rührte seine Beute nicht an, sondern wartete geduldig, bis die drei Männer bei ihm waren. Koy beugte sich zö gernd zu dem toten Pseudohirsch herab.
Expedition der Magier »Darf ich?« fragte er unsicher. Fenrir zog in einer unnachahmlich arro ganten Weise die Lefzen hoch, stand auf, streckte sich und trabte schweifwedelnd zum Bach, um zu trinken. Er und Koy waren nicht die besten Freunde. Sie hatten sich mittlerweile aneinander gewöhnt, und die Zeit, da Fenrir bei jeder Bewegung des Trommlers zu knurren begann, war längst vorbei. Aber ein Rest des alten Mißtrauens schien den Wolf noch immer zu beseelen. Wahrscheinlich lag es daran, daß Koy er stens ein Androide war und zweitens über eine Waffe verfügte, die dem Wolf immer unheimlich bleiben würde: Die Broins, die Fühler auf dem Kopf des Trommlers, er zeugten Vibrationen, die alles zerstörten, worauf Koy diese merkwürdige Kraft lenkte. Fenrir bevorzugte Leute, die mit Schwertern und Spießen umzugehen pflegten, denn das waren Waffen, die er einzuschätzen wußte. Koys seltsame Trommelei ging dem Wolf auf die Nerven. Koy brach das erlegte Tier auf, und Ken non begab sich unterdessen auf die Suche nach einer ausreichenden Menge Holz. Kol phyr setzte sich zu Fenrir an den Bach und starrte ab und zu nach oben, wo es über dem Schutzschirm immer noch glühte und wa berte. Atzbäll und seine ScuddamorenKrie ger schienen fest entschlossen zu sein, die ganze Barriere von Oth zu zerstören und sie notfalls sogar von Pthor abzutrennen. Ob wohl Kolphyr schon einige Erfahrungen mit magischen Kräften gemacht hatte, war ihm die Angelegenheit ein wenig unheimlich. Er wußte, daß die Magier mit Mitteln arbeite ten, die mit Zauberei nichts zu tun hatten. Er selbst war Dimensionsforscher und stammte von einer Welt, deren Naturgesetze einen Terraner in den Irrsinn getrieben hätten. Darum war Kolphyr wohl am ehesten in der Lage, etwas vom Wesen der pthorischen Magie zu erfassen. Aber angesichts der ge waltigen Kräfte, die jenseits des Schutz schirms tobten, fragte er sich doch, ob die Magier imstande waren, dieses Spiel durch zuhalten.
5 »Wir sollten nach ihnen suchen!« sagte er zu Koy, als der Trommler ans Wasser kam, um sich das Blut von den Händen zu wa schen. »Du meinst die Magier?« fragte Koy. »Glaube mir, es hat keinen Sinn, ihnen nachzulaufen. Sie haben uns hereingeholt, also waren sie daran interessiert, uns zu ret ten. Das läßt mich hoffen, daß sie auch mit uns Kontakt aufnehmen werden, aber sicher ist das nicht. Wir können vorerst gar nichts tun.« Kennon war mit der ersten Ladung Holz zurückgekehrt und hatte Koys Bemerkung gehört. »Warst du schon mal in der Barriere?« fragte er den Trommler. »Ja«, erwiderte Koy zögernd. Er schüttel te sich und sah zu den gewaltigen Bergen auf. »Aber das ist lange her. Ich möchte nicht darüber sprechen.« »Nur eine Frage!« sagte Kennon. »Haben die Magier Grund, dich zu hassen?« »Du meinst, wegen meiner früheren Tä tigkeit?« Koy schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe niemals einen Magier jagen müs sen. Jedenfalls nicht in der Großen Barriere. Die, die hier leben, ziehen es vor, Verräter aus ihren eigenen Reihen selbst zu bestra fen.« Aber er wich Kennons Blicken dabei aus. Das kann ja heiter werden! dachte der Terraner betroffen. Er spürte, daß etwas nicht in Ordnung war, aber er wußte auch, daß es wenig Sinn hatte, den Trommler mit Fragen zu bedrängen. Er trug das Holz zu ei nem sandigen Flecken in der Nähe des Ba ches und machte sich daran, den Braten vor zubereiten. Koy kam und half ihm dabei. Fenrir holte sich seinen Anteil und streckte sich zufrieden nahe dem Feuer aus. Von den Magiern sahen und hörten sie noch immer nichts.
* Den Magiern war natürlich bekannt, daß die drei Männer und der Wolf durch den
6 Schirm gelangt waren und nun ungeduldig darauf warteten, daß jemand zu ihnen kam. Schließlich hatte Glyndiszorn höchstpersön lich auf Copasalliors Geheiß eine Lücke in dem Schirm geschaffen, und dieser Tat war eine heftige Diskussion vorausgegangen, an der sich sehr viele Magier beteiligten. Im allgemeinen waren die Bewohner von Oth auch nicht halb so überheblich und abwei send, wie man es ihnen in weiten Teilen Pthors nachsagte. Zwar waren sie – bis auf wenige Ausnahmen – von Natur aus Einzel gänger, die einen Besucher lieber gehen als kommen sahen, aber sie kannten doch die Gesetze der Gastfreundschaft und achteten sie normalerweise, denn allein dadurch konnten sie sich eine Menge Ärger ersparen, der sich negativ auf ihre Arbeit ausgewirkt hätte. Wenn die drei Fremden trotzdem noch immer verlassen in dem kleinen Tal saßen, dann also nicht, weil die Magier zu arrogant waren, sich ihrer anzunehmen. Ganz im Ge genteil. Die Lage war ganz einfach so, daß die Magier sich durch den unerwarteten Be such in die Ecke gedrängt fühlten. »Früher oder später mußte es so kom men«, sagte Copasallior düster und vermied es, Glyndiszorn dabei anzusehen. Der Kno tenmagier pflegte allergisch gegen Vorwürfe zu sein, und der Weltenmagier wollte um jeden Preis die Ruhe in der Barriere bewahren. Die Lage draußen war zu schlimm, als daß man sich in Oth internen Streitigkeiten wid men durfte. »Hätte Atlan die Bedeutung der Großen Plejade gekannt«, wisperte eine Stimme in den Gedanken der versammelten Magier, »so hätte er alles getan, um sie bei sich zu behalten.« Copasallior warf dem Traummagier, der diesen Kommentar abgegeben hatte, einen finsteren Blick zu. Kolviss hatte mehrfach dafür plädiert, mit vereinten Kräften einen direkten Weg für den König von Atlantis zu schaffen. Er war mit diesem Vorschlag nicht durchgedrungen, und das hatte gute Gründe. Atlan hatte sich weit von Pthor entfernt.
Marianne Sydow Daß Glyndiszorn seine Spur überhaupt hatte aufnehmen und bis vor kurzem verfolgen können, war nur der Großen Plejade zu ver danken. Diese rätselhafte Marmorkugel strahlte etwas aus, das auf die positiven Kräfte der Magie wie ein Leuchtfeuer wirk te. Die Plejade schien förmlich zu schreien: »Seht her, hier bin ich, ich, das Licht der Freiheit!«, und dieser Ruf überwand mühe los riesige Entfernungen. Auch jetzt konnte der Knotenmagier eine Art Tunnel schaffen, durch den man die Große Plejade und das, was sich in ihrer Umgebung abspielte, beobachten konnte. Solange Atlan die steinerne Kugel bei sich trug, war es kein Problem gewesen, ihm zu mindest optisch zu folgen. Aber auf dem Planeten Cyrsic hatte Atlan die Große Pleja de opfern müssen, um seinen Zellaktivator zurückzubekommen. Und seitdem war die Verbindung abgerissen. Theoretisch wäre es die ganze Zeit über möglich gewesen, den Tunnel zu erweitern, so daß man nicht mehr nur Bilder, sondern auch einen Arkoniden hindurchziehen konn te. Die Kraft, die von der Großen Plejade ausging, hätte ein solches Vorhaben erleich tert, so daß die Belastung für die Magier ge ring ausfiel. Die Frage war nur, ob man Atlan einen Gefallen damit getan hätte. »Nein«, sagte Copasallior, als er mit sei nen Gedanken an diesem Punkt angelangt war. »Das Risiko war zu hoch, und das weißt du auch, Kolviss. Atlan ist auf der richtigen Spur. Wenn überhaupt jemand eine Chance hat, in der Schwarzen Galaxis etwas auszurichten, dann ist es der König von At lantis. Ihn zurückzuholen hätte bedeutet, daß wir alle Hoffnungen zerstören mußten.« »Besser ein paar Hoffnungen zerstören, als den Arkoniden sterben lassen!« wisperte Kolviss' Gedankenstimme ärgerlich. »Er wird nicht sterben«, widersprach Co pasallior heftig. »Kehren wir zu dem zurück, was uns hier zusammengeführt hat. Ihr wißt, worum es geht. Diese drei Männer sind At lans Freunde. Sie kommen nicht hierher, um
Expedition der Magier persönlich Hilfe zu finden, sondern sie wol len, daß wir dem Land und ihrem Freund beistehen. Aber sie machen sich naturgemäß falsche Vorstellungen. Für Pthor können wir im Augenblick gar nichts tun. Jede aktive Gegenwehr würde nur dazu führen, daß die Scuddamoren noch härter zuschlagen. Mög licherweise kämen sie sogar auf die Idee, ganz Pthor zu vernichten, weil das Land in diesem Zustand für den Dunklen Oheim oh nehin wertlos geworden ist. Es reicht, wenn wir hier in der Barriere bleiben und den Scuddamoren durch unsere bloße Existenz vor Augen führen, daß sie ihr Ziel noch lan ge nicht erreicht haben.« »Pthor ist im Augenblick unwichtig«, stimmte Breckonzorpf zu, und er schüttelte dabei verächtlich seine goldene Mähne. »Abgesehen davon gibt es einige Leute, die eine Lehre verdient haben. Besonders den Söhnen Odins kann es nicht schaden, wenn die Scuddamoren ihnen tüchtig auf die Fin ger klopfen. Als sie sich vor der FESTUNG hinstellten und Atlan als einen Verräter be zeichneten, hätte ich ihnen am liebsten Blitz und Donner auf den Hals gehetzt.« »Die Söhne Odins sind blinde Narren«, ließ Parlzassel sich vernehmen. »Was ist nun mit Atlan? Suchen wir nach ihm?« »Natürlich suchen wir«, sagte Copasallior ruhig. »Glyndiszorn wird morgen einen Tunnel öffnen, und Koratzo wird mit ein paar Leuten nach Cyrsic gehen.« »Ist das die Welt, auf der die Spur ab brach?« »Ja, Parlzassel.« »Ich möchte mitgehen!« verkündete der Tiermagier. Copasallior warf Koratzo einen schnellen Blick zu. Der Stimmenmagier verzog das Gesicht. »Es hätte wenig Zweck, Tiermagier«, sag te er sanft. »Wir sind aufeinander eingespielt und daran gewöhnt, zusammenzuarbeiten. Außerdem – was sollte deine Familie ohne dich anfangen?« »Sie kommt für kurze Zeit auch ohne mich zurecht«, behauptete Parlzassel. »Klein
7 genug ist sie ja jetzt noch.« Parlzassel meinte keine wirkliche Familie, sondern seine Tiere, die im Tal der Käfer lebten. Noch vor kurzer Zeit hatte es dort Tausende der seltsamsten Wesen gegeben, von denen nicht einmal die Hälfte aus dem Lande Pthor stammte, sondern seltene, auf den Außenwelten während der langen Reise des Dimensionsfahrstuhls von Parlzassel eingefangene Exemplare waren. Aber der Tiermagier sah in seinen Schützlingen nie mals nur wertvolle Raritäten. Alle seine Tie re waren auch Parlzassels Freunde. Um so schlimmer hatte es den Tiermagier getrof fen, als im Krieg der Magier fast seine ganze Familie getötet wurde. Koratzo ahnte, daß Parlzassel aus eben diesem Grund so erpicht darauf war, sich an der Expedition nach Cyrsic beteiligen zu dürfen: Er hoffte, dort ein paar Tiere zu fin den, die er seiner neuen Sammlung einver leiben konnte. Abgesehen davon, daß es problematisch sein mußte, Tiere durch einen von Glyndis zorn geschaffenen Tunnel zu transportieren, hatte Koratzo gar keine Lust, sich mit Parlz assel zu belasten, der der Gruppe bei diesem Unternehmen keine Hilfe sein würde, son dern bestrebt war, seine eigenen Interessen wahrzunehmen. Aber er wußte, daß er den Tiermagier nicht ohne weiteres abweisen durfte. Er konnte nur versuchen, Parlzassel diese Sache auszureden. Copasallior wußte um Koratzos Nöte. »Du bleibst hier!« sagte er zu Parlzassel. »Aber …« »Ich will nichts mehr darüber hören!« fauchte der Weltenmagier. »Es ist bereits al les vorbereitet – wenn jetzt noch etwas an der Zusammensetzung der Gruppe geändert werden soll, verlieren wir nur Zeit.« »So«, machte Parlzassel böse. »Wie wäre es, wenn ich ganz einfach deinen Platz ein nehme?« Copasallior lehnte sich zurück, legte seine sechs Hände auf die Tischplatte und sah Par lzassel mit seinen seltsamen Basaltaugen ausdruckslos an.
8 »Ich bleibe in der Großen Barriere«, er klärte er. »Er reicht, wenn mit Koratzo einer von uns für einige Zeit abwesend ist.« Parlzassel sah zu dem Stimmenmagier hinüber, aber Koratzo verzog keine Miene. Parlzassel machte eine unsichere Geste und gab es auf. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, daß Koratzo, der frühere Re bell, nun auch offiziell zu den Mächtigen von Oth gezählt wurde. »Zurück zu Atlan und den drei Fremden«, sagte Copasallior grimmig. Er haßte solche Diskussionen, aber jetzt, da die positive Ma gie in Oth regierte, war er noch stärker als früher gezwungen, die Meinung der anderen anzuhören. »Schickt sie zurück«, verlangte Glyndis zorn. »Sie sollen nicht erfahren, daß wir ver sagt haben.« Copasallior hatte eine wenig taktvolle Antwort auf der Zunge, aber er riß sich zu sammen. Er sah Parlzassel auffordernd an. »Wir sollten sie wenigstens anhören«, murmelte der Tiermagier. »Breckonzorpf?« »Sie haben Mut. Laßt sie kommen!« »Kolviss?« »Wir blamieren uns bis auf die Knochen. Wir hatten Atlan praktisch die ganze Zeit über in greifbarer Nähe, um ihn dann zu ver lieren. Schick sie zurück, Copasallior!« »Koratzo?« »Sie wissen wenig über uns«, sagte der Stimmenmagier bedächtig. »Von selbst wer den sie nicht einmal auf die Idee kommen, daß es eine Möglichkeit gibt, jemanden auf so große Entfernung zu beobachten. Darum können sie auch gar nicht den Verdacht he gen, daß einer von uns versagt haben könnte – es sei denn, wir gestehen ihnen ein, was passiert ist.« Parlzassel und Breckonzorpf nickten zu stimmend. »Deine Stimme fehlt, Copasallior!« sagte die Gedankenstimme des Traummagiers scharf und klar in ihren Köpfen. »Koratzo hat recht«, meinte Copasallior zufrieden. »Wir werden die drei über diesen
Marianne Sydow einen Punkt ganz einfach nicht unterrichten. So, das wäre es wohl. Ich werde mich um die Fremden kümmern.« Er erhob sich und verließ den Tisch der Beratung. Er hörte, wie Breckonzorpf und Parlzassel heftig diskutierend die Wohnhöh le verließen. Kolviss zog seinen glockenför migen, blauen Leib zusammen und fauchte mit Höchstgeschwindigkeit davon, offen sichtlich verärgert, weil man nicht auf ihn gehört hatte. Von draußen kam das Rumpeln von Breckonzorpfs Donnerwagen, dann der langgezogene Schrei des Riesenvogels, der den Tiermagier ins Tal der Käfer trug. Glyn diszorn verabschiedete sich auf lautlose Weise, indem er sich einfach in Luft auflö ste. Er war durch eine »Falte« getreten und im selben Augenblick am Gnorden einge troffen, wo er sein Luftschiff seit undenkba ren Zeiten verankert hielt. Als Copasallior sich nach geraumer Zeit umdrehte, war nur noch Koratzo anwesend. »Du willst sie kennenlernen, nicht wahr?« fragte Copasallior. Der Stimmenmagier nickte. »Vor allem möchte ich wissen, was sie dir zu sagen haben«, erklärte er. »Was könnten sie für dich schon für Neu igkeiten mitbringen«, sagte Copasallior spöttisch. »Du sitzt doch an der Quelle! Op kuls Fernblick erlaubt es dir, alles zu sehen, was jenseits des Schirmes vorgeht, und Estrala kann dir jeden Laut übertragen, der irgendwo in Pthor entsteht.« »Das sind alles Berichte aus zweiter Hand«, murmelte Koratzo bedrückt. »Diese Männer dagegen waren dabei, als die Scud damoren kamen.« Er sah auf. »Willst du sie hierher bringen?« »Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig«, seufzte Copasallior. »Bei euch in der TronxKette wären sie besser aufgehoben, aber ihr habt im Moment auch anderes zu tun, als euch um drei Fremde zu kümmern.« »Sind sie uns wirklich so fremd?« fragte Koratzo lächelnd. »Du weißt, wie ich es meine«, wehrte Co pasallior ab. »Sie sind keine Magier, und das
Expedition der Magier sagt alles. Warte hier, ich bin gleich zu rück.« »Einen Augenblick, Copasallior!« rief Koratzo hastig, aber es war zu spät. Copa sallior hatte seine sechs Arme gehoben und war im selben Moment verschwunden. Als Koratzo das letzte Wort sprach, stand der Weltenmagier bereits in dem kleinen Tal na he der nördlichen Grenze von Oth und sah auf die drei ungleichen Männer und den Wolf herab. Sie saßen am Feuer, und zwei von ihnen hatten Stücke von gebratenem Fleisch auf ihren Jagdmessern stecken. Da Copasallior zwischen ihnen und der Grenze materiali sierte, fiel sein Schatten lang und schmal über sie. Sie hoben erschrocken die Köpfe und sahen ihn an. Copasallior räusperte sich und warf Fenrir einen scharfen Blick zu. Vor dem Wolf lag der Kopf des erlegten Tieres. Die spitzen Hörner glänzten schwach, und die mattblaue Grundfarbe des Felles war nur zu deutlich zu erkennen. Ein Ortny! dachte Copasallior ärgerlich. Hätte der Graue sich nicht eine weniger ex klusive Beute aussuchen können? Aber er sprach diesen Gedanken nicht laut aus, denn er sah ein, daß es unfair gewesen wäre, dem Wolf oder den Männern Vorwür fe zu machen. Sie waren seit vielen Tagen auf der Flucht, und er hätte wissen müssen, daß sie sich eine so günstige Gelegenheit, zu einem Braten zu kommen, nicht entgehen lassen würden. Genauso unhöflich wäre es gewesen, die Männer von ihrer wohlverdienten Mahlzeit abzuhalten. Copasallior setzte sich also ans Feuer, und als Kennon ihm ein Stück von dem Fleisch reichte, griff der Magier zu. Noch immer hatten sie kein Wort miteinander gewech selt. Schließlich hielt der Bera es nicht mehr aus. »Du bist Copasallior, der Weltenmagier?« fragte er. Copasallior sah den Dimensionsforscher starr an.
9 »Ja«, bestätigte er knapp. »Und du bist Kolphyr, der Bera, der in der Eiszitadelle schlief. Bist du mit dem Velst-Schleier zu frieden?« »Er erlaubt es mir, in dieser Welt der An timaterie zu existieren«, erwiderte Kolphyr würdevoll. »Hast du ihn geschaffen?« »Ich habe ein wenig daran mitgearbeitet«, murmelte Copasallior mit einem schwachen Lächeln. Er wandte sich an Koy, der die Au gen gesenkt hielt. »Wo hast du deine Vegla gelassen?« »Sie wurde zerstört«, antwortete der Trommler bedrückt. »Aha. Ich weiß nicht, der wievielte es war, aber ich fürchte, es wird uns unter den jetzt herrschenden Bedingungen schwer möglich sein, dir einen Ersatz zu beschaffen. Die Grundkonstruktion kam aus Wolterha ven. Jetzt, da der Schirm die Große Barriere umgibt, ist es so gut wie ausgeschlossen, bei den Robotbürgern neue Teile einzutau schen.« »Das ist mir klar«, erwiderte Koy kläg lich. »Es war ein Unfall!« »Ich weiß. Diesmal war es wirklich einer. Aber oft genug lag es daran, daß du viel zu übermütig in der Gegend herumgerast bist.« Er wandte sich an den dritten im Bunde. »Verrate mir, Mann mit den vielen Na men, wie man dich nach deinem Willen nen nen soll«, bat er mit leisem Spott. »Kennon? Oder Lebo Axton? Oder etwa Grizzard?« »Kennon ist ein terranischer Name«, sagte der junge Mann zögernd. »Und Grizzard ist mein ärgster Feind. Ich bleibe vorerst bei Lebo Axton.« »Du kennst Atlan gut, nicht wahr?« »Ja. Weißt du etwas über sein Schicksal?« Copasallior hob den Kopf und richtete seine starren Basaltaugen auf den Schirm. Ein langer, vielfach verästelter Blitz zuckte bläulich darüber hin. »Sein Werdegang ist mir bekannt«, wich er aus. »Ich meinte nicht das, was sich in der Vergangenheit ereignete«, erklärte der Ter raner, der annahm, daß Copasallior die Fra
10 ge nicht richtig verstanden hatte. »Es wird Zeit, daß wir zum Crallion hin aufgehen«, sagte Copasallior beinahe grob. »Nehmt das Fleisch mit, es wäre schade, wenn es hier draußen verdirbt.« Axton kniff verwundert die Augen zu sammen. Er hatte das sehr bestimmte Ge fühl, daß Copasallior ihm etwas verheim lichte. Aber warum? Was wußte der Ma gier? Er sah Copasallior prüfend an. Der Wel tenmagier stand regungslos da, alle sechs Arme nach einem verzwickten Muster vor der Brust verschränkt. Sein düsteres Gewand blähte sich im leichten Wind, und die seltsa men Augen wirkten wie tot. Seine ganze Haltung drückte so viel Abweisung aus, daß der Terraner seine weiteren Fragen für sich behielt. Gemeinsam mit Koy nahm er den Braten vom Feuer, dann winkte er Fenrir zu sich. »Wohin?« fragte er den Magier. »Kommt her«, brummte Copasallior miß mutig. »Stellt euch dicht beieinander auf.« Was hatte dieser Hexenmeister vor? Ax ton war voller Mißtrauen. Aber da selbst Fenrir dem Befehl des Magiers folgte, ließ er sich nichts anmerken. Er bewahrte selbst dann die Fassung, als er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und durch die Luft schwebte. Fenrir stieß ein erschrockenes Winseln aus. »Ein Antigravfeld!« stieß Axton verwun dert hervor. »Nein, ein Flugfeld«, korrigierte Copasallior. »Diese beiden Dinge gleichen sich zwar, wenn man nur das Ergebnis sieht, aber sie entstehen auf grundverschiedene Weise. Fürchte dich nicht, du wirst nicht ab stürzen.« »Aber ich habe keine Angst!« protestierte der Terraner. »Ich meinte nicht dich«, erklärte Copasal lior nachsichtig, »sondern den Dimensions forscher.« »Auch in meiner Welt konnte man flie gen«, sagte Kolphyr kläglich. »Aber ich wußte, wie es funktioniert. Das hier ist mir fremd.«
Marianne Sydow »Es dauert nicht lange«, tröstete der Wel tenmagier. »Seht, dort ist schon der Gipfel des Crallion. Wir werden in wenigen Minu ten landen.«
2. KennonAxton hatte schon von Atlan eini ges über die Magier, speziell über Copasalli or und Koratzo erfahren. Auch hatte er ge hört, daß der Weltenmagier nahe dem Gipfel des Crallion hauste. Aber mit eigenen Au gen zu sehen, was dieser Berg darstellte, war doch etwas anderes. Der Crallion war sechs einhalbtausend Meter hoch und bildete ein gewaltiges Massiv. Dem Terraner erschien es als glatte Verschwendung, daß ein einzel ner Magier ein so großes Gebiet für sich al lein beanspruchte. Aber offenbar hatte man zur Zeit in der Barriere mehr Platz, als man brauchen konnte. Die Auseinandersetzungen um die Macht im Lande Pthor hatten rund zweihundert Magiern das Leben gekostet. Das Flugfeld stieg über die nördlichen Flanken des Crallion auf und trug seine Pas sagiere dann in einem weiten Bogen nach Westen hinüber. Dort zog sich eine Serpen tinenstraße bis zu dem Plateau vor Copasal liors Höhlenwohnung hinauf. Zweihundert Meter darüber lag der Gipfel des Bergriesen, ein kleines Plateau, von Felsen umrahmt und von einem See ausgefüllt, dessen Fluten in drei tosenden Wasserfällen zu Tal rauschten. Während viele der benachbarten Berge sich in Eis und Schnee hüllten, gab es am Cralli on überhaupt keine Klimazonen. Selbst die Wasserfälle in der Gipfelregion wurden von blühenden Sträuchern umrahmt. Copasallior setzte seine Gäste direkt vor dem Eingang zur Wohnhöhle ab und löste das Flugfeld auf. Axton sah ihn eine knappe Geste vollführen, dann spürte er den festen Boden unter den Füßen. Tricks! dachte er. Ich möchte wissen, was wirklich dahintersteckt. Natürlich war er schon des öfteren dem einen oder anderen Magier begegnet, denn seit das Bündnis zwischen ihnen und Atlan
Expedition der Magier geschlossen war, kamen ab und zu einige dieser merkwürdigen Leute in die FE STUNG. Sie waren fast immer sehr zurück haltend gewesen, wenn sie Proben ihrer Macht abgeben sollten. Zeitweise war der Terraner überzeugt gewesen, daß die außer gewöhnlichen Fähigkeiten der Magier von Öth vorzugsweise in der Phantasie abergläu bischer Pthorer existierten. Erst als die Kro locs kamen, begriff er, daß weit mehr dahin tersteckte. »Kommt herein«, sagte Copasallior und führte sie in die vorderste der Höhlen. Es war ein recht wohnlicher Raum, in dem es viele leuchtende Kristallkugeln gab, wie Kennon sie schon mehrfach selbst benutzt hatte. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit steinerner Platte, und an diesem Tisch saß ein junger Mann, den man für einen Terraner hätte halten können. Er mochte um die fünfundzwanzig Jahre alt sein, war schlank, blond und blauäugig und – für die hiesigen Verhältnisse – erstaunlich normal gekleidet. Obwohl Kennon diesen Magier nur ein paarmal von weitem gesehen hatte, wußte er sofort, daß er Koratzo, den Stimmenmagier, vor sich hatte. Unwillkürlich atmete er auf. Er wußte, daß gerade Koratzo stets bereit gewesen war, Atlan in jeder nur denkbaren Weise zu helfen. Auch Copasallior hatte sich in dieser Be ziehung große Mühe gegeben. Aber der Weltenmagier war den alten Gesetzen der Magie noch zu sehr verhaftet. »Wo ist At lan?« fragte der Terraner spontan, als er Ko ratzo gegenüberstand. Im gleichen Augen blick wußte er, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er schalt sich einen Narren. Aber es war zu spät, als daß er die Worte zurückho len konnte. Koratzos Gesicht wirkte plötz lich verschlossen. »Unterwegs im Marantroner-Revier«, sagte er. »Was ist das – Marantroner-Revier?« »Der Raumsektor, in dem Pthor sich zur Zeit befindet.« »Und woher kennst du diesen Namen?«
11 »Die Scuddamoren erwähnen ihn oft ge nug«, erklärte Koratzo mit einem schwachen Lächeln. Er hob die Hand, als der Terraner zu einer neuen Frage ansetzte. »Laß es mich kurz erklären. Es gibt einen Weg, jedes Ge spräch zu belauschen, das in Pthor geführt wird. Du weißt, daß die Scuddamoren häufig eine fremde Sprache benutzen. Sie sind sich völlig sicher, daß niemand hierzulande die ses Kauderwelsch versteht, darum unterhal ten sie sich in Garva-Guva ganz ungezwun gen. Ich habe ihre Sprache erlernt und auf diese Weise viel erfahren.« »Und sie haben von Atlan gesprochen?« »Ja«, sagte Koratzo zögernd. »Allerdings nicht so oft und ausführlich, wie ich es mir gewünscht hätte.« »Aber er lebt noch!« »So viel wir wissen, ja.« »Und Thalia?« Koratzo stand abrupt auf und wandte sich ab. »Wir wissen es nicht«, murmelte er, und er dachte an die Bilder, die Glyndiszorn auf gefangen hatte. Thalia war tot. Er hätte es den dreien sagen können, aber er dachte an die anderen Magier. Wem half es, wenn die drei Fremden über Thalias Ende informiert waren? Niemandem. Man konnte der Toch ter Odins nicht mehr helfen. Aber dieser Terraner, der ohnehin mißtrauisch war, wür de sich fragen, woher die Magier so genaue Nachrichten hatten. Koratzo konnte nicht al les darauf schieben, daß er ein paar Scudda moren belauscht hatte. Also wich er aus. »Erzählt uns, was im Lande Pthor ge schieht«, bat Koratzo. Copasallior stand im Hintergrund des Raumes und beobachtete die Fremden mit düsteren Blicken. Wahr scheinlich bedauerte er schon jetzt, daß er diese Leute in die Höhle geholt hatte. Es gab genug verwaiste Reviere, in denen man die drei hätte unterbringen können. Noch kaum ein Sterblicher war jemals bis zu Copasal liors Heimstatt vorgedrungen. Er pflegte ih nen auf seinem eisernen Yassel entgegenzu reiten, sobald sie sich unten an der Serpenti nenstraße blicken ließen.
12 Die beiden Magier hörten aufmerksam zu, als die drei Gäste berichteten, was sie seit der Ankunft der Scuddamoren mit ihren Or ganschiffen erlebt hatten. Sie erfuhren we nig, was ihnen wirklich neu war, aber sie waren nicht besonders enttäuscht deswegen, denn sie hatten damit gerechnet. »Es steht schlimm um Pthor«, sagte Ken non-Axton schließlich. »Viele Leute sagen, die Magier wären die einzigen, die jetzt noch helfen könnten. Aber ihr kapselt euch ab. Warum?« »Weil es keinen Sinn hätte, gegen die Scuddamoren zu kämpfen«, antwortete Co pasallior gelassen. Der Terraner schüttelte fassungslos den Kopf. »Wie wollt ihr das wissen, ehe ihr es ver sucht habt?« fragte er empört. »Wir haben gewisse Möglichkeiten, Ax ton. Glaube mir, wir können die Stärke des Gegners ziemlich genau einschätzen. Dem Neffen Chirmor Flog stehen Tausende von Raumschiffen zur Verfügung. Außerdem hat er nicht nur die Scuddamoren, sondern noch zahlreiche andere Hilfsvölker. Selbst wenn wir all diese Gegner besiegen könnten, wäre Pthor noch längst nicht gerettet, denn es gibt noch mehr Neffen des Dunklen Oheims, die den Kampf weiterführen würden. Und schließlich ist da noch der Dunkle Oheim selbst. Es hat überhaupt keinen Zweck, den Kampf hier in Pthor zu führen. Dabei wür den wir nur die völlige Zerstörung des Di mensionsfahrstuhls riskieren.« »Eine Frage, Copasallior«, sagte der Ter raner gedehnt. »Könnt ihr Pthor verlassen? Habt ihr eigene Raumschiffe – außer der GOL'DHOR – oder andere Transportmittel, mit denen ihr die ScuddamorenFlotte umge hen könntet?« Copasallior warf dem Stimmenmagier einen fragenden Blick zu. Sage es ihm ruhig, teilte Koratzo ihm auf dem lautlosen Wege der übertragenen Ge danken mit. Wahrscheinlich weiß er etwas. Er könnte es von Atlan erfahren haben. Es wäre gefährlich, ihn anzulügen.
Marianne Sydow »Wir haben diese Möglichkeit«, sagte Co pasallior. »Dann laßt mich nach draußen gehen!« bat Kennon-Axton. »Ich werde nach Atlan suchen und ihn unterstützen, so gut ich es vermag. Das mag euch ebenfalls sinnlos er scheinen, aber ich kann nicht untätig zuse hen, wie hier alles vor die Hunde geht.« »Atlan wird seinen Weg auch alleine fin den«, erwiderte Copasallior abweisend. Der Terraner sprang so heftig auf, daß er den Stuhl umwarf. »Ihr wollt ihm nicht helfen!« schrie er wütend. »Ihr seid nicht besser als die Söhne Odins! Ich hätte es wissen müssen. Das Bündnis, das ihr mit Atlan geschlossen habt, ist wertlos. Ihr habt euch daran gehalten, so lange der Arkonide in der Nähe war und euch zur Rechenschaft ziehen konnte. Aber jetzt, wo ihm irgendwo da draußen Gefahr droht, denkt ihr nicht daran, ihm zu helfen. Ihr wollt nur euch selbst schützen!« Die beiden Magier hatten ihm schweigend zugehört. Koratzo sah plötzlich blaß und müde aus, und Copasalliors Gesicht schien wie aus Stein gemeißelt. »Du tust uns Unrecht, Terraner«, sagte er, und es war ihm anzumerken, daß er sich nur mühsam beherrschen konnte. »Worte!« höhnte Axton. »Nichts als Wor te. Beweise mir, daß du zu Taten bereit bist. Gib mir die Möglichkeit, nach draußen zu gelangen. Wenn du es schon ablehnst, mich in Atlans Nähe gelangen zu lassen, dann laß mich wenigstens zu diesem verdammten Neffen gehen.« »Was willst du dort tun?« fragte Copasal lior unbewegt. »Das laß nur meine Sorge sein. Ich habe schon einmal auf meine Weise für Atlan ge kämpft. Damals habe ich mir das Vertrauen seines ärgsten Feindes erschlichen und des sen Macht und Autorität untergraben.« »Chirmor Flog ist nicht irgendein Geg ner«, warnte der Weltenmagier. »Das ist mir klar. Aber ich werde schon mit ihm fertig werden.« Copasallior wandte sich abrupt ab.
Expedition der Magier »Wir werden morgen weiter darüber re den«, sagte er schroff. »Ihr braucht alle drei Ruhe – selbst Fenrir ist erschöpft. Koratzo, zeige meinen Gästen, wo sie die Nacht ver bringen können!« Im nächsten Augenblick war der Welten magier verschwunden. Axton wandte sich zornig um, aber Koratzo hob hastig die Hand. »Immer mit der Ruhe!« mahnte er. »Copasallior hat recht, ihr braucht die Ruhe. Wir werden über deinen Vorschlag nachden ken, Lebo Axton, und dir Bescheid geben. Übrigens – dein eigenes Problem ist nicht automatisch gelöst, wenn du Pthor verlassen hast.« »Wie meinst du das?« fragte der Terraner betroffen, obwohl er genau wußte, worauf Koratzo anspielte. »Wenn du auf Säggallo getötet wirst«, er klärte der Stimmenmagier sanft, »dann ist es durchaus möglich, daß dein Geist in den ver krüppelten Körper zurückkehrt, der jetzt in der Rüstung Porquetors steckt. Ich glaube nicht, daß dir diese Lösung gefallen würde.« »Nein«, stieß Kennon hervor. »Aber diese Sache ist auch nicht der Grund dafür, daß ich nach draußen will. Mir geht es um Atlan – und um Pthor!« »Natürlich«, bestätigte Koratzo lächelnd. Der Terraner ballte die Fäuste, aber Koy legte ihm warnend eine Hand auf die Schul ter. Kennon-Axton holte tief Luft. »Also gut«, sagte er so ruhig, wie es ihm in diesem Augenblick gerade noch möglich war. »Reden wir morgen darüber?« »Vielleicht«, erwiderte Koratzo auswei chend. »Kommt jetzt.« Er führte sie zu drei nebeneinanderliegen den Zimmern, die weiter hinten im Berg la gen. Die Räume waren gemütlich eingerich tet und ließen sich mit wenigen Handgriffen den Bedürfnissen sehr verschiedener Be wohner anpassen. Fenrir schnüffelte überall herum, blieb dann plötzlich stehen und sah den Magier an. »Schon gut, Grauer«, murmelte Koratzo. »Ich weiß, daß du lieber in der vorderen
13 Höhle bleiben möchtest. Copasallior hat si cher nichts dagegen einzuwenden.« KennonAxton hätte Fenrir lieber bei sich behalten, und Koratzo schien das zu wissen. »Du kannst es ihm befehlen«, sagte er lei se. »Er wird wahrscheinlich gehorchen. Aber fühlt sich nicht wohl hier drinnen. Wa rum soll man ihm das Leben unnötig schwermachen?« Kennon zuckte die Schultern und ging in das ihm zugewiesene Zimmer. Er warf sich aufs Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte zu den kristallenen Lampen hinauf. Wollten die Magier dem Arkoniden wirk lich nicht helfen? Oder wußten sie mehr, als sie zugeben wollten?
* »Das hätten wir hinter uns«, sagte Copa sallior erleichtert, als Koratzo in Begleitung des Wolfes in die Wohnhöhle zurückkehrte. »Nicht ganz«, murmelte der Stimmenma gier skeptisch. »Wir werden sie für einige Zeit bei uns behalten müssen. Schick sie trotz allem morgen in die Tronx-Kette. Du kannst dich nicht ständig um sie kümmern, und hier am Crallion ist es für sie zu gefähr lich – abgesehen davon, daß es dich unnötig belasten würde.« »Und du meinst, daß das in der Tronx-Ket te nicht so ist!« »Meine Freunde sind an den Umgang mit Sterblichen gewöhnt«, antwortete Koratzo ruhig. »Einige haben uns sogar bei unseren Forschungen geholfen.« »Ich weiß.« Eine Spur der alten, fast schon vergessenen Feindseligkeit schwang in Copasalliors Stimme mit. »Ich bringe sie morgen zu euch. Vielleicht ist es wirklich besser. Dieser Terraner würde nicht aufhö ren, mir Löcher in den Bauch zu fragen. Was für ein mißtrauischer Bursche!« Koratzo lachte, stieß die Tür zum Plateau auf und sah nach oben. »Die Scuddamoren haben es aufgege ben«, stellte er fest.
14 »Sie legen nur eine Pause ein«, vermutete Copasallior. »Hast du inzwischen herausge funden, wie sie im Endstadium aussehen?« »Nein«, sagte Koratzo knapp. Er starrte immer noch nach oben. Der Himmel über der Barriere wirkte plötzlich fremd und un gewohnt. Seltsame Lichterscheinungen gei sterten darüber hin. Manchmal entstanden glühende Wolken scheinbar aus dem Nichts heraus, die sich nur langsam wieder auflö sten. Copasallior trat neben Koratzo und nickte nachdenklich. »Das sind die Folgen des Angriffs«, mur melte er. »Es hat nichts zu bedeuten. Glyn diszorn versicherte mir erst heute wieder, daß nichts und niemand gegen seinen Willen diese Wand durchdringen kann. Es ist eine andere Art Großer Knoten als der, der da mals eher zufällig entstand. Die Scuddamo ren sind völlig machtlos gegen dieses Gebil de.« »Hoffentlich sehen sie das auch bald ein. Wir hier drinnen haben nicht viel von dem Angriff gemerkt, aber das Land rings um die Barriere hat arg gelitten. Ein Wunder, daß Wolterhaven nichts abbekommen hat. Pa nyxan jedenfalls ist ein einziger Trümmer haufen.« »Und die Guurpel?« »Die meisten haben die Stadt schon längst verlassen. Sie hatten nicht genug Wasser, und sie brauchen es, das weißt du doch. Ein paar Gruppen haben sich in den Teichen im FESTUNGS-Gelände niedergelassen, ande re sind noch weiter gewandert. Sogar im Oberlauf des Xamyhr hat Opkul neulich welche entdeckt.« Copasallior warf dem Stimmenmagier einen schrägen Blick zu. »In den wassergefüllten Schluchten west lich vom Skatha-Hir schwimmen doch auch welche herum, nicht wahr?« fragte er. »Ja«, gab Koratzo gelassen zu. »Antharia hat sie dorthin geführt. Sie waren mehr tot als lebendig, als sie eintrafen. Sie stören nie manden.« »Es ist alles nicht mehr so, wie es sein sollte«, seufzte Copasallior. »Wann wird
Marianne Sydow Glyndiszorn den Tunnel für euch bereithal ten?« »Das konnte er nicht so genau sagen. Wir werden uns in den nächsten Stunden am Gnorden versammeln und den günstigsten Zeitpunkt abwarten.« »Wen nimmst du mit?« »Querllo, Haswahu, Rischa, Islar …« »Islar? Aber sie ist noch so jung und erst vor kurzem aus dem Revier der Sterblichen zu uns gekommen!« »Was macht das schon?« fragte Koratzo lächelnd. »Sie ist mutig und klug, und sie hat viel dazu gelernt. Sie hat eine erstaunli che Gabe, Copasallior. Sie kann mit antima gischen Geräten umgehen.« Der Weltenmagier schnappte nach Luft. »Erstaunlich nennst du das?« stieß er her vor. »Das ist – abartig!« »Du hast mich falsch verstanden, Welten magier«, sagte Koratzo beruhigend. »Ich meinte nicht, daß sie sich in antimagischen Techniken übt. Sie kann vielmehr gewisse Verbindungen schaffen und antimagische Geräte manipulieren – auf unsere Art. Es scheint fast, als könnte daraus eine neue Wissenschaft entstehen.« Copasallior war immer noch skeptisch, aber er wollte Koratzo nicht verletzen, dar um wechselte er das Thema. »Ich bringe dich zum Gnorden«, erklärte er. »Nimmst du Opkul auch mit?« »Wie könnte ich das? Er wird hier drin gender gebraucht. Nein, Antharia kommt noch mit. Eine größere Gruppe zusammen zustellen, ist sowieso sinnlos, denn wir kämen nicht alle auf einmal durch den Tun nel.« »Die Zusammensetzung ist ganz gut«, gab Copasallior zu. Er streckte Koratzo eine Hand hin, und der Stimmenmagier griff schweigend zu, nachdem er seine eigenen magischen Sper ren abgebaut hatte. Im nächsten Augenblick stand er unter Glyndiszorns Luftschiff am Ufer des schwarzen Sees. Er blickte zur OR SAPAYA hinauf. Ein schwaches Flimmern umgab die Gondel.
Expedition der Magier »Glyndiszorn ist noch nicht soweit«, stell te Copasallior fest. »Aber da kommen deine Freunde. Wird Opkul mich an seinen Beob achtungen teilhaben lassen?« »Er und Estrala stehen dir jederzeit zur Verfügung«, versicherte Koratzo ernst. Copasallior nickte ihm zu, trat einen Schritt zurück und kehrte auf die ihm eigene Weise zum Crallion zurück. Koratzo ging seinen Freunden entgegen, half ihnen, die weißen Yassels in einem klei nen Nebental unterzubringen und setzte sich dann auf eine der geborstenen Kristallsäu len, die das Ufer des Sees säumten. Er wartete auf Glyndiszorn und die Nach richt, daß der Knotenmagier bereit sei, einen Weg nach Cyrsic zu öffnen.
3. Glyndiszorns »Wege« oder Tunnel waren etwas Besonderes, denn sie führten durch Zeit und Raum. Sie konnten ganz eng sein – dann dienten sie der Beobachtung – oder auch blind enden. Solche blinden Gänge schuf Glyndiszorn vorzugsweise dann, wenn es galt, etwas oder jemanden absolut sicher zu verstecken. Da jeder Tunnel und jede Ni sche an jedem beliebigen Ort errichtet wer den konnten und unter Umständen sogar an einem beweglichen Gegenstand verankert waren, bot diese rein praktische Seite der Knotenmagie viele Vorteile und verlieh ei nem Magier, der etwas davon verstand, große Macht. Glyndiszorn beherrschte die Knotenmagie nahezu perfekt. Es gab nie manden, der ihm auch nur das Wasser rei chen konnte. Als er sich dann daran machte, für Korat zo und die Freunde des Stimmenmagiers diesen besonderen Tunnel, der weit in den Raum hineinreichen sollte, zu errichten, da war er sich seiner Sache recht sicher. Das Ganze war für ihn nicht gerade nur Routine, aber er hatte schon bei anderen Gelegenhei ten Entfernungen überbrückt, die von den Sterblichen in Lichtjahren gemessen wur den. Diesmal schien es besonders einfach zu
15 sein, denn die Große Plejade lockte und rief und steuerte fast von selbst den sich durch Raum und Zeit schlängelnden Tunnel nach Cyrsic. Schon nach kurzer Zeit erspähte Glyndis zorn am Ende des Tunnels ein mittlerweile vertrautes Bild: Die Große Plejade, die von vielen seltsamen Wesen umgeben war. »Ihr werdet euch vorsehen müssen«, sagte er zu Koratzo. »Es sieht zwar so aus, als wä ren diese Tiere durch die Kugel friedlich und apathisch geworden, aber niemand kann sagen, was sie unternehmen, wenn ihr plötz lich mitten unter ihnen auftaucht.« Während des Sprechens sah er den Stim menmagier mißtrauisch von der Seite an, denn Glyndiszorn fürchtete stets, man könne ihn wegen seines Aussehens und seiner kei fenden Stimme auslachen – er war kugel rund, hatte knallrote Haut und strähniges schwarzes Haar, und in seiner Behausung gab es keinen einzigen Spiegel, damit er nicht zufällig in einen hineinschauen konnte. Aber Koratzo verzog keine Miene. »Haswahu wird sich ihrer annehmen«, versicherte er gelassen. »So«, machte Glyndiszorn. »Wird er das.« Er sah Haswahu dabei scharf an, und der Luftmagier sah plötzlich noch blasser und trauriger aus. Aber das hatte nichts zu sagen, denn Haswahu war der geborene Trübsalblä ser. »Nun gut«, murmelte Glyndiszorn und ließ den Tunnel anschwellen, bis er groß ge nug war, um die sechs Magier hindurchzu lassen. »Dann solltet ihr euch jetzt auf den Weg machen.« Koratzo nickte seinen Freunden zu und ging voran. Deutlich sah er Cyrsic vor sich, und er schritt so unbekümmert aus, als be finde er sich auf einem der vielfach gesi cherten Pfade in der TronxKette. Seine Freunde folgten ihm ebenso sorglos. Und als sie alle im Tunnel steckten, da geschah es. Der Boden unter ihren Füßen bewegte sich plötzlich, Cyrsic verschwand, und an seine Stelle trat eine graue Nebelwand.
16 Die Magier blieben stehen. »Was ist das?« fragte Haswahu nervös. »Da stimmt doch etwas nicht.« »Wartet!« befahl Koratzo. »Glyndiszorn bringt das sicher gleich wieder in Ordnung.« Aber Glyndiszorn hatte im Augenblick genug zu tun, ein anderes, viel wichtigeres Werk, das er geschaffen hatte, in Zaum zu halten. Es ging um den seltsamen Knoten, der die Barriere umfing und vor den Angriffen der Scuddamoren schützte. Dieses seltsame Ge bilde, das die Invasoren nicht ganz zu Un recht für einen Energieschirm hielten, war an und für sich eine äußerst stabile Angele genheit. Ausgerechnet in dem Augenblick aber, in dem die Magier um Koratzo im Tunnel verschwunden waren, stürzten sich zehn Organschiffe zugleich auf die Barriere von Oth. Sie feuerten aus allen Rohren und mit allem, was ihnen an Waffen zur Verfü gung stand. Die gegen ihn brandende Ener gieflut machte dem Knoten wenig aus, aber der Druck, der von einem Moment zum an deren nicht nur auf dem Schirm, sondern auch auf dem umgebenden Land lastete, lös te gewisse Schwankungen aus. Jenseits der Knotenwand taten sich Erdspalten auf, und einige der magisch aufgeladenen Gesteins adern, die vom Gebirge weg bis in die entle gensten Gebiete Pthors führten, wurden un terbrochen. Das bekam dem Knoten gar nicht, denn eben diese Adern an den Gren zen von Oth bestimmten seine äußerste Form. Der Schirm beulte sich ein wie eine mit Wasser gefüllte Yasselblase, wenn ein Dala zaarenkind darauf herumstieg. Glyndiszorn hatte keine andere Wahl, als sich schleunigst um den Knoten zu küm mern. Es dauerte nicht lange, dann hatte er das Gebilde wieder stabilisiert. Aber als er zurückkehrte, mußte er feststellen, daß er das eine Problem gegen das andere einge tauscht hatte. Der Tunnel hatte sich von Pthor gelöst. Wie eine straff gespannte Schnur hatte er die Barriere und Cyrsic miteinander verbunden.
Marianne Sydow Und dann war das eine Ende abgerissen. Der Tunnel gehorchte dem auf ihm lastenden Druck und bog sich durch. Nun hing das ei ne Ende irgendwo zwischen Pthor und Cyr sic im freien Raum, und Glyndiszorn konnte es nicht wieder einfangen. Wahrscheinlich war auch das andere Ende nicht mehr da, wo es eigentlich hingehörte, denn dieser Tunnel war nicht dazu gedacht, für sich alleine zu existieren. Er mußte ständig beaufsichtigt werden. Mit anderen Worten: Koratzo und die fünf anderen waren verschollen, verloren in den Weiten von Zeit und Raum. Denn der Tun nel überbrückte ja nicht nur die räumliche Entfernung, sondern auch die Zeit. Andern falls hätte man durch ihn niemals innerhalb einer vernünftigen Frist auf einen anderen Planeten gelangen können. Glyndiszorns erste Reaktion war tiefe Scham. Zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit hatte er – wenigstens für sein Gefühl – ver sagt: Er hatte Atlan verloren, weil er ihn ausgerechnet in dem Augenblick, als der Ar konide die Große Plejade gegen seinen Zel laktivator vertauschte, nicht direkt beobach tet, sondern den Vorgang erst Stunden später wahrgenommen hatte. Glyndiszorn hatte ei ne gute Entschuldigung dafür, denn zu jener Zeit baute er den Großen Knoten auf, der den Magiern Schutz und Sicherheit bieten sollte. Das war ein wichtiges Werk, das den Knotenmagier voll beanspruchte. Aber Glyndiszorn ließ solche Entschuldigungen nicht für sich gelten. Hätte er nämlich recht zeitig gemerkt, was sich da anbahnte, so wä re es ihm vielleicht gelungen, Atlans Weg auch ohne die Unterstützung der rätselhaften Marmorkugel zu verfolgen. Und nun hatte er Koratzo aus den Augen verloren. Sein einzi ger Trost war, daß für die sechs Magier kei ne direkte Lebensgefahr bestand. Natürlich konnten sie sich verletzt haben, aber sie hat ten genug Luft und Wärme zur Verfügung, um für zwei bis drei Tage zu überleben. Glyndiszorn begab sich verzweifelt auf die Suche nach seinem verlorenen Tunnel.
Expedition der Magier
* Für die Magier im Tunnel gab es zunächst nur ein Problem. Sie mußten sich auf den Beinen halten. Das magische Gebilde, in dessen Innern sie sich befanden, bockte wie ein junges Yassel, das zum erstenmal den Sattel auf seinem Rücken spürte. Die Wände des Tunnels gerieten in Bewegung und falte ten sich ein wie der Bauch einer Ziehharmo nika, und auf dem Boden bildeten sich wah re Wellentäler, in die die Magier hinein schlitterten. »Rischa!« rief Koratzo verzweifelt. »Halte uns zusammen!« Die kleine, blauhäutige Magierin stram pelte wild, um sich aus einem Tal mit beson ders steilen Wänden zu befreien. Der Boden war glatt wie Eis, und sie rutschte jedesmal zurück, wenn sie endlich einen Meter nach oben gekrochen war. Koratzos Ruf schreckte sie aus ihren ver geblichen Bemühungen auf. Entgeistert stellte sie fest, daß sie für einen Augenblick all ihre magischen Fähigkeiten vergessen hatte. Sie konnte unsichtbare Bänder ver schleudern – Gravofesseln hatte ein höchst bemerkenswerter Sterblicher aus der alten Stadt Moondrag sie vor Jahrhunderten ein mal genannt – die stärker und fester als Stricke und Ketten waren. Aber mit dem Schleudern der Bänder war es in diesem Durcheinander auch so eine Sa che. Rischa brauchte den Blickkontakt, um jemanden einfangen zu können. Im Augen blick war nur Haswahu in Sichtweite, die anderen steckten irgendwo hinter den näch sten wellenförmigen Erhebungen. Einer ist besser als gar keiner, dachte sich Rischa und warf ihr unsichtbares Netz aus. Haswahu, der mühsam auf dem schwan kenden Boden balancierte, spürte nur die Kraft, die plötzlich nach ihm griff, und da er von Natur aus ängstlich war, reagierte er in heller Panik auf die vermeintliche Gefahr. Rischa erkannte im letzten Augenblick, was da auf sie zukam. Hastig ließ sie die unsicht
17 baren Bänder fahren und konzentrierte sich völlig auf ihre individuellen Sperren – eine Art unsichtbaren, magischen Schutzanzug, der sie von nahezu allen Umwelteinflüssen abschirmen konnte. Haswahus »Atem des tiefen Schlafes« verpuffte an diesem Schirm, und der Luftmagier rutschte haltlos in die Mulde herab. »Rischa!« stöhnte er auf. »Stell dir vor, was mir passiert ist! Ein fremder Magier muß im Tunnel sein. Er griff mit seinen Kräften nach mir …« »Das war ich, du Dummkopf!« fauchte die Magierin ihn an. »Hast du Koratzos Be fehl denn nicht gehört? Los, hilf mir, hier herauszukommen.« Haswahu stemmte sich verwirrt gegen die steile Wand. Rischa kletterte gewandt wie eine Katze an ihm hinauf, erreichte mit den Fingerspitzen etwas Festes, das über den Wellenkamm ragte, und klammerte sich in stinktiv daran fest. Eine neue Welle von Er schütterungen durchlief den Tunnel und drohte, die Magierin wieder nach unten zu befördern. Geistesgegenwärtig warf sie ein magisches Band um den Gegenstand, den sie nur fühlen, nicht aber sehen konnte, und hakte sich mit aller Kraft daran fest. »Was, beim Geist der FESTUNG, soll das!« schrie eine Stimme empört. Da erst erkannte Rischa, daß es Querllos Fuß war, den sie sich als Rettungsanker aus gesucht hatte. Eilig lockerte sie die Fessel, aber schon das nächste Beben warf sie zu Haswahu in die Mulde. Querllo folgte ihr schimpfend und fluchend. »Entschuldige!« bat Rischa zerknirscht. »Schon gut«, sagte Querllo hastig. »Es war nicht deine Schuld. Immerhin sind wir drei jetzt zusammen. Wo stecken die ande ren?« »Wir hängen in der nächsten Mulde fest«, sagte Koratzos Stimme dicht neben Querllos Ohr. »Wie sieht es bei euch aus?« Der Lichtmagier, der enger als alle ande ren mit Koratzo befreundet war, schaltete schnell. »Haswahu sieht aus, als würde er jeden
18 Moment ohnmächtig«, teilte er dem Stim menmagier auf dem lautlosen Wege der Ge danken mit. Koratzo konnte zwar keine Ge danken lesen, sie aber für sich hörbar ma chen. »Rischa ist ein bißchen nervös, aber sie hält sich gut. Was macht Islar?« »Die ist durch nichts zu erschüttern«, er klärte Koratzo spöttisch. »So, jetzt gib Ri scha Bescheid. Sie soll eines der Bänder zu uns herüberwerfen. Antharia kann die Din ger spüren, wenn sie bis auf einen Meter heran sind.« Querllo gab diese Anweisung an Rischa weiter, und wenig später waren sie alle in derselben Mulde vereint. »Der Boden bewegt sich«, stellte Islar, die tatsächlich erstaunlich gefaßt wirkte, nach einiger Zeit fest. »Wir werden unaufhaltsam dem Ende des Tunnels entgegengetragen.« Querllo beobachtete sie fasziniert. Er hing an ihren Lippen, als gäbe sie pausenlos die größten Geheimnisse von sich. Er war bis über beide Ohren verliebt in diese blutjunge Magierin. Jeder in der Tronx-Kette wußte das, und wie es bei den Rebellen üblich war, respektierte man Querllos Gefühle still schweigend. Nur Islar selbst schien nicht zu ahnen, was den Lichtmagier bewegte, wenn er stundenlang still in ihrer Nähe saß und sie nur ansah. »Ich bin gespannt, wo wir herauskom men«, ließ Antharia sich vernehmen. Sie wirkte weder ängstlich, noch nervös. Solan ge kein weibliches Wesen in der Nähe war, das ausgerechnet den Stimmenmagier zu verführen wünschte, war ihr alles andere gleichgültig. Koratzo richtete sich vorsichtig auf. Aber er konnte nicht über den Kamm der Welle, hinter der sie gefangen saßen, hinwegsehen. »Rischa!« befahl er leise. »Heb mich hin auf!« Ein magisches Band trug ihn nach oben, und endlich erhaschte er einen Blick auf das, was vor ihnen lag. Sekundenlang starrte er ungläubig auf ein graues Nichts. »Das reicht«, sagte er dann ganz ruhig. Rischa ließ ihn hinunter.
Marianne Sydow »Nun?« fragte Haswahu herausfordernd. Seine Stimme klang energisch, aber der Luftmagier zitterte am ganzen Leibe. »Ich kann noch nichts erkennen«, sagte Koratzo. »Die Entfernung ist zu groß. Es scheint jedenfalls so, als würden wir unser Ziel verfehlen.« Wie auf ein Stichwort krümmte sich der Tunnel zusammen, wand sich wie ein Wurm, der auf einen heißen Stein geraten war, dehnte und streckte sich ruckartig und schleuderte die Magier von einer Wand zur anderen. Hätten Rischas magische Bänder die Gruppe nicht zusammengehalten – nie mand konnte sagen, was die Folge gewesen wäre. Denn plötzlich ging ein berstendes Geräusch durch das seltsame Gebilde, und im nächsten Augenblick stürzten die Magier durch die nebelige Wand des Tunnels. Sie rollten über den Boden. Rischa löste geistesgegenwärtig die unsichtbaren Fesseln, denn sie spürte runde Steine unter ihren Händen und Füßen. Sekundenlang blieben sie ganz still lie gen. Dann richtete Koratzo sich langsam auf, und wie auf ein unhörbares Kommando erhoben sich auch die anderen. Staunend sa hen sie sich um. Sie standen auf einem weiten, flachen Hang. Tief unten zeichnete sich dunkel eine Schlucht ab, noch ein Stück weiter entfernt lag eine tiefschwarze Wasserfläche. Die Luft war dünn und kalt. Zwischen den Steinen lag Schnee. Weiter oben am Hang gab es nichts als Eis, das die Steine unter sich be grub. »Das ist jedenfalls nicht die Welt, auf der sich die Große Plejade befindet!« bemerkte Antharia sehr treffend. Koratzo nickte nachdenklich. Er sah zum Himmel hinauf, dessen Blau so dunkel war, daß es im Zenit fast ins Schwarze überging. Eine kleine, blaßgelbe Sonne stand einige Handbreit über dem Horizont. Sie war so schwach, daß man mit dem bloßen Auge auf sie schauen konnte. Keine noch so kleine Wolke war zu sehen. Ein paar Sterne schim merten hoch am Himmel. Die Magier
Expedition der Magier schwiegen und lauschten, aber sie hörten nichts als den Wind, der wimmernd über Felsen, Schnee und Eisflächen strich, und das Gurgeln des Schmelzwassers, das der Schlucht entgegenfloß. Kein Laut, der der Kehle eines Tieres oder eines vernunftbe gabten Wesens entstieg, durchbrach diese Stille. Als sie beklommen zu Boden sahen, erblickten sie nichts als Steine, Sand und Schnee. Kein Grashalm, kein Moospolster wuchs auf diesem Hang. Zuerst waren sie wie betäubt. Sie waren ja niemals durch den Raum gereist, nur in eini gen seltenen Fällen hatten sie überhaupt an dere Welten besucht, es sei denn, es handel te sich um Planeten, auf denen Pthor Station machte. Dann aber war es ein Kinderspiel, die Entfernung zwischen zwei Welten zu überbrücken. Man ging zum Rand, wo es in verborgenen Höhlen Boote genug gab, denn meistens sorgten die Herren der FESTUNG dafür, daß Pthor wenigstens teilweise im Meer landete. Es waren keine gewöhnlichen Boote. Man kam schnell mit ihnen voran und stand spätestens nach einer Stunde auf dem festen Land. Jetzt waren sie weit von Pthor entfernt, weiter, als ihre Vorstellungskraft reichte, und sie wußten nur zu genau, wie schwer es für Glyndiszorn sein mußte, sie hier, auf die sem namenlosen, unbewohnten Planeten, zu finden. Und wenn er sie nicht fand, waren sie verloren. Dies hier war keine magische Welt. Die Felsen um sie herum waren völlig unberührt, frei von jener Energie, die die Magier unsterblich werden ließ, und die überall in der Großen Barriere von Oth reichlich vorhanden war. Immerhin besaßen diese Felsen aber auch keine Speicherfähig keit. Sie hätten sonst innerhalb weniger Ta ge die Kräfte der Magier in sich aufgenom men. Aber auch so war die Lage schlimm genug. Länger als vier bis fünf Wochen konnten sie in dieser Umgebung nicht über leben. Koratzo blickte über die kleine Schar sei ner Freunde, die auf diesem riesigen Hang so verloren und hilflos wirkte, daß sich ihm
19 das Herz zusammenkrampfte. Er sah Haswa hu, dessen roter Haarschopf wie Feuer brannte. Das Gesicht darunter war noch blei cher als sonst, und die tropfenförmigen, grü nen Flecken unter den Augen des Luftma giers leuchteten wie Smaragde. Haswahu zitterte, und das lag nicht an der Kälte. Er war das schwächste Glied in ihrer Gemein schaft. Koratzo hatte ihn dennoch mitge nommen, denn er wußte Haswahus seltsame Fähigkeiten zu schätzen und vertraute dar auf, daß der Luftmagier dann, wenn es wirk lich brenzlig wurde, alle Ängste von sich ab schüttelte. Und dann die anderen. Rischa, die wie ei ne blauhäutige Elfe auf einem Stein kauerte. In ihrem langen, schneeweißen Haar spielte der Wind. Antharia, ebenfalls klein, aber schwarz wie Ebenholz und in Wesen und Körperhaltung einer wilden Katze ähnlich. Querllo, der Freund des Stimmenmagiers und sein Vertrauter seit Jahrhunderten. Und schließlich Islar, die noch so jung war, kaum achtzehn Jahre, ein zierliches Mädchen mit langem schwarzem Haar und einer Kette von acht winzigen, schwarzen Augen auf der Stirn. Er trug die Verantwortung für sie alle. Sämtliche Magier aus der TronxKette waren bereit gewesen, ihn zu begleiten, aber er hat te diese fünf ausgewählt. Er mußte etwas unternehmen. Es war höchste Zeit. Etwas, das sie alle aus dem Bann des Schreckens riß, ehe besonders Haswahu die Nerven verlieren konnte. »Antharia«, sagte er, »du suchst mit Ri scha nach einer Höhle. Haswahu, du wirst dich mit unseren Vorräten befassen. Du, Querllo, untersuchst das Gelände in Rich tung Schlucht. Nimm Islar mit.« »Und was tust du?« fragte Haswahu ag gressiv. »Ich sehe mich dort oben um«, erklärte Koratzo ruhig. »Laßt alles außer euren Waf fen hier bei Haswahu zurück. Vergeßt bitte nichts, denn wir müssen wissen, wieviel Proviant uns zur Verfügung stehen wird.« Schweigend räumten sie alle ihre Taschen
20 aus. Natürlich hatten die einen Notvorrat mitgenommen, aber das war ein Tropfen auf den heißen Stein. Jeder wußte es, aber nie mand sprach darüber. Und die Schwerter, die Querllo, Koratzo und Islar mit sich tru gen, nützten ihnen hier überhaupt nichts. Es gab keinen Gegner, gegen den man solche Waffen verwenden mußte. Koratzo wartete, bis die anderen aufgebrochen waren. Haswa hu saß auf dem Boden und zählte mit verbis sener Miene Nüsse, getrocknete Früchte und ähnliche Dinge. »Paß gut auf, Haswahu«, bat Koratzo lei se. »Es sieht zwar so aus, als lebte hier nichts und niemand, aber dieser erste Ein druck kann täuschen. Wenn etwas auf dich zukommt, dann zögere nicht erst lange, son dern schicke es in den Schlaf. Diese gerin gen Vorräte sind zu wertvoll, als daß du sie aufs Spiel setzen solltest!« Die Gestalt des Luftmagiers straffte sich. »Keine Sorge!« sagte er mit fester Stim me. »Niemand kommt an das Zeug hier her an!« Koratzo nickte zufrieden. Er zweifelte zwar daran, daß Haswahus Fähigkeiten in dieser Einöde auf die Probe gestellt würden, aber er wußte, daß Haswahu nun etwas hat te, woran er sich seelisch festhalten konnte. Über die runden Steine stieg er den Hang hinauf. Je weiter er kam, desto tiefer lag der Schnee in den Spalten. Bald überdeckte er auch einzelne Steine, und als der Stimmen magier aufsah, entdeckte er die Eisfläche di rekt vor sich. Er blieb stehen. Angespannt lauschte er, aber auch jetzt vernahm er kei nen Laut. Er ließ seine magischen Sinne spielen, und plötzlich zuckte er zusammen. Da war etwas gewesen. Kein Laut im eigentlichen Sinn, aber ein Geräusch, das nicht auf natürliche Weise entstanden sein konnte. Er versuchte, die Richtung zu be stimmen, aus der das Geräusch gekommen war, aber es gelang ihm nicht. Und so lange er auch wartete, er hörte den rätselhaften Laut kein zweitesmal. Schließlich gab er es auf und wanderte parallel zur Eiskante weiter. Er gelangte in
Marianne Sydow ein Gebiet, in dem haushohe Felsbrocken sich übereinandertürmten. Neben einem schmalen Bach, der ungestüm unter dem Eis hervorgeschossen kam, setzte er sich hin. Er lauschte auf das, was die anderen taten, und seine magischen Sinne befähigten ihn dazu, selbst auf die mittlerweile ziemlich große Entfernung jedes Wort, das weiter unten am Hang gesprochen wurde, deutlich wahrzu nehmen. Rischa und Antharia hatten sich auf der Suche nach einer Höhle, die der Gruppe Schutz gegen die Kälte bieten konnte, weit vom Ort ihrer Ankunft entfernt. Gerade in diesem Augenblick entdeckten sie ein enges Tal, das sich allem Anschein nach weiter un ten mit der Schlucht vereinigte. Querllo war mit Islar fast am Rand der Schlucht angelangt. Koratzo lächelte, als er vernahm, wie behutsam Querllo versuchte, Islar auf die Gefühle aufmerksam zu ma chen, die sie in dem Lichtmagier erweckte. Hastig schaltete er sich aus dem Gespräch aus, denn es war nicht seine Angewohnhei ten, mittels seiner Magie in die Privatsphäre anderer einzudringen. Haswahu hatte die Bestandsaufnahme be endet. Im Augenblick war er damit beschäf tigt, eine Zone der Wärme um sich herum aufzubauen. Der Luftmagier verabscheute den eisigen Hauch, der von den Schneefel dern und der Eiskante zu ihm herüberwehte. Beruhigt ging Koratzo weiter. Vor ihm tauchte eine Steilwand auf. Eiszapfen hingen von den Felsvorsprüngen herab, und dünner Schnee lag auf den steinernen Simsen. Am Fuß der Steilwand türmte sich eine riesige Geröllhalde. Etwa zweihundert Meter tiefer lag der Beginn des Tales, in dem Rischa und Antharia nach einer Höhle suchten. Koratzo überlegte gerade, ob er über das Geröll bis zu den Felsen hinaufsteigen sollte, da ver nahm er Antharias Ruf. Er war noch zu weit von dem Tal entfernt, um die Feldermagie rin akustisch davon zu unterrichten, daß er sie gehört hatte. Aber er sandte seine Stim me aus und versicherte ihr, daß er auf dem schnellsten Wege kommen würde.
Expedition der Magier »Was gibt es?« fragte er dann. »Komm her und sieh es dir selbst an«, wich Rischa ihm aus. Er zuckte die Schultern und wandte sich talwärts. Er kam schnell voran. Solange er zurückdenken konnte, hatte er in der Barrie re von Oth gelebt, und dieses Gebirge ver langte seinen Bewohnern viel ab. Natürlich hatten sich die Magier längst eigene Wege geschaffen, und sie besaßen Transportmög lichkeiten, die ihnen – zumindest in ihren ei genen Revieren – anstrengende Kletterparti en ersparten. Aber Koratzo hatte stets darauf geachtet, daß er sich nicht zu sehr an diese Bequemlichkeiten gewöhnte. Das machte sich jetzt bezahlt. Als er das Tal erreichte, blieb er für einen Augenblick stehen. Er be trachtete die Hänge, die hier sanft und rund waren, und versuchte, die besondere Atmo sphäre dieses Ortes einzufangen. Rein op tisch war es ein Tal wie viele andere. Ein Wildbach floß hindurch, und der Boden war mit Geröll und Sand bedeckt. Hier und da ragten monolithenhafte Blöcke auf. Sie be standen aus tief schwarzem Gestein, das von dünnen, roten und goldenen Adern durchzo gen war. Die Sonne war höher gestiegen. Diffuses, blaßgoldenes Licht nahm der Landschaft etwas von ihrer trostlosen Ein samkeit, aber es war beim besten Willen kein Ort, an dem man sich hätte wohl fühlen können. Aber Koratzo spürte noch etwas anderes. Ein Hauch von Hoffnungslosigkeit und Trauer schien von den dunklen Steinen aus zugehen. Er glaubte zu spüren, daß es hier einst Leben gegeben hatte, Leben, das sich voller Bitterkeit aus diesem Tal zurückgezo gen hatte. Er schüttelte sich und konzentrierte sich hastig wieder auf Rischa und Antharia. Er spürte die beiden Magierinnen, die voller Unruhe auf ihn warteten, in einer Entfer nung von kaum fünfhundert Metern auf. Er rannte parallel zum Bach weiter, bis er zu ei ner auf natürliche Weise entstandene Treppe kam. Die Stufen waren groß und flach und vom Frost zerfressen. An vielen Stellen hat
21 te sich das Schmelzwasser in kleinen Tüm peln gesammelt. Das Wasser war glasklar, aber völlig ohne Leben. Endlich sah er die beiden Magierinnen vor sich. Rischa winkte ihm aufgeregt zu. Antharia kauerte wie eine frierende Katze auf einem Felsblock und spähte zu der blas sen Sonne hinauf. »Wir haben eine Höhle gefunden!« rief die Feldermagierin, als Koratzo auf Hörwei te heran war. »Das ist gut«, sagte er aufatmend. »Ich werde Haswahu herbeirufen.« »Warte noch einen Augenblick!« bat Ri scha hastig. »Komm, ich zeige es dir. Du solltest dich da drinnen umsehen, ehe du ei ne Entscheidung triffst.« »Was ist mit der Höhle?« fragte er miß trauisch, aber Rischa antwortete ihm nicht, sondern faßte nur nach seiner Hand und zog ihn mit sich.
* Die Höhle war einmal sehr groß gewesen, aber jetzt war ein Teil der Decke eingebro chen, und die Trümmer bildeten einen un durchdringlichen Wall. Am Eingang bestand der Boden aus grauem Gestein, das Spuren von künstlicher Bearbeitung aufwies. Weiter hinten war diese Fläche von Geröll bedeckt. Drinnen war die Luft kalt und klamm, aber ohne den Modergeruch, der solchen Höhlen sonst eigen war. »Hier hat jemand gelebt«, flüsterte Rischa und sah sich scheu nach allen Seiten um. »Es müssen viele gewesen sein«, stellte Koratzo nüchtern fest. »Und sie waren intel ligent.« Er entdeckte einige Nischen in der rechten Wand und ging hinüber, um sie sich genauer anzusehen. »Vielleicht sind die Fremden noch da«, überlegte Antharia, die lautlos neben ihn trat. »Sie könnten sich versteckt haben, als sie uns kommen hörten.« »Nein«, murmelte Koratzo nachdenklich. »Das hätte ich gemerkt. Ich spüre noch im
22 mer kein Leben in unserer Nähe. Die, die vor uns in dieser Höhle Unterschlupf ge sucht haben, sind schon vor vielen Jahren weitergezogen.« Er dachte an das seltsame Geräusch, das er aufgefangen hatte. »Aber es gibt sie wahrscheinlich wirklich noch«, setzte er hinzu. »Wenn ja, dann wer den wir sie schon noch aufspüren.« Hier drinnen spürte er es noch deutlicher als vorher, weiter oben im Tal: Die Wesen, die hier gelebt hatten, waren verzweifelt und ohne jede Hoffnung gewesen. Sie hatten dem toten Gestein ihre Gefühle aufgeprägt. Auch Rischa und Antharia fühlten es, ob wohl sie – wegen der Art der Magie, die sie betrieben – für solche Dinge weniger emp fänglich als der Stimmenmagier waren. »Diese Höhle ist für uns unbrauchbar«, stellte Koratzo enttäuscht fest. »Sie hat eine zu bedrückende Ausstrahlung.« »Das dach ten wir uns auch«, sagte Antharia leise. »Aber ich meine, wir sollten uns hier drin nen gründlich umsehen. Vielleicht haben die Fremden etwas zurückgelassen, was wir ge brauchen können.« Koratzo musterte nach denklich den Wall von Gesteinstrümmern, der die Höhle abschloß. Zögernd ging er hinüber, legte die Hand auf eine Felsplatte und versuchte zu erfühlen, was hinter dem Wall lag. Er meinte, dort einen zweiten Hohlraum spüren zu können, war sich seiner Sache aber nicht völlig sicher. Etwas störte seine Wahrnehmungen, etwas sehr Fremdes. »Wir werden uns später darum küm mern«, entschied er. »Suchen wir weiter. Ich glaube nicht, daß dies die einzige Höhle ist, die es in diesem Tal gibt.« Sie atmeten alle drei auf, als sie wieder draußen waren und die Sonne sehen konn ten. »Hast du inzwischen irgendeine Spur von Leben ausfindig gemacht?« wandte Koratzo sich an Antharia. Sie schüttelte den Kopf, und ihre gelben Augen funkelten ärgerlich. »Nichts«, antwortete sie knapp. Koratzo verzichtete auf einen Kommen-
Marianne Sydow tar. Die Pflanzenmagierin wußte auch so, wie sehr ihn diese Auskunft deprimierte. Hätte sie wenigstens ein paar niedere Pflan zen gefunden, so wäre es ihr möglich gewe sen, mit ihren magischen Künsten etwas Eß bares daraus wachsen zu lassen. Er suchte flüchtig nach Querllo und Islar und stellte fest, daß die beiden mittlerweile am Rand der Schlucht entlanggingen und sich der Stelle näherten, an der das Tal im spitzen Winkel auf den Abgrund stieß. Er bekam einen flüchtigen Eindruck dessen, was Querllo in diesem Augenblick sah – ei ne Felskante, so scharf und gerade, als hätte man sie mit einem riesigen Messer geschnit ten, und dahinter nichts als Dunkelheit, aus der als einziges Geräusch das Donnern eines Wasserfalls drang. Es war wahrhaftig keine allzu freundliche Welt, auf der sie da gelandet waren! Antharia eilte ihnen voraus und suchte nach dem günstigsten Weg. Die Felsen links und rechts des Baches wurden höher und schroffer, rückten immer enger zusammen und ließen manchmal neben dem Wasser nur noch einen schmalen Geröllstreifen frei. Als vor ihnen der tiefschwarze Eingang zu einer zweiten Höhle auftauchte, fing Koratzo zum zweitenmal ein Geräusch auf, das nicht in diese unbelebte Landschaft paßte. Er blieb abrupt stehen und lauschte. Er war sicher, daß die Quelle des Geräusches sich ganz in seiner Nähe befand. Aber als er sich umsah, entdeckte er nichts als Steine und den toben den Bach, der hier bereits so breit war, daß man ihn nicht mehr überspringen konnte. Antharia war schon in der Höhle ver schwunden. »Hier ist alles in Ordnung!« rief sie den beiden anderen von drinnen zu. »Die Höhle ist genau das Richtige für uns!« Koratzo wollte ihr folgen – da fing er schon wieder dieses Geräusch auf, und dies mal erkannte er auch die Richtung, aus der es kam. Er wirbelte herum und spähte zu ei nem Felsvorsprung hinauf. Aber dort oben gab es nur ein paar große, unförmige Steine. »Koratzo!«
Expedition der Magier Er schrak zusammen und konzentrierte sich auf Querllo, der nach ihm rief. »Wir haben etwas gefunden!« berichtete der Lichtmagier aufgeregt. »Wir sind nicht allein auf diesem Planeten. Es gibt doch Le ben hier!« Der Stimmenmagier stellte fest, daß Querllo und Islar nur etwa einen Kilometer von ihm entfernt waren. Sie standen an jener Stelle, an der das Tal in die Schlucht münde te. Aber die Wände des Tales waren steil und zerklüftet, es würde Zeit kosten, dort hinauf zu kommen. Trotzdem – Leben auf diesem Planeten, das war etwas, das er sich unbedingt ansehen mußte. »Holt Haswahu und unsere Vorräte hier her«, bat er Rischa und Antharia. »Ich küm mere mich um Querllo und Islar.« Er kletterte über die Felsen hinauf, bis er an jenen Vorsprung kam, auf dem die großen Steine lagen. Sie versperrten ihm den Weg, so daß er gezwungen war, über sie hinwegzusteigen. Als sein Fuß den ersten Stein berührte, durchfuhr es ihn wie ein elektrischer Schlag. Er sprang zurück und sah die Steine fas sungslos an. Sie waren grau und trocken, mit winzigen Rissen übersät und von mehr oder weniger runder Gestalt. Auf den ersten Blick waren es ganz normale Felsbrocken, von Wind und Wasser im Lauf vieler Jahrzehnte aller Kanten und Ecken beraubt. Aber sie lebten.
4. Er rief nach Querllo, und der Lichtmagier bestätigte ihm, daß er genau diese Form von Leben gefunden hatte. »Du solltest es dir trotzdem ansehen«, meinte Querllo dann. »Komm, es lohnt sich. Die Dinger auf dem Vorsprung werden dir sicher nicht weglau fen.« Zögernd schob sich Koratzo an den »Steinen« vorbei. Jetzt, da er wußte, daß es sich um lebende Wesen handelte, mochte er nicht über sie hinwegklettern. Zwischen dem äußersten Steinwesen und dem Abgrund
23 blieb kaum genug Platz, daß er seinen Fuß aufsetzen konnte. Zum Glück war aber das Gestein rauh und trocken, so daß es ihm ge nügend Halt bot. Er warf noch einen Blick auf die seltsamen Kreaturen. Sie rührten sich nicht. Vielleicht hatten sie gar nicht ge merkt, daß sich ihnen ein anderes Lebewe sen genähert hatte. Er fragte sich, was die Fremden hier oben taten. Seiner Meinung nach gehörten so plumpe, unbewegliche Ge schöpfe auf den vergleichsweise ebenen Bo den unten im Tal, nicht aber auf einen Fels vorsprung, der ihnen kaum genug Platz bot, um bequem darauf zu liegen. Er verbannte diese Gedanken aus seinem Gehirn und eilte weiter, fand ein zweites Felsband, das leicht zu erreichen war und aus dem Tal herausführte, und wenig später stand er neben Querllo und Islar und blickte fassungslos auf etwas, das er auf diesem Pla neten am allerwenigsten zu finden erwartet hatte. Unter ihm lag die wohl seltsamste Stadt, die er jemals gesehen hatte. Das Tal weitete sich, bevor es in die Schlucht mündete. Auf der gegenüberliegen den Seite des Kessels hatte sich der Bach sein Bett tief in das Gestein gegraben. Ein Gewirr von durcheinandergeworfenen Fels brocken schloß sich an. Dann stieg der Bo den abrupt, und es bildete sich eine fast ge nau dreieckige Plattform, die bis an die senkrecht aufragenden Talwände reichten. Und auf dieser Fläche standen Häuser. Aber was für Häuser waren das! Wie es sich gerade ergab, waren Steine gegeneinandergelehnt und aufgehäuft, und die Spalten und Ritzen waren mit kleineren Steinen notdürftig verstopft worden. Am un teren Rand dieser Steinhaufen gab es ein bis zwei unregelmäßige Öffnungen, vor denen kleine Sandhaufen lagen. Die Häuser stan den da, wo sich gerade das nötige Baumate rial hatte finden lassen. Früher mochte die ganze Plattform von Trümmerstücken be deckt gewesen sein. Jetzt gab es nur noch den nackten Fels. Aber so jämmerlich diese Stadt auch aus
24 sah, sie barg doch Leben. An die hundert steinähnliche Kreaturen krochen zwischen den Gebäuden umher und gingen ihren Be schäftigungen nach. Für die Magier war nicht ganz klar, was diese Geschöpfe taten, aber es war ganz offensichtlich, daß jedes seine Pläne und sein Ziel hatte. »Wovon mögen die wohl leben«, murmel te Koratzo verwundert. »Sie müssen doch essen!« »Vielleicht fressen sie Steine«, sagte Querllo sarkastisch. »Etwas anderes gibt es ja offensichtlich nicht.« Der Stimmenmagier schüttelte den Kopf und deutete auf eine kleine Schar von Stein wesen, die aufgeregt umeinanderkrochen, allmählich einen Kreis bildeten und eine Art Tanz aufzuführen schienen. »Sie bewegen sich erstaunlich schnell«, stellte er fest. »Ihre Körper brauchen dazu Energie. Ich habe vorhin eines dieser Ge schöpfe berührt. Die Fremden sind orga nisch, Querllo, und ihre Körper sind den unsrigen nicht so unähnlich, wie es von wei tem scheinen mag.« »Vielleicht gibt es dort zwischen den Fel sen etwas Eßbares«, meinte Islar und deutete zum Rand des Baches hinüber. Deutlich war zu sehen, wie einige der Steinwesen zwi schen den riesigen Brocken herumkrochen, als suchten sie nach etwas. »Wir können ja mal nachsehen«, schlug Querllo vor. Koratzo sah nachdenklich nach unten. Mit seinen magischen Sinnen fing er eine Viel zahl von Geräuschen auf. Es waren Laute darunter, die er kannte. Er durchforschte sein Gedächtnis – und plötzlich wußte er, woher diese Wesen kamen: aus dem Maran troner-Revier. »Sie sprechen Garva-Guva«, sagte er. »Es ist kaum zu verstehen, aber bestimmte Grundwörter sind unverändert erhalten ge blieben.« »Willst du mit ihnen sprechen?« fragte Is lar gespannt. Koratzo zuckte die Schultern. »Ich werde es versuchen«, murmelte er.
Marianne Sydow »Es bleibt mir gar nichts anderes übrig, denn wir brauchen die Hilfe dieser Wesen, wenn wir überleben wollen, bis Glyndiszorn uns findet.« »Und wie kommst du da hinunter?« »Rischa kann mich an einem ihrer magi schen Bänder hinablassen. Das ist kein Pro blem.« Er zögerte, und Querllo, der ihn lange ge nug kannte, trat unruhig von einem Bein aufs andere. »Da stimmt doch etwas nicht«, stellte Is lar fest. »Was ist los, Koratzo?« Der Stimmenmagier wandte sich abrupt ab und schritt in Richtung auf den natürli chen Pfad davon. Querllo und Islar folgten ihm. Als sie schon fast die Stelle erreicht hatten, an der sie auf den nächsttieferen Felsvorsprung hinabspringen mußten, sagte Koratzo plötzlich: »Diese Wesen sind nicht mehr normal. Sie haben schon vor langer Zeit den Ver stand verloren. Ich fürchte, wir werden nicht viel von ihnen erfahren können.« Er sprang hinab und eilte weiter, bis er die sechs Steinwesen oberhalb der Höhle er reichte. »Wohin geht ihr?« fragte er sie in GarvaGuva. Er mußte die Frage mehrmals wieder holen und die einzelnen Worte dem ver stümmelten Dialekt der Fremden anpassen, ehe sie ihm antworteten. »Verlorene Träume suchen«, sagte eines mit knirschender Stimme. »Wo werdet ihr diese Träume finden?« hakte Koratzo sofort nach. Er erhielt keine Antwort. Aber plötzlich setzten die Fremden sich in Bewegung. Sie streckten kurze, verkrüppelte Gliedmaßen aus und krochen erstaunlich behende über den Fels. Koratzo spürte die Ablehnung, die ihm entgegenschlug, und er gab es resignie rend auf. Die Fremden wollten nicht mit ihm reden, und er hatte diesen Wunsch zu re spektieren. Aber er forschte nach ihren Ge danken und machte sie für sich hörbar. »Zur Höhle«, wisperten die Gedanken der Fremden. »Suchen, suchen, suchen. Und
Expedition der Magier graben. Verlorene Träume befreien. Viel leicht …« An diesem Punkt brach die Gedankenket te ab. Koratzo empfing für Sekundenbruch teile den Eindruck von etwas unsagbar Fremdem, und dann war gar nichts mehr da. Kein Gedanke, kein modulierter Laut war mehr aufzuspüren. Es war, als hätten die Steinwesen einen selbst für magische Sinne undurchdringlichen Umhang über sich ge worfen.
* Gegen Abend zogen sie sich in die Höhle zurück. Haswahu sorgte für Wärme, und Querllo brachte die Luft unter der Decke zum Leuchten. Sie tranken Wasser aus einer Quelle und aßen von ihren bescheidenen Vorräten. Ein paar Meter vom Höhlenein gang entfernt gab es eine mit weichem Sand gefüllte Felsmulde. Rischa ließ ein beson ders breites magisches Band entstehen und transportierte damit den Sand in die Höhle hinein. Sie schütteten sechs Lager daraus auf, die zwar nicht gerade bequem, aber im mer noch gemütlicher als der klamme Fels waren. Wenig später ließ Querllo eine kleine Quelle warmen Lichtes direkt über dem Bo den entstehen. Haswahu erwärmte den Sand, und bis auf Koratzo und den Lichtmagier war kurz darauf niemand mehr wach. »Morgen besuche ich die Fremden«, sagte Koratzo leise. Querllo nickte nachdenklich. Seine gelben Augen funkelten in dem rötlichen Licht, das er geschaffen hatte. Er hatte eine kleine, weiße Steinkugel im Geröll gefunden und bewegte sie unablässig zwischen seinen rau hen, rissigen Händen. »Ab übermorgen früh müssen wir fasten«, murmelte er. »Ich hoffe, diese Fremden kön nen uns in irgendeiner Weise helfen.« »Wenn wir nur Glyndiszorn ein Zeichen geben könnten«, seufzte Koratzo. »Hast du es schon versucht?« Der Stimmenmagier lachte humorlos auf.
25 »So weit reicht meine Stimme nicht«, ver sicherte er grimmig. »Leg dich schlafen, Querllo, und löse mich später ab.« Als er allein vor dem wärmenden Licht saß, konzentrierte er sich noch einmal auf die Fremden. Jetzt, da er wußte, wo ihre Stadt lag, konnte er sie verschwommen wahrnehmen. Er hörte auch manches von dem, was sie zueinander sagten. Aber ihre Gespräche waren seltsam leer und sinnlos. Einige Worte kehrten immer wieder. »Järglinz.« »Neffe.« »Wächter.« Koratzo schrak aus seiner Konzentration hoch, als draußen vor der Höhle ein Stein polterte. Lautlos erhob er sich und schlich hinaus. Es war sehr kalt. Der fremde Himmel wies nur wenige Sterne auf, aber ein winzi ger, rötlicher Mond spendete ein wenig Hel ligkeit. Aufmerksam sah er sich um, und plötzlich vernahm er ein leises Schaben. Es klang, als krieche ein Schuppentier über rau hes Gestein. Er ging dem Geräusch nach und entdeckte schon nach wenigen Schritten ei nes der Steinwesen, das sich langsam und schwerfällig an einer Felsspalte entlang schob. »Wohin willst du, Fremder?« fragte Ko ratzo langsam in der verstümmelten Sprache der Steinleute. Das Wesen hielt inne. Es schien, als hätte es den Magier erst jetzt bemerkt. Koratzo fürchtete bereits, es könne sich ihm ver schließen, wie die anderen es getan hatten. Aber dann wälzte das Geschöpf sich müh sam herum und sagte auf seine knirschende Weise: »Zur Höhle der verlorenen Träume.« Zum zweitenmal hörte er diesen Begriff. Aber das erschien ihm zweitrangig im Ver gleich zu der Tatsache, daß dieses Wesen ihm mit deutlicher Neugierde begegnete. Es schien intelligenter und lebhafter in seinen Gedanken zu sein als jene Klumpen, die über das Felsband gekrochen waren. »Wer bist du?« fragte die unförmige
26 Kreatur. »Ein Fremdling auf eurer Welt«, antwor tet Koratzo zögernd. »Es ist nicht unsere Welt«, erwiderte das Wesen sofort. »Wir sind nur hier, um eine Aufgabe zu erfüllen. Man wird uns bald ab holen.« »Wer wird euch abholen?« fragte Koratzo gespannt. »Die Scuddamoren.« »Was habt ihr mit ihnen zu tun?« rief Ko ratzo bestürzt. »Sie sind unsere Freunde«, erwiderte das Wesen würdevoll. »Sie sind wie wir!« »Da stimmt etwas nicht, Fremder«, mur melte der Magier verwirrt. »Ich habe schon Scuddamoren gesehen, aber sie sahen anders aus. Sie waren …« Gerade noch rechtzeitig besann er sich darauf, daß die Scuddamoren alles daran setzten, ihr Geheimnis zu wahren. »Sie trugen Schattenschilde«, fuhr er ha stig fort. »Niemand kennt ihre wahre Ge stalt. Wie kannst du wissen, ob du ihnen ähnlich siehst?« »Du irrst dich, Fremder«, sagte das Stein wesen gelassen. »Ich sehe ihnen nicht nur ähnlich – ich bin ein Scuddamore!« Damit wandte er sich um und kroch sei nes Weges. Koratzo lief ihm nach. »Warte!« rief er. »Ich muß mit dir reden!« »Ich habe keine Zeit«, entgegnete der Scuddamore abweisend. Der Stimmenmagier war der Verzweif lung nahe. Dieses Wesen konnte ihm über alles Auskunft geben, aber es weigerte sich, auch nur eine Minute seiner Zeit zu opfern. Normalerweise achtete er die Gefühle und Bedürfnisse aller Lebewesen, aber jetzt war er mit seiner Geduld am Ende. Er ahnte, daß diese Begegnung ein glücklicher Zufall war. Möglicherweise traf er nie wieder auf einen so intelligenten Scuddamoren. Fast von selbst formten sich in seiner Kehle Laute, die er sonst fast nie hervor brachte. Er verabscheute solche Mittel, und noch während es geschah, schämte er sich
Marianne Sydow seiner Tat. Aber da war es schon zu spät. Der Klang der hypnotischen Stimme ließ das Steinwe sen anhalten. Es richtete sich ein wenig auf und stieß einen seltsam klagenden Laut aus, der dem Magier durch Mark und Bein ging. Dann war jeder Widerstand in ihm gebro chen, und es sank in sich zusammen. »Ich wollte es nicht«, sagte Koratzo be dauernd. »Aber du hast mir keine Wahl ge lassen.« Das Wesen war nicht in der Lage, diese Entschuldigung zu würdigen. Koratzo setzte sich neben den Fremden auf einen Stein. »Wie heißt du?« fragte er sanft. »Caddin.« »Hat die Welt, auf der wir uns befinden, einen Namen?« »Wir nennen sie Järglinz.« »Wie seid ihr hierhergekommen?« »Wir waren im Auftrag des Neffen unter wegs, als unser Schiff durch eine Erkran kung der Galionsfigur manövrierunfähig wurde. Wir konnten gerade noch auf Järg linz landen und das Schiff verlassen, ehe es explodierte. Wir waren zweihundertfünfzig Scuddamoren. Schon in den ersten Tagen starben einige von uns an Entkräftung, denn wir fanden keine Nahrung auf dieser wilden Welt. Endlich aber entdeckten wir die Yan thins, das sind kleine Hohlräume unter den Steinen entlang der Bäche. In den Yanthins leben weiße Pflanzen und große Würmer ne beneinander. Man kann beide essen, wenn sie auch nicht gerade gut schmecken. Wir entdeckten eine Höhle, die groß genug war, um allen Überlebenden Unterschlupf zu bie ten. Dort hausten wir, bis das Unglück uns traf.« Der Scuddamore verstummte. Koratzo legte beruhigend die flache Hand auf den Rücken des monströsen Wesens. Es war sehr aufgeregt. Der Stimmenmagier be sänftigte es mit einige Lauten. »Was ist geschehen?« fragte er schließ lich. »Wir verloren unsere Träume«, erklärte der Scuddamore tonlos.
Expedition der Magier »Du mußt mir das näher erklären«, bat der Magier behutsam. »Die Schattenschilde fielen von uns ab. Wir waren keine Scuddamoren mehr. All mählich vergaßen wir dann auch fast, wel che Aufgabe wir zu erfüllen hatten. Nur nachts erwachte der eine oder der andere zu vollem Bewußtsein und begriff, was gesche hen war. Einige von uns taten sich in einer solchen Phase zusammen. Sie sammelten die nutzlosen Schilde ein, brachten sie in die Höhle und vergruben sie dort. In der näch sten Nacht sprengten sie den Fels.« Der Scuddamore zitterte am ganzen Kör per. Koratzo machte sich Sorgen um dieses Geschöpf. Nur mit Mühe konnte er die hilflose Kreatur zu seinen Füßen mit jenen Scuddamoren in Verbindung bringen, die ganz Pthor in Schrecken versetzten. »Und dann?« fragte er drängend, denn er ahnte, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb. »Wir zogen uns in die Nähe der Schlucht zurück. Dort gab es mehr Yanthins, und wir lebten gut in unserer neuen Stadt. Wir bau ten uns einen Ersatztraum auf. Wir redeten uns ein, daß wir die Wächter von Järglinz wären, und daß eines Tages Chirmor Flog kommen und uns reich belohnen werde.« »Du glaubst selbst nicht daran?« »Die Nacht schreitet voran. Schon am Tag spürte ich die Veränderung, die in mir stattfand. Mit der Dunkelheit kehrten die Er innerungen zurück, und sie werden immer deutlicher.« »Du willst zur Höhle?« »Ja.« »Was wirst du dort tun?« »Ich werde versuchen, einen Schatten schild auszugraben und anzulegen.« »Und dann?« »Es wird nicht funktionieren.« »Wenn du das so genau weißt, könntest du dir den weiten Weg sparen.« »Ich muß es tun«, sagte der Scuddamore traurig. »Es ist meine Pflicht. Zu bestimmten Zeiten überkommt es einige von uns, und wir versuchen es. Aber nur wenige von de nen, die in die Höhle gingen, kehrten jemals
27 zurück.« »Weißt du, was mit den anderen gesch ah?« Das Wesen namens Caddin zögerte. Ko ratzo spürte, wie der Scuddamore zu einer Lüge ansetzte. Aber unter dem Einfluß der hypnotischen Stimme war er nicht fähig, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. »Sie starben.« Koratzo sah, was hinter diesen Worten stand, und er erschauerte. Plötzlich begriff er das ganze Ausmaß der Tragödie. Die Scud damoren wurden während ihrer Umformung dahingehend beeinflußt, daß sie die Schat tenschilde als einen Teil ihres Wesens be trachteten. Es war bekannt, daß die Schergen Chirmor Flogs die Schilde niemals ablegten. Der Stimmenmagier hatte bis zu diesem Au genblick angenommen, daß die Scuddamo ren Angst hätten, sich in ihrer wahren Ge stalt zu zeigen, und daß es ihnen außerdem bei Strafe verboten sei, die Schilde auszu schalten. Nun aber mußte er erkennen, daß weit mehr dahintersteckte. Von den Schilden ging etwas aus, was die Scuddamoren im Sinn Chirmor Flogs beeinflußte. Solange der Schattenschild einwandfrei funktionierte, konnte sein Träger an Verrat nicht einmal denken. Im Gegenteil, er empfand sich gera dezu als Teil eines riesigen Organismus, dessen Mittelpunkt und Kernzelle der Neffe selbst war. Ihm nicht zu dienen, hätte für einen Scuddamoren bedeutet, sich selbst zu verstümmeln. Die Aura eines Schatten schilds verlieh ihrem Träger ein gewisser maßen erweitertes Bewußtsein. Das war mit den Träumen gemeint, die die Schiffbrüchi gen von Järglinz verloren hatten. Ihr Leben hatte keinen Sinn mehr, seit die Schatten schilde von ihnen abgefallen waren. Darum hatten sie den Verstand verloren. Und wenn sie zu vollem Bewußtsein erwachten und feststellen mußten, daß sich der alte Zustand nicht mehr erreichen ließ, blieb ihnen nur ein Weg: Sie brachten sich um. Sie krochen aus der Höhle heraus und stürzten sich in den Wildbach, der sie davontrug in die tiefe, dunkle Schlucht.
28 »Was du vorhast, ist sinnlos!« sagte Ko ratzo drängend. »Gib diesen Plan auf. Kehre zurück in die Stadt und mache deinen Ge fährten klar, daß es gefährlich für sie ist, der Vergangenheit nachzuspüren. Caddin, ihr habt hier eine ganze Welt für euch alleine. Ihr habt die Chance, euch ein eigenes Leben aufzubauen. Keinem anderen Scuddamoren ist das vergönnt. Besinnt euch auf euch selbst und vergeßt diesen unseligen Un glücksfall.« »Das können wir nicht«, antwortete das Steinwesen. »Wir sind Scuddamoren, und wir bleiben es bis zum letzten Atemzug. So will es das Gesetz.« »Du irrst dich!« rief Koratzo verzweifelt. »Du bist längst kein Scuddamore mehr. Du kannst den Schattenschild nicht mehr tragen. Du hast dich verändert. Der Planet hat dich umgeformt. Aber du hast eine viel größere Chance, Caddin!« Es war sinnlos. Der Scuddamore verstand nicht, was der Magier ihm erklärte, denn er wollte das alles gar nicht begreifen. Unver mittelt löste er sich aus dem Einfluß des Fremden und kroch davon. Aber etwas war doch in ihm hängenge blieben, wie Koratzo gleich darauf feststell te. Die Gedanken des Scuddamoren lagen of fen vor ihm. Kein Scuddamore? wisperte es fragend in dem fremdartigen, verwirrten Gehirn. Nie mehr Träger des Schildes? Nie mehr den Traum von Macht und Größe, nie mehr eins sein mit den Zielen des Neffen und den Ge fährten? Nie mehr … Der Scuddamore änderte die Richtung, in die er kroch. Koratzo eilte dem Wesen in langen Sprüngen nach, versuchte es aufzu halten, stemmte sich gegen den plumpen Körper – der Scuddamore schob ihn mühe los vor sich her. Er stolperte und stürzte, be kam ein verkümmertes Bein zu fassen und hielt fest, aber Caddin schüttelte ihn ab, als wäre er nicht mehr als ein lästiges Insekt. Koratzo erhob sich und starrte schwerat mend auf den plumpen Körper, der sich ziel-
Marianne Sydow strebig dem Bach entgegenschob. Der Scud damore war seinem Ziel schon ganz nahe. Nur noch wenige Meter trennten ihn von dem strudelnden Wasser, in dem er in Se kundenschnelle versinken würde, um nie wieder aufzutauchen. Laute wollten sich auf seine Lippen drän gen, Laute, mit denen er ein Wesen lähmen und in die Betäubung schicken konnte. Spä ter, so dachte er flüchtig, konnte Haswahu sich des Fremden annehmen, ihm den tiefen Schlaf schenken, der das Vergessen bringt, und dann – war die Veränderung, die im Ge hirn des Scuddamoren stattgefunden hatte, noch rückgängig zu machen? Gab es noch eine Chance, dieses Wesen zu heilen? Ich mache mir etwas vor, dachte er resi gnierend. In der Barriere könnten wir ihm vielleicht noch helfen, aber hier, in dieser Wüste, ohne alle Mittel, die dazu notwendig sind … Nein, es hat keinen Zweck. Ich würde den armen Kerl nur quälen. Es ist besser, wenn er den Weg geht, den er gewählt hat. Regungslos sah er zu, wie der Scuddamo re die letzten Felsbrocken überquerte und sich für einen Augenblick aufbäumte, als wolle er es sich noch einmal überlegen. Der Schein trog. Das Wesen bemühte sich nur, seinem Körper den nötigen Schwung zu ver leihen, damit er sofort in das tiefere Wasser glitt und nicht etwa am Ufer liegen blieb. Selbst in diesem Augenblick gehorchte der Scuddamore noch dem Gesetz des Neffen: Niemand durfte erfahren, wie ein Scudda more in Wahrheit beschaffen war. Er würde keine Spuren hinterlassen, und seine Kno chen waren in der Schlucht für alle Zeiten sicher aufgehoben. Es gab nur ein schwaches Geräusch, als der schwere Körper im Bach verschwand. Die Gedanken des Scuddamoren erloschen schon nach wenigen Sekunden. Niedergeschlagen wandte Koratzo sich ab und kehrte in die Höhle zurück. Er setzte sich an das wärmende Licht und dachte an die seltsame Stadt am Rand der Schlucht. Er wußte nicht, seit wie vielen Jahren die Scuddamoren dort hausten. Aber er dachte
Expedition der Magier mit aufrichtiger Trauer daran, daß die küm merlichen kleinen Steinhäuser schon bald verlassen sein würden. Wenn der letzte von Caddins Artgenossen sich ins Wasser stürz te, war diese Chance für immer vertan. Er verstand es nicht. Da bot sich diesen Wesen, denen man so übel mitgespielt hatte, eine Möglichkeit, sich aus dem Bann des Bösen zu befreien, und sie waren nicht im stande, einen Nutzen daraus zu ziehen. Sie hatten jede Erinnerung an die Vergangen heit, in der sie als relativ freie Individuen auf den Metamorphose-Planeten gebracht worden waren, verloren. Anstatt nach ihrer früheren Identität zu suchen, trauerten sie ausgerechnet den Schattenschilden nach, de nen sie einen großen Teil ihrer Versklavung zu verdanken hatten. Erst viel später kam es dem Stimmenma gier zu Bewußtsein, daß er etwas ungemein Wichtiges erfahren hatte. Er wußte nun, wo sie im Notfall Nahrung finden konnten.
* Sie versuchten es gleich am nächsten Morgen. Jetzt, da Antharia wußte, wo sie mit ihrer Suche zu beginnen hatte, fand sie recht schnell eine der von Caddin erwähnten Höhlungen unter den Felsen am Bach. Ri scha rückte den großen Stein zur Seite, und die Magier blickten neugierig in den Hohl raum hinab, der von seltsamem Leben erfüllt war. Die kleine Höhle war zur Hälfte mit Was ser gefüllt. In diesem Wasser trieben bleiche Gebilde, Fäden und Schnüren ähnlich, mit knotigen Verdickungen und peitschenähnli chen Fühlern übersät. Das waren die Wür mer. Die Pflanzen bildeten grauweiße Klum pen, die überall – unter wie über Wasser – am Felsen hingen. »Ehe ich das esse, verhungere ich lieber«, sagte Haswahu angewidert. »Sei nicht albern!« erwiderte Querllo streng. »Vielleicht schmecken diese Würmer gar
29 nicht so übel«, meinte Rischa. »Wenn man sie richtig zubereitet …« »Das ist mir egal«, fuhr Haswahu ärger lich dazwischen. »Sie sehen widerlich aus.« »Dann mach die Augen beim Essen zu«, empfahl Antharia spöttisch. Sie sah Koratzo an. »Ich denke, daraus läßt sich etwas ma chen. Aber ich werde Zeit brauchen. Vor morgen abend erreiche ich sicher nichts.« »Solange halten wir es schon noch aus«, versicherte der Stimmenmagier lächelnd. Antharia nickte und gab den anderen mit einer knappen Geste zu verstehen, daß sie sich zurückziehen sollten. Für den Rest des Tages saß die Pflanzenmagierin regungslos neben dem Hohlraum und wirkte mit ihren magischen Kräften auf die Gewächse ein, auf daß diese in Aussehen und Geschmack eine appetitlichere Beschaffenheit annehmen sollten. Da Antharia im Zustand tiefster Konzen tration blind und taub für ihre Umgebung war, blieben Haswahu und Islar in der Höh le, um über sie zu wachen. Koratzo, Querllo und Rischa dagegen machten sich auf den Weg zur Stadt der Scuddamoren. »Eigentlich brauchen wir diese Leute jetzt gar nicht mehr«, sagte Rischa nachdenklich, als sie an der Felskante standen und auf die seltsame kleine Stadt hinüberblickten. »Wir wissen, wie wir uns Nahrung beschaffen können – was wollen wir noch erreichen?« »Es sind Scuddamoren, Rischa«, sagte Koratzo sanft. »Auch wenn sie sich stark verändert haben, bilden sie sich doch noch immer ein, daß sie Chirmor Flog dienen müssen. Ich möchte sie von dieser Überzeu gung abbringen.« »Aber warum? Glaubst du, du machst sie damit glücklicher?« »Nein. Es wäre schön, wenn mir das ge länge, aber ich fürchte, es ist nur ein Wunschtraum. Sieh mal, Rischa, wir haben hier zum erstenmal eine Gelegenheit, uns echte Scuddamoren aus der Nähe anzusehen. Gut, sie sind mehr oder weniger verrückt, aber wir könnten trotzdem wertvolle Erfah rungen sammeln. Und wer weiß – vielleicht
30 kommt tatsächlich in naher Zukunft ein Or ganschiff nach Järglinz und holt diese be dauernswerten Kreaturen ab. Wenn es uns gelänge, sie vorher zu heilen und ihnen klarzumachen, was Chirmor Flog ihnen an getan hat – kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?« »Ich kann schon«, murmelte Rischa skep tisch. »Aber ich will nicht.« Sie sah Koratzo aufmerksam an, und ihre Augen funkelten. »Laß die Finger davon«, bat sie. »Diese Wesen sind gefährlich, spürst du das denn nicht?« Koratzo überging ihre Bitte. »Laß mich hinunter!« sagte er ruhig. Sie zuckte die schmalen Schultern, warf ein magisches Band um Koratzo und nickte ihm zu. Der Stimmenmagier trat über den Rand der Felsen hinaus, hing sekundenlang regungslos in der Luft und schwebte dann langsam nach unten. Als er auf dem Plateau stand, entließ Ri scha ihn aus ihrem magischen Zugriff. Er blieb stehen und sah sich aufmerksam um. Bis zur ersten Hütte waren es knapp drei ßig Meter. Ein Scuddamore kroch um das Gebäude herum und bemühte sich, einige Ritzen zu verstopfen. Es war geradezu eine Qual, dieses ungeschickte Wesen zu beob achten, wie es mit seinen verkrümmten Ärmchen immer wieder Steine aufhob und sie dann im letzten Augenblick doch wieder verlor. Der Wunsch, dieser Kreatur zu hel fen, entstand spontan. Koratzo ging mit schnellen Schritten auf den Scuddamoren zu. Das Wesen hatte ihn noch gar nicht bemerkt, so vertieft war es in seine Arbeit. Der Stimmenmagier nahm einen der herabgerollten Steine und fügte ihn mühelos in eine Lücke in der Wand. Da erst hielt der Scuddamore abrupt inne. Er hielt seinen letzten Stein fest umklammert und starrte Koratzo aus kleinen, düsteren, braunroten Augen unverwandt an. »Gib mir den Stein«, bat Koratzo freund lich. »Ich setze ihn dort oben ein.« Der Scuddamore stieß einen dünnen, ho-
Marianne Sydow hen Schrei aus, ließ den Stein fallen und floh mit erstaunlicher Geschwindigkeit in Rich tung auf die nächste Hütte. »Jetzt wird er es hoffentlich einsehen«, sagte Rischa oben auf dem Felsen. »Es ist doch verrückt, mit diesen Kerlen reden zu wollen. Sie sind gar nicht mehr fähig, irgend etwas zu begreifen.« Aber Koratzo dachte nicht daran, so schnell aufzugeben. Er wandte sich dem Zentrum der kleinen Stadt zu. Unterwegs begegneten ihm viele Scudda moren. Sie beachteten die fremdartige Ge stalt überhaupt nicht. Leise vor sich hin plappernd glitten sie zwischen den Hütten hindurch und schienen völlig in Vorgänge vertieft zu sein, die es nur in ihrer Phantasie gab. Koratzo blieb auf einem freien Platz ste hen und sah sich aufmerksam um. Die Häuser waren so niedrig, daß er fast über sie hinwegschauen konnte. Da, wo die Schlucht lag, gähnte ein schwarzer Abgrund, der kein Ende zu nehmen schien. Die gegen überliegende Felswand ragte tiefschwarz und drohend scheinbar bis in den dun kelblauen Himmel auf. Die Stadt selbst lag im matten Sonnenlicht und ähnelte mit ihren eigenartigen Gebäuden eher einer Begräb nisstätte als einem Ort für Lebende. Obwohl genug Scuddamoren zu sehen waren, wirkte die Stadt verlassen und tot. Da kein einziger Scuddamore Anstalten traf, sich mit dem Magier zu beschäftigen, begab sich Koratzo auf die Suche nach ei nem, der vielleicht genau wie Caddin in ei ner intelligenten Phase sein mochte. Dabei konzentrierte er sich auf das Innere der Häu ser. Was er sah, war deprimierend. In den Hütten war es dunkel und schmutzig, es stank, und Abfälle lagen in allen Ecken. Er erfuhr, wozu die Sandhaufen vor den Türen dienten. Da die Bewohner der kleinen Stadt außerstande waren, ihre Eingänge auf die sonst übliche Art zu verschließen, scharrten sie von innen her den Sand vor die Ein schlupföffnung, wenn sie sich zur Ruhe be geben wollten. Einen ansprechbaren Frem
Expedition der Magier den fand er nicht. Schließlich verlor er die Geduld. Er kletterte auf eines der Häuser, nachdem er sich vergewissert hatte, daß das Gebäude nicht unter seinem Gewicht zusam menbrechen würde. Von oben sah die Stadt noch ärmlicher aus, als wenn man sich zwi schen den Häusern befand. Er verlieh seiner Stimme genug Kraft, daß sie bis in den letz ten Winkel der Felsenplatte dringen konnte. »Scuddamoren!« sagte er. »Hört mich an! Ich muß mit euch reden!« Einige der klumpenförmigen Wesen hiel ten inne und wandten sich dem Mann auf dem Haus zu. Koratzo empfing neugierige Impulse. Die meisten Scuddamoren aber krochen unbeeindruckt weiter ihres Weges. »Kommt!« sagte er noch einmal. »Ich möchte euch helfen.« Er wartete, während die lebhafteren unter den Steinwesen unruhig wurden und sich an verschiedenen Stellen sammelten, um sich zu beraten. Angestrengt lauschte er. »Ein Fremder!« wisperten die knirschen den Stimmen. »Woher ist er gekommen? Hat er ein Raumschiff? Wir müssen vorsich tig sein. Ein Spion? Ein Feind des Neffen? Seid vorsichtig, Freunde!« Das Mißtrauen dieser Wesen war nur zu deutlich zu spüren. Der Stimmenmagier sah die Scuddamoren, die sich langsam näher ten, und er blickte besorgt zu den Felsen hinüber, hinter denen er Rischa und Querllo wußte. Von hier unten konnte er die beiden nicht sehen, aber er vertraute darauf, daß sie ihn im Auge behielten und bereit waren, so fort einzugreifen, wenn die Steinwesen sich feindlich zeigen sollten. Die Entfernung war nicht zu groß. Rischa konnte ihn noch im mer mit einem magischen Band erreichen, und für Querllo war es keine Schwierigkeit, seine Lichtwolken über viele Kilometer hin weg zu erzeugen. Die ersten Scuddamoren erreichten die Wand des Hauses. »Komm herunter!« knirschten sie. Koratzo kletterte vorsichtig über die Stei ne. Er überragte die Scuddamoren weit, aber er hatte durchaus Respekt vor diesen plum
31 pen Wesen. In der letzten Nacht hatte er ge spürt, welche Kraft in den gedrungenen Kör pern steckte. Er achtete sorgfältig darauf, daß er von der Felskante aus noch gesehen werden konnte. »Wer bist du?« fragte einer der Scudda moren. »Mein Name ist Koratzo«, erwiderte der Stimmenmagier. »Woher kommst du?« Koratzo zuckte zusammen. Mit dieser Frage hatte er rechnen müssen, dennoch hat te er sich keine passende Antwort zurechtge legt. Es war unwahrscheinlich, daß die Schiffbrüchigen etwas über Pthor wußten, aber ganz und gar ausschließen ließ es sich nicht. Und wenn die Scuddamoren doch noch abgeholt wurden, zu einem Zeitpunkt, da über das Schicksal Pthors noch nicht die letzte Entscheidung gefallen war, wurde es kritisch, falls einer sich an den fremden Na men erinnerte. Aber Koratzo haßte es auch, zu lügen, und darum tat er, als hätte er die Frage nicht gehört. »Ihr seid Scuddamoren?« erkundigte er sich. »Ja«, antwortete der Sprecher der Schiff brüchigen stolz. »Was tut ihr hier?« Er stellte diese Fragen, obwohl er die Ant worten kannte. Er wollte feststellen, wieweit diese Scuddamoren bei Verstand waren. Der Sprecher erzählte ihm im wesentli chen genau die Geschichte, die er bereits von Caddin gehört hatte. Allerdings waren er und seine Gefährten sich in diesem Au genblick nicht der Konsequenzen bewußt, die sich aus ihrem Dilemma ergaben. Sie ga ben sich noch dem gnädigen Selbstbetrug hin, daß sie noch im Dienst Chirmor Flogs standen. »Wir verwalten Järglinz«, sagte der Spre cher. »Wir sorgen dafür, daß die Gesetze des Neffen geachtet werden.« Koratzo unterdrückte eine spöttische Be merkung, denn hier gab es niemanden, für den diese Gesetze irgendeine Bedeutung ha
32 ben konnten. »Wo sind eure Schattenschilde?« fragte er. Unter den Scuddamoren entstand Unruhe. Einer richtete sich gar drohend auf und streckte dem Magier abwehrend die kurzen Arme entgegen. »Das geht dich nichts an!« knirschte der Sprecher schroff. »Wie heißt du?« erkundigte sich Koratzo. »Tarravin. Aber …« »Und du bist ein Scuddamore, Tarravin?« »Das sagte ich doch schon. Was soll die Frage?« »Nun«, meinte Koratzo bedächtig. »Die Scuddamoren sind im Marantroner-Revier wohlbekannt. Man zittert vor ihnen auf allen bewohnten Planeten. Jedenfalls habe ich das gehört. Die Macht der Scuddamoren beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, daß niemand ihre wahre Gestalt kennt. Sie pflegen aus schließlich im Schutz der Schattenschilde aufzutreten. Selbst wenn sie unter sich sind, schalten sie die Schirme nicht aus. Du aber stehst nackt und bloß vor mir. Wie soll ich dir da deine Geschichte glauben?« Zwei der Schiffbrüchigen wandten sich bei diesen Worten in panischer Angst zur Flucht. Die anderen aber murmelten drohend vor sich hin und schoben sich näher an den Magier heran. »Niemanden interessiert es, was du glaubst«, erklärte Tarravin mit all der Arro ganz, zu der ein Scuddamore fähig war. »Du bist ein Fremdling und sicher auch ein Spi on. Du bist gekommen, um Chirmor Flog zu schaden und die Macht der Scuddamoren zu brechen. Du glaubst, weil du uns jetzt ohne die Schilde siehst, könntest du uns verspot ten. Du fühlst dich überlegen, aber du weißt nicht, was es mit dieser Welt auf sich hat.« Koratzo lächelte spöttisch. »Was ist denn mit Järglinz?« erkundigte er sich. »Es ist allen Fremden verboten, diesen Planeten zu betreten«, erklärte Tarravin ge lassen. »Du wirst sterben, Fremder, ehe du das, was du gesehen und gehört hast, an dei-
Marianne Sydow ne Verbündete weitergeben kannst.« Koratzo hätte beinahe laut aufgelacht. Ge rade rechtzeitig erinnerte er sich daran, daß diesen Wesen mit Spott nicht beizukommen war. Sie waren verrückt, als daß sie die Be merkung, die ihm auf der Zunge lag, hätten verstehen können. »Woran werde ich sterben?« erkundigte er sich gelassen. »Wir werden dich töten.« »Mit euren Händen?« fragte Koratzo iro nisch. Der Scuddamore wurde für einen Augen blick unsicher. Koratzo wußte längst, daß es in der Stadt keine Waffen gab. Eigenartigerweise war Tarravin außer stande, mit einer Lüge zu antworten. Statt dessen flüchtete er sich in eine Phrase. »Wir sind Scuddamoren«, rief er. »Wir siegen immer und überall!« »Das ist gut für euch«, bemerkte Koratzo sarkastisch. »Aber wie ist es, wenn ihr ge gen euresgleichen kämpfen müßt?« »Warum sollten wir das tun?« fragte Tar ravin verständnislos. »Alle Scuddamoren gehorchen dem Gesetz des Neffen Chirmor Flog. Es wäre gegen dieses Gesetz, Feind schaft gegen einen anderen Schildträger zu empfinden.« Koratzo zuckte innerlich zusammen. Tar ravin war von dem, was er da sagte, restlos überzeugt. Er war unfähig, die tiefere Be deutung seiner Worte zu durchschauen. Er begriff nicht, was er eben selbst bestätigt hatte: Daß alle Scuddamoren Sklaven waren. Oder nein, dachte Koratzo, es war noch viel schlimmer. Denn Sklaven haben eigene Ge fühle. Man kann sie zwingen, ihrem Herrn zu gehorchen, aber keine Macht der Welt kann sie mit Gewalt dazu bringen, ihn auch zu lieben. Bei den Scuddamoren dagegen war das ein Kinderspiel. Es war ihnen ver boten, andere Scuddamoren zu hassen, also taten sie es auch nicht. Der Stimmenmagier schüttelte diese Ge danken ärgerlich ab. »Ihr wartet doch darauf, daß man euch ab holt, nicht wahr?« fragte er.
Expedition der Magier »Ja«, antwortete Tarravin knapp. »Ihr solltet euch besser verstecken, falls wirklich jemals ein Organschiff über eurem Tal auftaucht«, sagte Koratzo nüchtern. »Denn wenn man euch findet, wird Chirmor Flog euch töten lassen. Keiner von euch wird übrigbleiben. Man wird auch diese Stadt zerstören und jede Spur tilgen, die ihr auf Järglinz hinterlassen habt.« »Was weißt du schon von Chirmor Flog!« erwiderte Tarravin verächtlich. »Er ist ein weiser und gerechter Herrscher. Er vernich tet die, die untreu sind und ihm schlecht die nen. Wir aber haben uns nichts zuschulden kommen lassen. Es ist nicht leicht, auf Järg linz auszuharren. Trotzdem haben wir keines der Gesetze vergessen. Chirmor Flog wird uns nicht töten, Fremder. Im Gegenteil: Er wird uns reich für unsere Treue belohnen.« »Du armer Narr«, sagte Koratzo mitlei dig. »Hast du vergessen, was du bist? Ein Scuddamore, Tarravin, aber einer, dessen Gestalt man sehen kann. Du bist nicht mehr fähig, den Schattenschild zu tragen. Du bist eine Gefahr für den Neffen.« »Das bin ich nicht!« kreischte Tarravin außer sich vor Wut. Koratzo schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum wollt ihr euch nicht helfen las sen?« fragte er ratlos. »Wir werden dich töten!« verkündete Tar ravin haßerfüllt, und die anderen wiederhol ten seine Worte, riefen sie weit über die Stadt, während sie auf Koratzo eindrangen. Sie erreichten den Magier nicht mehr. Ko ratzo hatte, weil er die Gefahr spürte, Rischa an diesem letzten Teil der fruchtlosen Unter haltung teilnehmen lassen, und die Felder magierin riß ihn gerade im richtigen Augen blick vom Boden weg. Sie zog ihn zurück auf die Felsen, und er landete wohlbehalten neben ihr. »Du hättest die Finger davon lassen sol len«, sagte sie gedehnt. »Ich hatte dich ge warnt.« Koratzo winkte ärgerlich ab. »Ich mußte es wenigstens versuchen«,
33 murmelte er. »Und wer weiß – vielleicht überlegen sie es sich noch. Sie kennen die Wahrheit ja im Grunde genommen ganz ge nau, sie verschließen nur die Augen davor. Es war ein Schock für sie, es von einem Fremden zu hören, das ist alles. Mit der Zeit werden sie zur Besinnung kommen.« »Hoffen wir es«, meinte Rischa, aber es klang nicht sehr überzeugend. Sie mochte diese Wesen nicht, und sie sah nicht ein, wa rum sie ihre Gefühle verbergen sollte. Querllo sagte gar nichts. Er war überhaupt recht schweigsam geworden in der letzten Zeit. Bedrückt kehrten sie zu den anderen zu rück.
5. Der Planet Järglinz bot seinen unfreiwilli gen Besuchern wenig Abwechslung. Die Ta ge und Nächte waren immer gleich, und die Landschaft veränderte sich nicht im gering sten. Die Temperaturen lagen um den Ge frierpunkt, aber selbst wenn die Sonne am höchsten stand, schmolz der Schnee um kei nen Deut schneller. Am dritten Tag zogen Wolken auf, und es schneite etwa zwei Stun den lang. Aber auf unerklärliche Weise schrumpfte die Schneedecke schon in der nächsten Nacht wieder so weit zusammen, daß sich den Magiern am darauffolgenden Morgen wieder das bereits gewohnte Bild bot, als sie aus der Höhle traten. Sie hatten zu wenig zu tun. Andere Schiffbrüchige hätten versuchen müssen, in wärmere Gebiete zu gelangen oder brennba res Material zu finden, damit sie ein wärme ndes Feuer anzünden konnten. Die Magier brauchten all das nicht, denn sie hatten Querllo und Haswahu, die mehr Wärme zu liefern vermochten, als die kleine Gruppe brauchte. Sie hatten es auch nicht nötig, in mühevoller Kleinarbeit Steinbrocken zu pri mitiven Werkzeugen zurechtzuschlagen. Als es soweit war, daß sie Messer brauchten, um das Fleisch der Würmer zu zerteilen, da suchten sie nach einem passenden Stein.
34 Sein Aussehen war gleichgültig. Wichtig war nur, daß er aus kristallinem Material be stand. Querllo, der einst aus den Dunklen Tälern zu den Rebellen der Tronx-Kette ge kommen war und einige Tricks des inzwi schen getöteten Kristallmagiers Karsjanor kannte, legte seine rissigen Hände um den Brocken und ließ ihn in viele schmale Klin gen zerfallen. Übrigens erwiesen sich die Würmer als durchaus genießbar, nachdem Antharia sich ihrer angenommen hatte. Sie würden sich in den nächsten Jahren sprung haft weiterentwickeln, und auch die Pflan zen zeigten schon jetzt positive Veränderun gen. Um sich abzulenken, untersuchten sie ihre Umgebung, bis sie fast jeden einzelnen Stein in der Nähe der Höhle kannten. Einmal am Tag gingen zwei von ihnen zu der Stelle, an der sie aus Glyndiszorns Tunnel gekom men waren. Es war an und für sich sinnlos, und sie hätten sich den Weg sparen können. Wenn Glyndiszorn sie fand, dann würde er ihnen ein Signal geben und den Tunnel an den Ort dirigieren, an dem die Magier sich zum betreffenden Zeitpunkt aufhielten. Am vierten Tag kam Islar zu Koratzo und bat ihn, sie zu der anderen Höhle zu begleiten. »Was willst du dort?« fragte er verwun dert. »Querllo und Haswahu waren gestern erst dort.« »Ich möchte versuchen, an die Schatten schilde heranzukommen«, sagte Islar verle gen. »Vielleicht finde ich heraus, warum sie den Scuddamoren nicht mehr passen.« Koratzo sah sie überrascht an. »Das ist eine großartige Idee!« sagte er. »Aber dann sollten wir Rischa mitnehmen, damit sie die Steine zur Seite räumt.« »Das ist nicht nötig«, erklärte Islar schnell. »Ich war gestern ebenfalls in der Höhle, und ich habe einen Weg gefunden. Die Scuddamoren müssen ihn gegraben ha ben.« Koratzo sah die junge Magierin nach denklich an. Er zweifelte nicht daran, daß es ihr ernst war mit dem Versuch, die Schatten schilde zu reparieren. Aber in erster Linie
Marianne Sydow wollte sie auf unauffällige Weise Gelegen heit bekommen, mit Koratzo zu reden. »Na gut«, murmelte er. »Gehen wir.« Eine Zeitlang schritten sie schweigend ne beneinander über die Steine. »Werden wir für immer auf Järglinz blei ben müssen?« fragte Islar plötzlich. Koratzo zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Glyndiszorns Tunnel kann sich schon in der nächsten Minute vor uns öffnen. Ebensogut ist es möglich, daß er Jahre braucht, um uns zu finden. Und falls Pthor sich vorher wieder in Bewegung set zen sollte, wird er uns vermutlich niemals aufspüren.« »Ich habe Angst«, gestand Islar zögernd. »Ich bin erst vor kurzem zu euch gekom men, und ich weiß nicht, welche Wirkung die Berge auf mich bereits ausüben konnten. Wie lange werde ich hier leben können, Ko ratzo?« »Du hast etwas ganz und gar falsch ver standen, Islar«, sagte er gedehnt. »Wir sind in gewisser Weise unsterblich. Aber um es auch zu bleiben, brauchen wir die Energie, die in der Großen Barriere gespeichert ist. Wir haben Glück im Unglück, denn unsere Umgebung verhält sich neutral zu unseren Kräften. Wir werden also unsere magischen Fähigkeiten behalten. Aber wir sind zu we nige, als daß wir aus eigener Kraft einen neuen Speicher schaffen und auffüllen könn ten. Seit wir auf diesem Planten angekom men sind, sind wir alle sterblich. Wir wer den es allerdings erst in ein oder zwei Jahren deutlich spüren.« Islar war stehengeblieben. Sie sah Korat zo betroffen an. »Das wußte ich nicht«, stieß sie hervor. »Hast du das den anderen schon gesagt?« »Es war nicht nötig«, versicherte Koratzo gelassen. »Sie sind mit diesen Dingen ver traut und haben es längst begriffen.« »Aber …« Sie konnte nicht weitersprechen. Sie sah Koratzo nur noch ungläubig an. Er lachte leise auf. »Was hast du erwartet? Daß wir schreiend
Expedition der Magier davonlaufen und uns die Köpfe blutig sto ßen?« Er sah das Entsetzen in ihren Blicken und wurde wieder ernst. »Tut mir leid, Islar«, murmelte er. »Es war nicht so gemeint. Weißt du, wahrschein lich ist es so, daß wir alle noch gar nicht dar an glauben wollen. Wir hoffen, daß Glyndis zorn uns rechtzeitig findet. Auf den Knoten magier ist Verlaß. Er wird alles daransetzen, uns hier aufzuspüren. Warum also in Panik geraten, nachdem doch erst der vierte Tag angebrochen ist?« »Ich verstehe es trotzdem nicht«, sagte Is lar. »Das kommt schon noch«, versicherte er. »Laß uns zu dieser Höhle gehen und nach den Schilden suchen.« Sie folgte ihm, aber er spürte, daß sie ver wirrt und unsicher war, und sie tat ihm leid. Sie war erst achtzehn Jahre alt und kannte das Leben kaum. Wie alle Sterblichen, die in einem besonderen Revier in der Großen Bar riere lebten, hatte sie ihr Leben lang davon geträumt, eines Tages die Unsterblichkeit zu erlangen und Wunderdinge vollbringen zu können. Nun hatte sie ihr Ziel erreicht – und beinahe sofort alles wieder verloren. Ich hätte sie nicht mitnehmen dürfen, dachte er bitter. Er hörte sie rufen und drehte sich um. Islar stand auf einem Stein, unmittelbar über den tobenden Wassern, und blickte un ruhig in die Richtung, in der die von den Magiern besetzte Höhle lag. »Etwas ist nicht in Ordnung!« rief sie Ko ratzo zu. »Spürst du es denn nicht?« Er lief zu ihr und konzentrierte sich auf die Gefährten. Zuerst fand er nichts, was Anlaß zur Sorge gegeben hätte. Aber auch er hatte das Gefühl, daß etwas sich der Höhle näherte, und daß Gefahr im Verzug war. Er forschte nach und stieß auf ein magisches Nichts. Verblüfft hielt er inne. Was er da gefun den hatte, durfte es eigentlich gar nicht ge ben. Er konnte natürlich die Felsen, die die
35 Höhle umgaben, nicht hören, sie aber trotz dem auch aus dieser Entfernung deutlich ausmachen, denn sie waren ihm vertraut, und sie warfen alle Geräusche in einer ganz bestimmten Art und Weise zurück. Inmitten dieses von Geräuschen gebildeten Bildes gab es eine Lücke, einen schwarzen Fleck, als sei dort eine weitere Höhle entstanden, oder als hätten die Felsen sich so stark ver ändert, daß das von ihnen erzeugte Echo ihm nichts mehr sagte. Da beides nicht der Fall sein konnte, blieb nur eine Möglichkeit üb rig: Jemand, der alle magischen Kräfte von sich abzuwehren verstand, näherte sich der Höhle. »Es müssen Scuddamoren sein«, überleg te Koratzo. Islar sah nur, daß er die Lippen bewegte, denn da er zu sich selbst gesprochen hatte, wurden seine Worte vom Brausen des Ba ches verschluckt. »Scuddamoren«, sagte er noch einmal, aber diesmal so, daß Islar ihn verstand. »Ich habe schon vorher bemerkt, daß sie sich für uns praktisch unsichtbar machen können. Sie sind magisch kaum zu erfassen. Es sieht so aus, als wollten sie zu uns.« »Sie kommen nicht in friedlicher Ab sicht«, erklärte Islar bestimmt. »Koratzo, du mußt die anderen warnen. Ich habe nur durch Zufall etwas bemerkt, und unsere Freunde sind völlig arglos.« Koratzo zögerte. »Es ist nicht gesagt, daß sie uns angreifen wollen«, murmelte er. »Vielleicht wollen sie nur mit uns reden.« Wieder konzentrierte er sich, aber er konnte diesen leeren Fleck nicht durchdrin gen. Was sollte er tun? »Wenn ich sie warne«, sagte er, »werden sie den Scuddamoren von vornherein mit Mißtrauen begegnen, und das könnte jedes Gespräch verhindern. Andererseits …« Er zuckte zusammen, als für einen Au genblick ein knirschender Ruf aus der schwarzen Mauer hervorbrach. »Wir töten sie!« riefen fast zweihundert
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fremde Wesen zugleich. »Tod den Frem den!« Islar hatte nichts gehört. Sie registrierte verwundert, daß Koratzo sich straffte und zornig in Richtung auf die ferne Höhle deu tete. Er schickte seine Stimme aus und ließ sie über den Gefährten erschallen. »Ihr werdet von Scuddamoren angegrif fen!« verkündete er. »Sie meinen es ernst. Zieht euch in die Höhle zurück. Macht schnell!« Er wandte sich zu Islar um. »Wir müssen uns beeilen. Zeige mir, wo die Scuddamoren-Schilde liegen.« »Was willst du jetzt noch damit?« fragte sie verwundert. »Das wird sich finden«, versicherte Ko ratzo grimmig und lief voraus.
* Koratzos Warnung kam zur rechten Zeit. Die Magier hatten tatsächlich noch nicht be merkt, was da auf sie zukam. Nach Koratzos mißglücktem Kontaktversuch hatten sie es sich angewöhnt, die Scuddamoren zu igno rieren. Das fiel ihnen um so leichter, als die Fremden nichts von sich hören und sehen ließen. Kein einziger Scuddamore trieb sich in der Nähe der Höhle herum, ja, fast schien es, als hätten sie beschlossen, von nun an ih re Stadt nicht mehr zu verlassen. Auch in dem Augenblick, als Koratzos Stimme über ihnen erklang, konnten sie den Gegner nir gends entdecken. Das Tal sah aus wie im mer. Aber sie wußten zu genau, daß der Stimmenmagier keine üblen Scherze mit ih nen trieb. Darum nahmen sie seine Warnung ernst. Antharia ließ ihre Würmer und Klum penpflanzen im Stich, Rischa ließ das Wür merfleisch, das sie über einer von Haswahu geschaffenen Hitzequelle briet, achtlos fal len, und Querllo nahm sich gerade so viel Zeit, daß er die Steinkugel aufheben konnte, die ihm aus den Fingern gefallen war. »Wo ist Haswahu?« fragte Antharia, als sie in der Höhle standen.
Querllo hob nervös die Schultern. »Unterwegs zur Stätte unserer Ankunft«, erklärte er. »Wir waren heute an der Reihe, aber er bestand darauf, allein zu gehen. Ich sage Koratzo Bescheid.« Er rief nach dem Stimmenmagier und er klärte ihm die Situation. »Ich sage Haswahu Bescheid«, teilte Ko ratzo ihm mit. »So«, murmelte Querllo. »Und nun zu den Scuddamoren. Ich ahnte von Anfang an, daß wir mit diesen Burschen nichts als Är ger bekommen würden. Was haben wir ih nen entgegenzusetzen?« »Nicht viel«, sagte Antharia beunruhigt. »Für mich ist die Schlacht schon jetzt gelau fen. Hier gibt es keine Pflanzen, die ich für uns einsetzen könnte.« »Dafür habe ich eine Idee«, mischte Ri scha sich ein. »Schnell, helft mir, sammelt Steine, keine zu großen, aber so viele wie möglich.« »Was hast du vor?« wollte Antharia wis sen. »Keine Zeit!« rief Rischa und lief zum Eingang der Höhle. Sie suchten einen Haufen Steine zusam men, die sich überall im Hintergrund der Höhle in reichen Mengen fanden. Den vor deren Teil hatten die Magier gesäubert und den Boden geglättet, aber weiter hinten war noch alles unverändert. Die Steine trugen sie zu Rischa und türmten sie neben der rechten Wand auf. Die kleine, blauhäutige Magierin arbeitete inzwischen fieberhaft, und nach ei niger Zeit war auch für die beiden anderen erkennbar, was da entstand. »Das ist eine tolle Idee!« rief Querllo aus. »Wie bist du nur darauf gekommen?« Rischa antwortete nicht. Sie vollendete ihr Werk und schlüpfte dann unter dem straff gespannten magischen Band hindurch. Sie sah sich aufmerksam um. Jetzt endlich er kannte sie die ersten Scuddamoren. Sie kro chen erstaunlich schnell über schmale Fels bänder der Höhle entgegen. Rischa runzelte besorgt die Stirn. Die, die sich auf diese Weise näherten, ließen sich mit der neuen
Expedition der Magier Waffe leider nicht abwehren. Aber auch auf dem Boden des Tales be wegte sich etwas, und als sie genauer hin sah, hielt sie erschrocken die Luft an. »Sie kommen!« rief sie und rannte in die Höhle zurück. »Los, Antharia, hilf mir das Band spannen.« Das magische Gebilde spannte sich zwi schen den Felsen am Eingang und bildete ei ne gewaltige Sehne. Es war nicht leicht, da mit umzugehen, noch schwerer, den Stein ins Ziel zu befördern. Das erste Geschoß fiel in den Bach. Hastig veränderte Rischa die Stellung des Bandes. »Ich muß es alleine schaffen«, sagte An tharia ungeduldig. »Du wirst sonst zu sehr abgelenkt und kannst deine Fähigkeiten nicht richtig einsetzen. Laß es mich versu chen.« Rischa trat zurück, und Antharia zerrte mit aller Kraft an dem elastischen Band. »Warte!« sagte Querllo plötzlich. »Rischa, lockere das Band noch weiter.« »Dann fliegen die Steine nicht weit ge nug«, gab die Feldermagierin zu bedenken. »Was glaubst du, wie lange Antharia das durchhält? Außerdem lassen sich die Scud damoren mit ein paar heranfliegenden Stei nen sicher nicht stoppen. Diese Waffe kön nen wir erst richtig einsetzen, wenn sie nahe genug heran sind.« Rischa gab nach. Inzwischen waren die Scuddamoren so nahe, daß man sie sehen konnte, ohne die Höhle zu verlassen. »Sie haben keine Waffen«, stellte Querllo fest. »Sie verlassen sich auf ihre zahlenmä ßige Überlegenheit.« »Das glaube ich nicht«, murmelte Rischa. »Die Kerle haben etwas gegen uns in der Hand, sonst würden sie sich an ein solches Unternehmen nicht heranwagen. Wir hätten fliehen sollen.« »Dazu war es zu spät«, bemerkte Antha ria. »Sie hätten uns auf dem Weg nach oben erwischt, und dort hätten wir erst recht keine Chance gehabt. Fangt endlich an. Treibt sie zurück!«
37 Sie fühlte sich unsicher und fehl am Platz. Unter den auf diesem Planeten herrschenden Umständen konnte Antharia kaum in den Kampf eingreifen. Hätte es vor der Höhle Pflanzen gegeben, so hätte sie diese jetzt veranlaßt, in Minutenschnelle zu hohen Mauern und Wällen aufzuwachsen. Sie sah, daß Querllo eine Lichtwolke aus sandte. Sie wußte nicht, welche Eigenschaf ten er dem Gebilde verliehen hatte, aber ihr wurde sehr schnell klar, daß Querllo sich die Mühe umsonst gemacht hatte. Die Wolke kam nicht an die Scuddamoren heran. Sie stieß auf ein unsichtbares Hindernis und blieb hängen. Inzwischen hatte Rischa ihre magischen Bänder ausgeworfen. »Es funktioniert nicht!« rief die Felder magierin entsetzt. »Die Bänder gleiten ab. Ich bekomme keinen einzigen Scuddamoren zu fassen!« Querllo probierte es noch einmal. Diesmal schickte er winzige Funken aus, die mit un geheurer Geschwindigkeit davonschossen. Antharia sah ganz deutlich, wie ein Teil der Funken an der unsichtbaren Wand zerplatz te. Immerhin kam ein gutes Dutzend durch. Sie stürzten sich auf die Scuddamoren und setzten sich auf ihrer Haut fest, dehnten sich dann blitzschnell aus und hüllten ihre Opfer in flackerndes, blaues Licht. Die getroffenen Scuddamoren blieben regungslos liegen. »Mach weiter!« schrie Antharia begei stert. »Konzentriere dich auf die lockeren Fel sen da oben!« riet Querllo der Feldermagier. »Hol sie herunter. Diese Scuddamoren ha ben etwas, was unsere Kräfte abwehrt, aber einem Steinschlag sind sie nicht gewach sen.« Während er sprach, schickte er weitere Funken aus. Es gelang ihm, ungefähr zwei Dutzend Scuddamoren kampfunfähig zu ma chen. Die anderen aber krochen unbeirrbar weiter auf die Höhle zu. Rischa holte Felsbrocken von den Steil wänden herab. Auch sie erzielte anfangs gu te Erfolge. Dann aber rückten die Scudda
38 moren nahe dem Bach zusammen, und die Steine flogen nicht mehr weit genug, um die unförmigen Wesen ernsthaft zu gefährden. Die Gegner waren der Höhle schon fast so nahe, daß Antharia die ersten Steine ver schießen konnte, da schüttelte Rischa plötz lich resignierend den Kopf. »Wir schaffen es nicht«, sagte sie. »Sie werden in weniger als zwei Minuten hier sein, und dann sind immer noch zu viele üb rig.« »Wenn gar nichts mehr geht, haben wir immer noch unsere Fäuste«, antwortete Querllo grimmig. Der nächste Schwarm von Funken ging auf die Reise. Diesmal waren es nur noch drei Scuddamoren, die anschlie ßend regungslos liegenblieben. Auch für die Funken war die Wand kaum noch zu durch dringen. »Sie haben es gar nicht nötig, direkt mit uns zu kämpfen«, gab Rischa tonlos zurück. »Sie schieben diese Wand vor sich her. Sie werden uns damit vernichten. Begreift ihr denn nicht? Wir sind erledigt!« »Hör auf damit!« sagte Querllo scharf. »Tatsachen …«, begann Rischa, aber der Lichtmagier schnitt ihr grob das Wort ab. »Ich lasse in diesem Augenblick nur zwei Tatsachen gelten. Erstens: Wir leben noch. Zweitens: Koratzo, Haswahu und Islar sind noch draußen und werden uns zu Hilfe kom men. So, und jetzt störe mich nicht länger, ich habe zu tun!« Aber auch Querllo war tief beunruhigt. Er schlug mit allem zu, was ihm zur Verfügung stand, sandte Funken und Lichtlanzen aus und blendete die Scuddamoren mit einer Flut von grellen Blitzen. Antharia schoß in wildem Zorn auf diese unförmigen, verrückten Wesen ihre Steine ab und wünschte sich, daß dort draußen ein Gewirr von Pflanzen auftauchen möge. Auch Rischa kämpfte weiter, denn sie war eine Magierin und gab sich selbst nicht auf. Aber ihrem Gesicht war deutlich anzumer ken, daß sie an einen Sieg schon längst nicht mehr glaubte. Um so überraschter war sie, als sie einen ersten Erfolg feststellte. Der
Marianne Sydow Vormarsch der Scuddamoren geriet ins Stocken. Ihre Reihen zerbrachen. Querllos Lichtlanzen töteten mehrere Gegner, und viele andere wurden von den Blitzen geblen det, liefen in die Irre und stürzten in den Bach, wo sie in Sekundenschnelle versan ken. Die Überlebenden hielten inne. »Los, Querllo!« zischte Antharia. »Gib's ihnen!« Der Lichtmagier tat sein Bestes, aber auch Rischa sah nun wieder eine Chance. Sie kannte von ihren Streifzügen her einen großen Felsbrocken, der oben am Rand der Steilwand lag. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, als sie ein magisches Band um diesen Block warf und zog. Zum Glück öff nete sich die Höhle nicht direkt zur gegen überliegenden Wand hin, sondern man konnte in das Tal hineinschauen, so daß Ri scha den Felsen gerade noch sehen konnte. Zuerst dachte sie, sie würde das Ding nie mals von seinem Fleck wegbringen, aber dann gab der Brocken nach. Hastig ließ sie los und lauschte, und der Boden der Höhle erzitterte. Donnernd kam der Felsen herun ter, begrub acht Scuddamoren unter sich und rollte bis in den Bach hinein. »Das ist es!« schrie Querllo begeistert. »Sie gehen nicht ins Wasser, das wissen wir. Rischa, hilf mir, diesen Block zu zerlegen!« Sie arbeiteten Hand in Hand. Rischa ließ ein Band über den Felsen gleiten und spürte auf diese Weise Spalten und Ritzen auf, in die Querllo seine heißen Lichtlanzen jagte. Die Scuddamoren waren zu verwirrt, um die Magier an ihrem Vorhaben hindern zu kön nen. Schon nach kaum zwei Minuten zer sprang der gewaltige Brocken in mehrere Teile, die das Bachbett ausfüllten und noch weit darüber hinausragten. Ein Damm ent stand, an dem sich das Wasser staute. Da das Tal an dieser Stelle ziemlich eng war, würde es sehr schnell gehen. Die Magier selbst wa ren vor der steigenden Flut sicher, denn das Wasser würde auf keinen Fall in die Höhle eindringen können. »Und was nun?« fragte Rischa. »Jetzt warten wir«, murmelte Querllo.
Expedition der Magier »Hoffentlich lassen die drei sich nicht zu viel Zeit.«
* Koratzo und Islar erreichten die Höhle binnen weniger Minuten. Als sie hineinge hen wollten, fiel Koratzo etwas ein, und er rief noch einmal nach Haswahu, den er schon vorher vor den Scuddamoren gewarnt hatte. »Komm uns entgegen!« bat er den Luft magier. »Wir sind in der Höhle der Scudda moren.« »Ich komme«, versicherte Haswahu, und er wirkte gar nicht mehr ängstlich, obwohl ihm doch jetzt wirklich Gefahr drohte. »Wo sind die Schilde?« fragte der Stim menmagier Islar, und sie führte ihn an der Höhle vorbei zu einem schmalen Felsspalt, den Koratzo bei seinen vorangegangenen Besuchen gar nicht beachtet hatte. Sie krochen durch einen feuchten Gang. Er war groß genug, um einen Scuddamoren passieren zu lassen, aber da diese Wesen sich auf dem Bauch kriechend fortzubewe gen pflegten, hatten sie sich die Mühe ge macht, die Spalte auch nach oben hin zu er weitern. Endlich war der Gang zu Ende, und sie standen in einem absolut finsteren Hohl raum. Koratzo spürte fremdes Metall in sei ner Nähe. »Licht!« sagte er leise, und er legte die entsprechende Kraft in dieses Wort. Das Glück war den Magiern hold. Die Felsen enthielten genug winzige Kristalle, die so fort aufleuchteten und ein sanftes, rötliches Licht abgaben. »Da sind sie«, sagte Islar aufgeregt und deutete auf einige im schwachen Licht nur undeutlich erkennbare Gegenstände, die auf dem Boden lagen. »Ich konnte sie bis jetzt nur abtasten.« Sie bückte sich und hob eines der Dinger auf. »Das sind also Scuddamoren-Schilde«, sagte Koratzo verblüfft. »Sie sind sehr klein.
39 Erstaunlich, daß sie einen so großen Schirm erzeugen können. Arbeiten die Dinger auf antimagischer Basis?« »Ja«, murmelte Islar. Koratzo betrachtete die junge Magierin kopfschüttelnd. Sie war von diesen fremden Geräten so fasziniert, daß sie alles um sich herum vergaß. »Wir bringen ein paar Schilde nach drau ßen«, entschied er. »Hier ist es zu dunkel. Wir müssen sie genau untersuchen. Viel leicht finden wir heraus, wie sie sich ein schalten lassen.« Islar war nicht bei der Sache. Sie raffte so viele Schilde wie möglich an sich und kroch in den engen Gang hinein. Koratzo folgte ihr, und als er den Ausgang erreichte, saß Is lar bereits auf dem eisigen Boden und unter suchte den ersten Schild. Obwohl Koratzo sich große Sorgen um seine Freunde machte, nahm er sich zunächst Zeit, die Schilde ge nau zu betrachten. Er empfand Bewunde rung für diese winzigen antimagischen Din ger, die eine so phantastische Wirkung er zielten. Das, was den eigentlichen Schild erzeug te, saß in einem ovalen Gerät, das aus hell blauem Metall bestand. Das Gerät bildete zugleich die Bauchschnalle eines breiten Gürtels aus rotem Kunststoff. »Bist du sicher, daß das die wirklichen Schilde sind?« fragte Koratzo mißtrauisch, denn diese Dinger sahen ihm allzu harmlos aus. »Völlig sicher«, murmelte Islar geistesab wesend. »Merkwürdig, ich habe nicht den Eindruck, daß diese Geräte defekt sind. De nen fehlt gar nichts. Warum funktionieren sie nicht mehr?« »Ich schätze, die Lösung ist ganz ein fach«, sagte Koratzo lächelnd. »Denk mal an unsere verrückten Freunde. Sie haben sich zweifellos nicht nur geistig verändert. Auch ihre Körper sind nicht mehr so beschaffen, wie es sich für einen anständigen Scudda moren gehört. Sie kriechen auf dem Bauch, Islar, und ihre Arme und Beine sind so ver kümmert, daß sie sie kaum noch gebrauchen
40 können.« »Es kann nicht nur daran liegen«, sagte Islar unwillig. »Damit müßten diese Geräte fertig werden. Sie sind faszinierend, Korat zo, so zierlich und fein gebaut …« »Ich begreife deine Begeisterung, Islar«, sagte er lächelnd, »aber wir sollten uns jetzt nicht zu lange mit diesen Dingern aufhalten. Unsere Freunde haben es mit den Scudda moren zu tun, vergiß das nicht.« »Entschuldige«, bat die Magierin zer knirscht. »Ich hatte es tatsächlich verges sen.« »Schon gut. Kannst du mir sagen, wie man mit diesen Gürteln umgeht?« »Aber ja«, behauptete sie selbstsicher. »Es ist ganz einfach. Man legt den Gürtel um und drückt auf die Schnalle. Es ist ein Schalter darin, der auf die Stärke des einfal lenden Lichtes reagiert.« Koratzo nahm schweigend einen Gürtel, betrachtete ihn noch einmal mißtrauisch und versuchte es dann. Er wußte natürlich, wie Scuddamoren aussahen. Opkul hatte sie oft genug be schrieben. Wer sie anblickte, wenn sie im Schutz ihrer Schilde daherkamen, der sah nichts als eine Art aufrecht gehendes Oval aus düsterem Licht – so jedenfalls hatte Op kul sich ausgedrückt. Hinter dieser seltsa men Aura steckten die eigentlichen Scudda moren, und sie waren unsicher durch den düsteren Lichtschleier. Er spürte, daß etwas um ihn herum war. Es war unangenehm. Die Aura war antima gischer Natur, und sie fühlte sich fremd und erdrückend an. Aber sie behinderte ihn nicht wirklich. Er merkte es daran, daß er mühelos Kontakt zu den anderen bekam, die in der Höhle auf Hilfe warteten. »Wie sieht es bei euch aus?« fragte er. »Die Scuddamoren belagern uns«, erklär te Querllo. »Fast hätten sie uns erwischt. Wir haben den Bach aufgestaut. Seitdem ge ben sie Ruhe, denn sie wagen sich nicht ins Wasser. Aber sie werden uns hier aushun gern. Wir kommen an die Yanthins nicht mehr heran.«
Marianne Sydow »Wir kommen zu euch«, sagte Koratzo. »Dann beraten wir, wie es weitergehen soll.« »Seid vorsichtig«, warnte Querllo. »Sie haben uns umzingelt. Ich glaube nicht, daß ihr durch diesen Ring kommt, es sei denn, die Scuddamoren gestatten es.« »Du meinst, man kann noch mit ihnen re den?« »Nein. Das wohl kaum. Aber für sie ist es nur von Vorteil, wenn wir alle hier in der Höhle festsitzen.« Koratzo spürte deutlich, daß Querllo we nig Hoffnung hatte, was eine friedliche Bei legung des Konflikts anging, aber er ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Es gab si cher keinen friedliebenderen Magier als Ko ratzo, aber in einem überaus langen Leben hatte es viele Kämpfe gegeben, auch solche, die aussichtslos schienen. »Wir kommen trotzdem«, erklärte er ge lassen. »Erschreckt nicht, wenn ihr uns seht. Wir stecken in ScuddamorenSchilden.« »Was soll das bedeuten?« rief Querllo verblüfft. »Warte es ab«, empfahl Koratzo und wandte sich wieder Islar zu. Er konnte sie deutlich erkennen. Die Schattenschilde wa ren nur von außen undurchsichtig. »Wie schaltet man das Ding wieder ab?« fragte er, denn er mußte damit rechnen, daß sie schon in wenigen Minuten auf Haswahu trafen, und dem Luftmagier wäre der uner wartete Anblick eines Scuddamoren schlecht bekommen. »Öffne die Schnalle«, riet Islar. »Alles an dere geschieht von selbst.« Koratzo legte den Gürtel ab. Er bemerkte, daß Islar schon wieder damit beschäftigt war, eines dieser fremdartigen Geräte zu un tersuchen. »Wir nehmen vier von den Dingern mit«, entschied er. »Eines kannst du auseinander nehmen, sobald wir in der Höhle sind. Komm jetzt, du wirst noch genug Zeit ha ben, dich mit den Gürteln zu befassen.«
*
Expedition der Magier Sie eilten am Bach entlang, und schon bald sahen sie Haswahu, der ihnen entgege neilte. »Ich war in der Nähe der Höhle«, berich tete der Luftmagier aufgeregt. »Keine Angst, Koratzo, die Scuddamoren haben mich nicht gesehen. Sie haben einen Ring um die Höhle gebildet. Sogar zwischen den Felsen am Steilhang sitzen sie. Sie sind in der Überzahl. Da kommen wir nicht durch!« »Sie werden uns Platz machen«, versi cherte Koratzo und eilte weiter. »Was hat er im Sinn?« fragte Haswahu beunruhigt. Aber Islar beschäftigte sich in Gedanken mit den Schattenschilden und ant wortete nicht auf seine Frage. Wenig später blieb Koratzo stehen. »Es wird Zeit«, murmelte er. »Sie dürfen auf keinen Fall auf die Idee kommen, daß wir in den Schilden stecken. Haswahu, lege diesen Gürtel um und drücke auf die Schnal le. Dann wird sich ein unsichtbar machendes Feld um dich aufbauen. Es sind Scuddamo ren-Schilde.« »Jetzt begreife ich«, rief Haswahu ver blüfft. »Woher habt ihr die Gürtel?« »Aus der Höhle natürlich. Beeile dich. Is lar, ist bei dir alles in Ordnung?« »Ja«, sagte die Magierin, die bereits unter dem Schild steckte. Ihre Stimme klang fremd und hohl. Koratzo wartete, bis auch Haswahu so weit war, dann ging er weiter, langsamer als vorher, denn ein Scuddamore rannte nur, wenn ein besonderer Grund zur Eile vorlag. Als er die unförmigen Wesen sah, blieb er unwillkürlich stehen. In die Höhle konnte man von dieser Stelle aus nicht hinein blicken. Das Tal hatte sich ein wenig verändert. Ein riesiger Felsbrocken war herabgestürzt – nur Rischa konnte das fertiggebracht haben. Der Brocken war in mehrere Teile zerfallen, wobei offenbar auch jemand nachgeholfen hatte – Querllo, wie Koratzo sehr wohl wuß te. Die Trümmer bildeten einen Damm, der das Wasser aufstaute. Es stand bereits so hoch, daß man nicht mehr trockenen Fußes
41 in die Höhle gelangte. Es würde allerdings auch nicht weiter steigen, dazu war der Damm zu niedrig. Die Scuddamoren hock ten entlang der Wasserlinie, hinter dem Damm auf hohen Felsen und in der Steil wand über der Höhle. Das andere Ufer war frei von ihnen. »Na schön«, murmelte der Stimmenma gier gelassen. »Versuchen wir unser Glück. Bleibt hinter mir und haltet den Mund. Im Notfall spreche ich für euch.« Das war keine leere Phrase. Für Koratzo war es eine Kleinigkeit, einem anderen seine Stimme zu »leihen«. Sie gingen direkt auf die Scuddamoren zu. Es dauerte seine Zeit, bis die plumpen Wesen bemerkten, daß sie Besuch bekamen. Dann aber brach die Hölle los. Die Fremden eilten so schnell sie konnten auf die drei Magier zu. Sie stießen sich an einander, und einige stürzten ab und fielen in den Bach. Niemand kümmerte sich um sie. Jeder wollte der erste sein, der die ver meintlichen Retter begrüßte. Koratzo blieb stehen und wartete, und Is lar und Haswahu taten es ihm nach. Der er ste Scuddamore war herangekommen, rich tete sich mühsam auf seinen Beinstummeln auf und setzte zum Sprechen an. Aber ehe er mit seiner Begrüßungsrede beginnen konnte, verlor er das Gleichgewicht und kippte um. Er sagte keinen Laut, sondern kämpfte sich erneut hoch, verzichtete diesmal aber darauf, einen neuen Balanceakt vorzuführen, son dern stützte sich nur auf seine dünnen Arme. »Ich grüße euch!« knirschte er. »Ihr habt uns lange warten lassen.« Koratzo wußte, daß er mit Tarravin sprach. Er hätte nicht sagen können, woran er den Scuddamoren erkannte, aber er war sich seiner Sache sicher. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auf das Spiel einzugehen, dachte er ärgerlich. Auch wenn ich sie damit in ihrem furchtba ren Irrtum noch bestärke. »Wer seid ihr?« fragte er in reinem Garva-Guva. Tarravin geriet in Schwierigkeiten, denn
42 er hatte Mühe, den Magier zu verstehen. »Scuddamoren«, knirschte er schließlich. »Schiffbrüchige, die mit der GOMIRAPH nach Järglinz gelangten.« Koratzo gab sich Mühe, so zu handeln und zu sprechen, wie ein wirklicher Scudda more es getan hätte. »Wo ist das Schiff?« erkundigte er sich. »Es explodierte«, berichtete Tarravin. »Die Galionsfigur fiel aus.« »Wie lange ist das her?« »Wir wissen es nicht«, gab Tarravin kleinlaut zu. »Wir haben uns Mühe gegeben, die Zeit zu messen, aber wir verloren alle Geräte, die man dazu braucht.« »Ihr sagt, ihr seid Scuddamoren – wo sind eure Schattenschilde?« »Wir – wir haben sie verloren«, stammel te Tarravin, und seine Freunde, die sich dicht an ihn herandrängten, gaben knir schende Laute der Zustimmung von sich. »Auf welche Weise?« fragte Koratzo er barmungslos weiter. Und da zeigte es sich, daß Tarravin doch nicht ganz so beschränkt war, wie es immer scheinen wollte. Vielleicht lag es auch dar an, daß er die Rettung aus dieser heiklen Si tuation greifbar nahe glaubte. »Es sind Fremde hier aufgetaucht«, sagte Tarravin hastig. »Sie haben eine unheimli che Waffe. Sie betäubten uns und raubten unsere Schattenschilde. Sie sind in der Höh le dort drüben.« Koratzo war überrascht. Er hatte schon gedacht, die veränderten Scuddamoren wä ren zu keiner Lüge fähig. Tarravin wartete auf eine Antwort. »Fremde«, wiederholte Koratzo. »Wie se hen sie aus?« Tarravin lieferte eine erbärmliche Be schreibung. Koratzo kam zu dem Schluß, daß sie von ihm und seinen Gefährten kei nen Verrat zu fürchten brauchten. Selbst wenn diese Wesen sich noch so große Mühe gaben, würde man anhand ihrer Beschrei bung die ominösen Fremden nicht als Be wohner Pthors identifizieren können. Das brauchte Tarravin natürlich nicht zu wissen.
Marianne Sydow »Wir kennen diese Wesen«, behauptete Koratzo, als der Scuddamore schwieg. »Es wurden ihretwegen neue Waffen entwickelt. Gebt uns den Weg frei, damit wir hingehen und sie töten können.« Die Scuddamoren erhoben ein wildes Tri umphgeschrei. Ihre Stimmen brachen sich an den steilen Felswänden und hallten weit über das kalte, tote Land. »Sage ihnen, daß sie Platz machen sol len«, herrschte er Tarravin an, denn ein un bestimmtes Gefühl sagte ihm, daß sie sich beeilen mußten. Nur kurz dachte er an Glyn diszorn. Er vernahm einen drängenden Gedanken ruf von Haswahu. »Wir müssen in die Höhle!« sagte der Stimmenmagier in Gedanken, und er schien der Panik nahe. »Schnell, Koratzo!« Der Stimmenmagier ging einfach auf die Fremden zu. Sie sahen ihn in ihrem Freu dentaumel nicht, aber er spürte auch nichts von der antimagischen Sperre, mit der sie sich vorher umgeben hatten. Er stieß den er sten Scuddamoren, der ihm im Weg stand, mit dem Fuß an. »Aus dem Weg!« schrie er in Garva-Gu va. »Seid ihr alle von Sinnen?« Der Scuddamore floh so hastig, daß er den Halt verlor und gegen einen Artgenos sen prallte. Beide zogen ihre Gliedmaßen an und rollten wie Steine einen kurzen Hang hinunter. Die anderen wurden auf das Ereig nis aufmerksam, und für einen Augenblick war es still. »Ihr verzögert eure Rettung!« rief Korat zo ihnen zu. »Gebt den Weg frei, oder wir werden mit Waffengewalt gegen euch vor gehen. Habt ihr vergessen, wie ihr euch als Scuddamoren zu benehmen habt?« Sie krochen eilig zur Seite. Eine breite Gasse bildete sich. Die drei Magier schritten im Schutz der Schilde zwischen den unför migen Wesen hindurch, gelangten an das Ufer des kleinen Stausees und schritten ohne Zögern weiter. Der See konnte hier nicht tief genug sein, um sie in Schwierigkeiten zu bringen, und wie alle Magier hatten sie ein
Expedition der Magier ungewöhnlich gutes Verhältnis zu Wasser in jeder Erscheinungsform. Hinter ihnen tu schelten die Scuddamoren mit knirschenden Stimmen. Es klang drohend. »Haben wir einen Fehler gemacht?« frag te Haswahu in seinen Gedanken. »Gehen die echten Schildträger etwa auch nicht ins Wasser?« »Oh doch, und unsere Freunde wissen das auch«, antwortete Koratzo lächelnd. »Sie sind nur erschüttert, weil sie gerade begrei fen, wie sehr sie sich verändert haben. Macht schnell, dieser Tarravin hegt sehr ge fährliche Gedanken.« Sie wateten vorwärts, und Koratzo be lauschte den Sprecher der Scuddamoren mit wachsender Sorge. Tarravin war ohne jeden Zweifel noch immer nicht normal, aber er brachte doch einige recht logische Gedanken zusammen. Er erinnerte sich an die Gesetze des Neffen. Das Lügengebäude, an dem er selbst fleißig mitgebaut hatte, geriet für ihn ins Wanken. »Wir tragen keine Schilde«, sagte er zu sich selbst. »Das ist das Schlimmste, was ei nem Scuddamoren passieren kann. Der Fremde hatte recht. Scuddamoren, die ohne Schild angetroffen werden, sind des Todes. Aber sie haben uns am Leben gelassen. Wir haben gesagt, daß wir Scuddamoren sind, und sie haben es geglaubt. Da stimmt etwas nicht!« »Schneller!« drängte Koratzo. »Rischa, kannst du uns in die Höhle ziehen?« »Sie werden sofort Verdacht schöpfen«, antwortete die Feldermagierin. Koratzo fuhr herum, als Islar, die dicht hinter ihm war, einen leisen Schrei ausstieß. Er drehte sich um und sah den Tunnel ent stehen. Eine graue Spirale schob sich aus dem wolkenlosen, dunkelblauen Himmel von Järglinz. »Kommt heraus!« rief er den dreien in der Höhle zu. »Glyndiszorn hat uns gefunden!« »Wenn es wirklich Scuddamoren sind, werden sie uns töten«, wisperte Taravins knirschende Stimme von weit her. »Besser, wir töten sie zuerst. Und wenn es keine
43 Scuddamoren sind, erweisen wir dem Nef fen einen Dienst, indem wir sie umbringen.« Der Eingang des Tunnels war schon ganz nahe. Sie sahen direkt in ihn hinein. Rischa, Querllo und Antharia rannten ins Wasser hinein, denn es war ganz offensichtlich, daß der Tunnel ungefähr da ankommen würde, wo Koratzo sich gerade befand. Glyndiszorn kannte die Verhältnisse auf dem Planeten Järglinz offenbar, und er wußte, daß Eile wichtiger war als Geheimhaltung. Sonst hät te er den Tunnel so angelegt, daß niemand ihn zu sehen vermochte. »Legt die Schilde ab«, befahl Koratzo. »Beeilt euch.« Noch während er sprach, öffnete er selbst den fremden Gürtel. Er hörte vom Ufer her einen einstimmigen Wutschrei. »Greift an!« schrie Tarravin, so laut er konnte. Seine Stimme ging im Geschrei sei ner Artgenossen unter, aber die umgeform ten Scuddamoren brauchten in diesem Au genblick weder Anführer noch Befehle. Sie überwanden in ihrer Wut sogar ihre Scheu vor dem Wasser. Wie eine Horde von seltsa men Tieren wälzten sie sich vorwärts. Eini ge gerieten an Stellen, an denen das Wasser so hoch stand, daß es ihre Münder überflute te, und sie ertranken. Die anderen krochen über ihre reglosen Leiber hinweg. »Querllo«, sagte Koratzo leise. »Sorge dafür, daß das Wasser sich erhitzt. Aber bringe es nicht gleich zum Kochen. Wir brauchen diese Wesen nicht zu töten.« Vielleicht, dachte er, haben die Scudda moren doch noch eine Chance. Wenn sie jetzt Vernunft annehmen, können sie sich im mer noch ein neues Leben aufbauen. Querllo schleuderte Dutzende von Licht lanzen, die sich unmittelbar vor den Scudda moren ins Wasser bohrten. Da, wo sie auf schlugen, begann das Wasser zu sieden. Die Scuddamoren jedoch ließen sich selbst da von nur für einen Augenblick aufhalten. In ihrer Wut ignorierten sie sogar die Hitze, die ihnen entgegenschlug, und es zeigte sich, daß ihnen auch sehr hohe Temperaturen nichts anhaben konnten. Der Tunnel berühr
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te die Wasserfläche, sank einen halben Me ter tiefer und heftete sich an das feste Ge stein »Lauft!« rief Koratzo. »Querllo, wir beide gehen zuletzt!« Er sandte Laute aus, wie er sie auch bei Caddin verwendet hatte. Damals hatten sie gewirkt. Jetzt tat sich gar nichts. Er griff zu stärkeren Mitteln, aber da er die Laute der Vernichtung, deren Auswirkung unbedingt tödlich war, nicht anzuwenden wagte, blieb ihm jeder Erfolg versagt. Die anderen stan den bereits im Tunnel. »Kommt endlich!« rief Antharia ungedul dig. Koratzo nickte Querllo zu. Sie zogen sich zurück. Der Lichtmagier ließ ein letztes Gewitter von blendenden Blitzen los. Die Scuddamoren ließen sich für einige Sekun den irritieren. Die beiden Magier erreichten den Tunnel und warfen sich hinein. »Glyndiszorn!« rief Koratzo und legte al le Kraft, über die er verfügte, in seine Bitte. »Zieh den Tunnel zurück!« Sie sahen, wie Järglinz in grauen Nebeln versank. »Warum habt ihr so lange gewartet?« wollte Antharia wissen. »Ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht mehr!« »Mir scheint, dir gefallen die veränderten Scuddamoren«, antwortete Querllo spöt tisch. »Sollten wir sie etwa in die Barriere mitnehmen?« Die Pflanzenmagierin wandte sich verle gen ab. »Koratzo!« rief Islar entsetzt. Er fuhr herum, darauf gefaßt, eine neue Hiobsbotschaft zu vernehmen. Aber sie deu tete anklagend auf ihn. »Was ist los?« fragte er beunruhigt. »Du hast den Gürtel verloren!« klagte sie. »Nun haben wir nur noch drei davon.«
6. »Beim Geist der FESTUNG!« rief Copa sallior, als die sechs Magier aus dem Tunnel hervortraten. »Ich fürchtete schon, wir wür den euch nicht wiedersehen.« Sie blieben verblüfft stehen, denn derarti-
ge Gefühlsausbrüche waren sie von dem Sechsarmigen nicht gewöhnt. Copasallior eilte ihnen entgegen, nahm Koratzo bei der Hand und zog ihn mit sich. »Komm!« sagte er ungeduldig. »Ich brau che deine Hilfe. Ich und alle anderen Magier von Oth. Dieser verdammte Fremde tötet uns den letzten Nerv.« »Welchen Fremden meinst du?« fragte Koratzo. »Den Terraner natürlich«, knurrte der Weltenmagier wütend. »Diesen Lebo Axton, oder wie immer man ihn nennen soll. Er läuft überall herum, stöbert in den Dunklen Tälern Gegenstände auf, die man besser ru hen lassen sollte, und stört jeden bei der Ar beit.« »So schlimm kann es doch gar nicht sein«, murmelte Koratzo, der sich ein Lä cheln nicht verkneifen konnte. »Er kann nicht überall zugleich sein.« »Nein. Aber er ist ein sehr guter Reiter, und es gibt genug Yassels, denen es eine wahre Freude ist, ihn durch die Gegend zu schleppen. Ich glaube, diese Biester haben sich gegen uns verschworen.« Koratzo blieb stehen und sah den Welten magier spöttisch an. »Schon gut«, murmelte Copasallior. »Aber ich schwöre dir, der Mann ist wirk lich eine Plage. Weißt du, was er immer noch verlangt? Wir sollen ihn nach Säggallo schicken. Er will mit Gewalt in sein Verder ben rennen. Er wollte auch nicht begreifen, daß Glyndiszorn seine Suche nach euch nicht einfach unterbrechen konnte, um einen Tunnel für einen Terraner zu errichten.« »Ich werde mit ihm reden«, versprach Koratzo. Copasallior starrte den Stimmen magier mißtrauisch an. »Du hast doch etwas vor!« stellte er fest. »Was ist los? Kaum bist du wieder hier, schon geht diese Geheimnistuerei wieder los. Du willst mit ihm reden, ja? Wirst du deine Magie dabei gebrauchen, oder was planst du sonst?« »Wenn er wirklich nach Säggallo gehen will, um dort für Atlan zu arbeiten«, sagte
Expedition der Magier Koratzo, »dann werde ich Glyndiszorn bit ten, einen Tunnel für ihn zu öffnen. Lebo Axton ist ein kluger Mann mit großartigen Fähigkeiten – für einen, der nicht magisch begabt ist. Es wäre Verschwendung, ihn hier festzuhalten, wenn er an einem anderen Ort wertvolle Arbeit leisten kann.« »Du kennst ihn nicht!« warnte Copasalli or. Koratzo lachte leise auf. »Er hat euch also hart zugesetzt? Das ist ein gutes Zeichen, Weltenmagier. Ein Sterb licher, der es fertigbringt, so viel Verwirrung in der Großen Barriere zu stiften, hat viel leicht auch auf Säggallo eine Chance.« »Du schickst ihn in den Tod«, warnte Co pasallior ernst. »Er wird ein Fremder auf dem Planeten des Neffen sein, der in die erstbeste Falle läuft. Wenn er Glück hat und entkommt, wird man ihn jagen. Wie soll er dann für Atlan kämpfen?« »Er wird eine Maske tragen«, erklärte Ko ratzo gelassen. »Die beste Maske, die es für diesen Fall gibt.« »Wie sieht sie aus?« fragte Copasallior mißtrauisch, denn mit magischen Masken hatte er vielfältige, nicht immer positive Er fahrungen gemacht. Wenn man sie einem Sterblichen anpaßte, gab es früher oder spä ter Probleme. »Wo ist Axton jetzt?« fragte Koratzo zu rück. »Als ich ihn zuletzt sah, kroch er an den Hängen im Tal der Käfer herum«, berichtete Copasallior düster. »Parlzassel war drauf und dran, ihn zu erwürgen. Er ertappte Ax ton dabei, daß er einen seiner Riesenvögel zu fangen versuchte.« Diese Vögel waren das einzige, was dem Tiermagier von seiner früheren »Familie« geblieben war. Parlzassel liebte sie hieß und innig. »Bring mich hin«, bat Koratzo. Copasallior griff schweigend nach der Hand des Stimmenmagiers. Eine Sekunde später standen sie im Tal der Käfer. »Parlzassel!« rief Koratzo mit seiner ma gischen Stimme. »Ich suche Lebo Axton.
45 Kannst du mir sagen, wo er ist?« »In meinem Haus«, antwortete der Tier magier, und es klang gar nicht so, als wäre er gerade dabei, einen Mord durchzuführen. »Komm herunter, Koratzo. Bist du allein?« »Copasallior ist bei mir.« »Er ist mir willkommen.« »Wir müssen hinunter«, erklärte Koratzo dem Stimmenmagier. Copasallior brummte etwas Unverständli ches vor sich hin, aber er tat gemeinsam mit Koratzo den nächsten Schritt durch das Nichts und brachte ihn in Parlzassels Heim statt, ein steinernes Gebilde, das den Stim menmagier unangenehm an die Steinhaufen der Scuddamoren von Järglinz erinnerte. Im merhin war Parlzassels Behausung von in nen durchaus ansehnlich. Sie materialisierten in einer riesigen Hal le. Parlzassel saß auf einem steinernen Sche mel, lachte dröhnend und streichelte dabei ein pelziges Wesen, das er vermutlich im Blutdschungel aufgetrieben hatte. Die Krea tur, immerhin so groß wie ein ausgewachse nes Yassel, schmiegte sich an ihren Herrn. Sie schnurrte so laut, daß der Fußboden in der Nähe vibrierte. »Tretet näher und macht es euch be quem!« rief Parlzassel und hob herausfor dernd einen riesigen Krug mit Wein. »Wo ist Axton?« fragte Copasallior eisig. Er konnte keinen Alkohol vertragen, seiner magischen Fähigkeiten wegen, und Parlzas sel wußte das sehr genau. Aber er provozier te den Weltenmagier bei jeder Gelegenheit. »Hier, Euer Ehren«, sagte eine spöttische Stimme, und Axton tauchte hinter Parlzas sels Schoßtierchen auf. »Nenne ihn nicht so!« bat Parlzassel streng, aber in seinem geröteten Gesicht zuckte es, weil er sich nur mit Mühe das La chen verbiß. »Er heißt Copasallior und ist der Weltenmagier, das solltest du mittler weile wissen.« Lebo Axton lächelte spöttisch. »Warum suchst du mich, Weltenmagier?« erkundigte er sich. Koratzo fand, daß der Terraner wirklich
46 nicht in die Barriere paßte. Er trat einen Schritt vor. »Willst du immer noch nach Säggallo?« fragte er. »Ah, sieh an, der verlorene Sohn ist zu rückgekehrt«, bemerkte Axton ironisch. »Du hattest mir etwas versprochen. Erinnerst du dich daran?« »Nur zu gut«, sagte Koratzo ruhig. »Es tut mir leid, daß ich dich warten ließ. Ich habe eine Maske für dich besorgt.« Axton, der gerade zu einer neuen Bemer kung ansetzte, starrte den Stimmenmagier entgeistert an. »Du hast … was?« fragte er schließlich. »Wir wissen nicht, ob es auf Säggallo Wesen gibt, die dir ähnlich sehen«, erklärte Koratzo nüchtern. »Aber eines ist gewiß: Dort laufen unzählige Scuddamoren herum. Ich kann dir einen Schattenschild zur Verfü gung stellen. Eine bessere Tarnung wirst du hier in Pthor kaum auftreiben.« »Du willst doch nicht behaupten, daß du wegen dieses Schattenschildes …« Axton unterbrach sich. Er sah, daß Copa sallior diesen Augenblick genoß. Ein Magier hatte es geschafft, den lästigen Besucher aus der Fassung zu bringen. Mochte er sich an dem Anblick weiden, dem Mann, dessen Geist in einem fremden Körper steckte, war es egal. Er sah nur noch Koratzo, der lächelnd auf ihn zukam. »Wir hatten einen Unfall«, erklärte der Stimmenmagier trocken. »Zufällig verschlug es uns auf eine Welt, auf der Scuddamoren lebten. Sie hatten vor vielen Jahren Schiff bruch erlitten. Das wäre nicht weiter schlimm für sie gewesen, aber es gab etwas auf diesem Planeten, was sie im Lauf der Zeit veränderte. Sie konnten ihre Schilde nicht mehr tragen.« »Wie sahen sie aus?« fragte Axton. »Plump«, murmelte Koratzo nachdenk lich. »Unförmig und degeneriert. Sie hatten keine Ähnlichkeit mehr mit jenen Wesen, die auf der Metamorphosewelt die Schilde verliehen bekamen.« »Du weißt, woher die Scuddamoren kom-
Marianne Sydow men?« rief Axton entgeistert. »Hat man dir nichts davon gesagt?« sagte Koratzo ungläubig. Er warf Copasallior einen kurzen Blick zu. Der Weltenmagier hob in einer ratlosen Gebärde die Hände. »Er hat nie danach gefragt«, versicherte er. »Und zu einem ruhigen, vernünftigen Gespräch schien er mir nicht aufgelegt.« »Es tut mir leid«, sagte Axton hastig. »Ich konnte ja nicht ahnen …« Er unterbrach sich und sah sich ratlos um. »Laßt uns miteinander reden«, bat er. »Es ist höchste Zeit.«
* »Die Scuddamoren von Järglinz«, sagte Koratzo etwas später, »stellen nicht das dar, was am Ende der Metamorphose steht. Aber sie dürfen diesem letzten Stadium in einigen Punkten ähnlich sein. Ich fürchte allerdings, daß kein normaler Scuddamore das Ende seiner Entwicklung erlebt. Wenn mich nicht alles täuscht, dann sind diese Wesen ab einer bestimmte Stufe für Chirmor Flog nicht mehr brauchbar.« »Das bedeutet, daß dieser saubere Neffe seine treuen Diener umbringt, sobald sie die Altersgrenze erreicht haben«, bemerkte Ax ton sarkastisch. »Ich bitte dich, Koratzo, schick mich nach Säggallo. Dort kann ich wenigstens etwas für Atlan tun. Hier bin ich doch nur nutzlos.« Er zuckte zusammen, als er eine lautlose Stimme vernahm, die mitten in seinem Kopf zu sprechen begann. »Was ist mit Grizzard?« fragte diese laut lose Stimme. »Ich wußte nicht, daß du ein Telepath bist«, wich Lebo Axton aus. Die Stimme in seinem Kopf lachte verhal ten. »Ich weiß von Atlan, was ein Telepath ist«, erklärte sie. »Aber das hier ist Magie, Sinclair Marout Kennon.« »Warum dieser Name?« »Weil er deine Identität am besten be
Expedition der Magier schreibt. Wir Magier haben zu Namen eine besondere Beziehung. Gestatte mir, daß ich dich Kennon nenne, wie Atlan es tun wür de.« »Von mir aus«, dachte Axton verlegen. »Grizzard hat sich auf die Seite der Scud damoren geschlagen«, sagte Koratzo. »Du mußt damit rechnen, daß du ihm auch auf Säggallo begegnen könntest. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber die Möglichkeit besteht.« »Warum weist du mich darauf hin? Bist du besorgt um mich?« »Eher um Atlan.« »Wo ist er?« »Er wird früher oder später nach Säggallo gelangen. Wenigstens hoffe ich das. Die Scuddamoren jagen ihn.« Koratzo war sich der Tatsache bewußt, daß dies nicht der letzte Stand an Neuigkei ten war, aber das machte seiner Meinung nach nicht sehr viel aus. Die Magier hatten Atlan lange Zeit beobachtet. Die Scuddamo ren fanden immer wieder seine Spur, und auch wenn es ihm im letzten Moment gelun gen sein sollte, von Cyrsic zu entkommen, würde er früher oder später doch nach Säg gallo gebracht werden. »Dann ist es um so wichtiger, daß ich endlich in die Nähe des Neffen gelange.« »Es ist nicht dein einziges Motiv. Du willst von Pthor weg, weil du hoffst, daß du auf diese Weise den Grizzard-Körper für im mer behalten kannst.« Kennon schwieg lange Zeit. »Also gut«, dachte er schließlich. »Ich ge be es zu. Aber ich meine es trotzdem ehr lich, wenn ich sage, daß ich Atlan helfen will.« »Das weiß ich. Diese Schattenschilde sind von großem Wert für uns. Mit ihnen können wir die Barriere verlassen, um draußen Er kundigungen einzuziehen. Ich würde keines dieser Geräte verschwenden.« »Du bist sehr ehrlich!« dachte Kennon be troffen. »Mag sein. Kennon, wenn wir dich nach Säggallo schicken, dann wirst du aller
47 Wahrscheinlichkeit nach niemals nach Pthor zurückkehren. Es sei denn, Atlan verschafft dir die Möglichkeit dazu. Überlege es dir gut.« »Es gibt nichts zu überlegen. Eine Frage, Koratzo: Warum bist du darauf aus, Atlan zu unterstützen? Du kennst ihn doch kaum.« »Er ist der einzige, der vielleicht eine Chance gegen die Mächte der Schwarzen Galaxis hat.« »Woher kommt diese Überzeugung? Ma gie, Intuition, oder schlicht Wunschden ken?« »Das ist schwer zu erklären«, dachte Ko ratzo. Laut sagte er: »Du wirst durch den Tunnel gehen. Was du auf Säggallo machst, ist deine Sache. Wir werden dich nicht beob achten und dir nicht helfen können, wenn du in Gefahr gerätst. Sei also vorsichtig.« Kennon-Axton nickte. »Was ist, wenn Glyndiszorn keinen Tun nel errichten will?« fragte Copasallior den Stimmenmagier später, als Axton längst in einem Nebenraum von Koratzos Wohnhalle untergebracht war. »Er ist mir etwas schuldig«, sagte Koratzo gelassen. »Du lernst es allmählich«, murmelte der Weltenmagier anerkennend.
* Am nächsten Morgen standen sie in dem Tal unter Glyndiszorns Luftschiff. Es war ein seltsamer Morgen. Solange Pthor mitten im Raum schwebte, gab es weder Tag und Nacht, denn der Dimensionsfahrstuhl besaß schließlich keine eigene Sonne für sich allei ne. Alles in diesem Land war so angelegt und geplant, daß Pthor stets nur relativ kurze Zeiten in den Dimensionskorridoren ver brachte und dann auf einem Planeten mate rialisierte. Darum waren ja auch jetzt die Guurpel so arm dran. Wenn Pthor sich von einem Planeten entfernte, verschwand auch das Meer in der Bucht der Zwillinge, und es kehrte bei der nächsten Materialisation zu rück – was nun seit vielen Monaten nicht
48 mehr geschehen war. Von einem »Morgen« zu reden, war also in Pthor zur Zeit ziemlich sinnlos. An die sem Tage aber glühte der Himmel über der Großen Barriere von Oth in den Farben ei nes prächtigen Sonnenaufgangs. Leider war es aber keine Sonne, die dieses Farbenspiel erzeugte, sondern es handelte sich um die Nachwirkungen des letzten Scuddamoren-An griffs, der vor zwei Tagen stattgefunden hat te. Axton legte den Kopf in den Nacken und sah zur ORSAPAYA hinauf. »Ein Möbiusstreifen!« sagte er verblüfft. »Und das hier, im Reich der Magier.« »Du meinst die nie endende Schleife?« fragte Koratzo. »Es ist das Emblem des Knotenmagiers.« »Wie kam er gerade auf dieses Zeichen?« »Es ist das Symbol für seine Art von Ma gie.« »Das erklärt natürlich alles«, bemerkte Axton sarkastisch. Koratzo wandte sich lächelnd ab. Er hätte dem Terraner erklären können, womit Glyn diszorn sich beschäftigte, daß er Verspan nungen im Raum-Zeit-Gefüge und Dimensi onseinbrüche untersuchte und für seine Zwecke nutzbar machte, und daß die Kno tenmagie die wohl schwierigste magische Wissenschaft überhaupt war. Aber er ließ es bleiben, weil er das Gefühl hatte, daß er Le bo Axton mit solchen Erklärungen nur unnö tig verwirren würde. Außerdem tauchte ge rade jetzt Glyndiszorn auf. Er sparte sich an diesem Morgen die Mühe, durch die Trans portröhre von der ORSAPAYA herabzustei gen, sondern trat durch eine Falte und er schien wie aus dem Nichts vor den drei Männern. »Ihr wollt also schon wieder einen Tun nel, ja?« fragte Glyndiszorn düster und starr te Copasallior dabei an. »Zwei«, verbesserte der Weltenmagier gelassen. »Einen, der diesen Mann nach Säggallo bringt, und einen anderen, der es Koratzo und mir gestattet, in die Nähe der FESTUNG zu gelangen.«
Marianne Sydow »Wann werde ich endlich wieder meine Ruhe haben?« fragte Glyndiszorn ankla gend. »Wenn Frieden in Pthor herrscht«, ant wortete Koratzo ernst. »Reicht es nicht, daß ich einen Knoten um die Barriere gelegt habe?« fuhr Glyndiszorn ärgerlich auf. »Seid froh, daß ihr durch mein Werk in Sicherheit seid.« »Das sind wir«, versicherte Koratzo freundlich. »Aber wir stehen nicht in deiner Schuld, Knotenmagier. Es ging auch um dein Leben.« Blödsinn, dachte Kennon-Axton. Er hätte sich selbst retten und sich den Teufel um sei ne Artgenossen scheren können! Das ist ein Irrtum, teilte Koratzo ihm auf seine seltsame Weise lautlos mit. Glyndis zorn ist wie wir alle nur so lange unsterb lich, wie er sich hier in der Barriere aufhält – oder doch wenigstens regelmäßig in die Berge zurückkehren kann. Er mußte ganz Oth schützen, oder die Finger davon lassen. »Säggallo!« keifte Glyndiszorn, und Ax ton fragte sich, warum dieses fette Individu um wohl so wütend sein mochte. »Ausgerechnet diese Welt mußte es also sein. Ich weiß nicht, ob ich ihn dort absetzen kann. Ich habe versucht, einen Blick auf Säggallo zu werfen.« Er zuckte leicht zusammen, als er seinen Fehler bemerkte, aber es war zu spät. »Einen Blick?« fragte Axton interessiert. »Wie wolltest du das anstellen?« »Indem ich einen Tunnel benutzte«, knurrte Glyndiszorn. Er wandte sich zu Co pasallior um. »Warum sind die Freunde die ses Mannes nicht anwesend? Gehört es sich nicht, daß er von ihnen Abschied nimmt?« »Wenn du es wünschst, werde ich sie ho len«, versprach der Weltenmagier spöttisch. Es amüsierte ihn, daß Glyndiszorn sich von diesem Sterblichen dazu bringen ließ, gegen seine Prinzipien zu verstoßen. Der Knoten magier haßte es, wenn Fremde sein Revier betraten. Nur um Axton abzulenken, schuf er sich selbst neue Unannehmlichkeiten. Copasallior verschwand, ehe Glyndiszorn
Expedition der Magier seine Entscheidung widerrufen konnte. »Was ist nun mit Säggallo«, wollte Axton hartnäckig wissen. »Hast du den Planeten gesehen?« »Nein«, erwiderte Glyndiszorn knapp, und lautlos rief er Koratzo zu: »Bring den Kerl zum Schweigen, oder ich drehe ihm ei genhändig den Hals um!« »Hast du vielleicht andere Welten gese hen?« bohrte Axton weiter. »Hast du am En de sogar …« »… Atlan gefunden?« wollte er sagen, aber plötzlich drang kein Ton mehr aus sei ner Kehle. Entsetzt bemühte er sich, noch et was zu sagen, aber es gelang ihm nicht. Statt dessen hörte er wieder Koratzos Gedanken stimme. Reize den Knotenmagier nicht! Er mag es nicht, wenn man ihm solche Fragen stellt. Vergiß nicht: Du willst nach Säggallo, um deinen Körper in Sicherheit zu bringen. Glyndiszorn ist der einzige, der dich trans portieren kann. Wenn du es mit ihm verdir bst, kommst du nie von Pthor weg. Lebo Axton starrte Koratzo wütend an. Aber er sah ein, daß er nichts gegen den Ma gier ausrichten würde. Er hegte den Ver dacht, daß diese Leute mehr über Atlans Schicksal wußten, als sie zugeben mochten. Oder spielten sie ein falsches Spiel? Gaben sie nur vor, sich um den Arkoniden Sorgen zu machen, während sie in Wirklichkeit kaum noch an ihn dachten und keinen Fin ger für ihn rührten? Wirst du vernünftig sein? fragte Koratzo lautlos. Du läßt mir ja gar keine andere Wahl«, dachte KennonAxton zurück. Was ist mit meiner Stimme? Ich gebe sie dir zurück. Da sind deine Freunde. Kolphyr und Koy, der Trommler, standen kaum fünf Meter hinter Axton neben dem Weltenmagier. Der Terraner eilte zu ihnen. »Die Magier schicken mich nach Säggal lo«, sagte er. »Begleitet mich. Dann können wir gemeinsam für Atlan arbeiten, anstatt untätig in diesen Bergen herumzusitzen.«
49 »Copasallior hat uns gesagt, daß Koratzo dir einen Schattenschild zur Verfügung stellt«, murmelte Koy. »Damit bist du gut ausgerüstet.« »Die Magier haben drei von diesen Schil den. Sie müssen euch die beiden anderen ge ben!« »Das werden sie nicht tun«, stellte Koy fest. »Geh nach Säggallo, Lebo, und versu che dort dein Glück. Ich bleibe in Pthor. Dieses Land ist meine Heimat, und die Bar riere von Oth bildet einen Teil davon.« »Was hast du davon, wenn du von hier aus nichts gegen die Scuddamoren tun kannst?« »Es wird sich ein Weg finden«, meinte Koy philosophisch, wandte sich um und ging demonstrativ zu einer geborstenen Kri stallsäule, wo er sich niederließ, um das sich anbahnende Schauspiel zu betrachten. »Und was ist mit dir, Kolphyr?« fragte Axton herausfordernd. »Pthor ist nicht deine Heimat. Nichts hält dich hier.« »Ich bleibe trotzdem«, antwortete der Be ra, und es klang endgültig. Enttäuscht wandte Axton sich ab. Er sah zu den Magiern hinüber, die sich leise unter hielten. Im Näherkommen hörte er Glyndis zorn sagen: »… keinen Sichtkontakt herstellen. Es gibt Abwehranlagen auf Säggallo, gegen die ich machtlos bin. Wir können von Glück sa gen, wenn es uns gelingt, Axton abzusetzen. Aber der Tunnel muß sofort wieder erlö schen, sonst könnte es uns passieren, daß diese fremden Kräfte bis zu uns vorstoßen und uns vernichten.« »Wann geht es los?« fragte Axton unge duldig. »Jetzt gleich«, seufzte Glyndiszorn. Axton sah sich vergeblich nach irgend welchen Geräten um, die zum Aufbau eines Dimensionstunnels dienen konnten. »Komm«, sagte Koratzo leise. »Wir müs sen in das Glashaus dort drüben. Mach dir keine zu großen Sorgen. Wenn der Tunnel steht, geh schnell hindurch. Bleib unterwegs nicht stehen. Du wirst schon nach wenigen
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Schritten am Ziel sein.« »Falls ich durchkomme, oder?« »Sollte es gefährlich für dich werden, wird Glyndiszorn dich rechtzeitig zurückho len.« »So wie euch?« fragte Axton spöttisch. »Es war eine andere Art von Tunnel«, er klärte Koratzo ruhig. »Der, den der Knoten magier für dich erschaffen wird, kann nur für kurze Zeit existieren. Und jetzt sei still. Störe Glyndiszorn nicht bei seiner Arbeit.« Obwohl Axton sich redliche Mühe gab, keinem Vorurteil zu erliegen, hatte er doch Mühe, das, was Glyndiszorn tat, als Arbeit zu betrachten. Ihm kam es mehr wie billiger Hokuspokus vor. Aber schon nach kurzer Zeit verschwand das gläserne Dach des selt sam schiefen Gebäudes über ihm, und er blickte in eine graue Röhre, an deren Ende Finsternis herrschte. »Geh!« befahl Glyndiszorn scharf. Axton starrte zu dem Tunnel hinauf und fragte sich, wie er dieses Ding benutzen soll te. Aber Koratzo schob ihn sanft vorwärts, und Augenblicke später stand er in der Röh re. Als er einen Blick zurück warf, sah er Glyndiszorn, der ärgerlich zu ihm hinüber deutete. »Geh endlich!« rief Koratzo ihm drän gend zu. Da tat er entschlossen den nächsten Schritt.
* Glyndiszorn wischte sich den Schweiß von der glänzenden, roten Stirn. »Das wäre geschafft«, sagte er. »Fast hätte dieser Narr alles zunichte gemacht.« »Du solltest ihm Glück wünschen«, be
merkte Koratzo vorwurfsvoll. »Wenn ich Zeit dazu habe, werde ich an deinen Rat denken«, gab der Knotenmagier giftig zurück. »Ihr wolltet zur FESTUNG. Beeilt euch, legt diese merkwürdigen Gürtel an.« Koratzo und Copasallior nahmen die Scuddamoren-Schilde an sich, die in einer Ecke bereitlagen, und nickten sich zu. Sie würden sich nicht sehr lange draußen umse hen können, das war ihnen klar. Abgesehen davon hatten sie auch andere Möglichkeiten, die Vorgänge in Pthor zu beobachten. Es kam ihnen lediglich darauf an, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Glyndiszorn baute den nächsten, sehr viel kürzeren und einfacheren Tunnel auf, und Augenblicke später materialisierten in der Nähe der FESTUNG zwei Scuddamoren. Glyndiszorn überzeugte sich davon, daß die beiden Magier gut angekommen waren, dann löste er den Tunnel auf und ging nach draußen. Kolphyr und der Trommler sahen ihm er wartungsvoll entgegen. »Auch das noch!« schimpfte Glyndiszorn vor sich hin. »Was sollen die beiden bei mir? Alles muß man selbst machen.« Er trat vor die beiden hin. »Nehmt meine Hände!« befahl er wütend. »Ich bringe euch in die Tronx-Kette.« »Ist Lebo Axton jetzt wirklich auf Säggal lo?« fragte Kolphyr besorgt. »Was wird ihm alles begegnen?« »Woher soll ich das wissen?« fragte Glyndiszorn und trat mit den beiden Frem den durch eine Falte.
ENDE
Weiter geht es in Atlan Band 430 von König von Atlantis mit: Razamon, der Spion von Marianne Sydow