SHAKTI GAWAIN
IM GARTEN DER SEELE AUF ENTDECKUNGSREISE ZUM SELBST
Deutsche Erstausgabe WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
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SHAKTI GAWAIN
IM GARTEN DER SEELE AUF ENTDECKUNGSREISE ZUM SELBST
Deutsche Erstausgabe WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
Herausgeber dieser Reihe Michael Görden HEYNE ESOTERISCHES WISSEN Aus dem Amerikanischen übertragen von Ralph Tegtmeier Titel der Originalausgabe: RETURN TO THE GARDEN erschienen bei New World Library, San Rafael Copyright © 1989 by Shakti Gawain Published by New World Library 58 Paul Drive, San Rafael, California 94903 Copyright © 1990 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1991 Umschlaggestaltung: Atelier Adolf Bachmann, Reischach Umschlagillustration: Elizabeth Gawain Satz: Kort Satz GmbH, München Druck und Bindung: Presse - Druck Augsburg ISBN 3 - 453 - 04516 - 5
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Detlef u
Inhalt Danksagung Lieber Leser 1 Erd - Reise Der Garten 14 Von der Erde lernen Wendepunkt Dem Schatten ins Antlitz blicken Die Transformation der Welt 2 Meine Reise Geburt Mutter und Vater Kindheit Pubertät College Tanz und Entdeckung Italien Weltreisen Die Suche nach Bewußtsein Erfolg Selbstheilung Integration Die Garteninsel 3 Unsere gemeinsame Reise: Eine Fabel 4 Ihre persönliche Reise: Meditationen und Übungen Wie Sie Kontakt zu Ihrem inneren Führer herstellen Das Erwecken des Körpers Die Erkundung männlicher und weiblicher Energien Das innere Kind entdecken Das Erfahren der vier Elemente Verbindung zu einem besonderen Ort Einen Gegenstand der Kraft finden Das eigene Krafttier entdecken Baummeditation Steinmeditation Um Segen bitten Die eigene Geschichte erzählen Mit der anderen Hand schreiben Der Kommunikationsprozeß Der Erde danken Die Schau des Gartens Empfohlene Literatur
Dieses Buch ist unserer Mutter, der Erde, gewidmet.
Danksagung Ich möchte folgenden Menschen für ihre Hilfe bei der Entstehung und Vorbereitung dieses Buchs danken: Kathryn "Altman, Marc Allen, Carol LaRusso, Katherine Dieter, Cheryl Wild und Deborah Eaglebarger - Ganz besonderer Dank gilt meiner Freundin Manuela für ihre beständige Unterstützung und Hilfe auf allen Ebenen. Die Anregungen und das Feedback von Leslie Ayvazian, Jonathan Merritt, Tanha, Kathleen Holland, Hal Stone und Sidra Winkelman, Beth Gawain, Thomas Weinberg, Joanna Karp und anderer guter Freunde weiß ich sehr zu schätzen. Danken möchte ich auch meiner Familie, meinen Freunden, meinen Liebhabern, dem Lehrkörper, den Studenten, Klienten und Lesern - all jenen von euch, die zu meinem Leben und somit auch zu diesem Buch soviel beigetragen haben. Einige von euch sind namentlich in diesem Buch erwähnt, andere nicht. Es war meine Absicht, jeden Menschen mit einzuschließen und ihm die gebührende Anerkennung zu geben, den ich jemals gekannt und gemocht habe. Doch das erwies sich als schier undurchführbar; dann wäre das Buch nämlich mindestens tausend Seiten lang geworden! Um der Einfachheit und Klarheit willen mußte ich mich auf bestimmte Themen, Ereignisse und Menschen konzentrieren. Einige von euch mögen sich übergangen fühlen, während andere sich vielleicht sogar wünschen mögen, daß sie übergangen worden wären! Ob ihr nun ausdrücklich erwähnt wurdet oder nicht, ihr wißt, wer ihr seid, und ich hoffe, daß ihr auch wißt, was ihr mir gegeben habt. Ich danke euch und ich liebe euch. Lieber Leser Ich sitze auf einem bequemen, von der Natur ausgehöhlten Thron auf einer großen, schwarzen Lavagesteinsformation, die von einem wunderschönen weißen Sandstrand hinaus in den blauen Ozean ragt. Dies ist mein Kraftort, der Ort, wo ich mich auf der ganzen Welt am meisten mit meiner Seele verbunden fühle. Vor mir wogen die Wellen aus der offenen See herbei, riesige Ozeane intensiver Energie mit sich tragend. Sie brechen sich direkt vor mir, besprühen mich mit ihrer Lebenskraft. Der Fels unter mir ist warm und glatt und in seiner Festigkeit ebenso machtvoll, wie es der Ozean in seiner Bewegung ist. Die Kombination aus starrem Gestein und bewegtem Wasser führt mich in einen Zustand absoluter Ausgewogenheit und Ganzheit. Inzwischen wohne ich hier in der Nähe, so daß ich oft hierher kommen kann. Wenn ich hier bin, habe ich häufig das Gefühl, daß meine Seele zu mir spricht, daß sie mir Dinge mitteilt, die ich beachten soll. Und manchmal habe ich auch das Gefühl, daß die Erde selbst zu mir redet. Wie bin ich an diesen wunderbaren Ort gekommen? Darum unter anderem geht es auch in diesem Buch. Dieses Buch mußte ich aus zwei Gründen schreiben. Erstens wollte ich von meinen Gefühlen über die Erde erzählen. Wir leben in einer für die Geschichte unseres Planeten äußerst wichtigen Zeit. Wir beginnen aufzuwachen und uns unserer Beziehung zur Erde und aller ihrer Kreaturen bewußt zu werden. Die Zeit ist gekommen, um natürlich und harmonisch als bewußte Lebewesen auf der Erde zu leben, unser spirituelles Sein mit unserem physischen Selbst zu integrieren. Dieses Buch ist mein Beitrag dazu. Der zweite Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe, ist mein Bedürfnis, Ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen. Meine früheren Bücher (und auch Teile des vorliegenden) wurden von meiner höchsten kreativen Quelle empfangen und beschäftigen sich hauptsächlich damit, wie wir Menschen im Einklang mit einfachen universalen Prinzipien leben können. Oft geschieht es, daß Menschen, die meine Bücher gelesen haben, mich persönlich kennenlernen und ich feststellen muß, daß sie mich auf ein Podest gehoben haben und von mir erwarten, daß ich ein strahlendes, vollkommenes Lichtwesen bin. Es ist ein ziemlich großer Schock für sie, merken zu müssen, daß ich ein Menschenwesen bin wie jedes andere, darum kämpfend, meine spirituelle Weisheit mit meiner allzu menschlichen Persönlichkeit in Einklang zu bringen. In manchen Augenblicken bin ich völlig klar und lichterfüllt, in anderen wiederum voller
Gefühlskisten, und die meiste Zeit bewege ich mich irgendwo dazwischen. Auf einem Podest lebt man einsam. Ich teile meine Lebensgeschichte mit Ihnen, weil ich auch als Mensch erkannt werden will. Ich fühle mich verwundbar, wenn ich Ihnen von meinem Leben erzähle, weil ich mich damit der Möglichkeit aussetze, verurteilt und / oder mißverstanden zu werden. Und doch weiß ich auch, daß viele von Ihnen eine Beziehung zu dem herstellen werden, was ich mit Ihnen teilen will. Und da ich meine Geschichte nun einmal einfach erzählen muß, liegt sie nun hier vor Ihnen. Dieses Buch handelt von meiner eigenen Entdeckungsreise und meiner Rückkehr in den Garten meiner Seele und zu meiner Verbindung zur Erde. Und es handelt auch von der Möglichkeit, daß die ganze Menschheit in den Garten zurückkehrt, um auf natürliche und ausgewogene Weise auf der Erde zu leben. Ich wünsche mir, daß mein Abenteuer, meine Kämpfe, meine Frustrationen und Siege, mein Schmerz und meine Freude Ihnen vieles bietet, das Sie auf Ihrer Reise trösten und inspirieren kann. In Liebe Shakti 1 Erd - Reise Der Garten (Kleine Geschichte der Welt) Es war einmal ein Bewußtsein, das an einem Ort jenseits von Zeit und Raum in einem Zustand der Einheit und Glückseligkeit existierte. Dieses Bewußtsein erkannte, daß es auch die Zweiheit oder Dualität erfahren wollte. Auf diese Weise könnte es die Erregung erleben, sich in entgegengesetzte Polaritäten zu teilen, und die Ekstase, sich wieder zu vereinigen. So blieb das Urbewußtsein (das wir auch den Geist, Gott oder die Urquelle nennen können) einerseits eins, erschuf aus sich selbst heraus aber auch zwei entgegengesetzte Energien, die wir Yin und Yang nennen können oder weiblich und männlich, Dunkel und Licht, Geist und Form. Das Yang oder die männliche Kraft würde stets in Richtung Tat neigen, würde immer Individuation, Trennung, Unterschied herbeiführen. Das Yin oder die weibliche Kraft würde dagegen stets auf das Sein zustreben, auf die Verschmelzung, die Vereinigung, die Einheit. So wurde das Leben zum Tanz des beständigen Pulsierens zwischen diesen Energien. Und jedesmal, wenn männliche und weibliche Energien aufeinandertrafen, entstand eine neue Schöpfung. Dieser Tanz erschuf auch die körperliche Form. Die Neigung der männlichen Kraft zur Individuation erschuf eine feststoffliche physische Welt, in der jede Form sich deutlich von jeder anderen unterschied und von ihr getrennt war. Natürlich waren alle Formen aus derselben Urkraft erschaffen worden, und so zog die weibliche Kraft sie unentwegt in die Richtung der Erfahrung der energetischen Schwingungen ihrer Einheit. Das Yang drängte auf immerwährende Geburt neuer Formen, das Yin auf das Sterben der Form und das Aufgehen im ganzen. Die physische Welt, die dieser Tanz der Energien hervorbrachte, war erstaunlich. Da gab es einen riesigen Kosmos, angefüllt mit lodernden Sonnen und zahllosen Planeten. Ein kleiner Planet, der später unter dem Namen Erde bekannt werden sollte, war unglaublich reich und schön. Es war ein üppiger, magischer Garten mit riesigen, tiefen Meeren, dichten Dschungeln, grünen Wäldern und weißen Wüsten. Der Geist hatte aus sich selbst heraus viele wunderbare Formen von Pflanzen und anderen Lebewesen auf der Erde erschaffen. Die Yin - und Yangenergien begannen damit, zwei unterschiedliche Formen zu erschaffen - die männlichen und die weiblichen. Jede Form enthielt beide Energien, manifestierte im Außen aber mehr von den Qualitäten der einen als der anderen. Die männlichen Formen verliehen den aggressiveren, auswärts strebenden Energien ihren Ausdruck, die weiblichen dagegen den eher empfänglichen, inwärts gerichteten Kräften. Wo die beiden sich vereinten, entstand ein neues Wesen.
Es entwickelten sich alle möglichen neuen und interessanten Kreaturen. Manche der älteren Formen blieben ungeschlechtlich und eins, viele der neueren Typen dagegen trennten sich in männlich und weiblich. Der Garten gedieh und enthielt in seiner Üppigkeit Millionen von Pflanzenarten, Insekten, Fischen und anderen Tieren, die in einer Explosion der Kreativität alle miteinander im Gleichgewicht und in Harmonie lebten. Da entwickelte sich eine neue Lebewesenart, die man den Menschen nannte. Der Vertreter der männlichen Polarität wurde Mann genannt, die Vertreterin der weiblichen Polarität Frau. Insgesamt besaß ihre Art eine stärkere männliche Energie als jedes andere vorhergegangene Lebewesen, weshalb sie auch eine neue Eigenschaft entwickelten - einen rationalen Verstand, der alle möglichen Unterscheidungen und Trennungen vollziehen konnte. Eine Weile lang lebten Mann und Frau glücklich im Garten, in einem kindlichen Zustand der Unschuld und des Staunens. Spontan erlebten sie jeden Augenblick für sich, erfuhren das Leben in seiner ganzen Tiefe und Fülle und taten dies mit großem Gefühl. Sie liebten einander leidenschaftlich, denn einer erkannte im anderen einen Spiegel der Gegenpolarität, den er in sich trug. Der Mann wußte, daß er in seinem Inneren einen weiblichen Aspekt enthielt, und die Frau war sich des männlichen Aspekts ihrer selbst bewußt. Sie erkannten, daß sie Ausdruck der beiden Aspekte Gottes waren und erfreuten sich ihrer eigenen Schönheit und Macht. Sie verbrachten ihre Tage damit, mit den anderen Kreaturen im Garten zu frohlocken, einander zu lieben und etwas über die Existenz zu erfahren. Doch harrte ihrer ein seltsames Schicksal. Eines Tages suchte eine wunderschöne und weise Kreatur die Frau auf, man nannte sie die Schlange. Die Schlange teilte ihr mit, daß die Menschheit eine mächtige und einzigartige Bestimmung vor sich habe. Durch sie würde die Urquelle die äußersten Grenzen der männlichen Polarität erforschen - das Prinzip der Individuation und der Trennung. Die Schlange sagte, daß Geist sein männliches Prinzip des Handelns und der Individualität ebenso stark entwickeln müsse, wie es bereits sein weibliches Prinzip des Seins und der Einheit entwickelt hatte. Nur wenn Männlich und Weiblich gleich stark waren, konnte das Universum schließlich in einem Zustand endloser ekstatischer Vereinigung mit sich selbst Liebe machen. Die Schlange sagte, daß Mann und Frau ihr unschuldiges, entzückendes Leben im Garten zurücklassen müßten, um sich tiefer in die physische Welt hineinzuwagen. Sie müßten die physische Existenz in ihrer Gänze erforschen. Dazu müßten sie vorübergehend ihr spirituelles Selbst vergessen und sich in der materiellen Welt fast völlig verlieren und ausschließlich mit ihr beschäftigen. Schlange fuhr damit fort, daß die physische Ebene sich sehr viel wirklicher anfühlen würde als die geistige. Mann und Frau und ihre Nachkommen würden die Herren der materiellen Welt werden. Das Wissen und die Macht, die sie aus ihrer Erfahrung ziehen würden, würden schier unglaublich sein. Die Gefahr würde allerdings darin bestehen, daß sie schließlich eine Vernichtungsmacht erlangen würden, die ihrer schöpferischen Kraft, die sie bereits besaßen, ebenbürtig wäre, so daß sie die Fähigkeit besäßen, sich selbst und die gesamte physische Welt zu vernichten. Sollte es ihnen gelingen, ihre Herausforderungen erfolgreich zu meistern, würden das Wissen und die Reife, die sie daraus ziehen würden, unschätzbar sein. Sie würden zu voll integrierten, ausgewogenen spirituellen / körperlichen Wesen werden, zu Kanälen für die ganze schöpferische Kraft des Universums, die sie in die physische Welt eingeben würden. Sie würden das Leben im Garten auf Erden wiedererschaffen, schöner denn je. Sie würden in den Garten der Unschuld zurückkehren, der Liebe und des Staunens, doch diesmal mit der Weisheit der Erfahrung und mit der Macht, diesen Garten zu beschützen und für alle Zeiten für ihn zu sorgen. Schlange teilte Frau mit, daß diese Reise schwer und lang sein würde, eine große Herausforderung, daß ihr Lohn aber ebenso großartig sein könnte. Sie würden den Garten verlassen und ihren eigenen Weg finden müssen. Sie sagte, daß alle anderen Kreaturen auf der Erde ihnen dabei helfen würden, obwohl Mann und Frau sich daran nicht mehr erinnern würden. Dann wies sie auf einen Baum, der als Baum des Wissens bekannt war. Daran hingen wunderschöne, saftige Früchte, doch aus irgendeinem Grund hatte keiner von beiden jemals
davon gegessen. Schlange sagte Frau außerdem, daß sie Mann davon überzeugen müsse, etwas davon zu sich zu nehmen. Dann verschwand Schlange. Frau war niedergeschlagen, denn sie spürte intuitiv, was vor ihr lag. Doch sie wußte auch, daß sie dem Rat folgen mußte. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, Mann davon zu überzeugen, von der Frucht zu essen. Er liebte sie und vertraute ihr vollkommen, denn er wußte, daß sie die wahrhaftige Widerspiegelung der weiblichen Energie in seinem Inneren war, also aß er von der köstlichen Frucht, wie sie es vorschlug. Sofort verschob sich alles. Mann und Frau empfanden nicht mehr die Glückseligkeit und Geschütztheit des magischen Gartens. Plötzlich fühlte sich ihr Verstand sehr scharfsinnig an, und sie begannen damit, alles zu hinterfragen. »Wo bin ich? Warum bin ich hier?« Anstatt einfach nur in der Gegenwart zu leben, wurden sie sich äußerst deutlich der Vergangenheit und der Zukunft bewußt. »Wo war ich? Was soll ich als nächstes tun?« Alles begannen sie zu analysieren, und sie bemerkten alle möglichen Unterschiede und Trennungen. Obwohl ihre Umgebung die gleiche blieb, sahen sie alles mit veränderten Augen und empfanden auch alles anders. Ihre Welt schien dumpfer geworden zu sein, als würden ihre Sinnesorgane weniger lebhaft wahrnehmen. Nichts sah mehr ganz vollkommen aus. Sie fühlten sich verängstigt und allein. Am schlimmsten aber war, daß ihre Gefühle zueinander und zu sich selbst anders geworden waren. Sehr deutlich wurden sie sich ihrer selbst bewußt. Nun empfanden sie sich nicht mehr wie gottähnliche Wesen, vielmehr fühlten sie sich unvermögend und töricht. Anstatt einander als Aspekte ihrer selbst zu lieben und zu vertrauen, bemerkten sie ihre Unterschiede und wurden mißtrauisch. Als sie erst einmal erkannten, daß sie sich körperlich voneinander unterschieden, war ihnen ihre Nacktheit peinlich und so fertigten sie sich Kleider aus Blättern und legten sie an. Sie waren hungrig und machten sich Sorgen, wie sie überleben sollten, also gingen sie los, um Nahrung und Unterkunft zu suchen. Obwohl sie sich noch schwach an das Leben im Garten erinnerten, wurde das Bild immer blasser, als sie sich zunehmend damit beschäftigen mußten, in dieser neuen Wirklichkeit zu überleben. Sie vergaßen, daß sie Gottes Geist in physischer Gestalt waren, und sie begannen Gott für jemanden zu halten, der ganz weit von ihnen entfernt war und ihnen bei ihren Schwierigkeiten mal helfen mochte und mal nicht. So erschufen sie einige Rituale, die ihnen für einen Augenblick das glückselige Gefühl des Einseins mit Gott verschufen, doch die überwiegende Zeit fühlten sie sich einsam und im Abseits. Dennoch begann sie die Aufgabe, das Überleben in der physischen Welt zu lernen, immer mehr zu faszinieren. Sie lernten Früchte und Nüsse zu sammeln und Tiere zu jagen, um sich Nahrung zu verschaffen. Nachdem sie den Garten verlassen hatten, veränderte sich auch das Klima, und weil es oft sehr kalt war, entdeckten sie, wie sie Tierfelle zu Kleidern machen und in Höhlen Unterschlupf finden konnten. Mann und Frau begannen ihre Aufgaben aufzuteilen. Da Mann körperlich kräftiger war, ging er auf die Jagd, während Frau Nahrungsmittel sammelte, die Speisen zubereitete und sich um die Unterkunft kümmerte. Obwohl das Bewußtsein um ihre Unterschiede ihnen Unbehagen verursachte, bewirkte ihre Polarisierung doch andererseits, daß sie sich sehr zueinander hingezogen fühlten. Sie hatten vergessen, daß jeder in sich ein vollkommenes Ganzes war. Jeder hatte das Gefühl, daß der andere irgend etwas besaß, was ihm selbst fehlte, was er aber verzweifelt brauchte. Daß sie einander brauchten, ängstigte sie. Es gefiel ihnen nicht, daß einer soviel Macht über den anderen besaß, und so versuchten sie ihre Gefühle zu verbergen. Sie mißtrauten sich gegenseitig, und doch konnten sie nicht dagegen an, sich nach der Nähe des anderen zu sehnen. Die einzige Möglichkeit, diese Sehnsucht nacheinander auszudrücken, war die geschlechtliche Vereinigung. Beim Sex empfanden sie wieder jenes alte, vertraute ekstatische Gefühl, das sie während ihres Lebens im Garten unentwegt erfahren hatten. Doch dieses Gefühl verschwand schnell wieder, und so richteten sie ihre Aufmerksamkeit erneut auf das wichtige Problem des Überlebens.
Ein faszinierendes Ergebnis ihrer geschlechtlichen Erfahrungen aber war, daß sie Kinder zu bekommen begannen. Es war erstaunlich und aufregend zu entdecken, daß sie die Macht besaßen, gemeinsam neue Menschenwesen zu erschaffen, die ihnen glichen. Doch brachte dies auch neue Sorgen mit sich, weil sie nun noch mehr Münder satt bekommen und weitere Verpflichtungen übernehmen mußten. Ihre Kinder wurden groß und bekamen selbst Nachwuchs. Mann und Frau entdeckten, daß ihr physischer Körper sich veränderte - langsam begann er sich abzunutzen. Als ihr Körper langsamer und müder wurde und ihre erwachsenen Kinder den größten Teil der Arbeit übernahmen, hatten sie mehr Freizeit. Sie gingen im Wald spazieren und saßen beisammen, um dem Sonnenuntergang zuzusehen. Das weckte alte Erinnerungen an die Freuden ihrer gemeinsamen Zeit im Garten. Die Alltagssorgen schienen plötzlich nicht mehr so wichtig zu sein. Tatsächlich begannen sie eine ganze Reihe unwichtiger Einzelheiten zu vergessen, etwa die Namen all ihrer Kinder oder welches Jahr gerade war. Sie liebten es aber, mit ihren kleinen Enkeln zusammenzusein. In ihren unschuldigen jungen Gesichtern, in denen in jedem Augenblick spontanes Gefühl vorherrschte, erkannten Mann und Frau den Spiegel ihrer eigenen Seele, die sie schon lange vergessen hatten. Durch die Schönheit der Natur und das Spiegelbild ihrer Kindeskinder fanden sie zur reinen Essenz ihres Seins zurück und vereinten sich wieder mit ihr. Und bald verließen ihre Seelen ihre physische Form und gingen in eine andere Wirklichkeitsebene über. Die Enkel von Mann und Frau wuchsen auf und verloren ihre Unschuld, als auch sie sich den Sorgen und Herausforderungen der Welt stellen mußten. Mit jeder Generation war es das gleiche. Für eine kurze Zeit in ihrer frühesten Kindheit schien es, als würden sie noch im Garten leben und die Welt mit den frischen neuen Augen der Liebe und des Staunens und des Einsseins mit allem Leben betrachten. Doch dann machte sich jede Persönlichkeit daran, sich selbst als von den anderen getrenntes und einzigartiges Menschenwesen zu definieren und zu entdecken, wie sie in einer oft als unfreundlich und schwierig empfundenen Welt überleben und sich weiterentwickeln konnte. Viele Hunderte und Tausende von Generationen kamen und gingen, und trotz zahlloser Schwierigkeiten und Katastrophen entwickelte sich die Menschheit als Ganzes immer weiter, gedieh und breitete sich über die ganze Erde aus. Die Menschen lernten Nahrungsmittel anzubauen und entwickelten immer effizientere Ackerbaumethoden. Sie entdeckten immer bessere Möglichkeiten, Werkzeuge und Waffen herzustellen, um ihr eigenes Gebiet zu verteidigen oder das eines anderen zu erobern. Sie bauten immer größere und phantastischere Unterkünfte; bald waren einige von ihnen so riesig, daß sie größer waren als jeder Baum und Hunderte von Menschen beherbergen konnten! Genau wie Schlange es vorhergesagt hatte, wurden die Menschen nach vielen, vielen Jahrhunderten schließlich zu Herrschern der physischen Welt. Sie hatten eine raffinierte Technologie entwickelt, die alle möglichen erstaunlichen und scheinbar magischen Wunder vollbringen konnte. Sie konnten den Menschen von der Erde ins Weltall befördern und ihn (jedenfalls meistens) unversehrt zurückholen. Sie besaßen Schiffe, die in die Tiefen der Ozeane hinabtauchen und wieder in Sicherheit an die Oberfläche zurückkehren konnten (jedenfalls meistens). Ein Mensch, der sich auf einer Seite der Erde befand, konnte sich mit einem Menschen auf der anderen Erdseite einfach dadurch unterhalten, daß beide in ein kleines Gerät hineinsprachen, welches man Telefon nannte (es sei denn, es gab eine schlechte Verbindung). Die Menschen konnten reden oder Musik machen, und Millionen anderer auf der ganzen Welt konnten sie mit Hilfe eines Kastens namens Fernsehen sehen und hören. Und sie konnten in wenigen Minuten oder Stunden Hunderte oder Tausende von Kilometern zurücklegen, in seltsamen Kreaturen, die man Automobile nannte, ebenso in Flugzeugen, und alle diese Kreaturen soffen stark riechende Flüssigkeiten und spieen fauchend Dämpfe hervor. Wie Schlange es Frau versprochen hatte, halfen die Pflanzen, Tiere und die anderen Lebewesen auf der Erde der Menschheit bei ihrem Streben. Bestimmte Pflanzen - und Tierarten hatten sich
selbst sogar als Nahrung aufgeopfert, als Begleiter und Arbeiter im Dienst der menschlichen Rasse. Leider erkannten die meisten Menschen dies nicht und wußten es daher auch nicht zu schätzen. Vielmehr waren sie äußerst arrogant geworden, fast blind in ihrer Beziehung zur Erde und ihren anderen Lebewesen, und sie hielten sich allem und jedem auf der Erde überlegen. Sie hielten es für ihre Pflicht und ihr Recht, alles, was sie umgab, zu erobern und zu beherrschen. In ihrem Streben nach Herrschaft über das physische Universum hatten sie völlig den Kontakt zu zahlreichen der einfachen, natürlichen Gesetze der Erde verloren, die dafür sorgten, daß alles völlig harmonisch funktionierte. Die Folge davon war, daß die Systeme der Erde ernsthaft aus dem Gleichgewicht gerieten und die Lebensqualität der Menschen und aller anderen Lebewesen sich rasend verschlechterte. Die Menschheit hatte sich so sehr vermehrt, daß es einfach zu viele waren, um auf dem Planeten noch gemütlich leben zu können. Viele Menschen lebten in überfüllten Betondschungeln aus Gebäuden, die man Städte nannte, wo es zu den fürsorglichen, tröstenden Elementen der Natur nur noch wenig Kontakt gab. In diesen Dschungeln war das Leben mühevoll und oft gefährlich und gewalttätig. Luft und Nahrung waren vergiftet, so daß die Menschen sich sogar beim Atmen und Essen selbst vernichteten! Riesige Mengen irdischer Ressourcen - Land und Wasser auf der ganzen Welt - wurden dazu verwendet, um Futter für Schlachttiere anzubauen, die danach die reichsten Menschen in kleinen Gebieten der Welt ernährten. Diese Menschen vernichteten manchmal große Mengen Nahrungsmittel, um, wie sie sich ausdrückten, das wirtschaftliche Gleichgewicht aufrechtzuhalten. Gleichzeitig starben immer mehr arme Menschen in denselben Gebieten, und noch mehr in der restlichen Welt verhungerten! Schließlich waren riesige Gebiete der Erde verschmutzt. Viele Flüsse und Seen, ja sogar die riesigen Ozeane wurden von Chemikalien zerstört, die die Menschen routinemäßig für Ackerbau und Industrie herstellten. Zahlreiche Pflanzen - und Tierarten wurden durch die Aktivitäten des Menschen vernichtet. Viele andere großartige Kreaturen kamen der Ausrottung immer näher, als die menschliche Zivilisation sich achtlos in ehemals unberührte Gebiete ausdehnte. Sogar das Wetter auf der Erde veränderte sich dramatisch, die Experimente der Menschen auf der Erde und im All sowie die Vernichtung des tropischen Regenwalds hatten es stark beeinflußt. Schlanges Warnung entsprechend, hatte die menschliche Rasse tatsächlich die Macht der Vernichtung entwickelt. Nicht nur daß der Mensch die Erde durch seinen achtlosen Mangel an Einklang mit sich selbst und mit der Erde als Ganzes vernichtete, er machte sich auch daran, die schlimmsten, vernichtendsten Waffen zu entwickeln, die er sich nur ausdenken konnte, und er meisterte diese Aufgabe außerordentlich gut. Schließlich gab es Systeme, bei denen einige wenige Menschen nur ein paar Knöpfe zu drücken brauchten, um auf der Stelle soviel Energie freizusetzen, daß sie die gesamte Erde und alle Lebewesen darauf hätte vernichten können. Wie kleine Jungen, die mit ihren Weihnachtsgeschenken spielten, experimentierten die Menschen mit Einstiegsversionen dieser mächtigen Waffen und vernichteten viele andere, wobei sie selbst darüber ganz gehörig erschraken. Also legten sie die Waffen ins Regal, bauten aber nach wie vor immer größere und mächtigere von ihnen, die wiederum in den Regalen landeten. Sie liebten es, einander damit zu drohen und rechneten unentwegt aus, wer über die größte potentielle Vernichtungsgewalt verfügen mochte. Geistig und emotional befanden sich die Menschen in einem schlimmen Zustand. So wie Schlange es vorhergesagt hatte, waren die Menschen so tief in das Bewußtsein der physischen Ebene eingedrungen, daß sie sich in dieser Wirklichkeit verloren hatten. Sie hatten ihren Ursprung als göttliche, liebevolle, mächtige Geistwesen vergessen. Und weil sie sich von der Macht des Geistes gelöst hatten, waren sie in ihrem innersten Gefühlskern hilflos, verängstigt und einsam. Sie stürzten sich darauf, materielle Macht in der Welt zu erlangen, weil sie glaubten, sich damit sicherer zu fühlen. Viele von ihnen waren besessen von Geld, Erfolg, gesellschaftlichem Status und politischem Einfluß.
Weil die Menschen sich von der Fülle des Geistes abgetrennt hatten und sich leer und unbefriedigt fühlten, verloren sie sich in dem Versuch, in äußerlichen Dingen Erfüllung zu finden. So wurden sie süchtig nach Nahrung, Alkohol und anderen Drogen, nach Sex oder Zeitvertreiben, die ihnen vorübergehend ein Gefühl der Freude oder der Befriedigung vermitteln konnten. Weil sie die Beziehung zu ihrem eigenen, inneren Wesen und zur Welt der Natur um sich herum verloren hatten, hatten sie auch viel von ihrem intuitiven Verständnis davon eingebüßt, wie sie miteinander umgehen sollten. Und da viele Menschen emotional so unterernährt und aus dem Gleichgewicht geraten waren, fiel es ihnen außerordentlich schwer, ihre Kinder auf gesunde Weise aufzuziehen. Und auch die Umwelt, die sie erschaffen hatten, war nicht sonderlich dazu geeignet, Kinder wirklich förderlich aufzuziehen. Viele junge Menschen fanden keine Erfüllung für ihre emotionalen Bedürfnisse und wuchsen verängstigt, niedergeschlagen, zornig, frustriert oder gefühlstaub auf. Sie wiederum gaben diese Qualitäten an ihre eigenen Kinder weiter. Im Laufe der Zeitalter hatte es immer einige wenige Menschen gegeben, die ihre Verbindung zum Geist aufrechterhalten hatten und das Ungleichgewicht in der Welt erkannten. Einige von ihnen hatten versucht, dieses Bewußtsein an andere weiterzugeben; dies geschah auf verschiedene Weise und mit unterschiedlichem Erfolg. Da die Lage immer ernster wurde, wurden sich immer mehr Menschen der Probleme bewußt und suchten nach Lösungen. Viele wähnten die Wahrheit in den schöpferischen Künsten. Manche erforschten die Psychologie, um sich selbst und andere emotional zu heilen. Wiederum andere engagierten sich auf politischem und ökologischem Gebiet. Und manche, die nach spirituellen Antworten suchten, wandten sich den uralten Lehren zu, interpretierten sie im modernen Geist aufs neue und teilten sie anderen mit. Viele dieser Wahrheitssucher stellten fest, daß ihr Leben sich zum Besseren wendete. Ihre spirituellen Praktiken halfen ihnen dabei, sich immer mehr mit ihrer eigenen Urquelle zu verbinden, und sie begannen die Macht Gottes zu spüren, wie sie sie durchströmte und einige ihrer persönlichen und der Weltprobleme heilte. Manchmal beobachteten sie wunderbare Dinge, die durch diese kreative Macht, für die sie den Kanal darstellten, geschahen. Ihre psychologische Arbeit half ihnen dabei, viele der alten Irrtümer und Gefühlsmuster aus dem Weg zu räumen, die seit Generationen weitergereicht worden waren. Jene, die den Mut besaßen, sich ihren größten Ängsten und Schmerzen zu stellen, durchschritten ihre tiefste Finsternis und fanden zum Licht. Sie begannen wieder damit, sich selbst und andere zu lieben und zu akzeptieren. Sie lernten, ihre menschlichen Gefühle zu akzeptieren und zu genießen und auf ehrlichere Weise miteinander zu kommunizieren. Das verhalf ihnen zu größerer Nähe und Intimität, die sie in ihren Beziehungen so dringend brauchten. Manche Männer begannen zu begreifen, daß die Frauen in ihrem Leben die weibliche Energie in ihrem eigenen Inneren widerspiegelten, während manche Frauen zu erkennen begannen, daß die Männer in ihrem Leben die Widerspiegelung ihrer eigenen inneren, männlichen Energien waren. All dies half ihnen dabei, einander mehr zu schätzen. Als sie größeres Vertrauen in ihre eigene Ganzheit entwickelten, fühlten sie sich auch weniger machtlos und fürchteten sich nicht mehr so sehr voreinander. Sie begannen sich mit der gewaltigen Anziehung, die sie für einander empfanden, stärker anzufreunden, erkannten darin den natürlichen Tanz zwischen den weiblichen und männlichen Polaritäten des Universums. Nachdem sie sich mit sich selbst und anderen erst einmal wohler fühlten, waren sie auch dazu in der Lage, die Kinder, die sie zeugten und gebaren, mehr zu lieben und zu hegen. Sie fingen an, in ihren Kindern die unschuldige, spontane Essenz dessen wiederzuerkennen, zu dem sie den Kontakt verloren hatten, und sie gestatteten es ihren Kindern, sie zu lehren, wie sie sich mit ihrem inneren Selbst wiedervereinen konnten. Umgekehrt waren sie endlich dazu in der Lage, ihren Kindern ein Beispiel dafür zu geben, wie man in der physischen Welt effizient und glücklich leben konnte. Die neuen Wesen, die in
Körper hineingeboren wurden, denen es nunmehr erspart blieb, erst den Schmerz durchzumachen, zu vergessen, wer sie waren, und die sich nach ihrer Geburt entsprechend verirrt fühlten und die statt dessen von ihrer Zeugung und Geburt an als spirituelle Wesen angesehen wurden, wurden dazu ermutigt, ihre eigene Wahrheit zu leben und zu manifestieren. Sie waren offen und klar, Kanäle einer gewaltigen schöpferischen Kraft, und viele von ihnen schienen ihren Lebenszweck bereits im jungen Alter zu kennen und ihm nachzueifern. Die Wahrheitssucher versuchten einige der politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme zu lösen, die sie umgaben. Ein paar von ihnen wurden sogar in politische Ämter gewählt oder ernannt. Andere schrieben Bücher und Artikel oder schufen Kinofilme oder Fernsehprogramme, mit denen sie die Menschen aufwecken wollten. Viele arbeiteten einfach nur hart daran, die Einzelprobleme ihrer jeweiligen Gemeinschaften zu lösen. In einigen Fällen erzielten sie wunderbare Fortschritte, in anderen war das Ergebnis entmutigend. Die Zahl der Wahrheitssucher war klein, wenngleich sie ständig wuchs, doch für die meisten Menschen auf der Erde verschlimmerten sich die Lebensbedingungen. Gewalt und Wahnsinn unter ihnen wuchsen immer mehr an. Die meisten politischen Führer versuchten immer noch, alles so zu machen wie früher, darin die Massen wiederspiegelnd. Umweltverschmutzung und Zerstörung überall - die Erde selbst war zornig geworden und demonstrierte ihr Verlangen nach Respekt durch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutkatastrophen, Klimaveränderungen und andere Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung standen. Die Seelen vieler Menschen und anderer Lebewesen, die das Ausmaß der Transformation erkannten, die nun gefordert war, und die sich nicht die ganze Mühe machen wollten, zogen es vor, den Übergang namens Tod zu wählen, und verließen ihre physischen Körper. Sie schritten weiter, um für eine Weile eine andere Existenzebene zu erfahren, und einige von ihnen dachten, daß sie möglicherweise eines Tages in diese physische Wirklichkeit zurückkehren würden, wenn es dort etwas einfacher oder angenehmer sein würde. Jene, die zurückblieben, waren, ob sie sich dessen bewußt waren oder nicht, entschiedene Abenteurertypen, die an den dramatischen Veränderungen, die nun stattfanden, teilhaben wollten. Während die Außenbedingungen immer finsterer wurden, gab es zunehmend Menschen, die ins Innen getrieben wurden und dort nach etwas Licht suchten. Sie wurden aus ihrem tauben Zustand des Leugnens gerissen und begannen damit, sich ihrer eigenen Angst und ihrem Schmerz zu stellen. Immer mehr von ihnen wurden zu Wahrheitssuchern. Die neuen Lehren verbreiteten sich durch Vortragende, Bücher, Filme und sogar durch das Fernsehen (jener Bastion der alten Wirklichkeit). Überall auf der Erde begannen die Menschen sich zu kleinen Gruppen zusammenzufinden, um ihre Befürchtungen und Probleme auszutauschen und sich gegenseitig Unterstützung und Inspiration zu geben. Sie begriffen, daß keiner von ihnen ihre Schwierigkeiten allein lösen konnte - sie bedurften der gegenseitigen Hilfe und Liebe. Aus diesen Zusammenkünften bildeten sich nach und nach neue Stämme aus Menschen, die ihre spirituelle Verbindung miteinander und ihre gemeinsame Mission erkannten. Die verschiedenen Stämme arbeiteten auf unterschiedliche Weise, doch hatten sie alle ein ähnliches Ziel - Gott zu dienen, indem sie sich selbst und den Planeten retteten. Einige dieser Stämme von Wahrheitssuchern fühlten sich von bestimmten, mächtigen Orten der Erde angezogen. Sie wanderten aus und ließen sich an diesen besonderen Kraftorten nieder. Hier erkannten sie die Erde wieder - als ihre Mutter und größte Lehrerin. Sie widmeten ihr ihr Leben und baten sie um Führung bei der Aufgabe, zu lernen, wie sie natürlich, in Wahrhaftigkeit und Harmonie leben könnten. Und so schloß die Menschheit, die ihre Bestimmung, nämlich die Polarität der männlichen Energie ins Extrem der Individuation und Trennung zu führen, erfüllt hatte, den Kreis aufs neue. Einmal mehr kehrten die Menschen zu der Macht des weiblichen Prinzips zurück und verbanden sich mit ihm. Die Erde gab Antwort, wie es jede liebende Mutter mit ihren Kindern getan hätte, sie umarmte
die Menschen mit einem Überfluß an Fürsorge, Liebe und Weisheit. Sie begann auf vielerlei Weise zu ihnen zu sprechen und ihnen alles beizubringen, was sie wissen mußten. Sie fingen an, Rituale der Meditation zu praktizieren, zu singen und zu tanzen, um sich mit der Erde in Einklang zu bringen. Mit ihrer Hilfe stellten sie wieder die Verbindung zu dem uralten Wissen her, das in ihren Seelen verborgen gewesen war. Schritt um Schritt lehrte die Erde sie, natürlich und ausgewogen zu leben. So fanden sie Heilung für den Körper, die Gefühle, den Intellekt und den Geist. Sie lebten in immer größerer Ehrlichkeit und Annahme ihrer selbst und anderer. Sie bauten natürliche Nahrung an, die sie auf eine Weise ernährte, wie sie den Naturgesetzen der Erde entsprach. Sie bauten Unterkünfte, die zugleich bequem und schön waren und sich harmonisch in ihre Umgebung einfügten. Sie erschufen Schulen, die zu besuchen ihren Kindern Spaß bereitete und aufregend war, und sie brachten ihnen alles bei, was sie über das Leben wissen mußten. Sie reformierten kommunale politische Systeme und wählten Vertreter, die ihre Werte vertraten. Sie engagierten sich bei der Lösung kommunaler ökologischer Probleme, während sie zugleich daran arbeiteten, auch auf globalere Fragen Einfluß zu nehmen. Sie errichteten auch Heilungs- und Lehrzentren. Viele Menschen kamen aus der ganzen Welt herbei, um persönliche Heilung auf allen Ebenen zu empfangen und alle Aspekte dieser neuen Lebensart kennenzulernen. Meist kamen sie für eine bestimmte Zeit, durchliefen eine große persönliche Wandlung und kehrten danach nach Hause zurück, um dort wiederum andere zu lehren und zu heilen. Auf diese Weise breitete sich die neue Lebensart von den Kraftorten in viele Gegenden der Erde aus. Manche Menschen, die um Heilung kamen, waren in der alten Welt sehr mächtig. Einige von ihnen besaßen großen Einfluß in den Medien, und nachdem sie erst einmal erkannt hatten, daß die Transformation möglich war, begannen sie die Botschaft in aller Welt zu verbreiten. Sie schufen einige populäre Fernsehprogramme, die die Botschaft auf interessante und unterhaltsame Weise übermittelten, und da Millionen von Menschen in das globale Netzwerk des Fernsehens eingeschaltet waren, verbreitete sich die Vision von einer neuen Lebensweise überall. Neue politische Führer wurden gewählt, die sich für ihre eigene persönliche Transformation und für die Erschaffung einer neuen Welt engagierten. Unter der Anleitung der Höchsten Macht und mit Unterstützung all der Menschen und Lebewesen der Erde gelang es ihnen, die alten Institutionen aufzulösen oder umzuwandeln, die nicht mehr funktionierten, um neue zu erschaffen, die auf effiziente Weise für das allerhöchste Gut arbeiteten. Die Menschen hörten auf, die Erde zu verschmutzen und zu zerstören. Sie lernten, in Ausgewogenheit und Liebe auf ihr zu leben. Nach und nach begann die Erde wieder zu gedeihen und wurde schöner als je zuvor. Die Menschen lebten spontan, fanden in jedem Augenblick die Freude und Erfüllung der Entwicklung, des Wandels und des Lebendigseins. Sie fühlten sich als Teil des Großen Geists, der alles Leben und alle Existenz vereinte. Zugleich wußten sie ihre individuellen Unterschiede zu schätzen und liebten sich selbst einschließlich ihrer menschlichen Bedingtheiten. Sie betrachteten die Welt mit der unschuldigen Frische eines jeden Augenblicks, und doch hatten sie ihren früheren Schmerz nicht vergessen. Ihre Erfahrung verlieh ihnen die Weisheit und die Kraft, für sich selbst und für die Erde zu sorgen und sie zu schützen. Männer und Frauen liebten einander leidenschaftlich und hatten keine Angst davor, die Intensität ihrer Liebe zu spüren. Sie schauten die Schönheit und die Macht des ganzen Universums im Spiegel des anderen und in ihren Kindern. Sie lebten in Harmonie mit der Erde, mit allen Lebewesen der Erde und mit allen Rhythmen der Natur. Die Menschheit war in den Garten zurückgekehrt. Von der Erde lernen Die Erde ist unsere Mutter. Sie war die nährende, fürsorgliche Mutter, die sich um ihre Kinder kümmert und ihnen alles gibt, dessen sie bedürfen. Als ihre Babys zu kleinen Kindern wurden, lehnte sie sich geduldig zurück und erlaubte es uns, auf eigene Faust Dinge zu erforschen und zu
lernen. Sie gestattete es uns, unsere Fehler zu machen, auch wenn sie ihr wehtaten, denn sie wußte, daß wir nur auf diese Weise lernen und uns weiterentwickeln konnten. Und sie war stets da, wenn wir sie brauchten, wie eine Mutter, deren Kind davon torkelt, um die Welt zu erforschen, um schließlich wieder auf ihren Schoß zugerannt zu kommen, wenn es Trost und Zuspruch braucht. Inzwischen werden wir erwachsen. Es wird Zeit, daß wir die Verantwortung für unser eigenes Verhalten übernehmen. Wiewohl die Erde uns immer noch genauso liebt wie früher, wird ihr Ton doch wesentlich strenger, weil sie weiß, daß das zu unserem wie zu ihrem Besten ist. Sie kann es nicht zulassen, daß wir weiterhin achtlos Fehler begehen, ohne sie wieder gut zu machen. Wir können nicht mehr in kindischer Egozentrizität leben, ohne uns um die anderen Lebewesen zu kümmern, die uns umgeben. Die Erde wird zu einer strengeren Mutter. So wie jedes Kind seine Grenzen kennenlernen muß, um zu erfahren, wie es auf dieser Welt mit Respekt für andere leben kann, macht die Erde uns jetzt klar, wo ihre persönlichen Grenzen liegen, und sie besteht darauf, daß wir sie respektieren. Als unsere Mutter ist die Erde zugleich unsere beste Lehrerin. Wenn wir aufpassen, können wir von ihr alles lernen, was wir wissen müssen, um auf der physischen Ebene zu leben. Jeden Tag zeigt sie uns auf jede nur erdenkliche Weise ihre natürlichen Rhythmen und Zyklen, alle Naturgesetze des Lebens. Ihre anderen Kinder, unsere älteren Brüder und Schwestern - die Pflanzen und Tiere - sind ebenfalls wichtige Lehrer für uns. Sie leben bereits im Einklang mit Mutter Erde. Indem wir ihrem Beispiel folgen, können wir zugleich viel über uns selbst erfahren. Manche unserer anderen älteren Verwandten, viele der Völker früherer Zeiten, hatten ihre Rolle als Teil der großen Erdfamilie ebenfalls begriffen. Wir können sehr viel lernen, indem wir ihre Lebensweise studieren und jene Ideen und Praktiken aufnehmen, die uns helfen können. Nicht daß wir in die Vergangenheit zurückkehren müßten oder könnten, doch war und ist in ihrer Lebensweise immer noch viel Weisheit, die wir mit unserem gewaltigen, hochentwickelten Wissen verloren haben. Wir müssen diese inwendige Weisheit wiederentdecken und unser technisches Wissen nicht dazu benutzen, die Erde zu vernichten, sondern sie vielmehr zu verschönern und zu schützen. Es soll nun ein wunderschönes Beispiel für das große Wissen der Vergangenheit folgen. Es ist ein Brief, der Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts vom Häuptling Seattle vom Stamm der Suwamish im heutigen Staat Washington an den Präsidenten Franklin Pierce der Vereinigten Staaten als Antwort auf ein Angebot geschrieben wurde, ein großes Indianergebiet abzutreten und dafür ein Reservat zu erhalten. Wie wollt ihr den Himmel kaufen oder verkaufen und die Wärme des Landes? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Funkeln des Wassers nicht besitzen, wie könnt ihr sie da kaufen? Jeder Teil der Erde ist meinem Volk heilig. Jede schimmernde Föhrennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung und jedes summende Insekt ist der Erinnerung und Erfahrung meines Volks heilig. Der Saft, der durch die Bäume strömt, trägt die Erinnerungen des Roten Mannes mit sich. Die Toten des Weißen Mannes vergessen das Land ihrer Geburt, wenn sie losziehen, um unter den Sternen zu wandeln. Unsere Toten vergessen diese schöne Erde nicht, denn sie ist die Mutter des Roten Mannes. Wir sind Teil der Erde und sie ist Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern; der Hirsch, das Pferd, der große Adler, diese sind unsere Brüder. Die felsigen Gipfel, die Säfte in den Weiden, die Körperhitze des Ponys, der Mensch - alle gehören sie zur selben Familie. Wenn also der Große Häuptling in Washington uns Nachricht schickt, daß er unser Land zu kaufen wünscht, verlangt er viel von uns. Der Große Häuptling schickt uns Nachricht, daß er uns
einen Ort zuweisen will, an dem wir bequem für uns leben können. Er wird unser Vater sein und wir seine Kinder. Deswegen werden wir euer Angebot überdenken, unser Land zu kaufen. Doch es wird nicht leicht sein. Denn dieses Land ist uns heilig. Das glänzende Wasser, das sich in den Bächen und Flüssen bewegt, ist kein einfaches Wasser, es ist das Blut unserer Ahnen. Wenn wir unser Land verkaufen, müßt ihr euch daran erinnern, daß es heilig ist, und ihr müßt eure Kinder lehren, daß es heilig ist und daß jedes gespenstische Spiegelbild im klaren Wasser der Seen von den Ereignissen und Erinnerungen im Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimme meines Vatersvaters. Die Flüsse sind unsere Brüder, sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und ernähren unsere Kinder. Wenn wir unser Land verkaufen, müßt ihr euch daran erinnern und eure Kinder lehren, daß die Flüsse unsere Brüder sind und eure, und ihr müßt fortan den Flüssen die Güte gewähren, die ihr jedem Bruder gewähren würdet. Wir wissen, daß der Weiße Mann unsere Sitten nicht versteht. Für ihn ist ein Teil des Landes das gleiche wie der nächste, denn er ist ein Fremder, der in der Nacht kommt und vom Land nimmt, was er braucht. Die Erde ist nicht sein Bruder, sondern sein Feind, und wenn er sie besiegt hat, zieht er weiter. Er läßt das Grab seines Vaters zurück, und es kümmert ihn nicht. Er entführt die Erde von seinen Kindern, und es kümmert ihn nicht. Das Grab seines Vaters und das Geburtsrecht seiner Kinder werden vergessen. Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge, die man kaufen, plündern, verkaufen kann wie Schafe oder bunte Perlen. Ich weiß es nicht. Unsere Sitten sind anders als eure Sitten. Der Anblick eurer Städte bereitet dem Auge des Roten Mannes Schmerzen. Doch das liegt vielleicht daran, daß der Rote Mann ein Wilder ist und nichts versteht. In den Städten des Weißen Mannes gibt es keinen ruhigen Ort. Keinen Ort, um das Entrollen des Laubs im Frühling zu vernehmen oder das Rascheln eines Insektenflügels. Doch das liegt vielleicht daran, daß ich ein Wilder bin und nichts verstehe. Das Geklapper scheint nur die Ohren zu beleidigen. Und was ist das Leben wert, wenn ein Mensch den einsamen Ruf der Trauerweide oder das Gezänk der Frösche um den nächtlichen See nicht mehr hören kann? Ich bin ein Roter Mann und verstehe nicht. Der Indianer zieht das sanfte Geräusch des Windes vor, wie er pfeilschnell über das Antlitz eines Sees huscht, und den Geruch des Windes selbst, vom Mittagsregen gereinigt oder von der Pinonföhre duftig gemacht. Die Luft ist dem Roten Mann kostbar, denn alle Dinge teilen denselben Atem - das Tier, der Baum, der Mensch, alle teilen sie denselben Atem. Der Weiße Mann scheint die Luft nicht zu bemerken, die er atmet. Wie ein Mensch, der über viele Tage hinweg stirbt, bemerkt er den Gestank nicht mehr. Doch wenn wir unser Land verkaufen, müßt ihr euch daran erinnern, daß die Luft uns kostbar ist, daß die Luft ihren Geist mit allem Leben teilt, das sie ernährt. Der Wind, der unserem Großvater seinen ersten Atemzug bescherte, nimmt auch seinen letzten Seufzer auf. Und wenn wir unser Land verkaufen, müßt ihr es getrennt und heilig halten, als einen Ort, an den selbst der Weiße Mann sich begeben kann, um den Wind zu schmecken, der von den Blumen der Weiden lieblich gemacht wurde. Also werden wir über euer Angebot nachdenken, unser Land zu kaufen. Wenn wir uns dazu entschließen, es anzunehmen, werde ich allerdings eine Bedingung stellen: Der Weiße Mann muß die Tiere dieses Landes als seine Brüder behandeln. Ich bin ein Wilder und verstehe keinen anderen Weg. Was ist der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere verschwunden, der Mensch würde an großer Einsamkeit des Geistes sterben. Denn was immer den Tieren geschieht, geschieht auch bald dem Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Ihr müßt eure Kinder lehren, daß die Erde unter ihren Füßen die Asche eurer Großväter ist. Damit sie das Land respektieren, sagt euren Kindern, daß die Erde reich vom
Leben unserer Verwandten ist. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder gelehrt haben, daß die Erde unsere Mutter ist. Was der Erde widerfährt, widerfährt auch den Söhnen der Erde. Wenn die Menschen auf den Boden spucken, spucken sie sich selbst an. Ich habe tausend Büffel gesehen, wie sie auf der Prärie verfaulten, von dem Weißen Mann zurückgelassen, der sie aus einem vorüberfahrenden Zug niederschoß. Ich bin ein Wilder und verstehe nicht, weshalb das dampfende Eisenpferd wichtiger sein kann als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben. Eines wissen wir: Die Erde gehört nicht dem Menschen; der Mensch gehört der Erde. Das wissen wir. Alle Dinge sind miteinander verbunden wie das Blut, das eine Familie vereint. Alle Dinge sind verbunden. Was immer der Erde zustößt, stößt auch den Söhnen der Erde zu. Der Mensch hat das Netz des Lebens nicht gewoben; er ist nur ein Faden darin. Was er dem Netz antut, tut er sich selbst an. Selbst der Weiße Mann, dessen Gott mit ihm geht und zu ihm spricht von Freund zu Freund, kann nicht vom allgemeinen Schicksal verschont bleiben. Vielleicht sind wir doch Brüder. Wir werden sehen. Eins wissen wir, was der Weiße Mann eines Tages vielleicht entdecken wird - unser Gott ist derselbe Gott. Ihr mögt jetzt denken, daß ihr ihn besitzt, wie ihr unser Land zu besitzen wünscht; aber das könnt ihr nicht. Er ist der Gott des Menschen, und sein Mitleid ist gleich groß für den Roten Mann wie für den Weißen. Die Erde ist ihm kostbar, und der Erde Schaden zuzufügen, bedeutet, ihren Schöpfer mit Schmach zu überhäufen. Auch die Weißen werden vergehen; vielleicht früher als alle anderen Stämme. Beschmutze dein Bett, dann wirst du eines Tages in deinem eigenen Abfall ersticken. Doch in deinem Sterben wirst du hell leuchten, angefeuert von der Kraft des Gottes, der euch in dieses Land brachte und euch zu irgendeinem besonderen Zweck die Herrschaft über dieses Land und über den Roten Mann bescherte. Dieser Zweck ist uns ein Geheimnis, denn wir verstehen nicht, was geschehen wird, wenn die Büffel alle abgeschlachtet und die Pferde alle gezähmt sind, wenn die geheimen Stellen des Waldes schwergeworden sind vom Duft vieler Menschen, und wenn der Anblick reifer Hügel von sprechenden Drähten ausgelöscht wird. Wo ist das Dickicht? Verschwunden. Wo ist der Adler? Verschwunden. Das Ende des Lebens und der Anfang des Überlebens. Wenn einst der letzte Rote Mann zusammen mit seiner Wildnis verschwunden und seine Erinnerung nur noch der Schatten einer Wolke ist, die über die Prärie zieht, werden diese Strande und Wälder dann noch hier sein? Wird vom Geist meines Volkes noch etwas übrigbleiben? Wir lieben diese Erde wie ein Neugeborenes den Herzschlag seiner Mutter liebt. Wenn wir unser Land also verkaufen, so liebt Ihr es, wie wir es geliebt haben. Sorgt dafür, wie wir dafür gesorgt haben. Behaltet das Land so in eurer Erinnerung, wie es ist, wenn ihr es erhaltet. Erhaltet das Land für alle Kinder und liebt es, wie Gott uns alle liebt. So wie wir Teil des Landes sind, so seid auch ihr Teil des Landes. Diese Erde ist uns kostbar. Eins wissen wir: Es gibt nur einen Gott. Kein Mensch, ob er ein Roter Mann oder ein Weißer Mann ist, kann getrennt für sich sein. Wir sind schließlich doch Brüder. Wendepunkt Wir haben einen entscheidenden Punkt in der Geschichte der Welt erreicht. Wir Menschen haben eine natürliche Neigung zum Forschen und zum Abenteuer, dazu, unentwegt in die weitesten
Weiten des Unbekannten hinauszustreben. Ich sehe dies als Ausdruck des männlichen Prinzips im Universum - eine aggressive Bewegung aus dem bekannten Zentrum hinaus, um sowohl physisch als auch geistig neue Gebiete zu entdecken und zu erobern. Dieser Forschungs- und Schaffensdrang hat uns gute Dienste geleistet. Durch ihn haben wir ganz neue Welten entdeckt. Wir haben eine Technologie entwickelt, die so wunderbar scheint, daß sie uns ins Reich der Götter hebt. Wir haben außerordentliche Macht entwickelt und freigesetzt. All das war notwendig und wichtig. Ich glaube, daß unsere Mission darin bestand, das männliche Prinzip des Handelns und der Individuation ins größtmögliche Extrem zu treiben, es voll und ganz zu bemächtigen, damit es mit dem mächtigen weiblichen Prinzip des Seins und Verschmelzens verwachsen und ihm ein Gegengewicht sein konnte. Um dies zu tun, mußten wir die Polarität erleben, die das genaue Gegenteil unseres Gefühls der Einheit ist. Wir mußten uns abgetrennt und einsam fühlen, wir mußten unseren eigenen Weg finden, um unseren Sinn für Macht weiterzuentwickeln. Wir mußten es ins Extrem treiben, weit über jedes Gleichgewicht hinaus. Indem wir uns so weit von unserer eigenen Mitte entfernten, haben wir den Kontakt zu dieser Mitte fast völlig verloren, den Kontakt zu unserem spirituellen Ursprung und unserer Urquelle. In unsere männliche Aufgabe verstrickt, haben wir den Kontakt zur Macht des weiblichen Prinzips verloren. Unsere Welt hat sich auf die Ziele der Prioritäten unserer männlichen Energien konzentriert, ohne daß unsere weiblichen Prioritäten das ganze ausgewogen hätten. Ich halte das nicht für eine schlimme Sache oder einen riesigen Fehler, sondern vielmehr für einen notwendigen Schritt in unserer Evolution. Aus metaphysischer Sicht betrachtet, mußte es so geschehen. Nun haben wir allerdings einen Wendepunkt erreicht. Wenn wir weiterhin in dieselbe Richtung schreiten, geraten wir zu sehr aus dem Gleichgewicht. Das universale System muß sich selbst wiederherstellen, und das wird es ganz natürlich durch unsere Selbstvernichtung und möglicherweise durch die Vernichtung unseres gesamten Planeten tun. Meiner Überzeugung nach hat sich das Pendel bereits gewendet und schwingt nun in die entgegengesetzte Richtung. Die Macht des weiblichen Prinzips, verkörpert in der Erde selbst, ist bereits wieder im Aufschwung. Die Göttin verlangt nach unserem Respekt und unserer Hilfe, und sie wird es weiterhin tun. Das bedeutet nicht, daß wir die weiblichen Energien und Werte über die männlichen stellen müssen. Die Zeit ist gekommen, um in der physischen Welt Gleichheit und Ausgewogenheit herzustellen. Wir müssen die Macht der weiblichen und der männlichen Aspekte in unserem Inneren und in der uns umgebenden Welt ehren lernen. Das können wir bewältigen, indem wir lernen, die intuitive weibliche Kraft in unserem Innern zu spüren und ihr zu vertrauen, um sie in der physischen Welt durch unsere männliche Tatkraft zu unterstützen. Wenn wir damit beginnen, uns darin zu üben, unserer Intuition zu lauschen und ihr im Tun zu folgen, wenn wir dies jeden Augenblick in allen Aspekten unseres Alltagslebens verwirklichen, werden wir die weibliche und die männliche Seite unseres Wesens zur Integration und zur Anpassung führen. Und je mehr einzelne Menschen auf diese Weise leben, um so eher bringen wir die Welt wieder ins Gleichgewicht. Immer mehr Menschen fangen an, sich nach innen zu wenden und nach dem zu suchen, was bei unserer Beschäftigung mit dem Fortschritt im Außen verlorengegangen ist. Manche studieren die alten Lehren und Praktiken, um auf diese Weise die spirituellen Werkzeuge wiederzuentdecken, derer wir nun bedürfen. Andere befassen sich mit der modernen Wissenschaft der Psychologie und lernen, wie man auf natürliche und gesunde Weise lebt. Vielen werden die äußerst ernsten Probleme bewußt, die wir in unserer Weltökologie geschaffen haben, und sie befassen sich damit, praktikable Lösungen dafür zu finden. Und doch bewegt sich das Bewußtsein der Masse noch immer mit großer Schubkraft in die alte Richtung. Jeder von uns ist Teil dieses Massenbewußtseins. Es wird Zeit, daß jeder von uns, der nun wach und bewußt geworden ist, sich unserer eigenen physischen, emotionalen, geistigen und seelischen Heilung entschieden widmet und damit auch der Heilung unseres Planeten.
Dem Schatten ins Antlitz blicken Einer der wichtigsten Aspekte bei der Heilung unserer selbst und der Erde ist unsere Bereitschaft, uns unserem Schatten zu stellen - jenen Gefühlen und Teilen unserer selbst, die wir abgelehnt, unterdrückt oder verleugnet haben. Unsere Gesellschaft besitzt mächtige Verbote, die sich gegen ein Übermaß an Fühlen richten. Wir fürchten uns davor, zuviel Furcht zu empfinden, zuviel Schmerz, Trauer oder Zorn, und oft fürchten wir uns auch vor zuviel Liebe, Leidenschaft oder Freude! Und ganz eindeutig haben wir auch Angst vor unserer natürlichen Sinnlichkeit und Sexualität. Als Kinder lernen wir, diese unakzeptablen Gefühle und Teile unserer selbst abzulehnen und zu unterdrücken. Die meisten von uns werden entweder dazu angehalten, unsere empfindlichen, verwundbaren Gefühle zu unterdrücken und stark und mächtig zu werden, oder unsere Macht und unsere Aggressionen zu unterdrücken, um statt dessen sanft und verwundbar zu werden. Oder wir unterdrücken sowohl die Verwundbarkeit als auch die Macht (wie natürlich auch die Sexualität) und werden zu netten, harmlosen Menschen der Mitte. In jedem Fall verlieren wir dabei nicht nur wichtige Teile unserer Persönlichkeit, sondern auch eine gewaltige Menge unserer Lebenskraft. Jene Gefühle und Teile unserer selbst, die wir unterdrückt haben, verschwinden nicht einfach nur, weil wir sie nicht haben wollen. Es sind notwendige Teile unserer selbst, Teile, die wir tatsächlich zu unserem Überleben brauchen. Wenn sie sich nicht auf natürliche Weise ausdrücken dürfen, gehen sie in den Untergrund und gären in unserem Inneren, erzeugen Dampfdruck und verlangen schließlich nach Freisetzung. Finden wir keine Möglichkeiten, ihnen zum Ausdruck zu verhelfen, beginnen sie auf verzerrte Weise herauszusickern, oder sie führen uns in Lebenssituationen, die ihnen eine Möglichkeit bieten, hervorzutreten. Wenn Sie beispielsweise Ihre eigene Macht unterdrückt haben, wird sich in Ihrem Inneren der Zorn aufstauen. Und wenn Sie keine Möglichkeit finden. Ihren Zorn auf direkte, konstruktive Weise auszuleben, wird er als indirekte, verborgene Feindseligkeit hervorsickern oder sich schließlich als explosiver Wut - oder Gewaltausbruch Luft verschaffen. Da kann es durchaus geschehen, daß Sie sich von zornigen Menschen angezogen fühlen, um unbewußt die Möglichkeit zu schaffen, Ihren eigenen Zorn auszulösen. Wenn die Versuche, einen Ausdruck dafür zu finden, versagen oder abgeblockt werden, werden die unterdrückten Gefühle Ihren Körper schließlich krankmachen. Ich glaube, daß die meisten Krankheiten durch unterdrückte oder verleugnete Energien in unserem Inneren entstehen. Die persönliche Heilung auf allen Ebenen - der physischen, emotionalen, mentalen und spirituellen - tritt dann ein, wenn wir eine Beziehung zu unseren verleugneten Energien herstellen. Wenn wir beginnen, sie als lebenswichtigen Teil unserer selbst zu akzeptieren, finden wir auch zu sicheren, konstruktiven Ausdrucksformen dafür. Haben wir diese Teile unserer selbst erst einmal kennengelernt, werden wir feststellen, daß sie gar nicht so furchterregend sind, wie wir glaubten. Wenn sie die Möglichkeit zum Selbstausdruck erhalten und integriert werden, nehmen sie ihren Platz als wichtige Facetten unseres Wesens ein. Indem wir alle Aspekte unserer selbst integrieren, werden wir ganz. Alles im Universum, einschließlich jedes Teils unserer selbst, verlangt nach Liebe und Akzeptanz. Alles, was wir im Leben nicht akzeptieren, wird uns einfach solange Schwierigkeiten bereiten, bis wir unseren Frieden damit geschlossen haben. Ist das erst einmal geschehen, hören die Schwierigkeiten auf. Lassen Sie mich ein Bild dafür verwenden, das ganz nützlich ist, um dies zu veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, daß Sie in einem großen Haus leben, aber nur einige wenige der Zimmer bewohnen. Diese Zimmer sind hell, sauber und hübsch möbliert und dekoriert. Darin führen Sie ein einigermaßen gutes Leben. Allerdings betreten Sie nie eines der anderen Zimmer in dem Haus, weil man Ihnen gesagt hat, daß sich darin furchterregende Dinge befinden mögen. Daher halten Sie alle Türen im unbewohnten Teil des Hauses verschlossen und verbringen viel Zeit
damit, sich Sorgen darüber zu machen, was aus dem dunklen Teil des Hauses in den sicheren entkommen könnte. Nachts bilden Sie sich alle möglichen Geräusche ein. Ein Großteil Ihrer Lebensenergie wird davon in Anspruch genommen, sich Sorgen zu machen und sich selbst zu verteidigen. Schließlich sind Sie es leid, auf diese Weise zu leben, und beginnen damit, einige dieser Zimmer zu untersuchen. Vielleicht bitten Sie ein oder zwei vertrauenswürdige Freunde darum mitzukommen, damit Sie sich sicherer fühlen. Sie holen eine große, helle Laterne und wagen sich in das erste der unbekannten Zimmer. Dort finden Sie ein paar unattraktive, altmodische Möbel vor, Spinnweben und einige schöne Antiquitäten. Nachdem Sie das Zimmer erst einmal gereinigt und jene Dinge weggegeben haben, die Sie nicht brauchen, um es dann so zu dekorieren, daß es die Schätze, die Sie darin gefunden haben, unterstreicht, steht Ihnen plötzlich ein weiterer einzigartiger und wunderschöner Raum in Ihrem Heim zur Verfügung. Wenn Sie dazu bereit sind, können Sie zum nächsten Raum schreiten. Irgendwann werden Sie sich in einem großen, schönen, guterhellten Haus wiederfinden. Und da Sie Ihre Zeit nicht mehr darauf verwenden müssen, sich gegen die unbekannte Dunkelheit zu schützen, können Sie Ihre Kräfte schöpferischeren Dingen zuwenden. Um erleuchtet zu werden, müssen wir das Licht des Bewußtseins auf alle dunklen Stellen richten, die wir noch nicht erforscht haben. Das gilt sowohl auf der planetarischen wie auf der persönlichen Ebene. So wie wir Individuen Aspekte unseres Selbst unterdrückt haben, hat das Massenbewußtsein viel von seiner Energie verleugnet. Also gilt es, einen großen kollektiven Schatten zu erforschen. In der modernen Gesellschaft besteht ein großer Teil des unterdrückten Materials aus den erdverbundenen Energien - aus unserem Urselbst. Wir haben uns allzuoft mit dem männlich rationalen, aktiven, arbeitsorientierten, ordentlichen Prinzip identifiziert und dafür die weiblicheren, emotionalen, intuitiven, sinnlichen Aspekte verleugnet. Ich bin auch der Überzeugung, daß dies der Grund für die gewaltige Epidemie der Drogenabhängigkeit ist - denn Drogen lösen diese verleugneten Energien und setzen sie frei. Irgendwie brauchen diese Energien eine Ausdrucksform, sonst würden wir nicht überleben. Unsere Drogenprobleme lösen wir dadurch, daß wir zu immer natürlicheren und konstruktiven Wegen finden, wie die Gesellschaft uns alle unterstützen kann, vor allem aber junge Menschen, wenn wir unterdrückte Energien ausdrücken wollen, beispielsweise Intuition, künstlerische Kreativität, Sexualität, Verspieltheit und einfaches, schlichtes Sein. Im Augenblick haben wir auch Schwierigkeiten damit, unsere natürlichen aggressiven Energien auszudrücken. Früher pflegten die Gesellschaften diese Energie dadurch freizusetzen, daß sie große Massen von Männern in den Krieg schickten. In der heutigen Zeit wird dies zunehmend gefährlich und unakzeptabel. In der zivilisierten Gesellschaft wird die Aggression geächtet, wenn man von einigen wenigen, gutgeheißenen Ausdrucksformen absieht - beispielsweise Sport oder Geschäftsleben. So kommt es, daß unsere politischen Führer frustriert mit ihren Waffensystemen spielen, die sie nicht einzusetzen wagen, die sie andererseits aber auch nicht aufgeben wollen, und auch in unseren Städten kommt es immer mehr zu Gewaltausbrüchen. Wir müssen also konstruktive Möglichkeiten für uns alle, Männer wie Frauen, finden, um unsere natürliche aggressive Energie in kreative Kanäle zu lenken. Viele Menschen, vor allem jene, die sich in den spirituellen und New Age - Bewegungen engagieren, glauben, daß wir der Welt Frieden und Licht bringen können, indem wir uns ausschließlich auf das Licht konzentrieren und versuchen, bedingungslos liebevoll zu sein, Frieden zu visualisieren, und so weiter. Hier liegt jedoch ein fundamentales Mißverständnis vor. Indem wir versuchen, uns nur auf jene Dinge zu konzentrieren, die wir für positiv halten, während wir zugleich den Rest ignorieren oder unterdrücken, verlängern wir lediglich die Polarisierung der lichten und finsteren Kräfte. Ironischerweise verzerrt und verstärkt das aber eben die Energien, die wir doch eigentlich vermeiden wollen. Wir müssen wirklich in aller Tiefe erkennen, daß es zwischen geistigem und ungeistigem,
zwischen Gut und Böse keine Trennung gibt. Alle Aspekte des Lebens sind Elemente der Lebenskraft und Facetten des Göttlichen. Wahre Heilung tritt nur dann auf, wenn wir alle Lebensenergien in unserem Inneren anerkennen und akzeptieren. Letztendlich kann die kollektive Heilung unseres Planeten nur durch das persönliche Engagement unserer aller als Individuen kommen, indem wir die Schatten in unserem Leben erforschen und annehmen. Die Transformation der Welt Wenn jeder von uns, der im Augenblick bewußt genug ist, um sich eindeutig der persönlichen und planetaren Heilung zu verschreiben, dies auch tut, so können wir die Welt, glaube ich, zu einer gesunden, ausgewogenen, schönen Umgebung transformieren. Tatsächlich geschieht dies bereits. Je mehr Menschen sich dieser Aufgabe verpflichten, um so mehr werden andere dazu inspiriert, das gleiche zu tun. Da die physische Welt eine Schöpfung und Wiederspiegelung unseres eigenen Bewußtseins ist, verändert sie sich auch im Einklang mit der Veränderung unseres Bewußtseins. Je mehr unser individuelles Bewußtsein sich verändert, um so mehr wird auch unser persönliches Leben transformiert. Da jeder von uns Teil des kollektiven Bewußtseins ist, wirkt sich jede einzelne Veränderung automatisch auch auf dieses aus. Wenn ein Individuum damit beginnt, die Verantwortung für seine Beziehung zur Erde in die eigene Hand zu nehmen, berührt dies auch das kollektive Bewußtsein, so daß jeder andere dadurch ein bißchen bewußter wird. Was bedeutet es nun, uns eindeutig unserer Verpflichtung uns selbst und der Erde gegenüber zu verschreiben? Ich meine, daß es da sechs wichtige und notwendige Schritte gibt. Diese kann man nacheinander in der hier vorgegebenen Reihenfolge bewältigen, man kann sie aber auch in anderer Reihenfolge absolvieren, wenn einem das richtig erscheint. Allerdings ist es noch wahrscheinlicher, daß Sie feststellen werden, daß Sie einige oder mehrere davon gleichzeitig bearbeiten müssen. Die meisten Leser werden merken, daß sie bereits jetzt einige oder alle dieser Dinge bearbeiten. Vertrauen Sie auf sich selbst und folgen Sie Ihrem eigenen Gefühl dafür, was für Sie richtig und angemessen ist. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg, der sich von dem aller anderen unterscheidet, und so können nur Sie allein herausfinden, welches für Sie der richtige ist. Meine Vorschläge sollen nur dazu dienen, jenen Menschen, die danach verlangen, Belehrung und Anleitung zu sein. Die sechs Stufen der Transformation: l. Der erste Schritt sollte für jeden von uns darin bestehen, Kontakt zum eigenen inneren Gespür für Wahrheit herzustellen. Jeder von uns verfügt über äußerst zuverlässige innere Führung, die von unserem höheren Selbst stammt. Das ist gar nicht so mystisch, wie es sich vielleicht anhört. Tatsächlich handelt es sich dabei um etwas sehr Praktisches und Zuverlässiges. Es geht nämlich um Ihr allertiefstes Gespür für die Dinge, um Ihr intuitives Gefühl dafür, was in einer bestimmten Situation der Wahrheit entspricht. Zwar mag es einiger Praxis bedürfen, um die eigene Intuition von anderen Gefühlen und Ängsten zu unterscheiden, doch habe ich festgestellt, daß die meisten Menschen das recht einfach lernen können. Wenn Sie genaue praktische Anweisungen suchen, so führen Sie die Übung Herstellung zur eigenen inneren Führung im Abschnitt Vier dieses Buchs durch. Wenn Sie mehr Informationen darüber wünschen, empfehle ich Ihnen mein Buch Living in the Light, in dem Sie eindeutige Anweisungen dafür finden, wie Sie Ihre Fähigkeit entwickeln können, Kontakt zur eigenen, intuitiven Führung herzustellen und auf sie zu vertrauen. Für viele Leute geht die Erkenntnis, daß sie ein starkes inneres Gefühl und Gespür für Wahrheit haben, mit der Bewußtheit einher, daß es im Universum eine höhere Macht gibt, eine lenkende Weisheit, von der wir alle Teil sind und mit der wir alle in Verbindung stehen. Haben wir erst einmal damit begonnen, diese höhere Macht zu erfahren (ob wir sie Gott nennen möchten, Geist, Urquelle, das Universum oder wie auch immer), können wir ihre Führung anrufen und ihr unser
Leben mehr und mehr hingeben; und je mehr wir dies tun, um so mehr entdecken wir, daß dies die effizienteste und erfüllendste Lebensweise ist. Ich möchte hier allerdings betonen, daß man nicht an Gott oder eine höhere Macht glauben muß, um mit diesem Prozeß zu beginnen. Ich selbst habe das am Anfang auch nicht getan. Die Praktik, der eigenen inneren Wahrheit zu lauschen und ihr zu folgen, führt auf natürliche Weise zur Entwicklung eines persönlichen Glaubenssystems, das für uns selbst auch funktioniert. 2. Beginnen Sie damit sich vorzustellen, was Sie - individuell und planetar - im Leben wirklich wollen. Die meisten Menschen verbringen unbewußt sehr viel Zeit damit, sich vorzustellen, was ihnen an Unangenehmem zustoßen könnte oder was sie nicht wollen. Wenn Sie jedoch visualisieren und imaginieren, was Sie wollen, stellen Sie eine Verbindung zu dem her, was Sie tatsächlich vom Leben erwarten. Das setzt die kreative Energie in Ihrem Inneren frei und lenkt sie dorthin, wo Sie sie wirklich hinhaben möchten. Das wiederum erlaubt der höheren universalen Macht, Sie dabei zu unterstützen, alle Gaben des Lebens zu empfangen. Sie können das üben, indem Sie es mit der Übung Den Garten visualisieren im vierten Teil dieses Buchs versuchen. Wenn Sie umfangreichere Informationen zu diesem Prozeß wünschen, empfehle ich Ihnen mein Buch Stell dir vor. Wenn Sie erst einmal gelernt haben, zu visualisieren, was Sie wirklich wollen, üben Sie sich darin, die Sache Ihrem höheren Selbst zu überantworten oder der höheren Macht des Universums, um Führung dabei zu erhalten, wie Sie das Gewünschte erschaffen können. Versuchen Sie nicht, intellektuell herauszufinden, wie Sie es herbeiführen könnten. Folgen Sie statt dessen in jedem Augenblick Ihrer Intuition, dann wird der Prozeß den gewünschten Verlauf nehmen. 3. Ein dritter und sehr wichtiger Schritt besteht darin, sich einfach frei dafür zu entscheiden zu tun, was für die eigene persönliche physische, emotionale, mentale und spirituelle Heilung erforderlich sein mag. Viele Menschen versuchen diesen Schritt zu überspringen, weil er der mit Abstand schwierigste ist. Und doch bleiben alle anderen Anstrengungen unfruchtbar, die wir in jedwede Richtung unternehmen, solange er nicht bewältigt wurde. Die Welt kann immer nur so vernünftig und gesund sein wie die Individuen, die in ihr leben. Wenn wir in einer ausgeglichenen Umwelt leben wollen, müssen wir erst feststellen und heilen, was in uns aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der erste Schritt zur persönlichen Heilung ist die aufrichtige Selbst - Bewußtheit. Stellen Sie fest, wo es in Ihrem Leben festgefahrene Muster gibt, die es Ihrer Lebensenergie nicht gestatten, so frei zu strömen, wie Sie es bevorzugen würden. Kennzeichnen sich Ihre Partnerschaften vielleicht dadurch aus, daß Sie immer wieder die gleichen schmerzvollen emotionalen Probleme erleben? Sind Sie abhängig von Nahrung, Alkohol oder Drogen? Kämpfen Sie mit Geldproblemen? Haben Sie irgendwelche chronischen Krankheiten? Arbeiten Sie zuviel und / oder treiben Sie sich viel zu gnadenlos an? Sorgen Sie sich unentwegt um die Bedürfnisse anderer Menschen und ignorieren dabei die eigenen? Fehlt es Ihnen an Selbstvertrauen und an der Fähigkeit, sich in dieser Welt persönlich auszudrücken? Unterdrücken Sie Ihre negativen Gefühle und konzentrieren Sie sich allein auf die positiven? All das sind Hinweise auf einen allem zugrundeliegenden emotionalen Schmerz, der sich durchaus heilen läßt. Haben Sie sich erst einmal ehrlich zu Ihren Problemen bekannt, fragen Sie sich, welche Art von Unterstützung Sie benötigen, um zu größerer Bewußtheit zu gelangen und diese Muster zu verschieben. Während des Heilungsprozesses brauchen die meisten von uns jede Menge Unterstützung. In unserer Gesellschaft werden wir aber darauf getrimmt zu glauben, daß wir alles allein bewältigen müßten, und so gilt es als Zeichen der Schwäche, um Hilfe zu bitten. In Wirklichkeit verhält es sich genau andersherum - es bedarf großer Kraft und Tapferkeit, sich selbst ins Antlitz zu blicken und bereit zu sein, die Erkenntnisse und Reflexionen anderer Menschen auch anzunehmen. Erforschen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen offenstehen. Überlegen Sie sich, ob Sie an einer Individual- oder Gruppentherapie und / oder an einer Körpertherapie teilnehmen wollen. Wenn
Sie den Verdacht hegen, daß Sie unter Süchten leiden, ob diese sich nun auf bestimmte Substanzen oder Partnerschaft beziehen (das ist bei sehr vielen Menschen der Fall), wenden Sie sich an Organisationen, die einen Zwölf - Stufen - Plan anbieten, wie die Anonymen Alkoholiker, und so weiter. Suchen Sie Hilfe für die speziellen emotionalen und körperlichen Probleme, die Ihnen zu schaffen machen. Denken Sie daran, daß das Ziel der Selbstheilung nicht darin besteht, sich selbst in eine bessere Persönlichkeit zu verwandeln, sondern vielmehr zu lernen, sich selbst zu lieben und mehr von dem auszudrücken, was man bereits ist. Lauschen Sie auf Ihre tiefsten intuitiven Gefühle darüber, was Sie benötigen, und versuchen Sie danach zu handeln. Gestatten Sie es sich selbst, zu experimentieren; wenn sich irgend etwas nicht ganz richtig anfühlt, versuchen Sie es mit etwas anderem, bis Sie einen Weg gefunden haben, der für Sie der geeignete ist. Das wichtigste ist dabei die aufrichtige Entschiedenheit, für sich selbst einzustehen - die Bereitschaft, zu tun, wessen es bedarf, um zu einem bewußten Menschen zu werden, der sich selbst liebt und deshalb auch etwas besitzt, was er mit anderen und der Welt teilen kann. Diese Art von Selbstverpflichtung wird Sie irgendwann dorthin führen, wo Sie hinwollen, meistens allerdings nicht auf dem Weg, den Sie eigentlich vorgesehen hatten! Vergessen Sie nicht, daß tiefgreifende Heilung nicht über Nacht geschieht. Vielmehr ist das ein fortwährender, sich ständig entfaltender Prozeß, der häufig Jahre dauert. Wenn Ihnen dies langsam erscheint, denken Sie daran, daß wir nicht nur unsere eigenen persönlichen Probleme transformieren, sondern vielmehr Grundmuster, denen die menschliche Rasse schon seit Jahrhunderten folgt! Und außerdem kann der Prozeß der Heilung selbst bereits außerordentlich faszinierend und beglückend sein. 4. Der vierte Schritt besteht darin, die eigenen Alltagsgewohnheiten des Essens und des Lebens genauer zu untersuchen. Stellen Sie fest, inwieweit Sie im Einklang mit Ihren wirklichen Bedürfnissen und mit dem stehen, was Sie von den Bedürfnissen der Erde wissen. Seien Sie dabei sehr sanft und mitfühlend zu sich selbst! Die meisten von uns haben jede Menge Gewohnheiten, die nicht besonders gut im Einklang mit unserem eigenen Besten oder dem Besten anderer stehen. Oft gibt es tiefsitzende emotionale Gründe für das, was wir tun, und auch hier gilt, daß wir uns in der Regel nicht über Nacht verändern. Häufig wissen wir gar nicht so recht, was gut für uns ist. Werden Sie einfach bewußter und beginnen Sie damit, sich selbst zu erziehen. Wenn Sie beispielsweise sehr viel Dosennahrung oder fertig verpackte Lebensmittel zu sich nehmen und die Behältnisse immer wegwerfen, könnten Sie etwa damit experimentieren, mehr biologisch angebaute Körner, Früchte und Gemüse zu essen und die Dosen und Verpackungen, die Sie verwenden, weiterzuverwerten. Wenn es in Ihrem Wohngebiet kein Wiederverwertungsprogramm geben sollte, schauen Sie doch einmal, ob Sie vielleicht selbst eins auf die Beine stellen können. 5. Schauen Sie sich in Ihrer Gemeinde und in Ihrer Umwelt um und machen Sie sich mit einigen der politischen oder ökologischen Probleme Ihres Wohngebiets vertraut. Versuchen Sie nicht, sich um alles zu kümmern, und schon gar nicht, die Probleme der ganzen Welt zu lösen. Sonst fühlen Sie sich einfach nur überfordert und tun am Ende überhaupt nichts mehr. Stellen Sie lieber fest, welches wohl die dringendsten Probleme in Ihrer Gemeinde oder Ihrem Wohngebiet sind. Wählen Sie ein bestimmtes Problem oder eine Sache aus, die Ihnen sinnvoll oder interessant erscheint, und versuchen Sie, etwas zu einer Änderung beizutragen. Informieren Sie Ihre Freunde und / oder Ihre Familie darüber und laden Sie sie dazu ein, sich Ihnen anzuschließen. Wenn Ihnen die Zusammenarbeit mit Menschen liegt und Ihnen das zusagt, schließen Sie sich mit Freunden zusammen, um inspirierende Bücher zu studieren, informative Fernsehprogramme oder Videos zu schauen und über Probleme zu diskutieren. Solche Zusammenkünfte können sich auf persönliche oder spirituelle Themen konzentrieren, auf politische oder ökologische Probleme oder auf irgend etwas, was Sie am meisten interessiert. Schreiben Sie Briefe an Zeitungen und Zeitschriften sowie an Ihre Parlamentsvertreter, in denen Sie Ihre Ansichten über ökologische und politische Fragen äußern. 6. Bei der Durchführung jedes dieser Schritte sollten Sie nicht vergessen, nichts aus
Schuldgefühl heraus zu tun oder weil Sie glauben, daß Sie das müßten. Wir verwalten schon genug Trübsinn in unserem Leben, weil wir bestimmte Dinge, die wir für erforderlich halten, entweder tun oder uns dagegen auflehnen. Fragen Sie sich statt dessen lieber, was Sie wirklich tun möchten. Was macht Ihnen Spaß? Tun Sie, was sich richtig anfühlt, dann wird es Ihnen auch Befriedigung verschaffen. Am allerwichtigsten ist es, leidenschaftlich auf eine Weise zu leben, die sowohl sinnvoll erscheint als auch Spaß verspricht. Denn wie sollten wir eine Welt der Erfüllung und der Freude erschaffen, wenn wir nicht jeder in jedem Augenblick so leben? 2 Meine Reise Geburt Ich wurde in New Jersey geboren, das auch als Gartenstaat bekannt ist. Ich war das erste Baby, das der Gynäkologe meiner Mutter jemals auf natürliche Weise zur Welt brachte. Damals war es nicht üblich, daß gebildete amerikanische Städterinnen auf natürliche Weise gebaren - vielmehr setzte man sie während der Niederkunft einer Vollnarkose aus, und so kamen dann auch die Babys betäubt zur Welt. Meine Mutter, eine typische Pionierin und Freidenkerin, beschloß, die Geburt ihres Kindes bewußt mitzuerleben. Sie las ein Buch von Grantly Dick - Read mit dem Titel Childbirth Without Fear (Geburt ohne Angst), in dem erklärt wurde, daß die Wehen zwar als harte Arbeit erfahren werden können, nicht unbedingt aber sehr schmerzhaft sein mußten, wenn man sich nicht dagegen wehrte. Natürliches Gebären war damals und dort, wo meine Mutter mich zur Welt brachte, eine solche Rarität, daß viele der Ärzte und Krankenschwestern in dem Krankenhaus, wo ich geboren wurde, dazukamen, um dieses erstaunliche Ereignis mitzuerleben. Und so kam ich inmitten einer Schar faszinierter Zuschauer zur Welt, mein Einstieg unterschied sich also nicht von dem Leben, das ich später einmal führen sollte - er war dramatisch, avantgardistisch, und er bewies einen neuen Lebensweg, der in Wirklichkeit gar nicht so neu war, sondern vielmehr aus einer Wiedererweckung dessen bestand, was schlicht, altüberliefert und völlig natürlich war. Die Geschichte hat auch noch eine ironische Seite, die ihren langen symbolischen Schatten in mein Leben geworfen hat. Denn ausgerechnet mein Vater war nicht bei meiner Geburt im Raum anwesend. Die Vorschriften des Krankenhauses bestimmten nämlich, daß die Väter im Kreißsaal nicht zugelassen waren, und so wurde ich zwar in eine Gruppe interessierter Fremder hineingeboren, mein Vater jedoch mußte im Wartezimmer bleiben. Weder meine Mutter noch ich waren also in der Lage, die Hilfe und Unterstützung ausgerechnet jenes Menschen zu erhalten, den wir am meisten brauchten. Ich wurde am 30. September 1948 um 21.10 Uhr geboren. Die Geburt verlief glatt und erfolgreich. Ich traf hellwach ein und schrie laut. Offenbar hatte ich bereits viel zu sagen. Mutter und Vater Der Vater meines Vaters kam im Alter von sechzehn Jahren per Schiff aus Polen nach Amerika. Er war ein hochintelligenter Mann mit einer drittklassigen Bildung, das schwarze Schaf seiner Familie und ein Rebell innerhalb der katholischen Kirche, in der er aufgezogen worden war. Wie die meisten Einwanderer wollte er im Land der unbeschränkten Möglichkeiten sein Glück suchen, doch seine Suche nach dem Glück endete damit, daß er in einer Kleinstadt in Pennsylvania Steiger in einer Kohlenmine wurde. Im Alter von einundzwanzig Jahren verliebte er sich in ein schönes und dickköpfiges Polenmädchen, das erst vierzehn war, und heiratete es. Sie war die älteste von elf Kindern und nur zu begierig darauf, ihr Zuhause verlassen zu können. Im Alter von fünfzehn Jahren gebar sie meinen Vater und hatte danach noch zwei weitere Söhne.
Der Traum meines Großvaters war, daß seine Söhne eben jene Ausbildung bekommen sollten, die er nie erhalten hatte. Seine Söhne übertrafen seine Erwartungen bei weitem: Mein Vater machte seinen Doktor in Ingenieurswissenschaften am Massachusetts Institute of Technology, und seine beiden Brüder promovierten schließlich ebenfalls. Kurz nach meiner Geburt kam mein Großvater in den Kohlenminen ums Leben. Die Vorfahren meiner Mutter segelten auf der zweiten Fahrt der Mayflower von England nach Amerika. Beide gehörten sie zur Gesellschaft der Freunde (bekannter unter dem Namen Quäker) und suchten auf diesem Kontinent die Religionsfreiheit. Ich stamme von Benjamin Franklins Bruder ab; Ben war also mein Urururonkel! Die Quäker glauben daran, daß sie ein einfaches Leben in Hingabe an Gott führen, die eigenen Mitmenschen respektieren und ihnen dienen sollen. Es sind Pazifisten, die sich weigern, in irgendeinem Krieg zu dienen. Sie glaubten nicht an die Sklaverei und halfen vielen Sklaven dabei, vor dem Bürgerkrieg und auch während des Krieges in die Freiheit zu entkommen. Die Religion der Freunde kennt keinen Priester, der als Mittler zwischen Gott und Mensch fungiert. Vielmehr leben und praktizieren sie den Glauben, daß der Geist Gottes in allen Lebewesen vorhanden ist. Zum Zwecke des Gottesdienstes findet sich die Gemeinschaft sonntagmorgens zusammen, wo dann jeder in stiller Meditation sitzt, bis der Geist einen der Anwesenden dazu bewegt, zu sprechen. Die Freunde verwenden das, was sie die einfache Sprache nennen, wobei sie im Englischen einander mit thee und nicht, wie sonst üblich, mit you anreden - eine Sitte, mit der sie den Gott im anderen, den sie ansprechen, ehren wollen. In meiner Familie wurde die einfache Sprache bis zur Generation meiner Mutter verwendet. Als meine Großmutter noch lebte, sprach ich sie praktisch automatisch stets mit thee an, und natürlich sagte sie selbst auch thee zu allen Familienmitgliedern. Eine der Lieblingsgeschichten meiner Mutter handelt davon, wie ich als Dreijährige zur Frühstückszeit durch den Gang zum Zimmer meiner Großmutter tappte und sie fragte: »Grandmother, is thee ready for thy egg?« (Großmutter, bist du bereit für dein Ei?) Ich glaube, daß der Geist des Quäkertums mein Leben und meine Arbeit sehr stark beeinflußt hat, obwohl es viele Jahre dauerte, bis mir dies bewußt wurde. Manchmal kommt es vor, daß ich mit einer Gruppe von Menschen in einem meiner Workshops oder Exerzitien sitze und beinahe meine Quäker - Vorfahren um mich herum wahrnehmen kann; dann erkenne ich, daß ich die Tradition fortsetze, den Gott in jedem einzelnen Menschen anzuerkennen und diesem Gottgeist eine angemessene Umgebung zu schaffen, damit er hervortreten kann. Durch die Familie meiner Mutter erfuhr ich eine tiefgründige Prägung von Grundwerten und eine Neigung zu einem schlichten, natürlichen Lebensstil sowie das Bedürfnis, ja sogar das Gefühl der Verpflichtung, der Menschheit dienen zu sollen. Meine Großmutter und ihre Geschwister waren die letzte Generation in unserer Familie, die die Quäker - Religion aktiv praktizierten. Großmutter heiratete einen Nichtquäker und zog in eine Kleinstadt in Texas, wo meine Mutter und ihr Bruder in einer recht typischen kleinstädtischen Atmosphäre des Südens der Vereinigten Staaten geboren wurden und aufwuchsen. Die Ehe meiner Großeltern war nicht glücklich, und meine Mutter erzählte mir, daß ihre Eltern oft tagelang kein Wort miteinander wechselten, so daß das Haus voller Spannungen auf Grund unausgesprochener Verletzungen und Abneigungen war. Auf dem Höhepunkt der Depression, als meine Mutter dreizehn war, verzweifelte ihr Vater anscheinend an der Aufgabe, seine Familie hinreichend unterstützen zu sollen, und so lief er schlicht davon und verschwand. Meine Großmutter arbeitete und erhielt von ihren Verwandten etwas finanzielle Hilfe, doch wie bei so vielen Menschen damals gab es trotzdem nicht immer genug zu essen. Meine Mutter war ein sehr intelligentes und aggressives Kind, und ihre eigene Mutter, eine sanfte Seele, war immer etwas ratlos, wie sie mit ihrer ziemlich widerspenstigen Tochter umgehen sollte. Meine Großmutter wünschte sich, daß ihre Tochter vornehm und weiblich sein sollte, und in dieses Bild paßte meine Mutter einfach nicht hinein. Außerdem war sie ziemlich sensitiv und spürte den unterschwelligen Zorn und den Schmerz in der Familie, den sie selbst
dann ausagierte. So spielte sie die Rolle des Familiensündenbocks und der Rebellin. Im Alter von sechzehn machte sie ihren Abschluß an der High School und ging aufs College, froh, die Familienschwierigkeiten und die Einengungen ihres gesellschaftlichen Umfelds hinter sich lassen zu können. Abenteuerlustig und risikobereit wie sie war, machte sie sich daran, die Welt zu erforschen. Meine Ururgroßmutter war eine enge Freundin und Mitsuffragette von Susan B. Anthony gewesen und gehörte zu einer starken Erblinie machtvoller, offen redender Frauen, die sich weigerten, die traditionelle weibliche Rolle zu übernehmen. Meine Großmutter war darin eine Ausnahme, doch zwei ihrer Schwestern besaßen diese Energie und natürlich auch meine Mutter. Die sah sich selbst als starker Mensch, der dazu fähig war, alles zu tun, was er wollte. Und tatsächlich wurde sie eine der ersten Städteplanerinnen der Welt, und absolvierte eine mit Anerkennungen ausgezeichnete, fünfundzwanzigjährige Karriere auf diesem Gebiet; immer lebte sie ein Leben in einer Führungsposition. Meine Mutter und mein Vater lernten sich während des Krieges in Boston kennen, wo er gerade promovierte und sie als Zeichnerin in einem Radar - Labor arbeitete. Mein Vater war brillant und attraktiv, ein talentierter Klavierspieler mit Schwerpunkt klassische Musik, fasziniert von Philosophie und Naturwissenschaft und sehr gelehrt. Meine Mutter war schön und sinnlich, klug und machtvoll. Vor kurzem habe ich einen alten Amateurfilm gesehen, bei dem die beiden beim Picknick mit einigen Freunden in einem Park in der Frühzeit ihrer Beziehung zu sehen waren. Als ich ihn sah, mußte ich weinen, weil sie so jung und schön aussahen, so glücklich und verliebt. Ich bin froh, daß ich in meinem Herzen dieses Bild tragen kann, denn die Dinge liefen für sie nie sonderlich glatt. Ihre Beziehung war von Anfang an schwierig, und sie entschlossen sich erst nach sehr viel Zögern und Verzögern zur Heirat. Sie waren nur vier Jahre verheiratet, und in gewissem Sinne sind sie vielleicht hauptsächlich deshalb zusammengekommen, um mich zu erschaffen. Mein Vater war immer noch der brave, pflichtbewußte Sohn seiner dominierenden Mutter. Meine Mutter, die selbst ziemlich willensstark war, lehnte das ab und war frustriert von seiner vergleichsweise zaghaften Lebensführung. Er war unentschlossen und unfähig, sich mit starker Hand durchzusetzen. Sie dagegen mußte erst noch ihre eigene tiefe Verletzung und ihre Wut verarbeiten, die ihr Verlassenwerden von ihrem Vater und das Gefühl, als Kind ungeliebt gewesen zu sein, verursacht hatten, und so ließ sie vieles davon an meinem Vater aus. Erst kürzlich habe ich beider Beschreibungen ihrer Beziehung zu hören bekommen. Das macht mich sehr traurig, weil ich verstehe, welch frustrierender und schmerzlicher Spiegel ihre Beziehung für beide gewesen sein muß. Ich glaube, daß beide mich wollten und sich von der Geburt eines Kindes erhofften, daß dies einige ihrer Probleme lösen würde. Sie waren fürsorgliche und liebevolle Eltern zu mir als Baby. Ich hatte eine schlimme Kolik im Säuglingsalter und schrie anscheinend sehr laut und sehr lang. Das muß sehr schwierig und anstrengend gewesen sein, vor allem für meine Mutter, die bei mir zu Hause blieb, während mein Vater zur Arbeit ging. Ich habe das Gefühl, daß der seelische Schmerz meiner Eltern bei mir Magenprobleme auslöste. (Ich reagiere noch heute auf die gleiche körperliche Weise, wenn ich in eine Situation gerate, wo Menschen in unaufgelösten Schmerzgefühlen verharren.) Mein Vater hat mir neulich mitgeteilt, daß das Härteste, was er je im Leben tat, die Entscheidung gewesen sei, mich zu verlassen und sich von meiner Mutter zu trennen. Er weinte, als er mir das erzählte, und ich tat es auch. Er hatte eine tiefe Verbindung zu mir abbrechen müssen, um sich frei zu fühlen, aus einer für ihn unerträglichen Situation herauszukommen. Obwohl ich mich nicht wirklich mehr daran erinnern kann, glaube ich doch, daß der Bruch dieser Beziehung zu meinem Vater und das darauf folgende Gefühl emotionaler Verlassenheit die vernichtendste Erfahrung meines Lebens gewesen sein dürfte.
Kindheit Meine Eltern trennten sich, als ich eineinhalb Jahre alt war. Sie wohnten etwa ein Jahr lang nahe beieinander, so daß ich meinen Vater immer noch regelmäßig zu sehen bekam. Dann entschieden sie sich zur Scheidung. Meine Mutter beschloß, nach St. Thomas auf den Jungferninseln zu ziehen; wenn man dort sechs Wochen verbrachte, konnte man eine schnelle Scheidung bekommen. In der Zwischenzeit würde sie dort Urlaub machen und sich von einigen ihrer emotionalen Wunden erholen. Und so kamen wir auf die Jungferninseln. Meinen Vater sah ich lange Zeit nicht wieder. Meine Mutter erzählte mir, daß mir die Trennung von meinem Vater keine offensichtlichen Probleme bereitete. Vielleicht war ich im Alter von zweieinhalb Jahren bereits damit beschäftigt, schmerzliche Gefühle dadurch zu bewältigen, daß ich mich stark verhielt. Damals war St. Thomas ein wahrhaftiges Tropenparadies, das noch kaum erschlossen war. Meine frühesten Erinnerungen reichen in diese Zeit zurück. Ich weiß noch, wie ich am blauen Meer im Sand spielte. Ich erinnere mich an eine sehr große schwarze Frau namens Seena, meine Babysitterin, die ich anhimmelte. Und am besten kann ich mich an die Calypsomusik und das Tanzen erinnern, die vor Urenergie schier zu platzen scheinen. Zu dieser Musik habe ich zum ersten Mal tanzen gelernt. Ich hatte bereits in frühem Alter mit dem Sprechen begonnen - etwa mit neun Monaten. In St. Thomas pickte ich schnell den Calypso - Akzent der Einheimischen auf und begann auch selbst so zu sprechen. Ich lernte einige der beliebtesten Calypso - Lieder zu singen und singe sie noch heute sehr gern. Insgesamt hinterließen die schönen schwarzen Menschen dieser Insel einen tiefen Eindruck bei mir durch ihre Musik, ihren Tanz und ihr Sprechen, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich war schon immer ein Inselmensch. Ich liebe Inseln und fühle mich am heimischsten, wenn ich mich auf einer befinde. Der größte Teil der Magie, der ich im Leben begegnet bin, fand auf besonderen Inseln statt. Meine Mutter war ursprünglich nach St. Thomas gekommen, um dort nur die sechs Wochen zu bleiben, die für eine Scheidung notwendig waren. Doch der Ort verzauberte sie so sehr, daß wir ein volles Jahr blieben. Sie genoß nicht nur die natürliche, heilsame Schönheit der Insel, sie hatte auch viel Spaß dort. Da das Leben sehr billig war, wohnten wir in einem schönen Haus, und Seena half ihr mit mir. Jeden Tag gingen wir an den Strand, und abends ging sie tanzen, wo sie viele interessante Menschen kennenlernte. Es war während des Korea - Kriegs, und St. Thomas war eine große Urlaubsbasis für Militärs. Dutzende von Schiffen hielten hier und es gab jede Menge Marinesoldaten, Marineinfanteristen und Männer von der Luftwaffe. Alle waren sie nur zu begierig auf die Gesellschaft einer attraktiven Frau, und meine Mutter hatte jede Menge Rendezvous, manchmal sogar bis zu vier am Tag - mittags, am Strand, zum Abendessen und zum nächtlichen Tanz. Ich bin überzeugt davon, daß der Arzt ihr ebendies gegen den Schmerz der Scheidung verschrieben hatte. Alle diese Männer sehnten sich nach ihren Frauen und Kindern zu Hause und freuten sich über den Kontakt mit einem dreijährigen Mädchen, so daß auch ich viel Aufmerksamkeit erfuhr. Meine Mutter erzählt folgende Geschichte: Eine Weile lebten wir in einer kleinen Hütte auf dem Gelände eines Hotels. Ich bekam die Windpocken, aber es war nur ein leichter Fall, und ich fühlte mich nicht sehr krank. Da die Krankheit aber ansteckend war, hielt sie mich von anderen Kindern fern. Eines Tages spielte ich im Hof, während sie gerade der Gartenarbeit nachging, und nach wenigen Minuten bemerkte sie, daß ich verschwunden war. Also machte sie sich auf die Suche und entdeckte mich schließlich in der Hotelbar, wo ich auf einem Barhocker saß und mit einer ganzen Reihe von Seeleuten plauderte, die mir Sodas und so weiter spendierten. Sie nahm mich mit nach Hause, doch schon zwei Stunden später war ich erneut verschwunden. Sie wußte sofort, wo sie hingehen mußte, und dieses Mal fand sie mich, wie ich einen Haufen Marineinfanteristen unterhielt. Später empfing sie den Brief eines jungen Offiziers, mit dem sie
an diesem Abend ein Rendezvous gehabt hatte, in dem dieser einen plötzlichen Ausbruch von Windpocken auf seinem Schiff erwähnte. Die Reise geht weiter Als wir St. Thomas schließlich verließen, fiel es mir schwer zu begreifen, daß wir nicht mehr auf einer Insel lebten. Ich wollte immer noch jeden Tag an den Strand laufen und hatte mir auch Kommentare angewöhnt wie »Das ist das beste Geschäft auf der Insel«, als befände sich jede Stadt auf einer Insel. Wir lebten etwa ein Jahr in Texas, wo auch die Familie meiner Mutter (meine Großmutter, mein Onkel und die Cousins) wohnte. Dann gingen wir nach Mexiko und ließen uns in der Stadt San Miguel de Allende nieder. Da das Leben in Mexiko nicht teuer war, rechnete meine Mutter sich aus, daß sie von dem äußerst bescheidenen Kindergeld würde leben können, das mein Vater ihr zahlte, ohne arbeiten zu müssen, und daß sie sich vielleicht mit dem Schreiben versuchen könnte. Für eine lächerlich kleine Summe konnten wir ein hübsches Haus mit Hof mieten, und wir stellten auch eine Köchin namens Luz (Licht) ein, die den ganzen Tag für uns arbeitete, sowie ein Mädchen für halbtags. Ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter mich in den Kindergarten gab. Niemand in der Klasse sprach Englisch, die Lehrerin eingeschlossen, deshalb mußte ich sehr schnell das Spanische aufpicken, was ich auch tat. Schon bald konnte ich mich auf Spanisch unterhalten und wurde häufig herbeigezogen, um für meine Mutter zu dolmetschen, wenn sie mit dem Mädchen sprach oder einkaufen ging. Ich lernte sogar, Witze und Kalauer auf Spanisch zu machen. Unsere Köchin kam immer in der Morgendämmerung zu uns zur Arbeit, und dann pflegte ich zu meiner Mutter zu sagen: »Mama, esta la manana, la Luz esta aqui!« (Mama, es ist Morgen, das Licht / die Köchin Luz ist da!) In San Miguel gab es eine Kunsthochschule, die sehr viele amerikanische Kunststudenten anzog, und so fand meine Mutter schon bald eine ganze Schar intellektueller, künstlerisch gesinnter Freunde. Und so lebte sie nun einmal mehr an einem exotischen Ort und hatte viel Spaß, doch viel Schreibarbeit erledigte sie dabei nicht. Wir waren erst wenige Monate in Mexiko, da bekam meine Mutter Hepatitis und wurde sehr krank. Sie bedurfte ständiger Pflege, und da es niemanden gab, der ihr diese wirklich hätte angedeihen lassen können, sorgte sie dafür, daß ein Freund uns nach Texas zurückfuhr, wo wir einige Monate bei meiner Großmutter lebten, während meine Mutter genas. In meiner Familie hat es nie viele Krankheiten gegeben, und dies ist wohl das einzige Mal, daß ich meine Mutter wirklich krank erlebt habe. Es war merkwürdig für mich, meine sonst so starke, kräftige Mutter so schwach zu erleben, daß ich ihr beim Aufstehen und beim Gang zum Badezimmer helfen mußte. Als meine Mutter genesen war, begaben wir uns nach Kalifornien, wo zu leben schon immer ihr Traum gewesen war. Um unseren Unterhalt zu bestreiten, mußte sie arbeiten, und so nahm sie ihren Beruf als Stadtplanerin auf. Zuerst lebten wir in der Bay Area von San Francisco. Später wurde sie Stadtplanerin in Tracy, im Bezirksplanungsdirektorium für Santa Cruz, und schließlich arbeitete sie in Sacramento für die Regierung des Bundesstaats. Wie ich in die High School kam, zogen wir etwa alle zwei bis drei Jahre um. Mir gefielen diese regelmäßigen Umzüge. Die Tarotkarte, die meinem Geburtsdatum entspricht, ist die VII - Der Wagen - , die für das Prinzip des Wandels und der Beweglichkeit steht. Vielleicht war ich deshalb so gut für unser zigeunerähnliches Leben geeignet. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Kind dachte, »Na ja, jetzt sind wir schon zwei Jahre hier, da könnte ich gern wieder woanders hingehen.« Vielleicht waren es diese häufigen Umzüge und die Tatsache, daß ich mich ohnehin immer ein wenig außerhalb der Dinge fühlte, weshalb ich mir anders vorkam als andere Kinder; so war ein Umzug oft ein Ausweg aus einer Situation, die mir ohnehin nicht immer benagte. Und außerdem freute ich mich auf die Spannung, die das Neue bringen würde. Inzwischen habe ich das Gefühl, daß ein anderer Teil in mir sich wahrscheinlich doch nach mehr
Stabilität und Kontinuität sehnte, doch damals empfand ich das überhaupt nicht so. Tatsächlich beginne ich eigentlich jetzt erst, diesen Teil meiner selbst zu erkennen, denn durch die Begleitumstände meiner Kindheit wurde er stark unterdrückt. Ich glaube, daß meine Mutter und ich unbewußt einen Gefühlspakt miteinander schlössen, als mein Vater uns verließ, eine Abmachung, daß wir füreinander stark sein und auch gegenseitig für uns sorgen würden. Sie kümmerte sich um meine körperlichen Bedürfnisse und brachte mir bei, der Welt mit Mut und Stärke zu begegnen. Und ich spürte auch ihren unterschwelligen Schmerz und das Unglück und versuchte, emotional für sie zu sorgen. Ich erinnere mich daran, daß ich ihr schon in jungem Alter keine meiner Probleme mitteilen wollte, wenn diese sie nur noch mehr belastet hätten. Eigentlich hat mich meine Mutter nie sonderlich wie ein Kind behandelt. Ich war vielmehr ihre Reisegefährtin beim Abenteuer des Lebens. Sie respektierte mich als Individuum und behandelte mich mit einer gewissen Gleichberechtigung. Ich meinerseits reagierte darauf, indem ich eine reife, erwachsene Lebenshaltung entwickelte. In den ersten Jahren verbrachte ich mehr Zeit mit den erwachsenen Freunden meiner Mutter als mit anderen Kindern, und so entwickelte ich nie irgendeine Ehrfurcht vor den Erwachsenen oder auch nur das Gefühl, daß ich sehr viel anders sei als sie. In der späteren Kindheit und als Heranwachsende brachte mich das etwas in Schwierigkeiten, weil mich Erwachsene überhaupt nicht einschüchtern konnten und ich nur wenig Respekt für ihre Autorität übrig hatte, wenn diese sich lediglich darauf gründete, daß sie älter waren als ich. Noch heute habe ich manchmal Schwierigkeiten damit, mich irgendeiner Autorität zu beugen außer jenem natürlichen Respekt, den ich Menschen entgegenbringe, bei denen ich das Gefühl habe, daß sie in einer bestimmten Situation mehr wissen oder können als ich. Die positive Seite meiner Erziehung bestand darin, daß ich auf diese Weise viel Kraft und Selbstvertrauen in meine Fähigkeit entwickelte, in der Welt erfolgreich zu sein. Dafür habe ich mich allerdings auch nie als Kind fühlen können. Auf meinen Schultern lastete eine große Verantwortung, und die nahm ich sehr ernst. So unterdrückte ich meine Gefühle der Verwundbarkeit, aber auch viel von der natürlichen Verspieltheit und Leichtigkeit der Kindheit. Vater In der Zeit zwischen New Jersey und Kalifornien hatte ich meinen Vater nur ein einziges Mal gesehen - im Alter von vier, als er mich in Texas besuchte. Damals sagte meine Mutter mir nicht, daß er kommen würde, weil sie fürchtete, er könne schließlich doch nicht erscheinen, so daß sie mich nicht enttäuschen wollte; als er dann vor unserer Tür stand, kam es für mich sehr unerwartet. Da ich ihn zum letzten Mal im Alter von zwei Jahren gesehen hatte, war sie sich nicht sicher, ob ich ihn wiedererkennen würde. Doch ich hob offenbar sofort den Kopf und fragte: »Ist das mein Papi?« Obwohl es eine glückliche Zusammenkunft war, sah ich ihn das nächste Mal erst wieder mit fünfeinhalb, als ich nach Kalifornien kam. Er war ebenfalls nach Kalifornien gezogen, und so trafen wir nun häufig zusammen. Von nun an besuchte er mich regelmäßig, oder ich ging ihn besuchen. Er war immer sehr gütig und liebevoll zu mir, wenn auch emotional etwas distanziert, als hätte er das Gefühl, sein Recht aufgegeben zu haben, wirklich wie ein Vater zu mir zu sein, weil er mich verlassen hatte. Irgendwie sehnte ich mich immer nach einem vertieften Kontakt, wußte aber selbst nicht so genau, was ich eigentlich wollte, und schon gar nicht, wie ich es bekommen könnte. Als ich sechs Jahre alt war, heiratete er meine Stiefmutter Babs, mit der er noch heute verheiratet ist. Sie brachte zwei Söhne aus ihrer ersten Ehe mit, Bruce und Scott, die somit zu meinen Stiefbrüdern wurden (der eine war ein, der andere zwei Jahre älter als ich). Ich mochte meine Stiefmutter sehr und fühlte mich in ihrer Gegenwart sehr wohl. Sie ist eine schöne, lebhafte Frau, warmherzig und intuitiv und auf nette Weise mütterlich. Außerdem ist sie sehr aufgeweckt und intelligent, und ich konnte mich schon immer mit ihr über mein Leben, meine Ideen und Sorgen unterhalten. Es war irgendwie aufregend, plötzlich Stiefbrüder zu haben, weil ich noch nie sonderlich viel mit
Jungen zusammengewesen war. Manchmal war es allerdings auch etwas traumatisch. Ich kann mich noch erinnern, wie sie mich ärgerten, bis ich in Tränen ausbrach, aber auch daran, wie sie mich beim Abendessen so zum Lachen brachten, daß ich dabei mein Essen ausspuckte und unsere Eltern uns alle auf unser Zimmer schickten. Es war alles sehr anders als das, woran ich gewöhnt war - die vergleichsweise ruhige und heimische Umgebung, als ich mit meiner Mutter allein gelebt hatte. Ich mochte meine andere Familie zwar, aber sie flößte mir auch ein wenig Schrecken ein. Und auch hier fühlte ich mich niemals völlig zugehörig, stand immer ein bißchen im Abseits. Als ich elf war, bekamen mein Vater und meine Stiefmutter eine Tochter, Marianne. Ich mochte es, mit meiner kleinen Halbschwester zu spielen, wenn ich auf Besuch da war. Mein Vater unterrichtete Flugingenieurswesen an der Hochschule. Er ist ein echter zerstreuter Professors Ich habe ihn oft beobachtet, wie er plötzlich für lange Zeit verstummte und ins Leere hinausstarrte, mit irgendeinem abstrakten mathematischen Problem ringend. Er ist ein wunderbarer Lehrer, seine Studenten lieben und respektieren ihn, und er genießt es auch, über Philosophie oder Politik oder alle anderen wichtigen Dinge zu reden. Doch alles, was mit der materiellen Welt zu tun hat, interessiert ihn nicht im geringsten, und es würde ihm sehr behagen, wenn ein anderer ihm sämtliche Entscheidungen im Bereich der physischen Wirklichkeit abnähme. Im Grunde seines Herzens ist er ein Gelehrter, vielleicht sogar ein Mystiker, obwohl ich kaum glaube, daß ihm diese Bezeichnung sehr gefallen würde, denn er ist durch und durch unreligiös. Meine Mutter, die als Kind tiefe spirituelle Gefühle erfahren hatte, hatte als Erwachsene schließlich auch alle Arten konventioneller religiöser Glaubenssätze abgestreift. Und so wuchs ich in meiner Kindheit und Jugend in einer Atmosphäre des intellektuellen Rationalismus auf, und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß ich mich durch und durch als Atheistin sah. Ich dachte, daß die Vorstellung von einem Gott von Leuten erschaffen worden sei, die dadurch ihr Unbehagen an der Tatsache mildern wollten, daß sie Ursprung, Sinn oder letztliches Ziel des Lebens nicht verstanden. Ich fühlte mich weitaus wohler zuzugeben, daß ich keine Antworten auf diese Fragen wußte. Noch immer ertönt in mir eine starke, rationale Stimme, die es nicht zuläßt, daß ich irgendwelche Vorstellungen oder Glaubenssätze übernehme, bevor ich nicht entweder Beweise für ihre Gültigkeit gefunden oder festgestellt habe, daß sie in tiefer Übereinstimmung mit meinem starken inneren Sinn für Wahrheit stehen. Heute sehe ich in meinen Eltern zwei zutiefst mystische Wesen, die zu ihrer Zeit von der unmittelbaren Erforschung der Spiritualität abgeschnitten wurden. Meine Mutter hat sich seitdem für dieselben Bewußtseinsforschungen geöffnet, die auch ich verfolge. Mein Vater fährt damit fort, die Mysterien des Universums vornehmlich durch die Philosophie und die Naturwissenschaft zu erforschen. Meine beiden Eltern waren politisch liberal eingestellt, und sowohl im Haushalt meiner Mutter als auch in dem meines Vaters gab es häufige und hitzige politische Diskussionen. Schon in frühen Jahren bis zum Ende meiner Teenagerzeit hatte ich ein stark ausgeprägtes soziales Gewissen entwickelt, wußte um die Grundlagen aktueller Politik und hegte eiserne Meinungen dazu. Das Leben mit Mutter Meine Kindheit setzte sich auf ihrer ziemlich unkonventionellen Schiene fort. Meine Mutter ging ganz in ihrem Beruf auf und machte viele Überstunden - manchmal hatte sie zusätzlich zu ihrer Achtzig - Stunden - Woche auch noch Nachtkonferenzen. Sie hatte immer interessante Freunde um sich, und die meisten von ihnen mochte ich, konnte eine gute Beziehung zu ihnen herstellen. Meine Mutter war verantwortungsbewußt und dachte sehr praktisch, wenngleich sie oft die Dinge aus einem ziemlich schrägen Winkel sah. Sie liebte es, am Rande unkonventionellen Lebensstils und neuer Ideen zu leben. Einer ihrer Beatnik - Freunde beschrieb sie einmal so: »Beth ißt zwar Popcorn, aber sie swingt!« In etwas modernerer Umgangssprache ausgedrückt bedeutet das ungefähr: »Beth ist zwar bürgerlich, aber unkonventionell!«
Sie tat oft ungewöhnliche, abenteuerliche Dinge, die das Leben ein bißchen interessanter machten. Als beispielsweise die ersten Mikrowellenherde auf den Markt kamen, kaufte sie einen davon. Damals waren das große Geräte wie ein richtiger Einbauherd. Aber anstatt es als Zusatzgerät für unsere Küche zu erwerben, blieb es unser einziger Herd - so hatten wir also keinen normalen Herd oder Ofen. Und so kam es, daß ich damit aufwuchs, zu einer Zeit mit einer Mikrowelle zu kochen, als kaum jemand von den Dingern überhaupt gehört hatte. Als ich schließlich von zu Hause wegging, mußte ich erst von vorne lernen, wie man auf einem gewöhnlichen Herd kochte. Mutter war sehr scharfsinnig und hatte über die meisten Dinge sehr ausgeprägte Ansichten. Meistens war ich ihrer Meinung, aber wenn das mal nicht der Fall war, hatte es kaum Zweck zu versuchen, sie von etwas anderem zu überzeugen. Das hielt mich allerdings nicht davon ab, es dennoch zu tun, und als ich älter wurde, hatten wir manchmal heftige Diskussionen. Wenn Mom Urlaub hatte, reisten wir viel umher. Oft fuhren wir aufs Land, um Verwandte oder Freunde zu besuchen und Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Als ich acht war, gingen wir auf eine richtige Zauberreise, indem wir nämlich auf einem Kreuzfahrtschiff, der Lorline, nach Hawaii fuhren. Auf Hawaii verbrachten wir einen vollen Monat. Ich war entzückt davon, wieder auf einer tropischen Insel zu sein und spielte stundenlang im Meer, wobei ich so tat, als wäre ich eine Meerjungfrau. Ich lernte auch Hula zu tanzen, was ich sehr genoß. Als ich elf war, bereisten wir drei Wochen lang Europa, und auch einige faszinierende Tage in Rußland gehörten dazu, was damals, in der Zeit des Kalten Krieges, etwas völlig Unerhörtes war. Unsere Reise war sehr aufregend, und Italien hatte es mir am meisten angetan. Am besten erinnere ich mich noch an eine nächtliche Zugfahrt durch die Berge von Österreich nach Italien, sowie an eine spätere Fahrt mit dem Zug durch die Schweizer Alpen, die genauso aussahen, wie ich es mir nach der Lektüre von Heidi vorgestellt hatte. In der Schule Ich liebte die Schule und war eine aufgeweckte Schülerin. Die Schulaufgaben fielen mir leicht, und ich bekam viel Lob von meiner Familie und meinen Lehrern, weil ich so gut abschnitt. Die meisten meiner Lehrer mochten mich und widmeten mir besonders viel Aufmerksamkeit. Ich glaube, meine Begeisterung und mein Eifer als Schülerin spornte sie an und verlieh ihnen das Gefühl, anerkannt zu werden. Einige meiner Lehrer hatten freilich ein etwas anderes Verhältnis zu mir. Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Streit mit meiner Lehrerin in der dritten Klasse, in dem es um die Aussprache eines bestimmten Worts ging. Als das Wörterbuch bewies, daß ich im Recht war, erklärte sie doch glatt, daß das Wörterbuch sich irre! In der sechsten Klasse hatte ich ein Jahr lang Streit mit einem Lehrer, der mich aus Gründen zu verabscheuen schien, die ich nie wirklich begriff. In der achten Klasse warf mich der Lehrer aus der Mathematikstunde, weil ich mich heftig mit ihm darüber in die Haare bekam, daß er alle Klassenarbeiten um eine Zensur schlechter benotet hatte, obwohl wir allesamt bei einer Aufgabe die richtige Lösung herausbekommen hatten, er aber die falsche! Er schickte mich ins Büro der Direktorin, der ich daraufhin alles erklärte. Sie schaute sich die Mathematikaufgabe an und bestätigte, daß ich recht hatte, riet mir, die Sache auf sich beruhen zu lassen und sorgte dafür, daß ich wieder in die Klasse durfte. Ich schätze, ich muß gelegentlich wohl ziemlich unausstehlich gewesen sein, aber ich selbst empfand es so, daß ich mich einfach nur für die Wahrheit und die Gerechtigkeit einsetzte, und daß ich nicht gewillt war, Dinge zu übertünchen und so zu tun, als würde ich nicht sehen, was ablief. Meine Mutter ermahnte mich, daß ich lernen müsse, mich etwas mehr an die Spielregeln anderer Leute zu halten, wenn ich mir im Leben nicht sehr viele Schwierigkeiten einhandeln wollte, aber ich denke, dafür war es bereits zu spät. Ich war kein wirklicher Rebell. Ich weigerte mich lediglich, mich Autoritäten zu beugen, wenn ich es für falsch hielt, und ich war bereit, für meinen Standpunkt zu kämpfen.
Freunde und Interessen Weil ich ein Einzelkind und weil meine Mutter berufstätig war, verbrachte ich viel Zeit allein und war es gewöhnt, mich selbst zu beschäftigen. Als kleines Kind hatte ich eine rege Phantasie, und dazu gehörte auch eine imaginäre Spielgefährtin mit dem Namen Glunar, die mich unentwegt begleitete. Glunar konnte alles sein, Freundin, Schwester, Tochter - es hing nur davon ab, was das aktuelle Spiel verlangte. Ich erinnere mich daran, wie ich mich nach einer Zwillingsschwester sehnte, die mich vollkommen verstand und mit der ich alles hätte teilen können. Manchmal sehnte ich mich auch nach einem älteren Bruder, wahrscheinlich eine Art Vaterersatz. Ich muß recht einsam gewesen sein, obwohl ich es, glaube ich, nicht so sah. Als ich ungefähr zehn war, erwähnte eine meiner Freundinnen, daß ihre Mutter glaubte, ich sei einsam und würde jemanden brauchen. Diese Bemerkung tat mir ziemlich weh und blieb noch lange in meinem Gedächtnis haften. Anders als fast alle anderen meiner Generation hatte ich als Kind kein Fernsehen zur Verfügung. Gelegentlich sah ich zwar bei Freunden zu Hause fern, doch im großen und ganzen gingen mir all die Fernsehgeschichten verloren, die für meine Gleichaltrigen so prägend waren. Meine Mutter schaffte sich keinen Fernseher an, weil sie nicht wollte, daß ich in die Angewohnheit verfiel, den ganzen Tag vor der Röhre zu sitzen anstatt meine eigenen Interessen zu entwickeln. Ich kann nicht behaupten, daß ich das bedaure. Noch heute mag ich das Fernsehen nicht besonders, und manchmal fühle ich mich ziemlich krank, wenn ich länger als ein paar Minuten zusehe. Es scheint sich auf meinen Geist und meinen Körper betäubend auszuwirken, und das behagt mir nicht. Als Kind war ich dafür ein richtiger Bücherwurm. Ich hegte eine leidenschaftliche Liebe für Bücher und las immer mindestens eins oder noch mehr. Die Bibliothek war einer meiner Lieblingsaufenthaltsorte. Ich ging ein - oder zweimal die Woche dort hin, verbrachte Stunden damit, die verschiedenen Möglichkeiten zu überdenken und nahm immer mehrere Bücher mit, die ich dann begierig las. Meine Mutter pflegte mir vor dem Einschlafen etwas vorzulesen, was für uns beide zu einem Lieblingsritual wurde. Ich liebte es, wenn sie sich wirklich in die Geschichte vertiefte, und ich konnte sie mühelos dazu überreden, weit über meine eigentliche Einschlafenszeit hinaus vorzulesen. Als ich noch sehr jung war, gehörten die Mary Poppins - Bücher von P. L. Travers (es gibt einige davon) zu meinen Lieblingen, außerdem Der Zaubergarten und andere klassische Werke mit einem Hauch Magie. Später vertiefte ich mich vor allem in Tierbücher, besonders in Bücher über Pferde wie The Black Stallion und alle anderen Werke von Walter Farley, Black Beauty und die Bücher von Marguerite Henry, dazu mein absolutes Lieblingsbuch, King of the Wind. Danach las ich einige Klassiker wie Jane Eyre und Wuthering Heights und viele historische Romane. (Ich weiß noch, wie ich die ganze Nacht aufblieb, völlig von The Robe verzaubert.) Eines meiner Lieblingsbücher war ein romantisches Werk über ein Mestizenmädchen im frühen Kalifornien, Ramona. Humoristische Werke mochte ich schon immer - zu meinen Lieblingsbüchern gehörten Cheaper by the Dozen von Frank Bunker Gilberth, Auntie Marne von Patrick Dennis und Please Don 't Eat the Daisies von Jean Kerr. Jedes davon habe ich mindestens ein dutzend mal gelesen. Ich schrieb auch gern. Ich schrieb Gedichte und Geschichten, und als ich acht oder neun war, schrieb ich bereits Bücher. Diese Bücher hatten meistens ziemlich viele Kapitel, aber ich glaube nicht, daß ich jemals eins davon zu Ende schrieb. Die meisten meiner Bücher handelten von einem Mädchen und ihrem Pferd (oder ihren Pferden), obwohl ich später auch romantischere Themen aufgriff, bei denen es um Mädchen und Jungen ging. Besonders gut erinnere ich mich an eine Erzählung über ein Teenagermädchen, das mit sechs jungen Männern als Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel strandet. Ich glaube, das Manuskript ist verlorengegangen, aber ich wünschte, daß ich es noch hätte, denn es klingt nach einer großartigen Phantasie.
Meine späteren Geschichten hatten mehr magische oder mystische Untertöne, etwa die Geschichte von dem ziemlich konservativen jungen Mann, der immer wieder einem dunklen, geheimnisvollen Mädchen begegnete, das auf magische Weise in seinem Hinterhof erschien und verschwand. Ich wollte ganz entschieden Schriftstellerin werden, wenn ich einmal groß war, und ich stellte mir ein Regal in der Bibliothek vor, das voll von den Büchern war, die ich geschrieben hatte. Natürlich dachte ich, daß es sich dabei um erzählende Werke handeln würde, und nie hätte ich geglaubt, daß sich diese Bücher um metaphysische Themen ranken würden. Interessanterweise hörte ich auf der High School mit Lesen und Schreiben auf und vergaß meinen Vorsatz, Schriftstellerin zu werden, völlig. Erst nachdem Jahre später mein Stell dir vor erschien, fielen mir meine früheren Ambitionen wieder ein, und ich erkannte, daß die Visualisationen meiner Kindheit sich tatsächlich greifbar manifestiert hatten. Wie die meisten Kinder malte ich auch viel. Während meiner Pferdephase gelang es mir recht ordentlich, Pferde zu malen, und am liebsten malte ich sie in Aktion, wobei ich die Schönheit ihrer Leiber und Bewegungen meist mit relativ wenigen Strichen festhielt. Ich stellte mir vor, daß ich einmal zwölf Kinder haben würde (zweifellos durch mein liebgewonnenes Buch Cheaper by the Dozen beeinflußt). Ich erinnere mich daran, wie ich eine Liste der Namen erstellte, die ich allen meinen zukünftigen Kindern geben würde. Dann malte ich Pläne für ein Haus mit dreizehn Schlafzimmern, in dem wir alle zusammen wohnen würden. Und schließlich entwarf ich einen Stall für unsere Pferde, die natürlich ebenfalls geeignete Namen erhielten. Meine größte Liebe galt den Tieren, und Tiere waren auch meine Lieblingsgefährten. Das erste Wort, das ich als Säugling sprach, war der Name unseres Cockerspaniels - Muff - , meine ersten Schritte tat ich auf sie zu. Während meiner ganzen Kindheit hatte ich Vögel gehabt, Fische, Schildkröten, und so weiter. Mein erstes richtiges Kuscheltier war ein Meerschweinchen namens Spiee, das ich sehr lieb hatte. Es war richtig aufregend, als es, wenige Monate nachdem wir es aus der Tierhandlung in unser Heim gebracht hatten, vier wunderschöne Kinder bekam. Ich sehnte mich immer nach einem Hund, und so schenkten meine Eltern mir zum achten Geburtstag einen reinrassigen deutschen Schäferhundwelpen namens Prince Valiant. Er wuchs sehr schnell zu einem großen, wunderbaren, energiegeladenen Hund heran. Prince brachte ganz eindeutig eine Note viriler, männlicher Energie in unseren betulichen weiblichen Haushalt ein. Er riß sich ständig los und jagte kleinere Hunde in der Nachbarschaft, und wenn ich mit ihm an der Leine spazierenging, zerrte er mich meistens überall dorthin, wo er hinwollte. Wenn er mit seiner großen Rute wedelte, fegte er alles vom Kaffeetisch! Ich war verrückt nach ihm, und er war genau der Begleiter / Beschützer / Bruder / Freund, den ich brauchte. Als ich elf war, zogen wir nach Santa Cruz, und dort hatten wir leider keinen Hof für ihn. Daher gab ich ihn an eine Familie weiter, die auf einer großen Ranch lebte, wo er hektarweise Auslauf hatte. Wahrscheinlich ging es ihm dort besser, aber er fehlte mir. Um den Verlust von Prince auszugleichen, kaufte mein Vater mir ein kleines, weibliches Siamkätzchen, das ich Fa-ying nannte, nach einer siamesischen Prinzessin in dem Buch Anna and the King of Siam. Fa-ying wurde meine geliebte Freundin und blieb bei mir, bis ich einundzwanzig war. Natürlich sehnte ich mich immer voller Verzweiflung nach einem Pferd. Besonders hatten es mir Araberpferde angetan, und in meiner Phantasie malte ich mir aus, wie es wäre, ein eigenes zu besitzen. Ich las und schrieb nicht nur über Pferde und malte sie unentwegt, ich benahm mich auch die meiste Zeit so. Niemals schritt, hüpfte oder rannte ich; ich trottete nur, trabte und galoppierte, warf meine Mähne in die Luft und wieherte dabei, um schließlich stehenzubleiben, am Boden zu scharren und zu schnauben. Mit Puppen spielte ich nicht sonderlich viel, dafür hatte ich aber einen Satz Spielzeugpferde, die für mich völlig lebendig waren - jedes besaß einen eigenen Namen und seine eigene Persönlichkeit. Wann immer ich Gelegenheit dazu erhielt, ritt ich auf Pferden, und jedes Jahr besuchte ich die Araberpferdeausstellung im Cow Palace von San Francisco. Zu meiner großen Enttäuschung bekam ich jedoch nie ein eigenes Pferd. Schon in ganz jungem Alter hatte ich ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Ich kann mich daran erinnern, wie ich mit acht Jahren früh am Morgen aufstand, mein Bett machte, meine
Mutter weckte, sorgfältig meine Vögel, meine tropischen Fische, meinen Hamster und meinen Hund fütterte und mich um sie kümmerte, um mich schließlich anzuziehen und zur Schule zu gehen. Obwohl ich Einzelkind war und viel umzog, schloß ich doch recht schnell Freundschaften, und seit meiner Einschulung hatte ich immer Freunde in der Nachbarschaft, die in meinem Alter waren und mit denen ich spielen konnte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wurde ich plötzlich in der vierten Klasse zum beliebtesten Mädchen. Die anderen Mädchen kämpften miteinander darum, meine Hand halten zu dürfen, wenn wir in den Pausen zum Spielen hinausgingen. Meine Erzrivalin war ein sehr hübsches, dem Flirt zugetanes Mädchen namens Nicole. Während meine Freundinnen und ich in der Pause Pferde spielten, pflegten sie und ihre Clique Räder zu schlagen und Purzelbäume zu machen, dabei ihre Petticoats zur Schau stellend. Ich hielt sie für albern und abstoßend. Nicole und ich mochten beide denselben Jungen - einen jungen Charmeur namens Allan, der sich nie anmerken ließ, welche von uns er bevorzugte, dem es aber stets gelang, uns beide an der Leine zu halten. Im nächsten Jahr zog Nicole fort, und meine gesellschaftliche Position löste sich ebenso mysteriös in Luft auf, wie ich sie erlangt hatte. Ich hatte zwar noch immer Freundinnen, stand aber nicht mehr im Mittelpunkt aller. Niemand kämpfte mehr darum, meine Hand halten zu dürfen. Ich fühlte mich verlassen und verraten. Ich habe diese ganze Episode nie so recht verstanden, und sie hinterließ bei mir ein Gefühl undeutlicher Unsicherheit, weshalb oder ob Menschen mich wirklich mochten. Musik Meine beste Freundin war damals ein Mädchen namens Carol Jacobson. Sie spielte Cello, und ihre ganze Familie war sehr musisch. Ihre Eltern waren gut mit meiner Mutter befreundet, und wir verbrachten viele Abende bei ihnen zu Hause. Dort gab es immer irgendwelche Musiker, die Kammermusik spielten, so daß ich, wenn ich bei Carol übernachtete, zu den wunderschönen Klängen klassischer Musik einschlief, die vom Wohnzimmer emporschwebten. Ich genoß es, Teil dieses warmherzigen Heims voller Menschen und voller Musik zu sein. Ungefähr ein Jahr lang nahm ich Klavierstunden. Meine Mutter erzählte mir kürzlich, daß ich zu anfang unerbittlich stundenlang übte und schließlich in Tränen ausbrach. Offensichtlich hatte ich die Vorstellung, daß ich wohl alles auf der Stelle lernen könnte, und war frustriert, als das nicht gelang! Schließlich wechselte ich von Klavier - zu Geigenstunden. Geige lernte und spielte ich weitere zehn Jahre, und ich spielte sogar zwei Jahre in der California Junior Symphony. Das genoß ich zwar sehr, doch als ich dann aufs College ging, wurde ich von viel zu vielen anderen Dingen abgelenkt und hörte mit dem Spielen auf. Es gehört zu meinen Phantasien, daß ich eines Tages wieder damit beginnen werde. Ich würde auch gern elektrische Violine und elektrische Gitarre spielen! Ungefähr zu der Zeit, als ich mit dem Geigenspiel begann und anfing, mich für klassische Musik zu interessieren, dröhnte der Rock 'n' Roll durch das unterdrückte Bewußtsein der späten Fünfziger. Ich erinnere mich, wie ich die wilden Rhythmen aus den Transistorradios hörte, die andere Kinder in die Schule mitbrachten, und wie sie aufgeregt über die neuesten Hits sprachen. Ich jedoch befand mich in der Festung meiner überheblichen Vorstellung von mir selbst als junge Intellektuelle und meinte, über alledem zu stehen - was mich betraf, war Rock 'n' Roll allenfalls die Musik des Pöbels. Doch als wir nach Santa Cruz gezogen waren und ich in die sechste Klasse kam, begann ich mich dafür zu interessieren. Die Pubertät brachte meine Hormone in Aufruhr, und der Rock 'n' Roll verführte mich. In der siebten Klasse war ich bereits völlig süchtig danach. Robin Simpson wurde meine beste Freundin; oft ging ich nach der Schule und an Wochenenden zu ihr nach Hause. Dort verbrachte ich dann die Nacht, und wir hörten gemeinsam Radio oder Schallplatten, führten endlose Gespräche über das Leben und die Jungen, und phantasierten über die Möglichkeit, eines Tages vielleicht Elvis zu begegnen. In Elvis war ich mit Haut und Haaren verliebt. Am Anfang widerstand ich ihm, doch dann wurde
ich schwach. Seine sinnliche Stimme - sowohl beim Singen als auch beim Sprechen - , sein Charme, seine wilde, rebellische Männlichkeit, verbunden mit einer gewissen, weiblichen Sinnlichkeit, überwältigten mich einfach. Ich besitze noch immer viele seiner ersten Schallplatten, und noch heute gehören einige davon zu meinen Lieblingsstücken. Ich glaube, daß er ein sehr machtvoller Kanal war. In den Fünfzigern schien es, als drohe der weißen westlichen Kultur durch die schiere Unterdrückung ihrer emotionalen, instinktiven und sexuellen Energie die Auslöschung. Unsere Säfte strömten einfach nicht, und so waren wir in der Gefahr, auszutrocknen und fortgeweht zu werden. Gott sei es gedankt, daß die Lebenskraft der schwarzen Kultur in unserer Mitte erhalten und gespeist wurde. Obwohl unsere unwissenden und unkultivierten amerikanischen Vorväter aus den niedrigsten Motiven nach Afrika gegangen waren, nämlich um dort Sklaven zu kaufen, brachten sie dadurch schwarze Menschen zurück, die noch immer eine Verbindung zur Erde und zu sich selbst besaßen, um uns schließlich zu retten. Natürlich waren die Weißen nicht dazu in der Lage, mit dieser Konfrontation ihres eigenen Schattens fertig zu werden, derer sie so verzweifelt bedurften, und so errichteten sie generationenlang emsig Mauern des Vorurteils und der Rassentrennung, um sich vor der bedrohlichen Präsenz von soviel Vitalität und Lebendigkeit zu schützen. Die Rettung mußte durch die Musik kommen, und das tat sie auch. Und sie mußte uns durch einen weißen Mann erreichen, weil die weiße Kultur keinen schwarzen oder gar - um Gottes willen! - eine schwarze Frau akzeptiert hätte! Und so wurde Elvis' gewaltige Seele in einen weißen Körper hineingeboren und ließ es durch diesen geschehen. Natürlich gab es auch noch viele andere, Schwarze wie Weiße, die an diesem Prozeß ebenso beteiligt waren. Doch er war die Galionsfigur, das Symbol und der erste große Kanal, durch den der Rock 'n' Roll uns ins Leben zurückpeitschte. Ich glaube, daß es kein Zufall ist, wenn so viele Menschen ihn noch heute bewundern und ihn fast wie einen Gott anbeten. Ich empfinde ihn als äußerst machtvolle Wesenheit, die uns allen diente, und wie so viele andere, die an der Macht teilhaben, wußte auch er nicht mit ihr umzugehen, begriff sie nicht, bis sie ihn dann schließlich auf tragischste Weise zerstörte. Einige Jahre später durchlief ich eine ähnliche Faszination mit den Beatles. Ich verliebte mich in John Lennon - ein weiterer großer Kanal, der schließlich von seiner eigenen Macht vernichtet wurde. In der Welt des Rock 'n' Roll gab es so viele Menschen, und ich danke ihnen allen für ihre Gaben und ihre Bereitschaft, unsere unterdrückte dunkle Seite im Spiel offenzulegen, die Schattenseiten unserer zivilisierten Persönlichkeiten, die wir zu ignorieren versuchen, ohne die wir aber nicht leben können. Die Suche nach Liebe Meine Mutter heiratete nie wieder, wenngleich sie ein paarmal kurz davor stand. Sie hatte eine Anzahl wichtiger Beziehungen, und einmal verlobte sie sich sogar, entschied sich aber schließlich doch gegen die Ehe. In meiner frühen Kindheit stellten mehrere dieser Männer eine starke Verbindung zu mir her und spielten in meinem Leben eine wichtige Vaterrolle. Ich fühlte mich von ihnen geliebt und bewunderte sie im Gegenzug. Sobald aber ihre Beziehung zu meiner Mutter aus irgendeinem Grund endete, sah ich sie nie wieder. So wurde das Gefühl, von einem Vater geliebt und dann unerwartet im Stich gelassen zu werden, gründlich eingeprägt. Da ich weder einen Bruder noch einen Großvater besaß und da mein einziger Onkel in Texas lebte, gab es in meinem Leben ein ganz eindeutiges Manko an männlicher Energie. Das Ergebnis war, daß mich die geheimnisvollen männlichen Vertreter der menschlichen Art neugierig machten und faszinierten, daß sie mich stark anzogen und daß ich nach ihrer Liebe und Aufmerksamkeit begehrte. Solange ich mich zurückerinnern kann, war ich stets verliebt. Ich weiß es noch so genau, als wäre es gestern gewesen, wie ich im Alter von fünf Jahren meine Mutter zu einer Weihnachtsparty bei ihrem Chef zu Hause begleitete und dort seinen gleichaltrigen Sohn
kennenlernte. Es war Liebe auf den ersten Blick, und den ganzen Abend gingen wir händchenhaltend umher. Ich war durch und durch entzückt, und es fühlte sich sehr natürlich an. Während der ganzen Grundschule war ich immer in irgendeinen Jungen in meiner Klasse verliebt. Ich bin sicher, daß das oft auf Gegenseitigkeit beruhte, doch meistens wurden diese Gefühle nicht offen zugegeben oder in die Tat umgesetzt. Im Sommer meines elften Jahrs ging ich ins Sommerlager und verliebte mich dort in einen älteren Mann von vierzehn - Carl. Er scherzte mit mir und widmete mir auch einige Aufmerksamkeit, doch damit hatte es sich auch schon. Das ganze nächste Jahr liebte ich ihn inbrünstig. Ich war am Boden zerstört, als das nächste Sommerlager kam, nur um festzustellen, daß er eine schrecklich ernste Romanze mit einem äußerst sexy aussehenden Mädchen seines Alters namens Judith hatte (ich verabscheute sie!). Im nächsten Sommer verliebte ich mich in einen Cousin zweiten Grades bei einer Familienzusammenkunft und verbrachte das folgende Jahr damit, unerwiderter Weise nach ihm zu schmachten. Langsam begann ich auch, gelegentlich mit Jungen auszugehen und bekam schließlich meinen ersten echten Kuß von einem ansonsten ziemlich unbemerkenswerten jungen Mann. Ich war vierzehn, wir waren nach Sacramento gezogen, und ich befand mich in der neunten Klasse, als meine erste richtige Romanze mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf. Ich spielte Geige im Orchester der California Junior Symphony - als eines der neuesten und am wenigsten herausragenden Mitglieder, ganz nach hinten verfrachtet, in die Abteilung der zweiten Geigen. Der erste Geiger und der Star des Symphonie - Orchesters war ein großer, blonder neunzehnjähriger junger Gott namens Robin. Wir führten eine Symphonie auf, in der er ein sehr dramatisches und schwieriges Solo spielte, und ich erstarrte fast in Ehrfurcht. Durch einen merkwürdigen Zufall begann meine Mutter sich mit seinem Vater zu treffen, und die beiden einigten sich darauf, daß ich bei Robin Geigenstunde nehmen sollte. Nach der Hälfte der ersten Geigenstunde hatte ich schon wacklige Knie und konnte mich ganz eindeutig nicht mehr auf die Musik konzentrieren. Ihm ging es offensichtlich nicht viel anders, und schon bald wich unser Geigenunterricht leidenschaftlichen Küssen und ernsten Diskussionen über das Leben. Einige Wochen lang gingen wir miteinander. Er nahm mich auf Partys zu seinen intellektuellen existentialistischen Freunden mit, die es sehr zu amüsieren schien, mich kennenzulernen. Obwohl ich intellektuell vorlaut war, war ich doch im Prinzip nur eine naive Vierzehnjährige, während er ein hochentwickelter Neunzehnjähriger war. Ich schwelgte zwar in romantischer Glückseligkeit, hatte aber keinerlei Vorstellung davon, was er in mir wohl sehen mochte. Anscheinend überlegte er es sich schließlich auch anders, denn plötzlich kam er nicht mehr und rief auch nicht an. Ich war zu schüchtern, um ihn meinerseits anzurufen. So endete die Orchestersaison, und ich sah ihn nicht mehr. Das Muster der Liebe und des Verlassenwerdens zeichnete sich bereits in dieser neuen Arena der Verliebtheit ab. Die Wirkung war vernichtend, und ich verfiel in eine fast selbstmörderische Depression. Mein schrecklicher emotionaler Schmerz verband sich mit meiner neugefundenen Existenzphilosophie, und ich begann den Sinn des Lebens selbst in Frage zu stellen. Ich konnte keinen mehr finden. Ich verfiel in völlige Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Zum ersten Mal im Leben verlor ich das Interesse an der Schule; ich saß im Unterricht und starrte ins Nichts, und hing niedergeschlagen zu Hause herum. Meine Mutter machte sich solche Sorgen um mich, daß sie mich zu einem Therapeuten schickte, der mich in eine Gruppe mit anderen sorgenbeladenen Teenagern gab. Das fand ich interessant, und wahrscheinlich half es mir auch etwas, doch die Depression hielt noch mehrere Monate an und kehrte in den folgenden Jahren periodisch immer wieder. Meine Motivation, in der Schule durch herausragende Leistungen zu glänzen, gewann ich nie wirklich zurück. Ich bekam zwar weiterhin gute Noten, weil mir das nicht schwerfiel, gab mir aber nicht soviel Mühe, so gut zu werden, wie ich es hätte sein können. Ich bin mir sicher, daß dies teilweise mit der üblichen Niedergeschlagenheit des pubertierenden
Menschen zu tun hatte, während ein anderer Teil daran von dem unerlösten Schmerz meiner Kindheit herrührte (was möglicherweise auch der Grund für die pubertäre Niedergeschlagenheit der meisten anderen Menschen sein könnte). Auf einer anderen Ebene durchlief ich gerade eine spirituelle Krise. Meine emotionale Verzweiflung zwang mich dazu, mich mit der grundlegenden, nichtigen Leere auseinanderzusetzen, die meinem Leben eignete - einem Leben, das sich auf intellektuelle und äußerliche Ziele konzentrierte, dabei aber kaum Verbindung zum übergeordneten Geist aufwies. Ohne diese innere spirituelle Verbindung fühlt sich das Leben sinnlos an, und um diesem Gefühl zu entgehen, laufen wir um so beharrlicher all den Dingen nach, von denen wir hoffen, daß sie uns Befriedigung verschaffen werden. Ich begann bereits zu erkennen, daß die Dinge, die ich für wichtig gehalten hatte, nicht dazu in der Lage waren, mir die Erfüllung zu bescheren. Beziehungen, Erfolg, die Bewunderung anderer, Geld, Bildung, ja sogar kreative Unternehmungen oder Dienst am Nächsten - sie alle mochten zwar an sich durchaus wundervolle Aktivitäten sein, genügten aber nicht, um meinem Leben wahrhaft Sinn und Zweck zu verleihen. Damals wußte ich noch nicht, was mir fehlte; ich wußte nur, daß ich nicht weiterleben wollte, wenn dies alles sein sollte, was das Leben zu bieten hatte. Obwohl ich mich so sehr ablenkte, wie ich nur konnte, blieb diese Verzweiflung unterschwellig die nächsten Jahre bestehen und führte mich schließlich auf eine neue Ebene der Selbstöffnung. Ich weiß inzwischen, daß jeder Mensch sich früher oder später in der einen oder anderen Weise dieser Krise stellen muß. In der östlichen Philosophie nennt man dies »das Durchbohren des Schleiers der Illusion«. Wir müssen über Konzentration auf die Welt der Form und Gestalt hinausblicken, um uns für die Fülle der geistigen Welt zu öffnen. Im Zuge dieses Übergangs erleben wir, wie wir in die völlige Finsternis hineingeraten - in die Finsternis unserer eigenen Furcht, daß es jenseits dessen, was wir mit unseren physischen Sinnen wahrnehmen, nichts geben könnte. Indem wir uns der Tiefe unserer eigenen Furcht stellen, gestatten wir es uns selbst schließlich, die Macht, die Schönheit und die Liebe des großen Geists, der in der ganzen Schöpfung lebt, unmittelbar zu erfahren. Pubertät Ich war schon immer groß für mein Alter, mit zwölf Jahren hatte ich bereits fast meine heutige Körperlänge von 177 cm erreicht, und so hatte ich jahrelang die meisten gleichaltrigen Jungen kopfhoch überragt. Deshalb war ich beim Beginn der High School (in Sacramento begann die High School mit der zehnten Klasse) entzückt, als ich bemerkte, daß die Kinder in meinem Alter im Sommer erstaunlich gewachsen zu sein schienen. Außerdem gab es hier jetzt jede Menge älterer Kinder, so daß sich in den Gängen große Jungen tummelten! Mein gebrochenes Herz heilte schließlich, als ich mit Rick zu gehen begann, einem aufgeweckten interessanten Jungen meines Alters, den ich schon immer gemocht hatte. Dies war meine erste dauerhafte, erwiderte Liebschaft. Wir hatten sehr viel gemeinsam und liebten einander wirklich. Wir waren fünfzehn, also noch zu jung, um Auto zu fahren - eine Quelle unerträglicher Frustration, wie sehnten wir uns doch nach dem ultimativen Symbol der Unabhängigkeit, dem Führerschein! Also mußten wir einander zu Hause per Fahrrad aufsuchen und zu Fuß ins Kino gehen oder uns sogar - welch eine Schande! - von unseren Eltern fahren lassen. Seine Eltern spürten, welch tiefe Zuneigung wir zueinander hegten, und sie machten sich große Sorgen, daß wir uns allzusehr emotional und / oder sexuell miteinander einlassen könnten. Wir betrieben sehr viel leidenschaftliches Necking, aber damals war es noch ziemlich unüblich, daß man in diesem Alter schon Sex hatte, und wir hatten auch keinen. Gegen Ende des Schuljahres zerbrach unsere Beziehung, weil wir einfach zu jung waren, um die Intensität unserer Verbindung aufrecht zu halten. Im folgenden Jahr ging ich mit einem sehr lieben Jungen aus dem Junior College, der schließlich, nachdem wir uns voneinander getrennt hatten, eine meiner Freundinnen heiratete. Meine Freundinnen waren mir mindestens so wichtig wie meine
Freunde, wenn nicht sogar noch mehr. Ich schloß tiefe Freundschaft mit vier anderen Mädchen Yvonne, Bev, Sandy und Cathy - , und zu fünft waren wir eine recht formidable Mannschaft. Wir verbrachten die meiste Zeit zusammen und teilten alles miteinander. An Wochenenden verbrachten wir häufig die Nacht zusammen in einem unserer Zuhause, unterhielten uns bis spät in die Nacht und lachten so heftig und lang, daß uns die Bauchmuskeln wehtaten. Manchmal taten wir verrückte Dinge, etwa mitten in der Nacht hinauszuschleichen, als wir eigentlich schon längst schlafen sollten, um dann im Park wild umherzutanzen wie Nymphen, die dem Dionysos huldigten. Natürlich unterhielten wir uns auch schier endlos über unsere Freunde und über alles, was wir mit ihnen zusammen erfuhren und erlebten. Wir sprachen auch sonst über alles, vor allem über den Sinn des Lebens und darüber, welche Bahn unser Leben nehmen sollte. Es waren wirklich recht besondere junge Frauen, und ich erinnere mich an unsere gemeinsame Zeit mit leidenschaftlicher Zuneigung. Sandy, die ihren Namen später in Sonora änderte, blieb meine beste Freundin, bis wir dreißig waren. Es gab auch ein paar Lieblingslehrer, die mein Leben damals sehr beeinflußten. Der eine war Mr. Lahey, mein Berater und Englischlehrer, der meine Intelligenz und Kreativität erkannte und mir zu einer Zeit Unterstützung gab, als ich sie wirklich brauchte. Er sagte mir, daß ich eine leichte Feder führe, womit er meinte, daß ich leicht und gut schreiben konnte, und er ermutigte mich, mich schriftlich mitzuteilen. Er war ein frommer Katholik, und als ich eines Tages wirklich von Sorgen niedergedrückt und deprimiert war, sagte er, daß er das Gefühl habe, ich müsse wohl Gott finden. Damals verabscheute ich einen derartigen, vermeintlich 'lächerlichen Rat, doch seitdem habe ich schon oft darüber nachgedacht, wieviel Wahrheit seinem Kommentar doch innewohnte. Ich wünschte, ich könnte ihn jetzt wissen lassen, wie recht er hatte. Ein weiterer Lieblingslehrer war Mr. Gill, mein Lateinlehrer. Ich lernte drei Jahre lang Latein auf der High School, war also jedes Jahr in seiner Klasse. Er war ein großer, rothaariger junger Amerikaner irischer Herkunft, der für das Priesteramt studiert und sich dann doch dazu entschieden hatte, zu heiraten und Lehrer an der High School zu werden. Wir merkten, daß er Kinder wirklich liebte, und es machte viel Spaß mit ihm. Das Lateinische erledigten wir so schnell wie möglich, um den größten Teil der Zeit damit zu verbringen, im Unterricht über Tagesereignisse zu sprechen und über Politik und Philosophie zu diskutieren. Das war in den Jahren 1963 - 1966, als der Vietnamkrieg gerade eskalierte und zu einem sehr kontroversen Thema wurde. Ich hegte starke Antikriegsgefühle, nahm an Demonstrationen teil und schrieb Briefe an den Herausgeber der Stadtzeitung. Mr. Gill dagegen glaubte, daß der Krieg rechtens und notwendig sei, und so hatten wir beide täglich hitzige Streitgespräche, an denen auch einige der anderen Schulkinder mitmachten, während wiederum andere ungeduldig darauf warteten, daß die Klingel das Ende der Stunde anzeigte. Ich liebte seinen Unterricht und war dankbar dafür, daß er uns ein Forum bot, um uns über wichtige Dinge zu unterhalten, und auch dafür, daß er uns ermutigte, unsere Gefühle und Meinungen zu sagen. Als ich mich am College bewarb, bat ich ihn um ein Empfehlungsschreiben. Erstaunt erfuhr ich später, daß er darin seine Erwartung formuliert hatte, daß ich einmal »eine der großen Frauen dieses Jahrhunderts« werden würde. Noch während ich dies schreibe, treten mir die Tränen in die Augen. Danke, daß Sie mich wertschätzten, Mr. Gill! Als ich zu Beginn der Oberstufe siebzehn wurde, beschloß ich, daß es an der Zeit sei, meine Unschuld zu verlieren. Meine Freundinnen hatten diesen Sprung bereits vollzogen, und ich wollte nicht allzusehr ins Hintertreffen geraten. Ich hatte damit begonnen, mit einem jungen Mann von neunzehn Jahren auszugehen, der in der Navy war, er war ganz in der Nähe stationiert. Jim war pfiffig, spaßig und rebellisch (er haßte die Navy), und er machte sich etwas aus mir. Er erschien mir ein guter Kandidat, um mir beim Erreichen meines Ziels behilflich zu sein. Meine Mutter hatte entschieden, wenn auch ziemlich spät, daß ich wohl etwas mehr Struktur im Leben brauchte, und so verhängte sie ein striktes Ausgehverbot - ich mußte um Mitternacht zu Hause sein, egal was geschah, selbst am Wochenende. Also machte ich mich an meine erste
große Rebellion. Ich kehrte um Mitternacht nach Hause zurück, ging ins Bett und stieg wieder aus dem Fenster, nachdem meine Mutter eingeschlafen war, um mich von Jim in seinem Wagen abholen zu lassen. Natürlich konnte man zu dieser Uhrzeit nirgendwo mehr ausgehen, also fuhren wir umher, parkten schließlich und stiegen aus. Das war also die Kulisse für meine erste sexuelle Erfahrung - der Rücksitz eines Wagens. Wie die meisten Ersterfahrungen war es nicht besonders gut, doch irgendwie genoß ich die kühne Auflehnung des Ganzen. Jim und ich gingen noch weiterhin miteinander, und mit etwas Übung wurde auch der Sex besser. Daher gelang es mir mit der typischen Naivität des jungen Mädchens, gleich in den ersten beiden Monaten schwanger zu werden. Schwangerschaft Ich kämpfte immer noch mit meiner unterschwelligen existentiellen Verzweiflung und hatte damit begonnen mich zu fragen, ob ich dem Lebensplan überhaupt folgen wollte, der mir mehr oder weniger vorgesetzt worden war - auf ein gutes College zu gehen, irgendeinen Beruf zu ergreifen und mich einer sinnerfüllten Karriere zu widmen. Als ich schwanger wurde, schwelgte ich in Phantasien darüber, wie ich gar nicht aufs College ging, sondern statt dessen Jim heiratete und eine Hausfrau mit einem Baby wurde. Diese völlige Abweichung von meinem vorprogrammierten Weg erschien mir anziehend. Zu diesem Zeitpunkt erriet meine Mutter, daß ich schwanger war, und wir hatten eine lange Aussprache. Sie überzeugte mich davon, die Sache etwas gründlicher zu überdenken, und schließlich gelangte ich zu dem Schluß, daß ich für ein Kind noch nicht bereit war. Damals war die Abtreibung in den Vereinigten Staaten immer noch verboten, schon der Gedanke daran rief gräßliche Bilder von schummrigem Tun in irgendwelchen Hinterzimmern wach. In Schweden und Japan hingegen war die Abtreibung völlig legal. Meine Mutter erkundigte sich in ihrem Freundeskreis, und schließlich erbot sich eine japanische Freundin dafür zu sorgen, daß ich durch ihre Schwester in Japan eine legale Abtreibung bekommen könnte. Meine Mutter und ich entschieden, daß es besser wäre, wenn ich dorthin reiste anstatt hier eine illegale Operation zu riskieren. Die Operation würde fast gar nichts kosten, doch die Reise würde sehr teuer sein. Meine Mutter konnte es sich zwar leisten, für meine Reise zu bezahlen, nicht aber, mich nach Japan zu begleiten. Jim war böse, weil er mich heiraten und das Kind haben wollte. Ich spürte aber, daß dahinter zum Teil sein verzweifeltes Bedürfnis nach Wärme und Trost als Gegenpol zu seinem deprimierten Leben in der Marine stand, und diese Last wollte ich mir wirklich nicht aufbürden. Und so erzählte ich meinen Freunden und Freundinnen in den Frühlingsferien (meine besten Freundinnen ausgenommen, die die ganze Geschichte kannten), daß ich eine Familie in Japan besuchen wollte, und dann reiste ich ab. Am Flughafen von Tokio empfing mich die Schwester unserer Freundin, eine ältere japanische Dame, die etwas Englisch sprach und mich in das kleine Privatkrankenhaus eines jungen japanischen Geburtshelfers begleitete. Der Arzt sprach kein Englisch. Das Gebäude war nicht geheizt und wirkte etwas primitiv. Die Situation war so gänzlich anders als alles, was ich mir vorgestellt hatte - ich hatte eine große, weißgetünchte Institution erwartet, und so geriet ich in Panik. Ich entschuldigte mich und ging ins Bad. Dort gab es eine Toilette in asiatischem Stil, in den Fußboden eingelassen, auf der man sich niederkauern mußte. Alles war so seltsam und fremd. Der letzte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, war die Tatsache, daß sich die Toilettentür verklemmte, als ich hinauswollte. Ich hämmerte gegen die Tür und begann hysterisch zu weinen. Ich glaubte, ich würde an diesem fremden Ort den Tod finden, weitab von allem, was mir vertraut war und von jedem, der sich um mich sorgte. Man befreite mich aus der Toilette, und ich rief sofort meine Mutter an. Sie muß sich außerordentliche Sorgen gemacht haben, als sie mich so erregt hörte, schaffte es aber, sehr zuversichtlich zu klingen. Langsam beruhigte ich mich;
der Arzt und meine Dolmetscherin empfahlen mir eindringlich, mich erst einmal ordentlich auszuschlafen. Am nächsten Morgen teilte der Arzt mir mit, daß es zwei Operationen geben würde, eine am Morgen und eine am Abend. Er verabreichte mir eine allgemeine Betäubung und führte die erste Operation durch. Den ganzen Tag war mir fürchterlich übel. Dann vollzog er die zweite Operation, und danach ging es mir gut. Bis heute weiß ich immer noch nicht, weshalb es auf diese Weise geschehen mußte. Ich erholte mich mehrere Tage im Krankenhaus, wo ich mich in meinen Arzt und seine Familie schier verliebte. Sie waren außerordentlich freundlich zu mir, wahrscheinlich hatten sie tiefes Mitleid für dieses junge amerikanische Mädchen, das so fern der Heimat war. Seine Frau kochte für mich und versuchte sich an amerikanischer Küche, obwohl ich lieber japanisch gegessen hätte. Seine zwei kleinen Töchter besuchten mich jeden Tag nach der Schule. Und bevor ich ging, lud er mich und meine Dolmetscherin / Fürsorgerin zum Tee bei seinen alten Eltern ein, die mit ihm in einem kleinen Reispapierhaus neben der Klinik wohnten. Ich werde nie vergessen, wie ich dastand und mir vorkam, als wäre ich ungefähr einen Meter achtzig groß und durch und durch verlegen, als all diese kleinen japanischen Leute sich niederknieten und mit der Stirn den Boden berührten (denn die Höflichkeit verlangt es dort, daß man sich vor dem anderen erniedrigt). Ich wußte ihre Güte sehr zu schätzen, und als ich sie verließ, schien mein Herz vor Liebe zu ihnen überzuquellen. Meine Mutter war der Auffassung gewesen, daß ich diese Reise nach Japan, wenn sie schon erforderlich war, auch genießen und kulturell nutzen sollte. So hatte sie eine kleine Dreitagestour zusammen mit anderen Amerikanern in die wunderschöne historische Stadt Kyoto organisiert. Wegen meines sich erst wieder organisierenden Hormonhaushalts befand ich mich gefühlsmäßig auf einer Achterbahn - im einen Augenblick noch himmelhoch jauchzend, im anderen deprimiert und einsam. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit niemandem darüber reden zu können, warum ich eigentlich hier war. Aber Kyoto gefiel mir. Die Eleganz und Schönheit der Tempel und Gärten prägten sich tief in meine Seele ein. Alles schien mir sehr vertraut, und ich wollte gern wieder hierher zurückkommen. Auf der Rückreise aus Japan machte ich einen mehrtägigen Halt in Honolulu. Unser Reisebüro hatte das billigste Zimmer in einem Hotel direkt an der Waikiki Beach reserviert, damals gab es dort nur wenige Hotels und der Strand war immer noch wunderschön und unverdorben. Das Zimmer kostete nur acht Dollar pro Nacht! Ich traf dort am Ostersonntag ein, am letzten Tag der Osterferien. Das Hotel war ausgebucht gewesen, doch da die meisten Gäste bereits am Morgen ihr Zimmer aufgegeben hatten, war es jetzt fast leer, und der Sekretär an der Rezeption gab mir eines der besten Zimmer zum selben Preis. Es befand sich im obersten Stock, besaß Balkone, von denen aus man in zwei Richtungen blicken konnte, einen wunderschönen Teppich in Türkis, dessen Farbe die des Meeres draußen widerspiegelte, und ein großes goldenes Bett. Ich war überwältigt, aber auch erfreut. Mein Aufenthalt auf Hawaii war Balsam für meinen Körper und meine Seele. Die weiche warme Luft und die Sonne am Strand schienen jede Pore zu durchdringen. Ich lernte einen gutaussehenden, vierundzwanzigjährigen Berufsbillardspieler namens Eddie aus New York City kennen, der meine Verletzlichkeit gespürt haben muß, denn er nahm mich unter seine Fittiche, zeigte mir die Gegend, versuchte nicht, mit mir in das große goldene Bett zu steigen und gab mir bei meiner Abreise einen keuschen, romantischen Abschiedskuß. Insgesamt erlebte ich auf dieser Reise das Hinaustreten in die Welt, allein und verletzlich, erfuhr aber auch, wie alle, denen ich begegnete, sich um mich sorgten und mich mit großer Güte behandelten. Das war eine sehr machtvolle Erfahrung des Vertrauens in mich selbst und in andere. Ich wußte, daß ich nie wieder gutmachen könnte, was die Menschen, die mir geholfen hatten, für mich getan hatten; doch ich schwor mir, anderen Menschen in Not die gleiche Fürsorge angedeihen zu lassen.
College Die besten Freunde meiner Mutter, Tom und Delphine Frazier, die wie eine Tante und ein Onkel zu mir gewesen waren, hatten beide ihren Collegeabschluß am Reed College in Portland, Oregon, gemacht. Schon lange hatte ich den Ehrgeiz, dasselbe College zu besuchen. Denn Reed hatte nicht nur eines der höchsten akademischen Niveaus im ganzen Land, es war auch dafür bekannt, daß es dort kreativ, radikal und unkonventionell herging, lange bevor der Radikalismus der späten 60er Jahre in allen Colleges ausbrach. Zu meiner großen Freude war meine Bewerbung erfolgreich; im Herbst 1966 ging ich also ans College. Reed ist ein kleines Privatcollege (damals gab es dort etwa 900 Studenten), das auf einem üppigen, grünen, hinreißend schönen Campus im Wohngebiet von Portland liegt. Im ersten Jahr wohnte ich in einem wunderbaren alten Einbauschlafsaal auf dem Campus. Reed war eine sehr stimulierende Umgebung, weil dort alle, Professoren wie Studenten, brillierten. Obwohl man stark akademisch ausgerichtet war, spielte man die Semesterzahlen herunter und ermutigte die Freiheit des Geistes, das kreative Denken und Tun: Dort gab es echte Charaktere, sowohl im Lehrkörper als auch unter den Studenten. Mein Wissensdurst, der auf der High School etwas gedämpft worden war, erwachte zu neuem Leben. Ich genoß es, mein Erwachsenenleben an einem so aufregenden Ort beginnen zu können. Es war auch traumatisch für mich. Mein ganzes Leben war ich es gewohnt gewesen, daß meine Intelligenz honoriert wurde. Ich war daran gewöhnt, daß ich stets einer der intelligentesten Menschen meiner Umgebung war und daß ich mühelos auf allen Gebieten herausragende Leistungen erbrachte, wenn ich es nur wollte. In Reed waren alle mindestens ebenso intelligent wie ich, und viele von ihnen schienen recht viel intelligenter und gebildeter zu sein. Manche der Studenten hatten Privatschulen an der Ostküste besucht und verfügten über eine enorme Belesenheit, die mich völlig überforderte. Ich entdeckte schon bald, daß es nicht genügte, einfach einen Aufsatz zu schreiben, um automatisch ein A (entspricht der deutschen Note sehr gut; Anm. d. Übs.) zu erhalten. Ich mußte vielmehr dafür arbeiten, und selbst dann war das Ergebnis nicht immer berauschend. Meine ganze Ego - Identität als brillante Intellektuelle war schwer erschüttert. Meine Collegekarriere begann mit einem sehr eindrücklichen Vorfall. Reed war, wie bereits erwähnt, eine Brutstätte radikaler Politik, und 1966 war eine sehr radikale Zeit. Ich engagierte mich sofort in einer Campusgruppe gegen den Vietnamkrieg und nahm aktiv an Demonstrationen teil. Eines Nachts fand eine sehr große, sehr wichtige Demonstration statt. Hubert Humphrey, der damalige Vizepräsident der Vereinigten Staaten, nahm an einem großen Geldbeschaffungsbankett in Portland teil, zu dem die ganze Großkopfete erschien. Wir veranstalteten draußen eine Demonstration, die zwar friedlich begann, dann aber beängstigende Ausmaße annahm, als plötzlich eine lange Reihe behelmter Polizisten erschien und drohend auf uns zukam. Da brach ein Handgemenge aus und alles wurde wild und chaotisch. Ein junger Mann war unmittelbar vor mir zu Boden gestürzt, und ein stämmiger Polizist begann damit, aufs bösartigste auf ihn einzutreten. Ich selbst trug gerade ein Protestschild und schlug es dem Polizeibeamten reflexartig über den Schädel. Es war aus Pappe, und er trug einen Schutzhelm, so daß er es kaum bemerkte, doch ein weiterer Polizist, der den Vorfall gesehen hatte, kam von hinten herbeigelaufen, packte mich und zerrte mich zum Einsatzwagen hinüber. Ich glaube, daß ich wohl nicht zur Revolutionsheldin geboren bin, denn zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich völlig die Nerven verlor und zu plappern begann: »Das habe ich nicht gewollt, das habe ich nicht gewollt!« (Ich hatte den Polizisten wirklich nicht schlagen wollen, es war eine unwillkürliche Reaktion gewesen.) Ich werde nie die barsche Antwort des Beamten vergessen, als er mich in den Wagen schleuderte: »Doch, hast du wohl, du kleine Heuchlerin!« Eine Gruppe von uns wurde ins Gefängnis gebracht. Als man feststellte, daß ich noch ein paar Tage unter achtzehn war, brachte man mich in einen Saal für Jugendliche, was wirklich erschreckend war, denn nun war ich von meinen Kameraden getrennt und mußte den größten Teil der Nacht dort allein bleiben. Die wachhabenden Beamten und Beamtinnen waren
unglaublich kalt und gefühllos, und das flößte mir Schrecken ein. Ich wußte, daß ich irgendwann gerettet werden würde, überlegte mir aber auch, wie es wohl sein mußte, wenn man als armes, zu einer Minderheit gehörendes Kind in Schwierigkeiten geriet, ohne daß einen jemand erfolgreich in Schutz nehmen konnte. Das war ein Gefühl schierer Verzweiflung. Ungefähr um drei Uhr morgens kam mein Collegedekan und holte mich heraus. Er war ein sehr gütiger Mann und mir erschien er wie der reinste Engel. Meine Mutter erzählte mir später, daß die für den Jugendlichentrakt zuständige Beamte sie mitten in der Nacht in Kalifornien angerufen und ihr berichtet hatte, daß ihre Tochter soeben einen Polizisten tätlich angegriffen habe, daß er im Krankenhaus stationär behandelt werde, und daß man nicht wisse, ob er es überleben würde! Meine Mutter bewahrte jedoch die Fassung, fragte nach Einzelheiten und sagte schließlich: »Wollen Sie mir etwa erzählen, daß ein mageres siebzehnjähriges Mädchen einen behelmten Polizisten mit einem Pappschild geschlagen hat und Sie nicht wissen, ob er durchkommt?« - Da legte die Polizistin auf. Freunde, die um solche Dinge wußten, versicherten mir, daß meine Verhaftung nicht in den Akten festgehalten würde, weil ich noch nicht achtzehn war, was mich sehr erleichterte. Ich habe nie wieder von dem Vorfall zu hören bekommen. Schon bald hatte ich mich an das Leben am College gewöhnt. Meine beiden Zimmergenossinen wurden zu engen Freundinnen, ich hatte einen netten Freund und mochte den Unterricht. Für die Leibeserziehung wählte ich das Fach Ballett. Ich hatte das Ballett schon immer geliebt. Schon als kleines Kind nahm meine Mutter mich zu Aufführungen des San Francisco Ballet mit, wo ich dann vor Aufregung und Freude immer ganz große Augen bekam. Ich hatte mir vorgestellt, mal eine Ballerina zu werden, hatte die Angelegenheit aber nie weiter verfolgt, wenngleich ich auf der High School Unterricht in modernem Tanz genommen hatte, was mir sehr viel Spaß machte. Der Lehrer am Reed war sehr gut, und ich liebte den Unterricht. Ich engagierte mich immer mehr und nahm soviel Ballettunterricht, wie ich nur konnte. Im zweiten Jahr in Reed begann ich meine Schulillusionen zu verlieren. Reed intensivierte meine Neigung zum Intellektuellen und führte sie auf den Höhepunkt, so daß ich langsam gesättigt war. Ich erinnere mich, daß ich das Gefühl hatte, neunzig Prozent meines Lebens nur im Kopf zu verbringen, und daß ich mich danach sehnte, auch dem anderen Teil meines Wesens Ausdruck zu verleihen, doch gab es dafür nur wenig Gelegenheit, weil ich den größten Teil der Zeit mit Lernen verbringen mußte. Ich hatte mich für das Hauptfach Psychologie entschieden, weil es mich wirklich interessierte, doch die Grundkurse orientierten sich am Behaviorismus, es drehte sich dabei meistens um Experimente mit Ratten und um das Erstellen von Statistiken, und beides verabscheute ich. Mein existentieller Weltschmerz setzte wieder ein, diesmal in voller Wucht. Einmal mehr begann ich mich zu fragen, was das Ganze für einen Sinn haben konnte. Veränderungen In dieser Phase beeinflußten drei Faktoren mein Leben, die mein Bewußtsein veränderten und meiner Sicht der Wirklichkeit neue Perspektiven verliehen. Der erste Faktor war Drogen. Erst jetzt begann man an den Colleges Marihuana und LSD zu verwenden, und Reed stand in diesem Punkt an vorderster Front. Einige meiner Freunde hatten bereits Drogen genommen, doch ich war etwas vorsichtiger. Ich hatte noch nie eine Zigarette geraucht, hatte kaum jemals Alkohol zu mir genommen und selten auch nur ein Aspirin geschluckt. In meinem ersten Jahr hatte ich ein paarmal versucht Marihuana zu rauchen, da ich aber nicht rauchen konnte, war nicht allzuviel geschehen. Im zweiten Jahr versuchte ich es wieder und meisterte die Technik soweit, daß ich die gewünschte Wirkung erhielt, die sich als sehr angenehm herausstellte. Nun begann ich es gelegentlich zu rauchen und genoß es, wie es mir dabei half, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Schließlich versuchte ich es auch einige Male mit LSD und machte wundervolle Erfahrungen damit. Es ermöglichte es mir, mich sehr frei und offen zu fühlen und die physische Welt auf der
Energieebene zu erleben. Ich konnte erkennen, daß alles Physische tatsächlich aus Energie besteht, und ich konnte mich auf die Schwingung dieser Energie einstimmen. Obwohl meine Drogenerfahrungen sehr positiv waren, entwickelte ich nie die Gewohnheit, nun öfter als nur gelegentlich Drogen einzunehmen, anders als meine Freunde, die sie regelmäßig einnahmen. Was Nahrung und Drogen angeht, scheine ich nicht sonderlich zur Sucht zu neigen. Ich habe ein starkes Bedürfnis nach Ausgeglichenheit und Gesundheit und scheue von Natur aus den Exzeß. Außerdem komme ich aus einer Familie von Nichtrauchern und Nichttrinkern. Ich glaube sogar, daß die Tatsache, daß ich bei meiner Geburt nicht betäubt gewesen war, mir dabei geholfen haben mag, der Neigung zur Drogenabhängigkeit zu entgehen, die in meiner Generation doch so deutlich vorherrscht. Gegen Ende meines zweiten Jahres machte ich die zweite Erfahrung, die sich als wichtiger Wendepunkt in meinem Leben herausstellen sollte. Ich hatte eine starke Verbindung zu einem jungen Psychologieprofessor aufgebaut, der mich zur Teilnahme an einem Experiment einlud. An einer Encounter Gruppe, die sich aus einer Anzahl Fakultätsmitglieder und einigen wenigen Studenten zusammensetzte. Diese Art von Gruppen waren etwas Neues, und keiner von uns hatte je an einer ähnlichen teilgenommen. Zwanzig von uns trafen sich im Wohnzimmer zu Hause bei einem der Professoren. Der Gruppenleiter fing damit an, daß er uns anwies, uns vorzustellen und den anderen ein wenig von den Problemen zu erzählen, die in unserem Leben eine Rolle spielten. Dann ließ er uns Partnerübungen machen, bei denen wir einander in die Augen blickten, bestimmte Fragen stellten und beantworteten. In mir stiegen viele Emotionen auf - etwas Trauer, etwas Liebe. Auch andere wurden emotional. Schließlich begannen einige Leute zu weinen, ließen intensiven Gefühlen freien Lauf, die sie das ganze Leben zurückgehalten hatten. Wir verbrachten drei Tage zusammen. Im Laufe dieser Zeit verlieh jeder immer mehr Emotionen freien Ausdruck. Wenn die Leute wütend wurden, half der Leiter ihnen dabei, ihre Gefühle auszudrücken. Je mehr wir miteinander teilten, um so enger fühlten wir uns miteinander verbunden. Am Ende des Ganzen war es, als wären wir eine einzige große, intime Familie. Ich schwelgte in Glückseligkeit. Noch nie hatte ich solch intensive Gefühle der Liebe empfunden. Noch Tage danach hatte ich ein größeres High, als ich es je mit Drogen erlebt hatte. Mein Herz war weit offen. Ich wollte mehr von diesem Gefühl haben. Tanz Der dritte Veränderungsfaktor in dieser Zeit war der Tanz. In diesem Jahr bekam ich einen neuen Lehrer, der anstelle von Ballett modernen Tanz unterrichtete. Ich liebte das Gefühl der Freiheit und der Kraft, das mir die neuen Körperbewegungen verliehen. Das war der Ausgleich für meinen Intellekt, den ich so dringend brauchte, und ich merkte, daß dies das einzige Fach war, das mir wirklich Freude machte! Am Ende dieses Jahres hatte ich damit begonnen, mich ernsthaft für den Tanz zu interessieren, und so beschloß ich, an einem sechswöchigen Tanzintensivkurs am Long Beach State College in Kalifornien teilzunehmen. Das war ein wundervolles Erlebnis. Ich wohnte mit anderen Tanzstudenten in einem Schlafsaal, und an sechs Tagen in der Woche gab es jeweils sechs Stunden Tanzunterricht. Den Rest der Zeit sprachen, aßen, ja atmeten wir nur Tanz. Unsere Lehrer waren alle erste Garnitur, und wir studierten Ballett, viele Formen des modernen Tanzes, Jazz und Choreographie. Ich war völlig hingerissen vom Tanzen und liebte auch die Konzentration, die Strenge und die Disziplin des beinahe klösterlichen Lebens, das ich gerade führte. Als ich wieder nach Reed zurückkehrte, um mein drittes Jahr zu beginnen, geschah etwas Seltsames. Ich trat ins Büro, um mich für meine Fächer einzuschreiben, als ich plötzlich erkannte, daß ich es nicht tun konnte. Also machte ich einfach kehrt und ging wieder. In diesem Augenblick der Entscheidung kehrte ich dem Leben den Rücken, für das ich seit meiner Geburt trainiert und programmiert worden war. Ich denke, daß das wohl der radikalste
Sprung war, den ich je gemacht habe. Tanz und Entdeckung Durch den Tanz machte ich meine erste Erfahrung des Loslassens und des völligen Michergebens an die Energie des Lebens. Ich ließ meinen Verstand fahren und gestattete es der Lebenskraft, mich zu tanzen. Ich erfuhr die Macht des Universums, wie sie durch meinen Körper strömte und mich in die Ekstase wirbelte. Das veränderte mein Leben für immer. Ich konnte nicht mehr in meine frühere, rational betonte Existenz zurückkehren. Meine alte Identität und meine früheren Prioritäten hatten sich aufgelöst, und ich hatte keinerlei Vorstellung davon, wer ich war und wohin ich ging. In diesem Jahr blieb ich in Portland und mietete zusammen mit meinem damaligen Freund, einem sehr mystisch gesinnten, sehr bekifften jungen Mann, den ich in San Francisco kennengelernt und eingeladen hatte, in Portland mit mir zu leben, ein kleines Haus in der Nähe des Campus von Reed. Beim städtischen Freizeitamt bekam ich eine Stelle als Tanzlehrerin für Kinder, und ich nahm selbst am Reed Tanzstunden. Ich durfte Gott für meinen Lehrer danken, der sich jede Woche mit mir zusammensetzte und mir sagte, was ich den Kindern in meiner Klasse beibringen sollte. Ich hatte das Gefühl, daß ich ihnen gerade einen Schritt voraus war, und die ganze Sache machte mir große Sorgen. Anscheinend leistete ich ganz gute Arbeit, denn bei der gesamtstädtischen Vorführung am Ende des Jahres waren meine Kinder sensationell gut, und ich war deshalb sehr stolz auf uns alle. Das collegefreie Jahr gab mir die Zeit, die Veränderungen, die ich gerade durchmachte, in mein Leben zu integrieren und zu meiner neuen Richtung zu finden. Ich beschloß, meiner Tanzleidenschaft nachzugehen. Ich gelangte zu dem Schluß, daß ich dies nur in jungen Jahren tun könnte, während ich andere Dinge später im Leben verfolgen konnte. Ich entschied mich dazu, meine Collegeausbildung im Fach Tanz abzuschließen. Da es am Reed keinen Hauptabschluß im Fach Tanz gab, wechselte ich zur University of California in Irvine über, wo es eine sehr große Tanzabteilung gab. Der Wechsel von Reed nach Irvine war ziemlich drastisch, denn dieser Ort liegt im Orange County und ist eine Bastion des Konservativismus direkt südlich von Los Angeles. Irvine war das polare Gegenstück zu Reed, ein großer, brandneuer und völlig farbloser Campus für das mittlere Nordamerika. Ich ignorierte alles daran, außer meinen Tanzstunden. Die Tanzabteilung von Irvine stand in einem Anerkennungswettbewerb mit der weitbekannten Tanzabteilung der UCLA (University of California, Los Angeles; Anm. d. Übs.) Die UCLA war dafür bekannt, daß sie Tänzer hervorbrachte, die zwar sehr kreative Choreographen oder Lehrer, aber keine professionellen Künstler waren. Irvines Abteilung unter der Leitung von Eugene Loring hatte es sich dagegen zum Anliegen gemacht, Studenten hervorzubringen, die technisch kompetent genug waren, um professionelle Tänzer zu werden. Daher lag die Betonung auf der Technik - Ballett, Modern und Jazz, dazu etwas Choreographie. Der Standard war sehr hoch, die Benotung äußerst streng und der Wettbewerb intensiv. Ich hatte einen großen Nachteil, weil ich erst drei Jahre zuvor mit dem Tanzen begonnen hatte, während die meisten Studenten schon seit ihrer Kindheit Ballett studiert hatten. Ich arbeitete hart, genoß die Konzentration und die Disziplin und verschaffte mir eine solide technische Grundlage, für die ich noch heute dankbar bin. Die Betonung des Technischen war gut für mich, weil ich dieses Training gebrauchen konnte, die Atmosphäre des Konkurrenzgeistes dagegen anstrengend und entmutigend. Ich liebte die Choreographie und träumte von einer Karriere als Choreographin. Später wünschte ich mir, daß ich mehr Förderung bei den kreativen Aspekten des Tanzes erfahren hätte, denn ich glaubte, daß ich es auf diesem Gebiet zu herausragenden Leistungen gebracht hätte. Während meines Einstandsjahrs in Irvine hatte ich, zum ersten Mal seitdem ich fünfzehn war, keinen festen Freund. Ich wohnte in einem Haus auf Baiboa Island mit zwei anderen Frauen zusammen und konzentrierte mich fast ausschließlich auf mein Tanzstudium.
Damals entwickelte ich auch ein großes Interesse an gesunder Ernährung und begann damit, sehr bewußt zu kochen und zu essen. Meine Freundin aus der High School, Sonora, hatte mit dem Hatha Yoga begonnen und mir davon erzählt. Das klang interessant, also nahm auch ich Yogaunterricht und praktizierte jeden Tag. So widmete ich mein Leben der Herstellung einer gesunden, machtvollen Beziehung zu meinem Körper. Und das Alleinsein gewährte mir Zeit für die Kontemplation, wodurch ich einen Kontakt zu meinem tieferen Selbst herstellte. Einmal mehr hatte ich dieses klösterliche Gefühl, das meiner Seele sehr zufriedenstellend erschien. Noch immer denke ich mit einer gewissen Wehmut an die vergleichsweise Schlichtheit und die körperliche Disziplin dieser Periode zurück. Auf der emotionalen Ebene war ich allerdings ziemlich einsam. Keine Beziehung zu einem Mann zu haben - das hinterließ ein Gefühl der Leere und des Schmerzes in meinem Inneren. Und so verliebte ich mich im zweiten Jahr Irvine in Laurence. Wir fanden eine süße, aufregende kleine Hütte draußen auf dem Land und zogen zusammen. Laurence arbeitete als Vertreter für eine Teppichreinigungsfirma. Da ich einen Job brauchte, der sich meinen Studienzeiten anpaßte, beschlossen wir, unsere eigene Teppichreinigungsfirma aufzumachen. Ich war die Vertreterin, die loszog, um die Kostenvoranschläge abzuwickeln und zu verkaufen, während Laurence die eigentliche Reinigung durchführte. So stellte ich fest, daß der Kontakt zu Menschen mir sehr behagte und daß ich ein gewisses Verkaufstalent besaß. Es war hauptsächlich eine Frage, warmherzig und freundlich mit den Leuten umzugehen und sie spüren zu lassen, daß sie mir etwas bedeuteten. Unser Unternehmen florierte, und so zogen wir schließlich in die Stadt zurück, nahmen uns ein großes, modernes Apartment mit einem eigenen Firmenbüro und heuerten zwei Telefonakquisiteure an, die uns Termine besorgten. (»Hi, hier ist die Teppichreinigungsfirma Miraclean. Wir sind demnächst in Ihrer Gegend und machen unverbindliche Kostenvoranschläge...«) Reich wurden wir zwar nicht, konnten uns aber davon ernähren. (Später, nachdem ich gegangen war, verkaufte Laurence die Firma, und sie scheint immer noch zu florieren.) Ich interessierte mich vage für östliche Philosophie und hatte ein oder zwei Bücher von Alan Watts gelesen. Ein wundervoller alter Professor für Kunstgeschichte in Reed, Dr. Reynolds, hatte eine Neigung zur östlichen Mystik gehabt und pflegte uns Dias mit östlicher Kunst zu zeigen, während er irgend etwas über das kosmische Nichts murmelte, was mich faszinierte, obwohl ich eigentlich nicht so recht verstand, wovon er da redete. Er brachte uns bei, daß wir uns, wenn wir ein Kunstwerk wirklich wertschätzen lernen wollten, vor das Gemälde oder den Gegenstand setzen sollten, unseren Geist von allen Gedanken, Urteilen und Interpretationen freimachend, um uns einfach für das zu öffnen, was das Kunstwerk uns mitzuteilen versuchte. Ich versuchte mein Bestes, es so zu handhaben, wie er es empfahl, obwohl es mir nicht leichtfiel, weil ich so verkopft war. Dr. Reynolds unterrichtete auch Kalligraphie; er wies uns an, unsere Kunstgeschichtsreferate handschriftlich zu verfassen und benotete nicht nur ihren Inhalt, sondern auch ihr äußeres Erscheinungsbild. Das gefiel mir sehr, weil ich das Maschinenschreiben haßte, und noch heute verfasse ich alles handschriftlich. Jetzt, da ich regelmäßig Yoga übte, begann ich mich für Meditation zu interessieren. Auch Laurence interessierte sich für spirituelle Weiterentwicklung, und so lasen wir einige metaphysische Bücher. Das erste von ihnen, das eine große Wirkung auf mich hatte, war die Autobiographie eines Yogi von Paramahansa Yogananda. Obwohl ich allem Nicht - Rationalen immer noch mit großer Skepsis begegnete, fesselte mich dieses Buch mit seiner Beschreibung anderer Realitäten doch sehr stark. Es eignete ihm irgend etwas, das mich faszinierte und tief in meinem Innern eine Saite anschlug. Ich lernte einige weitere Leute kennen, die sich für dergleichen interessierten, und oft saßen wir beisammen, um stundenlang darüber zu diskutieren. Manchmal wurden diese Diskussionen durch ein paar Züge an einem Joint angespornt, die es uns wirklich ermöglichten, in die kosmischen Bereiche der nicht linearen Wirklichkeit einzudringen. Mein Interesse am Yoga verband mich auch mit meiner Mutter, die inzwischen in Washington,
D. C., lebte, wo sie für die Bundesregierung arbeitete. Sie begann sich ebenfalls dafür zu interessieren, nahm Yogaunterricht und fing damit an, täglich Yoga zu praktizieren, um sich zu entspannen und um damit ein altes Rückenleiden anzugehen. Nach wenigen Monaten des Yoga hatte sie nicht nur ihr Leiden dauerhaft auskuriert (nach fünfzehn Jahren chronischer Schmerzen), sondern war im Alter von fünfzig Jahren auch körperlich fitter als je zuvor. Im Juni 1971 machte ich meinen Collegeabschluß. Leider hatte die Entmutigung den größten Teil meiner ursprünglichen Leidenschaft für den Tanz unter sich begraben. Ich hatte zuviel Zeit damit verbracht, im Wettbewerb zu versuchen, mich an die technischen Vorgaben eines anderen anzupassen, anstatt den Ausdruck meines eigenen, einzigartigen schöpferischen Geistes zu entwickeln. Ich bin immer noch traurig und zornig, wenn ich an den unnötigen Verlust meiner strahlenden jungen Inspiration und Begeisterungsfähigkeit denke. Ich habe schon so viele andere Menschen das gleiche sagen hören - vor allem was die formale Ausbildung auf dem Gebiet der Künste angeht. Gewiß, die Technik ist wichtig, aber sie muß auch im Rahmen bleiben. Schließlich sollte sie dazu entwickelt werden, dem Geist zu dienen und nicht dazu, ihn zu unterdrücken! Ich hatte keine Vorstellung davon, was ich als nächstes tun würde. Zwar besaß ich nun ein Bakkalaureat im Fachgebiet Tanz, doch das nützte mir nicht viel. Ich war mir unsicher, welche Richtung ich nun einschlagen sollte, um meine Tanzkarriere weiterzuentwickeln. Der Teppichreinigungsfirma ging es zwar gut, aber ich war der Sache inzwischen überdrüssig und wollte sie ganz bestimmt nicht bis zum Ende meines Lebens weiterführen! Die Beziehung zu Laurence war nicht mehr die beste. Wir waren im Verhalten zueinander in viele negative Muster verfallen, und ich fühlte mich nicht gebührend gewürdigt, ich schien nur noch ein selbstverständlicher Faktor zu sein. So wußte ich wirklich nicht mehr weiter. Mom rief mich an und teilte mir mit, daß sie im September drei Wochen Urlaub habe, den sie auf Sardinien verbringen wollte. Sie erholte sich gerade von einer großen, langanhaltenden Liebesaffäre, die soeben geendet hatte, und erbot sich, mir die Reise zu bezahlen, wenn ich sie begleitete. Die Trennung tat ihr wirklich weh, und sie sagte mir, daß sie mich brauchte. Ich meinte, daß die Reise mir zu einer dringend benötigten Lebensperspektive verhelfen würde, und so machte ich mich auf den Weg. Sardinien Sardinien ist eine große Insel vor der Küste Italiens, direkt oberhalb von Sizilien. Es ist ein beliebter Urlaubsort für Europäer, doch unter Amerikanern ist es aus irgendeinem unerfindlichen Grund fast völlig unbekannt - ich bin selten jemandem begegnet, der schon einmal dort war. Es gab dort ein kleines Gebiet, die Costa Smeralda, das zu einem teuren Urlaubsort für den internationalen Jetset ausgebaut worden war. Davon abgesehen war der Rest der Insel beinahe unterentwickelt. Es war außerordentlich schön, wundervolle Strande, bezaubernde kleine Städtchen und zerklüftete Berge. Hoch oben in den Bergen gab es sogar ein paar kleine Orte, wo die Menschen ihre überlieferte, bunte Volkstracht immer noch täglich trugen. Sardinien war schon immer eine Kreuzung für die europäische und die nordafrikanischen Zivilisationen, und es gibt dort sehr viele interessante Ruinen und Funde von der ursprünglichen, einheimischen Kultur beginnend über die Phönizische Zivilisation, die der Karthager, der Römer, der Spanier, und so weiter. Sardinien besitzt auch eine eigene Sprache, die von allen lebenden Sprachen dem klassischen Latein am nächsten steht, wenngleich das Italienische inzwischen die offizielle und am meisten gesprochene Sprache ist. Meine Mutter und ich verliebten uns beide sehr in Sardinien. Inzwischen war ich dabei, die Möglichkeit der Reinkarnation ins Auge zu fassen, und meine Gefühle der Verbindung und des Zuhauseseins an diesem Ort waren so stark, daß ich mich fragen mußte, ob ich früher vielleicht schon einmal hier gelebt hatte. Meiner Mutter ging es ähnlich, und gemeinsam diskutierten wir die Möglichkeit, daß wir zusammen schon früher einmal hier gewesen sein könnten. Sardinien war lieblich und altmodisch, und die Menschen waren warmherzig und freundlich zu
uns. Wir erkundeten die ganze Insel, verbrachten ein paar Tage an einem Ort, um dann zum nächsten weiterzuziehen. Den größten Teil der letzten Woche verbrachten wir in Villasimius, einem Urlaubsort mit einem Hotel und einem wunderschönen Strand, wo wir eine englische Mutter und ihre Tochter kennenlernten, die ebenfalls gemeinsam Urlaub machten. Die Tochter, Geraldine, war genauso alt wie ich, und wir freundeten uns schnell miteinander an. Dann war da noch ein gutaussehender, blendender junger Italiener namens Carlo, der im Hotel im Sommer als Wasserskilehrer arbeitete. Wenn Carlo nicht gerade Wasserski fuhr, fuhr er auf seinem Motorrad umher, und er entsprach ganz allgemein meinem Bild von einem sexy, romantischen Italiener. Er und sein Freund führten Geraldine und mich aus, was wir äußerst aufregend fanden. Carlo sprach ausgezeichnetes Englisch, und es stellte sich heraus, daß wir einander sehr viel zu sagen hatten. Er war intelligent, sensibel und intensiv, und schon bald war ich sehr von ihm eingenommen. Als wir Abschied nehmen mußten, versprachen wir einander, brieflich Kontakt zu halten und auf die eine oder andere Weise sobald es ging wieder zusammenzukommen. Geraldine und ich hatten ebenfalls starke Bande zueinander und zu Italien geknüpft, und bevor wir Sardinien verließen, schlössen wir einen Pakt, daß wir in unser jeweiliges Heimatland zurückkehren würden, um dort zu arbeiten, Geld zu sparen und uns damit zu ermöglichen, uns im nächsten Sommer in Italien wieder miteinander und unseren italienischen Liebhabern zu vereinen. Als ich nach Kalifornien zurückkehrte, stellte ich fest, daß Laurences Zuneigung durch meine Abwesenheit wieder gestiegen war; er wartete begierig auf mich und wollte in unserer Beziehung einen neuen Anfang machen. Nachdem ich ihm von meiner Affäre mit Carlo erzählt hatte, geriet er in einen Eifersuchtskoller und zertrümmerte ein großes Foto von mir, das er vergrößert und gerahmt hatte. Ich fühlte mich schuldig, verwirrt und von meinen Gefühlen zerrissen. Schließlich begriff ich, daß ich einen Schlußstrich ziehen mußte. Es war zwar sehr schmerzhaft, aber ich zog nach Washington, D. C., um dort bei meiner Mutter zu wohnen, mir einen Job zu besorgen und Geld zu verdienen, um nach Europa zurückkehren zu können. Washington, D. C. Ich bekam eine Stelle als Empfangsdame bei der Südvietnamesischen Botschaft. Es war kurz vor Ende des Krieges, als Südvietnam noch eine Botschaft in den Vereinigten Staaten unterhielt. Aufgrund meiner Antikriegsgesinnung hatte ich Skrupel, den Job anzunehmen; ich fragte mich, ob ich damit meine Prinzipien verraten würde. Doch klang die Stelle so interessant, daß ich nicht widerstehen konnte. Es war der einzige regelmäßige Neun - bis - fünf - Uhr - Job, den ich je im Leben hatte, und er erwies sich als angenehm und interessant. Die Botschaft befand sich in einem prunkvollen alten Herrenhaus auf der Embassy Road. Sie war mit wunderschönen östlichen Kunstwerken und Möbeln ausgestattet. Ich saß am Empfangsschreibtisch, nahm Telefonate entgegen, begrüßte die Besucher und teilte ihnen mit, wie sie zu den richtigen Büros kamen. Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun hatte, waren Vietnamesinnen, die mit Amerikanern verheiratet waren, und ihre Pässe verlängern wollten, und so weiter. Manchmal kamen auch wichtige amerikanische Politiker, um sich mit den vietnamesischen Diplomaten zu besprechen. Ich liebte die Stelle wegen der Gelegenheit, die sie mir gab, etwas über das vietnamesische Volk und seine Kultur zu erfahren. Eine der besten Sachen daran war die Tatsache, daß der vietnamesische Leibkoch des Botschafters täglich das Mittagessen für uns zubereitete. Für nur S 1,50 pro Mahlzeit konnte ich so das beste Essen genießen, das ich je bekommen habe (noch immer esse ich am liebsten vietnamesisch). Es war faszinierend, in Washington, D. C., zu leben, denn es war eine völlig andere Umgebung als in Kalifornien. Seit meiner Säuglingszeit hatte ich noch nie einen eiskalten Winter erlebt, und ich empfand ihn recht belebend, wie ich auch das hohe kulturelle Niveau und die Atmosphäre
genoß. Während dieser Zeit durchlief meine Mutter eine Phase tiefer Depression nach dem Zusammenbruch ihrer letzten Beziehung. Ich denke mir, daß sie sich im Alter von fünfzig Jahren mit der Tatsache auseinandersetzte, daß ihre Männerbeziehungen nicht funktionierten. Ganz wie mein gebrochenes Herz im Alter von vierzehn warf es auch sie in einen Zustand schlimmster Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Sie wollte meine Unterstützung und meine Kameradschaft, doch für mich war es sehr schwierig, mit ihrem Schmerz zurechtzukommen. Ich fühlte mich hilflos und versuchte, mich auf mein eigenes Leben zu konzentrieren. Sie reagierte darauf mit Gefühlen des Zorns und des Verlassenseins. Es war für uns beide eine sehr schmerzhafte Zeit. Nach einigen Monaten des Briefeschreibens ließ Carlo die Verbindung einschlafen. Geraldine und ich dagegen hielten engen Kontakt und verfolgten unsere Pläne weiter. Ich sparte den größten Teil meines Einkommens für meine geplante Junireise nach Italien. Mittlerweile begann ich damit, mit einem jungen Vietnamesen auszugehen, einem Collegestudenten, der in der Botschaft als Hauswart arbeitete. Schon immer haben mich Männer fasziniert und angezogen, die anders sind als ich, besonders solche aus anderen Kulturen. Tarn war physisch sehr schön, liebevoll und recht geheimnisvoll. Er sprach Englisch mit einem vietnamesisch - französischen Akzent, was ich romantisch fand. Mich faszinierte die ungewöhnliche Weise, wie er dachte und Dinge tat. Außerdem war er ganz allein in diesem Land und hatte großes Heimweh nach seiner großen Familie in Vietnam, die er, wie er befürchtete, vielleicht nie wiedersehen würde (was sich als richtig erweisen sollte), und das weckte meinen starken Mutterinstinkt. Da hatte ich die großartige Idee, daß ich ihn heiraten könnte, denn auf diese Weise würde er eine Daueraufenthaltserlaubnis und somit einen sicheren Stand bekommen. Teilweise aus Schuldgefühlen darüber, daß ich ihn verlassen würde, teilweise aber auch aus Verunsicherung angesichts meiner baldigen Reisen und aus dem Bedürfnis nach etwas, woran ich mich klammern konnte, heiratete ich ihn also. Ich werde nie unsere Heirat auf dem Standesamt vergessen. Ich war eine schlanke Zweiundzwanzigjährige in einem Minikleid; Tarn war achtundzwanzig, sah aber aus wie achtzehn, ein attraktiver junger Asiate mit Brille. Der Beamte forderte uns dazu auf, die Worte der Eheschließungszeremonie nachzusprechen, die er uns vorlas, doch Tarn konnte ihn gar nicht richtig verstehen und murmelte nur etwas, was ungefähr richtig klingen sollte. Ich mußte mir Mühe geben, nicht laut herauszuplatzen, wie ich meinen angehenden Ehemann dabei hörte, wie er irgendein Kauderwelsch vor sich hinmurmelte anstelle von Ehegelöbnissen. Meiner Mutter erzählte ich nicht von meiner Heirat - ich dachte, daß sie keine weitere Aufregung vertragen könnte. Wenige Wochen später reiste ich nach Europa. Danach habe ich Tarn dreimal wiedergesehen - ein paar Monate später, als er mich in Europa besuchte, dann noch einmal kurz bei meiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten über Washington, und schließlich viele Jahre später, nachdem er bereits nach Los Angeles gezogen war. Weil wir die Scheidung immer wieder verschoben, waren wir rechtlich gesehen vierzehn Jahre miteinander verheiratet! Vor einigen Jahren haben wir uns dann endlich scheiden lassen. Ich hoffte, daß die Geschichte meiner Ehe keine Aussage darüber darstellt, zu welcher Intimität und Verantwortlichkeit ich damals in Beziehungen fähig war, fürchte aber, daß dem doch so ist. Italien Genau unserem Plan entsprechend, trafen Geraldine und ich in Rom wieder zusammen. Wir wohnten in einer Jugendherberge und verbrachten ungefähr eine Woche damit, die Stadt zu erkunden, bevor wir wieder nach Sardinien gingen. Der Kontakt zu unseren italienischen Freunden war eingeschlafen, doch Geraldine machte sich nichts daraus, weil sie Massimo nie wirklich geliebt hatte; ich dagegen hatte das Gefühl, daß ich Carlo wieder begegnen würde. In der Zwischenzeit gab es eine gewaltige Schar anderer attraktiver Männer in unserer Umgebung,
und wir waren bereit, alles voll auszukosten. Es bereitete Vergnügen, von den aggressiv bewundernden italienischen Männern soviel Aufmerksamkeit zu erhalten. Ich wußte instinktiv, daß es wichtig war, Humor zu bewahren und die Sache zu genießen, ohne sie allzu ernst zu nehmen. Wir waren jung und unkompliziert, bereit, viel Spaß zu haben. Geraldine war ein einzigartiges Wesen - sie erinnerte mich an eine Figur aus einem viktorianischen Roman. Sie war sehr hübsch mit einer Ausstrahlung naiver Unschuld. Sie war typisch englisch, mit einem zurückhaltenden Äußeren, besaß darunter jedoch einen wilden, vergnügungsfreudigen Zug und eine äußerst romantische Weltsicht. Erst nachdem wir monatelang zusammen gereist waren, entdeckte ich, daß sie ohne ihre Brille kaum etwas sehen konnte, und doch trug sie sie nur selten, weil sie die Leute und die Dinge nicht allzu genau sehen wollte. »Ich mag es nicht, jedermanns Makel zu sehen«, erklärte sie. »Die Leute sehen viel besser aus, wenn man sie durch einen Nebelschleier betrachtet.« Als Geraldine in Italien eintraf, war sie sehr hellhäutig mit geröteten Wangen und wirkte etwas dicklich. Während ihres Italienaufenthalts wurde sie schlank, braun und äußerst sexy. Unsere Persönlichkeitsstrukturen waren gegensätzlich, ergänzten einander aber - ich neigte zur dynamischen Anführerin, sie dagegen zur willigen Gefolgsfrau. Wir waren beide auf Abenteuer aus, wollten Spaß haben und ein paar Bilder unserer selbst dabei zertrümmern. Wir nahmen die Nachtfähre von Rom nach Sardinien und trafen genau zu Sonnenaufgang wieder auf unserer geliebten Insel ein. Wir hatten Rucksäcke und genügend Geld dabei, um ein paar Monate durchzukommen, wenn wir sorgfältig damit umgingen. Wir trampten umher und wohnten in billigen Pensionen oder Jugendherbergen, gelegentlich übernachteten wir auch am Strand. Nachdem wir einige Tage in einer Stadt verbracht hatten, trampten wir in die nächste. Überall lernten wir ein paar einheimische Burschen kennen und gingen mit ihnen an den Strand, gingen zum Abendessen aus, gingen tanzen. Sardiniens Kultur war recht konservativ und altmodisch, sie hinkte wohl um fünfzig Jahre hinter der moderner italienischer Städte her. So sah man beispielsweise in Cagliari, der größten Stadt Sardiniens, außer Geraldine und mir nach 21.00 Uhr niemals Frauen auf der Straße. Zwei ausländische Mädchen, die umhertrampten und sich auch sonst ziemlich skandalös aufführten, mußten für die Einheimischen ziemlich schockierend wirken. Doch wir bemerkten in fröhlicher Unschuld von alledem nichts und fühlten uns irgendwie sehr sicher. Sardinien war dafür berüchtigt, daß in den Bergen Banditen hausten. Wenn die Leute uns beim Trampen mitnahmen und uns fragten, was wir hier täten, antworteten wir scherzhaft, daß wir nach banditi Ausschau hielten. Trotz unseres skandalösen Benehmens erlebten wir nur zwei Mißgeschicke. Einmal nahm uns eine Gruppe Fischer in ihrem Boot mit und hielt uns über Nacht fest in der Hoffnung, uns verführen zu können (sie versuchten es nicht sonderlich angestrengt, und es ist auch nichts geschehen), und ein anderes Mal sperrte eine übereifrige Mutter Geraldine in ein Zimmer ein und versuchte sie dazu zu überreden, ihren Sohn zu heiraten (sie ließ sie schließlich wieder frei). Im Rahmen meiner Vorbereitung auf die Reise hatte ich in Washington, D. C., etwas Italienisch gelernt. Auf Sardinien sprach fast niemand Englisch, so daß ich genug Übung bekam und schon bald Italienisch in Grundzügen sprechen und verstehen konnte. Geraldine hatte nie Grammatik gelernt und pickte einfach nur das Notwendigste auf, um sich verständlich zu machen. Sie sprach das Italienische stets wider jede grammatische Regel, war dabei aber so süß und charmant, daß es niemandem etwas ausmachte. Schließlich trafen wir in Villasimius ein, wo wir uns im Vorjahr kennengelernt hatten. Ich hoffte darauf, Carlo vorzufinden, doch der arbeitete diesen Sommer nicht hier. Es war ein wunderschöner Ort mit einem prächtigen Strand, und wir beschlossen, eine Weile zu bleiben. Diesmal wohnten wir allerdings in einer billigen Pension und nicht in dem teuren Hotel. Luciano
Eines Abends aßen wir in einem flotten Freiluftrestaurant am Strand Pizza. Einige der Einheimischen spielten Musik und sangen dazu, und die Atmosphäre war locker und laut. Plötzlich hob ich den Blick von meinem Essen und sah in eins der schönsten männlichen Gesichter, die ich je erblickt hatte. Ein junger Mann hatte mir gegenüber am Tisch Platz genommen. Er war ungefähr in meinem Alter, mit dichtem, welligem schwarzem Haar, goldener Hautfarbe, hochstehenden Wangenknochen, einer kräftigen, prominenten Nase und Stirn, buschigen Augenbrauen, enorm tiefen braunen Augen und einem wunderschönen Mund. Sein Antlitz war von solch klassischer Schönheit und Macht, daß ich wie hypnotisiert war. Ich versuchte ihn nicht anzustarren, doch es gelang mir nicht. Wir nickten einander zu und tauschten einige Artigkeiten auf Italienisch aus, dann machte sich jeder wieder über sein Essen her. Wenige Minuten später stand er auf und ging. Tagelang dachte ich über ihn nach, sprach mit Geraldine über ihn und fragte mich ständig, wer er wohl sein mochte. Eines Nachmittags, als ich auf der Straße vom Strand in die Stadt zurückkehrte, hielt neben mir ein Wagen. Er saß darin. Er öffnete die Beifahrertür und fragte mich, ob er mich mitnehmen solle. Ich werde nie das Gefühl vergessen, als ich in den Wagen stieg. Seine Gegenwart war so mächtig, daß ich meinte, ich würde innerlich dahinschmelzen. Während wir in die Stadt fuhren, fragte er mich, ob ich mit ihm heute abend ausgehen wolle, und ich nickte nur schwach und sagte: »Si.« Zu mehr Konversation war ich nicht fähig. Merkwürdigerweise kann ich mich kaum an unser erstes Rendezvous erinnern, ja auch an viele andere unserer Treffen nicht. Ich weiß nur noch, wie es war, mit ihm zusammenzusein, und daß ich mich Hals über Kopf, leidenschaftlich in ihn verliebte. Sein Name war Luciano und er stammte aus Calabrien in Süditalien, war aber in Turin, in Norditalien, aufgewachsen. Er arbeitete diesen Sommer als Kellner im Hotel von Villasimius. Da die Saison fast vorbei war, würde er in etwa einer Woche nach Turin zurückkehren. Es ist schwer zu beschreiben, was mich an ihm so stark berührte. Er besaß eine sehr starke männliche Energie, die mich voll und ganz in meine eigene weibliche Energie trieb. Für mich eine ungewöhnliche, köstliche und ziemlich beunruhigende Erfahrung. Er war wild und spontan, warmherzig und romantisch und extrem komisch und verspielt. Er hatte auch eine dunkle, brütende, geheimnisvolle Seite, die mir Angst einjagte und mich faszinierte. Er war nicht im konventionellen Sinne attraktiv wie etwa ein Illustriertenmodel. Tatsächlich war er stämmig gebaut und hatte auch etwas Bauch, was ich liebte. Und doch drang seine physische Schönheit bis in meinen tiefsten Wesenskern ein und erweckte dort Bilder (vielleicht auch Erinnerungen?) von alten Griechen, Römern, Kariben und Zigeunern. Ich entsinne mich, wie ich einmal mitten in der Nacht aufwachte, eine Kerze entzündete und ihm stundenlang beim Schlafen zusah, verzaubert vom Schimmer des Kerzenlichts auf seinem wunderschönen Gesicht. Ich fühlte mich wie Psyche im Mythos von Cupido und Psyche. Sie hat ihren Gatten nie gesehen, weil er stets nur zur Nacht zu ihr kommt, und obwohl er gütig und liebevoll zu ihr ist, hat man ihr erzählt, daß er ein häßliches Untier sei. Eines Nachts tut sie das Verbotene - sie entzündet eine Kerze, als er neben ihr schläft, um sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigen zu lassen. Zu ihrem erstaunten Entzücken stellt sie fest, daß er unglaublich schön ist, und so blickt sie ihn in atemloser Bewunderung an. Luciano sprach fließend Italienisch und Französisch, aber kein Englisch, so daß unsere sprachliche Kommunikation auf mein sehr rudimentäres Italienisch beschränkt blieb. Das war manchmal etwas frustrierend, verstärkte andererseits aber auch das romantische Mysterium, und außerdem verfügten wir natürlich auch über andere wichtige Kommunikationsmittel. Die Sprachbarriere konnte manchmal unglaublich komisch sein, wenn wir versuchten, uns einander verständlich zu machen. Luciano liebte amerikanischen Rock 'n' Roll und kannte auch einige der Texte, ohne zu wissen, was sie bedeuteten. Ich werde nie vergessen, wie er mich mit großen, unschuldigen Augen ansah und fragte: »Was heißt das, shake - it - up - baby - now?« Oder als ich ihn hörte, wie er den Text von John Lennons Song murmelte: »Imagine all the peefles ...«
Etwa eine Woche lang erlebten wir intensivste Leidenschaft und hatten wundervollen Spaß, dann mußte Luciano abreisen. Er tat ein bißchen geheimnisvoll, und ich konnte nicht genug Italienisch, um genau zu begreifen, warum er fort mußte, doch seine Zukunftsaussichten schienen ihm ernste Sorgen zu machen, und so schloß ich, daß er wohl nach Hause zurückkehren mußte, um sich dort eine gute Stelle zu suchen. Wir versprachen in Verbindung zu bleiben und einander wiederzusehen, sobald wir konnten. Es war schwer ihn gehen zu lassen, aber ich war mir sicher, daß wir uns schon bald wiedersehen würden. Es war Oktober, die Sommersaison war vorbei, und Geraldines und mein Geld gingen zur Neige. Geraldine wollte nach England zurückkehren, um dort den Winter über zu arbeiten, um Geld für den nächsten Sommer hier zusammenzusparen. Sie lud mich ein, sie eine Weile zu besuchen. Wir nahmen den Zug und das Schiff zurück nach England. Geraldine lebte mit ihrer Mutter unmittelbar außerhalb von Oxford in einem einige hundert Jahre alten Haus, das innen wunderschön modernisiert worden war. Alles war so süß und so charmant, daß ich es kaum glauben konnte. Geraldines Tante leitete ein Heim für reiche ältere Damen, das sich in einem alten Steingebäude direkt auf dem Grundstück von Blenheim Palace befand, dem Heim des Herzogs von Marlborough. Sie bot mir eine Stelle an, bei der ich ihr dabei behilflich sein sollte, für das Haus und die alten Damen zu sorgen, dafür erhielt ich dann Kost und Logis sowie ein kleines Gehalt. Es war eiskalt, feucht und neblig dort, und das Haus hatte keine Zentralheizung. Aber die Köchin servierte wunderbare Mahlzeiten aus Rind - oder Schweinefleisch, frisch gekochtem Gemüse aus dem Garten und alle möglichen frischen Apfelpasteten, Puddings und so weiter. Eine meiner Aufgaben bestand darin, den überaktiven jungen Hund zu langen Spaziergängen auf dem prunkvollen Palastgelände zu führen, wo es Schaf - und Rinderherden gab, kleine Brücken, die über Bäche führten, sowie wilde Fasane, alle vom Nebel umhüllt. Es war so pittoresk - ein bezaubernder Ausschnitt englischen Landlebens. Ich war einsam und sehnte mich nach Luciano. Ich hatte ihm einen Brief geschrieben, nach zwei Monaten aber immer noch nichts von ihm gehört. Endlich kam ein Brief an, in dem er mir mitteilte, daß er in Turin eine Stelle gefunden hatte und mich sehr gern wiedersehen würde. Die Kälte Englands war ich leid, und so beschloß ich, nach Rom zurückzukehren, um dort möglicherweise einen Job zu finden. Ich fuhr mit dem Zug für ein paar Tage nach Paris, wo ich eine wunderschöne Zeit im Museum für impressionistische Malerei verbrachte. An Heiligabend nahm ich dann den Nachtzug nach Turin, dort wurde ich am Morgen des ersten Weihnachtstags von Luciano empfangen. Es war wunderbar, ihn wiederzusehen, und er stellte mich seiner Familie vor. Seine Mutter war eine typisch italienische Mamma - rundlich, hübsch, warmherzig und gütig wie ein Engel. Es war offensichtlich, daß er sie vergötterte. Er hatte Zwillingsschwestern, die beide verheiratet waren; eine der Schwestern und ihr Mann brachten mich in ihrem Apartment unter. Nach den langen Monaten des Reisens und meinem Aufenthalt in England bedeutete es mir sehr viel, in dieser warmherzigen Familie willkommengeheißen zu werden. Rom Luciano und ich verbrachten eine wundervolle Zeit zusammen, doch war er sehr von seiner Arbeit in Anspruch genommen, und da ich selbst auch eine Stelle brauchte, reiste ich einige Tage später nach Rom weiter. In Rom bekam ich einen Job als Au - pair - Mädchen - ich lebte also bei einer Familie und kümmerte mich um die Kinder. Die Familie bestand aus einem reichen Psychiater, seiner Frau und ihren vier Kindern, und sie lebten in einem großen, eleganten Apartment. Ich hatte mein eigenes Zimmer, freie Kost und ein kleines Gehalt. Morgens brachte ich die Kinder in die Schule, hatte ein paar Stunden frei, um dann am Nachmittag wieder da zu sein, und mich bis zum Abend um sie zu kümmern. Keiner sprach Englisch, so daß mein Italienisch sich schnell verbesserte. Ich lernte eine amerikanische Tanzlehrerin kennen, die wundervollen Tanzunterricht gab, und so schloß ich mich ihrer Gruppe morgens an. Ich genoß es wieder zu tanzen und liebte es auch, in
Rom zu leben. Im Sommer war Rom heiß und voller Touristen gewesen, im Winter dagegen sehr schön. Ich liebte das Gefühl des Altertümlichen an der Stadt - man brauchte nur um irgendeine Ecke zu biegen, um plötzlich eine Mauer vor sich zu haben, von der man wußte, daß sie bereits seit zweitausend Jahren dort stand. Ich fühlte mich richtig zu Hause und muß auch so ausgesehen haben, denn langsam begannen die Leute mich für eine Italienerin zu halten. Der einzige Wermutstropfen in meiner Zufriedenheit war die Tatsache, daß ich einsam war und Luciano mir so schrecklich fehlte. Er schrieb mir Liebesbriefe, wir besuchten einander, wann immer wir konnten, und wenn wir zusammen waren, erfuhr ich Ekstase. Doch keiner von uns hatte viel Geld oder Freizeit. Luciano schien sich immer irgendwelche Sorgen wegen seines Lebens zu machen, und ich bekam nie genau heraus warum - vielleicht war es auch nur die übliche Verwirrtheit eines Vierundzwanzigjährigen, der nicht sein ganzes Leben als Kellner verbringen wollte, aber nicht viele andere Möglichkeiten sah. Immer, wenn ich Luciano besuchte, schien er sich um irgendwelche Geschäfte kümmern zu müssen, mit denen ich nichts zu tun haben sollte. Ich mußte stundenlang warten, während er fort war und erledigte, was er zu tun hatte. Schließlich entdeckte ich jedoch, daß dies das ganz normale Verhalten italienischer Männer war - wahrscheinlich traf er sich nur mit seinen Kumpels im Cafe. Wenn er bei mir war, hatte ich seine volle Aufmerksamkeit, und die schien mir alles wiedergutzumachen, was ich durchstehen mußte. Während meines Aufenthalts in Italien geschah etwas Seltsames mit mir. Da ich hauptsächlich Italienisch sprach, begann ich auch italienisch zu denken. Da ich aber nur genug Italienisch konnte, um relativ simple Konzepte zu denken und auszusprechen, schmolz mein Intellektualismus dahin. Die italienische Kultur bot sehr viel mehr Unterstützung für ein emotionales und leidenschaftliches Dasein, als ich es gewöhnt war. So war Luciano beispielsweise sehr eifersüchtig auf mich und erwartete von mir umgekehrt dasselbe (ich war es auch!). Es wurde nicht nur akzeptiert, es wurde regelrecht erwartet, daß wir diesen Gefühlen auch Ausdruck verliehen. Daher war es für mich völlig in Ordnung, einen Eifersuchtsanfall zu bekommen, wenn ich argwöhnte, daß er eine andere Frau anschaute. Das empfand ich als sehr befreiend. Ich wurde von meiner Identität als befreite Intellektuelle befreit! Ich entwickelte mich zu einer erdverbundenen, leidenschaftlichen Frau und genoß es. Irgendwann hatte ich das Gefühl, daß ich Carlo wiedersehen müsse, weil er in meinem Hinterkopf immer noch präsent war. Ich wußte, wo seine Familie lebte, also suchte ich sie auf, um festzustellen, wo Carlo sich befand. Er wohnte in einer kleinen Stadt in der Nähe von Turin, und als ich eines Tages Luciano aufsuchte, log ich ihn an (später beichtete ich es ihm) und ging Carlo besuchen. Für ihn war es ein Schock, mich wiederzusehen, und ich merkte, daß er immer noch starke Gefühle für mich hegte, aber er war sehr distanziert und ziemlich wortkarg. Ich verließ ihn mit der eindeutigen Erkenntnis, daß ich tatsächlich nur die Beziehung zu Luciano wollte. Ich versuchte Luciano dafür zu interessieren, mit mir umherzureisen und Abenteuer zu erleben, doch irgendwie schien ihm dies keine echte Möglichkeit zu sein. Dann begann ich mir vorzustellen, wie ich ihn heiratete und den Rest meines Lebens in Italien verbrachte. Eines Nachts kam Luciano mit dem Zug, um mich übers Wochenende zu besuchen. Aus irgendeinem Grund war er offener zu mir als je zuvor; tatsächlich öffnete er sich völlig und sprach ernsthafter über unsere Beziehung, als er es je getan hatte. Aus irgendeinem Grund geriet ich in Panik. Ich fürchtete mich plötzlich davor, in eine Falle zu geraten, und war mir meiner Gefühle nicht mehr sicher. Er merkte es sofort und ich spürte, wie er sich wieder verschloß. Später ging ich diese Episode im Geiste immer und immer wieder durch, und ich wünschte mir, daß ich nicht so reagiert oder mehr Zeit gehabt hätte, um mir über meine Gefühle Klarheit zu verschaffen, bevor er sich so von mir abwandte. Ich weiß nicht, ob es an diesem Vorfall lag oder ob etwas anderes dafür verantwortlich war, jedenfalls wurde er kurz danach sehr distanziert. Ich versuchte seine Gefühle zu ergründen, doch er bemühte sich nicht um Kommunikation, und die Sprachbarriere machte es auf frustrierende
Weise unmöglich zu kommunizieren, wenn sich nicht beide entsprechend anstrengten. Als ich ihn besuchte, um herauszufinden, was los war, benahm er sich seltsam - ich wohnte in einem Hotel und bekam ihn kaum zu sehen. Schließlich hinterließ er an der Rezeption die Nachricht, daß es ihm leid täte, daß er mich aber nicht wiedersehen könne. Ich geriet in einen Schockzustand. Ich fühlte mich völlig allein, verlassen und beraubt. Ich hatte alles versucht, was mir in den Sinn gekommen war, um die Angelegenheit zu klären, und mußte schließlich aufgeben. Ich dachte, ich würde sterben. Die Tiefe meiner Empfindungen für ihn und der Schmerz des Verlassenwerdens war beinahe mehr, als ich ertragen konnte. Ich hatte schon fast ein Jahr in Italien gelebt und Pläne geschmiedet, länger zu bleiben, doch meine Mutter erbot sich, mir die Reise zu bezahlen, wenn ich nach Hause kommen wollte, um sie zu besuchen. Also setzte ich mich ins Flugzeug und starrte wie betäubt in den Himmel hinaus, während ich nach Hause flog. Ich habe Luciano nie wiedergesehen, habe ihn aber auch nie vergessen. Weltreisen In Italien hatte ich einen faszinierenden Brief von meiner Mutter erhalten, in dem sie mir von einem Seminar mitteilte, das sie besucht hatte - Silva Mind Control. Sie erzählte, daß sie Techniken gelernt habe, sich etwas Gewünschtes vorzustellen, um es Wirklichkeit werden zu lassen. Aus dem Munde meiner äußerst rational denkenden Mutter war das schon eine erstaunliche Feststellung. Ich erinnere mich noch, welchen Satz mein Herz machte, als ich den Brief las. Irgendwie hatte ich seit meiner Kindheit in meinem Inneren immer gewußt, daß es so etwas wie Magie gab, und was meine Mutter da beschrieb, klang genau wie Magie! Sie war so sehr in Aufregung über das, was sie da lernte, daß sie mir anbot, meine Heimreise nach Kalifornien zu bezahlen, wo sie inzwischen lebte, und an dem Silva Mind Control Seminar teilzunehmen, was ich auch tat. Der Kurs dauerte eine Woche - fünf Abendseminare und ein volles Wochenende. Alles begann sehr rational und wissenschaftlich, der Lehrer erklärte, daß wir nur einen kleinen Prozentsatz unserer geistigen Fähigkeiten nutzen, und sprach über gegenwärtige Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des menschlichen Bewußtseins. Man brachte uns einige Techniken zur Förderung unseres Gedächtnisses bei, für das Einschlafen und das Aufwachen, für die Traumerinnerung, sowie einfache Visualisationstechniken. All dies war logisch genug, um für einen gebildeten, rational ausgerichteten Menschen wie mich anziehend zu sein und beruhigend auf mich zu wirken, meine Befürchtungen und Zweifel aufzulösen und neue Möglichkeiten zu erschließen. Nach und nach machte man uns mit immer mehr Bewußtseinstechniken vertraut, und am Ende des Kurses mußten wir folgende Übung durchführen: Wir teilten uns in Zweiergruppen auf, und einer bekam immer eine Karte mit dem Namen und den Einzelheiten eines tatsächlich lebenden Menschen in die Hand, der an irgendeiner Erkrankung litt. Sein Partner versetzte sich nun in einen meditativen Bewußtseinszustand. Der andere las von der Karte Name, Geschlecht, Alter und Wohnort der betreffenden Person vor. Der Partner schwang sich ein, und versuchte die Krankheit des Betreffenden zu beschreiben. Es war unheimlich, wie oft wir das Richtige errieten oder ihm ziemlich nahe kamen. Jeder von uns bearbeitete mehrere Fälle. Diese Erfahrung erschütterte meinen Verstand und alle meine vorhergehenden Vorstellungen davon, was möglich sei und was nicht. Beim ersten Fall, den ich bearbeitete, tastete ich mich im Geiste einige Minuten an die Sache heran, um plötzlich die richtige Antwort zu finden. Danach hatte ich das Gefühl, als sei mein Geist in eine bestimmte Spur eingesunken, oder als habe er sich auf einen bestimmten Kanal eingestimmt, über den die Information einfach zu mir kam. Mein Partner gab mir die Grunddaten einer Person, worauf die Worte Leberkrebs oder Allergien oder was immer sein mochte, mir erschienen. Ich lag jedesmal richtig. Die Leute begannen sich um mich zu scharen und mir weitere Fälle zu geben. Am Ende hatte ich zehn Fälle bearbeitet und jeden richtig herausbekommen!
Später erklärte man uns, warum man die Namen von wirklichen Menschen mit echten Problemen benutzte, um uns beizubringen, uns auf unsere Intuition zu verlassen. Sie verwendeten lebenswichtige und vitale Informationen, weil sich diese leichter auffangen lassen als bei einem Spiel ohne Konsequenzen, etwa wenn man versucht, die richtige Farbe oder Figur auf einer Karte zu identifizieren. Diese Erfahrung war für mich ein Schock und versetzte mich in Erstaunen. Offensichtlich war ich sehr Psi - begabt und wußte doch nicht einmal, ob ich überhaupt an Psi - Kräfte glaubte! Es ist interessant, daß ich niemals den Versuch machte, diese Erfahrung zu wiederholen - ich glaube, ich fürchtete mich davor. Und ich habe auch nie versucht, meine Psi - Fähigkeiten an sich weiterzuentwickeln, obwohl dies zweifellos das Ergebnis anderer Arbeiten ist, die ich bewältigt habe. Die Sache riß mich so mit, daß ich mich sofort nach San Francisco begab, wo es den Fortgeschrittenenkurs unter Leitung von Jose Silva persönlich gab. Das wichtigste, was ich von den Silva - Kursen lernte, war die Technik der Visualisation und die Erkenntnis, daß wir das, was uns wiederfährt, durch unsere Gedanken, Vorstellungen und Erwartungen beeinflussen. Ich begann, jeden Tag zu meditieren und zu visualisieren, und sofort erzielte ich gute Ergebnisse bei kleineren gesundheitlichen Problemen, in Finanzdingen, Reiseplänen und kleineren Schwierigkeiten mit Mitmenschen. Ich stellte mir einfach für eine Weile beharrlich das Ergebnis vor, das ich wollte, und meistens entwickelten sich die Dinge dann auch so. Das war für mich ein großer Schritt vorwärts. Von dem Gefühl, daß das Leben eine sinnlose, willkürliche Erfahrung war, die mir einfach nur widerfuhr und aus der ich nur versuchen konnte, das beste zu machen, gelangte ich zu der Erkenntnis, daß ich bewußte Kontrolle und Wahlmöglichkeiten über das besitze, was ich mir selbst erschaffe. Das war aufregend und machtvoll. Ich hatte das Gefühl, daß sich für mich eine völlig neue Welt geöffnet hatte. Das allerdings, was ich am meisten wollte - mit Luciano wieder vereint zu sein - , schien durch meine Versuche, es zu visualisieren, überhaupt nicht beeinflußt zu werden. Noch während ich es visualisierte, spürte ich, daß es hoffnungslos war, daß es nicht funktionierte. Ich entdeckte schon bald, daß die Visualisationstechnik zwar sehr mächtig ist, daß man sie aber nicht dazu verwenden kann, etwas geschehen zu lassen, was nicht geschehen soll. Tatsächlich ist die Visualisation oft am uneffektivsten, je verzweifelter wir nach etwas verlangen. Das liegt daran, daß der Verzweiflung Furcht zugrunde liegt, die erst erkannt und bearbeitet werden will, bevor es einen freien Kanal gibt, durch den wir erschaffen oder anziehen können, was wir begehren. Erst Jahre später erkannte ich, daß ich bei der Visualisation nichts geschehen mache. Vielmehr beseitige ich nur meinen eigenen Widerstand und lasse es zu, daß geschieht, was mir zum besten gereicht. Ich spürte eine starke gefühlsmäßige Neigung, nach Italien zurückzukehren, die mir nicht ganz einsichtig war, weil ich dort weder einen Job noch eine Beziehung hatte. Als meine Großmutter mütterlicherseits gestorben war, erbte ich etwa tausend Dollar, also flog ich von diesem Geld nach Rom zurück. Ich bekam eine Bürostelle als Übersetzerin und begann wieder Tanzunterricht zu nehmen. Ich war recht zufrieden und hatte vor, auf unbegrenzte Zeit in Italien zu bleiben. Sardinien allerdings fehlte mir, und so beschloß ich, es für ein paar Tage zu besuchen. Ich nahm die Nachtfähre und lernte zu meiner Überraschung zwei sehr große gutaussehende amerikanische Typen an Bord kennen (jeder war 1,86cm groß). Ich war selten einem Amerikaner auf Sardinien begegnet. Sie waren zum ersten Mal hier, und ich erbot mich, sie umherzuführen. Einer von ihnen - Clemente - war halber Italiener und arbeitete bei der amerikanischen Botschaft in Rom, der andere war sein Freund, David, der ihn besuchte. Clemente war Motorradfan und besaß eine große BMW, und David plante ebenfalls, ein Motorrad zu kaufen, damit die beiden damit um die Welt reisen konnten! Sie waren beide außergewöhnlich attraktiv, intelligent und unterhaltsam, und es machte sehr viel Vergnügen, wieder mit amerikanischen Männern zusammenzusein; mit ihnen konnte ich mich ohne Anstrengung über alles unterhalten. Wir hatten sehr viel Spaß beim gemeinsamen Reisen,
und als wir mein altes Revier Villasimius erreicht hatten, hatten David und ich eine Liebesaffäre begonnen (langsam fragte ich mich, welcher Zauber über diesem Ort wohl ruhen mochte - es war schon das dritte Mal, daß ich mich dort verliebt hatte). Nachdem wir Sardinien erkundet hatten und wieder auf dem Weg nach Rom waren, lud David mich dazu ein, mit ihm und Clemente nach Indien zu reisen. Zuerst zögerte ich. Ich hatte kein Verlangen nach Indien, und irgendwie klang das Ganze ziemlich angsteinflößend. Andererseits mochte ich David wirklich und hatte auch nichts anderes zu tun. Also kauften David und ich einen alten VW - Bus für vierhundert Dollar, bauten ein Bett und einen Campingkocher ein und machten uns auf den Weg nach Indien - David und ich in unserem Bus und Clemente auf seinem Motorrad. (Ich glaube, daß David insgeheim froh war, nicht Motorrad fahren zu müssen. Ich habe ihn davor gerettet, sich vor seinem Freund als Macho beweisen zu müssen.) Reise in den Osten Die Reise von Europa nach Indien war eines meiner beeindruckendsten Abenteuer meines Lebens. Ich bin sehr froh, daß ich das damals tat, denn heute ist es nicht mehr so einfach. Wir durchquerten Griechenland, die Türkei, den Iran, Afghanistan und Pakistan, um schließlich in Indien einzutreffen. Wir machten uns im Spätseptember auf den Weg und waren um die Weihnachtszeit am Ziel. Diese Reise hätte ein Buch für sich verdient, deshalb will ich hier nur ein paar Erinnerungen mitteilen. Mein stärkster Eindruck war der, wie groß und weit der Himmel doch immer aussah - wenn man Tausende von Meilen überwiegend durch Wüstengebiet fuhr, konnte man von Horizont zu Horizont blicken, dreihundertsechzig Grad. Wunderbare, zeitlose, atemberaubende Szenen: In der Türkei - graubärtiger alter Mann auf einem Esel, auf einem Pfad durch die Wüste reitend, gefolgt von einer verschleierten Frau. In Istanbul - Besuch in einem türkischen Bad, einem riesigen, uralten Marmorpalast voller Dampf und dicker Gehilfinnen, die einen massierten. Im Iran - Nomadengruppen in üppigen roten Kostümen mit Kamelherden, die durch die Wüste schwebten. Die erstaunlichen Kontraste Teherans - extrem modern, üppig, Gebäude im westlichen Stil und die schlimmsten Verkehrsprobleme, die ich je gesehen hatte; und nur wenige Meilen vor der Stadt Dörfer aus kleinen runden Lehmhütten mit Bewohnern, die ihre Kleidung und ihr Geschirr im Fluß wuschen und spülten. In Afghanistan - wild dreinblickende Stammesleute in fließenden Gewändern, die flintenbewehrt durch die Wüste pirschten. David und ich wohnten in billigen Unterkünften, die in der Regel kaum mehr als fünfzig Cents oder einen Dollar pro Nacht kosteten, wenn wir durch Städte kamen, während wir ansonsten im Bus schliefen. Alle paar Tage trafen wir uns auch mit Clemente. Der machte inzwischen eine Menge zusätzlicher Erkundungsreisen. Wenn wir zu dem vereinbarten Treffpunkt in der Stadt kamen, fanden wir dort stets Clemente und sein Motorrad, völlig umringt von ehrfurchterfüllten Dorfbewohnern. Bei seiner Körpergröße und mit seinem stattlichen Bart und den leuchtenden blauen Augen war er jeder Zoll eine moderne Version eines säbelrasselnden Helden. Nachdem wir Italien verlassen hatten, lagerten David und ich eines Nachts an einem abgelegenen Hügel in Griechenland. Als wir am nächsten Morgen aufwachten und ausstiegen, fanden wir eine winzige schwarzweiße Hündin vor, halb verhungert und übersät mit Flöhen und Zecken. Wir fütterten sie, säuberten sie und versuchten halbherzig, im nächstgelegenen Ort ein Zuhause für sie zu finden, doch ohne Erfolg. Inzwischen war es ohnehin schon zu spät inzwischen hatten wir uns in sie verliebt, und so sollte sie zu unserer Reisebegleiterin werden. Sie war liebenswert, besaß ungefähr die Größe und auch die Gestalt eines Fuchses, schwarz mit weißen Pfoten, weißem Brustkorb, Nasenfell und Schwanzspitze - und außerordentlich aufgeweckt und wachsam. Wir entschieden, daß sie eine griechische Göttin sei, die die Gestalt eines Hundes angenommen hatte, um uns auf unserer Reise in den Osten anzuführen, und so
tauften wir sie Daphne. Sie schien unser Zigeunerleben zu lieben und fuhr glücklich im Bus mit, um begierig an jedem neuen Halteplatz hinauszuspringen und alles zu erkunden. Sie wurde zu unserem Baby, und wir liebten sie. Wir verliebten uns auch in den alten Bus, der sowohl unser Zuhause als auch unser Transportmittel war. Da er vorne schon die Initialen VW trug, tauften wir ihn auf Vanny Wanderlust (von engl. van, Bus; Anm. d. Übs.). Tapfer bahnte er sich seinen Weg durch Tausende von Meilen Wüstengelände. Ab und zu weigerte er sich anzuspringen, oder ein Reifen platzte, so daß David sich am Motor zu schaffen machte, bis er wieder in Gang kam, oder irgendwo einen Reifen auftreiben mußte, der annähernd die richtige Größe hatte, damit das Fahrzeug wieder fuhr. David war groß, schlaksig und sah gut aus, trug eine Brille und einen anziehenden Bart. Er stammte aus einer reichen Bostoner Intellektuellenfamilie (sein Urgroßvater war ein berühmter Erfinder und sein Großvater ein berühmter Botaniker), war aber in Panama geboren und aufgewachsen und sprach fließend Spanisch. Nachdem er seine Kindheit damit verbracht hatte, in Mittelamerika mit exotischen Tieren zu spielen, schickte man ihn an eine exklusive High School für Jungen in Massachusetts, und danach besuchte er Harvard. So fühlte er sich halb als Angehöriger der weißen, protestantischen Oberschicht angelsächsischer Herkunft und halb als Latino, eine Kombination, die ihn etwas verwirrte. Interessanterweise war er Stadtplaner gewesen wie meine Mutter, doch sein konventioneller Lebensstil hatte ihn frustriert und gelähmt, und so hatte er erst kürzlich seinen Beruf, seine Frau und seinen jungen Sohn aufgegeben, um festzustellen, was ihm im Leben fehlte. Er war ein wunderbarer Reisebegleiter. Nicht nur daß er intelligent, klug und von allem fasziniert war, er war auch einer der kreativsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. David machte sich einen Spaß daraus, einfallsreiche Lösungen für jedes Problem zu finden, mit dem wir zu tun bekamen, und dazu gab es reichlich Gelegenheit. Nicht nur daß er den Bus fahrtüchtig hielt, was an sich bereits keine kleine Aufgabe war, er kochte auch köstliche Mahlzeiten aus allem, was er unter den Einheimischen auftreiben konnte. Manchmal war das nicht viel, und so aßen wir sehr viel Auberginen. Er schnitzte Eßwerkzeuge und hielt mich ständig auf dem laufenden, was seine Erforschung der örtlichen Sitten, Sehenswürdigkeiten, Religionen, uns so weiter betraf. David konnte auch sehr verspielt und unterhaltsam sein. Meistens begannen wir damit, daß wir den ganzen Tag fuhren, wobei wir an den interessanten Orten gelegentlich stoppten. Gegen Sonnenuntergang suchten wir uns eine geeignete Lagerstätte und trieben im Dorf Eßbares auf; manchmal gab es dort keine Läden, so daß wir einzelne Bauern oder Familien darum bitten mußten, ihnen etwas abzukaufen. Dann pflegte David zu kochen, danach spülte ich, und wir setzten uns zum Schachspiel nieder, was zu unserer Leidenschaft geworden war. David spielte sehr schnell und intuitiv, während ich mir jeden Zug genauestens überlegte und wahre Ewigkeiten brauchte. Beide waren wir schreckliche Verlierer, die den Rest des Abends wütend waren und sich Vorwürfe machten, wenngleich wir es stets zu verbergen trachteten, während der Sieger sich immer schuldig fühlte. Die Reise war zwar aufregend, aber auch strapaziös, und als wir in Afghanistan ankamen, waren unsere Nerven schon recht belastet. Afghanistan war das faszinierendste Land, das ich je gesehen hatte. Es war, als würde man zweitausend Jahre in der Zeit zurückkehren. Bis auf eine schmale Autobahn, die sich durch die Wüste erstreckte und von ein paar exotisch dekorierten Lastwagen geschmückt wurde, und bis auf die Flinten der Stammesleute gab es kaum ein Anzeichen für modernes Leben, wenn man von Kabul absah, wo es einige Annehmlichkeiten gab. Alles war von einer Wildheit, die mich zugleich erschreckte und faszinierte. Die sanitären Bedingungen waren die ganze Zeit äußerst primitiv, erreichten ihren Tiefstand aber erst in Kabul, wo wir in einem Gasthof wohnten, Frühstück zu uns nahmen und danach mit ansehen mußten, wie die Teller in der offenen Kanalisation am Straßenrand vor der Gebäudefront gespült wurden! Wir versuchten, so vorsichtig zu sein wie es überhaupt nur
möglich war, und wurden auf diese Weise auch nie ernsthaft krank, aber es war auch kein Wunder, daß wir oft Magenbeschwerden hatten, und der Durchfall wurde schon bald zur Routine. Zu den interessanteren Beobachtungen gehörte für mich die Frauenkleidung in den verschiedenen Ländern. In der Türkei trugen die Frauen offiziell keinen Schleier, in Istanbul waren sie modern gekleidet, während die Frauen in den abgelegeneren Gebieten aber noch oft Schleier hatten, die Nase und Mund bedeckten. Im Iran trugen die Frauen ein großes, durchsichtiges Tuch, mit dem sie sich umwickelten, wenn sie das Haus verließen; das war selbst in Teheran so, wo sie ansonsten nach der neuesten westlichen Mode gekleidet waren. In Afghanistan war kaum eine Frau auf den Straßen, und die wenigen, die wir sahen, waren von Kopf bis Fuß verschleiert und hatten nur ein kleines Gitterfenster, durch das sie blicken konnten. Als wir nach Pakistan kamen, mußten wir unsere geliebte Vanny Wanderlust verkaufen, da wir den Wagen nicht nach Indien mitnehmen konnten. Es war verboten, in Pakistan Automobile zu verkaufen, und es gelang auch nur durch zahlreiche flüsternde Gespräche zwischen David und dunklen, scheuen Männern, die ständig hinter irgendwelchen Sträuchern oder Gebäuden erschienen. Schließlich erhielten wir für den Wagen denselben Preis, den wir dafür bezahlt hatten. Traurig verabschiedeten wir uns von dem Bus und ließen ihn in der Garage eines reichen pakistanischen Hauses zurück. Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der kleinen Daphne in den Armen bestiegen wir den Zug nach Indien. Indien In der Dezembermitte trafen wir in Neu Delhi ein, von unserer Reise erschöpft und ausgelaugt. Unsere Beziehung litt mittlerweile unter schrecklichen Spannungen. In Nordindien war es kalt, und wir hatten keine warmen Kleider dabei. Ohne unseren Hausbus was es schwierig, in Zügen und Hotelzimmern für Daphne zu sorgen. Clemente war seiner eigenen Wege gegangen, und David bekam zunehmend Schuldgefühle, weil er seine Frau und sein Kind verlassen hatte, um allein das Abenteuer in der Welt zu suchen, wo er sich statt dessen aber nur eine neue Frau (mich) und ein neues Kind (Daphne) zugelegt hatte. Es wurde überdeutlich, daß wir ein Zuhause für Daphne finden mußten, was wir auch taten - bei einer reichen indischen Familie, die sie zu lieben schien. Mir brach es zwar das Herz, aber ich wußte auch keinen anderen Ausweg. (Ein paar Jahre später war meine Mutter in Indien und besuchte Daphne, sie berichtete mir, daß es ihr gut gehe.) Am Weihnachtstag bestiegen wir einen Zug, um das Taj Mahal zu besichtigen, dann stürzten wir uns auf Flugtickets nach Bombay, wo es warm war. Ich bin froh, daß wir über Land nach Indien gereist sind. Ich weiß nicht, wie die Menschen, die von den Vereinigten Staaten nach Indien fliegen, mit dem Kulturschock zurechtkommen. Ich hatte drei Monate Zeit für den Übergang, und doch bedurfte Indien einiger Gewöhnung. Es war überfüllt und schmutzig, überall herrschte erbärmliche Armut. Ich gewöhnte mich an den Geruch menschlicher Exkremente, weil er in den Städten überall vorherrschte, denn Menschen, die auf der Straße leben, verfügen über keine Bäder. Ich erblickte zahllose Verkrüppelungen, und David sah ein paarmal auch Leichen auf den Straßen liegen. Und doch gab es auch schier unglaubliche Schönheit, die ich immer mehr zu sehen und zu empfinden begann. Um Indien wirklich zu erfahren, sollte man gewissermaßen die körperlichen Augen schließen und dafür das innere Auge öffnen. Die indische Kultur hat eine spirituelle Grundlage und hat stets die Wirklichkeit der Form geleugnet, weshalb diese Form dort auch in einem so schlechten Zustand ist! Andererseits hat die westliche Kultur, die auf der Form beruht, den Geist weitgehend geleugnet, weshalb wir zwar technologisch reich, geistig aber verarmt sind. Beide Kulturen sind aus dem Gleichgewicht geraten und werden sich selbst vernichten, sollte keine Integration gelingen. Deshalb müssen Ost und West jetzt voneinander lernen. Für meinen westlichen Verstand war Indien ein erstaunlicher geistiger Lehrer. Ich spürte, wie etwas sich in mir langsam öffnete und den Reichtum einer anderen Wirklichkeit wahrzunehmen
begann. Eine wunderschöne und bildhafte Veranschaulichung dieses Prozesses findet sich in dem Film Phantom India von Louis Malle. In diesem sechsstündigen Dokumentarfilm trifft der westliche Regisseur in Indien ein und ist zunächst von dem Chaos und der Armut entsetzt, konzentriert sich auf die politische Situation und auf mögliche Lösungen für diese Probleme. Nach und nach beginnt er sich zu entspannen und sich für andere Aspekte dieser Erfahrung zu öffnen. Der mittlere Teil des Films besitzt eine fast tranceartige Qualität, als er sich, nur mit einer Handkamera bewaffnet, auf einen Fußmarsch durch Südindien macht und jeden Augenblick voll ausschöpft, die Schönheit all dessen, was ihn umringt, wahrhaft aufnimmt. Nachdem er von dieser Reise zurückgekehrt ist, schüttelt er sich aus der Trance, aber es ist eindeutig, daß sie ihn verändert hat. Manche Leute haben mich gefragt, bei welchen Gurus ich in Indien gelernt habe. Tatsächlich habe ich keine spirituellen Meister aufgesucht. Ich habe nur das Gefühl, daß der Geist Indiens selbst mein Guru war. Ich war mit einem Rucksack voller Kleider nach Indien gekommen, begriff aber schon bald, daß ich viel zuviel dabei hatte. Also verkaufte ich den Rucksack und den größten Teil meiner Kleidung, um dafür eine kleine Schultertasche aus Zellstoff zu kaufen, in der ich eine Zahnbürste, Unterwäsche und eine Bluse unterbringen konnte. (Ich behielt nur einen Rock und zwei Blusen.) Ansonsten besaß ich nur noch ein zusammengerolltes Stück Stoff, das mir als Lager diente. Ich genoß das Gefühl der Freiheit, fast keine Besitztümer zu haben, nicht von irgendwelchem Zeug behindert zu werden. Und mir gefiel auch der Gedanke, daß ich mit fast nichts am Leib überleben konnte; das verlieh meinem Geist das Gefühl von Freiheit, als könnte ich jederzeit überall hingehen. Und es fühlte sich auch natürlich und vertraut an - so als hätte ich schon einmal so gelebt. Ich fragte mich, ob ich in einem früheren Leben vielleicht ein wandernder Saddhu gewesen sein mochte - ein indischer Heiliger, der alle Besitztümer aufgegeben hat und frei umherwandert im Vertrauen darauf, daß er von dem leben wird, was das Leben selbst ihm bietet. Intermezzo in Goa Nachdem wir für eine Weile Bombay erkundet hatten, nahmen wir ein Schiff nach Goa. Das ist ein kleiner Staat in Indien, der bis vor kurzem noch zu Portugal gehörte. Goa liegt direkt im Ozean, es besteht aus meilenlangen, wunderschönen tropischen Stranden und winzigen Dschungeldörfern. Aus irgendeinem Grund waren die Einwohner Goas außerordentlich freundlich und offen, und so wurde daraus ein Zufluchtsort westlicher Hippies, die an den Stranden oder in den Dörfern lebten und nackt umherliefen. Für fünf Dollar pro Monat konnte man sich ein Haus mieten, massenhaft tropische Früchte und frischen Fisch bekommen, und soviel Marihuana und Haschisch rauchen, wie man nur schaffte. Die Goanesen duldeten all dies gutmütig, vielleicht zum Teil auch deshalb, weil es ihnen finanziell nützte. David und ich mieteten ein Haus, das etwas größer war als die anderen, es kostete zehn Dollar im Monat. Es besaß einen großen Raum, einen Küchentrakt und eine große Vorderveranda. Es gab zwar einen Herd, aber kein Mobiliar. Zum Schlafen legten wir einfach ein Tuch auf den Betonboden und schliefen darauf. Tag und Nacht war es angenehm warm. Nur wenige Schritte vor unserer Haustür lag ein wunderschöner Strand, und ganz in der Nähe gab es ein Freilichtteehaus, wo man köstlich essen konnte. Es war das Paradies. In Goa gab es absolut nichts zu tun als sich zu entspannen, und so erholten wir uns von unserer anstrengenden Reise. Die Idylle wurde immer nur dann gestört, wenn gelegentlich indische Touristen aus anderen Teilen des Landes (es waren stets Männer) sich ihren Weg den Strand entlang bahnten, voll bekleidet einschließlich Schuhen, um die nackten westlichen Mädchen zu fotografieren! Das war zwar ärgerlich, aber wir lernten sie zu ignorieren. In Goa lernten wir viele Leute aus dem Westen kennen, die schon seit Jahren in Indien lebten, die Winter in Goa verbringend und die Sommer hoch oben in den schönen Bergen Nordindiens. Manche von ihnen wußten viel über indische Kultur und Religionen, und da sie alle etwas vom
Überleben verstanden, schnappten wir manchen Tip auf. Um von dem Dorf, wo wir lebten, in die Stadt zu gelangen, mußten wir mehrere Meilen einen Weg entlanggehen, denn es gab keine Straße, und das Dschungeldorf war für Fahrzeuge nicht erreichbar; danach mußten wir einen Fluß überqueren, der ins Meer führte. Kam man zur Flut dort an, mußte man ans andere Ufer schwimmen. Brachte man zu einem solchen Zeitpunkt gerade Vorräte aus der Stadt mit, wartete man einfach ein paar Stunden, bis die Ebbe einsetzte. Das war meine erste Erfahrung der Notwendigkeit, sich völlig an die Rhythmen der Natur anzupassen, und ich liebte dieses Gefühl, ein natürlicher, eingestimmter Teil der Erde zu sein und nicht etwa ein von der Natur abgetrenntes Etwas, wie ich mich den größten Teil meines Lebens gesehen hatte. Seitdem habe ich ein großes Verlangen danach, wieder an einem Ort zu leben, den zu erreichen ich erst einen Fluß überqueren muß. In einem Traum, der mir immer wiederkehrt, reise ich an einen Ort, den man nur durch Schwimmen erreicht. Folglich kann ich auch nichts dorthin mitnehmen. Im Traum habe ich das Gefühl, daß dieser Ort magisch und wundervoll ist und daß ich mich dort zu Hause fühlen werde. Das Leben in Goa gefiel mir gut, aber das Zusammensein mit David wurde immer schwieriger. Die Beziehung erschien ihm wie eine Fessel, und so entwickelte er immer stärkere Abneigung gegen mich. Schließlich gelangten wir zu dem Schluß, daß er wohl für eine Weile seine eigenen Wege gehen mußte. Ich wollte in Goa bleiben, während er Sri Lanka erforschen wollte. Wir einigten uns darauf, uns in einem Monat in Madras zu treffen; er wollte mir ein Telegramm schicken, wo ich ihn treffen sollte; dann würden wir sehen, wo wir standen. So reiste David also ab, und ich fand eine Frau, die mit mir das Haus teilte. Ich war ziemlich wütend darüber, daß ich diesem Mann erst bis Indien gefolgt war, nur um dann von ihm hier verlassen zu werden. Ich hatte keine Ahnung, ob wir wirklich jemals wieder zusammenkommen würden oder nicht, aber es blieb mir auch nichts anderes übrig, als das Beste daraus zu machen. Zum Glück befand ich mich in einer wunderschönen Umgebung, wo das nicht sonderlich schwerfiel. Ich wandte mich nach innen, um in meinem Inneren etwas Sicherheit zu finden, und verbrachte den Rest meiner Zeit in Goa mit einer tiefen spirituellen Suche. Irgend jemand lieh mir das Buch Der Erleuchtung ist es egal, wie du sie erlangst. Ich liebte es und fand darin soviel Trost, daß ich es, als die Zeit gekommen war, es zurückzugeben, zwei Tage lang abschrieb, um es bei mir haben zu können! Eine der schönsten Erinnerungen an diese Zeit ist die an einen Ausflug, den ich mit ein paar Freunden an der Küste Goas machte. Einen ganzen Tag lang wanderten wir nackt den Strand entlang, um schließlich bei Nachtanbruch am fernen nördlichen Ende Goas einzutreffen, wo wir am Strand unter freiem Himmel schliefen. Ich werde nie den nächsten Tag vergessen, wie wir träge an den Fluß entlang trieben, der vom Urwald ins Meer strömte, während die Brise die betörenden Klänge indischer Musik mit sich führte, um schließlich um eine Biegung zu kommen und dort ein schönes Mädchen zu erblicken, daß auf einem Felsen am Fluß saß, sang und Tambura spielte. Das alles war wie im Traum, ist aber tatsächlich passiert. Indien und weiter Die Zeit in Goa verging wie im Fluge und schließlich war der Augenblick gekommen, Abschied zu nehmen und sich an die lange Bahnreise nach Madras zu machen. Ich begab mich zum Büro von American Express, wo ich Davids Telegramm vorfand, aus dem ich entnahm, wo ich ihn treffen sollte. Es stellte sich heraus, daß er mich sehr vermißt hatte und gern mit mir Weiterreisen wollte. Für den Beginn unserer erneuerten Beziehung erwies sich die erste gemeinsame Nacht leider als schlechtes Omen. Wie üblich hatten wir uns in einem billigen Hotel (fünfzig Cents pro Nacht) einquartiert und wollten gerade eindösen, als ich etwas im Bett krabbeln spürte. Ich sprang auf, machte das Licht an und stellte fest, daß der Raum voller Wanzen war. Sie waren nicht nur im Bett, sondern krabbelten über alle Wände. Es war wirklich gräßlich. Weil es zu spät war, um ein
anderes Hotel zu suchen, ließen wir das Licht an und schlugen mitten auf dem Fußboden unser Lager auf. Es bedarf wohl keiner Erklärung, daß ich nur wenig schlief. Von da an war ich mir jedesmal, wenn ich an einem neuen Ort ins Bett ging, sicher, Wanzen zu spüren, und sprang stets auf, um das Licht anzumachen und nachzuschauen! (Zum Glück bin ich nie wieder welchen begegnet.) Wir verbrachten eine Zeit damit, das Gebiet um Madras zu erkunden, dann machten wir uns in Richtung Norden nach Benares (Varanasi) und schließlich nach Kalkutta auf den Weg. Wir fuhren im Zug stets dritter Klasse, was alle Inder bis auf die Reichen tun. Das ist durchaus eine Erfahrung. Man stopft dort so viele Menschen in einen Wagen, wie hineinpassen, wobei auch der Fußboden, der Gang und manchmal die Gepäcknetze dafür herhalten müssen. Und es ist immer heiß und staubig. Und doch liebte ich es. Inzwischen hatte ich Indien so liebgewonnen, daß ich mich als Teil davon empfand; alles erschien mir natürlich und vertraut. Der Hinduismus übte große Faszination auf uns aus, und David las so viele Bücher darüber, wie er nur auftreiben konnte, um mir danach zu erklären, was er in Erfahrung gebracht hatte. Es ist eine uralte und komplizierte Religion, die man mit einem flüchtigen Studium kaum jemals wird verstehen können. Wir bekamen ein besseres Gespür dafür, als wir uns in den Tempeln und vor den Skulpturen aufhielten. Es war die erste Religion, die mich je zutiefst berührt hat. Im Hinduismus gibt es eine Dreiheit - Brahma, der Schöpfer, Vishnu, der Erhalter und Shiva, der Zerstörer, sowie viele geringere Gottheiten. Götter wie Rama und Krishna sind Aspekte des Vishnu. Die meisten Familien in Indien verehren entweder in erster Linie den Vishnu in einem seiner Aspekte oder den Shiva. David und ich fühlten uns beide unweigerlich zu Shiva hingezogen. Shiva steht für das Prinzip des Wandels - daß alles unentwegt sterben muß, um wiedergeboren zu werden. Das heißt, daß Shivas Tanz das Universum in Bewegung hält. Shiva lehrt uns, daß wir stets loslassen müssen, denn wenn wir uns an das Vertraute klammern, bedeutet dies, dem natürlichen Strom des Lebens Widerstand zu entbieten. Wenn wir uns im Wandel bewegen können, können wir auch Glückseligkeit erfahren. In Indien geben die frömmsten Shivaanhänger alle weltlichen Güter auf und ziehen frei umher, erfahren das Leben so, wie es ihnen begegnet. Shiva ist auch der Herr des Tanzes und der Musik, und bei jeder Veranstaltung befindet sich auf der Bühne auch ein Altar des Shiva. In Benares, der heiligen Stadt des Hinduismus, hatte ich etwas, das sich wie eine direkte Erfahrung Shivas anfühlte. David und ich machten eine Bootsfahrt auf dem heiligen Fluß Ganges. Träge trieben wir in einem offenen Boot dahin, benutzten nur gelegentlich das Paddel. Ich verfiel in einen tranceartigen Zustand und begann eine sehr mächtige Wesenheit zu spüren, die ich als Shiva identifizierte. Es gab keine sprachlichen Mitteilungen, ja überhaupt nichts Eindeutigeres als dies, aber die Erfahrung bewegte mich, und seitdem spürte ich eine starke Verbindung zur Shiva - Energie. Eine weitere beeindruckende Erfahrung war der Besuch der Höhlen von Ajanta. Das sind uralte Höhlen mit wunderschönen Wandmalereien, die ungefähr auf das Jahr einhundert nach Christus zurückgehen. Die Energie dieser Höhlen ist sehr mystisch, und David und ich fühlten uns von ihnen verzaubert. Kalkutta war unsere letzte Station in Indien. Es war die überfüllteste, schmutzigste und ärmste Stadt, die wir je gesehen hatten. Nach einigen Tagen flogen wir nach Katmandu in Nepal weiter. Mittlerweile hatten wir vier Monate in Indien verbracht, nachdem wir drei Monate über Land gereist waren, und so waren wir verständlicherweise recht müde und etwas ausgemergelt. Wir hatten nicht mehr die Kraft, in den Bergen auf Trekking - Tour zu gehen. Statt dessen fuhren wir mit dem Fahrrad durch Katmandu, besichtigten Tempel und andere Sehenswürdigkeiten, verbrachten viel Zeit in den Chai - and - pie - Läden - eine bizarre Erscheinung. Chai ist das indische Wort für Tee, und es gab zahlreiche Teehäuser, die damit begonnen hatte, raffinierte Pasteten und Kuchen im westlichen Stil zu backen, sie an all die hungrigen, heimwehkranken, bekifften Hippies zu verkaufen, die dort vorbeikamen. Diese Nachtische sahen alle köstlich aus,
vor allem nach einer unentwegten Diät beinahe ungenießbar scharfen indischen Essens, doch leider schmeckten sie alle ziemlich merkwürdig. Nach den Strapazen der Reise machte uns das jedoch auch nichts mehr aus, und so aßen wir sie dennoch. Inzwischen ging unser Geld zur Neige, und wir meinten, daß wir uns jetzt auf den Weg nach Japan machen sollten, wo man, wie wir gehört hatten, leicht einen Job als Englischlehrer bekam. Also kauften wir uns Flugtickets und flogen nach Burma, Bangkok, Hongkong und Tokio, wobei wir überall jeweils ungefähr eine Woche blieben. Das ermöglichte es uns, uns nach und nach wieder an die westliche Welt anzupassen, denn jeder dieser Orte war etwas moderner als der vorhergehende und auch etwas teurer. Dennoch waren wir auf den Schock von Tokio nicht vorbereitet - alles war technisch so hoch entwickelt, daß wir das Gefühl hatten, in einen Science - Ficton - Film eingetreten zu sein. Wir blieben zwei Wochen dort, und ich bekam das schöne Kyoto wieder zu sehen. Wir hatten Heimweh und wollten nicht mehr in Japan bleiben, hatten andererseits aber auch nicht mehr genügend Geld, um nach Hause zu kommen. Da erkrankte zufällig Davids Vater, und seine Familie wollte, daß er nach Hause kam, weshalb sie ihm ein normales Linienticket schickten. Das verkauften wir, erstanden davon zwei Billigtickets und flogen nach Hause. Mit wenig mehr als etwa zweitausend Dollar hatte ich zwei Jahre in Europa gelebt und die Welt umreist. Diese Reise hatte mich verändert, hatte mich gelehrt, für den Augenblick zu leben, mich an nichts festzuklammern und mein Vertrauen in mich selbst und die universale Kraft zu setzen. Die Suche nach Bewußtsein David reiste zu seiner Familie an die Ostküste, und ich suchte meine Mutter in Fresno, Kalifornien, auf, um mich dort zu entspannen, zu erholen und um zu entscheiden, was ich als nächstes tun würde. Ich war sehr müde und so ausgemergelt, daß meine Rippen deutlich am Brustkorb herausstanden. Glücklicherweise hatte meine Mutter ein sehr komfortables Apartment in einem Wohnkomplex mit Swimmingpool, und so verbrachte ich einen Monat mit Schwimmen, Sonnenbaden und das bei Mutters guter Küche. Inzwischen hatte mich die Bewußtseinsschlange gebissen. Ich wußte zwar nicht genau, wie ich Bewußtsein definieren sollte, andererseits war ich mir aber sicher, daß ich nichts sehnlicher haben wollte. Ich erkannte, daß alles in meinem Leben sich von allein fügen würde, je bewußter ich war, während alles ohne Bewußtsein ohnehin keine Rolle spielte. Und so gelangte ich zu dem Schluß, daß ich anstatt eine berufliche Karriere oder eine Partnerbeziehung zu verfolgen mich einfach nur der Entwicklung des Bewußtseins zu verschreiben brauchte, damit alles ins rechte Lot fiel. Und so ist es tatsächlich auch gekommen. Seit jener Zeit galt für mich als oberste Priorität, stets dem zu folgen, was ich intuitiv als für meine persönliche Weiterentwicklung erforderlich erachte, auch wenn ich nicht immer so genau weiß warum. Als Folge dieser eindeutigen Prioritätenbestimmung habe ich stets bei allem, was ich tat, Unterstützung gefunden. Tatsächlich ist der Erfolg dadurch zu mir gekommen, daß ich mich auf mein innerstes Gefühl verließ und stets der Stimme des Herzens folgte. Das Living Love Center Während ich in Fresno war, lieh mir eine Freundin meiner Mutter das Buch Handbook to Higher Consciousness von Ken Keyes jr. Ich verschlang es förmlich. Es schien mich ganz direkt und persönlich zu meinen und beeindruckte mich stark. Im Anhang des Buches las ich, daß Ken in Berkeley ein Zentrum hatte, wo er Workshops abhielt, und ich merkte es mir, um der Sache später einmal nachzugehen. Als David wieder nach Kalifornien kam, beschlossen wir in die Bay Area von San Francisco zu ziehen, da dies der .Mittelpunkt der metaphysischen Welt zu sein schien. Wir bekamen ein winziges Studioapartment über einem Laden genau am Campus der University of California, direkt an der Telegraph Avenue in Berkeley. Das war ein überfüllter, geschäftiger und lauter Stadtteil, und wir fühlten uns wie zu Hause - es erinnerte uns an Asien! Die Telegraph Avenue
ist berühmt für ihre wilde Auswahl an Straßenoriginalen, und auf der gegenüberliegenden Seite der Straße auf dem Campus standen alle möglichen Leute auf Seifenkisten und verkündeten die unterschiedlichsten Missionsanliegen. An Wochenenden trafen sich dort Conga - Spieler und trommelten Tag und Nacht. Es war, als lebten wir direkt am Puls des Lebens, und das genossen wir. Ich bekam eine Stelle in einem Handarbeitsgeschäft, und David fand Arbeit als Handwerker. In unserer Freizeit suchten wir den Esoterikbuchladen Shambhala Booksellers heim und lasen alles, dessen wir habhaft werden konnten. Finanziell lebten wir zwar von der Hand in den Mund, aber daran waren wir gewöhnt und sahen es als Teil des Abenteuers. Wir fanden das Living Love Center von Ken Keyes und nahmen dort an einem Wochenendworkshop teil. Das Center befand sich in einem großen alten Haus einer Studentenverbindung an der gegenüberliegenden Seite des Campus; es besaß ungefähr zwanzig Schlafzimmer, wo die Lehrkräfte lebten, und einen riesigen Wohnzimmertrakt, wo die Workshops stattfanden. Der Workshop war sehr intensiv. Im Mittelpunkt von Kens Philosophie stand die Erkenntnis, daß das allermeiste, was wir im Leben tun, von unserer Sucht motiviert ist, die Dinge so zu haben, wie wir sie wollen, was uns großes Unglück beschert, weil wir in der Regel nicht dazu in der Lage sind, soviel Kontrolle über die Dinge zu bekommen, wie es uns behagt. Ken versuchte uns bei zubringen, wie wir unsere Süchte in Neigungen umprogrammieren konnten, damit wir unabhängig davon glücklich sein konnten, wie die Dinge in unserer Umwelt liefen. Auf dem Workshop arbeiteten wir an den speziellen Problemen, die wir im Leben hatten, um die dahinterliegenden Süchte und Abhängigkeiten zu erkennen, um dann Umprogrammierungssätze zu formulieren, die wir uns vorsagten, um unsere Sehweise der Dinge zu ändern. Wenn ich beispielsweise feststellte, daß meine Beziehung nicht so lief, wie sie sollte (was auch der Fall war), so konnte ich vielleicht durch diese Arbeit entdecken, daß ich davon abhängig war, daß David sich auf eine bestimmte Weise benahm, damit ich mich mit mir selbst gut fühlte (das war ebenfalls der Fall). So hätte ich zu dem Umprogrammierungssatz finden können: »Ich brauche es nicht, daß David sich auf eine bestimmte Weise verhält. Ich liebe mich selbst so, wie ich bin.« Im Laufe des Workshops wurde viel geweint, wallten viele Gefühle auf, und am Ende fühlten sich alle einander unglaublich nahe und aufs Intimste verbunden. Unsere Herzen waren weit geöffnet, und wir quollen schier von Liebe und Freude über. Das erinnerte mich an die Encounter - Gruppe, an der ich in Reed teilgenommen hatte, und es war mit Abstand die bewegendste Erfahrung, die ich bisher gemacht hatte. David und ich hatten ernste Probleme miteinander gehabt. Er war nie seine Frustration darüber losgeworden, daß er sich unmittelbar nach Beendigung seiner Ehe wieder in eine neue große Beziehung gestürzt hatte, anstatt eben jene Unabhängigkeit zu erfahren, nach der er sich so sehnte. Deshalb war er oft nachtragend und kritisch zu mir. Ich dagegen fühlte mich falsch eingeschätzt und begann mich mit mir selbst nicht mehr wohl zu fühlen, als sei ich unfähig, ihn glücklich zu machen. Nach dem Workshop beschloß David, sich um einen Mitarbeiterposten zu bewerben, damit er ins Center einziehen konnte. Er wurde fast sofort angenommen. Wenn man damals am Living Love Center mitarbeiten wollte, brauchte man sich nur zu bewerben, und wenn eine geeignete Stelle frei war, bekam man diese relativ einfach. Ich wollte ebenfalls ans Center, doch im Augenblick war keine weitere Stelle frei. Eine Weile lang verbrachte David einen Teil seiner Zeit in unserem Apartment und den Rest im Center, distanzierte sich aber zunehmend von mir. Ich fühlte mich verlassen und am Boden zerstört und mühte mich ab, mit meinen neugefundenen Werkzeugen die Situation zu meistern und aus ihr zu lernen. So betrieb ich sehr viel Umprogrammierung, versuchte, David loszulassen. Es half auch etwas, aber ich empfand immer noch viel Verwirrung und Schmerz. Ich besuchte einen weiteren Workshop im Center - auf der Fortgeschrittenenstufe. Der wurde
nicht von Ken geleitet, sondern von einem anderen Trainer namens Tolly. Am bemerkenswertesten an dieser Erfahrung war die Tatsache, daß Tolly uns (wir waren etwa fünfzig) an einem bestimmten Punkt anwies, unsere Kleider abzulegen. Dann mußte sich jeder in die Mitte des Zimmers stellen und allen erklären, was er an seinem Körper mochte und was nicht. Ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich das überstanden habe, doch damals hätte ich so ziemlich alles getan, nur um weiterzukommen. Tatsächlich war es eine sehr mächtige Erfahrung. Danach hatten wir voreinander nicht mehr allzuviel zu verbergen, und der Grad der Ehrlichkeit und Nähe in der Gruppe war beschwingend. (Später wurde diese Prozedur allerdings abgeschafft.) David und ich beendeten schließlich unsere Liebesbeziehung, wenngleich wir uns im Center unentwegt sahen. Ich fühlte mich niedergeschlagen, doch ein Teil von mir wußte, daß es das beste war. Allerdings gelang es mir, die Auseinandersetzung mit meinen Gefühlen schon bald zu vertagen, weil ich mich wenige Tage später Hals über Kopf in Marc Allen, einen Musiker im Mitarbeiterstab am Living Love Center, verliebte.1 Kurz danach wurde eine Mitarbeiterstelle frei, und so zog auch ich ins Center und lebte dort mit Marc zusammen. Das Leben im Center war wie das Zuhausesein in einer großen, warmherzigen, liebevollen Familie, wie ich sie nie gekannt hatte. Ich konnte es kaum glauben, daß ich tatsächlich einen so fürsorglichen Ort gefunden hatte. Das Haus selbst war schön, komfortabel und gut durchorganisiert. Wir aßen köstliche vegetarische Nahrung, für unsere Grundbedürfnisse war vollständig gesorgt, und jeder arbeitete an seiner eigenen Weiterentwicklung, so daß es auf dieser Ebene nie an Unterstützung fehlte. Liebe und Fürsorglichkeit herrschten im Überfluß vor, und wir teilten auf tiefster Ebene unsere emotionalen und spirituellen Wahrnehmungen und Empfindungen. Jeder Mitarbeiter hatte eine festgelegte Aufgabe - Küchenarbeit, Hausarbeit, Workshop Assistenz oder Arbeit im Verlagszweig des Geschäfts. Dafür erhielten wir Kost, Logis und ein kleines Taschengeld. Wir folgten alle demselben Tagesprogramm. Früh am Morgen weckte uns eine Glocke, und wir sammelten uns im Wohnzimmer zu Streckübungen und Meditation bei sanfter Meditationsmusik. Das war eine tiefe spirituelle Erfahrung für mich, und ich liebte sie sehr. Danach gab es Frühstück und eine vierstündige Karma - Yoga - Phase, in der wir unserer Arbeit nachgingen. Nach dem Mittagessen war Mitarbeiterschulung, in deren Verlauf uns ein Trainer des Centers durch verschiedene Prozesse führte, um unsere emotionalen Probleme aufzuarbeiten, was fast immer in der Umprogrammierung unserer Abhängigkeiten gipfelte. Aus irgendeinem Grund war Ken der Meinung, daß die wirkungsvollste Methode, unsere Umprogrammierungssätze zu nutzen, darin bestand, sie immer und immer wieder laut herauszubrüllen. Natürlich hatten die Nachbarn sich darüber beschwert, und so wurde ein neues System entwickelt. Wenn es wieder so weit war, unsere Umprogrammierungssätze zu rufen, bekam jeder einen Plastikeimer, auf dessen Boden ein großer Schwamm lag; denn wir hatten festgestellt, daß dies den Lärm soweit dämpfte, daß der Sprechende seine Worte zwar noch hören konnte, die Nachbarn aber nicht. Da wir alle auf dem Boden saßen, knieten wir uns nun nieder und steckten die Köpfe in die Eimer, um unsere Umprogrammierung anzugehen. Das muß wirklich ein merkwürdiger Anblick gewesen sein - ein ganzes Zimmer voller kniender Leute, die die Köpfe in Plastikeimer gesteckt hatten und Dinge riefen wie: »Ich brauche keine Anerkennung von anderen! Ich genüge mir selbst!« Meine Arbeit bestand darin, in der Buchabteilung die Öffentlichkeitsarbeit für Kens Bücher zu erledigen. Damals sah ich darin nur einen Job, der es mir erlaubte, im Center zu leben, doch im 1
Eine interessante Anmerkung für Astrologie - Freaks: Davids Geburtstag ist der 30. Juni. Marc ist am l. Juli (in einem anderen Jahr) geboren. Später hatte ich zwei weitere sehr bedeutsame Beziehungen zu Männern, die jeweils am 28. und am 29. Juni geboren waren. Es sieht so aus, als konnte ich damals Krebs - Männern dieser Zeitqualität nicht widerstehen!
nachhinein habe ich begriffen, wieviel ich damals gelernt habe, was die Führung eines Verlags angeht. Ken war vor seinem Engagement in der Bewußtseinsbewegung Immobilienmakler in Florida gewesen, und er war ein sehr schlauer Geschäftsmann. Er hatte das Haus zu einem sehr niedrigen Preis gekauft und konnte mit unserer Arbeitskraft seinen Verlag und das Seminargeschäft sehr billig führen. Aber er häufte auch keinen persönlichen Profit an, er hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, der Menschheit zu dienen, und verkaufte seine Bücher und Workshops zu den erdenklich niedrigsten Preisen - denn er wollte sie jedem zur Verfügung stellen. Als junger Mann hatte Ken Kinderlähmung gehabt und war an den Rollstuhl gefesselt, er konnte seine Beine überhaupt nicht und seine Arme und Hände nur beschränkt bewegen, so daß er beständiger Pflege und Hilfe bedurfte, was die Alltagsprobleme anging. Diese Hilflosigkeit und Abhängigkeit hatten ihn in eine sehr unsichere Lebensposition manövriert, und er genoß es wirklich, eine sehr große Familie um sich zu scharen, damit er versorgt war und nicht verlassen wurde. Wir unsererseits fühlten uns ebenso abhängig von der Sicherheit, die er uns im Center bescherte. Wir waren alle süchtig danach, dort zu leben; schon der bloße Gedanke daran, in die Außenwelt zurückzukehren und wieder allein für uns selbst zu kämpfen, war unerträglich. Im nachhinein erkenne ich, daß ich dort mein unbewußtes Kindheitsverlangen nach einem sicheren Heim und einer Familie auslebte. Es war für mich eine sehr wichtige Heilung. Damals herrschte im Center eine sehr freie und offene Atmosphäre. Gastreferenten kamen vorbei, um uns Vorträge und Workshops über verschiedene spirituelle und psychologische Disziplinen zu bieten. Alle experimentierten wir mit unterschiedlichen Philosophien und Lebensstilen. Die Kreativität gedieh. Zu den Mitarbeitern gehörten zwei Musiker, Marc Allen und Summer Raven, die täglich neue Lieder und Musik schrieben, in denen sie unsere Erfahrungen widerspiegelten. Diese Musik verlieh der ganzen Erfahrung für mich eine große zusätzliche Fülle. Dieses lebendige Gemeinwesen zog auch eine Schar interessanter Menschen an. Mit sehr vielen von ihnen knüpfte ich feste, tiefe Bande; es war, als wären sie meine wahre Familie. Die stärkste Verbindung hatte ich zu Marc. Er war ein schlanker junger Mann von achtundzwanzig Jahren mit einer Mähne langen blonden Haares. Er hatte ein interessantes Leben geführt; in den Sechzigern war er in Minnesota, New York und Kalifornien Schauspieler in einer radikalen Straßentheatertruppe gewesen, und seitdem hatte er eine ganze Reihe traditioneller spiritueller Disziplinen intensiv studiert. Die letzten drei Jahre hatte er bei einem tibetanischen Lama gelebt und versucht, einen sehr strengen Pfad zu verfolgen. Inzwischen suchte er nach einer spirituellen Praktik, die dem modernen westlichen Lebensstil mehr Freiheit und Anpassungsfähigkeit ließ. Marcs hohe spirituelle Entwicklung faszinierte mich und flößte mir auch ein wenig Ehrfurcht ein. Am Anfang war er für mich so etwas wie ein Guru. Er war auch ein sehr attraktiver, sexy Guru und hatte eine wilde Ader, die mich sehr anzog. Allerdings war er nicht bereit zur Monogamie. Er sagte mir, daß er eine offene Beziehung wolle - daß wir zusammenleben sollten, uns aber auch jeder wann und wo wir wollten für andere Liebhaber offenhalten. Ich willigte ein, teilweise weil ich mit ihm Zusammensein wollte und teilweise aus Neugier und einem Verlangen, mal etwas anderes zu versuchen. Beide hatten wir das spirituelle Ideal, daß wir in der Lage sein sollten, einander bedingungslos zu lieben, daß wir aber auch andere Menschen lieben könnten. Leider mußte ich auf schmerzhafte Weise erfahren, daß dieses spirituelle Ideal weit von der menschlichen Realität entfernt war. Marc und ich hatten ein wunderschönes Schlafzimmer im ersten Stock des Gebäudes. In unseren ersten Monaten des Zusammenseins bestand unsere offene Beziehung hauptsächlich darin, daß er gelegentlich kurze Affären mit anderen Frauen hatte. Er schien sie zwar nicht sehr ernst zu nehmen und wollte auf lange Sicht lieber mit mir Zusammensein, doch mich trieb dies vor Eifersucht in die Raserei. Da es zu Kens Philosophie gehörte, daß wir dazu in der Lage sein sollten, uns von unangenehmen, negativen Gefühlen zu befreien, versuchte ich unentwegt, mich dazu umzuprogrammieren nicht mehr eifersüchtig zu sein. Manchmal, wenn ich darüber wütend
war, daß Marc mit einer anderen Frau zusammengewesen war, stand ich mitten in der Nacht auf, ging hinunter in die Küche, holte mir einen Umprogrammierungseimer und schrie hinein: »Ich brauche Marcs Liebe nicht, um glücklich zu sein. Ich genüge mir so, wie ich bin!« Es half nicht allzuviel, aber ich hoffte, daß es irgendwann Wirkung zeitigen würde. Einmal ging Marc zwei Monate fort, um an einem Musikprojekt zu arbeiten, und während dieser Zeit hatte ich eine recht angenehme Affäre mit einem anderen Mann im Center. Ich war außerordentlich erfreut, als Marc darauf sehr eifersüchtig reagierte. Allerdings konnte ich nicht beide Beziehungen gleichzeitig aufrecht halten, und als Marc zurückkehrte, ging ich wieder zu ihm. Ich hing bei ihm ziemlich an der Leine. Positiv betrachtet gab es aber auch sehr viel Gutes an meiner Beziehung zu Marc. Wir hatten eine tiefe spirituelle Verbindung zueinander, und ich lernte sehr viel von ihm. Wir mochten einander wirklich, hatten viel Spaß zusammen und, was das wichtigste war, es wurde nach und nach eine sehr mächtige, kreative Beziehung daraus. Damals wußte ich irgendwie, daß ich zu ihm gehörte; wir hatten ein gemeinsames Schicksal. Das wichtigste, was ich von Marc erhielt, war mein Name. Er wußte von meinen Reisen in Indien und von meiner Leidenschaft für den Gott Shiva. So begann er mich Shakti zu nennen, denn Shakti ist der weibliche Aspekt des Shiva. Shakti ist Lebenskraft, Macht, Energie des Universums. In der traditionellen Tantra - Praxis stellt Shiva die männliche und Shakti die weibliche Energie dar. Der Name fühlte sich richtig an, und schon bald nannten alle mich so. Ich habe ihn seitdem immer benutzt. Gawain ist übrigens mein Geburtsname. Es ist derselbe Name wie der von Sir Gawain aus der Arthus - Legende. Man hat mir einmal gesagt, daß er Kampffalke bedeutet. Das scheint mir wie ein gutes Gleichgewicht - Shakti steht für meine weibliche und Gawain für meine männliche Energie. Langsam entwickelte ich das Bedürfnis, bei den Workshops zu assistieren. Ich schrieb ein paar Ideen und Erkenntnisse auf und teilte sie bei den Trainingssitzungen mit den anderen Mitarbeitern, durchaus mit gutem Erfolg. Deva Lewis, der Haustrainer, erkannte, daß ich auf diesem Gebiet Talent besaß, und ermutigte mich, meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Ken jedoch hatte noch nie sehr viel für mich übriggehabt und zeigte kein Interesse an mir als potentielle Trainerin. Tatsächlich verlor ich langsam einige meiner Illusionen, was seine Philosophie anging. Ich hatte mich in Kens Gegenwart nie sonderlich wohl gefühlt und hatte das Gefühl gehabt, daß er seine Methoden selbst dazu benutzte, um viele seiner eigenen Gefühle zu unterdrücken. Er versuchte immer liebevoll zu sein, doch irgendwie empfand ich es nie als echt. Je tiefer ich an mir selbst und zusammen mit anderen Menschen arbeitete, um so mehr begann ich zu erkennen, daß es weder möglich noch psychologisch gesund ist, den Versuch zu unternehmen, die eigenen sogenannten negativen Gefühle zu verändern, indem man sie umprogrammiert. Wir Mitarbeiter waren dabei, die Philosophie langsam umzuarbeiten, wir legten stärkere Betonung darauf, zu lernen, sich selbst zu lieben und die eigenen Gefühle zu akzeptieren. Ken war in gewissem Umfang empfänglich für diese Veränderungen und begann sie auch gelegentlich in seinen Unterricht zu übernehmen. Im Frühling jedoch kam es zu einem grundlegenden Wandel. Ken gelangte plötzlich zu der Überzeugung, daß es im Center zu locker zugehe und leitete einen großen Strukturwandel ein. Anstatt noch länger als Mitarbeiter betrachtet zu werden, wurden die meisten von uns Studierende des Prototyps eines dreimonatigen Programms, das er im Center anbieten wollte. Wir mußten sehr strenge Regeln befolgen, und unsere Freiheit und Kreativität erfuhren scharfe Einschränkungen. Natürlich stand es uns frei zu gehen, doch noch war keiner von uns zu diesem Schritt bereit. Eine der merkwürdigsten Praktiken dieses neuen Wegs war eine Zwei - Wochen - Phase, in der Ken mit einem bestimmten Spiel aufwartete, das wir spielen sollten. Jeder von uns erhielt durch Los einen Partner zugeteilt, mit dem wir drei Tage Zusammensein mußten. Um sicherzugehen,
daß wir nie mehr als etwa einen Meter voneinander entfernt waren, banden wir uns an den Armen mit einem Bindfaden zusammen. Wir mußten gemeinsam schlafen, essen, die Toilette aufsuchen und alles andere tun (allerdings sollten wir keinen Sex miteinander haben), alles nur einen Meter voneinander entfernt. Im Center hatten wir gemischte Bäder und waren es schon gewöhnt, gemeinsam zu duschen und sehr intim zusammenzuleben, was eine große Hilfe war. Nach Ablauf der drei Tage wechselten die Partner, und so ging das zwei Wochen lang. Dahinter stand der Gedanke, uns selbst mit unseren eigenen Problemen zu konfrontieren. Das Ideal war es, dazu in der Lage zu sein, mit jedem harmonisch zusammenzuleben, und auf diese Weise sollten wir feststellen, was uns daran hinderte. Leider berücksichtigte diese Praktik nicht das menschliche Bedürfnis nach körperlichem und emotionalem Freiraum, nach freien Entscheidungsmöglichkeiten und nach Freiheit überhaupt. Wie so viele andere Dinge, die wir versuchten, war die Idee intellektuell zwar ganz nett, doch sah die Wirklichkeit etwas anders aus. Den größten Teil der Zeit fühlte ich mich wie in einer Falle. Das beste daran war noch, daß mein letzter Partner während des Experiments ein sehr schöner Mann war, und so führte unsere gemeinsame Zeit auch zu der Affäre, die ich hatte, während Marc fort war. Jedenfalls war es an der Zeit, das Center zu verlassen, und schließlich stellte ich mich auch dieser Realität. Marc und einige andere Musiker hatten mit Ken einen Schallplattenvertrag, der ihnen für eine Weile ein garantiertes Einkommen bescherte, und so zogen eine Gruppe von uns aus und mieteten gemeinsam in Berkeley ein großes Haus. Das Was - immer - Haus Den überwiegenden Teil des nächsten Jahres arbeiteten die Musiker an ihrer Schallplatte. Sie übten im schalldichten Keller, während ich die Hausmutter spielte. Lebensmittel einkaufte, kochte und generell für sie den Haushalt führte. Wir lebten von dem Geld für den Schallplattenvertrag. Um die Ausgaben zu senken, ließen wir immer weitere Leute Mitflüchtlinge vom Center - in das Haus einziehen, bis schließlich mehr als ein Dutzend Menschen dort lebte. Aber es war auch ein großes, schönes Haus, und wir waren das enge Zusammenleben gewöhnt. Marc und ich wohnten in einem großen, wunderschönen, verglasten Wintergarten. Das Haus war als das Was - immer - Haus bekannt, was auf Marcs ständigen Spruch zurückzuführen war, »Na ja, du weißt doch, was immer geschieht, ist auch vollkommen«, den er jedesmal aufsagte, wenn jemand sich irgendwelche Sorgen um etwas machte. Während wir im Was - immer - Haus lebten, kam ich ganz unverhofft dazu, meinen ersten Workshop zu leiten. Tolly, der ehemalige Trainer aus dem Living Love Center, bat uns, in unserem Haus einen Wochenend- Workshop abhalten zu können. Wir willigten ein, und so bat er Marc und mich, ihm zu assistieren. Der Workshop verlief sehr gut, und Tolly beschloß, einen weiteren, viertägigen Workshop dort abzuhalten. Wieder bat er uns, zu assistieren. Am Tag, als der Workshop anfangen sollte, hatte Tolly aber mit emotionalen Schwierigkeiten zu kämpfen und sah sich nicht dazu in der Lage, ihn zu leiten. Deshalb schlug er vor, daß wir ihn leiten sollten. Mit seiner Schauspielererfahrung war Marc es gewöhnt, in den unterschiedlichsten Situationen zu improvisieren, also willigte er ein. Und obwohl ich selbst völlig unvorbereitet war, war ich doch keine Spielverderberin und erklärte mich ebenfalls bereit. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, was wir da eigentlich taten, aber ich weiß noch, daß mir vier Tage sehr lang erschienen, und ich hatte das eindeutige Gefühl, daß ich einen großen Teil der Zeit selbst nicht so recht wußte, was ich da tat. Und ich leitete nicht nur den Workshop, ich bekochte auch noch die ganze Zeit die Gäste! Es war eine ziemlich verrückte Situation, doch irgendwie schaffte ich es. Erstaunlicherweise mochten die Leute den Workshop sehr und bekamen viel Leistung für ihr Geld. Unser Erfolg war für uns sehr aufregend, und wir beschlossen, weitere Workshops abzuhalten - diesmal an Wochenenden. Und so begann meine illustre Karriere als Lehrerin. Wir führten einige weitere Workshops im Was - immer - Haus durch und auch in Los Angeles,
hauptsächlich mit graduierten Schülern von den Living Love Workshops. Wir wendeten einige der Living Love Methoden an, wobei Marc auf seine früheren Erfahrungen zurückgriff, doch nach und nach entwickelten wir immer mehr eigene Ideen. Ich setzte meine begierige Suche nach der Wahrheit fort und nutzte alles, was ich dazulernte, um es in meinen Unterricht zu integrieren. Ich las Die Natur der Psyche von Jane Roberts und war zutiefst von der Vorstellung angetan, daß wir alle unsere eigene Wirklichkeit erschaffen. Das wurde zu einem Kernthema meiner Workshops. Ich wendete die Visualisationstechniken an, die ich bei Silva Mind Control gelernt hatte. Ich las die Werke von Catherine Ponder und begann damit, Affirmationen einzusetzen. Niemand hatte mir je beigebracht, wie man Workshops führt, doch ich hatte viele von ihnen aufgesucht, und kopierte einfach das, was ich bei anderen beobachtete. Nach und nach entdeckte ich, was bei mir funktionierte und was nicht. Zuerst hatte ich große Angst davor, Workshops zu leiten. Jedesmal bekam ich am Vorabend Lampenfieber und fragte mich: »Was zum Teufel tue ich da eigentlich? Was soll ich machen, wenn mir nichts mehr einfällt? Was ist, wenn ich nicht weiß, was ich als nächstes tun soll?« Ich hätte es nie gemacht, wäre Marc nicht dagewesen. Er war immer cool, ruhig und gelassen. Er tröstete, unterstützte und ermutigte mich. Nachdem der Workshop erst einmal angefangen hatte, war ich immer gut, und tatsächlich übernahm ich mit der Zeit immer mehr die Leitung. Das schien Marc auch nichts auszumachen. Er schien sich darüber zu freuen, wie meine Kraft sich entwickelte, und zeigte nie irgendwelchen Konkurrenzneid. Ich entdeckte, daß ich ein Talent zur Lehrerin hatte. Besonders gut war ich darin, all die unterschiedlichen Ideen und Philosophien, die ich mir aneignete, miteinander zu integrieren und schlichte, klare Erklärungen zu formulieren, die die Menschen leicht verstehen und anwenden konnten. Und ich stellte auch fest, daß ich das Lehren wirklich liebte. Es war eine tiefe Befriedigung darin, mich mit Menschen auszutauschen und mitanzusehen, wie sich ihr Leben durch das, was ich mit ihnen teilte, positiv entwickelte. Manchmal spürte ich beim Leiten eines Workshops, wie eine mächtige Energie mich zu durchströmen begann. In solchen Augenblicken fühlte ich mich besonders klar und stellte fest, wie ich besonders tiefsinnige oder bedeutungsvolle Dinge sagte, an die ich oft nie zuvor gedacht hatte. Es war ganz so, als sei ein weiserer Teil meiner selbst aktiviert worden und als hätte er nun das Reden übernommen. Ich liebte dieses Gefühl und war mir ganz sicher, daß ich hier etwas tat, was meiner Bestimmung entsprach. Marc und ich beschlossen, ein kleines Büchlein zu schreiben, in dem wir unsere Ideen, Meditationen und Übungen festhalten wollten, um es den Teilnehmern unserer Workshops zu geben. Marc tippte das Manuskript, wir fotokopierten es und hefteten die Fotokopien zusammen. Wir nannten es Wiedervereinigung: Hilfen für die Transformation. Einige Freunde begannen uns zu fragen, ob sie auch Exemplare davon kaufen könnten, und so verkauften wir es für einen Dollar. The Good House Die Schallplatte war im Frühling 1976 fertig, und sofort bot sich eine neue kreative Möglichkeit an. Eine unserer Freundinnen im Living Love Center war Collin Wilcox, eine Schauspielerin, zu deren herausragendsten und bekanntesten Leistungen ihre Rolle in dem Film »Wer die Nachtigall stört« gehörte. Als sie das Center verließ, zog sie wieder in ihren Geburtsort Highlands in North Carolina zurück - ein winziges Nest, das auf annähernd 1600 Metern über dem Meeresspiegel in den Great Smokey Mountains liegt. Dort pachtete sie ein wunderschönes, hundert Jahre altes Haus und baute es zu einem eleganten Restaurant und, wie sie es definierte, einem Haus für zeitgenössisches Vaudeville Theater um. Collin lud Marc und die Gruppe ein, im Sommer nach Highlands zu kommen, um dort in ihrem Club The Good House zu spielen. Sie bot ihnen ein Haus zum Wohnen und ein kleines Gehalt an. Als Marcs Freundin war ich in dem
Angebot als eine Art Groupie eingeschlossen. Die Sache klang aufregend und vergnüglich, und so packten wir das Musikzubehör in einen Kleinbus und fuhren nach North Carolina. Highlands liegt in einem Regenwaldgebiet, alles ist dort sehr üppig und schön. Im Winter lebten dort nur wenige hundert Menschen, doch viele reiche Familien aus Georgia und Florida besaßen dort Häuser und kamen im Sommer, um ihn in der Kühle zu verbringen, während es unten heiß und stickig war. So besaß Highlands im Sommer gleich mehrere Tausend Einwohner, und die einzige Straße des Städtchens war überfüllt von Cadillacs mit schwarzen Chauffeuren. Kaum waren wir angekommen, wurde ich schon als Chefkellnerin im The Good House angeheuert. Ich hatte zwar noch nie gekellnert, lernte aber schnell dazu. Jeder, der im The Good House arbeitete, war mit Collin befreundet, und alle suchten wir nach Bewußtseinserweiterung. Dadurch entstand eine sehr starke Atmosphäre, die die Leute auch sofort spürten, sobald sei eintraten. Sie wußten zwar nicht genau, was sie da beeinflußte, aber selbst spießige Touristen in den mittleren Jahren begannen sich dort einfach zu entspannen, sich zu öffnen und sich zu vergnügen. Am Abend war in Highlands nichts los, nur einmal die Woche gab es einen Square Dance, und so war The Good House sofort ein Erfolg. Wir servierten köstliches Essen, und obwohl Highlands in einem Trockenbezirk lag, was bedeutete, daß dort kein Alkohol ausgeschenkt werden durfte, konnten die Leute ihre eigenen alkoholischen Getränke mitbringen und unsere Ergänzer ordern - ein Glas Soda oder andere Mischzutaten. Jeder Abend begann damit, daß die Band Jazz und sanfte Popmusik zum Essen spielte. Danach trugen zwei sehr talentierte Freundinnen von uns - Susan und Jessie - eine Reihe nostalgischer Lieder aus den Zwanzigern, Dreißigern und Vierzigern vor. Ein weiterer Freund, Bobbin Zahner, sang seine eigenen Songs. Und danach pflegte unser Koch, Dave Foxworthy, aus der Küche zu kommen und eine Reihe Volkslieder vorzutragen, die alle zu Tränen rührten. In den musikalischen Pausen führten Collin und ihre Schauspielertruppe Sketche vor. Schließlich, gegen dreiundzwanzig Uhr, verließen die älteren Gäste das Etablissement, dann schoben wir die Tische beiseite, alle jüngeren Bewohner der Stadt erschienen, und die Band spielte Rock 'n' Roll, während wir alle eine Stunde lang Boogie tanzten. Danach schloß The Good House, und wir machten sauber, um dann die eineinhalb Kilometer zu unserem kleinen Haus im Wald zu wandern und ein oder zwei Stunden den Abend zu besprechen, bis wir entspannt genug waren, um uns schlafen legen zu können. Es machte sehr viel Spaß, im The Good House zu arbeiten. Ich liebte die Musik und die kreative Energie, die die ganze Zeit vorherrschte. Und das Kellnern gefiel mir auch, vor allem weil ich Kontakt zu Menschen liebte, und auch die Gelegenheit, ihnen zu dienen. Ich übte mich im Visualisieren, wie hoch das Trinkgeld sein sollte, das sie mir gaben, und meistens funktionierte es auch! Noch war nicht alles auf Rosen gebettet. Ich hatte unter vielen emotionalen Problemen zu leiden. Collin war eine feurige, dominante Persönlichkeit, und ich hatte Schwierigkeiten, mit ihr zurechtzukommen. Und kurz nach unserem Eintreffen entdeckte ich, daß Marc wieder eine andere Affäre hatte. Das regte mich zwar schrecklich auf, doch erstaunlicherweise dachte ich immer noch nicht daran, die Beziehung zu beenden. Nicht nur daß ich emotional voll und ganz von Marc abhing, ich hatte auch das starke Gefühl, daß unsere Beziehung noch nicht beendet war, daß wir noch etwas sehr Wichtiges gemeinsam erledigen mußten. Also träumte ich statt dessen davon, wie ich einen anderen Liebhaber finden könnte, der meinem Bedürfnis nach Kontakt, Nähe und Ehrlichkeit entsprechen würde. Ich kaufte drei Ansichtskarten, jede davon mit einem Bild, das etwas symbolisierte, was ich von einer Beziehung wollte. Ich stellte sie in meinem Zimmer auf und begann, über sie zu meditieren, eine Form der Visualisation. Wenige Tage später begegnete ich Charles. Charles war ein sehr schöner junger Mann, ein Fotograf, der wunderbar beseelte Naturaufnahmen machte. Ich entdeckte, daß er sensibel war, warmherzig und liebevoll und für mich emotional auf eine Weise zugänglich, die mir bei Marc gefehlt hatte.
In der Zwischenzeit kam Marcs Affäre zu einem Ende, als das Mädchen die Stadt verließ. Er war ziemlich eifersüchtig auf Charles, wußte aber auch, daß er nur wenig dagegen einwenden konnte. Ich war verwirrt und hin und her gerissen. Ich liebte sie beide, beide befriedigten sie unterschiedliche Bedürfnisse, und ich wollte keinen von ihnen aufgeben. Natürlich war da auch ein Teil in mir, der es liebte, die Aufmerksamkeit von zwei Männern gleichzeitig zu genießen, aber ich fühlte mich so schuldig und verwirrt, daß ich mich kaum daran erfreuen konnte. Ich versuchte einfach nur, meine Zeit und meine Aufmerksamkeit auf beide aufzuteilen. Der Sommer endete, und in The Good House ließ das Geschäft nach. Wir hatten ursprünglich geplant, es zum Winter zu schließen, aber weil wir alles so gern getan hatten, konnten wir uns nicht dazu überwinden, damit aufzuhören. Und so hielten wir es den ganzen Herbst über offen, obwohl es bereits ein Verlustgeschäft war. Zwischen uns bauten sich Spannungen auf, während wir versuchten, zu einem Schluß zu kommen, was wir unternehmen sollten. Eines späten Abends, als wir alle bereits tief und fest schliefen, erhielten wir einen Telefonanruf - The Good House brannte! Wir rannten sofort hin, stellten fest, daß es tatsächlich lichterloh in Flammen stand. Bevor irgend jemand etwas dagegen unternehmen konnte, war es bis zum Boden abgebrannt. Wie durch ein Wunder war eines der Bandmitglieder, das unterm Dach wohnte, gerade nicht zu Hause. Und von unserer Musikanlage war auch nichts ernsthaft beschädigt. Schuld an dem Feuer war ein Kabelbrand im Heizungssystem. Das schien uns wie eine äußerst deutliche Botschaft des Universums - wir hatten an etwas länger festgehalten, als wir gebraucht hatten, um es loszulassen! Wir hatten uns so in Highlands verliebt, daß wir beschlossen, noch eine Weile hierzubleiben. Die Musiker arbeiteten an einer Bandaufzeichnung ihrer eigenen Kompositionen. Es begann zu schneien, und ich hatte doch noch nie im Schnee gelebt. Wir hatten ein kleines, süßes, gemütliches Haus, und ich genoß es, mich dick in warme Kleidung einzupacken und lange Spaziergänge im glitzernden weißen Wald zu machen. Um die Weihnachtszeit beschlossen wir, nach Kalifornien zurückzukehren. In Highlands gab es keine großen Möglichkeiten für uns, und wir mußten unser Leben weiterführen. Charles zog mit uns nach Kalifornien. Der Was - Immer - Verlag Marc und ich fanden ein billiges Studio - Apartment in einem heruntergekommenen alten Haus an der Ecke Alcatraz und Shattuck in Oakland. Es dauerte nicht lange, da war ich zur Hausmeisterin des Gebäudes avanciert (als Gegenleistung für die Miete), und wir begannen es zu renovieren. Wenn Apartments frei wurden, vermieteten wir sie an unsere Freunde. Wieder lebten wir als Kommune zusammen, nur daß diesmal jeder sein eigenes Apartment hatte. Das war ideal, denn so vermieden wir die meisten Wohngemeinschaftsprobleme, weil jeder seine eigene Küche und sein eigenes Bad hatte und auch seine eigenen Rechnungen bezahlte! Jeder hatte sein Privatleben, und doch konnten wir die Gesellschaft der anderen jederzeit genießen, indem wir einfach nur den Gang entlang schritten. Der einzige Nachteil war, daß wir mitten in dem Straßenverkehr lebten und von Betonbauten umgeben waren, ohne auch nur die Andeutung eines Hofs oder eines Baums. Eines Tages würde ich gern einmal wieder eine ähnliche Wohnsituation herstellen, wobei jeder einzelne oder jedes Paar einen eigenen Wohntrakt hat, wobei auch Gemeinschaftsräume dazukommen sollten, und alles mitten in der Natur liegt. Um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nahm ich einige Hausarbeitsjobs an. Da ich ja keine Miete zu bezahlen brauchte, genügte das fürs Leben. Seit meiner Collegezeit hatte ich immer wieder im Haushalt gearbeitet, um Geld zu verdienen. Ich genoß das durchaus, weil ich meistens meine eigenen Arbeitszeiten bestimmen und bei der Arbeit eigenen Gedanken nachhängen konnte. Ich finde, daß das Saubermachen für mich tatsächlich eine sehr erdende Meditationspraxis ist. Ich begann wieder Workshops zu leiten, manchmal mit Marc und manchmal auch allein. Deva
Lewis, unsere Freundin aus dem Living Love Center, besaß inzwischen ein wunderschönes großes Haus in Berkeley, wo sie uns erlaubte, Workshops abzuhalten. Deva erkannte und schätzte meine Führungsqualitäten und ermutigte mich sehr. Ich entdeckte schon bald, daß es für mich nicht gut war zu versuchen, mein Leben allein von Workshops zu finanzieren, weil das zuviel Druck erzeugte und ich allzusehr darauf achtete, wie viele Leute tatsächlich kamen. Deshalb entschied ich, meinen Lebensunterhalt anders zu verdienen, und alles, was ich durch Workshops bekam, als zusätzlichen Bonus zu begreifen. Auf diese Weise konnte ich die Workshops aus Liebe und Inspiration durchführen und aus dem Verlangen, meine Talente mit anderen zu teilen. Tatsächlich leitete ich die Workshops aber in erster Linie, um selbst daran zu lernen, wie ich immer mehr entdeckte. Ich stellte fest, daß das Lehren meine Hauptmethode war, um etwas zu lernen. Ich war immer darauf aus, jene Dinge zu unterrichten, die ich selbst am meisten lernen wollte. Wenn ich ein Thema diskutierte und es erarbeitete, das mich interessierte, begriff ich es auch selbst am tiefsten. Die Fragen und Probleme anderer Menschen spiegelten nur meine eigenen wider, und wenn ich ihnen dabei half sie zu lösen, half ich auch mir selbst. Und ich lernte außerdem, auf mich selbst zu vertrauen und mich als jemanden wertzuschätzen, der mit anderen etwas Wichtiges zu teilen hatte. In seiner Zeit im tibetanischen Zentrum war Marc Setzer für Dharma Publishing gewesen, und nun hatte er eine Vision davon, seine eigenen Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen. Unser Büchlein Wiedervereinigung: Transformation genoß unter unseren Freunden und Workshopteilnehmern immer noch eine gewisse Beliebtheit. Also überarbeiteten wir es, und Marc kaufte eine scheppernde alte Satzmaschine und setzte es. Wir liehen uns tausend Dollar von meiner Mutter und ließen tausend Exemplare drucken und binden. Dann brachten wir einige davon in den Shambhala Buchladen, wo die Leute einwilligten, sie in Kommission zu verkaufen. Das war unser erstes Buch; der Was - Immer - Verlag (Whatever Publishing) war geboren. Wir reservierten ein Apartment in unserem Gebäude für den Verlag. Die Küche war der Montageraum, ein großer Wandschrank diente als Satzzimmer, und das Studio war das Geschäftsbüro. Unser Freund Jon Bernoff, der schon im Living Love Center mit uns zusammengelebt hatte, im Was - Immer - Haus und in Highlands, begann uns mit dem geschäftlichen Teil des Verlags zu helfen. (Er hat seinen Namen inzwischen in Sky Canyon geändert.) Mit Marc zusammen begann er Platten ihrer eigenen New Age Musik (Breathe und Petals) aufzunehmen, und wir führten eine Abteilung für Tonaufnahmen in unseren Verlag ein. Wir hatten eine kleine Versandliste von Freunden und ehemaligen Workshopteilnehmern und begannen Prospekte auszuschicken und unsere Produkte im Versand anzubieten. Kreative Visualisation Seitdem ich Die Natur der Psyche gelesen hatte, trug ich mich mit dem Gedanken, ein kleines Buch über spezielle Techniken zu schreiben, mit deren Hilfe man die Realität so formen kann, wie man sie haben will. Ich hatte die Visualisations- und Affirmationstechniken verwendet, die ich in verschiedenen Workshops und aus einigen Büchern gelernt hatte, und es war mein Bedürfnis, sie in einem einfachen, leicht anzuwendenden Handbuch zusammenzufassen Tatsächlich hatte ich bereits in Highlands mit dem Buch begonnen, war dann aber abgelenkt worden und hatte das Projekt auf Eis gelegt. Nun machte ich mich wieder daran und beschloß, es Creative Visualisation (dt.: Stell dir vor) zu nennen. Wir schrieben einen kleinen Prospekt, in dem wir versprachen, daß es bald erscheinen würde und boten es in unserer Broschüre für $ 2,50 an. Ungefähr ein Dutzend Leute bestellten den Titel und schickten Geld. Unglücklicherweise hemmten mich nun meine Selbstzweifel. »Wer bin ich denn, ein solches Buch zu schreiben?« dachte ich. »Mein Leben ist doch wohl alles andere als vollkommen, wie kann ich mir da anmaßen, anderen überhaupt irgend etwas beizubringen?« Also hörte ich für eine Weile mit dem Schreiben auf und engagierte mich in anderen Bereichen.
Wir schickten allen Bestellern eine Benachrichtigung, daß sich das Buch verzögere, und boten an, daß Geld zurückzuzahlen. Alle antworteten, daß wir das Geld behalten und das Buch schicken sollten, wenn es fertig sei! So verstrich ein ganzes Jahr, und schließlich fühlte ich mich wegen dieser ganzen Bestellungen so schuldig, daß ich zu dem Schluß gelangte, ich müsse das Buch nun endlich schreiben. Wie üblich ermutigte Marc mich, mir keine Sorgen darüber zu machen, daß es nicht vollkommen sein könnte, ich solle es einfach tun. Einer seiner Lieblingssätze, den er in seiner Theaterzeit von einem Lieblingsregisseur gelernt hatte, lautete: »Schluß mit dem Scheiß und an die Arbeit!« Das wurde zum inoffiziellen Motto des Verlags. Eine befreundete Künstlerin, Lorena Laforest Bass, entwarf ein Titelbild für Stell dir vor. Ich hängte es an die Wand und benutzte es als Schatzkarte - eine Visualisationstechnik, bei der man sich vorstellt, daß etwas bereits erreicht sei. Dann setzte ich mich hin und schrieb. Trotz meiner Zweifel und Befürchtungen erkannte ich, daß ich inspiriert war, daß ich etwas mit anderen teilen wollte und daß ich nicht zufrieden sein würde, bevor ich es getan hatte. Binnen weniger Wochen schrieb ich Stell dir vor. Wir machten das Layout und setzten es, ließen es drucken und binden. Es wurde ein richtiges Buch und keine bloße Broschüre, und als es schließlich erschien, betrug der Endverkaufspreis $ 4,95. Natürlich schickten wir es an die Erstbesteller zu dem Preis, den sie bezahlt hatten! Ohne sie wäre das Buch vielleicht nie geschrieben worden. Eine Auslieferungsfirma am Ort, Bookpeople, übernahm den Titel und lieferte ihn an Buchläden im ganzen Land aus. Langsam, aber sicher begann das Buch sich zu verkaufen. Abenteuer mit Gurus Ich verfolgte konsequent meine eigene Weiterentwicklung, indem ich an jedem Workshop und jeder Arbeitsgruppe teilnahm, die mich anzogen. In der Zeit nach dem Living Love Center hatte ich einige interessante und traumatische Erlebnisse mit Lehrern. Kurz nachdem ich das Living Love Center verlassen hatte, nahm ich an Seminaren einer Referentin teil, die ich Margo nennen will. Sie war jung, schön und brillant. Sie war eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau gewesen, bevor sie einer mächtigen und etwas mysteriösen Frau begegnet war, die ihre Lehrerin geworden war und sie mit der metaphysischen Welt vertraut gemacht hatte. Margo war eine dynamische und überzeugende Führerpersönlichkeit, und ihre Workshops setzten viel Energie frei. Zunächst genoß ich sie, aber nach und nach verlor ich meine Illusionen. So behauptete Margo, daß sie erleuchtet sei. Ich war ziemlich naiv, aber diese Behauptung schluckte ich doch nicht so einfach. Sie war recht verführerisch und behauptete, daß wir, ihre Schüler, die Elite der bewußten Welt seien. Ich begann eine Menge Egozentrismus an ihr wahrzunehmen und geriet immer mehr in Konflikt mit ihr. Bald verließ ich ihre Gruppe. Einige meiner Freunde, davon ein paar recht hochentwickelte, unterhielten noch jahrelang eine sehr intensive Beziehung zu ihr. Manche von ihnen begannen daran zu glauben, und behaupteten es auch, daß sie ebenfalls erleuchtet worden seien. Schließlich verließen die meisten sie und mußten sich der peinlichen Entdeckung stellen, daß sie immer noch menschlich waren! Für einige war das alles andere als amüsant. Manche wurden körperlich krank und sie brauchten Jahre, um sich davon zu lösen. Das war meine erste Lektion darin, wie ein scheinbar helles Licht uns in eine furchterregende Finsternis führen kann, wenn wir unsere eigene Macht allzusehr einem anderen überantworten. Ich besuchte einen Wochenendworkshop bei einer sehr bekannten Referentin. Wenngleich ich nicht mit allem einverstanden war, was sie sagte, empfand ich ihren Workshop doch als recht kraftvoll, und ich bewunderte ihre Verbindung aus Stärke und Verletzlichkeit. Tatsächlich begann ich in ihr eine Art Modell für mich zu sehen. Deshalb war ich um so schockierter, als ich ihr nach dem Workshop dankte und sie mir sagte, ich sei die einzige Person in der Gruppe gewesen, zu der sie keine klare Beziehung hätte herstellen können, und daß meine Anwesenheit ihr unbehaglich sei. Ich fragte sie nach dem Grund dafür, und nachdem wir eine Weile darüber gesprochen hatten, sagte sie mir schließlich, daß ich ihrer Meinung nach sehr viele Gefühle
unausgedrückt gelassen habe, und daß ich wohl des Rolfings bedürfe. Ich war so begierig darauf, alles zu tun, was mich zu einem besseren Menschen machen würde, daß ich gehorsam losging und mir zehn Rolfing - Sitzungen angedeihen ließ, die ich durchaus genoß und von denen ich auch profitierte, wenngleich sie bei mir keine emotionalen Schübe auslösten, wie dies bei vielen Menschen der Fall ist. Allerdings sah ich diese Referentin nie wieder, so daß ich nie herausbekommen habe, ob es unsere Beziehung zueinander verbessert hat oder nicht. Es gab noch eine weitere Workshopleiterin, die für eine Weile ein großes Vorbild für mich war. Als ich das erste Mal einen ihrer Workshops aufsuchte und sie vor einem großen Publikum stehen sah, äußerst kraftvolle weibliche Macht ausstrahlend, da hatte ich das Gefühl, daß ich etwas tun sollte. Damals fiel es mir schwer zu glauben, daß auch ich zum Kanal für solche Macht und Wärme werden könnte. Ich nahm an einer Vielzahl ihrer Workshops teil und tauschte schließlich Hausarbeit gegen Privatsitzungen bei ihr. Obwohl ich sie sehr bewunderte, brachen wir miteinander nach einer kleineren persönlichen Auseinandersetzung. Ich begann damit, Workshops zu besuchen, die von einem gechannelten Riesen geleitet wurden. Er hatte einige wichtige, machtvolle Lehren zu verbreiten. Er forderte uns alle dazu auf zu erkennen, daß wir großartige Wesen seien, die unsere Macht vor uns selbst und voreinander aufgrund unserer Konditionierung versteckten. Er ermutigte uns dazu, das Risiko einzugehen, unserer Macht Ausdruck zu verleihen, und einander darin zu unterstützen. Dieses Wesen hatte tatsächlich eine ungewöhnlich kraftvolle und hochbewußte Gruppe von Menschen um sich geschart, und ich profitierte sehr viel von dem, was ich dort lernte. Gechannelt wurde die Wesenheit von einem sehr attraktiven, leidenschaftlichen jungen Mann. Im Laufe der Zeit erschien das Wesen immer seltener, während der Channel selbst immer mehr das Lehren übernahm. Die Sache bekam immer mehr Schubkraft; immer mehr und mehr Menschen nahmen an den Workshops teil, so kam sehr viel Geld herein, und er stand unter sehr großem emotionalem Druck. Immer unberechenbarer begann er mit seiner eigenen Macht umzugehen. Schließlich entwickelte er eindeutige Anzeichen der Egomanie. Ich trennte mich von ihm nach einer Gruppensitzung, wo ich ihm eine Frage gestellt und er sich wütend mir zugewandt hatte, um mir zu drohen, er würde mir die Nase einschlagen, wenn ich noch weiterhin falsche Fragen stellte. Ich ging hinaus auf den Gang, setzte mich und begann vor mich hinzuschluchzen, denn ich fragte mich, was ich nur falsch gemacht hatte! Immerhin war ich vernünftig genug, nicht wieder zurückzukehren. Kurz danach löste sich die Gruppe auf und der junge Mann verschwand. Es war eindeutig, daß ich nach Lehrern und Vorbildern suchte, doch es funktionierte nicht besonders gut. Ich wiederholte nur mein altes Kindheitsmuster, indem ich von bestimmten Lehrern abgelehnt wurde. Auch wenn ich sie meistens bewunderte und zu ihnen aufsah, schien ich sie jedoch ungewollt immer herauszufordern und ihnen Unbehagen einzuflößen. Trotz alledem lernte ich doch sehr viel dazu. Ich entdeckte, daß Lehrer sehr klare und wahre Informationen besitzen können, daß sie sehr geschickt darin sein mögen, anderen den Weg zu bahnen, und daß sie dennoch mit Verwirrung und Unbewußtheit hinsichtlich ihrer eigenen, persönlichen Probleme zu kämpfen haben können. Liebhaber und Freunde Ich ging immer noch mit Marc und Charles. Tatsächlich hatten wir uns auf einzigartige Weise arrangiert - jeder von uns besaß nun sein eigenes Apartment im selben Haus. Ich teilte meine Zeit zwischen meinem eigenen Apartment und denen dieser beiden abwechselnd auf. Es war ganz gewiß unkonventionell und manchmal auch ziemlich unbequem, aber wir hatten uns alle daran gewöhnt. Tatsache ist, daß wir auf einer Ebene diese Situation so haben wollten, weil sie unseren Bedürfnissen zu dienen schien. Wir alle hatten eine tiefe Angst vor der Verpflichtung davor, in einer Beziehung steckenzubleiben oder zu ersticken. Und doch sehnten wir uns auch alle nach Liebe und Nähe. Auf diese Weise hatten beide Männer Zeit für sich, die sie beide auch brauchten, und kamen dennoch in den Genuß der Liebe einer Frau. Und auch ich bekam Kameradschaft und Aufmerksamkeit, ohne das Gefühl zu haben, in einer Einzelbeziehung
gefangen zu sein. Und dennoch fühlte ich mich immer wieder schuldig und zerrissen. Marc und Charles, die ja gute New - Age - Männer waren, arbeiteten beide ihre Gefühle zueinander in gewissem Umfang auf und unterdrückten den Rest. Die meiste Zeit waren sie im Umgang sehr freundlich zueinander und begannen schließlich sogar damit, zusammenzuarbeiten. Marc und Jon verwendeten Charles' Fotos auf ihren Plattenhüllen, und Charles arbeitete darüber hinaus auf Teilzeitbasis für den Verlag. Einmal hatte Charles eine kurze Liebesbeziehung zu Rainbow, einem schönen Filipino Mädchen, das wir noch aus der Zeit des Living Love Center kannten. Schließlich bezog sie ihr eigenes Apartment in unserem Haus, zeichnete die Illustrationen für Stell dir vor, heiratete Jon und wurde zu einer meiner besten Freundinnen. Ich hatte mit Marc bereits zwei Jahre zusammengelebt, bevor ich Charles begegnete, und ich führte die Beziehung zu den beiden drei weitere Jahre fort. Mit Marc verband mich eine äußerst tiefe spirituelle Übereinstimmung, mächtige gegenseitige Liebe und Respekt und ein starkes Gefühl, das gleiche Schicksal zu teilen. In gewissen, wichtigen Punkten waren wir einander sehr ähnlich. Beide hatten wir uns unserer inneren Wahrheit verschrieben und besaßen auch ein starkes Verlangen, sie mit anderen zu teilen und der Welt etwas Wertvolles zu schenken. Wir waren beide intelligent, kreativ, innovativ und liebten es, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Andererseits waren wir aber auch in vielerlei Hinsicht polare Gegensätze. Marc war der vollkommen freie Geist, das magische Kind, mehr im Einklang mit kosmischen Reichen als mit irdischen. Er war der Romantiker, der Poet, der wandernde Minnesänger. Er schien unter einer Art magischem Zauber zu stehen. Bei ihm klappte einfach immer alles. Ich war viel geerdeter als er. Marc konnte manchmal etwas achtlos sein, wenn es um bestimmte Einzelheiten ging; ich war dagegen die Perfektionistin, die dafür sorgte, daß alles genau richtig war. Ich neigte dazu, sehr ernst und sehr verantwortungsbewußt zu sein. Wir waren wundervolle kreative Partner. Wir liebten es zusammenzuarbeiten und unser gegenteiliges Wesen ergänzte sich. Wir hatten eine gemeinsame Vision und genossen es aufrichtig, Vater und Mutter unseres Verlags zu sein, der Bücher, Cassetten und all unserer anderen Babys. Bis heute ist unsere Arbeitspartnerschaft befriedigend und erfolgreich gewesen. Unsere Liebesbeziehung dagegen war sehr viel schwieriger. Hier schien es, als seien unsere Unterschiede, die uns wohl zueinander hinzogen, schier unmöglich zu überbrücken. Marc war im Prinzip ein Einzelgänger, der sehr viel Zeit allein brauchte. Starke Gefühle waren ihm unbehaglich. Ich dagegen war sehr emotional und brauchte viel Kontakt und Kommunikation. Ich fühlte mich von ihm emotional auf Distanz gesetzt; er dagegen hatte das Gefühl, daß ich viel zuviel forderte. Meine Beziehung zu Charles erfüllte mein Kontaktbedürfnis. Charles war emotional immer sehr dabei, bei sich selbst und bei mir. Er war sehr ehrlich, und ich hatte das Gefühl, daß wir uns über alles unterhalten konnten. Er schien es zu genießen, unsere Gefühle zu besprechen und zu verarbeiten, um auf die gleiche Weise etwas über uns zu erfahren, wie ich es auch tat (jedenfalls nahm er sehr willig daran teil!). Von ihm fühlte ich mich geliebt und verstanden. Charles hatte die Fähigkeit, energetisch mit einer Liebespartnerin zu verschmelzen - mit ihr so in Übereinstimmung zu gelangen, daß beide wie eine einzige strömende Energie handelten. In diesen Zustand gelangten wir leicht, und ich war sehr gern bei ihm. Oft hatte ich das Gefühl, daß Charles und ich in gewisser Weise Zwillinge seien. Ich glaube, daß wir beide so geschickt darin waren, Gefühle und Bedürfnisse eines anderen zu spüren und widerzuspiegeln, daß wir einander ständig zu reflektieren schienen. Ich war zutiefst dankbar für diese Ebene der Freundschaft und der Unterstützung, die ich mit ihm erreichte. Er war ein sehr sensibler Naturliebhaber und brachte mir durch sein Beispiel bei, mich auf eine Weise für die Natur zu öffnen, wie ich es noch nie getan hatte. Ich hatte mich bisher immer viel zu sehr in meinem Intellekt verloren, um eine wirkliche Beziehung zur Natur herzustellen, wenn
man von Tieren absieht. Charles zeigte mir, wie ich die Natur aus meinem Geist heraus sehen und empfinden konnte - meine Verbindung mit der Einheit allen Lebens durch die Pflanzen, die Bäume und die Steine zu spüren. Dieses Bewußtsein ist nach und nach in mir gewachsen und stellt heute eine Hauptquelle der Verbindung, der Heilung und der Inspiration für mich dar. Rainbow war eine weitere Lehrerin in dieser Hinsicht. Sie war ein wunderschöner Geist, der ein tiefes Gespür für den spielerischen, liebevollen Geist der Pflanzen und Tiere hatte. Eines Abends zeigte Charles einige seiner Dias - Großaufnahmen von Blumen und Blättern, worauf Rainbow und ich uns entkleideten und uns vor den Projektor stellten, um zu sehen, wie die Dias auf unsere Haut projiziert aussehen. Das war ein so wundervoller Effekt, daß wir schließlich die Choreographie eines Tanzes mit bestimmten Blumendias entwickelten. Wir nannten unseren Auftritt Naturgeister und führten ihn mehrere Male in der Öffentlichkeit vor, auch gegen Ende einiger meiner Workshops. (Ich war immer noch unbefangen genug, um dazu bereit zu sein, nachdem ich einen ganzen Tag lang einen Workshop geleitet hatte, vor meinen Schülern nackt in Naturdias zu tanzen.) Ungefähr um diese Zeit begegnete ich einer weiteren sehr wichtigen Freundin, Geliebten und Lehrerin. Es war spät in der Nacht, und ich führte Rainbows großen Hund, Alee, auf der geschäftigen Alcatraz Avenue spazieren. Plötzlich sprang ein winziges, geflecktes Katzenjunges aus dem Rinnstein und griff Alee mutig an. Ich nahm das Kätzchen auf, und da es kein Halsband trug und sich an einer sehr gefährlichen Stelle befand, nahm ich es, einem Impuls folgend, mit nach Hause. Da sie wie ein Tiger gefleckt war und ein entsprechendes Temperament aufwies, nannte ich sie Tigerlady. Sie hat mir sehr viel darüber beigebracht, wie ich zu jeder Zeit echt und ehrlich ich selbst sein kann. Tigerlady ist sowohl temperamentvoll als auch liebevoll. Seit jener Nacht, als sie diesen riesigen Sprung vollzog und sich in mein Leben katapultierte, ist sie meine enge Begleiterin geblieben. Nach drei Jahren mit zwei Männern kam ich zu dem Schluß, daß ich etwas ändern müßte. Wir schienen alle in einer Situation gefangen, die nirgendwo hinführen konnte. Langsam entwickelte ich das Gefühl, daß ich meine Bedürfnisse nicht einmal von zwei Liebhabern erfüllt bekam! Ich spürte, daß auch sie unzufrieden waren. Da ich mich zwischen ihnen nicht entscheiden konnte, dachte ich über die Möglichkeit nach, mich statt dessen mit einem völlig anderen zusammenzutun. Binnen kurzer Zeit entwickelte ich eine leidenschaftliche Anziehung zu Robert - einem talentierten Musiker unserer Gruppe, der sieben Jahre jünger war als ich. Wir hatten eine kurze, intensive Beziehung, und sie diente als Katalysator, um mich aus meiner Dreiecksbeziehung zu befreien. Mein erster Schritt bestand darin, Marc mitzuteilen, daß wir unsere Liebesbeziehung beenden müßten, obwohl ich immer noch mit ihm befreundet und auch geschäftlich verbunden bleiben wollte. Er reagierte zuerst verletzt, akzeptierte es aber schließlich auf seine übliche, stoische Art. Ganz kurz danach verliebte er sich Hals über Kopf in eine junge Frau, die all seinen romantischen Vorstellungen zu entsprechen schien, die ich, wie ich es empfunden hatte, niemals befriedigt hatte. Sie war jung und kindlich, sehr süß und sexy, und doch schien sie weitaus besser als ich dazu in der Lage zu sein, sich durchzusetzen und bei ihm auf ihre Kosten zu kommen. Sie schienen füreinander geschaffen - wie Romeo und Julia. Nun war ich an der Reihe, verletzt zu sein - nur daß ich am Boden zerschmettert und daß mein Herz gebrochen war. Gewiß, ich war es, die die Beziehung beendet hatte, doch emotional hatte ich noch nicht losgelassen. Ich hatte immer noch das gleiche tiefe Verlangen nach Marc. Seine Beziehung zu Sharon erschien mir wie eine völlige Ablehnung meiner selbst, zudem sie das genaue Gegenteil von mir war und alle Eigenschaften zu verkörpern schien, die ich nicht besaß. Doch selbst in diesem Zustand begriff ich, daß sie in dieser Hinsicht meine Lehrerin war. Sie spiegelte gewisse Eigenschaften wider, die in mir selbst zwar unentwickelt waren, die ich aber nur zu gern manifestiert hätte - besonders den kindlichen und weiblichen Teil meiner selbst. Ich hatte die Erfahrung gemacht, daß die anderen Frauen, zu denen meine Männer sich hingezogen fühlten, stets deutliche Spiegelbilder irgendeines verleugneten Aspekts meiner selbst waren.
Tatsächlich freundete ich mich oft eng mit ihnen an, sobald die Dreiecksbeziehung erst einmal aufgelöst worden war, wie ich es mit Rainbow getan hatte. Jedenfalls brauchte ich ungefähr zwei Jahre, um die emotionale Wunde, die die Beziehung zu Mark hinterlassen hatte, voll auszuheilen. Er und Sharon lebten über sechs Jahre zusammen. Er und ich waren weiterhin Freunde und Geschäftspartner, und jetzt, ungefähr fünfzehn Jahre nachdem wir uns zum ersten Mal begegneten, haben wir noch immer eine liebevolle und auf gegenseitige Unterstützung bauende Partnerschaft. Charles und ich blieben enge Freunde, Zimmergefährten und gelegentliche Liebhaber für ein weiteres Jahr oder so. Unsere Beziehung blieb sehr freundschaftlich, und als wir schließlich unserer Wege gingen, fühlte sich das sehr natürlich und ganz an. Gelegentlich arbeitet er noch immer mit Marc und mir zusammen. Ich habe die Neigung, einen engen Kontakt zu meinen früheren Liebhabern aufrechtzuerhalten, und oft bleiben wir Freunde. Tatsächlich ziehen die Leute mich manchmal mit der Tatsache auf, daß eine ganze Reihe meiner guten Freunde ehemalige Liebhaber sind, und manchmal ist es für einen gegenwärtigen Liebhaber schwierig, damit zurechtzukommen, daß um mich herum all diese ehemaligen Liebespartner sind! Es mag vielen Menschen wohl seltsam erscheinen, für mich fühlt es sich jedoch völlig natürlich an. Wenn ich jemanden wirklich sehr liebe, liebe ich ihn für immer. Im Laufe unserer Weiterentwicklung und - Veränderung mag die Form unserer Beziehung sich zwar ändern, doch die Verbindung im Kern bleibt. Häufig entwickelt sich die Liebesbeziehung zu etwas, das ebenso wichtig und zufriedenstellend ist, nur auf ganz andere Weise. Das mag etwas mit meinem starken Familiensinn und - bedürfnis zu tun haben. Wenn ich Menschen zum ersten Mal begegne, weiß ich intuitiv ganz tief unten, wenn sie Teil meiner Familie sind. Das erweist sich auch meistens als richtig - und so bin ich von einem nach und nach immer größer werdenden Stamm verwandter Seelen umgeben. Umzug nach Marin Wir waren das Leben im Betondschungel leid und sehnten uns nach grünen Weiden. Ende 1979 beschlossen wir, nach Marin County umzuziehen. Es fiel mir schwer, das pulsierende Völkergemisch von Berkeley / Oakland gegen die homogene, weiße Mittelklassenumgebung von Marin einzutauschen. Andererseits sehnte ich mich nach der vergleichsweisen Ruhe des Lebens in Marin. Es ist einer der wenigen Orte auf der Welt, die New - Age - Bewußtsein mit einem gewissen Grad an Wohlhabenheit verbinden. Ich hatte schon recht lange am Rande der Armut gelebt und hart gearbeitet. Nun war ich bereit dafür, etwas mehr Bequemlichkeit, Schönheit und Überfluß im Leben zu erfahren. Wir mieteten ein wunderschönes Haus mit sechs Schlafzimmern in den Bergen von Mill Valley. Es besaß einen Swimmingpool und ein großes Wohnzimmer, das für Workshops sehr gut geeignet war. Die Miete betrug allerdings 1200 $ im Monat; 200 $ pro Person erschien uns zwar als hoch, doch wir entschieden uns dennoch dafür. Jon und Rainbow bezogen den großen Hauptschlafzimmertrakt, während Charles, ich und ein paar andere Freunde jeweils ein eigenes Zimmer hatten. Marc wollte ursprünglich mit uns zusammen umziehen, doch er hatte gerade erst Sharon kennengelernt. Wir mieteten ein Apartment in der Downtown von Mill Valley, um dort den Verlag unterzubringen, und Marc und Sharon zogen dort ein. Wir zogen am 31. Dezember 1979 um. Da unsere Zimmer noch renoviert wurden, schliefen wir in dieser Nacht im Wohnzimmer. Gemeinsam wachten wir mit der Geburt des neuen Jahrzehnts im Morgengrauen auf. Für uns fühlte sich das wie die Geburt einer neuen Epoche an. Es war kein Zufall, daß unser neues Haus am Dawn Place (Morgengrauen Platz, Anm. d. Übs.) lag. Dawn Place Ich paßte mich gern an das Leben in Mill Valley an. Das ganze Haus war von wunderschönem Wald umgeben, wo ich fast jeden Tag ausgedehnte Spaziergänge machte. Der Verlag war nur eine kurze Fahrt bergab entfernt. Die Stadt Mill Valley war bezaubernd, und alles war sehr bequem. Und es war auch eine gewaltige Erleichterung, für eine Weile in kein
Partnerschaftsdrama mehr eingebunden zu sein. Das Leben fühlte sich so leicht an, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Stell dir vor hatte sich nach und nach immer besser verkauft. Wir legten in jedes Buch eine Karte ein, die die Leute einschicken konnten, wenn sie Informationen über Workshops haben wollten. Da das Interesse an meinen Seminaren immer mehr wuchs und ich nun einen schönen Platz hatte, wo ich sie durchführen konnte, begann ich sie regelmäßig abzuhalten. Endlich hatte ich ein kleines, aber nach und nach steigendes Einkommen aus meinen Bucherträgen und Workshops. Ich konnte mir sogar mein erstes Auto kaufen. Ich visualisierte genau, was ich haben wollte - einen goldfarbenen Honda Civic, und binnen weniger Monate fuhr ich Goldi Light. Einige Jahre lang hatte ich mich sehr nach einem Kind gesehnt, aber dafür war die Zeit ganz eindeutig noch nicht reif. Etwa ein Jahr, nachdem wir nach Marin gezogen waren, wurde Rainbow schwanger, und ich stellte fest, daß meine enge Beziehung zu ihr während ihrer Schwangerschaft und Niederkunft meine eigenen mütterlichen Sehnsüchte genug befriedigte, so daß diese Gefühle einige Jahre nicht mehr stark in Erscheinung traten. Ich fragte mich, ob das Wesen, das versucht hatte, durch mich zu kommen, es aufgegeben hatte, um statt dessen durch Rainbow zu kommen! Rainbow war eine schöne Frau, besonders während der Schwangerschaft und Niederkunft. Sie stand so sehr im Einklang mit ihrem Körper und mit der Natur, daß alles für sie ganz geschmeidig dahinzuströmen schien. Sie kam in unserem Haus nieder, und wir alle standen dabei um sie herum. Es war die einzige Geburt, die ich miterlebt hatte, und das war eine recht erstaunliche Erfahrung. Rainbow konnte sich der Intensität dieses Erlebnisses so stark hingeben, daß sie es nicht als schmerzhaft empfand. Sie schrie und weinte nicht, konzentrierte sich lediglich sehr intensiv, ungefähr zwölf Stunden lang, während Jon, die Hebamme und wir anderen sie liebten und unterstützten. Als das Baby schließlich kam, waren wir alle so high, daß wir das Gefühl hatten, auf Drogen zu sein. Ich spürte sogar, wie die spirituelle Energie von der anderen Seite hinüberströmte, als dieses Wesen seinen Übergang in die physische Welt vollzog. Und so wurde ein schönes, kleines Mädchen namens Sienna geboren. Kurz vorher hatte ich zugesehen, wie meine Katze Tigerlady niedergekommen war, und sie hatte während des ganzen Prozesses vor sich hingeschnurrt. Sie und Rainbow zu beobachten, ließen mich erkennen, daß die Geburt eigentlich ein ekstatisches Erlebnis sein sollte. Ohne daß sie daran schuld wären, haben die meisten modernen Frauen den Zugang zu der Fähigkeit verloren, natürlich und leicht zu gebären. Ich habe bisher noch kein Kind bekommen, obwohl ich mit Sicherheit noch eins haben will. Ich weiß nicht, ob ich so sehr im Einklang mit mir bin wie Rainbow oder Tigerlady, aber ich bin dankbar für ihre Inspiration. Shirley Als ich noch in Oakland lebte, erzählte mir jemand von einer Frau namens Shirley Luthman, die in Marin eine wöchentliche Bewußtseinsgruppe leitete. Sobald ich davon hörte, klang irgendeine Saite in meinem Inneren an, und ich wußte sofort, daß ich der Sache nachgehen wollte. Ihre Gruppen fanden dienstags morgens statt, und man konnte ohne Anmeldung vorbeikommen. Also ging ich den folgenden Dienstag hin. Die Gruppe traf sich in der großen Halle einer schönen Kirche auf einem Hügel von Marin. Es waren ungefähr hundert Leute dort. Vor ihnen stand eine schlanke, attraktive, gut angezogene Frau mit roten Locken. Eine Weile sprach sie etwas im Plauderton, dann konnten die Leute Fragen stellen. Vieles von dem, was sie sagte, überstieg mein Fassungsvermögen, was für mich eine ungewöhnliche Erfahrung war. Normalerweise begreife ich Konzepte sehr schnell, doch einiges an ihrer Terminologie war mir unvertraut. Ich ging mit dem Gefühl fort, es nicht wirklich verstanden zu haben, war aber fasziniert. In der nächsten Woche kam ich wieder. Diesmal schien der Bann irgendwie gebrochen, und ich verstand ganz genau, was Shirley sagte. Es hatte damit zu tun, daß man sich selbst vertrauen sollte, der eigenen Intuition, und daß man
bereit sein sollte, danach zu handeln, das Risiko einzugehen, jede Minute seines Lebens aus diesem Ort inneren Wissens und der Verbindung mit der Kraft des Universums heraus zu leben. Shirley sagte Dinge auf eine Weise, die völlig anders war als alles, was ich bisher gehört hatte. Sie sprach davon, daß man die eigene Wahrheit auf äußerst praktische Weise in jedem Aspekt des Lebens verwirklichen sollte, und gab uns auch präzise Beispiele dafür. Als die Hälfte der zweistündigen Sitzung verstrichen war, spürte ich, wie mein Körper intensiv von all der Energie vibrierte, die ihn durchströmte. Dieselbe Energie vibrierte auch durch den ganzen Raum. Ich ging beschwingt und aufgeregt hinaus, als wäre ich soeben mach Hause gekommen. Das, was ich gehört und erlebt hatte, hatte etwas so Einzigartiges und Richtiges an sich. Von diesem Tag an nahm ich jede Woche an ihrer Gruppe teil; tatsächlich lebte ich praktisch nur noch für diese Gruppe. Ich liebte die Intensität und die Klarheit der Energie, die ich dort spürte, so sehr, daß ich sie am liebsten jeden Tag erlebt hätte. Ich brachte so viele Freundinnen und Freunde mit, wie bereit waren mitzukommen, und wir sprachen stundenlang über Shirleys Ideen und darüber, wie man sie im eigenen Leben umsetzen konnte. Shirley war Familientherapeutin gewesen. Auf ihrem Gebiet war sie recht berühmt und anerkannt, immerhin hatte sie mehrere Bücher geschrieben und war Mitbegründerin eines Instituts für Familientherapie. In den letzten Jahren war sie immer mehr in das Gebiet der Metaphysik eingedrungen und hatte die Therapie gänzlich aufgegeben. Sie verband einen tiefen Glauben an die Macht Gottes mit tiefem Wissen um die psychischen Prozesse des Menschen. Sie war eine außerordentlich scharfsinnige Frau und es war eindeutig, daß sie Information aus einer übergeordneten Quelle channelte. Am meisten respektierte ich an ihr die Tatsache, daß sie ihr Wissen aus der therapeutischen Arbeit mit Menschen bezogen hatte, also mit wirklichen Problemen. Sie erzählte uns, daß sie bei der Familientherapie festgestellt hatte, daß man schon sehr schnell einen Punkt erreicht hat, wo keine Regel mehr gilt, dann muß man solche Regeln ablegen und nach eigener Intuition vorgehen. Und sie hatte ihre Intuition zu einem äußerst empfindlichen Instrument verfeinert. Shirleys Name hatte für mich auch noch eine Doppelbedeutung: surely (sicherlich; Anm. d. Übs.). Sie war der selbstsicherste Mensch, dem ich je begegnet war. Da ich eine starke Neigung dazu hatte, mich selbst in Frage zu stellen und an mir zu zweifeln, war sie mir ein gutes Beispiel dafür, mehr meiner Intuition und meinen Gefühlen zu vertrauen. Tatsächlich betonte sie in ihren Gruppen am meisten das Selbstvertrauen und die Selbstbehauptung und entwickelte eine Lebenseinstellung, die sich ungefähr folgendermaßen zusammenfassen ließe: Wisse, daß die Macht des Universums in dir ist. Lerne dieser Macht zu lauschen, indem du deiner eigenen Energie und den Gefühlen in deinem Wesenskern vertraust. Unterstütze deine intuitiven Gefühle, indem du, so gut du es kannst, jeden Tag danach lebst. Behaupte deine eigene Wahrheit und lebe danach, und dann sieh in allem, was dir wiederfährt, eine Rückmeldung darüber, wie präzise du deiner Energie tatsächlich folgst. Gehe davon aus, daß alles, was dir geschieht, im Prinzip eine positive Unterstützung des Universums auf deine Reise zur eigenen wahren Macht ist. Eines der wertvollsten Konzepte, das ich von Shirley empfing, war das vom Männlichen und Weiblichen in unserem Inneren. Sie brachte uns bei, unser intuitives Selbst als unser inneres Weibliches, und unsere Fähigkeit zum Handeln als unser inneres Männliches zu sehen. Sie erklärte, daß die Funktion des inneren Weiblichen darin bestehe, die weise Führung des Universums zu empfangen und uns zu vermitteln, während es die Funktion unserer männlichen Energie war, diese Wahrheit zu behaupten, indem es sie durch die Tat in der Welt manifestierte. Diese einfache Metapher half mir dabei, Dinge in meinem eigenen Leben zu begreifen und zu klären, meine Beziehungen eingeschlossen. Meine eigene Fassung der Ideen, die ich von Shirley bezog, findet sich in meinem Buch Leben im Licht. Shirleys Leben und ihr Einfluß wirkten sich ermächtigend auf mich aus. Ich entwickelte die
Gewohnheit, meiner eigenen intuitiven Führung zu lauschen, ihr zu vertrauen und danach zu handeln. Ich lernte, mich selbst direkter zu behaupten und klarer auszudrücken. Und ich begann mich selbst auch als machtvolle Person und als kreativer Kanal universaler Energie anzuerkennen. Shirley leitete ihre Gruppe auf spontane Weise. Meistens begann sie damit, daß sie uns ihre neuesten Gedanken mitteilte oder ihre neuesten Erlebnisse und ihre Interpretation dieser Erfahrungen. Oft vermittelte sie interessante metaphysische Erklärungen des Weltgeschehens oder auch eines neuen Kinofilms. Danach beantwortete sie meistens die Fragen der Teilnehmer oder gab ihnen persönliches Feedback. Manchmal führte Shirley mit jemandem von uns ein Rollenspiel durch, um zu zeigen, wie wir mit bestimmten Lebenssituationen umgehen konnten. Gelegentlich besprachen die Mitglieder der Gruppe auch Probleme, die sie miteinander hatten, und Shirley half ihnen dabei. Und manchmal saßen wir auch schweigend da, spürten die Energie und warteten auf das, was als nächstes aufsteigen würde. Shirleys Beispiel lehrte mich, Gruppen spontan zu führen, meinem eigenen intuitiven Gefühl zu vertrauen und zu folgen sowie der Energie der Gruppe selbst. Ich stellte fest, daß meine Workshops um so interessanter und gelungener wurden, je mehr ich vorausgeplante Strukturen loslassen und mich im Einklang mit der Gruppenenergie bewegen konnte. In der Gruppe gab es Teilnehmer, die schon seit Jahren kamen und eine Art inneren Kreis bildeten. Andere dagegen kamen und gingen, manche nur wenige Male, andere in unregelmäßigen Abständen monate- und jahrelang. Ich ließ nie eine Gruppensitzung ausfallen. Nachdem ich ungefähr ein Jahr lang teilgenommen hatte, verdoppelte Shirley den Preis von zehn auf zwanzig Dollar pro Gruppensitzung, und da hörten viele Leute auf weiter zu kommen (wenngleich später viele andere kamen). Für mich war das damals sehr viel Geld, doch ich wußte, daß es gar keine Frage war - ich würde weitermachen. An diesem Punkt wurde mir auch sehr klar, daß meine Bewußtseinsentwicklung für mich oberste Priorität hatte - noch vor der Nahrung und der Miete, wenn nötig. Intuitiv wußte ich, daß dieser Grad der Hingabe an mich selbst mir alles geben würde, was ich vom Leben wollte. Interessanterweise war das zugleich der Wendepunkt in meinen Finanzen. Von nun an steigerte sich mein Wohlstand gemächlich. Die regelmäßigen Teilnehmer pflegten nach der Gruppensitzung mit Shirley zu Mittag zu essen, und irgendwann gesellte auch ich mich dazu. Alle, die Shirley umringten, waren von Ehrfurcht erfüllt, und ich stellte gewiß keine Ausnahme dar. Persönlich war sie recht freundlich und umgänglich, und sie genoß es auch, über die verschiedensten Dinge zu plaudern, doch in der Gruppe hatte sie ganz eindeutig die Energie einer Königin oder eines Superstars, und so zollten wir ihr alle den gebührenden Respekt. Tatsächlich erinnerte die Mittagessensszene an ein königliches Bankett, bei dem Shirley stets an einem Ende des Tisches von ihren Favoriten umringt war, während jene, die schüchterner waren oder nicht so hoch in der Gunst standen, in abgestufter Reihenfolge am anderen Ende saßen. Es fiel mir schwer, mich an die relative Förmlichkeit von Shirleys Gesellschaftskreis anzupassen, nachdem ich in meiner Kommunenfamilie an soviel Wärme und Nähe gewohnt war. Ich wollte unentwegt alles etwas auflockern und mehr Intimität herstellen, wußte aber nie, wie ich das schaffen konnte. Manchmal hatte ich Einzelsitzungen bei Shirley, und da war sie stets warmherzig und hilfreich, und sie half mir auch wirklich sehr viel weiter. Ich wollte außerhalb dieser Sitzungen mehr persönlichen Kontakt zu ihr herstellen, doch ihre extreme Selbstsicherheit und ihr scheinbarer Mangel an Verletzlichkeit schüchterten mich ein. In ihrer Gegenwart fühlte ich mich wie ein Kind. Jahrelang nahm ich treu an der Gruppe teil. Jeder Dienstag war Shirley gewidmet, und später, als die Gruppe sich zweimal in der Woche traf, kamen auch viele Samstage dazu. Obwohl ich mit meinem eigenen Buch und den Workshops zunehmend Erfolg hatte, kreiste mein persönliches Leben um Shirleys Gruppe. Den größten Teil meiner Zeit verbrachte ich mit Menschen aus dieser Gruppe. Wann immer ich ein Problem oder eine Frage hatte, wandte ich mich an Shirley, um zu erfahren, was ich tun sollte. Ich kaufte sogar meine Kleider mit dem Gedanken ein, sie in
der Gruppe zu tragen (wir waren alle sehr kleidungsbewußt). Mir gefiel das Gefühl, eine Art exklusivem metaphysischem Club anzugehören. Ich meinte, daß Shirley an der Spitze der Bewußtseinsentwicklung stand (was sie in vielerlei Hinsicht auch tat) und daß jene von uns, die klug genug waren, dies zu erkennen, zu einer Elite gehörten. Das gemeinsame Ziel bewirkte, daß ich mich mit jedem in der Gruppe stark verbunden fühlte. Wir wußten, daß wir die Kraft besaßen, uns selbst zu transformieren und damit auch die Welt um uns, und daß wir dabei waren, dies auch zu tun. Das war beschwingend. Im Laufe der Zeit begannen mir jedoch einige Aspekte der Gruppendynamik zunehmend Sorgen zu machen. Denn obwohl wir doch lernten, auf unser eigenes Wissen zu vertrauen, entwickelten jene Mitglieder, die länger in der Gruppe blieben, die Gewohnheit, Shirley praktisch in sämtlichen Einzelheiten des Alltagslebens um Rat zu fragen. Und obwohl wir auf anderen Gebieten sehr viel mehr Kraft und Macht entwickelten, gaben wir in unserer Beziehung zu Shirley doch jede Kontrolle völlig an sie ab. Ich spürte, daß einige Leute in eine stetig wachsende Abhängigkeit hineingerieten. Wie üblich versuchte ich die Dinge in Frage zu stellen, mit denen ich nicht einverstanden war. Manchmal versuchte ich sogar, eine abweichende Meinung von Shirley zu vertreten. Immer, wenn ich das tat, reagierte der größte Teil der Gruppe zornig auf mich. Shirleys Ansicht setzte sich stets durch; Abweichlertum wurde ganz eindeutig nicht gefördert. In der Regel gelangte ich dann zu dem Schluß, daß ich mich wohl irren müsse, und doch sagte mir ein nagendes Gefühl in meinem Inneren unentwegt, daß irgend etwas daran faul war. Shirley und ich hatten eine interessante und schwierige Beziehung zueinander. Ich liebte sie wirklich sehr, und ich spürte, daß sie mich auf einer tiefen Ebene ebenfalls liebte. Ich bewunderte und respektierte sie enorm - sie war die wichtigste Lehrerin, die ich jemals hatte. Doch schien ich nie dazu in der Lage zu sein, zu tun, was die meisten ihrer anderen Anhänger taten. Sie vertrauten ihr mehr als sich selbst. Irgend etwas in mir kämpfte darum, daß ich auch dann auf meine eigene Sicht der Dinge vertraute, wenn sie von Shirleys abwich, einschließlich meiner Empfindung, daß es Gebiete gab, auf denen sie sich selbst nicht im klaren war. Shirley sagte einmal zu mir, daß ich mich ihr entweder vollkommen hingeben oder mir selbst vollkommen vertrauen sollte, daß ich aber aufhören müsse, den Zaungast zu spielen. Danach ging ich nach Hause und übergab mich etwa vierundzwanzig Stunden lang - es war eine schreckliche Qual, weil ich weder das eine noch das andere konnte. Ich wußte intuitiv, daß ich mich dafür entscheiden mußte, auf mich selbst zu vertrauen, war aber nicht bereit, meine Abhängigkeit von Shirley loszulassen. Ich brauchte das Gefühl der Sicherheit, jemanden zu haben, der auf dem Weg fortgeschrittener war als ich, jemanden, der mehr wußte als ich, den ich um Antworten angehen konnte. Es dauerte noch einige Jahre, bis ich bereit war, auf eine solche Leitfigur zu verzichten. In der Zwischenzeit befand ich mich in meiner üblichen Situation, wie ich sie von anderen Lehrern kannte. Ich war eine Art Problemkind für sie - das schwarze Schaf des inneren Kreises. Die Leute respektierten mich zwar, fühlten sich in meiner Gegenwart aber auch etwas unbehaglich. Da ich mir nur Schwierigkeiten einhandelte, wenn ich meine abweichenden Meinungen und Gefühle äußerte, lernte ich, sie für mich zu behalten, doch machte mich das zunehmend kritisch und erhöhte meine Abneigung. Ich bin mir sicher, daß Shirley das Gefühl hatte, ich würde über ihr das Richtschwert schwingen und sie nicht wirklich schätzen. Ich sehnte mich immer noch danach, die Kluft zwischen uns beiden zu schließen und eine ehrliche Freundschaft mit ihr aufzubauen, schien aber irgendwie nicht den Schlüssel dazu zu finden. Ich hatte das Bedürfnis (und habe es immer noch) irgend etwas zurückzugeben für all das, was sie mir gegeben hat, doch auch dazu wußte ich keinen Weg. Da ich ihr nicht meine Wahrheit geben konnte, schien es, als könne ich ihr überhaupt nichts geben. Ich verlor immer mehr Illusionen, was die Gruppe betraf, und konnte mit einigen von Shirleys neueren Vorstellungen nicht einverstanden sein oder zu ihnen keine Beziehung herstellen. Mich begann das Elitäre zu stören und die Tatsache, daß die Menschen abgeurteilt und niedergemacht
wurden, wenn sie die Gruppe verließen, als sei es weniger wert, seiner eigenen Energie als Shirleys zu folgen. Ich hatte das Gefühl, daß die Leute, die schon seit langem zur Gruppe gehörten, sich immer mehr in ganz offensichtliche Sackgassen begaben. Es war auch deutlich, daß dies ein Spiegelbild meiner eigenen Position war und daß es Zeit für mich war weiterzugehen. Es war eines der schwierigsten und furchterregendsten Dinge, die ich je getan habe. Ein Teil von mir hatte das Gefühl, ich könnte irrelaufen und genau den Pfad verlassen, der mich am schnellsten zur Erleuchtung führen würde. Außerdem fürchtete ich mich vor den Werturteilen, die die Leute in der Gruppe und möglicherweise auch Shirley selbst über mich fällen würden. Am erschreckendsten war der Gedanke daran, daß es wirklich niemanden gab, der weiter auf dem Weg fortgeschritten war als ich, daß niemand die Antworten besser kannte als ich selbst, daß ich nur mich selbst hatte, wenn ich Führung und Vertrauen wollte. Und doch fühlte ich mich auch enorm erleichtert. Endlich war ich innerlich nicht mehr gespalten, mißtraute ich nicht mehr meinen instinktiven Gefühlen. Wenn es auch lange Zeit gebraucht hatte, bis ich ihnen voll vertraute, so begann ich doch festzustellen, daß meine Gefühle und Wahrnehmungen im allgemeinen außerordentlich präzise sind. Es war so schön, endlich auf sich selbst vertrauen zu können. Noch heute bin ich zutiefst für alles dankbar, was ich durch Shirley empfangen habe. Sie war tatsächlich eine metaphysische Mutter, die mich in meine eigene spirituelle Macht hineingebar. Michael Kurz nachdem wir nach Marin gezogen waren, begann ich mit Michael auszugehen, den ich auf einem meiner Workshops kennenlernte. Michael war anders als die meisten Männer, mit denen ich zusammengewesen war. Ich neigte eher zu jungenhaften Typen, Michael dagegen war kein Junge, er war ganz eindeutig ein erwachsener Mann. Er war in den frühen Vierzigern, neun Jahre älter als ich und geschiedener Vater von zwei Kindern. Er war reif und verantwortungsbewußt. Außerdem war er attraktiv, warmherzig und hatte sehr viel Sinn für Humor. In der ersten Nacht, als wir gemeinsam ausgingen, brachte er mich viel zum Lachen und ich begriff, daß ein ausgeprägter Sinn für Humor wahrscheinlich die sexuell attraktivste Eigenschaft war, die ein Mann haben konnte. Michael war ein liebevoller, leidenschaftlicher Mann, und die Beziehung baute mich sehr auf. In manchen Zeiten konnten wir zutiefst miteinander verschmelzen und teilten einige wahrhaft glückselige Augenblicke miteinander. Ähnlichkeiten hatten wir auf beruflichem Gebiet. Er war unzufrieden und frustriert von seinem Beruf und wußte nicht, was er dagegen unternehmen sollte. Er suchte in mir eine gewisse Inspiration und Erfüllung für das, was in seinem Leben fehlte. Ich dagegen war mit meinem zunehmend erfolgreichen Beruf beschäftigt und darin engagiert. Er fühlte sich oft vernachlässigt, und das wiederum verursachte in mir Schuldgefühle und die Empfindung, eingeschränkt zu werden. Ich fragte mich, ob ich jemals zufrieden sein würde. Wenn ein Mann für mich nicht zugänglich war, wollte ich mehr haben, aber wenn jemand wirklich mit mir Zusammensein wollte, fühlte ich mich wie im Käfig. Und doch war das die stabilste und liebevollste Beziehung, die ich je hatte. Michael besuchte regelmäßig mit mir Shirleys Gruppe, und gemeinsam arbeiteten wir hart daran, unsere Probleme zu lösen. Nachdem ich zwei Jahre in Dawn Place gelebt hatte, war ich des Gemeinschaftslebens müde und sehnte mich nach mehr Abgeschiedenheit. Eine Freundin von mir besaß ein wunderschönes Apartment in Tiburon mit Blick über die San Francisco Bay und suchte noch eine Mitbewohnerin, und so zogen Tigerlady und ich dort ein. Wenige Monate später zog meine Mitbewohnerin aus, und so erbte ich ein wunderschönes Apartment, das noch heute mein Zuhause in der Bay Area ist. Michael zog ein und wohnte ein Jahr mit mir zusammen, doch schließlich gelangten wir zu dem Schluß, daß wir getrennte Lebensräume brauchten, wenngleich wir immer noch zusammen gingen. Nachdem er ausgezogen war, machte ich zum ersten Mal die Erfahrung allein zu leben, und ich genoß den Kontrast zu all den Jahren des Gemeinschaftslebens. Ganz besonders
wundervoll war es, meine eigene Küche zu haben, wo ich alles kochen und essen konnte, was ich wollte, ohne mich mit irgend jemand anderem absprechen zu müssen. Und die friedliche Lage direkt am Wasser war für mich eine wunderbare Rückzugsmöglichkeit nach meinem geschäftigen Leben. Das Apartment war recht teuer und stellte einen großen finanziellen Sprung für mich dar. Es markierte auch das Ende meines Hippie - Lebensstils und den Beginn des Genießens materiellen Überflusses. Obwohl ich ihn genoß, war ich dem materiellen Besitz doch immer noch kaum verhaftet. Im Prinzip folgte ich nur meiner Intuition. Wann immer ich einen Schritt tat, den ich tun sollte, bekam ich von irgendwoher automatisch auch das dazu erforderliche Geld. Sobald ich also die Verantwortung für mein Apartment übernahm, erhöhte sich mein Einkommen genug, um meine Miete abzudecken. Wäre mein Einkommen plötzlich gesunken, so daß ich die Miete nicht hätte aufbringen können, hätte ich auch zur Not in einem Zelt weitergewohnt. Es war mir nicht wirklich wichtig, wo ich war, ich wollte einfach nur weiterhin das Gefühl genießen, daß sich entwickelte, je mehr ich dem Universum vertraute. Michael und ich gingen ungefähr drei Jahre zusammen. Trotz unserer Anstrengungen, unsere emotionalen Probleme gemeinsam zu lösen, fühlten wir uns doch häufig wie in einer Sackgasse. Einmal gaben wir beide die Beziehung auf und ließen alles für eine Weile bleiben. Er begann eine Affäre mit einer anderen Frau - einer attraktiven, dynamischen Bekannten von mir. Natürlich wurde ich sofort sehr eifersüchtig. Wir sprachen offen und ehrlich über unsere Gefühle, und er entschied, daß er mit beiden von uns ausgehen wollte. Er war dazu in der Lage, zu tun, was er wollte, und gleichzeitig gefühlsmäßig für mich offen zu bleiben. Zudem war er aber auch dazu fähig, zuzulassen, daß ich alle meine Gefühle des Zorns und der Eifersucht durchlebte, ohne daß er mich von sich gestoßen hätte. Darauf folgte eine sehr beschwingte, lebendige und aufregende Phase für uns beide. Er stand zu meiner Liebe zu mir, wollte aber auch mit der anderen Zusammensein und tat es auch. Die Situation schien ihm ein Gefühl der Kraft und Macht zu geben, er fühlte sich wohl. Ich war zwar eifersüchtig, wußte aber instinktiv, daß er mich am liebsten hatte, und es gefiel mir, mit einem Mann zusammenzusein, der sich so kraftvoll fühlte. Ich hatte das Empfinden, von einem mächtigen Mann wirklich geliebt zu werden. Nach zwei Monaten löste sich die andere Beziehung auf, weil die Energie zwischen Michael und mir so stark war. Nachdem die Dreiecksbeziehung zusammengebrochen war, verfiel unsere Partnerschaft aber leider wieder in eine gewisse tote Routine. Schließlich trennten wir uns voneinander. Das stürzte mich in tiefe innere Konflikte. Es war fast so, als hätte ein Teil von mir die Entscheidung getroffen und die Beziehung ohne meine bewußte Entscheidung aufgegeben. Gleichzeitig war da aber auch ein sehr empfindlicher Teil in mir, der wegen des Verlusts der Liebe und der Nähe, die ich mit Michael erlebt hatte, sehr niedergeschlagen war. In letzter Zeit ist es uns gelungen, die Wunde unserer Trennung zu heilen, so daß wir heute eine sehr liebevolle Freundschaft haben. Michael ist inzwischen glücklich mit einer wunderschönen Frau verheiratet, die er auf einem meiner Workshops kennenlernte. In der Zwischenzeit begann ich mich zu fragen, ob ich vielleicht verrückt sei. Was war das überhaupt für ein Problem, das ich ständig mit Beziehungen hatte? Es schien, als ob alles in meinem Leben sich sprunghaft verbesserte, nur auf dem Gebiet der Partnerschaften war alles so verwirrend wie eh und je. Doch ich wußte noch nicht, daß es noch sehr viel schwieriger kommen sollte. Erfolg Ohne jede Werbeunterstützung verkaufte sich Stell dir vor immer besser, einfach durch Mundpropaganda. Ja, es verkaufte sich so gut, daß Bantam Books sich dafür zu interessieren begann und die Rechte für eine kleine Taschenbuchausgabe erwarb. Whatever Publishing fuhr fort, die größere, kartonierte Ausgabe zu veröffentlichen. Mit zwei Verlagen im Rücken, die das Buch unterstützten, wurde es zu einem der in der Geschichte des Buchhandels bestverkauften metaphysischen Titel. Heute, da ich dies schreibe, sind fast zwei Millionen Exemplare verkauft worden, einschließlich aller ausländischen Übersetzungen und Ausgaben, und die
Verkaufszahlen sind immer noch hoch. Unser Verlag war ursprünglich eine Geschäftspartnerschaft zwischen Marc Allen und mir. Dann stieß Jon Bernoff zu uns, und schließlich wurde daraus eine Aktiengesellschaft, wobei wir drei die Aktienmehrheit hielten. Inzwischen hatte ich nichts mehr mit den Tagesgeschäften der Firma zu tun; darum kümmerten sich Marc und Jon, die sich bei wichtigen Entscheidungen mit mir berieten. Außer meinem eigenen Buch veröffentlichten wir noch mehr von Marcs Büchern, und schließlich mit der Zeit auch andere Titel. Da keiner von uns wirklich sehr viel vom kaufmännischen Wesen verstand, begingen wir einige Fehler, von denen manche recht kostspielig waren. Das geschah in der Regel dann, wenn wir uns nicht auf unsere Intuition verließen, sondern statt dessen den Rat irgendwelcher anderen Leute befolgten, weil wir glaubten, daß sie mehr davon verstünden als wir. Nach und nach aber lernten wir, uns auf unsere innere Führung zu verlassen, und schon stabilisierten und verbesserten sich die Dinge. Whatever Publishing bekam einen Namen als erfolgreiches Verlagshaus mit innovativen Büchern von hoher Qualität. Jon schied schließlich aus der Firma aus, die inzwischen mit der Hilfe eines sehr loyalen und kompetenten Mitarbeiterstabs von Marc weitergeführt wird. Vor ein paar Jahren veränderte Whatever Publishing seinen Namen in New World Library. Wenn ich an unsere bescheidenen Anfänge denke, bin ich stolz darauf, daß sich durch den Prozeß des Vertrauens und Befolgens unserer kreativen Vision eine so erfolgreiche Firma entwickelt hat. Meine Workshops waren immer erfolgreicher und gefragter. Ich stellte eine Sekretärin ein, die sich um die Post kümmerte, um Telefonanrufe, und die mir bei meiner ganzen Planung half, während ich nun Workshops im ganzen Land und in Kanada abzuhalten begann. Eine meiner größten Schwierigkeiten bestand darin, unter allen Möglichkeiten, die sich mir anboten, die richtigen zu wählen, ohne mich zu überarbeiten - denn ich hatte schon immer eine Neigung zum Workaholic, und das wurde nun zu einem ernsten Problem. Andererseits liebte ich auch meine Arbeit und bezog daraus sehr viel Bestätigung und Anerkennung. In mir gibt es einen starken Persönlichkeitsanteil - mein visionäres Heiler - Selbst - , der begierig ist, die ganze Welt zu heilen und zu transformieren! Doch ich verstand nicht viel davon, wie ich die Grenzen optimal ziehen sollte. So geriet ich oft in einen Anfall von Begeisterung und begann sehr viele Workshops und andere Projekte zu planen, doch dann, als die Zeit der Durchführung nahte, begriff ich, daß mich alles überforderte. Dennoch hatte ich immer genug Kraft und Kondition, um durchzuhalten und um soviel zu geben, wie es erforderlich war. Ich reiste sehr viel, hielt Workshops in zahlreichen Städten im ganzen Land ab. Ich reiste stets allein und leitete die Workshops ohne weitere fremde Hilfe, wenn man von der logistischen Arbeit der jeweiligen Sponsoren in jeder Stadt absah. Als die Zahl meiner Teilnehmer wuchs, wurde mir klar, daß ich mehr Hilfe und Unterstützung brauchte, als ich zur Zeit bekam. Claramae Weber, eine Frau, die an vielen meiner Workshops teilgenommen hatte, bat mich, mich auf eigene Kosten auf meinen Reisen zu begleiten und mir zu helfen. Das sollte sich als ein wahres Geschenk Gottes herausstellen. Claramae ist eine dynamische Frau mit flammend rotem Haar, die Warmherzigkeit und Begeisterungsfähigkeit ausstrahlt. Sie gab mir enorm viel emotionale Unterstützung und erledigte so viele Dinge für mich, daß ich sie schon bald als meine Seminarkoordinatorin einstellte. Ich entdeckte, daß es sehr viel mehr Spaß machte, in Begleitung zu reisen. Ich hatte gar nicht gewußt, wie einsam ich eigentlich auf Reisen gewesen war. Claramae arbeitete mehrere Jahre für mich und leitet inzwischen ihre eigenen Workshops. In dieser Phase trat eine weitere wichtige Frau in mein Leben ein. Ich war Kathy Altman in Shirleys Gruppe begegnet, und noch einige Jahre nach diesem Kennenlernen hatte ich ein starkes, intuitives Gefühl, daß ich mit ihr zusammenarbeiten oder sie für mich arbeiten lassen wollte. Obwohl ich sie nicht sehr gut kannte, hatte ich stets das Gefühl, daß sie die Person sei, die mir dabei behilflich sein könnte, klarere Entscheidungen auf dem Gebiet meiner Arbeit zu fällen, und die mir all die Unterstützung geben konnte, derer ich bedurfte. Wir sprachen
gelegentlich über entsprechende Möglichkeiten, doch sie hatte eine andere Stelle, und die Zeit war einfach nicht reif dafür. Schließlich kündigte sie ihren Job, worauf ich ihr eine Stelle bei mir anbot. Das war einer der besten Schachzüge meines Lebens. Es stellte sich heraus, daß Kathy genau das war, was ich brauchte. Sie ist nicht nur eine Geschäftsfrau mit hochgradigem Organisationstalent und großer Kompetenz, sie ist zugleich auch hochintuitiv und eine wunderbare, liebevolle Freundin. Sie hat die gleichen Prinzipien wie ich und ist genauso fasziniert von der Herausforderung, einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb auf dem Vertrauen in unser intuitives Gefühl aufzubauen und unseren kreativen Beitrag zur Welt zu leisten. Seit mehreren Jahren ist sie nun schon meine Organisatorin, meine kreative Partnerin und meine rechte Hand, und es ist eine dynamische und befriedigende Beziehung. Immer und immer wieder habe ich festgestellt, daß mir das Universum stets dann genau die richtige Person schickt, um meine jeweilige Lebensrolle zu erfüllen, wenn ich nur offen bin und die Zeit dafür reif ist. Leben im Licht Einige Jahre lang hatte ich mich schon mit dem Gedanken getragen, ein weiteres Buch zu schreiben. Ich hatte zwar zahlreiche Ideen, schien mich aber nie dazu aufraffen zu können, mich hinzusetzen und mit dem Schreiben loszulegen. Ich spürte, daß es ein mühsamer Kampf werden würde, also ließ ich davon ab und vertraute darauf, daß es zur rechten Zeit schon geschehen würde. Schließlich spürte ich, wie sich die Energie dafür aufzubauen begann. Für mich sind Bücher und andere kreative Projekte wie Schwangerschaften. Sie wachsen in meinem Inneren und zur rechten Zeit kommen sie hervor. Man kann sich nicht dazu zwingen, vorzeitig zu gebären, andererseits kann man das Baby aber auch nicht mehr zurückhalten, wenn es bereit ist geboren zu werden! Eine langjährige Schülerin und Freundin, Laurel King, erbot sich, mir bei dem Buch zu helfen. Sie sammelte und ordnete meine Notizen und die Abschriften meiner Vorträge, ermutigte mich und schrieb Teile des Buchs zusammen. Es machte Spaß, mit einer Partnerin zusammenzuarbeiten, und der ganze Prozeß wurde dadurch eindeutig beflügelt. Als ich Leben im Licht schrieb, traten einige Ängste und Zweifel ans Tageslicht. Nachdem ich bereits einen Bestseller geschrieben hatte, fühlte ich mich unter einem gewissen Druck, wiederum ein ebenso gutes Buch zu schreiben. Ich fürchtete mich davor, daß das erste Werk nur ein Ausrutscher gewesen war und daß ich nie wieder etwas ähnlich Wertvolles zustande bringen würde! Nun begann ich zu verstehen, unter welchem Druck sich kreative Menschen empfinden müssen, wenn sie unentwegt inspirierte Arbeiten vorlegen sollen. Ich übte mich darin, meine Ängste aufzuspüren und ja zu ihnen zu sagen, um sie dann dem Universum zu überantworten und um göttliche Führung und Inspiration zu bitten. Ich war so beschäftigt, daß ich zum Schreiben fast überhaupt keine Zeit fand. Der größte Teil des Buchs wurde im Flugzeug geschrieben, wenn ich von einem Workshop zum anderen reiste. (Ich mußte dabei gegen den Impuls ankämpfen, statt dessen den Film zu sehen, und meine Hingabe an das übergeordnete Ziel gewann die Schlacht keineswegs immer.) Trotz alledem war die Zeit reif, und so wurde das Buch in ungefähr sechs Monaten geschrieben. Und im Dezember 1985, genau sieben Jahre nach der Veröffentlichung von Stell dir vor, erblickte Leben im Licht das Licht der Welt. Ich war sehr glücklich darüber. Meiner Empfindung nach enthielt es die wichtigsten Botschaften, die ich der Welt übermitteln wollte. Es lag eine große Befriedigung darin, endlich all die Ideen und Prinzipien, nach denen ich so viele Jahre gelebt und die ich unterrichtet hatte, in schriftlicher Form kompakt zusammengefaßt zu sehen. Das Buch fand regen Zuspruch, und es wurden bisher über eine halbe Million Exemplare verkauft, und die Verkaufszahlen sind immer noch sehr ordentlich. Im Laufe der Jahre habe ich zahllose Briefe und Anrufe von zufriedenen Lesern erhalten, die mir mitteilten, wie die Bücher ihr Leben verändert haben. Natürlich ist es mir eine wunderbare Befriedigung zu wissen, daß meine Kinder das Leben von Menschen verwandelt haben. Das beschert jenem Teil in mir das Gefühl der Erfüllung, der eine positive Wirkung auf die Welt ausüben will.
Oft erzählen Leute mir amüsante Geschichten, wie ihnen eines meiner Bücher aus dem Regal auf den Kopf fiel, oder sie förmlich anzuspringen schien. Die Bücher wirken manchmal wie autonome Wesenheiten mit eigener Lebenskraft und eigenem Ziel, als wären es kleine Missionare! Ich denke, daß ihr Leben und ihre nachhaltige Beliebtheit von meiner Hingabe an meinen eigenen Prozeß der Wandlung und der Weiterentwicklung gespeist werden. Da sie energetisch mit mir in Verbindung stehen, gedeihen sie auch weiterhin. Lehren und Heilen Als ich damit begann Workshops zu leiten und Menschen zu beraten, glaubte ich, daß ich es täte, weil ich wertvolle Informationen und Erfahrungen mit der Welt zu teilen hätte, damit andere Leute davon profitieren und die Welt dadurch geheilt und transformiert werden könnte. Im Laufe der Jahre ist mir aber klar geworden, daß das Hauptanliegen des Unterrichtens mein eigener Prozeß des Lernens und der Heilung ist, sowie mein Bedürfnis nach Selbstausdruck und Erfüllung. Ganz einfach ausgedrückt: Meine eigene höhere Führung lenkte mich aufs Lehren, weil es für mich die herausfordernste und mächtigste Möglichkeit des Lernens und der Weiterentwicklung war. Ich unterrichtete jene Dinge, die ich selbst am meisten brauchte und lernen wollte, und es zwang mich dazu, auch zu praktizieren, was ich predigte. So entwickelte ich beispielsweise in meinen frühen Workshops, als ich noch weniger Erfahrung hatte, eine bestimmte Struktur, an die ich mich auch hielt. Je mehr ich aber damit begann, die Menschen zu lehren, daß sie ihrer eigenen Intuition vertrauen und ihr folgen sollten, um so mehr ließ ich meine eigene vorgegebene Struktur los und übte mich darin, meiner Intuition zu folgen, wenn es darum ging, was ich auf Workshops tun sollte. So lernte ich meine eigenen Lehren und wandelte sie gleichzeitig ab, ging Risiken ein und experimentierte viel. So hielt ich beispielsweise mal einen Wochenend- Einführungsworkshop mit ungefähr fünfzig Teilnehmern ab und ging fast ohne vorgegebene Struktur oder Anleitung vor. Ich erwähnte einfach am Anfang, daß wir zusammenarbeiten und tun würden, was immer spontan geschehen mochte. Die meisten Leute fühlten sich ziemlich vor den Kopf gestoßen und wußten nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Der größte Teil des ersten Tags verlief ziemlich zäh und erzeugte Unbehagen, und eine ganze Reihe Teilnehmer verlangten ihr Geld zurück und gingen. (Ich konnte es ihnen wirklich nicht verübeln.) Am zweiten Tag jedoch erlebte die Gruppe einen mächtigen Durchbruch, und jene, die dabeigeblieben waren, waren äußerst zufrieden. Allerdings habe ich es nie wieder auf die gleiche Weise gemacht - es war einfach ein bißchen zu nervenaufreibend! Ich habe immer wieder feststellen können, daß man an bestimmten Punkten vorgegebene Strukturen einfach nur loslassen muß, dann erwacht die Energie zu hohem Leben und bewegt sich in neue Richtungen, so daß viel mächtigere Durchbrüche stattfinden, und zwar sowohl für mich als auch für alle anderen Beteiligten. Schließlich, als ich immer bewußter zu leben begann, erkannte ich auch, daß ich zum Teil lehrte und beriet, um meine eigenen psychischen Bedürfnisse nach Liebe, Aufmerksamkeit und Bestätigung zu befriedigen und nicht, wie ich mir selbst vorgemacht hatte, um den Bedürfnissen anderer zu entsprechen. Das ist eine Falle, in die so viele Lehrer und Therapeuten laufen - die Rettungsoperation. Wir projizieren unsere eigenen psychischen Bedürfnisse auf andere und spielen uns dann als heldenhafte Erlöser auf, während wir insgeheim die Position genießen, ein bißchen weiser, klüger oder fortgeschrittener als all die Seelen zu sein, die wir dem Licht entgegenführen. Selbstverständlich sind Lehrer in der Regel auf bestimmten Gebieten weiter entwickelt als ihre Schüler, sonst hätten sie ja auch nichts zu lehren, doch findet der Unterricht auf einer eindeutigeren, ehrlicheren Ebene statt, wenn der Lehrer sich zu seinen eigenen Motiven stellt und sie anerkennt. Ich finde es in Ordnung, daß ich der Liebe und der Zustimmung meiner Schüler und Klienten bedarf und danach verlange, solange ich mir dieses Bedürfnisses auch bewußt bin. Dennoch habe ich eine sehr starke Neigung, meine Bedürfnisse auf andere zu projizieren und dann zu versuchen, ihnen zu helfen, sowohl in meiner Arbeit als auch in meinem Alltagsleben.
Eine weitere Falle, in der wir uns in diesem Beruf auseinandersetzen müssen, ist die Vorstellung, daß man erst vollkommen sein muß, bevor man etwas unterrichten darf. Das hindert den Menschen nur daran, weiterzugehen und sich als Lehrer anzubieten, wenn er das Gefühl hat, etwas zu besitzen, was er mit anderen teilen sollte. Und viele Lehrer auf dem Gebiet der Bewußtseinsentwicklung sind der Ansicht, daß sie ein Abbild der Vollkommenheit präsentieren müssen, um glaubwürdig zu sein. Und was noch bedauerlicher ist - manchmal glauben sie selbst an dieses Abbild der Vollkommenheit. Und so kommt es zum Guru - Syndrom, wo der Guru sich für einen Übermenschen hält und daran auch noch glaubt, während alle Anhänger in Ehrfurcht erstarren und meinen, daß der Guru zu einer ganz anderen Kategorie Mensch gehört als sie selbst. Meiner Meinung nach sind die bewußtesten Wesen jene, die sich des vollen Spektrums ihrer eigenen Weisheit bewußt sind, aber auch die Fähigkeit besitzen, ihre Weisheit und Macht ebenso mit anderen zu teilen wie ihre menschlichen Schwächen und Verletzlichkeiten. Das schafft den Freiraum für andere, ihre eigene Kraft anzunehmen, anstatt ständig in der Position des Unterlegenen zu bleiben. Das mußte ich durch meine Erfahrung auf die mühsame Weise lernen. Je erfolgreicher und bekannter ich wurde, um so mehr Überstunden mußte meine Rettungsoperation aufbieten, um den Versuch zu machen, jeden auf der Welt zu retten und zu transformieren. Ich neigte dazu, meine persönlichen Bedürfnisse beiseite zu schieben - meistens war ich mir ihrer überhaupt nicht mehr bewußt - , um statt dessen die Bedürfnisse anderer zu erfüllen. Und während ich mir meiner Menschlichkeit und ihrer Schwächen stets bewußt war, setzte ich mich selbst unbewußt doch unter Druck, einem bestimmten Bild der Macht und der Vollkommenheit zu entsprechen. Ich stellte fest, daß ich in gewissem Grade für andere die gleiche Rolle spielte, die Shirley für mich gespielt hatte. Die Menschen projizierten die Macht und die Weisheit, die sie in sich selbst nicht angenommen hatten, auf mich, und sahen mich als ihren Guru und ihr Leitfeuer. Das ist eine sehr aufregende und sehr schmeichelhafte Erfahrung, und es ist schwierig, von dieser Versuchung nicht überrannt und in die Irre geführt zu werden. Ich fühlte mich sehr mächtig. Allerdings mußte ich auch feststellen, daß der Erfolg seinen Preis hatte. Ein Teil von mir liebte es, ein Star zu sein, immer öfter von völlig Fremden erkannt zu werden. Andererseits konnte es auch lästig werden, vor allem dann, wenn ich mich nicht auf der Höhe fühlte und nach Zurückgezogenheit und Anonymität verlangte. Ich hatte eine persona erschaffen, der ich nicht immer entsprechen wollte. Ich begann Mitgefühl für jene Menschen im öffentlichen Leben zu empfinden, die kaum ein Privatleben mehr haben. Und ich begann auch zu erkennen, weshalb viele Menschen den Erfolg unbewußt meiden oder sabotieren. Wenn man nicht weiß, wie man Grenzen zieht, und sehr sorgfältig auf sich selbst aufpaßt, kann es schwierig werden, mit dem Druck weltlichen Ruhms und Reichtums umzugehen. Für mich wurde die Überarbeitung zum Lebensstil, und abgesehen von meiner Arbeit hatte ich kaum noch ein Privatleben. Allerdings hatte ich auch keine Zeit dazu, mich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, denn ich war ja viel zu beschäftigt! Viele der Menschen, die lange Zeit bei mir gelernt hatten, wurden zu Freunden und schließlich auch zu Workshop - und Büromitarbeitern. Folglich hingen meine engsten Freundschaften alle auch mit meinem beruflichen Leben zusammen. Seit meinen ersten Workshops hatte ich stets eine Vision, ein schönes Zentrum aufzubauen. Mir schwebte ein Klausurzentrum auf dem Lande vor, mit wunderbar organisierten räumlichen Bedingungen und Aktivitäten, die sich um die Bewußtseinsentwicklung rankten, um das Heilen und um die schöpferischen Künste. Bis dahin brauchte ich einen geeigneten, guten Ort, um meine Workshops und Unterrichtsklassen abzuhalten. Ich war der Hotelzimmer müde und sehnte mich nach einem schönen, komfortablen Ort, der zugleich aufbauend und inspirierend war. Ich suchte nach einem geeigneten Ort und nach etwa zwei Jahren der Suche mieteten wir schließlich ein schönes, neues Bürogebäude in Corte Madera, wo wir eine wunderschöne Anlage mit einem großen Workshopraum, einem Tanzstudio, einem kleinen Gruppenraum und Büros
erschufen. Wir nannten es das Shakti Center. Ich hatte das Glück, zwei sehr hingebungsvolle Mitarbeiter gewonnen zu haben: Kathleen Holland, die meine Chefsekretärin wurde und für den reibungslosen Ablauf meines Lebens sorgte und Andre DeSautels, der das Zentrum organisierte. Außer meinen Workshops und dem Unterricht am Shakti Center fuhr ich damit fort, ausgedehnte Reisen durch das ganze Land zu machen, Workshops zu leiten und Vorträge zu halten, die inzwischen von hundert bis zweihundert Leuten am Wochenende und fünfhundert bis tausend Menschen an den Abendveranstaltungen besucht wurden. Schon früh in meiner Karriere merkte ich, daß immer dann, wenn ich Workshops leitete oder jemandem eine Einzelberatung gab, eine sehr andere Energie als die meiner üblichen Persönlichkeit mich durchströmte. Ich machte mir nicht allzu viele Gedanken darüber, weil alles so automatisch geschah. Schließlich begriff ich jedoch, daß ich zum Kanal eines anderen Aspekts meines Seins wurde - einer machtvollen universalen Energie. Diese Energie fühlt sich sehr weise an; die Worte strömen spontan aus mir hervor, und manchmal bin ich selbst überrascht und erstaunt über das, was ich da sage. Zudem fühlt sich die Energie auch äußerst aufbauend und liebevoll an, als würde sie mich selbst aufbauen, während sie zu anderen strömt. Oft geschieht es, daß ich bei einer Einzelsitzung oder in einem Workshop plötzlich ein Bild davon vor Augen habe, was ich tun sollte, oder daß mir die richtigen Worte kommen. Manchmal erscheint mir das etwas merkwürdig, und oft frage ich mich, ob ich wirklich danach handeln soll, was da zu mir kommt. Dabei kann es sich um alles mögliche handeln: ob ich den Körper eines Menschen an einer bestimmten Stelle berühre, ihn frage, ob er sich hinlegen und den Kopf in irgend jemandes Schoß legen möchte, oder ihn dazu auffordere aufzustehen und ein bestimmtes Geräusch von sich zu geben oder einen bestimmten Satz zu wiederholen. Wenn ich dies verfolge - und ich habe gelernt, dies zu tun - , machen die Betreffenden stets eine starke emotionale oder spirituelle Erfahrung. Diese universale Heilungsenergie scheint mich immer dann zu durchströmen, wenn sie erbeten oder gebraucht wird, und ich habe festgestellt, daß sie sehr zuverlässig ist. Es gab viele Zeiten, da ich eine Stunde oder auch wenige Minuten vor einem öffentlichen Vortrag oder einem Workshop irgendwelche angenehmen emotionalen Erfahrungen gemacht und mich unfähig gefühlt habe, irgend jemandem etwas Erhellendes zu sagen. Sobald ich dann den Raum betreten hatte, spürte ich die Energieverschiebung, und schon nach wenigen Minuten war ich gemittet, klar und kraftvoll, strömte die Energie durch mich hindurch. Meistens hält diese Verschiebung eine Weile vor, es gibt aber auch Zeiten, da ich unmittelbar nach Beendigung des Workshops wieder voll in meinen persönlichen Problemen stecke! Ich liebe das Gefühl des Kanalisierens dieser universalen Kraft. Es ist, als würde meine eigene Persönlichkeit beiseite treten, um einer höheren, unpersönlicheren Energie Platz zu machen. Es fühlt sich allerdings nicht wie eine andere Wesenheit an. Vielmehr fühlt es sich an wie ein Aspekt meiner selbst, der zugleich Teil des ganzen Universums ist. Ich empfinde es so, daß diese Energie die unbeschränkte Macht der Heilung auf allen Ebenen hat - körperlich, emotional, mental und spirituell. Es scheint so, als ob die Energie, die mich durchströmt, den Effekt hat, die gleiche Energie als Katalysator auszulösen, die alle anderen im Raum durchströmt. Ich glaube, daß diese Energie uns allen zu jeder Zeit zur Verfügung steht, sobald wir gelernt haben sie anzuzapfen und in sie zu vertrauen. Während sie mich durchströmt, empfinde ich zugleich große Kraft und große Demut. Vor allem aber ist da ein Gefühl großer Liebe. Ich fühle mich geehrt und auch ein wenig ehrfürchtig, daß ich diese Kraft so oft erfahren darf. New York Ich habe das Reisen immer geliebt und meine Workshop - Tourneen, die manchmal sehr stressig und ermüdend waren, hatten auch viel Aufregung und Vergnügen zu bieten. Es war interessant, in den verschiedenen Städten Workshops zu veranstalten und zu spüren, wie das Seminar den jeweiligen Charakter des Orts widerspiegelte. Ich erkannte, daß unterschiedliche Orte auch sehr
unterschiedliche Energieschwingungen haben, so daß wir uns zu jenen Orten hingezogen fühlen, die über jene besondere Energie verfügen, die wir gerade benötigen. Ein Ort, in den ich mich verliebte, war New York. Nirgendwo hatte ich so viel pulsierendes Leben erfahren. Wann immer ich dort war, hatte ich das Gefühl, als würde mich eine Woge schöpferischer Energie packen und mit sich reißen. Ein ganzes Leben lang hatte ich das Gefühl gehabt, daß ich etwas zu intensiv vorging und mich eher beruhigen müßte. New York dagegen war der einzige Ort, wo ich das überhaupt nicht so empfand. Dort schien die Intensität meiner Umgebung der Intensität in meinem Inneren zu entsprechen, so daß ich mich sofort zu Hause fühlte. Zu den Workshops in New York kamen oft viele interessante, kreative Menschen, die auf mich erregend und stimulierend wirkten. Besonders fühlte ich mich zu Menschen hingezogen, die mit dem Theater zu tun hatten. Eines Abends nach einem Vortrag kam eine gleichaltrige Frau auf mich zu und erzählte mir, wie sehr sie meine Arbeit schätzte. Ich fühlte mich sofort zu ihr hingezogen. Je mehr wir uns unterhielten, um so stärker wurde mein Gefühl, daß ich mein Spiegelbild vor mir habe. Später teilte sie mir mit, daß es ihr ähnlich ergangen sei. Ihr Name war Leslie Ayvazian, und sie war Schauspielerin, Bühnenautorin und Regisseurin - und zwar eine hochtalentierte, wie ich bald feststellte. Es war Liebe auf den ersten Blick, und Leslie ist seitdem eine meiner besten Freundinnen geblieben. Sie ist einer jener seltenen Menschen, die zu einer tiefen und spontanen Nähe fähig sind; sie ist warmherzig, klug, komisch und hegt eine wundervolle Leidenschaft fürs Leben. In ihr erkannte ich unter anderem das Spiegelbild jenes Teils meiner selbst, der ein kreativer Schausteller ist. Ich merkte, daß ich diesen Teil in mir begraben hatte, als ich meine Tänzerinkarriere aufgab, und daß er sich nun danach sehnte, hervortreten zu dürfen. Leslie und ich begannen davon zu träumen, eines Tages unsere Talente zu verbinden und eine Art Transformationstheater - Erfahrung auf die Beine zu stellen. Eine weitere faszinierende Frau, der ich in New York begegnete, war Gabrielle Roth, die rituelles Theater und Bewegung als Weg der Heilung und Bewußtwerdung unterrichtet. Auch sie ist eine gute Freundin geworden und New World Library hat ihr wunderbares Buch Maps to Ecstasy: Teachings of an Urban Shaman herausgebracht. Selbstheilung Ich hatte kreativen und beruflichen Erfolg durch das Praktizieren dessen, was ich predigte, erreicht - mich auf meine eigene, intuitive innere Führung zu verlassen und ihr zu folgen. Ich hatte zwei erfolgreiche Bücher geschrieben und das Leben von Tausenden von Menschen beeinflußt. Ich wußte, daß mein höheres Ziel auf Erden erfüllt wurde und empfand darüber tiefe Befriedigung. Und doch empfing ich zunehmend starke intuitive Botschaften, daß mein Leben aus dem Gleichgewicht sei, daß viele meiner eigenen persönlichen Bedürfnisse nicht befriedigt wurden, und daß bestimmte Teile meiner selbst keine Gelegenheit zum Ausdruck erhielten. Ich war so befangen im Wirbelsturm meiner Aktivitäten und meines Erfolgs, daß ich kaum Zeit hatte, darüber nachzudenken und schon gar nicht darüber, was ich dagegen tun sollte. Zum Glück führt uns das Leben jedoch stets in die richtige Richtung, derer wir zur Heilung und zur Herstellung des Gleichgewichts bedürfen. So machte ich eine Reihe von Erfahrungen, die mich nach und nach für meinen Schatten öffneten - jene Aspekte meiner selbst, die ich allzu lange verdrängt oder ignoriert hatte. Eine sensitive Freundin teilte mir in einer Sitzung mit, daß alle meine Chakras (Energiezentren im Körper) klar und offen seien mit Ausnahme meines Herzchakras, das ihr aufs Schmerzhafteste verkrampft erschien. Sie sagte, daß ich sehr genau wisse, Liebe zu geben, aber nicht sie zu empfangen. Als sie mir das mitteilte, brach ich in Tränen aus und fühlte mich danach sehr aufgewühlt. Bei einem Freund, Pilar, begann ich Gesangsunterricht zu nehmen - er war ein wunderbarer
Sänger. Ich hatte schon immer das Verlangen gehabt zu singen, fühlte mich aber auf diesem Gebiet völlig blockiert. Das war etwas, wo ich überhaupt kein Selbstvertrauen besaß, daß ich es schaffen könnte. Pilar ging das Singen auf intuitive, emotionale Weise an, er ermutigte mich, jenen Teil in mir aufzuspüren, den es nach Gesang verlangte, und jenen Teil, der sich davor fürchtete. So fing ich an zu singen und begann dann zu weinen. Ich erkannte, daß der Gesang aus einem tiefsitzenden, verletzlichen Ort in mir hervortrat, daß ich um diese Stelle aber sehr viel Panzerung aufgebaut hatte, die es aufzulösen galt. Die ersten Wochen habe ich den größten Teil meiner Stunden geweint, ohne so recht zu wissen warum. Schließlich war ich dazu in der Lage, zu singen ohne zu weinen. Ich entdeckte einen leidenschaftsbetonten Teil in meinem Inneren, der sich nach Selbstausdruck durch Gesang sehnt, zugleich aber auch eine gewaltige Masse Angst und Widerstand. Ich fuhr damit fort, den Gesang als Zugang zu diesen tiefsitzenden Gefühlen zu nutzen. Die Entdeckung meines inneren Kindes Mit einem Mann namens Stephen begann ich einige persönliche Heilungsarbeit. Stephen war Mitte Vierzig, schlank, mit zottigem, ergrauendem Haar und Bart sowie einem wundervollen britischen Akzent. Er stammte ursprünglich aus Schottland, hatte viele Jahre in Kanada Theaterunterricht gegeben und befand sich auf einer langen Reise spiritueller und emotionaler Heilung. Er war ein Mensch von großer Tiefe, außerordentlich aufmerksam und besaß die Energie des schlechthinnigen weisen Mannes. Während meiner ersten Sitzung bei ihm besprach ich gerade irgend etwas mit ihm, als ich plötzlich unkontrolliert zu weinen begann. Es war überraschend und auch etwas peinlich, da ich geglaubt hatte, ich würde mich recht gut fühlen. Im Laufe der Folgesitzungen begann ich zu erkennen, daß ein Teil von mir zutiefst unglücklich war. Mein Leben war so geschäftig und erfolgreich, daß ich gar nicht die Zeit hatte, um meinen eigenen Schmerz zu bemerken. Mein ganzes Leben lang war ich darauf konditioniert worden, stark zu sein, kompetent und die Kontrolle zu behalten, und meine Jahre mit Shirley hatten meine eigene Kraft und Macht so sehr gestärkt, daß ich mich mit diesem Aspekt meines Wesens völlig identifiziert hatte. Und die Tatsache, daß ich nun eine bekannte Bewußtseinslehrerin war, förderte die Tendenz, diese Identität festzuschreiben. Ich sah mich als krafterfüllt, zuversichtlich und bewußtseinsmäßig entwickelt - was auch alles stimmte. Doch da gab es noch eine andere Seite, die tief verschüttet worden war. Das war der fühlende, verletzliche Teil, jener Teil, der mich wissen ließ, daß ich emotionale Bedürfnisse hatte, die nicht erfüllt wurden, sowie Wunden aus der Vergangenheit, die der Heilung bedurften. Das große Problem meines Lebens war meine Beziehung zu Männern. Alles andere funktionierte ausgezeichnet, und doch litt ich noch immer unter Herzschmerz und Verwirrung in meinen Beziehungen. Natürlich wußte ich, daß ich einigen Schmerz aus der Kindheit noch nicht aufgearbeitet hatte - das Problem der frühen Trennung von meinem Vater und der Verpflichtung, schon im frühen Alter eine verantwortungsbewußte Erwachsene zu werden - , doch nun begann ich den Schmerz und die Verletzung in meinem Innern auch tatsächlich zu spüren. Stephen hatte sehr viel väterliche Energie. Er konnte sehr viel akzeptieren und schuf mir einen außerordentlich sicheren Raum, in dem ich mir meiner Gefühle bewußt werden konnte. Und so begann ich ein sehr verschüchtertes und trauriges Kind in meinem Innern zu erleben, das so jung war, daß es noch keine Worte hatte. Ich erkannte, daß ich dieses kleine Mädchen gefühlsmäßig im Stich gelassen hatte, indem ich nicht auf ihre Bedürfnisse und Gefühle Rücksicht nahm. Gleichzeitig begann ich zu begreifen, was in meinem Leben nicht funktionierte. Ich war so sehr in meinem Beruf verfangen und darin, der Welt etwas zu schenken, daß ich mir selbst kaum noch etwas gab. Und ich war so sehr damit beschäftigt, stark und kraftvoll zu sein, daß es in meinem Leben nur wenig Freiraum gab, meine verletzlicheren Gefühle auszudrücken, vor allem mein Verlangen nach Liebe und Rückhalt. Es schien, daß diese Gefühle ausschließlich in der Beziehung zu einem Mann, der mich liebte, Ausdruck fanden, wobei aber soviel unterdrückte
Bedürfnisse hervortraten, daß es die Beziehung schwer belastete. Ich mußte zu anderen Möglichkeiten finden, mich selbst emotional zu versorgen, zu pflegen. Endlich erkannte ich deutlich, was mir bei der Arbeit mit Shirley gefehlt hatte. Sie war großartig für die Entwicklung meiner Kraft gewesen, für mein Selbstempfinden als schöpferisches, gottähnliches Wesen. Doch mein menschlicheres, gefühlsbetonteres Selbst war dabei unterdrückt worden. Es kämpfte ständig darum herauszukommen, verlangte nach mehr emotionalem Kontakt und Selbstausdruck, doch ich war nicht in der Lage gewesen, es darin sonderlich zu unterstützen. Ich erkannte, daß ich nur durch diesen verletzlichen, fühlenden Teil meiner selbst echten emotionalen Kontakt zu Menschen herstellen und jene Liebe, Nähe und Intimität erfahren konnte, derer ich so sehr bedurfte. Nun sah ich, daß ein Teil meiner Vorliebe für Gruppen aus dem unbewußten Bedürfnis meines Kind - Selbst herrührte, eben jene große, warmherzige, liebevolle Familie herzustellen, die ich nie gehabt hatte. In meinen eigenen Workshops erfuhr ich sehr viel Liebe und emotionalen Kontakt, doch Workshops und Kurse endeten stets nach einem Wochenende oder nach wenigen Wochen, und dann fühlte mein inneres Kind sich wieder verlassen. Deshalb hatte ich eine dauerhaftere Familie mit den Langzeitschülern und den Mitarbeitern erschaffen, die ich um mich geschart hatte. Die Liebe und Nähe innerhalb dieser Gruppe befriedigten etwas von meinem Bedürfnis nach beständiger Nähe. Es bestand dort das Problem, daß es in der Gruppe komplizierte und ineinander verhakte Rollenaufteilungen gab. Die meisten Menschen um mich hatten als Schüler begonnen, waren dann zu Freunden und nun zu meinen Angestellten geworden, so daß unsere Beziehung zueinander von einer gewissen Verwirrung gekennzeichnet war. Die größte Schwierigkeit für mich war die Tatsache, daß ich nicht Teil einer glücklichen Familie war, in der ich eines der Kinder hätte sein können, sondern daß mir vielmehr die Rolle von Mutter - Vater zukam, indem ich mich für alles und jeden verantwortlich machte. Nun, da mir meine Bedürfnisse bewußter wurden, begann ich nach und nach nach Möglichkeiten zu suchen, sie innerhalb der Struktur zu befriedigen, die ich bereits aufgebaut hatte. Ich begann mit längerfristigen Programmen und Klausuren, um die Wärme und Intimität der Gruppe länger genießen zu können. Ich lud auch andere Gruppenleiter ein, die mir etwas von der Verantwortung abnahmen, so daß ich mich zurücklehnen und empfangen konnte, während sie die Gruppe führten. Stephen wurde zu einem Gastgruppenleiter in einigen meiner Programme. Das funktionierte sehr gut, weil ich ihm vertraute und seine Art, Gruppen zu leiten, mochte. Zudem wurde er zum symbolischen Vater der Familie. Ich war zwar immer noch in erster Linie die Mutter, doch Stephen übernahm etwas von der emotionalen Verantwortung, was mir wiederum dabei half, mich mehr zu entspannen und meinem verletzlichen Kind - Selbst zu gestatten, ans Tageslicht zu treten. Eine weitere Person, die mir bei diesem Prozeß half, war meine Freundin Tanha. Ich war Tanha vor zwei Jahren auf einem meiner Workshops begegnet. Im selben Augenblick, als ich sie kennenlernte, wußte ich, daß sie meine Seelenschwester war. Sie und ihr Freund Jon suchten regelmäßig meine Workshops und Gruppen auf, und schließlich traten beide meinem Lehrkörper bei. Meine Beziehung zu Tanha vertiefte sich zu einer der kraftvollsten und mächtigsten Verbindungen meines Lebens. Tanha ist ungefähr gleichaltrig mit mir, groß und sehr schön, mit olivfarbener Haut und dichtem, vorzeitig ergrautem, silbernem Haar. Sie ist eine sehr spontane, leidenschaftliche Person, wahrscheinlich die wirklichste Persönlichkeit, die ich je kennengelernt habe; sie sagt und tut stets genau das, was sie wirklich fühlt. Die Intensität ihrer Gefühle und ihre Hingabe an die Wahrheit entsprechen meiner eigenen, und ich bin sehr gern mit ihr zusammen. Tanha liebte das, was ich über das Vertrauen in sich selbst und dem Folgen der eigenen Energie lehrte, weil es ihr die philosophische und emotionale Unterstützung gab, die sie brauchte, um ganz sie selbst sein zu können. Ich spürte, daß Tanha die Prinzipien, nach denen ich lebte und die
ich unterrichtete, tiefgründig begriffen hatte und sie mir auf eine Weise widerspiegelte, die mich inspirierte und unterstützte. Da Tanha eine sehr starke Beziehung zu den Gefühlen ihres eigenen, inneren Kind - Selbst hat, hatte sie auch eine sehr feinfühlige Empfindung für meine verletzlichen Gefühle. Sie ermutigte mich, stärkeren Kontakt zu meinen persönlichen Bedürfnissen herzustellen und mehr für mich selbst zu sorgen. Tanha hat ein relativ ruhiges Landleben in einer liebevollen Kommune Familie geführt, und ich ertappte mich dabei, wie ich sie darum beneidete und mir wünschte, ich könnte für eine Weile ihr Leben führen. Sie dagegen wollte sich in der Welt erfolgreicher ausdrücken können, wie ich es tat. Tanha und ich hatten beide ungelöste Probleme mit unseren starken, machtvollen Müttern, und es wurde deutlich, daß wir auf eigener Ebene miteinander unsere Mutterkisten verarbeiteten. Sie war die emotional aufbauende, fürsorgliche Mutter, derer ich bedurfte, und ich war die ermutigende, stützende Mutter, die sie wiederum brauchte. Mehr denn je wurde mir bewußt, wie sehr wir unentwegt in unseren Beziehungen nach einer Heilung für ungelöste Kindheitskonflikte und -bedürfnisse suchen. Ich erkannte, wie bei der Gruppenarbeit und den Workshops die Gruppe zu unserer projizierten Familie wird und wie wir dort jene Rollen ausleben, die wir auch in unserer ursprünglichen Familie innehatten. Wenn wir dies unbewußt tun, verfangen wir uns einfach nur in denselben, immer wiederkehrenden Mustern, bis wir uns schließlich bewußt werden. Haben wir erst etwas Einsicht gewonnen, können wir die Beziehung oder die Gruppe dazu nutzen, diese alten Muster zu heilen und aufzulösen.2 Auf einer gewissen Ebene hatte ich in meiner ursprünglichen Familie die Rolle der emotionalen Krankenpflegerin meiner Eltern übernommen. Ich versuchte ihren Schmerz zu heilen und erwachsen genug zu sein, um nicht von ihnen abhängig zu sein, mir bei der Heilung meines eigenen Schmerzes zu helfen. Und so erschuf ich ein lebenslanges Muster als Heilerin und Fürsorgerin anderer Menschen. Nun begann ich endlich eine Beziehung zu den Gefühlen herzustellen, die ich verschüttet hatte, und ließ sie ans Tageslicht treten. Meine Workshops verändern sich immer mit mir zusammen, und sie spiegeln stets wider, woran ich gerade arbeite. In dieser Phase meines Lebens wurden meine Gruppen emotional immer intensiver. Wir erschufen einen sicheren Freiraum, in dem die Menschen sich Gefühlen hingeben konnten, die sie sich nie zuvor gestattet hatten. Sie zu akzeptieren, auszudrücken und freizulassen. Manchmal war der ganze Raum von hundert oder noch mehr Teilnehmern damit beschäftigt, zu weinen, zu schreien, zu lachen oder was auch immer. Das war eine kathartische und machtvolle Heilungserfahrung. Zu anderen Zeiten dagegen war die Energie sanft und aufbauend, während die Teilnehmer lange verborgene Gefühle der Furcht oder der Trauer herausließen und durch die Gruppe jene Akzeptanz und Liebe erfuhren, die sie als Kind nicht erhalten hatten. Ich erkannte, daß eines unserer Hauptbedürfnisse als Kind darin besteht, unsere Gefühle zu erfahren und auszudrücken und jemanden zu haben, der sie einfach versteht, ohne zu versuchen sie zu unterdrücken oder zu verändern. Ein Kind muß die Möglichkeit haben, seine eigenen ehrlichen Gefühle auch auszudrücken, und es braucht jemanden, der zu ihm sagt (sei es in Worten, sei es auf der reinen Schwingungsebene), »Ja, ich verstehe dein Gefühl.« Und natürlich ist es auch wichtig für ein Kind, ein Elternteil zu haben, das ihm als Vorbild emotionaler Authentizität dienen kann, indem es ehrlich ausdrückt, wie es sich fühlt. Viele Eltern mühen sich so ab, vollkommen zu sein, daß sie es ihren Kindern nicht gestatten, sie als richtige Menschenwesen zu sehen; oder sie haben soviel Probleme mit ihren eigenen, unbefriedigten emotionalen Bedürfnissen, daß sie emotional nicht auch noch für ihre Kinder dasein können. 2
Eines der besten Bücher, die ich zum Thema der Selbstheilung durch Partnerschaften gelesen habe, ist Getting the Love You Want von Harville Hendrix. Obwohl es sich an Ehepaare richtet, enthält es doch wertvolle Erkenntnisse für jedermann.
Viele Kinder fangen, wie ich selbst es tat, schon extrem früh, oft sogar schon als Säugling damit an, für die unbewußten Gefühlsbedürfnisse ihrer Eltern zu sorgen. Selbst die gewissenhaftesten Eltern sind nicht dazu in der Lage, alle emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder zu erfüllen, sich um ihre eigenen zu kümmern und gleichzeitig ihren ganzen weltlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es verlangt sehr viel, für ein Kind zu sorgen, und Eltern sind auch nur Menschen. Auf die eine oder andere Weise lernen die Kinder in unserer Kultur: »Fühle nicht das, was du fühlst. Habe nicht zu viele Bedürfnisse, denn es steht niemand zur Verfügung, um sie zu befriedigen.« Wir vergraben unsere Gefühle und versuchen, dem Bild zu entsprechen, das uns als richtiges Sein vorgestellt wird. Die Nachricht unserer ganzen Kultur lautet: »Fühle nicht zu viel, zu tief, zu intensiv. Gefühle sind gefährlich. Durch sie verlierst du die Kontrolle.« Gefühle verschwinden aber nicht einfach, nur weil wir das wollen oder weil jemand anders sie mißbilligt. Tatsächlich sind Gefühle von unserem Willen völlig unbeeinflußt, und sie sind weder richtig noch falsch, weder gut noch schlecht. Gefühle sind einfach da. Sie sind ein wichtiger Teil unserer selbst. Man kann sie unterdrücken, aber man kann sie nicht ändern oder auflösen. Und wenn man sie unterdrückt, erschaffen sie früher oder später Probleme. Dann brechen sie bei der unpassendsten Gelegenheit mit einer im Vergleich zur ursprünglichen Emotion um ein Vielfaches gesteigerten Intensität aus, oder sie zwingen uns zum Suchtverhalten, wenn sie unseren Körper nicht krank machen (oder alles zusammen tun). Paradoxerweise verändern Gefühle sich von allein, wenn man sie einfach akzeptiert und erfährt und das gilt für alle Gefühle, und sie sollten voll und ganz durchlebt werden. Wenn wir ein Gefühl akzeptieren, geben wir ihm Freiraum und Bewegungsfreiheit. Wenn wir es uns selbst gestatten, unsere Traurigkeit voll zu durchleben, gelangen wir an ein Gefühl des Friedens, dem eine beschwingte Leichtigkeit folgt. Dann ist das Herz offen, und wir empfinden mehr Liebe. Wenn wir es uns gestatten, Wut voll und ganz im Körper zu empfinden und dieses Gefühl akzeptieren und genießen (um ihm, falls erforderlich, auf angemessene Weise Ausdruck zu verleihen), fühlen wir uns gestärkt, bis die Wut schließlich vergeht und wir uns als kraftvoll und gemittet empfinden. Wenn wir es zulassen, unsere Angst und Furcht zu empfinden, und eine Vertrauensperson oder das Universum um Trost und Liebe bitten, fühlen wir uns danach schließlich sicherer und stärker. Auf Workshops erzähle ich den Menschen oft, daß Gefühle wie das Wetter sind - sie verändern sich ständig und sind in ihrer Vielfalt sehr schön. Wenn es stets nur sonnig wäre und dieselbe Temperatur vorherrschte, würden wir so viele der andersartigen und ebenso wichtigen Stimmungen der Existenz verpassen. Und wenn wir uns jedesmal dem Wetter widersetzten, wenn es sich verändert, würden wir ein Leben des Widerstands gegen das Unausweichliche führen, was die meisten von uns ja mit ihren Gefühlen auch tun. Wenn wir es andererseits genießen, im Regen spazierenzugehen oder uns im Bett zusammenzukringeln, während draußen ein Sturm tobt, oder hinauszulaufen und im Schnee zu spielen, können wir das volle Spektrum der Lebenserfahrungen ausleben. Wenn wir es zulassen, alle unsere Gefühle voll auszuleben, erfahren wir dadurch auch die volle Leidenschaft des Lebens. Mutter Während meiner Jahre auf dem spirituellen Weg hatte Mutter sich parallel dazu auf ihrem eigenen entwickelt. Indem sie mich mit Silva Mind Control vertraut gemacht hatte, hatte sie sich selbst zu einer Lehrerin dieser Disziplin ausbilden lassen. Durch Visualisationstechniken hatte sie sich selbst von Arthritis geheilt und mehrere Gallensteine aufgelöst, die der Aussage eines Arztes zufolge operativ hätten entfernt werden müssen. (Als der Arzt die Röntgenaufnahmen vorher mit Gallensteinen und nachher ohne Gallensteine sah, weigerte er sich daran zu glauben und behauptete, daß die Röntgenaufnahmen verwechselt worden sein mußten!) Sie machte auch weiterhin regelmäßig Yoga. Im Jahr nach meiner Rückkehr aus Indien zog sie
sich aus ihrem Beruf als Stadtplanerin im Alter von fünfundfünfzig zurück und ging selbst auf Pilgerschaft nach Indien, wo sie die Vipassana - Meditation studierte und ein Zertifikat als Yoga - Lehrerin erhielt. Von da an führte sie das Leben einer Zigeunerin und war fast ständig auf Reisen. Sie lebte bei Leuten, denen sie als Gegenleistung Yogaunterricht gab, und führte an den verschiedensten Orten Meditations - und Yoga - Klausuren durch. Auf der ganzen Welt machte sie sich Freunde. Im Mai besuchte sie einen abgelegenen Strand in Australien, wo es eine Gruppe wilder Delphine gab, die aus irgendwelchem Grund an den Strand zu kommen pflegten und es den Menschen tatsächlich gestatteten, sie zu berühren und zu füttern. Das war der einzige Ort auf der Welt, wo so etwas seit vielen Jahren regelmäßig geschah. Mom verliebte sich in die Delphine und lernte sie alle einzeln mit Namen und Persönlichkeit kennen. Danach kehrte sie jedes Jahr wieder zurück, um sie zu besuchen, ihre neuen Babys kennenzulernen, und so weiter. Sie wurden zu ihrer Familie. Sie beschrieb die Kontaktaufnahme mit den Delphinen als äußerst glückseliges Ereignis und schrieb ein Buch über ihre Erfahrungen, The Dolphin's Gift. Viele Jahre besaß Mom kein Zuhause. Sie hatte alle ihre Besitztümer eingelagert und kam jedes Jahr für ein paar Monate nach Kalifornien, um mich und ihre Freunde zu besuchen, um sich dann wieder auf den Weg zu machen, sei es, daß sie in den Vereinigten Staaten zeltete, im Pazifik von Insel zu Insel reiste oder ihre geliebten Delphine besuchte. Durch Zelten oder Übernachtung bei ihren vielen Freunden gelang es ihr, dies auch von einer sehr begrenzten Rente zu finanzieren. . Wenn meine Mutter mich besuchte, nahm sie häufig an meinen Workshops und anderen Programmen teil, sowohl als Schülerin wie als Teil des Mitarbeiterstabs. Ich freute mich darüber, daß sie sich so für meine Arbeit interessierte und engagierte, und natürlich waren auch viele Leute von der Tatsache erstaunt und ließen sich dadurch inspirieren, daß ich eine Mutter besaß, die tatsächlich zu meinen Workshops kam. Allerdings gab es auch Probleme. Wir schienen in unserer Beziehung zueinander immer häufiger auf Schmerz und Schwierigkeiten zu stoßen. Mom fühlte sich oft verletzt und war zornig auf mich, weil sie meinte, daß ich sie nicht richtig wertschätzte oder ihr nicht genügend Platz in meinem Leben einräumte. Ich dagegen fühlte mich schuldig und unter Druck gesetzt und reagierte meinerseits mit Ablehnung und Vorwürfen. Unsere Schwierigkeiten wurden dadurch noch kompliziert, daß dies ausgerechnet die Phase war, da meine Mitarbeiter und ich uns alle mit den Schmerzen unserer Kindheit auseinandersetzten und die Gruppe als Ersatzfamilie benutzten. Und es gab auch keinen objektiven, neutralen Vermittler: Ich sollte die Leiterin sein, war aber emotional mit meinen Mitarbeitern verhakt und litt unter meiner eigenen Verwirrung und meinem Schmerz. Meine Mutter da zuhaben intensivierte alles für uns beide. Dean Der nächste Mann in meinem Leben war Dean. Ich lernte ihn auf einem meiner Workshops kennen. (Wo auch sonst? Woanders begegnete ich ja keinen Männern mehr.) Ich fühlte mich sofort von seinen stechenden blauen Augen und seinem blonden, zerklüfteten attraktiven Äußeren angezogen. Er strahlte einen starken sexuellen Magnetismus aus, der mich sofort zu ihm zog. Er war sechs Jahre jünger als ich, ein Bauunternehmer, der den größten Teil seines Lebens als einsamer Wolf zugebracht hatte. Er war außerordentlich sensitiv und medial, und hatte damit begonnen, sich mit spiritueller und medialer Persönlichkeitsentwicklung zu befassen. Dean war für mich in vielerlei Hinsicht ein sehr anderer Mann. Ich hatte mich stets zu Männern mit starker weiblicher Energie hingezogen gefühlt. Die hatte Dean zwar auch, aber er war eben auch ein Macho. Er war ein extrem sensibler, verletzlicher Junge gewesen, der in einer harten Spießerumgebung großgeworden war, weshalb er eine zähe männliche Energie entwickelte, um sich zu schützen. Er hatte jahrelang an der Pipeline in Alaska gearbeitet, war Motorrad gefahren, hatte sich in Kneipen geprügelt und war ganz allgemein so etwas wie ein Desperado gewesen. Und doch erlebte ich ihn als äußerst lieb und gütig. Er hatte nicht allzuviel Zeit mit Frauen
verbracht und war von mir ebenso fasziniert wie ich von ihm. Es waren wirklich Gegensätze, die sich da anzogen. Dean war der einzige Mann, mit dem ich zusammengekommen war, der sein tierisches Selbst voll und ganz zu leben schien - er war sehr physisch und urtümlich orientiert. Er war klug, aber nicht intellektuell. Alle seine Reaktionen kamen direkt aus dem Bauch. Er war extrem ehrlich und neigte dazu, Dinge auszusprechen, die andere zwar empfanden, aber niemals artikulieren würden (was mich zugleich verlegen machte und entzückte). Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, mein Angezogensein von Dean zu akzeptieren. Er war so ganz anders als das Bild, das ich mir vom richtigen Mann gemacht hatte. Nach einer Weile erkannte ich, daß eben dies der Grund dafür war, weshalb ich ihn so sehr mochte. Er stellte das perfekte Gegengewicht zu meinem überintellektuellen, zivilisierten und höflichen Selbst dar und einen Spiegel für die körperlicheren Aspekte meiner selbst, die ich unterdrückt hatte. Ich entdeckte schnell, daß er ein sehr starkes Wesen war und auf seine Weise auch durchaus ein Visionär. Er begriff meine Ideale und empfand sie als inspirierend. Ich vermittelte ihm den Sinn und das Lebensziel, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte, während er mir Erdbetonung und rohe Vitalität sowie zärtliche Liebe schenkte. Er wurde zu meinem Beschützer. Unsere Beziehung zueinander entsprach recht genau dem Archetypus von der Königin und ihrem treuen Ritter. Wir gingen zwei Jahre zusammen. Weil wir beide Workaholics waren, konnten wir einander genügend Freiraum lassen. Tatsächlich verbrachten wir nicht allzuviel Zeit miteinander, die über die Spanne von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens hinausging. Taten wir es einmal doch, gab es auch gleich Schwierigkeiten. Dean hatte eine sehr schwere Kindheit hinter sich und hatte einige sehr tiefsitzende emotionale Wunden davongetragen. Ich ertappte mich dabei, wie ich in meine übliche Mutterrolle verfiel - ich versuchte, seinen Schmerz zu heilen. Zur gleichen Zeit begann mein inneres Kind sehr abhängig von ihm zu werden. Er war genau der starke, schützende, hingebungsvolle Vater, den ich nie besessen hatte. Unsere gegenseitige Abhängigkeit knüpfte starke Bande zwischen uns. Dean war abhängig von Marihuana. Damals hielt ich das für kein allzu großes Problem. Ich war ein Kind der Sechziger - die meisten Leute wußten, daß ich Pot geraucht hatte, und das war keine besonders große Sache. Erst sehr viel später begriff ich, daß Dean und ich ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zueinander hatten. Damals merkte ich jedoch nur, daß es sich immer verrückter anfühlte. Ich fühlte mich in der Beziehung wie im Käfig, und Dean wurde immer besitzergreifender. Als ich mich durch und durch dem Erstickungstod nahe fühlte, begann ich auch mit anderen Männern auszugehen. Dean bekam Eifersuchtsanfälle. Schließlich beendeten wir die Beziehung. Das dauerte mehrere Monate und war äußerst melodramatisch. Einmal warf ich ihn aus einer meiner Gruppen hinaus. Ein anderes Mal bedrohte er einen Mann tätlich, mit dem ich ein Rendezvous hatte. Wir waren so aufeinander angewiesen, daß es sehr lange dauerte, bis wir uns als Liebende voneinander trennen konnten, doch schließlich schafften wir es. Aus unserer Liebesbeziehung wurde eine enge Freundschaft. Dean hörte endlich auf, Pot zu rauchen, was sein ganzes Leben zum Positiven veränderte. Im Laufe der Jahre haben wir miteinander tiefe emotionale Heilung bewältigt. Dean ist inzwischen zu meinem geliebten Bruder geworden und ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Das Ablegen meiner Rolle In dieser Zeit leitete ich ein achtmonatiges Intensivtrainingsprogramm, das sich The Creative Leadership Programm nannte. Ursprünglich war es darum gegangen, Menschen durch einen intensiven, emotionalen Heilungsprozeß zu führen, um es ihnen zu erleichtern, ihre Fertigkeiten und Talente zu entwickeln, damit sie im Leben neue, schöpferische Richtungen einschlagen konnten. Aber meine Mitarbeiter und ich waren so sehr in unserem eigenen Heilungsprozeß befangen, daß wir uns nie richtig an das zweite Ziel machten. Zwar leisteten wir einige sehr tiefgehende und kraftvolle Heilungsarbeit, doch taten wir es eher wie eine Gruppe Kinder, die
durch das Labyrinth unserer Gefühle wanderte. Selbst Stephen, der als Leiter assistierte und stets die Vaterrolle innehielt, die uns allen die erforderliche Sicherheit bescherte, bewegte sich immer mehr auf seine eigenen Gefühle zu. Ich fühlte mich wirklich verwundbar. Es war eine großartige Erleichterung, diesen Teil meiner selbst erfahren und ausdrücken zu können, doch einige Teilnehmer an dem Programm wurden wütend auf mich, weil ich nicht die gute, kompetente Mutter und inspirierende Führerin war, die zu sein ich sie glauben gemacht hatte. Sie fühlten sich von mir betrogen und verlassen. Zu allem Überfluß waren auch einige meiner Mitarbeiter wütend auf mich. Ich hatte die Mutterrolle so stark gespielt, und sie hatten ihrerseits so viele Elternprobleme auf mich projiziert, so daß ich nun Zielscheibe ihrer Wut wurde. Tatsächlich begannen wir nun, uns aus unserer gegenseitigen Abhängigkeit zu lösen, was an sich ein gesunder Vorgang war. Doch der individuelle Prozeß verlangt es meistens, wie es ja auch bei der Loslösung von Heranwachsenden von ihren Eltern der Fall ist, daß man die Schuld beim anderen und nicht bei sich selbst sucht. Für mich war das äußerst schmerzhaft. Tanha, die meine emotionale Hauptstütze gewesen war, sprach monatelang kaum ein Wort mit mir. Stephen zog sich von mir zurück, brauchte seinen eigenen Freiraum. Eine weitere Freundin und Mitarbeiterin, zu der ich jahrelang ein sehr enges Verhältnis gehabt hatte, rief mich aus heiterem Himmel an, um mir mitzuteilen, daß sie nichts mehr mit mir zu tun haben, nicht mehr mit mir reden, und nicht einmal meinen Namen noch hören wollte. Mehrere andere Leute zogen sich ebenfalls zurück. Ich wußte zwar, daß diese Menschen in ihren eigenen Prozessen standen, und ich erkannte auch, daß dies das Karma war, das ich mir zugezogen hatte, indem ich mich als mächtige Führerin aufgespielt hatte. Je mehr die Menschen einem ihre Macht überantworten, um so zorniger werden sie, wenn die Zeit kommt, ihre Macht zurückzunehmen. Doch es nützte mir nicht allzuviel, das zu wissen. Ich fühlte mich sehr allein. Auseinandersetzung mit meinem Schatten Meine Partnerprobleme schienen immer mehr außer Kontrolle zu geraten. Nach meinem Bruch mit Dean hatte ich mehrere weitere Partnerschaften, die sich emotional vernichtend auf mich auswirkten. Allen diesen Beziehungen eigneten bestimmte gemeinsame Faktoren. Alle meine damaligen Partner waren Männer, die auf meine Workshops kamen und ursprünglich um mich warben, um sich überwältigt zurückzuziehen, sobald ich mich für sie öffnete oder mich in sie verliebte. Bei mir hinterließ das Gefühle schmerzlicher Ablehnung und Verlassenheit. Alle diese Männer waren erheblich jünger als ich, und sie waren außerordentlich attraktiv, warmherzig, aufgeweckt und talentiert. Mit jedem von ihnen erfuhr ich eine magische und leidenschaftliche Verbindung. Alle stammten sie aus Alkoholikerfamilien und kämpften mit ihren eigenen Abhängigkeitsproblemen, ob es sich auf Alkohol und / oder Drogen bezog. Ich verfiel natürlich wieder in meine übliche Rolle als Mutter / Heilerin / Fürsorgerin, versuchte sie zu heilen und ihnen dabei zu helfen, ihre Probleme zu lösen, während sie mir kaum zur Verfügung standen, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Offensichtlich war es nicht sehr gut für mich, mit Männern von meinen Workshops auszugehen. Ich hatte das Gefühl, daß sie in mir eine mächtige Göttin sahen, die sie besitzen wollten, ganz zu schweigen von einer Mutterfigur, die ihr Leben für sie in Ordnung bringen konnte. Wurden sie dann jedoch mit einer wirklichen, lebendigen Frau konfrontiert, die intensive eigene Bedürfnisse hatte, waren sie darauf nicht vorbereitet. Ich kannte damals das Konzept der Übertragung noch nicht, bei der ein Schüler seine eigene verkannte Macht und Weisheit auf einen Führer oder eine Führerin projiziert, um sich dann in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben. Ich verfiel der Gegenübertragung, bei der der Lehrer seine eigene verkannte Verletzlichkeit auf den Schüler überträgt und sich seinerseits in sein Spiegelbild verliebt. Ernster daran war, daß ich unentwegt von Männern angezogen wurde, die von irgendwelchen Mitteln abhängig waren und daß ich mich mit ihnen auf eine Rolle gegenseitiger Abhängigkeit
einließ. Das erwies sich als sehr ungesund, sowohl für mich selbst als auch für sie. Diese Beziehungen waren äußerst schmerzhaft für mich, und ich schien in einem nicht enden wollenden Zyklus festzusitzen. Auf der einen Seite gab es Augenblicke solch tiefer Verbundenheit und Glückseligkeit, daß ich alles getan hätte, um diese Erfahrung festzuhalten oder zu ihr zurückzukehren. Auf der anderen Seite jedoch blieben meine Bedürfnisse die meiste Zeit unbefriedigt, und ich vergeudete vergeblich gewaltige Mengen an Energie darauf, die Dinge zu richten. Und dabei aktivierte ich wieder nur mein altes Kindheitsmuster wiederholten Verlassenwerdens. Ich mußte mich der Tatsache stellen, daß meine Beziehungen einen starken Suchtcharakter hatten. Mir wurde klar, daß ich, von wenigen kurzen Phasen abgesehen, seit meinem sechzehnten Lebensjahr stets eine Beziehung gehabt hatte. In mir war ein schmerzhaftes Gefühl der Leere, das ich zu vermeiden suchte, indem ich nach einem Mann Ausschau hielt, der mich liebte. Da ich meine Partnerbeziehungen überhaupt nicht mehr zum Funktionieren bringen konnte, mußte ich mich schließlich dem Schmerzenskern in meinem Inneren stellen und mich dort hineinbegeben. Es war die schwierigste Aufgabe, die ich je zu bewältigen hatte. Ich wollte dieses Gefühl um jeden Preis vermeiden und hätte es auch getan, wenn es einen Ausweg gegeben hätte. Doch das Leben hatte alles so arrangiert, daß mir keine andere Wahl blieb. Ich durchlebte die Schmerzenstiefe meines verängstigten, hilflosen, bedürftigen inneren Kindes. Nicht nur daß ich durch meinen Vater und andere Vaterfiguren (die Liebhaber meiner Mutter) das Verlassenwerden erfahren hatte, der allgemeine Mangel an männlichen Gestalten in meinem frühen Leben hatte dazu geführt, daß ich mich nach männlicher Energie, Liebe und Aufmerksamkeit sehnte. Ich empfand tiefe Scham und ein Gefühl der Wertlosigkeit, wenn mein inneres Kind die Zurücknahme von Liebe und Aufmerksamkeit als Reaktion auf meine eigenen Unzulänglichkeiten interpretierte.3 Und die Tatsache, daß ich schon in jungen Jahre so erwachsen geworden war und soviel Verantwortung hatte tragen müssen, hatte dazu geführt, daß viele Bedürfnisse meines kindlichen Selbst nach Fürsorge und Verspieltheit unerfüllt geblieben waren. Ich erkannte, daß mein Kindselbst und meine weibliche Seite von dem Gefühl der Ablehnung und des Verlassenwerdens zutiefst verwundet waren, weshalb ich sie unterdrückt und verschüttet hatte. Meine männliche Seite dagegen war sehr stark entwickelt - ich war gewissermaßen mein eigener Mann geworden. In meiner männlichen Energie fühlte ich mich sehr stark, es war meine Fähigkeit, dem nachzugehen, was ich wollte, und es geschehen zu machen. Auf der weiblichen Seite dagegen fühlte ich mich völlig verohnmachtet in meiner Fähigkeit, das, was ich brauchte und wollte, anzuziehen und anzunehmen. Deshalb griff ich stets auf meine männliche Seite zurück, um Dinge zu bewältigen, während meine weibliche Seite leer und unerfüllt blieb. In dieser Zeit erhielt ich eine mediale Beratung von einer anderen Freundin, die etwas channelt, was meinem Gefühl nach eine außerordentlich hochrangige Führung sein muß. Sie sagte mir, daß ich in meinen Beziehungen immer wieder aufs neue gespielt und erfahren hatte, was ich als Kind empfunden hatte, als die Verbindung zu meinem Vater unterbrochen wurde. Damals, so sagte sie, hatte ich eine völlige Hoffnungslosigkeit darüber empfunden, daß meine Bedürfnisse jemals befriedigt werden könnten, und hatte das Verlangen gehabt, zu sterben. Ich hatte nicht nur dieses hilflose Gefühl unterdrückt, sondern es auch dadurch kompensiert, daß ich eine Persönlichkeit erschuf, die stark genug war, um alles zu bewältigen. Das unterschwellige Lebensthema meiner Persönlichkeit war: »Irgendwie, eines Tages, werde ich doch bekommen, was ich brauche.« Interessanterweise hatte ich es geschafft, absolut alles zu erschaffen, was ich im Leben wollte, bis auf das, wonach ich mich am meisten sehnte - eine gute Beziehung zu einem Mann. Sie versicherte mir auch, daß ich schließlich alles haben würde, was ich wollte, wenn ich dieses Problem durchlebte und löste. 3
Seitdem habe ich ein ausgezeichnetes Buch zu diesem Thema gelesen: Healing the Shame that Binds You von John Bradshaw.
Diese Beratung traf mich sehr hart, aber ich spürte, daß sie richtig war; ich war endlich bis zu dem Ort der Verzweiflung vorgestoßen, den ich mein ganzes Leben lang zu fühlen vermieden hatte. Es war, als hätten mich alle meine Beziehungen immer näher an diesen finstersten der inneren Orte herangeführt. Ich wußte, daß es an der Zeit war für mich, dieses verwundete Kind in meinem Inneren zu lieben und für es zu sorgen. Das war die schwierigste Zeit meines Lebens. Ich lebte allein, einige meiner besten Freunde und Freundinnen waren mir entfremdet, meine Beziehungen zu Männern waren ein Scherbenhaufen, und ich wurde mit meiner tiefsten Verzweiflung konfrontiert. Im gleichen Ausmaß, wie ich mich mit dem Lichten, dem Machtvollen, dem Spirituellen identifiziert hatte, mußte ich mich nun in meine eigene Finsternis und Angst hineinwagen. Es war wahrhaftig die dunkle Nacht meiner Seele. Integration Es war mir immer sehr viel leichter gefallen, Hilfe und Unterstützung zu geben, als sie zu empfangen. Jetzt wußte ich, wie sehr ich ihrer bedurfte und griff danach, so sehr ich konnte. In den nächsten Jahren waren es zwei Haupteinflüsse, die mir halfen und mich heilten - die Zwölf Stufenprogramme und der Prozeß des Stimmendialogs. Die Zwölf - Stufen - Programme Ich hatte mehrere enge Freunde, die bei den Anonymen Alkoholikern aktiv gewesen und im Laufe der Jahre auch andere Zwölf - Stufen - Programme bearbeitet hatten. Mir hatte immer gefallen, was ich davon hörte, und ich meinte, daß die Zwölf Stufen auch zu dem paßten, was ich lehrte. In der Qual meines Versuchs, mich mit meinen schmerzhaften Partnerschaftsmustern auseinanderzusetzen, begann ich diese Programme genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich las Bücher über Alkoholismus und Sucht, suchte Versammlungen auf und nahm einen Berater in Anspruch, der besonders diese Probleme bearbeitete. Obwohl es in meiner Familie keinen Fall von Alkoholismus gab, erkannte ich, daß die Beschreibung des Mitabhängigen voll auf mich zutraf - also jener Person, die von Beziehungen zu Abhängigen abhängig ist. Mitabhängige konzentrieren sich darauf, anderen bei ihren Problemen zu helfen, damit sie sich auf diese Weise ihren eigenen nicht stellen müssen. In gewisser Weise sind wir in dieser Kultur alle im Prinzip mitabhängig. Gegenseitige Abhängigkeit ist etwas Natürliches. Sie ist Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Liebe und des Kontaktes zueinander. Bei einer Mitabhängigkeit jedoch lernen wir nicht, unseren Bedürfnissen unmittelbar zu entsprechen, sondern versuchen statt dessen unbewußt, uns um die Bedürfnisse anderer zu kümmern, wohinter die versteckte Hoffnung lauert, daß sie sich ihrerseits unserer Bedürfnisse annehmen werden. Wenn ich also jemandem mit seinen Problemen helfe und ihm viel Unterstützung und Verständnis gebe, soll er mich umgekehrt ebenfalls lieben und wertschätzen und mich nie im Stich lassen. Das Problem daran ist nicht die Fürsorglichkeit, sondern die Tatsache, daß es unbewußt stattfindet, mit verborgenen Plänen und Motiven. Mitabhängigkeit führt dazu, daß man sich in Partnerbeziehungen wie im Käfig fühlt. Wir haben eine unbewußte, aber sehr mächtige Vereinbarung mit uns selbst getroffen, uns um andere Menschen zu kümmern und ihnen zu gefallen, was jedoch impliziert, daß wir nicht die Freiheit besitzen, uns selbst zu gefallen und uns um unsere eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Deshalb fühlen wir uns in der Falle und entwickeln vorwurfsvolle Empfindungen, fürchten uns aber andererseits davor, die Partnerschaft aufzugeben, weil wir ja abhängig davon sind, daß der andere unseren Bedürfnissen entspricht. Mitabhängigkeit beginnt bereits in der Kindheit, wenn wir damit anfangen, die unbewußten, unbefriedigten emotionalen Bedürfnisse unserer Eltern zum Ziel unserer Bemühungen zu machen. Ich glaube, daß unbefriedigte Kindheitsbedürfnisse und Mitabhängigkeit die Ursache der Sucht sind. Manche Menschen werden süchtig nach Drogen oder Essen, um die innere emotionale Leere auszufüllen und der Isolation oder dem Gefühl des Gefangenseins zu
entfliehen, das sie in ihrer Beziehung zu anderen Menschen haben. Manche Menschen werden süchtig danach, anderen zu helfen, weil sie sich davon erhoffen, auf diese Weise die Liebe und den Kontakt zu erhalten, die sie brauchen, und gleichzeitig die Kontrolle zu behalten. Ich erkannte, daß ich zugleich eine mitabhängige Helferin und ein Workaholic war. Beide paßten nahtlos zueinander, da es in meiner Arbeit ja darum ging, anderen Menschen zu helfen. In meiner Freizeit konnte ich dann versuchen, meine Liebhaber und Freunde zurechtzubiegen, in der Hoffnung, daß ich dann keine Zeit mehr übrig hätte, um mich mit meiner eigenen Einsamkeit und meinem Schmerz auseinanderzusetzen. Wie immer war diese Erkenntnis nur ein erster Schritt zur Lösung des Problems. Ich mußte noch mehrere Jahre damit verbringen, mich dabei zu beobachten, wie ich immer wieder ähnliche Muster wiederholte, jedesmal mit etwas weniger Selbstverleugnung und etwas mehr Bewußtheit, Selbstverzeihung und Selbstliebe. Die Zwölf - Stufen - Programme stellten einen genialen und wirkungsvollen Pfad zur Selbstheilung dar. Ich glaube, daß die Idee den Anonymen Alkoholikern, als diese in den Dreißiger Jahren gegründet wurden, von einer wahrhaft höheren Quelle gechannelt wurde. Und sie entwickelt sich ständig weiter: In den letzten Jahren hat die Arbeit der A.C.A. (Adult Children of Alcoholics; Erwachsene Alkoholikerkindern; Anm. d. Übs.) Generationen von Menschen zu einer neuen Bewußtseinsstufe verholten. Wir sind alle von irgend etwas abhängig, und heutzutage gibt es für jedermann mindestens ein Zwölf - Schritte - Programm! Außer den Anonymen Alkoholikern gibt es noch Al - Anon (für die Ehepartner, Familien oder Freunde von Alkoholikern oder Suchtabhängigen), Narcotics Anonymous, Cocaine Anonymous, Overeaters Anonymous, Co - Dependents Anonymous, Sex Addicts Anonymous, Workaholics Anonymous, und so weiter. A.A. und Al - Anon gibt es mittlerweile fast in jeder Gemeinde im ganzen Land. (Schauen Sie im Telefonbuch nach, wenn Sie Kontakt dazu aufnehmen; außerhalb der Treffen bleibt Ihre Identität gewahrt.) Ich habe die Erfahrung gemacht, daß manche Versammlungen besser sind als andere, aber alle besitzen sie eine Atmosphäre bedingungsloser Liebe und Akzeptanz. Die Grundprinzipien sind überall die gleichen, und sie funktionieren auch, wenn Sie sie nur nutzen. Ich persönlich hege eine besondere Zuneigung zu den drei Schritten und wende sie ständig im Leben an. Dies ist die Zusammenfassung meiner Interpretation dieser Schritte: 1. Ich gebe zu, daß ich keine Macht über dieses Problem (oder diese Sucht, diese Situation) besitze. Ich habe versucht, es auf jede erdenkliche Weise zu lösen und scheine keinerlei Erfolg zu haben. Ich fühle mich in der Klemme und hilflos. 2. Ich erkenne, daß es im Universum eine Macht gibt, die größer ist als ich. 3. Ich überantworte dieses Problem dieser Höheren Macht und bitte sie darum, es auf die bestmögliche Weise zu meinem höchsten Guten und zum höchsten Guten aller Beteiligten zu lösen. Ich bin der Auffassung, daß die Zwölf - Stufen - Programme für die heutige Welt einen wichtigen spirituellen Weg aufzeigen und dazu führen werden, daß immer mehr Menschen Zugang zu ihrer eigenen spirituellen Quelle finden, mehr als alle ändern Möglichkeiten. Tatsächlich sehe ich eine Zeit voraus, da es in jeder Gemeinde der Welt Versammlungen nach dem Muster der Zwölf - Stufen - Treffen geben wird, an denen alle teilnehmen werden. Die Atmosphäre ehrlichen Teilens und wahrer, bedingungsloser Liebe wird in allen die innere Ganzheit wieder herstellen und zu einem Gefühl der Gemeinsamkeit miteinander und mit der ganzen Welt führen. A.A. sind rein und unverfälscht geblieben, weil sie keinen Führer haben. Ich habe den Eindruck, daß spirituelle Bewegungen oft entweder von der Egopersönlichkeit ihrer Führer oder jener Menschen korrumpiert werden, die sie nach dem Tod des ursprünglichen Führers weiterzuleiten versuchen. Es scheint nur passend, daß die fundamentale, an den Wurzeln ansetzende Erleuchtung des
Planeten von jenen Menschen herrührt, die willens sind, sich ihrer eigenen tiefsten Finsternis zu stellen. Das ist der Weg des Shiva - der tantrische Pfad. Die Reise ins Licht kann nur durch die Mitte unserer Finsternis führen. Stimmendialog Tanha schilderte mir einmal eine interessante Arbeit, die ihre Therapeutin mit ihr durchgeführt hatte, und sie gab mir ein Büchlein, um die Technik darin nachzulesen. Dieser Prozeß nennt sich Stimmendialog und er wurde von zwei Therapeuten entwickelt - Dr. Hai Stone und seiner Frau Dr. Sidra Winkelman. Kaum hatte ich mit der Lektüre angefangen, als ich einen Schwall der Erregung spürte, den ich stets nur dann erlebe, wenn ich weiß, daß ich in Kontakt zu etwas getreten bin, das für mich sehr wichtig ist. Ich hatte das gleiche Gefühl damals, als ich Shirleys Gruppe zum ersten Mal aufsuchte. Stone und Winkelman wiesen darauf hin, daß jeder von uns in seinem Inneren viele verschiedene Unterpersönlichkeiten besitzt, und daß jede dieser Unterpersönlichkeiten eine außerordentlich wirkliche und verschiedenartige Energie mit eigenen Funktionen und Bedürfnissen, Verlangen und Standpunkten ist. Häufig befinden wir uns nur deshalb mit uns selbst in Konflikt, weil unsere unterschiedlichen Unterpersönlichkeiten Streit miteinander haben. Da wir uns dessen in der Regel mehr oder weniger unbewußt sind, begreifen wir diese inneren Konflikte auch nicht und wissen nicht, wie wir sie lösen können. Das hat zur Folge, daß wir in unserem Verhalten nur wenig wirklich freie Wahl haben - wir sind vielmehr alledem ausgeliefert, was eine dieser Unterpersönlichkeiten gerade unter ihre Kontrolle bringt, um uns in eine bestimmte Richtung zu drängen. Die meisten von uns besitzen eine bestimmte Gruppe von .Unterpersönlichkeiten, die die meiste Zeit unser Leben kontrollieren. Es gibt auch eine entgegengesetzte Gruppe von Unterpersönlichkeiten, die aber unterdrückt wird und nie sonderlich viel Ausdruck erfährt. Oft kämpfen die unterdrückten Energien um Freilassung, während die vorherrschenden Selbste verzweifelt alles versuchen, um die Kontrolle zu behalten. So besitzt beispielsweise ein Mann, der ein sehr geordnetes, konservatives Leben führt, dominante Unterpersönlichkeiten, die rational denken und verantwortungsbewußt sind. Zudem besitzt er einige unterdrückte Unterpersönlichkeiten, die lieber freier, spontaner und emotionaler wären, wenn sie dazu Gelegenheit erhielten. Diese treten vielleicht gelegentlich ans Tageslicht, wenn er sich verliebt, oder nachdem er etwas getrunken hat, doch meistens werden seine dominierenden Selbste sich damit beeilen, alles so schnell wie möglich wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Oder stellen wir uns eine Frau vor, die bisher als Ehefrau und Mutter gelebt hat, aber nun ein Verlangen nach einem Beruf entwickelt. Dies kann zu einem schmerzlichen Konflikt zwischen ihrer dominierenden Unterpersönlichkeit - der pflichtbewußten Hausfrau - und der neu auftauchenden Unterpersönlichkeit der Karrierefrau führen. Das Nestbauer - Selbst sieht in der Karrierefrau vielleicht ein selbstsüchtiges Wesen, das die Sicherheit der Familie aufs Spiel setzt, während die Karrierefrau die Nestbauerin als altmodisch und festgefahren sieht. Keine Seite hat recht oder unrecht, denn beide sind wichtige und notwendige Teile derselben Person. Der Stimmendialog ist eine Technik, um unsere verschiedenen Unterpersönlichkeiten zu identifizieren und kennenzulernen. Er erschließt uns die Möglichkeit, uns all der verschiedenen Energien in unserem Innern voll bewußt zu werden und schließlich echte Wahlmöglichkeiten zu entwickeln, wie wir sie miteinander ins Gleichgewicht bringen wollen. Bei der Stimmendialogarbeit wird ein ausgebildeter Berater die verschiedenen Unterpersönlichkeiten oder Stimmen des Klienten hervorholen und führt Dialoge mit ihnen, um dem Klienten dabei zu helfen, einen Bewußtseinsstandpunkt einzunehmen, von dem aus er die verschiedenen Selbste objektiv beobachten kann. Es führt beim Klienten beinahe sofort zu einem gesteigerten Bewußtsein und zur Fähigkeit, die eigenen inneren Stimmen voreinander zu unterscheiden. Diese Technik wurde teilweise aus der Jungschen Tiefenanalyse, der Gestalttherapie, der
Transaktionsanalyse, der Psychosynthesis und anderen wirkungsvollen Therapien entwickelt. Meiner Meinung nach haben Stone und Winkelman das beste dieser verschiedenen Systeme miteinander verbunden und daraus ein Bewußtseinsmodell entwickelt, das das klarste, vollständigste und effizienteste ist, dem ich je begegnet bin. Nachdem ich das erste Mal über den Stimmendialog gelesen hatte, war ich sehr aufgeregt, weil dies so viele Dinge erklärte und verständlich machte, die ich bereits in meinem eigenen Inneren entdeckt hatte. Und wie immer, wenn mich etwas in Erregung versetzt, beschließe ich sofort, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Eine Freundin, die Hai und Sidra kannte, arrangierte eine Begegnung. Sie gefielen mir auf Anhieb, und seitdem haben wir eine tiefe Freundschaft aufgebaut. Hai ist ein brillanter und innovativer Denker, Lehrer und Therapeut. Sidra ist warmherzig, weise und außerordentlich aufmerksam. Gemeinsam haben sie ein wunderschönes Gleichgewicht aus männlichen und weiblichen Energien hergestellt. Etwas, das mich an ihnen beeindruckte, war ihre Integration - sie haben ihre Macht und Kraft auf natürliche Weise mit ihrer Menschlichkeit ausgewogen. Sie sind mir wundervolle Freunde und Lehrer geworden, und ich bin sehr dankbar dafür, daß sie in mein Leben eingetreten sind. Je mehr ich über den Stimmendialog erfuhr und je mehr ich ihn selbst einsetzte, um so beeindruckter war ich von seiner Effizienz. Es war erstaunlich, wie der Prozeß, den Stimmen wirklich zu lauschen und es ihnen zu gestatten, sich voll auszudrücken, sofort jene Muster zu verändern begann, die ich oder jemand anders, mit dem ich arbeitete, seit Jahren vergeblich angegangen war. Eins der wichtigsten Prinzipien des Stimmendialogs ist es, daß der Berater jeder Stimme auf akzeptierende, urteilsfreie Weise zuhört, egal was die Stimme zu sagen haben mag. Seine Funktion ist in etwa die eines objektiven Interviewers, der die Unterpersönlichkeit dazu ermutigt, ihre Gefühle und Ansichten vollständig und ungehindert zu artikulieren. Das ermutigt zugleich den Klienten, alle seine Selbste besser zu akzeptieren, selbst jene, die er in der Vergangenheit vielleicht als schlecht oder falsch verurteilt haben mag. Es scheint, als ob die Unterpersönlichkeiten vor allem das Bedürfnis haben sich auszudrücken, angehört und verstanden zu werden. Bei der Stimmendialogarbeit versucht der Berater nicht, für oder mit dem Klienten irgend etwas zu ändern oder aufzulösen. Er ermutigt lediglich alle Selbste des Klienten sich ehrlich zu artikulieren und gehört zu werden. Der erste Schritt besteht darin, daß der Klient sich all der verschiedenen Unterpersönlichkeiten bewußt wird, von denen einige im Streit mit anderen liegen mögen; so kann es auch geschehen, daß er eine Weile in dem Bewußtsein um diesen Konflikt leben muß, ohne eine sofortige Lösung parat zu haben. Die Lösung kommt auf natürliche Weise durch gesteigertes Bewußtsein. Wenn es den dominierenderen Stimmen gestattet wird, sich voll zu artikulieren, scheinen sie sich ein wenig zu entspannen und ihr Bedürfnis nach Kontrolle abzumildern. Das läßt den verkannten oder weniger entwickelten Selbsten mehr Freiraum, um vorzutreten und sich auszudrücken. Und das wiederum bringt ganz automatisch mehr Ausgewogenheit und Integration in das Leben des Menschen. Am wichtigsten ist dabei, daß der Klient, sobald er seine eigenen Unterpersönlichkeiten klar und deutlich vernimmt, sich selbst als ein Wesen erkennt, das von allen diesen Stimmen getrennt ist. Der Berater hilft ihm dabei, ein sogenanntes bewußtes Ego zu entwickeln - einen Teil seiner selbst, der mit keiner der Stimmen identifiziert wird, aber im Leben zu wahrer, bewußter Entscheidungsfähigkeit finden kann. Hai benutzt folgende Analogie: Bevor wir das Bewußtsein dieser Stimmen entwickeln, ist unsere Persönlichkeit wie ein Auto, während die Unterpersönlichkeit immer dann, wenn sie will, Kontrolle über das Lenkrad ergreift, während wir im Kofferraum eingeschlossen sind! Haben wir uns erst einmal diesen Prozeß bewußt gemacht, ist es unser bewußtes Ego, das den Wagen fährt, und sich nur dann bewußt für eine bestimmte Richtung entscheidet, nach der es einer der Unterpersönlichkeiten verlangt, wenn ihm dies angemessen erscheint.
Wenn wir uns dessen beispielsweise nicht bewußt sind, kann unser rebellisches Kind in uns plötzlich das Steuer des Wagens packen und uns in den Pfad der Selbstvernichtung lenken, ohne daß wir die bewußte Wahl hätten. Haben wir aber erst einmal den Dialog zu diesem rebellischen Kind hergestellt, und auch mit dem strengen Elternteil, gegen das es sich auflehnt, und haben wir uns von beiden ein Stück losgelöst, so kann unser bewußtes Ego Entscheidungen fällen, einige der Dinge zu tun, die das rebellische Kind mag, doch zur richtigen Zeit, ohne damit unser ganzes Leben zu vernichten! Hai war mir dabei behilflich, den Unterschied zwischen Bewußtsein und Spiritualität zu erkennen. Unsere spirituelle Natur ist ein Aspekt unserer selbst, den wir entweder verkannt oder entwickelt haben mögen. Bewußtsein dagegen ist das Wissen um alle Aspekte unseres Selbst. Deshalb kann man spirituell zwar hochentwickelt sein, sich aber immer noch vieler der polarisierten Energien im eigenen Inneren unbewußt sein, wenn man sich hauptsächlich mit dem spirituellen Selbst identifiziert; dann wissen wir nichts um unser Instinkt - und Sexualselbst, um unseren Zorn oder um unser gewöhnliches Alltagsmenschenselbst. Viele der New Age - Leute befinden sich in ebendiesem Dilemma. Sie haben zwar ihre Spiritualität entwickelt, nicht aber ihr Bewußtsein. Ein bewußter Mensch ist jemand, der sämtliche Aspekte seines Wesens kennt und ihre Weiterentwicklung betreibt. Durch die Arbeit mit Hai und Sidra begriff ich, warum mir die meisten spirituellen und psychologischen Disziplinen beschränkt erschienen waren: Sie fördern zwar die Entwicklung bestimmter Aspekte unserer selbst, doch nicht aller. Deshalb mußte ich selbst auch so viele verschiedene Disziplinen durchlaufen, weil jede davon einen Teil meiner selbst kultivierte. Ich war hocherfreut, Hals und Sidras Erkenntnis übernehmen zu können, die sämtliche Polaritäten umfaßt und alle Energien in uns integriert. Meine Erfahrungen mit dem Stimmendialog bestätigten das Bild, das ich mir bereits von der Beziehung zwischen Seele und Persönlichkeit gemacht hatte, und auch die herausragende Bedeutung des Kind - Selbst in Beziehung zu diesen beiden. Die spirituelle Essenz nimmt menschliche Gestalt an und wird als Kind geboren. Da das Kind extrem sensibel und verletzlich und die Welt kein besonders sicherer oder bequemer Ort ist, entwickelt es sofort Abwehr - und Überlebensmechanismen - Verhaltensweisen, durch die es sich schützen und gewährleisten kann, daß seine Bedürfnisse erfüllt werden. Diese unterschiedlichen Mechanismen werden zu den verschiedenen Selbsten oder Unterpersönlichkeiten und bilden zusammen die Grundstruktur der Persönlichkeit selbst. Schließlich wird das Kind - und mit ihm die spirituelle Essenz - meist unter der immer komplexer und starrer werdenden Persönlichkeitsstruktur begraben, die es zu beschützen versucht. Es ist ein wenig so, als wollte man jemanden dadurch beschützen, daß man ihn in eine Metallkiste sperrt und dreißig Meter unter dem Boden vergräbt. Das ist zwar ein wirkungsvoller Schutz, aber auch eine extreme Einengung. Deshalb ist es so wichtig, das innere Kind in uns wiederzuentdecken und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auszudrücken. Wenn wir die wahren Gefühle und Bedürfnisse dieses Kindes entdecken und damit beginnen, bewußt und wirkungsvoll für es zu sorgen, stellen wir fest, daß der größte Teil unserer alten, starren Verteidigungssysteme nicht mehr erforderlich ist, und wir beginnen lockerer zu werden und loszulassen. Das Kind erwacht zu neuem Leben und beschert uns emotionale Tiefe und Echtheit, Spontaneität, Unschuld und Freude. Durch das Kind stellen wir wieder die Verbindung zu unserer Seele her, zur Essenz unseres Seins. Dann stehen wir einmal mehr in Kontakt zum universalen Geist, zur Einheit allen Lebens. Hai und Sidra wiesen mich darauf hin, daß wir tatsächlich die Energien vieler verschiedener Kind - Selbste in uns tragen. Wir haben nicht nur ein Kind für jedes Alter, das wir erlebt haben, jedes Kind hat zudem viele verschiedene Aspekte. Hier sind einige von ihnen aufgelistet: Das verletzliche Kind stellt den Gefühlskern unseres Wesens dar. Hier befinden sich unsere allertiefsten Gefühle und es ist extrem sensibel, sehr liebevoll und leicht zu verletzen und zu verschrecken. Es lebt tief in unserem Inneren, und ob wir uns seiner bewußt sein mögen oder nicht, es reagiert unentwegt auf alles, was uns widerfährt, nach dem Maßstab, ob es sich sicher
und geliebt fühlt oder bedroht, abgelehnt oder verlassen. Es braucht sehr viel Liebe, Fürsorge und Bestätigung. Das verspielte Kind ist jener Teil in uns, der weiß, wie man Spaß hat. Es liebt das Spiel und das Lachen und freudige Zeiten und sucht immer nach Möglichkeiten, dies zu erleben. Manche Erwachsene haben es geschafft, die Verbindung zu ihrem verspielten Kind aufrechtzuhalten, sie sind es, die es verstehen sich zu vergnügen (obwohl sie bei allzu großer Identifikation damit vielleicht zur Verantwortungslosigkeit neigen). Das magische Kind ist jener Teil in uns, der in Kontakt zu den unsichtbaren Kräften des Universums steht. Meistens liebt es die Natur, wo es mit Elfen, Feen und den Geistern der Pflanzen und Tiere in Verbindung treten kann. Vielleicht liebt es aber auch spezielle Werkzeuge und Rituale wie magische Stäbe, Tarotkarten, Kristalle, und so weiter. Das kreative Kind liebt es, sich selbst ungehindert auszudrücken, und es fürchtet sich auch nicht davor, Neues auszuprobieren. Es tanzt gern, singt, zeichnet oder malt, spielt gerne Trommeln oder andere Musikinstrumente. Es hat auch eine Vorliebe für Phantasiespiele. In unserer Kultur wird das kreative Kind oft schon sehr früh durch Kritik von außen unterdrückt und schließlich auch durch den Kritiker im Innern. Das weise Kind steht in enger Verbindung zur Seele. Es ist jener Teil von uns, der die Wahrheit sieht und erkennt. Wir alle sind gefordert, bewußt für die Bedürfnisse dieser inneren Kinder zu sorgen und sie in der Welt zu beschützen. Dann können wir nach und nach einige unserer alten, unbewußten Verteidigungsmuster loslassen. Wenn die inneren Kinder aufblühen, ermöglichen sie uns die Erfahrung von Gefühl und Leidenschaft, Nähe, Vergnügen, Magie und innerer Weisheit. Die Reihe innerer Charaktere, die die meisten von uns als Schutzmechanismen entwickelt haben, um unser Überleben in der Welt zu sichern, liest sich in etwa folgendermaßen: Der Beschützer - Kontrolleur ist eine konservative Stimme in uns, die uns zu schützen versucht, indem sie sichergeht, daß wir uns an die richtigen Regeln halten und uns angemessen benehmen, so daß wir unsere Sicherheit nicht in Gefahr bringen. Der Gefällige will sichergehen, daß wir uns stets so verhalten, daß alle uns mögen, unser Tun billigen und niemals auf uns wütend werden. Er ist ein Experte darin, zu spüren, was andere Menschen wollen und es ihnen zu geben. Der Perfektionist in uns hat ein Idealbild davon, wie wir aussehen und handeln sollten und will, daß wir diesem Ideal stets entsprechen. Er ist sich meistens nicht im geringsten darüber im klaren, daß das, was er verlangt, häufig menschenunmöglich ist. Der Antreiber treibt uns dazu, soviel zu erreichen, wie wir können. Er liebt es, Listen mit Aufgaben aufzustellen und meint, daß das wichtigste im Leben sei, alles erledigt zu bekommen. Auch er weiß meistens nicht, daß er damit das Unmögliche verlangt, und er hat keinerlei Gespür dafür, daß auch andere Dinge im Leben eines Menschen wichtig sein können, beispielsweise Nähe oder Unverkrampftheit. Der Kritiker informiert uns ständig darüber, was wir alles falsch machen, was wir nicht erreicht haben, welche Fehler wir begangen haben und im Augenblick begehen oder wahrscheinlich in der Zukunft machen werden, wie schrecklich wir aussehen und wie unzulänglich wir doch im allgemeinen sind. Vieler Menschen Leben wird unbewußt von ihrem Kritiker (oder aus einer Kombination von Perfektionist - Antreiber - Kritiker) beherrscht. Es ist eine große Erleichterung, sich des Kritikers bewußter zu werden und Distanz zu ihm herzustellen, und zu erkennen, daß die meisten seiner Aussagen nicht zwangsläufig richtig sein müssen. Es gibt eine unendliche Zahl von Unterpersönlichkeiten, und jede besitzt ihre eigenen Varianten. Es folgt nun eine willkürliche Zusammenstellung einiger dieser Unterpersönlichkeiten, die bei manchen Menschen hochentwickelt, bei anderen dagegen relativ oder total verdrängt werden mögen: die gute Mutter / der gute Vater, der Rebell, der Hedonist, das rationale Selbst, das sexuelle Selbst, der Abenteurer, der Künstler, die zornige Stimme, der spirituelle Sucher, und so weiter.
Mit Hilfe des Modells von den Unterpersönlichkeiten und des Stimmendialogs leisten Hai und Sidra weiterführende und innovative Arbeit in der Partnertherapie. Eines ihrer Grundprinzipien lautet, daß wir uns von unserem polaren Gegensatz angezogen fühlen - zu manchen also, die eben jene Energie manifestieren, die wir unterdrückt oder verleugnet haben. Wenn wir erst einmal erkannt haben, welches in uns verkannte Selbst der andere widerspiegelt, und wenn wir mit Hilfe des Stimmendialogs eine Beziehung zu diesem Teil unserer selbst hergestellt haben, verlagern sich unsere Partnerprobleme und lösen sich auf. Die partnertherapeutische Arbeit der beiden ist brillant und hat mir sehr viel weitergeholfen. Es ist an dieser Stelle unmöglich, ihren ganzen theoretischen Überbau zu beschreiben; deshalb empfehle ich die Lektüre ihrer Bücher, die inzwischen vom Verlag New World Library veröffentlicht wurden. Embracing Our Selves (eine grundlegende Einführung in den Stimmendialog) und Embracing Each Other (Einsatz der Technik des Stimmendialogs zur Behandlung von Partnerschaftsproblemen) von Hai Stone Ph.D. und Sidra Winkelman Ph.D. Durch den Stimmendialog wurde mir klar, daß die beiden Hauptselbste, mit denen ich mich identifizierte, mein Mutter - und mein Lehrer / Heiler / Therapeuten - Selbst waren. Die Funktion meines Mutter - Selbst war es, für die anderen Menschen in meiner Umgebung zu sorgen. Mein Lehrer - Selbst war eine erweiterte Version davon, dessen Funktion darin bestand, fürsorglich zu sein, zu heilen und jeden Menschen auf der Welt zu transformieren. Das verborgene, unbewußte Motiv hinter alledem lag natürlich darin, die Bedürfnisse meines eigenen inneren Kindes zu befriedigen. Indem ich alle anderen liebte und heilte, hoffte es darauf, daß sie mich alle lieben würden, und daß sie dann später, wenn sie erst einmal erwachsen und glücklich und gesund wären, endlich dazu in der Lage wären, auch für mich zu sorgen! Ich erkannte, daß meine unbewußte Identifikation mit dem Mutter / Lehrer - Selbst andere Menschen polarisierte, bis sie die Kind / Schüler - Rolle übernahmen. In einer darauf ausgerichteten Situation wie einem Workshop war das zwar in Ordnung, mußte aber frustrierend werden, wenn es mit meinen Freunden, Geschäftspartnern und Liebhabern passierte! Nicht nur daß ich in diesem Rollen verhalten gegenüber anderen Menschen festgefahren war, es führte auch dazu, daß andere Teile meiner selbst keine allzu große Gelegenheit erhielten, sich auszudrücken - mein Kind, meine Heranwachsende, mein Freigeist, mein normales Mädchen, um nur einige zu nennen. Ich mußte auch die Erfahrung machen, daß unsere Primäridentifikation sich nicht über Nacht ändern läßt; tatsächlich bleibt sie wahrscheinlich unser ganzes Leben wirksam. Wir neigen dazu, uns im Interesse unserer eigenen Sicherheit wieder darauf rückzubeziehen, vor allem in Zeiten des Stresses. Doch können wir nach und nach bewußt genug werden, um darin nicht wie ein Roboter gefangen zu bleiben, und wir haben die Wahl, anderen Teilen unserer selbst mehr Ausdrucksmöglichkeiten zu überlassen. In den letzten beiden Jahren hatte ich große Veränderungen durchgemacht und hatte es meinem verletzlichen Kind - Selbst endlich gestattet, herauszukommen. Das Problem bestand darin, daß mein bewußtes Ego noch lange nicht weit genug entwickelt war, um intelligente Entscheidungen darüber zu fällen, wann es dem Kind zu gestatten war, herauszukommen, und wie für es zu sorgen sei. Ich war ohne allzuviel Bewußtheit immer wieder zwischen meinem Mutter - und meinem Kind - Selbst hin und her gependelt. Durch den Stimmendialog begann ich, ein bewußtes Ego zu entwickeln und dadurch auch mehr Bewußtsein darüber, welche Unterpersönlichkeiten gerade aktiv waren. Gegen Ende des Creative Leadership Programm bat ich Hai und Sidra zu uns zu kommen und einen Workshop für die Gruppe durchzuführen. Der Workshop war sehr kraftvoll und half mir zu erkennen, was alles aus dem Gleichgewicht geraten war, nicht nur in meinem Leben, sondern auch innerhalb des Ausbildungsprogramms. Wir waren so begierig darauf gewesen, das Kind näher kennenzulernen, daß wir zu weit gegangen waren, ohne ausgleichende Elemente der erwachsenen Rationalität mit einzubringen, um das Kind in der Welt zu beschützen. Durch Hai und Sidra sowie den Stimmendialog begann ich zur Integration all jener Dinge zu
finden, die ich seit so vielen Jahren erforscht und entdeckt hatte, sowie zur Integration der vielen Aspekte meiner selbst. Heilung meiner Beziehungen Die Arbeit mit dem Stimmendialog vermittelte mir sehr viel mehr Einsichten und Perspektiven, was meine Partnerbeziehungen anging. Heute erkenne ich, daß die Männer und Frauen, zu denen ich mich am meisten hingezogen fühle, jene Teile von mir spiegeln, die ich am meisten brauche und mit denen ich am engsten in Kontakt treten möchte, um sie äußerlich zu manifestieren. Ich erkenne auch, wie festgefahren ich werde, wenn ich unbewußt versuche, meine alten Muster auszuspielen, beispielsweise die Bedürfnisse meines eigenen Kindes dadurch zu befriedigen, daß ich für andere sorge. Sowohl durch die Zwölf - Stufen - Arbeit als auch durch den Stimmendialogprozeß ist es für mich offensichtlich geworden, daß es viel Zeit und Geduld erfordert, unsere tiefsitzendsten Muster zu verändern. Obwohl ich Tag für Tag viele Einsichten gewinne und Durchbrüche erlebe, und obwohl ich meinen eigenen Fortschritt deutlich sehe, brauche ich doch Jahre, um meine Kernprobleme zu lösen und einer Heilung zuzuführen. Manchmal erlebe ich Augenblicke, da ich mich entmutigt fühle und mich frage, ob ich jemals die Fülle der Freiheit und der Liebe erfahren werde, die doch, wie ich weiß, möglich ist. Doch meistens fühle ich mich erregt und beschwingt, weil ich sehe, daß ich mich selbst immer mehr erkenne und lieben lerne, und daß dies sich in allen meinen Beziehungen widerspiegelt. Mit der Zeit und im Zuge gemeinsamer Weiterentwicklung haben sich die meisten Schwierigkeiten in meinen Beziehungen zu Freunden nach und nach selbst behoben. Tanha und ich haben uns einmal zusammengesetzt, um unsere Probleme abzuarbeiten. Wir benutzten dafür einen strukturierten Kommunikationsprozeß, von dem uns ein Freund erzählt hatte, und paßten ihn an unsere Bedürfnisse an. Das taten wir ab und an über mehrere Tage verteilt, wobei jede Sitzung und jedes Gespräch mehrere Stunden dauerte. Es war eine sehr tiefgreifende Erfahrung, und am Ende des Prozesses empfanden wir beide, daß wir den anderen sehr viel tiefer verstanden. Seitdem haben wir diese Praktik immer eingesetzt, wenn wir sie brauchten, und ich habe auch mit anderen damit gearbeitet. Sie findet sich in Teil 4 dieses Buchs. Meine Mutter und ich sind damit fortgefahren, unsere Schwierigkeiten zu bearbeiten. Es wurde recht deutlich, daß es nicht funktionierte, unsere Probleme innerhalb des Kontextes der Mitarbeiter - / Familiengruppe anzugehen - das hat nur die allgemeine Verstrickung und gegenseitige Abhängigkeit verstärkt. Wir brauchten so etwas wie eine objektive Überwachung des Prozesses, und so begannen wir einen Therapeuten aufzusuchen, sowohl allein als auch gemeinsam, wann immer meine Mutter gerade im Lande war. Das war uns eine beachtliche Hilfe, und nach und nach lösten sich unsere Schwierigkeiten auf. Für mich war es eine bedeutende Einsicht, daß ich auf einer sehr tiefen Ebene eine von meiner Mutter wirklich abgelöste Identität entwickelt hatte. Unsere Verbundenheit war extrem stark. In einer Kindheit voller Veränderungen war sie mir die einzige verläßliche Quelle der Sicherheit gewesen, und da es sonst niemanden in der Familie gegeben hatte, waren wir emotional voneinander abhängig geworden. Aufgrund ihrer so starken Persönlichkeit fiel es mir schwer, zu meiner eigenen zu finden. Dabei ist es eine Ironie des Schicksals, daß die Werte, die sie mir vermittelte, so gut waren, daß ich nie einen Grund fand sie abzulehnen und meine eigenen zu erschaffen, wie es die meisten meiner Freunde und Freundinnen mit ihren Eltern taten. Es war auch ein großer Durchbruch für mich zu erkennen, daß es durchaus in Ordnung ist, wenn meine Mom und ich uns in manchen Dingen uneins sind. Ich muß nicht unbedingt mit ihrem Standpunkt übereinstimmen und muß sie andererseits auch nicht davon zu überzeugen versuchen, daß meiner der richtige ist. Schließlich können wir beide recht haben. Ich mußte viel Mühe investieren, um an der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen meiner Mutter und mir zu arbeiten - meiner unbewußten Tendenz, für ihre Gefühle und Bedürfnisse die Verantwortung übernehmen zu wollen, daß ich ihr schon gewohnheitsmäßig mit Schuldgefühlen
begegnete, die bei mir wiederum Abneigung verursachten. Wenn irgend jemand in meiner Umgebung Schmerzen empfand, nahm ein Teil von mir ganz automatisch an, daß es meine Schuld sei. Das war auch ein Grund dafür, weshalb ich so schwer dafür arbeitete, alle zu heilen. Statt dessen mußte ich lernen, meine eigenen Bedürfnisse zu erfühlen und auf sie zu reagieren, mein Leben in erster Linie selbst und für mich zu führen. Als ich dies erst einmal erkannt hatte, war ich besser dazu in der Lage, mein eigenes Selbstwertgefühl aufzubauen und im Verhältnis zu meiner Mutter und zu anderen Menschen meine eigenen Grenzen zu ziehen. Sobald ich mich in meiner Identität sicherer fühlte und in meinem Recht, mein Leben auf meine Weise zu führen, konnte ich meine Mutter auch leichter so lieben und akzeptieren, wie sie war, ohne zu versuchen, sie zu ändern. Tatsächlich schätze ich meine Mutter sehr und erkenne ihre Liebe an, ihren Mut und ihre Hingabe an ihren eigenen Entwicklungsprozeß. Ich habe sehr viel innere Heilungsarbeit im Hinblick auf meine Beziehung zu meinem Vater geleistet. Ich habe es mir gestattet, alle meine Gefühle ihm gegenüber zu erleben - Schmerz, Trauer, Zorn und Liebe. In letzter Zeit habe ich ihn zu einigen Gesprächen veranlaßt, in denen es um meine Kindheit ging, und es gelang uns beiden, etwas von unseren Gefühlen zueinander zu artikulieren. Das hat sich auf mich sehr heilsam ausgewirkt und auf ihn, denke ich, auch. Am wichtigsten aber ist für mich, daß ich eine Beziehung zu einem inneren Vater aufgebaut habe, zu einem starken, beschützenden Teil meiner selbst, der sich um meine Bedürfnisse kümmern und dafür sorgen kann, daß ich bei der Aufgabe, auf mich selbst aufzupassen, die richtigen Entscheidungen fälle. Das empfinde ich als sehr stärkend. Die Heilungsarbeit, die ich in meinem Inneren leiste, spiegelt sich auch in meinen Beziehungen zu Männern wider. Ich habe eine Zeit allein verbracht, in der ich mich selbst zutiefst kennen und lieben lernte. Obwohl sich in meinen Beziehungen immer noch die gleichen Muster und Neigungen abzeichnen, bin ich nun besser dazu in der Lage, meine wirklichen Bedürfnisse und Verlangen zu erkennen. Nach und nach lerne ich, dem Kind in mir das Elternteil zu sein, seine Bedürfnisse und Wünsche herauszufinden und die Verantwortung dafür zu übernehmen, sie zu befriedigen. Anstatt unbewußt darauf zu hoffen (und es zu erwarten), daß ein Liebhaber meine Bedürfnisse schon entdecken und erfüllen wird, lerne ich, bewußt zu verlangen, was ich will, und Möglichkeiten zu finden, es allein zu erreichen, wenn ein anderer das nicht kann. Mir ist bewußt, daß ich nur wenige lebende Beispiele für eine wirklich gute Beziehung zwischen Mann und Frau kenne. Tatsächlich meine ich, daß das menschliche Bewußtsein gegenwärtig einen Entwicklungssprung auf eine völlig neue Ebene potentieller Beziehungsstrukturen vollzieht und daß das, was wir in der Vergangenheit kannten, sehr viel eingeschränkter ist, verglichen mit dem, was nun für uns möglich sein wird. Ich glaube, daß wir Beziehungen haben können, die all die Liebe, Tiefe, Freude, Leidenschaft und Ekstase widerspiegeln und ausdrücken können, die sich in unserer Seele findet. Meine innere Führung hat mir ein Gespür dafür gegeben, was für mich und für uns alle, die wir uns auf dieser Reise befinden, möglich ist. Ich weiß nicht, wie ich dorthin gelange, ich kann das Universum nur darum bitten es mich zu lehren, von Augenblick zu Augenblick, Schritt um Schritt. Es ist kein Zufall, daß mir der spirituelle Name Shakti verliehen wurde. Ich bin einem tantrischen Pfad verpflichtet, jener Reise, die uns durch die tiefen, dunklen, unbekannten Orte des Lebens ins Licht der Selbsterkenntnis führt. In der tantrischen Überlieferung verkörpern Shiva und Shakti das Männliche und das Weibliche, und sie streben nach der Ganzheit durch ihre Vereinigung. So wird die Beziehung zur wichtigsten spirituellen Lehre und ich bin eine lebenslange Schülerin dieser Lehre. Die Garteninsel Abgesehen von einer kurzen Umsteigpause auf meinem Heimflug nach meiner Weltreise, hatte ich Hawaii seit meiner Japanreise im Alter von siebzehn nicht mehr gesehen. Deshalb war ich
hocherfreut, als ich die Einladung erhielt, einen Workshop in Honolulu abzuhalten. Zufällig besuchte meine Mutter gerade einen Freund auf der Insel Kauai, also flog ich eine Woche bevor der Workshop begann dorthin, um sie zu besuchen. Bei der Landung auf Kauai hatte ich sofort das Gefühl, nach Hause zurückgekehrt zu sein, obwohl ich doch noch nie dort gewesen war. Die eindringliche Schönheit des Orts beeindruckte mich. Alles war so üppig, fühlte sich wie die Energie der Göttin an, verkörpert in einer Insel. Als ich im türkisfarbenen Meer schwamm und zu den grünen Klippen hinaufsah, empfand ich eine Mischung aus Macht und Frieden. Von dem häufigen Regen fühlte ich mich gereinigt und geheilt. Und als ich abreiste, wußte ich, daß ich wiederkehren würde. Im nächsten Jahr kehrte ich mehrere Male auf die Inseln zurück, leitete Workshops und Klausuren auf Oahu, Maui und Hawaii und gönnte mir etwas spärliche Freizeit auf Kauai. Bei einem dieser Kauai - Urlaube entdeckte ich ein wunderschönes großes Haus, das zu Seminarzwecken gemietet werden konnte. Ich beschloß, im folgenden Sommer dort eine dreiwöchige Klausur abzuhalten. Die Kauai - Klausur war eine Erfahrung ganz besonderer Art. Das Ambiente war unglaublich schön. Das Haus stand auf einer Klippe, die auf einen wundervollen, abgeschirmten Strand blickte. Jeden Morgen machten wir Yoga, dann gab es Gruppenaktivitäten, und am Nachmittag gingen wir hinaus und schwammen im Meer, spielten am Strand und erkundeten die Insel. An den Abenden tanzten oder sangen wir oder widmeten uns kreativen künstlerischen Tätigkeiten. In der Gruppe arbeiteten wir daran, den Kontakt zum inneren Kind herzustellen und äußerlich zu manifestieren. Dafür war das Ambiente perfekt geeignet: Die Insel war sowohl schön als auch erbaulich, und Haus wie Gruppe fühlten sich sicher und gemütlich. Da begann etwas Magisches zu geschehen. Es war, als würden all unsere tief im Inneren vergrabenen Kinder sich sicher genug fühlen, um herauszutreten und zu spielen, und so entwickelte sich in der ganzen Gruppe ein psychischer Raum der Unschuld, der Offenheit und des Staunens. Nicht nur, daß die emotionale Nähe in der Gruppe sich zu einer tiefen Intimität entwickelte, gleichzeitig wurde auch sehr viel spielerische, kreative Energie freigesetzt. Da das Haus nicht groß genug für alle war, lebten viele der Teilnehmer in der Nähe. So entwickelte sich die Atmosphäre einer Schlummerparty, und die Leute verbrachten die Nacht miteinander wie Kinder. Den größten Teil der Zeit verbrachte eine Gruppe von Teilnehmern die Nacht zusammen auf dem Fußboden des Wohnzimmers im Haupthaus. Das, was an sexueller Energie da war, bekam eine sehr unschuldige und verspielte, vorpubertäre Würze. Niemand hatte tatsächlich Sex - wir hatten einfach nur Spaß. Ich begann die Welt mit völlig neuen Augen zu sehen - mit den Augen meines inneren Kindes. Alles schien ganz besonders und funkelnd zu sein, und es fühlte sich sehr wirklich und lebendig an. Ich wußte, daß diese Insel für mich ein magischer Ort war, an dem ich den Kontakt zur Essenz meines Seins herstellen und ausdrücken konnte. Kommunikation mit der Insel Im folgenden Sommer veranstaltete ich eine weitere Gruppenklausur auf Kauai, doch zuvor verbrachte ich einen Monat auf der Insel zum Zwecke meiner eigenen, ganz persönlichen Klausur. Es war eine wunderbare Zeit für mich. Jeden Tag verbrachte ich Stunden an einem besonderen, abgelegenen Strand, den ich entdeckt hatte, am wunderschönsten und magischsten Ort, der mir je begegnet war. Dort hatte ich immer das Gefühl, als sei ich in der Zeit zurückgereist. Tatsächlich fühlte ich mich an den Anfang der Zeit zurückversetzt. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, daß dies mein Ursprungsort sei. Ich bemerkte, daß der Sand dieselbe Farbe hatte wie meine Haut, und mir kam das Bild, daß ich tatsächlich aus dem Sand dieses Strandes auferstanden oder erschaffen worden war. Wenn ich den Pfad entlangging, der zum Strand führte, empfand ich dies stets als Übergang von meiner Persönlichkeit zu meiner Seele; es fühlte sich an, als würde ich in eine tiefe Meditation
eintreten. Am Strand selbst spürte ich dann nicht nur den Kontakt zu meiner eigenen Seele, sondern auch zu einem wundervoll ursprünglichen Teil meiner selbst. Ich fühlte mich völlig im Einklang mit meinem Körper, so wie sich, stellte ich mir vor, ein schönes Tier wohl gefühlt hätte. Manchmal fühlte ich mich auch wie eine Naturgöttin. Und natürlich liebte mein magisches Kind es, hier herauszukommen und zu spielen. Das Schwimmen im Meer liebe ich fast mehr als alles andere (es befindet sich auf der Hitliste unter den ersten drei, zusammen mit großartigem Liebemachen und Tanzen zu phantastischer Musik). Das sommerliche Meer war warm und türkisblau und so salzig, daß ich mühelos auf dem Rücken treiben und zu den Wolken emporschauen konnte. Manchmal schwammen Delphine an mir vorbei. Ich ertappte mich dabei, daß ich beim Schwimmen zum Geist der Insel zu beten begann - zu all den dort ansässigen Göttern und Göttinnen. Ich dankte ihnen für die Möglichkeit, an einem solchen heilsamen Ort sein zu dürfen, und bat um den Segen der Insel. Außerdem bat ich darum, daß mir gezeigt würde, ob ich hier irgendwie von Diensten sein könnte. Und schon bald hatte ich das Gefühl, daß die Insel mir antwortete. Natürlich ist da stets eine laute, skeptische Stimme in meinem Inneren, die dann sagt: »Was soll das heißen, die Insel hat dir geantwortet? Jetzt fängst du aber an zu flunkern!« Dennoch habe ich manchmal ein starkes Erlebnis des Empfangens von Information. Wie in diesem Fall verstehe ich oft die Information erst sehr viel später völlig. Die Mitteilungen der Insel, die sich ebensosehr in Gefühlseindrücken äußerten wie in Worten, lauteten ungefähr folgendermaßen: »Ich heiße dich willkommen. Ich bin sehr froh, daß du hier bist. Tatsächlich habe ich dich hierher gerufen. Ich kann dir sehr viel Heilung geben. Aber ich habe dich auch gerufen, weil ich deiner Hilfe bedarf. Ich kämpfe jetzt einen großen Kampf. Ich besitze einen starken, kämpferischen Geist, der noch nie in die Knie gezwungen wurde. Aber ich brauche dich und jene, die du mitbringst, damit unser Bewußtsein eins wird. Durch euch alle kann ich meine Macht in die Welt der Menschen einbringen.« Solche Botschaften erhielt ich häufig. Das damit einhergehende Gefühl war zwar sehr stark, doch verstand ich nicht völlig, was damit gemeint war. Ich spürte, daß es wenigstens teilweise mit dem Problem der Bebauung im Gegensatz zum Umweltschutz stehen könnte, das auf der Insel ein Hauptthema war. Kauai wurde sehr schnell bebaut, und man befürchtete, daß es schon bald zu einem ähnlichen Opfer touristischer Übererschließung werden würde, wie es großen Teilen von Oahu und Maui geschehen war. Ich fragte mich, ob das heißen sollte, daß ich mich politisch engagieren und in dieser Frage aktiv werden sollte. Doch immer, wenn ich mich damit beschäftigte, bekam ich das Gefühl, daß ich im Augenblick nichts Konkretes tun konnte, außer die Kommunikationskanäle offenzuhalten und auf weitere Anweisungen zu warten. Einer meiner Freunde, der schon seit einigen Jahren auf Kauai lebt, erwähnte einmal, daß König Kamehameha, als er alle Inseln eroberte und vereinte, Kauai nie völlig unterjochen konnte. Anscheinend hatten die Krieger von Kauai einen besonders entschlossenen Kampfgeist, und die unüberwindbaren Klippen der Küste von Napali waren ihnen eine natürliche Festung. Das schien mir wie eine Bestätigung der Botschaften, die ich empfangen hatte. In jenem Sommer (1987) sprach man in New - Age - Kreisen viel über die Harmonische Konvergenz - eine Zweitagesphase im August, die für das Weltbewußtsein ein wichtiger Wendepunkt sein sollte. Jose Arguelles Buch The Mayan Factor zufolge hat der Maya Kalender dieses Datum schon vor Tausenden von Jahren vorausgesagt. Ich muß zugeben, daß ich ziemlich skeptisch gesinnt bin, was die meisten New Age Voraussagen und - Ereignisse betrifft. Ich glaube zwar durchaus, daß wir in einem neuen Zeitalter leben, und ich sehe mich selbst auch als integraler Bestandteil jenes großen Bewußtseinswandels, der gegenwärtig in der Welt stattfindet. Aber ich finde, daß viele in der New - Age - Bewegung engagierte Menschen ihren Geist so weit über ihre physische Form
erhoben haben, daß sie ziemlich ungeerdet sind. Aus der Sicht des Stimmendialogs haben sie ihre spirituellen und magischen Aspekte entwickelt und sich mit ihnen identifiziert, sogleich aber ihre menschlichen, körperlichen, urtümlichen Selbste aber unterdrückt oder zumindest nicht im gleichen Ausmaß entfaltet. Sie haben versucht im Licht zu leben und die Finsternis zurückzulassen, anstatt sowohl die Dunkelheit als auch das Licht als das Yin und das Yang der Existenz zu integrieren. Mir scheint es, daß sie zu einer sehr gefährlichen Wirklichkeitsferne neigen. Ich hielt die Harmonische Konvergenz für eine weitere abgehobene, spirituell - gute Idee und beachtete sie nicht weiter, als das Datum jedoch näherrückte, machte ich eine interessante Erfahrung, die damit in Verbindung zu stehen schien. Ungefähr zwei Wochen zuvor fühlte ich mich vier Tage lang in einem veränderten Bewußtseinzustand. In dieser Zeit channelte ich sehr viel Informationen und kreative Ideen, die sowohl in Bezug zu meinem eigenen Leben und Ziel standen als auch zu dem der Welt als Ganzes. Ich empfand es so, daß nicht nur die Insel allein, sondern die Erde selbst mit mir kommunizierte. Sie teilte mir mit, daß dies in der Tat einen wichtigen Wendepunkt in unserer Beziehung zu ihr darstellte: Wir hätten das äußerste Extrem unserer menschlichen Reise in die Individualität und die Trennung erreicht und kehrten nun zur Integration und zum Gleichgewicht zurück. Sie sagte, daß es notwendig gewesen sei, sich lange Zeit hauptsächlich auf die Entwicklung männlicher Energie zu konzentrieren und daß nun die Macht des weiblichen Prinzips, in der Erde selbst verkörpert, sich in unserem Bewußtsein wieder zu behaupten beginne. Ich hatte den Eindruck, daß die Erde, unsere geduldige Mutter, sich nun zu einer fordernden Lehrerin entwickelte. Die meisten Auffassungen und Ideen, die im ersten Teil unseres Buchs wiedergegeben wurden, sind damals zu mir gekommen. Ich hatte bereits das Bild empfangen, daß die Menschheit, nachdem sie die Unschuld des Garten Eden zurückgelassen hatte, um die Weisheit der Erfahrung zu gewinnen, in diesen Garten zurückkehren würde, um Weisheit mit Unschuld zu integrieren, den Körper mit dem Geist, und um auf Erden ein physisches Paradies zu erschaffen. Ich hatte auch den Titel meines nächsten Buchs empfangen - Return to the Garden. Natürlich war mir auch bewußt geworden, daß Kauai in der Überlieferung die Garteninsel genannt wurde. Mir fiel auf, daß ich im Gartenstaat geboren worden war und nun auf die Garteninsel zurückkehrte. Ich fühlte, daß meine eigene, persönliche Reise einen deutlichen und anschaulichen Mikrokosmos der Menschheitsreise selbst darstellte. Früh in meinem Leben hatte ich mich von meiner spirituellen Essenz getrennt, von meinem Kind - Selbst und meiner weiblichen Seite, um kraftvolle männliche Energie zu entwickeln, die es mir erlaubte, mich zu schützen und mein Ziel in der Welt zu erreichen. Dieser Teil meiner Reise war beendet, und es war für mich an der Zeit, zur Integration jener Teile zu finden, die ich tief beerdigt hatte. Ich hatte mich zur Garteninsel hingezogen gefühlt, um dort die Beziehung zu meinem inneren Kind wiederherzustellen, zu meiner spirituellen Essenz, meiner eigenen weiblichen Macht und zum Geist der Erde. Ich wußte, daß ich hieraus mein Zuhause machen sollte, um die hier gegenwärtige gewaltige Macht zur Heilung meiner seelischen Wunden zu nutzen und zu lernen, auf der Erde zu leben - und dies anderen beizubringen. Ein Zuhause wird gefunden Im Zuge meines Zigeunerlebens hatte ich nie ein Zuhause besessen. Meine Mutter hatte nie ein Haus gekauft; sie zog es vor, zur Miete zu leben und Reparaturen vom Vermieter durchführen zu lassen. Mein Steuerberater hatte mich schon seit einiger Zeit eindringlich dazu ermahnt, ein Haus zu kaufen, wenn ich nicht den größten Teil meines Einkommens der Steuer opfern wollte. Und so begann ich auf Kauai nach Land Ausschau zu halten. Ich schaute mir einige wunderschöne Objekte an und legte mich schließlich auf jenes fest, das ich für das Richtige hielt. Manche Dinge daran gefielen mir nicht, dafür besaß es andere Eigenschaften, die mich davon überzeugten, es einfach zu nehmen. Es stand schon eine ganze Weile zum Verkauf an, hatte aber
keine Käufer gefunden. Also machte ich ein Angebot und begann das Haus als meins zu sehen. Zu dieser Zeit war ich mit der Klausur beschäftigt, aber in meiner Freizeit stellte ich mir vor, wie ich auf meinem neuen Besitz lebte und dort ein Klausurzentrum aufbaute. Am Ende der Klausur erhielt ich jedoch die Nachricht, daß das Haus bereits verkauft worden sei! Ein Schock ungläubigen Staunens packte mich. Ich war so sicher gewesen, daß es meins werden würde, und so reagierte ich zornig auf das Universum, weil es mich betrogen hatte! Ich wußte wirklich nicht, was ich als nächstes tun sollte, daher legte ich die ganze Angelegenheit auf Eis, während ich aufs Festland zurückkehrte, um dort meine Workshops zu leiten. Mein provisorischer Plan war es, in etwa einem Jahr nach Kauai zu ziehen und meine Zeit zur Hälfte zwischen der Insel und Kalifornien aufzuteilen. Meine Freunde Tim und Ruby Star blieben auf Kauai, um dort Ausschau nach einem für mich geeigneten Objekt zu halten. In den folgenden Monaten kehrte ich ein paarmal nach Kauai zurück und mit der Zeit wurde es mir immer deutlicher, daß das Objekt, das ich kaufen sollte, das Haus war, das ich für die Klausurveranstaltungen gemietet hatte. Obwohl es zum Verkauf angestanden hatte, hatte ich es nicht in Betracht gezogen, weil das Haus selbst, das zwar für Workshops geeignet war, einen merkwürdigen Schnitt aufwies. Es befand sich allerdings an einem wunderbaren Ort, mit einem der schönsten Ausblicke, die ich je gesehen habe, und außerdem besaß es einen Zugang zu meinem Lieblingsstrand. Zu dem Haus gehörten auch noch fünf Hektar Land allerbester Güte. Tim Star, der von Beruf Bauunternehmer war, zeigte mir, wie man das Haus umbauen könnte, so daß es ganz wunderbar aussähe. Und es wurde mir zu einem unglaublich niedrigen Vorauszahlungspreis zu ausgezeichneten Konditionen angeboten. Plötzlich fügte alles sich so vollkommen und mühelos zueinander, daß ich wußte, es war richtig. Ich bedauerte meinen vorangegangenen Zorn auf das Universum, da ich nun deutlich erkannte, daß dies eine weitaus bessere Wahl war als die ursprüngliche, die ich getroffen hatte. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, daß ich vor einem großen Fehler bewahrt worden war. Escrow schloß im Januar 1988, und ich war plötzlich die ziemlich erstaunte Besitzerin meines eigenen Hauses - eines wunderschönen Besitzes im Paradies! Auch heute kann ich keinen wirklichen Bezug zu Grundbesitz herstellen. Ich halte es für eine höchst ironische Verkennung, daß Menschen sich einbilden, sie könnten ein Stück der Erde besitzen. War es nicht schon seit Millionen Jahren dort? Wird es nicht auch noch mindestens einige weitere Millionen Jahre dort sein, wenn wir es nicht vorher vernichten? Welch eine dumme, arrogante Vorstellung, daß wir es besitzen und beherrschen könnten. Vor einigen Jahren wurde Kauai von einem großen Wirbelsturm heimgesucht, der sehr viele Häuser und Grundstücke verwüstete, interessanterweise aber keine Menschen tötete. Mir gefällt der Gedanke, daß Kauai, sollte es dessen überdrüssig werden, was wir Menschen ihm antun, einfach einen weiteren Wirbelsturm herbeirufen und alle unsere kostbaren, teuren Gebäude binnen weniger Sekunden dem Erdboden gleichmachen könnte. Anstelle des Grundbesitzes habe ich eine instinktive innere Beziehung zur Pacht. Das ist so, als sei mir dieses Land anvertraut worden, damit ich dafür sorge. Ich glaube, daß der Geist des Landes selbst mich leitet, so daß meine Aufgabe darin besteht, durch meine eigene Intuition empfänglich für diese Leitung zu werden und ihr zu folgen. Wenn ich und meine Kauai - Familie also dort irgend etwas bauen oder pflanzen wollen, bitten wir das Land und die anderen Wesen, die dort bereits leben, um Erlaubnis. Spüren wir irgendwelchen Widerstand, ändern wir unsere Pläne, bis die rechte Zeit gekommen ist. Das hat einige sehr interessante und kreative Ergebnisse zutage gebracht. Tim und Ruby Star entwickelten eine Vereinbarung, die es ihnen ermöglichte, ihr eigenes kleines Haus auf dem Grundstück zu bauen und dort für mich als Hausmeister tätig zu sein. Dean kam auf die Insel, um bei mir zu wohnen und sich um den Umbau zu kümmern, und es kamen mehrere weitere Freunde, um ihm dabei zu helfen. Wir hatten vor, das Wohnzimmer zu vergrößern und dem Haus ein weiteres Stockwerk hinzuzufügen. Das sollte in ungefähr sieben Monaten erledigt werden - rechtzeitig, um im August dort unsere Jahresklausur zu veranstalten.
Etwa ein Jahr zuvor hatten Dean und ich den Film Witness gesehen, eine Geschichte über die Amishen in Pennsylvania. Darin gibt es eine wunderschöne Szene, wo alle Nachbarn sich zu einem Scheunenbau zusammentun. Die Männer arbeiten zusammen und stellen das Gebäude in nur einem einzigen Tag fertig, während die Frauen ihnen eine Festmahlzeit kochen. Ich dachte, Dean würde vor Aufregung aus dem Sessel springen. Später behauptete er mir gegenüber unentwegt, daß dies seine Vision gewesen sei - eine Gemeinschaft aus Familie und Freunden, die gemeinsam daran arbeiteten, etwas Schönes zu erschaffen. Auch ich empfand Aufregung. Nun verwirklichten wir diese Vision! Mein Haus sollte von Menschen gebaut werden, die mich und einander liebten und sich vorgenommen hatten, einen Ort aufzubauen, der der Schönheit diente und von der Macht des Geistes erfüllt war. Ursprünglich hatte ich die Vorstellung, daß dies für etwa die Hälfte meiner Zeit mein Zuhause sein sollte - ein Ort, wo ich schreiben und Klausuren abhalten konnte. Ich hatte die finanziellen Aufwendungen damit begründet, daß ich Geld verdienen könnte, indem ich hier Klausurveranstaltungen abhielt. Rein juristisch lag das Haus zwar nicht in einem gewerblich zu nutzenden Gebiet, doch war es jahrelang ohne Probleme zu eben diesem Zweck vermietet worden. Und es gab auch keine eng anschließenden Nachbarn, die dies berühren würde. Kurz nachdem ich das Objekt gekauft hatte, begann der Besitzer des Nachbargrundstücks ein eigenes Haus zu bauen. Ich informierte ihn über meine Pläne, gelegentliche Klausurveranstaltungen dort abzuhalten, und da es für ihn nur ein Ferienhaus war, das er ohnehin nur zwei oder drei Monate im Jahr bewohnen würde, rechnete ich nicht mit Einwänden. Doch er regte sich ungeheuer auf und begann dagegen zu protestieren, daß ich hier überhaupt Klausuren abhielt. Eines Tages fühlte ich mich ziemlich entmutigt und ging hinunter an den Strand, um darüber zu meditieren, was ich tun solle. Ich dachte mir: »O mein Gott, jetzt habe ich gerade ein unglaublich teures Haus gekauft, das ich noch dazu mit Riesenaufwand umbaue und erweitere, und jetzt weiß ich nicht einmal mehr, was ich damit anfangen soll!« Während ich meditierte, meldete sich sehr deutlich meine innere Führung, als wollte sie mich sanft tadeln: »Du regst dich nur auf, weil du glaubst, daß du alles wissen müßtest. Tatsächlich hast du keinerlei Vorstellung davon, was du mit diesem Platz anfangen sollst. Aber das geht schon in Ordnung, denn ich weiß es und werde es dich zur rechten Zeit wissen lassen. Alles wird sehr neu sein, eine ganz neue Phase deines Lebens. Deshalb kannst du es auch noch nicht erkennen. Folge also nur deinen kreativen Impulsen und vertraue auf das, was sich mühelos einfügt und auf das, was blockiert ist. Geh nur und bau dein großes, schönes Haus. Du erbaust damit deine neue Struktur, eine, die groß genug ist, um deinem Geist Ausdruck verleihen zu können. Bau dein Traumhaus, damit deine Träume ein Zuhause haben.« Das beruhigte mich sehr. Ich merkte, wie sehr ich doch meinen eigenen Rückzugsort, weitab von der Welt, brauchte. Es war mir zur Gewohnheit geworden, stets so viele andere Menschen in meinen eigenen Raum einzuladen, wie kommen wollten, um ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu heilen! Nun begann ich mich zu fragen, wie sehr ich tatsächlich andere Menschen in meinem eigenen Freiraum haben wollte. Ich erkannte, daß ich mein eigenes Zuhause brauchte. Manuela Während mein Haus auf Hawaii renoviert und umgestaltet wurde, kehrte ich nach Kalifornien zurück, um das Shakti Center zu leiten und meine üblichen Workshoptourneen durchzuführen. Ich wohnte noch immer im selben Apartment in Marin County wie schon seit mehreren Jahren. Ich war es müde allein zu leben, und plötzlich fiel mir etwas ein, das sich zu einem der glücklichsten Ereignisse meine Lebens entwickeln sollte. Vor vielen Jahren hatte ich eine Frau namens Manuela kennengelernt, die auf einige derselben Workshops und Gruppen gegangen war wie ich. Ich hatte sie immer gemocht, und immer wieder waren wir einander über den Weg gelaufen. Manuela war ungefähr meines Alters; sie war in Italien geboren und mit einem amerikanischen Schriftsteller, Joel, verheiratet, und lebte schon
seit zwanzig Jahren in diesem Land. Ich wußte, daß Manuela eine Persönlichkeit mit vielen Talenten war, und daß sie in den letzten Jahren als Sekretärin / Hausfee / Assistentin eines bekannten Filmemachers und seiner Frau gearbeitet hatte. Schon immer hatte ich mich im Hinterkopf mit dem Gedanken getragen, daß sie eines Tages vielleicht für mich in dieser Eigenschaft arbeiten könnte. Durch die Gerüchteküche erfuhr ich, daß sie nicht mehr für den Filmemacher arbeitete. Ich fühlte mich völlig überarbeitet wie immer, und ich wußte, daß ich mehr Hilfe und Unterstützung brauchte, deshalb rief ich Manuela an und bat sie, eine Arbeit bei mir anzunehmen. Es stellte sich heraus, daß Manuela und Joel sich soeben trennten und daß sie einen Job und eine Wohnung brauchte. Also zog sie bei mir ein und wurde zu meiner persönlichen Sekretärin, Hausfee, Beraterin, engen Freundin und zu meiner linken Hand (Kathy Altman war immer noch meine rechte Hand). Es stellte sich heraus, daß Manuela genau das war, was ich brauchte. Sie half mir nicht nur enorm auf allen praktischen Gebieten meines Lebens, sie wurde auch zu einer wundervollen Freundin. Beide durchliefen wir gerade in unseren Partnerbeziehungen eine schmerzliche Zeit, und so konnten wir einander enorm viel emotionale Unterstützung bieten. Manuela ist eine sehr schöne Frau mit allen Merkmalen italienischer Intensität und Lebenslust. Sie spricht mit einem bezaubernden Akzent und mit soviel Ausdruckskraft und Lebhaftigkeit, daß ich ihr gern bei allem zuhöre; selbst das banalste Thema wird plötzlich lebendig und aufregend, wenn Manuela darüber spricht. Sie ist intuitiv, künstlerisch veranlagt, fähig, und eines der bewußtesten Wesen, denen ich je begegnet bin. Ich kann sie in allen Dingen um Rat fragen, ob es um die Ausgestaltung meines Apartments geht, Übungen im Workshop oder darum, was ich mit meinem Freund machen soll, und fast immer weiß sie die richtige Antwort darauf. Manuela entspricht dem Archetypus der weisen Zigeunerin, und ich habe die Feststellung machen können, daß es großartig ist, so jemanden zu Hause zu haben! In den letzten beiden Jahren war sie meine enge Gefährtin, und ich sehe für uns eine lange, schöpferische Zukunft voraus. Sie ist ein Segen für mein Leben, für den ich auch im buchstäblichen Sinne jeden Tag danke. Ausgebrannt Trotz Manuelas beachtlicher Hilfe und Unterstützung wurde ich immer ausgelaugter. Ich hatte solange und so hart gearbeitet, hatte so vielen Menschen Energie gegeben, ohne zu wissen, wie ich mich selbst wieder aufladen konnte, daß ich schließlich leer war. Der Schmerz meiner Partnerbeziehungen hatte mich emotional völlig ausgelaugt. Langsam begann ich zu verstehen, daß die Mitabhängigkeit - genau wie der Alkoholismus - einen im buchstäblichen Sinne umbringen kann. Ich verfiel in ein Muster, in dem ich jeden Morgen sehr früh aufwachte und nicht wieder einschlafen konnte, so daß ich jede Nacht immer nur wenige Stunden Schlaf bekam. Ich war zu beschäftigt für regelmäßige Körperertüchtigung, und zum ersten Mal in meinem Leben begann ich zuzunehmen. Ich war neununddreißig Jahre alt und sah meinem vierzigsten Geburtstag am 30. September entgegen. Ich war stets gesund und vital gewesen und hatte einen schlanken, jugendlichen Körper gehabt. Die Vorstellung, ich könnte einmal altern, war nie Wirklichkeit für mich gewesen. Ich bin tatsächlich davon ausgegangen, daß mir so etwas nicht passieren würde, und ich denke, daß die Jugend dies stets tut. In meinem Fall wurde dies noch durch meinen metaphysischen Glauben verstärkt, daß wir das, was wir Altersprozesse nennen, weitgehend transzendieren können, indem wir in Harmonie mit der Lebenskraft leben anstatt uns gegen sie zu stellen. Ich hatte immer geglaubt, daß ich bis zum Beginn des Alterns bereits so erleuchtet sein würde, daß es kein Problem mehr wäre! Stellen Sie sich daher meine Überraschung vor, als ich mich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert sah, daß ich bald vierzig werden würde. Ich konnte es einfach nicht glauben. Innerlich fühlte ich mich immer noch wie siebzehn. Wie um die Sache noch zu verschlimmern,
begann auch mein Körper sich zu verändern. Meine Haut bekam eine andere Qualität, ich hatte zehn oder fünfzehn Pfund zugenommen und fühlte mich wabbelig. Ich erinnere mich daran, daß meine Mutter, die ihr ganzes Leben lang dünn gewesen war, um die Vierzig herum Gewicht zulegte. Ich erkannte, daß ich stets insgeheim gefürchtet hatte, daß mir dies auch passieren könnte. Ich spürte, wie mein Körper dieser unbewußten Konditionierung folgte und sie umzusetzen begann. Ich fühlte mich auf merkwürdige Weise hilflos, wußte nichts dagegen zu unternehmen. Es war, als lebte mein Körper seine Tiefenprogrammierung aus, sowohl die individuelle als auch die gesellschaftsbedingte, und als müsse ich da durch. Ich konnte den Prozeß nicht aufhalten, umwandeln oder zum Stillstand bringen. Gleichzeitig spürte ich auch, daß einiges von der damit verbundenen Angst sich wohl auflösen würde, wußte aber nicht genau wie oder wann. Ich wußte, daß ich eine Pause brauchte, deshalb freute ich mich besonders auf den Sommer in Kauai. Dort würde ich mich ein oder zwei Monate entspannen, bevor unsere Sommerklausur begann. Als ich auf Kauai ankam, war ich dazu entschlossen, den Sommer damit zu verbringen, mich auszuruhen und zu heilen und so lieb zu mir selbst zu sein, wie ich nur konnte. Ich wollte im Meer und in der Sonne baden, wollte meinen Körper fit machen, beim Abschluß der Renovierung meines Hauses behilflich sein und mein neues Heim auf der Insel feiern. Kai Mana Als ich ankam, herrschte in meinem Haus das totale Chaos. Dean, Tim, Ruby und der Rest der Mannschaft hatten alle darin gewohnt, während sie es in den letzten sechs Monaten umbauten. Während dieser Zeit waren verschiedene Teile des Dachs abgerissen worden. Als ich eintraf, war die ganze Vorderwand des Wohnzimmers verschwunden. Katzen, Vögel, Hühner und Fliegen streiften ungehindert durchs Haus. Überall lagen Werkzeuge und Farbdosen verstreut. Da der Teppichboden ohnehin erneuert werden sollte, machte sich niemand die Mühe, den Boden sauberzumachen. Da ich normalerweise fast zwanghaft ordentlich bin, hätte man erwarten könne, daß mir dieses ganze Durcheinander ziemlich zugesetzt hätte. Überraschenderweise genoß ich es jedoch. Es war wie das Phantasiehaus eines Kindes, wo man soviel Durcheinander veranstalten durfte wie man wollte, ohne sich darum zu kümmern, alles später wieder aufzuräumen! Ich erhob Anspruch auf ein Schlafzimmer und schaffte es, einen einigermaßen ordentlichen Zufluchtsort daraus zu machen, genoß es aber, mich dem völligen Wirrwarr hinzugeben, der überall sonst herrschte. Dean war voll in seinem Element - der Ritter, der seiner Königin eine wundervolle Burg baute. Tim Star hatte einen wunderbaren Entwurf gemacht, und Dean führte ihn mit vorzüglicher handwerklicher Präzision aus, darin von der ganzen Familie unterstützt. Ich war sehr dankbar für dieses ganz besondere Gefühl, daß mein Zuhause mit soviel Liebe und Sorgfalt von jenen Leuten gestaltet wurde, die mich liebten. Mitte August war alles fertig, und es war wahrhaftig großartig - schlicht und geräumig, mit wunderschöner Aussicht in alle Richtungen. Wenn es nach mir geht, so ist mein Schlafzimmer der schönste Raum auf der Welt. Es ist hell, luftig und friedlich, mit Aussicht auf den Strand und das Meer. Wir veranstalteten eine Feier, zu der viele meiner Freunde vom Festland herüberkamen, um eine Woche zu bleiben. Wir führten ein Ritual durch, bei dem wir um den Segen der Insel baten und um den des Geistes des Landes selbst. Wir entschieden, mein neues Heim Kai Mana zu nennen. Das bedeutet in freier Übersetzung soviel wie Ozean der Macht. Wir baten darum, daß Kai Mana stets ein Ort der Heilung und der Transformation sein möge. Es fühlte sich so an, als versammle sich unser Stamm in seinem neuen (oder uralten) Heim. Es kam mir vor, als seien wir wie die Ritter der Tafelrunde, die zusammengerufen worden waren, um eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen und um unseren Visionen zu physischer
Wirklichkeit zu verhelfen. Tristan Als Kind hatte ich immer davon geträumt, ein Araberpferd zu besitzen; da mein Grundstück groß genug für ein Pferd war, entschied ich, daß eines der guten Dinge, die ich mir selbst tun wollte, der Kauf dieses Pferdes sein würde, das ich schon immer gewollt hatte! Ich glaubte, daß die Beziehung zu einem Pferd vorübergehend mein Bedürfnis nach einer Beziehung zu einem Mann ersetzen würde. Ich entdeckte eine Zuchtranch für Araber auf der Insel und kaufte einen wunderschönen kastanienbraunen (genaugenommen eigentlich schokoladenbraunen), reinrassigen Araberwallach namens Tristan. Da Tristan der Name eines Ritters in einer sehr romantischen Geschichte war - Tristan und Isolde - , schien mir dies nur passend. Er war erst drei Jahre alt, intelligent und lebhaft und absolut wunderbar! Zum Glück erwiesen sich der Besitzer der Ranch und die Trainerin, Sarah, als sehr hilfsbereit. Ich hatte nur sehr wenig Erfahrung mit Pferden und hatte überhaupt keine Vorstellung davon gehabt, wieviel es dazuzulernen gab. Tatsächlich erwies sich Tristan für mich als recht schwerer Brocken. Sarah gab mir Unterricht, während sie ihn weiterhin einritt. Es war eine Herausforderung, doch ich liebte sie. Meine Beziehung zu Pferden hatte etwas sehr Vertrautes und Natürliches an sich - wie die Erinnerung an ein vergangenes Leben. Als ich Tristans Mähne striegelte, fühlte ich mich immer wie ein Indianerkrieger mit seinem Pony. Ironischerweise entwickelte sich meine Beziehung zu Tristan sehr ähnlich wie meine Beziehungen zu Männern! In bestimmten Punkten war er wie die Männer, zu denen ich mich hingezogen fühlte - jung, smart, großartig, unerfahren, ein bißchen wild und schwer zu handhaben. Er hat sehr viel Zeit, Aufmerksamkeit und Energie gefordert, und ich mußte mich in meiner Beziehung zu ihm mit sehr vielen meiner Ängste auseinandersetzen. Ich habe sehr viele Lektionen bei ihm gelernt, wie in jeder anderen Beziehung auch: Wie man klare Grenzen setzt, wie ich meine Bedürfnisse unmittelbar und deutlich artikuliere, und wie ich meine eigene Kraft behalte anstatt sie an ihn abzugeben. Es war herausfordernd und faszinierend, und es scheint nur einmal mehr zu beweisen, daß man dem eigenen Entwicklungsprozeß nicht entgehen kann, egal was man tut. Eines Tages ritt ich mit Tristan aus. Ich war mir seiner sehr sicher geworden und befand mich auf einem abgelegenen Pfad. Tristan galoppierte ziemlich schnell dahin, als ihn plötzlich irgend etwas erschreckte und er heftig scheute. Im nächsten Augenblick lag ich auch schon auf dem Boden. Ich setzte mich auf und stellte fest, daß ich blutüberströmt war, es tropfte vom Gesicht herab. Es schien kein Knochen gebrochen zu sein, also stand ich auf, fing Tristan ein und führte ihn zur Ranch zurück, wo ich ihn während seiner Ausbildung untergestellt hatte. Dort war niemand zu Hause, also versorgte ich ihn, stieg in meinen Wagen und fuhr nach Hause. Ich befand mich im Schockzustand, obwohl ich es nicht bemerkte. Als ich ins Haus trat, stockte allen der Atem; ich sah in den Spiegel und stellte fest, daß mein ganzes Gesicht und mein Brustkorb von Blut überkrustet war. Dean fuhr mich ins Krankenhaus, wo man mir eine tiefe Wunde im Gesicht mit sechs Stichen nähte (es waren die einzigen Stiche, die ich je bekommen habe). Die Wunde ist gut verheilt, doch habe ich nun an der rechten Wange eine hervorgehobene und deutlich sichtbare Narbe. Interessant dabei ist, daß ich beim Aufprall auf dem Erdboden das Gefühl hatte, als würde ich irgendeine Art Kriegerritual durchlaufen. Es war ganz so, als wisse ein Teil von mir, daß ich es überstehen müsse, und als sei er stolz darauf und fast freudig erregt darüber. Für mich ist die Narbe wie eine Kampftrophäe, und sie gefällt mir eigentlich ganz gut. Einige Monate später verfing sich Tristan mit einem Bein im Stacheldrahtzaun und riß sich das Fleisch bis zum Knochen auf. Es dauerte mehrere Monate und bedurfte sehr viel Pflege, doch inzwischen ist er wieder vollauf gesund. Anscheinend hat auch er eine Einweihung durchlaufen und trägt nun seine eigene Kampfnarbe.
Vierzigster Geburtstag Es wurde mir immer deutlicher, daß ich mein ganzes Leben umstellen mußte. Was ich brauchte, war weniger Arbeit und Verantwortung und dafür mehr Heilung, Fürsorge und Vergnügen. Ich hatte Jahre damit verbracht, der Welt etwas zu geben, und nun wollte ich einfach nur mir selbst etwas geben. Ich beschloß, nach meinem Geburtstag eine Workshoppause einzulegen. Ich wollte mehrere Monate auf Kauai verbringen, mich dort entspannen und mein neues Buch schreiben. Als mein Geburtstag nahte, bekam ich immer wieder das starke Gefühl, daß ich vor meiner Geburt eine Art Abkommen getroffen haben mußte, die ersten vierzig Jahre meines Lebens darauf zu richten, meinen Beitrag für die Welt zu leisten, um danach frei zu sein, mein Leben für mich zu leben. Ich habe keine Ahnung, mit wem ich diese Vereinbarung getroffen habe oder ob es überhaupt stimmt, doch ich wußte, daß ich nun an einen entscheidenden Wendepunkt gelangt war. Ich habe das Gefühl, als würde ich durch ein Tor hinaus in die Freiheit schreiten. An meinem vierzigsten Geburtstag verbrachte ich den größten Teil des Tages am Strand, ging spazieren und meditierte. Ich fragte mich, was ich vom nächsten Jahr wollte, und empfing die schlichte und starke Antwort: »Lieben und geliebt werden. Ich will einfach nur lieben und geliebt werden.« Ich wußte, daß dieses kommende Jahr eine Zeit sein würde, um vieles von den äußeren Komplexitäten meines Lebens loszulassen und mich stärker der Schlichtheit meines Herzens zu widmen. Transformation Die sechs Monate, die ich auf der Insel gelebt habe, während ich dieses Buch schrieb, waren von einer wunderbaren Heilkraft für mich. Zum ersten Mal seit vielen Jahren habe ich keine Workshops geleitet und mich überhaupt nicht mit Menschen abgegeben. Ich habe mich ausgeruht, entspannt und sehr viel geschlafen. Ich habe Zufriedenheit, Ruhe und Stille gefunden. Den größten Teil meiner Aufmerksamkeit habe ich mir selbst gewidmet und keinem anderen. Und die unglaubliche Schönheit der Natur um mich hat mich aufgebaut. Ich habe viel Zeit allein verbracht, habe mich meinen Gefühlen der Einsamkeit und der Leere hingegeben und mich ihnen gestellt, anstatt davor wegzulaufen. Wiewohl dies am Anfang furchterregend und schwierig ist, stelle ich doch jedesmal fest, daß die innere Leere von der Macht meiner eigenen Seele ausgefüllt wird, die sich unglaublich reich und voll anfühlt. Indem ich das Gefühl der Leere zulasse, ermögliche ich es mir selbst, die Macht des weiblichen Aspekts meines Wesens zu entdecken. In der Leere ist Offenheit, eine Empfänglichkeit, die Macht hat, all das anzuziehen, dessen sie im Augenblick bedarf oder was sie begehrt. Ich ziehe immer mehr Liebe in meinem Leben an, Liebe aus vielen verschiedenen Quellen. Ich habe eine Partnerbeziehung gehabt, die gut für mich war, mit einem schönen und dynamischen jungen Mann - einem talentierten Rock 'n' Roll - Gitarristen. Diese Beziehung war ein wichtiger Bestandteil meiner Selbstheilung. Wenngleich sie auch einige derselben Eigenschaften aufweist wie meine früheren Beziehungen, sind da aber auch sehr wichtige Unterschiede. Wir haben uns unserem eigenen Entwicklungsprozeß so intensiv gewidmet, daß es uns gelungen ist, jene Muster, in denen ich früher festgefahren war, schnell hinter uns zu bringen. Das hat mich dazu fähig gemacht, das Geschenk der Transformation des Spiegelungsprozesses annehmen zu können. Ich verstehe nun, weshalb ich mich früher immer zu jüngeren Männern hingezogen fühlte. Instinktiv hatte ich das Gefühl gehabt, daß ich vitale, junge, männliche Energie brauchte, um die Lebenskraft zu erneuern und zu ersetzen, derer ich verlustig gegangen war, indem ich mich soviel und so sehr um andere gekümmert und ihnen etwas gegeben hatte. Ich hatte irgendwo gespürt, daß ein viriler junger Mann mich von der Mutter, zu der ich geworden war, in die junge Göttin verwandeln könnte, als die ich mich in meinem Inneren fühlte. Im Austausch wollte ich dafür meine Weisheit und Macht geben. Der Austausch ältere Frau / jüngerer Mann ist eine sehr natürliche und machtvolle Beziehung.
Sie erscheint mir besonders angemessen in dieser Zeit, da die Macht der Göttin in den Vordergrund tritt. Andererseits handelt es sich aber auch um einen sehr heiklen Prozeß, da die gegenwärtigen Wertvorstellungen der Gesellschaft dieses Modell nicht begünstigen. Wenn die Frau nicht vorsichtig vorgeht, kann sie dabei in der Mutterrolle verharren, und so findet die Transformation nicht statt. In dieser Partnerschaft habe ich eine Energie bekommen, die ich brauchte. Seine körperliche, leidenschaftliche Vitalität hat meine Beziehung zu meiner eigenen wiederhergestellt. Er hat eine Anzahl früher verkannter Energien widergespiegelt, mit denen ich nun wieder in Kontakt stehe. Das Zusammensein mit ihm hat mich gelehrt, mehr von der urtümlichen, körperlichen Energie auszudrücken, die dem nachgeht, was ich will. Es ist das genaue Gegenteil zum Sorgen für andere Menschen. Und es ist auch eine Kriegerenergie da, die sich auch nicht vor dem Zornigwerden fürchtet, wenn ich das Gefühl habe, ungerecht behandelt zu werden. Das Ganze hat auch noch einen Aspekt der Rebellion, der mir dabei hilft, meine Neigung zu überwinden, anderen Menschen zu Gefallen zu sein, und der es mir ermöglicht, zu tun, was ich will, unabhängig davon, was andere davon halten mögen. Und auch mein vergnügungsfreudiges Heranwachsenden - Ich und mein verspieltes Kind treten langsam in den Vordergrund. Ich habe zwar eine starke seelische Verbindung zu diesem Mann, doch hat unsere Beziehung inzwischen die Vollendung ihrer Erstphase erfahren. Ich weiß noch nicht genau, wie sie sich in der Zukunft manifestieren wird. Doch stelle ich fest, daß mir diese Offenheit im Augenblick sehr zusagt. Anstatt zu versuchen, die Dinge in den Griff zu bekommen, lerne ich täglich, mein Leben der Führung meiner höheren Macht zu überantworten und auf den Entwicklungsprozeß meiner seelischen Reise zu vertrauen. Ich spüre eine tiefergehende, stärkere Verbindung zu meinem eigenen Wesenskern, und das spiegelt sich auch in meiner Beziehung zu meinem Körper wider. Meine Energie hat sich erneuert, und ich fühle mich wieder gesund und fit. Die Energie, die ich in meiner Partnerschaft freisetzte, führt meinem Wesen neue Kraft und Vitalität zu. Ich fühle mich jung und äußerst lebendig. Ich habe stets auf die Ernährungsbedürfnisse meines Körpers geachtet und sehr bewußt gegessen. Zwar folge ich dabei keinen festgelegten Regeln, sondern esse immer nur das, was ich wirklich will, während ich versuche, mir dabei bewußt zu sein, was sich für mich gesund und nahrhaft anfühlt. In den vergangenen Monaten habe ich festgestellt, daß sich meine Bedürfnisse verändern und daß ich überwiegend eine sehr viel schlichtere und gesündere Diät befolge als je zuvor, vor allem wenn ich mich auf der Insel befinde. Ich liebe das Spazierengehen und das Schwimmen, und versuche dem jeden Tag gerecht zu werden. (Andererseits gibt es aber auch Tage, an denen ich nur faulenzen mag.) Neulich habe ich eine interessante Erfahrung gemacht. Es war an einem wunderschönen Sonnentag, und ich ging gerade am Strand spazieren, als ich eine Freundin beim Yoga entdeckte. Sie ist eine wunderschöne Frau - groß und schlank mit langem, dunklem Haar und im Yoga sehr fortgeschritten. Als sie dort am Strand die verschiedenen Stellungen einnahm, sah sie so überwältigend schön aus, daß ich stehenbleiben und nach Luft ringen mußte. Während ich sie beobachtete, spürte ich, wie ich mich in einen veränderten Bewußtseinszustand hineinbewegte. Ich sah eine strahlende Energie, die von ihr ausging, und plötzlich erfuhr ich selbst eine neue Stufe der Lebendigkeit, auf die ich mich gerade zu bewege. Ich erkannte, daß ich nichts bewußt dafür tun muß, ich brauche nur meinen Erfahrungen zu folgen, die mich weiterhin in diese Richtung führen werden. Ich spürte auch ein starkes Verlangen, mehr Yoga zu machen, dem ich inzwischen gefolgt bin. Yoga war der erste bewußte Schritt, den ich in diesem Leben auf meinem spirituellen Weg getan habe, und noch immer ist er sehr kraftvoll. Ich habe auch das starke Bedürfnis wieder zu tanzen. Im Laufe der Jahre habe ich das zwar sporadisch immer wieder getan, doch jetzt möchte ich mich konzentrierter damit beschäftigen. Mein Körper und mein Geist wollen tanzen und brauchen dies.
Neue Richtungen In Zukunft werde ich wahrscheinlich nur noch gelegentlich Workshops leiten. Ich merke, daß meine Ausdrucksform sich verändert. Ich würde mich gern damit beschäftigen, transformatorische Theatererfahrungen zu erschaffen, die Musik, Tanz, Drama und Komödie miteinander verbinden und an denen das ganze Publikum beteiligt ist. Seit einigen Jahren habe ich schon das Gefühl, daß wir durch das Theater die gleichen machtvollen Veränderungen in unserem Leben herbeiführen können wie in Workshops, und daß es sogar noch sehr viel mehr Vergnügen machen würde! Ich habe mich weiterhin in den Geist von Kai Mana eingeschwungen und ihn gebeten, mir seine Ziele zu offenbaren. Ich weiß nun, daß Kai Mana in erster Linie mein persönliches, eigenes Haus sein soll - ein Ort des Rückzugs für mich, meine spirituelle Familie und für geladene Gäste. So seltsam es Ihnen erscheinen mag, stellt es für mich doch einen großen Schritt dar zu erkennen, wie sehr ich ein eigenes Heim brauche, und auch, es über meinen Wunsch zu erheben, einen Ort der Heilung für andere zur Verfügung zu stellen. Es spiegelt auf starke symbolische Weise die Tatsache wider, daß ich endlich persönliche Grenzen setze und mich zuerst um mich selbst kümmere. Ich habe auch den Rat empfangen, an einer anderen Stelle auf der Insel ein größeres Klausurzentrum zu errichten. Ich möchte gern, daß dies ein schöner, heilsamer Ort wird, wo die Menschen ein paar Wochen oder Monate verbringen können, um einen völligen Transformationsprozeß zu durchlaufen - auf der körperlichen, der emotionalen, der mentalen und der spirituellen Ebene. Ich glaube, daß dies ein Ort sein soll, wo die Menschen lernen können, auf neue Weise zu leben, im Einklang mit ihrem eigenen Geist und mit dem Geist der Erde. Ich stelle mir vor, daß die Menschen hierherkommen werden, um zu heilen und zu lernen, um danach ihre Erfahrung mit nach Hause zu nehmen und dort andere zu unterrichten und ihnen bei der Selbstheilung zu helfen. Ziemlich unerwarteter weise habe ich auch damit begonnen, mich in der Inselpolitik zu engagieren. Bis vor kurzem wurde die Insel von einer Regierung beherrscht, die eine extreme Bau - und Entwicklungspolitik betrieb. Die wirtschaftliche Erschließung mit ihren Bauaktivitäten birgt die Gefahr, vieles von der natürlichen Schönheit der Insel sehr schnell zunichte zu machen. Vor kurzem wurde eine neue Bürgermeisterin gewählt, eine wunderbare und krafterfüllte junge Frau, die für eine vernünftige Planung eintritt und versucht, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen notwendiger Erweiterung und Erhalt der Schönheit der Umwelt zu finden. Sie und auch die anderen, denen dieses Gleichgewicht am Herzen liegt, haben einen schweren Kampf zu führen. Die Vertreter einer ausgedehnten Bebauungspolitik sind stark und entschlossen, und sie verfügen über beinahe unbegrenzte Mittel. Und innerhalb der Regierung und der Gemeinde gibt es zahlreiche, tiefeingegrabene Muster, die sich nur schwer ändern lassen. Doch immer mehr Menschen erkennen nun, daß die Unversehrtheit der Insel ernsthaft gefährdet ist, und beginnen sich zu wehren. Seit ich mehr über diese Situation weiß, verstehe ich auch die Botschaften besser, die ich von der Insel empfangen habe. Ich glaube, daß die Erde selbst jene von uns, die sie hören können, dazu aufruft, sie auf jede erdenkliche Weise zu beschützen und zu verteidigen. Mir scheint dabei klar: Wir können die Umwelt nicht wirkungsvoll schützen und die Einstellung der Menschheit zur Erde verändern, wenn wir dabei von der Position des Opfers ausgehen und die Schuld jenen zuschieben, die im Augenblick über die meiste Macht verfügen. Wir müssen uns vielmehr selbst bemächtigen und zu effektiven Möglichkeiten finden, sie herauszufordern. Mir ist auch klargeworden, daß das Geld in der politischen Welt sehr viel Macht bedeutet. Und so beginne ich mich zum ersten Mal im Leben dafür zu interessieren, Geld zu machen und / oder anzuziehen. Ich möchte es dazu verwenden, um jene Veränderungen herbeizuführen, die in dieser Welt meiner Meinung nach erforderlich sind. Diese Insel ist zur Zeit mein wichtigster Kraftort. Ich glaube, daß es ihr bestimmt ist, die Arena für eine große Transformation zu bieten, und daß sie ein Beispiel für den Rest der Welt sein
wird. Ich meine, daß es gegenwärtig viele solcher mächtiger Orte auf der Erde gibt. Manche davon sind sehr abgelegen, andere dagegen finden sich mitten in unseren Städten. Ich empfehle jedem von Ihnen eindringlich, die sich von dem, was ich hier mit Ihnen geteilt habe, angerührt fühlen, sich überall, wo immer Sie sein mögen, auf die Erde einzuschwingen und festzustellen, was sie Ihnen zu sagen hat. Dann sollten Sie Ihre Intuition darum bitten, Sie Schritt um Schritt auf Ihrer persönlichen Reise in die neue und bewußte Welt zu leiten, die wir hier auf Erden erschaffen. Kehren wir gemeinsam in den Garten zurück. 3 Unsere gemeinsame Reise Eine Fabel Am Anfang war nur Frau, von strahlender Schönheit, in einem Zustand friedvoller Glückseligkeit. Eines Tages erkannte Frau, daß es sie nach einem Gefährten verlangte, um nicht nur die innere Zufriedenheit zu erfahren, sondern auch das Geben und Empfangen der Liebe. Da sie mit dem schöpferischen Prinzip eins war, schufen ihr Denken und ihr Verlangen sofort ein männliches Kind, das sie gebar. Da es noch jung und neu war, ernährte sie es und sorgte dafür. Aus dem Jungen wurde ein starker und stattlicher junger Mann. Frau verehrte ihn, und er verehrte sie. Aber er war noch nicht mächtig genug, um ihr Gefährte zu werden. Er bedurfte noch der Erfahrung des Lebens. Und so küßte er sie eines Tages zum Abschied und versprach, bald zurückzukehren. So ging er in die Welt hinaus, um dort nach Weisheit und Macht zu suchen. Er begegnete vielen Hindernissen und Gefahren. Oft fürchtete er sich und wußte nicht, was er tun sollte. Doch dann dachte er an Frau, und die Liebe zu ihr ermutigte ihn, sich jeder Herausforderung zu stellen. Er reiste weit herum, durch viele Ländereien. Er begegnete vielen furchterregenden Geschöpfen und besiegte sie. So gewann er an Selbstvertrauen. Sein Körper wurde stark und mächtig. Er machte sich weit und breit einen Namen, und alle anderen Kreaturen achteten und fürchteten ihn. Je weiter er sich von seinem ursprünglichen Heim entfernte und in seinen Abenteuern aufging, um so mehr verflüchtigte sich die Erinnerung an Frau. Schließlich vergaß er sie vollends, aufgesogen von der Erregung seiner eigenen Macht, die ihm größer erschien als die jedes anderen Wesens auf Erden. Er suchte unentwegt nur nach seiner nächsten Herausforderung, seiner nächsten Eroberung. Er tötete viele Kreaturen und nahm ihr Revier in Besitz. Er war gnadenlos in seiner Suche, unentwegt stürmte er voran. Eines Tages jagte er ein Lebewesen, das ihm davonlief, und so erreichte er den Rand einer Steilwand. So groß war sein Schub, daß er beinahe in die Tiefe gestürzt wäre, doch gelang es ihm in letzter Minute noch stehenzubleiben. Benommen erkannte er, daß er das Ende der Erde erreicht hatte. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich verloren und verängstigt. Er konnte nicht mehr weiter und wußte nicht, was er sonst tun sollte. Die Nacht brach gerade an, und so legte er sich zum Schlafen an den Rand der Erde. In dieser Nacht träumte er von Frau. Er sah ihr schönes Gesicht und ihre Gestalt, spürte ihre liebevolle Anwesenheit. Erschrocken erwachte er, die Sehnsucht nach ihr hatte ihn gepackt. Er erkannte, daß er den ganzen Sinn seines Lebens vergessen hatte und dabei irregegangen war, ja fast hätte er sich selbst vernichtet. Er wußte, daß er seine Suche vollendet hatte und daß es an der Zeit war, nach Hause zurückzukehren zu seiner Gefährtin. Als er sich auf den Rückweg machte, in die Richtung, aus der er gekommen war, stellte er fest, daß der Weg lang und beschwerlich war. Nicht länger von seiner rastlosen Suche nach Macht getrieben, mußte er sich seinen eigenen Unzulänglichkeiten stellen. Er war gedemütigt, und in dieser Demut fand er die Weisheit. Als er sich langsamer als zuvor seinen Weg bahnte, konnte er unterwegs vieles über sich selbst und über das Leben beobachten und verstehen. Er entdeckte, daß viele jener Lebewesen, die er gnadenlos erschlagen hatte, zu Dämonen
geworden waren, die ihm nun den Weg versperrten und ihn aufs heftigste bedrohten. Er stellte fest, daß diese Wesen, wenn er vor ihnen davonlief, ihn weiterhin verfolgten. Die einzige Möglichkeit, mit Dämonen umzugehen war, stehenzubleiben und Freundschaft mit ihnen zu schließen, um von ihnen zu lernen, was sie ihn lehren wollten, und sie in seinem Leben einzubeziehen. Hatte er sie erst einmal angenommen, setzten sie ihre Macht dazu ein, um ihm auf seiner Heimreise behilflich zu sein, so daß er sehr viel schneller und leichter vorankam. Eines Tages erreichte er endlich sein Zuhause. Er war groß und stark, sein Gesicht war vom Wetter gegerbt und die Züge durch Lebenserfahrung und Weisheit gemildert. Er war umgeben von all den Tieren und Dämonen, die er gezähmt und mit denen er Freundschaft geschlossen hatte, die nun seine Ratgeber waren. Frau hatte ihn seit ganzen Zeitaltern erwartet und sich nach ihm gesehnt. Sie hatte von allen seinen Abenteuern gewußt und gespürt, daß er sie vergessen hatte. Und sie hatte befürchtet, er würde nie zurückkehren. Sie hatte Schmerz erfahren, Trauer, Einsamkeit, Furcht und Zorn, und sie war tief in ihr Inneres eingedrungen, um dort Vertrauen und Zuversicht zu schöpfen. Ihre Erfahrungen hatten sie gestärkt und doch zugleich auch tiefsinniger und weicher gemacht. Ihre Schönheit war so groß, daß sein Herz einen Schlag aussetzte, als er sie erblickte. Er kniete vor ihr nieder und versprach, sie immer zu lieben und zu beschützen. Sie kniete vor ihm, wandte ihm das Gesicht zu und versprach ihrerseits, ihn stets zu lieben und aufzubauen und bei ihm zu bleiben. Dann erhoben sich beide und umarmten einander. Langsam begannen sie zu tanzen... 4 Ihre persönliche Reise Meditationen und Übungen Wie Sie Kontakt zu Ihrem inneren Führer herstellen Wählen Sie eine bequeme Meditationshaltung, entweder die Rückenlage oder aufrecht und gut abgestützt sitzend. Schließen Sie die Augen, atmen Sie tief durch und entspannen Sie Ihren Körper beim Ausatmen, so gut Sie nur können. Machen Sie einen weiteren tiefen Atemzug und entspannen Sie beim Ausatmen den Geist, und lassen Sie die Gedanken davon schweben. Atmen Sie weiterhin tief und ruhig, und entspannen Sie dabei Körper und Gemüt. Dann atmen Sie wieder tief durch und stellen sich beim Ausatmen vor, wie Ihr Bewußtsein zu einem Ort tief in Ihrem Inneren vordringt. Mit jedem Atemzug gehen Sie immer mehr in die Tiefe. Finden Sie schließlich einen ruhigen Ort tief im innersten Wesenskern. Nehmen Sie sich ein paar Augenblicke Zeit, einfach nur an diesem friedvollen Ort im Inneren zu sein. Stellen Sie sich vor, daß Sie an diesem tiefgelegenen Ort in Ihrem Inneren eine Verbindung zum weisesten Teil Ihrer selbst herstellen können. Das ist jener Teil von Ihnen, der alles weiß, was Sie jemals wissen müssen, und der Sie Schritt um Schritt auf Ihrem Lebenspfad leiten kann. Sie brauchen nur darum zu bitten, und schon wird dieses innere Wissen Ihnen offenbart. Fragen Sie nun, was Ihre innere Führung Ihnen sagen oder woran Sie sie gemahnen will. Bitten Sie darum, daß es etwas Einfaches ist, etwas, das Sie ohne Schwierigkeiten annehmen können. Dann entspannen Sie sich und machen sich offen für alle Gedanken, Gefühle oder Bilder, die zu Ihnen kommen und sich richtig anfühlen. Sollte nichts kommen, blockieren Sie diesen Prozeß vielleicht, indem Sie sich allzusehr anstrengen. Machen Sie keine Staatsaktion daraus. Am Anfang mag es sich sogar so anfühlen, als würden Sie sich Dinge einbilden. Sollte dem so sein, machen Sie einfach weiter! Auch wenn Sie sich etwas einbilden, kommt es doch aus Ihrem Inneren. Für manche Menschen ist es hilfreich sich vorzustellen, daß sie sich mit einem sehr weisen Mann oder einer sehr weisen Frau unterhalten, von denen sie die erforderliche Führung erhalten. Je öfter Sie sich darin üben, um Ihre innere Führung zu bitten, und je mehr Sie Ihr Vertrauen in das setzen, was dann kommt, um so leichter und zuverlässiger wird dieser Prozeß. Sie können
spezielle Fragen stellen oder um Hilfe in besonderen Angelegenheiten bitten. Sollten Sie nicht sofort eine Antwort aus Ihrem Inneren erhalten, werden Sie feststellen, daß Sie sie zu einem späteren Zeitpunkt in anderer Form bekommen - als Gedanke oder Gefühl, als Traum, in Form eines Buchs oder einer Bemerkung, die jemand macht und die ein Gefühl inneren Wissens auslöst. Das Erwecken des Körpers Bleiben Sie morgens nach dem Aufwachen noch einige Minuten liegen und erspüren Sie, wie Ihr Körper sich fühlt und wie es um Ihr Gemüt steht. Sagen Sie sich, daß Sie sich so lieben und schätzen, wie Sie sind, und daß Sie alle Ihre Gefühle und Empfindungen als natürlichen Bestandteil des Lebens akzeptieren. Teilen Sie Ihrem Körper Ihre Dankbarkeit dafür mit, daß er für Sie da ist. Stehen Sie nun langsam auf und trinken Sie ein Glas frisches Wasser, trinken Sie dabei langsam, stellen Sie sich vor, wie das Wasser Ihren Körper reinigt und stärkt. Danach sollten Sie einige Minuten nichts anderes trinken oder essen. Legen Sie Musik auf, die Ihrer Stimmung entspricht. Beginnen Sie Ihren Körper langsam und sanft zu bewegen und zu strecken. Fragen Sie ihn, wie er sich bewegen will, und lassen Sie sich von ihm zeigen, was sich gut anfühlt. Vergessen Sie auch nicht, die verschiedenen Teile Ihres Körpers zu bewegen, den Kopf, die Schultern, die Arme und Hände, die Hüften, die Beine und Füße, damit sie alle Gelegenheit bekommen aufzuwachen. Nun bewegen Sie Ihren ganzen Körper zum Klang der Musik, und zwar so, daß es sich für Sie gut anfühlt. Wenn Sie genug gehabt haben, legen Sie sich wieder hin und entspannen Sie sich. Spüren Sie, wie die Lebensenergie durch jede Zelle Ihres Körpers pulsiert. Die Erkundung männlicher und weiblicher Energien Suchen Sie sich einen ruhigen Ort entweder im Freien oder im Gebäude, wo Sie genug Raum haben, um sich zu bewegen, und wo Sie ungestört sind. Nehmen Sie mit durchgebeugten Knien eine bequeme Standhaltung ein. Atmen Sie langsam und tief. Stellen Sie sich vor, wie die aufbauende, weibliche Energie der Erde durch Ihre Fußsohlen in Ihren Körper eindringt und ihn ausfüllt. Gehen Sie nun auf und ab oder bewegen Sie sich, spüren Sie die weibliche Energie in Ihrem Körper. Gestatten Sie es sich, sich offen zu fühlen, sinnlich, empfänglich, intuitiv, machtvoll. Spüren Sie Ihre Verbindung mit allem anderen um Sie herum. Sind Sie eine Frau, stellen Sie sich vor, daß Sie eine Göttin sind. Sind Sie ein Mann, stellen Sie sich vor, daß in Ihrem Inneren eine Göttin ist. Bewegen Sie den Körper mit der Energie dieser Göttin. Wenn Sie das Gefühl haben, daß Sie die Übung vollendet haben, nehmen Sie wieder die Standhaltung ein. Lassen Sie die weibliche Energie langsam aus Ihrem Körper entweichen, zurück in die Erde. Als nächstes stellen Sie sich vor, wie Sie mit jeder Pore Ihres Körpers männliche Energie aufnehmen. Lassen Sie sich von dieser männlichen Energie ausfüllen. Gehen Sie mit dieser Energie auf und ab oder bewegen Sie sich. Empfinden Sie sich selbst als stark, klar, konzentriert, machtvoll. Spüren Sie Ihre Individualität, Ihre Verschiedenheit von allem, was Sie umgibt. Sind Sie ein Mann, stellen Sie sich vor, daß Sie ein Gott seien. Sind Sie eine Frau, stellen Sie sich vor, daß in Ihnen ein Gott ist. Bewegen Sie Ihren Körper mit der Energie dieses Gottes. Achten Sie auf den Unterschied, wie sich Ihr Körper mal mit der weiblichen, mal mit der männlichen Energie fühlt. Beachten Sie auch, welch unterschiedliche Beziehung Sie aus der jeweiligen Perspektive heraus zu Ihrer Umgebung aufbauen. Beide sind wichtig, beide sind mächtig. Spielen Sie mit diesen verschiedenen Energien in Ihrem Leben, rufen Sie sie auf, wann immer Sie sie benötigen. Experimentieren Sie damit, beide zur gleichen Zeit zu aktivieren, und stellen Sie fest, ob Sie ein Gleichgewicht zwischen beiden erfahren.
Das innere Kind entdecken Suchen Sie sich einen Meditationsort, wo Sie sich sehr ruhig, sicher und gemütlich fühlen, wo Sie sichergehen können, nicht gestört zu werden. Sie können sich setzen oder hinlegen, wobei Sie Decken und Kissen um sich herum so anordnen, daß es sich ganz besonders bequem und gemütlich anfühlt. Sollten Sie geistesabwesend oder verspannt sein, spielen Sie etwas sanfte, leichte, friedvolle Musik und atmen Sie eine Weile langsam und sanft durch, während Sie sich entspannen. Dann beginnen Sie mit der Meditation. Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, daß Sie sich irgendwo in der freien Natur an einem schönen Ort befinden. Sie gehen einen Pfad entlang, sehen, fühlen oder spüren die Friedfertigkeit und Schönheit der Natur um Sie herum. Nun gelangen Sie an einen ganz besonders hübschen, magischen Ort und beginnen ihn zu erforschen. Ein Stück abseits bemerken Sie die Gestalt eines kleinen Kindes. Sie gehen auf das Kind zu, und während Sie dies tun, stellen Sie fest, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, wie alt es ist, welche Kleidung es trägt und was es gerade tut. Als Sie noch näher herangekommen sind, können Sie auch spüren, wie das Kind sich fühlt - ob es traurig ist, zufrieden, verschreckt, zornig, aufgeregt, neugierig, nachdenklich, oder was auch immer. Versuchen Sie das Kind nicht zu erschrecken, gehen Sie näher heran und stellen Sie einen Kontakt her. Die Art und Weise, wie Sie das tun, hängt von der Stimmung des Kindes ab und davon, was es gerade macht. Vertrauen Sie auf Ihre Intuition, wenn Sie wissen wollen, wie Sie dieses Kind am besten kennenlernen können. Vielleicht sprechen Sie mit ihm, berühren es oder halten es fest, spielen mit oder nehmen an dem teil, was das Kind gerade tut, ob Sie gemeinsam die Gegend erkunden oder einfach nur still dasitzen. Lassen Sie sich von dem Kind zeigen, was es will und was angemessen ist. Irgendwann fragen Sie das Kind dann - entweder in gesprochenen Worten oder telepathisch - , ob es Ihnen etwas mitteilen will oder ob es eine Nachricht für Sie hat. Öffnen Sie sich dafür, seine Antwort zu hören oder zu empfangen. Fragen Sie das Kind, was es von Ihnen haben möchte, sei es jetzt oder ganz allgemein im Leben. Empfangen Sie auch diese Antwort, ob Sie nun in Worten kommen mag oder auf andere Weise. Das Kind besitzt ein Geschenk für Sie - etwas, das es Ihnen geben will. Öffnen Sie sich nun dafür, dieses Geschenk zu empfangen. Was immer es sein mag, es ist ein Symbol der Botschaft, die das Kind im Augenblick für Sie hat. Wenn Sie das Gefühl haben, daß es an der Zeit ist zu gehen, lassen Sie das Kind wissen, daß es entweder mit Ihnen kommen oder hier an diesem sicheren, abgeschiedenen und schönen Ort verbleiben kann. Sollte es sich zum Bleiben entscheiden, lassen Sie das Kind wissen, daß es Ihnen wichtig ist und daß Sie so oft Sie können zurückkommen werden, um es zu besuchen. Will es mit Ihnen kommen, nehmen Sie es bei der Hand oder in den Arm und gehen Sie wieder den Pfad zurück. Werden Sie sich nun wieder Ihres Körpers und des Raums, in dem Sie sich befinden, gewahr. Öffnen Sie ganz langsam und sacht die Augen. Spüren Sie die Energie und die Anwesenheit des Kindes in Ihnen oder bei Ihnen. Sie haben Kontakt zu einem Aspekt Ihres inneren Kindes aufgenommen. Sollte Ihnen das schwergefallen sein, könnte es daran liegen, daß Ihr inneres Kind noch nicht bereit ist hervorzutreten. Wiederholen Sie die Meditation gelegentlich, und wenn die Zeit dafür reif ist, wird es geschehen. Möglicherweise haben Sie das Gefühl, daß Sie sich nur etwas einbilden. Das ist völlig in Ordnung, denn es ist irgendein Aspekt Ihres inneren Kindes, der da alles erfindet! Das Kind, dem Sie begegnen, kann verspielt sein, magisch oder verletzt, verängstigt oder wütend. Vertrauen Sie darauf, daß alles, was kommen mag, jener Teil ist, zu dem Sie im Augenblick Kontakt herstellen sollten. Wenn Sie diese Meditation oft durchführen und fortwährend mit dem Kind arbeiten, stellen Sie möglicherweise fest, daß sich etwas verändert. Manche Menschen begegnen zunächst einem traurigen oder zornigen Kind, dessen Bedürfnisse nie befriedigt wurden. Wenn Sie damit beginnen, dieses Kind bewußt zu lieben und ihm wieder Vater und Mutter zu sein, kann es glücklicher und verspielter werden. Andere wiederum
begegnen anfänglich vielleicht einem verspielten Kind, während sich später, nachdem Sicherheit hergestellt wurde, ein verletzlicheres Kind offenbaren mag. Die Begegnung mit Ihrem inneren Kind ist der Beginn einer liebevollen, verantwortungsbewußten Beziehung zu diesem Teil Ihrer selbst. Führen Sie diese Meditation öfter durch und stellen Sie eine regelmäßige Verbindung zu Ihrem Kind her. Finden Sie heraus, was das Kind braucht und will, geben Sie ihm soviel davon, wie Sie können, und zwar sowohl in der Meditation als auch im Alltag. Behandeln Sie Ihr inneres Kind so, wie Sie es mit einem wirklichen Kind täten, das Sie lieben und für das Sie sorgen wollen. Gehen Sie mit ihm in ein Spielwarengeschäft und lassen Sie Ihr Kind ein Plüschtier und / oder ein Spielzeug auswählen, das es wirklich mag. Vielleicht fühlen Sie sich dabei ein wenig töricht, aber Sie können ja immer so tun, als würden Sie es für ein anderes Kind kaufen! Machen Sie es sich zur Gewohnheit, in Ihrem Alltagsleben für Aktivitäten zu sorgen, die Ihr inneres Kind wirklich genießt, vielleicht schaukeln, Fahrrad fahren, mit Modelleisenbahnen oder -lastwagen oder Puppen spielen, Kinderfilme besuchen, den Zirkus, einen Freizeitpark oder den Strand. Stellen Sie fest, was Ihrem Kind als behaglich und aufbauend erscheint und integrieren Sie mehr davon in Ihr Leben. Die meisten Kinder brauchen sehr viel liebevollen Kontakt zu den Menschen, von denen sie das Gefühl haben, daß sie ihnen etwas bedeuten. Oft bedürfen sie der Berührung und der Zuneigung. In unseren geschäftigen Zeiten brauchen viele innere Kinder mehr Frieden und Ruhe und Entspannung. Kinder mögen meistens Tiere und genießen den Kontakt zu ihnen. Vielleicht erkennen Sie ja, daß Ihr Hund oder Ihre Katze oder Ihr Goldfisch der beste Freund Ihres inneren Kindes ist! Und die meisten Kinder lieben es auch, in der freien Natur zu sein. Erinnern Sie sich an Bücher, die Ihnen als Kind besonders wichtig waren, und lesen Sie sie aufs neue. Lesen Sie sich selbst Gutenachtgeschichten vor. Wenn Sie einen willigen Partner haben, können Sie sich abwechselnd Gutenachtgeschichten vorlesen und ins Bett bringen! Wenn Sie Ihrem inneren Kind die Liebe und das Vergnügen gewähren, die es regelmäßig braucht, werden Sie feststellen, daß in Ihnen sehr viele Heilungsprozesse in Gang gesetzt werden. Damit wird das Leben nach und nach reicher, erfüllter und vergnüglicher. Das Erfahren der vier Elemente Suchen Sie sich einen bequemen Platz, möglichst im Freien, wenngleich es auch im Gebäude geht, wo Sie sich mit dem Rücken auf den Boden legen können. Legen Sie ein Handtuch, einen Teppich oder ein Stück Stoff unter sich und ein kleines Kissen oder ein zusammengerolltes Handtuch unter die Knie, falls erforderlich, damit Sie es bequem haben. Atmen Sie langsam und tief und gestatten Sie es Körper und Gemüt, sich völlig zu entspannen. Spüren Sie die Erde unter sich (oder stellen Sie sich vor), wie sie Ihren Körper stützt. Nehmen Sie dieses Stützen an und stellen Sie fest, wie sich Ihr Körper immer mehr entspannt, je mehr Sie sich der Erde anvertrauen. Stellen Sie sich nun vor, wie Ihr Körper zu Erde wird - kräftig, beharrlich und gelassen. Nun stellen Sie sich vor, daß es zu regnen beginnt. Spüren Sie die Feuchtigkeit auf Ihrem Erdkörper. Imaginieren Sie, wie das Regenwasser die Erde in einen Fluß spült. Spüren Sie, wie Sie sich im Wasser auflösen - fließend und wirbelnd, ungehindert und frei. Stellen Sie sich vor, wie Sie emporspritzen und in der Luft verdunsten. Nun treiben Sie leicht und frei wie eine sanfte Brise dahin, fast ohne Form. Spüren Sie die heißen, goldenen Strahlen der Sonne, die Sie immer mehr durchdringen und schließlich durch Sie hindurchscheinen. Verschmelzen Sie mit dieser Hitze und werden Sie zu diesem leuchtenden Feuer. Nun, da Sie jedes der Elemente erfahren haben - Erde, Wasser, Luft und Feuer - , kehren Sie zurück und spüren einfach nur Ihren Körper, wie er entspannt auf dem Boden liegt. Denken Sie
darüber nach, daß Ihr Körper und die ganze Schöpfung aus Verbindungen dieser vier Elemente bestehen. Verbindung zu einem besonderen Ort Suchen Sie sich einen Ort in der Natur, den Sie lieben. (Wenn Sie keinen Ort besonders lieben sollten, dann suchen Sie eine Stelle, die Ihnen gefällt.) Das könnte Ihr Hinterhof sein oder der Park am anderen Ende der Stadt oder der Bauernhof Ihres Großvaters. Es könnte auch ein Strand oder ein Wald sein, ein Kurort, wo Sie Urlaub machen. Suchen Sie sich eine Stelle, zu der Sie Zugang haben, begeben Sie sich dorthin und verbringen Sie dort etwas Zeit. Lassen Sie sich Zeit dafür, sich auf den Ort einzuschwingen. Tun Sie, was immer Sie möchten, doch sollte es etwas sein, das Ihnen dabei hilft, diesen Ort selbst zu fühlen, zu sehen und seiner gewahr zu werden, anstatt Sie davon abzulenken. Vielleicht schlendern Sie umher und schauen sich einfach nur alles an, was Sie dort vorfinden, oder Sie legen sich auf den Boden und spüren die Erde unter sich. Stellen Sie sich vor, daß Sie noch ganz jung sind und den Ort so erforschen, wie ein unschuldiges Kind es täte. Suchen Sie sich eine ansprechende Stelle, wo Sie sich entspannen und meditieren können. Nehmen Sie eine bequeme Haltung ein. Atmen Sie einige Male tief durch und entspannen Sie Körper und Geist. Stellen Sie sich vor, wie Sie sich in den Geist dieses Orts einschwingen. (Vielleicht haben Sie das Gefühl, daß Sie sich die ganze Sache nur einbilden, aber das ist schon in Ordnung - dann machen Sie einfach mit dem Einbilden weiter.) Fragen Sie den Geist des Orts, ob er Ihnen etwas mitteilen möchte. Diese Mitteilung kann in Worten geschehen oder auf andere Weise - etwa durch Bilder oder Gefühle. Fragen Sie, ob er irgend etwas von Ihnen braucht oder haben will oder ob er irgendwelche Probleme hat, von denen Sie wissen sollten. Sollte dies der Fall sein, fragen Sie, ob Sie ihm helfen können. Bitten Sie den Ort auch um etwas, das Sie von ihm haben möchten, etwa Ruhe, Kraft, Heilung, Macht oder was auch immer. Stellen Sie sich vor, wie Sie genau das erhalten, was Sie hier möchten. Pflegen Sie Ihre Beziehung zu diesem Ort regelmäßig, und tun Sie es auf eine Weise, die Ihnen am besten erscheint. Sollten Sie merken, daß er Schwierigkeiten hat, stellen Sie fest, ob Sie etwas Praktisches unternehmen können, um ihm zu helfen. Sie werden feststellen, daß Ihre Beziehung zu Ihrem besonderen Ort auf der Erde reiche Früchte bringt. Einen Gegenstand der Kraft finden Begeben Sie sich an einen schönen Ort in der Natur und suchen Sie sich eine bequeme Stelle, wo Sie für eine kurze Meditation Platz nehmen können. Atmen Sie tief durch, entspannen Sie Körper und Geist und versenken Sie sich in einen tiefliegenden, ruhigen Ort in Ihrem Inneren. Bitten Sie Ihr inneres intuitives Selbst, Sie zu einem geeigneten Gegenstand der Kraft zu führen. Dann stehen Sie auf und schlendern entspannt umher, sehen sich um und mustern alles, was Sie auf dem Boden und in Ihrer Umgebung erblicken. Heben Sie Dinge auf und betrachteten Sie sie, wenn Sie sich zu Ihnen hingezogen fühlen. Irgendwann werden Sie einen Gegenstand finden, der sich für Sie sinnerfüllt oder machtvoll anfühlt. Das kann ein Stein sein, ein Blatt, eine Feder, eine Muschel, ein Tannenzapfen oder irgend etwas anderes. Nehmen Sie wieder Platz und meditieren Sie erneut, wobei Sie Ihren Gegenstand der Kraft festhalten. Fragen Sie ihn, welche Bedeutung er für Sie hat. Setzen Sie Vertrauen in das, was nach dieser Frage in Ihrem Geist auftaucht. Lassen Sie es zu, daß Sie die Botschaft oder das Gefühl Ihres Gegenstands auch empfangen. Nehmen Sie ihn mit nach Hause und bewahren Sie ihn dort an einem besonderen Platz auf. Nehmen Sie sich täglich etwas Zeit, um seiner auf irgendeine Weise gewahr zu werden. Das eigene Krafttier entdecken Begeben Sie sich in eine bequeme Meditationsstellung. Atmen Sie ruhig und entspannen Sie sich
tief. Versenken Sie Ihr Bewußtsein an einen tiefgelegenen, ruhigen Ort in Ihrem Inneren und stellen Sie sich vor, wie Sie Kontakt zu Ihrer inneren Führung aufnehmen. Bitten Sie darum, Ihr Krafttier entdecken zu dürfen. Nun stellen Sie sich vor, wie Sie durch einen Wald oder einen Dschungel gehen. Sie sehen und / oder spüren die Gegenwart vieler Tiere um sich herum. Irgendwann begegnen Sie einem Tier, das eine besondere Bedeutung für Sie hat. Fragen Sie es, welche Nachricht es Ihnen übermitteln will und öffnen Sie sich dafür. Dieses Tier kann in Worten zu Ihnen reden oder telepathisch, vielleicht zeigt es Ihnen aber auch durch die Tat, was es Ihnen sagen will. Vertrauen Sie auf Ihr intuitives Gefühl und stellen Sie entsprechend eine Beziehung zu dem Tier her. Vielleicht meinen Sie, daß Sie sich alles nur einbilden, aber das wäre auch in Ordnung. Machen Sie dann einfach damit weiter. Dieses Tier steht für eine bestimmte Art von Kraft oder Weisheit. Lassen Sie es zu, daß es Ihnen sein besonderes Geschenk überreicht. Erkennen Sie, daß dieses Tier nun Ihr besonderer Freund oder Verbündeter ist. Rufen Sie es immer dann, wenn Sie seiner Energie bedürfen. Baummeditation Suchen Sie sich einen besonderen Baum. Nehmen Sie darunter Platz oder klettern Sie an ihm hoch, um sich auf einen Ast zu setzen oder stellen Sie sich dicht an ihn und legen die Arme um ihn, je nachdem, was sich zur körperlichen Kontaktaufnahme als am geeignetsten anfühlt. Schließen Sie die Augen und stellen Sie einen entspannten, meditativen Geisteszustand her. Stellen Sie sich vor, daß dieser Baum für Sie eine Mutter, ein Vater, ein Bruder oder eine Schwester ist. Sprechen Sie im Geiste mit ihm und erzählen Sie ihm, wie Sie gefühlsmäßig dazu stehen. Dann stellen Sie den Geist ruhig und nehmen die Energie dieses Baums auf. Vielleicht stellen Sie fest, daß er aufbauend wirkt oder stark oder weise, vielleicht sogar humorvoll. Setzen Sie Ihr Vertrauen in die Beziehung, die Sie zu diesem Baum haben, welcher Natur diese auch sein mag. Falls Sie in der Nähe leben, suchen Sie Ihren Baum häufig auf. Sie werden vielleicht feststellen, daß er ein sehr trostreicher und liebevoller Freund ist. Steinmeditation Suchen Sie sich einen großen Felsen, der glatt genug ist, um darauf zu sitzen, zu liegen oder sich dagegenzulehnen. Stellen Sie tiefe Entspannung her und spüren Sie den Kontakt Ihres Körpers mit dem Felsgestein. Spüren Sie auch, wie kräftig und fest der Stein ist. Beachten Sie, wie kühl oder warm er ist und denken Sie darüber nach, wie uralt er ist und wie lange er sich bereits an dieser Stelle befindet. Tun Sie so, als seien Sie selbst der Stein und versuchen Sie sich darin hineinzuversetzen, wie es wäre, Hunderte, Tausende, ja vielleicht sogar Millionen von Jahren so ruhig und still dazuliegen. Nehmen Sie die ruhige, machtvolle Energie des Steins in sich auf. Um Segen bitten Immer, wenn Sie etwas in der Natur tun oder etwas, das in Beziehung zur Erde steht, nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um den Segen der Erd - und der Pflanzen - , Tier - und anderen Naturgeister an diesem Ort zu bitten. Wenn Sie ein Wohnhaus oder ein anderes Gebäude bauen oder einen Garten pflanzen, entwickeln Sie zuerst ein kleines Ritual. Ein Teil des Rituals soll aus einer Bitte um Segnung durch den Ort selbst bestehen, wie auch um die Mitarbeit aller Wesen, die dort bereits leben - die Pflanzen, Insekten, Tiere, und so weiter. Bitten Sie um Führung, was die richtige und höchste Entwicklungsmöglichkeit und Nutzung des Grundstücks angeht. Danach setzen Sie Ihr Vertrauen in Ihr intuitives Gefühl darüber, wie Sie vorgehen sollen. Sollten Ihnen Hindernisse begegnen, lassen Sie die Angelegenheit eine Weile los und bitten Sie um weitere Führung. Danach verfolgen Sie wieder Ihre Ideen und Impulse. Jene Pläne, die nicht richtig sind, werden ernste Blockaden erfahren; die richtigen dagegen
lassen sich meistens ganz leicht in die Tat umsetzen. Vergessen Sie nicht, daß wir niemals einen Teil der Erde wirklich besitzen können. Wir sind nur Ihre Verwalter, und der Ort selbst wird uns wissen lassen, was er braucht und was er will. Die eigene Geschichte erzählen Irgendwann erreichen wir im Leben einen Punkt, da wir unsere Geschichte erzählen müssen. Das ist ein sehr machtvoller Prozeß, der für bestimmte Phasen unseres Lebens Bewußtheit, Integration und Vollendung bringen kann. Versuchen Sie Ihre Lebensgeschichte zu schreiben. Das können Sie so schlicht und knapp oder so lang und detailliert tun, wie Sie wollen. Wenn Ihnen das Schreiben oder Tippen nicht liegt, erzählen Sie Ihre Geschichte auf Band. Oder schildern Sie sie in Form von Zeichnungen oder Gemälden, oder tanzen Sie sie. Eine andere Möglichkeit wäre es, sie einfach einem Freund zu erzählen, einer Gruppe oder einem Therapeuten (einem, bei dem Sie sich wohl fühlen und der genug Zeit, Interesse und Geduld hat, um die Sache mitzumachen). Wenn Sie Ihre Geschichte erzählen, sorgen Sie sich dabei nicht um genaue Daten und Einzelheiten - konzentrieren Sie sich vielmehr auf die wichtigen Ereignisse und Gefühle. Denken Sie daran, daß Sie dies nur für sich selbst tun, zu Ihrer eigenen Befriedigung und Selbsterkenntnis. Sie versuchen damit nicht, einen anderen zu beeindrucken oder zu befriedigen, oder überhaupt irgend etwas nach irgendwelchen Regeln oder Normen auszuführen. Tun Sie es so, daß es sich für Sie richtig anfühlt. Wenn Sie ein Tagebuch oder eine andere Aufzeichnungsform Ihrer Erfahrungen führen, können Sie aus dem Erzählen Ihrer Lebensgeschichte einen fortlaufenden Vorgang machen. Mit der anderen Hand schreiben Mit der nicht dominanten Hand zu schreiben (bei Rechtshändern mit der linken, bei Linkshändern mit der rechten Hand) ist eine sehr wirkungsvolle Möglichkeit, um Zugang zu den tieferen oder verkannteren Aspekten Ihres Wesens zu erlangen. Sie können diese Hand bitten, Ihre Seele oder Ihren Wesenskern, Ihr inneres Kind oder Ihr kreatives Sein darzustellen. Dann bitten Sie diesen Teil Ihrer selbst darum, Ihnen mitzuteilen, was er Ihnen sagen will, und lassen es von Ihrer anderen Hand aufschreiben. So könnten Sie beispielsweise Ihr inneres Kind darum bitten, Ihnen einen Brief zu schreiben, in dem es Ihnen mitteilt, was es will oder was es von Ihnen braucht. Dann schreiben Sie den Brief mit Ihrer anderen Hand und unterschreiben ihn mit dem Namen, mit dem Sie als Kind gerufen wurden. Sie können aber auch mit Ihrer dominanten Hand Fragen Ihrer Persönlichkeit aufschreiben, um Ihre Seele oder Ihr höheres Selbst durch die andere Hand antworten zu lassen. Mehr Informationen über diese Technik finden Sie in dem Buch The Power of Your Other Hand von Lucia Capacchione. Der Kommunikationsprozeß Dies ist einer der besten Vorgänge, die ich je kennenlernte, um Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Kommunikation und der Partnerbeziehungen zu lösen. Die Technik läßt sich von den beiden Beteiligten allein ausführen, doch mag es am Anfang besser sein, einen Berater hinzuzuziehen, vor allem wenn es sich um ein ernstes oder langwieriges Problem handelt und wenn viele Gefühle mit im Spiel sind. Haben Sie die Technik mit Hilfe eines Beraters erst einmal erfolgreich gemeistert, können Sie ohne Schwierigkeiten auch ohne einen solchen fortfahren. Als Berater sollte jemand fungieren, der objektiv und unparteiisch bleiben kann und dem beide Beteiligten vertrauen. Der Berater sorgt dafür, daß die Beteiligten die Regeln des Prozesses befolgen und innerhalb der Struktur bleiben, und er enthält sich jeglicher Kommentare oder Versuche, den Beteiligten bei der Lösung des Problems zu helfen. Für diesen Prozeß sind nur folgende Dinge erforderlich:
1. Beide Beteiligten müssen willens sein, ihre Probleme zu lösen und zu Ende zu führen. 2. Eine angenehme und bequeme Umgebung, wo der Prozeß ohne Störungen von außen stattfinden kann. 3. Mindestens eineinhalb bis zwei Stunden Zeit. Zwar kann der Prozeß auch schneller bewältigt werden, doch ist es wichtig, mehr Zeitspielraum zuzulassen, für den Fall, daß er benötigt wird, vor allem dann, wenn es sich um einen sehr ernsten Konflikt handelt. Außerdem ist es wichtig, in naher Zukunft einen weiteren Termin festzulegen, um den Prozeß fortzuführen, sollte die Zeit abgelaufen sein, bevor das Problem bewältigt wurde. Häufig genießen Menschen diesen Prozeß so sehr, daß sie sich von allein dazu entschließen, ihn regelmäßig zu verfolgen. Es gehört zu den fundamentalen menschlichen Bedürfnissen zu wissen, daß jemand, den wir lieben, auch unsere Gefühle versteht. Bei Konflikten kommt es oft vor, daß beide Beteiligten verzweifelt um Gehör und Verständnis ringen, während keiner von ihnen bereit ist, dem anderen zuzuhören oder ihn zu verstehen. Korrekt ausgeführt bietet der Kommunikationsprozeß beinahe sichere Gewähr dafür, daß beide schließlich das Gefühl haben werden, daß der andere ihnen zugehört und sie verstanden hat. Das löst den größten Teil der Gefühlsspannungen auf und ermöglicht es, daß sich andere Aspekte des Konflikts sehr viel leichter lösen lassen. Zu Beginn setzen sich beide in bequemer Haltung einander gegenüber. Jeder sollte einen Notizblock und einen Schreiber bereithalten. (Im nun folgenden Abschnitt gehe ich beispielhaft davon aus, daß es sich um einen Mann und eine Frau handelt, doch kann dieser Prozeß natürlich in beliebiger Geschlechterkombination ausgeführt werden.) Jeder der beiden erklärt kurz sein Ziel oder seinen Wunsch nach dieser Sitzung. Beispielsweise: »Mein Ziel ist es, das Gefühl zu haben, daß du mich in dieser Angelegenheit verstehst«; oder: »Ich will, daß wir beide diesen ganzen Schmerz und Zorn endlich bewältigen, damit wir einander wieder lieben können.« Nachdem diese Ziele formuliert wurden, folgt der Hauptteil des Prozesses: Einer von beiden fängt an. Er spricht einfach über das Problem, beschreibt seine Gefühle und seinen Standpunkt so deutlich und klar wie möglich. Es ist am besten, sich auf die Hauptanliegen zu konzentrieren wie auch auf die damit verbundenen Gefühle, anstatt sich allzusehr den Einzelheiten zu widmen, also dem, was genau geschah, wer was sagte, und so weiter, es sei denn, dies scheint wichtig zu sein. Er sollte etwa fünf bis zehn Minuten sprechen. In der Zwischenzeit hört der zweite Beteiligte sorgfältig allem Gesagten zu und versucht es zu verstehen sowie die wichtigsten Punkte zu behalten. Die meisten Menschen empfinden es als hilfreich, sich Notizen zu machen, anderen dagegen erscheint dies zu schwierig, oder sie fühlen sich davon abgelenkt. Wichtig ist vor allem, daß die zweite Person der ersten sorgfältig zuhört, so daß sie später wiedergeben kann, was gesagt wurde. Nachdem der erste Beteiligte seine Anfangserklärung beendet hat, wiederholt sie das, was er gesagt hat. Dabei braucht sie nicht auf sämtliche Einzelheiten einzugehen, es geht vor allem um die wesentlichen Fragen, nämlich wie er die Dinge sieht und empfindet. Damit stimmt sie ihm nicht zu, sie läßt ihn lediglich wissen, daß sie sich seinen Standpunkt angehört hat. Hat sie ihn falsch verstanden oder etwas Wichtiges vergessen, kann er die Berichtigungen erläutern, die sie ebenfalls wiederholt, bis er schließlich davon überzeugt ist, daß sie ihm richtig zugehört hat. Danach kommt sie an die Reihe und verbringt fünf oder zehn Minuten damit, ihren Standpunkt des Problems und ihre Empfindungen betreffend darzulegen. Er hört nun seinerseits sorgfältig zu, und wenn er es als hilfreich empfindet, macht er sich auch Notizen. Hat sie einen guten Schluß gefunden, wiederholt er die Essenz dessen, was sie gesagt hat. Nun hat sie Gelegenheit, seine Wiedergabe zu berichtigen oder für Klarheit zu sorgen, bis auch sie das Gefühl hat, daß er ihren Standpunkt präzise wiedergegeben hat. Nun ist er wieder an der Reihe, um die Angelegenheit fünf Minuten lang zu diskutieren, während sie zuhört und danach wiederholt, was sie vernommen hat. Danach kommt sie erneut an die Reihe.
Beide wechseln sich solange ab, bis jeder das Gefühl hat, daß er alles Notwendige hat sagen können und daß der andere ihm zugehört und die wesentliche Aussage richtig wiedergegeben hat. Am Anfang könnte Ihnen dies sehr schwer fallen. Es ist äußerst schwierig, ruhig dazusitzen und sich den Standpunkt eines anderen anzuhören, wenn man auf das, was er sagt, innerlich aufgewühlt reagiert. Es besteht eine große Versuchung, zu unterbrechen und richtigzustellen, Widerspruch zu äußern oder Gegenargumente vorzubringen, weil man doch genau weiß, daß das, was der andere sagt, falsch ist, unrichtig, ungerecht, und so weiter. (Deshalb kann es auch sinnvoll sein, einen Berater hinzuzuziehen.) Wenn Sie jedoch die Geduld und die Disziplin aufbringen, dem Prozeß präzise zu folgen, werden Sie feststellen, daß es nach einer Weile immer leichter wird, weil Sie ja durchaus eine Chance bekommen. Ihre eigenen, persönlichen Empfindungen zu artikulieren, und zwar so, daß der andere Ihnen auch zuhört. Denken Sie daran, daß das Zuhören und Wiederholen dessen, was der andere gesagt hat, keinerlei Zustimmung für seine Ansicht bedeutet. Sie lassen den anderen einfach nur wissen, daß Sie gehört haben, was er sagte. Vielleicht hilft es Ihnen, sich dabei vorzustellen, Sie wären ein objektiver Reporter, der jemanden interviewt und sich über das Gesagte Notizen macht. Wenn Sie damit an der Reihe sind. Ihren Standpunkt darzustellen, versuchen Sie so viele tiefliegende Gefühle und Empfindungen wie möglich zu artikulieren, anstatt sich in oberflächlichen Einzelheiten zu verlieren. Haben wir unsere tieferen Gefühle erst einmal formuliert und wurden sie gehört, bekommen wir auch meistens das Gefühl, daß sich das Problem zu lösen beginnt. Es folgt nun ein vereinfachtes Beispiel für eine Gesprächsrunde beim Kommunikationsprozeß: l. Person: Ich war wirklich wütend, daß du gestern abend so spät nach Hause gekommen bist und mir vorher nicht Bescheid gesagt hast. Manchmal bist du so achtlos. Besonders nachdem ich dir doch vorher mitgeteilt hatte, daß ich ein besonderes Abendessen kochen wollte. Und als du dann kamst, hast du kaum ein Wort mit mir geredet. Ich kann es einfach nicht ertragen, so behandelt zu werden. 2 Person (den Kern der Aussage wiederholend): Du warst also sehr wütend darüber, daß ich so spät nach Hause gekommen und das besondere Abendessen ruiniert habe, das du vorbereitet hast. Du hältst mich für schrecklich achtlos, weil ich dir vorher nicht Bescheid gesagt habe. 7. Person (berichtigend): Am schlimmsten war daran, daß du nicht einmal richtig mir mir geredet hast, als du gekommen bist. 2 Person (die Berichtigung wiederholend): Am unangenehmsten war für dich, daß ich mit dir nicht viel geredet habe, als ich nach Hause kam. 7. Person: Ja. 2 Person (seinerseits an die Reihe kommend): Das ist nur ein weiteres Beispiel für das, womit ich mich hier abplagen muß. Ich habe einen wirklich sehr harten Arbeitstag im Büro. Ich bin von Problemen und Anforderungen schier überwältigt, ich habe keine Minute Zeit, um klar zu denken, und dann komme ich nach Hause und muß mich noch mit deiner Wut abplagen. Es wäre wahrhaftig etwas Schönes, wenn ich nach Hause käme und zur Abwechslung einmal Zuneigung erführe. Manchmal will ich überhaupt nicht mehr nach Hause, weil ich keine Ahnung habe, was mich dort erwartet. 7. Person (wiederholend): Du sagst, daß du einen schrecklichen Arbeitstag hattest und das Gefühl hattest, zu Hause würde das nächste Problem auf dich warten. Du hast den Eindruck, daß so etwas häufiger vorkommt. Du möchtest, daß ich dich etwas herzlicher empfange, wenn du nach Hause kommst. 2 Person: Ja, das stimmt ungefähr. Und so weiter. Dieser Prozeß kann außerordentlich wirksam sein, gekränkte Gefühle zu lindern, die hinter dem größten Teil unserer Konflikte stehen. Natürlich ist das keine Zauberlösung für ernste Partnerschaftsprobleme. Wenn Sie feststellen sollten, daß Sie mit dieser Struktur nicht
zurechtkommen oder daß es Ihnen nicht allzuviel weiterhilft, rate ich Ihnen eindringlich, eine professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Ich meine, daß die meisten von uns zu bestimmten Zeiten Hilfe bei der Bewältigung unserer Partnerschaftsprobleme brauchen, und für einen guten Therapeuten oder Berater gibt es keinen Ersatz. Jene Menschen, bei denen sich dieser Prozeß als hilfreich erweist, werden möglicherweise feststellen, daß seine etwas verkürzte Form bei regelmäßigem Einsatz große Probleme am Eskalieren hindert. Der Erde danken Nehmen Sie sich jeden Tag nach dem Aufstehen etwas Zeit, um aus dem Fenster zu schauen oder auf Ihren Hof hinauszugehen und die Schönheit der Natur an diesem Tag zu bemerken. Sollten Sie in einem Stadtapartment ohne Hof oder Bäume leben, können Sie das gleiche mit Ihren Zimmerpflanzen tun oder sich aus einem Fenster hinauslehnen und an den Himmel blicken. Danken Sie der Erdmutter und allen Elementen. Danken Sie ihnen für einen neuen Tag im Leben. Ein kostbares Geschenk. Die Schau des Gartens Nehmen Sie eine bequeme Meditationshaltung ein. Schließen Sie die Augen, atmen Sie einige Male tief durch und entspannen Sie Körper und Seele. Tun Sie so, als könnten Sie sich mehrere Jahre in die Zukunft befördern. Stellen Sie sich vor, daß Sie bereits sehr viel innere Heilungs- und Selbsttransformationsarbeit geleistet haben. Sie haben gelernt, alle Aspekte Ihrer selbst auf ausgewogene, integrierte Weise zu lieben und zu manifestieren. Dadurch sind Sie nun weise, machtvoll, liebevoll und von strahlender Lebendigkeit. Die männlichen und weiblichen Energien in Ihrem Inneren sind entwickelt und ausgeglichen, und Ihr inneres Kind kann sich frank und frei artikulieren. Sie stehen im Einklang mit Ihrer eigenen Seele und lassen sich von ihr führen. Sie haben intime, ehrliche, aufregende Beziehungen zu anderen, die Ihre Ganzheit widerspiegeln. Sie drücken sich selbst auf kreative Weise aus und lieben Ihre Arbeit. Stellen Sie sich Ihre Lebenssituation und Ihr Privatleben in möglichst vielen Einzelheiten vor. Lassen Sie es zur höchsten Vision Ihrer selbst werden. Auf der ganzen Welt hat eine große Bewußtseinsveränderung stattgefunden. Die menschliche. Art lebt nun in Harmonie mit sich selbst, mit anderen Arten und mit unserem Planeten. Viele der Institutionen und Strukturen, die nicht mit den Bedürfnissen des Planeten übereinstimmten, wurden aufgelöst oder abgewandelt. Inzwischen arbeiten Regierungen nur noch hocheffizient zum höchsten Wohle aller. Das Alltagsleben der Menschen ist erfüllt von dem natürlichen Reichtum und der Leidenschaft irdischer Existenz, und es steht in vollem Einklang zu Ihrer Verbindung mit Ihrer spirituellen Urquelle. Lassen Sie Ihrer Kreativität bei der Ausschmückung der Einzelheiten vollen Lauf. Imaginieren Sie, wie die Erde ihr natürliches Gleichgewicht wiederherstellt. Schöner, abwechslungsreicher, reicher und magischer denn je, ist sie ein wahrhaft wunderbarer Ort, um dort zu leben. Die Menschheit hat Weisheit und Bewußtsein entwickelt und ist auf diese Weise in den Garten zurückgekehrt.
Empfohlene Literatur Embracing Our Selves von Hai Stone, Ph.D., & Sidra Winkelman, Ph.D. New World Library. Ein Einführung in den Stimmendialog. Embracing Each Other von Hai Stone, Ph.D., & Sidra Winkelman, Ph.D. New World Library. Nutzung der Grundprinzipien des Stimmendialogs zum Verständnis und zur Heilung unserer Partnerbeziehungen. Maps to Ecstasy - Teachings of an Urban Shaman von Gabrielle Roth. New World Library. Ein Führer zum ursprünglichen, heilenden Selbst von einer außerordentlichen Lehrerin. Deutsche Ausgabe unter dem Titel Das befreite Herz (Heyne Taschenbuch 08 / 9551) Getting the Love You Want - A Guide for Couples von Harville Hendrix. Henry Holt & Co. Ein ausgezeichnetes Buch über Beziehungen. Sie sollten es auch dann lesen, wenn Sie nicht Teil eines Paars sind. Healing the Shame That Binds You von John Bradshaw. Health Communications, Inc. Ein großartiges Buch über das Erkennen und die Heilung des Kindheitsschmerzes. A Primer on Adult Children of Alcoholics von Timmen L. Cermak, M. D. Health Communications, Inc. Eines der klarsten und besten Bücher zum Thema. Co-dependent No More und Beyond Co-dependency von; Melody Beattie. Harper & Row. Zwei ausgezeichnete Beispiele für die vielen, gegenwärtig erhältlichen Bücher über Mitabhängigkeit. Deutsche Ausgaben unter den Titeln Die Sucht gebraucht zu werden und Unabhängig sein (Heyne 17 / 38 und 17 / 48) Focusing von Eugene Gendlin. Bantam Books. Beschreibt eine einfache und wirkungsvolle Technik, um Kontakt zu sich selbst zu bekommen und aufrecht zu halten. If You Want to Write von Brenda Ueland. Graywolf Press. Pflichtlektüre für jeden, der ein kreativeres, vergnügliches Leben führen will - entzückend! The Power of Your Other Hand von Lucia Capacchione. Newcastle Publications. Speaking of Siva - übersetzt von A. K. Ramanujan. Pen - guin Classics. Gedichte an Shiva von indischen Heiligen des 12. Jahrhunderts. Eines meiner Lieblingsbücher. The Tarot Handbook - Practical Application of Ancient Visual Symbols von Angeles Arrien. Arcus Publishing Co. Diet for a New America von John Robbins. Stillpoint Press. The Power of Myth von Joseph Campbell. Doubleday. Deutsche Ausgaben der Werke von Joseph Campbell in Vorb. beim Verlag Sphinx, Basel. The Universe is a Green Dragon von Brian Swimme. Bear & Co, Inc. The Presence of the Past von Rupert Sheldrake. Times Books. Deutsche Ausgabe erscheint beim Verlag Scherz, Bern und München. Kinship With All Life von J. Allen Boone. Harper & Row. Behaving as if the God in All Life Mattered von Michaelle Wright. Perelandra, Ltd. Nature: The Other Earthlings von James Shreeve. MacMillan. A Sand County Almanac von Aldo Leopold. Ballantine Books. Restoring the Earth von John J. Berger. Doubleday. Talking With Nature von Michael J. Roades. H.J. Kramer, Inc. On Nature - Herausgeber Daniel Halprin. North Point Press. Life in the Balance von David R. Wallace. Harcourt Brace Jovanovich, Inc. Begleitbuch zu der Audubon Fernsehserie. The Immense Journey von Lauren Eiseley. Random House. The Unexpected Universe von Lauren Eiseley. Harcourt Brace Jovanovich, Inc.
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